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German Pages [566] Year 1980
PETER BROUCEK · EIN GENERAL IM ZWIELICHT
DER
KOMMISSION
VERÖFFENTLICHUNGEN FÜR NEUERE GESCHICHTE BAND 67
ÖSTERREICHS
Ein General im Zwielicht Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau
Band 1 K. u. k. Generalstabsoffizier und Historiker eingeleitet und herausgegeben von
PETER BROUCEK
1980
HERMANN
BÖHLAUS
NACHF.
WIEN-KÖLN-GRAZ
DIE KOMMISSION FÜR NEUERE G E S C H I C H T E ÖSTERREICHS Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Erich Zöllner Stellvertretender Vorsitzender: Univ.-Prof Dr. Heinrich Fichtenau Univ.-Prof. DDr. Heinrich Benedikt Gen.-Dir. Hofrat Dr. Richard Blaas Univ.-Prof. Dr. Fritz Fellner Gen.-Dir. Hofrat Univ.-Prof. Dr. Walter Goldinger Hofrat Univ.-Prof. Dr. Alfred Hoffmann Univ.-Prof. Dr. Heinrich Lutz Gen.-Dir. Hofrat Dr. Rudolf Neck Univ.-Prof. Dr. Alexander Novotny Univ.-Prof. Dr. Richard Plaschka Univ.-Prof. Dr. Gerald Stourzh Univ.-Prof. Dr. Hans Wagner Univ.-Prof. Dr. Adam Wandruszka Univ.-Prof. Dr. Hermann Wiesflecker Univ.-Prof. Dr. Herwig Wolfram Sekretär: Univ.-Ass. Dr. Gernot Heiß
ISBN 3-205-08740-2 Copyright ® 1980 by Hermann Böhlaus Nachf. Gesellschaft m. b. H., Graz Alle Rechte vorbehalten Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Gesamtherstellung : Manz Satz+Druck, Wien 9, Lustkandlgasse 52
INHALTSVERZEICHNIS Seite
Einführung in die Gesamtedition
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Einleitung 1. Selbstbiographien österreichischer Offiziere 2. Entstehung des ersten Teils von Glaise-Horstenaus Memoirenwerk . . . 3. Quellenkritik der Erinnerungen a) Abstammung, Jugend, Militärerziehung b) Truppendienstleistung und Kriegsschule c) Im Armeeoberkommando d) Die militärpolitischen Bestrebungen Glaise-Horstenaus in der Nachkriegszeit bis 1934 e) Glaise-Horstenau als Archivar, Militärhistoriker und Journalist . . . . f ) Glaise-Horstenau als Direktor des Kriegsarchivs 4. Werkverzeichnis
15 15 18 18 18 21 26
Zur Edition
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Abkürzungsverzeichnis
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35 39 43 52
LEBENSERINNERUNGEN I. Jugend und Militärerziehung 1. Herkunft und Kindheit 2. Militärrealschule und Militärakademie II. Friedensdienstleistung 1. Die „schöne, wilde Leutnantszeit" 2. An der Kriegsschule 3. Truppengeneralstäbler 4. Kriegsgeschichtsschreibung und Kriegsarchiv III. Kriegsdienstleistung 1. Julikrise und Kriegsausbruch 2. Bei der 11. Infanterie-Truppen-Division 3. „Brigadevogel" bei der 88. Landesschützenbrigade 4. Beim 1. Armeekommando und im Kriegsministerium
67 67 92 139 139 168 213 253 273 273 286 307 315
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Inhaltsverzeichnis
5. Beim „ersten" Armeeoberkommando in den Kriegsjahren 1915/16 . . . . 6. Im „zweiten A O K . " 7. Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, Sixtus-Affäre und JuniSchlacht in Venetien 8. Die Katastrophe
321 385 442 490
IV. Nachkriegszeit 523 1. Die Zeit der Volkswehr. Armeezeitung und Wehrzeitung 523 2. Kriegsarchiv und Geschichtsstudium, Archivkollegen und Historiker.. 534 Personenregister
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Einführung in die Gesamtedition Wenn ein Österreicher in einflußreicher staatlicher Stellung die Jahre 1915 bis 1944 überdauert und zeitweise sogar ein Ministeramt eingenommen hat, wird man die Tatsache einer solchen Laufbahn mit einem gewissen Erstaunen oder Befremden zur Kenntnis nehmen. Hat eine solche Persönlichkeit auch noch Erinnerungen geschrieben, die sie, literarisch geschult, auch zu veröffentlichen beabsichtigte, so könnte man leicht den Verdacht von „Dichtung und Wahrheit" hegen, in einer von Goethe nicht beabsichtigten abschätzigen Deutung des Titels jenes Vorbildes vieler Memoirenwerke. Dies umso mehr, als es sich beim Autor um einen Mann handelt, dessen Bedeutung ebenso umstritten ist wie seine Haltung in manchen Situationen. Allerdings liegen bis jetzt nur wenige publizierte Erinnerungen von Politikern, Diplomaten, Literaten oder Offizieren vor, die näher auf die Person Edmund Glaise von Horstenaus und seine Tätigkeit eingehen 1 ). Uber Geburtstags- und Lexikonartikel hinaus ist auch keine wissenschaftliche Darstellung seines Lebens versucht worden 2 ). Dies ist angesichts seiner vielfältigen Arbeitsgebiete als Generalstabsoffizier und Historiker, Politiker und Militärdiplomat ebensowenig verwunderlich wie im Hinblick auf sein Schwanken zwischen dem Dienst am österreichischen Staat und dem Bekenntnis zur deutschen Nation als der von ihm erwünschten politischen Einheit. Hinneigung zum monarchistischen System und Katholizismus sowie weitgehende Einfügung in den Nationalsozialismus lassen sein Bild noch mehr schwanken. Der einer Offiziersfamilie entstammende Edmund Glaise von Horstenau wurde am 27. Februar 1882 als einziges Kind seiner Eltern in Braunau am Inn geboren. Er wuchs nach dem baldigen Tod des Vaters in Salzburg auf und fühlte sich dieser E t w a : A. Spitzmüller, „ . . . und hat auch Ursach, es zu l i e b e n . " , W i e n - M ü n c h e n 1955, vgl. R e g . ; F. Funder, Als Österreich den Sturm bestand. Aus der Ersten in die Zweite Republik, Wien-München 1957, vgl. R e g . ; U . v. Hassell, V o m anderen Deutschland, Zürich 1947, vgl. Reg. 2 ) Bisher: R . Kiszling, Edmund Glaise ν. Horstenau, in: N e u e Deutsche Biographie, Bd.6,423f.; N . Preradovich, Edmund Glaise ν. Horstenau, in: Deutsches Adelsarchiv, 12. J g . 1956, 126; G . Schlag, Edmund v. Glaise-Horstenau, Wien 1963 (Ungedr. Seminararbeit am Institut für Zeitgeschichte der Universität W i e n ) ; P. B r o u c e k , Edmund Glaise ν. Horstenau als k . u . k . Offizier und Historiker, in: Österreich in Geschichte und Literatur, J g . 2 3 , 1 9 7 8 (im D r u c k ) . Vgl. ansonsten die Hinweise bei: L . Jedlicka, Ein H e e r im Schatten der Parteien, G r a z - K ö l n 1956 (siehe Personenverzeichnis). Eine A n zahl von Geburtstags- und Würdigungsartikel in: Kammer für Arbeiter und Angestellte in W i e n , Tagblatt-Archiv, Mappe Glaise-Horstenau.
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Einführung in die Gesamtedition
Stadt sein Leben lang am stärksten verbunden. Dort erhielt er auch die Eindrücke von dem Gepränge der katholischen Kirche, die seine späteren kulturpolitischen Anschauungen mitbestimmten. Die zunächst vorhandene Vorliebe zum Priesterberuf mußte jedoch angesichts der sehr bedrängten materiellen Verhältnisse zugunsten der näherliegenden Ausbildung zum Offizier in den Militärschulen aufgegeben werden. Sie endete 1903 mit der Ausmusterung aus der Theresianischen Militärakademie als Leutnant zum 4. Tiroler Kaiserjägerregiment in Salzburg. Bald strebte der junge Leutnant die Generalstabslaufbahn an, geriet aber gleichzeitig in den Kreis der „großösterreichisch" gesinnten Offiziere, Journalisten und Literaten, die sich den Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand als Erneuerer der Donaumonarchie erhofften und von ihm zur Propagierung seiner Ideen auch herangezogen wurden. Zu dieser frühzeitigen, wenn auch entfernteren Berührung mit der großen Politik der Gegenwart kam schon vor und während der 1910 beendeten Generalstabsausbildung eine Bindung an die Militärgeschichtsschreibung und damit zum Wiener Kriegsarchiv. Als Hauptmann im Generalstabskorps wurde Glaise 1913 Mitarbeiter an diesem Institut. Der Name, den er sich mit seiner gewandten Feder bereits gemacht hatte, verhalf ihm im Weltkrieg nach kurzer Frontdienstleistung dazu, daß er im Juli 1915 ins Armeeoberkommando, dem Mittelpunkt der österreichisch-ungarischen Kriegsführung, berufen und in der Operationsabteilung verwendet wurde. Betraut mit der Verfassung der amtlichen Kriegsberichte, der „Kaiserberichte", des Kriegstagebuches und als Referent für militärpolitische Fragen, erhielt er bald einzigartige Einblicke in Entscheidungsfindungen auf den Gebieten der militärischen Operationen und der Bündnispolitik. Glaise wurde ein Bewunderer und Anhänger der deutschen Militärmacht. Wieweit er sich bei seiner dienstlichen Zusammenarbeit mit dem Bevollmächtigten der Deutschen Obersten Heeresleitung für deutsche Belange engagierte, in dem Bestreben, den immer mehr ansteigenden Selbständigkeitsdrang Ungarns - auch in militärischen Fragen - durch engste Anlehnung Österreichs an das Deutsche Reich auszugleichen, darüber können nur Vermutungen geäußert werden. Ein verzweifeltes Ausgeliefertsein an die schleichende Niederlage, die zu befürchtende Revolution und der drohende Bündnispartner ließen ihn jedenfalls in seiner Loyalität schwanken. Dieses Suchen nach einem Ausweg spiegelte aber gleichzeitig die Lage des Staates im letzten Kriegsjahr wider, die auch Glaise, damals über seine Dienststellung immer wieder weit hinausgreifend und aus ihr emporgehoben, zu Aktionen anspornte, die der Erhaltung der Monarchie dienen sollten. Der aus dem Zusammenbruch der Monarchie hervorgegangene neue Staat wollte Glaise noch Mitte 1919 für die Vorbereitungen eines Zusammenschlusses seines Heerwesens mit dem des Deutschen Reiches heranziehen. Die durch den Staatsvertrag von Saint-Germain geschaffene neue völkerrechtliche Stellung Österreichs machte derartige Absichten hinfällig und ließ dem politisch weiterhin ambitionierten Generalstäbler nur den Weg zurück ins Kriegsarchiv offen, dessen Direktion er 1925 übernahm. Hier forcierte er eher die Militärgeschichtsschreibung als die Arbeit des Archivars. Sowohl seine Bücher über das Wirken eines langjährigen Generalstabschefs der Monarchie, des Feldzeugmeisters Beck, und über den Zusammen-
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Einführung in die Gesamtedition
b r u c h dieses Staatswesens, seine R e z e n s i o n e n und seine A r t i k e l in T a g e s z e i t u n g e n und Zeitschriften prägten die ö s t e r r e i c h i s c h e M i l i t ä r g e s c h i c h t s s c h r e i b u n g der Z w i schenkriegszeit. Sie sind aber samt und s o n d e r s , e b e n s o wie die v o n ihm verfaßten militärpolitischen A b s c h n i t t e des unter seiner L e i t u n g entstandenen achtbändigen G e n e r a l s t a b s w e r k e s „ Ö s t e r r e i c h - U n g a r n s letzter K r i e g " , auch als politische G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g zu w e r t e n , die die „ K r i e g s s c h u l d f r a g e " und das Z u s a m m e n w i r ken Ö s t e r r e i c h s mit dem D e u t s c h e n R e i c h i m m e r im A u g e behielt. Politisch w a r Glaise damals eine A r t militärhistorischer F a c h m a n n der S t r ö m u n gen des sogenannten „ r e s t a u r a t i v e n K a t h o l i z i s m u s " , n u r n o m i n e l l A n g e h ö r i g e r der C h r i s t l i c h s o z i a l e n Partei. V o m w e h m ü t i g e n M o n a r c h i s m u s , einer starken gefühlsmäßigen A n t e i l n a h m e am K a m p f der S ü d t i r o l e r gegen die Italianisierung, einer r o m a n t i s c h e n R e i c h s i d e o l o g i e und einem G l a u b e n an u n v e r r ü c k b a r e D e t e r m i n a n t e n einer G e o p o l i t i k führte ihn der W e g z u m „ B e t o n t N a t i o n a l e n " der dreißiger J a h r e . E r ist in Zeitungsartikeln der von G l a i s e - H o r s t e n a u geleiteten
„österreichischen
W e h r z e i t u n g " e b e n s o v e r f o l g b a r wie in militärhistorischen und militärpolitischen Erörterungen.
Der Bogen
seiner P u b l i k a t i o n s o r g a n e
„Reichspost"
bis zu den
„Wiener
gleichgeschalteten
Zeitungen
und
Neuesten
spannt sich e t w a von
Nachrichten"
Zeitschriften.
Das
späte
und
anderen
der 1938
Universitätsstudium
1 9 2 0 / 2 2 und die T ä t i g k e i t in kulturellen ö s t e r r e i c h i s c h - d e u t s c h e n
Arbeitsgemein-
schaften w e r d e n j e n e politischen A n s i c h t e n u n t e r m a u e r t h a b e n . Bei den ersten G e s p r ä c h s v e r s u c h e n mit deutschnationalen K r e i s e n und illegalen N a t i o n a l s o z i a l i s t e n im S p ä t s o m m e r und H e r b s t 1934 bediente sich die R e g i e r u n g S c h u s c h n i g g der P e r s o n Glaises als Beispiel eines vertrauenswürdigen „ B e t o n t N a t i o n a l e n " . N a c h diesen m e h r o d e r w e n i g e r ergebnislos verlaufenen G e s p r ä c h e n verfiel die R e g i e r u n g dann neuerlich auf G l a i s e als den ins K a b i n e t t a u f z u n e h m e n d e n „ M i n i s t e r o h n e P o r t e f e u i l l e " , der als i n n e n p o l i t i s c h e r G a r a n t für die H e r a n z i e h u n g d e u t s c h n a t i o n a l e r o p p o s i t i o n e l l e r Kreise z u r Beteiligung an der R e g i e r u n g s p o l i t i k w i r k e n sollte. V o r a u s s e t z u n g dafür w a r ein N i c h t e i n m i s c h u n g s p a k t mit A d o l f H i t ler, das A b k o m m e n v o m 11. J u l i 1 9 3 6 3 ) . Glaises M i s s i o n erwies sich b i n n e n J a h r e s frist als ein M i ß e r f o l g . D i e nationalsozialistische L a n d e s l e i t u n g unter H a u p t m a n n L e o p o l d , zu der G l a i s e - H o r s t e n a u K o n t a k t hielt, w u r d e v o n d e m B e a u f t r a g t e n aus d e m D e u t s c h e n R e i c h W i l h e l m K e p p l e r als V e r t r e t e r der W i r t s c h a f t s p l ä n e
Her-
m a n n G ö r i n g s und der SS im V e r e i n mit der s o g e n a n n t e n „ K ä r n t n e r G r u p p e " der N a t i o n a l s o z i a l i s t e n bis F e b r u a r 1938 gänzlich überspielt und ausgeschaltet. D i e s e s c h o b e n m i t w a c h s e n d e r Billigung der deutschen M a c h t h a b e r den
Rechtsanwalt
D r . A r t h u r S e y ß - I n q u a r t als ihr österreichisches - auch e n t s p r e c h e n d ehrgeiziges A u s h ä n g e s c h i l d vor. G l a i s e hingegen w u r d e nach m e h r e r e n Z u s a m m e n k ü n f t e n mit H i t l e r und seinen Paladinen als P u p p e , als „ W e i h n a c h t s m a n n " , abgetan. Glaises H o f f n u n g , seine K o n t a k t e z u r R e i c h s w e h r f ü h r u n g in die W a a g s c h a l e w e r f e n zu k ö n n e n , blieb angesichts des nicht o d e r zu spät e r k a n n t e n U m s t a n d e s unerfüllt, daß 3 ) Die Memoiren darüber wurden bereits verwertet in: P. B r o u c e k , Edmund Glaise-Horstenau und das Juliabkommen 1936, in: Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission des T h e o d o r - K ö r ner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der österreichischen Geschichte der Jahre 1918 bis 1938, Bd. 4, Wien 1977, 1 1 9 - 1 3 5 .
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diese 1936/38 entweder auf Hitler eingeschworen, liquidiert, zur Resignation oder zum Rücktritt gezwungen wurde. Bei der Neuanknüpfung und Verstärkung dieser Verbindungen, die über den deutschen Militârattaché aufrechterhalten wurden, hat Glaise die Grenzen, die einem österreichischen Minister im Verkehr mit einem Vertreter des Auslandes gezogen waren, in der Besprechung der Außen- und der Militärpolitik weit überschritten. Im Vertrauen auf Hitlers Zusage einer ins Auge gefaßten weitreichenden und langfristigen Autonomie Österreichs im Rahmen Großdeutschlands und aus Scheu vor einer Entwicklung zum „sinnlosen Bruderkrieg" gab sich Glaise am 11. März 1938 zum Interpreten und Fast-Briefträger des Ultimatums Hitlers an den österreichischen - seinen eigenen - Regierungschef her. Schwerer psychischer Druck von seiten der deutschen Machthaber, aber auch gekränkter Ehrgeiz und erneuter Drang zur Möglichkeit der unmittelbaren Berichterstattung trugen zu dieser erniedrigenden Haltung bei. Glaise wurde für wenige Tage im März 1938 Vizekanzler im Kabinett SeyßInquart und blieb bis zu dessen endgültiger Auflösung in der „Regierung des Landes Österreich". Er erlebte die schmachvolle Behandlung seiner Heimat durch die Nationalsozialisten und verfolgte die außenpolitischen Aktionen und innenpolitischen Veranstaltungen und deren Vorbereitung mit Hilfe guter Informationsquellen von meist sehr guten „Beobachtungspunkten". Seine Bekannten im Heer und in der Verwaltung suchten für ihn die Stellung des Chefs einer obersten deutschen Archivverwaltung oder eines kriegswissenschaftlichen Referenten des Oberkommandos der Wehrmacht zu schaffen. All dies gelang aber bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht. Auch dann konnte Glaise zunächst nur den Posten eines Inspekteurs der Kriegsgräberfürsorge im Oberkommando der Wehrmacht übernehmen. Allerdings blieb er weiter gut informiert, erhielt den Auftrag, im Frühjahr 1940 „Ostmärkische" Truppenteile an der Westfront zu inspizieren und als „Adabei" - so seine mehrmalige Ausdrucksweise - konnte er am Schauspiel der Einleitung der Waffenstillstandsverhandlungen bei Compiègne teilnehmen. Im Juli 1940 erhielt er eine Mission nach Moskau. Doch auch seinen weiteren Bemühungen, im Oberkommando der Wehrmacht eine ähnliche Funktion wie früher im k . u . k . Armeeoberkommando zu erlangen, blieb der Erfolg versagt. Erst als Hitler nach seinem Uberfall auf Jugoslawien Glaise in Mönichkirchen am 12. April 1941 zum Bevollmächtigten Deutschen General in Agram ernannte, bekam Glaise wieder eine seiner Erfahrung und Begabung entsprechende Aufgabe und Stellung. Allerdings hatte er von Anfang an einen äußerst schweren Stand, da er sich sowohl den Gebiets- und Herrschaftsansprüchen Italiens, dessen Einflußsphäre der „Unabhängige Staat Kroatien" zugeteilt wurde, als auch dem kroatischen Staatschef Ante Pavelic und seiner Umgebung, die vom Geist des Faschismus und des Hasses gegen die Serben erfüllt waren, gegenübergestellt sah. Glaise führte gegen die bald aufflackernde und ab 1942 immer mehr um sich greifende Partisanenbewegung nur im Frühjahr 1943 eine Kampfgruppe im „Unternehmen W e i ß " in Slawonien. Als Territorialbefehlshaber über deutsche Truppen und als Militärdiplomat zeigte er jedoch Mut und Geschick bei vielen Versuchen, die von beiden Seiten im Kampf verübten ungeheuren Greueltaten einzudämmen
Einführung in die Gesamtedition
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oder wenigstens zu mildern. Glaises weitgehende politische Pläne dieser Jahre für den österreichisch-ungarisch-jugoslawischen Raum sind noch fast unerforscht und blieben schließlich zum Scheitern verurteilt. Wohl aber leitete Glaise erfolgversprechende Verhandlungen mit dem Oberkommando der Partisanen ein, die, wären sie nicht von Hitler kategorisch unterbunden worden, zu einer wesentlichen Einschränkung der Kämpfe hätten führen können. So fiel schließlich Glaise den gemeinsamen Anstrengungen des deutschen Auswärtigen Amtes, das in ihm einen unerwünschten Mahner, Kompromißler und Außenseiter sah, und des kroatischen Staatschefs zum Opfer und wurde mit 7. September 1944 abgelöst. In die Führerreserve versetzt, unternahm er bei der Wehrmachtführung Versuche, den österreichischen Raum aus den Kämpfen herauszuhalten. Nach der Flucht nach Salzburg im März 1945 unterstützte er Bestrebungen, in Westösterreich einen reibungslosen Ubergang zur österreichischen Verwaltung zu organisieren. Glaise begab sich in amerikanische Kriegsgefangenschaft und stand im Nürnberger Prozeß beim Verfahren gegen Seyß-Inquart der Verteidigung als Zeuge zur Verfügung. Krank, mutlos und immer wieder von Verzweiflung ergriffen, machte er in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1946 im Lager Langwasser bei Nürnberg seinem Leben durch Gift ein Ende. Er scheint seiner Heimat am Lebensende verbundener denn je gewesen zu sein, konnte sich aber mit der Neugestaltung der politischen Verhältnisse nur schwer abfinden. Fast ebenso bewegt und sprunghaft wie der Verlauf seines Lebens war das Zustandekommen von Glaises autobiographischen Aufzeichnungen. Ihre Bergung und Bewahrung gleicht Abenteuern, wie dies ja nicht nur bei mittelalterlichen erzählenden Quellen, sondern auch bei zeitgeschichtlich relevanten Schriften, insbesondere militärischen, öfters der Fall ist 4 ). Glaise verfaßte am Ende seiner Laufbahn 1945/46 Memoiren über seinen ersten Lebensabschnitt. E r hielt mit seiner Arbeit bei den Jahren 1923/24, als er starb. Bereits 1939 hatte er mit einer kontinuierlichen Darstellung der Erlebnisse während seiner Ministertätigkeit begonnen 5 ). Er unterbrach diese maschinschriftliche Darstellung durch ebensolche Tagebuch- und kurzfristiger zurückblickende Erinnerungsaufzeichnungen, soweit er dazu Zeit erübrigte. Teilweise ergänzte und ordnete er diese dreiundzwanzig Typoskriptfragmente 1944/45. Im Jahre 1942 hatte er ein von vornherein einheitlicher und konsequenter konzipiertes Gemisch aus Tagebuch- und Memoirenaufzeichnungen begonnen und bis Oktober 1944 zu Ende geführt. Ihnen schloß er weitere bis April 1945 gelegentlich geführte Tagebuchaufzeichnungen, durch Textbrücken miteinander verbunden, an. Aus dieser Entstehungsgeschichte, die noch weiterer Erörterungen bei der Einleitung zu den einzelnen Teilen samt einer Bergungsgeschichte bedarf, geht hervor, 4 ) U b e r die Erlebnisse bei der Sammlung und Bergung militärischer Nachlässe siehe: H . Teske, Wenn Gegenwart Geschichte wird . . ., Neckargemünd 1 9 7 4 ; P. Broucek, D e r Nachlaß Feldmarschall Conrads und das Kriegsarchiv, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs, J g . 28, 1975, 1 6 4 - 1 8 2 . Das Kriegsarchiv hat von über tausend Persönlichkeiten Nachlässe oder Nachlaßteile. 5 ) Glaises Aufzeichnungen über die Zeit vom 6. März bis 14. März 1938 wurden in stark gekürzter Fassung veröffentlicht durch Gebhard Rath in: Wochenpresse vom 2 7 . 1 1 . 1 9 6 8 , 1 4 ; 4 . 1 2 . 1 9 6 8 , 1 2 ; 11.12.1968,14.
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daß die Aufzeichnungen Glaises eine Einführung und Kommentierung sowie, besonders im zweiten Teil, eine Textbearbeitung und Kürzung verlangen. Der erste Teil (Leben bis 1924) enthält nicht nur die notwendige und unerläßliche Grundlage zum Verständnis vom weiteren Tun und Lassen des Verfassers, sondern auch Einblicke in den Prozeß des Zerfalls der Donaumonarchie, die viele bereits bekannte Umstände und Motive ergänzen und verdeutlichen. Umso mehr mußte der Versuch unternommen werden, diese aus großem Abstand vorgenommene Darstellung mit Akten und erzählenden Quellen, darunter glücklicherweise auch noch hochwertige mündliche Auskünfte, zu vergleichen. Die angeführten Fakten waren oft zu präzisieren und in einigen Fällen auch zu korrigieren. Großes Augenmerk wurde bei der Kommentierung dem Umstand beigemessen, daß Glaise einen großen Bekanntenkreis suchte, überragende Personenkenntnis besaß und diese fast auch beim Leser voraussetzte. Dadurch schien im Anmerkungsapparat die Möglichkeit zu bestehen, einmal einen guten Teil jener ersten und vor allem „zweiten" Männer von 1910 bis 1920 vorzustellen, die im Bereich des Heerwesens aber auch in Diplomatie, Literaten- und Gelehrtenwelt in den Gang der Ereignisse eingriffen oder die Umwelt des bildungsbeflissenen Offiziers prägten. Beim zweiten Teil (1936-1941) wieder wäre besonders zu beachten, daß Glaise seine „Leistungen" zunächst aufzuwerten, dann aber in seinen Ergänzungen eher einzuschränken bestrebt war. Fragmentarische Urteile aus zeitlicher Distanz stehen im Tagebuch ebenso bruchstückhaften Schilderungen aus unmittelbarem Erleben gegenüber. Zum Vergleich dienen neben den sonstigen Quellen gewisse aphoristische und Frage-Antwort-Aufzeichnungen Glaises, die als Stütze für Verhöre und etwaige Gerichtsverfahren angefertigt und im Nachlaß seines geistlichen Beraters aufgefunden worden sind. Glaises sonstiger Schriftennachlaß zu den beiden ersten Abschnitten wurde von seinem Bekanntenkreis 1945 aus Angst und weitere Schriften zum zweiten und dritten Teil aus Mutwillen vernichtet. Bei der Lektüre dieses dritten Teiles ist man einerseits erstaunt, wie sehr Glaise Kopf und Kragen zu riskieren bereit war, als er ab 1942, zeitweise bereits in einer Art Untergangsstimmung und mit der konservativen Opposition gegen den Nationalsozialismus in gewisser Berührung, seine Aufzeichnungen führte 6 ). Durch seine oftmaligen Flüge ins Führerhauptquartier, nach Wien und Berlin, konnte er Aufzeichnungen über Lagebeurteilung in den Zentren der deutschen Kriegführung und über Zustände in Österreich anfertigen. Das Hauptgewicht der Darstellung, die Ereignisse in Jugoslawien, dann in Wien und auch in Salzburg sind zwar reichhaltig, unterlagen offenbar aus noch schwerwiegenderen Gründen dem Geheimhaltungswillen in bezug auf manche Absichten und Handlungen Glaises. Zur Ergänzung müssen in diesem Fall für die Einleitung und Kommentierung alle erreichbaren Quellen ausgeschöpft werden, um Schönfärberei oder haßerfüllte Propaganda aller 6 ) Verschiedene Aufzeichnungen Glaises über die Jahre 1941 bis 1944 wurden bereits herangezogen in: R. Kiszling, Die Kroaten. Der Schicksalsweg eines Südslawenvolkes, Graz-Köln 1956. Glaises amtliche Berichte, soweit vorhanden, bilden die Grundlage von : G. Fricke, Kroatien 1941-1944. Der „ U n abhängige Staat" in der Sicht des Deutschen Bevollmächtigten Generals in Agram Glaise v. Horstenau, Freiburg 1972 (Einzelschriften zur militärischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bd. 8).
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Seiten zurechtrücken und der Geschichtsschreibung das benötigte Material anbieten zu können. Insgesamt wäre es wohl möglich, daß aus dieser autobiographischen Quelle für die Geschichte der Donaumonarchie, der Republik, des Ständestaates, Österreichs in der NS-Zeit sowie des südosteuropäischen Raumes Nutzen gezogen wird. Vor allem könnte sie ein Beitrag zu einer Darstellung von „Staatskunst und Kriegshandwerk" in ereignisreichen Jahren Österreichs und Europas sein. Der Herausgeber gedenkt an dieser Stelle vor allem des Hofrats Univ. Prof. Dr. Ludwig Jedlicka, korrespondierenden Mitglieds der österreichischen Akademie der Wissenschaften, der seit über zwanzig Jahren die Herausgabe aller dieser Aufzeichnungen anstrebte. Herr Dr. Wilhelm Höttl, Bad Aussee, hat das Manuskript des ersten Teiles der Erinnerungen gerettet, bewahrt und dem Kriegsarchiv zur Verfügung gestellt. Generaldirektor des österreichischen Staatsarchivs Univ. Prof. Dr. Walter Goldinger hat der Bearbeitung der Erinnerungen zugestimmt und Herr Univ. Prof. Dr. Erich Zöllner hat die Aufnahme der Arbeit in die „Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs" in die Wege geleitet. Viele Institutionen und Persönlichkeiten haben durch Erteilung von Auskünften und Gewährung von Hinweisen die Erstellung des Anmerkungsapparates erleichtert. Besonders danken möchte ich in diesem Zusammenhang den Herren Senatsrat Dr. Josef Gassner, Salzburger Museum Carolino Augusteum, Leitender Archivdirektor Dr. Friedrich-Christian Stahl, Bundesarchiv/Militärarchiv in Freiburg im Breisgau und Archivoberrat Dr. Rainer Egger, österreichisches Staatsarchiv/ Kriegsarchiv. Für die Unterstützung bei der Verfassung der Einleitung fühle ich mich meinem alten Lehrer Oberstudienrat Dr. Karl Minha, kurzfristig Volontär im Kriegsarchiv, besonders verbunden. Ohne die außerordentliche Hilfe meiner Gattin Gertraud wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Den ersten Band dieser Memoiren widmet der Herausgeber - gewiß im Sinne des Verfassers - dem Gedenken an die beiden Kameraden Edmund Glaise-Horstenaus an der Militärakademie, im Regiment, im Generalstabskorps und - in einem Fall auch im Kriegsarchiv Kommerzialrat Wilhelm Hirsch von Stronstorff, k. u.k. Major im Generalstabskorps i.R., k.u.k. Oberstleutnant im Generalstabskorps i . R . bzw. Oberst und - später - Heeresarchivdirektor a.D. Prof. Rudolf Kiszling. Wien, im Dezember 1978
Peter Broucek
EINLEITUNG 1. S E L B S T B I O G R A P H I E N Ö S T E R R E I C H I S C H E R O F F I Z I E R E Die österreichische militärische Memoirenliteratur 1 ), sowohl die veröffentlichte als auch die nicht verbreitete, setzt erst mit dem Zeitalter der Französischen Revolution in erwähnenswertem Umfang ein 2 ). Wohl sind für das siebzehnte Jahrhundert die autobiographischen Aufzeichnungen Feldmarschall Raimund Graf Montecuccolis hervorzuheben 3 ), die gleichzeitig als Erinnerungswerk und als Lehrbehelf gedacht waren. Von den Männern, die nach ihm an die Spitze des Heeres berufen worden sind, haben erst Erzherzog Carl 4 ) und Radetzky 5 ) ähnliche Vorhaben in sehr unterschiedlichem Umfang in die Tat umgesetzt. Zur Zeit dieser Feldherrn ha1 ) Vgl. neben den Einführungen in die Geschichtswissenschaft, z. B . W . Bauer, Einführung in das Studium der Geschichte, 2. Aufl. Wien 1 9 2 7 , 2 9 2 f . ; n o c h : T h . Klaiber, D i e deutsche Selbstbiographie, Stuttgart 1921; A. v. Harr.ack, Gedanken über Memoiren und Tagebücher, in: D i e Welt als Geschichte, J g . 1 0 / 1 9 5 0 , 2 8 - 3 8 ; Ü b e r die Quellen zur österreichischen Militärgeschichte vgl. neben den allgemeinen Werken zur Heeresgeschichte: G . Bancalari, Quellen der österreichischen Kriegs- und Organisationsgeschichte nebst einem Anhange über die Aufgabe der militärischen Geschichtsschreibung und ihre Methode (Beiträge zur Geschichte des österreichischen Heerwesens, 2. Heft), Wien 1872; J . Pohler, Bibliotheca historicomilitaris. Systematische Ubersicht der Erscheinungen aller Sprachen auf dem Gebiete der Geschichte der Kriege und Kriegswissenschaft seit Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Schluß des Jahres 1880, I V . B d . , Leipzig 1899. 2 ) Zahlreiche Hinweise auf - zum Teil auch militärische - Autobiographien des sechzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts enthält: A. W o l f , Geschichtliche Bilder aus Österreich, 2 B d e . , Wien 1 8 7 8 - 1 8 8 0 . 3 ) Nach den ersten Ausgaben seiner Hauptwerke, die bald nach Montecuccolis Ableben erfolgt sind, verlangte Anfang des neunzehnten Jahrhunderts die neu gegründete „ ö s t e r r e i c h i s c h e Militärische Zeitschrift" nach Ubersetzung und Herausgabe seiner W e r k e . Sie sollten an der Wiener Neustädter Akademie bearbeitet werden. Eine größere Edition erfolgte jedoch erst fast hundert Jahre später: Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli General-Lieutenant und Feldmarschall. H g . v. d. Direction des k. u. k. Kriegs-Archivs. Bearbeitet von Hauptmann Alois Veltzé, B d . 1 - 4 , Wien-Leipzig 1899/1900. D e n letzten Stand der Forschung bieten die Arbeiten von T h o m a s M . Barker, insbesondere sein B u c h : T h e Military Intellectual and Battie. Raimondo Montecuccoli and the Thirty Years War, Albany, N e w Y o r k , 1975. 4 ) Erzherzog Carl v. Österreich, Ausgewählte Schriften, hg. v. F. X . Malcher, 6 b d e . , Wier-Leipzig 1893/94; ders., Aphorismen, hg. v. F . X . Malcher, Wien-Leipzig 1893. 5 ) Die Frage der Autorschaft und der Uberlieferungsart (Niederschrift oder Diktat) der autobiographischen Aufzeichnungen Radetzkys ist noch nicht ganz geklärt: Erinnerungen aus dem Leben des F M . G f . Radetzky. Eine Selbstbiographie (1766 bis 1813) in: Mitteilungen des k . k . Kriegsarchivs, N . F . , 1. B d . , 1887, 3 - 7 9 ; Aus meinem Leben, 1814 bis 1847, i n : Öster-eichische Rundschau,
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ben dann auch Stabs- und Subalternoffiziere, offenbar auch allein aus Lust am Erzählen ihrer Erlebnisse oder aus Stolz über die erfolgreiche Bewältigung dieser vielen Feldzugsjahre, zur Feder gegriffen 6 ). Doch schon die Befreiungskriege brachten Werke hervor, die - im Rahmen der Autobiographie - vor allem bezweckten, die kaiserliche Armee und ihre Feldherren gegen Angriffe in Schutz zu nehmen 7 )7 Ätle diese Tendenzen, die rechtfertigend-referierend-vergangenheitsbezogenen und die eher belehrend-zukunftsweisenden, fanden ihre Ausformung in zahlreichen Autobiographien des neunzehnten Jahrhunderts. Als klassische Werke wären etwa die Aufzeichnungen von Weiden 8 ), Schönhals 9 ), Mollinary de Monte Pastello 10 ), Gründorf von Zebegény 1 1 ) und Torresani 1 2 ) zu nennen. Diese Reihe schließt mit den Werken der beiden letzten Chefs des Generalstabes der k. u.k. gesamten bewaffneten Macht, Feldmarschall Conrad und Generaloberst Arz 1 3 ), die aber, zum Unterschied von ihren Vorgängern, nur noch wenige Lehren für die Zukunft zu geben hatten. Zufolge des Unterganges des Staates, dem sie gedient, und der Armee, der sie angehört hatten, gaben sie dem größeren Teil ihrer autobiographischen Werke mehr als dies bisher geschehen war den Charakter von Rechtfertigungsschriften, die bei Conrad mit Hilfe des Kriegsarchivs zu einer Dokumentation seiB d . X I V / 1 9 0 8 , 1 7 2 - 1 7 9 ; Die Märztage des Jahres 1848 in Mailand, ebdt., 2 3 9 - 3 4 8 . Weitere autobiographische Schriften und Werke sind zitiert in: O . Regele, Feldmarschall Radetzky. Leben, Leistung, Errbe, Wien-München 1957, 523. Möglicherweise sind weitere autobiographische Schriften im weitgehend noch unbearbeiteten Nachlaß Radetzkys im Kriegsarchiv enthalten. 6 ) Z . B . : J. Rauch, Erinnerungen eines Offiziers aus Alt-Österreich. Mit einer Einleitung und Anmerkungen aus der Urhandschrift, hg. aus der Urhandschrift v. A. Weber, München 1918 (Denkwürdigkeiten aus Altösterreich, Bd. X X I ) ; H. R. v. Födransperg, Vierzig Jahre in der österreichischen Armee. Erinnerungen eines österreichischen Offiziers von seinem Eintritte in die Armee bis zur Gegenwart 1854-1894, 2Bde., Dresden, o. J . ; B/631, nr. 1: J . R. v. Blaschek, Mein Lebenslauf; B/590, nr. 7: Erinnerungen 1836 bis 1860. 7 ) Z . B . : M. R. v. Thielen, Erinnerungen aus dem Kriegerleben eines 82jährigen Veteranen der österreichischen Armee, mit besonderer Bezugnahme auf die Feldzüge der Jahre 1805, 1809, 1813, 1814, 1815; nebst einem Anhang die Politik Österreichs vom Jahre 1808-1814 betreffend, Wien 1863. 8 ) L. Frh. v. Weiden, Geschichte der Feldzüge der österreichischen Armee in den Jahren 1848/49, Wien 1875. ®) C. v. Schönhals, Erinnerungen eines österreichischen Veteranen aus dem italienischen Krieg der Jahre 1848 und 1849, Stuttgart-Tübingen 1852. 1 0 ) A. Frh. v. Mollinary, 46 Jahre im österreichisch-ungarischen Heere, 1833 bis 1879, 2Bde., Zürich 1905. 1 1 ) W. Gründorf v. Zebegény, Memoiren eines österreichischen Generalstäblers 1832-1866 (Memoiren-Bibliothek IV. Serie, 12. Bd.), Stuttgart 1913. 1 2 ) C. Torresani, Von der Wasser- bis zur Feuertaufe. Werde- und Lehrjahre eines österreichischen Offiziers, 2Bde.,4. Aufl., Dresden-Leipzig 1901. 1 3 ) Conrads autobiographisches Hauptwerk: Aus meiner Dienstzeit, 1906-1918, 5 Bde. Text und 2Bde. Beilagen, Berlin 1921/25. Über die sonstigen Werke vgl. die Zusammenstellung in: Conrad v. Hötzendorf, Private Aufzeichnungen. Erste Veröffentlichungen aus den Papieren des k . u . k . Generalstabschefs, bearbeitet u. hg. v. K. Peball, Wien-München 1977. Die autobiographischen Hauptwerke Arz' sind: Zur Geschichte des großen Krieges 1914 bis 1918, Wien-Leipzig-München 1924; Kampf und Sturz der Kaiserreiche, Wien 1935. Einige autobiographische Aufsätze finden sich auch in militärwissenschaftlichen Fachzeitschriften, der „österreichischen Wehrzeitung" und den; „Neuen Wiener Tagblatt".
Selbstbiographien österreichischer Offiziere
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ner Dienstzeit von 1906 bis 1914 ausgeweitet worden ist. N a c h dem Ersten Weltkrieg hätten wohl viele andere bedeutende Offiziere als Folge der rigorosen Pensionierungs- und Abbaumaßnahmen zu derlei Arbeiten Zeit gehabt. Die wirtschaftliche Situation erlaubte jedoch nur ausnahmsweise die Veröffentlichung derartiger W e r k e 1 4 ) . Etwas häufiger sind Serien von autobiographischen Aufsätzen in einschlägigen Zeitschriften oder Zeitungen 1 5 ) gewesen, die mitunter noch zu Büchern verarbeitet werden konnten 1 6 ). Viele Erinnerungswerke oder Tagebuchaufzeichnungen wurden in H a n d - oder Maschinschrift von ihren Autoren oder deren N a c h k o m m e n im Kriegsarchiv hinterlegt 1 7 ). Wir wissen durch viele Zeugnisse und Rezensionen Glaises, daß dieser alle angeführten W e r k e und noch viele weitere kannte 1 8 ). Auch die ungedruckten Schriften erhielt er zum guten Teil im Zuge der Materialsammlung und -erfassung für das Generalstabswerk „ Ö s t e r r e i c h - U n g a r n s letzter K r i e g " , sowie bei der Konzipierung seiner eigenen W e r k e vorgelegt. Dazu kamen noch Erinnerungen von Beobachtern, den Militârattachés 1 9 ) einerseits, Journalisten und Kriegsberichterstattern 2 0 ) andererseits. ) C . v. Bardolff, Soldat im alten Österreich. Erinnerungen aus meinem Leben, Iena 1938. ) Als Beispiel eines höheren Offiziers im Hinterland sei G M . Michael V o m e r ( 1 9 1 4 - 1 9 1 7 Generalstabschef des Militärkommandos Wien) angeführt, der seine Erinnerungen in den Jahren 1925 bis 1937 in loser Folge im „ N e u e n Wiener Journal" veröffentlichte, aber auch hie und da für andere Zeitungen schrieb. G M . (des österr. Bundesheeres) Chlodwig Schwarzleitner-Domonkos ( 1 9 1 4 - 1 9 1 7 in verschiedenartiger Verwendung als Generalstabsoffizier an der Front) veröffentlichte seine Erinnerungen in der „ O s t . Wehrzeitung" in den Jahren 1920 bis 1922. 1 6 ) Die bekanntesten und wohl am besten gelungenen Werke sind die Darstellungen von Robert Mimra und Fritz Weber: R. Mimra, Batterie 4, Graz 1930; ders., Im Schatten des 3. November, Graz 1933. Weber weitete seine autobiographischen Schriften, die vor allem unter dem Titel ,,Das Ende einer A r m e e " , 2. Aufl. München 1938, erschienen und aus vielen Artikeln in „Neues Wiener Tagblatt-Wochenausgabe" hervorgegangen sind beziehungsweise durch weitere ergänzt wurden, zu einer Geschichte der Südwestfront aus: Isonzo 1915 (2: 1916; 3: 1917), Klagenfurt 1933; Alpenkrieg, Klagenfurt 1935. ,4 ls
1 7 ) Hier sind vor allem zu nennen: B/151, n r . 2 : T h . R. v. Zeynek, Das Leben eines österreichischungarischen Generalstabsoffiziers, Wien 1940; B / 5 , nr. 1: J . Lustig-Prean, Aus den Lebenserinnerungen eines alten k . u . k . Offiziers, Wien 1941; B / 6 0 0 , nr. 1 u. 2: A. Lehár, Bergauf und bergab, o . J . (1924 bis nach 1950); B / 8 3 3 , nr. 2: F. X . Schubert, Mein Lebenslauf, o . J . (nach 1940, bis 1918 geführtes Fragment); B / 7 7 , nr. 24: O . Wiesinger, Fragment eines Memoirenmanuskriptes (wahrscheinlich im 2. Weltkrieg begonnen). l e ) Vgl. das Werkverzeichnis. , 9 ) M. Martchenko, La Catastrophe Austro-Hongroise, Souvenirs d'un Témoin oculaire, Nancy-Paris-Strasbourg 1920; D . Dawson, A Soldier-Diplomat, London 1927; E. Bossan de Garagnol, Le Colonel de La-Tour-du-Pin d'après lui-même, Paris 1934; Th. Montgomery-Cuninghame, Dusty Measures. A Record of Troubled Times, London 1939. 2 0 ) Vgl. J . de Pierrefeu, G . Q . G . Trois ans au Grand Quartier Général, 2 B d e . , Paris 1920; ders. Plutarch hat gelogen, Berlin 1923. Vgl. dazu: M. Hoen, Das Enfant terrible im Hauptquartier, in: N W T . , 2 8 . 1 2 . 1 9 2 3 , 2 f . Auf seiten der Mittelmächte sind vor allem die Werke Emil Seeligers zu nennen, die allerdings besonders auf Publikumswirksamkeit bedacht sind: Hötzendorf, der Retter Berlins, und andere „Enthüllungen", Leipzig-Wien 1919; Abendsonne über Habsburgs Reich. Markgraf Bela Pallavicini erzählt, Wien-Leipzig 1935; Hotel Sacher, Weltgeschichte beim Souper, Berlin 1939; Maulwürfe des Völkerringens, Berlin 1940; König der Demokraten. Erlebnisse um Eduard V I I . , Berlin 1943 (die gesamte Auflage dieses letztgenannten Werkes soll mit Ausnahme eines Vorausexemplares an den Autor,
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Einleitung
2. ENTSTEHUNG DES ERSTEN TEILS VON GLAISE-HORSTENAUS MEMOIRENWERK Glaises Gedankengänge über die publizistische Verwertung eigener Erlebnisse reichen bis zu seiner Tätigkeit in der Operationsabteilung des Armeeoberkommandos zurück 21 ). Damals geführte bruchstückhafte Tagebuchaufzeichnungen sind teils 1918, teils 1945 verlorengegangen. Abgesehen von zahlreichen Zeitungsartikeln mit persönlichen Erlebnissen, die Glaise in der Zwischenkriegszeit publizierte, wurde er erst wieder nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dazu veranlaßt, Aufzeichnungen über den ersten Teil seiner Laufbahn niederzulegen. Als Glaise, der sich bei Kriegsende in amerikanische Kriegsgefangenschaft begeben hatte, schließlich als Zeuge für den in Nürnberg vorbereiteten Kriegsverbrecherprozeß herangezogen werden sollte, traf er dort wieder auf den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Dr. Wilhelm Höttl 22 ), der Glaise schon in Wien als Mentor und väterlichen Freund betrachtet hatte. Mit dessen Hilfe und ständiger Aufmunterung begann er die Niederschrift des vorliegenden ersten Teils der Erinnerungen. Bevor Glaise dann nach seiner Zeugenaussage in das Nebenlager Langwasser überstellt wurde, gab er Dr. Höttl dieses Manuskript mit Ausnahme der erst halb beschriebenen letzten Seite, die nach dem Tode Glaises - am 20. Juli 1946 - in dessen Hinterlassenschaft vorgefunden wurde. Nach verschiedenen Bemühungen, insbesondere Interventionen Ludwig Jedlickas, überließ Höttl im Jahre 1969 das Manuskript Glaises dem Kriegsarchiv 23 ;.
3. QUELLENKRITIK DER ERINNERUNGEN a) Abstammung, Jugend, Militärerziehung Wie Glaise-Horstenau 1923 und dann besonders 1936 bis 1939 Ahnenforschung betrieb, hat er bereits selbst geschildert 24 ). Die Herkunft seiner Familie aus der Provence dürfte demnach gesichert sein 25 ). Für die Zeit der Kindheit sind neben Glaises Memoiren keine Quellen vorhanden, die vergleichend herangezogen werden können. das sich nunmehr im Kriegsarchiv befindet, und eines weiteren Exemplares vernichtet worden sein). Von Seiten der Neutralen sind die Erinnerungen des Historikers H. Stegemann, Erinnerungen aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Stuttgart-Berlin-Leipzig 1930, erwähnenswert. 2 1 ) Uber weitere Vorbilder für Glaises Memoirenwerk - l . T e i l und über die von ihm zu diesem Zweck gesammelten Unterlagen wird der Herausgeber eine gesonderte Abhandlung vorlegen. 2 2 ) Das Folgende nach Mitteilung D r . Höttls an den Herausgeber, 28. März 1975. " ) K A . , Direktionsakt 44538/69, Schreiben Dr. Höttls an das Kriegsarchiv, Bad Aussee, 2 4 . 1 0 . 1 9 6 9 . Weitere diesbezügliche Akten: 46682/69, 27311/70, 31278/70, 32724/70. 24)
Vgl. A n m . 3 der Edition. K. Lutz, Ein Soldat des Großdeutschen Reiches, in: Westmark, Jg. 5 / 1 9 3 8 - 1 9 3 9 , 4 2 1 - 4 2 6 . Ν. v. Preradovich, Dr. h. c. Edmund Glaise v. Horstenau, der Deutsche General in Kroatien. Zu seinem zehnten Todestag am 29. (sie !) Juli 1946, in: Deutsches Adelsblatt, Jg. 12/1956, 126 u. R. Kiszling, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 6, 1964, 423 schrieben noch irrtümlich von einer lothringischen A b kunft. 25)
Q u e l l e n k r i t i k der Erinnerungen
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Seit 1874, dem Jahr der letzten Reform des österreichisch-ungarischen Militärerziehungswesens 26 ), gab es zwei Möglichkeiten der Ausbildung zum Offizier, der Beruf, den Glaise-Horstenau schließlich gewählt hatte: entweder die Absolvierung einer vierjährigen Militär-Unterrealschule oder einer zivilen Untermittelschule und sodann einer vierjährigen Kadettenschule mit Ausmusterung als Kadett-Offiziersstellvertreter beziehungsweise seit 1908 als Fähnrich. Oder aber man absolvierte nach der Untermittelschule die dreijährige Militär-Oberrealschule, um dann drei Jahre lang eine Militärakademie zu besuchen und als Leutnant ausgemustert zu werden. Auf diese Weise sind etwa zwischen 1883 und Oktober 1914 16000 Offiziere zur Infanterie- und Jägertruppe des Heeres eingeteilt worden, gegen 2400 kamen aus der Theresianischen Militärakademie und etwa 2300 waren aktivierte Reserveoffiziere und Einjährig-Freiwillige. Bei der Infanterie war das Verhältnis Akademiker zu Kadettenschüler etwa 1:8 oder 1:9, bei der Kavallerie 1 : l 2 7 ). Die Kadettenschüler fühlten sich gegenüber den Militärakademikern durch ihre Ausmusterung in einem geringeren Rang, weniger qualitätsvolle Ausbildung, langsamere Vorrückung und entsprechend geringere Verdienstmöglichkeiten benachteiligt. Die Militärakademiker stellten das personelle Reservoir für die Ausbildung zum Generalstabsoffizier, während die Kadettenschüler diese Karriere in weit geringerem Ausmaß und nur unter zusätzlichen Lernanstrengungen erreichten. Sie waren vornehmlich für den Truppenoffiziersstand bestimmt, und ihre Eltern entstammten auch eher dem Berufsoffizierskorps, auch dem Berufsunteroffizierskorps oder unteren Bevölkerungsschichten. Glaise besuchte vom 1. September 1893 bis 6. August 1897 die Militär-Unterrealschule St. Pölten, damals die einzige in der westlichen Reichshälfte. Er hatte in allen Unterrichtsfächern, ausgenommen im Turnen, überdurchschnittliche Beurteilungen 28 ). Die Zeugnisse aus der Zeit der Militär-Oberrealschule hingegen sind nicht erhalten geblieben. Doch auch Memoirenwerke über den Schulbetrieb in der Unter- und Oberrealschule können nur Glaises Bemerkungen über diese Zeit ergänzen und bestätigen 29 ). Eine größere Anzahl an Quellen sind bereits aus Glaises Ausbildung an der Theresianischen Militärakademie zum Vergleich mit seiner Darstellung vorhanden. Glaise besuchte diese wohl berühmteste österreichische Militär-Bildungsanstalt in den Schuljahren 1900 bis 1903. Seit dem kaiserlichen Befehlsschreiben vom 14. Dezember 1902 anläßlich des hundertfünfzigsten Gründungsjubiläums durften sich die Neustädter Zöglinge Militärakademiker nennen und außerhalb der Anstalt den Infanterieoffizierssäbel tragen. Seit dem Schuljahr 1879/80 wurde die Anstalt dreijäh2 6 ) Vgl. die Ubersicht und weitere Literaturangaben bei: R. Egger, Der Stand des österreichisch-ungarischen Militär-Erziehungs- und Bildungswesens 1918, in: österreichische Militärische Zeitschrift, J g . 6/1968,424-430. " ) B/833, n r . 2 : F. X. Schubert, Mein Lebenslauf, 10; B/77, n r . 2 4 : O . Wiesinger, Erinnerungen, 8. 2 8 ) K A . , Militärschulen, Klassenkatalog 1897 der Militär-Unterrealschule St. Pölten, 7 7 - 7 9 . 2 9 ) B/67, nr.24: Κ. Mayern, Erinnerungen an GLt. Minister a . D . Dr. h . c . Edmund Glaise ν. Horstenau (Maschinenschrift, 10S., Wien, 20.10.1946), ein Schulkamerad aus der Militär-Oberrealschule schreibt, Glaise-Horstenau hätte sich bereits damals als bester Stilist, dessen Aufsätze auch den um zwei Jahre Jüngeren vorgelesen wurden, eines „gewissen Ansehens" erfreut.
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rig geführt. Die Reform des Lehrplans bezüglich der Anpassung des wichtigsten Unterrichtsgcgenstandes an moderne Erfordernisse war 1893 bis 1896 nach dem von Oberst Liborius Frank verfaßten „Lehrgang der Taktik" erfolgt. Alle Aufzeichnungen von Frequentanten der Schule aus dem Zeitraum von 1890 bis 1914 3 0 ) betonen das starke Gefühl der Kameradschaft, das zwischen den einzelnen Akademikern herrschte, sowie den Korpsgeist, der ihnen anerzogen wurde und der auf den anläßlich der Ausmusterung zu leistenden Eid hin ausgerichtet war. Die pädagogischen und fachlichen Fähigkeiten der Lehroffiziere und -kräfte werden überwiegend positiv und die Ausbildung wird auch in Hinblick auf die später gestellten Anfordernisse als gut beurteilt. Dies gilt insbesondere auch bezüglich der Vorkenntnisse für den Besuch der Kriegsschule. Hingewiesen sei auf den Umstand, daß doch ein gewisser Teil der Akademiker oder Zöglinge nach Absolvierung ziviler Mittelschulen der Militärakademie zuwuchs, aber auch Absolventen der Militär-Ob^rrealschule die Zivilmatura abzulegen bestrebt waren. Aus dieser erst späten Bekanntschaft mit dem Militärleben ergaben sich gewisse Anpassungsschwierigkeiten und Rivalitäten, die aber von den Betroffenen nicht überbetont wurden. Sie sind zwar bezüglich Glaise von Interesse, als dieser gegenüber seinem Jahrgangskameraden Hirsch-Stronstorff immer wieder betonte, er beneide ihn um nichts mehr als um seine Ausbildung am humanistischen Gymnasium 3 1 ). Dieser Kamerad, der mit Glaise, da sie verschiedenen Kompanien angehörten, erst im 3. Jahrgang in nähere Beziehung trat, weist in seiner Erinnerung an diese Zeit besonders darauf hin, daß ihm Glaise und dessen besonderer Freund Kappus einen Brief Rainer Maria Rilkes zeigten. Glaise und Kappus hatten den Dichter und ehemaligen Militärzögling um beratende Hilfe in ihrem Drange nach schriftstellerischer Betätigung gebeten. Rilke haben sie in dem Brief, den Hirsch-Stronstorff sah, ernst darauf hingewiesen, daß nur im Falle einer starken Begabung und eines inneren Zwanges zur Dichtkunst dieser schwierige Weg beschritten werden sollte. Glaise und Kappus wären über diese Antwort doch eher enttäuscht gewesen. Glaise beendete die Militärakademie als neunter unter vierunddreißig Akademikern 3 2 ). Wie Glaise selbst schreibt, war die nach dem Weltkrieg im Verein „ A l t - N e u stadt" weiter fortbestehende enge Kameradschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl vor allem der einzelnen Jahrgangskameraden ein nicht unbeträchtlicher Rückhalt im öffentlichen Wirken. Glaise-Horstenau fühlte sich daher auch beson3 0 ) Die bereits zitierten Werke v. Zeynek, 9ff., Lustig-Prean, lOff; E . Streeruwitz, Wie es war. E r innerungen und Erlebnisse eines alten Österreichers, Wien 1934, 178 ff. Ganz besonders ist auf das E r innerungswerk eines Jahrgangskameraden zu verweisen, im Privatbesitz von Kommerzialrat EugenHirsch-Stronstorff, k . u . k . Major im Generalstabskorps a . D . , Starkfriedgasse 16, 1180 Wien. Ein weiterer Jahrgangskamerad Glaises, G M . Schaffarz, publizierte anonym eine Würdigung der Jahrgangsteilnehmer: Der Jahrgang 1903, in: Verein „ A l t - N e u s t a d t " , Mitteilungsblatt6/September 1958, 2 f . 3 1 ) Tonbandinterview mit Eugen Hirsch-Stronstorff, 2 4 . 9 . 1 9 7 5 (und laufende weitere mündliche Mitteilungen). 3 i ) Zeugnisabschriften in: K.A., Qualifikationslisten, F a s z . 8 6 7 , Qualifikationsliste Edmund Glaise v. Horstenau. Glaise wird insgesamt als „lebhaft, willig, strebsam . . . in der Wiedergabe etwas überhastet" beurteilt.
Quellenkritik der Erinnerungen
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ders betroffen, als ihn nach 1938 die Mehrzahl der Kameraden „schnitt" oder bei Zusammenkünften mied. Äußerungen Hirsch-Stronstorffs an Glaise-Horstenau im Jahre 1944, daß Vermittlungsversuche aussichtslos seien, hätten ihn doch tief getroffen. b) Truppendienstleistung und Kriegsschule Der gemeinsame Dienst im 4. Tiroler Kaiserjägerregiment brachte es mit sich, daß Glaise-Horstenau seine Kameraden Wilhelm Hirsch-Stronstorff und den um ein Dienstjahr älteren Rudolf Kiszling näher kennenlernte - und vice versa. Rudolf Kiszling hebt in seinem Beitrag hervor, daß Glaise-Horstenau es eher liebte, seinen Tiroler Jägern Episoden aus der Kriegsgeschichte zu erzählen, als den Kompaniedienst aufrechtzuerhalten. Schon im dritten Dienstjahr „ s a ß " er in der Regimentskanzlei, um den ihn mehr interessierenden Papierkrieg kennenzulernen 3 3 ). Hirsch-Stronstorff wieder fand gemeinsam mit dem etwas älteren Hans Freisauff Zugang zu Glaise-Horstenaus Privatleben. E r erinnert sich vor allem an die Mutter Glaise-Horstenaus, die er als typische „ärarische" Frau schildert, deren Traum es gewesen wäre, „Regimentskommandeuse" zu werden. Sie hätte all ihr diesbezügliches Sinnen und Trachten auf den Sohn übertragen und ließ sich in keiner Weise von der Gegenwart gleichaltriger Dritter davon abhalten, ihren Sohn über das Verhalten der Vorgesetzten auszufragen, ihn anzueifern und Ratschläge zu geben. Auch seinem Kameraden gegenüber hat Glaise-Horstenau mehrmals betont, daß sein Leben ganz anders und jedenfalls ruhiger und genußvoller verlaufen wäre, wenn er nicht aus finanziellen und familiären Gründen versuchen hätte müssen, das Zusammensein mit seiner Mutter möglichst aufrechtzuerhalten. Hirsch meint daher ausdrücklich, „daß man Glaise-Horstenaus Charakter nur verstehen kann, wenn man berücksichtigt, daß er dauernd unter der Fuchtel seiner Mutter gelebt hat". Ein dritter und ein vierter Regimentskamerad bestätigten auf kurze Weise die Beobachtungen der Obgenannten 3 4 ), deren Aussagen Glaises Darstellung nicht widersprechen, sondern es nur gestatten, die Akzente etwas schärfer und sicherer zu setzen. Die Beurteilung in der seit 1903 geführten Qualifikationsliste (Personalakt) fiel diese Jahre hindurch fast unverändert sehr positiv aus 3 5 ). U m diese Zeit lernte der 3 3 ) KA., Manuskripte zur Geschichte des Kiiegsarchivs, Karton Kiszling: R. Kiszling, Beitrag zur Chronik des österreichischen Kriegsarchivs für die Zeit der Direktionsführung durch Dr. h. c. Edmund v. Glaise-Horstenau (künftig: Kiszling, Beitrag), Ms. fol. 1 - fol. 134, Wien 1972; hier fol. 3. 3 4 ) So schreibt etwa Wilhelm Weiss (1907 Kadettoffiziersstellvertreter) an Leopold v. Hafner (1907 Leutnant) in einem Brief vom 3.4.1955, daß er sich an einen Ausspruch Glaise-Horstenaus während Zielübungen an einem trüben Herbsttag erinnere: „Weißt Du, so etwas Geistloses halte ich auf die Dauer nicht aus. Wenn ich nicht in die Kriegsschule komme, werde ich Schriftsteller." (Kiszling, Beitrag, Anlage). 3 5 ) KA., Qualifikationslisten, Fasz.867, Qualifikationslisten Edmund Glaise v. Horstenau: Auszüge aus der Beurteilung 1903: lebhaft, offen, besitzt sehr gute Charakteranlagen; recht gute Begabung und Auffassung; . . . führt den Zug sowohl geschlossen wie im Gefecht selbständig und im Verband gut; besitzt im Waffen- und Schießwesen genügende Kenntnisse, guter Instructor, schießt selbst gut, . . . ist sehr eifrig aus Interesse für den Dienst; bei recht gutem Erfolg; sehr strebsam. Änderungen 1904: führt den Zug . . . sehr gut, besitzt im Waffen- und Schießwesen vorzügliche Kenntnisse; sehr guter Instruc-
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Einleitung
spätere Kriegsschulkamerad Franz Xaver Schubert Glaise anläßlich eines Manövers näher kennen und erfuhr von ihm, daß er bereits fest mit der Zulassung zur Aufnahmeprüfung für die Kriegsschule rechne 36 ). Diese Schule sollte ihren Absolventen das Tor zur Generalstabslaufbahn öffnen. Das kaiserliche Generalstabskorps 37 ) als Organisation der Gehilfen der Führung hatte sich bei dem im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts auf dem Fuße belassenen stehenden Heer entwickelt und 1757 seine erste Instruktion erhalten. Nach verschiedenen Wandlungen formierte sich ab etwa 1875 das moderne Generalstabskorps: die Aufstellung von Wehrpflichtheeren und die dadurch bedingte Vorsorge für Mobilisierungsmaßnahmen forderten eine immer größer werdende Anzahl von Spezialisten und Führungsgehilfen. In Österreich-Ungarn wurde die diesbezügliche Entwicklung im Jahre 1900 durch die Ausdehnung des Generalstabs auf die Landwehren der beiden Reichshälften und die Vereinheitlichung seiner Vor- und Weiterbildung abgeschlossen. Der Chef des Generalstabs war zwar noch ein Hilfsorgan des Reichskriegsministers, hatte aber seit der Zeit General Beck-Rzikowskys das wöchentliche Vortragsrecht beim Kaiser. Die Offiziere in den schon bestehenden oder nach und nach neu gebildeten Büros beim Generalstabschef, dem Direktionsbüro (Personalia), Operationsbüro, Instruktionsbüro, Landesbeschreibungsbüro, Evidenzbüro (Nachrichtendienst), Eisenbahnbüro, Telegraphenbüro und Etappenbüro, dann alle Konzeptsoffiziere in der Militärkanzlei Seiner Majestät waren, bis auf einen Marineur, Generalstäbler. Einer der vier kaiserlichen Flügeladjutanten entstammte dem Generalstab und die letzten beiden Vorstände der Militärkanzlei tor; . . . sehr eifrig und von regstem Pflichtgefühle mit bestem Erfolge - aus Interesse für den Dienst. Ist eifrig bestrebt, sich militärisch weiter auszubilden. Strebt die Aufnahme in die k . u . k . Kriegsschule an . . . ein sehr begabter und hochgebildeter Officier, welcher zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Die Beurteilungen wurden vom Kompaniekommandanten verfaßt und vom Bataillons- und Regimentskommandanten bestätigt. Der Brigadier G M . Esch fügte 1904 hinzu: Sehr befähigter, sehr gut vorgebildeter Officier, auch praktisch sehr gut verwendbar. G M . Colard schloß sich 1905-1907 dem Urteil seines Vorgängers an. 3 6 ) B/833, nr. 2: F. X. Schubert, Mein Lebenslauf, 11. 3 7 ) Uber den Generalstab in der Donaumonarchie siehe: O . Regele, Generalstabschefs aus vier Jahrhunderten. Das Amt des Chefs des Generalstabes in der Donaumonarchie. Seine Träger und Organe von 1529 bis 1918, Wien-München 1966 und die dort S. 119ff. angeführte Literatur. Vgl. ferner: ο. V., Gedenkschrift zur Enthüllung des Ehrenmals der im Weltkrieg gefallenen Generalstabsoffiziere der bewaffneten Macht Österreich-Ungarns, Wien 1934; Th. R. v. Zeynek, Uber den österreichisch-ungarischen Generalstab, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen, J g . 70/1939, 1 7 9 - 1 9 4 ; (K. Peball), Kurzer Uberblick über die Geschichte des österreichischen Generalstabes, in: Bundesministerium für Landesverteidigung (Generaltruppeninspektorat), Der österreichische Generalstab (Behelf), Wien 1964, 5 - 9 . Die umfangreichste Geschichte des Generalstabes blieb allerdings in ihrer ursprünglichen Konzeption unvollendet und ungedruckt: O. Wolf-Schneider v. Arno, Der österreichisch-ungarische Generalstab. Studie über dessen Errichtung, Organisation und Entwicklung 1758-1918 (B/197, nr. 6); das Manuskript, an dem der Verfasser noch bis nach 1950 arbeitete, ist bis zum Ende der Ära B e c k - R z i k o w s k y fertiggestellt (ca. 1000 Seiten Maschinschrift). Eine von F M L . Jansa versuchte Fortsetzung dieses M a nuskripts (B/655, nr. 1) kann in bezug auf die Heranziehung der Quellen und auf den Umfang nicht mit der Arbeit Wolf-Schneider-Arnos verglichen werden. Die letzten zusammenfassenden Arbeiten sind. B/800, nr. 126 u. 127: R. Kiszling, Zur Geschichte des Generalquartiermeisterstabes 1758 bis zum Ende der Befreiungskriege; Der k . u . k . Generalstab in den letzten Friedensjahren 1906-1914.
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des Erzherzog-Thronfolgers ebenfalls. Einer der beiden Flügeladjutanten des Kriegsministers und die Flügeladjutanten der Armeeinspektoren (im Krieg Armeekommandanten) wurden ebenso dem Generalstabskorps entnommen, wie die Korpsgeneralstabschefs, die Generalstabsoffiziere der Divisionen und die Brigadegeneralstabsoffiziere. In den drei militärischen Ministerien der Doppelmonarchie versah eine große Anzahl von Generalstäblern Dienst. Im Jahre 1866 waren zweihundertachtundsiebzig Offiziere im Generalstabskorps, im Frühjahr 1914 etwa sechshundertsiebzig und bei Kriegsende 1918 wies die Armee knapp über tausend Offiziere an Generalstäblern und dem Generalstab „Zugeteilte" auf. Generalstäbler fungierten als Militärattaches im Ausland, sie hatten die leitenden Funktionen im Militärgeographischen Institut wie im Kriegsarchiv inne und wirkten in den militärischen Hauptgegenständen als Lehrer an den Akademien und an der Kriegsschule. Nach Absolvierung der Kriegsschule erfolgte - zur Zeit Glaise-Horstenaus gleich oder nach einiger Zeit - die Zuteilung zum Generalstab. Nach dem in der Kriegsschule erlangten Rang wurde man zum Hauptmann I. Klasse (im Generalstabskorps) befördert. Der Beförderung zum Major ging eine Truppendienstleistung und eine positiv zu bestehende Prüfung voraus. Verwendungen im Truppen- und im höheren Generalstabsdienst wechselten sodann einander ab. Durch die bevorzugte Beförderung erreichte der Generalstabsoffizier mit etwa siebenundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren die Hauptmannscharge, der Truppenoffizier mit ungefähr sechsunddreißig Jahren. Der Generalstäbler konnte mit fünfundzwanzig Dienstjahren Oberst sein, der Truppenoffizier „alter" Hauptmann 3 8 ). Diese Beförderungsverhältnisse riefen starke Spannungen hervor, wobei aber vornehmlich die Überalterung der Kompanie- und Bataillonskommandanten als Folge der Blockierung der Beförderung durch fehlende Budgetmittel zu kritisieren ist. In erster Linie dieser Umstand trug dem Generalstabskorps den Vorwurf der ungerechtfertigten Bevorzugung, des Kastengeistes und der Truppenfremdheit ein, erst in zweiter Linie das Verhalten mancher Angehöriger des Korps. Vorbedingung für eine Zuteilung zum Generalstab war um 1910 die Absolvierung der Kriegsschule. Diese Schule hatte seit ihrer Gründung 1852 die verschiedensten Änderungen in ihrer Zweckbestimmung, Organisation und Aufnahmefähigkeit erfahren 39 ). Es ging darum, ob die Schule mehr eine umfassendere höhere militärische Bildung für den Offizier oder eine Fachschule für den Generalstabsdienst sein sollte. Die Angliederung und teilweise Verschmelzung mit dem höheren Artillerie- und dem höheren Geniekurs wurde zeitweise durchgeführt, die Aufnahmebedingungen und die Zahl der Aufzunehmenden wurden mehrmals geändert. Seit 1906 wurde schließlich die Verschmelzung mit dem Höheren Artillerie- und dem Höheren Geniekurs aufgehoben, die Ausbildungszeit wurde um ein Jahr verlängert und 1907/08 der erste dritte Jahrgang aufgestellt. Ebenso für dieses Schuljahr wurde die Zahl der aufzunehmenden Hörer - mit einer kleinen Reserve - nur ) B/77, nr. 24: O . Wiesinger, Erinnerungen, 17. ) Vgl. E. Klepsch-Kirchner, 85Jahre Kriegsschule, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen, Jg. 69/1938, 8 5 - 1 0 4 , ferner die in den nächsten Anmerkungen angeführten Memoiren. 38
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mehr so hoch angesetzt, als zur Auffüllung des Goneralstabs benötigt wurde. Dies nahm von den Hörern die Bedrückung, daß selbst nach erfolgreicher Absolvierung die Zuteilung nur nach Maßgabe der freien Stellen und demnach noch zusätzlich nach dem „Kriegsschulrang" vorgenommen wurde. Was die Vorbildung der Schüler betrifft, so waren im Jahre 1902 unter den Neuaufgenommenen etwa 45% eines Akademiejahrganges und 5 % eines Kadettenschuljahrganges gewesen, wozu noch einige wenige ehemalige Reserveoffiziere kamen (3% des Kriegsschuljahrganges) 4 0 ). 1907 waren 800 Offiziere für die Vorprüfui g zur Aufnahme in die Kriegsschule einberufen 4 1 ). Jene umfaßte Gegenstände des allgemeinen Wissens, während zur Hauptprüfung, bei der die militärischen Disziplinen geprüft wurden, 200 Offiziere zugelassen wurden. Von diesen wurden 40 Bewerber in die Kriegsschule aufgenommen, wozu noch zwei Repetenten und 8 Offiziere der Honvéd kamen, die ohne Aufnahmsprüfungen vom Höheren Honvédoffizierskurs in Budapest übernommen wurden. Diesmal waren 14,7% (22 Frequentanten) von den Akademien, 3 , 3 % (20 Frequentanten) von den Kadettenschülern und 4 % (2 Frequentanten) von den angetretenen ehemaligen Reserveoffizieren aufgenommen worden. Im Verlauf der Schuljahre bildeten sich aus den (drei oder vier) Herkunftsgruppen keine Parteien im Sinne eines Gegeneinander, aber doch eine Abstufung in der Lernintensität, da die Kadettenschüler und auch die Reaktivierten manches nachzuholen hatten 42 ). Gewisse Gegensätze unter den Nationalitäten werden erst von einem späteren Kriegsschuljahrgang knapp vor dem Weltkrieg berichtet 43 ). Von den Schülern wird betont, daß die Kriegsschule eher eine Prüfanstalt denn eine Lehranstalt gewesen sei, denn das Hauptgewicht wurde auf die Besprechung und Prüfung vorher zum privaten Studium aufgegebener Stoffgebiete und Annahmen gelegt, wozu noch die praktischen Erprobungen im Gelände und bei Kriegsspielen kamen. Wenn daher der letzte Kommandant der Kriegsschule meinte, die Ausbildung sei ,,zu vielseitig ins einzelne gehend" gewesen, sie „verbrauchte, vermüdete" 4 4 ), so war die entsprechende Bemerkung eines Schülers, daß die Ausbildungsmethode viele dazu verleitet habe, den Gedanken des Prüfers zu erraten; Streberei und Liebedienerei seien dadurch über Gebühr gefördert, selbständiges Denken wegen der Gefahr schlechter Beurteilung gehemmt worden 4 5 ).
) B / 7 7 , nr. 24: O . Wiesinger, E r i n n e r u n g e n , 1 5 f . ) D i e folgenden Z a h l e n a n g a b e n a u s : B / 8 3 3 , nr. 2 : F . X . S c h u b e r t , Mein L e b e n s l a u f , 2 7 , 3 3 f f . 4 2 ) So vor allem: B / 6 0 0 , nr. l / I I : A . L e h á r , B e r g a u f u n d b e r g a b , 37ff. 4 3 ) B / 9 5 9 , nr. 2 : E . J e d i n a - P a l o m b i n i , D a s J a h r 1 9 1 4 , 1 f. 4 4 ) A . K r a u s s , U r s a c h e n , 99. 4 5 ) E . H i r s c h - S t r o n s t o r f f , M e m o i r e n , fol. 7 9 f f . D a s h o h e N i v e a u der A u s b i l d u n g und die gute K a m e r a d s c h a f t - allerdings auch die fast u n z u m u t b a r e B e l a s t u n g - betont in B / 1 5 1 , nr. 2: T h . v. Z e y n e k , D a s L e b e n eines österreichisch-ungarischen G e n e r a l s t a b s o f f i z i e r s , 2 0 f f . für die K r i e g s s c h u l j a h r e 1897 bis 1899. Kritik an der K r i e g s s c h u l e ü b t hingegen wieder B / 5 , nr. 1: J . v. L u s t i g - P r e a n , A u s den L e benserinnerungen eines alten k . u . k . O f f i z i e r s , 2 0 f f . , der d a s B e s t r e b e n , die K r i e g s s c h u l e zu einem „ F e l d h e r r n g e s t ü t " a u s z u b a u e n , kritisiert. E r w a h r e der K r i e g s s c h u l e ein „ w e i t weniger gutes A n d e n k e n " als der Theresianischen M i l i t ä r a k a d e m i e ( K r i e g s s c h u l j a h r g a n ^ 1 8 9 4 - 1 8 9 6 } 40 41
Q u e l l e n k r i t i k der E r i n n e r u n g e n
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Diese Gefahr hing natürlich mit den Fähigkeiten der Mitglieder des Lehrkörpers zusammen, die menschlich und fachlich sehr unterschiedlich beurteilt werden. Ihre Wertung müßte eingehenderen Untersuchungen vorbehalten bleiben - sicher dürfte sein, daß sie die Konkurrenz unter den Frequentanten aus einem übertriebenen Karrieredenken heraus - und nicht nur zur Hebung der Qualität - gefördert haben. Hirsch-Stronstorff und Schubert widersprechen jedenfalls in ihrer Einschätzung der Lehrkräfte - soweit sie eine solche geben - den Urteilen Glaise-Horstenaus nicht. Beide nehmen in diesem Zusammenhang keinen Bezug auf eine weltanschauliche Beeinflussung im Laufe der Kriegsschuljahre. N u r ein Frequentant des Kriegsschuljahrganges 1887-1889 beschreibt den Lehrer für Kulturgeschichte, einen Professor Richter, und kritisiert ihn als „schreienden Liberalen" 4 6 ). Alles, ,,was Religion und Tradition betraf, wurde von ihm in den Kot gezerrt, dabei trug er sehr gut vor". Der Schreiber meinte, daß man durch ihn „tief verletzt und ausgesprochen antiliberal" beeinflußt hätte werden können, wenn man diesbezüglich vom Elternhaus und der früheren Erziehung her andere Anschauungen mitbrachte. O b es hier Anhaltspunkte für Glaises Entwicklung gibt? Von den Kriegsschulkameraden haben sich zwei über Glaise in sehr unterschiedlicher Weise geäußert 47 ). Die Lehrer und Vorgesetzten beurteilten die Leistungen Glaises bei Kriegsspielen und Taktikreisen alles in allem positiv 4 8 ). Sein gesamter Studienerfolg wurde schließlich als „sehr gut" bewertet. Auch Glaise-Horstenaus Vorgesetzte bei seiner Dienstleistung als Brigadegeneralstabsoffizier 4 9 ) und der vierzehnmonatigen durch den Kriegsausbruch beendeten Zuteilung zum Kriegsarchiv hielten von ihm sehr viel. Dies gilt ebenso für die Kommandanten und Generalstabschefs anläßlich von Glaise-Horstenaus Kriegsdienstleistung bei der 11. Infanterietruppendivision (4. August bis 29. September)
) Bekanntgabe der Belegstelle dem Erben des Spenders der Erinnerungen unerwünscht. ) B/655, nr. 4, A. Jansa, Erinnerungen, Teil X , 57: betont Glaises damaligen „streberischen Ehrgeiz". E. Hirsch-Stronstorff, Tondbandaufzeichnung, überliefert wieder Unmutsäußerungen Glaises über die starke Belastung durch ihn nicht interessierenden Lehrstoff: er nehme diese Strapazen nur auf sich, um einmal ins Kriegsarchiv zu gelangen. 4 8 ) Die bei den Taktik-Kriegsspielen 1908 bis 1910 von den Lehrkräften abgegebenen zahlreichen Beurteilungen sind enthalten in: K A . , Kriegsschule, Fasz.34, Akt Glaise-Horstenau. 4 ' ) K A . , Qualifikationslisten, Fasz.867, Qualifikationsliste Edmund Glaise v. Horstenau: 1911: Gediegener, sehr ehrenwerter Charakter, lebhaft, offen, sehr aufgeweckt, sehr gute Fähigkeiten mit rascher, richtiger Auffassung, sehr impulsiv, hat ein vorzügliches Gedächtnis. Entspricht als Brigadegeneralstabsoffizier vorzüglich, zeigt sehr guten taktischen Blick, beurteilt und erfaßt größere Verhältnisse rasch und zutreffend, kräftig und energisch im Entschluß. Ist eine ausgezeichnete Stütze seines Kommandanten, dessen Vertrauen er voll verdient. Sehr pflichteifrig, mit feinem Taktgefühl. Der Leiter der kleinen Generalstabsreise Gruppe II schreibt: Eleganter Offizier mit sehr gefälligen Umgangsformen, der sich durch richtige, klare Auffassung und volles Verständnis für operative und taktische Fragen auszeichnet; besitzt besonders guten Stil, auch große manuelle Geschicklichkeit. Hat als Kompagniekommandant sehr gut entsprochen; ist physisch sehr leistungsfähig; für die Ubersetzung ins Generalstabskorps sehr geeignet, besonders auf Dienstposten, die spezielle stilistische Begabung erfordern. . . . Karl v. Gelb, G M . : 1912 . . . hat als Generalstabsoffizier in divionsähnlichen Verbänden sehr gut entsprochen. . . . Für die Ubersetzung ins Generalstabskorps sehr geeignet. Besonders geeignet für Verwendung im Kriegsarchiv. Genießt das volle Vertrauen der Truppenoffiziere, ist ein sehr guter Kamerad . . . 46
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und als Brigadegeneralstabsoffizier bei der k . k . 88. Landesschützenbrigade. Hingegen liegen über seine Arbeit beim 1. Armeekommando (30. November bis 10. D e zember) und in der 5. Abteilung des Reichskriegsministeriums keine Zeugnisse vor. Glaises Beurteilung seines Divisionärs am Beginn des Krieges F M L . Pokorny kann an der gleichfalls negativen und ein abstoßendes Charakterbild zeichnenden Beschreibung Franz X . Schuberts, das die unmittelbare Vorkriegszeit betrifft, gemessen werden 5 0 ). Die gegenseitige Wertschätzung, die sich Glaise-Horstenau und sein Brigadier G M . Fürst Schönburg-Hartenstein bei der Führung der 88. Landesschützenbrigade entgegenbrachten, drückte sich auch in privaten Urteilen des Generals aus und sollte für Glaise-Horstenau in späterer Zeit noch von größter Bedeutung werden. c) Im Armeeoberkommando Als Glaise-Horstenau am 8. Juli 1915 in die Operationsabteilung des Armeeoberkommandos ( A O K . ) s l ) transferiert wurde und in dieser Zentrale der österreichisch-ungarischen Heeresführung bis Kriegsende blieb, hatte er eine Position erreicht, die zum „Beobachten" hervorragend geeignet war. Wie sich dann noch herausstellte, ermöglichte sie auch eine gewisse Einflußnahme auf das historisch-politische Geschehen. Das am 25. Juli 1914 aufgestellte und am 16. August 1914 ins Feld abgegangene A O K . 5 2 ) war zur Zeit von Glaise-Horstenaus Einteilung seit 10. November 1914 in Teschen, Österreichisch-Schlesien, stationiert. Es gliederte sich damals in ein Operierendes Oberkommando und in das Etappenoberkommando. D e m Operierenden Oberkommando, mit dem Armeeoberkommandanten und dem Chef des Generalstabes an der Spitze, unterstanden neben deren Gefolge die Operationsabteilung, die Detailabteilung (ab 1917 „Präsidialabteilung"), die Nachrichtenabteilung und das Kriegspressequartier. Naturgemäß bildete die Operationsabteilung die ) B/833, nr. 2: F. X . Schubert, Lebenslauf, fol. 45 ff. ) Eine zusammenfassende Darstellung der Tätigkeit des A O K . versuchte bisher nur R. Kiszling in einer noch ungedruckten Arbeit aufgrund seiner Forschungen anläßlich der redaktionellen Leitung des Generalstabswerkes „Österreich-Ungarns letzter K r i e g " : Die hohe Führung der Heere Habsburgs im Ersten Weltkrieg (B/800, nr. 62). Vgl. ansonsten für die außenpolitischen Bestrebungen: G . E. Silberstein, The Troubled Alliance. German-Austrian Relations 1914 to 1917, Lexington 1970 (nur für Balkanpolitik); für die Bündnispolitik: Κ. H . Janssen, Der Kanzler und der General. Die Führungskrise um Bethmann-Hollweg und Falkenhayn ( 1 9 1 4 - 1 6 ) , Göttingen 1967; V. Höttl, Die Beziehungen C o n rads von Hötzendorf zu den deutschen Generalstabschefs 1 9 1 4 - 1 7 auf politischem Gebiet, W r . D i s s . 1967; für die Innenpolitik: Chr. Führ, D a s k . u . k . Armeeoberkommando und die Innenpolitik in Österreich 1 9 1 4 - 1 9 1 7 , Graz-Wien-Köln 1968. Eine erste Zusammenstellung und für die Traditionspflege gedachte Würdigung der Tätigkeit der Operationsabteilung ist: (F. Ossmann), D a s Operationsbüros des k . u . k . Generalstabes von 1890-1914 und seine Offiziere, in: Verein „ A l t - N e u s t a d t " Mitgliederverzeichnis 1963, Wien 1963, 2 2 - 3 9 . Uber den Allerhöchsten Oberbefehl vgl. ferner B/190, nr. 8: Ε. v. Lauppert, Aus der Militärkanzlei des Kaisers und Königs Franz Joseph vom Kriegsbeginn 1914 bis zum T o d e des Monarchen 1916, M s . 376 S . ; H . H o y e r , Kaiser Karl I. und Feldmarschall C o n rad von Hötzendorf. Ein Beitrag zur Militärpolitik Kaiser Karls (Dissertationen der Universität Wien, Bd. 70), Wien 1972. 5 2 ) Inventar des Kriegsarchivs Wien, II. B d . , Wien 1953, 5 ff. 50 51
Quellenkritik der Erinnerungen
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wichtigste Beratungs- und Hilfsstelle für die Führung der Kampfhandlungen im großen und für die operative Befehlsgebung. Befanden sich in ihr in den ersten Kriegswochen siebzehn bis einundzwanzig Offiziere 5 3 ), so wuchs ihre Zahl bis 1. Oktober 1916 auf siebenunddreißig 54 ) und bis März 1918 auf dreiundneunzig Offiziere (von 368 des A O K . ohne Quartiermeisterabteilung, die aus dem Etappenoberkommando entstanden war) 5 5 ). Den Kern der Operationsabteilung bildeten die Kriegsgruppen R(ußland), B(alkan), I(talien) und Ru(mänien), zu denen zunächst ein Marine- und ein Pressereferat gehörten. Insbesondere seit der Erweiterung der Operationsabteilung ab Frühjahr 1917 traten eine Technische Gruppe, eine Artilleriegruppe, eine Luftfahr- und Gasgruppe, eine Organisationsgruppe und die Radioleitung, 1918 auch noch die Heimkehrergruppe und die Ausbildungsgruppe dazu. Die Bezeichnung „Pressereferent" ist in den frühesten Standeslisten des A O K . noch nicht enthalten und dürfte sich erst nach und nach - bei referierenden Darstellungen rückwirkend - eingebürgert haben. Erster „Pressereferent" des A O K . war Mjr. i . G . Karl Schneller, der jedoch ab 1. Jänner 1915 s 6 ) die eigentliche Arbeit infolge Betrauung mit der Konzipierung kriegsgeschichtlicher Werke und dann mit dem nach und nach notwendig werdenden Aufbau einer I(talien)-Gruppe an Mitarbeiter wie den Hauptmann Anton Kless und den Hauptmann (Major) Richard Hatzi übergab. Von diesen übernahm Glaise-Horstenau seine Agenden. Eine Instruktion oder eine Abgrenzung seiner Kompetenzen, die „alle Presseangelegenheiten" betraf, ließ sich bisher nicht finden. Wie gleich unten etwas näher auszuführen sein wird, hatte der Offizier Kriegstagebuch zu führen, bestimmte tägliche Berichte auszuarbeiten und seine Vorgesetzten, den Chef des Generalstabes und den Chef der Operationsabteilung, in der Informationspolitik des A O K . zu beraten und diese nach deren Intentionen zu leiten. Das heißt, über ihn gingen alle die aktenkundigen, nicht durch persönliche Schreiben seiner Vorgesetzten weitergeleiteten, mehr oder weniger regelmäßigen Informationen über die Kriegslage an alle Außenstehenden. Dies auch deshalb, da das Kriegspressequartier 5 7 ) zunächst bis 1917 nur die Betreuung der Kriegsberichterstatter, Journalisten und Künstler innehatte, dann jedoch auch Kompetenzen auf dem Gebiet der Zensur und vor allem der Propaganda erhielt. Erst 1917, etwa ab März, übernahm das Kriegspressequartier den exekutiven Pressedienst des A O K . Zur genauen Erforschung von GlaiseHorstenaus Tätigkeit wären die in einem Numerus-currens-System aufgestellten Operationsakten des A O K . durchzusehen 5 8 ), da eine Arbeit über die Informationspolitik des A O K . bisher nicht besteht. Eine derartige Darstellung wurde nur ) A O K . - A k t e n , F a s z . 6 7 2 , Stand des Operierenden O b e r k o m m a n d o s 1913/14. ) A O K . - A k t e n , Fasz.674, A O K . - P l a t z k o m m a n d o , Standesliste ab 1. O k t o b e r 1916. 5 5 ) A O K . - A k t e n , Fasz.674, A O K . - P l a t z k o m m a n d o , Standesliste 2 9 . 3 . 1 9 1 8 . 5 6 ) B/509, nr. 1 : Karl Schneller, Kriegstagebuch ( = Übertragung der privaten Kriegstagebücher aus der Kurzschrift), 160. 5 7 ) K . Mayer, Die Organisation des Kriegspressequartiers beim k. u . k . A O K . im ersten Weltkrieg 1914-1918, Wr. Diss. 1963, 40. 5 β ) A O K . - A k t e n , Fasz. 1 - F a s z . 158. 53
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im Hinblick auf die Tätigkeit des Kriegspressequartiers angestrebt. Es wäre dazu auch die ab dem 19. Juni 1916 begonnene Reihe „Geheime Operationsakten" ( O p . g e h . ) heranzuziehen, in die - wie Paraphen zeigen - Glaise-Horstenau Einsicht erhielt, ja die sogar mitunter von ihm bearbeitet wurden 5 9 ). Schon bald nach seinem Dienstantritt nahm Glaise-Horstenau eine Änderung in der Führung des Kriegstagebuches des A O K . vor 6 0 ). Das Tagebuch wurde von Glaise ab dem 8. Juli geführt, ab dem 11. Juli jedoch nicht mehr eigenhändig, sondern maschinschriftlich. Offenbar sehr bald ließ er sich von den einzelnen Kriegsgruppen Tagesberichte zusammenstellen und schrieb sie ins Tagebuch, das jedoch mit 26. August 1915 abbricht und nie mehr fortgesetzt wurde. Daneben hatte Glaise-Horstenau die sogenannten „Kaiserberichte" 6 1 ) zu verfassen, die täglich an die Militärkanzlei Seiner Majestät, den Kriegsminister, die Landesverteidigungsminister, den Außenminister und das Kommando der Südwestfront gerichtet wurden Über die Dürftigkeit dieser Berichte, was die Unterschiede zu den Presseberichten und die Mitteilungen über operative Absichten oder Lagebeurteilungen betrifft, wurde von allen Seiten geklagt. Die Vorstellungen der leitenden Offiziere von der Möglichkeit, daß sich um die Militärkanzlei oder um den Außenminister eine „Kamarilla" bilden könnte, die von der liberalen Geschichtsschreibung oder der von ihr beeinflußten öffentlichen Meinung für einen ungünstigen Ausgang mancher Kriege der Vergangenheit verantwortlich gemacht wurde, dürfte dafür maßgebend gewesen sein. Glaise-Horstenau konzipierte die „Kaiserberichte", die mit 15. August 1914 einsetzen und bis Kriegsende geführt wurden, ab dem 17. Juli 1915. Die Aneinanderreihung der Gruppenberichte ist ab Frühjahr 1916 offenkundiger. Ab dem 1. Dezember 1916 wurden sie durch „Geheimberichte" an die Minister und den Chef des Kriegspressequartiers ergänzt, die jedoch mit dem „letzten" Bericht vom 20. Oktober 1917 abbrechen 6 2 ). Nicht von Glaise-Horstenau wurden Berichte „zur Lage" (mit römischer Numerierung) verfaßt, die der Stellvertreter des Chefs der Operationsabteilung konzipierte und die ab dem Frühjahr 1917 den Armeekommandanten und dem Außenminister in unregelmäßiger zeitlicher Folge zugingen. Den ersten Bericht für die Presse verfaßte Glaise am 16. Juli 1915 selbst. Sie alle waren bald die modifizierten untereinandergestellten Berichte der Kriegsgruppen 6 3 ). Die Berichte wurden später - etwa 1917 - nur noch selten von Glaise paraphiert, mitunter aber doch im Konzept von ihm korrigiert. Nichtsdestoweniger dürften sie bis Kriegsende aber unter seiner Verantwortung erschienen sein 6 4 ). Ins) AOK.-Akten, Fasz. 4 7 5 - F a s z . 493. ) AOK.-Akten, F a s z . 6 7 9 - F a s z . 6 8 1 . Das von Glaise-Horstenau geführte Tagebuch X I V . ist in Fasz. 681. Im Fasz. 682 befindet sich als einziges Kriegsgruppen-Tagebuch das Tagebuch der R-Gruppe (27. 7.1914 bis 13. 7.1916). Vgl. auch: P. Fiala, Die Kriegstagebuchführung im österreichischen Bundesheer. Vorschläge zur erlaßmäßigen Regelung (Hausarbeit im Rahmen des 18. Hauptmann-Kurses für Reserveoffiziere an der Tel-Truppenschule in Wien), Wien 1972, 36 ff. " ) AOK.-Akten, Fasz. 6 1 4 - F a s z . 636. 6 2 ) AOK.-Akten, Fasz. 648. 6 3 ) AOK.-Akten, Fasz. 6 4 2 - F a s z . 646. M ) Kiszling, Beiträge, fol. 9 u. fol. 72 kritisiert Glaises Tätigkeit aus der Sicht des Historikers und gibt auch eine Äußerung des Obst. bzw. GM. Theodor Brosch Edlen v. Aarenau ( 1 9 1 5 - 1 9 1 8 Geniere59
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gesamt w u r d e Glaises Tätigkeit - einschließlich seiner in den M e m o i r e n geschilderten S o n d e r a u f g a b e n - v o n den C h e f s d e r O p e r a t i o n s a b t e i l u n g p o s i t i v beurteilt und gewürdigt. Eine E r g ä n z u n g o d e r eine v e r g l e i c h e n d e B e t r a c h t u n g v o n G l a i s e s M e m o i r e n im H i n b l i c k auf seine Stellung i m A O K . einerseits u n d seine militärpolitische Betätigung, dann seine a u ß e n - u n d i n n e n p o l i t i s c h e n A n s i c h t e n andererseits, ist s c h w e r m ö g l i c h . V o n den V o r g e s e t z t e n h a b e n sich F e l d m a r s c h a l l C o n r a d u n d G e n e r a l o b e r s t A r z in ihren V e r ö f f e n t l i c h u n g e n sehr l o b e n d ü b e r ihn g e ä u ß e r t 6 5 ) . U n t e r den A u f z e i c h n u n g e n v o n K a m e r a d e n 6 6 ) u n d u n t e r g e o r d n e t e n P e r s ö n l i c h k e i t e n 6 7 ) sind bezüglich G l a i s e n u r die Ä u ß e r u n g e n des Leiters d e r I - G r u p p e in d e r O p e r a t i o n s abteilung des A O K . , O b s t l t . i. G . K a r l S c h n e l l e r , e r w ä h n e n s w e r t . E r h e b t in seinen T a g e b u c h a u f z e i c h n u n g e n Glaises G e s c h i c k bei d e r B e h a n d l u n g d e r V o r g e s e t z t e n teils in kritischer, teils in a n e r k e n n e n d e r W e i s e h e r v o r 6 8 ) . Es ist d a h e r k a u m m ö g l i c h , ü b e r v e r a l l g e m e i n e r n d e B e m e r k u n g e n hinausgehend, Glaises militärpolitische Tätigkeit i m A O K . in i h r e m U m f a n g n ä h e r f e s t z u l e g e n und in i h r e r W i r k s a m k e i t e i n z u s c h ä t z e n . D i e s b e t r i f f t v o r allem seine B e d e u t u n g , die er als W i s s e n s t r ä g e r f ü r die V e r t r e t e r des k. u . k . M i n i s t e r i u m s des Ä u ß e r e n im ferent bzw. Chef der Technischen Gruppe in der Operationsabteilung des AOK) wieder: „Der Glaise alles möglichst ungenau." 6 5 ) Conrad, Dienstzeit, Bd. 4,246: „Hauptmann Edmund Glaise von Horstenau, ein hochbefähigter Offizier mit weitem Blick und gründlichen Kenntnissen, so vor allem auch auf historischem Gebiet, besorgte die besonderen Takt, Einsicht und großes Verständnis erfordernde Redigierung der Tagesberichte und der Berichte an Seine Majestät. Bei ersteren kam es darauf an, das Publikum so weit zu orientieren als es möglich war, ohne damit dem Feinde Einblicke zu bieten, letztere enthielten vollständig das Bild der Lage." B/67, nr. 1, enthält ein eigenhändiges Manuskript, das GO. Arz in Würdigung GlaiseHorstenaus anläßlich von dessen fünfzigstem Geburtstag verfaßt hat (13S.): „. . . Als Nachfolger Conrads von Hötzendorf kann ich mich nicht nur der in seinen Denkwürdigkeiten Glaise von Horstenau besonders auszeichnenden Worten voll anschließen, daß dieser hochbefähigte Offizier alle ihm zufallenden Arbeiten mit weitem Blick, großem Verständnis und besonderem Takte vollzog und sich nicht nur durch geschickte Redigierung der Tagesberichte und Lagemeldungen auszeichnete, sondern auch durch die lebendige hinreißende Stilisierung der vom obersten Kriegsherrn ergangenen Armee- und Flottenbefehle, die in Kraft und Schönheit des Stils den einst berühmten Schönhalsischen nicht nachstanden. 6 6 ) Gemeint sind die bereits erwähnten Erinnerungen Franz Xaver Schuberts, dann die Tagebuchaufzeichnungen Obst. i. G. Kundmanns (B/15, nr. 1); Hptm. i. G. Ernst Klepsch-Kirchner gibt in seinem 1915/16 geführten Tagebuch (B/753, nr. 15) positive Äußerungen Glaises zur Person Erzherzog Friedrichs wieder. Hptm. Hermann Zerzawy, kommandiert zum Generalstab, 1912 bis 1915 und 1917/18 in der Nachrichtenabteilung des AOK., erwähnt Glaise in seinen Erinnerungen (Neue Illustrierte Wochenschau, 25.7.1954,6f.; 1.8.1954,7; 8.8.1954,8; 14.8.1954,8) ebensowenig wie Rudolf Czernin-Morzin: Kriegseindrücke und Erinnerungen eines freiwilligen Veteranen, Wien-Leipzig 1920. " ) B/180, nr. 1,1.Teil: W. Möller, Meine Kriegsdienstzeit 1914 bis 1918 (AOK./Hughes-Abt.), 45: Glaise-Horstenau, ein Herr mit furchtbar starker Stimme. Verfasser der Presseberichte (Höfer). War beim Friedensschluß in Brest-Litowsk und blieb bis zum Schluß im AOK. 6 8 ) B/509, nr. 1: Schneller, Kriegstagebuch, 961 (3.10.1916): „In der Operations-Abteilung (die, nebenbei gesagt, immer größer wird) scheint sich wieder eine Umgruppierung vorzubereiten: Metzger soll endlich ein eigenes Zimmer bekommen, Slameczka von ihm getrennt werden, Glaise den beiden sehr nahe rücken. Der hat's verstanden !"; S. 1121 (3. 3.1917): „Arz beauftragt Glaise, über ihn dürfe nichts geschrieben werden. . . . Glaise ist ja sehr geschickt und wirft ein, daß die Deutschen einen großen Heroenkultus mit Hindenburg und Ludendorff treiber . ."
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AOK. und dessen Mitarbeitern sowie zum Vertreter der Deutschen Obersten Heeresleitung und dessen Stab hatte. Wir wissen, daß Conrad sowohl zur Militärkanzlei des Kaisers - das A O K . unterstand direkt dem Allerhöchsten Oberbefehl - als auch zum Kriegsminister, zum Außenminister und zum Chef des Generalstabes des deutschen Feldheeres die Verständigung und auch die Information über wichtige operative und politische Fragen weitgehend persönlichen Schreiben und gelegentlichen mündlichen Berichterstattungen oder Aussprachen vorbehalten lassen wollte. Abgesehen von zeitweise verhältnismäßig häufigen Zusammenkünften mit dem deutschen Generalstabschef Falkenhayn, führte dies dazu, daß die Stellung des k . u . k . Bevollmächtigten Generals im Deutschen Großen Hauptquartier fast bedeutungslos, die des deutschen Vertreters beim A O K . aber zu einer Schlüsselposition in Angelegenheiten der Berichterstattung, der Intervention und des Interessenausgleichs wurde 69 ). Da dem Armeeoberkommando der direkte Verkehr mit dem k . u . k . Minister des Äußeren zustand, wurde dessen Vertreter im A O K . expressis verbis als eine Art Spion des Außenministers und als überflüssig betrachtet 70 ). Die Inhaber dieses Postens, zunächst Gesandter GdK. Wladimir Giesl v. Gieslingen, dann ab Jänner 1915 Gesandter Douglas Graf Thurn-Valsassina, hatten keinen leichten Stand im A O K . Giesl wurde auch auf Verlangen Conrads abberufen. Ihnen war Sektionsrat Friedrich v. Wiesner bis Jänner 1917 beigegeben - und mit diesem, der unter Außenminister Czernin noch Pressechef des Ministeriums und nach dem Weltkrieg Führer der Legitimisten in Österreich werden sollte, trat GlaiseHorstenau in ein engeres kollegial-freundschaftliches Verhältnis. In Abwesenheit des Vertreters des Außenministers berichtete auch jener über die Lage vom AOK. nach Wien 71 ). Unter diesen Berichten ist in Parallele zu den durch GlaiseHorstenau wiedergegebenen Ansichten mancher Offizier der Operationsabteilung nach der Katastrophe von Olyka-Luck und Okna im Juni 1916 (Brussilow-Offensive) zumindest eine scharfe militärisch-fachliche Kritik von Bedeutung, die Wiesner an der Kommandoführung Conrads in Rußland und Italien sowie an dessen 69 ) P. Broucek, Der k . u . k . Delegierte im Deutschen Großen Hauptquartier Generalmajor Alois Klepsch-Kloth von Roden und seine Berichterstattung 1915/16, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Jg. 1974, Bd. 1,109-126; ders., Chef des Generalstabes und Oberster Kriegsherr. Aus den Erinnerungen des Feldmarschalleutnants Alois Klepsch-Kloth von Roden, k . u . k . Delegierten im Deutschen Großen Hauptquartier 1915/18, in: MÖSTA, Bd.27/1974, 385-401. 70 ) Vgl. ζ. B. die Bemerkungen des FM. Conrad: Aus meiner Dienstzeit, 4. Bd., Wien-Leipzig-München 1923, 248 f. Andererseits schrieb Giesl v. Gieslingen an den Schriftsteller Sosnosky am 30.3.1928: (Persönliche Erinnerungen) fallen bei mir entweder in jene Kategorie, über welche zu sprechen mir die angelebte Pflicht der Geheimhaltung verbietet und über welche ich auch in meinem Buch hinweggegangen bin - oder sie betreffen meine Anwesenheit im Armee-Oberkmdo. 1914/15, als Vertreter des Ministers des Äußeren, - und diese müßten in eine Polemik oder Anklage gegen den todten FM. Conrad ausklingen, was ich gleichfalls unbedingt vermeiden will . . ." (AVA, Nl. Sosnosky, Kart. 15). Bezüglich Wiesners, der von FM. Conrad besonders abgelehnt wurde, teilte Univ.-Prof. Dr. Heinrich Benedikt, 1914-1916 als Reserveoffizier in der Nachrichtenabteilung des AOK., mit, daß dieser sich infolge seiner pessimistischen Beurteilung über Verlauf und vermuteten Ausgang des Krieges die Abneigung der Umgebung FM. Conrads zugezogen hatte. 71 ) Die Korrespondenz zwischen AOK. bzw. den dortigen Vertretern des k. u. k. Ministeriums des Äußeren mit dem Ministerium befindet sich in: HHSTA, Politisches Archiv, Kart. 499, 500, 501.
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mangelnder Zusammenarbeit mit den Deutschen auf dem operativen Gebiet übte 72 ). Als Folge der Niederlage trachtete auch die Militärkanzlei, sich direkt durch den Besuch ihres Stellvertreters FML. Marterer zu informieren, und auch Glaise-Horstenau weilte um diese Zeit zur Berichterstattung in Wien. Für die damals eingeleiteten Verhandlungen, die schließlich nach dem Kriegseintritt Rumäniens und dem Wechsel in der Deutschen Obersten Heeresleitung zum Vertrag vom 6. September 1916 über die Einrichtung einer Obersten Kriegsleitung führten, könnte wohl auch ein Beitrag Glaise-Horstenaus auf mündlich-persönliche Weise angenommen werden. Dies umso mehr, als er bald die besten Beziehungen zum deutschen Bevollmächtigten GM. (GLt.) August v. Cramon und vor allem zu dessen Nachrichtenoffizier Mjr. Paul Fleck unterhielt. Die schriftliche Berichterstattung Cramons ist nur insoweit erhalten geblieben, als sie nach dem Weltkrieg von österreichischer Seite für einen bestimmten Zeitraum abgeschrieben wurde 73 ). Belege für einen besonders vertrauensvollen Verkehr zwischen der deutschen Delegation und Offizieren des AOK. sind aus ihr ebensowenig zu entnehmen wie aus dem erhalten gebliebenen Schriftennachlaß Cramons 74 ). Dieser enthält einige wenige Briefe Glaise-Horstenaus aus der Nachkriegszeit, die keinerlei Folgerungen auf die Art und Weise der früheren Beziehungen erlauben, soweit diese über ein kameradschaftliches Verhältnis im Dienst und über gesellschaftliche Beziehungen und Kontakte, die sich aus dem gleichen Standort ergaben, hinausgegangen wären. Der Österreicher hat dieses freundschaftliche Verhältnis auch nie in Abrede gestellt 75 ), vielmehr sich dessen auch in der Nachkriegszeit bei der Anbahnung der Zusammenarbeit auf historiographischem 76 ) und später wohl auch noch auf militärischem Gebiet 77 ) bedient. Der Anteil Glaise-Horstenaus an der Verfassung von Cramons Kriegserinnerungen könnte vielleicht anhand der maschinschriftlichen Fassungen, Entwürfe und so weiter in seinem Nachlaß festgelegt und erhärtet werden 78 ). Jedenfalls hat auch nur die 72) H H S T A , Politisches Archiv, Kart. 499, Liasse XLVII/2-17, Bericht Wiesners von circa 25.6.1916, dem Minister vorgelegt am 27.6.1916, Original, eigenhändig. Maschinschriftliche Abschrift (angefertigt nach 1945) im Conrad-Archiv, K a r t . D - l . Den Bericht behandelt auch G. Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des „Militarismus" in Deutschland, 3. Bd., München 1964, 229 f., 628 f. 7 3 ) AOK.-Fasz. 607, Abschriften der Berichte des Deutschen Bevollmächtigten Generals beim k . u . k . A O K . vom 25.3.1915 bis 24.7.1916. 7 4 ) Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau, sign. N286. 7 5 ) Vgl. ζ. B. M . R . v. Hoen, Edmund Glaise v. Horstenau. Zum fünfzigsten Geburtstag, in: N W J . v. 2 8 . 2 . 1 9 3 2 , 1 2 f. 7 6 ) Vgl. unten S.43. 7 7 ) P. Broucek, Edmund Glaise-Horstenau und das Juliabkommen 1936, in: Das Juliabkommen von 1936. Protokoll des Symposiums in Wien am 10. und 11. Juni 1976 (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission des Theodor-Körner-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der österreichischen Geschichte der Jahre 1918 bis 1938; Bd. 4), Wien 1977, 119-135. 7 8 ) Noch weniger Klarheit wird über Glaise-Horstenaus Behauptung, sein Beitrag zu den CramonErinnerungen sei durch Cramon oder Fleck in bezug auf die Beurteilung der Person Kaiser Karls verschärft worden, zu gewinnen sein. Immerhin war seine Rezension dieses Werkes eher kritisch (Werkverzeichnis N r . 6 2 ) . Zu einem offenen Brief F M L . Novak-Arientis an Cramon, RP. v. 1 8 . 1 1 . 1 9 2 0 , 5 ,
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Erwähnung Glaise-Horstenaus im Erinnerungswerke den Anlaß zu Hinweisen, die Glaise-Horstenau als „Zuträger" bezeichnen, gegeben 7 9 ). A m schwerwiegendsten dürfte jedoch in diesem Zusammenhang ein Ausspruch, den G O . A r z gegenüber seinem Landsmann und zeitweiligen Untergebenen Rudolf Kiszling machte, zu beurteilen sein, er, A r z , hätte gegen Glaise-Horstenau „eigentlich eine kriegsgerichtliche Untersuchung einleiten sollen. Denn er hat alles, was er erfuhr, den Deutschen weitergegeben." Möglicherweise ist bezüglich dieser Äußerung v o r allem das letzte Kriegsjahr in Betracht zu ziehen 8 0 ). Die Gedanken und Gefühle, die Glaise-Horstenau gegenüber den Taten und den vermuteten Selbständigkeitsbestrebungen ungarischer Politiker hegte, hatten sich seit seiner Zugehörigkeit zu „ G r o ß - Ö s t e r r e i c h e r n " und Zentralisten um den Erzherzog Franz Ferdinand nicht geändert. Sie werden - neben seinen eigenen Erzählungen in Zeitungsartikeln über Presse-Kommunique-Streitigkeiten mit Ministerpräsident Tisza und Abgeordneten - auch durch seine Versuche beleuchtet, die Schreibweise Carl Maria Danzers, die in dessen Armee-Zeitung in der zweiten Kriegshälfte mehr und mehr antimagyarisch w u r d e , letztlich vergeblich zu schützen oder zu bagatellisieren 8 1 ). Besonders scharf wandte sich der Pressefachmann Glaise-Horstenau gegen Versuche der Ungarn, im Deutschen Reich ihren Anteil an den Kriegsanstrengungen der Donaumonarchie propagandistisch hochzuspielen und darüber hinaus wenn möglich im Sinne einer Ausgestaltung des Dualismus nach gab Glaise-Horstenau eine auf die erwähnten Passagen hinweisende Erklärung, RP. v. 7. 1 2 . 1 9 2 0 , 3 . A u c h die zweite Auflage w u r d e von Glaise-Horstenau nur kühl kommentiert (Werkverzeichnis N r . 219). Als nach dem Erscheinen von: K. W e r k m a n n , D e u t s c h l a n d als V e r b ü n d e t e r , Berlin 1931 (im K A . sign. I 58. 402, einige w e n i g e von G l a i s e - H o r s t e n a u abgezeichnete B e r i c h t i g u n g e n in R a n d g l o s s e n ) die A u t o ren C r a m o n und Fleck eine Gegenschrift erscheinen ließen: D e u t s c h l a n d s S c h i c k s a l s b u n d mit ö s t e r r e i c h - U n g a r n . Von C o n r a d von H ö t z e n d o r f zu Kaiser Karl, Berlin 1932, nahm eine a n o n y m e R e z e n sion für W e r k m a n n Stellung: Von bes. Seite, Die T r a g ö d i e des B u n d e s g e n o s s e n , in N W T . 1 6 . 1 0 . 1 9 3 2 , 4 f . Laut einer B e m e r k u n g auf einem Zeitungsausschnitt im N a c h l a ß G M . O s k a r Regeies, damals Pressereferent im H e e r e s m i n i s t e r i u m , w a r die R e z e n s i o n von G l a i s e - H o r s t e n a u . 7 9 ) B/800, nr. 157. O b s t . Gustav v. H u b k a an Kiszling, Thal bei G r a z , 2 1 . 1 0 . 1 9 5 8 : „ D e n ersten Stein hat der preußische General v. C r a m o n auf ihn g e w o r f e n , indem er ihn in seinem bekannten Buch als seinen besten Zuträger aus der Sphäre des A O K . hinstellt . . . " H u b k a spielt auf die f o l g e n d e Passage in C r a m o n , B u n d e s g e n o s s e , 193 f. ü b e r M i t t e i l u n g e n im Z u s a m m e n h a n g mit der Friedensnote A u ß e n minister A n d r á s s y s am 27. O k t o b e r 1918 an: „ D i e M i t t e i l u n g s t a m m t e von dem k. u . k . Generalstabsmajor v. Glaise, dessen außerordentlich z u t r e f f e n d e Beurteilung der innenpolitischen Verhältnisse seines H e i m a t l a n d e s m i r schon oft h e r v o r r a g e n d gute Dienste geleistet hatte. A l s ü b e r z e u g t e r A n h ä n g e r des Bündnisses mit D e u t s c h l a n d sah er keinen anderen A u s w e g , das d r o h e n d e U n h e i l a b z u w e n d e n als die Benachrichtigung der deutschen M i l i t ä r m i s s i o n ; seine vertrauensvolle Z u s a m m e n a r b e i t mit M a j o r Fleck und m i r hatte sich verschiedentlich b e w ä h r t . " G O . D a n k l e t w a hielt - vielleicht auf G r u n d seiner legitimistischen G r u n d h a l t u n g - schon viel f r ü h e r mit seiner Ansicht nicht z u r ü c k : A V A . , N l . S o s n o s k y , Kart. 15, M a p p e 15, Brief an S o s n o s k y , 1 1 . 3 . 1 9 1 4 : ,,. . . Er hat sich beim A O K . e t w a s stark mit C r a m o n und seinen H e l f e r n eingelassen u n d jetzt macht er Kriegsgeschichte als A n n e x von P o t s d a m . . . " 8 0 ) M i t t e i l u n g R . Kiszlings an den H e r a u s g e b e r , 2 1 . 1 1 . 1 9 7 2 : Es sei angesichts dieser s c h w e r w i e g e n den M i t t e i l u n g a u s d r ü c k l i c h betont, d a ß der Gesprächspartner, der diese B e m e r k u n g k u r z darauf sofort w o r t w ö r t l i c h niederschrieb, absolut den E i n d r u c k hatte, Kiszling hätte diese B e m e r k u n g w e d e r leichthin noch o h n e eine gewisse U b e r w i n d u n g gemacht. 8 1 ) J . Bauer, Die politische Stellung C a r l M . D a n z e r s u n d der A r m e e - Z e i t u n g , W r . Diss. 1 9 7 6 , 1 9 1 . Vgl. auch B/783, nr. 3: Brief G l a i s e - H o r s t e n a u s an D a n z e r , 2 7 . 6 . 1 9 1 6 .
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ungarischen Ideen beim Verbündeten in Rechnung zu stellen 82 ). Jedenfalls haben diese Eindrücke von der Politik den Repräsentanten des deutschen und des ungarischen Staates zum geistigen Eintritt Glaise-Horstenaus in eine „österreichische Unabhängigkeitspartei" veranlaßt. Zu konkreten Plänen über einen Umbau der Doppelmonarchie dürfte es bei Glaise-Horstenau, wie etwa bei einem weiteren politisierenden Offizier in verantwortungsvoller Stellung, dem früheren Chef der Militärkanzlei des Thronfolgers GM. Dr. Bardolff, nicht gekommen sein 83 ). Sehr wohl aber wurde um diese Zeit jedoch ein Spannungsfeld in den Vorstellungen GlaiseHorstenaus aufgebaut, das ihn zwischen der Wahrung einer österreichischen Selbständigkeit im Rahmen des Bekenntnisses zum Deutschtum, einer Führerstellung Wiens im Donauraum, den Wunsch, seine eigene Karriere im Rahmen jedes militärischen und politischen Gebildes zu fördern, und der Bindung an seinen Eid, an das Herrscherhaus sowie an die überkommenen gesellschaftlichen Verhältnisse hin und her ziehen ließ. Dieses Suchen nach Lösungen wirkte sich - im Rahmen von Glaise-Horstenaus Möglichkeiten als Offizier im A O K . - auf nur wenig nachweisbare Weise aus. Man kann wohl behaupten, daß zur Zeit des sogenannten „zweiten" Armeeoberkommandos die Führung der Außenpolitik wieder völlig auf Kaiser und Außenminister übergegangen war. Die verschiedenen Versuche zur Einleitung von Friedensverhandlungen etwa dürften dem A O K . weitgehend verborgen geblieben oder nur auf völlig inoffiziellem Wege bekanntgeworden sein. O b Glaise-Horstenau diesbezüglich eine der Quellen für die Deutschen wurde, ist nicht bekannt. Der Offizier wurde als Kurier zur Deutschen Obersten Heeresleitung verwendet, ohne daß dies in den Akten besonderen Niederschlag gefunden hätte. Sein Kontakt zu Wiesner hielt auch in dessen neuer Funktion an und ermöglichte schließlich die Teilnahme an den Friedensverhandlungen zu Brest-Litowsk als zweiter Militärexperte. Für das letzte Kriegsjahr wäre noch im Detail zu erforschen, ob der Anschein nicht trügt, daß es nach dem Sturz Czernins die Militärkanzlei war, die auf den Kaiser und auf die Bündnispolitik - wenn man im letzten Jahr noch von einer solchen zwischen gleichberechtigten Partnern sprechen kann - Einfluß gewann. Dieser hing damit zusammen, daß der Kaiser trotz der ablehnenden Haltung vom 9. Jänner 1918 und trotz der erst in der zweiten Jahreshälfte 1917 eingeleiteten Armeereform 8 4 ) einer Trennung des Heeres in eine österreichische und eine ungarische Armee aus innenpolitischen Gründen zuneigte. Er ließ Pläne dafür ausarbeiten und diese in kommissioneilen Besprechungen mit magyarischen Politikern und Offizie-
8 2 ) AOK.-Evidenzbüro K.Nr.22640, Stellungnahme Glaise-Horstenaus, v. 14.12.1916 (mit Bemerkung Conrads v. 15.12.1916) über einen „Politischen Bericht" Hauptmanns Dr. Richard Turba ν. 13.11.1916. 8 3 ) Bardolffs politisches Programm wird angedeutet in einem Schreiben Bethmann-Hollwegs an Hindenburg, Berlin, 29.9.1916. Vgl. A. Scherer - J. Grunewald, L'Allemagne et les problèmes de la paix pendant la premiere guerre mondiale, l . B d . , Paris 1962, 482f. 8 4 ) J. Chr. Allmayer-Beck, Heeresreorganisation vor 50 Jahren, in: ÖMZ., Jg. 1967,18-27; ders., A O K . und „Armeefrage" im Jahre 1918, in: ÖMZ., Jg. 1968,430-435.
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ren bis September 1918 vorantreiben 85 ). Die Militärkanzlei sollte die einzige gemeinsame Dienststelle mit einer österreichischen und einer ungarischen Unterabteilung werden - für die österreichische war Glaise-Horstenau als Vorstand erster Anwärter. Dieses Vorhaben dürfte seine Schatten ebenso vorausgeworfen haben wie die Tatsache nachgewirkt zu haben scheint, daß der Offizier im Jänner 1918 kurz als Präsidialchef des Fürsten Schönburg-Hartenstein für den Fall der Errichtung einer Militärregierung vorgesehen gewesen war 8 6 ). Leider sind gerade Glaise-Horstenaus Vorträge, die er im Rahmen der im Mai 1918 gegründeten „Feindespropaganda-Abwehrstelle" über ,,österreich-Ungarns Sendung im Weltkrieg" hielt, nicht erhalten geblieben 87 ). Glaise-Horstenau lernte damals in seinem Tätigkeitsbereich verschiedene Männer kennen, die - so wie er - hinter den Kulissen den Gang der Ereignisse zu beeinflussen versuchten, in dieser Krisenzeit plötzlich als Berater der Staatsmänner und Politiker zu Bedeutung gelangten und nach dem Umsturz wieder verschwanden. So etwa den Journalisten und ehemaligen Offizier Karl Werkmann 8 8 ), Pressechef des Kaisers, den Redakteur der Grazer Tagespost und zeitweiligen Chef des Nachrichtenbüros des Industrieverbandes Oskar Reichenauer, den Redakteur der Arbeiter-Zeitung Hugo Schulz und vor allem auch den Militärauditor und juristischen Fachschriftsteller Dr. Albin Schager 89 ). Von einigen dieser Männer liegen oder lagen Denkschriften in der Registratur der Militärkanzlei, die Probleme der Außen- und Innenpolitik betreffen 90 ). Von Glaise-Horstenau selbst sind weder die von ihm redigierte Denkschrift G O . Fürst Schönburg-Hartensteins 91 ), noch die im Auftrag des Chefs des Generalstabes verfaßte Denkschrift zum Oktobermanifest erhalten geblieben 92 ). Die von 8 S ) P. Urbach, Der Umsturz in Budapest unter besonderer Berücksichtigung der militärischen Ereignisse, Wr. Diss. 1968, 18ff; ganz allgemein vgl. zuletzt: G. E. Rothenberg, Toward a National Hungarian Army: The Military Compromise of 1868 and Its Consequences, in: Slavic Review, Bd. 31, Jg. 1972,805-816. β 6 ) Von einem Diplomaten der alten Monarchie, Ein Ministerium der Generale (1918), in: N W J . v. 20.11.1928,2; R. Neck (Hg.), Österreich im Jahre 1918, Berichte und Dokumente, Wien 1968, 31 ff.; C. v. Bardolff, Soldat im alten Österreich. Erinnerungen aus meinem Leben, Jena 1938, 295 ff. ®7) AOK.-Akten, Fasz. 5993-6004. Im Fasz.6003 ein Konvolut gedruckter Vorträge und Vortragsprogramme. Nach ihnen hielt Glaise-Horstenau von April bis September 1918 in mehreren Kursen Vorträge. 8 8 ) Mit Werkmann hatte Glaise-Horstenau Beziehungen in Fragen der Weltkriegshistoriographie und des Legitimismus bis Februar 1938. Vgl. B/67, nr. 11; AVA., Büro Glaise-Horstenau, Personalkartei. 8 ' ) Vgl· in dessen Vortrag im Rahmen der FASt. : Der staatliche Aufbau der österr.-ungar. Monarchie (Heftl), Wien 1918, etwa S. 15: Wenn nun schließlich von einer Fortentwicklung des Dualismus, dieser in der ganzen Staatenwelt einzig dastehenden Art einer Staatenbildung, gesprochen werden soll, so muß festgestellt werden, daß eine weitere Lockerung der Gemeinschaft wohl noch mit dem Begriffe des Dualismus, aber kaum mehr mit der Ausgleichsgesetzgebung von 1867 vereinbar ist. . . . *>) So MKSM. 15-4/40 ex 1918 (10.10.1918) u. 15-4/42 ex 1918 (13.10.1918). Schager nimmt jeweils Bezug auf Artikel Otto Bauers in der „Arbeiter-Zeitung" und drängt auf ein Eingreifen des Kaisers in Hinsicht auf das spätere Oktobermanifest. Reichenauer legte bereits am 22.3.1918 eine Denkschrift „Die Revolutionsgefahr mit Bezug auf die Südslawenfrage" vor: MKSM. 15-4/12 ex 1918. 9 1 ) Sie wird erwähnt bei Arz, Großer Krieg, 279, ist aber weder in den Akten des A O K . noch in denen der Militärkanzlei noch im Schriftennachlaß G O . Arz' erhalten. 9 2 ) Weder in den Akten des A O K . noch der Militärkanzlei erhalten.
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ihm aus eigener Initiative unternommenen und in den Memoiren beschriebenen Versuche, den Gang der Ereignisse durch Gesprächsanknüpfungen mit den Sozialdemokraten oder den Südslawen zu ändern, haben in den militärischen Akten keinen Niederschlag gefunden. Auch Glaise-Horstenaus letzte journalistische Aktionen außerhalb seiner dienstlichen Tätigkeit, nämlich seine anonyme Mitarbeit am „Wiener Mittag", ist ansonsten weiter nicht nachweisbar, will man nicht die Intervention, die der Chefredakteur Viktor Lischka noch 1938 bei Glaise-Horstenau unternahm, als indirektes Indiz werten. Man kann Glaise-Horstenaus - gewiß passiven, da rein referierenden Anteil an der immer radikalere Töne anschlagenden Schreibweise 93 ) der Zeitung wohl nur als Rückversicherung für befürchtete revolutionäre Ereignisse oder als Absprungbasis für eine weitere Karriere betrachten. Der Offizier war denn auch nicht im liquidierenden AOK. anzutreffen, als die Auflösung des Reiches bei den Zentralstellen ihre Auswirkung zeigte. d) Die militärpolitischen Bestrebungen Glaise-Horstenaus in der Nachkriegszeit bis 1934 Glaise-Horstenaus Haltung in der Zeit nach dem Zusammenbruch der k . u . k . Monarchie hat immer wieder zu Mitteilungen und Ansichten geführt, die seinem Ansehen wenig günstig waren, möglicherweise auf einem wahren Kern beruhten, aber jedenfalls vage und unpräzise sind. Glaise-Horstenau hatte die „Katastrophe" von seinem Beobachtungspunkt kommen sehen. In einer Verknüpfung einer seiner wenigen Hoffnungen, die ihm ein größeres Deutschland als Ergebnis des Zusammenbruchs sehen ließen, des Strebens nach wirkungsvoller Erhaltung einer Ordnung - auch mit Hilfe der Sozialdemokratie - und dem Festklammern an einer die Existenzmöglichkeit gewährenden Position mußte er wohl rasch handeln. Ob er im November 1918 über Cramon um Übernahme in ein deutsches Heerwesen, zumindest aber um eine Anstellung in Berlin, ersuchte 94 ) oder ob er damals „beim roten Minister Bauer seine Übernahme in die Diplomatie nicht durchsetzen konnte" 9 5 ) - wir wissen es nicht genauer als durch beiläufige Bemerkungen zweier ihm eher kritisch gegenüberstehenden Kameraden. Möglich wäre dies alles infolge seiner früheren Beziehungen und der Anschlußfreudigkeit Otto Bauers sehr wohl gewesen. Für diesen scheint aber ein mit dem alten System ehemals so verbundener Generalstäbler doch keinesfalls in Frage gekommen zu sein. Und möglicherweise suchte Cramon, der in Wien blieb, in militärpolitischen Angelegenheiten den nunmehr aus der Organisationsgruppe des Armeeoberkommandos in die Organisationsgruppe des Staatsamtes für Heerwesen übernommenen Obstlt. i. G. Robert R. v. Srbik als Kontaktmann im neuen Heer zu gewinnen 96 ). Denn Glaise-Horstenau war noch anfangs November - die Qualifikationsliste führt den 5. November an - ins 93) *·) 95) 96)
V. Lischka, So kam die Republik, . . . in: Wiener Neueste Nachrichten v. 11.11.1928,2. Kiszling, Beitrag, fol. 10 f. Schubert, Lebenslauf, 43. Mitteilung Generalleutnant a. D. Karl Bornemann v. 20.4.1977.
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Einleitung
Kriegsarchiv zurückgekehrt ; allerdings offenbar nicht, um als Archivar, sondern als eine Art Auswerter der Akten der jüngsten Vergangenheit mit Einstiegsmöglichkeiten in die aktuelle Militärpolitik oder in die Kriegsgeschichtsschreibung zu wirken. In der ersten Sitzung des neu geschaffenen Archivkomitees im Kriegsarchiv am 12. November wurde die Idee der Schaffung einer Abteilung für Geheimakten, Staatsaktenabteilung, aufgeworfen, besprochen ; vom sozialdemokratischen Zivilkommissar Schulz wurde Glaise-Horstenau als Leiter dieser Abteilung lanciert96®). Glaise-Horstenau mußte zwar am 18. November hinnehmen, daß er im Kriegsarchiv Oberst Alois Veltzé als Vorgesetzten erhielt, dachte aber doch zunächst an eine Publikation von Akten des A O K . , der Militärkanzleien und sonstiger militärischer Zentralstellen. Dann aber dürfte ihn bald die journalistische Arbeit stärker beansprucht haben. In seiner Funktion wurde er jedenfalls noch zusätzlich als „Verbindungsoffizier des Staatsamtes für Heerwesen beim Kriegsarchiv" am 6. Dezember 1918 eingeteilt 97 ). Und obwohl er diese Funktion mit 1. Februar 1919 wieder abgeben mußte 9 8 ), so wurde er doch herangezogen, um Oberst Schneller über die Aktenlage zur Kriegsschuldfrage für die zukünftigen Verhandlungen in St Germain zu informieren 99 ). Wahrscheinlich in diesem Zusammenhang ersuchte ihn auch Oberst Körner kurzfristig zur „Mitarbeit an besonderen Arbeiten" 1 0 0 ). Auch zu Glaise-Horstenaus Ausflügen in die Innenpolitik sind einige die Erinnerungen ergänzende und bestätigende Hinweise möglich. Julius Deutsch schrieb, Glaise-Horstenau hätte sich „ u m diese Zeit sehr demokratisch (gegeben) und auch gute Beziehungen zu dem mir persönlich nahestehenden Kreis von Offizieren, besonders zu den Obersten Theodor Körner und Karl Schneller" unterhalten 1 0 1 ). Daß er zur Sozialdemokratie dann doch eine sehr kritische Haltung einnahm, wird aus denArtikeln in „Danzer'sArmee-Zeitung" bald deutlichgeworden sein. Sie ist auch in den hie und da zustimmenden, in der Mehrzahl aber im Tenor herablassenden, bitteren oder höhnischen Randglossen, die Glaise-Horstenau in aus seinem Besitz stammenden Büchern Julius Deutsch' und Otto Bauers machte, ersichtlich 102 ). Andererseits fungierte Glaise-Horstenau in der zweiten Dezemberhälfte 1918 bereits neben Paul Samassa und Hans Ubersberger als „Schiedsrichter" im Vorstand der am 2. November 1918 gegründeten Nationaldemokratischen Partei, in deren ®®") KA., Direktionsakten, Chronik des Kriegsarchivs, verfaßt v. FML. Hoen (künftig: HoenChronik), Teil III, 17ff. Laut AOK., Op. geh. nr.2191, stellte Glaise namens des liquidierenden Armeeoberkommandos an das Staatsamt für Heerwesen am 28.11.1918 den Antrag, aus einem Quartier in der Canovagasse in das Kriegsarchiv zu übersiedeln. Dies wurde vom Staatsamt am 2.12.1918 genehmigt. " ) KA., Staatsamt f. Heerwesen, Präs. Nr. 1775/1918; Staatsamt an Kriegsarchiv, 6.12.1918, Konz. 9 8 ) ebdt., Amtsleitung ZI. 2504/1919, Soldatenrat des KA. an Staatsamt f. Heerwesen, 13.2.1919 bzw. 22.3.1919; Verordnungsblatt 6/1919,68. " ) L. Jedlicka, Saint Germain 1919, in: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der österreichischem Akademie der Wissenschaften 113. Jg. 1976,149-181, hier 153. 1 0 °) KA., Staatsamt v. Heerwesen, Amtsleitung ZI.4742/1919, Körner an Glaise-Horstenau, 14.6.1919, Konz. 1 0 1 ) J. Deutsch, Ein weiter Weg. Zürich-Leipzig-Wien 1960,121. 1 0 2 ) Siehe z . B . : KA., Bibliothek, sign. 148.532: J . Deutsch, Wehrmacht und Sozialdemokratie, Berlin 1928.
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Vorstand die Geldgeber und Mitarbeiter des „Wiener Mittag", nämlich Anton Schalk, Viktor Lischka, August und Peter Westen, aufschienen 103 ). Die Partei blieb bei den Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung erfolglos, mehrere ihrer Vorstandsmitglieder waren aber 1920 maßgebend an der Gründung der Großdeutschen Volkspartei beteiligt. Es ist glaubhaft, daß für Glaise-Horstenau, wie er schreibt, diese Funktion nur eine vorübergehende Episode blieb, denn längst schon hatte er mit Hilfe der Christlichsozialen Partei die Chefredaktion von „Danzer's Armee-Zeitung" übernommen, im Verlaufe des Jahres 1919 die linksstehende „Militärsoziale Rundschau" in der Leserschaft bald völlig ausgestochen und seine Zeitung schließlich mit dieser Wochenzeitung fusioniert 104 ). Er hatte sogar versucht, die legitimistische „Staatswehr" mit seinem Periodikum, dem er ab Jänner 1920 den Namen „österreichische Wehrzeitung" gab, zu vereinigen 105 ). Inzwischen waren seine Beziehungen zu Körner und Schneller aber nochmals die Ursache dafür, daß man Glaise-Horstenau für eine außenpolitische Mission heranzog. Der österreichische Gesandte in Berlin, Dr. Ludo Moritz Hartmann, berichtete anfangs Mai 1919, daß die Vertreter Bayerns, Badens, Württembergs und Sachsens mit dem preußischen Kriegsministerium ein Abkommen mit der Reichsregierung über die Organisation einer neuen Wehrmacht berieten 106 ). Es seien Abänderungsvorschläge Bayerns zu erwarten, und das preußische Kriegsministerium habe sich bezüglich der Teilnahme deutsch-österreichischer Delegierter an den Beratungen an das Auswärtige Amt gewandt, das die Einholung einer Stellungnahme Österreichs über den Militärbevollmächtigten an der deutschen Botschaft in Wien, also Cramon, anheimgestellt habe. Hartmann hielt jedoch die Anwesenheit eines „entsprechend informierten und instruierten deutschösterreichischen Vertreters" in Weimar bei den Verhandlungen für dringend notwendig. Körner schlug GlaiseHorstenau und Schulz vor. „Letzteren deshalb, weil er bereits in Berlin mit dem Reichsminister Noske Fühlung genommen hat, dann weil die Wehrmachtbildung als dem Staatszweck dienend einer politischen Prüfung bedarf und das Verlangen der Militärbevollmächtigten Sachsens und Württembergs auf eine starke politische Richtung der Verhandlungen schließen läßt" 107 ). Zu dieser Entsendung kam es offenbar nicht - dafür aber wurden die beiden Nominierten wieder auf Bitten der Gesandtschaft für die Teilnahme an den Verhandlungen der Arbeitskommission der deutschen Friedensstelle in Aussicht genommen. Laut der neuerlich von Körner verfaßten Instruktion sollte Glaise-Horstenau „rein militärische" und Hugo Schulz die „militärpolitische Seite" der Verhandlungen bearbeiten 108 ). Sie hätten aber zu103 ) J. Hawlik, Die politischen Parteien Deutschösterreichs bei der Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung 1919, Wr. Diss. 1971,360,367f. 104 ) J. Bauer, Danzer, 252 ff. 105 ) B/67: GM. Steinitz über Glaise-Horstenau, Maschinschrift v. 20.10.1948,1. 106 ) KA., Staatsamt f. Heerwesen, Amtsleitung ZI. 3777, Körner an Staatsamt für Äußeres (samt Vorakten und Anlagen), 7.5.1919, Konz. 107 ) ebdt., Amtsleitung ZI. 3959. Staatsamt f. Heerwesen an Staatsamt für Äußeres, 14.5.1919, Konz. l o e ) ebdt., Amtsleitung ZI.3959/1, Auftrag Körners, genehmigt von Deutsch, s.d. Reinschriftvermerk v. 20.5.1919.
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Einleitung
nächst nur über den Arbeitsgang und über die vom Staatsamt zuzuleitenden Behelfe oder Daten zu berichten. Aus der von Staatssekretär Deutsch abgezeichneten Vollmacht vom 19. Mai und auch aus der Instruktion ging weiter hervor, daß den beiden Männern der Adjutant des Staatssekretärs Leutnant Julius Braunthal als „Hilfsorgan" beigegeben wurde 109 ). Er aber hätte sich „nach bestimmt erhaltenen Aufträgen" zu orientieren und „ehestens nach Wien zurück(zukehren), um persönlich Bericht zu erstatten". Zu dieser Reise in „besonderer Mission" ist es jedoch erst am 15. Oktober 1919 gekommen, wobei die Kommission aus GlaiseHorstenau, Hauptmann Friedrich Latscher der Organisationsgruppe des Staatsamtes und Braunthal bestand 110 ). Zwei Tage später wurde ein Telegramm konzipiert, sie sollten, da die „Vorbereitungen für eine militärische Mission vor dem 25. Oktober nicht beendet seien", die derzeitige Mission selbständig beenden 111 ). Mit dieser Mission brechen die Unterlagen über die wohl stets vorhandenen politischen Ambitionen Glaise-Horstenaus außerhalb des journalistischen und historiographischen Tätigkeitsfeldes ab. Glaise wirkte in der Folgezeit im Rahmen des österreichisch-deutschen Volksbundes und der österreichisch-deutschen Arbeitsgemeinschaft als Vortragsreisender, insbesondere auch an der „österreichischen Vortragswoche" vom 24. November bis 6. Dezember 1929 im Deutschen Reich 1 1 2 ). Bei einer dieser Vortragsreisen gab Glaise-Horstenau einem seiner ehemaligen „Schüler" an der Konsularakademie, dem damaligen Generalkonsul in Köln Clemens Wildner, zu verstehen, daß er an dem propagandistischen und politischen Wert seiner Vortragstätigkeit zweifle 113 ). Er meinte aber, die Reisen seien für ihn sehr angenehm, er bekomme die Fahrt bezahlt und angemessene Spesengelder wieder ein Anklang an seine mehrfach bezeugte Furcht vor einer Verschlechterung seiner materiellen Lage. Ansonsten war der Archivar 1926 der Christlichsozialen Partei beigetreten 114 ). Wann er in den zwanziger Jahren durch die Lancierung eines Artikels in der Zeitung „Die Stunde" seinen Parteifreund, Heeresminister Karl Vaugoin, ausbooten und - wohl in einem Kabinett Seipel oder Schober - sich angeblich als Heeresminister anbieten wollte, wissen wir nicht 1 1 5 ). Kiszling behauptete auch, daß GlaiseHorstenau seinen alten Kommandanten und Gönner Aloys Schönburg-Hartenstein, als dieser im September 1933 Staatssekretär und später Minister für Landesverteidigung wurde, politisch beraten habe. Dies ist durchaus wahrscheinlich. Es wird jedoch erst aktenkundig, als Bundeskanzler Dollfuß am 15. Juni 1934 Glaise-Horstenau, „unbeschadet (seiner) Funktion als Direktor des Kriegsarchivs dem 109 no
) ebdt., Amtsleitung ZI. 3959/1, Vollmacht, 19.5.1919, Konz., abgezeichnet v. Deutsch. ) ebdt., 1919-A 14:55-51/2, Körner an 14.Abt., 1 3 . 1 0 . 1 9 1 9 , O r .
l n ) ebdt., Amtsleitung ZI. 8111/1919, an Lt. Braunthal, 17.10.1919, abgeschickt möglicherweise erst am 2 1 . 1 0 . 1 9 1 9 , Konz. 1 1 2 ) N . Preradovich, Die Wilhelmstraße und der Anschluß Österreichs 1 9 1 8 - 1 9 3 3 , Bern-Frankfurt 1971 (Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Bd. 3), 246 f. 1 1 3 ) Cl. Wildner, Von Wien nach Wien. Erinnerungen eines Diplomaten, Wien-München 1961, 150. 1 1 4 ) Universitätsarchiv, Philosophische Fakultät, Personalakt Glaise-Horstenau. m ) B/800, nr. 78: Notizen Rudolf Kiszlings für eine Tonbandaufzeichnung v. 2 0 . 1 . 1 9 6 5 , 3 .
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Bundesminister für Landesverteidigung auf dessen Wunsch zur fallweisen Beratung militärpolitischer, publizistischer und verwandter Angelegenheiten zur Verfügung stellt" 116 ). Doch anläßlich der Kabinettsumbildung vom 11. Juli schied Schönburg-Hartenstein als Minister aus. Bundeskanzler Dollfuß wollte ehemalige aktive Generalstäbler im allgemeinen, unter ihnen angeblich auch Glaise-Horstenau im besonderen, nicht auf dem politischen Betätigungsfeld einsetzen 117 ). Nur die Verleihung des Oberstentitels soll mit Glaise-Horstenaus kurzfristigem Wirken zusammenhängen 118 ). Die Ermordung des Bundeskanzlers führte allerdings dann noch neuerdings zur politischen Betätigung des ehemaligen Offiziers, deren Behandlung aber Gegenstand des zweiten Bandes der Edition sein wird.
e) Glaise-Horstenau als Archivar, Militärhistoriker und Journalist Inzwischen war jedoch Glaise-Horstenaus Jugendtraum in Erfüllung gegangen und er war Direktor des Kriegsarchivs 1 1 9 ) geworden, dem er ja schon kurze Zeit zwischen 1913 und 1914 angehört hatte. Nach allgemeiner Ansicht seiner Kameraden und Bekannten hatte es ihn immer schon zu diesem zentralen Aufbewahrungsort österreichischer militärischer Registraturen und Quellensammlungen zur Militärgeschichte, ja dem einzigartigen Mittelpunkt der Militärgeschichtsschreibung 120 ) der Donaumonarchie, hingezogen. Denn es kann gleich vorweggenommen werden, daß ihn zeit seiner amtlichen Tätigkeit im Archiv nicht die Ordnungs-, Aufstellungs- und Bewahrungsarbeiten an den Akten in Anspruch nahmen, ja daß er darüber hinaus auch irgendwelchen Editionsaufgaben letzten Endes auswich. Sein Blick galt weit eher der kriegsgeschichtlichen Abteilung dieses Archivs, die erstmals 1818 errichtet worden war. n6)
KA., Direktionsakt 3723/34, Bundeskanzler an Glaise-Horstenau, 15.6.1934, Or. L. Jedlicka, Ein Heer im Schatten der Parteien. Die militärpolitische Lage Österreichs 1918-1938, Graz-Köln 1955, 115. 118 ) Mitteilung Kiszling. Die Ernennung zum Oberst erfolgte mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 29.9.1934 (KA., Bundesministerium f. Landesverteidigung, ZI. 23751-Präs./34; ZI. 27664-Präs. 34:6-13/5). In der Tabelle über den Personalantrag „Verleihung des Titels eines Obersten für im Verhältnis außer Dienst erworbene Verdienste" heißt es: . . . Vortragstätigkeit von eminentem militärischen Interesse . . . vom Gen. Oberst Schönburg zur Bearbeitung von militärpolitischen Aufgaben mit Erfolg herangezogen . . ." Generalstabswerk „wäre ohne seine Hilfe nicht zustande gekommen . . ." 119 ) Uber dieses vgl.: Inventar des Kriegsarchivs Wien (Publikationen des österreichischen Staatsarchivs, 2. Serie, Bd. VIII), Horn 1953; R. Egger, The Kriegsarchiv, in: Austrian History Yearbook, Bd. VI/VII, Jg. 1970/1971,39- 66; ders., Das Kriegsarchiv Wien, in: Militärgeschichtliche Forschungen, Jg. 1970,Bd. 1, 113-120; Jg. 1970, Bd.2,167-175; Jg. 1971,Bd. 1,173-181. 120 ) Vgl. dazu: O. Regele, Die Geschichtsschreibung im Wiener Kriegsarchiv von 1779 (Kaiser Joseph II.) bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1918), in: Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Wien 1949, 732-743; ders., Staatspolitische Geschichtsschreibung - erläutert an Königgrätz 1866, in: MÖSTA, Bd. 3, 1950, 283-305; ders., Rückblick auf die Militärgeschichtsschreibung, in: Landesverteidigung geht alle an - Christliche Verantwortung in der Wehrfrage, Heft2, Wien 1958, 70-75; K. Peball, Archivar und Forscher am Beispiel des Kriegsarchivs Wien, in: Der Archivar, Bd. 21, 1968, 52-54. 117 )
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Einleitung
Diese Abteilung gab ab 1850 in Gemeinschaftsarbeit mehrerer Autoren die amtlichen Darstellungen der Feldzüge der jüngsten Vergangenheit heraus 1 2 1 ), weitete aber nach 1876 ihre Tätigkeit aus bis zurück in das Zeitalter Prinz Eugens, über das ein monumentales „Generalstabswerk" erschien. U m diese Zeit hatten militärwissenschaftlich interessierte Offiziere bereits eine Anzahl von Periodika 1 2 2 ) zur Verfügung, in denen militärfachliche Fragen diskutiert und in einzelnen Fällen auch zu Problemen der Tagespolitik Stellung genommen wurde. Auch sie hatten zum Großteil Offiziere des Kriegsarchivs unter ihren Mitarbeitern. Das nach der Jahrhundertwende angesehenste und weitestverbreitete Organ wurde „ D a n z e r ' s Armee-Zeitung". Daneben war es in der Direktionsära des F M L . Emil Frh. v. Woinovich bereits durchaus möglich, daß leitende Offiziere des Kriegsarchivs zu kriegshistorischen Fragen oder auch in Form von Jubiläumsartikeln und Nachrufen in Tageszeitungen zu allgemeinen historischen Fragen Stellung nehmen konnten. Inmitten aller dieser Anregungen, die eine eifrige Lektüre popularisierter traditionsgebundener Geschichtsschreibung, die in interessierten Kreisen erfolgte Weitergabe kritischer Schriften, das Studium der Kriegsgeschichte - und Strategie Lehrbücher, schließlich der Militär- und Tagesjournalistik bieten konnte, absolvierte Glaise seine Lehr- und ersten Dienstjahre. Glaises literarisch-historiographisch-journalistischer Werdegang ist aus seinen Erinnerungen und aus dem Werkverzeichnis zu entnehmen. Er begann mit der Bewunderung des „schwarz-gelben" Militärschriftstellers und Autobiographen Carl Torresani 1 2 3 ) und des im gleichen Sinne als Historiker, Schriftsteller und Journalist wirkenden Oskar Teuber 1 2 4 ). Die Frucht waren die Erstlingswerke eigener Humoresken, verfaßt und publiziert gemeinsam mit Franz Xaver Kappus, der bald den Weg des Militärjournalisten, später des Romanciers und Drehbuchautors, in einigen Werken aber auch den des Satirikers 1 2 5 ) einschlug. Mitarbeit und redaktionelle Tätigkeit bei literarischen Sammelwerken, Festschriften und populärhistorischen Werken machten dann Glaise in literarisch-journalistischen Kreisen bekannt und verschafften ihm schon bald Aufträge 1 2 1 ) Siehe oben, ferner: P. Broucek, Militärhistoriographisches Nachbeben des Feldzugsjahres 1859, in: MÖSTA, Jg. 31/1978, 283-297. , 2 2 ) F. R. Lauerer v. Lintenburg, Die Militär-Fachperiodica Österreich-Ungarns, Wien 1912; K. Zitterhofer, Streffleurs Militärische Zeitschrift 1808-1908. Eine Geschichte dieser Zeitschrift anläßlich ihres 100jährigen Bestehens. Mit einem Generalregister 1808-1907, Wien 1908; ders., Supplement für die Jahre 1908-1913, Wien 1913; P. Broucek, Johann Baptist Schels, Offizier, Archivar und Historiker der Biedermeierzeit, in: MÖSTA., Bd. 25/1972,442-448. 1 2 3 ) Die neueste Arbeit über Torresani: E. Wohlgemuth, Aus Briefen Carl Baron Torresanis, in: MÖSTA., Bd. 25/1972,464-482, baut auf Briefen auf, die Glaise vom Adressaten Theodor v. Sosnosky erwarb und die in seinem Schreibtischnachlaß gefunden wurden (nunmehr B/1). Über die bedeutenderen Vorgänger und Nachfolger Torresanis vgl.: F. Vana, Ferdinand v. Saar und die österreichische Armee, Wr. Diss. 1945; J. Koppensteiner, Franz Karl Ginzkey und die alte österreichische Armee, in: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 18/1974,283-290. 124) Vgl. über ihn: K. v. Zelau, Kleine Geschichten aus der großen Welt von einst, in: NWJ. v. 3.6.1923,10; E. Teuber, Franz Ferdinand und Schriftsteller Oskar Teuber, in: NWJ. v. 14.6.1923,4f.; O.V., Ein Freund Erzherzog Franz Ferdinands, in: NWJ. v. 16.6.1931,6. 1 2 5 ) Vgl. die - leider unzureichende - Arbeit v. M. Grossberg, Die k. u. k. Armee in der österreichischen Satire (Österreich-Reihe, Bd. 388/390), Wien 1974.
Quellenkritik der Erinnerungen
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und Angebote zur Verfassung von Aufsätzen in Zeitungen und Journalen. Bedeutsam wurden Glaises Kontakte zum Herausgeber und Chefredakteur von „Danzer's Armee-Zeitung" Carl Maria Danzer, der Jahre nach dem Tode Oskar Teubers, ab Ende 1907, die Stellung als publizistisches Sprachrohr der Militärkanzlei des Thronfolgers und als Mitglied eines losen Kreises von Groß-Österreichern einzunehmen begann 126 ). Ins Kriegsarchiv, immer schon das erklärte Ziel Glaises, war dieser zufolge seiner Fähigkeiten und Beziehungen zunächst kurzfristig kommandiert, dann aber ab 1. Mai 1913 transferiert worden. Er erwies sich sehr bald als geschätzter Mitarbeiter an den Bänden des Generalstabswerkes über den Feldzug 1813, dessen Probleme er ebenso wie Ereignisse des folgenden Feldzugsjahres auch in selbständigen Publikationen und Aufsätzen behandelte. Wie bereits erwähnt kehrte Glaise ins Kriegsarchiv 127 ) zurück, dessen Direktor, seit 1916 FML. Max R. v. Hoen, von seinen schriftstellerischen Fähigkeiten nach wie vor sehr viel hielt, wie aus dem weiterhin geführten „Vormerkblatt für die Qualifikationsbeschreibung" 128 ) zu entnehmen ist. Abgesehen von der Betrauung mit der Leitung der „Abteilung von militärischen Staatsakten", die für Glaise nochmals Ausblicke auf militärpolitische Tätigkeitsbereiche zuließ, gestattete das Vertrauen von Oberst Körner einerseits und Generalmajor Hoen andererseits, daß Glaise auch bei den Beratungen über die Zukunft des Kriegsarchivs gehört wurde. Allein aus dem Umstand, daß dieses Institut zwischen 1918 und 1920 nacheinander dem liquidierenden Kriegsministerium, dem Archiv-Bevollmächtigten der Republik, dem Staatsamt für Heerwesen und dem Bevollmächtigten-Kollegium für die internationale Liquidierung in Verbindung mit dem Militär-Liquidierungsamt unterstand, zeigt, wie unterschiedlich je nach dem innenpolitischen und ideologischen Standpunkt der Nutzen eines Weiterbestandes des Kriegsarchivs in Österreich eingeschätzt wurde und wie unsicher seine Zukunft in Hinblick auf das begehrliche Interesse der Nachfolgestaaten war. So wurde Glaise von Oberst Körner als „archivkundiger Fachberater" für zwischenstaatliche Besprechungen beigezogen, die im Staatsamt für Äußeres am 22. Juli 1919 über die Liquidierung der Archive statt126 ) R. A. Kann, Groß-Österreich, in: Erzherzog Franz-Ferdinand-Studien (Veröffentlichungen des österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts, Bd.X), Wien 1976, 2 6 - 46. In den in der Bibliothek des Kriegsarchivs unter Signatur A b XX aufbewahrten Bänden der Zeitschrift hat Glaise seine Verfasserschaft wenigstens bei einem Teil der Artikel eigenhändig vermerkt und auch seine Bemerkungen über die Verfasser anderer Artikel eigenhändig und namentlich signiert. ' " ) Uber die Arbeiten im Kriegsarchiv während des Weltkrieges vgl. K. Peball, Literarische Publikationen des Kriegsarchivs im Weltkrieg 1914 bis 1918, in: MÖSTA., Bd. 14/1961,240-260, bes.254. ,2e ) KA., Qualifikationsliste Edmund Glaise-Horstenau, Vormerkblatt für die Qualifikationsbeschreibung für die Zeit vom 1.10.1918 bis 30.9.1919: Äußerst gebildeter Offizier, der in den vielfachsten Verwendungen vorzüglich entsprochen hat - besonders auch im Kriegsarchiv, dem er schon vor Kriegsausbruch angehörte. Als Offizier eine Zierde seines Standes. Zur Führung eines selbständigen Kommandos hervorragend geeignet. Schriftsteller von Ruf. Chefredakteur von Danzer's Armee-Zeitung. Sehr gute Einwirkung auf Untergebene, besitzt Festigkeit verbunden mit Takt. Zur Führung von Offizierskorps zweifellos sehr geeignet . . . Alois Veltzé, Oberst . . . Tüchtiger Offizier mit brillanten Fähigkeiten, Max Hoen, FML.
Einleitung
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finden sollten 129 ). Aber an der Haupttätigkeit des Direktors in den Jahren nach 1918, der Rückführung und Sicherstellung der Akten der ehemaligen Armee im Felde und der Zentralstellen, dem Kampf um die Erhaltung des Archivraumes und allen Fragen des Personalabbaues war Glaise offenbar nur in geringem Maß beteiügt. Derartige Fragen interessierten ihn weniger, umsomehr als auf dem Gebiet der Militärpublizistik eine Umwälzung eingetreten war, die jahrelang einen guten Teil von Glaises Zeit beansprucht hatte. Gemeint ist die Übernahme der Chefredaktion von „Danzer's Armee-Zeitung" von Carl Maria Danzer in der Journalnummer vom 31. Dezember 1918, der Verhandlungen mit Politikern der Christlichsozialen Partei zur Sicherung der wirtschaftlichen Basis und zur Festlegung des politischen Kurses des Blattes vorangegangen waren, wie Glaise sie in seinen Erinnerungen schildert. Durch Heranziehung einiger prominenter Mitarbeiter aus den Reihen der alten Armee und durch kämpferisches Vorgehen gegen Volkswehr und Kommunisten suchte er zunächst einerseits für die „Zusammenarbeit aller Elemente der Ordnung gegen die Anarchie" zu wirken und seine Verpflichtungen gegenüber der Christlichsozialen Partei lange Jahre zu verschleiern. Mit Glaise als Redakteur und - zumindest zunächst - Hauptmann Emil Fey als Herausgeber wurde bald versucht, die Kontinuität in der Tradition der österreichischen Armee durch Propagierung eines unpolitischen Kurses des neuen Bundesheeres, Einschreiten gegen Verunglimpfungen oder auch schärfere Kritik an der alten Armee, ihrer Führung und ihrem Offizierskorps zu wahren. Der Kampf um Pensionen, Abfindungen und Gagen der Berufsmilitärpersonen bildete ein dauerndes sozialpolitisches, die militärische Zusammenstellung von Personal- und Vereinsnachrichten sowie von Nekrologen ein publizistisches Anliegen. Erst 1926 gab diese Zeitung in einem anonymen, wahrscheinlich von Glaise verfaßten Leitartikel einer Wahlempfehlung für die großen bürgerlichen Parteien offen Raum 1 3 0 ). Ein „anschlußfreundlicher" außenpolitischer Kurs hingegen konnte lange Zeit eher nur zwischen den Zeilen, ein großdeutsch-kulturpolitischer Kurs, vornehmlich in der Interpretation der Vergangenheit, ganz offen festgestellt werden. Dies hinderte jedoch Glaise und auch einige Mitarbeiter keineswegs daran, gegen Äußerungen aus dem Deutschen Reich - waren es abschätzige Betrachtungen und Bemerkungen über die Leistungen der alten Armee oder Ausflüsse österreichfeindlicher, allzu preußisch-deutscher Geschichtsschreiber - aufzutreten oder Auseinandersetzungen in diesem Sinne aufzunehmen. An eine amtliche Geschichtsschreibung wie in der Vorkriegszeit war zunächst aus finanziellen, politischen und ideologischen Gründen nicht zu denken 131 ). Immerhin wurden für sie die Voraussetzungen durch die 1920 erfolgte Gründung der ) K A . , Staatsamt f. Heerwesen, Amtsleitung ZI. 5761. ° ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 165. 1 3 1 ) Als allgemeine Erörterung vgl. vor allem: K . Peball, österreichische militärhistorische Forschung zum Ersten Weltkrieg zwischen 1918 und 1968, in: Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (Schriftenreihe des österreichischen O s t - und Südosteuropa-Instituts, Bd. III), Wien 1970, 3 0 8 - 3 1 7 . 129 13
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Nachfolgezeitung von „Streffleur's österreichischer Militärischer Zeitschrift" und mehrerer militärtechnischer Blätter, nämlich der „Militärwissenschaftlichen und technischen Mitteilungen" 132 ), geschaffen. An ihnen wirkte Glaise gelegentlich als Verfasser von Nekrologen, Geburts- und Jahrestagsartikeln mit. Vorläufig bot die Hilfe und Unterstützung, die im Rahmen des Kriegsarchivs FM. Conrad bei der Verfassung seiner Erinnerungen, eigentlich einer memoirenhaft kommentierten Aktenpublikation, gewährt wurde 133 ), für die Arbeit an einem amtlichen Generalstabswerk einen gewissen Ersatz. Besonders bedeutsam wurde die Zusammenarbeit Glaises mit Dienststellen des Deutschen Reiches, insbesondere dem Reichsarchiv in Potsdam, und mit deutschen Verlagen. Glaise wurde „Leiter" von Vorarbeiten für das deutsche amtliche Weltkriegswerk, die an Beamte des Kriegsarchivs vergeben worden waren 134 ). Später dann entsandten die Deutschen den Archivbeamten Rittmeister a.D. Kurt v. Regenauer als ständigen Verbindungsmann und Auswerter der Quellen des Kriegsarchivs für die Zwecke der amtlichen deutschen Kriegsgeschichtsschreibung nach Wien 135 ). Es wird sich in diesem Zusammenhang wohl nie mehr der Wahrheitsgehalt von Gerüchten feststellen lassen, Glaise habe um diese Zeit im Sinne einer traditionalistischen deutschen Geschichtsauffassung Akten verschwinden lassen oder an deutsche Dienststellen übergeben. Dabei hätte es sich um bisher unter Verschluß gehaltene Berichte über Plünderungsaktionen preußischer Soldaten oder über die homosexuellen Neigungen König Friedrichs II. von Preußen gehandelt 136 ). Glaise dürfte es weiters gewesen sein, der die ersten Kontakte zu den „Berliner Monatsheften für internationale Aufklärung" vermittelt hatte136®). Er verfaßte spater einige Artikel für diese auch in Österreich in historisch interessierten Kreisen ziemlich verbreitete Zeitung des Kampfes gegen die „Kriegsschuld" der Zweibundmächte. f) Glaise als Direktor des Kriegsarchivs Uber die Zeit seiner Direktionsführung im Kriegsarchiv konnte Glaise, abgesehen von kurzen Bemerkungen in Lebensläufen, keine Erinnerungen niederschrei, 3 2 ) (F. X. Schubert), Militärwissenschaftliche und Technische Mitteilungen, Inhaltsverzeichnis der Jahrgänge 1920-1929, Wien o. J. (1930). O. Tuider, Militärwissenschaftliche und Technische Mitteilungen, Inhaltsverzeichnis der Jahrgänge 1933-1944, Wien 1974. , 3 3 ) P. Broucek, Der Nachlaß Feldmarschall Conrads und das Kriegsarchiv, in: MÖSTA., Bd. 28/1975,164-182. 134 ) K.A., Direktionsakt 158/1/1922; Direktionsakt ZI. 616/1922, v. Mertz an Hoen, s. 1.30.9.1922. , 3 S ) Kiszling, Beiträge, fol. 18. 136 ) H. Andics, Die Frauen der Habsburger, Wien-München-Zürich 1969,412; Mitteilungen von Hofrat Erich Korningen an den Herausgeber. Aufgrund von dessen Äußerungen, die seine Gattin, die Schriftstellerin Ann Tizia Leitich, in ihrem Buch Augustissima - Maria Theresia - Leben und Werk, Wien 1953,347, publizierte, machte die Direktion des Kriegsarchivs bei ehemaligen Archivangehörigen eine Umfrage, die jedoch völlig ohne Ergebnis blieb (KA., Direktionsakt 4151/1953). 1 3 6 a ) Seine Korrespondenz mit dem langjährigen Herausgeber ist leider nur sehr fragmentarisch in seinem Schreibtischnachlaß (B/67, nr. 12) und in den Akten des Büros Glaise-Horstenau erhalten. Wie sehr Archivmitglieder für die Mitarbeit an jener Zeitung herangezogen wurden, zeigen die Korrespondenzen in den Nachlässen von Rudolf Kiszling (B/800, nr. 23) und Ludwig Schnagl (B/230, nr. 96).
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ben. Er hat sich aber nach diesem Lebensabschnitt später immer wieder zurückgesehnt. In seiner Jugend sah er jene Position als das Ziel aller seiner Wünsche. Als er es erreicht hatte, betrachtete er es vielleicht als Sprungbrett für einen weiteren Aufstieg in die politisch-militärische Laufbahn und - kaum war diese eingeschlagen immer wieder als mögliches Refugium, wenn jene Karriere scheitern sollte. Ein kurzer Uberblick über diesen Lebensabschnitt soll daher die vorliegenden quellenkritischen Betrachtungen und Erläuterungen beschließen. Das Kriegsarchiv wurde mit 1. September 1920 ein Zivilinstitut und der Staatskanzlei zugeordnet 137 . Die am 1. Jänner 1923 erfolgte Unterstellung unter das Bundesministerium für Inneres blieb dann infolge der Vereinigung dieses Ministeriums mit dem Bundeskanzleramt im selben Jahr nur eine kurze Episode. Zwischen 1918 und 1924 wurde das Personal des Archivs durch Personalabbau von 143 Personen auf 81 Personen reduziert. Dazu kamen die Erlässe des Bundeskanzleramtes vom 25. und 30. Juni 1921, die die Archivangehörigen in das für die Zivilbeamtenschaft gültige Schema einordneten. Seit 1920 galt demgemäß auch das abgeschlossene Hochschulstudium und das Studium am Institut für österreichische Geschichtsfor schung als Anstellungserfordernis. Doch sah man bereits im Amt befindlichen Offizieren, die das Doktorat besaßen, den Besuch des Institutes nach, und ebenso wurde einigen älteren Beamten auf leitenden Posten auf Grund ihrer bewiesenen Leistungen die Α-Qualifikation zugebilligt. Glaise-Horstenau inskribierte ab dem Wintersemester 1920/21 Vorlesungen und Seminare in Geschichte und Philosophie 138 ) und meldete sich für den damals beginnenden Vorbereitungskurs am Institut für österreichische Geschichtsforschung. Er wollte die Α-Qualifikation erlangen, wohl auch deshalb, da unter anderem Obstlt. Dr. Robert R. v. Srbik sein schärfster Konkurrent um den Direktorsposten werden konnte. Doch bereits am 18. April 1921 bat er um Enthebung vom Universitätsbesuch, da ihm die A-Qualifikation bereits sicher erschien 139 ). Er einigte sich mit Hoen darauf, pro forma weiter zu inskribieren, weshalb schließlich ein Studium von vier Semestern in seinen Personalunterlagen an der Universität nachweisbar war. Was Glaise-Horstenau vom Studienbetrieb, den Professoren und den Studenten hielt, hat er in seinen Erinnerungen festgehalten. Jene entsprechenden Passagen unterscheiden sich nicht sehr von den späteren gelegentlichen Äußerungen Rudolf Kiszlings bis in dessen hohes Alter hinein: die Generalstäbler dünkten sich als Männer der Praxis sowohl in allen militärhistoriographischen Fragen als auch im Umgang mit Akten und Aufzeichnungen militärischer Institutionen und Personen den arrivierten wie den angehenden Gelehrten weit überlegen. Immerhin konnte Glaise-Horstenau seine Kontakte zur Gelehrtenwelt, so zu den auch von ihm sehr anerkannten Historikern Heinrich Friedjung und Alfred F. Pribram, knüpfen oder erneuern, und auch Zugang zu einem so angesehenen Gelehrtenkreis wie die „österreichische Politische 137 ) Glaise-Horstenau wurde daher mit 1. Oktober 1920 infolge Ubertritts in den Zivilstaatsdienst in das Verhältnis „außer Dienst" versetzt (BMfLV., Abt. 3, ZI. 35816/1920; Verordnungsblatt 52/1920,338). 138 ) Universitätsarchiv, Philosophische Fakultät, Personalakt Glaise-Horstenau. " » ) Hoen-Chronik, IV/98.
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Gesellschaft" finden 140 ). Hand in Hand damit ging eine sehr intensive Vortragstätigkeit, vornehmlich über Weltkriegsfragen, bei den verschiedensten Institutionen, Traditions- und wirtschaftlichen Interessensverbänden oder in der Urania 141 ). Das Streben nach Ansehen und hohem Bekanntheitsgrad und der materielle Nutzen dürften sich dabei mit einem wissenschaftlich-publizistisch-volksbildnerischen Anliegen getroffen haben. Man hätte meinen können, daß alle diese Aktivitäten auf archivtechnischem, historiographischem, journalistischem und publizistischem Gebiet im Verein mit Glaise-Horstenaus guten Beziehungen ausgereicht hätten, seine schon jahrelang erwartete Bestellung zum Nachfolger FML. Hoens leicht zu bewerkstelligen. Nicht nur die Archiv-Chroniken, sondern auch Unterlagen aus verschiedenen Aktenbeständen erweisen, daß dem nicht so war. Zwar dürfte sich Glaise-Horstenau des Wohlwollens, der Wertschätzung und der guten Absichten seines Chefs im Hinblick auf die Nachfolgefrage schon Jahre hindurch sicher gewesen sein 142 ). Mit Hoens Hilfe übersprang Glaise in der Rangtour die beiden Archivare und Historiker Maximilian Ehnl und Rudolf Hödl sowie Obstlt. a.D. Regierungsrat Dr. Srbik, der nach Auseinandersetzungen mit den Kollegen und verschiedenen über den Kopf des Direktors hinweg im Bundeskanzleramt vorgebrachten Beschwerden Ende Oktober 1923 zum Abgang vom Kriegsarchiv veranlaßt worden war 143 ). Für Glaises .Karriere ergab sich jedoch noch eine große Gefahr durch die Ambitionen des anerkannten Militärschriftstellers GM. a.D. Hugo Kerchnawe, der bei Kriegsende Generalstabschef des Militär-General-Gouvernements Serbiens gewesen war und sodann im Militärliquidierungsamt arbeitete. Er hatte 1918/19 noch ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Körner 144 ), der ihn bezüglich der Zukunft des Kriegsarchivs konsultierte, und er wurde neben den Generälen Hoen, Krauss und Berndt zur Erstellung eines Gutachtens über die Neugestaltung des österreichischen Wehrwesens herangezogen 145 ). Der Chef des Militärliquidierungsamtes 140
) F. Engel-Janosi, . . . aber ein stolzer Bettler. Erinnerungen aus einer verlorenen Generation, Graz-Wien-Köln 1954,77 f., 163. 141 ) KA., Direktionsakt 352/1922. 142 ) Hoen beantragte bereits 1922 (KA., Direktionsakt 636/1922) und dann nochmals 1923 (KA., Direktionsakt 19/1923 u. Hoen-Chronik, IV/237) für Glaise, der übrigens mit 23.9.1921 noch ehrenhalber Obstlt. geworden war (BMfLV., Abt. 3, 10.255/240/1920; Verordnungsblatt 51/1921, 610), den Berufstitel Regierungsrat (Entschließung des Bundespräsidenten vom 11.5.1923: Hoen-Chronik, IV/250). Durch Dienstzettel vom 17. 2.1923 ernannte Hoen Glaise zu seinem Stellvertreter (Kiszling, Beiträge, 17). Auf Antrag Hoens wurde Glaise, der sich bereits in der 17. Gehaltsgruppe befand, mit 21.5.1924 auch der Titel Hofrat verliehen (Hoen-Chronik, IV/287). ,43 ) Hoen-Chronik, Beilagen 49, 69 u. 70. 144 ) B/201, nr. 20: Brief Körners, 28.1.1919: „Lieber Freund K! . . . 2) Wie stellst Du Dir die Zukunft des Kriegsarchiv's vor? Wäre Dir für ein paar aufklärende Worte dankbar. . . Herzlichst wie stets Dein ergebener, Dich sehr schätzender Körner." Vgl. auch: E. C. Kollman, Theodor Körner. Militär und Politik, Wien 1973, 149, 241, 409f„ 426. 14s ) F. Weber, Die Planungen des Deutsch-Österreichischen Staatsamtes für Heerwesen zur Aufstellung einer bewaffneten Macht vor Wirksamwerden der Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain in den Jahren 1918 und 1919 (Militärwissenschaftliche Arbeit am 8. Generalstabskurs), Wien 1978,52 ff.
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Einleitung
Dr. Hornik setzte sich seit 1922 beim Vizekanzler und beim Bundeskanzler für Kerchnawe ein und ließ bis Jänner 1925 in seinem Anliegen nicht locker 146 ). Zur langjährigen Kandidatur Kerchnawes gesellten sich 1924 noch die Ambitionen des letzten Chefs der Nachrichtenabteilung des A O K . GM. Max Ronge, der sich der Unterstützung des ehemaligen Bundeskanzlers und Polizeipräsidenten Dr. Schober erfreute, aber sein Ziel offenbar nicht mit der gleichen Intensität wie Kerchnawe zu erreichen trachtete 147 ). Schließlich gab aber offenbar eine letzte Intervention von Glaise-Horstenaus altem Gönner G O . a.D. Aloys Fürst Schönburg-Hartenstein, der beim Führer der Christlichsozialen Partei, Prälat Dr. Seipel, seit 1922 für Glaise eintrat, den Ausschlag 148 ). Schönburg-Hartenstein meinte in einem Schreiben vom 15. November 1924 an Seipel, Glaise-Horstenau sollte möglichst bald zum Direktor oder wenigstens förmlich - und nicht nur amtsintern mit Meldung an die vorgesetzte Dienststelle - zum Vizedirektor ernannt werden. Nur so sei Gewähr gegeben, daß ,,er und kein anderer Nachfolger des FML. Hoen" werde. Daß Glaise-Horstenau zum Direktor ernannt werde, entspräche „den Wünschen fast der ganzen Generalität des alten Heeres, der Ansicht des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und des weitaus größten Teils der in Betracht kommenden öffentlichen Meinung". In der „Deckung" des Briefes jenes Fürsten, zu dessen Familie Prälat Seipel angeblich auch gewisse persönliche Beziehungen gehabt hatte, unternahm GlaiseHorstenau den Schritt, sich persönlich in zwei Schreiben an den Parteiführer zu wenden und dessen Einfluß bei der bevorstehenden Entscheidung im Ministerrat nochmals zu erbitten. Die Pensionierung Hoens bei gleichzeitiger Ernennung Glaise-Horstenaus zum Archivdirektor erfolgte mit 1. 2. 1925 149 ). Glaise-Horstenaus Amtsführung dauerte bis zur Bestellung Rudolf Kiszlings zum „einstweiligen Leiter" am 21. Oktober 1936 150 ). Der neue Direktor hatte gemäß dem Personalstand von 1924 einundsechzig Beamte 151 ) unter sich. Dazu waren im Hause noch Angehörige des Militärliquidierungsamtes, ein Beamter des Deutschen Reichsarchivs und Mitglieder der tschechoslowakischen, italienischen und ungarischen Archivdelegationen tätig. Die wichtigsten Ereignisse in Glaises Direk1 4 6 ) Allgemeines Verwaltungsarchiv, Bundeskanzleramt ZI. 734 ex 1923, 37815 ex 1924; HoenChronik, IV/157Í., 311 f. 1 4 7 ) Hoen-Chronik, 312. 1 4 S ) Allgemeines Verwaltungsarchiv, Seipel-Korrespondenz 1924/25; Hoen-Chronik, IV/158 f. 1 4 9 ) ebdt., Glaise-Horstenau bedankte sich am 16.2.1925 bei Seipel u.a. mit den Worten: „ . . . Durch den Umsturz mitten herausgerissen aus einer - wie ich doch sagen darf - zukunftsreichen Laufbahn, habe ich nun doch einen Posten erhalten, der mich für Verlorenes in weitest möglichem Maße entschädigen kann. Daß mir dieses große Glück widerfuhr, danke ich ausschließlich Eurer Exzellenz ! . . . Erlauben mir Eure Exzellenz dazu noch den Hinweis, daß es mir bei meinem Denken und Fühlen eine ganz besonders tiefe Befriedigung gewährt, eine der größten Lebenswohltaten just aus den Händen eines Priesters empfangen zu haben, dessen Name in der ganzen Welt in Ehrfurcht genannt wird und dem alle Gutgesinnten gleicherweise wünschen, daß er mit Gottes Hilfe dem öffentlichen Leben möglichst bald mit frischer Kraft zurückgegeben werde !" , 5 ° ) K.A., Kanzleiregistratur ZI. 3681/36, Dienstzettel v. 21.10.1936. Uber die endgültige Regelung, die erst 1938 erfolgte, vgl. Bd. 2 der Edition. 1 5 1 ) Kiszling, Beitrag, 64.
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tionsära 152 ) auf dem Gebiet des Archivwesens waren der Umbau des sogenannten Stiftskirchentraktes, der samt den Vorarbeiten von 1928 bis 1930 währte 153 ), und in administrativer Hinsicht eine Neuorganisation im Jahre 1926. Dabei wurde Obst. a.D. Rudolf Kiszling als Betreuer des Archivs des Armeeoberkommandos die Keimzelle eines zukünftigen kriegsgeschichtlichen Hauptreferates oder einer Zentrale für die seit Jahren erwünschte Arbeitsgruppe zur amtlichen Darstellung des Anteils der k . u . k . Armee an den Kämpfen des Ersten Weltkrieges. Die Unterbringung der weiterwachsenden Aktenmassen und die Erwerbung wichtiger Schriftennachlässe bildeten für Glaises Direktionstätigkeit weitere Betätigungsfelder, die er allerdings gerne seinem Stellvertreter Hofrat Rudolf Hödl beziehungsweise Kiszling überließ. Vom Gebiet der Militärgeschichtsschreibung her betrachtet kann man in diesen Aktivitäten Vorspiele sowohl zu Glaises beiden schriftstellerischen Hauptwerken als auch zu dem in seiner Direktionszeit begonnenen und 1938 vollendeten letzten amtlichen Generalstabswerk des Kriegsarchivs sehen. Zunächst erschien im Jahre 1929 von Glaise im Verlag Amalthea sein Werk „Die Katastrophe", durch eine große Zahl von Zeitungsartikeln, Vorträgen sowie Beiträgen zu den Büchern Cramons und Schwartes vorbereitet. Der Historiker konnte sich dabei nicht nur auf die bisher erschienene Literatur, auch in der ungarischen und in slawischen Sprachen, stützen 154 ). Er hatte auch seine großen Kenntnisse aus der Zeit der Dienstleistung im A O K . und seine hervorragenden Beziehungen zu vielen damals führenden Politikern, Militärs und Diplomaten zur Verfügung, um bisherige Darstellungen in mancher Hinsicht zu ergänzen und viele neue Details von Ereignissen mitzuteilen oder anzudeuten. Das Werk fand in vielen anerkennenden Rezensionen starken Widerhall in der Öffentlichkeit und wurde auch anläßlich des Habilitationsverfahrens für Glaise von Heinrich R. v. Srbik besonders hervorgehoben 155 ). Es sei „bis heute die beste, ja die einzige hochstehende Darstellung der Zertrümmerung österreich-Ungarns und des Werdens der Nachfolgestaaten, mit Pietät und Liebe und doch auch mit Freimut und offenem Auge geschrieben. Das Buch hat eine amerikanische, eine englische und eine italienische Ausgabe erhalten, eine zweite deutsche Auflage ist in Vorbereitung." Zu dieser ist es jedoch nie mehr gekommen, obwohl Glaise sich sogar mit dem Gedanken einer Fortsetzung des Werkes bis etwa zum Jahre 1930 trug und dafür, wie er einem Freund erklärte, Material gesammelt hatte 156 ). Im Jahr darauf erschien im gleichen Verlag: „Franz Josephs Weggefährte, Generaloberst Graf Beck-Rzikowsky". Das etwas umfangreichere Werk brachte für ) Uber Glaise als Archivar bereitet der Herausgeber einen Aufsatz für die Zeitschrift „Scrinum" vor. ) Das Kriegsarchiv baufällig. Eine Unterredung mit dem Direktor des Kriegsarchivs Hofrat Glaise-Horstenau, in: N W J . v. 8 . 1 1 . 1 9 2 5 , 4 ; Kiszling, Beitrag, fol.40ff. 1 5 4 ) Ein kleiner Teil der Materialsammlung, insbesondere an Ubersetzungen aus slawischen Sprachen, in: B/67, nr. 16. 1 5 5 ) Universitätsarchiv Wien, Philosophische Fakultät, Personalakt Glaise-Horstenau, Kommissionsprotokoll vom 4 . 5 . 1 9 3 4 . 1 5 6 ) Steinitz, Edmund Glaise v. Horstenau, 1. 152 153
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Glaise, wenn nicht in der breiten Öffentlichkeit, so doch in den historisch beson ders interessierten Kreisen und unter den Offizieren, einen noch größeren Erfolg. In der Biographie jenes außergewöhnlichen lange in führenden Stellungen des österreichischen Heerwesens tätig gewesenen Offiziers schilderte Glaise die Geschichte des österreichischen Generalstabes, ja im Uberblick eine Geschichte des Heerwesens der Donaumonarchie zwischen etwa 1859 und 1906. Wieder waren ihm seine persönlichen Beziehungen und sein hoher Bekanntheitsgrad, aber besonders die schon vor 1914 gewonnenen Einblicke von Nutzen. Freilich dürfte es in diesem Fall zumindest unsicher sein, inwieweit andere Persönlichkeiten dieses Werk nicht bereits vorgeformt oder das Material wenigstens weitgehend aufbereitet hatten 157 ). Im Anschluß an dieses Werk sammelte GM. Steinitz für Glaise um diese Zeit auch Material für eine Radetzkybiographie, zu der es dann nicht mehr gekommen ist 1 5 8 ) - und ebenso dachte Glaise immer wieder an ein Werk über FM. Conrad 1 5 9 ). Mittlerweile waren auch die lange zurückgestellten Pläne für eine amtliche Bearbeitung der Feldzüge des Ersten Weltkrieges verwirklicht worden. Nach zahlreichen Besprechungen gelang es, das Bundesministerium für Heerwesen für die Kommandierung von geeigneten Offizieren für kriegsgeschichtliche Arbeiten ins Kriegsarchiv zu gewinnen und auf diese Weise wieder eine kriegsgeschichtliche Abteilung im Archiv zu errichten 160 ). Nach dem Aufbau eines Subventions- und Subskriptionssystems konnte mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden, wobei sich vor allem Kiszling die Koordinierung der Autoren und Manuskripte angelegen sein ließ 1 6 1 ). Wie alle Unterlagen erweisen und alle Glaise eher wohlgesinnten Kenner der Materie bezeugen, hatte dieser, der nur als Autor der militärisch-politischen Einleitungskapitel und Zwischenbetrachtungen hervortrat, an der redaktionellen und organisatorischen Arbeit ab dem zweiten Band keinen Anteil mehr 1 6 2 ). „Österreich-Ungarns letzter Krieg" blieb in der Zwischenkriegszeit das einzige fertiggestellte Generalstabswerk einer am Ersten Weltkrieg beteiligten größeren Macht. Allerdings wurde in diesem großen Werk die Bündnis- und die Militärpolitik nur sehr vorsichtig beschrieben. Es sollte auch durch die Erörterung der nationalen und der sozialen Spannungen im Heereskörper kein Vorwand zu verstärktem ) Kiszling, Beitrag, fol. 33f.; Steinitz, Edmund Glaise v. Horstenau. ) B/67, nr. 11: Glaise-Horstenau an Anton Vichtl in Schloß Wetzdorf, 16.10.1933, Konzept. 1 5 9 ) Allgemeines Verwaltungsarchiv, Büro Glaise-Horstenau, ZI. 3101/37; B/800, nr. 115. 1 6 0 ) KA., ZI. 1277/25 v. 13.7.1925. Zum Folgenden vgl.: Kiszling, Beitrag, fol.28ff.; B/800, nr.22: ders., Heutige Forderungen an die Militärgeschichtsforschung, Ms.; Manuskripte zur Geschichte des Kriegsarchivs: R. Kiszling, Entstehung des amtlichen österreichischen Kriegswerks, die dabei angewandten Forschungsmethoden und gewonnenen Erfahrungen, Ms. 1944. Über die finanzielle Basis gibt F. X . Schubert Auskunft in einem Auszug aus seinen Erinnerungen, die unter dem Titel: Dr. Sucher, General Schubert, 85 Jahre, in: Der Geistig Schaffende, N r . 7/8, Juli: August 1968,4, erschienen. Auch: F. Engel-Janosi, Zur Geschichte des österreichischen Aktenwerkes über den Ursprung des Ersten Weltkrieges, in: Zeitgeschichte, 5. J g . / 1 9 7 7 - 1 9 7 8 , 3 8 - 5 2 . 1 6 1 ) K A . , Manuskriptenreihe „Österreich-Ungarns letzter Krieg", Fasz. 1: Indizes u. Protokolle zur Sonderregistratur; Fasz. 2 - 4 : Korrespondenzen u. Verträge; Fasz. 5 - 2 0 : Manuskripte, Fahnen- und Umbruchexemplare usw. 1 6 J ) Aussage Steinitz; Aussage Mayern; mündliche Mitteilungen Hödl u. Heydendorff an den Herausgeber. 1S7
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innenpolitischen Kampf gegen das Bundesheer, das 1933 ganz offiziell die Tradition der alten Armee und vor allem einzelner Regimenter übernahm, gegeben werden. Bewußt oder unbewußt mußte so der zukünftigen Geschichtsforschung eine Arbeit überlassen werden, die damals aus psychologischen, innen- und außenpolitischen Gründen nicht geleistet werden konnte 163 ). Die verhältnismäßig geringe tatsächliche Beteiligung Glaise-Horstenaus am amtlichen Kriegsarchivwerk ist, wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, auf seine selbständige militärhistoriographische Tätigkeit, seine trotz der Übernahme der Chefredaktion der „Wehrzeitung" durch Generalmajor a.D. Lauppert verdeckt weitergeführte Einflußnahme auf diese Zeitung, seine Vortragstätigkeit und seine ab 1933 wieder wachsenden politischen Ambitionen zurückzuführen. War Feldmarschalleutnant Hoen mit den bereits geschilderten Problemen, die für das militärische Archiv- und Bibliothekswesen in jeder Hinsicht aus dem Zusammenbruch der Donaumonarchie entstanden, vollauf beschäftigt, so ergaben sich nach 1925 infolge der allmählichen Konsolidierung der archivischen und der kulturpolitischen Verhältnisse für den Archivdirektor gewisse Möglichkeiten, im In- und Ausland auch vor eine breitere Öffentlichkeit hinzutreten. Die Vorträge im Rahmen des österreichisch-deutschen Volksbundes und die schriftlichen und durch Reisen aufrechterhaltenen Kontakte zu den „Berliner Monatsheften" wurden bereits erwähnt. Gemeinsam mit Kiszling nahm Glaise-Horstenau jedoch auch an den deutschen Archivtagungen in Speyer 1927164) und in Kiel 1928 teil. GlaiseHorstenau unternahm 1930 eine erste etwa vierzehntägige Vortragsreise durch Schweden und Norwegen 165 ). Ferner beteiligte er sich in den dreißiger Jahren an den „Pilgerfahrten" des „Schwarzen Kreuzes" zu Kampfstätten des Ersten Weltkrieges166) und hielt bei diesen Gelegenheiten Vorträge. Es ergaben sich auch bei den verschiedensten Jubiläumsfeiern, etwa anläßlich der Türkenbefreiungs-Feier 1933 und des Prinz-Eugen-Jubiläums Gelegenheit zu historischen Vorträgen, die Glaise in zunehmendem Maße auch zur Herausstellung von zumindest kulturpolitischen Bekenntnissen nützte. Besonders dürften jedoch die von Glaise-Horstenau seit etwa 1933 gehaltenen Radiovorträge historischen Inhalts, vor allem in Wien, aber auch in Salzburg und Saarbrücken, zur Erhöhung seines Bekanntheitsgrades in der Öffentlichkeit beigetragen haben. Zwischen 1934 und 1936 hielt Glaise-Horstenau neunzehn Vorträge unter dem Titel „Vor zwanzig Jahren", wozu bis 1937 noch Vorträge anläßlich von Todestagen und weiteren Gedenktagen mit Bezug auf Ereignisse des Ersten Weltkrieges kamen 167 ). Bei einem seiner ersten Vorträge ereignete sich ein diplomatischer Zwischenfall, der blitzartig 163 ) Vgl. auch die Rezension v. J. Chr. Allmayer-Beck des Buches: Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918, von R. G. Plaschka, H . Haselsteiner, A. Suppan, 2 Bde., Wien 1974, in: Ö M Z , Jg. 1977, 353. 164 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 183. 165 ) KA., Direktionsakten 21.10194/1930 u. 686/1931. 166 ) Laut Kiszling, Beitrag, fol. 43 ff. ab 1932, laut Kanzleiregistratur 2843/34 wurde offenbar erst ab 1934 vom Bundeskanzleramt eine Bewilligung eingeholt. 167 ) Siehe die Manuskripte in B/67, nr. 9.
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die damalige Situation Österreichs erhellt168). Glaise-Horstenau hatte bei einem Radiovortrag über die Zwölfte Isonzoschlacht am 24. Oktober 1933 für den auch in italienischen Publikationen anläßlich dieses Sieges der Mittelmächte bezüglich der etwa 500000 italienischen Deserteure und Versprengten gebrauchten Ausdrucks „Imboscati" die Ubersetzung „Buschklepper" gewählt169). Infolge eines Versehens der Druckerei kam dieser Passus, der von Redakteuren der „Ravag" aus den Druckfahnen bereits hinauskorrigiert worden war, doch in der Programmzeitschrift „Radio Wien" zum Abdruck. Der italienische Gesandte Preziosi führte - wahrscheinlich noch aufgehetzt durch den italienischen Militârattaché - am 28. Oktober mittags heftige Beschwerde dagegen beim Generalsekretär des Außenministeriums Gesandten Peter und verlangte eine „Reparation" bis sechs Uhr abends. GlaiseHorstenau und der Programmdirektor der „Ravag" Rudolf Henz wurden ins Bundeskanzleramt zitiert und mußten sich rechtfertigen. Glaise-Horstenau wurde bereits allgemein als „toter Mann" betrachtet und hätte die um 19 Uhr stattfindende Unterredung des Bundeskanzlers in Begleitung des Generalsekretärs und Dr. Hornbostels mit Preziosi abzuwarten gehabt. Dollfuß erklärte sodann gegenüber dem italienischen Diplomaten, er habe von einer sofortigen Pensionierung Glaise-Horstenaus wegen dessen Verdienste Abstand genommen, überlasse es aber Ministerpräsident Mussolini, darauf zu bestehen, und wolle durch diesen Vorfall seine Beziehungen zu Italien keineswegs trüben lassen. Dollfuß beabsichtigte, die Leitung der Ravag zu mahnen und das entsprechende Heft noch konfiszieren zu lassen. Preziosi regte aber an, daß „gegebenenfalls auch ein öffentliches Bedauern der Bundesregierung in Form einer Verlautbarung angefügt werden könnte". Glaise-Horstenau wurde von Peter am 30. Oktober „eingeladen", wenigstens bis auf weiteres seinem Amt fernzubleiben. Am 3. November schließlich erklärte Preziosi, daß er die Angelegenheit „angesichts der loyalen Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers sowie in Anbetracht der beim italienischen Gesandten erfolgten Verwendungen des Herrn Vizekanzlers Fey, des Grafen Starhemberg und des Staatssekretärs Prinzen Schönburg . . . lediglich als eine Entgleisung ansehe, die sich hoffentlich nicht wiederholen werde". Er würde Glaise-Horstenau bei einem Besuch freundlich empfangen. Glaise-Horstenau hatte in einem Brief vom 29. Oktober inzwischen angeboten, vielleicht im Landesverteidigungsministerium „untertauchen" zu dürfen und bezog sich dabei sogar auf eine Anregung, die Schönburg einige Tage zuvor gemacht hätte. Es scheint, daß dieser Zwischenfall, der dann noch durch eine Anfrage der sozialdemokratischen Bundesräte Körner, Schärf, Brandeisz „wegen einer schweren Demütigung der österreichischen Kriegsteilnehmer" in die Öffentlichkeit getragen wurde 170 ), dem ehemaligen Offizier und dem Historiker Glaise in den Kreisen, die er ansprechen wollte, nicht geschadet hat; eher im Gegenteil. Schon 1932 war sein 168 ) Vgl. die Aktenlage in: H H S T A . , Neues Politisches Archiv, Fasz.659, ItalienI/21, ZI. 26046/13/33; Tonbandinterview mit Prof. Rudolf Henz; Kiszling, Beiträge, fol. 35f. 169 ) Im Text hieß es: „ . . . und fast eine halbe Million von Marodeuren und Buschkleppern durchschwirrten ganz Oberitalien; Radio Wien, H e f t 4 (Oktober 1933), 7. 17 °) Bundesrat, 205. Sitzung am 17. November 1933 (Arbeiter-Zeitung v. 18.11.1933,2).
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fünfzigster Geburtstag nicht nur in einer eindrucksvollen Feier im Kriegsarchiv, sondern auch durch die Verleihung des Ehrendoktorats der philosophischen Fakultät der Universität München begangen worden 1 7 1 ). Glaise erfuhr diese Ehrung in „Anerkennung seiner außergewöhnlichen wissenschaftlichen und organisatorischen Verdienste als Verfasser wertvoller kriegswissenschaftlicher Werke, als Herausgeber des österreichischen Kriegswerkes, als Leiter des hochangesehenen Kriegsarchivs und als mutiger Vorkämpfer gegen die Kriegsschuldlüge". Der Höhepunkt xler wissenschaftlichen Karriere schien dann jedoch in der sichtbaren Anerkennung durch die maßgebenden Historiker und Lehrer an der Wiener Universität erreicht, als sie - insbesondere Heinrich R. v. Srbik - Glaises Habilitation zum Dozenten für neuere Kriegs- und Heeresgeschichte an der Wiener Universtität befürworteten 172 ). Glaise-Horstenau hielt im Anschluß an seine Habilitation nur Vorlesungen über die Geschichte des Ersten Weltkrieges. Uber alle anderen Phasen und Aspekte der Heeresgeschichte sollte Staatsarchivar Dr. Ferdinand Stöller 173 ) lesen, dessen Zulassung als Privatdozent für mittlere und neuere Kriegs- und Heeresgeschichte ebenfalls am 4. Mai 1934 beraten wurde 1 7 4 ). Nach Würdigung seiner bisherigen historiographischen Leistungen meinten die Professoren, seine Habilitation „würde besonders der älteren Kriegs- und Heeresgeschichte zugute kommen und seine Lehrtätigkeit würde eine ausgezeichnete Ergänzung zu den Vorlesungen des Dr. Glaise-Horstenau bringen". Stöller war es denn auch, der bis 1945 und dann ab 1956 bis zu seinem Tode Vorlesungen über Kriegs- und Heeresgeschichte hielt. Angesichts der Vielfalt der Vorlesungen über Kriegs- und Heeresgeschichte, Heeresorganisation, Befestigungswesen, Waffengeschichte, Theorie der Kriegführung und Geschichte der Taktik ist wohl eher Stöller als der wahre Vertreter des Spezialfal l e s „Kriegs- und Heeresgeschichte" an der Universität Wien anzusprechen. In den Herbst 1934 fällt der Beginn von Glaise-Horstenaus neuerlicher politischer Betätigung, und für die Jahre danach sind keinerlei Spuren von irgendwelchen historischen Forschungen, sondern nur mehr die Erarbeitung von Einzelvorträgen über verschiedene Themen aufgrund der Literatur nachweisbar und anzunehmen. Glaise-Horstenau ist auf akademischem Boden wohl am ehesten als Lehrer einer neuesten Kriegsgeschichte oder besser noch der militärpolitischen Beziehungen der Großmächte zueinander in Krieg und Frieden anerkannt worden. 1 7 1 ) Ε. v. Lauppert, Edmund v. Glaise-Horstenau. Dem jüngsten Ehrendoktor der Universität München, in ÖWZ. v. 26.2.1932,1 f. 1 7 2 ) Universitätsarchiv Wien, Personalakt Glaise-Horstenau, Kommissionsprotokoll v. 4.5.1934. 1 7 3 ) Ferdinand Stöller (Wien, 15.2.1891-14.12.1968, Klosterneuburg), 18.8.1911 aus der Milak. als Lt. zu LIR.9, 14.6.1915 schwer verwundet, 4.4.1916 eingeteilt ins KA., 1.11.1917 Hptm., 1.9.1920 a . D . , 3.4.1922 Mjr. a . D . , 1924-1927 Absolvent des einst, f. öst. Geschichtsforschung, 23.5.1928 Dr.phil., 23.1.1929 Staats archivar, 1.9.1934 Dozent für mittlere und neuere Kriegs- und Heeresgeschichte, 1.8.1934 Leiter der Bibliothek des KA., 1.2.1936 Oberstaatsarchivar, 1.10.1938 Oberheeresarchivrat, 6.7.1941 außerplanmäßiger Univ.-Prof., 2.2.1946 von der Tätigkeit im KA. enthoben, 1.9.1947 pensioniert, 19.11.1955 Wiedererteilung der Lehrbefugnis an der Univ. Wien. 1946-1965 freiwilliger Mitarbeiter am Museum f. öst. Kultur; seine Publikationen beschäftigen sich vor allem mit mittelalterlicher Kriegsgeschichte Österreichs und den Wiener Türkenbelagerungen. Mitarbeiter an „Österreich-Ungarns letzter Krieg". , 7 4 ) Universitätsarchiv, Philosophische Fakultät, Personalakt Stöller.
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Seine Wirkung als Forscher und Lehrer auf die österreichischen Zeitgenossen dürfte wesentlich geringer einzuschätzen sein als seine Ausstrahlungskraft und seine Bedeutung als Journalist. Kiszling hat daher für ihn die Bezeichnung „historisierender Journalist" geprägt, die wahrscheinlich als zutreffend zu bezeichnen ist, wenn man sie ohne den ihr innewohnenden negativen Begleitgeschmack aufnimmt. Der Versuch einer Charakterisierung des Beamten und Schriftstellers läßt weiters die Annahme zu, daß Glaise-Horstenau als Anreger schriftstellerischer Arbeiten und als Sammler von Quellen jeder Art aus Privatbesitz Erfolg hatte. Man sollte wohl die Feststellung Glaises nicht als Übertreibung einstufen, daß er seinen Nachfolger, der so lange wie irgend möglich an seiner Karriere als Generalstäbler festhalten wollte, zur schriftstellerischen Leistung angespornt und immer wieder angeregt habe. So hat Glaise - nicht nur bei Kiszling - als Vermittler der Methoden des von ihm geschätzten FML. Hoen gewirkt, die er ja selbst 1913-1914 bei seinen Darstellungen des Feldzuges 1813 angewandt hatte. Auf diese Weise hat Glaise-Horstenau dazu beigetragen, daß sein Nachfolger der fruchtbarste Historiker des österreichischen Anteils an den militärischen Vorträgen vor und im Ersten Weltkrieg und der Geschichtsschreiber des Generalstabes sowie Verfasser zahlreicher militärischer Lebensbilder geworden ist. Vielleicht kann man auch den dritten Nachfolger GlaiseHorstenaus, den Generalmajor a.D. Dr. Oskar Regele 175 ), in diese Betrachtung mit einbeziehen. Mit der Direktionsära dieses Mannes (1946-1955) wurde jedenfalls die Zeit der Darstellung von kriegerischen und militärpolitischen Ereignissen und Zuständen, verfaßt im Dienste des Staates und seiner Armee, also einer sogenannten „amtlichen" Geschichtsschreibung, vorläufig abgeschlossen. 4. WERKVERZEICHNIS Vorbemerkung Für die Zusammenstellung des Werkverzeichnisses wurden die Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur, begründet von Felix Dietrich, sowie militärische und historische Spezialbibliographien herangezogen. Ferner wurden die Kata17S ) Vgl. O . Regele, Schriftenverzeichnis und Lebenslauf (als Manuskript gedruckt), Wien 1964. Oskar Regele (Pettau, 7.7.1890-1.2.1969, Wien), 1912 aus der Technischen Milak. als Lt. zum Pionierbaon. 1 ausgemustert, Pionieroffizier im 1. Weltkrieg, 1.5.1918 H p t m . , übernommen ins Bundesheer, 1925 Fachprüfung für den höheren milit. Dienst (Generalstabsdienst), ab 1.1.1928 Pressereferent im BM. f. H w . , 1. 7.1929 Obstlt., 1932/33 Truppendienst, 1.6.1933 Militârattaché für Ungarn und Rumänien, 23.9.1933 Obst., 1.8.1937 in die Nachrichtenabt. des BM. f. Lv. versetzt (Stellvertreter des Abteilungsvorstandes), mit 1.4.1938 sollte Bestellung zum Kmdt. d. Milak. erfolgen, 10.4.1938 pensioniert, ab 4.11.1941 Mitarbeiter beim Teilkmdo. Wien der 8. Abt. des Generalstabes d. Dt. Luftwaffe (Geschichtsschreibung d. öst.-ung. Luftstreitkräfte), 10.10.1945 - 9.2.1946 prov. Generalsekretär der ö s t . Gesellschaft vom Roten Kreuz, 1946 GM. a . D . , 15.5.1946-31.12.1955 Leiter des Kriegsarchivs, 1955 auch Leiter der Generaldirektion des ö s t . Staatsarchivs. Regele verfaßte eine Würdigung Glaises in dem noch ungedruckten Manuskript „Biographien österreichischer Militärhistoriker": Wiewohl Glaise auch in der reinen Feldzugsdarstellung ausgezeichnete Arbeiten verfaßte, lag seine Hauptleistung doch in der Verbindung der militärischen mit der allgemein-politischen Geschichtsschreibung. Bei aller Würdigung der österreichischen Momente bevorzugte er die Betonung alldeutscher Gedankengänge, die alle seine Publikationen durchziehen (KA., Allg. Ms. nr. 77).
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loge der Bibliothek des Kriegsarchivs, der österreichischen Nationalbibliothek und der Wiener Universitätsbibliothek konsultiert. Die Tageszeitungen Neues Wiener Journal, Neues Wiener Tagblatt, Neue Freie Presse, Wiener Mittag, Reichspost und Völkischer Beobachter wurden für den Zeitraum 1918 bis 1945, soweit sie erschienen sind, durchgeblättert. Ebenso fußt das vorliegende Verzeichnis auf der Durchsicht von: Danzer's Armeezeitung, Militärische Rundschau, österreichische Wehrzeitung, Die Republik (ergebnislos), Das neue Reich und Schönere Zukunft. Es wurde allen Hinweisen auf Aufsätze, die Glaise selbst in seinen Erinnerungen gab, nachgegangen, und auch die wenigen Zeitungsausschnitte, die sich in seinem Schreibtischnachlaß befanden, wurden durchgearbeitet. Gelegenheitsfunde lieferten dankenswerterweise Kollegen im Kriegsarchiv. Der wiederholte Abdruck von Aufsätzen und Übersetzungen wurde nicht berücksichtigt. Der Herausgeber plant die genauere Durchsicht der Zeitungen Deutschösterreichische Tageszeitung, Wiener Neueste Nachrichten, Grazer Tagespost und Salzburger Volksblatt, deren Ergebnis in einem Nachtrag für das Werkverzeichnis im zweiten Band der Edition veröffentlicht werden soll. Natürlich wäre der Herausgeber auch für diesbezügliche Hinweise aus dem Kreise der Leser dankbar. a) Selbständige Werke, Aufsätze und Zeitungsartikel: 1. Allzeit getreu! Z u m hundertfünfzigjährigen Stiftungsjubiläum der Theresianischen Militärakademie: D A Z . v. 1 1 . 1 2 . 1 9 0 2 , 1 f. 2. D a s hundertfünfzigjährige Jubiläum der Theresianischen Militärakademie: D A Z . v. 18.12.1902,9f.») 3. Vor 25 Jahren: Wiener Sonn- und Montagszeitung v. 10. 8 . 1 9 0 3 , 1 f. 4. Ausmusterung: D A Z . v. 2 7 . 8 . 1 9 0 3 , 1 1 f. 5. Manöverbriefe aus Tirol: D A Z . v. 3 . 8 . 1 9 0 5 , 5 f . ; 1 0 . 8 . 1 9 0 5 , 5 ; 17.8.1905,6; 31.8.1905,5; 7.9.1905,5Í.1) 6. Manöverbrief aus Bayern: D A Z . v. 2 1 . 9 . 1 9 0 5 , 7 f . 1 ) 7. Aus ,,Zlatá P r a h a " . Ein Bild aus den Tagen der Demonstrationen: D A Z . v. 16.11.1905, l.1) 8. 1846-1906: Säbel und Feder. Z u m sechzigsten Geburtstag Carl Baron Torresanis, . . . hg. v. Carl M . D a n z e r , Wien 1906. 9. C o n r a d v. H ö t z e n d o r f als Truppenoffizier: D i e Zeit v. 1 5 . 1 1 . 1 9 0 6 , 2 . l ) 10. Carl Baron Torresani f : D A Z . v. 1 8 . 4 . 1 9 0 7 , 6 . 11. Mitteilungen des k . u . k . Kriegsarchivs, 3. Folge, V. Band: D A Z . v. 1 9 . 1 2 . 1 9 0 7 , 1 8 f . 12. Vor sechzig Jahren und heute: D A Z . v. 12. 3 . 1 9 0 8 , 1 f. 13. Santa Lucia: D A Z . v. 7 . 5 . 1 9 0 8 , 1 f. 1 ) 14. O r n a t o n e und G o i t o : D A Z . v. 2 8 . 5 . 1 9 0 8 , 2 f f . 1 ) 15. Monte Berico, 10. 6. 1848: D A Z . v. 1 1 . 6 . 1 9 0 8 , 1 ff. 1 ) 16. Sona, Sommacampagna und C u s t o z a , 2 3 . 5 . bis 2 3 . 7 . 1 8 4 8 : D A Z . v. 3 0 . 7 . 1 9 0 8 , 1 f. 1 ) 17. Erzherzog Eugen: D A Z . v. 2 2 . 1 0 . 1 9 0 8 , 1 f. 1 ) 18. D e r Kaiser und die A r m e e : D A Z . v. 2 6 . 1 1 . 1 9 0 8 , 1 f. 19. T u z l a und D o b o j , Wien 1909 (Unsere T r u p p e n in Bosnien und der H e r z e g o w i n a 1878, Bd. 6). Anonym erschienen. Die Autorschaft Glaise-Horstenaus ist durch dessen eigene Angaben gesichert.
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20. 1860-1910. Das Werden des Regiments, seine Lehrmeister und seine Helden: Die Trani-Ulanen. Ein Gedenkblatt zum fünfzigjährigen Regimentsjubiläum, hg. v. d. Redaktion der Kavalleristischen Monatshefte, Wien 1910, 1-32. 21. 1798-1901. Französische Expedition nach Ägypten: ebendort, 515-517. 22. 1853-1856. Krimkrieg (Landkämpfe): Die Kriege vom Altertum bis zur Gegenwart, hg. v. Georg v. Alten (Sonderband des Handbuchs für Heer und Flotte. Enzyklopädie der Kriegswissenschaften und verwandter Gebiete), Berlin-Leipzig-Wien-Stuttgart 1911, 634-638. 23. Die Division Mesko bei Dresden: Streffleurs Militärische Zeitschrift, 88. Jg. 1911, Bd. 1, 189-232. 24. Die Tage von Dresden 1813 (Österreich in den Befreiungskriegen, Bd.2), Wien 1911. 25. Eine Fahrt zu Torresani: Die Vedette ν. 1.11.1911,6 f. 26. Die Allzeitgetreue. Die Theresianische Militär-Akademie in der Regierungszeit des Kaisers Franz Josef I., Wien-Gersthof 1912. 27. Der Krieg der zweiten Koalition: Erzherzog Karl. Der Feldherr und seine Armee, hg. v. Wilhelm John, Wien 1913, 119-158. 28. Befreiungskrieg 1813 und 1814. Einzeldarstellungen der entscheidenden Kriegsereignisse, III. Band. Feldzug von Dresden, Wien 1913. 29. Das neue Buch über den Sieger von Leipzig: MR. v. 15.1.1913, 1 - 3 . 30. Österreich anno 1813: MR. v. 15.10.1913,4f. 31. Der Fähnrich als Armeekommandant (Soldatenbücher, Bd.2), Wien 1914. 32. Die Heimkehr Tirols (Österreich in den Befreiungskriegen, Bd. 10), Wien 1914. 33. Der Oberbefehl der Verbündeten in den Befreiungskriegen: Streffleurs Militärische Zeitschrift, Jg. 1914, 1311-1332. 34. E. v. Philippovich, Nikolaus v. Philippovich. Das Leben und Wirken eines österreichischen Offiziers: MR. v. 10.1.1914, 15f. 35. Gablenz, MR. (Wochenausgabe) v. 31.1.1914,2f. 36. Aus Österreichs stillen Jahren: MR. v. 13.2.1914,1 f.; 14.2.1914,Iff. 37. Die Geheimpolizei auf dem Wiener Kongreß. Eine Auswahl aus ihren Papieren v. A. Fournier, Wien 1913: MR. v. 21.2.1914,7. 38. Die große Stunde der Trani-Ulanen: MR. v. 20.3.1914,1 f.; 21.3.1914, Iff. 39. Ein Jahr Weltkrieg: NFP. v. 24.7.1915,2Í. 1 ) 40. Enthüllungen: Wiener Mittag v. 19.12.1918, l. 2 ) 41. Finis Austriae. Des österreichischen Heldenwerkes Ausklang: DAZ. v. 23.1.1919,7-9. 42. (Nachruf auf Marterer): DAZ. v. 30.1.1919,11. 43. Der Allzeitgetreuen ein Scheidegruß: DAZ. v. 13.2.1919,5. 44. Dr. Julius Deutsch: DAZ. v. 22.3.1919,1-3. 2 ) 45. Kriegsursache und Kriegsanlaß: DAZ. v. 22.3.1919,6-8. 46. Ausklänge: DAZ. v. 29.3.1919,1 f. 47. Die oberste Heerführung der Mittelmächte im Weltkrieg: DAZ. v. 18.4.1919,1-6. 48. Aus Österreichs stillen Jahren: DAZ. v. 18.4.1919,13-15. 49. Der Heeresbericht: DAZ. v. 24.5.1919,3-7. 50. Zur Geschichte unserer Obersten Heerführung im Weltkriege: DAZ. v. 7.6.1919,3-7. 51. Berliner Eindrücke: DAZ. v. 7.6.1919,1-3. 2 ) Anonym erschienen. Glaise-Horstenaus Autorschaft ist infolge von Hinweisen von zweiter Seite sowie sachlicher oder stilistischer Merkmale wahrscheinlich.
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52. Deutschösterreichs künftige Wehrmacht: DAZ. v. 2.8.1919,1-3. 53. Fragmente aus einem Wiener Schlachtfeldführer. I. In uralten Zeiten: DAZ. v. 16.8.1919,16f. 54. Fragmente aus einem Wiener Schlachtfeldführer. II. Die Schlacht bei Dürnkrut: DAZ. v. 30.8.1919,13-16. 55. (Kommentar zu O. Berndt, Luck): DAZ. v. 6.9.1919,4. 56. Der Generalstabs-Aufruf: DAZ. v. 20.9.1919,8f. 57. Otto Bauers auswärtige Politik: DAZ. v. 25.10.1919,1-4. 58. Egon Freiherr v. Zeidler-Sterneck: DAZ. v. 13.12.1919, lf. 59. Danzer's Armee-Zeitung: ÖWZ. v. 10.1.1920,1. 60. Wir und Ungarn: ÖWZ. v. 28.1.1920,1 f. 61. Kaiser Karl und Graf Czernin: ÖWZ. v. 21.2.1920,2ff. 62. Das Kriegsbuch des Generals v. Cramon: ÖWZ. v. 28.2.1920,2ff. 63. Die Wehrvorlage und die Parteien: ÖWZ. v. 6.3.1920,2f. 64. Das Wirrsal in Deutschland: ÖWZ. v. 20.3.1920,1 f. 65. Das künftige Soldatenkleid der Republik Österreich: ÖWZ. v. 3.4.1920,6f. 66. Zur Frage des Soldateneides: ÖWZ. v. 17.4.1920, Iff. 67. Bücher über Altösterreichs Ende: ÖWZ. v. 22.5.1920,9f. 68. Feldmarschall von Boroevic: ÖWZ. v. 29.5.1920,1 f. 69. Heinrich Friedjung: ÖWZ. v. 23.7.1920, Iff. 70. Die Schlacht von Vittorio Veneto und der Waffenstillstand: ÖWZ. v. 23.7.1920,5. 71. Das Ehrenbuch der „Hessen": ÖWZ. v. 6.8.1920,1 f. 72. Die Kriegserinnerungen des Prinzen Windischgrätz: ÖWZ. v. 22.10.1920,2f.; 5.11.1920,4f. 73. Dr. Julius Deutsch: ÖWZ. v. 29.10.1920,2f. 74. (Kommentar zu: Novak-Arienti, Ein offener Brief an General Cramon): RP. v. 7.12.1920,3. 75. Eastern European Front Campaigns. Russian Front 1916-17: The Encyclopaedia Britannica, 12th Edition, XXX. vol. 908-913. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92.
Diplomatie und Weltkrieg: ÖWZ. v. 28.1.1921,6f. Neue Kriegsbücher: ÖWZ. v. 8.4.1921,3f. Bücher über Krieg und Revolution: ÖWZ. v. 16.9.1921,2f.; 7.10.1921,3f. Die Königstragödie in Ungarn: ÖWZ. v. 28.10.1921,1 f. Österreich-Ungarns Politik in den Kriegsjahren 1914 bis 1917: Der Große Krieg, hg. v Max Schwarte, 5.Bd., Leipzig 1922, 301-367. Vom Isonzo zur Piave: ebdt., 424-454 (mit FML. Theodor Konopicky). Die Zeit der Friedensschlüsse im Osten: ebdt., 455-496. Die Junischlacht 1918 in Venetien: ebdt., 497-510. Der Zusammenbruch: ebdt., 589-652. Kaiser und König Karl: ÖWZ. v. 7.4.1922,1 f. General v. Falkenhayn: ÖWZ. v. 14.4.1922,2f. General Alfred Krauss: ÖWZ. v. 5.5.1922,2f. General Auffenberg-Komarow: ÖWZ. v. 26.5.1922,2. Bücher über den Weltkrieg: ÖWZ. v. 9.6.1922, lf.; 30.6., lf.; 7.7.,2; 22.9.,3f.; 6.40.1922,4; 20.12.1922,1; 10.11.1922,2. Cäsar: ÖWZ. v. 1.9.1922,2. Der Orientkrieg: NWT. v. 1.10.1922,3f. FM. Conrad. Persönliches zu seinem 70. Geburtstage: NWT. v. 11.11.1922,2f.
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Einleitung
93. Die Neustädter Akademie im Revolutionsjahre 1848: ÖWZ. v. 8.12.1922,2f. 94. Weihnachten zu Brest-Litowsk: ÖWZ. v. 22.12.1922,3f. 95. Svetozar Boroevic v. Bojna: Neue österreichische Biographie 1815-1918, l . B d . , Wien 1923, 109-115. 96. Deutschösterreich in der deutschen Geschichte: ÖWZ. v. 16.2.1923,4. 97. Der Kriegsgeschichtliche Aufsatz: ÖWZ. v. 6.4.1923,1 f. 98. Die Tiroler Kaiserjäger im Weltkrieg: ÖWZ. v. 18.5.1923,8. 99. General Hoffmanns Kriegserinnerungen: RP. v. 18.9.1923,9f. 100. Feldzeugmeister Oskar Potiorek: ÖWZ. v. 23.11.1923,4. 101. Das Kriegsbuch des Generals Max Hoffmann: NWT. v. 10.12.1923,2f. 102. Aufregungen im Teschner Hauptquartier. Persönliche Erinnerungen an Weihnachten 1916: N W J . v. 25.12.1923,9. 103. Die Kriegserinnerungen des Grafen Burian: RP. v. 30.12.1923,5. 104. Vor elf Jahren. Die Frage der Kriegsschuld im Lichte unserer heutigen Geschichtserkenntnis: Das neue Reich, Jg. 7, 1924/25, 957ff. 105. Altösterreichs Nationalitäten im Weltkrieg: Das neue Reich, Jg. 7, 1924/25, 125-128. 106. Nowaks „Chaos": ÖWZ. v. 4.1.1924,2f. 107. Die Erinnerungen des russischen Generals Suchomlinow: NWT. v. 14.3.1924,4. 108. Wilson und das Habsburgerreich: ÖWZ. v. 14.3.1924,1 f. 109. Feldmarschall Baron Kövess zu seinem 70. Geburtstag: ÖWZ. v. 28. 3.1924,1 f. 110. Feldmarschall Baron Kövess. Zur Vollendung seines 70. Lebensjahres: NWT. v. 30.3.1924,10. 111. Drei Kriegsjahre auf dem Ballhausplatz: ÖWZ. v. 4.4.1924,3. 112. Der letzte Generalstabschef der k . u . k . Wehrmacht: NWT. v. 30.4.1924,2f. 113. Der Höfer-Bericht. Persönliche Erinnerungen: N W J . v. 20.4.1924,13f. Fortsetzung unter dem Titel: Im Brennpunkt der Kriegspressepolitik: N W J . v. 1.5.1924,9f. 114. Altösterreichs Heer in der deutschen Geschichte: ÖWZ. v. 9.5.1924,3f. 115. Das Papsttum im Weltkriege: RP. v. 25.5.1924,2. 116. Der Thronfolgermord im Lichte der heutigen Geschichtserkenntnis: NWT. v. 28.6.1924,2f.; 29.6.1924,2f. 117. Dunkle Schicksalstage: RP. v. 27. 7.1924,1 f. 118. West oder Ost. Der erste Kriegsplan der Mittelmächte im Weltkrieg: N W J . v. 27.7.1924,1 f. 119. Zwischen den beiden Lemberger Schlachten: N W J . v. 31.8.1924,10. 120. Der Tod des Obersten Brosch v. Aarenau: RP. v. 7.9.1924,9f. 121. General Freiherr Freytag-Loringhoven: ÖWZ. v. 24.10.1924,5. 122. Otto Bauers Soldatenideal: ÖWZ. v. 28.11.1924, l f . 2 ) 123. Der Ostkrieg in russischer Beleuchtung: NWT. v. 13.12.1924,2f. 124. Vor sieben Jahren zu Brest-Litowsk. Persönliche Erinnerungen: RP. v. 25.12.1924,11 f. 125. Die Denkwürdigkeiten des Feldmarschalls Conrad: MWM., 56.Jg., 1925, 482-486. 126. Vor zehn Jahren: Die Jahreswende 1914/15: ÖWZ. v. 9.1.1925,2f. 127. Erinnerungen an Trotzkij: ÖWZ. v. 23.1.1925,4. 128. Der Weltkrieg im Geschichtsunterricht unserer Mittelschulen: RP. v. 1.2.1925,17. 129. Feldmarschalleutnant Hoen: ÖWZ. v. 6.2.1925,1 f. 130. Die mexikanische Kaisertragödie: NWT. v. 15.2.1925,21 f. 131. Serbiens Mitwisserschaft am Thronfolgermord: ÖWZ. v. 27.2.1925,1 f. 132. Italiens Eintritt in den Weltkrieg: ÖWZ. v. 3.4.1925,1 f.
Werkverzeichnis
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133. Wilhelm Oberdank. Ein Blatt aus der Geschichte des österreichisch-italienischen Bündnisses: NWT. v. 15.4.1925,2 f. 134. Radetzky und Heß als Staatsmänner. Ein Erinnerungsblatt an Altösterreich: RP. v. 26.4.1925,17. 135. Italiens Eintritt in den Weltkrieg: RP. v. 23.5.1925,1 f. 136. Der große historische Irrtum. Streiflichter zur Lage in Mitteleuropa: ÖWZ. v. 29.5.1925.1 f. 137. Lotharingus und das alte Österreich. Zur Frage der reichsdeutschen Geschichtsauffassung über den Weltkrieg: ÖWZ. v. 12.6.1925,1 f. 138. Ein neues Buch über Maria Theresia: ÖWZ. v. 10. 7.1925,2f. 139. Deutschlands Zusammenbruch 1918: ÖWZ. v. 31. 7.1925, l f . 140. Die Krisis des Weltkrieges. Festers Buch über „Die Politik Kaiser Karls": NWT. v. 9.8.1925,3 f. 141. Masaryks Kampf gegen Altösterreich: RP. v. 12.8.1925,2f. 142. Festtage einer versunkenen Welt: ÖWZ. v. 21.8.1925,2. 143. Feldmarschall Conrad: NWT. v. 26. 8.1925,1 f. 144. Des Feldherrn Heimgang: ÖWZ. v. 11.9.1925,1. 145. Die Memoiren Masaryks: ÖWZ. v. 16.10.1925,2f. 146. Oberst Dr. Georg Veith: ÖWZ. v. 5.11.1925,2. 147. Des Feldmarschalls letztes Buch: ÖWZ. v. 27.11.1925,1 f. 148. Der Kanzler Europas: NWT. v. 5.12.1925,2ff. 149. Metternich, der Mensch: NWT. v. 8.12.1925,2f. 150. Unerfüllte Schicksale aus Alt-Österreich: ÖWZ. v. 25.12.1925,4f. 151. Das letzte Buch des Feldmarschall Conrad: M WM., Jg. 1926, 174-178. 152. Franz Ferdinand und der Krieg: Kriegsschuldfrage, Jg. 4, 1926, 565-570. 153. K. F. Nowaks neuer „Weg zur Katastrophe": NWT. v. 9.2.1926,2f. 154. Das Todesurteil gegen den Thronfolger. Neues zur Frage der Kriegsschuld: ÖWZ. v. 12.2.1926,2f. 155. Generalfeldmarschall v. Hindenburg: WNN. v. 7.4.1926,2. 156. Persönliche Erinnerungen an Carl Baron Torresani: ÖWZ. v. 16.4.1926,3f. 157. Zurück zum Berufsheer?: NWT. v. 23.4.1926,1 f. 158. Feldmarschall Erzherzog Friedrich: ÖWZ. v. 4.6.1926,1 f. 159. Erzbischof Wolf Dietrich: N W J . v. 14.6.1926,5. 160. Generaloberst Georgi f : NWT. v. 24.6.1926,6. 161. Generaloberst Freiherr v. Georgi: ÖWZ. v. 25.6.1926,1 f. 162. Der Tag von Königgrätz. Sechzig Jahre nach der Entscheidungsschlacht von 1866: NFP. v. 5.7.1926,2f. 163. Friedrich Freiherr v. Wieser: ÖWZ. v. 30.7.1926,2. 164. Im Großen Hauptquartier vor zehn Jahren: N W J . v. 12.9.1926,13. 165. Die Qual der Wahl: ÖWZ. v. 29.10.1926,1 f. 166. Ein Schicksalstag des Weltkrieges. Das Polenmanifest v. 4. November 1916: N W J . v. 4.11.1926.2 f. 167. „Was will die österreichische Sozialdemokratie": ÖWZ. v. 5.11.1926, l f . 168. Vom kaiserlichen Heer zur roten Volkswehr: WNN. v. 12.11.1926,3f. 169. Kaiser und König Franz Josef: ÖWZ. v. 19.11.1926,1 f. 170. Der erste Friedensschritt im Weltkrieg. Das Anbot der Mittelmächte am 12. Dezember 1916: N W J . v. 12.12.1926,2f. 171. Serbiens Cavour: ÖWZ. v. 17.12.1926,1 f.
58 172. 173. 174. 175. 176. 177. 178. 179. 180. 181. 182. 183. 184.
Einleitung Weihnachten vor zehn Jahren: RP. v. 25.12.1926,2. Flitsch-Tolmein. Zum 10. Jahrestag: M WM., 58. Jg., 1927, 497-502. Die große Schicksalswende vor zehn Jahren: ÖWZ. v. 7.1.1927,1 f. Die wichtigste Meldung im Weltkrieg. Ein paar Bemerkungen zur Sache: N W J . v. 23.1.1927,11. Vater Galgotzy. Zum 90. Geburtstag des Generals: NWT. v. 1.2.1927,7. FML. Hoen. Zu seinem 60. Geburtstag: NWT. v. 17.2.1927,5. General der Infanterie Freiherr v. Woinovich: ÖWZ. v. 18.2.1927,2. Generaloberst R o t h f : NWT. v. 10.4.1927,9. Ostern vor zehn Jahren: RP. v. 17.4.1927,14. Frühjahr 1917. Die Zeit der großen Ententekrisis und der Sixtusaffäre: ÖWZ. v. 20.5.1927,2. Der Geburtstag der tschechoslowakischen Armee: N W J . v. 6.7.1927,2. Die bayrische Pfalz - Gott erhalts! Brief vom Speyrer Archivtag: RP. v. 13.9.1927,6f. Alt-Österreichs Völker beim Eintritt in den Weltkrieg - vor 15 Jahren. Alt-Österreichs Weg zur Katastrophe: Schönere Zukunft, Jg. 4, 1928-1929, 947-949; 971-972.
185. Die Geschichtsschreibung über den Weltkrieg und das amtliche Werk des österreichischen Kriegsarchivs: M WM., 59. Jg., 1928, 753-758. 186. Trotzki, wie wir ihn sahen: N W J . v. 20.1.1928,3f. 187. Die Erinnerungen des Fürsten Lichnowsky: RP. v. 23.1.1928,1 f. 188. Der Tragödie letzter Akt. Brest-Litowsk: N W J . v. 26.2.1928,2f. 189. General Auffenberg: N W J . v. 19.5.1928,1 f. 190. Vor zehn Jahren: Der Niedergang: ÖWZ. v. 14.9.1928,1 f. 191. Generaloberst Baron Sarkotic. Zu seinem siebzigsten Geburtstag: N W J . v. 4.10.1928,6f. 192. Vor der Katastrophe. Das Kaisermanifest v. 17.10.1918: N W J . v. 17.10.1928,3f. 193. Der Schicksalstag der alten Monarchie. Das Ende des deutschen Bündnisses. Die Andr. - Note v. 17.10.1918: N W J . v. 27.10.1928,2. 194. Generaloberst Fürst Schönburg-Hartenstein: RP. v. 21.11.1928,5. 195. Ein neues Buch über Franz Ferdinand: ÖWZ. v. 7.12.1928,1. 196. Aus unveröffentlichten Briefen Feldmarschall Conrads: N W J . v. 25.12.1928,23. 197. Die Katastrophe. Die Zertrümmerung Österreich-Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten, Zürich-Leipzig-Wien 1929. 198. Kriegswissenschaften: Staatslexikon, hg. v. H. Sachen, 5. Aufl., Freiburg/Breisgau 1929, Bd. 3, 648-650. 199. FM. Conrads Lebenspessimismus. Nach unveröffentlichten Briefen aus seiner Triester Zeit: N W J . v. 1.1.1929,11. 200. FM. Conrad als Kunstfreund: N W J . v. 3.1.1929,2f. 201. Kaiser Wilhelm und die deutsche Geschichte: ÖWZ. v. 15.2.1929,1 f. 202. Der erste Koalitionskrieg im Jahre 1797 mit besonderer Berücksichtigung der Kämpfe bei Bad Einöd: ÖWZ. v. 30.8.1929,5; 6.9.1929,6. 203. Die Schlacht bei Bad Einöd (Aus dem Franzosenkrieg vom Jahre 1797): RP. v. 13.9.1929,7. 204. Feldmarschall Freiherr v. Krobatin: ÖWZ. v. 6.9.1929,1 f. 205. Vater Galgotzy gestorben: ÖWZ. v. 8.11.1929,2f. 206. Österreich-Ungarns Außenpolitik: RP. v. 1.12.1929,3. 207. Wie Aehrenthal Iswolsky „gleich einem Verbrecher an der Gurgel hält". Ein österreichisches Monumentalwerk über die Vorgeschichte des Weltkrieges: N W J . v. 1.12.1929,2f.
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208. Franz Josephs Weggefährte. Das Leben des Generalstabschefs Grafen Friedrich Beck, Zürich-Leipzig-Wien 1930. 209. Österreichs Aktenwerk über den Weltkrieg: Die Kriegsschuldfrage, Jg. 8, 1930, 1-19. 210. Das österreichische Aktenwerk über die Vorgeschichte des Krieges: ÖWZ. v. 17.1.1930,1 f. 211. Der Feldzeugmeister Beck. Zur morgigen hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages: N W J . v. 21.3.1930,5. 212. Generaloberst Graf Beck-Rzikowsky. Zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages: ÖWZ. v. 21.3.1930,1 f. 213. Balfour und die Zertrümmerung Österreich-Ungarns: N W J . v. 23.3.1930,2. 214. Der Schöpfer der österreichischen Landwehr. Dem Andenken Horsts zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages: ÖWZ. v. 25.4.1930,1 f. 215. Theresianisch, jetzt und immerdar!: ÖWZ. v. 16.5.1930, l f . 216. General der Infanterie Graf Montgelas: ÖWZ. v. 23.5.1930,3. 217. Kaiser Franz Joseph: ÖWZ. v. 15.8.1930,1-3. 218. Dem Andenken Kaiser Franz Josephs: RP. v. 18. 8.1930,1 f. 219. Österreich-Ungarn als Bundesgenosse im Weltkrieg. Deutsch-österreichische Bemerkungen zu einem reichsdeutschen Urteil: ÖWZ. v. 29. 8.1930,1 f. 220. Der deutsche Offizier in der Revolution: ÖWZ. v. 7.11.1930,2f. 221. Dem Andenken der großen Kaiserin Maria Theresia. Die Mutter des Heeres: ÖWZ. v. 28.11.1930, l f . 222. Weltkriegsschuldlüge im Lichte der heutigen Forschung: Schönere Zukunft, Jg. 6 1931, 869 f. 223. Rechnete Österreich-Ungarn 1914 mit der Möglichkeit eines Weltkrieges?: ebdt., 1067 ff. 224. Rußlands Schuld im Juli und August 1914: ebdt., 1091 f. 225. Marschall Joffres Tod. Der Mann mit den eisernen Nerven: NFP. v. 3.1.1931,1 f. 226. Der Gedenktag der Reichsgründung: ÖWZ. v. 23.1.1931,1 f. 227. Völker ohne Kriegserlebnis: N W J . v. 18.3.1931,3f. 228. Generalleutnant Cramon. Zu seinem siebzigsten Geburtstag: N W J . v. 12.4.1931,3f. 229. Ein Jahrzehnt Militärliteratur im Bundesheer: Festschrift Carl Vaugoin, hg. von der Zeitschrift ,,Der Bund" zum zehnjährigen Amtsjubiläum des österreichischen Heeresministers, Mai 1931, 30-32. 230. Dem Andenken Oskar Teubers: ÖWZ. v. 12.6.1931,3. 231. Die römischen Erinnerungen des Freiherrn v. Macchio. Italiens Eintritt in den Weltkrieg: N W J . v. 13.10.1931,2. 232. Altösterreichisches Heer in der deutschen Geschichte: Wissen und Wehr, Jg. 1932, 348-356. 233. Prinz Eugenius der edle Ritter: Volkswohl, Heft 9/10, Jg. 24, 1932/33, 266-273. 234. Dem Andenken des Feldmarschalls Conrad: M WM., Jg. 1932, 947f. 235. Heinrich Graf Clam-Martinic: RP. v. 8.3.1932,5f. 236. Tragödie Mitteleuropa: N W J . v. 30.3.1932,1 f. 237. Dem Andenken Kaiser Karls: ÖWZ. v. 1.4.1932,1 f. 238. Fürst Felix Schwarzenberg. Zerstörung einer historischen Legende: N W J . v. 5.4.1932,2. 239. Feldmarschall und Trommler. Ein österreichisches Schlußwort zur Wahl des Reichspräsidenten: NWT. v. 14.4.1932,1 f. 240. Wehrmacht und Politik: NWT. v. 18.5.1932,1 f.
60 241. 242. 243. 244. 245. 246. 247. 248. 249. 250. 251.
Einleitung 250 Jahre Rainer-Regiment. Zu den Festtagen in Salzburg: Ö W Z . v. 3 . 6 . 1 9 3 2 , 1 f. Ignaz Seipel Ö W Z . v. 5 . 8 . 1 9 3 2 , 1 f. Dr. Johannes Schober: Ö W Z . v. 2 6 . 8 . 1 9 3 2 , 1 f. österreichische Staatsidee einst und jetzt: Salzburger Hochschulwochen, II, 9.8. bis 27.8.1932, 168-170. Österreich und die deutsche Wehrpolitik: Ö W Z . v. 9 . 9 . 1 9 3 2 , 1 f. Der Ruf nach der Allgemeinen Wehrpflicht: RP. v. 12.10.1932,1 f. Die Tragödie des Bundesgenossen: N W T . v. 1 6 . 1 0 . 1 9 3 2 , 4 f . ' ) FM. Conrad und das deutsche Bündnis: Ö W Z . v. 11.11.1932,2. Österreich und die Gleichberechtigungsfrage: Germania, 23.11.1932. Wehrreform in Österreich?: N W T . v. 23.12.1932,1 f. Karl Friedrich Nowak: Ö W Z . v. 2 3 . 1 2 . 1 9 3 2 , 3 .
252. Das Türkenjahr 1683 im österreichischen und im deutschen Schicksal: Katholischer Glaube und deutsches Volkstum in Österreich, Salzburg 1933, 130-136. 253. Wie Radetzky starb. Ein bisher unveröffentlichter Bericht seines Generaladjutanten: N W J . v. 5 . 1 . 1 9 3 3 , 8 . 254. Wehrprobleme von heute: RP. v. 10.2.1933,1 f. 255. Erzherzog Eugen als Soldat und Führer: Ö W Z . v. 19.5.1933,2f. 256. 200 Jahre Hessen-Regiment. Zu den Linzer Festtagen: Ö W Z . v. 9 . 6 . 1 9 3 3 , 1 f. 257. „Sechserdragoner": N W T . v. 16.6.1933,6. 258. Vor 250 Jahren: Ö W Z . v. 30.6.1933, l f . 259. Vor zweihundertfünfzig Jahren: N W T . v. 12.9.1933,2. 260. Lord Grey gestorben: Ö W Z . v. 15.9.1933,2. 261. FZM. Potiorek: N W T . v. 19.12.1933,1 f. 262. Der 20. Jahrestag der Thronfolger-Ermordun 0 in Sarajewo: Schönere Zukunft, 9./10. Jg., 1934, 1011 f., 1039 ff. 263. Franz Ferdinand: Volk und Reich. Politische Monatshefte für das junge Deutschland, Jg. 1934, 6 0 7 - 6 1 2 . 264. In Memoriam Feldmarschall Krobatin und Feldzeugmeister Potiorek: MWM., Jg. 1934, O.S. 265. Dem Andenken Franz Ferdinands. Ein Erinnerungsblatt zum 28. Juni: MWM. Jg. 1934, O.S. 266. FZM. Potiorek: Die Kriegsschuldfrage, Jg. 12 1934, 144-147. 267. Feldmarschall Krobatin: Ö W Z . v. 5 . 1 . 1 9 3 4 , 1 f. 268. Richard von Kralik: Ö W Z . v. 9 . 2 . 1 9 3 4 , 3 . 269. Das Buch eines altösterreichischen Offiziers: Ö W Z . v. 16.3.1934,1 f. 270. Wissen und Wollen im Soldatenhandwerk: Ö W Z . v. 2 0 . 4 . 1 9 3 4 , 1 f. 271. Karl Ludwig v. Oertzen: Ö W Z . v. 2 0 . 4 . 1 9 3 4 , 3 . 272. „Weniger" ist manchmal „mehr": Ö W Z . v. 11.5.1934,1 f. 273. G F M . v. Hindenburg: Ö W Z . v. 10.8.1934,1 f. 274. Der Oberste Kriegsherr: Ö W Z . v. 17.8.1934,1. 275. Hofrat Dr. Alfred Meli: Ö W Z . v. 2 4 . 8 . 1 9 3 4 , 2 . 276. Der Feldherr und sein Generalstabschef: Ö W Z . v. 2 8 . 9 . 1 9 3 4 , 1 f. 277. Hoch Neustadt heut' und allewege. Ein Gedenkwort zur Wiedererrichtung der Theresianischen Militärakademie: Ö W Z . v. 3 1 . 8 . 1 9 3 4 , 1 f. 278. Die Türken im deutschen und österreichischen Schicksal: Rheinisch-mainische Volkszeitung ν 25.9.1934. 279. Przemysl: Ö W Z . v. 2 2 . 3 . 1 9 3 5 , 2 .
Werkverzeichnis 280. 281. 282. 283. 284. 285. 286. 287. 288. 289. 290. 291. 292. 293. 294. 295.
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General der Infanterie Ernst v. Horsetzky: Ö W Z . v. 10.5.1935,2. Die Weißen Dragoner: Ö W Z . v. 17.5.1935,5. Der letzte Chef des österreichisch-ungarischen Generalstabes: RP. v. 2 . 7 . 1 9 3 5 , 6 . In memoriam Generaloberst A r z : Ö W Z . v. 5 . 7 . 1 9 3 5 , 2 . Feldmarschall Conrad. Zur zehnten Wiederkehr seines Todestages. Persönliche Erinnerungen: Ö W Z . v. 2 3 . 8 . 1 9 3 5 , 1 . Die Kaiserjäger im Weltkriege: Ö W Z . v. 13.9.1935,4. Das Antlitz der neuen Türkei: N F P . v. 17.12.1935,10. Altösterreichs Heer in der deutschen Geschichte: Karl Linnebach, Deutsche Heeresgeschichte, Hamburg 1936, 114-145. Österreich-Ungarns Völkerheer 1866-1918 im deutschen Schicksal: ebdt., 349-361. Prinz Eugenius der edle Ritter: M W M . , Jg. 1936, O.S. Prinz Eugen der edle Ritter: Wissen und Wehr, April 1936, 2 - 1 5 . Der völkerrechtliche Begriff des „ A n g r e i f e r s " : Ö W Z . v. 6 . 3 . 1 9 3 6 , 1 f. Feldmarschall Erzherzog Friedrich zu seinem 80. Geburtstage: Ö W Z . v. 2 9 . 5 . 1 9 3 6 , 1 f. österreichische Wehrmacht im deutschen Schicksal: Germania, 28.6.1936. Der deutsch-österreichische Soldat im Weltkrieg: Berliner Börsenzeitung, 16.8.1936. Die Friedenspolitik des neuen Mitteleuropa: W N N . v. 3 . 9 . 1 9 3 6 , 1 f.
296. Feldmarschall Franz Conrad v. Hötzendorf. Zur 85. Wiederkehr seines Geburtstages: Militärwissenschaftliche Rundschau, J g . 1937, 707-726. 297. F M . Franz Graf Conrad v. Hötzendorf 1852-1925: Die großen Deutschen, B d . V . , 1937, 5 0 4 - 5 2 1 . 298. Altösterreichisches Heer im deutschen Schicksal: Deutsche Akademikerzeitung, 29. J g . 1937, N r . 16/17,1; N r . 18,1. 299. Deutsche Leistungen des österreichischen Soldatentums: Zeitgeschichte, 4. J g . 1937,304. 300. Der österreichische Generalstab - ein Rückblick: Militärwissenschaftliche Rundschau, J g . 1938, 6 9 3 - 7 0 6 . 301. Der „ 1 1 . J u l i " 1936: Großdeutsche Reichsbühne, 1938, H . 4 , 6 - 1 0 . 302. Ein Heer kehrt heim. . . : Wissen und Wehr, J g . 1938, 209-215. 303. Das Jahr 1000 als deutsches Schicksalsjahr: Ö W Z . v. 11.3.1938,2. 304 Abschied von der Wehrzeitung: Ö W Z . v. 2 7 . 5 . 1 9 3 8 , 1 f. 305. Am 10. Juli 1936 in Audienz beim Führer: N W J . v. 10.7.1938,2. 306. Altösterreichs Ende: Vß. v. 3. i l . 1938,4. 307. Die deutsch-österreichischen Soldaten im Osten: Ostdeutsche Monatshefte, 2 0 . J g . 1939/40, 14-17. 308. Franz Graf Conrad v. Hötzendorf: Soldatentum, Zeitschrift für Wehrpsychologie, 6 . J g . 1939, 5 8 - 6 2 . 309. F Z M . Beck: Jahrbuch der Stadt Freiburg im Breisgau, 3 . B d . , 1939, 249-256. 310. Persönliche Erinnerungen an die Märztage 1938: N W T . v. 12.3.1939,3. 311. Adolf Hitler, der geborene Soldat: N W T . v. 2 0 . 4 . 1 9 3 9 , 3 . 312. Reichsschöpfung im Scheinwerfer der Geschichte: Berliner Börsenzeitung v. 21.4.1939. 313. Ein Abkommen, das Schuschnigg nicht einhielt: N W T . v. 11.7.1939,5. 314. Der Tag von Compiègne: Volk und Reich, 16. J g . 1940, 488. 315. Die Ostmärker im Krieg der deutschen Erhebung: Deutsche Kriegsopferversorgung, 9. J g . 1940, N r . 3 , 4 - 6 . 316. Ostmärker im Kriege der deutschen Erhebung: Deutsche Wehr, 44. J g . 1940, 7 3 4 - 736.
62 317. 318. 319. 320. 321. 322. 323. 324. 325. 326. 327. 328. 329. 330. 331. 332.
Einleitung Bei den deutsch-österreichischen Truppen: Pester Lloyd, 25.4.1940,5. Der Feldzug in Norwegen. Ein Gesamtüberblick: N W T . v. 15.5.1940,5. Siegeszug über alte Schlachtfelder: NWT. v. 19.5.1940,5. In der Wegspur der Sieger: NWT. v. 7.6.1940,1 f. Das Gesicht des „neuen Krieges": VB. v. 17.6.1940, l f . Auf den Wegen des deutschen Sieges. Besuch im eroberten Paris: NWT. v. 20.6.1940,5. Die Stadt der heiligen Jungfrau: NWT. v. 23.6.1940,5. Ausklänge in Frankreich: NWT. v. 28.6.1940,5. Letzter Gruß an General Beyer: Salzburger Volksblatt v. 26.7.1940,5. Im hochsommerlichen Frankreich: NWT. v. 22.8.1940,5. Nach einem Jahr: NWT. v. 1.9.1940,1 f. Feldmarschalleutnant von Hoen: NWT. v. 8.9.1940,7. Wiedersehen mit Teschen: NWT. v. 24.9.1940,4. Kaiserin Maria Theresia und Friedrich der Große: Berliner Börsenzeitung v. 4.12.1940. Die Ostmärker im Kriege der deutschen Erhebung: Jahrbuch des deutschen Heeres, Jg. 6 1941, 155-163. Gruß an die Deutschmeister. Die Wiener Edelknaben schrieben mit ihrem Blut ein Kapitel Weltgeschichte: NWT. v. 12.3.1944.
b) Mitarbeit: 333. Im mohrengrauen Rock. Mit einem Vorwort von Karl Baron Torresani, Wien 1903. 334. Georg v. Alten, Handbuch für Heer und Flotte. Enzyklopädie der Kriegswissenschaften und verwandter Gebiete, 2. Bd.ff., Berlin-Leipzig-Wien-Stuttgart 191 Iff. 335. Wiener Mittag, ab 21.8.1918 (wahrscheinlich bis 27.10.1918). 336. Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914-1918, Bd. 1, Wien 1930; Bd.2, Wien 1931; Bd. 3, Wien 1932; Bd. 5, Wien 1934; Bd. 6, Wien 1936; Bd. 7, Wien 1938.
Zur Edition Bei der Redigierung des Textes der Erinnerungen wurden keine Kürzungen vorgenommen. Die erwähnten handschriftlichen Verbesserungen Glaise-Horstenaus, die sich nur auf den Stil und - ganz selten - auf die Ergänzung durch Mitteilung weiterer Fakten beziehen, hat der Herausgeber ohne besondere Vermerke eingearbeitet, da sie offenbar ohne irgendeine Tendenz angebracht worden sind. Ebenso wurden die am Ende der Maschinschrift beigelegten Ergänzungen I. bis III. eingefügt, ohne dies besonders auszuweisen. Der Autor hatte zum Teil die Seitenzahl vermerkt, w o die Einschaltungen vorgenommen werden sollten. Glaise-Horstenau liebte es, hie und da, bei der Erwähnung von Persönlichkeiten durch Verweis auf eine Anmerkung mittels Sternchen auf deren weitere Schicksale oder auf persönliche Eigentümlichkeiten einzugehen, die mit dem geschilderten Handlungsablauf nicht im unmittelbaren Zusammenhang standen. Diese Exkurse wurden in den Text eingebaut, um die Trennung zwischen dem Werk und dem Anmerkungsapparat nicht zu verwischen. N u r an einer Stelle (S. 366) hat der Herausgeber die Erzählung Glaise-Horstenaus durch Passagen aus der Mappe 9 des zweiten Teils der E r -
Abkürzungsverzeichnis
63
innerungen erweitert, da dieser dort dieselbe Episode über den Besuch des Zaren Ferdinand von Bulgarien in etwas ausführlicherer Form schilderte. Einige wenige faktische Berichtigungen bei Daten und örtlichkeiten wurden, soweit es sich um offenkundige Versehen handelt, ohne besondere Anmerkung vorgenommen. Die Kapitelüberschriften bei den einzelnen Abschnitten der Edition stammen nur zum Teil von Glaise.
Abkürzungsverzeichnis Abt., -abt. AKSch. ao. Art. AVA.
=
Bd. BMfLV.
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D . , Div. DAR. DAZ. dipi. Diss. div. DR. dt. Dt. Wm. EF. Ehg. FABrig. FAR. Fhr. FJB. FM. FML. FsAR. FZM. GebBrig. GebD. Gen. GFM. Glstb. GLt. GO. Grf. HeeresgrpKmdo. HITD.
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Abteilung Artilleriekadettenschule außerordentlich Artillerie Allgemeines Verwaltungsarchiv Band Bundesministerium für Landesverteidigung Division Divisionsartillerieregiment Danzer's Armee-Zeitung diplomatisch Dissertation diverse Dragonerregiment deutsch Deutsche Wehrmacht Einjährig-Freiwilliger Erzherzog Feldartilleriebrigade Feldartillerieregiment Fähnrich Feldjägerbataillon Feldmarschall Feldmarschalleutnant Festungsartillerieregiment Feldzeugmeister Gebirgsbrigade Gebirgsdivision der Deutschen Wehrmacht General Generalfeldmars. l;all Generalstab Generalleutnant Generaloberst Graf Heeresgruppenkommando Honvédinfanterietruppendivision
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Honvédkavallerietruppendivision Hauptmann Herzog Infanteriebrigade Institut für österreichische Geschichtsforschung im Generalstab(skorps) Infanteriekadettenschule Inspektor Infanterieregiment Infanterietruppendivision italienisch Kriegsarchiv Korpsartillerieregiment Kriegsministerium Kommandant Kompanie Kriegspressequartier Kavallerietruppendivision Landwehrinfanterieregiment Landesschützen regiment Landsturm Leutnant -leitung Theresianische Militärakademie Militärattache Militärkommando Mitteilungen Major Militärkanzlei Seiner Majestät Militär-Maria TheresienOrden Militäroberrealschule Militärische Rundschau Militärunterrealschule Militärwissenschaftliche Mitteilungen N e u e Freie Presse niederösterreichisch
64 NWT. Obit. Obst. Obstlt. oö. ÖWZ. OKW. PB. PKSch. Rgt. RP. s.
Einleitung = = = = = = = = = =
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Neues Wiener Tagblatt Oberleutnant Oberst Oberstleutnant oberösterreichisch österreichische Wehrzeitung Oberkommando der (Deutschen) Wehrmacht Pionierbataillon Pionierkadettenschule Regiment Reichspost schwere(s)
SBrig. SchR. slowen. Techn. Milak. TKJR. ung. ungedr. UR. WNN. Wr. Wr. Ztg. z.V.
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Schützenbrigade Schützenregiment slowenisch Technische Militärakademie Tiroler Kaiserjägerregiment ungarisch ungedruckt Ulanenregiment Wiener Neueste Nachrichten Wiener Wiener Zeitung zur Verfügung
I. JUGEND UND MILITÄRERZIEHUNG 1. H E R K U N F T U N D K I N D H E I T Als ich im Juli 1936 Minister wurde, kam der deutsche Militârattaché General Muff 1 ) aufgeregt zu mir. Vor einigen Tagen habe GFM. v. Blomberg 2 ) ein anonymes Schreiben erhalten, in welchem ich als Judenstämmling, dazu auch wegen meiner reaktionären Beziehungen geschmäht wurde. Muff meinte, es wäre doch gut, meine Abstammung klarzulegen, ich tat es 3 ). Der Weg führte in der männlichen Linie über Landau in der Pfalz nach Frankreich. In der Familientradition hieß es, wir seien „Emigranten" gewesen. Tatsächlich kam der 1709 in La Bruyères bei Toulouse geborene Louis Glaise 4 ) in der Mitte des 18. Jahrhunderts als Vollfranzose in die seit 1715 französische Festung Landau, woselbst er in der damaligen ' ) Wolfgang Muff (Ulm, 1 5 . 3 . 1 8 8 0 - 1 9 4 7 , Hemelschenburg bei Hameln), 5 . 7 . 1 8 9 9 als Fahnenjunker ins preußische Heer eingetreten, Übernahme in die Reichswehr, 30.9.1932 Abschied als charakterisierter G L t . , 1 . 4 . 1 9 3 4 dt. Militärattache in Wien, 1 . 8 . 1 9 3 6 G L t . , 2 5 . 3 . 1 9 3 8 charakterisierter Gdl., 1.8.1938 Gen. z . b . V . beim X I . A K . , 1 . 9 . 1 9 3 9 - 2 8 . 2 . 1 9 4 3 Kommandierender Gen. des stellv. X I . A K . , 1.12.1940 G . d . I . , 30.4.1943 ausgeschieden. Über seine Beziehungen zu Glaise und zu Österreich vgl. 2. Bd. dieser Edition. 2 ) Werner v. Blomberg (Stargard/Pommern, 2 . 9 . 1 8 7 8 - 22.3.1946, Nürnberg), 30.1.1933-5.2.1938 Reichswehr- bzw. Reichskriegsminister. 3 ) Glaise hatte bereits 1924 um Nachforschungen des Kriegsarchivs über die Erhebung seines Urgroßvaters in den Adelsstand gebeten. Diese Arbeit, die mit genauen Nachforschungen in den Akten des KA. über Glaises Vorfahren verbunden war, wurde durch den Obstlt. a . D . Regierungsrat Hermann Zerzawy durchgeführt (KA., Kanzleiregistratur 1763/1923 = Archivalische Erhebung Nr. 6568). 1936 führte dann M j r . a . D . Fritz H o f (KA., Kanzleiregistratur 3784/1936 = Archivalische Erhebung Nr. 7373) eine „Archivalische Erhebung über die Abstammung des Herrn Bundesministers Dr. h . c . Glaise von Horstenau" durch. Die dazu angefertigte Ahnentafel ist leider nicht mehr vorhanden. Glaise leitete aufgrund der Ergebnisse dieser Forschungen von seinem Büro als Bundesminister im März 1937 bei der österreichischen Gesandtschaft in Paris Nachforschungen nach Dokumenten aus „Landau im Niederelsaß" ein, worauf der Gesandte Vollgruber die Ansicht äußerte (16.4.1937), es könne sich nur um Landau in der Pfalz handeln ( H H S T A . , N P A . , Kart. 491, Personal-Liasse GlaiseHorstenau). Daraus ergab sich der Kontakt zum Stadtarchivar von Landau in der Pfalz, der seine Forschungsergebnisse, die aktenmäßig 1945 verlorengegangen sind, in dem Aufsatz: K. Lutz, Ein Soldat des Großdeutschen Reiches, in: Westmark, 5. Jg. 1938/39, 4 2 1 - 4 2 6 , publizierte. 4 ) Nach K. Lutz (s.o.) war Louis Glaise, Gastgeber aus La Bruyère, 1738 nach Landau gezogen und kaufte sich sechs Jahre später die Gastwirtschaft. Weitere Daten sind nicht angeführt. Glaise-Horstenau führt in seiner Maschinschrift - wohl irrtümlich - den Namen Wilhelm Natalis an.
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I. Jugend und Militärerziehung
Schuster- und heutigen Gymnasiumstraße eine Gaststätte mit dem stolzen Namen „ Z u m Palais Royal" aufmachte. Er wurde kaum fünfzig, war aber dreimal verheiratet und hatte mehrere Kinder. Von diesen pflanzten sich nur zwei Linien fort, eine von meinem Urgroßvater, eine zweite von einer Schwester desselben, die - angeblich mit einer hochgestellten Persönlichkeit - einen Fehltritt beging und aus deren Verbindung die nun auch im Mannesstamme aussterbende Familie Gleizes in Landau entstammte. Gleizes war die provencalische Schreibweise, die in Frankreich noch öfter vorkommt. Ein Gleizes 5 ) lebte noch in unseren Tagen als Philosoph und Kubist in Paris und hatte auch Aufnahme in deutsche Lexika gefunden. Von den Landauer Gleizes ist ein Ableger nach Amerika gekommen. In den Taufbüchern von St. Andrae in Salzburg ist seltsamerweise noch die Geburt meiner Tante Elvira 6 ), der späteren Gussetti, unter dem Namen Gleizes verzeichnet. Alle anderen Namensträger in Österreich schrieben sich schon nach der Lange d'oui Glaise, was soviel wie Tonerde heißt. Meine Ururgroßmutter, Francisca 7 ) . . . , der Name ist in Familienpapieren enthalten - wenn sie gerettet wurden - , stammte aus Nancy. Sie war die zweite Frau. Mein Urgroßvater wurde 1750 geboren und auf den Namen Wilhelm 8 ) getauft. Früh Vollwaise, ließ er sich - offenkundig vor den Toren der Stadt - zu den Kaiserlichen werben. Eines Morgens wachte er als Kürassier beim Regiment Modena 9 ) in Ostgalizien auf. Er brachte es nach etwa zwölf Dienst) ahren zum Offizier und heiratete die Tochter des Regimentsrechnungsführers Czerwenka aus österreichischSchlesien 10 ). In Rohatyn südöstlich von Lemberg wurden dem Ehepaar die ersten Kinder geboren. Ich ritt vor den ersten Kämpfen des Krieges 1914 einmal an dem schlichten Holzkirchlein vorüber, das vor hundertdreißig Jahren in der Familiengeschichte eine Rolle spielte, und war eigentümlich ergriffen: zwei Generationen aus der Heiterkeit der Provence über die Pfalz an die Tore der sarmatischen Ebene. s ) Albert Gleizes (Paris, 1881-1953, Avignon). Trat ab 1906 als Maler hervor, vertrat u . a . den Kubismus. Seine Korrespondenz mit Glaise-Horstenau aus den Jahren 1937-1939 ist erhalten in A V A . / B G H . (vgl. Kartei). 6 ) Elvira Gussetti, geb. Glaise. 7 ) In der archivalischen Erhebung leider nicht enthalten. 8 ) Wilhelm Natalis Glaise v. Horstenau (Landau/Nieder-Elsaß, um 1 7 5 0 - 3 . 5 . 1 8 2 1 , Troppau), auch Gleis, Gleihse, Glaisé, Glesz geschrieben: 27. 3.1770 als Rekrut zu D R . 5 ( D R . F M . Hercules Erbprinz v. Modena) assentiert, 11.6.1770 Vizekorporal, 2 7 . 6 . 1 7 7 1 Korporal, 1 . 5 . 1 7 7 7 Wachtmeister, 1.11.1783 Unterlt., 2 7 . 9 . 1 7 8 7 Oblt., 14.5. 1797 R t m . , nach Auflösung des Rgts., 1 . 2 . 1 8 0 2 , zu D R . 4, 15.9.1802 H p t m . zum Mährisch-Schlesischen Militärgrenzkordon. 9 ) D a s 1706 vom Mainzer Kurfürsten in kaiserlichen Sold iiberlassene Dragonerregiment hatte ab 1756 G M . (bzw. F M . ) Hercules Erbprinz (1780 Herzog) von Modena zum Inhaber, es war 1775 bis 1798 zum Chevauxlegers-Regiment umgewandelt und führt ab 1798 die N u m m e r 5. 1801/02 wurde es aufgelöst. Die von Glaise in diesem Zusammenhang gebrauchte Truppengattung (Kürassier) ist unrichtig. Wohl hatte Franz III. d'Esté H e r z o g von Modena 1768 bis 1780 die Inhaberschaft eines Kürassierregiments, das 1798 die N u m m e r 5 erhielt. Doch garnisonierte dieses 1766 in den Niederlanden und ab 1771 in Großwardein. Das oben angeführte Dragonerregiment jedoch spätestens 1773 in Tarnopol. 1 0 ) Theresia geb. Czerwinka ( H e n n e r s d o r f / ö s t . Schlesien, 1 7 6 3 - 1 5 . 1 . 1 8 3 9 , Troppau), heiratete Wilhelm Glaise am 8.11.1780. Ihr Vater war vielleicht Josef Johann Czerwinka (Strassnitz/Mähren, um 1725-?).
H e r k u n f t und Kindheit
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Die zwei älteren Söhne, Josef 1 1 ) und Edmund 1 2 ), kamen beide in die Neustädter Akademie, die berühmteste Pflanzstätte des kaiserlichen Offizierskorps. Ein Zeichen, daß Wilhelm Glaise über gute Beziehungen verfügt haben muß. Der nicht alltägliche Taufname Edmund, der auch der meines Vaters und der meinige wurde, stammte vom Taufpaten meines Großonkels, einem Offizier irischer Abstammung - siehe Familienpapiere. Irländer 1 3 ) gab es damals und ein Menschenalter später in großer Zahl im österreichischen Heere. Der 1848er Revolutionär v. Fenneberg beklagt sich in seinen Schriften aus den Vierziger]ahren über die Bevorzugung, die die Iren und Schotten in der Armee genossen haben 1 4 ). Josef wurde 1801 zu Levenehr-Dragonern Nr. 4 ausgemustert, wo er es in einem Vierteljahrhundert vom Leutnant bis zum alten Rittmeister brachte. Er starb einundsiebzigjährig als Pensionist und Junggeselle in Fünfkirchen in Südungarn. Welcher Wind ihn in die damals fast rein deutsche Stadt verweht hat, weiß ich nicht. Einige Jahre vor seinem Tode sandte er das bis dahin von ihm verwahrte Adelsdiplom an meinen Großvater 1 5 ). Der zweite, Edmund, war, wie es scheint, ein begabter Brausekopf. Er wurde 1803, genau 100 Jahre vor meiner Ausmusterung, aus der Akademie strafweise als Fähnrich entlassen, weil er sich mit einem Messer auf einen Mitschüler - oder einen Lehrer? - gestürzt hatte. Einige Jahre nachher wurde er beim Infanterieregiment Nr. 29 (Temesvár) 1 6 ) zum Gemeinen degradiert. Die in der Familie erhaltene Tradition, daß ihm in einem der Feldzüge beide Beine weggeschossen worden seien, läßt sich aktenmäßig nicht erweisen. Jedenfalls verschwindet er zwischen 1802 und 1805 aus den Regiments-Standeslisten. Er war ein sehr guter Zeichner und hatte einmal dem Vater auch einen wunderbaren Guldenzettel ins Stammbuch gezeichnet. Grund genug für jenen, bei der Leichtfertigkeit des Sohnes aufzuatmen, als die n ) Josef Glaise v. Horstenau (Rohatyn oder Jannow in Galizien, 1 8 . 2 . 1 7 8 3 - 2 . 1 . 1 8 5 4 , Fünfkirchen, Ungarn), 5. 12.1800 aus der Milak. zur D R . 5 als Lt. ausgemustert, 1 4 . 2 . 1 8 0 2 zu D R . 4, später R t m . , 1823 pensioniert. 1 2 ) Edmund (auch Emanuel) Glaise ν. Horstenau (Tiolliglof (?)/Galizien, VI. oder V I I . 1785-?), 1803 wegen Selbstverstümmelung als Kadett zu IR. 29, 3 0 . 4 . 1 8 0 4 zu IR. 20, ab Mai 1804 Gemeiner. 1 3 ) In den Erhebungen leider nicht genannt. 1 4 ) Ferdinand Franz Joseph Frh. Fenner v. Fenneberg ( B r u n e c k / T i r o l , 3 1 . 1 0 . 1 8 1 8 - 1 6 . 2 . 1 8 6 3 , Bregenz), 1838 aus Milak. als Kadett zu I R . 3 ausgemustert, 1839 Lt. im T K J R . , 3 1 . 8 . 1843 quittiert den Dienst ohne Beibehaltung des Offizierscharakters. X . 1848 Adjutant Messenhausers in Wien, 1849 Oberbefehlshaber des pfälzischen Volksheeres, 1851 nach Amerika ausgewandert und später zurückgekehrt. Er veröffentlichte u . a . : „Österreich und seine A r m e e " , Leipzig, 1847; „Galgenlieder", 1848. Die Bemerkungen über die vielen Offiziere englischer, irischer und französischer Nationalität sind im erstgenannten Werk S. 9 8 f . Vgl. dazu: E. Schmidhofer, Das irische Element im kaiserlichen Heer, in: Österreich in Geschichte und Literatur, J g . 19, 1975, 8 0 - 9 0 . l s ) G M . ( F M L . ) Franz Frh. v. Levenehr war 1783 bis 1813 Inhaber eines Kavallerieregiments. Dieses wurde 1733 als Dragonerregiment aufgestellt, 1773 in ein Chevauxlegersregiment umgewandelt und erhielt 1798 - wieder als Dragonerregiment - die Nummer 14 und 1802 die Nummer 4. Es wurde 1860 aufgelöst. 1 6 ) Das Konzept des Adelsstandsdiploms samt Aktenlage in AVA./Adelsarchiv. Wilhelm Glaises Erhebung in den Adelsstand mit dem Prädikat Horstenau samt Wappenverleihung erfolgte mit 2 6 . 1 0 . 1 8 0 6 . Als Begründung werden achtunddreißigjährige ausgezeichnete Dienstleistung und Teilnahme an den Feldzügen gegen Preußen, Türken und Franzosen ab 1778 angegeben.
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I. Jugend und Militärerziehung
Nachricht von seinem Tode kam; der Vater hatte gefürchtet, daß Edmund einmal auch Guldenzettel zu anderen Zwecken täuschend nachzuahmen vermöchte. Zwischen den zwei ältesten Söhnen waren auch zwei Töchter gekommen, deren eine die Mutter bis zum Tode durchs Leben begleitete und zehn Jahre nach ihr starb 17 ). Mit einer verhältnismäßig langen, aber nicht ungewöhnlichen Pause 12 Jahre - kam dann in einem mährischen Nest 1797 mein Großvater auf die Welt, der den Namen Wilhelm erhielt 1 8 ). In meiner Familie wurde das offensichtlich bösartige Gerücht kolportiert, die Mutter habe die Folgen eines Fehltrittes einer der beiden, schon herangewachsenen, Töchter auf sich genommen. Wenige Jahre nach Wilhelms Geburt trat der Vater, nun schon über fünfzig, aus dem aktiven Truppendienst aus und erhielt den Ruheposten eines Offiziers des mährisch-schlesischen Grenzkordons. Eine seiner Garnisonen war Teschen. Wenn ich später im Ersten Weltkrieg durch das schöne Teschener Ländchen der preußischen Grenze zufuhr, um mich im deutschen Hauptquartier in Pleß eines Auftrages zu entledigen, dachte ich daran, wie mein Urgroßvater vielleicht auf einem k . k . „Wurstwagen" - so hießen Fahrzeuge für die Artilleriebemannung, die zu benützen im Felde selbst der Kaiser Franz mitunter nicht verschmähte - die gleichen Wege gefahren haben mochte. Im Jahre 1806, schon nach Niederlegung der deutschen Kaiserkrone durch den österreichischen Herrscher, wurde der Grenzhauptmann Wilhelm Glaise auf Grund seiner 35jähiigen Militärdienstzeit und mitgemachter Kämpfe taxfrei in den „einfachen Adelstand" mit dem Prädikate „ v . Horstenau" erhoben. Woher dieses Prädikat stammt, weiß ich nicht. Seine Wahl zeugte im Gegensatz zu sonst üblichen Adelsnamen im Bereiche des Tornisteradels von Geschmack. Das Wappen enthielt auf blausilbernem Felde je drei Ringe, Sterne und Kleeblätter, offenbar eine Anspielung auf die drei Söhne. Sich wohlklingende deutsche Prädikate zu wählen, war damals bei den Trägern französischer Namen, deren es im kaiserlichen Heere seit der Revolution sehr viele gab, gebräuchlich. So nannten sich zum Beispiel die Peccaducs Freiherrn von Herzogenberg 1 9 ), während sie sich des französischen Namens überhaupt nicht bedienten. Angeblich war Napoleon gegenüber kaiserlichen Offizieren französischen Namens, die in seine Gefangenschaft fielen, sehr ungnä1 7 ) Laut archivalischer Erhebung jedoch: Maria Aloysia Glaise ν. Horstenau (Moscisca, Galizien, 5. 7 . 1 7 9 1 - 1 3 . 8 . 1 8 4 9 , Troppau). Laut frdl. Mitteilung des Státní archiv v. Opavé ν. 2 0 . 1 2 . 1 9 7 6 , in welcher verschiedene Mitteilungen über Verlassenschaftsabhandlungen und Matrikeneintragungen in Troppau, die die Familie Glaise ν. Horstenau betreffen, enthalten sind ( K A . , ZI. 22203/77), können Daten über die zweite Tochter und über einen früh verstorbenen Sohn angeführt werden: Theresia Glaise v. Horstenau (gest. 11.4.' 1806, Troppau, achtzehn Jahre alt); Karl Glaise ν. Horstenau (gest. 2 8 . 5 . 1 8 1 4 , sieben Monate alt). 1 S ) Wilhelm Glaise ν. Horstenau (Prödlitz, Mähren, 1 7 9 7 - 1 8 4 2 , Salzburg), 1 . 1 0 . 1 8 1 2 als Kadett ins I R . 2 0 , 1 . 8 . 1 8 1 3 zu I R . 2 8 als Fhr., 1 9 . 1 2 . 1 8 1 3 Ult., 3 0 . 1 1 . 1 8 2 3 pensioniert, sodann Kreiskanzlist in Salzburg. , 9 ) Die Picot de Peccaduc waren ein altes französisches Adelsgeschlecht. August Picot de Peccaduc (Rennes, 1 7 6 7 - 1 5 . 2 . 1 8 3 5 , Wien) stand bis 1797 in französischen Diensten, zuletzt im Emigrantenkorps Rohan. Er trat aus diesem als Hauptmann in österreichische Dienste über. 1 . 9 . 1 8 0 5 Mjr. IR. 55, 18. 6 . 1 8 1 1 österreichischer Adelsstand mit Namensänderung auf „ v o n Herzogenberg" für August Picot. 1 8 . 6 . 1 8 2 7 FML. Mit Diplom vom 1 9 . 1 2 . 1 8 6 2 wurde für Natalie v. Herzogenberg, geb. Gräfin v. Rothkirch u. Panthen das Baronat als ,,Picot de Peccaduc Freiin v. Herzogenberg" anerkannt.
Herkunft und Kindheit
71
dig. Auch der frischgebackene Wilhelm Glaise v. Horstenau schrieb sich von nun an, wie verschiedene Unterschriften im Kriegsarchiv beweisen, nur mehr v. H o r stenau, und in den Schematismen der Befreiungskriege, die drei Träger dieses Namens aufweisen 2 0 ), konnte man sogar Chevalier de Horstenau, offenbar eine Erinnerung an die französische Abkunft, lesen. Im übrigen soll mein Urgroßvater nie ordentlich Deutsch gelernt haben. In der militärischen Laufbahn hatte er kein Glück mehr. Er versuchte zwar des öfteren in rührenden Bittgesuchen, eine Majorsstelle zu erhalten und beklagte sich dabei über glücklichere Hintermänner, die man ihm vorgezogen hatte. Er starb jedoch - einige Tage vor Napoleon - im Mai 1821 als aktiver Hauptmann in Troppau 71 Jahre alt an Lungenentzündung. Seine Witwe überlebte ihn um ein Jahrzehnt. Sie segnete gleichfalls in der Hauptstadt ihres Heimatlandes das Zeitliche. Mein Großvater Wilhelm v. Glaise hat die Befreiungskriege als sechzehn- bis zwanzigjähriger Leutnant bei Frelich-Infanterie Nr. 21 2 1 ) mitgemacht und kam nachher zu N r . 28 2 2 ); beides waren böhmische Regimenter von hohem Ruf, den sie erst im Ersten Weltkrieg einbüßen sollten 2 3 ). Die Feldzüge scheinen dem knabenhaften Soldaten an der Lunge geschadet zu haben. Er hat allem Anschein nach auch sonst die Unruhe seines Bruders Edmund übernommen und verließ 1821 aus unbekanntem Anlaß den aktiven Militärdienst, um eine Kanzlistenstelle bei der Linzer Landesregierung anzunehmen. In Kleinmünchen bei Linz lernte er Antonie Niklas 2 4 ) kennen, Bauerstochter aus Ottensheim an der Donau. Zur Kreisbehörde nach Salzburg übersetzt, heiratete er dort das kleine zierliche, hübsche Mädchen, das scheinbar zu allem eher als zur Führung eines geordneten Haushaltes geeignet war. Im Jahre 1833 kam das erste Kind zur Welt, das den Namen Hugo 2 5 ) erhielt,
2 0 ) Gemeint sind wahrscheinlich die - nur handschriftlich im Rahmen der Sonderreihe des Hofkriegsrates - im K A . aufbewahrten „ A r m e e s c h e m a t a " , in welchen mehrere Träger des Namens „ v . H o r stenau" aufscheinen. Die gedruckten Schematismen des kaiserlichen Heeres haben erst ab 1819 einen Namensindex. 2 1 ) W i e oben bereits angeführt, trat Wilhelm Glaise nicht bei I R . 21, sondern bei I R . 20 ein. Dieses jedoch ergänzte sich ab 1807 aus einem mährisch-schlesischen und einem galizischen Anteil. Das Regiment war 1681 aufgestellt worden und hatte von 1785 bis 1826 F Z M . Wenzel G r a f Kaunitz-Rietberg zum Inhaber. 2 2 ) Das böhmische I R . 28 („Prager Hausregiment") hatte seit 1817 ständig den W e r b - B e z i r k Prag und Umgebung. Es war 1698 gebildet worden. 1799 bis 1815 war F M L . Michael F r h . v. Freiich der Inhaber. V g l . : E . S c h m e d e s , Geschichte des k . k . 28. Infanterie-Regimentes F Z M . Ludwig Ritter von Benedek, Wien 1878. 2 3 ) A m 3 . 4 . 1 9 1 5 drängten die Russen bei Z b o r ó w die Österreicher (28. I D . ) aus ihren Stellungen heraus, was nur durch die kampflose Waffenstreckung des I R . 28 möglich wurde. Das I R . 28 wurde auf Antrag des 3. Armeekommandos mit kaiserlicher Entschließung vom 1 7 . 4 . aufgelöst und seine Reste auf die Truppen des III. Korps aufgeteilt. D i e Wiedererrichtung erfolgte mit 2 1 . 1 2 . 1 9 1 5 aus dem I X . Marschbataillon, das sich - insbesondere an der italienischen Front - durch besondere Tapferkeit ausgezeichnet hatte. Vgl. R . Plaschka, Zur Vorgeschichte des Überganges von Einheiten des Infanterieregimentes N r . 28 an der russischen F r o n t 1915, in: Österreich und Europa. Festgabe für H u g o Hantsch zum 70. Geburtstag, G r a z - W i e n - K ö l n 1965, 4 5 5 - 4 6 4 . 2 4 ) Antonia geb. Niklas (Kleinmünchen bei Linz, 1 8 0 7 - 1 8 8 6 , Lukácsháza bei Güns). 2 5 ) Weitere Angaben nicht bekannt.
72
I. Jugend und Militärerziehung
1835 eine Tochter Emilie 2 6 ), 18 3 7 mein Vater Edmund 2 7 ), 1839 wieder eine Tochter Elvira. Mein Vater kam in dem Eckhaus Linzer Gasse und Durchgang bei der St. Sebastianskirche im obersten Stockwerk zur Welt. Er wurde zu St. Andrae getauft, einer Kirche, die sich am Beginn der Linzer Gasse, an der Stelle des Kaffee Lohr, befand. Der Bub war knapp fünf Jahre alt, als man seinen Vater, 1842, auf dem historischen Sebastiansfriedhof zur ewigen Ruhe bettete. Sein großer Hund wich nicht mehr von seinem Grabe und starb Hungers. Die Witwe erhielt durch Vermittlung des Grafen Bellegarde 28 ) (Obersthofmeister des Kronprinzen Ferdinand) 2 9 ) einen Gnadengehalt von sechzehn Gulden monatlich. Sie übersiedelte mit ihren vier Kindern in das Eckhaus der Getreidegasse gegenüber dem Bürgerspital. Für die Kinder, an der Spitze mein ausgelassener Vater, war der damals noch in Wildnis emporragende Rain- oder Ofenlochberg vor dem Neutor der Schauplatz aller erdenklichen Spiele. Unter den Spielkameraden befanden sich verschiedene Söhne des salzburgischen Adels, darunter der spätere General Baron Engel 3 0 ). A u d i die Mutter pflegte Verkehr mit diesen Kreisen, es gab bei ihr trotz aller Dürftigkeit manches Kaffeekränzchen in echtem Biedermeierstil. Diese Lebenshaltung setzte sie fort, als sie später in die Gnigl übersiedelte. Der Vater war ein richtiger Lausbube, der der hilflosen Mutter allen möglichen Schabernack spielte. In späteren Jahren sagte sie meiner Mutter 3 1 ), die sie sehr liebte, noch vor der Heirat öfter: „Johanne, du wirst eine schwere Nuß zu knacken haben." Viel mehr als die Volksschule in der ehemaligen Türnitzkaserne 32 ) und zwei Klassen Realschule auf dem Gries hatte mein Vater nicht besucht. Dann kam er mit sechzehn Jahren zum Militär, zum k.k. Linien-Infanterieregiment Erzherzog Rainer Nr. 59, dem Salzburger Hausregiment 3 3 ). Da kein Geld da war, mußte ) Emilie, verehelichte v. Bubics. " ) Edmund Glaise v. Horstenau (Salzburg, 14.6.1837-14.11.1889, Salzburg), nach drei Klassen Realschule mit 7.7.1854 freiwillig zu IR.59, 12.3.1859 Lt., 1.1.1865 Oblt., 1.11.1872 Hptm. Diente als Waffenoffz., Magazinsoffz. und ab 1872 als KpKmdt. 1.12.1880 pensioniert, 27.12.1880 Major ad hon. 2 S ) Heinrich Graf Bellegarde (Dresden, 2 9 . 8 . 1 7 5 6 - 2 2 . 7.1845, Wien), Offizier, u. a. 1796-97 Adlatus (Generalstabschef) Ehg. Carls, 1809-1813 und 1820-1825 Präsident des Hofkriegsrates, 1816-1832 Obersthofmeister des Kronprinzen Ferdinand. 2 9 ) Ferdinand I. (Wien, 1 9 . 4 . 1 7 9 3 - 2 0 . 6 . 1 8 7 5 , Prag), 2 . 3 . 1 8 3 5 - 2 . 1 2 . 1 8 4 8 Kaiser von Österreich. Uber ihn zuletzt: H . L . Mikoletzky, Österreich. Das entscheidende 19. Jahrhundert, Wien 1972, 293ff. 3 0 ) Erich R. v. Engel (Innsbruck, 2 9 . 5 . 1 8 3 9 - 2 0 . 5 . 1 9 2 1 , Wien), 1.5.1892 GM., Brigadier, Divisionar, 2.12.1896 Stadtkmdt. von Wien, 1.8.1904 pensioniert. 3 1 ) Johanna, geb. Mittermeier (Frontenhausen, 1 0 . 1 2 . 1 8 5 0 - 1 7 . 1 . 1 9 3 8 , Wien), vermählt 17.1.1881 mit Edmund Glaise ν. Horstenau. " ) Die alte Türnitzkaserne auf dem Gries wurde 1863 abgebrochen. 3 3 ) Das Salzburgisch-oberösterreichische Infanterieregiment Ehg. Rainer Nr. 59 wurde 1682 in Niederund Oberösterreich aufgestellt. Es erhielt 1817 Salzburg und Teile Oberösterreichs endgültig zur Ergänzung zugewiesen. Seit 1852 trägt es den Namen. Das IR. 59 war ein Eliteregiment der k . u . k . Armee. Im (1.) Ö B H . führte das IR. 12 und im (2.) Ö B H . das Ausbildungsregiment 8 seine Tradition weiter. Vgl. A. Wüch, Geschichte des k. k. Infanterie-Regiments Erzherzog Rainer Nr. 59, Bd. 1, Salzburg 1882, Bd. 2, Salzburg 1901; M. R. v. Hoen, Geschichte des salzburgisch-oberösterreichischen k. u. k. Infanterieregiments Erzherzog Rainer Nr. 59 für den Zeitraum des Weltkrieges 1914-1918, Salzburg 1931. Ebenso schrieb ein Glaise sehr nahestehender Priester über seine Dienstzeit im IR. 59: Β. Spitzl, Die Rainer. Als Feldkurat mit IR. 59 im Weltkrieg, Salzburg 1938, 2. Aufl. Salzburg 1952. 26
Herkunft und
Kindheit
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mein Vater, was er später immer verschwieg, ein Jahr als Gemeiner dienen, ehe er zum Ex-propriis-Kadetten ernannt werden kennte. Als gemeiner Soldat marschierte er im Jahr 1854 mit einem Ergänzungstransport zum Regiment nach Oberitalien. Das war bei den damaligen Verkehrsverhältnissen ein Abschied für lange Zeit, der in der Folge zehn geschlagene Jahre währen sollte. Beim Regiment in Oberitalien traf der Vater noch seinen älteren, ganz anders gearteten Bruder Hugo, der - ein Sprachen- und Musiktalent - in seinem Berufe sehr unglücklich war und schon im Jahre 1855, kaum 22jährig, in Triest einem Typhus erlag. Die Erinnerung hat in meinem Vater das Leben im k. k. Italien verklärt. Aus dem schmächtigen Jüngling, dem manche das frühe Ende seines Bruders voraussagten, wurde ein kräftiger junger Mann, der mit Fleiß seinem Dienst oblag, daneben aber auch den Genüssen, die sich boten, nicht teilnamslos gegenüberstand. Er rauchte wenig, trank überhaupt nicht, scheint aber umsomehr den Frauen gehuldigt zu haben, die - nach Torresani 3 4 ) - wohl auch mit ihm, dem Vertreter feindlicher Gewalten, verstohlene, aber umso feurigere Zärtlichkeiten ausgetauscht haben. Wenigstens habe ich als vorwitziger Bub noch manche Mitteilung erlauscht, die in späten Jahren mein Vater mit nicht immer vollendeter Rücksicht meiner Mutter zukommen ließ. Daß er irgendwelchen Schaden davongetragen hätte, glaube ich nich'. Die Schlachten von Magenta und Solferino 1859 3 5 ) machte er in den Reihen seines Regiments als Leutnant mit. E r wird in der Regimentsgeschichte genannt 3 6 ). Auszeichnung hat er in der damals mit dergleichen Dingen noch sehr sparsamen Zeit nicht erhalten. Er starb mit der Kriegsmedaille 37 ) und dem fünfundzwanzigjährigen Dienstzeichen. Kein anderer Brustschmuck war ihm vergönnt gewesen. 1864 kam er mit dem Regiment nach Salzburg zurück. Er traf sein Mütterchen aufgeregt und schusselig wie immer, dabei natürlich auch ohne Autorität gegenüber den beiden schon herangewachsenen Töchtern. Die jüngere heiratete in jener Zeit den Zahlamtsbeamten August Gussetti. Sie war eine hübsche riegelsame Frau, die einmal, als sie in der Nähe des Schlosses Leopoldskron spazieren ging, auch die Aufmerksamkeit des dort wohnenden Königs Ludwig I. von Bayern 3 8 ) auf sich ge3 4 ) Carl Franz F r h . Torresani v. Lanzenfeld und de C a m p o n e r o (Mailand, 19.4.1846-12.4.1907, T o r b o l e ) , berühmter und ungemein populärer öst. Militärdichter. Zögling der Stella Matutina in Feldkirch, 1865 aus der Milak. zu U R . 13 als L t . , 1866 O b i t , und Feldzug 1866 gegen Italien, sodann Generalstabsdienstleistung, jedoch 1. 8 . 1 8 7 6 pensioniert. 1 1 . 5 . 1 8 9 3 R t m . mit Titel u. Charakter. E r schrieb zahlreiche R o m a n e , Novellen, D r a m e n , Feuilletons. Vgl. J . H . Blumenthal, Carl Freiherr Torresani. Sein Leben und W e r k , Wien 1957, Ö s t e r r e i c h - R e i h e , B d . 3 0 / 3 1 . 3 5 ) 4. und 24. J u n i 1859. 3 6 ) J . K n o r z , Geschichte des k . u . k . Infanterie-Regiments E r z h e r z o g Rainer N r . 59, I I . A b t . , Salzburg 1901, 4 7 9 . 3 7 ) D i e Kriegsmedaille wurde von Franz J o s e p h I. am 1 . 1 2 . 1 8 7 3 zum fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläum für alle Personen ohne Unterschied des Ranges, die die Feldzüge von 1848, 1849, 1859, 1866, 1869 - und dann 1878 sowie 1882 - mitgemacht hatten, gestiftet. Ein Vorläufer der Kriegsmedaille war das 1814 gestiftete Armeekreuz. 3 e ) Ludwig I. Kg. V. Bayern (Straßburg, 2 5 . 8 . 1 7 8 6 - 2 9 . 2 . 1 8 6 8 , N i z z a ) regierte 1 2 . 1 0 . 1 8 2 5 bis 2 0 . 3 . 1 8 4 8 . Ü b e r seine Beziehungen zu den Frauen vgl. E . C . C . C o r t i , Ludwig I. von Bayern. Ein Ringen um Freiheit, Schönheit und Liebe, München 1937; sowie die Schönheitsgalerie in Schloß N y m phenburg.
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zogen hatte. Die ältere war eine stattliche Frau von einem, wie ich glauben möchte, heißen Temperament. Sie fing nach mannigfachen Eskapaden einen Ungarn slowakischer Abkunft, Eduard v. Bubics, ein, dessen Bruder auf dem Bischofsstuhle von Kaschau 3 9 ) saß und schon als Abt dem Fürsten Esterházy 4 0 ) in besonderer Freundschaft verbunden war. Dank diesen Beziehungen hatte Eduard v. Bubics das schöne Gut Lukácsháza bei Giins zu lebenslänglicher Pacht erhalten. Tante Emilie zog so als Gutsherrin ein und fand sich mit viel Grandezza in diese Rolle hinein. Sie schenkte ihrem um vieles älteren Gatten im Jahr 1881 noch einen Sohn 4 1 3 ), womit auch ihr die lebenslängliche Pacht gesichert war. Meine Großmutter zog zu ihr und starb Ende 1882. Ein Jahr darauf folgte ihr Bubics. Ich habe die Gruft der beiden, gemeinsam mit meinem verewigten Freunde Wilhelm Wolf 4 2 ), im Frühjahr 1939 vom Semmering aus besucht. Der Metallsarg von Bubics war noch unversehrt, der Holzsarg der Großmutter „Vilmosné G . V. H . " schon stark havariert. Ich faßte den Plan, das Gebein bei Gelegenheit nach Salzburg zu bringen und dort in unserer Familiengruft beizusetzen. Der Krieg hat diesen Absichten ein Ende bereitet. 1866 nahm mein Vater mit seinem Regiment an der Verteidigung von Tirol teil. Er war längst Oberleutnant und wurde 1871 Hauptmann 2. Klasse, nach wie vor bei Rainer-Infanterie. Das Regiment war schon seit 1852 Rainer. Der Soldatenwitz lautete, die 59er seien schmutzige Leute gewesen, sie seien fünfzig Jahre baden gewesen, ehe sie „ R a i n e r " geworden waren. Mit italienischen Garnisonen wars für immer vorbei. Tirolische Garnisonen wechselten mit solchen in Salzburg und Oberösterreich. In der Franzensfeste bei Brixen erwarb mein Vater gleich vielen seiner Kameraden eine bedauerliche Gewohnheit. D a er dem Hasardspiel keinen Gefallen abgewann, begann er sich das traurige Leben eines Festungsschwammes durch Alkoholgenuß leichter zu machen. Dabei kam auch ein nur für rauhe Kriegerkehlen möglicher Schnaps zu seinem Rechte. O f t und oft dachte ich daran, wenn ich als junger Offizier zu Fuß, zu Pferd, im Auto an der trotzig dreinblickenden Franzensfeste vorüberkam und auf kurzer Rast einmal auch die Kasematten besichtigte, die zu Vaters Zeit Offizierswohnungen waren. Zum letzten Male kam ich Mai 1930 durch diese herrliche Gegend. Die Lieblingsgarnison des Vaters war eigentlich die „Bauernstadt" Linz. Ein Bataillon Rainer gamisonierte auch in Braunau am Inn. Dort lernte 1872 mein Vater als junger Hauptmann meine Mutter kennen. Meine Mutter Johanna, geborene Mittermeier, stammte aus Niederbayern. Die Familie konnte ihren Stammbaum bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts nach Pfarrkirchen verfolgen. Hundert Jahre später war sie bereits in Haunersdorf bei Landau a.d. Isar heimisch. Dort beherrschten «) Sigismund v. Bubics ( O z o r a / U n g a r n , 1 7 . 3 . 1 8 2 1 - 1 9 0 7 / 0 8 ) , ab 2 . 8 . 1 8 8 7 Bischof von Kaschau. ) Paul Anton Nikolaus 10. Fürst Esterházy ν. Galántha (Wien, 1 1 . 3 . 1 8 4 3 - 2 2 . 8 . 1 8 9 8 , L o c k e n haus), k . u . k . Geheimer Rat, Erbobergespan des Komitats ö d e n b u r g . 3
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) Ehg. Albrecht (Wien, 3 . 8 . 1 8 1 7 - 1 8 . 2 . 1 8 9 5 , A r c o ) ; ab 1 1 . 9 . 1 8 4 0 als G M . in der Generalität, u . a . 1851 bis 1860 Kmdt. d- 3. Armee und kdi. G e n . in Ungarn, stand Albrecht ab 1 0 . 7 . 1 8 6 6 unter
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spendeten Gründen gebaut. Sie bestand aus vier Objekten in dem typischen Stil, der damals den österreichischen Militärschulen gegeben wurde und noch heute in allen Windrichtungen an die längst versunkene Monarchie erinnert: Kaschau, Sarajewo und so weiter. Der südlichste Bau beherbergte zu meiner Zeit die Kavalleriekadettenschule 1 2 2 ), deren Zöglinge - uns altersgleich - sich durch ihre schmucke Husarenuniform mit goldener Verschnürung beneidenswert abhoben. Von den vier Gebäuden stand unser Schlafsaalgebäude im zweiten Treffen - in den großen Park hineingerückt. Die Front der drei Hauptgebäude war dem malerischen Betschwatal zugewendet. Südöstlich in der Ferne winkte die Ruine Helfenstein auf einem hohen Berg. Auf der Promenade vor der Front spielte sonntags von frühmorgens bis spätabends ein Werkelmann den Radetzkymarsch. Als ich mit so und so vielen Schicksalsgenossen aus allen vier Militärunterrealschulen Österreichs klopfenden Herzens das neue Heim betrat, streckten sich uns, den neuen „Benjamins", Dutzende von Beinen der Zöglinge des dritten Jahrganges entgegen, über die hinweggesprungen werden mußte. Das war so der Ton, der die Schule beherrschte. Der dritte Jahrgang, „Burgherren" - wohl nach der Neustädter Burg so genannt - kühlte bei jeder Gelegenheit sein Mütchen an uns. Wir wurden als minderwertige Menschen behandelt, zu allen möglichen erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten und Übungen herangezogen, gepeinigt, wo es nur anging. Mein Freund Kappus und ich wurden einmal in einen Lehrsaal des obersten Jahrganges hineingezerrt, wo man uns zum Genuß von mit Waffenfett geschmierten Brötchen nötigen wollte; nur durch List entgingen wir diesem Schicksal. Im Park gab es einen 3 m hohen Holzschupfen, „Benjaminswarte" genannt. Dort mußten Benjamins, wenn es den Burgherren gefiel, in die Tiefe springen. Es war bezeichnend, daß sich hierbei ein Benjamin eine schwere Beinverletzung zuzog, daß er sich aber wohl hütete, rechtzeitig zum Arzt zu gehen und durch dieses Versäumnis seine soldatische Laufbahn verdarb. Ein ehernes Gesetz der Kameradschaft verbot es, Anzeigen gegen Zöglinge anderer und des eigenen Jahrganges zu erstatten. Das wurde äußerst streng gehalten. Die Lehrer wußten zweifellos vom Terrorregime der Burgherren über die Benjamine. Aber sie, deren viele es einst selbst erlebt hatten, sahen darüber hinweg. Schließlich wurden aus den Benjaminen mit der Zeit selbst Burgherren, die sich dann an den neuen Benjaminen schadlos halten konnten. Ich habe meinen Ehrgeiz darein gesetzt, es nicht zu tun. Ebenso wie ich das geheime Rauchen von in alle möglichen Papiere gehüllten Buchenblättern ablehnte, wiewohl dieser Sport schon in der Unterrealschule als Zeichen besonderer Männlichkeit galt. In Weißkirchen ist, so viel ich mich erinnere, das Rauchen in beschränktem Ausmaße möglich gewesen. dem kaiserlichen Oberbefehl an der Spitze des Heeres als Armeekmdt., Armeeoberkmdt. und, seit 2 4 . 3 . 1 8 6 9 , Generalinspektor des Heeres. Vgl. L. Jedlicka, Feldmarschall Erzherzog Albrecht ( 1 8 1 7 - 1 8 9 5 ) , in: Gestalter der Geschichte Österreichs, Wien-München 1962, 3 8 9 - 3 9 5 ; J. J. Holzer, Erzherzog Albrecht 1 8 6 7 - 1 8 9 5 . Politisch-militärische Konzeption: Tätigkeit als Generalinspektor des Heeres, W r . Diss. 1974. Die bisher umfangreichste Arbeit über Ehg. Albrecht ist ein unvollendetes Manuskript im Nachlaß des Historikers k . u . k . Obst. i. G. a.D. Dr. Eduard Heller (B/679, nr. 1). ,22)
A b 1878 war auch die Kavallerie-Kadettenschule in Mährisch-Weißkirchen untergebracht.
Militärrealschule u n d M i l i t ä r a k a d e m i e
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Die Schule bestand aus über vierhundert Zöglingen, die in drei Jahrgänge mit je drei Parallelklassen gegliedert waren. Schulkommandant war zu meiner Zeit der elegante, ritterliche Feldmarschalleutnant Freiherr von Königsbrunn 1 2 3 ); er bezahlte seine lächelnde Nachsicht gegenüber seinen Zöglingen nach meinem Ausscheiden mit plötzlicher Pensionierung, ohne daß seine Brust eine andere Auszeichnung als das Militärverdienstkreuz zierte. Nach dem Zusammenbruch 1918 wurde der greise Edelmann in Wien von einem Lastauto niedergestoßen. Wir liebten Königsbrunn und waren stolz auf ihn, besonders wenn er am Fronleichnamstag in der weißen Generals-Galauniform mit vielen ausländischen Orden ausrückte. Die tiefe Verbundenheit dieses Mannes zum Herrscherhaus zeigte sich uns in dem kaum unterdrückten Schmerz, mit dem er uns am 11. September 1898 die Ermordung der Kaiserin Elisabeth 1 2 4 ) vor dem ausgerückten Bataillon bekanntgab. So waren diese alten Offiziere: jeder von ihnen fühlte sein persönliches Schicksal mit dem seines kaiserlichen Herrn verknüpft. So mild Königsbrunn war, umso grimmiger war unser Klassenvorstand Ottokar Parti 1 2 5 ), Hauptmann des k . u . k . Infanterieregiments N r . 75, das ich knapp vor dem ersten Krieg in Salzburg einführen sollte. Er war - wie Königsbrunn und viele andere Lehrer - Neustädter Akademiker, trug einen wohlgepflegten rotblonden Kaiserbart und trug nicht bloß - neben Mathematik - Tschechisch vor, sondern war durch und durch Tscheche, wovon er allerdings erst zwanzig Jahre später, 1918, als erster tschechoslowakischer Stadtkommandant von Prag, Gebrauch machen sollte. Er hielt besonders viel auf Kleider- und Zimmerordnung, seinem gestrengen Blick entging nichts. Jeden Tag um zehn Uhr beim Rapport wurde die Klasse visitiert und wehe dem, der einen Fleck auf der Bluse hatte oder gar ein Knopf fehlte. Ich saß meist in der letzten Bank des Lehrsaales. Die Stunde vor dem Rapport war, unbekümmert um den Unterricht, fast nur mit Näh- und Putzarbeit ausgefüllt, damit man vor dem Auge des Gestrengen halbwegs abschnitt. Sympathien und Antipathien zeigte Parti nicht; ich besaß die ersteren, wie ich aus dem Briefwechsel Partis mit meiner Mutter erfuhr. Dabei war ich kaum das Holz, aus dem er seine Zöglinge geschnitzt sehen wollte. In der Jünglingsreife, in der ich mich befand, war ich alles eher als ein Soldat. Heimweh und Melancholie nahmen von mir Besitz. Während jedoch Kappus, der mir geistig Nächststehende, der sich allerdings in der Rolle eines unerhörten Zynikers gefiel, Heinrich Heine zu seinem Lieblingsdichter wählte, war der meinige J o ' " ) Arthur Reichsfreiherr v. Königsbrunn (Wels, 16.2. 1 8 3 9 - 9 . 1 . 1 9 1 9 , Wien), 1857 als Lt. aus der Milak. zu IR. 48, Truppenoffizierslaufbahn, 1.5.1890 Obst. IR. 34, 1891 Rgtskmdt., 1895 G M . u. Kmdt. 26. IBrig., 28.8.1897 Kmdt. M O R . Mährisch-Weißkirchen, 1.1.1899 F M L . , 9.3.1901 pensioniert. 1 2 4 ) Kaiserin Elisabeth, geb. Herzogin in Bayern (München, 2 4 . 1 2 . 1 8 3 7 - 1 0 . 9 . 1898 Genf). Vgl. zuletzt J. Haslip, Elisabeth von Österreich, München 1966. ' " ) Ottokar Parti (Lomnitz/Böhmen, 1 . 4 . 1 8 6 0 - 2 1 . 1 2 . 1 9 3 7 , Prag), 1880 aus der Milak zu IR. 75, 7.8.1897 als Hptm. des IR. 75 zur M O R . Mährisch-Weißkirchen, 1.11.1899 Armeestand, 1.5.1912 Obstlt., 7.12. 1912 Kmdt. M U R . St. Pölten, 1.11.1914 Obst., 7.10.1916 Ruhestand, 14.9.1918 G M . mit Titel und Charakter, nach Kriegsende Übernahme in die es. Armee - aber nicht als Stadtkmdt. von Prag, sondern in anderen, nicht näher bekannten Dienststellen.
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I. J u g e n d u n d M i l i t ä r e r z i e h u n g
sef Viktor v. Scheffel. Wir bauten jeder in seinem Herzen seinem Dichter einen Altar. Auf Urlaub dichtete ich, nach dem Versmaß von Dreizehnlinden, ein Epos, das dem Trompeter von Säckingen verflucht ähnlich sah; nur die Rollen zwischen Held und Heldin waren in sozialer Hinsicht vertauscht. Neben Kappus und mir war noch ein dritter Dichter in der Klasse, ein ausgesprochenes Mauvais-Sujet namens Karl Hauptmann 1 2 6 ), der sich unter dem Pseudonym Carlo Amalia v. Manau in einem Hexameter-Epos über die Erschaffung des Weibes versuchte. Er war reifer als wir, allerdings auch - wie bemerkt - verludert, und mußte vorzeitig die Anstalt verlassen. Nicht ohne Lächeln, aber mit gütiger Nachsicht, verfolgte unser Deutschlehrer Major Josef Raschendorfer 1 2 7 ) die literarischen Äußerungen unserer Pubertätstriebe. Ich verdanke diesem Lehrer, der sich im Jahre 1919 in Salzburg aus Verzweiflung über den Zusammenbruch eine Kugel durch den Kopf jagte, mehr als irgendeinem anderen. Er gestaltete den Deutschunterricht zu einem Vademecum aller Geisteswissenschaften, tradierte nicht bloß Grammatik und Syntax, sondern auch Literaturgeschichte, Stillehre, Logik, Philosphische Propädeutik und anderes mehr. N o c h heute denke ich an das Genus Historicum, an das mnemotechnische Hilfsmittel zur Aufzählung der Musen ,,Kliometerthal - euer U r p o k a l " , an die Mahnungen, knapp zu schreiben und bei der Wahl von Bildern vorsichtig zu sein. Es war für mich eine große Freude, daß er mir eines Tages in seinem Gegenstand die N o t e „Vorzüglich" zuerkannte. Gegenüber Raschendorfer stach mein Geschichtslehrer, ein Major Penecke 1 2 8 ), ganz erheblich ab. Er hatte sich vor Jahren vor allem nach der Weltgeschichte von J o h . B. Weiss 1 2 9 ) auf österreichische Bedürfnisse zugeschnittene Vorträge aus neuerer Geschichte zusammengestellt, die er nun jahraus, jahrein in monotoner Sprache abhaspelte. Irgendwelche Begeisterung vermochte er in der Jugend nicht hervorzurufen. Daß er daneben Schönschreiben lehrte, sei nur angemerkt. Dieses Schönschreiben war im übrigen ein in Militärschulen beinahe wissenschaftlich betriebener Gegenstand, dessen Behandlung es zuzuschreiben ist, daß die Handschriften ehemaliger k . u . k . Militärzöglinge einen gemeinsamen Charakterzug aufwiesen. Besonderen Wert hatten auf das Schönschreiben die Grenzer gelegt: ihre Begeisterung hierfür bildete den Gegenstand vieler Witze. Pädagogisch stand die Militär-Oberrealschule im allgemeinen auf einer hohen Stufe. Die Lehrer, zum Teil schon besonders vorgebildet, zum Teil tüchtige Auto1 2 6 ) Karl Hauptmann (heimatzuständig nach Deutschbrod/Böhmen, zu Schuljahrsbeginn 1897 15 8/12 Jahre a l t , - ? ) ; mußte im II. Jahrgang des Schuljahres 1898/99 die Anstalt als „bleibend untauglich" verlassen. 1 2 7 ) Josef Raschendorfer (Medl/Mähren, 1 8 . 2 . 1 8 4 8 - 2 0 . 3 . 1 9 1 9 , Salzburg), 1866 als Kadett zu IR. 60, 5.7.1866 Lt., ab 1879 Lehrer an Militärschulen, 1.5.1894 Mjr., 20.12.1896 Lehrer in Mährisch-Weißkirchen, 1.11.1899 Obstlt. des Armeestandes, 1.11.1900 pensioniert. 1 2 s ) Hugo Penecke (Krumau/Böhmen, 2 0 . 4 . 1 8 4 7 - 1 0 . 1 0 . 1 9 0 5 , Gleisdorf/Steiermark), 1866 aus der Milak. zu IR. 36 als Lt., 1874-1881 im Militärgeographischen Institut, 1.5.1883 Hptm., seit 1.9. 1888 als Lehrer der Geschichte und Klassenvorstand in der M O R . , 1.5.1897 Mjr. des Armeestandes, 10.10.1901 pensioniert als Obstlt. m. Titel u. Charakter. I 2 9 ) Johann Baptist Weiss, Lehrbuch der Weltgeschichte, Bd. 1 - 2 2 , 3. Aufl., Wien 1890.
Militärrealschule und M i l i t ä r a k a d e m i e
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didakten, taten es vielfach den Professoren der Zivilschulen gleich und übertrafen sie mitunter. Bretschneider und Mandl, übrigens Juden, waren hervorragende Mathematiker, Rezek und Jung lehrten ausgezeichnet Darstellende Geometrie, Tollich die Chemie 1 3 0 ). Weniger gut waren die grundsätzlich für Naturgeschichte einspringenden Regimentsärzte in diesem Fache. Ebenso ließ Geographie zu wünschen übrig. Die militärischen Übungen beschränkten sich auf geschlossenes Exerzieren und ein wenig Schießen. Fechten und Turnen wurden, wie schon bemerkt, mit Maß betrieben, ohne daß unsere spätere physische Leistungsfähigkeit dabei zu kurz gekommen wäre. Nicht vergessen möchte ich schließlich Religion, in welchem Fache wir einen recht primitiven Feldgeistlichen hatten, dem auch im privaten Leben mancherlei, zum Teil wohl zu Unrecht, nachgesagt wurde. Kappus und ich suchten uns seine Neigung durch Darbietung religiöser Dichtungen zu erringen, wobei wir uns an der Verlegenheit des Mannes weideten. Leicht hatten es die Lehrer überhaupt nicht mit uns. Wir befanden uns eben in den Flegeljahren. Es gab keinen Vorgesetzten, von dem wir nicht nach kürzester Zeit eine Schwäche heraus hatten. Am besten schnitten die Lehrer ab, die gute Miene zum bösen Spiel machten. Unsere Lebensgestaltung war schon wesentlich freier als in St. Pölten. Wohl gab es noch Aufsichtsfeldwebel, aber sie hatten kaum mehr etwas zu sagen. Wenn sie uns plagten, wurden sie mit „Pantoffelschmarren" bestraft, d.h., wir bewarfen ihr in den Schlafsälen hinter Vorhängen angebrachtes Bett unter dem Schutze der nächtlichen Dunkelheit mit einem Regen von Hausschuhen. Daß sich die braven Leute in ihrem Dienste besonders wohlgefühlt hätten, möchte ich bezweifeln. Das soziale Bild der aus vier Unterrealschulen 1 3 1 ), d . h . aus dem ganzen Reich, herbeigeholten Zöglinge des Jahrganges war noch wesentlich bunter als in St. Pölten. Dabei trat auch die nationale Mannigfaltigkeit stärker hervor. Die Söhne aller Völker vertrugen sich gut, nur die Magyaren fielen durch ihr Selbstbewußtsein und ihr Lärmen aus dem allgemeinen Bild heraus. Es war die Zeit der nationalen Zu> 30 ) Moriz Bretschneider (Pirnitz/Mähren, 2 8 . 6 . 1 8 5 7 - ? ) , 20.11.1876 als EF. zu IR.28, ab 18.8.1881 Mathematiklehrer an M U R . Eisenstadt, 20.10.1881 Berufsoffz., 1.9.1886 Oblt., 1.5.1892 Hptm., 1.5.1896 zur M O R . , 1.11.1897 Armeestand, 1.9.1907 M U R . St. Pölten, 1.11.1914 Obst., 1.11.1916 pensioniert. Albert Mandl (Bochof/Mähren, 2 7 . 1 0 . 1 8 5 4 - ? ) , 25.9.1872 als EF. zu IR.28, ab 1.9.1882 Lehrer an der M O R . , (Mathematik, Geometrie), 1884 Berufsoffizier, 1.5.1891 Hptm. IR. 45, 1.8.1899 Armeestand, 1899-1906 an diversen M U R . , 1.9.1906 wieder M O R . , 1.11.1910 Obstlt., 1.11.1913 Obst., 1.10.1915 pensioniert. Karl Jung (Znaim, 2 9 . 8 . 1 8 5 8 - ? ) , 1.10.1881 als EF. zu IR. 8, ab 1884 Lehrer an der M O R . , 1895 Berufsoffz., 1.11.1898 Hptm., 1899 zu IKSch. Lemberg, 1.9.1902 zur M O R . , 1.5.1912 Mjr., 1.9.1915 Obstlt., 11.11.1918 Obst, mit Titel und Charakter, 1.1.1919 pensioniert. Wenzel Rezek (Jezben/Böhmen, 1 9 . 1 0 . 1 8 5 8 - 1 3 . 1 . 1 9 1 3 Mähr. Weißkirchen), 1.10. 1878 als EF. zu F A R . 4, 1.9.1885 als Lehrer zur M O R . (Geometrie, böhm. Sprache), 1888 Berufsoffz., 1.5.1895 Hptm., 1. 11. 1901 Mjr. Tollich dürfte ein Zivillehrer gewesen sein, der in den Standesbüchern nicht aufscheint. 1 3 1 ) Militärunterrealschulen bestanden nach der ab 1874 durchgeführten letzten großen Reform des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens. Sie wurden errichtet in Köszeg bzw. Güns (1874), St. Pölten (1875), Maros-Vásárhely (1879), Fischau (1898), Straß (1904), Enns (1908), Wien (1916). Der Hinweis auf vier Militär-Unterrealschulen gilt daher für 1897 noch nicht.
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spitzung in Ungarn, die später unter der Ministerschaft Fejérvárys 1 3 2 ) ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Die Sonderstellung, die sich die magyarischen Kameraden arrogierten, erhielt durch die Lehreraspiranten aus der königlich-ungarischen Honvéd, Honvédoffiziere, die sich für eine Verwendung in Honvédschulen vorbereiten sollten, einen starken Rückhalt. Die Reaktion war ein stärkerer Zusammenschluß aller anderen Nationen, und zwar - meine erste politische Betätigung unter meiner Führung. Wenn die Magyaren ihre Lieder sangen, sangen wir nicht etwa deutsche, sondern tschechische als Antwort. Einmal kam es auf mein Betreiben zu einer offenen Sezession. Unser Deutschlehrer Raschendorfer war krank. Nach militärischen Grundsätzen hatte ihn der zum Hospitieren zugeteilte Honvédoffizier zu vertreten. Als dieser bei Gelegenheit wieder die „Tragödie des Menschen" von Madách 1 3 3 ), eines der hervorragendsten Werke der ungarischen Literatur, über Goethes Faust zu stellen wagte, verließen sämtliche andere Nationen auf mein Zeichen den Lehrsaal. General Königsbrunn kam zurecht und kleisterte den Konflikt, der Honvédoffizier wurde durch einen besserer Lehrer ersetzt. Er hatte übrigens auf den wenig magyarischen Namen Hubauer 1 3 4 ) gehört, ging aber dann unter die 50-Kreuzer-Magyaren, das warene jene, die sich gegen Erlag eines 50Kreuzer-Stempels statt eines deutschen einen ungarischen Familiennamen erstanden - und kehrte von einem Urlaub als königlich ungarischer Oberleutnant Huba zurück. H u b a sei - erklärte er uns - einer der sieben, mit Arpád seinerzeit in Ungarn eingebrochenen Stammeshäuptlinge gewesen. Der N a m e Hubauer sei nur eine Verballhornung der Anrede Huba-Ur, Herr Huba, gewesen. Mit der Wiederannahme des ursprünglichen Namens sei die gottgewollte magyarische Ordnung wiederhergestellt. Entsprachen die Demonstrationen gegen den Huba-Ur durchaus den noch geltenden Grundsätzen der Armeepolitik, so hatte der Aufenthalt in dem zum großen Teil tschechischen Mährisch-Weißkirchen allerdings auch eine zweite Nachwirkung auf mich. Ich war nach Erziehung und Schule bisher schwarzgelb bis in die Knochen gewesen und haßte im Geiste meines verstorbenen Vaters die Preußen. Als Bismarck starb, nahm ich die Nachricht nicht ohne Befriedigung zur Kenntnis; sah ich doch in ihm vor allem den einstigen Todfeind Österreichs und meines Kaisers. Meinen Vetter Emil Gussetti 1 3 5 ), den Sohn der Tante Elvira, der sich als Student an die Seite der Schönerianer schlug, verachtete ich darob. Fern der Heimat, inmitten m ) Géza Baron Fejérváry de Komlos-Keresztes (Josefstadt, 1 5 . 3 . 1 8 3 3 - 2 5 . 4 . 1 9 1 4 , Wien), 15.8.1851 aus Milak als Lt. ausgemustert zu IR. 52, Ritter des Militär-Maria Theresien-Ordens für Schlacht bei Magenta, 1865-1870 zugeteilt der M K S M . , 2 8 . 1 0 . 1 8 8 4 - 2 7 . 6 . 1 9 0 3 Honvédminister, 1 8 . 6 . 1 9 0 5 - 8 . 4.1906 ung. Ministerpräsident, 13.12.1912 Kapitän der ungarischen Leibgarde. Fejérváry galt als Prototyp des schwarz-gelben Magyaren. Vgl. über ihn: R . Kiszling, Fejérváry, in N e u e ö s t e r reichische Biographie, 12. Bd., Wien 1957, 8 9 - 9 7 . 1 3 3 ) Imre Madách (Alsósztregová, Oberungarn, 2 1 . 1 . 1 8 2 3 - 5 . 1 0 . 1 8 6 4 , ebendort), ungarischer Dichter und Dramatiker, 1859/60 schuf er sein Hauptwerk „ D i e Tragödie des Menschen", das in fünfzehn Szenen die gesamte Menschheitsgeschichte darzustellen versucht. Uraufführung 1883. 1 3 4 ) János Hubauer bzw. H u b a , 1.11.1905 Obstlt. H I R . 2 , um 1909 pensioniert. 1 3 s ) Emil Gussetti, Rechtsanwalt in Salzburg, Besitzer des Hotels „ L o t h r i n g e r h o f " in Badgastein, in dem Glaise-Horstenau noch 1939 zur Kur weilte.
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eines tschechischen Landes, wurde ich mir nun zum erstenmal meiner deutschen Volkszugehörigkeit bewußt, und Salzburg war auf einmal für mich nicht mehr nur geliebte Heimat, sondern auch eine bewundernswerte deutsche Stadt. Ich machte die ersten ,,schwarz-rot-goldenen" Gedichte, natürlich in aller Heimlichkeit, da ich sonst gerügt oder bestraft worden wäre. In Salzburg kaufte ich mir auf Raten die Literaturgeschichte von O t t o Leixner 1 3 6 ). Mir ihr gründete ich meine Bibliothek, die ich kaum mehr wiedersehen werde. Wie ich schon sagte, war unsere Lebensgestaltung in Weißkirchen schon viel freier. In der Freizeit konnten wir uns nach Belieben im Parke bewegen, auch das H ö ren auf Kommandos war auf ein geringeres Maß eingeschränkt. Wer auf Urlaub fuhr, durfte allein reisen, ohne von einer Standesperson begleitet zu werden, wie es in den ersten St. Pöltner Jahren vorgeschrieben war. Am Sonntag hatten wir freien Ausgang in die Stadt. Die Sache hatte auch ihre moralischen Nachteile. Ein großer Teil der Zöglinge lernte unter Anleitung durch erfahrene Kameraden die Liebe in ihren scheußlichsten Formen, bei unmöglichen Dirnen, kennen. Ich konnte mich nicht dazu entschließen, einen solchen Kursus zu besuchen. Mehr als einer akquirierte üble Erkrankungen, deren Folgen unser Klassenvorstand zur Abschreckung in übertriebensten Farben ausmalte. Es war gewiß eine der tiefsten Schattenseiten dieser Massenerziehung, gegenüber welcher andere in den Hintergrund traten. Meine Schüchternheit beschirmte mich vor solchen Abenteuern. Die hygienische Führung der Anstalt ließ viel zu wünschen übrig. Wie der Ton unter den Zöglingen war, habe ich schon angedeutet. Zwischen den einzelnen Jahrgängen gab es oft harte Schlachten, wie es deren übrigens auch schon in der Unterrealschule gegeben hatte. In Weißkirchen erlebte überdies jeder Jahrgang seine „Revolution". Bei einer vor meinem Eintritt entging der Schweinestall in einer Parkecke mit knapper N o t einer Brandlegung durch die Zöglinge. Auch mein Jahrgang hatte seine Revolution. Der Anlaß ist mir nicht mehr in Erinnerung. Sie brach abends aus, indem unter großem Geheul Teile des Zöglingskasinos demoliert und unter dem Schutze der Dunkelheit mißliebige Lehrer verprügelt wurden. Des anderen Tages verschanzten wir uns im Lehrsaal und weigerten uns, eine andere Persönlichkeit als den gütigen Schulkommandanten hereinzulassen. Dieser kam, und wir schlössen mit ihm zuletzt auf der Basis Frieden, daß jede Klasse einen „Rädelsführer" preisgab, der jedoch nur auf zwölf Stunden mit gleichzeitigem Fasten in den Zöglingsarrest wandern durfte. Als die drei Opfer eingesperrt waren, führte ein Kamerad eine Bauernkapelle aus dem benachbarten O r t Drahotusch über die Mauer vor den Arrest. Die Musikanten brachten ein Ständchen dar, das seinen H ö hepunkt im Aufspielen des verbotenen tschechischen Nationalliedes „ K d e domuv m u j " fand. O h , du mein Österreich. Als ich das erstemal mit dem langen Werndl-Bajonett an der Seite und dem Infanterietschako auf dem Kopfe auf Urlaub erschien, war ich mächtig stolz darauf. U 6 ) O t t o Leixner (Schloß Saar, Mähren, 2 4 . 4 . 1 8 4 7 - 1 2 . 4 . 1 9 0 7 , G r o ß Lichterfelde bei Berlin), seit 1883 Leiter der „ D e u t s c h e n R o m a n z e i t u n g " , verfaßte „ G e s c h i c h t e der deutschen L i t e r a t u r " , 2 B d e . , 1880, 8. Aufl. 1910; „ G e s c h i c h t e der fremden Literaturen", 2 Bde. 1882.
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Täglich zweimal spazierte ich von Maxglan nach Salzburg, was meinen Uniformen bei Regenwetter, da es bis zum Felsdurchbruch des Neutors noch keinen Fußsteig gab, nicht zuträglich war. Zu Hause schrieb ich unablässig, immer mit Dingen befaßt, mit denen ich ebenso meinen historischen wie meinen dichterischen und militärischen Neigungen gerecht zu werden trachtete. Ich hatte damals gelernt, mit mir allein genug zu haben. Gesellschaft Gleichaltriger war mir angenehm, ich suchte sie aber nicht. Gegen Ende des 3. Jahrganges Oberrealschule kam plötzlich die Frage an uns heran, wer in einer Zivilschule die staatlich gültige Matura ablegen wollte. Ich meldete mich mit vier anderen Kameraden. - Zuerst hieß es, ich hätte meine Prüfungen in Salzburg abzulegen; dann wurde aber für alle das Realgymnasium zu Neutitschein nordöstlich von Weißkirchen gewählt. In einer Nacht fuhr ich, nicht gerade leichten Herzens, noch einmal die Strecke S a l z b u r g - W i e n - W e i ß k i r c h e n . Als ich um fünf Uhr früh erwachte, klang feierlicher Glockenklang herein. Ich sah zum Fenster hinaus und erblickte, tief ergriffen, den von mir schon öfter angedichteten Klosterpalast von Melk in die Lüfte ragen. Ich konzentrierte meine gesamte Leistung auf meine Lieblingsfächer Deutsch, Geschichte und Geographie. Die Stilaufgabe „Wien als Bollwerk gegen den Osten" bewältigte ich mit Eleganz. Daß ich mit einem Hinweis auf die Karlskirche schloß, die Fischer von Erlach aus Beiträgen aller Völker der Monarchie erbaute, gefiel dem Professor ganz besonders. Auch mündlich brillierte ich in den drei Gegenständen, so daß abends in dem Restaurant der Schulinspektor Schober, bekannt durch seine ausgezeichneten Schulkarten, auf mich losging und mich ganz besonders beglückwünschte. Ich war sehr stolz darauf. Außer mir kamen noch zwei gut durch, die anderen fielen durch - ein Wermutstropfen in meine Freude. Wenige Tage später schritt ich vom Bahnhof Wiener Neustadt dem breitgeöffneten Tor der ehrwürdigen Babenberger Burg zu, in der sich die Militärakademie befand und deren gewaltige Mauern nun auch mich für drei meiner schönsten Jahre umfangen sollten. Von den Weißkirchner Zöglingen kam etwa die Hälfte in die Technische Militär-Akademie in Wien 1 3 7 ). Sie war in der Stiftgasse 2 untergebracht, an die sich später meine schönsten Lebenserinnerungen knüpfen sollten, da von 1907 herwärts dort das Kriegsarchiv beherbergt war. Die Technische Akademie war als Ingenieur-Akademie vom Prinzen Eugen im Jahre 1717 gegründet worden, also um ein Menschenalter vor der Neustädter Alma mater. Aber der Genius loci war nicht so fest wie in Neustadt und ließ daher keine so tief wurzelnde Tradition groß 1 3 7 ) D i e spätere k. u . k . Technische Militärakademie w u r d e mit kaiserlichem Befehl v o m 17.12.1717 als Ingenieurakademie errichtet. Nach o f t m a l i g e m O r t s - und N a m e n s w e c h s e l w a r sie als , , K . k. G e n i e akademie" 1 8 5 1 bis 1 8 6 9 in K l o s t e r b r u c k bei Znaim untergebracht, bis 1 9 0 4 w i e d e r auf der L a i m g r u b e (Stiftskaserne) und sodann bis 1 9 1 8 in M ö d l i n g . A b 1 9 1 3 w u r d e die Verlegung der Pionierklassen dieser Schule nach H a i n b u r g beschlossen und 1 9 1 4 d u r c h g e f ü h r t . Im September 1 9 1 6 w u r d e n auch A r t i l l e r i e klassen dieser Schule in Traiskirchen neu aufgestellt. Vgl. insgesamt: F. Gatti u. A . O b e r m a y r , G e schichte der k . u . k . Technischen Militärakademie 1 7 1 7 - 1 8 6 9 , 2 Bde., W i e n 1 9 0 1 - 1 9 0 5 ; M . R . v. B r u n ner - H. K e r c h n a w e , 2 2 5 J a h r e Technische Militärakademie 1 7 1 7 bis 1 9 4 2 , W i e n 1 9 4 2 ; R . Egger, D e r Stand des österreichisch-ungarischen Militär-Erziehungs- und Bildungswesens 1 9 1 8 , in: Ö M Z . , J g . 6, 1968, 4 2 4 - 4 3 0 .
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werden. 1904 übersiedelte die Technische Akademie nach Mödling, später kam es zu weiteren Abspaltungen in Traiskirchen und Hainburg. Uber die Allzeitgetreue, die dank dem Hitler-Krieg nun auch der Vergangenheit angehört, ließe sich ein Buch schreiben. Es sind, wie bemerkt, solcher Bücher schon sehr viele geschrieben worden. Ich sah die Burg zum letztenmal wehen Herzens, als mich im Jahre 1944 „ m e i n " Flugzeug von Wien nach Agram trug. Die Südoststrecke des massigen Baues, genau der Teil, in welchem sich unsere Lehrund Schlafsäle befanden, lag in Trümmern. Es war nur ein böser, böser Anfang 1 3 8 ). Man schritt durch einen gedrückten gotischen Torbogen unter der Georgskirche, unter deren Hochaltar Kaiser Max, der letzte Ritter, ruhte, an zwei zur Zier aufgestellten Geschützen in den Burghof hinein. Wandte man sich drinnen um, so sah man die berühmte friederizianische Wappenwand - natürlich nicht nach Fridericus Rex so benannt, sondern nach dem Habsburger Friedrich III., dem Vater Maximilians, der in wirkliche und Phantasie-Wappen die Größe seines Hauses mit dem Austria erit in orbe ultima hineingeträumt hatte, vielleicht gerade in einer Zeit, in der er inmitten von Krieg und Revolution über kaum mehr Boden verfügte als den der allzeitgetreuen Stadt 1 3 9 ). Aus den Fenstern zur Rechten sah man, über den Speisesälen, zahlreiche junge Gesichter herausspähen. Es war offenbar Unterrichtspause. Durch einen niedrigeren Tunnel gegenüber der Wappenwand blickte man in den Park und konnte noch den Sockel des Theresiendenkmals von Fernkorn 1 4 0 ) erschauen. Der Durchgang und das Gewölbe darüber gehörte zum ältesten Teil der Neustädter Burg, zur einstigen Gottesleichnams-Kapelle. Das Gewölbe war nun unterteilt, man schritt zuerst über eine ganz nette Freitreppe und dann über eine Wendelstiege in den zweiten Stock hinauf. Rechts von der Halle, die man betrat, befand sich der Theresienrittersaal und die Wohnung des Kommandanten, links kam man in den Zöglingstrakt. Irgendwo waren die mütterlichen Worte Maria Theresias an den ersten Akademie-Oberdirektor angeschrieben: „ M a c h Er tüchtige Offiziere und rechtschaffene Männer daraus" 1 4 1 ). Ein Programm, das sich sehen lassen konnte. Ein dunkler Gang führte zunächst an der Kanzlei des Bataillonskom, 3 8 ) Die vielen kriegswichtigen Produktionsstätten in Wiener Neustadt machten die Stadt zum bevorzugtesten Ziel alliierter Bomber innerhalb des ehemaligen und heutigen Staatsgebietes im Zweiten Weltkrieg. Am 13.8.1943 fielen das erste Mal Bomben. In insgesamt neunundzwanzig Luftangriffen wurden 53.000 Bomben geworfen. 1944 erhielt auch die Burg Bombentreffer, insbesondere der Osttrakt und die St.-Georgs-Kirche. Am 1. und 2. April 1945 war Wr. Neustadt auch Schauplatz schwerer Kämpfe. 1 3 9 ) Diese Feststellung ist auf mehrere politische und militärische Konstellationen in den fünfziger und sechziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts anwendbar. Vgl. G. Gerhard, Wiener Neustadt Festung, Residenz, Garnison, St. Peter an der Sperr/Wiener Neustadt, 1972, 2 3 - 8 1 . 1 4 0 ) Das am Platz hinter der Burg aufgestellte Denkmal wurde von Bildhauer Hans Gasser modelliert und von Anton R. v. Fernkorn (1813-1878) gegossen. Es wurde 1862 aufgestellt und trägt die Inschrift „ D e r Gründerin der Militär-Academie Kaiserin Maria Theresia. Dankbare Zöglinge, 1862." Fernkorns berühmteste Schöpfungen sind die Reiterstandbilder Erzherzog Carls und Prinz Eugens am Wiener Heldenplatz. 1 4 1 ) Zitat aus dem Stiftungsbrief (s. Anm.153).
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mandanten vorüber und dann zwischen die Lehr- und Schlafsäle hindurch. An den Wänden hingen die Gewehre, richtige männliche Repetierstutzen, schön ausgerichtet nach Reih und Glied. Jede Klasse hatte einen Schlafsaal. Mächtige Gewölbe überdeckten drei bis vier Reihen von Betten mit den für alle k . u . k . Militäranstalten charakteristischen schwarzgelben, durch den kaiserlichen Doppeladler geschmückten Bettdecken. Als Aufsicht schlief mit den niederen Jahrgängen bei monatlichem Wechsel ein Zögling des dritten Jahrganges, ein „Burgherr", als Zimmerkommandant. Das Verhältnis zwischen Burgherren und Benjamins war keineswegs mehr so grobschlächtig wie in Weißkirchen. Man verkehrte entweder rein reglementmäßig dienstlich oder - was viel öfter zutraf - eng freundschaftlich miteinander. Besonders künftige Kavalleristen - die Akademie war für den Nachwuchs der Infanterie und der Reiterei bestimmt, während die Technische Akademie in der Wiener Stiftskaserne dem der Artillerie und der technischen Waffen diente - zeichneten sich durch einen gesucht lässigen, kameradschaftlichen Verkehrston aus. Unter den Infanteristen befanden sich mehr Kommißknöpfe, deren einer zum Beispiel mein späterer Freund Milan Ulmansky 1 4 2 ), der nachmalige jugoslawische Minister war. Ich traf natürlich sehr viele Kameraden aus Weißkirchen. Jeder fünfte war allerdings eben erst aus dem Zivil eingetreten und wurde als Rekrut durch Burgherren nach Noten in jeder freien Stunde geschliffen. Ich meldete mich beim Kompaniekommandanten, dem erst 33jährigen Hauptmann Rizzetti von Monte Tarbuk 1 4 3 ), einem hageren, streng aussehenden Manne mit einem mächtigen Schnurrbart. Ob ihm meine Meldung über die glücklich bestandene Zivilmatura besonders imponierte, weiß ich nicht. Der Eindruck war nicht darnach. Rizzetti hatte als Kommandant der ersten oder Α-Kompanie die gesamte Truppenausbildung unter sich. Er war ein vortrefflicher Lehrer, dessen Schule mir später beim Regiment 1 4 4 ) absolut das Gefühl eines Ubergewichts über erfahrene Troupiers gab - Rizzetti fiel gleich den beiden anderen Kompaniekommandanten jener Zeit und vielen Akademieoffizieren im Ersten Weltkrieg. Ob beim Bataillons- und beim Akademiekommandanten eine Meldung erfolgte, weiß ich nicht mehr. Als Erstgenannter wirkte Oberstleutnant Baron Reinsperg 1 4 5 ), 1 4 2 ) Milan Ulmansky (Agram, 1 9 . 8 . 1 8 8 0 - 1 9 5 5 , Belgrad), 1 8 . 8 . 1 9 0 1 als Lt. aus der Milak. zu IR. 97, Generalstabslaufbahn, 1 9 . 4 . 1 9 1 5 Glstabschef der 2 9 . I T D . , 1 8 . 9 . 1 9 1 5 Verbindungsoffizier beim dt. 11. A K . , 1 . 1 1 . 1 9 1 5 Mjr. i . G . , 3 . 8 . 1 9 1 7 Glstabschef 47. ID., Leiter der Verwaltungsstelle der Südwestfront, 1 . 1 1 . 1 9 1 7 Obstlt. i . G . , 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert, sodann D r . j u r . und zeitweise jugoslawischer Bergwerksminister. , 4 3 ) Paul R. Rizetti v. Monte Tarbuk (Graz, 2 7 . 6 . 1 8 6 7 - 2 . 6 . 1 9 1 5 gefallen auf Sbima planina), 1887 aus der Milak. als Lt. zu IR. 37, ab 1 2 . 8 . 1 8 9 9 Kpkmdt. an der Milak., 8 . 8 . 1 9 0 5 Hptm. IR. 14, 1 . 1 1 . 1 9 1 0 Mjr. IR. 63, 1 . 5 . 1 9 1 4 Obstlt. IR. 46. 1 4 4 ) Das 4. Tiroler Kaiser-Jäger-Regiment wurde mit 1 . 4 . 1 8 9 5 aus den bisherigen Feld-Bataillonen Nr. 13, 14, 15 und 16 und dem Ersatz-Bataillons-Kader Nr. 4 des Tiroler Jäger-Regiments Kaiser Franz Joseph in Linz formiert. Das Regiment ergänzte sich nach Zuweisung durch das Korpskommando aus allen Bezirken von Tirol und Vorarlberg. Es unterstand ihm kein Ergänzungsbezirkskommando. Uber das 4. T K J R . wurde keine Regimentsgeschichte verfaßt. Vgl. die allgemeine Literatur zur Geschichte der Kaiserjäger. 1 4 s ) Hugo Frh. v. Reinsperg (Mainz, 3 . 2 . 1 8 5 6 - 1 3 . 2 . 1 9 3 0 , Graz), 1875 aus der Milak. als Lt. zu IR. 17, 1 . 1 1 . 1 8 9 8 Obstlt. I R . 3 4 , 1 9 . 4 . 1 8 9 9 Baonskmdt. an der Milak., 1 . 5 . 1 9 0 2 Obst., 2 1 . 1 0 . 1 9 0 2
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mit dem Spitznamen „ F r o e b e l " , eine hohe, untersetzte Gestalt von strengem Ä u ßeren, dem auch sein Denken entsprach. E r befehligte das Akademiker-Bataillon disziplinar bei Ausrückungen und Übungen und führte uns in die Geheimnisse des Dienstreglements ein, eines vortrefflichen Buches, dessen erste Abschnitte noch auf Erzherzog Carl zurückgingen 1 4 6 ) und angeblich den Romantiker Friedrich von Schlegel zum Verfasser h a t t e 1 4 7 ) ; welche Tatsache, wenn sie wahr gewesen ist, der wundervollen Sprache des Autors das glänzendste Zeugnis ausstellte. Diese Paragraphen waren zugleich ein national- und sozialpolitisches P r o g r a m m von nicht übertreffbarer H ö h e . Ich glaube, nach der Bibel gab es kein ethisch höheres Buch als das k . u . k . Dienstreglement erster Teil. Als Akademiekommandant wirkte seit fünf oder sechs Jahren F M L . Drathschmidt v. B r u c k h e i m 1 4 8 ) , eine kleine, elegante Gestalt, die sich manchmal mit ihren vielen, beim zweiten Korps in Wien erworbenen ausländischen O r d e n photographieren ließ und die wir täglich bei Spazierritten auf einem milden Schimmel im Park betrachten konnten. Drathschmidt lebte für uns im O l y m p . Wenn man zu ihm zum Rapport kam, war es meist keine angenehme Angelegenheit. Dienstzimmer und W o h n u n g waren historisches Milieu wie alles, was in dieser von Tradition gesättigten U m w e l t zu sehen war. An der Wand hingen die Bilder der Vorgänger des Kommandanten, Oberdirektoren, Direktoren und Kommandanten. D e r berühmteste unter den ersten war neben D a u n 1 4 9 ) , dem Sieger von Kolin, wohl F r a n z Graf K i n s k y 1 5 0 ) , der in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts den Posten
Kmdt. 3 . T K J R . , 2 9 . 4 . 1 9 0 8 Kmdt. 6 . S B r i g . , 1 . 1 1 . 1 9 0 8 G M . , 2 8 . 5 . 1 9 1 0 beurlaubt, 8 . 7 . 1 9 1 2 pensioniert. 1 4 6 ) Das „Dienstreglement, 1. T e i l " , wurde mit 1 . 9 . 1 8 0 7 ausgegeben. 1 4 7 ) Laut O . Criste, Erzherzog Carl von Österreich, Wien-Leipzig 1912, 399, war „unter den Männern, deren Gutachten über die stilistische Form erbeten wurde, . . . auch Friedrich Schiller". Friedrich Schlegel hielt sich 1802 bis 1807 meist in Dresden auf und kam erst 1808 nach Wien. Er trat als k . k . Hofsekretär in österreichische Dienste und verfaßte 1809, dem Hauptquartier Erzherzog Carls zugeteilt, patriotische Aufrufe. Auch redigierte er Armeezeitungen. Uber seine Beziehungen zu österreichischen politischen Kreisen vgl. jedoch: H . Rössler, Graf Johann Philipp Stadion, Napoleons deutscher Gegenspieler, 2 Bde. Wien-München 1966. 1 4 8 ) Karl Drathschmidt v. Bruckheim (Olmütz, 2 . 5 . 1 8 3 7 - 2 0 . 1 . 1 9 2 2 , Wien), 1855 aus Milak. als Lt. zu I R . 2 0 , Generalstabslaufbahn, 1 . 5 . 1 8 9 5 F M L . und Kmdt. 1 9 . I T D . , 2 4 . 4 . 1 8 9 7 Kmdt. d. Milak., 1 . 5 . 1 9 0 4 F Z M . , 1 . 1 0 . 1 9 0 5 pensioniert. Oberstinhaber des I R . 101. > 4 9 ) Leopold Josef Graf Daun (Wien, 2 5 . 9 . 1 7 0 5 - 5 . 2 . 1 7 6 6 , Wien), k. F M . , berühmtester Feldherr Kaiserin Maria Theresias, ab 1762 auch Präsident des Hofkriegsrates. Vgl. F. L . v. Thadden, Feldmarschall Daun. Maria Theresias größter Feldherr, Wien-München 1967. 1 5 °) Franz Josef Graf Kinsky (Prag, 6 . 1 2 . 1 7 3 9 - 9 . 6 . 1 8 0 5 , Wien), 1759 Eintritt in die Armee, 1 3 . 7 . 1 7 5 9 Ult. im D R . Fürst Löwenstein, 1 . 5 . 1 7 7 5 G F W M . , 1 6 . 6 . 1 7 7 9 Lokaldirektor des Wiener Neustädter Kadettenhauses, 1 8 . 3 . 1 7 8 5 Oberdirektor, 2 2 . 9 . 1 7 9 4 F Z M . Kinsky war ein bedeutender Pädagoge und Verfasser militärischer, pädagogischer und naturwissenschaftlicher Schriften. Er fand jedoch auch immer wieder als Truppenführer Verwendung. Vgl. H . Hübl-Staab, Graf Franz Josef Kinsky, Wr. Diss. 1949. U b e r alle Kommandanten vgl. ferner: J . H . Blumenthal, Die Theresianische Militärakademie und ihre Kommandanten, in: Alma Mater Theresiana, Jg. 1960, 5 4 - 6 2 ; Jg. 1961, 4 7 - 5 5 ; Jg. 1962, 3 6 - 5 2 ; Jg. 1963, 3 7 - 5 1 ; J g . 1964, 3 6 - 4 9 . Das Kinsky-Monument auf dem Theresienplatz wurde von Johann Schaller geschaffen und am 4 . 1 0 . 1 8 3 3 enthüllt. Vgl. die genaue Beschreibung dieses Denkmals und der weiter unten angeführten Monumente: J . J o b s t , Die Neustädter Burg und die
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innehatte. Er war ein Vater seiner Zöglinge. Diese haben ihm einige Jahrzehnte nach seinem Tode im Akademiepark ein hübsches Denkmal errichtet. Unter den Direktoren und Kommandanten befanden sich gleichfalls bedeutende Generale und Pädagogen. Sie alle blickten von den Wänden der Kommandantengemächer herab. Ich sah sie zum letzten Mal, als ich am H.August 1939 den Kommandeur der schon großdeutschen Kriegsschule, Oberst Rommel 151 ), den nachmaligen Feldmarschall, besuchte. Im Zuge des Gleichschaltungswahnsinns hatte man sich natürlich beeilt, auch eine Institution vom historischen Glänze der Alma Mater Theresiana in den preußisch-deutschen Schmelztiegel hineinzuschmeißen. Wenn je eine Einrichtung das Altösterreich verkörpert hat, so war es die Neustädter Akademie, zwischen deren Mauern durch hundertsiebenundsechzig Jahre immer wieder Söhne aller Völker des Reiches, aller Klassen und Stände zu einer einzigartigen Gemeinschaft zusammengeschweißt wurden. Die Wiedererweckung der Schule im Jahre 1934 durch das Regime Dollfuß/Schuschnigg hat einem das so recht zum Bewußtsein gebracht 152 ). Es war ein Versuch mit untauglichen Mitteln, eine Institution wie die Neustädter Akademie auf der Basis des österreichischen Kleinstaates wieder aufbauen zu wollen. Gefreut hat es mich dennoch. Die Akademie wurde 1752, bald nach den ersten schlesischen Raubkriegen Friedrichs von Preußen, durch Maria Theresia gegründet 153 ). Der Barde Sined 154 ) feierte sie nicht zu Unrecht in der Inschrift über den Tod der Akademie als „Mater Castrorum", als Mutter des Heeres. Die Akademie war bis nach 1859 Mittel- und Hochschule zugleich, dazu auch klösterliches Konvikt, in dessen Leben und Weben die Patres Piaristen eine maßgebende Rolle spielten. Manch eine Offizierswaise kam in diesem Jahrhundert aus der k . k . Militärgrenze mit elf Lebensjahren an die Schule, um sie, ohne je die Nase in die Welt hinausgesteckt zu haben, mit neunzehn k . u . k . Theresianische Militärakademie, . . . , Wien-Leipzig 1909; ders., Kleiner illustrierter Führer durch die k . u . k . Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, Wien 1913. 1 5 1 ) Erwin Rommel (Heidenheim, 1 5 . 1 1 . 1 8 9 1 - 1 4 . 1 0 . 1 9 4 4 , Herrlingen bei Ulm), dt. G F M . Er führte von Februar 1941 bis April 1943 das dt. Afrikakorps, später eine Heeresgruppe in Frankreich. 1 0 . 1 1 . 1 9 3 8 - 1 . 9 . 1 9 3 9 Kdr. der Kriegsschule Wiener Neustadt als G M . bzw. G L t . 1 5 2 ) In der Akademie war von 1 9 1 9 bis 1934 eine „Bundeserziehungsanstalt f ü r Knaben" eingerichtet. Die unausgesetzten Bemühungen und Interventionen des Vereins , , A l t Neustadt" hatten schließlich den Erfolg, daß im Ministerrat vom 2 4 . 1 1 . 1 9 3 3 die Verlegung der Heeresschule in Enns nach Wiener Neustadt beschlossen wurde. A m 2 . 9 . 1 9 3 4 fand die erste Ausmusterung in der Militärakademie statt. Vgl. P. Wittas, Verlust und Wiedergewinnung der Neustädter Burg zwischen den beiden Weltkriegen; in: Alma Mater Theresiana, Jg. 1 9 6 4 , 4 4 - 5 7 . 1 5 3 ) Der Gründungsakt war ein allerhöchster Befehl an alle kommandierenden Generäle vom 1 4 . 1 2 . 1 7 5 1 . A m 1 1 . 1 1 . 1 7 5 2 zogen die ersten Zöglinge in die Burg ein. Vgl.: J. Jobst, Die Gründungsurkunde der ehemaligen Theresianischen Militärakademie (jetzt Kriegsschule) in Wiener Neustadt, in: Unsere Heimat, Jg. 1 9 4 2 , 1 6 9 - 1 7 1 . 1 5 4 ) Pseudonym für Michael Denis (Schärding, 2 7 . 9 . 1 7 2 9 - 2 9 . 9 . 1 8 0 0 , Wien), Kustos der Hofbibliothek, Mitglied der Gesellschaft Jesu, Verfasser lateinischer Dramen und Gesänge, schrieb in Nachahmung der Bardendichtung Klopstocks „ D i e Lieder Sineds des Barden" (1772) „Einige Bardengesänge und geistliche Lieder' ' (1774). Verfaßte das Kirchenlied „Hier liegt vor Deiner Majestät". Vgl. zuletzt: M. Denis, Im schweigenden Tale des Mondes, eingeleitet von A . Fischer-Colbrie (Stiasny-Bücherei Bd. 38), Graz-Wien 1958.
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oder einundzwanzig Jahren als wohlbestallter Offizier und - wie Kinsky zu sagen pflegte - „Weltrekrut" wieder zu verlassen. Diese Erziehungsmethode hatte natürlich auch schwere Nachteile. Dennoch blickten von den Besten des kaiserlichen Heeres sehr viele auf eine Jugend in der Neustädter Alma mater zurück. Nicht nur Generäle - auch Schriftsteller, Gelehrte, Weltreisende waren unter ihnen. Svobodas Geschichte der Neustädter Akademie 1 5 5 ) aus diesem Blickfeld durchzublättern war mir zu allen Zeiten ein großes Vergnügen von vielfacher Belehrung. Die Ära 1 8 4 8 - 1 9 1 2 habe ich in der schon zitierten Festschrift möglichst kulturgeschichtlich geschildert. Die Geschichte der Neustädter Akademie zu dieser Zeit ist zugleich eine Geschichte des kaiserlichen Heeres, mitinbegriffen die Namen J o h n 1 5 6 ) , Benedek 1 5 7 ) und K u h n 1 5 8 ) aus den Kriegen 1859/66 und Conrad v. H e l zendorf und anderen aus Österreich-Ungarns letztem Krieg, deren Träger „ N e u städter" gewesen sind. U m das Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Neustädter, wie die ehemaligen Zöglinge der Akademie genannt wurden, hatte es eine eigene Bewandtnis. Es umschlang alle Generationen mit einem unsichtbaren, aber umso fühlbareren Band. Wenn man sich als junger Offizier einem greisen General, der gleichfalls aus der Akademie entstammte, als Neustädter enthüllte, dann konnte man mindestens seiner verborgenen Sympathien sicher sein. Die Neustädter waren wie ein Orden, von anderen Kameraden nicht immer mit Wohlwollen betrachtet, aber doch von einer ethischen Verpflichtung, der sich nur wenige seiner Mitglieder entzogen. Der Unterricht in der Neustädter Akademie wurde auch zu meiner Zeit sehr intensiv gehandhabt. Am Schluß des 3.Jahrganges hatte man sechzig oder siebzig Unterrichtsgegenstände meist militärischen, aber auch allgemeinen Inhalts absolviert. Etwas viel Theorie, das ist gewiß wahr. Dabei war das Handwerk in einer
1 5 5 ) J . Svoboda, D i e Theresianische Militär-Akademie zu Wiener Neustadt und ihre Zöglinge von der Gründung der Anstalt bis auf unsere Tage, 3 B d e . , Wien 1 8 9 4 - 1 8 9 7 . U b e r die hervorragendsten Zöglinge der Militärakademie vgl. ansonsten: J . H . Blumenthal, „ H e i m a t bist du großer S ö h n e " . Ein „ G o t h a des G e i s t e s " für die Alma Mater Theresiana, in: Alma Mater Theresiana, J g . 1 9 5 7 , 6 1 - 6 6 . , 5 6 ) Franz Frh. v. J o h n ( B r u c k / L e i t h a , 2 0 . 1 1 . 1 8 1 5 - 2 5 . 5 . 1 8 7 6 , Wien), 1866 Genstabschef der Südarmee, 6 . 9 . 1 8 6 6 - 2 7 . 3 . 1 8 6 9 und 1 4 . 7 . 1 8 7 6 bis Lebensende C h e f d. Glstbs., k . u . k . F Z M . , K o m m a n deur des M M T O . Vgl. über ihn: H . R . v. Srbik, Erinnerungen des Generals Freiherrn von J o h n 1866 und 1870, in: Aus Österreichs Vergangenheit. Von Prinz Eugen zu Franz J o s e p h , Salzburg 1949, 43-105. 1 5 7 ) Ludwig v. Benedek ( ö d e n b u r g , 1 4 . 7 . 1 8 0 4 - 2 7 . 4 . 1 8 8 1 , Graz), 2 7 . 1 1 . 1 8 5 9 F Z M . , 3 1 . 1 . 1 8 6 0 C h e f des Generalstabes, 1 9 . 4 . 1 8 6 0 auch Leiter des Landesgeneralkommandos in Ungarn, 2 0 . 1 0 . 1 8 6 0 kdi. G e n . im lombardo-venetianischen Königreich, Kärnten, Krain, Tirol und dem Küstenland, 1866 Kmdt. der Nordarmee gegen Preußen, 1 . 1 1 . 1 8 6 6 pensioniert. Vgl. O . Regele, Feldzeugmeister Benedek - D e r W e g nach Königgrätz, W i e n - M ü n c h e n 1960. 1 5 8 ) Franz F r h . Kuhn v. Kuhnenfeld ( P r o ß n i t z / M ä h r e n , 2 5 . 6 . 1 8 1 7 - 2 5 . 5 . 1 8 9 6 , Strassoldo), 1837 als L t . aus der Milak. zu I R . 1 ausgemustert, 1866 als G M . und Brigadier Verteidiger Südtirols, 1 8 6 8 - 1 8 7 4 Reichskriegsminister, sodann kdi. G e n . in G r a z , 1 6 . 7 . 1 8 8 8 in den Stand der Disponibilität. Vgl. R . Kiszling, Feldzeugmeister Franz Freiherr Kuhn von Kuhnenfeld, in: Neue ö s t e r r e i c h i s c h e Biographie, X I I I . B d . , Wien 1959, 5 7 - 6 7 ; G . Probszt, D e r alte K u h n , in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, L V . J g . , 1964, 2 3 - 4 0 : sein Nachlaß im Original bzw. Xeroxkopien der Tagebücher im KA., B/670.
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Zeit, in der es noch keine Luftwaffe und kein Auto, kein Maschinengewehr und nur ein paar Typen von Geschützen gab, lächerlich einfach. Während die beruflich-praktische Ausbildung wesentlich in den Händen des Bataillons- und der Kompaniekommandanten lag, wurden Taktik und Kriegsgeschichte in der Regel von flaschengrünen Generalstäblern (die Offiziere des Generalstabskorps hießen in der k . u . k . Armee „Flaschengrüne" nach der Farbe ihres Waffenrocks) oder auch Absolventen der „Kriegsschule" (so der N a m e der Generalstabsakademie) 1 5 9 ) vorgetragen. Diese Generalstäbler, die sich meist sehr elegant trugen, waren mit ihrem grünen Federhut bei Paraden für uns Junge der Gegenstand scheuer Bewunderung. Artilleriewesen brachte uns selbstverständlich ein „ B i m s e r " bei, wie man die Artilleristen scherzhaft nannte. Geodäsie und Landesaufnahme spielten in unserer Ausbildung noch eine von früher her übliche Rolle. Am Schluß des ersten Jahrganges wurden wir zu geodätischen Aufnahmen an die Hänge der Dürren Wand geschleppt; ein noch nicht fünfzigjähriger Lehrer, der sich jedoch durch einen weißen struppigen Vollbart besonders alt machte, war Gegenstand unseres ständigen Spottes, auf den er jedesmal prompt reagierte. A m Schluß des zweiten Jahrganges wurden wir partienweise unter Führung von Akademieoffizieren zur Terrainaufnahme in die Welt gesandt. Mir fiel im Jahre 1902 die Aufgabe zu, ein paar Quadratkilometer des bergigen Mühlviertels in der Gegend von Pregarten in Oberösterreich „aufzunehmen". Ohne gerade zu den Allerbesten zu gehören, hatte ich doch eine gewisse Begabung für derlei Beschäftigung. Die „ M a p pierung", wie der Vorgang hieß, ließ uns naturgemäß auch das erste Mal in größerer Freiheit einen Blick ins Leben werfen. Die Gelegenheit wurde durch einzelne Kameraden recht gründlich ausgenützt, sowohl was Bacchus wie Venus anbelangt. Meine finanziellen Mittel gestatten mir nicht, an diesen Vergnügungen mehr als oberflächlich teilzunehmen. Mein Mappierungsfeld habe ich später bei Manövern noch öfter betreten. Jetzt machen sich die Russen darauf breit. An Sprachen lernten wir, in Fortsetzung von Weißkirchen, Tschechisch - damals noch Böhmisch geheißen - und Französisch. Die Fortschritte waren gering. Der deutsche Unterricht wurde durch ein Lehrfach ersetzt, das sich Militärgeschäftsstil nannte. Auf schöne klare Schrift wurde größter Wert gelegt. Wir alten „Fisolenbuben" (Fisolenbuben oder kurzweg Fisolen hießen in der österreichischen Militärsprache die Zöglinge der Militärunterrealschulen) 160 ) hatten da den Zivilisten vieles 1 5 9 ) Die Kriegsschule wurde mit kaiserlichem Befehl vom 1. November 1852 als Ausbildungsstätte für den Generalquartiermeisterstab der kaiserlichen Armee errichtet. Die Ausbildung dauerte bis 1907 zwei Jahre und hatte zwei- bis vierjährigen Truppendienst und eine bestandene Aufnahmsprüfung zur Voraussetzung. 1908/09 wurde ein III. Jahrgang aufgestellt. Ab 1865 war die Kriegsschule in der Dreihufeisengasse N r . 4 (jetzt Institutsgebäude der Technischen Universität) untergebracht. Im Weltkrieg fanden nur sogenannte „Informationskurse für Kriegsschulaspiranten" statt. In der 1. Republik übernahmen die „Höheren Offizierskurse" und in der 2. Republik die „Landesverteidigungsakademie" die Aufgabe der Kriegsschule. Vgl. E. Klepsch-Kirchner, Fünfundachtzig Jahre Kriegsschule, in MWM. 69 Jg. 1938, 8 5 - 9 6 . 1 6 0 ) Der Name „Fisolenbuben" soll angeblich vom Umstand, daß so oft Fisolen oder Bohnen auf den Tisch kamen, herrühren.
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voraus. Darstellende Geometrie lernten wir ein Jahr lang. Der Lehrer, Major Joachim Steiner 1 6 1 ), war etwas wie ein verhindertes Genie, unter anderem auch Komponist und hervorragender Orgelspieler. Unsere Einstellung zu den körperlichen Übungen war ausgesprochen aristokratisch. Das Turnen, wie es der neben uns einquartierte Militär-, Turn- und Fechtlehrerkurs betrieb, wurde irgendwie als proletarisch betrachtet, das von den Frequentanten des Kurses eifrig betriebene Fußballspiel erfreute sich unserer vollen Verachtung. Wir selbst turnten nach Vorschrift. Das Säbelfechten galt jedoch unvergleichlich mehr. Turmhoch über allem stand jedoch eine körperliche Übung, die im zweiten und dritten Jahrgang gepflogen wurde, das Reiten. Zumal für die künftigen Kavalleristen, die etwa ein Drittel der Klasse ausmachten, galt der Reitunterricht als sakrale Handlung. Aber auch die Infanteristen gefielen sich in diesem schönen Sport. Lichtblaue, ballonartige Reithosen, aus eigenem gekauft, und prachtvoll gebaute, gleichfalls „eigene" Stiefel wurden, soviel es ging, auch außerhalb des Reitunterrichtes getragen. Bei ihrer Anschaffung hatte ich meine ersten Schulden gemacht. Der Reitunterricht wurde zum Teil in der gedeckten Reitschule abgehalten, zum Teil auf großen Reitbahnen mit Hindernisanlagen im Akademiepark. Die Reitschule war mit den Modellen zu den Heldendenkmälern Fernkorns vor der Wiener Burg geschmückt. Reitlehrer waren besonders ausgewählte Kavallerieoffiziere, denen alte Wachtmeister als Gehilfen zur Seite standen. Der Ton auf der Reitschule war unerhört grob wie nur je bei der Truppe. Das gehörte zu den Selbstverständlichkeiten. Der leitende Stabsoffizier übertraf noch die Rittmeister: seine ausschweifende Phantasie im Fluchen machte bei besonders ungeschickten Reitern selbst vor einer abfälligen Kommentierung des Zeugungsaktes der Eltern nicht halt. N u r der Reitlehrer unseres Kurses machte, soweit ihn nicht Jähzorn übermannte, eine Ausnahme. Einer französischen Emigrantenfamilie entstammend 1 6 2 ), liebte er es, sich beim Reitunterricht sogar der Muttersprache seiner Vorfahren in eleganter Form zu bedienen. Lange Monate des Jahres wurde ohne Bügel geritten. Im Sommer gab es Übungsritte ins Gelände. Der riesige Föhrenwald südlich von Wiener Neustadt bot mit seinen zahlreichen Durchschlägen und Schleusen herrliches Galoppierterrain. Meine körperliche Ungeschicklichkeit und bescheidene Körperkraft ließen mich an den verschiedenen sportlichen Tätigkeiten wenig Freude gewinnen und auch wenig Erfolg. Beim Reiten hatte ich überdies das Pech, daß mich nach den meisten Unterrichtsstunden immer eine Art Seekrankheit befiel, die mich für einen halben Tag außer Gefecht setzte. Es dauerte Jahre, bis ich über dieses Übel hinwegkam. 1 6 1 ) Joachim Steiner (Bad Ischl, 3 . 1 . 1 8 5 3 - 9 . 1 2 . 1 9 2 2 , Gmunden), 1872 als EF. zu Geniergt. 2, 1.11.1873 Lt. i.d. Res., 1880 Berufsoffizier, Lehrer der Geometrie an M O R . , 1.9.1888 Hptm., 1.9.1897 transferiert zur Milak. als Lehrer für Geometrie, technisches Zeichnen und Mathematik. 1.5.1901 Mjr. im Armeestand, 1.11.1907 Obstlt., 1.11.1910 pensioniert. 1 6 2 ) Maximilian Frh. v. Baillou (Wien, 2 0 . 4 . 1 8 6 6 - 1 . 9 . 1 9 0 8 , Mähr. Weißkirchen), 20.4.1883 assentiert zu D R . 13, 1.5.1886 Lt. im U R . 13, 1.5.1897 Rtm., 1.9.1898 zur Milak. als Kmdt. der Reitschule, Lehrer der franz. Sprache.
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Nachher pflegte ich den edlen Sport, ohne übermäßig zu brillieren, mit umso größerer Freude bis über das sechzigste Lebensjahr hinaus. Wie schon seit sieben und mehr Jahren wurden wir auch in Neustadt im Winter um sechs Uhr früh, im Sommer um fünf U h r aus dem Bett geholt. Die Waschanlagen unterschieden sich nicht von denen in St. Pölten. Nach dem Waschen fanden Gelenksübungen statt, wie sie in der Turnvorschrift vorgesehen waren. Man hatte dabei volle Uniform an. Dann kam das Frühstück. Die Kompaniespeisesäle waren mächtige Hallengewölbe mit unerhört dicken Mauern und Säulen, geschmückt durch antikisierte Helden- und Feldherrnbilder. Zwischen zweien der Speisesäle befand sich ein wunderbares spätgotisches Rippengewölbe aus der Zeit Friedrichs I I I . mit dem traditionellen A . E . I . O . U . - der Kaffee wurde in mächtigen Kupferkannen aufgetragen, er war wie die Mittags- und Abendmahlzeit ausgezeichnet und reichlich. Besondere Genießer erwarben sich bei einem auf dem Gange stehenden Bäcker feine Butterkipfel. Doch auch der „ärarische" Wecken ließ nichts zu wünschen übrig. In der Nähe unseres Speisesaales befand sich ein Kasino, in welchem man sich noch besonderen lukullischen Genüssen hingeben konnte. Der dem Frühstück folgende Wochentag war von theoretischem und praktischem, geistigem und körperlichem Unterricht reichlich ausgefüllt. Dreimal am Nachmittag wurde exerziert und Gefecht geübt. Es geschah, wenn es das Wetter irgendwie erlaubte, auf den Wiesen des Parkes. Offiziere leiteten die Schulung, Zöglinge des 3. Jahrganges hatten unter ihrer Anweisung die Kommandos zu erteilen. Über allem thronte der Bataillonskommandant, der finsteren Blickes durch die Reihen ritt. Natürlich gab es auch Schießunterricht, Distanzschätzen, Patrouillendienst. In der Freiheit, die zwei- bis dreimal des Tages eine knappe Stunde ausmachte, herrschte innerhalb der Akademiemauern völlige Bewegungsfreiheit. Der Akademiepark, im Bereiche des einstigen maximilianischen Tiergartens angelegt, war sehr groß. Die sogenannte große Tour innerhalb der Umfriedung forderte einen Fußmarsch von mehr als einer Stunde. Im Park wechselten dichte, englisch gehaltene Anlagen mit weiten Wiesenflächen, breite Alleen mit anheimelnden Fußwegen. Am Rande der Büsche zeigte sich dem Auge nicht allzu scheues Rotwild. Aus Grasbüscheln und Niederholz schwirrten Rebhühner und Wachteln auf. Es gab keinen Punkt im Parke, der nicht mit der Geschichte Altösterreichs verknüpft war. An der dem Neukloster zugewendeten Nordecke, in der Nähe des Dreißiger Tores, soll Friedrich der Streitbare im Jahre 1246 (als letzter Babenberger) den Heldentod im Kampfe gegen die Ungarn gefunden haben 1 6 3 ). Mancher der gewaltigen Baumriesen der gen Osten führenden Kilometer-Allee hat noch Max den letzten Ritter gesehen. Auf einem kleinen Erdhügel zwischen dem Hauptgebäude und der Fohlenhof genannten Meierei sollen sich Maria Theresia und Franz von Lothringen die Hand zur Verlobung gereicht haben 1 6 4 ). Auf einem Obelisken daselbst wurden weiterhin alle Kaiserbesuche in der Neustädter Burg verzeichnet. Maria Theresia 1 6 3 ) Heute wird der Kampfplatz bei Ebenfurth jenseits der Leitha, etwa vierzehn Kilometer von Wiener Neustadt entfernt, angenommen. Vgl. H . Dienst, Die Schlacht an der Leitha 1246, Wien 1971 (Militärhistorische Schriftenreihe, Heft 19).
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hat noch selbst ein oder das andere Mal in der späteren Kommandantenwohnung übernachtet. Zu einem Pantheon österreichischer Geschichte wurde der Park durch die Denkmäler, die seit Gründung der Akademie errichtet wurden. Ein kleiner Stein im Grün erinnerte irgendwo an Josef II. 1 6 5 ). Des Kinsky-Denkmals habe ich schon gedacht. Die denkwürdigste Feier, die je die Akademie in ihren Mauern erlebt hat, mag wohl 1862 die Enthüllung des Theresiendenkmals von Fernkorn gewesen sein. Der Kaiser erschien mit zahlreichen Mitgliedern seines Hauses. Als ältester Anwesender der „Neustädter" hielt Benedek, der Löwe von San Martino, die Ansprache an der Festtafel in seiner gewohnten, originellen Weise, die allerdings nie von Pose frei war. Einige Jahre später, nach Königgrätz, stand der alte Recke in der Akademie vor dem dort zusammengetretenen Kriegsgericht 1 6 6 ). Im Jahre 1880 errichteten die alten Neustädter ihren vor dem Feinde gebliebenen Gefallenen einen schönen Denkstein 1 6 7 ); gleichzeitig wurde die in Jahrhunderten altgewordene Fahne durch eine neue ersetzt, zu der die Kaiserin Elisabeth das Fahnenband stiftete. Das „Gefallenendenkmal" wurde in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts, schon unter der Republik, erweitert, damit die Namen der im Ersten Weltkrieg gebliebenen Neustädter Platz fanden 1 6 8 ). Auch von meiner Klasse sind ihrer zehn verzeichnet 169 ). Im allgemeinen starb jeder vierte, von den jüngsten Jahrgängen jeder zweite, den Tod auf dem Schlachtfeld. Im Jahre 1912 wurde am Rande der Piaristenremise ein Franz-Joseph-Denkmal von Weyer enthüllt 1 7 0 ). Uber der Festfreude lagerte der schwere Schatten der eben ausgebrochenen Balkankrise. An der Spitze der Festteilnehmer, zu denen auch ich gehörte, befanden sich die drei 1 6 4 ) Ähnliche Überlieferungen (etwa in Erzählungen Eichthals) gibt es für Mannersdorf an der Leitha und seine Umgebung. Die Verlobung wurde im Dezember 1735 publiziert, die Vermählung fand am 1 2 . 2 . 1 7 3 6 statt. Vgl. zuletzt F. Hennings, Und sitzt zur linken Hand, Wien 1961. 1 6 5 ) Unweit des Gedenksteins zur Erinnerung an die 150-Jahr-Feier der Akademie nächst dem linken Kehrbachufer steht der Josefsstein zum Andenken an den Besuch Kaiser Josefs II. am 2 9 . 6 . 1 7 8 4 . D e r Kaiser zeigte den Kadetten dort die Vorteile im Diskuswerfen und Mailspiel. D e r Stein hat die Form einer klaren vierseitigen Pyramide, auf welcher eine kleine Marmorplatte mit Krone und Datum angebracht ist. 1 6 6 ) Der Kaiser hatte am 2. 7. 1866 eine Voruntersuchung über die Armeeführung angeordnet. Benedek traf am 28. Juli in der Burg, wo die Voruntersuchungskommission tagte, ein. Diese legte am 29. September ihre Gutachten vor und wurde am 4. O k t o b e r aufgelöst. Nach Beratungen des Obersten Militär-Justizsenates und des Ministerrates verfügte der Kaiser am 4. Dezember, jedes weitere Verfahren einzustellen. 1 6 7 ) Das Denkmal der vor dem Feind gebliebenen ehemaligen Zöglinge der Akademie wurde von Rudolf Weyer geschaffen und am 23. Mai 1880 enthüllt. 1 6 8 ) Am 20. Mai 1928 fand die Enthüllung des erweiterten Gefangenendenkmals statt. Es führte auf zwei säulengeschmückten Flügeln 600 Gefallene des 1. Weltkrieges an. 1957/58 gestaltete Clemens Holzmeister das Denkmal so um, daß darauf noch die Namen der 500 Gefallenen des 2. Weltkrieges Platz fanden. Vgl. (F. Ossmann), Das Denkmal der 1400 im Akademiepark zu W r . Neustadt, Wien, o . J . (1959). 1 6 9 ) Laut den von J . v. Lustig-Prean angelegten Jahresverzeichnissen (redigiert u. für die Jahre 1897 u. 1902 bis 1918 vervielfältigt von F. Ossmann) fielen acht von Glaises Jahrgangskameraden im 1. Weltkrieg. 1 7 °) Auf dem Theresienplatz wurde am 4 . 1 0 . 1 9 1 2 das Kaiser-Franz-Joseph-Standbild enthüllt. Das Erzstandbild und das gesamte Denkmal wurde von Fritz Weghaupt ausgeführt (Glaise nennt fälschlich Rudolf Weyer).
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Erzherzoge von Toskana 1 7 1 ), die ihre Ausbildung in der Weißkirchner Oberrealschule und der Neustädter Akademie erhalten hatten. Zu Mittag sprach mich als alten Bekannten auf meine Schriftstellern ein greiser General besonders freundlich an. Es war Albin Freiherr v. Teuffenbach, der Verfasser des Vaterländischen Ehrenbuches 1 7 2 ), das einst viel gelesen worden ist. Wenn man auf der großen Tour von dem gegen das Leithagebirge zu gelegenen Fohlenhof nach rückwärts blickte, hatte man einen besonders malerischen Ausblick auf die Neustädter Burg. Mitten aus Baumwipfeln und prachtvollen Dachverschneidungen ragte der wuchtige Bau hervor. Wie majestätisch muß er erst gewesen sein, als er - vor dem großen Erdbeben von 1767 - noch seine vier Türme besaß. Von der damaligen Katastrophe war nur einer übrig geblieben, der Rákócziturm, so genannt, weil der ungarische Rebell einmal darin festgehalten worden ist 1 7 3 ). Neben diesem Turm saß auf spitzem Giebel der Georgskirche ein luftiger Dachreiter. Die Glocke des Rákócziturms hatte einen wunderbaren feierlichen Klang. O f t und oft lehnte ich abends zum Ave-Maria am Fenster und lauschte in beseligender Jugendsentimentalität den schönen Tönen. Eine Stunde später trat dann der Hornist in den Burghof und blies den Zapfenstreich, eines der schönsten von den vielen schönen Trompetensignalen des kaiserlichen Heeres, an denen angeblich Michael Haydn mitkomponiert hat 1 7 4 ), von denen aber nach 1938 trotz meiner offenen Mahnung nicht ein einziges der Aufnahme ins großdeutsche Heer gewürdigt worden ist. Der Akademiepark war seit langem der Benützung durch das Zivil freigegeben. Wenn wir, jeder für sich, in den Park spazierengingen, erlebten wir stets ein wenig Bürgerlichkeit, die auch manchen allerdings nicht fürs Leben geflochtenen Bund entstehen ließ. Der Akademiepark gab zu verschwiegenen Händedrücken reichlich Möglichkeit. Die von der „Kleinen T o u r " eingeschlossenen waldreichen Gegenden waren hierzu besonders geeignet. Auch sonst war die klösterliche Absperrung reichlich durchbrochen. Es gab jeden Sonntag und wöchentlich ein- bis zweimal freien Besuch der Stadt. Wer sich gut verhielt, konnte beim Kompanierapport für Sonntag auch Absentierung nach ) Vgl. Abschnitt I Anm. 86 u. 203, Abschnitt II Anm. 83. ) Albin Frh. v. Teuffenbach zu Tiefenbach und Massweg (St. Leonhard/Kärnten, 1 4 . 2 . 1 8 3 5 - 2 5 . 4 . 1 9 2 0 , Wien), 18. 8.1853 aus Milak. als Lt. zu IR. 47, ab 1.10.1866 in der Generaladjutantur Seiner Majestät, ab 2 7 . 6 . 1 8 7 5 beim Hofstaat Ehg. Ferdinand IV. Großherzog v . T o s k a n a , 1.5.1878 O b s t . , 14. 8.1897 pensioniert als F 2 M . ad honores. Er schrieb das weitverbreitete Werk: „ V a terländisches Ehrenbuch. Geschichtliche Denkwürdigkeiten aus allen Ländern der ö.-u. Monarchie", 2 B d e . , Wien-Teschen 1877 bzw. Salzburg 1879. 1 7 3 ) Der aufständische Franz Rákóczi, Fürst v. Siebenbürgen, wurde zusammen mit dem Protonotar Stephan Szirmay am 2 9 . 5 . 1 7 0 1 in die Burg gebracht und im Turmzimmer des ersten Stockes verwahrt. Am 9 . 1 1 . 1 7 0 1 gelang Rákóczi mit Hilfe des Wachhabenden, Dragonerhauptmann Lehmann, die Flucht. 1 7 4 ) Viel häufiger war die Uberlieferung, Michael H a y d n hätte die schönsten H o r n - und Trompetensignale komponiert. Vgl. etwa: R. v. Eichthal, Rund um den Zapfenstreich, in: Wiener Monatshefte, 4/1958, 4 f . Wie auch Eichthal bereits feststellte, konnte diese mündliche Uberlieferung nicht verifiziert werden. Laut mündl. Mitteilung von D r . Eugen Brixel, Universität Graz, ist die Autorschaft einer der Brüder Haydn unwahrscheinlich und eine Entstehung der Signale vom Brauchtum einzelner Regimenter und Spielleute her anzunehmen. Vgl. ansonsten: E. Rameis, Die österreichische Militärmusik von ihren Anfängen bis zum Jahre 1918. Ergänzt u. bearbeitet v. E. Brixel, Tutzing 1976. ,71 m
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Wien erbitten. Da schlüpfte man in die prachtvolle „eigene" Uniform mit den hohen roten Kragen und himmelblauen Hosen und eilte stolz dem Bahnhof zu, um den nächsten Zug nach Wien zu erreichen. Der letzte Zug am Sonntag, genannt der „Lumpensammler", brachte die Bonvivants, in Erinnerungen schwelgend, wieder nach der Allzeitgetreuen zurück. In Neustadt selbst gab es nicht allzuviel Ressourcen, aber genug für unsere bescheidenen Bedürfnisse: Kaffeehaus, Gasthaus, Theater, Privathäuser. Trinkfeste Genossen fanden sich regelmäßig im Bräuhaus oder in einer Weinstube zusammen. Theater-Habitués fehlten bei keiner Premiere. Von den Kunstrichtungen schoß die Operette den Vogel ab. Damals bildete Ziehrers „Landstreicher" 1 7 5 ) den Gipfel aller Kunstbegeisterung. Melodien daraus erschallten zu allen möglichen und unmöglichen Stunden des Tages. Schon unmittelbar nach der Tagreveille schmetterte der schon in Weißkirchen durch seine Körperkraft und seinen mächtigen roten Schnurrbart berühmte Zögling Raimund Knobel 1 7 6 ) den „Zauber der Montur" vom Lehrsaalfenster aus in den Burghof hinab. Natürlich steckte in dieser Kunstbegeisterung auch manche offene und stille Verehrung für eine der Neustädter Künstlerinnen. In dem naiven Büchlein „ I m mohrengrauen Rock", das Franz Xaver Kappus und ich im August 1903, am Tage unserer Ausmusterung, herausgaben, sind manche tragikomische Konflikte um diese Dinge dichterisch ausgewertet. Auch Eifersuchtskonflikte zwischen Offizieren und Zöglingen blieben nicht aus. Der theoretische Unterricht dauerte bis in den Juni. Dann folgten drei Wochen Bataillonsübungen im Gelände. Da ich sehr ausdauernd im Marschieren war und Hitze und Strapazen mir nichts anhaben konnten, war mir diese Zeit recht angenehm. Zumal die Ausmärsche in der frühen Morgenstunde begeisterten mich, und je länger sie waren, umso lieber waren sie mir. Bot das gleichmäßige Dahinrollen in die Sommerpracht doch die Möglichkeit zu sinnieren, zu meditieren und zu dichten! Besonderen Reiz hatten die Nachtübungen, die stets „mit Gegenseitigkeit" veranstaltet wurden. Ich ließ keine vorübergehen, ohne mich zu einer mehrstündigen Patrouille zu melden. Es war unerhört prickelnd, sich in tiefer Dunkelheit durch die Dörfer der „Neuen Welt" 1 7 7 ) oder die Wälder von Schwarzau zu schleichen, während überall die Hunde anschlugen und ab und zu ein Schuß durch die Nacht hallte. Manchmal sah man sich auch „stärkerem" Feind gegenüber und mußte zusehen, wie man das Weite suchen konnte. Jedes Jahr war feldmäßiges Schießen. Einmal fand es auf der ö d - und Pfennigwiese bei Puchberg am Schneeberg statt, ein andermal am Fuße der Hohen Wand. Immer waren zwei Nächte Einquartierung auf Stroh damit verbunden. Daß ein 1 7 5 ) Die Operette „Die Landstreicher" von Carl Michael Ziehrer (Wien, 2 . 2 . 1 8 4 3 - 1 4 . 1 1 . 1 9 2 2 , Wien) wurde 1899 in Wien uraufgeführt. Eine ihrer bekanntesten Melodien ist das auch als Marsch gespielte Duett mit dem Refrain: „ D a s ist der Zauber der Montur". Ziehrer war Militärkapellmeister der IR. 55 und IR. 76, vor allem aber von 1889 bis 1893 des IR. 4. Vgl. die Bibliographie der Monographien zur öst. Militärmusik in: BMfLv./Milwiss., Die österreichische Militärmusik (Behelf), o . J . 1 7 6 ) Raimund Knobel (Stockerau, 2 7 . 9 . 1 8 8 0 - 5 . 2 . 1 9 0 5 , C z o r t k o w ) , 1903 aus Milak. zu IR. 95 als Lt. 1 7 7 ) Gebiet sö. der Hohen Wand, Niederösterreich.
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I. Jugend und Militärerziehung
halbes Jahrhundert darauf statt unser russische Soldaten dort im Quartier liegen würden, hat keiner von uns ahnen können. Exkursionen führten uns nach Bruck an der Leitha, ins Wiener Arsenal, ins Heeresmuseum und anderswo hin. Auch bei Taktikaufgaben kamen wir ins Freie. Als wir im dritten Jahrgang nach Fronleichnam frühmorgens in den Eisenbahnzug einstiegen, wurden Extraausgaben ausgeboten: Alexander von Serbien 178 ) und Draga Masin 179 ) waren in Belgrad ermordet worden. Ohne besondere Unruhe setzten wir uns bei Wollersdorf in eine Sandgrube, um den Punkt 1 der uns gestellten Taktikaufgabe zu erledigen. Auch da fehlte uns jede Ahnung. In gewissem Sinne sollte dieses blutige Ereignis fern auf dem Balkan für unser ganzes Leben schicksalhaft werden. Von der Thronbesteigung des Hauses Karadjordjevic 180 ) über den Tod Franz Ferdinands führte der gerade Weg in den Ersten Weltkrieg und über die frevelhafte Zertrümmerung unseres Vaterlandes in den zweiten . . . Wenn ich früher von dem traditionsgesättigten Boden der Alma Mater Theresiana sprach, so gilt die gleiche Traditionsgebundenheit für den Jahresablauf und seine besonderen Feste. Unter den letzteren erregten die verschiedenen Jahrgangsjubiläen, die meist in den Beginn eines Schuljahres fielen, unsere besondere Spannung. Es war Neustädter Sitte, daß sich ehemalige Zöglinge der Akademie jeweils nach fünfundzwanzig, vierzig und fünfzig Jahren in den Mauern der alten Burg wiedersahen. Eine feierliche Messe in der Georgskirche, ein Spaziergang durch den Park, ein Besuch des Akademiefriedhofes mit seiner lieblichen Grabkapelle, ein gemeinsamer Mittagstisch beim Goldenen Hirschen in der Neunkirchner Straße waren das traditionelle Programm; natürlich auch Kranzniederlegungen am Sockel des Theresien- und des Gefallenendenkmals. Das Leben hatte die Kameraden des Jahrganges oft gewaltig zerzaust. Die einen hatten Glück gehabt und waren hohe Generäle geworden, die anderen trugen die Hauptmannssterne auf dem schlichten Infanterierock, als Pensionisten natürlich, oder waren gar Zivilisten. Aber wenn sich zwei Neustädter Jahrgang Conrad trafen, dann fiel jeder Unterschied des Ranges weg. Es genügte, daß man rechtschaffen geblieben war, um im Kreise der Altersgenossen vollwertig genommen zu werden. Unvergeßlich ist mir das 50-Jahres-Jubiläum des Jahrganges 1851. Ich postierte mich mit einem Freunde an einem Hoteltisch, an dem die Jubilare vorüberkommen mußten. Da öffnete sich die Türe, 17f») Alexander Obrenovic, Kg. v. Serbien (Belgrad, 1 4 . 8 . 1 8 7 6 - 1 0 / 1 1 . 6 . 1 9 0 3 , Belgrad), Sohn Kg. Milans, dem er 1889 nach dessen Abdankung minderjährig als König nachfolgte. Er ging vor allem gegen die rußlandfreundliche „Radikale Partei" vor. 1 7 ' ) Draga, geschiedene Masin, vermählte sich 1900 mit Kg. Alexander. Die Ehe mit dieser schlecht beleumundeten Frau war der letzte Anlaß für die Bildung eines Offizierskomplotts, bei welchem auch Dragutin Dimitrijevic, genannt Apis, eine Rolle spielte. Die Verschwörer drangen in den Königspalast ein und töteten das Königspaar, Brüder der Königin, den Premierminister und den Innenminister. Vgl. dazu: C . Dumba, Dreibund und Entente-Politik in der Alten und Neuen Welt, Zürich-LeipzigWien 1931, 162 ff. leo) £)¡ e serbische Dynastie Karadjordjevic stammt von Karadjordje ab, dessen Sohn Alexander 1842 bis 1859 der vierte Fürst Serbiens war. Dessen ältester Sohn bestieg nach der Herrschaft der Obrenovic 1903 als Peter I. den serbischen Thron. Vgl. K . Gladt, Kaisertraum und Königskrone. Aufstieg und U n tergang einer serbischen Dynastie, G r a z - W i e n - K ö l n 1972.
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und ein prächtiger alter Herr in ungarischer Generalsuniform kam herein. Es war Fejérváry, der ungarische Honvédminister. Wie gebannt sahen wir auf ihn, auf das Theresienkreuz auf seiner Brust - eine Auszeichnung, die damals nur mehr sehr selten war und der Traum jedes braven Offiziers gewesen ist. Er sprach ein paar freundliche Worte zu uns, wir waren unerhört glücklich. Im Jahre 1914 gab ich ihm in Wien als Generalstabshauptmann das letzte Geleit 1 8 1 ). Es war zugleich das letztemal, daß Erzherzog Franz Ferdinand in der Öffentlichkeit erschien. Wenige Wochen später zog auch sein Sarg durch die Straßen der Kaiserstadt . . . Ein jährlich wiederkehrender Festtag war der Stiftungstag der Neustädter Akademie, der 14. Dezember. Er verlief im Jahre 1902, als ich mich schon im höchsten Jahrgang befand, besonders feierlich. War es doch hundertfünfzig Jahre seit Gründung der hohen Schule ! Ich leitete das Fest durch einen Jubiläumsartikel in Danzer's Armee-Zeitung ein 1 8 2 ) und schilderte in der folgenden Nummer auch den Verlauf der Feier, bei der der alte Kaiser durch den Erzherzog-Thronfolger vertreten war 1 8 3 ). Der apostolische Feldvikar D r . Belopototzky 1 8 4 ), Titularbischof von Tricala, Domherr von Großwardein, pontifizierte mit großer Assistenz ein wunderbares Hochamt in der Georgskirche über dem Grabe des letzten Ritters. Die Wintersonne zauberte durch die schönen friderizianischen Fenster über dem Hochaltar wunderbare Lichteffekte in die majestätische Hallenkirche mit ihren hohen gotischen Diensten und ihrem verzweigten Rippengewölbe. Bei der Parade auf dem Theresienplatz wurde dem ausgerückten Bataillon, das nun schon der lebensfrohe Oberstleutnant Hauska 1 8 5 ) befehligte, ein kaiserlicher Befehl verlautbart, der für die beiden Akademien ersehnte Auszeichnungen brachte: die Einführung der Bezeichnung „Militärakademiker" statt des bisherigen, sehr unbeliebten Namens Zögling und des Infanteriesäbels samt Unteroffiziersportepee für die Akademiker des III. Jahrganges. Meine Mutter hatte mir schon vorher den Salonsäbel meines verstorbenen Vaters vernickeln lassen müssen. N u n schritt ich am Jubiläumstag gleich hundert anderen Kameraden, das Neustädter Pflaster durch den lässig nachgezogenen Säbel mißhandelnd, stolz durch die Stadt. Was hätten die Kavalleristen erst darum gegeben, wenn sie statt des Infanteriesäbels den berühmten Pallasch der kaiserlichen Reiterei erhalten hätten! An jenem Tag sah ich Franz Ferdinand zum ersten Mal. Er wurde von uns künftigen Vaterlandsverteidigern mit größter Begeisterung begrüßt. In seinem Gefolge
) Das Begräbnis fand am 2 8 . 5 . 1 9 1 4 in Wien statt. ) S. Werkverzeichnis N r . l . > 8 3 ) S. Werkverzeichnis N r . 2. 1 8 4 ) D r . Koloman Belopototzky (Rosenberg, K o m . Liptau, 4 . 2 . 1 8 4 5 - 1 7 . 1 2 . 1 9 1 4 , Großwardein), 1868 Priesterweihe, 10.7.1872 D r . theol., ab 1877 Prof. f. Moral- und Pastoraltheologie an der Universität Budapest, 13.2. 1882 Hofkaplan und Studiendirektor am Priesterseminar St. Augustin, 1 . 7 . 1 8 9 0 Apostolischer Feldvikar, 4 . 1 0 . 1 8 9 0 Bischof v. Trikala in partibus infidelium, 18.10.1903 Geheimer Rat, 1.6.1911 pensioniert. 1 8 5 ) O t t o Hauska (Brünn, 2 4 . 9 . 1 8 5 8 - 2 8 . 4 . 1 9 0 9 , Budapest), 2 4 . 4 . 1 8 7 9 aus Milak. als Lt. zu IR. 49, 1.11.1896 Mjr. IR. 44, 1.11.1900 Obstlt. IR. 60, 18.10. 1902 Lehrer und Baonskmdt. an der Milak., 1.5.1904 O b s t . , 16.10.1905 K m d t . IR. 44. 181 182
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befand sich Oberstleutnant Gelb v. Siegesstern, mein späterer Regimentskommandant und Brigadier 1 8 6 ). Fronleichnam wurde nach alter Tradition am Sonntag nach dem offiziellen Feste im Akademiepark gesondert gefeiert. Am eigentlichen Fronleichnamstag rückten wir vor der Burg aus, um der von der Stadt veranstalteten Prozession unsere Reverenz zu erweisen. Neben uns nahm die Neustädter Bürgergarde Aufstellung, in voller Uniform, zum Teil mit martialisch anzusehenden Bärenmützen, die Offiziere die schwarzgelbe Feldbinde der richtigen Soldaten, dieses schönste Stück der altösterreichischen Uniform, um den oft schon sehr dicken Bauch gewickelt. Des anderen Tages stand der Major, seines Zeichens im bürgerlichen Leben Fleischhauer, wieder in seinem Kaufladen. Die Bürgergarde war ein altes Privileg, das neben Neustadt noch einigen Städten verliehen war. Sie bildete für uns das Objekt wohlfeiler Späße und auch wegen ihres rechtlichen Charakters den Gegenstand heikler Doktorsfragen im Unterricht des Dienstreglements. Zum Akademiefronleichnam war natürlich richtiges Kaiserwetter bestellt. D a s Allerheiligste wurde vom Feldbischof zu den vier im Park aufgestellten Altären getragen. Wir geleiteten den Zug und gaben die vorgeschriebenen Ehrensalven ab, die meist recht rund ausfielen. Wehe auch der Groll Reinspergs, wenn eine danebenging! Zu Mittag ließen wir vorlauten Zöglinge uns die Gelegenheit nicht nehmen und steckten die Nase beim Schlafsaalfenster hinaus. Auf der Terrasse, die das ganze Haus umgab, vor der Kommandantenwohnung fand das Festessen für den Bischof statt. Sein Appetit machte der Rundung seines Bäuchleins alle Ehre. Die Feldbischöfe des alten kaiserlichen Heeres waren sehr oft Slowaken. Als solche konnten sie deutsch, ungarisch und auch ihre slawische Muttersprache - Vorbedingungen, die für die Erfüllung ihres Berufes im Habsburgischen Völkerheer sehr wichtig waren. Auch der letzte Nachfolger Belopototzkys, der weniger sympathische Bischof Bjelik 1 8 7 ), stammte aus der Heimat der Rastelbinder und Kesselflicker. Der größte Festtag der Akademie, Kaisers Geburtstag, an dem alljährlich 100 „Weltrekruten" die Burg als Leutnants verließen, soll im Zusammenhang mit dem eigenen Erleben gestreift sein. 1 8 6 ) K a r l G e l b v. Siegesstern ( G ö r z , 29. 7 . 1 8 5 7 - 2 . 1 . 1 9 4 3 , Villach), 1874 als J ä g e r ins T J R g t . , 1876 L t . , 1 . 1 1 . 1 8 9 7 M j r . 3. T K . J R . , 1 . 1 1 . 1 9 0 1 O b s t l t . , 2 2 . 4 . 1 9 0 2 F l ü g e l a d j u t a n t E h g . F r a n z F e r d i n a n d s , 1 . 5 . 1 9 0 5 O b s t . , 1 . 2 . 1 9 0 6 zu 4. T K J R . , 2 3 . 1 1 . 1 9 0 6 R g t s k m d t . , 3 0 . 3 . 1 9 1 0 K m d t . 6. I B r i g . , 1 . 1 1 . 1 9 1 0 G M . , 2 7 . 4 . 1 9 1 4 F M L . , 2 2 . 1 . 1 9 1 4 K m d t . 6. I T D . , 2 5 . 1 2 . 1 9 1 4 erkrankt u. e n t h o b e n , 1 8 . 4 . 1 9 1 5 z u r V e r f ü g u n g der I T D . - G ö r z , 1 2 . 5 . 1 9 1 5 K m d t . 17. I T D . , 7 . 9 . 1 9 1 6 krankheitshalber e n t h o b e n , 1 . 4 . 1 9 1 7 mit W a r t e g e b ü h r b e u r l a u b t , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 1938/39 war G l a i s e seinem ehemaligen K o m m a n d a n ten, nach 1918 italienischer S t a a t s b ü r g e r , sehr behilflich, die d e u t s c h e S t a a t s b ü r g e r s c h a f t zu erlangen. G e l b s D i e n s t beim E r z h e r z o g - T h r o n f o l g e r wird in der M a s c h i n s c h r i f t : „ B e m e r k u n g e n S. E x z . des H e r r n F M L . G e l b von Siegesstern über seine V e r w e n d u n g als F l ü g e l a d j u t a n t des E r z h e r z o g s F r a n z Ferdinand 1 9 0 2 - 1 9 0 6 " geschildert. Sie b e f a n d sich neben einem Teil des Schriftverkehrs bezüglich der Einb ü r g e r u n g 1938 im Schreibtischnachlaß G l a i s e - H o r s t e n a u s und w u r d e später als N l . B / 6 2 aufgestellt. 187) Dr. Emmerich Bjelik ( I l a v a / O b e r u n g a r n , 2 2 . 7 . 1 8 6 0 - 9 . 5 . 1 9 2 7 , G r o ß w a r d e i n ) , 1883 Priesterweihe, seit 1888 M i l i t ä r k a p l a n , 1911 F e l d v i k a r und D o m h e r r von G r o ß w a r d e i n , 1913 T i t u l a r b i s c h o f von T a r s o s , 1921 A p o s t . A d m i n i s t r a t o r des B i s t u m s G r o ß w a r d e i n .
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Der in drei Parallelklassen aufgelöste Jahrgang bot das gleiche soziale Bild wie in Weißkirchen, mit einem gesellschaftlich vielleicht etwas höheren Mittelniveau. Die Behandlung durch die Vorgesetzten richtete sich ausschließlich nach Fortschritt und Betragen, irgendeine Protektion war nicht bemerkbar, obwohl die Möglichkeit für manchen Kameraden gegeben war. Eine Ausnahme stellte sich höchstens bei der Wahl des Regiments ein, in das man nach der Ausmusterung zu gelangen wünschte. D a halfen wohl Verbindungen beim Kriegsministerium nach. Aber wer Glück hatte, dem gab's auch da der Herr im Schlafe. So kamen zur Jägertruppe seit Menschengedenken nur Zöglinge mit sehr gutem Erfolg. D a betrat bei irgendeinem Anlaß der Flügeladjutant des damaligen Kriegsministers Krieghammer 1 8 8 ) unseren Lehrsaal. Er ging sofort auf den Sitzplatz los, auf dem er als Zögling gesessen hatte und forderte den Inhaber, unseren Jahrgangsletzten, auf, sich im Notfall an ihn zu wenden. Ich entwarf bald nachher einen schönen Brief an den Major und siehe, dem Jahrgangsletzten glückte wider jede Tradition der große Wurf, er kam zu einem schönen Jägerbataillon. Die engere Kameradschaft umfing vor allem die Klasse. D a wußte jeder alles von jedem, und es gab nur äußerst selten Unfrieden. N o c h mehr als in Weißkirchen waren unter uns vierzig Söhne aller elf österreichischen Nationen vertreten. Selbst Italiener und Rumänen fehlten nicht. Eine gewisse Ausnahmestellung nahmen - wie auch draußen im Leben - wieder die Magyaren ein. Sie machten untereinander reichlich von ihrer Sprache Gebrauch, auch wenn ein dritter dazutrat, der sie nicht verstand, und waren politisch überaus interessiert. Es fehlte nicht an Meinungsverschiedenheiten zwischen mir und ihnen, da ich der politischen Sprengwirkung ihrer Nation innerhalb der habsburgischen Völkerfamilie schwere Besorgnisse entgegensetzte. Trotzdem sollte mein bester Freund und Kamerad in der Klasse ein Ungar sein: Gustav Denk von Kistorony 1 8 9 ), dessen treue Freundschaft mich durchs Leben begleitete. Denk war übrigens ein charakteristischer Fall. Er stammte väterlicherseits und mütterlicherseits von Siebenbürger Sachsen ab, hatte also keinen Tropfen magyarischen Blutes in seinen Adern. Sein Vater, königlich-ungarischer Hofrat, wählte dennoch, als er nach vierzig Dienstjahren reif für einen Adelsbrief war, das ungarische Prädikat „ K i s t o r o n y " , den magyarisierten Namen des biederen Sachsendorfes „ N e p p e n d o r f " 1 9 0 ) . Aber wehe, wenn wir bösen Buben den guten Gusti Denk - Denk war natürlich ein ganz deutscher N a m e - Neppendorf riefen, dann riskierten wir, daß uns der bärenstarke Kerl halb im Spaß, halb aber auch im Ernst in seine Arme nahm und drückte ! Er fühlte eben ganz als Magyare, und es 1 8 8 ) Edmund Frh. v. Krieghammer (Landshut/Mähren, 4 . 6 . 1 8 3 2 - 2 1 . 8 . 1 9 0 6 , Bad Ischl), 1849 aus Milak. als Lt. zu H R . 5, Generalstabslaufbahn, 1869-1872 Flügeladjutant des Kaisers, 1889-1893 Kmdt. I. Korps und kdi. Gen. in Krakau, 2 3 . 9 . 1 8 9 3 - 1 7 . 1 2 . 1 9 0 2 Reichskriegsminister. Krieghammer genoß in der Armee nur geringes Ansehen. 1 8 9 ) Gustav Denk v. Kistorony (Hermannstadt, 1 8 . 3 . 1 8 8 2 - 2 5 . 2 . 1 9 6 0 , Wien), 1903 aus Milak. als Lt. zu H R . 2, 1.11.1913 Hptm. i . G . bei 17. I T D . , 19.9.1914 Glstbschef 10. K T D . , 1.5.1918 Mjr. i. Glstb., 3.10.1918 Glstbschef 40. H I D . , in der Honvédarmee noch G d K . und stellvertretender Honvéd-Oberkommandant. 1 9 0 ) Neppendorf (ungarisch Kis Torony) im Komitat Szeben, heute: Turinjor.
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war ein stillschweigendes Ubereinkommen zwischen uns, daß wir nie miteinander politisierten. So hielten wir es auch später, als wir neuerlich an der Generalstabsakademie, der k . u . k . Kriegsschule in Wien, drei Jahre gemeinsam die Schulbank drückten. Erst nach dem Zerfall des Reiches konnten wir ohne Gefährdung unserer Freundschaft von diesem Prinzip abgehen. Aber nur die leidige Politik trennte uns. Sonst waren wir in allen Dingen eines Herzens und eines Sinnes. Wir kauften uns zum Frühstück gemeinsam unsere Kipferln, wir absolvierten gemeinsam die große und die kleine Tour, wobei uns mitunter Fritz Fabritius 1 9 1 ), der spätere Führer der Siebenbürger Sachsen, begleitete. Wenn wir beim Turnen zum Sprung über den damals noch ungebändigt durch den Park fließenden Kehrbach aufgerufen wurden, sprangen wir gemeinsam in den Bach hinein und schwammen in den Turnkleidern weg, wodurch wir nicht nur den Kameraden einen großen Spaß bereiteten, sondern uns den Rest der Turnstunde ersparten, da wir uns umziehen mußten. An Ausgangstagen saßen wir stundenlang bei einer Schale „Braun" oder „ G o l d " im Kaffee Ulrich in der Neunkirchner Straße. Wir waren beide Zeitungsmarder und sahen höchstens dazu auf, um ein noch nicht gelesenes Blatt zu erhaschen. Nach getaner Arbeit gingen wir befriedigt nach Hause, das heißt in die Akademie zurück. Auch daß sich Denk zur Kavallerie meldete, warf nicht den geringsten Schatten auf unsere Beziehungen. Eine der ersten Reisen, die Denk nach der Ausmusterung unternahm, hatte meinen Aufenthaltsort Salzburg zum Ziele. Denk war, nach Absolvierung des Hermannstädter Gymnasiums, aus dem Zivil in die Akademie eingetreten. Ihm haftete das militärisch gefährliche Übel einer fast unleserlichen Schrift an. Wenn ihm der Professor aus Militär-Geschäftsstil eine schriftliche Aufgabe zurückgab, pflegte er zu sagen: „Es ist ja recht schön, wenn man mit den Zehen schreiben kann; aber versuchen Sie es einmal mit den Händen." Tatsächlich sah sich Denk in der Kriegsschulzeit genötigt, einen Privatkurs in Schönschreiben zu nehmen. Er hatte damit den schönen Erfolg, daß man fürderhin seine Schrift doch lesen konnte. Gusti Denk stach über die meisten von uns an Bildung hinaus. Er war außerordentlich einfallsreich und witzig. Keine Blöße, die er nicht an irgendeinem Lehrer entdeckt hätte ! Geschichtliche, literarische, kirchliche und menschliche Interessengemeinschaft sicherte uns für jedes Zusammensein ein ausgiebiges und anregendes Gesprächsthema. Natürlich wurde auch viel gelacht. Meine innere Entwicklung setzte sich von Weißkirchen her in gerader Linie fort. Ich war, was der Schriftsteller Torresani zu mir einmal von sich sagte, weit mehr geneigt, Offizier vom Geiste als vom Metier zu werden. Historische und literarische Neigungen und Interessen überwogen unendlich die beruflichen im engeren Sinne. Schon damals träumte ich davon, als Direktor des Kriegsarchivs oder als ein ganz berühmter Journalist den Gipfel meines Daseins zu erklimmen. Das erstere 1 9 1 ) F r i t z Fabritius ( H e r m a n n s t a d t , 2 7 . 5 . 1 8 8 3 - 2 9 . 1 0 . 1 9 5 7 Rimsting/Chiemsee), 1 9 0 3 aus Milak. als Lt. zu U R . 7, 1 2 . 1 1 . 1 9 0 7 in die R e s e r v e , 1 . 5 . 1 9 0 9 O b l t . i. d. Res., 1 . 3 . 1 9 1 5 R t m . i . d . Res. G r ü n d e t e 1 9 1 3 die siebenbürgisch-sächsische J u g e n d w e h r und w a r nach dem W e l t k r i e g in der siebenbiirgischen V o l k s t u m s p o l i t i k f ü h r e n d tätig.
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Ziel habe ich für die damaligen Verhältnisse sehr früh - als Zweiundvierzigjähriger - erreicht. Leider begnügte ich mich nicht damit. Daß ich schwarzgelb bis in die Knochen und dynastisch bis zum Exzeß gesinnt blieb, verstand sich in der Neustädter Umwelt ganz von selbst. Wenn die Fahne der Akademie, die Fahne mit dem Doppeladler, vor der Kompaniefront enhüllt wurde, lief ein patriotischer Schauer über meinen Rücken. Und wenn uns gar der Akademiekommandant vor dem Altar der Georgskirche unter dem Eindruck der ungarischen Wirren mit ergriffener Fahne an das höchst persönliche Treueverhältnis zum Herrscher mahnte, in welchem wir uns demnächst befinden würden - so war ich tief ergriffen. In religiöser Hinsicht blieb ich der Kirche irgendwie ergeben, ohne allerdings praktischer Katholik zu sein. Trotz des wehmütigen Blickes von Pfarrer Horácek begab ich mich vor der Osterbeichte immer auf die Seite derer, die den Empfang des Sakramentes schwänzten. Mein „ B r u d e r " Denk tat es nicht. Auch in meine Geschichtsbetrachtung schlich sich ein ketzerisches und zugleich ein nationales Element ein. Der Kampf zwischen Kirche und Staat, der Investiturstreit, die Auseinandersetzung der Hohenstaufen mit dem Papsttum, die Reformation und die Gegenreformation zogen meine Aufmerksamkeit auf sich, wenn ich in der letzten Bank saß und, von den Lehrern nicht beobachtet, statt am Unterricht teilzunehmen, meiner Lektüre frönte. Meine Mutter hatte mich schon als Kind stenographieren gelehrt. Statt dem Unterricht folgen zu müssen, konnte ich mich für die Prüfungen aus stenographischen Notizen vorbereiten, die eifrige Kameraden hergestellt hatten. Bei der Lektüre ertappte ich mich natürlich bei nicht eigenständigen, sondern durch Geschichtsschreiber beeinflußten Gedankengängen, mit denen ich vierzig Jahre später einem Heinrich Himmler 1 9 2 ) Freude bereitet hätte. Ich war damals eben genauso naiv und beeinflußbar wie später er. Diese Periode des Freisinns währte - ich nehme die Dinge der Einfachheit wegen vorweg - über die Leutnantszeit hinaus, und ich erröte heute noch, wenn ich der von dogmatischen Kenntnissen nicht angekränkelten Debatten gedenke, die ich in der Offiziersmesse des k. u . k . 4. Regiments der Tiroler Kaiserjäger in Salzburg mit unserem Feldkuraten abführte. Hoensbroech 1 9 3 ), Wahrmund 1 9 4 ), Häckel 1 9 5 ), ) Heinrich Himmler (München, 7 . 1 0 . 1 9 0 0 - 2 3 . 5 . 1 9 4 5 bei Lüneburg), Reichsführer SS. > 9 3 ) Paul Graf Hoensbroech (Schloß Haag bei Geldern, 2 9 . 6 . 1 8 5 2 - 2 9 . 8 . 1 9 2 3 , Berlin), 1878 Eintritt in den Jesuitenorden, gerät bei seinen historischen Studien in Gegensatz zum Ultramontanismus, 1892 Austritt aus dem Orden, 1895 Ubertritt zum Protestantismus und sodann leidenschaftlicher Bekämpfer des Papsttums, wird bestimmt vom kulturpolitischen nationalstaatlichen Fortschrittsdenken. Seine Hauptwerke: Der Ultramontanismus (1897), Moderner Staat und römische Kirche (1906). >*·) Alfred Wahrmund (Wien, 21. 8 . 1 8 6 0 - 1 0 . 9 . 1932, Prag?), 1884 D r . iur., habilitierte sich 1888 in Wien als Privatdozent des Kirchenrechts, 1894 Ordinarius an der Universität Czernowitz, 1896 an der Universität Innsbruck. Ab 1902 setzten seine Angriffe in Reden, Vorträgen und Broschüren gegen klerikale Parteien, bald aber auch gegen die katholische Kirche, ein. Seine Ansichten und seine Person bildeten bald den Mittelpunkt heftigster politischer Auseinandersetzungen, bei der die Lehrfreiheit an den Universitäten in den Streit gezogen wurde. Wahrmund mußte sich 1908 aus Innsbruck zurückziehen und übernahm einen Lehrstuhl in Prag. Vgl. M. Höttinger, D e r Fall Wahrmund, Wr. Diss. 1949. 1 , s ) Ernst Heinrich Philipp Haeckel (Potsdam, 1 6 . 2 . 1 8 3 4 - 9 . 8 . 1 9 1 9 , Jena), Vertreter des Darwinismus im deutschen Sprachraum. Sein Hauptwerk: „ D i e Welträtsel" (1899). 192
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Schmähschriften über die ja wirklich anfechtbaren Liguorilehren 1 9 6 ), gehörten in diesen Jahren zu meinem beliebtesten Lesestoff. Was mich allerdings nicht hinderte, mit ungebrochenem Interesse einem Pontifikalamt im Salzburger D o m beizuwohnen und Studien über die katholische Liturgie zu machen. Mit viel Begeisterung folgte ich den Vorträgen, die uns Prof. Bodenstein 1 9 7 ) über Kunstgeschichte vorsetzte. Ich trieb selbst mit Begeisterung Kunstgeschichte, wobei es mir die Gotik besonders antat. Den betreffenden Band aus dem großen Werk von Knackfuß und Zimmermann 1 9 8 ) beherrschte ich aus dem Effeff. Mein dichterischer Freund aus der Oberrealschule, Franz Xaver Kappus, war nicht in meiner Kompanie, sondern in der dritten eingeteilt. Das konnte uns nur wenig an der gemeinsamen Pflege unserer literarischen Eigenschaften hindern. Kappus betätigte sich dabei vor allem als Lyriker und erlebte die Freude, angeregt durch Horácek, die Aufmerksamkeit Rainer Maria Rilkes auf sich zu ziehen. Der um fünfzehn Jahre ältere, schon sehr bekannte Dichter wechselte mit Kappus besinnliche Briefe. Während des Ersten Weltkrieges lernte ich Rilke auch persönlich kennen. Ich war einmal in der Bibliothek des Kriegsarchivs, da saß in einer der tiefen Fensternischen ein glatzköpfiger Landsturmmann in verschlissenem Feldgrau. Man flüsterte mir zu: Rainer Maria Rilke! Dieses alte Österreich hatte in seinem Kriegspressequartier und seinem Kriegsarchiv während des Krieges Institutionen, in denen wenigstens ein Teil der Künstlerschaft vor dem Zugriff des blutigen Molochs bewahrt blieb. Ich war zu schüchtern, um mit Rilke ein Gespräch anzufangen. Ich weiß jetzt nicht mehr, wer von uns beiden, Kappus oder ich, sich zuerst gedruckt sah ! Er las sich mit einer Militärhumoreske in der Vedette, der militärischen Beilage des Wiener Fremdenblattes, zum ersten Male, ich in der Armee-Zeitung mit einer Skizze aus dem Neustädter Zöglingsleben. Sich gedruckt zu wissen, war für uns beide ein ganz großer Stolz. Die ersten Früchte sollten nicht allein bleiben. Ich beschäftigte mich damals unter anderem auch mit altrömischer Geschichte, und das römische Heerwesen regte mich an, eine zweite humoristische Schilderung aus dem Neustädter Leben zu verfassen, wobei Lehrer und Zöglinge diesmal in altrömischem Kleide auftraten. D a rief mich jedoch der Akademiekommandant zum Rapport. Er war sehr böse, verstand keinen Spaß und schickte mich auf zwei Tage in den Arrest. Der Aufenthalt daselbst war mir nicht mehr ganz fremd, da ich schon einmal wegen einer Pflichtverletzung im Inspektionsdienst 24 Stunden abgesessen hatte. Der Profos, ein braver Feldwebel, der selbst literarische Neigungen hatte, war längst ein Bewunderer meiner „ M u s e " ' und gab mir sogar Gelegenheit, während meiner Haft das Kaffeehaus zu besuchen. Im übrigen umfing mich selbst im 1 9 6 ) Alfonso Maria de Liguori (Neapel, 2 6 . 9 . 1 6 9 6 - 1 . 8.1787, Nocera dei Pagani), seit 1762 Bischof v. Santa Agata de Goti, 1839 heiliggesprochen, 23. 3.1871 zum Kirchenlehrer erklärt. Gründete den O r den der Redemptoristen (auch Ligucfrianer genannt). Er gilt als Vertreter der sehr strengen moraltheologischen Richtung des „ T u t i o r i s m u s " ( „ i n sexualibus omni sunt peccata mortalia"). 1 9 7 ) Ein Zivillehrer, der im Standesbuch nicht aufscheint. 1 9 8 ) Hermann Knackfuss, Deutsche Kunstgeschichte, Bielefeld 1888. A b der 2. Auflage (1906) arbeitete M. G . Zimmermann mit.
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Arrest an der Südostecke der Burg das Traditionsgebundene mit Macht. War doch an der Schwelle der N e u z e i t der steirische Ritter Kaspar von K r o t e n d o r f 1 9 9 ) so ziemlich an derselben Stelle eingesperrt gewesen! D i e Katze läßt das Mausen nicht. Einige Monate später wurde auch K a p p u s wegen eines satirischen Feuilletons über die Akademie eingesperrt, und zwar gleich auf vier Tage. D e n n o c h konnte ich mich nicht zurückhalten, als einige Wochen später in der Armee-Zeitung ein Preisausschreiben über Militärhumoresken erschien. Oberster Preisrichter war Carl Baron Torresani, als Verfasser der „ S c h ö n e n wilden Leutnantszeit", der „ S c h w a r z g e l b e n Reitergeschichten" und anderer Schilderungen aus dem Leben der k . k . A r m e e damals auf der H ö h e seines R u h m e s . Ich sandte eine Geschichte aus der Neustädter Akademie ein, die teils von Liebe, teils von militärischen Zukunftsträumen handelte und meinen Klassenkameraden Olivier R ö h m e r 2 0 0 ) , einen Bukowina-Deutschen und ebenso naiven wie berühmten Herzensbrecher z u m Helden hatte. R o d a R o d a 2 0 1 ) erhielt den ersten, ich den dritten Preis (die fürstliche S u m m e von 70 Kronen, mit deren Hilfe ich mir vorn zwei Stiftzähne einsetzen ließ). Drathschmidt machte gute Miene z u m bösen Spiel und ließ die H u m o r e s k e erscheinen. R o d a R o d a schrieb damals in seinen „ W i e n e r R u n d g ä n g e n " : E d m u n d v. H o r s t e n a u , den N a m e n wird man sich merken müssen, er hätte den ersten Preis verdient. In den gleichen Monaten erschien in einer M o natsrevue, die fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit herauskam, eine ernste N o velle, in etwas modernistischer Weise den biblischen Stoff „ M a r i a M a g d a l e n a " behandelnd. Meine Mutter hatte darüber geringe Freude. Meinen anderen literarischen Lorbeeren stand sie mit Interesselosigkeit gegenüber. Freund K a p p u s war beim Preisausschreiben durchgefallen. D a s hinderte uns nicht, Carl^Maria D a n z e r 2 0 2 ) , dem rührigen Chefredakteur der Armee-Zeitung, den ' " ) Kaspar von Krotendorf war der Lehrer des Ladislaus Posthumus und nahm in dessen Begleitung an der Romfahrt Friedrichs III. 1451/52 teil. An den Versuchen der ständischen Malkontenten zur „ B e freiung" Ladislaus' soll er sich beteiligt haben, sodaß er von Friedrich III. in der Wiener Neustädter Burg eingekerkert wurde. Im Spätmittelalter war die Herrschaft Pottschach bei Neunkirchen in Niederösterreich zeitweise im Besitz der Krotendorfer. 2 0 °) Olivier Röhmer (Czernowitz, 9 . 4 . 1 8 8 1 - 2 9 . 9 . 1 9 5 1 , Wien), 1903 aus der Milak. als Lt. zu L w U R . 1, 1.4.1908 zur Division berittener dalmatinischer Landesschützen, 1.11.1908 Oblt., 1.8.1914 Rtm., 1920 pensioniert. 2 0 1 ) Alexander Roda-Roda, ursprünglich Sándor Rosenfeld (13.4.1872, Puszta Zdenci/Slawonien bis 20. 8.1945, New York), 1.10.1893 als Unterkanonier EF. zu K A R . 13, 1.10.1894 Präsenzstand des D A R . 38, 15.10.1895 Berufsstand, 18. 8.1896 Lt., 1.5.1901 Oblt., 16. 5.1901 in die Reserve. Nunmehr Journalist und Schriftsteller; Mitarbeiter der „ N e u e n Freien Presse" und des „Simplicissimus". Seine Autobiographie bis zum Zeitraum vor 1910: Roda Rodas Roman, Wien 1924. Sehr bekannt wurde sein Lustspiel (mit Carl Rößler als Mitautor): „ D e r Feldherrnhügel" (1910). 2 0 2 ) Carl Maria Danzer (Wien, 1 . 5 . 1 8 7 5 - 2 9 . 1 1 . 1 9 3 6 , Klosterneuburg), Sohn des Hptm. a . D . Alphons Danzer, der 1896 die „Armee-Zeitung" gegründet hatte. Danzer übernahm 1900 diese Zeitung als „Danzer's Armee Zeitung" und baute sie zu einer erstrangigen politisch-militärischen Wochenzeitung aus, die die großösterreichischen Gedankengänge des Kreises um Ehg. Franz Ferdinand vertrat. Sie fungierte insbesondere als Sprachrohr der Militärkanzlei des Thronfolgers in militärischen Belangen und engagierte sich bei der Abweisung der ungarischen Selbständigkeitsbestrebungen in politisch-militärischen Fragen. Bis zu Danzers Kaltstellung mit 25. 8.1918 - auf ungarischen Druck hin - verfaßte Danzer die meisten Leitartikel seines Blattes. Er übergab sodann die Herausgabe und Leitung des Blattes an Viktor
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I. J u g e n d u n d M i l i t ä r e r z i e h u n g
Antrag zu stellen, er möge eine Sammlung Neustädter Humoresken aus unserer Feder in seine militär-belletristische Bibliothek einreihen und erscheinen lassen. Er nahm an, ein Offizier kam zur Herstellung von Illustrationen nach Neustadt. U m uns gegenüber neuen „Verfolgungen" abzuschirmen, schrieben wir an Torresani und baten ihn um ein Vorwort. E r erfüllte liebenswürdig unsere Bitte. So konnten wir am 18.August 1903 vormittags unserem Akademiekommandanten Drathschmidt das erste Widmungsexemplar überreichen, das er gnädig annahm. Der Ausmusterungsurlaub brachte uns neben anderen Vergnügungen auch dieses, daß Besprechungen des Büchleins erschienen, sie waren oft gut, meist jedenfalls sehr gnädig. Inzwischen war ja eines der größten Ereignisse meines bescheidenen Daseins vorübergegangen: die Ernennung zum Offizier. Schon im Frühjahr hatte man melden müssen, um welches Regiment man sich bewerbe. Ich hatte schon bei der 1000er-Feier in Weißkirchen (tausend Tage bis zur Ausmusterung!) ein Kaiserjägerzeichen anfertigen lassen zum Zeichen dafür, daß ich nun zu dieser Elitetruppe kommen wolle. Inzwischen hatte es der Zufall gewollt, daß im Herbst 1901 das 4. Regiment der Tiroler Kaiserjäger von Linz nach Salzburg verlegt wurde, indes die Rainer nach Linz kamen. Mein Regiment war in Linz aus vier zum Teil sehr berühmten Feldjägerbataillonen aufgestellt worden. Es hatte sich in der oberösterreichischen „Bauernstadt" besonders wohlgefühlt. Aus den wohlhabenden Bürgersfamilien hatten nicht weniger als fünfzehn Töchter Offiziere meines Regiments geheiratet. Ich sah in der Verlegung der Kaiserjäger nach Salzburg einen Haupttreffer. Die finanziellen Verhältnisse meiner Mutter - am Tage meiner Offiziersernennung waren nur mehr ein paar hundert Kronen in der Sparkasse - ließen einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem einzigen Sohne und Kinde als dringend erwünscht erscheinen. Bei getrenntem Haushalt hätte die kleine Leutnantsgage eine Beisteuer zum Lebensunterhalt meiner Mutter ja kaum erlaubt. Daher Wunsch nach doppeltem Glück: Kaiserjäger und Garnison Salzburg! Er war keine einfache Sache. Ich wandte mich daher in einem sehr schönen Schreiben - ich mußte auch für ein Dutzend andere Kameraden solche Schreiben entwerfen - an den alten Feldzeugmeister Baron Teuffenbach um Befürwortung meiner Bitte. Prompt kam die Antwort, daß der älteste aus seiner Schule hervorgegangene Erzherzog, Josef Ferdinand 2 0 3 ), sich Hueber (s.d.). Mit 3 1 . 1 2 . 1 9 1 8 übernahm Glaise die Leitung des Blattes, der es sodann - ab 1 . 1 . 1 9 2 0 mit der „Militär-Sozialen Rundschau" fusionierte und als „österreichische Wehrzeitung" leitete. Von nun an war Danzer als Buchhändler tätig. Danzer stand mit Glaise bis zu seinem Tode in Korrespondenz und stellte sich ihm nach dem 11. Juli 1936 als Propagator seiner Ideen zur Verfügung. ( A V A / B G H , vgl. Kartei). Vgl. J. Bauer, Die Stellung von „Danzer's Armee-Zeitung" zu den politischen Parteien in Österreich, Wiener Lehramts-Hausarbeit, Wien 1973; ders., Die politische Stellung Carl M. Danzers und der „Armee-Zeitung", W r . Diss. 1976. 2 0 3 ) Ehg. Josef Ferdinand (Salzburg, 24. 5 . 1 8 7 2 - 2 5 . 8 . 1 9 4 2 , Wien), 1892 als Lt. aus Milak zu T J R . , 1 . 5 . 1 9 0 1 Mjr. IR. 59, 2 2 . 8 . 1 9 0 1 zu 4 . T K J R , 2 4 . 1 1 . 1 9 0 5 als Obst. Kmdt. IR. 93, 1 5 . 1 0 . 1 9 0 8 Kmdt. 5. IBrig., 1 . 1 1 . 1 9 0 8 G M . , 2 8 . 1 . 1 9 1 1 Kmdt. 3. I T D . , 1 . 5 . 1 9 1 1 F M L . , 31. 7 . 1 9 1 4 Kmdt. XIV. Korps u. Gdl., 3 0 . 9 . 1 9 1 4 provisorisch u. 9 . 1 1 . 1 9 1 5 definitiv Kmdt. d. 4. Armee, 2 6 . 2 . 1 9 1 6 G O . , 7 . 6 . 1 9 1 6 enthoben, 8. 7 . 1 9 1 7 Generalinspektor der Luftstreitkräfte, 3 . 9 . 1918 enthoben. Seine Rolle in der Schlacht von Luck, Juni 1916, ist sehr umstritten.
Militärrealschule und Militärakademie
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im Kriegsministerium eingesetzt habe. Ich fühlte mich gesichert, nicht ahnend, daß die toskanischen Prinzen ziemlich einflußlos waren. Die Einteilung zu den Regimentern kam um Pfingsten heraus, ich sollte wohl zu den Kaiserjägern kommen, aber nicht zum 4. Regiment nach Salzburg, sondern zum 3., dessen Oberst mein früherer Bataillonskommandant Freiherr v. Reinsperg war und das in dem allerdings herrlichen Bozen lag. Das war natürlich ein bitterer Wermutstropfen für die Offiziersfreuden, der umso schlechter schmeckte, als gleichzeitig ein Kamerad 2 0 4 ), der mit Salzburg gar nichts zu tun hatte, dessen Vater jedoch ein hoher General war 2 0 5 ), zum Salzburger Regiment eingeteilt worden war. In meinen Nöten wandte ich mich schließlich an den herzensgütigen Akademiekommandanten, der denn auch knapp vor Torschluß meine Einteilung zu den Salzburger Kaiserjägern erreichte. Dieser Erfolg bedeutete für mein Leben vielleicht mehr, als ich ahnen mochte. Denn wenn ich nach Bozen gekommen wäre, vielleicht wäre ich mit meiner Mutter nicht zusammengezogen, ich wäre ihrem Ödipuskomplex entwischt, hätte vielleicht bald geheiratet und anderes mehr. Die letzten Monate in der Allzeitgetreuen vergingen im Flug. Bei den Bataillonsübungen war man fast immer als Zugs- oder Kompaniekommandant eingeteilt, indes mein „ B r u d e r " Denk Gusti hoch zu R o ß an mir vorüberzog. Dann folgte eine Ubungsreise, und es war ein von uns besonders begrüßter Entschluß unseres Taktiklehrers, des Hauptmanns Weiß v. Schleussenburg 2 0 6 ), uns nach Bosnien zu führen. Gerade in diesen ersten Augustwochen war es fünfundzwanzig Jahre her, daß die k . k . Truppen in den damals türkischen Ländern einrückten. Bosnien und die Herzegowina gehörten auch jetzt noch zur Türkei, die formelle Annexion wurde bekanntlich erst 1908 vollzogen. Ich schrieb einen Gedenkartikel für die ArmeeZeitung, der jedoch in der jüdischen Sonn- und Montagszeitung erschien - woran damals niemand etwas fand 2 0 7 ). An einem der letzten Julitage fuhr die Klasse 3/A, das waren wir, über Agram nach Kostajnica und von da nach Bosnien hinein. Der ersten bosnischen Stadt Banja Luka - näherten wir uns im Fußmarsch. Eine halbe Stunde vorher machten wir einen Abstecher in das Trappistenkloster Maria Stern, wo uns fast nur reichsdeutsche Mönche begrüßten. Auch das Gassendorf nördlich davon - Windt2 0 4 ) Eugen Hirsch v. Stronstorff (Wien 6. 7 . 1 8 8 1 - 2 3 . 1 . 1 9 7 8 , Wien), 1903 aus der Milak. als Lt. zu 4. T K J R . , Generalstabskarriere, 1 2 . 4 . 1 9 1 3 als Glstbsoffz. transferiert zum VI. Korpskmdo., 1.11. 1913 Hptm. i. G . , 2 5 . 4 . 1 9 1 7 zum Kmdo. d. Dt. Südarmee, 2 2 . 2 . 1 9 1 8 transferiert zum X X V I . Korpskmdo., 1 . 5 . 1 9 1 8 Mjr. i . G . , nach dem Umsturz beim V w . - K m d o Wien, 1 . 1 0 . 1 9 2 0 Ruhestand. Sodann in der Privatwirtschaft (Kohlengroßhandel) tätig. 2 0 5 ) Wilhelm Hirsch v. Stronstorff (Brixen, 5 . 6 . 1 8 3 6 - 2 0 . 1 . 1 9 3 5 , Wels), 1855 aus Milak. als Lt. F J B . 3, Generalstabskarriere, 1 . 1 1 . 1 8 8 9 G M . u. Kmdt. 44. IBrig., 1 . 5 . 1 8 9 2 zugeteilt dem Landesverteidigungskmdo. in Innsbruck, 2 1 . 2 . 1 8 9 8 zugeteilt dem X I V . Korpskmdo; 1 . 7 . 1 8 9 9 pensioniert als F Z M . ad honores. Nach dem 1. Weltkrieg lange Jahre Alterspräsident des Vereins „Alt-Neustadt". 2 0 6 ) Friedrich Weiß v. Schleussenburg (Olmütz, 6 . 3 . 1 8 7 0 - 1 6 . 2 . 1 9 3 1 , Graz), 1890 aus Milak. als Lt. zu D R . 13, Generalstabslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 8 9 9 H p t m . i . G . , 2 8 . 8 . 1 9 0 1 Lehrer an der Milak., 7 . 9 . 1 9 0 3 zur Truppendienstleistung einberufen, 1. 5. 1913 O b s t , als Kmdt. des U R . 1, 1 . 5 . 1 9 1 7 G M . , 1 0 . 4 . 1 9 1 8 Kmdt. 19. IBrig., 3 . 1 1 . 1 9 1 8 ital. Kriegsgefangenschaft. 2 0 7 ) Vgl. Werksverzeichnis N r . 3.
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I. Jugend und Militärerziehung
hörst 208 ) - war weitgehend von rheinischen Emigranten aus der Zeit des Bismarckschen Kulturkampfes gegründet worden. Hitlers Kriegspolitik hat es zuwege gebracht, daß alle diese Spuren deutscher Kulturarbeit heute getilgt sind. Banja Luka war damals noch ein typisches türkisches Nest. Das frei an der Straße hängende Hammel-(,,Jarac"-)Fleisch roch auf Kilometer. Zum erstenmal sah ich schlanke Minaretts - Moscheetürme - in das tiefe Blau des südlichen Himmels ragen, zum erstenmal hörte ich abends den Muezzin sein Gebet von der Turmterrasse singen: Allah ist groß und Mohammed ist sein Prophet! Des anderen Tages ging es zu Fuß in die herrliche Vrbas-Schlucht hinein. Die für die damaligen Begriffe ausgezeichnet angelegte Straße mit ihren vielen Tunnels und Brücken bot bereits einen Vorgeschmack der unerhörten Kulturarbeit, die das Habsburgerreich hier in zwei Jahrzehnten geleistet hatte, wobei - wie immer im Osten und Südosten - der Soldat als Kulturpionier vorausgeschritten war. Landesbewohner, zumal „Türken", d.h. Moslims, sah man aber nur sehr wenige. Konservativ wie sie waren, zogen sie es noch immer vor, auf ihren Tragtieren den Reitpfad über die Begleithöhen zu nehmen. Vor den Häusern allerdings, zumal wenn sie ein ,,Han", ein Wirtshaus, waren, saßen sie mit gekreuzten Beinen auf dem für diesen Zweck besonders breiten, herabhängenden Hosenboden und boten herrlichen, türkisch zubereiteten Kaffee aus schön ziselierten Kupferkannen. In zwei Tagesmärschen kamen wir nach Jajce, der malerisch gelegenen einstigen Hauptstadt Bosniens, auf die als Zeuge stolzer Tage ein verfallenes Kastell herabblickt. Zumal der zweite Marsch in glühender Sonnenhitze war recht beschwerlich geworden, und manche warfen sich nachmittags nach der Ankunft ins Stroh, um erst am anderen Morgen wieder aufzustehen. Mit den noch Marschfähigen gingen Weiß und ich gegen Abend am See vorbei auf ein Gefechtsfeld aus dem Jahre 1878, das sich südlich erstreckte, und ich hielt über das Treffen einen Vortrag 209 ). Der in diesen Zeilen schon genannte Erzherzog Johann hatte sich im Kampfe als Brigadier so wenig ausgezeichnet, daß er per Knall und Fall die Truppe verlassen mußte. Fast auf den Tag genau flog ich achtunddreißig Jahre später als bevollmächtigter General in Kroatien über diese grüne Wiese hinweg, auf der ich damals meinen Vortrag hielt. Was war alles seither geschehen ! Von Jajce aus erreichten wir die Bahn nach Sarajewo und von da aus, halb mit Bahn, halb zu Fuß, Mostar, die Hauptstadt der Herzegowina. Die Temperatur betrug über 50 Grad Celsius, der größte Teil der Klasse war halb tot. Ich fühlte mich herzlich wohl und machte ohne Anstrengung die Exkursionen zur Bunaquelle und auf den völlig baumlosen Monte Hum mit. Die Sehenswürdigkeiten der alten Türkenstadt zogen mich sehr an, besonders die feingeschwungene Römerbrücke. Uber den Iwansattel fuhren wir nach Sarajewo zurück, wo wir uns noch ein paar Tage aufhielten. Hier hatte sich bereits durch die Bauten, die durch Österreich errichtet waren, an der malerischen Miljacka-Promenade Europa breitgemacht. Daneben war 2oe)
Heute Nova Topola s. von Bosnisch-Gradiska (Bosanska Gradiska). In dem Gefecht bei Jajce, 7 . 8 . 1 8 7 8 , konnte die 7.ITD. unter FZM. Herzog Wilhelm v. W ü r t temberg diese bosnische Stadt nach einem Bajonettangriff nehmen. Im Rahmen der 7. ITD. befehligte G M . Ehg. Johann Salvator die 2. GBrig. 209)
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aber das Kaufviertel, die Tscharschja: echteste Türkei. Ich erstand eine türkische Kaffeemaschine, die jahrelang unseren Haushalt zierte. In Sarajewo bekamen wir auch den Herrn des Landes, den General der Kavallerie Baron Appel 2 1 0 ), zu sehen. Seine Brust zierte von der Schlacht bei Solferino her das Theresienkreuz, das er als 12er Ulan erworben hatte. Aber auch die armeebekannte schwarze Binde über dem fehlenden linken Auge war eine Erinnerung an die Heldentaten. Appel war im Jahre 1882 Kommandierender und Chef der bosnischen Landesregierung geworden. Das Land befand sich damals noch in einem latenten Aufstand. Jetzt, um 1900, ritt Appel tagelang auf seinem Tragtier, nur von seinem Offiziersburschen begleitet, in die einsamsten Gegenden des befriedeten Landes, überall mit tiefstem Respekt empfangen. Voll reichster Erinnerungen, unter denen auch das Gedenken an die vielen verhüllten Frauen und die nur von weitem betrachtbaren Harems nicht fehlte, fuhren wir über Agram und G r o ß Kanizsa nach Neustadt zurück. Es war ein schönes Erlebnis, diese Reise in den k . u . k . Orient. Was für ein wunderbares Reich war doch dieses alte Österreich gewesen! In Neustadt harrten unser aufregende Tage. Als wir ankamen, lagen auf den schwarzgelben Bettdecken schon die Leutnantsuniformen. Das Gold der Kappen und des langersehnten Offiziersportepees, das der jüngste Leutnant sinnvoll mit dem kaiserlichen Kriegsherrn gemein hatte, glitzerten im Sonnenlicht. Natürlich wurde fleißig probiert und immer wieder probiert. Mit besonderer Bewunderung sah alles auf die Kavalleristen, mit ihren roten Hosen und prachtvollen Helmen und Tschakos und Tschapkas, zumal auf die Husaren mit den goldverschnürten, lichtoder dunkelblauen Attilas. Wir Jäger fühlten uns allerdings auch nicht wenig. Ein oder der andere Infanterist hatte aber Minderwertigkeitskomplexe. Zumal ein Magyare 2 1 1 ), der den herrlichen Tag nicht um ein Jahr überleben sollte, war todunglücklich, als er den schlichten dunkelblauen Infanterierock mit den kirschroten Aufschlägen des Regiments Deutscher Kaiser N r . 34 statt der Husarenuniform anlegen mußte. Mein „ B r u d e r " Denk war Hermannstädter Husar geworden. Nachgeholfen hatte hiebei sein Siebenbürger Landsmann Oberst Arz v. Straußenburg 2 1 2 ), Chef des Direktionsbüros des Generalstabes - im Ersten Weltkrieg der zweite und letzte Generalstabschef des kaiserlichen Heeres. 2 , ° ) Johann Frh. v. Appel (Sikirwce/Slawonien, 1 1 . 1 1 . 1 8 2 6 - 7 . 9 . 1 9 0 6 , Gradisca), 1 . 9 . 1 8 4 0 als Rgtskadett zu I R . 59, 1 6 . 9 . 1 8 4 4 Lt. U R . 4, 2 7 . 6 . 1 8 6 3 Kmdt. U R . 4 , 2 9 . 1 0 . 1 8 6 3 O b s t . , 6 . 5 . 1 8 6 6 Brigadier, 9 . 1 1 . 1 8 6 7 G M . , sodann Divisionär und, kurzfristig, Militärkmdt. in Temesvár und Hermannstadt. 1 . 5 . 1 8 8 2 G d K . , 9. 8 . 1 8 8 2 kdi. Gen. in Sarajewo und Chef der Landesregierung von Bosnien und Herzegowina. 2 1 1 ) Alexander Szalai (heimatzuständig nach Eperies, 1 8 8 3 - 1 1 . 3 . 1 9 0 5 , Kaschau), 1903 aus Milak. als Lt. zu I R . 34. 2 1 2 ) Arthur Arz v. Straussenburg (Hermannstadt, 1 1 . 6 . 1 8 5 7 - 6 . 7 . 1 9 3 5 , Budapest), 1877 als E F . zu F J B . 2 3 , 1 . 6 . 1 8 7 8 L t . , Genstabslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 2 O b s t . , 1903 Chef des Direktionsbüros des Glstbs., 1 . 1 1 . 1 9 0 8 G M . und Kmdt. 61. IBrig., 1912 Kmdt. 15. I T D . , 1913 Sektionschef im K M . , 3 . 9 . 1 9 1 4 Kmdt. 15. I T D . , 7 . 1 0 . 1 9 1 4 Kmdt. VI. Korps, 1 . 9 . 1 9 1 5 G d l . , 7 . 8 . 1 9 1 6 Kmdt. 1. Armee, 1 . 3 . 1 9 1 7 Chef d. Glstbs., 9 . 2 . 1 9 1 8 G O . , 1 . 1 2 . 1 9 1 8 pensioniert. Er schrieb die Bücher: Zur Geschichte des großen Krieges 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , Wien-Leipzig-München, 1924; Kampf und Sturz der Kaiserreiche, Wien 1935;
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I. Jugend und Militärerziehung
In unserem Ubermut vergaßen wir undankbarerweise am Sonntag, den 16. August in die Kirche zu gehen. Feldmarschalleutnant Drathschmidt war furchtbar böse und drohte uns, beim Kriegsminister die Verschiebung unserer Offiziersernennung um ein Monat oder mehr zu beantragen. Es blieb bei der Drohung. Die bald folgenden vierundzwanzig Stunden höchsten Glücks habe ich noch in der Hochstimmung des Erlebnisses in der Armeezeitung 213 ) geschildert. Schon am 17. August abends herrschte in ganz Neustadt und natürlich auch im Akademiepark regstes Leben. Viele Eltern waren gekommen und lustwandelten stolz mit ihren Söhnen. Meine Mutter hatte aus Sparsamkeit die Reise unterlassen. Ich war nicht böse darüber, da ich mich doch stark um sie hätte kümmern müssen - so konnte ich mich frei bewegen. In der Früh um sechs Uhr weckte uns eine Regimentsmusik mit schönen altösterreichischen Märschen. Als im Burghof der Radetzkymarsch erklang, waren wir den Tränen näher als dem Lachen aus tiefster Rührung. Und als dann gar unser Lieblingslied vom Prinzen Eugen dem edlen Ritter folgte, da kannte die Begeisterung keine Grenzen. Der Krieg schien uns damals noch eine schöne Sache zu sein, jeder wäre in diesem Augenblick am liebsten direkt in die Schlacht marschiert. Um acht Uhr wurde uns im Theresienrittersaal von Drathschmidt das Verordnungsblatt 214 ) vorgelesen: seine k . u . k . apostolische Majestät geruhten allergnädigst zu ernennen zu Leutnanten . . . Edmund Glaise von Horstenau beim 4. Regiment der Tiroler Kaiserjäger . . . das Glück war voll. Zum letzten Mal hatten wir die Akademieuniform angelegt. N u n hieß es im Sturmschritt den Schlafsaal erreichen. Denn es war Tradition, möglichst als erster im Glanz der neuen Uniform auf der Freitreppe zu erscheinen. Bald staute sich das neue Gold und Rot und Blau. Mancher Vater, manche Mutter umarmte gerührt ihr Kind. Die Stunde war gekommen, deren Eintritt man sich in der damaligen geruhsamen Zeit ganz genau zehn Jahre zuvor in dem Augenblick ausrechnen konnte, da man die Schwelle der St. Pöltner Unterrealschule überschritt. Der Feldaltar war zu unserer Ausmusterung auf dem Schwurhügel neben der Piaristenremise aufgestellt. Erst später griff man auf die Tradition zurück, die Ausmusterung wieder ganz auf dem Theresienplatz zu begehen. Natürlich herrschte, wie fast immer an Kaisers Geburtstag, richtiges Kaiserwetter. Leider war die Neustädter Garnison auf Manövern. Noch nachträglich beneideten wir den Jahrgang 1902, zu dessen Ausmusterung die 4er Dragoner unter ihrem hocheleganten Obersten Freiherrn von Kirchbach, Neustädter Jahrgang 1875 215 ), ausgerückt waren. Kirchferner Artikel in den M WM., Zeitungsartikel und Artikelserien in N W J . , N W T . und N W T . / W A . Arz würdigte auch Glaise in einem nicht näher identifizierbaren Schriftsatz (Rede oder Zeitungsartikel ?), dessen Konzept sich in Glaises Nachlaß befindet. Über Arz vgl. Werkverzeichnis N r . 282, 283; R. Kiszling, Arthur Arz von Straussenburg, in: Neue österreichische Biographie ab 1815, 10. Bd., Wien 1957, 117-122; O . Regele, Gericht über Habsburgs Wehrmacht, Wien-München 1968. Hingewiesen sei auf: B. W. Knopp, Das Vermächtnis des Generalstabschefs A. Arz v. Straussenburg, Nürnberg 1975. 2U ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 4. 214 ) Verordnungsblatt N r . 31 v. 18.8.1903, 347ff. 215 ) Karl Graf Kirchbach auf Lauterbach (Gyöngyös, 20.5.1856-20. 5.1939, Scharnstein), 1875 aus Milak. als Lt. zu D R . 5 , Generalstabslaufbahn, 30.3.1911 Landwehr-Kav.-Inspektor, 1.5.1914 GdK.,
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bach brachte es im Ersten Weltkrieg zum Armeeführer und Generalobersten; wir hatten nachher manche persönliche und literarische Beziehung. Was diese würdigen Recken wohl alle sagen würden, wenn sie mich als Kriegsverbrecher im Kerker sitzen sähen! Wir 1903er mußten mit den zwei ausgerückten Akademikerkompanien vorlieb nehmen. Zur Feldmesse ministrierten - natürlich in voller Parade - vier junge Leutnants verschiedener Truppengattung. Msgn. Horácek hielt eine tschechisch akzentuierte, aber geistvolle Predigt. Kappus und ich hatten die letzten Tage noch besonders von ihm Abschied genommen. Und wieder fragte mich am Schluß der alte Hussite, ob er sich nicht doch über Se. Majestät unehrerbietig ausgedrückt habe. Er hatte es nicht getan. Dann wurde die Fahne zum Altar gebracht. Nicht ohne Wehmut sahen wir zu ihr auf, als wir die wunderbaren Worte des Soldateneides sprachen. Wir schworen, zu Land und zu Wasser, nicht schon in der Luft, wie spätere Generationen, unsere Pflicht zu tun, als ehrenhafter Soldat zu leben und zu sterben. N o c h ein zweites Mal habe ich im Leben die schöne Formel gesprochen - am 24. November 1916 in Teschen, zum Regimentsantritt des gütigen, unglücklichen Kaisers Karl. Nachher ging's zum Theresiendenkmal. Unser Jahrgangserster, Moritz Fleischmann von Theißruck 2 1 6 ), hielt eine Ansprache. Dann flogen die Säbel aus der Scheide und klirrten in der Luft zusammen, wobei wir wie aus einer Kehle den alten Wappenspruch der Akademie hinausriefen: Treu bis in den T o d ! Jeder mußte zusehen, daß er ja eine Scharte in der frischen Klinge davontrug. Das gehörte zu den Selbstverständlichkeiten. Eine Defilierung des Zöglingshalbbataillons auf dem Theresienplatz beendete zunächst die Feier. O b der Radetzkymarsch gespielt wurde oder der Grenadiermarsch (der sehr schöne Grenadiermarsch war der Defiliermarsch des deutsch-böhmischen Infanterieregiments N r . 42 zur Erinnerung an dessen Heldentaten bei der Schlacht bei Wagram), dessen Intonierung gleichfalls der Neustädter Akademie als Privileg verliehen war, weiß ich nicht mehr; daß wir alle glücklich waren, ist sicher. Das Ausmusterungsdiner, gemeinsam mit den Lehrern eingenommen, fand wie üblich in der gedeckten Reitschule im Angesichte der Reiterstandbilder des Prinzen Eugen und des Erzherzogs Carl statt. Trinksprüche wurden gewechselt. D a s letzte Mal stieß man zum Trünke an. Dann erfolgte noch der traditionelle Spaziergang durch den Akademiepark, dessen wehmütiger Zauber uns schon Torresani so schön 30.7.1914 Kmdt. I. Korps, 8.9.1916 Kmdt. 7. Armee, 1.11.1916 G O . , 2 . 3 . 1 9 1 7 Kmdt. 4. Armee, 24.9.1918 Inspizierender der k . u . k . Truppen an der dt. Westfront, 1.12.1918 Ruhestand. 2 1 6 ) Moritz Fleischmann v. Theißruck (Hermannstadt, 3 0 . 1 1 . 1 8 8 2 - ? , lebte 1945 noch in Budapest), 1903 als Jahrgangserster aus Milak. als Lt. zu H R . 3, Genstabslaufbahn, 1910 ins Direktionsbüro des Genstabs., 1912 ins Evidenzbüro, ab Kriegsbeginn Verbindungsoffz. beim dt. Oberkmdo. Ost, I . 8 . 1 9 1 7 Mjr. Î . G . , 29.4.1917 Glstbschef 53. I D . , 11.3.1918 bevollm. Glstbsoffz. des A O K . in Kiew, I I . 8 . 1 9 1 8 Glstbschef 19. ID. War sodann Offizier in der Honvéd-Armee und am zweiten Rückkehrversuch Kaiser Karls 1921 beteiligt. Ebenso war Fleischmann in die sog. „Francfälscheraffäre" verwickelt. Er galt 1914 bis 1917 als der Verbindungsoffz., der über die Vorgänge in der D O H L . und im Oberkommando Ost am besten informiert war und an das A O K . darüber berichtete.
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schildert. Und es hieß nun Abschied nehmen - von manch einem fürs Leben. Nachmittags entführte uns die Bahn. Die meisten fuhren wohl über Wien, wenige direkt über den Semmering nach Süden. Unser Jahrgang hatte vierundneunzig Zöglinge gezählt. Diese Vierundneunzig schritten nun ins Leben hinaus. Einige scheiterten schon in den ersten Jahren. Zwei Dutzend sahen sich in der Kriegsschule zum Eintritt in die Generalstabslaufbahn wieder. Etwa zehn waren im Weltkrieg auf dem Schlachtfeld geblieben. Ein Kamerad, Prinz Anton von Orléans 2 1 7 ), fand als britischer Flieger während des Waffenstillstandes durch Absturz ein vorzeitiges Ende. Er war der Sohn des Prinzen Gaston von Orléans 2 1 8 ), Grafen von Eu. Dodo Orléans, den wir nach österreichischem Brauch duzten wie jeden anderen Kameraden, war 1900 in die Akademie eingetreten. Er wohnte getrennt, machte sonst aber alles mit und wurde zu den Klagenfurter Husaren ausgemustert. Zu Kriegsbeginn traten er und seine zwei älteren Brüder 2 1 9 ), deren einer gleichfalls Neustädter gewesen ist, als Bourbonen aus dem kaiserlichen Heere aus, ähnlich den Brüdern Sixte 220 ) und Xavier 2 2 1 ) der späteren Kaiserin Zita 222 ). Anton Orléans war ein guter, lieber Kamerad. Einer erlitt als Generalstabsoffizier der ukrainischen Petljura-Armee im Frühjahr 1919 am Dniestr den Heldentod 2 2 3 ). Mehrere Kameraden hatten sich als Generalstabsoffiziere auf exponierten Posten befunden, so Bálványi 2 2 4 ), Brantner 2 2 5 ) und der Schreiber die2 1 7 ) Anton Prinz v. Orléans und Braganza (Paris, 3 . 8 . 1 8 8 1 - 9 . 1 2 . 1 9 1 8 , tödlich abgestürzt bei Echmonton), 1903 aus Milak. als Lt. zu HR. 6, 1909 Oblt., 1911 zu HR. 11, 8. 8.1914 nach der Kriegserklärung Frankreichs aus dem Heeresverband ausgetreten, im Weltkrieg zuletzt Rtm. bei den Royal Canadian Dragoons. 2 1 8 ) Gaston Prinz v. Orléans Graf d'Eu Boulogne sur Seine (Neuilly/Seine, 2 8 . 4 . 1 8 4 2 - a u f See, 28. 8.1922), verheiratet mit Isabella Prinzessin v. Braganza. 2 1 9 ) Pedro Prinz v. Orléans und Braganza (Petropolis bei Rio de Janeiro, 1 5 . 1 0 . 1 8 7 5 - 3 1 . 1 . 1 9 4 0 , ebendort), 1896 als Lt. aus Milak. zu U R . 4 , 1898 Obit., 27.1.1907 R t m . i . d . R e s . ; Ludwig Prinz v . O r léans und Braganza, 1898 aus TMA. als Lt. zu KAR. 3, 1.5.1901 Oblt., 17.6.1906 in die Reserve bei HR. 5 versetzt. 2 2 0 ) Sixtus Prinz v. Bourbon-Parma (Schloß Wartegg, 1 . 8 . 1 8 8 6 - 1 4 . 3 . 1 9 3 4 , Paris). Dr. iur., kgl. belgischer Artilleriehauptmann. Prinz Sixtus diente nicht in der k. u . k . gesamten bewaffneten Macht. 2 2 1 ) Xavier Prinz von Bourbon-Parma (Camaiore, Provinz Lucca, 25. 5 . 1 8 8 9 - 4 . 5.1977, ?), kgl. belg Artilleriehauptmann a . D . Auch Prinz Xavier diente nicht in der k . u . k . gesamten bewaffneten Macht. 2 2 2 ) Zita von Österreich, Prinzessin v. Bourbon-Parma (geb. Pianore, 9.5.1892), 21.10.1911 in Schwarzau am Steinfeld vermählt mit Ehg. Carl Franz Joseph. Vgl. Kaiserin Zita. Legende und Wahrheit. Nach Gesprächen und Dokumenten hg. v. E. Feigl, 2. Aufl. Wien-München 1978. 2 " ) Alfred Samánek (Lemberg, 2 2 . 5 . 1 8 8 3 - 2 1 . 5 . 1 9 2 0 , bei Soroki am Dnjestr), 1903 als Lt. aus Milak. zu IR. 99, 1.5.1914 Hptm. zuget. Glstb. beim 14. KKmdo., 29.11.1915 Glstbsoffz. 59. GBrig., 19.2.1917 zugeteilt dem Orientkorps, 9.6.1919 Kmdt. Nebenetappe Syrien, 1.8.1918 Mjr. i . G . , Ende 1918 Eintritt in die ukrainische Armee als Genstabschef des 2. Korps, 1919 Glstbschef der gesamten Armee. Er flüchtete nach dem Zusammenbruch des ukrainischen Staates und wurde von Räubern erschlagen. 2 2 4 ) Andreas Bálványi v. Oroszi (Csákova, 1 5 . 6 . 1 8 8 2 - 2 6 . 4 . 1 9 6 3 , Wien), 1903 als Lt. aus Milak. zu IR.38, 1913 Hptm. i . G . , 19.7.1913 ins Operationsbüro des Glstbs. (R-Gruppe), hatte dort neben Brantner großen Anteil an den letzten Änderungen der Aufmarschplanung gegen Rußland vor dem Kriege, 1.8.1914 zum II. Korpskmdo., 1.11.1917 Mjr. i . G . , 1.2.1918 Genstabschef der 34. ITD., nach dem Zusammenbruch Übernahme in die Honvéd-Armee, 1933 als GM. pensioniert, gelangte 1956 nach Österreich und trat hier durch militärwissenschaftliche Vortragstätigkeit hervor.
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ser Zeilen in der Operationsabteilung der österreichischen Heeresleitung, der Jahrgangserste Fleischmann im Hauptquartier Hindenburgs. Grueber 2 2 6 ) erfreute sich der engen menschlichen Freundschaft des jungen Kaisers aus dessen früherer Zeit. Consolati 2 2 7 ) wurde Obersthofmeister von des Kaisers Bruder und Exzellenz. In der Folge flatterte alles in die Nachfolgestaaten auseinander. Am weitesten habe ich es gebracht, zum österreichischen Vizekanzler und zum Rang eines deutschen kommandierenden Generals. Dafür war auch der Sturz am tiefsten. Brantner brachte es in Österreich, Gusti Denk in Ungarn zur höchsten Generalsstufe. Alle anderen blieben irgendwo hängen. Der Jahrgang traf sich noch zweimal: in ziemlich großer Zahl zum zwanzigjährigen Ausmusterungsjubiläum - es war eine sehr nette, intime Feier - und zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum, das mit der Enthüllung des erweiterten Gefallenendenkmals in Neustadt zusammenfiel und irgendwie in der Masse zerrann. Spätere Zusammenkünfte scheiterten an Politik und Krieg. Das fünfunddreißigjährige Jubiläum wäre in das Anschlußjahr 1938 gefallen. Der politische Kampf der vorangehenden Jahre hatte zwischen uns schon manchen Keil hineingetrieben. Scharfe Legitimisten lehnten jeden Zusammenhang mit den nationaler gesinnten Kameraden ab. Ich habe es nie verstanden, wie man politische Meinungsverschiedenheiten in die persönlichen Beziehungen übertragen konnte. Mir war der politische Gegner im Verkehr vielfach interessanter als der Gesinnungsgenosse, der mir nicht mehr sagen konnte, als ich ohnehin wußte. - Im Anschlußjahre selbst war schon der eine oder andere Kamerad diskriminiert (lange nicht in dem Ausmaß, wie später die wirklichen und angeblichen Nazi). Dann kam der Krieg. An Neustädter-Jahrgangszusammenkünfte war schon gar nicht mehr zu denken. Ein Jahrgangskamerad, Josef Marschik 2 2 8 ), erlitt in Frankreich den Heldentod als Oberstleutnant. Einer, nur einer, wurde meines Wissens verhaftet, Kari Grebenz 2 2 9 ),
2 " ) Theodor Brantner (Großfeld bei Namiest/Mähren, 1 5 . 1 1 . 1 8 8 2 - 1 5 . 1 2 . 1 9 6 4 , Wien), 1903 als Lt. aus Milak. zu U R . 8 , 1 . 1 1 . 1 9 1 2 H p t m . i . G . , 1.5. 1913 ins Operationsbüro des Glstbs., 9 . 8 . 1916 eingeteilt beim X I . K K m d o . , 1 . 8 . 1 9 1 7 Mjr. i . G . , 1 7 . 1 1 . 1 9 1 7 Glstbschef 4. KD.,' 1 . 1 . 1 9 2 0 definitiv ins Ö B H . übernommen ( B M . f. H w . ) , 2 3 . 6 . 1 9 2 3 O b s t . , 1 . 8 . 1 9 2 9 Stabschef des Heeresinspektors, 2 7 . 1 . 1 9 3 0 G M . , 1 . 6 . 1 9 3 3 Vorstand des Präsidialbüros im B M . f. H w . , 1 . 4 . 1 9 3 4 gleichzeitig Leiter der Sektion I., 2 9 . 1 . 1 9 3 4 G d K . , 3 0 . 9 . 1 9 3 6 pensioniert, rückwirkend mit 1 . 3 . 1 9 3 8 O f f z . zur Verfügung des O K H . , 3 1 . 5 . 1 9 3 8 geschieden aus aktivem Dienstverhältnis. 2 2 6 ) Johann Grueber Edler v. Seelingsheim (Jungbunzlau, 1 9 . 1 0 . 1 8 8 1 - 2 4 . 4 . 1 9 4 1 , Wien), 1903 als Lt. aus Milak. zu D R . 7, 1914 R t m . und bei Kriegsbeginn dem Ehg.-Thronfolger zugeteilt, 1 5 . 1 2 . 1 9 1 6 ins A O K . , 1920 Mjr. und Ruhestand. Vgl.: Grueber, Unser Erzherzog, in: Der Österreicher, 1 7 . 8 . 1 9 3 7 , VI. 2 2 7 ) Anton Graf Consolati von Heiligenbrunn und Bauhof (Segegnano, 4 . 8 . 1 8 8 2 - 1 5 . 7 . 1 9 5 7 , Trient), 1903 als Lt. aus Milak. zu U R . 11, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 R t m . , k . u . k . Kämmerer, zugeteilt Ehg. Maximilian, 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert. 2 2 8 ) Josef Marschik (Wien, 1 2 . 3 . 1 8 8 3 - 1 . 4 . 1 9 4 0 , Frankreich), 1903 als Lt. aus Milak. zu 1. T K J R . , 1 . 2 . 1 9 1 3 eingeteilt in K M . / 1 0 . A b t . , 1 . 1 1 . 1 9 1 3 H p t m . i . G . , 2 8 . 1 0 . 1 9 1 7 eingeteilt bei 44. S c h D . , 1 . 5 . 1 9 1 8 M j r . , 1 . 9 . 1 9 2 0 pensioniert, 3 . 4 . 1 9 2 2 Obstlt. (Titel), 1939 zur D t . W m . 2 " ) Kari Grebenz (Bruck/Leitha, 1 1 . 1 . 1 8 8 1 - 1 2 . 1 2 . 1 9 5 3 , Graz), 1903 aus Milak. als Lt. zu F J B . 20, 1914 Hptm. u. Kmdt. einer Ballon-Abt. in Przemysl, 1 . 1 . 1 9 2 0 M j r . , 1921 pensioniert, 1922 Titular-Obstlt., 1924 Dr. iur.
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der Bärtige. Ich habe öfter, aber vergeblich für ihn interveniert. Eine schöne, treue Kameradschaft war für immer gesprengt. Scheußliche Zeit! In den verschiedenen Garnisonen hatten sich seit der Jahrhundertwende auch periodisch abgehaltene „Neustädter-Abende" eingebürgert. An der Spitze marschierte Wien, wo Oskar Teuber den schönen Brauch im Hotel Wandl hinter der Peterskirche begründet hatte. Schon bei vorübergehenden Aufenthalten besuchte ich den Wiener-Abend, wenn ich zurechtkam. In der Kriegsschule gehörte ich zu den regelmäßigen Besuchern. Die Abende waren immer interessant, schon wegen der höchsten Besucher. Einmal war der Kriegsminister Schönaich 2 3 0 ) anwesend, dann Conrad v. Hötzendorf, der Armeeinspektor Albori 2 3 1 ), der schließlich eine Art Präsident wurde, der Generalkavallerieinspektor Brudermann 2 3 2 ) - sie und viele andere Berühmtheiten der damaligen k . u . k . Armee waren Neustädter und suchten unseren Kreis auf. Auch meinen Vorgänger als Direktor des Kriegsarchivs, den damaligen Major R. v. H o e n 2 3 3 ) , lernte ich in meiner Kriegsschulzeit auf einem Neustädter-Abend kennen. Ich hatte eben in einer von Veltzé 2 3 4 ) herausgege-
Franz Frh. v. Schönaich (Wien, 2 7 . 2 . 1 8 4 4 - 2 8 . 1 . 1 9 1 6 , Wien), 1862 aus der Milak. als Lt. zu F J B . 11, Genstabslaufbahn, 1.5.1899 als GM. Sektionschef im R K M . , 10.12.1902 Kmdt. X. Korps und kdi. Gen. in Josefstadt, 1.5.1904 FZM., 11.3.1905 Min. f. Landesverteidigung, 24.10.1906 Reichskriegsminister, 20.9.1911 pensioniert. Zunächst von Ehg. Franz Ferdinand mit Vorschußlorbeeren bedacht, zog er sich bald seinen und seiner Ratgeber Haß zu, als er sich den Forderungen der Ungarn gegenüber zu konziliant und seinem Kriegsherrn gegenüber allzu loyal zeigte. Vgl. W. Hetzer, Franz von Schönaich, Reichskriegsminister von 1906 bis 1911, Wr. Diss. 1968. 2 3 1 ) Eugen Frh. v. Albori (Cattaro, 2 7 . 9 . 1 8 3 8 - 4 . 9 . 1 9 1 5 , Wien), 1857 als Lt. aus Milak. zu T K J R . , Genstabslaufbahn, 1.11.1884 GM. u. Kmdt. 72. IBrig., 1.11.1889 F M L . , 4.12.1893 Stellvertreter des Kmdt. II. Korps, 14.9.1894 Kmdt. I. Korps u. kdi. Gen. in Krakau, 25.10.1897 FZM. u. Kmdt. XV. Korps u. Chef der bosn.-herzeg. Landesregierung, 25.6.1907 Armeeinspektor, 16.4.1910 enthoben, 1913 als Gdl. pensioniert. 2 3 2 ) Rudolf R. v. Brudermann (Gyongyös, 9 . 1 . 1 8 5 1 - 1 5 . 1 . 1 9 4 1 , Wien), 1869 aus Milak. als Lt. zu UR. 11, Kavallerieoffizierslaufbahn, 1.5.1897 GM., 28. 7.1906 General-Kavallerie-Inspektor, 1.5.1907 GdK., 1.11.1912 Armee-Inspektor, 28.7.1914 Kmdt. d. 3.Armee, 6.9.1914 (nach der ersten Schlacht bei Lemberg) enthoben, 27. 3.1915 pensioniert. Die Niederlage in der Schlacht bei Lemberg wird nach neusten Forschungen - wohl endgültig - nicht ihm, sondern dem A O K . angelastet, das den Schwerpunkt des russischen Aufmarsches nicht richtig erkannt oder in seinen Dispositionen falsch einkalkuliert hatte. 2 3 3 ) Maximilian R. v. Hoen (Fulda, 1 7 . 2 . 1 8 6 7 - 2 . 9 . 1 9 4 0 , Scheifling a.d. Mur), 1887 aus Milak. als Lt. zu IR. 4, Generalstabslaufbahn, 1.5.1896 in die kriegsgeschichtliche Abteilung des KA., 1.5.1911 Obst. i . G . , 7.10.1911 Leiter des Pressebüros des KM., 3.5.1912 ins KA., ab Kriegsbeginn Chef des Kriegspressequartiers, 1.3.1915 G M . , 27.12.1915 auch Direktor des KA., 1.2.1918 FML., 1.10.1920 FML. a . D . , 1.5.1924 Bundesbeamter der II. Dienstklasse, 31.1.1925 pensioniert. Hoen war sowohl ein bedeutender Autor als auch der Organisator der zur Zeit seiner Amtsführung in der kriegsgeschichtlichen Abteilung und der Direktion des KA. erschienenen Werke. Er verfaßte einzelne Bände des Werkes über den österreichischen Erbfolgekrieg, bedeutende Werke über den Siebenjährigen Krieg, die Feldzugsjahre 1809, 1813 und 1814. Von ihm stammen die vorbildlichen Regimentsgeschichten der IR. 4, 59 und 73 (vgl. Inventar des Kriegsarchivs Wien, Wien 1953, Bd. 2, s. Register). Als Chef des Kriegspressequartiers löste er die schwierige Aufgabe der Behandlung und Beschäftigung der Journalisten, Literaten und Künstler zur Zufriedenheit aller mit Nutzen und Erfolg. Hoen war das Vorbild und der Förderer Glaise-Horstenaus auf dem Gebiet der Historiographie und des beruflichen Aufstiegs im Rahmen des KA. Vgl. Werkverzeichnis Nr. 129,177,328.
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benen Schriftenreihe mein erstes historisches Büchlein „Tuzla und Doboj 1878 2 3 5 ) erscheinen lassen. Hoen begrüßte mich mit den Worten: „Also du bist der unglückselige Dichterling! Ich mache dich aufmerksam, überlege dirs recht gut, es ist" - er meinte das Kriegsgeschichteschreiben - „ein äußerst mühsames und undankbares Arbeiten." Ich war dennoch entschlossen, das Kriegsarchiv - und nur dieses - anzustreben. - Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Verein Alt-Neustadt als Kriegerbund ins Leben gerufen 2 3 6 ). Sein erster Präsident war G O . ν. Roth-Limanowa-Lapanów 2 3 7 ), Heerführer aus dem Kriege. Auch die Neustädter-Zusammenkünfte lebten wieder auf, ebenso wurde das Stiftungsfest alljährlich am zweiten Dezembersonntag in der Kapuzinerkirche und im Militärkasino begangen. Der Zuspruch war groß. Auch in Budapest gab es einen Neustädter-Abend - an jedem ersten Dienstag des Monats. Die letzte Neustädter-Zusammenkunft sollte ich am 17. August 1944 in Agram verleben. Mein „Burgherr" Ivo Percevic 2 3 8 ), nunmehr kroatischer General und Ordenskanzler, hatte sie veranstaltet. Unser Senior war General der Infanterie von Csicserics 2 3 9 ), neben dem ich, nicht in deutscher Uni" " ) Alois Veltzé (Totis, Ungarn, 1 5 . 2 . 1 8 6 4 - 2 1 . 3 . 1 9 2 7 , Wien), 1884 aus Milak. als Lt. zu T J R . , 1 . 1 . 1 8 8 9 O b l t . I R . 4, 5 . 9 . 1 8 9 4 dem K A . dauernd zugeteilt, 1 . 1 1 . 1 8 9 5 H p t m . , 1 . 4 . 1 8 9 6 definitiv im K A „ 4 . 1 2 . 1 9 0 0 in die Reserve 1. T K J R . , 1 . 1 . 1 9 0 3 Armeestand, 1 . 1 1 . 1 9 0 9 M j r . , 1 . 3 . 1 9 1 3 Vorstand der Bibliothek des K A . , 1 . 1 1 . 1 9 1 3 Obstlt., 1 . 5 . 1 9 1 5 Vorstand der Schriftenabt. des K A . , 1 . 5 . 1 9 1 6 O b s t . , 1 . 8 . 1 9 2 0 pensioniert, sodann Vertreter der ital. Regierung beim K A . im Rang eines Obersten. Wie Hoen war Veltzé einer der fruchtbarsten Militärschriftsteller seiner Zeit (Inventar des Kriegsarchivs, Bd. 2, 117 u . s . Reg.). Hervorzuheben sind seine Arbeiten zum Kriegswesen der Stadt Wien und zu den Feldzügen 1809 sowie 1813/15. Sein Hauptwerk ist: „Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli, 4 B d e . , Wien-Leipzig 1 8 9 9 - 1 9 0 1 . " E r redigierte „ D a s Kriegsjahr 1809 in Einzeldarstellungen", 11 Bde., Wien 1 9 0 5 - 1 9 1 0 , und die meisten Bände des „ A r m e e - A l m a n a c h " , J g . 1, 1 9 0 6 - J g . 7, 1913/14. Ab November 1914 war Veltzé auch Leiter der „Literarischen Gruppe" im K A . , wo bedeutende Schriftsteller, u.a. Stefan Zweig, Franz Theodor C s o k o r usw., an populären Darstellungen des Weltkrieges arbeiteten (vgl. dazu: K. Peball, Literarische Publikationen des Kriegsarchivs im Weltkrieg 1914 bis 1918, in: M Ö S T A . , 14. B d . , 1961, 2 4 0 - 2 6 0 . 235
) Vgl. Werkverzeichnis N r . 19.
) Am 23. O k t o b e r 1919 wurde der Verein „ A l t - N e u s t a d t " gegründet. Wahrscheinlich ab 1922 war G d l . O t t o Meixner geschäftsführender Präsident und G O . Roth Ehrenpräsident des Vereins. " 7 ) Josef Freiherr Roth v. Limanowa-Lapanów (Triest, 2 2 . ' 1 0 . 1 8 5 9 - 9 . 4 . 1 9 2 7 , Wien), 1879 aus Milak. als Lt. zu F J B . 21, Glstabslaufbahn. 8 . 4 . 1 9 1 0 Kmdt. Milak., 5 . 8 . 1 9 1 4 Kmdt. 3. I T D . , 3 0 . 9 . 1 9 1 4 Kmdt. X I V . Korps, 1 . 9 . 1 9 1 5 G d L , 1 8 . 3 . 1 9 1 6 Landesverteidigungskmdt. von Tirol, 1 4 . 1 1 . 1 9 1 6 Kmdt. X X . Korps, 1 . 2 . 1 9 1 8 G O . , 2 3 . 2 . 1 9 1 8 Generalinspektor der Militär-Erziehungsund Bildungsanstalten, 2 . 1 0 . 1 9 1 8 Ritter des M M T O . für den Anteil seiner Kommandoführung in der Schlacht bei Limanowa-Lapanów 1914, 1 . 1 2 . 1 9 1 8 Ruhestand. 2 3 8 ) Iwan Percevic Edi. v. Odavna (Wien, 21. 5 . 1 8 8 1 - 1 9 4 7 , hingerichtet in Agram), 1901 aus Milak. als Lt. zu U R . 5, Generalstabslaufbahn, im Weltkrieg rasch wechselnd in div. Stabsstellungen; kürzere Truppendienstleistungen, 1 . 9 . 1 9 1 5 Mjr. i . G . , 2 . 4 . 1 9 1 7 in Operationsabteilung des A O K . , 1 . 1 1 . 1 9 1 7 Obstlt. i . G . , 5 . 7 . 1 9 1 8 in 5. Abt. K M . , 1 . 3 . 1 9 1 9 Ruhestand. U b e r sein späteres Schicksal und seine Dienstleistung in der kroatischen Armee vgl. Bd. 3 der Erinnerungen. 2 3 9 ) Maximilian Csicserics v. Bacsány (Arad, 3 . 5 . 1 8 6 5 - 8 . 1 1 . 1 9 4 8 , Agram), 1884 aus Milak als Lt. zu I R . 38, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 8 9 2 H p t m . i . G . , ab 1900 Lehrer für Strategie an der Kriegsschule, 1 5 . 2 . 1 9 0 4 delegiert als Militärbeobachter ins russische Hauptquartier während des russisch-japanischen Krieges, 1 . 1 1 . 1 9 0 5 O b s t . i . G . , 2 8 . 4 . 1 9 0 8 Glstbschef X I . Korps, 1 . 5 . 1 9 1 1 G M . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Glstbschef S . A r m e e , 1 0 . 1 0 . 1 9 1 4 zugeteilt dem Kmdo. der Donaulinie, 1 7 . 4 . 1 9 1 5 Kmdt. 14. I T D . , 6 . 7 . 1 9 1 6 Kmdt. X I I I . Korps, 14. 6 . 1 9 1 7 Kmdt. X X I I I . Korps, 1 4 . 1 2 . 1 9 1 7 militärischer Vertreter bei den Frie236
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I. Jugend und Militärerziehung
form, sondern in Zivil, saß. Csicserics hatte seinerzeit als Major den russisch-japanischen Krieg mitgemacht. Ich war ihm während der Verhandlungen von Brest-Litowsk als Gehilfe zugeteilt. Nachher zog er sich auf ein angeheiratetes Gut im rumänischen Banat zurück. Von dort lud ihn 1941 der neue kroatische „Marschall" Kvaternik 2 4 0 ) ein, nach Agram zu kommen. Der Unglückliche folgte dem Ruf. Er verkaufte das schöne Gut, der gewonnene Geldbetrag zerrann durch die Umwechslung der Lei und die kroatische Inflation in nichts. Was jetzt mit dem fast erblindeten, geistig noch unerhört regsamen Manne geschehen sein mag? - Unter den Neustädtern im deutschen Heere brachten es während des Krieges zwei zum Generalobersten und Heeresgruppenführer, nämlich der feine, geistig und charakterlich überaus hochstehende Fliegergeneral Lohr 2 4 1 ), väterlicherseits Frankfurter, mütterlicherseits Georgier (den er im Typus verriet), russisch-orthodoxen Bekenntnisses, geboren in Turnu Severin, w o sein Vater Angestellter der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft war. Lohr wurde Mai 1945 von den Briten an Tito als Kriegsverbrecher ausgeliefert. Unter seinem Oberbefehl wurde am 6. April 1941 auf Hitlers Befehl Belgrad bombardiert. Ich wünschte, alle deutschen und österreichischen Städte wären mit solcher „Sorgfalt" heimgesucht worden wie die jugoslawische Hauptstadt. Ich sah sie vierzehn Tage später. Der zweite war Lothar Rendulic 2 4 2 ), densverhandlungen in Brest-Litowsk, 1.2.1918 G d l . , sodann wieder Kmdt. XXIII. Korps, 1.1.1919 pensioniert. Seine umfangreichen - leider fragmentarischen - Erinnerungen erliegen unter Kriegsarchiv, Nachlaßsammlung B/198, Nr. 1. 2 4 0 ) Slavko Kvaternik (Vucinic, 25. 8 . 1 8 7 9 - 8 . 6 . 1 9 4 7 , Agram), 1897 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Karlstadt zu IR. 90, 1898 Lt., Glstbslaufbahn, Kriegsbeginn Glstbschef 42. H I D . , 22.10.1914 Flügeladjutant Gdl. Boroevic, 1.2.1916 Mjr. i. G., 2 8 . 2 . 1 9 1 6 Glstbschef 55. ID., 1. 5.1918 Obstlt. i . G . , nach Kriegsende kurz in der jugoslawischen Wehrmacht, organisierte sodann gemeinsam mit Ante Pavelic die Ustascha-Bewegung, proklamierte am 10.4.1941 den unabhängigen Staat Kroatien, ab 15.4.1941 Stellvertreter des Staatsführers Pavelic. Er baute die kroatische Armee (Domobranzen) auf, wurde aber am 6 . 1 0 . 1 9 4 2 seines Postens als deren Oberbefehlshaber enthoben. 2 4 1 ) Alexander Lohr (Turnu-Severin/Rumänien, 2 0 . 2 . 1 8 8 5 - 2 6 . 2 . 1 9 4 7 , hingerichtet in Belgrad), 1906 als Lt. aus Milak. zu IR. 85, Genstabslaufbahn, 1.11.1913 zur Verkehrstruppenbrig. als Oblt. zuget. d. Glstb., 2 8 . 9 . 1 9 1 4 zur 58. IBrig., 1.3.1915 H p t m . i . G . , 4.10.1915 zugeteilt d. 29. ITD., ab 1.5.1916 in Abt. 5/L des K M . ; nach KE. Übernahme in Volkswehr und Ö B H . , 1. 7.1920 Mjr. im BM. f. H w „ 20.7.1928 Obst., 1.5.1934 Kmdt. ö s t . Luftstreitkräfte, 25.9.1934 G M . , Übernahme in Dt. W m . , 1.4.1939 General der Flieger und Chef der Luftflotte 4, Polenfeldzug, 6 . 4 . 1 9 4 1 Angriff auf Belgrad, 4 . 5 . 1 9 4 1 G O . , 9 . 5 . 1 9 4 1 Beginn der Eroberung Kretas, ab VII. 1942 Kmdt. d. 12. Armee (ab 1.1.1943 H G r p E.). Vgl. J . Diakow, Generaloberst Alexander Lohr, Freiburg i. Br. 1964. 2 4 2 ) Lothar Rendulic (Wr. Neustadt, 2 3 . 1 0 . 1 8 8 7 - 1 7 . 1 . 1 9 7 1 , Wilhering), 1910 als Lt. aus Milak. zu IR. 99, 1 . 5 . 1 9 1 7 Hptm. zugeteilt Glstb., 20.8.1918 zugeteilt XXI. KKmdo., Übernahme in die Volkswehr und ins Ö B H . , 3. 7.1921 Stabshptm. beim 4. Brigkmdo., 1.1.1926 Mjr., 1 . 4 . 1 9 2 7 versetzt ins BM. f. H w . , 15.1.1929 Obstlt., 2 8 . 6 . 1 9 3 3 Obst., 20.10.1933 Militârattaché in Paris und London, 1.1.1935 versetzt zum Heeresinspektor, 1.6.1935 zugeteilter Offz. bei der schnellen Division, 31.1.1936 pensioniert, M ä r z 1938 Übernahme in die Dt. W m . als Glstbschef beim XVII. AK., 1.12.1939 G M . , 15.6.1940 Kdr. 14. ID., 5 . 1 0 . 1 9 4 0 Kdr. 52. ID., 1.12.1941 GLt., 1.11.1942 Kdr. XXXV. AK., 1.12.1942 G d l . , 15.4.1943 Kdr. d. 2. Panzerarmee, 2 0 . 4 . 1 9 4 4 G O . , 2 5 . 6 . 1 9 4 4 Oberbefehlshaber d. 20. Gebirgsarmee, 2 7 . 1 . 1 9 4 5 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, 13.3.1945 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Kurland, 8 . 4 . 1 9 4 5 Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, 19.2.1948 vom Internationalen Gerichtshof zu zwanzig Jahren Kerker verurteilt, später begnadigt und als Militärpublizist tätig. Seine wichtigsten Memoirenwerke sind: Gekämpft, gesiegt, geschlagen,
Militärrealschule u n d Militärakademie
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Vater 243 ) noch Likaner, also Urkroate, wovon der stark nationalsozialistische Sohn jedoch erst Gebrauch machte, als er erfahren hatte, daß Hitler in den Kroaten ostgotische Ableger erblickte - im übrigen kein unbedingt angenehmer Zeitgenosse und daher auch kein guter Vertreter echten Neustädtertums . . . Ich hatte die Alma Mater Theresiana als ihr ergebenster Sohn verlassen und habe ihr zeitlebens Treue bewahrt. Der Gedanke, daß nun auch sie dank dem HitlerKriege in Trümmern liegt, sucht mich selbst in wachen Nächten heim. Alt-Neustadt allerwege!
Wels 1952; Soldat in stürzenden Reichen, München 1965; vgl. auch: Anna N. Rendulic, . . . und die Segel ziehen vorüber . . . Ein Leben, Wels 1966. Neben seinen früheren Werken in MWM. und zahlreichen Artikeln, insbesondere in den „Salzburger Nachrichten", ist an militärtheoretischen Arbeiten hervorzuheben: Grundlagen militärischer Führung, Herford-Bonn 1967. 243 ) Lukas Rendulic (Popovselo/Kroatien, 18.10.1852-11.5.1936, Wr. Neustadt), 1870 aus militärtechn. Schule Mährisch-Weißkirchen als Korporal-Titular-Zugsführer zu FestArtBaon. 4, 1.5.1874 Lt., 1.2.1895 Art.-Zeugs-Offizial 1. Kl., Dienst in diversen Zeugsdepots, 1.9.1910 als Obstlt. pensioniert, bei KB. auf Mobdauer aktiviert beim Art-Zeugsdepot Wollersdorf, 5.7.1917 Obst. d.R.
II. FRIEDENSDIENSTLEISTUNG 1. D I E „ S C H Ö N E , W I L D E
LEUTNANTSZEIT"
Sie war übrigens gar nicht so wild, diese meine Leutnantszeit, wie sie Torresani in seinem Buche beschrieb, aber schön, wie man sie sich nur wünschen konnte. Ich kam am 19. August 1903 früh in Salzburg an. Wie sich die Einkehr zu Hause, das Wiedersehen mit meiner glücklichen Mutter, die ersten Spaziergänge in der Stadt, die Begrüßung alter und neuer Bekannter vollzog, weiß ich nicht mehr. Mein Regiment war in den Manövern. Nur ein Offizier war zurückgeblieben : Oberleutnant Heinrich v. Károlyi 1 ). Er war, wie sein Name sagt, uralter ungarischer Abkunft. Seine Familie hatte sich im fünfzehnten Jahrhundert von dem gleichnamigen Geschlecht jetzt gräflichen Standes getrennt. Sein Vater hatte in Kärnten eingeheiratet, war aber doch ungarischer Staatsbürger geblieben. Bei den Kaiserjägern waren noch um die Jahrhundertwende viele Magyaren als Offiziere eingeteilt. Die meisten von ihnen gebärdeten sich unerhört chauvinistisch - Károlyi gehörte nicht zu ihnen. D a brachte das vom Kriegsminister Pitreich 2 ) an die Magyaren gemachte Zugeständnis, alle Offiziere ungarischer Staatsbürgerschaft über die rot-weiß-grünen Grenzpfähle zurückzurufen, viel Heulen und Zähneknirschen unter die Betroffenen, die höchst ungern aus Wien, Salzburg oder Graz in irgendein Pußtanest abzogen. Mancher rettete sich durch jähe Erwerbung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Auch Heinz v. Károlyi wurde aus diesem Anlaß Österreicher, wobei er eines seiner Adelsprädikate verlor. Obgleich um fünfzehn Jahre älter, gehörte er in Hinkunft zu meinen besten Freunden im Regiment. Er war Autodidakt, verfügte aber über viel ' ) Heinrich Károlyi ν. Kàroly-Patty ( H a r b a c h , B e z . Klagenfurt, 2 6 . 1 . 1 8 6 8 - 5 . 1 1 . 1 9 2 9 , Innsbruck), 1885 freiwillig zu F J B . 27, 1 . 5 . 1 8 9 2 L t . , 1 . 1 0 . 1 8 9 3 zu T J R . , 2 4 . 4 . 1 8 9 5 zu 4 . T K J R . , 1 . 5 . 1 9 0 5 H p t m . , 1 . 2 . 1 9 1 4 beurlaubt mit Wartegebühr, ab Kriegsbeginn beim R g t . , 1 . 1 . 1 9 1 5 M j r . , 2 0 . 6 . 1 9 1 5 Etappenstationskmdt. in B o z e n , 1 3 . 3 . 1 9 1 6 Kanzleidirektor des l l . A K m d o . , 1 . 1 1 . 1 9 1 6 O b s t l t . , 2 6 . 7 . 1 9 1 7 gleichzeitig Flügeladjutant G O . G r f . Scheuchenstuels (bis K E . ) , 1 8 . 5 . 1 9 2 1 T i t u l a r - O b s t . 2 ) Heinrich R . v. Pitreich (Laibach, 1 0 . 7 . 1 8 4 1 - 1 3 . 1 . 1 9 2 0 , Wien), 1 . 7 . 1 8 5 9 als Lt. aus Genieakademie zu Geniebaon. 6, Glstabslaufbahn, 8 . 4 . 1 8 8 3 als O b s t l t . i . G . Vorstand d. 5. A b t . / R K M . , 1 8 . 4 . 1 8 9 0 Vorstand des P r ä s i d i a l b ü r o s / R K M . , 1 . 1 1 . 1 8 9 1 G M . , 1 0 . 4 . 1 8 9 5 K m d t . 2 4 . I T D . , 1 . 5 . 1 8 9 5 F M L . , 1 7 . 1 . 1 8 9 6 Stellvertreter des Chefs des G l s t b s . , 1 8 . 1 2 . 1 9 0 2 Reichskriegsminister, 2 4 . 1 0 . 1 9 0 6 enthoben, 1 . 3 . 1907 pensioniert. Bezügl. seiner Person vgl. die Literatur über Ehg. Franz Ferdinand, der sein scharfer Gegner wurde, als Pitreich den Ungarn in der „ A r m e e f r a g e " allzu weit entgegenzukommen schien.
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selbsterworbene Bildung und verband seine dilettantenhafte Leidenschaft für die Medizin mit der Bekanntschaft vieler Ärzte. Er hatte eine besonders hübsche, elegante Frau, der ich - natürlich in allen Ehren, aber umso eifriger - den H o f machte. D a sie literarischen Ehrgeiz besaß, fanden wir manchen Anknüpfungspunkt. Ich überwand meine Schüchternheit. Besonders eng schloß ich mich in diesen Wochen an Hans v. Freisauff 3 an, der ein Jahr vor mir zur Salzburger Landwehr ausgemustert worden und wegen Erkrankung von den Manövern weggeblieben war. Auch uns brachte ein Menschenalter später die Politik auseinander . . . Meine Mutter und ich bezogen eine ganz kleine Wohnung mit Balkon in der Neutroststraße 28, gegenüber dem neuen Gasthaus zum Ofenloch. In unserer Nachbarschaft wohnte leider Tante Therese, die uns mit ihrem unglücklichen Temperament manche bittere Stunde bereitete. Aber sie verfolgte mich mit einer wahrhaft abgöttischen Liebe. Ich bezog später, als ich 1910 aus der Kriegsschule als Generalstabsoffizier nach Salzburg kam, ein zweitesmal die gleiche Wohnung. Es war, an späteren Maßstäben des Dritten Reiches gemessen, lächerlich, wie bescheiden man gewesen ist. Mitte September kehrte das Regiment von den Manövern heim. Zwei Bataillone des Regiments lagen in Salzburg in Garnison. Eines befand sich in der Kaderstation in Hall in Tirol, eines in meiner Geburtsstadt Braunau am Inn, wo fünfzehn Jahre früher endlich Hitler zur Welt gekommen war. Unser Oberst Roschatt hatte die Gewohnheit, alle neu Eingeteilten zu einem der beiden detachierten Bataillone zu geben. Meine Mutter hatte, noch als ich in der Akademie war, diese Gefahr pariert, indem sie die Hilfe eines Regimentsadjutanten, eines Neustädters - natürlich nicht vergebens - anrief. Grollend erlaubte Roschatt, daß ich provisorisch in Salzburg blieb. Aus dem Provisorium wurde, wie so oft in Österreich, ein Definitivum, das die Kommandoführung Roschatts überdauerte und bis in den Herbst 1907, zu meinem Abgang in die Kriegsschule, anhielt. Entgegen den Befürchtungen Roschatts hatte ich mich nicht an der Rockfalte meiner Mutter angehalten, sondern wie jeder Unverheiratete wesentlich der Kameradschaft gelebt. Ich verzichtete monatelang völlig darauf, die Mittagsmahlzeit zu Hause einzunehmen, erschien immer in der „Offiziersmenage", wo ich bald einen Platz in der Nähe Roschatts, eines geschiedenen Mannes, erhielt und meinem Obersten auch menschlich nähertrat. Er war ein Typus. Geboren zu Rattenberg, als Sohn eines höheren Richters, hätte er nach seinem Äußeren und zum Teil auch seinem Gehaben nach ebenso das Kind eines biederen Tiroler Landmannes sein können. Er war fünfundfünfzig Jahre alt, etwas beleibt und neigte zu körperlicher Bequemlichkeit. Sein Regiment hielt er in strenger Zucht, ohne je ein Wüterich zu sein. Als Führer eines Offizierskorps konnte man sich keinen Besseren vorstellen. Er regierte mit leichtem, aber sicherem Zügel. Eine 3 ) Hans Freisauff (Salzburg, 5 . 1 1 . 1 8 8 0 - 1 3 . 3.1945, Solbad Hall), in die Milak. aus der Priestererziehung eingetreten, 1902 als Lt. aus Milak. zu Landesschützenrgt. I, 1.11.1907 Oblt., 1.5.1911 zugeteilt GIstb., Landesverteidigungs-Kmdo. Tirol, 24.5.1915 eingeteilt beim Rayon Südtirol, 8.3.1916 beim X X . K . K m d o . , 22.11.1916 beim Milkmdo. Innsbruck, 1.11.1918 Mjr., 1.8.1920 pensioniert, 1922 Titular-Obstlt. Freisauff war sodann führend in der legitimistischen Bewegung tätig.
Die „ s c h ö n e , wilde Leutnantszeit"
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besondere Angelegenheit war in jedem Semester der von ihm ausgegebene „Fahrplan", in welchem genau verzeichnet war, wo an jedem Tage der Woche er sein Abendessen einnahm. Das hieß nicht, daß man hinkommen mußte. Man konnte ruhig zu Hause bleiben. Aber wenn man ausging, dann gehörte man an seinen Tisch. Die gewisse Einzeltrinkerei ließ er nicht zu. Das hatte sehr triftige Gründe. Bei ihm zu sitzen, war nicht unangenehm, er hielt es am liebsten mit den Leutnan,ten und jüngeren Hauptleuten. So kam es, daß das Offizierskorps wie aus einem Guß war und Ehrenratsangelegenheiten innerhalb des Regiments zu den seltensten Ausnahmen gehörten. Die große Empfindlichkeit Roschatts gegen Hitze hatte für uns einen besonderen Vorteil : die Ausrückungen und Übungen unter seinem Kommando waren von kurzer Dauer. Obgleich wir Kaiserjäger waren, mied er Berge. Es mußte ein gebirgsgewohnter „zweiter Oberst" kommen, damit das Regiment seine erste Hochgebirgsübung - auf dem berühmten Untersberg - unternehmen konnte. Daß ich bei Roschatt relativ früh zu Ansehen und Geltung kam - obgleich er kein Neustädter war - hatte ich einem besonderen Glücksfall zu verdanken. In den Monaten nach meiner Ausmusterung aus Neustadt weilte Torresani in Salzburg. Er, der seit Jahren keine eigene Wohnung besaß, sondern mit Frau und dem heranwachsenden Buben ein ständiges Hotelleben führte, wohnte zuerst im Schloßrestaurant in Aigen und dann im Hotel Schiff auf dem Residenzplatz. Ich besuchte ihn natürlich sofort, und als ich mich ins Regiment eingegliedert hatte, arrangierte ich, daß ihn Roschatt in die Offiziersmenage einlud. Ich war dabei Torresani als Ehrenkavalier beigegeben. Roschatt war ein ausgezeichneter Gastgeber, und da Torresani einer alten Südtiroler Familie aus der Gegend von Cles entstammte und auch seine berühmte 1866er Attacke bei Condino in Südtirol gegen Garibaldi geritten hatte, ergaben sich für den Toast, den Roschatt, ein ganz geschickter Redner, auf den illustren Gast ausbrachte, eine Menge sinnvoller Anknüpfungspunkte. Torresani schwamm in Seligkeit. Auch ich war im Nu über das Niveau der gewöhnlichen Leutnante und Fähnriche hinausgehoben. Der Eintritt in eine große Familie, wie es ein Regiment ist, war so einfach nicht. Man mußte sich etliche dutzendmal in volle Parade werfen und vorstellen und wieder vorstellen. Und wehe, wenn man dabei einen brummigen Häuptling übersah, was natürlich leicht passieren konnte. Parade-Uniform ! Torresani hatte es zwar immer gerügt, daß die Neu-Uniformierung des österreichischen Heeres nach dem Jahre 1866 in die Hände eines Trainingsinspektors gelegt worden sei, wobei er die „Preußische" Entartung der langen Rockschöße und der hohen Kragen noch besonders anprangerte. Er hatte bei seiner Ausmusterung aus Neustadt 1865 noch Uniformen französischen Schnittes getragen, wie es sich nach 1859 in der Armee eingebürgert hatte. Den jetzigen Österreichern ins Stammbuch gehört übrigens die Tatsache, daß selbst dieser tief schwarzgelbe Torresani immer wieder hervorhob, wie er als der beste Österreicher die deutsch geschriebene Literatur doch als einen Teil gesamtdeutschen Kulturlebens anerkennen müsse. Dessenungeachtet wies die Uniform der Kaiserlichen eine Menge Elegantes auf. Dies galt insbesondere auch für die Kaiserjäger. Sie trugen
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zur Parade „hechtgraue" einreihige Waffenröcke und Beinkleider ebensolcher Farbe mit einem grünen Doppelstreifen, „ L a m p a s s e n " genannt. Auch Kragen und Ärmelaufschlag waren grün, bei Stabsoffizieren mit goldenen Borten geziert, während man vom Leutnant bis zum Hauptmann nur Sterne am Kragen trug. Die Knöpfe waren gelb und im Gegensatz zu der Numerierung bei den Feldjägerbataillonen glatt, so daß sich die Regimenter 1 bis 4 der Kaiserjäger in nichts unterschieden. D a s hatte seinen tieferen Sinn. Die Kaiserjäger sollten nach altem Tiroler Privileg als ein einheitlicher Truppenteil in Erscheinung treten. Daher auch die ungewöhnliche, im Jahre 1893 vom Kaiser selbst gewählte Numerierung statt der eigentlich gebräuchlichen : Tiroler Jägerregiment Kaiser N r . 1 usw. - zur Sonderstellung der Kaiserjäger gehörte es auch, daß der Kaiser, wenn er auf Tiroler Boden erschien, nicht die Uniform eines Feldmarschalls, sondern die eines Obersten seiner Jäger, dazu unter Umständen alle Großkreuze wie zur Generalsgalauniform trug. Den Kopf deckte zur Parade ein , , C o r s é - H u t " . Dieser hatte in den letzten hundert Jahren manche Wandlung mitgemacht, konnte aber mit einem entsprechend vollen Hahnenfederbusch recht flott aussehen. Dazu langer Säbel und schwarzgelbe Feldbinde - Menschenskind, was wolltest du als junger Mann und Herzensbezwinger noch mehr! Das Offizierskorps des Regiments war zum Großteil bürgerlich. Von den vier Prinzen, die seit der Aufstellung in Linz im Regiment gedient hatten, hatte der letzte im Mai 1903 es verlassen. Es waren dies die Erzherzöge Josef Ferdinand, Peter Ferdinand 4 ) und des Kaisers Schwiegersohn, Franz Salvator 5 ), sowie Ludwig Josias von Sachsen-Coburg 6 ). Jetzt gab es noch zwei Grafen 7 ), von denen der eine als Kämmerer, wenn er sich mit unserem bürgerlichen Obersten im Vorzimmer des Kaisers traf, trotz seines Leutnantsranges das Privileg hatte, als erster ins Büro des Herrschers einzutreten. Der Oberst warnte immer lächelnd, es nicht auf eine Probe ankommen zu lassen. Die beiden Grafen und einige der Adeligen entstammten al4 ) Ehg. Peter Ferdinand (Salzburg, 12.5.1874-8.11.1948, St. Gilgen), 18. 8.1893 aus Milak. als Lt, zu IR.59, 1.10.1900 Hptm. im 4. T K J R . , 26.8.1901 zu IR.59, 1.5.1905 Obstlt., 1.11.1907 Obst., 14.3.1909 Kmdt. IR. 32, 6.4.1911 Kmdt.49. IBrig., 1.5.1911 GM., 12.2.1914 Kmdt. 25. ITD.; als solcher wurde ihm das Versagen beim Versuch Gdl. Auffenbergs, russische Kräfte in der Schlacht bei Komarów einzukesseln, zur Last gelegt; 1.5.1915 FML., 9.6.1915 vom Kmdo. enthoben, 17.4.1917 Gdl., 18.4.1917 Übernahme eines Gruppenkmdos. (93. ITD. u. 59. GebBrig.), 1.8.1918 Kmdt. V. Korps, 1.12.1918 pensioniert. 5 ) Ehg. Franz Salvator (Altmünster, 21.8.1866-20.4.1939, Wien), 24.4.1881 Lt. im UR.6, dient sodann in div. DR. und KJR., 26.10.1902 GM. u. Kmdt. 10. KBrig., 2.4.1907 Kmdt. d. Wiener KTD., 1. 5.1907 FML., 1.11.1911 GdK., 15.5.1912 enthoben, 28. 7.1914 ernannt zum Generalinspektor der freiwilligen Sanitätspflege, 1.12.1918 versetzt ins Verhältnis „außer Dienst". 6 ) Ludwig Prinz v. Sachsen-Coburg u. Gotha (Ebenthal, Nö., 15.9.1870-22.1.1942, Innsbruck), 1892 aus Milak. als Lt. zu 4. T K J R . , 1.5.1896 Oblt., 29.3.1900 zu 1. T K J R . , 1.5.1903 Hptm., 8.2.1907 ins Verhältnis „ a . D . " . 7 ) Anton Grf. Thum u. Taxis (Graz, 1.6.1877-24.2.1964, Icking), 24.3.1897 als EF. zu 4. T K J R . , 1.11.1900 Lt., 1.11.1907 Oblt., 1.5.1914 Hptm.; und Leopold Grf. Künigl zu Ehrenburg (Innsbruck, 5.5.1880-18.6.1965, Innsbruck), 1901 als Kadett-Offzstellvertreter aus IKSch. Innsbruck zu 4. T K J R . , 1.11.1902 Lt., 1.5.1909 Oblt., 1.8.1914 zu FJB.27, 1.11.1914 Hptm., ab 11.5.1915 in div. Hinterlandstellungen, 15.1.1917-1. 1919 in Glstbsabt. des Milkmdos Innsbruck.
Die „ s c h ö n e , wilde L e u t n a n t s z e i t "
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ten Tiroler Familien, waren in der Tiroler Adelsmatrikel eingetragen und trugen als „Herrn und Landmänner von T i r o l " den Tiroler Adler an einem grünen Bande um den Hals - eine Auszeichnung, um die wir sie beneideten. Den Tiroler Vogel auch zur Audienz beim Kaiser zu tragen, war nicht gewünscht. Die Masse unserer Offiziere entstammte Militärs- und Beamtenfamilien, auch solche kleinbürgerlicher Abkunft fehlten nicht. Die letzteren hatten oft am wenigsten das Zeug, der Mannschaft Respekt einzuflößen. D a sich das Kaiserjägeroffizierskorps aus den besten Absolventen der Akademien und der Kadettenschulen rekrutierte, stellte das Regiment jedes Jahr einige Frequentanten für die Wiener Kriegsschule. Die Mannschaft des Regiments bestand durchwegs aus Tirolern. Sie ergänzte sich, wie jedes der drei anderen Regimenter, aus allen Teilen von Tirol und Vorarlberg und zählte demgemäß zu zwei Dritteilen Deutsche, zu einem Drittel Welschtiroler. Die zweite Regimentssprache war sonach Italienisch, das man spätestens nach dreijähriger Zugehörigkeit zum Regiment soweit kennen mußte, daß man Mannschaftsunterricht abhalten konnte. Die Prüfung leitete jeweils der Kommandant der 6. Infanteriebrigade in Salzburg, zuerst General Esch 8 ), dann der gefürchtete Hermann Colard 9 ), der ebenso streng wie seine Tochter 1 0 ) hübsch war. Die Deutschtiroler waren vorzügliche Feldsoldaten. Paraden lagen ihnen nicht. Das stramme Marschieren paßte nicht zu den Knien richtiger Bergsteiger. Offiziere, die von ruthenischen oder rumänischen Regimentern kamen, hatten es nicht leicht, die Leute zu behandeln. Mit der Tonart preußischer Unteroffiziere wäre man nicht weit gekommen. Mißhandlungen gab es überhaupt nicht. Es waren selbstbewußte Leute von hohem Ehrgefühl, von denen man alles haben konnte, wenn man sie richtig nahm. Die Welschtiroler waren, wenn sie aus den Städten kamen, weicher und vielleicht auch ein wenig politisch angekränkelt. Die Landbewohner unterschieden sich nicht wesentlich von ihren deutschen Landsleuten. Selbst in ihrer italienischen Muttersprache sprachen sie das S genauso als Sch aus wie der Deutschtiroler in seinem Dialekt. Die Unteroffiziere waren gut. Daß sie nach Vollendung der aktiven Dienstzeit kapitulierten, war äußerst selten. Von unseren zwei „längerdienenden Unteroffizieren" in der Kompanie war der Rechnungshofunteroffizier, dem die Verwaltung der Vorräte oblag, ein Jude aus Galizien, der seinen Dienst vortrefflich machte. Im Ersten Weltkrieg sollten sich Offizier und Mann der Tiroler Kaiserjäger mit Ruhm bedecken, wie sie es auch in früheren Kriegen taten. Die Verluste waren sehr ») Carl Esch (Neuhaus/Böhmen, 9 . 1 2 . 1 8 5 2 - 1 7 . 1 1 . 1 9 3 9 , Linz), 1873 aus Milak. als Lt. zum Pionierrgt., Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 8 9 9 Obst. i . G . , 2 7 . 7 . 1 8 9 5 Kmdt. IR. 16, 11.8.1900 Kmdt. 6.IBrig., 1.11.1900 G M . , 2 2 . 4 . 1 9 0 5 Kmdt. 3 0 . I T D . in Lemberg, 1 . 5 . 1 9 0 6 beurlaubt. 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. ») Hermann v. Colard (Stanislau, 1 1 . 2 . 1 8 5 7 - 8 . 4 . 1 9 1 6 , Biala), 1872 aus Milak. als Lt. zu IR. 10, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 8 9 3 Mjr. i . G . , 2 2 . 4 . 1 9 0 5 Kmdt. 6. IBrig., 1.5.1905 G M . , 17.10.1908 Kmdt. 2 4 . I T D . Przemysl, 2 9 . 5 . 1 9 1 2 Festungskmdt. Przemysl, 3 1 . 1 . 1 9 1 4 Präsident des Obersten Militärgerichtshofes, 19.7.1915 Statthalter von Galizien, 2 1 . 8 . 1 9 1 5 versetzt ins militärische Verhältnis „außer Dienst"; leitete den Wiederaufbau in Galizien ein. 1 0 ) Alexia Maria Rosa Freiin v. Colard (Lemberg, 1 0 . 3 . 1 8 9 1 - ? ) , mit 2 1 . 3 . 1 9 1 7 wurde der Witwe und den Kindern nach Hermann v. Colard der Freiherrnstand verliehen.
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groß, zumal unter den aktiven Offizieren. Mein Regiment wurde im ersten Kriegsjahr viermal neu aufgestellt. Als Italien die Grenzen Tirols im Frühjahr 1915 zu bedrohen begann, da hielt es die Kaiserjäger nur mehr schwer in Rußland. Sie wurden im Laufe der nächsten Monate allesamt nach dem Südwesten genommen. Als das 1. Regiment durch Wien kam, nahm der fünfundachtzigjährige Kaiser im Schönbrunner Park eine feldmäßige Parade ab 1 1 ). Es war der letzte Truppenteil in fast siebzig Jahren seiner Regierungszeit, der an ihm - unter den Klängen des Andreas-Hofer-Marsches - vorüberdefilierte. Ein besonderer Stolz unseres Regiments in der Salzburger Zeit war unsere Regimentsmusik, die ausgezeichnete Konzerte gab, darunter auch, dirigiert vom Kapellmeister Gustav Mahr 1 2 ), schöne Symphoniekonzerte. Diese waren zugleich die ersten gesellschaftlichen Veranstaltungen, die ich erlebte und genoß. Das gesellschaftliche Leben in der schönen Salzachstadt bot mancherlei Anregung. Auch ein annehmbares Theater gab es, in welchem das Regiment immer einige Logen abonniert hielt. Der gewisse kommißmäßige Verkehr innerhalb des Offizierskorps fehlte völlig. Sowohl Oberst Roschatt als auch sein Nachfolger Gelb v. Siegesstern hatten nichts für derlei übrig. Es gab daher auch keine ,,Kommandeusen". Ebensowenig drangen wir in den armen, aber exklusiven Salzburger Adel ein. Das überließen wir neidlos den Jünglingen der Landesregierung. Unser Verkehr beschränkte sich auf die Beamten-, Pensionisten- und Bürgersfamilien, man konnte damit seinen Bedarf an Geselligkeit reichlich decken. Jeden Fasching gab es eine große und einige kleinere Offiziersunterhaltungen. Das größte Fest dieser Art, das ich in Salzburg erlebte, war, angeregt durch die beliebte Operette Mikado 1 3 ) ein japanisches Kostümfest mit einer Tanzordnung, deren künstlerische Ausstattung mein Akademiekamerad Hirsch v. Stronstorff bestritt, während ich den literarischen Teil, eine schwüle Schilderung eines Kirschblütenfestes in Nagasaki, beisteuerte. D a ich kein begeisterter Tänzer war, leistete ich auf diese Weise meinen Beitrag. Die Unterhaltungen fanden in den Räumen des Kursalons neben dem Mirabellgarten statt. Die Säle waren so nüchtern und unpoetisch als nur möglich. U m s o poetischer waren für die männliche und weibliche Jugend die verborgenen Winkel auf der Galerie, in die man sich auch vor dem strengen Blick der damals noch üblichen Gardedamen flüchten konnte. Spätere Generationen, in denen es die letzteren nicht mehr so gab, hatten es leichter. O b die Dinge aber auch so romantisch waren? Ich möchte es nicht beschwören. Ein oder das andere Mal veranstaltete die Garnison auch Sommerausflüge. Einer zum Weißen Rössel am Wolfgangsee, das damals noch nicht so berühmt war, und mit der Zahnradbahn auf den Schafberg n ) A m 18. Juli 1915 nahm Kaiser Franz Joseph den Vorbeimarsch des 1. Tiroler Kaiserjäger-Regiments ab, das sich auf der Durchfahrt vom russischen zum italienischen Kriegsschauplatz befand. 1 2 ) Gustav Mahr (Brandeis a. d. Elbe, 2 3 . 1 1 . 1 8 5 8 - 1 . 9 . 1 9 3 0 , Hargelsberg, O ö . ) . Nach Studium am Prager Konservatorium ab 1884 Regimentskapellmeister, 1911-1918 im IR. 14, Linz; Komponist des „ A n d r e a s - H o f e r - M a r s c h e s " ; gehörte zur Elite der ö s t . Militärkapellmeister. u ) „ D e r M i k a d o " , Operette in 2 Akten, Text von W. S. Gilbert, Musik von Arthur Sullivan, Uraufführung 1885 in London.
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war besonders nett und erlebnisreich verlaufen. Wenn sich irgendwo, sei es zwischen einem Leutnant und einer Künstlerin des Theaters, zarte Fäden anspannen, war der alte Roschatt nie ein Spaßverderber. Er förderte die Entwicklung eher, wohl wissend, daß man nur einmal jung ist. Als ich zum Regiment kam, wurde ich zur 5. Kompanie unter einem besonders strengen Hauptmann 1 4 ) eingeteilt, „ z u m Kurgebrauch", wie man es nannte. Ich fand mich sehr rasch in den Truppendienst hinein, frei von Minderwertigkeitsgefühlen dank der trefflichen Ausbildung, die ich in der Akademie genossen hatte. N u r eines ärgerte mich an meinem übrigens kaum vierzigjährigen Häuptling: daß er mir „ S i e " , dem gleichzeitig mit mir zum Regiment kommenden, aber bei einer anderen Kompanie dienenden Leutnant v. Hirsch , , D u " sagte. Ich erwähne diese Einzelheit, weil sie irgendwie bezeichnend war für den uralten Armeebrauch des Duzens. Dieser Brauch stammte aus einer Zeit, in der der Hochadel auch in den Infanterieregimentern stark vertreten war. Die Aristokraten waren alle irgendwie verwandt und duzten sich untereinander. An dieser Vertraulichkeit partizipierten mit der Zeit auch die Offiziere bürgerlicher Herkunft und vom sogenannten Tornisteradel, ja selbst solche, die - bis nach 1866 war es möglich - von der Pike auf gedient hatten und nach zwölf Jahren Unteroffiziersdienstzeit das goldene Portepee erhielten. Die letzteren gab es zu meiner Zeit nicht mehr. Chargenmäßig hatte sich das Duzen früher in engeren Grenzen gehalten, als es während meiner Dienstzeit üblich gewesen war. Es gab da schon Kavallerieregimenter, in denen der Oberst mit dem jüngsten Leutnant per D u war. Bei den anderen Truppen war man weit sparsamer. Dabei war es üblich, daß von den jüngeren Offizieren nur die, die den sie duzenden Höheren im Alter nahestanden oder die gleiche Charge innehatten, das D u uneingeschränkt zurückgaben. Bei etwas größerer Kluft sagte der Jüngere: , , D u , Herr M a j o r ! " Dieser Brauch galt bei der Kavallerie gegenüber allen duzenden Vorgesetzten. Bei den anderen Waffen mied man jedoch bei größerem Rangunterschied dem Höheren gegenüber die direkte Anrede mit einem persönlichen Fürwort, man sagte: „ H a b e n Herr Oberst . . . " . In dieser Beziehung mag als Beispiel mein persönlicher Verkehr mit Feldmarschall Conrad v. Hötzendorf angeführt sein. Als ich unter seinen unmittelbaren Befehl in die Heeresleitung kam, war er Generaloberst, ich Hauptmann. Er sagte selbstverständlich Sie zu mir. Im November 1917 wurde ich Major, er war Feldmarschall und Heeresgruppenkommandant in Bozen. Ich schrieb ihm aus Brest-Litowsk einen Stimmungsbericht. Als fleißiger Briefschreiber antwortete er prompt. Erst nachdem er den Brief vollendet hatte, fiel ihm mein Avancement ein, und er nahm sich die Mühe, die gewohnheitsmäßig gebrauchte Sie-Anrede durch Radieren und Uberschreiben in die ihm für Majore richtig erscheinende Du-Ansprache zu verwandeln. Dabei blieb es bis zu Conrads Tod. Indessen ich stets die Floskel „ H a b e n Herr Feldmarschall . . . " gebrauchte. Wäre ich Kavallerist gewesen, so hätte ich nach einem ungeschriebenen Gesetz: „ H a s t du Herr Feldmarschall . . . " gesagt. > 4 ) Alfred v. Hankenstein (Wien, 2 2 . 5 . 1 8 6 7 - ? ) , 1884 assentiert zu IR.54, 1889 Lt. F J B . 3 , 1893 Oblt., 14.4.1895 zu 4 . T K J R . , ab 1. 11. 1901 Kmdt. 5. Kp., 1.5.1913 Mjr., 9 . 3 . 1 9 1 4 Kmdt. F J B . 14, 1.7.1915 Obstlt. im 4 . T K J R .
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Das Duzen war eine heißumstrittene Angelegenheit in der kaiserlichen Armee. Es gab scharfe Gegner. Vernünftig angewendet hatte das kameradschaftliche D u meiner Ansicht nach und nach meinen Erfahrungen im Deutschen Heere seine großen Vorteile. Es brachte Wärme in den kameradschaftlichen Verkehr und stiftete auch keinen Schaden, wenn entgegen den Vorschriften ein Vorgesetzter auch im Dienste einmal das kameradschaftliche D u gebrauchte statt des Sie mit der Anrede Herr. Manche unnötige Härte wurde ohne Schädigung des Zwecks pariert. Nach dem Anschluß verbot einer der ersten Befehle Hitlers grundsätzlich auch für die Österreicher den Gebrauch des Duzens. Übereifrige hielten sich daran, aber das Brauchtum erwies sich vielfach als stärker. Man gewöhnte sich beim Zusammentreffen mit einem bisher unbekannten Offizier daran, einen Blick auf die Ordensspange zu werfen. Wies sie österreichische Farben aus dem Ersten Weltkrieg auf, dann sagte man sich fast immer du, wenn der chargenmäßige Unterschied nicht allzu groß war. Als ich nach Kroatien kam, hielt ich es auch gegenüber den aus dem alten Heer stammenden kroatischen Offizieren so. Hitler sagte schon acht Tage nach Gründung dieses ephemeren Staates zum neuernannten Gesandten: 1 5 ) „ D e r Glaise duzt sich mit allen Kroaten bis zur Drina hinab." In der Kriegsgefangenschaft war ich mit fünf anderen aus Österreich stammenden deutschen Generälen zweieinhalb Monate mit dreißig ungarischen gefangenen Generälen zusammen. Während wir den nicht aus Österreich kommenden reichsdeutschen Kameraden Sie sagten, duzten wir uns mit den Magyaren. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der längst versunkenen k. u. k. Armee hatte so selbst in den Gefangenenlagern von Cherbourg und Marburg an der Lahn eine - nehmt alles nur in allem - irgendwie rührende Auferstehung gefeiert. O du mein Österreich - aber nicht das von heute ! . . . Nach wenigen Monaten 1 6 ) wurde ich vom gestrengen Hauptmann zur 8. Kompanie versetzt, wo ich einen umso angenehmeren Vorgesetzten in Hauptmann Kreschel v. Wittingheim 17 ) erhielt. Der war ein moderner, ja ultramoderner Offizier von einem weiten, wenn auch etwas überspannten Gesichtskreis. Er zählte zu den ältesten Hauptleuten des Regiments, wir freundeten uns trotzdem sehr an. In der militärischen Ausbildung ging ihm der Felddienst über alles, in welcher Leidenschaft er sich mit mir traf. Seltsamerweise sollte er im Kriege versagen. Es verließen ihn die Nerven, er litt es nicht, so viele der besten Kameraden und Soldaten verbluten zu sehen, und bekam schließlich Weinkrampf über Weinkrampf. Bald nach dem Kriege starb der Brave in Bozen, das damals bereits den Italienern gehörte, die er so wenig liebte. l s ) Siegfried Kasche (Strausberg, Kreis Oberbarnim, 1 8 . 6 . 1 9 0 3 - 1 9 . 6 . 1 9 4 7 , hingerichtet in Agram), 9.1.1926 in die N S D A P eingetreten, 1926-1931 Bezirksleiter und stellvertretender Gauleiter Ostmark, 1932 SA-Gruppenführer Ostmark, 1934 SA-Obergruppenführer, seit 1930 Mitglied des Deutschen Reichstages, 17. 4.1941 Gesandter I. Klasse in Agram, 7.6.1947 vom Kroatischen Obersten Gerichtshof zum Tode durch den Strang verurteilt. 1 6 ) Der Zeitpunkt ist nicht genau feststellbar. Der Qualifikationsliste nach wahrscheinlich erst im Jahre 1904. 1 7 ) Friedrich Kreschel v. Wittingheim (Verona, 4 . 2 . 1 8 6 2 - V I I I . 1921, Bozen), 5.2.1879 zu T J R . , 1.11.1893 Lt., 29.4.1895 Hptm. 4. T K J R . , 1.5.1908 Mjr. 2 . T K J R . , 1.5.1912 Obstlt., 25.9.1914 Rgtskmdt., 1.11.1914 Obst., Dez. 1914 Etappeninspizierender der 4. Armee.
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Sein Nachfolger war der Vater 1 8 ) der damals erst auf die Welt gekommenen Alette ), mit der mich nun seit mehr als zehn Jahren eine wirkliche Kameradschaft verbindet. Sie ist eine elegante, feine, hochgebildete Frau geworden, der ich bis ins Grab zu Dank verpflichtet bin. D a es im Regiment üblich war, die Rekrutenausbildung jeweils den ältesten und erfahrensten Oberleutnants zu übertragen, kam ich nur einmal zu einer ähnlichen Aufgabe. Im Herbst 1905, als ich für acht Wochen zur Ausbildung der nur für eine solche Zeit einberufenen „Ersatzreservisten" in unsere Mobilisierungsstation nach Hall kommandiert wurde 2 0 ). Ich hatte mich eben erst wieder verliebt und war todunglücklich, Salzburg für so lange Zeit verlassen zu müssen. Dann gefiel es mir in Hall aber recht gut. Dieses alte Tiroler Städtchen, zwei Wegstunden unterhalb von Innsbruck, war entzückend. Selbst wenn man nur vorüberfuhr, bekam man durch die von edler Patina überzogenen Kirchtürme und den terrassenförmigen Aufbau der Stadt einen Vorgeschmack seiner Reize. Exerziert wurde auf einer Hutweide am Inn, scharf geschossen auf der Thaurer Schießstatt. Einmal sah ich gerade noch rechtzeitig genug, um Feuer einstellen zu lassen, eine unvorsichtige Offiziersgruppe in der Nähe der Ziele auftauchen. Sie kam dann auf den Schießstand los. Ein salopp angezogener General führte sie, er drückte mir die Hand und sagte mit einer schönen, sonoren Stimme lächelnd: „ I c h danke Ihnen, daß Sie uns nicht erschossen hab e n ! " Der General war der Innsbrucker Divisionär Conrad v. Hötzendorf, der schon damals das größte Renommee in der Armee genoß. Ein Jahr später begrüßte ich ihn in einem Artikel der Wiener Tageszeitung „ D i e Zeit" als neuen Chef des Generalstabes 2 1 ). Abends fuhren wir von Hall mindestens jeden zweiten Tag mit der braven Dampftramway nach Innsbruck, um uns dort mehr großstädtischen Genüssen hinzugeben. Ich lernte so auch Tirols Hauptstadt näher kennen. In jenen Wochen herrschte in Innsbruck eine ziemlich aufgeregte Atmosphäre. Es ging um die Frage der italienischen Rechtsfakultät an der Innsbrucker Universität 2 2 ). Die Deutschtiroler waren dagegen, da sie eine Verstärkung des welschen Einflusses im Lande besorgten. Es kam zu großen Kundgebungen, wider die Landesschützen aufgeboten wurden. Ein Unterjäger erstach den Maler Pezzey 2 3 ). Das führte zu größerer Erregung. Meine Sympathien standen natürlich auf Seiten des Unterjägers als des überparteilichen Organs der Staatsgewalt. Im übrigen war es gar nicht schwer, sich in 19
1 8 ) Adolf Sigmund: (Graz, 3 . 6 . 1 8 6 8 - 9 . 1 1 . 1 9 2 6 , Graz), 1885 freiwillig zu F J B . 8, 1 . 1 0 . 1 8 9 3 als L t . zum T J R . , 2 4 . 4 . 1 8 9 5 zum 4 . T K J R . , 1 . 5 . 1 8 9 5 O b l t . , 1 . 1 1 . 1 9 0 7 K m d t . d. 6. K p . , 1 . 5 . 1 9 0 8 H p t m . , 1. 10. 1911 beurlaubt, 1 . 1 2 . 1 9 1 3 pensioniert, im W k g . Konzeptsoffz. in 10. A b t . / K M . , 1 . 7 . 1 9 1 5 M j r . , 1.11.1917 Obstlt. 1 9 ) Alette Sigmundt, geb. 7 . 8 . 1 9 0 1 (Salzburg ?). 2 0 ) Für die Zeit vom 3 1 . 1 0 . 1 9 0 4 bis 2 8 . 1 1 . 1 9 0 4 . 2 1 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 9. 2 2 ) Vgl. diesbezüglich: E . Weinzierl, Aehrenthal and the Italian university question, in: Intellectual and social developments in the Habsburg Empire from Maria Theresia to World W a r I. Essays dedicated to Robert A . Kann, East European Monographs, N o . X I . , N e w Y o r k - L o n d o n 1975, 2 4 1 - 2 6 9 . 2 3 ) August Pezzey (Innsbruck, 2 . 9 . 1 8 7 5 - 4 . 1 1 . 1 9 0 4 , Innsbruck), Sohn des Malers gleichen N a m e n s , Schüler von Defregger und Seitz.
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Uniform unter die Demonstranten zu mischen. „ D e r Scherer", das Schönerianer Blatt Innsbrucks, brachte auf der ersten Seite ein huldigendes Bild des Landeskommandierenden Erzherzog Eugen 2 4 ). Bei einer der Kundgebungen hörte ich einen der neben mir stehenden Demonstranten im schönsten Tiroler Dialekt sagen: „So, jetzt singen wir noch einmal die Wacht am Rhein und dann gehn ma h o a m ! " Weil ich schon bei politischen Demonstrationen bin, möchte ich gleich die Kaiserjäger-Expedition nach Prag im Jahre 1906 streifen. Ich habe ihr in der ArmeeZeitung unter dem Titel „Zlatá Praha" eine Schilderung geliefert 25 ). Anläßlich der Fragen und Einführung des allgemeinen Wahlrechtes in Österreich kam es in ganz Böhmen zu nicht unerheblichen Ausschreitungen. Kaiser Franz Joseph war bekanntlich für die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes und hatte seinem Ministerpräsidenten Max Vladimir Beck 2 6 ), von dem in diesen Blättern noch die Rede sein wird, bei Gelegenheit den charakteristischen Ausspruch getan: „Einem Volke, von dem man die allgemeine Wehrpflicht verlangt, kann man auf die Dauer das allgemeine Wahlrecht nicht vorenthalten." Da gerade Rekrutenausbildung war, hatten die beiden böhmischen Korps VIII und IX für Assistenzzwecke zuwenig Truppen. Man griff daher auf das benachbarte XIV. Korps. Mitten in der Nacht wurde das Kaiserjägerassistenzbataillon in Salzburg zur Abfahrt nach Prag alarmiert 2 7 ). Meine Mutter machte natürlich furchtbare Geschichten, sie sah mich schon tot im Rinnstein einer Prager Straße liegen. Für mich hatte die Unternehmung viel Prickelndes. Das Eisenbahnpersonal in Böhmen befand sich selbstverständlich in der passiven Resistenz. In Prag angekommen, mußten wir den Train zunächst auf dem Hauptbahnhof zurücklassen. Ich hatte die Bedeckung zu übernehmen und marschierte wesentlich später am Schluß einer langen Wagen- und Pferdekolonne über den Wenzelsplatz dem Hradschin zu. U m martialischer auszusehen, hatte ich mich auf die Mähre meines Kompaniechefs 2 4 ) Erzherzog Eugen (Groß Seelowitz, 2 1 . 5 . 1 8 6 3 - 3 0 . 1 2 . 1 9 5 4 , Meran), 2 7 . 1 0 . 1 8 7 7 Lt. im Τ JR., Glstbslaufbahn, Brigadier, Divisionär, 2 8 . 1 0 . 1 8 9 3 G M . , 3 . 4 . 1 9 0 0 F M L . , 2 7 . 4 . 1 9 0 1 G d K . Kmdt. d. XIV. Korps u. Landesverteidigungskmdt. von Tirol und Vorarlberg, 1 7 . 1 0 . 1 9 0 8 Generaltruppeninspektor und Landesverteidigungsoberkmdt., 8 . 7 . 1 9 1 2 beurlaubt, 2 3 . 1 2 . 1 9 1 4 Kmdt. d. 5. Armee, 26. 5 . 1 9 1 5 G O . und Kmdt. d. Südwestfront, seit März 1 9 1 6 der Heeresgruppe Ehg. Eugen in Südtirol, seit März 1 9 1 7 wieder der Heeresfront Ehg. Eugen, 1 1 . 1 . 1 9 1 8 Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, 2 3 . 1 1 . 1 9 1 6 FM., 2 1 . 1 2 . 1 9 1 8 ins Verhältnis „außer Dienst". Vgl. L. G r f . Künigl, (Hg.) Erzherzog Eugen 1 8 6 3 - 1 9 5 4 , Innsbruck 1957; H. Kramer, Feldmarschall Erzherzog Eugen ( 1 8 6 3 - 1 9 5 4 ) , in: Ostdeutsche Wissenschaft, Bd. V/1958, 4 6 2 - 4 8 5 ; Z. v. Schildenfeld, Erzherzog Eugen 1 8 6 3 - 1 9 6 3 . Ein Gedenkbuch. Mit einem Geleitwort v. Hugo Rahner und einer Würdigung des Feldmarschalls v. Oskar Regele, Innsbruck 1963. 2 5 ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 7. 2 6 ) Max Wladimir Frh. v. Beck (Wien, 6 . 9 . 1 8 5 4 - 2 0 . 1 . 1 9 4 3 , Wien), 1 8 8 0 - 1 9 0 6 Beamter im Ackerbauministerium, zuletzt als Sektionschef und Vorstand der legislatorischen Abteilung; führte Ehg. Franz Ferdinand in die Rechts- und Staatswissenschaften ein, 3 . 6 . 1 9 0 6 - 7 . 1 0 . 1 9 0 8 öst. Ministerpräsident, 1 9 1 5 - 1 9 3 4 Präsident des Obersten Rechnungshofes, 1 9 1 9 - 1 9 3 4 Präsident der ö s t . Gesellschaft vom Roten Kreuz. Beck setzte die Wahlreformgesetze von 1907 durch. Vgl. über ihn: J. C h r . AllmayerBeck, Ministerpräsident Baron Beck, ein Staatsmann des alten Österreich, Wien 1956. 2 7 ) Die Alarmierung erfolgte am 6. November 1905. Die Assistenzleistung dauerte bis nach Weihnachten 1905.
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gesetzt. Neben mir marschierte mit aufgepflanztem Bajonett der Zugsführer Dellacher 2 8 ) aus Lienz, mit dem mich später eine Lebensfreundschaft verbinden sollte. Die Prager schmunzelten ein wenig, als sie den seltsamen Zug vorüberziehen sahen. Die erste Nacht waren wir auf dem Hradschin untergebracht. Ich wohnte in einem der geheimnisvollen Alchemistengäßchen, die meinem romantischen Sinn die Tage Rudolfs II. lebhaft in Erinnerung riefen. Leider mußten wir am anderen Morgen in das Arbeiterviertel Holeschowitz-Bubenetz abrücken. Wir wurden in einer Schule untergebracht. Ich meldete mich jeden Abend zu einer der befohlenen Patrouillen. Es war ein angenehmer Nervenkitzel, unter zum Teil eingebildeten G e fahren durch die dunklen Gassen zu marschieren. Geschehen ist die ganze Zeit so gut wie nichts. Dafür lernte ich - neben den anderen Sehenswürdigkeiten der wunderbaren hunderttürmigen Stadt - beim Essen im Gasthaus , , U Libalu" zum echten Pilsener Bier zum ersten Mal richtige böhmische Knödel genießen. Auch besuchte ich meinen Kameraden Fischer v. Tiefensee 2 9 ), mit dem ich durch zehn Jahre dieselbe Schulbank gedrückt hatte und der nun Leutnant beim Egerländer Regiment N r . 73 war. Am Abend, bevor wir abmarschierten, war unsere Unterkunft von trauernden Frauen und Mädchen umlagert. Auf jeder Treppe saß ein biederer Tiroler mit einem Tschechenkind eng umschlungen. Der angeblich so große Nationalitätenhaß im alten Österreich hatte hier seltsame Formen angenommen. Auch wir Offiziere empfanden keinerlei Antipathie gegen die Bevölkerung. Es war das erste und letzte Mal, daß Kaiserjäger als Truppe den Boden Prags betreten hatten. Das X I V . Korps, zu dem wir gehörten, umfaßte die Länder Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich. Außerdem gehörte das St. Pöltner Landwehrregiment zu ihm. Der das Korps seit 1899 befehligende Erzherzog Eugen, über zwei Meter groß, war schon damals der volkstümliche Prinz des Kaiserhauses. Da er nebenbei als Hoch- und Deutschmeister des deutschen Ritterordens nicht bloß über eine prachtvolle Ordenstracht verfügte, die ihn besonders gut kleidete, sondern auch über relativ reiche Einkünfte, hielt er in der Innsbrucker Burg vornehmen H o f mit der ihm eigenen Unaufdringlichkeit. Das Korps war stolz auf ihn. Es stellte in seinen Kaiserjägern, 14ern und 59ern, zu denen vorzügliche Landwehrtruppen traten, ein Elitekorps dar, das sich auch im Ersten Weltkrieg als solches bewähren und auszeichnen sollte. Manöver im X I V . Korps mitzumachen, war zumal in der Zeit, bevor sich C o n rad v. Hötzendorf mit seinen großen Anforderungen im Gebirgskrieg durchsetzte, ein wahres Vergnügen. Von den drei Manövern, die ich in meiner Leutnantszeit mitmachte, führte mich das erste quer durch ganz Oberösterreich 3 0 ). Wir fingen 2 e ) Heinrich Dellacher (Kitzbühel, 1 2 . 9 . 1 8 8 3 - ? ) , 1 . 1 0 . 1 9 0 4 als Jäger zur 8. F e l d k o m p . / 4 . TKJR., 2 1 . 9 . 1 9 0 5 Patrouilleführer, 2 1 . 9 . 1 9 0 6 Zugsführer, 1 5 . 5 . 1 9 0 7 zur Ersatzkp., 2 1 . 8 . 1 9 1 4 zur aktiven Dienstleistung präsentiert, 2 1 . 1 0 . 1 9 1 4 nach Verwundung als dienstuntauglich superarbitriert. GlaiseHorstenau stand noch 1938 mit ihm in Korrespondenz. Dellacher lebte damals in Burgfrieden bei Lienz. 2 9 ) Karl Fischer v. Tiefensee (Lemberg, 6 . 4 . 1 8 8 2 - 1 3 . 1 . 1 9 4 9 , Wien), 1903 als Lt. aus Milak. zu I R . 73, 1911 zugeteilt dem Generalstab, 1914 H p t m . i . G . zugeteilt 3 6 . I T D . , 1 . 8 . 1 9 1 8 M j r . i . G . , 1 . 5 . 1 9 2 1 pensioniert. 3 0 ) Die in B ö h m e n geplanten größeren Manöver 1904 wurden mit 25. 8 . 1 9 0 4 abgesagt und die heranmarschierenden Truppen des X I V . Korps nach Linz dirigiert.
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mit einem feldmäßigen Schießen auf dem seltsam geformten Schmittenstein südöstlich von Salzburg an und kamen mit Märschen und Übungen durchs Salzkammergut und seinen militärfreundlichen Sommerfrischlern über Vöcklabruck und Linz ins Mühlviertel. Es sollten Kaisermanöver in Südböhmen sein. Unsere Armee hätte Franz Ferdinand kommandieren sollen, Generalstabschef Conrad v. Hötzendorf. Während wir in der Gegend von Freistadt übten, wurden die Manöver jedoch wegen der großen Dürre abgebrochen. Durch den Haselgraben ging es nach Linz und von da mit der Bahn nach Salzburg zurück. Anno 1906 fanden abermals Manöver in Oberösterreich statt 3 1 ). Die Erinnerung an sie ist stark verwischt. Nicht das gleiche gilt für die Kaisermanöver 1905 32 ), die uns von Salzburg über.Kufstein, Innsbruck, Brenner, Sterzing, Brixen, Bozen auf den Mendelpaß und von da ins Nontal führten. Welcher Globetrotter oder Tourist hätte uns um diesen sechswöchigen Marsch nicht beneidet! Auch über dieses wunderbare Erlebnis habe ich in der Armee-Zeitung geschrieben 3 3 ). Jede Woche erschien ein zum Teil humoristischer Manöverbrief, der in seiner Gesamtheit ein ganz gutes Bild abgab. Daß es einem Leutnant, der Kompaniedienst machte, möglich war, ein solches literarisches Unternehmen gleichzeitig zu starten, zeugte noch besonders für die angenehme Art, mit der diese Übungen geleitet wurden. Oberst Roschatt war, wie ich schon sagte, kein Freund großer körperlicher Anstrengungen. Er blieb auf dem Marsche durch seine Heimat am liebsten auf der breiten Straße im Sattel. Das kam auch uns zugute. Alle Übungen fanden rittlings der großen Marschlinie statt, viel ins Gebirge zu klettern war weder der Ehrgeiz der Ubungsleitung noch der unsrige. Schon um die neunte oder zehnte Stunde rückten wir in unsere Kantonnements, die natürlich alle entzückend waren und als beliebte Sommerfrischen uns und dem Publikum zahlreiche Anregung boten. Das alte Soldatenmotto „ A n d r e s Städtchen, andres Mädchen" wurde natürlich von manchen Herzensbrechern unter Beweis gestellt. Schon der Beginn war interessant. Wir mußten bei Bad Reichenhall einige zwanzig Kilometer bayerisches Gebiet durchqueren, wo wir nach völkerrechtlichen Gesetzen nicht nächtigen, ja nicht einmal rasten durften. So bezogen wir unsere erste Nächtigung bei Großgmain an der Grenze. Des anderen Tages gings durch das Bayernland. Ganz Reichenhall war auf den Beinen und begrüßte unsere Kaiserjäger nicht nur durch Zurufe und Winken, sondern auch durch Bier, Weißwürste und dergleichen handfeste Sympathiebezeugungen. Unsere Musik spielte die prachtvollen österreichischen Märsche. An einem der nächsten Tage überschritten wir den Paß Strub, heldenhaft militaristischen Andenkens aus dem Jahre 1809 3 4 ). Der Augenblick war für unser Regiment auch deshalb bedeutend, weil es - als Tiroler Jä-
) 1906 fanden in Oberösterreich nur kleinere Truppenübungen statt. ) Die Kaisermanöver des Jahres 1905 fanden als „Gebirgsübungen in Südtirol" vom 27. bis 30. August im Nonstal statt. 3 3 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 5. 3 4 ) A m 11.5.1809 wehrten am Paß Strub etwa 400 Mann Tiroler und österreichische Truppen neun Stunden lang vier Stürme von 10.000 Mann bayrischer Truppen unter General Wrede ab. 31 32
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gerregiment - zum erstenmal seit seiner Gründung Tiroler Boden betrat. Wir legten an dem Denkmal auf der Paßhöhe einen Kranz nieder. Am Walchensee hatten wir Scharfschießen, wobei eine Gebirgsbatterie mit neuen netten Kanonen mittat. Bald nachher stiegen wir - das Wetter war fast immer herrlich - vor Kufstein in die breite Ebene des Inntales nieder. Vom steilen Felsen sah die Burg ins Land herab, die einstmals der Pinzenauer verteidigte 35 ) und auch unter anderen den ungarischen Räuberhauptmann Rózsa Sándor 3 6 ) in strengem Gewahrsam hatte. Vor Rattenberg feierte unser Oberst das Wiedersehen mit seiner entzükkenden Vaterstadt, die für immer mit Erinnerungen an den Kanzler Biener 3 7 ) verknüpft ist, durch Bestellung eines richtigen Tiroler Geselchten mit echten Tiroler Knödeln und Sauerkraut. Auch sonst schmeckte es wunderbar. An den Gemarkungen von Innsbruck empfing uns der Kommandierende hoch zu Roß, um uns in die Stadt zu geleiten. Ich war im Tiroler Hof einquartiert - als Leutnant natürlich im Bediententrakt, aber doch recht schön. Abends erschien der Erzherzog abermals an unserem Tisch und des anderen Tages rückten wir vor ihm auf der Höttinger Wiese aus. Als fünftes Bataillon, das von nun an mit uns blieb, schlössen sich die lOer-Jäger - „Monte Berico - Kopal ruft" 3 8 ) - an. Ihr silbernes Horn wurde so feierlich empfangen wie unsere Fahnen. Ich benützte die erstbeste Gelegenheit, um dem Berg Isel meinen Besuch abzustatten. Vor nicht allzulanger Zeit hatte ich den „Volkskrieg in Tirol" 3 9 ) von Rudolf Hans Bartsch 4 0 ) gelesen. Ich stand tief unter dem Eindruck der Tragödie von 1809. Auch das Berg-Isel-Panorama im Saggen wurde besucht. 3 5 ) Uber die Belagerung Kufsteins vom 4. bis 17. O k t o b e r 1504 im bayrisch-pfälzischen Erbfolgekrieg durch Kaiser Maximilian I. und die Verteidigung durch Hans von Pienzenau vgl. nunmehr: W . Stelzer, Die Belagerung von Kufstein 1504 (Militärhist. Schriftenreihe, Heft 12, Wien 1969). 3 6 ) Sándor Rózsa (Szeged, 16. 7 . 1 8 1 3 - 2 2 . 1 1 . 1 8 7 8 , Szamosújvár), Betyár, volkstümliche Gestalt, die idealisiert in die ungarische Sagenwelt übernommen wurde.
" ) Wilhelm Biener (Langheim, um 1 5 9 0 - 1 7 . 7 . 1 6 5 1 , Rattenberg), 1 6 3 6 - 1 6 5 0 Hofkanzler von Tirol. Er wurde nach Hofintrigen, Denunziationen und einem widerrechtlichen Gerichtsverfahren in Rattenberg eingekerkert und hingerichtet. 3 e ) Das F J B . 10, 1813 aufgestellt, hatte am 6 . 5 . 1 8 4 8 hervorragenden Anteil am Abwehrerfolg von Santa Lucia und erstürmte am 1 0 . 6 . 1 8 4 8 unter Kmdo. O b s t . Karl v. Kopal, der dabei fiel, den Monte Berico bei Vicenza. Die Armee stiftete später dem Baon. ein berühmtes Ehrensignalhom mit dem Wahlspruch „ M o n t e Berico - Kopal ruft". Seit 2 3 . 2 . 1 9 1 3 hatten die 10er Jäger den Namen „ K o p a l " „auf immerwährende Zeiten" zu führen. Vgl.: o. V. Geschichte des k . u . k . Feldjägerbataillons Kopal N r . 10, 1 8 1 3 - 1 9 1 3 , Vigo di Fassa 1913; Α . Rost . . . 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , Wien 1938. 3 9 ) D e r Volkskrieg in Tirol, Wien 1905 (Das Kriegsjahr 1809 in Einzeldarstellungen, Bd. 2). 4 0 ) Rudolf Hans Bartsch (Graz, 1 1 . 2 . 1 8 7 3 - 7 . 2 . 1 9 5 2 , Graz), 1893 aus der Infanteriekadettenschule als Kadett-Offiziersstellvertreter zu I R . 47, ab 1. 8 . 1 8 9 5 im Kriegsarchiv, 1 . 8 . 1 8 9 5 Lt. des Armeestandes, 1 9 0 0 - 1 9 0 2 Absolvent des Instituts f. öst. Geschichtsforschung, Verwendung in der Kartenabteilung und in der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Kriegsarchivs, 1 . 5 . 1 9 0 0 O b l t . , 1911 pensioniert, 2 0 . 1 1 . 1 9 1 4 - 1 . 1 2 . 1 9 1 7 zur Kriegsdienstleistung als Hauptmann in der Literarischen Gruppe des Kriegsarchivs; sodann freier Schriftsteller. Im Rahmen des Kriegsarchivs verfaßte Bartsch kriegshistorische Aufsätze und selbständige Werke ( s . o . ) . Unter seinen zahlreichen Romanen erzielten „ Z w ö l f aus der Steiermark" (1908) und „Schwammerl" (1912) den größten Erfolg. Daneben schuf er ungezählte Feuilletons, Novellen, Romane, aber auch Dramen. Uber die Beziehungen zum Kriegsarchiv vgl. den Erinnerungsartikel: Begegnungen mit Kaiser Franz Joseph, in: N W T . , 2 5 . 1 2 . 1 9 3 5 , 2 7 ; vgl. ferner:
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Friedensdienstleistung
Wunderschön war der Marsch zum Brenner hinauf. Der letzte Morgen vor der Paßhöhe war allerdings trüb und regnerisch. Da bot sich oben ein wunderbares Bild: man sah nach Süden in einen tiefblauen Himmel hinein wie durch ein großes T o r . Wir setzten Pyramiden an und rasteten. Dann gings weiter, über Gossensaß nach Sterzing. Dort hatten wir Regimentsübungen. War dieses tirolische Nürnberg doch wundervoll! Ich war in einer der ehrwürdigen Gaststätten am Hauptplatz einquartiert. Als ich abends beim Fenster hinausblickte, marschierte unten eine Tiroler Schützenkompanie in ihrer malerischen Gewandung auf. Eine solche Regimentskonzentrierung wie die in Sterzing konnte man sich gefallen lassen ! Besonders bei einem so angenehmen Obersten. In den darauffolgenden Tagen kam dann der Brigadier Colard in seine Rechte. Er war aus Galizien gekommen und hatte aus dem Lemberger Generalat all die Grobheit mitgebracht, die den dortigen Kommandierenden F Z M . Fiedler auszeichnete. Auch das ganze Gehaben Colards war völlig auf Fiedler eingestellt. Glücklicherweise war auch er kein Hochtourist. „ B i s hieher und nicht weiter - kamen die französischen Reiter" war irgendwo in der Sachsenklemme 4 1 ) zu lesen, die wir in der Richtung Franzensfeste durchschritten. Eine Übung führte uns auf das berühmte Schabser Plateau am Zusammenfluß von Eisack und Rienz. Mehrere Übungen machten wir von Feldthurns aus, das über Brixen in den Bergen liegt. Von dort stiegen wir über Klausen ins Eisacktal hinab, absolvierten noch eine Übung auf der Hochfläche von Lajen über dem Obervogelweider H o f und rückten dann unter klingendem Spiel über Zwölfmalgreien in Bozen ein. Unmittelbar vorher bekamen wir die erste Maschinengewehrabteilung zu sehen. Sie gehörte dem 1. Kaiserjägerregiment und sollte durch ihr Gehämmer in der Folge unsere soldatische Phantasie lebhaft befassen. Das Hotel Viktoria, wo wir einquartiert waren, ist vor einiger Zeit gleichfalls dem Luftterror zum Opfer gefallen. Überhaupt - dieses liebe, liebe B o zen, wo ich so gern mein Leben beschlossen hätte. Durch das rebenumwobene „ U b e r e t s c h " , an Hocheppan und Girlan vorüber, ging's die Serpentinenstraße zur Mendel hinauf und von da aufs Manöverfeld. Unseren Gegner, die Südpartei, befehligte F M L . Conrad v. Hötzendorf. Eine seiner Marschsäulen unter Oberst Lahousen 4 2 ), die 14er, griffen über schwere Gebirgspässe ein. Die Nordpartei, zu der wir gehörten, schloß aus der Tiefe auf. Rundherum gab es zahlreiche Schlösser. Der Nonsberg ist die Wiege manchen Tiroler Adelsgeschlechtes, wie der Thun, der Spaur, der Cles, der Concini, auch der Torli. Marilaun, Rudolf Hans Bartsch der Fünfzigjährige, in: N W J . , 7 . 2 . 1 9 2 3 , 5 f . ; O . Regele, Rudolf Hans Bartsch, in: M i ö G . , B d . 6 0 , 1952, 499f. Bartsch stand mit Glaise-Horstenau noch 1939 in brieflichem Kontakt und zeigte sich ihm gegenüber über die geringe Anerkennung seines Werkes im Dritten Reich sehr enttäuscht ( A V A . , Büro Glaise-Horstenau, vgl. Kartei). 4 1 ) Im Eisacktal beim Weiler Oberau wurde am 4. und 5. August 1809 das Regiment der Herzöge von Sachsen, das im Verband der französischen Division Rouyer kämpfte, von den Tirolern unter Speckbacher, Mayr und Haspinger aufgerieben. 4 2 ) Wilhelm Lahousen Edi. v. Vivremont (Preßburg, 1 7 . 6 . 1 8 5 3 - 1 5 . 6 . 1 9 2 1 , Wien), 1870 assentiert zu IR. 42, 1873 Lt. IR. 3, 1 . 1 1 . 1 8 9 1 Mjr. i . G . , 3 . 2 . 1 8 9 8 Obst. u. Kmdt. IR. 14, 1 9 . 1 0 . 1 9 0 3 Kmdt. 85. LwIBrig., 1 . 1 1 . 1 9 0 3 G M . , 1 3 . 3 . 1 9 0 8 zugeteilt X I I . K K m d o . , 1 . 5 . 1 9 0 8 F M L . , 1 . 4 . 1 9 1 1 pensioniert.
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Die „schöne, wilde Leutnantszeit"
resani. Aber keiner der Ansitze eignete sich, den schon fünfundsiebzigjährigen Kaiser aufzunehmen. Das D o r f Romeno wurde für seine bescheidenen Anforderungen hergerichtet. Dort stellte man auch das Zelt der Manöverleitung auf, dessen Einrichtung, von Erzherzog Albrecht überkommen, zum Teil noch die Schlacht bei Custoza mitgemacht hatte. Man sah das kaiserliche Gefolge von weither und erkannte es zumindest an den großen weißen Pelerinen der den allerhöchsten Herrn begleitenden Gardereiter. Einmal sah ich den Kaiser aus nächster Nähe, er machte noch immer eine ganz ausgezeichnete Reiterfigur. Es regnete eben in Strömen, was dem alten Herrn aber nichts ausmachte. Eher schon litt sein gleichaltriger Begleiter und langjähriger Mitarbeiter, Feldzeugmeister Freiherr v. Beck, darunter; er machte einen fast jämmerlichen Eindruck. Ich ahnte nicht, daß ich über den so hochverdienten Mann einmal ein dickes Buch schreiben würde 4 3 ). Als ich mich am Abend, durchnäßt wie eine Kirchenmaus, anschickte, vor Cavareno eine Feldwache zu beziehen, was bei dem Regen kein Vergnügen gewesen wäre, tauchte plötzlich die hohe Gestalt des Erzherzogs Eugen vor mir auf: „ D i e Truppen können in ihre Kantonnements abrücken, Fortsetzung der Feindseligkeiten morgen fünf U h r früh." Das war doch sehr angenehm. Während ich mich zusammenpackte, nahte ein Zivilist mit roter Weste. Wer konnte es anders sein als der „Kriegsberichterstatter" Roda Roda? Wir kannten uns schriftlich seit langem. „Servus R o d a ! " Die Anrede war selbstverständlich, denn Roda Roda, recte Rosenfeld, war aktiver Offizier bei der Artillerie in Esseg gewesen. Neben ihm stand Felix Saiten, recte Salzmann 4 4 ) . . . Am anderen Morgen herrschte wieder Kaiserwetter. Die Schlacht war in vollem Gange. Der Kaiser hielt nicht weit von uns. Da löste sich auf einmal aus einem Wäldchen gegenüber eine graue Masse: das 2. Kaiserjägerregiment. Conrad v. Hötzendorf führte es zum entscheidenden Stoße vor. Die Fahne flatterte, die Regimentskapelle spielte den Radetzkymarsch. Gewiß etwas Theater, am wenigsten dem Denken des kleinen Generals angepaßt, der an der Spitze der Sturmmasse einherschritt. Aber für den Kaiser und für uns alle inmitten der herrlichen Gebirgswelt dennoch ein Bild für Götter, daß einem das Herz im Leibe klopfte. Ein Stück alter Schlachtenpoesie - in Wirklichkeit für immer dahin, für immer! Nun klang aus der hochgestimmten Trompete der Gardereiter das helle Signal: abgeblasen. Sofort bildete sich aus den zunächststehenden Truppen eine Front und der Kaiser zog im Schritt an ihr vorüber. Wir sahen nur ihn und hatten kein Auge für die Suite, obgleich es manche sehenswerte Gestalt in ihr gab - so Franz Ferdinand, der, begleitet von Oberstleutnant Brosch 4 5 ), auf seinem mächtigen Irländer 43
) Vgl. W e r k v e r z e i c h n i s N r . 2 0 8 .
44
) Felix Saiten (eigentlich Felix S a l z m a n n ) ( B u d a p e s t , 6 . 9 . 1 8 8 9 - 8 . 1 0 . 1 9 4 7 , Z ü r i c h ) , ab der z w e i t e n
H ä l f t e der n e u n z i g e r J a h r e T h e a t e r k r i t i k e r und bald wichtigster Feuilletonist der N F P . bis 1 9 3 8 . Schrieb auch R o m a n e , N o v e l l e n und D r a m e n . 45
) A l e x a n d e r B r o s c h v. A a r e n a u ( T e m e s v á r , 8 . 1 0 . 1 8 7 0 - 7 . 9 . 1 9 1 4 , gefallen bei H u j c e - R a w a R u s k a ) ,
1 8 9 0 aus T e c h n . Milak. als L t . zu G e n i e r g t . , 1. 1 1 . 1 8 9 3 zugeteilt d. Glstb. u. eingeteilt im E i s e n b a h n b ü r o d. G l s t b s . ,
1 8 9 9 - 1 9 0 5 in der 5. A b t . / R K M . ,
1 . 5 . 1 9 0 5 zu 1. T K J R . ,
16.1.1906
Flügeladjutant
E h g . F r a n z F e r d i n a n d s und V o r s t a n d der e r z h e r z o g l i c h e n Militärkanzlei, deren E i n f l u ß und W i r k u n g s -
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Friedensdienstleistung
vorüberkam. Zwei Regimentsmusiken spielten die Kaiserhymne, der herrliche Generalmarsch der Hornisten schmetterte darein in wilder und doch unendlich ergreifender Dissonanz. Über allen welschtiroler Orten wehten schwarzgelbe und grünweiße Fahnen und Spruchbänder mit der auch hier ehrlichgemeinten Inschrift: Evviva l'Imperatore. Das Brentagebirge blickte mit schneeglitzernden Häuptern auf das schöne Schauspiel. Uber die Mendel und die Ruine Sigmundskron ging's nach Bozen zur Bahn und von da in zweitägiger fröhlicher Fahrt nach Salzburg zurück. . . . Das alles war erlebt nicht ohne den etwas lächerlichen, aber doch so schönen Schimmer irgendeiner frischen Liebesgeschichte. So war es. Wie es in meinem Innern diese Zeit über politisch und menschlich aussah, geht schon aus meinen Schilderungen hervor. Daß es für mich nur Österreich, nur das wunderbare kaiserliche Österreich gab, war schon bei meiner innigen Verbundenheit mit der Neustädter Tradition selbstverständlich. Der Gedanke, daß mir dieses Fundament seelischer Ausgeglichenheit je entzogen werden könnte, kam mir nie und nimmer. Dem Kaiser grollte ich wegen seiner Nachgiebigkeit gegenüber den Magyaren. Ich erblickte darin eine Gefahr für das innere Gefüge des Reiches, für den Geist der Armee. Ich trug unter dem Truppendienst keineswegs schwer, aber meine Zukunftsideale lagen nach wie vor woanders. So erschien es mir, wenn ich hörte, daß ein ehemaliger Offizier in einer guten journalistischen Position untergekommen sei, als besonders erstrebenswert, Gleiches zu erreichen. Besonders ein kurzer Besuch in Wien, währenddessen ich Wohnung bei meinem alten Freunde Kappus nahm, erwärmte mich für solche Gedanken aufs neue. Daneben wollte ich Dichter bleiben. Ich schrieb Militärhumoresken, auch eine oder die andere ernste Geschichte, sogar einmal ein nachgefühltes Gedicht: Reiters Tod . . . das mich durch Jahre in allen möglichen lyrischen Sammlungen verfolgte. In diese Neigungen paßte ein Ereignis hinein, das unmittelbar bevorstand. Im April 1906 sollte Carl Baron Torresani sechzig Jahre werden. Carl M. Danzer, der Herausgeber der Armee-Zeitung, hatte die Absicht gefaßt, diesem Tage eine Festschrift zu widmen. Alle literarischen Größen im Soldatenrock - wer immer diesen getragen hatte - sollten beitragen, von Liliencron 4 6 ) und Ompteda 4 7 ) angefangen, bis zu uns ganz Jungen herab. Mir teilte Danzer die ehrende Aufgabe zu, die Festbereich er nach und nach ausbaute. 1.5.1906 Mjr., 1.11.1910 Obstlt., 1.12.1911 zu 2. T K J R . , 24.1.1913 Obst, und Rgtskmdt. Brosch war Ehg. Franz Ferdinands wichtigster und einflußreichster Berater und Vertrauter. Vgl. über ihn neben der gesamten Franz Ferdinand-Literatur: M. Sitte, Alexander v. Brosch, der Flügeladjutant und Vorstand der Militärkanzlei Erzherzog Franz Ferdinands, Wr. Diss. 1961; R. Egger, Die Militärkanzlei des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand und ihr Archiv im Kriegsarchiv Wien, in: M Ö S T A . , Bd.28, 1975, 141-163. 4 6 ) Detlev Frh. v. Liliencron (Kiel, 3 . 6 . 1 8 4 4 - 2 2 . 7 . 1 9 0 9 , Alt-Rahlstedt bei Hamburg), Aus dem Offiziersstand hervorgegangener Dichter, insbesondere Lyriker. 4 7 ) Georg Frh. v. Ompteda (Hannover, 29. 3 . 1 8 6 3 - 1 0 . 1 2 . 1 9 3 1 , München). War von 1883 bis 1892 Offizier. Schrieb unter dem Pseudonym Georg Egestorff vor allem Romane und Dramen. Sein Beitrag für die Torresani-Festschrift langte verspäter ein, sodaß er zwar in D A Z . N r . 16 v. 19.4.1906, 22f., nicht aber in der unter dem Titel „Säbel und Feder" herausgebrachten Sonderausgabe berücksichtigt werden konnte.
Die „schöne, wilde Leutnantszeit"
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biographie zu schreiben. Ich kam mit Torresani abermals in einen engeren Briefwechsel, der mir viel Anregung bot. Die Frucht bildete ein langer Artikel in der von Danzer herausgegebenen Festschrift „Mit Säbel und Feder" 4 8 ). Ich darf meine Arbeit auch heute noch als ganz gut geglückt bezeichnen. Dieser 19. April wurde für Torresani, obgleich er sich vor ihm „gefürchtet" hatte, zu einem wirklichen Freuden- und Ehrentag, der umso glanzvoller verlief, als ihm gleichzeitig die Eiserne Krone als erste offizielle Anerkennung seiner schwarzgelben Schriftstellerei verliehen wurde. Ein Wermutstropfen glitt später in den Freudenkelch, als es dem hyperloyalen Soldaten trotz seiner Freundschaft mit dem Generaladjutanten Bolfras 49 ) versagt blieb, dem Kaiser persönlich Dank zu sagen. Umso größere Freude bereitete ihm eine Einladung zur Custozafeier seines einstigen Regiments Trani-Ulanen, nunmehr 13. Ulanenregiment 50 ), nach Zloczów in Ostgalizien. Der schon recht Herzleidende ließ sich eine prachtvolle Ulanen-Rittmeisteruniform bauen und fuhr von Torbole im äußersten Südwesten des Reiches an den Rand der sarmatischen Ebene hinauf. Er wurde von seinem einstigen Regiment wie ein kommandierender General empfangen und war maßlos glücklich. Auf der Rückreise hielt er sich in Salzburg auf, um mir noch einmal die Hand zu drücken. Etwas über ein halbes Jahr später starb er, um Ostern 1907, im Hotel Schwingshacksel in Torbole am Herzschlag. Ich besuchte im Jahre 1911 sein Grab auf dem malerisch gelegenen Friedhof von Torbole. Man sah von der geweihten Stätte aus über den 4 e ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 8. F ü r die Festschrift lieferten noch Beiträge: Alfred Söhnstorff, J o s e f Seeber, Ferdinand K o b e r , Karl H i l m , Ferdinand Pfeiffer v. Julienfels, Heinrich v. T r n s k y , Franz Karl G i n z k e y , Béla Kuderna, Paul Busson, Roda R o d a , Svetozar Manojlovic, Franz X . Kappus, O t t o k a r Kraft v. Helmhacker, Friedrich M a r x , Marie E b n e r - E s c h e n b a c h , Stephan v. Millenkovich u. Arthur Zoglauer. 4 9 ) Arthur F r h . Bolfras v. Ahnenburg (Sachsenhausen bei Frankfurt/Main, 1 6 . 4 . 1 8 3 8 - 1 9 . 1 2 . 1 9 2 2 , Baden/Wien), 2 0 . 1 0 . 1 8 5 8 als L t . aus Milak. zu I R . 39, Glstbslaufbahn, 1. 3 . 1 8 8 9 - 6 . 1 . 1 9 1 7 Generaladjutant und C h e f der Militärkanzlei Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Bolfras war neben G O . Beck der engste und einflußreichste Mitarbeiter des Kaisers auf dem Gebiet des Militärwesens. Bereits 1929 erreichte Glaise-Horstenau von der Familie - wahrscheinlich vor allem vom Sohne Egon Frh. v. Bolfras - , daß wichtige Teile der Korrespondenz des Generals abgeschrieben und im Bestand „Militärkanzlei Seiner Majestät" im Separatfaszikel 79/42 hinterlegt werden konnten. Schon vorher waren Teile der Korrespondenz im N W J . ( 2 7 . 6 . 1 9 2 6 , 9 f . ; 4 . 7 . 1 9 2 6 , 1 5 ; 1 7 . 1 0 . 1 9 2 6 , 3 f . , 2 8 . 1 1 . 1 9 2 6 , 5 f . ; 2 . 1 0 . 1 9 2 7 , 2 ; 8 . 1 . 1 9 2 8 ) und der Briefwechsel mit General Conrad in N F P . ( 2 7 . 2 . 1 9 2 7 , 4 f . ; 6.3.1927,6f.; 13. 3 . 1 9 2 7 , 6 ) veröffentlicht worden. E g o n Frh. Bolfras veröffentlichte überdies im N W J . Erinnerungen, die sich zum Teil auf das Wissen seines Vaters stützen dürften. Vgl. besonders: Kaiser Franz J o s e f und mein Vater, in: N W J . , 5 . 9 . 1 9 2 8 , 2 f . ; Erinnerungen an E r z h e r z o g Franz Ferdinand, in: N W J . , 2 9 . 6 . 1 9 2 8 , 9 ; weitere Artikel: 1 6 . 1 1 . 1 9 2 6 , 2 f . ; 1 1 . 1 2 . 1 9 2 6 , 2 f . ; 2 3 . 1 2 . 1 9 2 6 , 2 f . ; 2 3 . 4 . 1 9 2 7 , 7 f . ; 2 4 . 4 . 1 9 2 7 , 8f.; 1 6 . 6 . 1 9 2 7 , 2 ; 2 9 . 6 . 1 9 2 7 , 7 ; 3 0 . 4 . 1 9 2 7 , 7f.; 1 4 . 8 . 1 9 2 7 , 2 f . ; 2 . 8 . 1 9 2 8 , 2 ; 3 0 . 9 . 1 9 2 8 , 1 1 f.; 2 8 . 1 2 . 1 9 2 8 , 2 f . D i e Nachlässe Bolfras (Vater und Sohn) im K A . , Nachlaßsammlung B / 7 5 bzw. B / 7 6 . U b e r Bolfras vgl. ansonsten: Albert Frh. v. Margutti, Kaiser Franz J o s e p h , Wien-Leipzig 1924 (s. Register); F. Reinöhl, Arthur F r h . v. Bolfras, in: Badener Zeitung, 6 . 1 0 . 1 9 6 2 , 2 f . s o ) Das k . u . k . Ulanenregiment N r . 13 wurde 1860 aus den vierten Divisionen der U R . 1 , 2 , 8 und 10 als „Freiwilliges U l a n e n - R e g i m e n t " in Stockerau aufgestellt. Von 1861 bis 1888 war Ludwig G r f . Trani Prz. beider Sizilien sein Inhaber. Es erhielt 1862 die Bezeichnung „ N r . 1 3 " und zeichnete sich bei C u stoza durch mehrere von O b s t . Pulz geführte Angriffe gegen feindliche Infanteriemassen besonders aus. Eine Eskadron war 1866 den Truppen in Tirol zugeteilt und bei ihr befand sich auch Torresani. Vgl. C . Pizzighelli, Geschichte des k . u . k . Uhlanenregiments N r . 13 1 8 6 0 - 1 9 1 0 , Z l o c z o w 1910.
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Lago di Garda hinweg. Bald nachher, im Ersten Weltkrieg, durch drei Jahre, kreuzten sich über der Ruhestätte des toten Helden und Dichters die Flugbahnen einander bekämpfender Batterien. Unmittelbar nach dem Kriege haben angeblich die Italiener das Grab des alten Schwarzgelben mißhandelt. Als ich in den dreißiger Jahren wieder nach Torbole kam, war es an einem anderen Platze neu hergerichtet. Ich bezweifle aber, ob Torresani in dieser neuen Gruft beigesetzt ist. Torresanis Sohn 5 1 ) erschoß sich während des ersten Krieges. Seine Witwe 5 2 ) kam in München unter eigenartigen Verhältnissen um. Ein Flugzeug stürzte auf sie herab und begrub sie unter seinen Trümmern. Mit Torresanis Geburtstagsfeier ist für mich noch eine zweite Erinnerung verknüpft. Als das Salzburger Lokalblatt, dessen Chefredakteur Freisauffs Vater 5 3 ) war, damals aus meiner Feder auch einen Torresani-Artikel bestellte, ging ich an zwei Nachmittagen in die Regimentskanzlei. Ich setzte mich zum ersten Mal in meinem Leben an die Schreibmaschine, schrieb zuerst einige Briefe zur Übung und dann das bestellte Feuilleton über Torresani. Seitdem trennte ich mich nicht mehr von der Schreibmaschine. Leider mußte ich es in Augsburg im Gefangenenlager tun. Ein amerikanischer Unteroffizier, den offenbar die Nürnberger Gesetze nach dem Anschluß aus Wien vertrieben hatten, legte auf meine wunderbare Underwood portable Beschlag. Ich kann den Verlust nicht verschmerzen. Mein Ansehen im Regiment hatte natürlich durch meine literarische Tätigkeit gewonnen. Auch sonst stieg meine Position. Knapp vor seinem Abgang hatte mich Roschatt für eine Reise nach Linz als Reisebegleiter mitgenommen, ein Zeichen dafür, daß ihn das „Muttersöhnchen" nicht enttäuscht hatte. Im November 1906 übernahm Gelb das Kommando. Roschatt wurde Brigadier in Innsbruck, ging dann in Pension und heiratete nach Erwerbung der ungarischen Staatsbürgerschaft eine Dame aus Salzburg in zweiter Ehe. Zu Kriegsbeginn befehligte er eine Landsturmbrigade in der Gruppe G . d . K . Kummer 5 4 ), genannt Kummer und Sorge. Ich sah ihn im Jahre 1917 in Baden bei Wien zum letzten Mal im Leben. Er starb nach dem Kriege, von schweren Sorgen bedrängt, in Teplitz-Schönau in Böhmen. Der Nachfolger Roschatts wurde, wie schon mehrfach erwähnt, Oberst Gelb v. Siegesstern. Er entstammte gleichfalls einer Tiroler Familie, die in früheren Generationen den uralten Gasthof Krone in Bozen besaß. Der Vater Gelb 5 5 ) war am Schluß Major beim Regiment Heß Nr. 49 in Salzburg und stand mit meinem Vater auf freundschaftlichem Fuße. Er wohnte in einer Villa in der Neutroststraße. Wenn 51)
Carl Justus Frh. v. Torresani (Gallenhof, 1 8 . 6 . 1 8 8 1 - ?). Therese Freiin v. Torresani, geb. Pabst (Theresienfeld, 1 0 . 8 . 1 8 5 8 - 1 9 2 7 , München). 5 3 ) Rudolf Freisauff, Redakteur. 5 4 ) Heinrich Frh. Kummer v. Falkenfeld (Preßburg, 2 2 . 4 . 1 8 5 2 - 8 . 1 2 . 1 9 2 9 , Salzburg) übernahm als G d K . und stellvertretender Landwehroberkommandant mit Kriegsbeginn eine Armeegruppe, vornehmlich aus Landsturm- und Landwehreinheiten, die in der linken Flanke der 1. Armee operierte und bei Krasnik und Lublin erfolgreich kämpfte. Sie wurde im September 1 9 1 4 aufgelöst. 5 5 ) Karl Gelb v. Siegesstern (Bozen, 3 1 . 1 . 1 8 3 1 - 2 5 . 4 . 1 9 1 0 , Salzburg), 1848 als Ex-propriis-Gemeiner zu T J R . , 1852 Lt., 2 7 . 7 . 1 8 6 6 Hptm., 1 . 1 1 . 1 8 7 8 als Mjr. zu IR. 49, 1 . 2 . 1 8 8 7 als Obstlt. ad honores pensioniert. 52)
D i e „ s c h ö n e , wilde L e u t n a n t s z e i t "
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ich auf Urlaub war, begegnete ich ihm täglich. Mein nunmehriger Regimentskommandant hatte den größten Teil seiner Dienstzeit bei den Kaiserjägern zurückgelegt. Er war Adjutant des Thronfolgers geworden, weil dieser mit Gelbs Vorgänger, einem Generalstäbler 5 6 ), schlechte Erfahrungen gemacht zu haben wähnte und nun einen Troupier an seine Seite wünschte. Es ging trotz des jähen Temperaments Franz Ferdinands ziemlich glatt. Aber als Gelb wegging, riet er seinem hohen Herrn, sich wieder einen Generalstäbler zu nehmen, schon im Hinblick auf die unvergleichlich besseren Beziehungen, die ein solcher grundsätzlich zu den maßgebenden Offizieren der Wiener Zentralstellen hatte. Er lenkte dabei Franz Ferdinands Aufmerksamkeit auf den jugendlichen Major Alexander Brosch v. Aarenau, der vom Generalstab eben beim 1. Kaiserjägerregiment zur Truppendienstleistung eingerückt war. Franz Ferdinand stimmte der Wahl zu, wobei unter anderem auch die kleine, zierliche Gestalt des Majors als Aktivum in die Waagschale fiel: es war dem Thronfolger nicht unangenehm, wenn sein Adjutant schon in den äußeren Dimensionen von ihm abstach. In dieser Beziehung bildeten auch der riesige Erzherzog Eugen und sein langjähriger zierlicher Adjutant Andrich 5 7 ) ein seltsames Paar, wenn sie miteinander in der Öffentlichkeit erschienen. In jene Zeit fiel das stärkere Hervortreten Franz Ferdinands. Dieser war in den neunziger Jahren bekanntlich wegen eines Lungenleidens, das er von seiner Mutter geerbt hatte, zeitweilig schon den Toten zugezählt worden. Ganz Österreich und auch der Hof sahen in dem blendend schönen, lebenslustigen jüngeren Bruder Franz Ferdinands, in Erzherzog Otto 5 8 ), schon den künftigen Herrscher. Aber Franz Ferdinand gab bei seinen Ansprüchen auf den Thron ebensowenig nach wie bei der Verheiratung mit der Gräfin Sophie Chotek 5 9 ). Er hatte sich schon um die Jahrhundertwende stark durchgesetzt und war durch Zuteilung zum „Allerhöchsten Oberbefehl" in der militärischen Hierarchie auf einen der höchsten Posten des Heeres gerückt. Im Jahre 1906 starb sein Bruder Otto an Lues, die er sich bei einer Negerin geholt hatte, eines furchtbaren Todes. Er verfaulte bei lebendigem Leibe, 5 6 ) Heinrich R. Krauss v. Elislago (Prag, 2.5. 1862-30.7.1932, Lilienfeld), 1883 als Lt. aus Milak. zu IR. 14, Glstbslaufbahn, 1898 Erster Flügeladjutant Ehg. Franz Ferdinands, 1.11.1900 Obstlt. i . G . , April 1902 enthoben, 10.5.1905 Chef des Operationsbüros des Glstbs., 18.4.1910 Kmdt. 55. IBrig., 1.5.1910 G M . , 1.5.1913 F M L . , im August 1914 als Kmdt. der 22. L w I T D . unentschlossen und erfolglos, 26.9.1914 pensioniert. Vgl. M. v. Krauß-Elislago, Unbekannte Briefe des Erzherzogs Franz Ferdinand. Der Thronfolger an seinen Flügeladjutanten F M L . Krauß-Elislago, in: N F P . , 30.1. 1933,2f. 5 7 ) Deodatus Andrich (Triest, 4 . 5 . 1 8 7 5 - 1 7 . 5 . 1 9 1 3 , abgestürzt bei Capljina, Herzegowina), 1894 aus IKSch. zu IR. 84 als Kadett-Offiziersstellvertreter, 1899 Oblt., 18. 4.1900 zu T K J R . 1 und Personaladjutant Ehg. Eugens, 1.11.1909 Hptm., 1.9.1912 in den Präsenzstand des Regiments, später zugeteilt der Luftfahrtruppe. 5 8 ) Ehg. Otto (Graz, 2 1 . 4 . 1 8 6 5 - 1 . 1 1 . 1 9 0 6 , Wien), 25.4.1880 zu U R . 7 als Lt., Dienst bei verschiedenen Regimentern, meist aber bei der Kavallerie. 3.8.1894 als Obst. Kmdt. H R . 9, 30.10.1896 G M . u. Kmdt. 10. KBrig., 15. 5.1899 Kmdt. K T D . in Wien, 26.10.1899 F M L . , 23. 7.1904 aus Gesundheitsrücksichten enthoben, 21.10.1904 General-Kavallerieinspektor, 24.4.1905 G d K . , 25.7.1906 neuerlich enthoben. 5®) Sophie Herzogin v. Hohenberg (Stuttgart, 1 . 3 . 1 8 6 8 - 2 8 . 6 . 1 9 1 4 , Sarajewo), Tochter des Bohuslav Grafen Chotek, heiratete am 1.7.1900 Erzherzog Franz Ferdinand in morganatischer Ehe und wurde in den erblichen Fürstenstand erhoben.
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seine Ausdünstung war in den letzten Lebenswochen so stark, daß nur mehr die Frau seines Herzens, eine Wiener Künstlerin 60 ), es bei ihm länger aushielt. Ein dieser Beziehung entsprossener Sohn erhielt den Namen „von Hortenau" 6 1 ), nicht zu verwechseln mit Horstenau. Legitim verheiratet war der Erzherzog mit Maria Josefa von Sachsen 62 ) gewesen, die ihm zwei Söhne geschenkt hatte, Carl Franz Joseph 63 ), den unglücklichen letzten Kaiser, und Maximilian 64 ), der äußerlich stärker seinem Vater glich, indes Carl wenigstens in der Jugend stark den Typus der Wettiner aufwies. Mit Brosch v. Aarenau trat eine bedeutsame, starke und auch ehrgeizige Persönlichkeit an die Seite des Thronfolgers. Er wurde dessen eigentlicher Mentor. Bald nach seiner Berufung trat ein starker Wechsel an den höchsten Stellen des Reiches und der Armee ein. An die Stelle des greisen Feldzeugmeisters Beck trat mit Conrad v. Hötzendorf ein ausgesprochener Mann des Thronfolgers an die Spitze des Generalstabes. Ich widmete Conrad in der Wiener „ Z e i t " 6 5 ) natürlich anonyme Begrüßungsworte. An die Stelle des Außenministers Goluchowski 6 6 ), in der Karikatur als der ewig schlafende Außenpolitiker Österreichs beliebt - hätten nur auch seine Nachfolger so gut geschlafen ! - trat Lexa v. Aehrenthal 67 ), dessen jüdischer Vorfahre in den Franzosenkriegen als Armeelieferant ein schönes Vermögen erworben hatte 6 8 ). Die Aehrenthals waren längst in den böhmischen Hochadel hineingewachsen und damit auch der Familie der Fürstin Sophie Hohenberg, der morganatischen Gemahlin Franz Ferdinands, nahegekommen, wenn nicht verwandt. Der Kriegsminister R. v. Pitreich, dem Thronfolger wegen der Zugeständnisse an die Ungarn besonders unsympathisch, wurde durch Franz Schönaich ersetzt, der dem 6 0 ) Marie Schleinzer (später verehelichte v. Hortenau) (Wien, 2 5 . 3 . 1 8 7 4 - 1 . 6 . 1 9 4 9 , Abbazia), 1890 bis 1901 Angehörige des Hofopernballetts. Vgl. M. Schleinzer-Hortenau, Katharina Schratt und ihre Menagerie; in: N W J . , 2 4 . 1 1 . 1 9 2 9 , 15f.; dies., Meine Erinnerungen an Kaiser Franz Josef und Kaiserin Elisabeth, in: N W J . , 14.9.1930, 5 f . ; dies., Kronprinz Rudolf und die Puppenfee, Persönliche Erinnerungen, in: N W J . , 2 3 . 8 . 1 9 3 1 , 1 5 . 6 1 ) Erzherzog Otto hatte auch von der Schauspielerin Louise Robinson (1883/1884-10.11.1934, Wien) eine Tochter Alice, die er anerkannt hatte. « ) Erzherzogin Maria Josepha (Dresden, 3 1 . 5 . 1 8 6 7 - 2 8 . 5 . 1 9 4 4 , Schloß Wildenwart/Bayern), Tochter des Königs Georg von Sachsen und der Maria Anna geb. Infantin v. Portugal. 6 3 ) Karl I. (IV.) (Persenbeug, 1 7 . 8 . 1 8 8 7 - 1 . 4 . 1 9 2 1 , Funchal auf Madeira). M ) Erzherzog Maximilian (Wien, 1 3 . 4 . 1 8 9 5 - 1 9 . 1 . 1 9 5 2 , Nizza), k . u . k . Major, vermählt mit Franziska Prinzessin zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst. " ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 9. 6 6 ) Agenor Graf Goluchowski (der Jüngere) (Lemberg, 2 5 . 3 . 1 8 4 9 - 2 8 . 3 . 1 9 2 1 , Lemberg), ab 1872 in der diplomatischen Laufbahn, 1 6 . 5 . 1 8 9 5 - 2 4 . 1 0 . 1 9 0 6 Minister des Äußeren. 6 7 ) Alois Graf Lexa v. Aehrenthal (Groß-Skal, 2 7 . 9 . 1 8 5 4 - 1 7 . 2 . 1 9 1 2 , Wien), 1899-1906 k . u . k . Botschafter in St. Petersburg, seit 2 4 . 1 0 . 1 9 0 6 Minister des Kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußeren. 6 8 ) Es handelt sich um einen typischen Tratsch. Vgl. nunmehr: H . Jäger-Sunstenau, Minister Aehrenthal und der Semi-Gotha, in: Genealogie, Jg. 1970,225. Die neueste Literatur über Aehrenthal siehe bei S. Wank, Varieties of political despair: Three exchanges between Aehrenthal and Goluchowski, 1 8 9 8 - 1 9 0 6 , in: Intellectual and social developments in the Habsburg Empire from Maria Theresia to World War I. Essays dedicated to Robert A. Kann, edited by Stanley B. Winters and Joseph Held, New York-London 1975, 2 0 3 - 2 3 9 .
Die „schöne, wilde Leutnantszeit"
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Stabe des Siegers von Custoza in dessen letzten Jahren angehört hatte und nachher kurze Zeit Divisionär des bei den Kaiserjägern dienenden Erzherzogs Ferdinand Karl 6 9 ), des jüngsten Bruders Franz Ferdinands, gewesen war. Schließlich übernahm Max Vladimir Freiherr v. Beck, der Staatsrechtslehrer Franz Ferdinands in dessen Jugendzeit, die Ministerpräsidentschaft in Österreich. Sie alle sollten übrigens in den folgenden Jahren die Vergänglichkeit jeglicher Fürstengunst kennenlernen. Und es gehörte zu den Zwiespältigkeiten im Charakter des Thronfolgers, daß er die Berufung seiner Vertrauensmänner von Anbeginn mit gemischten Gefühlen ansah - in der Sorge, seine Garnitur könnte sich schon abnützen, bevor er zur Macht kam. Gleiche Auffassung nahm er gegenüber etwaigen innerpolitischen Reformen ein. Einerseits betrieb er sie, andererseits hatte er aber doch den Ehrgeiz, sie erst mit seinem Herrschernamen verknüpft zu sehen. Franz Joseph nahm ihm diese Sorgen ab. Bei seiner Altersbeharrlichkeit, die doch zum großen Teile gesunder Menschenverstand und genaue Kenntnis des Gefüges seines Reiches war, dachte der Kaiser nicht daran, noch größere Experimente zu machen. Im Jahre 1871 hatte er sich an den letzten großen Versuch herangewagt. Das Kabinett Hohenwart sollte helfen, durch Verwirklichung der tschechischen Staatsrechtswünsche der Monarchie eine bessere Form zu geben, als sie der Dualismus bot. Die Deutschösterreicher und noch mehr die durch den Ausgleich von 1867 zu großem Ubergewicht gelangten Magyaren mit Julius Andrássy 7 0 ) an der Spitze durchkreuzten den Plan. Von da an verzichtete Franz Joseph resignierend auf jede weitere Reform. Wir Jungen wurden immer ungeduldiger. Schon damals bekannte ich mich, seit jeher politisch besessen, zum Gedanken einer föderalistischen Umgestaltung meines Vaterlandes zu Plänen, wie sie Franz Ferdinand verfolgte. „ I c h bin Frondeur geworden" schrieb in einem seiner letzten Briefe der so schwarzgelbe Torresani. Natürlich verfolgten wir die großen Veränderungen mit angehaltenem Atem. Uber Franz Ferdinand vergleiche man unter anderem meinen Aufsatz im 3. Band von Bettelheims „österreichischer Biographie". Ich glaube nicht, daß spätere Bücher das Bild des Thronfolgers deutlicher wiedergegeben haben als ich in dieser kurzen Schilderung es tat 7 1 ). Weil ich mit den obigen Zeilen schon ein wenig in den Hoftratsch hineingeraten bin, möchte ich auch ein paar Zeilen dem Salzburger „ H o f l e b e n " widmen. D a war zunächst der schon erwähnte Erzherzog Ludwig Viktor, „Lutziwutzi" gespottet, des Kaisers 1842 geborener jüngster Bruder. Er wohnte im Winter in dem von 6 9 ) Erzherzog Ferdinand Carl Ludwig ( W i e n , 2 7 . 1 2 . 1 8 6 8 - 1 1 . 3 . 1915, München), 2 6 . 4 . 1 8 8 4 L t . bei U R . 4, sodann Dienst bei Genie- und Kaiserjägerregimentern, Frequentant der Kriegsschule, 1 . 1 1 . 1 8 9 8 O b s t . 4. T K J R . , 1 3 . 5 . 1 8 9 9 K m d t . 3. T K J R . , 1 7 . 1 0 . 1 9 0 2 K m d t . 18. I B r i g . , 2 6 . 1 0 . 1 9 0 2 G M . , 1904 enthoben; vermählte sich mit einem Fräulein C z u b e r , T o c h t e r eines Universitätsprofessors, mußte auf die Mitgliedschaft zum Kaiserhaus verzichten und die Monarchie verlassen. E r nahm 1911 den Namen Ferdinand Burg an. 7 0 ) Julius G r a f Andrássy (der Altere) (Kaschau, 8 . 3 . 1 8 2 3 - 1 8 . 2 . 1 8 9 0 , Volocsa, Istrien), 1848 O b e r gespan und Mitglied des Magnatenhauses, Mai 1849 Parlamentär in Konstantinopel und sodann in contumaciam zum T o d e verurteilt, mit D e i k Spiritus rector des Ausgleichs, 1 7 . 1 2 . 1 8 6 7 erster Ministerpräsident Ungarns, 1 8 . 1 1 . 1 8 7 1 - 2 2 . 9 . 1 8 7 9 (bzw. 7 . 1 0 . 1 8 7 9 ) Minister des Äußeren. 7 1 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 337.
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Ferstl erbauten Palais auf dem Schwarzenbergplatz - später Militärkasino, im Sommer zum kleineren Teil auf Reisen, in der längsten Zeit im Schloß Kleßheim bei Salzburg, das er von seiner Mutter, der Erzherzogin Sophie, geerbt hatte. Im Schloß Kleßheim herrschte seit eh und je, wenn der Erzherzog Residenz hielt, reges gesellschaftliches Leben, an dem auch die Offiziere meines Regiments in den ersten zwei Jahren der Salzburger Zeit noch Anteil hatten. Die erste Offiziers Versammlung, die ich beim Regiment mitmachte, bot eine seltsame Überraschung. Der Oberst verkündete, Einladungen nach Kleßheim seien in Hinkunft unter dem Vorwand einer Übung oder dergleichen abzulehnen. Damit bestätigte sich, was man längst geflüstert hatte: des Kaisers Bruder huldigte seit einiger Zeit unnatürlichen Neigungen. Es war sogar in Bädern schon zu unangenehmen Zwischenfällen gekommen. Auch in Kleßheim gab es ein Schwimmbad, in das junge Offiziere zur Erfrischung nach dem Tennisspiel eingeladen wurden. Sie fanden in den Kabinen keine Schwimmhosen vor und mußten sich dem gleichfalls badenden Hausherrn so zeigen, wie sie der liebe Gott erschaffen hatte - was damals noch nicht so üblich war wie später. Daß etwas Besonderes geschehen sei, wußte niemand zu berichten. Wie immer es war, mir blieb die Sensation vorenthalten, das Schloß Kleßheim zu besichtigen, in welchem sich mein seliger Vater als Vortänzer betätigt hatte. Ich greife vor, um diese Tragödie um des Kaisers Bruder abzuschließen. Der Bannfluch gegen ihn war vor allem von Franz Ferdinand ausgegangen, der es dem Oheim nicht verzieh, daß er seinerzeit entschiedener als alle anderen Prinzen gegen Sophie Chotek Stellung genommen hatte. In der Tat war er immer von äußerst exklusiven Gefühlen beseelt. Ich hörte ihn selbst einmal näselnd sagen: , , D a war viel Familie anwesend, Windischgrätz, Liechtenstein, C h o t e k . " Er fühlte sich durch Vertreter dieser uralten Häuser, die in die Dynastie hineingeheiratet hatten, als Prinz von Geblüt irgendwie „derangiert". Noch böser war er, als ihm bei einer polizeilich verbotenen Autofahrt durchs Eggental bei Bozen ein biederer Tiroler replizierte: „ U n d wenn'S der Kaiser von China wären, verboten ist es d o c h ! " Als ich nun nach der Kriegsschule als Generalstabsoffizier wieder nach Salzburg kam, gab es doch wieder kleine Einladungen beim Erzherzog. Ich war sehr bald unter den Ausgezeichneten. Das war immer eine schöne Sache. Man mußte sich nicht, wie zu Vaters Zeiten, um einen Gulden einen Fiaker mieten, sondern wurde von einem erzherzoglichen Hofwagen abgeholt, natürlich ohne Leibjäger - im Volke Büchsenspanner genannt - und mit roten statt mit goldenen Radspeichen, welche letztere ausschließlich für Mitglieder des kaiserlichen Hauses vorgesehen waren. Man zog statt der schwarzen Salonhose feierliche Lampaßhosen an und fuhr stolz über Maxglan nach Kleßheim hinaus. D e r Erzherzog empfing einen im Winterschloß. Er sah ein wenig dem Kaiser, sehr stark seinem Vater Erzherzog Franz Karl 7 2 ) ähnlich. Die geringe Ähnlichkeit des Kaisers mit dem irgendwie verkümmerten Vater ließen das Gerücht auftauchen, der elegante Franz Joseph sei gar nicht der Sohn Franz Karls gewesen, sondern des Feldmarschalleutnants Gustav Erzherzog Franz Carl (Wien, 7 . 1 2 . 1 8 0 2 - 8 . 3 . 1 8 7 8 , Wien), seit 4 . 1 1 . 1 8 2 4 vermählt mit Prinzessin Sophie in Bayern.
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Wasa 7 3 ). Daß er geistreich ausgesehen hätte, konnte man nicht behaupten. Er war aber, obwohl oder vielleicht weil er nie im Leben gearbeitet hatte, ein sehr gebildeter Mann. Meine historisch-politischen und meine Salzburger Milieukenntnisse machten mich ihm trotz des Altersunterschiedes zu einem angenehmen Gesellschafter. Dabei fand er bei mir auch Verständnis für die vielen Bosheiten, die er gern ins Gespräch einstreute. Boshaft war er überhaupt. Das zeigte sich auch, wenn er seine Gäste gern mit einem besonders komplizierten, in der Handhabung nicht immer ganz leichten Eßbesteck überraschte. Ich hatte das Geschick, auf sein Beispiel zu warten, wenn mir irgendein Gefäß oder ein Werkzeug Rätsel aufgab. Als sich Kardinal Katschthaler bei Gelegenheit als guter „Messerschlucker" erwies - er hatte es bei den Bauern im Zillertal nicht anders gelernt, und vom Erzherzog etwas sarkastisch auf die Gefahren der Messerschärfe aufmerksam gemacht wurde, antwortete der Kirchenfürst: „ O h , Kaiserliche Hoheit, ich passe schon auf, daß ich mich nicht schneide", und er schob ruhig weitere Bissen mit dem Messer in den Mund. Dennoch möchte ich nicht behaupten, daß die Situation für zwei junge Offiziere, wenn sie zufällig allein beim Erzherzog geladen waren, immer angenehm gewesen ist. Man dachte nach, wie man sich gegen des Kaiser Bruder verhalten sollte, wenn . . ., aber alles ging glatt vorüber, als eines Tages General Gelb aus Konopischt angerufen wurde, er habe sich in den allernächsten Tagen im Belvedere zu Wien beim Thronfolger zu melden. D a dieser in diesen Tagen - am 13. Dezember 1912 - seinen Geburtstag hatte, es war der fünfzigste, er war neunundvierzig Jahre alt, träumte ich, daß Gelb Generaladjutant und ich dessen Ordonnanzoffizier werden würde. Aber es kam ganz anders. Gelb erhielt eine strenge Rüge, daß er und seine Offiziere in Kleßheim verkehrten. In Hinkunft würde die Annahme einer solchen Einladung unbedingt eine ehrenrätliche Untersuchung nach sich ziehen. Man müsse auf jeden Fall unter einem beliebigen Vorwand ablehnen. Nach der Rückkehr Gelbs waren die ersten Eingeladenen er und ich. Wir sagten ab. Ein paar andere Offiziere mußten in der nächsten Zeit ebenso verfahren. Gelb wurde auf eine Beschwerde Lutziwutzis nach Wien gerufen. Er fragte zuerst telefonisch beim Erzherzog-Thronfolger an, ob er sich, falls das Thema Ludwig Viktor zur Sprache käme, auf seinen Befehl berufen dürfe. Bezeichnenderweise wurde dies verneint. Aber Gelb brauche keine Angst zu haben, der Thronfolger werde sich mit seiner Person ,,vor ihn stellen". Generaladjutant Baron Bolfras enthob Gelb, als er ihn in der Militärkanzlei der Wiener Burg empfing, jeder Antwort, er wußte genug. Des Kaisers Bruder blieb verfemt, er soll im letzten Lebensjahr sogar - schon nach dem Tode Franz Josephs - hinter Gittern gehalten worden sein und starb 1919, als es schon keinen Kaiser und kein Reich mehr gab, in Kleßheim. Die Gemeinde Siezenheim, zu der das Schloß gehörte, widmete ihrem freigebigen Wohltäter, der er zeitlebens gewesen ist, ein Grab an der Kirchenmauer. Bei einer Versteigerung seiner Hinterlassenschaft im Wiener Dorotheum erstand ich ein paar Kleinigkeiten zum Andenken an den armen Fürstensohn. G u s t a v Prinz v. W a s a ( S t o c k h o l m , 9 . 1 1 . 1 7 9 9 - 4 . 8 . 1 8 7 7 , Pillnitz), einziger S o h n des entthronten schwedischen K ö n i g s G u s t a v A d o l f I V . , k . k . F M L . , seit 9 . 1 1 . 1 8 3 0 vermählt mit Prinzession L o u i s e von B a d e n .
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In der Folge ritt ich ein paarmal in dem schönen großen Park von Kleßheim. Ende April 1943 übernachtete ich im Winterschloß. Die beiden Schlösser waren Gästehaus Adolf Hitlers geworden. Ergriffen betrat ich, gemeinsam mit dem famosen kroatischen Staatschef Pavelic 7 4 ), die altbekannten, durch den Umbau allerdings nicht mehr erkennbaren Räume, blickte ich zum Fenster meines Schlafgemaches hinaus nach den Auen des Saalach-Grenzflusses. 1816, nach der Erwerbung Salzburgs durch das Haus Österreich, genoß Kaiser Franz den gleichen Ausblick, und der neben ihm stehende „Pfleger" von Salzburg wies schmerzlich auf die Nähe der Grenze hin, wie sie sich aus dem Verzicht Österreichs auf den sogenannten Rupertiwinkel nunmehr ergab. In der Ära Dollfuß-Schuschnigg schwammen die österreichischen illegalen Nazis durch den Fluß „heim ins R e i c h " . Im Jahre 1945 bildete der Rupertiwinkel den Gegenstand tragikomischer Auseinandersetzungen zwischen den KZ-Regierungen Bayerns und Österreichs . . . Neben Kleßheim gab es in Salzburg einen zweiten H o f . In den Franzosenkriegen hatte für ein paar Jahre der entthronte Großherzog Ferdinand von Toskana 7 5 ) von der Sekundogenitur des habsburgischen Hauses als Kurfürst in Salzburg residiert. Daran erinnerte sich der Enkel 7 6 ), als er 1860 endgültig aus seiner heiteren Residenz Florenz vertrieben wurde. Er erhielt einen Flügel der ehemals erzbischöflichen und nunmehr kaiserlichen Residenz in Salzburg als Wohnsitz zugewiesen. 1875 folgte ihm sein Sohn unter dem Namen Ferdinand I V . 7 7 ) als Großherzog ins Exil. Ferdinand lebte noch zu meiner Zeit. Er war ein freundlicher alter Herr mit weißem Vollbart und war mit seiner stark italienischen Aussprache unter dem Namen Nando in der kaiserlichen Familie ein beliebtes „ F r o z z e l " - O b j e k t . Als seine Tochter Louise 7 8 ), ein schwarzäugiges und schwarzhaariges Rasseweib, Anfang der neunziger Jahre 7 9 ) den damaligen Kronprinzen Friedrich August von Sachsen 8 0 ) heiratete, gab es in Salzburg große Festlichkeiten, darunter einen prächtigen Fackelzug. Es war ein Freudentag für die finanziell ziemlich armselig gestellte Familie. Von seinen vier Söhnen gab Nando den ältesten, Leopold 8 1 ), in die Marineakademie, aus der er 7 4 ) Ante Pavelic (Bradine, Herzegowina, 14. 7 . 1 8 8 9 - 2 8 . 12.1959, Madrid), im 1. Weltkrieg Angehöriger der Honvéd, gründete 1929 die Ustascha-Bewegung, 1 9 4 1 - 1 9 4 5 Staatsführer von Kroatien. 7 5 ) Großherzog Ferdinand III. von Toskana (Florenz, 6 . 5 . 1 7 6 9 - 1 8 . 6 . 1 8 2 4 , Florenz), ab 2 . 7 . 1 7 9 0 Großherzog von Toskana, 1 8 0 3 - 1 8 0 5 Kurfürst von Salzburg. 7 6 ) Großherzog Leopold II. Ferdinand von Toskana (Florenz, 3 . 1 0 . 1 7 9 7 - 2 9 . 1 . 1 8 7 0 , Rom), Sohn Ferdinands III., seit 1 8 . 6 . 1 8 2 4 an der Regierung, dankte am 21. 7 . 1 8 5 9 zugunsten seines Sohnes ab und lebte sodann in Salzburg und Böhmen, wo er Bürgermeister von Schlackenwerdt wurde. 7 7 ) Großherzog Ferdinand IV. von Toskana (Florenz, 1 0 . 6 . 1 8 3 5 - 1 7 . 1 . 1 9 0 8 , Salzburg), Sohn Leopolds II. und der Maria Antonia, geb. Prinzession beider Sizilien, folgte seinem Vater am 21. 7 . 1 8 5 9 in der Regierung, mit 2 2 . 3 . 1 8 6 0 wurde sein Land mit dem Königreich Italien vereinigt, k . u . k . F M L . , vermählt 1 1 . 1 . 1 8 6 8 in Frohsdorf mit Prinzession Alice von Bourbon-Parma. 7 β ) Erzherzogin Louise Antoinette (Salzburg, 2 . 9 . 1 8 7 0 - 2 3 . 3 . 1 9 4 7 , Brüssel). 7 9 ) 2 1 . 1 1 . 1 8 9 1 in Wien mit Friedrich August Prinz v. Sachsen vermählt. 8 0 ) Friedrich August III. (Dresden, 2 5 . 5 . 1 8 6 5 - 1 8 . 2 . 1 9 3 2 , Schloß Sybillenort), 1 9 0 4 - 1 9 1 8 Kg. v. Sachsen. 8 1 ) Erzherzog Leopold Ferdinand (Salzburg, 2 . 1 2 . 1 8 6 8 - 4 . 7 . 1 9 3 7 , Berlin), 1 . 7 . 1 8 8 7 Seekadett, 2 1 . 1 2 . 1 8 9 4 Linienschiffsfhr., 1 . 1 1 . 1 8 9 2 Linienschiffslt. Der Erzherzog war auf dem Torpedo-Rammkreuzer „Elisabeth" eingeschifft, dessen sich Ehg. Franz Ferdinand bei seiner Weltreise bediente. Er
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jedoch zur Heeresinfanterie ausgemustert wurde. Die drei anderen, Josef, Peter 8 2 ) und Heinrich 8 3 ), kamen nach Weißkirchen und in die Neustädter Akademie. Vor Weihnachten 1902 wurde die Welt plötzlich durch die Nachricht überrascht, daß die beiden ältesten Sprößlinge des Hauses Toskana, Luise und Leopold Ferdinand, aus ihren Dynastien ausgestoßen worden seien. Natürlich waren Liebesgeschichten dahinter. Die rassige Louise hatte an dem zwar witzigen, aber sonst kaum sonderlich regsamen Kronprinzen Friedrich August ziemlich genug. Sie opferte die künftige Königskrone gerne der Zuneigung eines Musiklehrers 84 ) und wurde später, nachdem sich ihr heißes Blut beruhigt hatte, als Gräfin Montignoso eine vergessene Frau. Leopold hatte sich zusammen mit ihr und einer Künstlerin aus der Langeweile des Hoflebens und seiner galizischen Garnison geflüchtet. Er nahm den Namen Leopold Wölfling an. Ende der zwanziger Jahre, als ich schon Direktor des Wiener Kriegsarchivs war, kam mein Sekretär in mein Büro: Herr Wölfling sei draußen. Ich lud ihn für ein paar Augenblicke zu mir ein und behandelte ihn als
hatte seine damalige Geliebte als Matrose verkleidet an Bord geschmuggelt, dies wurde entdeckt und der Erzherzog mußte mit seiner Begleiterin noch in der Adria das Schiff verlassen. D e r Vorfall wurde an den Kaiser gemeldet und führte zur Transferierung des Erzherzogs zur Infanterie. 2 0 . 3 . 1 8 9 4 als H p t m . zu I R . 8, 22. 4 . 1 8 9 7 M j r . I R . 45, 24. 4 . 1 8 9 9 O b s t l t . , 2 4 . 1 0 . 1 9 0 0 O b s t . I R . 81. D e r E r z h e r z o g meldete mit 1 7 . 1 . 1 9 0 2 die Lösung seines Verhältnisses zu Frl. Wilhelmine Adamovic; er wurde mit 2. 4 . 1 9 0 2 beurlaubt; aus Brüssel suchte er am 1 4 . 1 2 . 1 9 0 2 um Ablegung des Ranges und Titels eines Erzherzogs an und um Erlaubnis zum Tragen des Namens Leopold Wölfling. E r wurde mit 2 2 . 1 2 . 1 9 0 2 seiner Offizierscharge enthoben und aus dem Erzhaus ausgeschieden. (K.A., Militärkanzlei Seiner Majestät 1902: 6 8 - 6 / 1 , 2 ; 1902: 9 1 - 3 / 1 , 2 , 3 . Leopold Wölfling war verheiratet in erster Ehe mit Wilhelmine, geb. Adamovic (geschieden 1906), in zweiter E h e mit Maria, geb. Bitter (gest. 1920), 3 . 6 . 1 9 3 3 in dritter E h e mit Clara, geb. Kröger (Güldenboden, Ostpreußen, 6 . 1 0 . 1 8 9 4 - ? ) . Leopold Wölfling veröffentlichte die beiden Erinnerungswerke in B u c h f o r m : Habsburger unter sich, Berlin 1920; F r o m Archduke to G r o c e r - M y Lifestory, L o n d o n 1930; sowie Artikelserien in N W T . - W a . in den Jahren 1923 (28. 7 . - 1 8 . 8.) und 1924 (31. 5 . - 6 . 9.). Diese Publikationen ergänzen einander, ihr Wahrheitsgehalt und die Beurteilung einzelner Persönlichkeiten des Hauses Habsburg-Lothringen ist in den einzelnen W e r k e n unterschiedlich. 8 2 ) Erzherzog Peter Ferdinand (Salzburg, 1 2 . 5 . 1 8 7 4 - 8 . 1 1 . 1 9 4 8 , St. Gilgen), 1 8 . 8 . 1 8 9 3 aus Milak. als Lt. zu I R . 59, 1 . 1 1 . 1 9 0 7 O b s t . I R . 59, 1 4 . 3 . 1 9 0 9 K m d t . I R . 32, 1 . 5 . 1 9 1 1 G M . und K m d t . 49. IBrig., 1 2 . 2 . 1 9 1 4 K m d t . 25. I T D . , 1 . 5 . 1 9 1 5 F M L . , 9 . 6 . 1 9 1 5 enthoben, 1 7 . 4 . 1 9 1 7 G d L , 1 8 . 4 . 1 9 1 7 Kmdt. einer Armeegruppe ( 9 3 . I T D . u. 59. G e b . B r i g . ) , diese ab 1 . 8 . 1 9 1 8 V . Korps, 1 . 1 2 . 1 9 1 8 ins Verhältnis „ a . D . " . General Auffenberg erhob in seinen Erinnerungen gegen den E r z h e r zog den V o r w u r f , er habe durch sein Disponieren in der Schlacht bei K o m a r ó w die Einkesselung der russischen 5. Armee unmöglich gemacht. 8 3 ) Erzherzog Heinrich Ferdinand (Salzburg, 1 3 . 2 . 1 8 7 8 - 2 1 . 5 . 1 9 6 9 , Salzburg), 1 3 . 8 . 1 8 9 7 aus Milak. als Lt. zu D R . 6, 1 . 1 1 . 1 9 0 3 R t m . , 1 9 0 6 - 1 9 1 4 aus Gesundheitsrücksichten beurlaubt. 1 . 5 . 1 9 1 3 M j r . , ab 2 . 8 . 1 9 1 4 aktive Dienstleistung, 1 2 . 1 0 . 1 9 1 4 - 7 . 6 . 1 9 1 7 O r d o n n a n z o f f z . beim 4. A r m e e k m d o . , 1 . 5 . 1 9 1 5 O b s t l t . , ab 1 9 . 6 . 1 9 1 7 Gruppenkmdt. an der Kärntner F r o n t , 2 5 . 8 . 1 9 1 7 G M . , 1 . 1 0 . 1 9 1 7 K m d t . 29. (später 192.) S B r i g . , 2 . 8 . 1 9 1 8 beurlaubt, 1 . 1 2 . 1 9 1 8 versetzt ins Verhältnis „ a . D . " . 8 4 ) Kronprinzessin Louise verließ 1902 in Begleitung des Sprachlehrers ihrer Kinder Giron den sächsischen H o f , wobei ihr Ehg. Leopold Ferdinand half. Durch kgl. sächsische Verleihung v. 1 3 . 7 . 1 9 0 3 erhielt sie nach der Scheidung von ihrem Mann Titel und Namen einer Gräfin v. M o n t i g n o s o . A b 1918 führte sie den Namen und Titel einer Comtesse d' Ysette. In zweiter E h e heiratete sie in London am 2 5 . 9 . 1 9 0 7 Enrico Toselli, K o m p o n i s t . Die Ehe wurde am 1 2 . 6 . 1 9 1 2 in Florenz getrennt. Ihre Kinder blieben am sächsischen H o f . Das sechste Kind M o n i k a Pia, das sie bei der Flucht unter dem Herzen trug, wurde ihr nach der G e b u r t weggenommen.
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Kaiserliche Hoheit, wie es sich für einen Republikaner, der ich geworden war, geziemte. Er hatte sich irgendeine Bestätigung geholt. Kurz darauf starb er. Der Großherzog machte in Salzburg bescheidenes Haus. Einmal im Winter wurde man zu einer Tanzerei eingeladen, bei der es sehr einfach, um nicht zu sagen ärmlich zuging. Als ich in Wien in der Kriegsschule war, begab ich mich eines Abends in die Mariahilfer Straße. Da kam vom Westbahnhof ein düsterer Zug heran. Voraus fuhr ein Hofleichen-Fourgon - ähnlich dem Kranz- oder Gerätewagen einer Bestattungsanstalt. Er barg den Sarg des verstorbenen Großherzogs. Hinterher folgten in ein paar Hofequipagen die Söhne in voller Gala. Hof-Fourgon und nächtliches Dunkel waren durch das spanische Zeremoniell seit undenklichen Zeiten für den letzten Einzug in der Burgkapelle vorgeschrieben. Auch Kaiser Franz Joseph sollte sich diesem Gesetz nicht entziehen können. Ferdinands ältester vollgültiger Sohn Josef Ferdinand nahm den Titel eines Großherzogs von Toskana nicht mehr an. Es soll irgendwie mit Italien so geregelt worden sein. Auch über die Lebensdauer des schönen Ordens der Eisernen Krone sollen ähnliche Ubereinkommen bestanden haben. Danach sollte dieser eigentlich von Napoleon gegründete Orden nach Franz Josephs Tod in Österreich nicht mehr verliehen werden. Ich war einer der ersten Ordensritter, die Kaiser Karl ernannt hatte. Die Großherzogin 8 5 ) mit zwei ledigen Töchtern 8 6 ) blieb bis 1918 in Salzburg. Dann übersiedelte sie nach Schwertberg in Oberösterreich. Mein Vetter Gussetti übernahm ihre Rechtsvertretung und erwarb mit den Erzherzoginnen zusammen in Badgastein ein Kurhaus, das der alte Schönerianer ,,Haus Lothringen" taufte. Die letzte Großherzogin ist längst verschieden. Erzherzog Josef Ferdinand begegnete ich noch öfter im Leben. Ein Jahr lang war er mein Vorgesetzter als Kommandant der 3. Division in Linz. Im Kriege traf ich ihn ab und zu, als er die 4. Armee befehligte. Nach der zweiten Katastrophe bei Luck wurde er abgesägt. Nach dem Umsturz sahen wir uns bei Schönbrunn und in Mondsee wieder. Er hatte die geschiedene Frau 8 7 ) eines ehemaligen Salzburger Landwehroffiziers geheiratet, die ihre erste Ehe von der Wohnung meiner Mutter weg eingegangen war. Später ließ sich der Erzherzog von dieser Gattin scheiden, um eine Oberstentochter 8 8 ) zu heiraten, die er im Schloß Mauterndorf im Lungau beim pensionierten bayrischen Stabsarzt R. v. Epenstein 89 ) kennengelernt hatte. Dort war er auch viel mit der Mutter 9 0 ) und den Kindern Görings zusammengekommen, die jeden Sommer dort verbrachten und das Schloß zuletzt erbten. Her®5) Alice, geb. Prinzession v. Bourbon-Parma (Parma, 2 7 . 1 2 . 1 8 4 9 - 1 6 . 1 . 1 9 3 5 , Schwertberg). 86) Um 1903 gab es drei unvermählte Töchter: Erzherzogin Margareta (Salzburg, 13.10.1881-30.4.1965, Schwertberg), Erzherzogin Germana (Salzburg, 11.9.1884-3.11.1955 Schwertberg), Erzherzogin Agnes Maria (Salzburg, 2 6 . 3 . 1 8 9 1 - 4 . 1 0 . 1 9 4 5 , Schwertberg). e 7 ) Rosa Jokl (Jockl), geb. Kaltenbrunner, verh. 2 . 5 . 1 9 2 1 , gesch. 1 6 . 1 0 . 1 9 2 8 . 8 e ) Gertrud Tomanek Edle v. Bayerfels. Diese zweite „morganatische" Gattin wurde nicht „ K y burg" sondern „Principessa di Firenze" genannt, ebenso die Kinder „Principessa" bzw. „Principe". Den Namen „ K y b u r g " nahmen die Söhne des Ehgs. Max an. 8 9 ) Dr. Hermann R. v. Epenstein (gest. 1934, 83 Jahre alt). 9 0 ) Fanny Göring, geb. Tiefenbrunn.
Die „ s c h ö n e , wilde Leutnantszeit"
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mann Göring brachte es zuwege, nach dem Anschluß Österreichs Josef Ferdinand nach nur achttägigem Aufenthalt im KZ. zu befreien. Josef Ferdinands zweite Frau hatte bei ihrer Verehelichung den Titel einer Gräfin von Kyburg angenommen, Rudolf von Habsburg, der Gründer der Dynastie, war auch Graf von Kyburg gewesen. Auf okkultem Wege soll dem Erzherzog mitgeteilt worden sein, daß er eine neue österreichische Dynastie begründen werde; vor einigen Jahren erlag er einem Herzschlag, ohne daß vorläufig aus den Weissagungen etwas geworden ist. Sein Bruder Heinrich ist angeblich illegaler Nazi gewesen 9 1 ). Beide hatten 1918, wie es die Republik Österreich wünschte, die Mitgliedschaft zum kaiserlichen Hause abgelegt. Die Visitkarte Josef Ferdinands lautete „Generaloberst a . D . Josef Ferdinand Habsburg-Lothringen". Die Wiener Arbeiter-Zeitung freute sich, dem Herrn Habsburg-Lothringen ab und zu eine ans Zeug zu flicken. Unter sonstigen interessanten Persönlichkeiten, die man in Salzburg traf, sei zunächst der einstige erste Eisenbahnminister Österreichs, ökonomierat F M L . Freiherr v. Guttenberg 9 2 ), genannt. Er hatte 1878 als Generalstabschef der 7. Division an der Einnahme von Sarajevo entscheidend Anteil genommen und starb, 100 Jahre und drei Wochen alt, im Jahre 1941 in Salzburg. Er hatte seinen hundertsten Geburtstag nicht erwarten können, er wäre lieber schon früher gestorben. Sein Sohn 9 3 ) war in meinem Regiment Offizier. Fast neunzig Jahre wurde der Ende der zwanziger Jahre verstorbene F M L . Petrini v. Monteferri 94 ) alt, er war ein Custozakämpfer und wurde, als vor dem Ersten Weltkrieg das IR. 75 nach Salzburg kam, stets besonders gefeiert, da er Custoza beim Regiment mitgemacht hatte. Er machte, schon pensioniert, in unserer Leutnantszeit im Schloß Mirabell einiges Haus. Seine jüngere Tochter Beate 9 5 ), die später den Bundesbahndirektor Wirth 9 6 ) heira9 1 ) Ist nicht nachweisbar und wird von dem Hause Habsburg nahestehenden Kreisen entschieden bestritten. 9 2 ) Emil Frh. v. Guttenberg (Tamsweg, 4 . 1 . 1 8 4 1 - 3 0 . 1 . 1 9 4 1 , Salzburg), 1.5.1859 aus GenieSchulkp. in Krems als Korporal zu 4. Geniebaon., 13.5.1859 als Lt. zu IR. 42, Glstbslaufbahn, 13.10.1884 Chef des Eisenbahnbüros d."Glstbs., 1.11.1884 Obst. i . G . , 1.11.1890 G M . , 18.6.1894 Stellvertretender Chef d. Glstbs., 1.5.1895 F M L . , 17.1.1896 beurlaubt und ernannt zum Eisenbahnminister, 28.11.1897 als Minister enthoben, 1898 pensioniert. Erwarb sich große Verdienste um den Ausbau des strategischen Eisenbahnnetzes und leitete den Ausbau der Tauernbahn ein. 9 3 ) Ottokar Frh. v. Guttenberg (Graz, 1 . 1 . 1 8 7 8 - 1 3 . 1 0 . 1 9 4 4 , ?), 1896 als Kadett-Offzstellv. aus IKSch. Liebenau zu 1. T K J R . , 1897 Lt. l . T K J R . , 1.11.1901 Oblt., 1.11.1904 zu 4 . T K J R . , ab 1910 kmdiert ins Eisenbahnbüro d. Glstbs. bzw. (ab Kriegsbeginn) in der Zentraltransportleitung als Referent für Schiffahrtsangelegenheiten, 1.11.1911 Hptm, 1.8.1917 Mjr., nach Kriegsende im liquidierenden K M . , 1.3.1920 pensioniert. Im 2. Weltkrieg zeitweise Angehöriger der Dt. Abwehr und sodann versetzt in das Büro Glaise-Horstenaus; nach dem 20. Juli 1944 als Gegner des NS-Regimes in der Kanzlei von Glaises Adjutant Mjr. Eduard Metzger von einem Gestapobeamten verhaftet und in der Folge hingerichtet. 9 4 ) Friedrich Petrini v. Monteferri (Wartenberg, O ö . , 1 3 . 8 . 1 8 4 0 - 1 1 . 1 . 1 9 2 7 , Salzburg), 10.9.1857 zu IR. 1 als Gefreiter aus Infanterie-Schul-Kp. zu Olmütz, 30.5.1859 Lt. IR. 11, 1.2.1860 zu IR. 75, 10.5.1866 Oblt., 1.5.1876 Hptm., 1.11.1895 Mjr. IR.56, 1.5.1892 Obst., 6.2.1893 Kmdt. I R . 2 0 , 14.2.1898 Kmdt. Innsbrucker LwIBrig., 1.5.1898 G M . , 22.6.1902 Kmdt. 2 1 . L w I T D . , 1.11.1902 F M L . 9 5 ) Beate Wirth-Petrini (geb. 10.2.1889, ?). 9 6 ) Dr. Alfred Wirth (Graz, 1 . 1 0 . 1 8 7 7 - 2 . 6 . 1 9 3 0 , Wien), heiratet 2.5.1912 Beate Petrini, seit 1902 in der Eisenbahnverwaltung, 1907 ins Eisenbahnministerium, 1925 Direktor der Bundesbahndirektion Wien-Nordost.
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tete, wurde mir für mein ganzes Leben ein sehr, sehr guter Kamerad; eine elegante, hübsche, kluge Frau. Zum Kreis Károlyi gehörte das freiherrliche Ehepaar Kast von Ebelsberg 9 7 ). Uber dem Tor ihrer Villa neben dem Mirabellschloß war ein seltsames Wappen angebracht: ein kaiserlicher Doppeladler, von dem ein Menschenarm ein Kreuz wegzieht. Kasts hatten das Haus aus der Erbschaft des in den neunziger Jahren verstorbenen Generals Grafen O'Donnel 9 8 ) übernommen, der im Februar 1853 als Flügeladjutant an der Abwehr eines gegen den jungen Kaiser gerichteten Attentates mitgewirkt und dafür neben vielen Orden auch das obige Wappen erhalten hatte. Seine Beisetzung habe ich als Militärzögling mit angesehen. Besonders in Erinnerung blieb mir der den Konduktkommandanten begleitende Generalstabsoffizier, ein kleiner, schnittiger Artillerist, auf dessen Brust sich der güldene Kartoucheriemen und die Adjutantenbinde kreuzten. Es war Oberleutnant Heimerich 9 9 ), der spätere Schwiegervater meines Freundes und letzten Adjutanten Eduard Metzger 1 0 0 ). Die Kast stammten von einem Hausangestellten des Staatskanzlers Metternich ab. Die Baronin war eine geborene Gräfin Rechberg, Enkelin des berühmten Ministers 1 0 1 ) und Tochter eines Offiziers 1 0 2 ), der Anfang der sechziger Jahre Adjutant Franz Josephs war. Sie wußte mancherlei über Unstimmigkeiten in der kaiserlichen Ehe zu erzählen und über die Flucht der schönen Kaiserin nach Madeira, wohin ihr Major Graf Rechberg mit einem im Rock eingenähten Briefe des Kaisers nachgeschickt worden sei. Wie man weiß, hat die kaiserliche Ehe, die einer ausgesprochenen Liebesheirat entsprang, von Anbeginn unter der Herrschsucht der KaiserinMutter Sophie schwer gelitten. Aber auch Elisabeth war für den nüchternen schwunglosen Gatten keineswegs die richtige Frau. Dabei waren an der Flucht nach Madeira Anfang der sechziger Jahre amouröse Geschichten Franz Josephs gewiß nicht schuld. Solche gab es kaum. Akten im Hofarchiv verraten vielmehr, daß auch " ) Theodorich Maria Frh. Kast v. Ebelsberg (Nedëlist, Böhmen, 1 0 . 6 . 1 8 5 8 - 4 . 1 . 1 9 3 1 , Prag), 2 8 . 3 . 1 8 7 8 als E F . zu D R . 3, 1.11.1880 L t . , 1.5.1886 O b l t . , 7 . 4 . 1 8 8 8 beurlaubt, 1 . 4 . 1 8 9 0 in die Reserve; verheiratet Enns, 2 1 . 9 . 1 8 9 0 , mit Therese Gfin. zu Rechberg und Rothenlöwen (Wien, 1 4 . 1 . 1 8 6 5 - 4 . 4 . 1 9 3 6 , Mnisek). 9 e ) Maximilian Graf O ' D o n n e l v. Tyrconnel (Wien, 2 9 . 1 0 . 1 8 1 2 - 1 4 . 7 . 1 8 9 5 , Salzburg), ab 1830 in der Armee, 17.5.1849 Mjr. K R . 4 und Flügeladjutant Franz Josephs I., 4 . 1 2 . 1 8 5 0 Obstlt., 6 . 1 2 . 1 8 5 1 O b s t . , 18.2.1853 Attentat auf den Kaiser durch Libenyi, 2 9 . 3 . 1 8 5 9 als G M . ad honores pensioniert. » ) O s k a r v. Heimerich ( G ö r z , 6 . 6 . 1 8 6 5 - 2 0 . 8 . 1 9 5 5 , Wien), 1886 aus Techn. Milak. als Lt. zu schw. B a t . D i v . 2 7 , Glstbslaufbahn, 1.11.1908 Obstlt. i . G . , 14.10.1910 K m d t . F K R . 26, 1.11.1911 O b s t . , 27. 8.1914 Kmdt. 26. F A B r i g . , 1 . 5 . 1 9 1 5 G M . , 17.11.1915 Kmdt. d. Techn. Milak. (mit kurzen Unterbrechungen bis Kriegsende), 1 . 5 . 1 9 1 8 F M L . 1 0 ° ) Eduard Metzger (Wien, 1 8 . 1 2 . 1 8 9 8 - 1 . 5 . 1 9 7 7 , Baden/Wien), 1917 aus Techn. Milak. als Lt. zu I R . 2 7 , ab 15.11.1917 im Felde, 1.11.1918 O b l t . , 3 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert, nach Umschulung 1939 ab 8 . 8 . 1 9 3 9 bei lei. Flak Ers. Abt. 92 und anderen Flakabt., 1 . 1 . 1 9 4 0 H p t m . , 6 . 1 2 . 1 9 4 0 entlassen. 14.6.1942 einberufen zur Dienstleistung beim Deutschen General in Agram als dessen Adjutant (bis 1945), 1 . 2 . 1 9 4 4 Mjr. d. R . z . V . 1 0 1 ) Bernhard Grf. Rechberg u. Rothenlöwen (Regensburg, 1 7 . 7 . 1 8 0 6 - 2 6 . 2 . 1 8 9 9 , Schloß Kettenhof bei Wien), V. 1 8 5 9 - X . 1864 Minister des Äußeren. 1 0 2 ) Alois Grf. Rechberg u. Rothenlöwen (Darmstadt, 4 . 7 . 1 8 3 5 - ? ) , 15.4.1859 Kadett D R . 7, 1 . 5 . 1 8 5 9 L t . , 7 . 1 . 1 8 6 0 Oblt. im Adjutantenkorps, 1 . 9 . 1 8 6 1 zu D R . 2 , 1 . 7 . 1 8 6 2 Rtm. U R . 1 3 , 1.6.1864 Dienst quittiert, 1 . 6 . 1 8 7 0 in die k . k . L w . , 1. 3.1874 zu böhmischen L w . Dragonereskadron9.
D i e „ s c h ö n e , wilde L e u t n a n t s z e i t "
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das Liebesbedürfnis des Herrschers überaus primitiv und poesielos geregelt war. Die Freundschaft seines Alters, Frau Schratt 1 0 3 ), war noch durch die Kaiserin Elisabeth gefördert worden. Fürstin Nora Fugger 1 0 4 ), die so ziemlich alle Gardinengeheimnisse der höchsten Wiener Kreise kannte, war fest überzeugt, daß die Beziehungen Franz Josephs zur „gnädigen F r a u " , wie Katharina Schratt am Hofe genannt wurde, zeitlebens rein freundschaftlich gewesen seien. Nebenbei bemerkt, habe ich die Kaiserin Elisabeth einmal im Leben in der Nähe des Hotel Europa in Salzburg gesehen, beiläufig dort, wo später eine Zeitlang ihr schönes Denkmal stand. Es war knapp vor ihrem Tode. Sie war unerhört mager auch durch künstliche Abmagerungskuren - und hielt ständig ihr Taschentuch vor dem Munde, da ihre Zähne sehr schlecht waren, sie aber keinem Zahnarzt einen Eingriff gestattete . . . Ich kehre mit meinen Aufzeichnungen, die keinerlei Anspruch auf literarische Durchfeilung erheben können, in meine dienstliche Sphäre zurück. Zu den Beschäftigungen, die mir verhältnismäßig bald erwachsen waren, gehörte die Wahl in den ehrenrätlichen Ausschuß des Regiments. Ich war als Leutnant, Károlyi als Oberleutnant drinnen. Wie ich schon sagte, gab das Offizierskorps des Regiments verschwindend wenig zu tun. Umso größer war die Zahl von Outsider-Fällen, die uns die Division oder das Korps zuwiesen. Károlyi und ich interessierten uns beide sehr, die von mir verfaßten Gutachten hatten zur Folge, daß man uns die schwersten Angelegenheiten des Korpsbereiches bearbeiten ließ. Ein Angenehmes hatte die Sache, zum Ärger meines Kompaniechefs: man ersparte sich mitunter langweilige Ausrückungen. Sehr gefesselt hat mich im letzten Jahre meines Truppendienstes 1 0 5 ) meine Tätigkeit als Lehrer der Terrainlehre an der Einjährig-Freiwilligen-Schule. Zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst bei den Kaiserjägern herrschte stets ein sehr großer Andrang. Die Folge war, daß sich die Einjährigen aus allen Völkern des Reiches ergänzten. Ich habe mich bemüht, meinen Unterricht so interessant als möglich zu gestalten und meinen Schülern auch ein guter Kamerad zu sein. Es gelang mir. Die Schlußprüfungen unter dem gestrengen Colard fielen gut aus. 1 0 3 ) Katharina Schratt (Baden, 1 1 . 9 . 1 8 5 5 - 1 7 . 4 . 1 9 4 0 , Wien) 1 8 8 3 - 1 9 0 0 Burgschauspielerin; 2 8 . 9 . 1 8 7 9 vermählt mit Nikolaus Kiss de Itebe. , 0 4 ) Eleonore Fürstin Fugger, geb. Przin. zu Hohenlohe-Bartenstein-Bartenstein (Bartenstein, 4 . 1 0 . 1 8 6 4 - 1 . 3 . 1 9 4 5 , Wien), vermählt Wien, 8 . 1 . 1 8 8 7 , mit Karl Georg Erbgrf. (später Fst.) Fugger v. Babenhausen. Ihre Erinnerungen: Im Glanz der Kaiserzeit, Zürich-Leipzig-Wien 1931. 1 0 5 ) Für die Jahre 1903 und 1904 wurde Glaise wie folgt beurteilt (Auszüge): „lebhaft, offen, besitzt recht gute Charakteranlagen, . . . führt den Zug sowohl geschlossen wie im Gefechte selbständig und im Verbände gut (1904: sehr gut); besitzt im Waffen- und Schießwesen genügend (1904: vorzügliche) Kenntnisse, guter (1904: sehr guter) Instructor; schießt selbst gut (1904: minder gut); ist sehr eifrig aus Interesse für den Dienst - bei recht gutem Erfolg - sehr strebsam; gegen Vorgesetzte sehr gehorsam mit pflichtgemäßer Offenheit; . . . gegen Untergebene genügend streng und entschieden - sorgt für dieselben, genießt deren Vertrauen; verspricht ein recht tüchtiger Kompanieoffizier zu werden. Beurteilung des Brigadiers 1904: Sehr befähigter, sehr gut vorgebildeter Offizier, auch praktisch schon sehr verwendbar. 1906: Sehr gut befähigter, sehr verwendbarer und ambitionierter Subaltern-Offizier. In der Rangtour." In den Jahren 1904 bis 1907 gab es in der Beurteilung ansonsten keine größeren Veränderungen.
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2. A N D E R K R I E G S S C H U L E Gleichzeitig rückte an mich die Zeit heran, sich wieder für mich selbst nach einer Schulbank umzusehen. Bis vor kurzem waren drei Jahre Truppendienst und zwei Jahre Kriegsschule die Regel. Für meinen Jahrgang waren zum ersten Mal vier Truppenjahre vorgeschrieben, was mir in Salzburg wirklich nicht leid getan hat, aber auch drei Jahre Kriegsschule. Damit gewannen die früheren Akademiejahre einen erheblichen Vorsprung, so mein Freund Rudolf Kiszling 106 ), der mir später in der Leitung des Kriegsarchivs folgen sollte. U m in die Kriegsschule aufgenommen zu werden, hatte man zwei Prüfungen über sich ergehen zu lassen, eine schriftliche Vorprüfung und eine schriftliche und mündliche Hauptprüfung. Die Vorprüfung wurde Anfang Jänner 1907 beim Divisionskommando in Linz abgelegt. Man bekam verschlossene Kuverts und arbeitete unter Klausur, von einem Stabsoffizier beaufsichtigt. Mein Aufsichtsmann war der Major Nikolaus Boroevic 1 0 7 ) vom IR. 59, ein Vetter des späteren Feldmarschalls 108 ). Am leichtesten ging mir natürlich der deutsche Aufsatz aus der Feder. Von tausend Offizieren, die in der ganzen Monarchie einberufen worden waren, bestanden die Prüfung etwa vierhundert, darunter war auch ich. Unmittelbar nach 1 0 6 ) Rudolf Kiszling (Groß Becskerek, 8 . 1 . 1 8 8 2 - 8 . 5.1976, Purkersdorf b. Wien), 1902 aus Milak. als Lt. zu 4. T K J R . , Glstbslaufbahn, 1.11.1910 Glstbsabt. XII. Korps (später Armeegruppe Gdl. Kövess), 1.5.1911 Hptm. i . G . , 8.6.1915 Glstbsabt. der Siebenbürger Gendarmerie T D . (später 70. Honvéd ITD.), 10.12.1915 deren Glstbschef, 1.2.1916 Mjr. i . G . , 26.8.1916 Glstbschef 71. ITD., 6.9.1917 Materielle Gruppe HGruppenkmdo. Boroevic, 1.5.1918 Obstlt. i. G., 23.11.1918 Stabschef beim Landesbefehlshaber für Deutsch-Böhmen, 18.6.1920 ins KA., 13.6.1930 Obst. a . D . , 1934 Hofrat, 1.9.1936 provisorischer Leiter des KA., 1.1.1937 Generalstaatsarchivar, 1.10.1938 Heeresarchivdirektor (bis 23.4.1945). Kiszling war der fruchtbarste und - neben Glaise-Horstenau - der bedeutendste österreichische Militärhistoriker des zwanzigsten Jahrhunderts. Er war der maßgebende Redakteur und Bearbeiter des fünfzehnbändigen Generalstabswerkes „Österreich-Ungarns letzter Krieg", Wien 1930-1938. Vgl. über ihn: O . F. Winter, Generalstaatsarchivar i . R . Rudolf Kiszling zum 90. Geburtstag, in: Scrinium, Heft 6, 1972, 3 - 7 . Werkverzeichnis in: Ö M Z , Heft 5/1967, 49f.; P. Broucek, In memoriam Professor Rudolf Kiszling, in: Scrinium, Heft 14/1976, 3 - 5 . , 0 7 ) Nikolaus Boroevic (Knezovljani, Kroatien, 1 1 . 8 . 1 8 5 6 - 1 9 . 3 . 1 9 2 9 , Salzburg), 1.9.1873 aus IKSch. Agram als Kadett-Offiziersstellvertr. zu 2. Banalgrenzrgt. Nr. 11, 1.11.1877 Lt. IR. 70, 1.11.1901 Mjr. I R . 5 9 , 1.11.1909 Obst., 1.5.1911 beurlaubt mit Wartegebühr, 1.5.1913 pensioniert. 1 0 8 ) Svetozar Boroevic v. Bojna (Umetic, Kroatien, 1 3 . 1 2 . 1 8 5 6 - 2 3 . 5.1920, Klagenfurt), 1874 aus IKSch. Liebenau zu IR. 52, 1875 Lt., Glstbslaufbahn, 1.5.1904 GM. als Kmdt. M.IBrig., 14.7.1907 Kmdt. VI. k.u. Landwehrdistrikt, 1.5.1908 F M L . , 10.4.1912 betraut mit Führung des VI. Korps, 1.10.1912 Kmdt. VI. Korps und kdi. Gen. in Kaschau, 1.5.1913 Gdl., 6.10.1914 Kmdt. 3. Armee, 22.5.1915 Kmdt. 5. Armee, 1.5.1916 G O . , 1.2.1918 FM., 1.12.1918 pensioniert. Boroevic ist neben FM. Conrad der bedeutendste aber auch ebenso umstrittene Heerführer Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg. Sein Name ist vor allem mit den zwölf Isonzoschlachten und der Piaveschlacht verknüpft. Neben Werkverzeichnis Nr. 95 vgl. R. Kiszling, Feldmarschall Svetozar Boroevic v. Bojna, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter, Heft 1/1962, 9 - 1 5 . Wertvolle Quellen: A. Schalek, Ein Mann. Persönliches von Boroevic, in: NFP., 12.6.1920, 1 - 4 ; S. Duic, In memoriam Feldmarschall Boroevic, in : RP., 27.10.1920,5£.; J. Weiß, Die Tragödie des FM. Boroevic . . ., in: NFP., 2 7 . 1 . 1 9 2 9 , 4 f . , 3 . 2 . 1 9 2 9 , 4 f . , 10.2.1929, l f . Als Offizier und als Mensch ungünstig beurteilt, wird Boroevic von seinen beiden engsten Mitarbeitern der Jahre 1915-1918: vgl. F. Rotter-le Beau, Feldmarschalleutnant Aurel v. le Beau, 2 Bde., Wr. Diss. 1959; KA., Nachlaßsammlung B/54: Nachlaß (insb. Tagebücher), GM. Anton R. v. Pitreich.
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der Prüfung hatte ich das Pech, an Gelbsucht zu erkranken, die glücklicherweise nicht lange anhielt, aber genug lang, daß mir ein flatterhaftes Mädchen, das ich seit kurzem liebte, an einen Kameraden von der Artillerie verlorenging. Vor der Hauptprüfung, die im September stattfand, erhielt man zwei Monate Urlaub zur Vorbereitung. Ich verbrachte ein Viertel des Urlaubs in Wels bei meinem Freunde und Regimentskameraden Hirsch v. Stronstorff, dessen Vater als pensionierter Feldzeugmeister in einer Villa nächst dem Bahnhof lebte ! Er hatte durch eine Reihe von Jahren von den Freiherrn v. Eiseisberg das Stammschloß Steinhaus oder Wels abgemietet und sich jetzt sehr schwer in das städtische Milieu eingewöhnt. Auch er wurde beinahe hundert Jahre alt. Nach Vollendung seines neunundneunzigsten Jahres schrieb er mir noch eine Karte, die wie gestochen war. Er war Neustädter des Jahrganges 1855 gewesen. Anfangs September rückten wir nach Wien in die Kriegsschule zur Vorprüfung ein. Die Kriegsschule war ein altes, recht dürftiges Gebäude in der Dreihufeisengasse nächst dem Theater an der Wien. In schiefem Winkel gegen den Getreidemarkt schloß sich das Technische Militärkomitee ab. Im Hofgelände befanden sich eine geschlossene und eine offene Reitschule. Gegen Westen war der Raum durch das Magazin der Hoftheater abgeschlossen, wo wir täglich vormittags die Dekorationen für die Abendvorstellung abfahren sahen. Das ganze Territorium hatte noch in den fünfziger Jahren die Jesuitenwiese gebildet, auf der der Armeekapellmeister Leonhardt 1 0 9 ) an der Spitze von Monstre-Militärmusiken für die ganze Armee den gleichen Schritt einüben ließ. Nun war diese richtunggebende Musik eine geistige geworden. Ich nahm Wohnung im Hotel Kummer auf der Mariahilfer Straße. Als wir uns in einem der Säle der Kriegsschule in herrlicher Parade einfanden, gab es mit vielen Neustädter Kameraden - es mochten drei Dutzend gewesen sein - ein frohes Wiedersehen. Als wir uns getrennt hatten, waren wir noch weitgehend knabenhaft, jetzt standen völlig gereifte Männer einander gegenüber. Ich war aus einem spindeldürren Jüngling ein kräftiger Kerl geworden. Der Schulkommandant kam, gleichfalls in Parade, herein. Er war neu ernannt: Generalmajor Paul Puhallo 1 1 0 ), dessen Vater 1 1 1 ), ein Grenzerleutnant aus der kroatischen Lika, kurz darauf in den Adelsstand mit dem Beinamen „ V o n Brlog" erho> 0 9 ) Andreas Leonhardt (Asch, Böhmen, 1 9 . 4 . 1 8 0 0 - 3 . 1 0 . 1 8 6 6 , Wien), ab 1818 Militärmusiker, ab 1822 Regimentskapellmeister, ab 1840 auch Direktor und Gesangsprofessor des Musikvereins, 1850 Armeekapellmeister. n o ) Paul Puhallo Frh. Puhallo v. Brlog (Brlog, Kroatien, 2 1 . 2 . 1 8 5 6 - 1 2 . 1 0 . 1 9 2 6 , Wien), 1.9.1877 aus Techn. Milak. als Lt. zu F A R . 13, Glstbslaufbahn, 1.11.1898 Obst. i . G . , Lehrer an der Kriegsschule, 12.10.1902 ins Operationsbüro d. Glstbs., 24.4.1904 Chef d. Operationsbüros, 1.5.1905 Kmdt. 50. IBrig. u. G M . , 20.10.1906 Kmdt. Kriegsschule, 1.5.1909 F M L . , 22.9.1910 Kmdt. 46. L w I T D . , 1.11.1913 FZM. u. Kmdt. V. Korps, 2.5,1915 Kmdt. 3. Armee, V. 1916 Kmdt. 1. Armee, 1.5.1916 G O . , 25.7.1916 beurlaubt wegen Auflösung des 1. Armeekmdos., 1.5.1917 in Disponibilität, 1.12.1918 pensioniert. 1 U ) Michael Puhallo v. Brlog (Brlog bei Otocac, Kroatien, 1817-6.3.1913, Brlog), 1.2.1837 als Gemeiner zum 2. Otocaner Grenz IR., 21.8.1849 Lt., 1.2.1862 pensioniert, 1908 ungar. Adel „ v o n Brlog".
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ben wurde - womit der General bereits einen Ahnen hatte. Puhallo war ein jugendlich aussehender, eleganter General, wir hatten für ihn und seinesgleichen den Spitznamen „Salonkroate". Wir waren unser vierhundert junge Leute. Er eröffnete uns kühl und nüchtern, daß nur jeder zehnte, insgesamt vierzig, in die Schule aufgenommen würde. Ohne besonders „gebüffelt" zu haben, war ich überzeugt, daß ich es machen würde und blieb völlig ruhig. Die schriftlichen Aufgaben wurden unter einem Kennwort erledigt, so daß keiner der zensurierenden Lehrer wußte, wessen Arbeit er vor sich hatte. Es waren zunächst fünf oder sechs anstrengende Tage. Freude machte mir die deutsche Stilarbeit. Ich wählte ein Thema, das mir besonders lag: „ D i e Armee Radetzkys" und lieferte ein recht nettes Feuilleton. Weniger leicht ging es in Taktik, Waffenlehre und anderen Fächern. Die mündlichen Prüfungen fanden vor einer großen Kommission statt. Ich brillierte in Geschichte und Geographie. Insgesamt schnitt ich als vierter ab, ein Ergebnis, das ich mir nicht erwartet hatte. Eigentlich der vierte unter tausend, wenn man die Kandidaten für die Vorprüfung mitrechnete. Es sollte keineswegs so bleiben. Im Hotel warteten schon die Sporen, die man nunmehr als „Berittener" - das war man als Kriegsschüler - anlegen durfte. Ich benützte in den nächsten Tagen noch die Gelegenheit, für meine Mutter und mich eine kleine Wohnung zu suchen, denn es war ausgemacht, daß sie mich nach Wien begleitete. Ich nahm den Plan der Stadt und suchte grüne Plätze in der Nähe der Dreihufeisengasse. Einer war der Esterházypark hinter dem Hotel Kummer. Dort ging ich hin und fand im dritten Stock, Amerlingstraße N r . 9, ein bescheidenes Gelaß, das uns die kommenden drei Jahre beherbergen sollte. Denk, der auch unter den glücklichen Absolventen war, mietete unterhalb des Apollotheaters ein Wigwam. Der Ausblick in das Grün des Parks hatte inmitten des Häusermeeres, das meine Mutter und mich umgab, für uns zwei Provinzler etwas Tröstliches. Im Frühjahr war es auch schön, den Weg in die Schule durch den frisch grünenden Park zu nehmen. Wir danken unserem Führer, daß der Esterházy-Park jetzt durch einen riesigen Flakturm verschandelt ist, dessen Zwillingsbruder ausgerechnet in dem einst auch baumbestandenen Hof des Kriegsarchivs aufgerichtet wurde. Es war um diesen Krieg wirklich was Schönes. In Salzburg hieß es zahlreiche Abschiedsbesuche machen. Als Mann, der den Marschallstab im Tornister trug, wurde ich überall respektvoll begrüßt. Soviel ich mich erinnere, begann Ende Oktober 1 1 2 ) der Unterricht in der Dreihufeisengasse. Gleichzeitig wurde mit den Möbeln aus Salzburg übersiedelt. Als mein Offiziersdiener kam der Kaiserjäger Settimo Briosi 1 1 3 ) - sprich tirolisch Brioschi - aus Varane bei Riva mit. Es war ein guter Kerl, was sich neben meiner Mutter als durchaus nützlich erwies. Leider war er Quartalsäufer, was ihm beim zweiten Rausch eine Nacht im Gemeindekotter zu Gonobitz in Untersteiermark und beim dritten den Hinausschmiß eintrug. Als ich im Sommer 1909 1 1 4 ) in Galizien bei ler-Ulanen ) Glaise-Horstenau war ab 10.10. 1907 an die Kriegsschule kommandiert. ) Settimo Briosi (Varone bei Riva, 7 . 2 . 1 8 8 6 - vor 1914), 1907 bis 1910 aktive Dienstleistung. 1 1 4 ) Näheres Datum nicht feststellbar.
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Truppendienst machte, wunderte ich mich, daß mein sonst so liebenswürdiger Rittmeister 1 1 5 ) meinen Settimo stets sehr schlecht behandelte. Einmal sagte er mir: „ D u , mir ist alles an dir recht, aber wie man sich einen Juden als Offiziersdiener nehmen kann, verstehe ich nicht." Der welsche Typus Settimos gab Anlaß zu diesem Irrtum. Die Kriegsschule war für neun Parallelklassen gebaut gewesen. D a es nun insgesamt nur mehr drei Klassen gab, wurden wir in dem Theaterdepot zu liegenden Flügel zusammengepreßt. Vier Leutnants des 4. Kaiser)ägerregiments setzten sich nebeneinander in die vorletzte Bank 1 1 6 ). Es war zum ersten Mal in der Geschichte der Kriegsschule, daß ein Regiment auf einmal so viele Frequentanten stellte. Im übrigen werde ich auf unsere Bankreihe noch zurückkommen. Die Anforderungen, die in der Kriegsschule gestellt wurden, konnten sich sehen lassen. Man mußte geistig und physisch das Kind gesunder Eltern sein, wenn man diese Galeerenarbeit durchstand. Am wenigsten belastend war noch der theoretische Unterricht. Ich nahm meine alte Unart, mich in der gedeckten Stellung der vorletzten Bank mit meinen Privatneigungen, Lektüre und Schriftstellerei, zu befassen, wieder auf. Wie in Neustadt mußte mir Freund Meduna 1 1 7 ) wieder seine Stenogramme leihen, wenn es zu Prüfungen ging. Natürlich war bei dieser Methode Rangverlust unvermeidlich. Sehr unangenehm waren die schriftlichen Aufgaben, die sehr oft vom frühen Morgen bis in den späten Abend währten. Jede Woche gab es eine Taktik- und eine operative Aufgabe dieser Art. Aber auch in anderen Fächern fand sich genug Gelegenheit zu solcher Folterei. Viel Groll sammelte ich dabei als Nichtraucher wider die Raucher, die ihrer Leidenschaft ungehindert frönen durften und daher den Lehrsaal in eine Dampfwolke hüllten. O f t nahm ich mir vor, das Rauchen, wenn ich einmal Lehrer sein würde, kategorisch zu verbieten. Die wichtigsten Gegenstände waren Taktik, operativer Generalstabsdienst und Kriegsgeschichte - wie seit Jahren keusch das einstmalige Lehrfach Strategie genannt wurde. Unser Taktiklehrer war ein repräsentativer junger Generalstabsmajor von fabelhaftem Selbstbewußtsein, aber auch wahrer Besessenheit für sein Fach. Wir lernten im Disponieren viel bei ihm, auch in präziser, von Hochstapelei freier Arbeit. Jede Frage mußte bis zum letzten durchgedacht werden. Diesen Vorzügen stand jedoch als schwerer Nachteil gegenüber, daß der vom Lehrer ausgeklügelten offiziellen Lösung gegenüber jeder anderen unbedingt weiterhin der Vorzug gege) Nicht feststellbar. ) Unter den 55 Frequentanten von Glaise-Horstenaus Kriegsschuljahrgang sind nur drei Angehörige des 4. T K J R . feststellbar: Glaise-Horstenau, Eugen Hirsch v. Stronstorff und Rudolf KünzlJizersky (s. u.). Sie saßen auch in einer Bank. Lt. frdl. Hinweis Eugen Hirsch v. Stronstorffs erscheint es jedoch möglich, daß sich unter den Frequentanten ein vierter Offizier befand, der vorher Regimentsangehöriger gewesen war. U 7 ) Viktor R. Meduna v. Riedburg u. Langenstauffen-Pyllwitz (Teplitz-Schönau, 2 0 . 8 . 1 8 8 1 - 5 . 8 . 1942 Bad Chudow, Preuß. Schlesien), 1903 als Lt. aus Milak. zu D R . 13, Glstbslaufbahn, ab 1.11.1911 eingeteilt in Glstbsabt. I. Korpskmdo., 1.11.1913 Hptm. i . G . , 5.2.1918 in Nachrichtenabt. A O K . , 1.5.1918 Mjr. i . G . , 1.9.1919 eingetreten ins K A . , 1.9.1920 übernommen in den Zivilstaatsdienst, 23.9.1921 Titular-Obstlt., Absolvent des Instituts für öst. Geschichtsforschung, 16.2.1934 TitularHofrat, 1.10.1938 Ober-Heeresarchivrat. lls
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ben wurde und wir uns schließlich nur mehr bemühten, diese zu erraten, statt die Dinge sachlich zu behandeln und nach eigener Überzeugung zu lösen. Auf diese Weise verlor ich jegliche Entschlußfreudigkeit und Entschlußfähigkeit. Erst in der Zeit meiner Tätigkeit als Brigadegeneralstabsoffizier gewann ich beides zurück. Meinen Taktiklehrer traf ich in den ersten Kriegsjahren wieder. Oberst Rudolf R u d e l 1 1 8 ) , so hieß er, kommandierte bei der 11. Division das ja nicht sehr gute Tarnopoler Regiment N r . 15, einst Nassau-Infanterie. Es geschah mit ihm, was man öfter bei besonders hervorstechenden und selbstbewußten Friedensoffizieren erlebte. E r machte gar keine gute Figur, war gegen Entbehrungen äußerst empfindlich und auch vor dem Feinde nicht vorbildlich. Sowohl bei Lemberg wie bei Przemysl mußte ich ihn öfters aus wohlbesorgten Deckungen zum Besuche des Schützengrabens herauslocken. E r verschwand bald in eine Hinterlandstellung und starb in der Zeit des Anschlusses, nachdem er noch mit Neid meine Ernennung zum Minister erlebt hatte. E r hat mir eine recht schlechte Beschreibung zur Brigade mitgegeben 1 1 9 ). Gleich nach der Taktik reihte der operative Generalstabsdienst. A m zweiten U n terrichtstag hatten wir, ohne jede Vorstellung vom Militär-Eisenbahn-Wesen, eine Armeegruppe aus Syrmien nach Istrien abzutransportieren. Das war eine beliebte Unterrichtsmethode. Es hieß, der Generalstabsoffizier müsse sich in jede überraschende Situation hineinfinden. Unser Lehrer, Major Johann Straub 1 2 0 ), wurde übrigens sehr bald von einer schweren Gicht heimgesucht. Zeitweilig wurde Alfred Freiherr v. Waldstätten 1 2 1 ) zu seiner Vertretung bestimmt. T r o t z schwierigen GeU 8 ) Rudolf Rudel-Frantz (Fünfkirchen, 1 0 . 1 1 . 1 8 6 7 - 3 0 . 8 . 1 9 3 8 , Wien), 1888 aus Milak. als Lt. zu I R . 1, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 8 9 8 Hptm. i . G . Festungskmdo. Trient, 1 3 . 9 . 1 9 0 1 in 5. Abt. R K M . , 1 . 5 . 1 9 0 5 Mjr. i . G . , Glstbschef l l . I T D . , 2 7 . 1 0 . 1 9 0 6 Taktiklehrer an der Kriegsschule, 1 . 1 1 . 1 9 0 7 Obstlt. i . G . , 1 8 . 1 0 . 1 9 1 0 zu I R . 4 8 , 1 . 1 1 . 1 9 1 1 O b s t . u. Rgmtskmdt. IR. 15, 2 8 . 1 0 . 1 9 1 4 Kmdt. 51. LwIBrig., 1 2 . 2 . 1 9 1 5 zugeteilt Obersten Milgerichtshof, 1 . 5 . 1 9 1 5 G M . , 1 3 . 4 . 1 9 1 8 2. Vizepräsident, 1 . 5 . 1 9 1 8 F M L . , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. , 1 9 ) Qualifikationsliste, Dienstbeschreibung 1910: „Erzielte an der Kriegsschule sehr gute Studienerfolge; sonst wie im Vorjahr (1909: . . . und erwies sich als sehr eifrig und recht leistungsfähig); für Generalstabsdienste noch sehr geeignet, ein recht verwendbarer Offizier (1909: . . . zum Generalstabsdienst geeignet). Qualifikation für Beförderung: In der Rangtour. 1 2 0 ) Johann Straub v. Burgauhof (Linz, 1 4 . 1 1 . 1 8 6 6 - 1 8 . 1 0 . 1 9 2 9 , Salzburg), 1 4 . 1 . 1 8 8 6 als E F . zu F J B . 26, Berufsoffiziers- u. Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 6 M j r . i. G . , 1 . 1 1 . 1 9 0 7 Lehrer an der Kriegsschule, 1 2 . 4 . 1 9 1 1 ins Eisenbahnbüro des Glstbs., 1 . 1 1 . 1 9 1 3 Obst. i . G . , 2 2 . 1 . 1 9 1 4 Vorstand des Eisenbahnbüros des Glstbs., ab Kriegsbeginn Vorstand d. Abt. 5 / E B . d. K M . , 1 . 1 0 . 1 9 1 4 Chef des Feldeisenbahnwesens beim A O K . , 1 . 5 . 1 9 1 7 G M . Straub war Planer und Organisator des Eisenbahnaufmarsches von 1914. O b das Eisenbahnbüro sich Nachlässigkeit zuschulden kommen ließ, als es einen kurz aufeinanderfolgenden oder gleichzeitigen Kriegsausbruch mit Serbien und Rußland nicht gebührend in seine Vorbereitungen mit einbezog, oder ob vom Chef des Glstbs. in der Vorbereitungszeit diesbezüglich ungenügende oder gar keine Anordnungen erteilt worden waren, blieb in der Zwischenkriegszeit neben anderen technischen Fragen des Eisenbahnaufmarsches - heftig umstritten. m ) Alfred Frh. v. Waldstätten (Klagenfurt, 1 5 . 2 . 1 8 7 2 - 1 2 . 1 . 1 9 5 2 , Steinbachtal), 1892 aus Milak. als Lt. zu I R . 81, Glstbslaufbahn, 2 8 . 1 0 . 1 9 0 7 Hilfslehrer an der Kriegsschule, 1 . 5 . 1 9 0 8 Glstbschef 28. I T D . , 1. 5. 1909 M j r . i . G . , 1 . 5 . 1 9 1 0 Lehrer-an der Kriegsschule, 1 . 1 1 . 1 9 1 2 Obstlt. i . G . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Chef d. Glstbsabt. des 1. Armeekmdos., 1 . 1 1 . 1 9 1 4 O b s t . i . G . , 2 3 . 5 . 1 9 1 5 zum Landesverteidigungskmdo. Tirol, 8. 3 . 1 9 1 6 Glstbschef X X . Korps, 3 0 . 6 . 1 9 1 6 Chef d. Glstbsabt. beim 12. Armeekm-
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hens vermochte Straub doch den ganzen ersten Krieg über die schweren Aufgaben eines Feldeisenbahnchefs der Armee mit Erfolg zu bewältigen. Nebenbei war er, soweit es seine körperliche Behinderung erlaubte, eine beschwingte Seele mit gewissen literarischen Neigungen. Er starb, fast gelähmt, in Salzburg, wo er seinerzeit eine Tochter des „österreichischen H o f e s " 1 2 2 ) geheiratet hatte. Waldstätten wurde in den letzten zwei Jahren des Ersten Weltkrieges Chef der Operationsabteilung der k . u . k . Obersten Heeresleitung und als solcher mein unmittelbarer Vorgesetzter. Wir blieben nachher zeitlebens auf freundschaftlichem Fuße, besonders als er sich nach dem Kriege auf das Gut seiner Schwiegereltern Rollsberg 1 2 3 ) zurückzog, das bei Troppau lag. Kriegsgeschichte wurde von Major Mayerhoffer von Vedropolje 1 2 4 ) tradiert. Er war vorher längere Zeit im Kriegsarchiv tätig gewesen und hatte dort an der Geschichte des Feldzuges 1809 mitgearbeitet. Ein unerhört fleißiger, ehrenhafter Mann, aber ganz ohne Schwung, so daß ich mich nie mit ihm gefunden habe. Bei den Schlußprüfungen bekam ich ausgerechnet in Kriegsgeschichte eine ungünstigere Qualifikation, was mich rangmäßig weit zurückstieß; das kam so: Mayerhoffer hatte uns zehn Fragen büffeln lassen, bei denen man sogar die Patrouillen lernte, die zum Beispiel Davout in der Schlacht bei Regensburg gegen Erzherzog Carl aussandte 1 2 5 ). Es sollte den Anschein haben, als würden wir die ganze Kriegsgeschichte des 19. Jahrhunderts so genau kennen. Als ich von Conrad v. Hötzendorf diese Frage bekam, schämte ich mich irgendwie und zäumte daher die Sache aus einem größeren Blickfeld auf. Das verübelte mir Mayerhoffer schwer. - Er wurde 1914 Kommandant des I R . 41 (Czernowitz) und erlitt in der Schlacht am Dnjestr einen Schuß in die Wirbelsäule, dem er nach mehrwöchigem Siechtum erlag. (Übrigens habe ich auch an der Akademie am Schluß keine ganz vorzügliche Note in Kriegsgeschichte bekommen.) Einen ganz vorzüglichen Lehrer hatten wir aus Militärgeographie, wie damals noch die später so aufdringliche und verschnörkelte Wissenschaft der Geopolitik schlicht genannt wurde. Major Korzer 1 2 6 ) wußte uns dieses Fach, das im allgemeido., 1 0 . 8 . 1 9 1 6 Glstbschef 3. Armee, 3 0 . 9 . 1916 Glstbschef 7. Armee, 2. 3 . 1 9 1 7 Chef d. Operationsabt. d. A O K . , 1 7 . 8 . 1 9 1 7 G M . , 9 . 1 . 1 9 1 8 Stellvertreter d. Chefs d. Glstbs., 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 3 1 . 7 . 1 9 3 7 T i t u l a r - F M L . , V I I I . 1939 Charakter eines G d l . a . D . d. D t . W m . 1 2 2 ) Katharina Maria Schwarz, seit 1 8 . 4 . 1 9 0 6 verehelichte Straub ( ? - 1 5 . 1 2 . 1 9 3 8 , Salzburg). 1 2 3 ) Gut Rollsberg (auch Roisberg, tschechisch Rollsberk) Bez. Olmütz. 1 2 4 ) Eberhard Mayerhoffer v. Vedropolje (Leitmeritz, 1 7 . 1 0 . 1 8 7 0 - 7 . 1 0 . 1 9 1 4 , Wien), 1890 aus Milak. als Lt. zu IR. 100, Glstbslaufbahn, 2 9 . 4 . 1 9 0 2 in die Kriegsgeschichtliche Abt. d. K A . , 1.4. 1906 Mjr. i . G . , 1.5. 1908 Lehrer für Kriegsgesch. an der Kriegsschule, 1 . 5 . 1 9 1 0 Obstlt. i. G . , 1 . 1 1 . 1 9 1 1 zu IR. 54, 1.5. 1913 O b s t . , 2 0 . 6 . 1 9 1 3 Kmdt. I R . 41, 1 1 . 9 . 1 9 1 4 in zweiter Schlacht von Lemberg schwer verwundet. Mayerhoffer war im K A . einer der wertvollsten Mitarbeiter Woinovichs und Hoens bei der Bearbeitung der napoleonischen Feldzüge. Insbesondere bezüglich dieses Zeitalters trat er auch mit zahlreichen Spezialstudien hervor. 1 2 5 ) Die Gefechte bei Abensberg, Landshut, Eggmühl und Regensburg, 20. bis 2 3 . 4 . 1 8 0 9 . 1 2 6 ) Karl Korzer (Wien, 2. 8 . 1 8 6 8 - 2 0 . 8 . 1 9 4 6 , Wien), 1889 als Lt. aus Milak. zu I R . 74, Glstbslaufbahn, 2 7 . 1 0 . 1 9 0 6 Lehrer der Militärgeographie an der Kriegsschule, 8 . 1 1 . 1911 Leiter der Mappierungsgruppe am Militärgeographischen Institut, 1 . 1 1 . 1 9 1 2 O b s t . i. G . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Kmdt. Brückenkopf Krems, 6 . 1 . 1 9 1 5 Kmdt. 10. G B r i g . , 1 . 1 1 . 1 9 1 6 G M . , 1 . 2 . 1 9 1 7 Kmdt., 96. IBrig., 2 6 . 6 . 1 9 1 8 Kmdt.
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nen hohe Anforderungen an die Gedächtniskräfte und daher an den Fleiß stellte, möglichst angenehm und ohne Überlastung des Gehirns beizubringen. Nicht das gleiche galt für den Unterricht aus Heerwesen, welcher von einem wahrhaft skandalösen Lehrer 1 2 7 ), einem Südtiroler, doziert wurde. Der auch sehr komische Mann strauchelte später beim Regiment und auch im Kriege. Der Herr gebe ihm die ewige Ruhe. Verschiedene andere Fächer wie Befestigung, Terrainlehre, administrativer Generalstabsdienst bereiteten uns wenig Beschwer. Auch zwei Gegenstände des allgemeinen Wissens waren eingeschoben. Staatswissenschaften trug der bekannte Journalist und Wiener Historiker Eugen Guglia 1 2 8 ) vor, Staats- und Völkerrecht ein Richter des Verwaltungsgerichtshofes. Ich interessierte mich für beides, der Unterricht kam jedoch zu kurz, als ich im Kriegsarchiv zu arbeiten begann, w o man nur Vormittag Zutritt hatte. Im dritten Jahr fuhren wir einmal die Woche nach Mödling, w o uns im Physiksaale der Technischen Militär-Akademie Major Niesielowski 1 2 9 ), ein hochbegabter gelehrter Pole, Vorträge über den neuesten Stand der Technik hielt. Sie waren für uns zu hoch. Sehr eifrig wurde das Reiten betrieben. Unser Reitlehrer 1 3 0 ) war eine besondere Abart österreichischer Kavalleristen. Er war ein mährischer Tscheche und hatte sich als Offizier der 6er Dragoner, des feinsten Reiterregiments der Armee, nicht ge26. SchBrig., 6.10.1918 Kmdt. 53. ID., 1.6.1919 pensioniert, 17.4.1935 Titular-FML. Korzer war während der gesamten Zwischenkriegszeit Leiter des Militärressorts der „Neuen Freien Presse". Er verfaßte für sie die meisten Artikel zu aktuellen militärischen Fragen im In- und Ausland, die Betrachtungen und Beschreibungen über im Gange befindliche Kriege und die meisten Artikel bei Gedenktagen der Militärgeschichte. Insbesondere für Fragen der Militärgeographie wurde er auch von der „österreichischen Wehrzeitung" herangezogen. 1 2 7 ) Richard Bertolas (Cles, Tirol, 7 . 2 . 1 8 6 9 - ? ) , 1889 aus Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt. 2, Glstbslaufbahn, 1.5.1899 Hptm. i. G., eingeteilt beim Evidenzbüro und Lehrer für Heerwesen an der Kriegsschule, 1.5.1903 zu LSchR. I., 1.10.1905 Vorstand der Landwehrgruppe X. Korps, 1.11.1905 Mjr. und Lehrer des Heerwesens an der Kriegsschule, 1.5.1909 Obstlt. i. G., 1.11.1911 zu IR. 23, 1.5.1912 Obst. u. Kmdt. IR. 74, 3.2.1914 enthoben auf eigenes Ansuchen, 3.5.1914 Kmdt. der Festung Bileca, 1.11.1915 als invalid pensioniert. 1 2 e ) Eugen Guglia (Wien, 2 4 . 8 . 1 8 5 7 - 8 . 7 . 1 9 1 9 , Graz), 1883-1901 Professor für Geschichte und Deutsche Literatur am Theresianum, 1901-1909 Chefredakteur der „Wiener Zeitung", seit 1902 auch Lehrer an der Kriegsschule, 1910 Dozent für Allgemeine neuere Geschichte an der Technischen Hochschule in Wien. 1 2 9 ) Viktor R. Niesielowski-Gawin v. Niesielowice (Troppau, 4 . 9 . 1 8 6 8 - 7 . 6 . 1 9 4 5 , Mödling), 1888 als Lt. aus Techn. Milak. zu Geniergt. 1, 1.5.1897 Hptm. im Armeestand, 1.5.1911 Mjr. im Armeestand u. Lehrer an d. Techn. Milak., 1.3.1915 Obstlt., 15.9.1916 Kmdt. d. Elektrotruppe 1. Armee, 1.4.1918 Kmdt. Elektrobaon. 6. u. Elektro referent des 6. Armeekmdos., 1.11.1918 Inspizierender der Elektrobaone der Heeresgruppe Boroevic, 1.1.1919 pensioniert, 9 . 5 . 1 9 1 9 Ubertritt in polnische Armee, 7.6.1919 Chef des militärtechn. Instituts in Warschau, 1.5.1920 GM., 1.9.1923 Stellvertreter des Kmdt. d. poln. VI. Armeekorps, 1.5.1924 zugeteilt dem Obersten Militärgerichtshof, 1.11.1924 Rhstd. Fachschriftsteller, sein Hauptwerk ist: Ausgewählte Kapitel der Technik mit besonderer Rücksicht auf militärische Anwendung, 2Bde., 1904. 1 3 0 ) Johann Edi. v. Kopecek (Medi, Mähren, 5 . 3 . 1 8 5 8 - 2 6 . 1 1 . 1 9 3 0 , Brünn), 6.1.1878 als EF. zu DR. 3, 1.1.1881 Lt. DR. 2, 1. 5.1904 Mjr. DR. 8, 1.10.1907 Reitlehrer an der Kriegsschule, 1.11.1909 Obstlt., 27.8.1910 zu DR. 3, 1.11.1911 Obst., 28.2.1912 Kmdt. DR. 9, 9.4.1915 Kmdt. 18. KBrig., 1.5.1915 GM., 1.5.1918 F M L . , 1.1.1919 pensioniert.
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scheut, seine bei ihm zu Besuch befindliche Mutter auszuführen, obwohl sie das Kopftuch mährischer Bäuerinnen trug. Er war mittelgroß, fast gedrungen, ohne Hals, aber ein ausgezeichneter Reitersmann, bei dem wir viel lernten. Im Kriege traf ich ihn öfter, nachher besuchte er mich noch einmal, starb aber dann in Brünn. Wir ritten im Herbst und Winter auf der gedeckten und offenen Reitschule der Dreihufeisengasse, wenn es Frühjahr wurde, in den Prater. Während ich die ersteren Unterrichte nicht ungern schwänzte, gab es keinen Praterritt, von dem ich fernblieb. Es war, besonders an feuchten Tagen, nicht immer ganz einfach, vom Stalle aus über Asphalt und Holzstöckelpflaster die damals noch stark zusammenhängende Reitallee an der Ringstraße zu gewinnen. Man glitt sehr oft aus. Im Prater war es dann allerdings zauberhaft schön. Man war noch nicht an den späteren Reitweg gebunden, sondern konnte abseits der Hauptallee auf den Wiesen herumtummeln zwischen Busch und Strauch. Bei dem berühmten Baumstamm vor dem Bahndurchlaß nächst dem Lusthaus, den sich noch die Kaiserin Elisabeth, die beste Reiterin des Reiches, hatte hinlegen lassen, harrte Major Kopecek kritischen Blikkes, ob nur ja niemand vor dem Hindernis auskniff. An der Spitze jedes Rudels ritt ein Kavallerist. Ich hielt mich meist an Denk, der ein sehr guter Reiter geworden war. Das Leben in meiner Kriegsschulzeit ging, namentlich zu Anfang, nicht ohne Sorgen ab. Meine Mutter litt an krankhaftem Heimweh nach Salzburg, so daß ich jedesmal bangte, wenn ich nach Hause kam. Im ersten Unterrichtsmonat November mußten wir aus eigenem so viele Lehrmittel anschaffen - wobei es besonders der Professor aus Heerwesen rücksichtslos trieb - , daß ich am 1. Dezember fürs Leben nur ein paar Gulden in die Hand bekam. Meine Tante, die Schwester meiner Mutter, die uns glücklicherweise besuchte, mußte als Großkapitalistin aushelfen. Das war mir nun zu dumm. Ich forderte ausständige Schriftstellerhonorare ein und begann, mit Schriftstellerei planmäßig Geld zu verdienen. Die Honorare waren noch bescheiden, dennoch konnte ich mir schon im April einen Zivilanzug - allerdings Konfektionsware - bei Esders in der Mariahilfer Straße anschaffen, und zu Beginn des Sommerurlaubs hatte ich schon das Riesenvermögen von 300 Kronen im Postsparkassenbuch. Von da an waren mir finanzielle Sorgen unbekannt. Von meiner Mutter hatte ich allerdings einen Verarmungskomplex geerbt, ich wurde von Zeit zu Zeit immer wieder von der Furcht befallen, einmal doch vis-à-vis de rien zu stehen. Der Alpdruck war nicht ohne Grund gewesen. Die Wohnung mitten in der Stadt und doch in verhältnismäßig freier Lage war nicht schlecht gewählt. Ich konnte auch bei knapper Mittagspause nach Hause essen gehen, im Notfall sprang ich auf die Tramway, die fast bei meiner Wohnung vorüberführte. N u r bei schriftlichen Arbeiten gingen wir entweder ins Blaue Freihaus oder in die Kantine der Kriegsschule essen. Die Nähe der Hauptgeschäftsstraße Wiens bot selbst meiner Mutter manche Zerstreuung. Besonderen Vergnügungen oblag ich nicht, zu Theaterbesuchen reichte das Geld nicht hin. Einige von meinen Klassenkameraden, unter ihnen vor allem der hochmusikalische Brantner, gehörten zu den Habitués der Offiziersstehplätze in den Hoftheatern. Man zahlte zehn Kreuzer und mußte sich anstellen. Hatte man einmal seinen Platz erobert,
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dann war er einem nach heiligem Gewohnheitsrecht für die ganze Vorstellung gesichert, auch wenn man in den Pausen hinausging. Es war keine besonders standesgemäße Angelegenheit, sich in der ganz hinten befindlichen Abteilung zusammenzupferchen. Typisch für das „glänzende Elend" eines Standes, der der erste im Staate zu sein vorgab und es auch in mancher Beziehung war. Ich ging aus Faulheit nicht öfter als zwei- bis dreimal hin. Das Kino begann damals erst, eine Vergnügungsstätte zu werden. Die Filme waren noch undeutlich und sahen aus, als ob es ewig darauf regnen würde. Das Kaffeehaus war natürlich der wichtigste Vergnügungsort. Unser Stammkaffee war das zur Wienzeile. Dort wußte der „ J e a n " schon ganz genau, was für Zeitungen er uns - Denk und mir - zu bringen hatte und welche von den Wochenblättern wir schon gelesen hatten. Zahlreiche Klassenkameraden und auch andere Jahrgänge waren vertreten. Nachher gingen Denk und ich in der Regel über den neuen Naschmarkt in die Kärntner Straße promenieren. Abends hatten wir gewöhnlich die heimatlichen Kemenaten aufgesucht. Am Sonntag fuhr ich fast immer nachmittags mit meiner Mutter nach dem mit der elektrischen Straßenbahn leicht erreichbaren Schönbrunn. Es war mit der schwer melancholischen Frau immer eine schwere Sache. Gerade der Blick von der Gloriette in die Landschaft hinaus steigerte ihr krankhaftes Heimweh nach Salzburg. Die Schule machte mir wenig Beschwer. Meine literarische Tätigkeit vollzog sich sehr häufig während der Vorträge. Ich begann in der Armee-Zeitung auch politisch zu schreiben. Danzer hatte enge Beziehungen mit Brosch v. Aarenau und in gewissem Sinn über diesen auch mit Franz Ferdinand angeknüpft. Er und sein Mitarbeiterkreis, zu dem so ziemlich die ganze junge Generation der österreichischen Militärschriftsteller und auch mancher Publizist von Format zählten, standen, mit dem Erzherzog übereinstimmend, zur offiziellen promagyarischen Politik der Krone und des Kriegsministers Schönaich in schärfster Opposition. Schließlich wurde im Winter 1907/08 die Mitarbeit an der Armee-Zeitung den aktiven Offizieren untersagt 1 3 1 ). Das hinderte uns nicht, umso eifriger anonym oder unter einem Pseudonym zu schreiben. Mir bot bereits nach Neujahr das 60-Jahr-Gedenken von 1848 Gelegenheit, auch eine Serie historischer Gedenkartikel zu schreiben, die recht gut gelangen und immer auch in unsere föderalistische Kerbe schlugen 1 3 2 ). Daneben boten Randglossen und Buchbesprechungen manche Möglichkeit zu anregungsvollen Betrachtungen. Es war ein interessantes, pulsierendes Leben, wie ich es in der nächsten Generation, unmittelbar nach 1918, nicht im entferntesten mehr beobachten konnte. Natürlich fand man auch in anderen Blättern Eingang. Aber die Armee-Zeitung blieb der Sammelpunkt, und mit der Zeit kam es so weit, daß trotz des strengen Verbotes jeder halbwegs Unterrichtete wußte, wer dies und jenes 1 3 1 ) Mit Erlaß des Reichskriegsministeriums Präs. N r . 1091 vom 8 . 2 . 1 9 0 8 wurde verordnet, daß bezüglich Danzers's Armee-Zeitung, „bis vor kurzem ein militärisches Fachblatt", das Dienstreglement I. Teil, Punkt 48 a, Geltung erlange, „ d a das Journal auch politische und soziale Tagesfragen" behandle. Punkt 48 a verbot Offizieren die Beteiligung an periodischen Druckschriften, die ausschließlich oder auch nur teilweise politische oder soziale Tagesfragen behandeln. 1 3 2 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 12, 13, 14, 15, 16.
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geschrieben hatte. Als 1912 der schon erwähnte Festaufsatz über die Neustädter Akademie ,,1848 bis Gegenwart" zuerst in der Armee-Zeitung erschien, lüftete ich gegenüber dem Chef des Generalstabes, Schemua 1 3 3 ), meine Anonymität, um die Herausgabe der Broschüre unter meinem Namen zu erreichen. Es geschah mir nichts, allerdings wurde mir auch die Nennung des Autors nicht zugestanden. Einige Rezensionen wiesen doch mit dem Finger auf mich. Im Frühjahr 1908 ereilte mich ein schweres Mißgeschick. Offenkundig infolge einer Verkühlung beim Reiten, erkrankte ich an einer Facialislähmung auf der linken Gesichtshälfte. Als ich eines Morgens erwachte, hing die ganze linke Gesichtshälfte unbeweglich herab, das untere Augenlid war beinahe umgestülpt wie bei ganz alten Leuten (zum Beispiel Radetzky 1 3 4 ) oder Mackensen) 1 3 5 ), auch der Mund war schief geworden. Die linke Zungen- und Gaumenhälfte hatte jedes Geschmacksempfinden verloren. Wenn ich lachte, nahm an meinem Vergnügen nur die rechte Gesichtshälfte teil, die linke blieb starr. Meine Mutter und ich waren unglücklich. Erst als ich selbst das Leiden hatte, erfuhr ich, daß es öfter vorkam, als man wähnte. So war der spätere Kardinal Fürst-Erzbischof Piffl 1 3 6 ) von Wien als Abt in Klosterneuburg davon befallen worden und hatte zeitlebens das ihm eigene „verschmitzte" Gesicht davongetragen. Ich ging zum Spezialisten ins Garnisonsspital N r . 1, bekam einen elektrischen Apparat verordnet und mußte in der Nacht immer eine Augenbinde tragen. Der Apparat blieb durch mehr als ein halbes Jahr mein Begleiter. E r begleitete mich auf der Ubungsreise, zum Truppendienst und auf Urlaub. Erst im Herbst gab ich ihn zurück. Ich war fast völlig gesundet, nur wer es wußte, konnte eine kleine Ungleichheit in den beiden Gesichtshälften feststellen, die mir fürs Leben geblieben ist. Der theoretische Unterricht dauerte in der Regel bis in den Juni hinein, was nicht besagen will, daß wir nicht schon seit Frühjahrsbeginn bei verschiedenen Anlässen ins Gelände kamen. Rudel führte uns, so oft es ging, zur Lösung von Taktikaufgaben ins Freie. Dieser Ausflug fand meist am Samstag statt und dauerte bis spät in 1 3 3 ) Blasius Schemua (Klagenfurt, 2 . 1 . 1 8 5 6 - 2 1 . 1 1 . 1 9 2 0 , Klagenfurt), 1874 aus Milak. als Lt. zu IR. 7, 1 8 7 8 - 1 8 8 1 als Militärinstruktor nach Persien, Glstbslaufbahn, 1 8 8 7 - 1 8 9 1 zugeteilt dem Evidenzbüro d. Glstbs., 1 8 9 4 - 1 8 9 7 Lehrer für Heerwesen an der Kriegsschule, Brigadier, Divisionär, I . 5 . 1 9 0 9 Sektionschef im R K M . und F M L . , 3 . 1 2 . 1 9 1 1 Chef des Glstbs., 1 2 . 1 2 . 1 9 1 2 enthoben u. mit Führung des X V I . Korps beauftragt, 1 . 1 1 . 1 9 1 3 Gdl. u. Kmdt. X V I . Korps, 1 4 . 2 . 1 9 1 4 Kmdt. II. Korps u. kdi. Gen. in Wien, 2 4 . 9 . 1 9 1 4 Kmdt. der Donaulinie, 2 3 . 3 . 1 9 1 5 pensioniert auf eigenes Ansuchen. Vgl. E. Seeliger, Blasius Schemua, in N W J . , 4 . 3 . 1 9 2 1 , 4 f . ; J . Mund, Jörg Lanz v. Liebenfels und der Neue Templer Orden, Stuttgart 1976, 58 ff. ; Josef Mann, F M L . Blasius Schemua. Chef des Generalstabes am Vorabend des Weltkrieges, Wr. Diss. 1978. , 3 4 ) Joseph Wenzl Grf. Radetzky v. Radetz (Trzebnitz bei Tabor, Böhmen, 2 . 1 1 . 1 7 6 6 - 5 . 1 . 1 8 5 8 , Mailand), k. F M . , 3 5 ) August V.Mackensen (Haus Leipnitz, Kreis Wittenberg, 6 . 1 2 . 1 8 4 9 - 8 . 1 1 . 1 9 4 5 , Burghorn, Kr. Celle), seit 1873 preuß. Offizier, 1908 kdi. Gen. X V I I . A K . , 1 . 1 1 . 1 9 1 4 O B . 9. Armee, 1915 O B . 11. Armee, 6 . 7 . 1 9 1 5 G F M . u. O B . der H G r . Mackensen in Polen, dann Serbien u. Rumänien, 1917/18 O B . in Rumänien. , 3 6 ) Friedrich Piffl (Landskron, 15. 10. 1 8 6 4 - 2 1 . 4 . 1 9 3 2 , Wien), 1 9 0 7 - 1 9 1 3 Propst des Stiftes Klosterneuburg, 1913 Fürsterzbischof von Wien, 1914 Kardinal; christlichsozialer Publizist und Sozialreformer.
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den Abend hinein. Staubig oder dreckig bis oben hinauf kamen wir mit unseren Kartentaschen, Bleistiften und Zirkeln bei anbrechender Dunkelheit todmüde nach Hause. Auch Terrainlehre wurde im Freien betrieben, wobei es vor allem aufs Kartenlesen und aufs Krokieren, das heißt auf eine Geländeaufnahme mit möglichst einfachen Mitteln, ankam. Die Mappierung, mit der sich die früheren Jahrgänge noch abgequält hatten, war abgeschafft. D e m theoretischen Unterricht folgte eine mehrwöchige Taktikreise. Die Klasse wurde in Gruppen von acht bis zehn Frequentanten geteilt, deren Führung einem der Lehrer anvertraut war. Ich hatte mit meinen Gruppenleitern im ersten und im zweiten Jahre Glück. 1908 führte uns Major Sündermann 1 3 7 ). Es ging durch die Slowakei über Jaslo und Krosno in den Raum von Lemberg, wo wir - glaube ich bei Kulikow den nördlichsten Punkt erreichten. Grodek Jagiellonski soll nicht vergessen sein, wo uns der Stellvertreter des Kriegsschulkommandanten, Oberst Gotti 1 3 8 ), inspizierte. Sündermann war ein guter, präziser Lehrer, bei dem man wissen konnte, worauf es ankam. Ohne daß ich in der Taktik oder gar beim Orientieren im Gelände - letzteres war immer meine schwache Seite - besonders brillierte, haben Sündermann und ich uns menschlich doch weitgehend gefunden. Auch landschaftlich und historisch war die Reise sehr interessant. Daß ich einen großen Teil der zurückzulegenden Strecke im Herbst 1914 im Donner der Kanonen wiedersehen würde, vermochte ich nicht zu ahnen. Im einzelnen läßt mich mein Gedächtnis für Erinnerungen aus der Kriegsschulzeit sehr aus. Wir hatten wohl auch noch eine oder die andere Besichtigung, deren ich mich nicht näher besinne. Zur neuen Conradschen Erziehungsmethode gehörte es, daß jeder Kriegsschüler im ersten und im zweiten Jahrgang zu anderen Waffen, im dritten zu höheren Stäben kommandiert wurde. Ich hatte nach der Ubungsreise des ersten Jahrganges zur Wiener reitenden Artillerie-Division einzurücken 1 3 9 ). Die reitende Artillerie gehörte bekanntlich zu den Kavalleriedivisionen, sie unterschied sich von der fahrenden dadurch, daß auch die Bedienungskanoniere beritten waren. Was kavalleristische Gesinnung anlangte, übertrafen die reitenden Artilleristen die radikalsten Kameraden von der Kavallerie. Zu ihrem Schmerze hatte die Wiener Reitende in diesem Sommer 1908 keine Übungen bei der Kavallerie, sondern im Rahmen der 13. Landwehrdivision mitzumachen. Das bedeutete nicht nur an sich einen großen " ' ) Ludwig Sündermann (Schloß Engelstein bei Groß-Schönau, N ö . , 8. 7 . 1 8 6 9 - 3 0 . 1 1 . 1 9 3 6 , Wien), 1886 freiwillig bei sch. Batteriedivision 9 eingetreten, 2 3 . 1 2 . 1 8 8 9 L t . , Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 6 Mjr. i . G . , 1 . 5 . 1 9 0 8 Taktiklehrer an der Kriegsschule, 2 1 . 6 . 1 9 1 3 Glstbschef VIII. Korps, 1 . 5 . 1 9 1 3 Obst. i . G . , 1 . 5 . 1 9 1 7 G M . , 1918 Glstbschef 11. Armee, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 1 3 β ) Karl Gotti (Budweis, 8 . 1 1 . 1 8 6 1 - 2 3 . 2 . 1 9 1 8 , Linz), 1881 aus Milak. als Lt. zu F J B . 27, Glstbslaufbahn, 9 . 9 . 1 8 9 7 Lehrer des operativen Glstbsdienstes an der Kriegsschule, 1 8 . 3 . 1 9 0 9 Kmdt. 92. LwIBrig. Olmütz, 1 . 1 1 . 1 9 0 9 G M . , 2 7 . 1 0 . 1 9 1 1 Kmdt. 18. I T D . Mostar, 8 . 3 . 1 9 1 2 pensioniert, 1 6 . 1 0 . 1 9 1 2 F M L . mit Titel und Charakter. 1 3 9 ) In der k. Armee gab es bis 1876 die 1778 errichteten erleichtert fahrenden Kavalleriebatterien, sodann die „Reitenden Batterien", die 1885 den Korpsartillerieregimentern angegliedert und 1908 in acht selbständige „Reitende Artilleriedivisionen" umgewandelt wurden. Im Weltkrieg zeichnete sich die Reitende Artillerie-Division 2 im Verbände verschiedener Kavalleriedivisionen besonders aus. Sie erhielt im April 1915 die N u m m e r 3 und wurde 1917 zum F A R . 3 / K ausgebaut.
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Kummer, sondern noch mehr deshalb, weil der Befehl kam, auf Dauer der Infanterieübungen den sonst für die reitenden Artilleristen vorgeschriebenen Tschako abzulegen und durch die für die Masse des Heeres vorgesehene, damals noch lichtblaue, Mütze (für Offiziere schwarze) zu ersetzen. Das war ein harter Schlag. Schön war die Artillerie auch dann noch: brauner Rock mit scharlachroten Aufschlägen, gelbe Knöpfe, hellblaue Pluderhosen, hohe Stiefel, Offiziere breiter Palasch mit goldenem Portepee und Kartouche mit gleichfalls goldbebortetem Riemen diagonal über die Brust! Feldfarbene Uniformen wurden in der Armee erst nach 1910 eingeführt, bei der Kavallerie gar erst nach Ausbruch des großen Krieges. Die „Wiener Reitende" war in der Krimsky-Kaserne auf der Landstraße, einem uralten Gerümpel, untergebracht. Ich versuchte, mich, während ich meine Mutter nach Salzburg schickte, in einem Hotel in der Nähe einzuquartieren. Aber die in Wien leider weitverbreiteten Wanzen, hier ganz besondere Spezies, ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ich gehörte seit jeher zu den gegenüber diesem Ungeziefer besonders empfindlichen Menschen und habe es auch in ihrer Naturgeschichte zu trefflichen Kenntnissen gebracht, so daß mir niemand etwas weismachen kann. Im übrigen mußte ich bald die Erfahrung machen, daß die brave Reitende nicht sehr matinal war und ich die Ausrückungen auch von meiner Wohnung aus bewältigen konnte. Solange wir in Wien waren, ging es tagtäglich an den großen Gasometern vorüber auf die Simmeringer Heide. Sehr zahlreich waren längs des Weges weite Glashäuser, in die einmal früher die Pferde der Reitenden unter dem Schrecken eines schweren Gewitters hineingesprungen waren. Eigentlich hätte ich Züge und Batterien führen sollen, aber ich hatte Glück. Eben war das neue Schnellfeuergeschütz M. 05 ausgegeben worden, so daß sich die Artillerieoffiziere selbst darum rissen, im neuen Modell bald geübt zu sein. Ich war bescheiden genug, ihnen gern den Vortritt zu lassen. Für mich bedeutete so der ganze Truppendienst bei der Artillerie nur lange Reisemärsche und ein fröhliches Herumgaloppieren auf den Feldern. Das letztere war besonders schön beim feldmäßigen Schießen auf den weiten, welligen Flächen südlich von Himberg, wo ich einquartiert wurde. Es war beiläufig das Schlachtfeld, auf dem am 31. Oktober 1848 Jellachich die Ungarn zurückgeworfen hat 1 4 0 ). Ich ließ mir die Gelegenheit zu journalistischen Schmucknotizen in dem uns aufgetragenen Tagebuch nicht entgehen. Ich weiß nicht, ob Puhallo wirklich Freude daran hatte. Einmal kam auch der Kavalleriedivisionär Erzherzog Franz Salvator inspizieren. Er sprach mich auf mein Regiment an, in welchem auch er, wie schon bemerkt, ein Jahr gedient hatte. Besonders warm war der Ton jedoch nicht. Ich traf den Erzherzog nach 1918 öfter wieder. Im Jahre 1929 geleitete er mich durch die Kaiservilla in Ischl. Er war natürlich als Schwiegersohn Franz Josephs ein besonders guter Füh1 4 0 ) Am 29. Oktober 1848 griffen die ungarischen Truppen unter F M L . Móga die Kaiserlichen bei Schwechat an, um die Aufständischen in Wien zu entsetzen. Sie wurden am 30. Oktober von den Truppen Jellachichs geschlagen und über die ungarische Grenze zurückgeworfen. Vgl.: Das Gefecht bei Schwechat am 30. Oktober 1848 (Militärhistorische Schriftenreihe, Heft 34), Wien 1977.
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rer. Die Einrichtung der Villa war von unüberbietbarer Bescheidenheit. Arbeitsund Schlafzimmer des Kaisers unterschieden sich kaum von einem Hotelzimmer mittlerer Güte. Ergriffen stand ich vor dem schönsten Stück, einem in die Ecke gebauten Schreibtisch, auf welchem der alte Herr die Kriegserklärung an Serbien unterzeichnet hat. Die Manöver, erste Septemberwoche 1908, waren vom besten Wetter begünstigt. Wir marschierten über Korneuburg, Stockerau in die lieblichen niederösterreichischen Lande hinein und nächtigten das erste Mal in Ober-Hollabrunn. Ich habe lange Märsche zu Pferd immer besonders geliebt. Das englische Leichtreiten strengte mich in keiner Weise an. Ich ritt entweder neben dem Kommandanten der Artilleriedivision Oberstleutnant Radosta 1 4 1 ), einem richtigen alten Bumser von großer Anständigkeit, oder neben dem berühmten Rennreiter Hauptmann Schneider 1 4 2 ), oder mit einem meiner Freunde, Baron Reichlin 1 4 3 ) und Baron Hans Waldstätten 1 4 4 ). Ich hatte mir verhältnismäßig rasch eine Position im Offizierskorps gemacht. Bei Znaim stießen wir zu unserer Division, deren Kommandant, F M L . Hausenblas 1 4 5 ), mich als Neustädter begrüßte. Unsere Batterien wurden in Oblas südlich von Znaim untergebracht. Znaim lag vor uns auf der Höhe, eine schöne alte Stadt, die seither mehrmals den Besitzer gewechselt hat und nun - nachdem ich 1938 die Annexion durch Deutschland mitgemacht habe - wieder tschechoslowakisch geworden ist. Hinter Znaim liegt das berühmte Klosterbruck, ein altes aufgehobenes Kloster, das längere Zeit die Genieakademie beherbergt hatte. Die Gegend ist außerordentlich fruchtbar und reich an mancher historischen Erinnerung. In Znaim schloß 1809 Erzherzog Carl eigenmächtig den unvermeidbar gewordenen Waffenstillstand mit Napoleon 1 4 6 ), indes Kaiser Franz, wie später Adolf Hitler, gern wei-
1 4 1 ) Wilhelm Radosta (Prag, 1 0 . 1 . 1 8 5 5 - ? ) , 1 . 9 . 1 8 7 3 zu F A R . 1 assentiert, 1 . 5 . 1 8 7 7 L t . , 1.5.1904 Korps A R . 2, 1 0 . 4 . 1 9 0 8 zur Reitenden ADiv. 2, 1 . 5 . 1 9 0 8 Obstlt., 1 . 5 . 1 9 1 1 O b s t . , 3 . 1 2 . 1 9 1 2 enthoben, 3 0 . 1 . 1 9 1 3 pensioniert, im Weltkrieg auf Mobdauer aktiviert und Dienst im Milkmdo. Wien. 1 4 2 ) Rudolf Schneider (Lemberg, 1 . 5 . 1 8 7 2 - ? ) , 9 . 9 . 1 8 9 1 als E F . zu Korps A R . 11, 1 6 . 4 . 1 9 0 8 als H p t m . zur Reitenden ADiv. 2, 1 . 1 1 . 1 9 1 5 Mjr., 1 . 2 . 1 9 1 8 Obstlt., bei Kriegsende Reitschulkmdt. der AKSch. Traiskirchen, sodann bis 1919 bei Heimkehrerstation Warmbad Villach. , 4 3 ) Wilhelm Frh. v. Reichlin-Meldegg (Wien, 4 . 8 . 1 8 7 4 - 1 7 . 2 . 1 9 4 7 , Wien), 1894 als Lt. aus der Techn. Milak. zu K A R . 12, ab 1 4 . 4 . 1 9 0 8 bei Reitenden ADiv. 2, 1 . 1 1 . 1 9 0 8 H p t m . , 1 . 1 1 . 1 9 1 1 zu F H R . 12, 3 0 . 1 . 1 9 1 2 zu F K R . 15, 1 . 8 . 1 9 1 4 Kmdt. AMunitions-Park 1/7, 1 7 . 1 2 . 1 9 1 4 Kmdt. Reitende ADiv. 1, 1 . 2 . 1 9 1 6 Mjr., 1 . 5 . 1 9 1 8 Obstlt., nach 1918 Titular-Obst. und Führer der legitimistischen O r ganisation „Eisener R i n g " . 1 4 4 ) Johann F r h . v. Waldstätten (Agram, 2 4 . 8 . 1 8 8 1 - 2 7 . 2 . 1 9 7 4 , Wien), 1902 aus Techn. Milak. als Lt. zu K A R . 2, 1 4 . 4 . 1 9 0 8 zu Reitenden ADiv. 2, 2 8 . 4 . 1 9 0 9 Oblt., 1 4 . 9 . 1 9 1 4 zu Reitenden ADiv. 5, 1 5 . 6 . 1 9 1 5 zum Artilleriestab, in versch. Stabsstellungen bis Kriegsende, 1 . 1 1 . 1 9 1 8 Mjr. F A R . 2 Κ, 1 . 1 2 . 1 9 2 0 pensioniert, 3 . 4 . 1 9 2 2 Titular-Obstlt. 1 4 5 ) Alfred Hausenblas (Verona, 26. 3 . 1 8 5 8 - 1 9 . 8 . 1 9 1 7 , Budislau bei Sobieslau), 1 . 9 . 1 8 7 7 als L t . aus Milak. zu IR. 59, Glstbslaufbahn, 2 5 . 1 0 . 1 9 0 4 als Obst. i . G . Kmdt. 3. IBrig., 1 . 1 1 . 1 9 0 4 G M . , 2 2 . 6 . 1 9 0 8 Kmdt. 13. LwIBrig., 2 7 . 1 0 . 1 9 1 1 zugeteilter Gen. II. K o r p s - K m d o . , 2 5 . 1 0 . 1 9 1 3 pensioniert als Gdl. 1 4 6 ) Der Waffenstillstand wurde am 12. Juli 1809 abgeschlossen. Vgl. J . Krenstetter, Die Folgen der Schlacht bei Wagram, in militärischer Hinsicht, W r . Diss, 1959; M . Rauchensteiner, Kaiser Franz und
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tergefochten hätte. Der Erzherzog bezahlte seine Eigenmächtigkeit mit lebenslänglicher Kaltstellung. Nach dem Einrücken in die Hauptstadt ging ich nach Salzburg auf Urlaub. Meine Mutter hatte ein nettes Quartier im Gasthof Lehener H o f ausfindig gemacht, nicht weit von der Stadt und auch nicht von der Riederburg, wo meine Mutter bei meiner Tante wohnte, aber doch auf dem Lande, mit Ausblick nach Norden, Osten und Süden. Es war ein ruhiger und gemütlicher Aufenthalt. Ich schrieb natürlich viel, auch Politisches. Die Ereignisse in der Türkei, die jungtürkische Revolution 1 4 7 ), warfen ihre Schatten auch auf die Donaumonarchie. Wenn jetzt in Konstantinopel parlamentarisches Leben begann - was sollte mit den mir wohlbekannten okkupierten Provinzen Bosnien und der Herzegowina geschehen ? Sie gehörten nicht uns, aber doch auch nicht mehr dem Sultan. Ich schrieb in unserer ArmeeZeitung Artikel über die Notwendigkeit einer Annexion 1 4 8 ). Weder ich noch Danzer wußten, daß wir damit das Gegenteil taten, was im Sinne Franz Ferdinands gewesen war. Dieser war scharf gegen die Einverleibung der beiden Provinzen und ähnliche unzeitgemäße ,,Kraftstückel", wie er sich ausdrückte. Tatsächlich wurde die Annexion am 5. Oktober, noch während meines Salzburger Aufenthaltes, verkündet, und ich rückte in einer ziemlich erhitzten Atmosphäre wieder in Wien ein. Die Annexionskrise, die ein halbes Jahr die Welt in Atem hielt, setzte ein. Ich muß gestehen, daß ich die Kriegsgefahr nicht sonderlich ernst nahm. Immerhin gab es manchmal schwere Zuspitzungen, so daß sich unsere Lehrer, besonders Rudel, schon ab und zu von uns beinahe feierlich verabschiedeten. Am stärksten zugespitzt war die Krise Ende März 1909, aber Serbien gab schließlich bei. Wie ich mich damals in meinem Inneren zum Problem Krieg eingestellt habe, weiß ich nicht mehr. Ubermäßig begeistert war ich bestimmt nicht, aber noch nicht ganz so ablehnend wie schon 1912/1913. Übrigens lag unsere Mobilisierungsbestimmung ziemlich in der Luft. Die kriegerische Stimmung, die manchmal herrschte, hat mich nicht daran gehindert, mein erstes „historisches W e r k " erscheinen zu lassen, allerdings nur bestehend aus dem letzten Heft der von Veltzé herausgegebenen volkstümlichen Schriftenreihe über 1878 1 4 9 ). Es behandelte die zum Teil nicht glücklichen Kämpfe bei „Tuzla und D o b o j " 1 5 0 ) . Ich habe mich, nach dem Vorbilde von Rudolf Hans Bartsch, möglichst dichterisch ausgelebt und dafür von meinem alten Lehrer RaErzherzog Carl. Dynastie und Heerwesen in Österreich 1 7 9 6 - 1 8 0 9 , Wien 1972; K. Bornemann, N a p o leon bei Znaim, Geislingen/Steige 1975. 1 4 7 ) Offiziere des Komitees „ E i n h e i t und F o r t s c h r i t t " erzwangen im Juli 1908 die Wiederherstellung der Verfassung von 1876 und die Einberufung des Parlaments für D e z e m b e r 1908. Sultan Abdul H a mid II. wurde 1909 von beiden Kammern des Parlaments abgesetzt. 1 4 e ) D e r Artikel konnte nicht festgestellt werden. 1 4 ' ) Unsere Truppen in Bosnien und der Herzegowina 1878, hg. v. A . Veltzé, 6 B d e . , Wien 1 9 0 7 - 1 9 0 9 . 1 5 ° ) A m 9. u. 10. 8 . 1 8 7 8 kam es bei D ò n j a T u z l a zu Gefechten von Teilen der 20. I T D . mit Aufständischen, die die Division schließlich zum Rückzug bewogen. Die Division erreichte D o b o j , w o sie am 15. 8. in einer Reihe von Gefechten die Verbindung der H a u p t k o l o n n e des X I I I . Korps mit der Save deckte.
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schendorfer gleich für die erste Zeile eine berechtigte Nase erhalten, da ich die Save mit einer Mauer verglich, die den k.k. Truppen den Einblick nach Bosnien verwehrt habe. Das bescheidene Büchel ist doch das beste der Reihe geworden. Ich überreichte es an meinem Geburtstag feierlich meinem Kommandanten FML. Puhallo und kam beim gleichen Anlaß auch zum ersten Mal zu Woinovich 1 5 1 ), dem damaligen Direktor des Kriegsarchivs, dessen zweiter Nachfolger ich werden sollte. Natürlich habe ich bei Verfassung meines Büchleins auch die lebenden Quellen ausgenützt. Leider wagte ich mich als kleiner Leutnant nicht an die bedeutendsten Herren, die in Frage kamen: Conrad v. Hötzendorf, Beck, Johann Waldstätten 1 5 2 ), Familie Szapáry 1 5 3 ). A m 2. Dezember 1908 beging die Monarchie das sechzigjährige Regierungsjubiläum des greisen Kaisers und Königs. Es waren düstere Tage, auch düster durch die außenpolitische Lage und die Wirren in Böhmen 1 5 4 ), die gerade um den Festtag wieder einmal den Gipfelpunkt erreichten. Schon im Sommer hatte Wien den Tag mit einem schönen Festzug gefeiert 155 ), der altösterreichische Geschichte und reiches Volkstum darstellte, allerdings an Pracht nicht an den Makartschen im Jahre 1879 heranreichte. Das Kaiserzelt befand sich beim Burgtor. A m 2. Dezember erhielt ich mit dem künstlerisch recht hübschen Jubiläumserinnerungskreuz am rot-weiß-roten Bande die erste Dekoration an die Brust geheftet. Denk besaß schon eine, er hatte sich bald nach der Ausmusterung das Marianerkreuz des Deutschen 1 5 1 ) Emil Woinovich Frh. v. Belobreska (Petrinja, 2 3 . 4 . 1 8 5 1 - 1 3 . 2 . 1 9 2 7 , Wien), 1.9.1870 aus der Milak. als Lt. zu IR. 25, Glstbslaufbahn, 1.5.1890 Obstlt. i . G . u. Lehrer an der Kriegsschule für Kriegsgeschichte und Strategie, 10.10.1892 Chef des Evidenzbüros des Glstbs., 1.11.1892 Obst. i. G., 2 4 . 1 . 1 8 9 6 zu IR. 26, 18.1.1897 Kmdt. I R . 2 6 , 2 4 . 6 . 1 8 9 8 Kmdt. 17. IBrig., 1.11.1898 G M . , 28.3.1901 zugeteilt KA., 13,11.1901 Direktor, 1.5.1903 F M L . , 28.11.1908 G d l . , 31.12.1915 enthoben u. mit Wartegebühr beurlaubt. In seiner Direktionszeit trat er als Verfasser zahlreicher kleiner kriegsgeschichtlicher Studien und vor allem als Herausgeber sowohl der Generalstabswerke als auch mehrerer Reihenwerke, die Kriegsgeschichte allgemein verständlich darstellen sollten, hervor. Wie aus seinem Nachlaß (KA., Nachlaßsammlung B/750) hervorgeht, war er auch der - anonym gebliebene - Verfasser zahlreicher militärpolitischer Artikel der „ N e u e n Freien Presse". Nach dem Weltkrieg verfaßte er zahlreiche Rezensionen für die „Reichspost" und Artikel für die legitimistische Zeitschrift „Staatswehr". 1 5 2 ) Johann Frh. v. Waldstätten (Gospic, Kroatien, 2 4 . 6 . 1 8 3 3 - 3 1 . 1 2 . 1 9 1 4 , Baden/Wien), 1851 aus der Milak. als Lt. zu IR. 39, Glstbslaufbahn, 31.1.1876 als Obst. i . G . Chef des Opbüros d. Glstbs., 27.10.1877 G M . , 2 . 3 . 1 8 8 6 Stellvertreter d. Oberkmdt. d. k . k . Landwehr, 8 . 3 . 1 8 8 9 Kmdt. 7. Korps, 1.11.1889 FZM., 9 . 2 . 1 8 8 9 Generaltruppeninspektor, 17.6.1905 pensioniert, Militärschriftsteller. 1 5 3 ) Ladislaus Grf. Szapáry (Pest, 2 2 . 1 1 . 1 8 3 1 - 3 0 . 9 . 1 8 8 3 , Preßburg), 23.4.1848 in die Armee als Lt. zu H R . 7, Karriere im Adjutantenkorps u. als Kavallerieoffz., 25.12.1862 Obst. H R . 13, 1.11. 1873 Kmdt. 20. ITD., 1.11.1874 F M L . , 21. 8.1878 Kmdt. III. Korps, 19.11.1878 Militärkmdt. in Temesvár, 8.11.1879 Militärkmdt. in Kaschau, 30.10.1881 beurlaubt, 2 4 . 4 . 1 8 8 2 als GdK. ad honores pensioniert. Ritter des M M T O . 1 5 4 ) Uber die damaligen Obstruktionen der Deutschböhmen im böhmischen Landtag vgl. etwa: J . C h r . Allmayer-Beck, Ministerpräsident Baron Beck. Ein Staatsmann des Alten Österreich. Wien 1956, 239 ff. 1 5 5 ) Gemeint sind der vom Maler Hans Markart anläßlich des Silbernen Hochzeitsfestes des Kaiserpaares am 2 8 . 6 . 1 8 7 9 gestaltete Festzug in altdeutschen Kostümen und der Kaiser-Huldigungsfestzug vom 12.6.1908. Ihn hatten der Maler Karl Hollitzer, Hans Graf Wilczek und Hugo Kerchnawe organisiert.
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Ritterordens erworben, für das man jährlich 50 Kronen zugunsten der freiwilligen Sanitätspflege im Kriege erlegte; ich erwarb es mir erst zu Kriegsbeginn. Das Jahr 1909 stand unter dem Zeichen der Jahrhundertfeier. Ich hatte vor allem hübsche Artikel zu schreiben. Am Tage von Aspern, am 21. Mai, fand auf dem Heldenplatz eine ergreifende militärische Feier vor dem Kaiser statt. Eine Truppenparade, zu der aus dem ganzen Reiche die Fahnen der in Aspern eingesetzten Regimenter herangezogen wurden. Der Kaiser, schon neunundsiebzig Jahre alt, schritt etwas müde die Front ab und ließ dann defilieren. Uber der ganzen Feier lag irgendwie das befreiende Gefühl der überstandenen Krise. Ich trachtete, mir einen möglichst guten Platz zu verschaffen, was auch gelang. Es war mein erstes offizielles Auftreten als Oberleutnant. Ich hatte nach fast sechsjähriger Leutnantszeit am l . M a i den zweiten Stern bekommen. Die Ubungsreise führte uns, unter der Leitung des Generalstabshauptmannes Langer von Langerode 1 S 6 ), eines sehr angenehmen und klugen Vorgesetzten und Kameraden, nach Südtirol. Ich sah das Schlachtfeld der Kaisermanöver von 1905 wieder, wir schlugen uns dann nach Madonna di Campiglio und überquerten von da aus die Brentagruppe. O b e n war noch ziemlich hoher Schnee. Am Lago di Molveno gabs einen schönen Rasttag. Ein herrlicher Fleck Erde ! Von Molveno stiegen wir durchs Nocetal nach Mezzolombardo-Mezzocorona herab. Meinem Gedächtnis haftet dann noch Ronchi am unteren Isonzo an und nachher ein mehrtägiger Aufenthalt in Gonobitz im lieblichen südsteirischen Weinland, wo auf jedem Waldberg eine nette Kapelle zu sehen war. Wir wohnten abseits der großen Straße in der Nähe des Pfarrhofes. Die Truppendienstleistung führte mich nach Lemberg. Ich war beim stolzen 1. Ulanenregiment 1 S 7 ) eingeteilt. Auf der Durchfahrt in Przemysl besuchte ich meine Salzburger Freundin Lizzy Colard, die Tochter des Generals, die zu meinen unerfüllten Geschichten gehörte, deshalb aber doch von mir heiß verehrt wurde. In Lemberg wohnte ich zuerst im Hotel George, aus dem mich jedoch die Wanzen vertrieben, dann in dem neuen kleinen Hotel Austria. Die ler-Ulanen waren ein reiterlich erstklassiges Regiment. Im Offizierskorps waren viele Polen, von denen nicht wenige im Ersten Weltkrieg den Tod für das österreichische Vaterland fanden. Der Regimentskommandant Chevalier Ruiz de Roxas 1 5 8 ), aus uraltem spanischen Geschlecht, war eine primitive Natur. Ich sah ihn im Kriege des öfteren wie1 5 6 ) Hermann R . Langer v. Langenrode (Karlsburg, 2 0 . 1 . 1 8 7 5 - 7 . 1 2 . 1 9 1 8 , Wien), 1895 als L t . aus Milak. zu I R . 7, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 1 M j r . i . G . und Lehrer an der Kriegsschule, 1 . 5 . 1 9 1 4 O b s t l t . i . G . , ab 1 . 8 . 1 9 1 4 Glstbschef verschiedener K o r p s , 9 . 9 . 1 9 1 5 Oberquartiermeister bei D t . Südarmee, 8 . 3 . 1916 Glstbschef II. Korps, 1 . 5 . 1 9 1 6 O b s t . i . G . , 2 3 . 6 . 1 9 1 7 Vorstand 6. A b t . K M . ; bereitete die geplante R e f o r m der Militär-Erziehungs- und Bildungsanstalten vor. 1 5 7 ) Das galizische Ulanenregiment N r . 1 wurde 1791 aus den bei verschiedenen Chevauxleger-Regimentern bestehenden Ulanendivisionen formiert. E s erhielt 1798 die N u m m e r 1. Vgl. C . A . R . v. J e dina, Geschichte des k . k . österreichischen ersten Uhlanen-Regimentes, Wien 1845. 1 5 8 ) Eugen Chevalier Ruiz de Roxas (Sternberg, B ö h m e n , 30. 8 . 1 8 5 7 - 2 5 . 2 . 1 9 4 4 , Pörtschach, Kärnten), 1874 freiwillig zu U R . 5 eingetreten, 1 . 5 . 1 8 7 7 L t . , Dienstlaufbahn in Ulanenregimentern, 3 1 . 1 0 . 1 9 0 8 K m d t . U R . 1, 1 8 . 4 . 1 9 0 9 O b s t . , 1 5 . 2 . 1 9 1 3 Kmdt. 18. K B r i g . , 1 . 5 . 1 9 1 4 G M . , 1 8 . 1 0 . 1 9 1 4 K m d t . 7. K B r i g . , 5 . 1 0 . 1 9 1 5 K m d t . 1. K T D . , 1 . 1 1 . 1 9 1 6 F M L . , 2 . 1 0 . 1 9 1 7 enthoben, 2 6 . 1 1 . 1 9 1 7 be-
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der und dann 1941 in Kroatien, wo er begütert war. Er zählte nun schon fünfundachtzig Jahre, erschien aber eines Tages bei mir, um mir zu melden, daß er als Volksdeutscher dem Rufe des Führers folge und mit seiner um ein Jahr jüngeren Frau 1 5 9 ) auswandere. Ich versuchte, ihn mit Hilfe von Verwandten noch von der verrückten Idee abzubringen. Es war aber nicht mehr möglich. Als Feldmarschallleutnant glaubte er natürlich, der Führer warte nur auf ihn, um ihm ein Schloß in Ostpreußen oder sonstwo zu verleihen. In Wirklichkeit kamen die armen alten Leute nach Lodz, nunmehr Litzmannstadt geheißen (unsere Verrücktheit kannte keine Grenzen), in ein dicht gefülltes Lager, von da nach Klagenfurt, da mit ihnen natürlich nichts mehr anzufangen war. Ich nahm kurz nacheinander in Agram an den Seelenmessen für die rasch Dahinscheidenden teil. Furchtbare Schicksale! Unter den Rittmeistern des Regiments gab es nur zwei Offiziere deutscher Nationalität, Fröhlich von Elmbach und Groara 1 6 0 ) und Ritter v. Storck 1 6 1 ). Jener war ebenso wie Rittmeister Kasprzycki 162 ) Neustädter. Ich wurde jedoch der ersten Schwadron unter dem Rittmeister Kawecki 163 ) zugeteilt, den ich im Sommer 1915 als Kommandanten der Stabs-Schwadron unserer obersten Heeresleitung wiederfand. „Kavtschu" war nebenbei auch ein ganz guter Maler. Wir hatten ihn alle gern. Später zum Regiment eingerückt, kam er plötzlich zur polnischen Legion. Er war todunglücklich darüber. Er sei kaiserlicher Offizier und wolle es bleiben. Der Dienst bei ler-Ulanen war nicht schwer. Die Probe aufs Exempel, selbst Abteilungen zu kommandieren, ersparte man mir wieder taktvoll. Bald nach meiner Ankunft inspizierte der Generalkavallerie-Inspektor R. v. Brudermann das Regiment, dessen Inhaber er war und das seinen Namen führte. Brudermann war eine in Wien altbekannte und bewunderte Gestalt. Obgleich schon nahe an die Sechzig, sah er in der Oberstenuniform seines Regiments, die er als Inhaber tragen konnte, hochelegant und blühend jugendlich aus. Auch zu Pferd, an der Spitze seines Regiments, machte er eine prachtvolle Figur. Ich war einem der beiden „Parteikomtraut mit der Oberleitung der kriegsmäßigen Ausbildung sämtlicher Ersatzkörper auf Kriegsdauer, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 1 5 9 ) Emilie Ruiz de Roxas, geb. v. Frigan (Agram, 12.11.1870-?). 1 6 0 ) Rudolf R . Fröhlich v. Elmbach u. Groara (Hermannstadt, 3 0 . 1 0 . 1 8 6 8 - 5 . 9 . 1 9 2 9 , Wien), 1888 aus Milak. als Lt. zu U R . 4, 1 . 5 . 1 9 0 7 zu U R . 1, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Obstlt., 1 2 . 5 . 1 9 1 5 schwer verwundet. 1 . 5 . 1 9 1 7 O b s t . , 2 3 . 3 . 1 9 1 8 pensioniert, 1 . 4 . 1 9 1 8 zugeteilt dem K A . , 2 3 . 1 0 . 1 9 1 8 Lt. d. Arcieren-Leibgarde, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. > 6 1 ) Karl R. v. Storck (Wien, 4 . 1 1 . 1 8 7 1 - 2 2 . 6 . 1 9 2 7 , Walchen bei Vöcklabruck), 1894 als Lt. aus Milak. zu U R . 1 , 1 . 5 . 1 9 1 6 Mjr., 2 0 . 5 . 1 9 1 6 Kanzleidirektor beim X V I I . Korpskmdo., 2 4 . 1 0 . 1 9 1 6 zum Rgt., 1 . 8 . 1 9 1 8 Obstlt., 1 . 2 . 1 9 2 0 pensioniert. 1 6 2 ) Stephan R. Kasprzycki v. Castenedolo (Czernowitz, 2 5 . 1 2 . 1 8 7 0 - 2 6 . 2 . 1 9 3 6 , Graudenz), 1891 aus der Milak. als Lt. zu D R . 9, 1 . 1 1 . 1 9 0 1 R t m . , 1 . 1 1 . 1 9 0 4 H p t m . i . G . , beim 13. Korpskmdo., 1 . 1 1 . 1 9 0 8 R t m . bei U R . 1, 1. 5 . 1 9 1 3 Mjr., 2 2 . 1 1 . 1 9 1 4 zugeteilt Glstb., 1 . 1 1 . 1 9 1 5 Obstlt., 6. 4 . 1 9 1 8 zu U R . 12, 1 . 1 1 . 1 9 1 8 Obst., 1 . 7 . 1 9 1 9 in die poln. Armee, Kmdt. d. Zentral-Kavallerie-Schule, später Brigadegeneral. » » ) Roman Kawecki (Neusandez, 9 . 8 . 1 8 6 8 - ? ) , 5 . 9 . 1 8 8 7 als E F . zu U R . 1, 1 . 1 1 . 1 9 0 1 R t m . , 1 . 5 . 1 9 1 3 Mjr., 2 5 . 4 . 1 9 1 4 als Reitlehrer zur Kriegsschule (bis Kriegsbeginn), 1 . 1 1 . 1 9 1 5 Obstlt., 1917 Obst. d. polnischen Legion und Kmdt. U R . 1 des polnischen Hilfskorps, 1 . 1 1 . 1 9 1 8 Obst. Weiteres Schicksal nicht feststellbar.
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mandanten", dem Oberstleutnant Traxler v. Schrollheim 164 ), als Adjutant beigegeben. Traxler war Generalstäbler, ein kluger, gebildeter Mann (ebenso wie Brudermann auch Neustädter), hatte aber die für einen Kavalleristen verhängnisvolle Eigenschaft, daß er nicht englisch traben konnte. Es war auf Reisemärschen qualvoll mitanzusehen, wie er bei stundenlangem Trab dahinhopsen mußte. Das Leben in Lemberg war ganz nett. Man traf, wenn man auf der Carola Ludovica am Abendbummel teilnahm, viele alte Kameraden und ging dann mit einem oder dem anderen vorzüglich und billig essen. Am Sonntagvormittag war es ein besonderes Vergnügen, die schönen Polinnen zu bewundern, die sich nach dem Kirchgang im besten Glänze zeigten. Sie sprachen alle französisch; Deutsch war bei ihnen nicht beliebt. Es war ein trauriges Wiedersehen, das ich zu Beginn des Ersten Weltkrieges mit Lemberg beging, und ein noch traurigeres Wiedersehen, als ich Ende August 1940 in der schön gelegenen, damals von den Russen besetzten und jetzt auch ihnen gehörenden Stadt weilte. Wie gut war es doch für alle Beteiligten im alten Österreich und wie zufrieden waren sie alle ! Lemberg war ganz polnisch, die Landschaft Ostgalizien jedoch völlig ukrainisch oder ruthenisch, wie man vor 1914 häufiger sagte. Die großen Kavallerieübungen fanden auf den Hochflächen beiderseits von Glinna statt, die 1914 bis 1917 der Schauplatz blutiger Kämpfe werden sollten. Es waren acht Reiterregimenter unter der Leitung des FML. Freiherrn v. Gemmingen 165 ) zusammengezogen. Wir marschierten über Glinnjani ostwärts von Lemberg hinaus, die erste Nächtigung war beim Pfarrer von Busk. Er trug die violette Krawatte eines Monsignore, begrüßte mich und entschuldigte sich, mir seine Frau nicht vorstellen zu können, sie sei leider in Lemberg. Es war eine Pfarre der griechischkatholischen Kirche, deren Priester bekanntlich mit Ausnahme der Bischöfe verheiratet sein dürfen. Metropolit der Kirche war Erzbischof Graf Szeptycki 166 ) von Lemberg, der sich also zu den Ukrainern bekannte, indes sein Bruder 167 ), damals 164
) A n t o n Traxler v. nchrollheim (Josefstadt, 10.8.1864 - vor 1945, Wien), 1885 aus d. Milak. als Lt. zu D R . 5, 1 . 5 . 1 8 9 6 H p t m . i . G . , 1 . 5 . 1 9 0 8 O b s t l t . , 3 0 . 3 . 1 9 1 1 pensioniert u n d zugeteilt d. P l a t z k m d o . Wien, 1912 K m d t . der Militärabt. d. Tierärztlichen Hochschule, 1 . 5 . 1 9 1 4 O b s t , mit Titel u. Charakter, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 165 ) O t t o F r h . v. G e m m i n g e n - G u t t e n b e r g (Meiningen in Sachsen-Meiningen, 1 9 . 2 . 1 8 3 8 - 1 5 . 1 . 1892, Wien), 3 . 3 . 1 8 5 6 als Ulan zu U R . 1, 1 . 5 . 1 8 5 7 Lt., 1. 11. 1875 Mjr. und Flügeladjutant Seiner Majestät, 1.5.1878 O b s t l t . u. K m d t . Reitlehrinstitut, 1.11. 1880 O b s t . , 15.4.1882 K m d t . U R . 1, 1 . 5 . 1 8 8 7 G M . , 2 4 . 9 . 1 8 8 9 General-Kav. Inspektor, 9 . 5 . 1 8 9 1 F M L . 166 ) Alexander Andreas Graf Szeptycki (Przytkice, Galizien, 29. 7 . 1 8 6 5 - 1 . 1 1 . 1 9 4 4 , Lemberg), 1888 N o v i z e der unierten Basilianer, 12.8.1892 Priesterweihe, 1895 Subprior in D o b r o m y l , 2 2 . 6 . 1 8 9 6 Ihumenos (Prior) des Lemberger Basilianerklosters, 1.2.1899 unierter Bischof in Stanislau, O k t . 1900 unierter Erzbischof v. Lemberg und Metropolit v. H a l y c , 1 9 1 4 - 1 9 1 7 in russischer H a f t ; Förderer der Kirchen union. 167 ) Stanislaus Graf Szeptycki (Przytkice, 3 . 1 1 . 1 8 6 7 - u m 1940, Rußland), 1888 aus T e c h n . Milak. als Lt. zu schw. Batt. Div., Genstabslaufbahn, 1904/05 delegiert ins russ. H a u p t q u a r t i e r in Südostasien, I . 5 . 1 9 1 2 E v i d e n z b ü r o des Glstbs., 1.7.1912 Militârattaché in R o m , 1.5.1914 O b s t . i . G . , 1 . 8 . 1 9 1 4 eingeteilt beim O p b ü r o d. Glstbs., E n d e August Glstbschef v. Lemberg, 2 5 . 9 . 1 9 1 4 Glstbschef II. Korps, 2 0 . 9 . 1 9 1 5 K m d t . 30. FABrig., 3 1 . 7 . 1 9 1 6 K m d t . 3. poln. Legionsbrigade, 9 . 1 1 . 1 9 1 6 K m d t . poln. Hilfskorps, 2 4 . 4 . 1 9 1 7 Militär-General-Gouverneur, 2 8 . 4 . 1 9 1 7 G M .
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österreichischer Generalstabsmajor, Pole geblieben war und später auch in der polnischen Geschichte eine gewisse Rolle spielte. In Glinna, wo die Ubungsleitung hinkam, befand sich der Ansitz der Rozwadowskis, deren einer k . u . k . Generalstabsoberst, nachher Feldmarschalleutnant und schließlich polnischer Generalstabschef in der Schlacht bei Warschau gewesen ist 1 6 8 ), in welchem Wirken Pilsudski 1 6 9 ) kein gutes Haar an ihm ließ. Er hatte im Ersten Weltkrieg den Theresienorden erhalten. Ich wurde mit meiner Schwadron in Koniuchy untergebracht, sechs oder sieben Jahre später ein gleichfalls in den Heeresberichten häufig genannter Ort. Es war ein echt ruthenisches Nest. Ich erhielt Quartier in einem Bauernhaus. Der Boden war gestampfter Lehm, das Bett ein Strohhaufen, auf den ich meine Betteinrichtung legte. Was sonst noch drinnen war, weiß ich nicht. Diese Unterkünfte waren aber immer viel angenehmer als jüdische Häuser, in denen man von Ungeziefer aufgefressen wurde. N o c h nachzutragen habe ich, daß wir auf dem Anmarsch auch ein paar Tage in Zborów hausten, einer Garnison des 13. Ulanenregiments, ehemals „Trani". Die ruthenische Bevölkerung befand sich auf einem Tiefstand der Kultur, was sie vor allem den polnischen Gutsherren und der jüdisch-polnischen Bourgeoisie in den Städten zu danken hatte. Als Galizien nach den verschiedensten Teilungen Polens zu Österreich kam, erhofften die Ruthenen oder Ukrainer eine Besserung ihres Loses. Sie zeichneten sich, soweit es ihre Intelligenz erlaubte, durch besondere Anhänglichkeit an Wien aus, wofür sie den Ehrennamen der „Tiroler des Ostens" erhielten, weiter aber nicht bedankt wurden. Denn die Wiener Regierungen brauchten die Polen als Gegengewicht gegen die Tschechen und räumten ihnen in Galizien Sonderrechte ein, die die Aristokraten und Schlachtschizen weidlich gegen die Bauern im allgemeinen und gegen die ukrainischen im besonderen ausnützten. Diese Verhältnisse lockten das benachbarte Rußland, indem es unter der ukrainischen Bevölkerung den Rubel rollen ließ und auch mit Hilfe der orthodoxen Kirche besonders Propaganda trieb. Jedes orthodoxe Dorf zeichnete sich schließlich durch eine kathedralartige Kirche aus, die von russischem Geld gezahlt wurde. Diese Kirchen sah man am Nordhang der Karpaten weit nach Mittelgalizien hinein. Zur Zeit, da ich das erste Mal den Boden Galiziens betrat, war die Zuspitzung schon ziemlich stark, und in den nächsten Jahren folgten verschiedene Hochverratsprozesse. Wir österreichischen Föderalisten waren mit den überpolenfreundlichen Regierungen sehr unzufrieden, aber diese konnten vielfach nicht anders. 1 6 S ) T h a d d ä u s F r h . J o r d a n - R o z w a d o w s k i v. G r o ß - R o z w a d o w ( B a b i n , U k r a i n e , 20.5.1866-18.10. 1928, W a r s c h a u ) , 1886 als L t . aus der T e c h n . M i l a k . zu K A R . 1, G l s t b s l a u f b a h n , 1 . 5 . 1 8 9 6 - 1 8 . 9 . 1907 Militârattaché in B u k a r e s t , 1 . 5 . 1 9 1 3 G M . u. K m d t . 1. A B r i g . in K r a k a u , V. 1915 K m d t . 43. L w I D . , 1 9 . 1 1 . 1 9 1 5 e n t h o b e n , 1918 C h e f des polnischen G l s t b s . , 1919 k d i . G e n . der O s t a r m e e gegen die U k r a i ner, 1920 wieder C h e f des G l s t b s . , 1922 G e n . - K a v . - I n s p e k t o r . 1 6 9 ) J ó z e f Pilsudski ( Z u l o w bei Wilna, 5 . 1 2 . 1 8 6 7 - 1 2 . 5 . 1 9 3 5 , W a r s c h a u ) , 1893 M i t b e g r ü n d e r der p o l n . sozialist. Partei, stellte seit 1908 in Galizien b e w a f f n e t e V e r b ä n d e auf, k ä m p f t e 1 9 1 4 - 1 9 1 6 auf Seite der M i t t e l m ä c h t e als K m d t . d. 1. p o l n . B r i g a d e und b a u t e s o d a n n eine h a l b g e h e i m e p o l n i s c h e Militärorganisation auf, 1917/18 in H a f t , 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 O b e r b e f e h l s h a b e r der p o l n . Streitkräfte, seit
A n der K r i e g s s c h u l e
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Die großen Kavallerieübungen waren sehr interessant, man hielt sich viele Stunden im Sattel und galoppierte querfeldein, wie es das Herz begehrte. Dabei weilten meine Gedanken allerdings sehr viel weit, weit weg - bei der Tiroler Jahrhundertfeier. Ich hatte zu dieser Feier manchen Aufsatz erscheinen lassen und fühlte irgendwie, daß ich jetzt eher dorthin gehörte als in die galizischen Ebenen. Mein Regiment war das Jahr zuvor nach Tirol verlegt worden: Stab und anderthalb Bataillone in Bregenz, ein Bataillon in Innsbruck, eins in Hall, ein halbes in Schwaz. Ich beneidete das Innsbrucker Bataillon. Der Kaiser war zur Jubiläumsfeier nach Tirol gekommen. Er residierte in der Innsbrucker Burg, und nach altem Privileg hatte die Passeier Schützenkompanie die "Wache ihm zu Ehren bezogen. Das wäre alles wunderschön gewesen mitzuerleben. Aber es hat nicht sollen sein. Schließlich war aber doch der Tag gekommen, da ich mich mit meinem „Pfeifendeckel" Settimo Briosi und meinen Koffern in einen galizischen Bauernwagen setzte, der mich, wenn ich nicht irre, zum Bahnhof Zborów brachte. Es ging heimwärts. Den Urlaub verbrachte ich selbstverständlich wieder in Salzburg im Lehener Hof. Die Wochen verliefen stets sehr rasch, ohne daß ich Besonderes zu berichten vermöchte. Bald begann das dritte und letzte Jahr Kriegsschule, ohne daß es mich übermäßig angestrengt hätte. Meine literarische Tätigkeit ging fort, dienstlich hatte ich nach wie vor nur den einen Ehrgeiz, ins Kriegsarchiv zu kommen. Ich hatte dort schon ziemlich fest Wurzeln gefaßt. Auch zu einer etwas größeren Studie ergab sich wieder Gelegenheit. Die Trani-Ulanen begingen ihr 50jähriges Gründungsfest. Die gleichfalls von Danzer herausgegebenen „Kavalleristischen Monatshefte" veranstalteten eine Festschrift, deren Verfassung mir übertragen wurde 1 7 0 ). Zweierlei bot hiezu Anlaß, erstens meine Befassung mit Torresani, zweitens das Heeresgeschichtliche Rundum, die Gestalt des berühmten Reiters Edelsheim 1 7 1 ), der an der Wiege des Regiments gestanden hatte und zu den interessantesten Figuren seiner Tage gehörte. Die Schrift erschien im Sommer 1909. Ich muß jetzt hier einige Worte über das Zusammenleben unseres Jahrganges einfügen. Die Kriegsschule hatte in der Armee vielfach den Ruf, daß in ihr unlautere Streberei großgezogen worden sei. Das mochte zum Teil zugetroffen haben für die Zeit, in der hundertfünfzig Frequentanten in einem Jahrgang saßen, die genau wußten, daß höchstens jeder dritte den ersehnten flaschengrünen Rock bekommen werN o v . 1918 auch Staatspräsident, 1923 Rücktritt, 1 2 . - 1 4 . 5 . 1 9 2 6 durch Staatsstreich neuerlich Staatspräsident mit diktatorischen Vollmachten. 1 7 0 ) Die Trani-Ulanen. Ein Gedenkblatt zum fünfzigjährigen Regimentsjubiläum, hg. v. d. Redaktion der Kavalleristischen Monatshefte, Wien 1910. Enthält: E. Glaise-Horstenau: 1860-1910. Das Werden des Regiments, seine Lehrmeister und seine Helden, 1 - 3 2 ; Siegmund R. v. LongchampsBerier, Einige Erinnerungen aus meiner Jugendzeit als „ T r a n i - U l a n " , 3 3 - 3 6 ; F. K. Ginzkey, Baron Torresani, Episode aus dem Gefecht bei Cimego, 21. Juli 1866, 37 f. 1 7 1 ) Leopold Wilhelm Frh. v. Edelsheim-Gyulai (Karlsruhe, 1 0 . 5 . 1 8 2 6 - 2 7 . 3 . 1 8 9 3 , Budapest), 24.5.1842 als Regimentskadett zu Chevauxlegersrgt. 5, rasche Karriere als Kavallerieoffz., 5.10.1856 Obst. u. Kmdt. H R . 10, Ritter des M M T O . , für Verhalten in der Schlacht bei Magenta; 28.1.1869 General-Kav. Inspektor, 28.1.1874 kdi. Gen. in Ofen-Pest, 1.1.1883 Kmdt. IV. Korps, 1.8.1886 aus politischen Gründen pensioniert. Er gilt als „ d e r " Reorganisator der österreichisch-ungarischen Kavallerie.
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de. Daß da der Kampf nicht immer schöne Formen annahm, war nicht zu verwundern. Es kam damals zu einer ungeheuerlichen Mordgeschichte, die in gewisser Hinsicht eine Fortsetzung des Machtkampfes in der Kriegsschule war, zur sogenannten Hofrichter-Affäre. Aus einem der früheren noch großen Jahrgänge hatten die Einteilung ins Generalstabskorps zehn Personen vor dem Oberleutnant H o f richter 1 7 2 ). Hofrichter, der dem berühmten Linzer Regiment 14 entstammte, kam auf die teuflische Idee, sich seiner sämtlichen Vordermänner zu entledigen. Er verfertigte Pillen mit Aphrodisiaka - in Wirklichkeit war Zyankali enthalten - und versandte sie an alle zehn. Aber nur einer, der Generalstabshauptmann Mader 1 7 3 ), war so unvorsichtig, sie zu nehmen. Er starb während des Besuches der Freundin, die er beglücken wollte, eines sehr raschen Todes. Die Wiener Polizei brachte zuerst den Briefkasten heraus, wo die Pillensendungen aufgegeben worden waren, und stellte den Täter überraschend fest. Er wanderte lebenslänglich ins Strafhaus Wollersdorf, wurde aber 1918, als sich beim Zusammenbruch alle Kerker öffneten, befreit und lebte unter dem Namen Richter noch einige Jahre. D a in unseren kleinen Jahrgängen so ziemlich alle Aussicht hatten, ins Generalstabskorps übernommen zu werden, waren Strebereien unkameradschaftlichen Charakters kaum in Erscheinung getreten. Jeder wußte, daß er, wenn er entsprach, ohne Rücksicht auf den Nebenmann reüssieren konnte. So gab es wohl gewisse Gruppenbildungen, die aber mehr auf größeren oder geringeren Sympathien beruhten. Daß wir Neustädter zusammenhielten, versteht sich. Aber es war doch nicht so, daß von einer Neustädter Cliquenbildung gesprochen werden konnte. Dafür sorgte auch die Behandlung durch die Lehrer, die beinahe dazu neigten, durch Ignorierung unserer in der Akademie erworbenen Kenntnisse zu demonstrieren, daß man ja doch eigentlich unter ihrer Leitung am Borne militärischer Weisheit saugen könne. Nach unserem Urteil war der beste Schüler unser Klassenerster aus Neustadt, der unscheinbare Balványi v. Oroszi. Er vermochte sich jedoch nicht durchzusetzen. Jahrgangserster wurde wieder Fleischmann v. Theißruck, der sich aber nur mehr mit einem , , N " schrieb, besonderes Gewicht auf Betonung seiner magyarischen Husarenschaft legte und im übrigen angab, wo er nur konnte. Von unserer Neustädter Klasse zählte noch Brantner zu den vorzüglichen Absolventen. Gruppen für sich bildeten erstens die absolvierten Korpsoffiziersschüler, vier an der Zahl, die durchwegs um sieben bis zehn Jahre älter waren als wir anderen, und die von der Honvéd kommenden Frequentanten, echt ungarisches leichtes Volk, das noch mehr als dem Bacchus der ihnen auch gesundheitlich nicht immer ungefährlichen Venus huldigte, im übrigen aber durchwegs gute Kameradschaft hielt. Politik gab es, im Gegensatz zur Akademie, so gut wie keine.
> 72 ) Adolf Hofrichter (Reichenau, Bez. Gablonz, Böhmen, 2 0 . 1 . 1 8 8 0 - 2 9 . 1 2 . 1 9 4 5 , Wien), 1898 aus IKSch. Prag zu I R . 2 , 1.11.1904 Oblt., 31.10.1905 zugeteilt Glstb., 1.5.1909 transferiert zu IR. 14, 1909 zu lebensjänglichem Kerker verurteilt. Die sogenannte „Hofrichter-Affäre" bildete die Vorlage für den Roman „ D e r Leutnant und sein Richter" von Maria Fagyas, Reinbeck 1971. 1 7 3 ) Richard Mader (Wien, 9 . 5 . 1 8 7 8 - 1 7 . 1 1 . 1 9 0 9 , Wien), 1899 aus PiKSch. zu P i B a o n . l , 1903-1905 Frequentant der Kriegsschule, 1.11.1905 Oblt. zugeteilt Glstb., 1.11.1909 Hptm. i . G .
An der Kriegsschule
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Grundsätzlich w a r w a h r z u n e h m e n , daß man mit d e m Beziehen des Hörsaales wieder irgendwie Schulknabe w u r d e , daß selbst die in längst zurückliegenden J a h ren übliche Ausgelassenheit und Spaßmacherei wiederkehrte. Selbst Balgereien gab es eine M e n g e . U n t e r den z u m Spaß gebildeten Cliquen marschierte eine G e m e i n schaft von einem D u t z e n d ,
die sich in etwas blasphemischer W e i s e
„Kirche"
nannte und auch dementsprechend gliederte. D i e „ S t i f t u n g " leitete sich auf den allgemeinen Generalstabsdienst z u r ü c k , der eine sozusagen liturgische H a n d l u n g gewesen w a r . E r z b i s c h o f w a r einer der Jahrgangspatriarchen, Alois Z o b e r n i g 1 7 4 ) , der auf den Spitznamen Rubrikides hörte. W e i h b i s c h o f und Generalvikar und eigentlicher geistiger F ü h r e r , soweit von Geistigkeit gesprochen werden konnte, w a r ich. Gusti D e n k und W a l d h e r r 1 7 5 ) hatten bischöflichen R a n g und so weiter.
Dieser
schlaraffenartige Z u s a m m e n s c h l u ß b o t viel Anlaß zu Spaß und Heiterkeit, auch zu engerer Kameradschaft, und v e r m o c h t e , w e n n es im J a h r g a n g u m „ d e m o k r a t i s c h e " Entscheidungen
ging, viel zu einer uns genehmen Willensbildung
beizutragen;
denn die Parteidisziplin war vorbildlich. E i n e Gegenorganisation bildete eine wilde G r u p p e , die auf den seltsamen N a m e n „ K a v a s s e n " h ö r t e . A n ihrer Spitze stand Z a g o r s k i 1 7 6 ) , ein Stellvertreter w a r G ü n t h e r 1 7 7 ) , der als D e u t s c h b ö h m e auf den Spitznamen R e z n i c e k
hörte,
Leibsklave w a r der H o n v é d o b e r l e u t n a n t
Stojako-
v i c s 1 7 8 ) . Kirche und Kavassen schlugen mitunter heftige Schlachten, bei denen der 1 7 4 ) Alois Zobernig (Triest, 1 1 . 9 . 1 8 7 9 - 2 1 . 1 . 1 9 4 4 , Wien), 1897 aus I K S c h . Innsbruck zu I R . 52, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 1 2 H p t m . und transferiert ins Evidenzbüro d. G l s t b s . , 1 . 5 . 1 9 1 3 H p t m . i . G . , ab 1914 mit kurzen Unterbrechungen durch Generalstabsdienstleistung an der F r o n t Leiter der I - G r u p pe, 1 9 . 1 . 1 9 1 5 stellv. C h e f des Evidenzbüros, 1 5 . 4 . 1 9 1 7 in die O p a b t . d. G l s t b s . , 1 . 5 . 1 9 1 7 M j r . i . G . ,
2 1 . 8 . 1 9 1 7 Glstbschef 1 9 . I D . , 1 1 . 8 . 1 9 1 8 ö . - u . Bevollmächtigter in der D o b r u d s c h a , 2 0 . 1 1 . 1 9 1 8 Verbindungsoffizier bei der ital. Waffenstillstandskommission, später Leiter des Büros des Beauftragten der Regierung beim interalliierten Heeres-Oberwachungsausschuß, 1 . 1 . 1 9 2 0 O b s t l t . , 8 . 7 . 1 9 2 1 TitularO b e r s t , 1 . 1 1 . 1 9 2 2 pensioniert, später T i t u l a r - G M . 1 7 5 ) Wolfgang Waldherr (Laibach, 2 1 . 5 . 1 8 8 3 - 1 3 . 1 0 . 1 9 6 2 , Linz), 1903 aus Milak. als Lt. zu U R . 4, Glstbslaufbahn, im Weltkrieg hauptsächlich Dienst bei höheren K o m m a n d e n , 1 . 1 1 . 1 9 1 7 M j r . i . G . ,
3 0 . 9 . 1 9 1 8 Glstbschef der Edelweißdiv., 1 . 9 . 1 9 2 0 pensioniert, 1 . 3 . 1 9 2 4 im Bundesheer reaktiviert als Stabschef der 4. Brig., 1 . 4 . 1 9 2 4 O b s t . , 2 4 . 2 . 1 9 2 6 stellv. K m d t . d. 4. Brig., 1 . 2 . 1 9 2 9 Leiter der Heeresverwaltungsstelle Linz, 1 . 5 . 1 9 3 1 K m d t . 4. Brig., 2 7 . 8 . 1 9 3 1 G M . , 3 1 . 7 . 1 9 3 3 pensioniert. 1 7 6 ) Waldemar v. Zagorski (St.-Martin-Lantosque bei N i z z a , 2 1 . 7 . 1 8 8 2 - 1 9 2 7 , in Warschau verschollen), 1903 aus T e c h n . Milak. zu K A R . 11, Glstbslaufbahn, 1 6 . 9 . 1 9 1 1 ins Evidenzbüro d. G l s t b s . , 1 . 1 1 . 1 9 1 3 H p t m . i . G . , 2 . 9 . 1 9 1 4 Glstbschef der poln. Legion, 9 . 6 . 1 9 1 6 Kundschaftsoffz. des X V I I I . Korps, 1918 Ubertritt in die poln. Armee, später C h e f des Luftfahrtwesens. , 7 7 ) Wilhelm G ü n t h e r ( L a u n / B ö h m e n , 2 0 . 1 2 . 1 8 8 2 - ? ) , 2 6 . 7 . 1 9 0 1 als E F . zu D R . 7, 1 . 1 . 1 9 0 3 L t . i. d. Res., 1 . 5 . 1 9 0 4 Berufsoffz., Glstbslaufbahn, im Weltkrieg u . a . : 2 0 . 1 . 1 9 1 6 zugeteilt der Kundschaftsstelle Monastir, 1 1 . 3 . 1 9 1 6 Evidenzbüro des G l s t b s . , ab 1 . 4 . 1 9 1 6 Brigadeglstbsoffz., 1 . 5 . 1 9 1 8 M j r . i. G . ; diente ab 15. 7 . 1 9 4 0 in der D t . W m . , 1 . 5 . 1 9 4 3 O b s t l t . , lebte 1953 in Langenburg bei Düsseldorf. 1 7 e ) D e m e t e r Stojakovics bzw. D ö m ö Sztójay (Werschetz, Banat, 5 . 1 . 1 8 8 3 - hingerichtet 2 2 . 8 . 1946, Budapest), 1 . 1 1 . 1 9 0 9 O b i t . H I R . 2 8 , 2 5 . 8 . 1 9 1 4 Glstbsoffz. bei 9 . I T D . , 1 9 . 1 2 . 1 9 1 4 im Stabe des kdi. Generals für Bosnien-Herzegowina, 2 3 . 4 . 1 9 1 7 C h e f der Balkangruppe in der Nachrichtenabt. des A O K . , Ü b e r n a h m e in die H o n v é d nach Beteiligung an gegenrevolutionären Aktivitäten 1919, C h e f des ungarischen militärischen Nachrichtendienstes, 1 9 2 7 - 1 9 3 3 Militârattaché in Berlin, 1 9 3 3 - 1 9 3 5 C h e f des Präsidialbüros des Honvéd-Ministeriums, 1 5 . 1 2 . 1 9 3 5 Gesandter in Berlin, 2 2 . 3 . 1 9 4 4 Ministerpräsident, 29. 8 . 1 9 4 4 zurückgetreten. Vgl. über ihn: G . H e n n y e y , Ungarns Schicksal zwischen O s t und West. L e benserinnerungen (Studia Hungarica, B d . 10), Mainz 1975, 2 5 f f . , 5 4 f f .
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„Erzbischof" einmal beinahe über das Geländer zwei Stock tief abgestürzt wäre. Es fanden aber in der Kantine bei „Einspännern mit Saft" und einem Glas Dünnbier auch fröhliche Versöhnungsmahle statt, und die beiderseitigen Archive zeigten viel heiteren Jugendunsinn. Im Gegensatz zu unserem Neustädter Jahrgang sollten aus dem Kriegsschuljahrgang eine ganze Reihe interessanter Laufbahnen ausgehen. Wenn ich gleich meine Bankreihe nenne, so saß rechts von mir mein Regimentskamerad Rudolf Kuenzl 1 7 9 ), Sohn eines einfachen Wegmachers, der sich schon als Leutnant unter dem Pseudonym „Jizersky", das heißt „von der Iser", in tschechischer Muttersprache literarisch betätigte. Er wurde im Kriege Militärbevollmächtigter in Bulgarien, von w o aus er Beziehungen mit der tschechischen Emigration anknüpfte. Nach dem Kriege war er der erste tschechische Geschäftsträger in Sofia, dann Sektionschef im tschechischen Außenministerium und schließlich zu Beginn 1938 nach anderen diplomatischen Verwendungen tschechoslowakischer Gesandter in Wien. Es war ein eigenartiges Wiedersehen, als er mir in meinem Ministerbüro der Herrengasse seinen Antrittsbesuch machte. Die Herrlichkeit im Lobkowitzpalais hinter der Albrechtsrampe dauerte für ihn allerdings nur kurz. Der Anschluß machte ihr ein Ende. Mein Lebensschicksal ist Gegenstand dieser Aufzeichnungen. Weiter links saß in der Bankreihe der schon besagte Honvéd-Bácsi Stojakovics, seines Zeichens ein halber Wiener serbischer Herkunft und orthodoxen Bekenntnisses. Er spielte nach dem Ersten Weltkrieg zuerst als Militârattaché in Berlin sieben Jahre lang eine sehr gute Rolle. 1935 ernannte ihn Gömbös 1 8 0 ) zum ungarischen Gesandten in Berlin. Allerdings war es nur um den Preis möglich, daß er statt des serbischen Namens die 1 7 9 ) Rudolf Kuenzl-Jizersky (Jungbunzlau, 7. 3 . 1 8 8 3 - ? ) , 1902 aus der IKSch. in Prag als Kadett-Offiziersstellvertreter zu 4. T K J R . , 1.11.1903 Lt., Glstbslaufbahn; 1.11.1910 zur 52. L w I T D . , 18.10.1912 in die russische Gruppe der Auslandssektion des KM., 1.5.1913 als H p t m . i . G . bei d. Glstbsabt. 7. ITD., Herbst 1913 als Austauschoffizier zwecks Erlernung der russischen Sprache nach Moskau, 2 4 . 4 . 1 9 1 4 wieder zur 7. ITD., V. 1915 in die Nachrichtenabt. A O K . , 10.11.1915 Verbindungsoffz. zur 2. bulgarischen Armee, XI. 1916 zur bulgarischen Obersten Heeresleitung, 1.11.1917 Mjr. i. G., VIII. 1918 Militärbevollmächtigter in Sofia, X. 1918 in die csl. Armee übernommen und dem IR. 2 zugeteilt, 22.11.1918 der Friedensvorbereitungskommission zugeteilt, 1.2.1920 in die Reserve versetzt, seit 1919 bereits erster es. Vertreter in Sofia, 1922-1926 im Präsidium des es. Außenministeriums, 1926 Gesandter in Bukarest, Jänner 1938 Gesandter in Wien. Seine Werke: Vznik svétové války (Die Entstehung des Weltkrieges), Prag 1923; Edvard Benes - Rozpravy a úvahy veno vané presidentu es. republiky Dr. Edvardu Benesovi k jeho sedesátym narozeninám státníky a vëdci anglo-amerického svëta. Redigoval a úvodem opatríl Künzl-Jizersky ν Praze 1947 (Edvard Benes - Gespräche und Überlegungen, gewidmet dem Präsidenten der Tschechosl. Republik Dr. Edvard Benes zu seinem sechzigsten Geburtstag von Staatsmännern und Wissenschaftlern der anglo-amerikanischen Welt. Redigiert und mit einem Vorwort versehen von Künzl-Jizersky, Prag 1947). l e o ) Julius Gömbös de Jákfa (Murga, Kom. Tolna, 2 6 . 1 2 . 1 8 8 6 - 6 . 1 0 . 1 9 3 6 , München), 18.8.1905 als Kadettoffiziersstellvertreter aus der k . u . L w K S c h . Pécs zu H I R . 2 5 , 1.11.1906 Lt., 1.11.1911 Oblt., 1912-1914 Frequentant der Kriegsschule, 26. 7.1914 Glstbsabt. d. XIII. Korps, im Weltkrieg Dienst bei div. Kommanden, zuletzt im Stab des Chefs des Ersatzwesens, 1.5.1915 Hptm. i . G . , nach Oktoberrevolution in der Balkangruppe des Honvédministeriums, bald Militârattaché in Agram, 1919 Staatssekretär für Heerwesen in den Szegediner Gegenregierungen, sodann Abgeordneter und rechtsradikaler Geheimbündler, 1 0 . 1 0 . 1 9 2 9 - 1 9 . 8 . 1 9 3 1 Honvédminister, 3 0 . 9 . 1 9 3 2 - 6 . 1 0 . 1 9 3 6 Ministerpräsident.
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ungarische Verballhornung Sztójay sich gefallen ließ und daß er zum katholischen Bekenntnis - auch das evangelische wäre erlaubt gewesen - übertrat. Ich habe in den folgenden Jahren meine Freundschaft mit Sztójay erneuert, er war ein anständiger, braver Kerl. Daß er es auch noch zum Staatsmann bringen werde, hat am wenigsten er von sich selbst verlangt. Trotzdem geschah es. Als Hitler im März 1944 das schon stark wankende Ungarn durch deutsche Truppen besetzen ließ, ernannte H o r t h y 1 8 1 ) den Freund Sztójay unter beifälliger Zustimmung Berlins zum Ministerpräsidenten. Als solchen sah ich ihn bei einem Flugzeug-Ausflug, den ich von Agram nach Budapest unternahm, zum letzten Mal. Er gab mir ein Frühstück, bei dem trotz der Anwesenheit des Gesandten Veesenmayer 1 8 2 ) - nicht zu dessen Behagen - k.u.k.-Luft wehte. Auch das wunderbare Budapest sah ich damals zum letzten Mal. Neben Sztójay saß der schon genannte R. v. Zagórski, ein edler „Polje", Artillerist. Er kam im Ersten Weltkrieg zur polnischen Legion und wurde nach der Februarrevolte der Legion (1918) bis in den September in Máramaros-Szigeth oder Munkács festgehalten. Zagórski wurde in der Folge der große Gegenspieler Pilsudskis, auf dessen Befehl im Jahre 1926 umgebracht und angeblich unter dem Asphalt vor dem Belvedere in Warschau beigesetzt. Kuenzel, Glaise, Sztójay, Zagórski - in ihren Schicksalen ein Abbild der furchtbaren Zeiten, in denen wir lebten. Wenn ich sonst unter den Jahrgangsschicksalen Umschau halte, so sehe ich, vor mir sitzend, den vorletzten Generalstabschef des österreichischen Bundesheeres vor dem Anschluß, Alfred Jansa v. Tannenau 1 8 3 ). E r war im ersten Kriege sehr viel bei deutschen Stäben und gehörte Anfang der zwanziger Jahre zur radikal-nationalen Offiziersgruppe, die sich um Alfred Krauss 1 8 4 ) gesammelt hatte. Als österreichi, e l ) Nikolaus H o r t h y de Nagybánya (Kenderes, 18.6.1868-9.2.1957, Estoril, Portugal), 7 . 1 0 . 1 8 8 6 aus der Marineakad. als Linienschiffsfähnrich ausgemustert, diverse Einschiffungen, 1 . 1 1 . 1 9 1 1 - 1 . 5 . 1 9 1 4 Flügeladjutant Seiner Majestät, 2 8 . 2 . 1 9 1 8 Kontreadmiral und Flottenkmdt., 1 . 1 1 . 1 9 1 8 Vizeadmiral, 3 1 . 1 2 . 1 9 1 8 pensioniert, 30. 5 . 1 9 1 9 Kriegsminister der ung. Gegenregierung in Szegedin, 2 . 3 . 1 9 2 0 - 1 5 . 1 0 . 1 9 4 4 Reichsverweser. 1 8 2 ) D r . Edmund Veesenmayer (geb. 1 2 . 1 1 . 1 9 0 4 ) , seit 1931 Mitglied der N S D A P . , seit 1934 im Büro des SS Gruppenführers D i p l . - I n g . Wilhelm Keppler („Wirtschaftsberater des F ü h r e r s " ) , seit Februar 1938 Assistent Kepplers (Staatssekretär im Auswärtigen A m t ) , 13. 3 . 1 9 3 6 SS-Untersturmführer, . . . 1 3 . 3 . 1 9 3 8 SS-Sturmbannführer, 30. 1. 1942 S S - O b e r f ü h r e r beim Stab des Reichssicherheitshauptamtes, 1 9 3 9 - 1 9 4 4 als Mitarbeiter Kepplers in Ländern Südosteuropas in halbamtlicher Mission tätig, insbesondere 1939 bei Konstituierung der Slowakei und im März 1941 bei der Gründung des kroatischen Staates, 1944 „bevollmächtigter Vertreter des Deutschen Reiches in U n g a r n " . 1 8 3 ) Alfred Jansa v. Tannenau (Stanislau, Galizien, 16. 7 . 1 8 8 4 - 2 0 . 1 2 . 1 9 6 3 , W i e n ) , 1902 aus I K S c h . Wien als Kadettoffiziersstellvertreter zu I R . 72, 1 . 1 1 . 1 9 0 3 L t . , Glstbslaufbahn, 1 6 . 9 . 1 9 1 1 dem Armeeinspektor Potiorek zugeteilt, 2 3 . 5 . 1 9 1 5 in die Glstbsabt. des K m d o s . der Südwestfront, ab 2 0 . 9 . 1 9 1 5 bis 1917 Verbindungsoffz. bei dt. u. bulg. K m d e n . , 1 . 8 . 1 9 1 7 M j r . i . G . , 3 . 9 . 1 9 1 8 Glstbschef 10. K D . , nach Kriegsende bei Heimkehrerzerstreuungsstelle Salzburg, 1 . 1 2 . 1 9 2 0 Stabschef der 3. Brig., 1 . 6 . 1 9 3 0 deren K m d t . , 2 8 . 6 . 1 9 3 0 G M . , 1 . 9 . 1 9 3 2 in A b t . 1 des B M f H w . , 1 . 6 . 1 9 3 3 Militärattache für Deutschland und Schweiz, 1 . 6 . 1 9 3 5 Leiter der Sektion I I I . des B M f L v . , 2 4 . 1 2 . 1 9 3 5 F M L . , 1 . 4 . 1 9 3 6 C h e f des Glstbs., Februar 1938 enthoben, 3 1 . 3 . 1 9 3 8 pensioniert. Vgl. seinen Teilnachlaß im K A . sign. B / 6 5 5 . 1 8 4 ) Alfred Krauss (Zara, 2 6 . 4 . 1 8 8 2 - 2 9 . 9 . 1 9 3 8 , Bad Goisern), 1883 als L t . aus Milak. zu I R . 11, Glstbslaufbahn, 1 8 9 4 - 1 8 9 7 Lehrer an der Milak., 1 . 1 1 . 1 8 9 9 Glstbschef 3 3 . I T D . , 1 . 5 . 1 9 0 1 O b s t l t .
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scher Militärattache in Berlin erlebte er den nationalsozialistischen Umsturz und den 30. Juni 1934 mit. Er sah die schweren Mängel des Systems und machte in seiner Berichterstattung kein Hehl daraus. Nach seiner Rückkehr an die Spitze des Generalstabes in Wien gestellt, wurde er in militärischen Kreisen einer der schärfsten Vorkämpfer der antideutschen oder, besser gesagt, antinationalsozialistischen Richtung. Die Art, wie er dieser Gesinnung in der Wehrpolitik Ausdruck lieh, war kaum mehr realpolitisch zu nennen. Er stürzte am 12. Februar 1938 und wurde durch General Böhme 1 8 5 ) ersetzt. Neben Jansa saß Ghyczy 1 8 6 ) - mit unerhört vielen ungarischen Prädikaten. Er war ein kluger und hübscher Kerl, jedoch leichtsinnig und allen möglichen Frauen zu gleicher Zeit hörig. In den zwanziger Jahren sammelte er Schulden in astronomischen Ziffern. Später tauchte er in Albanien auf, wo er die Heirat des Königs Achmed Zogu 1 8 7 ) mit einer ungarischen Hocharistokratin 1 8 8 ) zustande brachte, i . G . , 15.5.1904 zum Techn. Militärkomitee, 1.11.1904 Obst. i . G . , 28.9.1910 Kmdt. Kriegsschule, 1.11.1910 GM., 1.11.1913 FML., 24.8.1914 Kmdt. 2 9 . I T D . und sodann eines kombinierten Korps in Syrmien, 22.12.1914 Generalstabschef der Balkanstreitkräfte, 20.5.1915 Glstbschef des Kmdos. der Süd-West-Front, 2.3.1917 Kmdt. I. Korps, 1.8.1917 GdL, 17.5.1918 Kmdt. Ostarmee, 1.1.1919 Ruhestand, sodann Historiker, Militärtheoretiker, rechtsradikaler Publizist und ab 9. 3.1920 Obmann des Nationalverbandes deutschösterreichischer (bzw. später: deutscher) Offiziere. Krauss galt vor 1914 als hervorragender Lehrer und kritischer Militärdenker. Nach dem Weltkrieg geriet er immer mehr in ein rechtsradikales, antiösterreichisches Fahrwasser, das ihn sowohl von seinen Offizierskameraden isolierte als auch von der Seite gemäßigt-deutschnationaler österreichischer Historiker abgelehnt wurde. Seine Hauptwerke: 1805. Der Feldzug von Ulm, Wien 1912; Die Ursachen unserer Niederlage, 1. Aufl. München 1920, 3. Aufl. 1923. Das „Wunder von Karfreit" im besonderen der Durchbruch bei Flitsch und die Bezwingung des Tagliamento, 1. Aufl. München 1926, 2. Aufl. 1937; Der Irrgang der deutschen Königspolitik. Die Lehren der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft, München 1927. Vgl. seinen Schriftennachlaß im KA., sign. B/60. Vgl. W. Drofenik, General Alfred Krauss. Eine Biographie, Wr. Diss. 1967; Ludger Rape, Die österreichischen Heimwehren und die bayerische Rechte 1920-1923, Wien 1977, 186 ff. 1 8 5 ) Franz Böhme (Zeltweg, 1 5 . 4 . 1 8 8 5 - 2 9 . 5 . 1 9 4 7 , Selbstmord im Kriegsverbrechergefängnis in Nürnberg), 1904 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus der Liebenauer IKSch. zu IR. 95, Glstbslaufbahn, im Weltkrieg Glstbsoffz. bei diversen höheren Kommanden, zuletzt ab 28.8.1918 Glstbsoffz. bei der 1. ID. an der Westfront, 1.7.1920 Mjr., 20.9.1920 Übernahme ins Ö B H . , Regimentskmdt. und Brigadier, 1.10.1929 Obst., 1.12.1933 in die Abt. 2 des BMfLv., 1.1.1935 Chef der Abt. Ia (Nachrichtenabt.), 24.12.1935 GM., Übernahme in die Dt. Wm., 1.6.1939 Generalleutnant, Polen- und Frankreichfeldzug als Divisionskommandeur, 1.8.1940 GdL, 1.10.1940 kdi. Gen. des XVIII. Armeekorps, 1 9 . 9 . 1 9 4 1 - 5 . 1 2 . 1 9 4 1 bevollmächtigter kdi. Gen. in Serbien, sodann Einsatz in Lappland, 1.1.1944 stellvertretender kdi. Gen. in Salzburg, 2 1 . 6 . 1 9 4 4 - 1 0 . 7.1944 mit der Führung der 2. Pz. Armee beauftragt, Flugzeugabsturz, ab 18.1.1945 Oberbefehlshaber der 20. (Geb.) Armee und Wehrmachtsoberbefehlshaber Norwegen. 1 8 6 ) Nikolaus Ghyczy v. Gicz, Assa u. Ablánczkürth (Fiume, 2 2 . 1 2 . 1 8 9 2 - 1 9 . 3.1938, Tirana), 1903 aus Milak. als Lt. zu IR. 72, Glstbslaufbahn, 20.8.1913 ins Direktionsbüro d. Glstbs., 1.8.1914 in die Detailabt. des A O K . , 7.10.1917 transferiert zur 33. ID., 1.11.1917 Mjr. i . G . , 20.11.1917 in Glstbsabt. des XV. Korps, 28.8.1918 zur Armeegruppe Belluno, 1920-1925 Konsul bzw. Gesandtschaftssekretär in Rom, ab 1922 auch in Tirana, 1926-1932 Kommandant des Zollbezirkes in Szombathely, 1.7.1932 als GM. pensioniert, ab 1934 Zivilbeamter in Albanien. 1 8 7 ) Achmed Zogu (Burgajet, Albanien, 8 . 1 0 . 1 8 9 5 - 9 . 4 . 1 9 6 1 , Paris), befehligte 1916-1918 alban. Freiwillige auf Seiten Österreich-Ungarns, 1923-1924 alban. Ministerpräsident. 1925 Staatspräsident, 1.9.1928 König, flüchtete 1938 vor den ital. Truppen. 1 8 8 ) Geraldine, geb. Grfin. Apponyi (geb. Budapest, 6.8.1915), vermählt 27.4.1938 mit Kg. Zogu.
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bald hernach aber eines jähen Todes starb. Er liegt auf einem Hügel bei Tirana. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges hatte er in der Heeresleitung das Personalreferat des Generalstabes bearbeitet. Ihm verdankte ich meine Berufung zu diesem hohen Kommando. In der vordersten Bank saß Gusti D e n k , der es nach dem ersten Krieg zum Chef der Militärkanzlei Horthys und am Schluß zum ungarischen Kavallerie-Inspektor und Stellvertreter des Honvédoberkommandanten brachte. Er wurde 1940 pensioniert. Ich beglückwünschte ihn immer, wenn ich ihn nachher sah - es war noch öfter - daß er aus jeder Verantwortung ausgeschieden sei: es käme nichts Gutes heraus. Das Schicksal hatte ihn aber dann doch hart angefaßt. Mit Frau 1 8 9 ), zwei Söhnen und einer Tochter (die mein Patenkind ist), mußte er Anfang 1945 aus Budapest auf sein kleines Gut Menfó bei Raab flüchten. Ende März 1945 erhielt ich während meines letzten Wiener Aufenthaltes das letzte Lebenszeichen von ihm. Sein ältester Bub war eben an den Folgen einer Blutvergiftung gestorben. Denk bereitete sich auf eine weitere Flucht vor, zu der es wohl gekommen ist. Seither bin ich ohne Verbindung zu diesem besten Freunde meiner Lebenszeit. Nicht weit von Denk saß Theodor Brantner, mit dem ich im ersten Krieg über zwei Jahre in der Operationsabteilung des Armeeoberkommandos saß. Nach dem Zusammenbruch trat er ins Bundesheer ein. Als Fürst Schönburg 1 9 0 ) Landesverteidigungsminister war, konnte ich ihn dazu bewegen, Brantner als seinen Stellvertreter an die Spitze der ersten Sektion des Ministeriums zu stellen. Ende 1936, während meiner Ministerzeit, wurde er pensioniert. Noch ein paar Plätze rechts saß Beyer 1 9 1 ), Kadettenschüler aus sehr einfachen Verhältnissen, aber ein unerhört gediegener Arbeiter und hochanständiger Mann. Er brachte es in der deutschen Armee als einziger von uns - wenn man von meiner Titularwürde absieht - zum Range eines kommandierenden Generals und befehligte das Salzburger Armeekorps im Polenfeldzug und beim Einmarsch in Frankreich. Am Chemin des Dames bei Laon schüttelten wir uns mit dem altösterreichischen „Servus" das letzte Mal die Hände. Wenige Tage später legte er sich nieder, wurde über Frankfurt nach Salzburg zurückgebracht und starb im dortigen Kajetanerspital ) Daten nicht feststellbar. ) Aloys Fürst Schönburg-Hartenstein (Karlsruhe, 21.11.1858-20.9.1944, Hartenstein), 2 3 . 4 . 1 8 7 7 als Dragoner zu D R . 14, 1 . 5 . 1 8 7 8 L t . , Glstbslaufbahn, 1892/93 im Evidenzbüro des Glstbs., 189
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I . 5 . 1 8 9 5 M j r . i . G . , 2 . 1 0 . 1 8 9 5 Flügeladjutant Seiner Majestät und Militärbevollmächtigter bei der k . u . k . Botschaft in Berlin, 1 . 1 1 . 1 8 9 7 in die Reserve, 1909 G M . a . D . , ab Kriegsbeginn K m d t . I I . Marschbrigade, 8 . 9 . 1 9 1 4 Kmdt. 88. LschBrig., 26. 1 0 . 1 9 1 4 F M L . a . D . , 2 4 . 2 . 1 9 1 5 Kmdt. 6. I T D . , 3 1 . 4 . 1 9 1 5 K m d t . Korps Ljubicic, 2 . 7 . 1 9 1 6 betraut mit K m d o . X X . K o r p s , 3 . 1 0 . 1 9 1 6 K m d t . X X . Korps, 22. 8 . 1 9 1 7 K m d t . IV. Korps, 16. 7 . 1 9 1 8 Kmdt. 6. Armee, 1 . 1 1 . 1 9 1 8 G O . , 1 . 1 2 . 1 9 1 8 pensioniert, 2 1 . 9 . 1 9 3 3 Staatssekretär für Landesverteidigung, 1 2 . 3 . 1 9 3 4 Bundesminister für Landesverteidigung, 10. 7 . 1 9 3 4 zurückgetreten. Vgl. E. H o l u b , Fürst Alois Schönburg-Hartenstein, W r . Diss. 1964. 1 9 1 ) Eugen Beyer (Pohrlitz, Mähren, 1 8 . 2 . 1 8 8 2 - 2 5 . 7. 1940, Salzburg), 1902 als Kadettoffiziersstellvertreter aus I K S c h . Königsfeld zu I R . 31, 1 . 1 1 . 1 9 0 3 L t . , Glstbslaufbahn, Ü b e r n a h m e in das ö s t . Bundesheer, 1 . 8 . 1 9 3 1 Leiter der milit. Fachprüfungskommission, 3 0 . 9 . 1 9 3 1 G M . , 1 . 9 . 1 9 3 5 Kmdt. 6. Division und Milkmdt. Tirol u. Vorarlberg, 1 6 . 3 . 1 9 3 8 mit der Führung der Sektion III im B M . f. L V . und mit den Agenden des Generaltruppeninspektors betraut, 1 . 4 . 1 9 3 8 G d l . und K o m m a n dierender General des X V I I I . Armeekorps.
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an einem Krebsleiden, das er schon länger in sich trug. Ich legte an seinem Sarge, der in der schönen Barockkirche aufgebahrt war - Beyer war praktizierender Katholik - ein paar Blumen nieder. Beim Kondukt zum Bahnhof stand ich als Zivilist im Spalier. Von altösterreichischen Kameraden war General Lohr, vom Polenfeldzug her mit dem Ritterkreuz geschmückt, erschienen. Die ausgerückten Truppen befehligte der Österreicher N a g y 1 9 2 ) . In Hietzing wurde Beyer streng nach kirchlichem Ritus beigesetzt. In denselben Wochen starb unser Kriegsschulkamerad Marschik, der als nichtaktiver Oberstleutnant eingerückt war, den Heldentod. Ich hatte ihn noch in Koblenz begrüßen können. Daß Fleischmann im ersten Krieg Verbindungsoffizier bei Hindenburg war, ist in diesen Zeilen bereits gesagt. E r stand im Hauptquartier O s t in hohem Ansehen, stürzte aber im Frühjahr 1917 über eine Intrige, vor der der listenreiche Mann nicht zurückschreckte, und erhielt infolgedessen, soviel ich mich erinnere, in Ludendorffs Memoiren keine besonders gute Zensur 1 9 3 ). Beim zweiten Restaurationsversuch 1 9 4 ) des unglücklichen Kaisers Karl in Ungarn schlug er sich im letzten Augenblick auf dessen Seite. Angeblich hat ihm der Kaiser noch die hohe, mit einem besonderen Geheimeid verbundene Hofwürde eines Geheimen Rates verliehen. So wenigstens hat er sich in einem Briefe unterzeichnet, den ich Jahre später von ihm erhielt. Bálvány, der als Stabsoffizier des ungarischen Generalstabes damals vor der gleichen Wahl stand, ließ sich abhalten, dem Beispiel Fleischmanns zu folgen. E r verließ nachher trotzdem den aktiven Dienst, um eine Stellung bei der DonauDampfschiffahrtsgesellschaft anzunehmen, deren Generaldirektor sein Schwiegervater geworden war . . . Ich kehre nach dieser Abschweifung in das Jahr 1910 zurück, dessen Schwelle die hier Genannten noch gemeinsam überschritten. Es brachte uns, als der letzten Generation, die noch so etwas mitmachen konnte, sehr bald das interessante Erlebnis eines Hofballes. Bekanntlich gab es zwei Ballveranstaltungen jährlich am kaiserlichen Hofe. Die eine war die besonders exklusive, der „Ball bei H o f " . Man mußte schon von guten Eltern sein, um dort hinzukommen, das heißt, hoffähig zu sein. 1 9 2 ) Emerich v. N a g y (St. Paul im Lavanttal, 1 5 . 9 . 1 8 8 2 - ? ) , 1 8 . 8 . 1 9 0 4 aus der IKSch. Liebenau als Kadett-Offiziersstellvertreter zu 2. T K J R . , Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 H p t m . i . G . , Übernahme in Volkswehr u. ö s t . Bundesheer, 2 4 . 3 . 1 9 2 8 O b s t . , Dienst bei versch. Brigaden u. Heeresverwaltungsstellen, 1 . 1 . 1 9 3 4 in die Abt. 1 des B M . f. L V ( d . i . ab 1 . 6 . 1 9 3 5 die Operationsabt.), 1 . 4 . 1 9 3 5 Vorstand, 1 . 1 2 . 1 9 3 5 zur Mobilmachungsabt. versetzt, 3 1 . 1 2 . 1 9 3 5 pensioniert, da er nach dem Abhören seiner Telefongespräche der hochverräterischen Beziehung zum dt. Militarattaché überführt werden konnte. 2 0 . 3 . 1 9 3 8 in die D t . Wehrmacht übernommen, 1 . 8 . 1 9 3 8 Generalleutnant, 1 9 4 1 / 4 2 im Stab des Gebirgskorps Norwegen, 1 . 8 . 1 9 4 2 G d L , 3 1 . 1 . 1 9 4 3 Ruhestand. 1 9 3 ) Vgl. E. Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , Berlin 1 9 2 0 , 5 9 : „Manchmal habe ich den Eindruck gehabt, als würde von dem k . u . k . Verbindungsoffizier, der sich in meinem Stabe befand, nicht nur Tatsachen sondern auch Klatsch gemeldet. Der Verbindungsoffizier einer verbündeten Macht hat eine besonders wichtige Aufgabe. Darum muß er eine durch und durch gefestigte Persönlichkeit sein." 1 9 4 ) Kaiser Karl und Kaiserin Zita landeten am 20. Oktober mit dem Flugzeug in Westungarn. Am 1. November gingen sie nach dem Scheitern des Restaurationsversuches an Bord des Monitors „ G l o w worm".
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Das heißt wieder, daß man entweder Geheimer Rat, Kämmerer, Truchseß, Offizier einer der Hofgarden und, wenn man weiblichen Geschlechts war, Palastdame, Sternkreuzordensdame und dergleichen sein oder wenigstens der an die Erreichung eines solchen Ranges geknüpften Ahnenproben entsprechen mußte. Der „Ball bei H o f " war das intime Ballfest des Kaisers, der diesem Charakter dadurch Ausdruck lieh, daß er grundsätzlich die schlichte Uniform seines Infanterieregiments Kaiser N r . 1 ohne Großkreuze trug. Auch für die anderen Regimentsinhaber galt diese ,, H o f ansage". Anders der „ H o f b a l l " , bei dem der Kaiser nicht nur die obige exklusive Gesellschaft bei sich zu Gaste sah, sondern zahlreiche andere Würdenträger, Inhaber österreichischer Orden, und vor allem von jedem Wiener Truppenkörper eine Offiziersabordnung, womit dokumentiert war, daß der Offizier zwar nicht die volle Hoffähigkeit besaß, aber das Recht des „ H o f z u t r i t t e s " , das ihn zum Beispiel von den Beamten der Ministerien vorteilhaft unterschied. Dank der Stoßkraft der „ K i r c h e " innerhalb unseres Jahrganges gelang es mir und einigen engeren Kameraden Karten für den „ H o f b a l l " zu ergattern. Natürlich fuhr man mit dem 58er Wagen der Elektrischen bis zum Ring und dann ging's, selbstverständlich in voller Gala, zur Neuen Burg, das heißt zu den Bögen, durch die man in den inneren Burghof kam. Geheime Räte und Kämmerer genossen den Vorzug, auf der Botschafterstiege die Festräume zu betreten. Als ein Hofeinspanier in brauner Livree den nicht sehr aristokratisch aussehenden Obersten von Radetzky-Husaren Markgrafen Pallavicini 1 9 5 ) von der privilegierten Stiege zurückweisen wollte, brüllte er: „Schauen Sie mich zuerst am A . . . an !" Er meinte mit dieser etwas soldatischen Mahnung den güldenen Schlüssel, den jeder Kammerherr an der Reversseite neben der rechten Hüfte trug. Der Kämmererschlüssel wurde nur bei besonders feierlichen Anlässen getragen. U m ihn zu halten, hatte man am oberen Rande der Rockschöße zwei durch eine goldene Schnur verbundene Knöpfe angenäht, an denen man für gewöhnlich die Kämmerer erkannte. Für die Kämmererswürde waren in Österreich acht adelige Urgroßelternteile, in Ungarn vier adelige Großeltern vorgeschrieben. Der Deutsche Orden hatte eine viel strengere Ahnenprobe vorgesehen. Da wir weder Geheime Räte noch Kämmerer waren, mußten wir mit der für gewöhnliche Erdenbürger vorgesehenen Treppe vorlieb nehmen. Wir kamen in einem gewaltigen Rudel von meist uniformierten Gästen in den Zeremoniensaal. Wer eine Offiziersuniform tragen durfte, hatte sie anzuziehen. Ministerpräsidenten erschienen als Leutnants verkleidet, allerdings durch das Goldene Vlies und Großkreuzbänder von der Umwelt abstechend. Auch alte Uniformen, die schon nicht mehr vorgeschrieben waren, sah man noch. So trug ein Graf Harrach eine violette Husarenuniform aus der Zeit von 1868. Gefräßige Gäste hielten von Anfang an Ausschau nach den weltberühmten Buffets, die bei den Hofbällen aufgestellt waren. Ich beeilte mich, möglichst rasch ei1 9 5 ) Anton Markgraf Pallavicini (Salzburg, 4. 8 . 1 8 5 0 - 1 1 . 2 . 1 9 1 6 , Baden/Wien), 1 . 1 0 . 1 8 7 0 als E F . zu U R . 11, 1 . 1 1 . 1 8 7 3 Lt. H R . 13, 1 . 5 . 1 8 9 8 Mjr. H R . 9, 1 . 1 1 . 1 9 0 1 Obstlt., 1 . 5 . 1 9 0 5 O b s t . , 2 2 . 5 . 1 9 0 5 Kmdt. H R . 5, 2 9 . 6 . 1 9 1 0 zur k . u . k . Leibgarde, 1 . 1 1 . 1 9 1 0 G M . und Gardelt., 2 7 . 2 . 1 9 1 3 Gardeoblt., 2 3 . 4 . 1 9 1 4 F M L , mit Titel u. Charakter.
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nen Platz im Spalier zu ergattern, das für den Einzug der höchsten Herrschaften gebildet war. (Wenn ich mich nicht irre, dann habe ich diesen letzten Hofball am habsburgischen H o f e in der Armee-Zeitung geschildert) 1 9 6 ). Zuerst kam der H o f . An der Spitze marschierte - nach dem Hofrang - mit grimmigem Gesicht Erzherzog Franz Ferdinand, er führte, soviel ich mich erinnere, seine Schwester, die Fürstäbtissin des adeligen Damenstiftes auf dem Prager Hradschin war 1 9 7 ). Dann kamen streng nach dem Spanischen Zeremoniell die Fürstlichkeiten, wenn ich nicht irre, auch die Herren und Damen des Cumberlandschen Hofes. Ganz am Schluß eilte, wie von ungefähr, in Begleitung einiger Damen die Fürstin Sophie von H o henberg, die morganatische Gattin des Thronfolgers. Daß sie eine stattliche, wahrhaft fürstliche Erscheinung war, half den beiden, ihr und dem Gatten, kaum über das Unbehagliche der Lage hinweg. Nachdem sich alles postiert hatte - Fürstin Sophie am äußersten linken Flügel, Franz Ferdinand am äußersten rechten —, öffnete sich eine andere Türe angelweit, und der elegante erste Obersthofmeister Fürst Montenuovo 1 9 8 ), Enkel der Kaiserin Maria Luise der Franzosen 1 9 9 ) und des morganatisch angetrauten Grafen Neipperg 2 0 0 ), dem sie noch vor dem Tode Napoleons einen Sohn 2 0 1 ) geschenkt hatte, trat in reich goldgesticktem Frack ein und klopfte mit gleichfalls güldenem Stabe dreimal auf das Parkett: Se. Majestät naht. Gefolgt von den Hofchargen und den Kapitänen der Hofgarden, unter denen uns besonders Beck-Rzikowsky und Fejérváry auffielen, trat, in weißer Generalsgalauniform mit dem Bande des MilitärMaria Theresien-Ordens, der alte Kaiser ein. Ich verlor ihn nicht mehr aus dem Auge. Er war noch immer eine stattliche Erscheinung, dessen legere Haltung mit der etwas hinaufgezogenen linken Schulter und dem tadellosen Gehwerk vollendet elegant wirkte. (Seit einigen Jahren waren dem Offizier im Salon Lackstiefeletten gestattet. Dies war angeblich den Beschwerden von Erzherzoginnen zuzuschreiben, daß ihre Ballkleider beim Tanze so schwer unter den gewichsten Stiefelröhren der Kavallerieoffiziere litten. Der Kaiser selbst legte allerdings auch späterhin keine ) Konnte in D A Z . nicht aufgefunden werden. ) Erzherzogin Maria Annunciata (Reichenau, 3 1 . 7 . 1 8 7 6 - 8 . 4 . 1 9 6 1 , Vaduz). 1 M ) Alfred Fürst Montenuovo (Wien, 1 6 . 9 . 1 8 5 4 - 6 . 9 . 1 9 2 7 , Wien), 1896/97 Obersthofmeister Erzherzogs O t t o , 1898 Zweiter Obersthofmeister am Kaiserhof, 1 9 0 9 - 1 9 1 7 Erster Obersthofmeister. War im Publikum ziemlich unbeliebt und wurde nach dem Zusammenbruch in den verschiedensten Erinnerungswerken als zu einer „ K a m a r i l l a " um den Kaiser gehörig angegriffen und kritisiert. ' " ) Marie Luise Erzherzogin v. Österreich, Kaiserin der Franzosen, Herzogin v. Parma, Piacenza und Guastalla (Wien, 1 2 . 1 2 . 1 7 9 1 - 1 7 . 1 2 . 1 8 4 7 , Parma) älteste Tochter Kaiser Franz II. (I.) aus der zweiten Ehe, 11.3.1810 verheiratet mit N a p o l e o n i . , 8 . 8 . 1 8 2 1 heimlich verheiratet mit A d a m Graf Neipperg, 17.3.1834 verheiratet mit Karl René Graf Bombelles. 2 0 ° ) Adam Albert Graf Neipperg (Wien, 8 . 4 . 1 7 7 5 - 2 2 . 2 . 1 8 2 9 , Parma), 1791 als Kadett zu H R . 6, 1809 Generaladjutant bei Ehg. Ferdinand d'Esté, 1813 Divisionär im Befreiungskrieg, Ritter des Militär-Maria Theresiens-Ordens für sein Verhalten in der Schlacht bei Leipzig, ab 1814 Berater Marie Luises in Parma. 2 0 1 ) Wilhelm Albrecht Fürst Montenuovo (Salogrande bei Parma, 9 . 8 . 1 8 2 1 - 7 . 4 . 1 8 9 5 , Wien), 1838 als Lt. zu 5. F J B . , 1849 Ritter des Militär-Maria Theresiens-Ordens für sein Verhalten als Brigadier im ungarischen Feldzug, 2 5 . 9 . 1 8 5 4 F M L . , ab 14.5.1861 kdi. Gen. in Siebenbürgen bzw. (ab 12. 11.1866) in Böhmen, 4 . 1 . 1 8 6 7 F Z M . , 2 6 . 4 . 1 8 7 0 H p t m . der Trabantenleibgarde, 1.9.1878 pensioniert. 196 197
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Lackschuhe an. Er trug bis an sein Lebensende die in seiner Jugend üblichen „Halbstiefel" mit kurzen weichen Röhren, die auch ich in St. Pölten noch getragen habe.) Wie es sich im einzelnen ergab, weiß ich nicht mehr. Mir ist aber erinnerlich, daß der Kaiser beim folgenden Cercle die Fürstin Sophie besonders auszeichnete, was sie offenbar für die Ärgernisse des Spanischen Zeremoniells entschädigen sollte. Nachher hielt der Kaiser Cercle mit den Damen, die genauso exklusiv ausgewählt waren wie beim „Ball bei H o f " . Inzwischen begann der Tanz. Vortänzer waren traditionellerweise die besonders vornehmen Offiziere der Leibgarde-ReiterEskadron. Der Tanz forderte nur sehr wenig Platz, da die Zahl der tanzenden Paare sehr gering war. Alles war auf Schau eingestellt. Der Kaiser zog sich nach kaum anderthalbstündiger Anwesenheit wieder zurück. Nun begann der Sturm auf die Buffets, ein nicht besonders schönes Schauspiel, wenn man sah, wie alte Stabsoffiziere nicht nur in den Mund hineinstopften, was möglich war, sondern sich auch den Tschako mit Backwerk und ähnlichem vollfüllten, wohl zu dem löblichen Zweck, den verehrten Gattinnen und Töchtern ein Andenken vom allerhöchsten Hoflager nach Hause zu bringen. Denn wenn auch der Gatte und Vater eingeladen war, so blieb der Hof für die zugehörigen Damen doch ein verschlossenes Paradies. Nur die Frauen hoher Hofchargen und dergleichen erhielten auf irgendeiner Galerie ein Plätzchen als Zaunkönige. Die Tanzmusik bestritt das Hoforchester unter der Leitung des Hofkapellmeisters Ziehrer 202 ). Es war natürlich das Schönste, was man an Wiener Walzern und Polkatänzen und Quadrillen je hören konnte. Auch die reich goldbebortete Kleidung des Meisters und seiner Musikanten paßte in das wunderbare Milieu. Um zwölf Uhr nachts war man längst zu Hause. Wie ich mich mit Bestimmtheit erinnere, war dieser Hofball - ich habe es schon bemerkt - der letzte überhaupt. Das gleiche gilt für die Frühjahrsparade, die einige Wochen später auf der Schmelz stattfand. Auch die Kriegsschule rückte zu Pferd aus. Mit dem Jägerhut samt Ledersturmband auf dem Kopfe und den in die Stiefel gesteckten Lampaßhosen ritt man den langen Weg nach Ottakring hinaus. Die Truppen der Garnison standen in vier Treffen, vorn Fußvolk, hinten Kavallerie und Artillerie. Am rechten Flügel des ersten Treffens standen die technische Akademie und die Wiener Kadettenschule. Der Kaiser kam zu Pferd von Schönbrunn her, die Johnstraße herauf, ohne Mantel auf dem vorzüglich zugerittenen Araber mit Generalszaum und roter Gurte nach wie vor ein prachtvolles Reiterbild. Als er sich dem ersten Treffen näherte, wurden die nicht eingeteilten Reiter, darunter auch wir, aufgefordert, uns der Suite anzuschließen. Der Kaiser ritt einen ganz kurzen, verhaltenen Galopp, während die Regimentskapellen die Hymne intonierten und die Trompeter den Generalmarsch bliesen. Für uns, die wir weit hinten ritten, wurde der Wechsel von einem Treffen ins andere, besonders wenn man sich auswärts hielt, ein rasender Karacho, der uns natürlich viel Spaß bereitete. Weniger schön 2 0 2 ) Carl Michael Ziehrer (Wien, 2 . 5 . 1 8 4 3 - 1 4 . 1 1 . 1 9 2 2 , Wien), Militärkapellmeister, Komponist. Vgl. M. Schönherr, Carl Michael Ziehrer. Sein Werk, sein Leben, seine Zeit. Dokumentation, Analysen u. Kommentare, Wien 1974.
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war es, wenn man in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Pferd hatte, das sich gerne durch Hufschlag Luft machte. Auch komische Figuren sah man mitunter. So ist mir unvergeßlich, wie unweit von mir ein hoher General des Ministeriums aus dem Sattel flog. Der alte Herr klaubte mühsam seine Knochen zusammen und dann den in weitem Bogen vom Hute weggeflogenen grünen Federbusch. Der Gaul aber war wunderbar. Er blieb, unbekümmert um die Wahnsinnsreiterei der Umgebung, ruhig stehen und sah wehmütig nach dem unfreiwillig abgesessenen Reiter. Erst als es sich überzeugt hafte, daß dieser wieder fest im Sattel saß, sprengte das brave Pferd gemächlich auf die richtige Hand ein. Ich habe leider mein ganzes Leben nie ein so gutgeartetes Pferd besessen. Nach dem Abreiten der Front erfolgte die Defilierung vor dem Kaiser. Dabei war es Brauch, daß in Wien anwesende Regimentsinhaber dem Obersten Kriegsherrn ihre Regimenter vorführten. Ich glaube mich nicht zu täuschen, mit der Erinnerung, daß ich bei diesem Anlaß die schnittige Figur meines einstigen Akademiekommandanten Drathschmidt in der Uniform seines ungarischen Infanterieregiments Nr. 101 vorüberreiten sah. Drathschmidt war als Feldzeugmeister in Pension gegangen und führte jetzt wohl schon den Titel eines Generals der Infanterie, der für die aus der Infanterie hervorgegangenen Generale an Stelle des Feldzeugmeistertitels nach preußisch-deutschem Muster eingeführt worden war 2 0 3 ). In wirklich empfundener Ehrfurcht durch unsere Blicke verfolgt, sahen wir den Kaiser in Richtung Schönbrunn davonreiten. Wenn ich daran denke und an das, was jetzt aus dem lieben Wien geworden ist - wir danken unserem Führer - , dann wird's mir ungeheuer weh ums Herz. Das war die letzte Frühjahrsparade des Kaisers. Er hatte in den zweiundsechzig Jahren, die hinter ihm an Regierungszeit lagen, unendlich viele solcher Paraden abgehalten. Die Parade auf der Schmelz, Truppenbesichtigungen im Prater und im Brucker Lager gehörten zu den selbstverständlichen Programmpunkten seines soldatischen Lebens. In früheren Zeiten hatte es man nicht leicht, vor seinen kritischen Augen zu bestehen. Und als er noch jünger war, kam es auch vor, daß er durch jähzornige Auseinandersetzungen manchen braven Offizier unglücklich machte, ja zum Selbstmord trieb. Diese Unbeherrschtheit war längst der weisen Zurückhaltung des Alters gewichen. Wenn ich nicht irre, war es im Jahre 1910, daß man den fast Achtzigjährigen nach Bosnien führte 204 ), in die neue Provinz, die ihm im Soll und Haben seiner Territorialpolitik zugleich ein Ersatz für den Verlust des lombardisch-venezianischen Königreiches sein sollte. Auch in Sarajevo fand eine Truppenparade statt, und zwar, nach der Vorschrift für das Annexionsgebiet, in Felduniform. Der Kaiser mit Gefolge erschien nicht in Feld-, sondern in Paradeuniform. Dem die Parade befehligenden Kommandierenden, General Auffenberg 205 ), pas2 0 3 ) Mit kaiserlicher Entschließung vom 15.11.1908 wurde für die aus der Infanterie stammenden Generäle der III. Rangklasse die Bezeichnung „General der Infanterie" eingeführt. Es gab diese Charge bereits in zahlreichen europäischen Ländern, in Preußen ab dem 18. Jhdt. 2 0 4 ) Der Kaiser kam am 30. Mai 1910 in Bosnisch-Brod an und verließ Bosnien nach Besuchen Sarajewos und Mostars am 4. Juni 1910.
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sierte dabei das Malheur, daß sich beim dreimaligen Salut der Säbel im Schweif des Pferdes verfing und zu Boden fiel. Für das Kommißauge des Kaisers, der überdies Auffenberg schon damals kaum besonders liebte, war das natürlich ein unangenehmer Zwischenfall 2 0 6 ). . . . Das dritte Jahr Kriegsschule neigte sich, soweit es theoretisch war, dem Ende zu. Es gab, wie ich schon in anderem Zusammenhang erzählte, eine große Schlußprüfung vor dem Chef des Generalstabes Conrad v. Hötzendorf, der durch seine Fragen und Erklärungen den geübten alten Lehrer erwies. Er hatte selbst als Generalstabsmajor vier Jahre hindurch Taktik an der Kriegsschule tradiert und dabei seine ausgezeichneten Vorträge in ein wertvolles, international anerkanntes Taktiklehrbuch zusammengezogen 2 0 7 ). Seine Schüler von damals waren im Krieg 1914/18 seine Divisionäre und Korpskommandanten. Nach der kommissioneilen Schlußprüfung ging die Ubungsreise an. Ich hatte Pech, denn mein Gruppenleiter war Oberstleutnant Rudel. Die Reise begann, wenn ich mich recht erinnere, in Triest, wo uns das Leben im reich beschickten Hafen besonders anregte und der Abend im Kaffee L o Specchi vereinigte. Wie leer war der gleiche Hafen, als ich ihn anfangs der dreißiger Jahre wiedersah ! Dann ging es nach Pola. Da das Wetter ziemlich stürmisch war, wurde es uns freigestellt, mit Bahn oder einem der kleinen Schiffe der Cosulich-Linie zu fahren. Bei meiner Neigung zur Seekrankheit schämte ich mich nicht, den Transport zu Lande zu wählen. Die Tapferkeit hatte sich bei den anderen nicht gelohnt. Die Seefahrt war überaus stürmisch, fast keiner blieb vor dem Schicksal bewahrt, dem hl. Ulrich ein mehr oder minder großes Opfer darzubringen. Die Bahnfahrt quer durch Istrien war gewiß nicht sonderlich reizvoll, aber wir kamen mit ungestörtem Magen in Pola an. Pola war der Hauptkriegshafen des Reiches, mit den vorgelagerten Inseln ausgezeichnet in der Lage. Man zeigte uns die großen Werftarilagen, führte uns auf den Dreadnought „Viribus unitis", der am 1.November 1918, für die Geschehnisse der 2 0 s ) Moritz Auffenberg Frh. v. Komarów (Troppau, 2 2 . 5 . 1 8 5 2 - 1 8 . 5 . 1 9 2 8 , Wien), 1871 aus Milak. als Lt. zu IR. 28, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 8 9 5 Kmdt. IR. 23, 2 . 7 . 1 8 9 5 Kmdt. IR. 78, 1 3 . 4 . 1 9 0 0 Kmdt. 65. IBrig. in Raab, 1 . 5 . 1 9 0 0 G M . , 13.4.1905 Kmdt. 36. ITD. im Agram, 2 7 . 7 . 1 9 0 7 zugeteilt dem Reichskriegsministerium, 18.10.1907 Generalinspektor der Korpsoffiziersschulen, 1 . 5 . 1 9 1 0 Gdl, 2 4 . 9 . 1 9 1 1 Kriegsminister, 12.12.1912 enthoben, 2 8 . 1 2 . 1 9 1 2 Armeeinspektor und ab Kriegsbeginn Kmdt. 4. Armee, 9 . 1 0 . 1 9 1 4 enthoben, 2 5 . 4 . 1 9 1 5 Freiherrnstand, 2 9 . 4 . 1 9 1 5 mit Wartegebühr beurlaubt, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. Verfaßte nach dem Zusammenbruch viele Zeitungsartikel zu historischen und wehrpolitischen Fragen sowie zwei Erinnerungswerke: Aus Österreichs Teilnahme am Weltkrieg, Berlin-Wien 1920; Aus Österreich-Ungarns Höhe und Niedergang, München 1921; sein Schriftennachlaß: KA., sign. B/677. Vgl. J . Ullreich, Moritz v. Auffenberg-Komarow. Leben und Wirken 1 9 1 1 - 1 9 1 8 , Wr. Diss. 1961. 2 0 6 ) Die Episode spielte sich am 1. Juni 1910 ab, als Auffenberg anläßlich der Parade bei Sarajewo die ausgerückten Truppen dem Kaiser meldete. Vgl. M. Auffenberg-Komarow, Aus Österreichs Höhe und Niedergang, München 1921, 134, Anm. 1. 2 0 7 ) Zum Studium der Taktik, 2 Teile in 1 bzw. 2Bden., 1. Aufl. Wien 1891, 2. Aufl. Wien 1894, 3. Aufl. in 2 Bden., Wien 1898/99; seine weiteren Taktik-Bücher: Die Gefechtsausbildung der Infanterie, 1. Aufl. Wien 1900, 2. Aufl. Wien 1902, 3. Aufl. Wien 1906, 4. Aufl. Wien 1907, 5. Aufl. Wien 1913, 6. Aufl. Wien 1917. Taktik-Aufgaben, 2 Hefte, Wien 1892-1897. Später mehrere Hefte u. Auflagen.
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Zeit symbolisch, in Triest in den Wellen der Adria versinken sollte, und zeigte uns auch ein U-Boot, das unsere besondere Neugierde erweckte. Im Marinekasino bekamen wir Einblick in das gesellschaftliche Leben dieser schönen, in weitem Bogen um die Bucht gelagerten Stadt. Das Marine-Offizierskorps mit seinen eleganten, lebenslustigen Frauen drückte dem öffentlichen Leben seinen Stempel auf; dann kam lange nichts, und nachher erst rangierten die Landsoldaten, Festungsartillerie, Infanterie 87, Landwehr 5 (die uns im Kriege wegen des starken italienischen Einschlages keine besondere Freude bereitete). Das gesellschaftliche Leben war etwas leicht beschwingt, nicht zuletzt durch die lange Abwesenheit diverser Gatten bedingt. Auch die Enkelin des Kaisers 208 ), die mit dem Prinzen Otto Windischgrätz 209 ) verheiratet war, partizipierte einige Jahre später an diesem anmutigen Leichtsinn. Als im darauffolgenden Krieg der berühmte U-Boot-Kapitän Lerch 210 ) von einer Fahrt nicht mehr zurückkehrte, legte sie tiefe Trauer an. Die Ehe ging in Brüche. Nach 1918 wurde ihre k.u.k. Hoheit Prinzessin Elisabeth Windischgrätz, geb. Erzherzogin und kaiserliche Prinzessin von Österreich, Sozialdemokratin und trat zu einem prominenten Parteigenossen 211 ) in nähere Beziehung. Einen Abend unseres Polesaner Aufenthaltes verlebten wir im Hotel Kupelwieser auf Brioni. Es war ein vielbegehrter Frühjahrsaufenthalt von Leuten, die es sich leisten konnten. Leider war unser Übungsleiter, wie immer und überall, ein bleiern wirkendes Element. Eine Dampfbarkasse der Kriegsmarine brachte uns in der Dunkelheit nach Pola zurück. Auf dem schönen neuen Lloyddampfer „Gautsch" traten wir unsere Weiterfahrt an. Der Quarnero, gefürchtet wegen seiner Stürme, ging gut vorüber. Wir passierten Fiume, Susak, die hochkroatische Küste mit dem uralten Städtchen Zengg, das schon in der Römerzeit einen Bischofssitz beherbergte, und wanden uns dabei durch alle möglichen Inseln hindurch. Diese dalmatinische Küste, der wir uns näherten, gehört zu den schönsten Küstenstrichen der Welt. Ich habe ihren Zauber später noch von der Luft aufs neue empfunden, als ich 1941 bis 1944 sie von Agram her abflog. Unsere erste Nächtigung war Zara, damals noch Sitz des Statthalters und Militärkommandanten David von Rhonfeld 212 ). Des weiteren legten wir in 2 0 e ) Erzherzogin Elisabeth (Laxenburg, 2.9.1883-22.3.1963, Wien), verheiratet Wien, 23.1.1902 mit Otto Prinz v. Windisch-Graetz, geschieden Wien 26.3.1924. 2 0 9 ) Otto Prinz v. Windisch-Graetz (Graz, 7.10.1873-25.12.1952, Lugano). 2 1 0 ) Egon Lerch (Triest, 19.6.1886-11.8.1915, bei Venedig), 1904 aus der Marineakademie als Seekadett 2. Klasse ausgemustert, 1.11.1908 Fregattenlt., 1.1.1913 Linienschiffslt., ab 1909 Dienst bei der U-Boot-Waffe, ab 25.5.1914 Kmdt. von U-Booten (zuletzt U XII), torpedierte 21.12.1914 das franz. Schlachtschiff „Jean Bart", sein Boot wurde am 11.8.1915 bei Venedig durch Minen versenkt. 2 1 1 ) Sie heiratete am 4.5.1928 in Wien in zweiter Ehe Leopold Petznek (Bruck/Mur, 30.6.1881-27.7.1956, Wien), ehemals Mitglied des Abgeordnetenhauses, Hauptschuldirektor, 28.11.1945-20.3.1947 Präsident des Rechnungshofes. Vgl. I. Schiel, Stephanie, Kronprinzessin im Schatten von Mayerling, Stuttgart 1978, 374 ff. 2 1 2 ) Emilian Frh. David v. Rhonfeld (Prag, 1.7.1837-11.5.1918, Wien), 22.8.1855 aus der Milak. als Lt. zu F J B . 2, Truppenoffizierslaufbahn, 1.11.1875 Obst. IR. 66, 27.8.1876 Kmdt. IR. 29, 1.11. 1880 G M . , 25.4.1884 zugeteilt XIV. Korpskmdo., 1.5.1886 F M L . , 11.3.1887 zugeteilt XV. Korpskmdo., 24.9.1887 betraut mit der Stellvertretung des Kmdt. XV. Korps u. kdi. Gen. in Sarajevo, 11.10.1890 Statthalter in Dalmatien und Milkmdt. in Zara, 1.11.1893 FZM., 1.4.1902 pensioniert.
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Spalato (Split) an. Leider „ b a l z t e " Rudel unentwegt in Taktikaufgaben, so daß wir von der historisch überaus bedeutsamen Landschaft mit ihren römischen Ruinen sehr wenig zu sehen bekamen. U m in den Palast des Diokletian zu gelangen, meldete ich mich als Quartiermeister für die bevorstehende neuerliche Einschiffung. Im Laufschritt ging es durch das interessante Bauwerk, das zu einer kleinen Stadt mit engen Gäßchen geworden war, mit dem noch ganz altrömischen D o m in der Mitte. In größter Eile durchquerte ich die Anlage. Meine Kameraden kamen nach, ohne etwas davon gesehen zu haben. Sie haben noch einen Punkt der nächsten Taktikaufgabe bearbeiten müssen. Das taktische „ B a l z e n " Rudels hatte seinen Grund nicht nur in seiner taktischen Besessenheit, sondern in seiner großen Empfindlichkeit gegen Hitze und gleichzeitige körperliche Leistungen. Sebenico, Trau, Metkovic zogen tagsüber, ebenso wie Hunderte große und kleine Inseln mit gern besuchten Sommerfrischen, an unseren sich kaum satt sehenden Augen vorüber. Die Narentabucht reichte weit ins Land hinein. In Ragusa stiegen wir neuerlich ans Land. Wir hatten Quartier im Hotel Imperiale zwischen Ragusa und Gravosa. Verschiedene kriegerische Aufgaben entführten uns auf die kahlen Karsthöhen und zu den uralten Befestigungen über der wahrhaft königlichen Stadt. Unvergeßlich ist mir ein Sonntagvormittag auf dem wunderbaren Hauptplatz von Ragusa. Was man da an schönen Menschen, vor allem bezaubernden Frauen, auf engem Räume zusammen sah, läßt sich schwer schildern. Niemand sage mir, daß Rassenmischung ungünstig sein müsse. Hier hatten sich Venezianer, Slawen und Illyrer zu einem außergewöhnlichen Rassengemisch vereinigt, und was dabei herauskam, ließ wahrlich nicht über sich spotten. Ragusa war bis in die Franzosenkriege zu Ende des 18. Jahrhunderts ein Stadtstaat nach dem Muster der italienischen Verfassungen gewesen. Es hatte sich durch kluge Politik seiner Stadtväter, durch diplomatische Winkelzüge aller Art und durch Bestechungen nach allen Richtungen durch tausend Jahre jeden Feind vom Leibe zu halten vermocht. Als es nach kurzer französischer Herrschaft - Marmont war bekanntlich Herzog von Ragusa - Österreich einverleibt wurde 2 1 3 ), verschworen sich die Patrizierfamilien zu einem Fortpflanzungsstreik. Eine Anzahl Familien - nicht alle - hielten sich daran. N u n ist Ragusa unter dem Namen Dubrovnik eine Küstenstadt des Tito-Reiches. Die Patrizierfamilien mögen wenig Freude erlebt haben. Sie waren seit 1918 wesentlich anglophil eingestellt. Der Schiffsverkehr brachte ja auch Geld in die Stadt. Von Ragusa fuhren wir weiter nach Cattaro. Die Einfahrt in die Bocche (Bucht) von Cattaro, jetzt Kotor, war wundervoll. Die Bucht gemahnt mit ihren zahlreichen Windungen und den steilen Felswänden, die sie abgrenzen, an den Vierwaldstätter See. Wir wurden in der Stadt Cattaro untergebracht, die zutiefst in der 2 U ) Die Handelsrepublik Ragusa wurde 1806 von den Franzosen militärisch besetzt und am 31. Jänner 1808 erklärte General Marmont dem Senat, daß die Republik Ragusa zu bestehen aufgehört habe. Am 24. Jänner 1814 kapitulierte die französische Garnison von Ragusa gegenüber Österreichern und Engländern. A m 7. Juli 1814 erließ F M L . Franz Frh. v. Tomassich (Tomasic) einen Aufruf an die Dalmatiner, in dem die Zugehörigkeit zu Österreich proklamiert wurde.
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Bucht liegt. Ich war zusammen mit dem Artillerieoberleutnant Schitier 2 1 4 ), einem Kameraden aus Weißkirchen, einquartiert, der im Jahre 1936 unter dem Namen Sómkúty als ungarischer Kriegsminister in Pension gehen sollte - kurz vorher war er Chef des ungarischen Generalstabes gewesen. Die zahlreichen Ingredienzien, die ich zur Bekämpfung des Ungeziefers mitgebracht hatte, hätten den Armen beinahe ums Bewußtsein gebracht. Sie ersparten mir aber doch nicht, daß ich schließlich um elf Uhr nachts in die Schwimmschule auswanderte, um weiteren Quälereien zu entgehen. Auch Freund Meduna fand sich dort ein, während andere Kameraden wunderbar schliefen. Eine der Taktikaufgaben führte uns auf den Vermac hinauf, der das österreichische Festungssystem in der Bocche beherrschte. Wenn man nordwärts Ausschau hielt, nahm man den steil aus dem tief dunkelgrünen Meer aufsteigenden Lovcen wahr, hinter dem Cetinje, die Residenz Nikolas von Montenegro 2 1 5 ), lag. Der Berg wurde am 11. Jänner 1916 von Cattaro aus durch österreichische Landstürmer genommen. Uber der Bocche lag auch die in der österreichischen Armeegeschichte vielgenannte Krivosije, eine Hochfläche, auf der 1882 heftige Bandenkämpfe 2 1 6 ) abgeführt wurden. Mein Freund Franz Xaver Kappus hatte beim detachierten Bataillon seines 72. Regiments ein oder zwei Leutnantsjahre in dieser Wildnis verbracht. Eine steile Serpentinenstraße führte hinauf. Nach Ragusa zurückkehrend, schlugen wir nun die Richtung Trebinje ein, wohin uns eine kleine, schmale Gebirgsbahn brachte. Der Weg ging in Omnibussen nach Bileca - damals Bilek genannt - weiter. Es war echtester herzegowinischer Karst. In Bilek gewannen wir einen flüchtigen Einblick in das Leben an der montenegrinischen Grenze. Auch dort befand sich ein Bataillon, bei dem ich einen Kameraden aus St. Pölten wiederfand. Bosnien und die Herzegowina hatten damals vier Regimenter aufgestellt, deren keines jedoch im Lande garnisonierte. „ B o s n i a k e n " , hellblau angezogen mit einem krapproten Fez auf dem Kopfe, den von den Offizieren nur Moslims trugen, standen vielmehr in Wien, Budapest, Triest, Graz. In letzterer Stadt hatten sie sich ohne ihr Verschulden 1897 bei den sogenannten Badeni-Krawallen unbeliebt gemacht; der kommandierende General Freiherr v. Succovaty 2 1 7 ) hatte sie gegen die Studenten und sonstige Demonstranten aufgeboten, und es war mit ihnen ebenso2 1 4 ) Josef Schitier bzw. József Sómkuthy (Folt, K o m . H u n y a d , 2 0 . 4 . 1 8 8 3 - 1 8 . 1 0 . 1 9 6 1 , Washington), 1903 aus der Techn. Milak. als L t . zu K A R . 6, Glstbslaufbahn, 1.11.1917 Mjr. i. G . , Übernahme in die Honvéd, 16. 7.1928 Chef der Militärkanzlei des Reichsverwesers, 1 6 . 1 . 1 9 3 5 - 2 . 9 . 1 9 3 6 Chef des Honvéd-Generalstabs, 5 . 9 . 1 9 3 6 - 6 . 1 0 . 1 9 3 6 Honvédminister. 2 , s ) Nikita I. Petrovic Njegus (Njegus, 2 5 . 9 . / 8 . 1 0 . 1 8 4 1 - 1 . 3 . 1 9 2 1 , Antibes), ab 14. / 2 7 . 8.1860 Fürst von Montenegro, ab 15. / 2 8 . 1 . 1 9 1 0 König. 2 1 6 ) Als im Zuge der Exekutierung des Wehrgesetzes Aushebungen für die Landwehr vorgenommen wurden, kam es zu einer Kette von Erhebungen ab dem Herbst 1881, die erst bis Ende Mai 1882 mit einem Truppenaufgebot und mit Hilfe der Marine niedergeschlagen werden konnten. Vgl.: Kriegsarchiv, Der Aufstand in der Herzegowina, Südbosnien und Süddalmatien, 1 8 8 1 - 8 2 , Wien 1883. 2 1 7 ) Eduard Frh. Succovaty v. Vezza (Olmütz, 1 6 . 3 . 1 8 3 9 - 1 0 . 8 . 1 9 1 9 , Graz), 1858 aus Milak. als Lt. zu IR. 33, ab 1863 Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 8 8 6 G M . u. K m d t . 29. IBrig., 2 . 1 0 . 1 8 8 9 K m d t . Milak.,
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wenig zu spaßen gewesen wie später am Isonzo und am Piave, wo sie den Italienern buchstäblich an die Gurgel sprangen und diese durchbissen, wenn's zum Raufen kam. Wenn sie in Wien zur Burgwache aufzogen, waren sie allerdings prachtvoll anzusehen: überlebensgroße, schöngewachsene Leute mit martialischem Profil. Ihre Kopfbedeckung gab zu dem Irrtum Anlaß, die „Bosniaken" durchwegs für Moslims zu halten. Dies traf höchstens für ein Drittel zu. D e r größte Teil war blutmäßig kroatischer Abkunft, mit Blutströmen freilich aus allen Balkan Völkern, und bekannte sich zur orthodoxen Kirche. D o c h gab es unter den Bosniaken auch zahlreiche Katholiken, denen Österreich nach 1878 erst eine kirchliche Hierarchie gegeben hatte; vorher waren nur Franziskaner zugelassen. Die Moslems wurden nicht nur politisch, sondern auch in der Armee mit Glacéhandschuhen angefaßt. Es war alles zur Schonung ihrer Eigenart vorgesehen, die rituellen Bräuche bei der „ M e n a g e " miteinbegriffen. Leider waren sie durchwegs unterernährt, wenn sie zum Militär kamen, und auch Lungenleiden waren nicht selten. Die Besatzung Bosniens wurde durch sogenannte detachierte Bataillone aus dem Reiche beigestellt. Die k . u . k . Infanterieregimenter hatten seit Beginn der achtziger Jahre vier Bataillone, von denen unschwer eins nach Bosnien abgezweigt werden konnte. Die bosnischen Bataillone waren besonders ausgebildet und ausgerüstet, hatten höhere Stände als die Heimattruppen und waren in Gebirgsbrigaden zusammengefaßt. Wenn von den bosnischen Garnisonen auch nur Sarajevo einigermaßen begehrt war, so hatten die bosnischen Bataillone doch einen besonderen Korpsgeist, der in den Krisen 1908/09 und 1912/13 noch gehoben wurde. Dieser Korpsgeist half über die bitteren Seiten ein wenig hinweg, die das Leben in entfernten bosnischen und Karst-Garnisonen zweifellos mit sich brachte. In den Jahren vor Kriegsausbruch wurden noch bosnische Grenzjägerbataillone aufgestellt, denen gegen Ende des Krieges ein fünftes Regiment folgte 2 1 8 ). Das Offizierskorps der bosnischen Truppen war wie das des ganzen Heeres, soweit es aktiv diente, noch zu drei Viertel deutsch-österreichisch. Es war keine leichte Aufgabe für diese Söhne der Alpen- und Sudetenlande, den größten Teil ihres bescheidenen Daseins südlich der Save oder in Ostgalizien zu verbringen. Von Bileca gings, natürlich immer mit Übungen, per Autobus und Militärtransport über Gacko und Avotovac nach Nevesinje und von da nach Mostar hinab. Mehr als einmal fiel der Blick in die trostlose Karstwüste der Crna Gora. Auf unserer Marschroute wechselten öde Karstflächen mit schönen Waldstrecken, zwischen
1 1 . 1 0 . 1 8 9 0 Kmdt. 4. I T D . , 1 . 5 . 1 8 9 1 F M L . , 6 . 4 . 1 8 9 7 Kmdt. III. Korps und kdi. Gen. in Graz, 1 . 1 1 . 1 8 9 8 F Z M . , 2 7 . 4 . 1 9 0 7 pensioniert. 2 1 8 ) Im Verlauf des Jahres 1894 wurden aus den bisher in den vier Ergänzungsbezirken bestehenden sechzehn Bataillonen die k . u . k . b . h . Infanterieregimenter N r . 1, 2, 3 und 4 gebildet. 1903 war bereits ein k . u . k . b . h . Feldjägerbataillon aufgestellt worden. Im O k t o b e r 1917 verfügte das A O K . eine Neuorganisation der Infanterie. Die Regimenter sollten einheitlich aus drei Bataillonen bestehen und aus überzähligen Bataillonen wurden neue Regimenter, darunter auch die bosnisch-herzegowinischen Regimenter N r . 5 bis N r . 8 gebildet. Vgl. dazu: J . C h r . Allmayer-Beck, Heeresreorganisation vor 50 Jahren. Planungen und Maßnahmen für den Friedensausbau der k . u . k . Wehrmacht nach beendigtem Kriege, in: Ö M Z . , Sonderheft 1917, 1967, 1 8 - 2 7 .
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die sattgrüne Dolinen eingebettet waren. In Mostar wurden wir im Hotel Narenta untergebracht. Aus den bekannten Gründen flüchtete ich in der Nacht mit einer Decke auf das Pflaster des Ganges. Der mir schon in der Akademiezeit bekannte Monte H u m wurde, auch im buchstäblichen Sinn des Wortes, der Brennpunkt einer schriftlichen Ausarbeitung. Man hatte von oben eine prachtvolle Aussicht über das Mostarsko Polje. Gegen Norden zu sah man durch den tiefblauen Himmel die Kette der dinarischen Alpen mit dem Iwan-Sattel, die Bosnien von der Herzegowina trennte und deren Häupter einzeln mit Schnee bedeckt waren. In der Tiefe lag die Stadt mit ihren zahlreichen Minaretts und den beiden großen Kasern-Lagern, deren eines damals das Wiener Infanterieregiment Hoch- und Deutschmeister beherbergte. Die Narenta, serbokroatisch Neretva, wand sich, von Nordosten kommend, smaragdgrün zwischen Felsen und Häusern hindurch. Rudel war durch die hochsommerliche Hitze glücklicherweise sehr stark hergenommen, wir hatten verhältnismäßig Ruhe von ihm. Ich konnte nicht ahnen, daß ich mich vierunddreißig Jahre später, mit einem großen Vogel von Norden kommend, auf einer dieser Karstweiden niederlassen würde, um meinen einstigen Kaiserjäger- und Generalstabskameraden Phleps 2 1 9 ), der nun ein SS.-Korps befehligte, in seinem Hauptquartier zu besuchen. Ein paar Tage in Sarajevo waren immer schön. Bei einem Vortrag über die Einnahme der Stadt am 19. August 1878 konnten wir das herrliche Bild in uns aufnehmen. N o c h deutlicher sah man von der Höhe, wie sich hier Orient und Okzident die Hand reichten. Allerdings war Österreich bemüht, den südlichen Charakter möglichst zu schonen - Bauten wie der Konak, von dem 1914 Franz Ferdinand seine Todesfahrt antrat, bewiesen es. Die Gedenktafel, die nach 1918 die Serben an der Miljacka-Brücke angebracht hatten und den Mörder des österreichischen Thronfolgers als Nationalhelden feierten, wurde 1941 seltsamerweise nicht ins Heeresmuseum nach Wien, sondern ins Zeughaus nach Berlin gebracht. Interessant war die große Teppichfabrik, deren damaligen Direktor ich vierunddreißig Jahre später noch einmal begrüßen sollte. Ein Ausflug führte uns ins Bad Ilidze mit seinen Fischteichen. Franz Ferdinand hatte hier die letzte Nacht seines Lebens verbracht. Landesbefehlshaber war nicht mehr der alte Appel gewesen, sondern schon General Varesanin 2 2 0 ), ein geborener Kroate, dem wir irgendwie vorgestellt wurden. Von Sarajevo gings über D o b o j nach Kroatien. In D o b o j hielt ich, im Anschluß an mein Büchlein, einen Vortrag über die Ereignisse im Jahre 1878, aber nicht im Gelände, sondern von einer Gasthaus-Terrasse aus. Ich besuchte auch das There2 1 9 ) Artur Phleps (Birthelm, Siebenbürgen, 29.11.1881-21.9.1944, Arad), 1900 aus IKSch. Preßburg als Kadett-Offiziersstellvertreter zu 3. TKJR., 1.11.1901 Lt., 1.10.1903 zu FJB. 11, Glstbslaufbahn, 1.8.1916 Mjr. i . G . , 27.8.1916 Glstbschef 72. ID., 15.9.1917 Chef der Quartiermeisterabt. 16, 4.4.1918 Glstbschef 48. ID., 1.9.1918 Leiter der materiellen Versorgung der Heeresgruppe Tirol, Übertritt in die rumän. Armee, zuletzt kmdi. Gen. der rumän. Gebirgstruppen, Aug. 1940 Ruhestand, 1942 stellt Phleps die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision „Prinz Eugen" auf, Juli 1943 SS-Obergruppenführer, 1944 Bevollm. General für Südsiebenbürgen und Banat. " » ) Marian Frh. Varesanin v. Vares (Gunja, Slawonien, 2.2.1847-23.4.1917, Wien), 20. 5.1866 aus Milak. als Lt. zu IR. 78, Glstbslaufbahn, 1.5.1894 GM. u. Kmdt. 48. IBrig., 22.10.1896 Kmdt. 3. IBrig., 6.4.1897 Kmdt. 18. ITD., 1.11.1897 FML., 25.9.1900 zugeteilt XII. KKmdo., 15.10.1903
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sienkreuz, das am Ortseingang als Denkmal zur Erinnerung an den seinerzeitigen Kommandanten der 20. Division F M L . Szapáry errichtet worden war. Mein Vortrag hatte weder Rudel noch mich besonders befriedigt. Weitere Ubungsstationen waren Esseg an der Drau und Semlin gegenüber von Belgrad. Neugierig sahen wir durch die Feldstecher von einer Warte bei Semlin nach der serbischen Hauptstadt hinüber, aus deren Mitte sich, irgendwie drohend, der Kalimegdan erhob. Belgrad war damals noch eine kleine Türkenstadt, von dem talmieuropäischen Glanz, der nach der Gründung Jugoslawiens über sie gebreitet wurde, war noch wenig zu sehen. Die Erinnerung an Prinz Eugen heraufzurufen, dazu war - glaube ich - Rudel viel zu wenig poetisch. Sehr viel Interessantes versprach uns die nun folgende Fahrt nach dem Eisernen T o r . Aber sie hielt ihr Versprechen nicht. Denn statt uns die prachtvolle Landschaft bewundern zu lassen, hielt uns Rudel im Bauche des Donaudampfers bei Landkarten und viel Papier fest. Nur ab und zu konnte man durch eine Luke verstohlen hinauslugen. Bei Orsova, gegenüber der Insel Ada Kaleh, die seltsamerweise noch türkisch geblieben, war, setzten wir an Land. Wir fuhren nach Herkulesbad - Mehadia - , wo wir einen Abend das Leben dieses speziell von Rumänen aus dem Regat stark besuchten Kurortes schlürften. Ich traf den rumänischen Hauptmann Theodoru mit seiner Frau an, der mit mir zusammen ein Jahr in unserem Regiment in Salzburg gedient hatte. Über Temesvár, das wir nur vom Bahnfenster aus sahen, gings nach Wien zurück. Bei der Schilderung unserer Kriegsschul-Odysseen durch das habsburgische Reich mag aufgefallen sein, daß wir die böhmischen Länder offenbar stiefmütterlich behandelt haben. Dieser Anschein ist in erster Linie meinem schlechten Gedächtnis zuzuschreiben. Denn wir waren, wenn ich nicht irre, schon im zweiten Jahrgang in Pilsen und in Prag, vielleicht auch auf einem böhmischen Schlachtfeld gewesen. In Pilsen besuchten wir Skoda und natürlich auch die weltberühmte Brauerei. In Prag traf ich meinen um zwei Jahre älteren Akademie- und Regimentskameraden Sigismund von Schilhawsky 2 2 1 ) wieder, der in der böhmischen Hauptstadt als Brigade-Generalstabsoffizier Dienst tat. Unser seiner Führung bekamen wir auch einen kleinen Einblick in das Prager Nachtleben, aber nur einen kleinen. Irgendwie erinnere ich mich auch an einen Aufenthalt in Nachód, wo uns der Gutsherr, Prinz zu Schaumburg-Lippe 2 2 2 ), empfing. Das ist aber alles leider nur sehr dunkel in meiner Erinnerung haften geblieben. zugeteilt X V . K K m d o . , 1 3 . 4 . 1 9 0 5 Militärkmdt. von Zara, 1 . 1 1 . 1 9 0 5 F Z M . , 9 . 3 . 1 9 0 9 K m d t . X V . Korps und kdi. G e n . in Sarajewo, 8 . 1 0 . 1 9 0 9 Generaltruppeninspektor, 1 8 . 7 . 1 9 1 1 pensioniert. 2 2 1 ) Sigismund Schilhawsky v. Bahnbrück (Budapest, 7. 4 . 1 8 8 1 - 1 1 . 8 . 1 9 5 7 , Salzburg), 1901 aus der Milak. als Lt. zu 4. T K J R . , Glstbslaufbahn, 2 0 . 9 . 1 9 1 2 eingeteilt im M i n . f. L v . , 1 . 1 0 . 1 9 1 4 eingeteilt beim X V . K K d o . , 1 . 9 . 1 9 1 5 M j r . i . G . in der O p a b t . des 10. A r m e e k m d o s . , 1 . 1 0 . 1 9 1 5 Glstbschef 17. I T D . , 4 . 4 . 1 9 1 7 in die O p a b t . des A O K . als Italienreferent, 1 . 1 1 . 1 9 1 7 O b s t l t . i . G . , nach dem Zusammenbruch in Salzburger Heeresverwaltungsstellen, 2 3 . 6 . 1 9 2 3 O b s t . , 1 . 8 . 1 9 2 6 als G M . versetzt ins B M f H w . , 1 . 4 . 1 9 2 8 Leiter der A b t . 1, 1 . 1 . 1 9 2 9 K m d t . 5. Brig., 1 . 4 . 1 9 3 0 Leiter der 1. Sektion, 1 . 3 . 1 9 3 1 Kmdt. der 2. Brig., 1 . 1 0 . 1 9 3 2 Heeresinspektor, 2 1 . 3 . 1 9 3 3 G d L , 1 5 . 3 . 1 9 3 8 pensioniert. 2 " ) Friedrich G e o r g Prinz zu Schaumburg-Lippe (Ratiboritz bei N a c h ó d , K u d o w a , Schlesien), Mitglied des ö . Reichsrates.
30.1.1868-12.12.1945,
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Die Übungsreise des dritten Jahrganges Kriegsschule schloß mit einer „ K o r p s übung" bei Groß-Meseritsch in Mähren ab, die - soviel ich mich erinnere - im deutschen Städtchen Iglau an der böhmischen Grenze anfing. Operativer Generalstabsdienst und Taktik sollten gemeinsam geübt werden. W i r hatten schon im Winter in den Lehrsälen der Dreihufeisengasse eine solche Übung durchgeführt. Damals brach - nach einer alten Studie des Generals Gallina 2 2 3 ) - eine deutsche Armee über den Inn in Oberösterreich ein. Ich war rollenmäßig ihrem Hauptquartier zugeteilt und erhielt von Straub den seltsamen Auftrag, unter anderem eine Proklamation an die Bevölkerung Oberösterreichs zu entwerfen. Hoffentlich fand man diese nicht mehr in den Akten. Sonst könnte sie jetzt in Nürnberg das beste Beweisdokument für eine schon damals bestehende „Naziverschwörung" bilden. Naturgemäß schlug ich außerordentlich großdeutsche, antihabsburgische Töne an. Für die taktische Fortsetzung wurde ein Armeekorps aus dem Räume Vöcklabruck-Straßwalchen ausgewählt. Entgegen dem Brauche, die drei Divisionen nebeneinander anzusetzen, ließ ich eine im zweiten Treffen folgen, was mir bei der siegreichen Begegnung eines feindlichen Flankenangriffes sehr zustatten kam. Nicht so viel Glück hatte ich bei der Meseritscher Korpsübung. Dieses nette mährische Nest hatte schon bei den letzten Kaisermanövern eine verhängnisvolle Rolle gespielt, indem sich in seinem Winkelwerk die ganze Wiener Kavallerie-Division - samt meiner seligen 2. Reitenden - unter dem Kommando Franz Salvators verfing. Nun fiel mir die Aufgabe zu, am ersten Geländetag den Jahrgang auf eine gewisse H ö h e der Umgegend zu führen. Der Kriegsschulkommandant F M L . v. Puhallo, Rudel und mehrere Stabsoffiziere folgten mit der Klasse auf fünfzig Schritt nach. Anfänglich taten sie es vertrauensvoll, später kam aber Unruhe hinein, die sich auch auf mich übertrug. Es wurde mir immer klarer: ich hatte einen um neunzig Grad falschen Ortsausgang gewählt - was die anderen allerdings auch nicht gemerkt hatten. Ich blickte mich um, die Häupter der Lehrer und Kameraden schüttelten sich wie ein Kornfeld im Sturm. Schließlich mußte ich pater peccavi sagen und eingestehen, daß ich auf falscher Fährte sei. Die anderen taten so, als hätten sie es längst gewußt. Es war natürlich keine günstige Einleitung meines letzten Auftretens, aber schließlich ging noch alles halbwegs gut. Auf der Heimfahrt im Eisenbahnzuge intonierte der „greise Erzbischof", assistiert von der ganzen „ K i r c h e " , ein feierliches Ite missa est. Zwei Feinde innerhalb der „ K i r c h e " legten versöhnend die Hände ineinander. Ich nenne sie mit ihrer „kirchlichen" Würde, der eine war der Bischof in der Duga (an der Grenze zu den Kavassen), der andere war vom Erzbischof zum Propst von Istrien ernannt wor2 " ) Josef Wilhelm F r h . v. Gallina (Graz, 1 7 . 1 1 . 1 8 2 0 - 3 . 1 0 . 1 8 8 3 , Wien), 2 . 9 . 1 8 3 9 aus der Milak. als Lt. zu IR. 38, sei: 1848 dem Glstb. zugeteilt, 2 1 . 5 . 1 8 6 0 O b s t . , beim Feldzug 1866 Glstbschef des V. Korps in der Schlacht bei Custoza, 9 . 1 1 . 1 8 6 7 G M . , 2 6 . 1 . 1 8 6 8 dem R K M . zugeteilt, 2 0 . 4 . 1 8 6 9 Chef d. Glstbs., 1 . 5 . 1 8 7 3 F M L . und Divisionär, 1 4 . 6 . 1 8 7 4 Milkmdt. in Krakau, 1 . 9 . 1 8 7 8 pensioniert. Gallina gilt als der wichtigste österreichische Militärtheoretiker der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der Militärgeschichtsschreibung Österreich-Ungarns ist er der Begründer der applikatorischen Methode. Seine Hauptschriften sind: Technik der Armeeleitung, Wien 1866; Armee in der Bewegung, Wien 1870.
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den, weil er auf dieser Halbinsel einmal ganz besonderes taktisches Pech gehabt hatte. Der Bischof war auf den Propst seit längerem böse, weil ihm dieser ein von Olmütz mitgebrachtes fesches hannakisches Mädchen verführt hatte. Der Bischof beklagte sich, daß dies nicht nur auf seinem Sofa geschehen sei, sondern noch dazu im Angesichte seines Dackels, der den Zärtlichkeiten entrüstet zugesehen habe. N u n war alles für immer begraben. Ich persönlich hatte allen Grund, die nächste Zukunft in rosigen Farben zu sehen. Der Zufall hatte es gewollt, daß vor etlichen Monaten mein Oberst Gelb v. Siegesstern die 6. Infanteriebrigade in Salzburg erhalten hatte. Und ein weiterer Zufall wollte es, daß der jetzige Brigadegeneralstabsoffizier (so hießen in der österreichischen Armee die Brigade-Adjutanten, die sich durchwegs aus „ d e m Generalstab zugeteilten Offizieren" zusammensetzten; hatte man die „Zuteilung" gut überstanden, dann wurde man Hauptmann im Generalstabskorps), Theodor R. Uriel 2 2 4 ), übrigens ein Schwager des Kriegsarchivdirektors Woinovich, für den kommenden November zum Generalstabshauptmann an der Reihe war, also von Salzburg wegkam. Natürlich genügte bei Gelb eine flüchtige Andeutung, und schon saß er und schrieb einen Brief an den gestrengen Chef des Direktionsbüros des Generalstabes Oberst Kutschera 2 2 5 ), dieser möge mich für die Salzburger Brigade in Aussicht nehmen. Bei den bekannten Beziehungen Gelbs zum Thronfolger war Kutscheras „ J a " selbstverständlich. Schon ein paar Monate - seit dem Frühjahr verträumte ich manche Stunde in der freudigen Erwartung, nun nochmals die Salzburger Garnison beziehen zu können. Als ich später mit zehn Dienstjahren nach Wien kam, erklärte ich zum Ärger vieler Neider feierlich, ich sei „Peripherie-Generalstäbler" gewesen, denn ich hätte den größten Teil meiner Dienstzeit an der Reichsgrenze verbracht. Wann wir nach Salzburg übersiedelten, weiß ich nicht mehr genau. Eine Anzahl von Nächten hatte ich jedenfalls in Denks Zigeunerlager zugebracht. In Salzburg bekamen wir durch Zufall wieder die alte Wohnung in der Neutroststraße, nur konnten wir erst am 1. November einziehen, was mir gar nichts ausmachte. So freute ich mich denn auf den Abschluß der Kriegsschulzeit, der durch einen Distanzritt markiert wurde. Unter der Führung des Oberstleutnant Kopecek und des Rittmeisters Freiherr v. Reichlin 2 2 6 ) setzten wir uns anfangs August eines schö2 2 4 ) Theodor Frh. v. Uriel (Laibach, 9 . 1 1 . 1 8 8 0 - 1 . 4 . 1 9 4 3 , Leibnitz), 1901 aus Milak. als Lt. zu D R . 10, Glstbslaufbahn, 1.11.1906 zugeteilt dem Glstb., eingeteilt bei 16. KBrig., 10.2.1909 zur 6. IBrig., 1.11.1910 H p t m . i . G . bei 16. I T D . , 1 . 8 . 1 9 1 4 zugeteilt der 56. I T D . , 6 . 4 . 1 9 1 5 zugeteilt dem Kriegshafenkmdo. Pola, 1 . 9 . 1 9 1 5 Mjr. i . G . , 8 . 1 0 . 1 9 1 5 Glstbschef 5. I T D . , 1 . 1 1 . 1 9 1 7 Obstlt. i . G . , nach Zusammenbruch ab 1.9.1919 im K A . , 1 . 1 0 . 1 9 2 0 pensioniert bei Belassung im K.A., 2 0 . 1 . 1 9 2 8 Oberstaatsarchivar, 3 0 . 1 0 . 1 9 3 2 beurlaubt, 3 1 . 8 . 1 9 3 4 pensioniert als Hofrat. 2 2 5 ) Richard Kutschera (Wien, 2 5 . 1 0 . 1 8 6 1 - 2 4 . 8.1914 Krasnik), 1881 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus der PiKSch. zum PiRgt., Glstbslaufbahn, 1.11.1906 O b s t . i . G . , 8 . 2 . 1 9 0 7 Glstbschef Kriegshafenkmdo. Pola, 1 . 4 . 1 9 0 8 transferiert in Direktionsbüro d. Glstbs., 2 7 . 1 1 . 1 9 0 8 dessen Chef, 18.8.1911 K m d t . 10. IBrig., 31.10.1911 G M . 2 2 6 ) Wilhelm Frh. v. Reichlin-Meldegg (Wien, 4 . 8 . 1 8 7 4 - 1 7 . 2 . 1 9 4 7 , Wien), 1894 als Lt. aus der Techn. Milak. zu K A R . 12, 14.4.1908 zur Reit. Artilleriediv. 2, 1.11.1908 H p t m . , 1.11.1911 zu F H R . 12, 3 0 . 1 . 1 9 1 2 zu F K R . 15, 1.8.1914 Kmdt. Kav. Munitionspark 1/7, 17.12.1914 Kmdt. Reit.
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nen Morgens in der Dreihufeisengasse in den Sattel, um über Schönbrunn den Hang des Wienerwaldes zu gewinnen und über Atzgersdorf-Mauer südwärts zu reiten. Wir kamen durch Baden und Vöslau in die bekannten Gegenden von Wollersdorf und Fischau an der Dürren Wand und schwenkten dann gegen Neunkirchen ein, wo wir die erste Nächtigung bezogen. Der ziemlich weite Ritt hinderte Bálványi und mich jiicht daran, gegen Abend noch einen Abstecher nach Wiener Neustadt zu machen. Ich hatte zwar den 18. August 1908 in der Burg verbracht, aber unsere Anhänglichkeit war so groß, daß es keine ungenützte Wiedersehensmöglichkeit geben sollte. Wir eilten in den Park, sprachen dort mit einigen Akademikern und kehrten dann befriedigt in das Industrienest Neunkirchen zurück. Der nächste Ritt führte uns noch auf der alten, ziemlich steilen Straße, über den Semmering. Am Holzzaun des Hotels Erzherzog Johann banden wir unsere Pferde an, deren einige sich, nicht zur Freude des Hotelbesitzers, mit Teilen des Gitters losrissen, während wir uns im Restaurant gütlich taten. In der Steiermark gings bergab über Spital bis Mürzzuschlag, wo wir die zweite Nächtigung einschalteten. Dann kam der schöne Weg die Mürz aufwärts über das kaiserliche Jagdschloß Mürzsteg nach Mariazell. Dort war Rasttag, und wir besichtigten die berühmte Schatzkammer, deren Schätze hoffentlich noch erhalten sind. Ich war über die Rast nicht böse. Zu meiner Betrübnis hatte ich gleich zu Beginn unseres Rittes wahrnehmen müssen, daß mein Gaul ein sogenannter „Zeppler" war, das heißt während der Schrittreprisen immer ein Mittelding von Schritt und Trab dahinzottelte, was nicht zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehörte. Von Mariazell gings über Scheibbs weiter. Leider kamen wir am Lunzer See bei strömendem Regen vorbei, so daß wir von der Gegend wenig oder nichts hatten. Des anderen Tages wendeten wir scharf nach Osten. Unser Ziel war Lilienfeld mit dem altehrwürdigen Zisterzienserstift. Ich war in diesem einquartiert. Der Saal war so groß, daß ich meinen Zimmergenossen, den allerdings klein geratenen, diagonal gegenüberliegenden Meduna, kaum sehen konnte. Das letzte Mal war ich von St. Pölten aus auf diesem herrlichen Fleck Erde gewesen. Mit Auto kam ich später recht oft hin. Als Minister besuchte ich unter Führung des Prälaten das Kloster noch einmal und besichtigte es sehr genau. In der Nazizeit war es selbstverständlich aufgehoben, doch hoffe ich, daß es nun wiedererweckt ist. Von Lilienfeld ging es nach Weißenbach an der Triesting und von da des anderen Tages nach Wien zurück. Das liest sich so einfach, war es aber nicht. Zuerst führte uns unser Ritt an Mayerling vorüber, dem einst kaiserlichen Jagdhaus, in welchem der Kronprinz Rudolf 2 2 7 ) zuerst seine Liebe, Mary Vetsera 228 ), und dann sich erschossen hat 229 ). So und nicht anders war es nämlich. Dabei wäre es falsch, die Tat mit einer unglücklichen Liebe in Zusammenhang zu bringen. So rührselig waren die Artilleriediv. (bzw. AR.) 1, 1.2.1916 Mjr., 1.5.1918 Obstlt.; später in der legitimistischen Bewegung, zuletzt als Führer des „Eisernen Ringes" tätig. 227 ) Kronprinz Rudolf (Laxenburg, 21.8.1858-30.1.1889, Mayerling). Vgl. O . Frh. v. Mitis, Das Leben des Kronprinzen Rudolf . . ., neu herausgegeben und eingeleitet v. A. Wandruszka, Wien-Miinchen 1971. 22ê ) Mary Freiin v. Vetsera (Wien, 19.3.1871-30.1.1889, Mayerling).
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Habsburger der Generation Rudolfs nicht mehr. Der Kronprinz hatte sogar im Dezember zuvor seiner eigentlichen Liebe, der Wienerin Mizzi Kaspar 230 ), den ehrenden Antrag gemacht, sich mit ihm zusammen ins Jenseits zu begeben. Fräulein Kaspar war jedoch eine Realpolitikerin, sie verlangte statt des frühen Todes ein Haus auf der Wieden und erhielt es auch. Wohl aber fand Rudolf bei der kleinen Halborientalin Vetsera Gehör. Ihr Opfermut bewahrte den Prinzen davor, allein ins geheimnisvolle Jenseits hinüberflüchten zu müssen. Man fand sie nackt auf dem Bett, ein Loch in der schönen, jungen Brust, er lag neben der Ruhestätte, gleichfalls mit durchschossenem Herzen. Schon seit zwei Jahren war Rudolf, von Haus aus in Eifer und Arbeitslust wankend, nicht mehr der alte gewesen. Ich hatte den Brief in der Hand, den er seinem ungarischen Vertrauensmann Szoegyenyi-Marich 231 ), dem späteren unendlich langjährigen Botschafter in Berlin, zum Abschied schrieb. Darin heißt es, seine Ehre als Offizier gebiete ihm den Freitod. Sehr viel spricht dafür, daß der geistig nicht mehr Normale von der Zwangsvorstellung heimgesucht war, mit der ungarischen Opposition gegen den Kaiser konspiriert zu haben. Auch die Kaiserin selbst scheint von der furchtbaren Uberzeugung erfüllt gewesen zu sein, daß ihr Sohn die geistige Indisposition der Wittelsbacher geerbt habe. Sie ließ sich in einer der ersten Nächte Schlag zwölf Uhr überraschend an den Sarg des Sohnes in der Kapuzinergruft führen und warf sich bitterlich weinend nieder. Der Kaiser war durch den Selbstmord Rudolfs irgendwie in seiner Offiziersehre getroffen. „Mein Sohn hat sich", soll er sich geäußert haben, „wie ein Schneider aus dem Leben gemacht." Als man zuerst die Nachricht ausgesprengt hatte, Rudolf sei einem Herzschlag erlegen, ordnete er im Kronrat an, daß dem Volke die Wahrheit gesagt würde. Ein furchtbares Bild verfolgte mich, als wir von Mayerling, das nun ein Nonnenkloster war, über den Berg gegen Heiligenkreuz ritten. Ich sah den Einspänner mit dem Grafen Stockau 232 ) und dem Polizeipräsidenten 233 ) vor mir, wie sie ein wan2 2 9 ) Glaise-Horstenaus Ansichten über die Mayerling-Tragödie dürften schwankend gewesen sein. Jedenfalls äußerte er sich gegenüber Wilhelm Möller, Oberoffizial, im Weltkrieg in der Hugheszentrale des A O K . , um 1934 bis 1936, Graf Peter Czernin, Sohn des Außenminister Ottokar Graf Czernin, hätte erzählt, sein Vater habe in einer Denkschrift gelesen, daß Kronprinz Rudolf erschlagen worden sei. Ebenso gab GdK. Theodor Brantner Möller 1934 bis 1935 ein Interview, von dem Glaise-Hórstenau gewußt haben dürfte. Brantner berief sich auf Ausführungen des Hzg. Miguel v. Braganza, der am 29. Jänner 1889 in Mayerling war, ihm gegenüber. Danach sei Kronprinz Rudolf von Prinz Philipp von Koburg, der Kronprinz Rudolf im Bett mit Baronesse Vetsera überraschte und in ihm einen Nebenbuhler sah, mit einer Champagnerflasche erschlagen worden (KA., sign. B/180, nr. 1, 313f., 317). Vgl. ansonsten F. Judtmann, Mayerling ohne Mythos. Ein Tatsachenbericht, Wien 1968; B. Hamann, Rudolf, Kronprinz und Rebell, Wien-München 1978. 2 3 °) Maria (Mizzi) Caspar (Graz, 2 8 . 9 . 1 8 6 4 - 2 9 . 1 0 . 1 9 0 7 , Wien), Vgl. W. Hummelberger, Maria Caspar und Josef Bratfisch, in: Jb. des Vereins f. Geschichte der Stadt Wien, Bd. 19/20 (1963/64), 277-291. " ' ) Ladislaus Graf Szoegyeny-Marich (Wien, 1 2 . 1 1 . 1 8 4 0 - 1 1 . 6 . 1 9 1 6 , Csór), Mitglied der DeikPartei, seit 1883 im Ministerium des Äußeren, 24.12.1890 Minister am kgl. Hoflager, 1892-1914 Botschafter in Berlin. 2 3 2 ) Georg Graf Stockau (Napajedl, 7 . 4 . 1 8 3 7 - 5 . 9 . 1 9 2 2 , Kainberg), k . u . k . Major, vermählt 2.7.1872 mit Eveline, geb. Baltazzi. 2 " ) Franz Frh. v. Krauß (Laibach, 2 4 . 1 1 . 1 8 3 7 - 2 7 . 1 0 . 1 9 1 9 , Wien), trat 1858 als Konzeptspraktikant bei der nö. Statthalterei ein, 1885 Hofrat und Leiter der Polizeidirektion Wien, 1886 Polizeipräsi-
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kendes, mit Uberbluse und Hut bekleidetes Mädchen zwischen sich auf dem Sitz hielten. Die tote Mary Vetsera. Diese schreckliche Szene, der Phantasie eines E. T. A . Hoffmann würdig, entsprang dem Bestreben der Geheimhaltung, die damals noch versucht wurde. Der Friedhof von Heiligenkreuz, wo die arme Mary beigesetzt war - ein Spruch im Glasfenster der Grabkapelle erinnert an ihr tragisches Schicksal - , liegt auf einem Berg. Wir stiegen aus dem Sattel. Der halbe Jahrgang blieb bei den Pferden, der andere stieg den Friedhof hinan. Ich war bei der zweiten Partie. Als die erste zurückkam, riefen alle: „Glaise, du hast eine Familiengruft o b e n . " Ich war sehr neugierig. Tatsächlich befand sich in einer Ecke eine Gruft, auf der verschiedene französische Namen verzeichnet waren, darunter auch der eines Ehepaares Glaise, das allerdings aus Belgien stammte. Über allen Inschriften des Grabsteins thronte der N a m e „Feldzeugmeister Braumüller von Tannbruck" 2 3 4 ). Erst geraume Zeit später erfuhr ich Näheres. Die Gruft gehörte dem langjährigen Vizedirektor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs v. Gyoery 2 3 5 ). Das Ehepaar Glaise waren offenbar Hausangestellte der belgischen Vorfahren Györys; immerhin erfuhr ich von diesem, daß er in der Gegend von Toulouse auf Friedhöfen, aber auch nur dort, mehrere Glaises gelesen habe. Wie ich eingangs erzählte, stammen auch wir von dort. Diese Straße von Heiligenkreuz nach Gaaden und die Hinterbrühl ist besonders am frühen Morgen äußerst stimmungsvoll. Ich ritt und träumte von einem Roman, in dessen Mittelpunkt ich die unglückliche Gestalt des Kronprinzen stellen wollte. Im übrigen war mit des Geschickes Mächten kein ewiger Bund zu flechten. Als wir wieder in Trab übergingen, lahmte auf einmal mein Pferd. Ich mußte die Kavalkade davonreiten lassen, blieb zurück, versuchte es zuerst bei einem Hufschmied, mußte aber zu meinem Entsetzen wahrnehmen, daß das Pferd weiterhinkte, aber umso stärker zappelte, je mehr es sich alleingelassen fühlte. Die Sonne stieg immer höher; als ich Mödling hinter mir hatte, stach sie schon unerhört heiß auf mich einsamen Reitersmann nieder. Mehr als einmal stieg ich ab, um das Pferd wie das berühmte Kamel am Halfterband hinten nachzuschleppen. Dann setzte ich mich wieder in den Sattel. Der Weg von Altmannsdorf in die Dreihufeisengasse wollte schon gar kein Ende nehmen. Gegen drei Uhr nachmittags konnte ich meinen müden hinkenden Gaul endlich dem zuständigen Pferdewärter abgeben. Am Abend darauf beging die gesamte „ K i r c h e " ihr Abschiedsfest im Prater. Den Höhepunkt bildete eine Reitübung im Hippodrom, die unter dem Oberbefehl des dent, 1892 2. Landespräsident in der Bukowina, 1894 pensioniert. Er legte den Reservatakt über die Mayerling-Angelegenheit an, der nach 1938 nach Berlin kam und dort 1955 aufgefunden wurde. Theodor Braumüller v. Tannbruck (Klagenfurt, 1 8 . 1 1 . 1 8 2 9 - 2 7 . 2 . 1 9 0 4 , Wien), 5 . 1 . 1 8 8 9 K m d t . VI. Korps u. kdi. Gen. in Kaschau, 1.5.1891 F Z M . , 1.11.1891 pensioniert. Der Grabstein trägt derzeit die Inschrift: Ruhestätten der Familien Glaise, Helm und Blanc sowie von Theodor Braumüller v. Tannbruck, k . u . k . wirkl. Geheimer Rat, Feldzeugmeister, Mitglied des Herrenhauses etc. etc. 1829-1904. 2 3 S ) Árpád G y ö r y v. Nadudvár (Wien, 5 . 9 . 1 8 6 1 - ? ) , trat 1884 als Volontär ins Haus-, H o f - und Staatsarchiv ein, 1884/85 ao. Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, 1913 2. Vizedirektor des Haus-, H o f - und Staatsarchivs, 1917 Hofrat, verwaltete seit 1905 die H o f - und Familienarchive.
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Erzbischofs abgeführt wurde. Mit besonderer Freude erinnerten wir uns daran, daß, wir uns jetzt nicht mehr ängstlich umzuschauen brauchten, wenn wir uns das Leben durch Leichtreiten angenehm machen wollten. In der Schule Kopeceks konnten wir das nur hinter seinem Rücken machen, indes wir vor seinem gestrengen Angesicht schwitzend aussitzen mußten. Das Fest dauerte - es war der 10. August 1910 bis neun Uhr vormittags ! Nie mehr im Leben, außer bei militärischen Nachtübungen und im Ministerrat vom 16. Oktober 1936, der die Auflösung der Heimwehr brachte, bin ich bis über Tagesgrauen aufgeblieben. O h du schöne, manchmal doch etwas wilde Leutnantszeit! Für die Manöver war ich der 12. Brigade in Klagenfurt zugeteilt. Ich hatte mich dort erst in den ersten Septembertagen zu melden, so daß mir ein paar wunderbare Wochen Urlaub in Salzburg als Vorgeschmack für den längeren Herbsturlaub blieben. Die Übungen, an denen ich teilzunehmen hatte, fanden im Rahmen der Grazer 6. Infanteriedivision statt, deren Kommandant F M L . Colerus von Geldern 2 3 6 ) war. Die 12. Brigade stand unter dem Befehl des GM. Fath 2 3 7 ), der seinem Namen durch sein wenig stürmisches Temperament alle Ehre machte. Wir fingen in St. Veit an der Glan an und wälzten uns Klagenfurt zu, wo die Schlußübung stattfand. Bei ihr stellte sich auch der Kommandierende, der berühmte Feldzeugmeister Potiorek 2 3 8 ) ein, der als großer Kenner und Könner galt - nicht zu Unrecht, wie ich gleich sagen möchte - , aber auch an Dünkel nicht zu übertreffen war. Er war selbst Kärntner, Sohn eines kleinen Angestellten der Bleiburger Bergwerke. Die
2 3 6 ) Emil Colerus v. Geldern (Laibach, 3 1 . 1 2 . 1 8 5 6 - 3 0 . 1 2 . 1 9 1 9 , Wien), 1.9.1877 ¡tus der Milak. als Lt. zu IR.44, Glstbslaufbahn, 1.11.1906 Kmdt. 49.IBrig., 23.10.1909 Kmdt. 6. ITD. in Graz, 1.5.1910 FML., 2.1.1914 Kmdt. III. Korps, 1.5.1914 Kmdt. des „Eisernen Korps", 29.3.1915 enthoben, 23. 8.1915 pensioniert. 2 3 7 ) Heinrich Fath (Klausenburg, 9 . 5 . 1 8 6 3 - 1 3 . 2 . 1 9 2 9 , Wien), 9 . 3 . 1 8 8 0 als Infanterist freiwillig zu I R . 2 9 , 1.11.1881 Lt., Glstbslaufbahn, 1.11.1901 Obst. i . G . , 5.11.1902 Kmdt. IR.28, 28.9.1907 Kmdt. 60. IBrig., 1.5.1908 GM., 23.10.1909 Kmdt. 12.IBrig., 22.1.1911 Kmdt. 33. ITD., 9.11.1911 FML., 17. 4.1913 zugeteilt dem II. Korpskmdo., 1. 8.1914 Kmdt. des Brückenkopfes Wien, 21. 8.1915 GdL, 8.11.1915 Kmdt. Korps Fath (später X X I I I . Korps), X. 1916 enthoben, 1.1.1919 pensioniert. 2 3 8 ) Oskar Potiorek (Bleiburg, 2 0 . 1 1 . 1 8 5 3 - 1 7 . 1 2 . 1 9 3 3 Klagenfurt), 1871 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt.2, Glstbslaufbahn, 1.11.1889 Obstlt. i . G . , 15.3.1892 Chef des Operationsbüros des Glstbs., 1.5.1898 GM., 31.5.1898 Kmdt. 64.IBrig., 21.12.1902 Stellvertretender Chef d. Glstbs., 1.5.1903 F M L . , 20.11.1906 enthoben, 27.4.1907 Kmdt. III. Korps u. kdi. Gen. in Graz, 1.11.1908 FZM., 16.4.1910 Armeeinspektor, 10.5.1911 Armeeinspektor und Chef der Landesregierung für Bosnien und Herzegowina, 6 . 8 . 1 9 1 4 Kmdt. 6. Armee und Oberbefehlshaber der Balkanstreitkräfte, 23.12.1914 enthoben, 1.1.1915 pensioniert. Vgl. seinen Schriftennachlaß, insbesondere seine Tagebücher, im KA., sign. A/3. Uber diese höchst umstrittene Persönlichkeit, die lange Jahre als „kommender Chef des Generalstabes" galt, dann aber bei den Sicherheitsvorkehrungen anläßlich des Besuches des Ehg. Franz Ferdinand und später bei den beiden Offensiven gegen Serbien versagte, vgl.: Werkverzeichnis Nr. 266, Von hoher militärischer Seite, Potioreks Sturz, in: N W J . v. 18.10.1925, 5 f . ; T. Lerch, Beck und Potiorek, in: Ö W Z . v. 6.4.1934, 5; ο. V., Der schweigende General, in: RP. v. 21.11.1933, 5; W. Adam, Die Tragödie der Armee Potiorek 1914, in: RP. v. 12.1.1930, 17; E. Bolfras, Der unnahbare Potiorek, in: N W J . v. 23.4.1927, 7f.; K. Peball, Der Feldzug gegen Serbien und Montenegro im Jahre 1914, in: Ö M Z . , Sonderheft I: 1965, 1 8 - 3 1 ; F. Weinwurm, FZM. Potiorek, Leben und Wirken als Chef der Landesregierung für Bosnien und Herzegowina in Sarajewo 1911-1914, Wr. Diss. 1964.
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Zeit, in der man es in der kaiserlichen Armee nur als Graf zu etwas bringen konnte, war längst vorüber - viel länger als in anderen Heeren. Die Einquartierung war immer und überall ausgezeichnet. Einmal schlief ich auch im Schloß Pitzelstätten. Daneben erhob sich Ehrenbühel, wo ich in den zwanziger Jahren als Gast Emmerich Teubers 2 3 9 ) manchen netten Tag verbrachte. Nach der Rückkehr in die Heimat begann ich mich für meinen Posten vorzubereiten. Eine besondere Sorge bildete die Beschaffung eines eigenen Pferdes. Ich hatte gegen Erlag meines Ausrüstungsbeitrages von 600 Kronen Anspruch auf ein Pferd von einer berittenen Truppe. Wo eine solche hernehmen? D a fiel mir meine kürzlich erschienene Festschrift über die Trani-Ulanen ein, und der Gedankensprung war da: Natürlich - die Trani-Ulanen waren verpflichtet, mir ein Pferd bereitzustellen ! Wer denn sonst! Ich schrieb dem wackeren Obersten Ritter v. Ursyn-Pruszynski 2 4 0 ), einem Polen, der das Pech gehabt hatte, als junger Generalstabsoffizier und Kundschafter den Russen in die Hände zu fallen und, bei Verlust seiner Generalstabsmöglichkeiten, einige Zeit in einem russischen Kerker zu schmachten, bis sich ein geeignetes Austauschobjekt ergab. Der brave Pruszinski telegraphierte, ich möge nur kommen, und ich fuhr los. In Przemysl machte ich selbstverständlich halt, um Lizzy Colard zu besuchen, deren Vater es inzwischen zum Festungskommandanten gebracht hatte. In Zloszów wurde ich von den 13er-Ulanen feierlich empfangen. Man führte mir einige Pferde vor. Ich wählte mir einen jungen, schnittigen Gaul namens „ K ö n i g " , zahlte meine 600 Kronen und fuhr beruhigt nach Hause. Viel Freude hatte ich in der Folge mit meinem König, so lange Friede war, nicht erlebt. Er ging, wenn er bei Kräften war, nur sehr ungern vom Stalle und von anderen Pferden weg. Zuerst in der Hofstallkaserne, wo heute die Festspielbühne sich befindet, einquartiert und betreut, erlebte das Salzburger Publikum durch eine Reihe von Tagen den Spaß, den neuen Brigade-Generalstabsoffizier hoch zu Roß unter dem schönen Portal, wo sich später die Fresken Faistauers 2 4 1 ) befanden - entartete Kunst! durch einen Artilleriekorporal ausgepeitscht zu sehen. Wenn ich nachher mit Mühe und N o t in die Nähe der Uiberreiterischen Sandgruben am Beginn der Heilbrunner Allee kam, ging der Kampf von neuem los. Erst wenn dieses Hindernis überwun2 3 9 ) Emmerich Teuber (Prag, 1 1 . 5 . 1 8 7 7 - ? ) , Sohn O s k a r Teubers; 1897 aus IKSch. Wien zu з. T K J R als Kadett-Offiziersstellvertreter, 1.11.1897 Lt., 1.11.1901 O b l t . , 1.10.1909 beurlaubt, 1 . 2 . 1 9 1 1 pensioniert, 1. 8 . 1 9 1 4 - K r i e g s e n d e Milit. Sachverständiger bei der gerichtlichen Preßpolizei in Wien. 2 4 0 ) Stanislaus R. v. Ursyn-Pruszynski (Paris, 8 . 9 . 1 8 3 7 - F e b r u a r 1930, Graudenz, Polen), 1.10. 1877 als Kadett zu U R . 4 , 15.9.1878 Lt., 1 . 5 . 1 9 0 2 Mjr. U R . 5, 2 8 . 5 . 1 9 0 9 zu U R . 1 3 , 1.11.1909 O b s t . и. Rgtskmdt., 2 2 . 4 . 1 9 1 3 Kmdt. 17. K B r i g . , 1.5.1914 G M . , IV. 1915 K m d t . 2 . K T D . , 15.11.1915 Inspizierender des Verwaltungsbereichs d . 4. Armee, 1 6 . 6 . 1 9 1 6 Inspizierender im Mil.-Gen.-Gouvernement Lublin, 1 . 2 . 1 9 1 7 dort zugeteilter General, 5 . 6 . 1 9 1 7 F M L . , 1.2.1918 Stellvertreter des Mil.Gen.-Gouverneurs, 1 . 5 . 1 9 1 8 mit Wartegebühr beurlaubt. 2 4 1 ) Anton Faistauer (St. Martin bei Lofer, 1 4 . 2 . 1 8 8 7 - 1 3 . 2 . 1 9 3 0 , Wien), 1909 mit Schiele, Wiegerle und Gütersloh in der „ N e u k u n s t g r u p p e " , gründete 1919 mit Harta und Vonwider die Künstlervereinigung „ W a s s e r m a n n " . 1926 führte er die 1939 abgenommenen Wandbilder in St. Peter und im Foyer des Salzburger Festspielhauses aus.
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Truppengeneralstäbler
den war, brachte man den eigensinnigen König weiter. Besonders unangenehm war die Störrigkeit Königs natürlich, wenn ich bei dienstlichen Anlässen von einer Reitergruppe weggaloppieren mußte. D a ging es ohne Schlägerei mit anderen Pferden nicht ab. Erst nach den Kaisermanövern 1912 wurde es mit einem Mal besser. König hatte sich beim Transport zur Bahn auf dem glatten, lehmigen Boden, durch meinen Burschen an der Hand geführt, durch Sturz die Schulter gebrochen. Auf Rat des Tierarztes mietete ich im Gasthof Ofenloch eine Box. Daß er nun nicht mehr tagaus, tagein angekettet gegen die Mauer blicken brauchte, sondern sich in seinem kleinen Königtum frei bewegen konnte, wirkte Wunder. König wurde das gemütlichste Pferd der Welt, lief mir nach wie ein Hund und stellte auch in den für ihn sehr strapaziösen ersten Kriegsmonaten . . . der Satz ist schlecht angefangen, denn ein Gaul kann keinen Mann stellen. Also: er tat ausgezeichnet seine Pflicht. Erst im Jahre 1917, als wir schon in Baden waren, mußte er einem jüngeren Pferde, das „ P r i n z " hieß, Platz machen, weil man wegen des Futtermangels nur mehr ein Pferd halten durfte.
3.
TRUPPENGENERALSTÄBLER
Am 1. November 1910 kam der Korpsgeneralstabsbefehl heraus, in welchem Uriel als Hauptmann dem Hermannstädter Korps zugeteilt und ich Generalstabsoffizier der 6. Infanteriebrigade in Salzburg wurde. Ich war wieder einmal im Leben glücklich. Die Brigade in Salzburg war seit alters her etwas wie ein Protektionsposten. U n ter den Brigadieren, die ich erlebt hatte, waren O t t o v. Pohl 2 4 2 ), Ploennies 2 4 3 ) und Fischer-Colbrie 2 4 4 ) ehemals Flügeladjutanten des Kaisers, war Pinter 2 4 5 ) ein ganz berühmter Militär-Attaché in Belgrad gewesen, dessen Meldungen über den bärenartig behaarten Körper der schönen Königin Natalie 2 4 6 ) und die politischen Konsequenzen dieses Zustandes nicht der Pikanterie entbehrten, und war schließlich nach 2 4 i ) Otto v. Pohl (Budapest, 2 8 . 1 2 . 1 8 3 8 - 9 . 5 . 1 9 1 3 , Karlsbad), 25.8.1858 als Infanterist zu IR. 39, 14.5.1859 Lt., Glstbslaufbahn, 1.5.1882 Obst i . G . , 13.4.1888 Kmdt. 6.IBrig„ 22.12.1892 Kmdt. 8 . I T D . , 1.5.1893 FML., 4.4.1895 zugeteilt III. Korps-Kmdo., 1.5.1899 als FZM. pensioniert. 2 4 3 ) Hermann R. v. Ploennies (Michelstadt, Hessen, 1 0 . 1 0 . 1 8 3 4 - 2 6 . 6 . 1 9 1 4 Meran), 1852 als Regimentskadett zu IR. 36 assentiert, 6. 7.1854 Lt., 1.11.1879 Mjr. und Flügeladjutant Seiner Majestät, 1.5.1884 als Obstlt. zu IR. 42, 1.11.1887 Obst., 1.11.1888 Kmdt. IR. 102, 10.5.1893 GM. und Kmdt. 6. IBrig., 1.4.1894 pensioniert. 2 4 4 ) Ludwig Fischer-Colbrie (Enzersdorf im Thal bei Oberhollabrunn, 2 1 . 5 . 1 8 4 3 - 2 2 . 5 . 1 9 1 6 , Wien), 11.9.1860 als Korporal aus der Art.-Schulkp. zu FAR. 2, Glstbslaufbahn, 3 1 . 5 . 1 8 8 5 - 1 . 1 1 . 1 8 8 8 Flügeladjutant Ehg. Albrechts, 23.9.1896 Kmdt. 72. IBrig., 1.5.1897 GM., 5.3.1898 Kmdt. 6. IBrig., 28.7.1900 Kmdt. 13. ITD., 1.11.1900 FML., 1.11.1903 pensioniert. 2 4 5 ) Hermann R. v. Pinter (Pancsova, 2 6 . 7 . 1 8 4 0 - 3 0 . 1 . 1 9 1 6 , Baden/Wien), 1.9.1858 als Gefreiter aus der Genie-Schul-Kp. in Krems zum 6. Geniebaon., 1.2.1864 Lt., Glstbslaufbahn, 1873-1877 im Evidenzbüro d. Glstbs., 1.5.1880 Mjr. i . G . und Legationssekretär bei der Gesandtschaft in Belgrad, 17.3.1882 Militarattaché, 16.8.1886 enthoben. 1.5.1887 Obst., ab 1891 Brigadier, 17.3.1894 Kmdt. 6. IBrig., 14.1.1896 Kmdt. 24. ITD., 1.5.1896 F M L . , 31.5.1899 zugeteilt XIV. Korpskmdo., 1.5.1901 pensioniert.
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Friedensdienstleistung
Gelb, dem Adjutanten Franz Ferdinands, General Rziha 2 4 7 ), der frühere Chef des Eisenbahnbüros, der letzte Friedenskommandant der Brigade. Natürlich war auch der Generalstabsoffiziersposten außerordentlich begehrt. Von Heimerich sprach ich in diesen Zeilen schon. Ihm folgte Eisner 2 4 8 ), der von einer Gräfin Bubna adoptiert wurde, derentwegen er allerdings sehr vorzeitig Salzburg verlassen mußte. Er war im Kriege Generalstabschef des Erzherzogs J o s e f 2 4 9 ) und dann Kommandant des Kriegspressequartiers, in welcher Eigenschaft er an mich gewiesen war. Mit vollen Segeln schiffte er nach 1918 in die revolutionären Geschäftsmöglichkeiten hinein. Aber er war viel zu sehr Faiseur, um den Strauß zu bestehen, und stürzte sich 1924 mit durchschossener Brust bei Frankfurt an der Oder in den brausenden Fluß. Als ich nach Salzburg ausgemustert wurde, traf ich den Oberleutnant Eduard Dittrich 2 5 0 ) als Generalstabsoffizier an. Er verlor an mich gleich beim ersten Essen in der Kaiserjägermenage eine 1848 betreffende historische Wette. Seit damals verband uns Freundschaft, die sich auch auf seine Frau, die Salzburger Oberstentochter Maria Luise Ulimann, übertrug. Sie heirateten, als Dittrich bereits von Salzburg weggekommen war. Im Kriege übernahm ich ein Pferd von ihm. Nach dem Kriege hatte er eine Anstellung bei der ungarischen Fluß- und Handelsgesellschaft. Er starb Ende der zwanziger Jahre.
2 4 6 ) Königin Natalie von Serbien (Florenz, 14.5.1859-1941, Paris), Tochter des rumänischen Bojaren und russ. Oberst Keschko und einer Prinzessin Sturdza, 1875 vermählt mit Kg. Milan I. von Serbien, der sich 1888 von ihr scheiden ließ, 1893/94 Ehe wieder vereinigt, 1902 trat sie zur römisch-katholischen Kirche über. 2 4 7 ) Franz R. v. Rziha (Greene, 10.2.1865-8.1.1952, Wien), 1896 aus der Milak. als Lt. zu IR. 99, Glstbslaufbahn, 1.11.1909 Obst. i . G . , 18.6.1909 Chef des Eisenbahnbüros des Glstbs., 24.1.1914 Kmdt. 6. IBrig., 1.5.1914 GM., ab Kriegsbeginn Kmdt. 87. LwIBrig., 6.1.1915 Kmdt. 96.IBrig., ab 20.11.1915 Stellvertreter des Milkmdt. Graz, 13.6.1916 zugeteilt beim Heeresgruppenkmdo. Ehg. Eugen, 1.5.1917 FML., 15.1.1918 Militärstationskmdt. in Theresienstadt, 4.11.1918 mit Wartegebühr beurlaubt, 1.1.1919 pensioniert. M e ) Wilhelm Eisner-Bubna (Linz, 3.7.1875-21.9.1926, Lebus/Oder), 1895 als Lt. aus der Milak. zu FJB.30, Glstbslaufbahn, 1900 zugeteilt dem Glstb., Glstbsoffizier bei der 6. IBrig., 1.11.1902 Hptm. im FJB.2, 23.11.1912 Flügeladutant GdK. Brudermann, 1.5.1914 Obstlt. i . G . , 23.12.1914 Glstbschef VII.Korps, 1.5.1916 Obst. i.G., 1.10.1916 zugeteilt dem Kriegspressequartier, 16.3.1917 dessen Kmdt., 1.3.1919 pensioniert. 2 4 9 ) Erzherzog Joseph August (Alcsuth, Ungarn, 9.8.1872-6.7.1962, Rain bei Straubing), 26.4.1890 als Lt. zu IR. 1, Kmdt. von Honvéd-HR., Honvéd IBrig., 1.11.1908 GM., 4.4.1911 Kmdt. 31.ITD., 1.5.1911 FML., 1.11.1914 GdK., 18.11.1914 Kmdt. VII. Korps, 1.11.1916 GO., 22.11.1916 Kmdt. der Heeresfront Ehg. Joseph, 22.1.1918 Kmdt. 6. Armee, 15.7.1918 Kmdt. einer Heeresgruppe (früher FM. Conrad), 22.10.1918 Kmdt. der Heersgruppe am Balkan (früher FM. Koevess), 24.10.1918 FM. Lebte sodann bis 1944 in Ungarn und gab sich als Ungar, wobei er durch Übernahme zahlreicher Ehrenämter und das Auftreten in der Öffentlichkeit das Horthy-Regime stützte und Popularität zu erlangen suchte. Er vermählte sich mit Auguste Prinzessin v. Bayern in München am 15.11.1893. Sein - einen extrem ungarischen Standpunkt vortragendes und stark umstrittenes - Erinnerungswerk ist: A Világháború amilyenek én láttam ( = Der Weltkrieg, wie ich ihn sah), Bd. 1 - 7 , Budapest, 1926-1934. 2 5 0 ) Eduard Dittrich (Stockerau, 29.1.1874-24.11.1935, Wien), 1892 aus IKSch. Wien als KadettOffiziersstellvertreter zu IR. 34, 1.5.1898 Obit., 1.11.1902 zugeteilt Glstb., 1.5.1903 Glstbsoffz.
Truppengeneralstäbler
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Dittrichs Nachfolger wurde 1905 Karl Plentzner v. Scharneck 2 5 1 ), Neustädter Jahrgang 1899, Feldjäger, mit dem uns Junge gleichfalls Freundschaft verband. Ihm folgte Uriel und dann ich. Der letzte Brigade-Generalstäbler von Salzburg war ein gewisser Hauptmann Schredt 2 5 2 ). Die Brigade war, als ich zu ihr kam, die zweitgrößte der Armee. Sie zählte 13 Bataillone, die Regimenter N r . 36 im Pustertal und N r . 59 in Salzburg, das 4. Kaiserjägerregiment in Vorarlberg und Nordtirol, das Jägerbataillon N r . 1 in Lienz und das Pionierbataillon N r . 2 in Linz. Für einen Kriegsaufmarsch unterstand uns bedingt außerdem das 1. Kaiserschützen-, damals noch Landesschützenregiment in Trient, das unseren Kriegsabschnitt beiderseits des Val Sugana in erster Linie zu besetzen hatte. Alles kam, zusammengenommen nach heutigen Begriffen, einer sehr starken Infanteriedivision gleich. Das hatte die große Annehmlichkeit, daß man - soweit es der Inspizierungsfonds erlaubte - große Inspizierungsreisen unternehmen konnte, die in die herrlichsten Gegenden Österreichs führten. Es hatte aber auch den Nachteil, daß die Angelegenheiten von vierhundert bis vierhundertfünfzig Offizieren vom Brigadekommando dependierten. Als ich anfangs November meinen Dienst bei Gelb übernahm, hatte der brave Uriel schon die Arbeiten des Herbstsejours hinter sich: den Einjährigenakt, der die Prüfungs- und Qualifikationsergebnisse aller Einjährigen der Brigade behandelte, und die jährliche Qualifikationsbeschreibung der Offiziere. In den folgenden Jahren überließ ich den Einjährigenakt neidlos meinem jeweiligen Gehilfen und Vertreter, einem Truppenoffizier der Garnison Salzburg, der Lesen und Schreiben konnte, das heißt in Adjutantendiensten versiert war. Dagegen habe ich mich mit größtem Interesse auf die Frage der Offiziersbeschreibungen gestürzt, die mir für das Schicksal des einzelnen besonders wichtig erschien und in der ich es zu besonderen Kenntnissen und Fertigkeiten brachte. Es ist schon 1911 dem außerordentlich pedantischen Generalstabschef der 3. Divison, dem zwergenhaften Demus 2 S 4 ), nicht gelungen, in irgendeinem Meinungsstreit über die Qualifikationslisten den Sieg über mich davonzutragen.
6. IBrig., 1.5.1905 Hptm. IR. 37, 1.11.1907 Hptm. i . G . , ab 1.10.1908 im Eisenbahnbüro des Glstbs., 1.11.1912 Mjr. i . G . , 1.3.1915 Obstlt. i . G . , 16.12.1916 zu I R . 2 5 , 1. 8.1917 Obst. u. Kmdt. IR.25. " ' ) Karl R. Plentzner v. Scharneck (Komorn, 2 5 . 2 . 1 8 7 8 - 3 . 8 . 1 9 4 9 , Salzburg), 1899 als Lt. aus Milak. zu F J B . 7, 1.5.1914 eingeteilt beim Eisenbahnbüro des Glstbs., 1.8.1914 bei der Zentraltransportleitung, 1.2.1916 Obstlt. d . G . , 3.5.1917 Chef der Zentraltransportleitung, 1.10.1920 pensioniert, 16.10.1920 Titular-Obst. 2 " ) Hermann Schredt (Petzenkirchen, Bez. Amstetten, Nö., 1 7 . 3 . 1 8 8 0 - 1 5 . 9 . 1 9 6 0 , Graz), 1900 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Wien zu F J B . 5 , 1.11.1901 Lt., 29.6.1913 Oblt. zugeteilt Glstb. und eingeteilt bei 6. IBrig., 1. 8.1914 Hptm., im Weltkrieg Glstbsoffz. bei div. Brigaden und Divisionen. 2 " ) fällt aus. " " ) Ferdinand Demus-Morán (St. Pölten, 27. 3 . 1 8 6 8 - 1 9 . 1 . 1 9 4 6 , Bad Reichenhall), 1889 als Lt. aus der Milak. zu IR. 49, Glstbslaufbahn, 1.11.1905 Glstbschef 34. I T D . , 1.5.1908 zugeteilt der Kriegsschule, 1.10.1908 dort Lehrer, 1.5.1910 Obstlt. i . G . , 1.11.1910 Glstbschef 3 . I T D . , 1.5.1913 Obst. i . G . , 8.9.1916 Glstbschef 7. Armee, 31.12.1916 Kmdt. 10. IBrig., 1.5.1917 GM., 3.10.1918 Inspizierender beim Militär-General-Gouvernement Polen.
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Friedensdienstleistung
Kommandant der 3. Division, zu der meine Brigade gehörte, war während meiner zweiten Salzburger Zeit der in diesen Zeilen schon öfter genannte Erzherzog Josef Ferdinand. Als ich mich bei ihm etwas förmlich meldete, tat er ein wenig beleidigt: wir seien doch alte Bekannte! Im Korpskommando war schon während meiner Kriegsschulzeit eine Änderung eingetreten. Erzherzog Eugen war zum Armee-Inspektor und „Landesverteidigungs-Oberkommandanten" von Tirol ernannt worden mit dem Amtssitz in Innsbruck. Früher war er Landes-Verteidigungskommandant von Tirol gewesen. Es blieb sonach, wie ich in der Armee-Zeitung jubelte 2 S S ), alles beim alten in der Innsbrucker Burg. Sein Nachfolger als Korpskommandant wurde fürs erste Gdl. Hans von Schemua 256 ), ein liebenswürdiger Herr, der auch mit einem Oberleutnant leutselig redete. Ich erinnere mich an eine Eisenbahnfahrt, die Gelb und ich gemeinsam in seinem Salonwagen irgendwo in Österreich absolvierten. Der vierte im Bund der Reisegesellschaft war der Korpsgeneralstabschef Oberst Cletus Pichler 2S7 ), ein Vorarlberger. Als ich ihm gegenüber nach dem Kriege dankbar bemerkte, daß er mich in Salzburg möglichst wenig belästigt habe, meinte er: „ D a s war doch selbstverständlich, denn wir wußten genau, daß nicht Gelb, sondern du die Brigade kommandiert hast; da durften wir dich nicht stören." Daß ich in der Tat die Brigade bald selbst kommandieren sollte, erwies sich beizeiten. Von den unterstehenden Regimentskommandanten bedachte Gelb seinen Nachfolger bei den 4er-Kaiserjägern mit jener Eifersucht, die Vorgänger immer ihren Nachfolgern gegenüber und auch umgekehrt an den Tag zu legen pflegten. Ernst Dieterich 258 ) war kein besonders angenehmer Kommandant. Er wurde im Kriege noch Brigadier und erhielt das Adelsprädikat „von Nordgothen", indes sein Bruder, der uns noch begegnen wird, der Artillerist Rudolf Dieterich „Edler von Ostgothen" 2 5 9 ) wurde. O b die beiden Geschlechter fortgepflanzt sind, weiß ich nicht. ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 17. ) Johann Frh. v. Schemua (Klagenfurt, 21.9.1850-24.9.1919, Klagenfurt), 1869 als Lt. aus der Milak. zu IR. 7, Glstbslaufbahn, 17.10.1894 Chef des Direktionsbüro des Glstbs., 1.11.1899 GM. und Kmdt. 7. GBrig., 16.4.1904 Kmdt. 31. ITD. in Budapest, 1905 zugeteilter Gen. beim XIV. Korps, 17.10.1908 betraut mit Führung XIV. Korps, 18.3.1909 Korps- und Landesverteidigungskmdt., 1.11.1909 Gdl., 30.5.1912 pensioniert. 2 5 7 ) Cletus v. Pichler (Güns, 6.4.1864-18.10.1928, Innsbruck), 1885 aus Milak. als Lt. zu FJB. 7, Glstbslaufbahn, 1.11.1905 Obstlt. i.G., 8.11.1907 Glstbschef XIV. Korps, 1.11.1908 Obst. i.G., 1.11.1913 GM., 27.12.1913 Kmdt. 7. IBrig. in Znaim, 17.10.1914 Chef des Etappenkmdos. der 1. Armee, 20.5.1915 Glstbschef des Landesverteidigungskmdos. Tirol, 1.5.1916 FML., 13.8.1916 Kmdt. ITD. Pustertal, 3.3.1917 krankheitshalber enthoben und Militär-Stations-Kmdt. in Salzburg, 23.5.1917 Kmdt. 59. ID., 1.1.1919 pensioniert. Pichler schrieb: Der Krieg in Tirol 1915/1916, Innsbruck 1924. 2 5 8 ) Ernst Dieterich v. Nordgothen (Agram, 5.4.1860-21.8.1949, Hinterbrühl), 6.10.1875 assentiert zum Tiroler-Jägerrgt., 1.11.1878 Lt., 1.11.1901 Mjr. 3. T K J R . , 1.5.1910 Obst. u. Kmdt. 4. T K J R . , 24.7.1914 GM. u. Kmdt. 31. IBrig., 26.12.1914 enthoben, 1.9.1915 beurlaubt, 3.6.1917 Präses einer ambulanten Kommission des KM., 8.9.1918 FML. mit Titel u. Charakter, 1.1.1919 pensioniert. 2 5 9 ) Rudolf Dieterich v. Nordgothen (Belovar, Kroatien, 27.1.1859-1.5.1936, Felixdorf), 1880 als Lt. aus Techn. Milak. zu FAR. 6, 1.5.1906 Obst. u. Kmdt. FKR. 19, 8.3.1911 Kmdt. 11. FABrig., 255
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Truppengeneralstäbler
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Das Regiment N r . 36 aus Jung-Bunzlau vertauschte seinen Regimentskommandanten Panesch 2 6 0 ) sehr bald mit dem Kommandanten der ler-Feldjäger Otahal von Ottenhorst 2 6 1 ), einem braven Tschechen, der sein Offizierskorps mit ruhiger, aber sicherer Hand führte. Nicht das gleiche konnte man vom Obersten Herzberg 2 6 2 ) sagen, dem Kommandanten der 59er. Dieser einstige Genist war ein unerhörtes Nervenbündel. Die Offiziersangelegenheiten in seinem Regiment hörten nicht auf. Es war nicht nur meine Pflicht, sondern auch meine Uberzeugung, daß ich die Interessen vor allem der Untergebenen zu vertreten hatte. „Vater" Gelb brachte dieser Auffassung das größte Verständnis entgegen, meine Position im Offizierskorps der „Rainer", die mir ja durch die lebenslängliche Zugehörigkeit meines Vaters so nahestanden, war in kürzester Zeit außerordentlich gut. Wenn ich am Fenster des Kaffee „ B a z a r " an jedem Nachmittag meine „Audienzen" erteilte, ohne dabei anwesende Künstlerinnen ganz aus dem Auge zu verlieren, da mußte ich wie ein Beichtvater alle möglichen Wünsche, Bitten und Beschwerden entgegennehmen. Auch Gelb war zufrieden: er machte die Erfahrung, daß die Art, wie ich Offiziersangelegenheiten behandelte, gut und richtig war. Was das gesellschaftliche Leben anlangt, so hatte ich vielfach nur alte Fäden wieder aufzunehmen. Allerdings war ich als Brigade-,,Vogel" unbestritten in die Reihe der Honoratioren vorgerückt. So verkehrte ich zum Beispiel mit dem Landesregierungspräsidenten Graf Schaffgotsche 263 ) auf einem gewissen Fuße der Gleichstellung, und zu seinem Präsidialchef Dr. Rambousek 2 6 4 ) ergaben sich zwischen dem I . 1 1 . 1 9 1 1 G M . , 1914 enthoben und beurlaubt, auf Mobilmachungsdauer aktiviert, 8 . 8 . 1 9 1 4 K m d t . I I . F A B r i g . , 2 5 . 1 0 . 1 9 1 4 enthoben, 1 9 . 5 . 1 9 1 5 Stellvertretender Milkmdt. in Preßburg, 2 0 . 7 . 1 9 1 7 (bis Kriegsende) Militärstationskmdt. auf dem Steinfeld. Rudolf Dieterich erhielt ebenfalls das Prädikat „ v o n N o r d g o t h e n " und nicht, wie Glaise fälschlich - oder falsch ironisierend - angibt, „ v o n O s t g o t h e n " . 260) Othmar Panesch v. Hohenstegen (Wien, 2 3 . 9 . 1 8 6 2 - 2 4 . 1 . 1 9 4 7 , Wien), 1879 freiwillig zu I R . 28 assentiert, 1882 L t . , Glstbslaufbahn, 8 . 4 . 1 9 0 5 O b s t . u. K m d t . I R . 87, 2 0 . 1 0 . 1 9 0 9 K m d t . I R . 36, 4 . 3 . 1 9 1 1 K m d t . 41. L w I B r i g . , 2 . 1 1 . 1 9 1 1 G M . , 1 4 . 9 . 1 9 1 4 Gruppenkmdt. eines kombinierten Korps in Syrmien, 2 9 . 9 . 1 9 1 4 Etappenkmdt. in Syrmien, 9 . 1 0 . 1 9 1 4 enthoben, 1 . 6 . 1 9 1 5 pensioniert. 2 6 1 ) Franz Otahal v. Ottenhorst ( T r o u b e k , Mähren, 2 4 . 1 . 1 8 5 7 - 1 9 . 1 . 1 9 3 2 , Wien), 1 3 . 5 . 1 8 7 4 aus I n f K S c h . Karthaus bei Brünn zu I R . 3, Truppenoffizierslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 8 O b s t l t . F J B . 1, 1 . 1 1 . 1 9 1 1 O b s t . , 2 7 . 2 . 1 9 1 2 K m d t . I R . 18 (sic), 7 . 9 . 1 9 1 4 schwer verwundet, I I I . 1915 K m d t . Kriegsgefangenenlager Plan, 1. 5 . 1 9 1 5 G M . , 1 . 1 0 . 1 9 1 5 pensioniert u. auf Kriegsdauer aktiviert, 5. 3 . 1 9 1 6 Inspizierender im Territorialbezirk Lemberg. 2 6 2 ) Emil H e r z b e r g (Neumarkt, S t m k . , 9. 3 . 1 8 6 4 - gefallen um den 1 6 . 9 . 1 9 1 4 bei Hulcze), 1884 aus der T e c h n . Milak. als L t . zu Geniergt. 1, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 7 O b s t . , 1 8 . 2 . 1 9 0 9 K m d t . I R . 59, 2 5 . 1 0 . 1 9 1 2 K m d t . 16. IBrig., 1 . 1 1 . 1 9 1 2 G M . 2 " ) Levin Gotthard G r a f Schaffgotsch ( B o n n , 3 . 5 . 1 8 5 2 - 1 . 8 . 1913, Salzburg), Geheimer R a t , K ä m merer, Landesregierungspräsident im H e r z o g t u m Salzburg. 2 6 4 ) D r . Eduard Rambousek (?, 1 8 7 3 - 1 9 1 8 , Salzburg), ab 1896 Konzeptpraktikant bei politischen Behörden in B ö h m e n , 1907 im Präsidialbüro des Ministeriums des Inneren und im gleichen J a h r Landesregierungssekretär in Salzburg, 1913 Charakter eines Landesregierungsrates, 2 7 . 7 . 1 9 1 7 Landesregierungsrat, hatte im Krieg die Führung des Militärreferates und die Handhabung der Staatspolizei als Leiter des Präsidialbüros über. Bereits im N o v e m b e r 1914 angezeigt, blieb er doch auf seinem Posten. E r wurde gegen Kriegsende der Unterschlagung von 6 Millionen Kronen verdächtigt und deshalb verhaftet. Ebenso war er der Verbindung zur tschechischen Mafia verdächtigt. E r erhängte sich in seiner Zelle. Vgl. M. R o n g e , Kriegs- und Industriespionage, Wien 1930 (durchschossenes Exemplar, K A . , Nachlaß-
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Brigadekommando und der Statthalterei noch besondere Beziehungen. Rambousek war der Sohn jenes Stabsarztes Rambousek 2 6 5 ), der den Thronfolger in seiner Budweiser Zeit bei seinem Lungenleiden behandelte. Der junge Rambousek galt allgemein als der Vertrauensmann und - wenn man will - als Spion des Erzherzogs in Salzburg. Diese Tatsache gab dem Präsidialchef ein umso bedeutsameres Profil, als Franz Ferdinand viel im Lande weilte. Er hatte das Wolf-Dietrich-Schlössel Blühnbach im gleichnamigen Gebirgstal südlich vom Paß Lueg erworben. D a ihm der schlechte Hofrang seiner Gattin das Leben in Wien vergällte, weilte er die längste Zeit des Jahres entweder auf einem seiner böhmischen Schlösser Konopischt und Chlumetz oder in Blühnbach. Ein Renaissancefürst, der er war, ließ er sich - schon während meiner Leutnantszeit - durch Pioniere seine Zufahrtsstraße auf Staatskosten bauen. Bei der Eigenart seiner Persönlichkeit und seiner Jagdleidenschaft war er für die Umgebung alles eher als ein angenehmer Zeitgenosse. Zu allem Uberfluß hatte einige Kilometer weiter nördlich Erzherzog Eugen das Schloß Werfen, knapp am Ausgang des Lueg-Passes, ohne Pioniere zu Hilfe zu rufen, äußerst geschmackvoll restaurieren lassen, und seine gewinnende Art gab, wenn er sich bei seinen Pongauern zeigte, jedes Mal Anlaß zu Vergleichen mit dem grimmigen Thronfolger, die keineswegs zugunsten des letzteren ausfielen. Auch für Salzburg hatte der als Klerikaler und Tschechenfreund verschrieene Thronerbe ein großes Interesse, das von der stark „deutsch-freiheitlichen" Bewohnerschaft und den Stadtvätern mit sehr gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen wurde. Daß er auf das in den neunziger Jahren gebaute Justizpalais bei der Carolinenbrücke böse war, konnte man noch verstehen. Daß er sich aber zum Beispiel jeder Erweiterung des Neutors zugunsten einer elektrischen Stadtbahn sträubte, die nur Sinn hatte, wenn sie in die Riedenburg und nach Maxglan weitergeführt wurde, wollte man in Salzburg nicht verstehen. Franz Ferdinand meinte, die Salzburger mögen nur irgendwo einen eigenen Tunnel für die Elektrische durch den Mönchsberg bohren. Gegenüber solchen Ärgernissen machte den Salzburgern die Hoffnung, daß der Erzherzog als Kaiser seine Sommerresidenz in den Salzburger Raum verlegen wollte, wenig Freude. Dies war die bestimmte Absicht des Erzherzogs. Er selbst wollte im Kreise seiner Familie in Blühnbach residieren, zu größeren Anlässen aber die wirklich ausgezeichneten Möglichkeiten Salzburgs und seines prachtvollen Rahmens ausnützen. Er hat dies Gelb und mir, als wir ihn einmal beim Antiquar aufstöberten, eingehend geschildert. Wir sollten Umschau halten, wie man möglichst bald ein Halbregiment Reiterei - Lieblingswaffe Franz Ferdinands - unterbringen könnte. Eine Generalprobe machte ich am 4. Oktober 1913 mit, als Franz Ferdinand - ich war schon Generalstabshauptmann in Wien, aber eingeladen - sein fünfundzwansammlung, sign. B/126, nr. 11); F. Künzelmann, Regierungsrat Rambousek. Ein Vertrauensmann des Wiener Hofes, in: NWT.-Wochenausgabe, 20.10.1928, 11; 27.10.1928, 8f.; 3.11.1928, 8f., 10.11.1928, 11 f . ; N . Watteck, Die Affäre Rambousek. Salzburgs größter Skandal. Salzburg 1978. 2 6 s ) Dr. Eduard Rambousek (Sivarleuth, Böhmen, 1 4 . 9 . 1 8 3 7 - ? ) , Absolvent der medizinisch-chirurgischen Josephs-Akademie, 22. 4.1865 Oberarzt im Garnisonsspital Josefstadt, 1.5.1897 Oberstabsarzt und Kmdt. des Armeespitals 14 in Lemberg, 1.1.1898 pensioniert.
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zigjähriges Jubliäum als Chef seiner preußischen Ulanen beging und Graf Wengersky 2 6 6 ), der Kommandeur, zu ihm zu Gaste geladen war. Die ganzen Feierlichkeiten samt Diner und was sonst dazu gehörte, fanden in den schönen, allerdings etwas kalten Räumen der kaiserlichen Residenz statt. O b den Gästen dabei der wunderschöne H o f des von Wolf Dietrich stammenden Bauwerkes auffiel, weiß ich nicht. Ich fürchte, daß ihnen diese Schönheit entging. In Blühnbach war ich ein einziges Mal zur Audienz befohlen, Gelb übrigens nicht öfter. Umso stärker waren unsere illegalen Beziehungen zum Blühnbacher H o f , wobei wir uns wesentlich des berühmten Faktotums Janaczek 2 6 7 ) bedienten, eines seinerzeitigen Unteroffiziers Franz Ferdinands, der einflußreicher war als die 1909 zur Herzogin erhobene Gemahlin. Daß Franz Ferdinand mit seiner Dienerschaft oder irgendjemand an seinem Hofe tschechisch sprach, ist frei erfunden. Ein Sprachen-Antitalent, woran schon das schlechte Gehör mitschuldig war, kannte er außer Deutsch kaum eine fremde Sprache mehr als zum Radebrechen. Leider hat das ein Malergehilfe, der damals Wien unsicher machte, nicht glauben können. Dafür glaubte er alle anderen Haßgerüchte über den Erzherzog. Das mußten Franz Ferdinands Söhne, der Herzog M a x 2 6 8 ) und der Fürst Ernst von Hohenberg 2 6 9 ) nach dem Anschluß Österreichs ans Reich schwer büßen. Zumal der Zweitgenannte wurde neben Schuschnigg 2 7 0 ) und Niemöller 2 7 1 ) zum „Privatgefangenen" Hitlers, der sogar mit dem schönen Lager Mauthausen eine nicht sehr angenehme, dafür aber längliche Bekanntschaft zu machen hatte. Der geistig etwas beschränkte Reichsinnenminister F r i c k 2 7 2 ) erzählte mir zu Anfang Juni 1938 bei einem Essen in Gaaden nächst Heiligenkreuz die Begründung. Herzog Max sei ein schrecklicher Sadist. Er habe sich stets von der Wiener Polizei melden lassen, wenn Nazis besonders gefoltert wurden, und habe stets mit besonderer Begeisterung an diesem Schauspiel teilgenommen. Ich fragte den Minister, woher er diese Schaudermäre wisse. Der Führer habe sie ihm persönlich erzählt, lautete die Antwort. Ich stellte ) Daten nicht feststellbar. ) Franz Janaczek (Niederweiden, 1 7 . 9 . 1 8 6 4 - 8 . 1 2 . 1 9 5 5 , Wien) wird 1891/92 erzh. Leibjäger, 1888/99 erzh. Leibkammerdiener, 1910 erzh. Haushofmeister. 2 6 8 ) Maximilian H e r z o g v. H o h e n b e r g ( W i e n , 2 8 . 9 . 1 9 0 2 - 8 . 1 . 1 9 6 2 , W i e n ) , D r . iur. 2 6 ' ) Ernst H e r z o g v. Hohenberg (Konopischt. 2 7 . 5 . 1 9 0 4 - 5 . 3 . 1 9 5 4 , Graz). 2 7 0 ) Kurt v. Schuschnigg (Riva, 1 4 . 1 2 . 1 8 9 7 - 1 8 . 1 1 . 1 9 7 7 , Mutters bei Innsbruck), 1 . 7 . 1 9 1 5 assentiert zu Fest. A R . 4, 1 . 2 . 1 9 1 7 L t . i . d . R e s . , 1922 D r . iur., 1927 Abgeordneter zum Nationalrat, 2 9 . 1 . 1 9 3 2 - 1 9 . 5 . 1 9 3 2 u. 2 2 . 5 . 1 9 3 3 - 3 0 . 7 . 1 9 3 4 B M . f. Unterricht, ab 2 2 . 5 . 1 9 3 3 auch für J u s t i z , 3 0 . 7 . 1 9 3 4 Bundeskanzler, 1 1 . 3 . 1 9 3 8 Rücktritt. Seine zeitgeschichtlichen bzw. autobiographischen W e r k e : Dreimal Österreich, Wien 1937; Ein Requiem in R o t - W e i ß - R o t , Zürich 1946; Im Kampf gegen Hitler. D i e Uberwindung der Anschlußidee, W i e n - M ü n c h e n - Z ü r i c h 1969. 266
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2 7 1 ) Martin Niemöller (geb. 1 4 . 1 . 1 8 9 2 , Lippstadt). Trat 1910 in die kais. Marine ein, war seit 1915 bei der U - B o o t - W a f f e , in der Nachkriegszeit Theologiestudium, 1924 Pfarrer, ab 1934 im K a m p f gegen Auswüchse des N S - R e g i m e s und bald gegen dieses selbst aktiv, 1 9 4 1 - 1 9 4 5 im Konzentrationslager Dachau, 1 9 4 7 - 1 9 6 5 Kirchenpräsident der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. 2 7 2 ) Wilhelm Frick (Alsenz, 1 2 . 3 . 1 8 7 7 - 1 6 . 1 0 . 1 9 4 6 , hingerichtet in Nürnberg), Verwaltungsbeamter, schon vor 1923 in Berührung mit Hitler, seit 4. 5 . 1 9 2 4 Reichstagsabgeordneter, seit 1928 Fraktionsvorsitzender der N S D A P . , 30. 1 . 1 9 3 3 Reichsinnenminister, 20. 8 . 1 9 4 3 bis Kriegsende als Reichsminister ohne Geschäftsbereich Reichsprotektor für B ö h m e n und Mähren.
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die Möglichkeit entschiedenst in Abrede. Über Franz Ferdinand hatte Adolf Hitler schon in seinem „ K a m p f " ein ebenso scharfes wie unbegründetes Verdikt gefällt 2 7 3 ). Als ich früher von Hofhaltungen in Salzburg schrieb, habe ich des Erzherzogs Peter Ferdinand, Bruder von Josef, vergessen, der zu meiner Leutnantszeit zeitweilig das Bataillon Rainer in Salzburg kommandierte, sich eine Villa in Parsch erstanden hatte und nun auch oft mit seiner Familie in Salzburg weilte. Wenn man die kleinen Prinzen und Prinzessinnen mit ihrem Kinderfräulein auf der Straße traf, mußte man genauso vor ihnen Front machen wie vor erwachsenen Erzherzögen. J a selbst wenn sie noch im Kinderwägelchen lagen, hatten zum Beispiel Wachen unter das Gewehr zu treten. Franz Ferdinand hätte es gerne abgeschafft, aber der konservative Kaiser war nicht dafür zu gewinnen. Die Brigadekanzlei befand sich im Südtrakt des Schlosses Mirabell zu ebener Erde. Das Mirabellschloß, erbaut von Erzbischof Wolf Dietrich für die ihm angetraute Salome Alt 2 7 4 ), als Frau von Altenau durch Kaiser Rudolf II. in den Adelsstand erhoben, war ursprünglich viel prunkvoller. 1818 entstand in seiner Umgebung, dem heutigen „Alten Borromäum", dadurch ein Brand, daß eine Unteroffiziersfrau des eben abrückenden 1. Feldjägerbataillons beim Fischbraten mit der Flamme unvorsichtig umging. Die ganze Umgebung erlitt schweren Schaden, das Dach des Mirabellschlosses mit den Türmen brannte völlig ab. Auch die Gewehrpyramiden auf dem Mirabellplatz wurden Opfer der Flammen. Das Schloß konnte nicht mehr in seiner alten Pracht hergestellt werden. Am Eingang zum Brigadekommando fiel dem Besucher eine Tafel auf. Sie teilte mit, daß der berühmte Heldenpriester aus Tirol, der einstige Kapuziner und spätere Weltpriester Joachim Haspinger 2 7 5 ), in diesen Räumen 1858 das Zeitliche gesegnet habe. Es waren vier Räume. Einer diente dem Brigadier als Kanzlei, einer dem Generalstabsoffizier, einer dem letzteren als Wohnzimmer und eine ganz abgeschlossene Kammer dem Schreiber. Plentzner saß in der Regel bis weit nach Mitternacht im nahen Kaffee Krimniel und entschuldigte es damit, daß bis ein Uhr früh Haspinger in seinem Wohnzimmer herumgeistere. Ich bin dieser Gefahr aus dem Weg 2 7 3 ) Zitate nach der 5. A u f l . , M ü n c h e n 1938. S. 23: „ W a r er d o c h der Patronatsherr der v o n o b e n herunter betätigten Slawisierung Ö s t e r r e i c h s ! " S . 100: „ M i t allen nur möglichen Mitteln v e r s u c h t e dieser z u k ü n f t i g e H e r r s c h e r der D o p p e l m o n a r c h i e der E n t d e u t s c h u n g V o r s c h u b zu leisten o d e r sie selber z u f ö r d e r n , m i n d e s t e n s aber zu decken . . . D e r leitende G e d a n k e dieses neuen H a b s b u r g e r s , d e s s e n Familie nur m e h r tschechisch s p r a c h (die G e m a h l i n des E r z h e r z o g s w a r als ehemalige tschechische G r ä fin d e m P r i n z e n m o r g a n a t i s c h angetraut; sie s t a m m t e aus K r e i s e n , deren deutschfeindliche Stellung T r a dition bildete), w a r , in M i t t e l e u r o p a allmählich einen slawischen Staat a u f z u r i c h t e n , der z u m S c h u t z gegen das o r t h o d o x e R u ß l a n d auf streng katholische G r u n d l a g e gestellt w e r d e n s o l l t e . " 2 7 4 ) S a l o m e Alt v. A l t e n a u ( S a l z b u r g , 1 5 6 8 - 1 6 3 3 , Wels), K a u f m a n n s t o c h t e r , in S c h e i n t r a u u n g mit E r z b i s c h o f W o l f D i e t r i c h v. R a i t e n a u vermählt, mit d e m sie f ü n f z e h n K i n d e r hatte. Sie b e w o h n t e Schloß Mirabell, d a s er ihr als Schloß Altenau hatte erbauen lassen. 275) P.Joachim H a s p i n g e r Ο . M . C a p . (St. M a r t i n in G s i e s , Pustertal, 2 8 . 1 0 . 1 7 7 6 - 1 2 . 1 . 1 8 5 8 , S a l z b u r g ) , 1796/97 bereits an den T i r o l e r L a n d e s v e r t e i d i g u n g s m a ß n a h m e n als G y m n a s i a s t beteiligt, 1802 Eintritt in den K a p u z i n e r o r d e n , 1805 Priesterweihe, 1809 F e l d p a t e r u n d S c h ü t z e n k m d t . , 1 8 1 1 - 1 8 3 6 Seelsorger in J e d l e s e e , 1848 F e l d k a p l a n der T i r o l e r S t u d e n t e n k o m p a n i e in J u d i c a r i e n .
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gegangen, indem ich in der Wohnung Neutorstraße 28 wohnen blieb. Wir hatten damit ein Vorzimmer gewonnen, was recht angenehm war. Primitiv genug blieb auch dann noch der Amtssitz der höchsten Militärbehörde in Salzburg. Auch der nächste Blick aus den Parterrefenstern war nicht besonders erhebend: es waren mehr oder minder Mistbeete der Gärtnerei des Schlosses. Wenn man aber darüber hinwegsah, wurde man reichlich entschädigt. Zunächst dehnten sich vor dem Auge die schönen grünen Matten des Mirabellgartens mit den verschiedenen Bailustraden und Statuen. Erhob man den Blick, dann sah man hinter uralten Kastanienbäumen die prachtvolle Silhouette der Hohensalzburg ! Trat man durch den Hof beim Westtor hinaus, so hatte man die „ B a s t i o n " mit dem Vogelzwinger und dem Zwergerlgarten vor sich. Halb links war das Naturtheater mit der herzigen Rokokobühne und den unzähligen Baumkulissen, deren Zwischenwege allerdings, wie man manchmal bedauernd feststellte, immer von irgendeinem überraschenden Punkt aus einzusehen waren. Rechts vom Westtor erhob sich - als Uberrest einer alten Schanze - der „Rosenhügel", auf welchem mein seliger Großvater ein Gärtchen gemietet hatte. Gelb hatte das Haus seines längst verstorbenen Vaters in der Neutorstraße seiner Schwägerin überlassen und war zum Bürgelstein hinausgezogen. Er kam erst um zehn Uhr vormittags ins Büro, eine recht angenehme Zeit, die mich nur am Sonntag störte. Zwar war das Hochamt im D o m damals noch um neun Uhr, aber es dauerte meist so lange, daß ich es vorzeitig verlassen mußte. Dennoch ging ich, wenns irgendwie möglich war, hin und bezog meinen „Stammplatz" unter der Laterne der Kuppel, über dem Epitaph des Erzbischofs Paris Lodron. Der Leser sieht: die Sturm- und Drangperiode einer nie mich völlig beherrschenden Antikirchlichkeit war längst vorüber, wieder genoß ich die Schönheit des Ritus in der prachtvollen Umwelt des herrlichsten Renaissancedomes auf deutschem Boden. Am 19. November 1944 warf einer der Befreier Europas ausgerechnet auf die erwähnte Kuppel-Laterne ein Bömbchen ab. Die Kuppel stürzte samt den schönen Fresken und Skulpturen nach der Mitte ein - mit meinem Lieblingsplatz, an dem ich ernste und gute Stunden ergriffen verbrachte, war's - bei mir wohl für immer vorbei. Das Domkapitel mit dem neuen Fürsterzbischof Rohracher 2 7 6 ) übersiedelte in die St.-Peter-Kirche, von der vor tausend Jahren die Bischöfe und Erzbischöfe ihren Ausgang genommen hatten 2 7 7 ). Für ein richtiges Pontifikalamt ist der Entwicklungsraum beim Hochaltar zu klein . . . Während die früheren Generalstabsoffiziere in der Messe der Franz-Josephs-Kaserne gespeist hatten, nahm ich mein Mittagessen natürlich zu Hause ein. Meine 2 7 6 ) Andreas Rohracher (Linz, 3 1 . 5 . 1 8 9 2 - 6 . 8.1976, Alt-Ötting), 1933 Weihbischof von G u r k , 1943 Erzbischof von Salzburg. 2 7 7 ) U m 700 errichtete der hl. Rupert neben der von H e r z o g Theodo geschenkten Burg eine Bischofskirche und ein Kanonikatsstift nach der Regel Chrodegangs. Auf dem Boden des zerstörten römischen Juvavum am Fuße des Mönchsberges gründete er ein Mönchskloster nach der iroschottischen Regel des Korbinian mit einer Friedhofskirche: die spätere Benediktiner-Erzabtei St. Peter. Bis 987 war das Amt des Abtes und des Bischofs (seit 798 Erzbischofs) in einer Person vereinigt. 767 bis 774 richtete der hl. Virgil den ersten D o m b a u auf.
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Mutter führte den Haushalt fast immer alleine. N u r der Bursche war da. Meinen Settimo Briosi aus Varone hatte ich verloren, als er sich seinen dritten Quartalrausch leistete. Ich habe nichts mehr von ihm gehört. An seine Stelle kam - es war alles noch in Wien - der Jäger Geronimo Rossi 2 7 8 ) aus Mezzolombardo, auch ein Welschtiroler, wie schon sein Name sagt; ein braver, anständiger Kerl, der 1910 ausdiente. Ich habe mit beiden Welschen fleißig italienisch gesprochen und mir dabei, bei recht guter Aussprache, Geläufigkeit in den für das praktische Leben nötigen Grenzen erworben. Trotzdem mußten jetzt die Kaiserjäger, die mir ja „untergeben" waren, mit einem Deutschtiroler herbei. Károlyi erhielt einen Schreibebrief, und kurz darauf meldete sich bei mir ein blonder Bauernjüngling, der Jäger Gottfried Schafferer 2 7 9 ) aus Deutsch-Matrei am Brenner. Er war der Richtige. Er blieb zuerst zweieinhalb Jahre bei mir, und als der Krieg ausbrach, holte ich ihn mir neuerlich kurzerhand aus der Meierei Silier in Altmannsdorf, wohin ich ihn nach seinem Ausdienen als „Schweizer" gebracht hatte. Er blieb den ganzen Krieg, weitere viereinhalb Jahre, bei mir. Es waren insgesamt sieben Jahre. Wir standen im Verkehr bis vor einigen Jahren. Ich besuchte ihn einige Male, zuletzt im Mai 1939. Ich glaube aber, er war mit dem Regime des Gauleiters Hofer 2 8 0 ) nicht zufrieden und nahm mir schließlich übel, daß ich diesen nicht wegjagte. Wenn ich die Macht gehabt hätte, ich hätte es gewiß getan. Gottfried wurde vorübergehend auch mein Pferdewärter und war bei „ K ö n i g " recht beliebt. Bei meiner Mutter hatte er es, wie natürlich, auch nicht leicht. Wenn ich daran denke, verstehe ich nur zu gut die Abneigung des ersten Obersten Roschatt gegen Einkaufstaschen tragende Offiziersdiener. Trotzdem wünschten sich die wenigsten von diesem Posten weg. Noch zu Beginn des Winters 1910/11 begaben sich Gelb und ich auf unsere erste Besichtigungsreise. Sie führte uns zum Regiment N r . 36 nach Franzensfeste, Welsberg, Bruneck und zum 1. Feldjägerbataillon nach Lienz. Als Begleiter meines Generals hatte ich das Recht, statt in der zweiten in der ersten Klasse zu reisen. Das war mir sehr angenehm. Die Bequemlichkeit eines Schlafwagens kannten wir freilich nicht. Im Eisack- und Rienztal lag schon ziemlich viel Schnee. Aber es war doch sehr gemütlich. Mein General und ich vertrugen uns vortrefflich. Es gab auch in der Folge zwischen uns nie den geringsten Zwiespalt. Gelb entstammte der Kadettenschule. Er hatte als Lehrer an einer Militäranstalt manches dazugelernt. Er war kein hochbeschwingter Geist, erhob aber auch keinen Anspruch darauf, sondern ließ sich gern beeinflussen. Auch für seine Generalsreisen ließ er sich grundsätzlich die Vorarbeiten durch mich machen. Er kam dabei offenbar nicht schlecht weg. Reden fabrizierte ich ihm selbstverständlich - eine der 2 7 e ) Germano (auch Germinio) Rossi (Mezzolombardo, 2 6 . 7 . 1 8 8 7 - 1 9 1 4 , Graz), 1908-1911 und ab Mobilisierung 1914 aktive Dienstleistung bei 4. T K J R . , 26. 8.1914 abgegangen ins Feld, 1914 gestorben im Feldspital 7. 2 7 9 ) Gottfried Schafferer (Mühlbachl, 8 . 1 1 . 1 8 8 9 - ? ) , 1910-1913 u. 1914-1918 aktive Dienstleistung, Glaise-Horstenau stand bis 1939 mit ihm in Korrespondenz. 2 e o ) Franz H o f e r (Bad Hofgastein, 2 7 . 1 1 . 1 9 0 2 - 1 8 . 2 . 1 9 7 5 , Mühlheim an der Ruhr), 15.9.1931 Aufnahme in die N S D A P . , 2 7 . 1 1 . 1 9 3 2 Gauleiter von Tirol und Vorarlberg, 1938 Landeshauptmann, 1.4.1940 Reichsstatthalter von Tirol u. Vorarlberg, November 1943 Reichsverteidigungskommissar.
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ersten schon aus Anlaß irgendeines Abendessens, das die Salzburger Offizielle Gesellschaft zu Ehren eines Geburtstages des Prinzregenten Luitpold 281 ) veranstaltete. Er lernte ganz gut auswendig und schnitt jederzeit günstig ab. Seine persönliche Ritterlichkeit und Anständigkeit stand über jedem Zweifel und machte ihn zum Führer eines Offizierskorps sehr geeignet. Auch da war es angenehm, sein Ratgeber zu sein. Seine Frau 282 ) war ein schwerer Fall. Sie befand sich im Klimakterium und mußte zuletzt in eine Anstalt überführt werden. Der Sohn 283 ) studierte Gymnasium und Universität. Auch ein nettes Töchterlein war da, ein sechzehn- bis siebzehnjähriges Mädchen 284 ). Als ich zur Brigade kam, war alles zu einer Wette bereit, daß ich Marianne Gelb als eheliches Weib nach Hause führen würde. Ich nahm jede Wette an. Marianne heiratete 1913, und ich war bei der Hochzeit dabei, aber nicht als junger Gatte, sondern nur als Trauzeuge. Der Glückliche war mein lieber Kamerad Hauptmann Mauer 285 ) von der Salzburger Artillerie. Daß ich unverheiratet aus Salzburg wegging, war gegen alle Kleiderordnung, da mit ganz vereinzelten Ausnahmen alle meine Vorgänger auf diesem Posten geheiratet hatten. Der gesellschaftliche Verkehr war gegenüber meiner Leutnantszeit eher zurückgegangen. Mancherorts trauerte man den Offizieren meines Regiments nach. Die Rainer waren mehr „bodenständig", was bei der weitgehenden Ergänzung ihrer Offiziere aus dem Kleinbürgertum keineswegs zur Entfaltung einer repräsentativen Gesellschaft beitrug. Gelb und ich stellten immer wieder fest, daß zur Zeit unseres Regiments nie so viele Offiziere in den Geschäftsstraßen der Altstadt zu sehen waren als nunmehr Raineroffiziere. Die Kaiserjäger sah man mehr in den vornehmeren Straßen der Neustadt. Dies verzeichne ich nicht, um den braven Rainern eines ans Zeug zu flicken, sondern lediglich, weil meine Zeilen doch auch ein Kulturbild jener versunkenen Welt gewähren sollten. Was den Winter anlangt und den Fasching, so ist vor allem zu streifen, daß das Zeitalter der Urgroßmutter-Gesellschaft mit ihren Ballfesten, Quadrilletänzen, Gardedamen und so weiter schon seinem Ende zuging. Die ersten Anzeichen ergaben sich schon in meiner Leutnantszeit. War in meiner Kindheit das Eislaufen, dem auch ich in St. Pölten wohl oder übel, mehr übel als wohl, oblag, ziemlich der einzige Wintersport, der geübt wurde, so beherrschte in den Wintern 1903 bis 1907 bei unserem Regiment das Skilaufen schon weitgehend die Szene. Allerdings hatten
281 ) Luitpolt, Prinzregent v. Bayern ( W ü r z b u r g , 1 2 . 3 . 1 8 2 1 - 1 2 . 1 2 . 1 9 1 2 , M ü n c h e n ) , dritter Sohn Ludwigs I., ü b e r n a h m am 10.6.1886 die Regentschaft. 282 ) Die Personaldaten der ersten Gattin sind nicht feststellbar. Gelb heiratete in zweiter Ehe am 2 8 . 1 0 . 1 9 1 8 Josefine, geb. Bader (Weißbriach, 2 4 . 3 . 1 8 9 2 - 2 1 . 5 . 1 9 6 1 , Villach). 2 " ) Karl Gelb v. Siegesstern ( I n n s b r u c k , 6 . 4 . 1 8 8 7 - ? ) , 1 . 9 . 1 9 1 5 L t . i . d . Res. F K R . 8, 1 . 8 . 1 9 1 7 aktiviert, 1931 D r . iur., bis 1936 Rechtsanwaltsanwärter, seit 1.11.1931 Mitglied der N S D A P . , 1931-1933 Gaurichter der N S D A P . , seit etwa 1934 Angehöriger der SS., zuletzt als SS-Unterscharführer, 1 3 . 3 . 1 9 3 8 - 1 . 1 1 . 1 9 3 9 Leiter des SD-Unterabschnitts I n n s b r u c k , 1 9 3 9 - S e p t . 1942 O b l t . der D t . W M . , sodann Ü b e r n a h m e in die Reichsstatthalterei als Referent f ü r kirchliche Angelegenheiten (bis 1945). 284 ) Marianne Gelb, verehelichte Mauer. 285 ) Ernst Mauer (Saar, Mähren, 9 . 1 1 . 1 8 7 7 - ? ) , 1899 aus der T e c h n . Milak. zu D A R . 16 als L t . , 1 . 5 . 1 9 0 5 O b l t . , 1 . 5 . 1 9 1 1 zu F K R . 4 1 , 1 . 5 . 1 9 1 3 H p t m . , 1.8.1918 Mjr. schw. F A R . 15.
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wir einen Skilehrer von dem Renommee des Oberleutnants Bilgeri 2 8 6 ) in unseren Reihen. Ich selbst kam zwar bei meiner geringen Veranlagung zu außergewöhnlichen sportlichen Leistungen nicht über Anfangsgründe hinaus, die mir Bilgeri im Schweiße seines Angesichts auf einem Hügel bei Parsch beizubringen versuchte. Dafür entging ich keineswegs dem Schicksal, theoretisch in den heftigen Meinungsstreit über feste und elastische Bindungen durchwegs unterrichtet zu sein. Für erstere trat Bilgeri ein, für letztere der Altmeister des österreichischen Skilaufs Zdarsky 2 8 7 ). Bilgeri übernahm auch die dienstliche Unterweisung für das ganze XIV. Korps. Als er eine Vorschrift verfassen mußte, wurde ich zur Mitarbeit herangezogen: Bilgeri konnte gut Schi laufen, ich halbwegs schreiben. So wurde ein Dioskurenwerk daraus, die erste Schivorschrift für das k . u . k . H e e r ! Bilgeri war ein hübscher Bursche, grob, muskulös, mit einem Raubvogelgesicht, das hinter den Schläfen - er zählte, als ich ihn kennenlernte, sechsunddreißig Jahre - schon stark angegraut war. Nicht nur die Männer, auch die Mädchen der Salzburger Gesellschaft drängten sich, von ihm in der schönen Kunst unterwiesen zu werden. Neben dem Vergnügen an sich bot das Schilaufen auch die Möglichkeit, dem Elternhause für acht oder vierzehn Tage zu entwischen und in fernen Alpenhütten ein freies Leben zu verbringen. „ A u f der Alm, da gibts ka S ü n d . " Soviel ich weiß, ist es bei den Kursen wirklich tadellos hergegangen. Es ging auch ohne Gardedame! Daher schlug mein Vorschlag, im ersten Fasching statt einem der üblichen Garnisonbälle einen Winterausflug nach Zell am See zu unternehmen, trefflich ein. Schmittenhöhe und spiegelglatt gefrorener See boten reiche Gelegenheit zum Wintersport. Für Speis und Trank sorgten wundersame Wirte, deren es im freundlichen Zell genug gab. Im Frühjahr erhielt ich die erste „ E i n l a d u n g " zu einer kleinen Generalstabsreise 2 8 8 ). Übungsleiter war Oberst Bellmond von Adlerhorst 2 8 9 ) des Kriegsministeriums. Unaufmerksam, wie ich mitunter war, las ich die Vorarbeiten, die uns zu beantworten zugesandt wurden, nur flüchtig, so daß ein Teil unbearbeitet blieb. Bellmond mahnte mich verwundert. Ich machte ein Paterpeccavi. Mein Brief hatte ihm offenbar gut gefallen. Als ich nach Westböhmen in die Pilsener Gegend einrückte und eine furchtbare Rüge erwartete, wurde ich zu meinem Erstaunen gemeinsam mit dem damaligen Generalstabshauptmann Jansa, dem späteren Feldmar2 8 6 ) Georg Bilgeri (Bregenz, 11.10.1873-4.12.1934, Patscherkofel), 2.4.1894 als EF. zu 4 . T K J R . , 18.8.1897 Lt., aktiv, 1.11.1901 Oblt., ab 1907 Leiter der Skiwerkstätte und der Alpinwerkstätte des XIV. Korps, 1.11.1911 Hptm. FJB. 19, 28.7.1914 Kraftfahr- und Alpinreferent des XIV. Korps bzw. d. L andes verteidigungskmdos. Tirol, 10.2.1917 Alpinreferent XX. Korps, 18.8.1917 Mjr. 2 8 7 ) Matthias Zdarsky (Trebitsch, Mähren, 25.2.1856-20.6.1940, St. Pölten), Begründer der alpinen Skifahrtechnik. 2 8 8 ) Kleine Generalstabsreise, Gruppe II v. 9.6.-24.6.1911. 2 8 9 ) Karl Bellmond v. Adlerhorst (Petrinja, Kroatien, 3.5.1866-8.11.1937, Budapest), 1896 als Lt. aus der Milak. zu IR. 87, Glstbslaufbahn, 1.5.1905 Obstlt. i.G., 1.11.1905 zugeteilt dem IV. KKmdo., 1.5.1908 Obst. i.G., 7.11.1908 zugeteilt dem Präsidialbüro des RKM., 21.10.1911 Vorstand l.Abt. RKM., 1.5.1913 GM. u. Kmdt. 8.IBrig., 8.10.1913 Vorstand des Präsidialbüros RKM., 1.3.1915 Kmdt. 8. IBrig., 30.4.1915 Kmdt. 4.ITD., 17.6.1915 Vorstand des Präsidialbüros, 9.12.1917 Kmdt. 32.ITD., 1.1.1919 pensioniert.
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schalleutnant, zur Ubungsleitung eingeteilt! Der Posten gab viel zu tun und forderte auch gewisse graphische Fertigkeiten. Aber er war ganz interessant und überhob einen den Zufällen des großen Rätselratens, das mit jeder Taktikaufgabe verbunden war. Von alten Bekannten traf ich bei der Übungsgruppe nur meinen Klassenkameraden Kuenzl. Dieses Reiten und Streifen durch die westböhmischen Lande am Hange des Böhmerwaldes war bei dem herrlichen Frühjahrswetter überaus reizvoll. Fronleichnam erlebte ich in einer der Garnisonen des Dragonerregiments N r . 7, dem damals auch der junge Erzherzog Carl Franz Josef angehörte. Diese Dragoner mit dem Glanz ihrer Helme, den lichtgelben Aufschlägen und den krapproten Hosen gaben schon ein schönes Bild ab. Einer der Rittmeister war Egon Freiherr v. Waldstätten 2 9 0 ), den ich seinerzeit als Generalstabshauptmann der 3. Division kennengelernt hatte. Er verlor 1915 am San das eine Bein bis zur Gelenkskugel herauf und diente dann im Kriegsarchiv bis - wie ich glaube - in meine Direktionsära hinein. E r war kein leicht zu behandelnder Mann, wir haben uns aber ganz gut gefunden. D a er ein Intimus Kaiser Karls gewesen war, hat er durch den Zusammenbruch 1918 besonders viel - auch Persönliches - verloren. Mein Übungsleiter Bellmond fand irgendwie Gefallen an mir. Er besuchte mich alsbald in meiner Salzburger Brigadekanzlei und bat sich mich in der Folge als Trauzeuge für die Heirat seines Schwagers Oberst Pacor von Karstenfels und Hegyalja 2 9 1 ) aus, die im stimmungsvollen Kirchlein von Aigen stattfand. Bellmond wurde nachher Chef des Präsidialbüros im Kriegsministerium und erhielt dadurch eine der einflußreichsten Stellungen. Im Kriege kam ich noch oft mit ihm zusammen, nachher übersiedelte er als ungarischer Staatsbürger nach Budapest, wo er Jahre später seinem Leben freiwillig ein Ende machte. Die Manöver zeigten Gelb und mir die Reize unseres Kommandos im hellsten Lichte. Wir hatten nicht weniger als drei Ubungsräume zu bewältigen. In zweien fiel uns die unmittelbare Leitung zu. Eingeleitet wurde dieser erlebnisreiche Sommer 1911 durch eine Stabsoffiziersreise, die gleichfalls wir zu leiten hatten und die uns zuerst ins Val Sugana und hier auf das südlich von Grigno steil aufsteigende Plateau der Barricata führte und dann über Borgo auf den Rolle-Paß nach Paneveggio, wo Schlußbesprechung war. Es handelte sich durchwegs um Gegenden, die zu dem Grenzabschnitt gehörten, dessen Betreuung nach dem Mobilisierungsplan dem 6. Brigadekommando zugefallen wäre. Meine Phantasie hatte ein reiches Betätigungsfeld. Die Annahme zu den Übungen, die im Gelände besprochen wurden,
2 9 °) Egon Frh. v. Waldstätten (Fünfkirchen, 2 1 . 4 . 1 8 7 5 - 1 2 . 5 . 1 9 5 1 , Wien), 1896 aus der Milak. als Lt. zu DR. 2, 1.11.1901 zugeteilt dem Glstb., 8.KBrig., 1.11.1906 Hptm. i . G . , 1.11.1907 eingeteilt beim Eisenbahnbüro d. Glstbs., 1.11.1910 Rtm. D R . 7, 1.8.1914 Mjr., 8.7.1915 schwer verwundet, 27.9.1915 Obstlt., 1.5.1918 Obst, im KA., 1.9.1920 übersetzt in den Zivildienst, 16.12.1922 Zuerkennung des Ritterkreuzes des M M T O . , 1.1.1925 pensioniert, 1937/38 Staatsrat. 2 9 1 ) Josef Pacor v. Karstenfels u. Hegyalja (Znaim, 13. 7.1869-nach 1944), 1889 aus der Milak. als Lt. zu IR. 46, Glstbslaufbahn, 1.11.1916 G M . , 8.11.1916 Kmdt. Heeresbahn Nord, 3. 3.1917 Vorstand 17. Abt. KM. und Chef des Kohlenausschusses, 20. 5.1917 zugeteilt Chef des Ersatzwesens, 24.11.1917 Kmdt. 62.IBrig., 29.2.1918 Kmdt. 6 0 . I D . , 17.8.1920 FML. der Honvéd, 1.11.1921 pensioniert. 292) u 293) fallen a u s .
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machte durchwegs ich. Es war eine angenehme, mich recht anregende Aufgabe. In Paneveggio trafen wir den Erzherzog Eugen und den Kommandanten der 88. Landesschützenbrigade Generalmajor Sarkotic 2 9 4 ). Mit dem letzteren sollten mich, bis zu seinem Herbst 1939 erfolgten Tode, alsbald freundschaftliche Beziehungen verknüpfen. Er war der typische schwarzgelbe Kroate, in Agram großgeworden, Neustädter, Generalstabschef beim Korps in Hermannstadt, Brigadier in Bozen und Divisionär in Innsbruck und nachher Kommandant der Domobranzendivision (42. Honvéddivision) in Agram, an deren Spitze er ins Feld rückte. Später war er Nachfolger Potioreks als Landeskommandant in Sarajevo, von w o aus er 1916 die Einnahme des Lovcen leitete 2 9 5 ). Dabei war er Kroatenführer und Vorkämpfer einer großkroatischen Lösung der südslawischen Frage. In den Zusammenbruchstagen wurde er bei Durchfahrt von Sarajevo nach Wien in Agram von seinen eigenen Landsleuten in Haft gesetzt, aus der er erst nach drei Wochen freikam 2 9 6 ). Deutschösterreich bewilligte ihm, anständig wie er damals war, eine Gnadenpension. Daneben glänzte er durch gute Aufsätze in katholischen Zeitschriften 297 ), und die Kroaten kamen, je mehr sie sich von den Serben unterdrückt fühlten, umso mehr zu ihm in das „augenbrauenlose" Haus am Michaeler Platz 2 9 8 ) wallfahren. E r war ein feiner Mann, noch mehr als Puhallo oder Boroevic: das, was ich in diesen Zeilen schon „Salonkroate" genannt habe. Sarkotic, noch als Greis ein schöner Mann, war ein Schätzer der Frauen. Als einmal mein Freund Kiszling und ich gewissen, mit seinem Alter zusammenhängenden Zweifeln Ausdruck verliehen, sagte
2 9 4 ) Stefan Baron Sarkotic v. Lovcen (Sinac, Kroatien, 4 . 1 0 . 1 8 5 8 - 1 6 . 1 0 . 1 9 3 9 , Wien), 24.4.1879 aus der Milak. als Lt. zu IR. 79, Glstbslaufbahn, 1.11.1907 GM., 15.10.1908 Kmdt. 88. Lsch. Brig., 17.4.1910 Kmdt. 44.LwITD, 1.11.1911 F M L . , 10.4.1912 Kmdt. des Agramer VII. kroat.-slawon. Landwehrdistrikts, 22.12.1914 Gdl. u. kdi. Gen. in Bosnien u. Herzegowina, 1.11.1917 G O . , 1.12.1918 pensioniert. Nach kurzer Internierung in Kroatien lebte Sarkotic in Wien, wo er der Mittelpunkt einer antiserbischen, kroatisch-legitimistischen Offiziers- und Emigrantengruppe war. In vielen Zeitungsartikeln, insbesondere in der „Reichspost", nahm er zu Problemen Kroatiens Stellung. Vgl. Werkverzeichnis Nr. 191; R. Kiszling, G O . Stephan Frh. Sarkotic, in: Neue österreichische Biographie, Bd. IX, Wien 1956, 99-106; S. Klein, Freiherr Sarkotic v. Lovcen. Die Zeit seiner Verwaltung in Bosnien-Herzegowina von 1914 bis 1918, Wr. Diss. 1969. 2 9 s ) Nach Abschluß der Kämpfe in Serbien führten Einheiten des X I X . Korps, in der Artillerievorbereitung unterstützt durch Marineeinheiten, den Angriff auf den Lovcen von der Bucht von Cattaro aus durch. In den Kämpfen vom 8. bis 11.1.1916 gelang die Erstürmung. Am 13.1. fiel Cetinje, am 25.1.1916 erfolgte die Waffenstreckung der Montenegriner. 2 9 6 ) Sarkotic übergab am 1. November 1918 sein Amt an einen Nationalrat. Er reiste am 6.11.1918 aus Sarajewo ab, wurde in Slawonisch Brod angehalten, nach Agram gebracht und dort im Militärgefängnis interniert. Am 18. November wurde ihm seine Konfinierung bis zum Abschluß der Friedensverhandlungen in Aussicht gestellt, doch wurde ihm ein einmonatiger Urlaub gewährt. Um den 25. November konnte er mit dieser Begründung nach Wien abreisen, von wo er um Aufhebung der geforderten Meldung in Agram, die für den 15. Dezember vorgesehen war, ersuchte. Sie wurde ihm gewährt. 2 9 7 ) Sarkotic schrieb Beiträge für Sammelwerke, Zeitschriften und Zeitungen historischen und politischen Inhalts u.a. in: österreichische Rundschau, Schönere Zukunft, Das neue Reich, Reichspos.t, Staatswehr, österreichische Wehrzeitung. 2 9 e ) Kaiser Franz Joseph soll sich über die „augenbrauenlosen Fenster" des sogenannten Looshauses, Wien, 1. Bezirk, Michaeler Platz5, das Adolf Loos 1910 für die frühere Herrenmodenfirma Goldman und Salatsch errichtet hatte, besonders geärgert haben.
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der alte Kroate die tragischen Worte: „ J a , ja, liebe Freunde - aber merkt euch, die Begierde ist auch weiterhin vorhanden." Das erste der von uns geleiteten Brigademanöver 1911 fand auf der Plätzwiese westlich des Höllentales in den Dolomiten statt. Es nahmen neben IR. 36 und F J B . 1 noch die Landesschützen vom III. Regiment unter Kommando des mir aus Salzburg wohlbekannten Obersten Georgi 2 9 9 ), des Bruders des Landesverteidigungsministers 300 ), deren Stab in Innichen stand, teil. Der Divisionskommandant Erzherzog Josef Ferdinand und der Korpskommandant Schemua erschienen mit den zugehörigen Generalstabschefs; Schemua hatte außerdem seinen Personaladjutanten, den lustigen Kaiserjägerhauptmann Ruef 3 0 1 ), mit, der bei Gelegenheit den Erzherzog mit den Worten apostrophierte: „Kaiserliche Hoheit, das war einmal eine gute Idee." Die Übung lief sechsunddreißig Stunden durch und war recht lehrreich. Gelb dankte mir für das geglückte Arrangement. Nebenbei fällt mir gerade ein, daß auch das Regiment 14 aus Linz mittat. Gelb und ich empfingen es wenigstens bei einer Gelegenheit in Cortina d'Ampezzo, wo wir in der Croce Bianca abstiegen. Es war das alles irgendwie erhebend, an der Spitze so schöner Regimenter durch eine so herrliche Welt zu ziehen. Gelb und ich hatten aus dem spärlichen Reisefonds, über den wir verfügten etwa 800 Kronen jährlich - , ein Auto „organisiert". Ein solches vom freiwilligen Automobilkorps 3 0 2 ) zu beanspruchen, war für ein so minderes Kommando wie ein Brigadekommando damals unmöglich. Aber beim 1. Bataillon meines Regiments befand sich der Leutnant Baron Pastor 3 0 3 ), Sohn des berühmten Kirchenhistori2 " ) Franz v. Georgi (Ofen, 2 2 . 4 . 1 8 5 5 - 2 6 . 1 0 . 1 9 2 6 , Salzburg), 1874 als Lt. aus der Milak. zu F J B . 6 , Glstbslaufbahn, 1.11.1908 G M . , 8 . 3 . 1 9 1 1 Kmdt. 1 3 . L w I T D . Wien, 1 0 . 6 . 1 9 1 3 zugeteilt dem Militär-Ober-Gericht, 9 . 6 . 1 9 1 4 Präsident des Obersten Landwehrgerichtshofes, 2 4 . 8 . 1 9 1 5 G d l . , 31.12.1915 enthoben, 1 . 4 . 1 9 1 6 pensioniert. 3 0 °) Friedrich Frh. v. Georgi (Prag, 2 7 . 1 . 1 8 5 2 - 2 3 . 6 . 1 9 2 6 , Wien), 1871 als Lt. aus der Milak. zu F J B . 6, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 3 G M . , 11.7.1906 Sektionschef im Landesverteidigungsmin., 1.5.1907 F M L . , 1.12.1907 Minister für Landesverteidigung, 1.11.1911 G d l . , 1.5.1916GO., 2 3 . 6 . 1 9 1 7 zurückgetreten, 7 . 1 2 . 1 9 1 8 pensioniert. In der Nachkriegszeit Ehrenpräsident des Vereins „Alt-Neustadt". 3 0 1 ) Erwin Ruef (Achenkirch, Bez. Schwaz, Tirol, 3 . 9 . 1 8 6 9 - 1 0 . 1 . 1 9 5 5 , Innsbruck), 1 8 . 2 . 1 8 8 9 als EF. zu l . T K J R . , 1.11.1892 aktiviert, 1 . 5 . 1 9 0 8 Hptm. kommandiert zum X I V . Korpskmdo., 1.11.1908 Personaladjutant Generals Hans v. Schemua und seit 1..3.1912 Viktor Dankls, 1.1. 1916 Mjr. des Armeestandes, 1.12.1916 als Personaladjutant enthoben, 15.12.1916 Konzeptsoffz. beim Mil. Stationskmdo. Innsbruck, 1.11.1918 Oberstlt. des Armeestandes, 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert, 6 . 7 . 1 9 2 2 Titular-Obst. 3 0 2 ) Das österreichische Freiwillige Motorkorps, das im Kriegsfälle den Kraftfahrpark der Armee verstärken sollte, bestand vor Kriegsbeginn aus dem Freiwilligen Automobilkorps (1906), dem Freiwilligen Motozyklistenkorps (1908) und dem Ungarischen Freiwilligen Automobilkorps (1909). Vgl.: BMfLv., Die Entwicklung des Militär-Kraftfahrwesens in Österreich vom März 1898 bis März 1938 (Geschichte der österreichischen Kraftfahrformationen), Wien 1968; A. Lorenz, Alte Autos - junge Liebe, Wien 1963. 3 0 3 ) Ludwig Pastor Frh. v. Camperfelden (Innsbruck, 17. 7 . 1 8 8 6 - ? ) , 1.10.1907 als EF. zu U R . 11, 1 . 5 . 1 9 0 9 Lt., 1.11.1909 zugeteilt 4 . T K J R . , 1 . 5 . 1 9 1 0 im Stand des 4 . T K J R . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Oblt., 1 . 2 . 1 9 1 5 Ordonnanzoffiz. beim A O K . , 1 . 5 . 1 9 1 5 zugeteilt dem Militärattache Bern, 15.6.1916 zugeteilter Glstbsoffz. bei ID. Pustertal u. sodann bei verschiedenen Div. bis Kriegsende, 1. 8.1917 Hptm. zugeteilt d. Glstb.
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kers 3 0 4 ). Er war im Besitze eines Autos und übernahm es gegen Begleichung des Benzins, uns herumzufahren. Das Schicksal, das uns hierbei widerfuhr, erinnerte mich an die Erlebnisse mit jenem ersten Auto, mit dem ich während der Leutnantszeit nähere Bekanntschaft gemacht hatte. Es gehörte dem Oberleutnant Ernst Freiherrn v. Handel-Mazetti 3 0 5 ). Wir verbrachten bei unseren Ausflügen die meiste Zeit unter der Karosserie. Man wußte wohl, wann man fortfuhr, aber das Heimkommen war stets in den Sternen geschrieben. Nicht viel besser stand es um Pastors Auto. Bei unserer Rückfahrt wurde Gelb so ungeduldig, daß er in Sterzing die Bahn bestieg. Ich, seit jeher fanatischer Autofahrer, blieb Pastor treu und rollte des anderen Tages mit ihm und seinem Fuhrwerk den Brennerpaß nach Innsbruck hinab, wo ich selbstverständlich Károlyis und meinen Freund Freisauff besuchte. Unsere zweiten Brigademanöver waren uns fürs Val Sugana vorgeschrieben. U m etwas Abwechslung in die Bude zu bringen, teilten wir Heinz v. Károlyi unserer Manöverleitung zu. Wir bezogen Quartier in dem schon echt welschen Hotel von Pieve Tessino. An den Übungen nahmen mein Regiment, das F J B . 2 und das I. Tiroler Landesschützenregiment teil. Nicht ohne Neid und Bedauern blickten wir Kaiserjäger auf die Landesschützen, die seit Conrads Auftreten in Tirol zu einer Elite-Grenzschutz-Truppe ausgestattet worden waren. Eigentlich waren wir Kaiserjäger zu dieser Rolle berufen gewesen. Aber wir hatten das Unglück, zum k . u . k . gemeinsamen Heere zu gehören, das dank der armeefeindlichen Haltung der Ungarn immer mehr zum Stiefkind der Heeresleitung wurde. Die Ungarn waren bereit, für ihre Landwehr, die k . u . Honvéd, alles zu bewilligen. Bei jeder Heeresforderung suchten sie mindestens ein nationales Zugeständnis herauszudrücken, wenn sie überhaupt mit sich reden ließen. Bei diesen Gewichtsverhältnissen kam es von selbst, daß auch in Österreich die Landwehr profitierte. K. k. Landwehr und k . u . Honvéd waren längst zu vollwertigen Truppen der ersten Linie aufgerückt. Als nun Conrad eine Parallelorganisation zu den Alpini verlangte, griff man auf die Tiroler Landwehr, die Landesschützenregimenter. Sie wurden auf Glanz ausgebaut und ausgerüstet, so daß Károlyi und ich traurig meinten, wir Kaiserjäger nähmen uns ihnen gegenüber wie eine abgehauste Adelsfamilie gegenüber bürgerlichen Parvenüs aus. Was man damals für Sorgen hatte! Am 28.September 1914 zog ich als einsamer Reiter von Gorlice, wo ich meine bisherige Division zurückließ, über Senkowa einer Truppenkolonne entgegen. An der Spitze befand sich ein baumlanger General. Ich war zum Generalstabschef der 88. Landesschützenbrigade ernannt worden und vollzog, während von fern ab und zu ein Schuß der russischen Artillerie hallte, die Vereinigung mit dieser wunderbaren Truppe, deren Schicksal nun 3 0 4 ) Ludwig Frh. Pastor v. Camperfelden (Aachen, 3 1 . 1 . 1 8 5 4 - 3 0 . 9 . 1 9 2 8 , Innsbruck), Schüler Janssens, habilitierte sich 1880 in Innsbruck, 1901 Direktor des öst. Historischen Instituts in R o m , 1920 öst. Gesandter am Vatikan. Verfasser der „Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters", 16Bde., Freiburg i. Breisgau, (1886-1932). Vgl. W. Wühr ( H g . ) , Ludwig Frh. v. Pastor 1854-1928. Tagebücher - Briefe - Erinnerungen, Heidelberg 1950. 3 0 5 ) Ernst Frh. v. Handel-Mazzetti (Pola, 1 0 . 6 . 1 8 7 0 - 7 . 1 0 . 1 9 5 5 , Salzburg), 1 6 . 9 . 1 8 8 9 freiwillig zu l . T K J R . assentiert, 1 . 5 . 1 8 9 3 Lt., 2 4 . 4 . 1 8 9 4 zu 4 . T K . J R . , 1 . 1 1 . 1 9 0 7 H p t m . 3 . T K J R . , 1 . 7 . 1 9 1 2 zu l . T K J R . , 1 . 7 . 1 9 1 5 Mjr., 1 . 8 . 1 9 1 7 Obstlt.
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nicht unerheblich meinen Händen anvertraut war. Der lange General war Fürst Aloys Schönburg-Hartenstein. Die Manöver im Tessin-Becken verliefen, wie ich schon sagen muß, sehr interessant. Die verschiedenen Kommandanten bewarben sich im nachhinein um die von mir entworfenen Obungsannahmen, die sich wirklich durch eine gewissene Originalität auszeichneten und den Verhältnissen des sogenannten Ernstfalles mehr gerecht wurden als manche andere. Zweimal übernahm ich, um einem Generalstabsbefehl Genüge zu leisten, das Kommando einer Kompanie meines Regiments. Die Übungen hatten noch den großen Vorteil, daß sie nie nach ein Uhr mittags aus waren. Erst neulich war Gelb vor dem Schloß Mirabell auf Franz Ferdinand gestoßen, und dieser hatte ihm die Weisungen zu den Manövern mitgegeben: „Schinden Sie mir die Truppen nicht, das Sterben braucht man den Soldaten nicht im Frieden lehren." Wir nahmen uns diese Warnung zu Herzen. Schon in der Kriegsschule hatte die Ära Puhallo mit gewissen Ubertriebenheiten in Abhärtung Schluß gemacht, die noch der Ära Cvitkovic 3 0 6 ) eigen gewesen sind - so, daß man auf Ubungsreisen nächtelang bei schlechtestem Kerzenlicht arbeiten mußte, um sich für den „ E r n s t fall" daran zu gewöhnen. Als nach vier Manövertagen vor dem Hotel Pieve Tessino die Kaiserjäger unter den Klängen des Andreas-Hofer-Marsches zum Abschied an uns vorübermarschierten, hatten wir das Gefühl einer gut und richtig vollbrachten Arbeit. Gelb fuhr direkt nach Hause. Ich nahm mir ein paar Tage Urlaub, um Torresani auf dem Friedhof von Torbole einen besinnlichen Besuch abzustatten. Ich habe diesen in der „Vedette", der militärischen Beilage zum Fremdenblatt, geschildert 3 0 7 ). Man fuhr - natürlich mit Bahn - aus der heiteren Schönheit des Etschtales in das Val O p p i o hinauf, eine Karstwüste am Nordfuße des Monte Baldo, die ihre Ö d e dem einst bei den Venezianern vorhanden gewesenen Bedürfnis verdankten, das Meer mit prachtvollen Schiffen zu beschicken, und das H o l z zur Befriedigung dieses Bedürfnisses aus dieser und anderen venetianischen Gebirgsgegenden nahmen. Bei N a g o stieg man aus und sah, durch ein altes Festungstor hindurchschreitend, plötzlich in der Tiefe die dunkelgrüne Fläche des Lago di Garda. Pinien und Zypressen winkten, man war mit einigen Schritten im Süden versunken. Ergriffen stand ich bald auf dem Friedhof von Torbole. Dann marschierte ich am einstigen Hotel du Lac vorüber, wo sich der jugendliche Oberst Mollinary 3 0 8 ) mit der noch jugendlicheren schönen Wittib Torresani, der Mutter des Dichters, verlobt hatte,
5 0 6 ) Johann Cvitkovic (Gracac, Kroatien, 16.8.1852-Nov. 1933, bei Cilli), 1871 als Lt. aus der Milak. zu IR. 28, Glstbslaufbahn, 1.11.1895 Obst. i.G., 19.1.1896 eingeteilt im Landesbeschreibungsbüro des Glstbs., 12.3.1900 Chef des Instruktionsbüros, 1.5.1901 GM., 19.10.1901 Kmdt. Kriegsschule, 24.10.1906 Kmdt. 27. ITD. in Kaschau, 18.11.1909 pensioniert. 3 0 7 ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 25. 3 0 8 ) Anton Frh. Mollinary v. Monte Pastello (Titel, Batschka, 8.10.1820-26.10.1904, Capiago, Lombardei), 1833 als Kadett zum Pionierkorps, 1850 Kmdt. (und Schöpfer) des Flotillenkorps, Glstbslaufbahn, später Korpskomdt. bei der Nordarmee 1866 und sodann kdi. General nacheinander in Innsbruck, Brünn, Agram, Lemberg, 23.4.1873, 1.11.1879 pensioniert. Er heiratete 4.11.1850 Beatrix verwitwete Freifrau von Torresani. Seine Autobiographie: „46 Jahre im österreichisch-ungarischen Heere 1833-1879", 2Bde., Zürich 1905
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nach dem traulichen Gassenwinkelwerk von Riva 3 0 9 ). Wer hätte gedacht, daß ich fünfzehn Jahre später an den Ufern dieses Sees statt zutraulicher Kaiserjäger italienische Bersaglieri erblicken würde! Uber Arco, wo am 18.Februar 1895 Erzherzog Albrecht die Augen für immer schloß, und Castel Toblino gings nach Trient zurück und von dort heimwärts. Die dritten Manöver dieses Jahres brachten uns - nur als Schlachtenbummler zunächst nach Gmunden. Die ersten Tage wurden dadurch interessant, weil Gelb und ich dem alten Herzog Ernst August von Cumberland 310 ) als Ehrenkavaliere zugeteilt waren. Er war, seit sein Vater 311 ) 1866 die Schlacht bei Langensalza an die Preußen verloren hatte 312 ), Emigrant in Österreich und lebte mit seiner Familie im Winter im Palais Cumberland bei Schönbrunn, im Sommer in einem recht schönen und behaglich eingerichteten Schloß in Gmunden. Der alte Herzog war eine armeebekannte Figur. Obgleich später k . u . k . General der Infanterie, trug er mit Vorliebe die Uniform als Oberst seines deutschböhmischen Infanterieregiments Nr. 42, einst Herzog von Wellington; pomeranzengelbe Aufschläge, wie die 59er, aber weiße Knöpfe und daher Silber- statt Goldborten. Vielleicht aus Opposition gegen die Preußen trug der Herzog stets sehr weite, winzig niedrige Krägen und eine zerknüllte Offiziersmütze à la 1866. Er war ein feiner Herr und der einzige Regimentsinhaber, der sich seinem Regimente gegenüber als Grandseigneur benahm; er verfügte allerdings auch ohne den noch gesperrten Weifenschatz über ein großes Vermögen. In Cumberlands Begleitung befand sich sein älterer Sohn 3 1 3 ), der wenige Monate später einem Autounfall zum Opfer fiel, und seine nette Tochter Prinzessin Olga 3 1 4 ). Manchmal erschien auch die königlich gewachsene Herzogin Thyra 3 1 5 ), geborene Prinzessin von Dänemark. Der Herzog selbst war für die Vorgänge auf dem Manöverfeld von Laakirchen außerordentlich interessiert. Ich
3 0 9 ) Beatrix Freiin v. Mollinary ( C o m o , 1 0 . 5 . 1 8 3 8 - 2 8 . 8 . 1 9 0 4 , Pettau), geb. Grfin Giovio, vermählt in erster Ehe 19. 6 . 1 8 4 5 mit Piero Frh. Torresani (Udine, 1 . 9 . 1 8 1 8 - 1 6 . 4 . 1 8 4 7 , Mailand) und in zweiter Ehe 1850 mit Mollinary. 3 1 ° ) Ernst August Kronprinz v. Hannover, Prinz v. Großbritannien u. Irland, H z g . v. Cumberland (Hannover, 2 1 . 9 . 1 8 4 5 - 1 4 . 1 1 . 1 9 2 3 , Gmunden). Emigrierte mit seinem Vater Kg. Georg nach Österreich, K . u . k . G M . , Inhaber des IR. 42. 3 n ) Kg. Georg v. Hannover (Berlin, 27. 5 . 1 8 1 9 - 1 2 . 6 . 1 8 7 8 , Paris) Sohn Kg. Ernst Augusts v. Hannover, verlor 1828 bzw. 1833 das Augenlicht, bestieg 1 8 . 1 1 . 1 8 5 1 den Thron und dankte mit 2 0 . 9 . 1 8 6 6 ab, nachdem das Land nach seiner erzwungenen Flucht am 2 3 . 8 . 1 8 6 6 mit Preußen vereinigt worden war. 3 1 2 ) Auf ihrem Zug nach Süden, um über Thüringen den Anschluß an bayrische Truppen zu gewinnen, konnten die Hannoveraner ein preußisches Korps açn 2 7 . 6 . 1 8 6 6 bei Langensalza schlagen, doch mußten sie, von allen Seiten umstellt und zu weiterem Kampf wegen Munitionsmangels außerstande, am 2 9 . 6 . die Waffen strecken. 3 1 3 ) Georg Wilhelm Prinz v. Hannover (Gmunden, 2 8 . 1 0 . 1 8 8 0 - 2 0 . 5 . 1 9 1 2 bei Nackel, Brandenburg). 3 1 4 ) Olga Adelheid Prinzessin v . H a n n o v e r (Gmunden, 1 1 . 7 . 1 8 8 4 - 2 1 . 9 . 1 9 5 8 , Hubertushaus bei Gmunden). 3 l s ) Thyra Prinzessin v . D ä n e m a r k (Kopenhagen, 2 9 . 9 . 1 8 5 3 - 2 6 . 2 . 1 9 3 3 , Gmunden), Tochter Kg. Christian I X . v . D ä n e m a r k , vermählt 2 1 . 1 2 . 1 8 7 8 in Kopenhagen mit Herzog Ernst August v. Cumberland.
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nahm die Unterhaltung mit den anderen Familienmitgliedern auf mich. Beim Speisen im Schloß erschien auch Erzherzog Josef Ferdinand. Nach beliebter Art machte er, der doch selbst einer Emigrantenfamilie entstammte, über das Wirtshaus zum „Weißen Rössel" seine spöttischen Bemerkungen; die Weifen führten bekanntlich ein weißes Roß im Wappen. Ernst August von Cumberland war durch lange Jahre der Mittelpunkt hannöverscher Adelsfamilien, die seinerzeit mit seinem Vater aus der Heimat emigriert waren. Diesen zählte auch ich zu meinen Freunden, darunter den späteren General von Einem 3 1 6 ), der zu meiner Neustädter Zeit Lehrer an einer Parallelklasse war und dem ich später immer wieder begegnete. Sein Oheim General Einem 3 1 7 ), genannt von Rotmaler, war in jenen Jahren preußischer Kriegsminister. Ein berühmter hannoverscher Emigrant war der aus Friesland stammende Historiker Onno Klopp 3 1 8 ), Lehrer des Erzherzogs Franz Ferdinand. Gemeinsam mit Vivenot 3 1 9 ) verfocht Onno Klopp gegen Sybel 3 2 0 ) und Treitschke 3 2 1 ) die großdeutsch-österreichische gegen die kleindeutsch-preußische Geschichtsauffassung. Wie bekannt, hat der jüngere Sohn Cumberlands 3 2 2 ) knapp vor dem Ersten Weltkrieg die Tochter
3 1 6 ) William V. Einem (Graz, 4 . 3 . 1 8 7 1 - 2 1 . 6 . 1 9 4 4 , Dresden-Soschwitz), 1891 als Lt. aus der Milak. zu IR. 14, Glstbslaufbahn, 1 9 0 1 - 1 9 0 5 Taktiklehrer an der Milak., 4 . 4 . 1 9 1 4 Militärattache in Bern, 1 . 8 . 1 9 1 4 Obst. i . G . , 1.2.1918 G M . , 2 . 5 . 1 9 1 8 Kmdt. 20. IBrig., 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 3 1 7 ) Karl Wilhelm v. Einem (Herzberg im Harz, 1 . 1 . 1 8 5 3 - 7 . 4 . 1 9 3 4 , Mühlheim/Ruhr), 1 5 . 8 . 1 9 0 3 - 1 1 . 8 . 1 9 0 9 preuß. Kriegsminister, 12.9.1914-Kriegsende Oberbefehlshaber der 3. Armeein Frankreich. Seine Autobiographie: Erinnerungen eines Soldaten 1853-1933, Leipzig 1938. 3 1 8 ) Onno Klopp (Leer, Ostfriesland, 9 . 1 0 . 1 8 2 2 - 9 . 8 . 1 9 1 3 , Wien), 1846 Dr. phil., ging 1866 mit Kg. Georg nach Österreich, trat 1873 zur katholischen Kirche über, unterrichtete den Sohn des Königs ebenso wie die Söhne Ehg. Karl Ludwigs in Geschichte. War ein Feind des politischen und publizistischen Liberalismus. Vgl. W. Klopp, Onno Klopp, Leben und Wirken, hg. v. F. Schnabel, München 1950. 3 1 9 ) Alfred R. v. Vivenot (Wien, 6 . 8 . 1 8 3 6 - 9 . 7 . 1 8 7 4 , Wien), 1 8 4 8 - 1 8 5 0 Zögling der Genieakademie, 6 . 4 . 1 8 5 3 als Kadett zu K R . 7, 2 6 . 7 . 1 8 5 3 Lt. U R . 10, 1 . 7 . 1 8 5 9 Hptm. IR. 28, Lehrer an der Milak., mehrmals dem KA. und dem Ministerium des Äußeren zwecks historischer Studien dienstzugeteilt, tat sich 1866, seit 1 . 4 . 1 8 6 3 Hptm. IR. 35, im Kleinkrieg in Böhmen als Organisator und Führer eines freiwilligen Jägerkorps hervor. 17. 7.1870 dem Ministerium des Äußeren zugeteilt, Juni 1871 in die Reserve versetzt und ins Ministerium des Äußeren als Legationsrat übernommen. Vertrat in einer Reihe von Werken zur Geschichte des Kampfes Österreichs gegen die Französische Revolution den österreichischen Standpunkt gegenüber der preußischen Geschichtsauffassung. Hauptwerke: Herzog Albrecht v. Sachsen-Teschen als Reichs-Feldmarschall. Ein Beitrag zur Geschichte des Reichsverfalls und des Basler Friedens, 2 Bde., Wien 1 8 6 4 - 1 8 6 6 ; Vertrauliche Briefe des Freiherrn von Thugut, österreichischen Ministers des Äußeren . . ., 2Bde., Wien 1871; Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiserpolitik Österreichs während der französischen Revolutionskriege 1 7 9 0 - 1 8 0 1 , 2Bde., Wien 1873-1874. 3 2 0 ) Heinrich v. Sybel (Düsseldorf, 2 . 1 2 . 1 8 1 7 - 1 . 8.1895, Marburg), 1877 Direktor des preußischen Staatsarchivs; Vertreter des kleindeutschen Standpunktes in der Betrachtung der mittelalterlichen Politik der deutschen Könige. 3 2 1 ) Heinrich v. Treitschke (Dresden, 1 5 . 9 . 1 8 3 4 - 2 8 . 4 . 1 8 9 6 , Berlin), Nationalliberaler Historiker, Vorkämpfer Preußens in Süddeutschland, 1886 Historiograph des preußischen Staates; Hauptwerk: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 5Bde. (1879-1894). 3 " ) Ernst August v. Hannover, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg (Penzing bei Wien, 1 7 . 1 1 . 1 8 8 7 - 3 0 . 1 . 1 9 5 3 , Marienburg bei Nordstemmen), vermählt in Berlin, 2 4 . 5 . 1 9 1 3 mit Viktoria Luise, Prinzessin v. Preußen.
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des deutschen Kaisers 3 2 3 ) geheiratet und die Regierung im angestammten weifischen Braunschweig übernommen. Damit war die Streitaxt zwischen Hohenzollern und Weifen begraben. In der Folge führten uns die Manöver über Kremsmünster in die Waldzone von Sippachszell. Demus war nicht der Mann, in die Übungen besonderen Schwung hineinzubringen. In Lambach waggonierten wir unsere Pferde ein. Gelb fuhr nach Attersee, wo er ein Häuschen sein eigen nannte. Mich nahm der „freiwillige Automobilist" Graf Ceschi a Santa Croce 3 2 4 ), im Zivil Statthaltereirat der Innsbrucker Landesregierung, in seinen Rennwagen. Wir brauchten für die neunzig Kilometer nach Salzburg die damals sehr kurz anmutende Zeit von einer Stunde. Zu Hause fand ich einen Großquart-Prachtband vor, das Erzherzog-KarlWerk 3 2 5 ), das mein späterer Freund Dr. John 3 2 6 ), Direktor des Wiener Heeresmuseums, unter dem Protektorat des Erzherzog Friedrich 3 2 7 ) herausgegeben hatte. Ich hatte - schon während meiner Brigadezeit - für dieses Werk den zweiten Koalitionskrieg - 1 7 9 9 - 1 8 0 1 - geschrieben 328 ). Sehr wertvoll waren die heeresgeschichtlichen Ausführungen von John, Alfred Meli 3 2 9 ) und Kerchnawe 3 3 0 ). Sie gaben ein
3 2 3 ) Viktoria Luise, Hzgin. v. Braunschweig-Lüneburg, (geb. Marmorpalais bei Potsdam, 13.9.1892). 3 2 4 ) Anton Graf Ceschi a Santa Croce (Padua, 2 0 . 3 . 1 8 6 5 - ? ) , Statthaltereirat der Innsbrucker Landesregierung, k . u . k . Kämmerer, 12.8.1914 Rtm. d. Res. bei UR. 4, 1 . 8 . 1 9 1 4 - 1 9 1 6 Platzkmdt. des 3. Armeekmdos. 3 2 5 ) W. John (Hg.), Erzherzog Karl. Der Feldherr und seine Armee, Wien 1913. Mit Beiträgen von O. Criste, M. R. v. Hoen, A. Meli, E. v. Glaise-Horstenau, H. Kerchnawe, J . Hirn, M. Meli, W. John. 3 2 6 ) Wilhelm John (Olmütz, 1 . 5 . 1 8 7 7 - 1 9 . 3 . 1 9 3 4 , Wien), 1901 Dr. phil., 1899-1901 Absolvent des Instituts f. öst. Geschichtsforschung, ab 1.1.1902 eingeteilt beim Heeresmuseum als wiss. Hilfsarbeiter, I . 4 . 1 9 0 3 Artillerieingenieur und Konservator, 1.5.1907 Artillerieobering., 18.3.1909 Direktor, I I . 8.1914 Leiter der Kunstgruppe beim Kriegspressequartier, 24. 3.1917 Direktor des Heeresmuseums, 5.11.1921 Artilleriegeneralingenieur a . D . Zahlreiche Aufsätze in Fachorganen, und: W . E r b e n W. John, Katalog des K . u . k . Heeresmuseums, 4.Aufl. Wien 1903. 3 2 7 ) Erzherzog Friedrich (Seelowitz, Mähren, 4 . 6 . 1 8 5 6 - 3 0 . 1 2 . 1 9 3 6 , Ung. Altenburg), 14.3.1871 Lt. KJ. Rgt., 23.10.1879 Obst. IR. 13, 1.11.1886 F M L . , 24.9.1889 Kmdt. V. Korps und kdi. Gen. in Preßburg, 1.5.1894 FZM., 11.4.1905 Generaltruppeninspektor, 25.6.1907 Kmdt. d. öst. Lw., 14.6.1910 Armeeinspektor, 12.7.1914 zur Disposition des allerhöchsten Oberbefehls, 31.7.1914 Armeeoberkommandant, 8.12.1914 FM., 2.12.1916 Seilvertretender Armeeoberkmdt., 11.2.1917 enthoben, 1.12.1918 versetzt ins Verhältnis „ a . D . " . Vermählt 8.10.1878 auf Schloß Hermitage in Belgien mit Isabella, geb. Przin. v. Croy-Dülmen. Vgl. über ihn Werkverzeichnis Nr. 292. 3 2 e ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 27. 3 2 9 ) Dr. Alfred Meli (Graz, 2. 8 . 1 8 8 0 - 2 2 . 5 . 1 9 6 2 , Wien), 1906-1920 im Heeresgeschichtlichen Museum als Artillerie-Oberingenieur, 18.9.1920 versetzt ins KA., 1.12.1920 pensioniert als Heeresangehöriger, 20.12.1922 Regierungsrat, 30.9.1931 Hofrat, 13. 7.1934 ins Heeresgeschichtliche Museum als Direktor, 1945 Generalkustos, bei Kriegsende enthoben und später pensioniert. Zahlreiche Aufsätze in Fachperiodika, sein Hauptwerk: Die Fahnen der österreichischen Armee im Wandel der Zeiten, Wien 1962 (Österreich-Reihe 174/176); sein Nachlaß im KA., sign. B/408. 3 3 0 ) Hugo Kerchnawe (Klosterneuburg, 1 0 . 2 . 1 8 7 2 - 6 . 6 . 1 9 4 9 , Wien), 1892 als Lt. aus der Techn. Milak. zu Batteriediv. 2, Glstbslaufbahn, 1.5.1902 Hptm. i. G., 1.11.1902 kommandiert ins KA., 1.5.1909 Glstbschef 15. ITD., 1.5.1911 Lehrer für Kriegsgeschichte an der Kriegsschule, 1.11.1911 Obstlt. i . G . , 7.1.1915 Kmdt. des F K R . 16, 1.3.1915 Obst. i . G . , Brigadier, 1.5.1916 Präses der
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ausgezeichnetes kulturgeschichtliches Bild vom österreichischen Heerwesen zwischen 1750 und 1850. Wie bald nachher sollte all dies eine versunkene Welt sein! Die Wiener Staatsdruckerei hatte die Bildausstattung übernommen und übertraf sich mit ihren Reproduktionen selbst. Jeder dieser prachtvollen Drucke hätte hinter Glas und Rahmen Platz gehabt. Gleichzeitig schrieb ich auch im Rahmen einer Reihe volkstümlicher Schriften aus Anlaß der bevorstehenden Jahrhundertfeier von 1813 an einem Büchlein über „ D i e Tage von D r e s d e n " 3 3 1 ) August 1813. Die Bereitschaft zu dieser Arbeit hätte mir beinahe durch mein damaliges Dasein einen höchst unangenehmen Strich gemacht. Plötzlich kam aus dem Direktionsbüro des Generalstabes ein Schreiben, das meine Kommandierung ins Kriegsarchiv für ein Jahr in Aussicht nahm 3 3 2 ). Erzherzog Franz Ferdinand hatte die Verfassung eines Generalstabswerkes über 1813/14 begehrt und dazu verlangt, daß ich einen Band übernehmen sollte. Woinovich und Hoen dachten mir den Feldzug von Dresden zu. So sehr ich das Kriegsarchiv nach wie vor anstrebte, ging mir doch eine solche überraschende Wendung meines Schicksals wider den Strich, und auch Gelb war nicht sehr einverstanden damit. Er verlor mich, ich verlor aber meinen schönen Posten für meine Lebenszeit. Gott sei Dank konnte man sich's „richten". Ich bat im Einverständnis mit Gelb, die Arbeit für das Generalstabswerk neben meinen Brigadediensten leisten zu dürfen. Das Arrangement kam, mit Hilfe von Brosch v. Aarenau, auf dieser Grundlage zustande. N u r Demus, der Divisions-Generalstabschef, hatte aus Angst, die dem Brigadekommando vorgeschriebenen „Eingaben" (periodische Meldungen) könnten nicht mehr rechtzeitig eintreffen, ein Haar in der Suppe gefunden. Er wurde jedoch überstimmt. Der bürokratische Kleinkrieg mit der Division in Linz dauerte fort. Ich trieb ihn mitunter aus Spaß auf die Spitze. Einmal befahl mir Demus die „Refundierung", das heißt Rückzahlung, von 3 Κ 50 für die Kosten eines Mahntelegrammes an mich. Ich wies durch alle Instanzen bis zum Kriegsministerium und zur Fachrechnungsabteilung nach, daß diese Mahnung zu Unrecht an mich ergangen sei und gewann den „ P r o z e ß " . Der Herbst in Salzburg war stets besonders schön. Ich nützte ihn zu weiten Ritten aus, wobei die Begleitung durch die Pferde des beurlaubten Generals meinen König durch den Vorwand zu allzu häufigen Kehrt-Euch-Wendungen nahm. Reiter, die ihn nicht kannten und er nicht kannte, waren freilich trotzdem schon in den ersten Minuten auf dem Boden, und er freute sich dann kindisch. Ich hatte schon Kommission für serbische Archive und Museen, 1 3 . 7 . 1 9 1 6 Glstbschef des Militär-Generalgouvernements Serbien, 1 9 1 8 - 1 9 2 5 Leiter des Rücklieferungsbüros des Militärliquidierungsamtes, 1925 G M . d . R . u. pensioniert, 1 9 2 0 - 1 9 3 8 auch Leiter der Militärwissenschaftl. Sektion des Österr. Offiziersverbandes. Kerchnawe arbeitete vor dem Weltkrieg an den Generalstabswerken, an militärwissenschaftlichen Zeitungen und Zeitschriften sowie an militärgeschichtlichen Sammelwerken mit. Nach dem Weltkrieg trat er in diversen Zeitungen und Zeitschriften - mitunter auch polemisch - für die Ehre der Armee ein. E r war damals vor allem Mitarbeiter der „ W e h r z e i t u n g " und der „Militärwissenschaftlichen Mitteilungen". Ebenso fungierte Kerchnawe als Herausgeber der Schriften Graf Bigot de St. Quentins ( 2 B d e . , Wien 1911). Vgl. Werkverzeichnis N r . 24. 332
) Glaise war nur vom 2 0 . 2 . bis 3 0 . 4 . 1 9 1 2 ins K A . kommandiert.
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als Leutnant auf Leihpferden, vor allem dem Plentzners, die Reitgelegenheiten rund um Salzburg erkundet. Man mußte sie wissen und mit den Bauern auf halbwegs gutem Fuß stehen. Dann ergaben sich auch einige wunderbare Galoppierwege. Man ritt zwei Touren. Die eine führte bei St. Josef in die Heilbrunner Au, durch die längs der Salzach ein schöner Trabweg führte, indes man am Westrand prachtvoll galoppieren konnte. Man kam zwischen Hellbrunn und dem Fluß hindurch, als sich plötzlich der Auwald öffnete und das Wasserschloß Anif mit dem dahinter aufragenden Untersberg einen ergreifend schönen Anblick bot. Nachher galoppierte man von Anif quer über weite Felder zu den seltsam geformten Morzger Hügeln, von denen aus man dann gemächlich den Weg in die Hofstallkaserne oder die Riedenburg fand. Oder: Man ritt über die Stiegelbräuerei an der Rochuskaserne vorüber auf den großen Exerzierplatz, galoppierte dort hübsch einige Male herum, kreuzte dann die Siezenheimer Remisen und die Pulvermagazine, gewann querfeldein die Kirche von Siezenheim, trabte und galoppierte um die Kleßheimer Schloßmauer und auf und längs der Schloßallee, warf beim spitzen Kirchturm von Alt-Maxglan einen Blick zum Friedhof mit seinen Gräbern und kehrte die Maxglaner Hauptstraße heim; die man als Militärzögling unter den „Pülchern" an der Spitze der Rainer-Musik so oft marschiert war. Es gab keinen Stein, kein Haus, das nicht einige Erinnerungsworte zu einem sprach. Es ist etwas Wunderbares um die Bodenständigkeit, ich habe es immer mehr würdigen und schätzen gelernt. Wehe aber, wenn ich nach dem Absitzen meinem König nicht die vorgeschriebenen drei Stück Zucker bot. Dann bohrte er sich mit seinen weichen, warmen N ü stern fast in meine Blusentasche hinein. Wenn ich, was meistens zutraf, ohne Offiziersbegleitung ritt, dann schaltete ich gern eine längere Schrittreprise ein. Ich ließ die Zügel hängen, erlaubte dem Gaul ab und zu, sich am Rande eines Kleefeldes ein Maul voll des saftigen Futters anzueignen und hing meinen Gedanken nach. Zu denken gab es genug. Die Zeiten begannen wieder unruhig zu werden. Die Marokkokrise bedeutete für das deutsch-österreichische Bündnis eine Spannung. Ich erfuhr von ihr aus dem literarischen Kreise Franz Ferdinands und war froh, daß dieser entschiedenst gegen die wankende Bündnispolitik Aehrenthals auftrat. Ich war meinem Denken nach wie früher großösterreichischer Föderalist und frei von allen nationalistischen Regungen. Von den habsburgischen Nationen war ich nur gegen eine harmerfüllt, gegen die Magyaren. Und dies ausschließlich wegen ihrer chauvinistischen Haltung. Wenn ich in Wien in den Kreis Danzers kam, so traf ich dort Kristóffy 3 3 3 ), H o d z a 3 3 4 ) , den späteren tschechoslowakischen Ministerpräsidenten, " 3 ) József Kristóffy de Csejte (Makó, 7 . 9 . 1 8 5 7 - 2 9 . 3 . 1 9 2 8 , Budapest), Komitatsbeamter, 1896 Abgeordneter zum ung. Reichstag der liberalen Partei, 1903 Obergespan des Komitats Szatmár, 1905-1906 Innenminister der Regierung Fejérváry. Propagierte das allgemeine Wahlrecht, das nach seinen Vorschlägen jedoch nicht angenommen wurde. 1911 Reichstagsabgeordneter von Békéscsaba, legte 1913 sein Mandat zurück. Kristóffy gehörte zeitweise dem Beraterkreis Ehg. Franz Ferdinand an, dessen Haltung gegenüber Ungarn Kristóffy nach dem Krieg auch in mehreren Zeitungsartikeln verteidigte. Seine Autobiographie: Magyarország kálváriája, 2Bde., Budapest 1928. « " ) Milan H o d z a (Sucany, Slowakei, 1 . 2 . 1 8 7 8 - 2 7 . 6 . 1 9 4 4 , Clearwater, Florida), 1905-1918 Abgeordneter zum ung. Reichstag, 1918-1938 tschechoslowakischer Parlamentarier u. Mitglied des slowaki-
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Vajda-Voevod 3 3 5 ), Maniu 3 3 6 ), den nichtarischen kroatischen Rechtsparteiler Frank 3 3 7 ). Man konnte wirklich sagen: „In Deinem Lager ist Österreich." Brosch v. Aarenau deutete mir auch manches von dem Thronwechselprogramm an, an welchem er eben damals emsig arbeitete 338 ). Er kam des öfteren nach Salzburg und besuchte Lammasch 339 ), den ich auch kennenlernte. Einmal fand sich in seinem Kreise auch ein verhältnismäßig junger, aber schon stark kahlköpfiger Geistlicher ein, der im Asyl wohnte und auf der theologischen Fakultät über dem Sacellum Moraltheologie tradierte. Er hieß Ignaz Seipel 340 ). Dieser ganze Kreis war föderalistisch und, von Brosch abgesehen, pazifistisch, welch letzteres mir damals schon recht gut gefiel. Nur war es seltsam, als junger Offizier unter solchen Friedensaposteln zu sitzen. Daß ich übrigens nicht vergesse: militaristischer als alle anderen war Carl Maria Danzer, der von einer Kinderlähmung her ein verkrüppeltes Bein hatte! Er klirrte unentwegt mit meinem Säbel. Interessant war es für mich, von Brosch Andeutungen darüber zu erhalten, daß sein hoher Herr wohl auch überzeugter Föderalist sei, aber bei einem Thronwechschen Flügels der tschechoslowakischen Bauernpartei. 1919-1920 und 1926-1927 Minister für Vereinheitlichung, 1925-1926 und 1932-1935 Landwirtschaftsminister, 9 . 1 1 . 1 9 3 5 - 2 2 . 9 . 1 9 3 8 Ministerpräsident. Seine historisch-politischen Erkenntnisse legte er nieder in: Federation in Central Europe, London 1942. 3 3 5 ) Alexander Vajda-Voevod (Olpret, Siebenbürgen, 2 7 . 2 . 1 8 7 3 - 1 9 . 3 . 1 9 5 0 , Bukarest), Mediziner, 1906-1918 als Vertreter der siebenbürgischen Rumänen Abgeordneter in Budapest, 4 . 1 2 . 1 9 1 9 - 2 7 . 3 . 1 9 2 0 , 6 . 6 . 1 9 3 2 - 2 8 . 1 0 . 1 9 3 2 , 1 6 . 1 . 1 9 3 3 - 1 2 . 1 1 . 1 9 3 3 rumän. Ministerpräsident, 2 8 . 9 . 1 9 1 9 - 8 . 1 1 . 1 9 1 9 , 18. 7 . 1 9 3 2 - 1 7 . 1 0 . 1 9 3 2 Außenminister. Vgl. K. Hitchins, The Nationality Problem in Austro-Hungary. The reports of Alexander Vajda to Archduke Francis Ferdinands Chancellery, Leiden 1974 (= Studien zur Geschichte Osteuropas, Bd. XVIII). 3 3 6 ) Juliu Maniu (Simleul-Silvanici, Siebenbürgen, 8 . 1 . 1 8 7 3 - u m 1955, in rumänischer Haft), 1906-1910 Abgeordneter zum ungarischen Reichstag, 1919-1938 rumänischer Abgeordneter, schuf 1926 die Partei der Nationalzaranisten. 1 0 . 1 1 . 1 9 2 8 - 6 . 1 0 . 1 9 3 0 , 1 9 . 1 0 . 1 9 3 2 - 1 2 . 1 . 1 9 3 3 und 23.8. 1944-Sept. 1944 Ministerpräsident. Maniu leitete im 2. Weltkrieg die Opposition gegen Marschall Antonescu. 3 3 7 ) Josip Frank (Esseg, 1 0 . 4 . 1 8 4 4 - 1 7 . 1 2 . 1 9 1 1 , Agram), Jusstudent an der Wiener Universität, dann Advokat in Agram, gab 1877 die „Agramer Post" und nach deren Verbot die „Kroatische Post" heraus, war 1880-1894 in der Agramer Stadtvertretung, seit 1884 Abgeordneter zum kroatischen Landtag, seit 1890 Angehöriger der kroatischen Rechtspartei. 3 3 e ) Es erliegt im Nachlaß Brosch-Aarenau, sign. B/232. Die Erstveröffentlichung (durch Bardolff?) erfolgte im N W J . v. 30.12.1923 u. 1.1.1924. 3 3 9 ) Heinrich Lammasch (Seitenstetten, 21. 5 . 1 8 5 3 - 6 . 1 . 1 9 2 0 , Salzburg), seit 1885 o. Prof. für Strafrecht an der Universität Wien, völkerrechtlicher Berater der öst. Delegation bei der 1. und 2. Haager Friedenskonferenz, Mitglied des Ständigen Schiedsgerichtshofes in Den Haag, 2 5 . 1 0 . - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 öst. Ministerpräsident, Mitglied der öst. Delegation bei den Friedensverhandlungen in Saint Germain. Vgl.: M. L a m m a s c h - H . Speri (Hg.), Heinrich Lammasch, seine Aufzeichnungen, sein Wirken und seine Politik, Wien-Leipzig 1922; St. Verosta, Theorie und Realität von Bündnissen. Heinrich Lammasch, Karl Renner und der Zweibund (1897-1914), Wien 1971. 3 4 0 ) Ignaz Seipel (Wien, 1 9 . 7 . 1 8 7 6 - 1 . 8 . 1 9 3 2 , Pernitz), Dr. theol., Universitätsprofessor, 2 7 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 Minister für soziale Fürsorge, ab 1919 Abgeordneter zum Nationalrat, 1921 Prälat, 1921-1929 Obmann der Christlichsozialen Partei, 31.5.1922-20.11.1924 und 1 0 . 1 0 . 1 9 2 6 - 4 . 5 . 1 9 2 9 Bundeskanzler, 3 0 . 9 . 1 9 3 0 - 4 . 1 2 . 1 9 3 0 Bundesminister für Außeres. Vgl. über ihn: K. Klemperer, Ignaz Seipel, Staatsmann einer Krisenzeit, Graz-Köln-Wien 1976; neuerdings F. Rennhofer, Ignaz Seipel, Mensch und Staatsmann, Wien-Köln-Graz 1978.
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sel nicht mit der Tür ins Haus fallen wolle. Ich habe nach 1918 aus den Händen von D r . Schager 3 4 1 ), dem Vertrauensmann Kaiser Karls, dieses Thronwechselprogramm bekommen. Es befindet sich, wenn es nicht verlorenging, im Wiener Kriegsarchiv. Darnach wollte Franz Ferdinand zunächst auf der dualistischen Grundlage weiterbauen. Doch sollten vor seiner Krönung in Ungarn und Österreich und vor Festlegung auf Krönungseide et cetera gewisse Voraussetzungen für eine Vorwärtsentwicklung geschaffen werden: allgemeines Wahlrecht und entsprechendes Nationalitäten recht in Ungarn, deutsch-tschechischer Ausgleich in Böhmen, Ausbau Bosniens und der Herzegowina in ein wirkliches Reichsland als Vorstufe für eine Weiterentwicklung im Süden im trialistischen Sinne. Bosnien und die Herzegowina hatten eine einzigartige staatsrechtliche Stellung. Es war keine Provinz, aber auch kein Bundesstaat oder dergleichen. Die Bosniaken und die Herzegowzen waren weder in Österreich noch in Ungarn „Staatsbürger", sondern nur „Landesangehörige"; woraus sich allerdings die einfachen „Tschuschen" nicht viel machten. U m dieser Weiterentwicklung Ruhe zu verbürgen, wollte Franz Ferdinand seinen Verzichtseid hinsichtlich der Thronfolge seiner Kinder wiederholen. Er hatte ihn das erste Mal im Jahre 1900 unmittelbar vor seiner Vermählung abgelegt. Carl Franz Josef sollte ausdrücklich Thronfolger werden; die Herzogin Sophie allerdings als „Kaisers- und Königs-Gemahlin" den ersten Rang bei Hof erhalten. Die Entwicklung im Südosten seit der Krise 1908/09 ließ den Erzherzog zunächst trialistische Bildungen zurückstellen. Er besorgte, daß sich eine Vereinigung der Südslawen bei der Turbulenz der Serben am Ende nicht innerhalb der Monarchie, sondern gegen diese vollziehen könnte. Später war er allerdings wieder geneigt, gegenüber dem Thronfolgerprogramm Brosch den rein föderalistischen, großösterreichischen Plänen von Popovici und seinen „Vereinigten Staaten von Österreich" 3 4 2 ) den Vorzug zu geben. Ausgegoren war nichts von alledem, als den Thronfolger der 3 4 1 ) Albin Schager Frh. v. Eckartsau (Mürzzuschlag, 30.10. 1 8 7 7 - 5 . 1 2 . 1 9 4 1 , Wien), 1903 D r . iur., 1.11.1906 Oblt.Auditor, 1 . 5 . 1 9 1 0 Hptm.-Auditor, ab 1909 beim Garnisonsgericht Innsbruck, ab 3 . 1 . 1 9 1 1 im R K M . der A b t . E / G . zugeteilt; als politischer- und Justizreferent ab 2 8 . 7 . 1 9 1 4 beim 6. Armeekmdo., ab 27.12.1914 beim 5. Armeekmdo., ab 2 1 . 5 . 1 9 1 5 bis 1918 beim K m d o . Südwestfront (zugleich Referent für defensiven Kundschaftsdienst), ab 1918 Generaldirektor der habsburg-lothringischen Privatvermögensverwaltung, Vertrauensmann Kaiser Karls und am 1. Restaurationsversuch beteiligt. Führender Funktionär der „Partei der österreichischen Monarchisten", die sich 1924 in eine „Konservative Volkspartei" umwandelte. Damals gab Schager Erklärungen ab, in welchen er für den Anschluß Österreichs an ein Deutsches Reich mit monarchischer Spitze und wieder zu errichtenden Teilfürstentümern eintrat und sich auch für den Rassenantisemitismus aussprach. D i e Partei wurde 1926 aufgelöst. Schager, dessen gesamte Kontakte zum H a u s Habsburg abbrachen, verstrickte sich 1932 in eine Unterschriftenfälschung. 1920 bis 1923 trat er mit legitimistischen und Erinnerungs-Artikeln in „ N e u e Freie Presse", „ N e u e s Wiener J o u r n a l " und „ R e i c h s p o s t " hervor. 3 4 2 ) Aurel Constantin Popovici (Lugosch, Banat, 1 6 . 1 0 . 1 8 6 3 - 9 . 2 . 1 9 1 7 , Genf), Medizinstudent in Graz, seit 1893 als Sprachlehrer in Bukarest, siebenbürgisch-rumänischer Publizist und Politiker, gehörte zufolge seines großösterreichischen Konzepts zum Beraterkreis des Erzherzog-Thronfolgers. Sein Hauptwerk ist: Die Vereinigten Staaten von Großösterreich. Politische Studien zur L ö s u n g der nationalen Fragen und staatsrechtlichen Krisen in Österreich-Ungarn, Leipzig 1906. Vgl. über Popovici: F. Wolf, Aurel Constantin Popovici, in: Österreich in Geschichte und Literatur, J g . 8/1964, 4 7 7 - 4 9 2 ; R. A. Kann, D a s Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie, 2. B d . , Graz-Köln 1964, 201 ff.
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tödliche Schuß Princips traf. Gelb, der Franz Ferdinand sehr gut kannte, hatte in diesen Dingen eine eigene Auffassung. Er sagte immer: „Man darf sich vom Erzherzog nicht allzuviel erwarten, in Wirklichkeit ist er nicht besonders entschlußfreudig, eher schreckt er vor großen Entscheidungen zurück." Und Brosch v. Aarenau sagte in einem Manuskript, das mir vorlag: „ D e r Erzherzog war nicht impulsiv, sondern explosiv" 3 4 3 ). Man vergleiche darüber meine Franz-FerdinandBiographie in Bettelheims „Neuer österreichischer Biographie", 3. Band 3 4 4 ). Auch Freiherr von Eichhoff 3 4 5 ), im Kriege Vertreter Österreichs in unserem Hauptquartier, berichtet, daß sich Franz Ferdinand gegen Ende seines Lebens wieder stark mit rein föderalistischen Plänen abgegeben habe. Das außenpolitische Programm Franz Ferdinands gipfelte in dem sehnsüchtigen Wunsche nach einem Dreikaiserbündnis. Als Oberstleutnant Graf Spannocchi 3 4 6 ), mein späterer ausgezeichneter Mitarbeiter am Generalstabswerk über 1914/18, sich in den Jahren 1911 oder 1912 einmal bei Franz Ferdinand im Belvedere meldete, sagte ihm der Erzherzog fast ungnädig: „Was nützen mir ihre schönsten AttachéBerichte aus Petersburg, wenn sie mir kein Bündnis bringen!" U m auf mich zurückzukommen: ich war also schwarzgelber Föderalist von waschechter Farbe. Daneben machte ich aber eine andere Entwicklung mit, die ich gerade nach allem, was ich seither erlebte, nicht verschweigen darf. Wenn ich die Krisis unserer Bündnispolitik mit Deutschland während der Marokkokrise mit Sorge verfolgte, so sprach nicht bloß die außenpolitische Erwägung mit, daß Deutschland der beste Festlandsdegen war, den Österreich haben konnte; so abgeneigt ich einem Kriege war, so wenig verschloß ich mich der Möglichkeit, daß ein solcher kommen könnte. Und da mochte Österreich eines starken Bundesgenossen 3 4 3 ) Das Zitat findet sich in einer für G d l . Woinovich bestimmten Charakteristik des Thronfolgers als Beilage zu einem Brief vom 1 2 . 1 0 . 1 9 1 3 . Es lautet vollständig: „ D e m E h . wird große Energie nachgesagt und mit R e c h t ; leider wirkt sie eher explosiv wie impulsiv." Vgl. Leopold v. C h l u m e c k y , E r z herzog Franz Ferdinands Wirken und W o l l e n , Berlin 1929, 3 5 6 f . 3 4 4 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 337. 3 4 s ) J o h a n n Andreas Frh. v. E i c h h o f f (Wien, 2 7 . 9 . 1 8 7 1 - 2 2 . 3 . 1 9 6 3 , Wien), 1 . 5 . 1 8 9 5 Eintritt in den Staatsdienst als prov. Konzipist bei der Statthalterei in G r a z , 1897 ins Handelsministerium, 1911 Ministerialrat im Ministerium des Inneren, ab 1. 8 . 1 9 1 4 im Zivilkommrssariatsdienst bei den Armeen im Felde, eingeteilt beim A O K . , ab 2 3 . 1 1 . 1 9 1 8 prov. Dienstleistung im Staatsamt für Äußeres, 1 . 2 . 1 9 1 9 Sektionschef (politische Sektion), Mitglied der Friedensdelegation in St. Germain, 3 0 . 9 . 1919 Bevollmächtigter beim Obersten Rat sowie bei der franz. Regierung, 3 . 9 . 1 9 2 0 a. o. Gesandter und bevollmächtigter Minister in Paris, 3 0 . 6 . 1 9 2 5 pensioniert. E i c h h o f f war ein enger Berater Ehg. Franz Ferdinand bei dessen Verfassungsreformplänen und Mitschöpfer des Oktobermanifests Kaiser Karls. Vgl. dazu Eichhoffs Zeitungsartikel: D i e geplante Gründung der „Vereinigten Staaten von G r o ß ö s t e r r e i c h " . . ., in R P . v. 2 8 . 3 . 1 9 2 6 , 1 - 3 ; Franz Ferdinand, in: N F P . v. 2 9 . 6 . 1 9 3 4 , l f . , D i e Wahrheit über das O k t o b e r m a n i fest, in: N W J . v. 3 1 . 3 . 1 9 3 5 , 5 f . H . Rumpier, Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. O k t o b e r 1918, Wien 1966. 3 4 6 ) Lelio G r a f Spannocchi (Theresienstadt, 3 . 8 . 1 8 6 8 - 7 . 3 . 1 9 4 6 , Wien), 1890 aus der Milak. als L t . zu U R . 7, G l s t b s l a u f t a h n , 2 3 . 9 . 1 9 0 7 Militârattaché in St. Petersburg, 1 . 5 . 1 9 0 8 M j r . und Flügeladjutant Seiner Majestät, 1 . 1 1 . 1 9 1 1 O b s t l t . , 2 6 . 4 . 1 9 1 3 K m d t . U R . 13, 1 . 8 . 1 9 1 4 O b s t . , 1 7 . 7 . 1 9 1 6 K m d t . 21. K B r i g . , 1 . 1 1 . 1 9 1 7 G M . , 4 . 6 . 1 9 1 8 bevollmächtigter G e n . in der Ukraine, 1 . 2 . 1 9 1 9 pensioniert. E r schrieb Artikel in Fachzeitschriften, und: Das E n d e des kaiserlich-russischen Heeres, Wien 1932. F ü r Belange des K A . als Ubersetzer aus dem Russischen tätig.
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bedürfen. Aber dieses innere Bekenntnis zum deutschen Bündnis hatte daneben doch noch ein anderes Fundament. Ich begann mich wieder stärker meiner persönlichen Zugehörigkeit zur deutschen Nation zu besinnen. Wenn ich so auf Spazierritten in die Landschaft hinausblickte und dann geschichtliche und persönliche Beziehungen herstellte, überkam mich das beglückende Gefühl, daß es neben dem schönen großen österreichischen Vaterlande noch ein zweites Vaterland für mich gab: die Einheit der deutschen Nation, der ich mich zugehörig fühlte. Bei den ewigen Drohungen, die man in der Welt gegen Österreich-Ungarn zu hören bekam, das angeblich den Tod des achtzigjährigen Kaisers nicht überdauern werde, überkam mich beim Gedanken an dieses andere Vaterland ein Gefühl der Geborgenheit. Ich scheute mich auch nicht, meinen General zu gewissen Beziehungen mit den deutschnationalen Kreisen Salzburgs zu veranlassen, so mit den beiden deutschfreiheitlichen Abgeordneten Sylvester 347 ) und Stölzel 3 4 8 ), wobei letzterer allerdings der illegitime Sohn eines Rothschild mit einer Kunstreiterin gewesen ist und daher nach dem Umsturz ein richtiger Legitimist wurde, was uns wieder zusammenbrachte. Selbst die Schönerianer erschienen mir, sehr zu Unrecht, nicht mehr gar so schrecklich wie früher. Daß mein Vetter Emil Gussetti im Zuge der Los-vonRom-Bewegung zum Protestantismus übergetreten war, verzieh ich ihm allerdings noch immer nicht. Und es freute mich, als er fast ein Menschenalter später Wert darauf legte, daß mitten in der nationalsozialistischen Zeit sein Töchterlein Ida vom braven Dompfarrer getraut worden war. Im Kerker findet man mehr Zeit zum Nachdenken als anderswo. Während ich diese Dinge niederschreibe, kommt mir der Gedanke, daß dieses österreichertum in seiner Gesamtheit so zwiespältig war, wie ich es damals zu werden begann. Ethnographisch, im Sinne des neunzehnten Jahrhunderts, war der Österreicher, der die Alpenlande und die Ränder der böhmisch-mährischen Lande bewohnte, ein Deutscher. Er hatte bis zum Jahre 1866 zum Deutschen Bund gehört, und seine Herrscher hatten, trotz der reichisch ungünstigen Lage Wiens, durch lange Jahrhunderte die deutsche Kaiserkrone getragen. Daneben gab es aber auch ein geistesgeschichtlich gewordenes österreichertum, das sich als Gralshüter einer wunderbaren übernationalen Idee, eines Uberrestes von dem das Mittelalter beherrschenden Universalismus betrachtete; ihm gehörten auch die Männer des Kreises um Franz Ferdinand an, ein Kristóffy, ein Vajda-Voevod, ein Frank. Diese geistesgeschichtlich gewordene Seele, die vielleicht inhaltsreicher war als die andere, ging im Jahre 1918 verloren. Vergebens versuchte in den folgenden fünfzehn Jahren ein Seipel sie durch eine „Sanierung der Seelen" wieder einzuhauchen. Wieweit sie verloren war, zeigten die folgenden Epochen: das verkrampfte österreichertum des Austrofaschismus, wie es Schuschnigg in seinem „Dreimal Österreich" 3 4 9 ) geistreich zu de3 4 7 ) Dr. Julius Sylvester (Wien, 30. 6.1854-13. 7.1944, Zell am Wallersee), Abgeordneter der Deutschen Volkspartei zum Reichsrat und zur provisorischen Nationalversammlung 1897-1918, 2 1 . 7 . 1 9 1 1 - 3 0 . 5 . 1 9 1 7 Präsident des Abgeordnetenhauses, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 5 . 3 . 1 9 1 9 Staatsnotar. 3 4 a ) Dr. Artur Stölzel (Wien, 1 . 3 . 1 8 6 8 - 1 9 . 3 . 1 9 3 4 , Salzburg), Rechtsanwalt in Maxglan, 1907-1918 Abgeordneter der Deutschen Volkspartei zum Reichsrat und zur provisorischen Nationalversammlung. 3 4 9 ) Dreimal Österreich, Wien 1937.
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finieren versuchte; der Austro-Nationalsozialismus, der - wie ich im Augenblick besorge - seine fürchterlichste Fratze bei dem bevorstehenden Mauthausener Prozeß 3 5 0 ) mit seinen vielen aus Österreich stammenden Angeklagten zeigen wird und auch das pervertierte österreichertum 3 5 1 ) der an sich verständlichen, nachwirkenden KZ-Psychose und ihrer Begleitinstinkte, das im Augenblick meine unglückliche Heimat bedingungslos beherrscht. Keiner hat so sehr wie ich gegen die Zerstörung Österreichs durch Hitler gesprochen, die bis zur Löschung seines heiligen Namens ging. In meiner Kerkerzelle denke ich jetzt manchmal: am Ende hat er mit dieser herostratischen Tat sogar recht gehabt. Finis Austriae? . . . Inzwischen waren in unserem Vaterlande große personelle Wandlungen vor sich gegangen. Franz Ferdinand hatte den Kriegsminister Schönaich wegen seiner ungarnfreundlichen Politik und wegen seiner Nachgiebigkeit gegenüber den - „ D e legationen" genannten - Ausschüssen der beiden Parlamente gestürzt. Das Wort vom „Elenden B r o c k e n " , den allein Schönaich aus der parlamentarischen Kampagne nach Hause gebracht habe, flatterte in der Armee-Zeitung zum ersten Male auf, aber jeder wußte, daß es aus der Küche des Belvedere stammte. An Stelle Schönaichs trat Franz Ferdinands neuester Günstling, der kleine, unscheinbare Perückenmann Auffenberg. Dieser ehrgeizige und gewiß auch hochbegabte Mann hatte alles sehr schlau eingefädelt. Brosch war einige Wochen in seinem Sarajewoer Korpsbereich zur Truppendienstleistung eingerückt. Aus seinem Munde hatte Auffenberg die Gedanken des Erzherzogs erfahren. Wahrscheinlich im Einverständnis mit Brosch sandte er an Franz Ferdinand eine Denkschrift, die sich natürlich weitgehend mit den Ideen des Erzherzogs traf. Das war also der richtige M a n n ! Der Kaiser hatte mit Auffenberg von Haus aus wenig Freude, fügte sich aber den Wünschen seines Neffen, dessen ungestümes Temperament er ebenso fürchtete wie Franz Ferdinand noch immer vor dem Oheim den größten Respekt hatte. Dem Sturze Schönaichs folgte der Conrads und Aehrenthals. Conrad stürzte über einen Konflikt, den er mit dem Außenminister hatte. Franz Ferdinand scheint ihm für den Augenblick wenig nachgetrauert zu haben. Der wankelmütige hohe Herr hatte an seinem Schützling manches auszusetzen. Vor allem fiel ihm Conrads Präventivkriegstreiben auf die Nerven. Conrad hatte bekanntlich schon von seinen
3 5 °) Von einem amerikanischen Militärgericht in Dachau wurde gegen 60 Angeklagte in einem Prozeß gegen Verantwortliche und Personal für das Konzentrationslager Mauthausen verhandelt und dabei am 14.5.1946 58 Todesurteile, darunter eines gegen Gauleiter Eigruber, gefällt. 3 S 1 ) Auf diese Weise identifizierte sich Glaise mit der langjährigen Propagandakampagne radikaler deutschnationaler Kreise, die ein Bekenntnis zu einem unabhängigen und freien österreichischen Staat oder zur österreichischen Nation als „widernatürlich oder pervers" hinzustellen versuchten. Auf diese Weise gedachte man, die politisch Andersdenkenden zunächst zu diffamieren, um sie sodann in Konzentrationslagern zu quälen oder zu liquidieren. Die „KZ-Psychose" oder „KZ-Regierung" sollte „übertriebene" Rachegefühle oder gar die Anrüchigkeit des angeblich dauernden Umganges mit Kriminellen andeuten. Derartige im Manuskript nicht oft anzutreffende Äußerungen Glaises geben seine schwankenden Stimmungen und seine Beeinflussung durch andere Zeugen wieder. Durch verschiedene Männer aus seinem Bekanntenkreis war Glaise über den Charakter der Konzentrationslager informiert - etwa durch Dr. Höttl, der auch als Zeuge im Nürnberger Prozeß diesbezügliche Aussagen machte.
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ersten Manövern, Kärnten 1907 3 5 2 ), in den Kampf gegen Italien marschieren wollen. Er war 1908/09 unbedingt dafür, die serbische Krise mit der Waffe in der Hand zu lösen. Der Tripolisfeldzug machte ihn neuerlich gegen Italien scharf. Das war alles absolut gegen die Neigungen des Thronfolgers, der grundsätzlich - und vielleicht auch aus privaten Gründen, aus Sorge um seine Familie - gegen jegliche kriegerische Verwicklung war. E r war übrigens seit der Erkrankung des Kaisers im Jahre 1908 designierter Armeeoberkommandant 3 5 3 ), also Oberbefehlshaber der Armee im Felde. Aber auch in der rein militärischen Arbeit gab es zwischen Conrad und Franz Ferdinand manchen Gegensatz. Das Manöversystem der völlig „freizügigen Ü b u n g e n " , das Conrad eingeführt hatte, stellte an die Truppen Anforderungen, die - wie schon bemerkt - keineswegs den Beifall des Erzherzogs fanden. Ebenso sah dieser im Generalstabschef auf dem Gebiete der Ausbildung einen gefährlichen Modernisten. Conrad hätte am liebsten mit jedem militärischen Formelkram aufgeräumt und die gesamte Ausbildung ausschließlich auf die Forderungen des Felddienstes gestellt. Franz Ferdinand hielt ein gewisses Maß von Drill für die Disziplin unbedingt nötig, er dachte an die Einführung des von Franz Joseph abgeschafften Griffes „präsentiert" und die Wiedereinführung des weißen Rockes. Schließlich war auch die weltanschauliche Einstellung des Generalstabschefs zum Erzherzog nicht verborgen geblieben. Alles Gründe genug für diesen, dem Scheidenden nicht besonders nachzutrauern. Conrad wurde Armee-Inspektor. Zu seiner Nachfolgeschaft berief Franz Joseph den bisherigen Divisionär in M o star, F M L . Blasius Schemua. Geborener Kärtner, hatte er im Gegensatz zu seinem Bruder, meinem Kommandierenden, einen ganz eigenartigen, ungermanischen, ja nichteuropäischen Typus. Neustädter von Herkunft, war Schemua in jungen Jahren längere Zeit Instruktionsoffizier in Persien gewesen 3 5 4 ). Dort hatte er sich offenbar mit östlichen Religionen beschäftigt, die auf seine ganze Geistesrichtung abfärbten. E r war weitgehend buddhistischen Gedankengängen zugeneigt. Für mich war Schemuas Ernennung insofern bedeutsam, als er das Kriegsarchiv wissen ließ, daß meine Einteilung dahin erst nach einjähriger Generalstabsdienstleistung bei einem Korpskommando in Frage käme. Ich war nicht erfreut, aber auch nicht erschüttert. Wenn schon, dann wollte ich dieses eine Jahr bei dem neu aufgestellten X V I . Korps in Ragusa abdienen. Der wundervolle Süden der dalmatinischen Küste hatte es mir angetan. An Aehrenthals Stelle trat der bisherige Botschafter in Petersburg, Graf Berchtold 3 5 5 ). Wahrscheinlich entsprach auch dies Franz Ferdinands Wunsch, weil damit 3 5 2 ) Conrad hatte in einer Denkschrift vom 6. 4 . 1 9 0 7 mit Nachtrag vom 13. 4 . 1 9 0 7 auf einen Angriff gegen Italien gedrängt und diese Ansicht anläßlich der Manöver in Kärnten in einer Denkschrift vom 4 . 9 . 1 9 0 7 wiederholt. Vgl. Conrad, Dienstzeit, Bd. 2, 63 ff. 3 5 3 ) Daß Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand seit der Annexionskrise 1908 designierter Armeekommandant war, wird in der gesamten Literatur über seine Person festgehalten. Aktenmäßig ist dieser Umstand nicht belegbar. Vgl. R. Kiszling, Erzherzog Franz Ferdinand als Soldat, in: Ö M Z . , Sonderheft 11/1964, 3 4 - 3 7 . 354) Yg] a Arz-Straussenburg, Die österreichische Offiziersmission in Teheran 1 8 7 8 - 1 8 8 1 , in: N W J . , 21. 3 . 1 9 2 5 , 6 f . und B. Schemua, Geschichte der Thätigkeit der österr. Militär-Mission in Persien in den Jahren 1878 bis 1881 (Manuskript, K A . , Nachlaßsammlung, sign. B / 6 4 5 , N r . 1).
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dem Wunsch Wiens nach besseren Beziehungen zur Sängerbrücke Ausdruck gegeben werden konnte. Berchtold ging irgendwie als Karikatur in die Geschichte ein. Aber sein serenissimusartiges Äußeres mit dem frühzeitig aufgetretenen Kahlkopf und den zitternden Händen wurde durch den unerhörten Fleiß und das große Pflichtbewußtsein Berchtolds Lügen gestraft. Kein Minister hinterließ in den Akten des Ballhausplatzes so viel eigenhändig geschriebene Entwürfe wie dieser Hochtory. Es ist fast kein Tag zu entdecken, für den sich nicht Berchtolds Arbeit am Schreibtisch nachweisen läßt. Er nahm die Dinge durchaus ernst. Mich hat er noch ein Jahr vor seinem Tode - Ende der zwanziger Jahre - im Kriegsarchiv besucht, er war ein ruhiger, bescheidener Greis geworden, der seinen Lebensabend zum Teil in Buchlau, zum Teil auf slowakischen Besitzungen verbrachte. Dieser altösterreichische Hochtory war seltsamerweise ungarischer Staatsbürger, weshalb auf den Posten eines gemeinsamen Finanzministers ein Pole, Ritter von Bilinski 356 ), berufen werden mußte. Alles im alten Österreich war staatsrechtlich kompliziert. Im Winter 1911/12 wurden wir - für die Mobilmachungsarbeiten, die jährlich zu erledigen waren - mit einer neuen ,,Kriegs-Ordre-de-Bataille", wie damals noch die Kriegsgliederung hieß, beglückt. Das für uns bedeutsamste darin war, daß das 6. Brigade-Kommando darin nicht mehr vorkam. Es galt für den Kriegsfall als aufgelöst. Seine Truppenverbände traten für diesen Fall in andere Heereskörper ein. Das hatte den Vorteil, daß die Brigade keinen Mobilisierungsplan mehr zu machen brauchte. Irgendwie war es aber doch traurig, daß Gelb und ich nunmehr nur mehr eine Friedensehe fristen sollten. Ich erhielt alsbald die wenig ruhmvolle Mobilisierungsbestimmung: Generalstabsoffizier beim Korpstrainkommando des XIV. Korps. Die Neuerung hatte aber noch weitere Folgen. Unserem Brigadekommando wurden vom Frühjahr 1912 an die Fußtruppen in Oberösterreich und Salzburg unterstellt. Wir mußten unsere Hand aus Tirol zurückziehen, das wir beide so liebten, Gelb und ich. Zudem bereitete sich ein bedeutsamer Garnisonwechsel vor. Unser 4. Kaiserjägerregiment kam aus Bregenz und Nordtirol ins Trentino. Seine bisherigen Garnisonen mit Ausnahme von Hall bei Innsbruck hatten die Rainer zu beziehen, an deren Stelle das südböhmische, im wesentlichen tschechische Regiment König Christian IX. von Dänemark Nr.75 3 5 7 ) nach Salzburg bestimmt war! Auf 35S
) Leopold Graf Berchtold Freiherr von und zu Ungarschitz, Fratting und Pullitz (Wien, 18.4.1863-21.11.1942, Pereszyne bei ö d e n b u r g , Ungarn). Seit 1893 in diplomatischen Diensten, 1906-1911 Botschafter in St. Petersburg, ermöglichte 1908 eine Zusammenkunft Iswolskis und Aehrenthals auf seinem Schloß Buchlau in Mähren. 17.2.1912 K. u. k. Minister des kaiserlichen Hauses und des Äußeren, 13.1.1915 zurückgetreten, 1916 Obersthofmeister, dann Oberstkämmerer Kaiser Karls. Vgl. H . Hantsch, Leopold Graf Berchtold - Grandseigneur und Staatsmann, 2 Bde., Wien-Graz-Köln 1963. 3 " ) Leon v. Bilinski (Zaleszczyky, Galizien, 15.6.1846-14.6.1923, Wien), seit 1867 Beamter der Lemberger Statthalterei, ab 1883 im galizischen Landtag und im Abgeordnetenhaus, 1895-1899 öst. Finanzminister, seit 1900 lebenslängliches Herrenhausmitglied, 1909-1911 öst. Finanzminister, 1912 gemeinsamer Finanzminister, 1915 pensioniert, 1919 von Pilsudski nach Polen berufen, wo er kurze Zeit polnischer Finanzminister war. Seine Autobiographie: Wspomiena i dokumenty, 1. Bd., Warschau 1924, 2. Bd. Warschau 1925. 3S? ) Das böhmische Infanterieregiment N r . 75 wurde mit 1.2.1860 aus Bataillonen der IR. 11, 18 und 21 aufgestellt. Regiments-Inhaber war seit 1888 Christian IX. Kg. v. Dänemark, Ergänzungsbezirk seit
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diese letztere Tatsache sprach Franz Ferdinand Gelb und mich bei Gelegenheit an. Die 75er hatten seinerzeit in Budweis zu des Erzherzogs Brigade gehört. Nachdrücklich meinte er zu mir: „Bei Ihrer Bodenständigkeit in Salzburg müssen Sie schauen, daß meine Böhm' gut aufgenommen werden." Das mit den Böhmen war so ganz einfach nicht. Warum sollte ihnen ausgerechnet das heimische Rainer-Regiment Platz machen ! Dazu die Gefahr einer Tschecheninvasion, die bei dem gleichzeitigen Zuzug böhmischer Köchinnen immerhin bestand. Eben hatte man in der Zeitung gelesen, daß selbst in der Welser Gegend einzelne Bauernhöfe in tschechische Hände übergegangen seien, vom Mühlviertel nördlich der Donau gar nicht zu reden. Natürlich war mir der Wunsch des Erzherzogs Befehl. Ich besuchte den Bürgermeister Max Ott 3 5 8 ) als einen der Führer der Deutschnationalen, graste andere Honoratioren ab und schrieb auch für das von Vater Freisauff geleitete liberale Salzburger Volksblatt einen Artikel 359 ), der den Salzburgern das Erscheinen der 75er, der „traurigen Brüder", wie man sie in ihrer Heimat wegen der wenig dekorativen blauen Aufschläge nannte, etwas schmackhaft zu machen. Die Sache gelang wider Erwarten gut. Die drei Rainer-Bataillone - eins blieb in der Ergänzungsstation - wurden zwar mit ehrlicher Trauer, die auch das Brigadekommando teilte, verabschiedet. Aber die 75er repräsentierten sich bei ihrem Einzug wirklich gut, woran der brave Oberst Teisinger 360 ), der später im Kriege so gefürchtete, aber doch besonders gerechte und unparteiische Auskämmkommissär, keinen geringen Anteil hatte. Das. Offizierskorps des Regiments, das lange Zeit in Prag gelebt hatte, bot sich recht gut; es gab eine ganze Reihe eleganter Offiziersfrauen. Mit den Honoratioren der Stadt brachte Gelb auf meinen Vorschlag die 75er zum ersten Mal im schönen Rahmen des Hotels Europe zusammen, eine Neuerung für die Garnison. Ich schloß einige Freundschaften, so mit dem zur Truppendienstleistung eingerückten Oberstleutnant des Generalstabes Baron Albori 361 ), dem Neffen des beliebten Generals 362 ), mit Hauptmann Stevo Duic 363 ), der sich nach 1918 auf das gefährliche Terrain als Kroatenführer begab und nach Agra1860 Neuhaus (Jindrichuv Hradec). Vgl.: o . V . , Was singen w i r 75er? Mit einem Auszug aus der Regimentsgeschichte, Neuhaus 1912. 3 5 S ) Max Ott (Rienpack, Württemberg, 4 . 1 1 . 1 8 5 5 - 2 3 . 4 . 1 9 4 1 , Salzburg), Kaminkehrer, seit 1883 in Salzburg, seit 1892 im Gemeinderat, 1 9 1 2 - 1 9 1 9 und 1 9 2 7 - 1 9 3 5 Bürgermeister, 1902 Landtagsabgeordneter, 1 9 1 9 - 1 9 2 2 Landeshauptmannstellvertreter. 3 5 9 ) Nicht feststellbar. 3 6 0 ) Josef Teisinger v. Tüllenburg (Karolinenthal bei Prag, 2 . 2 . 1 8 5 6 - 1 . 2 . 1 9 2 0 , Wien), 1877 als Lt. aus der Milak. zu IR. 35, 1 . 5 . 1 9 0 0 Mjr. IR. 25, 1 . 5 . 1 9 0 8 Obst., IR. 30, 2 8 . 1 . 1 9 1 0 Kmdt. IR. 75, I . 1 1 . 1 9 1 2 Kmdt. 48. IBrig., 1 . 5 . 1 9 1 3 G M . , 5 . 6 . 1 9 1 4 mit Wartegebühr beurlaubt, während des Krieges sodann Präses der Musterungskommission Wien, 6 . 1 1 . 1 9 1 5 F M L . , 1 . 1 . 1 9 1 9 Ruhestand. 3 6 1 ) Eduard Frh. v. Albori (Triest, 23. 7 . 1 8 7 1 - 1 7 . 8 . 1 9 4 6 , Salzburg), 1891 aus der Milak. als Lt. zu IR. 87, Glstbslaufbahn, 1 9 0 7 - 1 9 1 0 Flügeladjutant des Armeeinspektors FZM. Frh. v. Albori, 1 . 5 . 1 9 1 0 Glstbschef 5. ITD., 1 . 1 1 . 1 9 1 1 Obstlt. i . G . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Obst. i . G . , 1 2 . 4 . 1 9 1 5 Kmdt. IR. 59, 1 . 5 . 1 9 1 6 enthoben, 2 3 . 9 . 1 9 1 6 Kmdt. 5.IBrig., 1 . 2 . 1 9 1 8 G M . , 1 . 3 . 1 9 1 8 Vorstand der Präsidialgruppe beim Heeresgruppenkmdo. Boroevic, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 3 6 2 ) Eugen Frh. v. Albori (Cattaro, 2 7 . 9 . 1 8 3 8 - 4 . 9 . 1 9 1 5 , Wien), 1 . 9 . 1 8 5 7 als Lt. aus der Milak. zum Tiroler Jägerregiment, 1 . 1 1 . 1 8 8 4 G M . u. Kmdt. 72. IBrig., 4 . 1 2 . 1 8 9 3 Stellvertreter des Kmdt. II. Korps, 1 4 . 9 . 1 8 9 4 Kmdt. I . K o r p s und kdi. Gen. in Krakau, 2 5 . 1 0 . 1 8 9 7 FZM. u. Kmdt. X V . Korps
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mer Gerüchten später in Karlsbad das Opfer eines serbischen Fememordes geworden sein soll; mit dem jungen Neustädter Burda 3 6 4 ), den ich zuletzt 1944 in Belgrad als Luftwaffenobersten treffen sollte, und anderen mehr. Viele von ihnen sind am 18. November 1914 bei Olkusz in Polen nach einem furchtbaren Russenüberfall wie vom Erdboden verschwunden. Auch die Mannschaft des Regiments hat sich ausgezeichnet benommen. Die guten Böhmen Franz Ferdinands hielten sich doch weniger an die mitgekommenen böhmischen Köchinnen als an die durchaus eingeborenen drallen Kinder des Landes. Zu irgendeinem Zwist nationalen Ursprungs kam es in keinem Fall. Auch in den ersten Kriegsjahren stellten die 75er, durchaus brave Bauern aus der Neuhauser Gegend, völlig ihren Mann. Erst im Sommer 1917 bei Zborów 3 6 5 ) begann es zu „hapern", wie man gut österreichisch sagen würde. Der größte Teil der aktiven Offiziere und die ganze alte Mannschaft war tot oder verwundet aus den Reihen geschieden. Franz Ferdinand sagte mir bei nächster Gelegenheit mit einer ihm nach Bedarf eigenen Liebenswürdigkeit: ,,Die Einführung der 75er haben Sie gut gemacht." Diese Monate brachten auch zwei bedeutsame persönliche Veränderungen im Bereich des Innsbrucker Korps. Eines Tages brachte das Verordnungsblatt die überraschende Mitteilung, daß Erzherzog Eugen aus Gesundheitsrücksichten seiner Posten enthoben sei 3 6 6 ). Ich habe es seither immer wieder versäumt, den hohen Herrn um die näheren Ursachen der so auffallenden Maßnahme von damals zu befragen, glaube mich aber nicht zu irren, wenn ich sie einem zwischen ihm und seinem Vetter Franz Ferdinand aufgebrochenen Gegensatz zuschreibe. Franz Ferdinand mimte gerne den Mann, dem an Volkstümlichkeit nicht viel lag: ja er kokettierte sogar ab u. C h e f der bosnisch-herzegowinischen Landesregierung, 2 5 . 6 . 1 9 0 7 Armeeinspektor, 16. 4 . 1 9 1 0 enthoben, 1913 pensioniert. 3 6 3 ) Stevo D u i c ( O t o c a c , Kroatien, 1 7 . 1 2 . 1 8 7 7 - 2 8 . 9 . 1 9 3 4 , Karlsbad), 1896 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus I K S c h . Karlstadt zu I R . 75, 1 . 1 1 . 1 8 9 7 L t . , Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 M j r . i . G . u. Glstbschef 6. I T D . , II. 1915 erkrankt, 1 . 5 . 1 9 1 6 O b s t l t . i . G . , V I . 1916 K m d t . der Sturmgruppe der l l . I B r i g . (Angriff auf M o n t e Meletta), V I I . 1916 Glstbschef 42. I D . , X I I . 1917 enthoben, II. 1918 K m d t . O r i e n t k o r p s , 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert, sodann kroatischer Exilpolitiker in Wien und Legitimist. 3 6 4 ) Franz Burda (Esseg, 1 3 . 1 0 . 1 8 8 7 - 2 8 . 3 . 1 9 5 5 , Wien), 1908 aus der Milak. als Lt. zu I R . 75, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 6 H p t m . i . G . , 2 3 . 4 . 1 9 1 8 eingeteilt in der Quartiermeisterabt. des A O K . , Übernahme in die Volkswehr und ins Bundesheer, 1 . 1 . 1 9 2 1 M j r . , 1 . 1 2 . 1 9 2 2 pensioniert, sodann D i rektor der landwirtschaftlichen Arbeiterkrankenkasse, 1935 Regierungsrat, 1 9 4 1 - 1 9 4 5 Dienst in der Deutschen W e h r m a c h t , 1945 O b s t l t . im Luftgaukmdo X V I I , 1 9 4 6 - 1 9 5 2 Generalsekretär der österreichischen Volkspartei. 3 6 5 ) Im Rahmen der am 29. J u n i 1917 beginnenden Kerenski-Offensive setzte die russische Heeresleitung an der Nahtstelle der k . u . k . 2. Armee zur D t . Südarmee bei Z b o r ó w am 1. und 2. Juli 1917 eine aus tschechischen Kriegsgefangenen und Uberläufern gebildete Schützenbrigade ein. Diese hatte gegenüber den k . u . k . böhmischen Infanterieregimentern N r . 35 und N r . 75 örtlich begrenzte Erfolge zu verzeichnen. D e r Angriff hatte eher innen- und vor allem außenpolitische Folgen und galt später als „ G e burtstag der tschechoslowakischen A r m e e " . Abgesehen von geringen russischen Geländegewinnen konnten die russischen Angriffe von den k . u . k . , den deutschen und türkischen Truppen bis 1 1 . J u l i abgewehrt werden. Vgl. auch Werkverzeichnis N r . 182. 3 6 6 ) Laut ah. Handschreiben v. 29. 6 . 1 9 1 2 , Personalverordnungsblatt N r . 24 v. 8. 7 . 1 9 1 2 wurde E h . Eugen der aus Gesundheitsrücksichten erbetene einjährige Urlaub gewährt.
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und zu mit einer gewissen Unpopularität, die er sich zuschrieb. In Wirklichkeit sah er es aber sicherlich doch nicht gerne, wenn ein anderer Prinz so beliebt war wie der Erzherzog Eugen, der sich zum Beispiel in den Straßen Wiens nicht zeigen konnte, ohne daß ihm sofort eine Polonaise bewundernder Spaziergänger wie auf Kommando folgte - was er stets mit einem gütigen Lächeln quittierte. Da mag leicht irgendein Grund hingereicht haben, Eugen zum Rücktritt zu veranlassen. Auch der Kommandierende in Innsbruck, General Schemua, trat in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde FML. Viktor Dankl 3 6 7 ), bisher Divisionär in Agram. Er war ein kleiner cholerischer Mann, der dank seinem Kropf leicht in unerhörten Zorn geriet und dann zu platzen drohte. Wir werden ihm in diesen Blättern noch öfter begegnen. Vorderhand genügt es zu bemerken, daß die erste Inspizierung auf dem Salzburger Exerzierplatz gut ausfiel, weil die Infanteristen, wenn sie in der Schützenkette einen Sprung vorwärts zu üben hatten, möglichst gekrümmt einherliefen. Das war nämlich Dankls Herzensforderung, die natürlich gleich in den ersten Tagen seiner Anwesenheit in Innsbruck an alle Truppen des Korps bekanntgegeben wurde. Damals war es auch, daß ich als Begleiter des die ausgerückten Truppen befehligenden Generals Gelb an einem Kondukt für einen verstorbenen General beritten teilzunehmen hatte. Der Sarg barg die Leiche eines Generals Schuschnigg 368 ). Neben seinem Sohne 3 6 9 ), einem Landwehrstabsoffizier, schritt ein schmächtiges Bürschlein von fünfzehn Jahren, der spätere Bundeskanzler. Ich hatte mir wegen der Salve und sonstigen Unebenheiten ein Pferd von der Artillerie ausgeliehen; ich wollte es doch nicht riskieren, daß „König" und ich den Leichenzug umwarfen. Alles ging gut. Auch bei der Salve, die neben dem Künstlerhaus abgegeben wurde, stand der Gaul wie eine Mauer. Im Frühjahr feierte ich, als mein General das Feldjägerbataillon Nr. 4 inspizierte, ein Wiedersehen mit dessen Garnison Braunau, meinem Geburtsort. Daß dieser, abgesehen von dem durch Napoleon erschossenen Buchhändler Palm 3 7 0 ), auch sonst historische Bedeutung erlangen werde, konnte noch niemand ahnen. Ein zweites Jägerbataillon, das uns unterstand, war das 30. in Steyr. Ich sollte es zu Be3 6 7 ) Viktor Dankl v. Krasnik (Udine, 1 8 . 9 . 1 8 5 4 - 8 . 1 . 1 9 4 1 , Innsbruck), 1 . 9 . 1 8 7 4 aus der Milak. als Lt. zu D R . 3, Glstbslaufbahn, 1 8 9 9 - 1 9 0 3 Chef des Direktionsbüros des Glstbs., 1 . 5 . 1 9 0 3 G M . , 2 7 . 5 . 1 9 0 5 Kmdt. 16. IBrig., 2 1 . 7 . 1 9 0 7 Kmdt. 36. ITD., 1 . 1 1 . 1 9 0 7 F M L . , 7 . 2 . 1 9 1 2 Kmdt. XIV. Korps, 1 . 1 1 . 1 9 1 2 GdK., 30. 7 . 1 9 1 4 Kmdt. 1. Armee, 23. 5 . 1 9 1 5 Landesverteidigungskmdt. v. Tirol, 1 3 . 3 . 1 9 1 6 Kmdt. 11. Armee, 1 . 5 . 1 9 1 6 G O . , 1 7 . 6 . 1 9 1 6 enthoben, 2 1 . 1 . 1 9 1 7 Kmdt. 1. ArcierenLeibgarde, 1 0 . 2 . 1 9 1 7 Obst, sämtlicher Leibgarden, 1 . 1 2 . 1 9 1 8 pensioniert; in der Zwischenkriegszeit führende Tätigkeit in der legitimistischen Bewegung. Sein Nachlaß: sign. B/3. 3 6 8 ) Alois Edler v. Schuschnigg (Klagenfurt, 1 5 . 1 . 1 8 3 3 - 4 . 7 . 1 9 1 1 , Klagenfurt), 2 . 5 . 1 8 4 9 als E x propriis-Gemeiner zu IR. 38, 1 . 8 . 1 8 5 4 L t . , 1 . 5 . 1 8 8 9 Mjr. beim Landesgendarmeriekmdo. 5, 1 . 5 . 1 8 9 6 Obst., 2 . 4 . 1 8 9 8 Adelsstand, 1 . 5 . 1 9 0 1 als GM. ad honores pensioniert. 3 6 9 ) Artur Edler v. Schuschnigg (Kufstein, 1 4 . 1 . 1 8 6 5 - 2 0 . 1 0 . 1 9 3 8 , Wien), 1885 aus der Milak. als Lt. zu F J B . 9, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Obst. u. Kmdt. LstlR. 26, 2 8 . 8 . 1 9 1 7 Kmdt. 87. SchBrig., 3 1 . 1 0 . 1 9 1 8 pensioniert, 1 7 . 3 . 1 9 2 2 Titular-GM., 1 4 . 1 . 1 9 3 8 Titular-FML. 3 7 ° ) Johann Philipp Palm (Schorndorf, Württemberg, 1 8 . 1 2 . 1 7 6 6 - 2 6 . 8 . 1 8 0 6 , Braunau), Buchhändler; wegen einer anonymen gegen Napoleon gerichteten Flugschrift in Braunau interniert und dort erschossen.
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ginn des Krieges in Ostgalizien wiedersehen. Natürlich hielten wir uns mehrere Tage in Linz bei den 14ern und den Pionieren auf. Regimentskommandant war Oberst v. Hinke 3 7 1 ), ein etwas mürrischer Mensch, der eine unglückliche Ehegeschichte hinter sich hatte - seines Zeichens Artillerist und berühmter Distanzreiter, Distanzritt Berlin-Wien, Mitte der neunziger Jahre. Wir verstanden uns mit der Zeit recht gut. Linz war noch das typische Landstädtchen der Vornazizeit. Es war wesentlich größer als Salzburg, aber doch kleinstädtischer. Das Leben spielte sich in der Hauptsache auf der „Landstraße", der Hauptverkehrsader, ab, die vom Bahnhof zur Donaubriicke hinabführte. Gelb und ich wohnten in einem kleinen Hotel in der Nähe des Bahnhofes, der damals auch noch sehr einfach war und durch das schmächtige Gebäude der Staatsbahndirektion in den Schatten gestellt wurde. Am Sonntag und an Markttagen ging es in Linz hoch her. Da kamen die wohlhabenden Bauern und Bäuerinnen vom Lande herein, erwarben Geld und gaben es aus. Am jenseitigen Donauufer erhebt sich der Pöstlingberg mit der schönen Wallfahrtskirche und einem herrlichen Ausblick über das oberösterreichische Land. Linz selbst wird durch den Schloßberg gekrönt, wo sich auch die Offiziersmesse der 14er befand. Ich traf natürlich zahlreiche alte Bekannte. Das höchste Kommando in Linz war das 3. Divisionskommando, dessen Büro sich in der Nähe des vom berühmten Bischof Rudigier 372 ) erbauten Mariendomes befand. Im Mai begab ich mich auf ein paar Wochen nach Wien, um dort etwas Aktenstudium über 1813 zu betreiben. Es war mir eine recht angenehme Abwechslung, die schöne, lebenslustige Stadt einmal als völliger Junggeselle, unbeschwert durch jeden Haushalt, zu genießen. Ich verlebte auch die erste Juniwoche, die berühmte „Armeewoche" des großen Armeepreisreitens. Was war das für ein Betrieb! Die ganze Reiterei zwischen Bodensee und Kronstadt gab sich in dieser Woche Rendezvous im Schatten des Stephansdomes. Hunderte von alten Kameraden konnte man auf dem Rennplatz oder abends beim Bummel über Kärntner Straße und Ring begrüßen. Die Praterrestaurants waren bis spät in die Nacht überfüllt. Auch schöne, elegante Frauen bekam man in reichster Auswahl zu sehen, und manche unter ihnen war gegen liebesbedürftige Reitersleute aus Galizien oder der Theißebene nicht unbedingt spröde. Jeder kam auf seine Kosten. Auf dem Rennplatz erschien früher auch regelmäßig der Kaiser für kurze Augenblicke. Jetzt sah man immerhin fast alle Prinzen von Geblüt und alles, was Rang und Namen hatte, auf der Tribüne. Im Jahre 1914 fand diese Veranstaltung zum letzten Male statt. Franz Ferdinand war noch da und Oberst Dr. Bardolff 3 7 3 ), der 3 7 1 ) Alfred Edler v. Hinke (Triest, 2 8 . 1 0 . 1 8 6 4 - 4 . 5.1925, Graz), 1884 aus Techn. Milak. als Lt. zu F A R . 2, Glstbslaufbahn, 1.11.1908 Obst, im IR. 3, 3 0 . 1 0 . 1 9 0 9 Kmdt. IR. 14, 10.4.1913 Kmdt. 55. IBrig., 1.11.1913 G M . , 2 9 . 1 1 . 1 9 1 4 Kmdt. 28. I T D . , dann 12. I T D . , 1 . 5 . 1 9 1 6 F M L . , 19.6.1917 zur Sachverständigenkommission für kriegswissenschaftliche Fragen im KM. 3 7 2 ) Franz Josef Rudigier (Partenen, Vorarlberg, 6 . 4 . 1 8 1 1 - 2 9 . 1 1 . 1 8 8 4 , Linz), 1845 Direktor des Frintaneums, 1853 Bischof von Linz. 1869 in scharfem Konflikt mit dem Staat, Initiator des Baues des Linzer Domes. 3 7 3 ) Dr. Karl Frh. v. Bardolff (Graz, 3 . 9 . 1 8 6 5 - 1 7 . 5 . 1 9 5 3 , Graz), 1.10.1884 als EF. zu IR. 4, 1 . 3 . 1 8 8 9 aktiver Lt. IR. 27, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 3 - 3 0 . 1 0 . 1 9 0 6 Lehrer der Strategie an der Kriegsschule, 1 . 5 . 1 9 0 4 Mjr. i . G . , 1 . 5 . 1 9 0 8 Obstlt., 5 . 7 . 1 9 1 1 Obst., 1.12.1911 Flügeladjutant und Vorstand
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1911 Brosch als Flügeladjutant und Chef der Militärkanzlei des Erzherzogs abgelöst hatte. Bezeichnend für die Verhältnisse in der obersten Staats- und Armeeführung war es, daß der alte Kaiser den Oberstleutnant v. Brosch bei der Abschiedsaudienz mit den Worten apostrophierte: „Also, Sie haben jetzt sechs Jahre lang gegen mich gearbeitet." Brosch erhielt noch als Oberstleutnant - eine ganz seltene Ausnahme ein Regiment, und zwar das 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger in Bozen. Er heiratete eine Dame 3 7 4 ), mit der er seit vielen Jahren in Beziehung gestanden hatte. Das Offizierskorps des Regiments machte anfänglich Miene, die neue Oberstenfrau abzulehnen. Da erschien Franz Ferdinand samt Gemahlin in Bozen und machte mit ihr dem Ehepaar Brosch einen Besuch. Damit war natürlich das Eis gebrochen. Bardolff sprach lange mit mir, wobei er sein Erstaunen nicht verbergen konnte, daß ich mich für immer einer so minderen Unternehmung wie dem Kriegsarchiv verschrieben hatte. Als ich damals im Mai 1912 zum Aktenstudium in Wien weilte, wohnte ich in der Dienstbehausung des Arcierengarderittmeisters Grafen Blankenstein 375 ), der noch aus der Zeit, da er dem Hofstaate Ludwig Viktors angehörte, seinen ständigen Wohnsitz in Salzburg hatte. Diese Gardisten, die mit ihren weißen Helmbüschen und ihren hohen Stiefeln zu jeder Mittagsstunde gravitätisch durch die Straßen Wiens schritten und vor allem im Vorzimmer des Kaisers Dienst machten, waren nichts weniger als standesgemäß untergebracht. Zwei ganz niedere Kammern, allerdings mit dem Blick in den Belvederegarten, mußten den primitivsten Bedürfnissen gerade zur Not genügen. Ähnlich war es in der Hofburg und in Schönbrunn um die Unterkünfte der Hofchargen bestellt. Nur die Höchsten hatten elegante Appartements. Zum Beispiel der Generaladjutant Graf Paar 3 7 6 ), der im obersten Stock der Burg über der Hauptwache des Burghofes wohnte. Der Sommer und der Herbst waren mit Manövern und Reisen so reich angefüllt, daß ich sie in meinem schwindenden Gedächtnis kaum ordnungsgemäß unterzubringen vermag. Die Brigade- und Divisionsübungen fanden in Oberösterreich der Militärkanzlei Ehg. Franz Ferdinands, 3 . 8 . 1 9 1 4 Kmdt. 29. IBrig., 2 7 . 9 . 1 9 1 4 Glstbschef 2. Armee, 4 . 3 . 1 9 1 8 F M L . , 9 . 3 . 1 9 1 8 Kmdt. 60. I D . , 3 . 9 . 1 9 1 8 Sektionschef im K M . , später in der Privatwirtschaft, Präsident des Deutschen Klubs, höherer SA-Führer. Seine Autobiographie bis 1918: Soldat im alten Österreich. Erinnerungen aus meinem Leben. Jena 1938. Der zweite ungedruckte Teil seiner Erinnerungen, der bis in die Zeit nach 1945 reicht, erliegt unter seinen hinterlassenen Papieren im K A . , sign. B / 2 0 7 . 3 7 4 ) Natalie Brosch v. Aarenau (gest. Vorau 1.8.1972). 3 7 5 ) Heinrich Graf Blankenstein (Wischau, Mähren, 1 3 . 2 . 1 8 6 6 - 1 6 . 9 . 1 9 3 3 , Salzburg), 1883 als Truppeneleve zu U R . 4, 1 . 1 1 . 1 8 8 6 Lt. im D R . 9, 1 . 9 . 1 9 0 7 Garderittmeister der 1. Arcierenleibgarde, 2 8 . 1 2 . 1 9 1 3 Gardemajor, 1 . 9 . 1 9 1 4 Delegierter des Generalinspektors der Freiwilligen Sanitätspflege, 3 . 1 1 . 1 9 1 5 Erster Delegierter des Roten Kreuzes in Bulgarien. 3 7 6 ) Eduard Reichsgraf v. Paar (Wien, 5 . 1 2 . 1 8 3 7 - 1 . 2 . 1 9 1 9 , Wien), 1857 als Lt. aus der Milak. zu U R . 1, ab 1 6 . 8 . 1 8 6 6 Mjr. bei K R . 11 und kaiserl. Flügeladjutant, 3 0 . 3 . 1 8 7 9 Kmdt. 4. KBrig., 1 . 1 1 . 1 8 8 4 F M L . , 7 . 4 . 1 8 8 7 Generaladjutant Seiner Majestät, 2 9 . 2 . 1 9 1 6 Generaloberst, 1 0 . 1 . 1 9 1 7 in Disponibilität versetzt, 1 . 1 2 . 1 9 1 8 pensioniert. Paar hatte bei Kaiser Franz Joseph I. eine ausgesprochene Vertrauensstellung inne und gehörte bis zu dessen Tode zu seinem engsten Beraterkreis in Militärangelegenheiten. Vgl. G. v. Lengenfeld, Des Kaisers Generaladjutanten, in: N W J . , 7 . 1 0 . 1 9 2 8 , lOf. und die Werke von Paars Flügeladjutanten Albert Frh. v. Margutti (siehe diesen).
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statt. Mit unserer Bodenständigkeit im heiligen Land Tirol war es vorüber. Gelb für seine Person hatte allerdings das Glück, zu einem Festungsmanöver in den Judikarien herangezogen zu werden. Ich durfte leider nicht mit, sondern mußte an der Seite Hinkes die ersten Brigadeübungen südöstlich von Wels leiten, sie waren für die Truppe durchaus instruktiv. Im Gegensatz zu dieser Tatsache empfing ich bei der Fortsetzung der Übungen nordwestlich von Wels vom Divisionär Erzherzog Josef Ferdinand eine ziemlich große Nase, weil ich das Divisionskommando auf den Verlauf der Übungen nicht genügend vorbereitet hatte. Der Unmut des Erzherzogs schwand jedoch wieder, als er beim Galoppieren seinem braven, im Sattel aber nicht sehr geübten Stabsarzt sichtliche Ungelegenheiten bereiten konnte. Die Schlußübung machten Gelb und ich an der Spitze der Ostpartei mit. Ich schwitzte zu Anfang Blut - wieder wegen der verfluchten Orientierung nach der Karte, wo es bei mir immer haperte. Es ging aber alles gut aus, unser Gegenstoß traf den Feind an der empfindlichsten Stelle. Mit den oberösterreichischen Manövern war mein Leben als friedlicher Krieger keineswegs zu Ende. Ich war für die bevorstehenden Kaisermanöver bei Mezöhegyes in Südungarn als Berichterstatter zum Temesvárer VII. Korps eingeteilt 377 ) und hatte es eilig, mit Gottfried und meinem Gaul die weite Reise von Salzburg anzutreten. Unser Korps gehörte zur Nordpartei, die General Schoedler 3 7 8 ) führte. Die Südpartei stand unter dem Kommando des G . d. I. v. Kövess 3 7 9 ), Kommandierenden des Hermannstädter XII. Korps. Die Kaisermanöver wurden seit Menschengedenken nach einem gewissen Komment arrangiert. Die stärkere Partei wurde immer in wçit getrennten Gruppen angesetzt und bot so dem schwächeren Feinde Gelegenheit, eine dieser Gruppen zu schlagen. Am nächsten Tage fand dann die Vereinigung auf der Walstatt statt, und der Stärkere konnte seine Überlegenheit dem Schwächeren zeigen. Meine Eintreffstation war, wenn ich nicht irre, Orosháza, ein riesiges Bauerndorf, wie man es nur in der ungarischen Tiefebene vorfinden kann. Die Straßen laufen in einem reichen Netze senkrecht zueinander wie in N e w York, ihre Pflege wird, nachdem sie angelegt sind, dem lieben Gott und den fahrenden Bauernwagen überlassen. Fußpfade gibt es zu beiden Seiten, aber man erlebt bei schlechtem Wetter in dem stark lehmigen Boden wenig Freude. Ein paar gemauerte Parterre- und ausnahmsweise Stockhäuser zieren rund um die Kirche den Ringplatz. Sonst ist al) Glaise-Horstenau war vom 6. bis 12.9.1912 als Berichterstatter eingeteilt. ) Franz Schoedler (Wien, 1 0 . 1 . 1 8 5 1 - 2 3 . 5 . 1 9 2 8 , Wien), 1871 als Lt. aus der Milak. zu IR. 14, Glstbslaufbahn, 18.3.1909 Kmdt. XI. Korps und kdi. Gen. in Lemberg, 1.5.1910 G d L , 27.10.1911 Armeeinspektor, 2.5.1914 mit Wartegebühr beurlaubt, 1.1.1919 pensioniert. 3 7 9 ) Hermann Baron Kövess v. Kovessháza (Temesvár, 3 0 . 3 . 1 8 5 4 - 2 2 . 9 . 1 9 2 4 , Wien), 1872 als Lt. aus der Techn. Milak. zu Geniergt. 2, Glstbslaufbahn, Brigadier, Divisionär, 24.6.1911 Kmdt. XII. Korps u. kdi. Gen. in Hermannstadt, 1.11.1911 G d L , 20.9.1915 Kmdt. 3. Armee (Feldzug gegen Serbien), 26.2.1916 G O . , 15.10.1916 Kmdt. 7. Armee, 5.8.1917 F M . , 1 5 . 1 . 1 9 1 8 - 5 . 4 . 1 9 1 8 Heeresfrontkmdt., 4.10.1918 Heeresgruppenkmdt., 3.11.1918 Armeeoberkmdt. (bis zur Beendigung der Liquidierung des A O K . mit 19.12.1918). Vgl. E. Steinitz, Hermann Baron Kövess v. Kovessháza, in: Neue österreichische Biographie ab 1815, Bd. II., Wien 1925, 138-146. 377
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les Lehm und Fachwerk. Die Häuser stehen durchaus mit der Schmalseite an der Straße, sind in dem tiefen H o f von einer langen, recht netten Laube begleitet. In einem dieser Häuser wohnte ich mit Gottfried Schafferer und dem wilden Rosse. Mein Fußboden war natürlich hartgeklopfter Lehm. Das VII. Korpskommando, bei dem ich mich zu melden hatte, führte Otto v. Meixner 3 8 0 ), einer der Zwillingsbrüder - der zweite hieß H u g o 3 8 1 ) - die nach dem Kriege im kleinen Österreich in den Offiziersorganisationen eine gewisse Rolle spielten. Sie waren, wie bemerkt, Zwillinge und sahen einander auch sehr ähnlich. Trotzdem stand in der Qualifikationsliste bei dem einen der 1., bei dem anderen der 2. Februar desselben Jahres als Geburtstag. Das Kommando gefiel mir nicht sehr gut. Es fehlte ganz offenbar am Schwung. Der Generalstabschef Oberst Josef v. Schilhawsky 382 ) war ein feiner Mann, doch mit geringer Individualität. Ich kannte ihn von der Familie her. Die Familie Schilhawskys zählte nämlich zu meinem besonderen Freundeskreis in Salzburg. Als ich 1903 nach Salzburg kam, thronte noch der alte Feldzeugmeister 383 ) über seiner aus Frau, vier Töchtern und drei hochgewachsenen Söhnen bestehenden Familie 3 8 4 ). Er erlag bald einem Schlaganfall. Von den Söhnen war der jüngste, Sigismund, genannt Zsiga, zwei Jahre vor mir in Neustadt gewesen. Alle waren oder wurden im Laufe der Zeit Generalstäbler 385 ). Von den Töchtern verbanden mich zu Bella und Gina freundschaftliche Beziehungen. Die Familie hatte zuerst in der Griesberger Villa am 3 e o ) Otto Meixner (Lobzów bei Krakau, 2 . 2 . 1 8 5 8 - 1 0 . 10.1946, Mondsee), 1878 aus der Milak. als Lt. zu IR. 55, Glstbslaufbahn, 1.11.1908 F M L . , 23.10.1911 Kmdt. 4. I T D . , 1.10.1912 Kmdt. VII. Korps u. kdi. Gen. in Temesvár, 1.5.1913 Gdl., 10.10.1914 enthoben, 1919 pensioniert, 1925-1934 Präsident des Vereines „Alt-Neustadt". 3 β 1 ) Hugo Meixner v. Zweienstamm (Lobzów bei Krakau, 1 . 2 . 1 8 5 8 - 4 . 7.1951, Wien), 1878 aus der Milak. als Lt. zu IR. 55, Glstbslaufbahn, 8.11.1902 Vorstand 2. Abt. im R K M . , 1.11.1904 GM., 17.10.1908 Kmdt. 27. ITD., 1.11.1908 F M L . , 18.2.1911 Kmdt. 2. I T D . , 1.11.1913 Gdl., 24.1.1914 Kmdt. X. Korps u. kdi. Gen. in PrzemysI, 3.4.1915 enthoben, 10.4.1915 pensioniert. 1923-1934 Präsident des österreichischen Offiziersbundes. 3 8 2 ) Josef Schilhawsky R. v. Bahnbrück (Königrätz, 3 . 4 . 1 8 6 9 - 6 . 8 . 1 9 4 9 , Wien), 1889 aus der Milak. als Lt. zu IR. 17, Glstbslaufbahn, 1.5.1905 Mjr. i . G . , 27.10.1906 Lehrer der Strategie an der Kriegsschule, 1.5.1909 Obstlt. i . G . , 1.5.1912 Obst. i . G . , 28.12.1912 Glstbschef VII. Korps, 30.1.1915 Armee-Etappenkmdt. 3. Armee, 1.9.1915 GM., 17.10.1917 Kmdt. 6. ID., 1.11.1918 FML., 1.9.1919 pensioniert. 3 β 3 ) Josef Schilhawsky R. v. Bahnbrück (Peterwardein, 2 3 . 2 . 1 8 3 5 - 2 9 . 7 . 1 9 0 4 , Salzburg), 28.10. 1849 als Ex-propriis-Gemeiner zu IR. 12, Zögling der Olmützer Kadettenkompanie, 18.8.1853 Lt., 1.11.1881 Obst. IR. 75, Regimentskmdt., Brigadier, 11.10.1891 Kmdt. 28. ITD., 1.11.1891 F M L . , 1.3.1900 pensioniert als FZM. ad honores. 3 8 4 ) Gattin: Franziska geb. Richter ( ? - 2 1 . 9 . 1 9 2 1 , Salzburg); Töchter: Theresa Maria Anna ( ? - 1 9 . 7.1870, ?), 30.9.1891 verheiratet mit Eugen Konschegg, Hptm. im Landesschützenbaon. 6; Maria Franziska (?, 2 2 . 4 . 1 8 7 2 - ? ) ; Irene Amalia (?, 2 2 . 1 1 . 1 8 7 3 - 2 2 . 3 . 1 8 7 4 , ? ) ; Irene Christina Albertina (?, 2 4 . 7 . 1 8 7 5 - ? ) ; Isabella Gabriela Juliana (?, 7 . 2 . 1 8 7 7 - ? ) . 3 8 5 ) Uber die Söhne Josef und Sigismund vgl. Anm. 382 und 221. Richard Schilhawsky R. v. Bahnbrück (Budapest, 2 8 . 2 . 1 8 7 9 - 5 . 1 2 . 1 9 6 0 , Salzburg), 1899 als Lt. aus der Milak. zu 4. T K J R . , Glstbslaufbahn, 20.8.1909 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1.5.1914 Mjr. i . G . u. Glstbschef 8. ITD., 1.11.1915 Obstlt. i. G., 1.11.1918 Obst. i. G., 1918/19 Ortskmdt. in Salzburg, 20. 8.1920 Kmdt. Offizierskurs Wien, 1.7.1923 Vorstand Abt. 4 BMfHw., 1.6.1924 G M . , 1.5.1925 Kmdt. 4. Brig. Oberösterreich, 1.3.1926 General und Heeresinspektor, 23.12.1928 pensioniert.
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Franz-Josephs-Kai gewohnt, später in einem der Faberhäuser gegenüber dem Kurhaus. Sonst war mir aus dem Stabe mein Neustädter „Burgherr" Ivo v. Percevic befreundet, mit dem ich öfter sprach. Entgegen meiner Sorge hatte ich ziemlich viel Bewegungsfreiheit, während sich um meine Berichterstattung kein Mensch kümmerte. Ich legte gleich am zweiten Tag den Griffel der Klio weg. Umso netter war es, als unverantwortlicher Schlachtenbummler herumzureiten. Neben gesegnetem Ackerland mit hoch stehendem Kukuruz gab es riesige Weideflächen, über die man nach Herzenslust galoppieren konnte. Das riesige Gelände des berühmten Mezöhegyeser Gestüts lud besonders dazu ein. Soweit das Auge reichte, war ein einziger Berg sichtbar, der über das Umterrain kaum 10 m emporragte. Er diente vorübergehend als Feldherrnhügel für die Manöveroberleitung. Mein Versuch, sie einzuholen, scheiterte. Erzherzog Franz Ferdinand, der den Kaiser vertrat, machte vierundzwanzig Stunden vorzeitig Schluß, da er am 12. September am Eucharistischen Kongreß in Wien teilzunehmen hatte. Befriedigt fuhr ich über Wien nach Salzburg zurück. Meines Bleibens in der Garnison war leider auch jetzt nur ein paar Stunden. Im Räume Linz - St. Florian fand eine größere Train-Übung 3 8 6 ) unter der Leitung des Korpstrainkommandanten statt. Ich mußte als designierter Generalstabsoffizier daran teilnehmen. Ich ritt gehorsam mit, ohne mich besonders einzuschalten. In St. Florian wurde Sonntagsruhe gehalten. Ich drückte mich, da ich in Linz die letzte Feile an meine Festschrift für die Enthüllung des Kaiserdenkmals in Neustadt anzulegen hatte. Es war eigentlich schade, auf die Einquartierung in dem herrlichen Augustiner-Chorherrn-Stift zu verzichten und dem sonntäglichen Hochamt fernzubleiben. St. Florian war das vornehmste der oberösterreichischen Stifte, es wurden lange Zeit nur vermögende Patres aufgenommen, die das Kloster zum Universalerben einzusetzen hatten. Zu Beginn der dreißiger Jahre trat ich mit einem der damals meistgenannten Chorstiftsherrn, dem Wiener Theologieprofessor Dr. Hollnsteiner 387 ), in freundschaftliche Beziehungen. Wir gehörten gemeinsam dem Vorstand der neugegründeten katholischen Akademiker-Gemeinschaft an. Als 1932 nach dem Tode des Kardinals Piffl der erzbischöfliche Stuhl von Wien neu zu besetzen war, war der kaum vierzigjährige Hollnsteiner etwas betrübt, daß die Wahl Roms nicht auf ihn, sondern auf seinen älteren Kollegen Innitzer 388 ) fiel. Holln) Kriegsmäßige Trainübung vom 1 4 . 9 . - 2 7 . 9 . 1 9 1 2 . ) Johannes Hollnsteiner (Linz, 1 4 . 3 . 1 8 9 5 - 2 . 2 . 1 9 7 1 , Linz), 1919 Priesterweihe, 1920 Promotion zum Dr. theol. in Wien, 1922 Dr. phil., 1923 Theologieprofessor in St. Florian, zugleich Kustos und Archivar, 5 . 1 1 . 1 9 2 5 Habilitation für Kirchengeschichte an der Wiener kathol. theol. Fakultät, 1931 Ausdehnung der Venia auf Kirchenrecht, 1934 o. Prof. für Kirchenrecht, Präsident des erzbischöflichen Metropolitangerichtes, Präsident der Katholischen Akademiker-Gemeinschaft, 31. Mai 1938 zeitlicher Ruhestand, sodann K Z - H a f t , Laisierung und Tätigkeit in St. Florian im Rahmen der dortigen Lehranstalt, 1948 an der Wiener Universität reaktiviert und pensioniert, sodann Vorsitzender der o ö . Landessektion der ö. Liga für die Vereinten Nationen. Wissensch. Werke u . a . : Das Chorherrenstift St. Florian ( 1 9 2 3 - 1 9 2 8 ) , Christentum und Abendland (1937), Das Abendland (1948). 3 β β ) Theodor Innitzer (Weipert-Neugeschrei, Böhmen, 2 5 . 1 2 . 1 8 7 5 - 9 . 1 0 . 1 9 5 5 , Wien), 1902 Priesterweihe, 1908 Habilitation für neutestamentliche Bibelwissenschaften an der Universität Wien, 1913 o. Prof., 2 6 . 9 . 1 9 2 9 - 2 5 . 9 . 1 9 3 0 Minister für soziale Verwaltung, 1 9 . 9 . 1 9 3 2 Erzbischof von Wien, 386
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steiner gehörte in der Folge dem Kreise um den Verleger Zsolnay 3 8 9 ), Franz Werfel 3 9 0 ) und Alma Mahler 3 9 1 ) an, in welchem ich auch das Ehepaar Schuschnigg des öfteren traf. Bei Werfeis war Hollnsteiner etwas wie ein Hauskaplan. Aber auch Schuschnigg zog ihn, zumal seit nach dem Tode seiner ersten Frau 3 9 2 ) die Beziehungen zu Vera Fugger 393 ) anfingen, sehr stark ins Vertrauen. Er besuchte mich bis zum Anschluß noch öfter. Nachher kam Hollnsteiner zunächst ins KZ, er wurde jedoch bald wieder frei, und ich hörte die mich wenig freuende Nachricht, daß er den geistlichen Beruf verlassen und geheiratet habe. Der Gauleiter von „Oberdonau" 3 9 4 ) machte ihn zum Kustos seines Stammklosters, das in eine feine Musikakademie umgewandelt worden war. Uber die Denkmalsenthüllung in Neustadt am 4. Oktober 1912 schrieb ich schon ein paar Andeutungen. Ich erwähnte auch, daß der Schatten der neu ausgebrochenen Balkankrise über der Festesfreude lag. A m Morgen des Tages war die Nachricht gekommen, daß Nikola von Montenegro in türkisches Gebiet eingefallen sei. Conrad, der kommen hätte sollen, erschien natürlich nicht, sondern blieb in seinem Wiener Büro. Das Franz-Joseph-Denkmal von Weyer repräsentierte sich mit dem dunklen Hintergrund der Piaristenremise sehr gut. Ein Essen, an welchem drei Jahrgangskameraden teilnahmen, beendete in der gedeckten Reitschule die Feier. Als im Sommer 1912 Nikola in Wien weilte, erhielt er vom Kaiser die Inhaberschaft des ostgalizischen Regiments 55 3 9 S ). Ich begegnete seinem Wagen in der Schönbrunner Straße. Der alte Hammeldieb trug die Infanterie-Obersten-Uniform 13.3.1933 Kardinal. Vgl. V. Reimann, Innitzer, Kardinal zwischen Hitler und Rom, Wien-Zürich, 1967. 3 8 9 ) Paul Zsolnay (Budapest, 1 2 . 6 . 1 8 9 5 - 1 2 . 5 . 1 9 6 1 , Wien). Gründete 1923 in Wien den Paul Zsolnay-Verlag, emigrierte 1938 nach England und kehrte 1946 zurück. 3 9 0 ) Franz Werfel (Prag, 1 0 . 9 . 1 8 9 0 - 2 6 . 8.1945, Beverley Hills, Kalifornien, U S A ) . Bahnbrecher des österreichischen Expressionismus, Romancier, Lyriker und Dramatiker. 20.12.1910 als EF.-Kanonier zu F H R . 8, 30.9.1912 als EF.-Kanonier tit. Vormeister in die Reserve übersetzt, 31. 7.1914 zur aktiven Dienstleistung präsentiert, 25.11.1914 beurlaubt, 18.10.1915 als untauglich superarbitriert. 1917/18 Vortragsreisen in die Schweiz im Auftrag des KPQ. Uber seine kurzfristige Aktivität 1918 vgl. S. 520. 3 9 ' ) Alma Mahler-Werfel (Wien, 3 1 . 8 . 1 8 7 9 - 1 1 . 1 2 . 1 9 6 4 , N e w York), Tochter des Landschaftsmalers Emil J . Schindler, 1902 vermählt mit Gustav Mahler, Beziehungen zu Oskar Kokoschka, 1915-1918 vermählt mit Walter Gropius, 1929 vermählt mit Franz Werfel. In ihrem Erinnerungswerk „ M e i n Leben" (1960) wird Glaise-Horstenau einmal erwähnt. Sie meint dabei, dieser hätte bei seinen Besuchen das Manuskript von Anton Bruckners 3. Symphonie gesehen und wahrscheinlich Hitler, „ e i nem Bruckner-Monomanen", davon berichtet. Hitler hätte bei Alma Werfeis Stiefschwiegervater Eberstaller anfragen lassen, ob das Manuskript verkäuflich sei. 3 9 2 ) Herma Schuschnigg, geb. Masera (Bozen, 2 5 . 6 . 1 9 0 0 - 1 4 . 7 . 1 9 3 5 , nahe Traunleithen bei St. Florian, Autounfall). 3 9 3 ) Vera Schuschnigg, geb. Grfin Czernin von und zu Chudenitz (München, 4 . 6 . 1 9 0 4 - 1 8 . 9 . 1 9 5 9 , Kirkwood, Missouri, USA). Vermählt 23.2.1924 mit Leopold Grf. Fugger-Babenhausen, 1936 gerichtlich geschieden, 1937 Ehe kirchlich annulliert, 1.6.1938 vermählt in Wien mit Kurt v. Schuschnigg. 3 9 4 ) August Eigruber (Steyr, 1 9 0 7 - 2 8 . 5.1946, gehenkt), 1927 Eintritt in die N S D A P als Arbeiter in den Steyrer-Werken, Begründer der Hitlerjugend in Oberösterreich, Kreisleiter in Steyr, ab 1936 illegaler Gauleiter der N S D A P Oberösterreich, 1938 Gauleiter und Landeshauptmann, Mitglied des Reichstages, 1940 Reichsstatthalter von Oberdonau, 1943 SA-Obergruppenführer, beim Mauthausener Prozeß zum Tode verurteilt.
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mit den braunen Aufschlägen der 55er. Wenn er von der ehrfurchtsvollen Menge gegrüßt wurde, lüftete er in höchst unmilitärischer Weise seine schwarze Offizierskappe. Der Kaiser hatte dennoch eine gewisse Sympathie für seinen Kollegen. Als ihm zu Anfang 1916 die Vertreibung Nikolas aus seinem Lande gemeldet wurde, sagte er mitleidig: „Der arme, alte Mann!" Das Herannahen der Jahrhundertfeier von 1813 rief mich trotz der Balkankrise noch dringend nach Dresden, wo ich über den Feldzug 1813 in den Archiven nachforschen und auch das Gelände besichtigen wollte. Ich fuhr auf etwa vierzehn Tage in die schöne sächsische Hauptstadt, die seither leider auch ein Trümmerhaufen geworden ist, bezog Wohnung in den „Drei Raben" und setzte mich sowohl im Kriegsarchiv wie im Hauptstaatsarchiv auf der Brühischen Terrasse fest. Das Kriegsarchiv bot verhältnismäßig wenig, umso mehr das Staatsarchiv unter der vortrefflichen Leitung Dr. Brabants 396 ), mit dem mich fürderhin freundschaftliche Beziehungen verbanden. Natürlich kamen auch die Sehenswürdigkeiten Dresdens nicht zu kurz. In tiefer Ergriffenheit stand ich vor der Madonna Raffaels, deren sich inzwischen die Russen bemächtigt haben. Von dem Gelände der Schlacht konnte man nur mehr wenig wahrnehmen. Das Häusermeer hatte von der Walstatt, alle Spuren verwischend, Besitz genommen. Der große Garten war natürlich noch da, ein Anziehungspunkt auch durch die gleichzeitig abgehaltene hygienische Ausstellung. Dagegen sah man von den österreichischen Kampfstätten so gut wie nichts. Sie hatten sich nordwestlich und westlich der Friedrichstadt befunden. Bei meiner Rückkehr nach Salzburg erstieg die Balkankrise nachgerade ihren ersten Höhepunkt. Die wirklichen oder angeblichen Angriffe auf den k . u . k . Generalkonsul in Skoplje - er hieß Prochaska 397 ), welcher echt österreichische Name zugleich der Spitzname des Kaisers war - waren unter Umständen geeignet, einen Kriegsgrund zu bieten. Zu Anfang Dezember trat Schemua vom Posten des Generalstabschefs zurück, und Conrad v. Hötzendorf wurde neuerlich berufen. Eine englische Zeitung schrieb, das Wiedererscheinen dieses Mannes sei für die Monarchie dem Zuwachs einer Armee gleichzusetzen - damals war eine Armee noch etwas. Conrads Besuch in Rumänien schien unsere Balkanposition wieder erheblich zu bessern 398 ). Das Auf und Ab der Kriegsgefahr war trotzdem quälend. Ich hatte 3 9 5 ) König Nikolaus v. Montenegro wurde mit 6 . 6 . 1 9 1 2 Inhaber des k . u . k . (galizischen) Infanterieregiments Nr. 55. Das Regiment war 1799 aus Bataillonen anderer Regimenter aufgestellt worden. Vgl. Jul. Beran, Geschichte des k . u . k . Infanterieregiments Freiherr v. Merkl N r . 5 5 , Wien 1899. 3 9 6 ) Ernst Arthur Brabant (Döbeln in Sachsen, 1 0 . 1 . 1 8 7 0 - ? ) , Dr. phil., ab 1900 im Archivdienst, 1907 Staatsarchivar und Archivrat am kgl. Hauptstaatsarchiv Dresden. 3 9 7 ) Oskar Prochaska (?, 12. 7 . 1 8 7 6 - ? ) , 1860 Absolvent der Konsularakademie, 1 6 . 1 2 . 1 9 0 1 Konsularattaché, zugeteilt dem Konsulat in Uskiib, 2 4 . 1 1 . 1903 Vizekonsul, 2 9 . 4 . 1 9 0 4 provisorischer Konsul in Prisren, 22. 1 . 1 9 1 1 Konsul, 2 0 . 2 . 1 9 1 3 mit der Leitung des Konsulats in Rio de Janeiro betraut. Über die sogenannte Prochaska-Affäre vgl. F. Wiirthle, Die Spur führt nach Belgrad, Wien-München-Zürich 1975, 330f. ; R. A . Kann, Die Prochaska-Affäre vom Herbst 1912, in: ö s t . Akademie der Wissenschaften, Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse, 319. Bd./1977, 1 - 3 9 . •"8) Gdl. Conrads Besuch in Rumänien fand am 29. u. 3 0 . 1 1 . 1 9 1 2 statt. Er erbrachte feste Vereinbarungen mit dem rumänischen Generalstab über eine Unterstützung Österreich-Ungarns in einem Kampf gegen Rußland. Vgl. Conrad, Aus meiner Dienstzeit 1 9 0 6 - 1 9 1 8 , Bd.2, 1922, 3 5 1 - 3 7 0 .
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längst meine Sturm- und Drangperiode hinter mir und hielt den Krieg grundsätzlich für ein großes Unglück und für ein noch größeres, wenn ein so kompliziertes Staatswesen wie Österreich-Ungarn in eine solche Feuerprobe verwickelt wurde. Ganz ebenso dachte der feine Major Baron Röblitz 3 9 9 ) des Salzburger ArtillerieRegiments. Ich erwähne ihn, weil wir uns auf unserem Wege in den Dienst täglich trafen und weil das Bulletin, das wir uns gegenseitig mitteilten, wahrlich nicht Kundgebungen kriegslustiger Soldaten darstellte. Manchmal sah es äußerst kritisch aus. Aber im tiefsten Grunde meiner Seele vermochte ich doch nicht daran zu glauben, daß sich Europa in ein so unglückliches Abenteuer stürzen würde. Ich habe meine Mobilisierungsausrüstung die ganzen langen Monate bis in den April 1913 nicht um ein Taschenmesser vermehrt. So fest glaubte ich im Unterbewußtsein an den Frieden. Zwar wurden im Spätherbst 1912 die Truppen in Bosnien auf erhöhten Stand gesetzt und auch die drei gegen Rußland stehenden galizischen Korps in Alarmzustand gebracht. Das waren gefährliche Flammenzeichen. Aber der greise Kaiser tat, wie einige Wochen später die Entsendung des Prinzen Gottfried Hohenlohe 4 0 0 ) mit einem Handschreiben an den Zaren bewies, alles, die schreckliche Katastrophe abzuwenden. „ H a b e n Sie schon," fragte er hinter seiner Brille hervor den neuen Kriegsminister Krobatin, „einen Krieg mitgemacht?" Und als dieser verneinte, fügte er vorwurfsvoll hinzu: „ A b e r ich - und ich weiß, was das heißt." N o c h mehr abgeneigt war der Thronfolger einem Kriegsabenteuer. Er wetterte mündlich und schriftlich in den heftigsten Ausdrücken dagegen und war zumal tief erschüttert, als Meldungen über Meutereien tschechischer Truppentransporte kamen. So drang Conrad mit seinem neuerlichen Streben, der drohenden Umgarnung doch noch durch einen Gegenstoß zu entgehen, nicht durch. Weihnachten 1912 sollte das letzte Fest dieser Art sein, das ich in Salzburg verlebte. Für ein Ubermaß an Häuslichkeit hatten weder meine Mutter noch meine Tante viel übrig. Ich war elf Jahre gewesen, als wir uns den letzten Christbaum aufgeputzt hatten. Erst einige Jahre vor dem Tode meiner Mutter wurde in Wien mit der traditionslosen Tradition wieder gebrochen. Unsere langjährige Haushälterin Gusti 4 0 1 ) schmückte wieder einen Weihnachtsbaum. Ein kleines Bäumchen hatten wir uns auch noch 1944 angezündet. 3 " ) Johann Frh. Koblitz v. Willmburg (Mauer bei Wien, 20. 7 . 1 8 6 8 - 2 . 3.1931, Salzburg), 3. 7.1886 freiwillig zu K A R . 2, 1888 Lt. i . d . Res., dann Berufsoffizier, 1.11.1909 Mjr. im D A R . bzw. F A R . 41, 1.5.1913 Obstlt., 1.10.1913 Kmdt. Landwehr-Feldkanonendiv. 43, 30.8.1914 verwundet, 1.11.1914 Konzeptsoffz. im MfLv., 1.5.1915 Obst; 1.9.1915 pensioniert, bis Kriegsende in der Heeresverwaltung als auf Mobdauer aktivierter Offizier. 4 0 ° ) Gottfried Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst (Wien, 8 . 1 1 . 1 8 6 7 - 7 . 1 1 . 1 9 3 2 , Wien), 1887 freiwillig assentiert zu H R . 9 , 1889 Lt., Glstbslaufbahn, 19.7.1902 Militârattaché in St. Petersburg, 1.5. 1906 Mjr. i. G . und Flügeladjutant Seiner Majestät, 1907 beurlaubt und Ubertritt in den diplomatischen Dienst als Legationsrat I. Kategorie und zugeteilt der Botschaft in Berlin. 3.6.1908 verheiratet mit Ehgin. Maria Henriette, Tochter des Ehg. Friedrich, 9.10. 1908 zu H R . 9, 1.5.1911 Obstlt., 13.3.1912 in die Reserve versetzt. 4. 8.1914 Wiedereintritt in den diplomatischen Dienst als Botschafter am dt. Kaiserhof, 1917 G M . i . d . Res., 1918 pensioniert. 4 0 1 ) Auguste Mödritsch, verehelichte Straßkraba. Lebt derzeit in Wien.
Kriegsgeschichtsschreibung und Kriegsarchiv
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4. K R I E G S G E S C H I C H T S S C H R E I B U N G U N D K R I E G S A R C H I V Zu Anfang Februar kam es zu einem tiefen Einschnitt in meine weitere Laufbahn 4 0 2 ). Ein Telegramm, das ich in der Brigadekanzlei vorfand, rief mich nach Wien ins Eisenbahn-Büro des Generalstabes. Dieses Schicksal traf jährlich eine Reihe von jungen Generalstabsoffizieren, die für zehn oder zwölf Wochen zu den Vorarbeiten für den Eisenbahnaufmarsch herangezogen wurden. Es war eine äußerst langweilige und mühsame Arbeit, die - mit Ausnahme einer kleinen Mittagspause - den ganzen Tag vom frühen Morgen bis zum späten Abend in einem überfüllten Büro sitzen hieß. Ich fuhr nach Wien, machte die Sache aber nur für ein paar Tage mit. Oberst Hoen wandte sich, ernstlich besorgt, daß meine Arbeit für das Jubiläumswerk 1813 nicht fertig werden könne, an Conrad v. Hötzendorf, der ohne Zögern seine Zustimmung gab, daß ich sofort ins Kriegsarchiv einzurücken hätte. Mit Freuden zog ich in der Stiftgasse 2 ein, ein Hofzimmer unmittelbar neben der Stiftkirche beziehend. Betrübt sah mich Denk, der gleichfalls auf der Eisenbahn-Büro-Galeere saß, von hinnen ziehen. Das Wiener Kriegsarchiv war im Jahre 1711 als Hofkriegsrätliches Archiv durch den Prinzen Eugen ins Leben gerufen worden 403 ). Sein erster Sitz war das Gebäude mit dem schönen Barockportal auf der Seilerstätte; der erste Leiter hieß Rosenbaum 404 ), was hoffentlich seinem Ariernachweis nicht schadete. Unter Erzherzog Karl wurde das die Kriege betreffende Aktenmaterial aus dem Archiv des Hofkriegsrates herausgenommen und zusammen mit einer Kartensammlung und einer Kriegsbibliothek in ein besonderes Kriegsarchiv vereinigt. Gleichzeitig stellte er die kriegsgeschichtliche Abteilung des Generalquartiermeisterstabes auf. Das war 1801. Das Kriegsarchiv war zuerst im Kriegskanzleigebäude am Hof und in einigen Nebenhäusern untergebracht, es übersiedelte 1907 in von der Technischen Militärakademie freigegebene Räume des Gebäudes Stiftgasse 2. Unter den Chefs der Kriegsgeschichtlichen Abteilung, die in den siebziger Jahren mit dem Kriegsarchiv vereinigt wurde, und unter den Direktoren des Kriegsarchivs hatten sich anerkannte Militärwissenschaftler befunden. Unter den erstgenannten waren Rothkirch von Panthen 405 ) und Friedrich von Fischer 406 ) die Meistgenann4 0 2 ) Glaise-Horstenau war vom 1.2. bis 2 0 . 2 . 1 9 1 3 zu den Instradierungsarbeiten ins Eisenbahnbüro kommandiert. 4 0 3 ) Am 4. April 1711 ernannte Kaiser Josepf I. Bernhard Rosenbaum zum ersten Archivarius beim Hofkriegsrat. Am gleichen Tag erhielt dieser eine Dienstinstruktion. 4 0 4 ) Bernhard Rosenbaum (?—1729), seit 4 . 4 . 1 7 1 1 Archivar in der Hofkriegskanzlei. 4 0 5 ) Leonhard Grf. Rothkirch v. Panthen (Parndorf, Ungarn, 6 . 1 1 . 1 7 7 3 - 1 0 . 4 . 1 8 4 2 , Wien), 19.11.1797 aus der Milak. als Fahnenkadett zu IR. 27, Teilnahme an allen folgenden Feldzügen gegen die Französische Revolution, insbesondere 1809 und 1813-1815, 1806-1809 als Hptm. bzw. Mjr. (1.11.1807) zugeteilt; gründete 1811 mit Schels und Wagner die „österreichische Militärische Zeitschrift", 7. 8.1813 Obst, und Korpsgeneralstabschef, 30.10.1813 Ritter des M M T O . für Leistungen in der Völkerschlacht von Leipzig, leitete sodann die Katastrierung der dt. Erbländer, seit 1818 leitete er die Ö M Z . , in der er zahlreiche Aufsätze publizierte, 17.12.1821 G M . , 1829 Brigadier in Preßburg und bald in Prag, 1830 Leiter der Geschäfte des Generalquartiermeisterstabes, 1835 Geheimer Rat, 15.8.1840 kdi. Gen. in Innerösterreich. Sein Hauptwerk ist: Beiträge zum praktischen Unterricht im Felde, Wien 1806. Er hinterließ eine Anzahl von kriegsgeschichtlichen Manuskripten. Vgl. H . Benkiser, Leonhard Graf v. Rothkirch und Panthen. Eine Monographie, Wr. Diss. 1935.
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ten, unter den letzteren Freiherr von Sacken 4 0 7 ) und Leander von Wetzer 4 0 8 ). Der Nachfolger Wetzers, der wie der langjährige Generalstabschef Beck aus Freiburg im Breisgau stammte, wurde der hier schon öfter genannte Serbokroate Woinovich. Neustädter Jahrgang 1868, hatte Woinovich eine ehrenvolle Generalstabslaufbahn hinter sich, als er z u . Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts an die Spitze des Kriegsarchivs gerufen ward. Die literarischen Sporen zu diesem Amte hatte er sich bloß durch ein dünnes Büchlein über die „Elemente der Strategie" 4 0 9 ) verdient, weitere schriftstellerische Leistungen lagen nicht vor 4 1 0 ). Er war aber ein sehr kluger Mann, der gewiß stärker ins Rampenlicht gerückt worden wäre, wenn er nicht ein von Geburt auf bestehendes, immer größer werdendes Brandmal im Gesicht ge"06) Friedrich Frh. v.Fischer (Semlin, 1 7 . 6 . 1 8 2 6 - 1 9 . 4 . 1 9 0 7 , Wien), 22.9.1845 als Lt. aus der Milak. zu IR. 21, Glstbslaufbahn, 1850-1852 im Evidenzbüro des Glstbs., 11.6.1866 Obst. i . G . , 13.11.1866 Vorstand des Büros für Kriegsgeschichte im KA., 31.10.1872 Kmdt. 2. IBrig., 1.5.1873 GM., 22.9.1874 Kmdt. Kriegsschule, 1.5.1878 FML., 1.11.1881 pensioniert. Fischer war „der" amtliche Kriegsgeschichtsschreiber der Feldzüge von 1859, 1864 und 1866, der als Kommandant der Kriegsschule in eigenen gedruckten Vorlesungen seine Forschungen weitergab. Sein Nachlaß: KA., sign. B/208. 4 0 7 ) Adolf Frh. v. Sacken (Wien, 1 6 . 5 . 1 8 3 0 - 1 2 . 3 . 1 9 0 0 , Wien), 20.9.1847 als Lt. aus der Milak. zu IR. 14, Glstbslaufbahn, im Feldzug 1859 im Hauptquartier der „italienischen" Armee, 7.1.1865 Mjr. im Generalquartiermeisterstab, im Feldzug 1866 im Hauptquartier der Nordarmee, 28.10.1868 Obstlt. IR. 73, 31.10.1872 Obst., 31.1.1876 Obst. i . G . , 1876 Direktor des KA., 15.9.1878 GM., 1.5.1883 FML., 1. 5.1886 pensioniert. Sackens Verdienst liegt in der Leitung und Herausgabe der Generalstabswerke für die Kriegsjahre 1683, 1859, 1878 und 1881/82 und der ersten Hälfte der „Feldzüge des Prinzen Eugen v. Savoyen". 4 0 8 ) Leander Frh. v. Wetzer (Freiburg im Breisgau, 1 7 . 2 . 1 8 3 8 - 1 0 . 3 . 1 9 0 4 , Wien), 1.9.1857 als Korporal aus der PiKSch. zu PiBaon.4, 10.4.1859 Lt., Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 8 7 1 - 1 8 7 4 im Büro für Kriegsgeschichte des Glstbs., 1.11.1884 in der Abt. f. Kriegsgeschichte des KA., 1.11.1886 Obst. i . G . , 15.4.1888 Direktor des Kriegsarchivs, 7.5.1892 G M . , 7.11.1895 F M L . , 1.12.1901 pensioniert als FZM. ad honores. Wetzers große Bedeutung für die österreichische Militärhistoriographie liegt darin, in seinen eigenen Darstellungen und in seinen Instruktionen für Kriegsarchiv-Angehörige eine bis dahin nicht gekannte Synthese zwischen allgemeiner Geschichte und Kriegsgeschichte hergestellt bzw. gefordert zu haben. Wetzer verfaßte 36 wissenschaftliche Arbeiten und war an der Redaktion, Mitarbeit und Herausgabe von 60 Werken beteiligt. Ebenso bedeutsam war seine Tätigkeit als Archivar, was Ausbildung seines Personals und Ordnungsarbeiten betrifft. Sein Nachlaß im KA.: sign. B/37. Vgl. O . Regele, Leander v. Wetzer (Veröffentlichungen des Verbandes österreichischer Geschichtsvereine, Bd. 10 = Biographien österreichischer Historiker V.), Wien 1956. 40®) Woinovich versuchte als Strategie-Lehrer an der Kriegsschule, das bis dahin sehr theoretisch betriebene Studium der Strategie durch das Studium der neueren Feldzüge zu beleben und zu reformieren. Die Frucht dieser Tätigkeit war sein Buch: Elemente der Kriegsführung. Beitrag zum Studium der Kriegsgeschichte, Wien 1894, 2. Aufl. Wien 1901. Das Buch bildet eine Parallele zum damals erschienenen Taktik-Lehrbuch seines Lehrer-Kollegen Franz Conrad v. Hötzendorf. 4 1 0 ) Dieses abschätzige und wohl sehr ungerechte Urteil dürfte darauf zurückzuführen sein, daß Glaise-Horstenau nur den „alten Woinovich" kennenlernte, der infolge der Herausgeberschaft bei vielen wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Unternehmungen zur Zeit seiner Amtsführung zu eigenen größeren Werken nicht mehr die Zeit fand. Immerhin ist aber auf seine selbständigen Monographien in der Reihe „Österreich in den Befreiungskriegen", hinzuweisen: Benedek und sein Hauptquartier im Feldzug 1866, Wien 1911, sowie auf zahlreiche Aufsätze und Rezensionen in militärischen Fachzeitschriften. Als „Großösterreicher" war Woinovich mit mehreren Aufsätzen Mitarbeiter an der „österreichischen Rundschau", er war - in anonymen Artikeln - Mitarbeiter der „Neuen Freien Presse" und nach dem Weltkrieg auch der „Reichspost" und der „Staatswehr".
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tragen hätte. Es war für jeden, der mit ihm sprach, außerordentlich störend, auch für ihn, so daß er meist mit halb abgewandtem Gesicht mit einem redete. Zu den verschiedenen Publikationen gab er gern seinen Namen her. Die wirkliche Leitung des Instituts teilten sich der damalige Oberst von Hoen und der spätere Oberst Veltzé. Hoen war ein Unikum, wie es nur die kaiserliche Armee und auch diese nur in einzelnen Exemplaren vertrug; da wirkten sie allerdings wie Sauerteig. Er entstammte einer kurhessischen Familie, war also, wie er gern betonte, ein Mußpreuße gewesen. Als ich ihn kennenlernte, erklärte er mir, er sei in Mexiko, wo sein Vater unter Kaiser Max diente, gezeugt, in Fulda geboren und in Budva - an der südlichsten Spitze des Habsburgerreiches - heimatzuständig geworden. Hochbegabt, mit einem beißenden, mitunter etwas destruktiven H u m o r ausgezeichnet, in seinem Gehaben ein Bohemien im flaschengrünen Rock, hatte er als Oberleutnant durch einen Roman über die Landnahme der Magyaren, zu dem ihn die Garnison Ungvár angeregt hatte, die Aufmerksamkeit Wetzers auf sich gezogen 4 1 1 ). Es war üblich, daß die in die kriegsgeschichtliche Abteilung kommandierten Generalstäbler meist nur vier bis fünf Jahre in dieser Kommandierung blieben, die, wie schon bemerkt, nicht besonders gut dotiert war. Als Hoen 1896 ins Archiv kam, geschah es für sein ganzes Leben. Er hatte nur mehr ein Jahr als Bataillonskommandant bei dem damals in Wien garnisonierenden I R . 24 üben müssen. Ein zweites Jahr unter Auffenberg war er, nicht ohne sich schwierige Lagen einzuheimsen, Pressechef des Kriegsministeriums. Als sich Ende 1912 neuerlich die Pforten des Archivs vor ihm auftaten, war er gottsjämmerlich froh. Max R . v. Hoen hatte eine eigene Schule der Kriegsgeschichtsschreibung gegründet, die am Generalstabswerk über den Krieg 1914/18 auszubauen und weiterzubilden mir dann vergönnt war. E r ging wie ein Sherlock Holmes an die kriegsgeschichtlichen Probleme heran, und mehr als einmal mußte auch ich bei Beginn meiner Zusammenarbeit mit ihm staunend wahrnehmen, wie sich Vermutungen, die er rein intuitiv aufstellte, nachher aus den Quellen bestätigten. Freilich war er auch ein Meister, Quellen zu lesen, und ebenso ging er im Aufbau der Darstellung vielfach neue Wege, ohne allerdings ein besonders präziser Stilist zu sein. Schon als Hauptmitarbeiter und Redakteur des österreichischen Generalstabswerkes über die ersten theresianischen Kriege 4 1 2 ) lenkte er auch die Aufmerksamkeit des preußischen Generalstabes auf sich. Zusammen mit Binder-Kriegelstein arbeitete er an dem Werke über den Siebenjährigen Krieg mit 4 1 3 ). Inzwischen stürzte er sich auf 1792 4 1 4 ), ) Gisela. Eine Geschichte aus der Eroberung Ungarns durch die Magyaren, Wien 1896. ) ö s t e r r e i c h i s c h e r Erbfolge-Krieg 1 7 4 0 - 1 7 4 8 . Nach den Feldakten und anderen authentischen Quellen bearbeitet in der kriegsgeschichtlichen Abteilung des Kriegsarchivs, B d . 1 - 9 , 1 8 9 6 - 1 9 1 4 . H o e n verfaßte mit Andreas Kienast Bd. 3: D e r Erste Schlesische Krieg 1 7 4 1 - 1 7 4 2 , Wien 1898, und (allein) Bd. 8, D e r Krieg in Italien gegen Spanien, Neapel und Frankreich 1 7 4 1 - 1 7 4 4 , Wien 1905. Das Gesamtwerk blieb unvollendet, wurde jedoch nach dem Weltkrieg durch mehrere Prüfungsarbeiten am Institut für österreichische Geschichtsforschung weitergeführt. 4 n
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4 " ) Die Kriege Friedrichs des G r o ß e n 1 7 4 0 - 1 7 6 3 , B d . l : M . R . v. H o e n , D e r 1. u. 2. Schlesische Krieg, Berlin-München-Wien 1907, Bd. 2 : M . R . v. H o e n u. W . v. Bremen, D e r Siebenjährige Krieg, ebdt., 1912: D i e Zusammenarbeit mit Binder-Kriegelstein erfolgte bei einem W e r k über 1809.
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1809 4 1 5 ) und nun auch 1813/14 4 1 6 ). Im Werke über 1809 lenkte er besondere Aufmerksamkeit durch seine grundlegende Darstellung über Aspern auf sich, wobei er sich allerdings nicht scheute, mit gewissen patriotischen Legenden aufzuräumen. Die Gestalt des Erzherzogs Carl tritt uns in ihrer ergreifenden Tragik entgegen. Im Generalstab wurde Hoen nur zum Teil ernst genommen, woraus er sich nichts machte. Er gewann dadurch im Gegenteil eine Art von Narrenfreiheit, die ihm zum Beispiel nach jeder Generalstabsreise unter Beck erlaubte, in einem Schlußgedicht alle Teilnehmer, den Chef nicht ganz ausgenommen, in humoristischer Weise zu „verhonigeln". Er schrieb auch viel in den Zeitungen, nicht zuletzt in der Armee-Zeitung. Bei Manövern leitete er die Presseberichterstattung, was gleichzeitig eine Vorübung für seine Verwendung als Kommandant des Kriegspressequartiers wurde. Knapp vor Kriegsausbruch hatte er die Absicht, diese Funktion mir abzutreten. Es kam aber nicht mehr dazu. In der Wiener Gesellschaft spielte er als „Oberschlaraffe" und „Erbherrlichkeit" der „Schlaraffia" im „Hohen Reiche Vindobona" eine über das Ulkige hinausgehende große Rolle. Niemand fand etwas daran, wenn er im Waffenrock eines Generalstabsobersten oder eines k . u . k . Generals die im Verein übliche Schellenkappe mit dem daran hängenden Firlefanz aufsetzte und den „hohen Thron" in der im Börsegebäude befindlichen „Burg" bezog. Ich selbst machte mit der Schlaraffia in Salzburg Bekanntschaft, wo ich, wie es im Jargon des Vereines hieß, mehrmals mit Roschatt und nachher mit Gelb „als Pilgrim einritt". Mitglied zu werden, vermochte ich mich nicht zu entschließen. Interessant war, daß selbst ein Mann wie Hoen darin schwankte, ob er den Schlaraffia-Ulk als solchen oder als blutigen Ernst nehmen sollte. Seine Funktion als ständiger Vorsitzender in Wien machte ihn in der Gesellschaft, zumal in Künstlerkreisen, außerordentlich bekannt. Es besteht für mich aber auch kaum ein Zweifel, daß sie ihm eine Brücke in die Freimaurerei gebaut hatte, die er mindestens nach dem Umsturz 1918 betrat. Bis 1918 war man durch einen als Offizier unterzeichneten Revers verpflichtet, keinerlei geheimer Gesellschaft, also besonders nicht der Freimaurerei, anzugehören. Diese Beziehungen hinderten Hoen aber nicht, sich in seinem Testament ausdrücklich auszubedingen, daß man ihn in der weißen Uniform eines kaiserlichen und königlichen Generals in den Sarg lege. Als er im September 1940 in einer Sommerfrische vom Schlag gefällt wurde, erfüllte ihm seine Witwe 4 1 7 ) pietätvoll diesen Wunsch. Das Jahr zuvor, als ich ihm schriftlich meine Einteilung zum Oberkommando der Wehrmacht bekanntgab, antwortete er mir: „ D u bist also wieder zum A O K . gekommen, hoffentlich geht es diesmal besser aus 4 1 4 ) Kriege unter der Regierung des Kaisers Franz. Krieg gegen die Französische Revolution 1 7 9 2 - 1 7 9 7 , Bd. 2: Feldzug 1792, Wien 1905. 4 1 5 ) Aspern und Wagram, Berlin 1906 (mit K. Binder v. Kriegelstein); Kriegsarchiv: Krieg 1809; Bd. 2: Italien, Wien 1908 (mit Alois Veltzé); Bd. 4: Aspern, Wien 1910 (mit H . Kerchnawe); Der Fall von Wien 1809, Wien 1908; Das Kriegsjahr 1809 in Einzeldarstellungen: Bd. 6, M . R. v. Hoen, Aspern, Wien 1906; Bd. 8, M . R. v. H o e n , Wagram, Wien 1909. 4 1 6 ) Österreich in den Befreiungskriegen 1 8 1 3 - 1 8 1 5 , Bd. 5: M. R . v. Hoen, Die Hauptarmee 1814, Wien-Leipzig 1912. Befreiungskrieg 1813 und 1814. Einzeldarstellungen der entscheidenden Kriegsereignisse; Bd. 5: Max R. v. Hoen, Feldzug von Leipzig, Wien 1913. 417
) Barbara Hoen (?,
30.10.1879-13.1.1967,?).
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als das letzte Mal." Sein Wunsch sollte sich nicht erfüllen, es ging viel, viel schlechter aus. Veltzé war kein Wissenschaftler wie Hoen, er hatte sich, nicht dem Generalstab angehörend, auf die Popularisierung der Kriegsgeschichte geworfen und damit bei Woinovich, der für derlei Dinge eine Nase besaß, offene Türen eingerannt. Sein Weizen blühte besonders im Krieg, wo ihm eine ganze Reihe zum Kriegsdienst eingezogener Schriftsteller zur Verfügung standen 4 1 8 ), wie Rudolf Hans Bartsch, der schon im Frieden ein gutes Jahrzehnt dem Archiv angehört hatte, Franz Karl Ginzkey 4 1 9 ), Rainer Maria Rilke, Stefan Zweig 4 2 0 ), Silvara 421 ), Polgár 4 2 2 ), Paul Stefan 423 ) und viele andere. Es war, wie man sieht, keineswegs ein antisemitischer Kurs, und niemand hat nach dem Kriege das Kriegsarchiv besonderer militärischer Verbrechen geziehen. Unter den Generalstäblern der kriegsgeschichtlichen Abteilung, deren nomineller Vorstand der Direktor, in Wirklichkeit aber Hoen war, hatte sich im letzten Menschenalter eine Reihe bemerkenswerter, später teilweise zu hohem Rang gelangter Mitarbeiter gefunden wie der bekannte Philosoph Ratzenhofer 4 2 4 ), wie Raimund Gerba 4 2 S ), Peter Hofmann 4 2 6 ), Eduard v. Steinitz 427 ), Hugo Kerchnawe, 4 1 8 ) Gemeint ist die Aufstellung der sogenannten „Literarischen Gruppe" im KA. mit 20.11.1914, die bis zum Umsturz bestand. Vgl. über sie: K. Peball, Literarische Publikationen des Kriegsarchivs im Weltkrieg 1914-1918, in: MÖSTA, Bd. 14/1961, 2 4 0 - 2 6 0 . 4 " ) Franz Karl Ginzkey (Pola, 8.9. 1871-11.4. 1963, Wien), 1886 Eintritt in die Marineakademie, 28.2.1889 Ausschluß aus der Anstalt, sodann IKSch. Triest, 1891 als Kadettoffiziersstellvertfeter zu IR. 59, 1.5.1893 Lt. IR. 97, 1.2.1897 ins Militärgeographische Institut, 16.10.1898 Offizier des Armeestandes, 1.11. 1898 Oblt., 25.10.1899 Ubersetzung in die technische Beamtenbranche als Offizial 3. Kl., 30.8.1913 Superarbitrierung, 20.11.1914 auf Kriegsdauer aktiviert und eingeteilt in die „Literarische Gruppe" des KA., zeitweise sodann dem KPQ. zugeteilt, 1.8.1920 pensioniert. Lyriker, Balladendichter, Novellist und Romancier. Ausgewählte Werke, 4Bde., hg. v. K. Eigl, Wien 1960; J . Koppensteiner, Die Bedeutung der alten österreichischen Armee für Leben und Werk Franz Karl Ginzkeys, Grazer Diss., 1966 (auszugsweise gedruckt in: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 18/1974, 2 8 3 - 2 9 0 ) ; H. Richter, Franz Karl Ginzkey. Sein Leben und seine Weltanschauung, Wiener Diss. 1944. 4 2 0 ) Stefan Zweig (Wien, 28.11. 1881-22.2.1942, Petropolis, Brasilien), als EF.-Infanterist bis Titular-Feldwebel des IR. 4 vom 1.12.1914 bis zum Umsturz in der Literarischen Gruppe. 4 2 1 ) Géza Silberer, Pseudonym: Sil-Vara (Werschetz, Banat, 1 . 1 2 . 1 8 7 6 - 8 . 4 . 1 9 3 8 , Wien), Schriftsteller und Feuilletonist in Wien, 9. 5 . 1 9 1 5 - 3 1 . 5.1917 als Landwehrinfanterist-Titular-Korporal bis Titular-Feldwebel in der Literarischen Gruppe, 22.8.1918 nach Schweden als Pressereferent der k.u. k. Gesandtschaft in Stockholm. Trat auch als Dramatiker und Lustspieldichter hervor („Mädchenjahre einer Königin", 1920). 4 2 2 ) Alfred Pollak, Pseudonym: Polgár. (Wien, 1 7 . 1 0 . 1 8 7 5 - 2 4 . 4 . 1 9 5 5 , Zürich), Schriftsteller, Kritiker, Verfasser von Novellen und Erzählungen; als Infanterist-Titular-Korporal bis Titular-Feldwebel des Landsturmbaons 39, 1 . 5 . 1 9 1 5 - 1 0 . 4 . 1 9 1 7 in der Literarischen Gruppe. 4 " ) Dr. Paul Stefan-Grünfeld (Brünn, 2 5 . 1 1 . 1 8 7 9 - 1 9 4 5 , Concord, Massachusetts), Musikschriftsteller, Lyriker, Romancier. 2 2 . 1 0 . 1 9 1 5 - 3 1 . 1 . 1 9 1 8 als Landsturm Oblt. bis Lst. Hptm. in der Literarischen Gruppe. 4 2 4 ) Gustav Ratzenhofer (Wien, 4 . 7 . 1 8 4 2 - 8 . 1 0 . 1 9 0 4 , auf der Reise von Amerika nach Europa), 22.10.1859 als Kadett zu F J B . 2, 1.10.1864 Lt., 1874-1879 im Büro für Kriegsgeschichte des Glstbs., Glstbslaufbahn, 1.11.1889 Obst. i . G . , 28.10.1893 Kmdt. IR. 8, 15.9.1894 Kmdt. 60. IBrig., 1.5.1895 G M . , 20. 8.1898 Präsident des Militärobergerichts, 4.11.1898 F M L . , 2.11.1901 pensioniert. Philosoph und Politologe. Sein Hauptwerk: Wesen und Zweck der Politik, 3Bde., 1893. 4 2 5 ) Raimund Gerba (Ogulin, 1 . 5 . 1 8 4 9 - 1 8 . 3 . 1 9 1 8 , Abbazia), 1868 aus der Genieakad. als Lt. zu
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übrigens einer der Wortführer im Kampf gegen die ungarische Politik, siehe sein anonymes Buch „Unser letzter Kampf" 4 2 8 ). Auch sonstige Militärhistoriker von Namen gehörten dem Kriegsarchiv an wie Kienast-Klapka 4 2 9 ), Angeli 4 3 0 ), Oskar Criste 4 3 1 ) - Erzherzog Carl-Werk, Dr. Just 4 3 2 ). Daneben arbeiteten mit größter IR. 71, Glstbslaufbahn, 1885-1889 in der Kriegsgeschichtlichen Abt. des KA., 1.11.1899 G M . , 1.5.1904 F M L . , 2. 7.1907 betraut mit Kmdo. XVIII. Korps in Agram, 1.5.1909 GdL, 20.10.1912 enthoben, 1.2.1913 pensioniert. Bearbeiter der Bände 18 bis 20 des Generalstabswerkes „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen". 4 2 6 ) Peter Frh. v. Hofmann (Wien, 1 0 . 7 . 1 8 6 5 - 7 . 5 . 1 9 2 3 , Wien), 1884 aus der Milak. als Lt. zu IR. 34, Glstbslaufbahn, 1.11.1894 in die Kriegsgeschichtliche Abt. des KA., 1.11.1898 Mjr. i . G . , 1.11.1899 Glstbschef 14. ITD., 1.5.1911 GM., 21.10.1911 Kmdt. 15. IBrig. in Bozen, 12.4.1914 zugeteilt dem X I . Korpskmdo., formierte 1914 beim Rückzug in die Karpaten aus Landsturmtruppen, Gendarmerie u.s.w. eine Gruppe, die spätere 55. ITD., „Korps Hofmann" bzw. X X V . Korps, 1.11.1914 FML., 17.8.1917 Ritter des Militär-Maria Theresien-Ordens, 1.2.1918 GdL, 1.1.1919 pensioniert. 4 " ) Eduard R. v. Steinitz (Graz, 1 4 . 1 1 . 1 8 6 8 - 1 0 . 8 . 1 9 5 5 , Wien), 1889 aus der Milak. als Lt. zu F J B . 12, Glstbslaufbahn, 1.11.1899 Hptm. i . G . in der 10. Abt. R K M . , 1.5.1904 in die Kriegsgeschichtliche Abt. des KA., 1.5.1906 Mjr. i. G., 1907 Generalstabschef 6. ITD., 1.11.1909 zugeteilt dem X. Korpskmdo., 1.5.1910 Obstlt. i . G . , 1.11.1912 zugeteilt 10. Abt. KM., 1.5.1913 Obst. i . G . , 31.5.1913 Abteilungsvorstand, 3. 9.1915 Kmdt. 7. IBrig., 2.3.1917 Glstbschef der 7., dann der 3. Armee, 1.5.1917 GM., 1.1.1919 Ruhestand. Die Schwerpunkte von Steinitz' Schaffen lagen bei der Bearbeitung des Feldzuges der Nordarmee 1866 und bei der Bearbeitung der österreichischen Außenpolitik vor 1914 in vielen gedruckten Abhandlungen und in einem unpublizierten Werk (KA., Nachlaßsammlung sign. B/553). Vgl. I. Kolmer, Die Bedeutung Eduard R. v. Steinitz für die Kriegsgeschichte, Grazer Diss. 1967. 4 2 β ) Unser letzter Kampf, Wien 1907. In die gleiche Kerbe schlägt das ebenfalls anonym erschienene Werk: Die Vorgeschichte von 1866 und 19??, Wien 1909. 4 2 9 ) Andreas Kienast (Gaubitsch, Niederösterreich, 2 7 . 1 1 . 1 8 5 4 - 9 . 1 1 . 1 9 0 8 , Laa/Thaya), 1.3.1875 als EF. zu IR. 4, 1.11.1877 Lt. i.d. Res. IR. 44, 1.8.1880 Berufsoffizier, 1.11.1890 zugeteilt dem KA., 1.8.1891 Offizier des Armeestandes, 1.11.1895 Hptm., 1.5.1901 pensioniert. Kienast bearbeitete Aschnitte mehrerer Generalstabswerke. Seine von Glaise-Horstenau angeführte selbständige Publikation ist: Die Legion Klapka. Eine Episode aus dem Jahre 1866 und ihre Vorgeschichte, Wien 1900. 4 3 0 ) Moritz Edler v. Angeli (Wien, 2 . 1 2 . 1 8 2 9 - 3 . 1 0 . 1 9 0 4 , Wien), 5.4.1847 aus der Pionierkorpsschule als Unterpionier zum Pionierkorps, 1.7.1849 Lt. IR. 10, nach Teilnahme an den Feldzügen 1848/49, 1859 und 1866 mit 1.6.1871 als Titular-Mjr. pensioniert, 1871-1874 Chefredakteur der „Vedette", 1.1.1874 zugeteilt der Kriegsgeschichtlichen Abt. des ΚΑ., 1.1.1875 Armeestand, 1.5.1888 Obstlt., 1.5.1895 pensioniert. Sein Hauptwerk ist, neben zahlreichen wichtigen militärgeschichtlichen Aufsätzen und zwei Memoirenbänden: Erzherzog Carl von Österreich als Feldherr und Heeresorganisator, 5Bde., Wien-Leipzig 1896-1897. 4 3 1 ) Oskar Criste v. Dal (Bukarest, 1 8 . 3 . 1 8 5 8 - ? ) , 1875 assentiert zu IR. 50, 1880 als Kadettoffiziersstellvertreter aus der IKSch. Hermannstadt zu IR. 50, 1.1.1883 Lt., 17.12.1890 dauernd ins KA. kommandiert, 1892-1893 Frequentant des Instituts für öst. Geschichtsforschung, 1.11.1894 Hptm., 1.4.1897 Armeestand, 1.5.1908 Mjr., 1.5.1912 Obstlt., 1.5.1915 Obst., 1.8.1917 Criste optierte für Rumänien und war an den Aktenauslieferungen an diesen Staat beteiligt. Er gilt als einer der besten Geschichtsschreiber für die Zeit der napoleonischen Kriege, auch als hervorragender Mitautor der Generalstabswerke über den österreichischen Erbfolgekrieg, die Kriege unter Josef II. und gegen die Französische Revolution. Sein Hauptwerk ist: Erzherzog Carl von Österreich. Ein Lebensbild, 1771-1847, Bd. 1 - 3 , Wien-Leipzig 1912. Besonders bekannt sind auch mehrere Studien über den Rastatter Gesandtenmord, und: Feldmarschall Johannes Fürst zu Liechtenstein. Eine Biographie, Wien 1905. 4 3 2 ) Dr. Gustav Just (Waag-Neustadtl, Ungarn, 5 . 9 . 1 8 6 5 - 2 . 4 . 1 9 0 9 , Wien), 1886 als EF. zu F J B . 25, 1.1.1889 Lt. i.d. Res. IR. 99, 1.8.1889 Berufsoffizier, hauptsächlich als Lehrer an Militärschulen in Verwendung, 1.9.1903 ins KA., Schriftenabteilung, kommandiert, 1.11.1904 Hptm.,
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Emsigkeit zahlreiche Archivare, Bibliothekare und so weiter. Seinerzeit hatten durch Fachwissen unbeschwerte Aktenvernichter wohl manches Unheil angestiftet. Grundsätzlich war aber doch zu sagen, daß kein Archiv weit im Umkreis so prachtvoll registriert war wie das Wiener Kriegsarchiv. Dies wurde von allen Benützern gerne anerkannt. In der Bibliothek waltete zu meiner Zeit der besonders versierte Oberoffizial Budeschinsky 4 3 3 ) seines Amtes, einstmals Oberjäger beim 26. Feldjägerbataillon, nun ein Bücherwurm von außergewöhnlichen Kenntnissen. Das Arbeiten in der kriegsgeschichtlichen Abteilung war sehr angenehm. Die Beurteilung hing lediglich vom Ergebnis ab. Es war gleichgültig, wann und wo man arbeitete. Als ich später mein eingerichtetes Heim hatte, ging ich gerade in den Tagen größter Arbeitsbedrängnis nicht aus dem Hause weg, weil ich zu Hause am wenigsten gestört war. Weilte man im Amt, dann speiste man zu Mittag in der sogenannten Cochonnerie, der Kasernenkantine, die nichts weniger als elegant war, aber sehr Gutes zu lachhaften Preisen bot. Jeden Mittag zog, von Hoen geführt, eine Marschkolonne quer über den ehemaligen Akademiehof in den Mittelpunkt, um dort das Mittagsmahl einzunehmen. Es fanden sich auch Generalstäbler aus der Kriegsschule und den umliegenden Büros ein. Ein junger Hauptmann, für seine Verdienste um das Telegraphenwesen mit dem damals äußerst seltenen Kronen-Orden geschmückt, trat zu mir in besonders freundschaftliche Beziehungen: Theodor Körner von Siegringen 4 3 4 ), später Generalstabschef der Isonzoarmee und heute roter Bürgermeister der russisch beherrschten Stadt Wien. Damals war Körner Lehrer an der Kriegsschule - schon in der neuen Ära Alfred Krauss, die Puhallos Zeit gefolgt war. Die Büros im Kriegsarchiv waren alles eher denn luxuriös, aber angenehm und von benediktischer Stille. Der ehemalige Akademiehof, auf den die Fenster hinausgingen, war zum Teil noch - als Überrest der offenen Reitbahn - Schotterfläche; die dem Mariahilfer Trakt nähergelegene Hälfte war von Bäumen und Grasflächen bestanden. 1 . 2 . 1 9 0 6 übernommen in den Armeestand. Just trat als Bearbeiter der Feldzüge 1809 und 1813/14 im Rahmen des Generalstabswerkes und in einzelnen Aufsätzen hervor. 4 " ) Adolf Budeschinsky (Plan, B ö h m e n , 1 4 . 3 . 1 8 6 9 - 2 4 . 1 1 . 1 9 2 3 , Wien), 1 4 . 5 . 1 8 8 7 freiwillig als J ä ger zu F J B . 2 6 , ab 1891 versetzt ins Militärgeographische Institut, 1 . 1 1 . 1 8 9 9 Registraturakzessist in der Bibliothek des K A . , 1 . 5 . 1 9 0 5 Offizial, 1 . 1 1 . 1 9 1 0 Oberoffizial, 3 1 . 8 . 1 9 1 9 Gesuch um Aufnahme in den tschechoslowakischen Staatsverband, vor O k t o b e r 1920 als Kapitän der Tschechoslowakischen Armee dem Vertreter der tschechoslowakischen Regierung bei der Reparationskommission zugeteilt. 4 3 4 ) T h e o d o r K ö r n e r v. Siegringen ( U j - S z ö n y , Ungarn, 2 4 . 4 . 1 8 7 3 - 4 . 1 . 1 9 5 7 , Wien), 1894 aus der T e c h n . Milak. als L t . zu Pibaon. 5, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 1 1 M j r . i. G . , 1 . 1 0 . 1 9 1 2 Lehrer des operativen Generalstabsdienstes an der Kriegsschule, 1 . 1 1 . 1 9 1 3 O b s t l t . i . G . , diverse Generalstabsdienstleistungen im Weltkrieg, zuletzt, ab 1 2 . 9 . 1 9 1 7 , Glstbschef der (1.) Isonzoarmee, 1919 Amtsleiter im Staatsamt für Heerwesen bzw. Leiter der Sektion I im B M . f. H w . , 1 0 . 3 . 1 9 2 3 G M . , 1 . 7 . 1 9 2 3 Heeresinspektor, 1 8 . 1 . 1 9 2 4 General, 1 . 2 . 1 9 2 4 pensioniert, April 1945 Bürgermeister von W i e n , 2 1 . 6 . 1 9 5 1 - 4 . 1 . 1 9 5 7 Bundespräsident. U b e r seine sonstige Tätigkeit als Parlamentarier und Politiker vgl.: E . C . Kollman, T h e o d o r Körner. Militär und Politik, Wien 1973; L . Jedlicka, D r . h . c . T h e o d o r Körner, zuletzt in: V o m alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen Zeitgeschichte 1 9 0 0 - 1 9 7 5 , St. Pölten 1975, 1 6 7 - 1 9 4 ; I. D u c z y n s k a , D e r demokratische Bolschewik. Zur T h e o r i e und Praxis der Gewalt, München 1975; dies. ( H g . ) , T h . K ö r n e r , Auf Vorposten. Ausgewählte Schriften 1 9 2 8 - 1 9 3 8 , Wien 1977.
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ö f t e r des Tages wurde im H o f exerziert, und dann kam wohl auch die im Mitteltrakt einquartierte und übende Regimentskapelle, um zu strammen Defilierübungen schöne altösterreichische Märsche zu spielen, die stets das Herz bewegten. Im letzten Jahre gab es im Kasernhof öfters eine Sensation. Der jugendliche Erzherzog Carl Franz Joseph war, nachdem er bisher bei den Lothringen-Dragonern 4 3 5 ) gedient hatte, zu dem in der Stiftskaserne untergebrachten Teil des Regiments Conrad v. Hötzendorf N r . 39 - einst D o m Miguel 4 3 6 ) - als Bataillonskommandant eingerückt und waltete im Akademiehof seines Dienstes, ö f t e r s war früher die Absicht ventiliert worden, den Erzherzog von der Kavallerie zu meinem Regiment zu transferieren. Man wählte schließlich Wien aus begreiflichen Gründen zur Garnison. Ich brachte im Februar 1913 ins Kriegsarchiv bereits ein umfangreiches Teilmanuskript über den Feldzug von Dresden mit. Hoen warf es weitgehend um und lenkte meine Aufmerksamkeit auf verschiedene historische Vorgänge, die in der bisherigen Literatur, die jüngsten Publikationen des preußischen Generalstabes mitinbegriffen, falsch dargestellt worden seien. Er hatte recht. Zum Teil nach Akten aus dem Berliner Kriegsarchiv schuf ich unter Hoens Anleitung eine vielfach ganz neue Darstellung der geschichtlichen Vorgänge, in denen Napoleon zum letzten Mal auf deutschem Boden vom Glänze des Sieges umflossen war. Ich hatte österreichisches, preußisches, sächsisches und französisches Aktenmaterial zur Verfügung. Leider fehlte russisches. Aus den preußischen Akten konnte ich eine für die historischen Vorgänge besonders wichtige Tatsache entnehmen, die ein ganz neues Licht auf die Ereignisse warf, aber auch den preußischen Geschichtsschreibern der jüngsten Epoche entgangen war. Ende Mai lag, fein säuberlich in Braun und Gold gebunden, mein erstes, wirklich wissenschaftliches kriegshistorisches Buch vor mir 4 3 7 ). Bei aller Bescheidenheit konnte ich sagen, daß es gut geglückt war. N o c h unmittelbar vor dem Erscheinen brachte die Neue Freie Presse aus der Feder von Woinovich eine Zusammenfassung meiner Forschungsergebnisse 4 3 8 ). Ich erstaunte einigermaßen, daß es sich der Ver4 3 s ) D a s k . u . k . (böhmische) Dragonerregiment N r . 7 wurde im November 1663 errichtet und gehörte zu den traditionsreichsten Regimentern der Monarchie. Seit 1888 hatte es „ a u f immerwährende Zeiten" den N a m e n .Generalleutnant und Feldmarschall Carl V. H e r z o g von Lothringen und Bar' zu führen. Vgl. J . Victoria, Geschichte des k. k. siebenten Dragonerregiments H e r z o g Wilhelm v. Braunschweig, Wien 1879. Die Friedenslaufbahn Erzherzog Carl Franz Josephs: 1.11.1903 Lt. U R . 1, 3 . 9 . 1 9 0 5 zu D R . 7 (Eskadronsdienst), 1.11.1909 R t m . , ab 1910 Eskadronskmdt., 1 . 1 1 . 1 9 1 2 zu IR. 39 als Mjr., Kmdt. 1. Baon., 2 3 . 4 . 1 9 1 4 Obstlt., 2 1 . 7 . 1 9 1 4 O b s t . H R . 1. 4 3 6 ) Das k . u . k . (ungarische) Infanterieregiment N r . 39, zuletzt Ergänzungsbezirk Debreczin, wurde 1756 von O b s t . Johann Graf Palffy aufgestellt. 1 8 2 7 - 1 8 6 6 war D o m Miguel H z g . v. Braganza sein Inhaber, ab 1 1 . 8 . 1 9 0 9 Franz Frh. (Graf) C o n r a d v. Hötzendorf. Vgl. F . Mayer, Geschichte des k . k . IR. N r . 39 . . . von seiner Errichtung 1756 bis Ende 1875, Wien 1875; A . M á t e f y - G . Lepes, A es. és kir. Báró Hötzendorfi Konrád (sic) Ferenc Tábornagy Debreceni 39. Gyalogezred Világháborus Tôrténete 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , Debrecen 1939. 4 3 7 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 28. 4 3 8 ) Eine derartige Besprechung konnte in der „ N e u e n Freien Presse" nicht festgestellt werden, obwohl Woinovich in dieser Zeitung zahlreiche Artikel publizierte. Eine Verwechslung von Zeitungen wäre natürlich möglich. Vgl. ansonsten: E. v. Woinovich: Die Rolle Österreichs in den Befreiungskriegen. Die Schlacht bei Dresden, in: N F P . , 2 6 . 8 . 1 9 1 3 , 9 .
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fasser sehr leicht gemacht hatte: ohne mich zu zitieren, hatte er im Wortlaut den „Rückblick", den ich meiner Darstellung angehängt hatte, als ein von ihm verfaßtes Feuilleton abgedruckt. Wenn mir der Gute doch wenigstens die zweihundert Kronen überwiesen hätte, die er als Honorar einsteckte. Aber nichts von alledem ! Man konnte natürlich einem so gütigen Vorgesetzten wie ihm darob nicht böse sein. Major Hoedl 4 3 9 ), der strenge Redakteur der „ F a h n e n " , hatte eben den letzten ausgedruckten Bogen von „ D r e s d e n " imprimiert, als uns Hoen rufen ließ: der Erzherzog Franz Ferdinand habe befohlen, daß doch auch der Band Leipzig rechtzeitig, das heißt vor dem 18. Oktober, herauskommen müsse. Das war ein schwerer Schlag. Aber Befehl ist Befehl. Die Einkreisungsschlacht wurde nach Sektoren aufgeteilt, den Norden erhielt Dr. v. Neumann-Spallert 4 4 0 ), genannt Naphtali, weil er nach dem damals vielzitierten Semi-Gotha dieses Stammes gewesen sein soll, Ehnl 4 4 1 ), der eben den Band über die Schlacht bei Kulm herausgebracht hatte 4 4 2 ), bekam den Osten, ich die aus dem Süden vorrückenden Österreicher und russischen Garden zur Schilderung. Außerdem hatte ich auf beiden Seiten die oberste Führung darzustellen. Es hieß nun wirklich Tag und Nacht arbeiten, um die Aufgabe zu bewältigen. Es gelang. Der sehr dick gewordene Band erschien noch rechtzeitig. Auch eine Draufgabe hatte ich anzufertigen, einen österreichischen Führer " ' ) Rudolf Edler v. Hödl (Linz, 4 . 9 . 1 8 7 6 - 1 6 . 7.1967, Wien), 1897 als Lt. aus der Milak. zu IR. 29, 16.4.1909 zugeteilt dem K A . , 1. 8.1914 zugeteilt dem Glstb. Glstbsoffz. der 35. Lst.IBrig., 12.4.1915 ins K P Q . , 25. 8.1916 zugeteilt der 72. I D . , 1.5.1917 Mjr. zugeteilt Glstb., weitere Glstbsstellungen, ab Kriegsende wieder im K A . , 1.1.1920 Obstlt., 1.9.1920 in das Verhältnis „ a . D . " , 21.2.1922 TitularObst., 1.10.1923 Vorstand der Schriftenabt., 9.10.1923 Hofrat, 15.5.1926 Vizedirektor des K A „ 21.1.1931 Generalstaatsarchivar, 31.1.1932 pensioniert. 21.9.1941 als Obst. z . V . in die Führrereserve des O K H . , 1.10.1941 Delegierter des Chefs der Heeresarchive bei der Heeresgruppe Süd, 15.1.1944 in die Führerreserve des A O K . 17, 24.2.1944 aus der Dt. Wm. entlassen. Hödl wirkte vor allem als Archivar, druck- und finanztechnischer Experte des K A . Er ist der Verfasser einer der besten und vorbildlichsten Regimentsgeschichten - Geschichte des k. u . k . Infanterieregiments N r . 29 auf immerwährende Zeiten Gideon Ernst Frh. v. Loudon, Temesvár 1904. 4 4 0 ) Anatol R. Neumann v. Spallart (Wien, 3 . 5 . 1 8 7 2 - 1 8 . 1 0 . 1 9 1 4 , gefallen bei Jaroslau), 17.5.1892 als EF. zu IR. 98, 21.12.1893 Lt. i.d. Res., 1.1.1895 aktiviert, 1.9.1898 versetzt zu IKSch. Wien, 1.5.1899 Oblt., 1.11.1909 H p t m . , 1.7.1910 in die Schriftenabt. des K A . , 1.11.1911 in die kriegsgeschichtliche Abt.; ab Kriegsbeginn kurz im K P Q . , dann bei IR.98. Neumann-Spallart war vor allem Mitarbeiter an dem Generalstabswerk über die Befreiungskriege, trat aber auch mit Aufsätzen zur Geschichte dieser Zeit hervor. 4 4 1 ) Maximilian Ehnl (Wels, 1 . 5 . 1 8 7 5 - 1 9 . 1 1 . 1 9 5 4 , Wien), 1.10.1893 als E F . zu IR28, Frequentant der Kriegsschule, jedoch nicht ins Glstbskorps übernommen. 1. 5.1909 kommandiert ins K A . , 1.5.1910 Hptm., ab Kriegsbeginn div. Glstbsdienstleistungen, 1.10.1916 Mjr., 1.6.1917 Baonskmdt. bei SchR.28, 2 0 . 8 . 1 9 1 7 - 9 . 2 . 1 9 1 9 ital. Kriegsgefangenschaft, sodann ab 15.2.1919 bis 31.5.1925 im K A . 3.4.1922 Obst. a. D . , 1 1 . 1 0 . 1 9 3 9 - 3 1 . 3.1944 wieder wissenschaftlicher Angestellter im K A . Ehnl war Glaise-Horstenaus schärfster Konkurrent bei der Bewerbung um die Direktion des K A . Seine Hauptwerke sind: Die Österreich-ungarische Landmacht nach Aufgabe, Gliederung, Friedensgarnison, Einteilung und nationaler Zusammensetzung im Sommer 1914, Wien 1934 ( = Ergänzungsheft 9 zu „ ö s t e r reich-Ungarns letzter Krieg"); Wenzel Cäsar Messenhauser, Nationalgarde-Oberkommandant von Wien, Wien 1948. 4 4 J ) Befreiungskrieg 1813 und 1814. Einzeldarstellungen der entscheidenden Kriegsereignisse, Bd. 4: M. Ehnl, Schlacht bei Kulm, Wien 1913.
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über das Leipziger Schlachtfeld, welcher den österreichischen Teilnehmern an der Leipzig-Feier überreicht wurde. Ich hatte das Schlachtfeld am Schluß meines Dresdener Aufenthaltes eingehend besichtigt. Der Feldzug 1814 sollte in der Folge erscheinen. Ich hatte mich davon absentiert, da ich lieber den noch ausständigen Band von 1809, den Volkskrieg in Tirol und in den Alpen überhaupt, schreiben wollte, der wissenschaftlich noch nicht ausreichend behandelt worden war. Der Krieg durchkreuzte alle Pläne. Auch unsere Gewaltarbeit über 1813 schwand aus den Augen der Kritik. Vielleicht hatte auch Hoen recht, der immer behauptete, unsere Generalstabswerke würden nur von vier Lesern wirklich gelesen. Er wollte sie gekannt haben, einer war angeblich ein pensionierter Rechnungsoffizial bei Krems ! Als ich im Februar nach Wien gekommen war, hatte ich zunächst ein bescheidenes Gelaß in dem ein wenig verrufenen Hotel Terminus nächst der Gumpendorfer Straße bezogen. Im April erschütterte noch einmal eine schwere Krise die Welt. Nikola von Montenegro weigerte sich absolut, dem österreichischen Drängen nachzugeben und aus Skutari zurückzugehen. Feldzeugmeister Potiorek erhielt bereits den Befehl zum Einmarsch in Montenegro. Alles hing anscheinend an einem Faden. Der alte „ H a m m e l d i e b " scheint ein mehr als platonisches Vergnügen daran gehabt zu haben, auf den Weltbörsen eine tiefe Depression zu erzeugen. Auch österreichischen Würdenträgern sagte man nach, sie hätten von der Situation Nutzen gehabt. Kurz und gut: Nikola von Montenegro steckte in zwölfter Stunde sein Schwert in die Scheide, und die Balkankrise war bis zu ihrer bald zu gewärtigenden Fortsetzung vorderhand beendigt. Gleichzeitig erfolgte meine Ernennung zum Hauptmann 4 4 3 ) im Generalstabskorps und meine definitive Zuteilung in die kriegsgeschichtliche Abteilung des Kriegsarchivs. Ich mußte die mir sehr ans Herz gewachsene Jägeruniform ausziehen. Sie war während der Zuteilung zum Generalstab noch durch eine goldene Spange auf der rechten Schulter verziert worden, durch die bei entsprechenden Anlässen die ,,en echarpe" getragene, breite schwarz-gelbe Feldbinde gezogen wurde. (Die Adjutanten der Generäle und ihre Ordonnanzoffiziere trugen die Schärpe von der linken Schulter zur rechten Hüfte.) Als Generalstabshauptmann bekam ich den „flaschengrünen" Waffenrock mit zwei Reihen Knöpfen, schwarzen Samtaufschlägen, roten Randstreifen und drei goldenen Sternen. Auf das weise Haupt stülpte man bei feierlichen Anlässen den Zweispitz mit dem hellgrünen Federbusch. Mit dem langen, blanken Offizierssäbel samt goldenem Portepee sah man, zumal wenn man noch kein Enbonpoint angesetzt hatte, in dieser betont einfachen Uniform wirklich elegant aus. Die Herzen der Mädchen in Salzburg klopften noch einmal höher, als sie mich in meiner neuen Pracht Abschiedsbesuche abstatten sahen. Das Offizierskorps gab mir ein recht nettes Abschiedsfest, bei welchem Gelb mir und ich ihm und seinen Offizieren Worte des Dankes und der Treue sagte. Besonders gefreut hat es mich, daß mir der Gemeinderat von Salzburg eine Abschiedsadresse zukommen ließ, in welcher der Bürgermeister betonte, wie leid es der Stadt täte, ihren verdienten Sohn zu verlieren. Es war für einen jungen Offizier keine alltägli443
) Ernennung zum Hauptmann im Generalstabskorps mit 1.5.1913.
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che Kundgebung. Im übrigen erschien ich im nächsten Halbjahr noch öfter über Sonntag in meiner geliebten Heimatstadt. Major Dittrich, der einstige Brigadegeneralstäbler, nunmehr im Eisenbahn-Büro, verschaffte mir jedes Mal eine Freikarte erster Klasse natürlich. In Wien mietete ich mich zunächst in einem Zimmer der Theobaldgasse, nächst der in die Gumpendorfer Straße führenden Stiege, ein. Gleichzeitig suchte ich für meine Mutter und mich eine Wohnung. Schon während meiner Kriegsschulzeit hatte mich die Gegend beim Meidlinger Tor des Schönbrunner Parkes angezogen. Sie war damals noch recht verwildert. Das Gatterholz auf dem Grünen Berg war nachgerade wegen des Gesindels, das sich dort aufhielt, berüchtigt. Inzwischen waren längs der Parkmauer und auch unten zum Wiental hinüber neue Häuser entstanden, leider lauter Spekulationsbauten. In einem dieser neuen Häuser erspähte ich, zunächst im zweiten Stock, eine leere Wohnung und mietete sie: XII. Bezirk der Bürgersteig gehört schon zum XIII. - Grünbergstraße 9. In diesem einfachen Zinshaus erlebte ich meinen Aufstieg und dann auch den ihm folgenden furchtbaren Sturz ! In meiner Junggesellenbehausung, Theobaldgasse, war ich nur wenig zu Hause. Ich lebte in meinem Büro und natürlich auch im Kaffeehaus. Neben der Arbeit am Generalstabswerk entwickelte ich eine reiche journalistische Tätigkeit. Abgesehen von den Tageszeitungen hatte sich mir eine besondere Ablagerungsstätte für mehr oder minder geglückte Geistesprodukte in der offiziellen Zeitung des Kriegsministeriums, der „Militärischen Rundschau'^, - eröffnet. Ihr Gründer war Oberst v. Boog 4 4 4 ), unter Auffenberg Chef des Präsidialbüros im Ministerium, eine höchst originelle Persönlichkeit, deren Charakterbild später, nachdem er erster Oberbefehlshaber der roten Volkswehr geworden war, in der Geschichte zu schwanken begann. Als Ende 1912 der vielgenannte sozialdemokratische Politiker und Arbeiterführer Franz Schumeier 4 4 5 ) von einem Christlichsozialen erschossen wurde, überraschte die „Militärische Rundschau" Boogs die Welt mit einem den Toten äußerst ehrenden Leitartikel, für ein offizielles Militärblatt kein alltäglicher Vorgang. Allerdings war es die Zeit der k. k. Sozialdemokraten. Chefredakteur der Rundschau war ein gewisser Hauptmann Hueber 4 4 6 ), der, wie der Wiener sagt, einen 4 4 4 ) Adolf V. Boog (Belluno, 2 7 . 4 . 1 8 6 6 - 1 5 . 2 . 1 9 2 9 , Wien), 1886 aus der Techn. Milak. als Lt. zur schweren Batteriedivision 4, Glstbslaufbahn, 1.5.1910 Obst. i . G . u. Glstbschef X V . Korps, 18.5.1911 Kmdt. IR. 27, 3.11.1911 Vorstand des Präsidialbüros K M . , 18.10.1913 Kmdt. 8.IBrig., 1.8.1914 G M . , 30.8.1914 Glstbschef 3. Armee, 9 . 5 . 1 9 1 5 enthoben, Mai 1915 Kmdt. 9 3 . I T D . , 12.9.1915 betraut u. 31.3.1916 ernannt zum Kmdt. 2 5 . I T D . , 1.8.1917 F M L . , 3.5.1918 Kmdt. 5 2 . I D . , 13.5.1918 Kmdt. 4. I D . , 31.7.1918 enthoben, 1 5 . 1 1 . 1 9 1 8 - 1 . 7 . 1 9 1 9 Kmdt. der Deutschösterreichischen Volkswehr. 4 4 s ) Franz Schuhmeier (Wien, 1 1 . 1 0 . 1 8 6 4 - 1 0 . 2.1913, Wien), Redakteur, 1901-1913 niederösterreichischer Abgeordneter zum Reichsrat, von Paul Kunschak erschossen. 4 4 6 ) Viktor Hueber (Pola, 3 0 . 6 . 1 8 6 7 - ? ) , 24. 2.1886 als Inf. zu IR. 10, Frequentant der IKSch. Wien, 1.11.1890 Lt., 1.4.1893 versetzt in die Reserve, 1. 7.1894 aktiviert, 1897-1899 Frequentant der Kriegsschule, 1.11.1899 zugeteilt Glstb., 1.11.1902 Hptm. LwIR. 34, 1.3.1908 beurlaubt, 1.12.1910 pensioniert, als Jornalist, insb. als Chefredakteur der „Militärischen Rundschau" tätig, von Kriegsbeginn bis Okt. 1914 im K P Q . , sodann bis April 1915 im K A . , 1.6.1915 Mjr. mit Titel und Charakter, 1.7.1915 Ruhestand, Oktober bis Dezember 1918 Chefredakteur von „Danzer's Armee-Zeitung".
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Vogel im Kopfe hatte. Die Belletristik leitete mein Freund und Akademiekamerad Franz Xaver Kappus, der neben sich noch einen zweiten Feuilletonredakteur in der Person Ottokar Kraft v. Helmhacker 4 4 7 ) hatte. Ich bekam sofort die Bücherrubrik überwiesen und schrieb auch sehr viele Artikel. D a das Unternehmen echt „ärarisch", keineswegs auf Gewinn berechnet, sondern stets mit einem unerhörten Passivum belastet war, zahlte es vergleichsweise sehr schöne Honorare, und mein schriftstellerisches Einkommen belief sich fast auf einen höhren Betrag als ihn die auch schon ganz schönen Hauptmanns-Gebührnisse ausmachten. In den Mai fiel ein für den k . u . k . Generalstab äußerst bedauerliches Geschehnis. Schon seit einiger Zeit hatte man die Erfahrung gemacht, daß die russische Heeresleitung von einem besonders unterrichteten österreichischen Offizier mit „militärischen Nachrichten bedient" wurde. In einem wahren Kriminalroman deckte die Wiener Polizei unter ihrem staatspolitischen Dezernenten Johann Schober 4 4 8 ), dem späteren österreichischen Bundeskanzler, den Verbrecher in der Person des k . u . k . Generalstabsobersten Redl 4 4 9 ), früher lange Zeit im Evidenzbüro des Generalstabes, nun Generalstabschef des Prager Korps, auf. Nichts fehlte zum Detektivroman, auch nicht das in einem Autotaxi vergessene Futteral eines Taschenmessers. Redl wurde gestellt. Conrad v. Hötzendorf befahl, daß man dem verräterischen Offizier eine Frist bewillige, mit sich selbst ein Ende zu machen - widrigenfalls der Gerechtigkeit freier Lauf gelassen werden sollte. Zwischen zwölf und ein Uhr nachts blickten von der Herrengasse aus drei geheimnisvolle Männer zu einem beleuchteten Fenster im ersten Stockwerk des Hotels Klomser empor 4 5 0 ). Es waren der Oberkommissär der Staatspolizei Johann Schober, dessen zukünftige historische Rolle ich schon streifte, dann der kleine Major Max Ronge 4 5 1 ), der spätere 4 4 7 ) Ottokar Kraft v. Helmhacker (Chrudim, Böhmen, 1 1 . 1 1 . 1 8 7 6 - u m 1954, ?), 1898 aus der Milak. als Lt. zu IR. 94, ab 1.9.1903 Lehrer an der IKSch. Lemberg, 9. 3.1909 pensioniert, sodann Redakteur der „Militärischen R u n d s c h a u " , im Weltkrieg Aufsichts- und Verwaltungsoffz., 1.2.1916 H p t m . , nach Kriegsende Mittelschullehrer in Prag, 1946 vertrieben und sodann in Dettingen-Teck, Württemberg, ansässig. Glaise-Horstenau führte fälschlich den Dichter und Schriftsteller Zdenko Kraft v. Helmhacker an. 4 4 8 ) Johann Schober (Perg, O ö . , 1 4 . 1 1 . 1 8 7 4 - 1 9 . 8.1932, Baden b. Wien), Polizeibeamter, D r . iur., seit Juli 1918 Polizeipräsident von Wien, 2 1 . 6 . 1 9 2 1 - 2 4 . 5 . 1 9 2 2 und 2 6 . 9 . 1 9 2 9 - 2 5 . 9 . 1 9 3 0 Bundeskanzler, 4 . 1 2 . 1 9 3 0 - 2 7 . 1 . 1 9 3 2 Außenminister. 4 4 9 ) Alfred Redl (Lemberg, 14. 3 . 1 8 6 4 - 2 5 . 3 . 1 9 1 3 Wien), 14. 3.1881 assentiert zu IR. 55, 18. 8.1882 als Tit.-Feldwebel aus der IKSch. Karthaus, 1 . 6 . 1 8 8 7 Lt. IR. 9, Glstbslaufbahn, 1.10.1900 Kundschaftsoffz. im Evidenzbüro d. Glstbs., 1.10.1905 Glstbschef 1 3 . L w I T D . , 1 . 1 1 . 1 9 0 5 Mjr. i . G . , 1.10.1907 Stellvertreter des Chefs des Evidenzbüros, 1 . 5 . 1 9 0 9 Obstlt. i . G . , ab 2 2 . 4 . 1 9 1 1 Truppendienstleistung, 1 . 5 . 1 9 1 2 O b s t . i. G . , 14.10.1912 Glstbschef VIII. Korps. Ü b e r ihn vgl. die „ R e d l - B i bliographie", in: J . Reifberger, Die historische Entwicklung des österreichischen militärischen Nachrichtendienstes. Militärwissenschaftl. Arbeit für den 5. Generalstabskurs an der Landesverteidigungsakademie, Wien 1969, Bibliographie, Abschnitt C . 4 5 0 ) D a s Hotel Klomser befand sich im 1. Bezirk, Herrengasse 19. 4 5 1 ) Maximilian Ronge (Wien, 9 . 1 1 . 1 8 7 4 - 1 0 . 9 . 1 9 5 3 , Wien), 1896 als Lt. aus der Milak. zu 2, T K J R . Glstbslaufbahn, ab 2 0 . 1 0 . 1 9 0 7 Leiter der Kundschaftsgruppe im Evidenzbüro des Glstbs., Ronge bleibt - von kurzen Truppendienstleistungen abgesehen - in diesem Büro, 1 . 5 . 1 9 1 2 Mjr. i . G . , 1.11.1914 Obstlt. i. G . , 25. 4.1917 Chef der Nachrichtenabt. des A O K . , 1. 5.1917 O b s t . i. G . , ab Juli 1919 im Öst-Kriegsgefangenen- und Zivilinterniertenamt, ab Juni 1920 stellv. Amtsleiter, dann Amtslei-
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Chef des Evidenzbüros des Generalstabes, und der Regimentsarzt Miloslavich 452 ), ein Kroate, der es später zu einem berühmten Gerichtsmediziner brachte und unter anderem auch an der deutscherseits unternommenen internationalen Untersuchung des Katyner Falles teilnehmen sollte. Die drei warteten, mit der Uhr in der Hand. Endlich fünf Minuten vor ein Uhr ertönte ein Schuß, die Herren stürmten sofort hinauf und fanden Redl am Schreibtisch mit durchschossenen Schläfen. Die publizistische Behandlung des peinlichen Falles ging zu Anfang natürlich daneben. Man wollte die Sache irgendwie tarnen, es glückte aber nicht. Schon nach vierundzwanzig Stunden mußte man mit der vollen Wahrheit herausrücken. Einer, der ganz besonders tobte, war Franz Ferdinand, der ohnehin längst die Abneigung der kaiserlichen Prinzen gegen die flaschengrünen Röcke teilte; Conrad erzählte mir später von den Tobsuchtsanfällen, die er miterlebte: „Mehr als einmal fürchtete ich, der Erzherzog werde sich an mir vergreifen wollen und ich würde zum Gegenangriff schreiten müssen." Conrad trug dem Erzherzog an, er möge ihn „wegjagen". Der Erzherzog befahl die sofortige Pensionierung des Obersten v. Urbanski 453 ), seinerzeitigen Chefs Redls. Auch sei in den „Sauhaufen" von Generalstab sofort Ordnung zu bringen, sonst werde er, der Erzherzog, durchgreifen. Conrad leitet - auch in seinen Denkwürdigkeiten - die Anfälle des Erzherzogs, bei denen man ihm den engen Kragen habe öffnen müssen, auf eine „physische Indisposition" zurück. Auch andernorts wurde gemunkelt, Franz Ferdinand sei in den letzten Lebensjahren von einer paralytischen Erkrankung bedroht gewesen. Mein 1937 verstorbener Zahnarzt Dr. Klauber in Wien erzählte mir, sein Vater habe als Arzt in Prag den damals bei IR. 102 eingeteilten Erzherzog in einer schweter, 1 . 8 . 1 9 2 0 pensioniert, ab 1 . 9 . 1 9 2 2 selbständiger Referent im Bundeskanzleramt, 3 1 . 3 . 1 9 2 4 T i t u lar-Generalmajor, 4. 3 . 1 9 2 7 wirklicher Amtsrat, 3 1 . 1 0 . 1 9 3 2 dauernder Ruhestand, 2 3 . 2 . 1 9 3 4 Leiter des Evidenzbüros im Verband der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, 13. 3 . - 1 3 . 8 . 1 9 3 8 Schutzhaft in Wien, Dachau, M ü n c h e n , nach dem Weltkrieg wieder bis zum T o d e nachrichtendienstlich tätig. Verfasser v o n : Kriegs- und Industriespionage. Zürich-Leipzig-Wien, l . A u f l . 1930, 2. Aufl. 1932, з. Aufl. 1933; Meister der Spionage, Leipzig-Wien 1935. Glaise-Horstenau schrieb zum erstgenannten W e r k ein V o r w o r t . D i e Auslieferung des zweitgenannten Werkes wurde vom N S - R e g i m e verboten, sodaß fast die gesamte Auflage eingestampft werden mußte und das W e r k in fast keiner öffentlichen Bibliothek greifbar ist. Vgl. ansonsten seinen umfangreichen Schriftennachlaß, K A . , sign. B / 1 2 6 . 4 5 2 ) D r . Eduard Miloslavich (Oakland, Kalifornien, 2 0 . 1 2 . 1 8 8 4 - ? ) , Medizinstudium in W i e n , 1. 4 . 1 9 0 9 als E F . - M e d i z i n e r zu L w I R . 37, 1 . 1 0 . 1 9 0 9 Assistenzarztstellvertreter und zugeteilt dem G a r nisonsspital N r . 1, W i e n , 1 . 8 . 1 9 1 0 O b e r a r z t , 2 7 . 1 1 . 1 9 1 2 - 4 . 4 . 1 9 1 3 auch Chefarzt Sanitätsabt. 1 in W i e n , 1 . 5 . 1 9 1 3 Regimentsarzt zugeteilt dem Leichenhof, 1 . 6 . 1 9 1 6 bis gegen Jahresende 1917 Vorstand der Kriegsprosektur im Militär-General-Gouvernement Serbien. 4 " ) August Urbanski v. O s t r y m i e c z (Ragusa, 2 6 . 8 . 1 8 6 6 - 1 5 . 3 . 1 9 5 0 , Thal bei G r a z ) , 1885 aus der T e c h n . Milak. als L t . zur schweren Batteriediv. 25, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 7 O b s t l t . i . G . , 8 . 4 . 1 9 0 8 Adjoint militaire d ' A u t r i c h e - H o n g r i e der makedonischen Reformgendarmerie, 28. 4 . 1 9 0 9 eingeteilt ins Evidenzbüro, 2 8 . 1 0 . 1 9 0 9 C h e f des Evidenzbüros, 1 . 5 . 1 9 1 0 O b s t . i . G . , nach der Affäre Redl am 2 9 . 4 . 1 9 1 4 vom E r z h e r z o g - T h r o n f o l g e r zur Superarbitrierung zwecks beabsichtigter Pensionierung kommandiert, 1 . 8 . 1 9 1 4 Kmdt. 9 1 . L w I B r i g . , 2 0 . 2 . 1 9 1 6 K m d t . 4 6 . L w I T D . , 4 . 9 . 1 9 1 7 F M L . Verfaßte
и. a. Artikel über den militärischen Nachrichtendienst in diversen Fachzeitschriften und Sammelwerken sowie die erste umfangreichere Conrad-Biographie: Conrad von H ö t z e n d o r f - Soldat und M e n s c h , l . A u f l . G r a z - L e i p z i g - W i e n 1938, 2 . A u f l . 1939; ferner eine unpublizierte Autobiographie: Das T o r n i sterkind ( K A . , sign. B / 7 8 ) .
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ren Ansteckung behandelt. Auch Hofrat Jiresch 456 ), Franz Ferdinands späterer Baumeister, berichtet gleiches. Ebenso vernahm ich, der Erzherzog habe sich während der Reise um die Welt 1892/93 einer Quecksilberkur unterzogen. Es wäre eine unerhörte Tragik des Schicksals gewesen, wenn so über dem Haupte des begabtesten habsburgischen Prinzen der letzten Generation ein furchtbares Damoklesschwert geschwebt hätte. Der Konflikt um die Redl-Affäre bedeutete den Anfang einer großen Verstimmung zwischen Franz Ferdinand und Conrad, die im Herbst zu einer schweren Krise führte. Ich komme darauf zurück. Den 18. August machte ich noch einmal in Salzburg mit. Die Garnison war noch zum Teil nicht auf Manöver. Daher gab es eine Feldmesse auf dem kleinen Exerzierplatz neben der Heilbrunner Kaserne, den in meiner Leutnantszeit mein Hauptmann Sigmundt besonders liebte. Ich fuhr mit Gelb zusammen hinaus und tat noch einmal an seiner Seite Dienst. Beeilte mich jedoch, auch noch im Dom ein Zipfelchen des Pontifikalamtes zu erwischen, des letzten Kaiseramtes, das Kardinal-Fürsterzbischof Katschthaler las - er starb Ende Februar 1914. Auch mein letztes Kaiseramt in Salzburg war es. Das nächste Geburtsfest Franz Josephs erlebte ich schon im fernen Ostgalizien. Am 19. August 1913 früh hielt ich mit meiner Mutter zusammen Einzug in der Grünbergstraße 9. Ein Vierteljahrhundert später wurde sie tot hinausgetragen, um noch einmal den Weg nach Salzburg, auf den Maxglaner Friedhof, einzuschlagen. Hoen ging bald hernach als Presseleiter auf die Kaisermanöver bei Chotovin in Südböhmen 455 ). Ich mußte in der Stiftskaserne die Schlacht bei Leipzig fortführen. Es tat mir recht leid. Die Manöver waren voll von Aufregungen. Zwischen Conrad und Franz Ferdinand kam es zu einer schweren Auseinandersetzung, weil jener am Sonntag von der Kirche ferngeblieben war. Die Vorwürfe des Erzherzogs waren nur ein Ausfluß seiner allgemeinen Einstellung zum Chef des Generalstabes. Denn auch der nach wie vor in hohen Gnaden befindliche frühere Adjutant Brosch war alles eher denn ein Kirchgänger. Besonders böse war Conrad v. Hötzendorf, als der Erzherzog plötzlich am zweiten Tage die vom Generalstab vorbereiteten Manöver abblasen ließ und für den dritten Tag eine neue Übung über den Kopf des Generalstabschefs hinweg anordnete. Die ersten Manövertage hatten übrigens ein anderes Bild ergeben, als es im Plane der Oberleitung gelegen war. Wieder war die gewisse Anlage getroffen: stärkere Partei in zwei getrennten Gruppen, deren eine vom schwächeren Gegner am ersten Tag geschlagen wurde, während am zweiten Tag der stärkere Gegner zum vollen Einsatz kam. Die getrennt aufmarschierende Partei war diesmal von dem früheren Kriegsminister Auffenberg befehligt, er sollte endgültig gestürzt werden. Aber Auffenberg war schlau, er setzte sich keiner Teilniederlage aus, sondern nahm seine gefährdete Gruppe rechtzeitig zurück, um des anderen Tages mit ungeschwächter zusammengefaßter Kraft über seinen Gegner Brudermann herzufallen. ) Konnte nicht näher identifiziert werden. ) Diese letzten großen Manöver der k. u . k . gesamten bewaffneten Macht fanden vom 14. bis 17. September 1913 südöstlich von Tabor statt. Sie sollten die Befähigung der Armeeinspektoren G d K . Rudolf R. v. Brudermann und G d l . Moritz R. v. Auffenberg zum höheren Truppenführer nachweisen. 454
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Die geschickte Führung rettete Auffenberg vor dem Rücktritt, der erst ein Jahr später unter viel schmerzlicheren Umständen im Angesicht des Feindes erfolgen sollte. Am dritten Obungstag wurde, während Conrad schmollend abseits blieb, die „Sophienschlacht" 4 5 6 ) geschlagen, so benannt nach der Gemahlin des Erzherzogs, die mit den Kindern auf dem Schlachtfeld erschienen war. Das Konzept stammte von Brosch v. Aarenau, der an der Übung als Schiedsrichter teilnahm. Es behandelte den Angriff einer Armee im Verbände gegen einen markierten Gegner. Soweit war der Gedanke durchaus gut. Es wurde ein Thema geübt, das bei den Friedensübungen im allgemeinen viel zu wenig bedacht war. Dagegen widersprach das Bild der Kavallerieschlacht, das an einem Flügel, offenbar zur Freude der Gäste, veranstaltet wurde, in keiner Weise der Wirklichkeit; es war ein reines Schaustück. Wenige Tage später empfing Franz Ferdinand in Blühnbach den Kommandierenden von Budapest, G d K . Tersztyánszky 4 5 7 ). Er prüfte ihn, ob er für die Nachfolgeschaft Conrads geeignet sein mochte, kam aber doch von dem Gedanken wieder ab. Inzwischen nahten die Festtage der Jahrhundertfeier. Im Kriegsarchiv arbeiteten wir bis in die letzte Stunde. Woinovich wollte den Leipzig-Band, der sehr dick geworden war, dem Erzherzog-Thronfolger unbedingt im Salonwagen auf der Fahrt nach Leipzig überreichen. Es gelang. Am 16. O k t o b e r vormittags fand auf dem Schwarzenbergplatz eine Ausrückung der Garnison vor dem Kaiser statt. Ich glaube, es war die letzte große Ausrückung im Leben des Monarchen. Abends war Empfang in Schönbrunn. Auch die Mitarbeiter am Generalstabswerk über den Krieg 1813 waren dazu befohlen. Feierlich angetan ging ich abends, durch meine Mutter begleitet, von zu Hause das kurze Stück Weg nach Schönbrunn. Das Gewoge einer gewaltigen Auffahrt umgab uns. Ich legte in der Garderobe meine Pelerine ab und begab mich hinauf in die große Galerie. Wir Skribenten marschierten bescheiden in einem Winkel auf. Gegenüber 4 5 6 ) Entgegen dem vom Chef des Generalstabes Gdl. Conrad v. Hötzendorf vorgesehenen Manöververlauf wurde am 17. September ein vom Erzherzog-Thronfolger gewünschter Angriff eines großen Heereskörpers gegen eine von Markierern verteidigte Stellung durchgeführt. Es wurde behauptet, daß diese Übung und die dabei vorgesehene Kavallerieattacke vor allem auch dazu diente, der Gemahlin Ehg. Franz Ferdinands ein effektvolles militärisches Schauspiel vorzuführen. Sie wurde daher später wegwerfend „Sophienschlacht" genannt. Der militärische Wert der Übung war sehr umstritten, die schlecht angesetzte Kavallerieattacke machte auf die Beobachter keinen guten Eindruck. Conrad faßte den Eingriff in seine Kompetenzen als Brüskierung auf. Vgl. R. Kiszling, Franz Ferdinand, 262 ff. und dazu die kritischen Ergänzungen von G. Hubka: „ D i e ,Sophienschlacht' bei Tabor am 17. September 1 9 1 3 " ( K A . , sign. B / 6 1 , nr. 4). 4 5 7 ) Karl Tersztyánszky v. Nados (Szákolcza, Ungarn, 2 1 . 1 1 . 1 8 5 4 - 7 . 3 . 1 9 2 1 , Wien), 1 8 . 8 . 1 8 7 7 als Lt. aus Milak. zu D R . 8, Glstbslaufbahn, 1 8 . 4 . 1 9 1 4 Kmdt. 1 4 . I T D . in Preßburg, 2 9 . 9 . 1 9 1 2 Kmdt. IV. Korps und kdi. General in Budapest, 1 . 5 . 1 9 1 3 G d K . , 2 2 . 5 . 1 9 1 5 Kmdt. d. Balkanstreitkräfte, 2 5 . 9 . 1 9 1 5 enthoben, 1 . 5 . 1 9 1 6 Generaloberst, 7 . 6 . 1 9 1 6 Kmdt. 4 . A r m e e in Wolhynien, 1 9 . 3 . 1 9 1 7 Kmdt. 3. Armee, 1 2 . 7 . 1 9 1 7 enthoben, 3 0 . 8 . 1 9 1 7 Kapitän der Leibgarde-Reiter-Eskadron, 1 . 1 2 . 1 9 1 8 pensioniert. Vgl. Aus dem Nachlaß . . . Bolfras, Wie Franz Ferdinand den Generalstabschef Conrad stürzen wollte, in: N W J . , 2 8 . 1 1 . 1 9 2 6 , 5 f . ; Der wahnsinnige General, in: N W J . , 2 0 . 3 . 1 9 2 7 , 2 ; Ein Heerführer ohne Glück, in: N W J . , 1 2 . 9 . 1 9 2 4 , 6 f . Dieser letztgenannte anonym erschienene Aufsatz ist, wie aus einem erst kürzlich aufgefundenen Manuskript eindeutig hervorgeht, die erste Veröffentlichung Rudolf Kiszlings.
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standen die Armee-Inspektoren, militärischen Minister und Korpskommandanten. Etwas weiter links die Erzherzöge. Der Kaiser kam unter dem üblichen Zeremoniell in weißer Gala, mit dem rot-weiß-roten Großkreuzband des Theresienordens. Zwei darauffolgende Szenen blieben mir in dauernder Erinnerung. Zuerst sprach der Kaiser auffallend lange mit Potiorek, dem Kommandierenden und Chef der Landesregierung in Bosnien. Der Grund lag auf der Hand. Die Serben waren in Albanien eingedrungen und wollten sich auf dem Ostufer der Adria festsetzen. Wir konnten es nicht zulassen und zwangen sie schließlich durch ein in den nächsten Tagen ablaufendes Ultimatum zum Rückzug. Es war klar, daß es da für den Kaiser mit dem designierten Feldherrn des Südostens manches ernste Wort zu wechseln gab. Charakteristisch dabei war die Haltung Potioreks. Der alte Beck hatte seinen einstigen Stellvertreter Potiorek gern gehänselt, weil er die Nase immer besonders hoch trug; dies tat er selbst dem Kaiser gegenüber. Er stand vor ihm, etwas größer als der Herrscher, und sprach irgendwie von oben herab auf ihn ein, die Beine in ,,Ruht"-Stellung, dabei lässig mit der goldenen Quaste des Portepees spielend. Nach dieser Unterredung sprach der Kaiser eine Reihe von Generalen an. Auffenberg stand im ersten Treffen, aber Franz Joseph übersah ihn geflissentlich. Einige Zeit beobachtete der nicht weit weg stehende Erzherzog Franz Ferdinand diese Szene, dann schnellte er aus der Reihe der Prinzen heraus, auf Auffenberg los, um sich mit dem General in demonstrativer Weise zu unterhalten. Als der Kaiser zu unserer Gruppe kam, wurde ihm jeder einzelne vorgestellt. Der alte Herr sah noch recht stattlich aus. Er nickte bei jeder Mitteilung unseres Direktors, wandte sich schließlich noch einmal zu uns und sagte: „ I c h danke Ihnen, meine Herren, es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut." Woinovich hatte uns versprochen, uns für eine allerhöchste Anerkennung vorzuschlagen, die zum Tragen der Militärverdienstmedaille, des sogenannten Signum laudis, berechtigte. N u n aber ließ er uns wissen, der Kaiser habe uns seine Anerkennung ohnehin schon mündlich ausgesprochen, er könne nicht noch eine schriftliche Bestätigung verlangen. Mir tat es ein wenig leid, daß meine Brust wieder leer bleiben sollte. Am 18. Oktober war in Leipzig die große Einweihungsfeier des Völkerschlacht-Denkmals. Erzherzog Franz Ferdinand hatte die österreichische Abordnung anzuführen. An gewöhnlichen Sterblichen konnten diejenigen mitfahren, von denen drei Vorfahren bei Leipzig gekämpft hatten. Ich brachte deren nur zwei zusammen, meinen Großonkel Josef und meinen Großvater Wilhelm. Ich mußte mich damit begnügen, als Privatmann loszufahren. Ich fuhr zusammen mit Dittrich, der eben erst von einem seit dem Vorabend andauernden Liebesmahl gekommen und dementsprechend illuminiert war. Auch Kiszling befand sich unter den Fahrgästen. In Leipzig ging es hoch her. Von der eigentlichen Festfeier sahen wir allerdings so gut wie nichts. Auch in sie warf sich der Zwiespalt zwischen Erzherzog Franz Ferdinand und Conrad als schwerer Schatten. Als Conrad dem deutschen Kaiser auf dessen Wunsch die österreichische Abordnung vorstellen wollte, drängte sich der Erzherzog ungestüm dazwischen und rügte den Generalstabschef schwer, weil er sich widerrechtlich die Rolle des obersten Vertreters Österreichs
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aneigne. Der deutsche Chef des Generalstabes v. Moltke, der Zeuge der auffälligen Szene war, meinte bedauernd zu Conrad: „Also so sieht es bei Ihnen aus 4 5 8 )?" Die serbische Krise ging dank der Nachgiebigkeit Belgrads wieder gut aus — ebenso wie einige Monate vorher die um den Frieden von Bukarest 459 ). Aber die Zündschnur brannte, jeden Augenblick konnte ein Funke ins Pulverfaß springen. Den Winter über hatte ich, neben der normalen journalistischen Betätigung, die immer intensiver wurde, eine sehr interessante Arbeit; für die von Veltzé geleitete populäre Darstellung der Befreiungskriege hatte ich es übernommen, die „Heimkehr Tirols" 4 6 0 ) in den Jahren 1813/15 zu schildern. Dazu führte mich mein Forschertrieb das erste Mal intensiver in das Archiv des Ministeriums des Inneren, das von Heinrich Kretschmayr 461 ) geleitet wurde. Meiner Gewohnheit gemäß ein paar Worte über diesen Mann. Kretschmayr war ein kleines Männchen mit ausgesprochen französischem Typus, dessen Herkunft bei diesem Ur-Niederösterreicher schleierhaft war. Er war ein glänzender Kenner der österreichischen Geschichte, hatte sich durch eine Reihe von Publikationen hervorgetan und trug sein Leibfach auch als Privatdozent an der Universität vor. Er war nicht bloß ein Aktenmensch, sondern zugleich, wie es sich für einen richtigen Geschichtsschreiber gehört, eine Künstlernatur voll phantasiereicher Einfühlung in den behandelten Gegenstand und glänzender Meisterung der Sprache. Wir wurden später sehr gute Freunde, und als der Anschluß kam wurde ihm dabei ein seit 1918 gern geträumter Traum erfüllt. Die Enttäuschung nachher war aber so groß, daß sich der schwächliche Mann zum Sterben hinlegte, weil er nicht mehr leben wollte. Das Archiv Kretschmayrs war, als ich es im Herbst 1913 betrat, im herrlichen Barockpalais des k.k. Ministeriums des Innern, der einstigen böhmischen Hofkanzlei, untergebracht. Es barg für die neuere Geschichte Österreichs außerordentlich wertvolle Materialien, zumal in den Akten der Geheimen Staatspolizei, die zur Zeit des Kaisers Franz genau mit denselben Uberwachungsmethoden arbeitete wie spätere Sicherheitsdienste, nur wesentlich nachsichtiger. Sie scheute sich bei „Briefspostlieferungen" nicht, auch Briefe der Kaiserin heimlich zu öffnen und abzuschreiben. Sie ließ jede in Wien auftauchende Persönlichkeit von einiger Bedeu4 5 S ) Beschreibung dieser Szene am 18.10.1913 bei: F. Conrad, Aus meiner Dienstzeit 1906-1918, Bd. 3, Wien-Leipzig-München 1922, 470. Laut Conrad sagte Moltke: „Wenn die Dinge so stehen, wie soll man da mitsammen arbeiten." 4 5 9 ) Der 10.8.1913 geschlossene Frieden von Bukarest beendete den zweiten Balkankrieg, in dem Bulgarien von Serbien, Rumänien, Griechenland und der Türkei vollständig geschlagen wurde. Der Südteil der Dobrudscha mit Silistria gelangte an Rumänien, Mazedonien größtenteils an Serbien, Adrianopel an die Türkei, Kreta, ein Teil Mazedoniens mit Saloniki und Kavalla an Griechenland. Albanien wurde selbständiges Fürstentum. 4 6 0 ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 32. 4 6 1 ) Heinrich Kretschmayr (Bruck/Leitha, 1 5 . 7 . 1 8 7 0 - 2 1 . 7 . 1 9 3 9 , Wien), 1892 Dr. phil. ab 1896 wissensch. Beamter im Allgemeinen Archiv des k.k. Ministeriums des Innern, 1904 Archivdirektor, 1920 Ministerialrat, 1925 pensioniert. Hervorragend auf dem Gebiet des Archivalienschutzes tätig. 1898 Privatdozent für allgemeine Geschichte, 1925 tit. ao. Prof., 1935-1938 mit Pflichtvorlesungen über österreichische Geschichte an der Universität Wien betraut. Seine Hauptwerke: Die österreichische Zentralverwaltung, I.Abt. ( = Bde. 1 - 3 ) , Wien 1907 (Mitautor); Maria Theresia, Leipzig 1938; Geschichte von Venedig, 3 Bde., Gotha 1905-1934.
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tung bis ins einzelne überwachen und spürte leichtsinnigen Männern wie dem noch sehr jugendlichen General Radetzky bis in die Gemächer leichtsinniger Damen nach. Sie deckte Verschwörungen auf, wie die rund in den Alpenbund Erzherzog J o hanns 4 6 2 ), wobei ihr der Kreishauptmann Roschmann 4 6 3 ) als SD-Mann half, und wußte in jede Gesellschaft ihre Vertrauensmänner einzuschmuggeln, die damals „ N a d e r e r " hießen und von dem richtigen Wiener auf tausend Schritt erkannt wurden. All dies konnte man aus den Akten entnehmen. Der Wirkungsbereich der Geheimen Staatspolizei Metternichs reichte unter ihren Präsidenten Haager von Allentsteig 4 6 4 ) und Baron Sedlnitzky 4 6 5 ) bis in die fernsten Provinzen des Reiches. Das Polizeiarchiv war sonach eine politische und kulturgeschichtliche Quelle allerersten Ranges, dabei noch sehr wenig ausgenützt, so daß ich mich schon darauf freute, dereinst in Pension zu allen möglichen Publikationen daraus zu schöpfen. Es ist anders gekommen, es wäre aber auch ohne Anschluß und jämmerlich verlorenen Krieg anders gekommen. Denn das Archiv des Ministeriums des Innern übersiedelte nach 1918 in den Justizpalast auf den Schmerlingplatz und wurde dort bei der Revolte vom 15. Juli 1927 zum größten Teil ein Opfer der Flammen. In meiner „Heimkehr Tirols" vermochte ich die Wiedervereinigung von Tirol, Salzburg und der illyrischen Küstenlande mit dem Hause Österreich samt ihrer bis 1810 zurückgeführten Geschichte in einem vielfach neuen Lichte zu schildern. Das Material war unerschöpflich und las sich mehrfach wie ein Kriminalroman. Das Büchlein kam leider erst einige Wochen vor Kriegsausbruch heraus, so daß es weniger Beachtung fand, als es vielleicht wegen des vielfach neuen Inhalts verdiente. Es war natürlich gut österreichisch, entbehrte aber eines gewissen Hauches großdeutscher Gesinnung nicht, wie ich leider schon wieder bekennen muß. Die Zeiten waren schwer. Zumal im Sommer 1913, der immer wieder Krisen brachte, kam mir ab und zu über die Schwelle des Bewußtseins der Gedanke, es könnte bei einer kriegerischen Verwicklung der ehrwürdigen Monarchie doch das Lebenslicht ausgeblasen werden. Die Irredentismen rund um das Reich wurden schon allzu lebhaft. Zu dem italienischen, serbischen, russischen war nun auch 4 6 2 ) Der „ A l p e n b u n d " war eine Widerstandsorganisation gegen die Herrschaft Napoleons I., aber indirekt auch gegen die Politik Metternichs, die mit englischer Hilfe einen Anschluß Österreichs an die russisch-preußische Koalition 1813 herbeiführen wollte. Sie wurde durch Metternich und seine Gehilfen aufgedeckt und durch verschiedene Maßnahmen unwirksam gemacht. Vgl. H . v. Srbik, Metternich. Der Staatsmann und Mensch, 3. Aufl. Darmstadt 1957, 151 f. 4 6 3 ) Anton Leopold R. v. Roschmann-Hörburg (um 1 7 4 6 - 1 9 . 5 . 1 8 2 0 , St. Pölten), trat nach juridischen Studien in den Staatsdienst, 1796 Gubernialrat und Kreishauptmann in Boren, dann im Pustertal, Verdienste um die Landesverteidigung 1796, später nö. Regierungsrat und Kreishauptmann v. St. Pölten, 1.5.1820 (sie!) Ritterstand. 4 6 4 ) Franz Frh. Haager v. Allentsteig (Wien, 1 7 5 0 - N a c h t v . 31. 7 . / 1 . 8.1816, Strà bei Venedig), Lt. im Kavalleriergt. Caramelli, dann dienstuntauglich und Staatsdienst, ab 28. 4.1803 wirklicher Hofrat bei der Obersten Polizei- und Zensurhofstelle, 1808 Vizepräsident, 1809 Geheimer Rat, März 1813 Präsident. 4 6 5 ) Josef Graf Sedlnitzky (Troplowitz, ö s t . Schlesien, 8 . 1 . 1 7 7 8 - 2 1 . 6 . 1 8 5 5 Baden b. Wien), 1817-1848 Präsident der Obersten Polizei- und Zensurhofstelle.
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trotz des ritterlichen Königs Carol und seiner edlen Gemahlin Elisabeth 4 6 6 ) - auch ein rumänischer getreten. Alle diese Irredentismen, denen sich die Unzufriedenheit der Tschechen beigesellte, wollten so tief ins Fleisch des Kaiserreiches eingreifen, daß die Erfüllung jedes einzelnen Begehrens für jenes eine Lebensgefahr bedeuten mußte. Tiefe Besorgnis erfüllte mich, wenn ich an schönen Sonntagvormittagen auf den Bergen von Ober St. Veit oder gar auf dem Leopoldsberg stand und den Blick über das Häusermeer von Wien schweifen ließ bis weit hinaus ins schicksalhafte Marchfeld und zur Porta Hungarica bei Theben. Sollte dieser herrliche Fleck Erde, sollte diese wunderbare Stadt wirklich aufhören, der Brennpunkt eines großen Reiches, das Herz einer gewaltigen, in der Geschichte einzig dastehenden Völkerfamilie zu sein ? Mit Trauer konnte ich mich der Ahnung nicht ganz erwehren, daß es doch so kommen könnte. Und da erfaßte mich dann immer auch ein ketzerischer Trost in der großen Seelennot, das Erinnern daran, daß diese herrliche Landschaft, die wie ein großer Teppich von den Hängen des Wienerwaldes niederfloß, lange vor der großen Monarchie schon etwas war, was sie bleiben mußte: deutsche Erde. Und daß sie, wenn schon das Schicksal gegen das Reich würfeln sollte, wieder werden würde, was sie vor dem habsburgischen Großreich war: Bollwerk der deutschen Nation und zugleich Tor der deutschen Kultur gegen Osten. Diese Erkenntnis hatte in aller Trauer und seelischer N o t etwas Beruhigendes, beinahe Beglückendes. Daß ein Menschenalter später auch das nur ein Traum sein werde, der durch eine unerhört böse und schmerzliche Wirklichkeit abgelöst werden würde - wer hätte das ahnen können !
4 6 6 ) König Karl (Carol) ν. Rumänien (Sigmaringen, 2 0 . 4 . 1 8 3 9 - 1 0 . 1 0 . 1 9 1 4 , Sinaia), verehelicht in Neuwied, 15.11.1869 mit Elisabeth, geb. Przin. zu Wied (Neuwied, 2 9 . 1 2 . 1 8 4 3 - 2 . 3 . 1 9 1 6 , Bukarest), schriftstellerisch unter dem Pseudonym Carmen Silva tätig.
III. KRIEGSDIENSTLEISTUNG 1. J U L I K R I S E U N D
KRIEGSAUSBRUCH
Die erste Hälfte von 1914 ging auch außenpolitisch verhältnismäßig ruhig ab. Die Verwicklungen auf dem Balkan drehten sich um das Fürstentum Albanien und seinen international etwas komisch wirkenden „ M b r e t " Wilhelm Prinzen von Wied 1 ), dessen Gegenspieler Essad Pascha 2 ) die italienischen Interessen gegenüber den österreichischen vertrat. Im Monate Mai war ich vier Wochen damit befaßt, jeden Abend das Problem publizistisch zu behandeln. Der Militär-Redakteur der „Neuen Freien Presse", mein Freund Hauptmann Nagele 3 ), ging auf Urlaub, und mir wurde die Auszeichnung zuteil, von Moritz Benedikt gebeten zu werden, ich möge auf die Dauer des Urlaubs das Referat übernehmen. Ich erschien jeden Abend in der Fichtegasse, „schmuste" mit den meist nichtarischen Redakteuren und gab dann bis elf U h r nachts meine weisen Gedanken über die augenblickliche militärische Lage zu Papier. Journalismus war neben Politik seit jeher meine Leidenschaft. Ich lernte eine Menge, was ich nach dem ersten Umsturz brauchen konnte. Daneben beschäftigten mich auch mehrere andere literarische Projekte. Für D r . Brabant in Dresden, der eine Sammlung von Schlachtfeldführern herausgab, hatte ich die Schriftleitung für einen Wiener Führer übernommen. D a ich das Einleitungskapitel selbst schrieb - andere Autoren waren für 1683, Franzosenkriege und 1866 gewonnen - stieg ich zum erstenmal tiefer ins Altertum und ins Mittelalter hinein. Besonders befaßte ich mich mit der Marchfeldschlacht 1278 bei Dürn' ) Wilhelm Prinz zu Wied (Neuwied, 2 6 . 3 . 1 8 7 6 - 1 8 . 4 . 1 9 4 5 , Predeal, Rumänien), seit 7 . 3 . 1 9 1 4 in D u r a z z o als Wilhelm I. Fürst von Albanien, verließ das Land am 5 . 9 . 1 9 1 4 aus außenpolitischen G r ü n den, dt. Offizier im Weltkrieg. 2 ) Essad Pascha Toptani (Tirana, 1 8 6 3 - 1 3 . 6 . 1 9 2 0 , Paris), Gendarmerieoffizier, beteiligt an den R e organisationsmaßnahmen der Jungtürken, Verteidiger Skutaris im Ersten Balkankrieg 1912/13, Anhänger des Prinzen zu Wied, dann dessen Gegner, 1914 Kriegs- und Innenminister, C h e f der albanischen Delegation bei den Pariser Friedensverhandlungen. V g l . : A . Rappaport, Ein Rebellenführer in Albanien, R P . v. 1 8 . 1 2 . 1 9 2 4 , 1 f. 3 ) H u g o Nagele (Marburg, 2 7 . 8 . 1 8 8 0 - 7 . 4 . 1 9 3 3 , Wien), 1899 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus I n f K S c h . Marburg zu I R . 11, 1 . 1 1 . 1 9 0 0 Lt. I R . 58, 1 . 1 1 . 1 9 0 5 O b i t . , 1 . 6 . 1 9 1 1 pensioniert; Redakteur der „ N e u e n Freien P r e s s e " ; im Weltkrieg auf Mobilmachungsdauer aktiviert und ab O k t o b e r 1914 im Pressedienst des K M . mit Leitung der Redaktion mehrerer Militärblätter beauftragt. 1915 H p t m .
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krut und Jedenspeigen 4 ). Es war auf Grund der spärlichen lateinischen Urquellen manches klarzulegen. Ich fand, daß ältere Geschichte vielfach interessanter sei als die neue, kam aber erst lange nach dem Kriege dazu, daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Mehr als der Schlachtfeldführer beschäftigte mich ein anderes Projekt: das einer Kulturgeschichte der alten kaiserlichen Armee, ein Gebiet, auf dem man fast nur Neuland beschritt und das bei der allgemein historischen Bedeutung des Themas längst nach Behandlung heischte. Neumann-Spallart und ich hatten schon mit Belser in Stuttgart abgeschlossen und auch die einzelnen Arbeitsgebiete aufgeteilt. Der Krieg machte diesen Plänen ein jähes Ende. Der Juni 1914 war ein Unglücksmonat. Am 24., dem Custozatage, verbrannte über Fischamend ein „Parsival-Flugzeug" in der Luft; zwei Dutzend wackerer Militärflieger kamen ums Leben. Ich mußte natürlich einen Nachruf schreiben und knüpfte an den billigen Vergleich mit dem unglückseligen Ikarus an 5 ). Am Sonntage, den 28. Juni nachmittags, ging ich mit meiner Mutter in den Schönbrunner Park spazieren. Als wir an die Ecke Grünbergstraße-Schönbrunner Straße kamen es war ein herrlicher, heißer Tag - , da stürzte uns ein Zeitungsausträger entgegen: Extraausgabe! Im nächsten Augenblick wußte ich, was geschehen war: Franz Ferdinand und Herzogin Sophie in Sarajewo von einem Serben ermordet ! Meine Mutter, mit dem Instinkt der Frau, rief sofort entsetzt: „Das ist der Krieg!" Ich muß gestehen, daß ich nicht so weitsichtig war, und wollte ihr ihre Besorgnis ausreden. Sie ließ aber nicht locker. Am zweiten Tag frühmorgens - inzwischen waren am Peter-und-Pauls-Tage genaue Nachrichten eingetroffen - eilte ich ins Kriegsarchiv. Woinovich saß völlig geknickt im Büro seines Adjutanten Zitterhofer 6 ). Auch er rechnete mit Krieg und beklagte diese Möglichkeit in bewegten Tönen. Er sah schwarz für die k . u . k . Armee, insbesondere wegen deren unzureichender artilleristischer Ausrüstung. Andererseits hatte ihn der Tod seines Gönners Franz Ferdinand niedergeschmettert, und die Nachrichten über die äußeren Umstände ließen ihn mehrmals den Ausspruch tun: „Eins können diese Habsburger, sie wissen heldenhaft zu sterben." Tatsächlich hatte Franz Ferdinand ein solches Beispiel gegeben. Er war, von schwersten Ahnungen erfüllt, der Einladung Potioreks zu den Schlußmanövern der beiden bosnischen Korps gefolgt und hatte noch bei seiner Abschiedsaudienz gehofft, der 4 ) Zwei Fragmente aus einem Wiener Schlachtfeldführer veröffentlichte Glaise-Horstenau 1919. Vgl. Werkverzeichnis N r . 5 3 , 5 4 . S. nunmehr: K . Peball, Die Schlacht bei Dürnkrut am 2 6 . August 1278, Wien 1968 (Militärhistorische Schriftenreihe, Heft 10). 5 ) U b e r dieses Unglück vom 2 0 . Juni finden sich in den einzelnen Ausgaben der „ N e u e n Freien Presse" vom 2 0 . bis 2 2 . Juni die verschiedensten gezeichneten und ungezeichneten Kommentare. Der von Glaise-Horstenau angeführte Artikel konnte nicht eindeutig identifiziert werden. 6 ) Karl Zitterhofer (Wien, 7 . 1 . 1 8 7 4 - 2 0 . 1 2 . 1 9 3 9 , Wien), 1893 aus der InfKSch. Wien zu IR. 66 ausgemustert, 1895 L t . , 2 6 . 1 0 . 1 8 9 6 zugeteilt dem K A . , 1 . 1 1 . 1 8 9 9 übernommen in den Armeestand, 1 9 0 0 - 1 9 0 2 I f ö G . , 1 . 2 . 1 9 1 7 Mjr., 1919 pensioniert. Sodann in der Filmindustrie und in der Porzellanmanufaktur tätig. Zitterhofer wirkte im K A . vor allem als Adjutant des Direktors. Sein publizistisches Hauptwerk, neben verschiedenen kriegsgeschichtlichen Aufsätzen, ist: Streffleurs Militärische Zeitschrift 1 8 0 8 - 1 9 0 8 . . . mit einem Generalregister der Militärischen Zeitschrift 1 8 0 8 - 1 9 0 7 und des Organs 1 8 7 0 - 1 9 0 6 , Wien 1908, 1. Nachtrag, Wien 1913.
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Kaiser werde ihm die - bei der Hitzeempfindlichkeit des Erzherzogs auch gesundheitlich nicht ratsame - Reise untersagen. Der Kaiser ließ ihn jedoch die Entscheidung selbst treffen, was soviel hieß als: Reisen! Die Hinreise unternahm er ohne Gemahlin. Als er seinen Salonwagen bestieg, versagte das elektrische Licht, und es mußten Kerzen herbeigeschafft werden. Er grollte: „ N a , das geht gut an - wie in einer Gruft!" Der „Viribus Unitis" brachte Franz Ferdinand, der auch Admiral war und mit Kaiser Wilhelm die Vorliebe für die Kriegsmarine teilte, von Triest nach Metkovic. Von dort gings mit Sonderzug zum Iwan-Sattel hinauf, in dessen Bereich die Manöver stattfanden. Diese verliefen zur vollsten Zufriedenheit des Erzherzogs, der ich hole dies nach - am 18. Dezember 1913 zur Vollendung seines fünfzigsten Lebensjahres zum Generalinspektor der gesamten bewaffneten Macht ernannt worden war. - Nach Schluß der Manöver vereinigte sich Franz Ferdinand im Bade Ilidze mit der zu Land herbeigeeilten Herzogin. Am 27. nachmittags machte er einen kleinen Abstecher nach Sarajewo. Er besuchte inmitten einer wogenden Volksmenge die Tscharschja von Sarajewo, um dort einige Einkäufe zu besorgen. Nichts geschah! Des anderen Tages früh fuhr er zu einem offiziellen Staatsbesuch in die Hauptstadt. Schon auf dem Heimweg zum Rathaus, wo die offizielle Begrüßung stattfinden sollte, wurde eine Bombe auf sein Auto geworfen. Der Erzherzog schleuderte sie instinktiv von sich, sie explodierte außerhalb des Wagens und verwundete den Adjutanten Potioreks, den Oberstleutnant Merizzi 7 ). Der Erzherzog empfing im Rathaus den Bürgermeister von Sarajewo mit ein paar harten Worten, hielt im übrigen aber die vorgesehenen Empfänge ab. N u n wäre allerdings der Augenblick gekommen gewesen, für das weitere Programm die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Das Polizeispalier hatte in keiner Weise entsprochen, den Truppen, die vom Manöverfeld zurückkamen, hatte man jedoch seltsamerweise vor der Stadt Halt befohlen. Es war sicherlich ein Versäumnis Potioreks wie der Umgebung des Erzherzogs, daß sie das fürstliche Paar nicht so lange im Rathaus zurückhielten, bis das erste Bataillon - es waren 49er aus St. Pölten gewesen - die Straßen besetzt hätte und der Hofzug in Sarajewo selbst zur ungesäumten Abfahrt nach Metkovic bereitgestellt war. Der Erzherzog bestand darauf, die Fahrt, wie vorgesehen, fortzusetzen, wobei er verlangte, zuerst Merizzi im Garnisonsspital zu besuchen. Diese Programmänderung führte beim Passieren der späteren Unglücksstätte zu einem kurzen Aufenthalt, bedingt durch die Notwendigkeit, in eine Seitenstraße zu fahren. Diesen Aufenthalt nützte der Attentäter Princip, ein bosnischer Serbe, der in den letzten Monaten in Belgrad und Kragujevac für seine „patriotische" Tat vorgeschult und einmal auch dem Prinzen Alexander*), dem späteren König, vorgestellt worden war, um die beiden tödlichen Schüsse abzufeuern. 7 ) Erik v. Merizzi (Laibach, 3 . 4 . 1 8 7 3 - 1 . 6 . 1 9 1 7 , Val Laghetto Compoluzzo), 1894 als Lt. aus Techn. Milak. zu KAR. 2, Glstbslaufbahn, 1.11.1910 Mjr. i . G . , ab 30.4.1910 Flügeladjutant des Armeeinspektors FZM. Potiorek, 1.11.1893 Obstlt. i . G . , 24.8.1914 Glstbschef des Armeekmdos. Syrmien, 3.5.1917 Kmdt. der 8. FABrig. 8 ) Alexander I. von Serbien (Cetinje, 17.12.1888-9.10.1934, ermordet in Marseille), zweiter Sohn König Peters I., übernahm mit 24.6.1914 die Regierungsgeschäfte, wurde 1918 Regent und 1921 König.
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Einzelheiten über das furchtbare Sterben sind der Literatur zu entnehmen. Eine halbe Stunde später lagen die zwei Leichen im Konak in der Wohnung Potioreks. Das Sofa, auf welchem Franz Ferdinand sein Leben ausgehaucht hatte, habe ich im Jahre 1929 in der Klagenfurter Wohnung Potioreks auf der Lend besichtigen können. Eine lange Reihe düsterer und spannungsvoller Tage folgte. Einmal sah ich von meinem Fenster aus in die Schönbrunner Schloßallee. Die Straße, die von Penzing zum Schloß führte, war von einer Menschenmenge erfüllt. Der Kaiser kam von Ischl zurück ! Der Ausspruch, den der Kaiser gegenüber seinem Generaladjutanten Grafen Paar getan hatte, als dieser ihm die Nachricht über Sarajewo brachte, ist bei Margutti 9 ) gekürzt wiedergegeben 10 ). Dieser hat ihn aus dynastischen Gründen nicht voll gebracht. Ich erinnere mich des Wortlauts nicht mehr. Aber der greise Herrscher hat in dem Unglück von Sarajewo irgendwie die Wiederherstellung einer Über ein Zusammentreffen mit Vaso Cabrinovic am 27.3. alten Stils vgl. F. Würthle, Die Spur führt nach Belgrad. Die Hintergründe des Dramas von Sarajewo 1914, Wien-München-Zürich 1975, 199. 9 ) Albert Frh. v. Margutti (Fiume, 28.11.1869-3.1.1940, Wien), 1889 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt.2 ausgemustert, Glstbslaufbahn, 15.4.1899 ins Operationsbüro des Glstbs., 1.11.1900 Ordonnanzoffizier des Generaladjutanten Seiner Majestät, 1.11.1904 Mjr. i. G., 28.9.1906 Flügeladjutant, 1.11.1908 Obstlt. i.G., 1.11.1911 Obst. LG., 1.5.1915 GM. und Zuteilung zur Generaladjutantur, 1.12.1917 enthoben und Direktorstellvertreter des KA., 1.5.1918 FML., ab 1919/20 italienischer Archivdelegierter am KA. Margutti, erregte bereits in jungen Jahren durch militärhistorische und -theoretische Publikationen Aufsehen - u . a . : Die Meeresbeherrschung in ihrer Rückwirkung auf die Landoperationen des großen Krieges. Ein Beitrag zum Studium moderner Strategie, Wien-Leipzig 1900. 1919 publizierte er bereits Teile aus seinen Erinnerungen in „Danzer's Armee-Zeitung". Sein Freund Erich Korningen (frdl. Mitteilung von weiland HR. Erich Korningen an den Herausg., 11.4.1974) vermittelte einen Verlag und einen Literaten, der seinen Namen hergab für das Erinnerungswerk: Kaiser Franz Joseph I. und sein Hof. Erinnerungen und Schilderungen aus den nachgelassenen Papieren eines persönlichen Ratgebers. Ubersetzt u. herausgegeben v. Dr. Josef Schneider, Leonhardt-Verlag, Wien 1919. In persönlichen Gesprächen „vermutete" Margutti dann immer einen Sektionschef der Kabinettskanzlei, Dr. Mikes, als Verfasser. Auch Glaise-Horstenau meinte, man sei diesbezüglich auf Vermutungen angewiesen (Interviewbuch des Oberoffizials Wilhelm Möller, KA., Nachlaßslg. sign. B/180, nr. 1, 315, 323). Das unter Marguttis Namen erschienene Werk: Vom alten Kaiser. Persönliche Erinnerungen an Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und Apostolischer König von Ungarn, Wien 1921, brachte ihm nicht nur scharfe Proteste aus Hof- und Kameradenkreisen (vgl. RP. 16.11.1923,2; 20.1.1924,8), sondern auch den Ausschluß aus dem Militärgagistenverband. Eine besonders kritische Haltung nahm Margutti dann in der französischen Fassung seiner Erinnerungen ein (La Tragédie des Habsbourg, Paris, o . J . = 1923, vgl. auch NFP., 7.11.1923,11; 8.11.1923,11 f.). Diese ist in seinem umfangreichsten Werk: Kaiser Franz Joseph. Persönliche Erinnerungen, Wien-Leipzig 1924, wieder nur in wesentlich abgeschwächter Form vertreten. Glaise-Horstenau besprach Marguttis Werke positiv (ÖWZ. Nr. 1/1920,10). Vgl. auch St. Verosta, Albert Margutti und Kaiser Franz Joseph, in: Wissenschaft und Weltbild, Jg. 25/1972, 215 - 223. 10 ) Der Kollege Glaise-Horstenaus am KA., Rudolf v. Hoedl (vgl. Anm. II/439), hat ein Gespräch mit Glaise-Horstenau vom 27.6.1919 über den Artikel Marguttis „Dies Nefasti" in DAZ. 28.6.1919 Nr.25, 1 - 4 festgehalten. Danach seien vom dort wiedergegebenen Ausruf des Kaisers: „Entsetzlich! Der Allmächtige läßt sich nicht herausfordern ! . . . Eine höhere Gewalt hat wieder jene Ordnung hergestellt, die ich leider nicht zu erhalten vermochte . . ." die ersten beiden Sätze („Entsetzlich" bis „herausfordern") Geschichtsfälschung. Der Grund dafür sei die geplante Aktenpublikation des Staatsamtes für Äußeres gewesen, aus der zu ersehen sei, daß Österreich keine Schuld am Kriegsbeginn treffe. Ebenso seien die Worte des Kaisers, die eine Genugtuung auszudrücken scheinen, als pietätlos empfunden worden. Der ganze Schluß sei dann im Sinne der geplanten staatlichen Publikation verfaßt (KA., sign. B/460, nr. 22).
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gottgewollten Ordnung durch ein tragisches Schicksal erblickt. Und zu Sieghart 11 ) sagte Franz Joseph einige Wochen später, als ob er den gleichen, nun unausgesprochenen Gedanken fortspinnen wollte: „Aber der junge Erzherzog Carl ist ein sympathischer junger Mann." 1 2 ) Bei der Rückkehr des Kaisers nach Schönbrunn war der nunmehrige Thronfolger, als Oberst von Kaiserhusaren gekleidet, zur Linken Franz Josephs gesessen. Das war nach der Kriegserklärung. An einem der nächsten Abende war ganz Wien auf den Beinen. Die Särge Franz Ferdinands und seiner Gemahlin sollten auf dem Südbahnhof ankommen. In düsterem Zeremoniell wurden die beiden Särge in die Burgkapelle gebracht. Bei der Aufbahrung dortselbst wurde der Sarg der Herzogin eine Stufe tiefer aufgestellt als der des Erzherzogs. In Kreisen des Adels erblickte man in dieser Tatsache die erste Äußerung einer Ranküne des ersten Obersthofmeisters Fürsten Montenuovo gegen den Verstorbenen, die einander nicht leiden konnten. Eine Anfrage Kaiser Wilhelms wegen Teilnahme am Leichenbegängnis wurde dahin beantwortet, daß man von der Einladung von Souveränen absehen müsse. In der Literatur über die sogenannte Kriegsschuldfrage wurde diese sicherlich auch von Montenuovo vorgeschlagene Maßnahme als großer Fehler bezeichnet. Eine Vertretung des Zaren und des britischen Königs bei den Trauerfeierlichkeiten um den Erzherzog wäre nach Meinung dieser Stimmen geeignet gewesen, das europäische Staatenkonzert stärker auf die Verurteilung Belgrads festzulegen. Der seinerzeit bei der protestantischen Gemahlin des Siegers von Aspern 13 ) aufgeworfenen Frage, ob die Verstorbene in der Kapuzinergruft beigesetzt werden könne, war Franz Ferdinand dadurch in bezug auf seine morganatische Gemahlin im voraus aus dem Wege gegangen, daß er für sich und seine Familie auf dem ihm gehörenden Schloß Artstetten in Niederösterreich ein Erbbegräbnis hatte einrichten lassen. Als er es bald nach Fertigstellung besichtigt hatte, hatte er die Treppe in die Gruft etwas eng befunden: „ D a wird man mit meinem Sarg ein Mauereck anschlagen." Früher, als es in den Sternen geschrieben schien, trat nun Franz Ferdinand diese letzte Reise an. Die beiden Leichenfourgons fuhren in den späten Abendstunden von der Burgkapelle aus die Mariahilfer Straße entlang zum Westbahnhof. Bei den Museen ern ) Rudolf Sieghart - bis Oktober 1895 Rudolf Singer (Troppau, 18.1.1866-4.8.1934, in der Schweiz), ab 1884 im „Politisches und Preßbüro der Vereinigten Linken", 1892 Dr. iur., ab 1894 im Finanzministerium, ab Dezember 1897 im Ministerratspräsidium, zuletzt als Sektionschef und engster Mitarbeiter der öst. Ministerpräsidenten von Koerber bis Bienerth, 1910-1916 und 1919-1929 Gouverneur der Boden-Credit-Anstalt. Seine Erinnerungen: Die letzten Jahrzehnte einer Großmacht. Menschen, Völker, Probleme des Habsburger-Reichs, Berlin 1932. Vgl. über ihn: A. Ableitinger, Rudolf Sieghart (1866-1934) und seine Tätigkeit im Ministerratspräsidium. Ein Beitrag zur Geschichte der österreichischen Innenpolitik im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, Grazer ungedr. Diss., 1964; M. Sieghart, Rudolf Sieghart und das Ministerium Beck, in: Österreich in Geschichte und Literatur, 16. Jg./1972, 465-478 u. 540-557. 1 J ) R. Sieghart, Großmacht, 243: „ J a , es ist furchtbar, . . . Aber, nicht wahr, der Karl ist doch ein netter Mensch?" " ) Erzherzogin Henriette (Weilburg, 30.10.1797-31.12.1829, Wien), Tochter des Friedrich Wilhelm Hzg. v. Nassau-Weilburg.
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wartete den traurigen Zug eine sehr starke Gruppe von Adeligen, die der wilde Graf Adalbert Sternberg 1 4 ) zusammengetrommelt hatte 1 5 ), und schloß sich, ohne jemand zu befragen, den beiden Leichenwagen an. Es war eine in ihrer Art nicht alltägliche Demonstration, vor allem gegen den Fürsten Montenuovo, aber indirekt auch gegen den alten Kaiser. Ich hatte mich in voller Parade mit Trauerflor in der Abfahrthalle des Bahnhofes eingefunden. Es war ein überaus düsteres Schauspiel. Ich traf meinen ehemaligen Brigadier Gelb an, der seit Mai Kommandant der 6. Division in Graz war. Er war gleich allen, die im Laufe der Zeit der engeren Umgebung des Erzherzogs angehört hatten, zur Teilnahme an der Trauerfeier in Artstetten in den H o f z u g befohlen worden. Voll banger Ahnungen stand ich dabei, als die beiden Särge mit den mit Trauerschmuck versehenen Waggon geschoben wurden. Der erzherzogliche Obersthofmeister Graf Rumerskirch 1 6 ) und der Chef der Militärkanzlei des Erzherzogs Oberst Bardolff leisteten, bevor der Wagen plombiert wurde, die letzte Ehrenbezeigung. Die Ausladung in Pöchlarn an der Donau - im Bechelare des Markgrafen Rüdiger aus der „Nibelungen N o t " - geschah unter schicksalshaften Zeichen. Kaum waren die Särge herausgehoben, brach ein so schweres Ungewitter herein, daß sich alles vor dem niederströmenden, schwer sturmgepeitschten Regen in den Bahnhof flüchtete. N u r die beiden Särge blieben für eine Weile verlassen und einsam in Sturm und Wind auf dem Bahnsteig, die richtige Begleitmusik für den grimmigen Erzherzog auf seiner letzten Fahrt. Dann gings auf die Donaufähre und den Berg hinan. Wenn man mit der Bahn bei Pöchlarn vorüberfährt, sieht man auf dem nördlichen Donauufer hoch oben, in die Waldkulisse gerückt, flankiert in der Weite durch den Gnadenort Maria Taferl, die roten Türme des erzherzoglichen Schlosses von Artstetten, wohin nun Franz Ferdinand und Sophie von Hohenberg zur letzten Ruhe getragen wurden. Gelb, den ich nach der Beisetzung im Südbahnrestaurant in Wien wiedersah, erzählte mir einiges über das Begräbnis und auch über die ablehnende Art, mit denen Montenuovos Umgebung die einstigen Vertrauten Franz Ferdinands behandelt hatte. Bei einem kleinen Frühstück, das nach dem Trauerakt die Leidtragenden vereinte, gab Erzherzog Carl irgendwie seiner Ungeduld Ausdruck, daß es nun doch zum Krieg kommen möge. Diese Erzählung über den neuen Thronfolger erschütterte 14 ) Adalbert Graf Sternberg (Pohorelitz, Mähren, 14.1.1868-25.4.1930, Wien), 1904-1911 Abgeordneter zum Reichsrat des Wahlbezirkes Königgrätz, Grundbesitzer, lautstarker und redegewaltiger Parlamentarier. Duellant, Journalist, Verfasser zahlreicher politischer Broschüren, Literat; Oktober 1914 - September 1916 Ordonnanzoffizier bei verschiedenen Kommanden, sodann bis März 1918 bei den Luftstreitkräften, 16.9.1917 Rtm. i.d. Res. Vgl.: I. Steuer, Adalbert Graf Sternberg (1868-1930). Persönlichkeit und Werk eines politischen Außenseiters im Alten Österreich, Wr. ungedr. Diss. 1970. 15 ) Laut R. Kiszling, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este, Graz-Köln, 1953, 304, war jedoch Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg der Führer dieser Abordnung. 16 ) Karl Graf Rumerskirch (Wien, 19.11.1867-24.5.1947, Kitzbühel), 1884 zu DR. 3 assentiert, 1888 Lt. in DR. 1, 1.9.1899 Dienstkämmerer Ehg. Franz Ferdinands, 1.11.1899 Rtm. und zugeteilt dem Hofstaat des Erzherzogs, 1.11.1911 Mjr. a . D . , 1.8.1914 bei UR. 13 aktiviert, 1.11.1914 Obstlt. a . D . , 14.5.1917 Obst., 1.6.1917 Kmdt. der Leibgarde-Reiterschwadron, 1.12.1918 pensioniert.
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mich ein wenig. Dagegen hatte Brosch von Aarenau zu Gelb gesagt: „Mir bleibt nichts anderes übrig, als in der ersten Schlacht zu fallen !" Der Wunsch ist ihm erfüllt worden. Am 7. September 1914 starb Brosch bei Hujce in Ostgalizien an der Spitze seines 2. Kaiserjägerregiments den Heldentod 17 ). Man deckte seine sterblichen Uberreste ein Jahr später auf. Die Russen hatten ihn und seine Leute nur mit dünnen Erdschollen bedeckt. Zum Gerippe gebleicht, lag die Schützenkette der Kaiserjäger da, in der Mitte, auch nur ein Häuflein Knochen, das man an den Kragenabzeichen und dem Leopoldorden agnoszieren konnte, der Oberst v. Brosch . . . Inzwischen hatten schon die Zeitungen durch ihre Sprache zu erkennen gegeben, daß meine Mutter mit ihren Kriegssorgen möglicherweise, ja wahrscheinlich, recht bekommen werde. Auch die Nachrichten aus den Generalstabsbureaus lauteten ähnlich jenen, die ich auf meinen Morgenritten im Prater einholte. Ich traf meine Freunde Brantner und Bálványi, die ja als Angehörige des Operationsbüros, des Feinsten vom Feinen, beide trachteten, kameradschaftliches Mitteilungsbedürfnis mit dem Gebot der Geheimhaltung, das ihnen besonders auf die Seele gebunden war, in Einklang zu bringen. Ich sagte nur immer eins: „Kinder, macht keinen Krieg, die Armee rennt in drei Monaten auseinander." Ich meinte damit, die Monarchie als Vielvölkerreich werde nicht länger Bestand halten, und habe mich mit meinem Pessimismus schwer geirrt. Die Armee hielt nicht nur vierundeinviertel Jahre, vor ihr streckten das russische und streckten das bulgarische und türkische Heer die Waffen. J a selbst im deutschen Heer waren Zersetzungserscheinungen, wenn sie sich auch nachher bei uns mehr häuften, früher wahrzunehmen. Conrad hatte den Erzherzog am 27. Juni verlassen, um sich nach Karlovac in Kroatien zur Leitung einer Generalsreise zu begeben. Der Erzherzog hatte sich wieder mit ihm völlig ausgesöhnt und war von der gleichen bestrickenden Liebenswürdigkeit gewesen, die er ihm in den Blütenträumen ihrer ersten Beziehungen entgegengebracht hatte. Dessenungeachtet sagte mir Conrad später an der Frühstückstafel in Teschen: „Mit dem Erzherzog wäre es ja doch nicht gegangen. Er hätte mich spätestens nach den Lemberger Schlachten erschießen lassen." Der Frau seines Herzens, Gina v. Reininghaus 18 ), schrieb Conrad in jenen Tagen: „Ein Reich wie Österreich kann sich nicht kampflos dem Untergang preisgeben; es muß den letzten Kampf wagen!" 1 9 ) Ähnlich drückte sich ein Monat später Franz Joseph ihm gegenüber aus, als er sagte: „Wenn die Monarchie schon untergehen muß, dann soll sie es in Ehren tun." 2 0 ) Sie hat es fürwahr in Ehren getan. ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 120. ) Virginie Grfin. Conrad v. Hötzendorf, geborene Agujari, geschiedene v. Reininghaus, adoptierte Karasz (Triest, 2 7 . 2 . 1 8 7 9 - 2 4 . 1 1 . 1 9 6 1 , Semmering), verheiratet in 1. Ehe 2 1 . 1 . 1 8 9 6 , Graz, mit Johann Edi. v. Reininghaus, in 2. Ehe, 19.10.1915, Wien, mit Franz Frh. Conrad v. Hötzendorf. Ihre Autobiographie: Mein Leben mit Conrad v. Hötzendorf. Sein geistiges Vermächtnis, Leipzig 1935. " ) Ebendort, 113, Brief Conrads, Karlstadt, 28. Juni 1914: „ . . . es wird ein aussichtsloser Kampf werden, dennoch muß er geführt werden, da eine so alte Monarchie und eine so glorreiche Armee nicht ruhmlos untergehen können . . . " 2 0 ) Conrad, Dienstzeit, Bd. 4, Wien 1923, 162: Der Kaiser hätte ihm um den 1. 8. erklärt: „Wenn die Monarchie schon zugrunde gehen soll, so soll sie wenigstens anständig zugrunde gehen." 17 18
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Uber die diplomatischen Vorgänge hinter den Kulissen sickerte nur wenig durch. Ungarische Freunde erzählten mir, Tisza sei grundsätzlich gegen jede kriegerische Auseinandersetzung. Dies traf für die ersten Tage in der Tat zu. Aber schon im Ministerrat vom 7. Juli, als über eine verläßliche Rückendeckung durch Deutschland nicht mehr gezweifelt werden konnte, sprach sich der ungarische Staatsmann für einen energischen Schritt gegen Belgrad aus 2 1 ). Demgemäß ist der Versuch ungarischer Schriftsteller, Tisza als den hinzustellen, der im Juli 1914 bis zum Schluß für eine friedliche Lösung eingetreten sei, als Fälschung anzusprechen. Auch der Ausruf Tiszas, als er am 31. Oktober 1918 die Gewehrläufe seiner Mörder auf sich gerichtet sah, widerspricht in gewissem Sinne der magyarischen These. Tisza betrachtete sich als einen der Hauptverantwortlichen. Conrad erwies sich in diesen Tagen als Gefangener der Präventivkriegsideen, die er früher immer vertreten hatte. Eine hemmungslose Siegesstimmung widersprach schon dem grundsätzlichen Pessimismus dieses Schopenhauer-Schülers und -Anhängers 22 ). Aber er sagte sich, daß bei der nächsten Krise die Lage der Monarchie innen- und außenpolitisch noch schlechter sein könnte und müßte, und schürte daher, wie er konnte, den Krieg. Im übrigen wurden nach der ersten Juli-Woche sowohl Conrad v. Hötzendorf wie der Kriegsminister Krobatin 2 3 ) zur Einschläferung der Weltmeinung auf Urlaub geschickt. Conrad begab sich auf ein Gut der Familie Stern bei Innichen, wo sich auch Gina v. Reininghaus aufhielt 24 ). Mitte Juli bestand für mich auf Grund mannigfacher Nachrichten kein Zweifel mehr, daß es diesmal aufs Ganze gehen könnte. Im Gegensatz zu 1908/09 und 1912/13 begann ich, die wichtigsten Kriegsausrüstungsgegenstände zu beschaffen. Mit Dittrich ver2 1 ) Zur Julikrise vgl. von österreichischer Seite zuletzt: W. Goldinger, Österreich-Ungarn in der Julikrise 1914, in: Österreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, hg. v. Institut für Österreichkunde, Graz-Wien 1964, 4 8 - 6 2 ; J . Galántai, Stefan Tisza und der Erste Weltkrieg, in: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 8/1964, 4 6 5 - 4 7 7 ; R. A. Kann, Kaiser Franz Joseph und der Ausbruch des Weltkrieges (österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte, 274.Bd., 3. Abhandlung), Wien 1971. F. Fellner, Die „Mission Hoyos", in: Les grandes puissances et la Serbie a la veille de la Première guerre mondiale. Assise scientifique de l'Académie serbe des sciences et des arts, ν. IV, Classe des sciences historiques, nr. 1, Beograd 1976, 3 8 7 - 4 1 9 . " ) Uber Conrads Übernahme von Gedankensplittern aus den Lehren des Buddhismus, des Islam und des Shintoismus sowie den philosophischen Ansichten Kants, Schopenhauers und Darwins sowie seinem Unverständnis gegenüber dem Christentum, die insgesamt eher einer Sammlung von geistig unverarbeiteten Lesefrüchten ähneln, vgl.: A. v. Wittich, Zur Weltanschauung Conrads v. Hötzendorf, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen, Jg. 75/1944, 1 - 1 6 ; H. Ferenczy, Die Weltanschauung Conrads v. Hötzendorf, Seminararbeit am Institut f. Zeitgeschichte, Sommersemester 1966/67, Maschinschrift. " ) Alexander Frh. v. Krobatin (Olmütz, 2 . 9 . 1 8 4 9 - 2 7 . 1 2 . 1 9 3 3 , Wien), 1869 als Lt. aus der AKSch. Mährisch-Weißkirchen zu FABaon. 3, Laufbahn im Artilleriestab, 1.11.1890 Kmdt. AKSch., 1.5.1895 Obst., 1.8.1895 Kmdt. KAR. 1, 23.10.1896 Vorstand der 7.Abt. des KM., 1.11.1900 G M . , 29.10.1904 Sektionschef, 1.5.1905 F M L . , 1.11.1910 FZM., 12.12.1912 Kriegsminister, 12.4.1917 Kmdt. 10. Armee an der Kärntner Front, 5.11.1917 FM., nach der 12. Isonzoschlacht Kmdt. einer neuen 10. Armee in Südtirol, 1.12.1918 pensioniert. Vgl. R. Kiszling, Alexander Freiherr von Krobatin, in: Neue österreichische Biographie ab 1815, B d . X V I I . , Wien 1968, 2 0 2 - 2 0 6 . 2 4 ) Uber die Urlaubsantritte der Militärs vgl vor allem: G. v. Hubka, Der kritische Monat Juli 1914. Als Vermächtnis des Obersten Maximilian Freiherrn v. Pitreich, bearbeitet von . . . Graz 1949, 39ff., Kapitel: Urlaube während der Krise (KA., Nachlaßsammlung, sign. B/61, nr. 11).
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abredete ich, daß ich ihm sein Pferd abkaufen und seinen Pferdewärter János Rácz ins Feld mitnehmen würde. Gottfried Schafferer ließ ich, wie schon bemerkt, aus der Meierei Silier in Altmannsdorf kommen und fragte ihn, ob er mit mir in den Krieg ziehen wolle. Er stimmte zu und hatte sich damit wahrscheinlich sein Leben gerettet. Denn von seinen Kaiserjäger-Kameraden waren nur allzu viele schon auf den Schlachtfeldern des Nordens geblieben. Meine Mobilmachungsbestimmung lautete: Quartierregulierender Generalstabsoffizier bei der 11. Division in Lemberg. Ich hatte mit dieser Mobilisierungsbestimmung keine besondere Freude. Ich wäre unvergleichlich lieber zu meinen heimischen Regimentern gegangen, deren Sprache ich kannte und deren Denkart die meinige war, als zu ostgalizischen Regimentern. Ich machte mit Hoen aus, daß er mich eventuell ins Kriegspressequartier hole, wenn ich keine bessere Einteilung erhielte. Ohne Thronfolgermord hätte ich für den Sommer ein ganz nettes Programm gehabt. Vor allem wollte ich die vierzehn Tage Truppendienst, die jedem Generalstäbler im Jahre vorgeschrieben waren, beim 2. Kaiserjäger-Regiment abdienen. Mich reizte es, in der Nähe von Brosch zu sein und mich mit ihm anzufreunden. Den vorgeschriebenen Distanzritt gedachte ich mit dem Operationsbureau zu machen, obgleich ich nur die jüngeren Herren kannte, dagegen nicht den Chef Oberst Metzger, dem ich mich auf einem Praterritt flüchtig vorgestellt hatte. Es lag mir am Herzen, Beziehungen anzuknüpfen, denn ich wollte bald an den Geschicken Österreichs irgendwie mitreden können. Der verdammte Ehrgeiz ! Nach diesen Übungen gedachte ich einen kurzen Urlaub nach Salzburg zu nehmen und dann in Tirol und eventuell Mailand den Spuren der Freiheitskämpfer von 1809 nachzugehen. Für den 23. Juli, ausgerechnet für diesen Schicksalstag ersten Ranges, wollte ich nun als vorläufiges Überbleibsel meines Sommerprogramms meinen Salzburger Urlaub antreten. Ich ging zu Dittrich ins Eisenbahn-Büro und fragte ihn, ob es sich überhaupt lohne, wegzufahren. Er meinte: ,,Ach, D u kommst ja im Kriegsfall Β (Balkan) gar nicht dran, zu R (Rußland) kommt es frühestens in drei Wochen." Nicht überzeugt, aber befriedigt, verließ ich das Ministerium. Bei den vielen Kriegsfällen, mit denen Österreich'zu rechnen hatte, hatte es sich der Generalstab angelegen sein lassen, seine Aufmarschvorbereitungen möglichst elastisch zu treffen. Für eine Verwicklung auf dem Balkan gab es einen Minimalfall B, in welchem die beiden bosnischen und das Agramer Korps zunächst als unbedingt nötige Grenzsicherung zu bleiben gehabt hätten. Dann gab es einen Maximalfall B, der voraussetzte, daß Rußland später oder überhaupt nicht kam. Schließlich gab es einen Kriegsfall R , der den Einsatz der Masse des k . u . k . Heeres im Nordosten vorsah. Dazwischen gab es noch alle möglichen Kombinationen 2 5 ). Diese Elastizität unterschied sich wesentlich von der Einförmigkeit der deutschen Aufmarschvorbereitungen, in denen seit Schlieffen eigentlich überhaupt nur mit einem einzigen Fall gerechnet wurde, mit dem, daß bei schwachem Rückenschutz die 2 S ) Vgl. zuletzt N . Stone, Die Mobilmachung der österreichisch-ungarischen Armee 1914, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Bd. 2/1974, 6 7 - 9 5 .
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Hauptkräfte gegen Westen anzusetzen seien. Die oft geschilderten tragischen Vorgänge zwischen Kaiser, Moltke und Kanzler 2 6 ) Ende Juli und Anfang August hatten nicht zum geringsten ihre Ursache in jener einseitigen Bindung . . . Also am 23. Juli, dem Tage, da in Belgrad die Österreich-ungarische „befristete N o t e " - fälschlich „ U l t i m a t u m " genannt - überreicht wurde, fuhr ich mit meiner Mutter nach Salzburg. Sie quartierte sich bei der Tante ein, ich gegenüber im „ O f e n l o c h " , wo es in der Nacht in meinem Bette leider ziemlich lebhaft zuging, so daß ich des anderen Tages zum Bäcker Atzwanger gegenüber der Annakapelle übersiedelte. A m 24. früh, einem Freitag, las ich den Inhalt unserer N o t e an Serbien. Es war mir klar: das war der Krieg, wenn Serbien ablehnte, was es natürlich nur bei sicherem Beistand Rußlands tun konnte. Das Unglück meiner Generation setzte ein. Ich war auf die Antwort Serbiens höchst begierig. Als entweder am frühen Abend oder am Samstag früh bei der Konrathschen Zeitungshandlung gegenüber dem österreichischen Hof ein Telegramm zu lesen war, nach welchem Rußland erklärt hatte, der weiteren Entwicklung des österreichisch-serbischen Konfliktes nicht gleichgültig zusehen zu können - war mein Entschluß gefaßt: sofortige Rückkehr nach Wien! N o c h traf ich in Salzburg viele alte Kameraden von 75, 59 und der Artillerie. Alles war restlos begeistert - mit Ausnahme meiner Wenigkeit. Am 25. mittags verließ ich - ohne meine Mutter - Salzburg. Ich sollte es erst im Jahre 1917 wiedersehen. In der Eisenbahn war alles in höchster Aufregung. In Linz stieg ich aus. D a hieß es auf dem Bahnhof, Serbien habe bedingungslos angenommen. Ich wagte meinen Ohren nicht zu trauen, hätte die Nachricht aber doch zu gerne geglaubt. Schon überlegte ich, ob ich nicht mit dem nächsten Zug nach Salzburg zurückfahren sollte. Aber ich beschloß, die Reise nach Wien fortzusetzen. Ich stieg in Hütteldorf-Hacking auf die Stadtbahn über und fuhr noch spätabends in die Stadt, wo in den Kaffeehäusern die Abendblätter keinen Zweifel mehr bestehen ließen: Serbien hatte nur unter großen Vorbehalten angenommen, das heißt eigentlich abgelehnt, unser Gesandter Wladimir Freiherr von Giesl 2 7 ) Belgrad mit dem gesamten Gesandtschaftspersonal verlassen 2 8 ). 2 6 ) Vgl. die Aufsatzsammlung: W. Schieder (Hg.), Erster Weltkrieg. Ursachen, Entstehung und Kriegsziele (Neue Wissenschaftliche Bibliothek, Bd. 32), Köln-Berlin 1969. " ) Wladimir Freiherr Giesl von Gieslingen (Fünfkirchen, 1 8 . 2 . 1 8 6 0 - 2 0 . 4 . 1 9 3 6 , Salzburg), 1879 als Lt. aus der Milak. zu U R . 2 , ab 1888 verschiedene militärdiplomatische Verwendungen, 17.12.1909 als ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister in Montenegro ausnahmsweise ins dipi. Korps übernommen, 5.12.1913 Gesandter in Belgrad, überreichte am 23.7.1914 die befristete Begehrnote, 15.8.1914 G d K . und Vertreter des Ministeriums des Äußeren beim A O K . , 27.7.1915 pensioniert. Seine Erinnerungen: Zwei Jahrzehnte im nahen Orient, hg. v. E. Steinitz, Berlin 1927; darüber hinaus verfaßte Giesl zahlreiche Artikel und Artikelserien für „ N e u e s Wiener Tagblatt" und „ N e u e s Wiener Tagblatt - Wochenausgabe", die Erinnerungscharakter haben. Vgl. über ihn: G . Hubka, Wladimir Giesl v. Gieslingen (1860-1936), in: Neue österreichische Biographie ab 1815, Bd. X , 1957, 130-137. 2 8 ) Dazu eine Mitteilung Giesls an den Obst. i . G . d . R . Gustav v. Hubka, unter anderem Militärattaché in Cetinje und freiwilliger Mitarbeiter im K A . , niedergelegt in der Maschinschrift Hubkas: A m Vorabend des großen Krieges, Thal bei Graz 1952 ( K A . , Nachlaßsammlung, sign. B/61, nr. 15), 82f. Laut Mitteilung Giesls an Hubka in Salzburg 1928 hätte ihm Berchtold am 9. Juli die mündliche Wei-
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In der Kaiservilla in Ischl hatte sich ein müder Greis, Franz Joseph, als man ihm die Nachricht von der Abreise Giesls brachte, mit den Worten getröstet: „Abbruch der diplomatischen Beziehungen, das muß nicht Krieg sein 2 9 )." Am Sonntag nachmittags traf ich im Kaffee Payer neben der Dreihufeisengasse meinen Freund Franz Xaver Kappus, seine Kriegsbegeisterung - er war mit Wartegebühr beurlaubt - war beiläufig so groß wie die meinige. Wir wälzten alle möglichen Entwirrungspläne durch den Kopf, die natürlich nichts nutzten. Am Montag früh ging ich ins Büro und fand wieder meinen Chef Woinovich in tiefer Trauer wegen unserer schlechten Artillerie. Dagegen war Hoen guter Dinge: Er sah sich schon siegreich aus dem Felde als Kommandant des Kriegspressequartiers zurückkehren. Nachrichten über die ersten Grenzkämpfe kamen, die angeblich bei Temes Kubin an der Donau stattgefunden hatten. Berchtold begab sich zum Kaiser nach Ischl und unterbreitete ihm den Entwurf einer Kriegserklärung an Serbien, wobei ausdrücklich auf den eben erwähnten Grenzkampf hingewiesen wurde. Der Kaiser fühlte sich in seiner Ehre als Soldat getroffen und unterschrieb mit seiner charakteristischen Unterschrift die erste Kriegserklärung des Ersten Weltkrieges. (Wir bösen Buben in der späteren Operationsabteilung der k . u . k . Heeresleitung lasen diese Unterschrift später als „Frau Moser" und sprachen vom Kaiser mitunter recht despektierlich unter diesem Decknamen.) Der Entschluß war ihm gewiß unerhört schwer geworden. Schon an einem der allernächsten Tage kehrte er nach Wien zurück, um es nie mehr zu verlassen. Das Gefecht bei Temes Kubin stellte sich nachher als Gerücht heraus. Seine Erwähnung wurde, ohne den Kaiser zu befragen, in der Kriegserklärung gestrichen 30 ). Auch meine Mutter verließ, Gott sei Dank, von ihrer Schwester begleitet Salzburg und kam nach Hause. Sie war sich über das, was kam, völlig klar und wollte die letzten Tage noch mit mir verbringen. Unser Schicksal vollendete sich in Sturmeseile. (In meinen Schriften im Kriegsarchiv befindet sich eine nie veröffentlichte militärisch-politische Darstellung dieser Zeit aus meiner Feder.) 31 ) Ich habe diese aufregenden Tage und Wochen in den zwanziger Jahren vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bis ins einzelne durchackert, und es gab keine Stunde, in der ich nicht eine synchronistische Tabelle über die gleichzeitigen Vorgänge in allen entscheidenden Hauptstädten hätte herstellen können. Der größte Teil der sung gegeben: „Wie immer die Serben reagieren - Sie m ü s s e n die Beziehungen abbrechen und abreisen; es m u ß zum Kriege kommen!" Zu Hubka vgl. J . Steiner, Gustav Hubka (1873-1962). Sein Wirken als k . u . k . Militarattaché und Schriftsteller. Wr. ungedr. Diss. 1975; ders., Soldat, Militärdiplomat und Historiker. Das Lebenswerk Gustav Hubkas (1873-1962), in: Ö G L . 21/1977, 1 8 - 2 8 . 2 9 ) A. Frh. v. Margutti, Kaiser Franz Joseph. Persönliche Erinnerungen, Wien-Leipzig 1924, 411 ff., über seine Wahrnehmungen am 25. Juli 1914. Der Kaiser sagte bei Erhalt des Telegrammtextes Giesls über dessen Abreise: ,,Nun, der Abbruch der diplomatischen Beziehungen bedeutet noch immer nicht den Konflikt." (S.415). 3 0 ) Eine aktenmäßige Darstellung der Nachricht über einen Feuerwechsel am 27. Juli, die sich am 28. Juli als unrichtig herausstellte, gibt: R. Kiszling, Die Wahrheit über das Gefecht bei Temes-Kubin, in Ö W Z . v. 3 . 2 . 1 9 3 3 , 3 . 3 1 ) Eine solche Darstellung konnte nicht aufgefunden werden.
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Erinnerung ist jetzt wie weggewischt. Vielleicht hat sie schon das Erlebnis des Zweiten Weltkrieges völlig zurückgedrängt. Vielleicht hat aber auch das Jahr Gefangenschaft, unter dem ich vorläufig leide - was noch kommen wird, weiß der liebe Gott - das Gedächtnis so entscheidend geschwächt. Ich möchte fast das letztere meinen. Ich muß daher für den Fall einer Benützung meiner Aufzeichnungen durch andere Hände bitten, jedes einzelne Datum, das hier aufgezeichnet ist, und bei den Kriegsereignissen jeden O r t einer genauen Überprüfung zu unterziehen. Am 28. Juli hatte der Kaiser die teilweise - partielle - Mobilisierung „Kriegsfall B " befohlen. Mehr als die Hälfte der Armee fuhr nach dem Südosten hinab. Aber schon in den nächsten achtundvierzig Stunden zeigte sich, daß aus dem „Kriegsfall B " ein „Kriegsfall R " , ein großer Krieg gegen Rußland, werden würde. Die Frage des Abdrehens der nicht zum „Minimalfall B " gehörenden, zum erheblichen Teil schon auf der Bahn sitzenden Streitkräfte nach dem Nordosten beschäftigte unseren Generalstab in aufregenden Besprechungen. Die Erklärungen des Eisenbahnchefs Obersten Straub, meines einstigen operativen Lehrers, daß das Abdrehen technisch unmöglich sei, veranlaßte Conrad zu dem Entschluß, den vollen „Kriegsfall B " vorderhand auslaufen zu lassen 32 ). Mindestens im Unterbewußtsein spielte der Gedanke eine Rolle, daß uns Rußland vielleicht doch noch die Zeit gewähren werde, vor seinem Eingreifen die Serben entscheidend aufs Haupt zu schlagen. Dabei blieb es zunächst, selbst als am 31. mittags die Mobilmachung aller österreichisch-ungarischen Streitkräfte zu Land und zur See verfügt worden war. Meine Mutter hielt sich, wie viele Menschen, die durch kleine Aufregungen außer Rand und Band geraten, überaus tapfer; schließlich war es für sie wahrlich nicht leicht, denn ich war nicht nur ihr einziges Kind, sondern ihr Ernährer, und sie zählte schon vierundsechzig Jahre. Auf mir selbst lastete ein sehr schwerer Druck. 3 2 ) Auch zu diesem Problem sind nunmehr Maschinschriften Obst. Hubkas heranzuziehen. Sie enthalten gewisse Mitteilungen und Forschungsergebnisse, die vielleicht bereits Glaise-Horstenau bekannt waren, aber jedenfalls aus persönlichen Rücksichten nicht publiziert wurden. Danach sei, gemäß Forschungen Obst. i. G. Max v. Pitreich, eine von Gdl. Conrad am 29.11.1913 paraphierte Weisung an das Eisenbahnbüro ergangen, eine Umarbeitung des Aufmarsch-Elaborates „ R " in der Form vorzunehmen, daß der Kriegsfall „ B " dem Kriegsfall , , R " vorausginge und die Transporte umdirigiert werden müßten. Dieses neue Elaborat hätte ab 1. April 1914 in Kraft treten sollen. Das Eisenbahnbüro hatte mit Quittung vom 2.12.1913 die Übernahme der Weisung bestätigt. Nach Pitreichs Meinung wurde diese Anweisung Conrads vom Eisenbahnbüro offenbar mißachtet. Bereits als Pitreich dieses entscheidende Aktenstück (Res. Glstb. Nr. 4601/1) offenbar noch nicht gekannt hatte, aber sich in seinem Buch: 1914, Probleme unserer Kriegsführung bei Kriegsbeginn, Wien 1934, mit dem Aufmarsch kritisch auseinandersetzte, heizte er eine schon in den zwanziger Jahren geführte Diskussion mächtig an. Diese gipfelte schließlich in der Hinterlegung von Denkschriften Pitreichs und seines wichtigsten Antagonisten General Emil Ratzenhofer, 1914 Mjr. i . G . , vierter Generalstabsoffizier und damals Stellvertreter Oberst Straubs im Eisenbahnbüro, im Historischen Seminar der Universität Wien (Xeroxkopien im KA.): M. Pitreich, 1914. Unterlagen zur Beurteilung des damaligen Kriegsbeginns, Wien 1943 (KA., M s . / l . W k g . / A / n r . 98); E. Ratzenhofer, Beiträge zu: 1914, Militärische Probleme unseres Kriegsbeginns, Wien 1944 (KA., M s . / l . W k g . / A / n r . 99). Vgl. die Arbeiten Hubkas: Der kritische Monat Juli 1914, Graz 1949, insb. 48ff. (KA., Nachlaßsammlung, sign. B/61, nr. 11); Licht ohne Schatten. Erwägungen zu den Biographien des Feldmarschalls Grafen Conrad v. Hötzendorf, Thal bei Graz 1952 (KA., Nachlaßsammlung, sign. B/61, nr. 15); Ν. Stone, Die Mobilmachung der österreichisch-ungarischen Armee 1914, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Heft 2/1974, 6 7 - 9 5 .
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Ich war dessen gewiß, daß es nicht gut ausgehen könne, zumal als in den allernächsten Tagen der Krieg in einen Zusammenstoß der Mittelmächte mit zwei Weltmächten, England und Rußland, einer Großmacht, Frankreich, und drei kleineren Staaten ausartete, denen sich in der letzten Augustwoche noch Japan zugesellen sollte, indes uns selbst der dritte Bundesgenosse, Italien, im Stich ließ. Als ich am 1. August abends aus den Zeitungen die Kriegsausmusterung in Wiener Neustadt vorlas, an der der junge Erzherzog Carl teilgenommen hatte, konnte ich vor meiner Mutter meine Bewegung nicht mehr meistern. Ich weinte einen Augenblick wie ein kleines Kind. In schärfstem Gegensatz zu meiner Stimmung befand sich die, die man in den Straßen Wiens antraf. Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Große Haufen von Menschen zogen die ganzen Tage über ohne Unterlaß daher, brüllten die Volkshymne, das besonders beliebte Lied von Prinz Eugen, dem edlen Ritter, der die Stadt und Feste Belgrad dem Kaiser gewinnen wollte, und - vor dem Abbleiben Italiens - so gut es ging, auch die Marcia Reale. Mindestens fehlte es nicht an Hochrufen auch auf Vittorio Emanuéle. Gründlich wie ich bei solchen Anlässen mitunter bin, ging ich gern den Hauptträgern der Begeisterung nach. Es war doch so, daß sich die Zahl der zu den Fahnen gerufenen Männer zu den vorderhand nicht betroffenen wie 1:10 belief. Da fiel es vielen leicht, begeistert zu sein. Aber es wäre unrecht zu behaupten, daß nicht auch die Einberufenen mit größter Bereitwilligkeit dem Rufe des Kaisers folgten. Die Stimmung war wirklich großartig, und zwar nicht nur in Wien und in deutschösterreichischen Landen. Ich möchte mich im einzelnen nicht wiederholen, sondern verweise auf das Kapitel „Die Wehrmacht von 1914" im österreichischen Generalstabswerk 33 ). Ich habe diesen Abschnitt mit meinem Herzblut geschrieben. Mit größter Feierlichkeit vollzog sich der Abmarsch der Regimenter ins Feld. In nagelneuer Felduniform, die flotten Kappen mit dem traditionellen Eichenlaub geschmückt, zogen sie unter den ewig befeuernden Klängen des Radetzkymarsches beim Kriegsministerium an ihrem Armeeoberkommandanten Erzherzog Friedrich vorüber. (In den Radetzkymarsch hat Johann Strauß der Ältere bekanntlich Melodien aus der Volksmusik aller wichtigen habsburgischen Nationen hineinkomponiert. Als Anfang September 1849 die Truppen auf dem Josefstädter Glacis zum ersten Mal unter seinen Klängen vor dem greisen Feldmarschall vorüberdefilierten, rang unweit davon, in der Riemerstraße, der Komponist mit dem Tode, der ihn auch besiegen sollte.) Manchmal, aber selten, erschien hinter der behäbigen Bierfaß-Gestalt des Erzherzogs auch die zierliche Figur Conrads v. Hötzendorf, auf dessen schmächtige Schultern das Schicksal nun eine furchtbare Last gelegt hatte. Für mich hieß es am 3. August abends von Wien Abschied nehmen. Vom Segen meiner armen Mutter begleitet, stieg ich vor der Grünbergstraße 9 mit den zwei vorschriftsmäßigen Holzkoffern und einem Schlafsack und mit dem wieder zum Kaiserjäger eingekleideten Gottfried Schafferer in ein Taxi. Im Kaffee Peyer nahm 3 3 ) Österreich-Ungarns Wehrmacht im Sommer 1914, in: Österreich-Ungarns letzter Krieg, B d . I , 2.Aufl., Wien 1930, 3 - 3 8 .
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ich flüchtig von Kappus und seiner Freundin Lea Abschied und begab mich auf den Nordbahnhof, wo unerhörtes Treiben herrschte. Es gelang mir noch, ein Schlafwagenbett zu ergattern - das erste meines Lebens. Erst als Minister und dann als deutscher General lernte ich diese Einrichtung gebührend schätzen, und zwar umso mehr, als ich das Abteil jetzt nicht mehr mit jemand Fremden zu teilen brauchte. Nichts war mir schließlich angenehmer als eine Nacht in dieser Luxuseinrichtung. Es gab Zeiten, in denen ich vier und mehr Nächte hintereinander im fahrenden Zuge verbrachte. Ich schlief niemals besser als bei solchen Gelegenheiten. Als ich des anderen Morgen aus dem Abteil heraustrat, war bereits Krakau hinter uns. Der Zug konnte wegen der Nähe der Grenze nicht auf der Hauptbahn weiterfahren, er mußte die Strecke über N e u s a n d e z - C h y r ó w einschlagen. In Przemysl stieg man aus, sich einen Kaffee zu Gemüte zu führen. Ich knüpfte ein Gespräch mit dem gleiche Zwecke verfolgenden F M L . R. v. Goglia 3 4 ) an, der als designierter Artilleriebrigadier zur 43. Division nach Czernowitz reiste. Goglia war geneigt, die ganze russische Mobilmachung doch noch für einen Bluff zu halten, der keineswegs zum Krieg führen müsse. Ich glaubte es nicht, wünschte aber, daß er recht behielte. Zu meinem Schrecken mußte ich bemerken, daß Gottfried nicht im Zug war. Ich hoffte noch auf Lemberg, konnte dort aber leider nur bestätigt sehen, daß er wirklich in Wien offenbar nicht eingestiegen war. Er hatte den größeren Teil des Gepäcks bei sich. Werde ich ihn je wiedersehen? 2. B E I D E R 11. I N F A N T E R I E - T R U P P E N - D I V I S I O N Lemberg glich einem großen Feldlager. Die Straßen waren voll von Soldaten und unzähligen Bauernwagen, denen die berühmten, unscheinbaren, aber unerhört ausdauernden Pferde - genannt Konikeln, von Konje, das Pferd - vorgespannt waren. Die Preußen nannten diese Gefährte, die in der Folge bei uns zu einem äußerst wichtigen Teil des Trosses wurden, Panje-Wagen, weil die Kutscher ängstlich jeden Soldaten Panje, das heißt Herr, anflehten. Ich wohnte im Hotel George und speiste zum Abendessen mit dem Oberstleutnant Tinz 3 5 ) und dem Hauptmann Grafen Belrupt-Tissac 3 6 ), beide vom Generalstab des X I . Korps. Belrupt war Deutschordenskomtur und hatte als solcher die 3 4 ) Ferdinand Goglia von Zlota Lipa (Pest, 1 3 . 9 . 1 8 5 5 - 1 7 . 9 . 1 9 4 1 , Wien), 1875 aus der Techn. Milak. zum F A R . 12 ausgemustert, . . . 1.5.1910 G M . , 2 5 . 9 . 1 9 1 2 Präses des Militärtechnischen Komitees, 1.8.1914 Kmdt. der 3 3 . I T D . , 2 2 . 5 . 1 9 1 5 (definitiv 12.12.1915) Kmdt. des V. Korps, 1.11.1916 F Z M . , 14. 3.1918 Gen.-Art.-Inspektor, 26. 8.1918 Kmdt. der Armeegruppe Belluno, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 3 5 ) Eugen Tinz (Lemberg, 5 . 1 0 . 1 8 7 7 - ? ) , 1898 aus der Techn. Milak als Lt. zu D A R . 42, Glstbslaufbahn, 1.8.1914 Mjr. i . G . und eingeteilt in der Glstbsabt. X I . K o r p s , 2 0 . 1 1 . 1 9 1 4 Glstbschef l l . I T D . , 1.2.1916 Obstlt. 3 6 ) Friedrich Graf Belrupt-Tissac (Brünn, 1 0 . 1 0 . 1 8 7 9 - 2 0 . 3 . 1 9 7 0 , Wien), 2 3 . 9 . 1 8 9 8 als E F . zu D R . 15, 1899 Berufsoffizierslaufbahn, 1.1.1900 L t . , 30.10.1906 zugeteilt dem Glstb., 5 . 5 . 1 9 0 9 Gelübde als Ritter des Deutschen Ordens, 1 . 9 . 1 9 1 5 Mjr. i . G . , 1.11.1917 Obstlt. i . G . , 1.3.1919 pensioniert, 9. 7.1950 Priesterweihe, letzter Ritter und Landeskomtur der Bailei Österreich des Deutschen O r dens.
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drei Mönchsgelübde abgelegt, das der Keuschheit allerdings nur, „soweit ihm Gott die Kraft verlieh". Seine Kameraden fragten ihn jeden Tag frühmorgens: „Hat Dir Gott gestern die Kraft verliehen?" A m 5. August früh meldete ich mich beim Korpskommando, w o mich der Kommandierende, Honvédminister a.D. Kolossváry 3 7 ) und der Generalstabschef Rimi 38 ) freundlich empfingen. Nachher begab ich mich zur 11. Division, deren Kommandanten FML. Pokorny 3 9 ) ich flüchtig von seinem früheren Dienstposten 88. Landesschützenbrigade Bozen - kannte Er war ein spindeldürrer, wenig sympathischer Herr mit einer knaufenden Stimme und pedantischen Allüren. Als Generalstabschef der Division traf ich den Schwager meines Freundes Bernhard v. Lauer 40 ), den Major Hugo Baron Senarclens de Grancy 4 1 ), Abkömmling eines Geschlechtes der französischen Schweiz, das noch jederzeit die Schweizer Staatsbürgerschaft in Anspruch nehmen konnte, eleganter Kavallerist, ein wenig verschlossen und mürrisch, aber ritterlich. Grancy teilte mir mit, ich hätte noch nachmittags nach Brzezany zu fahren, weil dort die Masse der Division in den nächsten Tagen aufmarschieren würde. Zu Mittag speiste ich in der Korpsmenage. Da trat mir ein baumlanger, mächtiger Generalmajor mit rotem, wenig aristokratischem Gesicht entgegen: Generalmajor in der Reserve A l o y s Fürst und Regierer von Schönburg-Hartenstein, mit dem mich alsbald eine enge Freundschaft fürs Leben, bis zu seinem am 20. September 1944 erfolgten Tode, verknüpfen sollte. Schönburg, seit 1896 nicht aktiv, Ritter des Goldenen Vlieses, Vizepräsident des Herrenhauses und Präsident des Roten Kreuzes, war eingerückt, um die Marschbrigade des XI. Korps zu übernehmen.
" ) Desiderius Kolossváry de Kolosvár (Veszprim, 1 . 5 . 1 8 5 5 - 5 . 4 . 1 9 1 9 , ödenburg), 1.9.1876 aus Techn. Milak. als Lt. zu HR. 10, Glstbslaufbahn, 8.6.1898 Chef des Generalstabsbüros, 30.4.1903 GM., 27.6.1903 Honvédminister, 25.1.1904 Kmdt. der 14. Kav.Brig., . . . 23.10.1911 (definitiv 1.10.1912) Kmdt. des XI. Korps, 31.12.1912 GdK., 10.10.1914 enthoben, 1.2.1915 beurlaubt. 3 e ) Franz Rimi ν. Altrosenburg (Vsetin, Mähren, 4 . 8 . 1 8 6 7 - ? ) , 4.8.1884 freiwillig zu IR. 57 assentiert, 1.9.1888 Lt. im Pionierregiment, Glstbslaufbahn, 1.11.1904 Mjr. i . G . , 1.5.1907 Leiter der IV. (ital.) Gruppe im Landesbeschreibungsbüro, 1.11.1908 Obstlt. i . G . , 23.4.1911 Glstbschef XI. Korps, 1.11.1911 Obst. i . G . , 1.5.1915 GM., 1.7.1916 Stadtkmdt. v. Lemberg, 1.8.1917 zugeteilter General beim Militärkommando Wien, 1.5. 1918 FML., 1.1.1919 pensioniert. 3 9 ) Alois Pokorny (Lainz b. Wien, 1 . 5 . 1 8 6 1 - ? ) , 21.7.1878 aus PKSch. zum Pionierrgt. ausgemustert, Glstbslaufbahn, 1.5.1905 Obst. i . G . u. Kmdt. LIR.34, 1.11.1910 GM. u. Kmdt. 88. LschBrig., 3.3.1914 Kmdt. 11. ITD., 1.5.1914 FML., 20.12.1914 mit Wartegebühr beurlaubt, 1.1.1919 pensioniert. 4 0 ) Bernhard Lauer v. Schmittenfels (Wien, 1 2 . 1 . 1 8 8 3 - 2 9 . 8 . 1 9 4 8 , Seíboden am Millstätter See), 1904 aus der Milak. als Lt. zu DR. 12, Glstbslaufbahn, 1.5.1914 Hptm. i . G . , zugeteilt der 4 . K T D . , 31.7.1914 zugeteilt dem Kmdo. 21.KBrig., 3.9.1914 zum Kmdo. 4 . K T D . , 4.6.1915 zugeteilt Kmdo. V. Korps, 6.7.1916 Operationsabt. des AOK., 1.11.1918 Mjr. i . G . , 1.3.1919 pensioniert, sodann im Kohlenhandel tätig. Vgl. B. Lauer, Das Reitergefecht v. Jaroslavice-Wolczkowce, in ÖWZ. v. 26.9.1924, 3f. u. 10.10.1924, 2 f . ; ders., Mit Kaiser Karl bei Tolmein, in: N W J . , 22.10.1924, 6. 4 1 ) Hugo Frh. Senarclens de Grancy (Olmütz, 8 . 3 . 1 8 7 7 - 1 4 . 9 . 1 9 3 8 , Graz), 1897 aus der Milak. als Lt. zu DR. 14, Glstbslaufbahn, 1.11.1912 Mjr. i . G . u. Glstbschef 11. ITD., 17.11.1914 zugeteilt XI. Korpskmdo., 1.3.1915 Obstlt. i . G . , 2.2.1916 Glstbschef 54. ITD., 1.4.1917 Glstbschef Gruppe Etschtal, 1.8.1917 Obst. i . G . , 26.6.1918 Glstbschef XV. Korps, 1.3.1919 pensioniert.
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Nachmittags begab ich mich auf den Bahnhof, um nach Brzezany zu fahren. Wie freute ich mich, auf dem Bahnsteig Gottfried Schafferer, samt Gepäck eben von Wien angekommen, anzutreffen ! Die Freude des Wiedersehens drängte jede Rüge, zu der vielleicht Anlaß war, zurück. Ich war allein in meinem Abteil. Die Bahn fuhr zuerst ein Stück in der Ebene, schwenkte aber dann in schöne Waldberge ein, aus deren Dunkel ab und zu ein See-Spiegel hervorglänzte, eine wirklich reizvolle Landschaft. Brzezany war eine bekannte Kavalleriegarnison, Heimat des Ulanenregiments Erzherzog Franz Ferdinands N r . 7. Torresani, mein längst heimgegangener Jugendfreund, hatte hier als Generalstabsoffizier der Kavalleriebrigade gelegen und die Adamowka-Vorstadt zum Schauplatz seiner schönen Novelle „ D r e i Tage für ein Leben" gemacht, in der es zum Teil sehr heiter, zum Teil sehr schwül, am Schluß aber unerhört tragisch herging. Die Novelle bot allerdings auch ein gutes Bild vom Leben der kaiserlichen Offiziere in Ostgalizien. Zumal die bürgerlichen Deutschösterreicher waren nie als Freunde, im besten Falle als Fremde, oft als Feinde der polnischen Gesellschaft angesehen. In Brzezany empfing mich mein alter Regimentskamerad Hauptmann R. v. Paumgarten 4 2 ) des IR 55. Ich wurde in einer Villa am Rande der Stadt recht angenehm untergebracht, Gottfried, János und die Pferde in der Nähe. Brzezany war eine historisch nicht bedeutungslose alte Stadt mit einem Kastelle, dem üblichen galizischen Rynek (Ring), im Kern durchaus europäisch. Für die Einquartierung der Division standen mir verschiedene Adjutanten zur Verfügung. Tatsächlich waren nur fünf Bataillone unterzubringen, da sich die anderen neun zwischen Czortków und Tarnopol im Grenzschutz befanden, ferner für sechs Batterien und etwa vierhundert Trainfuhrwerke. Der alte Spruch „ F e r n vom Stabe, fern vom G r a b e " hatte für meinen Aufenthalt in Brzezany nur ein paar Tage Geltung. Dann kamen Pokorny und Grancy und nahmen das Szepter in die Hand. Die Truppen kamen, wir bezogen Vorposten auf den Höhen rund um die Stadt und nahmen mit zunehmend größerer Aufregung von unseren Grenzbataillonen Meldungen über das Auftauchen des Feindes entgegen. Viel war bis über Mitte August nicht los. Unser Divisionär geriet aber merkbar immer mehr in eine unerklärliche Panikstimmung, das heißt unerklärlich war sie nicht ganz. Denn von allen Seiten kamen Nachrichten über einen von den Russen eingerichteten unerhörten Spionage- und Sabotagedienst, vor dem niemand sicher sei. Etwas Wahres war gewiß daran, aber ebenso sicher nur ein geringer Bruchteil der Gerüchte, die durch die Lager schwirrten. Dazu kam noch direkt vom Armeeoberkommando - A O K . , wie bei uns die Oberste Heeresleitung hieß und hier auch grundsätzlich in seiner Abkürzung genannt werden soll - die Mitteilung, daß sich von Frankreich her quer durch Süddeutschland über Böhmen und Galizien ein Goldtransport 4 3 ) für Rußland auf dem Wege befände. Es sei alles dar4 2 ) Eugen R. v. Paumgartten (Oslawan, Bez. Eibenschitz, Mähren, 28.7.1864-24.11.1941, Innsbruck), 1884 als EF. zu FJB. 25, 1.1.1886 Lt. i.d. Res., 1.4.1887 aktiv, 1.5.1903 Hptm., 1.11.1906 zu 4. T K J R . , 1.5.1912 Mjr. IR.55, 1.3.1915 Obstlt. IR.59, 1.8.1917 Obst., 9.9.1917 Kmdt. LstIR.9, zeitweise Brigadier, 1.1.1919 pensioniert.
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anzusetzen, des Schatzes habhaft zu werden. Natürlich hoffte der letzte Gendarmerie- oder Landsturmposten auf dem kleinsten Feldwege, den Schatz und den selbstverständlichen Finderlohn sicherstellen zu können. Als ich um den 10. August von Grancy noch einmal nach Lemberg geschickt wurde, war es bei jeder Weggabel wegen des Geldautos lebensgefährlich. Lemberg traf ich erheblich ruhiger an. Die Garnison hatte die Stadt zum größten Teil verlassen. Ich übernachtete bei Grancys. Die Baronin 4 4 ) war zusammen mit ihrer Schwägerin Paula v. Lauer 4 5 ), geborene Paula Müller, ruhmvollen Andenkens als Künstlerin des Deutschen Volkstheaters, von D r . Anton Schalk 4 6 ), über den in diesen Blättern noch öfter die Rede sein wird, längst in den sicheren Port der Heimat gebracht worden. Die Köchin war aber zurückgeblieben. Mich mutete dieser Haushalt, den seine Besitzer vielleicht nie mehr bezogen, recht traurig an. Auf der Rückfahrt nahm ich einen Hauptmann des I R . 55 König von Montenegro mit, dessen Ergänzungsstation Brzezany gewesen ist. Was er, ein schwarzgelber Tscheche, mir von den soldatischen Tugenden seiner Ostgalizianer erzählte, machte seinem Optimismus alle Ehre, übertraf aber weit die Wirklichkeit. Der Abschied, den er von seiner netten jungen Frau genommen hatte, ergriff mich irgendwie. Wird er sie wiedersehen? Soviel ich weiß, hat er den Krieg gesund überstanden. Gegenüber der Heimat bestand strenge Postsperre. Natürlich wäre es mir möglich gewesen, bei Telephongesprächen mit dem A O K . und dem Wiener Kriegsministerium kurze Nachricht nach Hause kommen zu lassen. Aber man war damals zu solcher „ K o r r u p t i o n " ganz unnötigerweise noch viel zu keusch. So blieb meine arme Mutter, die immer mehr aus der Fassung kam, bis Anfang September ohne Nachricht - während die Zeitungen schon voll von blutigen Geschichten über die entbrannten - und leider zum Teil auch verlorenen - Schlachten waren. Am 16. August erhielt ich den Befehl, einen Auftrag an das Regiment 15 in Tarnopol zu überbringen. Die Stimmung im Stabe war bei unserer Division nichts weniger als gemütlich. Pokorny und Grancy vertrugen sich von Anbeginn nicht und redeten fast kein privates Wort. Meine Versuche, etwas Leben hineinzubringen, scheiterten an der Sprödigkeit der Materie. Also war ich froh, wieder fortzukommen. Ich lud einen der beiden aristokratischen „freiwilligen Automobilisten", den Fürsten Josef Colloredo 4 7 ), C h e f des fürstlichen Hauses, ein, mich zu fahren. E r tat es gerne. Wir nahmen auch einen Mann mit „gezogenem", das heißt schußbereitem Gewehr, mit, da es über Jezierna ostwärts nun doch schon in von Kosaken 4 3 ) Diesbezüglich vgl.: E. Pick, Goldauto ( K A . , Nachlaßsammlung, sign. B / 4 8 , n r . 2 ) ; J . Stürgkh, Im Deutschen Großen Hauptquartier, Leipzig 1921, 14 f. 4 4 ) Hedwig Freiin Senarclens de Grancy (?, 2 0 . 2 . 1 8 8 4 - 2 4 . 1 1 . 1 9 6 4 , Graz). 4 5 ) Paula v. Lauer, geb. Müller (Dresden, 1 3 . 6 . 1 8 8 4 - 8 . 7 . 1 9 6 4 , Seeboden, Bez. Spittal/Drau, Kärnten), Schauspielerin, Mitglied des Deutschen Volkstheaters in Wien. 4 6 ) Dr. theol. Anton Schalk (Linz, 2 2 . 5 . 1 8 6 8 - 4 . 7 . 1 9 5 1 , Mondsee), 1 9 0 1 - 1 9 0 7 Abgeordneter zum Reichsrat für Böhmen, alldeutsche Partei, nach 1918 großdeutsch gesinnter Zeitungsherausgeber und Publizist. Vgl. G . Canaval, Ein Tag mit Dr. Toni Schalk, in: Salzburger Nachrichten, ? (vgl. K A . , B / 6 7 , nr. 38). 4 7 ) Joseph Fürst Colloredo-Mannsfeld (Prag, 1 7 . 2 . 1 8 6 6 - 2 1 . 2 . 1 9 5 7 , Paris), 1 8 9 6 - 1 9 1 8 Mitglied des Herrenhauses, Angehöriger des freiwilligen Automobilkorps.
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bedrohte Gebiete ging. Bei Tarnopol hatte der Regimentskommandant von IR. 15, mein einstiger Taktiklehrer Oberst Rudel, seine Truppen schon auf die Anhöhen westlich des Grenzflusses Zbrucz genommen. Am gleichen Morgen war überall in breiter Front die Kavallerie zur strategischen Aufklärung - wie man in der Schule gelernt hatte - ausgeschwärmt. Während ich bei Rudel auf einem Feldherrnhügel stand, ertönten auf einmal knapp hintereinander vier dumpfe Schläge, dann pfiff es durch die Luft, und gleich darauf schienen über uns vier Schrapnells zu platzen. Der erste Gruß der Russen, allerdings nicht böse gemeint, denn die Schüsse gingen weit hinter uns ! Rudel, dessen Nerven nicht sehr gut waren, verschwand sofort in einer Grube. Ich mimte den Helden und blieb mit dem Gucker in der Hand aufrecht stehen. Die Russen schössen kein zweites Mal - eine billige Feuertaufe. Gegen Nachmittag fuhren Colloredo und ich wieder nach Brzezany zurück. Der Fürst war schon an die Fünfzig, ein fröhlicher, lebenslustiger Bursche, der auf die Verwaltung seines Fideikommisses in Böhmen zugunsten eines jüngeren Bruders verzichtet hatte und sich lieber in Paris einem flotten Leben hingab. Seine Schwester war Johanna Fürstin Schönburg 48 ), die Gattin des schon erwähnten Generals. Nach Brzezany zurückgekehrt, ließ mich der Divisionär rufen. Man war vor einigen Tagen einem furchtbaren Spionagefall auf die Spur gekommen. Das zur Division gehörende Regiment 58 hatte beim Anmarsch von Stanislau einen ruthenischen Jungen dabei erwischt, wie er Petroleum in den Mund genommen und dann immer wieder gegen ein brennendes Streichholz in kürzeren und längeren Abständen ausgeblasen hatte. Es seien sicher Morsezeichen für den Feind gewesen! Der Junge wurde verhaftet und vor das Standgericht der Division gestellt. Das Gericht beschloß jedoch Ubergabe an die ordnungsgemäße Gerichtsbarkeit im Etappenraum, was für den armen Teufel Lebensrettung bedeutete. Pokomy kochte, zerriß das Urteil und befahl eine neuerliche Verhandlung, zu der ich als Beobachter gehen sollte. Dabei hatte ich Sorge zu tragen, daß der „Verbrecher" zuverlässig verurteilt würde. Der „Verbrecher" war tatsächlich ein geistig beschränkter Bursche, dem man Kenntnisse wie Morsezeichen und dergleichen überhaupt nicht zumuten konnte. Der Gerichtsentscheid fiel daher ebenso aus wie am Vortage. Ich meldete Pokorny, daß ich dem Spruch nur beipflichten könne. Er war wütend und rief beim Mittagessen, als er von der Hinrichtung von Spionen bei anderen Kommandos hörte, klagend aus: „Die können acht erschießen und ich nicht einen einzigen." Ich erzähle diese Einzelheit als Beispiel einer Kriegspsychose bei einem sonst gebildeten Manne. Den 18. August, Kaisers Geburtstag, begingen wir in Brzezany. Leider hatten wir am Abend vorher die schönen schwarzgelben Feldbinden ablegen müssen, weil sie im Gelände ein zu günstiger Blickfang für den Feind waren. Es fanden zwei Gottesdienste auf dem Hauptplatz statt, ein griechisch-katholischer und ein orthodoxer - und dann ein besseres Essen in der Divisionsmenage. Pokomy hatte sich si4 e ) Johanna Fstin. Schönburg-Hartenstein (Dobris, 2 7 . 7 . 1 8 6 7 - 2 6 . 8 . 1 9 3 8 , ?), geb. Grfin. Colloredo-Mannsfeld.
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cherlich eine große Siegesrede vorbereitet, aber über die Blüten einer Kommißpoesie legten sich sichtlich schmerzliche Nachrichten aus dem Grenzabschnitt. Soviel ich mich erinnere, handelte es sich um die Katastrophe der 5. Honvéd-Kavalleriedivision bei Satanów 4 9 ), die fast aufgerieben wurde und von der einzelne Reiter bis über die Karpaten nach Ungarn flüchteten. Nachmittags kam ein Telephonaufruf von Stanislau. Ein Generalstabsoffizier war zum XII. Korps zu schicken, in dessen Verband wir überzutreten hatten. Die Wahl fiel wieder auf mich. Vor dem Brückenkopf Halicz wäre ich dank dem noch immer nicht hoppgenommenen Goldschatz von biederen galizischen Landstürmern beinahe erschossen worden. Mein Kühler wies zwei Durchschüsse auf. In Stanislau, einer der besten galizischen Garnisonen, meldete ich mich beim Kommandierenden, G d l . von Kövess, den ich schon von früheren Gelegenheiten her kannte. In der Akademie war am Schluß jedes Schuljahres eine sogenannte Delegiertenprüfung, bei der unter der Leitung des Generalinspektors der Militärbildungsanstalten zwei Regimentskommandanten des Wiener Generalrates sich vom Stande der praktischen militärischen Ausbildung zu überzeugen hatten. Im ersten Jahrgang war einer der beiden der Oberst Koevess von Koevesshaza des IR. Markgraf Ludwig von Baden N r . 23, eines südungarischen Regiments mit rotbraunen Aufschlägen gewesen. Er fiel durch sein gegen alle Vorschriften glattrasiertes Gesicht auf, das von einem dichten Haarschopf gekrönt war. („Schnurrbartlosigkeit" war ein lediglich dem Dragonerregiment Windischgrätz N r . 14 seit der Schlacht bei Kolin 1757 zuerkanntes Privileg. Alles andere hatte Schnurrbart laut Adjustierungsvorschrift zu tragen.) Nachher war Kövess Brigadier und Divisionär in Tirol. Als er - ehemals Genist - zum Inspizierenden der Tiroler Befestigungen ernannt wurde, war das für ihn, der schon seinerzeit bei der „Erzengelprüfung" (Stabsoffiziersprüfung) in den Generalstab durchgefallen war, ein Signum abeundi. Er hielt aber tapfer durch und bekam schließlich das Hermannstädter Korps. Hier sollte er bei den schon berühmten Kaisermanövern 1912 „abgeschossen" werden, er kam aber mit einem blauen Auge davon. Im Sommer 1914 winkte neuerlich der „blaue Bogen" mit der Pensionierung. D a brach der Krieg aus. Wohl wurde der rangjüngere General v. Böhm-Ermolli 5 0 ) sein Armeeführer. Aber er würgte den Groll hinunter und überstand auch die Klippen der ersten Schlachten. Schließlich stieg er 1915 doch 4 ' ) Im Rahmen der Armeegruppe Kövess überschritt die 5. H K T D . am 16. 8.1914 den Fluß Zbrucz, um sodann eine Fernaufklärung einzuleiten. Nach Bildung eines Brückenkopflagers kam es bei G o r o d o k am 17.8.1914 zu einem unentschiedenen Gefecht mit den Russen, nach dem aus nicht ganz geklärten Gründen durch den Divisionär ein Rückzugsbefehl erfolgte. Bei dem nun folgenden Nachtmarsch in das Brückenkopflager kam es zu Paniken und erheblichen Verlusten, insbesondere als aus dem Dorf Satanow das Feuer auf den Train der Division eröffnet wurde. Vgl. A . v. Dragoni, Österreich-Ungarns Kavallerie und Reitende Artillerie im Weltkrieg ( K A . , sign. M s . / l . W k g . / A l l g . / n r . 70); H . Mast, Die Aufklärungstätigkeit der österreichisch-ungarischen Kavallerie bei Kriegsbeginn 1914, in: Ö M Z . , Sonderheft 1/1965, 8 - 1 7 . s ° ) Eduard Frh. v. Böhm-Ermolli (Ancona, 2 1 . 2 . 1 8 5 6 - 9 . 1 2 . 1 9 4 1 , Troppau), 1875 aus Milak. als Lt. zu D R . 4 ausgemustert, Glstbslaufbahn, Generalität, 18.11.1911 Kmdt. des I. Korps und kommandierender Gen. in Krakau. 1.5.1912 G d K . , 2 8 . 7 . 1 9 1 4 Kmdt. der 2. Armee, 1.5.1916 G O . , 2 . 8 . 1 9 1 7 Kommandeur des M M T O . , 17.6.1918 nach Abschluß der Operationen in der Ukraine enthoben, 1.12.1918 pensioniert.
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zum Armeeführer auf, wurde Eroberer von Belgrad, behauptete sich auch weiter, während rechts und links von ihm jüngere Armeekommandanten vom Schicksal weggefegt wurden, und brachte es am Schluß seines Krieges sogar zum letzten Oberbefehlshaber des k . u . k . Heeres, allerdings schon in den Tagen des Zusammenbruches. Kövess war seines Zeichens Siebenbürger Sachse. Kövess heißt zu deutsch Stein, sein Großvater hieß noch Stein von Steinhaus 51 ). Nach 1918 mußte er, der kaum mehr als ein paar Brocken Ungarisch verstand, sich in die Liste der ungarischen Pensionisten aufnehmen lassen. Doch starb er zu Wien glücklich, wie er gelebt hatte, an einem Schlaganfall, den niemand mehr überraschte als ihn selbst. Kövess war kein besonderer soldatischer Typus, dafür ein hochgebildeter Mann, der in Literatur, Kunstgeschichte, Numismatik und so weiter über reiche Kenntnisse verfügte. Sein unerschütterliches, vielleicht sogar ein wenig gemachtes Phlegma - manche nannten es Elefantenhaut - und seine Philosophie halfen ihm über alle Klippen seines klippenreichen Lebens hinweg. Als er in den zwanziger Jahren in der Halle des Wiener Militärkasinos durch den evangelischen Superintendenten zur letzten Reise auf einen Budapester Friedhof eingesegnet wurde, zierten den Sarg neben dem Marschallstab das Kommandeurkreuz des Theresienordens und der Pour le mérite mit dem Eichenlaub. Der Generalstabschef Oberstleutnant Baron Zeidler-Sterneck 52 ), der seinen Doppelnamen einer Adoption durch seinen einstigen Brigadier verdankte, war ein junger, eleganter Mann, bei dem nur ein leichtes nervöses Zucken störte. Er war im letzten Jahre Erzieher des Erzherzogs Carl gewesen. Seines Zeichens alter Kaiserjäger, empfing er mich mit besonderer Liebenswürdigkeit und teilte mir mit, daß das X I I . Korps demnächst am Südflügel der östlich Lemberg versammelten 3. Armee zur Offensive übergehen werde. Die ihm unterstellte 11. Division habe sich in den nächsten Tagen um Zborów zu versammeln. Das bedeutete: morgen, den 20., Abmarsch aus den behaglichen Quartieren von Brzezany. (Wenn man die Truppe wechselte, hatte man das Recht, die alte Uniform zwei Jahre lang auszutragen. Ich war seit meiner Erinnerung zum Generalstabshauptmann kokett genug, fast immer nur als Kaiserjäger - ohne Generalstabsspange - herumzugehen und rückte auch in der Jägerbluse zur Division ein. Nur die steife graue Kappe der Generäle und Generalstäbler, bösartigerweise in der Truppe Gehirnprothese genannt, unterschied mich von gewöhnlichen Frontoffizieren, genannt Frontbestien.) 5 I ) Bei Glaise-Horstenaus Angaben über die Abkunft Kövess' handelt es sich um typischen Armeetratsch. Unter den fast 60 Namen, die in der Ahnentafel des Feldmarschatis bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück festgestellt werden konnten, findet sich kein Stein. Vgl. G . Kövess, Ahnentafel Géza Baron Kövess v. Kovessháza, in: Neues Jahrbuch der Heraldisch-genealogischen Gesellschaft „ A d l e r " , Jg. 1 9 4 5 / 4 6 , 1 3 3 - 1 4 7 .
" ) Egon Frh. Zeidler-Daublebsky v. Sterneck (Graz, 2 4 . 9 . 1 8 7 0 - 6 . 1 2 . 1 9 1 9 , Wien), 1890 aus der Milak. als Lt. zu F J B . 2 7 , 1 . 1 1 . 1 8 9 4 Oblt. 4. T K J R . , Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 2 Obstlt. 3. T K J R . , 2 7 . 4 . 1 9 1 4 Glstbschef X X I I . Korps, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Obst. i . G . , 1 1 . 8 . 1 9 1 6 zum Heeresfrontkmdo. Ehg. Karl, 2 6 . 1 1 . 1 9 1 6 zugeteilt der Militärkanzlei Seiner Majestät, 2 0 . 1 . 1 9 1 7 Stellvertreter des Chefs, 1 . 5 . 1 9 1 8 G M . , 8 . 5 . 1 9 1 8 Generaladjutant, 1 8 . 5 . 1 9 1 8 Vorstand der Militärkanzlei Seiner Majestät, 1 . 5 . 1 9 1 9 pensioniert.
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Das A O K . mit Erzherzog Friedrich und Conrad v. Hötzendorf war inzwischen am 14. August abends von Wien, Ostbahnhof, abgefahren. Auf dem Bahnhof hatte sich auch eine schwarz gekleidete Dame eingefunden: Gina v. Reininghaus, die von Conrad Abschied nahm. Die Fahrt nach Przemysl war nicht ohne Bitterkeit. Die Deutschmeister hatten bei ihrem ersten Vorstoß in Feindesland schwere Verluste erlitten. Unter den Toten befand sich auch ein Schwager des Obersten Metzger, der Regimentskommandant Freiherr v. Holzhausen 5 3 ), ein anerkannt tüchtiger, aus dem Generalstab hervorgegangener Offizier, der bei dem letzten Wechsel im Kommando der Neustädter Militärakademie diesen Posten nur deshalb nicht erhalten hatte, weil Franz Ferdinand gegen die Berufung eines Protestanten war, und so verdankte jener vielleicht seinem „Ketzertum" sein vorzeitiges Ende 5 4 ). Unter Franz Joseph hatten solche Bedenken im allgemeinen keine Rolle gespielt. General Leonidas Popp s s ) zum Beispiel war in den achtziger Jahren sein Chef der Militärkanzlei gewesen, obgleich er der rumänisch-orthodoxen Kirche angehörte. Religiöse Duldsamkeit war ein besonderes Merkmal der kaiserlichen Armee. In der letzten Generation gab es sogar schon einen - allerdings einzigen - ungetauften jüdischen Feldmarschalleutnant 56 ). Auch Hiobsposten aus dem Südosten, über einen mißglückten Drina-Ubergang Potioreks, verdüsterten das Gemüt Conrads. Dabei " ) Ludwig Frh. v. Holzhausen (Troppau, 2 1 . 1 1 . 1 8 6 1 - 1 6 . 8 . 1 9 1 4 , bei Narol), 1882 aus der Milak. als Lt. zu IR. 45 ausgemustert, Frequentai« der Kriegsschule - nicht ins Generalstabskorps übernommen, 1.9.1897 Hptm. I R . 7 2 , . . . 1.5.1914 Obst., 9.5.1914 Kmdt. I R . 4 . s 4 ) Glaise-Horstenaus Darstellung wurde von Mjr. a. D. Eduard Metzger ausdrücklich bestätigt. " ) Leonidas Frh. v. Popp (Naszód, Siebenbürgen, 1 5 . 1 0 . 1 8 3 1 - 1 . 1 2 . 1 9 0 8 , Baden/Wien),. 1851 aus der Milak. als Lt. zu IR. 51 ausgemustert, Glstbslaufbahn, 1878 als Obst. i. G. Chef der Operationskanzlei der 2. Armee im Okkupationsfeldzug, 1.5.1880 G M . , 12.4.1881 Chef der Militärkanzlei Seiner Majestät, 1.11.1885 F M L . , 1.3.1889 beurlaubt, 1892 pensioniert, 2.12.1898 FZM. ad hon. 5 6 ) Vielleicht nahm Glaise-Horstenau damit auf (Titular-)FML. Eduard R. v. Schweitzer Bezug, der in der Vorkriegszeit der einzige General gewesen sein dürfte, der die (Titular-)FeldmarschalleutnantsCharge erlangte. Es ist unwahrscheinlich, daß er mit der Bemerkung den Vorsitzenden des „Verbandes monarchistischer jüdischer Frontkämpfer", (Titular-)GM. Emil Sommer gemeint hat, da ihm dessen Name wohl doch geläufig gewesen sein dürfte. Ein Feldmarschalleutnant jüdischer Abstammung aus der Zeit des Weltkrieges ist jedoch nicht bekannt. Er läßt sich auch nicht aus: M. Frühling, Biographisches Handbuch der in der k. u. k. österreichisch-ungarischen Armee und Kriegsmarine aktiv gedienten Offiziere, Ärzte, Truppen-Rechnungsführer und sonstigen Militärbeamten jüdischen Stammes, Wien 1911, erschließen. Allerdings ist dieses Handbuch, das auch aus dem jüdischen Religionsverband ausgeschiedene Persönlichkeiten erfaßt, unvollständig, wie etwa Zufallsfunde (z.B. G M . Maximilian Maendl v. Bughardt) erweisen. Als bekannte Offiziersfamilie israelitischen Bekenntnisses ist auf die Familie der Ritter v. Eiss hinzuweisen (vgl. E. Seeliger, Theresienritter ohne Theresienorden. Die Heldenfamilie derer V. Eiß, in: N W J . , 2 3 . 2 . 1 9 3 0 , 1 3 f . ) ; auch KA. Qualifikationslisten. Im (1.) österreichischen Bundesheer erlangte der Offizier jüdischer Abstammung Johann Friedländer die Generalmajorscharge (28.8.1931) und mit der Pensionierung (31.3.1937) den Titel Feldmarschalleutnant (18.3.1937). Vgl. ansonsten auch die Hinweise bei: E. Tramer, Der Republikanische Schutzbund. Seine Bedeutung in der politischen Entwicklung der Ersten österreichischen Republik, Erlanger Diss. 1969, 90 ff., 269 ff. ; und bei: W. v. Weisl, Juden in der österreichischen und österreichisch-ungarischen Armee, in: Zeitschrift für die Geschichte der Juden, VIII/1971, 1 - 2 2 . Siehe auch die Aufsätze von Ernst R. v. Rutkowski über einzelne jüdische Soldaten der Donaumonarchie, unter anderem: Einer der tapfersten Offiziere im Regimente. Oberleutnant in der Reserve Dr. Siegfried Frisch im Weltkrieg 1914-1918, ebdt., VII/1970, 97-129; Dem Schöpfer des österreichischen Reiterliedes, Leutnant in der Reserve Dr. Hugo Zuckermann zum Gedächtnis, ebdt., X/1973, 93-104.
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erlitt das Warasdiner IR. N r . 16 besonders schwere Verluste 57 ). Die Warasdiner hatten bis zum Aufmarsch in Wien gelegen. Ich hatte den letzten Custozatag, ihren Regimentsfeiertag, an ihrem Offizierstisch in der Marokkanergasse verbracht. Dies verdankte ich meinem Freunde, dem Hauptmann Perné 5 8 ) des Regiments, der obgleich Kadettenschüler von Herkunft und nur Troupier - kriegshistorisch kolossal interessiert war. Seine leider Fragmente gebliebenen Arbeiten über die Anfänge des preußischen Generalstabes erregten auch in der deutschen Militärliteratur einiges Aufsehen 59 ). Sein besonderes Steckenpferd war, nachzuweisen, daß nicht die Regimenter 8 und I I 6 0 ) , sondern sein Regiment - mit dem Gründungsjahr 1537 das älteste der kaiserlichen Armee gewesen sei 6 1 ). Der große, prachtvoll gewachsene Offizier, ein Liebling der Frauen, fiel in der ersten Schlacht. In Przemysl bezog das A O K . das Barackenlager Zurawica. Nur der Oberkommandant und Conrad erhielten in eigenen Zimmern Mannschaftsbetten. Alles andere wurde in Massenquartieren auf Stroh untergebracht. Beleuchtung: Öllampe. Nicht viel besser war die spätere Unterkunft in Neu-Sandec. Erst Teschen brachte einen Umschwung. In Przemysl hatte sich dem A O K . auch Oberst Graf Szeptycki des Generalstabskorps, Bruder des Lemberger griechisch-katholischen Metropoliten, zuletzt Militârattaché in Petersburg, eingefunden. Wenn er über die Karte gebeugt war, pflegte er auf die podolische Landschaft hinzustarren. E r war überzeugt, daß dort starke russische Kräfte kamen, fand aber damit bei Conrad keinen Glauben. Doch sollte er, wie auch die 11. Division alsbald erfuhr, recht behalten. Als wir am 20. in der Früh die Quartiere von Brzezany verließen, brannte in weitem Bogen um Ost- und Mittelgalizien an vielen Punkten schon die Schlacht. 5 7 ) Das ungarisch-kroatische IR. 16, seit 1872 Ergänzungsbezirk Belovár, wurde 1703 aus Kompanien der späteren IR. 4,28, Regiment Heister und neugeworbenen Mannschaften aufgestellt. Es führte seit 1769 die Nummer 16. ; s e ) Adam Perné (Rujevac, Bez. Kostajnica, Kroatien, 2 4 . 5 . 1 8 7 8 - 2 1 . 8 . 1 9 1 4 , ?), 1897 aus IKSch. Kamenitz als Kadett-Offiziersstellvertreter zu IR. 89, 1.11.1898 Lt., 1.5.1908 zu IR. 70, 1.4.1909 zu IR. 98, ,1.11.1912 Hptm. IR. 16. Sein Beitrag zur Regimentsgeschichte war: Warasdiner 1538-1915. Ein Gedenkblatt zur vierzigjährigen Erinnerung an die Aufhebung der Militärgrenze, Wien, im Juli 1913, Verlag von Danzer's Armee-Zeitung. Das Glaise-Horstenau gewidmete Exemplar dieser Broschüre in: KA., Bibliothek, sign. Q I s. 21. Die weiteren Publikationen, auf die Glaise-Horstenau anspielt, sind vielleicht ungezeichnet in „Danzer's Armee-Zeitung" erschienen, konnten aber nicht festgestellt werden. Vgl. jedenfalls den Text eines Vortrages Pernés: Die Vorgänger Moltkes, in: Militärische Rundschau v. 12.1.1914, l f . 5 9 ) Das k. u. k. mährische Infanterie-Regiment Nr. 8 (Ergänzungsbezirk Brünn) wurde 1642 als oberösterreichisches Land-Regiment zu 5 Kompanien in Linz aufgestellt und laut Patent vom 22.11.1642 in kaiserliche Dienste übernommen. Erster Regimentsinhaber und -kommandant: Obrist Alexander Schifer Frh. v. u. zu Freyling auf Daxberg und Lichtenau. Vgl. A. Gartner ν. Romansbrück - F. Friedrich v. Pollak, Geschichte des k. u. k. Infanterie-Regiments Erzherzog Carl Stephan Nr. 8, 3Bde., Brünn 1892. 6 0 ) Das k. u. k. böhmische Infanterie-Regiment Nr. 11 (Ergänzungsbezirk Pisek) wurde laut Patent vom 15.5.1629 aus fünf Kompanien des 1621 aufgestellten Regiments Albrecfit Eusebius Waldenstein Hzg. v. Mecklenburg, formiert. Regimentsinhaber: Obrist Julius Gr. Hardegg. Vgl. F. Jaeger, Geschichte des k.k. Infanterie-Regiments Georg Prinz v. Sachsen Nr. 11, Teschen 1879. 6 1 ) Perné nahm den Beginn der Geschichte des Warasdiner Regiments mit der Einrichtung der drei Kapitanate der oberslawonischen oder windischen Grenze 1538 an.
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Unser Zug war etwas seltsam. Die vier oder fünf Bataillone, die wir vorwärts schleppten, waren eigentlich eine bessere Trainbedeckung: denn der Divisionstrain, den wir mitführten, zählte schon fünftausend Fuhrwerke! Der Marsch wurde durch ein furchtbares Gewitter, das uns ohne jeden Schutz überfiel, außerordentlich erschwert. Wir waren bis auf den letzten Faden durchnäßt und noch mehr durchnäßt waren leider die ostgalizischen Lehmwege. Die Geschütze sanken sofort bis zu den Radspeichen in den Morast, fast die gesamte Infanterie mußte zugreifen. Todmatt sanken wir abends in einigen Dörfern südlich von Zborów nieder. Der Divisionsstab hatte noch eine kleine Überraschung. Nördlich von Zborów tummelte sich unsere 4. Kavalleriedivision herum, verfolgt von zwei bis vier russischen. Sie rechnete für morgen mit einem Zusammenstoß und bat uns, wir möchten uns möglichst bald auf den Höhen nördlich von Zborów einfinden. Im Stab entwickelte sich eine lebhafte Debatte. D a wir fünf bis sechs Batterien mithatten, war ich unbedingt dafür, das Begehren der Kavallerie zu erfüllen. Pokorny erklärte jedoch, im Hinblick auf die Müdigkeit der Truppe, nicht vor neun U h r früh abrücken zu können. Bis dahin konnte bei der Kavallerie natürlich schon mancherlei geschehen sein. Ich erörterte in ziemlich heftiger Sprache, wir dürften die Kavallerie nicht sitzen lassen. Grancy teilte meine Meinung, sprach jedoch mit dem Divisionär kein Wort, auch ein unmöglicher Zustand. Pokorny blieb jedoch bei seiner Absicht, und wir marschierten richtig am 21. erst zu späterer Stunde gemächlich ab. Als wir zwischen zehn und elf Uhr auf der flachen Höhe Mogila nördlich Zborów - sie sollte in späteren Kämpfen eine erhebliche Rolle spielen - einlangten und aufmarschierten, sahen wir fern nördlich einige Staubwolken. Tatsächlich hatte sich zur selben Zeit zwischen unserer 4. und einer russischen Kavalleriedivision ein Reiterkampf entwickelt - eigentlich die einzige Reiterschlacht des ganzen Krieges. U n sere Division, durch eine Niederung in zwei Teile zerrissen, war sehr bedrängt und vermochte sich nur durch unregelmäßigen Rückzug gegenüber der Ubermacht zu retten 6 2 ). Wir konnten natürlich in keiner Weise helfen. Da feindliche Reiterei so nahe war, mußten wir uns beeilen, das vor uns in der Tiefe liegende Zborów in unseren Rücken zu bekommen. Wir sandten Sicherungstruppen auf die Höhe nördlich des Ortes aus und folgten in endloser Kolonne nach. Nicht überraschend, da sie von oben angekündigt war, trat, während wir die mir wohlbekannte Niederung von Zborów durchschritten, eine Sonnenfinsternis ein. Die Pferde wurden unruhig, auch die Menschen waren irgendwie gepackt. Das eigenartige matte Licht währte etwa eine Stunde. Als wir die jenseitigen Höhen erstiegen, brannte plötzlich wieder echt sarmatische Sonne auf uns nieder. Ich rechnete bestimmt mit einem Zusammenstoß und war neugierig, wie das erste feindliche Feuer auf mich wirkte. Ich habe über diesen Augenblick des ersten Feuers vielerlei gelesen, auch über die berühmte Verbeugung, die man machte, wenn der erste Kanonenschuß über einen hinwegbrauste. Den letzteren hatte ich wohl schon bei Tarnopol genossen. " ) Vgl. M . H o e n - E . Waldstätten, Die letzte Reiterschlacht der Weltgeschichte (Jaroslawice 1914), Wien 1929.
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Nordwestlich von Zborów bezogen wir einen Hacken, der Divisionsstab hielt sich in der Mitte einige hundert Schritte hinter der Infanterielinie auf. Plötzlich platzten die ersten russischen Schrapnells über uns, und wir deckten uns im Straßengraben. Gleichzeitig erhob sich heftiges, allerdings nur stoßweises Infanteriefeuer. D a hörte ich plötzlich die kreischende Stimme des Divisionärs meinen Namen rufen: „ Z u Befehl, Exzellenz !" - „ H e r r Hauptmann v. Glaise, setzen Sie sich auf Ihr Pferd und reiten Sie zur Infanterie vor, um zu sehen, was dort eigentlich los ist." Pokorny war schon seit meinem Widerstand in der Standgerichtssache auf mich nicht sehr gut zu sprechen und hatte sich gestern abends offensichtlich sehr geärgert. Vielleicht war es Vergeltung, daß er mich jetzt diesen ja wirklich nicht behaglichen Ordonnanzritt machen lassen wollte. János stand mit den beiden Pferden hinter einer Strohtriste, ich winkte ihn herbei und ging ihm entgegen. N o c h pfiffen die Geschosse. N a , das kann schön werden. János sah nicht sehr heldenhaft aus, was auch für spätere Gelegenheiten galt. Aber in dem Augenblick, da ich den linken Fuß in den Steigbügel hob, hörte auf einmal das russische Infanterie- und Artilleriefeuer auf. Es wurde mäuschenstill auf der Wallstatt. Die Russen ließen von unserer Infanterie ab. Und stolz wie ein Spanier ritt ich im Schritt in der Richtung auf die Schützenkette ab. Damals hatte ich ein Wort geprägt, das mich bis in die Operationsabteilung begleitete: „ H a b t keine Angst, die Russen sind anständige L e u t e ! " Als wir im Sommer 1916 zum zweiten Mal das schicksalhafte Luck verloren, tröstete ich General Metzger mit den gleichen Worten und versicherte ihm, wir würden diesen Punkt noch einmal erobern, was auch wirklich im Februar 1918 eintreten sollte 6 3 ). Ich erzähle im Vergleich zum Weltgeschehen höchst bedeutungslose Episoden, weil sie die Stimmung einer Kriegsphase wiedergeben, die etwas Prickelndes für den hat, der in sie hineingestellt wurde. Als wir nach Zborów zurückritten, um dort zu nächtigen, kamen wir an einem Feldhäuschen vorüber. Mit einer weißen Schürze umgürtet, trat unser Divisionschefarzt, der brave, gemütliche Pole Rump 6 4 ), heraus. E r war blutbefleckt wie ein Fleischhauer. Eben hatte er einem armen Kanonier ein Bein abgeschnitten. Das machte damals noch tiefen Eindruck. In Zborów fanden wir meinen Vorgänger Uriel vor, der als Generalstabshauptmann bei der im Räume Tarnopol manövrierenden 8. Kavalleriedivision eingeteilt war. E r wußte auch bereits einiges über die Katastrophe bei der 4. Division in dem ihm angegliederten Landwehrbataillon. Unter den Gefallenen hatte sich mein alter Freund und um ein Jahr älterer Akademiekamerad Generalstabshauptmann Syrzistie 6 S ) befunden, dessen Leichnam abends völlig entkleidet geborgen worden war. 6 3 ) Der wichtige Styr-Briickenkopf Luck wurde im Zuge des Feldzuges von Gorlice am 3 1 . 8 . 1 9 1 5 erobert. Im Verlauf des Rückschlages nach der ersten Offensive gegen Rowno wurde er am 2 2 . 9 . 1 9 1 5 von der 4. Armee geräumt und im Rahmen der zweiten Offensive gegen Rowno am 2 6 . 9 . wieder eingenommen. Während der sogenannten Brussilow-Offensive ging Luck am 8 . 6 . 1 9 1 6 neuerlich verloren. Es wurde sodann erst am Beginn des Vormarsches der 2. Armee ab dem 2 8 . 2 . 1 9 1 8 nochmals besetzt. M ) Dr. Heinrich Rump (Stanislau, 2 2 . 1 . 1 8 6 3 - ? ) , 3 0 . 1 0 . 1 8 8 1 als EF-Mediziner zu I R . 5 8 , 1 . 7 . 1 8 8 7 Oberarzt im Garnisonsspital 14 in Lemberg, 1 . 5 . 1 9 0 4 Stabsarzt, 2 5 . 1 0 . 1 9 0 9 Sanitätschef 11. ITD., 1 . 3 . 1 9 1 5 Oberstabsarzt 1.K.L, 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert.
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Besondere seelische Anforderungen hatte diese Feuertaufe gewiß nicht gestellt. Immerhin war ich mit meiner psychologischen Haltung nicht ganz unzufrieden. In den nächsten Tagen erhielten wir Befehl 6 6 ), uns auf die Masse des in den Raum südöstlich von Lemberg vordirigierten X I I . Korps zurückzuziehen. Die russische Kavallerie und auch Infanterie blieb uns auf den Fersen. In Kalne nächtigten wir in ,,Igel"-Formation, und es hatte den Anschein, wir seien bereits völlig eingeschlossen. Ich und mein Freund Corti 6 7 ), dritter Generalstabsoffizier bei der Division, berieten, wie wir uns wohl zusammen mit unseren Pferdewärtern durchschlagen könnten. Die Russen erwiesen sich aber wieder als „anständige Leute", sie bremsten im letzten Augenblick, und wir zogen samt unserem riesigen Train unbelästigt ab. Ich schreibe keine Kriegsgeschichte und erwähne die Gesamtlage nur in Ausnahmsfällen, da es sich ausschließlich um persönliche Aufzeichnungen handelt, die nicht zum Drucke bestimmt sind. D e r Deutlichkeit wegen soll aber doch gestreift sein, daß Conrad seinen Hauptstoß zunächst aus dem Räume Lemberg-Przemysl gegen Norden unternahm, um damit die an die mittlere Weichsel vorgeprellte russische Hauptkraft von Süden her zu arretieren und in der Folge gegen die PripjetSümpfe zurückzuschleudern. Gleichzeitig hoffte Conrad auf Grund vager Zusicherungen, die er vor Monaten von seinem deutschen Kollegen Moltke erhalten hatte, daß das deutsche Ostheer aus Ostpreußen in den Rücken von Warschau - auf Siedlec 6 8 ) - vorstoßen werde. Nach Conrads Rezept sollte allerdings nicht bloß der gegen Norden angesetzte linke Flügel der im Hacken aufmarschierten ösjerreichisch-ungarischen Armeen gegen Norden offensiv werden, sondern auch der östlich von Lemberg gegen Osten gekehrte rechte Flügel sich mit einem kurzen Angriffsstoß Luft schaffen. Zu letzterem Stoß sollte zunächst das III. Korps und südlich davon unser X I I . Korps angesetzt werden, an welch letzteres noch weiter im Süden gegen den Dnjestr hin die aus Südungarn anrollenden Teile der 2. Armee anschließen sollten. Wir hatten uns zunächst am 25. August auf den Höhen östlich der Zlota Lipa bei Wierzbow am Südflügel des Korps Kövess bereitzustellen, um diesen Flügel gegen Flankenangriffe zu schützen. Die Division war, als sie am 26. früh antrat, meiner Erinnerung nach ziemlich beisammen - vier Infanterieregimenter (15, 55, 58, 95) und sechs Batterien. Als wir in herrlicher Morgensonne die Ulanenpatrouillen abfertigten, fiel mir ein besonders eleganter Wachtmeister auf. Ich fragte den Kom6 5 ) Viktor Syrzistie (Wyznitz, Bukowina, 23. 1 2 . 1 8 8 0 - 2 1 . 8 . 1 9 1 4 , bei Jaroslawice), 1902 als Lt. aus der Milak. zu U R . 3 ausgemustert, . . . 1.5.1912 Hptm. i . G . bei der 4. KTD. 6 6 ) Ab 23. August abends waren der 3. Armee „vorübergehend" das X I I . Korps samt 11. ITD. und die 8. KTD. der Gruppe Kövess zur Verfügung gestellt. 6 7 ) Egon Cäsar Conte Corti alle Catene (Agram, 2 . 4 . 1 8 8 6 - 1 9 . 9 . 1 9 5 3 , Klagenfurt), 1907 als Lt. aus der Milak. zu DR. 15 ausgemustert, 1914 als Oblt. zugeteilt dem Glstb. ab Kriegsbeginn bei der 11. ITD., 17.6.1915 in die Glstbsabt. des V. Korps, 1.9.1915 Hptm. i . G . , . . . 5.12.1916 in Nachrichtenabt. des A O K . , 4.3.1917 zugeteilt dem Heeresgrpkmdo. Conrad als Kundschaftsoffizier, 1.10.1919 pensioniert, 17.6. 1921 Dr. phil., 1922 Titular-Major. Verfasser zahlreicher vornehmlich biographischer Werke zur österreichischen und deutschen Geschichte. 6 8 ) Vgl. E. Steinitz, Siedlec, in M WM., Jg. 1931, 6 0 9 - 6 1 7 .
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mandanten der Ulanen, meinen lieben Freund Baron Véver 6 9 ), wer das sei. E r meinte, es sei der ehemalige Leutnant H . . . 7 0 ) , der Geliebte des unglücklichen Obersten Redl; man hatte ihn nach der Tragödie zum gemeinen Ulanen degradiert. V o r der ersten großen Schlacht stehen ist natürlich eine nicht aufregungslose Sache. Durch die ganze Landschaft dröhnte unablässig Kanonendonner in die sommerlich prangende Natur hinein. Die Felder waren wohl zum größten Teil abgemäht, pechschwarz starrte die Erde ihrem neuen Empfängnis entgegen. Auch die Division rechnete öfter mit einem feindlichen Angriff. Aber der Tag verlief im Gegensatz zu den meisten anderen Frontabschnitten ruhig. Am 26. hatten wir uns selbst dem Angriff des Korps anzuschließen. Ich schloß mich aus Neugierde einem Bataillon 58er an. Der Bataillonskommandant, ein mir von Wien her bekannter Generalstäbler, war irgendwie geneigt, es so zu halten, wie anno 1866 unsere Offiziere, das heißt sich nicht zu decken. Er bezahlte gar nicht weit von mir diese Donquichotterie, von der er nicht abzubringen war, mit dem Leben. Ich glaube, manch anderer ist aus gleichem Grund gefallen. Die braven Ostgalizianer zeigten keinen übermäßigen Schwung, gingen aber doch rüstig vorwärts, bis ihnen das feindliche Feuer gebot, sich zu Boden zu werfen und notdürftig Deckung zu suchen oder zu schaffen. Das russische Kleingewehrfeuer war weniger peinlich. Dagegen schuf das überlegene russische Geschützfeuer alsbald das Gefühl einer gewissen Wehrlosigkeit, das sich von einer Schlacht zur anderen vermehrte. Die Verluste waren gleich in den ersten Kampfstunden erheblich. Mit Verwundeten und Blessiertenträgern versuchte auch der eine oder andere noch U n verwundete zurückzukommen. Ich nahm gegen Mittag meine Beine unter den Arm und eilte über eine weite Fläche zum Divisionsstab zurück. Dort war für das Korps bereits der Befehl eingelangt, gegen die weiter westlich hinziehende Gnila Lipa abzubauen. Pokornys Nerven waren ziemlich alteriert, seine Rückzugweisungen trugen den Stempel der Uberhastung an sich. Der Stab bemühte sich, bei der Truppe einen schlechten Eindruck nicht aufkommen zu lassen. Sie hatte ohnehin ganz ausgiebigen Tribut gezahlt. Wir ritten hoch zu R o ß in den Nachtrupps - und siehe: die Russen ließen sich abermals Zeit. Während ich gemächlich dem Stabe nachritt, stieß ich plötzlich auf eine stattliche Reiterschar. Es war die 4. Kavalleriedivision, die nördlich von Zborów so schwer 6 9 ) Richard Frh. v. Véver (Theresienfeld, N ö . , 2 9 . 6 . 1 8 6 5 - 1 . 1 2 . 1 9 3 9 , wahrscheinlich Wien), 1886 aus der Techn. Milak. als Lt. zur schw. Bat. Div. 9, 3 0 . 1 0 . 1 8 9 6 in den Aktivstand der Landwehr, L w U R . 3 , 1 . 1 1 . 1 8 9 7 Rtm., 1 . 5 . 1 9 1 0 Mjr. L w U R . 4 , 1 . 5 . 1 9 1 3 L w U R . 1, 1 . 9 . 1 9 1 5 Obst., 2 3 . 1 . 1 9 1 7 Kmdt. SchR.6, 8 . 1 1 . 1 9 1 7 Kmdt. Landsturm I R . 2 3 , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert, 2 6 . 5 . 1 9 2 4 Titular-GM. 7 0 ) Stephan Horinka (Wien, 1 4 . 1 2 . 1 8 8 9 - ? ) , 1908 aus IKSch. Wien als Fhr. zu I R . 4 9 , 1 9 . 1 . 1 9 1 0 zu U R . 7, 1 . 1 1 . 1 9 1 0 L t . , 3 1 . 7 . 1 9 1 3 Verlust der Charge aufgrund eines Urteils des Garnisonsgerichtes Wien vom 29. 7 . 1 9 1 3 : „ist schuldig des Verbrechens der Unzucht wider die Natur, begangen in der Zeit vom Herbst 1908 bis zum Herbst 1912 in Wien geständigermaßen dadurch, daß er mit dem Obersten Alfred Redl des Generalstabskorps wiederholt unzüchtige, Sitte und Anstand verletzten Handlungen, geschlechtliche Erregung bzw. Befriedigung unternahm und duldete". E r wurde zu noch zwei Monaten Kerker bei Anrechnung eines Monats der Untersuchungshaft verurteilt. Nach Verbüßung der Haft wurde Horinka zum U R . 13 als Ulane transferiert, erhielt bei diesem Rgt. schon während des Krieges eine neuerliche mehrmonatige Haftstrafe und wurde mit 1 3 . 4 . 1 9 1 6 zu H R . 3 versetzt. Weiteres Schicksal unbekannt.
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Haare gelassen hatte. Schöne Regimenter: Ulanen 1 und 13 (Trani), Dragoner 9 und - vor der Attacke als kavalleristisch am schlechtesten verschrien, nun neidlos anerkannt - die Niederösterreicher des „Weißen" 15. Dragonerregiments 71 ). Ich traf eine Unzahl von Bekannten. Irgendwie machten sie alle - von den schweren Stunden her - den Eindruck einer gewissen Benommenheit. Berndt 7 2 ), der neue Kommandant der Division, - der einzige, bisher erfolgreiche Kavallerieführer machte den gewohnt brummigen Eindruck. Wir lernten uns später näher kennen und schätzen. Lauer begrüßte mich herzlichst, unser Bedarf an Krieg wäre eigentlich schon gedeckt gewesen. An der Spitze der 9er Dragoner hielt - ohne Hals wie gewöhnlich - Kopecek, mein Reitlehrer aus der Kriegsschule. Bei der „Reitenden" waren R. v. Stepski 73 ) und Riha 7 4 ), zwei einstige Salzburger Artilleristen. Die reitende Division hatte manches Geschütz im Dreck stehen lassen müssen. Die 1er Ulanen befehligte nicht mehr Ruiz, sondern der Pole Graf Lasocki 7 5 ). Die Trani-Ulanen mein späterer Freund und Mitarbeiter Graf Spannocchi. Man sah, es war nötig, dieser hart mitgenommenen Reiterschar einige Rasttage zu bewilligen. In den Reihen der 15er Dragoner stand der junge Leutnant Herbert Conrad v. Hötzendorf 7 6 ), der Lieblingssohn des Generalstabschefs. Sein Lebensfaden war nur mehr kurz gesponnen: er fiel am 7. September bei Rawaruszka. Der Vater erfuhr es fünf oder sechs Tage später, er trug unerhört schwer daran und begrub Herbert 1917 im Akademiefriedhof zu Wiener Neustadt, angesichts der Burg, aus der auch er gestammt hatte. Am 29. früh bezogen wir auf den Höhen nordwestlich von Firlejow neuerlich Stellungen. Wir hatten die Nacht vorher in Korcenice verbracht. Gottfried war 7 1 ) Das niederösterreichisch-mährische Dragonerregiment N r . 15 wurde 1890 in Wels errichtet. Vgl. A . v. W i n z o r , W e i ß e Dragoner im Weltkrieg. Die Geschichte des k. u. k. Dragoner-Regimentes Erzherzog Joseph N r . 15 1 8 9 1 - 1 9 1 8 , Wien 1935. 7 2 ) O t t o R . v. Berndt (Brand bei G a b l o n z , B ö h m e n , 1 8 . 4 . 1 8 6 5 - 3 . 1 2 . 1 9 5 7 , Wien), 1885 als E F . zu D R . 1, 1 . 1 . 1 8 8 6 Lt. i . d . R e s . , 1 . 1 . 1 8 8 8 aktiviert, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 8 9 5 - 1 8 9 9 und 1 9 0 5 - 1 9 0 9 im Operationsbüro d. G l s t b s . , 1 . 5 . 1 9 0 2 M j r . i . G . , 1 . 1 1 . 1 9 0 6 O b s t l t . i . G . , 1 7 . 1 . 1 9 0 9 K m d t . D R . 5 , 1 . 5 . 1 9 1 0 O b s t . , 1 2 . 4 . 1 9 1 3 K m d t . 13. K B r i g . , 1 2 . 8 . 1 9 1 4 G M . , 2 9 . 8 . 1 9 1 4 mit Führung 4. K D . beauftragt, zeitweilig auch G r u p p e n k m d t . , 2 8 . 9 . 1 9 1 5 - 2 8 . 1 0 . 1 9 1 6 Glstbschef 4. A r m e e , 2 8 . 1 0 . 1 9 1 6 Kmdt. 4. K D . , 1 . 8 . 1 9 1 7 F M L . , Juli 1918 - Kriegsende K m d t . 29. I D . , ab 1 3 . 9 . 1 9 1 8 interimistisch K m d t . X V I . Korps bis Kriegsende. Verfasser bedeutender W e r k e zur Kavallerietaktik und Truppengeschichte: Die Zahl im Kriege, Wien 1897; Ausbildung der Kavallerie im Felddienst, Stanislau 1914; Letzter Kampf und Ende der 29. Infanteriedivision, Reichenberg 1928; Die Fünfer Dragoner im Weltkrieg 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , Wien 1940. 7 3 ) Ludwig R . v. Stepski-Doliwa (Wien, 1 5 . 9 . 1 8 7 5 - 4 . 5 . 1 9 6 5 , Salzburg), 13. 7 . 1 8 9 3 als Unterkanonier zur Batteriedivision 28, 1 5 . 1 0 . 1 8 9 5 L t . D A R . 4 1 , 1 . 5 . 1 9 0 0 O b l t . , 1 . 5 . 1 9 0 7 zu K A R . 11, 1 . 1 0 . 1 9 1 6 M j r . Reitende Artilleriediv. 4, 1 . 1 1 . 1 9 1 8 O b s t l t . F A R . 4 Κ , 1 . 1 . 1 9 2 1 pensioniert, 1 2 . 1 2 . 1 9 2 1 T i t u l a r - O b s t . , 1 6 . 2 . 1 9 3 8 - 1 1 . 3 . 1 9 3 8 Staatssekretär für Industrieangelegenheiten. 7 4 ) B r u n o Riha (Illiewitz, Mähren, 3 . 1 2 . 1 8 8 4 - ? ) , 1904 aus A K S c h . Mährisch-Weißkirchen als Kadett-Offiziersstellvertreter zu D A R . 4 1 , 1 . 5 . 1 9 0 6 L t . , 1 . 8 . 1 9 1 4 zu Reitende A D i v . 4 , 1 . 7 . 1 9 1 5 H p t m . , 4 . 5 . 1 9 1 6 - Kriegsende Konzeptsoffz. in der Operationsabt. A O K . 7 5 ) J o s e f G r a f Lasocki v. Lasocino (Biezan, Russ. Polen, 27. 1 1 . 1 8 6 1 - ? ) , 1879 als Ulan zu U R . 1, 1.11.1883 Lt., . . . 1 . 5 . 1 9 1 2 Obstlt., 2 3 . 1 0 . 1 9 1 3 Kmdt. U R . 2 , 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Obst., 1 . 5 . 1 9 1 8 G M . , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 7 6 ) Herbert Frh. Conrad v. H ö t z e n d o r f (Wien, 1 0 . 8 . 1 8 9 1 - 1 7 . 1 0 . 1 9 1 4 bei R z y c z k i ) , 1912 als L t . aus der Milak. zu D R . 15 ausgemustert.
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beim Train geblieben, ich hatte mich jedoch daran gewöhnt, das Alltägliche in meine Satteltasche zu pfropfen. János hatte vor fremdem Eigentum - es sollte ihm gegen Ende des Krieges den Tod bringen - keinen besonderen Respekt, vor dem meinigen jedoch schon. Als wir in der Frühe in einem Hohlweg etliche hundert Schritt hinter der Infanterie unseren Gefechtsstand bezogen, sahen wir von Janczyn her unseren Gefechtstrain nachkommen. Im nächsten Augenblick: eine Menge russische Sprengwolken über der langen Wagenkolonne - alles stob auseinander - was wird mit Gottfried sein ? Er kam einige Stunden später wohlbehalten an, auch das Gepäck war - mit Ausnahme des von Maria Luise Baronin Seiller 77 ) erworbenen Schlafsackes - richtig zur Stelle. Der Tag verlief recht stürmisch. Die russischen Kolonnen, die auf den jenseitigen Höhen auftauchten, verschwanden wieder, wurden aber immer dichter; während die feindliche Artillerie durch Masse und Tragweite entschieden dominierte und uns auch auf dem Divisionsstand mit einem Geschoßhagel zudeckte, fuhren von uns Batterien bis in die „Schwarmlinie", um ihre beschämend geringe Portee zu erhöhen. Unsere Infanterie grub sich ein, an einen Angriff war bei der feindlichen Überlegenheit nicht mehr zu denken. In den ersten Nachmittagsstunden begab sich Pokorny zum rechten Flügel der Division, ich hatte hinter dem linken, dort wo wir waren, zu bleiben. Der Artilleriebrigadier, G M . Dieterich, stand rechts von mir, er lud mich, als das Geschützfeuer besonders heftig wurde, ein, ich möchte mich lieber zu seiner Rechten an die Böschung drücken, sie sei dort besser. Ich tat den kleinen Schritt. Im nächsten Augenblick schlug dort, w o ich eben gestanden war, eine russische Granate ein. Ein Sprengstück kostete einem Artillerieoffizier, der neben dem Einschlag gelegen hatte, in der Folge einen Arm. Ich wäre an meinem alten Platz in Stücke zerrissen worden. Alle waren von Erde überschüttet und arbeiteten sich halb betäubt hervor. Inzwischen sank der Tag. Es schien auch anderwärts nicht besonders gut zu gehen. Denn unter anderem kam vom A O K . der wenig geistreiche Befehl, daß wir alle bis zum letzten Mann zu sterben hätten. Gegen Abend machte ich mich auf, den Divisionär zu suchen. Ich galoppierte, so gut es ging, auf der Walstatt herum, fand Pokorny aber nicht. Wohl aber kamen einzelne Leute der verschiedensten Regimenter vorüber und meldeten mir, sie seien „ d i e letzten" ihres Truppenteiles. Alles habe längst den Rückzug angetreten. Ein Hauptmann und Kompaniekommandant meldete mir, Pokorny habe gleichfalls längst das Schlachtfeld verlassen. Ich wandte mich nun zu meinem früheren Aufstellungsplatz. Es war schon stockfinster, nach der Feindseite zu allerdings durch das Mündungsfeuer der Geschütze jeden Augenblick erleuchtet. Plötzlich tauchte im Dunkel eine lange Fuhrwerskolonne auf. Es war unsere Artilleriebrigade. Dieterich ritt an der Spitze und teilte mir atemlos mit, auch die Infanterie vor dem linken Flügel sei längst weg, er führe die Artillerie nach Lemberg, um sie seinem Kaiser zu retten und befehle mir, mitzukommen. Unerfahren, wie ich war, entschloß ich mich, den Befehl zu befolgen. Wir machten einen unerhört beschwerlichen Nachtmarsch durch Wälder und 7 7 ) Maria Luise Rohrs, geb. Freiin v. Seiller (Rio de Janeiro, 2 . 1 1 . 1 8 8 4 - 3 . 5 . 1 9 2 9 , 2 0 . 1 0 . 1 9 1 0 , Wien, vermählt mit Adolf Röhrs, H p t m . IR. 59.
Salzburg),
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Schluchten, ich war todmüde und mußte auf der Hut sein, daß ich nicht einschlief und vom Sattel rollte. Daß sich mein braver König im steinigen, löcherigen Gelände keinen Fuß brach, war ein Wunder. Schließlich kamen wir nach Mitternacht zu dem schönen Meierhof Nova Strzeliska. Dieterich und ich sanken in ein Ehebett, ich schlief wie ein Sack. Als ich einige Stunden später erwachte, war Dieterich nicht mehr da. Eine Ordonnanz meldete mir, er sei gegen Lemberg weitergeritten, ich möge nachkommen. Als ich ins Freie hinaustrat, sah ich wohl eine wogende Menge von Soldaten der 11. Division und des ganzen X I I . Korps. Auch Stabsoffiziere und ein Brigadier befanden sich unter ihnen. Ebenso vermochte ich noch eine Batterie anzuhalten, indes die anderen davongeritten waren. Alles aber zu wenig, um den Rückzug einer ganzen Division wie der 11. feststellen zu können. Am Ende war sie doch noch jenseits der Waldzone, die wir in der Nacht durchschritten hatten? Ich sandte Reiter gegen Osten. Sie kamen aber unverrichteter Dinge zurück. Von eigenen Truppen nichts, nur Versprengte - allerdings auch keine Russen. Von Nordosten drang jedoch, aus dem Räume des X I I . und vor allem des III. Korps Gefechtslärm herüber. Die Straße nach Lemberg führte ein gutes Stück gegen N o r den. Also parallel zur Front, wenn sie noch vorne war. Ich entschloß mich, diese Richtung einzuschlagen, um im geeigneten Augenblick rechtsum zu machen und in den Kampf einzugreifen. Bald kam ich durch das D o r f Ernstdorf, eine deutsche Ansiedlung aus der josefinischen Ära, deren es hier ein gutes Dutzend gab. Mir tat es bis ins Herz weh, daß ich den braven Leuten wenig Trost zusprechen konnte. In Bobrka, einem großen O r t , traf ich Dieterich. Er hatte sich von seiner Panik erholt und disponierte bereits mit den vielen Versprengten, die sich hier eingefunden hatten. Er ließ sie gegen Osten Vorposten- und Aufnahmsstellungen beziehen und tat unerhört groß. Zwischendurch wurde ich in der Nähe des Bahnhofes, wo die letzten Züge abgelassen wurden, noch Zeuge und Mitleidender einer Landsturmpanik. Ein feindliches Flugzeug - eines ! - kreiste über und veranlaßte eine wilde Schießerei nach allen Richtungen, vor der man sich nur dadurch schützen konnte, daß man sich für eine Minute flach auf die Erde legte. Was an der Front geschehen war, enthüllte sich erst am Nachmittag. Schon am Vorabend war es an der ganzen Front des X I I . Korps (Siebenbürger, Rumänen, Ungarn, Sachsen) zu verschiedenen starken Schwankungen gekommen. Der Kampf dauerte dennoch noch längere Stunden des 30. fort. Das galt auch für die 11. Division samt Kommando, die sich allerdings schwertat, da Dieterich die Artillerie weggeführt hatte. Wie ich später wiederholt beobachten konnte, war dieser General keineswegs furchtsam, sondern ein durchaus unerschrockener und tapferer Mann, der lediglich infolge Mangels an Kriegserfahrung in seine Situation geraten war. Daß er nachher - schon im Oktober 1914 in eine Hinterlandstellung versetzt - für Bobrka um den Theresienorden bat, gehört wohl zum Grotesken. Ich verweigerte ihm natürlich die von mir erbetene Unterschrift. In der Tat fand am Vormittag des 30. August bei der des Artillerie-Rückgrates entbehrenden 11. Division der entscheidende russische Durchbruch statt. Die Stellung war natürlich nicht mehr zu halten, auch bis auf den letzten Mann nicht. D e r Rückzug des X I I . Korps ging in
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harter Unordnung vor sich. Von Bobrka führten drei Straßen strahlenförmig nach Nordwesten, Westen und Südwesten - nach Lemberg, nach Chodorow und nach Stanislau. Auf jeder Straße waren Teile der zurückgeworfenen Regimenter anzutreffen, wiewohl ich mich seit Mittag bemühte, durch ausgesandte Offiziere Ordnung machen zu lassen. Gegen Abend erschien plötzlich Kövess, begleitet von seinem Personaladjutanten, dem Intendanzchef und dem Kommandanten der Korpskavallerie. Von seinem Generalstab war niemand da. Wie später oft und oft der auch zu diesem gehörende Kiszling erzählte, war das ganze Korpskommando durch einen Feuerüberfall der russischen Artillerie am Ende des letzten Kampftages auseinandergesprengt worden. Kövess soll hiebei in einem Hohlweg über eine Fahrküche hinweggesprengt sein 78 ). Seine graue Generalskappe hatte er jedenfalls, als er mein Zimmer betrat, nicht mehr, sondern eine rote Kavalleriemütze, wie sie die Reiter in der Satteltasche trugen und die ihm sein Adjutant geliehen hatte. Der alte Herr sah etwas komisch aus. Am anderen Tage in der Früh fragte er mich: „Haben Sie etwas zu tun?" Ich sagte, ich sei auf der Suche nach meiner Division. Er antwortete mit seiner tiefen Stimme: „Bleiben Sie bei mir und vertreten Sie den Generalstabschef." ZeidlerSterneck war mit den Generalstabsoffizieren auf die Lemberger Straße abgedrängt worden. Zehn Stunden waltete ich meines Amtes. Ich trachtete Klarheit über die Lage zu bekommen, meldete an die Armee, die sich aus Lemberg gegen Przemysl zurückgezogen hatte - ich meine das 3. Armeekommando unter GdK. v. Brudermann: es war dies in jenen Tagen, in welchen unser Heeresbericht die nachher viel verlästerte Mitteilung brachte: „Lemberg ist noch in unserem Besitz 7 9 )!" - und trachtete alles vom X I I . Korps, wie es befohlen war, hinter die Wereszczyca südlich von Grodek zurückzülenken. Die Nacht verbrachten wir noch auf einem Berg westlich von Bobrka, bloß in unsere Mäntel eingehüllt. Leider tauchte abends der rangältere Generalstabshauptmann v. Janky 8 0 ) auf, der dem Stabe des Korps angehörte. Meine Herrlichkeit als Korpsgeneralstabschef war vorüber! 7 e ) Kövess schrieb darüber am 4 . 9 . 1 9 1 4 an seine Gattin Eugenie: ,,. . . Der Korpsstab war am 27., 29. u. 30. August im feindl. Artilleriefeuer. Am 30. wurden wir cca. 4h nm. gerade beim Abreiten von unserem Standpunkt von fdl. Artillerie mit Schrapnells beschossen. Die kleine Stute Kulács, die ich ritt, ging durch u. stürzte mit mir. Ich verletzte mich nicht, verlor aber Kappe und Säbel" . . . A m 1 6 . 9 . 1 9 1 6 wiederholt er diese Beschreibung mit der Erweiterung, infolge des Feuers seien die Pferde der Bedeckung, einer Eskadron Husaren, durchgegangen und über ihn und seinen Stab, samt deren Reitern, hinweggesprengt. . . (Frdl. Mitteilung v. Dr. Géza Baron Kövess v. Kovessháza). 7 9 ) Vgl. diesbezügl. die Darstellung Schnellers: Lemberg noch in unserem Besitz, in: Bunte Woche, N r . 5/1932 (KA., Nachlaßsammlung, sign. B/509, nr. 4). Eine andere Darstellung, nach der diese Formulierung auf den Kaiser zurückgehe, bei: E. Seeliger, Hotel Sacher. Weltgeschichte beim Souper, Berlin 1939, 193 ff. 8 0 ) Adalbert Janky v. Bules (Maros-Vásárhely, 3 0 . 6 . 1 8 7 9 - ? ) , 1900 aus der Techn. Milak. als Lt. zu K A R . 7 , Glstbslaufbahn, ab 1910 in der Präsidialabt. R K M . , 1 . 1 1 . 1 9 1 0 Hptm. i . G . , ab Kriegsausbruch in der Organisationsgrp. X I I . Korps bzw. Armeegruppe Kövess, 1 . 5 . 1 9 1 5 Mjr. i . G . , 1 4 . 8 . 1 9 1 6 Glstbschef 3 5 . I T D . , 1 . 5 . 1 9 1 7 Obstlt. i . G . , 8 . 5 . 1 9 1 7 ernannt zum Flügeladjutanten des Kriegsministers, nach dem Zusammenbruch Übertritt in die Honvéd, 1 9 2 0 - 1 9 2 3 persönlicher Vertreter des
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Ich möchte nun nicht mehr zu viel Einzelheiten bringen. Im großen hatte sich in den letzten Stunden dieses ereignisreichen Monates für die k . u . k . Armee die Lage nicht günstig gestaltet. Die 3. Armee und der in den letzten Tagen südwärts von ihr eingetroffene linke Flügel der 2. hatte durch die von Osten gegen Lemberg vordringenden Russen eine empfindliche Niederlage erlitten. Hätten sich unsere Kräfte hier, wie es mein Akademie- und Kriegsschulkamerad Bálványi nach einer Rekognoszierung vor dem Kriege riet, unter Benützung der vielen tief eingeschnittenen Parallelflüsse ordentlich verschanzt und dann defensiv verhalten, so hätten sie den Russen wahrscheinlich das Vordringen verwehrt 8 1 ). Conrad hielt jedoch von der Defensive wenig. Er hatte überhaupt noch stark die Vorstellungen von der kurzen Schlachthandlung, die dem Krieg 1870/71 eigen war, dies, obgleich er sein letztes Buch, die Gefechtsausbildung der Infanterie, entscheidend unter den Erfahrungen des Burenkrieges niederschrieb 8 2 ). Auch als ich nach dem Kriege einmal - gelegentlich einer Pressefehde 8 3 ), die er mit Brudermann abführen mußte, - an ihn die vorwitzige Frage stellte, ob er den Krieg östlich von Lemberg auch nach den neuesten Erfahrungen mit Angriff beginnen würde, meinte er ganz böse, daß es selbstverständlich sei. Sein Selbstbewußtsein verbot es ihm, da einen Fehler einzugestehen. N o c h in Teschen machte ich einmal beim Vortrag die Bemerkung: „Mein Gott, in d e m Krieg hat jeder etwas lernen müssen." E r widersprach für sich in etwas verstimmter Weise und ließ in bezug auf ihn meinen Ausspruch nur sehr bedingt gelten. Aber auch der linke Flügel, der unter Dankl, meinem früheren Kommandierenden, zuerst bei Krasnik eine Vorhutschlacht gewonnen hatte, stand bei Lublin unter äußerst schwerem Druck. Der Großfürst Nikolaus Nikolajewitsch hatte dort seine letzten Reserven in die Schlacht geworfen. Nur in der gegen Norden gewendeten Mitte der österreichischen Front, bei Komarów, schien, wenigstens nach den Meldungen des Feldherrn Auffenberg und seines Generalstabschefs Soós v. Badok 8 4 ), die Kriegsgöttin den k . u . k . Truppen zu lächeln. Conrad ließ sich verleiten, Reichsverwesers in München bei Ludendorff, 1 9 2 4 - 1 9 2 8 Gesandtschaftsrat in Wien (kam einem Militärattache gleich), 1 . 4 . 1929 als F M L . pensioniert, Janky bleibt in Wien und fungiert in den folgenden Jahren als - getarnter - Verbindungsmann der Heimwehren zur ung. Regierung. 8 1 ) Uber die Überlegungen innerhalb der Operationsabteilung des k . u . k . Generalstabes, insbesondere im Frühjahr 1914, bezüglich der Rückverlegung oder Neukonzipierung des R-Aufmarsches vgl. eine Darstellung Bálványis aus seinen letzten Lebensjahren in seinem Schriftennachlaß: K A . , Nachlaßsammlung, sign. B / 3 2 7 , nr. 4. β 2 ) U b e r die geringe Beachtung und Verwertung der aus dem Burenkrieg gewonnenen Erfahrungen vgl. die Erinnerungen des Robert Trimmel, 1 8 9 9 / 1 9 0 0 als H p t m . i . G . in besonderer Verwendung dem britischen Hauptquartier in Südafrika attachiert ( K A . , Nachlaßslg., sign. B / 3 8 5 ) . Vgl. auch: H . Meisl, Der Russisch-Japanische Krieg 1904/05 und die Balkankriege 1912/13 in den Berichten der österreichisch-ungarischen Kriegs-, Militär- und Marineattachés, Innsbrucker phil. Diss. 1964; P. Broucek, Taktische Erkenntnisse aus dem Russisch-Japanischen Krieg und deren Beachtung in Österreich-Ungarn, in: M Ö S T A . , Bd. 3 0 / 1 9 7 7 , 1 9 1 - 2 2 0 . 8 3 ) Vgl. Buch „ D e r der Dritten 8 4 ) Karl zu F J B . 2 3 ,
R. Brudermann, Die Kämpfe der dritten Armee im August 1914. Eine Entgegnung auf das Weg zur Katastrophe", in: N F P . , 1 9 . 6 . 1 9 1 9 , Morgenblatt, 2 f . ; F M . Conrad, Die Kämpfe Armee. Eine Erwiderung, ebdt., 2 9 . 6 . 1 9 1 9 , 2 . Soós v. Badok (Hermannstadt, 2 8 . 7 . 1 8 6 9 - 2 2 . 6 . 1 9 5 3 , Villach), 1890 aus der Milak. als Lt. Glstbslaufbahn, 2 9 . 3 . 1 9 0 7 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1 . 1 1 . 1 9 0 7 Mjr. i . G . , 1 . 5 . 1 9 1 1
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seine gesamten Reserven hier einzusetzen. Vielleicht hätte er besser getan, sie Dankl zuzudirigieren. Wir wissen nämlich heute, daß sich in dem gegen Warschau vorspringenden Bogen der Russenfront insofern eine Krise eingestellt hatte, als sich durch die Schlacht bei Tannenberg und den gleichzeitigen Druck Dankls im Süden der Großfürst in den letzten Augusttagen ernsthaft mit dem Gedanken trug, mit seiner strategischen Mitte an die Pripjet-Sümpfe zurückzuweichen. Das Abschwenken Hindenburgs nach Nordosten gegen die ihn im Rücken bedrohenden Russen und das Erlahmen Dankls bewahrten den Feldherrn der Russen vor der Durchführung eines solchen Entschlusses. Inzwischen gelang es wohl Auffenberg, gegen die russische 5. Armee weitausholende Umfassungsbewegungen einzuleiten, ein Cannae schien auszureifen. Aber im letzten Augenblick öffnete doch die Wiener Division Erzherzog Peter Ferdinand aus Sorge um ihren Rücken die „ K l a p p e " , und auch die Ereignisse an den Flügeln nahmen den Truppen Auffenbergs automatisch ihre Schwungkraft. Als ich im Jahre 1923 Conrad im Wiener Kriegsarchiv wegen der Kartenbeilage für den IV. Band seiner Lebenserinnerungen beriet, betrachtete er die Lage bei Komarów und meinte: „Dieser Auffenberg hat seine Schlacht nur für die Neue Freie Presse geschlagen." Dieses Wort war zugleich eine Kritik am Gesamtaufbau der ganzen Einleitungsschlachten, die er sich durch die Siegesaussichten bei der Armee Auffenberg hatte herausfordern lassen. An die Dame seines Herzens schrieb Conrad am 30. August: „Mein Stern ist gesunken . . . 8 S ) " . Die brennende Entscheidung, ob nicht die ganze Schlacht durch einen Rückzug nach Westen abzubrechen wäre, trat drängend an ihn heran. Aber die diesem schmächtigen Körper und dieser pessimistischen Seele trotz allem innewohnende Entschlußkraft obsiegte über alle Verzweiflung. Unübertrefflich in gedanklicher Lebhaftigkeit versuchte er, der Schlacht noch eine Wendung zu geben. Er ließ Auffenberg „ K e h r t E u c h " machen und warf dessen Hauptkraft dem auf Lemberg vordringenden Feindflügel in die Nordflanke. Der Ausführung dieses Planes war nur eine kurze Gnadenfrist gegönnt: so lange sich Dankl, der nördlich der allgemeinen· Rückzugslinie stand, zur N o t behaupten konnte! Und so lange nicht auch die Straße Lemberg-Przemysl von Osten her entscheidend bedroht war. Da erhob sich interessanterweise über der weiten Walstatt das Gespenst des Verräters Redl. Er hatte den Russen noch unseren Aufmarschplan 1912 in die Hände gespielt, der die k . u . k . Armee in eine weit nördlich gelegte Ausgangssituation annahm. Aus verschiedenen Gründen hatte dann Conrad unseren Aufmarsch hinter die San-Dnjestr-Linie zurückverlegen lassen. Die Russen rechneten aber noch imObstlt. i . G . , 1 . 1 1 . 1 9 1 3 Obst., 1 . 8 . 1 9 1 4 Glstbschef 4. Armee, 2 9 . 9 . 1 9 1 4 Glstbschef Armeegruppe Pflanzer-Baltin, 9 . 3 . 1 9 1 5 Kmdt. 1. T K J R . , 1 1 . 8 . 1 9 1 5 Kmdt. 33. IBrig., 1 6 . 6 . 1 9 1 6 Glstbschef 11. Armee, 2 . 5 . 1 9 1 8 Kmdt. 33. IBrig., 1919 Glstbschef der Horthy-Truppen, Jänner 1920 Staatssekretär im Honvéd-Ministerium, 1 5 . 3 . - 2 0 . 6 . 1 9 2 0 Honvédminister, später Gdl. und Mitglied des Magnatenhauses. 8 S ) G. Conrad, Leben, 128f.: Auszug aus einem Brief, 30. August, nachts: „Mein Stern ist also gesunken; heute der furchtbarste Tag meines Lebens; unsere dritte Armee ist vom überlegenen Feind geschlagen und muß zurück . . . "
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mer irgendwie mit dem alten Aufmarsch des Gegners und lenkten nach dem ersten Zusammenstoß auch ihren linken Flügel weit mehr gegen Nordwesten, etwa nördlich Lemberg vorbei. Dadurch wurde einerseits Brudermann entlastet, andererseits aber stieß der von Norden südwärts vorbrechende Auffenberg mitten in die Stärke des russischen linken Flügels hinein, der den Stoß Auffenbergs unschwer aufschwang. Unterdessen verstärkte sich der russische Druck auf Dankl, und am 1. September zwängten sich bereits zwei Russenkorps zwischen Dankl und Auffenberg in eine Frontlücke. Nun gab es, wahrlich in zwölfter Stunde, nur mehr den einen Entschluß für uns, den Kopf so rasch als möglich aus der schon fast zusammengezogenen Schlinge des Feindes herauszuziehen. Dies begann bei der 3. Armee am 12. September in aller Frühe. Diese 3. Armee, in deren Reihen die 11. Division focht, hatte sich anfangs des Monats hinter der Wereszczyca gesammelt. Die Truppe erholte sich rasch. Da in Dornfeld der Generalstab des XII. Korpskommandos von Lemberg her wieder eingetroffen war, wurde ich von Kövess in Gnaden zur Division entlassen. Es tat mir leid, ich wäre überall anderswo lieber gewesen als bei diesem verdrossenen Kommando. Am liebsten natürlich bei deutsch-österreichischen Truppen. Wann immer ich mit Soldaten zu tun hatte, war ich bestrebt, Beziehungen von Mensch zu Mensch zu gewinnen. Dazu bedurfte man aber der Sprache. Daß ich weder Polnisch noch Ukrainisch konnte, erfüllte mich oft mit ungerechter Wut gegenüber jenen, die ich ansprach und die bedauernd die Achseln zuckten. Es war ein Wunderwerk, diese Vielheit der Völker zusammenzuhalten. Am 9. September gingen wir östlich der Wereszczyca zum Angriff über. Gleich zu Beginn erlebte ich eine charakteristische Panik. Eines der berühmtesten ungarischen Regimenter^ 6 ) wurde in einem Walde das Opfer eines ganz bescheidenen Feuerüberfalles. Das Regiment stob in höchstem Entsetzen zurück. Wir sprengten mit gezogenem Säbel in die flüchtenden Reihen hinein, ich hieb mit der flachen Klinge auf die Soldaten ein. Es half nicht. Das Regiment, das sich in der Folge oft und oft auszeichnen sollte, war erst weit hinten beim Korpskommando aufzufangen. Der Angriff, der uns für die nächsten Tage aufgetragen war, war ziemlich verlustreich. Wie immer fühlten wir uns gegenüber der weittragenden, unfaßbaren russischen Artillerie wehrlos. Der Raumgewinn stand mit den Opfern kaum im Einklang. In meiner unmittelbaren Nähe fand der Jüngste der Militärfamilie Lunzer den Tod. Ich übernahm es später, seinen ältesten Bruder zu verständigen. Am 11. spätabends wurde ich zum Telephon gerufen: Armeekommando. Sofortiger Rückzug. Also alles vergebens. Wir wichen in den nächsten Tagen in den Raum südlich von Przemysl. Auf dem Ritt begegnete ich Belrupt. Ich war recht verdrossen und auch geneigt, allen möglichen Ursachen die Schuld zu geben. Ich sagte zu Belrupt: „Das eine weiß ich und sage ich dir gleich - wenn ich nach Hause komme, ziehe ich meinen Rock aus und werde pazifistischer Wanderlehrer." 8 6 ) Konnte nicht festgestellt werden, da in der 11. ITD. damals kein ungarisches Infanterieregiment eingeteilt war.
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In Nizankowice, südlich von Przemysl, traf ich den Stab der 6. Divison, damit auch den Divisonär, Gelb. Er beklagte sich sehr über die Rüdheit seines Stabschefs, des Kroaten Duic, der ja wirklich ein ebenso tapferer wie wilder Krieger war. Und wir verabredeten, er werde mich für seinen Stab erbitten. Ich stimmte natürlich gerne ein, schon bei dem Gedanken an die prachtvollen alpenländischen Truppen, die Gelb in seiner Division hatte. Der weitere Rückzug ging zum Teil unter strömendem Regen vor sich. Der Dreck rann auch auf den großen Straßen in so dichten „Fluten" ab, daß man die begleitenden Gräben nicht mehr erkennen konnte. Mein König beging einen Fehltritt. Er wähnte, noch festen Boden unter den Füßen zu haben, sank aber tief ein und überschlug sich. Außer daß ich von oben bis unten mit Dreck beschmiert war, war mir nichts geschehen. Im Herrenhaus Nienadowa konnte ich mich zur Not restaurieren. Unser Rückzugsziel war Gorlice, das wir - die Russen waren wieder sehr anständig - ohne jede Belästigung erreichten. Wir bezogen ein relativ anständiges Quartier. Ich erwarb um 18 Kronen eine braune Kamelhaardecke, die ich noch im April 1945 besaß. Pokorny war wie immer aufgeregt. Ich bemühte mich, mit ihm in ein erträgliches Verhältnis zu gelangen, was auch glückte. Die unmittelbarsten Mitarbeiter eines Stabes müssen sich entweder vertragen oder sie sollten auseinandergehen. Bei jeder anderen Lösung zahlt die Truppe darauf. Während der Retablierungspause in Gorlice wurde ich als Begleiter meines Divisionärs nach Grybow zum neuen Armeekommandanten Boroevic beschieden. Die meisten Generäle der Armee waren da. „Sieger in einer achtjährigen Schlacht, übernehme ich das Kommando der 3. Armee." Mit diesen Worten hatte er seine Befehlsübernahme verkündet, anknüpfend an die schweren Kämpfe, die er als Führer der festhaltenden Gruppe bei Komarów zu bestehen hatte. Nun sah ich ihn das erste Mal: untermittelgroß, schlank, tadellos angezogen, das Gesicht eines Bulldoggs, harte Augen, die kalt in die Welt sahen, als er verkündete, er werde über Berge von Leichen zum Siege gehen. Da kam am 30. September 1914 zum Divisionskommando ein Telegramm des Korpskommandos. Hauptmann v. Glaise wurde zum Generalstabschef der 88. Landesschützen brigade ernannt und hat sofort über Senkowa dahin einzurükken. Colloredo und Louis Auersperg 87 ), die zwei Ordonnanzoffiziere, sagten mir: „Unser herzlichstes Beileid - du kommst zum Onkel Louis, das ist ein schrecklicher Mensch." Der Onkel Louis, das war der mehrfach erwähnte Fürst Schönburg, der seit 7. oder 8. September das Kommando über die Landesschützen führte. Dem Divisionsstab war, glaube ich, ziemlich leid, daß ich wegkam. Ich hatte mich bemüht, eine halbwegs gute Stimmung zu erhalten. Ich selbst schnürte mit Vergnügen meinen Ranzen 88 ). 8 7 ) Alois Maria Joseph Prinz Auersperg (Geb. Weitwörth, 2 6 . 1 0 . 1 8 9 7 ) , Dr. iur., Angehöriger des freiwilligen Automobilistenkorps, 1.11.1917 Lt. i.d. Res. F A R 3 . 8 8 ) K A . , Qualifikationslisten, Fasz.867: Obstlt. Senarchens de Grancy stellte am 17.10.1915 für Glaise-Horstenau folgende Beurteilung aus: „ . . . In den neuen Dienst bei der Glstbsabtlg. des 11. ITDKmdos, rasch eingelebt, hat Hptm. v. Glaise bei allen Gelegenheiten während der Mobilisie-
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3. „ B R I G A D E V O G E L " B E I D E R 88. L A N D E S S C H Ü T Z E N B R I G A D E Am anderen Tage frühmorgens ritt ich mit János los. Gottfried folgte auf einem Konickel-Wagen nach einem genauen Marschplan mit. Ich traf, wie ich bereits erzählte, die Brigade auf dem Marsche. Der erste Bekannte war der ehemalige 59er Procházka 8 9 ), nunmehr Hauptmann beim II. Landesschützenregiment. Ich hatte auf dem Rückzug aus der ersten Lemberger Schlacht manchen Landesschützen getroffen und dabei gehört, daß Procházka gefallen sei. Ich freute mich, ihn bei voller Gesundheit zu treffen. Er wurde allerdings in einem der nächsten Kämpfe am Arm verwundet, verließ für einige Zeit die Truppe und verbreitete in Wien und Salzburg unverdienterweise meinen nicht erworbenen Ruhm. Eines der mir von ihm ausgestellten Zeugnisse nehme ich allerdings als nicht ganz unzutreffend an, er sagte immer, ich hätte Hunderten von Landesschützen durch meinen Einfluß auf die Kampfführung das Leben gerettet. Die 88. Landesschützenbrigade bestand aus den Regimentern II (Bozen) und III (Innichen), zählte aber mit verschiedenen Grenzschutzkompanien nahezu elf Bataillone. Dazu drei Schwadronen reitender Schützen und zwei Kanonen- und zwei Haubitzenbatterien 9 0 ). Sie war auch sonst als Division mit allen Stäben und Anstalten organisiert, weshalb der leitende Generalstabsoffizier auch den Titel „ C h e f " führte. Es war eine Elitetruppe, auf die man stolz sein konnte. Sie unterschied sich schon durch die Silhouette der einzelnen Leute, die statt des Mantels eine Pelerine über dem Rucksack trugen 9 0 3 ). Die Offiziere hatten bereits kurze Säbel, und die Feldkappen waren durch den für Tirol charakteristischen Hahnenfederstoß geziert. Dabei waren die Landesschützen nicht durchwegs Tiroler. Das Land war zuwenig bevölkert, um alle einheimischen Truppen anfüllen zu können. Außerdem hatte man bei den Landesschützen, die ja in erster Linie für den Grenzschutz gegen Italien bestimmt waren, keine Welschtiroler eingestellt. An ihrer Statt gab es Salzburger, Ober- und Niederösterreicher, durchwegs Deutsche. Auch das Offizierskorps rung u. in den folgenden Monaten stets voll entsprochen u. Vorzügliches geleistet. Heitere, vornehme Gesinnung, lauterer Charakter. Sehr eifrig u. fleißig, zeigt viel Initiative. Als Berichterstatter wiederholt auch im Inffeuer gestanden, bewies M u t u. Kaltblütigkeit. Geistig und physisch sehr ausdauernd; sein unverwüstlicher H u m o r hat über manch' böse Stunde hinweggeholfen. H a t sich während seiner relativ kurzen Dienstzeit beim I T D k m d o . als Soldat u. Glstbsoffz. bestens b e w ä h r t . " 8 9 ) R o b e r t Procházka (Salzburg, 6 . 2 . 1 8 7 1 - 2 3 . 1 . 1 9 3 7 , Wien), 1891 aus der T e c h n . Milak. als L t . zu I R . 5 , Glstbslaufbahn, 8 . 2 . 1 9 1 3 zu L S c h R . I I , 1 . 1 1 . 1 9 1 4 M j r . , 2 . 4 . 1 9 1 6 O b s t l t . , 1 7 . 9 . 1 9 1 7 Ritter des M M T O . für die Eroberung des Brückenkopfes Zaleszczycki am 8. 5 . 1 9 1 5 , 4 . 1 0 . 1 9 1 7 Inspizierender der Sturmformationen der 11. Armee, 2 2 . 1 1 . 1 9 1 7 ins Ministerium für Landesverteidigung als Kapitular des Militär-Maria Theresien-Ordens, 1 . 1 0 . 1 9 2 0 pensioniert, 1 6 . 1 0 . 1 9 2 0 O b s t . a . D . , 1 . 1 1 . 1 9 3 4 Mitglied des Staatsrates. 9 0 ) Die Brigade bestand aus den Landesschützenregimentern II und I I I , zwei Schwadronen berittener Tiroler Landesschützen, Gebirgs-Haubitzen-Divisionen N r . 8 u. 10. 9 0 a ) D a z u Schönburg, Memoiren, 150: „ E i n großer Teil meiner Landesschützen hatte nur mehr die Pelerine, aber nicht mehr den Mantel, der bei Gelegenheit eines Angriffs abgelegt und dann in Verlust geraten war. Bei Regenwetter und dem herannahenden Winter war das eine Katastrophe. U m bares Geld kaufte ich in den Judengeschäften alle Bauernmäntel, Pelze, ja sogar einige tausend gute warme W e i bershawls zusammen, beteilte meine Regimenter damit und ließ sie auf den eben freigemachten F u h r werken unmittelbar nachfahren. . . "
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war bei der Aufstellung der Truppe aus den Landesschützen alten Stiles besonders ausgewählt worden. Von Heer und Landwehr konnten sich besonders Geeignete freiwillig melden. Es war eine Elitetruppe, die allerdings schon Schweres mitgemacht hatte. Die Regimenter waren am 26. August bei Dunajow direkt aus dem Eisenbahnzug in die Schlacht geworfen worden. Ebenso hatten sie bei Janow in der zweiten Lemberger Schlacht Schweres zu bestehen 91 ). Fürst Schönburg gehörte einer der vornehmsten Familien des Reiches an. Das Haus stammte aus Sachsen, wo er noch das Stammschloß seines Zweiges, Hartenstein im Vogtland, besaß. Der Großvater Schönburg 913 ) war als Gatte einer Prinzessin Schwarzenberg 92 ) nach Österreich übergesiedelt und zum Katholizismus übergetreten, dessen treuester und frömmster Anhänger mein Fürst geworden war. Der Vater Schönburgs 923 ) war am Schluß seiner Laufbahn österreichischer Gesandter in Karlsruhe, ein äußerst strenger Mann. Alois Schönburg kam ins Kadettenkorps nach Dresden. Als Chef des Hauses war er später gleichzeitig erbliches Mitglied des österreichischen Herrenhauses und der sächsischen Ersten Kammer. Er trat jedoch als junger Mann ins k . u . k . Dragonerregiment Fürst Windischgrätz Nr. 14 ein, jenes stolze Reiterregiment, das seit der Schlacht bei Kolin das Privilegium hatte, keinen Schnurrbart zu tragen. Ohne Pulver zu riechen, bekam er bei der Okkupation 1878 die Kriegsmedaille. Obgleich ein recht flotter Reiteroffizier, sah er sich doch durch seinen Ehrgeiz in die Kriegsschule getrieben. Als Generalstabshauptmann war er zuerst geraume Zeit beim Korpskommando Preßburg, wo er zum Erzherzog Friedrich und zu dessen töchterreicher Familie in nähere Beziehungen trat. Er heiratete, wie schon bemerkt, Gräfin Johanna Colloredo, eine sicherlich sehr liebreizende Prinzessin, die auch später eine außerordentlich repräsentative Fürstin abgab. Nachher kam er als Militârattaché nach Berlin, wo er das Vertrauen des Grafen Schlieffen 93 ) erwarb. Die Verwendung dauerte aber nicht lange, da der Tod des Vaters den Fürsten Aloys zur Verwaltung seiner Güter nach Hause rief. Er ging als Generalstabsoberleutnant in die Reserve und brachte es in diesem Verhältnis zum Generalmajor. Nun gehörte der Fürst allerdings nicht zu den sehr reichen Hochtorys. Er besaß ein von Fischer von Erlach erbautes Palais auf der Wieden 94 ), ein wunderschöner Ansitz auf einer Höhe. Dann hatte er, das Wertvollste, reichen Felderbesitz in den 9 1 ) Die zweite Schlacht von Lemberg entwickelte sich mit den Frontalangriffen der k . u . k . 3. u. 2. Armee und dem Flankenstoß der k . u . k . 4. Armee gegen die russ. 3. Armee ab 1. September. Sie wurde am 11. September durch Rückwärtsbewegungen der k . u . k . Armeen abgebrochen. Der 88. LschBrig. wurde vor allem am 9. September bei Jakov gegen russ. Kavallerie in schwere aber erfolgreiche Kämpfe verwickelt, bis am 11. September der Befehl zum Rückzug hinter die Weresczycza vom X I . Korps kam.
) Heinrich Eduard Fürst Schönburg-Hartenstein (?, 1 1 . 1 0 . 1 7 8 7 - 1 6 . 1 1 . 1 8 7 2 , ?). ) Ludovica Aloisia, geb. Prinzessin Schwarzenberg (?, 8 . 3 . 1 8 0 3 - ? ) . 9 2 a ) Josef Alexander Heinrich Fürst Schönburg-Hartenstein (Wien, 5 . 3 . 1 8 2 6 - 1 . 1 0 . 1 8 9 6 , Wien), k . k . Geheimer Rat, Kämmerer und Gesandter, vermählt 3.6.1855 mit Karoline Prinzessin von u. zu Liechtenstein ( 2 7 . 2 . 1 8 3 6 - ? ) . 9 3 ) Alfred Graf Schlieffen (Berlin, 2 8 . 2 . 1 8 3 3 - 4 . 1 . 1 9 1 3 , Berlin), 1891-1905 Chef des Generalstabes der Armee. 9la 92
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Vorstädten von Brünn und das Schloß Hartenstein mit größerer Wirtschaft. Das Erträgnis war nicht fürstlich, die Behauptung bereitete dem Besitzer oft Sorge. Dazu kam eine große Familie von fünf Töchtern und zwei Söhnen 95 ). Finanzielle Bedrängnis veranlaßte Schönburg einige Jahre vor dem Krieg, aus den Händen Siegharts den Posten eines Verwaltungsrates der Boden-Credit-Anstalt entgegenzunehmen. Erzherzog Franz Ferdinand stand schon früher zu Schönburg kühl, nunmehr fiel er ziemlich in Ungnade. Und bezeichnenderweise erließ Kaiser Karl bald nach seinem Regierungsantritt an Schönburg den Befehl, seine Verwaltungsstelle niederzulegen. Schönburgs Ehrgeiz ging wohl über seine Begabung, die kaum über einem mittelmäßigen Durchschnitt blieb. Er stürzte sich als Herrenhausmitglied in die Politik und stand beim Kampf um das allgemeine Wahlrecht in Österreich unter den Gegnern in der ersten Reihe. Als wir zusammenkamen, hatte er unter dem Eindruck des Krieges dieser Gegnerschaft allerdings abgeschworen. Beim Eucharistischen Kongreß 1912 ritt der hochgewachsene Fürst in Generalsuniform unter strömendem Regen an der Spitze des Zuges. Er war ein Bekenner, der auch im Kriege gern vor der Front seiner Truppen das Allerheiligste nahm und jeden Abend, auch wenn er mit mir einquartiert war, vor dem Bett zum Gebet in die Knie sank. Ich habe aus dieser Frömmigkeit, während ich an seiner Seite stand, manchen praktischen Nutzen für die Truppe gezogen. Wenn er gar zu kampflustig war, stellte ich den Mord im Krieg dem christlichen Ethos gegenüber. Das half manchmal, irgendein besonders wildes Unternehmen zu unterlassen. Als ich zu Schönburg kam, war ich schon selbst ein wilder Krieger. Ich hatte mir in den letzten Wochen, wie es Mode war, einen langen rotbraunen Vollbart wachsen lassen, der recht gut zu den bärtigen Tirolern der Landesschützen paßte 96 ). Mit Schönburg hatte man es nicht leicht. Erstens war er sehr lange vom aktiven Dienst 9 4 ) Palais Schönburg-Hartenstein, Wien, 4. Bezirk, Rainergasse 11. Thomas Gundacker Gf. Starhemberg ließ es um 1705-1706 wahrscheinlich nach einem Entwurf von Johann Lukas v. Hildebrandt erbauen. 9 5 ) Alexander (geb. 1888), Hieronymus (geb. 1889), Aglae (geb. 1891), Karoline (geb. 1892), Maria Theresia (geb. 1896), Margarete (geb. 1897), Isabella (geb. 1901). ®6) Schönburg schreibt in seinen Memoiren über Glaise-Horstenau: „ . . . zum Glück war einige Tage zuvor ein rangälterer Generalstabshauptmann uns zugeteilt worden: Emil (sic!) Glaise von Horstenau. Dem will ich einen eigenen Absatz widmen. Ich habe das Glück gehabt, während des ganzen Krieges in der langen Reihe meiner Kommando-Betrauungen ganz ausgezeichnete charaktervolle, erstklassige Generalstabschefs neben mir zu haben. Das war keine Ausnahme, denn der k. u. k. Generalstab war unter Frh. v. Beck und Conrad v. Hötzendorf zu einem vorzüglichen Korps erzogen worden. Ausnahmen gibt es in jeder großen Gemeinschaft und so gab es gewiß auch da einzelne Erscheinungen, auf die die vorgenannten guten Eigenschaften nicht anwendbar waren. Aber es waren ganz große Ausnahmen, die die Regel nur bestätigt haben. Ich bin mit meinen ersten Gehilfen sehr gut gefahren und habe mir ihnen gegenüber nie etwas vergeben, bin der Kommandant geblieben. Es ist mir stets gelungen, ein ernstes Vertrauensverhältnis vom Kommandanten zum Generalstabschef zu finden. . . Glaise-Horstenau zeigte in seinen ersten Diensttagen nicht nur gute Kenntnisse, ein ausgezeichnetes Konzept, ein frisches Temperament, sondern auch eine gewisse humorvolle zuversichtliche Art, die mir an Menschen im näheren Umgang stets sympathisch war. Er verstand sich auch vorzüglich mit meinen alpenländischen Soldaten, welchen er als Salzburger rasch sehr nahe kam. . . " (KA., Nachlaßsammlung, sign. B/762, S. 151).
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weggewesen, so daß es ihm an Kenntnissen mangelte. Zum zweiten war er ungeheuer ehrgeizig, zum dritten überaus tapfer und zum vierten bis zum Äußersten mißtrauisch. Sein Mißtrauen zu überwinden kostete mich Wochen, dann war es freilich gut. Viel schwerer war es, seinen Tatendrang zu bremsen. Wenn einmal im Stellungskrieg ein paar Tage keine größere Aktion erfolgte, fürchtete er schon, etwas versäumt zu haben. N u r mühsam tröstete ich ihn: „Durchlaucht, sind wir froh, daß Ruhe ist - der Krieg dauert noch lange." Er antwortete: „So, glaubst du, begehen wir nicht eine Pflichtverletzung ?" Eine Zeitlang wünschte er, daß ich nicht Durchlaucht, sondern Herr General sagte. Ich hielt mich nicht darnach, machte im Gegenteil zumal vor dritten Personen und Vorgesetzten reichlich von der Nennung dieses Titels Gebrauch und schindete damit zum Vorteil der Truppe Eindruck. Desgleichen gab ich keine Ruhe, bis Schönburg nicht, am 1. November, mit der Eisernen Krone 2. Klasse ausgezeichnet und zum Feldmarschalleutnant ernannt, sein wohlverstecktes Goldenes Vlies hervorzog. Das war alles nützlich. Menschlich fanden wir zwei trotz des Altersunterschiedes von einem Vierteljahrhundert sehr bald zueinander. Dank meiner Vergangenheit und meiner vielseitigen politischen und gesellschaftlichen Interessen konnte ich ihm im Gespräch natürlich unvergleichlich mehr bieten als die meisten meiner Alters- und Rangkameraden. Er vertrug, richtig vorgebracht, auch ein freies Wort. Selbst wenig humoristisch, hatte er sich vielleicht nicht sofort an mein heiteres Gehaben gewöhnt. Als wir vor Przemysl, über ein freies Feld vorgehend, zum ersten Mal in feindliches Artilleriefeuer gerieten und ich einige Späße machte, meinte er unwirsch, nur mehr von Pflichteifer besessen: „Jetzt ist es aus mit den Witzen." Ich belehrte ihn nachher, daß es nun erst recht im feindlichen Feuer nicht mit Spaßen aus sein dürfe, und er gab mir recht. In dem ersten Auszeichnungsantrag, den er über mich einreichte, hob er meinen „wunderbaren und unverwüstlichen H u m o r " als besonders wertvoll Hervor 97 ). Dieser begeisterte Soldat ließ es auch ohne weiteres zu, daß in seiner Gegenwart mein Generalstabs- und Regimentskamerad Egon v. Lauppert 98 ) und ich heftige Debatten über Zweck und Nützlichkeit des Krieges abführten, wobei ich einen extrem kriegsgegnerischen Standpunkt vertrat. Das war mitten im Donner der Kanonen möglich. Mein Stab war ziemlich groß. Mein Generalstabsoffizier brach sich zwar schon am zweiten Tag einen Arm und ging ab, ohne ersetzt zu werden. Ich half mir mit In einem Brief vom 17.11.1914 an seine Frau schreibt Schönburg: „(Glaise-Horstenau) . . . ist ein ungemein liebenswürdiger Mensch, voll guten Humors, ich verstehe mich sehr gut mit ihm. Der zweite Gen. St. Chef Obltn. Schuch ist ein trockener etwas pedantischer Arbeiter, ergänzt Glaise, der eher genial ist, hat große Verläßlichkeit und einen richtigen „Papiergriff", den ich meinem Glaise leider vollkommen absprechen muß. . ." (S. 157). »7) Vgl. Anm. 114. »») Egon Lauppert v. Peharnik (Agram, 9.5.1879-20.12.1955, Wien), 1900 aus der Milak. als Lt. zu 4. TKJR. ausgemustert, Generalstabslaufbahn, 1.8.1914 als H p t m . i . G . zugeteilt dem III. Korps, 1.5.1915 Mjr. i . G . , 29.5.1915 Glstbschef der 25. ITD., 2.2.1916 zugeteilt dem Militärbevollmächtigten in Konstantinopel, 21.7.1916 Verbindungsoffizier beim türkischen 15. Korpskmdo., 4.3.1918 zugeteilt dem Wirtschaftsstab in Rumänien, 1.1.1920 Obst. i . G . , 1.9.1920 pensioniert, 13.6.1930 Titular-GM., 1.2.1926-31.5.1938 Schriftleiter der „österreichischen Wehrzeitung". Sein Schriftennachlaß im KA., sign. B/190.
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Leuten von der Truppe, vor allem mit Offizieren der reitenden Landesschützen aus. Als Ordonnanzoffizier hatte der neue Kommandant der 3. Armee, G d l . Boroevic, dem Fürsten seinen Sohn Alexander"), Reserveleutnant der 1er Dragoner, gesandt. Er war ein feiner, lieber Mann, seinem Vater geistig wohl überlegen. Der Vater hatte nur eine Sorge: daß ich seinem Sohn nur ja nichts schenke ! Wenn es um Mitternacht eine besonders schwere Patrouille zu reiten gab, weckte der Vater den armen Alexander. Alexander und ich freundeten uns fürs Leben an. Sein älterer Bruder Hieronymus 1 0 0 ) war im September einem Lungenleiden erlegen. Die Truppe war wunderbar - samt ihren Offizieren. Ich ritt stundenlang in den Kolonnen in angeregtem Gespräch mit den Leuten. Einmal hörte ich aus den Reihen: „ D e r Leutnant G l a i s e ! " Es war ein Unterjäger meiner seligen 6. Kompanie in Salzburg, der als Reservist zu den Landesschützen gekommen war. Das war ein frohes Wiedersehen - trotz des furchtbaren Regens, der durch Mark und Bein ging. Die Truppenoffiziere waren mir sehr bald recht zugetan. Ich war wirklich stolz darauf. Wenn wir daherritten, so ritt Schönburg, der übrigens zehn Pferde mitführte, an der Spitze mit einer Mannschaftskappe und einem ganz ordinären Mannschaftsmantel angetan. Er sah nichts weniger denn elegant, aber umso kriegerischer aus. Neben ihm ich als Andreas Hofer mit Mantel und Pelerine, als Kaiserjäger, auf meinem König, der schon einen dichten Pelz ansetzte. Dahinter ein gleichfalls bärtiger Reiter, der auf einer Kosakenlanze die vorschriftswidrige Kommandoflagge trug, ein Dreieck mit einem roten Tiroler Vogel, darunter die Nummer 88. Wir waren eine in der ganzen Armee berühmte Gesellschaft, die ein paar Monate später dem preußischen General Marschall 1 0 1 ) das nicht alltägliche Kompliment abrang: ein Angriff, wie ihn die preußische Garde nicht besser hätte machen können! Wir drangen in einem äußerst beschwerlichen, unerhört verregneten Vormarsch in den Raum südlich von Przemysl vor. Dort leistete der Russe, der uns bis Westgalizien gefolgt, dann aber vor uns zurückgegangen war, zum ersten Mal wieder heftigen Widerstand. Südlich von uns schloß das Grazer Korps an. Gelb war sehr traurig, daß er mich nicht erhalten hatte. Nördlich dehnte sich jenseits vom XI. Korps, zu dem wir wieder gehörten, die 4. Armee, die nunmehr vom Erzherzog Josef Ferdinand befehligt wurde. Auffenberg war nach dem Erreichen des " ) Alexander Prinz zu Schönburg-Hartenstein (Wolfsthal, N ö . , 2 8 . 7 . 1 8 8 8 - ? ) , 1.1.1912 Lt. i . d . Res. D R . 1, 28. 7.1914 Berittener Ordonnanzoffizier beim 10. I T D . K m d o . , 31.10.1914 beim 88. Landesschiitzenbrigkmdo., 28.12.1914 beim 6. I T D . K m d o . , 1 . 7 . 1 9 1 5 Oblt. i . d . Res. D R . 15, im Urlaub an Typhus erkrankt, 1917 wieder ins Feld beim 3. T K J R . , dann bei Ersatzschwadronen. 1 0 °) Hieronymus Joseph Aloys Prinz Schönburg-Hartenstein (Preßburg, 1 . 1 1 . 1 8 8 9 - 1 . 9 . 1 9 1 4 , Vöslau), Kadett-Offiziersstellvertreter D R . 6. 1 0 1 ) Wolf Frh. v. Marschall (Lyck, Ostpreußen, 2 6 . 9 . 1 8 5 5 - 2 0 . 1 1 . 1 9 3 0 , ?), 1875 Eintritt ins H R . 12, 1877 L t . , Glstbslaufbahn, 1904 Kommandeur L e i b - G a r d e - H R . , 1905 O b s t . , Flügeladjutant Wilhelms II., 1907 Kommandeur 17. KBrig., 1907 diensttuender Flügeladjutant, 1909 G M . u. diensttuender General à la suite des Kaisers. Mitglied des Herrenhauses, 1911 Generalleutnant, 2 4 . 1 2 . 1 9 1 4 unter Verleihung des Charakters als G d K . zum Kommandeur 3. G a r d e - I D . ernannt, 17.2.1915 zum Führer des aus mehreren k . u . k . Divisionen gebildeten Korps Marschall bei der Armeegruppe Pflanzer-Baltin ernannt, 2 7 . 1 . 1 9 1 6 Generaladjutant Wilhelms II., Mitte April 1916 Kommandeur des Garde-Reserve-Korps, 3 0 . 1 2 . 1 9 1 8 verabschiedet.
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Raumes südöstlich von Krakau nun doch abberufen worden. Der kleine, unscheinbare und nicht übermäßig sympathische General mit der weißen Perücke war vor allem als Opfer der Hofpolitik gestürzt. Als wir am 10. Oktober aufs Schlachtfeld kamen, war es, ehe wir uns versahen, stockfinster geworden. Schönburg und ich drangen in eine polnisch-ruthenische Lehmhütte ein, der Fürst warf ein Ehepaar aus einem sogenannten Bett und legte sich ohne Zaudern in den warmen Pfühl, indes die verdrängten alten Leute auf den Herd hinaufkrochen und dort schlafen gingen. Ich zog es vor, mich auf einen Strohhaufen auf den Boden zu legen 102 ). Es setzten nun die schweren Herbstkämpfe ein, die mit dem Vorstoß Hindenburgs aus dem Raum nördlich von Krakau in jenen von Warschau führten - Hoen nannte diese Operation, da sie immer mehr auseinanderflatterte, „Gießkannen-Offensive" - und quer durch eine Reihe interessanter Entschlüsse und Operationen schließlich mit dem Rückzug Hindenburgs nach Schlesien und Conrads nach Westgalizien und hinter die Karpaten endeten. Wir südlich von Przemysl wechselten in Angriff und Verteidigung, in Angriff mit engen und mit weitgesteckten Zielen. Während unmittelbar südlich von uns die Gruppe Tschurtschenthaler, zu der auch das Landesschützenregiment I gehörte, um die vielgenannte Magiera raufte, ging es bei uns zunächst um eine flache Kuppe, die Baumhöhe 103 ), die uns viel zu schaffen machte. Dabei wollte es der Zufall, daß die 88. Brigade mit der 11. ITD in einen gemeinsamen Kampfraum geriet. Wir hatten wieder ostgalizische Bataillone unterstellt und waren den Befehlen Pokornys anheimgegeben, allerdings nicht für lange. Mitten in der Schlacht wurde Pokorny abberufen und ins Hinterland geschickt. An seine Stelle trat vorübergehend Schönburg 104 ) - während welcher Zeit ich die Brigade führte - nachher FML. Anton v. Bellmond 105 ), der Bruder des in diesen Zeilen schon öfter genannten Generalstäblers und nunmehrigen Generals. Schönburg war vor allem ein Freund, sich in der vordersten Linie aufzuhalten. Er hatte schon bis dahin zahlreiche Beweise seiner Tapferkeit gegeben, von denen in der ganzen Armee gesprochen wurde. Im Anfange nahm er mich gerne mit. Für die Führung war es nicht gut, wenn wir beide vom Gefechtsstand weg waren. O f t und oft kam es vor, daß wir vom feindlichen Feuer, einige Male auch zugleich von feindlicher und eigener Artillerie so „eingeregnet" waren, daß wir stundenlang aus jeder Befehlsgebung ausgeschaltet blieben. Wenn ich den Fürsten darauf aufmerksam machte, wurde er ungehalten, einmal sogar beleidigend. Die Baumhöhe von Tyszkowice erstürmten wir beide zusammen an der Spitze einer zusammengewür102
) Vgl. Schönburg, Memoiren, 152. ) Die Baumhöhe, Kote 281 bei Tyszkowice, konnte am 19.10. durch einen von Schönburg-Hartenstein persönlich geführten Angriff genommen werden. 104 ) Vom 24.10.-2.11.1914. 10s ) Anton Bellmond v. Adlerhorst (Olmütz, 3.1.1863-29.5.1925, Wien), 1882 aus der Milak. als Lt. zu IR. 36 ausgemustert, Glstbslaufbahn (1901-1904 Lehrer an der Kriegsschule für operativen Generalstabsdienst), 14.12.1910 GM. Kmdt. 38. IBrig., 7.5.1914 FML., 2.8.1914 Kmdt. Milak., 24.10.1914 Kmdt. 11. ITD., 1.12.1915 wieder Kmdt. der Milak., 17.8.1917 enthoben, 20.10.1917 Präsident des Obersten Militärgerichtshofes, 1.1.1919 pensioniert. 103
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feiten Gesellschaft von Landesschützen und Ostgalizianern. Ein Schrapnellsprengstück traf mich unter dem Knie, wurde aber durch die Ledergamasche so abgelenkt, daß es nur eine Fleischwunde erzeugte. Eine Tetanusinjektion genügte und ein kleiner Verband. Die Baumhöhe war der weitest östliche Punkt, den wir erreichten. Man grub sich damals schon gründlich ein. Auch Schönburg und ich schliefen in Erdlöchern und hinter Holzstößen. Mit Schönburg gemeinsam untergebracht sein, war nicht angenehm. Er war ein schlechter Schläfer und wollte sich schon um zwei Uhr früh mit mir unterhalten. Auch neigte er, wenn man ihm zur Hand war, dazu, einen bei jeder Gelegenheit zur Aufhellung irgendeiner Angelegenheit wegzuschikken. Meine ablehnende Haltung führte jedoch am Schluß dazu, daß, von Schönburg angefangen, der Stab meine Nachtruhe wie etwas Heiliges betrachtete, daß man nur im äußersten Notfalle stören dürfe. Die Verläßlichkeit der Landesschützen, die auch ein gutes Stützmieder für die Ostgalizianer abgaben, erlaubte uns schließlich, sich fünfzehnhundert Schritte hinter der Front zum Schlafen auszuziehen. Ich tat es regelmäßig. Eines Nachts hörte ich neben unserem Erdloch furchtbares Wimmern und Stöhnen. D a es kein Ende nahm, kroch ich heraus und sah zu meinem Entsetzen, daß sich Cholerakranke zusammengekauert hatten. Die Cholera herrschte ziemlich empfindlich in unseren Reihen, wurde aber durch eine planmäßige Impfaktion rasch niedergekämpft. Mir blieb bei der ersten Impfung durch einen Sanitätsunteroffizier eine gebrochene Nadel in der Brust stecken. Ich verzichtete auf die Fortsetzung des Experiments, hielt jedoch darauf, nur mit gereinigten Händen in die Gegend des Mundes zu kommen, was im Stellungskrieg ohne weiteres möglich war. Das Jahr darauf ließ sich vom ganzen Stab des XVIII. Korpskommandos nur der G d K . v. Ziegler 1 0 6 ) nicht impfen; er wurde von der Epidemie als einziger befallen und dahingerafft. Auf dem Gebiete der Gefechtsführung gab es sehr viel zu tun. Schönburg und ich wechselten uns in Besuchen in den vordersten Linie ab. Die Ungeduld Schönburgs, wenn einmal ein paar Tage nichts geschah, habe ich schon gestreift. Ich nahm ihn dann auf die Seite und erörterte mit ihm politische Themen, die ihn fesselten und seinen Tatendrang vergessen ließen. Einmal wollte er aus der Front heraus einen Flankenstoß unternehmen, der die schwersten Opfer gekostet hätte. Ich durchkreuzte die Sache durch eine klug eingefädelte Intrige beim übergeordneten Kommando. Bei Gelegenheit machte ich einen Abstecher nach Przemysl. Der Weg führte über Jaksmanice. Ich meldete mich beim Armee-Generalstabschef General v. Boog. Er legte mir nahe, meinen Fürsten für den Theresienorden einzugeben. Aber es war bei aller Tapferkeit Schönburgs keine ordenswürdige Tat da. Zum 1. November, dem Tage Allerheiligen, veranstaltete ich auf einer Höhe eine Feldmesse. Es war ein herrlicher Herbsttag in wunderschöner Landschaft. Das Laub der Wälder spielte in allen Farben. Zum Zelebrieren hatte ich mir von den > 06 ) Emil R. v. Ziegler (Kronstadt, Siebenbürgen, 14.4.1861-1. 8.1915, Zoltance), 1880 aus der Milak. als Lt. zu U R . 2 , Glstbslaufbahn, 1.11.1907 GM., 28.6.1911 Kmdt. 2. K T D . Preßburg, 1.11.1911 F M L . , 21.3.1915 Kmdt. XVIII. Korps, 1.5.1915 G d K .
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Landesschützen den rotbärtigen Kapuziner P. Cajetan Perathoner 107 ) aus Schlanders im Vintschgau ausgebeten, der in seiner braunen härenen Kutte stets bei den vordersten Kämpfern war. Das Kriegspressequartier war dazu eingeladen. Hoen konnte zwar nicht erscheinen, aber Dr. John kam mit verschiedenen Künstlern und Schriftstellern. Unter ihnen befand sich auch der bekannte Militärmaler Hollitzer 1 0 8 ). Während die Messe gelesen wurde, kreuzten über unseren Häuptern eigene und feindliche Artilleriegeschosse. Da die Russen ein ganz bestimmtes Feuersystem hatten, konnte man dies ohne Sorge riskieren, obgleich man von der Front nur vierhundert bis fünfhundert Meter entfernt war. Nach der Messe nahmen wir die Dekorierung Schönburgs mit der Eisernen Krone vor, und Schönburg lud mich dann überraschend ein, ein paar Worte an die braven Landesschützen zu sprechen. Ich sprach im Dialekt, aber wenn das Herz voll ist, geht der Mund über. Ich redete gut. Franz Karl Ginzkey hat die für alle erhebende Veranstaltung in einem Brief an die österreichische Rundschau geschildert 109 ). Am 4. November schlug, im Einklang mit den Ereignissen in Polen, auch für uns wieder die Stunde des Rückzuges. Ich muß gestehen, daß mir die letzte Spur von Optimismus für die Fortführung des Krieges vorübergehend verlorenging. Nachdem Schönburg noch in einem Anfall von Cato-Laune die Steingutteller, die ich für den armselig eingerichteten Brigadestab in Przemysl erworben hatte, mit einem Stock zerschlug und auch andere Nützlichkeiten von den Troßfuhrwerken herabstieß, um den im Stellungskrieg ja wirklich angeschwollenen Train zu erleichtern, zogen wir über Krosno, Jaslo, Gorlice, Grybow ab. Zwischen den gegen Krakau weichenden und den in die Karpaten zurückgehenden Truppen war hier eine Lücke entstanden, die wir zu beobachten hatten. Der Hauptplatz von Jaslo war leider mit Aufgehängten gespickt, deren jeder auf einer Brusttafel als Verräter gebrandmarkt war. Ein Nachrichtenoffizier des XI. Korpskommandos 1 1 0 ) hatte diese scheußliche Justiz auf dem Gewissen. Schönburg traf diesen Offizier zufällig und faßte ihn gründlich. Er kam später in Untersuchung. In weiterer Folge wurden wir wieder nordwärts an die große Straße PrzemyslKrakau geworfen. Dort nahm uns an einem der ersten Dezembertage das wohlver, 0 7 ) P. Cajus (Franz) Perathoner (St. Ulrich im Groden, Tirol, 8 . 9 . 1 8 6 8 - 1 3 . 1 0 . 1 9 2 2 , Meran), ab 7 . 9 . 1 8 8 8 in der Tiroler Kapuzinerprovinz, 1893 Priesterweihe, berühmter Feldkurat des Weltkrieges. 1 0 S ) Carl Leopold Hollitzer (Bad Deutsch-Altenburg, 1 1 . 3 . 1 8 7 4 - 1 . 1 2 . 1 9 4 2 , Rekawinkel), Schüler der Wiener Akademie der Bildenden Künste b z w . des Malers Myrbach; großer Militaria-Sammler, gehörte zum Wiener Künstlerkreis der Jahrhundertwende und schuf auch zahlreiche Theaterausstattungen, lebte als Bohemien in Wien, bis er ab Kriegsbeginn zum Kriegspressequartier als Kriegsmaler einberufen wurde. Wurde mit 12.3.1917 nach Christiania entsandt. , 0 9 ) Diese Zuschrift konnte in den Heften der „österreichischen R u n d s c h a u " nach dem 1.11.1914 nicht festgestellt werden. 1 1 0 ) Josef Wild (Budapest, 2. 7 . 1 8 8 1 - ? ) , 1901 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Liebenau zu I R . 2 5 , 1.11.1902 Lt., VIII. 1914 H p t m . i . G . , ab V. 1914 Kundschaftsoffz. beim 2. Armeekmdo., 2 6 . 1 . 1 9 1 6 Leiter der Hauptkundschaftsstelle Brassó (Hermannstadt) und sodann Nachrichtenoffz. 1. Armee, 1917/1918 Leiter der Abwehrgruppen der Heeresfrontkommandos G O . Ehg. Joseph bzw. F M . Kövess. N a c h dem Umsturz Abgeordneter zur ung. Nationalversammlung und erbitterter Gegner Gömbös'.
B e i m 1. A r m e e k o m m a n d o u n d im K r i e g s m i n i s t e r i u m
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traute X I V . Korps auf. Es war in der Gegend von Lapanow, wo - wie auch weiter südwärts bei Limnova - eine große Flankenschlacht entbrannt war 1 1 1 ). Durch ein schönes Manöver brachte Conrad die Russen bei ihrem Vormarsch gegen Mähren zum Stehen. Tschechische Irredentisten konnten die Gänse und Kuchen, die sie für die Russen bereiteten, selbst essen. Es dauerte noch einundzwanzig Jahre, ehe sie an die großen slawischen Brüder die gleiche Gastfreundschaft verschwenden durften. Die Landesschützenbrigade, die seit dem Rückzug von Przemysl an Stelle von in der Festung gebliebenen Regimentern der 30. I D . eingegliedert war, wurde längs der ganzen Front unseres heimischen Korps nach Art einer Feuerspritze verwendet. Sie marschierte von Norden südwärts und schwenkte alle Tage einmal gegen Osten ein, um den kämpfenden Truppen Unterstützung zu gewähren. Alsbald schlug für Schönburg und mich die Trennung. Zuerst erhielt ich eine Einteilung beim 1. Armeekommando, in Bendzin 1 1 2 ). Dann wurde Schönburg zum Kommandanten der Grazer 6. Division ernannt, da Gelb erkrankt war 1 1 3 ). Wir trennten uns sehr schwer. Gegen Ende des Krieges versicherte Schönburg dritten Personen, er habe mit keinem Generalstäbler so schön gearbeitet wie mit mir und sei keinem so nahe gekommen. Mir hat die Zusammenarbeit im Anfange schon manche Nervenprobe eingebracht. Aber bald wußte ich auch, wie man dem Fürsten am leichtesten beikam 1 1 4 ). 4. B E I M 1. A R M E E K O M M A N D O U N D I M K R I E G S M I N I S T E R I U M Ich schlug für die Fahrt nach Bendzin einige Tage in Krakau und Bielitz breit. In Krakau stieg ich im Hotel de France ab und kam mir in den eleganten Räumen und gegenüber den nicht minder eleganten Offizieren, die man noch sah, wie ein Sohn der Wildnis vor. In Bielitz ließ ich den Andreas-Hofer-Bart fallen. Er kam erst wieder, und zwar schon schneeweiß, als ich im Herbst 1945 zusammen mit zweil n ) Vom 1 . 1 2 . bis 1 2 . 1 2 . 1 9 1 4 . Vgl. G . Stöckelle, D e r Feldzug von Limanova-Lapanów, 1. bis 20. Dezember 1914, in: Ö M Z . , Sonderheft 1/1965, 3 9 - 4 6 .
" 2 ) Glaise-Horstenau war vom 3 0 . 1 1 . 1 9 1 4 bis 1 0 . 1 2 . 1 9 1 4 beim 1. Armeekmdo. eingeteilt. i n ) Schönburg-Hartenstein kommandierte die 6. I T D . vom 2 8 . 1 2 . 1 9 1 4 bis 1 . 8 . 1 9 1 6 . 1 1 4 ) Schönburg-Hartenstein gab über Glaise-Horstenau auf dem Vormerkbogen zu dessen Qualifikationsliste ( K A . , Qualifikationslisten, F a s z . 8 6 7 ) folgendes Urteil ( s . d . ) ab: Voll Eifer für seinen Dienst gelang es ihm, obwohl seine Begabung ihn mehr zum militärschriftstellerischen Fache hinzog, trotzdem in strengster und pünktlicher Pflichterfüllung seinen Obliegenheiten ganz zu genügen und seine ausgezeichneten Fähigkeiten auch auf dem generalstabstechnischen Gebiete voll zur Verwertung zu bringen. Beseelt von begeisterter Vaterlandsliebe hat er in freudiger Ertragung aller Kriegsstrapazen und in Selbstüberwindung bei einer ernsten Gesundheitsstörung allen Offizieren der Brigade ein besonders gutes Beispiel gegeben. Sein heiteres Temperament hat seine Umgebung in schweren Momenten oft ausgezeichnet. Im Gefecht war er mutig und umsichtig, in entscheidenden Momenten voll kühner Initiative und verstand es, in kritischen Lagen durch seine Tapferkeit und Besonnenheit wirksam einzugreifen. Gefechte 5 . - 1 1 . O k t o b e r beim Vormarsch in Dukla gegen Premysl (sie!) - Schlacht bei Premysl 12. O k t o b e r bis 4. November 1914, hiebei stand er wiederholt im Feuer und sammelte bei einem kurzen Rückschlag der eigenen Truppen diese bei Tyskowice im schärfsten feindlichen Feuer, rangierte sie und führte sie wieder erfolgreich vor in die verlorenen eigenen Stellungen. Er vollführte auch einige schwierige Recognoscierungen im feindlichen Feuer während dieser Schlacht und befand sich während derselben sehr oft im schweren fdl. Granatfeuer.
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hundert gefangenen deutschen und dreißig ungarischen Generälen von Cherbourg in neun Tagen und acht Nächten in Viehwagen nach Marburg a. d. Lahn fuhr. Wieder in Kultur zu leben, kam mir ganz seltsam vor. In Kattowitz verbrachte ich vor meiner Einrückung zur Armee die letzte Nacht. Das Armeekommando in Bendzin hauste in einem großen Bankgebäude. Dankl war Befehlshaber. Jähzornig wie immer, war er - wie mir seine Offiziere erzählten - vor allem ein Trainschreck. Wenn er eine Trainkolonne sah, geriet er in Wut, ob sie nun in Ordnung war oder nicht. Bis zu einem gewissen Grad konnte ich diese Abneigung verstehen. Die geringe Tragfähigkeit der Panjewagen hatte zur Folge gehabt, daß der Train unerhört angewachsen war. Manchmal sah man in den Wiesen Trainfelder, so weit das Auge reichte. Auf Dankls Nervenzustand wirkte dieser Anblick so schlecht, daß man ihn nur mehr in Häusern einquartierte, wo bestimmt kein Trainfuhrwerk vorüberkam. Der geistige Führer der Armee war nicht Dankl und auch nicht der Generalstabschef General Kochanowski 115 ), sondern der Chef der Operationsabteilung Oberst Alfred Br. Waldstätten, der mich mit seiner burschikosen Liebenswürdigkeit empfing und die „Evidentführung" eines Frontabschnittes übertrug. Unter den Generalstäblern traf ich eine Menge Bekannte. Darunter Hauptmann v. Hüttenbrenner 1 1 6 ), einen einstigen Angehörigen der Militärkanzlei Franz Ferdinands, den ich natürlich scharf ausfragte, und mein St. Pöltner Kamerad Hauptmann v. Schuster 117 ). Mit hellem Neid sah ich auf allen Brüsten das Eiserne Kreuz 2. Klasse, auf der Waldstättens sogar die 1. Klasse. Diese Auszeichnung einmal zu bekommen, war das Ziel meiner Sehnsucht. Wirklich hingezogen fühlte ich mich aber nicht zu den Generalstäblern, die eine gewisse Exklusivität an den Tag legten, sondern zu den anderen alten Bekannten: Obstlt. Graf Hoditz vom Kriegsarchiv, Hptm. Ruef, den Personaladjutanten Dankls, und Rittmeister Graf zur Lippe 1 1 8 ), der nur das Pech hatte, an einem furchtbaren Strahlenpilz im Munde zu leiden. Mit diesen Herren saß ich auch in der Menage zusammen. Da ließ mich eines Tages Dankl wieder rufen und teilte mir mit, daß infolge Truppenverschiebungen in die Karpaten die Armee zu klein wür1 1 5 ) Alfred Kochanowski Edi. v. Korminau (Czernowitz, 1 8 . 4 . 1 8 6 6 - 3 0 . 1 1 . 1 9 3 0 , Wien), 1886 aus der Milak. als Lt. zu IR. 15, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 4 G M . u. Kmdt. 91. LwIBrig., 1 . 8 . 1 9 1 4 Glstbschef 1. Armee, 6. 3. 1916 Kmdt. 22. L w I T D . , 1.5.1917 F M L . , 2 7 . 1 2 . 1 9 1 7 Sachverständigenkommission für kriegswissenschaftliche Fragen, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 1 1 6 ) Erich R. v. Hüttenbrenner (Wien, 2 7 . 3 . 1 8 7 8 - 2 0 . 4 . 1 9 2 7 , Wien), 18.7.1896 als EF. zu D R . 11, 1 . 1 . 1 8 9 8 Lt. i.d. Res. 18.8.1899 aktiviert, Glstbslaufbahn, 1.11.1908 Hptm. i . G . , 1.11.1911 eingeteilt bei der Militärkanzlei des Erzherzog-Thronfolgers, 1 . 5 . 1 9 1 4 Mjr. i. G . , 2 . 8 . 1 9 1 4 Quartierregulierender Glstbsoffz. beim 1. Armeekmdo., 10.8.1914 in Glstbsabt. des 1. Armeekmdos., 2 8 . 5 . 1 9 1 5 Glstbsabt. des Landesverteidigungskmdos. Tirol, 5 . 6 . 1 9 1 5 Glstbschef der I T D . Pustertal, 1.11.1915 Obstlt. i . G . 1 1 7 ) Alfons Schuster v. Franzhof (Klagenfurt, 2 . 1 . 1 8 8 3 - 5 . 1 . 1 9 2 3 , Wien), 1905 als Lt. aus der Milak. zu IR. 100, 3 1 . 1 0 . 1 9 1 2 zugeteilt d. Glstb., 2 . 8 . 1 9 1 4 zur Befehlsgruppe des 1. Armeekmdos., 1.11.1914 Hptm. i . G . , 2 3 . 5 . 1 9 1 5 zur Glstbsabt. des Landesverteidigungskmdos. Tirol, 17.3.1916 zur Glstbsabt. des 11. Armeekmdos., 3. 3.1917 zur Glstbsabt. des Heeresgruppenkmdos. Conrad, 2. 7.1918 (bis Kriegsende) in Opabt. d. A O K . , 1 . 1 . 1 9 2 0 Mjr., 1.12.1920 pensioniert. 1 1 8 ) Rüdiger Grf. zur Lippe (Mährisch-Neustadt, 1 5 . 3 . 1 8 8 0 - ? ) , 18.8.1901 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus der Kavalleriekadettenschule Mährisch-Weißkirchen zu U R . 2 , 1.11.1902 Lt., 1 . 5 . 1 9 0 9 Oblt., 1 . 9 . 1 9 1 0 Kammervorsteher Ehg. Karl Albrechts, 16.11.1910 Kämmerer, 1.11.1914 Rtm.
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de, um genug Beschäftigung für die alten Generalstabsoffiziere zu haben. Ich müsse daher weichen und werde einer galizischen Division beigegeben werden. Ich fuhr mit der 2. Division über Wien in die Karpaten, erreichte es aber inzwischen, daß ich wieder meinen - zwar für einen Hauptmann des Generalstabskorps nicht mehr ganz standesgemäßen - Platz bei den Landesschützen zurückerhielt. An der Seite des Generals E c k h a r d 1 1 9 ) machte ich, vorübergehend zum X I I I . Korps kommandiert - damals interimistisch F M L . Schönburg - den Karpatenübergang und dann den Vorstoß in die Dnjestr-Ebene mit. Pflanzer-Baltin 1 2 0 ), der Armeeführer, hieß in der Armee nicht ohne Grund Pflanzer-,,Bald her, bald hin". Man wurde furchtbar herumgeworfen. Unsere Nachbarbrigade bestand nur aus Jägerbataillonen. Ich freute mich sehr, an der Spitze des 5. Jägerbataillons meinen ersten Kompaniechef Alfred v. Hankenstein wiederzusehen. Auch sonst traf ich viele Bekannte aus der Kaiserjägerzeit. Trotzdem trauerte ich nicht, als Ende Februar ein Telegramm des A O K . kam, das meine sofortige Versetzung in die 5. Abteilung des Kriegsministeriums anordnete. Mit dem Militärverdienstkreuz geschmückt, für das mich noch Schönburg vorgeschlagen hatte 1 2 1 ), kehrte ich nach Wien zurück 1 2 2 ). 1 1 9 ) Friedrich Eckhardt v. Eckhardsburg (Klagenfurt, 1 2 . 2 . 1 8 6 0 - 1 0 . 2 . 1 9 3 6 , Klagenfurt), 2 1 . 2 . 1 8 7 7 freiwillig zu F J B . 2 0 , 1.11.1879 Lt. IR. 17, 31.10.1911 Obst. u. Kmdt. L w I R . 4 , 4 . 1 . 1 9 1 5 Kmdt. 88. LSchBrig., 1 . 5 . 1 9 1 5 G M . , 3 . 3 . 1 9 1 7 Küstenschutzkmdt. Krnja, Albanien, 1.6.1917 Inspizierender der Marschformationen der 11. Armee, 10.5.1918 F M L . , 1.5.1918 pensioniert bei Aktivierung auf Mobilmachungsdauer, 7.10.1918 Präsident bei der Kontrollkommission der 11. Armee, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. Karl Frh. v. Pflanzer-Baltin (Fünfkirchen, 1 . 6 . 1 8 5 5 - 8 . 4 . 1 9 2 5 , Wien), 1875 aus Milak. als Lt. zu D R . 1, Glstbslaufbahn, 1.5.1903 G M . , 2 8 . 8 . 1 9 0 7 Kmdt. 4. I T D . in Brünn, 1 . 1 1 . 1 9 0 7 , F M L . , 27.10.1911 Generalinspektor der Korpsoffiziersschulen, 1.11.1912 GdK. mit Titel u. Charakter, 2 9 . 9 . 1 9 1 4 Kmdt. einer Armeegruppe in der Bokuwina, 1 . 5 . 1 9 1 6 G O . , 8 . 9 . 1 9 1 6 zur Disposition gestellt, 1. 8.1917 Generalinspektor der Fußtruppen, 12. 7.1918 Kmdt. der k. u. k. Streitkräfte in Albanien, 2 . 1 0 . 1 9 1 8 Kommandeur des Militär-Maria Theresien-Ordens, 1.12.1918 pensioniert. Pflanzer-Baltin galt 1914-1916 als Meister des Kleinkrieges, der sich mit geringen Kräften in der Bokuwina gegen die Russen halten konnte. 1918 konnte er noch im Juli u. August zu Gegenangriffen in Albanien schreiten. Vgl. G . Kövess, Karl Frh. v. Pflanzer-Baltin, in: Neue österreichische Biographie ab 1815, Bd. X V I , Wien 1965, 119-131; R . Kiszling, Generaloberst Carl Freiherr v. Pflanzer-Baltin (1855-1923), in: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 15/1971, 5 1 4 - 5 2 0 . M. Tuschel, Generaloberst Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin. Eine Biographie, Wr. phil. Diss. 1978. 1 2 1 ) K A . , Belohnungsantrag für Offiziere, nr. 8468: Schönburg beantragte (s.d.) eine Auszeichnung: ,,. . . war von Beginn des Feldzuges an bei der Generalstabsabtlg. des 11. ITD. eingeteilt und hat in dieser Eigenschaft an allen Gefechten u. Schlachten teilgenommen, bei welchen dieser Heereskörper eingesetzt war. Am 2. Oktober als organisationsgemäßer Generalstabschef bei der 88. LschBrig. eingeteilt, versah er seit dieser Zeit die ihm zugewiesenen operativen und sonstigen Arbeiten in ganz besonders gründlicher u. ausgezeichneter Weise. Unter seiner Leitung funktionierte der Befehlsorganismus der Brig, stets vorzüglich. Besonders ausgezeichnet hat sich Hauptmann von Glaise während der Schlacht von Przemysl, wo er sich im heftigsten feindl. Feuer unerschrocken und kaltblütig erwies, durch erfolgreiche bis in die fdl. Linien vorgetriebenen Rekognoszierungen wertvolle Nachrichten feststellte u. durch sein persönliches Beispiel u. sein herrliches frisches Temperament seine ganze Umgebung zu freudiger Pflichterfüllung aneiferte. Am 19. Oktober beim Sturm auf die Baumkote 281 nächst Tyskowice hat Hauptmann Glaise im heftigsten Kugelregen eine Abteilung Versprengter des IR. 58 hinter dem abgebrannten Herrenhaus gesammelt, auf diese Weise eine Abteilung von beiläufig 100 Mann zusammengebracht, dieselbe im schärfsten fdl. Inf.- u. Artilleriefeuer an die Ostlisiere des Ortes vorgeführt und durch richtiges Einsetzen ih-
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Meine Mutter wurde überrascht und freute sich riesig. Das Leben in Wien ließ den Krieg noch kaum merken. Zwar ereilte mich bald eine Art von Kater, ich kam mir wie ein Drückeberger vor. Aber es blieb Tatsache, daß ich im Ministerium irgendwie von dem Glänze des Frontheldentums umflossen war. Die 5. Abteilung war eine von den zwei generalstäblerischen Abteilungen des Ministeriums; die andere war die 10. unter Leitung meines späteren Freundes Steinitz. Ich erhielt als Nachfolger meines an die Front abgegangenen Freundes Brougier 123 ) die operativen Angelegenheiten, die in der Abteilung behandelt wurden, und sehr bald auch die politischen. Mein Chef, Obst. Domaschnian 124 ), war eine nicht alltägliche Persönlichkeit. Massiv, mit einem schönen, aber schwarzen, durchaus romanischen Kopf, war er Banater Rumäne, Kind der „walachisch-illyrischen" Militärgrenze. Ein aufrechter Mann, reich an Fachkenntnissen, aber auch politisch und historisch überaus interessant. Ich hatte Dom, wie er allgemein hieß, früher nicht gekannt, wir wurden aber sehr bald wirkliche Freunde und besprachen auch die heikelsten Dinge untereinander. Gegenüber der Heeresleitung und ihrer Kriegsführung waren wir äußerst kritisch eingestellt. Auch die langsam auftauchende nationalpolitische Intoleranz des A O K . , hervorgerufen durch wirkliche und vermeintliche Verrätereien et cetera, die an der Front gemeldet wurden, stieß bei uns auf heftigsten Widerspruch. In zahlreichen, auch von mir gezeichneten Konzepten, trat ich noch einmal für die Gleichberechtigung der Nationalitäten ein, für ihr Recht, sich zu bekennen und zu fühlen, dafür, daß dieses alte Österreich allein lebensberechtigt war, wenn es den Völkern solche Möglichkeiten bot. Immer wieder gaben Fahnenfragen, Liederfragen, Sprachfragen Anlaß zu solchen Auslassungen. Als ich im Juli das Kriegsministerium verließ, sagte mir FML. Urban 1 2 5 ), der einst in Neu-
rer Feuerkraft sehr viel zur Erstürmung der Höhe beigetragen. . . . " Der Armeekmdt. Gdl. Ehg. Josef Férdinand beantragte mit 2 1 . 1 2 . 1 9 1 4 Militärverdienstkreuz 3. Kl. mit Kriegsdekoration. Es wurde mit Allerhöchster Entschließung v. 1 9 . 1 . 1 9 1 5 verliehen (Personalverordnungsblatt Nr. 12 v. 2 3 . 1 . 1 9 1 5 ) . ) Çlaise-Horstenau war vom 1 1 . 1 2 . 1 9 1 4 bis 1 0 . 7 . 1 9 1 5 in der 5. Abt. KM. eingeteilt. ) Rudolf Brougier (Graz, 1 3 . 4 . 1 8 7 7 - 1 3 . 1 2 . 1 9 4 4 , Wien), 1899 aus der Milak. als Lt. zu 2. T K J R . , Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 4 Glstbschef 10. I T D . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Mjr. i . G . , 3 0 . 6 . 1 9 1 5 eingeteilt in der 5. Abt. K M . , 7 . 1 1 . 1 9 1 5 zum Landesverteidigungskmdo. Tirol, 1 . 2 . 1 9 1 6 Obstlt. i . G . , 8 . 3 . 1 9 1 6 zum X X . Korpskmdo., 8 . 7 . 1 9 1 6 Flügeladjutant Ehg. Carl Franz Josephs bzw. Kaiser Karls, 1 . 1 0 . 1 9 2 0 pensioniert, 1 6 . 1 0 . 1 9 2 0 Titular-Obst., 1 8 . 4 . 1 9 3 5 Titular-GM. Schrieb: Kaiser Karl im Felde, in: Der Österreicher, 3/1928, 1 - 3 ; 4/1928, 2 f . ; 5/1928, l f . ; 7/1928, 1 - 4 ; ders., Deutschlands Schicksalsbund mit Österreich-Ungarn, in: Ö W Z . v. 1 4 . 1 0 . 1 9 3 2 , 2 f . ; u. Ö W Z . v. 2 1 . 1 0 . 1 9 3 2 , 2 . Vgl. auch K A . , Nachlaßslg., sign.B/133. 1 2 4 ) Georg Domaschnian (Mehadia, Ungarn, 2 0 . 1 0 . 1 8 6 8 - 1 8 . 9 . 1 9 4 0 , Temesvár), 1890 aus der Milak. als Lt. zu I R . 4 3 , Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 0 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1 2 . 3 . 1 9 0 6 zur Sperre Riva versetzt, 2 0 . 3 . 1 9 1 1 in die 5. Abt. R K M . , 1 . 5 . 1 9 1 1 Obstlt. i . G . , 2 1 . 1 0 . 1 9 1 1 Abteilungsvorstand, 1 . 1 1 . 1 9 1 3 Obst. i . G . , 1 4 . 4 . 1 9 1 7 Glstbschef 10. Armee, 1 . 8 . 1 9 1 7 G M . , Übertritt in die rumän. Armee, dort Divisions-General, 1920 pensioniert. 1 2 5 ) Ferdinand R. Urban v. Hohenmark (Maros-Vásárhely, 6. 7 . 1 8 6 6 - X I I . 1921, Lobositz), 1885 aus der Milak. als Lt. zu I R . 3 5 , Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 6 Obst. i . G . , 1 3 . 1 0 . 1 9 0 6 eingeteilt im Präsidialbüro des R K M . , 1 2 . 1 0 . 1 9 0 8 Bürovorstand, 1 . 1 1 . 1 9 1 1 G M . , 8 . 1 0 . 1 9 1 2 mit Wartegebühr beurlaubt, 1 . 8 . 1 9 1 4 Vizepräsident des Obersten Militärgerichtshofes, 1 . 1 . 1 9 1 5 F M L . , 5 . 5 . 1 9 1 5 Sektionschef im KM., 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 122 123
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Stadt unserem Jahrgangsletzten zu Jägern verholfen hatte: „ I c h habe viel von Dir zu lesen bekommen, ich war sehr einverstanden." Große Ereignisse fielen in meine Kriegsministerialzeit. Die Tragödie von Przemysl 1 2 6 ), der Bruch mit Italien 1 2 7 ), der Sieg von Gorlice 1 2 8 ), die Wiedereinnahme von Lemberg 1 2 9 ). Als in Tirol die Flammenzeichen sich erhoben, ging ich zu D o maschnian, eine Verwendung im Südosten zu erbitten. Er warf mich hinaus. In der Zeit nach Gorlice war mein liebes Wien ein letztes Mal hochjauchzend. Jeden zweiten Tag gab es einen Fackelzug, und das Kriegsministerium, in dessen zweitem Stock am Ring ich hauste, war stundenlang von brüllendem und jubelndem Volk umbraust. Auch das Trauerspiel Auffenberg erlebte ich aus der Nähe mit, da D o m ein wenig mit ihm befaßt war. Der Selbstmord eines Auffenberg befreundeten pensionierten Obersten 1 3 0 ) hatte eine Postkarte Auffenbergs zutage gefördert, die aus dem November 1912 stammte und aus der man entnehmen wollte, daß der General seinem Freund militärische Mitteilungen zur gemeinsamen Ausnützung an der Börse zukommen ließ. Auffenberg wurde durch den höchsten in Wien anwesenden General, den Gardekapitän G d K . Graf Uexkuell-Gyllenband 1 3 1 ) in Haft gesetzt und einer hochnotpeinlichen Untersuchung unterzogen. Als Ankläger fungierte der Auditor Kunz 1 3 2 ), nachher besonders radikaler Militärrichter der Tschechoslowakischen Republik, als Verteidigung der jüdische Advokat D r . Preßburger 1 3 3 ). Auffenberg kam vom Gerichte frei, man mußte ihm sogar das schon ausgefertigte, aber zurückgehaltene Adelsdiplom für den „Freiherrn von K o m a r ó w " ausfolgen. Doch kam er noch in ehrenrätliche Untersuchung. Der Generals-Ehrenrat unter der Leitung von Woinovich verwarnte den mehr als Sechzigjährigen, das heißt, es wurde ihm Gele1 2 6 ) Am 23. März 1915 kapitulierte die 120.000 Mann starke Besatzung von Przemysl nach mehreren vergeblichen Entsatzversuchen. 1 2 7 ) Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn am 23. Mai 1915. 1 2 8 ) Die Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnow begann am 2. Mai 1915 (dt. 11. Armee und k . u . k . 3. sowie 4. Armee an den Flanken). ' « ) Am 20. Juni 1915. 1 3 °) Heinrich R. v. Schwarz (Neunkirchen, N ö . , 1 1 . 1 1 . 1 8 4 5 - 1 3 . 2 . 1 9 1 5 , Wien), 1867 als Gemeiner zu IR. 4, 1.11.1870 Lt. in D R . 3, 1.11.1895 O b s t , in IR. 85, 2 3 . 3 . 1 8 9 5 Kmdt. IR. 60, 1 . 6 . 1 9 0 0 mit Wartegebühr beurlaubt, 1.11.1905 pensioniert. > 3 1 ) Alexander Graf Uexkuell-Gyllenband (Potsdam, 2 . 1 0 . 1 8 3 6 - 1 3 . 7 . 1 9 1 5 , Berchtesgaden), 1854 als Regimentskadett zu U R . 11, Kavallerieoffizierskarriere, Brigadier, Divisionär, kdi. Gen. in Kaschau, Wien u. Budapest, 1 . 5 . 1 8 9 5 G d K . , 1.11.1908 pensioniert, 5 . 1 . 1 9 0 9 Kapitän der Leibgarde-Reitereskadron. 1 3 2 ) Jaroslav K u n z (Brünn, 9 . 5 . 1 8 6 9 - 1 5 . 9 . 1 9 3 3 , Prag), 3 . 3 . 1 8 9 0 als E F . zu IR. 8, 1.1.1894 Lt. i . d . Res. IR. 8, 1 . 1 1 . 1 8 9 5 Obit.-Auditor, 1.11.1910 Major-Auditor des Garnisonsgerichtes bzw. später Divisionsgerichtes Wien, 1 . 5 . 1 9 1 5 Obstlt.-Auditor, 1918 als Obst.-Auditor in die es. Armee und Organisator der es. Militärgerichtsbarkeit, 1921 General des Justizdienstes. K u n z vertrat die Anklage in den Prozessen Hofrichter und Auffenberg. Vgl. seine pamphletartigen Erinnerungswerke: D a wir in Österreich dienten . . ., Prag 1921; Slava a päd generila Auffenberga, Praha 1930; Posledni krichy Rakouska a jiné vzpominky, Praha 1932. m ) Dr. Richard Preßburger (Wien, 1 6 . 2 . 1 8 6 2 - 1 9 3 8 , Wien), Militärverteidiger, Jurist. Vgl. seine Erinnerungen: Zeitgeschichtliche Kriminalprozesse, Wien 1937. Hier: Der Fall Hofrichter, 3 4 5 - 3 7 4 ; Prozeß General Auffenberg, 2 0 3 - 2 8 9 .
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genheit gegeben, sich zu bessern. Die ganze Angelegenheit war natürlich äußerst ungeschickt. Einen solchen Skandal provozierte man höchstens dann, wenn die Staatsgewalt dabei absolut sicher als Siegerin hervorging. Alles andere war vom B ö sen. Der Dienst im Kriegsministerium war auch äußerlich nicht unangenehm. Man saß zwar von 10 U h r früh - vorher ritt ich mit General Colard im Prater - bis acht U h r abends und speiste zu Mittag in der vorzüglich geführten Kantine, wobei D o m breit und behäbig den Vorsitz führte. Aber man hatte im Büro die Möglichkeit zu journalistischer Arbeit, die sich natürlich infolge der Kriegsereignisse reichlich ergab. Meine Wochenberichte in Streffleurs Wochenblatt waren gern gelesen 1 3 4 ). O f fiziell erfuhr ich zwar kaum mehr, als im Heeresbericht stand, auch der Kriegsminister Krobatin wußte nur dies, da das A O K . sehr viel Geheimnis wahrte. Aber auf privaten Linien konnte man doch manches in Erfahrung bringen, was journalistisch gut zu verwerten war. Besonderes Vergnügen bereitete mir in den vier Monaten Ministerialzeit, daß gleich zu Anfang der Direktor der berühmten Wiener Konsular-Akademie an das Kriegsministerium mit der Bitte herantrat, einen Generalstabsoffizier Vorträge über Kriegswissenschaften halten zu lassen, und daß man mich für diese Aufgabe auserwählte. Die zu unterrichtende höchste Klasse bestand nur aus acht Schülern, obwohl der Gegenstand genügend Interesse fand und mich meine Schüler am Schluß sogar um Zugabe einiger Unterrichtsstunden baten. Ich beendete meinen Kursus mit einem Auto-Ausflug auf das Schlachtfeld von Aspern. Meine Schüler schnitten bei der kommissionellen Schlußprüfung sehr gut ab. Einen von ihnen traf ich 1942 in Virovitica in Slawonien als deutschen Generalkonsul wieder. Aus der Front kamen zahlreiche Besuche in die 5. Abteilung oder ins Kasino. Sie waren, besonders vor Anfang Mai, meist sehr pessimistisch. Einmal war auch Hoen da. E r war fröhlich und sarkastisch wie immer, prophezeite übrigens einen sehr langen Krieg und meinte tröstend, man werde sich daran gewöhnen müssen; es werde auch gehen, was einem jetzt noch unangenehm sei, sei eben wie beim Turnen die Turnschmerzen. Wie ich nachher erfuhr, hatte der Gute mit seiner scharfen Zunge beim A O K . noch in Neusandez einen „ W i r b e l " hervorgerufen. E r saß bis dahin am Tische Conrads und machte täglich seine sarkastischen Späße, wobei es ihm nicht darauf ankam, ätzende Kritik an der Kriegslage zu unterdrücken. Die Folge war, daß sich Conrad nach der Übersiedlung ins neue Hauptquartier Teschen - Anfang November 1914 - weigerte, mit Hoen noch länger an einem Tische zu sitzen. Die drei oder vier „Menagen" in ebensovielen Zimmern wurden anders 1 3 4 ) „Streffleurs Militärblatt" erschien ab 4 . 4 . 1 9 1 4 (Nr. 1) als Gegenstück zu „Streffleur's österreichische Militärische Zeitung", etwa ab dem Zeitpunkt, als die „Militärische Rundschau" in private Hände überging. Die Zeitschrift brachte in erster Linie das Personalverordnungsblatt und Auszüge aus dem Normalverordnungsblatt. Daneben jeweils einige wenige Aufsätze zu militärischen Fragen sowie die Rubriken „ N o t i z e n " und „Literatur". In der Vorkriegs- und Kriegszeit veröffentlichten u.a. Hoen, Woinovich und Schager Aufsätze. In der Kriegszeit nahm jedoch die Kriegsberichterstattung breitesten Raum ein. Diese Beiträge waren immer ungezeichnet, sodaß Glaise-Horstenaus Aufsätze nicht festgestellt werden können. Die letzte Ausgabe erschien mit 9 . 1 1 . 1 9 1 8 (Nr. 45/1918).
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Beim „ e r s t e n " A O K .
gruppiert, Hoen von den „ B o n z e n " getrennt. Daß dabei seine Kritik viel Richtiges enthielt, war nicht zu leugnen und ärgerte Conrad umso mehr, als die Gespräche in Gegenwart des glücklicherweise schwerhörigen deutschen Bevollmächtigten, des bekannten Generals v. Freytag-Loringhoven 1 3 S ) geführt wurden, der übrigens auch manchmal eins von Hoen abbekam. 5. B E I M „ E R S T E N " A R M E E O B E R K O M M A N D O I N D E N K R I E G S J A H R E N 1915/16 Anfangs Juli 1915 ließ mich Dom rufen und sagte mir mit einem traurigen Gesicht: „ D u , soeben hat mich Kaltenborn 1 3 6 ) - Oberst und Chef der Detailabteilung beim A O K . - angerufen, man will dich in die Operationsabteilung haben. Du weißt, ich lasse dich sehr ungern ziehen, aber es war in deinem Interesse, daß ich ja sagte." Ich war höchlichst überrascht, auch ein wenig betroffen. U m in die Operationsabteilung aufgenommen zu werden, mußte man schon von guten Eltern sein, das will sagen, man mußte über einen Kriegsschulrang verfügen, den ich nicht im entferntesten hatte. Nun war die Sache allerdings insofern erklärlich, als man, wie ich später erfuhr, vor allem einen guten Stilisten suchte, und der Personalreferent, mein alter Freund Ghyczy, der schon bisher seine Hand sichtbar über mich gehalten hatte, selbstverständlich mich vorschlug. Die Bürgen, die der Chef der Operationsabteilung General Josef Metzger unter seinen Untergebenen, wie bei jeder Neuaufnahme üblich, verlangte, fanden sich sofort: Dragoilov 1 3 7 ), Brantner, Bálványi, Jakobich 1 3 8 ) übernahmen sofort jede Verantwortung für meine Verläßlichkeit. Dragoilov begegnete mir am Ende meiner Laufbahn noch sehr oft, da er Chef 1 3 5 ) Hugo Frh. v. Freytag-Loringhoven (Kopenhagen, 2 0 . 5 . 1 8 5 5 - 1 9 . 1 0 . 1 9 2 4 , Weimar), seit 1878 in der preußischen Armee, 1911-1914 Oberquartiermeister im preuß. Glstb., 1914 bis Ende Jänner 1915 Bevollmächtigter Gen. der D O H L . beim k . u . k . A O K . , 1916-1918 stellv. Chef des Glstbs., bedeutender Militärschriftsteller und -theoretiker. Seine Erinnerungen: Menschen und Dinge, wie ich sie in meinem Leben sah, Berlin 1923. 1 3 6 ) Ferdinand v. Kaltenborn (Temesvár, 3 0 . 5 . 1 8 6 6 - 1 9 . 1 0 . 1 9 3 5 , Brünn), 1886 aus der Techn. Milak. als Lt. zu I R . 8 9 , Glstbslaufbahn, 1.5.1904 Mjr. i . G . , 15.10.1905 der MKSM. zugeteilt, 1.5.1911 Obst. i . G . , 18.10.1911 Chef des Direktionsbüros d. Glstbs. bzw. d. Detailabt. d. A O K . , 1.3.1915 G M . , 1.12.1917 Etappengruppenkmdt. bzw. Generalquartiermeister in Belluno, 1.2.1918 F M L . , 1.1.1919 pensioniert. , 3 7 ) Josef R. v. Jakobich (Karlsburg, Siebenbürgen, 8 . 1 2 . 1 8 8 4 - 1 1 . 3 . 1 9 5 2 , Rumänien), 1904 aus Milak. als Lt. zu IR. 2, Glstbslaufbahn, ab 11.2.1916 zum Heeresgruppenkmdo. Ehg. Karl Franz Joseph, 14.12.1916 Glstbsoffz. 96. IBrig., 24.4.1918 zugeteilt der MKSM., 1.5.1918 Mjr. i . G . , 26.8.1918 eingeteilt bei MKSM., Ubertritt in die rumän. Armee, 1920 Obst., um 1931 Brigadegeneral, noch vor 1939 Korpsgeneral und Generalinspektor der Inf., 1 1 . 2 . 1 9 3 8 - 6 . 3 . 1 9 3 9 Min. f. Armeerüstung, 2 7 . 1 . - 2 5 . 9 . 1 9 4 1 Kriegsminister, Juli 1940 Kmdt. 3. Armee, 1941 Kmdt. 4. Armee (Einnahme v. Odessa), 1941-1942 Chef d. Glstbs., 1944 Armeegeneral. , 3 8 ) Fedor Dragoilov (Pancsova, 2 1 . 8 . 1 8 8 1 - 8 . 1 2 . 1 9 6 1 , Florida, Argentinien), 1902 aus der Techn. Milak. als Lt. zu PiBaon 1, Glstbslaufbahn, 1.3.1912 ins Evidenzbüro d. Glstbs., Leiter der Balkangruppe, ab März 1915 Leiter d. Nachrichtenabt. des Mil. Gen. Gouvernements Serbien, 1.5.1916 Mjr. i . G . , 1.8.1918 Obstlt. i . G . , 1.3.1919 pensioniert, 1942 Aufnahme in die kroatische Armee, Oktober 1943 Chef des Kroatischen Glstbs., 15.2.1944 Generalleutnant, 1945 aus britischer Gefangenschaft entkommen.
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Kriegsdienstleistung
des kroatischen Generalstabes wurde. Jakobich, nun Jakobici, trat nach 1918, ohne ein Wort rumänisch zu können, in die rumänische Armee ein, war im Zweiten Weltkrieg nacheinander Chef des rumänischen Generalstabes, Kriegsminister, Armeeführer und Eroberer von Odessa und trat dann infolge von Konflikten mit Marschall Antonescu 139 ) in den Hintergrund. Wir waren besonders gute Freunde. Meiner Mutter war natürlich mein Abgang aus Wien nicht sehr angenehm. Ich schwindelte auch ein wenig, als handle es sich nur um eine vorübergehende Kommandierung. Am 7. Juli machte ich mich auf die Strümpfe und fuhr mit Gottfried, den ich vorsichtshalber in mein Abteil nahm, über Marchegg durch das Waagtal und die Westbeskiden nach Teschen. Ich traf zu Mittag ein. Ein Zimmer im „Braunen Hirschen" war für mich vorbereitet. Um vier Uhr nachmittags eilte ich, mit Dienstriemen und Säbel umgürtet, klopfenden Herzens ins Albrechtsgymnasium, wo der operative Teil des A O K . 1 4 0 ) untergebracht war. Man wies mich zunächst in den Zeichensaal im zweiten Stock. Dort sei das Herz der Operationsabteilung. Ich trat ein und sah auf den Kommissionsbetten in einer Ecke zwei runde Bäuche emporragen. Sie gehörten dem Stellvertreter Metzgers, Oberst Christophori 1 4 1 ), und dem Referenten für Feindlage, Major Buzek 1 4 2 ). Das war ein durchaus beruhigendes Bild. Die beiden Herren, die ich bisher nur vom Sehen aus kannte, begrüßten mich nach altösterreichischer Art freundschaftlich. Bald kam das Jungvolk der Hauptleute, die sich sofort auf die auf verschiedenen Tischen ausgebreiteten Pläne stürzten und in ihrer Abwesenheit eingegangene Situationsmeldungen durchstudierten. Später kam auch Metzger, eine jugendliche, schnittige Gestalt mit einem Zwicker auf der scharfen Nase, wie immer begleitet von seinem Hauptreferenten Oberst Oskar Slameczka 143 ), einem schönen Manne, der mit seiner bekannt scharfen Feder zumal im Bündniskrieg manches Unheil angerichtet hatte, im übrigen aber innerhalb des Operationsbüros ein guter Kamerad war. Metzger teilte mir mit, daß ich zur Führung des Tagebuches und zur Verfassung der Heeresberichte sowie der täglichen Lagemeldungen an den alten Kaiser und die Wiener Zentralstellen berufen sei 144 ). Ich war's zufrieden. 1 3 9 ) J o n Antonescu (Pitesti, 1 5 . 6 . 1 8 8 2 - 1 . 6 . 1 9 4 6 , hingerichtet in Bukarest), General, übernahm mit 5 . 9 . 1 9 4 0 als Staatsführer die Regierung, vollzog mit 2 3 . 1 1 . 1 9 4 0 den Beitritt zum Dreimächtepakt, 2 2 . 6 . 1 9 4 1 Kriegseintritt, 2 3 . 8 . 1 9 4 4 gestürzt. 140) v g l . dazu auch (F. Ossmann), Das Operationsbüro des k . u . k . Generalstabes von 1 8 9 0 - 1 9 1 4 und seine Offiziere, in: Verein „ A l t - N e u s t a d t " - Mitgliederverzeichnis 1963, Wien 1963, 2 2 - 3 9 . 1 4 1 ) Karl Christophori (Biala woda, Galizien, 9 . 2 . 1 8 7 3 - 2 1 . 3 . 1 9 1 9 , Wien, A m Steinhof), 1893 als L t . aus der Milak. zu IR. 20, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 4 als Hauptm. i. G . ins Militärgeographische Institut, 1 . 3 . 1 9 1 0 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1 . 1 1 . 1 9 1 0 Mjr. i . G . u. R-Referent, 1 . 1 1 . 1 9 1 3 Obstlt. i . G . , 7 . 7 . 1 9 1 7 Kmdt. S c h R . 2 , 2 8 . 9 . 1 9 1 8 als geisteskrank mit Wartegebühr beurlaubt. > 4 2 ) Thomas Buzek (Brünn, 15. 7 . 1 8 7 7 - 1 2 . 9 . 1 9 4 4 , Wien), 1898 aus der Milak. als Lt. zu F J B . 2 2 , Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 8 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1 . 5 . 1 9 1 3 Mjr. i . G . , u. Glstbschef 8. I T D . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Operationsabt. d. A O K . , 1 . 5 . 1 9 1 5 Obstlt. i . G . , 1 7 . 4 . 1 9 1 7 Glstbschef Gruppe Ehg. Peter Ferdinand (ab 1 . 5 . 1 9 1 8 V. Korps), Übernahme ins Ö B H . . . . 1 8 . 1 . 1 9 2 4 G M . u. Kmdt. 2. Brig., Stadtkmdt. v. Wien, 1 . 5 . 1 9 2 5 General u. Heeresinspektor, 2 8 . 2 . 1 9 2 6 pensioniert. ' « ) Oskar Slameczka (Brünn, 1 7 . 8 . 1 8 7 4 - 2 4 . 1 0 . 1 9 4 4 , Wien), 1894 als L t . aus der Milak. zu F J B . 2 2 , Glstbslaufbahn, 2 8 . 3 . 1 9 0 7 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1 . 1 1 . 1 9 1 0 Mjr. i . G . , 1 . 1 1 . 1 9 1 3
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Meinen Arbeitsplatz erhielt ich in einem anderen Lehrsaal, in welchem die italienische Gruppe mit drei Offizieren, der Balkanreferent und die zwei Offiziere der Artilleriegruppe saßen. Die im Zeichensaal ansässigen gehörten durchwegs der russischen Gruppe an. (Es gab eine R- und I-Gruppe sowie ein B-Referat.) Um es gleich vorwegzunehmen: ich wurde dank meinem vielen Maschinschreiben meinen Zimmergenossen sehr bald zur Qual, was mir nur angenehm war. Ich übersiedelte bald in ein 1-Fenster-Zimmer ein Stockwerk tiefer und, als ich diesen Raum nach dem Beitritt Italiens in den Krieg an den bulgarischen Militârattaché Oberst Tantilow 1 4 S ) abtreten mußte, in den Lehrsaal für Naturgeschichte, wo ich nunmehr zwischen ausgestopften Tieren und Vögeln und zwischen prachtvollen Mineralien die nächsten anderthalb Jahre meines Daseins verbrachte. Wenn man zu mir kam, kam man an einem Aquarium vorüber, in welchem ein Hecht schwamm, dessen Fütterung zu den bescheidenen Vergnügen unserer „Bonzen" gehörte. Wir nannten ihn Bundeshecht, weil es, wenn es manchmal zwischen Metzger oder Slameczka einerseits und der deutschen Mission andererseits zu Meinungsverschiedenheiten kam, bei der Hechtfütterung zur Wiederherstellung normaler Beziehungen kam. Als ich mich am Tage meiner Ankunft meldete, hieß es, Conrad käme erst später, ich möge ablegen. Ich stand im R-Zimmer herum, als sich plötzlich die Türe öffnete und Conrad mit der Frage, ob es etwas Neues gäbe, unter der Tür erschien. Man flüsterte mir zu, mich, wie ich war, vorzustellen ; ich tat es und wurde mit ein paar liebenswürdigen Worten begrüßt. Was mich allerdings bei ihm wie bei Metzger etwas kränkte, war die auffallende Tatsache, daß mich keiner der beiden um meine Fronterlebnisse fragte. Ich hielt das nicht nur für eine Interesselosigkeit mir persönlich gegenüber, sondern auch aus dem Blick der Kriegführung. Conrad warf einen Blick in die aufgelegte Situationskarte und zog sich dann in sein Büro zurück. Es war das Schulzimmer, über dem „Geographie" geschrieben stand. Ein zweifenstriger Raum mit einem riesigen, nur aus Brettern zusammengesetzten Kartentisch in der Mitte, einem Stehpult zwischen den beiden Fenstern und einem kleinen Schreibtisch in der Ecke, an welchem unverdrossen Conrads Flügeladjutant Oberstleutnant Kundmann saß. Sonst gab es höchstens noch zwei oder drei Stühle — das war die ganze Einrichtung in dem Zimmer des Mannes, in dessen Hand weitgehend die Geschicke eines großen, altehrwürdigen Reiches lagen. Conrad pflegte stets an seinem Pult stehend zu arbeiten. Dort sah ich ihn in der Folge durch viele Monate täglich mindestens einige Minuten - immer dann, wenn ich den Heeres- und den ,,Kaiser"-Bericht im Entwurf vorlegte. Bei Beginn meiner Dienstleistung war Sommer, da stand er in einer Lüsterbluse dort, den Kragen geObstlt. i . G . , 1.9.1915 Obst. i . G . , 2 3 . 6 . 1 9 1 7 Kmdt. I R . 7 3 , 1 . 8 . 1 9 2 0 pensioniert. Vgl. O . Slameczka, FM. Conrad als Stratege, in: RP. v. 3 0 . 8 . 1 9 2 5 , 3f. 1 4 4 ) In den Qualifikationslisten lautet Glaise-Horstenaus Funktionsbezeichnung „Pressereferent" in der Operationsabteilung des A O K . 1 4 s ) Iwan Tantilow (Kalofer, Mittelbulgarien, 2 . 2 . 1 8 7 6 - 1 9 3 9 , Sofia), 1896 Lt. in der bulg Artilleriewaffe, 1906-1910 als Hptm. Frequentant an der ital. Milak. in Turin, 1914 Militârattaché in Wien, 1915-1918 zugleich bulgarischer Militärbevollmächtigter im A O K . , 1917 Obst, nach dem Zusammenbruch 1918 in der Privatwirtschaft.
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Kriegsdienstleistung
öffnet, ein Netzhemd darunter sichtbar und sah einen aufmerksam mit seinen klugen Augen an. Daß die eine Gesichtshälfte unablässig nervösen Zuckungen unterlag, vergaß man gegenüber dem interessierten Blick nur zu bald. Ein großer, weißer Haarschopf ohne jede Verdünnung und ein mächtiger Schnurrbart nach alter Soldatenart getragen, machten es den Künstlern leichter, den Kopf zu meißeln. Das hineinzulegen, was diesen besonders interessant machte, gelang allerdings den wenigsten. Als ich ins A O K . kam, war Conrad schon zwei Monate lang Generaloberst 1 4 6 ) - eine Charge, die im Hinblick auf die deutschen Armeeverhältnisse geschaffen worden war. Aber auf seiner ältesten Bluse wies er unter den drei Silbersternen des Generals der Infanterie noch immer nicht das Silberkränzchen der Generaloberstencharge auf. Er legte auf derlei Äußerlichkeiten nicht viel Wert. Ich könnte ein eigenes Buch über Conrad schreiben und hätte es wohl schon getan, wenn der verfluchte Zweite Weltkrieg nicht gekommen wäre. In vielen Aufsätzen habe ich versucht, der jedenfalls überaus fesselnden Persönlichkeit literarisch Herr zu werden 147 ). Ich glaube, es ist mir am besten 1938 oder 1939 in der „Militärischen Rundschau" Erfurths 1 4 8 ) gelungen oder im Sammelwerk „Große Deutsche 1 4 9 ). Hier möchte ich nur meine persönlichen Erlebnisse streifen. Den Heeresbericht hatte zu Kriegsbeginn der im Hauptquartier anwesende Stellvertreter des Chefs des Generalstabes FML. v. Höfer 1 5 0 ) unterschrieben. Dabei blieb es, als er im Sommer 1915 nach Wien abgeschoben wurde, obgleich Höfer das, was er publizierte, immer erst aus der Zeitung erfuhr. Höfer, übrigens ein sehr kluger und hochgebildeter Offizier, der sich offenbar durch Rücksicht auf sein krankes Herz in eine seiner nicht würdigen Lage hatte hineinmanövrieren lassen, starb im Frühjahr 1917. Nunmehr wurde der Heeresbericht vom „Chef des Generalstabes" unterzeichnet. Soviel ich mich erinnere, habe ich am 10. Juli 1915 den ersten Heeresbericht geschrieben. Vor mir hat ihn Major Schneller verfaßt, ein hochgebildeter Offizier, der sich später auch als Lyriker und Dramatiker 151 ) versucht hat. Ihn trifft auch die 1 4 6 ) Rudolf Kundmann (Wels, 1 7 . 6 . 1 8 6 9 - 4 . 1 0 . 1 9 3 4 , Wien), 1887 als EF. zu IR. 14, 1.8.1889 Berufsoffz. u. Lt. bei IR. 1, Glstbslaufbahn, 1.5.1906 Hptm. i . G . , 20.6.1906 ins Operationsbüro d. Glstbs., 29.8.1910 Flügeladjutant Conrads als Chef d. Glstbs. bzw. als Armeeinspektor, 1.11.1911 Mjr. i . G . , 1.8.1914 Obstlt. i . G . , 13.8.1916 auch Chef d. Detailabtlg. A O K . , 1.11.1916 Obst. i . G . , 20.5.1918 Glstbschef I. Korps (bis Kriegsende), sodann in der Privatwirtschaft tätig. 1 4 7 ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 92, 125, 143, 199, 200, 234, 248. 1 4 β ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 296. 1 4 9 ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 297. 1 5 0 ) Franz R. Höfer v. Feldsturm (Komotau, 9 . 7 . 1 8 6 1 - 2 2 . 1 . 1 9 1 8 , Wien), 1882 aus der Techn. Milak. als Lt. zu F A R . 6 , Glstbslaufbahn, 1900-1904 Operationsbüro d. Glstbs., 1.11.1911 G M . , 17.12.1912 Stellvertreter des Chefs d. Glstbs., 1.1.1915 FML., 11.5.1917 Sektionschef im KM. l s l ) Karl Schneller (Wien, 1 9 . 4 . 1 8 7 8 - 2 4 . 4 . 1 9 4 2 , Wien), 1898 aus der Techn. Milak. als Lt. zu KAR. 8, Glstbslaufbahn, 1.5.1913 Mjr. i . G . , 25.4.1915 ins Operationsbüro d. Glstbs., ab Kriegsbeginn Leiter des Pressedienstes im Operationsbüro, ab Mai 1915 Leiter der I-Gruppe, 1.5.1915 Obstlt. i . G . , 26.4.1917 Kmdt. d. Abschnitts Travenanzes, 6.8.1917 Glstbschef XIV. Korps, Delegierter bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Villa Giusti u. bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, sodann Leiter der Sektion 2/Staatsamt f. Heerwesen, ab 29.2.1924 Leiter der Sektion I, 1.5.1925 GM., 28.2.1926 pensioniert. Seine gedruckten Dichtungen: Gedichte, Leipzig 1920; Neue Gedichte, Leipzig
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Verantwortung für verschiedene Verschleierungen, die - gut gemeint - in den Heeresberichten der ersten Kriegszeit vorkamen: der schon zitierte Lemberger Passus. Der Ausdruck „Umgruppierung" als Tarnung für Rückzüge et cetera 1S2 ). Schneller war zugleich Chef der I-Gruppe und nahm als solcher durch seine suggestive Art ganz wesentlichen Einfluß auf die Entschlüsse Conrads, unvergleichlich mehr als alle anderen. Am Schluß des Krieges war er Generalstabschef beim XIV. Korps, nachher wurde er leitender Offizier im österreichischen Heeresministerium und als Intimus von Körner Sozialdemokrat, als welcher er den Sommer 1934 im KZ-Lager Wollersdorf verbrachte. Er starb während des zweiten Krieges, stets ein national gesinnter Mann. Was mich bisher an den Heeresberichten zur Kritik herausforderte, war die Tatsache, daß kein einziges Mal ein deutschösterreichisches Regiment genannt worden ist. Der Zufall wollte es, daß an dem Tage, da ich das erste Kommuniqué verfaßte, sich das Kärntner IR. 7 am Dnjestr auszeichnete. Natürlich wurde es im Bericht rühmend genannt. Bald gelang es mir auch, die 59er und 14er anzuführen. Mit Freuden machte ich gleich bei der ersten Vorlage meines Entwurfes die Bemerkung, daß Metzger ein sehr guter und grammatikalisch bewußter Stilist war. Im übrigen war dieser schlichte, stille Mann der angenehmste Vorgesetzte, der sich denken läßt, gütig, nachsichtig, immer gleich liebenswürdig, auch wenn schwere Erlebnisse, deren es auf seinem Posten viele gab, seiner Laune zuzusetzen trachteten. Wir wurden Freunde. Noch zwanzig Stunden vor seinem unerwarteten Tode sagte er mir auf dem Wege vom Kriegsarchiv zum Westbahnhof: „Weißt Du, öfter sage ich mir, ich sei gegenüber Conrad zu nachgiebig gewesen und hätte mich mehr durchsetzen müssen." Er hatte mit dieser Selbsterkenntnis vollkommen recht. Denn er war hochbegabt und stand mit beiden Füßen auf der gewachsenen Erde vielleicht mehr als sein Chef. Conrad unterlag eher Augenblicksstimmungen im Verkehr mit anderen Menschen; aber persönlich ließ er einem Mißgeschick und Mangel an Schlachtenglück nie empfinden. Er war immer gleich gütig und auch gegen den jüngsten Offizier seiner Operationsabteilung gleich mitteilsam, ja in Zeiten des Ärgers und der Enttäuschung noch mehr als in den ihm bitter vorgezählten Tagen des Erfolgs. Scharfe Ausdrücke fielen mir gegenüber oft über seinen deutschen Kollegen Falkenhayn 1 5 3 ), der ihm ja wirklich das Leben sauer machte. „Wenn ich nur einmal von 1922, Gedichte und Gestalten, Leipzig 1925. Im ewigen Strom, Wien-Leipzig 1936. Gefangenschaft. Ein Buch Sonette, Wien-München-Zürich 1978. Vgl. L. Jedlicka, Der Kriegsbeginn und die ersten Ereignisse an der Südwestfront 1915 in den Tagebüchern des Generals Karl Schneller, in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, Wien-Köln-Graz 1974, 4 5 4 - 4 6 8 . ders., Saint Germain 1919, in: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 113. Jg. 1976, 149-181. ' « ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 113. ' " ) Erich Georg v. Falkenhayn (Burg Belchau, 1 1 . 9 . 1 8 6 1 - 8 . 4 . 1 9 2 2 , Schloß Lindstedt bei Belchau), ab 8. 7.1913 als Genlt. preußischer Kriegsminister, 14.9.1914 Chef d. Glstbs. des Feldheeres, 2 0 . 1 . 1 9 1 5 Gen. d. Inf., 2 9 . 8 . 1 9 1 6 abberufen, 16.9.1916 Oberbefehlshaber d. 9. Armee (Feldzug gegen Rumänien), 9 . 7 . 1 9 1 7 Oberbefehlshaber d. Heeresgrp. F in der Türkei. Seine Erinnerungen: E. v. Falkenhayn, Die Oberste Heeresleitung 1914-1916 in ihren wichtigsten Entschließungen, Berlin 1920. Vgl.: K. H . Janßen, Der Kanzler und der General. Die Führungskrise um Bethmann Hollweg und Falken-
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diesem Kerl nichts mehr wüßte !", rief er mir einmal zu, und das einzige Mal, wo er mir stilistisch etwas ausstellte, war deshalb, weil ich im Heeresbericht für die Taten unserer Truppen nicht so drastische Worte wählte, wie der Kamerad der deutschen Operationsabteilung, dem die Verfassung der Heeresberichte oblag. Nebenbei bemerkt: je enger österreichische und deutsche Truppen zusammen kämpften, umso sorgsamer mußten die beiderlei Berichte aufeinander abgestimmt sein. Es war das bei der Robustheit der deutschen Berichterstattung nicht immer ganz leicht. Zu den Kameraden, mit denen ich bei der deutschen Heeresleitung zusammenzuarbeiten hatte, gedenke ich Harbous 1 S 4 ), den ich 1941 im Brüsseler Hauptquartier Falkenhausens 1 5 5 ) wiedersah und der später durch Selbstmord endete, Wevers 1 5 6 ), der als aussichtsreicher erster Generalstabschef der neuerstandenen deutschen Fliegerwaffe abstürzte, Ilsemanns 157 ), der lange Zeit dem Kaiser ins Exil gefolgt war. Nach der Unterschrift Metzgers und Conrads war noch die Paraphe des Armee-Oberkommandanten Erzherzog Friedrichs einzuholen. Ein roter Strich bezeichnete im Konzept die Stelle, wo er seinen Namenszug hinzusetzen hatte. Für den täglich gleichfalls mit Fernschreiber weitergegebenen ,,Kaiser"-Bericht galt als Grundsatz, daß er nur bereits Vollzogenes, nicht aber Pläne oder Entschlüsse enthalten dürfe. Was die letzteren anlangt, so war deren Mitteilung den fallweisen Vorträgen Conrads beim alten Kaiser vorbehalten. Solange es gut ging, ließ sich Franz Joseph diesen Modus gefallen. Als aber im Herbst 1915 und dann wieder im Sommer 1916 an der Ostfront schwere Rückschläge eintraten, wurde der alte Herr ungeduldig, und Baron Bolfras, der feinsinnige Chef der Militärkanzlei, hielt mit seiner Klage nicht zurück. Conrad ging wohl für kurze Zeit von seiner Verschlossenheit ab, wurde dann aber alsbald wieder rückfällig. Ganz bösartig zuhayn (1914-1916), Göttingen 1967; H. Ferenczy, Der Briefwechsel Conrads mit Falkenhayn (Seminararbeit für neuere Geschichte, Sommersemester 1967), Maschinschrift, Wien 1967. 1 5 4 ) Bodo V. Harbou (Stollhamm, 1 2 . 1 2 . 1 8 8 0 - ? ) , 1899 Lt. I R . 9 1 , 1909 Obit., kommandiert zur Kriegsakademie, später im Großen Glstb., 1.10.1913 Hptm. i. Großen Glstb., 1.8.1914 im Stabe des Glstbs. d. Feldheeres, 6 . 3 . - 2 8 . 4 . 1 9 1 6 Bataillonsführer bei IR.91 u. 29.4.1916 im Stabe des Chefs d. Glstbs. des Feldheeres (mit politischen u. Propagandafragen befaßt), 22.3.1918 Mjr., nach dem Weltkrieg Kaufmann bei Reichsstickstoffsyndikat. 1 5 5 ) Alexander v. Falkenhausen (Blumenthal/Neiß, 2 9 . 1 0 . 1 8 7 8 - ? ) , 1897 Eintritt als Kadett in die preuß. Armee, Übernahme in die Reichswehr, 1.4.1928 G M . , 31.3.1930 verabschiedet, 1934-1939 Militärinstrukteur in China, 1.9.1939 stellvertretender Kommandeur IV. Armeekorps, 1.9.1940 GdL, 2 0 . 5 . 1 9 4 0 - 1 4 . 7 . 1 9 4 4 Militärbefehlshaber Belgien-Nordfrankreich, zugleich Militärbefehlshaber Holland, 20.7.1944 Mobbestimmung aufgehoben. 1 5 6 ) Walter Wever (Posen, 1 1 . 1 1 . 1 8 8 7 - 3 . 6 . 1 9 3 6 , Flugzeugabsturz bei Dresden), 1905 Eintritt in die Armee, 1917 ins Große Hauptquartier, beteiligt am Konzept der elastischen Verteidigung, 1932 Oberst, Leiter der Ausbildungsabt. des Truppenamtes, 1934 Chef des Führungsamtes des Luftfahrtministeriums, GM. d. Dt. Luftwaffe. ' " ) Sigurd V. Ilsemann (Lüneburg, 1 9 . 2 . 1 8 8 4 - ? ) , 1904 Lt. Leib-IR. 115, 1913 Oblt., 27.1.1915 Hptm., sodann im Stab der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, weiters in Opabt. d. O H L . , 1917 als Verbindungsmann des Großen Generalstabes in das Kaiserliche Hauptquartier, 1. 8.1918 kaiserl. Flügeladjutant. Ilsemann begleitete Wilhelm II. ins Exil und blieb bei ihm bis zu dessen Tod. Seine Tagebuchaufzeichnungen wurden herausgegeben: Der Kaiser in Holland. Aufzeichnungen des letzten Flügeladjutanten Kaiser Wilhelms II. aus Amerongen und D o o m 1918-1923, München 1967; Aufzeichnungen aus den Jahren 1924 bis 1941. Monarchie und Nationalsozialismus, München 1968.
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rückhaltend war er in der Sphäre der Zentralstellen, gegenüber dem Außenminister, dem Kriegsminister, den beiden Ministerpräsidenten (Österreich und Ungarn). Sie erhielten, streng genommen, bloß eine Paraphrase des für die Öffentlichkeit bestimmten Heeresberichtes und waren darob, wie über vieles, was ihnen das A O K . antat, sehr böse. Ich versuchte bei Gelegenheit, wenigstens gegenüber dem Kriegsminister den Bann brechen zu lassen. Aber dieser antwortete - es war im Sommer 1916 - gekränkt, er habe bisher ohne nähere Orientierung leben können und werde es auch weiter tun. Natürlich eröffneten sich alle diese Stellen Winkel-Nachrichtenbörsen, durch die sie nicht immer gut, aber gewiß in einer dem Ansehen des A O K . abträglichen Weise bedient wurden. Für sehr schädlich hielt ich es, daß die Außenpolitik und die Heeresleitung so gar nicht zusammenarbeiteten. Ich schloß daher mit dem stellvertretenden Beauftragten des Außenministeriums, dem Sektionsrat Friedrich R. v. Wiesner 1 5 8 ), einen Privatvertrag. Wir übten gegeneinander Nachrichtenaustausch und konnten so unsere Dienststellen gut bedienen. Bei meiner politischen Besessenheit war mir diese Nachrichtengewinnung besonders angenehm. Mehr profitierte vielleicht Wiesner, der als einzig Informierter in miliaribus seinen Ministern bald unentbehrlich wurde und zumal unter Czernin in einen überaus einflußreichen Posten hineinwuchs. Meine unmittelbaren Vorgesetzten, die Wiesner - auch wegen seiner jüdischen Abstammung und vielleicht aus einem überkompensierten Minderwertigkeitsgefühl stets sehr schlecht behandelt hatten, machten über meine freundschaftlichen Beziehungen zu dem Vielgeschmähten ihre Späße. Wiesner und ich wurden Freunde. Er trat nach dem Umsturz in ziemlich nahe Beziehungen zu Seipel und später an die Spitze der legitimistischen Bewegung. Die Kämpfe nach 1933 brachten uns auseinander. Ein Versuch, trotz verschiedener Presseangriffe Wiesners gegen mich, das alte Verhältnis zu leimen, scheiterte im ersten Anlauf. Sehr bald trat ich auch zum Deutschen bevollmächtigten General August v. Cramon 1 5 9 ) und zu seinen Herren in nähere Beziehungen. Ich war tief durch1 5 β ) Friedrich R. v. Wiesner (Mariabrunn bei Wien, 2 7 . 1 0 . 1 8 7 1 - 5 . 1 1 . 1 9 5 1 , Wien), Dr. iur., Richter in Baden und Wien, seit 1911 Ministerialsekretär im Min. d. Äußeren, 30.12.1913 Sektionsrat, 3 . 8 . 1 9 1 4 dem Vertreter des Ministeriums des Äußeren beim A O K . zugeteilt (28.12.1912 Oblt. i . d . Evidenz d. k . k . Landwehr), 2 9 . 1 . 1 9 1 7 Vertreter des Ministeriums des Äußeren, 18.2.1917 Pressechef des Ministeriums des Äußeren, 2 2 . 5 . 1 9 1 7 Hof- und Ministerialrat, 1918 ao. Gesandter und bevollmächtigter Minister, ab Mitte der zwanziger Jahre Führer der legitimistischen Bewegung in Österreich. Zahlreiche Artikel zu Fragen des 1. Weltkrieges, zum Teil in Form von Erinnerungen, vor allem in den Berliner Monatsheften, N W J . , u. Der Österreicher, zunächst auch in der „österreichischen Wehrzeitung". Besonders wichtig: F. Wiesner, „Der Weg zur Katastrophe", in: österreichische Rundschau, Bd. LX/1919, 97-111, 145-156, 1 9 3 - 2 0 5 , 2 5 6 - 2 6 6 ; ders., Aehrenthals Politik und der Weltkrieg, in: Ö W Z . , 10.1.1920, 4 - 6 ; 17.1.1920, 1 - 3 ; 24.1.1920, 4 - 5 ; 3 1 . 1 . 1 9 2 0 , 2 - 4 ; 13.3.1920, 1 - 3 ; 2 7 . 3 . 1 9 2 0 , 2 - 3 ; 3 . 4 . 1 9 2 0 , 1 - 3 ; 10.4.1920, 2 - 4 ; 30.4.1920, 4 - 6 . 1 S 9 ) August R. v. Cramon (Pawlau, Schlesien, 7 . 4 . 1 8 6 1 - 1 9 . 1 0 . 1 9 4 0 , Quaritz), um 1882 Eintritt in die preuß. Armee, 13.2.1883 Lt., 1.10.1912 Obstlt., Juni 1 9 1 4 - 2 3 . 1 0 . 1 9 1 4 Glstbschef VIII. Korps (Koblenz), 23.10.1914 Kdr. 3. Kav. Brig. (Kmdo. nicht angetreten), 2 7 . 1 . 1 9 1 5 - Kriegsende Bevollmächtigter deutscher General beim A O K . , zuletzt als Genlt., Nov. 1918 - Juli 1919 bevollmächtigter General der dt. Botschaft in Wien, 1919 - Nov. 1921 Vorsitzender der dt. Hauptverbindungsstelle für die Interalliierten Uberwachungsausschüsse. Erinnerungswerke: Unser Österreich-ungarischer Bundes-
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drungen von der Bewunderung für die Leistungen Deutschlands und auch von der Bedeutung reibungsloser Zusammenarbeit auf politischem und militärischem Gebiet. Cramon hat seine Erlebnisse nach dem Kriege in seinem Buche „Unser österreichisch-ungarischer Bundesgenosse im Weltkrieg" niedergeschrieben. Ich enthülle ein Geheimnis - das Buch ist zur Hälfte vom engsten Mitarbeiter Cramons im österreichischen A O K . , vom Generalstabsoberstleuntnant Paul Fleck 1 6 0 ), geschrieben, zur anderen Hälfte, darunter vor allem 1918, von mir. Cramon hat ungeschickterweise in meinen Text einige mir fernliegende bösartige Bemerkungen über Kaiser Karl und seine Familie hineingeschrieben. Und auch der allerletzte Satz, der sich wie ein Felssturz liest, ist entweder von ihm oder Fleck 1 6 1 ). Als mich Cramon im Jahre 1936 - ich war schon Minister - in Wien besuchte, da meinte er, schon unter den Erfahrungen des Dritten Reiches, das er ablehnte wie die Pest: „Ich habe dem Kaiser Karl unrecht getan, er war doch ein sehr edler Fürst, der das Beste gewollt hat." Ich hätte diese Worte gerne bei einer Grabrede wiederholt, die mir beim Tode Cramons 1940 in Berlin aufgetragen war. Als reichsdeutscher Redner hätte G O . Beck 1 6 2 ) auftreten sollen. Ihm wurde es untersagt. Meine Rede wurde - etwas aus der Art fallend - in einem Gedächtnisbild rezitiert 1 6 3 ). Cramon war durch und durch Preuße, hat aber vielerlei Verständnis für Österreich aufgebracht und besaß sowohl das Vertrauen Conrads wie das seines Nachfolgers Arz in so hohem Maße, daß sie sich beim Verkehr mit dem deutschen Hauptquartier nicht ihres Bevollmächtigten, des GM. Klepsch-Kloth v. Roden 1 6 4 ), sondern ausschließlich Cramons bedienten 165 ). Bei dem Einfluß, den ich auf Cramon gewann, war es mir natürlich möglich, manches im Interesse der Bündnisgenosse im Weltkriege, Berlin 1920; (mit P. Fleck), Deutschlands Schicksalsbund mit Österreich-Ungarn. Von Conrad von Hötzendorf zu Kaiser Karl, Berlin 1932. Cramons Schriftennachlaß erliegt im deutschen Bundesarchiv-Militärarchiv. Vgl. Werkverzeichnis Nr. 228. 1 6 0 ) Paul Ernst Fleck (Könitz, Westpreußen, 9 . 2 . 1 8 7 5 - ? ) , 1893 Eintritt ins IR. 71, 1894 Lt., Glstbslaufbahn, 1907-1910 zur Dienstleistung beim Großen Glstb. kommandiert, 25.3.1909 Hptm., 1.10.1913 zu IR. 99, 24.3.1915 Mjr., im Weltkrieg beim Stab des Chefs d. Glstbs. d. Feldheeres, 1926 Obstlt. a . D . 1 6 1 ) Gemeint ist wahrscheinlich der letzte Satz im vorletzten Absatz, S.201: ,,. . . bei Kaiser Karl und seinen willensschwachen Ratgebern klaffte zwischen Wunsch und Tat, zwischen innerer Treulosigkeit und offenem Verrat ein Abgrund, den sie, an ihrem eigenen Mut zweifelnd, nicht zu überwinden wagten. Als die Not ringsum ihnen diesen Mut vorübergehend lieh, war der erhoffte Vorteil verpaßt, und es blieb nur noch der Treuebruch." Vgl. jedoch auch Glaise-Horstenaus Rezension (sie !) dieses Buches (Werkverzeichnis Nr. 62), in welchem er ebenfalls einzelne Passagen kritisiert. 1 6 2 ) Ludwig Beck (Biebrich am Rhein, 2 9 . 6 . 1 8 8 0 - 2 0 . 7 . 1 9 4 4 , Berlin), 1898 Eintritt in die preuß. Armee, 1.10.1933 Chef des Truppenamtes des Heeres, 1.7.1935 Chef des Glstbs. d. Heeres, 21. 8.1938 Rücktritt, an der Offiziersverschwörung gegen Adolf Hitler führend beteiligt. 1 6 3 ) In den Nachlässen Cramon bzw. Glaise-Horstenau nicht vorhanden. 1 6 4 ) Alois Frh. Klepsch-Kloth v. Roden (Brünn, 2 4 . 9 . 1 8 6 3 - 2 4 . 3 . 1 9 5 7 , Wien), 1881 als Dragoner zu D R . 3, 1.11.1884 Lt., Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 2 - 1 . 1 1 . 1 9 0 8 Militarattaché in Berlin, 29.11.1909 Kmdt. H R . 10, 1.11.1910 Obst., 1.8.1914 Kmdt. 21. KBrig., 13.8.1914 schwer verwundet, 14.11. 1914 G M . , nach Wiederherstellung 17.5.1915 - Kriegsende k. u.k.-Delegierter im Deutschen Großen Hauptquartier, 12.11.1916 Freiherrnstand, 1.11.1917 F M L . , 1.1.1919 pensioniert. Vgl. P.Broucek, Chef des Generalstabes und Oberster Kriegsherr. Aus den Erinnerungen des Feldmarschalleutnants Alois Klepsch-Kloth v. Roden, in MÖSTA., Bd. 27/1974, 3 8 5 - 4 0 1 .
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kriegführung, aber auch zum Verständnis der schwierigen österreichischen Verhältnisse zu erreichen. Mit Paul Fleck, einem gleichfalls klugen Menschen, der sich im österreichischen Kameradenkreise eine ausgezeichnete Position zu schaffen wußte, verband mich gleichfalls Freundschaft fürs Leben. Ich habe ihn noch in meiner Berliner Zeit öfter besucht. Auch er sah klar und lehnte tief erschüttert die Fehlgriffe des Regimes ab. Er ist seither einem Herzleiden erlegen. Der dritte unter den deutschen Freunden war der Schlesier Rittmeister v. Wallenberg-Pachaly 166 ), Regiment Großer Kurfürst, der bei Paraden mit seinem Helm wie Lohengrin aussah. Seine Einteilung in Teschen folgte bald nach meiner Ankunft an Stelle des Rittmeisters Grafen Dürckheim 1 6 7 ). Auch der deutsche Militärattaché Graf Kageneck 168 ), dessen Gemahlin eine Schorlemer 169 ) war, war ein höchst angenehmer Mann, dem man gut sein mußte, wenn er in der Früh ins RZimmer kam und schwäbisch fragte: „Was fürs H e r z ? " Unser Artilleriereferent, der ausgezeichnete Oberstleutnant Pflug 170 ), pflegte oft auf einen anderen Körperteil zur Antwort zu zeigen. Kageneck knickte zusammen. Er war übrigens ein strenger Katholik und ging fleißig in die Messe. Die deutsche Militärmission hatte ihre Büros zu ebener Erde dem Parke zugewendet, in welchem 1779 der Teschener Friede 171 ) geschlossen wurde. Manche Teschnerin riskierte beim Vorübergehen einen Blick zu den deutschen Fenstern hinauf. Der deutschen Mission gesellte sich, wie schon bemerkt, im August 1915 der Bulgare Tantilow bei, der lustigerweise zu sagen pflegte: „Wenn meine Landsleute sehen, daß ich in meinem Koffer eine Zahnbürste mitführe, werden sie mich für eine Kokotte halten." Er hatte etwas rustikale Manieren, war aber ein sehr kluger Kopf und ein braver Kerl, der zur Fahne der Verbündeten hielt. Als im Sommer 1918 die Berufung Malinows zum Ministerpräsidenten in Sofia erfolgte, die ein Ausspringen Bulgariens anzeigte, schüttelte er traurig den Kopf: „Nicht gut!" So 165 ) Vgl. P. Broucek, Der k. u. k. Delegierte im Deutschen Großen Hauptquartier Generalmajor Alois Klepsch-Kloth v. Roden und seine Berichterstattung 1915/16, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Bd. 1/1974, 109-126. 166 ) Wahrscheinlich Robert Karl Gideon v. Wallenberg-Pachaly (Schmolz, 11.12.1879-?), 1904 Lt. Kürassier-Rgt. 1, 1913 Oblt., 24.12.1914 Rtm., im Weltkrieg im Stab des Chefs des Glstbs. des Feldheeres, später Mjr. a. D. 167 ) Ferdinand Albert Grf. Eckbrecht v. Dürckheim-Montmartin (Fröschweiler, 20.1.1854 bis 1.9.1935, Straßburg, Elsaß), Großherzoglich badischer Kammerherr, Rtm. a.D. 16e ) Karl Marquard Viktor Grf. Kageneck (Munzingen, 10.5.1871-?), 18.1.1891 Lt., 1908 Mjr., 27.1.1914 Obstlt., Flügeladjutant und Militärattache in Wien, 18.8.1916 Obst., Kommandeur 28. KB rig., GM. a . D . , 169 ) Maria, geb. Freiin v. Schorlemer (Neuß, 1.9.1888-28.9.1959, Kenzingen, Baden). 17 °) Ottokar Pflug (Wien, 21.6.1873-12.6.1945, Wien), 1895 aus der Techn. Milak. als Lt. zu KAR.2, Glstbslaufbahn, 1.11.1908 ins Operationsbüro d. Glstbs. als Leiter der Artilleriegruppe, 1.11.1911 Mjr. i.G., 1.8.1914 Obstlt. i . G . , 1.11.1916 Obst. i . G . , 1.9.1920 pensioniert, 22.12.1921 Titular-GM., 1.2.1935 Vertragsbediensteter im BM. f. Lv., 9.2.1938 Titular-FML. 171 ) Der Friede von Teschen, am 13.5.1779 zwischen Österreich und Preußen geschlossen, beendete den Bayerischen Erbfolgekrieg.
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kurz und treffend waren seine Urteile. Nach dem Ersten Weltkrieg, Ende der zwanziger Jahre, erschien Tantilow plötzlich als erster Gesandtschaftsrat der bulgarischen Gesandtschaft in Wien. Er kam an jedem 30. des Monates zu mir, rauchte mir mein Büro entsetzlich an und ließ sich seinen Monatsbericht bis zum letzten I-Punkt eindiktieren. Plötzlich verschwand er ohne Abschied wie das Mädchen aus der Fremde. Noch einmal kam er, als ich schon Minister war. Ich gab ihm bei Schöner 172 ) ein nettes Frühstück. Er war Tabakhändler geworden. Bald nachher starb er in seiner Heimat. Wie die Orientierung Tantilows, so wurde mir auch die des bald nachher auftauchenden türkischen Bevollmächtigten Pertew-Pascha 173 ) übertragen. Es war ein feiner Mann, in der preußischen Garde und der Berliner Kriegsakademie erzogen. Ich lernte in langen Gesprächen viel von ihm, hoffentlich auch er von mir etwas. Schöne Kommandeurkreuze, die im Winter 1917/18 den jungen Major schmückten, waren das sichtbare Zeichen von Pertews und Tantilows Dankbarkeit. Das Tagebuch-Schreiben ließ ich leider bald bleiben. Im Dienstreglement, diesem gescheitesten Buche nach der Bibel, stand ausdrücklich, ins Tagebuch eines Kommandos sei nur das hineinzunehmen, was nicht ohnehin in den Akten steht. Ich ging zu Metzger, ihn daran zu erinnern, weil mein Vorgänger nur Auszüge aus den Akten niedergeschrieben hatte. Er gab mir recht und meinte, ich soll es bei Kundmann, dem Adjutanten Conrads, versuchen, mit meinem Wunsche durchzudringen. Der Zweifel in der Stimme Metzgers war berechtigt. Kundmann schrieb nämlich selbst - zuerst mit der Absicht, es einmal publizistisch zu verwerten, nachher immer schleuderhafter und lückenhafter - dieses Tagebuch seines Chefs 174 ). Er war aber für meinen Vorschlag nicht zu haben, denn er wollte nicht, daß sich jemand anderer in das Vertrauen Conrads dränge. So ließ ich denn die ganze Tagebuchschreiberei liegen. Nach dem Kriege sagte Conrad einmal vorwurfsvoll: „Warum hast Du nicht mir Deinen Vorschlag vorgebracht ?" Wie wäre das ohne Kundmann möglich gewesen ! Irgendwie fielen später aber doch Brosamen aus Conrads Erlebnissen für mich unter den Tisch. Conrad diktierte nämlich Kundmann von allen wichtigen Besprechungen, die er mit dem Kaiser, den Ministern, dem Bundesgenossen hatte, ein stenographisches Protokoll ein. Geübt von Jugend auf, erwies ich mich als Meister auch im Entziffern von Kundmanns Stenographie. Mir wurde daher die Auszeichnung, diese jedesmal in die Schreibmaschine zu überschreiben, wobei ich heimlich einen Durchschlag mitgehen ließ. Ich hatte am Schluß eine ganze Kiste von diesen einzigartigen Akten. Sie ging leider beim Zusammenbruch auf dem Transport von Baden nach Wien verloren. Ihr Inhalt erblickte nie mehr das Licht der Welt. 175 )
m
) Restaurant Schöner, 7. Bezirk, Siebensterngasse 19. ) Pertew-Pascha, Bevollmächtigter des türkischen Heeres beim A O K . 174 ) Sie sind im KA. nur für einige Zeitabschnitte im Original vorhanden und die vorhandenen Bücher sind nur in stark gekürzter Form aus der Kurzschrift übertragen worden (sign. B/15). 173
175 ) Vgl. die - unvollständigen - Originale und die maschinschriftl. Abschrift in KA., Nachlaßsammig., sign. B/15.
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In meine publizistische Tätigkeit fügte sich schon in den ersten Monaten meiner Zugehörigkeit zum A O K . ganz von selbst, daß mir Metzger auch das Referat über das Kriegspressequartier 176 ) übertrug. Das Kriegspressequartier bestand aus allen möglichen und unmöglichen Journalisten - Kriegsberichterstattern - aller Religionen und Rassen, darunter hochgebildete Leute, aber auch halbe Analphabeten, wie es eben der Beruf mit sich brachte. Dazu kamen zahlreiche Zeichner und Maler, darunter solche wie Adams 1 7 7 ), Schattenstein 178 ), Hollitzer und andere, die alle froh waren, ihr Ubermaß an latentem Heldentum in einem so angenehmen Milieu wie ihrem Ansitz Mährisch-Ostrau - eine Autostunde von Teschen - abzureagieren, es sei denn, daß sie die Pflicht zur Berufsausübung vorübergehend an die Front rief. Besonders muß ich noch den bedeutenden Maler und Radierer Hesshaimer 179 ) hervorheben, der mir ein prachtvolles Exlibris gezeichnet hat. Hoen war ihr väterlicher Kommandant. Bei Conrad und seinem Stabe waren sie alles eher denn beliebt. Wie ja überhaupt die Presse als äußerst lästiges Impediment betrachtet wurde, das man am liebsten verboten hätte. Zumal die Ostrauer Morgen-Zeitung, das einzige Blatt, das in Teschen wirklich gelesen wurde, war das Sorgenkind aller, die mit Presse zu tun hatten, daher auch meines. Die Kriegsberichterstatter waren natürlich besonders nachrichtenhungrig, und wenn man ihnen nichts gab, dann kauten sie den offiziellen Heeresbericht in der entsetzlichsten Weise wieder. Ich bemühte mich, Hoen, der für seine Person mit seinem Adjutanten Lustig-Prean 180 ) in Te1 7 6 ) Das Kriegspressequartier, das dem A O K . unterstand, war zunächst als Sammelstelle für die bei der Armee angemeldeten Kriegsberichterstatter gedacht. Es umfaßte aber bald auch den Pressedienst des A O K . und Zensurwesen bei der Armee im Felde. Vgl. K. Mayer, Die Organisation des Kriegspressequartiers beim k . u . k . A O K . im ersten Weltkrieg 1914-1918, W r . Diss. 1963; H . Schmölzer, Die Propaganda des Kriegspressequartiers im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Wr. Diss. 1965; M . Hoen, Kritische Tage im Kriegspressequartier, in: N W J . , 1 . 1 . 1 9 3 3 , 3 ; sowie die Erinnerungswerke von Strobl (siehe diesen) und K. Lustig-Prean (siehe diesen). 1 7 7 ) John Quincy Adams (?, 2 1 . 1 2 . 1 8 4 7 - 1 5 . 3 . 1 9 3 3 , Wien), Schüler v. L'Allemand und Eisenmenger in Wien, studierte auch in München und Paris, schuf Porträts ( z . B . Kaiser Karl), Landschaften, Stilleben. 1 7 e ) Nicolaus Schattenstein (Pomjemon bei Kowno, 1 0 . 8 . 1 8 7 7 - ? ) , studierte in Wien und Rom, Porträtierte Conrad u. Trotzkij, 2 8 . 1 0 . 1 9 1 5 - 2 1 . 3 . 1 9 1 7 im KPQ. als Kriegsmaler, sodann bei SchR.2 als EF.-Landsturm-Infanterist. 1 7 9 ) Ludwig Hesshaimer (Kronstadt, Siebenbürgen, 1 0 . 3 . 1 8 7 2 - 1 0 . 1 . 1 9 5 6 , Brasilien), 1889 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Budapest zu IR. 32, 1.5.1893 Lt. IR. 36, meist Lehrer an versch. Militärerziehungsanstalten, 2 0 . 2 . 1 9 1 5 Kunstgruppenführer beim Heeresgrpkmdo. FM. Ehg. Eugen b z w . FM. Conrad, 2 4 . 4 . 1 9 1 7 transferiert ins KM., 1917 pensioniert. Briefmarkenstecher, Maler, Radierer. Seine Erinnerungen im K A . , Nachlaßsammlung, sign. B/765, nr. 1; nur in kurzen Auszügen gedruckt in Wr. Ztg. V. 8 . 7 . 1 9 7 5 , 1 8 ; 1 1 . 7 . 1 9 7 5 , 1 8 ; 18.7.1975,18. Vgl. auch L. Hesshaimer, Österreichs Offiziere in Kunst und Literatur, in M W M . , J g . 60/1929, 95-113. 1 8 °) Karl Lustig-Prean v. Preansfeld (Prachatitz, 2 0 . 1 . 1 8 9 2 - 2 2 . 1 0 . 1 9 6 5 , Wien), 7 . 6 . 1 9 1 2 als EF. zu IR. 99, 1.1.1914 Kadett i . d . Res., 28.7.1914 Referent in Presse- und Allgemeinen Angel, des Kmdos. des KPQ., 1.5.1915 Lt. i . d . Res., 5 . 6 . 1 9 1 5 Presseoffz. in d. Schweiz, 16.9.1915 Pressereferent der Nachrichtenabt. d. A O K . , 1.1.1916 Führer einer Berichterstattergruppe in Südtirol, 1.3.1916 Adjutant des Kmdt. d. KPQ. bis Kriegsende, sodann Redakteur und Theaterdirektor in Wien, Bozen, Graz etc., 1934/35 Direktor und Regisseur der Wiener Volksoper, 1938-1946 emigriert nach Brasilien, ab 1946 Direktor der Musiklehranstalten der Gemeinde Wien. Seine Erinnerungen: Aus den Geheimnissen des KPQ., in: N W J . v. 2 1 . 4 . 1 9 2 0 , 4 ; 2 4 . 4 . , 4 ; 2 8 . 4 . , 4 ; 3 0 . 4 . , 3 f . ; 1 . 5 . , 3 ; 5 . 5 . , 3 f . ; 7 . 5 . , 4 . Als politischer
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sehen residierte, manchmal eine Rosine zukommen zu lassen. Dieses Streben wurde allgemein anerkannt. Hugo Schulz 181 ), Redakteur der Arbeiter-Zeitung, der beste unter den Journalisten, hat mir später wiederholt versichert, man habe sofort nach meiner Berufung den neuen Wind gefühlt. Als später unter Kaiser Karl das A O K . nach Baden übersiedelte, wurde das KPQu. (Kriegspressequartier) nach Rodaun bei Wien verlegt. Eisner-Bubna, Hoens Nachfolger, machte trotz meines Gegendrucks aus dem KPQu. ein ganzes Ministerium. Karl Hans Strobl 1 8 2 ) hat über die Einrichtung ein nicht sehr gütiges und etwas undankbares Buch geschrieben. Interessanterweise überlebte das KPQu. den Krieg zwanzig Jahre lang als der seltsamste Traditions verein, den es je gegeben hatte. Es kam unter Hoen und mir immer wieder zusammen, wobei sich Menschen der unmöglichsten politischen, weltanschaulichen und kulturellen Richtungen zusammenfanden. Mehr als ein Erinnerungsfest wurde dabei begangen. Die letzte Zusammenkunft fand zum 70. Geburtstag Hoens knapp vor dem Anschluß statt 183 ). Ich hielt die Festrede, in der ich es als besonderen Beweis wirklicher Kultur feierte, daß sich Menschen der verschiedensten Färbungen in Freundschaft zusammenzufinden vermögen, und in welcher ich für gegenseitiges Verstehen und Erkennen eintrat. Besonders die anwesenden Juden waren erstaunt und gerührt. Hoen machte mir in seinen Dankesworten das Kompliment, ich sei einer der klügsten Menschen, die ihm begegnet seien - das erste Mal, daß er dergleichen sagte - und würde mich aus der überaus schweren Lage, in der ich mich befände, glücklich herausmanövrieren. Er hat sich als kein guter Prophet erwiesen. Der Pressedienst brachte mich in der Folge nicht bloß mit den Pressechefs der Zivilministerien, dem Kriegsüberwachungsamt in Wien und der Kriegsüberwachungskommission 184 ) in Budapest zusammen, sondern gab auch zu vielerlei Beziehungen zum Pressedienst des deutschen Heeres Anlaß. Die oberste Leitung dieses Zweiges lag in den Händen eines der mächtigsten Männer der O H L . (Oberste Heeresleitung), des Generalstabsmajors Nicolai 1 8 5 ), Chef der Abteilung III/C. Er besaß zumal in der dritten Heeresleitung das Ohr Ludendorffs in kaum übertreffPropagandist in der Schweiz, in: N W J . , 2 . 1 0 . 1 9 2 1 , 5 ; 9 . 1 0 . , 5 ; 1 6 . 1 0 . , 5 ; 2 3 . 1 0 . , 7 ; 3 0 . 1 0 . , 4 f . ; LustigPreans lachendes Panoptikum, Frankfurt/Main-Wien 1952. Lustig-Preans Dichtungen erschienen z . T . unter dem Pseudonym Erwin v. Janichsfeld. 1 β 1 ) H u g o Schulz (Wien, 2 7 . 4 . 1 8 7 0 - 2 7 . 5 . 1 9 3 3 , Wien), 1 8 9 1 - 1 8 9 4 Militärdienst, 1 . 1 . 1 8 9 5 Redakteur der Arbeiter-Ztg., 1912 Kriegsberichterstatter der Arbeiter-Ztg. im Balkankrieg, 2 8 . 4 . 1 9 1 7 ins K P Q . , D e z . 1918 Zivilkommissär im Staatsamt f. Heerwesen, April 1920 Verabschiedung, 1920 als Presseattaché nach Berlin, 1924 Rückkehr als Redakteur der Arbeiter-Ztg. Seine Hauptwerke: Blut und Eisen, Berlin 1 9 0 6 / 0 7 ; Die Indianer, Wien 1911. Die Großkampftage der Revolution 1848/49, Wien 1929. Vgl. K. Haas, H u g o Schulz (Masch. Seminararbeit für neuere Geschichte an der Universität Wien, Sommersemester 1963). 1 8 2 ) Karl Hans Strobl (Iglau, 1 8 . 1 . 1 8 7 7 - 1 0 . 3 . 1 9 4 6 , Perchtoldsdorf), Schriftsteller u. Romancier. Schrieb die Erinnerungswerke: K P Q . Erinnerungen aus dem Kriegspressequartier, Reichenberg 1928; Die Weltgeschichte und das Igelhaus, Bd. III, Leipzig 1944.
) Näher behandelt im 2. Bd. des Memoirenwerkes. ) Die sogenannte „Ministerialkommission" im Kriegsministerium wurde etwa ab September 1917 Kriegsüberwachungsamt genannt. Sie hatte die Ausnahmeverfügungen zu überwachen. Vgl. G . Spann, Zensur in Österreich während des 1. Weltkrieges 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , W r . Diss. 1972. 183 1M
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barer Weise. Bei den zahlreichen Einflüssen von alldeutscher Seite, die sich in den letzten Kriegsjahren in der deutschen Presse gegen Österreich-Ungarn, seinen Hof und auch seine Armee geltend machten, hatte ich es natürlich nicht immer leicht. Nicolai half mir jedoch, so gut er konnte. Gleiches galt für den Oberstleutnant v. Haeften 1 8 6 ), der zeitweilig mit dem Kriegspressedienst zu tun hatte und später als Präsident des Potsdamer Reichsarchivs mein engerer Archivkollege wurde. Seine beiden Söhne wurden Opfer des 20. Juli 1 8 7 ). Mit Nicolai kam ich in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges noch öfter zusammen. Er trug sich im Rahmen des Reichsinstitutes von Walter Frank 1 8 8 ) mit allen möglichen Plänen und konnte sich als einziger schreibender Offizier deutscher Zunge rühmen, nicht von Ludendorff in Acht und Bann getan worden zu sein, sondern seine Gnade bis zum Ende genossen zu haben. Im Herbst 1916 machte ich einmal eine Pressekonferenz des Kriegspresseamtes im Berliner Reichstag mit. Es war eine interessante Veranstaltung. Das große Wort führte Georg Bernhard 189 ) vom - wie ich glaube - Berliner Tageblatt, der auch noch nach dem Umsturz durch Jahre die deutsche Presse entscheidend beeinflußte, bis er nach der „Machtergreifung" in die Emigration ging. In den Pressedienst war als besonders unangenehmer Zweig die Handhabung der Zensur miteingeschlossen. Außer mir stimmten die militärischen Behörden mit den zivilen Zentralstellen weitgehend unter der Schwelle des Bewußtseins in der Richtung überein, daß es am besten wäre, Zeitungen überhaupt zu verbieten. Selbst der kleine Anzeiger erschien Männern wie unseren Chefs des Nachrichtenwesens nicht zu Unrecht - nicht ungefährlich. Ich vertrat den Standpunkt, sich der Zeitungen, die nun einmal da waren, lieber zu bedienen, anstatt sie nur zu unterdrücken. Selbst in Dingen der unmittelbaren Kriegführung verfocht ich die Meinung, daß nur auf rein operativem Gebiet eine scharfe Zensur Berechtigung habe. Denn es ging nicht an, daß die feindliche Kriegführung aus den Zeitungen Anhaltspunkte 1 8 5 ) Walther Nicolai (Braunschweig, 1.8.1873 - verschollen seit 1945), 1912-1918 Chef des Nachrichtendienstes des Großen Generalstabes. Schrieb: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg, Berlin 1920; Geheime Mächte. Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute, l.Aufl. Leipzig 1923, 3. Aufl. 1925. 1 8 6 ) Hans Maximilian v. Haeften (Gut Fürstenberg bei Xanten, 1 3 . 6 . 1 8 7 0 - 9 . 6 . 1 9 3 7 , Gotha), seit 1891 in der preuß. Armee, seit 1903 mit kurzen Unterbrechungen im Großen Glstb., seit Ende 1914 Leiter der Kriegsnachrichtenstelle Ost, seither enger Kontakt zu Ludendorff, bis Kriegsende Leiter der Kriegsgesch. Abt. 2 des Großen Glstbs., seit 1920 Direktor der hist. Abt. des Reichsarchivs, 1931-1934 Präsident des Reichsarchivs; Spiritus rector des amtlichen Weltkriegs Werkes. 1 8 7 ) Hans Bernd v. Haeften ( 1 9 0 5 - 1 5 . 8 . 1 9 4 4 , hingerichtet), Jurist, Legationsrat im Auswärtigen Amt, Freund des Claus Schenk Grf. Stauffenberg, Widerstandskämpfer; Werner Karl v. Haeften ( 1 9 0 8 - 2 0 . 7 . 1 9 4 4 , füsiliert in Berlin), Syndikus in Berlin, Ordonnanzoffz. des Claus Schenk Grf. S t a u fenberg, Widerstandskämpfer. 1 β β ) Walter Frank (Fürth, 1 2 . 2 . 1 9 0 5 - 9 . 5 . 1 9 4 5 , Groß Bunsrode bei Braunschweig), Nationalsozialistischer Schriftsteller, Referent der NSDAP, für Fragen des hist. Schrifttums, 15.3.1935 Professor, I . 7 . 1 9 3 5 Leiter, 1.4.1936 Präsident des ,,Reichsinstituts für Geschichte des neueren Deutschland", seit I I . 1 2 . 1 9 4 1 beurlaubt. " ' ) Georg Bernhard (Berlin, 2 0 . 1 0 . 1 8 7 5 - ? ) , Bankbeamter, dann Handelsredakteur der Berliner Ztg. und der Berliner Morgenpost.
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für die Beurteilung unserer Absichten, unserer Lage gewann. Dagegen war ich in militärpolitischer Hinsicht absolut für leichtere Zügel und trat schon gar dagegen auf, wenn sich zivile Stellen, um sich unangenehme Gazetten vom Leibe zu halten, hinter militärischen Bedürfnissen verschanzten. Besonders beklagte ich es, daß die ungarische Presse viel freier schreiben durfte als die österreichische. So konnte es bei einer Pressekonferenz, die im Jahre 1917 der österreichische Innenminister Graf Toggenburg 190 ) abhielt, vorkommen, daß der einzige, der für die Gleichberechtigung der österreichischen Presse mit der ungarischen eintrat, der Vertreter des A O K . war, der nämlich ich gewesen bin. Mehr als einmal griff ich auch, schon unter Conrad, selbst zur Feder, um anonym den besonderen Standpunkt der Heeresleitung herauszuarbeiten. Das erste Mal geschah es zur ersten Jahreswende des Kriegsausbruches - selbstverständlich in der Neuen Freien Presse 191 ) als dem führenden Blatte. Zum zweiten Mal führte ich im Auftrag Conrads in dem gleichen Blatte unter „Von besonderer Seite" eine Polemik gegen Julius Andrássy 192 ), den späteren Außenminister, ab, der in einem Artikel über Nationalitätenpolitik ganz den ungarischen ,,Globus"-Standpunkt hinsichtlich der magyarischen Hegemonie im Reich und jenseits der Leitha vertrat 193 ). Mit den Ungarn hatte ich auch als Verfasser der Heeresberichte manche Schwierigkeit. Schon am ersten 18. August, an welchem Tag ich im Kommuniqué von „allen Völkern des Reiches" sprach, kam ein sehr böser Brief des ungarischen Ministerpräsidenten an den Armeeoberkommandanten Erzherzog Friedrich. Bald folgte von der gleichen Stelle eine lange Beschwerde darüber, daß die ungarischen Truppen im Heeresbericht schlecht behandelt würden. Ich konnte statistisch das Gegenteil beweisen. Ein unerhörter Sturm ging in der ungarischen Presse und auch im Budapester Parlament gegen den „Höfer-Bericht", wie unser Heeresbericht auch hieß, los, als ich Anfang 1916 schrieb, in der eben abgeschlossenen siegreichen Neujahrsschlacht im Osten 1 9 4 ) hätten sich „Söhne aller Völker der Monarchie" hervorragend bewährt. Diese Formulierung verstieß so katastrophal gegen das ungarische Staatsrecht und war so voll von Gravamina, daß sich das ganze Land jenseits der Leitha von Schmerz gepeitscht aufbäumte. Conrad und Metzger lachten nicht ohne Schadenfreude. Wenn jemand in diesem seligen, wunderbaren Altösterreich staatsrechtlich richtig sagen wollte, was ich zu sagen versucht hatte, hätte es beiläufig lauten müssen, daß sich in der Neujahrsschlacht Söhne aller Nationen der , 9 0 ) Friedrich Grf. Toggenburg (Bozen, 1 2 . 7 . 1 8 6 6 - 8 . 3 . 1 9 5 6 , Bozen), 2 7 . 3 . 1 9 1 3 - 2 3 . 6 . 1 9 1 7 Statthalter von Tirol, 2 3 . 6 . 1 9 1 7 — 1 1 . 6 . 1 9 1 8 öst. Min. d. Inneren. > " ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 39.
Julius Andrássy d . J . (Budapest, 3 0 . 6 . 1 8 6 0 - 1 . 6 . 1 9 2 9 , Budapest), ung. Politiker, 1894 Minister am kgl. Hoflager, sodann Führer der liberalen Dissidenten und des Oppositionskartells gegen Tisza, 1 9 0 6 - 1 9 1 0 Innenminister, 2 4 . 1 0 . 1 9 1 8 k . u . k . Minister des Äußeren, bot am 2 8 . 1 0 . 1 9 1 8 Sonderfrieden an, trat am 1 . 1 1 . 1 9 1 8 zurück, 1 9 2 1 - 1 9 2 6 Mitglied der ung. Nationalversammlung, Legitimist, hatte am 2. Rückkehrsversuch König Karls nach Ungarn Anteil. Seine Erinnerungen: Diplomatie und Weltkrieg, Berlin-Wien 1920. 1 9 3 ) Keine Hinweise in Andrássys Memoiren. 1 9 4 ) Den Namen „Neujahrsschlacht" erhielten die Angriffe der russischen 9. Armee bei Czernowitz und an der Strypa gegen die k . u . k . 7. Armee vom 2 7 . 1 2 . 1 9 1 5 bis 1 9 . 1 . 1 9 1 6 .
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im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder sowie Soldaten aus allen Gebieten der Länder der ungarischen Krone und die in heimischen Truppenteilen kämpfenden bosnisch-herzegowinischen Landesangehörigen ausgezeichnet hatten. War das nicht kompliziert - und doch so wunderschön. Oh, du mein Österreich. Tisza war übrigens gefaßt genug, im Parlament mein staatsrechtliches Gravamen als einen Lapsus linguae zu bagatellisieren. Als er bald darauf in Teschen war, lud mich der Erzherzog Friedrich mit ihm zusammen zum Mittagessen ein. Er saß ernst, fast schweigsam dort und sah finster, aber nicht ungütig, hinter seinen übermenschlich dicken Brillen hervor. Nachher redete er mich auf die Frage der Nennung ungarischer Truppenteile an. Boshaft, wie ich nun einmal gegen die Magyaren war, obgleich ich meine besten Freunde in ihrer Mitte wußte, schrieb ich oft von oberungarischen, Banater, Siebenbürgischen Regimentern. Tisza fühlte sehr gut heraus, was ich damit wollte: die nationale Zugehörigkeit andeuten. Nach Tisza und dem magyarischen Staatsrecht gab es aber in Ungarn nur eine Nation, das war eben die ungarische - unbekümmert darum, ob es sich um Slowaken, Serben, Rumänen oder Schwaben handelte. Wandelten diese im Schatten der Stefanskrone, dann waren sie eben Ungarn; wobei es nicht beliebt war, die wirklichen Ungarn Magyaren zu nennen. Selbst mein ungarischer Kamerad Bálványi, so wenig er zum Beispiel von der Honvéd hielt, war da etwas empfindlich. Mit dem in der Operationsabteilung eingeteilten Hauptmann Ludwig Fischer 19S ), dem nachmaligen Generaladjutanten Keresztes-Fischer Lajos - er war in Wirklichkeit wie sein Bruder 196 ) Banater Schwabe - , kam es einmal für ein halbes Jahr zu einem Fache. Sogar Gusti Denk meldete sich aus der Ferne seines Daseins als Generalstabschef der 10. Kavalleriedivision mit Klagen wegen meiner staatsrechtlichen Verstöße; der berühmte Eßlöffel, den er vier Jahre lang nach Husarenart im Stiefelschaft trug, war ins Wanken geraten. In meinem Gespräch mit Tisza wurde mir, obgleich es nur kurz war, eins zur Gewißheit. Er sah die Zukunft der Monarchie nur in der Alternative: entweder, daß das Magyarentum überhaupt die Führung über das ganze Reich erhielt oder daß es sich, nach dem Achtundvierziger-Programm, entschieden auf die ungarische Sonderstaatlichkeit zurückzog. Nach Ausbruch des Rumänenkrieges konnte ich dem Alten noch eine kleine Bosheit antun: nach dem heiligen ungarischen Staatsrecht hätte man auch in deutsch abgefaßten Heeresberichten nur von Schlachten bei Nagy-Szeben, Brassó et cetera und nicht bei Hermannstadt und Kronstadt schreiben dürfen. Unter Berufung auf die Hilfe der Reichsdeutschen erreichte ich jedoch, 1 9 S ) Ludwig Fischer bzw. Keresztes-Fischer (Fünfkirchen, 8.1.1884 - nach 1947, wahrscheinlich Schloß Kammer/Attersee), 1.5.1905 Lt. FKR. 10, Glstbslaufbahn, 1.11.1914 Hptm. i . G . , ab Kriegsbeginn in der Operationsabteilung des AOK., 1917/18 Generalstabsoffz. bei der Brigade Vidossich und im Kmdo. 10. Armee, August 1919 im Stab der Nationalarmee in Siófok, 1920-1925 zugeteilt d. Militärkanzlei des Reichsverwesers, 1927-1928 Chef d. Operationsabt. des (getarnten) Honvéd-Glstbs., d . i . Abt. VI/1 des Honvéd-Ministeriums, seit 1929 Keresztes-Fischer, 1929-1935 im Honvéd-Ministerium, 16.1.1935-24.10.1942 Chef der Militärkanzlei des Reichsverwesers, 1.11.1937 FML., 2 4 . 5 . 1 9 3 8 - 2 9 . 9 . 1 9 3 9 auch Chef d. Glstbs., 1.5.1940 GdA., 29.10.1942 als GO. pensioniert. , 9 6 ) Franz Keresztes-Fischer (Fünfkirchen, 1 8 . 2 . 1 8 8 1 - 3 . 3 . 1 9 4 8 , Wien), rechtsgerichteter Politiker, 2 4 . 8 . 1 9 3 1 - 4 . 3 . 1 9 3 5 u. 1 4 . 5 . 1 9 3 8 - 2 2 . 3 . 1 9 4 4 ung. Innenminister.
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daß Tisza ausnahmsweise der Nennung der deutschen geographischen Bezeichnungen zustimmte, allerdings mit der Einschränkung, daß die magyarischen Namen in Klammer beizusetzen waren. Tisza hatte allerdings ein wenig ein schlechtes Gewissen. Er war nicht unschuldig daran, daß die Evakuierung Siebenbürgens vor den Rumänen so überhastet erfolgen mußte. Ich habe von einem Mittagessen beim Erzherzog Friedrich geschrieben, und es ist nun an der Zeit, auch über den Armeeoberkommandanten etwas zu sagen. Er wurde als ältester Enkel des Erzherzogs Carl, des Siegers von Aspern, im Jahre 1856 in Seelowitz in Mähren geboren, beging also - leider am Vorabend der Katastrophe von Luck - im Jahre 1916 seinen 60. Geburtstag. Seine Erscheinung war nicht sonderlich repräsentativ. Über einem bemerkenswert dicken Bauch, der mit einem etwas komischen Geh werk durchs Leben getragen wurde, saß ein nicht übermäßig intelligenter Kopf mit äußerst kurzsichtigen Augen, die sich hinter dikken Brillen versteckten. Die Redegewalt war gering. Schüchternheit, in der Jugendzeit durch einen überaus strengen Lehrer anerzogen, beherrschte das Auftreten des Erzherzogs. Sie war seit seiner frühen Verheiratung mit der Prinzessin Isabella Croy 1 9 7 ) nicht geringer geworden. Diese Frau, die ihrem Gatten acht Töchter und erst dann einen Sohn schenkte 198 ), herrschte tyrannisch über ihn und befahl ihm sogar nach Teschen telephonisch das Uniformstück, das er für bestimmte Anlässe anzulegen hatte. Wenn sie ins Hauptquartier kam, dann ließ der ganze Stab des Erzherzogs die Köpfe hängen, so streng und gefürchtet war ihr Regiment. Der brave „Fritzel", wie er in der Familie hieß, hatte allerdings manchmal auch Grund zu schlechtem Gewissen. Noch lange nach dem Umsturz kamen Frauen zu mir, die von ihm Alimente erpressen wollten. Dabei war die Vorstellung, ihn als Liebhaber zu denken, etwas heiter. Auch seine Kurzatmigkeit, ebenfalls vor allem ein Zeichen der Schüchternheit, war irgendwie komisch. Als einmal König Ludwig von Bayern 199 ) in Teschen weilte, begrüßte er Conrad mit den Worten: ,,Na, Sie, Ihr hoher H e r r " - gemeint war Erzherzog Friedrich - „schnauft aber ordentlich!" Er hatte noch über zwanzig Jahre weitergeschnauft, bis 1936. Isabella, in der Jugend bildschön, jetzt aber wegen ihrer Beleibtheit „Busabella" genannt, erfuhr natürlich alles, noch viel mehr als wahr gewesen ist. Sie war eine ebenso gesçheite wie ehrgeizige Frau, nach Hoen eine verhinderte Maria Theresia - die sich übrigens auch ob der übermäßigen Treue ihres Gatten, des allerdings blendend schönen Kaisers Franz, nicht zu beklagen hatte. Die Verheiratung mit dem reichsten Prinzen Europas war für die Tochter eines mediatisierten Hauses natürlich ein besonderer Glücksfall gewesen. In den fünfzehn Jahren, da der Gatte in Preßburg Kommandierender General war, hatte sie im Palais Grassalkovich wie eine Königin residiert. Als damals Franz Fer197 ) Erzherzogin Isabella, geb. Przin. v. Croy-Dülmen (Dülmen, 27.2.1856-5.9.1931, Budapest), 8.10.1873 verheiratet mit Erz. Friedrich auf Schloß L'Heremitage. 19β ) Erzherzog Albrecht Franz Josef (Weilburg bei Baden, 24.7.1897-23.7.1955, Buenos Aires), 29.11.1915 als Fhr. zu 1. TKJR., 17.2.1916 Lt., 1.8.1917 Oblt., nach 1918 in der k . u . Honvéd Obst. Galt als Thronprätendent in Ungarn. Dreimal nicht im Einklang mit den Hausgesetzen verheiratet. ,99 ) König Ludwig III. von Bayern (München, 7.1.1845-18.10.1921, Sárvár), folgte in der Regentschaft für O t t o I. (gest. 11.10.1916) auf Prinzregent Luitpolt. 5.11.1913 König.
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dinand plötzlich viel in ihrem Haus verkehrte, gab sie sich der Hoffnung hin, sein Interesse gelte einer der meist recht hübsch geratenen Töchter. Plötzlich mußte sie gewahr werden, daß das Interesse des Thronfolgers ihrer Hofdame Sophie Chotek galt. Sie machte Szenen, was zur ständigen Verfeindung mit Franz Ferdinand führte. Diesem war es wohl zuzuschreiben, daß Erzherzog Friedrich sich im Sommer 1914 aus der Aktivität auf seine Güter zurückziehen sollte. Da fiel der Thronfolger durch Mörderhand. Und es galt nun, an dessen Stelle auch einen künftigen Armeeoberkommandanten neu zu wählen. Die ganze Armee blickte auf Erzherzog Eugen, der zurückgezogen in seinem Deutschmeister-Palais auf der Wiener Ringstraße und auf Hohenwerfen lebte. Ranghöher war jedoch Friedrich, und Isabella ließ sicherlich alle Minen springen, um seiner Kandidatur nachzuhelfen. Auch Conrad v. Hötzendorf war es nicht unangenehm, einen Oberbefehlshaber zu bekommen, an dessen Seite er zuversichtlich freie Hand bekam und mit dem er sich nicht besonders auseinandersetzen brauchte. Man munkelte sogar, als Friedrich nun wirklich Armeeoberkommandant wurde, - daß es zwischen ihm und seinem Generalstabschef eine Art Wahlkapitulation gegeben habe. Jedenfalls gewann Conrad in Friedrich einen Chef, der ihm das Leben möglichst wenig sauer machte. Er ordnete sich ihm vollkommen unter, machte nie eigene Meinungen geltend, paßte sich ganz den Lebensgewohnheiten Conrads an, nahm ihm auch - übrigens recht gerne - die verschiedenen Frontbesuche ab, die notwendig waren, zu denen der Generalstabschef aber keine Zeit fand. Wenn ihn auch in ruhigen Zeiten Conrad oft bis weit über Mitternacht mit dem Abendvortrag warten ließ, sagte der Erzherzog wehmütig: „Ich werde es dem Chef doch vortragen, daß er früher kommen soll." Er wagte es aber doch nicht. Und während unserer Offensive 1916 gegen Italien sagte Friedrich einmal schüchtern zu Metzger, der Conrad vorübergehend vertrat: „Lieber Metzger, mein Offiziersdiener erzählte mir, das AOK. soll nach Villach übersiedeln. Ich will nicht in ihre Geheimnisse eindringen, aber bitte, geben Sie mir einen Tip, wenn es ernst werden sollte." Allerdings sagte er mir auch einmal in einer operativen Frage, in der Conrad Pech hatte, er sei gegen die von Conrad durchgeführte Maßnahme seit eh und je gewesen. Und damit komme ich zum Kern der Sache. Der gute Erzherzog war zwar eine wenig repräsentative Erscheinung, aber er war erstens ein Mann von tiefster Ritterlichkeit und Anständigkeit und zweitens besaß er auch ein gar nicht geringes Maß von Mutterwitz, das nur durch seine Schüchternheit nicht zur Geltung kam. Ich bin ihm im Laufe des Krieges durch eine seltsame literarische Angelegenheit nähergekommen. Zu Anfang 1916 kam Veltzé auf den Gedanken, eine Lebensbeschreibung Friedrichs verfassen zu lassen. Alle Dichter von Franz Karl Ginzkey bis Silvara und Polgár, Juden und Christen, die er an der Strippe hatte, mußten Beiträge liefern. Ich war eingeladen, Erzherzog Friedrich als Feldherr zu beschreiben. Während sich die meisten anderen, oft zum Spaß, an Byzantinismus nicht genug tun konnten, bemühte ich mich, ein solches Bild von Friedrich zu geben, daß es doch auch einigermaßen ernst genommen werden konnte. Und da begab sich das Bemerkenswerte. Die Erzherzogin ließ mich kommen und meinte, die anderen Beiträge seien durchwegs unmöglich, ich möge das ganze Buch in meiner zurückhaltenden
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Art schreiben. Ich kam in der Folge später in den Haushalt des Erzherzogs, in das schöne Palais auf der Albrechtsrampe und auf die Weilburg in Baden bei Wien. Durch den Umsturz kam jedoch auch mein Buch nicht zustande. Als ich Isabella im November oder Dezember 1918 aufsuchte, meinte sie: „Verstecken Sie das Manuskript nur in die tiefste Schreibtischlade." Die Bürstenabzüge der ursprünglichen Abfassung liegen im Wiener Kriegsarchiv 200 ). In Teschen lebte der Erzherzog, seit Dezember 1914 Feldmarschall, mit seinem Stabe getrennt von A O K . im sogenannten Schloß, das in Wirklichkeit ein besseres Wirtschaftsgebäude war. Im schönen Teschner Land verfügte der Erzherzog über reiche Latifundien und Anteile an Industriewerken. Vom Adoptivvater des Erzherzogs Carl her, dem Herzog Albert von Sachsen-Teschen 201 ), der mit einer Tochter Maria Theresiens verheiratet war, führte er den Titel eines Herzogs von Teschen. Das Schloß war nett biedermeierlich eingerichtet. Dort wohnte der Generaladjutant und Obersthofmeister, der elegante Graf Herberstein 202 ), die Flügeladjutanten, die Ordonnanzoffiziere et cetera. Die ganze Gesellschaft hieß im A O K . der katholische Gesellenverein. Auch Conrad v. Hötzendorf wohnte bis zu seiner Verheiratung im Schloß. Besondere Beziehungen zum Erzherzog hatte er nicht. Im persönlichen Verkehr wurde er nicht selten ungeduldig mit ihm. Friedrich dankte es dem General in seiner ritterlichen Art durch vorbildliche Treue, die sich in so kritischen Zeiten wie nach der zweiten Lucker Krise, Sommer 1916, besonders bewährte. Respekt hatte der Generalstabschef überhaupt nur vor einem, das war der alte Kaiser, von dem er bei Gelegenheit zum Generaladjutanten Bolfras sagte: „ E r ist doch der gescheiteste von euch allen !" Irgendwie nach dem Munde redete er allerdings auch seinem obersten Kriegsherrn nicht. Wer von der besorgten Hofhaltung ihm nahelegte, die Nerven des Kaisers bei seinen Mitteilungen zu schonen, der stieß auf schärfste Ablehnung. Besonderes Verdienst erwarb sich der Erzherzog Friedrich um die Bündniskriegführung. Der Gegensatz Conrad-Falkenhayn ist bei Cramon so eingehend geschildert, daß ich nicht besonders darauf zurückzukommen brauche. Die Schilderung des besonders kritischen Winters 1915/16 stammt, soviel ich mich erinnere, aus meiner Feder. Das österreichische Generalstabswerk bietet wertvolle Ergänzungen. Da fand Friedrich manche Gelegenheit, rettend einzugreifen, was ihm umso leichter wurde, als der deutsche Kaiser viel auf ihn hielt. 2 0 °) K A . , Manuskripte/Allgemeine Reihe, nr. 91. Vgl. dazu auch: K. Peball, Literarische Publikationen des Kriegsarchivs im Weltkrieg 1914 bis 1918, in: M Ö S T A , Bd. 14/1961, 2 4 0 - 2 6 0 , bes. 254. 2 0 1 ) Albert Hzg. v. Sachsen-Teschen (Moritzburg bei Dresden, 1 1 . 7 . 1 7 3 8 - 1 0 . 2 . 1 8 2 2 , Wien), vermählt 8 . 4 . 1 7 6 6 mit Erzh. Maria Christina, 1767 Reichsfeldmarschall, 1780 Generalstatthalter der öst. Niederlande, im Krieg gegen die Franz. Revolution als Generalkapitän Befehlshaber der kaiserl. Truppen, nach der Schlacht bei Jemappes zurückgetreten; war infolge der Adoption Ehg. Karls Begründer der Teschener Linie des Erzhauses. 2 0 2 ) Herbert Grf. Herberstein (Wien, 3 . 4 . 1 8 6 3 - 3 0 . 1 0 . 1 9 4 0 , Schloß Herberstein, Steiermark), 1881 als E F . zu H R . 15, 1.11.1883 Lt. aktiv, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 6 Obstlt. i . G . , 8 . 5 . 1 9 0 9 Kmdt. H R . 9, 2 4 . 1 1 . 1 9 0 9 Obst., 2 0 . 1 2 . 1 9 1 2 Obersthofmeister bei Ehg. Friedrich, 9 . 1 1 . 1 9 1 5 sein Generaladjutant auf Kriegsdauer, 1 . 5 . 1 9 1 4 G M . , 1 . 5 . 1 9 1 7 F M L . , 2 1 . 8 . 1 9 1 7 Kmdt. 5. K D . , 2 5 . 1 2 . 1 9 1 7 eingerückt auf den früheren Dienstposten, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. Sein Schriftennachlaß im Depot des Familienarchivs Herberstein, Steiermärkisches Landesarchiv.
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Während wir in Teschen waren, war das deutsche Hauptquartier die längste Zeit in dem eine Autostunde entfernten Schloß des Fürsten Pleß. Conrad und Falkenhayn wechselten bei Besprechungen in der örtlichkeit ab. Gleiches galt für Conrad und Ludendorff. Ein Telephongespräch wurde bezeichnenderweise zwischen den Spitzen in Teschen und Pleß nie geführt. Auch Metzger durchbrach in keiner Weise das Prinzip der Splendid isolation. Daß je - außer zu den Geburtstagen der Kaiser eine Mittagstafel gemeinsam genommen wurde, war einfach ausgeschlossen. Wir „Jungtürken" nahmen Kurierfahrten nach Pleß gern auf uns. Aber auch da gab es zwischen den beiden Operationsabteilungen keinerlei persönlichen Kontakt. Man gab das Kurierdienststück in irgendeinem Raum ab und suchte wieder das Weite. Die Fahrt durch das schlesische Land mit seinen riesigen Wäldern war freilich sehr schön. Die Mehrzahl unserer Offiziere wohnte, wie schon angedeutet, im „Braunen Hirschen" auf dem Hauptplatz mit seinen schönen Lauben. Teschen war eine rein deutsche Stadt mitten in polnisch-tschechischem Lande. Das Hotel war recht gut, wenn auch ohne Komfort - ausgenommen das Kaffeehaus, das von uns in richtiger österreichischer Art natürlich viel besucht wurde. Eine besondere, nicht gerade begrüßenswerte Note, war zur Zeit meiner Ankunft schon dadurch in das Leben des AOK. hineingekommen, daß Metzger und eine Anzahl von Stabsoffizieren ihre Frauen hatten nachkommen lassen, von uns Jüngeren hatte es nur ein einziger getan - Bernhard v. Lauer, der die Sache aber so geheim hielt, daß er das Geheimnis seinen zwei besten Freunden, Jakobich und mir, erst Wochen nach der Ankunft der Dame mitteilte. Wenn sich das Ehepaar zufällig auf der Straße traf, kannten die zwei einander nicht. Die Frauen im Hauptquartier wurden nicht bloß in der eigenen Armee kritisch betrachtet 203 ); noch mehr im deutschen Hauptquartier, wo selbst die Kaiserin nur ab und zu für ein paar Stunden erscheinen durfte. Besonders viel Kritik gab es, als sich plötzlich Conrad v. Hötzendorf verheiratete und seine junge Frau auch nach Teschen brachte. Die Gräfin Gina Conrad hat später alles getan, um von dem Schleier, den normalerweise solche Bilder zu decken pflegen, auch das letzte Zipfelchen zu heben 204 ). Conrad hatte seine zweite Gattin, eine geborene Italienerin, als Frau des Grazer Großindustriellen Reininghaus kennengelernt, als er Brigadier in Triest war. Angeblich hatte sich damals sein Generalstabsoffizier Oberleutnant Putz 205 ) für die erst dreiundzwanzigjährige Frau interessiert. Sie schenkte ihrem ersten Gatten im 2 0 3 ) Vgl. etwa: Fabius ( d . i . Leopold Kann), Mit Blitzlicht durch Kriegserotik, Generalstab u . a . , Wien 1920. 2 0 4 ) Durch verschiedene Interviews für Zeitungen, insbesondere für „Neues Wiener Journal", die Förderung des Schriftstellers Karl Friedrich N o w a k und die Verfassung eines Erinnerungswerkes. Vgl.: P. Broucek, Der Nachlaß Feldmarschall Conrads und das Kriegsarchiv, in: M Ö S T A , Bd. 28/1975, 164-182. 2 0 5 ) Franz Putz (Agram, 5 . 5 . 1 8 7 3 - 1 0 . 8 . 1 9 2 2 , Wien), 1894 als Lt. aus der Milak. zu 2. T K J R . , Glstbslaufbahn, 28.11.1906 zur Disposition des Chefs d. Glstbs., 8 . 3 . 1 9 1 0 Flügeladjutant, 2 9 . 8 . 1 9 1 0 Militärattache in Tokio, 1.11.1910 Mjr. i . G . , 1.11.1913 Obstlt. i . G . , 4 . 1 1 . 1 9 1 4 zugeteilt dem 2. Armeekmdo., 11.4.1915 zugeteilt dem 1. Armeekmdo. (bzw. Landesverteidigungskmdo. Tirol), 1.9.1915 Obst. i . G . , 8 . 3 . 1 9 1 6 Glstbschef Landesverteidigungskmdo. Tirol, 1.8.1916 Oberquartiermeister Hee-
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Laufe der Jahre sechs Kinder, zur Hälfte Söhne, zur Hälfte Töchter 2 0 6 ). Conrad verlor in Innsbruck seine erste Frau, geborene von Le Beau 2 0 7 ). 1907 sah er, schon Chef des Generalstabes und fünfundfünfzig Jahre alt, Gina in Wien wieder. Er verliebte sich sofort sterblich in sie. Verschiedene Schwierigkeiten machten es ihm im ersten Jahr ihrer Bekanntschaft unmöglich, seine Liebe deutlicher zu bekennen. Er schrieb ihr fast täglich einen Brief, den er nicht absandte. Man fand diese Briefe nach seinem Tode mit einem roten Bändchen umwickelt unter der Aufschrift „Tagebuch meiner Leiden". Man mochte über diese späte Leidenschaft denken wie immer, als sprachliche Leistung, als Lyrik in Prosa waren viele von den Briefen von bemerkenswerter Schönheit 208 ). Später wurde der Bann irgendwie gebrochen. Conrad verbrachte jede freie Stunde bei der angebeteten Frau und trennte sich ihr zuliebe sogar von seiner uralten Mutter, die er bis dahin immer bei sich gehabt hatte. Die Mutter 2 0 9 ) hatte seinerzeit den Vater Conrad 2 1 0 ), einen k. k. Husarenobersten, ohne Pension geheiratet. Der Sohn erhielt sie das ganze Leben. Sie starb im Sommer 1915 über neunzig Jahre alt in Wien. Verschiedene Briefstellen, die aus seiner Korrespondenz mit Gina bekannt geworden sind, verraten auf seiner Seite eine Leidenschaft, die des Erotischen keineswegs entriet. Auch der Adjutant Kundmann wußte darüber manches zu erzählen. Man sah Conrad und Gina zusammen in Hartberg in der Sommerfrische, sah sie in Portorose, traf sie in Südtirol. Der Gatte war der nachsichtig lächelnde und auch selbst Nachsicht beanspruchende Dritte. Warum es im Kriege zur Scheidung kam, weiß ich nicht. Keinen geringen Anteil soll Dr. Schulz 2 1 1 ), der jüdische geheime Rat Seiner Majestät und zweiter Präsident des Obersten Rechnungshofes in Wien, gehabt haben, der sich, wie der Wiener sagt, einen „Kuppelpelz" verdienen wollte. Die Scheidung fand einvernehmlich nach dem Siege bei Gorlice statt, als sich Conrad auf der Höhe seines militärischen Ruhmes befand. Bezeichnend für Conrad ist es, daß er, der feurige Liebhaber von gestern, der jetzigen Heirat mitten im Krieg doch seine Bedenken entgegenbrachte. Es existieren Briefe an seinen einstigen Generalstabsoffizier, den nunmehrigen Obersten Putz, in denen er klagt, er hätte die Frau vor sieben Jahren wohl unendresgrp. Ehg. Eugen, 8.3.1917 Flügeladjutant G O . Conrads, zugleich Chef d. Glstbsabt. d. Heeresgruppe Conrad, 1.1.1920 pensioniert. 2 0 6 ) Peter v. Reininghaus (Steinfeld bei Graz, 2 7 . 1 0 . 1 8 9 6 - 1 9 7 1 , Steinfeld); Teresina, verw. v. Franz, verw. Hryntschak (geb. Steinfeld, 20.9.1897), Johanna verehel. Freiin v. Lambert (Steinfeld, 19.10.1899 - 1960, Mergentheim), Emma verehel. Urban (geb. Steinfeld, 9. 7.1901), Friedrich Wilhelm v. Reininghaus (Wien, 2 1 . 3 . 1 9 3 0 - 1 9 7 1 , in Belgisch-Kongo), Curt Hugo v. Reininghaus (geb. Wien, 19.3.1906). 2 0 7 ) Wilhelmine von le Beau (Sebenico, 2 7 . 1 2 . 1 8 6 0 - 2 9 . 4 . 1 9 0 5 , Innsbruck), Generalmajorstochter. 2 0 e ) Im Besitz der Familie Reininghaus. 20 ») Barbara Conrad v. Hötzendorf, geb. Kübler (Wien, 1 . 9 . 1 8 2 5 - 1 . 8 . 1 9 1 5 , Wien). 2 , ° ) Franz Conrad v. Hötzendorf (Kloubek, Mähren, 1 7 9 3 - 3 0 . 3 . 1 8 7 8 , Penzing), 21.8.1813 als Kadett zu Chevauxlegerrgt. 4, 12.7.1843 Mjr. H R . 4 , 28.1.1848 Obstlt., 1.11.1849 pensioniert, 16.2.1850 Obst, ad honores. 2 n ) Dr. Paul Schulz (?, 1 . 1 . 1 8 6 0 - 3 1 . 1 . 1 9 1 9 , Kreuzlingen, Schweiz), 1883 Konzipient bei der nö. Finanzprokuratur, 23.1.1887 ins Handelsministerium, 1. 7.1910 Sektionschef des Obersten Rechnungshofes, 26.7.1911 Vizepräs, des Obersten Rechnungshofes und Geheimer Rat.
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lieh gern geheiratet; jetzt sei es schon im Hinblick auf die Zeitumstände nicht mehr so. Er würde gerne bis Kriegsschluß warten 2 1 2 ). Zudem war es in Österreich nicht einfach, eine katholische geschiedene Frau zu heiraten. Der alte Kaiser wurde mit der Frage beschäftigt. Den Gedanken, durch Ubertritt zum Protestantismus die Sache zu erleichtern, lehnte der Freigeist und Atheist entschieden ab. Ebenso weigerte er sich, ungarischer Staatsbürger, „ H e i ratsungar", zu werden, wie es viele Offiziere wurden, weil die Ehegesetzgebung in Ungarn viel einfacher war. Schließlich betrat man den Ausweg, daß sich Gina v. Reininghaus von einem ungarischen Feldmarschalleutnant 213 ) adoptieren ließ. Daß damit die Türe ins Glück aufgestoßen war, verstehe ich juristisch auch heute noch nicht ganz, da Gina in dem Augenblicke, in welchem sie einen Österreicher heiratete, ja doch wieder selbst Österreicherin wurde und damit der österreichischen Ehegesetzgebung erst recht unterworfen sein mußte. Aber wie dem auch sei Mitte Oktober kam eines schönen Tages Metzger sichtlich erschüttert zu uns in die R-Gruppe: „Stellt Euch vor - heute heiratet der C h e f ! " Er tat es - es war der 15. Oktober 1915 2 1 4 ). Den Schauplatz bildete die evangelische Dorotheerkirche in Wien, als Trauzeugen fungierten Kundmann 2 1 5 ) und, wenn ich nicht irre, Paul Schulz. Des anderen Tages nachmittags zur Spazierstunde Conrads waren alle Büsche der Teschener Olsa-Promenade von den Hauptleuten der Operationsabteilung, den „Jungtürken", besetzt. Jeder wollte die neue „Chefesse" sehen. Und sie kam mit ihrem Gatten. Wir waren eigentlich ein wenig enttäuscht. Prachtvollen dunklen Augen und - wie wir später im Theater feststellen konnten - sehr schönen Schul-
2 1 2 ) Siehe KA. B/35 (NI. Putz), nr. 20, Brief v. 18.1.1915: „ . . . In einer solchen Verfassung (Niedergeschlagenheit und Trauer über den Tod des Sohnes Herbert, d. Hg.) ist es eine Gewissenssache, das Schicksal einer Frau an seine eigene Existenz zu fesseln, insbesondere wenn die Verhältnisse so compliciert liegen wie im vorliegenden Falle. Auch die Frage der Witwen Versorgung spricht da gewaltig mit. Nehme nun gar erst den Fall, daß ich nach einem beruflichen Mißerfolg dem Lebensende à la Benedek entgegensehen müßte, der als Ehrenmann schweigsam sein Unglück in Ehren aber in gänzlicher Zurücksetzung getragen hat. Was dann ? Du siehst also, daß ich auch in dieser Herzensfrage wenig hoffnungsvoll in die Zukunft blicke. Ich möchte - sofern man mich nicht früher entfernt - in Ehren bis zum Schluß dieses Krieges ausharren dann aber gehen, weil ich das deutliche Empfinden habe, daß meine Lebensaufgabe abgeschlossen und die Zeit für jüngere Kräfte gekommen ist. Ich weiß sehr gut, daß ich dann nichts mehr gelten werde also auch nicht vermögen werde einer Frau etwas zu bieten - wenigstens nicht das, was sie erwarten oder ambitionieren würde. Ganz anders ist dies mit einer Frau, mit der man schon vor diesem Schritt in das Nichts verbunden war . . . " 2 " ) Ernst Kárász ν. Szigetvár (Agram, 5 . 8 . 1 8 5 7 - ? ) , 1879 als Lt. aus der Techn. Milak. zu F K R . 3 , Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 0 G M . u. Kmdt. 5. FABrig., 2 5 . 9 . 1 9 1 2 ins Honvéd-Ministerium, 11.1.1913 k. u. Landwehr-Artillerieinspektor, 13.5.1917 FZM. 2 1 4 ) Kopie der Matrikeneintragung aus dem Trauungsbuch der Evangelischen Pfarre, AB.-Innere Stadt in K A . , Conrad-Archiv, sign. A/7. 2 1 5 ) Vgl. M. Vomer, Conrads Muse, in: N W J . , 2 7 . 2 . 1 9 2 7 , 4 ; ders., Marschall Conrad und Excellenz Schulz, ebdt., 2 8 . 4 . 1 9 2 7 , 2 ; ders., Conrad v. Hötzendorfs Kriegsehe. Als ich den Kaiser zur Bewilligung drängen mußte, ebdt., 26. 5 . 1 9 3 2 , 5 f . ; F. Prantner sen., Conrad v. Hötzendorfs Kriegsehe, ebdt., 2 9 . 5 . 1 9 3 2 , 6 .
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tern stand ein scharfer Mund und eine etwas eckige Gestalt entgegen. Wir hatten uns mehr vorgestellt. Conrad zog in eine Villa am Stadtrand und erfreute sich dort seines jungen Glücks. Die Stabsoffiziere machten Besuch. Wir „Jungtürken" kamen in einer Beratung zu dem Entschluß, Ginas Anwesenheit in Teschen zu ignorieren. Wir meldeten es Metzger, der nichts dagegen hatte. Gina fand für uns gesellschaftlichen Ersatz im Kreise adeliger Ordonnanzoffiziere und Automobilisten, mit denen sie bei Tratsch und Kartenspiel die Abende im Kasino verbrachte, bis sie das Auto ihres Gatten abholte. Wie Cramon erzählt, sah man oft erst in der ersten Morgenstunde die großen Scheinwerfer von Conrads Auto erglänzen. Die Heirat wurde im allgemeinen schlecht zensuriert. Selbst die Erzherzogin Isabella nahm von der Anwesenheit der neuen Gattin Conrads keinerlei Notiz. Falkenhayn, gegenüber seinem österreichischen Kollegen nur mehr sehr wenig wohlwollend eingestellt, sagte am Telephon maliziös zu Cramon: „Also gehen Sie zum jungen Flitterwöchner." Ein alter Armeekamerad erinnerte in seinem Glückwunsch Conrad an John, den Generalstabschef von Custoza, der als Sechziger die Heirat mit einer jungen Frau 2 1 6 ) mit dem plötzlichen Tode bezahlt habe. Conrad antwortete, der Kamerad möge keine Angst haben, er hoffe sogar noch einen Knaben geschenkt zu bekommen. Besonders schief nahm die spätere Kaiserin Zita, die Gemahlin des Thronfolgers, die Verheiratung. Sie erklärte später, sie kenne keine Baronin Conrad, sondern nur eine Frau v. Reininghaus. Auch die drei noch lebenden Söhne Conrads waren keineswegs entzückt. Der älteste von ihnen, mein einstiger Regimentskamerad Kurt Conrad v. Hötzendorf starb übrigens im Jänner 1918 in Davos. Ich wurde der Baronin Conrad erst im Mai 1917 vorgestellt, als sich Conrad bereits als Heeresgruppenkommandant in Bozen befand. Er hatte die Zurückhaltung weder mir noch meinen Freunden irgendwie verübelt. Ad vocem Thronfolger ! Erzherzog Carl Franz Joseph war zu Kriegsbeginn dem Hauptquartier des Erzherzogs Friedrich zugeteilt worden. Als ich nach Teschen kam, war er gerade im Begriffe, nach Wien zurückzukehren. Ich konnte mich nur mehr bei ihm „eintragen". Conrad entwarf mir später kein besonders gutes Bild von dem Auftreten des jungen Erzherzogs im A O K . 2 1 7 ) . Er habe ihn eingeladen, in der Operationsabteilung des A O K . Dienst zu machen wie andere junge Offiziere, sei dabei aber auf keine Gegenliebe gestoßen. Der Erzherzog habe es vorgezogen, sich zu langweilen und seine Langeweile durch die Lektüre von Kriminalromanen zu bekämpfen. Wesentlich anders nahm sich das Bild von der Gegenseite, durch die Augen des dem Thronfolger zugeteilten Generalstabshauptmannes Ottrubay 2 1 8 ) 2 " ) Anna Freiin v . J o h n , geb. Grfin Orsini-Rosenberg (Wien, vermählt Graz, 2 4 . 5 . 1 8 7 3 mit F r a n z F r h . v. John.
14.10.1841-26.11.1917,
Graz),
2 1 7 ) Vgl. auch die Bemerkungen gegenüber Josef Redlich in: Schicksalsjahre Österreichs 1 9 0 8 - 1 9 1 9 . Das politische Tagebuch Josef Redlichs, I. Bd. 1 9 0 8 - 1 9 1 4 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 39), Graz-Köln 1953, 2 5 3 : Eintragung anläßlich eines Gesprächs mit Conrad am 2 6 . 8 . 1 9 1 4 : Conrad meinte, Ehg. Carl Franz Josef „hat gar nichts gelernt, kann nicht einmal orthographisch richtig schreiben. Sein Onkel wollte ihn absichtlich verdummen lassen".
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aus, der sich über die ablehnende, höchst ungeschickte Art beklagte, mit der Carl Franz Joseph von den maßgebenden Persönlichkeiten des AOK. behandelt worden sei. Fast möchte ich glauben, daß dieses Bild das richtigere war 2 1 9 ). Diese Männer um Conrad und er selbst hatten kein Talent, sich Freunde zu erwerben. Sie waren geradezu darauf erpicht, möglichst ablehnend und unbeliebt zu sein. Daß sie dieser Neigung auch gegenüber dem künftigen Kaiser gefrönt hatten, lag weder im Interesse der Personen noch der Sache. Das alltägliche Leben im AOK. und die Kameradschaft im operativen Stabe ließen nichts zu wünschen übrig. Ich habe, wenn ich ein Vierteljahrhundert später in das Führerhauptquartier kam, im Geiste oft Vergleiche gezogen und kann nur sagen, daß sie außerordentlich zugunsten des vielgeschmähten österreichischen AOK. und zwar des ersten - Conrad - wie des zweiten — Arz - ausfielen. Wir waren gute Kameraden, standen treu zusammen. Als Grundsatz in dienstlicher Hinsicht galt: innerhalb der Operationsabteilung kein Geheimnis, außerhalb alles geheim. Auch zu den anderen Abteilungen hielten wir gute Freundschaft. Am fremdesten war uns die Quartiermeisterabteilung 220 ), die auch in anderen Gebäuden untergebracht war. Mit den Chefs der Feldeisenbahn- und des Telegraphenwesens hatten wir viel Dienstliches zu tun. Sie hießen nach einem etwas komischen Geheimkodex, der in den ersten Kriegsjahren üblich war, „Eis-" und „Telpegel". Der immer lahmer werdende Straub war kein besonders hoffnungsreicher Repräsentant des von ihm geleiteten Verkehrsmittels. Dieses fuhr dennoch auch bei Truppentransporten längst in Schnellzugs-Geschwindigkeit, während die Transporte zu Kriegsbeginn im Lastzugstempo bewältigt worden waren. Manchmal kam Hoen zu einer „Kopfwaschung" wegen irgendeiner Verfehlung der Presse. Er unterließ es nicht, einen Blick in die aufgelegten Kriegskarten mit bissigen Bemerkungen über die Kriegslage zu begleiten. Metzger, der ein Jahr hinter Hoen in Neustadt und mit ihm in der Kriegsschule gewesen ist, nahm es seinem „Maxel" nur ausnahmsweise übel. Lauer, Jakobich, ich - auch der deutsche Kamerad Wallenberg - pflegten in der Regel um fünf Uhr früh aufzustehen, um uns dem Reitvergnügen hingeben zu 2 1 β ) Karl Ottrubay (Arad, 1 9 . 2 . 1 8 8 3 - 2 . 1 . 1 9 7 3 , Budapest), 1904 aus Techn. Milak. als Lt. zu HR. 16, Glstbslaufbahn, 15.2.1914 kommandiert in die Militärkanzlei Seiner Majestät, 1.5.1914 der Militärkanzlei zugeteilt, 16.3.1916 kommandiert zur Glstbsabt. XX. Korps, 1.7.1916 zur Opabt. Heeresgrpkmdo. Ehg. Karl, ab Regierungsantritt Kaiser Karls wieder in der Militärkanzlei, 14.12.1918 zu HR. 16, 1919 Abteilungsleiter im Stab Horthys, Gegenregierung v. Szegedin, 1919/20 im Honvédministerium mit Fragen der Friedensverhandlungen in Paris-Trianon betraut, Mitglied der ung. Friedensdelegation, 10.7.1920 Obstlt., 1.7.1922 enthoben, 1932-1944 Zentraldirektor des Landesvereins für Lungenkrankensanatorien. 2 t 9 ) Vgl.: H. Hoyer, Kaiser Karl I. und Feldmarschall Conrad von Hötzendorf. Ein Beitrag zur Militärpolitik Kaiser Karls, Wien 1972 (Dissertationen der Universität Wien, Bd. 70). 22 °) Mit Wirkung vom 1.1.1916 erhielt der bisherige Etappenoberkommandant die Bezeichnung Generalquartiermeister. Der bisherige Generalstabschef des Etappenoberkommandos wurde Chef der Quartiermeisterabteilung (QuAbt.), die nunmehr eine Abteilung des AOK. wurde. Ebenso wurden die bisher dem Etappenoberkommando unterstellten Chefs des Feldtransportwesens und des Feldeisenbahnwesens selbständig. Mit AOK.-Op. Nr. 167.235 v. 4.10.1917 wurde die Stelle des Generalquartiermeisters aufgelöst, sodaß die QuAbt. in dieser Hinsicht der OpAbt. ähnlich organisiert war.
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können. Dieses Teschener Ländchen bot herrliche Galoppiergelegenheiten auf den breiten Wiesen- und Weidestreifen, die in Kilometerlänge die Kulturen trennten. D a gab es die Roppitzer Platten, da gab es Groß-Ellgot, da gab es Kunschitz, das Schloß der Thuns, wo man auch der prächtigen Reiterin Jetty Thun 2 2 1 ), der nachmaligen Frau Habig, begegnen konnte. Ritten wir in letzterem Raum, dann mußte uns Cramon seine „Nähmaschine" leihen, das ziemlich altertümliche, hoch gebaute Auto der deutschen Mission, das mir noch beim Zusammenbruch wertvolle Dienste leisten sollte. Die Ritte waren immer auch gesellschaftlich recht amüsant. U m acht Uhr kam man zum Frühstück, das in einem Menagegebäude neben dem Albrechtsgymnasium eingenommen wurde. Es bestand aus einem vorzüglichen Kaffee mit Semmeln, auf die man die noch vorzüglichere „Marschallsbutter" von den Gütern des Erzherzogs-Oberkommandanten in unmenschlichen Mengen schmierte. (Wir Lotterbuben nannten, ihn in Verkehrung eines U in ein A den „rahmreichen Marschall" . . .) Nachher begaben wir uns an die Arbeit. Ich mußte verhältnismäßig früh beginnen, da meine Arbeit bis Mittag befristet war und es hieß, die Meldungen des letzten Abends und die bald eintreffenden Morgenmeldungen der Armeen genau durchzusehen. O f t waren diese Meldungen in anderen Händen vergriffen. Wenn es auf der Walstatt gutging, dann war es noch leicht. Aber in schlechten Zeiten hieß es: „Wie sag ichs meinem K i n d e ? " Entgegen der allgemeinen Meinung machte ich es mir wohl zum Prinzip, Mitteilungen mitunter zwar etwas zurückzuhalten oder nicht in ihrer ganzen Kraßheit zu sagen. Gelogen habe ich aber nur ein einziges Mal, und zwar nach der zweiten Katastrophe von Luck, Sommer 1916, und dieses auf besonderen Wunsch Falkenhayns, der verlangte, daß wir eine vom russischen Heeresbericht angegebene Gefangenenzahl in unserem Berichte dementierten, obgleich sie richtig war. Das Vertuschen und Lügen überließ ich grundsätzlich den Mitteilungen des Kriegspresse-Quartiers, das sich leider mitunter zu dieser wenig schönen Aufgabe hergeben mußte. Diese Prinzipien wollen nicht sagen, daß ich nicht von den Vorteilen der international herausgebildeten militärischen Kommuniqué-Sprache Gebrauch machte. Niemand gebrauchte zum Beispiel den Ausdruck Rückzug für die eigenen Truppen, sondern bezog hintere Stellungen; jedermann hob auch die schweren Feindesverluste hervor, deckte aber die eigenen mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe und dergleichen mehr. Der aufmerksame Leser verstand aber diese internationale Kommuniqué-Sprache, womit der Zweck erreicht war. D e m Kaiser gegenüber war man weniger keusch. Nach Einholung des Einverständnisses der deutschen Heeresleitung sowie der Unterschriften Metzgers, Conrads und Friedrichs gingen Heeresbericht, Kaiserbericht und Ministerberichte nach Wien, worauf der Erstgenannte der Presse weitergegeben wurde. Nachmittag durchhallte, jedem zeitlebens unangenehm im Ohre, da es noch kein Radio gab, das lang gestreckte „Extra-Ausgabe" - „beide Be-e-e-richteeh ! " die immer schlechter beleuchteten Straßen Wiens. Indessen erstatteten die Kriegsgruppen-Chefs dem General Conrad ihre Vorträge, und auch die Abteilungschefs kamen sowie manchmal, allerdings mit allen Zeichen des Unbehagens, der Vertreter des Außenministeriums. Besonders lang blieb
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in der Regel Oberst v. Hranilovic 222 ), der Chef der Nachrichtenabteilung und zugleich Innenpolitiker des AOK. 2 2 3 ). Die innenpolitischen Vorschläge Conrads an die Regierungen beider Staaten haben unter den Betroffenen die schärfste Kritik gefunden. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß sich Conrad bei seinen innerpolitischen Wünschen von keiner geraden Linie leiten ließ und oft auch kaum ausführbare Vorschläge brachte. Als genauer Kenner Österreichs, der auch die meisten Landessprachen ziemlich beherrschte, bewegte sich sein Denken erheblich in föderalistischen Gedankenkreisen im Sinne der Springerschen (Rennerschen) Theorien. Dabei hafteten ihm jedoch die altliberalistischen Eierschalen seiner Jugend noch ein wenig an, er schwankte stark zwischen Föderalismus und Zentralismus. Die ausschweifenden Vorschläge jedoch, mit denen er manchmal die beiden Ministerpräsidenten - Stürgkh und Tisza - oder auch einen von den beiden - meist Stürgkh - heimsuchte, waren sehr oft dem Einfluß des gewiß nicht unklugen, aber äußerst autoritativ gesinnten Salonkroaten Hranilovic zuzuschreiben, der auch die treibende Kraft bei verschiedenen Aktionen des AOK. gegen wirkliche oder vermeintliche „subversive" Elemente gewesen war. Er gab mit den Impuls zur Einrichtung von Lagern für national unverläßliche Elemente, Lagern, die - natürlich ohne die Grausamkeiten - schon an die späteren KZ-Lager gemahnten, zum Beispiel Thalerhof bei Graz. Er stand auch vor allem hinter dem Kramarschprozeß 224 ) und ähnlichen politischen Prozessen. Der von Banja Luka 2 2 5 ) war allerdings eine Auswirkung des Thronfolger-Mordes. Hranilovicens getreuer Adept, der den Meister noch übertraf, war der Generalstabsmajor Max Ronge. Er wurde irgendwie zum Typus seiner Klasse. Wir anderen, nicht Angekränkelten, haben öfter darüber gesprochen, wie Beschäftigung mit dem Nachrichtendienst - heute sagt man tarnend und irreführend Abwehrdienst auf die Geistes- und Charakterhaltung seiner Träger abfärbte. Vor allem war dies durch die Beschäftigung mit zweifelhaften Existenzen und auch die Verwendung zweifelhafter Mittel bedingt sowie durch die Tatsache, daß sie eigentlich in jedem Menschen zuerst den Schurken sahen, der das Gegenteil erst nachweisen mußte. Zum zweiten spielte die Besessenheit mit Geheimnissen eine ganze große Rolle. " ' ) Henriette Grfin. Thun (geb. Sadagóra, 25.2.1894), verh. Wien, 28.12.1925 mit Carl Habig. 2 2 2 ) Oskar v. Hranilovic-Czvietassin (Agram, 2 2 . 1 1 . 1 8 6 7 - 2 1 . 1 2 . 1 9 3 3 , Wien), 1889 aus der Milak. als Lt. zu IR. 53, Glstbslaufbahn, 1.11.1907 Militarattaché in Sofia, 24.9.1911 Militârattaché in Bukarest, 1.5.1913 Obst. i . G . , 9.5.1914 ins Evidenzbüro d. Glstbs. versetzt, 1.8.1914 Chef d. Nachrichtenabt. d. AOK., 4.4.1916 kurzfristig Kmdt. 10. GebBrig., 8.4.1917 Kmdt. 145. IBrig., 1.5.1917 GM., 3.2.1918 Mitglied d. Waffenstillstandskomm. in Focsani, 15.9,1918 in dipi. Mission in Rußland (vorgesehen als Milatt. in Moskau), 1.1.1919 pensioniert. 2 2 3 ) Vgl. Ch. Führ, Das k. u . k . Armeeoberkommando und die Innenpolitik in Österreich 1914-1916 (Studien zur Geschichte der ö.-u. Monarchie, Bd. VII), Graz-Wien-Köln 1968, insbes. 25f. 2 2 4 ) Vgl. nunmehr: G. Müller, Der Hochverratsprozeß gegen Dr. Karel Kramár, Wr. Diss. 1971. 2 2 5 ) Der Hochverratsprozeß von Banja-Luka wurde gegen 151 Angeklagte geführt, die in der Folge des Attentates von Sarajewo ausgeforscht und verdächtigt wurden, mit großserbischen Geheimorganisationen in Verbindung zu stehen oder diesen anzugehören. Die Hauptverhandlung dauerte vom 3.11.1915 bis 14.3.1916 und endete mit der Verurteilung von 91 Angeklagten. Drei davon wurden zum Tode verurteilt, aber vom Kaiser begnadigt. Vgl. St. Sarkotic v. Lovcen, Der Hochverrats-Prozeß von Banjaluka, in: Berliner Monatshefte, Jg. VII/1929, 3 0 - 4 7 .
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Wer im Verkehr mit seinen Mitmenschen das Gehirn zum größten Teil von geheimen, streng gehüteten Gedankengängen voll hatte, deren Existenz er womöglich noch durch gut gemeinte Irreführungen zu verbergen trachtete, konnte wohl daneben ein guter Kamerad sein, aber der Keimboden wirklicher Freundschaft war in den seltensten Fällen vorhanden. Hoen sagte in den zwanziger Jahren immer: ,,Ronge würde am liebsten auch jetzt noch den Weltkrieg totschweigen." Und Ronge fühlte sich chrakteristischerweise bei jedem Zusammentreffen mit einem neuen Menschen schon in der zweiten Minute veranlaßt, seine hohe persönliche Anständigkeit zu betonen, an der ohnehin niemand zweifelte. Max Ronge war charakteristisch für seinen Typus. Daß diese Leute dazu neigten, ihr Lebenselement, das Geheimnis, in seiner Bedeutung zu überschätzen, war eine Erfahrungssache. Geheimhaltung, wenn sie in Geheimtuerei ausartete, hatte manchen Nachteil im Gefolge. Daß die Leiter der politischen und der Kriegführung mitunter in wichtigen Dingen großes Geheimnis voreinander machten, war unter allen Verhältnissen schädlich. Mitteilsamkeit wäre hier Pflicht gewesen, die Durchführung hatte dann ressortmäßig zu erfolgen. Alfred Krauss schrieb später mit Recht, der Krieg und die Politik seien eine einheitliche Handlung. Für die Kampfführung in der Front verstoßen schon gar Geheimhaltungsbefehle, wie sie Hitler ausgegeben hatte - , jeder dürfte nur das wissen, woran er unmittelbar mitzutun habe - gegen jede Erfahrung, die uns von alters her lehrt, daß im Kampfe der Nachbar wissen müsse, was beim Nachbar sich vorbereite. Natürlich hatte die Methode Hitlers - ich schweife ab - keinem Mitarbeiter die ganze Wahrheit zu sagen, sondern alle in möglichster Unkenntnis zu halten, auch einen wesentlichen Anteil an der völligen Desorganisierung und Zerstörung des Apparates. Allerdings war seine Methode ihm auch ein Mittel zur Sicherung der Diktatur . . . Nach dieser ganz unliterarischen Abschweifung zurück ins Teschener Albrechtsgymnasium! Ich sprach von den innenpolitischen Eskapaden Conrads und des A O K . und habe noch nachzutragen, daß die ganze Kommandobehörde - mit Ausnahme der Magyaren - von der einen gemeinsamen Uberzeugung erfüllt war: daß der Dualismus den Interessen der Reichspolitik schnurstracks zuwiderlief. Dies zeigte sich auch in den außenpolitischen Fragen, die gerade das Jahr 1915 durch die Erfolge auf den Schlachtfeldern aufwarf, in dem Polenproblem, das durch die Eroberung Polens aktuell wurde, und in dem südslawischen Problem, dessen Bedeutung für Österreich durch die Niederwerfung Serbiens und Montenegros wieder besonders in die Augen fiel. An einer Gewinnung Polens hatte Conrad zunächst nicht besonders viel Freude. In einer der ersten Noten, die ich aus seinem Konzept für den Außenminister Burián rein schrieb, meinte er vielmehr, man müsse durch Beantragung eines Status quo den Russen goldene Brücken zu einem Frieden bauen. Der Zar hatte aber das Gelöbnis von 1812 abgelegt 226 ). Staatsmänner sollen während eines Krieges nie Gelöbnisse ablegen. Das zeigte sich im Zweiten Welt2 2 6 ) Im Juni 1812 hatte Zar Alexander I. in einer feierlichen Proklamation erklärt, „ d a ß er kämpfen werde, bis der Boden des Vaterlandes vollkommen von der Gegenwart des Feindes gereinigt sei".
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krieg aufs neue in den Folgen des Gelöbnisses Hitlers, nie zu kapitulieren, und des Gelöbnisses der Westmächte in der Casablanca-Formel. Die Forderungen der Polen nach dem selbständigen Staate brachte für Preußen Schwierigkeiten in bezug auf Posen; für Österreich noch mehr, da es nicht bloß um das reiche Kronland Galizien ging, sondern auch um das Verhältnis des österreichischen Polentums zum Gesamtstaat und zu Wien. Was war europäischer als der Gedanke, ein künftiges Polen gemeinsam mit Galizien dem habsburgischen Reiche als dritten Staat anzuschließen - also Trialismus. Tisza war natürlich scharf dagegen, und er fand interessanterweise Bundesgenossenschaft bei den Tschechen, die sich sogar immer gegen eine leicht eigenstaatliche Sonderstellung Galiziens ausgesprochen hatten, welche wieder die Deutschen vom Schlage Friedjungs vertraten 2 2 7 ). (Während meiner Zugehörigkeit zum Kriegsministerium kam ich zu dem berühmten Historiker Heinrich Friedjung, den ich schon vom Frieden her kannte, in nähere Beziehung. Friedjung, der einst zu den Mitverfassern des Linzer Programms 2 2 8 ) gehört hatte, wurde durch den Krieg angeregt, ähnliche Gedanken in einer von ihm verfaßten „Denkschrift aus Deutschösterreich" aufzuwerfen. Durch Sonderstellung Galiziens und Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien sollten in den westlichen Ländern Österreichs, die bis 1866 zum Deutschen Reiche gehörten, den dort wohnenden zehn Millionen Deutschen größere Wirkungsmöglichkeit geschaffen werden. Außenpolitisch trat er in seiner Denkschrift für ein enges staatsrechtliches Bündnis mit dem Reiche ein, wobei ich ihm vor allem bei den Vorschlägen auf militärischem Gebiete Rat zu erteilen hatte 2 2 9 ). Friedjung verzieh es Conrad nie, daß dieser es nie der Mühe wert gefunden hatte, für die Ubersendung der Denkschrift zu danken.) Nach dem Serbenfeldzug erwärmte sich Conrad neuerlich für den Gedanken, nun doch die südslawischen Länder Habsburg zu größerer Eigenstaatlichkeit zusammenzuschließen. Er versprach sich davon eine starke Anziehung auf die darnie2 2 7 ) Heinrich Friedjung (Roschtin, Mähren, 1 8 . 1 . 1 8 5 1 - 1 4 . 7 . 1 9 2 0 , Wien), Kaufmannssohn, seit dem sechsten Lebensjahr in Wien, Journalist, Historiker, bei stark betontem Deutschbewußtsein loyaler Anhänger einer liberal-zentralistisch orientierten österreichischen Staatsidee; als Historiker sind besonders seine Quellenfunde und der Einbau der Kriegsgeschichte in seine Darstellung hervorzuheben. Hauptwerke: Österreich von 1848-1860, 2 Bde., 3. Aufl. Stuttgart 1908-1912; Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland, 10. Aufl., Stuttgart 1916-1917; Aus Benedeks nachgelassenen Papieren, Leipzig 1901; Historische Aufsätze, Stuttgart-Berlin 1919. Vgl. E. Zailer, Heinrich Friedjung unter besonderer Berücksichtigung seiner politischen Entwicklung, Wr. phil. Diss. 1949, Werkverzeichnis N r . 69. 2 2 e ) D a s „ L i n z e r P r o g r a m m " vom 1.9.1882 hatte unser seinen fünfzehn Verfassern Engelbert Pernerstorfer, Heinrich Friedjung und Viktor Adler, Redakteur war Anton Langgassner. Es stellte nationalpolitische und sozialreformatorische Forderungen auf. S o die Personalunion mit Ungarn, Abtrennung Dalmatiens, Galiziens, der Bukowina, Bosniens und der Herzegowina, Befestigung des Bündnisses mit dem Deutschen Reich, Verstaatlichungen, Gewerbeordnung, Gewerkschaftsgenossenschaften, Fabriksgesetzgebung usw. Ein Antisemitenparagraph kam erst später (1885) als zwölfter Forderungspunkt hinzu. Vgl. K . Stolz, Die Männer um das „ L i n z e r P r o g r a m m " mit besonderer Berücksichtigung des Historikers D r . Heinrich Friedjung, Wr. Diss. 1941. 2 2 9 ) Denkschrift aus Deutsch-Österreich. Als Manuskript gedruckt, Leipzig 1915. Vertraulich. Vgl. darüber: G . Ramhardter, Geschichtswissenschaft und Patriotismus. Österreichs Historiker im Weltkrieg 1914-1918, Wien 1973, 73 ff.
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derliegenden Serbenstaaten, stieß mit solchen Ideen aber auf die schärfste Ablehnung Tiszas. Im Reiche gab Bethmann Hollweg anfangs wohl vor, einer austropolnischen Lösung - natürlich ohne Posen - zuzustimmen. Alle diese Pläne Conrads nehmen sich heute wie seltsame, überspannte Imperialismen aus. Für die habsburgische Monarchie war es aber eine Lebensfrage, ob die sogenannten Randvölker-Probleme durch sie oder gegen sie gelöst wurden. Angenehmer wäre es sicherlich gewesen, sie wären gar nicht aufgeworfen worden. Aber das lag nun einmal im Wesen des damaligen Krieges . . . O f t frage ich mich, ob es in unserer Zeit überhaupt einen Sinn haben kann, diese Dinge, die so unendlich weit abliegen, noch niederzuschreiben. Ich denke mir aber, daß spätere Geschichtsschreiber in die Schilderung der augenblicklichen Menschheitskrise immer mindestens die Zeit von 1900 herwärts werden einbeziehen müssen. Außerdem ist mir dieses Plätschern in der Vergangenheit die einzige Kurzweil, die mir über die Verzweiflung der Kerkerzelle hinweghilft. Ich kehre nach dieser langen Abschweifung wieder in das Arbeitszimmer Conrads zurück. Nachdem Metzger den „ C h e f " mit allem nötigen Material ausgerüstet hatte, begab sich dieser um zwei Uhr nachmittags zum ersten Vortrag ins Schloß. Die Stabsoffiziere hatten mit dem Essen immer diesen Augenblick abwarten müssen. Wir Jüngeren hatten uns bis dahin schon die Genüsse der mittäglichen Tafel zu Gemüte geführt. Und diese waren wirklich nicht zu unterschätzen. Die Menage des operierenden Teils des A O K . wurde, wie im Frieden die der Manöverleitung, durch die Hofküchenverwaltung geführt. Das Silber — Becher, Teller und Besteck - stammte noch aus dem „Custoza-Zelt" des Erzherzogs Albrecht. Köche und Bedienung waren gleichfalls vom Hofe. Die servierenden Männer trugen die braune Uniform der dem Oberst-Jägermeister unterstehenden H o f furiere. Ihr Capo, der biedere Tscheche Panek - unter den Hof angestellten waren sehr viele Tschechen - waltete umsichtig seines Amtes. Ich traf ihn nach dem Umstürze noch oft im Wiener Dorotheum, wo er als Aufseher wirkte. Erst nach der Thronbesteigung Kaiser Karls wurde die Küchenwirtschaft des A O K . in einen militärischen Betrieb verwandelt. N u r Panek blieb übrig. Das Essen zu Mittag und am Abend war reichlich und, wie gesagt, ganz vorzüglich. An Getränken kam Wein auf den Tisch. In den Zeiten der Siege gab es auch abends manches Glas steirischen „Champagners". Man war dann gut aufgelegt, aber Alkoholexzesse kamen bei uns nicht vor, höchstens im Kasino der Freiwilligen Automobilisten, wo in der Stefanie-Straße manchmal Weinflaschen zum Fenster hinausflogen. Das Service war feldmäßig, die Tischtücher bestanden aus Linoleum. Conrad kam mit seiner näheren Umgebung spät und speiste in einem kleinen Kämmerchen rasch, meist schlecht aufgelegt und ohne Freude an den kulinarischen Genüssen. Im Sommer wurde manchmal in einem Zelte gespeist. Dann durften auch die Jungtürken dazukommen. Man trat da auch Metzger näher, der für einen Spaß oder eine bissige Bemerkung immer etwas übrig hatte. Von Gästen, die bei dieser Gelegenheit erschienen, sind mir nur die zwei Repräsentanten der sehr kümmerlichen österreichischen Luftwaffe in Erinnerung. Der eine war der serbische Grenzer Uzelac 230 ). Als ich fünfundzwanzig Jahre später mein Hauptquartier
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in Agram bezog, war er der erste meiner Besucher. Die Ustascha wollte ihn, da er serbisch-orthodox war, aus seiner Junggesellenwohnung hinauswerfen und in ein Lager geben. Ich rettete ihn 2 3 1 ). Der zweite war Oberstleutnant Deutelmoser 232 ), nachher Präsident der österreichischen Luftverkehrs-AG ( Ö L A G ) . Gegen Ende der Teschener Zeit, im Winter 1916/17, ergab es sich irgendwie, daß ich zum Frühstückskaffee in das Kämmerlein an den Tisch des Chefs kam. Die Unterhaltung ging ausgezeichnet. Conrad erwies sich als eine außerordentlich ergiebige und reichlich fließende Geschichtsquelle, der sich auch herzlich unterhielt, wenn man über den armen Erzherzog Friedrich oder andere Vorgesetzte billige Witze machte. Noch kurz vor seinem Tode beteuerte mir Conrad, er habe sich auf diese Frühstücksstunden in meiner Gesellschaft stets gefreut. Auch ich. Nach dem Speisen hatten wir bis fünf Uhr Pause. Man ruhte aus oder gab sich seinen Privatvergnügungen hin. Oberst Christophori, der immer Brehms Tierleben neben sich hatte, ging botanisieren. Obstlt. Schneider 233 ) („Schneider-Pepi") ging Moose suchen. Er hatte ein Herbarium von zehntausend verschiedenen Moos-Gattungen und war ein international anerkannter Fachmann auf diesem Gebiete, nach welchem eine bestimmte Gattung Moos sogar benannt war. Schneller dichtete. Der deutsche Generalstäbler Paul Fleck hob stets hervor, wie interessant es für ihn sei, diese Vielseitigkeit - wenn auch dilettantische Vielseitigkeit - unserer Offiziere zu beobachten. Bei ihnen sei dergleichen undenkbar. Ein besonderer Typus dieser Art wird von mir immer angeführt: es war der Artillerie-Oberstleutnant Dr. h.c. Veith 2 3 4 ), der zugleich Caesar-Forscher, Giftschlangenfachmann, Numismatiker und Musikkritiker - alles von internationalem Ruf - gewesen ist. Emil Uzelac (Komorn, 2 6 . 8 . 1 8 6 7 - 7 . 1 . 1 9 5 4 , Petrinja), 1888 aus Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt. 2, 1901 übernommen in den Geniestab, 24.4.1912 Obstlt. u. Kmdt. k . u . k . Luftschifferabtlg., 1.11.1914 Obst., 8.7.1915 Kmdt. k . u . k . Luftfahrtruppe, 1.5.1918 GM., Übertritt in die jugosl. Armee, 1923 pensioniert, 1941 kroat. Gen. d. Flieger. Vgl. Heeresgesch. Museum, Fliegen 90/71, Katalog, Teil I, bearb. v. E. Gabriel, Wien 1971 (s. Reg.). 2 3 1 ) Vgl. Memoiren 3. Teil. 2 " ) Ferdinand Deutelmoser (Pilsen, 6 . 3 . 1 8 7 5 - 1 4 . 1 . 1 9 4 1 , Wien), 1896 aus Techn. Milak. als Lt. zu PiBaon. 15, Dienst bei Militärbauabt., ab Kriegsbeginn eingeteilt bei d. dt. Feldfliegerabt. 36, X. 1914 Fliegergruppenkmdt. bei 1. Armeekmdo., I. 1915 Stellvertreter des Kmdt. d. Luftschifferabt. des AOK., IX. 1915 Kmdt. der Luftschifferersatztruppen, V. 1916 Fliegerstabsoffz. beim 3. u. 11. Armeekmdo., 1.11.1916 Obstlt., III. 1917 Stellvertreter d. Kmdt. d. Luftfahrtruppen, VIII. 1917 Stabschef des Generalinspektors der Luftstreitkräfte, 18.4.1918 Kmdt. d. Luftstreitkräfte des Heeresgrpkmdos. Ehg. Joseph, 22.10.1918 Leiter der k . u . k . Luftfahrgruppe beim preuß. KM., später Leiter d. öst. Luftverkehrsamtes u. Begründer der zivilen Luftfahrt in ö . , Generaldirektor d. öst. Luftverkehrs-AG. " 3 ) Josef Schneider (Wien, 2 7 . 5 . 1 8 7 7 - 1 2 . 8 . 1 9 3 8 , Wien), 1897 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Festungsartrgt. 1, Glstbslaufbahn, 1.11.1907 ins Eisenbahnbüro d. Glstbs., 18.12.1911 ins Operationsbüro d. Glstbs., Leiter der Organisationsgrp., 31.10.1912 Mjr. i . G . , 1.3.1915 Obstlt. i . G . , 15.2.1917 Glstbschef des Chefs des Ersatzwesens, 1.8.1917 Obst. i . G . , Übernahme in die Volkswehr als Sektionschef im Staatsamt f. Heerwesen, 1.1.1920 Leiter d. Abt. 4 im Ministerium, 16.6.1923 Kmdt. 3. Brig., 1.3.1924 Heeresinspektor, 1.5.1924 General, 1.5.1925 pensioniert. " " ) Georg Veith (Czernowitz, 9 . 3 . 1 8 7 5 - 9 . 9 . 1 9 2 5 , erschlagen bei Zilê, Kleinasien), 1895 als Lt. aus der Techn. Milak. zu DAR. 24, Glstbslaufbahn, 1.5.1910 Hptm. bei FKR. 16, im Weltkrieg bei versch. Artrgt., zuletzt Kmdt. Gebirgsartrgt. 5 (19) in Albanien, 1.11.1916 Obstlt., 10.4.1919 eingeteilt im KA., Vizedirektor, Referent für Militärgerichtsakten und für das Marinearchiv, 1.9.1920 in den Bun-
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Die Liebe spielte im Teschener Leben der jungen Leute nur eine theoretische Rolle. Praktisch kam sie entweder auf den fallweisen, gern unternommenen Kurierreisen nach Wien oder in sehr primitiver Form zur Geltung. Daß man im Theater oder im Kaffeehaus einmal zu liebäugeln versuchte, kam sicherlich vor. Aber für eine „Etappe G e n t " fehlte jede Voraussetzung. Die sechste Abendstunde fand uns wieder im Büro. Die ersten Abendmeldungen kamen. Conrad, der seinen „ R e n n e r " auf der Olsa-Promenade absolvierte, kam meist erst gegen sieben Uhr. Etwas früher erschien durch ein geheimes Türchen Metzger. Er hatte sich in irgendeinen Raum des ersten Stockes ein Feldbett hineinstellen lassen. Zu Abend aßen wir um acht Uhr. Die „Stabales", das heißt Metzger und seine engsten Mitarbeiter, hatten es wieder schlecht. Denn Conrad ging nicht vor Mitternacht aus dem Büro weg; wenn wir vom Nachtmahl zurückkamen, saß er noch fest, das heißt er stand an seinem Stehpult und las oder schrieb. Lange Vorträge liebte der Chef nicht, er ließ sich lieber die Akten geben und studierte sie eingehend durch. In seiner Hand war unablässig ein Tintenstift gezückt, mit dem er seine Randglossen und Endbemerkungen in einer deutlichen, den alten Militärzögling verratenden Schrift niederlegte. Ebenso „adjustierte" er die ihn interessierenden Schriftstücke, das heißt er unterstrich das Wichtige rot und blau, so daß er Ubersicht gewann. Die Randglossen Conrads haben bei der Verfassung des Generalstabswerkes zu den wertvollen Geschichtsquellen gehört. Denn sie boten Einblick in das Denken Conrads, wie man ihn aus den Akten nicht gewinnen konnte. In diesen Abendstunden pflegte er auch mit Vorliebe seine Noten an den Außenminister, an den deutschen Chef des Generalstabes, an die Ministerpräsidenten, seine Briefe an den Chef der kaiserlichen Militärkanzlei zu entwerfen. Daß Conrad ein guter Stilist war, sagte ich schon. Allerdings war er nicht immer gleich bemüht, clie entsprechende Feile anzulegen. Rein dienstliche Entwürfe bekamen nachher Metzger und Oberst Slameczka zu lesen. Letzterer schrieb sie in Maschine um und verfehlte nicht - zumal an die O H L - eine oder die andere saftige Einfügung zu machen. Mit der Zeit bürgerte es sich ein, daß die Reinschriften ich verfaßte, was immer auch meinem - wie bemerkt - im November 1918 leider verlorenen Privatarchiv zum Nutzen war. Ich bekam so ein Bild vom Leben und Wirken der Heeresleitung, wie kaum ein zweiter meiner Kameraden. Conrad benützte aber auch den langen Abend zur Erledigung einer ausgedehnten Privatkorrespondenz. Er war im Beantworten von Briefen vielfach - nicht immer vorbildlich und schrieb auch recht lange Briefe. Solange er nicht geheiratet hatte, rangierte Gina v. Reininghaus naturgemäß an der Spitze der mit Briefen bedachten Menschen. Fast ebensooft schrieb er in diesen Jahren seltsamerweise dem schon genannten Paul Schulz, der sich irgendwie in Conrads Herzensbeziehungen eingeschaltet hatte und daraus auch für seine Orientierung reichen Nutzen zog. Conrad, desdienst übernommen, 9 . 6 . 1 9 2 1 Titular-Obst., 3 0 . 1 1 . 1 9 2 3 pensioniert. Zahlreiche Werke zur antiken Kriegskunst, zum Krieg gegen Italien und in Albanien im 1. Weltkrieg sowie zu verschiedenen Sparten der Militärwissenschaft und der Naturwissenschaften (vor allem Reptilienkunde).
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einerseits unerhört auf Geheimhaltung bemüht, ließ nämlich dort, wo er, wie bei Schulz, ein Mitteilungsbedürfnis hatte, seinen Gefühlen geradezu erstaunlich freien Lauf. Es war für die Geschichtsschreibung zweifellos ein Verlust, daß Paul Schulz, bevor er sich 1919 aus Verzweiflung über den Untergang Altösterreichs in der Schweiz aufhängte, seinen ganzen Briefwechsel vernichtet hatte 235 ). Daß es Conrad auch abends mied, an der allgemeinen Tafel zu erscheinen, soll auch dadurch bedingt gewesen sein, daß er in Zeiten des Mißgeschickes und der Rückschläge, an denen es leider nicht fehlte, nicht gern viel mit den deutschen Herren zusammenkommen wollte. Auch die Jugend der Operationsabteilung mußte so lange warten, bis der Chef verschwand. Nur einer hatte sich durch Gewohnheitsrecht eine Ausnahmsstellung geschaffen. Das war ich, der grundsätzlich um zehn Uhr abends das Büro verließ - meist um schlafen zu gehen, mitunter auch, um im Kaffeehaus mit Leuten zusammenzukommen. Im Kaffeehaus traf man immer anregende Gesellschaft. Mindestens war Hoen da, der den Chef der Detailabteilung, General v. Kaltenborn, seinen alten Klassenkameraden, fleißig „frozzelte". Vom Kriegspressequartier fand sich dann auch der dicke Regierungsrat Kowy 2 3 6 ) ein, der in der Messe für drei fraß, aber immer nur einen unerfüllten Wunsch äußerte, doch einmal gesättigt zu sein. Wenn man über die Chronique scandaleuse der militärischen oberen Hundert etwas wissen wollte, so setzte man sich zum Stellvertreter Kaltenborns, Oberst v. Lustig-Prean 237 ), dessen Zunge an Schärfe nichts zu wünschen übrig ließ. Zur Ergänzung meines Wissens schloß ich mich auch manchmal, wenn ich gerade ritt, zu einem Morgenspaziergang an. In den richtig österreichisch eingerichteten Kaffeehäusern des „Braunen Hirschen" traf man auch auswärtige Besucher. Viele Stunden saß ich dort mit Hermann Stegemann 238 ) beisammen, der sich Material für seine große Geschichte des Krieges holte. Dieser Schweizer, dessen Artikel im „Berner Bund" soviel Aufsehen erregte, war von einer schwärmerischen Begeisterung für die Mittelmächte, besonders für Deutschland. Auch mit dem berühmten Geschichtsschreiber der Päpste, Ludwig von Pastor, verbrachte ich zwei sehr interessante Abende. Er war ge2 3 5 ) Einige Briefe Conrads, höchstwahrscheinlich an Schulz gerichtet, konnten jedoch 1976 im Antiquariatshandel erworben und dem „ C o n r a d - A r c h i v " einverleibt werden. 2 3 6 ) Dr. Jakob Kowy (Wien, 2 1 . 1 2 . 1 8 6 5 - ? ) , 1884 als EF. zu DR. 8, 2 5 . 2 . 1 8 8 5 Lt. i . d . Res., Juni 1911 Sektionsrat, seit Kriegsbeginn als offizieller Vertreter der öst. Presse von der k . k . Regierung ins KPQ. delegiert, Verfasser der halbamtlichen Enuntiationen des A O K . , beteiligt an der Zensur aller in dt. Sprache verfaßten Berichte der beim KPQ. eingeteilten Kriegsberichterstatter, Nov. 1914 Oblt. i . d . Evidenz der k. k. Landwehr. 2 3 7 ) Heinrich Lustig-Prean v. Preansfeld (Krems, 2 6 . 9 . 1 8 6 5 - 1 6 . 1 2 . 1 9 3 2 , Wien), 1887 als Lt. aus der Milak. zu F J B . 7 , 1.11.1910 Mjr. IR. 99, 5 . 1 . 1 9 1 2 Leiter der Preßgruppe im R K M . , 15.9.1912 ins Präsidialbüro KM., 1.5.1914 Obstlt., ab Kriegsbeginn im A O K . Detailabt. als Personalreferent für die Armee im Feld, 1.11.1915 Obst., 11.6.1916 Gruppen- und Abschnittskmdt. Flitsch bis Kriegsende, 26. 5.1924 Titular-GM. 2 3 e ) Hermann Stegemann (Koblenz, 3 0 . 5 . 1 8 7 0 - 8 . 6 . 1 9 4 5 , Merlingen/Thunersee), Journalist, Romancier, Dichter, Militärhistoriker. Neben Büchern über den Ersten Weltkrieg sind seine Hauptwerke: Der Krieg. Sein Wesen und seine Wandlung, 2 Bde., Stuttgart 1941/42; Erinnerungen aus meinem Leben und aus meiner Zeit, Berlin-Leipzig 1930.
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kommen, ein Buch über Conrad 2 3 9 ) zu schreiben. Auf Befehl Conrads mußte ich ihm ein Privatissimum über die Anfangsgründe militärischen Wissens und Tuns halten. Sehr traurig war der streng katholische Mann über die geringe Ausbeute, die der freigeistige Chef in weltanschaulicher Hinsicht bot. Unter den Besuchern, die in den ersten Monaten meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, soll einer nicht vergessen sein - andere werden mir beim Schreiben wieder einfallen: Adalbert Graf Sternberg, genannt Montschi Sternberg - eine Figur, wie sie nur im alten Österreich möglich und tragbar war. Die Sternbergs waren ein uraltes böhmisches Geschlecht. Er selbst war ein Hüne an Gestalt und hatte sich im Kriege als Ordonnanzoffizier des Aristokraten für diesen Dienst vorziehenden Generalobersten v. Böhm-Ermolli, Kommandanten der 2. Armee, einen langen roten Bart wachsen lassen. Etliche Jahre vor dem Kriege hatte er sich in seiner Heimat wählen lassen und war berühmt wegen der heftigen Angriffe, die er als „ W i l d e r " , das heißt Parteiloser, gegen die überalte Umgebung des Kaisers Franz Joseph, besonders gegen den Generalstabschef Beck, losließ. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß er es mindestens im Bewußtsein tat, damit in das Horn Franz Ferdinands zu blasen. Daß Montschi irgendwie Mangel an Geist verraten hätte, konnte man ihm wahrlich nicht vorwerfen. Er verlor seinen Rang als Reserveoffizier, gewann ihn aber knapp vor dem Kriege, nachdem er vor der Öffentlichkeit ein Paterpeccavi mit Vorbehalt gemacht hatte, wieder zurück. Bezeichnenderweise half ihm dabei der greise Generaladjutant und Chef der kaiserlichen Militärkanzlei Frh. v. Bolfras, der selbst zu den seinerzeit von Sternberg angegriffenen „knochenweichen" Generälen gehört hatte. Die beiden verband fürderhin etwas wie Freundschaft. In den Briefen, die Montschi von Kriegsbeginn an Bolfras schrieb, und die zum Teil im Kriegsarchiv erhalten sind, kam niemand so schlecht weg als der Generalstab. Es war sonách eigentlich gefährlich für einen Mann wie mich, in die Nähe dieses wilden Rauhgrafen zu gehen. Ich wagte es, und er war nach einer halben Stunde gewonnen. Ich würde dies nicht sagen, wenn ich nicht in einem der an Bolfras nachher gerichteten Briefe das unverdiente und vielleicht kompromittierende K o m pliment gelesen hätte, daß es in der ganzen österreichischen Armee einen einzigen wertvollen Generalstäbler gäbe, dies sei meine Wenigkeit 2 4 0 ). Sternberg, der sich dem tschechischen Hochadel zuzählte, entwickelte mir politische Auffassungen, denen ich nur zustimmen konnte. Er hatte mit ihnen auch den Beifall Conrads gewonnen und von diesem das Versprechen erhalten, daß er ihm die Verwaltung eines polnischen Teilgebietes übertragen werde - was glücklicherweise nicht geschah. Ich blieb mit Montschi bis drei Uhr früh zusammen, er übernachtete dann irgendwo, ) Conrad von Hötzendorf, Wien 1916. °) Einige wenige Privatschreiben und Denkschriften Sternbergs sind in: M K S M . , Sonderreihe, Fasz. 79, nr. 7 aufbewahrt. Diese enthalten die angeführten Bemerkungen nicht. Weitere Schreiben Sternbergs, die zweifellos existiert haben und wahrscheinlich durch Glaise-Horstenau noch bei der Familie Bolfras eingesehen werden konnten, sind weder in den 1926 im Auftrag Glaise-Horstenaus angefertigten Briefabschriften aus dem Nachlaß Bolfras ( M K S M . , Sonderreihe, Fasz. 79, nr. 42), noch in den nach dem 2. Weltkrieg ins Archiv gelangten Nachlaß teilen Bolfras' vorhanden. 239 24
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wo er nicht allein war. Wir blieben eine Zeitlang in Korrespondenz, er kämpfte nach wie vor gegen das A O K . - bei Ausnahme meiner Wenigkeit. Nach dem Kriege hielt er sich größtenteils auf der Wiener Ringstraße auf. Er stänkerte mit den Sozis, ließ nach Abschaffung des Adels die berühmte Visitenkarte herstellen: „Adalbert, vormals Graf Sternberg, geadelt von Karl dem Großen, entadelt von Karl Renner." Er gebärdete sich als Monarchist, hatte aber mit vielen seiner Standesgenossen schweren Stunk, unter anderem ließ er auch Schönburg nicht in Ruhe, so daß ich alles vermied, von ihm wiedererkannt zu werden. Da erhielt ich im Jahre 1929 nach Erscheinen meines Buches „Die Katastrophe" einen außerordentlich schmeichelhaften Brief von ihm, sowohl das Buch wie meine Vergangenheit betreffend. Glücklicherweise starb Montschi bald darauf - nachdem er in dem letzten seiner Artikel seines Leibblattes „Neues Wiener Journal" von der Welt und den Frauen aller Rassen und Klassen Abschied genommen hatte. In seiner Art ein Kerl. Ich sprach früher von einer Conrad-Biographie Pastors, die tatsächlich erschien, ohne besonderes Aufsehen zu erregen. Gleichzeitig ließ Hranilovic eine Lebensbeschreibung des Chefs erscheinen - mit dem Titel „Unser Conrad". Ihr Verfasser war der als Landsturmoffizier eingerückte jüdische Journalist Ernst Klein 2 4 1 ), den ich später, als Minister des Juli-Abkommens, zu meinem journalistischen „Leibjuden" 2 4 2 ) ernannte. Er erschien sehr oft in meinen Büros, was mir trotz seines Aussehens bei den Nazis keinen Sittenpunkt eintrug. Von den Journalisten des Kriegspresse-Quartiers versuchte schon damals Karl Friedrich N o w a k 2 4 3 ) an Conrad heranzukommen. Er war ein blutiger militärischer Laie, schlich sich dann aber ins Vertrauen der Baronin und wurde so doch der Leibchronist Conrads, der ihm namentlich seit Bozen nicht mehr von den Fersen wich. Da ich nicht weiß, ob ich in die Lage kommen werde, diese Niederschrift zu einem entsprechenden Abschluß zu bringen - so schließe ich mit ein paar Worten weiter zu dem Thema an. Nowak preßte den durch seinen Sturz im Frühjahr 1917 äußerst verärgerten und daher mitteilungsbedürftigen Conrad wie eine Zitrone aus. 2 4 1 ) Ernst Klein (Wien, 1 8 7 6 - ? ) , Redakteur d. N F P . , ab Kriegsbeginn Kriegsberichterstatter im KPQ., 14.11.1914 Lt. i . d . Evidenz d. Ldsturms, ab Februar 1915 Dienstleistung an den Dardanellen und in der Schweiz im Auftrag der Nachrichtenabt./AOK., seit 9 . 1 2 . 1 9 1 5 zugeteilt dem Militär-General-Gouvernement Serbien: organisiert die Leitung der „Belgrader Nachrichten", die seit 15.12.1915 erscheinen, 1.11.1915 Ldstoblt. (Rang: 1.11.1914), V I I I . - X I I . 1916 Pressedienst Militär-General-Gouvernement Montenegro, sodann freiwillig Frontdienst LdstIR. 1 u. LdstIR.32, V. 1917 als frontdienstuntauglich superarbitriert, bis X. 1917 im KPQ., sodann Presse- und Propagandaoffz. beim Milat. Bern bis Kriegsende, wieder Redakteur. Sein Buch: o . V . , Unser Conrad. Ein Lebensbild dargestellt von einem Österreicher, Wien-Leipzig 1916. Vgl. über ihn: Lustig-Preans lachendes Panoptikum, Wien 1952, 72 f. 2 4 2 ) „Leibjude" oder „ H a u s j u d e " wurde in den galizischen Garnisonen das für die Besorgung von Wohngelegenheiten, Beschaffung von Hausrat und aller sonstigen Hilfestellungen notwendige und landesübliche Faktotum genannt, das sich insbesondere jedem Neuankömmling aus dem Offiziers- und Reserveoffizierskorps anbot. Vgl. z . B . : A. Lorenz, Schattenreiter, Wien 1958, 250 ff. 2 4 3 ) Karl Friedrich Nowak (Wien, 1 . 1 . 1 8 8 2 - 1 7 . 1 2 . 1 9 3 2 , Berlin), Kunstberichterstatter, Journalist, Leiter des „Verlags für Kulturpolitik". Seine Hauptwerke: Der Weg zur Katastrophe, Berlin 1919; 2. Ausgabe, Berlin 1926; Der Sturz der Mittelmächte, München 1921; Das dritte deutsche Kaiserreich, 1. u. 2. Bd., Berlin 1929. Vgl. P. Broucek, Karl Friedrich N o w a k , in Ö B L . , Bd. 7, 165f.
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Er schrieb nach dem Umsturz das Buch „ D e r Weg zur Katastrophe", das eigentlich Conrads Schicksal im Kriege behandelte. Die Bürstenabzüge lagen Conrad vor, und er hatte nicht nur unzählige Punkte auszusetzen, sondern auch sein allgemeiner Standpunkt war etwas wie eine Ablehnung. All dies hinderte Nowak nicht, sein Buch fast ganz so, wie er es geschrieben hatte, ohne Berücksichtigung der Notizen Conrads, herauszugeben. Das Buch stieß allenthalben auf eine außerordentlich scharfe Ablehnung. Der noch lebende Falkenhayn schrieb eine unerhört scharfe Absage, in der es hieß: „Zwischen Ihnen und mir ist das Tischtuch für immer zerrissen!" Ich nannte in meiner „Armeezeitung" Nowaks Buch im Anschluß an eine Besprechung von Woinovich ein Pamphlet 2 4 4 ). Ich glaube, es hat Conrad nicht viel Freude bereitet. Er wenigstens sagte bei Gelegenheit, er müsse froh sein, in einer Zeit, da er von allen Seiten angegriffen würde, wenigstens einen Verteidiger wie Nowak gefunden zu haben. Conrad wurde in der Folge mit Nowak, der den „ V e r lag für Kulturpolitik" gründete, mit dem Schriftsteller per D u , was ihn allerdings nicht hinderte, ihn manchmal Saujud zu heißen. Leider geriet er, der nur über eine sehr karge Pension verfügte, in literarische Abhängigkeit von Nowak. Nowak arrangierte den Vertrag mit dem Rikola-Verlag über die Herausgabe von Conrads „ A u s meiner Dienstzeit". Er verlegte auch selbst ein Buch Conrads über 1878 und 1881 2 4 5 ) - die zwei ersten Feldzüge, die Conrad mitgemacht hatte - und zahlte auch der Gräfin Honorare für Ubersetzungen aus dem Italienischen, die nie deutsch erschienen. Nowak war natürlich gegen mich spinnefeind, was Conrad doch irgendwie unangenehm empfand. Einige Monate vor seinem Tode legte er in seiner Wohnung Jacquingasse 45 versöhnend unsere Hände ineinander und war froh darüber. Nach dem bald darauf folgenden Tode Conrads ging es neu an. Nowak behauptete, Conrad habe ihm die Fortführung seiner Erinnerungen übertragen, die bis dahin auf fünf unförmige Bände angewachsen waren. Verwandtschaft, Offizierskorps - jene mit Ausnahme der Gräfin - die ganze österreichische Öffentlichkeit sträubte sich dagegen und wies auf meine Berufung. Ohne mich sonderlich anzustrengen, mußte zuletzt auch die Gräfin zustimmen. Der Verlag brach aber bald zusammen, und die Wirtschaftskrise gestattete die Fortführung des Werkes nicht mehr. Nowak ließ den „ W e g zur Katastrophe" ein zweites Mal erscheinen 2 4 6 ). Er hatte die Unverfrorenheit, die ihn vielfach widerlegenden Randbemerkungen Conrads zur ersten Auflage faksimiliert anzuhängen. In der Vorrede griff er - trotz der vor244) W e d e r Rezension Woinovichs noch Glaise-Horstenaus Bemerkung konnten in der Ö W Z . festgestellt werden. Diese sind vielleicht an anderer Seite publiziert worden. 2 4 5 ) Mein Anfang, Berlin 1925. 2 4 6 ) K. F. Nowak, Der Weg zur Katastrophe. Mit Briefen, Gesprächen, Dokumenten und Karten. Quellenmäßig belegte Ausgabe, Berlin 1926, X V . : Historiker, die in der Rumpelkammer ihrer Forschermethoden umsonst nach Fußnoten und Quellenbelegen suchten - gerade mit Rücksicht auf Feldmarschall Conrad konnte ich sie damals noch nicht geben - , brachen einer solchen Art Geschichte zu schreiben mit wissenschaftlicher Bestimmtheit den Stab. Professor Hans Delbrück fand das Werk höchst interessant, in seinen Einzelheiten aber unzuverlässig. Der Direktor des Wiener Kriegsarchivs, Hofrat Edmund Glaise-Horstenau, sprach von einer „Schrift, die sich vielfach kaum über das Niveau eines Pamphletes erhebt".
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angegangenen Versöhnung - mich und Hans Delbrück 247 ) als staubige Aktenmenschen an. Die Gesellschaft war nicht schlecht. N u n führte K. F. Nowak ein neues schweres Geschütz heran. In der Neuen Freien Presse erschien ein langer Artikel zugunsten der Nowakschen Darstellung, der eigentlich sich gar nicht mit meiner Polemik befaßte, aber doch gegen mich gerichtet war 248 ). Der Verfasser war Max Hoffmann 2 4 9 ), der berühmte „General von Brest-Litowsk", mit dem ich eben noch nach der Beisetzung Conrads im Imperial in Wien zu Nachtmahl gegessen hatte. Er war auch von Nowak finanziell abhängig geworden. Ich replizierte kurz 250 ). Es war für mich keine leichte Sache, als kleiner Mann von solch einer geschichtlichen Größe in der breitesten Öffentlichkeit angefallen zu werden. Mir sollte Gleiches später von einem viel berühmteren, von Ludendorff geschehen, wobei ich mich allerdings wieder in einer sehr guten Gesellschaft befand 251 ). Die Nowak-Geschichte gehörte für Conrad zu den typischen Nachkriegsschicksalen. Als ich zum A O K . kam, war gerade die erste Isonzoschlacht 252 ) glücklich vorüber. Der I-Kriegsschauplatz wurde zwar durch seinen Referenten Schneller im Gegensatz zu dem sonst Üblichen in tiefstes Geheimnis gehüllt. Einiges erfuhr man aber doch. Die Kriegserklärung Italiens hatte für die Heeresleitung eine schwere Belastungsprobe bedeutet. Conrad wollte - wie auch anders ? - dem neuen Feinde durch eine Offensive aus den Beckenlandschaften von Laibach und Agram begegnen. Zu diesem Zwecke sollte nicht bloß der Balkanschauplatz, sondern auch der russische Krieg zurückgestellt werden. Halt an der unteren Donau, wo man seit dem schweren Rückschlag im Spätherbst 1914 ohnehin Stille hielt - allerdings auch der Gegner - , aber auch Halt im Norden an der San-Dnjestr-Linie. Mit zwanzig Divisionen wollte Conrad die Italiener bei ihrem Ausritt aus den Gebirgen östlich des Isonzo empfangen und schlagen. Falkenhayn stand solchen Plänen von Anbeginn skeptisch gegenüber; Rußland interessierte ihn weit mehr, überdies begann ihn die Bedrängnis der Dardanellen zu drücken. Am 21. Mai überredete Falkenhayn in Teschen seinen österreichischen Kollegen, es doch mit einer Defensive möglichst weit vorn am Isonzo zu versuchen. Da Conrad für seine Offensivpläne unbedingt auf deutsche Divisionen angewiesen wäre, gab er zähneknirschend bei. Die Isonzofront wurde aus den zwei nach zahlreichen Abgaben in die Karpaten noch übrig247 ) H a n s D e l b r ü c k (Bergen auf Rügen, 1 1 . 1 1 . 1 8 4 8 - 1 4 . 7 . 1 9 2 9 , Berlin), Historiker und Politiker, Mitherausgeber der Preußischen Jahrbücher. Sein „klassisches" H a u p t w e r k ist: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, 4 Bde., 1900-1920. 248 ) G M . Max H o f f m a n n , N e u e s über C o n r a d von H ö t z e n d o r f . Die Quellen z u m „ W e g zur Katas t r o p h e " , N F P . , 7 . 2 . 1 9 2 6 , 5 f . ; o . V . , Marschall C o n r a d und der polnische Feldzug 1914, ebdt., 2 6 . 3 . 1 9 2 6 , 2 . D e r zweite Artikel enthält die polemischen Bemerkungen. 249 ) Max H o f f m a n n ( H o m b u r g a . d . Efze, 2 5 . 1 . 1 8 6 9 - 8 . 7 . 1 9 2 7 , Bad Reichenhall), Infanterieoffizier, ab 1899 im G r o ß e n Generalstab, bei Kriegsbeginn als O b s t l t . i . G . u. 1. G l s t b s o f f z . dem O b e r k m d o . der 8. Armee zugeteilt, sodann Ia bei H i n d e n b u r g u n d L u d e n d o r f f , ab August 1916 Chef d. Glstbs. beim neuen O b e r b e f e h l s h a b e r O s t Prinz Leopold v. Bayern, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 7 G M . N a c h dem Krieg publizistisch für eine N i e d e r w e r f u n g der Sowjetunion tätig. Vgl. K. F. N o w a k ( H g . ) , Die Aufzeichnungen des Generalmajors Max H o f f m a n n , 2 Bde., Berlin 1929. 25 °) Vgl. Werkverzeichnis N r . 99, 101. 251 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 276. 252 ) Vom 23. J u n i bis 7. Juli 1915.
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gebliebenen Korps der Balkanstreitkräfte und verschiedenen Marsch- und Landsturmformationen gebildet und dem Befehl des Generals Boroevic unterstellt. Der Kroate Boroevic, nach seinem orthodoxen Bekenntnis eigentlich „ S e r b e " , war keine leichte Nummer. Ich habe im ersten Band der „Neuen österreichischen Biographie" Bettelheims 2 5 3 ) versucht, seiner Persönlichkeit ohne Verschweigen der Schattenseiten gerecht zu werden. Als Kommandant der 3. Armee hatte er in Kaschau den Karpaten win ter unter erheblichen Krisen überstanden, deren Uberwindung insofern auch ihm zuzuschreiben war, als er nicht so leicht nachgab. Daß dabei seine Führung jeglicher Phantasie entriet, ist allerdings auch wahrzunehmen gewesen. Er verstand es aber, sich in Szene zu setzen und äußersten Falles eigenes Mißgeschick auf andere Schultern abzuladen. Zu allem war dieser alte Grenzer ein glänzender Stilist, der mit allem, was er schrieb, zu fesseln wußte. An den Isonzo gerufen, wollte Boroevic mit seinen Truppen sofort hinter dem Fluß Aufstellung nehmen. Er wurde jedoch gezwungen, mit der Mitte und dem Nordflügel seiner 5. Armee auf den Höhen des Westufers Aufstellung zu nehmen, wo sie zuerst man hatte vorzeitiges Verschanzen aus politischen Gründen unterlassen - hinter mit den Händen zusammengerafften Steinriegeln kämpfen mußten, sich aber doch bis in die sechste und selbst in die elfte Schlacht behaupteten. Freilich geschah dies unter unerhörten Menschenopfern und auch gegen eine Ubermacht, die anfangs achtmal, später viermal, aber immer mindestens doppelt war. Die Gewalt des Manövers stellte Boroevic nicht in den Dienst seiner Abwehr. Ein einziges Mal geschah es, in der zehnten Isonzo-Schlacht Frühjahr 1917 - da aber sehr widerwillig 2 5 4 ). In Tirol befehligte der gleichfalls vom Norden herbeigerufene Dankl. Er bezog sein Hauptquartier in Bozen. Den Oberbefehl über die Front führte Erzherzog Eugen, der zu Weihnachten 1914 zur Nachfolgeschaft Potioreks auf den Balkan berufen worden war. Er hätte sich gern Sarkotic zum Generalstabschef genommen, mußte aber mit dem wenig umgänglichen Alfred Krauss vorliebnehmen, mit dem sich Boroevic, genannte Bosco, sofort in die Haare geriet. Die Briefe, die Bosco darüber an das A O K . schrieb, waren recht erheiternd, so wenn er Krauss wegen seines Kaiserbartes und seines professoralen Aussehens als „gelehrigen P u d e l " 2 5 5 ) schmähte. Dabei war Boroevic geschickt genug, immer den erzherzoglichen Oberbefehlshaber gegen Krauss auszuspielen. Im Norden ging unterdessen der Krieg nach der Einnahme von Lemberg (22. Juni) in Form einer doppelten Umfassung der noch tief nach Polen hineinhängenden russischen Mitte vor sich. Auch hier hatte Falkenhayn einen Sieg über C o n rad errungen. Beim Nordstoß, den Mackensen von Lemberg aus unternahm, ging es darum, wie die immer länger werdende Ostflanke der Stoßgruppe zu sichern war. Es entsprach Conrads noch stark von der 1870er Taktik beeinflußten Vorstel) Vgl. Werkverzeichnis N r . 68 und N r . 95. ) Vom 12. Mai bis 5. Juni 1917. 2 5 5 ) Das Schreiben ist naturgemäß nicht festzustellen. Der Ausspruch soll gelautet haben: „ W e n n ich auf die Jagd gehe, nehme ich mir einen gut eingeführten Jagdhund mit, keinen gelehrigen Pudel." Vgl. P. Broucek ( H g . ) , Anton Lehár: Erinnerungen. Gegenrevolution und Restaurationsversuche in Ungarn 1 9 1 8 - 1 9 2 1 , Wien 1973, 64. 253 254
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lungen, wenn er Falkenhayn den Flankenschutz durch zwei oder drei in der Staffel rechts folgende Armeekorps vorschlug, die je nach Bedarf wie boxende Känguruhs ausschlagen sollten. Falkenhayn setzte jedoch durch, daß die offene Flanke durch eine sich ständig verlängernde „Dauerstellung" geschützt wurde. Wir Jungtürken standen in dieser Frage und überhaupt mit unseren Sympathien eigentlich - vielleicht mit der Ungerechtigkeit der Jugend - auf Seiten Falkenhayns. In dem einen Punkt hatten wir ja recht, daß der deutsche dem österreichischen Generalstabschef als Debattierer weit überlegen war und Conrad daher mündlich immer den kürzeren zog. So endete fast jede Besprechung mit einem Mißverständnis, das im nachhinein durch gereizte Depeschen in Ordnung gebracht wurde. In unserer Operationsabteilung waren Söhne aller Nationen des Reiches vertreten. Wir Jungen waren in einem Punkt eines Sinnes, in der blinden Bewunderung für alles Deutsche. Die Stabsoffiziere waren schon kritischer veranlagt, am kritischsten Slameczka. Den zweiten Kaisergeburtstag im Kriege, den 18. August 1915, begingen wir in gehobener Stimmung. Warschau war gefallen, Brest-Litowsk ging dem Falle entgegen. Wunderbare Wochen des Sieges lagen hinter uns, ein herrlicher Hochsommer lag über dem schönen Teschener Land, das wir an jedem Morgen zu Pferd und oft auch nachmittags in einem durch Slameczkas Vermittlung bewilligten „Panama"Auto durchquerten. Die schon erwähnten Kurierfahrten nach Pleß und einige Fahrten ins Kriegspresse-Quartier nach Mährisch-Ostrau vervollständigten diese Freuden. Der 18. August wurde durch einen Gottesdienst in der Pfarrkirche eingeleitet. Auch Friedrich und Conrad erschienen. Zu Mittag war im Park des Erzherzogs ein großes Zelt aufgeschlagen. Kaiser Wilhelm hatte sich zum Diner angesagt. Ich und einige Herren der Operationsabteilung waren zugezogen. Unter dem Toreingang fing ich den Erzherzog ab, der mir geschwind den Heeresbericht unterschreiben mußte. Bald darauf ertönte das helle Hupensignal des Kaiserautos, und im nächsten Augenblick fuhr es die Schloßrampe herauf. Der Kaiser hatte die österreichische Marschallsuniform angelegt, stilhalber mit dem spanischen Goldenen Vlies, da er als Evangelischer das österreichische nicht haben konnte. Falkenhayn trug die Felduniform seines k. u. k. Infanterieregiments Nr. 81, es war nicht ganz einfach, sich an den scharfgeschnittenen Kopf unter der etwas saloppen österreichischen Feldmütze zu gewöhnen. Das Essen war gut und angeregt, Toast wurde nur einer ausgebracht - auf den greisen Kaiser Franz Joseph. Der Hausherr Erzherzog Friedrich las, aufgeregt wie immer bei solchen Gelegenheiten, die Rede von einem Schreibmaschinenblatt ab, wobei er angeblich das dritte Hoch erst nach Ablesen auf der zweiten Seite hervorbrachte. Der Kaiser hielt nachher Cercle und ließ sich auch mich vorstellen. Er sprach ein paar Worte über den Kriegspressedienst. Conrad war „grantig", er hatte Ärger. Die Niederwerfung Serbiens, durch welche der Landweg nach Konstantinopel eröffnet werden sollte, stand unmittelbar bevor. Zar Ferdinand der Bulgaren hatte die Unterstellung seiner Truppen ausdrücklich von der Bedingung abhängig gemacht, daß ein deutscher General den gemeinsamen Feldzug führe und die deutsche Heeresleitung befehlige. Er war of-
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fenbar durch den Potiorek-Feldzug verschreckt, wie der ganze Balkan. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen, bei denen sich Cramon wieder sehr bewährte. Schließlich fand man eine Kompromißlösung: Oberkommando auf dem Kriegsschauplatz Feldmarschall v. Mackensen, mit Seeckt 2s6 ) als Generalstabschef. Diese beiden werden vom AOK. Teschen angewiesen, das aber vorher die DOHL. zu konsultieren hatte. In Wirklichkeit machten Falkenhayn und Seeckt es sich natürlich leichter. Wenige Tage später hielt ich mich gerne auf dem Gang des Albrechtsgymnasiums auf. Ich wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Mackensen und Seeckt zu sehen. Es gelang mir, Mackensen fuhr über Wien und stellte sich dort als neuernannter Inhaber seines k . u . k . Husarenregiments Nr. 10 dem Kaiser Franz Joseph vor. Dieser lud ihn zum Frühstück zu zweien ein. Mackensen sah prachtvoll aus. Die Wiener erzählten sich nachher, der alte Kaiser habe nach Mackensens Besuch gesagt, den Mittelmächten ginge es gut, Wilhelm habe den Hindenburg, er Franz Joseph - den Mackensen. Noch eine zweite Niederlage erlitt das AOK. das heißt Conrad. Die österreichischen Kräfte, die in Serbien eindringen sollten, marschierten unter dem Befehle des GdK. v. Tersztyánszky auf. Zwischen diesem und dem Vertreter Tiszas, Herrn v. Thallóczy 257 ), kam es zu einem schweren Konflikt. Tisza erreichte über den Kopf Teschens hinweg die Entfernung Tersztyánszkys, an dessen Stelle das ewige Stehaufmännchen Kövess kam. Und ein drittes kam. Österreich konnte nicht die volle Zahl der versprochenen Truppen zum serbischen Feldzug beistellen. Das Korps Arz in Ostgalizien wurde im Augenblick seines Abtransportes von den Russen angefallen und am Abgehen gehindert 258 ). Conrad kratzte in Bosnien etwas mehr Landsturmbataillone zusammen. Er trat dafür ein, die bosnische Gruppe und die Bulgaren, die gegen Ostserbien aufmarschierten, zu möglichst weitgehender Umfassung anzusetzen. Das war richtig. Falkenhayn ging aber nicht darauf ein. In diese Zeit fiel auch die erste Krisis von Luck. Conrads großer Schlachtenplan für den Nordosten war es immer gewesen, den russischen Heeresteil südlich der 2 5 6 ) Hans v. Seeckt (Schleswig, 2 2 . 4 . 1 8 6 6 - 2 7 . 1 2 . 1 9 3 6 , Berlin), 1885 Lt. in der preuß. Armee, 9 . 3 . 1 9 1 5 Chef d. Glstbs. 11. dt. Armee, 1 4 . 9 . 1 9 1 5 Chef d. Glstbs. HGr. Mackensen, 1 4 . 6 . 1 9 1 6 Oberstabschef k . u . k . 7. Armee, 1 . 7 . 1 9 1 6 Chef d. Glstbs. HGr. Ehg. Karl bzw. Ehg. Joseph, 2 . 1 2 . 1 9 1 7 Chef d. Glstbs. des türk. Feldheeres, anfangs 1919 Oberkmdt. Nord des Grenzschutzes Ost, sodann Chef d. Glstbs. der Armee, XI. 1919 Chef des Truppenamtes, 5 . 6 . 1 9 2 0 Chef der Heeresleitung, 1926 verabschiedet. Vgl. H. Meier-Welcker, Seeckt. Frankfurt/Main 1967; ders., Die Beurteilung der politischen Lage in Österreich-Ungarn durch Generalmajor von Seeckt im Sommer 1917, in Militärgesch. Mitt., Jg. 1968, 8 7 - 1 0 4 ; R. Kiszling, General von Seeckts Wirken im österreichisch-ungarischen Heer, in Ö G L . , Jg. 12/1968, 2 7 1 - 2 7 6 . 2 5 7 ) Ludwig Thallóczy (Buda, 8 . 1 2 . 1 8 5 6 - 1 . 1 2 . 1 9 1 6 , Eisenbahnunglück bei Herczeghalom), Historiker, Beamter im gemeinsamen Finanzministerium, 1912 Geheimer Rat, Mitglied der Ung. Akademie der Wissenschaften, 1915 Ziviladlatus beim Militär. General-Gouvernement Serbien. 2 5 β ) A m 6. Oktober 1915 begann der Hauptangriff der k . u . k . 3. Armee gegen Belgrad. Von Syrmien aus sollte das k . u . k . VI. Korps mit dem k . u . k . XVII. Korps angreifen. Dies wurde durch schwere Angriffe der russischen Südwestfront, insbesondere des russ. XI. Korps, die sich ab 9. Oktober steigerten, verhindert.
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Pripjetsümpfe von Norden her gegen Südosten abzudrängen. Die Russen fingen im September diesen Stoß bei Luck durch einen heftigen Gegenangriff auf, der nur durch deutsche Hilfe zum Stehen gebracht werden konnte 2 5 9 ). Die Lehre O k r ó t nys 2 6 0 ) in der Akademie und Korzers in der Kriegsschule von der Unpassierbarkeit der Pripjet-Sümpfe erwies sich als Lüge. In kürzester Zeit war die ganze Sumpfzone von Truppen beider Heere bevölkert. Es war ein Dasein auf Prügelwegen und in Morast, aber es mußte riskiert werden. Zumal abgesessene Kavallerie gab es in Menge. Bei Pinsk, auch schon in den Sümpfen, war einen Monat zuvor Prinz Salm 2 6 1 ), der Schwiegersohn des Erzherzogs Friedrich, gefallen. Zwischen dem 7. und 10. Oktober fiel Belgrad in die Hände der Verbündeten 2 6 2 ). Alles ging gut vorwärts. Wir saßen in unseren Büros und hätten auch gerne einmal wieder irgendwo Frontluft gekostet. Man kam aber schwer fort. Ich war während der Lucker Geschichte zum ersten Mal in Wien. Dies brachte mir einen ganz großen Augenblick ein. Plötzlich wurde ich zum Telephon ins Kriegsministerium gerufen: A O K . , Metzger war beim Telephon. Bolfras sei wegen Luck sehr aufgeregt, ich möchte mich sofort zu ihm nach Schönbrunn begeben und ihm auf Grund meiner Kenntnis, die bis zum Vorabend reichte, Aufklärung geben. Ich fuhr sofort nach Schönbrunn. Bolfras kannte meinen Namen aus den Briefen von Montschi Sternberg und auch meine Schriften und war sehr liebenswürdig. Meine beruhigenden Aufklärungen machten offenbar so viel Eindruck, daß er den Flügeladjutanten, in dessen Zimmer er sich befand, bat, er möge ihn beim Kaiser melden. Nach einer Minute trat er zum Kaiser an, kam dann wieder heraus und sagte: „Seine Majestät befiehlt Sie zu s i c h ! " Mir klopfte das Herz erheblich höher, ich zog in Eile meine Handschuhe an, da ich mich ja dienstlich zu melden hatte, und trat in das Schreibzimmer des Kaisers. Dieser erhob sich von seinem Sessel und kam mir müde ein paar Schritte entgegen. Ich hatte ihn von der Leipziger Feier her noch in sehr genauer Erinnerung und war betroffen, wie sehr er zusammengeschrumpft war. Ein ganz kleines, gebeugtes Männchen mit runzeliger Kopfhaut, traurigen Augen und gebeugten Schultern stand vor mir. Er nahm meine Meldung entgegen und wies mir wider Erwarten einen Platz neben dem Schreibtisch an. Dann sagte er mit gleichfalls etwas müder, aber doch der vertrauten klaren Stimme, etwas böse: „ I h r Chef hält mich mit Nachrichten äußerst kurz, umso mehr erfahre ich von anderer Seite. Was ist das für ein Malheur mit diesem L u c k ? Wer ist schuld, die Führung, oder die Truppe, oder beide ? " Ich trachtete an der Hand einer Bleistiftskizze, die ich mir knapp vorher für Bolfras angefertigt hatte, einige Erklärungen zu geben, schreckte auch nicht davor zurück, die Fehler des A O K . of) Vgl. Anra. 63. ) Ladislaus O k r ó t n y (Karlsburg, Siebenbürgen, 2 2 . 6 . 1 8 7 2 - 1 2 . 2 . 1 9 4 1 , B a d e n / W i e n ) , 1892 aus der Milak. als L t . zu I R . 3 1 , 1 . 1 0 . 1 8 9 8 als Lehrer für Geographie an die Milak., 1 . 1 2 . 1 9 0 5 H p t m . , 1 5 . 4 . 1 9 0 6 in den Armeestand, 1 9 0 9 - 1 9 1 3 im K M . , 6. A b t . , 1 . 3 . 1 9 1 5 M j r . , 1 . 1 1 . 1 9 1 7 O b s t l t . im K A . , 1 . 7 . 1 9 2 0 O b s t . , 1 . 9 . 1 9 2 0 pensioniert als Regierungsrat. 2 6 1 ) Emanuel Erbprinz zu Salm-Salm (Münster i. Westfalen, 3 0 . 1 1 . 1 8 7 1 - 1 9 . 8 . 1 9 1 6 , bei Pinsk), 1 0 . 5 . 1 9 0 2 vermählt mit Ehgin. Maria Christina ( 1 8 7 9 - 1 9 6 2 ) . 259
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2 6 2 ) Vornehmlich durch Einheiten der k. u . k . 3. Armee ( G d l . Kövess). Vgl. A . Wagner, Belgrad 1915, in: Truppendienst, J g . 1975, 4 3 8 - 4 4 0 .
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fen darzustellen, konnte aber dem Kaiser die beruhigende Versicherung geben, daß die Krise, nicht zuletzt dank dem Eingreifen deutscher Divisionen in die Nordflanke der Russen, als behoben angesehen werden könne. Der Kaiser stellte einige Zwischenfragen - dann trat der Moment ein, auf den mich Bolfras aufmerksam gemacht hatte. Der Kaiser nickte einen Augenblick ein. Als er die Augen wieder öffnete, tat ich so, als hätte ich nichts gesehen, sondern sprach dort weiter, wo ich beim Einnicken des Kaisers aufgehört hatte. Der Kaiser dankte mir am Schluß und meinte, das A O K . möge ihn besser informieren. Ich machte meine Verbeugung und schritt, den Rücken zur Tür gewendet, die von den Offiziersgarden geöffnet wurde, wieder hinaus. Ich war natürlich glücklich, den Kaiser so nahe gesehen zu haben und wurde nachher von meinen Kameraden schwer beneidet. Der Zufall sollte es wollen, daß ich den Herrscher noch einmal aus nächster Nähe sah, bevor er - er hatte kaum noch ein Jahr zu leben - das Zeitliche segnete. Am 1. November kam ich neuerlich für zwei Tage aus Teschen fort. Eine Gruppe von Offizieren fuhr unter der Leitung Hoens auf das Schlachtfeld von Gorlice-Tarnów, wo wir das A O K . bei der ersten Allerseelenfeier nach der Schlacht vom 2. Mai vertraten. Der Sonderzug führte uns, wenn ich nicht irre, nach Gorlice, von wo wir nachmittags über Zakliczyn auf den Kaiserjägerberg 409 gebracht wurden. Als wir auf dem Gräberfeld ankamen, dunkelte es bereits. Hunderte von Lichtern flammten auf den schlichten Hügeln auf. Vor dem Kreuz in der Mitte flammte ein mächtiges Fanal. Vertraute Namen las man auf den Grabkreuzen, Kaiserjäger, 59er, 14er - meine engsten Landsleute! Tiroler Vogel, warum bist du so rot? Drei- bis viermal hatten die Regimenter völlig neu aufgefüllt werden müssen, bis sie - in den letzten Monaten - an die bedrohten Grenzen ihrer engeren Heimat abgeschoben wurden. Die 14er und die 59er standen noch bei Luck. Nach einer kirchlichen Feier fuhren wir über das noch arg zerschossene Tarnów nach Teschen zurück. Die Fahrt bei Tage hatte mir manche Erinnerung an den Spätherbst 1914 geboten. Das Tagebuch weiterzuschreiben hatte ich wegen dessen völliger Zwecklosigkeit längst aufgegeben. Es kümmerte sich auch kein Mensch mehr darum. Mein Dienst war sonst ziemlich angewachsen. Immer mehr fiel mir auch ein Teil des politischen Referates zu. Im Oktober hatte ich überdies ein in der Rückschau etwas spielerisch anmutendes Referat bekommen, das mir dennoch manche interessante Stunde bereitete. Das Etappenoberkommando - die spätere Quartiermeister-Abteilung hatte der Operationsabteilung Grundzüge für eine Neuadjustierung der Armee zur Kenntnis gegeben 2 6 3 ). Die Frage ist im Kriege so ziemlich in allen Armeen aktuell geworden. Natürlich dachte man nicht an einen unendlich langen Krieg, und es galt, bei Adjustierungsprojekten Kriegs- mit Friedensbedürfnissen irgendwie in Einklang zu bringen. Der Vorschlag fand nun weder Metzgers noch meinen Beifall, und Metzger beauftragte mich als Historiker mit der Verfassung eines neuen Antra2 6 3 ) S. die Aktenlage, insbes. in Militärkanzlei Seiner Majestät 1916: 6-1/4; vgl. auch: G. Dirrheimer, Erläuterungen zu den Uniformbildern der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg, in: Ö M Z . , Jg. 1967, Sonderheft 1917, 7 2 - 7 6 .
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ges. Mein eifrigster Helfer wurde Freund Jakobich, der spätere Eroberer von Odessa. Natürlich zog ich Künstler heran, wobei natürlich Hollitzer den Vogel abschoß. Die Künstler drängten sich interessanterweise zur Sache. Besonders die Frage der Kopfbedeckungen - Helme, Mützen - brachte alle in Aufregung. Mein naturwissenschaftliches Zimmer sah mit den unterschiedlichen Modellen, die dort auflagen, zeitweilig wie ein Warenlager aus. Vorweg möchte ich sagen, daß die ganze Arbeit, die über den Regierungswechsel hinausdauerte, nicht vergebens war. Sie fand zuletzt ihre weitgehende Verwirklichung in der Uniform der ungarischen Wehrmacht nach 1919, von Farbe und Schnitt angefangen bis zu verschiedenen Details 264 ). Hollitzer und ich vertraten in bezug auf die Felduniform vor allem die Auffassung, daß die Zeit unnötigen Firlefanzes für diese vorbei sei, daß sie einfach und praktisch wie ein Sportkleid sein müsse. Was die Farbe anlangt, so war - abgesehen von der bunten Kavallerie - die österreichische Armee mit den von Jägern und Pionieren übernommenen „hechtgrauen" Uniformen ins Feld gezogen. Dieses Hechtgrau enthielt viel zu viel Blau und war daher verhältnismäßig sichtbar. Wir gingen daher schon nach den ersten Kriegsmonaten zu dem Feldgrau über, das das deutsche Heer trug. Die Mehrzahl fronterfahrener Offiziere war aber bald der Meinung, daß das Grünbraun der Russen überall, auch im Felsgelände, besser entsprach. Experimente, die wir in Teschen anstellten, schienen es zu bestätigen. Das warme Rot in der Farbenmischung wirkte übrigens auch ästhetisch angenehmer. Wir entschieden uns daher für Feldbraun, was für die Kriegserzeugung allerdings den Nachteil komplizierterer Erzeugung hatte, während für das Feldgrau alle Altstoffe herangezogen werden konnten. Für Schnitt und Ausstattung war überdies die Frage bedeutsam, ob man im Frieden wieder auf die Einführung einer eigenen Paradeuniform zurückgreifen werde, wie sie in allen Armeen noch vor dem Kriege bestanden hatte. Wir waren selbstverständlich dagegen. Das forderte allerdings, der Felduniform eine gefälligere Ausstattung zu geben, wobei aber die Sportlichkeit nicht zu Schaden kommen durfte. Hollitzer war außerordentlich erfinderisch, das heißt wir nahmen uns die britisch-amerikanische Ausstattung zum Muster: durchgeknöpfte Röcke mit matten Metallknöpfen, Taschen groß und bei Offizieren mit schönen Quetschfalten aufgenäht, sodaß die Flächen etwas aufgegliedert waren. Am meisten interessierte mich das Abzeichenwesen, dessen Durcharbeitung ebenso organisatorischer, wie historischer, wie künstlerischer Art war. Daß die Gradabzeichen vorn auf den Krägen beizubehalten seien, war selbstverständlich. Während die Gold- und Silberborten der Stabsoffiziere und Generäle einen uralten, sehr hübschen Dessin aufwiesen, stammten die zur Chargenbezeichnung gehörenden Sterne erst aus dem Beginn der Regierungszeit Franz Josephs. Trotzdem bildeten sie seit Einführung der kriegsgrauen Einförmigkeit das Charakteristikum der kaiserlichen Armee, und zwar ein nach Platz und Aufbau sehr zweckentsprechen264) Vgl. L. Jedlicka, Die Tradition der Wehrmacht Österreich-Ungarns und die Nachfolgestaaten, in: Ö M Z . , Jg. 6/1968, 441-447. Zu Holitzers Entwürfen vgl.: G. Martin, Imaginäre Armee in Phantasieuniform, in: Salzburger Nachrichten, 19.3.1977,39.
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des Charakteristikum. N u r an der Kombination von Gold und Silber bei Stabsoffizieren und Generälen hatten die Heraldiker etwas auszusetzen, bei denen bekanntlich Gold auf Silber verboten ist. Zur höheren Feldmäßigkeit wurden die Goldund Silberborten matt vorgesehen, was auch durchaus ästhetisch wirkte. Ein organisatorisch-künstlerisches Problem bildete bei der Kompliziertheit der k . u . k . Wehrmacht (staatsrechtlich richtig, ohne ein von Ungarn gerügtes Gravamen hieß es „ G e s a m t e bewaffnete Macht Österreich-Ungarns", wobei man schon Nachsicht übte) das steigende Anwachsen von neuen Waffen und Dienstzweigen. In alter Zeit, als noch der verschiedenfarbene Paraderock, der zugleich Feldkleid war, das Hauptkennzeichen der Unterscheidung bot, war es einfach. Nunmehr war aber dieses Hauptunterscheidungsmerkmal auf dem Wege über die blaue zur feldgrauen Bluse eines durch die ganze Armee gleichen Schnittes völlig verschwunden, und das berühmte „Farbenkastel" der Infanterie und der Dragoner tat ein übriges, Verwirrung anzustiften. Es gab Infanterieregimenter, die die gleichen Aufschläge (Kragenspiegel) der Artillerie oder der Pioniere trugen und in dem einen Falle überhaupt nicht, in dem anderen Falle durch ein gelbes Schnürchen auf der Achsel, das die Berittenen hatten, zu unterscheiden waren. Hier Ordnung hineinzubringen, ohne der Tradition weh zu tun, war keine leichte Sache. Wir schlugen fürs erste vor, für die einzelnen Truppengattungen einheitliche Aufschlagfarben in Aussicht zu nehmen, die in Form der schon üblich gewordenen Streifchen auf den Kragen aufgelegt wurden. Das frühere Farbenkastel, das bis in die Zeit der Gründung des stehenden Heeres zurückreichte, sollte zwar rudimentär erhalten bleiben, aber nur in Form von dünnen Randstreifen auf den weichen Achselklappen. Wichtig war es natürlich, die ungarischen Militärstellen für die Neuerungen zu gewinnen. Daher erfand Hollitzer für sämtliche ungarische Truppen - bisher waren, abgesehen von der Honvéd, nur Infanteristen und Husaren als solche zu erkennen - eine kleine Verschnürungsschleife, die hinter dem Aufschlagstreifen angesetzt werden konnte. Sie ist in prunkvollerer Form von der späteren ungarischen Armee übernommen worden. Neben dem Mannschaftseinheitskleid, das auch für den Offizier vorgesehen war, sollte der letztere eine Gesellschaftsuniform bekommen, die durch Feldbinde und eine Paradekopfbedeckung in eine außerhalb der Truppe verwendbare Gala-Uniform ausgestaltet werden konnte. Besonderes Kopfzerbrechen bereitete uns die Kappenfrage. Wir liebten weder die Offizierskappe (schwarz und steif), noch die sehr praktische Mannschaftskappe, die beide den Nachteil hatten, die Fantasie der Kappenmacher in geschmacklosester Weise anzuregen. U m der Sucht der Soldaten, ihren Kappen die scheußliche Zylinderform geben zu lassen, den Boden abzugraben, erfand Hollitzer eine Naht, die es unmöglich machte. Was die Offizierskappen anlangt, so wären wir am liebsten zu einer Tellermütze à la englische Marine übergegangen. Die Neu-Uniformierung kostete eine Menge Arbeit. Wir bemühten uns auch, die Fronterfahrungen fortlaufend zu verwerten und überhaupt die Truppe zu interessieren, so daß sie nicht später von Schöpfungen am grünen Tisch sprechen konnten. D a z u kommandierten wir uns aus der Front dreißig Soldaten mit Tapferkeitsmedaillen, die länger als ein halbes Jahr in Teschen als Mannequins ein angenehmes
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Leben verbrachten. Mit ihnen demonstrierten wir unsere Vorschläge an den verschiedenen Fronten, wobei ich das Verniigen hatte, die Vorführung in Bozen beim Erzherzog Eugen und in Trient zu leiten. Den H ö h e p u n k t der Vorführungen bildete die beim alten Kaiser am 30. M ä r z 19 1 6 2 6 5 ) . Sie nahm kein Geringerer als C o n r a d selbst vor, der unserem Modernismus viel Verständnis entgegenbrachte. W i r zeigten unsere Modelle, darunter einige hübsche Offiziere des A O K . - zuerst dem greisen Generaladjutanten Grafen Paar und konnten schon bei ihm wahrnehmen, daß es für in ganz anderen Traditionen aufgewachsene alte H e r r e n nicht leicht war, das ihnen gebotene Bild nicht ohne völlige Ablehnung aufzunehmen. N o c h besorgter war ich natürlich gegenüber dem Kaiser. W i r nahmen in der kleinen Galerie des Schönbrunner Schlosses Aufstellung, am rechten Flügel Conrad, Slameczka und ich, dann die Mannequins. D e r Kaiser kam, begleitet von Paar und Bolfras, herein. Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet, aber mir kam vor, als wäre er zusammengezuckt bei so viel Veränderung im Bilde seiner Armee. Der Sprung von den weißröckigen Infanteristen und von den Ulanen, den er zwischen 1850 und 1910 zur feldgrauen Bluse mitgemacht hatte, war unendlich größer. Vielleicht dachte er sich bei dem geringen Vertrauen, das er in die Bestandfestigkeit seines Reiches setzte, aber auch: d i e haben Sorgen, womit er recht gehabt hätte. Conrad stellte Slameczka und mich vor, der Kaiser, der übrigens noch um eine Nuance mehr zusammengeschrumpft aussah und als kleines Männchen müde dahinschritt, nickte bloß mit dem Kopfe. Dann ging er zu den Mannequins. E r betrachtete sie aufmerksam, Conrad erklärte ihn mehr schlecht als recht die Einzelheiten. Der Kaiser interessierte sich aber fast noch mehr als für den Anzug für die Auszeichnungen, die die Mannequins an der Brust trugen und woher sie kamen. E r sprach deutsch, magyarisch, auch böhmisch, und ich staunte über die unerhört genauen Kenntnisse, die er hinsichtlich der Kriegsereignisse verriet. Diese Leute nannten natürlich, wenn sie um den O r t ihrer tapferen Tat gefragt wurden, sehr oft kleine O r t e , auf deren Nennung der alte H e r r sicherlich nicht vorbereitet war. E r erwies sich sofort im Bilde. Es war doch so, daß er immer noch über ein fulminantes Gedächtnis verfügte. Wogegen seine Entschlußkraft schon seit Jahren nachgelassen hatte. Sonst wären wir nicht im Kriege gewesen. Mit einer leichten Verbeugung verließ der Kaiser, ohne etwas Näheres zu sagen, den Saal. Wie nicht anders zu erwarten, war natürlich das Kriegsministerium und waren wahrscheinlich auch die beiden Landesverteidigungsministerien böse, daß das wenig beliebte A O K . hier ein Arbeitsgebiet an sich gerissen hatte, das eigentlich ihnen zufiel. Ich persönlich war zwar bemüht gewesen, die betreffenden Referenten immer zur Mitarbeit heranzuziehen. Aber das genügte den Chefs nicht. 265) Ygi k a M K S M . , 1916: 6 - 1 / 4 - 5 . Nach der Besichtigung betraute der Kaiser mit ah. Entschließung vom 2 . 4 . 1 9 1 6 das A O K . „ m i t der Ausarbeitung einer nach dem Kriege einzuführenden Neuadjustierung und Neuausrüstung der W e h r m a c h t " . Darunter war vor allem die Einführung eines für das Feld und für Truppenparadezwecke geeigneten Einheitskleides für die Mannschaft mit „brauner G r u n d f a r b e " zu verstehen, aber auch die Herstellung eines für Paradezwecke „ u n d als S t u r m h a u b e " verwendbaren Helmes.
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Auch der Chef der Militärkanzlei scheint von der Ressortwidrigkeit beeindruckt gewesen zu sein. Kurz und gut - nach etlichen Monaten weiterer Arbeit kam, einige Wochen vor Franz Josephs Tod, der Befehl der Militärkanzlei, Seine Majestät habe befohlen, die Verfolgung des Adjustierungsprojektes bis in die Friedenszeit zurückzustellen 2 6 6 ). Die Sache hatte noch ihr Nachspiel. Freund Jakobich war über das Endergebnis unserer Arbeit noch schmerzlicher berührt als ich. Als er im letzten Kriegshalbjahr schon in der Militärkanzlei des jungen Kaisers Dienst machte, setzte er die Wiederaufnahme des Adjustierungsprojektes durch. Aber das Vergnügen währte nur kurz. Bald kam neuerlich auf Betreiben der militärischen Minister der Befehl, daß die Sache doch zurückzustellen sei und Seine Majestät unbedingt die Beibehaltung der alten Aufschlagfarben, das heißt des Farbenkastels, wünsche. Der Zusammenbruch ging über das ganze Problem zur Tagesordnung über. Hollitzer und ich freuten uns doch, als wir unsere Arbeit plötzlich jenseits der Leitha, wenn auch in etwas veränderter Form, zu neuem Leben erwachen sahen. Auf der Bühne der Weltgeschichte brachte der Winter 1915/16 den berühmten Krieg zwischen Falkenhayn und Conrad mit sich. Die Zusammenarbeit der beiden war während des serbischen Feldzuges immer schlechter geworden. Ich glaube, beiden bereitete persönliches Zusammentreffen mit der Zeit geradezu körperliche Schmerzen. Die Folge war, daß sich jeder der beiden in der Tiefe seines Herzens mit Plänen trug, von denen er dem anderen schon wegen der unvermeidlichen Auseinandersetzungen nichts mitteilte. Nur durch Zufall erfuhr Conrad, daß Falkenhayn während des Vordringens der Verbündeten gegen Mazedonien und Montenegro einige seiner Divisionen aus der Front zog und nach Südungarn verlegte 2 6 7 ). Conrad war nicht zu Unrecht verstimmt. Er benützte aber den Verstoß Falkenhayns gegen die gemeinsame Kriegführung, um auch seinerseits einen solchen zu begehen. Er plante seit längerem, der Niederwerfung Serbiens die von Montenegro folgen zu lassen. Mit dem bestimmten Eindruck, daß Falkenhayn diesem Unternehmen nicht zustimmen werde, entschloß er sich, es, ohne ihn zu befragen, anzugehen. Falkenhayn hatte dafür spätestens vor Weihnachten ohne Mitteilung an Conrad den Beschluß gefaßt, im Februar einen Großangriff im Westen starten zu lassen. Dagegen war es ihm mit einer Fortführung der Balkanoffensive gegen Saloniki, die Anfang Dezember aus Rücksicht auf die griechische Königsfamilie und ihre Verwandtschaft mit den Hohenzollern unterblieb, im Frühjahr kaum ernst 2 6 8 ). Conrad seinerseits hätte Falkenhayn, das heißt die Deutschen, gern zu einem gemeinsamen Angriff auf Italien eingeladen. Er bereitete nun - nach der Einnahme
2 6 6 ) MKSM., 1916: 6 - 1 / 4 - 1 0 . Ah. Entschließung vom 1 1 . 1 1 . 1 9 1 6 . Sie erfolgte vor allem aufgrund der Einwände des Kriegsministeriums. Die Versuche zur Schaffung eines Feldkleides sollten fortgesetzt werden. 2 6 7 ) Am 8. November 1915 wurden die 26., die 6. und die 11. bayrische ID. aus der Front gezogen und nach Norden in Marsch gesetzt, obwohl G O . Conrad dagegen protestiert hatte. 2 6 8 ) Dazu u.a.': F. Mühlhofer, War Saloniki 1915 anzugreifen?, in: M W M . , Jg. 1932, 9 8 8 - 9 9 2 , weitere Materialien und Ausarbeitungen zu diesem Thema im Nachlaß Mühlhofer, K A . , sign. B/231.
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des Lovcen, von Montenegro und Nordalbanien - eine österreichische Sonderoffensive gegen den welschen Erbfeind vor. Die sachlichen Meinungsverschiedenheiten und ihre persönliche Behandlung führte zu einem so schweren persönlichen Konflikt, daß Falkenhayn dem General Cramon erklärte, mit Conrad überhaupt nicht mehr sprechen zu können. Es kostete Cramon die größte Mühe, die beiden wieder zusammenzubringen. Dies glückte in der letzten Jännerwoche 1916. Am Geburtstag des deutschen Kaisers sah man die beiden noch etwas grollend wieder nebeneinander sitzen. Es war wohl nur ein sehr fauler Friede. Im Februar 1916 erlebten wir eine große Stunde. Der Zar Ferdinand von Bulgarien hatte sich in Teschen angesagt 2 6 9 ). Bisher wurden, wenn Fürstenbesuche da waren, wir Jungtürken hübsch versteckt. Conrad hatte für andere Wünsche gar kein Verständnis und auch bei Metzger war es nicht groß. Diesmal nahm ich die Sache in die Hand und erreichte, daß die Operationsabteilung zum Empfang des hohen Herrn auf dem Gange vor dem Büro Conrads aufgestellt wurde. Unsere Brust war stark gewölbt. Denn kurz vorher war aus dem Schloß, wo der Zar abgestiegen war, ein Telegramm nach Sofia durch unsere Telegraphenstation durchgegangen des Inhaltes: „Schickt Alexander, soweit der Vorrat reicht". Gemeint waren Alexander- und Militärverdienstorden. Da hofften wir, nicht leer auszugehen. Der Zar kam, in einen mächtigen Pelzmantel eingehüllt. Conrad bemühte sich, die fünfundzwanzig Offiziere, die auf dem Gange aufgebaut waren, unter Bezeichnung ihres Ressorts vorzustellen. Nonchalant wie er war, irrte er sich nicht bloß in den Ressorts, sondern sogar in den Namen. Der Zar trug die österreichische Marschallsuniform, die er vor nicht allzulanger Zeit erhalten hatte. Unter dem Schirm der feldgrauen Kappe wuchs eine riesige Nase hervor, die von zwei äußerst listigen Äuglein eingesäumt war. Als er zu mir kam, meinte er schmeichelhaft: „ O h , Sie sind der Glaise - ich danke Ihnen für die wertvolle Hilfe, die Sie unserem Tantilow leisten ! " Ich habe den Zaren genau fünfundzwanzig Jahre später wiedergesehen, und zwar in seinem bescheidenen Palais zu Coburg, wo ich ihn - am 10. Jänner 1941 - von Berlin her besuchte. Von da an sahen wir uns jährlich noch einmal - bis 1945. In einem Neujahrsdank 1943 apostrophierte er mich als „seinen alten Agoniegenossen". Im Oktober 1942 war ich in Sofia bei seinem Sohne Boris 2 7 0 ). Dieser meinte nachher zu seinem Agramer Gesandten Metschkaroff: „Besprechen Sie die Sachen nur mit dem General Glaise, da werden Sie nie schlecht fahren." Es klingt etwas eitel, daß ich diese Aussprüche hier aufzeichne. Dazu sind aber persönliche Aufzeichnungen schließlich da . . . Nach der Vorstellung auf dem Gange in der Nähe der Schulklosetts begab sich der Zar zu Conrad ins Büro. Dort geschah das große Unglück. Man besprach das Ergebnis des eben abgeschlossenen Balkanfeldzuges. Conrad setzte nun dem bren) D e r Besuch in Teschen fand am 1 1 . 2 . und 1 2 . 2 . 1 9 1 6 statt. ° ) Zar Boris V . B u l g a r i e n (Sofia, 3 0 . 4 . 1 8 9 4 - 2 8 . 8 . 1 9 4 3 , Sofia), 3 . 1 0 . 1 9 1 8 Zar Boris I I I . 269 27
Sohn
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nenden Wunsche des Zaren, Prizren und Pristina mit seinen Truppen besetzen zu können, ziemlich unnötigerweise ein entschiedenes Nein entgegen. Der Konflikt setzte sich auch im schlichten Palais des Erzherzogs Friedrich fort. Dem Erzherzog rannen, erzählte mir Ferdinand sechsundzwanzig Jahre später, die Tränen herab. Auch bei dem kurz darauf folgenden Besuch des Königs beim alten Franz Joseph („gnädigsten H e r r n " nannte ihn Ferdinand noch immer) kam es nach Mitteilung des Erstgenannten zu heftigen Auseinandersetzungen am Stehpult des Kaisers, wobei dieser übrigens erstaunliche Beweise von seiner geistigen Frische abgegeben habe . . . Der Zar verließ wutschnaubend das A O K . und wartete nicht bloß die „Alexander" aus Sofia nicht ab, sondern schlug auch die Ordensliste, die er mit hatte, empört zu. Unter den wenigen Ordensempfängern, um die er nicht herumkam, befand sich allerdings doch Conrad, während wir anderen, die dem guten „ N a s o " Prizren und Pristina gern gelassen hätten, leer ausgingen. Abends fand eine vom Major Zitterhofer des Kriegsarchivs (genannt Zitterbart) veranstaltete Kinovorführung statt. Unter dem Publikum, durchwegs Offizieren des A O K . , herrschte eine gedrückte Stimmung, wie sich's gehörte, wenn im Olymp was los war. Immerhin konnten Freund Lauer und ich, ziemlich nahe den höchsten Herrschaften sitzend, zwei „Feldherrenworte" verewigen, die dem gütigen Erzherzog Friedrich entwichen und später leider ihren Weg in den „Letzten Tagen der Menschheit" von Karl Kraus fanden. Als ein Film über einen militärischen Skikurs im Zillertal vorgeführt wurde und ein Skiläufer hinfiel, hörte man durch die Stille des Saales den näselnden Ausruf des Feldmarschalls: „Patz, da liegt e r ! " Und als ein „natürlich künstlich arrangierter" Granattrichter auf der Leinwand aufsprang, rief der gute Fritzel: „Pumpsti, T r i c h t e r " 2 7 1 ) . Der Streit mit dem königlichen Gast hatte ihm also nicht jede naive Freude geraubt . . . Der Zar Ferdinand war bei seinen fürstlichen Standesgenossen ziemlich unbeliebt. Auch Kaiser Franz Joseph entschloß sich sehr schwer, ihm zuerst ein Husarenregiment 2 7 2 ) und dann den Marschallstab 2 7 3 ) zu verleihen. Dabei hatte der Zar bekanntlich in der kaiserlichen Armee zu dienen begonnen. Er war sogar insofern ein Regimentskamerad von mir, als er einen Teil seiner Leutnantszeit beim Linzer 3. Feldjäger-Bataillon verbrachte, das später in mein Regiment überging. Sein Divisionär war damals Erzherzog Johann Salvator, der spätere Johann Orth. Er pflegte am Schluß von Offiziersbesprechungen zu fragen: „ H a t mich alles verstanden?" und dann zu Ferdinand Coburg gewendet: „Auch Sie, königliche H o h e i t ? " Bekanntlich trat kurz darauf der Erzherzog als Kandidat für die Fürstenkrone von Bulgarien auf, wurde aber von Kaiser Franz Joseph zurückgepfiffen. Statt seiner zog Ferdinand in Sofia ein. Noch schlechter waren Wilhelm II. und Kaiser Karl auf ihren Schwager 2 7 4 ) Ferdinand zu sprechen. Sie waren selbst in den über ihn gebrauchten Ausdrücken nicht
) Karl Krauß, Die letzten Tage der Menschheit, 2. A k t , 28. Szene. ) Mit Allerhöchstem Handschreiben v. 1 8 . 1 . 1 9 1 6 . 2 7 3 ) Zar Ferdinand war seit 1909 O b e r s t - I n h a b e r des Husarenregiments N r . 11.
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wählerisch. Dafür pflegte Ferdinand in seinen alten Tagen zu sagen: „ I c h habe den Balkan dreißig Jahre lang in Ordnung gehalten, da kam mir der unglückselige Wilhelm dazwischen." Am 20. Februar 1916 setzte das erste Tempo der strategischen Extratouren ein, die sich die Mittelmächte leisteten, der unselige Angriff auf Verdun. Es war bei Falkenhayn ein verhängnisvoller Denkfehler, eine starke Festung, die zugleich das Palladium Frankreichs bildete, mit der Absicht anzugreifen, vor allem dem Feinde größere Verluste beizubringen, als man sie selbst erlitt; die etwaige Gewinnung des Platzes stand erst in zweiter Linie. Beiläufig in denselben Tagen hätte die Offensive beginnen sollen, die Conrad über die Hochfläche von Asiago in den Rücken der italienischen Isonzofront führen wollte. Hier eine kleine Nebenepisode. In der Operationsabteilung hatte jede Nacht einer der jüngeren Offiziere Inspektion. Man schlief in einem der beiden Betten des R-Zimmers und war immer zur Stelle, wenn es hieß, zum Telephon oder ins ,,Hughes"-Zimmer zu gehen. In der Früh gehörte es zur selbstverständlichen Gewohnheit, das nebenan befindliche Büro Metzgers zu besuchen, wo in der Regel interessante Notizen, Briefe oder dergleichen, lagen. Man hatte die „ V e r pflichtung", alles durchzusehen und dann in der Gemeinschaft der Jungtürken zu verkünden. Man nannte diesen Vorgang „Hausdurchsuchung bei Metzger". Als ich nun in jenen Wochen diese Hausdurchsuchung vornahm, fand ich einen von Conrads Hand gezeichneten Zettel vor. Er zeigte mit ein paar lapidaren Strichen, wie es so seine Gewohnheit war, die Isonzofront und den bastionartig vorspringenden Südtiroler Bogen. Aus diesem war eine gerade Linie nach Venedig gezogen, auf der sechs Tagesmärsche zu je zwanzig Kilometer angezeichnet waren. Das erschien mir für alle Zeiten für Conrads strategisches Denken kennzeichnend. Aus der rauhen Welt der Dinge herausgehoben, waren Anlage und Stoßrichtung sicherlich ideal gedacht. Aber die Einzeichnung der Tagesmärsche verriet wieder, daß Conrads Denken manchmal der Realität entriet, wie sie zum Beispiel hier durch die Notwendigkeit, mehrere gewaltige Gebirgsstöcke zu überwinden, gegeben war. Eine Einführung betreffend das ,,Hughes"-Zimmer 2 7 5 ). Dieses war ein großer Saal am entgegengesetzten Ende des Ganges, in welchem ein Fernschreibapparat neben dem anderen stand. Dort sprach man „per Hughes", das heißt man ließ von dem Frontkommando (Heeresgruppe, Armee) den Generalstabsoffizier kommen, mit dem man „sprechen" wollte. Man diktierte Frage und Antwort, und auf den Papierstreifen war das ganze Gespräch, beginnend vom altösterreichischen Servus, enthalten. Der Haupt-Hughesoffizier war übrigens mein lieber Freund Oberstlt. Max Graf Platen-Hallermund, Bruder eines Obersthofmarschalls des 2 7 4 ) Zar Ferdinand I. hatte in erster Ehe in Villa Pianore Marie Louise Przssin. v. Bourbon-Parma (Rom, 17. 1 . 1 8 7 0 - 1 9 . / 3 1 . 1 . 1 , 3 9 9 , Sofia) geheiratet. Diese war eine Tochter aus Hzg. Robert v. Bourbon-Parmas erster Ehe und daher eine Halbschwester Przssin. Zitas. Mit Wilhelm II. war Ferdinand v. Bulgarien nicht näher verwandt. 2 7 5 ) Hughes-Apparat, ein Drucktelegraph, benannt nach David Edward Hughes, einem engl. Ingenieur. Über seine Erlebnisse im Hughes-Zimmer des A O K . 1 9 1 4 - 1 9 1 8 vgl. die Erinnerungen des Postoberoffizials Wilhelm Möller: K A . , Nachlaßslg. sign. B/180, nr. 1.
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deutschen Kaisers, alter 15er Dragoner 2 7 6 ). "Wenn er mit zerknüllter Kappe, dunkler Bluse und roten Hosen ritt, war er ein Bild für ein Denkmal - weniger schön, wenn er in seinem Büro ein schwarzes Zucchetto zum Schutze gegen Verkühlungen trug. Er hieß bei uns Onkel oder Oheim, war mit einer Xanthippe 2 7 7 ) sehr reich verheiratet und besaß unter anderem große Zuckerfabriken in Oberungarn (Slowakei). Nach dem Umsturz in Zivil sah er furchtbar aus. Er kutschierte grundsätzlich mit einem uralten Einspänner durch ganz Wien. Einmal holte er mich im Kriegsarchiv ab. Ich hielt es aber nur für ein paar hundert Schritte aus, die Blicke der lächelnden Umwelt brannten allzu stark auf mir . . . Die Ergebnisse der beiden Extratouren kennen wir. Verdun wurde der deutschen Armee zur Hölle, die Blutopfer waren riesig groß. Der Angriff bei Arsiero-Asiago schickte sich sehr gut an, steckte aber noch vor dem letzten Höhenzuge, als die Russen bei Luck und Okna zum Gegenstoß antraten. Dieser russische Angriff, der letzte, zu dem das Zarentum den Muzik anzufeuern vermochte, kam keineswegs überraschend. Die feindlichen Funksprüche verrieten uns alle Einzelheiten im voraus. Hier möchte ich wieder eine Einfügung machen, die bei einer wohlüberdachten Disposition meiner Aufzeichnungen natürlich woanders hingehörte. Schon zu Kriegsbeginn hatten wir wahrnehmen können, daß die operative Führung der Russen vom Funkspruch besonders reichen Gebrauch machte. Die russischen Funksprüche waren chiffriert. Da machten sich schon während der Lemberger Schlachten zwei Offiziere des österreichischen Nachrichtenbüros, der Generalstabsoberleutnant P o k o r n y 2 7 8 ) und der pensionierte Hauptmann Figi 2 7 9 ) darüber; letzterer zeigte in der Folge eine ausgesprochene Begabung für Entzifferungen, bei keinem Wechsel der feindlichen Chiffrenschlüssel brauchte er zur Bloßlegung des Systems länger als drei Tage. Man kann ruhig sagen, daß ohne diese Entzifferung die Russen bei ihrer gewaltigen Ubermacht höchstwahrscheinlich schon im Win2 7 6 ) Max Grf. Platen-Hallermund (Schiendorf, Holstein, 2 7 . 9 . 1 8 6 3 - 8 . 8 . 1 9 5 0 , Wien), 1882 als Ulan zu U R . 2 , 1884 L t . , 1889 Rtm. D R . 15, 1 6 . 1 0 . 1 9 0 0 in die Res., 1 . 5 . 1 9 1 4 Mjr. i.d. Res., 1 . 8 . 1 9 1 4 zur Dienstleistung ins A O K . eingeteilt, 1 . 5 . 1 9 1 6 Obstlt. i.d. Res. 2 7 7 ) Eugenie Grfin. v. Platen-Hallermund, geb. Edle v. Fischer (Olmütz, 21.11.1869-12.4.1951, Wien). 2 7 a ) Hermann Pokorny (Kremsier, 7 . 4 . 1 8 8 2 - ? ) , 1900 aus der Landwehr-Kadettenschule zu L I R . 1 als Kadett-Offiziersstellvertreter, Glstbslaufbahn, 28. 7 . 1 9 1 4 Leiter der Radio-Gruppe in der OpAbt. d. A O K . , nur 2 . 1 1 . 1 9 1 6 - 6 . 5 . 1 9 1 7 Glstbschef Edelweiß-Div., 2 5 . 1 1 . 1 9 1 7 - Februar 1918 in Brest-Litowsk bei den Friedensverhandlungen, nach dem Zusammenbruch Eintritt in die Honvéd, GM. u. F M L . , Inspektor d. Grenzzollwache. 2 7 9 ) Andreas Figi (Wien, 2 2 . 6 . 1 8 7 3 - 1 1 . 1 1 . 1 9 6 7 , Salzburg), 1891 aus IKSch. Wien zu I R . 2 2 , 1 . 5 . 1 9 0 7 H p t m . , 1 . 1 . 1 9 1 0 pensioniert, als Magazinsoffz. in Senj. verwendet, ab 1911 im Evidenzbüro d. Glstbs. mit Aufbau der Chiffrengruppe beauftragt, ab Juli auch Verwendung bei Aufbau einer Chiffrengruppe im KM., 2 0 . 9 . 1 9 1 4 in d. Nachrichtenabt. A O K . , nach kurzer Truppendienstleistung 2 9 . 5 . 1 9 1 5 Leiter der Chiffrengrp. im Kmdo. Südwestfront, 1 . 7 . 1 9 1 5 Mjr., 2 2 . 1 . 1 9 1 7 Leiter d. Chiffrengrp. in d. Nachrichtenabt., 1 . 1 1 . 1 9 1 7 Obstlt. d. Res., nach Umsturz Dienst in der Bundespolizeidirektion Wien, 3 1 . 8 . 1 9 2 0 versetzt in d. Verhältnis „ a . D . " und übernommen als Zivilbeamter in die Chiffrenabt. des Bundeskanzleramtes, 2 8 . 9 . 1 9 2 1 Titular-Obst., 8 . 6 . 1 9 3 6 Hofrat, 3 1 . 3 . 1 9 3 7 pensioniert.
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ter 1914/15 bis Wien gekommen wären. (Die Befestigung von Wien spielte während der Karpatenkämpfe, also in meiner Kriegsministerialzeit, eine große Rolle. Es waren vier Donaubrücken in Aussicht genommen: Wien, Preßburg, Komorn und Budapest. Wir hatten von der 5. Abteilung aus öfter mit dem Wiener Brückenkopf zu tun, der sich übrigens auch auf das Südufer erstreckte. Ich erinnere mich zum Beispiel auf Befestigungen im Lainzer Tiergarten, die wir besichtigten. Nördlich der Donau paßte sich die Verteidigungslinie manchmal den Verschanzungen von 1866 an 2 8 0 ). Brückenkopfkommandant war Blasius Schemua, der einstige Chef des Generalstabes, der zu Kriegsbeginn als Kommandant des Wiener Korps kein sonderliches Glück gehabt hatte. (Der Kriegsführung von damals war es vergönnt gewesen, Wien das furchtbare Schicksal zu ersparen. Erst dreißig Jahre später, unter dem Feldherrn Adolf Hitler, sollte es sich grausam erfüllen.) So erhielt unsere Heeresleitung russische Befehle oft früher als die russischen Heeresteile, für die sie bestimmt waren, jedenfalls so früh, daß selbst mit den mageren Kräften oft sehr knapp, aber doch der nötige Gegenzug unternommen werden konnte. Einige außerordentlich markante Beispiele ließen sich anführen. Auch auf anderen Kriegsschauplätzen ließ sich der Radiohorchdienst weitgehend verwenden. Aber auch diplomatische Gespräche waren Gegenstand erfolgreichen Abhörens, „Gespräche", da meine ich Funksprüche. Eine unbezahlbare Quelle diplomatischer Information waren die Funksprüche, die der Petersburger italienische Botschafter Carlotti mit seiner Regierung in R o m wechselte. Im engeren Frontbereiche gab es noch Horchgeräte für den feindlichen Telephondienst. Außerdem boten die Kriegsgefangenen wertvolles Material zum Erkennen der Feindabsichten und Maßnahmen. Gegenüber diesen prompt wirkenden Nachrichtenmitteln trat der Kundschaftsdienst und die Spionage im Ausland für die eigentliche Kriegsführung weit in den Hintergrund. Sie leisteten im Vergleich zum anderen sehr wenig, so daß uns Hranilovic und später sein Nachfolger Ronge in der Operationsabteilung irgendwie als „Gschaftlhuber" vorkamen. Eher schon hatten, zumal in der oberitalienischen Ebene, Sabotageakte wertvolle Erfolge gebracht. Man vergleiche darüber Ronges Buch über diesen Gegenstand . . , 2 8 1 ) Am 3. Juni 1916 früh lag auf dem Tische der R-Evidenz ein Horchtelegramm, das uns ganz genau den bei Luck unmittelbar bevorstehenden russischen Angriff mit allen Einzelheiten der Gruppierung verriet 2 8 2 ). Die Meldungen, die der Hee2 8 °) Vgl. E. Hillbrand, Die Befestigung des Bisamberges in den letzten 100 Jahren, 2. Teil, in: Rund um den Bisamberg. Ein Heimatbuch, hg. v. Museumsverein Lang-Enzersdorf, Bd. 3, Lang-Enzersdorf 1966, 88-105; ders., Der Brückenkopf Wien im Ersten Weltkrieg, M Ö S T A . , 14/1961, 138-144; P. Broucek, Die militärische Bedeutung der Donau im Laufe der Jahrhunderte, in: Donaumuseum Schloß Petronell, Wien 1977, 7 1 - 7 9 . 2 8 ' ) Ronge geht in keinem seiner beiden Bücher auf Sabotageaktionen in Italien ein. Diese Aktionen wurden vielmehr unter Leitung des Marineevidenzbüros durchgeführt, wobei sich vor allem Linienschiffskapitän Rudolf Mayer hervortat, der von der Schweiz aus Anschläge gegen italienische Schlachtschiffe, Explosionen in Dynamitfabriken, Vernichtung von Flughallen planen und durchführen ließ. Vgl. H. Bayer-Bayersburg, Österreichs Admírale 1867-1918, Wien 1962, 125f; Die Weltkriegsspionage, München 1930. 2 8 2 ) Für das Folgende vgl. vor allem: H. Benedikt, Wie es zur Katastrophe von Luck kam, in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, hg. v. H. Fichtenau u. E. Zöllner (Veröff. d. I. f. ö. G.,
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resgruppenbefehlshaber Generaloberst v. Linsingen 283 ) - der sich zwanzig Jahre später wegen eines jüdischen Großvaters seiner Haut erwehren mußte: seine Nase fiel besonderen Kennern schon zu unserer Zeit auf - und sein Stabschef Stolzmann 2 8 4 ) vorlegten, sicherten eine verläßliche Abwehr zu. Wenn dergleichen von deutscher Seite kam, konnte man sich am Abend ruhig und ohne Sorge zu dem Fackelzug einfinden, der zu Ehren des Generalissimus Erzherzog Friedrich stattfand, der am anderen Tage die Vollendung seines sechzigsten Lebensjahres beging. Von allen Seiten strömten, als es dunkel geworden war, lange Feuerschlangen zum erzherzoglichen Schloß. Der Generalstab sammelte sich beim „Braunen Hirschen" und schritt die Stefanie-Straße hinab. Unten gruppierte sich alles malerisch zu Füßen des Balkons, auf welchem der Jubilar in Begleitung seiner nächsten Paladine erschien. Conrad hielt - sehr zu seinem Unwillen - eine kurze Glückwunschansprache, die etwas irrtümlich mit einem dreimaligen Hoch auf den Feldmarschall Erzherzog Albrecht (!) endete. Jugenderinnerungen hatten sich offenbar auf seine Zunge gedrängt. Die Feier wurde nicht wesentlich beeinflußt. Weit mehr jedenfalls durch die Frontmeldungen, die am anderen Morgen auf den Tisch Metzgers gelegt wurden: schwerer Einbruch der Russen bei Luck, Panik in der ersten Linie bei der 11. Division seligen Angedenkens, Situation äußerst kritisch. In wenigen Tagen war Luck verloren - ich tröstete Metzger: die Russen seien anständige Leute, wir würden es ein drittes Mal wiederbekommen, was auch, allerdings erst zu Beginn 1918, geschah - in wenigen Tagen klaffte südwestlich von Luck eine Lücke von fünfzig Kilometer Breite, hinter der weit und breit fürs erste kein Mann stand. Noch gefährlicher sah es allerdings wenige Tage 2 8 5 ) später am Südflügel unserer Ostfront aus, wo die Russen bei Okna, nordwestlich von Czernowitz, eine tiefe Bresche schlugen und damit nicht nur die ganze Nordbukowina ins Wanken brachten, sondern auch den Karpatenkamm und das ölgebiet von Drohobycz schwer Bd. X X ) , Wien-Graz-Köln 1974, 4 8 9 - 4 9 2 . Dieser Aufsatz ist in erster Linie eine Stellungnahme zu Glaise-Horstenaus Erinnerungen, die Benedikt im Manuskript vorlagen. Bereits 1920 hatte Glaise-Horstenau die vorliegende Bemerkung über das Verhalten Stolzmanns im Anschluß an einen Aufsatz Berndts festgehalten: O. Berndt, Luck, in: DAZ., 30.8.1919, 4 - 6 u. 6.9.1919, 1 - 4 . , dazu E. GlaiseHorstenau, 4. 2 8 3 ) Alexander v. Linsingen (Hildesheim, 1 0 . 2 . 1 8 5 0 - 5 . 6 . 1 9 3 5 , ?), 1868 in preuß. Armee eingetreten, 1898 Obst., 1906 Divisionskommandeur, 1909-1914 Kdi. Gen. des II. Armeekorps, 9.1.1915 Oberbefehlshaber Dt. Südarmee, 6.7.1915 Oberbefehlshaber Bugarmee, 18.9.1915 auch der Heeresgruppe Linsingen, 1918 Oberbefehlshaber in den Marken und Gouverneur von Berlin. 2 8 4 ) Paulus v. Stolzmann (?, 1 . 4 . 1 8 6 3 - V I I I . 1930, Hannover), 1881 Eintritt in das Heer, 1883 Lt., Glstbslaufbahn, 1912 Obst., Chef des Glstbs. IX. Armeekorps, dann Kommandeur IR. 32, 1913 erblicher Adelsstand, 1914 Chef d. Glstbs. IX. Reservekorps, 24.12.1914 GM., 20.1.1915 1. Chef d. Glstbs. bei der neugebildeten Dt. Südarmee, danach Chef d. Glstbs. im Oberkmdo. der neugebildeten Bug-Armee, 18.9.1915 Chef des Glstbs. der Heeresgruppe Linsingen (gebildet aus Bug-Armee, k. u. k. 4. Armee u. mehreren k . u . k . KD.), 21.7.1916 Führer bzw. Kommandeur 78. Reserve-Division, 15.7.1918 Generalleutnant, 15.9.1918 Kommandeur 16. ID., 9.5.1919 Führer der Reichswehrbrigade 11 in Kassel, 25.5.1919 Kommandeur, 16.5.1920 Befehlshaber im Wehrkreis IV, 1.10.1920 Kommandeur 4. Division, 15.6.1921 aus der Reichswehr ausgeschieden. 2 8 5 ) Am 10. Juni wurde hier die Front der österreichisch-ungarischen 7. Armee durchbrochen. Am 18. Juni eroberten die Russen Czernowitz und zwangen die 7. Armee zur Preisgabe der östlichen Bukowina und der Zugänge zu den Karpatenpässen.
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bedrohten. Der Befehlshaber hier war G d K . Freiherr v. Pflanzer-Baltin, ein wilder Heerführer, der wegen seiner nervösen Führung General „Bald her — bald hin" hieß und nun seinem Namen besondere Ehre machte, indem es in seiner 7. Armee keinen Heereskörper mehr gab, der noch die ihm zustehenden Verbände in seinen Reihen sah. Pflanzer wurde alsbald, nicht zur Trauer der Jungtürken im A O K . , abgesägt 286 ). Er tauchte später in Albanien auf, w o sein Name mit dem letzten Erfolg der kaiserlichen Waffen in ihrer vielhundertjährigen Geschichte, mit der Schlacht bei Fjeri-Berat, verknüpft sein sollte 287 ). Auch der Generalstabschef, Oberst v. Zeynek 2 8 8 ), mußte seinen Platz räumen. Zeynek gehörte zu den vier Freunden unseres ausgezeichneten Metzger, die wir Jungen lästerlich als ,,Metzger-Platte" bezeichneten und die wohl vor allem durch Slameczka protegiert worden waren. Einer war Pfeffer 2 8 9 ), der unglückliche Generalstabschef Brudermanns in den Lemberger Schlachten; er hatte nachher auch als Divisionär nicht viel Glück. Der zweite war Mecenseffy 2 9 0 ), Generalstabschef der 2. Armee zu Kriegsbeginn; er fiel später als Divisionär in den Sieben Gemeinden. Der dritte war Oberst v. Paie 291 ), lange Zeit maßgebender Generalstabsoffizier an der Seite des Erzher2 8 6 ) Auf Aufforderung Ehg. Friedrichs meldete Pflanzer-Baltin sich krank und wurde mit 8.9.1916 vom Kmdo. d. 7. Armee enthoben, mit 19.11.1916 sodann zur Disposition gestellt. 2 β 7 ) Vom 24. Juli bis 26. August 1918. 2 8 8 ) Theodor R. v. Zeynek (Troppau, 5 . 3 . 1 8 7 3 - 6 . 1 0 . 1 9 4 8 , Wien), 1894 aus der Milak. als Lt. zu IR.3, Glstbslaufbahn, 8.2.1906 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1.11.1910 Mjr. i . G . , 1.5.1912 Glstbschef 8. ITD., 1.11.1910 Mjr. i . G . , 1.11.1913 Obstlt. i . G . , 1.8.1914 zugeteilt 4. Armeekmdo., 23.1.1915 zugeteilt 7. Armeekmdo., 25.1.1915 Glstbschef Korps Ost, 10.3.1915 Glstbschef 7. Armee, 1.9.1915 Obst. i . G . , 16.6.1916 beurlaubt, 6.9.1916 enthoben (mit Armeekmdo. GO. Pflanzer-Baltin), 1.10.1916 in Opabt. AOK. eingeteilt, 10.1.1917 Chef d. Quartiermeisterabt. A O K . , 1.3.1919 pensioniert. Verfaßte anonym (im Auftrag des Glstbs.) „Diplomatie und Kriegsvorbereitung", Wien 1912; schrieb in der Nachkriegszeit: Uber den österreichisch-ungarischen Generalstab, in: M W M . , 70/1939, 179-193; Übertragung von Shakespeares „Julius Caesar" (Stifterbibliothek, Bd.45), München 1953. 2 e ") Rudolf Pfeffer (Wien, 6 . 3 . 1 8 6 4 - 2 4 . 9 . 1 9 4 0 , Wien), 1885 aus Techn. Milak. als Lt. zu FJB. 15, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 1 - 2 7 . 1 0 . 1 9 0 6 Taktiklehrer an der Kriegsschule, 1.5.1908 Obst. i . G . , 31.10.1912 Kmdt. d. Informationskurses für Hauptleute, 1.5.1913 GM., 1.8.1914 Glstbschef 3. Armee, 30.8.1914 enthoben u. Kmdt. 8. IBrig., 1.11.1914 beurlaubt, 1.5.1915 pensioniert, 6.3.1916 auf Mobdauer aktiviert u. betraut mit Kmdo. 51. LwIBrig., VI. 1916 betraut u. 3.10.1916 Kmdt. 4. ITD., 1.8.1916 F M L . , 3.5.1918 enthoben u. Kmdt. v. Lemberg, 1.1.1919 pensioniert. Verfaßte: Zum 10. Jahrestag der Schlachten von Zloczow und Przemyslany 2 6 . - 3 0 . August 1914. Eine Entgegnung auf die Angaben des Feldmarschalls Conrad im 4. Band ,Aus meiner Dienstzeit', Wien 1924. Sein Schriftennachlaß: KA., sign. B/109. 29 °) Artur Edler v. Mecenseffy (Wien, 2 3 . 6 . 1 8 6 5 - 6 . 1 0 . 1 9 1 7 , gefallen bei Asiago), 1882 freiwillig zum Pionierrgt. assentiert, 1885 Lt., Glstbslaufbahn, 20.4.1895 transferiert ins Opbüro des Glstbs., 1.11.1900 Mjr. i . G . , 1.11.1904 Obstlt. i . G . , 12.7.1909 Chef des Etappenbüros des Glstbs., 1.11.1912 GM. u. Kmdt. der 18. IBrig., 29.7.1914 Glstbschef d. 2. Armee, 24.9.1914 enthoben, 20.1.1915 Kmdt. d. 10. ITD., 5.9.1916 Kmdt. 6. ID., 7.9.1915 FML. 2 9 1 ) Joseph R. v. Paie (Otocac, 2 6 . 9 . 1 8 6 7 - 1 4 . 3 . 1 9 3 3 , Wien), 1887 als Lt. aus der Milak. zu IR. 12 ausgemustert, Glstbslaufbahn, ab 1903 in der Opabt. des Generalstabes, 1.11.1907 Mjr. i . G . , 1.5.1911 Obstlt. i . G . , 27.4.1912 Kmdt. FJBaon.22, 28.8.1912 zugeteilt dem XIV. KorpsKmdo., 23.12.1913 dessen Generalstabschef, 1.5.1914 Obst. i . G . , 30.9.1914 Chef d. Glstbsabt. 4. Armeekmdo., 29.8.1915 Glstbschef 4. Armee, 1.1.1916 Vertreter des AOK. beim dt. General-Gouverneur in Warschau, 30.9.1917 Kmdt. der 13. Schützen-Brig., 1.11.1917 G M . , 17.12.1917 Glstbschef des Generalinspektors der Luftstreitkräfte, 14.9.1918 Chef der Präsidialabt. des AOK., 1.1.1919 Ruhestand.
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Kriegsdienstleistung
zogs Josef Ferdinand; er wurde nunmehr nach der Lucker Katastrophe mit diesem zusammen abgesetzt, war später Chef der Präsidialabteilung des A O K . und erschoß sich einige Jahre nach dem Zusammenbruch wegen eines unheilbaren Leidens. Der vierte war Zeynek. Erzherzog Joseph Ferdinand wurde schon drei Tage nach Beginn des russischen Angriffs seines Postens enthoben. Er war sicherlich kein unbefähigter Führer, aber es gebrach ihm an dem nötigen Ernst - das Kommandieren war ihm langweilig geworden, er zog zeitweilig die Jagd vor. Sein Nachfolger wurde der im Herbst von Tisza gestürzte General Tersztyánszky, der alles tat, sich entsprechend in Szene zu setzen, und in Auszeichnungsanträgen für Adjutanten und Ordonnanzoffiziere besonders gerne hervorhob, wie sich diese in seiner unmittelbaren Nähe unerhörtem feindlichen Feuer ausgesetzt hätten. Berühmt war in der Armee die rote Kavalleriemütze mit vorschriftswidrig vielen Knöpfen vorn, die er bei jeder Gelegenheit trug. Sein Generalstabschef wurde General Berndt, bisher als Kavallerieführer geschätzt - nachdem er im Frieden von seiner Waffe allerdings wegen seiner modernistischen Einstellung angefeindet worden war. Der Wirbelsturm, der die Frontkommandos erzittern ließ, machte jedoch vor diesen nicht halt. A m 14. Juli erschien plötzlich F M L . v. Marterer 2 9 2 ), der Stellvertreter des Chefs der kaiserlichen Militärkanzlei, in Teschen. Wir flüsterten uns, als wir den schon recht rückenmarksleidenden General durch die Straßen Teschens wanken sahen, in Erinnerung an Wallenstein den Namen „ Q u e s t e n b e r g " zu und rechneten mit einer Abberufung Conrads. U m aufrichtig zu sein - wir überkritischen Jungen hätten es nahezu verstanden. Conrad hatte sich trotz der Rückschläge im Frühherbst 1915 im Frühjahr 1916 auf der Höhe seiner Geltung befunden. Bolfras sagte einmal zu ihm fast betrübt: ,,Ιη Österreich regiert jetzt das A O K . " Worauf Conrad nicht unrichtig meinte: „ D o c h nicht - zuerst doch T i s z a ! " Wir Jungtürken hatten vielfach das Gefühl, daß der Chef seine blendende Stellung gar nicht oder doch ungeschickt ausnütze. N u n - der Questenberg der Militärkanzlei war nicht gekommen, dem Chef das Consilium abeundi zu geben. Aber Conrads Stellung war in den nächsten Wochen heiß angefochten. Unter den Gleichgestellten der Hierarchie hatte er fast keine Freunde. Alles schoß auf ihn. Verschiedene N a men wurden genannt, darunter Boroevic und Alfred Krauss. Aber nun war es Erzherzog Friedrich, der sich in seiner schlichten, vornehmen Menschlichkeit zeigte. Er setzte sich entschieden für die Belassung Conrads ein und drang durch. Conrad blieb. Allerdings wuchs dem gesamten A O K . ein gefährlicher Konkurrent empor. Es war der Erzherzog-Thronfolger. Dieser hatte den Winter in Wien verbracht und dabei auch etwas in den zivilen Verwaltungsapparat Einblick genommen, wobei ihm der Sektionschef im Acker2 9 2 ) Ferdinand Frh. v. Marterer (Prag, 3 0 . 1 0 . 1 8 6 2 - 2 9 . 1 . 1 9 1 9 , Wien), 1881 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSchule Prag zu F J B . 3 9 ausgemustert, Glstbslaufbahn, 1904 zugeteilt der M K S M . , 1 . 5 . 1 9 0 5 Obst. i . G . , 3 . 7 . 1 9 1 0 Stellvertreter des Chefs der M K S M . , 1.11.1910 G M . , 1.5.1914 F M L . , 8 . 1 . 1 9 1 7 Generaladjutant und Chef der M K S M . , 1 . 8 . 1 9 1 7 G d L , 10.5.1918 enthoben und beurlaubt. Vgl. R. Lorenz, Aus dem Kriegstagebuch des Generaladjutanten Freiherrn von Marterer, in: Österreich und Europa. Festgabe für H u g o Hantsch zum 70. Geburtstag, Graz-Wien-Köln 1965, 4 8 3 - 5 0 4 .
Beim „ e r s t e n " A O K .
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bauministerium Ritter v. Seidler, nachmals Ministerpräsident, an die Hand ging. O b Schneller oder Conrad den Gedanken aufgegriffen haben, weiß ich nicht. Jedenfalls schlug Conrad im Februar vor, dem Erzherzog bei der bevorstehenden Offensive in Italien ein Korps zu geben, und zwar das beste, das ehemalige Innsbrukker Armeekorps, das nunmehrige X X . Korps. Es bestand aus der 3. Infanteriedivision, 14er und 59er und noch zwei Regimentern 2 9 3 ), und aus der Kaiserjäger-Division, die sich aus den vier Kaiserjäger-Regimentern zusammensetzte und deren Kommandant der biedere Tiroler Verdroß 2 9 4 ) gewesen ist 2 9 5 ). Bolfras hatte schwere Bedenken, er sagte zu Conrad: „Bedenke, wenn etwas passiert, dann ist der Nachfolger ein K i n d ! " Er meinte den dreijährigen Erzherzog Otto 2 9 6 ). Aber Kaiser Franz Joseph gab seine Zustimmung, und der Erzherzog ging vorne. Auch wir begrüßten das Arrangement sehr, brachte es doch den Thronfolger, der bisher nur mit tschechischen Dragonern und ungarischen Infanteristen unmittelbar zu tun hatte, mit den Söhnen der österreichischen Alpen in engste Berührung, durch die er auch das deutsche Element seines Reiches schätzen lernen mußte. Das Korpskommando sammelte sich in Aquaviva im Etschtal. Generalstabschef wurde der hier schon öfter genannte Oberst Alfred Freiherr v. Waldstätten, I A wie man heute sagen würde - war Major Brougier, mein alter Kamerad. Auch mein Freund Hans v. Freisauff kam zum Kommando. Unter den sonstigen Offizieren sei noch der Kanzleidirektor Hauptmann Werkmann 2 9 7 ) hervorgehoben, der später als Pressechef des Kaisers und nachher in der monarchistischen Bewegung eine Rolle spielte. Der junge Erzherzog machte sich, das mußte der Feind sagen, als kommandierender General ausgezeichnet. Er exponierte sich mehr als erwünscht war und hatte höchstens den einen Fehler, daß ihn Sparsamkeit mit dem Blute seiner Truppe in einem oder dem anderen Entschluß lähmte. Der Durchbruch bei Folgaria gelang 2 M ) Das X X . Korps bestand aus 3. ITD. (5. IBrig.: IR.59, 21, Teile von IR. 14; 15. IBrig.: IR.50, Teile von IR. 14) u. 8.ID. (58. GebBrig.: 3. u. 4. T K J R . , 180. IBrig.: 1. u. 2. TKJR.). 2 M ) Ignaz Verdroß v. Droßberg (Mals, 16.12.1851-16.6.1931, Innsbruck), 1871 als Jäger zum Tiroler Jägerrgt., 1.5.1876 Lt., 1.5.1903 Obst., 29.4.1908 Kmdt. 3. T K J R . , 29.4.1911 Kmdt. 14. GebBrig., 1.11.1911 GM., 1913 pensioniert. 1.8.1914 aktiviert, Kmdt. Gruppe Nordtirol, 24.5.1915 Kmdt. 180. IBrig., 1.11.1915 FML., 9.8.1916 Kmdt. 8. ITD. (Kaiserjägerdiv.), 3.2.1918 Kmdt. XIV. Korps, 1.5.1918 G d L , bei Kriegsende kriegsgefangen. 2 , s ) Zu diesem Zeitpunkt war nicht Verdroß sondern FML. Fabini Kmdt. 2 9 6 ) Kronprinz Ehg. Otto (geb. Villa Wartholz bei Reichenau, 20.11.1912). 2 ' 7 ) Karl Frh. v. Werkmann (Salzburg, 14.9.1878-?, bestattet 7.1.1952, Luxemburg), 1896 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Wien zu IR.64, 1.11.1897 Lt., 1901 Oblt., 18.4.1904 der Offizierscharge verlustig, 21.8.1914 Oblt. u. Kompaniekmdt. bei Ldstmarschbaon., mehrmals verwundet, 5.5.1915 kommandiert in Glstbsabt. des Rayonskmdos. Südtirol, 1.11.1915 Hptm. i. d. Res., 16.5.1916 Kanzleidirektor X X . Korpskmdo., 20.7.1916 des Heeresgrpkmdo. bzw. Heeresfrontkmdo. Ehg. Karl, 15.1.1917 Leiter des Pressedienstes für die allerhöchsten Herrschaften; ging nach dem Zusammenbruch mit Kaiser Karl ins Exil und war nach dessen Tod führend in der legitimistischen Bewegung tätig. Publizierte zahlreiche memoirenhafte Artikel in NWJ. und (gelegentlich) in RP. u. NFP. Seine Bücher: Der Tote auf Madeira, München 1923; Aus Kaiser Karls Nachlaß, Berlin 1925; Deutschland als Verbündeter, Berlin 1931; Otto v. Habsburg. Briefe aus der Verbannung, Leipzig-Wien 1933. Das Buch „Deutschland als Verbündeter" bildete den Anstoß zu Cramon-Flecks Buch: „Deutschlands Schicksalsbund mit Österreich-Ungarn".
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Kriegsdienstleistung
ausgezeichnet - der 15. Mai war von nun an der Ehrentag des Prinzen in seinem kurzen Leben. Wer einmal beim „Edelweiß-Korps" gewesen war, wie er das XX. Korps später ehrenhalber nannte, der konnte seiner Gunst sicher sein. Da kam Luck und Okna und zerstörte auch dieses Kameradschaftsband. Der Erzherzog wurde zusammen mit Waldstätten nach dem Norden berufen, um dort eine 12. Armee als Gegenangriffsgruppe beiderseits des Dnjestrflusses zu übernehmen 298 ). Ich sah ihn bei irgendeinem Kirchgang auf seiner Durchreise durch Teschen. Er machte einen ernsten, gereiften Eindruck. Als er mich sah, sprach er ein paar Worte zu mir, die mir verrieten, wie ungern er von seinem Korps weggegangen war. Ich erwiderte: „Kaiserliche Hoheit, wenn ich was verstehen kann, so ist es dies!" In Chodorów angekommen, wartete er vergebens auf die Versammlung seiner Armee. Das A O K . konnte nichts dafür, daß sie nicht kam, die Lage an allen Fronten des Pripjet war nach wie vor äußerst gespannt. Die für den Erzherzog bestimmten Truppen mußten einmal da, einmal dort hineingepulvert werden, so daß sie ihren Bestimmungsort nicht erreichten. Der Thronfolger ärgerte sich natürlich, daß man ihn in diese etwas peinliche Situation gebracht hatte, Armeekommandant ohne Truppen zu sein. Altem Grimm gegen das A O K . gesellte sich neuer bei. Da brachte Falkenhayn eine Lösung. Falkenhayn saß zwar selbst bei Verdun im Glashaus, und auch die feindliche Sommeroffensive 299 ) hatte — bei allen Leistungen der deutschen Truppen - seinen Feldherrn-Ruhm keineswegs vermehrt. Aber das verfocht nichts, daß er Conrad gegenüber doch überlegen denjenigen spielte, der am längeren Hebelarm saß. Er entwand der österreichischen Führung zuerst auf dem Schlachtfeld von Luck das Regiment. Tersztiánszky sah sich dadurch, daß seine Armee auf zwei deutsche Unterführer aufgeteilt wurde - Bruder Falkenhayn 300 ) und Litzmann, der gegenüber den ungarischen Truppen wunderbar „ J ó napot kivánok" 3 0 1 ) und „Ellore" 3 0 2 ) sagen lernte - die wesentlichsten Kommandobefugnisse genommen, womit auch das A O K . praktisch ausgeschaltet war. Conrad ließ sich die Lösung nur knurrend gefallen. Dann folgte aber dem ersten Schlag ein zweiter: das Oberkommando über die ganze Ostfront vom baltischen Meer bis zur rumänischen Grenze sollte dem GFM. v. Hindenburg, mit Ludendorff als Generalstabschef, übertragen werden. Das hieß praktisch, daß Conrad im Kriege gegen Rußland, der für die Monarchie wieder entscheidend geworden war, nichts mehr zu sagen gehabt hätte. Conrad wehrte sich mit Händen und Füßen gegen diese Lösung. Auf der anderen Seite hoffte Falkenhayn, zwei Fliegen mit einem Schlag zu treffen. Dadurch, daß die 298
) Mit 1. Juli 1916. " ) Am 24. Juni 1916 begann die „Sommeschlacht", die erstmals die Materialüberlegenheit der Entente zeigte. Die Angriffe wurden erst am 26. November eingestellt. 30 °) Eugen v. Falkenhayn (?, 1853-1934, ?), preuß. GdK., 1889-1895 Militärgouverneur des Kronprinzen Wilhelm, Divisionskommandeur, 1910-1914 Obersthofmeister der Kaiserin, 1914-1918 Führer des XXII. Reservekorps. 301 ) „Guten Tag". 302 ) „Vorwärts". 2
Beim „ e r s t e n " A O K .
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Feldherren des Ostens einen unvergleichlich größeren Wirkungskreis als bisher erhielten, hoffte er damit die Aufmerksamkeit jener Kreise, die diese Feldherren längst auf seinem Posten zu sehen wünschten, etwas abzulenken. Die politischen Bedenken, die Conrad ins Treffen führte, zeitigten schließlich eine Kompromißlösung. Hindenburg erhielt zwar den weitaus größten Teil der Ostfront unterstellt. Aber die drei Armeen, die in Ostgalizien und in der Bukowina, also auf österreichischem Boden, standen, wurden als eine zweite Heeresfront zusammengefaßt, die dem Erzherzog-Thronfolger anvertraut wurde - allerdings mit dem deutschen General v. Seeckt als Generalstabschef. Falkenhayn nannte die neuen Verbände „ F r o n t des G F M . v. Hindenburg" und des „Erzherzogs Carl". Ich habe in unserem Heeresbericht aus sprachlichen Gründen die Bezeichnung Heeresfront eingeführt, die in der Folge auch von der deutschen Berichterstattung übernommen wurde. Die Heeresfront des Erzherzogs Carl mußte sich bald auch die Abspaltung der Armee Böhm-Ermolli gefallen lassen, die sich nördlich des Dnjestr befand. Die Neuregelung an der Ostfront trat am 1. August ein. Die Angriffe der Russen dauerten fort, wenn auch in etwas geringerer Heftigkeit. Mitte August wurde ich als Kurier nach Chodorów zum Erzherzog-Thronfolger geschickt. Er empfing mich persönlich und sprach sich mit mir - offenbar durch Brougier und Ottrubay ermutigt - sehr offen aus. Er litt schwer unter dem Prestigeverlust Österreichs gegenüber dem Bundesgenossen und machte vor allem das A O K . , das er nie geliebt hatte, hierfür verantwortlich. Zumal auf Conrad war er recht schlecht zu sprechen. Auch daß man es geduldet hatte, ihm Seeckt als „ H e b a m m e " zur Seite zu stellen, kränkte ihn sehr. Es war in der preußisch-deutschen Armee gar nichts Außergewöhnliches, daß die Stabschefs außerordentlich selbstherrlich verfügten und viele Befehle herausgaben, die sie ihren Befehlshabern erst nachträglich vorlegten. Waldstätten hatte beim X X . Korps aus erzieherischen Gründen die gegenteilige Methode verfolgt. Er schaltete seinen erzherzoglichen Kommandanten, um ihn möglichst zu interessieren, vielleicht sogar mehr ein, als es selbst bei uns üblich war. U m s o peinlicher empfand der Erzherzog die Selbstherrlichkeit Seeckts, die er als Mißachtung seiner Person als Österreicher und als Prinz zuzuschreiben geneigt war. Auch das war ihm klar, daß durch den Einsatz Seeckts auch seine Heeresfront die wirklich bindenden Weisungen der deutschen Heeresleitung empfing, mit der der Generalstabschef selbstverständlich stets direkt, mit Umgehung des k . u . k . A O K . , verkehrte. So fühlte sich der Erzherzog völlig isoliert, und er begriff es, als sich Waldstätten um den Posten eines Generalstabschefs bei dem in die Karpaten gerufenen General Kövess bewarb und diesen Posten auch erhielt. Alle Beteiligten hatten es gutgewollt, als sie den Erzherzog in diese komplizierte Stellung brachten. Die Erinnerung daran war aber für den künftigen Kaiser stets mit unangenehmen Verstimmungen verbunden. Dennoch bat mich der Erzherzog, Conrad zwar seine Schmerzen mitzuteilen, aber ihm gleichzeitig zu versichern, daß er alles daransetzen werde, Reibungen zu vermeiden. Kurz darauf wurde Conrad selbst nach Chodorów befohlen: der Thronfolger sagte ihm beiläufig das gleiche, was er mir gesagt hatte. In denselben Tagen traf ich
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auf der Bahnstation Teschen den Grafen Herberstein, Generaladjutanten und Obersthofmeister des Erzherzogs Friedrich. Ich sah, daß er und die Umgebung des Armee-Oberkommandanten die Angelegenheit von einer anderen Seite aus betrachteten. Herberstein sagte zu mir: „Schau einmal, was wird sein? Im November wird der Erzherzog Carl Generaloberst, und dann ist zum Armee-Oberkommandanten nur mehr ein kleiner Schritt. Ich fürchte, wir" - er meinte damit Friedrich und seinen Stab - „werden alsbald zu packen haben." Er hatte recht, doch sollte es auf andere Weise kommen. Inzwischen hatten wir seit etlichen Wochen aus den Depeschen, die Carlotti mit Sonnino wechselte, mit Sicherheit entnehmen können, daß Rumänien knapp vor dem Abschluß mit der Entente stand. Nach einer Depesche war es nur eine Frage des Kalenders - julianisch oder gregorianisch - ob der Krieg am 15. oder am 27. August beginnen werde. Natürlich drängte das A O K . darauf hin, in Siebenbürgen die nötigsten Verteidigungsanstalten zu treffen, während Falkenhayn Truppenabzüge von anderen Fronten nur äußerst ungern sah. Mißtrauisch, wie er gegen uns war, gab er gegenüber Cramon der Mutmaßung Ausdruck, die Österreicher würden die Carlottidepeschen im Notfalle fälschen, nur um die Situation in Siebenbürgen noch kritischer darzustellen. Zu allem Uberfluß hatte der Beginn dieses trüben Augustmonats noch ein Malheur gebracht. In der 6. Isonzoschlacht 3 0 3 ) war G ö r z , ein Palladium der Südwestfront, verlorengegangen. Die Offensive aus Südtirol war natürlich unmittelbar nach Luck definitiv eingestellt worden. Mein Regiment hatte manchen Verlust zu verzeichnen gehabt, mancher Kamerad war gefallen. Als der 18. August, des Kaisers Geburtstag, herankam, erhielt ich von Conrad den Auftrag, das Geburtstagstelegramm des Erzherzogs Friedrich an den Kaiser zu entwerfen. Ich tat es nicht ohne Ergriffenheit und mit der Vorahnung, als könnte den greisen Herrscher zum letzten Mal im irdischen Dasein eine solche Geburtstagsbotschaft erreichen. Wenige Stunden nach der Absendung wurde ich zum Fernschreiber gerufen. Generaladjutant Bolfras diktierte die Antwort des Kaisers ein. In ihr kamen zwei Sätze von einem Pessimismus 3 0 4 ) vor, der mich veranlaßte, sofort zu Conrad zu eilen und die Ermächtigung zu erbitten, daß ich Bolfras die Streichung dieser Sätze nahelegte. Diese Streichung erfolgte. Die Episode zeigte, wie tief alle Hoffnungen des Kaisers und seiner unmittelbaren Umgebung gesunken waren. Groß waren sie ja nie gewesen! Die Geburtstagsfeier selbst fand diesmal beim Erzherzog Friedrich in wesentlich kleinerem Kreise statt. Der deutsche Kaiser war abermals zugegen, er trug diesmal die Oberstuniform seines k . u . k . I R . 34, dazu jedoch stilwidrig die Generalsreithose. Falkenhayn erschien gleichfalls als Oberstinhaber seines österreichischen Regi) 4 . - 1 7 . 8 . 1 9 1 6 . Görz wurde am 8. August geräumt. ) Aktenlage in M K S M . , 1916: 36-4/5. Im ah. Telegramm an Ehg. Friedrich vom 7 . 8 . 1 9 1 6 kam der Satz vor: „ D e r Rückblick auf herrliche Siege im zweijährigen Kriege läßt sich auch durch schmerzliches Mißgeschick nicht trüben, das opferfreudigste Leistungen gegenüber den gewaltigsten Anstrengungen zahlreicher tapferer Gegner nicht abzuwenden vermochten." Auf hughesierte Bitten des A O K . entschied der Kaiser: „ D e r eingeklammerte Satz kann wegbleiben." 303 304
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Beim „ersten" A O K .
m e n t s . E r u n d C o n r a d t a t e n f r e u n d l i c h m i t e i n a n d e r , o f t s o l l t e n sie n i c h t m e h r z u sammenkommen.
S c h a u p l a t z der F e i e r w a r w i e d e r das z u e i n e m alten T u r m
auf-
steigende Wiesengelände hinter d e m T e s c h e n e r Schloß. A u c h ich w u r d e d e m deutschen
Kaiser vorgestellt,
sprach.
Von
born305)
deutschen
der
ein p a a r
Gästen
war
Worte
noch
der
über
das T h e m a
Kriegsminister
„Heeresbericht"
Wild
von
Hohen-
anwesend.
D i e neuen G e w i t t e r w o l k e n im Südosten z o g e n sich unterdessen z u r z u s a m m e n . T i s z a hatte sich d u r c h g e r a u m e Zeit g e w e h r t , eine ruhige,
Entladung planmäßige
E v a k u i e r u n g S i e b e n b ü r g e n s d u r c h f ü h r e n z u l a s s e n . N u n g i n g p l ö t z l i c h alles H a l s ü b e r K o p f in e i n e r f u r c h t b a r e n P a n i k . M e i n J a h r g a n g s - Z e i t g e n o s s e aus d e r T e c h n i schen Militärakademie,
Prinz Lajos Windischgrätz306),
s c h o b das g a n z e
Unglück
d e m völlig u n s c h u l d i g e n A O K . in d i e S c h u h e u n d g r i f f d i e s e s i m u n g a r i s c h e n
Ab-
g e o r d n e t e n h a u s aufs heftigste an. E r m a c h t e sich d a m i t d e m T h r o n f o l g e r n i c h t u n sympathisch307). Am
2 7 . A u g u s t e r f o l g t e die K r i e g s e r k l ä r u n g R u m ä n i e n s a n
Österreich-Ungarn
u n d g l e i c h z e i t i g d e r E i n m a r s c h in S i e b e n b ü r g e n . D i e K r i e g s e r k l ä r u n g b e k a m in d e r N u m e r i e r u n g der O p e r a t i o n s a b t e i l u n g die N u m m e r o p . 3 0 . 0 0 0 . W i r meinten: ,,ορ. N r . 30.000 -
Lästerbuben
kniet nieder z u m G e b e t ! " E s k a m die F r a g e auf,
der Kaiser wieder einen A r m e e b e f e h l ,
ä h n l i c h d e m b e i m E i n t r i t t I t a l i e n s in
ob den
K r i e g , h e r a u s g e b e n sollte. I c h riet d a v o n a b u n d legte einen vier S ä t z e langen E n t w u r f zu einem A r m e e b e f e h l des E r z h e r z o g s Friedrich v o r , der a n g e n o m m e n
wur-
de308). 3 0 5 ) Adolf Wild v. Hohenborn (Kassel, 8. 7 . 1 8 6 0 - 2 5 . 1 0 . 1 9 2 5 , Malsburg-Hohenborn), seit 1878 Lt. i.d. preuß. Armee, 2 1 . 1 . 1 9 1 5 - 2 9 . 1 0 . 1 9 1 6 preuß. Kriegsminister, sodann bis Kriegseride Befehlshaber des X V I . Armeekorps. 3 0 6 ) Ludwig Prinz zu Windischgrätz (Krakau, 2 0 . 1 0 . 1 8 8 2 - 3 . 2 . 1 9 6 8 , Wien), 1903 aus der Techn. Milak. als Lt. zur Fahrenden Batterie Nr. 1, 1906 zu H R . 16, 1 . 5 . 1 9 0 9 Oblt., 2 0 . 5 . 1 9 0 9 in die Reserve, Mitglied d. ung. Abgeordnetenhauses, 2 8 . 7 . 1 9 1 4 auf Mobdauer aktiviert und als fahrender Ordonnanzoffz. beim IV. Korpskmdo. eingeteilt, 10.10.1914 Rtm. i.d. Res., 9 . 5 . 1 9 1 5 - 2 6 . 5 . 1 9 1 5 u. 8 . 6 . 1 9 1 6 - 4 . 1 0 . 1 9 1 6 zu Sitzungen des ung. Oberhauses beurlaubt, ab 5 . 1 0 . 1 9 1 6 Aufstellung und Ausbildung des Siebenbürgischen Streifenbataillons („Tigerbataillon"), das ab 2 9 . 1 1 . 1 9 1 6 im Rahmen d. 77. HIBrig. eingesetzt wurde und sich insbesondere bei Unternehmungen im Vorfeld der Front hervortat („Kommandounternehmungen"). 2 6 . 1 . 1 9 1 8 K . u . Minister ohne Portefeuille („Ernährungsminister"), 9 . 6 . 1 9 1 8 Mjr. i.d. Res., 2 5 . 1 0 . 1 9 1 8 politischer Sektionschef extra statum im Ministerium des Äußeren, 11.11.1918 übersetzt in die Reserve des H I R . 16, 1918/20 in der Schweiz beim Aufbau eines Presse- und Propagandabüros für Ungarn tätig, 1920 wieder Abgeordneter, 1925 in die Francfälscheraffäre verwickelt. Seine Erinnerungswerke: Vom roten zum schwarzen Prinzen, Berlin-Wien 1920; Ein Kaiser kämpft für die Freiheit. So begann Ungarns Leidensweg, Wien-München 1957; Helden und Halunken. Selbsterlebte Weltgeschichte 1899-1964, Wien 1967. Zur umstrittenen Persönlichkeit Windisch-Graetz' nahm u.a. R. Lorenz in H Z . , Bd. 197/1963, 6 5 0 - 6 5 7 , in einer Rezension zum zweiten Erinnerungswerk Stellung. Im Nachlaß Kiszling (KA., sign. B/800) finden sich ferner Stellungnahmen von Kiszling u. Aladar v. Boroviczeny. 3 0 7 ) Unter dem Titel „Eine Rede des Abg. Prinzen Ludwig Windischgrätz in der geheimen Sitzung des ungarischen Reichstages vom 1 5 . 9 . 1 9 1 6 " vervielfältigt. Ein Exemplar etwa im K A . , sign. B/117, nr. 4. 3 0 β ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 164. Bei op. nr. 30.000 handelt es sich jedoch nicht um ein Aktenstück, das die höhere Führung betrifft. Der Armeebefehl vom 28. August 1916, op.nr.28404 lautet: „Soldaten ! Kriegskameraden ! Ich habe Euch mitteilen lassen, daß in der Reihe unserer Gegner ein
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Gleichzeitig mit der Kriegserklärung Rumäniens erfolgte die Kriegserklärung Italiens an Deutschland 3 0 9 ). Deutschland und Italien hatten bisher wohl die diplomatischen Beziehungen zueinander abgebrochen, hatten sich jedoch nicht formal im Kriegszustand befunden. Daher durfte zum Beispiel das deutsche Alpenkorps, in dessen Reihen sich die bayrischen Leiber 3 1 0 ) befanden, als es im Mai 1915 bei Beginn des italienischen Krieges in den Dolomiten eingesetzt wurde, die Nase nicht aus den Stellungen herausstecken. Conrad, bei seiner Einstellung gegenüber dem „perfiden" Italien, ärgerte sich natürlich sehr und sah in dem Verhalten Deutschlands, das besonders von Falkenhayn verfochten wurde, irgendeine Hinterlist. Das war kaum richtig. Historisch erwiesen ist aber, daß das italienische Problem die ganze Zeit über ein Zankapfel im Rahmen der Bündniskriegführung gewesen war und bleiben sollte. Zumal nach dem völligen Niederbruch Rußlands sah zum Beispiel Ludendorff darin, daß Italien nicht völlig aus dem Felde geschlagen wurde, zeitweilig die Hauptbürgschaft für das Verbleiben des schon sehr kriegsmüden Österreich im Kampfe. Die Geschichte um die Friedensbemühungen des Jahres 1917 schien dem Ersten Quartiermeister in diesem Verdachte recht zu geben. Der Eintritt Rumäniens in den Krieg, an den Falkenhayn bis zum Schluß nicht glauben wollte, hatte den großen Wechsel in der deutschen Heeresleitung im Gefolge. Eines Tages, Ende August, meldete Moritz Fleischmann aus dem Hauptquartier Oberost, Hindenburg und Ludendorff seien ins große Hauptquartier befohlen worden. Gleichzeitig verlautete etwas über Besuche Bethmanns und selbst der Kaiserin Viktoria 3 1 1 ) in Pless. Da war etwas im Anzüge! Kaiser Wilhelm hatte Falkenhayn sehr gerne an seiner Seite gehabt und trennte sich gewiß nicht leicht von ihm. Falkenhayn strebte zeitweilig sogar nach dem Reichskanzlerposten. Nun aber war er nicht mehr zu halten. Hindenburg wurde Chef des Generalstabes des Feldheeres und Ludendorff unter ausdrücklich betonter Mitverantwortlichkeit Erster General-Quartiermeister. Fleck kam tief bewegt zu mir, um die Neuigkeit mitzuteilen. Er hielt mir einen kleinen, aus dem Herzen kommenden Vortrag über preußische Sachlichkeit und ich stimmte ihm bei. O b Conrad und Falkenhayn beneuer Feind aufgetaucht ist: das Königreich Rumänien. Euer ehrlicher Soldatensinn wird für diesen räuberischen Uberfall das richtige Maß an Verachtung finden. Wir haben in den vergangenen Jahren manche schwere Stunde überwunden - werden auch den neuen Strauß in Ehren durchkämpfen, unserem Eidschwur zu den Fahnen des Allerhöchsten Kriegsherrn getreu ! Gott mit Euch ! Erzherzog Friedrich, Feldmarschall." D e r Kaiser schrieb eh. auf die diesbezügliche Meldung: „ I c h erteile die Ermächtigung zur Verlautbarung dieses kurzen und guten Armeebefehls F J . " ( M K S M . , 1916: 69-11/5). 3 0 9 ) Sie erfolgte zwölf Stunden vor der rumänischen Kriegserklärung an Österreich-Ungarn. Deutschland erklärte Rumänien am 28. August den Krieg, die Türkei am 30. August und Bulgarien am 1. September. 3 1 ° ) Gemeint ist das Königlich-bayerische Infanterie-Leibregiment. Im 16. u. 17. Jahrhundert waren die Regimentsinhaber gleichzeitig Chefs einer Kompanie, deren Einkünfte sie bezogen. Führer und Verwalter der Kompanie war der Kapitänleutnant. Diese Kompanie hieß Stabs- oder Leibkompanie. Später wurden fürstliche Personen Chefs eines Regiments, deren erste Kompanie dann Leibkompanie genannt wurde, wenn nicht das ganze Regiment die Bezeichnung Leibregiment annahm. 3 " ) Auguste Viktoria v. Preußen, geb. Przssin v. Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (Dölzig, Kreis Sorau, 2 2 . 1 0 . 1 8 5 8 - 1 1 . 4 . 1 9 2 1 , Haus D o o m ) . Über ihre politische Rolle bei der Absetzung Falkenhayns vgl.: Κ. H . Janßen, Der Kanzler und der General, Göttingen 1967, 7 7 f f . , 199f., 248.
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sonders warme Abschiedstelegramme gewechselt haben, weiß ich nicht, glaube es aber kaum. Falkenhayn bekam übrigens das Kommando der in Sammlung gegen Rumänien begriffenen 9. Armee, die aus deutschen und österreichisch-ungarischen Streitkräften bestand. Wir Jungtürken waren über den Wechsel in der D O H L . begeistert. Unsere Freude an Falkenhayn hatte im letzten Jahre doch ein wenig gelitten. Das Dioskurenpaar Hindenburg-Ludendorff erschien uns als eine Bürgschaft dafür, daß es mit der Weiterführung des Krieges nunmehr wieder aufwärtsgehen werde. Auch unser Chef war keineswegs böse über den Wandel. Das Verhältnis zwischen ihm und Falkenhayn stand immer auf des Messers Schneide und konnte schon bei der Verschiedenheit der beiden Persönlichkeiten - man vergleiche darüber das Buch Cramons - nicht anders sein. Andererseits war es seit gewissen Meinungsverschiedenheiten im Herbst 1914 zwischen dem k . u . k . A O K . und dem Hauptquartier Hindenburgs nie mehr zu Mißhelligkeiten zwischen den beiden gekommen, wohl aber - namentlich im Sommerfeldzug 1915 - zu einem gewissen Zusammenklang beider in der Opposition gegen Falkenhayn. (Anfang November 1914 war, sehr zum Mißbehagen Conrads, in der Umgebung des Erzherzogs Friedrich der Plan aufgetaucht, einen gemeinsamen Oberbefehl für die ganze Ostfront zu schaffen - mit Erzherzog Friedrich als Oberbefehlshaber und Ludendorff als Generalstabschef. Zu Beginn 1915 sollte Ludendorff auf Betreiben Falkenhayns von Hindenburg getrennt werden und als Generalstabschef der „deutschen Südarmee" in den Karpaten an die Seite Linsingens treten. Hindenburg vereitelte jedoch die Trennung.) Besonders hoffte Conrad, daß das neue Zweigestirn an der Spitze des deutschen Heeres auf den im Juli von Falkenhayn aufgeworfenen Gedanken eines gemeinsamen Oberbefehls über alle Vierbundsarmeen - inklusive Türkei - nicht mehr zurückkommen werde. Er sollte sich darin allerdings sehr bald getäuscht sehen. Der erste Besuch Hindenburgs in Teschen war natürlich für uns alle eine große Sensation 3 1 2 ). Irgendeine Vorstellung der Jugend kam natürlich nicht in Frage. Ich lauerte jedoch hinter der Tür von O - O , an der Hindenburg bei seinem Besuch in Conrads Büro vorübergehen mußte, und stürzte zusammen mit Lauer im richtigen Augenblick heraus. Ich sah das erste Mal im Leben in das ziemlich wachsbleiche, nicht gerade außergewöhnliche Antlitz des berühmten Mannes und war froh, daß ich es tun konnte. Schon in den allernächsten Tagen warf die neue, sogenannte dritte D O H L . die Frage der Schaffung des gemeinsamen Oberbefehls auf. Eine günstige Lösung wurde von den Wiener Kreisen bei der Unbeliebtheit der österreichischen Heeresleitung fast einstimmig begrüßt, ebenso von Tisza, der längst mannigfache Beziehungen zur deutschen Heeresleitung angeknüpft hatte und lieber mit Ludendorff als mit Conrad verhandeln mochte. Das Außenministerium war, wie mir Wiesner verriet, der sich auch über die Bedrängnis des A O K . freute, Feuer und Flamme 3 1 3 ). ) A m 1. September 1916. ) Vgl. Wiesners umfangreiches M e m o r a n d u m , ca. 2 5 . 6 . 1 9 1 6 , dem Minister des Äußeren vorgelegt am 2 7 . 6 . 1 9 1 6 (Abschrift im K.A., Conrad-Archiv, D / 1 ) . Wiesner bestreitet darin einen Zusammenhang 312 313
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Nur Conrad wehrte sich wie ein Löwe. Er verbarg seine tiefe persönliche Entrüstung hinter politischen Begründungen, denen man ihre Berechtigung keineswegs ganz absprechen konnte. So wies er richtigerweise auf die Rolle hin, die politische Sonderinteressen oder Lebensinteressen eines einzelnen Bundesgenossen in dem militärischen Entschluß spielen könnten. Es sei völlig ausgeschlossen, daß sich in diesen Belangen die drei anderen Mächte bedingungslos den Entschlüssen der deutschen Heeresleitung unterwarfen. Außerdem erinnerte Conrad daran, daß Österreichs Heer ein Vielvölkerheer sei und daß die nichtdeutschen Nationen eine so weitgehende Unterwerfung der österreichischen unter die deutsche Heeresleitung kaum verstehen würden. Die Einzelheiten der Verhandlungen sind von mir im Werke „Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914/18" 3 , 1 4 ) eingehend geschildert worden. Auf den alten Kaiser waren die nationalen Bedenken Conrads gewiß nicht ohne Eindruck geblieben. Dennoch befahl er „erhabenen Sinnes", wie der alte Bolfras telegraphierte, daß alle Prestigerücksichten gegenüber sachlichen Erwägungen zurückzustellen seien. Den außenpolitischen Bedenken Conrads kam man zuletzt durch ein geheimes Zusatzabkommen zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn entgegen 3 1 5 ), das vor den zwei anderen Alliierten geheimgehalten wurde. Grundsätzlich legte man die Entscheidung über militärische Entschlüsse, in denen kein Ubereinkommen erzielt werden konnte, und die allgemeinen Anordnungen über die Durchführung in die Hände der „Obersten Kriegsleitung", die formal durch den deutschen Kaiser, in Wirklichkeit durch die D O H L . ausgeübt wurde. Es war der letzte Verzicht, den man von Franz Joseph als Oberstem Kriegsherrn von Österreich-Ungarns Völkern in Waffen verlangte. Das Vertrauen in sein eigenes Soldaten- und Führerglück hatte er schon nach 1859 und 1866 endgültig verloren. Er übertrug die eigentlichen Führeraufgaben im Frieden damals an den Sieger von Custoza, den Feldmarschall Erzherzog Albrecht. Nach dessen Tod 1895 wurde der Chef des Generalstabes, Feldzeugmeister Freiherr v. Beck, enger Altersgenosse des Kaisers, der militärische „Vizekaiser". Beck machte ihm bei seiner klugen D i plomatie diesen Verzicht allerdings am leichtesten. Nach einem weiteren Jahrzehnt folgte Franz Ferdinand, dessen Stellung als eigentlicher Oberbefehlshaber 1913 durch die Ernennung zum „Generalinspektor der gesamten bewaffneten M a c h t " auch optisch entsprechend betont wurde. So fiel dem greisen Herrscher das letzte Opfer Anfang September 1916 kaum mehr besonders schwer, zumal er sich ja doch zum Sterben rüstete. Dem Erzherzog Carl war Ende August - der Einzelheiten besinne ich mich nicht mehr - die Sache in Chodorów doch irgendwie zu dumm geworden. E r ging auf Urlaub 3 1 6 ), und das A O K . hatte seine Sorgen mit ihm. Da kam die D O H L . mit der italienischen Offensive mit dem Durchbruch von Luck, kritisiert Conrads unrealistische Gedankengänge und Truppenfremdheit. Er verlangt engste Zusammenarbeit mit dem deutschen Generalstabschef. 3 1 4 ) Österreich-Ungarns letzter Krieg, Bd. V, 266 ff. 3 1 5 ) Text siehe ebdt., 268f. Es wurde von den beiden Generalstabschefs Conrad und Hindenburg in Pleß am 6. September unterzeichnet. 3 1 6 ) Erst am 25. September, als er zur Berichterstattung an den Kaiser in Wien weilte.
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dem Vorschlag, dem Oberkommando des Erzherzogs, natürlich mit Seeckt als Chef, die Führung des Krieges in Siebenbürgen zu übertragen. Das war ein Auftrag, der auch aus dynastischen Gründen gegenüber Ungarn zu befürworten war. Der Erzherzog ging nach Siebenbürgen ab 3 1 7 ) und freute sich der schönen Erfolge, die - während Kövess die Karpatenfront gegen Rußland hielt - seine Unterfeldherrn Arz und Falkenhayn gegen die Rumänen und ihre russischen Hilfstruppen erfochten 318 ). Von Bulgarien her stieß Mackensen den Rumänen in die Flanke. Erzherzog Carl verstand sich auch mit Falkenhayn ganz gut. Bei einer Spazierfahrt lobte jener ihm gegenüber besonders die k.u. k. Gebirgsbrigaden, die sich seiner Ansicht nach für diesen Krieg am besten eigneten. Tisza kam oft in das Hauptquartier des Erzherzogs. Auch Windischgrätz Lajos war gerne dort anwesend. Da kam der November heran. Um den 10. herum hieß es, Seine Majestät sei an einem schweren Katarrh erkrankt. Das brachte seit den häufigen Erkrankungen dieser Art, die ihn seit 1908 befielen, nicht unbedingt Todesgefahr mit sich. Bei einem Besuche, den ich der über der Burgwache hausenden Militärkanzlei abstattete, teilte mir Oberst Kary 3 1 9 ) jedoch mit, daß es diesmal erheblich schlimmer um den Allerhöchsten Herren stehe. In den nächsten Tagen wurde Erzherzog Carl von der Front heimberufen. Es hieß, daß er auf keinen Fall an die Front zurückkehren, sondern zur Unterstützung des Kaisers in Wien bleiben werde. Der Kaiser litt an einer schweren Lungenentzündung, darüber konnte kein Zweifel bestehen. Natürlich war es ihm bei dem hohen Alter versagt, sich niederzulegen. Er blieb auch am 21. November, seinem Sterbetag, noch den ganzen Tag über am Schreibtisch sitzen, wobei er allerdings mit unerhörter Müdigkeit kämpfte. Der Hofkaplan Dr. Seydl 320 ), Nachfolger des modernistischen Bischofs Mayer 3 2 1 ), erteilte ihm die Sterbesakramente, die er mit hoher Fassung bei vollem Bewußtsein empfing. Gewöhnlich begab sich Franz Joseph um acht Uhr abends zu Bette. Heute reichte das letzte Aufgebote an Kräften nur bis sieben Uhr. Mit hohem Fieber wurde der Monarch zu Bette gebracht. „Wecken Sie mich morgen um vier Uhr, ich habe viel zu tun", waren die letzten Worte des letzten wirklichen Kaisers. 3 1 7 ) Am 13. Oktober 1916 übernahm Erzherzog Carl Franz Joseph in Großwardein das Heeresgruppenkommando. Die Heeresgruppe bestand aus der k . u . k . 3., 7. u. 1. sowie der deutschen 9. Armee. 3 1 8 ) Durch die Umfassungsschlacht bei Hermannstadt ( 2 6 . - 2 9 . September) und die Schlacht bei Kronstadt ( 7 . - 9 . Oktober) war Siebenbürgen von den Rumänen gesäubert worden. Nach einigen vergeblichen Versuchen glückte dann Mitte November der Durchbruch in die Kleine Walachei, und am 23. November überschritten Kontingente der Heeresgruppe Mackensen auch von Süden her bei Sistov die Donau. 3 1 9 ) Béla Káry ν. Gyergyó-Szentmiklós (Trencen, 1 5 . 1 0 . 1 8 7 9 - ? ) , 1894 aus der Ludowikaakademie als Lt. zu k.u. L I R . 1 5 , Glstbslaufbahn, 10.10.1912 zugeteilt MKSM., 1.11.1913 Obstlt. i . G . , 2.1.1915 zugeteilt VI. Korpskmdo., 31.1.1915 wieder MKSM., 1.9.1915 Obst. i . G . , 10.5.1917 Kmdt. 18. GBrig., 13.5.1918 Stellvertretender Chef MKSM. 3 2 0 ) Ernst Seydl (Mnischek, Böhmen, 1872-27.9.1952, Wien), 1895 Priesterweihe, 1912 Hof- und Burgpfarrer, 30.11.1918 Titular-Bischof, 1.4.1929 Domkustos v. St. Stephan. 32 >) Laurenz Mayer (Markgrafneusiedl, 2 6 . 7 . 1 8 2 8 - 1 3 . 5 . 1 9 1 2 , Wien), 1853 Priesterweihe, 1854 Studienpräfekt u. Subrektor am Wiener Priesterseminar, 1860 Hofkaplan, Religionslehrer von Kronprinz Rudolf u. Ehg. Gisela, 1868 Beichtvater Franz Josefs I. u. Kaiserin Elisabeths, 1876 Hof- und Burgpfarrer, 1899 Titular-Bischof v. Dioclea u. Geh. Rat.
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U m etwa halb zehn Uhr abends standen wir ernst im R-Zimmer um die Karten herum. D a trat Kageneck ein: „Soeben hat man mir telephoniert, um 9 Uhr 05 ist Seine Majestät verschieden." Ich hatte abends als Kurier nach Wien zu fahren. Die letzte militärische Meldung, die der verstorbene Herrscher in Händen hatte, war der von mir verfaßte „Tagesbericht", der die Einnahme von Craiova in Rumänien meldete. In Wien traf ich meine Mutter tief erschüttert an. Jeder, dem man begegnete, machte ein trauriges Gesicht. Ich ging nach Schönbrunn hinüber, um Brougier etwas zu bringen, der den nunmehrigen Kaiser von der Front her begleitet hatte und nun sein Flügeladjutant wurde. Ich erfuhr noch einiges über die erschütternden letzten Augenblicke Franz Josephs und die Begebenheiten unmittelbar nach seinem Tode. Besonders machte eines auf mich Eindruck. Im Nebenzimmer hatten sich verschiedene Persönlichkeiten eingefunden, so die Erzherzogin Valerie 3 2 2 ) und ihr Gatte, der Obersthofmeister Fürst Montenuovo, Adjutanten und andere. In einer Ecke stand tief erschüttert Frau Schratt 3 2 3 ). Man nahm keine N o t i z von ihr. D a tat sich die Türe auf und der neue Herrscher trat, als Groß-Admiral gekleidet, in den Raum. Er bemerkte die „Gnädige F r a u " , wie Frau Schratt im Hofstaat nach dem Brauch des Kaisers hieß, bot ihr den Arm und führte sie an das Totenbette. Es war einer der ritterlichen Züge, die man an dem jungen Herrscher später immer wieder bemerken konnte. Frau Schratt, vermählte Frau von Kiss, war dem alten Herrn bis in die letzten Tage ein treuer Kamerad gewesen; durch ihr Temperament und ihr gütiges Herz ein Sorgenbrecher, soweit man es gegenüber dem umdüsterten Gemüt des Kaisers noch sein konnte. Sie nützte ihre Stellung nie aus und bat den Kaiser kaum je um etwas für andere und schon gar nicht für sich. Wenn sie etwas auf dem Herzen hatte, rief sie in der Regel die Intervention des Baron Bolfras an. Bis zum Kriege war der Kaiser mehrmals in der Woche in ihrer Villa in der Gloriettegasse zum Tee. Die Kartenpartie, deren Teilnehmer nach dem Volksmunde hätte Legion sein müssen und die nach der gleichen Quelle auch oft aus reichen Juden bestand, gehörte ins Reich der Fabel. Franz Joseph pflegte, wenn er zur „Schratt" ging, zu Fuß das kleine Türchen zu benützen, das gegenüber der Gloriettegasse in die Schloßmauer geschlagen war. In den letzten Jahren kam die gnädige Frau meist zu Mittag zu ihm, und die beiden gingen dann eine halbe oder eine ganze Stunde im Kammergarten spazieren, der unter den Gemächern des Kaisers lag. Frau Schratt besaß außer der genannten Villa ein Wohnpalais auf dem Kärntner Ring und ein Häuschen in Ischl 3 2 4 ). Nach dem Tode trat der Versucher oft an sie heran in Form amerikanischer Zeitungsredakteure oder Verleger. Ihr wurden für ihre Erinnerungen uner3 " ) Ehg. Marie Valerie (Ofen, 2 2 . 4 . 1 8 6 8 - 6 . 9 . 1 9 2 4 , Wallsee), jüngste Tochter Kaiser Franz J o sephs I., verheiratet 3 1 . 7 . 1 8 9 0 , Ischl, mit Ehg. Franz Salvator, aus der Linie Toscana. Ihr Tagebuch im Besitz der Familie - stellt eine wichtige Quelle zur Familiengeschichte dar. 3 2 3 ) Katharina Schratt (Baden/Wien, 1 1 . 9 . 1 8 5 5 - 1 7 . 4 . 1 9 4 0 , Wien), 1883-1900 Burgschauspielerin, vermählt 2 5 . 9 . 1 8 7 9 , Wien, mit Nikolaus Kiss de Itebe. 3 2 4 ) Die „Villa Felicitas", in welcher sich Katharina Schratt in den Sommermonaten aufzuhalten pflegte, war von ihr nur gemietet.
Beim „ersten" A O K .
hörte Vermögen geboten. gen aufzehrte, lebte sie Schmuckstücke. Sie hätte General Steinitz hatte sie
383 Sie lehnte grundsätzlich ab. Da die Inflation ihr Vermöin der Folge vom Verkauf ihrer Einrichtungs- und wohl noch hundert Jahre leben können. Mein Freund öfter besucht.
Noch eine Episode: In diesen Stunden setzte sich der dicke General Prinz Lobkowitz 3 2 5 ), seinerzeit Dienstkämmerer beim Erzherzog Carl und nun ein brotloser Künstler, in eine Ecke des Vorzimmers und machte ein verzweifeltes Gesicht. U m ihn zu trösten, ernannte ihn der vorübergehende junge Kaiser zu seinem Generaladjutanten. Rund wie ein Faß und etwas kurzatmig, dabei immer aufgeregt, machte er eine etwas komische Figur. Er war jedoch ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle, der auch nicht einen Augenblick lang den politischen Einfluß besaß oder anstrebte, den ihm die Fama als Tschechen zumutete. Lobkowitz war mit mir stets sehr gnädig. Ich traf ihn Ende der zwanziger Jahre noch einmal auf der Wiener Tramway. Bald hernach starb er. Mit seinem Sohne Erwein 3 2 6 ), der eine Gräfin E i t z 3 2 7 ) aus Vukovar heiratete, sollte mich in den Agramer Jahren eine enge Freundschaft verbinden. W o mögen sie hingekommen sein? Ich sah sie Anfang Mai 1945 zum letzten Male. Wenn wir beisammen waren, er, der kroatische Tscheche, und ich, der Österreicher in deutscher Generalsuniform, dann feierte das alte Österreich seine Triumphe - daneben allerdings auch die katholische Liturgie, denn der päpstliche Kämmerer Lobkowitz war ein unerhörter Kenner dieses Gebietes, der selbst dem Erzbischof Stepinac 3 2 8 ) unbeantwortete Fragen zu stellen vermochte . . . Als ich am 22. vormittags zu Schönbrunn in das Flügeladjutantenzimmer trat, fragte mich Brougier: „Willst D u den Kaiser noch einmal sehen?" Ich nickte selbstverständlich. Er führte mich in das Sterbezimmer. Das berühmte Kommißbett war leer. Die Leiche des Kaisers lag, von einem Leintuch bedeckt, auf einem Tische. Sie war für die Einbalsamierung und die Abnahme der Totenmaske bereitgelegt. Brougier entblößte den Kopf des Toten, der zwar schneeweiß war, aber wie der Kopf eines Schlafenden aussah. Ergriffen stand ich vor diesem Bilde irdischer Vergänglichkeit. Schon mein Vater hatte kaum einen anderen Kaiser als den seinigen nennen hören, und für mich war er ein selbstverständlicher Teil meines Lebens. O f t kritisierte man ihn, war man ungeduldig ob der greisenhaften Beharrlichkeit.
3 " ) Zdenko Prinz L o b k o w i t z (Wien, 5 . 5 . 1 8 5 8 - 1 3 . 8 . 1 9 3 3 , Harrachsdorf, B ö h m e n ) , 1876 freiwillig eingerückt zu D R . 14, 1906 O b s t l t . D R . 1, 1 8 . 8 . 1 9 0 7 Kammervorsteher Ehg. Carl Franz Joseph (bis 1 . 4 . 1 9 1 6 in seiner Umgebung), 1 . 5 . 1 9 1 4 G M . , 1 . 1 . 1 9 1 6 pensioniert, 2 4 . 1 1 . 1 9 1 6 aktiviert als Generaladjutant Seiner Majestät (bis Kriegsende), 1 . 5 . 1 9 1 7 F M L . 3 2 6 ) Erwein Prinz L o b k o w i t z (Prag, 2 8 . 2 . 1 8 8 7 - 2 8 . 8 . 1 9 6 5 , Steppberg über N e u b u r g / D o n a u ) , 1907 freiwillig zu D R . 1, 1 . 5 . 1 9 1 0 L t . D R . l , 1 . 8 . 1 9 1 4 O b l t . , bis 2 0 . 9 . 1 9 1 4 im Feld, 1 . 4 . 1 9 1 6 im Leibgarde-Reitereskadron. 3 2 7 ) Antoinette Prinzessin L o b k o w i t z , geb. Grfin. u. Edle Herrin v. u. zu Eitz, genannt Faust v. Stromberg (geb. Vukovár, 1 7 . 5 . 1 8 9 9 ) . 3 2 β ) Alojzije Stepinac (Krasic, Kroatien, 8 . 5 . 1 8 9 8 - 1 0 . 2 . 1 9 6 0 , ebdt.), 1930 Priesterweihe, 1934 Titularbischof u. Koadjutor in Agram, 1937 Erzbischof v. Agram, 1946 verurteilt zu sechzehn Jahren Zwangsarbeit.
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Aber er war der Allerhöchste Herr, der kaiserlichste der Kaiser ! Nun lag er da, ein Häufchen Elend, dem schlichtesten seiner Untertanen im Schicksal gleich. Der tote Monarch hatte auch nach dem Abschied aus der Welt, die ihm so viel zu tragen gab, noch Malheur. Bei der Abnahme der Totenmaske blieb die eine Hälfte des berühmten Kaiserbartes in der Gipsmaske stecken. Zur Einbalsamierung hatte man sich eines neuen Mittels bedient, einer Injektion, die das Ausnehmen der Leiche ersparen sollte. Die Dosis war vielleicht zu stark, der Bauch des Leichnams schwoll gewaltig auf. Von einer offenen Aufbahrung konnte natürlich nicht mehr die Rede sein, der Sarg wurde ehestens geschlossen und nach dem Zeremoniell bei Dunkelheit im Hof-Leichenfourgon in die Burgkapelle gebracht. Meine Mutter sah die Ausfahrt und vergoß, obgleich ihr Patriotismus oder, sagen wir besser, ihre dynastische Gesinnung, nicht ohne Vorbehalte war, heiße Tränen. Die beiden Gelasse des Kaisers in Schönbrunn wurden später, allerdings nachdem die Tochter Maria Valerie verschiedene Gegenstände fortgenommen hatte, dem Publikum gezeigt. Die Lage war die kümmerlichste, die man sich in dem herrlichen Schloß aussuchen konnte. Die Fenster gingen gegen Nordwesten und in den Hof. Vergebens hatte man dem Kaiser geraten, er möge doch einige der heiteren in den Park und gegen die Gloriette gerichteten Räume beziehen. Er war viel zu konservativ dazu. Badezimmer gab es in den Gemächern des Kaisers keines. Er stieg jedoch jeden Tag in der Früh in eine Gummiwanne und ließ sich von seinem Leibkammerdiener Ketterl 3 2 9 ) mit dem Schwamm bearbeiten. Besonders vorsintflutlich war es nach den Erzählungen des in Salzburg verstorbenen Hauptmanns Zamboni 3 3 0 ), des einstigen Schloßinspektors, in Gödöllö bei Budapest. D a gab es im Schloß überhaupt kein Klosett, sondern nur Leibstühle, die zwischen Doppeltüren heimlich aufgestellt waren. Lift benützte der Kaiser nie. Auch wenn er in den letzten Jahren ein paarmal seinem einstigen Generalstabschef und „Weggenossen" einen Besuch in einem fünften Stock der Mölker Bastei abstattete, stieg er rüstig die Treppen hinauf. Autos benutzte er wohl ausnahmsweise. Aber das Normale war das schöne Lipizzanergespann mit dem Leibjäger auf dem Kutschbock. So sah ich ihn noch im Jahre 1913/14 fast täglich durch die „schwarze Weste" herauf in die Mariahilfer Straße fahren. Das Ereignis wurde lediglich dadurch bemerkbar, daß es etwas mehr berittene Polizisten gab. Das Publikum zog ehrfürchtig den Hut, er salutierte unablässig. Neben ihm saß der Flügeladjutant, mit dem er auf der Fahrt nur alle Jahre einmal ein Wort wechselte. Einmal war auch der berühmte Rennreiter Pongrácz 3 3 1 ) Flügeladjutant. E r hatte tags zuvor gründlich „mulatiert" und schlief 3 2 9 ) Eugen Ketterl (Wien, 7 . 1 0 . 1 8 5 9 - 1 1 . 1 0 . 1 9 2 8 , Wien), 1894 probeweise als Saalkammerdiener in die allerhöchste Kammer aufgenommen, 1895 Leibkammerdiener, 1916 pensioniert. Vgl. C . Klastersky, D e r alte Kaiser, wie nur Einer ihn sah, Wien 1929. 3 3 ° ) Felix Zamboni v. Lorberfeld (Venedig, 6 . 2 . 1 8 5 8 - ? ) , 1880 zu k . u . 77. L w B a o n . , 1 . 1 1 . 1 8 8 3 L t . , 1 . 5 . 1 8 9 1 Lt. i . d . Evidenz d. k . u . L w . , 1 . 5 . 1 9 1 5 H p t m . , eingeteilt beim Ldsturm-Bezirks-Kmdo. II, Bozen. 3 3 ' ) Arthur v. Pongrácz de Szent-Miklos et O v a r (Biala, Galizien, 2 5 . 6 . 1 8 6 4 - 1 3 . 1 . 1 9 4 2 , Wien), 1882 aus der Kavalleriekadettenschule Mährisch-Weißkirchen als Kadett-Offiziersstellvertreter zu H R . 3, 1883 L t . , Kavallerieoffz., 1 . 1 1 . 1 9 0 4 Ordonnanzoffizier Seiner Majestät, 1 . 5 . 1 9 0 6 Mjr. u. Flügeladjutant, 2 2 . 1 0 . 1 9 0 8 zu H R . 1, 1 . 5 . 1 9 1 3 Obst., 1 4 . 4 . 1 9 1 5 Rgtskmdt., 2 8 . 4 . 1 9 1 6 Kmdt.
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neben dem Kaiser ein, als es das Unglück wollte, daß ihn dieser gegen alle Regel etwas fragte. Pongrácz blieb nur zwei Jahre auf seinem Posten . . . Die feierliche Beisetzung erlebte ich selbstverständlich nicht mehr in Wien. Ich war längst nach Teschen zurückgekehrt und dort gerade zurechtgekommen, um dem neuen Kaiser den Soldateneid abzulegen. Es war seltsamerweise der letzte Eid und das letzte Dienstgelöbnis meines Lebens - trotz der vielen Systemwechsel, die ich über mich ergehen lassen mußte. Immer kam ich - inklusive unter Hitler und in der Deutschen Wehrmacht - der Eidesabiegung aus 332 ).
6. IM „ZWEITEN A O K . " Wir waren in Teschen natürlich sehr, sehr aufgeregt. Der neue Herr haßte das A O K . , das wußten wir. Würden wir gesprengt werden? Anfangs Dezember stattete er zuerst in Pleß dem deutschen Kaiser seinen Antrittsbesuch ab. Dieser A k t war von einer vor den anderen Bundesgenossen geheimgehaltenen Abänderung der Vereinbarungen über die Oberste Kriegsleitung begleitet. Kaiser Karl hatte sich entschlossen, selbst das Oberkommando über seine Streitkräfte zu übernehmen, und es hätte den Vorstellungen von Souveränität widersprochen, wenn er sich militärisch-operativ dem deutschen Kaiser unterstellt haben würde. Die Einzelheiten darüber sind in „Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914/18" nachzulesen 333 ). Die Neuerungen hoben den gemeinsamen Oberbefehl so gut wie auf. Dennoch trat er im Jahre 1918, dem letzten Kriegsjahre, zweimal in Tätigkeit. Einmal, als sich Kaiser Karl weigern wollte, nach dem ersten Frieden von Brest-Litowsk neuerlich aus6. KBrig., 1 . 5 . 1 9 1 7 G M . , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. Vgl. Heeresgesch. Museum, Offiziere-Kavaliere. Die Entwicklung des Reitsports in der österreichischen Armee, Katalog, Wien 1973. 3 3 2 ) Vgl. die Beurteilung Glaise-Horstenaus durch FML. Josef Metzger, 15.3.1917 (KA., Qualifikationsliste): „Ernster, gediegener Charakter, heiter, lebhaft; hochintelligent mit rascher Auffassung; allgemein und speziell militärwissenschaftlich sehr gebildet. Schriftstellerisch hoch begabt und voll Interesse für Kriegsgeschichte hat Hptm. v. Glaise seit Anfang Juli 1915 das Pressereferat beim A O K . mit vorzüglichem Erfolg geführt und das Tagebuch der OpAbt. des A O K . bearbeitet. Die Ausgestaltung des Pressewesens bei der Armee im Felde, das ganze heutige System der amtlichen Berichterstattung über die Kriegsereignisse im Inland und Auslande ist der unermüdlichen, von modernem Geist und voller Beherrschung dieses Faches getragenen Arbeit des Hptm. von Glaise, seinen erfolgreichen, mit großem Geschick und besonderem Takt geführten Verhandlungen mit den maßgebenden journalistischen Kreisen und Zentralstellen des Inlands, dann mit den in Pressefragen zuständigen Behörden der Verbündeten zu danken. Nebst seiner Tätigkeit als Presseleiter des A O K . ist Hptm. v. Gl. auch schriftstellerisch mit vollem Erfolg tätig. Die über den Weltkrieg erschienenen offiziellen und offiziösen Darstellungen sind vielfach das Ergebnis seiner Arbeit, zumindest seiner Mitarbeit. An der Ausarbeitung des Projekts der künftigen Neuadjustierung hat Hptm. v. Gl. hervorragend Anteil genommen. Ist vermöge seiner Begabung, seiner Vorbildung und seiner Neigungen für leitende Posten bei kriegsgeschichtlichen Arbeiten, als Leiter von militärischen Pressestellen und für den von ihm angestrebten Posten als Lehrer der Kriegsgeschichte an der Kriegsschule hervorragend geeignet." G M . Waldstätten schloß sich der Beschreibung am 15.9.1917 „vollinhaltlich an". Den gleichen Tenor tragen die von Metzger gestellten Belohnungsanträge für Glaise-Horstenau (KA., Offiziersbelohnungsanträge N r . 5 3 . 2 8 3 u. Nr. 117.533), die zur Verleihung der Militärverdienstmedaille (Personalverordnungsbl. Nr. 192/1915) und des Eisernen-Kronen-Ordens 3. Kl. (ebdt., Nr. 227/1916) führten. 3 " ) Österreich-Ungarns letzter Krieg, V . B d . , 723 ff.
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zutreten 334 ). Das zweite Mal, nach der mißglückten Juni-Offensive am Piave, als die „Oberste Heeresleitung" deren Einstellung anordnete, mit der etwas späten Absicht, entbehrliche k. u. k. Truppen an der Westfront zu verwenden. In Teschen versammelte sich vor dem Schloß des Erzherzogs Friedrich das ganze A O K . Es war eine schöne Schar, etwas viel auf einmal. Der Kaiser begnügte sich, vom Balkon herabzuwinken, und empfing dann Conrad und Metzger, die er beide seines Vertrauens versicherte. Gleichzeitig traten allerdings trotzdem zwei Änderungen ein. Erstens übernahm der Kaiser das A O K . und der gute Erzherzog Friedrich wurde zunächst zum Stellvertreter des Armeeoberkommandanten ernannt, Ende Jänner 1917 dann aber ,,zur Disposition des Allerhöchsten Oberbefehls" gestellt. Gleichzeitig teilte der Kaiser dem zum Feldmarschall ernannten Conrad mit, daß er das A O K . nach Baden bei Wien verlegen werde, um den sonstigen Zentralstellen näher zu sein. Auch läge Baden gegenüber der italienischen Front günstiger. Conrad war unglücklich. Er wehrte sich mit allen erdenklichen Argumenten, sogar mit einem, in dessen Existenz er unter anderen Verhältnissen sogar einen Vorteil für eine Verlegung der Heeresleitung erblickt hätte. Er erklärte es für besonders nachteilig, daß sich das A O K . räumlich so weit von der D O H L . trenne. Diese hatte inzwischen allerdings den Entschluß gefaßt, auch den Osten zu verlassen und sich zunächst nach Kreuznach - kaiserliches Hoflager Homburg vor der Höhe - zu verlegen. Der rumänische Feldzug ging inzwischen seinem Ende entgegen. Die Dauerstellung des Ostens verlängerte sich jenseits von Czernowitz längs des Sereth und die Donaumündungen. Mit größter Eile arbeitete Tisza auf die Krönung des neuen Monarchen in Budapest hin. Er war äußerst eifrig dahinter, den staatsrechtlichen Wünschen der Magyaren von Anbeginn Geltung zu verschaffen. Noch war der Leichnam Kaiser Franz Josephs nicht kalt, da erschien er bereits, um in der Namensfrage des neuen Herrschers eine Entscheidung herbeizuführen. Franz Joseph hatte ungarisch Ferenc József geheißen, mit dem einzigen Unterschied, daß der römische Einser von „der 3 3 4 ) Mit 13.9.1916 waren die am 6.9.1916 erlassenen „Bestimmungen für den einheitlichen Oberbefehl der Zentralmächte und ihrer Verbündeten" wirksam geworden, die die operative Oberleitung des Deutschen Kaisers unter Mitwirkung der verbündeten Oberkommandanten mit ihren Generalstabschefs vorsah. Conrad hatte dazu noch eine Geheimklausel zum „Schutz und zur Integrität der Gebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie" erwirkt. Diese OKL. wurde nach dem ersten Besuch Kaiser Karls in Pleß am 3.12.1916 zumindest weitgehend wieder aufgehoben, ohne daß darüber ausdrückliche schriftliche Abmachungen existieren. Jedenfalls wurden bei zwei späteren Ereignissen deutsche Einwirkungen auf das AOK. als Maßnahmen der OKL. von leitenden Persönlichkeiten dargestellt: Am 18.2.1918 begann der sogenannte Eisenbahnvormarsch der deutschen Ostfront und erst am 28.2.1918 erfolgte die Vorrückung der k . u . k. 2. Armee, die mit einer Bitte der Regierung der Ukraine begründet wurde. Laut Arz, Großer Krieg, 242, lehnte Kaiser Karl einen einheitlichen Oberbefehl ab, da es sich nur um einen friedlichen Einmarsch handle und daher die Bestimmungen über eine „Oberste Kriegsleitung" nicht in Geltung treten könnten. Im Verlauf der Junischlacht in Venetien erhielt Glt. Cramon ein Telegramm von Hindenburg, der als Chef des Generalstabes der Obersten Kriegsleitung die Einstellung der italienischen Offensive nahelegte (Cramon, Bundesgenosse, 168). Ebenso telegraphierte FML. Klepsch-Kloth am 16.6. die Forderung Ludendorffs nach der Entsendung von k. u . k . Truppen (Fiala, Letzte Offensive, 133).
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Erste" ungarisch vor den Namenszug, deutsch aber hinter diesen kam. Daß sich Carl auch als Kaiser nach habsburgischer Tradition mit , , C " schrieb, kam für Tisza nicht in Frage, da auf ungarisch Carl „ K á r o l y " hieß. Der Kaiser und König mußte sich also mit , , K " schreiben, welcher Anfangsbuchstabe von den elf habsburgischen Nationen nur für die Italiener und die Rumänen nicht paßte (Carlo und Carol). Allerdings fiel dem Kaiser, der kein Kalligraph war, zeitlebens das Schreiben des Buchstaben Κ nicht leicht. D a die Dynastie Habsburg-Lothringen mit dem Jahre 1806 die Bezifferung der Namensträger neu begonnen hatte (Franz I. statt II.), war Karl in Österreich unbestritten der erste - nach der Numerierung der römisch-deutschen Kaiser wäre er der V I I I . gewesen. Dagegen war er in Ungarn - der Vater Maria Theresias war Karl III. von Ungarn gewesen — der vierte seines Namens, was auch im Titel zum Ausdruck kommen mußte. Im Oktober 1915 war auf Betreiben Tiszas durch kaiserliche Verordnung anstelle des Doppeladlers das neue Doppelwappen eingeführt worden, das der staatsrechtlichen Lage besser entsprach. Zwei Wappenschilder mit dem österreichischen Doppeladler und dem ungarischen Wappen wurden nebeneinandergestellt und mit ihren inneren oberen Ecken durch das kleine Hauswappen der Habsburger zusammengehalten. Das also geschaffene Wappen hieß im Volksmund sehr bald Doppelliter, weil es von einem Spruchband „Indivisibiliter ac inseparabiliter" verbunden war. Die Fahnen und Standarten hatten bisher als Flammenrang Schwarz-Gelb gehabt, nun mußte Rot-Weiß-Grün dazugenommen werden. Die Farbenfrage bei Gründung neuer Kriegsbänder wurde zu einer Quelle von Schwierigkeiten. So konnte die alte, vertraute Kriegsmedaille, 1873 von Franz Joseph für alle Kriegsteilnehmer gestiftet, bis Kriegsende nicht erneuert werden, weil man nicht übereinkam, was an die Stelle des netten schwarz-gelben Bandes zu setzen sei. Rot-Weiß-Grün eignete sich wegen seiner Buntheit so wenig für Ordensbänder, daß die Kaiserin Maria Theresia schon bei der Stiftung des königlich ungarischen St.-Stephans-Ordens das Weiß aus dem nationalen Farbengemisch für die Ordensbänder weggelassen und das helle R o t durch ein hübsches, diskretes Violett ersetzt hatte. Tisza drängte deshalb so auf die Krönung hin, weil er offenbar von den Absichten Franz Ferdinands wußte, der sich erst nach Erfüllung gewisser staatsrechtlicher Notwendigkeiten in Budapest und vorher auch in Österreich krönen lassen wollte. Da ergab sich gleich eine große staatsrechtliche Schwierigkeit. Nach ungarischer Tradition hatte dem König beim Krönungsakt der jeweilige Palatin die Stefanskrone aufzusetzen. Wennn ich nicht irre, tat es 1867 der Erzherzog Joseph als Sohn des vorletzten Palatins 3 3 5 ). Es wäre nur der Wunsch Kaiser Karls gewesen, daß es auch ihm der Chef der ungarischen Linie des Hauses, der Erzherzog Joseph, Sohn des eben genannten gleichnamigen Erzherzogs täte. Aber Tisza erklärte, da es keinen Palatin mehr gäbe, könne die Krönung nur einer vornehmen, das sei der ungarische Ministerpräsident, also er. Eine richtige staatsrechtliche Interpretation fordere dies. 3 3 S ) Am 8 . 6 . 1 8 6 7 setzte Julius (Gyula) Graf Andrássy in seiner Eigenschaft als stellvertretender Palatinus mit Hilfe des Primas Simor Franz Joseph I. die Krone auf.
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Bei Tisza kam aber noch dazu, daß er nicht Katholik, sondern Kalvinist, und zwar ein sehr entschiedener Kalvinist, war - eine Tatsache, die dem frommen Kaiser schon besonderes Unbehagen bereitete. Schließlich mußte er aber doch nachgeben, und Tisza nahm während des vom Fürstprimas pontifizierten Hochamtes in der Mátyás-Krönungskirche - sie existiert auch nicht mehr - die Krönung vor. Auch die Schulter der Kaiserin wurde mit der Heiligen Stefanskrone berührt. Die Krönung verlief nicht ohne Zwischenfälle, wie sie sich leider überhaupt an das neue Regime anheften sollten. Nach der Ansprache des Kardinals Csernoch im Thronsaal hatte der neue König eine entsprechende Botschaft an die Nation zu verkünden. Wie groß aber der Schrecken, als der Generaladjutant Lobkowitz, während sich die Worte Csernochs bereits dem Ende zuneigten, wahrnahm, daß er das Manuskript der Königsrede in seinen Gemächern vergessen hatte. Der gute Csernoch mußte noch zehn Minuten aus dem Stegreif sprechen, bis Lobkowitz atemlos und schweißbedeckt mit dem Manuskript zurückkam, das er wahrscheinlich auch zu Hause nicht gleich gefunden hatte. Er bat den König nachher um Enthebung, die aber der Gütige lächelnd ablehnte 3 3 6 ). Franz Ferdinand hätte Lobkowitz zum Tode verurteilt. Im Verlaufe der Krönung mußte der König, über der roten ungarischen Generalsgala mit dem schweren Krönungsmantel angetan und der ebenso schweren Stefanskrone auf dem Haupte, den aus der Erde aller Komitate zusammengetragenen Krönungshügel hinansprengen und in kühnen Schwüngen mit dem Schwerte nach den vier Weltrichtungen weisen. Nun war die Krone trotz aller Ausfütterung viel zu groß, und als der Kaiser den Hügel hinaufgaloppierte, drohte die Krone vom Kopfe zu fallen. N u r ein rascher Griff des Herrschers hinderte sie daran. Ein übles Vorzeichen ? Bei der Krönung war der König stets von den zehn königlichen Fahnen flankiert, die sich auf die Ausdehnung Ungarns unter Ludwig dem Großen bezogen und deren Gebiete der König zurückzugewinnen schwor. Neben den Fahnen der Königreiche Rama (Bosnien) und Serbien fand sich auch jene Bulgariens darunter. Trotzdem ließ es sich Zar Ferdinand von Bulgarien, als Urenkel des Fürsten Kóhary 3 3 7 ) ungarischer Magnat, nicht nehmen, bei der Feier anwesend zu sein. Sehr bald nach der Thronbesteigung brach der erste Konflikt zwischen dem Kaiser und Conrad aus. Das A O K . bekam plötzlich Entwürfe für die Schaffung einer besonderen Frontkämpferauszeichnung, des Karl-Truppen-Kreuzes, und für die Einführung von „Schwertern" zu durch Tapferkeit erworbenen Auszeichnungen auf den Tisch gelegt. Der Entwurf stammte aus der kaiserlichen Militärkanzlei 3 3 8 ). ) Vgl. (Ε. v. Szontagh), Karls Königskrönung mit Hindernissen, in: N W J . , 1 0 . 2 . 1 9 3 4 , 5 . ) Franz Josef Fürst Kóhary (1766-1826), 1816 Fürstenstand, Kanzler der ungarischen Hofkanzlei, N a m e u. Besitz ging auf den Gemahl der Erbtochter Prinz Ferdinand v. Sachsen-Koburg-Gotha über, der 1867 den N a m e n Kóhary wieder ablegte. 3 3 8 ) M K S M . , 1916: 13-8/9. Das Karl-Truppenkreuz wurde von Karl I. am 13.12.1916 gestiftet. D a s Band war weiß-rot gerippt mit breitem rotem Mittelstreifen. Die Verleihung erfolgte ausschließlich an Personen der Kampftruppen nach mindestens zwölfwöchiger Frontdienstleistung und Teilnahme am Kampfe. 336 337
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Er war an sich richtig gedacht, aber doch, zumal was die geplanten Schwerter anlangte, eine kleine Attacke gegen den Generalstab, der nach der von der Militärkanzlei geplanten Stilisierung von der Erlangung dieses Attributes völlig ausgeschlossen gewesen wäre. Conrad war über die Initiative, die seiner Auffassung nach in das Ressort des AOK. gefallen wäre, und über die Bloßstellung des Generalstabes sehr erbittert. Zuletzt erreichte er, daß man Schwerter auch für Verdienste um die Führung im Kriege erhalten konnte. Für mich sah es bei dem Signum laudis und der Eisernen Krone, die ich beide im AOK. bereits erhalten hatte, mit den Schwertern schlecht aus. Als politischer und Pressereferent war ich an der militärischen Führung nicht unmittelbar beteiligt. Ich bekam nur die Schwerter auf das mir für tapferes Verhalten verliehene Militärverdienstkreuz. Ich ertrug es mit Fassung. Das Karl-Truppen-Kreuz, welches man nach zwölfwöchiger Frontdienstleistung tragen durfte, war eine gut geglückte Auszeichnung. Es war eine Nachahmung des Kanonenkreuzes von 1813, nur leider aus einer Bleilegierung statt der schönen warmen Bronze. Weniger schön, eine rein staatsrechtliche Verlegenheit, war das Band, an dem man das Kreuz trug. Man hatte Feldgrau und - als Farbe vergossenen Blutes - rote Randstreifen genommen. Das Kreuz wurde in der Folge von den Offizieren demonstrativ oft als einzige Kriegsauszeichnung getragen - ein Beweis dafür, daß sie psychologisch gut erdacht war. Die Personalveränderungen rund um den neuen Herrscher gehören der Geschichte an. Daß die beiden neuen Generaladjutanten nicht übermäßig repräsentativ gewesen sind - Lobkowitz und Marterer - habe ich schon erwähnt. Der neue Herrscher hatte noch meinen einstigen Korps-Generalstabschef beim XII. Korps, Oberst Frh. v. Zeidler-Sterneck, in die Militärkanzlei geholt, damit er für die Nachfolgeschaft Marterers bereitstehe. Zeidler war mir besonders wohlgesinnt. Der dem Grafen Paar zugeteilte General Margutti blieb zwar noch an der Seite von Lobkowitz. Er war Gralshüter des Zeremoniells, das er beherrschte wie keiner. Er entstammte dem Generalstab, war als Oberleutnant Generalstabsoffizier Franz Ferdinands bei der Budweiser Brigade und lenkte dann durch ein Buch über Seegeltung die Aufmerksamkeit des Kaisers Wilhelm auf sich. Auf diesem Wege kam er in den militärischen Hofstaat, in welchem er vom jungen Hauptmann bis zum Generalmajor oder Feldmarschalleutnant blieb. Berühmt war seine verschnörkelte Schönschrift mit den drei Namenszügen, einem feierlichen, einem weniger feierlichen und einem gemütlichen. Ebenso verschnörkelt wie die Schrift war sein Stil. Man glaubte sich an den Duodezhof eines kleinen Fürsten aus dem 17. Jahrhundert versetzt. Vor 1914 besaß Margutti vielleicht - von ganz großen Ausnahmen abgesehen - die meisten Orden in der Armee. Es gab keinen fremden Staat, Siam und Liberia mitinbegriffen, der nicht ein Ehrenzeichen an eine stets aufnahmsbereite Brust geheftet hätte. Die Nadelstiche für die Ordenssterne waren an seinem Rock so zahlreich, daß dieser wie gesteppt aussah. Wenn man zu ihm kam, öffnete er die Laden eines eigenen Schreibtisches und zog der Reihe nach die sauber in weißes Seidenpapier gewickelten, mit einem rosa Bändchen umschlungenen Etuis heraus. Plötzlich im Sommer 1917 wurde Margutti vom Hofe abgespänt und als Vizedirektor neben Hoen ins Kriegsarchiv versetzt. Ursache: Er hatte die Witwe eines
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verstorbenen 7er-Dragoners, Regimentskameraden des Kaisers, heiraten wollen, die selbst die Tochter eines jüdischen Großhändlers war, eine sehr repräsentative Dame 3 3 9 ), die aber der Kaiser nicht an den Hof lassen wollte. Nach dem Umsturz wurde aus Margutti, einem geborenen Triestiner, der italienische Tenente Generale Barone Margutti. Als solcher kam er 1925 als italienischer Archivbevollmächtigter zu mir ins Kriegsarchiv. Wir vertrugen uns sehr gut. Schon vorher hatte er Bücher über den alten Kaiser geschrieben 3 4 0 ), die sehr viel Tratsch enthielten, aber auch Interessantes, und ihm in alten Offizierskreisen äußerst üble Nachrede eintrugen. Für mich war jede Unterhaltung mit ihm eine Quelle der Anregung. Margutti starb anfangs 1939 an Halskrebs. Seine Frau wurde schwer herzleidend 1944 verhaftet, sie sollte nach Theresienstadt ins Judenlager gebracht werden. Mit Hilfe Dr. Höttls 3 4 1 ) gelang es mir, sie vor diesem Schicksal zu bewahren und der Freiheit wiederzugeben. Ihre Schwester war die Frau meines Freundes Oberleutnants Binder v. Degenschild 3 4 2 ), der durch lange Jahre in der Bibliothek des Kriegsarchivs eingeteilt gewesen ist. Unter den Adjutanten des Kaisers hatte ich mehrere gut bekannte Kameraden. An der Spitze stand Brougier, der operative Adjutant. Er war mit der schönen Gabriele v. Werther 3 4 3 ) verheiratet, einer Halbjüdin, einer eleganten Frau, die allerdings weniger den Menschen Brougier, sondern den Generalstäbler geheiratet zu haben scheint. Ich traf sie später öfter, es war immer recht anregend mit ihr. Weiters war Adjutant Graf Paul Esterházy 3 4 4 ), der, seines Zeichens Artillerist, mit mir zusammen Leutnant in Salzburg gewesen ist. In ganz gute Berührung trat ich auch zu Hunyady Józsí 3 4 5 ), der später als Nachfolger Konstantin Hohenlohes 3 4 6 ) erster ) Maria Karoline, geb. Weil, verw. Wanka v. Wanström (Brandeis, 1 2 . 3 . 1 8 7 9 - ? ) . ) Vgl. Anm. N r . 714. 3 4 1 ) D r . Wilhelm Höttl (geb. Wien, 19.3.1915), Historiker, D r . phil., 1938/45 Referent des dt. politischen Nachrichtendienstes für den Südosten (1942 Wehrdienst), 9 . 1 . 1 9 4 3 SS-Sturmbannführer, nach X . 1944 SS-Obersturmbannführer. 3 4 2 ) O t t o R. Binder v. Degenschild (Klagenfurt, 1 1 . 3 . 1 8 7 1 - 7 . 2 . 1 9 2 1 , Wien), 1892 aus der Milak. als L t . zu IR. 56, 1896-1900 im Militärgeograph. Institut, 1903-1905 Frequentant des I f ö G . , 1.3.1903 zugeteilt dem K A . , 1.11.1905 H p t m . , 5 . 1 1 . 1 9 1 4 pensioniert, - auf Mobdauer aktiviert, 1.2.1918 Obstlt. d . R . , 2 . 1 1 . 1 9 2 1 Titular-Obst. (nachträglich verlautbart). 3 4 3 ) Gabrielle Brougier, geb. v. Werther, vermählt 5 . 7 . 1 9 1 7 mit Rudolf Brougier. 3 4 4 ) Paul Grf. Esterházy ν. Galántha (Salzburg, 3 1 . 5 . 1 8 7 4 - 2 9 . 1 . 1 9 4 2 , Kremsmünster), 1895 als E F . zu D A R . 4 1 , 1897 aktiviert, 1.11.1898 L t . , Artillerieoffz., im Weltkrieg Batterie- u. Artilleriegruppenkmdt., 1 . 2 . 1 9 1 8 Mjr. F K R . 29, 1.6.1918 Flügeladjutant Seiner Majestät, 1 . 8 . 1 9 2 0 pensioniert. 3 4 5 ) József H u n y a d y v. Kéthely (Urmény, Komitat Neutra, Ungarn, 1 6 . 1 2 . 1 8 7 3 - 2 6 . 2 . 1 9 4 2 , Budapest), 1894 als E F . zu H R . 9, Berufsoffizierslaufbahn, 8 . 1 1 . 1 9 1 4 R t m . und O r d o n n a n z o f f z . Seiner Majestät, 17.4.1917 Mjr. i . d . Res. u. Flügeladjutant Seiner Majestät, 11.5.1918 übersetzt in den Berufsoffiziersstand bei Enthebung vom Posten des Flügeladjutanten, mit 9 . 5 . 1 9 1 8 Erster Obersthofmeister (bis Kriegsende). Blieb dem Kaiser auch nach dem Zusammenbruch treu ergeben und begleitete ihn nach Madeira. 3 4 6 ) Konrad Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst (Wien, 1 6 . 1 2 . 1 8 6 3 - 2 1 . 1 2 . 1 9 1 8 , Leoben), Bruder Gottfried Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst, nach Jusstudium 1888 in den Staatsdienst, 1903/04 Landespräsident der Bukowina, 1904/05 Statthalter von Triest und dem Küstenland, 2 . 5 . - 2 . 6 . 1 9 0 6 ö. Ministerpräsident, 1915 Rücktritt v. Statthalterposten, 3 . 2 . 1 9 1 5 Präsident des Obersten Rechnungshofes, seit März 1915 an der Front (Major i . d . Res. bei der Wiener Landwehrdivision), 1 . 1 2 . 1 9 1 5 - 2 9 . 8 . 1 9 1 6 Innenminister im Kabinett Stürgkh, II. 1917 Erster Obersthofmeister, 9 . 5 . 1 9 1 8 pensioniert. 339 340
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Obersthofmeister wurde. Eine Nummer für sich war der schon erwähnte Pressechef am allerhöchsten Hoflager, Hauptmann Karl Werkmann, ein sehr guter Journalist und fröhlicher Bursche, der manchmal auch im Hofzug einem guten Gläschen Wein gern zusprach. Sachlich hatten wir manches Hühnchen zu rupfen, da er mitunter in die operative Berichterstattung hineinpfuschte. Auch damit war ich nicht mit ihm einverstanden, daß er im Herausstellen des Kaisers zuviel des Guten tat - so wenn er erzählte, Seine Majestät habe sich bei dieser oder jener Gelegenheit in seinen Salonwagen zurückgezogen, um dort die nächsten Kriegsoperationen zu erwägen. Wenn's gut ausging, klang es ja für naive Gemüter ganz schön, in Zeiten des Mißgeschicks belud es den Kaiser jedoch unnötigerweise mit Verantwortungen, die ihm meist gar nicht zuzuschreiben waren . . . Ich sage: meist. Denn es traf mitunter leider auch anders zu. Ein interessanter Wechsel in der nächsten Umgebung des neuen Herrschers wurde durch die Ernennung des Grafen Polzer-Hoditz zum Chef der Kabinettskanzlei erzielt. Der frühere Ritter v. Polzer, der seinen Grafentitel von seiner Mutter übernahm, war ein politisch besessener, dabei gewiß kluger und weitschauender Mann, der völlig dem Ideenkreise Franz Ferdinands anhing und auch den jungen Kaiser in der Folge in diesem Sinne beeinflußte. Er hat selbst ein sehr interessantes Memoirenbuch 347 ) beim Amalthea-Verlag herausgegeben, das gleichzeitig mit meiner „Katastrophe" erschien. In beiden Büchern ist auch über sein Wirken und seinen Rücktritt das Nötige gesagt. Ich selbst habe Polzer erst nach dem Kriege persönlich kennengelernt und wir wurden Du-Freunde. Dies war eine Zeitlang nicht ganz ungefährlich, weil er zu den unbedingten Vorkämpfern des in diesen Zeilen schon genannten Montschi Sternberg gehörte, in dessen Zänkereien man nicht gerne hineingerissen wurde. Auf mein Betreiben übernahm Polzer, der ein sehr guter Stilist war oder ist, die Bearbeitung der Erinnerungen der Fürstin Nora Fugger 348 ); ich selbst habe mich von dieser Aufgabe gedrückt. Polzer war eine Zeitlang Kanzler vom Goldenen Vlies 349 ) und verfolgte als solcher den Grafen Czernin, den ehemaligen Außenminister, mit seiner Feindschaft, worin ich ihn vollkommen begriff. Er verfügte zweifellos über ein beträchtliches Maß Malerbegabung. Seit Jahren ist er mir aus den Augen verschwunden. Er war ein angenehmer Mensch. Den Heiligen Abend verbrachte ich zu Hause bei meiner Mutter. Schon am anderen Tage war ich wieder in Teschen. Es hieß die Ubersiedlung nach Baden vorbe3 4 7 ) Arthur Grf. Polzer-Hoditz u. Wolframitz (Lemberg, 2 . 8 . 1 8 7 0 - 2 4 . 7 . 1 9 4 5 , Baden/Wien), ab 1893 im polit. Konzeptsdienst der Steiermark, 1895 ins Präsidialbüro des Statthalters, 1897 ins Min. f. Kultus u. Unterricht, 1899 ins Innenministerium, 1910 Hofrat u. Kanzleidirektor des Herrenhauses, 7 . 2 . 1 9 1 7 Leiter der kaiserlichen Kabinettskanzlei, 15.3.1917 Kabinettsdirektor, 25.11.1917 krankheitshalber beurlaubt, 2 5 . 7 . 1 9 1 8 zurückgetreten, 2 3 . 8 . 1 9 1 8 Senatspräsident des Verwaltungsgerichtshofes, 10.9.1917 Grafenstand. Sein Memoirenwerk: Kaiser Karl. Aus der Geheimmappe seines Kabinettschefs, Zürich-Leipzig-Wien 1929. Darüber hinaus zahlreiche Erinnerungsartikel im N W J . Vgl. über ihn: F. Reinöhl, Geschichte der k . u . k . Kabinettskanzlei ( M Ö S T A . , Ergänzungsbd. VII), Wien 1963, 360ff. 3 4 8 ) Im Glanz der Kaiserzeit, Zürich-Leipzig-Wien 1931. 3 4 9 ) Vom 15.3.1917 - vor dem 5 . 8 . 1 9 2 4 . Vgl. Polzer-Hoditz' Artikel: Warum ich als Kanzler des Ordens vom Goldenen Vlies meine Demission gab, in: N W J . , 15.11.1924, l l f . u. 23.11.1924, 9; Archiv und Geschichte des Ordens vom Goldenen Vlies, in: N F P . , 2 0 . 2 . 1 9 2 7 , 36.
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reiten. Wir gingen alle sehr ungern aus dem freundlichen Olsastädtchen weg. Ich persönlich hatte durch lange Jahre das Gefühl, dort die schönsten, weil interessantesten Zeiten meines Lebens erlebt zu haben. Erst die Agramer Zeit vermochte in dieser Hinsicht die Erinnerung an Teschen zurückzudrängen. Ich habe hier noch nachzutragen, daß noch vor dem Thronwechsel in der inneren Gestaltung des A O K . eine Änderung vor sich gegangen war. Der Adjutant Kundmanns war längst darauf ausgegangen, seine Hand nach einem Oberstenposten auszustrecken. Er erreichte dies, indem er dem bisherigen Chef der Detailabteilung, General v. Kaltenborn, den Posten eines Generalquartiermeisters und nominellen Vorgesetzten der Quartiermeister-Abteilung zuschanzte und sich bei Umwandlung der „ D e t a i l - " in eine „Präsidialabteilung" an seine Stelle setzte. Nebenbei behielt er den Flügeladjutantenposten bei Conrad bei, was für mich in mancher Hinsicht mehr Schreibarbeit bedeutete. Daß ich Conrad inzwischen wesentlich nähergekommen bin als alle anderen meiner Altersgenossen beim A O K . , habe ich schon angedeutet. Rechnet man noch meine Beziehungen zum militärischen Hofstaat des Kaisers, so kann man begreifen, daß mein Herz von manchen ehrgeizigen Hoffnungen erfüllt war, die sich alle nicht auf das rein Militärische, sondern auf militärpolitische oder auch rein politische Gebiete bezogen. Ich werfe aber noch einen Blick auf das Albrechtsgymnasium in Teschen. Mit dem Aufstieg Kundmanns im Sommer 1916 übersiedelte Conrad vom 2. Stock in die gleichen Räume unterhalb im ersten Stockwerk. Metzger nahm das Geographie-Zimmer mit Beschlag, die langjährige Ehe mit Slameczka löste sich. Auch sonst traten Umgruppierungen ein. Das alte, kameradschaftlich geschlossene A O K . begann, auch äußerlich, irgendwie aus den Fugen zu geraten. Am 5. oder 6. Jänner 1917 hieß es vom lieben Teschen Abschied zu nehmen. Man ritt im Schnee noch einmal auf die Roppitzer und die Ellgother Platte hinaus, marschierte noch einmal die Olsa-Promenade entlang und umkreiste noch einmal den Stadtplatz mit den lieben, altdeutschen Lauben. Das naturwissenschaftliche Kabinett im Albrechtsgymnasium übergab ich völlig unangetastet einem Professor. Unsere geliebte Menage, der Schauplatz vieler ernster, aber auch heiterer Gespräche - wir waren alle ja jung - war bereits geräumt. Das letzte Abendessen wurde im Braunen Hirschen eingenommen. Dann ging es, schon in finsterer Nacht, auf die Bahn. Wir hatten Waggons erster und zweiter Klasse, jene für Stabsoffiziere, diese für Hauptleute und sonstiges Gelichter. Rittmeister v. Wallenberg und ich waren Kupeegenossen, was uns beide freute, da wir längst gute Freunde geworden waren. Die Stadtväter nahmen Abschied von Conrad, der Metzger zu sich in den Salonwagen nahm. Ein Ruck, ein Pfiff - eine inhaltsreiche Lebensperiode war zu Ende . . . Lauer und ich hatten immer Sehnsucht, einmal in Teschen mit Wallenberg zusammen ein Wiedersehensfest zu feiern. Es kam nicht dazu. Ich aber besuchte im Sommer 1940 als „Kriegsgräber-Offizier" noch einmal im Leben die liebliche Olsastadt. Sie hatte schwere Zeiten hinter sich, war zwanzig Jahre lang zwischen Polen und Tschechen geteilt, mit der Olsa als Grenze - dann ein halbes Jahr, seit März 1939, polnisch 3 5 0 ). N u n , als ich mit Auto meinen Einzug hielt, war es deutsch, natürlich, wie jede Stadt, die wir damals besetzten, für „ i m m e r " . Ich wohnte im
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Braunen Hirschen, der noch etwas polnisch verludert war, ging des anderen Tages früh aus dem Hause, um die alten Plätze und Wege zu besichtigen. Stieg die Treppe des Albrechtsgymnasiums hinauf, wo man natürlich - es war Sitz einer Parteistelle - ein ganz falsches Zimmer als das Conrads zeigte, eilte dann die Olsa-Promenade hinauf und am anderen Ufer wieder herunter, schritt den Weg zum Schloß und durch die Stefaniestraße zum Hauptplatz, der natürlich Hitler-Platz hieß. Ich war irgendwie ergriffen, obgleich es mir so ging wie beim Wiedersehen mit einer schönen Frau nach langer Trennung: Man hatte sich die Sache meistens doch noch idealisierter vorgestellt. Immerhin beschrieb ich mein Wiedersehen mit Teschen in einem Feuilleton des Neuen Wiener Tagblattes 351 ), das auch die schlesischen Zeitungen gerne abdruckten. Ich fuhr mit dem Gefühl nach Ostrau, daß alles zum letzten Mal sein würde. In Wien, wo hoher Schnee lag — der Winter zeichnete sich durch häufiges Schneien aus - , wurden wir über die Verbindungsbahn gelenkt. Ich konnte die Grünbergstraße nur von weitem sehen. Baden kannte ich nur flüchtig. Das letzte Mal war ich dort gewesen, um einen Solferino-Kämpfer aufzusuchen, den ich für die Armee-Zeitung interviewen mußte. Baden, am Fuße des Wienerwaldes gelegen, gegen die weite Ebene nach Osten geöffnet, berühmt durch seine Schwefelbäder und das Wappen mit der Badewanne, in der Männlein und Weiblein, ohne das sittliche Empfinden zu stören, vor aller Welt beisammensitzen - Baden ist eine überaus reizvolle Stadt, der ich in diesem Augenblick nur wünsche, daß sie unter den Russenkämpfen vor Jahresfrist nicht allzuviel gelitten haben möge. Ich wurde zuerst in der Nähe des Josefsplatzes untergebracht, mußte aber trotz Schnee und Kälte schon in der ersten Nacht so häufig „Hirschtod" blasen lassen, daß ich eine zweite Nachtjagd nicht riskieren wollte. Ich fand am anderen Ende der Stadt, in der zum Wienerwald emporführenden Welzergasse, ein Mansardenzimmer ganz nach meinem Geschmack, in welchem man nur drei Quadratmeter aufrecht stehen konnte, das aber dafür einen wunderbaren Ausblick in die Leitha-Ebene bot. Gottfried, den ich trotz aller Auskämmaktionen noch immer zu halten vermocht hatte, bezog zu ebener Erde eine Stube, die Pferde mit János kamen in den Nachbarort Traiskirchen, wo im Frieden eine Schwadron gelegen hatte und daher Platz für unseren vierbeinigen Troß genug war. Die Operations- und die Präsidialabteilung mit dem Chef Conrad v. Hötzendorf bezogen das Gymnasialgebäude neben der Pfarrkirche. Ich bezog einen der beiden turmartigen Aufzüge, wo mich eine Schulbibliothek aufnahm. Die Offiziersmesse wurde in einem der Kurgebäude des nahen Kurparkes untergebracht. FM. Conrad nahm nebenan in der „Böhm-Villa" Quartier. Auf Befehl des Kaisers durften sich Offiziersfrauen jeweils nicht länger als drei Tage in Baden aufhalten. Das galt vor allem für die Baronin Conrad. Im allgemeinen wurde der Befehl sehr bald weitgehend vergessen. Der Kaiser bezog Wohnung und Büro in dem netten, mit Badener Gelb angestrichenen „Kaiserhaus" auf dem Hauptplatz. Wenn der Kaiser aus dem Fenster sah, 35 °)
Schon am 2. Oktober 1938 besetzten polnische Truppen das Olsa-Gebiet. " * ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 329.
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fiel sein Blick auf eine reizende Dreifaltigkeitssäule. Rundum gab es alte Häuser mit entzückenden Höfen, in die man immer wieder eintrat. Auch einige Nebengebäude gehörten zum kaiserlichen Besitz. Kaiser Franz I. hatte die Stadt ganz besonders geliebt. In der Messe gab es eine etwas betrübliche Überraschung. Die Hofwirtschaft wurde aufgelöst. Der junge Kaiser, der sich, wie wir sehen werden, viel auf Reisen befand, auch Hofhaltungen in Schönbrunn, in Laxenburg und Reichenau hatte, brauchte unvergleichlich mehr Personal als sein Vorgänger, der tagaus tagein, nicht seinen Schreibtisch in Schönbrunn verließ. Die Zivilliste begann wegen der Teuerung schon jetzt knapp zu werden. Es mußte gespart werden. Daher mußte auch unsere Menage von der Militärverwaltung übernommen werden. Nur der alte Panek blieb uns erhalten. Parallel mit dieser Neuerung begann auch, gleichfalls auf Befehl des Kaisers, im Essen ein spartanisches Regime. Mit der Marschallsbutter, den Schlagobersmehlspeisen, den kalten Platten, die als Draufgabe in Teschen immer noch in den Büros aufgetragen wurden, war es vorüber. Mengenmäßig bekamen wir nicht wesentlich mehr, als es für die Truppe vorgeschrieben war. Nur bessere Zubereitung war erlaubt. - Der Kaiser war auch sonst auf die öffentliche Meinung bedacht. So liebte er es - mit Recht - nicht besonders, wenn sich die Offiziere inmitten der schon fühlbaren Kriegsnot allzuviel auf Spazierritten zu Pferd zeigten. 1917 ritten wir noch entweder über Pfaffstätten nach den Heiligerkreuzer Wiesen und in der Gegend von Kottingbrunn, das im Frieden ein bekannter Rennplatz gewesen war. Wegen Futterbeschränkung verkaufte ich den „König". Im Jahre 1918 war das Reiten überhaupt verboten; es war auch wegen des Ernährungszustandes der Pferde unmöglich gewesen. Mit unserer Ubersiedlung nach Baden hatte auch ein neues, das vierte, Kalenderjahr des Krieges begonnen. Noch von Teschen und Pleß aus hatten Wever und ich dieses Jahr uns gegenseitig wie zwei Postbeamte durch Drahtgedichte begrüßt. Mein Gedicht zeichnete sich durch bundesgenössische Gedanken aus. Mitte Jänner sandte Conrad v. Hötzendorf den Obstlt. Schneller mit einem Operationsplan für das Frühjahr nach Pleß zu Ludendorff 352 ). Der Grundgedanke war, daß nun, wo an der Ostfront Ruhe eingetreten, endlich mit Italien aufgeräumt werden müsse. Conrad schlug den Aufmarsch zweier, je aus deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen bestehender Heeresgruppen vor. In Tirol sollte Erzherzog Eugen mit dem Operationsziel Venedig aufmarschieren. Am Isonzo sollte eine Heeresgruppe Mackensen zum Angriff antreten. Die Operation war durch die Poebene bis an die See-Alpen vorzutragen, über die man dann in den Kampf gegen die Hauptgegner flankierend eingreifen konnte ! Ein Plan, dem Größe der Diktion wahrlich nicht abgesprochen werden konnte.
3 5 2 ) Vgl. L . Jedlicka, Zur Vorgeschichte der Offensive von Flitsch-Tolmein, in: Vom alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur öst. Zeitgeschichte 1 9 0 0 - 1 9 7 5 , St. Pölten, 1975, 8 5 - 9 9 . Schneller fuhr mit den von ihm erarbeiteten Unterlagen, zusammengefaßt in einer Denkschrift, die einen Durchbruch bei Tolmein vorsahen, am 22. Jänner nach Pleß und am 2 4 . Jänner nachts zurück; vgl. B / 5 0 9 , N r . 5, 1077 ff.
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Schneller fand jedoch in Pleß nicht allzuviel Gehör. Man speiste ihn mit allgemeinen Versprechungen ab. In Wirklichkeit dachte Ludendorff zunächst, auf dem Lande nur ein hinhaltendes Verfahren zu verfolgen. Er setzte alle seine Hoffnungen auf den geplanten uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Die Verhandlungen zu diesem sind in der Literatur dargestellt. Während Tisza und vor allem Conrad den deutschen Absichten zustimmten, war Czernin längere Zeit und der Kaiser noch länger gegen das Unternehmen. Es ist zu sagen, daß die deutschen U-Boote bereits ausgelaufen waren, ehe der Bundesgenosse Ende Jänner seine förmliche Zustimmung gab. Die Folge war, daß Amerika anfangs Februar die diplomatischen Beziehungen zu den Mittelmächten abbrach und anfangs April Deutschland den Krieg erklärte 3 5 3 ). Der junge Kaiser hatte dieses Ergebnis ebenso vorausgesehen, wie er dessen sicher war, daß der U-Boot-Krieg seinen Zweck nicht erreichen werde. Vergebens hatte Admiral v. Holtzendorff versucht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen 3 5 4 ). Die Kaiserin war über den U-Boot-Krieg besonders böse. Sie ließ den Admiral ihre Ungnade deutlich fühlen 3 5 5 ). Bald nach dem Regierungswechsel konnte ich in der Präsidialabteilung den dort neu eingestellten Rittmeister v. Grueber, meinen Jahrgangskameraden aus der Neustädter Akademie, begrüßen. Er war Jugendfreund des Kaisers, der mir manchmal aus dieser Zeit erzählte. Wie ich mich nachher selbst überzeugen konnte, waren verschiedene Dinge, die man ihm nachsagen sollte, böswillige Erfindungen. So war er im Trinken der mäßigste Mensch, den man sich vorstellen konnte. Er trank bei Tisch kaum mehr als ein Glas Wein oder Champagner. Ebenso betonte Grueber die auffallende Verschiedenheit, die den jungen Herrn in seinem Verhältnis zum Weib gegenüber seinem seligen Vater, dem Erzherzog Otto, ausgezeichnet hat. Grueber versicherte, daß die Zahl der Frauen, mit denen er es vor seiner Heirat zu tun gehabt hatte, auf den Fingern einer Hand zu zählen seien. Grueber hatte noch, als der nachmalige Kaiser schon als Thronfolger in Schloß Hetzendorf residierte, wie das Kind im Hause gelebt. Es kam vor, daß Grueber die Bluse des Hausherrn anzog. Mitte Februar teilte mir Grueber im Vertrauen mit, daß Conrad beim jungen Kaiser nicht mehr fest sitze. Er sagte mir damit nichts Uberraschendes. Später sagte mir Conrad einmal: „Ich kann's verstehen, daß mich der Kaiser weggejagt hat. Man nimmt nicht gern die Gouvernante aus dem Elternhaus in eine junge Ehe mit." Es war tatsächlich so, daß der junge Kaiser in vielen Dingen seinen eigenen Willen hatte und darin von seiner Umgebung, vor allem vom Generaladjutanten Marterer, bestärkt wurde, der weder mündlich noch schriftlich zum Beispiel je verfehlte, auf die besondere Fronterfahrung seines neuen Herrn hinzuweisen. Da gab es jeden zweiten Tag eine Meinungsverschiedenheit, wobei Conrad dem Kaiser seine Überlegenheit in einer nicht immer angenehmen Form zu fühlen gab. Man bekam 3 5 3 ) Am 3. Februar 1917 wurden die Beziehungen zwischen den USA und dem Deutschen Reich abgebrochen, am 6. April erfolgte die Kriegserklärung der Vereinigten Staaten. 3 5 4 ) Vgl. Meckling, Außenpolitik, 20ff. Als Kaiser Karl am 20. Jänner 1917 in einer Audienz die öst. Zustimmung zum verschärften U-Boot-Krieg versagte, erklärte ihm dieser, daß die deutschen Boote bereits den Befehl zum Auslaufen hätten und nicht mehr zurückgeholt werden könnten. 3 5 5 ) Vgl. R. Lorenz, Kaiser Karl, 197.
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das selbst nachzufühlen, wenn man in Baden abends auf dem Hauptplatz stand und zu dem Schreibtisch im Kaiserhaus emporsah, an welchem Conrad in einer stets oppositionellen Haltung dem Kaiser gegenüberstand. Auch die philosophisch-weltanschauliche Einstellung Conrads bereitete dem Kaiser und der Kaiserin Unbehagen. Ganz besonders wurde aber wegen der „wilden" Ehe gegen den Feldmarschall gehetzt. Gegen Ende Februar faßte der Kaiser den Entschluß, sich von Conrad zu trennen. Erzherzog Friedrich wurde zum Boten ausersehen. Er entledigte sich dieser Aufgabe mit der ihm eigenen, doch ein wenig komischen Güte. Conrad wollte sich ganz aus der Aktivität zurückziehen. Der Kaiser wies jedoch auf die große militärpolitische Bedeutung hin, die die Übernahme des neuen ihm zugedachten Postens, des eines Befehlshabers in Tirol, für den italienischen Krieg haben mußte und appellierte an seine Ehre als Offizier. Er verlieh ihm das Großkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens 356 ), den schönsten Kriegsorden der Welt. Conrad beging den Fehler, nachzugeben. Er hätte sich vieles erspart, wenn er ihn nicht begangen hätte. Verbittert und verstimmt, ohne von uns Abschied zu nehmen, verließ er am - wenn ich nicht irre - 28. Februar nachmittags mit seiner Gemahlin im Auto das Hauptquartier. Kundmann machte keine Miene, Conrad in die Verbannung zu folgen. Abgesehen von der Stellung, die er bereits innehatte, spielten auch familiäre Gründe eine Rolle. Er bewohnte mit seiner Frau 357 ) eine Villa oberhalb der meinigen und hatte einen bösartigen Kretin von zehn Jahren zum Sohne 3s8 ). So blieb er, und ich sah jeden Tag den prachtvollen Rolls-Royce-Wagen auch weiterhin die Welzergasse hinaufklettern. Conrad nahm sich den Obersten Putz, seinen einstigen Generalstabsoffizier aus der Triester Brigadezeit, zum Flügeladjutanten und gleichzeitig zum Chef der Operationsabteilung. Putz war ein fröhlicher, lebenslustiger Mann und ausgesprochener homme à femme. Er heiratete bald die schöne Hertha Party ka 3S9 ), die sich einige Jahre später, nach dem plötzlichen Tode von Putz, ein drittes Mal mit dem General Günste 360 ) vermählte. Sie besitzt wertvolle Conrad-Briefe aus dem Nachlaß ihres zweiten Gatten 361 ). An die Stelle Conrads trat in der Heeresleitung, nachdem vorübergehend auch eine Berufung des Generals Alfred Krauss erwogen worden war, der General der Infanterie Arthur Arz von Straussenburg. Arz entstammte einer alten Siebenbürger 3 5 6 ) Im Verlauf einer Audienz vom 28. Februar 1 9 1 7 heftete Kaiser Karl FM. Conrad das bisher selbst getragene Großkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens an die Brust. Das Handschreiben vom 1. März, das die Enthebung als Chef des Generalstabs enthält, drückt auch die Großkreuz-Verleihung aus. 3 5 7 ) Irene Wilhelmine Kundmann, geb. Klausner, verw. Freiin v. Haan. 3 5 β ) Rudolf Rudiger Kundmann (Wien, 3 0 . 5 . 1 9 0 6 - 8 . 2 . 1 9 4 0 , Schwertberg, O ö . ) . 3 5 9 ) Herta Günste, geb. Wihard, gesch. v. Partyka, verw. Putz [Wildschütz, 1 5 . 9 . 1 8 8 2 - 2 2 . 6 . 1 9 5 8 , Kottingbrunn (?)]. 3 6 0 ) Karl Günste (Pilsen, 9 . 1 2 . 1 8 7 0 - 4 . 3 . 1 9 2 8 , Waidhofen/Ybbs), 1892 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt.2, Glstbslaufbahn, 1 . 7 . 1 9 1 4 Chef d. Glstbsabt. 5. Armeekmdo., sodann Korpsglstbschef, Brigadier, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Obst. i . G . , ab II. 1918 Vertreter des K M . beim preuß. K M . , 1 . 9 . 1 9 2 0 pensioniert, 1 3 . 1 1 . 1 9 2 0 Titular-GM. 3 6 1 ) Als Depot im K A . , sign. B/35, nr. 20.
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Sachsenfamilie. Sein wirklicher Vater war nach einem allgemeinen Gerücht ein sehr hoher ungarischer Magnat. Arz war selbstverständlich wie alle Sachsen evangelisch, was den streng katholischen Kaiser nicht hinderte, ihn mit seinem Vertrauen auszuzeichnen. Seine Laufbahn hat Arz nach dem Kriege in einem „fleing" — das heißt in seiner Sprache schlampig - geschriebenen Buche 362 ) geschildert, das zuerst ich hätte schreiben sollen. Er begann bei den Siebenbürger Feldjägern Nr. 23, ging dann in die Kriegsschule, kam in den Generalstab, wurde dann General und war zu Kriegsbeginn Sektionschef im Kriegsministerium. Er übernahm aber schon wenige Wochen nach Kriegsausbruch von Boroevic das VI. Korps, das er bereits in der zweiten Lemberger Schlacht führte. Er war - in seinen Eigenschaften ergänzt durch seinen Generalstabschef Oberst Huber 363 ) - ein geschickter und erfolgreicher Truppenführer, mit dessen Namen zum Beispiel die Erinnerung an den Durchbruch von Gorlice verknüpft ist, verstand sich mit den deutschen Befehlshabern sehr gut und wurde von ihnen auch besonders geschätzt. Der Kaiser lernte Arz näher kennen, als dieser unter ihm die 1. Armee an der Ostgrenze Siebenbürgens führte. Äußerlich sah Arz nicht sehr viel gleich. Er glich eher einem Kommerzienrat in Uniform als einem Heerführer, war mittelgroß, rundlich. Sein braunes Haupthaar war trotz der sechzig Jahre Lebensalter noch wenig weiß. Sein Kopf reichte nicht im entferntesten an Bedeutung an den seines Vorgängers heran. Im Wesen war er liebenswürdig, aufgeschlossen, ein guter Causeur, namentlich auch gegen Frauen, für die er überhaupt noch eine erhebliche Schwäche verriet. Dabei war es ihm am Ende gleich, ob er einer Dame den Hof machte und sich spaßeshalber vor ihr niederkniete oder ob er dem Zeitungsmädchen, das täglich zweimal vor unserem Kasino stand, im Vorübergehen einen leichten Kuß auf die Wange gab. Als er später zum Inhaber des 23. Jägerbataillons ernannt wurde, sagten wir immer, wenn er die Jäger-Oberstenuniform trug: ,,Aha, heute hat er wieder seine Tarnkappe auf." Ich hatte, als ich mich nach seiner Ankunft in der Offiziersmesse vorstellte, ein dringendes Konzept vorzulegen. Er reichte mir in seiner etwas saloppen Art die Hand: „Freut mich, dich kennenzulernen, ich habe schon von dir gehört!" Im Gegensatz zu Conrad sagte er auch zu den Hauptleuten du. Er war es nun, mit dem ich mindestens einmal täglich auf ein paar Minuten zu tun hatte. Wir blieben in freundschaftlicher Beziehung, bis er im Jahre 1934 einmal von mir Abschied nahm: „Ich fahre jetzt nach Budapest und lege mich dort zum Sterben hin. Heil Hitler!" 3 6 4 ) Er war als Siebenbürger Sachse begeistert für den neuen „Führer" des Deutschen Reiches. Hätte er geahnt, daß dessen Regime schließlich das Ende seiner landmännischen Gemeinschaft bedeuten sollte! 3 " ) Zur Geschichte des großen Krieges 1914 bis 1918, Wien-Leipzig-München 1924. A r z schrieb später: Kampf und Sturz der Kaiserreiche, Wien 1935; sowie zahlreiche Beiträge zu Sammelwerken in Zeitungen und Zeitschriften ( N W T . , NWT.-Wochenausgabe, Ö W Z . , M W M . ) . Josef Huber v. Székelyfôld (Wien, 1 7 . 6 . 1 8 6 8 - 2 6 . 7 . 1 9 4 4 , Perchtoldsdorf), 1885 aus IKSch. Wien als Kadett-Offiziersstellvertreter zu I R . 3 8 , 1889 Lt., Glstbslaufbahn, 1.11.1913 Glstbschef VI. Korps, 13.7.1914 Obst. i . G . , 16.8.1916 Glstbschef 1. Armee, 1.11.1917 G M . , 14.6.1918 kommandiert zum Militär-Generalgouvernement Polen, 12.7.1918 dessen Glstbschef. 3 6 4 ) Arz erhielt nach dem Krieg jahrelang von keinem Staat eine Pension, sodaß u . a . auch ein von der „Generalstabsrunde", der Traditionsvereinigung ehemaliger Generalstabsoffiziere, ein „General-
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Die Generalstabsoffiziere der Operationsabteilung wurden durch den Wechsel nicht allzusehr betroffen. Mein Vorgänger als Direktor des Kriegsarchivs, FML. v. Hoen, pflegte immer zu sagen, es sei nicht gut, große Männer im Nachthemd zu sehen. Wir hatten Conrad v. Hötzendorf in dieser Verfassung sehr oft gesehen und hatten dabei mit dem kritischen Auge der Jugend mehr Fehler festgestellt, als berechtigt war. Wir fanden auch, daß der ganze Apparat einer gewissen Verkalkung anheimgefallen war und hielten auch aus diesem Grunde eine Erneuerung der Spitze nicht für unzweckmäßig. Allerdings fragten wir uns, welche Personalveränderungen noch folgen und wie weit sie herabreichen würden. Irgendwie war jeder bedroht. Zumal die, die noch nicht an der Front gewesen waren, mußten mit ihrem Abschied aus dem A O K . rechnen. Den Hoffnungen, die wir in den jungen Kaiser gesetzt hatten, war manche Enttäuschung gefolgt. Sehr bald erhielt er den Namen „Karl der Plötzliche", denn überraschende Entschlüsse jagten einander. Dabei fanden wir allerdings, daß die Schuld nicht so sehr am Kaiser lag, als an jenen, die ihn zu beraten hatten und nach unserer Auffassung viel zu nachgiebig waren. Ich erinnere mich in dieser Beziehung nicht mehr an den Anlaß, der mir als fünfunddreißigjährigem Hauptmann die Gelegenheit dazu bot, besinne mich aber noch ganz genau, wie ich einmal dem Kriegsminister Freiherrn v. Krobatin ein Privatissimum darüber hielt, wie man den jungen Herr nicht frei laufen, sondern an der Kandare führten müßte. So nährte man im Gegenteil seine Neigung zu übereilten Entschlüssen sehr oft durch besondere Nachgiebigkeit, statt ihn zu beeinflussen. Auch Arz paßte sich diesem System sehr rasch in ganz besonderer Weise an. Der Kaiser besuchte außerordentlich oft seine Truppen an der Front. Das war gewiß nur rühmenswert. In informierten Kreisen wurde die Reiselust des Kaisers auf dessen Streben zurückgeführt, zeitweilig der Bevormundung durch die höchsten Frauen, der Kaiserin und deren besonders energischer Mutter, Maria Antonia von Parma, zu entgehen. Kaiser Karl war auch ein lieber Mensch, der - im Gegensatz zu weiland seinem Großoheim - jedem „Vojak" die Hand schüttelte und mit Auszeichnungen und Gnadenbeweiseri verschwenderisch war. Höchstens einen Fehler hatte er: Er war die Unpünktlichkeit selber - auch im Gegensatz zu seinem Großoheim. Es konnte vorkommen, daß bei Borgoprund in den Waldkarpaten bei hohem Schnee eine Truppe einen halben Tag auf ihn warten mußte. Schüchterne Versuche, ihm diese Unart abzugewöhnen, scheiterten grundsätzlich. Auch wenn sie so gemacht wurden, wie vom alten Beck, bei dem sich der Kaiser einmal zum Besuche angesagt hatte und der diesen wegen einstündiger Verspätung mit den Worten begrüßte: „Das wäre bei Seiner Majestät Kaiser Franz Joseph nicht möglich gewesen." Worauf der Kaiser gütig erwiderte: „Jetzt habe ich von Seiner Exzellenz eine Nase bekommen, aber er hat recht gehabt." 3 6 5 ) oberst-Arz-Unterstützungsfonds" zu seinem Lebensunterhalt beitragen mußte. Als schließlich die ungarische Regierung die Pensionszahlung übernahm, mußte A r z einmal monatlich deshalb nach Budapest fahren. 36S
) Vgl. E . Glaise-Horstenau, Franz Josephs Weggefährte, Zürich-Leipzig-Wien 1930, 444.
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Zu den ständigen Reisebegleitern des Kaisers gehörte von nun an Arz von Straußenburg, dessen Stellung weit mehr der eines Generaladjutanten als eines Chefs des Generalstabes zu gleichen begann. E r war bei dieser „Anhänglichkeit" allerdings auch von der Besorgnis beherrscht, daß er den jungen Herrn nicht aus dem Auge lassen durfte, weil er ihm sonst allzu eigenmächtig würde. Eine Besorgnis, die durch den Ehrgeiz Brougiers eher gesteigert als gemindert wurde. Schon nach den ersten Wochen nahm Arz immer einen Generalstabsoffizier der Operationsabteilung mit. Bei meiner schweren Entbehrlichkeit kam ich zur ersten Fahrt im Hofzug leider erst im Sommer 1918. Arz hätte sich gerne Huber ins A O K . mitgenommen. Aber der Kaiser wünschte Waldstätten auf dem Posten eines Stellvertreters des Chefs des Generalstabes und Chefs der Operationsabteilung. Metzger wurde zum Kaiser gerufen und erhielt von ihm für einen jungen Feldmarschalleutnant eine außergewöhnliche Auszeichnung den Orden der Eisernen Krone erster Klasse. Allerdings hatte er, da Conrad das Großkreuz bekam, nach früheren Gewohnheiten mindestens das Ritterkreuz dieses Ordens bekommen sollen. In den Adelstand wäre Metzger schon vor zwei Jahren beinahe erhoben worden. Conrad hatte es sich für seine treuen Mitarbeiter nach Gorlice ausgebeten. Metzger erfuhr es jedoch noch rechtzeitig — allerdings, nachdem der Kaiser schon unterschrieben hatte. Beeinflußt von seiner Frau 3 6 6 ), bat er sofort, von dieser Auszeichnung abzusehen. Großvater 3 6 7 ) und Vater 3 6 8 ) seien auch Generäle gewesen, ohne das „ v o n " vor ihrem Namen. Man fürchtete, der alte Kaiser werde sich ärgern, es hat ihm jedoch ganz gut gefallen. Metzger war damals an Ischias erkrankt. Ich besuchte ihn zum Abschied in dem kleinen Zimmerchen, das er sich im Dienstgebäude des A O K . eingerichtet hatte. Er war doch stark indigniert. Ich sah ihn sehr, sehr ungern scheiden. Ohne daß wir äußerlich stark in Berührung gekommen wären, hatten wir uns doch innerlich sehr gefunden. Wir blieben Freunde bis zu Metzgers frühem Tode. Ich hielt ihm am offenen Grabe zu Ollersbach im Namen der Offiziere des kleinen Österreich eine Abschiedsrede, in der es hieß: „ U n d hinter ihm, in wesenlosem Scheine, Lag, was uns alle bändigt - das G e m e i n e ! " Mit seinem Sohne 3 6 9 ) hat mich in der Folge enge Freundschaft verknüpft. Er wurde am Schluß meiner Laufbahn, Sommer 1942, in Agram mein Adjutant und ging mit mir von Salzburg aus in die Kriegsgefangenschaft, aus der er allerdings schon seit bald Jahresfrist erlöst ist . . . Waldstätten war sicherlich einer der meistbefähigten Generalstabsoffiziere. Er beherrschte auch die Technik ausgezeichnet. Leider ließ er sich allzusehr in die D e ) Maria Metzger geb. Viebig (?, 3 . 5 . 1 8 6 9 - 2 1 . 1 1 . 1 9 2 6 , ?). ) Josef Metzger (Borynia, Galizien, 1 7 . 3 . 1 8 3 8 - 2 1 . 7 . 1 8 9 7 , Wien), Brigadier, 1.11.1896 G M . , 1 . 5 . 1 8 9 7 pensioniert. 3 6 S ) Anton Metzger (?, 1 7 9 7 - 2 7 . 7 . 1 8 8 0 , ?), offenbar nicht Offizier. 3 6 9 ) Eduard Metzger (Wien, 1 8 . 1 2 . 1 8 9 8 - 1 . 5 . 1 9 7 7 , Baden/Wien), 15.9.1917 aus Techn. Milak. zu I R . 2 7 , Lt. mit Rang v. 1.9.1916, 1.11.1918 Oblt., Dienst in der Dt. Wehrmacht zuletzt ab 1942 als Adjutant Glaise-Horstenaus, 1944 Mjr. d. R. 366
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tails verstricken. Es gab eigenhändige Konzepte, in denen er halbe Pionierkompanien vom Nordosten nach dem Südwesten verschob. Daher war er mit Arbeit zugedeckt, ohne sich mit den großen Fragen anders als nebenher beschäftigen zu können. Im persönlichen Auftreten war er ein wenig burschikos; so wenn er in entscheidungsreichen Tagen die völlig zerknüllte Krisenkappe - vom X X . Korps her als Talisman zu tragen pflegte. Eine Zeitlang fanden wir uns menschlich nicht recht gut, das wurde aber Anfang 1918 besser. Wie vorauszusehen, verlangte der Kaiser, daß alle, die noch nicht an der Front waren, ausgetauscht wurden. Dabei legte man auch Wert auf eine weit stärkere Betonung des magyarischen Elements, als es früher der Fall war. Slameczka erhielt das Kommando des wunderbaren IR. 73, Egerländer. Ein fünftes Bataillon dieses Regiments begleitete das A O K . als Stabstruppe durch den ganzen Krieg. In Teschen ertönte bei feierlichen Anlässen immer der hübsche „Egerländer Marsch". Daß er nun nicht mehr ertönen werde, dafür hatte Adolf Hitler gesorgt. An Stelle Slameczkas, mit dem mich auch späterhin gute Freundschaft verband, trat Oberst Beyer 3 7 0 ), der Bruder meines Kriegsschulkameraden, ein trockener Patron, aber anständiger Kerl. Von der russischen Gruppe schied der komische dicke Oberst Christophori. Er war für uns längst ein Gegenstand des Spottes und von Hänseleien geworden. Den Aufregungen des Krieges war er von Anbeginn an nicht gewachsen gewesen. Sein Schweißverbrauch war ungeheuer. Wir erlaubten uns mit ihm eine Menge Späße. Er bekam ein Landwehrregiment am Isonzo. Schon nach wenigen Wochen zeigte sich, daß er seit langem ein kranker Mann gewesen war! Paralyse. Er starb noch während des Krieges im Irrenhaus Steinhof bei Wien. Die Nachfolgeschaft Christophs, wie er bei uns hieß, trat der aus der Honvéd kommende Obstlt. Tombor 3 7 1 ) an. Er war ideenreich und brütete unausgesetzt über neue Pläne nach, die sich auf alle Kriegsschauplätze und Arbeitsgebiete bezogen, nicht nur auf das seiner Betreuung übertragene russische Kriegstheater. Tombor warf sich 1919 - sicherlich nicht aus Konjunktur, sondern aus patriotischen Gründen - Béla Kun 3 7 2 ) in die Arme und hatte in der ungarischen Roten Armee eine hohe Stelle inne. Er besuchte mich später noch einmal im Kriegsarchiv. 3 7 ° ) Franz Beyer (Pohrlitz, 1 8 . 2 . 1 8 7 5 - ? ) , 1894 aus IKSch. Karthaus bei Brünn zu I R . 3 1 als Offiziersstellvertreter, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 0 als Hptm. i . G . in die Kriegsgeschichtliche Abt. des K A . , 1 . 5 . 1 9 1 2 Mjr. i . G . u. Glstbschef 36. ITD., 1 . 5 . 1 9 1 3 Lehrer der Kriegsgeschichte an der Kriegsschule, 2 8 . 7 . 1 9 1 4 2. Glstbsoffz. I X . Korpskmdo., 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Obstlt. i . G . , V. 1916 Chef d. Glstbsabt. 4. A r mee, 1 . 5 . 1 9 1 7 Obst. i . G . , 2 0 . 5 . 1 9 1 7 Operationsabt. A O K . , 1 . 6 . 1 9 1 9 pensioniert. 3 7 1 ) Eugen Tombor (Neutra, 3 . 3 . 1 8 8 0 - 2 5 . 7 . 1 9 4 6 , Budapest), 1899 als Lt. aus der Ludovikaakademie zu H I R . 14, Glstbslaufbahn, 1 9 0 5 - 1 9 0 8 in der Abteilung 21 des k . u . Landesverteidigungsministeriums, 1902/04 Frequentant der Kriegsschule, 1 9 1 1 - 1 9 1 3 in der Abt. 1 des k . u . Landesverteidigungsministeriums, 1 . 8 . 1 9 1 4 Mjr. i . G . , im Weltkrieg diverse Glstbsdienstleistungen, 1 9 1 6 - 1 9 1 7 in der Operationsabt. A O K . , 1918 Kmdt. Landsturm-IR. 19, 1 4 . 1 2 . 1 9 1 8 eingeteilt bei H I R . 14, 3 . 4 . 1 9 1 9 - 1 . 5 . 1 9 1 9 Chef des Glstbs. d. ung. Roten Armee, 4 . 7 . 1 9 1 9 im Volkskommissariat des Kriegswesens, 1 . 1 1 . 1 9 2 1 pensioniert bei Beförderung zum Obst. i. G. mit Rang vom 1 . 5 . 1 9 2 0 ; 2 3 . 5 . 1 9 3 1 Ausbildung zum Apotheker (Universitätsstudium) abgeschlossen, 1.6.1945 zum FML. i.R. befördert, 1 5 . 1 1 . 1 9 4 5 - 2 5 . 7 . 1 9 4 6 Honvéd-Minister, 1 . 5 . 1 9 4 6 Generaloberst. 372
russ.
) Béla Kun (Lele, Siebenbürgen, 2 0 . 2 . 1 8 8 6 - um 1940, Sibirien), Journalist, im Weltkrieg 1916 in Kriegsgefangenschaft, November 1918 Begründer der ung. Kommunistischen Partei,
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Schneller verließ die I-Gruppe, die er seit Anbeginn mit großem psychologischen Geschick geleitet hatte. Er wurde Generalstabschef beim Edelweißkorps. Uber sein weiteres Schicksal habe ich - soviel ich glaube - schon ein paar Worte gesagt. In den Tagen des Zusammenbruches hatte sein Drängen zweifellos Anteil am überhasteten Abschluß des Waffenstillstandes, wobei durch den berühmten „Irrtum" 400.000 Mann der k. u.k. Armee, ohne zu wissen wieso, in Kriegsgefangenschaft gerieten. Schneller wirkte dann als militärischer Experte in St-Germain und überraschte mich nach seiner Rückkehr durch Bekenntnis zu einer radikalen Abkehr von allem Überkommenen. Er wurde in der Tat Sozialdemokrat, ging Ende der zwanziger Jahre bald nach seinem Freunde Körner in Pension und widmete sich vor allem der Dichtkunst. Neben lyrischen Gedichten verfaßte er auch ein Revolutionsdrama „Robespierre" 373 ). Ich war öfter in seinem Hause, wo eine entzükkende Frau 374 ) ihres Amtes waltete. Als sich die Sozialdemokratie wegen des im Reiche anwachsenden Nationalsozialismus vom Anschlußgedanken unter Führung Otto Bauers abwandte, traf ich Schneller im Krematorium bei der Beisetzung unseres gemeinsamen Freundes Hugo Schulz, Redakteur der Arbeiter-Zeitung. Schneller sagte mir: „Glaube nicht, daß wir den neuen Kurs mitmachen; ein großer Teil der Partei, wie auch der hier im Sarge es tat, bleibt beim Anschlußgedanken!" Nach der Februar-Revolte kam Schneller, wohl ohne Grund, für ein halbes Jahr ins Anhaltelager nach Wollersdorf. Als der Anschluß kam, war er ebenso begeistert wie Seitz 375 ) und Körner. Zu Kriegsbeginn wurde er von einem Motorradfahrer umgerannt. Seither litt er an Gleichgewichtsstörungen. Vor einigen Jahren starb er. Wenn er vor dem Ersten Weltkrieg als Hauptmann auf der Kärntner Straße spazieren ging, staunten alle über das knabenhafte Aussehen des übrigens hochgewachsenen Mannes. Die I-Gruppe erhielt der in diesen Blättern schon genannte Obstlt. Sigismund Schilhawsky, mein alter Salzburger Freund. Seine nicht sehr glückliche Heirat mit einer zum religiösen Wahnsinn neigenden Frau 376 ) hatte ihm viel von der Fröhlichkeit seiner Jugend geraubt. In der Folge wurde er nach der sogenannten Piaveoffensive - Juni 1918 - von tiefstem Pessimismus erfüllt. Er sah den Zusammenbruch so, wie wir ihn erst 1945 erleben sollten, herankommen und dachte darüber nach, wie er, mit einem Rucksack ausgerüstet, durch den Wienerwald Direktion Salzburg wandern werde. In seine Gruppe wurden außerdem Schwarzleitner 377 ) und Ruggera 3 7 8 ) eingeteilt. 21.3.1919-1.8.1919 ung. Volkskommissar des Auswärtigen, emigrierte nach Wien, wo er interniert und schließlich ausgewiesen wurde. 3 7 3 ) „Thermidor - Der Untergang Robespierres. Ein Prolog und neun Bilder." Unveröffentlicht. " 4 ) Maria Schneller (Kirchdorf, Oberösterreich, 15.3.1889-24.8.1974, Frankfurt/Main). 3 7 5 ) Karl Seitz (Wien, 4.9.1869-3.2.1950, Wien), Volksschullehrer, sozialdemokratischer Politiker, 1901 Reichsratsabgeordneter, 1918/19 einer der drei Präsidenten der prov. Nationalversammlung, bis 9.12.1920 Präsident der konstituierenden Nationalversammlung, 1923-1934 Bürgermeister u. Landeshauptmann von Wien. 3 7 6 ) Paula Schilhawsky v. Bahnbrück, geb. Scholz (?, 31.12.1885-24.7.1965, Salzburg). 3 7 7 ) Chlodwig v. Schwarzleitner-Domonkos (St. Pölten, 1.12.1884-8.1.1955, Graz), 1905 aus der Techn. Milak. als Lt. zu KAR. 3, Glstbslaufbahn, 28.7.1914 Glstbsoffz. 11. IBrig., 1.11.1914 Hptm.
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Die Balkangruppe, die bisher Major Prich 3 7 9 ) leitete, wechselte mehrmals ihren Chef. Eine Zeitlang wurde sie von Ivo Percevic, meinem alten Freunde aus der Akademie, geleitet. In der letzten Zeit führte sie Major Werth 3 8 0 ), der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Chef des ungarischen Generalstabes werden sollte - ein Banater Schwabe, der sich sogar unter Gömbös weigerte, sich magyarisieren zu lassen. Bei ihm arbeitete auch immer ein oder der andere Südslawe, so Banekovic 3 8 1 ), den ich fünfundzwanzig Jahre später in Kroatien wiedersehen sollte, und Pantelija Borovica 3 8 2 ), der sich in der jugoslawischen Zeit als Generalstabsoberst wegen Imi . G . , 8.11.1914 beim III. Korpskmdo. zugeteilt, 21.5.1915 Glstbsoffz. 55. IBrig 12.4.1917 in Operationsabt. A O K . , nach Umsturz im Staatsamt f. Hw., 1.1.1920 Mjr., 1.11.1921 Titular-Obstlt., 11.1.1921 Adjutant des Bundesministers, 7.1.1924 Stabschef 5. Brig., später Abteilungskmdt. u. Brigadier, 1.9.1931 zur militärischen Fachprüfungskommission, 30.10.1933 GM., 31.3.1935 pensioniert. 3 7 β ) Kamillo Ruggera (Predazzo, Tirol, 2 7 . 8 . 1 8 8 5 - 2 9 . 1 . 1 9 4 7 , Hof, Bayern), 1904 aus IKSch. Innsbruck als Kadett-Offiziersstellvertreter zu 3. T K J R . , 1.11.1905 Lt., Glstbslaufbahn, im Weltkrieg zunächst im Truppengeneralstab, 1.11.1915 Hptm. i . G . , 24.1.1917 zur Nachrichtenabt. d. A O K . , 12.4.1917 Operationsabt., 29.10.1918 Parlamentär zur Anbahnung von Waffenstillstandsverhandlungen mit Italien, Übernahme in Volkswehr und Bundesheer, 1.1.1921 Obstlt., 1.9.1922 zum Brigadekmdo. 1 versetzt, 1.8.1926 zum Heeresinspektorat, 25.3.1928 Obst., 1.3.1932 dem KA. dienstzugeteilt (Mitarbeit an „Österreich-Ungarns letzter Krieg"). 1.5.1933 gegen Wartegeld beurlaubt, 28.2.1937 als einziger der aus politischen Gründen beurlaubten Glstbsoffz. nicht wieder in den Dienst gestellt, sondern pensioniert (lt. eigenen Angaben: Mitglied der NSDAP, seit 12.4.1933, seit Herbst 1935 Stabsleiter der 6. SA-Brig., sodann Stabsleiter der S-Gruppe = 5. u. 6. SA-Brig., 1935 SA-Sturmhauptführer), 15.3.1938 rückübernommen als Vorstand der Ausbildungsabt. des öst. Ministeriums für Landesverteidigung und Mitglied der Kommission zur Beurteilung der Reaktivierungsansuchen, GM. mit Rang vom 25.5.1934, 1.6.1938 Übernahme in die Dt. Luftwaffe und kommandiert zum Luftflottenkmdo. I, 15.5.1939 zum OKW.-Wehrwirtschaftsstab, 28.9.1939 Kdr. im Luftgau II Posen, 1.11.1939 Generalleutnant, 1.2.1940 Kdi. General und Befehlshaber im Luftgau II, 1.12.1940 General d. Flakartillerie, 24.7.1941 Wehrersatzinspekteur Düsseldorf, 30.11.1942 Ruhestand infolge eines schweren Herzleidens. Vgl. seinen Aufsatz: Als erster Parlamentär beim italienischen Heere, in: Ö W Z . v. 28.10.1921, F . 4 2 , Iff. " » ) Rudolf Prich (Troppau, 6 . 8 . 1 8 8 1 - ? ) , 1901 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus der ArtillerieKadettenschule zu KAR. 1, 1.11.1902 Lt., Glstbslaufbahn, ab Kriegsbeginn Leiter der Balkangruppe in der Operationsabt. A O K . , 11.7.1917 Glstbschef 9. I D . , 2 4 . 7 . 1 9 1 8 - 1 5 . 9 . 1 9 1 8 Vorstand 20. Abt. KM., 1.11.1918 Obst. i . G . 3 8 0 ) Heinrich Werth (Rudolfsgnad bei Titel, Ungarn, 1881-1946, Sowjetunion), 1901 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Wien zu IR. 60, 1.11.1902 Lt., Glstbslaufbahn, 1901-1911 zugeteilt dem V. k.u. Landwehrdistriktskmdo. Székesfehérvár, 1911 eingeteilt im Honvéd-Ministerium, 1.11.1911 Hptm. i. G . , 1913 Lehrer an den Höheren Offizierskursen der k. u. Landwehr, im Weltkrieg Glstbsoffz. bei der k.u. 100. Landsturm-IBrig., k.u. 73. LwIBrig., Glstbschef 4 0 . H I D . , eingeteilt beim 4. Armeekmdo., 1.8.1916 Mjr. i . G . , 1917 in die Opabt. A O K . , 1919 Dienst in der Roten Armee, sodann rumän. Kriegsgefangenschaft, ab 1920 in der Nationalarmee bzw. der Honvéd, eingeteilt im HonvédMinisterium, 1.11.1926 G M . , 1927 Lehrer an der Ludovika-Akademie, 1931 F M L . , 1932 Kmdt. d. gemischten Brigade in Pécs, 1936 pensioniert, 1938 reaktiviert, 1.11.1938 Chef d. Glstbs., 29.9.1938 GdL, 5.9.1941 pensioniert. 3 β 1 ) Mirko Emmerich Banekovic v. Zaistovecz zu Jalcze (Buccari, Kroatien, 30.5.1887-Juli 1967, Wörgl), 1905 aus der ArtillerieKSch. als Lt. zu FeldartRegt. 4 ausgemustert, . . . Glstbslaufbahn, 1.9.1915 Hptm. i . G . , ab 9.10.1917 eingeteilt in die Opabt. d. A O K . 3 8 2 ) Pantelija Borovica (Stara Kroslja, Kroatien, 8 . 8 . 1 8 8 3 - 2 3 . 3 . 1 9 3 2 , Sarajewo), 1905 aus Milak. als Lt. zu IR. 16, Glstbslaufbahn, 1.11.1912 Glstbsoffz. 14. IBrig., 1.11.1914 Hptm. i . G . , 23.9.1915
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potenz entmannte und daran starb, weil er bei seiner Frau den Offiziersburschen antraf. Diese Kroaten waren damals noch schwarz-gelb bis in die Knochen. Sie schieden schwerer als irgendwer von der k.u. k. Monarchie. Dem allgemeinen Wechsel fielen auch meine alten Freunde Brantner, Balványi, Jakobich, Dragoilov - und daneben der spätere Fischer-Keresztes zum Opfer. Brantner, Balványi und Dragoilov erhielten Chefposten bei Divisionen, Jakobich wurde Generalstabsoffizier der Gebirgsbrigade Korzer und kam im Frühjahr 1918 in die Militärkanzlei des Kaisers. Wir werden ihm noch begegnen. Nachher: so viele Namen, so viele Länder. Pepi Schneider, der „Wurzelsepp", wie er wegen seiner Leidenschaft für Moose hieß, wurde als Chef der Organisationsgruppe durch Major Dr. Robert v. Srbik 3 8 3 ) ersetzt, ein Zwillingsbruder des späteren großen Geschichtsschreibers Heinrich v. Srbik 3 8 4 ). Empfindsam wie dieser, reichte Robert an Geistigkeit nicht an den Bruder heran. Ein besonderes Kapitel war die Artilleriegruppe. Als ich im Sommer 1915 ins A O K . kam, bestand sie aus zwei Offizieren, deren einer der Major Ottokar Pflug 3 8 5 ) war, ein angenehmer, fröhlicher Mensch und eine Arbeitsbiene, die sich in der Folge als Organisationstalent ersten Ranges entfalten sollte. In seinen Händen blieb die ganzen Kriegsjahre über Organisation und Ausgestaltung der Artillerie. Natürlich wurde die Abteilung immer größer. „Täte" aber - wie er bei uns hieß - blieb immer der alte. Glstbsabt. 3. Armeekmdo., 8 . 5 . 1 9 1 6 Glstbsoffz. Gruppe Benigni, 3 0 . 6 . 1 9 1 6 Nachrichtenabt. A O K . , nach Umsturz Ubertritt in die jugosl. Armee, zuletzt Obst. 'i· 1 ) Robert R . v. Srbik (Wien, 1 0 . 1 1 . 1 8 7 8 - 2 6 . 1 0 . 1 9 4 8 , Innsbruck), 1900 als Lt. aus der Milak. zu F J B . 2 1 , Glstbslaufbahn, 1.5.1912 Hptm. i . G . , beim XIV. Korpskmdo., 9 . 5 . 1 9 1 4 D r . p h i l . , 27.6.1915 zugeteilt 8 . I T D . , 6 . 1 0 . 1 9 1 6 Glstbschef Gruppe Guseck, 1.11.1916 Mjr. i . G . , 9 . 2 . 1 9 1 7 Glstbschef Gruppe Etschtal, 1.4.1917 Leiter der Organisationsgrp. OpAbt. A O K . , 1 . 1 . 1 9 2 0 Obstlt., 1.9.1920 Verhältnis a . D . , 1.10.1920 ins KA., 31.12.1922 pensioniert, 4.12.1924 Titular-Obst.; 1919/20 mehrere Aufsätze in DAZ. u. Ö W Z . Später geographische Publikationen auf dem Gebiet der Gletscherkunde. 3 8 4 ) Heinrich R. v. Srbik (Wien, 1 0 . 1 1 . 1 8 7 4 - 1 6 . 2 . 1 9 5 1 , Ehrwald, Tirol), Historiker und bedeutendster Vertreter der gesamtdeutschen Geschichtsauffassung; 1907 Dozent an der Univ. Wien, 1912 Univ.-Prof. für Geschichte der Neuzeit und der Wirtschaftsgeschichte in Graz, 1922-1945 in Wien, 1929/30 österr. Unterrichtsminister. Seine Militärdienstzeit: 1.10.1899 eingeteilt bei D A R . 41, 1.1.1903 Reserve-Kadett-Feuerwerker bei der Gebirgs-Batterie-Division, 1.1.1908 Lt. i . d . Res. bei Tiroler u. Vorarlberger Gebirgsbatteriedivision, 31.12.1911 in die Evidenz der k . k . L w . , 1.11.1914 Oblt., 1 3 . 7 . 1 9 1 5 - 1 6 . 1 0 . 1 9 1 5 , 3 . 7 . - 7 . 1 1 . 1 9 1 6 , 1 . 7 . - 2 2 . 1 0 . 1 9 1 7 , 12.7.1918 bis Kriegsende Kriegsdienstleistung als Kmdt. d. Artilleriegruppe 3, 1.2.1918 Hptm. i . d . Evidenz. Vgl. die Nachrufe von W . Bauer, in: Almanach der öst. Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1951, 101. J g . , Wien 1952, 3 2 7 - 3 7 1 ; von A. Wandruszka, in: M I Ö G . , Bd. 59/1951, 2 2 8 - 2 3 6 ; von A. Posch, in: Zeitschrift d. historischen Vereins für Steiermark, Jg. 43/1952, 187-194; s. ferner H . Frühwald, Großdeutsch und Gesamtdeutsch bei Heinrich von Srbik, Wr. phil. Diss. 1969; S. Nasko, Bibl kontra Srbik, Ein Beitrag zur historiographischen Polemik um Metternich, in: Ö G L . , 15/1971, 4 9 7 - 5 1 3 , A . A g n e l l i , Heinrich R . v . S r b i k , Napoli 1975. 3 S S ) Ottokar Pflug (Wien, 2 1 . 6 . 1 8 7 3 - 1 2 . 6 . 1 9 4 5 , Wien), 1895 aus der Techn. Milak. als Lt. zu K A R . 2 , Glstbslaufbahn, 1.11.1905 Hptm. i . G . , 1.11.1908 als Leiter der Artilleriegrp. ins Operationsbüro d. Glstbs., organisierte seither bis 1918 Aufbau u. Einsatz der öst.-ung. Artillerie, 1.11.1916 Obst. i . G . , 1 . 9 . 1 9 2 0 pensioniert. 22.12.1921 Titular-GM., 1.2.1935 Vertragsbediensteter im BM. f. Lv., Aufbau der Artillerie des Ö B H . , 9 . 2 . 1 9 3 8 Titular-FML., M ä r z 1938 in den Ruhestand zurückversetzt.
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Auch sonst nahm die Operationsabteilung sehr zu. Als ich in ihre Reihe trat, zählte sie fünfundzwanzig Offiziere, nunmehr ganze hundert. Das war eine naturgemäße Entwicklung. Auf besonderen Wunsch des Kaisers ging der Chef der Nachrichtenabteilung Oberst v. Hranilovic als Brigadier an die Front. Der Kaiser machte ihn nicht ohne Grund für manche innenpolitische Eskapaden verantwortlich, die sich das A O K . unter Conrad manchmal geleistet und es zum Inbegriff alles Schreckens gemacht hatte. Zumal Stürgkh, der österreichische Ministerpräsident, im Oktober 1916 von Friedrich Adler 386 ) im Hotel Meißl und Schadn erschossen, hatte sehr darunter gelitten, weil man sich ihm gegenüber mehr traute als gegen Tisza. An die Stelle von Hranilovic kam der schon erwähnte Oberst Ronge, berühmt auch als Ankläger im Kramaf-Prozeß. Der Wunsch, überall Generäle als Statthalter zu sehen, wurde dem A O K . nur in einem Falle erfüllt - in Galizien, wo zuerst mein einstiger Brigadier Colard, dann Frh. v. Diller 387 ), schließlich der schon pensionierte Generaloberst Graf Huyn 3 8 8 ), als Statthalter fungierten. Hermann v. Colard starb nach kurzer Amtszeit in Biala an einem Schlaganfall. Die arme schöne Lizzy hatte Pech. Ich verschaffte ihr nachher einen Platz als adelige Stiftsdame zu Maria Schul in Brünn, die Herrlichkeit fand aber durch den Umsturz auch wieder ein jähes Ende. In der Quartiermeisterabteilung war schon im Dezember 1916 ein Wechsel erfolgt. Eines schönen Abends kam Oberst Höfer 3 8 9 ), ein feiner, liebenswürdiger Mann, ins Teschener Albrechtsgymnasium zum Vortrag bei Conrad. Ich begegnete ihm und sagte: „Meine Verehrung, Exzellenz!" Er sah mich lächelnd an. Ich sagte nochmals: „Jawohl, Exzellenz ist richtig!" Ich hatte soeben bei Metzger ein Telephongespräch mitangehört, in welchem der Kaiser - er selbst, denn er telephonierte im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der nie ein Telephon in der Hand gehabt hatte, sehr gern - Metzger mitteilte, daß er sich entschlossen habe, den Obersten Höfer zum österreichischen Ernährungsminister zu ernennen. An die Stelle Höfers trat Oberst v. Zeynek, einer der Intimsten Metzgers. Er war einer der besten GoetheKenner seiner Zeit . . . 3 8 6 ) Friedrich Adler (Wien, 9.7.1879-1.1.1960, Zürich), 1919-1923 sozialdemokratischer Abgeordneter zur provisorischen Nationalversammlung und zum Nationalrat. 3 8 7 ) Erich Frh. v. Diller (Wien, 12.7.1859-17.11.1926, Schloß Branek, Mähren), 1879 als EF. zu D R . 3 , 1.5.1889 als Berufsoffz. Obit. D R . 6 , Glstbslaufbahn, 29.11.1909 Kmdt. UR.3, 1.5.1910 Obst., 1.8.1914 GM. Kmdt. 16. KBrig., 17.8.1915 k.u.k. Militärgouverneur v. Russ. Polen, 21.4.1916 enthoben, 1.5.1916 Statthalter in Galizien, 1.4.1917 pensioniert. 3 8 8 ) Karl Georg Grf. Huyn (Wien, 18.11.1857-21.2.1938, Rottenbuch bei Bozen), 24.4.1879 aus der Milak. als Lt. zu D R . 2 , Glstbslaufbahn, Divisionär, 1.11.1912 General-Kavallerie-Inspektor, 1.5.1914 GdK., 1.8.1914 Kmdt. XVII. Korps, 31.10.1914 m. Wartegebühr beurlaubt, 1.3.1917 Statthalter v. Galizien, 1.5.1917 G O . , 1.12.1918 pensioniert. 3 8 9 ) Anton Höfer (Bozen, 1.1.1871-22.7.1949, Wien), 1.1.1888 freiwillig zu FJB. 8, 1.5.1890 Lt., Glstbslaufbahn, 28.3.1907 ins Operationsbüro d. Glstbs., 1.11.1907 Mjr. d. G., 27.10.1909 Glstbschef 10.ITD., 1.10.1912 ins Etappenbüro d. Glstbs. (27.10.1912 Chef), 1.1.1913 Obstlt. d . G . , 1.5.1914 Obst. d . G . , 1.8.1914 Glstbschef Etappenoberkmdo., 1.1.1916 Chef d. Quartiermeisterabt. A O K . , 5.1.1917 Minister, betraut mit der Leitung des Amtes f. Volksernährung, (26.2.1918 enthoben), 10.1.1917 GM., 13.6.1918 Vorsitzender der Zentralevidenz I u. II für Armeelieferungen, 1.1.1919 pensioniert.
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So wies das zweite A O K . ganz andere Züge auf als das erste. Daß es besser gewesen wäre, möchte ich nicht unbedingt sagen. Was die Operationsabteilung anlangt, so hatte der Kaiser zweifellos die Absicht, seinem alten Berater Waldstätten die maßgebliche Rolle in der Führung einzuräumen. In Wirklichkeit kam in der Folge Waldstätten nur äußerst selten zum Kaiser. Dieser gewöhnte sich bei den vielen Reisen so sehr an Arz, daß er auf Waldstätten sozusagen vergaß. Damit verlagerte sich - im Gegensatz zur Ära Conrad - der Schwerpunkt der Kriegführung eigentlich außerhalb des A O K . , das nur mehr - nach heutigen Begriffen - ein Arbeitsstab der in den Hofzug, ins Kaiserhaus und nach Laxenburg verlegten eigentlichen Heeresleitung war. Meine Stellung hatte sich nicht geändert. Sie war eher an Wert gestiegen, da mein Ressort von keinem Vorgesetzten überblickt wurde. Wichtige Personaländerungen gab es allerdings auch in meinem Bereich. Im Spätherbst war Woinovich als Direktor des Kriegsarchivs in Pension gegangen, das heißt, er hatte gehen müssen. Sein Nachfolger wurde, wie es seit zwanzig Jahren selbstverständlich war, Hoen. Er behielt zunächst das Kommando des Kriegspressequartiers bei. Die laufenden Geschäfte führte sein Stellvertreter Oberst Graf Beck-Rzikowsky 3 9 0 ), der Sohn des langjährigen Generalstabschefs. Als wir nach Baden übersiedelten, kam das Kriegspressequartier nach Rodaun. Mein Gedanke war, den ständigen Rahmen dieser Einrichtung möglichst einschrumpfen zu lassen und Journalisten je nach Bedarf zur Berichterstattung einzuladen. Die Eigenart des Stellungskrieges mit dem sporadischen Aufflammen größerer Kriegshandlungen ließ diese Methode vorteilhaft erscheinen. Sie ermöglichte auch, das sogenannte ,,Schabsel"-Unwesen abzuschaffen und ernstere Männer, darunter auch solche von Namen, fallweise zur Berichterstattung heranzuziehen. Ich sollte allerdings die Rechnung ohne den Wirt, das heißt den künftigen Kommandanten des Kriegspressequartiers, gemacht haben. Das Κ. P. Qu. kam mit seinem Stabe nach Rodaun, halben Weges zwischen Wien und Mödling. Wir legten Beschlag auf das allen alten Wienern, zumal jungen legalen oder illegalen Paaren wohlbekannte Gasthaus Stelzer. Nun mußte auch die Kommandantenfragen endgültig gelöst werden. Unter den zur Verfügung stehenden Generalstabsobersten wählte ich jenen Eisner-Bubna, der vor vielen Jahren einer meiner Vorgänger bei der Salzburger Brigade gewesen und sich dort als gewöhnlicher Eisner von der ihn liebenden Gräfin Bubna adoptieren ließ, wobei er allerdings den Grafentitel nicht mitbekommen konnte. Eisner-Bubna war bis vor kurzem Generalstabschef beim ungarischen Erzherzog Joseph gewesen (VII. Korps). Er war ein gebildeter, aufgeweckter Mann, sehr ehrgeizig, allerdings auch der typische Faiseur. 3 9 0 ) Friedrich G r a f B e c k - R z i k o w s k y (Wien, 3 0 . 9 . 1 8 7 2 - 3 . 1 1 . 1 9 4 2 , W i e n ) , 1893 als L t . aus der Milak. zu D R . 13 ausgemustert, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 9 eingeteilt in die Kriegsgeschichtliche A b t . des K A . , 1 . 5 . 1 9 1 0 M j r . i . G . , 1 . 5 . 1 9 1 3 O b s t l t . i . G . , 1 . 1 1 . 1 9 1 3 transferiert zu I R . 82, 1 . 8 . 1 9 1 4 eingeteilt beim II. K o r p s k m d o . , . . . 1 . 5 . 1 9 1 5 O b s t . i . G . , 1 7 . 7 . 1 9 1 5 C h e f des Kriegspressequartiers, 1 8 . 1 0 . 1 9 1 6 K m d t . I R . 91, 1 7 . 1 0 . 1 9 1 7 K m d t . 27. I B r i g . , 1 . 1 0 . 1 9 2 0 pensioniert, 2 1 . 2 . 1 9 2 2 T i t u l a r - G M . E r veröffentlichte gelegentlich gehaltvolle Erinnerungsartikel, z . B . : D i e Niederlagen in der Piaveschlacht, in: N F P . , 2 4 . 2 . 1 9 2 9 , 2 f . Vgl. über ihn: Lustig-Prean, Panoptikum, 1 0 7 f .
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Der Kommandowechsel im K.P.Qu, war mit einer Tragikomödie verknüpft. Hoen und Eisner erschienen zur Ab- und Anmeldung beim Kaiser in Audienz. Hoen wie immer salopp, in einer alten Bluse mit Harmonikataschen, aus denen ein halbes Dutzend Notizbücher hervorsahen. Der Kaiser hatte schon seit dem Thronwechsel wenig Sympathien für Hoen, dessen Bohemienwesen ihm in keiner Weise gefiel. Die Sache hing mit einem Aufsatz zusammen, den die Neue Freie Presse aus der Feder Hoens über den Tod des Kaiser Franz Joseph brachte. Dabei war ihr das Mißgeschick passiert, für den das gleiche Ereignis beklagenden Leitartikel unbesehen einen alten Satz, der noch aus der Zeit Franz Ferdinands stammte, zu benützen 391 ). So sagte also der Kaiser beim Abschied ziemlich mürrisch zu Hoen: „In ihrem K.P.Qu, trieb sich eine Menge unnützer Gesellschaft herum. Ich hoffe, daß in kürzester Zeit kein einziger Fronttauglicher mehr vorhanden ist." Hoen dachte an die vielen erzherzoglichen und ministeriellen Fürsprachen, denen soundsoviele ihre Zugehörigkeit zum K.P.Qu, verdankten und sagte in seiner treuherzigen Art zum Kaiser: „Mir soll's recht sein, Majestät, wenn es Ihnen gelingt." Dieser Ausspruch erbitterte den Kaiser, dem namentlich die vielen jüdischen Journalisten und Kriegsberichterstatter ein Dorn im Auge waren, aufs höchste. Eine Stunde später ging nicht nur an das K . P . Q u . , sondern auch an das an ähnlichem Leiden krankende Kriegsarchiv ein auf „Allerhöchsten Befehl" vom Generaladjutanten und Chef der Militärkanzlei unterzeichnete Weisung hinaus, nach welcher alle Kriegsberichterstatter und Kriegsmaler bei dem Kommando, bei dem sie sich eben befanden, sofort zu „mustern" und im Falle der Tauglichkeit an die nächste Front zu schicken seien 392 ). Ich teilte von Anbeginn Hoens Skepsis über den Erfolg der Aktion, hielt es in der vorgeschrittenen Kriegsphase jedoch für unglücklich, den Kaiser mit einer in der noch immer sehr mächtigen Presse so unpopulären Angelegenheit zu belasten, wobei die Art, wie sie erledigt werden sollte, allen Vorschriften widersprach. Ich bemühte mich daher, dem Befehl des Kaisers hintenherum seine Giftzähne auszubrechen und hatte mit Hilfe des verständigen Landesverteidigungsministers Frh. v. Georgi einigen Erfolg. Im ersten Augenblick herrschte freilich überall Heulen und Zähneknirschen. Sogar eine schwere Einheit der Flotte, die eben im Kanal von Tarent manövrierte, mußte umkehren, weil sie den ungarischen Kriegsberichterstatter Herczeg 393 ) an Bord hatte. Schließlich behielt jedoch Hoen doch recht. 3 9 1 ) Es handelt sich um die Aufsätze: Erzherzog Franz Ferdinand und die Armee, in: NFP., 1 . 7 . 1 9 1 4 , Morgenblatt, 7 f . und Die Armee unter Kaiser und König Franz Joseph, in: NFP., 2 4 . 1 1 . 1 9 1 6 , Morgenblatt, 5 f . Der gesuchte Satz konnte nicht festgestellt werden. 3 9 2 ) Aktenlage: M K S M . 82-2/9 ex 1917. Auf Befehl der Militärkanzlei wurden in Rodaun am 19. u. 2 1 . 3 . 1 9 1 7 Musterungen durchgeführt. Von den 17 öst. Berichterstattern wurden 6 als tauglich u. von der ung. Gruppe (13 Mann) 9 als tauglich erklärt. Auf Vorschlag des K M . sollten sie jedoch erst einberufen werden, bis ihr Geburtsjahrgang einer neuerlichen Musterung unterzogen würde. Im Verlauf der Aktion kam es zur Darlegung verschiedener Bedenken rechtlicher und politischer Natur. 3 9 3 ) Géza Herczeg (Budapest, 1 . 3 . 1 8 8 8 - 6 . 2 . 1 9 5 4 , Hollywood), Schriftsteller u. Reporter, Mitarbeiter am „Magyar Hirlap", dann „ A z Ujság", von Kriegsbeginn bis Kriegsende Vertreter des „Pester Lloyd" u. „Pesti Naplo" im K P Q . , 1 9 1 8 Pressechef der Regierung Károlyi, 1919 Emigrant in Wien, Mitarbeiter an NFP., später in die U S A ausgewandert.
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Ich glaube nicht, daß ein einziger von den Bedrohten wirklich in der vordersten Linie gelandet ist. Im schlechtesten Falle wurde er Leib journalist oder Leibmaler eines Divisionärs. Das ganze „Osterpogrom", wie wir es nannten, verlief wie das Hornberger Schießen. Aber Hoen behauptete immer, der Umsturz in Ungarn habe aus den damaligen Schrecknissen wesentlich Nahrung gezogen. Denn fast alle Journalisten, von Polanyi, recte Pollak 3 9 4 ), angefangen, die bei der Revolution Károlyis 395 ) und später Béla Kuns eine Rolle gespielt hatten, gehörten zu denen, die das Osterpogrom 1917 in Angst und Schrecken versetzt hatte. Ich habe über das Osterpogrom im Neuen Wiener Journal einen Artikel geschrieben 396 ). Die ersten Monate des Jahres 1917 waren außerordentlich schneereich. Als sich der Kaiser Mitte Jänner 1917 bei seinem Edelweißkorps in Südtirol aufhielt, wurde ich ihm als Kurier nach Trient nachgeschickt. Die Fahrt war aus mannigfachen Gründen interessant. Das Wiedersehen mit meinem lieben Tirol machte mir immer Freude. Die Reise über den Brenner blieb nicht ohne Gefahr. Es rollten unausgesetzt Lawinen auf die Bahn herab, die nur mit Mühe freigehalten werden konnte. Auch das Etschtal war stark beschneit. Leider war, als ich in Trient ankam, der Hofzug schon weg - auf der Heimreise. Mir hat es aus mehreren Gründen leid getan. Erstens, weil ich mich ganz gern beim Kaiser gemeldet hätte. Zweitens, weil ich besonders gern Schönburg begrüßt hätte, der ja seit dem Sommer 1916 als Nachfolger des damaligen Thronfolgers das Edelweißkorps oben in Vielgereuth kommandierte. Schneller hatte es sich bis zu seinem Abgehen nicht nehmen lassen, den italienischen Kriegsschauplatz für den Generalstabsbericht selbst zu verfassen. Er betätigte sich dabei als Vorläufer derer, die fünfundzwanzig Jahre später aus Lodz Litzmannstadt und Rzezów Reichshof machten - indem er so ziemlich alle örtlichkeiten in den Sieben Gemeinden nach ihren längst vergessenen deutschen Namen nannte. Den gebräuchlichen italienischen Namen setzte er nicht einmal in Klammer bei. Kaiser Karl machte nach seiner Thronbesteigung mit diesem Unfug sofort ein Ende. Er ordnete überdies an, daß die Fernschreiber, Fernsprecher, Kraftwagen und so weiter wieder Telegraph, Telephon, Auto zu heißen hätten. Für das vielsprachige Reich fehlte es in dem Entschluß des Kaisers nicht an Begründungen. Ein wenig sollte er aber auch der „Preußenseuchelei" entgegenarbeiten. 3 9 4 ) Dr. Josef Pogány (Budapest, 8 . 1 1 . 1 8 8 6 - 1 9 3 9 , UdSSR), Journalist, Gewerkschaftsfunktionär, ab 12.1.1916 im Kriegspressequartier als Vertreter v. Volksstimme, Népszava, Il Lavoratore, 2 1 . 3 . 1 9 1 7 als frontdiensttauglich einrückend gemacht, 15. 7.1917 rückgängig gemacht u. zum K P Q . kommandiert, in Regierung Kärolyi ab 2 . 1 1 . 1 9 1 8 Regierungskommissär an der Spitze der Soldatenräte, in der Räterepublik im Volkskommissariat für Äußeres und ab 4 . 4 . 1 9 1 9 auch im Volkskommissariat für Heerwesen, sodann über Wien in die Sowjetunion, dort Opfer der Säuberungen Stalins. 3 9 5 ) Mihaly Károlyi Grf. v. Nagykároly (Budapest, 4 . 3 . 1 8 7 5 - 1 9 . 3 . 1 9 5 5 , Vence bei Nizza), seit 1906 Politiker der Unabhängigkeitspartei, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 8 - 2 1 . 1 . 1 9 1 9 ung. Ministerpräsident, sodann Staatspräsident bis zur Räteregierung, Juli 1919 in die Emigration, 1946 Rückkehr, 1947-1949 ung. Gesandter in Paris, Erinnerungswerke: Gegen eine ganze Welt. Mein Kampf um den Frieden, München 1924; Faith without illusion, London 1956. S. auch Κ. Károly, Aufbruch ohne Wiederkehr, Oldenburg-Hamburg 1967. 3 9 6 ) nicht feststellbar.
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Der hohe Schnee machte sich auch im Wiener Becken stark bemerkbar. Die gute Badener Elektrische fuhr mehrere Tage überhaupt nicht. Auch der Zugsverkehr ließ zu wünschen übrig. Der hohe Schnee dauerte bis Ende März. Das bekam auch ein Besuch zu fühlen, der am 22. und 23 März in der kaiserlichen Residenz zu Laxenburg in wichtiger Angelegenheit erschien: Es waren die Brüder der Kaiserin Prinz Sixtus und Xavier von Bourbon-Parma. Sie dienten beide seit 1915, da ihnen als Bourbonen der Eintritt in die französische Armee versagt war, in der belgischen Armee. Der Vater Herzog Robert von Parma 397 ) hatte aus seinen zwei Ehen zahlreiche Kinder. Von denen aus erster Ehe war nur Elias 398 ) normal und gesund; die anderen waren durchwegs Kretins, die sogar im Park von Schwarzau auf den Bäumen herumkletterten 399 ). Elie hatte zu meiner Zeit die Neustädter Akademie, angetan mit der verschnürten Uniform eines Weißkirchner Kavalleriekadettenschülers, in einem Jahr absolviert und war dann Leutnant bei den 6er-Dragonern in Wels geworden. Er kam später in den Generalstab und war fast den ganzen Krieg ein tüchtiger Divisionsgeneralstabschef. Verheiratet mit einer Tochter des FM. Erzherzog Friedrich 400 ), stand er mit seinen Geschwistern aus zweiter Ehe des Vaters in ständigem Streite, auch in Prozessen um einige französische Schlösser. Als man ihm das EK. 2 verleihen wollte, lehnte er ab mit der Erklärung, daß er als Bourbone diese Auszeichnung nicht gut annehmen könne. Nicht so hielten es René 401 ) und Felix 402 ) von Bourbon-Parma, die als Vollbrüder der Kaiserin und der Prinzen Sixtus und Xavier im k. u. k. Heere dienten und als Dragoneroffiziere Ordonnanzoffiziere ihres kaiserlichen Schwagers waren. Sie bewarben sich außerordentlich dringend um das Eiserne Kreuz. Ich riet Cramon, es ihnen zu geben. René ist heute Prinz-Gemahl von Luxemburg. Die Sixtus-Affäre habe ich in meinem Buche „Die Katastrophe" so beschrieben, wie sie sich entwickelte 403 ). Die allererste Initiative ging von der Familie Parma aus 3 9 7 ) Robert Herzog v. Bourbon-Parma (Florenz, 9 . 7 . 1 8 4 8 - 1 6 . 1 1 . 1 9 0 7 , Pianore), Sohn Karls III. Hzg. v. Parma, 1 8 5 4 - 1 8 6 0 Herzog v. Parma, vermählt in 1. Ehe Rom, 5 . 4 . 1 8 6 9 , mit Maria Pia Przin. v. Bourbon-Sizilien, in 2. Ehe, Schloß Fischhorn, 1 5 . 1 0 . 1 8 8 4 , mit Maria Antonia Infantin v. Portugal. 3 9 8 ) Elias (Elie) Prinz v. Bourbon-Parma (Biarritz, 2 3 . 7 . 1 8 8 0 - 2 7 . 6 . 1 9 5 9 , Friedberg, Stmk.), nach Prüfungen an der Milak. 1 . 7 . 1 9 0 1 freiwillig als Lt. zu D R . 7 , Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 1 Hptm. i . G . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Glstbsoffz. 2 5 . I T D . , 1 . 3 . 1 9 1 5 Mjr. i . G . , 3 0 . 5 . 1 9 1 5 O p A b t . V . K o r p s , 1 5 . 1 0 . 1 9 1 5 Glstbschef 18. b z w . 5 7 . I T D . , 2 7 . 1 1 . 1 9 1 6 Obstlt. i . G . , 1 8 . 3 . 1 9 1 8 Obst. i . G . , V. 1 9 1 8 Kmdt. G r u p p e Riva West, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 8 enthoben, 5 . 1 1 . 1 9 1 8 Austritt aus dem Armeeverband. 3 " ) Diese Behauptung ist, wie auch etwa die Gattin Zar Ferdinands v. Bulgarien und deren Kinder zeigten, nur teilweise aufrechtzuerhalten bzw. wieder ein Beispiel für Armee- oder A O K . - T r a t s c h . Vgl. aber auch die Tendenzschrift: K. Wagemut, Was ich im Elternhaus der Exkaiserin Zita von Österreich erlebte, Dresden 1920. 4 0 0 ) Maria A n n a Ehg. V.Österreich (Linz, 6 . 1 . 1 8 8 2 - 2 5 . 2 . 1 9 4 0 , Lausanne), vermählt Wien, 2 5 . 5 . 1 9 0 3 mit Prinz Elias v. Bourbon-Parma. 4 0 1 ) Renatus (René) Prinz v. Bourbon-Parma (Schwarzau, 1 7 . 1 1 . 1 8 9 4 - 3 0 . 7 . 1 9 6 2 , Hellerup bei K o penhagen), 1 . 8 . 1 9 1 4 präsentiert beim freiw. Automobilkorps, 8. 7 . 1 9 1 5 assentiert zu D R . 15, 1 . 9 . 1 9 1 5 Lt., 1 9 1 4 - 1 9 1 6 O r d o n n a n z o f f z . bei div. K m d e n . , 1 . 1 1 . 1 9 1 6 O b l t . , Zugskmdt. beim Küstenschutzbaon. IV., dann wieder O r d o n n a n z o f f z . , 1 . 2 . 1 9 1 8 Rtm. 4 0 2 ) Felix Prinz v. Bourbon-Parma (Schwarzau, 1 8 . 9 . 1 8 9 3 - 7 . 4 . 1 9 7 0 , Berg, Luxemburg), seit 1 8 . 5 . 1 9 1 5 im Felde, O r d o n n a n z o f f z . b z w . Zugskmdt., 1 . 2 . 1 9 1 8 Rtm. D R . 15, 6 . 1 1 . 1 9 1 9 vermählt mit Charlotte Großherzogin v. Luxemburg,
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und führte zu einer Entsendung des dem kaiserlichen Hauptquartier zugeteilten, mir wohlbekannten Rittmeisters Grafen Erdödy 4 0 4 ) in die Schweiz. Die Einladung der Prinzen nach Österreich erfolgte auf ausdrücklichem Wunsch des Außenministers Grafen Czernin; er sprach diesen Wunsch Ende Februar in einem Briefe an die Kaiserin aus 405 ). Als jedoch die zwei jungen Herren in aller Heimlichkeit in Laxenburg erschienen, wurde Czernin doch etwas bange, und er zog sich aus dem Abenteuer zurück, den Kaiser mit seinen Schwägern allein lassend. Der ehrgeizige Sixtus ließ nicht locker und legte dem Kaiser das Konzept eines Briefes vor, den dieser an ihn schreiben sollte. Der Briefentwurf enthielt ausdrücklich die Bitte des Kaisers um einen Sonderfrieden. Der Kaiser ging auf eine solche Formulierung jedoch nicht ein, er gab zwar Sixtus einen Brief in die Hand, der jedoch nur auf eine allgemeine Bereitschaft hinwies, gemeinsam mit Frankreich für einen allgemeinen Frieden zu arbeiten. Dabei erkannte der Kaiser allerdings die berechtigten Ansprüche Frankreichs auf Elsaß-Lothringen an. Eine Woche vor dem Besuch der Parmas in Laxenburg waren Bethmann Hollweg und Jagow 4 0 6 ) zu Besprechungen auf dem Ballhausplatz erschienen. Czernin deutete den Deutschen Staatsmännern an, daß er gewisse Friedensfäden in der Hand habe. Wer der Vermittler sei, dürfe er jedoch nicht sagen. Bethmann gab sich zufrieden unter der Bedingung, daß Österreich keine entscheidenden Vorschläge an den Feind erstatte, ehe Deutschland seine Zustimmung gegeben hatte. Formaljuristisch hatte sonach Czernin nicht hinter dem Rücken der Bundesgenossen gehandelt. Allerdings waren diese etwas verblüfft, als sie einige Monate später auf vertraulichem Wege - und ich von ihnen - erfuhren, wer der geheimnisvolle Vermittler war. Sie glaubten im März, daß Graf Albert Mensdorff 407 ) es sei - und Czernin ließ sie auf der Spur. Trotz meines ziemlich ausgedehnten geheimen Nachrichtenapparates hatte ich von der Angelegenheit erst Mitte Mai· erfahren. Ich hatte damals Sehnsucht nach 4 0 : î ) Katastrophe, 122ff., u. 207ff. Uber die „Sixtus-Affäre" vgl. nunmehr: R . A. Kann, Die Sixtusaffäre und die geheimen Friedensverhandlungen Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg, Wien 1966; J . Meckling, Die Außenpolitik des Grafen Czernin, Wien 1969. 4 0 4 ) Thomas (Tamás) Grf. Erdödy v. Monyorókerék u. Monoszló (Stakorovac, Kom. Agram, 1 8 . 4 . 1 8 6 8 - 2 0 . 4 . 1 9 3 1 , Giins), Spielgefährte Erzh. Carl Franz Josephs, 1 . 1 . 1 9 0 8 Lt. i.d. Res., H R . 9 , ab Kriegsbeginn reit. Ordonnanzoffz. beim 5. Armeekmdo., 1.11.1914 verwundet, Oblt. i.d. Res., 2 1 . 8 . 1 9 1 5 bei 2 . K T D . , 18.12.1915 Kmdt. d. Feldgendarmerieabt. beim Kavalleriekorps Lehmann, 6 . 6 . 1 9 1 6 Streifenabteilungskmdt. bei der Feldgend. d. 2. Armee, 10.9.1916 Kmdt. d. Stabskp. u. Autoreferent beim Rayonskmdo. Südtirol, 13.2. u. 16.2.1917 in Neuchâtel mit den Prinzen Sixtus u. Xavier ν. Parma zusammengetroffen, brachte sodann am 2 0 . 3 . die Prinzen nach Wien., 1.3.1917 der Feldgendarmerie auf Kriegsdauer zugeteilt im Stand der Feldgendarmeriereserve des A O K . , Verwendung für versch. Sondermissionen; nach dem Zusammenbruch Freischärlerführer in Westungarn u. beteiligt am 1. Restaurationsversuch 1921. Vgl P. Szemere-E. Czech, Die Memoiren des Grafen Tamis von Erdödy. Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand, Wien 1931. 4 0 5 ) Vgl. G . Brook-Shepherd, Um Krone und Reich. Die Tragödie des letzten Habsburgerkaisers, Wien-München-Zürich 1968, 84: in einem Brief vom 17.2.1917. 4 0 6 ) Am 16. März 1917. Vgl. zum Folgenden: I. Meckling, Die Außenpolitik des Grafen Czernin, Wien I960, llOff. 4 0 7 ) Albert Graf Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein (Lemberg, 5 . 9 . 1 8 6 1 - 1 5 . 6 . 1 9 4 5 , Wien), Diplomat, ab 1896 an der ö.-u. Botschaft in London, 1903-1904 Geschäftsträger, 1904-1914 Botschafter,
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etwas frischer Luft und bewarb mich darum, den ohnehin fälligen achtwöchigen Frontdienst bei meinem Regiment, das auf dem Monte Pasubio stand, ableisten zu dürfen 408 ). Ich benützte die Hinreise, um mich in Bozen bei Conrad zu melden. Er empfing mich außerordentlich liebenswürdig und lud mich in seine Villa gegenüber dem Hotel Austria in Gries, wo sich das Heeresgruppenkommando befand, zum Tee ein. Dabei wurde ich - erst jetzt trotz des langen gemeinsamen Aufenthaltes in Teschen - der Baronin vorgestellt. Sie lebte die ganze Zeit in Gries, und der Stab machte sich über die Zärtlichkeit, mit der sie der Feldmarschall mitunter auch bei Spaziergängen auf der Heinrichspromenade bedachte, mitunter ein wenig lustig. Gina war überaus liebenswürdig zu mir und spie gegen die Kaiserin Gift und Feuer. Er wieder legte sich bei seinen Urteilen über den jungen Herrn keine Hemmungen auf. Von Bozen fuhr ich nach Trient, wo mich ein Auto des Edelweißkorps abholte. In Levico meldete ich mich beim Oberbefehlshaber der 11. Armee, G O . v. Scheuchenstuel 409 ), bei seinem Generalstabschef Soós und auch bei meinem Freunde Károlyi, der durch eine schwere Verwundung felddienstuntauglich geworden war und nun beim Armeekommando Dienst tat. Was ich in Levico sah, war stark Etappe . . . Ja - nochmals Bozen. Ich traf dort unter anderen auch meinen alten Freund, den Grafen Künigl 410 ), und er erzählte mir, vor einigen Tagen streng geheim in Feldkirch die beiden Parmas abgeholt zu haben. Diese waren in der Tat ein zweites Mal gekommen. Einzelheiten über diesen zweiten Besuch niederzuschreiben, ist nicht notwendig. Damals habe ich das erstemal von der Mission der Parmas erfahren . . . Von Levico fuhr ich die wunderbar hergerichtete Friccastraße hinauf nach Folgaria-Vielgereuth. Ich meldete mich sofort bei Schönburg-Hartenstein. Mein Gedächtnis hat in der Gefangenschaft so sehr gelitten, daß ich nur mehr eine dunkle Vorstellung davon habe. Schönburg war sehr ernst, hatte schon manche Bedenken gçgen den neuen Herrn und fühlte sich in seinem Stabe ziemlich fremd, was ich verstehen konnte. Als ich abends in der Menage war, stellte ich unwillkürlich Vergleiche ,mit dem seligen Landesschützenstabe an, es war wie hundert und eins. Ich habe immer besonderen Wert auf gute Stimmung und freien Ton gelegt: beides führte 1917 mit General Jan Christian Smuts Friedensgespräche, ab 1920 erster öst. Delegierter bei der Völkerbundversammlung. Vgl. E. Jemicek, Albert Graf Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein, Wr. phil. Diss. 1965. 4 0 β ) Genaues Datum nicht feststellbar. 4 0 9 ) Viktor Grf. Scheuchenstuel (Mähr. Ostrau, 10.5.1857-17.4.1938, Wien), 1.9.1878 aus der Pionierkadettenschule zum Pionierrgt., 1.11.1878 Lt., Glstbslaufbahn, 13.3.1903 als Obst. Kmdt. IR. 50, ab 1907 Brigadier, Divisionär, 13.9.1914 Kmdt. VIII. Kps., 5.7.1916 enthoben, 8.9.1916 Kmdt. I. Kps., 2.3.1917 Kmdt. 11. Armee, 1.11.1917 G O . , 1.1.1919 pensioniert. 4 1 0 ) Erich Grf. Künigl (Ehrenburg, 20.6.1880-3.12.1930, Bruneck), 1.1.1903 Lt. i.d. Res. DR. 3, ab Kriegsbeginn fahrender Ordonnanzoffz. im Gefolge des Armeeoberkmdten., 1.10.1914 Rtm. i.d. Res., 27.5.1915 Ordonnanzoffz. beim Landesverteidigungskmdo. Tirol, 7.6.1915 beim ITD.-Kmdo. Pustertal, 18.10.1915 wieder beim Armeeoberkmdten., 1.9.1916 Begleiter des Ehg. Albrecht Franz, 6.11.1916 wieder beim Armeeoberkmdten., 8.3.1917 Protokolleiter beim Heeresgrpkmdo. FM. Conrad.
Im „ z w e i t e n A O K . "
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fehlte. Für einen der nächsten Tage - der 15. Mai nahte - war der Kaiser zum Einjahrs-Jubiläum der Durchbruchsschlacht angesagt. Erzherzog Eugen als Kommandant der Südwestfront sollte gleichfalls kommen. Schönburg meinte, ich solle so lange bleiben. Ich tat es aber nicht, sondern machte mich des anderen Tages auf den Weg, um in meine Stellung zu kommen. Zuerst bestieg ich eine Seilbahn. Man setzte sich in eine Art Tischlade, hing die Beine heraus und wurde dann über Berg und Tal in luftige Höhen emporgetragen. Oft kam es vor, daß ein solches Vehikel stundenlang in der Luft hängenblieb, aber im Augenblick war die Sache noch immer weniger gefährlich als der Fußmarsch. Denn es dröhnte unentwegt in allen Tälern: der Weiße Tod war auf dem Wege, die Lawine bedrohte Mann und Tragtier, wohin der Fuß trat. Dabei war der Schnee noch sehr hoch. In der Biserta - ich glaube so hieß es - meldete ich mich bei General v. Ellison 411 ). Generalstabsoffizier war der Oberleutnant Hartl 412 ). Dieser führte mich tagsüber im Abschnitt herum und zeigte mir verschiedene berühmte Kampfstätten. Irgendwo sahen wir, vielleicht war's auch bei einer anderen Gelegenheit, ins Becken von Laghi, das im Mai vorigen Jahres im ersten Ansturm zu überschreiten der Thronfolger sich aus Sorge um allzu große Verluste geweigert hatte. Es war damit viel wertvoller Schwung verlorengegangen. Ich übernachtete des Abends bei Ellison. Am anderen Morgen brachte mich der brave Feldkurat Maurer 413 ) zu Fuß und mit Seilbahn auf den berühmten Pasubio hinauf. Dort erwartete mich schon mein alter Freund und Regimentskamerad Moritz Sedlácek 414 ), der auf Urlaub gehen wollte und dessen Bataillon ich übernehmen sollte. Ich begab mich mit ihm zusammen zum Regimentskommandanten Oberst Putzker 415 ) und meldete mich. Er begrüßte mich höchst kameradschaftlich als alten Regimentsangehörigen. Sedlácek überließ mir seine an die Felswand geklemmte Unterkunft. Wir benützten den nächsten Tag zur Besichtigung der Stellungen. Der Pasubio ist so und so 4 n ) Otto Frh. Ellison v. Nidlef (St. Pölten, 6 . 4 . 1 8 6 8 - 1 1 . 1 1 . 1 9 4 7 , St. Stefan ob Stainz), 1889 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt. 2, Geniestabslaufbahn, 15.5.1903 eingeteilt beim Techn. Militärkomitee, dann bei den techn. Militärfachkursen, 1.11.1913 Obst., ab Kriegsbeginn Geniedirektor in Riva bzw. Abschnittskmdt. der Ostfront v. Riva, 15.7.1915 Kmdt. d. Gruppe Vezzeno, 2 1 . 4 . 1 9 1 6 Kmdt. 43. LIBrig., 15.8.1917 G M . , 2 6 . 8 . 1 9 1 8 Chef des Luftfahrwesens. Ellison wirkte bahnbrechend auf dem Gebiet der Verwendung moderner Panzergeschütze im Gebirge u. gab Anregungen zur Konstruktion schwerer Mörser. Er führte Befestigungen in Triest, Brixen, Riva u. Cattaro aus. 4>2) Hans Hartl (geb. Wien, 4.9.1886), 1906 aus AKSch. zu F K R . 2 4 als Fhr., 1.11.1916 Hptm. zugeteilt Glstb., 1.1.1921 Mjr., 1922 in das Verhältnis „ a . D . " , Privatwirtschaft, 1936-1938 Milizführer in der „Frontmiliz", 1938-1945 in der Dt. Wehrmacht, 1.2.1941 Obstlt., 1.2.1942 Obst. 4 1 3 ) Wahrscheinlich Dr. Josef Maurer (Enzersdorf/Fischa, 1 8 9 7 - ? ) , 1923 Priesterweihe, seit 1930 Brigadepfarrer d. 2. Brigade, später Militäroberpfarrer. 4 1 4 ) Moritz Sedlácek (Linz, 1 0 . 2 . 1 8 7 2 - 2 3 . 5 . 1 9 3 9 , Linz), 1894 als EF. zu 4. T K J R . , 1.1.1897 Lt. i . d . Res., 18.8.1897 Berufsoffz., 14.9.1911 1. Abt./KM., 1.11.1911 Hptm., 3.10.1914 Kundschaftsgrp. der Nachrichtenabt./AOK., 2 5 . 5 . 1 9 1 5 Feldtransportltg. 7, 14.2.1917 Kompaniekmdt. 4 . T K J R . , 1.8.1917 Mjr., Übernahme in die Volkswehr, 1.1.1920 Obstlt., 1.10.1920 pensioniert, 21.11.1922 Titular-Obst. 4 1 5 ) Albrecht Putzker (Innsbruck, 3 0 . 1 . 1 8 7 2 - 9 . 4 . 1 9 3 7 , Innsbruck), 1893 aus der Milak. i l s Lt. zu T K J R . , 1.5.1905 Hptm. i . G . , 1.11.1912 Mjr. 4 . T K J R . , 17.10.1913 Kmdt. IKSch. Innsbruck, 1.5.1915 Obstlt., 1.6.1916 Kmdt. 4 . T K J R . , 1.11.1917 Obst., 1.8.1919 pensioniert.
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viele tausend Meter hoch und oben wie mancher Berg der Kalkalpen, zum Beispiel der auch berühmt gewordene Monte Piano in den Dolomiten, ganz abgeflacht. Und wie auf dem Monte Piano teilten sich auch hier Freund und Feind den Besitz des Felsstumpfes. Man sah dem Gegner in das Weiß seines Auges, war an einzelnen Stellen von ihm nur wenige Schritte entfernt. Momentan hatte das noch nicht viel zu sagen. Denn die eigentlichen Stellungen lagen alle drei bis vier Meter in den Schnee versunken (Mitte Mai), man bewegte sich sehr häufig durch bequeme Schneetunnels und war vom Feind grundsätzlich nicht eingesehen - auch er von uns nicht. Selbst die Patrouillentätigkeit war weitgehend gehemmt. Mit schwerem Unbehagen dachte ich aber daran, wie es werden würde, wenn der Schnee sank und alle die Herrlichkeiten wunderbarer Deckungen gegen die Sicht des Feindes von der Sonne weggeleckt wurden ! Ich sollte es zum Teil noch erleben. Aus den erhofften acht Wochen wurden leider kaum mehr als drei. Waldstätten ließ mich zurückholen, da es auf dem Gebiete der Politik Verschiedenes gab. Die Zeit auf dem Pasubio blieb mir unvergeßlich. Die täglichen Wanderungen in die Stellungen waren sehr mühsam. Aber es war wirklich schön, wieder einmal mit der Truppe zusammenzusein, besonders mit einer Truppe, in der es - nicht bloß unter den Offizieren - so viele alte Bekannte gab. Ich weilte fast täglich bei einer anderen Kompanie und fand mich in die ganzen Sorgen des Truppendienstes recht gut hinein. Zweckmäßiger wäre es allerdings gewesen, an eine lebhaftere Front zu gehen, ich konnte aber nicht ahnen, daß der Schnee so lange hoch sein und jede Bewegung unterbinden würde. Vor Jahresfrist war diese ganze Gegend schon der Schauplatz heftiger Kämpfe. Mitte Juni verließ ich den Pasubio. Ich meldete mich bei Schönburg ab, der mir sein Bedauern aussprach, daß ich noch nicht im Range zum Korps-Generalstabschef daran wäre, und schritt dann das Tal vom Pian della Fugazze abwärts - dort, wo 1702 Prinz Eugen seine schweren Eisenreiter emporgeführt hatte. Auf dem Wege begegnete ich meinem einstigen Regimentskameraden Oberst Nürnberger 4 1 6 ), der jetzt das 3. Regiment befehligte. Ich fuhr ohne Aufenthalt nach Baden heimwärts. Ich habe einiges nachzutragen. Mitte März brach zum erstenmale Rußland zusammen. Der Zar wurde gestürzt, das Regime Lwów-Miljukoff 4 1 7 ) löste ihn ab, das im Frühsommer durch jenes von Kerenski 418 ) ersetzt wurde. An der Front begann das „Fraternisieren" zwischen den beiderseitigen Schützengräben. Mit dem gesunden Instinkt, der ihm manchmal eigen war, sprach sich einer gegen dieses aus: 4 1 6 ) Friedrich Nürnberger (Wien, 2 9 . 1 1 . 1 8 6 4 - 9 . 2 . 1 9 4 6 , Solbad Hall/Tirol), 1885 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Wien zu F J B . 2 6 , 1 . 1 0 . 1 8 9 3 als Oblt. zu T K J R . , 1 . 1 1 . 1 8 9 9 Hptm. F J B . 8 , 1 . 5 . 1 9 0 6 zu 4. T K J R . , 1 . 1 1 . 1 9 1 1 Mjr., 9 . 3 . 1 9 1 4 Kmdt. F J B . 2 7 , 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Obstlt., 1 . 5 . 1 9 1 7 Obst. Kradt. 3 . T K J R . , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 4 1 7 ) Am 12. März 1917 wird durch ein Dumakomitee eine Regierung mit Fürst Georgij Jewgénjewitsch Lwow als Ministerpräsidenten (Seinstwoliberaler) und Paul Miljuków (Konstitutioneller Demokrat) als Außenminister eingesetzt. 4 1 8 ) Am 20. Juli wird Alexander Kérenskij Ministerpräsident und Oberbefehlshaber. Nach dem Putschversuch des Generals Kornilow ruft jener mit 16. September 1917 die Republik aus und erklärt sich zum Diktator. 6 . / 7 . November 1917 Revolution der Bolschewiken.
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der junge Kaiser. Er fürchtete, daß die Zersetzungsarbeit, die wir bei den Russen versuchten, zum Bumerang werden könnte, der auf uns selbst zurückschnellte. Ich wußte damals noch nichts von dieser durchaus zutreffenden Auffassung und schloß mich der Anschauung der Majorität an und den Stimmen aus der Front selbst, die Vernichtung der russischen Kampfkraft, die von innen her eingesetzt hatte, nun auch von außen fortzuführen. Ich muß im Gegenteil gestehen, daß ich für die Idee Feuer und Flamme war. Dabei handelte es sich auch, in einzelnen Abschnitten von Front zu Front Sonderwaffenstillstände abzuschließen. Das gab mancherlei politische Erwägungen, die mich in der Folge zum erstenmal mit Ottokar Czernin zusammenführten, Waldstätten und Arz erteilten mir den Auftrag, ihn über den Verlauf der Frontaktion zu unterrichten. Ich fuhr mit Arz im Auto nach Wien. Er war freundschaftlich wie immer und auch in gleicher Weise oberflächlich. Czernin empfing mich in dem Raum, der später Wartezimmer des Bundespräsidenten wurde. Ich erinnere mich noch, wie der jugendliche Felix Schwarzenberg 419 ), den ich später so oft betrachten konnte, aus seinem Bilde auf mich herabsah. Czernin war vierundvierzig Jahre alt und ein etwas hochfahrender Grandseigneur, aber sehr liebenswürdig, vielleicht auch deshalb, weil er öfter das Wort Waffenstillstand vernahm. Was inzwischen auf dem Gebiete seiner Friedenspolitik vor sich gegangen war, verriet er mit keinem Wimpernzucken: seine Vorschläge vom 22. März, zugunsten der Annexion der Walachei auf die austropolnische Lösung als Entgegenkommen gegen Deutschland zu verzichten, der Kaiserbesuch in Homburg vor der Höhe, die Absendung der berühmten czerninschen Denkschrift vom 12. April 1917, zu der Tisza meinte, er beschwöre Czernin, nicht mehr so zu schreiben, es müsse auf den Kaiser verheerend wirken. Dazwischen auch der interessante und, im Grunde genommen, durchaus kluge Brief Kaiser Karls vom 15. März, den Werkmann in seinem Buche veröffentlichte 420 ). Und dann der Prinzenbesuch, der schon erwähnt wurde und dem am 9. Mai der zweite folgen sollte. Sicherlich haben zumal die Sixtusaktion und noch mehr die in unberufene Hände geratene oder gelegte Denkschrift Czernins dem Feind authentische Beweise der Schwäche der Mittelmächte und insbesondere Österreich-Ungarns in die Hand gelegt. Unbekannt waren ihnen jene Schwächen auch bisher nicht geblieben. Und ebenso sicher ist, daß der Augenblick für Friedensbemühungen, wenn sie überhaupt Erfolg haben konnten, jetzt für die Mittelmächte noch relativ günstig lag. Denn abgesehen von dem allerdings sehr großen Aktivum des Eintritts Amerikas in den Krieg (Ludendorff sagte mir im Juli 1917 in Kreuznach: „Wenn ich den Zusammenbruch Rußlands vorausgesehen haben würde, hätte ich mit dem uneinge41 ») Felix Fürst zu Schwarzenberg (Krumau, 2.10.1800-5.4.1852, Wien), k . k . FML., 2.12.1848-5.4.1852 Ministerpräsident. Vgl. R. Kiszling, Fürst Felix zu Schwarzenberg, Graz-Köln 1952. 420 ) Werkmann veröffentlichte diesen Brief zunächst in seinem Artikel: Zwei sensationelle Handschreiben Kaiser Karls, österreichisch-deutsche Gegensätze im Weltkrieg, N W J . , 25.12.1927, 4f., und sodann in seinem Buch: Deutschland als Verbündeter. Kaiser Karls Kampf um den Frieden, Berlin 1931. Darin nimmt Kaiser Karl gegen eine Militärkonvention mit dem Deutschen Reich und gegen ein Handelsabkommen Stellung.
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schränkten U-Boot-Krieg noch zugewartet.") gab es auf der Seite der Gegner zur Zeit fast nur Passiva: Die russische Revolution, ausgesprochene Kriegsmüdigkeit in Italien, große Meutereien in der französischen Armee und Streiks in Frankreich, zudem in den ersten Monaten noch sehr imponierende Versenkungsziffern im Seekrieg. Im einzelnen hatte sich militärisch bekanntlich nur der Angriff Nivelles 4 2 1 ) gegen die in die Siegfried-Stellung zurückgenommenen deutschen Streitkräfte ereignet, der mit einem völligen, die eben erwähnten Folgen nach sich ziehenden französischen Mißerfolg endete. Es ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Erinnerung an Conrads Vorschläge, das Frühjahr mit einer gemeinsamen Offensive gegen Italien zu beginnen, wachzurufen: Was wäre gewesen, wenn eine solche Offensive in den ausgesprochen militärischen Schwächezustand der Entente hineingestoßen hätte? War es gut von der 3. D O H L , daß sie alle Hoffnungen auf den U-BootKrieg baute und zu Land auf jede Initiative verzichtete, sondern sich - streng genommen: für das ganze Jahr 1917 - das Gesetz des Handelns vom Feinde diktieren ließ? Unterdessen hatte ich mich in der schönen Schwechatstadt Baden bereits gut eingewöhnt. Die Nähe Wiens erlaubte mir häufige Besuche bei meiner Mutter. Auch Gottfried fuhr wöchentlich einmal dahin, um ihr Zusatzartikel zu bringen, die unser Freund Cramolin, Verpflegungsbeamter der in Vöslau untergebrachten Quartiermeister-Abteilung, beisteuerte. Meine gute Mutter ist so doch von den ärgsten Entbehrungen des Krieges verschont geblieben. Einmal ließ ich sie auch nach Baden kommen und fuhr sie im , , Ο ρ - W a g e n " - das war ein nettes Zweigespann, welches sich das AOK. hielt - im nahen Helenental und nach Heiligenkreuz spazieren. In der Früh wurde im Jahre 1917, wie schon bemerkt, noch fleißig ausgeritten. Auf der Heiligenkreuzer Wiese gab es noch einen ganz netten Galopp. Der Heimritt durch das Helenental, bei der Cholerakapelle vorbei, war reiterlich nicht von Bedeutung, aber landschaftlich überaus reizvoll. Man kam unterhalb der Weilburg herein, beim Badener Sacher vorüber und ließ von Baden aus die Pferde nach Traiskirchen bringen, wo sie den Stall hatten. Manchmal liehen wir uns mit Hilfe Wallenbergs die deutsche „Nähmaschine" aus und fuhren nach Kottingbrunn, w o es herrliche Galoppaden gab. Manchmal galoppierten wir auch längs der Neustädter Straße über Ginselsdorf gegen Schönau, ihr kennt das Lied „Schönau, mein Paradies !" Der Vormittag und der Nachmittag zwischen fünf und acht Uhr waren natürlich dem Dienste gewidmet. Ich hatte dank dem Anschwellen meiner Funktionen schon reichlich viel zu tun, wenn am Vormittag auch eines wegfiel: der Kaiserbericht, der nunmehr viel detaillierter von den Referenten des Kriegsschauplatzes verfaßt wurde. Auch Besuche stiegen öfter in meine luftige Höhe hinauf. Einer von ihnen war 4 " ) Georges Robert Nivelles (Tulle, 15.10.1858-22.3.1924, Paris), führte seit April 1916 die franz. 2. Armee, seit 3.12.1916 statt Joffre Generalissimus des franz. Heeres. Nachdem ihm in den Schlachten an der Aisne und in der Champagne (April/Mai 1917) der Durchbruch trotz schwerster Verluste nicht gelungen war, wurde er mit 15.5.1917 durch General Philippe Pétain abgelöst.
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der alte Ministerpräsident a. D . Max Vladimir Frh. v. Beck, den Arz auf mich gehetzt hatte. Beck sollte - das parlamentarische Leben war in Österreich seit dem 30. Mai 1917 wieder erwacht - im Herrenhaus ein Referat über die Lage erstatten, ich hatte ihm den militärischen Beitrag zu liefern. Soweit es Rang und Altersunterschiede zuließen, schlössen wir sehr bald Freundschaft, die bis z u m Anschluß dauerte. Von da an war er auf mich böse, und vergebens versuchten ihm - von Spitzmüller 4 2 2 ), Eiseisberg 423 ) und Steinitz angefangen - alle meine Freunde zu beweisen, daß ich gar kein so wilder Nazi sei. Er war allerdings stark jüdisch versippt, was eine Hauptursache seines Abwendens von mir gewesen sein mochte. Beck starb während des zweiten Krieges im Alter von neunzig Jahren. Er war ein sehr f r o m m e r Katholik und pflegte zu sagen: „ I c h glaube fest an die Unsterblichkeit der Seele, hoffe aber, daß mir der liebe Gott den Beweis noch möglichst lange erspare." Er hat ihn ihm lange erspart. Leider scheint Beck sein reiches Privatarchiv, das namentlich interessante Franz-Ferdinand-Briefe enthielt, trotz aller meiner Bitten vor seinem Tode vernichtet zu haben 4 2 4 ). Zum Speisen war ich zuerst in der Zweier-Menage eingeteilt. U m die Jahreswende 1917/18 kam ich in die Einser-Messe, in der auch Arz, Waldstätten und C r a m o n saßen. Man erlebte dort eine Reihe interessanter Gäste aus allen Ländern der Verbündeten. Ich erinnere mich etwa des alten Woyrsch, der in seiner österreichischen Inhabersuniform in unserer Mitte erschien, Enver Paschas 4 2 5 ), der noch einen sehr frischen, jugendlichen Eindruck machte und - unter den allerletzten Gästen unmittelbar vor dem Zusammenbruch - des eben zum Feldmarschall ernannten ungarischen Erzherzogs Joseph, der in seine engere Heimat zurückkehrte, um dort die Interessen der Dynastie zu sichern - was er mit zweifelhaftem Geschick und noch zweifelhafterer Konsequenz tat. Das sonstige Leben in Baden unterschied sich von dem in Teschen insofern, als sich zahlreiche gesellschaftliche Bindungen ergaben, denen man z u m Teil nicht ausweichen konnte, zum Teil auch nicht wollte. An die Spitze dieser Beziehungen 422 ) Alexander Frh. Spitzmüller v. Harmersbach (Wien, 12.2.1862-5.9.1953, Velden), 1909-1912 Gouverneur der österreichisch-ungarischen Bank, 1910-1915 Generaldirektor der Kreditanstalt, 30.11.1915-8.11.1916 öst. Handelsminister, 13.12.-20.12.1916 designierter öst. Ministerpräsident, 20.12.1916-23.6.1917 öst. Finanzminister, 11.9.1918-4.11.1918 k . u . k . gemeinsamer Finanzminister, 20.12.1919-27.7.1923 Gouverneur der öst.-ung. Bank, Juni 1931-15.2.1932 Generaldirektor der Creditanstalt. Seine Erinnerungen, in denen er auf Glaise-Horstenau (bes. S 287f., 396 u. 402f.) ausführlich und für ihn Partei ergreifend eingeht: ,,. . . und hat auch Ursach es zu lieben.", Wien-München 1955. Vgl. über Spitzmüller: Chr. Baumgartner, Dr. Alexander Spitzmüller Freiherr v. Harmersbach (1862-1953), Wr. phil. Diss 1967. 423 ) Anton Frh. v. Eiseisberg (Steinhaus, O ö . , 31.7.1860-25.10.1939, St. Valentin), 1884 Dr. med., 1890 Privatdozent für Chirurgie an der Universität Wien, 1901 o. Prof., berühmter Kriegschirurg. 10.6.1879 zur Kriegsmarine assentiert, 4.5.1884 Korvettenarzt (bis 1891 im Stande), 3.6.1906 Admiralstabsarzt a . D . 424 ) Die Briefe wurden nicht vernichtet und erliegen im Schriftennachlaß des Ministerpräsidenten Beck, zum Großteil deponiert im AVA. Vgl. J. Chr. Allmayer-Beck, Franz Ferdinand und Baron Max Vladimir Beck, Wr. Diss., 1948. 425 ) Enver Pascha (Monastir, 9.3.1881-4.8.1922, gefallen bei Baldschuwan, Pamirgebirge), 1914-1918 türk. Kriegsminister.
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stelle ich den H o f des gütigen Erzherzogs Friedrich, dessen Gattin Isabelle nach wie vor in mir den berufenen Biographen ihres Gemahls sah und den sie daher viel ins Haus zog. Zu meinem Schmerze mußte ich wahrnehmen, daß während dieser Zeit das noch zu Hause befindliche Töchterlein, die Erzherzogin Alice 4 2 6 ), mit der ich schon im Teschener Theater zu kokettieren versuchte, ihr Herz an den ungarischen Großgrundbesitzer Baron Waldbott 4 2 7 ) verloren hatte, einem Bruder meines Neustädter Klassenkameraden 4 2 8 ). Sie heiratete alsbald, und ich mußte mich anderwärts trösten. Auch der junge Erzherzog Albrecht erschien manchmal im Hause. Er - der Stolz seiner Mutter - hatte 1915 die Matura gemacht und war dann zum Leutnant bei den Kaiserjägern ernannt worden, wonach er allerdings sofort zu einem Divisionskommando an der Tiroler Front eingeteilt wurde. Später kam er zur Armee Kövess in Siebenbürgen. Er war ein aufgeweckter junger Mann, allerdings von Ehrgeiz erfüllt, den er offenkundig von seiner Mutter geerbt hatte. Das Milieu auf der Weilburg, die bekanntlich Erzherzog Carl, der Sieger von Aspern, von Kornhäusl erbauen ließ und nach dem Heimatschloß seiner Gattin Henriette von Nassau-Weilburg benannte, war überaus reizvoll. Biedermeier ursprünglichster Art, ohne sklavische Stilbindung jedes Einrichtungsstückes, Geist von dem edlen Geiste des Erbauers und Gründers der Linie. Oftmals holte ich auch den Erzherzog in der Früh zu einem Spaziergang ab. Er mußte mir dann aus seiner Vergangenheit erzählen und tat es mit dem ihm eigenen Mutterwitz, der immer dann zutage trat, wenn er seine Schüchternheit abstreifte. Leider gestaltete sich in der Folge die Beziehung zwischen der Weilburg und dem Kaiserhause immer gespannter. Die ehrgeizige Isabella trieb Politik, viel Politik, wobei sie zwei Richtungen bevorzugte: einerseits die Magyaren - nicht ohne Grund hatte sie immer betont, daß Albrecht streng dualistisch erzogen worden sei - andererseits Deutschland, mit dessen militärischem Vertreter Cramon sie so gut war, daß wir unsere dummen Witze darüber machten, Witze, die „Papa C r a m o n " mit gütigem Lächeln quittierte. Im Liebesleben gestanden wir ja den durchwegs stark verheirateten deutschen Herren grundsätzlich Exterritorialität zu. Die politischen Ehrgeizeleien Isabellas, von der Hoen immer sagte, sie sei eine verhinderte Maria Theresia, führten schließlich dazu, daß sie über die Wintermonate 1917/18 nach Preßburg verbannt wurde. Ihr Gatte übersiedelte betrübt ins Albrechtspalais hinter der Oper, wo ich ihn nur mehr wenig besuchen konnte, da ich selbst fast drei Monate in Brest-Litowsk weilen sollte. Ab und zu kam ich während meiner Badener Zeit zu dem dort in Pension lebenden früheren Generaladjutanten Bolfras, mit dem zu sprechen immer anregend war. 4 2 6 ) Erzh. Marie Alice (Preßburg, 1 5 . 1 . 1 8 9 3 - 1 . 7 . 1 9 6 2 , Halbthurn), vermählt Luzern, 8. 5 . 1 9 2 0 mit D r . Friedrich Heinrich Baron Waldbott v. Bassenheim.
) D r . Friedrich Heinrich Frh. Waldbott v. Bassenheim (geb. Tolcsva, 1 7 . 9 . 1 8 8 9 ) , Gutsbesitzer. ) Klemens Frh. Waldbott zu Bassenheim-Bornheim (Tolcsva, 1 9 . 1 . 1 8 8 2 - 1 1 . 2 . 1 9 4 5 , Budapest), 1903 aus der Milak. als Lt. zu H R . 7, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 R t m . , 2 4 . 8 . 1 9 1 6 Verbindungsoffz. bei Armeegruppe W o y r s c h , 2 8 . 3 . 1 9 1 8 Verbindungsoffz. beim dt. Korps O s t , 1 0 . 7 . 1 9 1 8 Verbindungsoffz. bei dt. Heeresgrp. Eichhorn, nach Zusammenbruch in die Honvédarmee übernommen, als Mjr. pensioniert. 427
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Er nahm begreiflicherweise gegenüber dem neuen H o f eine sehr kritische Haltung ein. Ein oder das andere Mal war der alte Seebär Montecuccoli 4 2 9 ) Gast in unserer Menage. Auch er wohnte in Baden. Gegenüber meiner Villa wohnten, gleichfalls in einer Mansarde, die beiden Lauer, Mann und Frau. Durch sie hatte ich schon vor Jahresfrist den D r . Anton Schalk kennengelernt, der sich bei der Heirat des Lauer-Paares irgendwie einen Kuppelpelz verdient hatte. Schalk war eine nicht uninteressante Persönlichkeit. Gebürtiger Linzer, war er früh in die Politik gegangen und zum Kronprinzen Schönerers 4 3 0 ) emporgewachsen. Seine witzigen Reden im Parlament waren berühmt. In den ersten Jahren des Jahrhunderts trennte er sich jedoch von seinem Herrn und Meister - soviel er erzählte, vor allem wegen dessen unglückseliger Armeepolitik. Schalk hielt es für Wahnsinn, daß Schönerer die Armee des einzigen verläßlichen Verbündeten Deutschlands, nämlich die österreichische, nicht nur nach Möglichkeit bekämpfte, sondern ihr auch die nötigsten Kredite vorenthalten wollte. Finanziell unabhängig, zog sich Schalk aus dem offiziellen politischen Leben zurück und führte in seiner Junggesellenwohnung Siebensterngasse 38 das Leben eines fröhlichen unbekümmerten Bonvivants. Da wurde, nach dem Tode Stürgkhs, noch unter Kaiser Franz Joseph, Ernest von Koerber 4 3 1 ) wieder Ministerpräsident. Als er nach 1900 zum erstenmal diesen Posten innehatte, stand Schalk in schärfster Opposition zu ihm. Schalk war durch seine im Plenum vorgebrachte Prophezeiung berühmt geworden: „ H e r r Ministerpräsident, Sie scheinen nicht zu wissen, daß es bei Ihnen Abend wird ! " Nun 1916 trafen sich die beiden wieder, und Schalk wuchs bei Koerber in wenigen Tagen in eine Vertrauensstellung hinein, die er sich wahrscheinlich noch wichtiger vorstellte, als sie war. Koerber zog ihn bei allen Gelegenheiten ins Vertrauen und ließ sich auch Reden und Briefe von ihm verfassen. Knapp nach dem Sturze Koerbers lernte ich Schalk kennen. Ich war bei ihm zu Gast, eine Situation, die nicht unterschätzt werden durfte. Denn rückschauend muß ich feststellen, daß der Gute wirklich zu Hause doch nur auf einem Gebiete, dem einer wahrhaft überlegenen Kochkunst, war. Koch sein fordere viel Intelligenz, behauptete er immer, und sei
4 " ) Rudolf G r f . Montecuccoli degli Erri (Modena, 2 2 . 2 . 1 8 4 3 - 1 6 . 5 . 1 9 2 2 , Baden/Wien), 1859 als provisorischer Marinekadett in die Kriegsmarine, 5 . 1 0 . 1 9 0 4 - 1 . 5 . 1 9 1 3 Marinekmdt. und C h e f der M a rinesektion/Reichskriegsministerium, 3 0 . 4 . 1 9 0 5 Admiral. 4 3 0 ) G e o r g R . v. Schönerer (Wien, 1 7 . 7 . 1 8 4 2 - 1 4 . 8 . 1 9 2 1 , Rosenau), seit 1879 Führer der deutschnationalen Bewegung in Österreich, Propagator der „ L o s von R o m " - B e w e g u n g . Vgl. H . - E . Pichl, G e org Schönerer und die Entwicklung des Alldeutschtums in der O s t m a r k , B d . I - V I , Wien bzw. O l d e n burg-Berlin 1 9 2 3 - 1 9 3 8 . 4M) Ernest ν. K o e r b e r (Trient, 6 . 1 1 . 1 8 5 0 - 4 . 3 . 1 9 1 9 , B a d e n / W i e n ) , 1872 D r . iur., ab 1874 im Handelsministerium, 2.10.1899-21.12.1899 Innenminister, 18.1.1900-31.2.1904 u. 28.10. 1 9 1 6 - 2 0 . 1 2 . 1 9 1 6 Ministerpräsident. Vgl. A. Ableitinger, Ernest ν. Koerber und das Verfassungsproblem im Jahre 1900, W i e n - K ö l n - G r a z 1973 (Studien zur Geschichte der ö . - u . Monarchie, Bd. 12). Vgl. auch die Zeitungsartikel: A. T h o r s c h , D r . v. K o e r b e r über Franz J o s e p h und Franz Ferdinand, in: N W J . , 1 0 . 7 . 1 9 2 1 , I f . ; A . Spitzmüller, Erinnerungen an Herrn v. K o e r b e r , in: N W J . , 2 8 . 1 0 . 1 9 2 3 , 9 f . ; O . Flandrak, Ernest ν. Koerbers letzte Lebensjahre, in: N W J . , 2 5 . 1 2 . 1 9 2 5 , 11; J . Engelhart, Ein W i e ner Maler erzählt . . . Mein Leben und meine Melodie, Wien 1943, 2 2 9 ff.
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eigentlich ein Beruf für Männer. Einen Kalbsnierenbraten zu bereiten, mit Butter zu beträufeln und was sonst dazugehörte, war für ihn eine sakrale Handlung, die er durch wohlgesetzte Reden und Ratschläge begleitete wie den: „Daß das deutsche Volk doch endlich einmal darben lernen müsse!" Schalk mietete sich nun in Baden eine kleine Wohnung. Dort lernte ich - bei einem Kaffee mit Schlagobers und einem herrlichen Gugelhupf, anno 1917! - Ernest von Koerber kennen, gewiß eine der interessantesten Persönlichkeiten des damaligen politischen Österreich. Koerber war vom Kaiser unmittelbar nach der Thronbesteigung abberufen und durch den böhmischen Hochtory Grafen Clam-Martinitz ersetzt worden. Wir kamen wunderbar ins Gespräch. Er übte in seinem näselnden Ton eine unerhört scharfe Kritik am neuen Kaiser - der Arme konnte es wirklich niemandem recht machen. „Schauen Sie", sagte er, „er befragte zum Beispiel die Abgeordneten Korosec 4 3 2 ) und Tusar 4 3 3 ), ob sie mit mir zufrieden seien; so etwas brauche ich mir nicht gefallen zu lassen." Ich kam noch öfter mit Koerber zusammen, der 1919 in Baden starb. (Korosec war führender Slowene, Geistlicher, und spielte auch in der jugoslawischen Politik noch eine erhebliche Rolle. Tusar war Tscheche, eine Zeitlang Ministerpräsident in Prag und dann tschechischer Gesandter in Berlin. Seine Witwe, nachher mit einem Baron Taxis vermählt, war eine recht nette und liebenswürdige Frau 4 3 4 ), mit der ich später manch anregende Stunde verbrachte. Verhältnismäßig viel verkehrte ich mit den Herren des militärischen Hofstaates, vor allem Brougier, Hunyady und Esterházy; von ihnen erfuhr ich eine Menge, so daß ich meist besser unterrichtet war als meine Chefs. Die Vertretung des Außenamtes hatte seit Ausscheiden des Grafen Thurn-Valsassina und Ritter v. Wiesners letzterer war, wie schon berichtet, Pressechef im Außenministerium geworden, wir hatten die engsten Beziehungen - zuerst der Gesandte Ritter v. Stork 4 3 5 ) inne und dann Graf Max Trautmannsdorf 436 ). Mit beiden verbanden mich freundschaftliche Beziehungen, wir beredeten viele Dinge, bevor sie in die amtlichen Sphären kamen. 4 3 2 ) Anton Korosec (St. Georgen an der Stainz, Stmk., 12. 5 . 1 8 7 2 - 1 4 . 1 2 . 1 9 4 0 , Belgrad), 1895 Priesterweihe, 1905 Dr. theol., 1 9 0 6 - 1 9 1 8 Abgeordneter zum Reichsrat, 1 9 0 9 - 1 9 1 8 auch zum steir. Landtag als Führer der slowen. Volkspartei, ab 4 . 3 . 1 9 1 4 Obmann des kroatisch-slowenischen Klubs im Reichsrat, August 1918 führend bei Gründung des slowen. Nationalrates beteiligt, Oktober 1918 Präsident des Nationalrates des „Staates der Slowenen, Kroaten und Serben", im ersten Belgrader Kabinett stellv. Ministerpräsident, später Inhaber der verschiedensten Ministerien in vielen Kabinetten. 4 3 3 ) Vlastimil Tusar (Prag, 2 3 . 1 0 . 1 8 8 0 - 2 2 . 3 . 1 9 2 4 , Berlin), Gewerkschaftsfunktionär, Journalist, 1 9 1 1 - 1 9 1 8 Sozialdemokrat. Abgeordneter für Mähren zum Reichsrat, 1917 i.d. Schweiz, 1918 Mitglied d. tschech. Nationalausschusses, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 8 Vertreter d. tschech. Staates in Wien, 8 . 6 . 1 9 1 9 - 1 5 . 9 . 1 9 2 0 Ministerpräsident, 1 . 3 . 1 9 2 1 Gesandter in Berlin. 4 3 4 ) Heda Freiin v. Taxis, geb. Wenzel, verw. Tusar, im August 1924, Budapest, vermählt mit Maria Emil Frh. Taxis v. Bordogna u. Valnigra (Fünfkirchen, 1 6 . 6 . 1 8 9 3 - I V . 1945, Budapest), k. u . k . Lt. 4 3 s ) Wilhelm R. v. Storck (Wien, 2 4 . 7 . 1 8 6 8 - ? ) , Zögling der Orientalischen Akademie, Konsulardienst, 1 1 . 3 . 1 9 1 3 Legationsrat an der Gesandtschaft in Belgrad, 4. 8 . - 2 2 . 8 . 1 9 1 4 Vertreter des Ministeriums des Äußeren beim Kmdo. d. Balkanstreitkräfte, sodann Kriegsdienstleistung, 2 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Rtm. i.d. Res., 2 1 . 7 . 1 9 1 5 wieder beim Kmdo. d. Balkanstreitkräfte, 2 . 1 1 . 1 9 1 5 Vertreter des Ministeriums des Äußeren beim Militär-General-Gouvernement in Belgrad, 1 5 . 1 . 1 9 1 6 ins Ministerium einberufen, 1 8 . 2 . 1 9 1 7 Vertreter des Ministeriums beim A O K . , 1 0 . 5 . 1 9 1 8 ins Ministerium eingerückt.
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Außerdem telephonierte ich täglich mindestens einmal mit Wiesner, der natürlich auf die militärischen Ereignisse besonders neugierig war und sich stets beeilte, auch seinen Minister als Bestorientierter auf dem laufenden zu halten. Unsere freien Stunden nachmittags und nach dem Nachtmahl verbrachten wir regelmäßig in dem wunderschönen Kurpark, der sich unmittelbar vor der Terrasse unserer Menage dehnte und dann bis weit hinauf in die Berge zog. Zweimal täglich gab's im Sommer Konzert. Wir stellten uns in der sogenannten Lästerallee auf und ließen die Töchter des Landes, Badnerinnen und Kurgäste, an uns vorüberziehen, wobei sie sich strenge Kritik gefallen lassen mußten, ö f t e r fand sich auch Arz ein, und wenn er nicht irgendwohin verschwand, dieser Lotterbube, ging man ein Weilchen mit ihm. Bei diesem Anlaß stellte er mich einmal einem schönen „Marinepaar" vor. Sie war wirklich von einer Schönheit des Wuchses, des Ganges, des Antlitzes, der Augen, daß man stehenbleiben mußte 4 3 7 ). Er ging auf dem Stocke, war Linienschiffskapitän, war vor nicht langer Zeit als Seeheld aus der Schlacht in der Otrantostraße zurückgekehrt und hieß Nikolaus von Horthy. Er war der spätere Marineoberkommandant und noch spätere ungarische Reichsverweser und noch viel, viel spätere Bewohner der Zelle N r . soundsoviel im Zeugentrakt des Nürnberger International Military Tribunal . . . Daß wir Jungen - bis auf Arz hinauf - inmitten der vielen und reizvollen Weiblichkeit nicht vor Versuchungen gefeit waren und ihnen auch manchmal unterlagen, muß der Vollständigkeit wegen leider auch gesagt werden. Für mich ging das Jahr 1917 noch glimpflich vorüber. Es wäre zu poetisch, den Vergleich mit einem Schmetterling heranzuziehen. Aber mit den Blumen hielt ich es so, wie dieser Zweiflügler. Ich nippte bei vielen. Bedenklicher wurde es im Spätherbst. Ich lernte auf der Eisenbahn W i e n - B a d e n eine Dame kennen, die mich für ein Jahr ziemlich stark fesseln sollte. Es waren schöne Zeiten - Tage und Stunden, höchstens manchmal getrübt durch Eifersucht ihrerseits, die bei meiner Schwäche gegenüber dem anderen Geschlecht wiederholt nicht unberechtigt war. Es täte mir leid, wenn diese Episode in meinem Leben fehlen würde. Auch eine zweite entspann sich in Baden, die allerdings erst nach dem Zusammenbruch in Wien aktuell werden sollte . . . Eines Nachts im Juni 19 1 7 4 3 8 ) wurde ich durch eine gewaltige Detonation aus dem Bette getrieben. Ich eilte ans Fenster meiner Mansarde und sah sofort, was los war. Eines der großen Munitionslager auf dem Steinfeld, am sogenannten Mittel, war in die Luft gegangen. In der Stadt, wo man keine so gute Fernsicht besaß, gab die Explosion zu einer Panik Anlaß. Im Hotel Herzogshof eilte alles in den Keller, 4 3 6 ) Karl G r f . Trautmannsdorf-Weinsberg ( O b e r - W a l t e r s d o r f , 5 . 5 . 1 8 7 2 - 2 . 4 . 1 9 5 1 , Weißenegg), 2 1 . 1 2 . 1 8 9 3 L t . i . d . Res. D R . 14, 1895 Konzeptsassistent im Ministerium des Äußeren, 2 8 . 1 2 . 1 9 1 1 L e gationsrat I. Kategorie, 2 . 9 . - 1 8 . 9 . 1 9 1 4 bei Gesandtschaft in München zugeteilt, 2 4 . 1 . 1 9 1 7 ao. G e sandter u. bevollmächtigter Minister, 1 0 . 5 . 1 9 1 8 Vertreter des Ministeriums des Äußeren beim A O K . 4 3 7 ) Magdolna H o r t h y de Nagybanya, geb. Purgly de Jószáshely (Sofronya, 1 0 . 6 . 1 8 8 1 - 8 . 1 . 1959, Lissabon). 4 3 8 ) Die Detonation ereignete sich in der Nacht vom 16. zum 17. Juni beim Artilleriezeugsdepot Wollersdorf ( G r o ß e s Mittel).
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wobei sich manche vergnügliche Szene ergab. Die Damen erschienen in sehr luftigen Toiletten. Arz und Cramon kamen auf ihre Kosten. Man hatte allgemein einen italienischen Luftangriff gefürchtet. Das Schauspiel, das sich mir bot, war grandios-schauerlich. Alle Augenblicke flog ein Objekt in die Luft; hohe Feuersäulen erleuchteten immer wieder den Himmel. Knall auf Knall folgte fast die ganze Nacht. Des anderen Tages setzten sich Paul Fleck und ich in die „Nähmaschine" und besichtigten die Unglücksstätte. Man durfte nur auf sechshundert Schritt heran. Mehrere Wachtposten waren der Explosion zum Opfer gefallen. Italienischer Luftangriff! Ziemlich genau ein Jahr später war es, da statteten die Italiener wirklich dem Wiener Becken einen Besuch in der Luft ab. Der Führer des Geschwaders war Gabriele d'Annunzio 4 3 9 ). Aber man war damals noch unvergleichlich ritterlicher als fünfundzwanzig Jahre später, d'Annunzio begnügte sich, Flugzettel, deren Inhalt er gedichtet hatte, abzuwerfen. Lächerlich nahmen sich, aus dem heutigen Blickfeld gesehen, die Flak-Geschütze aus. Man hatte ab und zu Rohre von abmontierten Gebirgskanonen auf einem provisorischen Gestell senkrecht aufgepflanzt. Auch die Abwehrgeschütze waren anständig, sie hatten dem Feinde nichts zuleide getan. Ich sah mir das Schauspiel wieder aus der luftigen Höhe meiner Mansarde mit an. Unten in der Stadt war natürlich abermals alles in den Kellern . . . Ich bleibe mit meinen Erinnerungen stark an der Oberfläche der Geschehnisse. Erstens habe ich keinerlei Material zur Hand, um meinem Gedächtnis nachzuhelfen. Dieses ist in dem Jahre Gefangenschaft, das hinter mir liegt, wie bei den meisten Schicksalsgenossen, außerordentlich schlecht geworden. Im übrigen habe ich das Essentielle schon viermal niedergeschrieben, einmal in Cramons Buch, ein zweitesmal im V. Band von Schwartes , , D e r große Krieg", in welchem durch mich zum erstenmal die Politik Österreich-Ungarns in den Jahren 1914/18 dargestellt wurde. Zum drittenmal in meinem öfter zitierten Buch „ D i e Katastrophe", zum vierten- und letztenmal in „Österreich-Ungarns letzter Krieg 1 9 1 4 / 1 8 " , in welchem siebenbändigen Werk die politischen und militärischen Kapitel gleichfalls ausschließlich von mir stammen 4 4 0 ). Uberall sind persönliche Erinnerungen und Mitteilungen „lebender Quellen" reichlich eingebaut. Anfang Juni fragte mich Waldstätten, ob ich mich für den Abwehrkurs in Sedan interessiere. Natürlich tat ich dies. Ich wurde also zusammen mit dem berühmten Artilleristen Oberst Reutter 4 4 1 ), und dem Generalstabsoberstleutnant Hugo Metzger 4 4 2 ), dem Bruder des Generals, dahin kommandiert und fuhr fröhlich nach dem 4 3 9 ) Gabriele d'Annunzio (Pescara, 1 2 . 3 . 1 8 6 3 - 1 . 3 . 1 9 3 8 , Gardone), Dichter, 1898/1900 Abgeordneter, im Weltkrieg Fliegeroffz., verhinderte 1919/20 als Freischarenführer die Internationalisierung Fiumes. Vgl.: D . Cles, Die Propagandatätigkeit Gabriele d'Annunzios gegen Österreich, Wr. Diss. 1972. 4 4 0 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 336. 4 4 1 ) Arthur Reutter v. Vallone (Holleschau, 2 2 . 4 . 1 8 6 6 - 1 5 . 4 . 1 9 5 0 , Wien), 1886 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Korpsartilleriergt. 2 ausgemustert, 1 9 0 1 - 1 9 0 7 und 1 9 1 1 - 1 9 1 4 im Technischen Militär-Komitee, 1 9 1 4 - 1 9 1 8 Art.-Brigadier und Kmdt. von Artillerieverbänden, 1 . 1 1 . 1 9 1 1 Obstlt., 1 . 8 . 1 9 1 4 Obst., 1 . 1 1 . 1 9 1 7 G M . , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert.
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Westen 4 4 3 ). In Salzburg machte ich zum erstenmal seit Kriegsausbruch einen Tag halt, wohnte als nobler Mann im Hotel Europe und erregte namentlich durch meine herrlichen braunen Stiefel Aufsehen. Ich traf hier auch meinen alten Lehrer Oberstleutnant Raschendorfer, der am Rudolfskai in Pension lebte. Wir sprachen über die Kriegsaussichten, und er war etwas indigniert, als ich meinte, eine Partie Remis sei das beste, was wir noch erwarten könnten. Ich sah ihn zum letzten Male. Im Jahre 1919 jagte er sich aus Verzweiflung über den Zusammenbruch eine Kugel in den Kopf. An die Fahrt nach Sedan erinnere ich mich nicht näher, ebensowenig auf die dortige Einquartierung, die gewiß nicht schlecht war. Den Kursus leitete der Generalstabsmajor Kewisch 4 4 4 ), ein energischer Mann und guter Pädagoge. Gegenstand des Kurses war, Regimentskommandeuren der Truppe und höheren Generalstabsoffizieren die neue elastische Verteidigung in der Tiefe des Gesichtsfeldes vorzuführen. Vorübergehend waren auch Graf v. d. Schulenburg 4 4 s ) - seit Verdun Generalstabschef beim Kronprinzen - , General Scheüch 4 4 6 ), der spätere Kriegsminister, und der dicke Prinz Eitel Friedrich 4 4 7 ) anwesend. Bei diesem Anlaß wurden die Kämpfe um Sedan 1870 besprochen. Im übrigen fuhren wir täglich ins Gelände. In meinem Auto war unter anderen der damalige Erbgroßherzog von Oldenburg 4 4 8 ) eingeteilt. In Österreich hätte ein Mann seines Ranges selbstverständlich den Ehrenplatz im Fond zugewiesen erhalten. In Sedan mußte er, da er nur Oberleutnant war, auf dem Klappsitz Platz nehmen. Die Übungen waren sehr interessant, manchmal nicht ganz ungefährlich, zumal bei der Vorführung von Minenwerfern, deren Geschosse in der nächsten Nähe der von uns bezogenen Deckung platzten; interessant waren die Beobachtungen privater Natur. Unter den Frequentanten waren Söhne aller deutschen Stämme vertreten. Die Hannoveraner, Hessen, Badener, Württember4 4 2 ) Hugo Metzger (Lemberg, 3 . 3 . 1 8 8 1 - 2 8 . 1 . 1 9 5 0 , Graz), 1900 als Lt. aus der Milak. zu I R . 2 4 ausgemustert, Glstbslaufbahn, 1.10.1908 ins Opbüro des Glstbs. eingeteilt, im Weltkrieg in div. Glstbsabt. und Divisionsgeneralstabschef, 1.2.1917 Obstlt. i . G . , 8 . 3 . - 2 8 . 1 0 . 1 9 1 7 Glstbschef der IDPustertal, . . . Übernahme in Volkswehr und Bundesheer, 1.1.1921 Obst., . . . ab 1 . 7 . 1 9 2 4 Kmdt. der Heeresschule Enns, 1 . 1 . 1 9 2 9 Leiter der Sektion II im Bundesmin. f. Heerwesen, 2 6 . 3 . 1 9 2 9 General, 1930 pensioniert. 4 4 3 ) Genauerer Zeitraum nicht mehr feststellbar. 4 4 4 ) ? Kewisch (?, 5 . 1 0 . 1 8 7 3 - ? ) , 1893 Eintritt in die Armee, 1894 Lt. Grenadier-Rgt.3, 1904 Oblt., 1909 Hptm. im Großen Glstb., Verwendung im Truppenglstb., 2 8 . 1 1 . 1 9 1 4 Mjr., 2 3 . 3 . 1 9 1 5 1. Glstbsoffz. X V I . Armeekorps, Herbst 1916 Führer des IR. 135, April 1917 mit der Leitung der Führerkurse in Sedan beauftragt, 2 7 . 2 . 1 9 1 8 Chef d. Glstbs. X X I I I . Reservekorps, 2 5 . 9 . 1 9 1 9 verabschiedet als charakterisierter Obstlt. 4 4 s ) Friedrich Grf. v. d. Schulenburg (Bobitz, Mecklenburg, 2 1 . 1 1 . 1 8 6 5 - 1 9 . 5 . 1 9 3 9 , St. Blasien/Schwarzwald), seit 1900 im Großen Glstb., 1913 Kommandeur des Regiments der Gardes du Corps, 1914 Chef d. Glstbs. d. Gardes du Corps, Herbst 1915 Chef d. Glstbs. 6. Armee, sodann d. Heeresgrp. Dt. Kronprinz. 4 4 6 ) Heinrich Scheüch (Schlettstadt, Elsaß, 2 1 . 6 . 1 8 6 4 - ? ) , 1883 Eintritt in die Armee, 9 . 1 0 . 1 9 1 8 - 9 . 1 1 . 1 9 1 8 als Generalleutnant preuß. Kriegsminister, 1919 definitiv enthoben. 4 4 7 ) Eitel Friedrich Prinz v. Preußen (Marmorpalais bei Potsdam, 7. 7 . 1 8 8 3 - 8 . 1 2 . 1 9 4 2 , Potsdam), preuß. G M . a . D . 4 4 e ) Nikolaus Erbgroßhzg. v. Oldenburg (Oldenburg, 1 0 . 8 . 1 8 9 7 - 3 . 4 . 1 9 7 0 , Rastede), preuß. Mjr. d. Res.
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ger, Sachsen flogen mir wie Fliegen einer Leimtüte zu. Die Preußen waren nett, aber reserviert. Die Bayern hielten sich völlig zurück, was mir als halbem Landsmann von ihnen ein wenig leid tat. Besondere Freundschaft schloß ich mit einem Grafen Kielmannsegg 449 ), der das hessische Leibregiment befehligte. Er fühlte sich durch Verwandtschaft als halber Österreicher; ich freute mich, ihm nach meinem Einrücken die ersehnte Eiserne Krone verschaffen zu können. Der feine Edelmann fiel in der großen Schlacht von Frankreich, März 1918. Als unerhörter Separatist und Antipode der Landsleute von nördlich des Mains erwies sich Oberst v. Alberti 4 5 0 ), Kommandeur des württembergischen Franz-Josephs-Regiments. Ich habe in unserer Armee noch nie so scharfe Worte über die preußischen Kameraden und ihre Generäle vernommen wie aus seinem Mund. Er ist auch schon lange tot. Nach Beendigung des Kurses machte ich eine kleine Frontreise zu einem Reservekorps nördlich von Verdun und zu anderen Generalkommandos gegen Nordwesten hin. Von einem Beobachtungsstand aus konnte ich, begleitet vom Korpschef, die Türme von Verdun sehen. Ich hörte natürlich manches. Einstimmig war die Klage aller Generäle über die Generalstabs-Sonderhierarchie, für die seit alters her weit mehr als bei uns die Vorbedingungen geschaffen waren und die unter Ludendorff nach der Klage der Generäle zu deren fast völliger Ausschaltung geführt habe. Den Rückweg nahm ich zunächst über Brüssel, das ich mir ansah. Dann fuhr ich über Bingen nach Kreuznach, um einer Einladung durch das Große Hauptquartier Folge zu leisten. In Kreuznach angekommen, wurde ich von Ilsemann, der später den Kaiser ins Exil begleitete, empfangen. Er blieb mein Ehrenkavalier. Ich machte Nicolai und dem österreichischen FML. v. Klepsch-Kloth sowie seinem Stellvertreter Militârattaché Freiherr v. Bienerth meine Aufwartung. Dieses Paar wirkte äußerlich ein wenig komisch. Klepsch-Kloth war klein, von zierlicher Koketterie. Oberst Bienerth, der Bruder des seinerzeitigen Ministerpräsidenten 451 ), der neben mir in Schönbrunn in der Villa Xaire starb, war groß und mächtig, fraß viel und litt nebenbei auch an der Elephantiasis. Als wir an unseren neuen Uniformen herumexperimentierten, ließ sich Klepsch sofort eine Phantasie-Husarengeneralsuniform bauen, mit viel Verschnürung auf Brust und Arm. Wenn die zwei, Klepsch und Bienerth, damals nach Teschen kamen, sagten wir immer: der Elephant und sein Dompteur. Ihre Position im Großen Hauptquartier war nicht sehr gut. Dann 4 4 9 ) Bernhard Karl Hermann Thedel Grf. Kielmannsegg (Celle, 1 8 6 6 - ? ) , 1885 Fhr. im 2. Grenadier-Rgt. 101, 1886 Lt. IR. 103, 1899 H p t m . , 1900 Kp-Chef IR. 177, 2 3 . 9 . 1 9 0 8 Mjr., 2 0 . 3 . 1 9 1 1 Baonskommandeur Leib-Grenadier-Rgt. 100, 1 5 . 3 . 1 9 1 4 Obstlt., 2 8 . 1 . - 3 1 . 1 0 . 1 9 1 5 Rgtskommandeur Schützen-Füsilier-Rgt. 108, 1 6 . 1 2 . 1 9 1 5 Obst., nach Kriegsende GM. a . D . 4 5 0 ) Armand v. Alberti (Ulm, 3 1 . 1 0 . 1 8 6 6 - 2 3 . 3 . 1 9 1 9 , ?), 1886 Eintritt in das Württembergische Grenadier-Regiment Königin Olga N r . 119, 1888 L t . , 1902 H p t m . , 2 3 . 5 . 1 9 1 1 Mjr. u. Adjutant beim Generalkommando X I I I . Armeekorps, 1914 Bataillonskommandeur beim Württembergischen Infanterie-Regiment N r . 120, 2 6 . 1 2 . 1 9 1 5 Kommandeur des Württ. Füsilier-Regiments Nr. 122, 6 . 6 . 1 9 1 6 Obstlt., 2 0 . 9 . 1 9 1 8 Obst. 4 5 1 ) Karl Frh. v. Bienerth (Laibach, 1 3 . 9 . 1 8 7 2 - 2 1 . 9 . 1 9 4 1 , Berlin), 1893 aus der Milak. als Lt. zu D R . 6, Glstbslaufbahn, 3 1 . 1 0 . 1 9 0 8 Ordonnanzoffz. Seiner Majestät und Militârattaché bei der Botschaft in Berlin, 1 . 5 . 1 9 1 0 Mjr. i . G . , u. Flügeladjutant, 1 . 5 . 1 9 1 3 Obstlt. i . G . , 1 . 5 . 1 9 1 5 Obst. i . G . 1 7 . 1 . 1 9 1 8 Glstbschef beim Kriegshafenkmdo. Pola (bis Kriegsende).
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stand ich um Mittag vor Ludendorff. Dieser begrüßte mich freundlich und führte mich zur Karte Galiziens, wo er mir von der Katastrophe von Ostgalizien Mitteilung machte. Kerenski hatte das Kunststück zuwege gebracht, die Russen noch einmal zu einer Anstrengung aufzupeitschen. Gemeinsam mit einer tschechischen Brigade brachen sie im Räume von Zborów bei der unter anderem aus zwei tschechischen Regimentern bestehenden 19. Infanteriedivision ein. Es waren die Regimenter 35 und „ m e i n e " 75er. Die Sache hatte ein großes parlamentarisches Nachspiel. Die Abgeordneten Schürff 4 5 2 ) und Genossen benützten den Vorfall zu einer umfangreichen Interpellation, die die Verrätereien der Tschechen seit Kriegsbeginn behandelte und gedruckt ein dickes Buch ausmachte. Unglücklicherweise fiel meiner Kerkererinnerung nach - der „Verrat von Z b o r ó w " , der sich übrigens nicht als vorheriges Einverständnis mit dem Gegner erwies, sondern lediglich als leichteres Nachgeben der tschechischen Verteidiger gegenüber angreifenden Landsleuten, mit dem Erlaß einer kaiserlichen Amnestie für Kramaf und Genossen zusammen. Ludendorff zeigte gegenüber diesem Akt die typische alldeutsche Einstellung, nach der der Entschluß des Kaisers unter allen Umständen schlecht war. So einfach lagen natürlich die Dinge nicht. An sich war es durchaus verständlich, wenn der Kaiser den Versuch machte, in elfter Stunde die slawischen Nationen, die sich doch zu erheblichem Teile bereits abgewendet hatten, wieder für das gemeinsame Vaterland zu gewinnen. Auf den Namenstag des vierjährigen Kronprinzen anspielend, sagte er in seinem Handschreiben 4 5 3 ), das sicher Polzer entworfen hatte, ,,die Hand eines Kindes werde diese Nation in ihr Vaterhaus zurückführen". Der Fehler war nur, daß die ganze Geschichte, wie aus der Pistole geschossen, losgelassen wurde, statt vorher den Versuch grundsätzlicher Regelungen des Verhältnisses zu den Tschechen doch wenigstens zu wagen. Heute wissen wir, daß sehr wahrscheinlich alles zu spät war. Österreich wäre nur mehr um den Preis eines Sonderfriedens zu retten gewesen, dessen Arrangement erst wieder das Reich außen- und innenpolitisch in kaum überstehbare Krisen gestürzt hätte. Ich war bemüht, Ludendorff diese Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, gleichzeitig sprach ich den bestimmten Zweifel aus, daß es Österreich je gelingen könnte, aus den engen Verquickungen des deutschen Bündnisses auszuspringen. Er müsse aber andererseits Verständnis haben für die Bedingtheiten eines Vielvölkerreiches, das nicht so einfach wie ein Nationalstaat regiert werden könne. Ich versuchte des weiteren, seine Erbitterung gegen den jungen Kaiser, die ich vom deutschen Standpunkt aus sicher verstünde - auch ich selbst sei Deutscher - etwas einzudämmen. Ich kam auch auf die Bismarcksche Idee von dem deutsch-magyarisch beherrschten Donaureich zu sprechen, der der erste Generalquartiermeister ganz offenkundig anhing, und erklärte den Gedanken einer solchen Konstruktion als absolut überholt. Gewiß müßten sich speziell die Deutschösterreicher - vor den Magyaren 4 5 2 ) Hans Schürff (Mödling, 1 2 . 5 . 1 8 7 5 - 2 7 . 3 . 1 9 3 9 , Mödling), Abgeordneter zum Reichsrat für Niederösterreich der Deutschen Volkspartei 1 9 1 1 - 1 9 1 8 , 1919—1934 deutschnationaler Abgeordneter zum Nationalrat. 4 5 3 ) D e r Amnestieerlaß wurde von Ministerpräsident Seidler am 2. Juli 1917 im Justizausschuß des Abgeordnetenhauses bekanntgegeben. Text bei L o r e n z , Kaiser Karl, 373 ff.
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warnte ich ein wenig - auf den reichsdeutschen Rückhalt stärker stützen können, als es bisher zutraf. Aber dieser Rückhalt dürfe nicht aufdringlich geboten werden und nicht so, daß darüber die anderen österreichischen Nationen noch mehr Zeter und Mordio schrieen. Ludendorff folgte nur ungern diesen Ausführungen, aber er sprach ihnen nicht jedes Recht ab. Ich kam auch auf das geringe Verständnis deutscher Offiziere für die österreichischen Verhältnisse zu sprechen, so daß jene Frankreich, England, Japan unvergleichlich besser gekannt hätten als Österreich. Tatsächlich gab es solche reichsdeutsche Kameraden, die sich bei ihrem ersten Zusammentreffen gewundert hatten, daß es unter den Österreichern auch andere Menschen als Deutsche gab; und andere deutsche Offiziere staunten wieder darüber, daß die österreichischen Kameraden deutsch sprachen. Es herrschte blühende Unkenntnis. Am Schluß unserer politischen Debatte besprachen Ludendorff und ich einige Mittel, wie man dem Bündnisgedanken in der österreichischen Öffentlichkeit etwas nachzuhelfen vermöchte. Militärisch gab es die Frage der Militärkonvention zu berühren, die die deutsche Heeresleitung seit 1916 in wechselnder Intensität befaßte. Als damals der noch in Galizien befehligende Erzherzog Carl davon hörte, ließ er Conrad kommen und trug ihm ausdrücklich auf, daß er eine Fortführung solcher Erörterungen nicht wünsche. Ich selbst war, offen gestanden, Feuer und Flamme für den Gedanken, mit dem ich mich zum ersten Male bei meinen Unterredungen mit Friedjung befaßt hatte. Erstens imponierte mir das deutsche Heer ganz außerordentlich, vielleicht sogar um einen Grad mehr, als es berechtigt war im Vergleich zu den militärischen Leistungen, die uns Österreichern mit unserem unvergleichlich schwierigeren Kriegsinstrument auferlegt waren. Ich versuchte zwar immer, auch hier die richtige Formel zu finden, und hatte bei der Vorlage des Heeresberichtes mit Conrad manche, von mir natürlich entsprechend bescheiden geführte Auseinandersetzung. „Exzellenz", trachtete ich Conrad zu beruhigen, „es ist falsch, wenn wir immer unsere absoluten Leistungen vergleichen und gleichstellen wollen. Man kann dies auch nicht zwischen einem Keulenträger und einem MG-Schützen tun. Wohl werden wir aber nie schlecht fahren, wenn wir unsere relativen Leistungen in Vergleich ziehen. Sehen wir nur auf die Polen und Elsässer im deutschen Heere - wenn wir nach den preußischen Methoden unseren Staat und unsere Armee leiten würden, wären beide längst auseinandergelaufen!" Gleiches sagte ich auch zu Ludendorff, der aufmerksam zuhörte. Was aber die Militärkonvention anlangt, so versprach ich mir davon, daß wir erstens auf dem Gebiete der Technik viel lernen könnten und daß wir zweitens - durch ein womöglich von den beiden Parlamenten gebilligtes Wehrbündnis - einen Teil der Fesseln abzustreifen vermochten, die uns unser parlamentarischer Betrieb immer wieder in militärischen Fragen auferlegte. Natürlich durfte ein solcher Wehrbund in keiner Weise die staatlichen Souveränitäten einseitig beschneiden. Wenn auf diesem Gebiete Opfer gebracht wurden, mußten sie auf beiden Seiten gleichmäßig gebracht werden. Der größere Verzicht ergab sich ja automatisch ohnehin für den schwächeren Partner. Neben diesen Themen gab es noch eines auf dem Gebiete der Kriegführung. Das Malheur von Zborów war nicht das einzige gewesen. Auch südlich des Dnjestr ge-
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lang es - und zwar vor allem gegenüber kroatischen Divisionen, die früher zum Besten vom Guten gehörten - den Russen, bei Stanislau einen schweren Einbruch zu erzielen 454 ), der nicht nur das Petroleumgebiet von Drohobycz schwer bedrohte, sondern noch einen anderen Nachteil mit sich bringen konnte. Wir hatten nämlich um Lemberg die Aufstellung einer Gegenangriffsgruppe eingeleitet, die der russischen Kampfkraft endgültig den Garaus bereiten sollte. Wenn jedoch der Einbruch südlich von Dnjestr weiter gegen Westen Raum gewann, so konnte es geschehen, daß man die Angriffsgruppe zum größten Teil in diesem Raum verpulvern mußte. Damit wäre der andere Plan unausführbar gewesen. Uber die Frontpropaganda sagte Ludendorff interessanterweise: „Eigentlich hatte Ihr Kaiser doch recht, dieser Verkehr zwischen den Fronten war für die Soldatenmoral eine gefährliche Sache, ich bin froh, daß er vorüber ist." Dachte er dabei auch an die plombierten Wagen, in denen er Lenin und Trotzkij aus der Schweiz nach Rußland bringen ließ? Nach fast einstündiger Anwesenheit bei Ludendorff wurde ich zu Hindenburg geführt. Er kam mir freundlich entgegen, dankte mir für die besonders nützliche Zusammenarbeit mit der deutschen Mission in Baden und überreichte mir das Eiserne Kreuz erster Klasse, eine für Ausländer meines Ranges äußerst seltene Auszeichnung 455 ). (Das EK 2 besaß ich bereits seit Herbst 1915). Ich trug das ΕΚ 1 nach der Mode, die ich im ersten A O K . vorgefunden hatte, meist allein, so daß mich Oberst Beyer einmal fragte, ob ich denn ein deutscher Offizier sei. N u n legte ich auch das MVK. mit den Schwertern an, das mich ja wirklich auch sehr gefreut hatte. Zum Frühstück im Casino der Operationsabteilung wurde ich zwischen Hindenburg und Ludendorff gesetzt. Ich lernte dabei die Größen der engsten Umgebung Ludendorffs kennen, so Wetzell 456 ), Bauer 457 ) und andere - entweder auf den glei454 ) Nach dem Erfolg der Russen bei Zborów am 1. Juli 1917 begann am 8. Juli ein Angriff der russischen Armee gegen die Linie Stanislau-Kalusz (k. u . k . 3. Armee), insbesondere gegen die 15. ID. Die knapp südlich davon stehenden 36. u. 42. ID. des kroatischen Korps wichen aus, ohne den äußersten Widerstand geleistet zu haben. 455 ) Die Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen des Eisernen Kreuzes I. Klasse wurde mit Personalverordnungsblatt Nr. 41 v. 4.3.1918, 1767, erteilt. Bereits mit Personalverordnungsblatt Nr. 51 v. 13.3.1916, 1431, war die Erlaubnis zum Tragen des Eisernen Kreuzes II. Klasse erfolgt. Die Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse mit Kriegsdekoration war mit Personalverordnungsblatt N r . 227 v. 11.12.1916, 6484, erfolgt. 456 ) Georg Wetzell (Niederlenbach, Hessen, 5.3.1869-?), 1891 Lt. Pionier-Bataillon 20, später in IR. 144, Glstbslaufbahn, 1.10.1912 Mjr., seit 1915 Chef des Glstbs. III. Armeekorps, Herbst 1916 September 1918 Chef der Operationsabteilung der O H L . , 18.12.1917 Obstlt., nach dem Umsturz Chef des Glstbs. des Wehrkreises III (Berlin), 1.10.1920 Obst., Inspekteur der Nachrichtentruppen, 1.12.1923 G M . , 1926 Chef des Truppenamtes, 1.2.1927 Generalleutnant, im Stabe des Gruppenkommandos 1, 30.10.1927 verabschiedet als charakterisierter General der Infanterie, dann Herausgeber der neugegründeten Zeitschrift „Deutsche Wehr", 1930 Generalberater der Chinesischen Nationalregierung, 1934-1940 Hauptschriftleiter des „Militärwochenblattes", zahlreiche Zeitungsartikel, zwei Bücher: „Von Falkenhayn zu Hindenburg-Ludendorff", 1921; Wer ist der Beherrscher Europas? (ohne Verfassername), 1921. 4 " ) Max Bauer (Quedlinburg, 31.1.1869-6.5.1929, Shanghai), Artillerieoffizier, seit 1908 in der Aufmarschabt. des Großen Generalstabes, während des Weltkrieges an vielen politischen und militari-
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chen Tag oder den folgenden fiel der Sturz Bethmanns durch die O H L . , Bauer hatte entscheidenden Anteil genommen. Es war eine eigentümliche Aktion, denn die O H L . hatte nur einen Kandidaten und das war ausgerechnet Fürst Bülow 4 5 8 ). Ihn nach allem, was einst vorgefallen war, dem Kaiser zu präsentieren, war schon ein starkes Stück, aber auch der Bundesgenosse mußte im Hinblick auf die Freigebigkeit, die Bülow im Frühjahr 1915 den Italienern gegenüber mit österreichischem Boden an den Tag gelegt hatte, einen solchen Kanzler ablehnen. Der Botschafter Gottfried Prinz Hohenlohe, auch ein Schwiegersohn des Erzherzogs Friedrich, ließ bei der deutschen Regierung keinen Zweifel darüber bestehen. So war durch die O H L . wohl ein Kanzler gestürzt, aber man sah weit und breit keinen geeigneten Nachfolger - außer vielleicht Ludendorff, der aber keine Lust zeigte, das schwere Erbe zu übernehmen. Das Ergebnis der ganzen Krise war die Berufung des völlig unbekannten Michaelis 4 5 9 ) - die O H L . hatte mit dieser Art Politik zu machen vor allem dem Kaiser und der monarchischen Institution den ersten schweren Stoß versetzt. Zwischen Hindenburg und Ludendorff gesetzt, fühlte ich mich in meiner Hauptmannserbärmlichkeit zuerst doch etwas beengt. Erst nach einiger Zeit vermochte ich mich am allgemeinen Gespräch zu beteiligen. Es ging nicht wesentlich über das Gesellschaftliche hinaus, so daß ich mich nur mehr auf sehr wenig besinne. Hindenburg tischte seine österreichischen Erinnerungen auf. Vom Anfang seiner Dienstzeit, seiner Verwundung bei der Gardedivision vor Königgrätz, vom Ende, wie er bei einem Kuraufenthalt in Meran der Kaiserjägerrekruten-Ausbildung zugesehen und die österreichischen Methoden mit Wohlgefallen verfolgt habe. Ludendorff meinte bei Gelegenheit, der österreichische Generalstäbler avanciere so rasch, worauf ich frech antwortete, eine Beförderung zum General der Infanterie mit sechsundvierzig Jahren sei auch nichts Alltägliches - er war es nämlich im Herbst geworden. Mit Wetzell sprach ich über die Verhältnisse auf dem Balkan und über die südslawische Frage, die ihn offenbar interessierte. D e r Abschied von 4en großen Dioskuren fiel gnädig aus wie die Ankunft, Ludendorff bat mich noch, „seinen Herren" in Baden weiter so treue Kameradschaft zu halten wie bisher. IIsemann brachte mich im Auto nach Bingen, von wo ich zunächst nach Straßburg fuhr, um mir diese Stadt anzuschauen, dann ging's auf geradem Wege nach Wien und Baden zurück. Arz und Waldstätten interessierten sich für meine Erlebnisse relativ wenig. Sie hatten auch den Kopf mit allen möglichen Sorgen voll. Dafür lud mich der Kaiser, als ich mich bei ihm meldete, zu einer längeren Unterredung ein. Die Meldung ersehen Aktionen der D O H L . beteiligt, Teilnahme am Kapp-Putsch 1920 und an den zahlreichen rechtsradikalen verschwörerischen Aktivitäten in Bayern, Österreich und Ungarn bis 1922. Seine Erinnerungen: D e r G r o ß e Krieg in Feld und Heimat, 1921. Vgl. über ihn: Adolf V o g t , O b e r s t Max Bauer. G e n e ralstabsoffizier im Zwielicht, 1 8 6 9 - 1 9 2 9 , O s n a b r ü c k 1974 (Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung, B d . 6). 4 5 8 ) Bernhard Fürst Bülow (Klein Flottbeck bei Altona, 3.5.1849-28.10.1929, Rom), 2 0 . 1 0 . 1 8 9 7 - 1 7 . 1 0 . 1 9 0 0 dt. Staatssekretär des Auswärtigen, sodann bis 10. 7 . 1 9 0 9 Reichskanzler. D e z . 1 9 1 4 - M a i 1915 Sonderbotschafter am Quirinal. 4 5 9 ) G e o r g Michaelis (Haynau, Schlesien, 8 . 9 . 1 8 5 7 - 2 4 . 7 . 1 9 3 6 , Bad Saarow, M a r k ) , preuß. Staatsbeamter, 1 4 . 7 . 1 9 1 7 - 3 1 . 1 0 . 1 9 1 7 Reichskanzler.
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folgte in der Villa Böhm neben dem Kurhaus, die seit Conrads Abgang der H o f staat mit Beschlag belegt hatte. Der Kaiser, gnädig wie immer, forderte mich auf, ihn bei einem Spaziergang im Park zu begleiten. Ich erzählte ihm, entsprechend dosiert, alles was ich erlebt hatte, besonders genau meine Unterredung mit Ludendorff, „diesem ekelhaften Preußen", wie der Kaiser den Generalquartiermeister nannte. Der Monarch stellte verschiedene naive, aber auch einige recht kluge Fragen. Er trat dann selbst stärker aus sich heraus, als ich es von ihm erwartet hatte. Die Militärkonvention bereitete ihm gar keine Freude. „Halten Sie es nicht für prinzipielle Bündnisfeindlichkeit, wenn ich Ihnen sage", meinte der Kaiser, „daß Österreich nach dem Kriege trachten muß, etwas aus der deutschen Klammer herauszukommen. Österreich kann, wenn ihm dies gelingt, für Europa und damit auch für Deutschland mehr tun als als Satrap der Hohenzollern. Mein Onkel Franz Ferdinand suchte ein Gegengewicht im Dreikaiserbündnis, damit ist es seit der russischen Katastrophe vorüber ! Das europäische Problem ist bis auf weiteres das deutsch-französische. Wenn wir nicht der Deutschland-Hörigkeit verdächtig sind, dann können wir gerade in dieser Richtung viel leisten. Wir sind bei den Franzosen nicht unbeliebt, vielleicht könnten wir den Vermittler spielen, zumal wenn es dort zu einer monarchischen Restauration kommen würde." Auch zur Friedensfrage äußerte sich Karl in auffallend freier Weise, ohne konkrete Vorgänge hinter den Kulissen zu berühren: „ M i r liegt es fern, an Deutschland Verrat üben zu wollen. Aber die Existenz der Monarchie fordert es, daß wir noch in diesem Jahre zu einem Frieden kommen. Jawohl, noch in diesem Jahre! Ohne Opfer auf beiden Seiten des Bündnisses wird es nicht abgehen. Die Deutschen sind auch großzügig, wenn es um unsere Tasche geht, alle Augenblicke hört man, wir sollten Südtirol, die dalmatinischen Inseln und weiß Gott was noch abtreten. Aber wenn ich mit einem Worte Elsaß-Lothringen berühre, dann sind sie böse. Natürlich wird die Situation Österreich-Ungarns, je länger der Krieg andauert, umso schlechter, auch insofern, als sich unsere jetzigen Feinde mit dem Gedanken zu befreunden beginnen, Deutschland, das sie in der Front nicht schlagen können, durch die Zertrümmerung der Donaumonarchie in den Rücken zu fassen. Es ist sehr tragisch, aber jeder deutsche Sieg, der keine volle Entscheidung bringt, verschlechtert unsere Lage in dem eben geschilderten Sinne." Dann kam er auf die „Amnestie" zu sprechen. „ I c h weiß, man ist auch in der Armee deshalb böse auf mich, und ich selbst bin über das Verhalten der Tschechen enttäuscht. Gegenüber meinem Entgegenkommen nicht eine Spur von Gegenleistung auf ihrer Seite! Trotzdem müssen wir alles daransetzen, auf dem Wege der inneren Befriedung weiterzukommen. Sie bietet das einzige Gegengewicht gegen die Zerstörungstendenzen von außen." Ich wagte, auf das Hindernis hinzuweisen, das gerade in der jüngsten Zeit Ungarn darbot. Der Kaiser meinte traurig, ich möge recht haben; doch zeige Ungarn immerhin eine solche Festigkeit, daß es unzweckmäßig wäre, auch mit dieser noch herumzuexperimentieren. Nach fast einstündiger Audienz in dem schönen Garten meldete ich mich beim Kaiser ab. Dieser junge Herr hatte wirklich eine Last auf seinen Schultern, der ein Napoleon nicht gewachsen wäre - so dachte ich mir resigniert.
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Ich habe über Ungarn einiges nachzutragen. Anfangs Mai 4 6 0 ) verabschiedete der König seinen Ministerpräsidenten Tisza. Uber die Gründe mag man in der reichen Literatur nachlesen. Zu Tiszas Nachfolger wurde der sechsunddreißigjährige Moritz Graf Esterházy 461 ), bisher Ordonnanz-Offizier im hocharistokratischen Stabe Böhm-Ermollis, berufen. Ich hatte Esterházy damals nur flüchtig gekannt, war aber später zu ihm in Beziehungen getreten, und zwar in den zwanziger Jahren im Hause Schönburg. Von da an besuchte er mich jedesmal, wenn er nach Wien kam. Entweder erschien er bei mir in der Kanzlei oder ich bei ihm im Esterházy-Haus in der Kärntner Straße. Moritz galt in jungen Jahren als sogenanntes Wunderkind offenbar auch der Grund für seine Berufung. Beim AOK. war insbesondere Waldstätten über Tiszas Sturz sehr traurig. Er betrachtete diesen als nationales Unglück. Ich teilte diese Trauer nicht, da mir Tisza genau als solcher magyarischer Chauvinist erschien, wie es die anderen waren. Er war allerdings ein ganzer Mann und ging halb blind, wie er war, als Oberst zu seinem ersten Honvédhusarenregiment in den italienischen Schützengräben an die Nordfront. Esterházy brachte nichts vorwärts, er machte schon im August einem der geschicktesten und verschlagensten ungarischen Politiker, des Schwaben Wekerle Sándor, Platz, der schon einmal, in den neunziger Jahren, Minister Franz Josephs gewesen war. Schon vorher führte mich der Zufall öfter mit dem temperamentvollen Generalstabshauptmann Gömbös zusammen, der , beim k . u . k . Chef des Ersatzwesens, GO. Hazai 462 ), recte Kohn, einem 50-Kreuzer-Magyaren und frühem Honvédminister, eingeteilt war. Gömbös ließ mich nicht im Zweifel darüber, daß der Kaiser entschlossen war, in die Schaffung einer eigenen ungarischen Armee einzuwilligen, das heißt, das letzte starke Bollwerk der Gemeinsamkeit, das gemeinsame Heer, zu zerschlagen. Als alter Franz-Ferdinand-Mann war ich über diese Entwicklung nicht erfreut. Ich ahnte sie aber seit längerem. Und da sie in der ungarischen Presse ganz offen besprochen wurde, gab ich das Thema entgegen der Absicht der k. u. k. Regierung auch für die österreichischen Zeitungen frei. Der erste Artikel erschien in einer von Schager, Militär-Auditor in der kaiserlichen Militärkanzlei, herausgegebenen juristischen Zeitschrift 463 ). Schon in den letzten Teschener Wochen hatte ich zu Fischer Lajos erklärt, ich sei nun in die Unabhängigkeitspartei, und zwar in die österreichische, eingetreten. 460)
Die Demission Tiszas erfolgte am 2 1 . 5 . 1 9 1 7 , der König nahm sie am 2 3 . 5 . 1 9 1 7 an. Moritz Graf Esterházy (Majk, Ungarn, 2 7 . 4 . 1 8 8 1 - 2 6 . 6 . 1 9 6 0 , Wien), Großgrundbesitzer, 1 5 . 6 . - 2 0 . 8 . 1 9 1 7 ung. Ministerpräsident, 2 5 . 1 . 1 9 1 8 - 8 . 5 . 1 9 1 8 ung. Minister f. Volkswohlfahrt; 1 . 1 0 . 1 9 0 1 als EF. bei HR. 9, 1 . 1 . 1 9 0 3 Lt. i . d . Res. HR. 15, ab Kriegsbeginn reit. O r d o n n a n z o f f z . beim 2. Armeekmdo., 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Oblt. i . d . Res., XI. 1 9 1 4 - 2 0 . 5 . 1 9 1 5 in der Nachrichtenabt./AOK., 1 5 . 6 . 1 9 1 7 Rtm. i.d. Res. Im Haus-, H o f - und Staatsarchiv erliegt ein kurzes Typoskript mit Erinnerungen aus seinem Leben. 4 6 2 ) Samuel Baron Hazai (Rimaszombat, 2 6 . 1 2 . 1 8 5 1 - 1 3 . 2 . 1 9 4 2 , Budapest), 1 . 1 1 . 1 8 7 4 als Kadett namens Kún (Khon-Hazai) Samu aus der Ludovicaakademie zu k . u . 5 1 . LBaon, 1876 Namensänderung auf Hazai, 1 . 5 . 1 8 7 6 Lt., Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 0 7 G M . , 1 7 . 1 . 1 9 1 0 Honvéd-Minister, 1 . 8 . 1 9 1 4 G d l . , 1 . 1 1 . 1 9 1 6 G O . , 1 9 . 2 . 1 9 1 7 enthoben und ernannt zum Chef des Ersatzwesens für die gesamte bewaffnete Macht (bis Kriegsende). 4 6 3 ) H. Kelsen, Zur Reform der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wehrmacht Österreich-Ungarns, in: Zeitschrift für Militärrecht, Jg. 1917, 8 - 2 4 . Die Zeitschrift erschier, nur 1 9 1 7 . 461)
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Die Vorarbeiten, die bald in Angriff genommen wurden, hätten eigentlich ins Arbeitsgebiet der Organisationsgruppe unter Srbik gehört. Bei meinen Beziehungen zu Gömbös und zur 5. Abteilung des Kriegsministeriums jedoch fielen sie automatisch mir zu. Gömbös und ich nahmen die Bildung je einer kaiserlich-österreichischen und einer königlich-ungarischen Armee in Aussicht, wobei sämtliche, in die Kronrechte gehörenden militärischen Kommandobefugnisse, die bisher zum Teil durch die drei militärischen Ministerien - Kriegs-, Landesverteidigungs-, Honvéd ausgeübt wurden, einem allerhöchsten Oberbefehl mit dem Chef des Generalstabes vorbehalten bleiben sollten 4 6 4 ). Ein besonderer Wunsch der Magyaren war auch die Teilung der Militärkanzlei in eine österreichische und eine ungarische. Es war schon so gut wie ausgemacht, daß Zeidler-Sterneck als künftiger Generaladjutant über beiden thronen sollte. Mir sagte er einige Monate später: „ D i c h hat der Kaiser für die österreichische Militärkanzlei in Aussicht genommen." Auf den Kriegsschauplätzen hatte sich inzwischen Bedeutsames zugetragen. Am 19. Juli war bei Zborów in Ostgalizien der große Gegenstoß der Verbündeten losgebrochen. Er führte zur Wiedergewinnung von Ostgalizien und der Bukowina. Der Kaiser hatte sich auf den Kriegsschauplatz begeben und war dort unter anderem mit dem Zaren Ferdinand der Bulgaren zusammengetroffen. In der Presseberichterstattung ergab sich durch die unkontrollierten Sondertouren Werkmanns, des Pressechefs am Allerhöchsten Hoflager, manche Unebenheit, die nachher ausgetragen werden mußte. Im Nordosten des Reiches stand kein feindlicher Soldat mehr auf österreichischem Boden. Das Oberkommando hatte der Oberbefehlshaber Ost, G F M . Prinz Leopold von Bayern 4 6 5 ), Schwiegersohn des verstorbenen Kaisers, mit General Max Hoffmann als Chef des Generalstabes, geführt. Unter ihm stand Böhm-Ermolli, dessen Generalstabschef Bardolff dem jungen Herrn wegen seiner engen Beziehungen zu deutschen Stellen längst ein Dorn im Auge war. Am 17. August beging Österreich-Ungarn das erste und das vorletzte Mal den Geburtstag des jungen Kaisers. Wie wir ihn in Baden begingen, weiß ich nicht mehr. Besonders feierlich verlief er in der Villa Wartholz, des Kaisers bescheidener, von Ferstl 4 6 6 ) erbauter Sommerresidenz bei Reichenau am Fuß der Rax. Schon seit Monaten hatte auf kaiserlichen Befehl eine aus Erzherzog Friedrich, dem greisen General Galgótzy und dem G O . Bolfras bestehender Ausschuß die Theresienordengesuche, die schon in reicher Zahl vorlagen, durchgesehen und zwölf des Ritterkreuzes würdige Offiziere aller Chargengrade ausgesucht. Der Kaiser entbot sie und alle schon beteiligten Inhaber des hohen Ordens zum Geburtsfest nach Reichenau und verlieh ihnen auf der Terrasse der Villa im Angesicht des Schneeberges und der Rax das Ordenszeichen. Mit dem Besitze des Ordens war der einfache 4M) Vgl. dazu: J . C h r . A l l m a y e r - B e c k , A O K . und „ A r m e e f r a g e " im Jahre 1918, in: Ö M Z . , Jg. 6/1968, 4 3 0 - 4 3 5 . 4 6 5 ) Leopold Prinz v. Bayern (München, 9 . 2 . 1 8 4 6 - 2 8 . 9 . 1 9 3 0 , München), kgl. bayerischer u. kgl. preußischer G F M . Verheiratet W i e n , 2 0 . 4 . 1 8 7 3 , mit Ehgin. Gisela v. Österreich, T o c h t e r Kaiser Franz Josephs I. 4 6 6 ) Die „Villa W a r t h o l z " wurde 1869 von Heinrich Ferstel für Ehg. Karl Ludwig entworfen und 1870 bis 1872 ausgeführt. Vgl. N . Wibiral, Heinrich Ferstel und der Historismus in der Baukunst des neunzehnten Jahrhunderts, W r . Diss. 1972, 1 4 2 f . , 2 7 7 f .
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Adel ,,νοη" automatisch verbunden. Wer darum einkam, erhielt den Freiherrentitel. Alle Beliehenen taten es, nur Boroevic, erst seit einigen Jahren ,,v. Bojna", erklärte, er wolle warten, bis er sich den Grafen vom Isonzo verdient habe. Unter den neuen Rittern war mein auch hier schon genannter Freund Robert Procházka von Kaiserschützen II, der den Orden für die ohne jeden Befehl von oben auf eigene Verantwortung -unternommene Erstürmung des Brückenkopfes Zaleszcyki am Dnjestr (12. Mai 1915) erhielt. Man hatte zu Kriegsbeginn mancherlei Bedenken gehabt, die bekannten Statuten des schon ausgestorbenen Ordens wieder aufleben zu lassen. Diese eigenartigen Satzungen hatten in den letzten Kriegen manche der Sache nicht nützliche, ehrgeizige Tat provoziert. Außerdem war in den Zeiten des Telephons und des Autos kaum die Gelegenheit, ohne unnötige Verletzung der vorgeschriebenen Berichts- und Meldepflicht die Ordensstatuten zu erfüllen. Dennoch hatte der alte Kaiser die Statuten völlig identisch mit den ursprünglichen erneuert. Sie wurden in der Folge sinngemäß angewandt. Bei Procházka war ausnahmsweise nicht die geringste Konzession an die Forderungen des modernen Gefechtes nötig. Am 17. August 1918 wurden nochmals zwölf Ritter ernannt. Es war die letzte regelrechte Promotion, schon durch ein Ordenskapitel nach Vorschrift dem Souverän des Ordens, dem Kaiser, vorgeschlagen und von diesem die Verleihung durchgeführt. Nach dem Kriege bestand das Kapitel weiter. Es konnte allerdings keine Ordensverleihung vornehmen, sondern nur die Würdigkeit zum Orden bezeugen. Immerhin schickte man dem Kaiser jedes Kapitelergebnis zu, damit er es unterschreibe. Natürlich hatte auch er kein Recht mehr, eine Ordensverleihung vorzunehmen, da er durch die Erklärung vom 11. 11. 1918 auf die Ausübung aller Regierungsgeschäfte, also auch der Verleihung von Auszeichnungen, verzichtet hatte. Die letzte Unterschrift setzte der unglückliche'Kaiser unmittelbar nach dem ersten Restaurationsversuch in Ungarn zu Hertenstein unter einen Kapitel-Vorschlag. Dann tat er es nicht mehr - wegen Horthy. Wie dies kam, wird noch zu streifen sein. Mit dem Tode Kaiser Karls starb auch der letzte Großmeister. Das Kapitel tagte weiter. Nach dem Tode des bisherigen Kanzlers Conrad v. Hötzendorf trat G O . Dankl an dessen Stelle. Inzwischen waren in Ungarn Kräfte am Werke, die nachweisen wollten, daß der Orden - als von der Königin Maria Theresia gestiftet eigentlich Ungarn gehöre. An der Spitze dieser Gruppe marschierte der Kroate Oberst Petrichevich 467 ), Theresienritter für die Dnjestr-Schlachten. Aber Dankl und die Wiener ließen nicht locker. Im Jahre 1930 wurden die Würdigkeitserklärungen eingestellt - es waren insgesamt hundertzwanzig ausgegeben worden, gegenüber zum Beispiel über neunhundert Pour-le-mérite-Rittern in der deutschen Armee. Das Ordenskapitel war demnach noch immer sehr streng. Es gab nur ganz 4 6 7 ) Georg Petrichevich (auch Petricevic) (Temesvár, 1 8 8 0 - 3 . 2 . 1 9 4 9 , Budapest), 1899 als Kadett-Offiziersstellvertreter zu I R . 4 2 , 1 . 1 1 . 1 9 0 0 L t . , 1 . 5 . 1 9 1 4 H p t m . I R . 16, zeichnete sich am 2 8 . 2 . 1 9 1 5 im Ortskampf um Sielec aus (dafür später Zuerkennung des Militär-Maria Theresien-Ordens), 3 0 . 2 . 1 9 1 5 schwer verwundet, gefangen, 1920 Heimkehr, später Obst. d . R .
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wenige strittige Fälle. Im Jahre 1938 nach dem Anschluß verwandelte sich das Kapitel in eine Ordensvereinigung. Im Zweiten Weltkrieg verlieh Horthy den ruhmvollen Orden in einem einzigen Fall in der Ritterkreuzklasse 4 6 8 ). Wenige Tage nach dem 17. August 1917, an welchem der Kaiser dreißig Jahre alt geworden war, erdröhnte am Isonzo neuerlich der Felsboden von den schweren italienischen Geschossen - es war zum elftenmal seit Pfingsten 1915, daß es zu einer großen Schlacht kam. Inzwischen war schon am 30. Juli mein Freund Zsiga Schilhawsky bei Waldstätten mit einer Denkschrift erschienen. Schon in der zehnten Schlacht hatte alles an einem Faden gehangen, daß der Italiener nicht über die Hermada Triest erreichte. Es war, führte Schilhawsky aus, nun höchste Zeit, daß man durch einen Gegenstoß den Welschen auf Respektdistanz zurückwies. Dies könne nur unter Mitwirkung der Deutschen geschehen. Waldstätten und Arz waren mit den Vorschlägen einverstanden. Nicht so leicht war der Kaiser dafür zu bekommen, der eine neue Abhängigkeit von Deutschland befürchtete. Die Einzelheiten der weiteren Entwicklung sind in den mehrfach genannten Werken dargestellt, sie können hier übergangen werden. Die elfte Schlacht, die am 17. August begann, setzte unsere Isonzofront neuerlich unter schweren Druck. Zumal in der Mitte der Isonzo-Stellung hatte es vorübergehend den Anschein, als würden unsere Linien über die Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist hinter das Cepovan-Thal zurückgedrückt werden, was das Konzept unseres Aufmarsches für den Gegenschlag außerordentlich gestört hätte. Boroevic scheint zu solchem Entschluß schon geneigt gewesen zu sein, da gebot vor allem F M L . Goiginger 4 6 9 ) dem anstürmenden Feinde einen energischen Halt. Als die Schlacht zu Ende war, unternahm ich wieder eine Frontreise. Natürlich zog mich Tirol an. Diesmal besichtigte ich die Dolomitenfront, ließ mich auf den Monte Piano hinaufziehen, wo die Verhältnisse zwischen Freund und Feind noch schwieriger waren als auf dem Pasubio - zumal es im Augenblick wenig Schnee gab. Nachher „kneipte" ich Erinnerungen im Höllensteintal, stieg auf die Plätz4 6 8 ) A b September 1925 ist in der Kanzleiregistratur aktenmäßig nachweisbar, daß Gerüchte, der M i litär-Maria Theresien-Orden solle als ungarischer O r d e n beansprucht werden, bestanden. Diese erhielten dann anläßlich einer Rede H o r t h y s 1929 eine offizielle Bestätigung. Als das Ordenskapitel ein derartiges Ansinnen ablehnte, zog sich der Streit bis Juli 1940 hin, ohne daß er irgendwie zum Abschluß kam. Im Jänner 1944 verlieh H o r t h y zum ersten und einzigen Mal ein Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens an Kornelius Oszlányi (Näheres nicht bekannt). V g l . : J . Wellenreiter, Die Spaltung des Militär-Maria Theresien-Ordens durch Ungarn, M s . , 82 S., (Archiv des Militär-Maria Theresien-Ordens, H s c h r . 5). 4 6 9 ) Ludwig Goiginger (Verona, 1 1 . 8 . 1 8 6 3 - 2 8 . 8 . 1 9 3 1 , N e u s t i f t / G r a z ) , 1881 aus der Geniekadettenschule als Kadett-Offiziersstellvertreter zu G e n i e r g t . 2 , 1 8 . 8 . 1 8 8 4 L t . , Glstbslaufbahn, 2 7 . 2 . 1 9 1 2 K m d t . 122. I B r i g . , 2 3 . 5 . 1 9 1 2 G M . , im Weltkrieg Brigadier u. ab 1 . 1 0 . 1 9 1 4 betraut mit K m d o . der 32. I T D . , zuletzt 1 2 . 1 0 . 1 9 1 6 K m d t . 73. I T D . A m Höhepunkt der 11. Isonzoschlacht konnte Goiginger, aus dem Wippachtal nach Norden marschierend, am Abend des 2 2 . 8 . die bei Jelenik bereits durchgebrochenen Italiener noch aufhalten. 8 . 3 . 1 9 1 8 K m d t . X X I V . K o r p s , 6 . 6 . 1 9 1 8 F Z M . , 1 9 . 7 . 1 9 1 8 Kmdt. X V I I I . Korps (an der Westfront), 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. Erhielt für seine Verdienste in der 11. Isonzoschlacht die G o l d e n e Tapferkeitsmedaille für Offiziere und für die Montellokämpfe ( 1 8 . - 2 2 . 6 . 1 9 1 8 ) die Anwartschaft auf das Ritterkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens zugesprochen. Verfasser zahlreicher kriegshistorischer Aufsätze in der Ö W Z .
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wiese auf und suchte dann den Weg nach Pederatsches, wo mein lieber Freund Jakobich als Generalstabsoffizier beim „Zitronenfranz", wie mein einstiger vorzüglicher Geographielehrer auf der Kriegsschule, General Korzer, hieß, seines Amtes als Generalstabsoffizier der Gebirgsbrigade waltete. Wir erstiegen eine der Tofanen ich glaube, es war N r . 111 - erkletterten den Sasso di Stria und kehrten dann über die Plätzwiese zurück. Ein Auto brachte mich nach Bruneck, wo sich das X I V . Korpskommando mit dem G d l . Roth als Kommandierenden befand. Ich machte noch einen Abstecher in der Richtung Sexten, wobei mir der liebenswürdige Generalstabshauptmann Feurstein 4 7 0 ), kein Jude, sondern Vorarlberger, das Geleit gab. Ich fuhr durchs Pustertal, über Marburg und Graz nach Baden zurück. Der Südtiroler Frühherbst hatte mich mächtig angezogen. Seit längerem träumte ich davon, meine alten Tage in Bozen oder Meran verbringen zu können. Jetzt verbringe ich sie in der Kerkerzelle zu Nürnberg. Mitte September kam es zu einem symptomatischen Zwischenfall im Sugana-Tal in Südtirol. Bei Carzano, wo ich sechs Jahre zuvor so schöne Brigademanöver arrangiert hatte, führtt Oberleutnant i. d. Reserve Pivko 4 7 1 ), ein slowenischer Deserteur, dessen Brust alle Auszeichnungen von der Eisernen Krone abwärts zierten, die Italiener in die Stellungen eines - soviel ich mich erinnere - bosnischen Bataillons. Wäre das Unternehmen geglückt, so wären durch ihn unsere Positionen auf der Hochfläche von Vielgereuth-Lafraun in den Rücken genommen worden. Es glückte jedoch nicht. Von allen Seiten eilten selbsttätig Gruppen und Grüppchen herbei und warfen die bis zur zweiten Linie vorgekommenen Italiener wieder hinaus. Pivko starb zehn Jahre später als Gymnasialprofessor in Marburg. Er hatte bei den Italienern nicht viel Dank gefunden. Kaiser Karl besuchte kurz darauf die Südtiroler Front. Conrad begleitete ihn. Als ihn der Kaiser unvorsichtigerweise in bezug auf Pivko fragte, was sich solche Leute wohl dächten - da antwortete der Feldmarschall mürrisch: „ S i e werden sich denken, daß man sie ohnehin nach kurzer Zeit amnestieren wird." Conrad war über die Amnestie sehr böse gewesen. Für den Kaiser war es auch sonst nicht sehr angenehm, den Feldmarschall zu besuchen. Dieser nahm zu Beginn seinen „Spießzettel" heraus und sagte ihm dann - so hat er mir's später erzählt - unerbittlich alles, 4 7 0 ) Valentin Feurstein (Bregenz, 1 8 . 1 . 1 8 8 5 - 8 . 6 . 1 9 7 0 , Innsbruck), 1906 aus der Milak. als Lt. zu 2 . T K J R . , Glstbslaufbahn, div. Verwendungen im Truppengeneralstab, Übernahme ins Bundesheer, 25.6.1935 G M . , 1.4.1937 Kmdt. 3. Division u. Militärkmdt. von Niederösterreich, 1.4.1938 Kdr. 2. G e b D . , 1.6.1939 Genlt., 4.3.1941 Befehlshaber L X I I . A K . , 1.11.1941 Gen. d. Gebirgstruppen, 1.3.1942 Befehlshaber des L X X . A K . , VII. 1943 Befehlshaber d. LI. Gebirgskorps, 26.4.1945 Generalinspekteur der Tiroler Standschützen u. Kdr. d. Alpenfront. Schrieb das Erinnerungswerk: Irrwege der Pflicht 1938-1945, München-Wels 1963. 4 7 1 ) Ljudevit Pivko (St. Marxen, Stmk., 1 7 . 8 . 1 8 8 0 - ? ) , D r . iur. der Prager Universität, Mittelschulprofessor, 1.10.1901 E F . bei IR. 13, 1.1.1908 Lt. i.d. Res., ab Kriegsbeginn Landsturm-Lt. i.d. Res. bei L I R . 2 6 , 1.11.1914 Oblt. i.d. Res., später zu bh. IR. 1, interimistisch Bataillonskmdt., nahm im Juli 1917 Verbindung mit den Italienern auf, um ihnen zum Durchbruch durch die öst.-ung. Front zu verhelfen. Die Aktion mißglückte in der Nacht vom 17./18. September. Vgl. nun: R. G . Plaschka, Der Fall Pivko, in: Beiträge zur Zeitgeschichte. Festschrift Ludwig Jedlicka zum 60. Geburtstag, hg. v. R. Neck u. A . Wandruszka, St. Pölten 1976, 3 7 - 4 4 .
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was ihm auf der Seele lastete und das war viel genug. Die Unterlippe des Kaisers schob sich immer weiter vor, er wurde von Minute zu Minute schweigsamer und war froh, wenn er den alten Brummbären nicht mehr neben sich hatte. Auch andere Sachen gab es bei solchen Anlässen zu besprechen, so die Abschaffung des Duells 4 7 2 ), von gewissen Mannschaftsstrafen wie die des Anbindens. Es war in der alten Armee mit ihren außerordentlich unterschiedlichen Mannschaftselementen nicht immer leicht, eine für alle passende Mittellösung zu finden. Nachträglich wird man sagen müssen, daß dem Denken des jungen Herrschers diese Verfügungen, wie zum Beispiel sein Widerstand gegen das Bombardieren von der Front ferner liegender Ortschaften und so weiter, aus dem Blickfeld der heutigen Kriegsführung gesehen, alle Ehre machten, mochten sie den augenblicklichen Zwecken auch nicht immer angepaßt gewesen sein. Während im Osten seit dem mißglückten Gegenstoß Mackensens bei Marasesti 4 7 3 ) in Rumänien und der Eroberung Rigas und der Moonsund-Inseln durch die Deutschen 474 ) Ruhe eingetreten war, ballte sich über den Italienern am Isonzo das Unwetter immer mehr zusammen. Ich nahm diesmal das Arrangement der Presseberichterstattung persönlich in die Hand, rief die für die beginnende Offensive einzusetzenden Presseberichter in Bozen zusammen und teilte ihnen am 21. Oktober im strengsten Vertrauen in einem Vortrage mit, was am 24. geschehen werde. Hugo Schulz, Berichterstatter der Arbeiter-Zeitung, versprach mir im Namen aller Kollegen strengste Diskretion, die gehalten wurde. Solches Vorgehen gegenüber Presseleuten war im allgemeinen mein Prinzip, und ich muß sagen, daß ich damit keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Natürlich ließ ich den Aufenthalt in Bozen nicht vorübergehen, ohne Conrad und seiner Gemahlin einen Besuch abzustatten. Die Stimmung gegen die kaiserliche Familie war noch schlechter. Irgendwie hatte Conrad - vielleicht über Graf Künigl - von den Besuchen der Bourbonen-Prinzen in Wien erfahren. Er witterte - mißtrauisch, wie er gegen alles war, was von Kaiser Karl kam, Verrat. Wir sprachen damals viel über das Bündnis mit den Deutschen. Er hatte mit diesen, zumal mit Falkenhayn, viel persönlichen Ärger gehabt; dies hinderte ihn jedoch nicht, das Bündnis für eine Existenzfrage der Monarchie zu halten und jeden Versuch, auszuspringen, zu verwerfen.
4 7 2 ) Dekretiert durch einen Armee- und Flottenbefehl v. 4 . 1 1 . 1 9 1 7 . Vgl. zu der vorangegangenen sogenannten Affäre Tacoli-Ledóchowski, zur Insterburger Duellaffäre und ihren Rückwirkungen sowie über die negativen Auswirkungen dieses Erlasses vor allem: G . Hubka, Der Zweikampf als Ehrenschutz. Ein Rückblick auf vergangene Tage, Ms., 19 S. (KA., sign. B/61, nr. 12). 4 7 3 ) Am 24. Juli begann die rumänische 2. Armee einen Angriff gegen den Südflügel der k.u. k. 1. Armee ( G O . Rohr v. Denta), warf ihn zurück und drang in das Soveja-Becken bei Focsani ein. Am 9. August begann gegen diese Armee ein Gegenangriff des linken Flügels der dt. 9. Armee, der eine Umfassung der Rumänen erstrebte. Diese Offensive kam - insbesonders infolge Geländeschwierigkeiten und zu hoch gesteckter Ziele - Mitte August bei Märäsesti zum Stehen. 4 7 4 ) Am 3. September wurde Riga von den Deutschen genommen, vom 12. bis 20. Oktober glückte im Zusammenwirken zwischen See- und Landstreitkräften die Eroberung der Inseln ö s e l , Dago und Moon.
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Conrad war, als er die Pflichten eines Chefs des Generalstabes auf sich lasten hatte, sehr schwer zu bewegen gewesen, an die Front zu gehen. Es war meines Wissens dreimal in den ganzen zweieinhalb Kriegsjahren bis Februar 1917 geschehen: in der zweiten Lemberger Schlacht bei Grodek, auf den Höhen bei Tarnów in der Schlacht bei Gorlice und - wenn ich nicht irre - unmittelbar nach der Wiedereroberung Lembergs im Juni 1915. Selbst an die Südwestfront, die er doch so liebte, war er nie gefahren. Er hatte offenbar seine Gründe. Denn jetzt, als Kommandant der Heeresgruppe, konnte er gar nicht oft genug an die Front gehen. Er zog sich gebirgsmäßig an, setzte eine Mannschaftsmütze auf, nahm den Bergstock und wanderte mit seinen fünfundsechzig Jahren los. Es war sein Element. Traurig war Conrad, daß ihm nicht von Anfang eine Mitwirkung bei der bevorstehenden italienischen Offensive zugebilligt war. Der Zangenangriff gegen Venetien, wie er ihn zu Beginn des Jahres der D O H L . vorgetragen hatte, schien ihm nach wie vor die aussichtsreichste Operation zu sein. Er bedauerte, daß es vorderhand nicht dazu kam. Nun hatte allerdings Ludendorff seine Truppenhilfe gar nicht in der Absicht zur Verfügung gestellt, eine Vernichtung des italienischen Heeres erzielen zu wollen. Dies war schon deshalb nicht seine Absicht, weil er fürchtete, damit auch die Bundesgenossenschaft Österreichs auf dem Wege zu verlieren. Beide Heeresleitungen waren sich darin einig, daß es vor allem auf eine möglichst dauerhafte Entlastung der österreichischen Isonzofront anzukommen habe. Der Tagliamento schien schon als das weitestgesteckte Ziel; was später Arz in seinem Buche schrieb, entspricht nicht den Tatsachen 475 ). „Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914/18" schildert diese Vorgänge authentisch. Am 24. Oktober früh ging der Angriff bei Flitsch, Karfreit und Tolmein los. An letzterem Punkte focht Metzger mit seiner 1. Division erfolgreich. Entgegen der sonst üblichen Gebirgstaktik war nicht nur das Korps Alfred Krauss bei Flitsch, sondern auch die deutsche 12. Division (Schlesien) bei Karfreit nicht auf den Höhen vorgegangen, sondern im Tal vorgestoßen. Alfred Krauss hat sich später in seinen Schriften auf Grund dieser Taktik ein besonderes Verdienst um den Erfolg zugeschrieben. Noch während des Krieges, im Mai 1918, schrieb Alfred Krauss, damals schon Befehlshaber in der Ukraina, einen beleidigten Brief an das A O K . , daß man von der Vernichtung der Timok-Division - September 1914 - angefangen bis über die 12. Isonzoschlacht seine Leistungen vorbedacht totschweige 476 ). Er war besonders 4 7 5 ) Gemeint ist offenbar: Arz, Großer Krieg, 170, der die Entstehung des Planes für die 12. Isonzoschlacht beschreibt. 4 7 6 ) Ein solcher Brief konnte nicht festgestellt werden. Laut Krauss' Manuskript „Der Militär-Maria Theresien-Orden und ich" (KA., B/60, nr. 9) hätte er im Mai 1918 gegenüber G O . Arz erklärt, daß er diesen Orden nur für die Vernichtung der serbischen Timok-Division annehmen würde. Im September 1918 protestierte Krauss dann schriftlich beim A O K . gegen eine Notiz über das Ableben des FML. Reinöhl, dem „Sieger über die Timok-Division" in NFP., 14.9.1918,2. Darauf verfaßte GlaiseHorstenau eine Zuschrift an die Kanzlei des Militär-Maria Theresien-Ordens (AOK., Op. geh.nr. 1918 ν. 26.9.1918) mit der Bitte um eine vertrauliche Beurteilung des Anteils Krauss' an der Vernichtung der
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gekränkt, daß er den Theresien-Orden nicht erhalten hatte. Ich wurde von Arz beauftragt, eine entsprechende Antwort zu entwerfen, was ich mit Vergnügen tat, da mir Alfred Krauss nie sympathisch war. Nach dem Kriege stellte er zunächst in seinem wirklich unernsten Buche „Die Ursachen unserer Niederlage" 4 7 7 ) sein Licht nicht unter den Scheffel. Ich weiß nun nicht mehr, ob schon daraufhin mein Freund Oberst Robert R. v. Pohl die Streitschrift der drei Divisionäre des Korps Krauss (Rudolf Müller 4 7 8 ), Wieden 4 7 9 ), Schön 4 8 0 ) arrangiert hat 4 8 1 ) oder ob vorher und nicht als Antwort Krauss sein dünnes Büchlein „Das Wunder von Karfreit" 4 8 2 )-hatte erscheinen lassen. Jedenfalls war Krauss fuchsteufelswild, was er auch einmal mir gegenüber mit den Worten ausdrückte, es sei ungeheuerlich, daß sich Untergebene gegenüber ihrem ehemaligen Vorgesetzten so etwas herausnahmen. Diese egozentrische Betrachtung war echt Alfred Krauss, und ich ließ die Gelegenheit nicht vorübergehen, ihn daran zu erinnern, wie er in seinem Buche Vorgesetzte aller Grade schärfstens und oft ungerecht kritisiert und dabei auch vor seinem Obersten Kriegsherrn nicht haltgemacht habe. Andererseits sagte er zu einem Manuskript, das der lahmgeschossene Generalstabsoberstleutnant Karl Mayern 4 8 3 ), Division. D i e darauf erteilte Antwort der Ordenskanzlei, die eine Zusammenstellung von Gefechtsberichten enthielt ( M M T O - A r c h i v , O K . N r . 4 9 1 / 1 9 1 8 ) , bewirkte eine nicht erhalten gebliebene Antwort an Krauss vom 1 4 . 1 0 . 1 9 1 8 . Diese befriedigte Krauss zwar nicht, aber der inzwischen verstrichene Zeitraum veranlaßte ihn zur Zurücknahme seiner Bitte um eine amtliche Berichtigung der Zeitungsmeldung. 477
) Die Ursachen unserer Niederlage. Erinnerungen und Urteile aus dem Weltkrieg, München 1920.
) Rudolf Müller (Kaschau, 2 6 . 1 2 . 1 8 6 5 - 1 . 8 . 1 9 4 5 , Graz), 1888 aus der Technischen Milak. zu Geniergt. 2 als L t . ausgemustert, Glstbslaufbahn, 2 9 . 7 . 1 9 1 2 O b s t , und K m d t . I R . 36, 2 4 . 1 2 . 1 9 1 4 K m d t . 12. I B r i g . , 1 . 1 1 . 1 9 1 5 G M . , Ritter des M M T O . für die Kämpfe in den Sieben Gemeinden im Juni 1916, 2 9 . 3 . 1 9 1 7 K m d t . der 22. Schützendiv., 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert, 2 0 . 1 2 . 1 9 2 0 - 1 2 . 7 . 1 9 2 1 1. Sektionschef im Bundesmin. f. Heerwesen, 2 4 . 5 . 1 9 3 5 T i t u l a r - F M L . 4 7 9 ) Heinrich Wieden Edi. ν. Alpenbach (Prag, 1 5 . 7 . 1 8 6 6 - 1 5 . 1 1 . 1 9 3 3 , G r a z ) , 1889 aus der Milak. als L t . zu F J B . 3 0 , Glstbslaufbahn, 8 . 8 . 1 9 1 1 Glstbschef X V I . K o r p s , 2 9 . 7 . 1 9 1 2 K m d t . d. F r a n z - J o sephs-Akademie u. d. Landwehr-Militäroberrealschule, 1 8 . 8 . 1 9 1 4 Glstbschef des G d K . R o h r , 4 . 1 0 . 1 9 1 4 K m d t . 15. Gebirgsbrig., 1 . 3 . 1 9 1 5 G M . , 1 1 . 7 . 1 9 1 6 K m d t . 26. L I T D . , 5 . 3 . 1 9 1 7 K m d t . Gruppe Etschtal, 1 7 . 7 . 1 9 1 7 K m d t . 3. ( E d e l w e i ß - ) I D . , 1 . 2 . 1 9 1 8 F M L . , 1 6 . 1 1 . 1 9 1 8 - 2 2 . 1 2 . 1 9 1 8 Landesbefehlshaber f. Steiermark d. Volkswehr, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 478
4 β 0 ) Felix Prinz zu Schwarzenberg (Libéjic, B ö h m e n , 8 . 6 . 1 8 6 7 - 1 8 . 1 1 . 1 9 4 6 , Geisterheim, Deutschland), 1886 als E F . zu D R . 14, 1 . 1 . 1 8 8 8 L t . i . d . R e s . , 1 . 9 . 1 8 8 8 Berufsoffz., Glstbslaufbahn, 8 . 5 . 1 9 1 1 Rgtskmdt. D R . 14, 1 . 5 . 1 9 1 2 O b s t . , 6 . 4 . 1 9 1 5 K m d t . 12. Gebirgsbrig., 1 4 . 1 1 . 1 9 1 5 G M . , I X . 1917 K m d t . 9 3 . I D . , 1 1 . 1 0 . 1 9 1 7 K m d t . 5 5 . I D . , 3 . 1 1 . 1 9 1 8 - 4 . 8 . 1 9 1 9 ital. Kriegsgefangenschaft, 1 . 9 . 1 9 1 9 pensioniert. V g l . : Briefe aus dem Felde 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , in: Schwarzenbergisches J a h r b u c h , X X X / 1 9 5 3 , 7-200. 4 8 1 ) Die Grundlage einer Gegenschrift gegen Krauss' Buch (s. A n m . 4 8 2 ) bildete zunächst ein M a nuskript Pohls „ V o m Isonzo zur Piave" ( K A . , sign. B / 5 1 6 , nr. 5). Aus diesem entstand sodann „ B e i Flitsch und am Grappa. Die Möglichkeit größerer Erfolge da und d o r t . " Notwendige Klarstellungen der beteiligten Divisionäre ( F M L . Heinrich Wieden, Edi. ν. Alpenbach, G M . R u d o l f Müller und G M . Felix Prinz zu Schwarzenberg) und des Generalstabschefs der Heeresgruppe F M . v. Conrad ( F M L . Richard Müller), Wien 1927. 4 8 2 ) Das „ W u n d e r von K a r f r e i t " , im besonderen der D u r c h b r u c h bei Flitsch und die Bezwingung des Tagliamento, München 1926, 2. Aufl. 1937, 3. Aufl. 1938. 4 8 3 ) Karl Mayern (Radautz, Bukowina, 9 . 4 . 1 8 8 4 - 8 . 8 . 1 9 4 9 , Wien), 1905 als L t . aus der Milak. zu 4. T K J R . , Glstbslaufbahn, 1912 zugeteilt Glstb. als Glstbsoffz. 58. I B r i g . , 2 3 . 8 . 1 9 1 4 bei Sabac schwer verwundet und später gelähmt, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 H p t m . i . G . , 2 1 . 4 . 1 9 1 6 ins K A . übernommen, 1 . 9 . 1 9 2 0
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mein alter Freund und Regimentskamerad, damals achtundvierzig Jahre alt, über den Serbenfeldzug und die nicht sehr glückliche Rolle des Generals als Kommandant eines kombinierten Korps schrieb: „Was erlaubt sich dieser junge Mann gegen einen hohen General zu schreiben und ihn zu kritisieren !" Ich erlaubte mir, zu erinnern, wie ich um das Jahr 1909 im Forschersaal des Kriegsarchivs auch einen Mann von achtundvierzig Jahren getroffen hatte, der damals sein bestes Buch geschrieben habe. Dieser junge Mann habe Alfred Krauss geheißen, sei Oberst gewesen, und das Buch habe „Den Feldzug von Ulm" in ebenso kritischer, wie glänzender Weise behandelt 484 ). Übrigens haben in den Jahren nach 1918 die Kritiker um Pohl herausbekommen, daß beim Auslaufen der Herbstoffensive 1917 Krauss durch seine - wie bei ihm üblich - , bis zur Verbohrtheit getriebene Talstoßtaktik den Italienern in zwölfter Stunde die Möglichkeit geboten habe, sich zwischen Brenta und Piave an den Randbergen festzuklammern, und zwar bis Kriegsende. Zum Talstoß bei Flitsch ist noch zu bemerken, daß für diesen wohl auch dadurch besonders günstige Bedingungen gegeben waren, weil die Höhen beiderseits in tiefem Nebel und schweren Regenschauern lagen, so daß dem oben sitzenden Feind jede Sicht nach abwärts versagt war. Als Görz, dieses Palladium unseres Südens, zurückgewonnen war, eilte der Kaiser, die befreite Stadt zu besuchen. Auch Kaiser Wilhelm kam und ließ sich auf der Podgora durch einen unserer Generalstabsoffiziere einen Vortrag halten. Schließlich meldete sich auch der Zar der Bulgaren zum Besuche an. Die beiden Kaiser sprachen von ihm in den rüdesten Ausdrücken, und sie waren bemüht, die Begegnung mit Ferdinand möglichst kurz zu halten. Ferdinand war übrigens in Österreich dreifacher Regimentsinhaber geworden, neben seinem Husarenregiment erhielt er ein Jägerbataillon und ein Artillerieregiment 485 ). Ebenso hatte er noch von Franz Joseph das Großkreuz des Theresien-Ordens erhalten. Ende Oktober gab es eine kleine Enttäuschung. Boroevic, der den Südflügel befehligte, ließ bei Latisana die flüchtende italienische 3. Armee über den Tagliam e n e entwischen. Dieser Fluß wurde in den gleichen Tagen zuerst von der Division Felix Schwarzenberg überschritten. Die Offensive war nicht aufzuhalten. Es schien, als wäre sie bis an die Etsch, in das historische Gelände von Verone vorzutragen. Einmal bekamen wir aus dem Hofzug einen von Arz entworfenen Armeebefehl zugeschickt, der mehr als komisch war. Um die Bundesgenossen nicht zu erwähnen und doch zu erwähnen, sprach der Befehl am Schluß seinen „Dank an alle, alle, alle" aus. Ich sagte Waldstätten, daß wir da schon etwas Schöneres dichten müßten, zeitl. pensioniert, 6 . 7 . 1 9 2 2 Titular-Obstlt., 1 . 4 . 1 9 2 3 definitiver Ruhestand. Experte und Mitarbeiter des K A . für die Feldzüge gegen Serbien 1 9 1 4 / 1 5 ; diesbezüglich umfangreiche Materialien in seinem Schriftennachlaß, K A . , sign. B / 2 3 . 4 8 4 ) A . Krauss, 1805. Der Feldzug von Ulm, Wien 1912. 4 8 5 ) Neben der Inhaberschaft des Husarenregiments N r . 11 wurde Zar Ferdinand v. Bulgarien mit ah. Handschreiben v. 1 2 . 1 1 . 1 9 1 7 Inhaber des Feldjägerbataillons N r . 26 und mit ah. Handschreiben v. 1 7 . 5 . 1 9 1 8 Inhaber des schweren Feldartillerieregiments N r . 60.
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und er stimmte zu. Ich habe einen, wie ich glaube, recht hübschen Armeebefehl komponiert, der an die Traditionen Radetzkys und Albrechts anknüpfte, die an den Wachtfeuern in Friaul zu neuem Leben erwacht seien. Der erste Armeebefehl, den ich konzipierte, war jener, der vom Kaiser Karl nach dem Mißlingen des Friedensschrittes vom Dezember 1916 im Jänner 1917 herausgegeben wurde. Den gleichzeitig erscheinenden deutschen hatte der Generalstabsoberstleutnant v. Haeften, später Generalmajor und als Präsident des Reichsarchivs mein engerer Kollege, verfaßt. Ich sehe gerade zu meinem Entsetzen, daß ich bei Schilderung des Winters 1916/17 dieser Friedensaktion mit keinem Worte gedachte. Dank meinen Beziehungen zu Wiesner hatte ich sie früher erfahren als alle meine Vorgesetzten - ich glaube Conrad mitinbegriffen. Auch der Verbündeten wurde in anständiger Weise gedacht, ohne daß deshalb das Selbstbewußtsein der österreichisch-ungarischen Kämpfer verletzt wurde. Gleichzeitig erreichte ich die Absendung eines Danktelegramms unseres Kaisers an Kaiser Wilhelm. Mein Entwurf wurde angenommen - mit Ausnahme eines Satzes, der des Generalstabes und seiner glänzenden Führer - gemeint waren selbstverständlich Hindenburg und Ludendorff - gedachte. Ich wollte diesen Satz auch wegen unseres Generalstabes drinnen haben, aber der Kaiser liebte nun einmal Flaschengrüne nicht. Einer von ihnen sollte sich später an ihm schwer rächen: Gömbös. Auf meine Anregung verschaffte Cramon dem Freiherrn von Waldstätten den Orden Pour le mérite. Diesem verdankte es Waldstätten, daß ihn Hitler Ende 1939 zum 25-Jahr-Gedenken von Tannenberg zum General der Infanterie ernannte. Hoffentlich ist es ihm gutbekommen. Leider ließ ich mich in diesen Tagen unter dem Eindruck der wunderbaren Siege in Oberitalien in einem der Heeresberichte zu einer militärischen Phrase verleiten, die mir eine Anerkennung Ludendorffs eintrug. Ich stellte die Erfolge des Schwertes denen der Diplomatie gegenüber, beides im Hinblick auf die Friedensbestrebungen Czernins. So um den 10. November herum, als wir bereits am Piave standen, ließ mich Waldstätten zu sich rufen. Er teilte mir mit, daß bei der 18. Division, jener, bei welcher sich Carzano ereignete, der bisherige Generalstabschef Graf Uexkuell 4 8 6 ) wegkommen solle und das 11. Armeekommando mich zu seinem Nachfolger ausdrücklich erbeten habe. O b es wirklich so war oder nicht Waldstätten mich angeboten hatte, konnte ich nicht erheben. Ich nahm die Mitteilung mit gemischten Gefühlen entgegen. Die 18. Division war eine reine Stellungsdivision und mochte aus dem Suganatal nicht so bald weggezogen werden. Gewiß war mir die Gegend sympathisch, und auch der Kommandant General Vidale 487 ) und die Truppen gefielen 4 8 6 ) Nikolaus Grf. Uexkuell-Gyllenband (Giins, 1 4 . 2 . 1 8 7 7 - V I I I . 1944, ?), 1898 aus der Milak. als Lt. zu U R . 2 , Glstbslaufbahn, 11.8.1914 Glstbschef 9 . K T D . , 1.11.1915 Mjr. i . G . , 2 4 . 1 . 1 9 1 7 Lehrer am Informationskurs für Kriegsschulaspiranten, 3 1 . 5 . 1 9 1 7 Verbindungsoffz. beim türk. Heer in Aleppo, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 7 Glstbschef 1 8 . I D . , 1.2.1918 Obstlt. i . G . , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert, diente in der dt. Wehrmacht und wurde im August 1944 hingerichtet. 4 8 7 ) Julius Vidalé ν. San Martino (Prag, 7 . 1 1 . 1 8 6 4 - 1 8 . 8 . 1 9 2 7 , Graz), 1881 als Truppeneleve zu I R . 5 , 1.11.1886 Lt. F J B . 2 2 , Glstbslaufbahn, 1.11.1905 Mjr. i . G . , u.a. 1905-1908 Flügeladjutant des
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mir. Andererseits hatte ich aber doch gerade in der letzten Zeit so nahe den Rädern der Weltgeschichte „Blut" lecken gelernt, das heißt, ich dachte nicht ohne Unbehagen daran, nun plötzlich aus deii großen Geschehnissen ganz ausgeschaltet zu sein. Ich fragte Waldstätten, wer meine Nachfolgeschaft übernehmen werde, es würde doch einer kurzen Einführung bedürfen. Waldstätten meinte, das muß jeder Generalstäbler könnend „Wenn ich dich heute zum Feldbischof ernenne, so mußt Du dich auch zurechtfinden !" Schließlich kamen wir darauf, den gerade irgendwo freiwerdenden Major Friedrich Bauer 4 8 8 ) des Generalstabes als meinen Ersatz zu kommandieren. Major! Ich hatte beinahe vergessen, in diesen formlosen Blättern zu vermerken, daß am 1. November 1917 auch ich in diesen Dienstgrad vorgerückt war. An Stelle der drei bescheidenen goldenen Sterne kam auf meinen Kragen eine breite Goldborte mit einem silbernen Stern. Der Waffenrock erhielt ebensolche Goldborten an den Ärmelaufschlägen. Ohne meinen Widerspruch nahmen die Gazetten von dem Ereignis Notiz, wobei sie auf meine Verdienste als Verfasser der Heeresberichte, als Pressereferent und als Kriegshistoriker hinwiesen. Vielleicht hat gerade diese Erwähnung Waldstätten veranlaßt, meine Abtransferierung aus dem A O K . zu betreiben. In denselben Tagen, in denen sich im Mikrokosmos der Welt diese Dinge rund um mich begaben, riß in Rußland der Bolschewismus die Macht an sich, und um den 20. November herum begannen die Waffenstillstandsverhandlungen zu BrestLitowsk 4 8 9 ). Zu ziemlich der gleichen Zeit kamen die Operationen in Oberitalien zum Stillstand. Ein Flankenstoß Conrads im Räume des Monte Meletta war ohne Wirkung geblieben, der Arme war wieder von seinem traditionellen Mangel an Glück verfolgt. Es gehörte mit zu seinem Feldherrnschicksal, daß er der Kriegsgöttin jeden Sieg mit größtem Bemühen abringen mußte! Ein nicht uninteressantes Beiwerk zu dem italienischen Siegeszug bildete die Art und Weise, wie diese Kette prachtvoller Kämpfe bei den prominentesten Führern belohnt wurde. Normalerweise hätten Otto v. Below 4 9 0 ), sein Generalstabschef Krafft v. Delmensingen 491 ), Alfred Krauss und noch einer oder der andere unbeGeneraltruppeninspektors F Z M . Gálgotzy, 1 . 9 . 1 9 1 4 Kmdt. I R . 2 3 , 2 . 2 . 1 9 1 5 Kmdt. 6 3 . I B r i g . , 1 6 . 5 . 1 9 1 5 Kmdt. 1 8 5 . I B r i g . , 1 0 . 1 0 . 1 9 1 5 Inspizierender der Ersatzformationen im Territorialbereich Wien, 1 . 1 1 . 1 9 1 5 G M . , 7 . 6 . 1 9 1 6 Kmdt. 181.IBrig. u. interimistisch 1 8 . I D . , 6 . 3 . 1 9 1 8 Kmdt. 1 8 . I D . , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 4 8 8 ) Friedrich Bauer (Wien, 4 . 5 . 1 8 8 2 - 5 . 4 . 1 9 7 1 , Wien), 1901 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus der IKSch. Königsfeld zu l . T K J R . ausgemustert, Glstbslaufbahn, 1 . 5 . 1 9 1 2 H p t m . i . G . , ab Kriegsbeginn in Glstbsabt. d. X . Korps u. nach weiteren Stabsstellungen ab 8 . 1 2 . 1 9 1 7 in O p A b t . des A O K . , ab 1 7 . 1 1 . 1 9 1 8 beim Landesbefehlshaber Wien, 1 . 1 . 1 9 2 0 Obstlt., ab 2 6 . 1 0 . 1 9 2 1 mit kurzen Unterbrechungen im Bundesministerium für Landesverteidigung (ab 1 5 . 4 . 1 9 2 8 Leiter der Abt. 2) und der Heeresverwaltungsstelle Niederösterreich, 2 3 . 6 . 1 9 2 3 O b s t . , 1928 G M . , 2 8 . 2 . 1 9 3 2 pensioniert. 4 β 9 ) Darüber nunmehr: W . Bihl, Österreich-Ungarn und die Friedensschlüsse von Brest-Litowsk, Wien-Köln-Graz 1970 (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie, Bd. VIII). 4®°) O t t o v. Below (Danzig, 1 8 . 1 . 1 8 5 7 - 9 . 3 . 1 9 4 4 , Besenhausen bei Göttingen), 1887 Eintritt in die preuß. Armee, ab Kriegsbeginn Führer des 1. Reservekorps, August 1914 G d L , 1917 Führer der 14. Armee. Vgl.: G . Einem, gen. v. Rothmaler, O t t o v. Below, ein deutscher Heerführer, München 1929.
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dingt den Theresien-Orden verdient. Was geschah jedoch? Die Reichsdeutschen wurden sicherlich - ich habe die Liste natürlich nicht vor mir - mit schönen Orden von uns bedacht, Alfred Krauss erhielt jedoch als erster das neu gestiftete große Signum Laudis, eine vergleichsweise doch stark nachhinkende Dekoration. Der Grund hierfür lag darin, daß Kaiser Karl den deutschen Generälen der zwölften Isonzoschlacht den Theresien-Orden nicht verleihen wollte, und zwar deshalb, weil ihn sonst auch Ludendorff hätte bekommen müssen ! Aus eben diesem Grund hatte der Kaiser selbst den Wunsch des deutschen Kronprinzen nach dem Ritterkreuz des Theresien-Ordens nicht erfüllt ! Zu Anfang des nächsten Jahres verlieh er allerdings Hindenburg, Prinz Leopold von Bayern und Mackensen das Großkreuz des Ordens. Niedere Klassen kamen jedoch im deutschen Heere nicht zur Verleihung alles wieder wegen Ludendorff. Während des Ausklingens der italienischen Offensive, die - nach einem Worte von Clausewitz - auch schon kulminiert hatte, und nach der Tankschlacht von Cambrai 492 ) war Ludendorff schon vollauf mit den Vorbereitungen für den Entscheidungsschlag befaßt, den er im Frühjahr 1918 im Westen zu führen gedachte. Dabei entstand die Frage, was Österreich-Ungarn machen solle. Ich hielt eine Teilnahme unserer Truppen an der Westoffensive absolut für politisch zweckmäßig und daher erwünscht. Unser Vertrauen in die deutsche Kraft war noch so groß, daß wir einen entscheidenden Schlachtensieg im Westen für möglich hielten. Für unsere künftige Position im Bündnis war es, abgesehen vom strategischen Gebot der Kräftezusammenballung am entscheidenden Punkt, von größter Bedeutung, daß wir mit dabei waren. So dachten auch Waldstätten und - soweit es bei ihm überhaupt Uberzeugungen gab - der Generalstabschef Arz. Dagegen sah der Kaiser einem Auftreten seiner Truppen auf der französischen Walstatt mit größtem Mißbehagen entgegen. Nicht nur, daß seine Schwäger ihn ausdrücklich vor den tragischen Folgen gewarnt hatten, die ein solcher Entschluß für Österreich haben müßte! Auch sonst erschien ihm der Gedanke unerträglich, und er wurde in dieser Auffassung zweifellos von den beiden hohen Frauen Zita und Maria Antonia maßgeblich beeinflußt. Bereichert um die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, frage ich mich heute, welche von den beiden Parteien recht gehabt hatte. Ich könnte es trotz des Unglükkes, das die damals von Ludendorff und später von Hitler verkörperte Potsdamer Politik über Europa, über Österreich und über die deutsche Nation gebracht hat, auch heute nicht entscheiden, und zwar aus dem Grunde, weil ich auch jedes Ver4 9 1 ) Konrad Krafft v. Delmensingen (Laufen, Oberbayern, 2 4 . 1 1 . 1 8 6 2 - ? ) , bayerischer Offizier, bei Kriegsbeginn Chef des Glstbs. d. 6. Armee, V. 1915—III. 1917 Kommandeur des Alpenkorps, III. 1917—VIII. 1917 Chef d. Glstbs. d. Heeresgruppe Hzg. Albrecht v. Württemberg, dann der 14. Armee, 1918 Chef d. Glstbs. d. 17. Armee in Frankreich. 4 " ) A m 20. November 1917 tauchten überraschend im Abschnitt Cambrai der dt. Front englische Kampfwagen auf und stießen bis zu den Artilleriestellungen vor. Sie errangen Anfangserfolge, es gelang ihnen aber kein Durchbruch, bis die britischen Verbände am 30. November der dt. Gegenstoß traf. (Der erste Einsatz von Kampfpanzern überhaupt erfolgte im Zuge der Sommeschlacht am 15. September 1916.)
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trauen in die staatsmännischen Fähigkeiten der Gegner verloren habe. Die Zentralmächte hätten von Haus aus die klügeren sein müssen und den Krieg nicht erst unter so unglücklichen Bedingungen aufnehmen dürfen. Immerhin aber ist zu sagen, daß der einzige, der instinktmäßig, gewiß nur instinktmäßig, zu größeren Gedanken fähig war, der arme kleine Kaiser gewesen ist, der 1922 in den Fieberdünsten von Funchal als letzter Märtyrer des Ersten Weltkrieges starb. Waldstätten und Arz ließen die D O H L . unverbindlich unsere Bereitwilligkeit zu einer Mitwirkung im Westen wissen 4 9 3 ). Krafft von Delmensingen und sein berühmter Ia, der Durchbruchstechniker Willisen 494 ), fuhren ins G H Q u . und schilderten die hervorragenden Leistungen zumal der alpenländischen Truppen in glühenden Farben. Ludendorff neigte zum Gedanken, diese Divisionen an einer ruhigeren Front des Westens, etwa in den Gebirgsstellungen der Vogesen, einzusetzen und dadurch deutsche Truppen für den Hauptstoß freizubekommen. Hindenburg stand einem Einsatz österreichischer Truppen im Westen grundsätzlich mißtrauisch gegenüber. In ihm regte sich, bis in seine letzten Lebenstage, zeitweilig immer wieder der Königgrätzkämpfer 4 9 7 ). Er hatte als Ober-Ost überdies auch in den zurückliegenden Kriegsjahren nur mehr die zugunsten des italienischen Kriegstheaters ausgelaugte österreichische Ostfront kennengelernt. Alle deutschösterreichischen Divisionen und die besten anderer Zunge waren am Isonzo und in Tirol eingesetzt, als er im August 1916 den Oberbefehl zwischen Baltikum und Dnjestr übernahm. Die Einzelheiten der Verhandlungen, die mir bei meinem schwindenden Gedächtnis nicht mehr geläufig sind, sind der von mir mehrfach zitierten Literatur zu entnehmen. Sie endeten damit, daß Deutschland den Westen auch weiterhin in unerschüttertem Kraftgefühl auf seinen Schultern tragen wollte, während ö s t e r 4 9 3 ) Im Jänner 1918. Ludendorff kam jedoch im Februar 1918 auf seinen Wunsch, die k. u. k. Armee möge Artillerie für die geplante Offensive im Westen bereitstellen, zurück, erbat aber keine Infanterie. Vgl. M. Polatschek, österreichisch-ungarische Truppen an der Westfront 1914-1918, Wr. phil. Diss. 1974, insbes. 40ff. 4 ' 4 ) Ludwig Wilhelm Frh. v. Willisen (Karlsruhe, 1 2 . 2 . 1 8 7 6 - 3 . 1 . 1 9 3 3 , Berlin-Charlottenburg), 1893 in das 4. Garde-Regiment zu Fuß, 1894 Lt., Glstbslaufbahn, bei Kriegsausbruch Glstbsoffz. im Stab des Höheren Kavalleriekmdos. Generalleutnant v. Hollen, 27.11.1914 Glstbsoffz. der 43. Reserve-Division, 28.11.1914 Mjr., Mai 1915 1. Glstbsoffz. im Dt. Alpenkorps, 5.9.1916 zugeteilt beim Stab k. u.k. G O . Ehg. Carl Franz Joseph. Verbindungsoffz. zum Oberkmdo. der k . u . k . 7. Armee, 10.10.1916 Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs d. Glstbs. beim Dt. Alpenkorps. Ende Februar 1917 1. Glstbsoffz. beim Oberkommando der Heeresgruppe Hzg. Albrecht v. Württemberg, Anf. September 1917 1. Glstbsoffz. des Oberkommandos der neu aufgestellten 14. Armee, 1.2.1918 bei deren Umbenennung in 17. Armee tritt er zu dieser über (Westfront), 24.4.1918 ebenso beim Armeeoberkmdo.6, 24.8.1918 Chef d. Glstbs. IV. Armeekorps, Sept. 1918 wiederum in besonderer Verwendung als dem Chef des Glstbs. des Feldheeres zugeteilt, 10.11.1918 Abteilungschef im KM., 17.12.1918 Chef der Zentralstellen Grenzschutz Ost, 1.4.1920 verabschiedet als charakterisierter Obstlt., dann Mitbegründer und Vorsitzender des „Deutschen Schutzbundes für das Grenz- und Auslandsdeutschtum". 4 9 s ) u. 4 9 6 ) fällt aus. 4 9 7 ) Vgl. dazu die Äußerung Hindenburgs im Rahmen seiner Mittagstischrunde, die der dt. Generalstabsoffizier Mertz v. Quirnheim in seinen Erinnerungen für die Zeit etwa Juli 1917 wiedergibt: Hindenburg meinte, „er würde es als einen besonders befriedigenden Abschluß seiner militärischen Laufbahn betrachten, wenn er die deutsche Armee zum Einmarsch nach Böhmen kommandieren dürfte", in: Wilhelm Deist, Militär- und Innenpolitik im Weltkrieg 1914-1918, Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 2. Reihe, Band II, S. 785, Anm. 17, Düsseldorf 1970.
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reich-Ungarn durch einen Stoß in Oberitalien Kräfte der Feindallianz binden und auf sich ziehen sollte. Nur k. u. k. Artillerie, darunter die berühmten 30,5-cm-Mörser, sollten in der großen Schlacht von Frankreich von Anbeginn eingesetzt werden. Der junge Kaiser atmete auf. Er wähnte, eine Schlacht gewonnen zu haben. Er, der einzige Europäer, den es weit und breit gab. Ich beklage es, ihn damals nicht verstanden zu haben. Das Eintreffen Fritz Bauers, meines Nachfolgers, zog sich aus irgendwelchen Gründen in die Länge. Die 18. Division konnte nicht so lange unbesetzt bleiben, sie wurde an einen anderen Generalstabschef vergeben. Dafür wurde aber plötzlich die Kaiserjäger-Division frei, die nun ich erhalten sollte. Der bisherige Generalstabschef Major von Schmedes 498 ) war dazu ausersehen, die Geschichtsschreibung des Kaisers in die Wege zu leiten. Der Gedanke, diese Arbeit anzugehen, wurde von Oberst Beyer in die Arena geworfen, der vor Jahren zusammen mit einem zweiten Autor recht gute Einzeldarstellungen über den Russisch-Japanischen Krieg - unter der Firma Kriegsarchiv - herausgegeben hatte 4 9 9 ). Er strebte danach, seine Laufbahn als Leiter einer den Weltkrieg bearbeitenden, vom Kriegsarchiv unabhängigen, kriegsgeschichtlichen Abteilung zu beschließen, während das Kriegsarchiv der einbeinige Oberst Egon v. Waldstätten, der Kartenpartner des Kaisers, übernehmen sollte. Ich glaube sogar, daß der Abschluß meiner Wenigkeit zum Teil auch mit diesen Plänen zusammenhing, denn wenn es für Bayer einen Konkurrenten gab, so war ich es. Persönlich dachte ich mir allerdings meine Zukunft wesentlich anders. Da ich noch nicht mit dem Zusammenbruch Österreichs rechnen konnte, sah ich meine Zukunft in aktuelleren Aufgaben als denen der Kriegsgeschichtsschreibung, und ich hätte ohne die Katastrophe von 1918 wohl recht behalten! Wie dem auch sei: in der Frage der Geschichtsschreibung des Weltkrieges wurde eine Konferenz einberufen, an der neben Bayer und mir Hoen, Egon Waldstätten und andere teilzunehmen hatten. Ludendorff hatte mir beim Frühstück am 8. Juli auf meine Frage wegen einer Darstellung des Krieges brüsk geantwortet: „Zuerst müssen wir den Krieg gewinnen, dann können wir ihn schreiben." In Österreich hatte bisher Hoen einige, unter den gegebenen Möglichkeiten als geglückt zu bezeichnende Einzeldarstellungen erscheinen lassen 500 ). Auch in der Firma Veltzé wa4 9 β ) Kurt v. Schmedes (Wien, 2 3 . 1 1 . 1 8 7 7 - 3 0 . 1 0 . 1 9 6 4 , Innsbruck), 1900 aus der Techn. Milak. als Lt. zu D A R . 4 0 , Glstbslaufbahn, 1.8.1914 zum 1. Armee-Etappenkmdo., 1.5.1915 Mjr. i . G . , 20.5.1915 Glstbschef Militärgouvernement Polen, 1.9.1915 Glstbsoffz. beim Landesverteidigungskmdo. Tirol, 1.12.1915 Quartiermeisterabt. des A O K . , Referent für Militärverwaltung Serbiens, 15.3.1916 Glstbsabt. 11. Armee, 5.7.1916 Glstbschef d. 8. (Kaiserjäger-)ID., 1.5.1917 Obstlt. i . G . , 27.5.1918 Op-Abt. d. A O K . , Verfasser der Kriegsgeschichte, 30.11.1918 Gehilfe des Befehlshabers beim Volkswehrkmdo. Innsbruck, 1.3.1920 pensioniert, 16.10.1920 Titular-Obst. 4 " ) Einzelschriften über den „russisch-japanischen Krieg" (Beihefte zu „Streffleurs österreichischer militärischer Zeitschrift"), Bd. 1, Wien 1906 - Bd. 7, Wien 1912 = 60 Hefte. Die meisten Beiträge dieser Schriften erschienen ohne Angabe der Autoren. Auch das KA. ist als Herausgeber nicht angeführt. Beyer zeichnete jedoch als Verfasser des Schlußwortes. 5 0 °) Ζ. Β. K. Schneller, Die Schlacht von Limanowa-Lapanów. österreichisch-ungarische Kriegsberichte, Heft2, Wien 1915; M. Hoen, Das österreichisch-ungarische Nordheer im Frühjahrsfeldzug in Galizien 2. Mai bis 22. Juni 1915, ebdt., Heft4, Wien 1915.
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ren eine Menge Bücher erschienen, darunter auch der erste Band einer Gesamtkriegsdarstellung „Unteilbar und Untrennbar" - wenn ich nicht irre, bei Belser in Stuttgart 501 ). In der eben erwähnten Sitzung riß sehr bald ich das Wort an mich und bezeichnete beiläufig das als wünschenswert, was wir zehn Jahre später in „Österreich-Ungarns letztem Krieg" zu verwirklichen begannen. Beyer dagegen träumte von einem dreißigbändigen Werke, zu dessen Verfassung ein Stab von hundert Mitarbeitern herangezogen werden sollte. Soviel ich mich erinnere, war der Beschluß, zunächst einmal Vorbereitungen in meiner Richtung, zu einer Rahmendarstellung, zu treffen. Auf meine Mitwirkung verzichtete man stillschweigend. 7. F R I E D E N S V E R H A N D L U N G E N V O N BREST-LITOWSK, SIXTUS-AFFÄRE U N D J U N I - S C H L A C H T IN V E N E T I E N Unter denen, die mein Abgehen in die Versenkung des Frontdienstes besonders beklagten, stand Wiesner in erster Reihe. Mitten in den Vorbereitungen zu einer Friedenskonferenz, die den Waffenstillstandsverhandlungen unmittelbar folgen sollte, kam ihm der Gedanke, mich durch Czernin als militärischen Experten zur Konferenz verlangen zu lassen. Erster militärischer Berater sollte General der Infanterie Max v. Csicserics sein, in diesen Zeilen, wenn ich nicht irre, schon genannt. Er war als Mitkämpfer des Russisch-Japanischen Krieges auf russischer Seite und als Rußlandkenner dazu besonders geeignet. Sein Stab bestand aus den Generalstäblern Obstlt. Pokorny, dem berühmten Entzifferer feindlicher Funksprüche, Major Baron Mirbach 502 ) und mir. Arz und Waldstätten stimmten meiner Zuteilung zu. Meinen Posten als Generalstabschef der Kaiserjäger sollte ich erst nach dem Friedensschluß mit Rußland oder sonstiger Beendigung der Verhandlungen antreten. Obwohl ich nicht ohne Stolz dem Wirken entgegensah, das man mir an der Front zudachte - Kaiserjäger war doch das Feinste vom Feinen - , so brannte ich natürlich vor Interesse auf das, was ich in Brest erleben sollte. Brest-Litowsk ! Es sind schon Bücher darüber geschrieben worden, und auch ich habe manches darüber veröffentlicht 503 ). Ich möchte mich im folgenden daher vor allem auf die Milieuschilderung beschränken. Wenn ich nicht irre, fuhren wir am 20. Dezember 1917 von Wien weg. Ich ging dem ersten und letzten Weihnachten entgegen, das ich ohne meine Mutter - bis zu deren Tod - erleben sollte ! Die Militärmission hatte im Sonderzuge des k. u. k. Außenministeriums einen kleinen Sa5 0 1 ) Unteilbar und Untrennbar. Die Geschichte des großen Weltkrieges mit besonderer Berücksichtigung Österreich-Ungarns. Unter Leitung des G d l . Emil Frh. Woinovich v. Belobreska und des G M . Max R . v. H o e n , hg. u. redigiert v. Alois Veltzé, l . B d . Wien 1917, Verlag für vaterländische Literatur G e s . m . b . H . , Wien. Der 2. Band erschien unter dem Titel: Die Geschichte des Weltkrieges mit besonderer Berücksichtigung des früheren Österreich-Ungarn, Wien 1919; der 3. Band Wien 1921. In diesem Band wird Glaise-Horstenau als Mitautor beim Kapitel „ D e r Krieg gegen Italien", S. 1 0 9 - 1 5 8 , angeführt. Der Verlag für vaterländische Literatur war nur eine Art Außenstelle des Verlages Belser. 5 0 2 ) Theodor Grf. Mirbach (Ziedlowitz, Mähren, 1 9 . 1 1 . 1 8 7 4 - 1 6 . 1 1 . 1 9 4 4 , Schloß Harff, Rheinprovinz), 1896 als Lt. aus der Milak. zu H R . 9, 1 . 3 . 1 8 9 9 Kämmerer, 1 . 5 . 1 9 1 0 R u n . , 1 . 2 . 1 9 1 7 Mjr., 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert. 5 0 3 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 124, 127, 186, 188.
Friedensverhandlungen - Sixtus-Affäre - Juni-Schlacht in Venetien
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lonwagen einreihen lassen, der neben einem gemeinsamen Salon für jeden ein nettes eigenes Schlafcoupé enthielt. Das Essen wurde gemeinsam im Speisewagen Czernins eingenommen. Die Fahrt dauerte vierundzwanzig Stunden. Ich war wieder einmal froh, nichts vom Kartenspiel zu verstehen. So blieb ich vom ewigen Bridge und Skat verschont, das alle anderen während der ganzen Fahrt am Spieltisch festhielt. Ich blieb in meinem Abteil sitzen, las ein Buch, sah zum Fenster hinaus, träumte und dachte über dies und jenes nach. In Krakau verließen wir das behagliche Nachtlager, um uns im Speisesalon einen vorzüglichen Kaffee zu Gemüte zu führen. Nachher ging es über Kielce, Iwangorod weiter. Eine dichte weiße Schneedecke hatte offenbar alle Spuren der Kämpfe verdeckt, die in den von uns durchfahrenen Gegenden stattgefunden hatten. Selbst die Ortschaften waren in einer Zeit, in der es die Segnungen des Luftterrors noch nicht gab, noch sehr wenig havariert. Ein Gefühl der Einsamkeit erfaßte einen in den Ebenen des Weichsellandes. Der Strom selbst war zum größten Teil zugefroren. Die russischen Festungswerke sahen noch trotzig in die stille Landschaft hinaus. Je weiter es gegen Osten ging, umso tiefer war der Schnee, umso mehr verschwanden Haus und Baum unter dem weißen Linnen, das der liebe Gott so friedfertig über seine unfriedliche Erde ausgebreitet hatte. Schon bei Licht- und Fackelschein trafen wir in Brest-Litowsk ein. Auf dem kriegsmäßig ausgebauten Bahnhofe hatte sich eine Menge von Würdenträgern eingefunden - ich habe sie nicht mehr in der Erinnerung. Nur Mirbach und Rittmeister Baron Berger-Waldenegg 504 ) sind mir vor Augen. Letzteren sollte ich viele Jahre später als Außenminister des Austrofaschismus wiedersehen. Er war ein berühmter Heimwehrführer in der Steiermark geworden und war so auf den Ballhausplatz gekommen. Später von Schuschnigg als Gesandter nach Rom geschickt, war er nach dem Anschluß dort geblieben. Zu Beginn des Italienischen Krieges - 1940 - wurde er Faschist. In der Zeit des zweiten Zusammenbruches versuchte er bei irgendeiner Gelegenheit auf dem Gebäude der ehemaligen österreichischen Gesandtschaft die rot-weiß-rote Flagge zu hissen. Die Anglo-Amerikaner winkten jedoch ab. Was er jetzt macht, weiß ich nicht. Für die neuösterreichische Außenpolitik repräsentierte er vor allem den sanktionsfeindlichen Kurs. Wir hatten mehrfach Debatten darüber, da ich eigentlich für eine Teilnahme Österreichs an den Sanktionen gegen Mussolini war. Vom Standpunkt der österreichischen Sonderstaatlichkeit wäre es eigentlich zweckmäßiger gewesen, Wien hätte sich die Westmächte verpflichtet.
5 < M ) Egon Maria F r h . Berger v. Waldenegg am Perg und am Reunperg (Wien, 1 4 . 2 . 1 8 8 0 - 1 2 . 9 . 1 9 6 0 , G r a z ) , 1903/04 E F . bei D R . 5 , 1 . 1 . 1 9 0 5 L t . i . d . R e s . , 2 0 . 1 1 . 1 9 0 4 Eintritt ins Ministerium des Äußeren, 1 4 . 2 . 1 9 1 2 O b l t . i . d . R e s . , 3 0 . 1 2 . 1 9 1 3 Sektionsrat extra statum, 2 1 . 2 . 1 9 1 4 in Albanien der Gesandtschaft in D u r a z z o zugeteilt, ab Kriegsausbruch bis 1 . 3 . 1 9 1 7 Kriegsdienstleistung, dann wieder im Status des Ministeriums, nach Kriegsende Dienst quittiert, später Heimatschutzführer, Teilnahme am Pfrimerputsch, ab 17.7.1933 Landesführer des steirischen Heimatschutzes, 10. 7 . - 2 9 . 7 . 1 9 3 4 Bundesminister für Justiz, 2 9 . 7 . 1 9 3 4 - 1 7 . 1 0 . 1935 Leiter des Bundesministeriums für Justiz, 3 . 8 . 1 9 3 4 - 1 3 . 5 . 1 9 3 6 Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten, 2 4 . 4 . 1 9 3 6 - März 1938 Gesandter in R o m . Vgl. A . Krause, Freiherr Egon Berger v. Waldenegg, Seminararbeit am Institut für Zeitgeschichte, Wintersemester 1965/66, 140 S.
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Unser Sonderzug, einer von mehreren, blieb die Nacht über unter Dampf. Wir schliefen noch in unseren Kabinen. Ich hätte es auch eigentlich für die nächsten Tage gewünscht. Aber am 22. holte uns eine Anzahl von Autos ab, die uns in unsere Quartiere brachte. Dabei fand sich auch Linienschiffskapitän Wulff 5 0 5 ) ein, der als Experte der k. u. k. Kriegsmarine an den Verhandlungen teilnehmen sollte. Wir fuhren ins Kastell, in die alte russische Festung, und wurden dort in den barackenartigen Ziegelbauten untergebracht. Sie waren innen mit aus dem ganzen Ostgebiet zusammengetragenen Möbelstücken eingerichtet. Je zwei der hohen Räume wurden durch einen gemeinsamen gewaltigen Holzofen geheizt, der zwischen Wulff und mir den Gegenstand mancher Auseinandersetzungen bildete. Denn während er es in der Nacht möglichst warm haben wollte, wollte ich bei ungeheiztem Zimmer schlafen. Am 22. abends fand sich die ganze Gesellschaft - Russen und Verbündete - im Casino des O B . Ost zusammen. Es mögen siebzig bis achtzig Personen gewesen sein. Hausherr war der Oberbefehlshaber Prinz Leopold von Bayern, der - soviel ich mich erinnere — an diesem ersten Abend auch anwesend war. Prinz Leopold v. Bayern, Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber Ost, sah seinem Bruder, dem König Ludwig III., ziemlich ähnlich. (Im November 1916 war Ludwig III. in Teschen zu Besuch gewesen. Ich erhielt aus diesem Anlaß die 3. Kl. des Bayrischen Militär-Verdienstordens mit der Krone und den Schwertern. Die Dankaufwartung fand im Teschener Schloß statt. Ich enthüllte mich als Salzburger und guter Kenner von Berchtesgaden, auch als Halbbayer. Als er bei Christophori um das Ressort fragte, sagte dieser „Ostfront", worauf der König fast beleidigt antwortete: „Die kommandiert doch mein Bruder!") Er trug gleich diesem auch den saloppen Rock und die Ziehharmonikahose - mit den dichten Falten am Ende der Beine. In den Knopflöchern war unordentlich vermischt ein Dutzend von Ordensbändern verknotet. Der hohe Herr hinkte von dem Schuß, den ihm die preußische Artillerie anno 1866 bei Aschaffenburg 506 ) ins Bein gejagt hatte. Natürlich trug er das Goldene Vlies und war nach Äußerem und Gehaben ganz Habsburger. Mich fragte er gleich bei der Vorstellung: „Wie geht's meinem Neffen, dem Kaiser?" An unserem Casinotisch nahm er nur ausnahmsweise teil, da er nicht in Brest, sondern im nahen Schloß Kolki residierte. Man war dort einige Male eingeladen.
5 0 s ) Olaf Richard Wulff (Budapest, 8 . 2 . 1 8 7 7 - 1 2 . 6 . 1 9 5 5 , Costarica), 1895 als Seekadett II. Kl. aus der Marineakad. ausgemustert, 1910/11 Kmdt. des k. u . k . Marinedetachements in Peking, im Weltkrieg Monitorgruppen- und Monitordivisionskmdt. auf der Donau bzw. Kmdt. der Flottillenabt. Wulff im Schwarzen Meer im Sommer 1918, Ritter des Militär-Maria Theresien-Ordens für die Leistung bei Durchbruch der Minensperren bei Belgrad am 2 8 . 9 . 1 9 1 4 , 1 . 5 . 1 9 1 6 Korvettenkpt., 1.11.1918 Fregattenkpt., 1919-1933 in der ung. Armee, zuletzt als Vizeadmiral und Generaloberkapitän. 5 0 6 ) Das Gefecht bei Aschaffenburg am 1 4 . 7 . 1 8 6 6 , in welchem die preußische Mainarmee gegen Truppen des VIII. Bundeskorps, insbesondere Österreicher und Hessen, erfolgreich blieb, war das bekannteste Aufeinanderprallen in Südwestdeutschland. Prinz Ludwig wurde aber nicht in diesem Gefecht, sondern in dem Gefecht von Helmstadt bei Würzburg am 25. Juli 1866 als Ordonnanzoffizier seines Vaters Prinz Luitpold, der die 3. Division des VII. (Bayerischen) Bundeskorps befehligte, im Kampf gegen die preußische Division v. Beyer schwer verwundet.
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Normalerweise fungierte als Hausherr der Chef des Generalstabes, Generalmajor Max Hoffmann. Ein Hüne Mitte der Vierzig, mit ziemlich glattgeschorenem runden Schädel und einem etwas arroganten Gesicht, einer „Fresse", wie böse Kritiker gesagt haben. In seinem Auftreten war Hoffmann überaus selbstbewußt und bestimmt, dabei allerdings von der Jovialität dessen, den man unter Studenten ein bemoostes Haupt nennen würde. Die Russen im besonderen behandelte er wie ungezogene, aber doch besserungsfähige Kinder, zumal bevor Trotzkij 5 0 7 ) kam, was erst nach dem 6. Jänner eintraf. Er imponierte ihnen mit dieser Art sicherlich ein wenig. Zur Politik Ludendorffs, die sich damals mir zum erstenmal mit all ihren Schwächen zeigte, stand Hoffmann offenkundig in einer gewissen Opposition. Ich glaube, die zwei konnten sich schon seit ihrer langen Zusammenarbeit nicht schmecken. Es ist Ludendorff sicherlich nicht unbekannt geblieben, daß Hoffmann bei jeder Gelegenheit hervorhob, wie er die Kräfte für Tannenberg schon vor Ludendorffs Eintreffen bereitgestellt habe. Auch nachher ging es zwischen den beiden sicherlich nicht ab, ohne daß manchmal die Funken stoben. In Brest hielt Hoffmann ganz offenkundig zu Kühlmann 508 ), dem Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten, der seinerseits sehr stark unter dem Druck und dem ungestümen Drängen der O H L . litt. Ziemlich ohnmächtig erwies sich gegenüber diesen Kämpfen - im Gegensatz zu einer ähnlichen Lage, die der Großvater Wilhelm I. so glänzend meisterte - der deutsche Kaiser, den das Dioskurenpaar Hindenburg-Ludendorff bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit durch Demissionsdrohungen in die Enge trieb - wieder nicht zum Nutzen der Monarchie als Institution, da die ganzen Dinge natürlich nicht geheimbleiben konnten. Im übrigen war Hoffmann sicherlich auch nicht der Mann, der für eine besonders zartbesaitete Diplomatie eintrat. Der berühmte Faustschlag des Generals Hoffmann gehörte zwar, rein physisch genommen, in den Bereich der historischen Fabeln. Ich war selbst dabei und erinnere mich auch heute noch, wie wenn es gestern gewesen wäre, an die vielbesprochene Szene. Er beherrschte an dem hufeisenförmigen Verhandlungstisch die rechte Flanke, in deren Mitte er, assistiert von Major Brinckmann s 0 9 ) und anderen Offizieren seines Stabes, saß. Es war in der Weihnachtswoche. Die Diplomaten der Verbündeten, das heißt vor allem Kühlmann, hatten sich tagelang abgemüht, das reiche Bukett von Gebiets wünschen, das sie unter dem Tische hielten, möglichst hinter der von den Russen aufgestellten und von uns angenommenen Formel „keine Anne5 0 7 ) Leo Trotzkij (Bronstein) (Janowka, 7 . 1 1 . 1 8 7 9 - 2 1 . 8 . 1 9 4 0 , ermordet in Mexico City), marxistischer Theoretiker und Revolutionär, 26.10.1917 Kommissär für Äußeres, Ende Dezember - 3.3.1918 Leiter der russischen Delegation in Brest Litowsk. 5 0 8 ) Richard v. Kühlmann (Konstantinopel, 3 . 5 . 1 8 7 3 - 6 . 2 . 1 9 4 8 , Ohlstadt bei Murnau), Diplomatenlaufbahn, 1909-1914 Botschaftsrat in London, 1914 Gesandter im Haag, 1916 Botschafter in Konstantinopel, 7.8.1917 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, 9.7.1918 Rücktritt. 5 0 9 ) Friedrich Brinkmann (?, 1 1 . 9 . 1 8 7 8 - ? ) , 1896 Lt. IR. (Bremen) 75, 24.3.1909 Hptm. i. Großen Glstb., 1912 Kp-Chef IR. 173, 1914 Militâr-Attaché in Brüssel und im Haag, 28.11.1914 Mjr., Nov. 1916 1. Glstbschef im Stabe des Oberbefehlshabers Ost, Juli 1918 Abteilungschef im Stab des Chefs d. Glstbs. d. Feldheeres, dann Chef des Stabes der Waffenstillstandskommission in Spa, April-Sept. 1920 Chef des Stabes der Reichswehr-Brigade 3, 31.12.1920 mit dem Charakter als Obstlt. verabschiedet.
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xionen und keine Kontributionen" zu verbergen. Der O H L . wurde dieses wirklich etwas stumpfsinnige Versteckenspiel schließlich zu dumm und sie beauftragte offenbar Hoffmann, damit ein Ende zu machen. Daß sich die O H L . irgendwie als eigenständiger, neben der deutschen Diplomatie gleichberechtigt fungierender Verhandlungsfaktor betrachtete - davon soll noch gesprochen werden. Hoffmann meldete sich in der berühmten Sitzung zu Worte, erhob sich in seiner ganzen, gewaltigen Länge, schlug aber nicht auf den Tisch, sondern zeigte auf der vor ihm ausgebreiteten Karte auf eine vom Baltikum bis zu den Donaumündungen reichende „blaue Linie" - eben die „blaue Linie" des Generals Hoffmann - eine ziemlich gerade Linie, für die er ohne Umschweife die Forderung aufstellte, daß sich die Russen gegenüber allen Gebieten westlich davon, also Baltikum, Polen, Weißrußland, Ostgalizien, Wolhynien, Podolien, Bessarabien desinteressiert erklären sollten. Der Vorhang über der territorialen Wunschlosigkeit der Zentralmächte war aufgegangen. Die Russen mögen in Wirklichkeit nicht sonderlich überrascht gewesen sein, aber sie taten doch wenigstens so und zogen am nächsten Tag betrübt ab, sich für Anfang des neuen Jahres in der Heimat Instruktionen zu holen! Für die Lage Österreichs hatte Hoffmann sicherlich mehr Verständnis als Ludendorff. Er stand sich auch mit Czernin nicht ganz schlecht. Aber die ganze Bedeutung der durch den Krieg aufgeworfenen Randvölkerprobleme für Österreich erkannte er doch nicht. Als um den 5. Februar 1918 die ukrainische separatistische Friedensabordnung dringend eines Friedensschlusses bedurfte, da in der Heimat die Bolschewiken nahe daran waren, alle Macht an sich zu reißen, da handelte es sich vor allem darum, daß das Cholmer Land dem ukrainischen Staate zugesprochen und der österreichischen Provinz Ostgalizien eine Sonderstellung innerhalb der Monarchie zugesichert wurde. Trotzkij spottete bei den Verhandlungen jener Tage, daß im Augenblick der Besprechung die ukrainische Delegation nicht im Namen eines größeren Machtbereiches als des Zimmers, in dem man saß, sprechen könne. Beide Forderungen trafen so ziemlich die empfindlichsten Stellen der polnischen Politik. Die Forderung betreffe Ostgalizien, die nicht weniger bedeutete als das Verlangen, die innere Politik der habsburgischen Großmacht in einem wichtigen Sektor der Kontrolle eines fremden Staates, noch dazu eines solchen wie der Ukraine, zu unterwerfen. Trotzdem bekniete in einer Nacht Hoffmann den armen Czernin so sehr, daß dieser gegenüber den Ukrainern kleinweise beigab. Wir anderen, mit Wiesner an der Spitze, waren alle sehr unglücklich. Denn die Folgen konnten nicht ausbleiben. Sie kamen rapid. Die Polen waren zwar schon seit der ersten russischen Revolution - März 1917 - sehr wankende Freunde der Mittelmächte geworden. Immerhin hatte im österreichischen Parlament der jeweilige Ministerpräsident - bis in den Sommer 1917 Graf Clam 5 1 0 ), dann Dr. Seidler 511 ), der ehemalige 5 1 0 ) Heinrich Grf. Clam-Martinitz (Wien, 1 . 1 . 1 8 6 3 - 7 . 3 . 1 9 3 2 , Clam/Grein), Großgrundbesitzer und Politiker, seit 1913 Führer der Rechten im Herrenhaus, im Kreis um Ehg. Franz Ferdinand, 3 1 . 1 0 . 1 9 1 6 - 1 3 . 1 2 . 1 9 1 6 Ackerbauminister, 2 0 . 1 2 . 1 9 1 6 - 1 9 . 6 . 1 9 1 7 öst. Ministerpräsident, 1917/18 Militärgouverneur in Montenegro, nach 1918 in der legitimistischen Bewegung tätig. Vgl. F. Höglinger, Ministerpräsident Heinrich Graf Clam-Martinitz, Graz 1967 (Studien zur Gesch. d. öst.-ung. Monarchie, Bd. 2).
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Lehrer des Kaisers - seine Mehrheiten mit Hilfe der polnischen Fraktion zusammenbekommen. N u n erfolgte eine dezidierte innerpolitische Kriegserklärung der Polen an die Wiener Regierung. Gegenüber der Austropolnischen Lösung wie überhaupt gegenüber den letzten Resten mittelmächtefreundlicher Politik, vollzog sich bei den Polen aller drei Teile eine entschiedene Abkehr. Die in Ostgalizien stehende polnische Legion desertierte zum Teil unter dem früheren österreichischen Offizier Haller 5 1 2 ) zu den Russen, zum Teil wurde die Verschwörung noch bei uns aufgedeckt, wobei auch mein hier schon erwähnter Kriegsschulkamerad Zagórski in den Kerker wandern mußte. Vergeblich versuchte Czernin, den Wienern nachher den Ukraina-Frieden als Brotfrieden schmackhaft zu machen. Der Brotfriede war ein reines Theater geworden. Aber Hoffmann hatte sich nichts daraus gemacht. Der russische Gegenspieler der Verbündeten war bis vor Neujahr Joffe 5 1 3 ), ein alter Revolutionär von dem milden Aussehen eines Rabbiners, der allerdings Czernin gegenüber schon bei der ersten Unterredung als seinen heißesten Wunsch aussprach, daß die Mittelmächte möglichst bald von den Segnungen der bolschewistischen Revolution heimgesucht würden. Die Erfüllung dieses Wunsches ließ in der Folge noch mehr als ein Vierteljahrhundert auf sich warten. Zuerst mußte noch Hitler seinen Krieg machen und verlieren, wie noch nie ein Krieg verlorengegangen ist . . . Ich habe die Szene dieser ersten Unterredung C z e r n i n - J o f f e am ersten Abend vor Augen. Es war in einer Fensternische - da standen einander zwei Welten gegenüber. Auf der einen Seite Czernin, als Kavallerie-Major verkleidet, mit dem Goldenen Vlies um den Hals, schnittig und nervös wie ein Araberpferd - auf der anderen, in bürgerliches Schwarz gekleidet, der kleine Mann mit dem schwarzen Vollbart und den dicken Augengläsern, Vorkämpfer einer der größten Revolutionen, die je über diese unglückselige Erde hinweggebraust sind. D a ich schon bei den Russen bin, möchte ich aus dem Gedächtnis ein paar Typen herausgreifen. D a war vor allem Radek-Sobelsohn 5 1 4 ), ein polnischer Jude, ewig 5 " ) Ernst Seidler R. v. Feuchtenegg (Schwechat, 5 . 6 . 1 8 6 2 - 2 3 . 1 . 1 9 3 1 , Wien), 1887 Staatsdienst, 1895 in den Dienst der Handels- und Gewerbekammer in Leoben, 21.12.1900 Ministerialsekretär extra statum im Ackerbauministerium, 1909 Sektionschef, 1915 Lehrer des Thronfolgers Ehg. Carl Franz J o seph, 1 . 6 . 1 9 1 7 - 2 3 . 6 . 1 9 1 7 öst. Ackerbauminister, 2 3 . 6 . 1 9 1 7 - 2 5 . 7 . 1 9 1 8 öst. Ministerpräsident, sodann Kabinettsdirektor, 9.11.1918 Ruhestand. Vgl. Chr. Kosnetter, Ministerpräsident Ernst Seidler, Wr. Diss. 1963. 5 1 2 ) Josef Haller v. Hallenburg (Raziszów, 1 3 . 8 . 1 8 7 3 - 4 . 6 . 1 9 6 0 , London), 1895 aus der Techn. Milak. als Lt. zu K A R . 1, 1.11.1911 Hptm., 1.12.1911 pensioniert, Dez. 1914 als Obstlt. Kmdt. d. Gruppe Haller, Juli 1916 Kmdt. d. 3.IBrig. d. poln. Legion, 15.2.1918 als Obst. Brigadier des poln. Hilfskorps, zu den Russen durchgebrannt, Sept. 1918 Kmdt. d. poln. Armee in Frankreich, Okt. 1921 - D e z 1922 Generalinspektor des poln. Heeres, Sept. 1 9 3 9 - 3 . 7 . 1 9 4 3 Erziehungsminister im Exilkabinett Sikorski in London. 5 1 3 ) Adolf Abramowitsch Joffe (Simferopol, 2 2 . 1 0 . 1 8 8 3 - 1 7 . 1 1 . 1 9 2 7 , Selbstmord in Moskau), 1917/18 bei den Verhandlungen in Brest-Litowsk, März 1918 russischer Vertreter in Berlin, wo er im November 1918 kommunistischer Umtriebe wegen ausgewiesen wurde, leitete 1920 die russisch-polnischen Friedensverhandlungen in Riga, 1924/25 sowjetischer Gesandter in Wien, 1925/26 sowjetischer Gesandter in Tokio. 5 1 4 ) Karl Radek-Sobelsohn (Lemberg, 1885-1939, ?), 1902/03 Studium in Krakau, 1908 nach Deutschland, Betätigung als Sozialdemokrat, 1912 aus der polnischen, dann aus der deutschen Partei
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mit einem Nasenwärmer unter der Schnauze, berüchtigter Propagandist. Dann der Armenier Karachan 515 ), ausgesprochener Typus seines Landes, berühmt unter anderem durch den goldenen Rasierapparat, den er sich auf einem von den Deutschen veranstalteten Ausflug nach Warschau von seinen Gastgebern kaufen ließ. Bekanntlich ist diese ganze Generation der Trotzkisten, die in Brest tätig war, später - soweit sie nicht wie Joffe Selbstmord übten - von Stalin liquidiert worden. Karachan hielt sich am längsten, so daß ich schon wähnte, der schlaue Armenier habe sich irgendwie herausgeschwindelt. Da las ich plötzlich, daß auch er wegen Hochverrat hingerichtet worden sei. Dann der Historiker Vel'tmann 516 ), Pokrovskij 517 ), eine wenig einnehmende Erscheinung, ferner der Generalstabs-Oberstleutnant Fokke 5 1 8 ), nach seinem ganzen Äußeren einer der in allen Völkern vorkommenden typischen Karrieristen, der den begeisterten Bolschewiken mimte - im Gegensatz zu dem netten jungen Hauptmann Zeplit 519 ), der aus seinem reaktionären Herzen uns gegenüber keine Mördergrube machte und sogar den Georgsorden so lange trug, bis man ihn ihm wegnahm. Dann auch eine Frau, Madame Bicenko 520 ), die in weit zurückliegenden jüngeren Jahren einen zaristischen Minister umgebracht hatte und von der Revolution aus Sibirien zurückgebracht worden ist. Sie sah genauso aus, wie man sich Weiber ihrer Art vorstellt, scheint im übrigen für General Hoffmann ein gewisses Faible gehabt zu haben, denn wenn er sprach, hing sie mit Begeisterung an seinen Lippen. Diese ganze seltsame Gesellschaft teilte mit uns, ehe Trotzkij kam, die Tafelfreuden, wobei Joffe stets entweder dem Prinzen Leopold oder dem General Hoffmann auf dem Ehrenplatz gegenübersaß. Sogar den Heiligen Abend feierten sie ein wenig mit uns. Als dann der Christbaum angezündet wurde, verschwanden sie allerdings, und das Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht" mußte ohne sie angestimmt werden. Genau neunundneunzig Jahre war es her, seit in der Pfarrkirche zu Oberndorf bei Salzburg, in meiner Heimat, dieser längst zum Volkslied gewordene Sang ertönte. Gedichtet vom Kaplan, komponiert vom Lehrer. Ich war umso mehr ergriffen, als ich, wie bemerkt, die ersten Weihnachten fern der Heimat verbrachte, in einer zum Teil fremden Welt! Um Neujahr trat die schon erwähnte Verhandlungspause ein. Auch unsere Delegation fuhr zum größten Teil nach Hause. Da ich der jüngste Militär war, mußte ich traurigen Herzens in Brest zurückbleiben. Der Sylvesterabend verlief nicht ohne Stimmung. Sänger und Sängerinnen aus Berlin gaben ihr Bestes. ausgeschlossen, im 1. Weltkrieg bei Lenin in der Schweiz, fuhr mit ihm nach Rußland. 1917/18 in Brest-Litowsk, nach Ausbruch der Novemberunruhen in Deutschland am Aufbau der K P D . beteiligt. 1920 Mitglied des Exekutivkomitees des Komintern, mehrmals verhaftet, schließlich gesäubert. 5 1 5 ) Lev Michajlovic Karachan (?, 1889-1937, ?), 1918-1920 stellvertretender Kommissar für auswärtige Angelegenheiten. 5 1 6 ) Michael Lazarevic Vel'tman (?, 1871-1927, ?), sowjetischer Orientalist, publizierte unter dem Pseudonym M. P. Pavlovic. 5 1 7 ) Michail Nikolaevic Pokrovskij (?, 1868-1932, ?), sowjetischer Historiker und Politiker. 5 1 8 ) D . G . Fokke, Obstlt. d. russischen Glstbs. 5 1 9 ) keine weiteren Daten bekannt. 5 2 ° ) Α. A . Bicenko (Näheres nicht bekannt).
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Am Dreikönigstag war ein katholisches Hochamt, an dem auch der Prinz Leopold teilnahm. Da an ihm auch die berühmte Deklaration der Tschechen 521 ), in der sie sich von Österreich lossagten, verfaßt wurde, wurde er zu einem Lostag für die Donaumonarchie, ohne daß wir es wußten. Zwei Tage später erschien Trotzkij in Brest. Er war mit seiner ganzen russischen Gesellschaft an der vordersten Schützenlinie von einem deutschen Sonderzug in Empfang genommen worden. Manches Delegationsmitglied kam nicht mehr mit, so der kleine Hauptmann Zeplit. Sofort wehte bei den Russen ein anderer Wind. Trotzkij dankte für die Teilnahme an der gemeinsamen Kasinotafel, er nahm fürderhin samt den Russen das Essen in seiner Baracke. Joffe war noch hier, trat aber gegenüber Trotzkij völlig in den Hintergrund. Trotzkij recte Bronstein war in seiner Art ein interessanter Kerl. Uber einem kleinen, blassen, von starken Seitenfurchen durchzogenen Gesicht dehnte sich eine mächtige Stime und darüber ein wilder Haarschopf. Die Nase war spitz wie der Blick, der hinter dem Kneifer aus grauen Augen hervorlugte. Ein Spitzbart nach der Art, wie ihn die 48er Revolutionäre trugen, zierte das scharfe Kinn. Mittelgröße in Gestalt. Schon das erste Rededuell war sehr interessant. Trotzkij hatte mehrere Jahre seines Lebens in Wien verbracht, wo das Kaffee Zentral sein Stammlokal war. Später lebte er in der Schweiz. Er beherrschte das Deutsche glänzend und berichtigte mehr als einmal den Dolmetsch. Trotzdem ließ er sich alles russisch verdolmetschen, womit er Zeit zum Nachdenken gewann. Umso spitzer waren seine Riposten. Gegenüber den Staatsmännern der Mittelmächte hatte er vor allem den unerhörten Vorteil, daß er zum Fenster hinausreden konnte. Er machte von diesem Vorrecht reichsten Gebrauch. Kühlmann, sein eigentlicher Duellpartner, bemühte sich, durch Kaltschnäuzigkeit der Lage Herr zu bleiben. Er saß möglichst gelangweilt dort, den einen Arm lässig über die Stuhllehne gelegt, und gab diese Haltung auch nicht auf, wenn er den „Herrn Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten" anzupfeifen versuchte. Czernin, das Araber-Roß, saß mit geblähten Nüstern und zitternden Flanken daneben und bebte vor Groll und vor Sehnsucht, daß doch endlich etwas geschähe. Unter den Mitarbeitern Kühlmanns fallen mir ein: der kleine Bayer Stockhammern 522 ), das gewaltige Nilpferd Kriege S23 ), der Kronjurist, der 5 2 1 ) A m 6. J ä n n e r 1918 traten die tschechischen Abgeordneten des Reichsrates und einige Abgeordnete zu den böhmischen, mährischen und schlesischen Landtagen in Prag zusammen und einigten sich auf eine außerparlamentarische Deklaration, in welcher vor allem das Selbstbestimmungsrecht gefordert wurde, ohne daß man die Zerstörung der Monarchie ausdrücklich verlangte. 5 " ) Karl Edler v. Stockhammern (Bogen, Bayern, 1 3 . 1 0 . 1 8 6 9 - 2 0 . 3 . 1 9 2 8 , Berlin), 1897 als Anwärter auf die konsularische Laufbahn ins Auswärtige A m t , 1908 Wirklicher Legationsrat und Vortragender Rat im Auswärtigen A m t , 1913 Charakter als Geheimer Legationsrat, 1917/18 in B r e s t - L i t o w s k , 3 0 . 1 0 . 1 9 1 8 D i r e k t o r der Handelspolitischen Abteilung im Auswärtigen A m t mit dem Charakter als Wirklicher Geheimer Legationsrat, März 1920 - J ä n n e r 1922 mit der Länderabteilung I I I (später I I b ) beauftragt, D e z . 1921 Kommissar für Handelsvertragsverhandlungen, 1926 einstweiliger Ruhestand. 5 2 3 ) D r . Johannes Kriege (Lüdinghausen, 2 2 . 7 . 1 8 5 9 - 2 8 . 5 . 1 9 3 7 , Berlin), 1886 als Anwärter für die konsularische Laufbahn in das Auswärtige A m t , 1892 Konsul in Asuncion, 1895 in Sarajewo, 1896 Wirklicher Legationsrat und Vortragender Rat im Auswärtigen A m t , 1907 Charakter als Wirklicher G e -
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durch seine strengen Formulierungen die Welt in Staunen und Verzweiflung versetzte, außerdem Nadolny 5 2 4 ), der spätere Botschafter, Simons 5 2 5 ), der spätere Präsident des Reichsgerichts in Leipzig, H ö s c h 5 2 6 ) und Biilow 5 2 7 ), die beide das Jahrzehnt darauf gleichfalls in der deutschen Diplomatie eine erhebliche Rolle spielen sollten. Es waren sicherlich noch genug andere, die mir einfallen würden, wenn ich die Liste vor mir hätte. Als Stellvertreter Czernins und gleichzeitig seine dualistische Kontrolle fungierte Sektionschef Gratz 5 2 8 ), ein Siebenbürger Sachse, der vom ungarischen Journalismus herkam. Ein netter, freundlicher Mensch, mit dem sich gut reden ließ. Er wurde später einer der Führer des ungarischen Legitimismus. Als Polenfachmann erschien Baron Andrian 5 2 9 ), normal der Vertreter unseres Außenministeriums beim Generalgouverneur Beseler 5 3 0 ) in Warschau. Andrian war mütterlicherseits ein Enkel heimer Legationsrat, 1910-1911 Teilnahme an zahlreichen internationalen Konferenzen, 1911 Direktor der Rechtsabteilung, 28.11.1918 einstweiliger Ruhestand, 1924 Ruhestand. 5 2 4 ) Rudolf Nadolny (Groß-Styrlack bei Lotzen, Ostpreußen, 12. 7 . 1 8 7 3 - 1 8 . 5 . 1 9 5 3 , Düsseldorf), 1902 Anwärter für die konsularische Laufbahn, 1914 Wirklicher Legationsrat und Vortragender Rat, 1916 mit der kommissarischen Leitung der Gesandtschaft in Teheran beauftragt, 1917/18 in Brest-Litowsk, 1918 Charakter als Geheimer Legationsrat, 1.3.1919 Vertreter des Auswärtigen Amtes bei Reichspräsident Ebert, 17.1.1920 als Geschäftsträger mit der Leitung der Gesandtschaft in Stockholm beauftragt, 9.5.1921 Gesandter in Stockholm, 8. 5.1924 Gesandter in der Türkei, 13.3.1925 Botschafter in der Türkei, 1.2.1932 Leiter der deutschen Delegation zur Abrüstungskonferenz in Genf. 31.8.1933 Botschafter in Moskau, 16.6.1934 Rücktritt und einstweiliger Ruhestand, 13.4.1937 Ruhestand. 5 2 5 ) Dr. Walter Simons (Elberfeld, 2 4 . 9 . 1 8 6 1 - 1 4 . 7 . 1 9 3 7 , Babelsberg bei Potsdam), zunächst im preußischen Justizdienst, 1905 Hilfsarbeiter im Reichsjustizamt, 1907 dort geheimer Regierungsrat und Vortragender Rat, 1911 Geheimer Legationsrat und Vortragender Rat im Auswärtigen Amt, 28.11.1918 dort Direktor der Rechtsabteilung, 1919 Generalkommissär der deutschen Friedensdelegation, wegen Ablehnung des Friedensvertrages auf eigenen Wunsch in den Ruhestand, 1919-1920 Leitung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Juni 1920 - Mai 1921 Reichsminister des Auswärtigen, 1922-1929 Präsident des Reichsgerichts und des Reichsstaatsgerichtshofes. 5 2 6 ) Leopold v. Hoesch (Dresden, 1 0 . 6 . 1 8 8 1 - 1 0 . 4 . 1 9 3 6 , London), seit 1907 in diplomatischem Dienst, 1912-1914 Legationssekretär an der Botschaft in London, seit 1.10.1917 Kabinettschef unter Staatssekretär v. Kühlmann, 1917/18 in Brest-Litowsk, seit Jänner 1923 Geschäftsträger in Paris, Ende 1932 als Botschafter nach London. " ' ) Bernhard Wilhelm Otto Graf Bülow (Potsdam, 1 9 . 6 . 1 8 8 5 - 2 1 . 6 . 1 9 3 6 , Berlin), seit 1917 Legationssekretär im Auswärtigen Amt, 1919 Austritt, 1923-1930 wieder im Auswärtigen Amt, seit 1930 Staatssekretär. 5 2 e ) Gustav Gratz (Golnicbánya, 3 0 . 3 . 1 8 7 5 - 2 1 . 1 1 . 1 9 4 6 , Budapest), Historiker, Politiker, 1 5 . 6 . 1 9 1 7 - 1 6 . 9 . 1 9 1 7 ung. Finanzminister, seit 22.11.1919 ung. Gesandter in Wien, 1 7 . 1 . - 1 2 . 4 . 1 9 2 1 ung. Außenminister, Teilnahme an den Restaurations versuchen 1921, seit 1924 an der Spitze der Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereine. Seine Hauptwerke: A dualizmus kora 1867-1918, 2Bde., Budapest 1934; A foradalmak kora, Budapest 1935. 5 2 9 ) Leopold Frh. v. Andrian-Werburg (Wien, 9.5.1875-19.11.1951, Freiburg/Schweiz), 17.2.1911 Generalkonsul in Warschau, 6. 8.1914 ins Ministerium des Äußeren, 14.2.1915 Vertreter des Ministeriums beim E O K . , 16.12.1915 Vertreter des Ministeriums in Warschau, 15.1.1917 ins Ministerium berufen, 1918 Generalintendant der Wiener Hoftheater, Freund von Bahr und Hofmannsthal. Vgl. W. H. Perl, Dichter des alten Österreich. Ein Hinweis auf Leopold von Andrian, in: Die Furche, Jg. 1962, Nr.31, 9f. 5 3 °) Hans Hartwig v. Beseler (Greifswald, 2 7 . 4 . 1 8 5 0 - 2 0 . 1 2 . 1 9 2 1 , Neubabelsberg), 11.9.1907 GdL, 1915 Oberbefehlshaber der Belagerungsarmee Nowo-Georgiewsk, 24. 8.1915 - Kriegsende Generalgouverneur in Warschau, 27.1.1918 G O . , Nov. 1918 verabschiedet.
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Mayerbeers, hielt also den Anforderungen des Dritten Reiches nicht stand. Seine schon neunzigjährige Mutter 531 ) gehörte bis knapp vor dem Anschluß zu den Ausstattungsstücken des Hotels Europe in Salzburg. Andrian, ein Schöngeist, wurde bald nach Brest Generalintendant der Hoftheater. Nach dem Zusammenbruch wurden wir bei unseren häufigen Begegnungen in Salzburg Du-Freunde. Wo er hingekommen ist, weiß ich nicht. Jener Andrian von Werburg 532 ), der in den vierziger Jahren so strenge Kritik an dem österreichischen Greisenregime in einer Broschüre übte, war sein Großonkel. Das Arbeitstier der österreichisch-ungarischen Delegation und sehr oft auch deren geistiger Führer war Wiesner. Von Gestalt klein, mit einer Riesenglatze und starker Nase, einem sehr klugen Gesicht - jetzt nur mehr ausnahmsweise als Kaiserschützenhauptmann verkleidet, in der Regel mit der Diplomaten-Felduniform angetan. Wir haben sehr eng zusammengearbeitet, er hatte sehr oft seine liebe Mühe mit seinem Chef, der ihn, wie alle nicht zur Hocharistokratie gehörenden Beamten, wie einen „Schuhfetzen" zu behandeln pflegte und ohne ihn doch nicht auskommen konnte. Wiesner fiel der Hauptsache nach auch die Berichterstattung nach Wien zu. Dabei waren wir Konkurrenten. Denn die Berichterstattung der militärischen Delegation hatte selbstverständlich sowohl stilistisch als auch technisch ich. Da war nun ein stiller Wettbewerb entstanden, wer seine Nachrichten früher an den Kaiser brachte. Mehrfach gelang es mir. So nach dem aufregenden Moment, da Trotzkij um den 20. Februar die Konferenz auffliegen ließ, indem er erklärte, zwar keinen Frieden schließen zu wollen, aber seine Soldaten in ihre Werkstätten und auf ihre Felder heimschicken zu wollen. Es war ein irgendwie packender Augenblick. Neben mir stand Podewils 533 ), der Vertreter der Bayern, wir sahen uns beide verständnisinnig an, daß hier etwas Außergewöhnliches geschähe. Kühlmann und Czernin waren perplex. Ich eilte auf kürzestem Wege zum Telephon und rief Waldstätten an. Als einige Stunden später das fein säuberlich geschriebene Telegramm im Kaiserhaus zu Baden eintraf, hatte Brougier dem Kaiser längst von meinem Telephongespräch Meldung erstatten können. Weil ich schon beim Berichterstatten bin - ich betone zum x-ten Male, daß ich ganz unliterarisch schreibe - , so möchte ich erwähnen, daß ich neben den sehr eingehenden offiziellen Meldungen, die unter der Firma Csicserics gingen, wöchentlich zwei- bis dreimal auch feuilletonistische Briefe an Waldstätten schickte, die dieser sofort an Brougier weitergab, der sie seinerseits am Abendtisch dem Kaiser und 5:>1)
Cäcilie Freiin Andrian v. Werburg, geb. Meyerbeer (Paris, 1 0 . 3 . 1 8 3 6 - 8 . 2 . 1 9 3 1 , Salzburg). " 2 ) Viktor Frh. v. Andrian-Werburg (Görz, 1 7 . 9 . 1 8 1 3 - 2 5 . 1 1 . 1 8 5 8 , Wien), 1834-1846 im Staatsdienst, 1847 im nö. Landtag, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, wo er für die Vormacht Österreichs im Deutschen Bund eintrat. Vizepräsident und Mitglied des Verfassungsausschusses, August 1848 - März 1849 Reichsgesandter in London. Sein Hauptwerk: Österreich und dessen Zukunft, Bd. 1, 1842, Bd.2, 1847. 5 3 3 ) Klemens Grf. Podewils-Diirnitz (Landshut/Isar, 1 7 . 1 . 1 8 5 0 - 1 4 . 3 . 1 9 2 2 , München), Diplomat, 7 . 8 . 1 9 0 2 - 1 8 . 2 . 1 9 0 3 bayerischer Kultusminister, 1 8 . 2 . 1 9 0 3 - 8 . 2 . 1 9 1 2 bayerischer Ministerpräsident, 1918 bayerischer Bevollmächtigter in Brest-Litowsk.
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der Kaiserin vorlas. Sie hörten mit Vergnügen zu, was mir Brougier natürlich mitteilte. Ich benützte diese Möglichkeit, manchen Gedanken einfließen zu lassen, den ich sonst nicht an den Kaiser herangebracht hätte. Leider sind die Durchschläge dieser nicht uninteressanten Briefe sowie eines Teiles meines Brester Tagebuches 5 3 4 ) verlorengegangen. Ich habe beides an Conrad nach Bozen geschickt, aber nicht wiederbekommen. Dafür erhielt ich vom alten Marschall mehrere interessante Schreiben, die speziell für seine Einstellung zum Bündnis bemerkenswert waren. Er hatte mit den Deutschen viel Ärger, bekannte sich aber nachdrücklichst zur Allianz und schrieb diesem Bekenntnis sogar mit die Ursache an seiner Enthebung zu 5 3 5 ). Das Bündnis befand sich während dieser Wochen zweifellos in einer Krise. D e r junge Kaiser hätte von ihm lieber heute als morgen nichts gewußt. Ihm hing das deutsche Siegfriedler-Programm wie ein Bleigewicht an den Füßen. Andererseits machten sich auch die Wilhelmstraße und Ludendorff Gedanken über österreichisch-ungarische Vergrößerungswünsche im Südosten und über die austropolnische Lösung. Auch Karten mit dem Tagliamento als Grenze waren aus Wien gekommen. Das letztere war Unfug. Die beiden anderen Dinge waren nicht unbedingt als unzeitgemäße Imperialismen zu betrachten. Sie betrafen zwei der zahlreichen „Randvölkerprobleme", die, rein theoretisch betrachtet, ein Völkerreich ganz innerhalb seiner Grenzen oder völlig außerhalb derselben lösen mußten. Allerdings stießen sich hier im Räume die Sachen. Mit der Zeit kam es in Brest so weit, daß Czernin erklärte, ohne einen Frieden überhaupt nicht mehr nach Hause fahren zu können. Er gab damit die Stimmung seines jungen Herrn wieder. Der Friede mit der Ukraine, im Hinblick auf die gut gezeichneten innerpolitischen Verhältnisse dieses Landes wirklich ein reiner, von der österreichischen Polenpolitik allerdings teuer erkaufter Theatercoup, leitete sich auf diese Stimmung zurück. Hier eine kleine Anmerkung über den Verkehr Czernins mit dem Kaiser. Die Tonart des ersteren gegenüber dem zweiten setzte mich oft in Erstaunen. E r schrieb fast nur per „ S i e " , gebrauchte im Text fast nie den Titel Majestät, behandelte den jungen Herrn auch sonst sehr von oben herab. Als damals die geheime Zusammenkunft des Generalstabsobersten Randa 5 3 6 ) mit dem König von Rumänien auf des letzteren Impuls hin stattfand 5 3 7 ), da zeigte sich wieder sehr deutlich Czernins Eigenart. Er ließ dem Kaiser viel Handlungsfreiheit und trachtete wieder nur die 534
) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 188.
) Vgl. die mehrfachen Äußerungen in: K. Peball (Hg.), Conrad von Hötzendorf. Private Aufzeichnungen. Erste Veröffentlichungen aus den Papieren des k . u . k . Generalstabs-Chefs, Wien-München 1977, 260, 262, 264, 266. 5 3 6 ) Maximilian R. v. Randa (Zwittau, Mähren, 2 4 . 5 . 1 8 7 4 - 1 3 . 8 . 1 9 4 1 , Czernowitz), 1895 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Pionierbaon. 5, Glstbslaufbahn, 1 6 . 9 . 1 9 1 1 als Lehrer des Festungskrieges an die Kriegsschule, 1 . 1 1 . 1 9 1 1 Mjr. i . G . , 1 . 5 . 1 9 1 4 Militarattaché in Bukarest, 3 . 1 0 . 1 9 1 6 Chef der Glstbsabt. d. I. Korps, 2 6 . 1 . 1 9 1 8 Glstbschef X I . Korps. s 3 7 ) Oberst Randa traf am 4. Februar vor Jassy mit dem Flügeladjutanten König Ferdinands, Oberst Styrcea, zusammen, um dem König mitzuteilen, daß er ehrenvolle Friedensbedingungen zu erwarten habe, und um ein Bündnis gegen das revolutionäre Rußland anzubieten. 535
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Hälfte zu wissen, so daß der arme junge Herrscher ganz auf sich und den Rat seiner Damen gestellt war. Als Detail sei verzeichnet, daß alle amtlichen Tagesberichte des Außenministeriums telegraphisch immer auch in einem Exemplar an die „ F r a u Gemahlin des Ministers" gingen. Auf meine erstaunte Frage sagte man mir, dies sei alte Tradition des Ballhausplatzes. In der Nacht vor dem Abschluß des Brotfriedens mit der Ukraine kamen die Delegationen überhaupt nicht zu Bette - mit Ausnahme von mir, der das weltgeschichtliche Ereignis verschlief. Die Vertreter der Ukrainer waren alle sehr jung, sie sahen eher wie Handlungsgehilfen denn wie Staatsmänner aus. Zweier erinnere ich mich, der Herren Holubovyc 5 3 8 ) und Sevrjuk 5 3 9 ). Letzterer arrangierte noch durch Jahre in Berlin Gedenkabende an die große Stunde seines Lebens. Ich konnte zwar seinen Einladungen nie Folge leisten, kam aber doch in Korrespondenz mit ihm. Wiesner hatte sich in diesen vierundzwanzig Stunden wie ein Psychiater um seinen Herrn zu kümmern. Neben Gratz vertrat in unserer Delegation noch Graf C s á k y 5 4 0 ) , der spätere ungarische Außenminister, das magyarische Element. Graf Ferdinand Colloredo s 4 1 ), der Bruder der Fürstin Schönburg, war Chef des Protokolls. Wir nannten uns später gegenseitig immer Herr Volkskommissar! Duzfreundschaft verband mich von Teschen her mit dem Freiherrn von Gautsch 5 4 2 ), dem Sohne des einstigen k. k. Ministerpräsidenten 543 ). Wir kamen uns erheblich nahe und besprachen auch manchmal die traurige, aber leider gegebene Möglichkeit eines Auseinanderfalles unseres Reiches. Für diese innerlich von uns doch nicht geglaubte Eventualität tröstete uns etwas, was ich heute gar nicht gern diesen Blättern anvertraue, die „ H e i m k e h r " , ja,
5 3 e ) Vsevolod Holubovyc (?, 1890-?), 1917/18 ukrainischer Transport- und Handelsminister, 1918 ukrainischer Ministerpräsident. s 3 9 ) Oleksander Sevrjuk (?, 1893-1941, ?), Vorsitzender der ukrainischen Friedensdelegation. 5 4 °) Stephan Graf Csáky ν. Körösszegh und Adorján (Szepesmindszent, 16.2.1882-22.5.1961, Santa Cruz de Teneriffa), Absolvent der Konsularakademie, seit 30.11.1905 Gesandtschaftsattaché, Dienstleistungen in Dresden, St. Petersburg, Berlin u. Bukarest, 30.12.1913 Legationssekretär I. Kategorie, 27. 8.1916 Posten in Bukarest verlassen, 7.11.1916 dem Vertreter des Ministeriums des Äußeren in Warschau zugeteilt, 16.1.1917 ins Ministerium einberufen, Teilnehmer an den Friedenskonferenzen v. Brest-Litowsk u. Bukarest, 1920 in der ung. Friedensdelegation in Trianon, 2 2 . 9 . 1 9 2 0 - 1 6 . 1 2 . 1 9 2 0 ung. Außenminister. 5 4 1 ) Ferdinand Grf. Colloredo-Mannsfeld (Sierndorf, 5.6.1878-18.12.1967, Wien), 1901 Konzeptspraktikant im Ministerium des Äußeren, 1909 Legationssekretär, 25.12.1916 Chef-Stellvertreter des Kabinetts des Ministers, 21.1.1917 Chef, 24.1.1917 Legationsrat II. Kategorie. 5 4 2 ) Oskar Frh. Gautsch v. Frankenthurn (Vöslau, 9 . 7 . 1 8 7 9 - ? ) , 7.8.1902 Konzeptspraktikant bei der nö. Statthalterei, ab 16. 10. 1903 im Ministerium des Äußeren, 1.11.1912 Legationssekretär I. Kategorie, IX. 1914/1915 reitender Ordonnanzoffz. beim 4. Armeekmdo. als Lt. i.d. Res. D R . 6, 5.9.1916 dem Vertreter des Ministeriums des Äußeren beim A O K . zugeteilt, 21.5.1917 ins Ministerium einberufen. 5 4 3 ) Paul Frh. Gautsch v. Frankenthurn (Wien, 2 6 . 2 . 1 8 5 1 - 2 0 . 4 . 1 9 1 8 , Wien), 5.11.1885 bis 11.11.1893 u. 3 0 . 9 . 1 8 9 5 - 2 8 . 1 1 . 1 8 9 7 Minister für Kultus u. Unterricht, 2 8 . 1 1 . 1 8 9 7 - 5 . 3 . 1 8 9 8 u. 31.12.1904-2.5.1906 u. 28.6.1911-3.11.1911 Ministerpräsident, 17.5.1899-31.12.1904 u. 7 . 5 . 1 9 0 6 - 2 8 . 6 . 1 9 1 1 Präsident des Obersten Rechnungshofes.
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so sagten wir, während wir im Speisewagen Czernins treffliche Beefsteaks aßen, die „Heimkehr ins Reich". Einen interessanten Zuwachs erhielt die österreichische Delegation vor Weihnachten für einige Tage in der Person des Botschafters Albert Graf Mensdorff. Warum er da war, wußte, glaube ich, nicht einmal Wiesner. Heute weiß ich es natürlich. Er brachte aus Genf brühwarme Nachrichten über eine geheime Zusammenkunft, die er dort mit Smuts 5 4 4 ) und dem Sekretär Lloyd Georges 5 4 5 ), Philipp Kerr 5 4 6 ) - später Lord Lothian - gehabt hatte. Trotz seiner pflichtgemäßen Verschwiegenheit freundeten Mensdorff und ich uns sehr rasch an. Die täglichen Nachmittagsspaziergänge, die wir in der winterlichen Landschaft rund um das Kastell arrangierten, waren mir immer ein Vergnügen. Der Unterhaltungsstoff ging nicht aus. Mensdorff war kein hochbeschwingtes Genie, aber ein nüchtern denkender, kluger Mann, dessen Berichte aus seiner Londoner Botschafterzeit Pribram 5 4 7 ) immer als die besten bezeichnete - unvergleichlich besser als die seines Kollegen Lichnowsky 5 4 8 ). Wir blieben Freunde. Das letzte Mal sah ich ihn am 21. November 1941 im Hotel Meißl und Schadn im Salon des Königs Ferdinand von Bulgarien, mit dem er als Sohn einer Coburgerin ebenso wie mit dem britischen Königshause verwandt war 5 4 9 ). Wir besprachen ein Zusammentreffen, er lud mich ein dazu, es kam aber nicht mehr zustande. Wenn ich solches niederschreibe, kommt mir der Kontrast zur jetzigen Situation als gefangener „Kriegsverbrecher" besonders tragisch zum Bewußtsein. Was man mir jetzt in Österreich vorwirft, das lag damals, als mir Ferdinand von Bulgarien und Albert 5 4 4 ) Jan Christiaan Smuts (Boplaas, Kap, 2 4 . 5 . 1 8 7 0 - 1 1 . 9 . 1 9 5 0 , Doornkloof), General, Burenführer, Politiker. 5 4 s ) David Earl Lloyd George of Dwyfor (Manchester, 1 7 . 1 . 1 8 6 3 - 2 6 . 3 . 1 9 4 5 , Llanystumdwy, Wales), Politiker, gehörte seit 1905 mehreren Kabinetten an, 7 . 7 . 1 9 1 6 - 5 . 1 2 . 1 9 1 6 Kriegsminister, 1 0 . 1 2 . 1 9 1 6 - 1 9 . 1 0 . 1 9 2 2 Premierminister. 5 4 6 ) Philipp Henry Kerr Margues of Lothian (?, 1 8 . 4 . 1 8 8 2 - 1 2 . 1 2 . 1 9 4 0 , Washington), Diplomat u. Journalist, 1916-1921 Sekretär Lloyd Georges, 1931-1932 parlamentarischer Unterstaatssekretär des Indien-Amtes, ab 1939 Botschafter in den Vereinigten Staaten. 5 4 7 ) Alfred Francis Pribram (London, 1 . 9 . 1 8 5 9 - 7 . 5 . 1 9 4 2 , London), 1882 Dr. phil., 1887 Doz. f. neuere Geschichte an der Universität Wien, 19. 7.1913 o. Prof. f. neuere Geschichte. Verfasser wichtiger Werke zur Geschichte des 17. Jahrhunderts ( z . B . Franz Paul Frh. v. Lisola (1613-1674) und die Politik seiner Zeit, Leipzig 1894) und des 19./20. Jahrhunderts ( z . B . Politische Geheimverträge ÖsterreichUngarns 1879-1914, 1. Bd., Wien-Leipzig 1920; Austrian foreign policy 1908-1918, London 1923), u . a . m . ; Herausgeber des 2. u. 3.Bandes v. Friedjungs „Das Zeitalter des Imperialismus 1884-1914, Wien 1922; Mitarbeiter der „österreichischen Rundschau" 1920 u. 1921; Mitarbeiter der „Berliner Monatshefte". Vgl.: Chr. Zouzelka, Alfred Francis Pribram (1859-1942), Wr. Diss. 1969. 5 4 8 ) Karl Max Fst. v. Lichnowsky (Kreuzenort, Kr. Ratibor, 8 . 3 . 1 8 6 0 - 2 7 . 2 . 1 9 2 8 , Berlin), 1912—1914 dt. Botschafter in London. Seine Erinnerungen: Auf dem Wege zum Abgrund. Londoner Berichte, Erinnerungen und sonstige Schriften, Bd. 1, 2, Dresden 1927, lösten heftige Widersprüche, insbes. auch in Österreich, aus (vgl. Werkverzeichnis Nr. 187). Die publizierten Dokumente erwiesen sich zum Teil als Verfälschungen. Vgl. ansonsten: John G . Röhl, Zwei deutsche Fürsten zur Kriegsschuldfrage. Lichnowsky und Eulenburg und der Ausbruch des 1. Weltkrieges, Düsseldorf 1971. 5 4 9 ) Mensdorffs Großmutter väterlicherseits, Sophie Przsin. v. Sachsen-Coburg-Saalfeld (1778-1835) u. Eduards VII. Großvater, Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg u. Gotha (1784-1844; 1806-1826 Hzg. v. Sachsen-Coburg-Saalfeld, ab 1826 Hzg. v. Sachsen-Coburg u. Gotha) waren Geschwister. Mensdorff war daher ein Cousin zweiten Grades König Eduards VII.
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Mensdorff die Hand schüttelten, schon alles offen zutage. Trotzdem der Händedruck ! Unter den Aussprüchen, die Mensdorff bei unseren Brester Spaziergängen tat, habe ich einen später oft zitiert. Im Hinblick auf augenblickliche Verstimmungen im Bündnis meinte er: ,,Mit Grantigsein macht man keine Politik!" Es ist ein Wort, in welchem sehr viel Wahrheit liegt. Die Situation in der Heimat machte uns in der Brester Zeit viel Sorge. Daß die nationale Revolution in Österreich sich längst in voller Entfaltung befand, kam uns nicht einmal so sehr zum Bewußtsein. Besonders drückte uns Mitte Jänner das soziale Beben, das nicht zuletzt durch Deutschösterreich ging. Ein großer Streik der sozialdemokratischen Arbeiterschaft in Wien und auf dem Steinfeld veranlaßte den Kaiser, aus Laxenburg in die Enge des Badner Kaiserhauses zu flüchten. Der Streik ging zuerst um Brot, wurde aber dann unter der Parole Friede geführt und bereitete natürlich den Russen eine besondere Freude, die sie uns bei jeder Gelegenheit fühlen ließen. Czernins Nervosität wurde so groß, daß er eines Tages Trotzkij in seiner Bude aufsuchte, um mit ihm weiterzukommen, ein Versuch mit untauglichen Mitteln. Die Russen verkündeten offen, daß sie mit der Weltrevolution rechneten. An mich kam in diesen Tagen ein Brief von Schönburg. Der Kaiser hatte ihn zum Ministerpräsidenten designiert 550 ) - ob ich nicht sein Präsidialchef werden wolle? Natürlich wollte ich, telegraphierte ich zurück. Ich hörte aber dann nichts mehr. Die Ministerpräsidentschaft Schönburgs - Bardolff und Alfred Krauss waren als Minister in Aussicht genommen - versank so rasch wie sie gekommen war, er sollte statt dessen zunächst Oberkommandant des Hinterlandes mit besonderen Vollmachten werden. Davon wird noch die Rede sein. Mir hat es natürlich leid getan, daß aus der Regierung Schönburg-Hartenstein nichts geworden ist. Ich habe mir schon eine Regierungskundgebung durch den Kopf gehen lassen, außenpolitisch deutsche Orientierung, innenpolitisch aber starker Kronländerföderalismus mit nationalen Kurien, wo es zweckmäßig war. Der Streik flaute wieder ab, wie alles im lieben Österreich. Er hatte ein tragikomisches Nebenspiel auf dem Boden unserer Bündnispolitik. Die Donau herauf fuhren einige deutsche Transportschiffe mit Getreide aus Rumänien. In seiner Verzweiflung kaperte der Chef des gemeinsamen Ernährungsamtes, General v. Landwehr 551 ), ganz einfach die Ladungen 552 ). Große Entrüstung auf deutscher Seite, zu S 5 °) Die Designierung erfolgte am 2 7 . 1 . 1 9 1 8 . Vgl. zu dieser Angelegenheit ansonsten: R. Plaschka H. Haselsteiner - A . Suppan, Innere Front. Militärassistenzen, Widerstand und Umsturz in der D o naumonarchie, l . B d . , Wien 1974, 1 5 9 f f . 5 5 1 ) Ottokar Landwehr v. Pragenau (Wien, 1 2 . 2 . 1 8 6 8 - 1 3 . 3 . 1 9 4 4 , Wien), 1889 aus der Milak. als Lt. zu IR. 86, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 9 Obstlt. i . G . , 2 7 . 1 0 . 1 9 1 2 Vorstand der Abt. 5 M / K M . , 3 1 . 1 0 . 1 9 1 2 Obst. i . G . , 2 6 . 7 . 1 9 1 4 Armee-Etappenkmdt. 5. Armee (Balkanstreitkräfte), 2 6 . 5 . 1 9 1 5 der 5. Armee (Isonzofront), 1 . 1 . 1 9 1 6 Oberquartiermeister der Isonzoarmee, 1 . 1 1 . 1 9 1 6 G M . , 2 7 . 2 . 1 9 1 7 Vorsitzender des Gemeinsamen Ernährungsausschusses, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. Seine Erinnerungen: Hunger. Die Erschöpfungsjahre der Mittelmächte 1917/18, Zürich-Leipzig-Wien 1931. 5 5 2 ) A m 29. April 1918 wurden auf Antrag Landwehrs durch die Zentraltransportleitung für das Deutsche Reich bestimmte Donauschlepper mit Mais (aus Rumänien) beschlagnahmt. Es handelte sich um 2 1 . 4 7 0 tons Kommais und Maismehl sowie 1658 tons Kolbenmais. Vgl. J. E. Patterer, Der gemeinsame Ernährungsausschuß 1 9 1 7 - 1 9 1 8 , W r . Diss. 1971, bes. 1 8 9 f f .
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deren Eindämpfung auch ich meinen damals nicht mehr geringen Einfluß geltend machte. Wenn wir zwei, Deutschland und Österreich-Ungarn, in den Baracken des Kastells von Brest aufeinanderstießen, so blieb unser Kampf nicht allein. Auch die zwei anderen Bundesgenossen, die Türkei und Bulgarien, machten uns das Leben nicht leichter, sei es, daß sie alle möglichen Wünsche gegenüber den Russen anmeldeten wie die Türken, oder daß sie sich untereinander stritten wie um die Dobrudscha, in der übrigens unser einstiger „ E r z b i s c h o f " aus der Kriegsschule, Major Zobernig, nun zugleich wohlbestallter Dr. juris, seines Amtes als Militärbevollmächtigter waltete. Die Türkei war zuerst durch den kleinen, dicken Hakki Pascha 5 5 3 ) vertreten, der sich wie ein fröhliches Meerschweinchen ausnahm und normal Botschafter in Berlin war. Nach Weihnachten kam der Außenminister Talaad Pascha 5 5 4 ) persönlich. Er war ein schöner und zugleich interessanter Mann, dem man bei seinen jovialen Manieren die furchtbaren Grausamkeiten gegen die Armenier gar nicht zumuten konnte. Die Bulgaren waren gleichfalls durch ihren Außenminister vertreten 5 5 5 ). Neben diesem machte sich der einflußreiche Militârattaché der Bulgaren in Berlin beziehungsweise im D G H Q u . , Oberst Gantschew 5 5 6 ), entsprechend breit. Wir gingen aneinander vorüber, nicht ahnend, daß wir in einem Zweiten Weltkrieg in Berlin gute Freundschaft schließen würden. Schuld an dieser Freundschaft war allerdings noch mehr Gantschews geschiedene Frau, die nachmalige Gattin 5 5 7 ) meines ersten Adjutanten Wolf Freiherr v. Massenbach 5 5 8 ). Gantschew war damals Obersthofmarschall des Exzaren. Er hat ihn in den Tagen des Zusammenbruchs fluchtartig verlassen, um den sicheren Port der Schweiz zu gewinnen. Zu Neujahr machte ich einen interessanten Ausflug. Ich fuhr mit der Bahn nach Warschau. Leider sah ich von der Stadt nicht sehr viel, denn der Schnee war bedenklich hoch geworden. Der Versuch, Zagórski zu treffen, scheiterte. Immerhin dachte ich - wie ich später an Waldstätten schrieb, als ich das prachtvolle Belvedere sah - , ob Kaiser Karl wohl einmal dort einziehen werde ? Ludendorff war absolut dagegen, er wollte lieber eine fünfte Teilung Polens, wobei er das Kohlengebiet von Dombrova einstecken mochte. 5 " ) Hakki Pascha (1863-1918), 1910-1911 Großwesir, 1 9 1 5 - 2 9 . 7 . 1 9 1 8 türkischer Botschafter in Berlin. 5 5 4 ) Mehmed Talaad Pascha ( Í 8 7 4 - 1 5 . 3 . 1 9 2 1 , Berlin), 1909-1913 Innenminister und Finanzminister, II. 1 9 1 7 - X . 1918 Großwesir, floh 1921 nach Berlin und wurde dort von Armeniern ermordet. 5 5 5 ) Laut Bihl, Brest-Litowsk, 41, führten Justizminister Popov, ab 1.2.1918 Ministerpräsident Radoslavoν und ab 1.3.1918 Gesandter und bevollmächtigter Minister Tosev den Vorsitz der bulgarischen Friedensdelegation. 556) p e t e r Gantschew (Weliko Tarnowo, Nordbulgarien, 8 . 1 . 1 8 7 4 - 1 9 5 2 , B R D ) , 1894 L t . in der bulgarischen Infanteriewaffe, Oktober 1915 - September 1918 Bulgarischer Militärbevollmächtigter beim Deutschen Großen Hauptquartier, zugleich Flügeladjutant Zar Ferdinands, 15.10.1918 O b s t . , in der Nachkriegszeit Generaladjutant des Exzaren als G M . i . R . 5 5 7 ) Wahrscheinlich Anneliese Freiin v. Massenbach geb. Martin (Würzburg, 25.1.1900-?). 5 5 e ) Wahrscheinlich Wolf Frh. v. Massenbach (Neustettin, 4 . 8 . 1 8 9 - 5 - 1 8 . 4 . 1 9 5 7 , Berlin), vermählt 2 9 . 1 . 1 9 4 2 , Berlin, mit Anneliese, geb. Martin.
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Die Rückfahrt ging sehr langsam vonstatten, alle Augenblicke schien es, als sollte der Zug steckenbleiben. Erst um Mitternacht kam ich in Brest an und mußte dann sehen, wie ich mich durch den Schnee nach Hause arbeitete. Glücklicherweise begegnete ich Gottfried, der auf den Bahnhof kam. Wesentlich interessanter war eine andere Reise, die wir zu Anfang Februar unternahmen. Wir fuhren im Sonderzug nach Berlin - die deutsche und die österreichisch-ungarische Delegation 5 5 9 ). Die Fahrt ging über Lodz, wo wir aus irgendeinem Grunde halt machten und zu einem Rundgang ausstiegen. Der Eindruck war nicht besser als einundzwanzig Jahre später - im November 1939! In Berlin hatten wir Quartier im Adlon. Es war das zweite Mal in meinem Leben, daß ich die Hauptstadt betrat. Die Besprechungen fanden in dem Palais statt, wo ich mich zehn Jahre später beim Reichspräsidenten Hindenburg melden sollte. Sie waren aufregend genug. Denn Czernin leitete sie mit nicht weniger und nicht mehr als der Frage ein: „ W i e lang denn Deutschland, das heißt der gleichfalls anwesende Ludendorff, von Österreich verlange, daß es weiterkämpfe?" Die Versammlung war interessant. Zum ersten und einzigen Mal sah ich Graf Hertling S 6 0 ), den Nachfolger Michaelis in der Reichskanzlerschaft. In den Händen eines kleinen, verrunzelten Männchens sah ich das Geschick des Reiches liegen. Neben Czernin pflanzte sich die massige Gestalt unseres Botschafters Hohenlohe auf, eines ziemlich hochmütigen Herrn. Die Atmosphäre war mit Krisenstimmung geladen. Ein Empfang bei Hohenlohe in der Botschaft schloß die Veranstaltungen. Ich sah mir Berlin gut an und erregte mit meinem polnischen Pelz samt breitem Kragen und goldenen Schnüren einiges Aufsehen. An einem Vormittag hatte ich im Generalstabsgebäude in der Moltkestraße zu tun. Da kam Ludendorff vorüber. E r begrüßte mich als alten Bekannten und fragte mich, wie es mir gehe. Ich sagte: „Schlecht Exzellenz, weil Sie die austropolnische Lösung unmöglich machen ! " Er sah mich verdutzt an und begann mit mir über diese Frage und die ganzen Friedensfragen zu debattieren. Ich war etwas betrübt, bestätigt zu sehen, was ich seit einiger Zeit ernsthaft fürchtete: Ludendorff war alles eher denn ein politischer Kopf. Das war für einen Feldherrn ein schweres Manko. Über den ukrainischen Frieden und den eigenartigen Abgang Trotzkijs habe ich hier schon ein paar Worte gesagt. Durch den letzteren waren die Vertreter der Mittelmächte doch einigermaßen betroffen. Gewiß nicht Ludendorff, dem es vor allem darum zu tun war, daß die Brester Frage endlich ein Ende fand. Die Vorbereitungen in Frankreich brannten ihm auf den Fingern. Kühlmann dagegen war sehr ernst, er sah neue Verwicklungen mit der O H L . und auch mit den Verbündeten heraufziehen. Denn was nun machen?
) Die Konferenz fand in Berlin am 5. Februar statt. Vgl. Meckling, Czernin, 284ff. °) Georg Friedrich Graf Herding (Darmstadt, 3 1 . 8 . 1 8 4 3 - 4 . 1 . 1 9 1 9 , Ruhpolding, Oberbayern), 1875-1890 u. 1896-1912 Abgeordneter zum Deutschen Reichstag der Zentrumspartei, 1909-1912 Vorsitzender der Zentrumsfraktion, 9.2.1912-3.10.1917 bayerischer Ministerpräsident, 1 . 1 1 . 1 9 1 7 - 3 . 1 0 . 1 9 1 8 Reichskanzler. Schrieb: Erinnerungen aus meinem Leben, 2 Bde., München 1919/20. 559
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Ich habe während der Brester Verhandlungen wiederholt dort, wo ich es konnte, zumal auch gegenüber dem General Cramon, mit dem ich durch Fleck in Verbindung stand, meine Auffassungen zur Geltung gebracht. Die Preußen, wie immer gründliche Leute, hatten sich an den Verhandlungstisch mit dem Gedanken gesetzt, daß sie nun im Osten ein Friedenswerk für neunundneunzig Jahre zu setzen hatten. Das kostete erstens allgemein genaue Überlegung und zum zweiten schien es notwendig, so viel als möglich für Deutschland herauszupressen, denn es war ja für hundert Jahre! Mein Standpunkt war ein grundsätzlich entgegengesetzter. Der Friede konnte unmöglich schon jetzt für neunundneunzig Jahre berechnet sein. Ob er überhaupt Wert hatte, hing ausschließlich vom Gesamtausgang des Krieges ab. Dann erhielt auch Europa das Gesicht, das der Sieger haben wollte. Unsere Aufgabe in Brest-Litowsk konnte es daher nur sein, diese Lösung gegenüber dem Osten nicht zu unserem Nachteil zu präjudizieren. Wir brauchten den Russen auch hinsichtlich der Gebiete diesseits unseres noch bestehenden Schützengrabens zwischen Riga und den Donaumündungen den Daumen aufs Auge zu drücken. Sie brauchten auch noch nicht definitiv verzichten, mußten sich aber verpflichten, auf die Dauer des allgemeinen Krieges im Hinblick auf die Gebote unserer Kriegsführung auch uns in diesen Gebieten nichts dreinzureden. Im übrigen war die ganze Brester Affäre nur als Propagandasache zu benützen, was wohl Trotzkij, nicht aber die Herren aus Berlin, verstanden hatten. Es war falsch, den Westmächten Gelegenheit zu geben, daß sie auf die Brester Siegfriedensforderungen hinweisen konnten, um ihre Arbeiterschaft bei der Stange zu halten. Im Gegenteil: für die Zeit nach dem allgemeinen Frieden hätten wir schon jetzt das Bild einer prachtvollen demokratischen Lösung an die Wand zaubern können. Siegten wir, dann fiel auch eine solche zu unseren Gunsten aus, verloren wir, dann war ohnehin alles verloren. Und für eine Partie Remis blieben immerhin noch Wege offen. Das waren beiläufig - man könnte sie viel schöner formulieren - die Gedankengänge, die ich vertrat. Aber wie entfernt waren sie von dem, was Ludendorff dachte! Leichten Herzens verließen wir Brest-Litowsk in unserem Sonderzug - leichten Herzens insofern, als uns um den Aufenthalt nicht leid tat. Das Kastell selbst hatte man längst ausgenossen. Die Stadt aber war ein völliger Trümmerhaufen gewesen. Das Fahren im Salonwagen genoß ich wieder als besonderes Vergnügen. Die anderen spielten Karten - ich lebte durch vierundzwanzig Stunden ein beschauliches Leben. Auf dem Wiener Nordbahnhof fand ein fürchterlicher Empfang Czernins statt, der zu Weiskirchner 561 ) seine berühmt oder berüchtigt gewordenen Worte über den Brotfrieden sprach 562 ). Ein Militärauto brachte mich zunächst zur Mutter in die 5 6 1 ) Richard Weiskirchner (Wien, 2 4 . 3 . 1 8 6 1 - 3 0 . 4 . 1 9 2 6 , Wien), 1 8 9 7 - 1 9 1 1 christlichsozialer Abgeordneter zum Reichsrat f ü r Niederösterreich (Wien), 2 5 . 6 . 1 9 0 7 - 1 0 . 3 . 1 9 0 9 Präsident des Abgeordnetenhauses, 1 9 1 7 - 1 9 1 8 Mitglied des Herrenhauses, 1 9 1 9 - 1 9 2 3 Abgeordneter zum Nationalrat, 1 9 2 0 - 1 9 2 3 Präsident der Nationalversammlung, 1 9 1 2 - 1 9 1 9 Bürgermeister von Wien. 5 6 2 ) Czernin wurde bei seiner Rückkehr aus Brest-Litowsk am Wiener Nordbahnhof am 1 3 . 2 . 1 9 1 8 vom Wiener Gemeinderat mit dem Bürgermeister an der Spitze empfangen. Weiskirchner sagte im Verlauf seiner Begrüßungsrede: „Sie bringen uns den Brotfrieden des Ostens . . ."
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Wiener Wohnung. Da eine Sekretärin Czernins in der gleichen Gegend wohnte, nahm ich sie mit. Daraus wurde ein Rattenkönig von Anzeigen gegen mich - wegen Mitnahme eines Pupperls in einem Militärauto. Natürlich stieg ich unschuldsvoll wie ein Engel aus der Sache aus. In Baden empfing mich Waldstätten mit viel Freundschaft. Als ich zu Beyer kam, sagte mir dieser: , , D u , mit Bauer geht es doch nicht - Waldstätten läßt dich fragen, ob du bleiben möchtest ? " Ich hörte diese Anfrage, zumal sie von einem so stolzen Manne wie Waldstätten kam, nicht ohne Befriedigung. Selbstverständlich nahm ich an. Ich hatte mich wirklich schon so sehr daran gewöhnt, der Weltgeschichte möglichst nahe zu sein, daß ich froh war, daß es nun dabei blieb. An einem der nächsten Tage ging ich zum Kaiser in Audienz. Ich wartete gut drei bis vier Stunden im engen Adjutantenzimmer des Kaiserhauses. Alle Augenblicke vernahm man Kindergeschrei nebenan, und ehe ich's versah, tat sich eine der Türen auf und der Kronprinz, ein reizender blonder Bengel von vier Jahren, kollerte mir zwischen die Füße. Hinter ihm kam, eine richtige Hausmutter, die Kaiserin, begrüßte mich, reichte mir die Hand und entschuldigte sich wegen des Kindes. Ich antwortete, daß ich mich zeitlebens glücklich schätzen werde, daß ein künftiger Kaiser zwischen meinen Beinen herumgebalgt habe. Die Kaiserin war nicht schön, aber sie hatte etwas Vornehmes und Majestätisches. Endlich kam ich auch zum Kaiser. Er bedankte sich für die interessanten Berichte, die ich durch Brougier gesandt hätte, sie hätten mehr gedient als viele Offiziere. Dann sprach er über die Bolschewiken und meinte angstvoll: „Glauben Sie, werden wir auch den Bolschewismus bekommen ? " Ich bekenne, daß ich mir darüber keinen Gedanken gemacht habe, und fand die Frage sogar etwas naiv, daher ich sie zu verneinen versuchte. In Wirklichkeit war sie ein Ausfluß jenes politischen Instinkts, den ich an dem Kaiser schon gerühmt, damals aber leider sehr unterschätzt habe. Die Audienz schloß in einer Anerkennung für den Entwurf eines Armeebefehls, den ich initiativ aus Brest anläßlich des Endes des Russenkrieges gesandt hatte 5 6 3 ). Ich habe solche Befehle immer gern gedichtet und mich dabei bemüht, aus traditionellen Gründen mich jener schönen, getragenen Sprache anzupassen, deren sich Schönhals S 6 4 ) als Generaladjutant Radetzkys bei Verfassung der Armeebefehle bediente. Ich glaube, es ist mir zum Teil geglückt. Eine kleine Enttäuschung bereitete mir Arz. Schon bei der Unterzeichnung des ukrainischen Vertrages hatte sich ergeben, daß deutscherseits neben Kühlmann General Hofmann wie eine selbständige Verhandlungspartei als „Vertreter der deutschen O H L . " unterzeichnet hatte. Die Rücksicht auf die kaiserlichen Waffen ließen es mir erwünscht erscheinen, daß die österreichisch-ungarische Heeresleitung nicht S 6 3 ) Das Telegramm Glaise-Horstenaus erliegt unter: A O K . , P r ä s . A b t . N r . 7 3 3 8 / 1 9 1 8 . T e x t : Personalverordnungsbl. N r . 2 7 v. 1 5 . 2 . 1 9 1 8 . 5 M ) Karl R . V. Schönhals (Braunfels/Lahn, 1 5 . 1 1 . 1 7 8 8 - 1 6 . 2 . 1 8 5 7 , G r a z ) , 1807 als Privatkadett zu Jägerregiment 64, 1 6 . 2 . 1 8 0 9 L t . 2. J g b a o n . , Glstbslaufbahn, 1829 M j r . I R . 17, 9 . 9 . 1 8 3 0 O b s t l t . u. G e neraladjutant Radetzkys, 2 0 . 1 2 . 1 8 3 1 O b s t . , 7 . 5 . 1 8 3 8 G M . , 3 . 4 . 1 8 4 6 F M L . , Verfasser von Radetzkys Armeebefehlen, insbesondere im Krieg 1848/49, 2 0 . 1 1 . 1 8 5 0 enthoben, 2 8 . 1 2 . 1 8 5 0 als F Z M . pensioniert. Vgl. über ihn: G . Kövess-Kövesshäza, F Z M . R . v. Schönhals, W r . Diss. 1932.
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in der deutschen zurückstünde, sondern Csicserics mit der gleichen Formel unterzeichnen dürfe. Ich setzte sofort Baden in Schwung, wobei es so weit kam, daß ich mit dem Kaiser selbst am Hughes sprach. Natürlich hatte ich keinen Erfolg. Denn Czernin legte - vielleicht nicht zu Unrecht - besonderen Wert darauf, zu demonstrieren, daß es in Österreich keinen so tyrannischen Militarismus gab wie im Reich. Nicht ohne Grund hatte Smuts in Genf gegenüber Mensdorff ausdrücklich hervorgehoben, daß die Vernichtung des preußischen Militarismus das Hauptziel der Alliierten sei - wobei er allerdings auf die Frage, was er unter „Militarismus" verstehe, bedauernd die Achseln zuckte. Als ich nun zu Arz zurückkam, begrüßte er mich mit den Worten: „ D u hast dich in der Frage der Unterschrift sehr alteriert - weißt du, im Grunde genommen ist es Wurst ! " Ich war über diese Gleichgültigkeit entsetzt. Vielleicht hatte er auch recht gehabt. Es war schon alles Wurst. Mein Ressort übernahm ich noch nicht völlig, obgleich Bauer bereits die Leitung einer eigenen Radiogruppe der Operationsabteilung zu übernehmen hatte. Es hieß nämlich, ich solle nun auch zu den Anfang März in Bukarest beginnenden Friedensverhandlungen mit Rumänien abgehen. Hranilovic, seit Jahresfrist wackerer Brigadier an der rumänischen Front, fand sich bei mir ein, um sich als Leiter der Delegation zu „ m e l d e n " . Ich war gar nicht unglücklich über die Aussicht, nun wieder ein Stück Welt und Weltgeschichte kennenzulernen. Inzwischen gab es wieder dramatische Augenblicke in der Bündniskriegführung. Ludendorff hatte noch nach Brest wissen lassen, daß er noch vor der Frankreichoffensive Rußland überrennen wolle, um sich endlich die nötige Rückenfreiheit zu verschaffen. Kaiser Karl und Czernin waren aber gegen jeden Krieg im Osten. Auch das Auftreten der obersten Kriegsleitung ( O K L . ) nutzte nichts. Schließlich fand man einen Ausweg. Die guten Ukrainer Vertreter, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten, weil sich dort die Bolschewiken längst breitgemacht hatten, kamen zu den Mittelmächten und baten um Intervention zugunsten des Landes und seiner Selbständigkeit. Das war die Lösung ! Mochte Ludendorff nördlich des Pripjet Krieg gegen die Bolschewiken führen, wie er wollte - er tat es und kam bis zum Peipus-See - wir braven Österreicher folgten lediglich dem Hilferuf eines befreundeten Staates ! Der gute Kaiser war halbwegs getröstet. Der Feldzug gegen die Ukraine begann, der deutsche Generaloberst v. Eichhorn 5 6 5 ) stieß nach Kiew, unser F M . Böhm-Ermolli nach Odessa vor. Die Bolschewiki sahen, daß Trotzkis Brester Taktik gegenüber einem so wilden Mann wie Ludendorff doch keinen Erfolg gehabt hatte, sie fürchteten um Petrograd und baten aus ihrer jetzigen Hauptstadt Moskau um Frieden. Dadurch kam ich nicht nach Bukarest und Buftea, denn ich wurde neuerlich als Gefolgsmann von Csicserics nach Brest-Litowsk berufen. Es traf sich dort nur mehr die zweite Garnitur. Die deutsche Delegation führte Gesandter von Rosen5 6 s ) Emil Gottfried Hermann v. Eichhorn (Breslau, 1 3 . 2 . 1 8 4 8 - 3 0 . 7 . 1 9 1 8 , Kiew), 1866 Eintritt in die preuß. Armee, 2 6 . 1 . 1 9 1 5 Oberbefehlshaber der dt. 10. Armee, seit August 1916 der Heeresgruppe Eichhorn in Litauen und Kurland, 18.12.1917 Generalfeldmarschall, seit 4 . 3 . 1 9 1 8 an der Spitze der Heeresgruppe Eichhorn in Kiew.
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berg 5 6 6 ), an der Spitze der Unsrigen stand der ungarische Sektionschef des Außenministeriums, Herr v. Mérey 5 6 7 ). Wiesner war auch mit. Die nun folgende Episode ist mir kaum mehr in Erinnerung. Auch des Führers der russischen Delegation besinne ich mich nicht mehr. Ihr angehört hat jedenfalls Tschitscherin 5 6 8 ), ein Mann aristokratischer Abkunft, der in den folgenden Jahren noch eine erhebliche Rolle gespielt hat. Die Russen sagten, dreifach unterstrichen, unter Protest zu allem ja und verzichteten auf jeden Einfluß nicht nur westlich der blauen Linie des Generals Hoffmann, sondern auch darüber hinaus. Nach etwa ein wöchigem Aufenthalt kehrten wir mit einem Vertrag für die nächsten neunundneunzig Jahre heim. Die neunundneunzig Jahre sollten allerdings kaum ein Jahr dauern. Das ist nun einmal in der neuesten deutschen Geschichte so. In Bukarest und Buftea wurde inzwischen gleichfalls wacker verhandelt, und zwar über Ostern hinaus. Das Leben scheint nach allen Nachrichten dort jedenfalls viel anregender gewesen zu sein. Auch die holde Weiblichkeit kam, soviel man selbst im deutschen Parlament hörte, zu ihrem Rechte, während wir in Brest wie in einem Mönchskloster gelebt hatten. Es kamen nun Wochen von unerhörter Tragik. Die Sixtusaffäre „brach auf". Ich darf hier wieder auf mein Buch „ D i e Katastrophe" verweisen und begnüge mich, zu den historischen Vorgängen nur ein paar Randglossen zu bringen 5 6 9 ). Vor allem hatte ich, als die Sache von Seiten Clemenceaus 5 7 0 ) anging, sofort ein außerordentlich schlechtes Gefühl in der Magengrube. D a ich von den Verhandlungen Reverter a - A r m a n d 5 7 1 ) nichts wußte, bezog ich die Andeutungen des alten Tigers sofort auf irgendwelche unglücklichen Machinationen des Kaisers. Der weitere Verlauf gab mir recht. Die Verlautbarung des Sixtus-Briefes war ein im diplomatischen Leben ungeheuerlicher, aber auch sehr wirksamer Prankenhieb des Tigers. Cramon war natürlich, von Ludendorff angepeitscht, furchtbar aufgeregt. Aber nach einer Audienz beim Kaiser, zu der er gerufen worden war, kehrte er beruhigt, ja fast glücklich zurück. „Seine Majestät hat alles aufgeklärt", sagte er mir, „ e r hat mir 5 6 6 ) Frederic Hans v. Rosenberg (Berlin, 2 6 . 1 2 . 1 8 7 4 - 3 0 . 7.1937, Fürstenzell), 1920-1922 Gesandter in Wien, 1922-1923 Reichsaußenminister, später Gesandter bzw. Botschafter in Stockholm und Ankara. 5 6 7 ) Kajetan Mérey von Kapos-Mére (Wien, 1 6 . 1 . 1 8 6 1 - 2 . 2 . 1 9 3 1 , Wien), Diplomat, 1901-1907 2. bzw. 1. Sektionschef im öst.-ung. Min. d. Äußeren, 1910-1915 Botschafter in Rom (seit August 1914 beurlaubt), 1917-1918 öst.-ung. Delegierter bei den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk. 5 6 β ) Georgij Wassiljewitsch (Vasil'evic) Tschitscherin (Cicerin) (Karaul, 2 4 . 1 1 . 1 8 7 2 - 7 . 7 . 1 9 3 6 , Moskau), seit 1890 Beamter im russischen Außenministerium, dann Emigrant, März 1 9 1 8 - 5 . 2 . 1 9 3 0 Kommissar des Äußeren. 5 6 9 ) Vgl. diesbeziigl. : R. A. Kann, Die Sixtus-Affäre und die geheimen Friedensverhandlungen Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg, Wien 1966; s. auch: G . Brook-Shepherd, Um Krone und Reich. Die Tragödie des letzten Habsburgerkaisers, Wien-München-Zürich 1968, 171 ff. 5 7 °) Georges Clemenceau (Mouilleron-en-Pareds, 2 8 . 9 . 1 8 4 1 - 2 4 . 1 1 . 1 9 2 9 , Paris), franz. Politiker, u . a . 1 7 . 1 1 . 1 9 1 7 - 1 8 . 1 . 1 9 2 0 Ministerpräsident. 5 7 1 ) Vgl. diesbezüglich: F. Engel-Janosi, Die Friedensgespräche Graf Nikolaus Reverterás mit Comte Abel Armand 1917/18, in: Anzeiger der ö s t . Akademie d. Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, Jg. 102/04, 1965, 3 6 9 - 3 8 1 ; ders.: Die Friedensbemühungen Kaiser Karls mit besonderer Berücksichtigung der Besprechungen des Grafen Reverterá mit Comte Armand, in: XII e Congrès International des Sciences Historiques, rapports, vol. IV., 2 7 9 - 2 9 6 .
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sein Ehrenwort gegeben, der von Clemenceau veröffentlichte Text ist gefälscht." Der besonders angefochtene Passus von den „berechtigten Ansprüchen" Frankreichs auf Elsaß-Lothringen, die der Kaiser unterstützen wolle, habe in Wirklichkeit rein konditional gelautet: Österreich würde die Ansprüche Frankreichs auf Elsaß-Lothringen unterstützen, wenn sie berechtigt wären. Ich hatte keinen Grund, Cramons Vertrauen in,die Kundgebungen des unglücklichen Allerhöchsten Herrn zu erschüttern. Zu Lauer und einigen Freunden aber meinte ich: „ W e n n nur der Papa Cramon nicht angelogen wurde! Ich fürchte sehr." Und hatte mit meiner Befürchtung recht. Offenbar in der Kammer der hohen Frauen hatte sich Kaiser Karl erst jetzt jenes Konzept herstellen lassen, das er Cramon als das richtige gezeigt hatte. Clemenceau blieb natürlich bei seiner Behauptung, und auch Sixtus schonte seinen kaiserlichen Schwager nicht. Schon bald nachher brachte - ich glaube - die Illustration ein Faksimile des Kaiserbriefes, das natürlich dem von Clemenceau veröffentlichten Text entsprach. Der Kaiser hatte nicht nur Cramon ein falsches Ehrenwort gegeben, sondern tat das gleiche gegenüber der ganzen Welt. Der Hauptschuldige an diesem dynastischen Unglück war der zu Beginn der Kampagne noch in Bukarest weilende Graf Ottokar Czernin, nicht nur Minister des Äußeren, sondern auch des kaiserlichen Hauses und Ritter vom Goldenen Vlies. Erstens hatte er den Kaiser bei den Prinzenbesuchen im März und Mai 1917, obwohl sie zum Teil seiner Initiative zuzuschreiben waren, glatt sitzengelassen. Zweitens mußte er sich als Kenner des kaiserlichen Hofes und der hohen Frauen denken, daß der Kaiser seinen Schwager nicht völlig unverrichteter Dinge hatte ziehen lassen. Es entsprach allerdings Czernins „ V o r s i c h t " , nicht weiter nachzuforschen. Kam etwas Gutes heraus, so konnte er sein Mitverdienst beanspruchen; ging es schief, dann sollte der Kaiser die Suppe auslöffeln. Immerhin hatte er im Hinblick auf diese Geheimnisse es klugerweise unterlassen müssen, in der am 2. April 1918 an den Wiener Gemeinderat gehaltenen Rede den alten Tiger zu reizen. Wenn man selbst im Glashaus sitzt, darf man nicht auf andere mit Steinen werfen. Diese Rede hatte allerdings einen besonderen Zweck. Czernin fühlte, daß es mit dem Kaiser nicht mehr lange gehen werde. Er war aber keineswegs gesonnen, mit seinen vierundvierzig Jahren schon in der politischen Versenkung zu verschwinden. Er suchte daher nach einer Rückzugsbasis und fand sie nur bei den deutschen Parteien in Österreich und im Deutschen Reich. Daher auch unter anderem die blöde Phrase vom miserablen Masaryk in den Wochen, in denen sich dieser anschickte, den B o den Amerikas zu betreten und dort den Todesstoß gegen das Habsburgerreich vorzubereiten. Hätte Czernin nicht so egozentrisch gedacht und auch sonst ruhigere Nerven behalten, dann wäre es - nach der heutigen Kenntnis der Lage - gar nicht nötig gewesen, sich von der Sixtusaffäre in so unglücklicher Weise loszuleugnen. Bei entsprechender Auslegung hätten die kriegsmüden Völker Habsburgs dem Kaiser seinen Schritt eher gut als schlecht ausgelegt. Zumal dann, wenn er von der formalen Schuldhaftigkeit im Sinne seiner verschiedenen Eide den entsprechenden Teil auf sich genommen hätte. Der Graf dachte jedoch nur mehr an sich. E r setzte von Bukarest aus dem Kaiser in erregten Telephongesprächen den Revolver an die Brust,
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spielte auch ihm gegenüber den Unwissenden, obgleich er doch schon aus seiner Milieukenntnis Wissenschaft hätte ziehen können, und drohte in der Telephonzelle mit sofortigem Selbstmord, falls von der Veröffentlichung Clemenceaus etwas wahr sei! D a auch die hohen Damen die Nerven begreiflicherweise verloren zu haben schienen, geschah das große Unglück. In größter Bedrängnis brach der Kaiser den Kommuniqué-Kampf mit dem Tiger schließlich durch die Bemerkung ab, daß er mit Clemenceau nichts mehr weiter zu reden habe und alles andere die österreichisch-ungarischen Kanonen im Westen sagen würden. Die Forderung Czernins an den Kaiser, dieser möge die Regierungsgeschäfte für einige Zeit in die Hände eines populären Erzherzogs legen - gedacht war an Eugen oder Friedrich - gab natürlich den Beziehungen von Herrscher und Minister den Todesstoß. Czernin wurde, wie schon das Jahr zuvor der unvergleichlich sympathischere Graf Clam-Martinic nach seiner Demission als österreichischer Ministerpräsident zum Generalmajor der Reserve ernannt 5 7 2 ) — eine Unart, die wir vom Vaterlande des Generalmajors Bethmann Hollweg importiert hatten. Während jedoch Clam-Martinic schon seit geraumer Zeit in Montenegro als Militärgouverneur residierte, bewarb sich Czernin vergebens hinter den Kulissen um eine ähnliche Verwendung. Er war in der ganzen Welt allzu unbeliebt, dieser zwar befähigte, aber unbeherrschte und charakterlich anfechtbare Mann. Wir Generalstabsoffiziere des A O K . sahen noch keineswegs diesen Dingen auf den Grund und wurden auch zu einem erheblichen Teil Opfer einer Propaganda, die sowohl von reichsdeutscher, „alldeutscher", Seite wie auch von deutschnationaler Seite in Österreich losging. Vergeblich bemühte sich der k. k. Ministerpräsident R. v. Seidler, vor der Welt auch die Verantwortung für Dinge zu übernehmen, von denen er nichts wußte. Ein solches Tun wäre aus den Kulissen heraus edel und recht gewesen, die nachträgliche Verkündung wirkte lächerlich. Für uns Junge gab es einen bedenklichen Riß gegenüber unserem Kaiser und Herrn. Zumal ich, durchdrungen von der Auffassung, daß nur enger Zusammenhalt mit dem Reiche Österreich und den deutschösterreichischen Volksstamm retten könne, und leider stark alldeutsch infiziert, litt schwer unter den Dingen. Auch den armen Kaiser hatte das bittere Erlebnis aufs tiefste angegriffen. Er sah blaß und abgehärmt aus. Er fand seinen Trost darin, daß er von nun an täglich zum Tisch des Herrn ging, wobei ihn die Kaiserin treu begleitete. Ich habe die Zeremonie einige Male gesehen und kann sagen, daß sie nicht sonderlich eindrucksvoll verlief. Es war für deutsche Innigkeit zuviel formale Geschäftigkeit darin. Die Verinnerlichung trat bei dem unglücklichen Kaiser zweifellos erst im Exil ein. Er starb in Funchal einen heiligmäßigen Tod. Das Echo, das aus aller Wert über ihn einstürmte, hat ihn, der es bestimmt gut meinte, zweifellos schwer getroffen. Daß dem Kaiser manchmal das Bündnis schwer wie Blei an den Beinen hing, habe ich schon berührt. Und wenn wir ö s t e r S 7 2 ) Mit ah. Entschließung v. 29.12.1916 wurde Ottokar Czernin vom Rtm. zum Mjr. i.d. Res. D R . 7 befördert. Mit ah. Handschreiben v. 15.2.1918 (Personalverordnungsblatt N r . 30 v. 20.2.1918, S. 1245) wurde Czernin G M . a . D .
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reicher in Brest-Litowsk beisammensaßen, der liebe Mensdorff zwischen uns, haben wir öfter rein theoretisch die Möglichkeiten erwogen, die es für ÖsterreichUngarn geben mochte, das Bündnis zu verlassen. Sie waren gleich'Null und wurden es immer mehr. Innerpolitisch hätte ein Kurswechsel an die Seite der Westmächte bei deren Verknüpfung mit den habsburgischen Völkern einen Umgestaltungsprozeß gefordert, den die Monarchie kaum überstanden hätte. Dieser Kurswechsel hätte nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als eine Entthronung der gerade im Kriege wieder stärker hervorgetretenen Führernationen, der deutschen und der magyarischen. Österreich-Ungarn hätte sich ernsthaft föderalisieren, dabei aber auch slawisieren müssen. Das wäre eine ganz große Revolution von oben gewesen, mitten in Wochen und Monaten, wo die allgemeine Lage und die Wirtschaft so oder so schärfste Geschlossenheit gefordert haben würde. Für jeden Kenner Altösterreichs, für jeden gelernten Österreicher - Ausdruck von Kürnberger 5 7 3 ) - war es äußerst fraglich, ob das Reich einen so eruptiven Prozeß ausgehalten hätte. Ja noch mehr: es wurde täglich auch stärker eine brennende Frage, ob die großen Mächte sich gegenüber den Tschechen, Polen und Südslawen schon so weit verausgabt hatten, daß sie überhaupt noch stark genug gewesen wären, die Widerspenstigen am Schluß doch noch im gemeinsamen Vaterhaus zu halten. Die Deutschen und die Magyaren schon gar hätten ein solches Vaterhaus gesprengt, was ihnen umso leichter möglich gewesen wäre, als sie bisher wesentlich das Gerüst abgaben. Ein Sonderfriede war sonach für Österreich-Ungarn schon innerpolitisch ein fast unlösbares Problem. Zudem ist die unerhört starke Umstrickung der Donaumonarchie durch das deutsche Bündnis in Betracht zu ziehen, eine Umstrickung, die auf allen Kriegsschauplätzen rein militärisch-organisatorisch schon kaum entwirrbar war, aber auch das wirtschaftliche Gebiet sehr stark berührte. Wenn zuzeiten während der Brester Verhandlungen Ludendorff damit drohte, deutsche Truppen von Sachsen aüs in Böhmen einrücken zu lassen, so war das vielleicht härter gesagt als gemeint. Aber die Loslösung Österreichs von Deutschland wäre jedenfalls organisatorisch-technisch überaus schwierig gewesen und hätte so viele Zusammenbruchsgefahren mit sich gebracht, daß sie kaum in Kauf zu nehmen gewesen wäre. Dennoch ließen Reichs- und Heeresleitung die Gelegenheit doch nicht vorübergehen, um den unsicher gewordenen österreichischen Kantonisten noch stärker an die Strippe zu nehmen. Am 10.Mai erfolgte der berühmte ,,Canossagang" des armen Kaiser Karl ins Große Hauptquartier. Teilnehmer erzählten mir, daß man es dem Kaiser wirklich leichtgemacht habe. Er brauchte kein besonderes Paterpeccavi machen, es wurde von der Sache einfach nicht mehr geredet. Wohl aber überreichten die Deutschen ein Bündel von Vorschlägen für den „ A u s b a u und die Vertiefung des Bündnisses", wie man es - der Fackel-Kraus hatte vollkommen recht - zum Speien oft vernahm. Darunter befand sich auch der Entwurf zu einer schönen Mili5 " ) Ferdinand Kürnberger (Wien, 3 . 7 . 1 8 2 1 - 1 4 . 1 0 . 1 8 7 9 , München), Publizist, Essayist, Romancier. 1848 Mitarbeiter der „ P r e s s e " und anderer Zeitungen, sodann als Revolutionär verfolgt und nach Deutschland geflüchtet, 1856 Rückkehr.
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tärkonvention, die womöglich parlamentarisch verankert werden sollte. Sosehr ich alles begrüßte, so hielt ich es doch für nötig, dem Ministerium des Äußeren vorzuschlagen, man möge in den Kommuniqués ganz besonders hervorheben, daß diese Ausgestaltung des Bündnisses völlig auf Gegenseitigkeit beruhe und nach keiner Richtung hin für einen der Partner, ganz besonders auch für die Monarchie nicht, eine Einbuße an unmittelbarer Souveränität bedeute. So geschah es. In Wirklichkeit hatten dieser Ausbau und diese Vertiefung einen ganz anderen Pferdefuß, der dem Canossagang für die Festigung des Bündnisses jede Bedeutung nahm. Die neuen Bündnisse sollten erst Geltung erhalten, wenn die austropolnische Lösung zur Tat würde. Dies hatte der wieder zum Außenminister berufene Burián durchgesetzt. Dessenungeachtet begannen alsbald in Salzburg im Hotel Europe, das zwanzig Jahre später das erste großdeutsche Generalkommando beherbergen und nach weiteren fünf Jahren durch Bombardement aus der Luft ein Trümmerhaufen sein sollte, die Wirtschaftsverhandlungen, über die in den Publikationen der Carnegiestiftung 574 ) Genaueres aus den Federn von Gratz und Schüller 575 ) zu lesen ist. Das geplante Abkommen, eine Meisterleistung der Vertragstechnik, wurde am 10. Oktober 1918, drei Wochen vor dem Halali, paraphiert. Die Militärkonvention schlief weiterhin den Schlaf des Gerechten, ohne je wieder zu erwachen. Als im vergangenen Herbst die Blätter gelb zu werden begannen und sich die prachtvollen Spazierwege durch den Badener Kurpark und den Wienerwald mit welkem Laub bedeckten, da überkam es mich plötzlich wie eine Angst: ich war noch nicht sechsunddreißig Jahre alt, aber - fragte ich mich - bedeutete so ein Herbst, mochte er noch so schön sein, nicht doch schon in jedem Jahre ein Stück Abschied vom Jungsein ? Der Frühling in Baden, der letzte, den ich dort verleben sollte, war dann wieder wunderschön. Herrliche Blumenbeete, die nie des Schmukkes reichster Farben entrieten, bildeten die besondere Meisterleistung des Gärtners. Dazwischen tauchten die netten Badener Frauen und Mädchen und auch die ersten Kurgäste auf. Es war in jenem Alter trotz der traurigen Zeit noch eine Lust zu leben ! Im Mai fuhr ich mit Paul Fleck zusammen an die Südwestfront. Unsere Reise ging zuerst nach Südtirol, wo ich selbstverständlich einen kurzen Aufenthalt in Bozen einschaltete. Conrad und ich gingen gut drei Stunden auf der Heinrichs-Pro5 7 4 ) Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden: Abteilung für Volkswirtschaft und Geschichte, Wirtschaftsgeschichte des Weltkrieges, österreichische und ungarische Serie, Die äußere Wirtschaftspolitik Österreich-Ungarns, Mitteleuropäische Pläne, von Minister a . D . Dr. G . Gratz und Sektionschef Prof. Dr. R. Schüller, Wien 1925. 5 7 5 ) Dr. Richard Schüller (Brünn, 1870-1971, Washington), Jusstudium u. Studium der Volkswirtschaft in Wien, Schüler Karl Mengers seit 1899 im Staatsdienst (handelspolitisches Referat des Handelsministeriums), 1917 Sektionschef, sodann im Ministerium des Äußeren, ab 1926 Mitglied des ökonomischen Komitees des Völkerbundes, 1932 bevollmächtigter Minister und ao. Gesandter beim Völkerbund, Sommer 1938 Flucht aus Österreich, 1940 Emigration in die Vereinigten Staaten, dort wissenschaftlich tätig. Vgl. über ihn R. A. Kann, Aus den Erinnerungen des Gesandten Dr. Richard Schüller (1870-1971), in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, hg. v. H. Fichtenau u. E. Zöllner, Wien-Köln-Graz 1974, 4 0 3 - 4 1 6 .
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menade spazieren, dann war Tee bei der Gräfin. Das Hauptthema war der „Verrat" bei der Sixtusaffäre - Gina spie Haß und Feuer. Conrad behauptete immer, der Kaiser habe ihn auch deshalb weggejagt, weil er sehr gut wußte, daß er - nämlich Conrad - solche Durchstechereien nie und nimmer mitmachen müßte. Längere Zeit erörterten wir auch die Frage der Fortsetzung des Krieges. Mir gefiel die ganze Art, wie man die bevorstehende Offensive gegen das italienische Heer anfaßte, gar nicht. Conrad, dessen Gewissen selbst nicht ganz rein war - wir werden noch davon sprechen - sagte: ,,Na ja, du kannst recht haben, aber wir können nicht ruhig stehenbleiben, irgend etwas muß gemacht werden." In seiner Wohnung zeigte er mir ein Bild des Marschallsrates, den der Kaiser für den 9. Jänner 1918 - während ich in Brest war - einberufen hatte 576 ). Es galt damals die Frage, ob die Armeetrennung zugunsten der Ungarn durchgeführt werden sollte oder nicht. Anwesend waren alle Funktionäre vom Armeeführer aufwärts. Von ihnen sprach sich ein einziger, der „ungarische" Erzherzog Joseph, für das schwere Zugeständnis an die Ungarn aus, alle anderen waren dagegen. Das Bild der Versammlung fand Conrad außerordentlich komisch. Er hatte recht, nicht alle Gestalten repräsentierten sich besonders imponierend. Conrad war überhaupt ein Verächter des Alters. In Bozen wohnten Fleck und ich natürlich beim lieben alten „Greif". Was für Erinnerungen lebten doch in mir auf ! Gerührt strich ich um das Walther-Denkmal herum, lauschte ich den seltsamen Schlägen vom wunderbar zierlichen gotischen Helm der Pfarrkirche, dessen Maßwerk so fein war, daß er eine regelrechte Glocke nicht ertrug; ging ich spätabends ins Batzenhäusel auf ein Glas guten KaltererSee-Weins, den ich nie mehr getrunken hatte, ohne dabei zugleich an die sorglos fröhlichen Stunden in der Salzburger Kaiserjäger-Menage zu denken. Des anderen Tages brachte uns ein Auto das Etschtal hinab; vorbei an der Salurner Klause, die zugleich die Sprachscheide bildete, bei Mezzolombardo und Mezzocorona (Deutsch- und Welschmetz), bei Auer und Neumarkt, bei Lavis. Und dann Einfahrt in Trient. Ich meldete mich beim Armeekommandanten Krobatin, der vor Jahresfrist das Kriegsministerium an Stöger-Steiner 577 ) abgegeben hatte und nun, obgleich er das letztemal als Batteriekommandant bei der Truppe war, noch Feldherr geworden war. Ich meldete mich auch bei seinem Generalstabschef - es war niemand anderer als mein „alter D o m " von der 5. Abteilung des Kriegsministeriums, Generalmajor Georg Domaschnian. Er war dick und X-beinig wie immer und auch nicht weniger pessimistisch als vor drei Jahren, da er mein lieber Vorgesetzter gewesen war. Auch ein bißchen traurig war er, daß er bei der bevorstehen5 7 6 ) Vgl.: Der Marschallsrat am 9. Jänner 1918. Aus den Erinnerungen des Erzherzogs Josef, in: ÖWZ., 15.5.1926, F.20, If.; E. Böhm-Ermolli, Antwort an Erzherzog Josef August, in: NWJ., 15.5.1931,6. 5 7 7 ) Rudolf Frh. v. Stöger-Steiner (Pernegg, Stmk., 2 6 . 4 . 1 8 6 1 - 1 2 . 5 . 1 9 2 1 , Graz), 1879 aus der IKSch. Liebenau als Kadett zu F J B . 9 , 1.11.1880 Lt., Glstbslaufbahn, 1.6.1903 Obst. i.G., 30.3.1907 Kmdt. IR. 74, 18.3.1909 Kmdt. 56. IBrig., 1.11.1909 GM., 24.3.1910 Kmdt. Armeeschießschule, 22.7.1912 Kmdt. 4.ITD., 31.10.1912 FML., 1.11.1915 GdL, 26.7.1915 betraut mit Kmdo. XV. Korps., 5.10.1915 Kmdt., 12.4.1917 Kriegsminister, 1.5.1918 GO., 1.12.1918 pensioniert.
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den Offensive wenig oder nichts „Lawine", wie der Deckname für sive exzentrisch auf dem Tonale 10. Armeekommandos, Krobatin,
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zu tun haben werde. Ich tröstete ihn mit der den Vorstoß hieß, mit dem Metzger die Offeneinleiten sollte und der unter der Flagge des ging.
Des anderen Morgens schlängelten wir uns die schöne Straße nach Levico empor. Bei einem der unzähligen Tunnels begegnete ich dem Auto des Kommandanten der 11. Armee, deren Stab eben in Levico saß. Ich hätte ihm lieber nicht begegnet. Denn im Fond des Wagens saß der Armeekommandant Feldzeugmeister Graf Scheuchenstuel und ihm zur Rechten eine Frau, die gerade nicht das Aussehen einer Sternkreuzordens-Dame hatte. Im Armeehauptquartier kam ich darauf, wer die Göttliche war: das Serviermädchen in der Kommandantenmenage. Da sie gleicherweise wie der Armeekommandant auch der letzte Generalstabschef verehrt hatte, wurde dieser abtransferiert, und General Sündermann, mein einstiger Lehrer aus der Kriegsschule, waltete mit dem ihm eigenen Ernste nun dieses Amtes. Das Scharmutzieren mit der Aufträgerin konnte er seinem Oberbefehlshaber leider nicht abgewöhnen. Es fand nach dem Essen sogar in Gegenwart der Offiziere statt. Bevor man nach Levico kommt, fährt man am Caldonazzo-See vorüber. Es ist ein herrlicher Fleck Erde, sonnigster Süden inmitten einer himmelstrebenden Gebirgswelt. Besonders seltsam anzusehen, wenn das Obst reift und an Tausenden von Bäumen die überfeinen Calville-Äpfel zum Schutz gegen naschsüchtige Vögel in weißes Seidenpapier eingehüllt sind. Hier unten hatte - damals noch eine Seltenheit - bei der Offensive 1916 ein Marine-Langrohr Aufstellung genommen. In Levico traf ich auch wieder meinen alten Freund Károlyi. Auch er hatte einen Flirt unter den „weiblichen Hilfskräften", und ich hatte Sorge um die Dauerhaftigkeit seiner Ehe. Diese Sorge war glücklicherweise unnötig. Von Levico fuhren wir - Fleck kam aus dem Staunen nicht heraus - das Sugana-Tal hinab. Bei Carzano machten wir einen Augenblick halt, um uns die Stätte des mißglückten Pivko-Verrates anzusehen. Dann ging's über Grigno weiter. Erinnerungen an das Jahr 1911 stiegen auf. Rechts von uns führte zur Hochfläche von Barricata nicht mehr der schmale Fußpfad, den Gelb und ich die Stabsoffiziere der Ubungsgruppe hinausgeführt hatten, sondern eine breite Fahrstraße. Die Barriacata war seit Herbst in unserem Besitz. Ungarn und Kroaten saßen oben in den lichten Höhen. Die gewaltigen italienischen Sperren links, mit dem Fort Lione, hatten jeden Schrecken verloren. Durch tiefe Täler schwenkten wir über Feltre nach Vittorio in die fruchtbare Terra firma ab. Auf der Fahrt besuchte ich Schönburg, der jetzt hier am Piave das IV. Korps befehligte. Er hatte im Winter, während ich in Brest war, noch vier Wochen in Wien verbracht. Designierter Hinterlands-Armeekommandant und Militärdiktator - ohne daß sich noch jemand um ihn kümmerte. Einmal war er bei Arz. Wie es dessen Gewohnheit war, wenn ihn Verlegenheit erfüllte, lachte er Schönburg an, der aber keinen Spaß verstand, sondern den Generalobersten gründlich anfuhr. Bald nachher trat das Herrenhaus zusammen. Der berühmte Völkerrechtslehrer Lammasch hielt eine sehr scharfe, gegen Deutschlands Unerbittlichkeit im allgemeinen und die Starrköpfigkeit Ludendorffs im besonderen
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gerichtete Rede 5 7 8 ), die recht defaitistisch klang. Schönburg verlor die Geduld und kanzelte den armen Völkerrechtsprofessor vor dem ganzen Hause wie einen Schulbuben ab. Lammasch hatte mit Vorwissen des Kaisers gesprochen. Dieser ließ Schönburg nach Baden kommen und empfing ihn mit der ziemlich scharfen Frage: „ W a s machen Durchlaucht noch hier - Sie gehören hinaus zu Ihrem K o r p s ! " Der Fürst hatte mir schon in Wien über diese Erlebnisse sein Herz ausgeschüttet, und ich mußte ihm damals noch einen weiteren Schmerz bereiten, indem ich - noch vor der Sixtus-Affäre - gegen Czernin die bittersten Vorwürfe erhob. Schönburg war Czernin freundschaftlich verbunden und er war - wie ich später in den Zeiten meiner politischen Umstrittenheit auch an mir erfahren konnte - ein sehr treuer Freund. Er nahm daher auch Czernin wärmstens in Schutz. An der Piavefront machte ich zuerst mit Schönburg zusammen dem Schützengraben am Piave einen Besuch. Die beiden Stellungen waren durch den Fluß getrennt, der sehr wenig Wasser führte und träge dahinfloß, zahlreiche Sandbänke freilassend. Bei diesem Marsche sowie später im Quartier bemerkte ich, daß der Fürst irgend etwas auf dem Herzen hatte. Schließlich kam es heraus: „Lieber Freund, mit dir als altem Freunde kann ich offen sprechen - ich möchte bei der bevorstehenden Offensive sehr gern im Heeresbericht genannt werden." Großzügig antwortete ich: „Wenn nichts anderes fehlt - das kann leicht geschehen!" Und es geschah wirklich. Aber anders, als wir es uns dachten. Der Fürst begann sich von der ersten Minute an wie gewöhnlich zu exponieren. Es war ein hohes Maß von Tapferkeit, aber auch das Bestreben, sich sozusagen zu betäuben - dazu natürlich das Pflichtgefühl, das bei ihm besonders ausgeprägt war. Natürlich platzte die erste italienische Granate in seiner Nähe und ein Sprengstück fuhr ihm in den Bauch. U m einen Millimeter weiter rechts oder links und es wäre um ihn geschehen gewesen. Blutüberströmt wurde er nach hinten getragen und in ein Spital zu Udine überführt. Im Heeresbericht aber stand zu lesen: „General der Kavallerie Fürst Schönburg-Hartenstein ist an der Spitze seiner Truppen schwer verwundet word e n . " Die Arbeiter-Zeitung fand an dieser Namensnennung keinen besonderen Gefallen. Sie meinte, wenn der Gefreite Pimpelhuber verwundet wurde, stehe es nicht im Heeresbericht. Sie hatte richtig geraten. Auf die Genesung Schönburgs werde ich noch zurückkommen. In Udine meldeten sich Fleck und ich bei Boroevic. Er war maßvoll gnädig, wobei man eine gewisse Bissigkeit gegenüber der Heeresleitung durchschmeckte. Anton Pitreich 5 7 9 ), der Generalstabschef, war gemütlich und polternd wie immer. Zu Abend speisten wir im Kasino. An der Wand stand hinter einer Glastafel in der 5 7 8 ) Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Herrenhauses, XXII. Session, 28. Sitzung, Donnerstag, 28. Februar 1918, 812-817: Rede Lammaschs; 823: Rede Schönburg-Hartensteins. " » ) Anton R. v. Pitreich (Wien, 14.1.1870-9.12.1939, Annabichl bei Klagenfurt), 1891 aus der Milak. als Lt. zu IR. 76, Glstbslaufbahn, 1.8.1914 Obst. i.G. u. Chef d. Glstbsabt. d. 3. Armee bzw. 5. Armee bzw. Isonzo-Armee, 30.1.1918 Glstbschef Heeresgruppe Boroevic, 1.2.1918 GM., 1.1.1919 Ruhestand. In der Nachkriegszeit als Historiograph tätig. Verfasser mehrerer Abschnitte in Schwarte, V.Bd.; sein Hauptwerk ist: „Der Österreich-ungarische Bundesgenosse im Sperrfeuer", Klagenfurt 1930. Besonders wichtig für die Kämpfe an der Isonzofront sind Pitreichs Tagebücher und unpublizierte Manuskripte in seinem Nachlaß (KA., sign. B/54).
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schönen Grenzerschrift, die man in der k. k. Trivialschule zu Gospic lernte, sehr groß geschrieben, und zwar von eigener Hand: „Boroevic F M . " . Daneben das Datum der Ernennung - 31. Jänner 1918. Es war die erste Unterschrift als Feldmarschall, die der alte Krowat geleistet hatte. Ob sie noch existiert? Kiszling, eine Art von Quartiermeister im Stabe des Feldmarschalls, erzählte mir Einzelheiten aus dessen Leben, wie es sich zuerst in Laibach, dann in Adelsberg und jetzt hier abgespielt hatte. Die Ehe des Feldmarschalls war armeebekannt unglücklich. Die beiden lebten ihr eigenes Leben. Das einzige Kind, ein Sohn 5 8 0 ), befand sich im letzten Jahrgang der k . u . k . Militär-Oberrealschule zu Marburg. Im Oktober 1918 - ich greife vor - war Fritz Boroevic an einem Sonntagnachmittag in Benützung des „freien Ausganges" in die Stadt gegangen und nicht mehr zurückgekehrt. Acht Tage vergingen, ohne daß alle Suchaktionen irgendeinen Erfolg gehabt hätten. Da legte ein Kamerad ein Geständnis ab. Eine Draubrücke in Marburg war unterbrochen, die beiden Enden waren nur durch Balken verbunden. Die zwei jungen Leute kletterten in stockfinsterer Nacht über diese Balken hinweg, einem galanten Abenteuer nach. Da hörte der hinter dem jungen Boroevic sich vorarbeitende Kamerad vor sich einen Aufschrei, im nächsten Augenblick sah er Boroevic ausgleiten und in die bewegten Wellen des hochgehenden Flusses stürzen. An eine Rettung war nicht zu denken. Der Feldmarschall, immer ein guter Stilist, schrieb an den Generaladjutanten des Kaisers: „Der liebe Gott hat mich um eine große Sorge ärmer gemacht." Boroevic hatte in Friedenszeiten durch verschiedene Affären von sich reden gemacht, in denen teils seine namenlose Rücksichtslosigkeit als Chef, teils galante Affären eine Rolle spielen. An Galanterie ließ er es auch jetzt als Heeresgruppenbefehlshaber nicht fehlen. In der Woche zweimal wurde ein Ordonnanzoffizier, dessen hübsche Frau mit im Hauptquartier weilte, auf eine Autofahrt nach auswärts geschickt. An diesen Tagen war der Feldmarschall in den ersten Nachmittagsstunden für niemand zu sprechen, nicht einmal für seinen engsten Vertrauten, den Oberintendanten Vilko Begic 5 8 1 ), einem engeren Landsmann des Heerführers, mit dem dieser alle Probleme der kroatischen Politik unermüdlich durchbesprach. Die Truppe sah Boroevic sehr selten, die Front nie. Als er bei der bevorstehenden ,,Piave-Offensive" auf dem Kirchturm von Oderzo erschien, erregte das größtes Aufsehen. Uber seine Persönlichkeit und seine Führungskunst, wenn man von einer solchen überhaupt reden konnte, habe ich in Bettelheims „Neuer österreichischer Biographie", Näheres gesagt. Es ist dem nichts beizufügen. Das Heeresgruppenkommando Boroevic unterstand seit Jänner ebenso wie die Heeresgruppe Conrad direkt dem A O K . Baden. Das Kommando der Südwestfront war nach der großen Offensive aufgelöst worden. Erzherzog Eugen, Kommandant 5 β 0 ) Fritz Boroevic v. Bojna (Prag, 1 9 0 1 - 2 8 . / 2 9 . 9 . 1 9 1 8 , Marburg), 1918 im 3. Jahrgang der Militäroberrealschule Marburg. 5 β 1 ) Wilhelm Begic (Cazma, Kroatien, 2 0 . 1 . 1 8 7 4 - ? ) , 1893 aus IKSch. Karlstadt zu F J B . 3 1 als Kadett-Offiziersstellvertreter, Laufbahn als Intendanzoffizier, 1.11.1916 Oberintendant 2. Klasse, später in der Ustascha-Bewegung führend tätig. 1941 Staatssekretär im kroatischen Kriegsministerium und kroatischer General, 6 . 1 0 . 1 9 4 2 - 2 . 9 . 1 9 4 3 Kriegsminister.
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der Südwestfront, hatte sich während dieser Offensive unbehaglich gefühlt. Er meinte nachher zu seinem Neffen, dem jungen Kaiser: „Majestät, an der Südwestfront sind viel zuviel Kommandos. Man könnte einige auflösen, zuallererst mein Kommando." Der Kaiser griff diese lächelnd gemachte Bemerkung auf und sandte den Erzherzog wirklich nach Hause. Alfred Krauss war schon seit einigen Monaten nicht mehr an seiner Seite gewesen, er hatte ein Korps in den Karpaten übernommen gehabt und ein ebensolches dann, wie schon ausgeführt, am Isonzo befehligt. Im April war er an Stelle des gleichfalls heimgeschickten Feldmarschalls Böhm-Ermolli Oberkommandant in der Ukraine geworden. Sein Nachfolger als Generalstabschef, FML. Konopicky 5 8 2 ), beendete den Krieg an der Seite des FM. Kövess auf dem Balkan. Mit Erzherzog Eugen schied der vornehmste und populärste Habsburger nunmehr endgültig aus dem aktiven Dienst . . . Ich besuchte auch den damaligen Generalstabsobersten v. Körner im Hauptquartier der Isonzo-Armee, deren Generalstabschef er war. Wir waren beide eines Sinnes in der Auffassung, daß es nur eine aussichtsreiche und dabei ungefährliche Stoßrichtung gäbe - eben über den Piave. - Körner ist in dem Augenblick, da ich das schreibe, sozialdemokratischer Bürgermeister von Wien. Die Vorbereitungen zur sogenannten Piave-Offensive habe ich in Schwartes V. Band aus eigenem Erleben geschildert. Das Werk, „Österreich-Ungarns letzter Krieg" enthält die aktenmäßige wissenschaftliche Darstellung 583 ). Mit Fug und Recht hat man an diesem Unternehmen vor allem die völlige Zerpflückung der Angriffshandlung gerügt. Die erste Idee, zwischen Brenta und Piave, dort wo man aus dem Gebirge am raschesten in die Ebene kam, durchzustoßen, entsprach nach Lage und möglichem Kraftaufgebot durchaus den gegebenen Verhältnissen. Da meldete sich Conrad von Bozen her zu Wort und kam auf seinen alten Gedanken zurück, die Stoßrichtung über Asiago einzuschlagen. Der Kaiser ließ Conrad nach Baden kommen. Ich sah ihn damals nicht, da ich in Wien war. Die Reise entstand so, daß Waldstätten dem Kaiser vorschlug, er wolle nach Bozen fahren, da sagte der Kaiser: „Nein, ich lasse mir ihn selbst kommen." Waldstätten war nicht bei der Besprechung, nur Arz. So wenig Karl den früheren Generalstabschef liebte, so hielt er ihn doch noch für den bedeutendsten Strategen und befahl, daß die Angriffsgruppe auch auf das westliche Brenta-Ufer, also gegen Asiago, auszudehnen sei. Dieser Ruhm des Themistokles ließ aber Boroevic nicht ruhen, auch er wollte an dem bevorstehenden Sieg teilhaben und verfocht übrigens die einzig richtige Auffassung, daß der Angriff bei den unzureichenden Transportmitteln und aller sonstigen Not überhaupt nur in der Ebene zu machen sei. Schließlich meldete sich noch der 5 8 2 ) Theodor Konopicky (Wien, 26.7.1870-26.6.1949, ?), 1887 Lt. bei IR. 84, Glstbslaufbahn, 1.8.1914 Kmdt. 4. GebBrig., 15.9.1914 Glstbschef 3. Armee, 1.11.1914 GM., III. 1917 Glstbschef Südwestfront, 1.11.1917 FML., von FM. Kövess um den 10.11.1918 vorgesehen als Chef des Generalstabes der gesamten bewaffneten Macht. In der Nachkriegszeit kriegshistorische Artikel in DAZ. u. ÖWZ. Mitarbeit an Schwarte, V.Bd. S M ) Die maßgebende Darstellung ist nunmehr: P. Fiala, Die letzte Offensive Altösterreichs. Führungsprobleme und Führerverantwortlichkeit bei der öst.-ung. Offensive in Venetien, Juni 1918 (Militärgeschichtliche Studien, Bd. 3), Boppard/Rhein 1967.
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Kommandant der 6. Armee (Vittorio Veneto) zu Wort, der Erzherzog Joseph. Auch er wollte angreifen und erhielt den Montello, den Schulterpunkt der ganzen Stellung, zum Angriffsziel. Schließlich kam noch der Tonale dazu, von dem ich schon erzählte. Die Decknamen lauteten Radetzky, Erzherzog Albrecht und Lawine. Das ganze war eine reichlich verhaute Angelegenheit, ehe sie überhaupt begann. Hier ist noch nachzuholen, daß wir natürlich vom 20. März an mit angehaltenem Atem die Nachrichten über die große Schlacht in Frankreich erwarteten. Sie lauteten zuerst glanzvoll, erfüllten aber bald in keiner Weise die Hoffnungen, die man gehegt hatte, und riefen mit der Zeit sogar den Eindruck einer erheblichen Nervosität in der Führung Ludendorffs hervor, der einmal da, einmal dort angriff, ohne daß es mehr zu einem durchschlagenden Erfolg kam. Für die Angriffsschlacht in Italien wurden zwei Staffel der Heeresleitung vorgeschoben. Arz ging mit einem Generalstabsoffizier - wie gewöhnlich - in den Hofzug. Waldstätten etablierte sich mit einem kleinen Operationsstab, dem auch ich angehörte, in Belluno. Der Rest blieb in Baden. Da ich mich schon lange darum beworben hatte, einmal in den Hofzug genommen zu werden, gab mir Waldstätten zu diesem Zweck bis zum 14. Juli Urlaub. Der Kaiser hatte die Absicht, zuerst nach Tirol zu fahren, um damit zugleich den gegnerischen Kundschaftsdienst zu täuschen. Am Nachmittag vor der Abreise begrub ich in Traiskirchen meinen langjährigen Pferdewärter János Rácz. Nach ungarischer Sitte hatte es János mit dem Mein und dem Dein nie besonders peinlich genommen. Er bestahl einen einzigen nicht, das war - auch nach magyarischer Gewohnheit - ich, sein Herr. Sonst war er auch im Felde, wenn's ans Plündern ging, der erste am Werk. Schönburg hatte ihn einmal ertappt und ihm eine Riesenohrfeige heruntergehaut. Nun war János bei einem Kartoffeldiebstahl erwischt worden. Er beschloß, seinem Leben ein Ende zu bereiten, brach dazu in die Sattelkiste des Obstlt. Schilhawsky und knallte sich mit dem dort entnommenen Revolver nieder. Der arme János wurde in Traiskirchen auf dem schönen Friedhof beigesetzt. Wir sagten dem Geistlichen nicht, daß er Selbstmörder war. Der Detachementkommandant Graf Vojkffy s 8 4 ) arrangierte es. Der Geistliche hielt an dem offenen Grabe eine ergreifende Rede über den Soldaten, der an seinen vor dem Feinde erworbenen Wunden gestorben sei. Am 10. oder 11. Juni 1918 nahm mich in Baden der Hofzug des Kaisers auf. Ich erhielt im Schlafwagen ein Abteil neben meinem Freunde Jacobich zugewiesen, der seit einigen Monaten der Militärkanzlei des Kaisers zugeteilt war. Ich kannte natürlich alle Mitreisenden. Der Kaiser war von seinen beiden Generaladjutanten begleitet: Lobkowitz und Zeidler-Sterneck, der um Ostern den schon kaum mehr marschfähigen Marterer abgelöst hatte. (Marterer war mir schon aus meiner Brigadezeit als rastloser Sammler bekanntgeworden. Er hatte seine Gehilfen über die ganze Monarchie ausgebreitet. Auch mein Brigadier Gelb v. Siegesstern gehörte dazu. Dieser sagte, Marterer sammle alles, sogar Streichhölzer. O b er letzteres tat, 5 M ) Hubert Grf. Vojkffy (Klagenfurt, 2 7 . 5 . 1 8 8 3 - ? ) , 1902 als Kadett-Offiziersstellvertreter zu UR. 12, 1.11.1903 Lt., 1.11.1911 Oblt., ab 19.8.1916 Kmdt. des Reitpferdedetachements des A O K .
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weiß ich nicht. Besonders begeistert war er für Münzen und noch mehr für Marken. Die Leidenschaft für letztere kostete ihm schließlich das Leben. Im Jänner 1919, schon zur Zeit der Republik, erfuhr man plötzlich, Marterer habe sich vergiftet. Kurz vorher hatte sich jener Abteilungsleiter der Staatsdruckerei erschossen, in dessen Abteilung die Briefmarken gedruckt wurden. Es hatte sich die folgende Tragödie abgespielt: Marterer hatte noch in der Aktivität eines Tages den betreffenden Direktor kommen lassen und ihm gesagt, Ihre Majestät, die Kaiserin, interessiere sich so sehr für Fehldrucke, er möge die und die herstellen lassen. Der Beamte tat es. Nach dem Umsturz kam die Sache auf, und es kam auch heraus, daß die Fehldrucke keineswegs für die völlig ahnungslose Kaiserin gehörten, sondern für Marterer, der in ihnen natürlich ein vielbegehrtes Tauschobjekt in Händen hatte. Tragisch war, daß wenige Tage nach ihm auch Marterers Nachfolger, eben Baron Zeidler-Sterneck, durch Selbstmord endete. Am 16. Februar 1919 waren die ersten Wahlen in die österreichische Nationalversammlung. Zeidler, stets ein ausgesprochen unpolitischer Kopf, hatte mit absoluter Sicherheit gehofft, daß sich eine starke monarchistische Mehrheit ergeben werde. Daß die Sozialdemokratie die Majorität erhielt, erschütterte ihn tief. Wenige Wochen später starb seine Frau, eine Tochter des deutschen Generalkonsuls Vivenot, an einer Fehlgeburt. Zeidler sah noch am Abend unseren gemeinsamen Freund Pohl bei sich und verabschiedete sich in aller Ruhe von ihm. Er trug den dunkelgrünen Waffenrock des kaiserlichen Generaladjutanten. Kurz darauf jagte er sich, in einem Lehnsessel sitzend, eine Kugel in die Brust. Er war ein braver Mann, dem ich in meiner Armee-Zeitung einen schönen Nachruf schrieb 585 ).) Brougier war da, mit Werkmann verlebte ich manche fröhliche Stunde. Alte Österreicher werden sich erinnern, daß eine gehässige Propaganda unter anderem den jungen Kaiser übermäßigen Alkoholgenusses zieh. Der Kaiser trank in Wirklichkeit überhaupt nicht. Ein einziges Glas Champús bei einer Mahlzeit war die höchste Leistung. Böse Zungen behaupteten nun, man habe in den Gerüchten Karl den Ersten mit Karl Werkmann verwechselt - ein Witz, der immerhin eine gewisse Berechtigung hatte, denn Werkmann goß ganz gern manchmal einen hinter die Binde. Mit Arz sprach ich öfter. Einmal auch gab ich meinen Besorgnissen wegen der bevorstehenden Offensive und ihrer fehlerhaften Anlage Ausdruck. „Weißt du", meinte Arz, ,,es waren eben zweieinhalb gegen eineinhalb Meinungen." Die zwei Meinungen waren der Kaiser und Conrad, die Gegenmeinung war Waldstätten, die geteilte bezeichnenderweise er, Arz, selber. Für eine Nacht weilte auch der erste Obersthofmeister Hunyady Józsi im Hofzug. Er, der frühere Flügeladjutant, war im Spätherbst 1917 dem Prinzen Konrad Hohenlohe gefolgt, der seit der Thronbesteigung diesen ersten Posten im Hofrang innehatte. Hohenlohe, wegen seiner demokratischen Gesinnung einst als Statthalter von Triest der „Rote Prinz" genannt, war - so wie Montenuovo gegenüber dem alten Kaiser - gleichfalls ein Verwandter seines Allerhöchsten Herrn, und zwar dadurch, daß des Kaisers Bruder Erzherzog Max 5 8 6 ) die Prinzessin Franziska Hohen5 8 5 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 58. Laut dem gemeinsamen Sterbebild starben die Ehegatten am 5. bzw. 6 . 1 2 . 1 9 1 9 .
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lohe 5 8 7 ) als - natürlich ebenbürtige - Gemahlin heimgeführt hatte. Die Hoffnung gewisser Kreise, daß der Rote Prinz auf den neuen Herrn einen günstigen politischen Einfluß ausüben werde, schien sich nicht erfüllt zu haben. Er war völlig einflußlos geblieben. Józsi Hunyady war ein junger, frischer Mensch von aufrechter Gesinnung. Als er nach der Sixtusaffäre einmal mit dem Kaiser von Baden nach Schönbrunn fuhr, sagte er zu seinem Monarchen plötzlich: „Majestät, ich würde wünschen, daß über Schwarzau" - dem Schloß der Schwiegermutter des Kaisers „eine Fliegerbombe abgeworfen würde, die das Schloß mit allen Insassen vernichten würde." Der Kaiser sah Hunyady traurig an und sagte: „So dürfen Sie mir von der Familie der Kaiserin nicht reden." Er trug ihm das Wort jedoch keineswegs nach - gütig, wie er im Grunde seines Herzens immer war. Auch Zeidler sprach viel mit mir, und zwar in voller Offenheit. Wir behandelten namentlich das Problem Kaiser in ausführlicher Form und waren uns eines Sinnes, daß hier manches besserungsfähig wäre. Wir sprachen davon, welch empfindliches Instrument die Volksstimmung geworden war. Ich trat dafür ein, mit einem gewissen Byzantinismus, der in Kundgebungen rund um den Kaiser üblich geworden war, aufzuräumen. Zeidler gab mir vollkommen recht. Es gelang ihm aber nur sehr unvollständig. Im Hofzug erwies sich Seine Majestät als liebenswürdiger Hausherr, der eine einzige Marotte hatte: Man durfte sich ohne Kappe nicht zum Fenster hinauslehnen. Ein Aussteigen unbedeckten Hauptes war schon gar undenkbar. Der Kaiser selbst stieg tagsüber in jeder Station aus, in der es etwas längeren Aufenthalt gab. Er redete mit allen Leuten, die ihm unterkamen, in freundlichster Weise. An die Tafel wurden alle Offiziere im Hofzug gezogen. Der Hofreisedirektor, ein Hofbeamter im Oberstenrang, der. brave Tscheche Mares 5 8 8 ), mußte zum Beispiel in seinem Abteil seine Mahlzeiten einnehmen. Manchmal beneidete ich ihn. Denn der Kaiser verschlang die Mahlzeiten - wie sein Großoheim - mit außergewöhnlicher Schnelligkeit, wobei die Art seines Zugreifens nicht immer vorbildlich war. Da man als junger Major an der Tafel immer weit unten saß, war der Kaiser meist schon fertig, wenn man erst angefangen hatte. Rücksichtslos wurde mit dem Abservieren begonnen. Einmal ließ ich mir's nicht gefallen. Da gab's wunderbare, pflaumengroße Kirschen. Ich schlang diese weiter hinab, obgleich der Kaiser schon sehr nervös herüberblickte. Nach dem Essen sammelte man sich im Rauchsalon um den Kaiser. Das Gespräch war nicht besonders tief, aber behaglich. Was wollte man mehr! Meinen 5 8 6 ) Ehg. Max (Wien, 1 3 . 4 . 1 8 9 5 - 1 9 . 1 . 1 9 5 2 , N i z z a ) , 2 8 . 9 . 1 9 1 4 Fhr. U R . l , 1 5 . 3 . 1 9 1 5 L t . , 1 . 8 . 1 9 1 6 O b l t . (ab 2 1 . 1 2 . 1 9 1 4 - 1 . 9 . 1 9 1 6 bei höheren Kmden eingeteilt), 1 . 1 1 . 1 9 1 7 R t m . , 1 . 2 . 1 9 1 8 M j r . , 2 5 . 2 . 1 9 1 8 betraut mit dem K m d o . des Unterabschnittes Sarcatal, 1 . 1 2 . 1 9 1 8 in das Verhältnis „ a u ß e r D i e n s t " versetzt. 5 8 7 ) Franziska Prinzessin zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (geb. Teplitz, 2 1 . 6 . 1 8 9 7 ) , vermählt Laxenburg, 2 9 . 1 1 . 1 9 1 7 , mit Ehg. Max. 5 8 e ) Zdenko Mares (?, 1 8 6 9 - 2 1 . 8 . 1 9 5 1 , Wien), Beamter der öst.-ung. B a n k , ab 1898 im Rechnungsdepartement des Obersthofmeisteramtes, 1911 dem Hofreisedepartement zugeteilt, 1917 Hofreisedirektor in d. V I I . Rangklasse, 1918 V I . Rangklasse, 1919 als T i t u l a r - H o f r a t pensioniert, 1 . 1 2 . 1 9 1 9 als tschechoslowakischer Ministerialrat reaktiviert.
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Ehrgeiz befriedigte die ganze Situation doch in hohem Maße. Ich dachte an meine Kindheit, die Sorgen des Heranwachsens - wie ich mir, da mein Vater so früh gestorben war und meine Mutter und mich ganz ohne Beziehungen zurückließ - und wie ich aus eigener Kraft in die nächste Nähe des Räderwerkes der Geschichte gekommen war, in eine Umwelt, die mir noch vor zehn Jahren unerreichbar schien. Als ich wieder zehn Jahre später an meinem „ B e c k " schrieb und dort eine ähnliche Entwicklung, allerdings noch eindrucksvoller, verfolgte, wurde ich irgendwie von Groll gegenüber einem Schicksal erfüllt, das mir einen weiteren Aufstieg durch die Katastrophe von 1918 vorenthielt. Nach 1936 schien es, als wollte ein geheimnisvolles Walten die an mir gemachten Versäumnisse nachholen und das Ergebnis ist heute: Zelle Nr. 377 im Nürnberger Gefängnis! Die Reise ging über Marburg durch das Drautal und das Pustertal nach Bozen. Ich genoß die Annehmlichkeit der Salonwagenfahrt in vollen Zügen. In Bozen meldete sich Conrad beim Kaiser. Es ergab sich für ihn nur die Möglichkeit, mich flüchtig zu grüßen. Der Kaiser nahm den Feldmarschall nach Meran mit, von wo aus der Hofzug in die Station Schnalsthal abgestellt wurde. Dort blieb er, solange ich anwesend war. Am nächsten Tage unternahmen wir eine Autofahrt ins Nonstal. Werkmann war Hauptmann im I. Kaiserschützenregiment. In der Früh vor der Ausfahrt ließ ihn der Kaiser in seinen Salon rufen und repräsentierte sich ihm als erstem in der Uniform der Kaiserschützen, deren Inhaber er nun seit Umänderung ihres Namens Landesschützen geworden war. Als alter Kaiserjäger war ich doch ein wenig beleidigt, daß der Kaiser in seinem heiligen Land Tirol nicht die Kaiserjäger-Uniform anlegte. Dies widersprach umso mehr der Tradition, als ja die Kaiserschützen, wie schon erwähnt, gar keine reine Tiroler Truppe waren und daher auch nicht wie die Kaiserjäger den Beinamen „Tiroler" führten. Mein lieber Gott - diese herrliche Fahrt durch den Vintschgau, dann Abschwenken und Aufstieg bei Sigmundskron ins unvergeßliche Uberetsch mit Girlan, Eppan und so weiter, dann Hinaufklettern die Mendelserpentine hinauf, die Fahrt über den Paß - Kaisermanöver 1905 seligen Angedenkens - , dann der Abstieg nach Romeno, Cavareno, Fahrt über schwindelnde Giustinabrücke - dann Cles. Dort Meldung des Korpskommandanten Erzherzog Peter Ferdinand, des einstigen Hauptmanns von meinem Regiment. Peter war im Jahre 1915 als Kommandant der (Wiener) 25. Division abgesägt worden. Man hatte ihm ja schon den Vorwurf gemacht, daß er bei Komarów die „Klappe" aufgemacht habe! Nun war er aber durch seine Frau, die Erzherzogin Maria Christine 589 ), mit den Bourbon-Parmas nahe verwandt. Der junge Kaiser grub ihn daher aus und verlieh ihm das Stellungskorps an der Tiroler Westfront, wo der wenig repräsentative Prinz nicht viel Unruhe anrichten konnte. Auch die beiden anderen Toskanas holte der Kaiser wieder aus der Versenkung. Joseph Ferdinand, den unglücklichen Armeekommandanten von Luck, ernannte er 5 8 9 ) Erzherzogin Maria Christine, geb. Przssin. v. Bourbon-Sizilien (Cannes, 1 0 . 4 . 1 8 7 7 - 4 . 1 0 . 1 9 4 7 , St. Gilgen), Tochter des Alfons Prinz v. Bourbon-Sizilien u. d. Antonia Przssin. v. Bourbon-Sizilien, vermählt Cannes, 8.11.1900, mit Erzh. Peter Ferdinand.
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zum Generalinspektor der neuen Luftwaffe, für welchen Posten er als erfahrener Ballonflieger manches mitbrachte. Der jüngste Bruder Heinrich erhielt irgendwo eine Stellungsbrigade. Der Kaiser liebte es nicht, daß jüngere Prinzen im Hinterlande herumfaulenzten. Beim Ansichtigwerden des alten Schlosses Cles dachte ich meines Regimentskameraden Ferdinand Baron Cles 590 ), genannt Tscho. Auch Torresani, der in dieser Gegend zu Hause war, fiel mir ein. Die Erinnerungen, die es gab, waren überhaupt Legion. Ich wurde sehr oft im Gespräche mit dem Kaiser photographiert, der mich als gelernten Tiroler vielerlei fragte. Ich brachte manches an, was ich anbringen wollte. Die Leutseligkeit des Kaisers war wirklich völlig ungemacht. Er redete mit zahlreichen Landesbewohnern, denen ich stets entweder im Tiroler Dialekt oder in echt Welschtiroler Italienisch zuflüsterte, mit wem sie gesprochen hatten. Die Begeisterung war groß. Als ich im Jahre 1926 in diese Gegend kam und einen kaum zwanzigjährigen Welschtiroler auf dem Nonsberg auf der Mendelseilbahn zum Reden brachte, sprach der mit Begeisterung von der Woche, in der Francesco Giuseppe in seinem Heimatort gewohnt hatte. Er hatte natürlich gar keine Erinnerung daran. Aber seine Väter erzählten noch mit Begeisterung vom Kaiser und vom alten Österreich. Und leise fragte der junge Nonsberger: „Quando vendra l'imperatore Otto?" So waren diese Welschtiroler! Ein großes Titelbild des Wiener Interessanten Blattes zeigte den Kaiser auf der mir gleichfalls wohlbekannten Mendelterrasse 591 ). Ich stand nicht weit von ihm. Unsere Gesichter waren ernst. Denn eben war die Nachricht gekommen, daß der Vorstoß auf dem hinter uns liegenden Tonalepaß nicht gelungen sei. Der Kaiser befahl die Einstellung. Metzger konnte nichts dafür, der Feind hatte ihm bedeutend stärkere Kräfte entgegengestellt. Ich hätte dem Braven aber gern einen Erfolg gegönnt. Abends meldete ich mich bei Seiner Majestät ab. Er sagte gütig: „Kommen Sie bald wieder!" Und zu Arz gewendet: „Der Waldstätten läßt ihn natürlich nicht gerne lange her. Aber einmal werde ich ihn euch ganz nehmen !" Zeidler, Jacobich, Schager, Werkmann hatten mir eine gute Vorrede getan. Ich war doch ein wenig geschmeichelt . . . Gottfried, der natürlich mit war, und ich erhielten ein Personenauto mit festen Reifen. Ich setzte mich neben den Fahrer, Gottfried befand sich mit dem Gepäck im Fond. Wir kamen irgendwie nach Paneveggio und fuhren dann den Rolle-Paß hinan. Rolle-Paß, Col-Bricon. Ich sehe sie noch heute vor mir und gedenke gleichzeitig des Jahres 1911. Die Straßen waren gut, so daß das Fahren mit vollen Reifen gar nicht besonders störend war. In der Gegend des Cismon gab es alle möglichen neuen Straßen, von den Italienern während des Stellungskrieges angelegt. Sie waren 5 9 0 ) Ferdinand Frh. v. Cles (Cagno, Bez. Cles, Tirol, 2 6 . 8 . 1 8 7 4 - ? ) , 1895 aus der IKSch. Innsbruck als Kadett-Offiziersstellvertreter z u F J B . 2 8 , 1.5.1901 Oblt., 1.12.1901 z u 4 . T K J R . , 1.11.1910 Hptm., 1.11.1913 pensioniert. 1.12.1913 als Magazinsoffizier zu IR. 81, im Weltkrieg in versch. Lokalanstellungen, 1.2.1917 Mjr. d . R . 5 9 1 ) Das interessante Blatt, Wien, 27.6.1918, 1.
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wirklich Meister des Straßenbaues. Um etwa fünf Uhr abends kam ich, von Feltre her, in Belluno an. Belluno ist wundervoll gelegen. Von einer stolzen Höhe blickt man in das tief unten sich dahinschlängelnde Tagliamentotal. Wir waren irgendwo auf Stroh untergebracht und sahen in größter Spannung dem entgegen, was der nächste Morgen, der 15. Juni, bringen sollte! Ich habe über diese Ereignisse so viel geschrieben, daß ich heute nicht mehr unterscheiden kann, was persönliches Erlebnis war und was ich später dazu erfuhr. Die Nachrichten vom Piave, von San Dona und vom Montello lauteten nicht ungünstig. Auch im Gebirge zwischen Brenta und Piave schien es zunächst weiterzugehen. Aber die Kriegsgöttin hatte sich längst von uns abgewendet. Als es wieder Abend war, wußten wir, daß die Schlacht in einen Mißerfolg ausgeklungen war. Bei Asiago, wo Conrad befehligte, fiel alles in die Ausgangsstellungen zurück. Auf dem Monte Rainero über Bassano hatte die ungarische 27. Division, die schon knapp vor dem Abstieg in die Ebene stand - hier wäre der Hauptschlag zu führen gewesen - einen unerhört schweren Rückschlag erlitten, der fast zu ihrer Auflösung führte. Weiter östlich steckte alles im Gebirge. Nur auf der Montello-Hochfläche gelang es unseren Truppen, die Hälfte des Höhengeländes hinter sich zu bergen, allerdings unter erheblichen Opfern. Leider drohte auch hier ein starker Feind im Rücken: die Gebirgsflüsse, die aus den Alpen kamen. Tückische Torrente, die man normal trockenen Fußes durchschreiten konnte, aber von einer Stunde zur anderen zu rasenden Strömen wurden, drohten mit Hochwasser! Noch am Abend wurden die Angriffe im Gebirge auf Befehl des A O K . eingestellt. Am anderen Morgen ging ich mit Waldstätten auf die Terrasse hinaus. Ein wunderbarer Tag brach an - wie er nur in dieser herrlichen Gegend möglich ist. Ich wußte, daß Waldstätten gegen die Zerpflückung der Angriffshandlung war, und kam mit ihm darauf zu sprechen. Er machte sich große Vorwürfe, erklärte aber, gegen Conrad nicht aufgekommen zu sein. Warum er nicht demissioniert habe? Ja, wenn jeder Kompaniekommandant gegen einen Angriffsbefehl, den man ihm erteilte, so aufmucken würde! Ein Kompaniekommandant und ein Chef der Operationsabteilung der Heeresleitungen seien nicht dasselbe. Hohe Führer seien es der Sache schuldig, ihr Amt zur Verfügung zu stellen, wenn sie einen Auftrag durchführen sollten, der ihnen ganz wider den Strich ginge. Auch der, der den Auftrag erteile, könne nicht wünschen, daß er verantwortlich von Leuten ausgeführt würde, die nicht mit dem ganzen Herzen bei der Sache seien. Noch mehr gebrochen als Waldstätten war Zsiga Schilhawsky als Chef der J-Gruppe. Er verlor von diesen Stunden an jeden seelischen Halt und sah fürderhin die Lage nur tief schwarz. Das Heeresberichte-Schreiben war natürlich nicht leicht. Jeder mußte vor der Ausgabe in den Hofzug bei - ich glaube - Spilimbergo gesandt werden, damit ihn der Kaiser einsehe. Auf dem Montello wurde weitergekämpft. Die Schlacht stand. Aber das Hochwasser war gekommen. Der Piave hinter der Front der auf dem Montello kämpfenden Divisionen - es waren ihrer fünf - führte gewaltige Wassermassen heran. Immer wieder rissen die Kriegsbrücken, und unzählige wackere Pioniere büßten im Kampf mit dem Element ihr Leben ein. Gleiches Schicksal erlitten
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zahlreiche, mit Mann und Material dichtbesetzte Kähne. Auch diese Position war da man damals noch nicht wie Hitler Krieg führte - nicht zu halten. Ich glaube, es war der 19., da nahm ich in den Entwurf des Heeresberichtes schon einen Satz auf, der auf den bereits eingeleiteten Rückzug vorbereiten sollte. Der arme Kaiser strich den Satz. Er dachte daran, der Öffentlichkeit von dem Verlust dieses letzten Aktivums der Piaveoffensive überhaupt nichts mitzuteilen. Ich widerriet aufs schärfste und wurde von Waldstätten und Arz nachdrücklich unterstützt. Bald nach Gorlice hatten die verbündeten Heeresleitungen sich entschlossen, jeweils auch den Feindbericht der Presse zu überlassen. Man hatte es später öfter bereut, in den Tagen des Glückes so offenherzig gewesen zu sein. Aber nun hatte man einmal A gesagt, man mußte daher auch Β und Υ , Ζ sagen. Schon aus diesem Grunde wäre es auf die Dauer unmöglich gewesen, der Öffentlichkeit ein so wichtiges Ereignis wie die Räumung des ganzen rechten Piave-Ufers zu verschweigen. Natürlich rächte sich nun das Wegstreichen des vorbereitenden Satzes durch den Kaiser. Nach den Meldungen der Vortage hatte man nicht noch dieses letzte erwartet. Die Niedergeschlagenheit war allgemein. Als später im Parlament unter anderem die Unaufrichtigkeit angeprangert wurde, die sich die Heeresleitung im Zusammenhange mit dem Montello in ihrer Berichterstattung zuschulden kommen habe lassen, riet ich, sich auf einen Lapsus linguae des Kommuniqué-Verfassers, meiner Wenigkeit, auszureden. Dies geschah nicht. In den letzten Stunden von Belluno meldete sich auf einmal auch die „Oberste Kriegsleitung". Sie befahl die Einstellung der früher von der D O H L . einigermaßen begrüßten österreichischen Offensive in Venetien und die Abstellung österreichisch-ungarischer Kräfte für den Westen. Daß auch letzteres verlangt'wurde, sagte uns, daß man in der D O H L . auch schon erheblich an Kraft- und Selbstbewußtsein eingebüßt hatte. Grund dazu war vorhanden. Wie die begossenen Pudel kehrte die Operationsabteilung mit Waldstätten nach Baden zurück. Für mich kam in den nächsten Wochen viel Arbeit, und auch manches Ereignis ist zu verzeichnen. Leider fehlt mir jeder Anhaltspunkt, so daß ich die Dinge völlig aus dem Kopfe niederschreiben muß. Irrtümer sind unvermeidlich, mindestens in der Reihenfolge. Ein großer Sturm der Entrüstung ging durch das ganze Reich. In Budapest setzte sofort eine schwere parlamentarische Kampagne gegen die Heeresleitung ein, es wurde mit ungeheuren Verlustziffern aufgetrumpft, die alle der dummen Heeresführung aufs Konto geschrieben wurden. Ich stand in engster Beziehung zum ungarischen Ministerium des Inneren, das Bethlen innehatte und wo der dicke Generalstabshauptmann Wild als Verbindungsoffizier wirkte. E r hing unausgesetzt an meinem Draht und forderte Auskünfte. Für den Westen wurden zwei Divisionen als erste Staffel bereitgestellt, darunter was mich sehr freute - die 1. Division unter Metzger 5 9 2 ). Sie kam zu Anfang Au5 9 2 ) General Ludendorff hatte bereits am 16. und 17. Juni über Klepsch-Kloth v. Roden bzw. Cramon 5 - 6 k.u. k. Infanteriedivisionen für die Westfront gefordert. Am 19. Juni wandte er sich diesbezüglich direkt an Arz. Am 25. Juni gab Kaiser Karl die Einwilligung zur Truppenentsendung, wobei als
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gust im Westen an und wurde dort, wie Metzger meldete, in der Etappe mit den Schmeichelworten begrüßt: „Was wollt ihr hier noch - ihr seid Kriegsverlängerer ! " Ob man auch Streikbrecher sagte, weiß ich nicht mehr. Wohl hatte es auch in der österreichischen Armee manche Zeichen dieser Art gegeben. In Cattaro mußte Anfang Februar eine Marinerevolte niedergeschlagen werden. An Stelle des alten Kroaten Njegovan 5 9 3 ) trat Nikolaus v. Horthy an die Spitze der Kriegsflotte, einer der jüngsten Flaggenoffiziere, die erst zum Admiral ernannt werden mußten. Im Frühjahr kam es bei verschiedenen Ersatztruppenteilen zu Ausschreitungen. Alle Nationen waren vertreten, nur die Deutschösterreicher nicht. Aber ein solches Bild, wie man es aus den Meldungen unserer Divisionen im Westen über die Stimmung bei den deutschen Etappen-Einrichtungen ersah, hatte sich bei uns bisher noch nicht ergeben. Mitte Juli sollte neuerdings das Wiener Parlament zusammentreten. Die Heeresleitung sah diesem Ereignis mit begreiflichem Unbehagen entgegen. Auch der Kaiser wähnte, der Bestie öffentliche Meinung lieber noch früher einen fetten Bissen hinwerfen zu müssen; wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er die beiden Heeresgruppen-Kommandanten der Südwestfront, Boroevic und Conrad, geopfert. Zuletzt beschränkte er sich jedoch auf Conrad. Er berief ihn zu sich nach Laxenburg und sagte, auf ein vor langer Zeit eingereichtes Rücktrittsangebot Bezug nehmend: „Exzellenz, ich habe mich entschlossen, Ihrer Bitte zu willfahren und Sie Ihres Postens zu entheben." Conrad wurde mit der Hoffunktion eines Obersten aller Garden ausgestattet. Diese Funktion hatte bis zum Tode des Kaisers Franz Joseph jeweils der erste Obersthofmeister innegehabt, am Schluß Fürst Montenuovo, obgleich er nur Oberleutnant der Reserve war. Unter Kaiser Karl hatte sie bisher Generaloberst Baron Dankl v. Krasnik ausgeübt, der sich nun wieder auf seinen Kapitanat der ersten Arcierenleibgarde zurückziehen mußte. Conrad hatte jedoch in der Folge nie Miene gemacht, sein Gardekommando anzutreten. Er verbrachte das Ende des Krieges in Villach und Triest. Wider seinen Willen - so sagte er wenigstens - hatte ihn der Kaiser auch gegraft. Ich war mit Conrad noch in lockerer Korrespondenz. Leider gingen mir seine Briefe verloren 594 ). Sie waren bezeichnend für ihn und seine tiefe philosophische Resignation. Beim Rücktritt Conrads fiel mir auf Wunsch Wiesners die schwierige Aufgabe zu, der Presse von dem Ereignis Mitteilung zu machen. Auf dem Ballhausplatz fand eine ganz große Journalistenversammlung statt, bei der ich das den Hörern doch „erste Rate" die l . I D . und 35.ID. bestimmt wurden. Sie gingen ab 8.7. nach Frankreich ab. Ab 18.7. wurde das XVIII. Korpskmdo. (FML. Ludwig Goiginger) nachgesandt. Die beiden Divisionen trafen um den 20. Juli im Westen ein. Im September 1918 gingen dann noch die 106. ID. und die 37. H I D . nach Frankreich ab und wurden eingesetzt (IX. Korpskmdo.). Vgl. : M. Polatschek, österreichisch-ungarische Truppen an der Westfront 1914/1918, Wr. Diss. 1974. 5 9 3 ) Maximilian Njegovan (Agram, 31.10.1858-1.7.1930, Agram), 1877 als Seekadett aus der Marineakademie ausgemustert, 1.11.1907 Linienschiffskpt., 1907-1909 Eskaderstabschef, 6.1.1909-7.6.1910 Marinekmdo.-Adjutant u. Chef der Operationskanzlei - Marinesektion, 1.11.1911 Kontreadmiral, 4.8.1914 Kmdt. I. Geschwader, 8.2.1917 Flotten- bzw. Marinekmdt., 23.2.1917 Admiral, 27.2.1918 enthoben u. pensioniert. 5 M ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 196.
F r i e d e n s v e r h a n d l u n g e n - S i x t u s - A f f ä r e - J u n i - S c h l a c h t in Venetien
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überraschend kommende Ereignis mitteilte. Ich selbst war ergriffen und bemühte mich, ein möglichst sachliches Bild von der Persönlichkeit des Feldmarschalls, seinen Vorzügen und seinen Schwächen, zu entwerfen. Meine Erfahrungen mit den Zeitungsleuten waren auch diesmal gut. Die Nachrufe auf Conrad waren keineswegs auf einen Kamm geschert und auch von ernster Kritik nicht frei, aber durchaus würdig. Die Arbeiter-Zeitung zerdrückte für den aufrechten Mann sogar eine Träne 5 9 5 ). Ich glaube, Karl Leuthner 5 9 6 ) hat es getan. Mir hat die ganze Veranstaltung eine ziemliche Resonanz in der Presse verschafft. Daß natürlich auch A r z bedroht war, versteht sich. Dabei meldete sich besonders Schönburg, der nach vier Wochen wieder frontdiensttauglich war, als Gegner. Im H o f z u g an der Mittagstafel sagte er - zuerst ein wenig auf dem Sessel hin- und herrückend - plötzlich so laut, daß es der Kaiser unbedingt hören mußte: „Exzellenz haben das Vertrauen der Armee verloren." A r z sprang auf und bat den Kaiser, sich mit ihm in den Nebensalon zu begeben. Dort gab er in seiner Art rasch seine Demission 5 9 7 ). Der Kaiser behielt sich eine Entscheidung vor. In der Tat hatte er vor einigen Tagen den zur Disposition stehenden F M . Freih. v. Böhm-Ermolli zu sich gerufen, ihm seine Ernennung zum Chef des Generalstabes in Aussicht gestellt und gleichzeitig den Auftrag erteilt, sich zunächst einmal auf vierzehn Tage die Front genauer anzusehen. F M . Böhm-Ermolli tat es, hörte aber von seiner Berufung wie es so bei Kaiser Karl üblich war - nie mehr im Leben etwas. Arz blieb, er war dem Kaiser ein viel zu bequemer und angenehmer Mitarbeiter, als daß er sich von ihm getrennt hätte. Ich fuhr einmal in diesen Tagen mit Arz im Auto von Baden nach Wien. Zwischen ihm und mir hatte sich ein vertrauliches Verhältnis ergeben, getrübt bei ihm nur durch die richtige Erkenntnis, daß ich ihn für einen zwar begabten, aber etwas unernsten Menschen hielt. Arz klagte mir bei dieser Fahrt über die Berge von anonymen Schmähbriefen, die er seit der Piave-Offensive erhielt. Auch sein ja wirklich nicht ganz unanfechtbares Sexualleben - er war schon sechzig Jahre alt - kam dabei öfters schlecht weg. Er litt doch unter allem mehr, als er sich ankennen ließ. Das bemerkte ich bei verschiedenen Gelegenheiten 5 9 8 ). Während in Budapest der schlaue und skrupellose Schwabe Wekerle die Situation, so trist sie in Wirklichkeit war, äußerlich mit souveräner Lässigkeit beherrschte, wurde in Österreich der Ministerpräsident Ernest R . v. Seidler, der sich vor Jahresfrist im Deutschen Volkstheater auch als Dichter eines romantischen Dramas betätigt hatte 5 9 9 ) - ich war dort, erinnere mich aber nicht mehr - zusehends von ei5 9 5 ) Conrad von Hötzendorf. In der Nummer vom 17. Juli zur Gänze gestrichen, nun mit unwesentlichen Streichungen wiederholt, in: Arbeiter-Zeitung, 2 0 . 7 . 1 9 1 8 , 2 (ungezeichnet). 5 9 6 ) Karl Leuthner (Padechau, Mähren, 1 2 . 1 0 . 1 8 6 9 - 8 . 5.1944, Wien), Jusstudium an der Universität Wien, ab 1895 außenpolitischer Redakteur der Arbeiter-Zeitung, begeistert für Naumanns Mitteleuropa-Idee, ab 1911 Abgeordneter zum Reichsrat, 1918 ein Befürworter des Anschlusses und glühender Verfechter des deutschnationalen Gedankens.
) ) 599) sen, 5 597
59β
Vgl. die Schilderung bei Zeynek, Erinnerungen, 209-211. Weder in den Akten des A O K . noch im Nachlaß Arz erhalten. Seidler schrieb unter dem Pseudonym Wilhelm Engelhardt das Schauspiel: Durch Feuer und EiAkte. Premiere am 1. Dezember 1917 im Deutschen Volkstheater. Als Darsteller des jungen
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ner seltsamen Gruppe von deutschen Politikern umgarnt, einem Trifolium komischer Art, bestehend aus den Abgeordneten Teufel 6 0 0 ), Pantz 6 0 1 ) und Hummer 6 0 2 ). Was Teufel im zivilen Leben war, weiß ich nicht mehr. Freiherr v. Pantz war ein berühmter steirischer Agrarier, Hummer seines Zeichens Apotheker. Hinter diesem Kleeblatt stand ein Grazer Journalist namens Dr. Reichenauer 6 0 3 ) und hinter Reichenauer der in der kaiserlichen Militärkanzlei eingeteilte Major-Auditor Dr. Schager, nachher Freiherr v. Eckartsau. Schager hatte sich früher unter Alfred Krauss im Stabe der Südwestfront befunden und mit diesem ein wenig in deutschnationaler Politik gegenüber Slowenen und Italienern gemacht. Wir lernten uns damals telephonisch kennen und wurden dann, als Schager in die Militärkanzlei kam, gute Freunde. Ich war sein Vertrauensmann bei der Heeresleitung. Eines Tages, als es gegen Mitte Juli ging, sagte mir Schager, die Rede des Ministerpräsidenten bei der unmittelbar bevorstehenden Parlamentseröffnung werde stark programmatisch sein müssen. Die Nachrichten über die dichten Fäden, die zwischen den Heimatführern der Nationalitäten und der Emigration unter Masaryk, Benes 6 0 4 ), Trumbic 6 0 5 ) liefen, lauteten zusehends beunruhigender. Andererseits müsse der deutschen Öffentlichkeit Österreichs nach der Sixtusaffäre und den verschiedenen, wirklich sehr bösartigen und meist ungerechten Gerüchten über die Kaiserin und so weiter eine Kampferinjektion gegeben werden. Ministerpräsident Seidler werde daher in seinem Exposé eine sehr starke deutsche Note anschlagen. Ich hielt den Augenblick für äußerst ungünstig. Die Haltung der Nationalitäten war ja wirklich betrüblich - dieses Problem ist das erste Mal zusammenfassend in
Kronprinzen Friedrich (II.) von Preußen wirkte Raoul Asian (frdl. Mitteilung des Enkels des Ministerpräsidenten, Herrn Johannes Eidlitz). 6 0 0 ) Oskar Teufel (Znaim, 5 . 1 0 . 1 8 8 0 - ? ) , Essigfabrikant in Znaim, deutschradikaler Abgeordneter zum Reichsrat für Mähren 1911-1918, Abgeordneter zur provisorischen Nationalversammlung. 6 0 1 ) Ferdinand Reichsritter v. Pantz (Eibiswald, Stmk., 1 2 . 1 0 . 1 8 6 8 - 1 5 . 3 . 1 9 3 3 , Wien), Gutsbesitzer in Sonnhof ob Stainach, Christlichsozialer Abgeordneter zum Reichsrat 1907-1918, Abgeordneter zur provisorischen Nationalversammlung. 6 0 2 ) Gustav Hummer (Znaim, 1 1 . 1 2 . 1 8 7 7 - 2 1 . 1 1 . 1 8 5 5 , Wien), deutschradikaler Abgeordneter für Mähren zum Reichsrat 1911-1918, Abgeordneter zur provisorischen Nationalversammlung. 6 0 3 ) Oskar Reichenauer (Graz, 15.6.1875-1934/35, Deutsches Reich), journalist, zeitweise Leiter des wirtschaftlichen Informationsbüros des Industrieverbandes, seit Juli 1918 Geschäftsführer des Nachrichtendienstes „Telegraphenkompanie", Verfasser wirtschaftspolitischer Artikel auf deutschnationaler Grundlage für versch. Tageszeitungen, in der Zwischenkriegszeit Redakteur bei „Neues Wiener Extrablatt", Sekretär des Vizekanzlers Winkler, bis 1931/32 Finanzreferent des „Landbundes", sodann im Deutschen Reich in einem Konzern (in Dresden ?) tätig. Vgl. über ihn: H H S T A . , Neues Politisches Archiv, Kart. 148, 57386-13/23; U. Benedikt, Vinzenz Schumy 1878-1962, eine politische Biographie, Wr. Diss. 1966, 126, 176. 6 0 4 ) Edvard Benes (Kozlan, Böhmen, 2 8 . 5 . 1 8 8 4 - 3 . 9 . 1 9 4 8 , Schloß Lana bei Alt-Tabor), seit 1909 Dozent für Nationalökonomie an der Universität Prag, Politiker, 2 8 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 8 . 1 2 . 1 9 3 5 tschechoslowakischer Außenminister, 2 6 . 9 . 1 9 2 1 - 5 . 1 0 . 1 9 2 2 Ministerpräsident, 1 8 . 1 2 . 1 9 3 5 - 5 . 1 0 . 1 9 3 8 u. 4 . 5 . 1 9 4 5 - 3 . 9 . 1 9 4 8 Staatspräsident. 6 0 5 ) Ante Trumbic (Spalato, 1 7 . 5 . 1 8 6 4 - 1 8 . 1 1 . 1 9 3 8 , Agram), kroatischnationaler Abgeordneter für Dalmatien zum Reichsrat 1897-1901, 1914 emigriert, 1915 Präsident des jugoslawischen Nationalrates in Paris, 2 9 . 1 2 . 1 9 1 8 - 2 3 . 1 1 . 1 9 2 0 jugoslawischer Außenminister.
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meinem Buch „Die Katastrophe" geschildert worden. Die in den Kabinetten der Westmächte wirkenden, österreichfeindlichen Kräfte waren seit der Berufung Northcliffes 606 ) zum Propagandaminister, noch mehr aber seit der Zweikampf mit Czernin Clemenceau völlig zum Gegner Österreichs gemacht hatte, beängstigend stärker geworden. Zu Ostern hatte in Rom ein großer Kongreß der die Befreiung von Habsburg anstrebenden Völker stattgefunden 607 ). Er fand Mitte Mai sein innerpolitisches Widerspiel in Prag, wo gleichfalls Vertreter aller habsburgischen Nationen - mit Ausnahme der Deutschen und Magyaren - dem Reiche in fast unverblümter Deutlichkeit den Abschied gaben 608 ). Daß Seidler sonach das Bestreben hatte, doch wenigstens die Deutschen Österreichs bei der Stange zu halten, war an sich verständlich. Trotzdem hielt ich es für einen Fehler, dies allzu stark zu affichieren. Aber meine Warnungen halfen nichts. Am - ich glaube - 17. Juli, dem Tage, an dem sich in den Wäldern von Villers-Coteret Foch erfolgreich mit einer starken Gegenstoßgruppe den Deutschen entgegenstürzte, waren Cramon und ich in einer Loge des Abgeordnetenhauses, um die Regierungserklärung Seidlers mitanzuhören. Unter dem Beifall der deutschen Mannen, aber auch bei einem Pultdekkelkonzert der nichtdeutschen Abgeordneten verkündete der kleine, unscheinbare Staatsmann, daß Österreich fürderhin nur umso betonter einen „deutschen Kurs" gehen werde. Auch Cramon war ziemlich mitgerissen, und er wunderte sich über meine Skepsis, als wir mitsammen wieder nach Baden zurückfuhren. In den nächsten Tagen trat der Wehrausschuß des Abgeordnetenhauses zusammen und überreichte eine Rieseninterpellation, die seltsamerweise von den deutschradikalen Abgeordneten eingebracht wurde 609 ). Der Führer dieser Gruppe führte natürlich den slawischen Namen Malik 6 1 0 ), indes eine tschechische Interpellation von Habrmann 6 1 1 ) und Genossen gezeichnet war. Es wiederholte sich, was schon «° 6 ) Alfred Charles First Viscount o f Northcliffe (Chapelizod, D u b l i n , 1 5 . 7 . 1 8 6 5 - 1 4 . 8 . 1 9 2 2 , L o n don), Zeitungsherausgeber, Journalist, Februar 1918 - Kriegsende Leiter der Propaganda in den Feindländern. 6 0 7 ) V o m 8. bis 11. April 1918 versammelten sich Vertreter der Slawen in Österreich, dann serbische, rumänische, französische und englische Politiker sowie Journalisten in R o m unter dem Vorsitz des italienischen Senators Francesco Ruffini zur Beratung über das Vorgehen für eine Zerstörung ÖsterreichUngarns und insbesondere einer subversiven Kriegsführung gegen die k. u. k. gesamte bewaffnete Macht. 6 0 8 ) Anläßlich des fünfzigsten Gründungstages des Prager tschechischen Theaters am 16. Mai 1918 kam es in Prag zu einer Kundgebung der Slawen mit rumänischen und italienischen Gästen, bei der Kramar in einer Rede heftigste Angriffe gegen die Monarchie richtete. 6 0 9 ) Eine Anfrage von 23 Punkten über die Ursachen der Niederlage in der Junischlacht in Venetien wurde am 9 . 7 . 1 9 1 8 durch den Reichsratsabgeordneten A . M . Kemeter namens des „Verbandes der deutschnationalen Parteien" und namens der Partei „ D e u t s c h e s Z e n t r u m " an den Minister für Landesverteidigung gerichtet. Siehe die Aktenlage mit handschriftlichen Richtlinien zur Beantwortung (von Glaise?) in: M K S M . 6 9 - 6 / 1 4 - 2 ex 1918. 6 1 0 ) Vinzenz Malik (Iglau, 2 . 1 2 . 1 8 5 4 - 2 9 . 1 . 1 9 2 4 , Wien), 1 9 0 1 - 1 9 1 8 Abgeordneter zum Reichsrat und zur provisorischen Nationalversammlung der alldeutschen Partei, Steiermark. 6 1 1 ) Gustav Habrmann ( B ö h . T r ü b a u , 2 4 . 1 . 1 8 6 4 - 2 2 . 3 . 1 9 3 2 , Prag), Führer der tschech. Sozialdemokratie, seit 1907 Reichsratsabgeordneter, am Beginn des Weltkriegs in der Schweiz, in der Republik mehrmals Unterrichts- und Sozialminister.
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frühere Generationen erlebt hatten, wenn der Führer der Tschechen Rieger 6 1 2 ) und der Deutschnationalen Stransky 6 1 3 ) hieß. O du mein Österreich! Der Landesverteidigungsminister Czapp v. Birkenstätten 6 1 4 ), der Nachfolger Georgis, stand natürlich den neugierigen Fragen der p . t . Abgeordneten wie ein Kind nichtwissend gegenüber. Ich wurde durch Arz beauftragt, die Sache in die Hand zu nehmen. Ich konferierte viel mit Czapp, wobei ich auch die beiden zivilen „rechten Hände" von ihm, Sektionschef v. Lehne 6 1 5 ) und Dr. Mannlicher 6 1 6 ), meinen späteren Freund, kennenlernte. Aus den Interpellationsbeantwortungen wurde allmählich ein dickes Buch, das sich wahrscheinlich unter den Akten des Landesverteidigungsministeriums befindet. Ich bemühte mich - so wie ich es auch in der Pressepolitik hielt - möglichst wahrheitsgetreu zu sein, uns auch nicht zu schonen, wo es nötig war, so daß die österreichische Regierung gegenüber dem Wehrausschuß, der stets in geheimer Sitzung tagte, recht gut abschnitt - weniger die Heeresleitung, was sie auch nicht anders erwarten konnte. Mir selbst war natürlich der Zutritt zu den geheimen Sitzungen als einem Fremdling versagt. Es bedeutete aber doch einen gewissen Kitzel, hinter den Kulissen die Fäden so in der Hand zu haben. Natürlich blieb den Abgeordneten meine Mitarbeit kein Geheimnis, es erwuchsen mir nachher manche Beziehungen daraus. Gleichzeitig erschien wieder der alte Max Vladimir Baron Beck, von dem ich in diesen Zeilen schon schrieb, wieder fleißig in meiner Mansardenkanzlei gegenüber 6 1 2 ) Franz Ladislaus Rieger (Semil, 1 0 . 1 2 . 1 8 1 8 - 3 . 3 . 1 9 0 3 , Prag), tschech. Politiker, trat 1861 mit Palacky an die Spitze der Alttschechen, gründete 1861 die „Narodni-Listy", verlor 1891 sein Reichsratsmandat. 6 1 3 ) Eduard v. Stransky-Greifenfels (Güns, 2 0 . 4 . 1 8 6 9 - 1 0 . 6 . 1 9 4 9 , Wien), 1907-1911 deutschnationaler Abgeordneter zum Reichsrat für Böhmen'. 6 1 4 ) Karl Czapp v. Birkenstätten (Belovar, Kroatien, 9 . 1 . 1 8 6 4 - 2 0 . 1 0 . 1 9 5 2 , Wien), 1885 aus der Techn. Milak. als Lt. zu KAR. 12, Glstbslaufbahn, 1.5.1907 Obst. i . G . , 1.11.1908 ins R K M . als Vorstand der Abt.2/W, Mitarbeit an der Verfassung des neuen Wehrgesetzes, 1.11.1912 G M . , 5.8.1914 Kmdt. 106. Landsturm-ITD., 5.1.1915 Kmdt. 65. IBrig., 10.2.1915 Kmdt. 46.SchD., 26.8.1915 FML., 1.9.1915 Sektionschef im Ministerium für Landesverteidigung, 23.6.1917 betraut mit Leitung des Ministeriums für Landesverteidigung, 30.8.1917 Minister, 27.10.1918 Rücktritt, 21.10.1920 pensioniert. 6 1 s ) Friedrich Lehne v. Lehnsheim (Wien, 8 . 1 . 1 8 7 0 - 7 . 7 . 1 9 5 1 , Grundlsee), Dr. iur., Sektionschef im Ministerium für Landesverteidigung, 2 7 . 1 0 . - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 Leiter des Ministeriums für Landesverteidigung, wirklicher Geheimer Rat, später Leiter der Invalidenentschädigungskommission. 6>«) Dr. Egbert v. Mannlicher (Wien, 21.2.1882 - 5.10.1973, Oberalm, Salzburg), 21.6.1905 Statthaltereikonzeptpraktikant bei der N ö . Statthalterei, 23.6.1910 Statthaltereikonzipist im Ministerium für Landesverteidigung, Aug. 1915 Ministerialvizesekretär, Nov. 1918 Übernahme ins Staatsamt für Heerwesen, 9.12.1918 Ministerialsekretär bei der Staatskanzlei bzw. im Bundeskanzleramt, 1.7.1920 Sektionsrat, 13.1.1923 ins Bundesministerium f. Inneres, 2.2.1930 Senatspräsident des Verwaltungsgerichtshofes, 19.7.1934 dauernder Ruhestand, 16.3.1935 Mitglied der Kodifikationskommission beim Bundeskanzleramt, 28.3.1938 Sektionschef im Personalstand der Reichsstatthalterei, 6.4.1939 mit Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten des Bundesgerichtshofes beauftragt, 7.11.1941 Senatspräsident des Reichsverwaltungsgerichts - Außensenat Wien, 23. 3.1943 auch Sonderbevollmächtigter und Berater für kriegsbedingte Verwaltungsvereinfachung des Reichsverteidigungskommissars für den Reichsgau Wien; 1.1.1907 Lt.i.d.Res. LwIR.24; seit 1930 Mitglied des Deutschen Volksrates, 1936/37 Mitglied des sogenannten Siebenerausschusses, 1.5.1938 Mitglied der NSDAP (NS-Rechtswahrerbund). Mannlicher war der Schöpfer verschiedener legislativer Werke, nach 1918 führend an der Konzipierung der Bundesverfassung 1920 und an deren Novellierungen beteiligt, ferner Mitglied der Ersparungskommission.
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der schönen Badener Pfarrkirche. Er war stets im Reitdreß, da er in Traiskirchen seine Lipizzaner, das heißt eigentlich kaiserliche Lipizzaner, mißhandelte. Wieder war eine Herrenhausrede in Aussicht, in der Beck neben der politischen Entwicklung auch den Gang der militärischen Ereignisse behandeln sollte. Natürlich fiel die Verfassung des militärischen Beitrages mir zu. Es war mir recht interessant, in dieser Zeit zu jenen drei Ministerpräsidenten aus dem alten Österreich, die Format und Geltung besaßen, in persönlicher Beziehung zu stehen. Zu Beck und Ernest v. Koerber hatte ich diese Beziehungen direkt, zu Gautsch über dessen Sohn, den Diplomaten, der in der Abteilung Wiesner im Außenministerium saß. Leider mußte ich seit geraumer Zeit feststellen, daß alle drei nicht mehr an ein langes Leben Österreichs glaubten. Schönburg hatte bei seiner Genesung einen kurzen Erholungsurlaub genommen. Er lud mich eines Tages wieder zum Mittagessen ein und empfing mich in seinem schönen Palais an dem mir schon vertrauten Schreibtisch - mit einem gewaltigen Manuskript in der Hand: „Lieber Freund, ich habe dich etwas zu bitten. Ich fühle mich als Soldat, als Geheimer Rat und als Vliesritter verpflichtet, dem jungen Kaiser in einer Denkschrift eine Warnung zukommen zu lassen. Bitte, nimm dieses Manuskript nach Hause, lese es dir aufmerksam durch und bringe es mir heute abends wieder h e r . " Der Fürst war, wenn er aufregende Dinge vorhatte, bis zu seinem am 20. September 1944 erfolgten Tode gewöhnt, über mich wie einen Untergebenen zu verfügen. Ich tat's dem gütigen Freunde zuliebe sehr gerne. Die Denkschrift Schönburgs, die leider beim Zusammenbruch 1918 von Zeidler neben anderen Dokumenten vernichtet wurde, ließ an Kritik und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie hielt dem Kaiser sein ganzes Sündenregister unverblümt vor, das persönliche Regiment, das er eingeführt hatte, sein unfachmännisches Eingreifen in militärische Dinge, seine Kommandoführung bei der letzten O f fensive, während welcher die Heeresleitung auf drei weit getrennte Dienststellen aufgeteilt gewesen sei - seine politische Zwiespältigkeit, namentlich in bezug auf das deutsche Bündnis und so weiter und so weiter; Schönburg ging auf den Sechziger los, den er im November vollenden sollte, ich war sechsunddreißig geworden. Trotzdem gab ich, der junge Mann, ihm den Rat: „Durchlaucht, ein Arzt muß natürlich manchmal einem Patienten zur Bekämpfung einer Krankheit eine stärkere Dosis Gift verabreichen; aber diese darf nicht so stark sein, daß der Patient daran umkommt. Ich glaube, daß auch die Medizin, die Durchlaucht Seiner Majestät mit diesem Memorandum überreichen, zuviel Gegengift enthält." Der Fürst war nicht leicht zu beeinflussen. Ich rang ihm zwei Tage lang die den Kaiser unnötigerweise kränkenden Stellen ab und hatte einigen Erfolg. Die Denkschrift, die nebst anderem berechtigterweise auch die Notwendigkeit, den Krieg bald zu beenden, betonte, erreichte ihren Adressaten und verstimmte diesen nicht in dem Ausmaße, daß er es sich versagt hätte, den Fürsten einige Tage später zum Kommandanten der 6. Armee in Vittorio Veneto zu ernennen 6 1 7 ). Sein Vorgänger auf diesem Posten, 6 1 7 ) Die Denkschrift ist in militärischen Registraturen oder Nachlässen nicht vorhanden. G O . A r z kannte ihren Inhalt. Vgl. dessen: G r o ß e r Krieg, 2 7 9 .
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der ungarische Erzherzog Joseph, war Heeresgruppenkommandant in Bozen, Nachfolger Conrads, geworden. Für die Verhältnisse des ersten Krieges war es keine alltägliche Angelegenheit, als Kommandant einer bescheidenen Marschbrigade angefangen zu haben und bis zum Armeeführer aufgestiegen zu sein. In sein neues Armeekommando brachte der Fürst unter anderem den Ruhm mit, der einzige Korpskommandant gewesen zu sein, der mitten in der tobenden Schlacht die Hölle des Monte Gabriele erstiegen hatte. Das Ehrenbuch der Hessen von Nr. 14 schildert diese Szene in ergreifenden Worten 6 1 8 ). Als Schönburg sich beim A O K . Baden in seiner neuen Eigenschaft als Armeeführer meldete, brachte er mich in große Verlegenheit. Er kletterte in meine Burg herauf und sagte: „Lieber Freund, ich habe eine Bitte an dich, willst du nicht mein Flügeladjutant werden ?" Jeder Armeeführer hatte Anspruch auf einen Voll-Generalstäbler als Flügeladjutant und einen Troupier als Personaladjutant. Ich glaube kaum, daß ich ein besonders begeistertes Gesicht gemacht habe. Erstens war die ganze Flügeladjutantur im allgemeinen kein besonderes Geschäft - bei Schönburg wäre es vielleicht anders gewesen, ich hätte vielleicht die Armee kommandiert, aber auch das wäre jetzt nicht verlockend gewesen - und zum zweiten lag die Kriegsentscheidung längst nicht mehr an der Front, sondern im Hinterlande, und ich hätte es bedauert, diese nicht mitzuerleben. Ich sagte dennoch nicht nein, verwies aber auf die Zustimmung Waldstättens und benützte die kurze Weile, die der Fürst brauchte, um die Treppe hinabzusteigen, um Waldstätten zu avisieren. Ich brauchte gar nicht meinen Standpunkt charakterisieren, er rief sofort ins Telephon: „Keine Spur, wir brauchen dich jetzt hier notwendiger!" Kurze Zeit darauf kam Schönburg traurig wieder heraufgestiegen, um mir die Erfolglosigkeit seiner Demarche mitzuteilen und mich um einen anderen geeigneten Mann zu fragen. Ich nannte meinen alten Freund Gusti Denk, der dann auch Flügeladjutant des Fürsten wurde, ohne ihm jedoch näherzukommen. Wenige Tage später rief mich Waldstätten in die Kanzlei und sagte: „Du, mich hat soeben Zeidler angerufen, er möchte dich für die Militärkanzlei des Kaisers haben. Ich mußte nein sagen, denn wir brauchen dich hier." Diese Entscheidung ist mir schwerer gefallen als die gegenüber Schönburg. Denn die silbernen Borten und der Generalsknopf-Dessin der Offiziere der Militärkanzlei war doch das Feinste vom Feinen, und außerdem hing die Sache mit Zukunftsplänen zusammen, die ich schon berührte. Aber hatte es überhaupt noch einen Sinn, über diese Dinge viel nachzudenken, wo es ohnehin schon so rettungslos im Gebälke krachte ! An meiner Statt kam mein Nachfolger aus der 5. Abteilung, Generalstabsoberstleutnant Fedor Ulmansky 6 1 9 ), in die Militärkanzlei. Ich sah ihn nach wie vor nicht ganz ohne Neid dort sitzen. Wir waren aber befreundet. 6 l e ) Der Besuch fand am 1 4 . 9 . 1 9 1 7 statt. Vgl.: Hptm. R. v. Skala, Die Gruppe Major Theodor Malina (Obstlt. Heinrich Schuldes) an der Hand des Regimentstagebuches, in: Ein Buch der Erinnerung an Große Zeiten 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , Linz 1919, 2 6 5 - 2 8 7 , bes. 278f. S. auch Werkverzeichnis N r . 194. 6 1 9 ) Fedor Ulmansky (Agram, 1 0 . 9 . 1 8 7 8 - 8 . 5 . 1 9 2 7 , Lassnitzhöhe, Stmk.), 1899 als Lt. aus der Milak. zu IR. 97, Glstbslaufbahn, 1 . 8 . 1 9 1 4 Glstbsoffz. d. 105. LstlBrig., 2 2 . 1 . 1 9 1 5 in die
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Da diese Aufzeichnungen persönlichen Charakters sind, darf ich noch zwei andere Bewerbungen um meine Wenigkeit notieren. Der Kriegsminister Stöger-Steiner trat an mich mit dem Plan heran, nun, da die Heeresleitung ohnehin in Baden war, wieder das ganze Pressewesen beim Kriegsministerium zu konzentrieren. O b ich nicht die Sache übernehmen möchte. Und mein alter Lehrer Oberst Langer von Langerode fragte mich als neuer Vorstand der Unterrichtsabteilung des Kriegsministeriums, ob ich nicht als sein Stellvertreter in seine Abteilung kommen möchte. Ich schreibe diese Dinge nicht ohne Herzeleid nieder. Denn ich denke: was wäre geworden, wenn Europa so gescheit gewesen wäre, das habsburgische Nationalitätenreich zu erhalten - statt es zu zertrümmern und damit eine der Vorbedingungen für einen Zweiten Weltkrieg zu schaffen ? Es wären schöne Aufgaben gewesen, die sich einem da eröffnet hätten ! Ich dachte viel über die Möglichkeiten nach, die es etwa noch gab, um das Reich zu retten. Ich sah eine einzige, die natürlich auch problematisch war. Alles war ja schon höchst problematisch. Unter den zwei, das Feld seit langem beherrschenden, schien mir das Tschechische - ich hatte recht damit - seit den Umtrieben Masaryks und Benes' völlig unseren Händen entglitten zu sein. Wenn es für das Nationalitätenproblem im Habsburgerreich überhaupt noch Ankergrund gab, dann war es nur in Südslawien denkbar, wo im Spiel der Weltkräfte und in der Emigration die großserbische und die jugoslawische Lösung einander feindlich gegenüberstanden trotz des Paktes von Korfu, der die Gegnerschaft überbrücken sollte 6 2 0 ). Das Schwergewicht der südslawischen Bestrebungen lag sowohl innerhalb der umkämpften Gebiete wie in der Emigration im habsburgischen Bereich, wobei es allerdings Varianten gab. So dachten die Kroaten, die eine Vereinigung aller Südslawen vor allem auf habsburgischen Boden anstrebten, vor allem an eine „großkroatische Lösung", bei der die Kroaten in dem künftigen dritten Staatswesen der M o n archie, eben dem südslawischen, die Führung übernehmen sollten. In dem so orientierten Fragenkomplex gab es sogar eine subdualistische Lösung, die darin bestanden hätte, daß Kroatien, Dalmatien und Bosnien als Verwaltungseinheit im Verbande der ungarischen Krone verbliebe. Ein ähnlicher Subdualismus schien den Befürwortern dieser Lösung zwischen Österreich und Polen denkbar. Auf der Seite der Kroaten waren Sarkotic und der Jude Frank 6 2 1 ), letzterer als Haupt der Reichspartei oder Starcevicaner, jener seit Weihnachten 1914 Militär- und Zivilchef in Bosnien, die Bannerträger dieses Gedankens. Daneben schwammen die Parteigän5. Abt. KM., 3 . 2 . - 1 1 . 7 . 1 9 1 6 Truppendienstleistung als Glstbschef 42. H I T D . , 1.11.1916 Mjr. i . G . , 5.7.1918 in die Militärkanzlei Seiner Majestät, 1.3.1919 pensioniert. 6 2 0 ) Die „Erklärung von Korfu" wurde am 20. 7.1917 durch Pasic namens der serbischen Regierung und Trumbic namens der jugoslawischen Emigrantenkomitees unterschrieben. Dieses sah einen unabhängigen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen vor, wobei offenblieb, in welchem Ausmaß dieser neue Staat eine föderalistische Verfassung erhalten sollte. 6 2 1 ) Ivo Frank (gest. 1940, Agram), Sohn Josip Franks, tat sich bei Studentenunruhen in Agram (Verbrennung einer ung. Fahne) in den neunziger Jahren hervor, später Vertrauensmann und Begleiter seines Vaters, dann nach dessen Tod einer der führenden Persönlichkeiten in der „Reinen Rechtspartei"; Abgeordneter im Kroatischen Landtag; nach dem Zusammenbruch der Monarchie Führer der Emigration der Frank-Partei.
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ger der Serbokroatischen Koalition und der Fiumer Resolution zwischen einer Lösung unter den Habsburgern und den Karadjordjevic hin und her. Ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl gegenüber denen von „jenseits der Drina", das heißt den Serbianern, hatten aber auch sie, unbekümmert ob sie Kroaten und katholisch oder Serben und pravoslawisch waren. Es war Anfang August 1918, da suchte mich Milan Ulmansky, mein „Burgherr" aus der Neustädter Akademie - nachmals jugoslawischer Landwirtschaftsminister - , in Baden auf. Er war Generalstabschef der kroatischen 42. Division, der Domobranzen, die zur Honvéd gehörten, aber kroatisch als Kommando- und Dienstsprache hatten. Er hatte zahlreiche Beziehungen zu südslawischen Politikern und fragte mich um meine Meinung. Ich führte ihm beiläufig das aus, was ich eben in bezug auf die Möglichkeiten des südslawischen Problems selbst in diesem vorgeschrittenen Kriegsstadium aufgezeichnet habe. Er war vollkommen einverstanden, und wir machten einen gemeinsamen Kriegsplan, zu dem wir auch meinen Jahrgangskameraden Rittm. Grueber, den in der Präsidialabteilung des A O K . eingeteilten Jugendfreund Kaiser Karls, hinzuzogen. Es währte nicht lange, da empfing uns der Bruder des Kaisers, Erzherzog Max. Er hatte bis vor kurzem einen Abschnitt bei Riva kommandiert, ohne sich dort mit Ruhm bedecken zu können. Äußerlich erinnerte er ziemlich an seinen Vater Otto. Wir beredeten mit ihm unsere Sorgen und baten ihn, bei seinem Bruder, dem Kaiser, in unserem Sinne zu wirken. Der Erzherzog kam mir ein wenig langweilig vor, was er beim weiblichen Geschlechte angeblich nicht war. Anfang September standen Milan und ich vor dem Kaiser im Badener Kaiserhaus. Milan hielt den Vortrag, ich unterstützte durch Zwischenbemerkungen. Der Kaiser erwies sich außerordentlich verständnisvoll, stimmte unseren Auffassungen völlig zu, aber meinte immer ängstlich: „Ja, wenn nur diese Ungarn nicht wären! Soll ich den letzten scheinbar festeren Punkt in der Monarchie, eben die in Ungarn noch herrschenden Schichten, auch noch aus den Angeln heben?", klagte der arme Fürst, der ein Erbe auf den Schultern zu tragen hatte, das einem Napoleon viel zu schwer geworden wäre. Als ich meinte, daß es nicht nur eine Existenzfrage des ganzen Reiches sondern auch Ungarns und der ungarischen Nation sei, wenn es uns in zwölfter Stunde doch noch mit Südslawien gelänge, antwortete er hilflos: „Sie haben hundertmal recht, aber erklären Sie das einem Wekerle oder einem Tisza!" Er, der Kaiser, habe übrigens Tisza für die nächste Zeit zu sich gerufen, vielleicht lasse sich mit ihm besser reden als mit dem magyarisierten Schwaben. Nicht ganz ohne Hoffnung gingen wir weg. Tisza kam wirklich und absolvierte daraufhin seine berüchtigte Reise durch Kroatien und Bosnien. Er war noch sturer als Wekerle und sprach zu den Jugoslawenführern, Kroaten und Serben, als sie sich bei ihm in Agram und Sarajewo meldeten, so empörende Worte, daß damit alles verschüttet war. In Sarajewo sagte er: „Wir werden vielleicht unterliegen, aber so stark sind wir noch immer, daß wir vorher euch zermalmen werden 6 2 2 )!" Der Außenminister Burián stellte sich, obgleich das Dach schon brannte, ganz auf den Standpunkt seines Landsmannes Wekerle. Er hoffte, die Südslawen durch ein paar kleine Zugeständnisse befriedigen
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zu können. Die Mission Milan Ulmansky und damit die meinige war trotz nochmaliger Vorsprache beim Erzherzog Max zu Ende. Am 17. August fuhr ich mit Wallenberg zur Ausmusterung nach Neustadt, der letzten kaiserlichen Ausmusterung am Ende eines Zeitraumes von einhundertsechzig Jahren. Es reizte mich, meinen reichsdeutschen Kameraden noch einen Ausschnitt aus dem einen Bilde jener kaiserlichen Armee zu geben, die in diesem Kriege an Schwung und Gefüge schon so arg abgesackt war. Tief bewegt lenkte ich von der Neunkirchner Straße in das enge Burggäßchen ein. Plötzlich stand die ehrwürdige Burg vor uns, die breite massige Fassade, in der Mitte gegliedert durch das Spitzdach der Georgskirche mit dem lustigen Dachreiter, vorgeschoben vor sich das Barockportal mit den Versen des „Barden" Sined, am linken Auslauf der vierschrötige Rákoczy-Turm als letzter Uberlebender von vier Brüdern, die damals alle noch wesentlich spitzere Hüte auf dem Haupte trugen. Im Burghof verließen wir das Auto und begaben uns unter der Gottesleichnams-Kapelle hindurch auf den Theresienplatz. Von gegenüber grüßte uns die große Kaiserin, in Erz gegossen von Fernkorn, in mütterlicher Hoheit nichts ahnend von all dem, was ihrer herrlichen Monarchie drohte. Links neben dem Knoll-Teich hob sich aus tiefem Grün die Büste Vater Kinskys ab, rechts vor der Piaristenremise glänzte das schöne Denkmal Kaiser Franz Josephs, an dessen Enthüllung ich am 4. Oktober 1912 teilgenommen hatte. Der Feldaltar war nach ursprünglicher Sitte wieder vor dem Theresiendenkmal aufgestellt. Das Akademikerbataillon stand aufmarschiert — nicht mehr mit Tschako und im „mohrengrauen Rock", sondern in schlichtem Feldgrau. Auf mancher Brust glänzte eine goldene oder silberene Tapferkeitsmedaille. Viele der Zöglinge waren aus der Front einberufen worden, viele andere hatten noch nicht Pulver gerochen, und man sah ihnen die einzige Furcht aus dem Auge, die sie erfüllte, die Furcht, daß sie zur letzten Schlacht zu spät kommen könnten. Wo in der Welt gab es noch dergleichen - in einer Zeit tiefster Kriegsmüdigkeit. Der Kaiser ließ sich durch seinen Bruder Max vertreten, der in der Paradeuniform eines Ulanenmajors erschien. Ich war enttäuscht, erschüttert. Der Erzherzog, groß, schlank, gut gewachsen, schritt nicht die Front ab, sondern er „kroch" sie ab, und keiner der Ströme von Begeisterung, die ihm unsichtbar, aber umso fühlbarer aus dieser Jugend entgegenwehten, vermochte ihm eine freudige Geste, ein dankbares, befeuerndes Wort abzuzwingen. Es war zum Weinen! Ich meldete es nachher in des Kaisers Umgebung an. In anderer Hinsicht war ich auch mit dem Akademiekommandanten unzufrieden. Dieses Amt lag in den Händen des FML. Novak-Arienti 623 ), dessen feldgraue 6 " ) Vgl. dazu: B. Krizman, Die politische Tournee Stephan Tiszas im Herbst 1918. Nach dem Tagebuch des Generalobersten Sarkotic, in: Der Donauraum, 13. Jg./1968, 2 2 3 - 2 3 4 ; dazu eine Ergänzung B. Menczers, ebdt., 14.Jg./1969, 77f. Glaise-Horstenau kannte diese Episode wohl aus den Schilderungen Sarkotic. Vgl. dessen: Meine Erinnerungen, in: Staatswehr, 7.11.1919, l f . bis Staatswehr, 19.3.1920, l f . ; ders., Aus meinem Kriegstagebuch, Staatswehr, 6.8.1920, l f . u. 2 2 . 1 0 . 1 9 2 0 , 2 . 6 2 3 ) Guido Frh. Novak ν. Arienti (Mailand, 2 1 . 1 . 1 8 5 9 - 1 5 . 8 . 1 9 2 8 , Wien), 1878 aus der IKSch. Karthaus zu IR. 80 als Kadett, 1.11.1901 Mjr. 2. T K J R . , 1.5.1903 Kmdt. F J B . 8, 8.6.1910
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Kappe über und über mit roten Verwundetenstreifen bedeckt war. Er hatte die erste Gebirgsbrigade im serbischen Feldzug 1914 und am Isonzo geführt und war ein berühmt tapferer Soldat. Aus diesem Grunde wohl und wegen seiner Religiosität hatte ihn der Kaiser, obgleich er nicht Neustädter war, zum Kommandanten der berühmtesten Pflanzstätte der Armee ernannt. Novak war aber nicht nur kein fulminanter Redner, sondern er zerfloß überdies in Byzantinismus, der aufreizend wirkte. Trotzdem war die Feier wunderschön, und Wallenberg ging tief beeindruckt von hinnen, nachdem wir noch einen Gang durch den Park gemacht hatten. Wir speisten, wenn ich nicht irre, im Goldenen Hirschen und fuhren dann nach Baden zurück. Hier hatte im Kasino die Mittagstafel der greise Generaloberst Baron Bolfras, letzter Generaladjutant Franz Josephs, präsidiert. Er sprach in seinem Toaste Worte voll Sorge und stellte die Ära Franz Josephs der des jetzigen Kaisers irgendwie zum Vergleich gegenüber, wobei dieser Vergleich für die, die hören konnten, nicht restlos befriedigend ausfiel. In Reichenau fand wieder eine Theresienordensverleihung statt. Vorher tauschten - es war schon etwas unzeitgemäß - der Kaiser und der Erzherzog Friedrich richtiggehende Marschallstäbe nach preußischem Muster. Der bisherige österreichische Marschallstab war lediglich ein schöner ausgestatteter „Korporalstock" unseligen Andenkens. Ein spanisches Rohr in Spazierstocklänge, mit einem Elfenbeinknauf und einem kleinen Goldquästchen nach Art eines Offiziersportepees. Radetzky trug schon nur mehr diesen Marschallstab, Erzherzog Albrecht auch. Er erlebte, soweit es seine Träger taten, den Umsturz. Als im Jahre 1940 der in Troppau lebende Feldmarschall Böhm-Ermolli die Marschallsuniform der deutschen Wehrmacht verliehen erhielt, geschah es mit der ausdrücklichen Bewilligung, daß er den österreichischen Marschallstock weitertragen durfte. Dieser lag auch vor Weihnachten 1941 auf seinem Sarge, als er durch Wien zog 6 2 4 ). Ich nahm von Agram her als Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht teil. Im großen Kriegsgeschehen wollte es allmählich Abend werden. Dem Tag von Villers Coteret war der 8. August gefolgt, der schwarze Tag des deutschen Heeres, wie ihn Ludendorff nannte 625 ). Bald darauf war einmal Wiesner bei mir in Baden zu Besuch. Er meinte gesprächsweise, es sei nun einmal an der Zeit, wieder nach Frieden Ausschau zu halten. Mitte August machten Burián und Arz einen Besuch im großen Hauptquartier 626 ). Ob der Kaiser dabei war, dessen besinne ich mich in Kmdt. l . T K J R . , 18.4.1914 Kmdt. 1. GebBrig., 1 . 8 . 1 9 1 4 G M . , 3 . 1 1 . 1 9 1 5 K m d t . 50. I D . , 1 . 8 . 1 9 1 7 F M L . , 17.8.1917 Ritter des Militär-Maria Theresiens-Ordens für seine Leistungen in den Isonzoschlachten, und K m d t . d. Milak. bis Kriegsende, 1921 Chef der legitimistischen Verbände in Österreich und beteiligt an den Vorbereitungen für die Restaurationsversuche Kaiser-König Karls. 6 2 4 ) Der Leichnam Böhm-Ermollis wurde am 14.12.1941 durch die Straßen Wiens geführt und am Heldenplatz aufgebahrt. D o r t nahm G F M . Keitel die Verabschiedung vor und sodann erfolgte die Uberführung nach T r o p p a u , wo Böhm-Ermolli heute noch begraben liegt. 6 2 5 ) A m 8. August 1918 griffen französische, australische und kanadische Verbände bei H a m , nahe Amiens, mit starker Unterstützung von Tanks an und konnten bis zum 10. August 30.000 Gefangene einbringen. Insbesondere gegenüber den Tankangriffen zeigten sich innerhalb der deutschen Truppe Auflösungserscheinungen.
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den Kerkermauern nicht. Uber den Verlauf orientieren die geschichtlichen Darstellungen. Es ging zwischen den Verbündeten hart auf hart. Burián traf als Vertreter der deutschen Außenpolitik nicht mehr Kühlmann an. Dieser war vor etlichen Wochen gestürzt, weil er sich im Parlament zu dieser Bemerkung hatte hinreißen lassen, daß der Krieg durch militärische Mittel nicht mehr zu gewinnen sei. Ludendorff stellte sich nicht unbedingt gegen diese Auffassung, wohl aber dagegen, daß sie vom Leiter der deutschen Außenpolitik urbi et orbi verkündet wurde. Mitte September startete Burián seinen Friedensantrag, der ergebnislos verlief, aber zu neuen Verstimmungen zwischen den Bundesgenossen führte 6 2 7 ). Ein Besuch Admiral Hintzes 6 2 8 ), des neuen Staatssekretärs für auswärtige Angelegenheiten, sollte in Wien den neuen Riß verkleistern 6 2 9 ). Burián ritt wieder auf seinem Leibpferd, der austropolnischen Lösung, herum. An einem Empfang, der zu Ehren Hintzes auf dem Ballhausplatz stattfand, nahm nun auch ich teil. Zum letzten Mal stülpte ich den Hut mit den grünen Straußenfedern auf, zog ich den dunkelgrünen Waffenrock mit den neuen Stabsoffiziersgoldborten an. Die Brust sah schon recht hübsch geschmückt aus, neben dem E K . 1 und den preußischen und bayrischen Orden, die als Kleinkreuze am schönen Dreiecksband hingen, baumelten aus dem Halse auch ein prachtvoller Türke und ein ähnlich schöner Bulgare. Die Eiserne Krone war, nicht zu meiner Freude, mit der für zweitmalige Verleihung geschaffenen Spange geschmückt oder - besser gesagt - verunziert. (Die Spange war ursprünglich eingeführt für mehrmalige Verleihung von Tapferkeits- und Verdienstmedaillen sowie Verdienstkreuzen, ein Modus, der durch die lange Kriegsdauer und das Ordensbedürfnis durchaus begründet war. Knapp vor dem Rücktritt Marterers wurden „ S p a n g e n " auf den Dreiecksbändern jedoch auch für Ritterorden eingeführt. Dies widersprach natürlich dem Geiste der Einrichtung, denn wer zum Beispiel einmal Ritter eines Ordens war, konnte den Ritterschlag nicht noch ein zweites und drittes Mal empfangen. Ich war nach Brest für den Leopold-Orden eingegeben, der Kaiser strich ihn jedoch und machte ein zweitesmal Eiserne Krone daraus 6 3 0 ). Ich schlug der Ordenskanzlei des Oberst6 2 6 ) Am 14. und 15. August erschien Kaiser Karl mit Burián und Arz zu Besprechungen in Spa, wo sich das Deutsche Große Hauptquartier befand. Es ging vor allem um einen allgemeinen Friedensaufruf und Versuche, den Frieden über Holland anzubahnen. 6 2 7 ) Am H.September 1918 richtete Burián eine Note an alle Kriegführenden mit einem Friedensapell. Vgl. Lorenz, Kaiser Karl, 489 ff. « » ) Paul v. Hintze (Schwedt/Oder, 1 3 . 2 . 1 8 6 4 - 1 9 . 8 . 1 9 4 1 , Meran), Marineoffizier, seit 1903 meist in militärdiplomatischer Verwendung, vor allem als Marineattaché in St. Petersburg, 1911 Kontreadmiral, 1911-1914 dt. Gesandter in Mexiko, 1914-1917 dt. Gesandter in China, 1917-1918 in Norwegen, 16.6.1918 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, beeinflußte Wilhelm II. im Sinne parlamentarischer Regierungsform, 3.10.1918 - Kriegsende Vertreter des Auswärtigen Amtes im Großen Hauptquartier. 6 2 9 ) Diese Verhandlungen fanden bereits am 5. September 1918 statt. Sie betrafen vor allem die polnische Frage. Vgl. dazu: G . Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk, IV. Bd., München 1968, 296ff. 6 3 0 ) Die von F M L . Csicserics beantragte Ordensverleihung - ohne besondere Begründung - , erfolgte mit Personalverordnungsblatt N r . 49 vom 18.3.1918, 2160: Orden der Eisernen Krone 3. Kl. mit Kriegsdekoration. G M . Waldstätten beantragte sodann am 6.11.1918 für Glaise-Horstenau noch das Offizierskreuz des Franz-Josefs-Ordens mit der Kriegsdekoration ( K A . , Offiziersbelohnungsantrag, Heller-Kommission XCIX/5955/280906). Im Sinne des Erlasses des Staatsamtes f. H W . , Abt. 1,
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hofmeister-Amtes die Schaffung von Offizierskreuzen und von Sternen zu den Kommandeurkreuzen statt der Spangen vor. Die Anregung fiel auf fruchtbaren Boden, wurde aber durch den Umsturz überholt.) Bei dem Empfang wurden natürlich schöne Reden gewechselt - ich besinne mich ihres Inhaltes nicht mehr. In denselben Tagen fand ein reichsdeutscher Presse-Ausflug nach Heiligenkreuz und Mayerling statt. Ich saß mit Dr. Funder 6 3 1 ), dem Chefredakteur der Reichspost, zusammen, den ich bei einem Presse-Essen im Stadtpark kennengelernt hatte. Er hatte als Kriegsberichterstatter mit Recht die Kleine Silberne Tapferkeitsmedaille erhalten. Funder wunderte sich, im Kleide eines Generalstabsmajors einem kirchlich so interessierten und auch für einen Laien nicht ganz unbewanderten Menschen zu begegnen. Wir schlössen Freundschaft, die uns später immer wieder, auch wenn wir politisch nicht immer der gleichen Meinung waren, zusammenführte. Nur nebenbei angemerkt: das war überhaupt das Schöne jener Zeiten, daß politische Meinungsverschiedenheiten damals noch keineswegs auf die persönlichen Beziehungen abfärben mußten. Ich fand daher auch nie etwas daran, daß sich unter den Parlamentariern politische Gegner auf der Tribüne heftigst bekämpften, dann aber im Foyer die Hand schüttelten wie alte Freunde. Ich sah darin weit mehr ein Zeichen von Kultur ! Und persönlich hielt ich es so, daß Menschen, von denen ich mich „weltanschaulich" getrennt weiß, für mich sehr oft im Verkehr ungleich interessanter waren als solche, die meine Meinungen teilten. Erst seit 1933 ist in dieser Hinsicht die Menschheit verdorben worden. Die Nazis haben in das politische Leben eine Unduldsamkeit gebracht, die ich nur mit Trotzkijs Splendid isolation in Brest vergleichen konnte. Es war ein absoluter Rückfall in den menschlichen Beziehungen. 8. D I E K A T A S T R O P H E Den Zusammenbruch, dem sich diese Aufzeichnungen nun mit Riesenschritten nähern, habe ich - eigentlich als erster Österreicher - mehrfach eingehend geschildert. Ich schrieb ihn vor allem für das Buch Cramons, der nur einige, nicht gerade wunderbar passende „Ausfeilungen" vornahm. Auch der, wie ich glaube, wirklich geglückte Schlußabsatz mit der Heimreise durch die Wachau stammt wortwörtlich ZI. 20616 v. 31.5.1919 wurde Glaise-Horstenau der Anspruch auf diese Dekoration am 17.11.1920 bestätigt. " ' ) Friedrich Funder (Graz, 1 . 1 1 . 1 8 7 2 - 1 9 . 5 . 1 9 5 9 , Wien), 1898 Dr. iur., christlichsozialer Politiker und Journalist, seit 1903 Chefredakteur der „Reichspost", 1934-1938 Mitglied des Staatsrates, 1938-1939 im KZ. Flossenbürg, 1945-1959 Herausgeber der „Furche". Memoirenwerke: Vom Gestern ins Heute, 1. Aufl. Wien 1952, 3. Aufl. Wien 1971; Als Österreich den Sturm bestand, Wien 1957; Vgl. L. Reis, Dr. Friedrich Funders Persönlichkeit und sein Wirken bis zum Ende der Monarchie, Wr. Diss. 1958, H. Pfarrhofer, Friedrich Funder und der Belvedere-Kreis, in: Zeitgeschichte, Jg.4/1976, H. 1 (Okt. 1976), 3 - 1 3 ; dies., Friedrich Funder, Ein Mann zwischen Gestern und Morgen, Graz-Wien-Köln 1978. Funder, Vom Gestern ins Heute, Wien 1973, 411, beschreibt allerdings ein erstes Zusammentreffen mit Glaise-Horstenau im Sommer 1915 bei einer Frontfahrt im Bereich der k.u. k. 2. Armee. Er charakterisiert Glaise-Horstenau als einen Mann „mit vielen bedeutenden Eigenschaften und ritterlichem Charakter, obwohl ein Anhänger des Anschlusses an Deutschland von unausrottbar österreichischem Wesen . . . "
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von mir. N u r den allerletzten Satz scheint Paul Fleck dazugedichtet zu haben 6 3 2 ). Er wirkt natürlich wie ein Prager Fenstersturz oder noch besser - wie wenn man aus einem schönen Traum plötzlich mit preußischer Härte aufgerüttelt wurde in eine traurige Gegenwart. In Wien führte ich mich 1919 durch einen Vortrag ein, den ich in Gegenwart von Mensdorff, Seidler, Hussarek 6 3 3 ) und anderen im wissenschaftlichen Klub - über dem Kaffee Payer - über den Zusammenbruch hielt. Nachher schrieb ich ihn für Schwarte, Band V, und so ging es fort. Man erwarte daher in diesen Zeilen nicht eine neuerliche Darstellung dieser tragischen Geschehnisse, sondern nur einige Arabesken zu einem schon längst bestehenden Bilde. Am 28. September in der zehnten Abendstunde trat ich im Gebäude des A O K . zu ebener Erde aus den Büros Cramons heraus. Mein Freund Lauer, der gleichfalls zufällig vorüberkam, schloß sich mir an. Wir beiden „Mansardeure" wohnten ja gegenüber und hatten denselben Weg. Ein wundervoller Herbstabend, wie ihn nur der Wienerwald zu schenken vermag, hüllte uns in seine wunderbare milde Wärme, als wir aus dem poesielosen Gebäude heraustraten. Das volle Mondlicht lag wie frischer Schnee auf dem Maßwerk und den Wimpergen des Kirchtores. So schritten wir in die Nacht hinaus. Ich sagte zu Lauer: „Lieber Freund, alles ist a u s ! " Cramon hatte mir eben erzählt, daß Ludendorff von der Reichsregierung den ungesäumten Abschluß eines Waffenstillstandes gefordert habe 6 3 4 ). Ich dachte an die hemmungslosen Wünsche, die derselbe Mann noch Mitte August im Hauptquartier unseren Staatsmännern gegenüber vertreten hatte, an den Groll, den Buriáns Schlappheit bei dessen Friedensschritt vom 14. September allenthalben bei der D O H L . hervorrief. U n d jetzt plötzlich dieser Umschwung ! So sehr es Ludendorff nachher bestritt und auch schon achtundvierzig Stunden später den Versuch machte, den ungünstigen Eindruck etwas zu verwischen - man hatte allgemein das Gefühl, daß ihn hier die Nerven verlassen hatten. Grundsätzlich waren natürlich der Kaiser und Burián nicht böse, daß nun auch dieser wilde Mann friedensgeneigt geworden war. Am 2. Oktober war ein Kronrat unter Vorsitz des Kaisers. Arz war anwesend und erzählte mir nachher, daß Wekerle und Burián in der südslawischen Frage wieder unverbesserlich waren. Im ) Vgl. Anmerkung 161. " ) Max Frh. Hussarek v. Henlein (Preßburg, 3 . 5 . 1 8 6 5 - 6 . 3 . 1 9 3 5 , Wien), Sohn des F M L . Hussarek v. Henlein, 1888 D r . iur., seit 1892 im Ministerium f. Kultus u. Unterricht, 1900 auch Tit. ao. Univ.-Prof., 1911-1917 Minister für Kultus und Unterricht in den Kabinetten Stürgkh, Koerber und Clam-Martinic, 1918 o. Prof. f. Kirchenrecht an der Univ. Wien, 25. 7 . 1 9 1 8 - 2 7 . 1 0 . 1 9 1 8 ö. Ministerpräsident, nahm 1921 wieder seine Vorlesungen auf. Zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, die Erinnerungscharakter tragen, veröffentlichte Hussarek in „ R e i c h s p o s t " , „ N e u e s R e i c h " , „Schönere Z u k u n f t " und „ K a i s e r Karl-Gedächtnisjahrbuch". Vgl. H . Rumpier, Max Hussarek. Nationalitäten und Nationalitätenpolitik in Österreich im Sommer des Jahres 1918 (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie, Bd. 4), G r a z 1965. 6 3 4 ) Ludendorff besprach am 28. September sechs Uhr abends seinen Wunsch nach der Forderung eines sofortigen Friedens- und Waffenstillstandsangebotes. A m nächsten T a g stellten die beiden Generäle gemeinsam diese Forderung auf. Vgl.: E. Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen 1914-1918, Berlin 1919, 582 f. 632 6
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Reich war inzwischen der greise Hertling zurückgetreten und der , , B a d e - M a x " 6 3 5 ) kam an seine Stelle. Am 5. Oktober ging das Waffenstillstandsangebot an Wilson hinaus. Zwei Tage später war ich bei Max Vladimir Beck in den trauten Räumen des Obersten Rechnungshofes in der Annagasse. Er war eigentlich gut aufgelegt. Ich sprach von unserem Schritt bei Wilson und meinte: „Österreich ist nur noch durch ein Wunder zu retten, ich fürchte jedoch, daß dieses Wunder nicht kommen w i r d ! " Max Vladimir war zuversichtlicher: „Wissen Sie, ich rechne doch mit Wilson; wir werden vielleicht Trient und Triest verlieren, sonst aber hoffentlich doch mit einem blauen Auge herauskommen." Am Tage der ersten Antwort Wilsons an Deutschland 6 3 6 ) bat mich Cramon zu sich: „Seiner Majestät dem deutschen Kaiser bleibt nach der Andeutung, die drinnen ist, nichts übrig, als an der Spitze des ersten Garderegiments zu Fuß den Heldentod zu suchen. Vielleicht rettet er dadurch die Dynastie." Beinahe hätte ich vergessen, daß damals bereits der erste Bundesgenosse, Bulgarien, ausgefallen war. Mein Kriegsschulkamerad Kuenzl-Jizersky war Militärbevollmächtigter im bulgarischen Hauptquartier. Der schlaue Tscheche trug schon auf beiden Schultern und hatte eine Ordonnanz in seinem Laden, die jede Nacht mit Hilfe des vom Chef gelieferten Schlüssels des Photographierens werte Akten herausnahm und nach vollbrachter Tat wieder zurückgab. D e r gute Kuenzl hat das später selbst in einer tschechischen Zeitschrift beschrieben 6 3 7 ). Gleichzeitig lieferte er aber an uns ausgezeichnete Nachrichten, in denen es auch an Warnungen vor den bösen tschechischen Emigranten nicht fehlte. Es wäre ihm auf keinen Fall etwas geschehen, wie immer der Krieg geendet hätte! Kaiser Karl, König Ludwig III. und Zar Ferdinand hatten bereits im September stark die Köpfe zusammengesteckt. Der Bayer teilte völlig die Auffassungen seines österreichischen Neffen. Zar Ferdinand machte in den gleichen Wochen in Wien seinen Frieden mit der Kirche, die seit der Taufe des Kronprinzen Boris gestört war 6 3 8 ). Dieser wurde am 4. Oktober König, wodurch die Dynastie Coburg für weitere sechsundzwanzig Jahre in Sofia am Ruder blieb. Der Zar wäre gern auf sein Gut Ebenthal nördlich von Wien gefahren. Aber der Oberstkämmerer Graf Berchtold - der seinerzeitige Außenminister - fing ihn auf dem Ostbahnhof ab, um ihm im Namen Seiner Majestät des Kaisers mitzuteilen, daß seine Anwesenheit in Österreich nicht erwünscht sei 6 3 9 ). Der arme Kerl hatte vor Ludendorff Angst. 6 3 5 ) Max Prinz v. Baden (Baden-Baden, 1 0 . 7 . 1 8 6 7 - 6 . 1 1 . 1 9 2 9 , Konstanz), 3 . 1 0 . 1 9 1 8 Reichskanzler, verkündete am 9 . 1 1 . 1 9 1 8 vorzeitig die Abdankung Wilhelms II. und überließ Friedrich Ebert das Amt. Vgl.: Erinnerungen und Dokumente, neu hg. v. G . Mann u. A . Burckhardt, Stuttgart 1968. 6 3 6 ) Die Antwort auf die deutsche Friedensnote, die in der Nacht vom 3. auf den 4. O k t o b e r nach Bern abging, erfolgte von Seiten Wilsons am 8. Oktober. 6 3 7 ) Auch durch eine Anfrage beim Prager Militärhistorischen Archiv nicht feststellbar. 6 3 8 ) Nachdem der am 18. Jänner 1894 geborene Kronprinz Boris zunächst nach römisch-katholischem Ritus getauft worden war, ließ ihn sein Vater unter dem Druck seiner Regierung und aus Gründen der Staatsräson am 15. Februar 1896 nach griechisch-orthodoxem Ritus firmen und auf diese Weise konvertieren. Zar Nikolaus II. übernahm bei dieser Feier die Patenschaft. Papst Leo X I I I . exkommunizierte daraufhin Zar Ferdinand. Die Exkommunikation wurde erst durch Papst Benedikt X V . aufgehoben.
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Als mich damals um den 10. Oktober Cramon zu sich rief, sagte er im Verlaufe des Gespräches: „ H e r r v. Glaise, Ludendorff läßt Sie bitten, mitzuteilen, was Sie von der Lage hielten ? " Ich antwortete zunächst kurz und bündig, die Frage hatte sich auf Österreich bezogen: „Aus ist e s ! " Und fügte dann erläuternd bei, daß Deutschland nur mehr mit den Deutschösterreichern und auch diesen nur bedingt rechnen könne - es ginge eben über die Kräfte aller. Cramon meinte ganz entsetzt: „ N a , erlauben Sie - und die U n g a r n ? " Ich sagte: „ D i e werden die ersten sein, die abspringen werden." Cramon war sichtlich enttäuscht und gab zu verstehen, daß ihm Ludendorff doch die Absicht zu haben scheine, mit den Ungarn in direkte Verbindung zu treten. Ich warnte vor dergleichen Experimenten und faßte meine Meinung darin zusammen: Ludendorff möge sich nicht täuschen, der verläßlichste Faktor sei jetzt doch nur mehr in Wien zu finden, er möge sich wohl davor hüten, über die Köpfe Wiens hinweg Verbindungen mit der nationalen Revolution zu suchen. Dieses letztere geschah dennoch. In Budapest erwies sich der deutsche Generalkonsul außerordentlich rege 6 4 0 ). Selbst in Prag hat allem Anschein nach der K o n sul Freiherr v. Gebsattel 6 4 1 ) den Versuch gemacht, mit den Kreisen um Kramar und Rasin 6 4 2 ) anzubinden. Er war denn auch am 30. Oktober der erste, der die Tschechen zur Erlangung ihrer Freiheit angratulierte! Es war in solchen Wochen nicht ganz leicht, Bundesgenosse zu sein. Gleichfalls um den 10. O k t o b e r trafen sich im Büro Waldstättens zu Baden die Generalstabschefs der Heeresgruppen und Armeen 6 4 3 ). Ich wurde der Beratung zugezogen. Ich begrüßte alte Freunde ein letztesmal in Amt und Würden: den dicken „ D o m " , der ein sehr verzweifeltes Gesicht machte, meinen alten Lehrer Sündermann, der sehr ernst dreinsah: Körner, wie immer mit Kritik vollgepfropft, der Ungar L o r x 6 4 4 ) , der mir von Schönburg viele Grüße brachte, der polternde Toni 6 3 9 ) In der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober verlangte Berchtold im Hofzug nahe dem Bahnhof Marchegg, daß sich der abgedankte Zar Ferdinand nicht auf seinem Besitz Schloß Ebenthal niederlasse. Am 6. Oktober, nach kurzem Aufenthalt in Niederösterreich, mußte Ferdinand v. Bulgarien nach Coburg Weiterreisen. Vgl. K. Düregger, Die Verbannung Ferdinands von Bulgarien aus Österreich, in: N W J . , 20.12.1925, 10; F. Wiesner, Wie Kaiser Karl dem Zaren Ferdinand das Asyl verweigern mußte, in: N W J . , 3.4.1929, 2f. M 0 ) Egon Franz Grf. Fürstenberg-Stammheim (Herdringen, Westfalen, 2 4 . 1 1 . 1 8 6 9 - 2 5 . 5 . 1 9 2 5 , Paulinenhof, N ö . ) , Juni 1912-1920 dt. Generalkonsul in Budapest, sodann Gesandter des Deutschen Reiches bis 1922. Vgl.: W. D. Schmidt-Wulffen, Deutschland-Ungarn 1918-1933, Wr. phil. Diss. 1969. M 1 ) Fritz Frh. v. Gebsattel (Bamberg, 1 . 1 . 1 8 6 8 - 3 1 . 1 . 1 9 3 9 , Friedrichshafen/Bodensee), 1893 Eintritt ins Auswärtige Amt, 1903 Konsul in Nanking, 1908 in Fiume, 1909 in Prag, 1915 Generalkonsul, 1919 aus Prag ausgewiesen, 1920 mit der Leitung der Paßstelle in Bregenz beauftragt als Konsul z. D . , März - Nov. 1921 mit der einstweiligen Leitung des Konsulats in Innsbruck beauftragt, dann im Auswärtigen Amt, 1930 pensioniert. M 2 ) Alois Rasin (Nechanitz, 1 8 . 1 0 . 1 8 6 7 - 1 8 . 2 . 1 9 2 3 , ermordet in Prag), Rechtsanwalt, 1911-1918 Abgeordneter zum Reichsrat (Jungtscheche), 1 4 . 1 1 . 1 9 1 8 - 1 0 . 7 . 1 9 1 9 u. 7 . 1 0 . 1 9 2 2 - 1 8 . 2 . 1 9 2 3 tschechoslowakischer Finanzminister. 6 4 3 ) Uber den Verlauf dieser Besprechung, die am 14.10.1918 stattfand, vgl. die Tagebuchaufzeichnung Pitreichs, KA., sign. B/54, nr.2, Mappe2, 14.10.1918. M 4 ) Viktor Lorx v. Ruszkin (Iglò, 1 8 7 3 - 2 9 . 7 . 1 9 2 2 , Várpalota), 1895 aus der Techn. Milak. zu Pionierbatl. 14 als Lt., Glstbslaufbahn, 1.5.1911 Mjr. i . G . , 1.11.1911 in die l . A b t . des k. u. Landesvertei-
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Pitreich, der von Boroevic kam. Die Heeresleitung rechnete damit, daß die erste Antwort Wilsons, der sich gegenüber Österreich vorderhand schweigsam verhalten hatte, die Räumung Oberitaliens fordern werde. Der Modus war zu besprechen. Alle Generalstabschefs sahen dem Experiment mit größter Skepsis entgegen. Es sei kaum denkbar, die Truppen, wie man es plane, an der Grenze zum Stehen und zum Ausharren zu bewegen! Wenn die Armee einmal ins Rollen komme, dann werde sie weiterrollen, über die Ebenen und die Berge, werde auseinanderrieseln wie ein Gebirgsbach, und jeder werde der Heimat zueilen. Das waren keine schönen Aussichten. Man ging schließlich unbefriedigt auseinander - hoffend, daß es doch durch ein Wunder nicht dazu kommen werde. An einem der nächsten Tage - es war der 12. - ging ich über den Hauptplatz am Kaiserhaus vorüber. Eine riesige Auffahrt fand statt, daß die Autos kaum weiterkamen. Was war geschehen? Seidler, nach dem Interregnum, das Polzers Sturz folgte, Chef der Kabinettskanzlei geworden, hatte zusammen mit seinem Kleeblatt Teufel-Hummer-Pantz einen Politikerempfang arrangiert. Jede der politischen Parteien des österreichischen Abgeordnetenhauses sandte ihre Vertreter. Das Ganze war ein gewaltiger Schlag ins Wasser. Der Kaiser stieß nur bei den deutschen Mannen nicht auf Ablehnung - sonst zeigte man dem Armen überall die kalte Schulter. Doch auch dieser Mißerfolg half über das berühmte österreichische Wort nicht hinweg: „Es muaß was gschehn." Seidlers Nachfolger als Ministerpräsident war der klerikale Professor der Kirchengeschichte, Dr. Freiherr von Hussarek, ein ziemlich schwungloser, aber kluger Mann, der seine Ministerpräsidentschaft mit der Verkündung der Einführung der Kreiseinteilung in Böhmen einleitete. In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hätte diese Erklärung den Tschechen eine Freude gemacht, jetzt waren die Deutschen befriedigt. Dagegen lehnten diese eine ähnliche Lösung für die slowenischen Gebiete entschieden ab. Jeder war für die Lösung, die ihm mehr Vorteile verhieß. Nunmehr wurde in zwölfter Stunde an eine weitergreifende Lösung geschritten. Es mochte am 14. oder 15. Oktober gewesen sein, da rief mich Arz zu sich und drückte mir ein Fernschreiben in die Hand: „Bringe mir in einer Stunde eine Stellungnahme!" Ich eilte in mein Büro und las schon auf der Treppe bergauf, Seine Majestät hätten die Absicht, in einem Manifest einen zeitgemäßen Umbau der Monarchie vorzunehmen. Ich habe den Text des Kaisermanifestes nicht mehr vor mir, so daß ich auf die Einzelheiten meiner sofort in die Schreibmaschine geschriebenen Stellungnahme nicht mehr eingehen kann 6 4 5 ). Als den entscheidenden Mangel empfand ich jedenfalls, daß sich das digungsministerium, 1 . 5 . 1 9 1 4 Obstlt. i . G . , ab Kriegsbeginn Flügeladjutant Erzh. Friedrichs, 1.5.1916 Obst. i . G . , 3 1 . 3 . 1 9 1 7 Abschnittskmdt. Adamello, 18.8.1917 Glstbschef X X . Korps, 3 1 . 7 . 1 9 1 8 Glstbschef 6. Armee, bei Kriegsende Übernahme in die Honvéd, 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert, 5. 8.1919 eingeteilt im Honvéd-Ministerium, 1.5.1921 G M . , 3 . 1 1 . 1 9 2 1 Stellvertreter des Chefs des (getarnten) Honvéd-Glstbs., 4 . 1 . 1 9 2 2 Chef des (getarnten) Honvéd-Glstbs. M 5 ) Diese Stellungnahme ist in den Akten der militärischen Zentralstellen nicht mehr nachweisbar. Vgl. ansonsten: H . Rumpier, Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918. Letzter Versuch zur Rettung des Habsburgerreiches, Wien 1966. 6 4 6 " 6 4 8 ) fällt aus.
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Manifest nur auf die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder, also auf die österreichische Reichshälfte, bezog, womit natürlich jede irgendwie diskutierbare Lösung unmöglich war. Für die Südslawen zum Beispiel bedeutete das Kaisermanifest geradezu eine Herausforderung, denn die Südslawenfrage ohne Kroatien und Bosnien lösen hieß soviel wie sie überhaupt nicht lösen. Aber die Ungarn hatten die bloße Absicht, das Reich föderalistisch umzubauen, mit der Erklärung beantwortet, sich auf die reine Personalunion zurückziehen zu wollen. In dem ersten Entwurf des Kaisermanifestes waren noch die Staaten, in die Österreich (diesseits der Leitha) zerlegt werden sollte, aufgezählt: Deutsch-Österreich, Tschechien, Slowenien, Triest, Westgalizien, Ostgalizien (das heißt der ukrainische Teil von Galizien mit dem leider ganz polnischen Lemberg). Die Rücksicht auf Polen ließ in einem zweiten Entwurf eine Aufzählung der einzelnen Nationalstaaten, in die sich Österreich zergliedern sollte, verzichten. Komischerweise wäre nur Triest als selbständiger Stadtstaat übriggeblieben. Schließlich kam man zu der allgemeinen, nicht einmal das Grundsätzliche klarstellenden Abfassung, die leider unter dem Hohne der Völker - das Licht der Welt erblickte. Die Stellungnahme des Chefs des Generalstabes konnte natürlich daran nichts mehr ändern. Inzwischen bereitete uns Ungarn von Stunde zu Stunde größere Sorge. Die Propaganda Károlyis 649 ) und der Leute vom Galileiklub 650 ) drang ganz offenkundig an die Front vor. Am 17. geschah das Furchtbare, daß Tisza, der stärkste Mann der magyarischen Rasse, im Parlament kühl und nüchtern erklärte: „Wir haben den Krieg verloren . . . " Dieses Eingeständnis überraschte nach seinem sachlichen Inhalt niemand mehr, daß es aber aus diesem Munde kam, verfehlte nicht seine Wirkung im ganzen Reich. Ich muß hier etwas nachtragen. Im Sommer 1918 hatte sich mein Ressort wieder erheblich vergrößert. Ähnlich wie in Deutschland der „Vaterländische Unterricht" wurde in unserem Heer eine „Feindes-Propaganda-Abwehr" arrangiert, die mit der späteren „ A b w e h r " im Heere Hitlers nichts als den Namen gemein hatte 651 ). Sie M ») Mihály Graf Károlyi ν. Nagykároly (Budapest, 4.3.1875-19.3.1955, Vence bei Nizza), Großgrundbesitzer und Politiker, seit 1905 Politiker der Unabhängigkeitspartei, 1913 deren Vorsitzender, seit 1910 Mitglied des ung. Abgeordnetenhauses, 17.7.1916 Abspaltung von der Unabhängigkeitspartei und Gründung der „Unabhängigkeits- und 48er-Partei", 30.10.1918-21.1.1919 ung. Ministerpräsident, 11.1.1919 Wahl zum Präsidenten der Republik, Juli 1919 Emigration, 1946 Rückkehr nach Ungarn, 1947-1949 Gesandter in Paris. Seine Erinnerungswerke: Gegen eine ganze Welt. Mein Kampf um den Frieden, München 1924; Faith without Illusion, London 1956. Vgl. E. Koczó, Graf Mihály Károlyi. Der nationalliberale Oppositionspolitiker, Wr. Diss. 1975. 65 °) Der Galilei-Klub bildete sich aus jüngeren Mitgliedern der Soziologischen Gesellschaft. Deren Haupt, Oskar Jászi, gehörte den freien Sozialisten an und redigierte die Zeitschrift „Huszadik Század". Die Mitglieder des Galilei-Klubs vertraten dann in aktiver Weise während des Krieges antimilitaristische und pazifistische Ideen. Nach einer Flugblattaktion in Budapester Kasernen wurde die Vereinigung anfangs 1918 verboten. Vgl. P. Urbach, Der Umsturz in Budapest unter besonderer Berücksichtigung der militärischen Ereignisse, Wr. Diss. 1968: 9f.; O . Jászi, Magyariens Schuld, Ungarns Sühne, München 1923, 27. 651 ) Die Zentrale der Feindespropaganda-Abwehrstelle wurde am 9. Mai 1918 gegründet. Ihr Vorläufer war die Frontpropagandagruppe. Sie war in der Stiftskaserne untergebracht und ihr Kommandant, Egon Frh. v. Waldstätten, unterstand unmittelbar dem Chef des Generalstabes. Am 18.5.1918 begann
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war eben auch ein vaterländischer Unterricht. Die Zentrale wurde ins Kriegsarchivgebäude verlegt, die Leitung durch den Kaiser persönlich dem Kriegsinvaliden Obersten Baron Egon Waldstätten übertragen. Unter den Lehrern sind mir besonders in Erinnerung der Professor Keil 6 5 2 ) und der Staatsarchivar Dr. G o o ß 6 5 3 ) , beides Hauptleute der Reserve. Keil wurde nach dem Krieg großdeutscher Vertreter beim Zivilkommissariat des Heeresministeriums und spielte auch sonst eine ziemliche Rolle in der nationalen Bewegung, verschwand aber nach dem Anschluß in der Versenkung, weil er eine Jüdin zur Frau hatte. Gooß begegnete mir nicht oft. E r lenkte nach dem Umsturz als Archivar das Haus-, Hof- und Staatsarchiv dadurch, daß er in Denkschriften über die Kriegsschuld diese fast ausschließlich dem Wiener Kabinett auflastete 654 ), die Aufmerksamkeit des Grafen Brockdorf-Rantzau 6 5 5 ) so sehr auf sich, daß ihn dieser ins Auswärtige Amt nach Berlin nahm. Dort brachte er es bis zum vortragenden Legationsrat, wurde dabei aber der Belgrader Regierung so unangenehm, daß sie ihn nach der Machtergreifung mit Hilfe von Göring stürzte. In Agram kam ich dann noch einmal mit Gooß zusammen. Er erschien dort plötzlich als Beamter der Gesandtschaft mit einem Sonderauftrag, den man nicht recht erfuhr. In Österreich hatte er inzwischen vorübergehend die Wandlung zum schwarz-gelben Legitimisten vorgenommen. der erste Aufklärungs-Kurs. Glaise-Horstenau sprach dabei über den Staatsgedanken. Vgl. Plaschka-Haselsteiner-Suppan, Bd. 1,23f., 242; Schmölzer, Kriegspressequartier, 123ff.; K. Werkmann, Der Todeskampf des alten Österreich. Feindespropagandaabwehr, in: N W J . , 2 6 . 6 . 1 9 2 8 , 2 . 6 5 2 ) Ernst Keil (Sternberg, Mähren, 3 . 1 2 . 1 8 8 1 - 7 . 1 2 . 1 9 4 3 , Wien), 1901 aus der AKSch. als Kadett-Offiziersstellvertreter zu Festungs AR. 1, 1.11.1902 Lt., später in die Reserve, ab Kriegsbeginn Bataillonsadjutant u. Artilleriegruppenkmdt. im Kriegshafen Cattaro, 1.11.1914 Hptm. i.d. Res., 28.3.1918 Referent der Feindespropaganda-Abwehrstelle des A O K . , 2 . 1 2 . 1 9 1 8 - 1 9 2 1 Zivilkommissär der deutschnationalen Partei im Staatsamt f. Heerwesen; laut eigenen Angaben (Gesuchsabschrift an Glaise-Horstenau zwecks Aufnahme in den Reichsluftschutzbund v. 26.8.1938, Büro Glaise-Horstenau, ZI. 4481/38): ab 1903 Mitarbeit an deutsch-völkischen Zeitschriften und ab 1905 als Mitbegründer an der „Muskete", ab 1909 Mittelschulprofessor in Brünn, ab 1911 desgleichen in Wien, seit 1911 auch politisch im Rahmen der deutsch-radikalen Partei u. des Deutschen Schulvereins politisch tätig, seit 1912 im Deutschen Klub, nach dem Zusammenbruch weiterhin publizistisch u. politisch tätig, 1929 Organisation der „völkischen" Mittelschullehrer in der steirischen Heimwehr, Tätigkeit im „Verein für das Deutschtum im Ausland", 31.7.1930 als Professor u. Studienrat pensioniert. 6 5 3 ) Roderich Gooß (Zeiden, Siebenbürgen, 6 . 5 . 1 8 7 9 - 1 9 . 4 . 1 9 5 1 , Wien), 1901-1903 ao. Mitglied IföG., 1903 Dr. phil., ab 2.11.1904 im HHStA., 12.6.1912 Haus-, Hof- u. Staatsarchivar, 1.1.1905 Lt. i.d. Res. F A R . 2 , ab Kriegsbeginn Kriegsdienst, 21.11.1917 Hptm. mit Titel u. Charakter, 28.3.1918 Referent der Feindespropaganda-Abwehrstelle; verfaßte in dieser Funktion die Broschüre: Der Anteil der Dynastie an der Entwicklung österreichs(!)-Ungarns, Wien 1918 (Vaterländische Bildungsarbeit, Heft5). 1.10.1918 enthoben u. zugeteilt dem politischen Archiv des Ministeriums des Äußeren, 31.10.1919 Eintritt ins deutsche Auswärtige Amt, später Legationsrat, 1926-1929 an der Wiener dt. Gesandtschaft, ansonsten insbesondere als Experte für die Vorkriegspolitik Österreich-Ungarns am Balkan historisch-politisch tätig. Vgl. Nachruf v. J . K. Mayr, in: M I Ö G . , 60.Bd./1952, 501 f. 6 5 4 ) R. Goos (sie), Das Wiener Kabinett und die Entstehung des Weltkrieges. Mit Ermächtigung des Leiters des deutschösterreichischen Staatsamtes für Äußeres auf Grund aktenmäßiger Forschung dargestellt, Wien 1919. 6 5 5 ) Ulrich Karl Christian Grf. Brockdorff-Rantzau (Schleswig, 2 9 . 5 . 1 8 6 9 - 8 . 9 . 1 9 2 8 , Berlin), Offizier, Diplomat, 2 0 . 1 2 . 1 9 1 8 - 2 0 . 6 . 1 9 1 9 Staatssekretär bzw. Minister des Auswärtigen, 1922-1928 dt. Botschafter in Moskau.
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Die „Feindes-Propaganda-Abwehr" war direkt dem A O K . unterstellt und wurde hier von mir bearbeitet. Es war an sich kein schlechter Gedanke, aber er kam reichlich spät. Auch ich hielt Vorträge nationalpolitischen Charakters und kam dabei wieder darauf, wie schwer es in Österreich-Ungarn war, solche Themen offiziell zu behandeln. Nach der ganzen Sachlage war es nicht mehr möglich, den ganzen staatsrechtlichen magyarischen Plunder mitzumachen. Ich mußte mich in den Vorträgen, die vor den Abwehroffizieren der Armeen, Korps- und Divisionen gehalten wurden, direkt an die einzelnen Nationen als gleichberechtigte Glieder einer großen Völkerfamilie wenden und wundere mich noch heute, daß dagegen nicht die Ungarn aufgemuckt haben. Seltsamerweise kam in der Zeit vor dem Kaisermanifest ein solches Aufmucken von einer anderen Seite, von der ich es nicht erwartet hätte. Ich dichtete einen, die neuen Verhältnisse vorsichtig beleuchtenden und erläuternden Befehl an die beiden Heeresgruppen, der mir wirklich gut gelungen zu sein schien. Als er aber zu Boroevic kam, protestierte dieser aufs schärfste gegen meine Ausführungen, was keine Kritik an diesen, wohl aber an den in der Monarchie entstandenen Verhältnissen bedeutete. Selbst dieser wahrlich nicht unpolitische Kopf hatte den bitteren Ernst der Stunde noch keineswegs voll erkannt. Einmal meldete sich im Rahmen der Abwehrarbeit im direkten Auftrage des Kaisers bei mir ein Geistlicher. Es war der später berühmt gewordene Professor Wilhelm Schmidt 656 ) von den Missionaren bei St. Gabriel. Er wollte Geistliche in die Schützengräben senden, um orthodoxe Soldaten für die römische Kirche zu gewinnen. Ich weigerte mich, dem zuzustimmen, und ließ dies durch Brougier auch dem Kaiser melden, der mir recht gab. Wir konnten uns den Luxus nicht leisten, den vielen nationalen Kampfelementen noch ein religiöses hinzuzufügen. Pater Schmidt hatte zuerst des jungen Kaisers Aufmerksamkeit durch ein Buch „Die Wiederverjüngung Österreichs" 6 5 7 ) auf sich gelenkt. Böse Menschen behaupteten, es sei das einzige politische Buch gewesen, das der Kaiser gelesen habe, und auch da sei er nur bis zur Seite neun gekommen. Die Grundgedanken des Buches waren recht originell. Der Verfasser sagte, daß es im Nationalitätenstaate die Völker nicht so sehr auf Gleichberechtigung abgesehen hätten als darauf, nicht selbst beherrscht zu werden und über andere als Majoritäten über Minderheiten zu herrschen. Diese Erkenntnis traf vielleicht den Nagel auf den Kopf. Nun zog Pater Schmidt aber auch praktische Folgen für seine Reformpläne daraus. Er sagte, die Lösung sei nicht durch territoriale oder personelle Autonomie zu erzielen, sondern dadurch, daß man jedem Volke in irgendeiner Sphäre des Staatslebens Gelegenheit gebe, ein an6 5 6 ) P. Wilhelm Schmidt SVD. (Hörde bei Dortmund, 1 6 . 2 . 1 8 6 8 - 1 0 . 2 . 1 9 5 4 , Freiburg/Schweiz), 1892 Priesterweihe, 1895-1938 Mödling-St. Gabriel, 1921 Dozent f. Sprachen- und Völkerkunde an der Universität Wien, 1925 a. o.Prof., 1941 Dozent an der Universität Freiburg i.d. Schweiz; 1906 korrespondierendes Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Direktor des päpstlichen „Museo missionario-etnologico", Linguist, Ethnologe, Kulturhistoriker. Vgl. R. Lorenz, Zwei große Gelehrte am Hofe Kaiser Karls: Alois Musil und Wilhelm Schmidt, in: Archiv f. öst. Geschichte, Bd. 125/1966, 2 6 9 - 2 9 0 . S. auch: W. Schmidt, Soldatenheime, in: Der Österreicher, 17.8.1937, IX. 6 5 7 ) „Austriacus Observator", Zur Wiederverjüngung Österreichs, Versuch eines Entwurfes der Verfassungsreform, Als Manuskript gedruckt, Wien (1918).
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deres Volk zu beherrschen und sich dabei aufzulösen. Schmidt arbeitete einen solchen Plan ziemlich ins einzelne aus. - Ich habe ihn später noch oft getroffen. Als ich Minister war, besuchte er mich des öfteren. Jetzt ist er Professor in Fribourg in der Schweiz und Direktor der ethnographischen Museen des Vatikans. Ein Nachtrag ! Noch vor dem Kaisermanifest hatte Eisner-Bubna, der Kommandant des Kriegspressequartiers, auf meine Anregung, die im Einverständnis mit Schager erfolgte, im Opernrestaurant drei nicht uninteressante Gäste zu einem Abendessen zusammengerufen: den sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Karl Renner, den Obmann der Roten Gewerkschaften Anton Hueber 6 5 8 ) und den Redakteur der Arbeiter-Zeitung, meinen Freund Hugo Schulz. Dr. Karl Renner war seinem Berufe nach Bibliothekar in der Bibliothek des Reichsrates, also in mancher Hinsicht engerer Fachgenosse von mir. E r war wohl auch noch an diesem Abend Großösterreicher im besten Sinne, der dem habsburgischen Völkerreiche eine große Mission zusprach, und hatte über die innerpolitischen Möglichkeiten unter dem Pseudonym Springer gute Bücher geschrieben 659 ). Seine Ausführungen über territoriale und personelle Autonomie der Nationen bildeten ein Vademecum für jeden Nationalitätenpolitiker. Seit der Rückkehr Otto Bauers 6 6 0 ) aus der Kriegsgefangenschaft - Bauer war als Reserveoffizier des IR. 75 6 5 S ) Anton Hueber (Taus, 2 6 . 9 . 1 8 6 1 - 8 . 7 . 1 9 3 5 , Wien), sozialdemokratischer Arbeiterführer, Vorkämpfer für die Errichtung von Arbeiterkammern; trat für die Erhaltung des Wirtschaftsraumes an der Donau ein. 6 5 9 ) Karl Renner (Unter-Tannowitz, Mähren, 1 4 . 1 2 . 1 8 7 0 - 3 1 . 1 2 . 1 9 5 0 , Wien), Dr. iur., seit 1.12.1905 Bibliothekar an der Bücherei des Parlaments, seit 1907 sozialdemokratischer Abgeordneter zum Reichsrat, zur provisorischen und konstituierenden Nationalversammlung u. zum Nationalrat für Niederösterreich, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 1 . 6 . 1 9 2 0 Staatskanzler, 2 6 . 7 . 1 9 1 9 - 2 2 . 1 0 . 1 9 2 0 Staatssekretär für Äußeres, 2 7 . 4 . 1 9 4 5 - 2 0 . 1 2 . 1 9 4 5 Bundeskanzler, 2 0 . 1 2 . 1 9 4 5 - 3 1 . 1 2 . 1 9 5 0 Bundespräsident. Ein Überblick über Renners Arbeiten, die in seinen Anfängen unter den Pseudonymen Synopticus, Rudolf Springer u. Josef Karner erschienen, s. R. A. Kann, Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie, 2 . B d . , 2. Aufl. Graz-Köln 1964 (Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Ost, Bd.V), 162ff., 344ff. Glaise-Horstenau könnte bereits durch die von C. M. Danzer veranstaltete Rundfrage über Renners Ansichten, deren eingegangene Antworten er drucken ließ, auf Renner aufmerksam geworden sein; C . M. Danzer, Das neue Österreich. Eine politische Rundfrage, Wien 1908. Ubersicht über die Renner-Literatur bei Kann. a . a . O . und ders., Renners Beitrag zur Lösung nationaler Konflikte im Lichte nationaler Probleme der Gegenwart, in : österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophischhistorische Klasse, Sitzungsberichte, 279. Bd., 4. Abhandlung, 1973, 1 - 1 8 . 6 6 0 ) Otto Bauer (Wien, 5 . 9 . 1 8 8 2 - 4 . 7 . 1 9 3 8 , Paris), seit 1907 Redakteur der Arbeiter-Zeitung und Herausgeber der Zeitschrift „Der Kampf", 1917 an der Spitze des radikalen Flügels der Sozialdemokratischen Partei, 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 - 2 7 . 7 . 1 9 1 9 Staatssekretär des Äußeren, 1919-1934 sozialdem. Abgeordneter zum Nationalrat, maßgeblicher Vertreter des „Austromarxismus" als Theoretiker und Parteiführer, 1934 Emigration nach Brünn, dann nach Paris. 1 . 1 0 . 1 9 0 2 - 3 0 . 9 . 1 9 0 3 Präsenzdienst als EF. bei 3 . T K J R . , Waffenübungen, 1.1.1909 Lt. i.d. Res. IR. 75, ab 29.7.1914 Zugs- u. Kompaniekmdt., 2 3 . 1 1 . 1 9 1 4 - 1 . 9 . 1 9 1 7 russische Kriegsgefangenschaft, 21.10.1917 - Kriegsende im KM., Abt. 10 K W / G . , Wissenschaftliches Komitee für Kriegswirtschaft, mit Rang vom 1.3.1915 (Personalverordnungsblatt Nr.34, 25.2.1918, 1467), Oblt. i.d. Res. Von seinen zahlreichen Werken sind hier zu nennen: Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie, l.Aufl. Wien 1907, 2. Aufl. Wien 1924; Die Offiziere und die Republik, Wien 1921; Die österreichische Revolution, Wien 1923; vgl. über ihn: V. Reimann, Zu groß für Österreich. Seipel und Bauer im Kampf um die Erste Republik, Wien-Frankfurt-Zürich 1968; O . Leichter, Otto Bauer. Tragödie oder Triumph, Wien-Frankfurt-Zürich 1970. Über seine
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gefangen worden - im Herbst 1917, sah sich der Großösterreicher Renner durch das von Bauer verkündete Anschlußideal stark an die Wand gedrückt. Auf Wunsch des Kaisers hatten wir Fühler auszustrecken nach der Stimmung in diesen Kreisen. Der Zerfall Österreichs lag noch nicht im Kreise unserer Erwägungen. Im Gegenteil! Renner erörterte, daß er als Sozialdemokrat zwar grundsätzlich Republikaner sei, sich aber einen Weiterbestand der Monarchie ohne die Dynastie Habsburg nicht vorstellen könne. Meine Auseinandersetzungen, die sich möglichst offen hielten, gipfelten darin, daß das bürgerliche Regime am Ende seiner Weisheit angelangt sei und daß Umsturz und Anarchie samt allen Begleiterscheinungen unvermeidlich würden, wenn sich nicht die Sozialdemokratie und hier besonders die Gewerkschaften der Dinge annähmen. Die drei Gäste waren natürlich sehr erstaunt, aus meinem Munde solche Äußerungen zu hören. Ich aber sagte Renner auf den Kopf hin, er müsse österreichischer Ministerpräsident werden! Nach Baden zurückgekehrt, rief ich des anderen Tages früh Reichenau an, wo der Kaiser weilte. Schager verband mich direkt mit dem Allerhöchsten Herrn und ich berichtete kurz meine Eindrücke. Vierundzwanzig Stunden später war Karl Renner beim Kaiser, und dieser trug ihm die Ministerpräsidentschaft in Österreich an. Renner bat sich die Erlaubnis aus, die Zustimmung seiner Partei einzuholen. E r selbst schien nicht abgeneigt gewesen zu sein. Die Ereignisse waren inzwischen über dieses Entwicklungsstadium hinweggegangen. Die Partei gab die Einwilligung nicht . . . Das war mein erstes Zusammentreffen mit Karl Renner, dem späteren österreichischen Staatskanzler und nunmehrigen österreichischen Bundespräsidenten. Dieser Herbst in Baden war unendlich traurig-schön. Eine kurze Schlechtwetterperiode hatte zur Folge, daß er früher als sonst gekommen war. Das welke Laub deckte die Erde und wirbelte einem zwischen den Beinen, wenn man die Kieswege der schönen Anlagen dahinschritt. Der Wald aber war noch in unzählige Tinten von unwahrscheinlicher Farbenpracht getaucht. Es war wie das Lächeln eines Sterbenden, der sich in der Stunde des Todes noch verschönt und dann hinüberschläft in den Winter einer unbekannten Welt. Die Walzerklänge, die den ganzen Sommer über aus dem Musikpavillon durch die Pracht des Wienerwaldes sich hindurchschmeichelten, waren verstummt - vergeblich mahnte das nette Denkmal von Strauß dem Älteren und Lanner an diese Herrlichkeiten einer unerhört bodengebundenen Musik. Bald sollte auch der Radetzkymarsch von Johann Strauß verklingen. Er enthielt Rhythmen aus den Volksmelodien aller Nationen, für die damals nach Grillparzers Wort „Vorwärts auch ungarisch und böhmisch" war, und die jetzt, wie es nur ging, auseinanderdrängten. In diesen Tagen hatte Waldstätten noch einen persönlichen Schmerz. Sein Vater, General Georg Frh. v. Waldstätten 6 6 1 ), hatte die Augen für immer geschlossen. Er Militärdienstzeit vgl. die - mehr oder wenig polemischen - Aufsätze: K. Werkmann, Das Märchen von der goldenen Tapferkeitsmedaille Otto Bauers, in: N W J . , 1 3 . 1 0 . 1 9 3 2 , 2 ; Von bes. Seite, Otto Bauer im Weltkrieg, ebdt.; Mjr. d . R . Skr.-Kerp, Als Dr. O . Bauer in russischer Kriegsgefangenschaft war, in: N W J . , 11.11.1928, 11 f. G. Botz, Otto Bauer im Ersten Weltkrieg, in: Die Zukunft, Heft 7/1978, 3 2 - 3 5 . 6 6 1 ) Georg Frh. v. Waldstätten (Karlstadt, 2 4 . 8 . 1 8 3 7 - 2 4 . 1 0 . 1 9 1 8 , Wien), 1856 aus der Milak. als Lt. zu IR. 39, Glstbslaufbahn, 2 6 . 1 0 . 1 8 7 7 Glstbschef Glkmdo. Wien, 1.1.1883 G M . , 8 . 3 . 1 8 8 7 Kmdt.
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war der weniger berühmte zweier Brüder, deren Älterer, Johann, zu den erprobten Führern aus den Jahren 1866 und 1878 und zu den Lehrmeistern des kaiserlichen Heeres gehört hatte. Ich schrieb diesem im Januar 1915 einen Nachruf 6 6 2 ). Die Waldstätten sind ein ursprünglich böhmisches Geschlecht, das im 18. Jahrhundert noch „Hajek von Waldstätten" hieß 6 6 3 ). Drei von ihnen kämpften bei Leipzig 6 6 4 ), welchem Umstand ich es zu verdanken hatte, daß ich Alfred am 1 8 . 1 0 . 1 9 1 3 in der Pleißestadt begegnete. Am 21. Oktober trat im Sinne des Kaisermanifestes zum ersten Mal der deutschösterreichische Nationalrat zusammen. Er bestand aus allen, allerdings schon 1911 gewählten, deutschösterreichischen Abgeordneten, die aus den Sudetenländern stammenden mitinbegriffen. Die Versammlung wurde in dem wunderbaren Saale des niederösterreichischen Landtages abgehalten, der auf große Traditionen aus dem Jahre 1848 zurückblickte. Mein reichsdeutscher Kamerad Paul Fleck und ich hatten einen Platz auf der Empore ergattert. Als Redner trat auf sozialistischer Seite Viktor Adler 6 6 5 ), ein schon vom Tode gezeichneter Mann, auf. Für die wackeren deutschen Mannen sprach Waldner 6 6 6 ). An den christlichsozialen Redner erinnere ich mich nicht mehr - ich glaube, es war der plötzlich sehr demokratisch gewordene Prälat Hauser 6 6 7 ) aus Oberösterreich, sonst seines Zeichens k . u . k . Geheimer Rat und Exzellenz. Die Reden sind im Sitzungsprotokoll nachzulesen. Soviel ich mich erinnere, bedeuteten die der Deutschnationalen und der Sozialisten schon eine recht merkbare Absage an das alte Reich, indes die Christlichsozialen ausdrücklich
16. I T D . , 1.11.1887 F M L . , 11.10.1891 Festungskmdt. Krakau, 5.2.1896 als FZM. ad hon. pensioniert. 6 6 2 ) Konnte nicht festgestellt werden. 6 6 3 ) Um 1760 wurde der Name Hayek abgelegt, 1754 Freiherrnstand. 6 6 4 ) Franz Georg Frh. v. Waldstätten (Wien, 1 7 7 5 - 2 4 . 1 1 . 1 8 4 3 , Karlstadt), seit 1797 in der k. k. Armee als Fhr. in IR Grf. Strassoldo, zuletzt FML. und Kordonoberkommandant in Karlstadt; Josef Johann Frh. v. Waldstätten (Wien, 2 7 . 8 . 1 7 7 6 - 2 8 . 9 . 1 8 4 7 , Wien), 2.1.1814 Mjr. IR. 22, 15.6.1821 pensioniert. Die dritte Persönlichkeit ist unbekannt, wenn nicht der mit der Familie nicht verwandte, sondern nur namensgleiche GM. Johann Ernst Hayek ν. Waldstätten (Okopy, Galizien, 7. 7 . 1 7 8 9 - ? ) gemeint ist. Vgl. ansonsten: A. Waldstätten, Zur Geschichte der Familie Waldstätten ca. 1770/80-ca. 1850, Wien 1975 (KA., Ms. Allg. Reihe, nr. 149). Dazu frdl. Auskünfte von Dr. Alfred Waldstätten. 6 6 s ) Dr. Viktor Adler (Prag, 2 4 . 6 . 1 8 5 2 - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 , Wien), seit 1905 sozialdemokratischer Abgeordneter im ö. Reichsrat, 3 0 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 deutschösterreichischer Staatssekretär des Äußeren. 6 6 6 ) Dr. Viktor Waldner (Dellach, 1 . 4 . 1 8 5 2 - 1 . 9 . 1 9 2 4 , Klagenfurt), Universitätsprofessor, deutschnationaler Abgeordneter für Kärnten zum Reichsrat 1907-1918 und zur provisorischen Nationalversammlung 1918/1919. 6 6 7 ) Johann Nepomuk Hauser (Kopfing, O ö . , 2 4 . 3 . 1 8 6 6 - 8 . 2 . 1 9 2 7 , Linz), 1889 Priesterweihe, Redakteur des „Linzer Volksblattes", 1899 erstmals als christlichsozialer Abgeordneter im Landtag, 1908 Landeshauptmann und Abgeordneter zum Reichsrat, 1914 Obmann des christlichsozialen Abgeordnetenklubs, 30.10.1918 ein Vorsitzender des Staatsrates und bis 10.11.1920 2. Präsident der prov. bzw. konstituierenden Nationalversammlung, 23.10.1919 die Führung des Christlichsozialen Parlamentsklubs niedergelegt. Vgl. J. Honeder, Johann Nepomuk Hauser, 1866-1927, Linz 1973; H. Slapnicka, Von Hauser bis Eigruber. Eine Zeitgeschichte Oberösterreichs, Bd. I, Linz 1974. Es sprach aber nicht Hauser, sondern Josef Schraffl (Sillian, 1 3 . 6 . 1 8 5 5 - 1 1 . 1 . 1 9 2 2 , Innsbruck), 1917-1921 Landeshauptmann von Tirol sowie Reichsrats- bzw. Nationalratsabgeordneter.
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die Hoffnung hervorhoben, daß die alte Völkerfamilie entsprechend erneuert beisammenbleibe. Es war schon spät abends, als Fleck und ich in der deutschen „Nähmaschine" aus der Herrengasse wegfuhren. Herbstnebel senkte sich traurig herab, als wir in die Burg einbogen und dann den Heldenplatz, diesen schönsten Platz aller Großstädte der Welt, überquerten. Im Angesichte all der steinernen Zeugen einer großen, nunmehr versinkenden Vergangenheit wurde es mir unerhört schwer ums Herz. Ich gestand Fleck mein Weh, und er meinte, ihm sei es im gleichen Sinne im Hinblick auf Preußen zumute. Es war eben eine dem Untergang preisgegebene Welt, der wir in dem Augenblick den Rücken drehten, als wir durch das Burgtor Peter Nobiles, an dem prachtvollen Theresiendenkmal vom Kaspar Zumbusch vorüber 6 6 8 ), in die Mariahilfer Straße einlenkten. Finis Austriae! Ich besinne mich nicht mehr, ob wir damals schon die Antwort Wilsons an Österreich-Ungarn kannten. Sie war für jeden, der lesen konnte, niederschmetternd. Noch in den berühmten vierzehn Punkten vom Jänner 1918 enthielt der Punkt zehn gewisse Zukunftsaussichten 669 ) für das Habsburgerreich. Diese wurden jetzt, nicht zuletzt dank dem Einfluß Masaryks, des neuen Präsidenten der tschechoslowakischen Republik, wie er sich schon nannte, endgültig vernichtet. Wilson erklärte ausdrücklich, daß die Geschichte über die Auffassungen seines Punktes zehn längst zur Tagesordnung übergegangen sei, erkannte die Tschechoslowakei als selbständigen Staat an und sprach auch - in etwas sordinierter Formulierung - den Südslawen Österreich-Ungarns das Recht auf freie Selbstbestimmung, auch außerhalb des jetzigen Staats Verbandes, zu. Das war alles ein Todesurteil für die Habsburgermonarchie - und gleichzeitig ein Auftakt zum Zweiten Weltkrieg! Ich saß niedergeschmettert in meinem „Bibliothekszimmer" gegenüber der Badener Pfarrkirche, da kam der der Präsidialabteilung zugeteilte Rittmeister der Reserve Ladislaus von Okolicsányi 6 7 0 ), seines Zeichens ungarischer Abgeordneter, zu mir und meinte halb traurig und mitleidig, halb auch ein wenig triumphierend: „Ihr Österreicher seid arme Teufel, das ist für euch das Ende." Ich fragte neugierig: „Warum nur für uns und nicht auch für euch Ungarn?" Er schaute mich ganz verwundert an und lächelte: „ D u glaubst doch nicht am Ende, daß sich Wilson an die Grenzen des Tausendjährigen Reiches herantrauen wird?" 6 7 1 ) 6 6 > ) Das alte äußere Burgtor wurde 1660 errichtet, 1809 von den Franzosen zerstört; das neue äußere Burgtor wurde 1821 von Luigi Cagnola begonnen und 1824 von Peter Nobile vollendet; 1933 bis 1934 wurde es von Rudolf Wondracek zu einem Heldendenkmal gestaltet. Dem Burgtor gegenüber, zwischen den beiden Museen, am Maria Theresien-Platz, errichtete Kaspar v. Zumbusch 1874 bis 1887 das Maria Theresien-Denkmal (Architektur von Carl Hasenauer). 6 6 9 ) In der Kongreßbotschaft Präsident Wilsons vom 8. Jänner 1918 lautete der Punkt 10 „Den Völkern Österreich-Ungarns, deren Platz unter den Nationen wir geschützt und gesichert zu sehen wünschen, sollte die freieste Gelegenheit zu autonomer Entwicklung zugestanden werden." 6 7 0 ) Eduard v. Okolicsányi-Zedényi (Leutschau, Ungarn, 3 . 1 1 . 1 8 7 1 - ? ) , 1.10.1890 als EF. zu H R . 5, 31.8.1892 Lt. u. Berufsoffz., 1.11.1897 Oblt., 1.11.1898 in die Res., Kriegsbeginn bis Kriegsende ung. Zensor im K P Q . , 21.12.1914 Rtm. i.d.Res. 6 7 1 ) Vgl. ähnliche Beobachtungen bei R. Kiszling, Meine persönlichen Erlebnisse beim Zusammenbruch 1918, in: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 1968, 4 8 2 - 4 9 0 .
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Erstens war das Tausendjährige Reich viel kürzer, da mindestens zweihundert Jahre Türkenzeit davon abzuziehen sind. Und zweitens war es für jeden, der den Vertrag von Pittsburg 672 ) zwischen Tschechen und Slowaken, der die Aspirationen der Serben und der Rumänen kannte, völlig klar, daß es genauso Ungarn an den Leib ging, wie den habsburgischen Ländern diesseits der Leitha. Aber so waren die Magyaren ! Ein geradezu mystischer Glaube an die geheime Kraft der Stefanskrone erfüllte sie. Das war Stärke, aber auch eine große Gefahr für sie. Dadurch wurde, als ihnen von den vieründsechzig Komitaten nur mehr sechzehn blieben, der Revisionsgedanke die tragende Idee des „Königreiches" nach 1919, dadurch wäre es ihnen selbst für den Fall, als sie zu Hitlers Zeiten neutral bleiben wollten, unmöglich gewesen, sich so zu verhalten. Inzwischen ballte sich, während im Inneren alles Gebälk in den Fugen krachte, über dem Reich ein neues Gewitter zusammen. Schon für* den 17. war ursprünglich der Großangriff der Alliierten an der Südwestfront in Aussicht genommen worden. Aus verschiedenen Gründen, die in der Literatur genau ausgeführt sind, wurde er auf den 24. verschoben. Auf kaiserlichen Befehl verfaßte ich einen Armeebefehl, der, wenn ich nicht irre, am 23. an die Truppen telegraphiert wurde. Es war der letzte Armeebefehl eines Habsburgers an sein Heer, am Ende einer dreihundertjährigen Epoche voll reichsten Inhaltes673). Noch einmal bemühte ich mich, die traditionelle Sprache, die Sprache Radetzkys an seine Truppen, anklingen zu lassen, wehen Herzens und in tiefer Trauer. Ich glaube, es gelang mir, den richtigen Ton zu finden, ohne Uberschwenglichkeit, angepaßt dem Ernste der Lage. Das Konzept mit der Paraphe des jungen Kaisers habe ich jahrelang unter meinen Papieren aufbewahrt; ob es seit den Wiener Ereignissen vor Jahresfrist noch da ist, weiß ich nicht. Ich wollte das Stück immer unter Glas und Rahmen setzen lassen, habe es aber leider nicht getan. Der erste Vorstoß der Feinde, Franzosen und Engländer, die die Italiener in die Mitte nahmen, prallte im Gebirge zwischen der Brenta und dem Piave los. Ich habe diese ergreifenden Kämpfe öfters, zuletzt in Aufsätzen über Altösterreichisches Heer in der deutschen Geschichte, beschrieben674). Ich könnte es nicht mehr besser sagen, als ich es, mich wiederholend, bei diesen Gelegenheiten sagte. Als die ersten Meldungen kamen, hielten wir sie für unmöglich, so ergreifend waren sie. Durch drei Tage oder deren vier, bis sogar der Feind ermattete, behaupteten Truppen aller Völker des Reiches ihre Stellungen und eroberten sie ein-, zwei- und dreimal zurück, so es notwendig war. In den Heeresberichten schilderte ich die Geschehnisse wie sie waren. Sie schienen den Lesern so unglaublich, daß - soviel ich mich erinnere - die Arbeiter-Zeitung härteste Zweifel aussprach. Ich ließ ihr durch Schulz den 672 ) Der sogenannte „Pittsburger Vertrag" wurde am 30.5.1918 durch Masaryk und Vertreter der slowakischen Volksgruppe in den Vereinigten Staaten unterschrieben. Er sicherte den Slowaken einen eigenen Landtag und autonome Verwaltung zu. Als später diese Zusicherungen nicht eingehalten wurden, bezeichnete Masaryk (z.B. in seinen Memoiren) sie als unverbindliche Erklärungen und bagatellisierte ihre Bedeutung in jeder Weise. 673 ) Text bei Glaise-Horstenau, Katastrophe, 344. 674 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 232.
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Tatbestand vorhalten. - Schulz, der übrigens seinen einzigen Sohn am 31. Oktober beim Rückzug aus Albanien noch verlor ! Dort wo - im Gebirge - die innere Revolution am schwersten an die Front herankam, hielt die alte Waffen- und Kampfgemeinschaft noch an, als ihre Träger schon längst kein gemeinsames Vaterland mehr hatten. Hinter der Front kroch allerdings schon Zersetzung und Revolution durch die Reihen. Als erste aller Truppen marschierten just hinter der Gebirgsfront Domobranzen der kroatischen Honvéddivision ab 675 ). Gleichzeitig kam es bei Asiago in den Sieben Gemeinden zum ersten Abmarsch einer ungarischen Division 676 ). Die magyarische Propaganda, das ungarische Vaterland sei von der serbischen und der rumänischen Front her in Gefahr, der ungarische Soldat gehöre jetzt nicht mehr nach Italien, sondern an diese bedrohten Grenzen, ging mit Windeseile um. Vergebens versuchte Erzherzog Joseph, vom Kaiser zum Oberbefehlshaber der Truppen in Ungarn ernannt, noch vor seiner Abreise die Ungarn zur Räson zu bringen. Er wurde nicht mehr zu den Abteilungen herangelassen. Als - ich glaube - am 27. auch bei der Piave-Insel Papadopoli der Angriff losging, weigerten sich dort schon Reserven aller Nationen, so verhältnismäßig reich sie zur Verfügung standen, dem Rufe ihrer Führer zu folgen und in die Front einzurücken. Auf dem Balkan, wo seit dem Abfall Bulgariens die Front der Mittelmächte allmählich gegen Belgrad und - in Albanien — auf Cattaro zurücksank, sah es nicht weniger kritisch aus. In der Ukraine, wo die vordersten kaiserlichen Truppen bei Rostow am Don gestanden hatten, waren die östlichen Territorien bereits geräumt. Die Preisgabe von Odessa war eine Frage von Tagen, ja von Stunden. Alfred Krauss erwies sich nicht als Führer von Entschlossenheit und Zähigkeit. Im Westen, wo sich vor einigen Wochen je eine k . u . k . Division vor Verdun und im St.-Mihiel-Bogen ausgezeichnet hatte, rangen deutsche Armeen keuchend bei der Verteidigung der Wege nach dem Elsaß, nach Metz und nach Belgien. Am 21. telephonierte mich Schager an: ,,Du, wir fahren morgen nach Pest und nach Debreczin. In Debreczin wird die neue Universität eröffnet." Ich war über diesen Entschluß des Kaisers sehr wenig glücklich und sagte es Schager: „Lieber Freund, jetzt hat sich der Habsburger der Wurzeln seines Geschlechtes zu besinnen, und die sind in den deutschen Alpenländern; hier vor allem hat er den Ereignissen weiterhin Trotz zu bieten. Er wird dabei am besten fahren." Schager meinte, er werde dies dem Kaiser nochmals sagen - wiederholt habe man es ihm schon gesagt, aber er erblicke im Gegenteil das ,,Refugium" der Dynastie in Ungarn. Außerdem spielte, wie man mir nachher erzählte, eine leidige Geldfrage eine Rolle. Die Kronenentwertung hatte den Hof, der mit seinen Schlössern, Theatern und so weiter unzählige Passivposten auszugleichen hatte, in schwere Geldsorgen gestürzt. Dies war schon vor einigen Monaten die Ursache einer Maßregel gewesen, die viel kolportiert und bekrittelt wurde. Das Kriegsministerium hatte der Ausfolgung der 6 7 5 ) Schon am 22.Oktober hatten sich die (kroatischen) HIR. 25 u. 26 (83. HIBrig. der 42. HID.) geweigert, Truppen am Grappa abzulösen. 6 7 6 ) Am 24. Oktober abends weigerten sich Abteilungen des überwiegend magyarischen IR. 25 (27. ID.) und des HIR. 22 (38. HID.) in die Front von Asiago einzurücken.
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Gebührnisse eines Armeeoberkommandanten an den Kaiser zugestimmt. Es war vergleichsweise eine lächerliche Summe, aber auch sie wurde von der Hofhaltung dringend benötigt. Nun sollte das ungarische Parlament bewilligungsfreudig gestimmt werden. Die Ungarnreise des Kaisers endete nicht bloß in dieser Beziehung, sondern auch politisch mit einem vollen Mißerfolg. Eine Honvédmeuterei in Fiume und das Spielen der Kaiserhymne 677 ) beim Empfang in Debreczin führten im Reichstag zu einer schweren Krisis, die der nach Budapest zurückkehrende Kaiser und König nur dadurch löste, daß er den Rücktritt Wekerles und Buriáns annahm. In der königlichen Burg zu Ofen ging es schon recht lebhaft her. Am 26. sandte der Kaiser seine Kinder nach Laxenburg zurück 6 7 8 ). Am 27. fuhr er selbst heim. In seinem Zuge befand sich Michael Károlyi, der Linksrevolutionär mit Grafenkrone. Bezüglich der nationalen Symbole führten die ungarischen Wünsche zu den groteskesten Lösungsabsichten. So wie die Wiedereinführung der alten Kriegsmedaille - gegründet 1873 von Franz Joseph - an der Bandfrage scheiterte - man scheute sich doch, die Medaille an ein schwarz-gelb-rot-weiß-grünes Band anzuhängen - , so trug man sich ernsthaft mit dem Gedanken, eine gemeinsame Hymne dadurch zu schaffen, daß die wunderbare Haydnsche Volkshymne und der ungarische Hymnus zeilenweise in einer gemeinsamen Melodie abwechselten. Die Verkrampfung nahm schon die blödesten Formen an. Inzwischen hatte mir Wiesner, ich weiß nicht mehr, wo es war, mitgeteilt, daß der neue Außenminister Julius Graf Andrássy, der Sohn des Ministerpräsidenten der Ausgleichszeit und Mitschöpfers des deutsch-österreichischen Bündnisses, eine Sonderfriedensnote an Wilson vorbereite, in der er erklärte, daß Österreich-Ungarn, ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen abzuwarten, in Verhandlungen um einen Frieden eintreten wolle. Ich sah in diesem Schritt, wohl zu Recht, ausschließlich einen nur Ungarn auf den Leib geschriebenen Rettungsversuch. Wäre damit die Monarchie zu retten gewesen, so hätte ich den Schritt ohne weiteres verstanden. Denn Österreich-Ungarn war in der Allianz längst in jener Lage, in der nach Aussprüchen von Fridericus Rex und Bismarck ein Bundesgenosse das Recht hatte, abzuspringen. Nur müsse es in anständigen Formen geschehen. Nun hielt ich aber, im Gegensatz zum Kaiser, die Situation der Dynastie in Ungarn ohnehin für erledigt,: während sie mir dies in Österreich noch nicht zu sein schien. Nur eins durfte hier nicht geschehen: eben der Absprung vom Bündnis! Ich sprach mit Cramon über die Angelegenheit und erfuhr zu gewisser Beruhigung, daß Kaiser Wilhelm von unserem Kaiser bereits ein Telegramm erhalten hat6 7 7 ) Vgl. dazu: R. Lorenz, Graf Stefan Tisza und die politischen Symbole des Dualismus, in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, hg. v. H. Fichtenau u. E. Zöllner, Wien-Köln-Graz 1974 (Veröffentlichungen des Instituts für öst. Geschichtsforschung, Bd. X X ) , 4 2 6 - 4 4 4 . 6 7 e ) Kaiser Karl beließ im Gegenteil die Kinder in Gödöllö, als er mit Károlyi in der Nacht vom 26. auf den 27.10.1918 nach Wien fuhr. Die Kinder wurden erst durch eine abenteuerliche Fahrt am 31.10.1918 nach Wien gebracht. Vgl. L. Kirigin-Mardegani, Mit den kaiserlichen Kindern auf der Flucht aus Gödöllö, in: N W J . , 20.12.1928, 5; Der letzte Chauffeur Seiner Majestät. Erinnerungen an Kaiser Karl, in: N W J . , 4 . 2 . 1 9 3 6 , 6 f .
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te, in welchem er die unvermeidbare Notwendigkeit des sofortigen Absprunges ankündigte. Trotzdem beklagte ich als Deutscher und als Monarchist, der ich noch immer war, den Schritt ganz außerordentlich. Denn bei der Vereinsamung, die in den nächsten Stunden über die Deutschösterreicher hereinbrechen mußte, war es klar, daß infolge des „Verrates Andrássys und Karls" die Straße in Wien und in Österreich auch gegen das Herrscherhaus und den Kaiser aufgerufen würde. Ich sollte recht behalten. Der „Verrat", der in dieser Stunde keiner mehr war, traf die Deutschen Österreichs zutiefst in die aufgewühlten Seelen. Deutsche Versuche, den Ballhausplatz noch im letzten Augenblick zu bremsen, waren erfolglos, da die Kugel schon den Lauf verlassen hatte. In der allgemeinen seelischen Bedrängnis kam Zeidler-Sterneck, der Generaladjutant, auf die Idee, die Armee an der Front zu Kundgebungen für die Monarchie und ihre Träger aufzurufen. Schon dies war in der vorgerückten Stunde ein nicht ganz ungefährliches Experiment. Ganz vertrackt wurde die Sache aber dadurch, daß der von der Militärkanzlei ohne Vorwissen der Operationsabteilung erlassene Befehl so unglücklich stilisiert war, daß er von den Truppen vielfach als Aufforderung zu einer Abstimmung ob Monarchie oder Republik betrachtet wurde 679 ). Eine Reihe von Kommandanten gab den Befehl mit oder ohne Protest überhaupt nicht weiter. Aber bei anderen kam es auch zu regelrechten Abstimmungen. Ich erinnere mich an einen Kaiserschützen-Ersatztruppenteil in Bosnien, bei der das Ergebnis für die Monarchie niederschmetternd war - ein ungünstiges Zeichen für die Stimmung unter den Deutschösterreichern. Unzählige Kommandanten erfuhren erst, daß die Heimat vor solche Probleme gestellt war. Am 27. Oktober ging die Note Andrássys an Lansing hinaus in die Welt. Es war Mathäi am Letzten. Uberall brach die Revolution aus, die gleichzeitig zum Bruche mit dem alten Österreich und der staatlichen Gemeinschaft führte: in Prag, Krakau, in Lemberg - das General Graf Huyn, der Statthalter, zum Ärger der Polen den Ukrainern überließ - , in Laibach, Agram, Siebenbürgen; wenn man will: auch in Budapest, wo sich der Erzherzog Joseph als Homo regius vergeblich bemühte, einen Ministerpräsidenten zu finden. Vorderhand schien es Graf Hadik zu werden, Neustädter Akademiker, Jahrgang 1884 6 8 0 ). Am 29. nachmittags berief mich Waldstätten zu sich und sagte mir, ich möge nach Wien fahren und mit dem deutsch-österreichischen Nationalrat Verbindung aufnehmen, ich würde diese Aufgabe bis auf weiteres behalten. Andere Verbindungsoffiziere nach Prag, Agram und Budapest waren bereits vor einiger Zeit abge6 7 9 ) Uber diesen Erlaß der Militärkanzlei Seiner Majestät an die Heereskörper, der ohne Wissen des Chefs des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht am 29.10.1918 erfolgte, vgl.: GlaiseHorstenau, Katastrophe, 378, 394; Österreich-Ungarns letzter Krieg, VII. Bd., 654. 6 e o ) Johann Grf. Hadik v. Futak (Homonna, 1 9 . 4 . 1 8 8 5 - 1 0 . 1 2 . 1 9 3 3 , Budapest), 1884 aus Milak. als Lt. zu HR. 10, 1.7.1886 beurlaubt, 1.1.1889 Obit., 1.1.1891 in die Reserve versetzt, ab 1901 im ung. Reichstag zunächst Abgeordneter der liberalen Partei, die er aber mit Andrássy verließ, 1906-1909 Staatssekretär im ung. Ministerium des Inneren, 1917/19 ung. Ernährungsminister, 30.10.1918 designierter ung. Ministerpräsident.
681-684) fä „ t
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gangen. Zur Einführung in den Wiener Parlamentsbetrieb nahm ich Anton Schalk mit. Wir kamen in irgendeinem der Klubzimmer mit Renner, Karl Leuthner, Dinghofer 6 8 5 ) und noch einigen Größen zusammen. Unser Gespräch beschäftigte hauptsächlich die Frage des Zusammenbruches der Front und der Gefahren, die daraus dem der italienischen Kampflinie am nächsten liegenden Deutschösterreich drohten. Ich bat, ob es nicht möglich wäre, daß der Nationalrat einen Aufruf an die Deutschösterreicher an der Front erließe, beisammenzubleiben und in Ordnung zurückzugehen. Man lud mich ein, morgen früh in Baden einen solchen Aufruf zu dichten. Ich versuchte es, der Aufruf entsprach aber nicht der Redeweise der neuen Zeit. Glöckel 6 8 6 ), der spätere sozialdemokratische Staatssekretär für Unterricht, lief mir als Stilist den Rang ab. An der Südwestfront hatte nun doch, zum Teil unfreiwillig, der Rückzug gegen die Grenze begonnen. Im Bereiche der Isonzo-Armee, Kommandant General v. Wurm 6 8 7 ), Generalstabschef Oberst v. Körner, ging alles in voller Ordnung vor sich 6 8 8 ) - ebenso an der Tiroler Westfront. Sonst herrschte vielfach ein ziemliches Durcheinander, ohne daß man jedoch von völliger Auflösung sprechen konnte. Am 30. mittags wurde ich abermals nach Wien gesandt. Eigentlich hätte ich ins Landhaus gehen sollen, wo eine neue Sitzung des deutschösterreichischen Nationalrates für nachmittags angesagt war. Arz, der in Schönbrunn beim Kaiser hauste, entsandte mich, den jungen Major, jedoch als Vertreter in den letzten gemeinsamen Ministerrat, der stattfinden sollte. Ich habe dieses Erlebnis einmal in der österreichischen Wehr-Zeitung eingehend beschrieben 689 ). Der Ministerrat fand auf dem Ballhausplatz im sogenannten Kongreß-Saal statt, den ich später als Mitglied der historischen Gesellschaft und - nach dem Anschluß - ein paarmal auch bei den von Seyss-Inquart 690 ) geleiteten, recht regellosen Pseudoministerräten wiedersehen sollte. 6 8 5 ) Franz Dinghofer (Ottensheim, 6 . 4 . 1 8 7 3 - 1 2 . 1 . 1 9 5 6 , Wien), Richter und deutschnat. Politiker, 1 9 Ö 5 - 1 9 0 7 Vizebürgermeister und 1 9 0 7 - 1 9 1 8 Bürgermeister von Linz, 1 9 1 1 - 1 9 1 8 Abgeordneter zum Reichsrat, 1918 Präsident der prov. Nationalversammlung, Führer der Großdeutschen Volkspartei, N a tionalrat 'bis 6 . 1 1 . 1 9 2 6 , 2 0 . 1 0 . 1 9 2 6 - 3 0 . 8 . 1 9 2 7 Vizekanzler, 3 1 . 8 . 1 9 2 7 - 4 . 7 . 1 9 2 8 Justizminister, 1 . 1 . 1 9 2 8 - 1 9 3 8 Präsident des Obersten Gerichtshofes. S. F. Dinghofer, V o r einem Jahr. Aus persönlichen Erinnerungen, in: N F P . , 2 8 . 1 0 . 1 9 1 9 , 1 f. 6 8 6 ) O t t o Glöckel (Pottendorf, 8 . 2 . 1 8 7 4 - 2 3 . 7 . 1 9 3 5 , Wien), Lehrer, sozialdemokratischer Politiker, 1 9 0 7 - 1 9 1 8 Abgeordneter zum Reichsrat, sodann bis 1933 zum Nationalrat, 1 9 1 8 - 1 9 2 0 Unterstaatssekretär für Unterricht. D e r Aufruf Glöckels dürfte zwar vorbereitet, aber nicht erschienen sein. 6 8 7 ) Wenzel W u r m (Karolinenthal bei Prag, 2 7 . 2 . 1 8 5 9 - 2 1 . 3 . 1 9 2 1 , Wien), 1879 aus der Techn. Milak. als L t . zu Geniergt. 1, Glstbslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 0 6 G M . u. Kmdt. 37. IBrig., 1 3 . 2 . 1 9 1 0 Kmdt. 19. 1TD., 1 . 1 1 . 1 9 1 0 F M L . , 1 2 . 2 . 1 9 1 4 betraut mit Führung X V I . Korpskmdo., sodann K m d t . , 1 . 8 . 1 9 1 4 F Z M . , 1 5 . 7 . 1 9 1 7 Kmdt. 4. Armee, 1 . 8 . 1 9 1 7 G O . , 2 3 . 8 . 1 9 1 7 Kmdt. 1. Isonzoarmee, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert. 6 8 8 ) Th. Körner verfaßte darüber den kurzen Erinnerungsartikel: Der k . u . k . Zusammenbruch, in: Der Abend, 1 1 . 1 1 . 1 9 2 9 (Dokumentation der Arbeiterkammer Wien). Dazu erschien unter dem gleichen Titel eine scharfe Stellungnahme eines Korpskmdt. d. Isonzoarmee, in: Ö W Z . , F. 48, 2 9 . 1 1 . 1 9 2 9 , 3f. u. F . 49, 6 . 1 2 . 1 9 2 9 , 2.
) Vgl. Werkverzeichnis N r . 66. ) Arthur Seyss-Inquart (Stannern bei Iglau, 2 2 . 7 . 1 8 9 2 - 1 6 . 1 0 . 1 9 4 6 , gehenkt in Nürnberg), 1 9 1 4 - 1 9 1 8 Kriegsdienst bei 3. T K J R . , 1 . 2 . 1 9 1 8 Oblt. i . d . Res., seit 1937 Staatsrat, 1 6 . 2 . - 1 1 . 3 . 1 9 3 8 689
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Den Vorsitz an der kurzen Querseite des Tisches führte der alte Andrássy, ein kleines, zusammengeschrumpftes Männchen mit weißem Spitzbart. Rechts von Andrássy saß meine Wenigkeit. Mir gegenüber saß der Nachfolger Husareks als österreichischer Ministerpräsident, der berühmte Völkerrechtslehrer Professor Dr. Lammasch. Neben ihm hatte sich mein späterer Freund, der gemeinsame Finanzminister Freih. v. Spitzmüller, aufgepflanzt. Rechts von mir befand sich der jugendliche Weißkopf des gemeinsamen Kriegsministers Baron Stöger-Steiner, ihm gegenüber sein erster Sektionschef FML. Freih. v. Bardolff, Theresienritter. Weiter unten saß der nach Czapp mit der Leitung des österreichischen Landesverteidigungsministeriums betraute Freih. v. Lehne, der erste Zivilist auf diesem Posten ein Zeichen der neuen Zeit. Den Gegenstand der Besprechung bildete, für mich völlig überraschend, die Eidfrage im Zusammenhang mit dem Kaisermanifest und der neuesten Entwicklung. Während der Besprechung, die ich gleich mit ein paar Worten streifen werde, wurde der gute Lammasch einmal zum Telephon gerufen. Aus Prag ! In Prag hatte am 28. und 29. die Ausrufung der Republik und die völlige Machtübertragung an die Tschechen - auch von seiten des Militärs - stattgefunden 691 ). Dennoch kam der gute Idealist Lammasch glückstrahlend zurück mit der Mitteilung, in Prag gehe alles sehr gut, es werde in einigen Tagen jede Unannehmlichkeit überwunden sein. Ich empfand mit dem Sprecher in diesem Augenblick wirklich Mitleid, dachte aber, daß ausgerechnet ein solches politisches Kind jetzt das Staatsruder in Österreich in der Hand habe. Kurz darauf wurde ich zum Telephon gerufen, das sich in dem von mir hier schon erwähnten Saale mit dem Bild des Prinzen Felix Schwarzenberg befand. Ich traf einen etwa gleichaltrigen Zivilisten dort und schrie: „Servus Lajos!" Es war Prinz Ludwig Windischgrätz, der sich im Kabinett Weckerle um die Ernährung der Armee wirkliche Verdienste erworben hatte und der nun unter Andrássy erster Staatssekretär des Außenministeriums geworden war. Er hat seine Erlebnisse als Politiker später unter dem „reißerischen" Titel „Vom Roten zum Schwarzen Prinzen" herausgegeben, dessen wirklicher Verfasser mein alter Kamerad aus Weißkirchen und Neustadt, Franz Xaver Kappus, gewesen ist 6 9 2 ). Wir konnten nur ein paar Worte der Widersehensfreude äußern. Denn im nächsten Augenblick wurde unsere Aufmerksamkeit von einem unerhörten Gebrüll auf der Straße in Anspruch genommen. Ich wollte zum Fenster, Windischgrätz hielt mich aber zurück. Ein Bundesminister für 24.5.1938-1.5.1939 Reichskommissar für W i e n - K ö l n 1970; W . furt-Zürich 1971.
innere Verwaltung und Sicherheitswesen, 1 1 . 3 . - 2 4 . 5 . 1 9 3 8 Bundeskanzler, Leiter der öst. Landesregierung und Reichsstatthalter, 1 8 . 5 . 1 9 4 0 - K r i e g s e n d e die Niederlande. Vgl. über ihn: H . J . N e u m a n n , Arthur Seyss-Inquart, G r a z Rosar, Deutsche Gemeinschaft, Seyss-Inquart und der Anschluß, W i e n - F r a n k -
6 , 1 ) Vgl. diesbezüglich: sturz, Wien 1974. 6 9 2 ) Es wird aber auch z . B . : Von bes. Seite, Lajos graetz als Ratgeber Kaiser
R. G. Plaschka-H.
Haselsteiner-A.
Suppan, Innere Front, Bd. 2 :
Um-
Sil-Vara immer wieder als „ G h o s t w r i t e r " dieses Buches bezeichnet. Vgl. Windischgraetz und Kaiser Karl, in: N W J . , 2 5 . 9 . 1 9 3 2 , 2 ; Prinz WindischKarls, in: R P . v. 1 2 . 1 . 1 9 2 6 , 5.
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Diener ließ die Vorhänge herab. Es war eingetreten, was ich gefürchtet hatte. Während im niederösterreichischen Landhause in der Herrengasse der deutschösterreichische Nationalrat formal die Regierung übernahm und damit die Trennung vom alten Staate vollzog, wurde eine gewaltige Menge aufgeboten, deren Schlachtruf „Nieder mit Andrássy, dem Verräter!" lautete und die auch offen gegen den Kaiser wegen des „Verrates" Stellung nahm. Auch Deutschösterreich hatte sich von der angestammten Dynastie abgewendet! Ich machte Lajos, der zu den engsten Vertrauten Andrássys gehörte, darauf aufmerksam. Optimistisch wie er war, meinte er: „Mache Dir nichts daraus, das geht vorüber. Ich fahre morgen in die Schweiz und habe so gute Beziehungen, daß du schauen wirst!" Man hat von dem Erfolg der Reise des Prinzen leider nie etwas bemerkt. In dem Hohen Rate, in den ich hineingeschneit war, stand zur Debatte, ob man die Offiziere und Soldaten aus dem dem Kaiser geleisteten Eide entlassen, ob man diesen Eid aufrechterhalten oder ob man zu einer Art von Kompromißlösung kommen sollte. Ich war ganz auf meine persönliche Auffassung angewiesen. Denn irgendeine Instruktion hatte mir niemand mitgegeben. Eine solche nachträglich einzuholen, war nicht möglich. Andrássy neigte ganz offenkundig zur Kompromißlösung hin. Auch die anderen maßgebenden Minister schienen ihm folgen zu wollen. Schließlich wurde mir das Wort erteilt. Es war für mich nicht ganz leicht, in diesem würdigen Gremium zu sprechen - umsomehr, als ich der einzige Kontraredner war. Aber die innere Aufgewühltheit gab mir den Mut. Ich hielt zuerst einen kurzen Sermon über die jetzt notwendige Politik im allgemeinen, kam irgendwie darauf zu sprechen, daß es mir geschienen habe, es sei in der letzten Zeit viel zuviel dynastische und viel zuwenig Reichspolitik getrieben worden - wobei ich auf das angeblich ungarische Refugium abzielte - und fragte dann, auf den Gegenstand übergehend, ob Seine Majestät die Absicht hätte, bei den kommenden innerpolitischen Auseinandersetzungen an die Waffen zu appellieren - dies zu wissen sei wichtig für unsere Entschlüsse. Andrássy verneinte. (In der nächsten oder nächstnächsten Nacht fragte FML. v. Lukachich, Kommandierender in Budapest, beim Kaiser an, ob er gegenüber den ausgebrochenen Unruhen von den Waffen Gebrauch machen dürfe. Der Kaiser antwortete kurz und bündig: „Nein!") 6 9 3 ). Daraufhin erinnerte ich an die unglücklichen Verhältnisse, die Unklarheiten in der Eidfrage im Jahre 1848 in Ungarn hervorgerufen hätten, zitierte das sehr interessante Memoirenbuch des Grafen Kolowrat 6 9 4 ) und wies auf die Notwendigkeit hin, daß die Regierung, soweit sie es noch könnte, die Verantwortung zu tragen habe und nicht dem kleinen Mann Entschei693) Vgl. Glaise-Horstenau, Katastrophe, 389. Die gegenteilige Aussage, Kaiser-König Karl hätte das Schießen nicht verboten, macht Kaiserin-Königin Zita: Brook-Shepherd, 227 f. 6 9 t ) Lepold Grf. v. Kolowrat-Krakowsky (Wien, 11.2.1804-21.3.1863, Wien), 1823 Kadett KR. 4, 1824 Lt., 1844 Obst. u. Kmdt. H R . 3, 19.10.1848 GM. und Brigadier in der Div. Ehg. Albrechts, Ritter des Militär-Maria Theresien-Ordens für Mortara und Novara, 12.7.1850 FML. u. Divisionär beim VII. Armeekorps, 6.9.1850 pensioniert. Seine Erinnerungen: Meine Erinnerungen aus den Jahren 1848 und 1849, hg. v. Leopold Grf. Kolowrat, 2Bde., Wien 1905.
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düngen und Verantwortlichkeiten überlassen dürfe. Wenn der Kaiser nicht an die Waffen appellieren wolle und die Nationalstaaten im Rahmen des Manifestes anerkannt habe, und wenn diese Nationalstaaten nun, wie man an der Kokardenfrage ersähe, nun auch die Hand nach ihren heimischen Truppen ausstreckten, ohne daß wir es hindern könnten und wollten, dann gäbe es nur eins, die Offiziere und Soldaten der Heimat und die Rückkehrenden, wenn sie in den Dienst ihres neuen Heimatstaates treten wollten, von ihrem Eide glatt und klar zu entheben. An sich sei diese Frage ohnehin nur für die ehrenhaften und anständigen Elemente wichtig: Die schwachen und opportunistischen Menschen würden sich durch eidliche Bindung kaum in großer Zahl von dem Wege abhalten lassen, der ihnen genehm und ihrem Naturell angepaßt sei. Das Ergebnis wäre, daß sich gerade Leute, von denen wir es in nationaler und sozialer Hinsicht wünschen müßten, daß sie sich der neuen, nun einmal unvermeidlich gewordenen Ordnung zur Verfügung stellten. Andere würden sich, wie schon bemerkt, nicht zurückhalten lassen. Nur die Nahestehenden und unserer seelischen Berücksichtigung besonders Verdienten würden wir in böse Gewissensskrupel stürzen. Daher müsse ich auch die vorgeschlagene Lösung, den Eid zwar aufrechtzuerhalten, den einzelnen Offizieren und Soldaten aber die Ablegung eines Gelöbnisses an die neuen Nationalstaaten zu gestatten, absolut als unehrlich ablehnen. Ich möchte übrigens wissen, wie man sich diese doppelte eidliche Bindung in der Praxis schon heute vorstellt. Ich glaube, daß ich sehr gut gesprochen habe. Von den anderen Beisitzern ergriffen nur noch Andrássy und Lehne das Wort. Sie traten neuerlich für die Kompromißlösung ein, die dann auch im Erlaßwege verfügt wurde. Irgendwelche Konsequenzen hatte sie nicht, die Ereignisse gingen über das ausgeklügelte Zeug hinweg. Im Vorraum kam Bardolff, der während der Sitzung den Mund nicht geöffnet hatte - vielleicht tat er es aus Takt gegenüber seinem Minister - , und beglückwünschte mich unter den größten Elogen zu meiner mannhaften Haltung. Auch Stöger-Steiner war ein wenig beeindruckt. Er meinte, für sie, die Alten, sei nun wohl die Zeit vorüber. Ich aber würde es noch zu was bringen können. Als die beiden im Auto ins Ministerium zurückfuhren, wurden sie von der tobenden Menge aufgehalten. Sie mußten ihre Kappen herausreichen, man schnitt ihnen die kaiserlichen Kokarden ab 6 9 5 ). Vielen Hunderten von Offizieren passierte, so sie es nicht freiwillig taten, das gleiche. Ich kam unbelästigt auf die Triester Reichsstraße und erreichte noch spät abends meine Mansarde in der Welzer Straße. Am anderen Morgen beim Frühstück erstattete ich Waldstätten Meldung über meine vorabendliche Tätigkeit. Er war einverstanden - weniger Arz, den ich bei einer späteren Gelegenheit traf: Seiner konzilianten Art entsprechend, war er für die Kompromißlösung gewesen. Eine praktische Bedeutung erhielt die Eidfrage, wie sie dem Ministerrat vom 30. Oktober gestellt war, auch späterhin nicht mehr. Gelegenheit hätte sich in Ungarn bei den beiden Restaurationsversuchen Karls geboten 696 ). Brave alte Kamera6 9 5 ) Vgl. Carl Frh. v. Bardolff, Soldat im alten Österreich. Erinnerungen aus meinem Leben, Jena 1938, 343. 6 9 6 ) Vgl. L. Jedlicka, Ein Heer im Schatten der Parteien, Graz-Köln 1955, 26ff; das diesbezügliche Schreiben Kaiser Karls an FM. Baron Kövess, Prangins, 29.6.1920, abgedruckt in: Heeresgeschichtli-
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den haben unter dem schweren Gewissenskonflikt gelitten. Aber er wäre keinem von uns in so drastischer Situation auch bei klarer Entscheidung des geschilderten Ministerrates erspart geblieben. Ein richtiger kaiserlicher Offizier, mochte er politisch stehen wo immer, mußte sich in solcher Lage irgendwie mit seinem letzten Obersten Kriegsherrn verknüpft fühlen. Ich dachte mich unter dem Eindruck der ungarischen Ereignisse in die Gemütsstimmung meiner einstigen Armeekameraden hinein und wußte, wohin meine Entscheidung gegangen wäre, falls sich in Österreich Ähnliches ereignet hätte. Erstaunt war ich, daß sich mein alter Freund Jakobich, der während des ersten Restaurationsversuches - schon Offizier der rumänischen Armee - zufällig bei mir in Wien auf Urlaub befand, durch die Ereignisse in Ungarn in keiner Weise berührt zeigte. Noch im Jahre 1920, vor den ungarischen Restaurations versuchen, war übrigens einmal Alfred Krauss zu mir gekommen. Ich führte damals bereits die österreichische Wehr-Zeitung, das Blatt des Offiziersverbandes - oder wie er damals echt österreichisch hieß: des Militär-Gagisten-Verbandes. Krauss zückte ein Manuskript über die Eidfrage 697 ). Er schmähte alle die alten Kameraden, die sich noch irgendwie an den längst im Exil befindlichen Kaiser eidlich gebunden fühlten, in seiner so überaus bösen und gehässigen Art und lobte die, die sich dieser Bindung überhoben fühlten; sie seien die einzig Gescheiten. Krauss meinte, es sei dringend geboten, diese Ausführungen in unserem Offiziersblatt zu eröffnen. Ich lehnte ab. Es bestehe gar kein Grund, diese Frage auf einmal jetzt unvermittelt in die Arena der politischen Debatten zu werfen. Die alten Offiziere hätten unter Zurückstellung aller nicht aktuellen Meinungsverschiedenheiten zusammenzuhalten - es sei zwecklos und schädlich, künstlich Sprengstoff unter sie hineinzutragen. Krauss zog - das erste Mal auf mich böse - von hinnen und brachte seinen Artikel, soviel ich mich erinnere, in der „Deutschösterreichischen Tageszeitung" 698 ). - Ich antwortete in der Wehrzeitung, ohne auf ihn zu verweisen, mit einer Schilderung meiner Erlebnisse im Ministerrat vom 30. Oktober 6 9 9 ); ich habe diese hier schon erwähnt . . . Der Umsturz in Jugoslawien hatte noch eine Geheimgeschichte, die wahrscheinlich nie enthüllt werden wird. Die Führer der kroatischen Rechtspartei und die beiden kroatischen Generäle Snjaric 7 0 0 ) und Mihaljevic 701 ), die sich auch später als ches Museum, 1 9 1 8 - 1 9 6 8 . Die Streitkräfte der Republik Österreich, Katalog zur Sonderausstellung . . ., Wien 1968, 142; in Ungarn wurde 1920 ein Eid auf den Reichs verwes er Horthy gefordert, wobei man Offizieren, die Bedenken hegten, versicherte, daß der Eid auf den König nach wie vor gültig sei. Vgl. A. Lehár, Erinnerungen. Gegenrevolution und Restaurationsversuche in Ungarn 1 9 1 8 - 1 9 2 1 , Wien 1973, 154f. 6 9 7 ) Möglicherweise das Manuskript: Der Eid des Geheimen Rates (KA., sign. B/60, nr. 14). 6 9 β ) Eine Stellungnahme Krauss' erschien nicht in der „Deutschösterreichischen Tageszeitung^', sondern als Flugschrift Nr. 1 des Nationalverbandes deutscher Offiziere: „ D e r Treueid des alten österreichischungarischen Soldaten" im März 1920. S. dazu: Die Generalobersten Georgi und Roth gegen General Krauss, in: Wiener Sonn- und Montagszeitung, 5 . 4 . 1 9 2 0 , 4. 6 " ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 66. 7 0 0 ) Lukas Snjaric ( t a n k e , Kroatien, 2 2 . 6 . 1 8 5 1 - 2 8 . 1 . 1 9 3 0 , Klausenburg), Sohn eines Grenzers, 1 . 9 . 1 8 7 0 als Korporal aus der Militärgrenzschule in Otocac zu Grenz-IR. 2, 1.11.1874 Lt. IR. 51, Karriere als Truppenoffz., 2 1 . 3 . 1 9 0 7 als Obst. Kmdt. I R . 2, 2 3 . 1 0 . 1 9 0 9 Gendarmeriekorpskmdt. in Bosnien-Herzegowina, 1.11.1911 G M . , 1.11.1914 F M L . , 3 1 . 3 . 1 9 1 5 Kmdt. 59. I T D . , 15.3.1917 zugeteilt
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echte Schwarz-gelbe erweisen sollten, waren knapp vor dem 28. Oktober noch beim Kaiser in geheimer Audienz. Bei dem Staatsakt, der offiziell die Loslösung der Länder Kroatien, Slawonien, Dalmatien, Bosnien, Herzegowina, Slowenien als gesonderten jugoslawischen Staates verkündete, erschienen die genannten Generäle in voller Uniform in der Loge im Agramer Landtag, in der ich nach 1941 so oft saß. Die Bauernpartei als führende Partei der Südslawen, legte Gewicht darauf, festzustellen, daß sich die Staatsgründung im Agramer Sabor nur auf die Gebiete auf österreichisch-ungarischem Boden - die Vojvodina mitinbegriffen - beziehe. Dieser Staat werde seine Beziehungen zu den anderen Staaten regeln, also auch zu Serbien. Schon nach diesem revolutionären Akt, am 31. Oktober, schenkte der Kaiser, bei gleichzeitiger Entlassung der nicht jugoslawischen Mannschaft, die ganze k . u . k . Kriegsmarine dem neuen jugoslawischen Staate. Es geschah sicherlich vor allem, um die Marine dem Zugriff der Italiener zu entziehen. Das Geschenk konnte aber doch auch als Symptom dafür gewertet werden, daß zwischen dem Kaiser und einzelnen jugoslawischen Gruppen eine geheime Verabredung bestand. In Baden, beim A O K . , waren zahlreiche Zeichen der Auflösung zu bemerken. Kameraden, die nicht Deutschösterreicher waren, dachten nervös an ihre Heimat, rüsteten zur Abreise und traten sie eventuell sogar schon an. Ein ungarischer Honvédgeneral hatte sich als Verbindungsoffizier des Honvédministeriums in der Operationsabteilung eingefunden 702 ). Die Quartiermeister-Abteilung unter Führung des Obersten v. Zeynek war, soweit sie überhaupt noch bestand, aus dem Hotel Bellevue in Vöslau, dem lieblichen Weinort, in den ihr sicherer erscheinenden Port des operativen Kommandos in Baden geflüchtet. In der Nachrichtenabteilung errichtete Oberst Ronge große Autodafés, um Akten zu verbrennen. Aus seinen Protokollen hatte er schon vorher mit ebenso liebevoller wie berechtigter Vorsorge alle kompromittierenden oder mit Kompromittierung bedrohten Namen herausgeschnitten. Leider bewies später Conrad v. Hötzendorf bei der Publikation seiner Memoiren nicht die gleiche Vorsicht. Mehr als ein ehemaliger Offizier in den Nachfolgestaaten hatte unter diesem Mangel an Vorsicht zu leiden gehabt. dem General-Inspektor der Fußtruppen, 1.5.1918 Gdl., 1.7.1918 mit Wartegebühr beurlaubt, 9.10.1918 Militärkmdt. in Agram (Übernahme des Kmdos. mit 18.10.1918), 1.1.1919 pensioniert. 70 >) Michael Mihaljevic (Ostarija, Kroatien, 2 6 . 1 0 . 1 8 6 4 - ? ) , 1882 als Kadett aus IKSch. Karlstadt zu IR. 79, Glstbslaufbahn, 1.5.1911 Obst. i . G . , Glstbschef XV. Korps, 12.11.1914 Kmdt. 83. LwIBrig., 3.3.1915 G M . , 21.3.1916 Kmdt. 14. GebirgsBrig., 25.2.1917 Stellvertreter des Chefs des Ersatzwesens, 29.6.1917 Kmdt. 42. H I D . („Teufelsdivision"), 2 2 . 5 . 1 9 1 8 - E n d e Mai 1918 dem Honvédministerium zur Verfügung gestellt, 27.9.1918 Honvéd-Distrikts-Kmdt. ν. Agram, ab Kriegsende kurze Zeit Kmdt. d. kroatischen Nationalarmee, 1919/20 in Wien, dann in Agram. ™2) Josef Grf. Takacs-Tolvay v. Kis-Jóka u. Kópósdi (Kis-Czell, Ungarn, 1876-?), 1895 aus der Ludovica-Akademie als Kadett-Offiziersstellvertreter zu H I R . 1, 1895 zu H H R . 7, 1.11.1895 Lt., Glstbslaufbahn, 1.5.1904 Rtm. u. zugeteilt dem Hofstaat bei Ehg. Josef August als Erzieher, 17.10.1908 enthoben, 1.11.1911 eingeteilt beim III. Korpskmdo., 24.2.1912 Glstbschef bei der KTD. in Temesvár, 1.5.1912 Mjr. i . G . , 1.11.1914 Obstlt. i . G . , U . 11.1915 Glstbschef Milkomdo. Budapest, 1.5.1917 Obst. u. Rgtskmdt. H H R . 9, 13.11.1918 Bevollmächtigter des ung. KM. beim A O K . bzw. Staatsamt f. Heerwesen, zur Zeit der Räteregierung Anhänger der Gegenrevolutionäre in Wien und führend am „Bankgassenraub" (Uberfall auf die ung. Gesandtschaft) beteiligt, 1920-1923 ung. Militärbevollmächtigter in Warschau.
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Als ich am 31. Oktober die Welzergasse hinabschritt, begegnete ich wie täglich mehrmals dem Offiziersdiener des Oberstleutnant Des Loges 7 0 3 ). Er war ein Deutschböhme mit weißen Aufschlägen. Er sah mir keck ins Gesicht, ohne mich zu grüßen. Das ging mir dann doch über die Hutschnur. Ich stellte ihn nicht unter Berufung auf das Vorgesetzten- und Untergebenen Verhältnis, sondern auf die menschliche Anständigkeit. Das wirkte. Wir standen in den nächsten Tagen wieder auf dem freundschaftlichsten Grüßfuß. Nachdem ich meinen Kaffee, der selbst im A O K . nicht mehr ganz echt war, hinuntergeschlürft hatte, begab ich mich natürlich im Auto nach Wien. Mein Fahrer, selbst ein Wiener, war mit mir sehr gnädig, ein anderer hätte mich sicherlich nicht mehr nach Baden zurückgebracht. Auf der Fahrt dachte ich über den nun schon zu uns kommenden Zusammenbruch nach. Dabei immer die Frage: Wann werden die ersten Granatwerfer der Feldarmee auf dem Semmering erscheinen ? Ich hatte schon um den 10. Oktober Waldstätten und dem Artilleriereferenten Oberst Pflug, genannt Tate, vorgeschlagen, ob es nicht zweckmäßig wäre, die unzähligen Offiziere im Wiener Becken, das A O K . mitinbegriffen, in Offiziersbataillone zusammenzufassen und mit Gewehren zu bewaffnen. Nähme man die Militärschulen dazu, dann käme eine ganz hübsche Verteidigungsmacht oder Polizeimacht heraus, mit der man schon etwas machen könnte. Meine Anregung fiel nicht auf fruchtbaren Boden. Bloß für Schönbrunn, wohin der Kaiser endgültig übersiedelt war, griff man in den folgenden Tagen auf die Militärakademien, vor allem die Neustädter Akademie, als Wache für das Schloß. Es war der letzte Ehrenplatz, den die Kinder Maria Theresias am Ende einer langen, großen Geschichte einzunehmen hatten 704 ). Mein Weg führte mich ins Parlament. Dort herrschte schon sehr große Aufregung. Charakteristisch war die mächtige Zahl von Offizieren bis zum Obersten, die sich herum tummelte. Ich erfuhr, daß am Vorabend, etwa zur gleichen Zeit mit unserer Sitzung, vor dem Parlament eine Soldatengruppe demonstrierte, die sich vor allem in heftigem Geschrei gegen das A O K . wandte. Es war sonach nicht ganz einfach für mich, vor einer solchen den Generalstab im allgemeinen und das A O K . im besonderen entschieden ablehnenden Gesellschaft aufzutreten. Ich tat es aber doch und vermochte manche brausende Woge zu glätten. Bemerkenswert für die Stimmung war dabei eines: wenn es eine konservative Plattform gab, auf der man diese erhitzten Leute zusammenbringen konnte, so war dies der nationale Gedanke, die Anschlußidee. Wir hatten natürlich auch in Baden in den letzten Wochen mehrfach über diese Dinge gesprochen, und es war uns allen mehr oder minder selbstver7 0 3 ) Franz Des Loges (Karbitz, 1 7 . 8 . 1 8 8 3 - 2 6 . 5 . 1 9 3 8 , ?), 1903 aus IKSch. Prag als Kadett-Offiziersstellvertreter zu IR. 94, 1 . 5 . 1 9 0 5 L t . , 1 . 5 . 1 9 1 1 O b l t . , im Dezember 1914 am serb. Kriegsschauplatz verwundet, 1 5 . 4 . 1 9 1 5 Stabskompaniekmdt. u. Platzkmdt. des K P Q . , 2 9 . 4 . 1 9 1 8 Adjutant des Chefs der Präsidialabt. A O K . , 2 0 . 1 1 . 1 9 1 8 Leiter des Sekretariats des jeweiligen Vorsitzenden des Zivilkommissariats bzw. d. Parlamentskommission für Heeresangelegenheiten, 1 . 7 . 1 9 2 0 Mjr., 1 . 6 . 1 9 2 4 Obstlt., 3 1 . 8 . 1 9 3 2 pensioniert als Titular-Obst. 7 0 4 ) Vgl. W . Schuschnigg, Allzeit getreu!, in N W J . , 3 . 9 . 1 9 3 6 , 11; E . Pechaczek, Die letzten Tage der Theresianischen Militärakademie, o . O . , 1932; J . H . Blumenthal, Theresianische Militärakademie, IV.Teil, 5 0 f . ; W . Dietrich, Das letzte Majestätsgesuch, in: N W J . , 2 2 . 1 0 . 1 9 3 6 , 11.
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ständlich, daß für den Fall eines Zusammenbruches der Monarchie Deutschösterreich, die Sudetengebiete mitinbegriffen, als eine Art Bayern ans Reich anzuschließen sein würde. Am 17. Oktober hatte Otto Bauer in der Arbeiter-Zeitung den Anschluß als die dem Proletariat allein entsprechende Lösung verkündet 705 ). Neben den deutschen Alpenlanden sollte noch ein Land Deutschböhmen und ein Land Sudetengebiet sowie Österreichisch-Schlesien als österreichische Gebiete zum Reich kommen. Zu Cramon sagte ich am 28. Oktober: „Also jetzt ist es soweit; ich mache Sie aber aufmerksam, daß ich von morgen an der ärgste Partikularist bin." Sogar über die künftige Uniform der deutsch-österreichischen Regimenter plauderten wir, und Rittmeister Wallenberg vom Regiment Großer Kurfürst trat entschieden dafür ein, daß die Österreicher ihre alten Uniformen, abgesehen von kleinen Abzeichen, behalten sollten. Diese Herren verstanden es besser als nachher das Dritte Reich. Im Parlament bemerkte ich in dem Chor die Rache Uniformierter, der mich umgab, daß alle auf ihren Kappen statt der kaiserlichen die schwarz-rot-gelbe Kokarde trugen. Mit Rücksicht auf die grundsätzlich bestehende Gefahr eines Linksrutsches begrüßte ich diese Einstellung, stärkte sie, obgleich mir Cramon in der Früh mitgeteilt hatte, Solf 7 0 6 ), Staatssekretär des Auswärtigen, hätte ausdrücklich vor zu stürmischer Anschlußpropaganda gewarnt; es könnten dadurch die allgemeinen Friedensbedingungen für das Reich ungünstig beeinflußt werden. Auf der Treppe begegnete ich Dr. Renner, seit dem Vortage Staatskanzler des neuen Österreich. Ich fragte ihn, ob wir den Bolschewismus zu fürchten hätten. Er meinte: „Bolschewismus wäre wenigstens organisierte Anarchie, wenn wir nur keine unorganisierte bekommen !" Aufregende Gerüchte kamen. In Budapest war Tisza ermordet und anstatt Hadik Michael Károlyi zum allerdings noch königlichen Ministerpräsidenten ernannt worden. Es vergingen nicht vierundzwanzig Stunden, da erbat und erhielt Károlyi das Recht, sich als Ministerpräsident von Volkes Gnaden zu betrachten und an kein Gelöbnis gegenüber der Krone gebunden zu sein. Erzherzog Joseph, der Feldmarschall, legte zur gleichen Zeit den Titel als Erzherzog von Österreich nieder und nannte sich nach einem Gute, das er besaß, Joseph von Alcsüt, was uns einigermaßen verblüffte. In der Villa Giusti war unsere Waffenstillstandskommission endlich empfangen worden 707 ). Ihr Leiter, General Weber von Webenau 708 ), hatte einige Tage lang 7 0 5 ) O . B . , Das neue Europa, in: Arbeiter-Zeitung, 2 7 . 1 0 . 1 9 1 8 , l f . Vgl. ansonsten: H . Steiner, O t t o Bauer und die „ A n s c h l u ß f r a g e " 1918/19, in: D i e Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im D o n a u r a u m , hg. v. R . G . Plaschka u. K . M a c k , Wien 1970 (Schriften des ö s t . O s t - und Südosteuropa-Instituts, Bd. 3), 4 6 2 - 4 8 2 . 7 0 6 ) Wilhelm Solf (Berlin, 5 . 1 0 . 1 8 6 2 - 6 . 2 . 1 9 3 6 , Berlin), D r . iur., seit 1896 in der Kolonialabt. des Auswärtigen Amtes bzw. in den Kolonien, 2 0 . 1 2 . 1 9 1 1 - 1 3 . 1 2 . 1 9 1 8 als Staatssekretär Leiter des Reichskolonialamtes, 4 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 3 . 1 2 . 1 9 1 8 auch Staatssekretär des Äußeren. Vgl. dazu: E . Keleher, Deutschland, Deutschösterreich und die Anschlußfrage in den letzten Wochen des Ersten Weltkrieges, in: Österreich in Geschichte und Literatur, J g . 1 2 / 1 9 6 8 , 1 3 2 - 1 4 7 . 7 0 7 ) Vgl. diesbezüglich: L . Jedlicka, D e r Waffenstillstand von Padua 4. N o v e m b e r 1918, in: V o m alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen Zeitgeschichte 1 9 0 0 - 1 9 7 5 , St. Pölten-
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vergebens an die Tür der Italiener geklopft. Diese ließen sich auffallend Zeit - begreiflicherweise. Sie wollten mit einem möglichst eindrucksvollen militärischen Erfolg, der ihnen nach dreieinhalb Jahren zum ersten Mal billig winkte, am Friedenstisch erscheinen und hatten daher gar keinen Grund, den Auflösungsprozeß beim kaiserlichen Heere irgendwie zu verlangsamen. J e mehr es dort drunter und drüber ging, umso besser für das italienische Endergebnis. In unserer Waffenstillstandskommission befanden sich auch Oberst Schneller, Generalstabschef des Edelweißkorps, und mein Jugendkamerad Oberstleutnant Freiherr v. Seiller 7 0 9 ), seit Jänner Generalstabschef der Kaiserjäger-Division - was ich hätte werden sollen. Schneller telegraphierte vor seinem Ubertritt in die italienischen Stellungen noch an das A O K . , es sei höchste Zeit, Waffenstillstand zu schließen, sonst drohe der Armee volle Anarchie. An einem dieser Tage kam auch plötzlich Fürst Schönburg auf der Durchreise nach Wien in Baden an 7 1 0 ). Ich war in ein nicht übermäßig elegantes Zivil gekleidet, da ich eben im Begriffe stand, mich wieder nach Wien ins Parlament zu begeben. Er sah mich etwas schief an und machte sich offenbar seine Gedanken. Der Kaiser hatte ihn, Czernin und noch einen Hocharistokraten gerufen, sie mögen sich um den Thron scharen. Schönburg mußte leider die Aussichtslosigkeit eines solchen Beginnens darstellen in einem Augenblick, da sich sein Armeekommando schon auf der Rückfahrt von Vittorio nach Villach befand. Er berichtete mir auf seiner Rückkehr die recht peinliche Szene in Schönbrunn. Übrigens hatte er gar nicht mehr viel Freude, zu seinem Kommando zurückzukehren. Ich konnte es nachfühlen. Er zog sich nach dem Zusammenbruch in sein Jagdhaus am Achensee in Tirol zurück und vollendete dort am 21. November sein sechzigstes Lebensjahr. Wien 1975, 121-140; B.Wagner, Der Waffenstillstand von Villa Giusti, 3.November 1918, Wr. Diss. 1970. 7 0 β ) Viktor Weber v. Webenau (Neuhaus bei Lavamünd, 13.11.1861-4.5.1932, Innsbruck), 1879 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Liebenau zu FJB. 27, 1.11.1880 Lt., Glstbslaufbahn, 1.5.191 f GM. u. Kmdt. 4. GebBrig., 25.4.1914 zugeteilt dem Obersten Militärgerichtshof, 1.7.1914 Vizepräsident, 1.8.1914 FML., 9.4.1915 Kmdt. 47. ITD., 26.2.1916 Militärgouverneur v. Montenegro, 10.7.1917 Kmdt. X. Korps, 1.11.1917 G d L , 7.2.1918 Kmdt. d. mobilen Truppen in den Milkmdo.-Bereichen Wien, Krakau, Lemberg, 15.5.1918 Kmdt. XVIII. Korps, VII. 1918 Kmdt. VI. Korps, 27.10.1918-3.11.1918 Leiter d. Waffenstillstandsverhandlungen mit Italien; Zuerkennung des Ritterkreuzes des Militär-Maria Theresien-Ordens für die Erstürmung des Lovcen. 7 0 9 ) Viktor Frh. v. Seiller (Albano, Italien, 18.8.1880-29.11.1969, Wien), 1901 aus Techn. Milak. als Lt. zu DAR. 8, Glstbslaufbahn, 25.5.1915 Chef der Nachrichtenabt. beim Kmdo. Südwestfront, 14.1.1918 Glstbschef 94. ID., 5.4.1918 Glstbschef Kaiserjägerdiv., 28.10.1918-11.11.1918 Mitglied der Waffenstillstandskommission, sodann bis 1920 Verbindungsoffz. des dö. Staatsamts f. Heerwesen bei der französischen und britischen Militärkommission, Delegierter bei der interalliierten Waffenstillstandskommission, 1920-1941 in der Privatwirtschaft, 1.5.1941 verpflichtet als Zivilangestellter bei dt. Militärverwaltung Südost, 12.5.1945-8.1.1946 Leiter des Verbindungsdienstes zu den alliierten Besatzungsmächten in der Staatskanzlei - Heeresamt, 1.3.1946 Vertragsbediensteter im Bundeskanzleramt - Verbindungsstelle zum Alliierten Rat, 5.9.1947 Regierungsrat, 31.1.1956 pensioniert. Vgl.: V. Seiller, Villa Giusti 1918, in: Die Furche, 1.11.1958, 3f.; 8.1.1958, 5f.; 15.11.1958, 3. 7 1 0 ) Schönburg-Hartenstein war am 3. u. 4.11.1918 in Wien. Er wurde am 4.11. von Kaiser Karl empfangen, der den Fürsten laut dessen Erinnerungen bat, den Adel um ihn, den Kaiser, zu versammeln. Vgl. Holub, 76 f.
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Er erschien erst nach Monaten wieder in seinem entzückenden Wiener Palais auf der Wieden. Am 29. hatte der junge Kaiser ein in seiner Unbeholfenheit rührendes Telegramm an Wilhelm II. geschickt, in welchem er sagte, er werde sich an der Spitze seiner deutsch-österreichischen Regimenter stellen und mit ihnen weiterkämpfen. Dieses Versprechen mußte gut gemeint gewesen sein, war aber nicht ernst zu nehmen. Der Reihe nach kam es bei Truppen aller Nationen zu schweren Gehorsamsverweigerungen, zuletzt bei den Deutschen, die nun auch nicht mehr in die Schlacht gehen oder in ihr ausharren wollten. Die Eisenbahnzüge waren voll besetzt von nach Hause drängenden Soldaten, sie sahen wie Bienenschwärme aus. Auf mancher Brücke, in manchem Tunnel wurden auf den Dächern sitzende Leute abrasiert, daß ihre Körper blutüberströmt hinabrollten. Die Waffenstillstandsbedingungen waren niederschmetternd. Verwahrungen gegen einzelne Bestimmungen halfen nichts. Der Versuch, die Vertreter Deutschösterreichs zu einer Stellungnahme zu bewegen, scheiterte an deren strikter Ablehnung. In der Nacht auf den 3. November - es war ein furchtbares Allerseelen gewesen - übergab der Kaiser das AOK. an GO. Arz, der es jedoch nur bis zum Einlangen des ältesten Marschalls, des Freiherrn v. Kövess, führte, der seine Armee am letzten Oktobertage über die Donau bei Belgrad zurückgeführt hatte. Am 3. November vormittags kam ich zu Waldstätten. Ich hatte gehört, daß der Waffenstillstand 711 ) perfekt sei. Da sagte er mir: „Stelle dir vor, ein furchtbares Mißverständnis! Wir haben bereits den Befehl zum Einstellen des Feuers an der ganzen Front gegeben und jetzt erklärten die Italiener, daß der Waffenstillstand erst morgen um drei Uhr nachmittags in Kraft treten werde!" Das Mißverständnis entstand daraus, daß wir in unserer Sehnsucht nach Waffenruhe irrtümlicherweise annahmen, ein uns aus Villa Giusti gesandter Entwurf zu einem Waffenstillstandsvertrag sei mit der Annahme durch uns bereits pefekt. Diese Auffassung war formal falsch und hätte sich bei Überlegung der technischen Ausführung - zum Beispiel „sofortige Einstellung" der Feindseligkeiten - nicht aufrechterhalten lassen. Dennoch telegraphierten wir gleichzeitig mit der Annahme der Bedingungen gegenüber Villa Giusti an die Front, das Feuer sei sofort einzustellen. Da kam aus Villa Giusti die Verständigung, der Waffenstillstand werde am 4. 11. um drei Uhr nachmittags in Kraft treten. Sechsunddreißig Stunden nach unserem Einstellungsbefehl. Es war klar, daß das „Mißverständnis" den Italienern eine Unzahl mehr Gefangener einbringen mußte. Da mir die Genfer Bestimmungen, nach denen Kriegsgefangene spätestens nach dem Friedensschluß nach Hause zu lassen seien, nicht geläufig waren, dachte ich, die Gefangenen müßten ja doch in kurzer Zeit wieder entlassen werden, und ich betrachtete es momentan als eine Erleichterung für Deutschösterreich, daß sich wenigstens ein Teil der weichenden Massen fürs erste nicht über das Land ergießen werde. Ich sagte dies Waldstätten, der mir beipflichte7 n ) Vgl. dazu auch den Briefwechsel zwischen Spitzmüller und Waldstätten aus dem Jahre 1950, in: K A . , sign. B/878.
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te. Tatsächlich ist der größte Teil der vierhunderttausend Kriegsgefangenen, die den Italienern durch das sogenannte Mißverständnis in die Hände gespielt wurden, erst im Herbst 1919 heimgekehrt. Viele Verbände ließen sich einfach nicht gefangennehmen. Das A O K . verfiel immer mehr der Auflösung. Von den Generalstabsoffizieren wurde überdies ein halbes Dutzend an die wichtigsten Knotenpunkte hinter der Front entsendet, damit sie dort - ein frommer Wunsch - bei der Rückzugsregulierung mitwirkten. Ich wurde in Wien benötigt und war nicht bei diesen. Ich glaube kaum, daß einer sein Ziel noch erreicht hat. Diejenigen Mitarbeiter des A O K . , die nicht Deutschösterreicher waren, hatten zum größten Teil - bei würdiger Abmeldung - den Weg nach Hause eingeschlagen. Ich hatte an einem dieser Tage als Vertreter des A O K . an einer Sitzung bei Kriegsminister Stöger-Steiner teilgenommen. Es drehte sich um die Waffen im Arsenal oder dergleichen. Das ist nicht mehr besonders interessant. Unter den Anwesenden befand sich ein junger Sozialdemokrat, der durch sein selbstbewußtes Auftreten, zumal gegen den Arsenalkommandanten, einen uralten General 7 1 2 ), besonders auffiel. Es war Julius Deutsch 7 1 3 ), der neue Unterstaatssekretär für Heereswesen, der im Februar 1919 an die Spitze dieses Staatsamtes treten sollte. Es war für mich natürlich nicht übermäßig erfreulich, nunmehr am lebenden Objekt zu sehen, unter welches Kommando wir geraten waren. N u n hieß es allgemach auch für die Heeresleitung, vom lieben Baden Abschied zu nehmen. Die letzten Tage waren, abgesehen von den Weltereignissen, auch im Einzelleben nicht schön. Soldatenräte und Stadtverwaltung teilten sich in der Ausübung der „Pflicht", die keineswegs aufreizend großen Vorräte des A O K . zu beschlagnahmen. Das brave Egerländer Bataillon und die meist dem Regiment 84 entstammenden Ordonnanzen drängten nach Hause. Jede Disziplin hörte auf. Mein Gottfried packte zusammen, es war unbegreiflich wenig, was er aus meinem und seinem Zimmer einzupacken hatte. A m 5. November nachmittags standen auf dem Josefsplatz zwei Sonderzüge der Elektrischen. Sang- und klanglos verließen die Of7 1 2 ) Anton Lang (Lemberg, 2 5 . 5 . 1 8 6 1 - 1 4 . 4 . 1 9 1 9 , Wien), 1882 aus der Techn. Milak. als Lt. zu F A R . 3 , Artilleriestabslaufbahn, 1.10.1909 Vorstand der 1. Abt. d. I.Sektion im Techn. Militärkomitee, 2.1.1911 Obst., 8. 7.1911 zugeteilt dem Inspektor der Festungsartillerie, 25.3.1913 Kmdt. höherer Artilleriekurs, 29.7.1914 Artilleriereferent des Etappenoberkmdos., 1.5.1915 G M . , 6.10.1915 Brückenkopfkmdt. Iwangorod, 27.3.1917 Kmdt. des Wiener Arsenals, 1.5.1918 F M L . , 1.1.1919 pensioniert. 7 1 3 ) Julius Deutsch (Lackenbach, Westungarn bzw. Burgenland, 2 . 2 . 1 8 8 4 - 1 7 . 1 . 1 9 6 8 , Wien), 1908 D r . iur., 13.1.1915 als E F . zu F A Batl.4, 8.12.1915 Fhr. i.d. Res., 1.8.1916 Lt. i . d . Res., 19.12.1917 transferiert zu K M . , Abt. 10/KW., 1.11.1918 Oblt. i . d . Res., 3 . 1 1 . 1 9 1 8 - 1 5 . 3 . 1 9 1 9 Unterstaatssekretär im Staatsamt für Heerwesen, 1 5 . 3 . 1 9 1 9 - 2 2 . 1 0 . 1 9 2 0 Staatssekretär, 1919-1933 Abgeordneter zum Nationalrat des Wahlkreises Meidling-Hietzing-Fünfhaus, 1923 beteiligt an der Gründung des „ R e p u blikanischen Schutzbundes" und dessen Obmann, Februar 1934 Flucht aus Österreich in die Tschechoslowakei, sodann General der republikanischen Streitkräfte in Spanien, sodann Flucht in die Vereinigten Staaten, nach Kriegsende wieder in der Sozialistischen Partei Österreichs tätig. Verfasser zahlreicher Broschüren ( z . B . Wehrmacht und Demokratie, Berlin 1926) und der Erinnerungswerke: Aus Österreichs Revolution, Wien 1923; Ein weiter Weg, Zürich-Leipzig-Wien 1960. In dem in der Bibliothek des K A . erliegenden Exemplar von: J . Deutsch, Wehrmacht und Demokratie, Berlin (o. J . , um 1926) befinden sich zahlreiche Randglossen Glaise-Horstenaus.
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fiziere des AOK. die freundliche Kurstadt an der Schwechat, die sich völlig in das Herbstkleid gehüllt hatte. Niemand nahm von der Abreise Notiz, weder im freundschaftlichen noch im feindlichen Sinn. Ich hatte diese traurige Stunde nicht miterlebt. Dank meiner Bündnisfreundlichkeit, die sich in drei schweren Jahren bewährt hatte, lieh mir Cramon sein Auto. Ich packte einen Koffer und die Schreibmaschine ein, Gottfried setzte sich neben den Fahrer, Wallenberg und ich nahmen im Coupé Platz. Eine Stunde später läuteten Gottfried und ich in der Grünbergstraße Nr. 9, 3. Stock, Tür 13, und meine Mutter machte auf. Ich war wieder zu Hause. Wie schön erlebte sich doch jener Zusammenbruch im Vergleich zu dem, der siebenundzwanzig Jahre später - wenn auch mitten in eine herrliche Maienpracht - fiel. Die Mutter hatte, teils wegen ihrer Unverträglichkeit, seit Weihnachten 1915 keinen dienstbaren Geist mehr. Sie war bereits achtundsechzig Jahre alt. Aber sie machte sich wie eine Junge an die Arbeit im Hause. Ich hatte mich den Winter über und auch in der folgenden Zeit nicht über schlechte Pflege zu beklagen, sie verwöhnte mich in der gewohnten Art und brachte auch das Kunststück zuwege, das Ernährungsproblem trotz der entsetzlichen Lage gut zu lösen. So erhielt ich an einem einzigen Morgen - der Kuriosität wegen sei es gesagt - keinen anständigen Milchkaffee. Die letzten Kaisertage in Schönbrunn verbrachte ich von meiner Wohnung aus in enger Verbindung mit dem Hofe, öfters besuchte ich Werkmann. In die kaiserlichen Gemächer kam man, wenn man wollte, fast unaufgehalten. Das Hofpersonal ist traditionell schlecht gehalten worden. Es war schlecht bezahlt und hatte sanitätswidrige Wohnungen. Man konnte sich eigentlich nicht wundern," daß es sich daher recht revolutionär benahm. Auch die Garden versagten vielfach ihren Dienst. Militärakademiker bezogen, wie schon gestreift, die Schloßwache. Der Gardeoberst Dankl mußte die Garden unmittelbar nach der Abfahrt des Kaisers entlassen. Die Kaiserin fragte bei Gelegenheit Arz, ob er Truppen für die Bewachung des Kaisers habe. Der General mußte antworten: „Nicht ein Bataillon, Majestät." Wohl bildeten sich irgendwo Offiziersbataillone, aber die deutschösterreichische Regierung, das heißt die Wiener Sozialdemokratie, war solchen Experimenten von Grund auf abgeneigt, es geschah alles, sie mißlingen zu lassen. Im Kriegsministerium rannten die Wachen weg. Als die Wiener Division in relativ guter Haltung ankam, wurde sie vom christlichsozialen Staatssekretär, meinem späteren Freunde Waihs 714 ), mit der Aufforderung empfangen, nur ja rasch nach Hause zu gehen. Unter sozialdemokratischer Patronanz bildete sich eine „Volkswehr", mit der selbst ihre Gründer nur wenig Freude erlebten. Die Operationsabteilung des AOK. bezog Räume im Gebäude des nie seinem Zweck zugeführten Hotels Majestic, Canovagasse, gegenüber dem Café Imperial. 7 1 4 ) Dr. Erwin Waihs (Wien, 3 . 8 . 1 8 8 0 - 5 . 8 . 1 9 5 9 , Aich/Attersee), Landesgerichtsrat in Wien, EF. im 3 . T K J R . , 20.12.1903 zu Trainrgt. 1, 1.1.1906 Lt. i . d . Res., Traindivision 15, im Weltkrieg Landsturmlt. bzw. -Oberleutnant-Auditor beim Divisionsgericht Wien, 1919-1934 christlichsozialer Abgeordneter zum Nationalrat für Niederösterreich, 5 . 1 1 . 1 9 1 8 - 2 4 . 6 . 1 9 2 0 Unterstaatssekretär für Heerwesen. Waihs bat im Mai 1938 Glaise-Horstenau anläßlich seiner plötzlichen Beurlaubung als Richter um Hilfe (BGH., ZI. 4163/38).
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Diese Räume waren für das Kriegspressequartier vorgesehen gewesen, das sich natürlich auch längst aufgelöst hatte und für üble Nachrede nicht zu sorgen brauchte. Ich ging täglich in das Büro, ohne irgendwelche bestimmte Aufgaben zu haben. Als ich einmal bei Werkmann weilte, kam der Kaiser durch das Zimmer. Er war bleich, abgehärmt, wie ich glaubte, auch an den Schläfen weiß geworden, und begrüßte mich mit ein paar freundlichen Worten, wobei er es an Dank für vollbrachte Dienstleistungen nicht fehlen ließ. Ich habe den gütigen Menschen zum vorletzten Mal gesehen. Das letzte Mal war es dann am Sonntag, den 9. November. Es war sonntägliches Hochamt in Schönbrunn. Oben hinter dem Fenster an der Emporekirche, an der Epistelseite, erschienen die Antlitze des Kaisers, der Kaiserin und des Kronprinzen. Alles blickte zu dem unglücklichen Fürstenpaar empor. Und als die Orgel am Schluß die wunderbaren Akkorde der Haydn-Hymne ertönen ließ, da ging ein lautes Schluchzen durch den stimmungsvollen Raum. Der Kaiser verhüllte einen Augenblick sein Gesicht, erhob sich dann mit Gattin und Sohn und eilte davon. Die Akkorde verklangen. Lautlos leerte sich die Kapelle. Finis Austriae. Zwei Tage später, zu Mittag, erschien eine kaiserliche Kundgebung. Der Kaiser verzichtete auf die Ausübung der Regierungsgeschäfte und erklärte sich bereit, jede Staatsform im voraus anzuerkennen, die sich das österreichische Volk geben werde. Der Verfasser dieser schlauen Formulierung, die gewisse Hintertürchen offenließ, war niemand anderer als der Sozialminister im Kabinett Lammasch, der k.k. Professor der Moraltheologie an der Wiener Theologischen Fakultät Dr. Ignaz Seipel, der einst im Asyl in Salzburg gewohnt und sich jeweils vom Apotheker Wulz in Maxglan auf seinen Zucker hatte untersuchen lassen. Die Formel wurde am 13. November auch von den Ungarn angenommen 715 ). Einen offiziellen Thronverzicht enthielt sie nicht. Wenige Stunden später hielten einige Autos im Hofe zu Schönbrunn. Die Akademiker traten unter das Gewehr. Seine Majestät der Kaiser und König verließ mit Allerhöchstseiner Familie für immer das Schloß seiner Väter. In den Abendnebel sank die zierliche Silhouette der Gloriette zurück. Eine vieljahrhundertjährige Epoche reicher Geschichte war im Abklingen. Die kaiserliche Familie fuhr durch die Schönbrunner Straße, über den fast verdunkelten Ring, über die historische Jägerzeile - nun Praterstraße - , die alte Reichsbrücke, die noch Kronprinz Rudolf eröffnet hatte, die Donauauen abwärts ins kaiserliche Jagdschloß Eckartsau. Ich habe es später einmal besichtigt. Es war nicht sonderlich bemerkenswert. Allerdings war es wunderbar, daß sich der Kaiser in diese waldumgebene Einsamkeit wagte. Die Bewachung war überaus dürftig. Eine Räuberbande hätte ihn ohne Schwierigkeiten ausheben können. Davor hätte ihn auch ein britischer Oberst 7 1 6 ) nicht bewahren können, der später ins Schloß 7 1 5 ) In einer Erklärung in Eckartsau gegenüber einer ungarischen Delegation unter Führung von zwei Mitgliedern des ungarischen Oberhauses, Kardinal János Csernoch und Baron Gyula Wlassics. 7 1 6 ) Edward Lisle Strutt (?), Oberstleutnant, Enkel des ersten Lord Belper, kämpfte mit Auszeichnung im Burenkrieg und im Weltkrieg, zuletzt Verbindungsoffizier zur Entente-Armee am Balkan, 1919 Kaiser Karl als Vertreter des britischen Königshauses und des Außenministeriums beigegeben und stand auch 1920/21 mit dem Kaiser in Verbindung. Seine Tagebücher und Aufzeichnungen lieferten Material
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zog. Dieser arme kleine Kaiser hatte nie viel Zivilcourage bewiesen, aber persönlichen Mut besaß er, das mußte man ihm lassen ! Es war eine habsburgische Eigenschaft. (Im September 1918 hatte das AOK. bei den Armeekommandos Generalstabsoffiziere zur direkten Berichterstattung eingeteilt. Einer dieser Generalstabsoffiziere schrieb damals an die Heeresleitung, es sei höchste Zeit, daß einmal ein Erzherzog den Tod vor dem Feinde fände. Er hatte nicht unrecht damit. Der mutige Generalstäbler war Slavko Kvaternik, seinerzeit Flügeladjutant des FM. v. Boroevic. Er erschien allerdings Mitte Oktober 1918 in dessen Hauptquartier, um ihm und seinem Landsmann, dem Intendanten Vilko Begic, feierlich zu erklären, daß die Zeit der Habsburger nun vorüber sei und daß es für die Kroaten nur den Anschluß an die Dynastie Karadjordjevic gäbe. Kvaternik war der spätere erste und einzige Marschall von Kroatien, von Gnaden des Ante Pavelic. Des anderen Tages fand wieder eine feierliche Sitzung des deutschösterreichischen Nationalrates statt, der sich zur provisorischen Nationalversammlung konstituierte. Es wurde eine Magna Charta beschlossen. Punkt 1 : Erklärung Deutschösterreichs zur Republik, Artikel 2: Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik. Unterzeichnet von Staatskanzler Dr. Renner und achtundzwanzig Staatsräten 717 ). Auch der Artikel 2 wurde von allen Nationalräten angenommen. Nur ein einziger stimmte tapfer dagegen: Franz Miklas 718 ), seines Zeichens Gymnasialprofessor in Horn. Er war der spätere Bundespräsident, dessen Nachfolger, mit einer siebenjährigen Zwischenpause, Karl Renner wurde. Die Weltgeschichte drehte sich im Kreise. Dr. Anton Schalk und ich begaben uns, neugierig, wie wir waren, in den kritischen Nachmittagsstunden in die Nähe des Parlaments am Franzensring. Plötzlich ging eine Schießerei los, bei der der arme Kaiser Franz Joseph, auch jetzt noch ein Pechvogel, der, in eine herrliche altrömische Toga gehüllt und einen Lorbeerkranz auf dem Haupte, im Architrav steht, seinen rechten segnend über das getreue Wien ausgestreckten Arm verlor. Gleichzeitig zeigte Schalk auf die eine der beiden rotfür gelegentliche Pressepolemiken in den Jahren nach 1921 und standen den Autoren H. Vivian, The Life of the Emperor Charles of Austria, London 1932; und G. Brook-Shepherd, U m Krone und Reich. Die Tragödie des letzten Habsburgerkaisers, Wien-München-Zürich 1968, zur Verfügung. 7 1 7 ) Die Formulierung Glaise-Horstenaus über die Haltung Miklas' ist falsch und irreführend. In der Staatsratssitzung vom 11.11.1918 stimmten drei christlichsoziale Mitglieder, nämlich Wilhelm Miklas, Dechant Karl Prisching aus Krieglach und Athanasius v. Guggenberg, gegen einen von Dr. Renner eingebrachten Gesetzesentwurf über die Staats- und Regierungsform in Deutschösterreich. Sie veröffentlichten darüber auch eine Erklärung. A m 12.11.1918 erklärte Miklas in der Nationalversammlung namens der Christlichsozialen, daß seine Partei es lieber gesehen hätte, wenn es in der Frage der Regierungsform zu einer Volksabstimmung gekommen wäre. Doch sie verzichteten, einen Antrag zu stellen, „ u m die Einigkeit in diesem geschichtlichen Augenblick nicht zu stören". Der Verfassungsentwurf wurde daher in allen drei Lesungen einstimmig angenommen. 7 1 8 ) Wilhelm Miklas (Krems, 1 5 . 1 0 . 1 8 7 2 - 2 . 3 . 1 9 5 6 , Wien), Mittelschullehrer und Gymnasialdirektor, seit 1907 christlichsozialer Abgeordneter für Niederösterreich zum Reichsrat, zur provisorischen und konstituierenden Nationalversammlung, zum Nationalrat, 1918 Mitglied des Staatsrates, 1919-1920 Unterstaatssekretär für Kultusangelegenheiten, 20.11.1923 Präsident des Nationalrates, 5 . 1 2 . 1 9 2 9 - 1 3 . 3 . 1 9 3 8 Bundespräsident.
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weiß-roten Fahnen, die über der Ausfahrt gehißt waren. Die Fahne wurde vorübergehend eingezogen und dann wieder gehißt, aber ohne den weißen Streifen in der Mitte. Sie war durch und durch rot geworden - was ihr zwanzig Jahre später wieder passieren sollte, wobei sie dann freilich ein Hakenkreuz als Pflaster bekam. Einige Abgeordnete bewiesen Opfermut. So ließ sich der kleine Unterstaatssekretär Julius Deutsch von seinem Vorgesetzten, dem Staatssekretär Josef Mayer 7 1 9 ), einem Egerländer und Trainoffizier der Reserve, auf die Schultern heben, um von diesem Hochstand aus zu den erregten Massen zu sprechen. Den Unfug hatte samt der Schießerei eine „Kompanie" kommunistischer Volkswehr angerichtet, die schon um die Monatswende in der Rossauer Kaserne aus dem Boden geschossen war. Neben einem gewissen Dr. Frey 7 2 0 ), der als Kriegsgefangener etliche Monate in Moskau eine gründliche kommunistische Schulung genossen hatte, spielte die Hauptrolle ein kleiner, etwas dicklicher Jude mit starkem Haarschopf, der sich in seiner grauen Landsturm-Uniform mehr komisch als heldisch ausnahm. Er war niemand geringerer als der dem Kriegspressequartier entsprungene bedeutende Dichter und Romancier Franz Werfel. Ich verkehrte später, zum Teil gemeinsam mit Schuschnigg und seiner ersten Frau, wiederholt im Hause Werfeis, der durch die Frau seines Herzens, Alma Mahler, die Witwe des Tonkünstlers und Dirigenten, auch mit dem Verlag Zsolnay irgendwie verwandt war. Als Hausund Hofkaplan des Paares betätigte sich in ihrer schönen Villa der Universitätsprofessor Dr. Hollnsteiner, der nach dem Tod des Kardinals Piffl dringend gerne Erzbischof von Wien geworden wäre und im Jahre 1941 zur Entschädigung für den ihm entgangenen erzbischöflichen Stuhl durch den Gauleiter Eigruber als glücklicher Familienvater - der Satz ist lang - zum Kustos der neuen Musik-Akademie in St. Florian ernannt wurde. St. Florian war das Stammkloster Hollnsteiners gewesen . . . Hollnsteiner erteilte im Hause Werfel-Mahler ein wenig Religionsunterricht. Es ist ihm jedoch nicht gelungen, das Paar in die alleinseligmachende Kirche einzubringen. Wohl aber hat Werfel, als er sich 1940 aus der besetzten in die unbesetzte französische Zone flüchtete und weiter nach Amerika flüchten wollte, für diesen Fall das Gelübde abgelegt, über die fromme Jeanne Bernadette, die Künderin von 7 1 9 ) Josef Mayer (Eger, 9 . 4 . 1 8 7 7 - 2 . 5 . 1 9 3 8 , Eger), Brauereibesitzer, ab 1905 Abgeordneter zum böhmischen Landtag und ab 1910 zum Reichsrat der dt. Agrarpartei, im Weltkrieg Kmdt. einer Kriegsbrückenequippagengruppe, eines Strohankaufkmdos. u. ab 12.12.1916 Leiter der landwirtschaftlichen Abteilung des Wirtschaftsstabes der Militärverwaltung in Rumänien, 1 . 7 . 1 9 1 5 R t m . i . d . Res. L I R . 6 (sie), 2 1 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 6 . 2 . 1 9 1 9 Mitglied d. prov. Nationalversammlung, 3 1 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 5 . 3 . 1 9 1 9 deutschösterreichischer Staatssekretär f. Heerwesen, ab 1920 Abgeordneter im tschechoslowakischen Parlament. 7 2 0 ) Josef Frey (Strakonitz, Böhmen, 2 5 . 1 1 . 1 8 8 2 - ? ) , 1905 als E F . zu L I R . 8 (SchR. 8), 1 . 1 . 1 9 0 7 L t . i . d . Res., sozialdemokratischer Politiker, 2 6 . 7 . 1 9 1 4 - 2 0 . 3 . 1 9 1 6 K m d t . einer Gendarmerieabtlg., 1.11.1914 Oblt. i . d . Res., 2 1 . 3 . 1 9 1 6 Adjutant beim Landesgendarmeriekmdo.2, 1 . 3 . 1 9 1 7 Adjutant beim Ersatzbataillons, 2 0 . 8 . 1 9 1 7 - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 7 u. 1 5 . 1 2 . 1 9 1 7 - 9 . 1 1 . 1 9 1 8 an der Front, 1.11.1917 H p t m . i . d . Res., 10.11.1918 Kommandant der Roten Garde, 5 . 1 2 . 1 9 1 8 gewählt zum Vorsitzenden des Vollzugsausschusses des Soldatenrates der Wiener Volkswehr, 16.12.1918 Spaltung der Roten Garde in Volkswehrbataillon X L (unter Frey) und Volkswehrbataillon X L I (Sozialrevolutionäre und radikale Elemente unter Peter Waller), 1.8.1918 Rücktritt vom K m d o . , 1921 Beitritt zur K P Ö und sofort Mitglied des Zentralkomitees, 1927 als Trotzkist aus der Partei ausgeschlossen.
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Lourdes, ein Buch zu schreiben. Er tat es; ich habe es in Agram nicht ohne Bewegung gelesen. Werfel erging es so wie seinem Vorfahren Mosis. Er erlebte zwar noch den Sieg der alliierten Waffen, wurde aber knapp vor seiner Heimkehr in das von ihm sicherlich geliebte Österreich vom Tode ereilt. Ich war über die Erlebnisse tief niedergeschmettert. Schalk dagegen war als Schönerianer rückfällig geworden und trauerte der Vergangenheit nur wenig nach. In sein Wigwam in der Siebensterngasse zurückgekehrt, schob er einen prachtvollen Kalbsnierenbraten in das Bratrohr und träufelte in tiefer Andacht herrliche Butter darauf. Er hatte beides, Braten und Butter, im Schwarzhandel erstanden. Während der Zeremonie hielt er weise Reden darüber, daß das deutsche Volk nun werde darben müssen. Der Wein, den er kredenzte, war wie immer ausgezeichnet. (Anton Schalk hatte einige Wochen vor dem Umsturz mit verschiedenen fremden Geldern, darunter auch solchen der Brüder Westen 7 2 1 ), ein nationales Blatt, den „Wiener Mittag" 7 2 2 ), gegründet. Der Rückfall zum Schönerianer zeigte sich auch bei dessen Führung. Zum Chefredakteur machte er den uralten Schönerianer Viktor Lischka 7 2 3 ), einen typischen Vertreter seiner Klasse. Bemerkenswert war der Dichterwald, mit dem er sich umgab. Von Franz Karl Ginzkey und Nabl 7 2 4 ) an war alles " ' ) Frdl. Auskunft von Ing. Hans Liebitzki (s. auch Personen-Kompaß, Bd. L X V I I , 1934, 1363): Gemeint sind die Industriellen August, Peter und Adolf Westen. Peter Westen war die politisch am meisten interessierte Persönlichkeit und der Freund Schalks. Sie stützten sich vor allem auf eine Emailgeschirr-Fabrik in Olkuszcz und eine Fabrik für technische Gummiartikel und für Aluminiumerzeugnisse in Wolbrom (Polen). 7 2 2 ) Der „Wiener Mittag" erschien vom 19.8.1918 bis 3 1 . 8 . 1 9 2 2 . In der letzten Nummer wurde mitgeteilt, daß er ab 1.1.1923 als „Morgenpost" wieder erscheinen sollte. Dazu kam es aber nicht. Umfang war immer 4 S. Ab Oktober 1918 schlug das Blatt eine antimonarchistische bzw. antilegitimistische, den Anschluß an Deutschland heftig propagierende, gleichzeitig einen „Dolchstoß"-Gedanken vertretende Linie ein. Im November 1918 trat das Blatt für einen „Nationaldemokratischen Volksverein", bei der Wahl 1919 für die „Nationaldemokratische Partei" und bei der Wahl 1920 für die „ G r o ß deutsche Volkspartei" ein. Leitartikler waren Viktor Lischka, Ernst Reventlow, die Abgeordneten Franz Jesser, Hans Teufel, Otto Steinwender, ferner Karl Wache und ein Dr. R. ( = Reichenauer ?). Regelmäßig mitarbeitende Historiker waren Hans Ubersberger (ab 30.8. 1918), Wilhelm Bauer (ab 4 . 2 . 1 9 1 9 ) , Rudolf Stritzko (ab August/September 1919) und Heinrich Kretschmayr (zweimal 1919, gelegentlich 1920, häufig 1922); vereinzelte Artikel sind von Ludwig Bittner, Alfons Dopsch, Max Vanesa, Karl M. Swoboda und Max Dvorak anzutreffen. Militärischer Mitarbeiter war (neben den ungezeichneten Artikeln Glaise-Horstenaus von 1918) der dt. Genlt. z. D. Baron v. Ardenne, Juni-August 1920 schrieb Alfred Krauss einige Artikel. An Dichtern und Literaten sind häufiger festzustellen: Max Meli, Robert Hohlbaum, Mirko Jelusich; gelegentlich: Erwin H . Rainalter, Siegfried Weyr. 7 2 3 ) Viktor Lischka, Journalist, Anhänger Schönerers, seit März 1903 in der Hauptschriftleitung des Alldeutschen Tagblattes, das am 1.4.1903 erstmals erschien, blieb bis 1917 bei dieser Zeitung, 1918 Redakteur und Hauptschriftleiter des Wiener Mittag, bei der Wahl von 1919 Listenführer der nationaldemokratischen Partei für Wien-Innere Stadt, ständiger politischer Mitarbeiter mehrerer deutscher Provinzzeitungen, seit Gründung der Wiener Neuesten Nachrichten ständiger politischer Mitarbeiter dieser Zeitung und ab 1927 im Redaktionsverband, später ständiger Mitarbeiter des Bundespressedienstes. Lischka bat Glaise-Horstenau zwecks neuerlicher Anstellung am 12.3.1938 um eine Aussprache (Büro Glaise-Horstenau, ZI. 4159/38). 7 2 4 ) Franz Nabl (Lautschin bei Prag, 1 6 . 7 . 1 8 8 3 - 1 9 . 1 . 1 9 7 4 , Graz), Erzähler und Dramatiker. Vgl. über ihn: F. Nabl, Der Tag der Erkenntnis. Eingeleitet und ausgewählt von A. Holzinger (Stiasny-Bücherei, Bd. 86), Graz-Wien 1961.
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mögliche, was Rang und Namen hatte, vertreten. Er zahlte nämlich prachtvolle Honorare, was auch mich veranlaßte, in den letzten Kriegswochen, natürlich anonym, die tägliche Kriegslage möglichst lügnerisch zu beurteilen 725 ). In den Tagen des Zusammenbruchs verfiel Schalk in eine außerordentlich antihabsburgische Richtung, wegen der ich ihn möglichst zu bremsen versuchte. Er wurde auf einmal ein aufrechter Republikaner und schloß seinem „Mittag" ein Abendblatt „ D i e Republik" an 726 ). Er war das Gegenteil eines Zeitungsherausgebers, und als die Geldgeber nicht mehr mittaten, starben beide Blätter hintereinander eines sanften Todes. Niemand hat ihnen eine Träne nachgeweint.) Da die elektrische Bahn bis acht Uhr abends ging, mußte ich wohl oder übel zu Fuß nach Hause wandern.
) Vgl. Anmerkung 722. ) „Die Republik" erschien vom 10.2.1919 bis 31.10.1919. Der Umfang war 4 Seiten mit zusätzlich 2 Seiten „Sonnabend-Rundschau", geleitet von F. K. Ginzkey. Sie war etwas mehr literarisch orientiert, mit Beiträgen von R. Hohlbaum, M. Meli, W. v. Molo, R. J. Kreutz, H. Hesse, J. Perkonig, L. Huna, M. Jelusich, K. H. Strobl, M. Millenkovich-Morold. Historiker, die mitarbeiteten, waren: V. Bibl, K. F. Leppa, und G. Gugitz. Vom Kriegsarchiv war F. Hof (Pseudonym Fritz Wehr) mit einem Artikel: Streiflichter vom Jahre 1848 (1.9.1919,3) vertreten. 72s
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IV. NACHKRIEGSZEIT 1. D I E ZEIT D E R V O L K S W E H R . A R M E E Z E I T U N G UND WEHRZEITUNG Während dieser zwei Wochen des Zusammenbruches lief ich wie ein Traumwandler durch die Welt. Einmal in Baden hatte es mich doch übermannt; ich hatte bittere Tränen vergossen, auch der Abschied von Gottfried Schafferer fiel meiner Mutter und mir nicht leicht. Er hatte doch sieben Jahre unserer Gemeinschaft angehört. Zu Silier nach Altmannsdorf zurückzukehren, brachte er nicht über sich. Ihn zog es in seine Heimat nach Deutschmatrei am Brenner, wo seine Mutter mit verschiedenen Geschwistern lebte. Er heiratete bald nachher. Ich habe ihn bei einer Autofahrt zusammen mit meiner Mutter im Sommer 1929 besucht. Ein zweites Mal kam ich Ende Mai 1939, von Oberitalien her, nach Matrei am Brenner. Ich traf jedoch nur seine Frau an. Er arbeitete im Karbidwerk. Zu Neujahr wechselten wir stets Glückwünsche. Nach Kriegsausbruch hörte es auf. Er war mit dem NS-Regime sehr unzufrieden, weil dieses so stark gegen Religion und Tradition verstieß. Mein Pferd, den Prinzen, verkaufte ich um einige tausend, schon stark entwertete Kronen, an einen Fuhrwerksbesitzer. Acht Jahre hatte ich die Freude eines eigenen Pferdes, dann war es für immer vorüber. Zunächst trat an mich die Frage heran - was für einen Beruf ? Ich zögerte mit der endgültigen Entscheidung noch bis ins Jahr 1921. Vorderhand beließ man mich auf dem Papier in der militärischen Aktivität. Die Uniform machte mir freilich nur mehr wenig Freude. Der Silberstern auf dem goldenen Kragen mußte herunter, ein gelb-blechener Katastrophenvogel - so hieß der von der Regierung Renner eingeführte einköpfige Adler mit Hammer und Sichel statt Zepter und Schwert - mußte an seine Stelle treten. Ich zog so bald als möglich Zivil an - allerdings ein sehr bescheidenes Zivil von sehr geringer Eleganz. Ich verstand mich zuerst auch gar nicht darauf. Mitte November rief mich General v. Boog, der neue Oberkommandant der Volkswehr, zu sich ins Heeres-Staatsamt. Boog war vor dem Kriege einer der bekanntesten Generalstabsoffiziere des Heeres gewesen und hatte mich als einen der Hauptmitarbeiter der von ihm gegründeten „Militärischen Rundschau" schätzen gelernt. Im Kriege erfolgreicher Armeegeneralstabschef und dann Divisionär der Wiener Division, hatte er die ganze Zeit über das Herrentum als eine der Hauptei-
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genschaften des Offiziers herausgekehrt. Vielleicht stellte er sich nicht einmal in Gegensatz zu dieser Auffassung, als er beim Ende des Krieges einen großen Sprung in die neue Zeit tat und - aus mir nicht näher bekannten Gründen - das besondere Vertrauen der neuen Mächte errang. Als ich im Vorzimmer Boogs erschien, war schon der Generalstabsoberst Kerchnawe da, in der Vorkriegszeit ein anerkannter Militärschriftsteller und Kriegshistoriker - allerdings von Hoen und mir nicht ganz ebenso anerkannt. Hoen pflegte immer zu sagen: „Kerchnawe wird, wenn es ihm paßt, auch beweisen, daß die Kaiserin Maria Theresia nicht gelebt hat." Auch ich mußte ihm bei Verfassung des Leipzig-Werkes schwere Fehler in seiner Schwarzenberg-Biographie 1 ) nachweisen. Wie dem auch sei: Boog empfing uns nun und trug uns auf, uns des Kriegsarchivs und der militärischen Akten anzunehmen. Er hatte mit diesem Auftrag bei Kerchnawe die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Im Kriegsarchiv war inzwischen unter General v. Hoen die schönste Soldatenratswirtschaft eingerissen. Den eigentlichen Befehl führte ein gewisser Herr Prochnik 2 ), ein schielender Jude, seines Zeichens Fleischhauergeselle aus der äußeren Mariahilfer Straße. Neben ihm gab es noch einige Demagogen. Sie wiesen Kerchnawe die Türe, der nun im Militär-Liquidierungsamt über dem Krystallkaffee bei der Aspernbrücke Unterschlupf fand und dort noch hübsch ein paar Jahre diente 3 ). Auch mich hätte der Prochnik wahrscheinlich nicht durch das schöne Barockportal der Stiftgasse 2 eintreten lassen, wenn sich nicht mein journalistischer Schätzer aus dem Kriegspressequartier Hugo Schulz, jetzt wohlbestallter sozialistischer Zivilkommissar im Staatsamt für Heerwesen, eine Art Politruk, für mich nachdrücklichst eingesetzt hätte. Hoen verhielt sich außerordentlich geschickt und schluckte unendlich viel hinunter, womit er sicherlich recht hatte. Die Soldatenräte klopften ihm auf den Rücken und auf den Bauch und behandelten ihn wie einen der Ihren. Ich bewunderte seine Geduld und seine Uberwindung. Allerdings schaute er in seinem Räuberzivil selbst wie ein Bolschewik aus. Die Verhältnisse in der Stiftgasse waren mir natürlich nicht angenehm, und ich war froh, als es plötzlich hieß, ich solle in die Burg in die Räume der Militärkanzlei des Kaisers übersiedeln und dort die Akten übernehmen und verwalten. Gerne bezog ich zunächst über der Burgwache das gewölbte Büro, in welchem einst der alte Beck und später Baron Bolfras durch siebenundzwanzig Jahre gesessen hatten. Aber diese trauliche Stube war uns bald nicht elegant genug. Wir übersiedelten mit den Kanzleien in den obersten Stock, wo uns die einstige Dienstwohnung des Generaladjutanten Grafen Paar einen noblen Unterschlupf gewährte. Mein Politruk war ein H. K e r c h n a w e - A . Veltzé, Feldmarschall Karl Fürst zu Schwarzenberg, der Führer der Verbündeten in den Befreiungskriegen, Wien 1913. 2 ) Wahrscheinlich Moritz Alexander Prochnik (Lemberg, 1 . 1 1 . 1 8 6 7 - ? ) , 1890 als Infanterist zu IR. 55, 1 . 5 . 1 9 0 4 Lt.-Rechnungsführer bei IR. 9, seit April 1 9 1 7 Vorstand der Rechnungskanzlei des Invalidenhauses Tyrnau, nach dem Umsturz Zahlmeister beim Volkswehr-Baon. X X V I I I , seit Mitte Jänner 1919 bei Kreisunterbefehlshaber E. 3 ) Vgl. dessen Aufsatz: Die Auflösung des liquidierenden Militär- und Landwehrkommandos Wien. Ein Nachruf, in: RP., 3 0 . 1 2 . 1 9 2 2 , 6.
V o l k s w e h r , A r m e e z e i t u n g und W e h r z e i t u n g
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gewisser D r . Markowitz 4 ), gleichfalls Redakteur der Arbeiter-Zeitung, Salzburger und durchaus angenehmer Mensch. Er bezog in den eleganten Räumen auch Wohnung. Aus unseren Fenstern sahen wir die Front des Reichskanzleitraktes. Ich wurde täglich an den alten Kaiser erinnert, der, wenn die Burgwache aufzog, gewöhnlich an einem der tiefer gegenüber liegenden Fenster erschien. Mittagessen ging ich in die „Stadt Brünn" am Josefsplatz. O b man wollte oder nicht, wurde man in diesen ersten Wochen schon ins politische Leben hineingedrängt. Ebenso rasch offenbarte sich bei mir eine Zwiespältigkeit, die mich weiterhin durchs ganze Leben verfolgen sollte. Die Freundschaft mit Dr. Schalk und seinem Anhang, zu dem vor allem auch mein alter Freund Lauer gehörte, und meine bundesgenössischen Beziehungen führten mich naturgemäß ins deutschnationale Lager. Ohne daß ich etwas davon wußte oder es wollte, erschien ich eines Tages zusammen mit Professor Uebersberger 5 ) im Vorstand der von Schalk gegründeten „Nationaldemokratischen Partei" auf. Ich machte von dieser neuen Würde keinen Gebrauch, auch nicht von der mir offenbar zugefallenen Mitgliedschaft bei dieser Partei, die übrigens ebenso rasch wie sie entstand wieder das Zeitliche segnete. Nach meiner Vergangenheit, meiner Weltbetrachtung und auch unter dem tiefen Eindruck des Zusammenbruches zog es mich viel mehr zu den Christlichsozialen hin. Ich besuchte sehr bald Funder, der mir übrigens sagte, der Kaiser werde bald an mich herantreten und mich bitten, in seinen Dienst zu übersiedeln. Die liebenswürdige Erzherzogin Marie Therese 6 ), Stiefgroßmutter des Kaisers, hatte es ihm gesagt. Glücklicherweise rührte sich nichts mehr. Bei Funder lernte ich auch den damals vielgenannten Pater Augustin Grafen Galen 7 ) kennen, einen besonderen Günstling Franz Ferdinands, der zum Erzbischof von Wien ausersehen war. In der zweiten Hälfte November erfuhr ich, daß Danzer seine „Armee-Zeitung" verkau4 ) Dr. Alfred Markowitz (heimatzuständig nach Wien, Geburtsjahr 1 8 7 7 - ? ) , Privatgelehrter, im Weltkrieg wurde zunächst vom Malteser Ritterorden um seine Einteilung als Rechnungsführer für Spitalszüge gebeten, 16.9.1915 zur aktiven Dienstleistung beim IR. 4 präsentiert, 10.12.1915 eingerückt, 30. 5.1916 von der Superarbitrierungskommission als zum Landsturmdienst ohne Waffe für geeignet befunden, 12.11.1916 zum Landsturm-Infanteristen-Titular-Gefreiten mit EF. Abzeichen befördert, April 1917 ins K A . kommandiert, 1.7.1918 zur Mannschaftsabt. des K A . versetzt, 9.7.1918 Landsturm-Infanterist-Titular-Korporal, nach dem Umsturz Soldatenrat im K A . , 6 . 3 . 1 9 1 9 Vertragsbediensteter im K A . bei Führung des wissenschaftlichen Referats in der Abteilung für militärische Staatsakten, mit 1.1.1921 gekündigt. 5 ) Hans Uebersberger (Klagenfurt, 2 5 . 6 . 1 8 7 7 - 8 . 7.1962, München), 1906 Privatdozent für Osteuropäische Geschichte an der Univ. Wien, 1910 a . o . Prof., 1915 o. Prof., 1934 o. Prof. in Breslau, 1935-1945 in Berlin, um 1950 Lehrer an der Freien Ukrainischen Universität in München, 1958 Lehrbeauftragter in Göttingen. Hauptwerke: Rußlands Orientpolitik in den letzten zwei Jahrhunderten, l . B d . , Stuttgart 1913; Österreich zwischen Rußland und Serbien: Zur Südslawischen Frage und der Entstehung des Ersten Weltkrieges, Köln-Graz 1958. 6 ) Erzh. Marie Therese (Kleinheubach, 24.8. 1855-12.2.1944, Wien), Tochter Michael H z g . v. Braganzas u. Adelheid, geb. Prinzession zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, dritte Gattin Erzhg. Karl Ludwig. 7 ) Wilhelm Emanuel Graf Galen (P. Augustin O S B ; Münster/Westfalen, 1 4 . 1 2 . 1 8 7 0 - ? ) , Benediktiner des Prager Emaus-Klosters. Vgl. über ihn: Lorenz, Zwei große Gelehrte, 272f.
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fen wolle. Es reizte mich sehr, dieses einst berühmte, in den letzten Jahren aber bedeutungslos gewordene Blatt zu übernehmen. Kurz entschlossen ging ich auf den Judenplatz 2 zur christlichsozialen Parteileitung und trug dem Geschäftsführer der Parteileitung, Dr. Heinrich Mataja 8 ), der gleichzeitig Staatssekretär des Inneren war, den Plan vor, das Blatt zur Sammlung der Offiziere im bürgerlichen Lager zu erwerben und die Schriftleitung mir zu übertragen. Mataja war Feuer und Flamme, und ich verließ sein Büro als wohlbestallter Chefredakteur der „Armee-Zeitung", wohlbestallt insofern, als ich dasselbe Monatsgehalt erhielt, wie es mir der Staat als aktiven Major zahlte. Finanzielle Sorgen gab es keine mehr. Das Ansehen, das die Zeitung unter mir gewann, war sehr bald bedeutend. Ich schrieb die acht bis zwölf doppelspaltigen Seiten meist allein. Die Artikel aus anderen Federn mußten schon gut sein. In der dritten Nummer überraschte ich die Welt durch einen Artikel aus der Feder Conrads über die Kriegsschuld im allgemeinen und die seinige im besonderen 9 ). Das Thema war neu, der Autor, der seit dem Juli 1918 von der Bühne verschwunden war, interessierte natürlich. Man kann wirklich sagen, daß die ganze Welt mindestens Auszüge des Aufsatzes brachte. Ganz gut schlugen auch Artikel von FML. Margutti über den Kaiser Franz Joseph 1 0 ) und von Wiesner über Aehrenthals Politik 11 ) ein. Ich selbst brachte in einer Aufsatzreihe über die Beziehungen zwischen der österreichisch-ungarischen und der deutschen Heeresleitung manche Enthüllungen 12 ). Gegen das vorherrschend sozialistische Regime stand ich in einer scharfen, aber noblen Opposition. Als Julius Deutsch im Februar nach den Neuwahlen Staatssekretär für Heerwesen wurde, lud ich ihm einige Vorschußlorbeeren auf 13 ). Später aber konnte es geschehen, daß er mich auf dem Gange des Kriegsministeriums ansprach: ,,Na, in der letzten Nummer haben Sie mich wieder ordentlich bei der Falte gehabt." Ich lächelte ihn an und meinte, es müsse doch so sein - worauf wir uns die Hand schüttelten. Das war noch eine nette Art politischer Gegnerschaft. Nebenher veranstaltete ich vor den Februarwahlen auch Sprechabende der Armee-Zeitung. In dieser traten Männer aller bürgerlichen Parteien auf, einmal auch Alfred Krauss, einmal Dr. Ignaz Seipel. Als ich ihn hierzu einlud, war ich zum ersten Mal länger mit ihm beisammen und wir sprachen uns ausgezeichnet. Er war
8 ) Heinrich Mataja (Wien, 1 4 . 3 . 1 8 7 7 - 2 3 . 1 . 1 9 3 7 , Wien), 1900 D r . iur., Rechtsanwalt, 1 9 1 0 - 1 9 2 7 Mitglied der Christlichsozialen Parteileitung, 1 9 1 0 - 1 9 1 8 Mitglied des Wiener Gemeinderates, ab 1912 auch des Stadtrates, 1 9 1 3 - 1 9 1 8 Abgeordneter zum Reichsrat, 1 9 1 8 / 1 9 zur provisorischen Nationalversammlung, 1 9 1 9 / 2 0 bzw. 1 9 2 0 - 1 9 3 0 zur konstituierenden Nationalversammlung bzw. zum Nationalrat, O k t o b e r 1 9 1 8 - M ä r z 1919 Staatssekretär für Inneres, 1 9 2 4 - 1 9 2 6 Minister für auswärtige Angelegenheiten. Vgl. E . Jelinek, Der politische Lebensweg D r . Heinrich Matajas, W r . Diss. 1970. 9 ) F M . Conrad v. Hötzendorf, 2 3 . 1 . 1 9 1 9 , 1 f. 1 0 ) Vgl. Abschnitt III, Anm. 14.
Meine
Rolle
vor
dem
Kriege,
in:
DAZ.,
24. J g . ,
Nr.3,
) Vgl. Abschnitt III, Anm. 162. ) Werkverzeichnis N r . 47. 1 3 ) In dem ungezeichneten Artikel: D r . Julius Deutsch, in: D A Z . , 2 2 . 3 . 1 9 1 9 , F. 11, 1 - 3 ; s. auch den späteren ungezeichneten Artikel: D r . Julius Deutsch, in: Ö W Z . , F. 63, 2 9 . 1 0 . 1 9 2 0 , 2 f . n
,2
Volkswehr, Armeezeitung und Wehrzeitung
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für mich selbstverständlich Exzellenz, obwohl es nicht sicher war, daß ihn der Kaiser noch zum Geheimen Rat ernannt hatte 14 ). Natürlich gab es auch schwierige Situationen. So, als einmal Boog durch eine Rede im Militärkasino den Widerspruch des alten Offizierskorps hervorrief 1 5 ). Da ich auf dem Papier noch immer aktiver Offizier war, war ich sein Untergebener. Dennoch mußte ich seine Ausführungen in der Armee-Zeitung ablehnen. Wir hatten nachher eine lange Aussprache, er war nobel genug, nichts nachzutragen. Auch eine Vereinigung sozialistischer Offiziere machte mir schwere Sorgen, denn sie mußte in Grund und Boden gedonnert werden. Noch mehr: sehr bald begab sich zwischen mir und der von einigen wilden Troupiers gegründeten „Militär-Gagisten", will sagen Offiziersvereinigung, ein unvermeidlicher Gegensatz, der umso leichter aufgebrochen war, als sich der Verband ein eigenartiges Blatt als sein Organ zulegte. Es war die „Militärische Rundschau", die einst Boog als offizielles Blatt des Kriegsministeriums gegründet hatte 16 ), jedoch vor dem Kriege in die Hände eines gewissen Dr. Fischer 17 ) überging, der dem Salzgries nahestand und nach dem Umsturz natürlich sofort die Offiziere einfing. Er taufte sein Blatt zeitgemäß in „Militär-soziale Rundschau" 18 ) und schrieb darnach. Die Aufsätze unterschieden sich im Anfang kaum von denen der Arbeiter-Zeitung, ja sogar von denen des Revolverblattes, „ D e r Abend". Natürlich forderte er dadurch mich, meine Mitarbei1 4 ) Der Kaiser hatte Seipel im gleichen Handschreiben vom 11.11.1918, das die Enthebung vom Ministeramt aussprach, zum Geheimen Rat ernannt. l s ) In der Generalversammlung der Vertrauensmänner des Offizierskorps am 8 . 2 . 1 9 1 9 . Vgl. dazu die ungezeichneten Artikel: Der Oberbefehlshaber spricht, in: DAZ. N r . 6 v. 13.2.1919, 4 f . ; Nochmals die Rede des Oberbefehlshabers, ebdt., Nr. 7, 2 2 . 2 . 1 9 1 9 , 4. Boog hatte in dieser Rede auch das Offizierskorps der k. u. k. Armee kritisiert. " ) Das Heft 1 der „Militärliterarischen Rundschau", die monatlich in Quartformat erschien, trug das Datum 1. Jänner 1912 (zusammengestellt im Preßbüro des k. u . k . Kriegsministeriums). Ab Heft 6 hieß die Zeitschrift „Militärische Rundschau" (bearbeitet im literarischen Büro . . .), ab Heft 9 v. 7. 9.1912 erschien die Zeitschrift vierzehntägig, ab Heft 19 v. 30.11.1912 wöchentlich (nunmehr: Redaktion u. Verwaltung in der Stiftskaserne). Ab Heft Nr. 29 v. 12.2.1913 erschien die Zeitung zweimal wöchentlich, ab Nr. 33 v. 5 . 5 . 1 9 1 3 täglich außer Sonntag, ab N r . 53 v. 2 7 . 5 . 1 9 1 3 war die Redaktion: Wien 4., Rennweg 33 a, ab 1.4.1914 erschien das beigegebene Verordnungsblatt nicht mehr in dienstlicher Form, die Redaktion war in Wien 9., Canisiusg. 10. Mit 2 9 . 7 . 1 9 1 4 wurde vom Kriegsministerium die Führung des Titels „Militärisch" untersagt. Die Zeitung erschien ab 3 0 . 7 . als „ R u n d s c h a u " und erstmals zensuriert. Ab 13.2.1918 wurde wieder der Titel „Militärische Rundschau. Unabhängiges militärisch-soziales Organ" gestattet. Das Blatt gehörte damals einem Konzern, der auch die Zeitungen „ D e r Morgen" und „Der Abend" besaß. " ) Theodor Alexander Fischer (Wien, 2 0 . 5 . 1 8 7 9 - ? ) , 1900 als EF. zu 3. T K J R . assentiert, 1.10.1902 in die Reserve, 1906 Dr. iur. Universität Wien, 1.11.1908 Lt. i . d . Res., 6 . 1 1 . 1 9 1 0 Ubertritt zum römisch-katholischen Glauben und Änderung des Vornamens von Jacques auf Theodor Alexander, 31.12.1912 entlassen aus der Landwehr u. Ablegung der Offizierscharge, 17.6.1915 präsentiert zur aktiven Dienstleistung auf Mobilmachungsdauer und ernannt zum Landsturm-Lt., mehrmals ganz kurze Frontdienstleistung und sodann als krank ins Heimatland transportiert bzw. „sich dem Frontdienst entzogen", 2 0 . 1 1 . 1 9 1 7 Landsturm-Oblt. Bis 3 . 1 1 . 1 9 1 4 war Fischer als Kommissär im Dienst der k. k. Staatsbahnen - er schied sodann aus dem Staatsdienst und wurde Herausgeber der „Rundschau". 1β ) Ab 6 . 1 1 . 1 9 1 8 hieß das Blatt: „Militär-soziale Rundschau" Freies Organ für das Volksheer. Ab 23.11.1918 war es auch „offizielles Organ des Verbandes deutschösterreichischer Militärgaglsten". Die Zeitschrift erschien am 31.12.1919 zum letzten Mal.
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ter und meine Leser heraus, und die Armee-Zeitung wurde dem Offiziersverbande unangenehm. Zuletzt kam es zu einem Burgfrieden, was das beste war. Meine Tätigkeit als Redakteur brachte mich auch in Verbindung mit der Buchdruckerkunst. Jeden Freitag früh war „Umbruch", bei dem ich natürlich leitend mittat. Ich lernte eine Menge, was mir später nützlich war — zumal dann, als wir 1929 das Generalstabswerk zu drucken begannen und uns der Drucker gar nicht entsprach 19 ). Er konnte mir nichts mehr vormachen. Die Buchdruckerei ist ein interessantes Geschäft, die Buchdrucker sind eine sehr sympathische Gilde. Im Frühjahr bat mich Funder zu sich. Er trug mir nicht mehr und nicht weniger an, als die Chefredaktion des christlichsozialen Hauptblattes, der „Reichspost", zu übernehmen. Auf seinen Wunsch besuchte ich auch Kienböck 2 0 ), den ich damals kennenlernte - er war ein Verwandter Lauers. Ich brachte Kienböck einige Nummern der Armee-Zeitung mit, er war sehr zufrieden mit dem, was er las, und hatte auch nichts dagegen zu sagen, als ich erklärte: „Herr Doktor, ich habe für den Chefredakteur eines Kampfblattes einen Fehler - ich kann in der Politik weder heiß lieben noch heiß hassen !" Es waren lächerliche äußere Umstände, die mich schließlich bewogen, von der Reichspost auszukneifen: die lange Nachtarbeit, die bevorstand, die große Entfernung meiner Wohnung, die schlechten Verbindungsmittel dahin - auch eine gewisse Abneigung, mich so sehr ins Joch zu begeben. Statt meiner kam Kruckenhauser 21 ), später auch Adam 2 2 ). Der Posten hätte mich kaum sonderlich befriedigt, da seine Selbständigkeit doch umgrenzt gewesen wäre. 1 9 ) Aufgrund von Interventionen des KA. brachte im August 1932 das Bundesministerium f. Landesverteidigung gegen die Druckerei Paul Kaltschmied Anschuldigungen wegen betrügerischer Machinationen (Berechnung ungerechtfertigter Kosten für Fahnenkorrekturen) vor, die im Frühjahr 1936 zur Erhebung der Anklage gegen die Druckerei führten. 2 0 ) Viktor Kienböck (Wien, 1 8 . 1 . 1 8 7 3 - 2 3 . 1 1 . 1 9 5 6 , Wien), Rechtsanwalt, 1923-1931 christlichsozialer Abgeordneter Niederösterreichs zum Nationalrat, 1 4 . 1 1 . 1 9 2 2 - 7 . 1 1 . 1 9 2 4 u. 20.10.1926 bis 3 . 4 . 1 9 2 9 Finanzminister, 1932-1938 Präsident d. ö s t . Nationalbank. 2 1 ) Pankraz Kruckenhauser (Mareit, Tirol, 2 2 . 9 . 1 8 8 3 - ? ) , 1908 Dr. iur. der Universität Innsbruck, 1919-1933 Chefredakteur-Stellvertreter der „Reichspost", M a i - A u g u s t 1933 Erster Generalsekretär der „Vaterländischen Front" und Geschäftsführer des „Heimatdienstes", 1934 Generaldirektor der ö s t . Staatsdruckerei. 2 2 ) Walter Adam (Klagenfurt, 6 . 1 . 1 8 8 6 - 2 6 . 2 . 1 9 4 7 Innsbruck), 1904 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus der IKSch. Innsbruck zu IR. 59, 1.11.1905 Lt., Glstbslaufbahn, 2 8 . 9 . 1 9 1 4 Hptm. i . G . , Truppengeneralstäbler, 1 6 . 6 . 1 9 1 6 - 3 0 . 9 . 1 9 1 8 in der Detailabt. bzw. Präsidialabt. des A O K . , sodann Glstbschef der ö.-u. Truppen in der Türkei bis 2 0 . 1 . 1 9 1 9 , 15.2.1919 eingeteilt beim Zivilkommissariat des Staatsamtes f. Heerwesen, 1.9.1919 Adjutant des Unterstaatssekretärs für Heerwesen, 1.1.1920 Mjr., 1.12.1920 stellv. Stabschef beim Brigadekmdo. 2, 1.1.1921 Obstlt., 1.3.1921 kommandiert ins Bundesminist, f. Heerwesen, 1.6.1923 in die Präsidialabt., 1. 8.1924 als Obst, pensioniert, ab 1924 Redakteur und stellv. Chefredakteur der Reichspost, 1934 Bundeskommissär für den Heimatdienst und Staatsrat, 1934-1936 Generalsekretär der „Vaterländischen Front", 1936-1938 Leiter des Bundespressedienstes im Bundeskanzleramt, 1938-1943 im KZ. Dachau, 1943-1945 konfiniert im Rheinland. Adam verfaßte unter dem Decknamen Octavius ab 14.2.1920 für fast jede Nummer von Ö W Z . einen außen- und innenpolitischen Kurzkommentar (bis 1921) und zeichnete auch einige wenige kriegshist. Artikel in der RP. mit seinem Namen ( z . B . : Die Tragödie der Armee Potiorek 1914, in: RP., 12.1.1930, 17). In Schwarte, Bd. V, 5 5 9 - 5 6 8 , verfaßte er: Die österreichisch-ungarische Artillerie in der Türkei. Sein Erinnerungswerk an die KZ.-Zeit: Nacht über Deutschland, Wien 1947.
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Im Mai kam ich noch einmal in eine Zeitungsfrage hinein. Diesmal handelte es sich um das seinerzeit vom Abgeordneten Chiari 2 3 ) gegründete „Deutsche Volksblatt". Das Blatt hatte seit dem Umstürze einer um den hier schon genannten Dr. Reichenauer formierten Gruppe gehört. Reichenauer war gleichzeitig auch Generalsekretär des Industrieverbandes. Auch Eisner-Bubna hatte die Hände im Spiele. Das Deutsche Volksblatt war natürlich ein Verlustunternehmen. Nun war das reichsdeutsche Zentrum im Begriffe, es zu erwerben. Es hätte eines Wortes bedurft und ich wäre Chefredakteur geworden. Den Posten erhielt der Universitätsprofessor Dr. Gottfried Hugelmann 2 4 ). Auf der Suche nach einem guten Administrationschef schlug ich meinen Freund Oberstleutnant Dr. Turba 2 5 ) vor, der sich binnen zwei Stunden entschloß, Beruf zu wechseln und die Sache anzunehmen. Er hatte sich auf Jahre hinaus eine Existenz gesichert, die recht auskömmlich war. Allerdings mußte er mehrfach die Nuance der Farbe wechseln. Es war nun doch so geworden, daß ich in journalistischen Kreisen Ansehen und Geltung erwarb. Schulz von der Arbeiter-Zeitung machte meinen journalistischen Fähigkeiten immer besondere Elogen. Tatsächlich glaube ich auch bei aller Bescheidenheit, daß Journalismus eigentlich der Beruf für mich gewesen wäre. So blieb er zeitlebens meine unglückliche Liebe. Einen gewissen Schlußpunkt hinter meine journalistische Karriere setzte vorläufig das folgende: Vor Weihnachten 1919 rief mich der Präsident des Offiziersverbandes, Oberstleutnant Kollarz 2 6 ), zu sich und fragte mich, ob es nicht möglich wäre, die Armee-Zeitung und die Militär-soziale Rundschau in eine neue „ ö s t e r reichische Wehrzeitung" zusammenzulegen, und ob nicht ich die Leitung dieses unter Patronanz des Offiziersverbandes erscheinenden Blattes übernehmen möchte. 2 3 ) Karl Frh. v. Chiari (Wien, 2 6 . 5 . 1 8 4 9 - 1 4 . 5 . 1 9 1 2 , Hohentauern bei Trieben), 1 8 9 7 - 1 9 1 1 deutschnationaler Abgeordneter zum Reichsrat für Mähren, wirkte für die Vereinigung der Deutschen Fortschrittspartei mit der D t . Volkspartei, 1912 Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit (Verfassungspartei). 2 4 ) Karl Gottfried Hugelmann (Wien, 2 6 . 9 . 1 8 7 9 - 1 . 1 0 . 1 9 5 9 , Göttingen), Rechtshistoriker, seit 1909 D o z e n t und ab 1932 Ordinarius für Staatsrecht an der Universität W i e n , Wortführer der katholisch-nationalen Richtung innerhalb der christlichsozialen Partei, Mitglied eines geplanten Fünferausschusses beim Verfassungsausschuß der dt. Nationalversammlung, ab 1922 im Bundesrat, 1 9 2 3 - 1 9 3 2 dessen Vizepräsident, trat 1932 aus der christlichsozialen Partei aus, ab 1935 U n i v . - P r o f . in Münster, später in einem antinationalsozialistischen Kreis um Kardinal Galen, 1957 Lehrbeauftragter in Göttingen. Sein Hauptwerk ist die Herausgabe v o n : Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, Wien 1934.
" ) Richard T u r b a (Wien, 3 0 . 3 . 1 8 7 7 - 6 . 9 . 1 9 6 1 , Purkersdorf b. Wien), 1895 als E F . zu I R . 3, 1896 L t . i . d . R e s . , 1897 Berufsoffz., 1 . 5 . 1 9 0 3 O b l t . , Glstbslaufbahn, 1 9 . 1 2 . 1 9 1 1 D r . iur., 1 . 5 . 1 9 1 2 H p t m . , 1 5 . 2 . 1 9 1 3 kommandiert ins K M . , 1. A b t . , 1 . 1 . 1 9 1 5 zugeteilt 2 4 . I T D . , 1 . 8 . 1 9 1 5 zugeteilt M i l k m d o . Wien, sodann 1 9 1 5 - 1 9 1 8 Leiter der politischen Referate in der Nachrichtenabt. des A O K . , 1 . 1 . 1 9 1 8 M j r . , außer der Rangtour, 1 . 9 . 1 9 1 9 pensioniert, 1 . 1 0 . 1 9 2 0 O b s t l t . d . R . , sodann in der Privatwirtschaft, ab 2 5 . 3 . 1 9 3 8 kommissarischer Leiter der „ W i e n e r - N e u e s t e n Nachrichten-Verlags A G . " und der „ ö s t e r r e i c h i s c h e n D r u c k - und V e r l a g s - A G . " , 1 . 1 1 . 1 9 3 8 zur Wehrdienstleistung bei der Auslandsbriefprüfstelle Wien eingezogen, 1 . 3 . 1 9 4 3 O b s t . z . V . , 1 5 . 4 . 1 9 4 3 entlassen. 2 6 ) Friedrich Kollarz (Braunau, O ö . , 5 . 1 1 . 1 8 7 6 - 2 4 . 2 . 1 9 3 4 , Wien), 1887 aus I K S c h . Marburg zu I R . 102, 1 . 1 1 . 1 8 9 8 L t . , T r u p p e n o f f z . , 1 5 . 4 . 1 9 1 7 zu den Luftfahrtruppen als K m d t . d. Fliegerarsenals, 1 . 5 . 1 9 1 8 M j r . I R . 102 u. K m d t . d. Fliegerartillerie, 1 . 1 1 . 1 9 2 0 als O b s t l t . pensioniert, bereits 1918 Präsident des von ihm gegründeten Wirtschaftsverbandes, 1920 Mandatar der Großdeutschen Partei.
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Ich erklärte mich gerne bereit, und so erschien vom Jänner 1920 an die österreichische Wehrzeitung, für die ich nun fast jede Woche den politischen Leitartikel schrieb nebst vielen anderen Aufsätzen - bis sie im Frühjahr 1938 nach dem Anschluß Alfred Krauss, der Elephant im Porzellanladen, auflöste. Er hielt es für unerträglich, daß noch ein besonderes österreichisches Offiziersblatt herauskomme. Alles mußte preußisch-deutsch sein. Ich schrieb, damals für eine Woche Minister a.D., einen Abschiedsaufsatz 27 ). Es war schade - im Interesse der alten Kameradschaft. Die Zeitung war ein richtiges Familienblatt geworden, alles, was den alten Kreis interessierte, stand drinnen. Mein Hauptmitarbeiter war zuerst Hauptmann Grecul 28 ), ein bukowinischer Rumäne; im Jahre 1928 übernahm auf meinen Vorschlag mein alter Akademie-, Regiments- und Generalstabskamerad Dr. Egon v. Lauppert die Chefredaktion. Er führte sie bis zum Schluß. In der sogenannten „Kampfzeit" war es nicht ganz leicht, das Blatt auf einer Linie zu halten. In den Jahren 1932 und 1933 standen wir in Opposition gegen den Dollfußschen Austrofaschismus. Wir traten für Neuwahlen ein. Im Sommer 1933 schrieb ich einen Leitartikel (natürlich ohne Namensnennung): ,,Das andere Deutschland." 29 ) Nur um gewisse Empfindlichkeiten zu schonen, unterließ ich es, den mir besser dünkenden Titel: ,,Das bessere Deutschland" zu gebrauchen. Ich führte darin aus, daß es ein verfehltes Beginnen sei, den aus dem Reiche eingebrochenen Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen. Es sei falsch, ein System, das man für schlecht fand, wie das nationalsozialistische, mit den gleichen Methoden bekämpfen zu wollen, mit Polizei, Ausnahmsgesetzen, Konzentrationslagern und ähnlichen schönen Dingen. Ich sandte den Artikel dem Bundespräsidenten zu. - Sehr oft traten wir für Neuwahlen ein. Ich glaube, daß dies auch das richtige gewesen wäre. Natürlich gehörte Traditionspflege zu den besonderen Aufgaben der Wehrzeitung. Wir haben darin viel geleistet, ohne deshalb überschwenglich zu werden. Bei durchaus freundschaftlicher Einstellung zum Reich und zum alten deutschen Offizierskorps verfochten wir den österreichischen Standpunkt mit Begeisterung. Als Hindenburg starb, erwähnte ich in einem warmen Nachruf die Verdienste des Verstorbenen um Tannenberg und erzählte auch einiges, was mir Hindenburg bei meiner letzten Audienz über den Rückzug von Warschau im Herbst 1914 mitgeteilt hatte 30 ). Da war Ludendorff bitterböse. Er schrieb einen sehr scharfen Gegenartikel gegen mich, den die Wehrzeitung mit meiner Zustimmung brachte 31 ). Ich schrieb zurück und faßte mein Urteil dahin zusammen, daß ich Ludendorff wohl für den 27)
Vgl. Werkverzeichnis Nr. 304. Arkadius R. v. Grecul (Kotzmann-Bukow, Bukowina, 11.10.1875-10.8.1958, Gmunden), 1897 aus der Milak. als Lt. zu IR. 98, 1901 Obit., 18.12.1905 in die Reserve, 1.1.1915 Hptm. i.d. Res., 5.5.1915 in das Verhältnis „ a . D . " , im Weltkrieg Dienst im Militärkmdo. Hermannstadt, danach mehrere Jahre Redakteur der „Wehrzeitung", 1939-? als Dolmetscher dem OKW. zugeteilt. 2 9 ) Konnte nicht festgestellt werden. 3 0 ) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 273. 3 1 ) Die Redaktion brachte sowohl Ludendorffs Erwiderung als auch Glaise-Horstenaus Replik im Artikel: Der Feldherr und sein Generalstabschef, in: ÖWZ., F. 39, 28.9.1934,1 f. 2e)
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größten General des Weltkrieges hielt, daß ihm jedoch für den Feldherrn der hierzu nötige ausgiebige Tropfen staatsmännischen Öles gefehlt habe 32 ). Es war natürlich nicht leicht, mit einem solchen Titanen in die Schranken zu treten . . . Daß ich die Armee-Zeitung übernommen hatte, hatte besonders den ehemaligen Generalstab sehr gefreut, der damals noch öfter - wenn ich nicht irre in der Handels· und Gewerbekammer - zusammenkam. Ich freundete mich damals besonders mit Oberst v. Pohl an, einem Menschen mit mancherlei Absonderlichkeiten, der später von Wien nach Salzburg übersiedelte und dort einer der Programmpunkte meiner jährlichen Urlaube blieb. Der Generalstab hatte es in diesen Wochen und Monaten natürlich nicht leicht. Er wurde nicht bloß von der zivilen Opposition schwer angefeindet, sondern fast noch mehr von den ehemaligen Truppenoffizieren. Generalität und Generalstab bildeten auch das Hauptangriffsziel der vom Parlament eingesetzten „Kommission zur Erhebung militärischer Pflichtverletzungen im Kriege" 3 3 ), deren Vorsitz der Universitätsprofessor Dr. Löffler führte 34 ). Diese Kommission, von allen Parteien beschickt, aber sozialistisch geleitet, wirbelte anfänglich viel Staub auf. Das Ergebnis ist in „Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914-18" in einer Fußnote angedeutet 3 5 ). Ich habe später öfters mit Professor Löffler, nebenbei bemerkt ein Jude, gesprochen, und er sprach von einem zum anderen Mal gesteigert seinen grundsätzlichen Respekt vor der k. u.k. Militärverwaltung aus. Es sei ein lauterer, reiner, überaus wahrheitsliebender Apparat gewesen. Er habe geglaubt, die Kommission werde in einen Sumpf greifen, das Ergebnis sei ein ganz anderes gewesen. Tatsächlich war der Endbericht eher ein Ehrenzeugnis für die alte kaiserliche Armee als das Gegenteil. Natürlich gab die Kommission auch manchen Stoff für die Armee-Zeitung ab. Eine sehr interessante und politisch nicht unbedeutende Arbeit ergab sich daraus, daß ich auf Empfehlung durch meinen Freund, den Generalstabsoberstleutnant Frh. v. Seiller, vom englischen bevollmächtigten Oberst Cuninghame 36 ) zur schriftlichen Berichterstattungsarbeit eingeladen wurde. Damals schrieb ich nicht nur meine erste Geschichte des Zusammenbruches, sondern auch einige Skizzen ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 2 7 6 . ) Die parlamentarische „ K o m m i s s i o n zur Feststellung und Verfolgung militärischer Pflichtverletzungen im K r i e g e " wurde vor allem zwecks Untersuchung der Ereignisse der Piaveschlacht durch B u n desgesetz vom 19. 1 2 . 1 9 1 8 geschaffen. Sie erstattete Berichte an den Nationalrat und wurde mit 2 4 . 3 . 1 9 2 2 aufgehoben. Ihre Akten gelangten 1931 an das K A . Vgl. über sie: Fiala, Letzte Offensive, 136-141. 3 4 ) Alexander Löffler (Szentes, K o m . Csongrad, 4 . 2 . 1 8 6 6 - 2 5 . 1 2 . 1 9 2 9 , Wien), 1889 D r . iur., 1902 ao. u. 1903 o. Prof. für Strafecht an der Universität W i e n , 1917 Vorsitzender der Kommission zur E n t scheidung über Pflichtverletzung von Truppenkommandanten im W e l t k r i e g " . 3 5 ) Österreich-Ungarns letzter Krieg, I . B d . , 53, A n m . 1. 3 6 ) Sir T h o m a s Cuninghame (?, 30. 5 . 1 8 7 7 - 5 . 1 . 1 9 4 5 , L o n d o n ) , 1 9 1 2 - 1 9 1 4 britischer Militârattaché in Wien, 1 9 1 9 - 1 9 2 0 Repräsentant der britischen Armee in Österreich, 1 9 2 0 - 1 9 2 3 britischer Militârattaché in Prag und Wien. Seine Erinnerungen: D u s t y Measures. A Record o f troubled T i m e s , London 1939. Vgl. über ihn: R . H o f f m a n n , Die Mission Sir T h o m a s Cuninghames in Wien 1919. Britische Österreichpolitik zur Zeit der Pariser Friedenskonferenz, Salzburger Dissertation 1971. 32 33
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über das neue Österreich, wobei ich natürlich die Möglichkeit suggestiver Einwirkung nicht unbenützt ließ. Die Pfund-Honorare waren auch nicht zu unterschätzen. Im Staatsamt für Heereswesen übernahm sehr bald Oberst Theodor Körner von Siegringen die eigentliche fachmännische Leitung. Körner legte Wert auf meine Mitarbeit. Er brachte mich auch mit Julius Deutsch zusammen. Einmal nahm ich an einer Präsidialsitzung aktiv teil. Nachher sagte mir Körner: „ D u mußt öfter kommen, Deutsch hält große Stücke auf Dich ! " Ich erklärte, gerade deshalb nicht kommen zu wollen, weil ich fürchte, von dem außerordentlich liebenswürdigen Deutsch eingefangen zu werden - wie es Körner dann wirklich geschah. Die ganze Volkswehrwirtschaft machte mir natürlich keine Freude. Ich trachtete, mich aber doch irgendwie positiv zu stellen und mit meinen schwachen Kräften nützlich zu sein. Zum christlichsozialen Zivilkommissär Waihs hatte ich durch dessen Adjutanten Obstlt. Walter Adam nähere Beziehungen. Mit Adam war ich, seit er als 59er Fähnrich in Salzburg neben dem Gasthof Sigmundstor eine Wohnung hatte, in freundschaftlichen Beziehungen, die sich während seiner Zugehörigkeit zur Präsidialabteilung des A O K . erneuerten. Nunmehr kamen wir täglich nach dem Essen in einer höchst reaktionären Runde im Kaffee Gartenbau zusammen. Unter den sonstigen Teilnehmern verdienen Major Baron Karg v. Bebenburg 3 7 ) und Obstlt. Hartwig 3 8 ) genannt zu werden, letzterer der typische christlichsoziale Parteipolitiker, dem jeder noch so wilde Sozialdemokrat persönlich lieber war als der engste Parteifreund. Zur Christlichsozialen Partei trat ich erst im Jahre 1923 oder 1924. Aber Körner zählte mich von Anbeginn dazu, und als nun, ich glaube im Mai 1919 - das Datum wird man nach späteren Angaben sofort feststellen können - der österreichische Gesandte in Weimar bat 3 9 ), seine Anschlußabmachungen in militaribus zu ergänzen, wurde eine Kommission gebildet, die zunächst nach Berlin zu N o s k e 4 0 ) fahren 3 7 ) Arthur Frh. Karg v. Bebenburg (Arnau, Bez. Gitschin, Böhmen, 2 2 . 3 . 1 8 7 6 - 1 0 . 1 . 1 9 3 8 , Wien), 1897 aus der Techn. Milak. als Lt. zu D A R . 5, 1. 5.1905 zugeteilt Glstb., 1.5.1908 zu D R . 6, im Weltkrieg div. Glstbsstellungen, 1.11.1916 Mjr., 1919 pensioniert, nach 1918 Stabschef der nö. Heimwehr, 1934 Bundeswehrführer des öst. Heimatschutzes, 1936 Milizführer 2. Rangklasse beim Generalkmdo. d. öst. Frontmiliz. 3 «) Wahrscheinlich Josef Hartwig (Tarnów, Galizien, 2 7 . 7 . 1 8 5 7 - 2 4 . 6 . 1 9 3 7 , Waidhofen/Ybbs), 1880 aus der Milak. als Lt. zu IR. 45, Truppenoffizier, 1.11.1904 Mjr., 8 . 8 . 1 9 0 5 Kmdt. IKSch. LobZÓW, 1 . 5 . 1 9 0 9 Obstlt., 3 0 . 3 . 1 9 1 1 pensioniert, 7 . 8 . 1 9 1 2 Obst. m. Titel u. Charakter. 3 9 ) Ludo Moritz Hartmann (Stuttgart, 2 . 3 . 1 8 6 5 - 1 4 . 1 1 . 1 9 2 4 , Wien), Absolvent des Instituts für ö s t . Geschichtsforschung, 1889 Privatdozent an der Universität Wien, für Geschichte, regte 1900 die Gründung des Volksheimes Wien-Ottakring an, 1901 Eintritt in die sozialdemokratische Partei, 1918 noch von Viktor Adler zum Archivbevollmächtigten für Deutschösterreich bestellt, Dezember 1918-November 1920 öst. Gesandter im Dt. Reich, 1919/20 Abgeordneter zur konstituierenden Nationalversammlung, Mitbegründer des dt.-öst. Volksbundes. Vgl. F. Engel-Janosi, Ludo M. Hartmann und das Problem der Gewalt, in: Zeitgeschichte, 4. Jg. (1976), 7 7 - 9 1 . 4 0 ) Gustav Noske (Brandenburg, 9 . 7 . 1 8 6 8 - 3 0 . 1 1 . 1 9 4 6 , Hannover), sozialdemokratischer Politiker, November 1918 Gouverneur v. Kiel, unterdrückte als Mitglied des Rates der Volksbeauftragten den Berliner Spartakistenaufstand, 1 3 . 2 . 1 9 1 9 - 2 2 . 3 . 1 9 2 0 Reichswehrminister. Seine Erinnerungen: Von Kiel bis Kapp, Berlin 1920; Erlebtes aus Aufstieg und Niedergang einer Demokratie, Offenbach 1947.
Volkswehr, Armeezeitung und Wehrzeitung
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sollte 41 ). Als politischer Experte wurde ein gewisser Braunthal 4 2 ), Redakteur der Arbeiter-Zeitung, ausgesucht. Militärischer Experte war für die Sozialdemokraten der Generalstabshauptmann Baron Latscher von Lauendorf 4 3 ), Mitglied der sozialistischen Offiziersvereinigung, als Vertreter der Christlichsozialen meine Wenigkeit. Wir fuhren hochgeschwellter Brust los. Als wir nach Leipzig kamen, hörten und lasen wir die für Deutschland zu Versailles bekanntgegebenen Bedingungen, die im Artikel 88 das Anschlußverbot enthielten. Damit hatte auch unsere Reise, ehe wir unser Fahrtziel erreichten, ihren Zweck eingebüßt. Wir nächtigten in Berlin in einer Pension auf dem Schiffbauerdamm und meldeten uns bei Noske und Seeckt. Es wurden höfliche Worte getauscht, nicht mehr. Alles war niedergeschmettert. Zu allem Uberfluß kamen Bahnschwierigkeiten dazu. Latscher und ich brauchten Braunthal hatten wir Gott sei Dank verloren - für die Rückreise vierundvierzig Stunden, innerhalb deren wir uns durch eine Nächtigung im Passauer Wolf in Passau erholten. In Berlin hatte ich natürlich verschiedene Freunde besucht, vor allem Cramon und Fleck. Sie waren beide vor nicht langer Zeit aus Wien geschieden. Die Liquidierung ihrer Dienststelle übernahm Obstlt. Kundt 4 4 ), mit dem ich auch Vgl. über ihn: U. Czisnik, Gustav Noske, Göttingen-Frankfurt-Zürich 1969 (Persönlichkeiten u. Geschichte, Bd. 53). 4 1 ) Die öst. Gesandtschaft forderte am 3.5.1919 Militärexperten zur Teilnahme an den Sitzungen der Arbeitskommission der deutschen Friedensstelle über die Organisation des deutschen Heerwesens an. Vom Staatsamt für Heerwesen (Obst. Körner) wurden hiefür Glaise-Horstenau und Hugo Schulz nominiert und mit Vollmachten ausgestattet. Aktenmäßige Berichte über Durchführung und Erfolg der Fahrt fehlen (KA., Staatsamt f. Heerwesen/Amtsleitung, Z1.3777, 3959, 8001, 8111). " ) Julius Braunthal (Wien, 5 . 5 . 1 8 9 1 - 2 8 . 4 . 1 9 7 2 , London), 1897-1901 Frequentant der ThalmudThora-Schule in Wien, Buchbinderlehrling, 1905 Beitritt zur Sozialdemokratischen Partei, 1907-1909 Parteischule, 1911/12 Präsenzdienst als E F . , ab 1912 in der Redaktion der „Volksstimme" in Warnsdorf, Böhmen; ab 29.7.1914 Kriegsdienstleistung, 1.10.1916 Fhr. i.d. Res. Festungsartilleriebataillon 2, 17.8.1917 Lt. i.d. Res., schweres FestungsAR. 1, ab 30.10.1918 Personaladjutant Julius Deutsch', Gründer der Wochenzeitschrift „Der freie Soldat" und der literarischen Beilage „Licht übers Land", ab 1.11.1919 Redakteur der „Arbeiter-Zeitung", seit März 1927 Chefredakteur von „Das Kleine Blatt", der illustrierten Wochenschrift „Kuckuck" und der „Bunten Woche"; 12.2.1934 verhaftet, 1934/35 im Anhaltelager Wollersdorf, Emigration nach Großbritannien, 1949-1956 Sekretär der Sozialistischen Internationale. Seine Memoiren: Auf der Suche nach dem Millenium, 2Bde., Nürnberg 1948/49. Hauptwerke: Viktor und Friedrich Adler. Zwei Generationen Arbeiterbewegung, Wien 1965; Geschichte der Internationale, 2Bde., Hannover 1961/63. " ) Friedrich Frh. Latscher v. Lauendorf (Wien, 3 0 . 8 . 1 8 8 4 - n a c h 1954), 1905 aus der Milak. als Lt. zu D R . 5, Glstbslaufbahn, 7.2.1915 Hptm. i . G . , 21.8.1915 zugeteilt dem 2. Armeekmdo., 18.12.1915 zum Militärbevollmächtigten in Konstantinopel, 5.3.1917 zum I. türkischen Expeditionskorps in Syrien, 11.10.1918 zugeteilt dem Heeresgruppenkmdo. Kövess, Übernahme in die Volkswehr, 1.1.1920 M jr., 1.1.1921 pensioniert, ab 1.2.1939 in der Dt. Wehrmacht als Mjr. z . V . , ab 15.9.1938 Angestellter der Wehrersatzinspektion Wien, ab 1.3.1940 beim Wehrmeldeamt Wien, 1.12.1943 in die Führerreserve des O K H . , 1.1.1944 Obst. 4 4 ) Jaspar Karl Ludwig Kundt (Neustrelitz, Mecklenburg, 1 5 . 2 . 1 8 7 2 - 2 8 . 1 . 1 9 4 0 , Berlin), 1891 als Freiwilliger zu IR. 72, 1892 Lt., Glstbslaufbahn, 1906-1909 mit dem Charakter als Hptm. nach Japan kommandiert, 27.1.1915 Mjr., 1916 kommandiert zum Bevollmächtigten des preuß. KM. beim k . u . k . KM. in Wien, 1918-1928 (ausdrücklich) als „getarnter" Militärattache an der dt. Gesandtschaft in Wien, 1.10.1920 Obstlt. im Reichsheer, 1.5.1923 Obst., 30.11.1926 verabschiedet als charakterisierter G M . , 1939/40 stellv. Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschafc.
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Freundschaft schloß und der bis Anfang der dreißiger Jahre blieb. Cramon, Fleck und ich beredeten unser Buch, von dem ich in diesen Zeilen schon geschrieben habe. Meine Abischnitte zu schreiben, machte mir durchaus Vergnügen. Auch im Passauer Wolf schrieb ich, soviel ich mich erinnere. Daß die beiden Preußen es, aus dem österreichischen Blickfeld besehen, durch Streichungen und Einfügungen nicht verbessert hatten, ist schon gesagt worden. Mit meinem Freunde Lauer, der inzwischen dank der Vermittlung durch Schalk mit Hugo Stinnes 45 ) Beziehungen angeknüpft hatte, fuhren wir im Herbst nochmals nach Berlin. Es waren immer mühsame Unternehmungen.
2. K R I E G S A R C H I V U N D G E S C H I C H T S S T U D I U M , UND HISTORIKER
ARCHIVKOLLEGEN
Der Archivdienst nahm mich nicht sonderlich in Anspruch. Durch meine exterritoriale Dislozierung in der Hofburg wurde ich von der Soldatenrats-Tyrannis im Kriegsarchiv, die wirklich schwer erträglich war, nur wenig berührt. Wohl erregten die reaktionären Besuche, die ich mitunter in meinen Räumen in der Hofburg empfing, manchmal grimmen Verdacht, aber Schulz und Markowitz schirmten mich ab. Vorübergehend trugen wir uns in der - nunmehr „Staatsaktenabteilung" geheißenen — „Gruppe Hofburg" mit dem Gedanken, eine Aktenpublikation aus dem Weltkrieg zu veröffentlichen. Es wären uns hierzu die Akten der Militärkanzlei und die gleichfalls in die Hofburg überführten Akten des A O K . zur Verfügung gestanden. Solche Aktenpublikationen sind schon auf politischem Gebiet nicht leicht, wenn sie irgendwie ein geschlossenes Bild geben sollen. Eine militärische Aktenpublikation, wie zum Beispiel die von Hueffer über den Krieg 1799/1800 4 6 ) ist schon ein besonderes Kunststück. Ich habe das später am eigenen Leibe erfahren, als ich die Memoiren Conrads nach dessen Tod fortführen und als Aktenpublikation weiterbearbeiten wollte 47 ). Die früher erwähnte Absicht blieb im frühesten Keime stecken. Eine besondere Gefahr für alle Wiener Archive und auch das Kriegsarchiv zog gleich zu Anfang herauf. Die Nachfolgestaaten zeigten sehr bald Miene, alle Akten, die sie irgendwie angingen, an sich zu reißen. Zum Teil waren es Gründe administrativer Natur, denen man nicht einmal jede Berechtigung absprechen konnte. Zum Teil war es auch der Ehrgeiz, sich eine geschichtliche Tradition zu schaffen. In dieser Hinsicht marschierten die Tschechen an der Spitze, die auch bei sich zu Hause außerordentlich viel in dieser Hinsicht machten. Wir mußten uns vor allem ihrer heißen Sehnsucht nach den Wallenstein-Akten, den ältesten Beständen des 4 5 ) Hugo Stinnes (Mühlheim/Ruhr, 1 2 . 2 . 1 8 7 0 - 1 0 . 4 . 1 9 2 4 , Berlin), führender Montanindustrieller, nach dem 1. Weltkrieg war sein Konzern das größte dt. Bergwerksunternehmen. 4 6 ) H. Hueffer, Quellen zur Geschichte des Zeitalters der französischen Revolution, 3Bde., Leipzig 1900-1901, Innsbruck 1907.
" ) Vgl. P. Broucek, Der Nachlaß Feldmarschall Conrads und das Kriegsarchiv, in: MÖSTA, Bd. 28, 1975, 164-182.
Kriegsarchiv und Geschichtsstudium
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Kriegsarchivs, erwehren 48 ). Sie erklärten, Wallenstein sei ein Tscheche gewesen, sein papierener Nachlaß gehöre daher nach Prag, sonst nirgends hin. Aber die Tschechen blieben nicht allein. Die Ungarn wollten überhaupt die Hälfte des Archivs haben und erhielten zuletzt die Akten der Honvéddivisionen. Die Jugoslawen dürsteten nach den Grenzer-Akten. Doch selbst die Belgier meldeten sich. So wie sie vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv die Dokumente des Vlies-Ordens haschen wollten, so forderten sie von der Kartensammlung des Kriegsarchivs das wertvollste Kartenwerk, weil der Bearbeiter ein Wallone gewesen war 49 ). Allenthalben meldeten sich Archivbevollmächtigte der Nachfolgestaaten. Die Ungarn schickten eine riesige Kommission, mit meinem einstigen Regimentskameraden an der Spitze 50 ). Die Tschechen standen unter der Leitung Dr. Klecandas51), dessen Bruder ein berühmter General der Legionäre gewesen ist 52 ). Der Archivkommission gehörte auch Hofrat Mares an, der einstige brave Hofwirtschaftsdirektor und Betreuer der Hofzüge in kulinarischer Hinsicht. Klecanda war gleichzeitig Privatdozent an der Preßburger Universität. Wir waren gute Freunde. Zum italienischen Archivbevollmächtigten für Österreich wurde der frühere istrianische Abgeordnete Francesco SalataS3) ernannt, der im Frühjahr 1915 als Emigrant nach Rom gegangen war. Er schrieb jetzt ein dickes Buch über Oberdan, recte Oberdank 54 ), einen Triestiner, der im Jahre 1880 einen Anschlag auf Kaiser *·) Die „Wallensteiniana" des Haus-, Hof- und Staatsarchivs (vgl. über sie: Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, hg. v. L. Bittner, 4. Bd., Wien 1938, 34f.), die provenienzmäßig zum allergrößten Teil der Feldkanzlei des Friedländers entsprungen waren, mußten 1921 bis auf kleine Reste an die Tschechoslowakei abgetreten werden. Von diesbezüglichen Beständen des Kriegsarchivs (Alte Feldakten) mußte jedoch schließlich nichts abgetreten werden. 1941 wurden diese „Wallensteiniana" unter der Bezeichnung „Wiener Akten" mit den um 1918 aus böhmischen und mährischen Archiven in Prag konzentrierten weiteren Akten der Feldkanzlei Wallensteins, nun „Prager Akten" genannt, im Heeresarchiv Wien als „Wallenstein Akten" vereinigt und inventarisiert. Am 5.4.1949 mußten diese „Wallenstein-Akten" nach Intervention des Alliierten Rates an die Tschechoslowakei restituiert werden. 4 9 ) Gemeint ist das Kartenwerk des FM. Josef Johann Graf Ferraris (Luneville, 1726-1.4.1814, Wien), Großkreuz des Militär-Maria Theresien-Ordens, Hofkriegsratsvizepräsident. Vgl. darüber, E. Nischer, österreichische Kartographen, ihr Leben, Lehren und Wirken, Wien 1925, 96f. Leiter der ung. Kriegsarchivdelegation, die am 11.11.1918 gebildet wurde, war Obstlt. Iván Martin. Mit 1.4.1920 übernahm sie Obstlt. Georg Túry v. Nagyszeged. Beide sind jedoch aus der k. u . k . Honvéd hervorgegangen und waren offenbar nie Angehörige der k . u . k . Armee. 5 1 ) Vladimir Klecanda (?), Mitglied IföG., Archivar in Prag, 1929 Dozent für historische Hilfswissenschaften, wirkte in Preßburg, 1938 Univ.-Prof. für historische Hilfswissenschaften in Prag. " ) Vojtëch Vladimir Klecanda (Prag, 1 5 . 1 1 . 1 8 8 8 - 2 2 . 4 . 1 9 4 7 , Prag), vor dem 1. Weltkrieg Direktor der Filiale der Automobilfabrik Laurin in Charkow, wirkte an den Desertionen im IR. 28 mit, leitete 1918 die Operationen an der Magistrale, 1920 zurück in die CSR., es. Delegierter an zahlreichen Konferenzen, ab 1925 Militärattache für Frankreich, Schweiz und Belgien, später Divisionsgeneral. Vojtéch und Vladimir Klecanda waren nur Vettern. 5 3 ) Francesco Salata (Ossero, 1876-1944, Rom), führender istrianischer Irredentist, flüchtete 1914 in das Regno, Teilnehmer an den Friedensverhandlungen in den Pariser Vororten, Staatsrat, 1920 Senator, sodann bevollmächtigter Minister in Wien und federführend bei den Archiwerhandlungen mit Italien, technischer Direktor am Beginn der Materialsammlung zur Herausgabe der italienischen außenpolitischen Akten; publizierte über die Zeit des Risorgimento. M ) F. Salata, Guglielmo Oberdan. Secondo gli atti segreti del processo, carteggi diplomati e altri docum. ined., Bologna 1924. Vgl. dazu Werkverzeichnis Nr. 133.
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Franz Joseph versuchte und deswegen gehängt wurde. Oberdan wurde damals N a tionalheld des italienischen Irredentismus. Trotz dieser politischen Einstellung war uns Salata außerordentlich wertvoll. Denn er hatte das Gefühl für die Erhaltung geschlossener Archivbestände und wußte, daß die Zerreißung der Wiener Archive, wie sie andere Nachfolgestaaten wünschten, einer fast völligen Unbenützbarkeit gleichgekommen wäre. So wurde uns Salata ein wackerer Mitkämpfer. Obwohl ursprünglich nicht Faschist, erwarb er sich später doch das Vertrauen Mussolinis, wurde Senator und zuletzt, 1936, italienischer Gesandter in Wien, wo wir unsere freundschaftlichen Beziehungen weiterpflogen. Unter Salata kam als militärischer Archivbevollmächtigter der aus Triest stammende ehemalige k. u . k . Oberst Alois Veltzé, eines der ältesten Mitglieder des Kriegsarchivs aus der kaiserlichen Zeit und auch in der österreichischen Republik anfangs noch ihr Angestellter. Die Berufung Veltzés war uns nicht angenehm, er hatte sehr gute Kenntnisse vom Archiv und seinen Beständen. Es gab auch die eine oder die andere Unebenheit. Schließlich starb er 1924 — ein völlig zerfahrener, aus dem Geleise geworfener Mensch - eines jähen Todes. Neben den guten literarischen Geschäften, die er - selbst keineswegs ein Schreiber von Format — auf der Basis des Kriegsarchivs zu machen verstand, spielten in seinem Leben die Weiber die Hauptrolle 5 5 ). Er war dreimal hintereinander - nach den ersten beiden Malen immer geschieden - verheiratet und liebte am Schluß auch die zwei Schwestern seiner dritten Frau, so daß sich für eine graphische Darstellung der Buchstabe Τ ergab (drei u n t e r — drei nebeneinander). Wegen seiner Scheidungen wechselte er einmal die österreichische Staatsbürgerschaft mit der ungarischen; am Schluß wurde er Italiener. Also auch drei Vaterländer. Leider nur zwei Religionen, da keine Nötigung bestand, das nach dem Katholizismus angenommene evangelische Bekenntnis noch mit einem zu vertauschen. Der Ruhelose fand auf dem Helenenfriedhof bei Baden, wo er einmal eine Villa besessen hatte, endlich seine Ruhe. Nachfolger Veltzés wurde, ich mache einen Sprung von fünf Jahren, der königlich italienische Tenente Generale Senza Servizio Barone Alberto Margutti, der fast ein Vierteljahrhundert dem militärischen Hofstaate des Kaisers Franz Joseph angehört hatte. Ich habe ihn in diesen Zeilen schon erwähnt. Als mich der damalige italienische Militârattaché in Wien, der nachmalige Armeegeneral Vecchiarelli 56 ), fragte, ob mir Margutti genehm sei, sagte ich mit Freuden ja. Er war zwar in den letzten anderthalb Jahren Krieg Vizedirektor des Kriegsarchivs gewesen, hatte aber von den Aktenbeständen keine Ahnung. Er mußte zum Abschreiben in seiner schönen Schrift nehmen, was wir ihm gaben.
5 5 ) Veltzé war in 1. Ehe (seit 1 6 . 6 . 1 8 8 9 ) mit Josefine Theresia geb. Gassner vermählt. A m 2 0 . 6 . 1 9 0 0 wurde die Ehe getrennt; mit 3 0 . 1 0 . 1 9 0 0 trat Veltzé, nunmehr ung. Staatsbürger, zum Protestantismus über und heiratete am 6 . 1 2 . 1 9 0 0 Ilona Fellner. 5 6 ) Carlo Vecchiarelli (?, 1 8 8 4 - ? ) , 1905 Offizier in der ital. Armee, nach dem Weltkrieg als O b s t . K m d t . 7. Alpiniregiment, 1926-1928 Militârattaché in Wien, März 1937 als Brigadegeneral Kmdt. d. Division „ M u r g e " , Sept. 1943 K m d t . 11. Armee, Febr. 1944 vor ein faschistisches Sondergericht gestellt.
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Die Personalien des Kriegsarchivs machten von Anbeginn schwere Sorgen. Beim Zusammenbruch hatte es einen Stand von dreihundert Beamten. Die mußten natürlich abgebaut werden. Der erste Abstrich, auf hundert, ging verhältnismäßig automatisch durch die Entlassung der Reservisten. Verschiedene unter diesen zogen sich allerdings schon damals, und es mußte energisch durchgegriffen werden. Gleichzeitig fiel die Entscheidung über das Kriegsarchiv als solches. Es herrschte sehr bald, schon vor den Wehrbeschränkungen, die der Friede von St-Germain brachte, die Uberzeugung vor, daß sich das Kriegsarchiv in ein Zivilinstitut verwandeln werde. Wir waren alle dafür, denn die Zugehörigkeit zur Volkswehr hatte für niemand etwas Verlockendes. Allmählich begannen die Verhandlungen mit dem Ministerium des Inneren, die im Jahre 1920 ihrem Ende entgegengingen 57 ). Ich persönlich war übrigens noch lange nicht entschlossen, welchen Beruf ich einschlagen sollte: Soldat - Körner umwarb mich noch immer - , Journalist oder Archivar-Historiker-Gelehrter. Da gab im Herbst 1919 ein Erlebnis den Ausschlag. Heinrich Friedjung, der große Geschichtsschreiber, hatte schon etliche Jahre vor dem Kriege eine historische Tafelrunde gegründet, der ich schon damals einige Male anwohnte 5 8 ). Einmal erinnere ich mich, wie nach dem Vortrag beim Abendessen Hoen einen seiner Grotesk-Vorträge hielt, indem er diesmal die feine Kriegskunst des Marschalls von Luxemburg gegenüber der Grobschlächtigkeit napoleonischer Kriegführung ausmalte. Heinrich Friedjung, sonst immer ernst und feierlich, krümmte sich vor Lachen. Nun wurde, im Herbst 1919, diese Runde neuerlich zusammengerufen und man lud auch mich ein. Anwesend waren von Professoren Pribram, Oswald Redlich 5 9 ), Dopsch 6 0 ), Othmar Spann 6 1 ), von Generälen Auffenberg und Woinovich. Pribram sprach über eine Publikation der „österreichischen Rundschau" 6 2 ), in der das österreichisch-deutsche Verhältnis vor dem und im Kriege behandelt wurde. Es bot sich mir Gelegenheit, in der Diskussion Interessan5 7 ) Das Kriegsarchiv, das 1 9 1 3 - 1 9 1 8 dem Kriegsministerium unmittelbar untergeordnet war, unterstand 1 9 1 8 - 1 9 2 3 der Reihe nach dem Liquidierenden Kriegsministerium, dem Archivbevollmächtigten der Republik, dem Staatsamt für Heerwesen, dem Bevollmächtigten-Kollegium (internationale Liquidierung) und dem Militärliquidierungsamt, sowie ab 1920 dem Bundeskanzleramt. Mit 1 2 . 1 . 1 9 2 3 beschloß der Kabinettsrat die Unterstellung des Archivs unter das Bundesministerium für Inneres, nach dessen baldiger Vereinigung mit dem Bundeskanzleramt wurde wieder dieses A m t die vorgesetzte Dienststelle.
) Die „Gesellschaft für Geschichtsfreunde". ) Oswald Redlich (Innsbruck, 1 7 . 9 . 1 8 5 8 - 2 0 . 1 . 1 9 4 4 , Wien), 1 8 8 1 - 1 8 9 2 Archivar am Statthaltereiarchiv Innsbruck, 1887 D o z e n t f. hist. Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck, 1893 ao. Prof. in W i e n , 1897 o. Prof. f. hist. Hilfswissenschaften u. Geschichte des Mittelalters, 1 9 2 6 - 1 9 2 9 Vorstand des Instituts für öst. Geschichtsforschung; 1899 korrespondierendes u. 1900 wirkl. Mitglied der ö s t . Akademie der Wissenschaften; X I I . 1 9 1 8 - 1 9 2 4 Archivbevollmächtigter der Republik Ö s t e r reich, 1918/19 Leiter d. H a u s - , H o f - und Staatsarchivs. Vgl. L . Santifaller, Oswald Redlich, Ein N a c h ruf, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Geschichtswissenschaft, in: M I Ö G . , L V I . B d . 1948, 1 - 2 3 8 . 5β 59
6 0 ) Alphons D o p s c h ( L o b o s i t z , 1 4 . 6 . 1 8 6 8 - 1 . 9 . 1 9 5 3 , Wien), 1893 Privatdozent, 1898 ao. U n i v . Prof. u. 1900 o. U n i v . - P r o f . f. allgemeine u. öst. Geschichte (bis 1937). 6 1 ) O t h m a r Spann (Wien, 1. 1 0 . 1 8 7 8 - 8 . 7 . 1 9 5 0 , Neustift, Burgenland), seit 1908 Privatdozent an der Univ. Wien, 1919 Professor der politischen Ö k o n o m i e und der Gesellschaftslehre an der Univ. Wien. Hauptwerk: D e r wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft, J e n a 1921. 6 2 ) Gemeint ist wahrscheinlich: Zwei Gespräche Bismarcks mit Kronprinz R u d o l f , in: Österreichische Rundschau, X V I I . J g . , 1921, 8 - 1 9 u. 5 7 - 6 8 ; ebenso militär- und außenpolitisch gehaltvoll war:
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tes aus meinen persönlichen Erlebnissen zu dem Thema zu erzählen. Die Unmittelbarkeit meines Wortes machte auf die Anwesenden, die natürlich dergleichen nicht erwarteten, einen — wie ich nachträglich sagen muß - unverdient großen Eindruck. Es war eben alles noch neu, was ich zu sagen hatte. Friedjung war besonders begeistert, aber auch Auffenberg, Pribram und die anderen beglückwünschten mich. In diesem Augenblick wurde mein Entschluß fest: ich wollte bei den Akten und der Historie bleiben ! Ich ging für sechs Semester auf die Universität, vom Institut für Geschichtsforschung hatte ich allerdings nach zweien genug. Die Maiuskeln und Minuskeln des braven Professors Ottenthaler von Ottenthai 63 ) gingen mir zu stark auf die Nerven. Ich hörte bei Wilhelm Bauer 64 ) Einführung in die Geschichte 65 ), bei Dopsch Mittelalter und Verwaltungsgeschichte, bei Oswald Redlich neuere Zeit, bei Pribram gleichfalls, wobei ich bei letzerem auch im Seminar arbeitete. Srbik, der anfangs noch in Graz war, konnte ich nicht mehr inskribieren. Kunstgeschichte genoß ich zuerst bei Dvorak 66 ), dessen singendes Böhmakeln einen wegen des geistreichen Inhalts nicht mehr stören konnte. Leider traf ihn bald der Schlag, sein Nachfolger Strzygowski 67 ) (übrigens ein Verwandter der Frau v. Morawetz) reichte nicht an ihn heran. Philosophie belegte ich bei Reininger 68 ). Manchmal hörte ich auch bei Kretschmayr österreichische Geschichte. Als gereifter Mann, der in seinem Leben schon viel Geschichte betrieben und noch mehr erlebt hatte, trat ich natürlich meinen Lehrern ganz anders gegenüber als die jungen Schüler und Schülerinnen, die noch dazu den Nachteil der außerordentlich mangelhaften Schulung in der Kriegszeit mitbrachten. Besonders bei den Übungen trat eine Unkenntnis zutage, die geradezu erschütternd war. Der Konflikt Conrad-Aehrenthal. Ein Beitrag zum Kapitel „Politik und Kriegführung", ebdt. LXIV. Bd., Jg. 1920, 93-118. " ) Emil Ottenthaler v. Ottenthai (Taufers, 15.6.1855-5.2.1931, Wien), 1903-1926 Vorstand des Instituts für öst. Geschichtsforschung, 1893-1904 o. Univ.-Prof. f. allgemeine Geschichte an der Universität Innsbruck, 1904-1926 o. Univ.-Prof. der Geschichte des Mittelalters und der hist. Hilfswissenschaften an der Univ. Wien. M ) Wilhelm Bauer (Wien, 31.5.1877-23.11.1953, Linz), 1902 Dr.phil., 1907 Dozent für neuere Geschichte an der Universität Wien, 1919 ao. Univ.-Prof., 1923 o. Univ.-Prof., 1920-1945 Redakteur der Mitteilungen des Instituts für öst. Geschichtsforschung, 1930 als Nachfolger Pribrams Mitdirektor des Hist. Seminars. Im „Wiener Mittag" nahm Bauer zu zahlreichen kulturpolitischen - vor allem hochschulpolitischen - und historischen Fragen Stellung. Vgl. ansonsten: H. Dachs, Österreichs Geschichtswissenschaft und Anschluß 1918-1930, Wien-Salzburg 1974, 130ff.; E. Schulz, Wilhelm Bauer (1877-1953). Studien zu Liben und Werk (Dissertationen der Universität Wien, Bd. 142), Wien 1979. 6 5 ) Vgl. dessen Einführung in das Studium der Geschichte, Wien 1921, 2. Aufl. Wien 1927. 6 6 ) Max Dvorak (Raudnitz a.d. Elbe, 24.6.1874-8.2.1921, Schloß Grußbach bei Znaim), seit 1909 o. Univ.-Prof. der Kunstgeschichte an der Universität Wien. Hauptexponent der Wiener Schule der Kunstgeschichte, Initiator der österreichischen Kunsttopographie. " ) Josef Strzygowski (Biala, 7.3.1862-2.1.1942, Wien), 1892 o. Univ.-Prof. f. Kunstgeschichte in Graz, 1909-1933 in Wien, Gründer des I. Kunsthistorischen Instituts. 6 8 ) Robert Reininger (Linz, 28.9.1869-17.6.1955, Wien), Privat-Dozent für Philosophie an der Univ. Wien 1903, ao. Univ.-Prof. 1913, o.ö. Univ.-Prof. 1922-1939; vgl. K. Nawratil, Robert Reininger, Leben - Wirken - Persönlichkeit, Wien 1969 (Sitzungsberichte der ö s t . Akademie der Wissenschaften, 265. Bd., 2.Abhandlung.)
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Von meinen Lehrern kam mir der kleine Jude Pribram weitaus am nächsten. Es lag in dem Wissensgebiet, das er tradierte, aber auch in der geistreichen Art, in der er es tat. Ihn vortragen zu hören, war wirklich ein Vergnügen. Seiner grundsätzlichen Einstellung zur Wissenschaft mußte ich allerdings in Privatgesprächen oft entgegentreten. Diese Einstellung war rein destruktiv und negativ. Er gab seinen Schülern im Seminar immer wieder zu verstehen, daß es eigentlich eine historische Wahrheit nicht gebe und man sich keine Mühe machen solle, diese zu erforschen. Ich hielt ihm oft vor, daß er solche Äußerungen gereiften Männern gegenüber machen könne, daß es aber schädlich sei, den jungen Adepten der Wissenschaft von Anbeginn jeden Boden unter den Füßen wegzuziehen. Für Pribrams Art war es charakteristisch, was er mit dem 3. Band des von seinem Freunde Friedjung verfaßten „Zeitalter des Imperialismus" aufführte. Friedjung hatte auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Literatur Grey 6 9 ) der Hauptschuld an der europäischen Konflagration von 1914 bezichtigt. Pribram nahm sich nun, ohne das Ergebnis je zu publizieren, die Mühe, in einem ebenso dicken Manuskript auf Grund der gleichen Literatur ein ganz entgegengesetztes Ergebnis zu deduzieren. Pribram entstammte einer mährischen Judenfamilie. Er selbst war in London geboren, wo er die ersten zehn Jahre seines Lebens verbrachte. Seine Frau war eine geborene Rapaport 70 ), die jedoch bald nach unserer Bekanntschaft starb. Er hatte ein altes, villenartiges Haus in der Billrothstraße 71 ). Ich verkehrte dort sehr viel. Sein prachtvolles Englisch verhalf ihm natürlich zu zahlreichen Verbindungen mit der angelsächsischen Welt. Ein halbes Jahr war er Gastleser auf der Havarduniversität. Er war auch der österreichische Hauptmitarbeiter der britischen Enzyklopädie. In seinem Auftrag bearbeitete ich für diese einige Themen, darunter den Zusammenbruch Altösterreichs und die erste Geschichte des neuen Staates 72 ). Er wurde mir ein guter Freund und Förderer, der unter anderem den österreichischen Bundespräsident Michael Hainisch 73 ) als ersten auf meine Eignung zum Direktor des Kriegsarchivs aufmerksam machte. Es war unvermeidlich, daß ich durch Pribram in die jüdische Gelehrtenwelt hineinkam, die damals sehr stark und auch einflußreich war 74 ). Ich nenne einige, die 6 9 ) Sir Edward G r e y (Viscount G r e y of Fallodon) (Fallodon, 2 5 . 4 . 1 8 6 2 - 7 . 9 . 1 9 3 3 , Fallodon), ab 1895 liberaler Abgeordneter im britischen Unterhaus, 1 0 . 1 2 . 1 9 0 5 - 5 . 1 2 . 1 9 1 6 Außenminister. Seine E r innerungen: T w e n t y Five Years, 1 8 9 2 - 1 9 1 6 , 2 B d e . N e w Y o r k 1925.
) Elisabeth Pribram, geb. Rapaport. Seit 1889 verehelicht mit Alfred Francis Pribram. ) Wien 19., Billrothstraße 32. 7 2 ) Vgl. Werkverzeichnis N r . 338. 70 71
7 3 ) Michael Hainisch (Aue bei Schottwien, 1 5 . 8 . 1 8 5 8 - 2 6 . 2 . 1 9 4 0 , Wien), Sozial- und Wirtschaftspolitiker, 1 9 2 0 - 1 9 2 8 Bundespräsident, 1929/30 Bundesminister für Handel und Verkehr. Vgl. F . Weissensteiner ( H g . ) , Michael Hainisch, 75 J a h r e aus bewegter Zeit. Lebenserinnerungen eines österreichischen Staatsmannes (Veröff. d. Kommission f. neuere Geschichte Österreichs, B d . 64), Wien 1978. 7 4 ) D e r Glaube von der starken „jüdischen Gelehrtenwelt" herrschte in radikalen deutschnationalen, aber auch in katholisch-nationalen Kreisen vor, wie etwa fast regelmäßige Artikel in der W o c h e n schrift „ D a s N e u e R e i c h " (vgl. St. Hanzer, Die Zeitschrift „ D a s Neue R e i c h " 1 9 1 8 - 1 9 2 5 . Z u m restaurativen Katholizismus in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg, W r . Diss. 1973, insb. 1 6 5 f f . ) und später in der „Schöneren Z u k u n f t " (vgl. P. Eppel, Die Haltung der Zeitschrift „ S c h ö n e r e Z u k u n f t " zum Nationalsozialismus in Deutschland 1 9 3 4 - 1 9 3 8 , W r . Diss. 1977, insb. 1 8 5 f f . ) zeigen. F ü r beide Zeit-
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mir gerade einfallen. Den Staats- und Völkerrechtsprofessor Kelsen 75 ), der bei Gelegenheit unter Bezug auf sich meinte, daß mehr oder minder jeder einmal Kohn geheißen habe, kannte ich schon, als er noch Hauptmann-Auditor im Präsidialbüro des Kriegsministeriums war. Wir hatten in den letzten Monaten des Krieges manches verfassungsrechtliche und politische Gespräch miteinander. Ebenso war ich während des Krieges mehrmals durch Josef Redlich 7 6 ) in die damals nicht einflußlose „österreichisch-politische Gesellschaft" geladen gewesen. Redlich, später bekannt durch seine österreichische Verfassungsgeschichte und eine Biographie Kaiser Franz Josephs 7 7 ), entstammte gleichfalls einer mährischen Judenfamilie. Sein Vater 7 8 ) war ein reicher Zuckerindustrieller und hatte zwölf Jahre vor dem legitim gezeugten Sohn Josef mit einem einfachen Mädchen 7 9 ) einen illegitimen gezeugt: keinen geringeren als den späteren tschechoslowakischen Präsidenten Thomas Garrigue Masaryk, den Josef Redlich mir gegenüber immer seinen „Halbbruder" nannte. Redlich wurde im Kabinett Lammasch Finanzminister und dann später, Mitte der zwanziger Jahre, noch einmal in Restösterreich. Es ging ihm damals schon sehr schlecht. Er starb wenige Tage darauf. Schriften verfaßte Glaise Artikel. D e m n a c h behauptete die „ S c h ö n e r e Z u k u n f t " etwa 1936, daß 4 5 % der Universitätsprofessoren jüdischer Abstammung seien, wobei noch weitere 5 0 % (sie !) dazuzuschlagen seien. Aufgrund neuerer Arbeiten ist aber festzuhalten, daß 1936 von 664 Universitätsprofessoren nur 190 ( = 2 8 , 6 1 % ) jüdischer Abstammung waren. Vgl. S. Maderegger, D i e Juden im österreichischen Ständestaat 1 9 3 4 - 1 9 3 8 (Veröffentlichungen des Historischen Instituts der Universität Salzburg, WienSalzburg 1973) 220. 7 5 ) Hans Kelsen (Prag, 1 1 . 1 0 . 1 8 8 1 - 9 . 4 . 1 9 7 3 , Berkeley, U S A ) , 1911 D o z e n t f. Staats- u. Verwaltungsrecht, 1917 ao. P r o f . , 1919 o. P r o f . , 1 9 3 1 - 1 9 3 3 Ordinarius in K ö l n , dann Universitätslehrer in G e n f , Cambridge, Berkeley; 1 9 2 1 - 1 9 2 9 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes; Schöpfer der öst. B u n desverfassung von 1920; Begründer der Wiener staatsrechtlichen Schule (positivistische Rechtstheorie, in der der Staat mit der Rechtsordnung gleichgesetzt wird = reine Rechtslehre). 1 . 1 . 1 9 0 2 L t . i . d . Res. Trainrgt. 1, 1 . 8 . 1 9 1 4 Zugskmdt. d. Mannschaftsersatzabt. u. Instruktionsoffz. an der E F . - S c h u l e der Traindivision 14, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 L d s t u r m - O b l t . , 1 . 1 2 . 1 9 1 4 Leiter der 14. G r u p p e des Kriegsfürsorgeamtes d. K M . , 1 . 8 . 1 9 1 5 O b l t . - A u d i t o r u. Stellvertreter des Militäranwalts des Militärkommandos Wien, 1 . 1 0 . 1 9 1 5 Konzeptsoffz. der A b t . 4/1 im K M . Vgl. A . Verdroß, N a c h r u f auf Hans Kelsen, in: Almanach der österreichischen Akademie der Wissenschaften für das J a h r 1973, 1 2 3 . J g . , 410—413; R . A . Métall, Hans Kelsen, Leben u. W e r k , Wien 1968. 7 6 ) J o s e f Redlich ( G ö d i n g , 1 8 . 6 . 1 8 6 9 - 1 2 . 1 1 . 1 9 3 6 , Wien), 1901 D o z e n t für Verwaltungsrecht an der Univ. Wien, 1 9 0 7 - 1 9 1 8 Abgeordneter zum Reichsrat der Deutschen Fortschrittspartei für Mähren, 1910, 1913, 1921 und öfters Gastprofessor in den Vereinigten Staaten, 2 7 . 1 0 . 1 9 1 8 - 1 1 . 1 1 . 1 9 1 8 ö. F i nanzminister, 2 0 . 6 . 1 9 3 1 - 5 . 1 0 . 1 9 3 1 ebenfalls. V g l . : Schicksalsjahre Österreichs. Das politische Tagebuch J o s e f Redlichs, hg. v. F . Fellner, 2 B d e . , Wien 1953 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 3 9 , 40). 7 7 ) Das österreichische Staats- und Reichsproblem. Geschichtliche Darstellung der inneren Politik der habsburgischen Monarchie von 1848 bis zum Untergang des Reiches, B d . I / 1 , 1/2 u. B d . I I , Leipzig 1920, 1926; ö s t e r r e i c h i s c h e Regierung und Verwaltung im Weltkriege, Wien 1925 (Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges, österreichisch-ungarische Serie, Bd. 4 ) ; Kaiser Franz J o s e f von Ö s t e r reich. Eine Biographie, Berlin 1929. 7 e ) J o s e f Redlichs Vater war Adolf Redlich. Dieser war der Sohn des Nathan Redlich, einem A d o p tivsohn des Lazar Redlich. Nathan Redlich könnte der Vater Masaryks gewesen sein, sodaß also J o s e f Redlich dessen Neffe gewesen wäre. Vgl. W . L o r e n z , W e r war T h o m a s Garrigue Masaryk ? Das Rätsel seiner Abstammung, in: Virtute fideque. Festschrift für O t t o von Habsburg zum fünfzigsten Geburtstag. W i e n - M ü n c h e n 1965, 1 0 9 - 1 1 4 . 79
) Therese Kropaczek (Auspitz, 4 . 9 . 1 8 1 3 - ? ) , vermählt 1849 in G ö d i n g mit J o s e f Masaryk.
K r i e g s a r c h i v und G e s c h i c h t s s t u d i u m
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Große Wertschätzung brachte mir Bettelheim-Gabillon 8 0 ) entgegen, für dessen „ N e u e österreichische Biographie" ich zwei schon zitierte Beiträge, über Boroevic und Franz Ferdinand, schrieb. Schon der erstere der beiden trug mir eine ganz besondere Anerkennung des sehr kritischen Herausgebers ein. Mit Ludo Hartmann kam ich in der Friedjung-Gesellschaft zusammen. Wir fanden uns bei einer Diskussion über Ludendorffs unglückselige Politik. Daneben waren noch Mises 8 1 ) und einige andere, die mir vielleicht noch einfallen werden. Friedjung starb, wenn ich nicht irre, 1922 an einem Blasenkrebs. Sein Begräbnis auf dem Zentralfriedhof war streng orthodox in einer ungehobelten Holzkiste. N e ben dem offiziellen Redner, der mir nicht einfällt, hielt auch Hoen eine Ansprache, in der er Friedjungs große Verdienste um die Kriegsgeschichtsschreibung hervorhob. Die historische Gesellschaft wurde nun Friedjung-Gesellschaft genannt. Ich habe sie später in dem halben Jahre, das Pribram in Amerika weilte, vertretungsweise geleitet. Es gehörte zu den Treppenwitzen der Weltgeschichte, daß während dieses Interregnums Alfred Krauss über sein eben erschienenes, wirklich krauses Buch „ D e r Irrweg des deutschen Königtums" 8 2 ) - selbstverständlich Verlag Lehmann München - referierte. Er wurde durch Hans Hirsch 8 3 ) und andere in Grund und Boden verurteilt, was ihm sehr recht geschah. Es war etwas allzu stark vorausgefühlte NS-Geschichtsauffassung. Im Kreise Pribrams lernte ich auch den schon erwähnten Bundespräsidenten Österreichs, Dr. Michael Hainisch, kennen. Er entstammte einem linksliberalen Gelehrtenkreise, war aber vornehmlich Landwirt und hielt eine Art Musterwirtschaft bei Gloggnitz. Seine Frau war eine geborene Figdor 8 4 ). Seine Mutter Marianne 85 ), die nahezu hundert Jahre alt wurde, war eine berühmte Frauenrechtlerin, die noch in der Republik Österreich von sich reden machte. Michael Hainisch war 8 °) Anton Bettelheim (Wien, 1 8 . 1 1 . 1 8 5 1 - 2 9 . 3 . 1 9 3 0 , Wien), Schriftsteller u. Journalist, redigierte 1897-1918 das „Biographische Jahrbuch", war 1907-1910 Leiter der „Allgemeinen Deutschen Biographie", 1923-1930 Initiator und Leiter der „ N e u e n österreichischen Biographie ab 1815". BettelheimGabillon nannte sich nur seine Gattin Helene, Schriftstellerin, die Tochter des Schauspielerehepaares Ludwig u. Zerline Gabillon. Sie hatte 1881 Anton Bettelheim geheiratet. 8 1 ) Ludwig Edi. v. Mises (Lemberg, 2 9 . 9 . 1 8 8 1 - 1 9 7 3 , USA), Nationalökonom, Soziologe, 1913-1935 Univ.-Prof. in Wien, dann in Genf und in Mexiko, seit 1940 in N e w York, gründete 1926 das öst. Institut für Konjunkturforschung. Vertreter der liberalen Wirtschaftslehre. 1902/03 Präsenzdienst bei D A R . 6, 1.1.1904 Lt. i.d. Res. D A R . 20, 2.8.1914 aktive Dienstleistung bei F K R . 30, 1.11.1914 Oblt. i.d. Res., 1.11.1917 Hptm. i.d. Res., 3.8. 1918 AOK.-Ukraine als Leiter der Finanzund Währungspolitik. Vgl. F. A. Hayek, In memoriam Ludwig Mises, in: Zeitschrift für Nationalökonomie, Bd.33/1973, 461 f.; F. Engel-Janosi, „ T r o e r sind wir gewesen." Erinnerungen an den Nationalökonomen Ludwig von Mises, in: Die Presse, v. 12./13.3.1977, 15. 8 2 ) Der Irrgang der deutschen Königspolitik. Die Lehren der Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft, München 1927. 8 3 ) Hans Hirsch (Zwettl, 2 7 . 1 2 . 1 8 7 8 - 2 0 . 8 . 1 9 4 0 , Wien), 1908 Privatdozent f. Geschichte u. hist. Hilfswissenschaften an der Univ. Wien, 1926 o. Univ.-Prof., 1929-1940 Vorstand des Instituts f. ö s t . Geschichtsforschung. 1.5.1915 Kadett i.d. Res. Gebirgs-AR. 14, 1.11.1916 Oblt. i.d. Res. 8 4 ) Emilie Hainisch, geb. Figdor. 8 5 ) Marianne Hainisch (Baden/Wien, 2 5 . 3 . 1 8 3 9 - 5 . 5 . 1 9 3 6 , Wien), Begründerin der öst. Frauenbewegung, gründete 1902 den Bund öst. Frauenvereine, übernahm 1914 die Leitung der Friedenskommission in diesem Bund, neigte weltanschaulich dem liberalen Gedankengut zu.
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ein schöner Bundespräsident, groß, gewaltig, mit gütigen Augen und einem langen, wallenden weißen Bart. Er war schon nahe an die Siebzig und dann über sie hinaus und in seinen Reden nicht besonders glücklich. Bei welchem Anlaß immer es gewesen sein mag - er kam stets auf die Landwirtschaft zu sprechen und die „Bundeskuh" Bella, die im Besitze von Hainisch täglich dreißig Liter Milch gab, war in ganz Österreich sprichwörtlich. Natürlich war auch Michael Hainisch Anhänger des Anschlußgedankens. Er regierte bis zum Jahre 1928. Ich behielt auch nachher, wie es gegenüber gestürzten Größen meine Gewohnheit ist, Beziehungen zu ihm. Als ich Minister war, besuchte er mich öfters in meinem Büro. Dem Bundespräsidenten Hainisch verdankte die Friedjung-Gesellschaft, daß sie ihre vierzehntägige Sitzung in dem schönen Kongreßsaal des Bundeskanzleramtes abhalten konnte. Der jüdische Charakter der Friedjung-Gesellschaft veranlaßte schon in den ersten Jahren nach dem Umsturz eine Gruppe um Dopsch, Wilhelm Bauer und Dr. Schalk zu einer Gegengründung, die ein paarmal in einer Bank auf dem Wildpretmarkt tagte, dann aber wieder selig entschlummerte. Immerhin fand ich Gelegenheit, ein Thema zu behandeln, das den meisten Zeitgenossen des Weltkrieges ganz neu war: die Tätigkeit der Tschechischen Emigration 1914 bis 1920 und die mir ihr zusammenhängenden sehr wichtigen Ereignisse in Sibirien. In der zehn Jahre später erscheinenden zweibändigen Geschichte des Weltkrieges von Kühl 8 6 ) kommt das Wort Sibirien bezeichnenderweise überhaupt nicht vor. Noch ein paar Worte zu den anderen Historikern der Universität. Alfons Dopsch befand sich damals auf der Höhe seines Ruhms. Diesen übertraf bloß seine Arroganz. Sein besonderes Steckenpferd war zu dieser Zeit ein erbitterter Kampf gegen alle, die in der Völkerwanderung eine Kerbe, ein Vacuum der Geschichtswende erblickten. Er schrieb ein zweibändiges Werk über die evolutionäre Entwicklung dieses Zeitalters - trotz dessen Turbulenz 87 ). Er war ein guter Vortragender, wenn einem auch zeitweilig eine gewisse Art von Räuspern störte. Kretschmayr sagte immer, wenn man fünf Minuten mit einem Universitätsprofessor beisammensitzt, dann weiß man bereits, daß alle seine Kollegen Trottel seien. Dopsch gehörte ganz besonders zu diesem Typus. Er konnte in der Vorlesung ohne weiteres sagen: „Wie zum Beispiel Oswald Redlich in unglaublicher Verblendung mitteilt Dieser Oswald Redlich, zugleich Präsident der ehemaligen kaiserlichen, nun österreichischen Akademie der Wissenschaften, war von Geburt Tiroler und aus dem Stande der Archivbeamten hervorgegangen, für die er ein besonderes Herz besaß. Er war ein ruhiger, ziemlich schwungloser Vortragender mit profundem Wissen. Aus seinem Standardwerk über Rudolf von Habsburg, das lange vor dem Kriege erschien, habe ich schon damals viel Anregung erfahren 88 ). O b er die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen richtig dargestellt und auf den richtigen ) Η . v. Kühl, Der Weltkrieg 1 9 1 4 - 1 9 1 8 , 2 B d e . , Berlin 1929. ) Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung von Caesar bis auf Karl den Großen, 2 B d e . , Wien 1 9 1 8 - 1 9 2 0 , 2.Aufl., Wien 1 9 2 3 - 1 9 2 4 . 8 8 ) Rudolf von Habsburg. Das deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903. β6 87
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Fleck gesetzt hat, bleibe dahingestellt. Manches spricht dagegen. Für die Fortführung der österreichischen Geschichte von Huber war er zweifellos der richtige Mann. Die zwei Bände über das Zeitalter 1648 bis 1740 sind trocken und dürr, aber inhaltsreich und durch den Stoff außerordentlich fesselnd 89 ). Im Zweiten Weltkrieg starb er, hoch über achtzig, nachdem wir in der Ära Schuschnigg noch im Staatsrat zusammensaßen. Der ,,Kultur"-Band des genannten Zeitalters soll sich im Nachlaß fertig vorgefunden haben 90 ). Hoffentlich erscheint er. Mit Professor Wilhelm Bauer trat ich durch Dr. Schalk und in der Folge durch Dr. Theodor Mayer 91 ), Privatdozent der Wirtschaftsgeschichte und Direktor des niederösterreichischen Landesarchivs, in nähere Beziehung. Bauer war ein entsetzlicher Vortragender, man hatte unausgesetzt das Bedürfnis, ihm auf den Rücken zu schlagen, damit die mühselig herausgepreßten Worte etwas leichter das Gehege seiner Zähne verließen. Dabei war er nicht nur ein sehr guter Stilist, sondern ein ganz ausgezeichneter Gelehrter, der sehr viel wußte und reich an Ideen war. Dr. Mayer, ein Oberösterreicher mit stark bäuerlichem Einschlag, sprach ebenso schlecht wie Bauer und war auch ein kluger Mensch. Er wurde Obmann der Gewerkschaft der Archivare, ich hatte als solcher viel mit ihm zu tun und spielte sehr rasch selbst darin eine beträchtliche Rolle. Als die Frage einer Neubesetzung des Kriegsarchivs aktuell wurde, tauchte auf einmal eine seltsame Lösung auf: der gleichaltrige Mayer Direktor, ich Vizedirektor. Mayer fühlte sich bei diesen Zukunftsaussichten schon recht wohl, wurde aber später, schon um 1922, jäh aus seinen Hoffnungen gerissen und war vorübergehend sehr böse auf mich. Er verließ zornerfüllt Wien, um eine außerordentliche Professur in Prag anzunehmen, wo bereits sein Freund Hirsch dozierte. Von Prag kam er nach Marburg an der Lahn. Wir begruben später unser Kriegsbeil wieder, während meiner Berliner Zeit 1939/41 waren wir wieder sehr befreundet. Früher national im besten Sinne des Wortes, wurde er natürlich Nazi, stand aber den Dingen, als wir wieder zusammenkamen, überaus kritisch gegenüber. Er wurde Rektor der Marburger Universität. Hier begab sich auf seine Einladung im Jahre 1940 oder Frühjahr 1941 mein letztes Auftreten als Vortragender vor der öffendichkeit außerhalb von Agram. Ich sprach in der Aula über Prinz Eugen, wobei ich in aller Form und für jedermann deutlich die gewisse Geschichts8 9 ) Weltmacht des Barock. Österreich in der Zeit Kaiser Leopolds I., l.Aufl. Wien 1921, 4. Aufl. Wien 1961; Das Werden einer Großmacht, Österreich von 1700 bis 1740, l.Aufl. Wien 1938, 4.Aufl. Wien 1962. 9 0 ) Uber Kunst und Kultur des Barocks in Österreich, in: Archiv für öst. Geschichte, 115. Bd., 2. Hälfte, 1943, 3 3 1 - 3 7 9 . 9 1 ) Theodor Mayer (Neukirchen a.d. Enknach, Oö., 2 4 . 8 . 1 8 8 3 - 2 6 . 1 1 . 1 9 7 2 , Salzburg), 1906 Archivar am Statthaltereiarchiv Innsbruck, 1907 am Archiv des Ministeriums des Inneren in Wien, 1912-1913 Leiter des Archivs für Niederösterreich, 1914 Dozent für mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien, 1923 ao. Prof. an der Deutschen Universität in Prag, 1927 o. Prof., 1934 in Freiburg/Breisgau, 1938 in Marburg an der Lahn, 1942-1945 Leiter der „Monumenta Germaniae Histórica" (Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde), später Leiter des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte und Vorsitzender der Südostdeutschen Historischen Kommission. Kriegsdienst ab 23.5.1915, 1.8.1916 Lt. i.d. Res. FsAR. 1, Beobachte- und Aufklärangsoffizier, 1.11.1918 Oblt. i.d. Res. schw. AR. 1.
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klitterung - Rößler 9 2 ), Jelusich 93 ) - ablehnte, aus dem Savoyer einen Nazi zu machen. Besonderen Beifall zollte mir Professor Mommsen 9 4 ). Als Direktor des Reichsinstituts für alte deutsche Geschichte (Monumenta) hielt Mayer in Agram einen Vortrag über die Kaiser des Mittelalters, wir sahen uns das letzte Mal in meiner „Burg" auf dem Tuskanac und gingen schwer bedrückten Herzens auseinander. Bei Mayer, dessen Frau 9 5 ) recht nett war und dessen einziger Sohn „Teil" 9 6 ) natürlich im Kriege fiel, traf ich auch öfters Kretschmayr, von dem ich in diesen Zeilen schon ein paar Worte gesagt habe. Er war Direktor des Archivs des ehemaligen Ministeriums des Inneren, das dummerweise durch Hornik 9 7 ), den Chef des Militärliquidierungsamtes, anfangs der zwanziger Jahre ins Justizpalais auf dem Schmerlingplatz überführt wurde und dort am 15. Juli 1927 bei der großen Demonstration der Sozi in Brand geriet. Dabei verbrannte auch Kretschmayrs Manuskript zum 3. Band seiner Geschichte Venedigs 98 ). Unverdrossen machte sich Kretschmayr daran, das ganze Manuskript nochmals zu schreiben, es kam auch heraus. Außerdem hat uns Kretschmayr, eine ausgesprochene Künstlernatur, während dieser Zeit noch ein sehr nettes Buch über die Kaiserin Maria Theresia 99 ) beschert und zuletzt noch einen kurzen Abriß einer „Geschichte von Österreich" 1 0 0 ), die die Pflichtvorlesungen wiedergab, welche er im Auftrage des Ministeriums in 9 2 ) Hellmuth Rößler (Dresden, 2 6 . 1 . 1 9 1 0 - 2 1 . 8 . 1 9 6 8 , in Kärnten), 1942 Univ.-Doz. in Wien, 1943-1945 Univ.-Prof. in Innsbruck, 1950 ao. Univ.-Prof. in Erlangen, dann an der Techn. Hochschule in Darmstadt. Schüler Srbiks. Verfasser zahlreicher Werke zur deutschen und österreichischen Geschichte (auch Überblickswerke und biographische Sammelwerke) mit liberalkonservativer Grundhaltung und großdeutscher Gesinnung: u . a . Österreichs Kampf um Deutschlands Befreiung. Die deutsche Politik der nationalen Führer Österreichs 1805-1915, 2 Bde., Homburg 1940; Graf Johann Philipp Stadion, Napoleons deutscher Gegenspieler, 2 Bde., Wien-München 1966. Glaise-Horstenau bezog sich auf: Der Soldat des Reiches Prinz Eugen, l . A u f l . Berlin 1934, 2. Aufl. Berlin 1938. 9 3 ) Mirko Jelusich (Semil, Nordböhmen, 12.12.1886-22.6.1969, Wien), Schriftsteller, M ä r z - J u n i 1938 kommissarischer Leiter des Burgtheaters; besonders befreundet mit K. H . Strobl und Robert Hohlbaum. Im 1. Weltkrieg (Mirko Jelusic) als Reserveoffz. bei der Artillerie: 1.11.1918 Oblt. i . d . Res. F A R . 133. Verfaßte insbesondere Romane mit großen Persönlichkeiten im Mittelpunkt. Uber Prinz Eugen handelt: Der Traum vom Reich. Roman aus dem Wien des Prinzen Eugen, Berlin 1941. Hauptwerk: Caesar ( l . A u f l . 1929). Folgende Werke (mit Zeichnungen von X. Gerstenbrand) haben den Charakter von Erinnerungswerken: Soldaten, Künstler, Leut' und Herrschaften, Wien 1961; Weinschenker und Weinbeschenkte, Wien 1962; Geschichten um das Wiener Künstlerhaus, Wien 1965. 9 4 ) Wilhelm Mommsen (geb. Berlin, 25.1.1892), 1923 Privatdozent in Göttingen, 1928 ao. Prof., 1929 o. Prof. f. neuere Geschichte in Marburg/Lahn; zahlreiche Werke zur Gesch. d. 17. u. 19. Jahrhunderts, u . a . : Die Vorgeschichte des Weltkrieges, Berlin 1929; Bismarck. Ein politisches Lebensbild, München 1959. 9 5 ) Hanna, geb. Stradai, gebürtig aus Teplitz. 9 6 ) Theodor Mayer-Edenhauser (?, 7 . 2 . 1 9 1 3 - 2 9 . 5 . 1 9 4 2 , gefallen an der Ostfront), Dr. iur. habil. 9 7 ) Friedrich Hornik (Linz, 7 . 1 2 . 1 8 7 9 - 2 4 . 2 . 1 9 3 3 , Wien), 1905 Dr. iur., 1906 in den Staatsdienst, Finanzprokuratur, dann im Finanzministerium (Kreditsektion bzw. stellv. Börsenkommissär), kurz vor Kriegsende mit durchgreifenden Reorganisationsmaßnahmen im KM. betraut, leitet sodann ab Jänner 1920 das liquidierende KM. bzw. das Militärliquidierungsamt als Präsident, Juli 1922 bis April 1924 auch Ersparungskommissär der Bundesregierung, 1926 auch Vorsitzender der „Mittelständischen Volkspartei", 1932 Vizegouverneur der Postsparkassa. 9 β ) Geschichte von Venedig, Bd. 1 - 3 , Gotha 1905, 1920, 1934. " ) Maria Theresia, Gotha 1925 (Die deutschen Führer, Bd. 3).
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der Zeit der Vaterländischen Front an der Wiener Hohen Schule abhielt. E r war außerdem Lehrer an den beiden Akademien für Musik und Bildende Künste. Im Archivwesen gab er sich stolzen Plänen hin. E r wollte ein kleines Archivministerium aufbauen, was damit endete, daß er Anfang der dreißiger Jahre plötzlich in Pension geschickt wurde. Er war ein begeisterter Anhänger des Anschlußgedankens, starb dann aber bald nach dessen so schwer mißglückter Verwirklichung gebrochenen Herzens. Er wollte nicht mehr leben. Wenn ich nun schon in der Gelehrtenwelt plätschere, in die ich hineingeriet und wirklich gut aufgenommen wurde, muß ich auch meines lieben Freundes Ludwig Bittner 1 0 1 ) gedenken, der als Nachfolger des Barons Mitis 1 0 2 ) - Verfasser des bekannten Buches über Kronprinz Rudolf, wo zum ersten Mal mit voller Deutlichkeit dieses Schicksal klargelegt wird - um das Jahr 1923 die Leitung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs übernahm und gleichzeitig als a . o . Professor der Wiener Universität wirkte. Bittner war seit Beginn seiner Laufbahn als Gelehrter im Archiv, als dessen Direktor er sein tragisches Ende erlitt. Sein Bruder war der bekannte Komponist 1 0 3 ). Seine Frau 1 0 4 ), eine geborene Kindlinger, stammte aus Salzburg und besaß die Kindlinger Villa in der Riedenburg. Bittner kam von den Schönerianern. Er pflegte unter dem NS-Regime, wenn er einen Kirchenaustritt ablehnte, gerne daran zu erinnern, daß er sich nichts vorwerfen lasse, denn er habe schon mit sechzehn Jahren Wotan angebetet. Er bekannte sich nach 1918 natürlich zu den Großdeutschen, war aber trotzdem ein guter Österreicher voll feinsten Verständnissen für die österreichische Geschichte. Seine ,,Staatsverträge" 1 0 s ) waren ein be1 0 °) Geschichte von Österreich, Wien-Leipzig 1936. S. auch seine atí die Militärgeschichte anklingende Arbeit: Die Türken vor Wien. Stimmen und Berichte aus dem Jahre 1683, München 1938 (Die kleine Bücherei, Bd. 220). , 0 1 ) Ludwig Bittner (Wien, 1 9 . 2 . 1 8 7 7 - 3 . 4 . 1 9 4 5 , Wien), Historiker, 1897-1899 Mitglied des Instituts f. österreichische Geschichtsforschung, Mitglied des Lese- und Redevereins „Germania", seit 1900 im Haus-, Hof- und Staatsarchiv. 1904 Privatdozent für mitdere u. neuere Geschichte an d. Univ. Wien, bei Musterungen im Weltkrieg (1915, 1916, 1917) nicht tauglich befunden, 1918 stellv. Leiter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 1926 Direktor, 1928 o. Prof. a.d. Univ. Wien, 18.3.1931 Leiter des Archivamtes, 1.1.1939 Mitglied der „Deutschen Gesellschaft f. Wehrpolitik u. Wehrwissenschaft". 7.8.1941 Direktor des Reichsarchivs Wien. Führend an allen Archiwerhandlungen Österreichs mit den Nachfolgestaaten beteiligt, einer der hervorragendsten europäischen Fachmänner für Archivwesen; seit 1924 korrespondierendes u. seit 1934 wirkliches Mitglied der öst. Akademie der Wissenschaften. Vgl. L. Santifaller, Ludwig Bittner, in: Almanach der Akademie der Wissenschaften in Wien für das Jahr 1945, 9 5 . J g . , Wien 1947, 183-192. 1 0 2 ) Oskar Frh. v. Mitis (Wien, 1 . 6 . 1 8 7 4 - 2 2 . 8.1955, St. Johann i. Tirol), 1895-1897 Mitglied des Instituts f. öst. Geschichtsforschung, ab 28.12.1899 im Archiv des Ministeriums des Innern, ab 1901 im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, 6.6.1919 dessen Leiter, 31.12.1925 pensioniert. Mediävist und Neuzeit-Historiker. Seine heute noch maßgebliche Kronprinz-Rudolf-Biographie: Das Leben des Kronprinzen Rudolf, Leipzig 1928, Neuauflage: neu herausgegeben und eingeleitet von A. Wandruszka mit einem Anhang: Kronprinz Rudolf und Theodor Billroth, Wien-München 1971. 1 0 3 ) Julius Bittner (Wien, 9 . 4 . 1 8 7 4 - 9 . 1 . 1 9 3 9 , Wien), Komponist von Opern („Der Bergsee", 1911), Musikspielen, Symphonien, Kammermusikwerken. 1 0 4 ) Maria Theresia Bittner, geb. Kindlinger (?, 2 5 . 9 . 1 8 8 2 - 3 . 4 . 1 9 4 5 , Wien), vermählt Salzburg, 2.8.1904 mit Ludwig Bittner. 1 0 5 ) L. Bittner, Chronologisches Verzeichnis der österreichischen Staatsverträge, 4 Bde., Wien 1903,1909, 1914, 1917. (Veröffendichungen der „Kommission für die neuere Geschichte Österreichs", Bd. 1,8,13,15).
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deutsames Werk. In der österreichischen Aktenpublikation über die Zeit 1908 bis 1914 1 0 6 ), einer vorbildlichen Quellenedition, zeichneten neben ihm Ubersberger, Srbik und Pribram als Herausgeber und Bearbeiter, er und Ubersberger waren die treibenden Kräfte. Besondere Verdienste erwarb sich Bittner als Archivbevollmächtigter bei der Auseinandersetzung mit den Nachfolgestaaten, die ich schon gestreift habe. Er kämpfte mit dem Mute eines Löwen, dies auch in einer Zeit, da man fürchten mußte, daß die hart bedrängte Regierung für einen Waggon Zucker drei Waggons wertvoller Akten ausliefere. Das Vertragswerk, das unter der Patronanz Bittners entstand und an dem auch ich einen kleinen Anteil nehmen konnte, war auch archivwissenschaftlich eine Leistung, die sich sehen lassen konnte. Obwohl Bittner und ich aus zwei völlig getrennten Welten kamen - er war das Gegenteil eines Soldaten - schlössen wir bald herzliche Freundschaft. Unbekümmert um seine persönlichen Beziehungen mit Theodor Mayer und anderen auf das Kriegsarchiv aspirierenden Personen wurde er von Anbeginn der eifrigste Propagandist meiner Kandidatur, und seine Stimme fiel natürlich ins Gewicht. Daß wir ihn zusammen mit Sarkotic und Ratzenhofer 107 ) in das von uns gebildete Uberprüfungskomitee nahmen, hat ihm besondere Freude bereitet. Wann immer ich im Zweiten Weltkrieg in Wien war, besuchte ich ihn. Es entsprach seinem Temperament und seinem Glauben an Hitler, daß er lange Zeit großen Optimismus bewahrte. Ich hatte nicht den Mut, ihm die Augen zu öffnen und träufelte nur ab und zu ein wenig destruktives Gift in seine Kinderseele. Knapp bevor ich - am 27. Februar 1945 - Wien verließ, besuchte er mich noch in meiner Wohnung. Er bekam einen guten Kaffee und zog eine Ampulle Morphium heraus. Es sei selbstverständlich, daß er mit seiner Frau unter gewissen Voraussetzungen freiwillig aus dem Leben scheide. Punkt 1: Wenn die Russen nach Wien kämen. Unmittelbar nach Ostern besuchte mich Dr. Taras v. Borodajkewycz 1 0 8 ) in Salzburg und erzählte mir traurig, daß man am Ostermontag früh Bittner und seine Frau mit Gasvergiftung tot in 1 0 6 ) Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des österreichisch-ungarischen Ministeriums des Äußeren, ausgewählt von L. Bittner, A. F. Pribram, Η . Srbik u. H . Ubersberger, bearbeitet von L. Bittner u. H . Ubersberger, Bd. 1 - 9 , Wien-Leipzig 1930 (Veröffentlichungen der „Kommission für die neuere Geschichte Österreichs", Bd. 1 9 - 2 7 ) . Vgl. F. Engel-Janosi, Zur Geschichte des österreichischen Aktenwerkes über den Ursprung des Ersten Weltkriegs, in: Zeitgeschichte, 5 . J g . , Heft2, November 1977, 3 9 - 5 2 . 1 0 7 ) Emil Ratzenhofer (Wien, 2 2 . 1 0 . 1 8 7 7 - 2 8 . 1 . 1 9 6 4 , Wien), 1898 aus der Techn. Milak. als Lt. zu D A R . 40, 1.11.1902 Oblt., Glstbslaufbahn, ab 1.11.1908 im Eisenbahnbüro d. Glstbs., 1.11.1913 Mjr. i . G . , 1. 8.1914 Leiter der „ R - G r u p p e " in der Zentraltransportleitung, 2 0 . 6 . 1 9 1 5 Stellvertreter des Chefs des Feldtransportwesens, 1 . 9 . 1 9 1 5 Obstlt. i . G . , 1.5.1918 Obst. i . G . , 1.11.1918 Abteilungsvorstand im Militärliquidierungsamt, 1 . 1 2 . 1 9 2 0 Offizier beim Heeresinspektor, 2 8 . 1 2 . 1 9 2 2 Leiter der Abt. 5 im B M . f. Hw., 18.1.1924 G M . , 1925 Sektionschef der techn. Sektion, 1 . 1 . 1 9 2 6 General, 2 8 . 2 . 1 9 2 6 pensioniert. 1 9 3 2 - 1 9 4 5 Leiter des „Verlages der Militärwissenschaftlichen Mitteilungen". Führender österreichischer Militärpublizist und Verleger. 1 0 8 ) Taras ν. Borodajkewycz (geb. Wien, 1.10.1902), 1932 Dr. phil., Stellung eines Sekretärs beim Allgemeinen Deutschen Katholikentag, 1934 Aufnahme ins Haus-, Hof- und Staatsarchiv als Archivaspirant, 1937 Dozent an der Univ. Wien, 1941 Archivrat, 1 9 4 2 - 1 9 4 5 ao. Prof. für allgemeine neuere Geschichte an der Univ. Prag, 1955 ao. Prof. und Vorstand des Instituts f. Wirtschaftsgeschichte an der Hochschule für Welthandel in Wien, 1.12.1971 pensioniert.
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ihrer Villa in der Hartäckerstraße aufgefunden habe. Zweifellos hatten auch unglückliche Familienverhältnisse mitgespielt. Eine Tochter 1 0 9 ) war 1938 mit einem jüdischen Bräutigam nach Detroit durchgegangen, wo sie regelrecht heiratete, aber nur mehr hinter dem Rücken des Vaters mit der Mutter korrespondierte. Eine zweite Tochter 1 1 0 ), Gattin des Stadtarchivars von Hermannstadt, eines siebenbürgischen Sachsen, war seit dem Russeneinbruch in Siebenbürgen mit Mann und Kind verschollen . . . Diese Galerie der Historiker, die sich natürlich noch durch einen oder den anderen Namen ergänzen ließe, schließe ich vorderhand mit Hirsch und Srbik ab. Hirsch gehörte ebenfalls in den Kreis Mayer. Er war in Zwettl zu Hause, Junggeselle, der längere Zeit mit seiner alten Mutter zusammenlebte, und - ebenso wie Mayer - aus dem Weltkrieg begeisterter Artillerie-Reserveoffizier, allerdings nicht ohne Harm gegen die Aktiven. Er war ein angenehmer Kollege, als Historiker gewiß eine erstklassige Nummer voll von Kenntnissen und neuen Erkenntnissen, zumal auf dem Gebiete der mittelalterlichen Kaisergeschichte. In den ersten Jahren nach dem Weltkrieg erhielt er eine Berufung nach Prag, um später den aus dieser Welt abberufenen Ottenthai als Leiter des berühmten Instituts für Geschichtsforschung, einer Gründung Sickels 111 ), zu folgen. Er erlag während des Krieges seiner schweren Zuckerkrankheit, die durch seine Freude an kulinarischen Genüssen nicht gemildert worden war. Mein Entrée bei Srbik, der 1922 aus Graz nach Wien kam und in meiner Nähe, in der Südwestecke von Schönbrunn, vier Stock hoch, eine Wohnung bezog, war nicht sonderlich glücklich. Er hatte einen Zwillingsbruder, den in diesen Zeilen schon erwähnten Generalstabsmajor Dr. Robert R. v. Srbik, der nach dem Umsturz gleichfalls Unterschlupf im Kriegsarchiv gefunden und sich dort möglichst unbeliebt gemacht hatte. Im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder war er ein bescheidener Geist, allerdings sehr ehrgeizig und menschlich unangenehm. Es mochte so 1922 gewesen sein, da hatte Hoen einen schweren Zusammenstoß mit ihm, der dazu führte, daß Robert Srbik binnen vierundzwanzig Stunden das Archiv verließ 1 1 2 ). Niemand trauerte ihm eine Träne nach, umso mehr, als man fürchtete, er könne sich dank seinen wissenschaftlichen Beziehungen die Leitung des Kriegsarchivs ergattern. Robert wurde dann Geologe und Assistent an der Innsbrucker Universität. Er war lange der Meinung, ich hätte hinter dem Zorne Hoens gestanden, er tat mir damit völlig unrecht. Unangenehm war es mir wegen des Bruders Heinrich. Aber eine Aussprache führte dazu, daß in dessen Seele jeder Rest von Mißtrauen gegen mich getilgt wurde. Wir schlössen, soweit es bei diesem zurück') Dr. iur. et phil. Ernst Schönbauer (Windigsteig, N ö . , 2 9 . 1 2 . 1 8 8 5 - 3 . 5 . 1 9 6 6 , Wien), 1919 deutschnationaler Abgeordneter zum konstituierenden Nationalrat für Niederösterreich, Mitglied der Delegation zu den Friedensverhandlungen in St-Germain, 1924 ao. und 1929 o.Prof. f. Bürgerliches u. Römisches Recht, Antike Rechtsgeschichte u. Papyrologie, wirkliches Mitglied d. Akademie d. Wissenschaften, 1949 pensioniert. Vgl. A. Lhotsky, Nachruf im Almanach d. ö s t . Akademie d. Wissensch., 116. Jg./1966, 2 9 5 - 3 0 0 . » " ) Alfred Wegerer (Rastatt, Baden, 2 2 . 2 . 1 8 8 0 - 1 9 . 7 . 1 9 4 5 , Berlin), 1900 Lt. im Füsilierrgt. 80 (Wiesbaden), 1910-1913 kommandiert zur Kriegsakademie nach Berlin, 18.10.1913 Hptm. im Füsilierrgt. 73 (Hannover), im Weltkrieg Kompanieführer und Bataillonskommandeur, Nov. 1917 Offizier zur besonderen Verwendung der Heeresgruppe Yilderim (Falkenhayn), ab März 1918 1. dt. Glstbsoffz. beim osman. A O K . 4, Oktober 1918 Verbindungsoffz. bei der osman. 2. Armee, April-Juli 1919 beim Grenzschutz Ost, Oktober 1919 zur Sicherheitspolizei, 20.12.1919 Mjr., 1.4.1920 Abschied, 1.10.1921 Geschäftsführer der „Zentralstelle für Erforschung der Kriegsursachen", kurz darauf deren Leiter bis zur Liquidierung mit 1.1.1937, 1.7.1923 Gründer der „Berliner Monatshefte", Herbst 1923 Gründer der „Gesellschaft für Erforschung der Kriegsursachen", bis Anfang 1938 Verfasser von mehr als 330 größeren Aufsätzen, sein Hauptwerk: Der Ausbruch des Weltkrieges 1914, 2Bde., Hamburg 1939; (wahrscheinlich) seit 1.10.1930 bei der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres angestellt. Ab der Jahreswende 1937/38 stand Wegerer in enger Korrespondenz mit Glaise-Horstenau, den er um Intervention zwecks Erlangung einer seiner bisherigen Tätigkeit entsprechenden Stellung bei der Wehrmacht bat. Glaise-Horstenau intervenierte nach dem März 1938 bei G F M . Göring und Reichsminister Dr. Lammers ( B G H . ZI. 3643/38). , 2 3 ) Dr. Milos Bogicevic (Boghitchewitch oder Boghitschewitsch) (Belgrad, 1867-1937, Berlin), Ausbildung am Theresianum in Wien, Dozent für Internationales Recht an der Univ. Belgrad, Diplomat, im Weltkrieg in der Schweiz, lebte nach dem Weltkrieg in Wien und Berlin als Publizist: Kriegsursachen, Beiträge zur Erforschung der Ursachen des europäischen Krieges mit spezieller Berücksichtigung Rußlands und Serbiens, Zürich 1919; Die auswärtige Politik Serbiens 1903-1914, 3 Bde., Berlin 1928-1931; Le Procès de Salonique Juin 1917, Paris 1927.
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neral der Infanterie v. Montgelas 1 2 4 ) kennen, dem ich in der Folge freundschaftlich nahekam. Montgelas hatte im Kriege zu jenen Dissidenten, die die letzten Jahre in der Schweiz verbrachten, gehört. Seine Mitarbeit war gerade deshalb wertvoll. Der Wiener Gruppe oblag vor allem die Serbien betreffende Kriegsschuld-Forschung. Es war ein Verdienst Wegerers, daß er sich in dieser Richtung durchsetzte, obgleich der Boden hierzu im Reiche anfangs recht ungünstig war. In Versailles wurde versucht, stark auf das schon tote Österreich-Ungarn „abzuladen". Auch Dr. Gooß tat es in seinem Rotbuch noch. Der Sozialist Wendel 1 2 5 ) mit seinen serbophilen Schriften beherrschte weitgehend das Terrain. Da war es zu Anfang gar nicht leicht, die serbische Wühlarbeit im Südosten des Donaureiches, die für dieses lebensbedrohend war, ins richtige Licht zu rücken. Wir drangen immer stärker durch, so daß Belgrad schon aufgeregt wurde. Denn es stellte sich zum Beispiel heraus, daß die Attentäter auf Franz Ferdinand während ihrer „Schulung" in Serbien sogar dem Prinzen Alexander, dem späteren König, vorgestellt worden sind. Ich habe für die Zeitschrift „Die Kriegsschuldfrage" manchen Beitrag geschrieben. In Berlin lernte ich bei einem meiner Vorträge im Wegerer-Kreis vor allem Hans Delbrück kennen, dessen Bücher ich natürlich längst gelesen und studiert hatte. Delbrück war bekanntlich teilweise verfemt, weil er Ludendorff einen verrückten Kadetten genannt hatte. Mich interessierte es natürlich, mit ihm über das Kriegsproblem im allgemeinen zu sprechen. Wir trafen uns, wie ich gestehen muß, sehr viel - zumal auch in der Dolchstoßlegende. Neben Delbrück war es insbesondere Herre 1 2 6 ), der durch die nicht immer gründliche Vielseitigkeit seines Könnens Interesse erwecken mußte. Auch Roloff 1 2 7 ) gehörte dem Kreise an. Mit Mareks 1 2 8 ), 1 2 4 ) Maximilian Graf Montgelas (St. Petersburg, 2 3 . 5 . 1 8 6 0 - 4 . 2 . 1 9 3 8 , München), bayer. Offizier, im 1. Weltkrieg Divisionskommandeur, bei Kriegsende jedoch als Gegner der dt. Außenpolitik in der Schweiz, 1919 in der dt. Friedensdelegation als Gutachter für die „Kriegsschuldfrage", ab 1919 an diesbezüglichen Publikationen des Auswärtigen Amtes beteiligt; 1921 führend an der „Zentralstelle für Erforschung der Kriegsursachen", weiterhin publizistisch tätig. Hauptwerke: Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch, hg. v. Montgelas und W. Schücking, 4Bde., Charlottenburg 1919; Zur Schuldfrage, Berlin 1921; Leitfaden zur Kriegsschuldfrage, Berlin-Leipzig 1923. 1 2 5 ) Hermann Wendel (Metz, 2 . 3 . 1 8 8 4 - ? ) , 1906-1913 Redakteur bei sozialdemokr. Parteizeitungen, 1912-1918 Abgeordneter zum Deutschen Reichstag; zahlreiche Publikationen über die Südslawen, z . B . : Aus und über Südslawien, Berlin 1920; Aus dem südslawischen Risorgimento, Gotha 1921; Die Habsburger und die Südslawenfrage, Belgrad-Leipzig 1924; Der Kampf der Südslawen um Freiheit und Einheit, Frankfun/Main 1925. 1 2 t ) Paul Herre (Magdeburg, 1 4 . 6 . 1 8 7 6 - 6 . 1 0 . 1 9 6 2 , Rottenburg), Historiker, 1906 Univ.-Doz. in Leipzig, 1912 ao. Prof., 1920 Regierungsrat im Auswärtigen Amt, 1921 Direktor des Reichsarchivs, 1934 Ruhestand. Herausgeber von Bibliographien u. Verfasser von Uberblickswerken und vielen Werken zur neueren und zur Zeitgeschichte, u.a.: Die Südtiroler Frage, München 1927; Weltgeschichte am Mittelmeer, Wildpark-Potsdam 1930; Kronprinz Wilhelm. Seine Rolle in der deutschen Politik, München 1954. 1 2 ? ) Gustav Roloff (Ober-Röblingen, 7 . 1 0 . 1 8 6 6 - ? ) , 1898 Privatdozent in Berlin, 1909 Univ.-Prof. in Gießen, Herausgeber von Schultheiß' Geschichtskalender; zahlreiche Werke zur Kriegsgeschichte. 1 M ) Erich Mareks (Magdeburg, 1 7 . 1 1 . 1 8 6 1 - 2 2 . 1 1 . 1 9 3 8 , Berlin), 1893 Univ.-Prof. in Freiburg, 1922 in Berlin; Hauptarbeitsgebiete: Zeitalter der Gegenreformation und Wilhelms I. Uberwinder der kleindeutschen Geschichtsauffassung vom preußischen Standpunkt aus. Männer und Zeiten, l.Aufl. Leipzig 1911, 7. Aufl. 1942; Otto v. Bismarck. Ein Lebensbild, Stuttgart 1935; Hindenburg. Feldmarschall und Reichspräsident, Göttingen 1963 (Persönlichkeiten und Geschichte, Bd. 32).
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Oncken 1 2 9 ), Meinecke 130 ) traf man sich gleichfalls. Wegerer machte seine Sache außerordentlich geschickt und führte sie glänzend durch den Kampf der Parteien hindurch. Er kam auch oft nach Wien, wir wurden gute Freunde. Der Name Oncken bringt mich auf eine Arbeit zu sprechen, die mich in den Jahren 1921 und 1922 in Anspruch nahm. Generalleutnant Schwarte 131 ), Herausgeber der „Offenen Worte", gab bei Barth in Leipzig und neun anderen Verlegern ein zehnbändiges Werk „Der große Krieg 1914/18" 1 3 2 ) heraus. Die Redaktion des fünften Bandes fiel Hoen und mir zu. Wir hatten auch die Mitarbeiter zu chartern. Hoen übernahm es, neben einem oder dem anderen Kapitel eine Einleitung über die k. u. k. Wehrmacht zu schreiben. Sie war in der leichten Art Hoens verfaßt, aber gut gelungen. Ich übernahm die Politik. Es war der erste Versuch, die politische Entwicklung Österreichs 1914/18 und den Zusammenbruch darzustellen. Bittner gab mir die Möglichkeit, in die Akten des Staatsarchivs Einblick zu nehmen, was allerdings im Hinblick auf die Archiwerträge nicht verraten werden durfte. Heute ist die Darstellung vielfach überholt, damals aber war sie neu. Besonderen Wert legte ich auf die Schilderung und Erfassung der weltpolitischen Zusammenhänge rund um den Zusammenbruch Altösterreichs. Auch stilistisch ist mir die Sache geglückt. Diese Aufsätze bildeten gleichzeitig eine Vorarbeit für meine „Katastrophe". Außerdem fiel mir ein militärisches Kapitel zu. FML. Konopicky, 1917/18 Generalstabschef beim Erzherzog Eugen, hatte die Herbstoffensive gegen Italien 1917 übernommen. Die Darstellung war jedoch so ledern wie der Mann selbst. Ich nahm daher das Manuskript, ließ zwanzig Zeilen daraus weiterbestehen und schrieb alles übrige - es werden wohl fünfzig Druckseiten sein - neu. Auch das war eine Erstlingsdarstellung, die für spätere Arbeiten richtunggebend geworden ist. Wenn man bedenkt, daß ich noch jede Woche durchschnittlich zwei bis drei Zeitungsartikel schrieb, kann man nicht sagen, daß ich faul war. Im ersten Jahre nach dem Umsturz herrschte in Österreich wesentlich die Sozialdemokratie. Im Winter trieben wohl die Arbeiterräte unter Friedrich Adler, dem Mörder Stürgkhs, mancherlei Unfug. Einmal erschien man auch bei mir in meiner kleinen Wohnung und wollte uns noch ein Zimmer wegnehmen. Ich setzte Himmel und Hölle in Bewegung und erreichte, daß man mich in Ruhe ließ. Ein Einbruch in meine bescheidene Häuslichkeit erschien mir als etwas Undenkbares. Ich begriff den alten General Succovaty in Graz, der, als ihm Arbeiterräte einige Zimmer mit 1J ») Hermann Oncken (Oldenburg, 1 6 . 1 1 . 1 8 6 0 - 2 8 . 1 2 . 1 9 4 5 , Göttingen), seit 1906 Univ.-Prof., seit 1923 in München, 1928 in Berlin, 1934 zwangsemeritiert; behandelte in seinen Büchern Probleme der Bismarckzeit und der Gegenwart. > 30 ) Friedrich Meinecke (Salzwedel, 3 0 . 1 0 . 1 8 6 2 - 6 . 2 . 1 9 5 4 , Berlin), 1887-1901 in preußischem Archivdienst, 1901 Prof. in Straßburg, 1906 in Freiburg/Breisgau, 1914 in Berlin, 1923 emeritiert. Begründer der Geistes- und Ideengeschichte in Deutschland, 1896-1934 Herausgeber der „Historischen Zeitschrift"; Gesammelte Werke, 8Bde., München 1957/1969. 1 3 1 ) Max Schwane (Solingen, 5.4. I 8 6 0 - ? ) , 1880 Offizier, seit 1906 Abteilungschef im Großen Generalstab, 1914-1917 Divisionskommandeur, seit 1919 Schriftleiter von „Wehr und Waffen". 1 3 2 ) Der große Krieg 1914-1918. In 10 Bänden bearbeitet von Max Schwarte, Leipzig 1921-1933.
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Beschlag belegten, in sein Schreibzimmer ging und sich dort eine Kugel in den Kopf schoß. Auch meine Armee-Zeitungs-Redaktion, die sich auf dem Rudolfsplatz befand, hatte einmal mit den Arbeiterräten irgendwelche Schwierigkeiten, die jedoch behoben wurden. Ich selbst war äußerst selten dort. Das gesellschaftliche Leben in Wien wies in den ersten Jahren nach dem Umsturz, zumal solange die riesige italienische Militärmission unter Leitung des Großschiebers Korpsgeneral Segré 133 ) im Hotel Imperial drohte, alle Merkmale eines Sodom und Gomorrha auf. Obwohl ich persönlich noch wie ein Bettler aussah ich hatte seit dem elften Lebensjahr kein anständiges Zivil gehabt - traf ich doch, zumal im Hause des jüdischen Großindustriellen Doctor v. Hohenlangen 134 ), eine Zeitlang meine Gesellschaft. Ich fuhr mit Tochter 135 ) und Mutter 136 ) auch öfters zu einem mehrtägigen Ausflug nach Aspang am Wechsel, wo uns der Gasthof des Herrn Dotschkal einen äußerlich bescheidenen, dafür aber umso nahrhafteren Aufenthalt bot. Die Eltern gaben mir mehrfach zu erkennen, daß ich ihnen - damals, später änderte sich die Situation - kein unbedingt genehmer Umgang für die einzige Tochter war. Ich revanchierte mich in entsprechend deutlicher Form. Wenn man in Salons kam, war es furchtbar. Es bildete keine Seltenheit, daß sich eines der Dämchen mit einem italienischen „Novelli", oder wie er sonst hieß, plötzlich in ein Nebenzimmer zurückzog, um dort dem Gotte Amor ein - weiß Gott wie geartetes - Opfer in aller Eile darzubringen. Dabei blühte die Schieberei über die Maßen. Alles schob, auch die Beamtenschaft machte keine Ausnahme. Ebenso wurde mit größter Begeisterung auf der Börse gespielt, und nicht jeder hatte dabei das Glück wie mein Freund Anton Schalk, daß er für geraume Zeit nicht zu seinem Safe gelangen konnte und so seine Papiere halten mußte, bis sie Turmeshöhe erklettert hatten. (Sie sind später ebenso rasch herabgeklettert, um schließlich beim Krach der Zentralbank ganz herunterzusausen.) Die Inflation nahm besorgniserregende Dimensionen an. Man hatte aber trotzdem immer das nötige Geld. Die Gage holte man sich im Rucksack. Daneben gab es Honorare et cetera, kurz, man lebte eigentlich nicht schlecht . . . , 3 3 ) Roberto Segré (Turin, 1872-1936, Mailand), ital. Artillerieoffizier, im Weltkrieg zunächst Divisionsgeneralstabschef, dann Sous-Generalstabschef der 3. Armee, Juni 1918 G M . , zuletzt Glstbschef eines Armeekorps im R a u m Mte. Pasubio-Asiago, Dezember 1 9 1 8 - J ä n n e r 1920 Chef der ital. Waffenstillstandskommission in Wien, 19.5.1921 als Folge der Artikel des ,,Avanti"-Korrespondenten Isaac Brante-Schweide mit 13 O f f z . seines Stabes wegen Verdachts der Korruption verhaftet, jedoch nach militärgerichtlicher Untersuchung in Florenz rehabilitiert, Febr. 1923 Divisionsgeneral. Verfasser zahlreicher Schriften zur Geschichte und zur Militärtechnik. Erinnerungen: L a Missione militare italiana per l'armistizio (dicembre 1918-gennaio 1920), Bologna 1928. Vgl.: J . Rainer, Die italienische Militärmission in Wien 1918-1920, in: Festschrift Hermann Wiesflecker zum sechzigsten Geburtstag, hg. v. A . N o v o t n y u. O . Pickl, G r a z 1973, 2 6 7 - 2 8 0 , 1 3 4 ) Moritz Doctor Edler v. Hohenlangen ( ? - 2 9 . 5.1929, ?), Alleininhaber der Mittellangenauer Mechanischen Weberei und Appretur sowie der Szombathelyer Ungarische Baum Wollindustrie; Vizepräsident der tschechoslowakischen Handelskammer in Wien, Präsidialrat der Austro-Ungarischen Handelskammer in Wien. 1 3 s ) Josie Doctor Edle v. Hohenlangen (?). 1 3 6 ) Margarethe Doctor Edle v. Hohenlangen (?).
PERSONENREGISTER Alle Hinweise zu den angeführten Personen finden sich, soweit sie erforscht werden konnten, fast ausnahmslos in der Anmerkung anläßlich der ersten Nennung im Text der Erinnerungen, also ab Seite 67. Adam, Walter 528, 532 Adams, John Quincy 331 Adler, Friedrich 404, 551 Adler, Viktor 500 Aehrenthal, Aloys Graf Lexa v. 158, 234, 239f., 526 Alberti, Armand 422 Albori, Eduard 242 Albori, Eugen 134, 242 Albrecht s. Österreich Albrecht Franz Joseph s. Österreich Alice s. Österreich Alt, Salome 220 Andrássy, Julius d. A. 158, 387, 504 Andrissy, Julius d. J . 334, 5 0 4 - 5 0 9 Andrian-Werburg, Cäcilie 451 Andrian-Werburg, Leopold 450f. Andrian-Werburg, Viktor 451 Andrich, Deodatus 157 Angeli, Moritz 258 d'Annunzio, Gabriele 420 Anthaler, Franz 85 Antonescu, Jon 322 Appel, Johann 129, 204 Appel, Michael 204 Armand, Abel 461 Arno, Erzbischof v. Salzburg 88 Arz v. Straussenburg, Arthur 16, 29, 129, 343, 358, 381, 3 9 6 - 3 9 8 , 405, 413, 415, 419f., 426, 431, 4 3 4 - 4 3 6 , 439f., 442, 459f., 467, 470, 472, 475, 477, 479, 488, 494f., 506, 509, 515, 517 Auersperg, Alois Maria 306 Auffenberg, Moritz 198f., 239, 263, 2 6 6 - 2 6 9 , 3 0 3 - 3 0 5 , 311 f., 319f., 537f. Auguste Viktoria s. Preußen Baden, Max v. 492 Baillou, Maximilian 113 Bálványi, Andreas 132, 188, 208, 279, 321, 335, 403 Banekovic, Emerich 402 Bardolff, Carl 33, 245f., 278, 429, 455, 507, 509 Bartsch, Rudolf Hans 151, 181, 257 Bauer, Ferdinand 92
Bauer, Friedrich 438, 441, 459, 461 Bauer, Max 425 f. Bauer, Otto 34, 498f., 513 Bauer, Wilhelm 521, 538, 543 Bayern, Leopold Prinz v. 429, 439, 444, 448 f. Bayern, Ludwig I. Kg. v. 73 Bayern, Ludwig III. Kg.v. 336, 444, 492 Bayern, Luitpolt, Prinzregent v. 223, 444 Beck-Rzikowsky, Friedrich d. Ä. 8, 4 7 f . , 76, 182, 196, 256, 268, 352, 380, 398, 524 Beck-Rzikowsky, Friedrich d. J . 405 Beck, Ludwig 328 Beck, Max Wladimir 148, 159, 415, 482f., 492 Begic, Vilko 469, 519 Bekh, Adolf 84 Bellegarde, Heinrich 72 Bellmond, Anton 312 Bellmond, Karl 224f., 312 Belopototzky, Koloman 119 f. Below, Otto 436 Belrupt-Tissac, Friedrich 286, 305 Belser, Johannes Evangelist 274 Benedek, Ludwig 111, 115 Benedikt, Moritz 273 Benes, Edvard 480, 485 Berchtold, Leopold 240f., 283, 492 Berger-Waldenegg, Egon 443 Berndt, Otto 45, 299, 372 Bernhard, Georg 333 Bertolas, Richard 174 Beseler, Hans Hartwig 450 Bethmann Hollweg, Theobald Friedrich 282, 348, 378, 409, 426, 463 Bettelheim, Anton 541 Beyer, Eugen 193f., 400 Beyer, Franz 400, 425, 441 f., 459 Bicenko, A. A. 448 Biener, Wilhelm 151 Bienerth, Karl 422 Bienenh-Schmerling, Richard 422 Bilgeri, Georg 224 Bilinski, Leon 241 Binder-Kriegelstein, Karl 255 Binder-Degenschild, Otto 390
554 Bismarck, Otto 104 Bittner, Friederike 547 Bittner, Hertha s. Giindisch Bittner, Julius 545 Bittner, Ludwig 545-547, 549, 551 Bittner, Maria-Theresia 545-547 Bjelik, Emmerich 120 Blankenstein, Heinrich 246 Blomberg, Wener 67 Bodenstein, ? 124 Böhm-Ermolli, Eduard 291, 352, 375, 428f., 460, 470, 479, 488 Böhme, Franz 192 Boghitschewitsch (Bogicevic), Milos 549 Bolfras, Arthur 155, 161, 326, 338, 352, 359f., 363f., 372f., 376, 380, 382. 416f„ 429, 488, 524 Boog, Adolf 263, 313, 523f., 527 Boris s. Bulgarien Bormann, Martin 548 Borodajkewycz, Taras 546 Boroevic, Fritz 469 Boroevic, Nikolaus 168 Boroevic, Svetozar 168, 226, 306, 311, 356, 372, 397, 430f., 436, 468-470, 478, 494, 497, 519 Borovica, Pantelija 402 Bourbon-Parma, Elias v. 408 Bourbon-Parma, Felix v. 408 Bourbon-Parma, Maria Anna v. 408 Bourbon-Parma, Maria Antonia v. 398, 439, 473 Bourbon-Parma, René v. 408 Bourbon-Parma, Robert ν. 408 Bourbon-Parma, Sixtus v. 132, 408-410, 462 Bourbon-Parma, Xavier ν. 132, 408-410, 462 Brabant, Ernst Arthur 250, 273 Braganza, Miguel v. 209 Brandeisz, Maximilian 50 Brantner, Theodor 132, 188, 193, 209, 279, 321, 403 Brasseur ν. Kehldorf, Ernst 95 Braumüller, Theodor 210 Braunschweig-Liineburg, Viktoria Luise Hzgin.v. 232 Braunthal, Julius 38, 533 Bretschneider, Moriz 103 Brinckmann, Friedrich 445 Briosi, Settimo 170f., 187, 222 Brockdorff-Rantzau, Ulrich 496 Brosch-Aarenau, Alexander 157-159, 176, 235-239, 246, 267, 278, 281 Brosch-Aarenau, Natalie 246 Brosch-Aarenau, Theodor 28 Brougier, Gabriele 390 Brougier, Rudolf 318, 373, 375, 383, 390, 399, 418, 451 f., 459, 472
Personenregister Brudermann, Rudolf 134, 184f., 266, 303, 305, 371 Bubics, Eduard 74 Bubics, Eduard 72, 90 Bubics, Emilie 72, 74, 90 Bubics, Sigismund 74, 78 Budeschinsky, Adolf 259 Biilow, Bernhard 426 Bülow, Bernhard Wilhelm 450 Bulgarien, Ferdinand, Zar v. 357, 365-367, 388, 429, 436, 454, 456, 492 Bulgarien, Boris, Zar v. 365, 492 Burda, Franz 243 Burián, Stefan 346, 465, 486, 488f., 491, 504 Buzek, Thomas 322 Carlotti, ? 369, 376 Ceschi a Santa Croce, Anton 232 Chiari, Karl 528 Christophori, Karl 322, 349, 400, 444 Clam-Martinitz, Heinrich 446, 463 Clemenceau, Georges 461-463, 481 Cles, Ferdinand 475 Colard, Alexia 143, 183, 212, 404 Colard, Hermann 143, 167, 212, 320, 404 Colerus v.Geldern, Emil 211 Colloredo-Mansfeld, Ferdinand 453 Colloredo, Joseph 289f., 306 Conrad v. Hötzendorf, Barbara 340 Conrad v. Hötzendorf, Franz 340 Conrad v. Hötzendorf, Franz 16, 29, 43, 84, 111, 118, 134, 145, 147, 149f., 182, 198, 228, 2 3 9 f „ 250f., 253, 264-269, 279f., 283-285, 293f., 297, 299, 303f., 312, 315, 320f., 323-327, 330f., 334, 337-359, 363-367, 370, 372-380, 386, 388f., 392-399, 405, 410, 424, 430, 432-434, 437f., 452, 465f., 470, 474, 476, 478f., 484, 511, 526 Conrad v. Hötzendorf, Gina 279f., 293, 304, 339-342, 350f., 354f., 393, 396, 410, 466 Conrad v. Hötzendorf, Herbert 299 Conrad v. Hötzendorf, Kurt 342 Conrad v. Hötzendorf, Wilhelmine 340 Consolati, Anton 133 Corti, Egon Caesar Conte 297 Cramon, August 31, 35, 37, 327f., 338, 342, 358, 365, 379, 408, 415f., 420, 437, 458, 461f., 477, 481, 490-493, 504, 513, 517, 533f. Criste, Oskar 258 Csáky, Stephan 453 Csernoch, Johann 388 Csicserics, Maximilian 135f., 442, 451, 460, 489 Cumberland s. Hannover Cuninghame, Sir Thomas 531
555
Personenregister Cvitkovic, Johann 229 Czapp-Birkenstätten, Karl 482, 507 Czernin, Ottokar 33, 327, 391, 395, 409, 413, 437, 442f., 446f., 4 4 9 - 4 5 5 , 4 5 7 - 4 6 3 , 468, 481, 514 Dankl, Viktor 32, 244, 304f., 316, 356, 430, 478, 517 Danzer, Carl Maria 41 f., 124, 154, 176, 181, 187, 234f., 525 Daun, Leopold Josef 109 David v. Rhonfeld, Ernst 200 Delbrück, Hans 355, 550 Dellacher, Heinrich 149 Demus-Morán, Ferdinand 215, 232 f. Denis, Michael 110, 487 Denk, Gustav 121-123, 127, 129, 170, 175f., 189, 207, 253, 335, 484 Des Loges, Franz 512 Deutelmoser, Ferdinand 349 Deutsch, Julius 36, 38, 516, 520, 526, 532 Dieterich v. Nordgothen, Ernst 216 Dieterich v. Nordgothen, Rudolf 216, 300f. Diller, Erich 404 Dinghofer, Franz 506 Dittrich, Eduard 214, 263, 281 Dittrich, Maria Luise 214 Doctor v. Hohenlangen, Josie 552 Doctor ν. Hohenlangen, Margarethe 552 Doctor v. Hohenlangen, Moritz 552 Dollfuß, Engelbert 39, 50 Domaschnian, Georg 3 1 8 - 3 2 1 , 466, 493 Dopsch, Alphons 537f., 542 Dragoilov, Fedor 321 f., 403 Drathschmidt, Karl 109, 124-126, 130, 198 Dürckheim-Montmartin, Ferdinand 329 Duic, Stevo 242, 306 Dvorak, Max 521, 538 Eckhardt, Friedrich 317 Edelsheim-Gyulai, Leopold Eder, Franz 85 Ehnl, Maximilian 45, 261 Eichhoff, Johannes Andreas Eichhorn, Emil 460 Eichthal s.Pfersmann Eigruber, August 238, 250, Einem, Karl Wilhelm 231 Einem, William 231 Eiseisberg, Anton 415 Eisner-Bubna, Wilhelm 214, Eiss, Familie 293 Eitel Friedrich s. Preußen Ellison-Nidlef, Otto 411
187
237
520
332, 405, 498, 529
Engel, Erich 72 Enver Pascha 415 Epenstein, Hermann 164 Erdödy, Thomas 409 Erfurth, Waldemar 324 Esch, Carl 142 Essad Pascha Toptani 273 Esterházy, Moritz 428 Esterházy, Paul 390, 418 Esterházy, Paul Anton 74 Eugen, s. Österreich Fabritius, Fritz 122 Faistauer, Anton 212 Falkenhausen, Alexander 326 Falkenhayn, Erich 325f., 338, 342, 344, 3 5 4 - 3 5 8 , 364f., 367, 3 7 4 - 3 7 9 , 381, 433 Falkenhayn, Eugen 374 Fath, Heinrich 211 Fejérváry, Géza 104, 119, 196 Fenner ν. Fenneberg, Ferdinand 69 Ferdinand s. Bulgarien Ferdinand s. Österreich Ferdinand s. Rumänien Fernkorn, Anton 113, 115 Ferraris, Johann Josef 535 Ferro, Paul 91 Ferstel, Heinrich 429 Feurstein, Valentin 432 Fey, Emil 42, 50 Fiedler, Ferdinand 98, 152 Figi, Andreas 368 Fischer, Friedrich 253 Fischer v. Erlach, Johann Bernhard 308 Fischer v. Tiefensee, Karl 149 Fischer, Ludwig s. Keresztes-Fischer Lajos Fischer-Colbrie, Ludwig 213 Fischer, Theodor 527 Fleck, Paul 328f., 349, 378, 420, 458, 4 6 5 - 4 6 8 , 491, 500f., 533f. Fleischmann, Moritz 131-133, 188, 194, 378 Foch, Ferdinand 481 Fokke, D. G. 448 Frank, Ivo 485 Frank, Josip 235, 238 Frank, Walter 333 Franz I. s. Österreich Franz Ferdinand s. Österreich Franz Joseph I. s. Österreich Franz Salvator s. Österreich Franziska s. Österreich Freisauff, Hans 140, 228, 373 Freisauff, Rudolf 156 Frey, Josef 520
556 Freytag-Loringhoven, Hugo 321 Frick," Wilhelm 219 Friedjung, Heinrich 347, 424, 537-539, 541 Friedländer, Johann 293 Friedrich III. s. Preußen Friedrich III. s. Österreich Friedrich s. Österreich Fröhlich, Rudolf 184 Fürstenberg-Stammheim, Egon 493 Fugger, Nora 167, 391 Fugger, Vera s. Schuschnigg Funder, Friedrich 490, 525, 528 Galen, Augustin 525 Galgótzy, Anton 429 Gallina, Josef Wilhelm 206 Gantschew, Peter 456 Gautsch, Oskar 453, 483 Gautsch, Paul 453, 483 Gebsattel, Fritz 493 Gelb, Josefine 225 Gelb, Karl 79, 120, 144, 156 f., 161, 207, 214-219, 221, 225, 227, 229, 232-234, 237, 241 f., 244f., 247, 262, 266, 278, 306, 311, 315, 467, 471 Gelb, Karl 223 Gelb, Karl 223 Gemmingen-Guttenberg, O t t o 185 Georgi, Franz 227 Georgi, Friedrich 227, 406, 482 Gerba, Raimund 257 Ghyczy, Nikolaus 192, 321 Giesl, Wladimir 30, 282 f. Ginzkey, Franz Karl 257, 314, 337, 521 Glaise v. Horstenau, Antonie 71, 72 Glaise, Edmund 69 Glaise ν. Horstenau, Edmund 71 f. Glaise ν. Horstenau, Edmund 72-82, 84, 89, 98, 104, 383, 474 Glaise ν. Horstenau, Hugo 7 1 - 7 3 Glaise ν. Horstenau, Johanna 72f., 75-81, 86, 90-93, 98f., 119, 125, 130, 139f., 148, 175, 181, 222, 252, 266f., 274, 282-285, 318, 322, 384, 391, 414, 442, 458, 517, 523 Glaise ν. Horstenau, Josef 69, 268 Glaise v. Horstenau, Karl 70 Glaise, Louis 67 f. Glaise ν. Horstenau, Maria 70 Glaise v. Horstenau, Theresia 68, 140 Glaise ν. Horstenau, Wilhelm 70f., 268 Glaise, Wilhelm Natalis 68 f. Gleizes, Albert 68 Glöckel, Otto 506 Gömbös, Julius 190, 402, 428f., 437
Personenregister Göring, Fanny 164 Göring, Hermann 9, 164f., 496 Goglia, Ferdinand 286 Goiginger, Ludwig 431 Goluchowski, Agenor 158 Gooß, Roderich 496, 550 Gotti, Karl 178 Gratz, Gustav 450, 453, 465 Grebenz, Kari 133 Grecul, Arkadius 530 Grey, Sir Edward 539 Grillparzer, Franz 499 Gruber, Augustin 86 Grueber, Johann 132, 395, 486 Gründorf-Zebegény, Wilhelm 16 Gündisch, Hertha 547 Giinste, Karl 396 Günther, Wilhelm 189 Guggenberg, Athanasius 519 Guglia, Eugen 174 Gussetti, August 73 Gussetti, Elvira 68, 72f., 252 Gussetti, Emil 104, 238 Guttenberg, Emil 165 Guttenberg, Ottokar 165 Györy, Arpad 210 Haager, Franz 270 Habig, Jetty 344 Habrmann, Gustav 481 Hadik v. Futak, Johann 505, 513 Häckel, Ernst 123 Haeften, Hans Bernd 333 Haeften, Hans Maximilian 333, 437 Haeften, Werner Karl 333 Hainisch, Emilie 541 Hainisch, Marianne 541 Hainisch, Michael 539, 541 f. Hakki Pascha 456 Haller, Johannes 86 Haller, Josef 447 Handel-Mazzetti, Ernst 228 Hankenstein, Alfred 145, 316 Hannover, Ernst August, Kronprinz v. 230 f. Hannover, Ernst August, Prinz v. 231 Hannover, Georg, Kg. v. 230 Hannover, Georg Wilhelm Prinz v. 230 Hannover, Olga Adelheid, Przssin. v. 230 Hannover, Thyra, Kronprinzessin v. 230 Harbou, Bodo 326 Hartl, Hans 411 Hartmann, Ludo Moritz 37, 532, 541 Hartwig, Josef 532 Haspinger, Joachim 220
557
Personenregister Hattinger, Matthias 90f., 98 Hattinger, Therese 75, 77, 82, 90, 98 f. Hatzi, Richard 27 Hauptmann, Karl 102 Hausenblas, Alfred 180 Hauser, Johann Nepomuk 500 Hauska, O t t o 119 Haydn, Michael 116 Hazai, Samuel 428 Heimerich, Oskar 166 Heinrich Ferdinand s. Österreich Henikstein, Alfred 85 Henikstein, Gustav 85 Henriette s. Österreich Henz, Rudolf 50 Herberstein, Herbert 338, 376 Herczeg, Géza 406 Herre, Paul 550 Hertling, Georg 457, 492 Herzberg, Emil 217 Herzogenberg s. Picot Hesshaimer, Ludwig 331 Himmler, Heinrich 123 Hindenburg, Paul 194, 304, 312, 374f., 378f., 425f., 437, 439f., 445, 457, 530 Hinke, Alfred 247 Hintze, Paul 489 Hirsch-Stronstorff, Eugen 20, 24f„ 127, 144f„ 169 Hirsch, Hans 541, 543, 547 Hirsch-Stronstorff, Wilhelm 126, 169 Hitler, Adolf 9-11, 75, 128, 136f., 146, 162, 180, 219f., 346, 369, 385, 397, 437, 439, 447, 495, 502, 546 Hoditz, Ludwig 316 Hodza, Milan 234 Hödl, Rudolf 45, 47, 261, 276 Höfer, Anton 404 Höfer, Franz 324 Hoen, Barbara 256 Hoen, Maximilian 41, 4 4 - 4 6 , 49, 52, 134f., 233, 253, 255-257, 259f., 262, 266, 283, 312, 314, 320f., 331 f., 343, 346, 351, 360, 389, 398, 405 f., 416, 441, 524, 537, 547, 551 Hoensbroech, Paul 123 Hösch, Leopold 450 Höttl, Wilhelm 18, 390 Hofer, Franz 222 Hoffmann, Max 355, 429, 445-448, 461 Hofmann, Peter 257 Hofrichter, Adolf 188 Hohenberg, Ernst 218 Hohenberg, Max 218 f. Hohenberg, Sophie 157f., 160, 196f„ 219, 236, 246, 274-278, 337
Hohenems, Marcus Sitticus v. 83 Hohenlohe-Schillingsfürst, Gottfried 252, 426, 457 Hohenlohe-Schillingsfürst, Konrad 390, 472 f. Hollitzer, Carl 182, 314, 331, 361 f., 364 Hollnsteiner, Johannes 249f., 520 Holubovyc, Vsevolod 453 Holtzendorff, Henning 395 Holzhausen, Ludwig 293 Horácek, Franz 96f., 123, 131 Horinka, Stephan 298 Hornbostel, Theodor 50 Hornik, Friedrich 46, 544 Holtenau, Marie 158 Horthy, Magdolna 419 Horthy, Nikolaus 191, 193, 419, 430f., 478 Hranilovic-Czvietassin, Oskar 345, 353, 369, 404, 460 Hubbauer, Johann 104 Huber, Josef 397, 399 Hueber, Anton 498 Hueber, Viktor 263 Hüttenbrenner, Erich 316 Hugelmann, Karl 529 Hummer, Gustav 480, 494 Huna, Ludwig 92, 522 Hunyady, József 390, 418, 472 f. Hussarek, Max 491, 494, 507 H u y n , Karl 404, 505 Ilsemann, Sigurd 326, 422, 426 Innitzer, Theodor 249 Isabella s. Österreich Jagow, Gottlieb 409 Jakobich, Josef 321 f., 339, 343, 361, 364, 403, 432, 471, 475, 510 Janaczek, Franz 219 Jansa, Alfred 22, 25, 191 f., 224 Janky, Adalbert 302 Jászi, Oskar 495 Jellachich, Josef 179 Jelusich, Mirko 521 f., 544 Jiresch, ? 266 Joffe, Adolf 447-449 Johann s. Österreich Johann Salvator s. O r t h John, Anna 342 John, Franz 111, 342 John, Wilhelm 232, 314 Jokl, Rosa 164 Jordan-Rozwadowski, Thaddäus 186 Josef Ferdinand s. Österreich
558 Jung, Karl 103 Just, Gustav 258 Kageneck, Karl 329, 382 Kageneck, Maria 329 Kaltenborn, Ferdinand 321, 351, 392 Kappus, Franz Xaver 20, 92, 96, 102f., 117, 124f., 154, 202, 264, 283, 286, 507 Karachan, Lev 448 Kárász, Ernst 341 Karg ν. Bebenburg, Arthur 532 Karl s. Österreich Károlyi, Heinrich 139f., 166f., 222, 228, 410, 467 Károlyi, Mihály 407, 495, 504 Kerr, Philipp Henry 454 Káry, Béla 381 Kasche, Siegfried 146 Kaspar, Mizzi 209 Kasprzycki, Stephan 184 Kast v. Ebelsberg, Theodorich 166 Katschthaler, Johann Baptist 85f., 161, 266 Kawecki, Roman 184 Keil, Ernst 496 Kelsen, Hans 540 Keppler, Wilhelm 9 Kerchnawe, Hugo 45, 182, 232, 257, 524 Kerenski, Alexander 412, 423 Keresztes-Fischer, Franz 335 Keresztes-Fischer, Lajos 335, 428 Ketterl, Eugen 384 Kewisch, ? 421 Kielmannsegg, Bernhard Karl 422 Kienast, Andreas 258 Kienböck, Viktor 528 Kinsky, Franz 109 f. Kirchbach, Karl 130 Kiss de Itebe, Katharina s. Schratt, Katharina Kiszling, Rudolf 44, 47f., 52, 168, 226, 268, 469 Klauber, ? 266 Klecanda, Vladimir 535 Klecanda, Vojtëch 535 Klein, Ernst 353 Klepsch-Kirchner, Ernst 29 Klepsch-Kloth v. Roden, Alois 328, 422, 477 Kless, Anton 27 Klopp, O n n o 231 Kneipp, Sebastian 81 Knobel, Raimund 117 Koblitz, Johann 252 Kochanowski, Alfred 316 Königsbrunn, Arthur 101, 104 f. Koerber, Ernest 417f., 483 Körner, Theodor 36f., 41, 45, 50, 259, 325, 401, 470, 493, 506, 532, 537
Personenregister Kövess, Hermann 247, 291 f., 302, 305, 375, 381, 470, 515 Kóhary, Franz Josef 388 Kollarz, Friedrich 529 Kolossváry, Desiderius 287 Kolowrat-Krakowsky, Leopold 508 Konopicky, Theodor 470, 551 Kopecek, Johann 174f., 205, 207, 299 Koplik, ? 82 Korningen, Erich 43 Koros ec, Anton 418 Korzer, Karl 173f„ 359, 403, 432 Kowy, Jakob 351 Krafft v. Delmensingen, Konrad 438, 440 Kraft v. Helmhacker, Ottokar 264 Kramár, Karel 423, 493 Kraus, Karl 366, 464 Krauss, Alfred 191, 259, 356, 372, 396, 434-436, 438f., 455, 470, 480, 503, 510, 526, 530, 541 Krauss v. Elislago, Heinrich 157 Krauß, Franz 209 Kreschel, Friedrich 146 Kretschmayr, Heinrich 269, 521, 538, 544f. Kriege, Johannes 449 Krieghammer, Edmund 121 Kristóffy, József 234, 238 Kropaczek, Therese 540 Krobatin, Alexander 252, 280, 320, 327, 398, 466 f. Krotendorf, Kaspar 125 Kruckenhauser, Pankraz 528 Kühlmann, Richard 445, 449, 451, 457, 459, 489 Künigl, Erich 410, 433 Kiinigl, Leopold 142 Kuenzl-Jizersky, Rudolf 190, 492 Kürnberger, Ferdinand 464 Kuhn v. Kuhnfeld, Franz 111 Kummer, Heinrich 156 Kun, Béla 400, 407 Kundmann, Irene 396 Kundmann, Rudolf 323, 330, 340f., 392, 396 Kundmann, Rudolf Rudiger 396 Kundt, Jaspar 533 Kunz, Jaroslav 319 Kutschera, Richard 207 Kvaternik, Slavko 136, 519 Lahousen, Wilhelm 152 Lammasch, Heinrich 235, 467f., 507, 518, 540 Landwehr, Ottokar 455 Lang, Anton 516 Lang, Matthäus 88 Langer v. Langerode, Hermann 183, 485 Lansing, Robert,505
Personenregister Lasocki, Josef 299 Latscher-Lauendorf, Friedrich 38, 533 Latterer v. Lintenburg, Joseph Johann 76 Lauer, Bernhard 287, 289, 299, 339, 343, 366, 379, 392, 417, 462, 491, 525, 528, 534 Lauer, Paula 289, 339, 417 Lauppert, Egon 49, 310, 530 Lehne-Lehnsheim, Friedrich 482, 507, 509 Leixner, O t t o 105 Lenin, Wladimir Iljitschitsch 425 Leonhardt, Andreas 169 Leopold s. Bayern Leopold II. Ferdinand v.Toskana s. Österreich Leopold Ferdinand s. Wölfling, Leopold Lerch, Egon 200 Leuthner, Karl 479, 506 Levenehr, Franz 69 Lichnowsky, Karl Max 454 Lilienkron, Detlev 154 Linsingen, Alexander 370 zur Lippe, Rüdiger 316 Lischka, Viktor 37, 521 Litzmann, Karl 374 Lloyd George, David 454 Lobkowitz, Antoinette 383 Lobkowitz, Erwein 383 Lobkowitz, Zdenko 383, 388f., 471 Lodron, Paris 87f., 221 Löffler, Alexander 531 Lohr, Alexander 137, 194 Lorenz, Reinhold 548 Lorx, Viktor 493 Lothringen, Franz Stephan v. 115 Louise Antoinette s. Österreich Ludendorff, Erich 194, 332f., 339, 355, 374, 378f., 394f., 413, 422-427, 434, 437, 439-441, 445f., 456-458, 460f., 464, 467, 471, 477, 488f., 491-493, 530f., 541, 550 Ludwig Viktor s. Österreich Luitpold s. Bayern Lukachich, Géza 508 Lunzer, Gustav 305 Lustig-Prean, Heinrich 351 Lustig-Prean, Karl 331 Lwow, Georgij Jewgénjewitsch 412 Mackensen, August 177, 356, 358, 381, 394, 439 Madách, Imre 104 Mader, Richard 188 Mahler-Werfel, Alma 250, 520 Mahr, Gustav 144 Malik, Vinzenz 481 Malinow, Alexander 329 Mandl, Albert 103
559 Maniu, Juliu 235 Mannlicher, Egbert 482 Mareks, Erich 550 Mareä, Zdenko 473, 535 Margutti, Albert 276, 389f., 526, 536 Margutti, Maria Karoline 390 Maria Annunciata s. Osterreich Maria Christine s. Österreich Maria Theresia s. Österreich Marie Alice s. Waldbott-Bassenheim Marie Luise s. Österreich Marie Valerie s. Österreich Markowitz, Alfred 525, 534 Marmont, August 201 Marschall, Wolf 311 Marschik, Josef 133, 194 Marterer, Ferdinand 372, 389, 395, 471 f., 489 Martin, Ivan 535 Masaryk, Tomas Garrigue 462, 485, 501, 540 Masin, Draga 118 Massenbach, Anneliese 456 Massenbach, Wolf 456 Mataja, Heinrich 526 Mauer, Ernst 223 Mauer, Marianne 223 Maurer, Joseph 411 Maximilian s. Österreich Mayer, Josef 520 Mayer, Hanna 544 Mayer, Laurenz 381 Mayer, Rudolf 369 Mayer, Theodor 541-544 Mayer-Edenhauser, Theodor 544 Mayerhoffer v. Vedropolje, Eberhard 173 Mayern, Karl 18, 435 Mecenseffy, Artur 371 Meduna, Viktor 171, 202, 208 Meinecke, Friedrich 551 Meixner, Hugo 248 Meixner, O t t o 135, 248 Meli, Alfred 232 Meli, Max 521 f. Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein, Albert 409, 454f., 460, 464 Mérey, Kajetan 461 Merizzi, Erik v. 275 Metternich, Klemens 270 Metzger, Anton 399 Metzger, Eduard 166, 399, 548 Metzger, Hugo 420 Metzger, Josef 399 Metzger, Josef 281, 296, 321-323, 325f., 330f., 334, 337, 339, 341, 343f„ 348, 350, 359f„ 365, 367, 370f„ 385f., 392, 399, 404, 467, 475, 477f.
560 Metzger, Maria 399 Michaelis, Georg 426, 457 Mihaljevic, Michael 510 Miklas, Franz 519 Miljuków, Paul 412 Miloslavich, Eduard 264 f. Mirbach, Theodor 442 f. Mises, Ludwig 541 Mitis, Oskar 545 Mittermaier, Johanna 75, 77 Mittermaier, Matthäus 75 Mödritsch, Gusti 252 Mollinary, Anton 16, 229 Mollinary, Beatrix 229 Moltke, Helmuth d. J . 269, 282, 297 Mommsen, Wilhelm 544 Montecuccoli, Raimund 15 Montecuccoli degli Erri, Rudolf 417 Montenegro, Nikita I. v.202, 250f., 262 Montenuovo, Alfred 196, 277f., 382, 472, 478 Montenuovo, Wilhelm 196 Montgelas, Maximilian 550 Müller, Rudolf 435 Muff, Wolfgang 67 Mussolini, Benito 50, 443, 536 Nadler, Josef 548 Nadolny, Rudolf 450 Nabl, Franz 521 Nagele, Hugo 273 Nagy, Emerich 194 Natalie s. Serbien Neipperg, Adam Albert 196 Neumann v. Spallart, Anatol 260, 274 Nicolai, Walther 332f., 422 Niemöller, Martin 219 Nikolaus s. Montenegro Nikolaus s. Rußland Niesietowski-Gawin, Viktor 174 Nivelle, Georges Robert 414 Njegovan, Maximilian 478 Nobile, Peter 501 Northcliffe, Alfred Charles 481 Noske, Gustav 37, 532 Novak-Arienti, Guido 487f. Nowak, Karl Friedrich 3 5 3 - 3 5 5 Nürnberger, Friedrich 412 Oberdank, Wilhelm 535 f. O'Donnell, Maximilian 166 Österreich, Albrecht Ehg.v. 99, 159, 230, 348, 380, 437, 488 Österreich, Albrecht Franz Joseph Ehg.v. 336, 416
Personenregister Österreich, Alice, Großhgin.v. Toskana, Ehgin.v. 164 Österreich, Carl Ehg.v. 109,171,180, 256, 336, 416 Österreich, Elisabeth Kaiserin v. 101, 115, 166, 175, 208 Österreich, Eugen Ehg.v. 148f., 151, 157, 161, 216, 218, 243f., 337, 356, 363, 394, 463, 4 6 9 f „ 551 Österreich, Ferdinand I. Kaiserv. 72 Österreich, Ferdinand III.v. Toskana, Ehg.v. 162 Österreich, Ferdinand IV. v. Toskana, Ehg. v. 162-164 Österreich, Ferdinand Carl Ludwig, Ehg.v. 159 Österreich, F r a n z i . , Kaiser, Ehg.v. 336 Österreich, Franz (II.) I. Kaiser v. 162, 180, 269, 387, 394 Österreich, Franz Carl Ehg.v. 160 Österreich-Este, Franz Ferdinand Ehg.v. 96f., 118f., 150, 157-161, 176, 181, 196, 204, 207, 2 1 8 - 2 2 0 , 231, 2 3 3 - 2 4 0 , 242f., 245f., 249, 252, 2 6 5 - 2 6 9 , 2 7 4 - 2 7 9 , 293, 309, 337, 352, 380, 388f., 391, 406, 415, 427, 525, 550 Österreich, Franz Joseph I. Kaiser v. 94, 142-144, 148, 154, 159f., 166f., 179f., 183, 187, 196-199, 209f., 220, 226, 239f., 246, 249, 252, 266, 268, 274, 2 7 6 - 2 8 0 , 2 8 3 - 2 8 5 , 293, 322, 326, 330, 341, 344, 352, 3 5 8 - 3 6 4 , 366, 373, 376f., 3 8 0 - 3 8 7 , 394, 398, 428, 430, 436, 472, 475, 488, 504, 519, 536 Österreich, Franz Salvator Ehg.v. 142, 179, 382 Österreich, Franziska, Ehgin. v. 473 Österreich, Friedrich II. der Streitbare v. 114 Österreich, Friedrich Ehg.v. 234, 285, 293f., 326, 3 3 4 - 3 3 8 , 344, 349, 3 5 7 - 3 5 9 , 366, 370, 372, 376f., 379, 396, 416, 426, 429, 463, 488 Österreich, Friedrich III., Kaiser, Ehg.v. 107 Österreich, Heinrich Ferdinand Salvator Ehg.v. 163, 165, 475 Österreich, Henriette Ehgin.v. 276, 416 Österreich, Isabella Ehgin.v. 3 3 6 - 3 3 8 , 342, 416 Österreich, Johann Ehg.v. 270 Österreich, Joseph II., Kaiser, Ehg.v. 115 Österreich, Joseph August Ehg.v. 214, 387, 415, 471, 484, 503, 505, 513 Österreich, Joseph Ferdinand Ehg.v. 126, 142, 164f., 216, 231, 247, 311, 372, 474f. Österreich, Karl, Kaiser v. 158, 164, 194, 225, 236, 260, 277f., 284f., 292, 309, 328, 332, 342 f., 348, 364, 366, 3 7 2 - 3 7 7 , 3 8 0 - 3 9 1 , 3 9 3 - 4 0 0 , 4 0 4 - 4 1 3 , 418, 423, 4 2 6 - 4 3 3 , 436f., 4 3 9 - 4 4 1 , 447, 4 5 1 - 4 5 3 , 455f., 4 5 9 - 4 6 4 , 4 6 6 - 4 6 8 , 4 7 0 - 4 7 6 , 478f., 483f., 486, 488f., 491 f., 494f., 497, 499, 5 0 2 - 5 0 5 , 5 0 8 - 5 1 2 , 514f., 5 1 7 - 5 1 9 , 525
Personenregister Österreich, Leopold II. Ferdinand, Großherzog v.Toskana, Ehg. v. 162-164 Österreich, Leopold Salvator Ehg. ν. 444 Österreich, Ludwig Viktor Ehg.v. 159-161 Österreich, Louise Antoinette v.Toskana, Ehgin.v. 162 f. Österreich, Maria Annunciata Ehgin.v. 196 Österreich, Maria Christine Ehgin.v. 474 Österreich, Maria Josepha, Ehgin.v. 158 Österreich, Maria Luise, Kaiserin der Franzosen, Ehgin.v. 196 Österreich, Maria Theresia, Kaiserin, Ehgin.v. 106, 114 f., 336, 387 Österreich, Marie Therese Ehgin.v. 525 Österreich, Marie Valerie, Ehgin.v. 382, 384 Österreich, Maximilian, Ehg.v. 158, 472f., 486f. Österreich, O t t o , Kronprinz, Ehg.v. 373, 423, 459, 475, 520 Österreich, Otto, Ehg.v. 157f., 395, 486 Österreich, Peter Ferdinand, Ehg.v. 163, 220, 304, 474 Österreich, Rudolf Kronprinz v. 208-210, 518 Österreich, Sophie Ehgin.v. 161, 166 Österreich, Zita, Kaiserin v. 132, 342, 388, 395, 397f„ 408, 410, 439, 451, 459, 462f., 472, 480, 517f. Okolicsányi-Zedényi, Ladislaus 501 Okrótny, Ladislaus 359 Oldenburg, Nikolaus 421 Ompteda, Georg 154 Oncken, Hermann 551 Orléans, Anton v. 132 Orléans, Gaston v. 132 Orléans, Ludwig v. 132 Orléans, Pedro v. 132 O r t h , Johann Salvator 88, 128, 366 Oszlányi, Kornelius 431 Otahal v. Ottenhorst, Franz 217 Ott, Max 242 Ottenthaler v. Ottenthai, Emil 538, 547 O t t o s. Österreich Ottrubay, Karl 342, 375 Paar, Eduard 246, 276, 363, 389 Pacor, Josef 225 Paie, Joseph 371 f. Pallavicini, Anton 195 Palm, Johann Philipp 244 Panek, Franz 348, 394 Panesch, Othmar 217 Pantz, Ferdinand 480, 494 Parma s. Bourbon-Parma Parti, Ottokar 101 Pastor, Ludwig 227, 351-353
561 Pastor, Ludwig d. J. 227f. Paumgartten, Eugen 288 Pavelic, Ante 162, 519 Penecke, Hugo 102 Perathoner, P. Cajetan 314 Percevic, Iwan 135, 249, 402, 549 Perné, Adam 294 Pertew Pascha 330 Peter, Franz 50 Peter Ferdinand s. Österreich Petrasch, Gustav 89 Petrasch, Karl 89 f. Petrichevich, Georg 430 Petrini, Friedrich 165 Petznek, Leopold 200 Pezzey, August 147 Pfeffer, Rudolf 371 Pfersmann v. Eichthal, Rudolf 92, 116 Pflanzer-Baltin, Karl 317, 371 Pflug, Ottokar 329, 403, 512 Phleps, Artur 204 Pichler, Cletus 216 Picot de Peccaduc, August 70 Piffl, Friedrich 177, 249, 520 Piger, Johann 79 Pilsudski, Józef 186, 191 Pinter, Hermann 213 Pitreich, Anton 468, 494 Pitreich, Heinrich 139, 158 Pivko, Ljudevit 432 Planner, Victor 93 Platen-Hallermund, Eugenie 368 Platen-Hallermund, Max 367 f. Plentzner, Karl 215, 220, 234 Ploennies, Hermann 213 Podewils-Dürnitz, Klemens 451 Pogány, Josef 407 Pohl, Otto 213 Pohl, Robert 435f., 472, 531 Pokorny, Alois 287-290, 295f., 298, 300, 306, 312 Pokorny, Hermann 368, 442 Pokrovskij, Michail Nikolaevic 448 Polgár, Alfred 257, 337 Polzer-Hoditz, Arthur 391, 423, 494 Pongrácz, Arthur 384 f. Popovici, Aurel Constantin 236 Popp, Leonidas 293 Potiorek, Oskar 211 f., 226, 268, 274-276, 293, 356, 358 Preßburger, Richard 319 Preußen, Auguste Viktoria, Kaiserin, Kgin.v. 378 Preußen, Eitel Friedrich Prinz v. 421 Preußen, Friedrich II. Kg.v. 43
562 Preußen, Friedrich III., Dt. Kaiser, K g . v . 81 Preußen, Wilhelm I., Dt. Kaiser, K g . v . 445 Preußen, Wilhelm II., Dt. Kaiser, K g . v . 268, 277, 282, 326, 338, 357f., 3 6 5 - 3 6 7 , 376f., 380, 422, 426, 436f., 445, 492, 504, 515 Preziosi, Giovanni 50 Pribram, Alfred Francis 44, 454, 5 3 7 - 5 3 9 , 541, 546 Pribram, Elisabeth 539 Prisching, Karl 519 Prich, Rudolf 402 Princip, Gavrilo 237, 275 Prochaska, Oskar 251 Procházka, Robert 307, 430 Prochnik, Moritz Alexander 524 Prokopp, Alois 82 Puhallo, Michael 169 Puhallo, Paul 169f., 179, 182, 206, 226, 232, 259 Putz, Franz 339f., 396 Putz, Hertha 396 Putzker, Albrecht 411 Questenberg, Gerhard 372 Rácz, János 281, 288, 296, 300, 393, 471 Radek-Sobelsohn, Karl 447 f. Radetzky, Joseph Wenzel 15, 177, 270, 285, 437, 459, 488 Radosta, Wilhelm 180 Raitenau, Wolf Dietrich v. 83, 219f. Rákóczi, Franz II. 116 Rambousek, Eduard 217f. Rambousek, Eduard 218 Randa, Maximilian 452 Raschendorfer, Josef 102, 104, 182, 420 Rasin, Alois 493 Ratzenhofer, Emil 546 Ratzenhofer, Gustav 257 Rechberg, Alois 166 Rechberg, Bernhard 166 Redl, Alfred 2 6 4 - 2 6 6 , 298, 304 Redlich, Adolf 540 Redlich, Fritz 540 Redlich, Josef 540 Redlich, Nathan 540 Redlich, Oswald 5 3 7 f „ 542f. Regele, Oskar 32, 52 Regenauer, Kurt 43 Reichenauer, Oskar 34, 480, 529 Reichlin-Meldegg, Wilhelm 180, 207 Reininger, Robert 538 Reininghaus, Familie 339f. Reininghaus, Gina s. Conrad Reinsperg, Hugo 108, 120
Personenregister Rendulic, Lothar 136 f. Rendulic, Lukas 137 Renner, Karl 353, 498f., 506, 513, 519, 523 Reutter-Vallone, Arthur 420 Reverterá, Nikolaus 461 Rezek, Wenzel 103 Rieger, Franz Ladislaus 482 Riha, Bruno 299 Rilke, Rainer Maria 20, 96, 124, 257 Rimi, Franz 287 Rizzetti, Paul 108 Robinson, Louise 158 Roda-Roda, Alexander 125 Röhmer, Olivier 125 Rößler, Hellmuth 544 Rohan, Viktor 77 Rohracher, Andreas 221 Roloff, Gustav 550 Rommel, Erwin 110 Ronge, Max 46, 264f., 345f., 369, 404, 511 Roschatt, Hermann 140-145, 156, 222 Roschmann, Anton 270 Rosenbaum, Bernhard 253 Rosenberg, Alfred 548 Rosenberg, Frederic Hans v. 461 Rossi, Germinio 222 Rózsa, Sándor 151 Roth, Josef 135, 432 Rothkirch v. Panthen, Leonhard 253 Rozwadowski s. Jordan-Rozwadowski Rudel-Frantz, Rudolf 172, 177, 201, 2 0 4 f „ 290 Rudigier, Franz Josef 245 Rudolf s. Österreich Rueff, Erwin 227, 316 Ruggera, Kamillo 401 Ruiz de Roxas, Emilie 184 R u i z de Roxas, Eugen 183f., 299 Rumänien, Carol Kg. v. 270 Rumänien, Elisabeth, Kgin.v. 271 Rumänien, Ferdinand K g . v . 452 Rumerskirch, Karl 278 Rump, Heinrich 296 Rußland, Nikolai Nikolajewitsch, Großfürst v. 303 f. Rußland, Nikolaus Zar v. 346, 412 Rziha, Franz 214 Sachsen-Teschen, Albert H z g . v . 338 Sachsen, Friedrich August III. Kg.v. 162 Sachsen-Coburg u. Gotha, Ludwig v. 142 Sacken, Adolf 254 Salata, Francesco 535 f. Salm-Salm, Emanuel 359 Salten, Felix 153
Personenregister Salzmann s. Salten Samánek, Alfred 132 Samassa, Paul 36 Sarkotic, Stefan 226f., 356, 485, 546 Savoyen, Eugen ν. 106, 205, 412, 543f., 548 Schärf, Adolf 50 Schafferer, Gottfried 222, 248, 281, 285f., 288, 299, 322, 393, 414, 475f., 516f., 523 Schaffgotsche, Levin Gotthard 217 Schager-Eckartsau, Albin 34, 236, 428, 475, 480, 499, 503 Schalk, Anton 37, 289, 417f., 506, 521 f., 525, 534, 542f., 552 Schattenstein, Nicolaus 331 Schaumburg-Lippe, Friedrich Georg 205 Schemua, Blasius 177, 240, 251, 369 Schemua, Johann 216, 244 Scheüch, Heinrich 421 Scheuchenstuel, Viktor 410, 467 Schilhawsky, Franziska 248 Schilhawsky, Gina 248 Schilhawsky, Isabella 248 Schilhawsky, Josef 248 Schilhawsky, Josef d. J. 248 Schilhawsky, Paula 401 Schilhawsky, Richard 248 Schilhawsky, Sigismund 205, 248, 401, 431, 471, 476 Schitier s. Somkuthy Schleinzer, Marie s. Hortenau Schlieffen, Alfred 281, 308 Schmedes, Kurt 441 Schmidt, Wilhelm 497 f. Schneider, Josef 349, 403 Schneider, Rudolf 180 Schneller, Karl 27, 36, 324f., 349, 373, 394, 401, 407, 514 Schneller, Maria 401 Schober, Johann 264 Schoedler, Franz 247 Schön, Josef 435 Schönaich, Franz 134, 158f., 239 Schönbauer, Ernst 548 Schönburg-Hartenstein, Alexander 309, 311 Schönburg-Hartenstein, Aloys 34, 38f., 46, 50, 193, 229, 287, 3 0 6 - 3 1 5 , 317, 353, 407, 4 1 0 - 4 1 2 , 455, 467f., 479, 483f., 493, 514f. Schönburg-Hartenstein, Hieronymus 309, 311 Schönburg-Hartenstein, Heinrich Eduard 308 Schönburg-Hartenstein, Johanna 290, 308, 453 Schönburg-Hartenstein, Joseph Alexander 308 Schönburg-Hartenstein, Ludovica Aloisia 308 Schönerer, Georg 417 Schönhals, Karl 16, 459
563 Schraffl, Josef 500 Schratt, Katharina 167, 382 f. Schredt, Hermann 215 Schubert, Franz Xaver 22, 26 Schüller, Richard 465 Schürff, Hans 423 Schuhmeier, Franz 263 Schulenburg, Friedrich v. d. 421 Schulz, Hugo 34, 36, 332, 401, 433, 4 9 8 f „ 502f., 524, 529, 533 f. Schulz, Paul 3 4 0 f „ 350f. Schuschnigg, Alois 244 Schuschnigg, Artur 244 Schuschnigg, Herma 250, 520 Schuschnigg, Kurt 219, 238, 244, 443, 520, 543, 548 Schuschnigg, Vera 250 Schuster v. Franzhof, Alfons 316 Schwarte, Max 551 Schwarz, Heinrich 319 Schwarzenberg, Felix 435 f. Schwarzleitner-Domonkos, Chlodwig 401 Schweitzer, Eduard 293 Sedlácek, Moritz 411 Sedlnitzky, Josef 270 Seeckt, Hans v. 358, 375, 381, 533 Seeliger, Emil 17 f. Segré, Roberto 552 Seidler, Ernst 373, 446, 463, 479, 481, 491, 494 Seiller, Luise 300 Seiller, Viktor 514, 531 Seipel, Ignaz 46, 235, 238, 518, 526f. Seitz, Karl 401 Senarclens de Grancy, Hedwig 289 Senarclens de Grancy, Hugo 287f., 290, 295 Serbien, Alexander K g . v . 118 Serbien, Alexander, Kronprinz v. 275, 550 Serbien, Natalie Kgin.v. 213 Sevrjuk, Oleksander 453 Seydl, Ernst 381 Seyss-Inquart, Arthur 9, 506 Sickel, Theodor 547 Sigmundt, Adolf 147, 266 Sigmundt, Alette 147 Sieghart, Rudolf 277, 309 Silberer, Géza 257, 337, 507 Sil-Vara s. Silberer Simons, Walter 450 Sined s. Denis, Michael Slameczka, Oskar 322f., 350, 357, 363, 392, 400 Smuts, Jan Christiaan 460 Snjaric, Lukas 510 Sobalik, ? 96 Solf, Wilhelm 513
564 Sómkuthy, József 202 Sommer, Emil 293 Sonnino, Giorgio Sidney 376 Soós v. Badok, Karl 303, 410 Sosnosky, Theodor 30, 40 Spann, Othmar 537, 548 Spannocchi, Lelio 237, 299 Speil, Rudolf 96 Spitzmüller, Alexander 414, 507 Srbik, Heinrich 46, 51, 403, 538, 5 4 6 - 5 4 8 Srbik, Robert 35, 4 4 f . , 403, 546 Srom, Zdenko 94 Starhemberg, Ernst Rüdiger 50 Stefan, Paul 257 Stegemann, Hermann 351 Steiher, Joachim 113 Steinitz, Eduard 48, 257, 318, 383 Stepinac, Alojzije 383 Stepski-Doliwa, Ludwig 299 Sternberg, Adalbert 278, 352f., 359, 391 Stinnes, Hugo 534 Stockau, Georg 209 Stockhammern, Franz 449 Stöger-Steiner, Rudolf 466, 485, 507, 509, 516 Stöller, Ferdinand 51 Stölzel, Artur 238 Stojakovics s. Sztójay Stolzmann, Paulus 370 Storck, Karl 184 Storck, Wilhelm 418 Stransky-Greifenfels, Eduard 482 Straub, Johann 173, 206, 284, 343 Straub, Katharina Maria 173 Strauß, Johann d. Ä. 285, 499 Strobl, Karl Hans 332, 522 Strutt, Edward Lisle 518 Strzygowski, Josef 538 Stürgkh, Karl 345, 404, 417, 551 Succovaty v. Vezza, Eduard 202, 551 f. Sündermann, Ludwig 178, 467, 493 Suppé, Franz 95 Sybel, Heinrich 231 Sylvester, Julius 238 Syrzistie, Viktor 296 Szalai, Alexander 129 Szapáry, Ladislaus 182, 205 Szeptycki, Alexander 185 Szeptycki, Stanislaus 185, 294 Szoegyény-Marich, Ladislaus 209 Sztójay, Dömö 179-181 Takács-Tolvay, Josef 511 Talaad Pascha 456 Tantilow, Iwan 323, 329f., 365
Personenregister Taxis-Bordogna, Maria Emil 418 Teisinger, Josef 242 Tersztyánszky, Karl 267, 358, 372, 374 Teuber, Emmerich 212 Teuber, Oskar 40, 92, 134 Teufel, Oskar 480, 494 Teuffenbach, Albin 116, 126 Thallóczy, Ludwig 358 Thun-Hohenstein, Karl 89 Thun-Hohenstein, Sigismund 77 Thum-Taxis, Anton 142 Thurn-Valsassina, Duglas 30, 418 Tinz, Eugen 286 Tisza, István 280, 3 3 4 - 3 3 6 , 345, 347, 358, 372, 377, 379, 381, 3 8 6 - 3 8 8 , 395, 404, 413, 428, 486, 495, 513 Toggenburg, Friedrich 334 Tomanek, Gertrud 164 Tombor, Eugen 400 Torresani, Carl 16, 40, 92, 122, 125, 139, 141, 154-156, 187, 229, 288 Torresani, Carl Justus 156 Torresani, Therese 141, 156 Trautmannsdorf-Weinsberg, Karl 418 Traxler, Anton 185 Treitschke, Heinrich 231 Trotzkij, Leo 425, 448f., 451, 455, 457f. Trumbic, Ante 480 Tschitscherin, Georgij Wassiljewitsch 461 Tschurtschenthaler, Heinrich 312 Turba, Richard 529 Tusar, Heda 418 Tusar, Vlastimil 418 Uebersberger, Hans 36, 521, 525, 546, 549 Uexkuell-Gyllenband, Alexander 319 Uexkuell-Gyllenband, Nikolaus 437 Ulimann, s. Dittrich Ulmansky, Fedor 484 Ulmansky, Milan 108, 486 f. Urban, Ferdinand 318 Urbanski v. Ostrymiecz, August 276 Uriel, Theodor 207, 213, 215, 296 Ursyn-Pruszynski, Stanislaus 212 Uzelac, Emil 348 f. Vajda-Voevod, Alexander 235, 238 Varesanin, Marian 204 Vaugoin, Karl 38 Vecchiarelli, Carlo 536 Veesenmayer, Edmund 191 Veith, Georg 349 Vel'tman, Michail Lazarevic 448 Veltzé, Alois 134, 181, 257, 269, 337, 441, 536
565
Personenregister Veltzé, Ilona 536 Veltzé, Josefine Theresia 536 Verdroß, Alfred 548 Verdroß, Ignaz 373 Vetsera, Mary 2 0 8 - 2 1 0 Véver, Richard 298 Vidalé, Julius 437 Vivenot, Alfred 231 Vojkffy, Hubert 471 Vomer, Michael 17 Wagnermaier, Johanna 75 Wahrmund, Alfred 123 Waihs, Erwin 517, 532 Walchen, Friedrich v.88 Waldbott-Bassenheim, Friedrich-Heinrich 416 Waldbott-Bassenheim, Klemens 416 Waldbott-Bassenheim, Marie Alice 416 Waldherr, Wolfgang 189 Waldner, Viktor 500 Waldstätten, Alfred 172, 316, 3 7 3 - 375, 399f., 405, 412f., 415, 420, 426, 428, 431, 4 3 6 - 4 4 0 , 442, 451, 455f., 4 7 0 - 4 7 3 , 4 7 5 - 4 7 7 , 484, 493, 499 f., 505, 512, 515 Waldstätten, Egon 225, 441, 495 f. Waldstätten, Georg 499 Waldstätten, Hans 180, 500 Waldstätten, Johann 182 Wallenberg-Pachaly, Robert 329, 343, 392, 414, 487f., 513, 517 Wallenstein, Albrecht 372, 535 Wasa, Gustav 161 Weber-Webenau, Viktor 513 Wegerer, Alfred 5 4 9 - 5 5 1 Weiskirchner, Richard 458 Weiss, Wilhelm 21 Weiß-Schleussenburg, Friedrich 127 f. Wekerle, Sándor 428, 479, 486, 491, 504 Weiden, Ludwig 16 Welser, Julius 84 f. Wendel, Hermann 550 Wengersky, ? 219 Werfel, Alma s. Mahler-Werfel, Alma Werfel, Franz 250, 520 f. Werkmann, Karl 34, 373, 391, 413, 429, 472, 474f., 517f. Werth, Heinrich 402 Westen, Adolf 521 Westen, August 37, 521
Westen, Peter 37, 521 Wetzeil, Georg 425 f. Wetzer, Leander 254 f. Wever, Walter 326, 462 Weyer, Rudolf 73 Wied, Wilhelm Prinz zu 273 Wieden, v. Alpenbach, Heinrich 435 Wiesner, Friedrich 30, 327, 379, 418f., 437, 442, 451, 453f., 478, 483, 488, 504, 529, 549 Wilczek, Hans 182 Wild v. Hohenborn, Adolf 377 Wild, Josef 314, 477 Wildner, Clemens 38 Wilhelm I. s. Preußen Wilhelm II. s. Preußen Willisen, Friedrich Wilhelm 440 Wilson, Thomas Woodrow 492, 494, 501 Windisch-Graetz, Elisabeth 200 Windisch-Graetz, Joseph 98 Windisch-Graetz, Lajos 377, 381, 507 f. Windisch-Graetz, Otto 200 Wirth, Alfred 165 Wirth, Beate 165 Wölfling, Leopold 162-164 Woinovich, Emil 182, 254f., 257, 260f., 268, 274, 283, 319, 354, 405, 537 Wolf, Wilhelm 74 Woyrsch, Remus 415 Wulff, Olaf 444 Wurm, Wenzel 506 Zagórski, Waldemar 179, 181, 447, 456 Zamboni, Felix 384 Zdarsky, Matthias 224 Zeidler-Daublebsky-Sterneck, Egon 292, 389, 429, 4 7 1 - 4 7 3 , 475, 483f., 505 Zeplit, ? 448 f. Zeynek, Theodor 371 f., 404, 511 Ziegler, Emil 313 Ziehrer, Carl Michael 117, 196 Zimburg v. Reinerz, Wilhelm 94 f. Zita s. Österreich Zitterhofer, Karl 274, 366 Zobernig, Alois 189, 211, 456 Zogu, Achmed 192 Zogu, Geraldine 192 Zsolnay, Paul 250 Zumbusch, Kaspar 501 Zweig, Stefan 257
302,
M I C H A E L H A I N I S C H . 75 J A H R E AUS B E W E G T E R Z E I T Lebenserinneruneen eines österreichischen Staatsmannes. Bearbeitet von Friedrich Weissensteiner. Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Band 64. 1978. Gr.-8°. 406 Seiten, 1 Tafel. Br. I S B N 3-205-08565-5 Als der österreichische Privatgelehrte und Alt-Bundespräsident Dr. Michael Hainisch im Februar 1940 starb, nahm die Öffentlichkeit davon kaum Notiz, obwohl ihm viele seiner Zeitgenossen zu den besten Repräsentanten echten Osterreichertums zählten. Kein Wunder, denn die Zeiten hatten sich geändert. Ein Grund mehr also, sich mit dieser Persönlichkeit näher zu befassen ; die Veröffentlichung seiner Memoiren möge dafür den Weg bereiten. Die Lebenserinnerungen umfassen in chronologischer Abfolge 75 Lebensjahre des Alt-Bundespräsidenten, von seiner Geburt 1858 bis zum Jahr 1933. Sie gliedern sich in sieben Abschnitte, in denen Hainisch über seine Herkunft, seine Jugend und Ausbildung, seine schriftstellerische und wissenschaftliche Tätigkeit sowie über sein öffentliches Wirken in den verschiedensten Bereichen und Funktionen berichtet. Die Schwerpunkte ruhen dabei auf den beiden Kapiteln über seine Bundespräsidentschaft und das Intermezzo als Handelsminister, die nahezu die Hälfte des Umfanges ausmachen und in denen sich brennpunktartig ein Jahrzehnt ( 1 9 2 0 - 1 9 3 0 ) österreichischer Geschichte widerspiegelt. Es liegt somit ein authentisches Dokument vor, das nicht nur Wesen und Gedankenwelt eines österreichischen Staatsmannes absteckt, sondern auch Einblick gewährt in eine wesentliche Periode der von wirtschaftlichen Schwierigkeiten belasteten und um ihr Selbstverständnis ringenden Ersten Republik.
Friedrich Rennhofer IGNAZ SEIPEL - MENSCH U N D STAATSMANN Eine biographische Dokumentation. Böhlaus Zeitgeschichtliche Gr.-8°. X , 800 Seiten. Ln. I S B N 3-205-08810-7
Bibliothek,
Band 2.
1978.
Uber Ignaz Seipel ist viel geschrieben und gesagt worden. Friedrich Rennhofer hat sien in langjährigem Bemühen zur Aufgabe gemacht, die gesamten Materialien zur Person Seipels und seines politischen Werkes zu erfassen, zu sichten und daraus ein dokumentarisches Gesamtbild zu zeichnen. Als vollkommen neue, bisher unbekannte und nicht zur Gänze ausgewertete Quelle für das Verständnis der Person und des Staatsmannes Seipel konnte erstmals der vollständige persönliche Nachlaß Seipels, vor allem seine sämtlichen Tagebücher herangezogen werden, ferner viele persönliche, bisher unbekannte Briefe und eine Reihe anonym erschienener Aufsätze, wie die anonym oder pseudonym veröffentlichten Leitartikel in der Reichspost, die erst durch die Tagebuchaufzeichnungen als Meinungsäußerungen Seipels verifiziert werden konnten. Als Grundlage für das Verständnis des späteren staatspolitisenen Werkes werden auch die Materialien der vor- und frühpolitischen Zeit, mehr als dies bisher in der Seipel-Forschung der Fall war, beachtet. Anliegen dieses Buches ist es, die Gegensätze der politischen Parteien, die sich während der Ersten Republik in Österreich an der Person Seipels entzündeten, aus echtem Verstehen dieses Menschen und Staatsmannes in einer distanzierten geschichtlichen Beurteilung zu entschärfen.
William M. Johnston ÖSTERREICHISCHE KULTUR- UND
GEISTESGESCHICHTE
Gesellschaft und Ideen im Donauraum 1848 bis 1938. Aus dem Amerikanischen übertragen von Otto Grohma. Mit einem Geleitwort von Friedrich Heer. 1974. Gr.-8°. IV, 503 Seiten. Ln. ISBN 3-205-07104-2 Jene 90 Jahre vom Sturmjahr 1848 bis 1938, als „fröhliche Apokalypse" bezeichnet, in der die Welt des Habsburgerreiches zerbrach und die Donaumonarchie sich in ihre Nachfolgestaaten auflöste, bilden den Bezugsrahmen dieses in den Vereinigten Staaten mit dem „Austrian History Award" ausgezeichneten Buches. Der Charakterisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse folgt der Hauptteil mit biographischen Essays über bedeutende Vertreter der Ökonomie, Rechtstheorie, Philosophie, Politik, Architektur, Musik, Literatur und der Malerei. Besondere Aufmerksamkeit wird Sigmund Freud geschenkt. Die Auswahl der Personen richtet sich nach den damaligen Staatsgrenzen. Das bedeutet, daß das geistige Zentrum Prag ebenso berücksichtigt wird wie einzelne Persönlichkeiten aus Ungarn, sofern sie mit dem deutschen Sprach- und Kulturraum in Verbindung standen. Es liegt hier ein Werk vor, das jeden Österreicher anregen mag, sich mit dem reichen kulturellen Erbe seiner Heimat auseinanderzusetzen.
VERLAG BÜHLAU
WIEN-KÖLN-GRAZ
Stefan Malfèr WIEN U N D ROM N A C H DEM ERSTEN WELTKRIEG österreichisch-italienische Beziehungen 1919-1923. Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 66. 1978. Gr.-K 186 Seiten. Br. ISBN 3-205-08568-X Der Autor untersucht anhand von Akten die Entwicklung der Beziehungen zwischen der neuentstandenen Republik Österreich und dem Königreich Italien von 1919-1923. In vorliegender Untersuchung geht es nicht darum, einen Sektor der Außenpolitik der Ersten Republik zu beschreiben, sondern einen entscheidenden Abschnitt der Geschichte der österreichisch-italienischen Beziehungen im Detail zu beleuchten. Die Hauptabschnitte des Buches sind u. a. dem Friedensschluß und der Wiederaufnahme der österreichisch-italienischen Beziehungen, dem Romaufenthalt Renners im April 1920, den österreichisch-italienischen Beziehungen von Renner bis Schober bis zu den Auswirkungen der faschistischen Südtirolpolitik auf die österreichisch-italienischen Beziehungen gewidmet.
Lajos Kerekes V O N ST. G E R M A I N BIS G E N F Österreich und seine Nachbarn (1918-1922). Aus dem Ungarischen übersetzt von Johanna Till. 1979. Gr.-8°. 461 Seiten. Ln. ISBN 3-205-00534-1 Aus dem Inhalt : Der Anschluß und die Alternative der Donaukonföderation in der Außenpolitik O t t o Bauers ; Die wirtschaftliche und soziale Lage Österreichs nach dem Zerfall der Doppelmonarchie ; Österreich und die Tschechoslowakei ; Vorarlberg und die Anschlußbewegungen an die Schweiz ; Der Plan einer selbständigen Republik Tirol, Italien und Österreich 1 9 1 8 - 1 9 1 9 ; Die österreichisch-jugoslawischen Beziehungen und die Kärntner Frage 1 9 1 8 - 1 9 1 9 ; Österreich und Ungarn ; Renners Verträge mit der Tschechoslowakei und mit Italien; Der Plan eines süddeutschen Pufferstaates und die französische Außenpolitik im Jahre 1 9 2 0 ; Münchens und Budapests Pläne gegen die Renner-Regierung ; Die Lösung der Kärntner Frage im Herbst 1920 ; Die Anschlußbewegungen an der Wende von 1920 zu 1921 ; Die österreichisch-ungarischen Beziehungen und die Burgenlandfrage vom Herbst 1920 bis zum Frühjahr 1921 ; Der erste Restaurationsversuch ; Die Burgenlandfrage vom Frühjahr 1921 bis zur Unterzeichnung des Protokolls von Venedig; Der zweite Restaurationsversucn; Die Volksabstimmung in Sopron; Die Außenpolitik der Schober-Regierung 1 9 2 1 - 1 9 2 2 ; Die Seipel-Regierung und die Genfer Konvention.
Margareta Mommsen-Reindl DIE Ö S T E R R E I C H I S C H E P R O P O R Z D E M O K R A T I E U N D D E R F A L L H A B S B U R G 1976. Gr.-8°. II, 264 Seiten. Br. ISBN 3-205-07126-3 In diesem Buch wird untersucht, warum das Problem der Heimkehr O t t o Habsburgs Österreich in eine Krise solchen Ausmaßes stürzen konnte, obwohl doch die Wiederherstellung der Monarchie zu diesem Zeitpunkt ferner denn je lag.
Radomir Luza Ö S T E R R E I C H U N D DIE GROSSDEUTSCHE I D E E I N D E R NS-ZEIT Aus dem Englischen übertragen von Doris Haubner. 1977. Gr.-8°. 368 Seiten. Ln. ISBN 3-205-07115-8 In der Einleitung dieser auf unveröffentlichtem Quellenmaterial beruhenden Untersuchung zur Geschichte Österreichs im Dritten Reich verfolgt der Autor, Professor an der Tulane University/New Orleans, nicht nur die österreichische Anschlußbewegung bis auf ihre Anfänge im 19. Jahrhundert zurück, sondern befaßt sich auch mit den wirtschaftlichen und politischen Problemen der Ersten Republik, und hier besonders mit den Ereignissen von 1934 und 1938, dem Jahr des Anschlusses. Der erste Teil des Buches behandelt dann die Gleichschaltung Österreichs, offiziell nur mehr , , O s t m a r k " genannt, die für viele Anschlußanhänger ein böses Erwachen brachte. Interne politische Auseinandersetzungen, den „Volksgenossen" gemeinhin unbekannt, soziale und wirtschaftliche Belange, das Verhältnis zur Kirche und zu den Juden enthüllen eine Fülle interessanter Einzelheiten. Das Ostmarkgesetz und der Abgang des Wiener Gauleiters Josef Bürckel, der die ersten Jahre der Anschlußzeit entscheidend beeinflußte, sind Gegenstand des zweiten Teiles. Mit der Zeit, da auch die „ O s t m a r k " von den allumfassenden Kriegsanstrengungen erfaßt wird, der Ära Baidur von Schirachs und dem Ende der NS-Herrschaft setzt sich der dritte und letzte Abschnitt auseinander. Hier sehen wir, wie in der Auseinandersetzung mit den wachsenden Problemen ein völlig neues Österreichbewußtsein entsteht.
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