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German Pages 664 [653] Year 2003
Krieg, Militär und Film stehen in einer engen, komplexen Verbindung zueinan-
der. Kaum ein anderes Medium hat die Erinnerung und Wahrnehmung von organisierter Gewalt und Krieg im 20. Jahrhundert mehr geformt als der Film. In international vergleichender Perspektive wird in diesem Buch das Spannungsverhältnis zwischen Film als Medium der Unterhaltung und der politischen Meinungsbildung beleuchtet. Die interdisziplinäre Stellung des Films und methodische Fragen kommen ebenso zur Sprache wie die Rezeption im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik, die Affinität von Militär und Film im Nationalsozialismus sowie die katalytische Funktion von Militär- und Kriegsfilmen im Kalten Krieg. Das Spektrum der Betrachtung reicht von militärspezifischen Inhalten über Fragen der narrativen Konstruktion, der cineastischen Form bis zu den Mechanismen der politischen Instrumentalisierung und gesellschaftlichen Wirkung.
Herausgeber: Bernhard Chiari, Dr. phil., Wiss. Rat, geb. 1965 in Wien, Matthias Rogg, Dr. phil., Major, geb. 1963 in Wittmund, Wolfgang Schmidt, Dr. phil., Oberstleutnant, geb. 1958 in Regensburg. Die drei Herausgeber sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Potsdam. Die
Umschlagbild: Canaris (R: Alfred Weidenmann, s/w, Deutschland 1954). Von links: O. E. Hasse, Adrian Hoven, Charles Régnier. KirchMedia, Ismaning/Foto: Filmmuseum Berlin Stiftung Deutsche Kinemathek -
Oldenbourg
Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts
Beiträge zur Militärgeschichte Herausgegeben vom Militäfgeschichtlichen Forschungsamt Band 59
R.
Oldenbourg Verlag München 2003
Krieg und Militär
im Film des 20. Jahrhunderts
Im Auftrag des
Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Bernhard Chiari, Matthias Rogg und Wolfgang Schmidt
R.
Oldenbourg Verlag München 2003
Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme -
Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich
© 2003 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Str. 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg-verlag.de ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung Das Werk einschließlich aller außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unMikrozulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, in elektronischen und die und Systemen. verfilmungen Einspeicherung Bearbeitung Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier (chlorfrei gebleicht).
Abbildungen
Übersetzungen,
Satz: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Druck und Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei
ISBN 3-486-56716-0
GmbH, München
Inhalt Vorwort.IX
Einleitung.1 Gerhard Paul Krieg und Film im 20. Jahrhundert. Historische Skizze und methodologische
Überlegungen.3
Kriegsfilm und interdisziplinäres Umfeld Gerhard Paul
Kriegsfilm und interdisziplinäres Umfeld.79 Günter Riederer Was heißt und zu welchem Ende studiert man Filmgeschichte? Einleitende Überlegungen zu einer historischen Methodik der Filmanalyse.85 Ulrich Fröschle und Helmut Mottel Medientheoretische und mentalitätengeschichtliche Probleme filmhistorischer Untersuchungen. Fallbeispiel: »Apocalypse Now«.107 Clemens Schwender Bausteine zu einem evolutionspsychologischen Verständnis von
Kriegsfilmen.141 USA
Sowjetunion
Gewalt, Krieg und Nqtion im Film —
Bernhard Chiari USA Sowjetunion. Gewalt, Krieg und Nation im Film.157 Andreas Etges The Best War Ever? Der Deutungswandel des Zweiten Weltkriegs in US-amerikanischen Filmen am Beispiel von »The Best Years of Our Lives« und »Saving Private Ryan«.163 —
Inhalt
VI
Herbert Mehrtens Die filmische Konstruktion der kampfbereiten Nation:
»Deep Impact«.179
Beate Fieseier Der Kriegsinvalide in
ausgewählten sowjetischen Spielfilmen der Kriegs- und Nachkriegszeit (1944 bis 1964).199
Carola Tischler Kalter Krieg im Kino? Das Bild des »Amerikaners« in sowjetischen Spielfilmen nach 1945.223
Erster Weltkrieg und Weimarer Republik Martin Baumeister Erster Weltkrieg und Weimarer Republik.239 Martin Baumeister »L'effet de réel«. Zum Verhältnis von Krieg und Film 1914 bis 1918.245
Philipp Stiasny »Die poetische Schmachtlocke sträubt sich hier ohne weiteres zur politischen Borste«. »Fridericus Rex« und das Bild des Krieges im Weimarer Kino.269 Barbara Ziereis
Kriegsgeschichte im Spielfilmformat. Der Erste Weltkrieg im Tonspielfilm der Weimarer Republik.297 Ralph Winkle Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen. Darstellungsformen des Weltkrieges in Filmen der zwanziger und dreißiger Jahre.319 Die Luftwaffe im
NS-Propagandafilm
Matthias Rogg Die Luftwaffe im NS-Propagandafilm.343 Rainer Rother »Stukas«. Zeitnaher Film unter Kriegsbedingungen.349 Rolf Seubert »Junge Adler«. Technikfaszination und Wehrhaftmachung im nationalsozialistischen Jugendfilm.371 Jan Kindler »Wo wir sind, da ist immer oben«. Zur Inszenierung der Luftwaffe im NS-Kulturfilm.401
Inhalt
VII
Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm Wolfgang Schmidt Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm.441 Philipp von Hugo
Kino und kollektives Gedächtnis? Überlegungen zum westdeutschen Kriegsfilm der fünfziger Jahre.453 Susanne Brandt »Ich war neunzehn«. Konrad Wolfs Spielfilm über das Kriegsende 1945 als Bestandteil offizieller Erinnerungskultur m der DDR.479 Wolfgang Schmidt »Barras heute«. Bundeswehr und Kalter Krieg im westdeutschen Spielfilm der frühen sechziger Jahre.501 Gerhard Wiechmann »Top Gun« in der DDR? Der Kalte Krieg und die NVA im Spielfilm am Beispiel von »Anflug Alpha 1«.543 Katja Protte Auf der Suche nach dem Staatsbürger in Uniform. Frühe Ausbildungs- und Informations filme der Bundeswehr.569 Matthias Rogg »Filme von der Fahne«. Das Armeefilmstudio der Nationalen Volksarmee der DDR.611
Abbildungsnachweis.635 Filmregister.636 Personenregister.643
Vorwort »Born together, motion picture and modern war have grown up and flourished side by side.« Mit diesem Satz verweist der amerikanische Filmhistoriker Jay Hyams auf die parallele Entwicklung moderner Filmtechnik und moderner Kriegstechnik. Beide entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts zur schaurigen Perfektion weiterentwickelt im 20. Jahrhundert. Doch Krieg, Militär und Film verbindet weit mehr als nur eine zeitliche Koinzidenz. Sie stehen in einem engen, komplexen Wechselverhältnis. Paul Virilio spricht von der kinematographischen Technik als einer Kriegstechnik: Der Film ist Waffe und Medium der Bildung und Unterhaltung zugleich. Als eigenständiges Genre gibt der Kriegsfilm vor, den Krieg abzubilden und ihn im Kino selbst in Friedenszeiten scheinbar erlebbar zu machen. Weil kaum ein anderes Medium die Vorstellungswelten der Menschen so geprägt hat, beeinflußt der Film die Wahrnehmung des Krieges und das Verhalten -
Krieg nachhaltig. Krieg und Militär stehen im Zentrum des Erkenntnisinteresses am Milttärgeschichtlichen Forschungsamt; allerdings nicht eindimensional, sondern in umfassender Erweiterung. Insoweit ist moderne Militärgeschichte hauptsächlich zu verstehen als die interdependente Geschichte der Vorbereitung, der Durchführung und der Nachbereitung von Kriegen. Dies schließt die umfassenden Auswirkungen des Krieges auf alle Sektoren und Ebenen des sozialen Lebens ein. Neben dem immer aktuellen Verhältnis zwischen Krieg und Politik gehört dazu der gesamte Komplex von Militär und Gesellschaft, der Mentalitäts- und Kulturgeschichte militärischer Gewaltanwendung und -Verhinderung bis hin zur Alltagsgeschichte von Soldaten und Zivilisten. Wenn man Militärgeschichte auch als eine Sozial- und Kulturgeschichte des Krieges versteht, dann bedeutet dies fast zwingend, sich auch mit jenem Massenmedium auseinanderzusetzen, das wie kaum ein anderes für das 20. Jahrhundert steht. Die Forderung, Filme als historiographische Quelle zu nutzen, ist schnell erhoben, sie einzulösen allerdings ebenso kompliziert. Die flüchtige Beschaffenheit und die genretypischen Codes machen es dem auf Schriftlichkeit fixierten Historiker schwer, mit solchen Spuren, die in die Vergangenheit führen, umzugehen. Insbesondere ihre gesellschaftliche Wirksamkeit über die allgemeine Feststellung hinaus auszuloten, daß Filme eine gesellschaftliche Relevanz besitzen, erweist sich als höchst diffizil. Hierauf Antworten zu finden, gelingt nur in interdisziphnärer Perspektive. Im November 2001 war das Militärgeschichtliche Forschungsamt Gastgeber für mehr als sechzig Medien- und Geisteswissenschaftler, die gemeinsam mit uns zum
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Vorwort
diesen
Dialog gesucht gedruckter Form vor.
haben. Die
Ergebnisse
des
Workshops liegen
nun
in
Ich danke allen, die zum Gelingen des Bandes beigetragen haben, in erster Linie den Herausgebern, auf deren Initiative und Kreativität das ambitionierte Projekt zurückgeht. Ein großer Dank gebührt natürlich den Autorinnen und Autoren für ihre höchst anspruchsvollen und differenzierten Beiträge ebenso wie dem R. Oldenbourg Verlag. Ohne die Kompetenz der Mitarbeiter in der Schriftleitong des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes unter Arnim Lang hätte das Werk allerdings nicht Gestalt annehmen können. Mein besonderer Dank gilt hier Dierk Kahler, dem verantwortlichen Lektor. Marina Sandig beschaffte die Bildvorlagen und klärte die Bildrechte, Antje Lorenz war zuständig für die Textgestaltung und Maurice Woynoski zeichnet verantwortlich für den Umschlagsentwurf. Durch das Zusammenwirken aller dieser Kräfte ist somit ein inhaltlich gewichtiger und attraktiver Band über ein scheinbares Randthema der Militärgeschichte entstanden.
Dr. Jörg Duppler Kapitän zur See und
Amtschef des
Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
Einleitung Seit es Filme gibt, spielt das Sujet von Krieg und Militär eine herausragende Rolle. Der besondere Wert von Filmen ist mittlerweile auch in der historischen Forschung und Stimmungen, als unbestritten. Als Projektionsfläche für Sehnsüchte, zuletzt als Mittel kollektiver und nicht ideologischer EinflußErinnerungen Träger nahme liefern Filme wichtige Hinweise auf gesellschaftliche und politische Orientierungen. Film und Fernsehen haben das Wissen und die Deutung historischer und aktuunsere eller Vorgänge entscheidend bestimmt und mehr noch Wahrnehmung sowohl verändert. dies der strategische Stellenwert, der grundlegend Beispielhaft zeigen dem information warfare im Krieg des 21. Jahrhunderts zugemessen wird, als auch der öffentliche Meinungsbildungsprozeß, der sich in unterschiedlich verfaßten Gesellschaften maßgeblich an den verfügbaren Bildern aus dem Kriegsgebiet katalysiert. In Deutschland wird die Erfahrung des Krieges oder um einen heute gebräuchlichen Begriff zu verwenden, der schon den vergrößerten Abstand zum eigentlichen Geschehen zum Ausdruck bringt die Erfahrung von Kamp feins ätz en in zunehmenderem Maße durch Bilder überliefert. Eigenes Erleben oder mündliche Überlieferung treten demgegenüber in den Hintergrund. Wenn es um die Vermittlung von Sinngehalten geht, tut sich die historiographische Forschung im Vergleich zu populären Fernsehdokumentationen schwer. Besonders deutlich wird dies etwa mit Blick auf den lange zurückhegenden Zweiten Weltkrieg. Um so wichtiger ist es, die Strukturen der Vermittlungsmechanismen freizulegen. Dieses Buch faßt die Ergebnisse einer Tagung zusammen, die unter dem Titel »Krieg und Militär im Film« im November 2001 am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam stattfand. Mehr als 60 Medien- und Geisteswissenschaftler diskutierten am Beispiel von historischen Spiel- und Dokumentarfilmen zwei Tage lang das Spannungsverhältnis zwischen dem Film als Medium der Unterhaltung und der politischen Meinungsbildung. Das Spektrum der Betrachtungen reichte von militärspezifischen Inhalten, über Fragen der narrativen Konstruktion und der cineastischen Qualität bis zu den Mechanismen der politischen Instrumentalisierung. In fünf Sektionen wurde über die interdisziplinäre Stellung des Films und methodische Fragen, die Rezeption im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik, die Affinität von Militär und Film im Nationalsozialismus sowie über Militär- und Kriegsfilme im Kalten Krieg diskutiert. Der Schwerpunkt lag vornehmlich bei deutschen Produktionen, doch haben die Referenten diese deutschlandzentrische Sicht in vergleichender Perspektive um amerikanische und sowjetische Beispiele ergänzt Die Herausgeber verstehen diesen Sammelband als ein Lese- und Schaubuch, das Anregungen für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Wechsel-
Ängste
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Einleitung
2
Verhältnis von Gesellschaft, Film und Militär Hefern soll. Ausgangspunkt hierfür ist ein müitärgeschichthches Erkenntnisinteresse. Den Betrachtungen hegt die Feststellung zugrunde, daß sich die moderne Militärgeschichte endgültig von der traditionellen, applikatorischen Kriegsgeschichte verabschiedet und klassische Felder wie die Operationsgeschichte um neue Fragestellungen ergänzt und wesentlich erweitert hat. Moderne Militärgeschichte vermittelt Kenntnisse über das gesellschaftliche und politische Gesamtsystem, dessen Teil Streitkräfte sind. Sie ist heute integraler Bestandteil der allgemeinen Geschichtswissenschaft. Müitärgeschichte beschreibt das Spannungsfeld zwischen Militär und Gesellschaft, Geschichte und militärischer Tradition. Krieg, Gewalt und Terrorismus im 21. Jahrhundert beispielsweise haben die Rolle der deutschen Streitkräfte grundlegend verändert. Gewalt und bewaffnete Konflikte nach dem Ende des bipolaren Zeitalters haben Militär und Krieg auch als wissenschaftlichem Erkenntnisgegenstand zu neuer Aufmerksamkeit verholfen, als Teil der Selbstbestimmung von Soldaten und als Frage der Gesellschaft nach der Verfaßtheit und der Geschichte ihrer Streitkräfte gleichermaßen. In diesem Zusammenhang kommt auch der Wirkungsmächtigkeit von Bildern und hier am Beispiel beider deutscher Staaten sowie musterhaft für das sowjetische und amerikanische Pendant ihrem gezielten Einsatz eine ganz neue Relevanz zu. Die Autoren gehen dabei über filmimmanente und methodische Betrachtungen hinaus und behandeln neben der künstlerischen wie politischen Infrastruktur des »Filmemachens« auch die schwierige Frage nach der Rezeption filmischer Darstellungen. In der Gesamtheit ergibt sich so ein aktueller, wenngleich nicht vollständiger Forschungsüberblick zum Thema, der das Anschauen und Verstehen von Filmen auch für Laien erleichtern soll. Die Herausgeber möchten es bei diesen wenigen einführenden Bemerkungen belassen. Es wäre unredlich, einen Konferenzband und Diskussionsbeitrag zu einem derzeit sehr virulenten Forschungsfeld zu einer Universalgeschichte von Krieg und Militär im Film hochstilisieren zu wollen. Der Verständlichkeit und Lesbarkeit unseres Buches dient der einführende Überblicksbeitrag, zu dem sich freundlicherweise Gerhard Paul bereit gefunden hat. Dieser hefert Hintergrund und Rahmen, in dem sich die Diskussion bewegt, und stellt gleichzeitig Analysekriterien für den Leser bereit. Fünf inhaltlichen Abschnitten sind knappe Einführungen vorangestellt, welche die Beiträge einordnen und gleichzeitig der schnellen Orientierung dienen. Im Anschluß an jeden Beitrag kann der Leser auf ein Verzeichnis der zitierten Literatur sowie auf eine Filmographie zurückgreifen. Im Text wie in den Anmerkungen erfolgen Literatorangaben und Filmzitate in der Originalsprache, russische Begriffe sind im Text wie in den Anmerkungen der wissenschaftlichen Transliteration folgend wiedergegeben. Abschließend möchten sich die Herausgeber bei den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge bedanken. Ebenso gilt unser herzlicher Dank den Mitarbeitern in der Schriftleitung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. —
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Bernhard Chiari, Matthias
Rogg, Wolfgang Schmidt
Gerhard Paul
Krieg und Film im 20. Jahrhundert. Historische Skizze und methodologische Überlegungen Krieg und Film befinden sich in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Keine anderen Ereignisse haben den Film seine narrative Struktur und seine Ästhetik, seine Geschichte und seine Produktionsbedingungen so sehr geprägt wie die des 20. und kein Medium hat den Krieg in der Wahrgroßen Kriege Jahrhunderts; und so des 20. sehr nehmung Erinnerung Jahrhunderts geformt wie der Film. Über den Film wird in Metaphern des Krieges gesprochen, und der Krieg wird im Stile des Films inszeniert. Kein Filmgenre ist aufwendiger und teurer als der Kriegsfilm, und kein politisches Segment kostet Staaten mehr Geld als der Krieg. In einer Zeit, in der immer weniger Menschen als Soldaten physisch in kriegerische Auseinandersetzungen involviert sind, jedoch immer mehr Menschen durch die modernen Bildmedien am Kriegsgeschehen beteiligt werden, und der Krieg als Erlebnis und Ereignis längst nicht mehr jenseits des eigenen Horizontes, sondern über Film und Fernsehen gleichsam in den eigenen Lebenszusammenhängen stattfindet, medial also unmittelbar geworden ist, kommt der Struktur von Bildern in Konfliktsituationen sowie der Beherrschung der Kriegsbilderwelt eine fundamentale Bedeutung zu. Mit einer Reihe von Autoren gehe ich von der Hypothese aus, daß die modernen Bildmedien gesellschaftliche und politische Wirklichkeiten nicht bloß wie ver—
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auch immer abbilden, sich Kino und Wirklichkeit eben nicht zueinander wie die Abbildung zum Abgebildeten verhalten, sondern selbst zu Akteuren geworden sind und unsere Wahrnehmung des Krieges sowie unser Verhalten zum Krieg beeinflussen1. Das Kino selbst ist zum »Schlachtfeld« geraten, zum »battieground of emotions«. Längst sind darüber hinaus auch Fernsehen und Internet zu Waffen geworden, hat sich das Schußfeld Kino zum elektronischen Handlungsset erweitert. In meiner Skizze zum Verhältnis von Krieg und Film folge ich der These des Pariser Architekten und Essayisten Paul Virilio, wonach es im modernen Krieg immer weniger darum gehe, -»materielle territoriale, ökonomische Eroberungen zu machen als vielmehr darum, sich der immateriellen Felder der Wahrnehmung zu bemächtigen«2, d.h. den Filmset Krieg zu beherrschen. zerrt
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1 2
Hierzu Virilio, Krieg und Kino, sowie neuerdings Ignatieff, Virtueller Krieg. Virilio, Krieg und Kino, S. 13. Hervorhebung im Original.
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Gerhard Paul
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Ähnlich wie geschriebene Erzählungen von Konventionen der Genres und der
Sprache geprägte sprachhche Fiktionen darstellen, sind auch visuelle Darstellungen nicht einfach Spiegelungen, sondern vielmehr zeitabhängige Deutungen der Vergangenheit, somit visuelle Fiktionen. Bereits durch die zweidimensionale Verbannung eines Bildes auf das Fotopapier oder die Kinoleinwand sowie durch die maßgerechte Reduzierung in einen vorgegebenen Rahmen erfahrt ein (historischer) Gegenstand eine Verwandlung. Schon rein formal sind visuelle Überlieferungen Reduktionen und Transformationen von Realität keine Widerspiegelungen eines dreidimensionalen, vielgestaltigen und mehrschichtigen Ereignisses. Bildliche Pro-
duktionen enthalten daher immer mehrere Informationen. Sie verweisen auf einen Bildinhalt und stellen in diesem Sinne eine dokumentarische Leistung dar. Der Blick auf die Realität indes wird durch die technisch-formalen Möglichkeiten der Bildmedien sowie durch die Bildästhetik gebrochen, d.h. durch kulturell vermittelte Konventionen der Bildgestaltong, die immer auch zeitgenössische kulturelle Deutungen eben dieser Reahtät reflektieren. Fotografien und Filme sind daher als kulturelle Deutongsleistongen zu verstehen, die über einen abgebildeten Gegenstand hinaus Hinweise auf zeitgenössische kulturelle Konventionen und Codes oder auf unseren Zusammenhang bezogen: auf die subjektive Wahrnehmung des Krieges hefern. Für Siegfried Kracauer gar reflektierten Filme unvermittelter als andere Medien »weniger explizite Überzeugungen als psychologische Dispositionen jene Tiefenschichten der Kollektivmentalität, die sich mehr oder weniger unterhalb der Bewußtseinsdimension erstrecken«. Da Filme Kollektivcharakter besäßen und als Populärprodukte »herrschende Massenbedürfnisse« befriedigten, spiegele sich in ihnen die Mentahtät einer Nation wider3. Für Historiker können visuelle Überlieferungen kriegerischer Auseinandersetzungen unter drei Gesichtspunkten von Interesse sein. Unter »mentalitätsgeschichtlichem« Aspekt werden seit jeher Fotografie und Film als jeweils aktuelle publizistische Mittel der Mobilisierung von Gesellschaften für oder gegen einen Krieg bzw. zur Herstellung der potentiell brüchigen Einheit von Front und Heimat eingesetzt. Sie geben somit Aufschluß über Kriegsbereitschaft oder -müdigkeit sowie über die aktuellen Vorstellungen einer Gesellschaft von Krieg und Militär. Unter »erinnerungsgeschichtlichem« Aspekt strukturieren visuelle Überlieferungen die Erinnerung von einzelnen wie von Gesellschaften an kriegerische Ereignisse und vermitteln darüber selbst wiederum handlungsrelevante Kriegsbilder. Fotografische und filmische Überlieferungen zeigen uns, was und auf welche Weise der Erinnerung an Kriege für Wert befunden wird. Nach jedem Krieg des 20. Jahrhunderts kam es zu visuellen retrospektiven Umdeutongen, nachträglichen Legitimationen oder Verurteilungen. In diesem Sinne stellen Kriegsfilme auch Quellen für Wahrnehmungsmuster und Bewußtseinslagen nach den beiden Weltkriegen dar4. Unter »geschichtsdidaktischem« Aspekt schließlich, wobei ich Geschichtsdidaktik als Lehre vom Geschichtsbewußtsein verstehe, sind zeitgenössische wie erinnerte Kriegsbilder von Interesse, da sie immer auch gegenwärtige —
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Kracauer, Von Caligari zu Hider, S. 11 f. Vgl. Wilharm, Krieg in deutschen Nachkriegsfilmen, S. 281.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
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Einstellungen zum Krieg mitprägen. Wir alle nämlich tragen Bilder des Krieges mit und in uns, die in der Regel nicht auf eigenem Erleben beruhen, sondern auf medial vermittelte Bilder aktueller und vergangener Kriege zurückgehen5. In unsere gegenwärtige Vorstellung vom Krieg im allgemeinen mischen sich so die »ungleichzeitigen«6 Bilder des Golf- und des Vietnam-Krieges, des Zweiten wie des Ersten Weltkrieges mit in der Gegenwart begründeten projektiven kulturellen Deutongsmustern und Utopien zu einem diffusen, gleichwohl handlungsbestimmenden Bild. Wer beispielsweise heute vom Vietnam-Krieg redet, spricht »insgeheim auch stets von den Inszenierungen, die im Kino entworfen wurden und die in unseren Köpfen die dokumentarischen Bilder des Krieges überlappen«7. Vor allem der erfahrungs- und erinnerungsgeschichthche Bhck auf den Krieg hat seit einiger Zeit Konjunktur in der Geschichtswissenschaft8. Dabei gerät zusehends auch das Bild des Krieges, wie es Fotografie und Film vermitteln, ins Visier der Historiker9. Es scheint, als beginne sich die Geschichte aus dem Schatten der militär-politischen Kriegsgeschichte zu lösen10 und sich sukzessive der Ikonographie des modernen Krieges und deren Bedeutung für das kollektive Gedächtnis zuzuwenden, »die Metasprache (Barthes) des öffentlich kursierenden Kriegsbildes zu entziffern und auf ihren politischen Kern hin zu befragen«11. In unserem Zusammenhang gilt es zunächst, zwei Gattungen von Filmen zu
unterscheiden: Den »Dokumentarfilm« bzw. die dokumentarische Wochenschau, die suggerieren, authentische Wiedergaben von Reaütät zu sein, sowie den »Spielfilm«, in dem Realitätssegmente in narrative Strukturen eingebunden und zu einem fiktionalen Geschehen montiert werden. Die Bedeutung solcher oft nach literarischen Vorlagen gebildeter narrativer Elemente wie dem »Happy End«, dem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, in dem meistens das Gute obsiegt, kann nicht unterschätzt werden, da sie Sinnzusammenhänge stiften, welche die Deutung der Bilder vorprägen. Beide Filmgattongen bedienen sich spezifischer Codes, um 5
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Nach Wilke, Nachrichtenauswahl, S. 220, ist die medial vermittelte Erhöhung des Anteils der »Sekundärerfahrung am allgemeinen Erfahrungshaushalt« ein allgemeines Phänomen der modernen Mediengesellschaft. »Zweifellos sind die kollektiven Vorstellungen vergangener Kriege maßgeblich durch die visuelle Überlieferung geprägt«, konstatiert auch Jäger, Photographie, S. 122. Zum Begriff der Ungleichzeitigkeit vgl. das Kapitel »Ungleichzeitigkeit und Pflicht zu ihrer Dia-
lektik« in Bloch, Erbschaft dieser Zeit, S. 104-106. Vgl. Reinecke, Hollywood Goes Vietnam, S. 7. Siehe etwa erste Ergebnisse des »erfahrungsgeschichtfich« orientierten Tübinger DFG-Sonderforschungsbereichs »Kriegserfahrungen Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit« in dem Sammelband: Die Erfahrung des Krieges; siehe überdies: Krieg und Erinnerung. Speziell mit der Ikonographie der Kriege des 20. Jahrhunderts befassen sich auch die Beiträge in den seit 1997 um Frank Kämpfer erscheinenden Bänden »20th Century Imaginarium«. Siehe die bereits vor den Ereignissen des 11. September 2001 geplanten Tagungen »inszenierte Wahrheit/. Der Krieg im Bild/Bilder vom Krieg« am 12. u. 13.10.2001 in Hamburg, vom 2.-4.11.2001 in Basel (»Bild-Medialität-Wirklichkeit. Konzepte der Visualisierung im kulturwissenschaftlichen Kontext«), am 23. u. 24.11.2001 in Potsdam (»Krieg und Militär im Film«) und vom 6.-8.12.2001 in Stuttgart (»Schuss/Gegenschuss. Wochenschau und Propagandafilm im Zweiten Weltkrieg«), die sich alle mit Fragen der Visualisierung des Krieges in der Fotografie, dem Film und der bildenden Kunst befaßten. Siehe Was ist Militärgeschichte?; Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung. Buschmann, »Moderne Versimpelung« des Krieges, S. 123. Hervorhebung im Original. -
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Gerhard Paul
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beim Publikum den Eindruck des Authentischen12 bzw. des Fiktionalen zu erzeugen, die zugleich die Wahrnehmung von Realität verändern und ihr eine je spezifische Struktur geben. Beim Dokumentarfilm wird Authentisierung primär durch filmische Codes wie die Kamerahandlung (Perspektive, Bewegung, Einstellungsgröße usf.) sowie durch nichtspezifische filmische Codes wie sprachliche Gestaltung, narrative Elemente, Ton und Musik oder Montage erzeugt13. Bei der Wochenschau kommen als nichtspezifisch filmische Codes des Authentischen Aktualität und Relevanz hinzu. Der Spielfilm produziert Fiktionalisierung durch zusätzliche nichtspezifisch filmische Codes wie Drehbuch, personale Identifikationsangebote, Starkult sowie vor allem durch die sinnhafte Anordnung des filmischen Materials mittels narrativer Elemente, Dramaturgie, geschlossener Handlung usf. Nach Filmgattong und Zeitbezug schlage ich vor, das Genre »Kriegsfilm« in fünf Gruppen zu unterteilen: (1) Wochenschauen, »newsreels« usf.; (2) zeitgenössische Dokumentarfilme; (3) retrospektive Dokumentarfilme oder auch »Post-war«Dokumentationen; (4) zeitgenössische Spielfilme; (5) retrospektive Spielfilme oder auch »Post-war«-Spielfilme. Nicht plausibel erscheint mir im Bereich des Spielfilms die Unterscheidung in Kriegs- und Antikriegsfilm, da der Antikriegsfilm immer auch typische Momente des Kriegsfilms enthält. Und ebensowenig ist es sinnvoll, nach fiktionalen bzw. nonfiktionalen Ereignisbezügen zu differenzieren, da alle drei Hauptgattungen immer auch ihr Gegenteil enthalten können, d.h. die primär nonfiktionalen Wochenschauen und Dokumentarfilme schließen fiktionale Elemente ein bzw. der fiktionale Spielfilm besitzt nonfiktional-dokumentarische Sequenzen. Fokus dieser Einteilung ist der über eine längere Zeitspanne einem Massenpublikum in den Kinos vorgeführte Kriegsfilm14. Nicht berücksichtigt werden jene den Krieg thematisierenden Untergrundfilme in den jeweils besetzten Ländern sowie jene in den letzten Jahren in großer Zahl auf den Markt gekommenen Amateurfilme des Krieges, welche die offiziellen Bilder der kriegsführenden Mächte teilweise konterkarierten. Sie wären einer eigenen Untersuchung wert. In meiner Skizze favorisiere ich einen integralen methodischen Ansatz, der unterschiedliche Ebenen miteinander verzahnt: (1) die Untersuchung des kontextuellen historischen Begründungs- und Produktionszusammenhangs; (2) die klassische Produktgeschichte, die sich auf den einzelnen Film, seine narrative Struktur, seine Ikonographie und Symbolik sowie seine Ästhetik konzentriert; schließlich (3) die Untersuchung des Rezeptionsrahmens und die Deutungsgeschichte15. Mehr noch als jedes andere historische Thema erfordert eine Geschichte des Films bzw. eine Untersuchung der Ikonographie der Geschichte im allgemeinen 12 13 14
15
Zum Begriff der Authentizität vgl. Stamm, German Wartime Newsreels. Siehe etwa Hattendorf, Dokumentarfilm und Authentizität. Eine Geschichte des Kriegsfilms im 20. Jahrhundert steht aus, sieht man einmal von den eher essayistisch vorgetragenen Überlegungen Paul Virilios ab. Grundsätzliche Gedanken zur Geschichte des Kriegsfilms finden sich bei Seeßlen, Von Stahlgewittern zur Dschungelkampfmaschine; mit Blick auf Frankreich: Daniel, Guerre et cinéma. Vgl. die Überlegungen zur Methodik politisch-historischer Filmanalyse von Dörner, Das politisch
Imaginäre.
7
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
und die des modernen Krieges im besonderen eine doppelte Erweiterung des Blickwinkels. Diese umschheßt einerseits die Öffnung der nationalen Perspektive in Richtung eines international angelegten, möglichst sogar komparativ ausgerichteten Forschungsdesigns. Die Globalisierung der Filmproduktion und -markte hat immer schon Bilder entstehen und zirkulieren lassen, die zwar national unterschiedlich rezipiert und gedeutet werden, gleichwohl aber eine interkultarelle Uniformierung der Sinne begründeten; Kinos wurden zu den Kirchen des 20. Jahrhunderts. Andererseits erscheint es notwendig, auch die mediale Perspektive zu öffnen, d.h. den Stellenwert des Kriegsfilms im Verhältnis zu anderen visuellen Medien der Kriegsberichterstattung und -Verarbeitung wie Fotografie, Fernsehen und Internet festzulegen. Nur in dieser Funktionsbestimmung wird der sich wandelnde Stellenwert des Genres »Kriegsfilm« deuthch. Meiner folgenden Skizze hegen einige, hier nur anzudeutende Grundannahmen zum Verhältnis von Krieg und Film im 20. Jahrhundert zugrunde16. Hierzu zählt zunächst die u.a. von Karl Prümm für den NS-Kriegsfilm sowie von Knut Hikkethier für den Kriegsfilm der fünfziger Jahre formulierte Hypothese der ich eine generellere Gültigkeit beimessen möchte wonach sich der industriahsierte wie der elektronische Krieg einer cineastischen Repräsentation entzieht, der moderne Krieg somit das schlechthin Unmodelherbare ist. Jede filmische Darstellung des Krieges dechiffriert sich demzufolge als ein durch Ordnungsbedürfnisse und Chaosabwehr bestimmter Versuch einer durchgängigen »Modellierung des Unmodellierbaren«17. Bereits eine klassische Produktgeschichte des Genres »Kriegsfilms« wie übrigens auch der fotografischen Kriegsberichterstattong zeigt, daß die technisch erzeugten Bilder des Krieges bis auf wenige Ausnahmen den interkulturellen Versuch der projektiven Humanisierung des Krieges sowie seiner komplementären visuellen Entkörperlichung und Exterritoriahsierung des Todes darstellen18. Der formte das katastrophisch-chaotische Urereignis des so meine These Film zu einem zivilisatorischen Akt um, und verpaßte ihm eine visuelle narraKrieges19 tive und moralische Ordnung, die der Krieg per se nicht besitzt. Auf diese Weise trägt der Kriegsfilm zur immer wieder neuen Illusion der Planbarkeit von Kriegen bei. —
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Ausführlich werde ich diese Thesen in meiner in Arbeit befindlichen Studie, Zur Ikonographie des modernen Krieges, entfalten und begründen. So Karl Prümm in seinem Vortrag »Modellierung des Unmodellierbaren. NS-Kriegspropaganda im Film und ihre Grenzen« auf der Tagung »Schuss/Gegenschuss. Wochenschau und Propagandafilm im Zweiten Weltkrieg« am 7.12.2001 im Stuttgarter Haus des Dokumentarfilms. Ähnlich auch Hickethier, Krieg im Film, S. 51 f.; Ders., Militär und Krieg. 08/15 (1954), S. 222 f. Zur Weginszenierung des Todes in den Kriegen des 20. Jahrhunderts vgl. Münkler, Schlachtbeschreibung; Ders., Wenn Tod und Grauen sichtbar werden. Das Bild vom Krieg, in: FAZ-
Magazin vom 19.4.1991.
Mit dem amerikanischen Politologen Gabriel Kolko gehe ich vom prinzipiell chaotischen Charakter moderner Kriege aus. Nach Kolko verlief keiner der großen Kriege des 20. Jahrhunderts Vielmehr so, wie sich dies Planer und Strategen vorgestellt hatten: kurz, unblutig und chirurgisch. gerieten sie alle frühzeitig außer Kontrolle und entfalteten eine eigenständige Zerstörungsdynamik, siehe Kolko, Das Jahrhundert der Kriege.
Gerhard Paul
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Gleichsam typisch für das Verhältnis von Krieg und Film erscheinen mir zwei Entwicklungen. Parallel zur Involvierung der Zivilbevölkerung in den Krieg durch den Luftkrieg wird auch die »Heimatfront« mit den Mitteln des Films als Kinopublikum in das Kriegsgeschehen einbezogen, ja konstituiert sich diese erst im Kinosessel bzw. vor dem häuslichen Bildschirm. Der immer schnelleren Überflutung der Sinne durch die Bilder des Krieges entspricht zugleich eine zunehmende DeRealisierung des Kriegsbildes. Am Ende der Entwicklung steht die paradoxe Situation, daß immer mehr Menschen via Film, Fernsehen und Internet in kriegerische Auseinandersetzungen involviert sind und sich gezwungen sehen, Stellung zu beziehen, dies aber immer weniger auf der Grundlage eines reahtätshaltigen Bildes des Krieges zu ton vermögen. Der Erste
Weltkrieg und die Anfänge des Kriegsfilms
gab es bereits zwischen 1896 und 1914 einige Kriege, die filmisch festgehalwurden20, und wir begegnen hier bereits dem Versuch, Soldaten mit dem Mittel des Films einen Überbhck über das unüberschaubar gewordene moderne Schlachtfeld zu vermitteln, einen qualitativen Sprung in der bildlichen Darstellung sowie in der Wahrnehmung des Krieges indes ermöglichte erst der Weltkrieg von 1914 bis 1918. Zum ersten Mal nutzten die kriegführenden Staaten jetzt die publizistischen Möglichkeiten der visuellen Kriegsberichterstattung in größerem Umfang. Eine regehechte Bilderflut in der neuen illustrierten Presse und in unzähhgen BildDokumentationen überschwemmte das Publikum21. Mit dem Einzug der Kriegsfotografie in die Alltagspresse avancierte der Krieg zum massenmedialen Ereignis. Fotografien schienen das Hier und Jetzt ohne menschhches Zutun widerzuspiegeln und so auch die Heimat am Kriegsgeschehen teilhaben zu lassen. Der Glaube an die Authentizität der visuellen Abbildung war noch ungebrochen. erste fand dieser Allerdings Propagandakrieg der Geschichte nur bedingt in den Kinosälen statt. In Großbritannien wurden während des Krieges gerade einmal 114 Kriegsfilme produziert; in Deutschland waren es deutlich weniger. Gegenüber der Fotografie und der illustrierten Presse erlangte der Film nur sekundäre Bedeutung. Mit der Wochenschau begann man der statischen fotografischen Abbildung die Dimension der Bewegung hinzuzufügen. Der Spielfilm brachte dann die Dimension der Handlung hinein, wodurch dem Bild des Krieges künftig eine scheinbar noch größere Authentizität und Faszinationskraft zufiel. Die Vorstellung vom Film als »publizistischer Waffe« war zu Beginn des Krieges noch keineswegs geläufig, wenn auch gelegentlich auf die propagandistischen Zwar ten
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Nach Hochbruck, Moderne und Vormoderne, kamen zwischen 1897 und 1915 in den USA etwa 370 Filme und Wochenschaustreifen mit Bürgerkriegsthematik auf den Markt, die den Amerikanischen Bürgerkrieg, den Spanisch-Amerikanischen sowie den Philippinen-Krieg zum Inhalt hatten, vgl. Ehrlich, The Civil War in Early Film, sowie den Überblick von Spehr, The Civil War in Motion Pictures. Vgl. Kämpfer, »Selbstabdruck der Materie«.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
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Möghchkeiten des Films hingewiesen wurde. »Der gegenwärtige Krieg ist der erste, Kinematographie als ein Glied in der Kette der Mittel erscheint, mit denen man die Vorgänge auf dem Kriegsschauplatz zur Kenntnis der Fernerstehenden zu bringen versucht«, hieß es etwa im deutschen Kriegspresseamt 1915. Das lebende Bild sei »in besonderem Maße geeignet, den Daheimgebliebenen die Taten der Truppe klar vor Augen zu führen«22. Ähnlich forderte auch Wochenschauproduzent Oskar Messter in einer Denkschrift 1916: »Zum modernen Krieg gehört auch publizistische Rüstung23.« Erst sukzessive setzten sich Forderungen wie diese in den kriegführenden Ländern organisatorisch durch und bildeten sich Strukturen einer staatlichen Bildpublizistik heraus. Eine intensivere Filmpropaganda im Bereich des Spiel- wie des Dokumentarfilms wurde allenfalls in der zweiten Kriegshälfte in Großbritannien und in Deutschland sowie in den USA nach deren Kriegs eintritt 1917 betrieben. In Großbritannien kam es 1916 zur Gründung des »War Office Cinematographic Committee«, das für die gesamte filmische Kriegspropaganda zuständig war, sämthche Dreharbeiten überwachte und ein Monopol in dem die
über alle offiziellen Filmaufnahmen von den Fronten besaß. Der Eindruck, gegenüber der alliierten Bildpropaganda ins Hintertreffen zu geraten, führte seit 1916 auch in Deutschland zu Überlegungen, Fotografie und Film propagandistisch stärker zu nutzen und ein einheitliches Bild des Kriegsgeschehens zu vermitteln. Resultat war die Gründung des »Bild- und Filmamtes« (BUFA) im Januar 191724, das erstmals zentrale Propaganda mit an der Front gedrehtem Filmmaterial betrieb, die Produktion von Filmen anregte sowie mit der Überwachung der Kriegswochenschauen und der Zensur von Import und Export aller Filme beauftragt war. Die Effizienz des BUFA war allerdings begrenzt, da die private Filmindustrie seiner staatlichen Kontrolle und Verfügungsgewalt entzogen bheb. Konsequent schlug der Erste Generalquartiermeister in der Obersten Heeresleitung, Erich Ludendorff, der eigentliche Motor einer umfassenden deutschen Kriegführung, daher den Aufkauf bzw. die Mehrheitsbeteiligung des Staates bei den wichtigsten deutschen Produktionsfirmen vor. Im Dezember 1917 folgte dem BUFA die Gründung der Universum-Film-Aktiengesellschaft (Ufa) als Mischkonzern unter Beteiligung des Reiches, der Banken und der Industrie25, in den u.a. der Messter-Konzern sowie andere Filmfirmen eingegliedert wurden. Im wesentlichen konzentrierte sich der neue Konzern auf den unterhaltenden Spielfilm. Unmittelbar nach dem Kriegs eintritt der USA setzte der amerikanische Kongreß das staatliche »Comitee of Pubhc Information« (CIP) ein26, das die Meinungsbildung in der Öffenthchkeit im nationalen Interesse steuern, die Amerikaner für den Weltkrieg mobilisieren sollte und in der Folgezeit eine intensive Greuelpropaganda gegen Deutschland betrieb. 22 23 24
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Zit. nach Traub, Die Ufa, S. 135. Zit. nach Bub, Der deutsche Film im Weltkrieg, S. 93. Zur BUFA vgl. zeitgenössisch Wagner, Das Bild- und Filmamt; Denkschrift des BUFA; Barkhausen, Filmpropaganda, S. 73-75; neuerdings Oppelt, Film und Propaganda, S. 118-129. Zur Ufa siehe zeitgenössisch Traub, Die Gründung der Ufa; vor allem aber Kreimeier, Die UfaStory, sowie Die Ufa. Hierzu Vaughn, Holding Fast the Inner Lines, sowie Culbert, Der amerikanische Film, S. 208-210.
Gerhard Paul
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Trotz der Bildung staathcher und militärischer Propagandaorganisationen kam die filmische Berichterstattung von den Fronten des Krieges in den frühen Wochenschauen weder auf alliierter noch auf deutscher Seite über zaghafte Versuche der Wiedergabe des Kriegsgeschehens hinaus. Die begrenzten Möglichkeiten der Filmtechnik sowie militärische Geheimhaltungsvorschriften, die Kameramännern den Zugang zur Front verwehrten, heßen nur wenig Raum, das eigenthch militärische Geschehen abzulichten27. In der Regel blieb es bei Aufnahmen aus der Etappe oder von der »Heimatfront« und so bei einem schöngefärbten und eingeschränkten Bild, wobei in der Tradition der fotografischen Kriegsberichterstattung gar zu realistische Kampfszenen oder Kriegstote auf der Leinwand vermieden wurden. In Großbritannien etwa war man der Überzeugung, daß die dortigen Zuschauer grausame Bilder von Erschießungen nicht ertragen könnten, und Kinobesitzer verlangten gar, Bilder des Leidens und Sterbens aus den Wochenschauen herauszuschneiden. Auf deutscher Seite waren ab Oktober 1914 die Produktionen Oskar Messters die zuerst unter dem Titel Dokumente vom Krieg und später als Messter-Woche in die Kinos kamen die ersten, die Aufnahmen vom Kriegsschauplatz enthielten. Insgesamt waren in der ersten Kriegsphase lediglich vier Kriegswochenschauen mit insgesamt acht Filmoperateuren für Frontaufnahmen zugelassen. Auch mit der Gründung des BUFA änderte sich an dieser Situation wenig. 1917 standen dem BUFA lediglich sieben Filmtrupps zur Verfügung. Von einer den späteren Propagandakompanien vergleichbaren militärischen »Filmberichterstatter-Truppe« konnte keine Rede sein, zumal die wenigen Aufnahmen vom Frontgeschehen einer strengen Zensurpraxis des Generalstabes unterlagen. Wie in der Fotografie des Weltkrieges wurde daher alles, was die Zensurvorschriften zuließen, von der Kamera abgebildet: die Erfindungen der modernen Kriegstechnologie, die pulverisierte Landschaft, Szenen aus der Etappe und dem Schützengraben. Vorherrschend war noch die Überzeugung, die Ereignisse zu dokumentieren28. Die heute vielfach als authentisch verwandten Dokumentaraufnahmen des Frontgeschehens allerdings wurden oft nachträglich auf den Truppenübungsplätzen für die Kamera inszeniert. Das, was als dokumentarische Struktur daherkam, war vielfach nichts anderes als die unbewußte Projektion überholter Vorstellungen vom Krieg sowie der Wunsch, ordnende Strukturen in das Chaos des Kriegsgeschehens zu bringen. Angesichts langer Produktions- und Transportzeiten dauerte es oftmals Wochen und Monate bis die Filme in die Kinos kamen, daher konnte von Aktualität noch keine Rede sein. Die begrenzten filmischen Möghchkeiten, der fehlende Ton sowie die immergleichen, oft inszenierten und dem Theater abgeschauten Kampfszenen heßen zudem kaum das Gefühl von Authentizität zu. Größere dokumentarische Filmproduktionen entstanden daher während des Krieges nur wenige. Zu ihnen zählte der 1916 von Kameramännern des britischen Generalhauptquartiers gedrehte Film The Battle of the Somme (R: Geoffrey H. Malins, J.B. McDowell, stumm, s/w, Großbritannien 1916)29, der sich unter Verwen—
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27 28 29
Vgl. Terveen, Die Anfange. Vgl. Hüppauf, Fotografie im Ersten Weltkrieg, S. 109. Vgl. Badsey, Battle of the Somme; Hiley, Der Erste Weltkrieg im britischen Film, S. 220-222.
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II
dung von dokumentarischem Material sowie von nachgestellten Szenen erstmals umfassender mit den Schrecken des modernen Krieges befaßte. Die überraschend große Pubhkumsresonanz führte dazu, daß die offiziellen Kameramänner künftig versuchten, so nahe an das Frontgeschehen heranzukommen, wie dies das Kriegsgeschehen und ihre Apparaturen zuließen. Mit Bei unseren Helden an der Somme (P: BUFA, stumm, s/w, Deutschland 1917) ließ die im Verleih des BUFA vertriebene Antwort auf den englischen Kinoerfolg nur kurze Zeit auf sich warten. Allerdings vermochte der deutsche Film, der vor allem den alliierten Vorwurf des »Barbarentums« zu entkräften hoffte, dem englischen Vorbild nicht im entferntesten zu entsprechen. Die Kampfszenen erschienen unrealistisch und starr. Vorherrschendes Prinzip des Filmes bheb die Absicht, dem Krieg eine ordnende Struktur zu verpassen oder wie es Rainer Rother formulierte: »Das Bild der Ordnung wird hier beschworen, in Trümmern noch achten deutsche Soldaten auf Reinlichkeit3".« Angesichts des Mangels an authentischen Aufnahmen konzentrierte sich die Propaganda daher auf die fiktionalen Möglichkeiten des Spielfilms31 oder, wie es im amtlichen Jargon hieß, des »gestellten Kriegsfilms«. Stilprägend hierfür wirkte kein eigentlicher, die aktuellen Ereignisse verarbeitender Weltkriegs film, sondern David W. Griffith monumentales Bürgerkriegsepos The Birth of a Nation (stumm, s/w, USA 1915), der bereits vor dem Kriegseintritt der USA gedreht worden und in die Kinos gekommen war: Das Schicksal zweier befreundeter Familien aus Pennsylvania und South Carolina bildet die Rahmenhandlung des vierteihgen Filmes, dessen Schlachtszenen wie Siegfried Kracauer Jahrzehnte später notierte »niemals wieder erreicht, geschweige denn übertroffen worden« sind32. Während der Prolog die Vorgeschichte von Sklavenhandel und beginnender Bewegung gegen die Sklaverei umreißt, schildert der erste Teil den Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten von 1861 bis zur Ermordung Abraham Lincolns. Es folgen die Periode des Wiederaufbaus des unterlegenen Südens sowie die Versuche der Weißen, ihre Vorherrschaft gegen die befreiten Sklaven zu wahren. Der Epilog feiert das Wiedererstarken der Südstaaten als die Geburt einer Nation. Mit raffinierter Gegenschnitt-Technik verleiht Griffith, der die historischen Vorgänge aus der Sicht eines überzeugten Südstaatlers deutet, der handlungsreichen Geschichte einen ausgesprochen suggestiven Rhythmus, der sich dem Fluß der Geschichte perfekt anpaßt. Die Wechsel zwischen extremen Totalaufnahmen der »Feldherrenhügel«-Perspektive der Kamera und den (Halb-) Naheinstellungen, die dem Zuschauer die Position distanzierter Beobachtung des Kampfgeschehens ermöglichen sollte, spiegeln die persönlichen Erfahrungen der Protagonisten wider33. —
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30 31
32
33
Rother, Kriegssofa, S. 202; ausfuhrlich zu diesem Film Ders., Bei unseren Helden an der Somme.
Vgl. die Aufsätze in dem Ausstellungskatalog des Deutschen Historischen Museums »Die letzten Tage der Menschheit«; im einzelnen Rother, Kriegssofa, in: ebd.; Culbert, Der amerikanische Film, in: ebd.; Hiley, Der Erste Weltkrieg im britischen Film, in: ebd.; Jean Pierre Jeancolas, Der französische Film, in: ebd.; Pierre Sohn, Der italienische Film, in: ebd.; ebenso Körte, Der Krieg und das Kino; Bir [u.a.], Bewegte Bilder. Aus NS-Sicht vgl. Bub, Der deutsche Film im Weltkrieg. Kracauer, Theorie des Films, S. 10.
das abgedruckte Drehbuch sowie die Kommentare in: The Birth of a Nation.
Vgl.
entsprechenden
filmhistorischen
Einordnungen
und
Gerhard Paul
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The Birth
of a Nation,
USA 1915
Erfolgreiche Spielfilme mit zeitgenössischer Kriegsthematik blieben indes auch in den USA die Ausnahme34. Wie in dem vermutlich wichtigsten und ebenfalls von Griffith gedrehten Stornmfilmklassiker Hearts of the World (stumm, s/w, USA 1918)35 war auch in diesen Filmen von der Realität der Front und vom industrialisierten Krieg nichts zu spüren. Dieser bheb in einfachste narrative Strukturen eingebunden, die ihm einen besonderen schicksalhaften Charakter und patriotischen Sinn verleihen sollten. Bisherige Trivialthemen wurden lediglich in die Welt des Militärs transponiert. Auf ihre Weise propagierten diese Filme ein unrealistisch romantisierendes Bild vom Krieg sowie naive Vorstellungen des Feindes, wenn etwa in amerikanischen Streifen die Deutschen als sadistische Hunnen dargestellt werden. Das anfänglich große Interesse an Kriegsfilmen hielt sich nicht lange, entweder weil das Pubhkum die wenigen, immergleichen Bilder vom Frontgeschehen zu sehen bekam und sich die Sujets zu sehr ähnelten36, oder aber weil mit dem des
Übergang
34
Zu den US-amerikanischen Spielfilmen sowie zu den Wochenschauen mit Kriegsbezügen vgl. An Evening's Entertainment; Isenberg, War on Film; Moud, American Newsfilm 1914-1919. Vgl. Merritt, D.W. Griffith. Für Großbritannien vgl. Hiley, Der Erste Weltkrieg im britischen Film, S. 217; für Deutschland vgl. Bir [u.a.], Bewegte Bilder, S. 342.
Koszarski, 33 36
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Bewegungs- in den Stellungskrieg das Publikum die Lust verlor, weiterhin »patriotische Zuckerpillen« zu schlucken37. Gleichwohl begründete der Kriegsfilm ob als Spiel- oder Dokumentarfilm eine neue uniforme Sicht auf den Krieg sowie ein neues Bild des Soldaten. Die Bewegung selbst, nicht länger das einzelne Bild, wurde zum Faszinosum und setzte sich an die Stelle des Gedankens. Wie am Krieg faszinierte in erster Linie seine Dynamik, die dauernde Veränderung der Perspektive, die explosive Ummodelherung von Mensch und Natur. Erstmals schaute nicht mehr das individuelle Auge auf das Schlachtfeld, sondern die Kamera, deren Bilder aus der Perspektive des Kinostuhls alle gleich waren38. Die Einstellung der Kamera modellierte das Bild des Krieges und ließ das Publikum wie begrenzt auch immer am Krieg teilhaben. Stärker noch als Bildpostkarten und illustrierte Massenpresse trugen die Filme des Weltkrieges zugleich zur Visualisierung eines neuen Soldatenbildes bei. Aus dem temporären Kämpfer der Vorkriegszeit, der nach dem Krieg den Soldatenrock wieder auszog, wurde »der Krieger als der männliche Lebensberuf schlecht—
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hin«39.
Angstlust, die retrospektive Deutung des Ersten Weltkriegs und die neuen Luftkampffilme Hollywoods Nach dem Ende des Weltkrieges erlebte der dokumentarische wie der fiktionale Kriegsfilm eine Funktionsveränderung. Hatte er bislang im wesentlichen als Instrument zur Mobilisierung oder Beruhigung der »Heimatfront« fungiert, so avancierte er nun zum kommerziellen Kassenschlager der Befriedigung von Angstlust, zur retrospektiven Sinngebung des Gefallenentodes sowie zum politischen Mittel der Umdeutong der Niederlage und zur Bearbeitung des Verlierertraumas. In dem oftmals jahrzehntelangen Prozeß der Erinnerung an den Krieg übrigens kein Spezifikum des Filmes, sondern ähnlich auch in Malerei, Literatur und Theater registrierbar40 überlagerten jetzt zunehmend inszenierte Bilder das originale Geschehen, so daß auch unser heutiges Bild des Ersten Weltkrieges mehr durch fiktionale Darstellungen der Weimarer Zeit geprägt ist als durch zeitgenössische Produktionen. Den Spielfilmen fiel im Kampf um die Erinnerung an den Weltkrieg und die Deutung der Kriegstoten, somit bei der Konstituierung des sozialen und kollektiven Gedächtnisses, eine Schlüsselrolle zu. Der Uniformierung der Sinne folgte die Homogenisierung der Erinnerung. »Wars never end when shooting stops«, konstatiert Susan L. Carruthers in ihrer Übersichtsdarstellung »The Media —
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37 38 39 4(1
Kracauer, Von Caligari zu Hider, S.
30. So mit Bezug auf Marcel Pagnol auch Virilio, Krieg und Kino, S. 70. Reulecke, Vom Kämpfer zum Krieger, S. 159. Hervorhebung im Original. Für den Ersten Weltkrieg siehe die Quellen und Dokumente in: Krieg im Frieden; für den Zweiten Weltkrieg siehe: Der Krieg in der Nachkriegszeit; Schuld und Sühne?, sowie allgemein zu den Kriegen des 20. Jahrhunderts etliche Beiträge in: Kriegserlebnis und Legendenbildung.
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War« und formuliert damit gleichsam ein Grundgesetz im Verhältnis von Krieg und Film: »States sometimes attempt to encourage collective amnesia by suppressing memoralisation, but more commonly past wars are endlessly recycled in different guises: victories restaged, defeats rendered palatable, historical grievances nurtured, new enemies subat
stituted for old41.«
In großem Stile wurde die retrospektive Kriegsdarstellung nach 1918/19 zur kommerziellen Ware und damit abhängig vom Massengeschmack. Allein in den USA wurden bis 1945 über 200 Filme über den Ersten Weltkrieg gedreht42. Es wäre verkürzt, das starke Interesse von Nachkriegsgesellschaften an Bildern des Krieges nur als retrospektive Glorifizierung von Militär und Krieg zu deuten. In den jeden Kriegen des 20. Jahrhunderts folgenden Kriegs filmwellen realisierte sich immer auch eine spezifische, dem modernen Menschen gleichsam anthropologisch innewohnende Angsdust. Es scheint, daß offene Gesellschaften gerade in Friedenszeiten der Selbstvergewisserung durch die Visualisierung des absolut Anderen in Form von Chaos, Gewalt und Krieg bedürfen, dem Genre des Western, des Kriminalitäts- und des Kriegsfilms somit eine existentiell identitätsstiftende Funktion zufallt. Im Kino versichert sich der Zuschauer in sicherer Distanz zur Reahtät immer auch der Möglichkeit des Anders-Seins: der Gesetzlosigkeit, des Krieges, des Todes43. Anders als dies die Produzenten vielleicht intendieren, wächst mit Kriegs filmen so immer auch die überschüssige Utopie: So möge es nicht (mehr) sein! Im besiegten Deutschland geriet der Krieg und mit ihm seine filmische Darstellung in die kontroverse politische Deutung. Die Schlachten der Vergangenheit wurden filmisch noch einmal geschlagen. Zu Recht ist daher von der »Filmfront Weimar« gesprochen worden44. Der Mythologisierung und Verharmlosung des Krieges sowie der Zurückweisung der Kriegsschuldlüge in Spielfilmen wie Berge in Flammen (R: Karl Hard, Luis Trenker, s/w, Deutschland 1931) und Tannenberg (R: Heinz Paul, s/w, Deutschland 1932) oder in dem zweiteiligen, mit der Aura des Authentischen daherkommenden Ufa-Dokumentarfilm Der Weltkrieg (R: Leo Lasko, stumm, s/w, Deutschland 1927) stand die pazifistische Verdammung des modernen Krieges in Filmen wie Namenlose Helden (R: Kurt Bernhardt, stumm, s/w, Deutschland 1924), Westfront 1918 (s/w, Deutschland 1930), von dem Star der Neuen Sachlichkeit, Georg Wilhelm Pabst, und Niemandsland (s/w, Deutschland 1931), ein Film des russischen Regisseurs Viktor Trivas, gegenüber45. 41
42 43
Carruthers, The Media at War, S. 244. Siehe Isenberg, War on Film. Hierbei folge ich den Überlegungen des Wiener Philosopen Konrad Paul Liessmann, die dieser ein blinder Fleck der offenen Gesellschaft« am 19.2.2002 auf den unter dem Titel »Das Böse »35. mainzer tagen der fernseh-kritik« vorgetragen hat. Nach Visarius, Wegtauchen oder Eintauchen?, S. 9, gehört es zu den »ästhetischen Grundbedingungen« des Kinos, daß es Erfahrungen ermöglicht, »die wir wirklich gar nicht erleben möchten«. Siehe Kester, Filmfront Weimar; Dies., Looking For the Enemy; vgl. auch die Anmerkungen bei Wegmann, Der westdeutsche Kriegsfilm der fünfziger Jahre, S. 33-35. Vgl. zu diesen Filmen die entsprechenden Kommentare von Kracauer, Von Caligari zu Hitler, S. 244-246, sowie Ziereis, Der Erste Weltkrieg. Zum »Antikriegsfilm« der Weimarer Republik vgl. Müller, Aus der Chronik des Antikriegsfilms. —
44
45
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m'B
All Quiet on the Western Front, USA 1930 Gerade die letztgenannten, um Authentizität bemühten fiktionalen Produktiotrugen dem industriellen Charakter des Krieges oftmals mehr Rechnung als Produktionen aus der Kriegszeit selbst. Zugleich suggerierten der moderne Tonfilm sowie die gerade im pazifistischen Film zum Einsatz kommende, den Blickwinkel des Frontsoldaten reproduzierende subjektive Kamera einen höheren Grad nen
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Authentizität. Dies galt in besonderer Weise für Lewis Milestones nach der Romanvorlage von Erich Maria Remarque gedrehten Klassiker All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues, s/w, USA 1929/30), der gänzhch neue Formen der filmisch-fiktionalen Darstellung des Krieges hervorbrachte. Insbesondere die berühmte Grabenkampfsequenz machte durch das Zusammenwirken von Kameraeinstellung, Bildschnitt und Ton eine neue Ästhetik des Kriegsfilms sichtbar46, an der sich wiederum spätere Produktionen orientierten. Wie bereits in der zeitgenössischen Fotografie und in der übergroßen Mehrzahl der Filme des Weltkrieges erschien der Tod allerdings auch in diesen Filmen weitestgehend verbannt47. Das Zerstückeln und Zerreißen der Soldatenkörper wurde dem Kinopublikum ebensowenig zugemutet wie das Bild des tötenden Kriegshelden. Vielmehr schwankte die Deutung des in aller Regel nur peripher und schemenhaft angedeuteten Kriegstodes zwischen sinnhaftem Heldentod und dem Tod als Erlösung von der Welt48. Nicht nur in Gedenkfeiern, sondern auch im Film wurde dem sinnlosen Völkerschlachten ein Sinn und damit dem Krieg eine höhere Weihe zugesprochen. Mit Ausnahme weniger Filme wie Westfront 1918 vermittelten die Filme eine romantisierende Vorstellung vom Krieg, die mit der Reahtät des industrialisierten Schlachtfeldes nichts gemein hatte. Im Gegenteil: Das Kriegsgeschehen erschien oft verharmlost49. Die Leinwand fungierte weiterhin eher als Projektionsfläche konventioneller Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit, von Caritas und Humanitas denn als Abbild der Wirklichkeit. In etlichen Hollywood-Produktionen5" der späten zwanziger und der frühen dreißiger Jahre wurde die Tristesse und der Schrecken des Schützengrabens, wie er in All Quiet on the Western Front und Westfront 1918 im Mittelpunkt steht, in Richtung neuartiger Luftkampffilme transzendiert, die sich wie Wings (stumm, s/w, USA 1927) von William Wellmann oder The Dawn Patrol (s/w, USA 1930) von Howard Hawks aufgrund technischer Raffinements und eindringlicher Actionsequenzen beim Pubhkum großer Beliebtheit erfreuten. Um die Authentizität der Bilder der Luftkämpfe zu erhöhen, führte Wellmann die Kamera so nah wie möglich an das Geschehen heran, während Hawks die Kamera erstmals auf eine der Flugmaschinen selbst montieren ließ. Beim staunenden Pubhkum entstand der Eindruck, nun selbst in einem Flugzeug zu sitzen und am Kampfgeschehen teilzunehmen. Aber auch die neuen Luftkampffilme zeichneten nur vordergründig ein neues Bild vom Krieg. Tatsächhch zelebrierten sie eine untergegangene Form des Individualismus. Der Luftkampf avancierte zur Bewährungsprobe des soldatischen Mannes in Form des ritterhchen Duells51. an
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30
5i
Vgl. Beller, Gegen den Krieg, S. 113, 117 f.; Chambers, All Quiet on the Western Front (1930). Ausführlich jetzt belegt von Eisermann, Pressephotographie. Vgl. Ziereis, Der Erste Weltkrieg, S. 139. Ausführlich Kracauer, Von Caligari zu Hitler, S. 273-275. Wenn ich im folgenden von »Hollywood« spreche, so nicht im Sinne einer personifizierten Ideologiemaschine der US-amerikanischen Regierung, sondern lediglich als Synonym für aufwendiges marktorientiertes Kino und eine bestimmte Form filmischen Erzählens. Vgl. Hölzl/Peipp, Fahr zur Hölle, Charke!, S. 22-24.
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Westfront 1918, Deutschland 1930
wahrnehmungsgeschichtlichem Aspekt markierte die filmische Vermarktung Weltkrieges in den Spiel- und Dokumentarfilmen der Nachkriegszeit eine qualitativ neue Einstellung zum Krieg, denn dadurch wurde ihm sein bisheriger Status als außergewöhnhches Ereignis genommen, er wurde zum Bestandteil des Alltags. Die Verwertung des Weltkrieges als Anreiz für irgendein Sensationsstück so Siegfried Kracauer sei Unter
des
»gleichbedeutend mit seiner unmerklichen Einverleibung in unseren Alltag. Ich bezweifle nicht, daß man so viele unkritische Zuschauer wieder ans Kriegsleben gewöhnt. Sie fressen die Spionageaffáre und schlucken mit ihr zugleich ahnungslos das Schlachtcngetümmel herunter32.« Dieser Trend verstärkte sich nach 1933 durch eine Vielzahl von Weltkriegs filmen, —
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die inhaltlich die Tendenzen des nationalistischen Kriegsfilms der Repubhk wie die Heroisierung und Rehabilitierung der deutschen Armee, die Propagierung der Dolchstoß-Legende, die Bestimmung des Krieges als Geburtsstonde der Nation, die Mythologisierung des Kriegserlebnisses und insbesondere des Frontkämpfertoms als zentraler Erfahrung und Modell der NS-»Volksgemeinschaft« weiterführten und radikalisierten. Filmästhetisch war dabei eine Tendenz zu beobachten, welche die gesamte NS-Propaganda charakterisierte und von Ernst Bloch als »Entlehnung aus der Kommune« bezeichnet wurde53, die Übernahme ästhetischer
32 33
Kracauer, Film von heute, in: Ders., Der verbotene Blick, S. 340 f. Bloch, Erbschaft dieser Zeit, S. 70.
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Mittel der Linken, in unserem Falle der pazifistischen Weltkriegs filme54. Exemplarisch machte dies der unter Mitwirkung von SA und Wehrmacht 1934 produzierte Film Stoßtrupp 1917 (R: Ludwig Schmidt-Wildy, Hans Zöberlein, s/w, Deutschland 1934) nach der Romanvorlage von Zöberleins »Der Glaube an Deutschland« deutlich, der den Mythos des Fronterlebnisses zelebriert, auf eine durchgehende Handlung verzichtet, kaum Dialoge enthält, durch kurze Schnitte und die Verwendung dokumentarischen Materials die Fiktion von Authentizität suggeriert und das Inferno des Weltkriegs naturalistisch als mechanische Materialschlacht inszeniert. Der
Spanische Bürgerkrieg als erster Medienkrieg der Geschichte
Mit seinen Luftschlägen gegen die Zivilbevölkerung leitete der Spanische Bürgerkrieg, 1936 bis 1939, nicht nur eine neue Qualität des modernen Krieges ein, auch propagandistisch und filmgeschichthch steht er für eine neue Stufe der Visualisierung des Krieges. Er ist daher zu Recht als wirklich erster moderner Medienkrieg der Geschichte bezeichnet worden. Mit dem Fortschritt von Filmtechnik und -industrie avancierte der Krieg auf der iberischen Halbinsel nicht nur zum ersten filmisch umfassend abgehchteten Krieg des 20. Jahrhunderts, der Krieg selbst wurde erstmals nun auch mit der Kamera geführt. Film- und Fotoreporter aus aller Welt reisten an die sich ständig wechselnden Fronten, um das Kriegsgeschehen im Bild festzuhalten, ohne durch Zensurvorschriften nennenswert behindert zu werden. Allein der von der Filmoteca Española herausgegebene Generalkatalog des Bürgerkriegs films hstet 889 Filme auf55, die dem weltweiten Pubhkum erstmals umfassend die Möglichkeit offerierten, visuell am Kampfgeschehen teilzuhaben. Dabei stand nicht mehr wie noch im Ersten Weltkrieg das Bemühen im Vordergrund, das Ereignis abzubilden, sondern der propagandistisch motivierte Versuch, der Flut der Bilder formal wie inhaltlich eine politische Ordnung zu geben. Betrachtet man den Spanischen Bürgerkrieg unter filmgeschichthchen Gesichtspunkten, so war dieser nicht nur der erste vertonte Krieg, seine Filme stehen zugleich für eine die Filmentwicklung der Zwischenkriegszeit charakterisierende zunehmende Funktionalisierung des Filmes für pohtisch-gesellschafthche Zwecke sowie für neue Techniken der Visualisierung des Krieges56. Anders als noch die Wochenschauen und Dokumentarfilme des Ersten Weltkrieges ging es ihnen insgesamt weniger darum, eine authentische Abbildung des Krieges zu erzielen, als vielmehr darum, mit Hilfe Authentizität suggerierender filmischer Realitätssegmente politische Botschaften zu transportieren, didaktische Aussagen zu formulieren, den Krieg zu bewerten, ihm einen Sinn und eine höhere moralische Weihe zuzuschreiben.
54 33
36
Vgl- Wegmann, Der westdeutsche Kriegsfilm der fünfziger Jahre, S. 51 f. Vgl. Catálogo general; vgl. die auch ältere, 498 Titel umfassende Filmographie Guerra de F^spaña y el cine. Vgl. Korte/Faulstich, Der Film zwischen 1925 und 1944, S. 11 f.
von
Cuenca,
La
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Auf republikanischer Seite bemühte sich das »Comisariado de Propaganda de la Generahtat Republicana« darum, Spanien und der Welt ein heroisches Bild des Abwehrkampfes gegen die Putschisten zu vermitteln. Zu diesem Zwecke unterhielt es nicht nur regionale Propagandabüros und mobile Propagandatrupps (»Dinamiteros«), die direkt an der Front zum Einsatz kamen, sondern mit »Laya Films« auch eine eigene Filmgesellschaft. Diese produzierte eine Reihe von Dokumentarund Spielfilmen über den Krieg wie André Malraux' L'Espoir (s/w, Spanien/ Frankreich 1939/1945)57. Unterstützung erhielt das republikanische Propagandaministerium von weltbekannten Schriftstellern und Künsdern, von Fotografen und Regisseuren58. Aber auch politische Gruppen wie die Kommunisten und die Anarchisten59, deren Gewerkschaft C.N.T. weitgehend die kollektivierte spanische Filmindustrie beherrschte, produzierten eigene Dokumentär- und Spielfilme, die so ein vielgestaltiges Bild des Abwehrkampfes der Repubhk heferten. Anders als im Ersten Weltkrieg wurde der Bürgerkrieg in nennenswertem Maße nun auch mit und in der Wochenschau geführt6". Mit Musik und Ton unterlegt und oftmals rhythmisch geschnitten, vermittelten die auf republikanischer Seite von den regionalen Propagandabüros in Auftrag gegebenen Wochenschauen ein bis dato nicht bekanntes Maß an Authentizität. Erwähnenswert sind vor allem die 22 Wochenschauen mit dem Titel Zu den Ereignissen in Spanien von Roman Karmen und Boris Makaseev aus den Jahren 1936/37, deren Aufnahmen später vielfach in anderen Filmen Verwendung fanden61. Da zu Beginn des Bürgerkrieges fast alle Filmstudios und Kopieranstalten auf republikanischem Gebiet lagen, sah sich die Filmabteilung des nationalspanischen Innenministeriums in Burgos zur Kooperation gezwungen. Im Auftrag des Goebbelsschen Propagandaministeriums und mit Unterstützung der Ufa wurden noch 1936 zwei erfahrene Kameramänner nach Spanien geschickt, denen weitere folgten. Die Tobis-Filrngesellschaft schloß mit der nationalspanischen Regierung einen Vertrag über die Produktion einer 14tägigen Kriegswochenschau der Noticiario Español— ab, von der insgesamt zwölf Ausgaben von einem deutsch-spanischen Team gedreht und zunächst noch bei der Tobis in Berhn geschnitten und montiert wurden62. Diese Wochenschauen, von denen Ausschnitte auch in der Ufa-Tonwoche, der Deuhg-Tonwoche und der Tobis-Wochenschau in deutschen Kinos zum Einsatz kamen, setzten neue Akzente in der filmischen Kriegsberichterstattong. Beeindruckend wirkten vor allem die unter Lebensgefahr aus dem Kampfflugzeug oder durch den Sehschlitz aus Panzern heraus gedrehten Aufnahmen von Kameramännern, die später als Filmberichter in den Propagandakompanien der Wehrmacht oder in Goebbels Imperium Karriere machten. Bei den Sturzflügen der —
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61 62
Vgl. Torres, Arte y Política, S. 25.
Siehe den informativen Überblick von Kommeier, »Menschheit, Vgl. Camporesi, II Cinema degli Anarchici.
an
Dich
geht der Ruf«.
Vgl. Jorgensen, Der Spanische Bürgerkrieg. Vgl. Mez/Trempenau/Nau, Der Spanische Bürgerkrieg im Film, S. 2-4. Vgl. Giese, Die Film-Wochenschau, S. 100 f.; Barkhausen, Filmpropaganda, S. 203, 207.
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darüber hinaus erstmals in einem Krieg auch eingebaute automatische Kameras aus63. Bewußt setzten beide Seiten darüber hinaus auf Inszenierungen, die man dem Kinopubhkum als authentische Aufnahmen verkaufte. Die New Yorker Wochenschau March of Time, so Robert Capa, der für March of Time 1937 einen Überbhck über den Krieg bis zur Bombardierung von Madrid produzierte, habe ihre Mitarbeiter angewiesen, sich der »wirklichkeitsgetreuen Fälschung« zu bedienen, wann immer sie dies für notwendig erachteten. Auch Capa selbst erschien die Darstellung einer gestellten Schlacht auf der Leinwand authentischer als Aufnahmen eines
Ju 87 probierte man
echten Kampfes64. Insbesondere die zahlreichen Dokumentarfilm-Kompilationen stellten ein buntes Gemisch von dokumentarischen Aufnahmen und solchen fiktionalen Inszenierungen dar. Die Technik der Montage erlebte eine regehechte Blüte. Deren Verwendung als bewußte sinngebende und emotionahsierende Kraft korrespondierte die Abwendung vom Versuch, den Krieg möghchst naturalistisch abzubilden. Die intentionale filmische Deutung und Sinnstiftong des Krieges rückte in den Vordergrund. Auf republikanischer bzw. kommunistischer Seite waren solche typischen Kompilationsfilme etwa der 1936/37 von Luis Bunuel und Pierre Unik aus Wochenschaumaterial zu Klängen von Beethoven-Musik montierte Film España (s/w, Spanien 1937), der aus den Filmreportagen von Karmen und Makaseev sowie aus nachgedrehtem Material spanischer Kameraleute kompilierte Film Ispania (s/w, UdSSR 1939) von Esfir Sub65 sowie als vielleicht bekanntester Film Spanish Earth (s/w, USA 1937) des holländischen Dokumentarfilmers Joris Ivens66. Als Produzent dieses 42minütigen, gleichermaßen auf Information wie auf Emotionalisierung setzenden Films fungierte die amerikanische Non-Profit-Produktionsgesellschaft »Contemporary Historians Ine«. Die starke Wirkung dieses Filmes beruhte nicht nur auf dem durchgehenden Kommentar Ernest Hemingways, der jenem einen inhaltlich geschlossenen Charakter verheh, sondern primär auf der politisch konstruierten Synthese von Authentizität und Fiktion, von dokumentarischen Bildern und Spielfilmsegmenten und somit auf der Absage an eine puristische Auffassung von Dokumentation67. Ivens Film ist daher auch als »dokumentarisch-fiktionales Mischprodukt« oder auch als »Dokumentarspielfilm« bezeichnet worden. Dokumentarische Passagen wurden immer wieder fiktional durchbrochen, fiktionale Sequenzen erhielten dokumentarischen Charakter68. 63 64
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67 68
Vgl. Regel, Han pasado, S. 133. Vgl. Whelan, Die Wahrheit ist
das beste Bild, S. 162; Kantorowicz, Spanisches Kriegstagebuch, S. 328. Vgl. Der Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland, S. 40-42. Zu Joris Ivens und Spanish Earth siehe Ivens, Die Kamera und ich; Kreimeier, Joris Ivens. Vgl. Albersmeier, Von der Sozialdokumentation zum antifaschistischen Film. Vgl. Regler, Das Ohr des Malchus, S. 387; Gustav Regler berichtete später über Ivens Filmarbeit: »Er filmte die Einschläge der Granaten aus gefährlicher Nähe, dann erzählte er mir, daß er im Film auf die Granaten Bilder von Sprengungen folgen lassen werde; es mußte aussehen, als ob die Granaten dieses Krieges Dämme öffneten, fruchtbringendes Wasser würde rieseln in Weinberge, die seit Jahrzehnten von ihren reichen Besitzern vernachlässigt worden waren.«
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
21
Nach ähnhchen Konstruktions- und Montageprinzipien verfahren auch die faschistischen Kompilationsfilme69 wie Joaquin Reigs Film Helden in Spanien (s/w, Deutschland/Spanien 1938) der Berhner Produktionsfirma Hispano-Film, der unter Verwendung erbeuteter republikanischer Filmaufnahmen sowie auf dem internationalen Wochenschau-Markt beschaffter Aufnahmen das Filmmaterial nach dem simplen Kontrastschema: Idylle Aufruhr Wiederherstellung der friedlicher Wiederaufbau oder der dokumentarische Ufamontierte, Ordnung Im den Karl Ritter, s/w, Deutschland 1939), Montagefilm Kampfgegen Weltfeind (R: der insbesondere durch die Verwendung authentischer Kampfszenen von Stokaund He-111-Angriffen auf Brücken und Industrieanlagen beeindruckte7". Der Spanische Bürgerkrieg schuf darüber hinaus eine gänzlich neue Art des rein fiktionalen Kriegsfilms71 auf einem teilweise hohen künstlerischen Niveau. Hierzu zählte auf republikanischer Seite Andre Malraux' Spanienkriegs film Sierra de Teruel, der aUerdings erst 1945 unter dem Titel L'Espoir in Paris zur Aufführung kam. Der zunächst noch von der spanischen Regierung finanzierte, den traditionellen Erzählweisen des Kinos folgende und in unmittelbarer räumlicher Nähe zum tatsächhchen Kampfgeschehen gedrehte Film enthält zwar keine einzige Dokumentaraufnahme, wirkt aber gleichwohl ungemein authentisch, ja dokumentarisch, was durch den genau berechneten Einsatz des Tons noch verstärkt wird und zur Folge hat, daß Fragmente von ihm bis heute als dokumentarisches Material in Filmen über den Bürgerkrieg Verwendung finden72. Symbole aus der Geschichte der Kunst und der Rehgion stellten die Ereignisse in einen größeren kulturellen Zusammenhang und gaben dem Krieg einen spezifischen Sinn. Zum Klassiker des faschistischen Bürgerkriegs films und zugleich zum Kassenschlager avancierte Augusto Geninas, teils im Studio, teils an Originalschauplätzen gedrehter Spielfilm L'Assedio dellAlcafar (s/w, Italien 1941), der eine heroische Darstellung der Verteidigung des Alkazar von Toledo beinhaltet. Ein uneinheitliches, abhängig von den Zeitläufen erscheinendes Bild heferten die filmischen Verarbeitungen des Bürgerkriegs aus Hollywood73. Der Romantisierung des Krieges in Wilham Dieterles 1938 im Studio gedrehter »Love-Story« Blockade (s/w, USA 1938) mit einer Sympathieerklärung für die Repubhk und der bereits im Zeichen der US-amerikanischen Anti-Nazi-Propaganda realisierten Verfilmung von Hemingways Spanienroman For Whom the Bell Tolls (Wem die Stunde schlägt, USA 1943) durch Regisseur Sam Wood standen Filme wie The Last Train from Madrid (R: James Hogan, s/w, USA 1937), die das »rote« Spanien als jakobinische Vorhölle schilderten, gegenüber. Der Krieg verkam in diesen Filmen vielfach —
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-
™ 71
72
73
Vgl. Regel, Han pasado, S.
130-132. 132-134. Zur filmischen Inszenierung des Bürgerkriegs: Cuenca, La Guerra de España y el Cine; Valleau, The Spanish Civil War; Mez/Trempenau/Nau, Der Spanische Bürgerkrieg im Film; Nau, Spanischer Bürgerkrieg und Film; Oms, La Guerre d'Espagne vue par le cinéma; Sala, El Cine en la España; Hamdorf, Zwischen No Pasaran! und Arriba F2spaña! Siehe Michalczyk, André Malraux's Espoir, Mez/Trempenau/Nau, Der Spanische Bürgerkrieg im Film, S. 46 f. Vgl. Horak, The Ambiguous Image; Petit, Hollywood respon a la Guerra Civil.
Ebd., S.
Gerhard Paul
22
For Whom the Bell Tolls, USA 1943
Schnulze; die typischen Erzählmomente des Kinos heßen ihn fast immer versöhnlich mit einem »Happy-End« ausklingen. Anders als in den Spielfilmen der Weimarer Repubhk über den Ersten Weltkrieg ging es diesen Produktionen weniger um retrospektive Deutung und Erinnerung als um die visuelle Instrumentalisierung des Krieges für Zwecke der Gegenwart: Dem Franco-Regime und den Nationalsozialisten dienten die Filme in erster Linie als politische Legitimation ihres Putsches und der Visualisierung des »bolschewistischen Weltfeindes«. Republikaner, Kommunisten und Anarchisten nutzten den Bürgerkriegsfilm für die Mobilisierung des Weltgewissens und die Propagierung ihrer jeweiligen Gesellschaftsutopie. Für Hollywood fungierte der Bürgerkrieg als sensationsheischender Hintergrund für kommerzielle »Love-Stories« und Abenteuergeschichten. Die spätere DDR produzierte Bürgerkriegs filme zur Begründung der Tradition ihrer Nationalen Volksarmee im Geiste der Internationalen Brigaden. Die Dokumentär- wie die Spielfilme des Bürgerkrieges bildeten daher allesamt weniger die neue Quahtät des Krieges auf der iberischen Halbinsel ab als vielmehr ideologische Positionen, Ängste und Sehnsüchte der kontrastierenden Fronten. Sie sind daher zu Recht auch als »Gralshüter der Utopie« bezeichnet worden74. zur
74
Hamdorf, Gralshüter der Utopie.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
23
( )b der Spanische Bürgerkrieg die »Geburtsstonde einer neuen Quahtät der visuellen Massenkommunikation«75 war, sei dahingestellt. Tatsache ist, daß er ein verändertes Selbstverständnis der Kriegsberichter, neue Muster einer Ästhetik des Krieges neben und jenseits der bisherigen Projektionen konventioneller Ordnungs- und Tugendvorstellungen sowie eine qualitativ neue Stufe der propagandistischen Inszenierung und Sinngebung des Krieges bedeutete. Robert Capas vermutlich in den Studios des katalanischen Propagandabüros inszeniertes Bild eines »fallenden Milizionärs«76 steht exemplarisch für den neuen Zwang zur Unmittelbarkeit sowie für den Versuch, das Bild des Krieges propagandistisch zu inszenieren. Nicht nur waffentechnisch, sondern auch propagandistisch und filmtechnisch war der Bürgerkrieg ein riesiges Laboratorium. Der Film des Bürgerkrieges begründete zugleich neue Sichtweisen auf den Krieg sowie veränderte Rezeptionsweisen. Abhängig von den verwendeten Narrativen und Montagetechniken erschien der Krieg als sinnhafter Abwehrkampf, als heroisches Ereignis, gar als hedonistischer Event, der emotionale Reaktionen wie Betroffenheit und Schmerz, Wut und Haß auslösen sollte. Erstmals vermochten die Zuschauer den Krieg aus der Perspektive des Grabenkämpfers, des Panzerfahrers oder des Bordschützen mitzuverfolgen und so scheinbar an ihm teilzuhaben. Der schonungslosen Öffnung der Privatsphäre der betroffenen Zivilbevölkerung infolge des Luftkrieges als neuem Objekt des fotografischen und filmischen Interesses korrespondierte auf der Seite der Zuschauer das verstärkte Eindringen der Bilder des Krieges in deren alltäglich-privates Umfeld. -
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Der Zweite Weltkrieg im deutschen Film: Die neue Dimension des Erlebens
Weltkrieg begann der Propaganda- und Bilderkrieg dem Waffenkrieg ebenbürtig werden, oder wie es General Dwight D. Eisenhower 1940 formulierte: »Pubhc opinion wins war77.« Diese neue Funktionsbestimmung der Propaganda führte zu einer Perfektionierung des Informations- und Propagandamanagements sowie zu militärischen Pubhc-Relations-Kampagnen und in der Konsequenz davon zu einer neuen Ästhetik des Kriegsfilms. Mit dem systematischen Einbau von Fotografen und Kameramännern in die kämpfenden Einheiten wurden authentische Kampf- und Flugaufnahmen realisierbar, die dem Kinopublikum die neue Dimension des Erlebens ermöglichten. Als zusätzliches Authentizitätsversprechen kam erstmals in einem Krieg auch der Farbfilm zum Einsatz78. Mit dem Zweiten
zu
Am umfassendsten und beeindruckendsten entwickelte sich der moderne in Deutschland während der sogenannten »Blitzkriegs«-Phase. Die
Kriegsfilm 73 76 77 78
So die These von Görling, »Dinamita Cerebral«. La Guerra Civil Espanyola, S. 100-102. Zit. nach Knighdey, The First Casualty, S. 315. Grundlegend zum Kino im Zweiten Weltkrieg sowie 1945 noch immer: Toeplitz, Geschichte des Films.
zur
Visualisierung des Krieges von
1939 bis
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Gerhard Paul
Möghchkeiten des Films, meinungsbildend zu wirken, so glaubte man, seien »unbegrenzt«79. Für Fritz Hippler, Leiter der Filmabteilung im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVuP), war der Film die »geistige Waffe im Krieg« und das »umfassendste Gesamtkunstwerk unserer Tage«8". Im Ersten Weltkrieg, so die einhellige Auffassung, sei dieses Medium zu spät, zu zögerhch und nur bedingt als Mittel zur Förderung des Volkswillens und der Volkskraft eingesetzt worden81. Erstmals wurden Fotografie und Film in Deutschland nun militärisch zum Angriff auf die öffentliche Meinung formiert, bheb die Abhchtung des Krieges nicht wie bisher eher zufällig einzelnen Gruppen oder Personen überlas-
sen82. Bereits im Winter 1938/39 kam es zwischen dem RMVuP und dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) zu einem »Abkommen über die Durchführung der Propaganda im Kriege«, in dem es hieß: »Der Propagandakrieg wird in seinen wesentlichen Punkten dem Waffenkrieg als gleichrangiges Kriegsmittel anerkannt83.« Diese Aufwertung der Propaganda hatte weitreichende Konsequenzen für die Kriegspropaganda im allgemeinen und die visuelle Kriegsberichterstattong im besonderen. Zum Zwecke der propagandistischen Uniformierung setzte die Zensur- und Kontrollpraxis nicht wie bisher beim Produkt, dem Film, sondern bereits beim Produzenten, bei der Person des Bildberichters, an, der als Mitglied der Reichspressekammer zugelassen sein mußte. Wichtigster organisatorischer Ausdruck des Bedeutungswandels der (visuellen) Kriegspropaganda wurde die Aufstellung sogenannter Propagandakompanien (PK), die dem ausdrücklichen Zweck dienen sollten, das intendierte »Zusammenwirken des Propagandakrieges mit dem Waffenkrieg« zu gewährleisten84. Auf Weisung des OKW wurden bereits im August 1938 erste PK-Einheiten aufgestellt, die beim Einmarsch ins Sudetenland zum Einsatz kamen. Die Kriegsberichterzüge unterghederten sich jeweils in einen Wort-, einen Bild-, einen Film- sowie in einen Rundfunktrupp, deren Tätigkeiten Dienstanweisungen des OKW detailliert festlegten85. Die Propagandakompanien entwickelten sich rasch zu einem gigantischen Apparat. Jede Kompanie verfügte über 250 Kriegsberichter, 120 Fahrzeuge, mo79 80 81 82
83 84
83
Bub, Der deutsche Film im Weltkrieg, S. 1.
Fritz Hippler, Der Film als geistige Waffe im Krieg, in: Der Deutsche Film, 5 (1941), 11/12. Vgl. Giese, Die Film-Wochenschau, S. 43. Es überrascht, daß diese Tatsache in den großen neueren Darstellungen des MGFA zum Zweiten Weltkrieg nicht einmal Erwähnung findet. Bis heute existiert weder eine umfassende Untersuchung zu den Propagandakompanien von Wehrmacht und SS noch zu den NS-Kriegswochenschauen, geschweige denn zum NS-Kriegsfilm im allgemeinen. Zit. nach Barkhausen, Filmpropaganda, S. 212. Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg (BA-MA), RH 19/XVI-8, Dienstanweisung für die Propaganda-Kompanie (mot.), o.D. (1938). Zu den Propagandakompanien vgl. bislang lediglich Barkhausen, Filmpropaganda, S. 205-207; Buchbender, Das tönende Erz; Murawski, Der deutsche Wehrmachtsbericht 1939-1945; Schröder, Der Kriegsbericht als propagandistisches Kampfmittel, S. 21 -23; Moll, Die Abteilung Wehrmachtpropaganda, sowie die Berichte von Beteiligten wie dem Kommandeur der Propagandatruppen von Wedel, Die Propagandatruppen der deutschen Wehrmacht; dem Bildberichter Schmidt-Scheeder, Reporter der Hölle, und Erd, Als Kriegsberichter; zeitgenössisch siehe Stephan, Die Propaganda-Kompanien, mit zahlreichen weiterführenden zeitgenössischen Literaturhinweisen. BA-MA, RH 19/XVI-8, Grundsätze für die Führung der Propaganda im Kriege v. 27.9.1938.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
25
dernste Fernkameras und einen Bildzug86. Organisatorisch wurden die Kriegsberichter den kämpfenden Truppenteilen nicht unterstellt, sondern ledighch zugeteilt, um dadurch ihre nötige Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit zu gewährleisten. 1942 faßte man die zwischenzeitlich auf 40 angewachsenen, bei den drei Waffengattungen und bei der Waffen-SS angesiedelten PK zu einer einheitlichen Propagandatruppe zusammen, deren Mitgliederzahl 1943 auf 15 000 Mann anwuchs und damit Divisionsstärke erreichte87. Im selben Jahr arbeiteten in den Filmabteilungen der PK insgesamt 219 Personen, die wöchentlich zwischen 20 000 und 30 000 Meter Film produzierten. Bis September 1944 hatten sich diese auf mehr als fünf Millionen Meter summiert, von denen allerdings nur sechs Prozent in den Kriegswochenschauen Verwendung fanden. Das Netz von Kameramännern in den PK sowie der hohe personelle und technische Aufwand sorgten für den größten Teil des Krieges für eine bis dato beispiellose Belieferung mit Filmmaterial von den unterschiedhchsten Kriegsschauplätzen88. Das Material der PK-Kameramänner fand fast ausschließlich in Wochenschauen89 und Dokumentarfilm-Kompilationen wie dem Feldzugsfilm Feld^ug in Polen (R: Fritz Hippler, Albert Burmeister, sw, 1940)90 oder dem Fhegerfilm Feuertaufe (R: Hans Bertram, sw, 1940) als den Hauptträgern der filmischen NS-Kriegspropaganda Verwendung. Filme wie diese, die eine neue Ästhetik des Krieges begründeten, waren in regulären Lichtspieltheatern und Frontkinos, in Sondervorführungen sowie in eigens eingerichteten Wochenschaukinos zu sehen. Beim Publikum erfreuten sie sich vor allem in der ersten Phase des Krieges großer Beliebtheit, während mit dem Stillstand der Fronten und in der zweiten Kriegshälfte das Interesse erlahmte und wieder unterhaltende Spielfilme91 dominierten. Nach nationalsozialistischem Selbstverständnis waren die neuen Wochenschauen im Unterschied zu denen der Repubhk kein buntes Nebeneinander aktueller, 86 87
Zusammensetzung einer Luftwaffen-Kriegsberichter-Kompanie vgl. Barkhausen, Filmpropaganda, S. 213 f. Zur Tätigkeit der PK-Angehörigen vgl. den Bericht von Hans Timmer in der »Licht-Bild-Bühne« Zur genauen
vom
88 89
29.6.1940.
Vgl. Stephan, Die Propaganda-Kompanien, Sp. 2692. Zur NS-Kriegswochenschau sowie zu den Feldzugsfilmen in Spiellänge nach wie vor grundlegend
Museum of Modem Art in New York veröffendichte Broschüre von Krader Nazikriegsfilrn; Stamm, Das »Erlebnis« des Krieges; Ders., German Wartime Newsreels; Bucher, Goebbels und die Deutsche Wochenschau; Barkhausen, Filmpropaganda, S. 214-216, sowie Brandt, NS-Filmtheorie. Zeitgenössisch siehe die Hinweise bei Giese, Die Film-Wochenschau; Hans Timmer, Von der Front bis zur Leinwand. So entsteht die Kriegswochenschau, in: Nationalsozialistische Parteikorrespondenz vom 23.6.1940; Frank Maraun, Vor allem. Die Wochenschau. Riesenhafte Besuchersteigerung durch Frontberichte aus dem Westen, in: Der Deutsche Film, 4 (1940), 1, S. 12 f.; Heinrich Roellenbleg, Von der Arbeit an der Deutschen Wochenschau, in: Der Deutsche Film, Sonderausgabe Berlin 1940/41; H. Sp., Von der Kamera ins Kino, in: Der Deutsche Film, 5 (1941), 11/12, S. 226 f. Vgl. Frank Maraun, Der Feld^ug in Polen filmisch gestaltet. Das erste vollständige Filmdokument eines Krieges, in: Der Deutsche Film, 5 (1941), 7, S. 138-140. Third Reich; Courtade/Cadars, Vgl. Albrecht, Nationalsoziakstische Filmpolitik; Hill, Film in thethe German Cinema; Drewniak, Geschichte des Films im Dritten Reich; Welch, Propaganda and Der deutsche Film 1938-1945.
die erstmals 1942 cauer,
90
vom
Propaganda und
-
51
26
Gerhard Paul
sensationsheischender
Ereignisberichte mehr,
sondern ein
Volk, der »das Wirklichkeitsgeschehen
»Zeitspiegel«
für das
nicht nur möglichst objektiv reflektiert, sondern zugleich auch Situations->Erkenntnis< vermittelt und in eindringlichen Bildern die Maßnahmen verdeutlicht, die im Interesse von Volk und Staat zu treffen sind«52.
Mit dem von den Wochenschauen vermittelten Gefühl der Augenzeugenschaft sollte ein Grundübel des verlorenen Ersten Weltkrieges das Auseinanderdriften von Front und Heimat vermieden werden. Zugleich sollten sie als Mittier »zwischen dem Einzelnen und dem Zeitgeschehen« fungieren93. Für Goebbels war die Wochenschau ausgestattet mit der Aura des Authentischen, die dem Publikum an der »Heimatfront« nicht nur suggerierte, ein wahres Bild des Krieges zu zeichnen, sondern zugleich das Gefühl des Dabeiseins vermittelte: »Mit einem Mal bekam das Volk, das nun in seiner Gesamtheit in Beziehung gesetzt wurde zum Krieg selbst, den Krieg selbst Auge in Auge zu sehen, und zwar so, wie er ist, und ohne Beigabe und ohne jede Hinzufügung, kommentarlos in seiner ganzen grausigen Wirklichkeit |...]94.« Die Wochenschau ermögliche die »subjektive, fast unmittelbare Teilnahme des Zuschauers am dargestellten Wirklichkeitsgesch.ehen«')S. Erst mit der Wochenschau konstituierte sich die Gemeinschaft der Daheimgebheben als »Heimatfront«. Zu diesem Zweck sollten die NS-Kriegswochenschauen und Dokumentarfilme wirklichkeitsgetreu sein und den Eindruck vermitteln, daß durch ihr unverfälschtes Bildmaterial die Reahtät selbst über die Leinwand flimmere. Anweisungen an die Filmberichter verpflichteten diese daher zu einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung und zur Vermeidung gestellter Kampfaufnahmen96. Tatsächlich heßen sich solche jedoch nicht vermeiden, und man war wie bei den Dreharbeiten für Sieg im Westen (R: Fritz Brunsch, Svena Noldan, s/w, Deutschland 1941) auf— wie es im Jargon hieß »Ergänzungsaufnahmen« angewiesen97. Und auch auf die Manipulation von Bildmaterial wurde keineswegs verzichtet. Schließlich war auch das Tonmaterial nur selten authentisch, sondern wurde aus einem eigens hierfür geschaffenen Tonarchiv bezogen. Die genuine Leistung der NS-Kriegswochenschau bestand vor allem in der Montage dokumentarischer und inszenierter Sequenzen zu einem fiktiven, durch narrative Elemente verbundenen Handlungszusammenhang98, z.B. zu einer nie stattgefundenen Feindfahrt gegen einen alliierten Geleit-
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92
93 94
93 96
97
98
Giese, Die Film-Wochenschau, S. 54 f.
Der Film vom 22.6.1940. Rede vom 15.2.1941, zit. nach Albrecht, Nationalsozialistische Filmpolitik, S. 472. Ähnlich auch Goebbels in seiner Tagebuch-Eintragung vom 9.7.1940: »Ich ordne Reprisen der großen Wochenschauen von der Westoffensive an. Das Volk will und soll den großen Frankreichfeldzug nochmal zu sehen bekommen.« Goebbels-Tagebücher, Bd 4: 1940-1942, hrsg. von Ralf Georg Reuth, München 1992, S. 1452. Giese, Die Film-Wochenschau, S. 7. Hervorhebung im ( )riginal. Anweisung an die Filmberichter vom September 1943, zit. nach Stamm, German Wartime Newsreels, S. 240. Hierzu auch Ertl, Als Kriegsberichter 1939-1945, S. 48-50, der an solchen »Ergänzungsaufnahmen« für Sieg im Westen beteiligt war. Zu Sieg im Westen vgl. auch Graham, Sieg im Westen. Vgl. entsprechende Hinweise ebd., S. 71.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
2~
zug, der die waffentechnische Überlegenheit der U-Boot-Waffe oder den Kampfgeist der U-Boot-Männer suggerieren sollte. Zugleich durften die Bilder nicht so real sein, daß aus ihnen militärische Erkenntnisse zu ziehen waren. Mit ihrer Kriegswochenschau setzten die Nationalsozialisten daher die aus der illustrierten Kriegsberichterstattong des Ersten Weltkrieges vertraute Enträumlichung und Entzeithchung der Bilder fort. »Bis auf ein paar Sequenzen«, so Kracauer in seiner unübertroffenen Analyse,
»haben die Bilder der deutschen Kriegsführung keinen informativen Charakter. Anstatt eine adäquate Illustrierung der verbal berichteten Aktionen zu geben, beschränken sie sich zumeist darauf, diese an einem Beispiel zu zeigen, das häufig unbestimmt bleibt oder sich als universell anwendbares Stereotyp erweist [...]. Ganze Schlachten finden im Lande Nirgendwo statt, wo die Deutschen über Raum und Zeit gebieten [...]. Viele bildliche Darstellungen sind in Wirklichkeit nichts als leere Pausen zwischen zwei pro-
pagandistischen Einflüsterungen99.«
Um die Authentizität der Aufnahmen im Bewußtsein des Pubhkums zu gewährleisten, mußte die Wirklichkeit so schnell wie möghch abgebildet und ins Kino gebracht werden, bevor der Gang der Ereignisse diese wieder überholt hatte. Mit allen Mitteln versuchte die NS-Propaganda daher, die Zeitspanne zwischen den Kriegsereignissen und ihrer filmischen Aufführung auf ein Minimum zu reduzieren und das gedrehte Material von der Front auf schnellstem Wege nach Berhn zu bringen eine erste Tendenz in Richtung des medialen »Echtzeit«-Krieges. Wenn auch Authentizität durch Schnelligkeit ein Grundprinzip der NS-Kriegswochenschau war1"11, so blieb doch ihre mangelnde Aktuahtät gegenüber ihren »publizistischen Schwestern, Rundfunk, Wortpresse und Bildberichterstattong« ein entscheidender Nachteil1"1. Zwischen Drehtermin und Aufführung lagen mitunter mehrere Wochen. Die Schnelligkeit und Ruhelosigkeit in den filmischen Mitteln der Kameraführung und des Schnitts entsprachen in besonderer Weise dem modernen Krieg. Die Verkopplung der Leicas und Arriflex-Filmkameras mit modernen Schußwaffen stellte eine foto- und filmtechnische Innovation dar, die es den Bild- und Filmberichtern ermöglichte, unmittelbare »Kampferlebnisse« einzufangen. Die ständige Bewegung der Kamera, die die motorischen Nerven der Zuschauer bearbeitete, sollte deren Überzeugung von der dynamischen Macht der Nationalsozialisten bestärken und ihnen das Gefühl vermitteln, sich ständig im Vormarsch zu befinden. Permanent in Bewegung befindliche Marschkolonnen und Kettenfahrzeuge bildeten immer wiederkehrende Sujets, die dieses Gefühl verstärkten. Neben der Kraft der Bilder erfüllten auch die kurzgeschnittenen, bewegungsreichen, bis ins letzte Detail durchkomponierten, mit suggestiven Texten versehenen sowie mit Musik unterlegten Bildfolgen ihren dramaturgischen Part1"2. Die Funktion dieser Schnitt- und Montagetechnik war evident: Sie raubte dem Zuschauer das Distanz —
99 i»» •oi
102
Kracauer, Propaganda und der Nazikriegsfilm, S. Ebd., S. 324, 349. Hippler, Fragen und Probleme, S. 234.
328.
Zu diesen technischen und dramaturgischen Mitteln der filmischen ausführlich Stamm, Das »Erlebnis« des Krieges, S. 118-120.
Asthetisierung
des
Krieges
Gerhard Paul
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Feuertaufe, Deutschland 1940 und
Unabhängigkeit schaffende Denken und ließ ihm weder Zeit noch Raum für eigene Assoziationen und Gedanken. »Sobald dem Zuschauer erlaubt wird, sich zu erholen«, so Kracauer, »könnten seine intellektuellen Fähigkeiten erwachen, und es
bestünde Gefahr, daß er sich der Leere um ihn herum bewußt würde1"3.« Das von den PK-Filmberichtern geheferte Material bildete die Grundlage für eine Reihe von Dokumentarfilm-Kompilationen. Hierzu zählte der von Hans Bertram 1940 produzierte Film Feuertaufe über den Einsatz der deutschen Luftwaffe in Polen, der wiederum zum Vorbild weiterer Wehrerziehungs- und Fliegerfilme wie Kadetten (s/w, Deutschland 1941) und Stukas (s/w, Deutschland 1941) von Ufa-Produktionsleiter Karl Ritter über eine Kampfpiloten-Einheit an der Westfront zur Zeit des »Blitzkrieges« wurde1"4. Wie kein anderer Film setzte Bertrams Feuertaufe nach David Welch »the most impressive of all the propaganda films depicting the magnitude of Hider's Blitzkrieg success«1"5 das intendierte Bild des modernen Krieges in Szene. Die im Kampfflugzeug mitfliegende Kamera eröffnete neue Perspektiven auf den Krieg. Polnische Dörfer mutierten zu winzigen Schatten. Die Kamera jagte über das Schlachtfeld hinweg. Menschen kamen in den kurzen Schnitten nicht mehr vor ein »Blitzkrieg« im wahrsten Sinne des Wortes ohne Menschen und ohne Opfer. Die Filmkamera war auf Schußnähe gegangen. Insbesondere bei den gefilmten Sturzbomberangriffen, die dem Pubhkum von —
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103
104
105
Kracauer, Propaganda und der Nazikriegs film, S. 347; zur Dynamik von Kameraführung und Schnitt ebd., S. 324-326, 336. Vgl. Donner, Propaganda und Film im »Dritten Reich«, S. 103-105. Welch, The Third Reich, S. 95; vgl. hierzu auch Hattendorf, Dokumentarfilm und Authentizität, S. 103-105 und 159-161.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
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Stukas, Deutschland 1941 1940 ein »innovatives Seherlebnis«1"6 vermittelten, entstand die Illusion, sich selbst in Bewegung zu befinden. Der Eindruck des unmittelbaren Dabeiseins wurde auf der Tonspur durch Geräusche startender Flugzeugmotoren und anderer militäri-
scher Fahrzeuge verstärkt, die allerdings was dem Pubhkum nicht auffiel aus der Konserve stammten. Die Funktion des Auges ging in der Funktion der Waffe auf. Kamera und Waffe wurden eins. Die entwirkhchte Betrachtungsweise des Piloten und des ihn begleitenden Kameramannes verschmolzen mit dem verdinglichten Bhck des Bordschützen zur neuen Betrachtungsform des Zuschauers. Und wie für viele Flieger der Krieg von oben »nur noch ein Experiment in einem Laboratorium« war107, wurde der Krieg jetzt auch für den Kinogänger an der »Heimatfront« zu einem abstrakten ästhetischen Nervenkitzel bar jeden Reahtätsbezuges. Inhaltlich wiederholten sich in den NS-Wochenschauen und DokumentarfilmKompilationen ähnhch wie in der fotografischen Bildberichterstattung1"8 im wesentlichen acht ikonographische Muster, die teilweise bereits im Bild des Ersten -
•oí '°7 •°8
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Ebd., S. 104. Antoine de Saint-Exupéry, zit. nach Virilio, Krieg und Kino, S. 164. Zur fotografischen Kriegsberichterstattung vgl. Ranke, Fotografische Kriegsberichterstattung im Zweiten Weltkrieg; Der Blick des Besatzers; Hüppauf, Der endeerte Blick hinter der Kamera. Eine umfassende Untersuchung zur Fotografie des Zweiten Weltkriegs steht aus.
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Gerhard Paul
Weltkrieges angelegt waren und von weiterentwickelt wurden109: (1) In der Tradition der
den Nationalsozialisten
neu
kombiniert bzw.
sich an der Genrefotografie orientierenden wurde der als ein mit höherem Sinn ausgestatKrieg Kriegsbildberichterstattong teter moderner Erlebnisurlaub inszeniert. Der Krieg erschien als Fortsetzung des Propagandaschlagers »Kraft durch Freude« nur eben mit anderen Mitteln. Bilder des Besatzungstourismus, versehen mit touristischen Symbolen besetzter Länder, entdramatisierten und normalisierten das Kriegsgeschehen. (2) Darüber hinaus inszenierte und kommentierte man den Krieg vor allem in der »Blitzkriegs«-Phase im Geiste der Zeit als Sportreportage. Der Krieg erschien als Jagd nach Rekorden, als ständiges Vorwärtsstürmen, als rastlose Bewegung oder als körperlicher Höchsteinsatz11". (3) Wie in den vergangenen Kriegen wurden konventionelle ( )rdnungs-, Disziplin- und Sauberkeitsvorstellungen in das Kriegsgeschehen projiziert. Alles schien ordentlich, sauber, militärisch durchorganisiert und geregelt vor sich zu gehen, nichts dem Zufall überlassen. In seinen Bildern zeigte sich auch dieser Krieg seines tatsächhchen chaotischen und anarchischen Charakters entkleidet. Mit den Bildern badender, ruhender und essender Soldaten vermittelte man der Heimat das Gefühl: Den Soldaten geht es gut, es wird für sie gesorgt111. (4) Freund und Feind erschienen im Stile einer rassistischen Kontrastpubhzistik dargestellt. Dem Bild des körperlich gestählten, siegesgewissen, den Bhck in eine ferne Zukunft gerichteten, seinen Feinden auch rassisch überlegenen Wehrmachtsoldaten gegenüber stand der verächtlich diskriminierende Bhck auf die fremden Opfer des Krieges. (5) Eine gänzhch neue Dimension bildete die Inszenierung des deutschen Soldaten als Arbeiter des Krieges, der sich nach der Schlacht seinen Feierabend verdient hat, eine Zigarette raucht und sein »Werkzeug« reinigt. Die Darstellung des Krieges als eines von Gefühlen des Entsetzens wie der Romantik gleichermaßen abstrahierenden Arbeitsprozesses sowie der Bedienung der Waffe als Verlängerung der gewohnten Tätigkeit an der heimischen Werkbank knüpfte an hterarische Vorbilder an, die wie in den Erzählungen Ernst Jüngers den Krieg als »deutsche Qualitätsarbeit«112 adelten, ihm damit zugleich einen modernen Sinn und den Charakter von Vertrautheit und Normalität verliehen. Der Soldat erschien keineswegs als »politischer Soldat«, als genuin nationalsozialistischer Kämpfer,
bisherigen,
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11°
"i
Grundlage der folgenden Darstellung ist eine Untersuchung des Autors von 25 ausgewählten Kriegwochenschauen im Zeitraum von 1940 bis 1944. Zunächst hatte Goebbels daher auch Sportreporter bevorzugt als PK-Männer rekrutiert, die in Speziallehrgängen in ihre Tätigkeit eingewiesen und mit den Wünschen ihrer Auftraggeber konfrontiert wurden; vgl. Die Berufsausbildung der Bildberichterstatter. Eine Anordnung des Leiters der RDP, in: Deutsche Presse, (1939), 4, S. 67 f. So heißt es etwa bei Ertl, Als Kriegsberichter, S. 16: »In den ersten Februartagen [1940| hatten wir auf Weisung des Propagandaministeriums über das Oberkommando der Wehrmacht, Abt. Wehrmacht-Propaganda, ein Riesenprogramm zu filmen, um der Bevölkerung daheim auf der Leinwand zu zeigen, wie vorzüglich die Truppe an der Front versorgt wird. Wir besuchten mit unseren
i '2
Kameras Lazarette und
Krankenstuben, in denen sich hübsche Schwestern um Soldaten-
patienten bemühten. Überall Lächeln und blitzblanke Sauberkeit.« Lüdtke, The Appeal of Exterminating; Ders., Arbeiten und Kriegführen.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
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sondern als motivierter und funktionierender Arbeiter des Krieges113. (6) Der war zugleich ein hochtechnisiertes Abenteuer. Dem Betrachter wurden blank geputzte, oftmals in der Sonne glänzende hochmoderne Waffen vorgeführt, die waffentechnische Überlegenheit suggerieren sollten. (7) Ein weiteres Darstellungsmuster schheßhch bezog sich auf die Wahrnehmung des modernen Luftkrieges. Aus der Perspektive des Kampfflugzeuges wurde die Landschaft vollends zum menschenleeren orientierungslosen Abstraktom, in der nur mehr Explosionsbhtze aufflackerten. Die Geschwindigkeit der fliegenden Kamera heß für Reflexion keinen Raum. Die sich zu »Lichtdomen« am Nachthimmel auftürmenden Flakscheinwerfer zeichneten abstrakte Formen in den Himmel und machten den Krieg zu einem ästhetischen Großspektakel, dessen Faszinationskraft allerdings mit der alliierten Luftüberlegenheit schwand. (8) Als nicht »bildwürdig« erschienen wie schon in den Kriegen zuvor Szenen, die das Leiden und den Tod der Soldaten, das Elend, die Erschöpfung, die Angst, den Hunger, die Trosdosigkeit zum Inhalt hatten. »Das Weglassen des Todes in den deutschen Kriegsfilmen ist vielen Beobachtern aufgefallen«, notierte Kracauer:
Krieg
»Hier bieten die zwei Feldzugsfilme nichts außer zwei toten Pferden feindlicher Nationalität an, zwei Soldatengräber und ein paar verwundete Soldaten, die viel zu schnell vorbei sind. Die Wochenschauen praktizieren eine ähnliche Enthaltsamkeit114.«
Ganz in diesem Sinne hatte Goebbels am 10. Juni 1940 angeordnet, »daß wohl die Härte, die Größe und das Opfervolle des Krieges gezeigt werden soll, daß aber eine übertrieben realistische Darstellung, die statt dessen nur das Grauen vor dem
Kriege fördern könne, auf jeden Fall zu unterbleiben habe«115.
Am Basistabu der visuellen Kriegsberichterstattung rüttelten somit auch die Nationalsozialisten nicht. Nach den allgemeinen Propagandaanweisungen »mußten eigene Verluste möglichst übergangen werden. Wir durften sie höchstens in einem Schwenk über wenige Grabhügel mit Kreuzen hinweg andeuten«, so Kriegsberichter Hans Erd116. »Unter allen Umständen sei zu vermeiden«, so auch Bildberichter Georg Schmidt-Scheeder über eine Anweisung des Propagandaministeriums auf einem Lehrgang für Frontberichterstatter, »daß deutsche Gefallene auf den Bildern zu sehen wären, dafür möghchst viele russische, am besten haufenweise117.« Und ebensowenig bildete sich die spezifische Quahtät des Vernichtungskrieges die Deportation und die Vernichtung der Juden sowie die Ermordung der sowjetischen Kriegsgefangenen im öffentlich zugänglichen NS-Film ab118. —
—
Wegmann, Der westdeutsche Kriegsfilm der fünfziger Jahre, S. 62.
"3
So auch
u4
Kracauer, Propaganda und der Nazikriegsfilm, S. 359. Zit. nach Thomae, Die Propaganda-Maschinerie, S. 492. Erd, Als Kriegsberichter, S. 74. Schmidt-Scheeder, Reporter der Hölle, S. 342 (Hervorhebung im Original), ähnlich S. 135. Au-
i'5 116 ••7
man den Frontberichtern zur Auflage gemacht, vorstürmende Truppen immer so fotografieren, »daß sie von links nach rechts liefen, um sie in Gedankenverbindung mit der Landkarte nach Osten stürmend zu zeigen«, ebd., S. 342. Vermutlich bezog sich diese Aussage auf die erste Phase des Ostkrieges. Sowohl von offizieller Seite als auch von Amateuren wurde die Verfolgung, Deportation und Ermordung der Juden im Film als Dokument für die Nachwelt festgehalten. Dies belegen sowohl
ßerdem habe zu
—
—
i'8
Gerhard Paul
32
Alle diese Muster verdichteten sich mit der Zeit zum volkspädagogisch so wirksamen Bildeindruck des schönen, abstrakten und »hygienischen« Krieges und beförderten auf ihre Weise auch visuell den Mythos von der »sauberen« Wehrmacht. Die anfänglich große Faszination, die diese neuen Visualisierungen des Krieges beim Publikum auslösten gegenüber 1939 nahm der Kinobesuch 1940 um 90 Prozent zu, so daß eigene Wochenschaukinos119 eröffnet werden mußten -, dürfte weniger in dem vermittelten Kriegsbild allein, sondern vor allem in der qualitativ neuen Dimension des Erlebens begründet gewesen sein. Der Zuschauer dieser Filme schien tatsächhch das Gefühl zu bekommen, als Augenzeuge »dabei« zu sein. Die Kriegswochenschau ermögliche dem Zuschauer so ein Zeitgenosse im heimatlichen Kino »das Erlebnis des unmittelbaren Dabeiseins« und gestatte ihm, »Augenzeuge zu werden«12". Die Zuschauer, —
—
-
»saßen nicht mehr auf den bequemen Sitzen in dem behüteten Raum einer sicheren, Kriege unberührten, wie im tiefsten Frieden fortlebenden Stadt. Ihr Dasein war mit jedem Nerv in die Welt der Bilder eingegangen, die vor ihnen vorüberzogen. Sie marschierten mit einer Infanteriekompagnie in der Gluthitze über die staubigen Landstraßen der Champagne. Sie sahen mit den Kampffliegern unter sich das Panorama von Paris und die Einschläge der Bomben auf den Flugplätzen in der Tiefe. Sie fuhren mit den Panzerschwärmen zum massierten Angriff [...]. Selbstverloren und selbstvergessen standen sie überall in der Mitte des Geschehens121.« vom
Allerdings
war auch die NS-Kriegsfilmpropaganda kein Selbsdäufer. Ihr Erfolg bheb im wesentlichen auf die Ära des »Blitzkrieges« begrenzt, der sich filmisch als attraktiver erwies als Stellungskrieg und Rückzug. Mit dem Durchsickern der Hiobsbotschaften von den verschiedenen Frontabschnitten nach Stalingrad verblaßte die »unmittelbare« Wirkung der Bilder. Die Wochenschau bekam Authentizitätsprobleme, ja fiel in zunehmendem Maße »der Lächerhchkeit anheim«122. Da die Filmberichte niemals deutsche Verluste und Verwundete zeigten123, habe ihre
U9 ,2°
einige Filmsequenzen wie der antisemitische Propagandastreifen Juden, Läuse, Wanden aus einem polnischen Ghetto aus dem Jahr 1941 als auch der Amateurfilm eines deutschen Marinesoldaten über eine Judenexekution vom August 1941 im lettischen Libau sowie der von der Zeiss-Ikon AG in Auftrag gegebene Film über die Zusammenlegung der letzten Dresdener Juden in das Lager am Hellerberg im November 1942 und schließlich ein Film über die Deportation der ungarischen Juden vom Oktober 1944 aus Budapest. Ausführlichere Angaben zu diesen Filmen mit weiteren Literaturhinweisen finden sich in der Datenbank des Fritz Bauer Instituts (Frankfurt a.M.) zur Erforschung des Zentralbestandes von Filmen zur Geschichte der Vernichtung der europäischen Juden (= Cinematographic des Holocaust) im Internet unter . Für das kollektive Bildgedächtnis der Zeitgenossen und ihr Bild des Krieges blieben diese Filme ohne Bedeutung. Vgl. Giese, Die Film-Wochenschau, S. 11, Anm. 6. So Frank Maraun, Die Bedeutung der Wochenschau neben Funk und Presse, in: Der Deutsche Film, 4 (1939), 5, S. 102 f. Ähnlich heißt es in der Zeitschrift »Das Reich« vom 8.6.1941: »In den Wochenschauberichten vom Polenfeldzug hatte er [der isolierte Betrachter] zum ersten Male das aufwühlende Erlebnis, daß er vom Film mitten in das Zeitgeschehen gestellt wurde.« Ähnlich zur Bedeutung und zur Wirkung der Kriegswochenschau Schmidt-Scheeder, Reporter der Hölle, S. 189.
'2i
122 123
Maraun, Vor allem. Die Wochenschau. Riesenhafte Besuchersteigerung durch Frontberichte dem Westen, in: Der Deutsche Füm, 4 (1940), 1, S. 12 f. Bucher, Goebbels und die Deutsche Wochenschau, S. 62. So in den »Meldungen aus dem Reich«, Nr. 203 vom 17.7.1940.
aus
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
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Die große Liebe, Deutschland 1942
Glaubwürdigkeit bei den »Volksgenossen« gelitten. Unter dem Zwang der Verhältnisse mutierte die »Sieges-« zur »Durchhaltewochenschau«, die sich zunehmend
zivileren Themen zuwandte. Im Unterschied zur alliierten Filmproduktion besaßen fiktionale Kriegsspielfilme, die wie schemenhaft auch immer das reale Geschehen aufgriffen, quantitativ wie qualitativ im Gesamtkonzept der NS-Kriegspropaganda keine größere Bedeutung, sieht man einmal von Eduard von Borsodys Wunschkonzert (s/w, Deutschland 1940) mit Ilse Werner und Carl Raddatz sowie Rolf Hansens Die große Liebe (s/w, Deutschland 1942)124 mit Zarah Leander ab. Obwohl in beiden Produktionen die typischen Elemente des Musik- und Revuefilms überwiegen, ist die Gegenwart in ihnen durch kriegsspezifische Alltagsprobleme, durch Soldaten und identifizierbare Kriegsschauplätze präsent. Beide Filme erfüllten vor allem Binnenfunktionen bei der emotionalen Mobilisierung der »Heimatfront«, der Krieg selbst indes verkommt in ihnen zum homogenisierenden Wunschkonzert und zur Nummernrevue125. Vermutlich gerade deshalb avancierte Die große Liebe zum größten Publikumserfolg der Kriegszeit und Zarah Leanders Song »Davon geht die Welt nicht unter« zum unvergeßlichen Hit. Nach der Kriegswende von Stalingrad verschwanden solche »Kriegs-Unterhaltongsfilme« aus den Programmen der großen Studios. Sie wichen jetzt reinen Unterhaltongs- bzw. Durchhaltefilmen.
124
125
Vgl. Thiele/Ritzel, Politische Botschaft und Unterhaltung, S. 310-321; Loiperdinger/Schönekas, Die große Lebe, S. 143 154. So Witte, Film im
Nationalsozialismus, S. -
146-148.
34
Gerhard Paul
Der Zweite Weltkrieg im Film der Alliierten: Zwischen Kriegsverherrhchung und neuem Realismus Der deutschen
Filmpropaganda korrespondierten auf alliierter Seite entsprechende
die sich teils
am deutschen Vorbild orientierten, teils aber auch mit Bemühungen, der bisherigen filmischen Repräsentation des Krieges brachen und neue Authentisierungsmittel nutzten. Vor allem die Nähe zum Kriegsgeschehen und die Situation der Filmwirtschaft wirkten sich auf die Visualisierung des Krieges aus126. Im Unterschied zu Deutschland und Großbritannien127 verfügten die USA zunächst über keine eigenständigen Einrichtungen der Kriegs- sowie der Filmpropaganda. Erst 1942 entwickelte sich aus verschiedenen Vorläuferorganisationen wie dem »Office of Government Reports«, dem 1941 gegründeten »Office of the Coordinator of Information« und dem »Office of Facts and Figures« das »Office of War Information« (OWI)128, das eng mit Hollywood und dem »War Activities Committee« der Filmindustrie kooperierte129. Bereits 1940 hatte man in Hollywood mit Duldung und Unterstützung regierungsamtlicher Stellen mit der Produktion von Kriegsfilmen begonnen, die zunächst lediglich patriotische Appelle und eine Würdigung des militärisch-technischen Fortschritts besonders der Luftstreitkräfte enthielten. Die US-amerikanische Filmindustrie produzierte bis 1945 insgesamt 1282 Filme, die sich auf den Zweiten Weltkrieg bezogen13". Hatten Kriegsfilme 1941 lediglich 6,5 Prozent der Gesamtspielfilmproduktion ausgemacht, so stieg deren Anteil bis 1943 auf 29 Prozent, um dann wieder deutlich zurückzugehen. Zeitweise waren Kriegsfihne beim amerikanischen Pubhkum die behebteste Filmgattong. Allerdings machten Filme, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen standen und direkt und konkret amerikanische Soldaten in Kampfaktionen darstellten, hiervon nicht mehr als zehn Prozent aus. In der Mehrzahl der Filme fungierte der Krieg wie schon zur Zeit des Spanischen Bürgerkriegs allenfalls als dramatisierende, mitunter eher zufällige Handlungsfolie131. Auch nach Ende des Weltkrieges bheb eine enge Verbindung zwischen dem »Department of Defense« und den international wichtigsten Bildproduzenten in Hollywood bestehen. Von den geschätzten 5000 Kriegsfilmen, die zwischen 1945 und 1965 entstanden, wurden um die 1200 mit Hilfe des Kriegsministeriums produziert132.
126
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128 129
130 131 132
Siehe hier die vergleichend angelegten Darstellungen zum Film in Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion, den USA, Italien und Polen bei Toeplitz, Geschichte des Films. Vgl. ebd., S. 7-50, sowie an neuerer Literatur Aldgate, Britain Can Take It; Chapman, The British at war; Murphy, British Cinema and the Second World War; Makenzie, British War Film. Zur Tätigkeit des OWI siehe Winkler, The Politics of Propaganda. Siehe Koppes/Black, Hollywood Goes to War; speziell zum Verhältnis von OWI und Hollywood Dies., What to Show the World. Siehe Shull/Wilt, Hollywood War Films; Manuell, Films and the Second World War; Doherty, Projections of War. Vgl. Toeplitz, Geschichte des Films, S. 166. Vgl. Vietnam Images, S. 17.
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
35
George H. Roeder Jr. hat den Zweiten Weltkrieg aus amerikanischer Perspekti-
als »censored war« charakterisiert133. Diese Zensur habe sich im Bereich des Films mittels des Patriotismus der Filmproduzenten und -regisseure, der Selbstzensur der Filmindustrie in Gestalt der »Production Code Administration« sowie der Einflußnahme des OWI und deren regierungsamtlichen Richtlinien wie den »Government Information Manual for the Motion Picture Industry« vom Sommer 1942 realisiert134 nach Koppes und Black »a virtual catechism of the world view articulated by Wallace in his Century of the Common Man«ns. Mit einem jährhchen Aufwand von 50 Millionen Dollar bezuschußte das Kriegsministerium die Produktion und den Verleih von Dokumentarfilmen und Wochenschauberichten von den diversen Kriegsschauplätzen136. Es entstanden streng geheime Stabsberichte, die unmittelbar vom Kampfgeschehen stammten, in Washington unter militärischen Aspekten ausgewertet und dort zu wochenschauähnhchen Filmberichten für den internen Gebrauch zusammengestellt wurden. Aus dem freigegebenem Filmmaterial der US-Frontkameramänner, das sich gegen Kriegsende auf 4700 Kilometer ungeschnittenes Material summierte, belieferte man wiederum die kommerziellen Wochenschauen, denen es oftmals allerdings an der nötigen Aktuahtät mangelte137. Nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor begannen die USA verstärkt mit der Produktion von Mobihsierungsfiirnen138, für die man anders als in Deutschland in erster Linie Spielfilmregisseure verpflichtete. Diese aus Wochenschau- und Dokumentarfilmmaterial kompilierten Filme informierten vor allem über die amerikanischen Kriegsgegner und -ziele. Zu den wichtigsten Produktionen dieser Art zählen Frank Capras Lehrfilme der Why We Fight-Sene (s/w, USA 1942-1945)139, die sich qualitativ kaum von den faschistischen Produktionen aus Deutschland und Italien unterschieden, da sie sich exzessiv rassistischer Feindbilder bedienten14", Aufnahmen des sowjetischen Dokumentarfilmers Roman Karmen verwendeten und sich bewußt von Leni Riefenstahls Der Triumph des Willens inspiriert zeigten141, die mit dem Oscar ausgezeichneten Kriegsdokumentationen von John Ford, The Battle of Midway (USA 1942) und December 7th (s/w, USA ve
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Roeder Jr., The Censored War. Koppes/Black, Hollywood Goes To War, S. 65-67; Larson, The Domestic Motion Picture Work; Short, Washington's Information Manual for Hollywood, S. 174 f Koppes/Black, Hollywood Goes To War, S. 67. Hervorhebung im Original. Vgl. Griffith, Die Verwendung des Films, S. 83 f. Vgl. ebd., S. 84 f. Vgl. MacCann, World War II; Springer, Military Propaganda; Der Krieg der Bilder; Hölbing, Patriotische Pflicht, sowie die ausführliche Bibliographie zur Darstellung des Zweiten Weltkrieges in US-amerikanischen Dokumentarfilmen in: Der Krieg der Bilder, S. 189-198; Barnouw, Dokumentary, S. 155-157. Vgl. Murphy, The Method of Why we fight, Bohn, An Historical and Descriptive Analysis; Culbert,
Why we fight.
So Michael Renov in seinem Vortrag »The Rhetoric of Race and Nation in Frank Capras Why we fight Series« auf der Stuttgarter Tagung »Schuss/Gegenschuss. Wochenschau und Propagandafilm im Zweiten Weltkrieg« am 8.12.2001. Vgl. Capra, The Name above the Tide, S. 326 328. -
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Lewis Milestones Luftkampffilm The Purple Heart (USA 1944), Howard Hawks mit aufwendigen Spezialeffekten produzierter Streifen Air Force (1944) sowie etliche andere »combat movies«143. Auf japanischer Seite entsprachen diesen Filmen groß aufgemachte, teure Propaganda-Dokumentationen wie der Film Hawai Maree oki kaisen (Japan 1942) sowie The War at Sea from Hawaii to Malaya (s/w, Japan 1942) von Yamamoto Kajirô, der eine Strategie der Authentisierung durch aufwendige Trickaufnahmen verfolgte144. Während die Mehrzahl der amerikanischen Kriegsfilme auf dem pazifischen Kriegsschauplatz spielte, kam mit Billy Wilders Five Graves to Cairo (USA 1943) erstmals ein Film auf die Leinwand, der vom Einsatz amerikanischer Streitkräfte gegen Deutschland handelte. Mit der Invasion in der Normandie 1944 wandte sich die amerikanische Filmproduktion mit Filmen wie The Battle of San Pietro (USA 1945) von John Huston, Thunderbolt (s/w, USA 1945) von William Wyler, The True Glory (s/w, USA 1945) von Carol Reed und Garson Kanin sowie Know Your Enemy, Germany (s/w, USA 1945) von Gottfried Reinhardt verstärkt dem Kriegsschauplatz in Europa zu, wobei diese Filme vielfach starke psychologische Vereinfachungen enthielten und von der Unkenntnis der europäischen Milieus geprägt waren145. Wie Goebbels war den amerikanischen Regisseuren die Erlebnis- und damit die Unterhaltongsqualität des Krieges, die man erstmals auch durch Farbfilme und »special effects« zu realisieren versuchte, wohl bewußt. Exemplarisch für neue Sehund Beteihgungserlebnisse vermittelnde Filme steht der von dem Spielfilmregisseur William Wyler im Auftrag des OWI produzierte Farbfilm The Memphis Belle. A a Story of Flying Fortress (USA 1944), der u.a. einen von den Dialogstimmen der Besatzung im Off kommentierten Bombenangriff auf Deutschland schildert und das amerikanische Pendant zu Bertrams Feuertaufe darstellt146. Im Unterschied zu Bertram konzentrierte sich Wyler allerdings auf die Schicksale der Mitglieder einer Flugzeugbesatzung und nicht so sehr auf die rein militärische Aktion, womit er eine stärkere emotionale Beteiligung der Zuschauer zu erzielen hoffte. Die meisten der in Hollywood produzierten Kriegs-Spielfime indes folgten den marktgängigen Plotstrukturen der Spionage-, Gangster-, Western- und Actionfilme sowie der Komödie und der Mihtärklamotte147. Dies entsprach den Vorstellungen Franklin D. Roosevelts, wonach die Unterhaltung in Friedenszeiten von unschätzbarem Wert, in Kriegszeiten aber unentbehrlich sei. Dem Krieg wurde eine ihm fremde, aber populäre narrative Struktur verpaßt, die in aller Regel in einem HappyEnd und im Sieg des Guten über das Böse kulminierte. Der amerikanische Kriegsheld kämpfte als professioneller Soldat unter Zurückstellung individueller Interessen für die traditionellen Werte des »american way of life«.
1943)142,
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145 146
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Vgl. Gallagher, John Ford; Murphy, John Ford and the Wartime Documentar}'. Vgl. Basinger, The World War II Combat Film. Zum japanischen Film des Zweiten Weltkriegs siehe The Japan-America Film Wars. Toeplitz, Geschichte des Films, S. 167. Vgl. Affron, Reading the Fiction of Nonfiction; Anderegg, William Wyler, S. 122-124; vgl. herty, Projections of War, S. 113-115. Vgl. Kane, Visions of War; vgl. Toeplitz, Geschichte des Films, S. 183 -185.
Do-
Krieg und Film im 20. Jahrhundert
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The Memphis Belle A Story of a Flying Fortress, USA 1943/44 -
Bilder von tötenden bzw. getöteten amerikanischen Soldaten waren auch in diesen Filmen nicht zu sehen, wohl aber Bilder mordender japanischer Feinde. Vor allem in der ersten Kriegsphase wanderten Fotografien und Filmstreifen von toten und Schwerstverwundeten amerikanischen Soldaten in einen Aktenschrank im neuerrichteten Pentagon, der von seinen Hütern als »Chamber of Horrors« bezeichnet wurde. Visuelle Hinweise auf gefallene amerikanische Soldaten galten auch in den USA als »wehrkraftzersetzend«. Während des Zweiten Weltkrieges, so George Roeder Jr. pointiert, habe die US-Regierung Aufnahmen von toten Soldaten strenger rationiert als Zucker und Kondome. Wie schon im Ersten Weltkrieg habe das OWI in den ersten 21 Kriegsmonaten die Veröffentlichung von Bildern toter amerikanischer Soldaten gänzhch verboten. »During World War II newspaper and magazine editors and government censors kept tighter restrictions on pictures than on words despite this ability of words to disturb148.« Das erste Bild eines schwer verwundeten eigenen Soldaten mutete man dem amerikanischen Publikum im Frühjahr 1945 in der Zeitschrift »Life« zu, zu einem Zeitpunkt, als der Krieg auf dem europäischen Schauplatz unmittelbar vor dem Abschluß stand. Auch auf der Leinwand tauchten jetzt erstmals Bilder von Kriegstoten auf. So enthalten Kurzfilme wie The Enemy Strikes, der nach dem deutschen Durchbruch in den Ardennen gedreht worden war, sowie der bereits 1944 gedrehte, aber erst —
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Roeder, The Censored War, S.
17.
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Gerhard Paul
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The Battle of San Pietro, USA 1944 Mitte 1945 nach massiven Eingriffen der Zensur freigegebene Kriegsfilm von John Huston The Battle of San Pietro schockierende Großaufnahmen von gefallenen Soldaten, die man nach der Schlacht in Säcken gesammelt und auf großen Friedhöfen bestattet hatte149. »Dies war etwas«, so Richard Griffith, »was noch niemals in ähnlicher Weise in einem Film gezeigt worden war150.« Der sowjetische INo, here's how it would happen.< So we did have advisors, but an opposite kind of advisors from the ones you'd normallyget on a miktary film, who will naturally give you what the miUtary wants you to put out80.« —
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Einführung, S. 9. Apocalypse Now Redux, S. 19. Vgl. Sragow, The Sound of Vietnam; vgl. zu situativen Einflüssen auch eine Schlüsselszene der Redux-Version, die Sequenz auf der französischen Plantage, wo übrigens expkzit über »Mentak-
78
Hermann,
79
Zit. nach
811
Medientheoretische und
mentalitätengeschichtliche Probleme
127
Auf diese hier exemplarisch herausgestellten, einigermaßen plausibel lokalisierbaren intentionalen Wirkungselemente wird in einem abschließenden Versuch einer Rückbindung an »Mentalität« Bezug genommen. In unserer Auflistung der Komponenten, die den Bedeutangsaufbau und die Konstellation möglicher filmischer Repräsentationen von filmexternen Größen bedingen und beeinflussen, ist auch der Druck der »äußeren Zwänge« nicht zu vergessen, von dem Coppola anläßlich der Präsentation seiner Redux-Version im Rückblick auf die erste Version sprach. Die erste, bislang wirkungsgeschichtlich relevante Version des Films war beträchtlich durch die konkreten Produktions- und Kapitalverhältnisse und schließlich durch den Markt bedingt: »Wir hatten [...] Angst vor einem finanziellen Desaster, ich hatte alles, was ich besaß, bereits verpfändet, um ein bedrohlich aufklaffendes 16-Millionen-Dollar-Finanzierungsloch zu stopfen. Überdies stellte die Presse andauernd die Frage Apocalypse Wann?. In Anbetracht dieser Problemlage schnitten wir den Film zu einer Kurzfassung zurecht, die dem Geschmack des Massenpublikums wenigstens ansatzweise entgegenkommen sollte81.«
Nach der Aufführung des Films als »work in progress« im Mai 1979 bei den Filmfestspielen in Cannes gab es weitere »previews« in New York, Los Angeles, San Francisco mit unterschiedlichen Schlußszenen, »wobei die geladenen Zuschauer Fragebögen erhielten, in denen sie unter anderem nach dem besseren Ende für Apocalypse Now befragt wurden«82, um die Marktkompatibilität zu ermitteln. Faßt man das zu den Produktionsbedingungen Gesagte zusammen, so kann im konkreten Fall des Films Apocalypse Now nur vordergründig von einer relativ unabhängigen Produktion mit starken Merkmalen eines autordominierten Films (Autor hier gleich Regisseur) gesprochen werden. Es handelt sich dennoch klar um ein erklärtermaßen »künsderisches« Unterfangen, das als solches primär an den Kategorien des filmisch-literarischen Feldes ausgerichtet ist und zumindest in Teilintentionen Mentalitäten und Wirkungen selbst thematisieren will. Die komplexe Quellenproblematik mentalitätengeschichtlicher Ableitungen aus Filmen ist somit evident: Schon in der Voraussetzung, auf der sie letztlich basieren muß, beginnen die methodischen Probleme. Dies zielt zunächst auf den Film als Textur mit der hochkomplexen Intertextaalitätsproblematik, dann auf die allgemeinen und die jeweils konkreten Produktionsbedingungen. Hierbei muß besonders auch auf die Eigengesetzlichkeit der jeweiligen Felder im Sinne Pierre Bourdieus abgehoben werden. Ordnen wir den Film als Textform einem »literarisch-kinematographischen Feld« zu, sind ästhetische, intertextaelle, rhetorische Fragestellungen nach dem Einfluß feldspezifischer Eigengesetzlichkeiten auf die filmische Narration für die Definition und die Bestimmung des konkreten »Quellenwerts« unerläßlich.
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tat« gesprochen wird, die französische nämlich: »Erst unmittelbar vor der Aufnahme der DinerSzene gab Coppola seinen Schauspielern Anweisung, die Dialoge zu improvisieren. Auf diese Weise sollte sich ein sehr realistisch anmutender politischer Disput zwischen Gastgebern und Gästen entwickeln«; Apocalypse Now Redux, S. 9 f. Ebd., S. 4. Hermann, Einführung, S. 9.
Ulrich Fröschle und Helmut Mottel
128
hier nicht getan wird, in seinen externen untersucht werden: die »positiven Zeugen« der Rezeption in Rezeptionskontexten traditioneller Rezeptionsanalyse (Kritiken, Erwähnungen, Verarbeitungen), das jeweilige Bedingungsgefüge für die Rezeption (z.B. auf lokale Märkte spezifiziertes Merchandising, Distributionsverhältnisse, behördhche Einflußnahmen, aber auch die Auswertungen der »previews«) usw. Um zu verläßlichen Daten im Hinbhck auf stichhaltige und nicht tautologische Aussagen über spezifische Mentahtäten zu gelangen, sollte somit jeder einzelne Film detailliert im Sinn einer Fahstadie mit begrenzten und klar definierten Fragestellungen analysiert werden. Dann aber ist dessen Kontextuahsierung zu betreiben, und zwar im Sinne einer datenmäßigen Verdichtung freigelegter serieller Elemente in einem klar umrissenen diachronischen und synchronischen Untersuchungsbereich, dem der spezifische Film zugehört. Schheßhch muß der
jeweilige Film, was
»Apocalypse Now« im Kontext einer Darstellung und Kritik mihtärischer Binnenrationahtät
Wie wären nun nach den bislang geleisteten, gleichwohl nur einen Ausschnitt büdenden Analysen »historiographische« Aussagen bezüghch dieses Films zu treffen? Sicher sind hier letztlich auf Mentahtäten zielende Analysen wie John Hellmanns Freilegung der narrativen, in der US-amerikanischen Tradition bereitgestellten Architexte in The Deer Hunter und Apocalypse Now zu nennen, womit er auf den Modus operandi dieser Filme abhob und angedeutet hat, wie von der Machart der filmischen Artefakte plausibel auf kulturell spezifische Prägungsformen und deren sozialpsychologische Funktionen geschlossen werden kann auch wenn dies dort nicht systematisch durchgeführt wurde. Der »BTriegsfilm« Apocalypse Now ist aber nicht nur als Artefakt dem Modus operandi nach für Mentalitätsanalysen interessant. Er ist auch auf der thematischen, den »Inhalt« repräsentierenden Ebene durchaus geeignet, mentale Vorgänge und Mentahtätenbüdungen einsichtig zu machen. Diesen lassen sich wiederum konkret Intentionen aus der Komplexität des Produktionszusammenhangs heraus zuordnen bzw. realhistorische Parallelen zuweisen, auch dann, wenn der Film als »literarische« Experimentalanordnung begriffen wird. Wh wollen unsere Überlegungen nun exemplarisch mit der Interpretation einer Mentalitäten-Darstellung in Apocalypse Now abschheßen, die von der üblichen Fixierung auf die US-amerikanische Gesehschaft wegführt und in einem weiteren Bezugsfeld historisch-anthropologisch zu sehen ist. Dabei knüpfen wir an die vorigen Befunde an, insbesondere an unseren Versuch, intentionale Wirkungselemente in der Kollektivproduktion des Films freizulegen; die im Rahmen dieses Aufsatzes nicht behandelten Analyseberichte (Rezeption etc.) sind für die folgende Lesart zunächst weniger relevant. Wenn wir davon ausgehen, daß es auch eng eingrenzbare, auf einzelne Gruppen bezogene institutionell abgestützte Kultaralisationsformen gibt, die man als spezifische »Mentahtäten« bezeichnen könnte zu denken wäre an die national —
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Medientheoretische und
mentalitätengeschichtliche Probleme
129
spezifisch scheinende deutsche »Auftragstaktik« im militärischen Bereich
oder das Institut des »Facharbeiters«, die konkrete Verhaltensweisen ausbilden, fördern und einüben83 -, ließe sich hier die Frage aufwerfen, ob man nicht auch von (kultur)übergreifenden »Berufsmentalitäten« sprechen kann. Liest man mit der hypothetischen Annahme, es gäbe eine solche »Militärmentalität«, den filmischen Text von Apocalypse Now, so erscheint er als Eskalationsgeschichte einer sich exklusiv setzenden militärischen Binnenrationalität, wie man sie auch aus anderen medialen Verhandlungen des Militärischen kennt. Wenn in der Literatur etwa Herman Wouk in seinem Roman »The Caine Mutinity« detailliert die Entstehung einer Führungskrise auf einem Kriegsschiff beschreibt, die bis zur Meuterei eskaliert84, dann kann man die Kerngeschichte von Coppolas Film, nämlich die Abkoppelung des Colonel Kurtz von seinem militärisch-politischen Umfeld und die faktische Gründung eines Partisanen-Staats, auch als Darstellung einer ähnlich einschlägigen sowohl militärpolitischen als auch Problemkonstellation lesen, wie sie historisch mehrfach militärpsychologischen wirksam geworden ist: Es geht hier um den in der Literatur topischen Zwiespalt bzw. Gegensatz zwischen Kampftruppe und rückwärtigen Stabs- und Versorgungseinheiten, zwischen »Frontschwein« und »Etappenhengst«, der letztlich in den unterschiedlichen Rationalitäten militärischer und politischer Logik gipfelt. Eine solche Konstellation findet man in paradigmatischer Ausprägung bereits in der deutschen Frontsoldatenliteratar der zwanziger Jahre, dort kulminierte sie in einer konsequenten, radikalen Politisierung des Fronterlebnisses, symptomatisch etwa in Theoremen wie Helmut Frankes »Staat der Frontsoldaten«: Zielte dieses deutsche Konzept als Teil einer »Kultur der Niederlage« nach dem Ersten Weltkrieg auf eine Militarisierung des politischen Umfelds bzw. eine »totale Mobilmachung« der gesamten Gesellschaft, um in erwarteten künftigen Kriegen siegen zu können85, spielt Coppolas Film diese Konstellation gleichsam als Robinsonade auf einer fernen, dystopischen »Insel Felsenburg« durch. Colonel Walter Kurtz als »Third-generation Westpoint« ein patriotischer, vorbildlicher Amerikaner und erfolgreicher Karrieresoldat mit besten Zeugnissen, dabei als völliges Gegenteil eines kalten Ehrgeizlings gezeichnet, drängt sich aus der sicheren höheren Stabslaufbahn heraus zu härtestem Einsatz, dem Partisanenkrieg der Special Forces. Auch hier erzielt er nach kürzester Zeit außergewöhnliche Erfolge mit einheimischen Kräften, die er ausbildet und führt; sein letzter Stütz—
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84
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Zur dezentralen Auftragstaktik in der Kombination mit zentralem Generalstab, der Tradierung und dem Niederschlag in der Realhistorie siehe Dupuy, A Genius for War; Creveld, Fighting Power; Oetting, Auftragstaktik; Führungsdenken in europäischen und nordamerikanischen Streitkräften. Zum Facharbeiter siehe Ebert, Zur Entstehung der Kategorie Facharbeiter; Hoffmann, Facharbeiter. Siehe Wouk, The Caine Mutinity; unter dem Titel Die Caine war ihr Schicksal (The Caine Mutinity, R: Eduard Dmytryk, USA 1954) mit Humphrey Bogart, Jose Ferrer und Van Johnson in den Hauptrollen verfilmt (Drehbuch: Stanley Roberts). Siehe dazu Schivelbusch, Die Kultur der Niederlage; zur beispielhaften Politisierung des Kriegserlebnisses bei Ernst Jünger vgl. Fröschle, Die »Front der Unzerstörten« und der »Pazifismus«.
Ulrich Fröschle und Helmut Mortel
130
punkt,
von
dem
aus er
agiert, hegt
offensichthch als »border camp«
grenznah
zu
Kambodscha; hier koppelt er sich von der US-amerikanischen Befehlshierarchie ab
und führt seinen eigenen Krieg. Dies erfährt der Betrachter des Films allmählich im Zuge der langen Annäherung des Protagonisten Willard an Colonel Kurtz; doch was wird ihm noch über dieses Ziel mitgeteilt? Tatsächhch ist nach den ersten Darlegungen durch Willards Auftraggeber, den General und den CIA-Agenten in Saigon, der innere Monolog des Protagonisten, des Voice-Off-Erzählers, die Hauptinformationsquehe zu Kurtz. Genau besehen kommentiert Willard aus der Lektüre der mitgeführten Dokumente, wie der Zuschauer sieht die Laufbahn des Colonels affirmativ, d.h. er baut gegen die Perspektive und Legimationsstrategie, die Kurtz später im Film entfalten wird, keine eigene Position auf, etwa die seiner Auftraggeber oder die einer übergeordneten Moral: »Kurtz führte die Operation Erzengel mit zusammengefaßten örthchen Kräften durch«, hören wir so. »Seine Aktion war überaus erfolgreich. Er hat [...] keinerlei offizielle Anweisung dafür erhalten, er hat einfach drüber nachgedacht und gehandelt. Ziemhch schneidig86.« Nach der Playmate-Episode vergleicht Willard die US-Kriegführung mit der »Charhes«, der Nordvietnamesen und des Vietcong, und wertet sogar exphzit: —
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[den Vietcong] gab es nur zwei Wege, die nach Hause führten: Tod oder Sieg [...]. Kein Wunder, daß Kurtz den Kommandeur-Ärschen ziemKch eingeheizt hat. [...] Der Krieg wurde von einem Haufen von Vier-Sterne-Clowns abgewickelt, die schheß»Für ihn
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üch den ganzen Zirkus
aufgaben87.«
Endlich faßt Willards innerer
den eigenthchen Anlaß seines LiquiKurtz' Nachdem dierungs-Auftrags Spähtrupps immer wieder überfallen worden waren, hatte dieser auf Verrat geschlossen und vier Vietnamesen seines Teams, darunter zwei Obristen der mit den USA verbündeten südvietnamesischen Armee, töten lassen: »Sämtliche Feindaktivitäten in seinem Gebiet hörten praktisch mit einem Schlag auf [...]. Vermuthch hat er die richtigen vier Leute getroffen.« Nicht diese Maßnahme führte aber zu Willards Auftrag, denn, so der innere Monolog weiter, das Truppenkommando hatte nochmals versucht, ihn wieder der Befehlshierarchie zu unterstellen: »Hätte er seine Bereitschaft erklärt, wäre alles vergessen gewesen [...]. Aber er hat nicht aufgegeben, [...] und auf seine Art gewonnen88.« Später verliest die Off-Stimme Wihards die briefliche Rechtfertigung des Colonel Kurtz seinem Sohn gegenüber, die mit der Erklärung des »liebende^] Vaters« endet: »Ich bin jenseits ihrer falschen, verlogenen Moralität f...]89.« Weiteres Gewicht erhält diese Wertung der Persönhchkeit Kurtz' durch die per Melder überbrachte Mitteilung, daß Willard ein Vorgänger mit demselben Auftrag vorangegangen, dabei jedoch abtrünnig geworden war und sich Kurtz Partisanenstaat angeschlossen hatte90.
Monolog noch
zusammen:
86
Coppola/Hermann, Transcript, EinsteUungen Nr. 464-468; vgl.
auch
453-460. 87 88 89 »
EinsteUungen
Ebd., EinsteUungen Nr. 563 567. Ebd., EinsteUungen Nr. 591 599; vgl. weiter EinsteUungen Nr. 612 622. Ebd., EinsteUungen Nr. 612 622. Ebd., EinsteUungen Nr. 806 808. -
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Nr. 130-138,
Medientheoretische und
mentalitätengeschichtliche Probleme
131
Auf die zentrale Rolle dieser Voice-Over-Stimme für den narrativen Bedeuund die Rezeptionslenkung ist immer wieder hingewiesen worden: Willards innerer Monolog gibt eine rezeptionsleitende Interpretationsrichtang im Film selbst vor. In unserem Zusammenhang liegt die Pointe darin, daß dieser innere Monolog nun eben von Michael Herr über das filmische Material, nach dessen Produktion, geschrieben wurde. Mit ihm steht ein Autor am Schluß einer langen Kette der Kollektivproduktion nach seinen »Dispatches« als Inspirationsquelle für Milius dessen Filmskript, dann die Weiter- und Überschreibungen dieses Drehbuchs sowie schließlich der theatralische, gespielte Text auf den Filmen mitsamt den Einflüssen auch der »real-life Captain Willards« —, der als einziger der maßgeblichen Ko-Autoren den Krieg und die soldatische Perspektive aus eigener Erfahrung kannte:
tangsaufbau
—
in effect, wrote all of the narration during the film's long postproduction locate as well as articulate the film's ethical positions only after Coppola returtrying ned from the Philippines to California with his endless footage only throws into relief the fact that he was apparently the only creative person working on the project who had had any experience in Vietnam. Literary or not, Herr's hyperbolic prose, here and in Dispatches, may be the best writing we have about American combat in Vietnam91.«
»That he
-
to
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Ihm wuchs eine abschließende Verfügung über die narrative Gestaltung und semantische Organisation des Films zu, wodurch unsere Lesart durch die plausibel zu unterstellenden Intentionen Herrs als einem wesentlichen Teil der Produktionsgemeinschaft gestützt wird. Herrs die Produktion abschließende und bündelnde Textbearbeitang verstärkt über dem intertextaell aufgeladenen, an Joseph Conrad orientierten und mythisierenden Geflecht des Films zum Schluß wieder eine am Krieg ausgerichtete Folie durch seine von eigener Erfahrung eingefärbte Schreibweise: die Dichotomie zwischen Frontsoldat, mit dem Herr sympathisiert, es ist dies und Etappe, zwischen Verheizten und Verheizern als roter Faden der war »verlorenen Generation« des sie im Perspektive Vietnam-Kriegs; übrigen schon in Milius' Skript ebenso angelegt, wie sie von Coppola und Brando in der Rollengestaltang intensiv diskutiert wurde92. Daß dies keine Überinterpretation darstellt, wird durch die schiere Existenz einer ganzen Literatur belegt, deren Thema nicht nur in den USA jener Konflikt zwischen militärischer und politischer Rationalität bildete: Bücher wie der übrigens 1966 in den USA verfilmte Kriegsroman »Les Centurions« (1960) von Jean Larteguy über den französischen Indochina- und Algerienkrieg führen uns nicht nur —
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Now and Then; er verweist übrigens auf den »neo-Wellesian sense of expressionist rhetoric« von Coppolas Film und Orson Welles Einfluß, der selbst Conrads Roman hatte verfilmen wollen »with an experimental use of a subjective camera to represent the viewpoint of Marlow«. Vgl. dazu Ringnalda, Unlearning to Remember Vietnam, S. 70 f., der Apocalypse Now als »Coppola s blend of satire and Lurpism« deutet. Mit »Lurpism« ist die »Mentalität« der Lurps, der Long Range Reconnaissance Patrols, gemeint: »Someone once said that in Vietnam a grunt learned to live in the bush; a LURP learned to be a bush«, ebd., S. 71. Zur Diskussion Coppolas mit Marlon Brando um dessen Rollengestaltung vgl. Cowie, The Apocalypse Now Book, S. 24 29.
Rosenbaum,
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Ulrich Fröschle und Helmut Mortel
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direkt nach Kurtz93.
Vietnam,
sondern auch in die Problemkonstellation
um
Colonel
Larteguys junge Fallschirmjägeroffiziere geraten mit der Niederlage gegen die »Viet Minh« in deren Gefangenschaft, wo sie in Umerziehungslagern die Denkweise verstehen lernen, die jener erfolgreichen, der französischen überlegenen revolutionären Kriegführung zugrunde lag so inszeniert es Larteguys Roman. Nach ihrer Entlassung aus den vietnamesischen Lagern wenden diese Offiziere um zum Ted unter bewußter, forcierter Verdrängung ihrer »Colonel Raspeguy« Skrupel diese »Einsichten« gegen die algerische Untergrundarmee, im Algerienkrieg also, an. Die dortige Konstellation ähnelt in der Textwelt des Romans aus der Sicht der militärischen Protagonisten der des französischen Indochinakriegs, nur daß die kleine, sich auch von der militärischen Umwelt abschottende Spezialeinheit im Ehteverband der französischen Paras nun die »Lehren« der revolutionären Kriegführung bis hin zur Folter gefangener Feinde anwendet und damit den Krieg gegen die algerische Untergrundarmee, so der Roman, mehr oder weniger gewinnt. Was dann folgt, ist der »Verrat« durch die Politik und Mihtärführung, Charles de Gaulles politisches Einlenken in eine schrittweise Unabhängigkeit Algeriens. Im Textaniversum sind diese Konstellationen und Entwicklungen durch einen zweiten Roman Larteguys dargesteht, der aus den »Zentarionen« die »Prätorianer« werden läßt, die versuchen, den »untreuen« politischen Führer de Gaulle zu stürzen. Der Folgeroman befaßt sich folgerichtig mit dem Versuch, selbst durch eine terroristische Untergrundarmee nach einem gescheiterten Putsch eine Art von »revolutionärer Situation« zu erzeugen. Der realhistorische Kern dieser Romanfolge ist die Geschichte des 1er Régiment Etrangère Parachutiste, das zum Kern eines Putschversuchs französischer Generäle und in der Folge aufgelöst wurde, sowie die Geschehnisse um die terroristische Organisation OAS94. Einem ähnhchen Strickmuster folgt die romanhafte Epi s o den Sammlung des US-amerikanischen Journalisten Robin Moore über die Special Forces in Vietnam, die unter dem Titel »The Green Devils« (1965) als »ein wahres Buch« beansprucht, »die Geschichte der Special Forces« zu erzählen95. Der Protagonist der ersten Episode dieses Buchs heißt »Steve Kornie« »eigentlich hieß er mit Taufname Sven«96; er baut ein »border camp« an der Grenze zu Laos auf, wo er mit einheimi-
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93
94
Siehe Larteguy, Les Centurions; Ders., Les Prétoriens; er pubkzierte auch einen Roman über das französische Expeditionskorps im Koreakrieg unter dem Titel »Les Mercenaires«, Paris 1960. »Les Centurions« wurde verfilmt mit Anthony Quinn, George Segal, Alain Delon, Jacques Marin, Claudia Cardinale, Michèle Morgan u.a. unter dem Titel Sie fürchten weder Tod noch Teufel (The Lost Command, R: Mark Robson, USA 1966). Dies führt dazu, daß die Fremdenlegion noch heute nur ein 2e R.E.P. hat; aus dem 1er R.E.P. ging übrigens auch Jean-Marie LePen hervor. Eine subjektive Innensicht dieser Entwicklungen bietet u.a. die Autobiographie von Saint Marc, Asche und Glut. Vgl. Moore, Die grünen Teufel, S. 7, 17. Das Buch diente dem 1968 unter demselbenderTitel von als ReRay KeUog unter der Regie von John Wayne verfilmten Streifen als Vorlage. Moore, porter einige miktärische Lehrgänge durchkef und die Truppe in Vietnam begleitete, ist übrigens auch Ko-Autor des Liedes der Special Forces »The BaUad of the Green Berets« (1966). Moore, Die grünen Teufel, S. 24. —
93
96
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mentalitätengeschichtliche Probleme
133
sehen Bergstämmen, die von ihm ausgebildet werden und auf ihn eingeschworen sind, einen unkonventionellen, erfolgreichen Kleinkrieg gegen den Vietcong führt und deswegen immer wieder Arger mit vorgesetzten Stäben der konventionellen Truppe bekommt. Die Ähnlichkeit der filmischen Konstellation um Colonel Kurtz mit der um Colonel Kornie in Robin Moores Roman fällt ins Auge. Moores Romanfigur hat überdies eine Entsprechung in der Realgeschichte: Als Vorbild diente der nach dem »Lodge Act« von 1951 unter dem Namen Larry Thorne in die USArmy eingetretene und von den Special Forces rekrutierte Finne Lauri Allan Törni (1919-1965), der zuvor in der finnischen Armee gegen die Sowjets gekämpft und eine Offiziersausbildung bei der Waffen-SS erhalten hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er am Ende einer abenteuerlichen Odyssee durch verschiedene Lager und Gefängnisse in die USA einwandern, wo er 1954 in die US-Army unter seinem neuen Namen eintrat. Thorne führte in Tinh Bien im Mekong-Delta das Camp seines Teams A-743 der 7th Special Forces Group, ein »border camp«, und war dann maßgeblich an der Entwicklung grenzüberschreitender Einsätze beteiligt, um der Nordvietnamesischen Volksarmee und dem Vietcong die Nachschubwege auch in Laos und Kambodscha abzuschneiden. Bei einem Hubschrauberabstarz während eines solchen geheimen Einsatzes in Laos verschwand er 1965 spurlos. Eine weitere, überdies im Kontext der Filmproduktion explizit genannte realhistorische Vorbildfigur, an der sich vor allem Marlon Brando in seiner Rolle orientieren wollte, bildete der Kommandeur der 5th Special Forces Group in Vietnam, Colonel Robert Rheault, der 1969 wegen der Exekution eines Vietcongspions vorübergehend angeklagt worden war97. Der untersuchte Film ist also, um ein Fazit zu diesem hier exemplarisch behandelten Aspekt zu ziehen, nicht nur mit einer Veteranenliteratar, sondern auch mit realhistorischen Konstellationen vielfach vernetzt; die von uns als Beispiel hervorgehobenen intentionalen Einflüsse im Produktionskollektiv können im Zusammenspiel mit der narrativen Konstruktion plausibel als Erklärung für die Anlage identifikatorischer Lesarten der so entfalteten militärpsychologischen Problematik im Film herangezogen werden eine Problematik, die starke Indizien für eine Verankerung in einer spezifischen Berufsmentalität aufweist, wie die weiteren filmexternen Uterarischen und realhistorischen Beispiele aus verschiedenen Kontexten zeigen sollten. Gleichwohl werden durch die feldspezifischen Intentionen, die vor allem der Regisseur mit Rücksicht auf den Markt und sein künstlerisches Profil in den Film einbringt, Ambivalenzen eher verstärkt als abgeschwächt und so die identifikatorischen Lesarten kritisch durchkreuzt oder sogar aufgehoben. —
97
Siehe Gill III, Soldier under Three Flags; zum militärhistorischen Zusammenhang siehe Shultz jr., The Secret War against Hanoi. Zu Rheault als Vorbild für Kurtz vgl. Cowie, The Apocalypse Now Book, S. 25 f, 142.
Ulrich Fröschle und Helmut Mottel
134
Zusammenfassung Kehrt man nach dem von uns entwickelten Argumentationskomplex zu der Frage nach dem Stellenwert von Filmen als Quellen für die historische Forschung zurück, so kann abschheßend bemerkt werden, daß die erzählte oder auch dokumentierte innere Welt des Films immer kategorial von der historischen Welt geschieden bleibt. Geht man von konstruktivistischen Prämissen aus, so muß von einer narrativen Konstruktion innerhalb einer vorgängigen gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit gesprochen werden. Dieser Uneigentlichkeit der filmischen Narration haben wir durch die Problematisierung der Konzepte Medialität und Mentahtät Rechnung zu tragen versucht und deren Vermittlung auf sechs Fragekomplexe hin konkretisiert: die narrative Erzeugungslogik von Filmen, die Konditionierung des Kognitionsapparats der Rezipienten, den Einfluß der agglomerativen Struktur der Mediensysteme auf Mentahtäten, Seriahtät, Literarizität/Intertextuahtät und Geschichtspolitik. Am Fallbeispiel von Francis Ford Coppolas Apocalypse Now wurde dann exemplarisch die Leistungsfähigkeit dreier eng miteinander verzahnter Untersuchungskategorien für die Rekonstruktion des Transports und der Darstellung von Mentahtäten untersucht. Die aus der Struktur des zeitgenössischen Mediensystems sich ableitende Produktionslogik cineastischer Artefakte, so haben wir gesehen, unterläuft einerseits Vorstellungen von einer einsinnigen autorintentionalen Wirkungsästhetik des Films. Godards Aperçu, daß der Film zu Ende sei, wenn das Geld zu Ende ist, charakterisiert den Film nicht ahein als das kapitalistische Medium schlechthin. Andererseits ist man zur Rekonstruktion einer wie auch immer stattgehabten Intention und Realisation von Mentalitätsprägung dazu gezwungen, neben dem Rückgriff auf »positive Zeugen« in traditioneller Rezeptionsanalyse und dem Einbeziehen des jeweihgen Bedingungsgefüges der Rezeption eben auch den Versuch zu unternehmen, die intentionale Gemengelage des Produktionskollektivs zu analysieren. Um zu verläßhchen Daten im Flinblick auf stichhaltige und nicht tautologische Aussagen über spezifische Mentahtäten zu gelangen, muß somit jeder einzelne Film detailliert im Sinn einer Fahstadie analysiert werden. Die Untersuchung von Intertextaalität und Literarizität hefert für die Mentalitätendarstehung und -transport im Kontext des Films Apocalyse Now präzise und objektivierbare Daten. Dies scheint freilich nur dann paradox, wenn man die landläufige Meinung teilt, daß spezifisch ästhetische Redeformen und Büdarsenale einen weiten, intersubjektiven Urteüen unzugänglichen Konnotationsraum eröffneten. Die Analyse des hier untersuchten Films hat demgegenüber zeigen können, daß Topiken der literalen und kulturellen Tradition auf Grund früher erfolgter Aktualisierungen, die standardisierend wirken, präzise ineinandergreifen und auf diese Weise diskursive Isotopien erzeugen, die als Interpretanden und Prägeinstanzen von Mentahtäten füngieren können, was im einzelnen noch weiter auszuführen
wäre.
Integriert man schheßhch den filmischen Text in eine Serie intermedialer Bearbeitungen einer bestimmten Mentahtätsstruktar, beispielsweise in eine Reihe von
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mentalitätengeschichtliche Probleme
135
Veteranenromanen, die eine eigentümlich militärische Handlungsrationalität darzu-
stellen bzw. zu legitimieren suchen, so treten die spezifischen Leistungen eines Artefakts in der Politik der Mentalitäten besonders prägnant hervor. Werden in Apocalypse Now dem Rezipienten aus der intentionalen Gemengelage heraus einerseits polyperspektivische Blicke auf die Mentalität des Berufsmilitärs und Eliteverbands geboten, so hat der Film in seiner von Regisseur und Cutter produzierten Spielfassung doch auch eine eindeutig rnilitärkritische Komponente, die der soldatischen Veteranenliteratur letztlich fremd bleibt. Für das eingangs ausgemachte Spannungsverhältnis von Beschleunigung durch die immer weitergehende mediale Durchdringung unserer Gesellschaft auf der einen und einer auf lange Dauer abzielenden Politik der Mentalitäten auf der anderen Seite macht die Untersuchung zumindest für die audio-visuellen Medien daß das deutlich, kinematographische Bildgedächtnis selbst bereits langdauernde Strukturen auszubilden beginnt. Für eine Nutzung des Mediums Film als historische Quelle ist also eine filmphilologische Quellenkritik unabdingbar. —
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Ulrich Fröschle, M.A., geb. 1963, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germarnstik, Lehrstuhl für Neuere deutsche Iiteratur, Technische Universität Dresden
E-Mail:
[email protected]
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Herr)
Coppola (Innerer Monolog Wihard:
Michael
Vittorio Storaro BA: John La Sandra, Dean Tavoularis M: Carmine und Francis Ford Coppola P: Francis Coppola (Omni Zoetrope, Columbia, Warner, EMI) L: 153 min UA: 19.5.1979 (Cannes) DE: 5.10.1979 (München) D: Martin Sheen, Robert Duvall, Frederic Forrest, Marlon Brando, Sam Bottoms, Dennis Hopper, Larry Fishburne u.a. APOCALYPSE NOW REDUX
USA 2001 R: B: K:
s.o.
BA:
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M: P: L:
s.o.
UA: DE: D:
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Francis Ford Coppola, Kirn Aubry 203 min 11.5.2001 (Cannes) 30.9.2001 (Hamburg) s.o.; Christian Marquand, Aurore Clément u.a.
Clemens Schwender
Bausteine zu einem evolutionspsychologischen Verständnis
von
Kriegsfilmen
ist die Anwendung der Evolutionstheorie von Charles Darwin auf das Gehirn und seine Funktionsweisen. Diese Theorie ist relativ jung; sie hat sich erst in den achtziger Jahren um das Forscherehepaar Leda Cosmides und John Tooby entwickelt. Forschungsfragen drehen sich um Denkweisen und Strategien, die sich im Laufe der menschhchen Entwicklung herausgebildet haben. Im Zusammenhang mit Medienwahrnehmung ist eine Frage relevant, die hier im Lichte der Evolutionspsychologie näher betrachtet werden soll: Warum denken wir nach über Dinge, die es gar nicht gibt? Wozu ist Imagination gut? Welchen evolutionären Vorteü hat diese Hirntätigkeit? Dabei steht der Kriegs film nicht immer im Zentrum der Betrachtung, geht es doch hier darum, die prinzipiellen Verarbeitungsweisen bei der Medienrezeption zu diskutieren.
Evolutionspsychologie
Denken als Probehandeln Ein wichtiger Ted unseres Denkens, das heißt der bewußten Tätigkeit des Gehirns, ist (audio-visuelles) Probehandeln. Wenn wir jedes Mal, wenn wir eine Entscheidung zu treffen haben, in tiefes Nachsinnen über diese verfallen würden, wären wir in unseren Handlungen stark eingeschränkt. Darum stehen wir uns immer wieder konkrete Situationen vor und gehen sie im Geiste durch. Wh variieren Detaüs und treffen probeweise Entscheidungen, um auch deren Konsequenzen durchzuspielen. Mentales Probehandeln ist somit ein Ausgleich für zeitaufwendige Entscheidungsfreiheit. Wh überlegen uns vorher, wie die Dinge laufen könnten, um dann, wenn vergleichbare Situationen eintreten, auf Entscheidungen schneller vorbereitet zu sein. »Was-wäre-wenn«-Gedanken sind in ausgeprägter Form beim Schach anzutreffen. Hier ist es vorteilhaft, nicht nur die Regeln und die Strategien zu beherrschen, sondern auch ein großes Wissen von Situationen anzusammeln, die so oder so ähnlich schon einmal vorhanden waren. Gute Schachspieler und große Schachcomputer verfügen über ein derartiges Repertoire von Konstellationen und deren Konsequenzen, und Fiktion ist eben nichts anderes als das imaginierte Durchspielen von Konstellationen und deren Konsequenzen. Allgemein läßt sich sagen,
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daß Probehandeln dort Sinn macht, wo Strategien und Taktiken getestet werden. Wir denken über Dinge nach, für die es keine festen Reiz-Reaktions-Mechanismen gibt. Das betrifft in erster Linie soziale Konstellationen. Da Vorstellungen auch verbal (gleichgültig ob Schrift oder Sprache) und durch Bilder (statische oder bewegte) ausgelöst werden können, kann man Literatur und Film als besondere Medien von Sozialität und Gesellschaft betrachten, die Vorschläge machen für die Beschäftigung mit Möglichkeiten. Dabei gibt es kaum Grenzen. Verstöße gegen die Schwerkraft »Superman«, der aus eigener Kraft oder die der Hauptsätze gegen fliegt Thermodynamik werden ebenso hingenommen wie das Ignorieren biologischer Möglichkeiten (sprechende Tiere, oder sozialer Unwahrscheinlichkeiten (jemand verschenkt Männer) schwangere eine Million Dollar), Reisen in die Vergangenheit oder in die Zukunft »Raumschiff Enterprise« —, das verletzungsfreie Überstehen von Unfällen oder Verwundungen, auch das äußerst unwahrscheinliche Zusammentreffen verschiedener Umstände (jemand fällt aus dem Fenster, und in diesem Moment fährt ein Heuwagen vorbei). Insofern haben mediale und fiktionale Darstellungen nichts mit Realität zu tun, wohl aber mit Denken als Probehandlung. In diesem Sinne sind Filme Gedankenexperimente im Sinne audio-visueller Vorstellungen, nicht Wahrnehmungen. Phantasie ist die zugelassene Aufhebung des Zweifels und das Hingeben an die Vorstellungen beim Probehandeln. Die Aufgabe, Aktuelles, Vergangenes und Zukünftiges, aber auch Unwahrscheinliches und Unmögliches auseinander zu halten, stellt sich beim Denken als Probehandeln nicht. Die Reflexivität hat geradezu die Aufgabe, probeweise unterschiedliche Variationen durchzuspielen. Vergangene Ereignisse werden nicht nur erinnert, sondern auch gedanklich variiert, um aus den Fehlern optimalere Verhaltensoptionen für zukünftige Ereignisse abzuleiten. Zukünftige Ereignisse werden durchgespielt, um auf verschiedene Möglichkeiten vorbereitet zu sein und Handlungen bei Bedarf ohne erneute komplexe Überlegungen und Abwägungen ausführen zu können. Die Inhalte des Denkens als Probehandlung sind vorrangig beeinflußt durch evolutionär bestimmte Inhalte: Wie finde und halte ich Geschlechtspartner? Wie finde und halte ich Kooperationspartner? Wie stelle ich mich positiv' dar? Woran erkenne ich Betrüger? Wie werde ich Rivalen los? Wie hüte ich mich vor Schaden? Wie schütze ich meine Lieben und meine Nachkommen? Tagtraum, Nachttraum, Phantasie und Denken als Probehandeln haben mit Medienwahrnehmung eines gemeinsam: Es sind Repräsentationen von Vorstellungen. Ein Mißverständnis in Bezug auf audio-visuelle Medien besteht in der Zwitterstellung, einerseits tatsächliches Wahrnehmungsereignis zu sein, anderseits aber die Phantasie und die Vorstellung zu bedienen. —
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Wenn es die Aufgabe des Auges ist, Wichtiges zu sehen, so ist es die Aufgabe des Gehirns, Wichtiges zu denken; das schheßt Problemlösung, adäquates Nachdenken und das Treffen von Entscheidungen ein.
Geschichte und Geschichten was wir heute unter Geschichte verstehen nämhch die Aufzeichnung tatsächlicher Ereignisse ist relativ modern. Bis zum Spätmittelalter und zur Renaissance machte man im Grunde keinen Unterschied zwischen Geschichte und Geschichten, und die Sprache reflektiert noch immer diesen Umstand. Die Begriffe in den modernen Sprachen sind noch identisch oder haben erkennbar denselben Ursprung: im Enghschen »story« und »history«, das französische »histoire«, im Deutschen »Geschichten« und »Geschichte«. In der Antike entstand Geschichtsschreibung mit Thukydides und Herodot im 5. Jahrhundert vor Christus. Man fragte nach Gründen von Geschehenem und entwickelte Glaubwürdigkeitskriterien und Quellenkritik. Damit grenzte man sich zwar gegen den Mythos ab, das Interesse war nichtsdestoweniger stark hterarisch, rhetorisch und nicht zuletzt parteüsch motiviert. Das Mittelalter war im Selbstverständnis der Chronisten vom Dualismus zwischen der ewigen (Heils-)Geschichte und der vergänghchen und profanen Geschichte beeinflußt. Die Geschichtsschreibung dieser Zeit fand ausschheßhch im christlichen Interpretationsrahmen statt, wobei die wichtigste Quelle die Bibel darstellte. Man suchte nach dem historischen Sinn der Bibelstehen:
Das,
-
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»Wie in anderen Epochen erfüllte auch die mittelalterliche Historiographie bestimmte Zwecke. Unübersehbar ist ihre Bedeutung zur Unterstützung von Herrschaftskonzeptionen und -traditionen, als Propaganda und als offizielle Historiographie1.«
Erst der Humanismus hinterfragte die mittelalterliche Geschichtsschreibung grundlegend. Vor allem die Methoden verfeinerten sich, und eine Text- und Quellenkritik setzte ein. Nicht alles, was schrifthch niedergelegt worden war, stellte sich als wahr heraus. Mittels kritischer Methoden konnten so Fälschungen wie die »Konstantinische Schenkung« endarvt werden. Dennoch ist auch in dieser Zeit die Beschreibung der Ereignisse interessegeleitet: »Den Humanisten gilt die Historie als besonders geeignet zum Kernstück ihrer Bilder Einheit von ethisch-praktischer und ästhetischer Bildung beizuIndem ebenso sie tragen: Beispiele für gutes wie schlechtes oder richtiges und falsches Handeln wie Muster zur Erlernung eines schönen sprachHchen Stils aufstellt [...]. Ganz entsprechend dient die Historie den Aufklärern dazu, die Prinzipien der Vernunft zu
dungskonzeption,
exempHfizieren2.«
Wenn die Lehre zu
aus
der Geschichte das zentrale Moment ist, sich mit Geschichte
beschäftigen, dann ist es unwichtig, ob wir uns mit König Artus, mit der Bibel, Simon, Historiographie, S. 55. Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus, S. 41.
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mit der Geschichte der Arbeiterbewegung oder mit der Geschichte des Nationalsozialismus befassen. Das Authentische und Tatsächliche erhebt allerdings einen größeren Anspruch auf Lehrsamkeit, da es nicht das Ergebnis eines Gedankenexperimentes ist, sondern auf Erfahrung beruht. Geschichte als real durchgeführtes Experiment ist zu verstehen als ein Ergebnis unter besonderen Anfangs- und Randbedingungen. Damit scheint es wiederholbar und ist so objektivierbar. Man kann valide Lehren ziehen. Geschichtswissenschaft ist bemüht, Geschichte zu erfassen, das heißt Motivationen, Strategien und Taktiken zu verstehen. Begreift man die Zusammenhänge, begreift man die dahinter vermutete Logik. Beim Vorgang des Verstehens spielt der Unterschied zwischen Geschichte und Geschichten jedoch eine untergeordnete Rolle. Auch Geschichte wird im wesentlichen emotional erfahren. Das medial vorgeführte erfolgreiche wie mißlungene Plandeln unterliegt der ästhetischen Begutachtung. Je nach Standpunkt und Interesse dient es als Grundlage für eigene Handlungen oder Positionierungen. Jeder entscheidet, auf welcher Seite er steht. Ohne Emotion gibt es kein Werturteil, und dieses ist Teil der Geschichtsschreibung. Da es kaum persönliche Überprüfbarkeit der medial präsentierten Behauptungen gibt, unterliegen Geschichtsschreiber der gleichen Problematik wie die vormedialen Übermittler von Klatsch und Tratsch. Beide sind bei ihren Berichten abhängig von den gleichen Glaubwürdigkeitskriterien: Warum erzählen oder berichten sie über Ereignisse? Was sind ihre Interessen? Was ist ihre gesellschaftliche Position? Wie ist ihre wirtschaftliche Situation? Wer ist Adressat der Geschichte? Auch Abhängigkeiten sind zu bedenken. Nichtfiktionale Geschichte unterliegt den gleichen Kriterien wie die Einschätzung des Wahrheitsgehaltes von Klatsch und Tratsch. Interessegeleitetes Berichten gibt es hier wie da. Was Geschichte und Geschichten gemeinsam haben, ist ihre narrative Struktur. Mark Johnson hat diese in seiner philosophischen Betrachtung »Moral Imagination«3 beschrieben. Seine Betrachtung ist eine Untersuchung zur Funktion des Narrativen bei der Entstehung von Moral. Geschichten müssen im Gegensatz zu bloßen ästhetischen Statements einige strukturelle Bedingungen erfüllen, damit man sie als moralische Instrumente einsetzen kann. Die einfachste Bedingung ist, daß eine Geschichte einen Anfang, eine Mitte und ein Ende braucht. Der Anfang ist gegeben durch die Exposition, in der Zeit, Ort und Umstände des Geschehens eingeführt werden. Dieses »Setting« legt das mentale Skript fest, in dessen Rahmen sich die Geschichte entfaltet. Jede Zeit und jeder Ort hat eigene Regeln: das viktorianische Dublin andere als San Francisco im Jahre 1968; Berlin im November 1989 eröffnet andere Erwartungen als Berlin in den Zwanzigern. Bisweilen sind Orte mit Ereignissen eng verbunden und setzen damit eindeutige Rahmenbedingungen: Verdun, Stalingrad, Vietnam. Wir erwarten jeweils andere Werte, Entscheidungsbegründungen und moralische Prinzipien. Beim Setting »Kjriegsflfm« erwarten wir nicht nur eine zeitliche und örtliche Ein3
Vgl- Johnson, Moral Imagination, S.
171 -173.
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grenzung, sondern
lenzuweisungen.
Kriegs filmen
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spezifische Probleme sowie bestimmte Geschlechter- und Rol-
Bedingung ist die Beschreibung einer Krise. Aus evolutionsmuß diese lokal begrenzte und kurzfristige Probleme beSicht psychologischer schreiben. Also keinen allgemeinen Endzweck wie die morahsche Verbesserung der Welt, sondern Krisen, für die unser Gehirn am besten ausgestattet ist: Eine weitere
»ein Feuer, ein Angreifer, ein Rivale, eine Bedrohung für unsere eigene Familie, Klan oder Gemeinschaft. Wahrscheinlich waren es Probleme dieser Art, denen unsere Vorfahren gegenüberstanden und die Selektion hat uns mit Mitteln ausgestattet, diesen zu
begegnen4.«
Darum gibt es keine fiktionalen Kriegsfilme, die den Krieg als Ganzes thematisieren. Immer geht es um das Schicksal einzelner mit mehr oder minder klar umrissenen Zielstellungen, die sich auf einen Teüaspekt der Kriegshandlung beschrän-
ken. Unter diesem Aspekt ist zu diskutieren, inwiefern man überhaupt von Kriegsfilmen sprechen kann. Sicher gehören sie wie auch Katastrophenfilme zum Genre der Abenteuerfilme. Sie zeigen Menschen in Situationen von ungeheueren physischen und psychischen Belastungen, und vorgeführt werden angemessene und falsche Strategien und Handlungsweisen, um diese zu bewältigen. Der Krieg als Hintergrund hefert uns eine Vorstehung von der Bedrohung, der die Protagonisten ausgesetzt sind. Das limbische System, das durch Emotionen in unser Bewußtsein tritt, verschafft uns die entsprechende Vorbereitung. Es geht immer wieder um Gefahren und deren Abwehr, um richtiges und falsches Verhalten in extremen Situationen oder um Entscheidungen bei der Partnerwahl. Die eigentlichen Probleme im Rahmen der Kriegsfilme sind persönlicher Natur: Wie löse ich Widersprüche? Wie wird sich meine Familie verhalten, wenn ich als Invalide nach Hause zurückkomme? Krieg findet im Hintergrund statt, im Vordergrund stehen die Individuen und ihre Auseinandersetzungen. Am Anfang der Geschichte werden zudem die Ziele gesetzt, die eine Krise oder ein Problem beheben sollen: Eine unbedeutende Brücke soll von unerfahrenen Jugendhchen gegen die anrückenden Ahueren verteidigt werden; ein Soldat, dessen Brüder gefahen sind, soll gesucht werden, um ihn aus dem weiteren Kampfgeschehen herauszuhalten; ein Meteorit stürzt auf die Erde zu. Ziele sind allgemein gesagt wünschenswerte Zustände, die man anstrebt. Diese bestimmen die Dramaturgie der Geschichte, denn alles wird aus dem Blickwinkel der Ziele betrachtet. Die Wahrnehmung ist darauf gerichtet. In der Mitte der Geschichte beobachten wir, wie die Protagonisten mit den Problemen und den gesteckten Zielen fertig werden. Für eine Story ist es wichtig, daß Konflikte auftreten. Diese können aus der Situation selbst entstehen (eine Gefahr muß beseitigt werden) oder aus dem Zusammenspiel der Personen, wobei die Ziele der einen die Hindernisse der anderen sind. Ein Konflikt kann auch aus —
4
Barkow, Darwin, Sex and Status, S.
375 f.
—
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dem Rollendissens innerhalb einer Person mit unterschiedlichen Erwartungen resultieren: In der klassischen Literatur gibt es immer wieder das Motiv des Konflikts zwischen Pflicht und Neigung. Selbst Erfahrungen sind nicht immer kohärent. Auch daraus erwachsen Schwierigkeiten, die es zu lösen gilt. Darum müssen Kriegsgegner nicht notwendig im Film präsent sein. Unter der Bedrohung von außen können Diskrepanzen innerhalb der Mitglieder einer Gruppe ausgetragen werden, geht es doch um das Finden der richtigen Strategie. Kriegsfilnie handeln oftmals von Konflikten zwischen Gruppen, die mit Waffen ausgetragen werden (das ist schließlich eine mögliche Definition von Krieg). Zentral ist jedoch häufig nicht die Auseinandersetzung zwischen den Gegnern, sondern die Kooperation der Gruppenmitglieder untereinander. Die daraus resultierenden Differenzen werden thematisiert: Hierarchie, Gehorsam und Verantwortung. Es geht darum, Opfer zu bringen, um andere zu retten. Daß die dargestellten Probleme und Konflikte mit dem übereinstimmen, was wir aus dem Probehandeln kennen, bestätigt die Funktion der Medien als Attrappen für die mentale Verarbeitung. Das Ende schließlich muß den Konflikt aufheben. Entweder indem das Ziel erreicht oder eine Alternative akzeptiert wird. Auch das Scheitern kann unter Umständen als Endpunkt hingenommen werden. Daraus ist die Lehre zu ziehen, daß die gezeigte Handlung offenbar nicht zur Erreichung des Zieles führte. Über die Struktur »Anfang-Mitte-Ende« hinaus braucht eine Geschichte Agenten. Dies sind Figuren, die Ziele anstreben oder verhindern. Die Aktionen der Agenten sind motiviert, das heißt, sie sind in einem gewissen Umfang nachvollziehbar durch die Nennung der Gründe, warum Handlungen ausgeführt werden. Motivationsloses Agieren verwirrt eine Geschichte. Selbst Psychopathen wird eine Triebfeder als Handlungsmotivation unterstellt. Wollen wir eine Geschichte verstehen, müssen wir die zu Grunde Hegenden Handlungsmotive nachvollziehen können. In diesem Zusammenhang beurteilen wir die Verantwortung von Handlung. Der Ausgang einer Geschichte ist nicht zuletzt die Konsequenz von Handlung in gegebener Situation. Damit sind fiktionale wie reale Geschichten moralisch, denn sie führen uns vor, welches Ende bestimmte Handlungen hervorbringen. Durch die Beurteilung des Endes erhalten wir Handlungsoptionen angemessene ebenso wie falsche. Mit der Beschreibung des Settings und des Konfliktes ist eine Story im Grunde schon beschrieben. Der Handlungsort scheint auch eine zentrale Rolle bei der Frage nach der Akzeptanz und der Glaubwürdigkeit einer Story zu spielen. Denn auch erfundene Geschichten müssen innerhalb des Settings schlüssig sein. Wenn ein Film im Zweiten Weltkrieg spielt und der Reichskanzler nicht Adolf Hitler sondern Donald Duck hieße, hätten wir Probleme. Der Rest der Story mag ausgedacht sein, aber in einigen Rahmenbedingungen muß er mit dem übereinstimmen, was wir als Geschichte akzeptieren. Diese Art von Widerstand ist anders als der des Probehandelns. Vorstellbar ist es, das sich Donald Duck mit Generälen über eine Landkarte beugt und Angriff und Verteidigung bespricht, doch als eine Ge—
schichte, die vorgibt, sich an Tatsachen zu orientieren, ist sie nicht vorstellbar.
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Kriegs filmen
14_
Der Satz: »Donald Duck ist Reichskanzler und Führer« erregt unseren imaginativen Widerstand. Erst eine Geschichte um diesen Satz herum könnte ihn akzeptabel machen: Eine Situation, in der Tiere sprechen können und andere Disney-Figuren auftauchen, schafft ein Märchen-Setting, in dem wir auch Donald Duck als Befehle erteilenden Kriegsherrn billigen würden. Im Märchen akzeptieren wir Dinge, die in der Reahtät oder im Rahmen eines anderen Settings als nicht Das erachtet würden. Rätsel des Widerstandes ist unter FJmimaginativen möghch ständen im Rahmen der Akzeptanz eines Setting zu erklären. Es entscheidet über die Frage, ob wir uns auf eine Geschichte und deren Regeln einlassen oder ob wir uns der Vorstellung verweigern. Als 1979 über die dritten Programme der ARD die US-Miniserie Holocaust Die Geschichte der Familie Weiß (Holocaust, R: Marvin J. Chomsky, USA 1978) lief, schrieben Tausende von Zuschauern Briefe an den WDR. Drei Gruppen heßen sich ausmachen: Die größte Gruppe war diejenige, die sich betroffen von der Emotionahtät der Serie zeigte. Das Schicksal der Juden im Nationalsozialismus rührte sie erstmals trotz oder gerade wegen der fiktionalen Gestaltung an. Die beiden anderen Gruppen wiesen die Fiktion eher zurück. Zum einen sagten viele vor allem jene, die von der Verfolgung selbst betroffen waren —, daß das reale Geschehen weit schlimmer war als das dargestellte. Zum anderen lehnten Alt- und Neo-Nazis die Serie ab, weil sie ihrer Meinung nach Geschichte falsch präsentierte5. Bisweüen reichten Kleinigkeiten wie fehlerhafte Uniformknöpfe oder eine enge Straße, die so im Stadtbild von Berhn nicht zu finden war, um die Darstellung als Ganzes abzulehnen und sich der Imagination zu verweigern. Immer wieder unterstellten die Ablehner den Machern suggestive Absichten, die sie durch das Erkennen von Fehlern in der Darstellung zu endarven glaubten. Es gibt damit einen erkennbaren und systematischen Zusammenhang zwischen der Lebenssituation des Rezipienten in Form seines ideologischen Weltbüdes und seiner Bereitschaft, imaginative Aufarbeitungen abzulehnen. —
-
Moral und Narration Im
griechischen Drama ging es
nicht um die Darstehung der Ereignisse, sondern Emotionen. Die Katharsis, die Reinigung der Gefühle, war das Ziel. Insofern gab es keinen wesenthchen Unterschied zwischen Geschichte (Tatsachen) und Geschichten (erfundene Sachverhalte). Während die Reahtät die Wahrheit für sich beanspruchen kann, sind Fiktionen wahr in dem Sinne, daß sie moralisches Verhalten zeigen. Ein Unterschied zwischen Fiktion und Reahtät ist, daß eine ausgedachte Geschichte meist zu einem Ende kommt und sich alle gesponnenen Fäden am Schluß auflösen, ein Umstand, der sonst im Leben sehen vorkommt. Aber darum eignen um
5
Vgl.
Betrifft
»Holocaust«, S.
164.
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sich erdachte Geschichten auch als moralische Instrumente. Ohne Emotionen gibt es keine Wertmaßstäbe. Emotionen und ästhetische Begutachtung gehen Hand in Hand, wenn es um das Erlernen von moralischen Richtlinien geht. Darum ist das Ende einer Geschichte von besonderer Bedeutung, wird hier doch die Konsequenz des Settings vorgeführt. Die »Wenn-Dann-Folge« findet ihre Auflösung. Trotz der Verallgemeinerung und Übertragung der Gültigkeit von moralischen Sätzen sind allgemein formulierte Regeln nutzlos und daher beliebig verwendbar; sie sind nur anwendbar auf idealtypische Fälle. Das Leben hält aber eher komplexe und komplizierte Fälle bereit. »Du sollst nicht morden!« heißt es zwar im Alten Testament, doch es werden selbst da genügend Gegenbeispiele angeführt, welche die Tötung eines Menschen rechtfertigen: Töten im Krieg, aus Rache, zur Selbstverteidigung, als Bestrafung für Homosexualität (3. Mose 20.13) oder Sodomie (3. Mose 20.15). Die Diskussion um Todesstrafe und Abtreibung sind aktuelle Fälle, die eine kategorische Regel obsolet erscheinen lassen. Nichts anderes ist »Framing«: Erst die Anwendung (das Framing) auf einen konkreten Fall gibt Handlungsoptionen. Dieses stellt der Regel Interpretation zur Verfügung, die Umstände, Handlungsmotive und Rahmenbedingungen mit einbezieht. Das Framing ist fundamental narrativ. Richard Rorty6 konnte beobachten, daß Menschen mit moralischem Selbstverständnis sich nicht etwa an philosophische Texte über Moraltheorie halten, sondern eher Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke heranziehen, um ihre Haltung zu begründen. Für Mark Johnson7 Hegt die Antwort im narrativen Charakter unseres Lebens. Wir leben in narrativen Strukturen, und es gibt evolutionspsychologische Hinweise, daß das Lernen augemein auf narrativen Strukturen basiert. Bedingung für das Übertragen von einer fiktionalen Präsentation hin zu subjektiven Lehren ist die mentale Fähigkeit, von den Beispielen zu abstrahieren, um daraus Muster für Anwendungen im eigenen Lebensbereich zu finden. Das Verständnis von Metaphern scheint veranlagt zu sein, denn lernen kann man sie nicht. »Neue Besen kehren gut« dieser Satz ist verständHch auf einen Kontext anwendbar, auch wenn man die Metapher zuvor noch nie gehört hat. Obgleich der Transfer bei Verwendung eines Beispiels zwei Mal geleistet werden muß, scheinen Beispiele für unser Gehirn eher verständlich als eine abstrakte Regel. Belegen konnten dies LeFévre und Dixon in einem Experiment8: Sie gestalteten eine Instruktion und das dazugehörige Beispiel unterschiedlich. Es wurde festgesteUt, daß sich 92 Prozent der Versuchspersonen zuerst das Beispiel angeeignet und daraus die Instruktion abgeleitet haben, um dann die Aufgabe zu lösen. Darum ist es auch kein Problem, einzelne Figuren als Vertreter einer ganzen Gruppe wahrzunehmen. Ein einziger Amerikaner und dessen Verhalten Ersteht für ist ein alle Amerikaner und für das Verhalten der Amerikaner im aUgemeinen. —
6
8
Siehe Rorty, Contingency, Irony, and Solidarity.
Vgl. Johnson, Moral Imagination, S. 196. Vgl. LeFèvre/Dixon, Do Written Instructions Need Examples?
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Kriegsfilrnen
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Exempel, von dem wir generahsierend Schlußfolgerungen der Art ziehen wie: »Seht ihr, so sind sie, die Amis.« Wh lernen am Beispiel. Ob wir einen Film als glaubwürdig, gelungen und ästhetisch ansprechend empfinden, hängt nicht zuletzt von der Entscheidung ab, ob wir den Exempeln folgen wollen. Stehen eigene Erfahrungen oder auch nur Vorurteile dagegen, wird der Film als Ganzes abgelehnt. Glaubwürdig ist, was in das jeweilige Weltbild paßt, und bei der Anpassung hilft zur Not eine Zurechtrückung durch die kognitive Dissonanz.
Freund und Feind Die Darstellung der Figuren ist auch bei Kriegsfilmen zu betrachten. Freund und Feind sind eindeutig zu unterscheiden, das Erkennen von Gut und Böse ist daher zunächst eine ästhetische Aufgabe. Soll man Bösewichte im Film schnell erkennen, werden ästhetische Merkmale präsentiert: unsymmetrisches Gesicht, Hautunreinheiten, fettige Haare, schmutzige oder dunkle Kleidung, unangemessenes Verhalten, Auffälligkeiten in der Aussprache. Darüber hinaus gibt es unsympathische Verhaltensweisen mit egoistischen Motiven, verweigerte Hilfeleistung und mangelnde Tier- oder Kinderliebe. Auch ihre nicht verständliche Sprache und ihre unaussprechhchen Namen grenzen sie aus. Untersuchungen zu Comic-Figuren belegen die ästhetische Ausformung von schönen Helden und düsteren Bösewichten, mehr noch, »der Charakter einer Comic-Figur manifestiert sich primär in ihrer physiognomischen Gestaltung, wobei die Unterscheidung zwischen den Guten und den Bösen meist allein durch die Formung der Augenbrauenpartie und Mundwinkel erfolgt. Mit zeichnerischen Tricks werden in einem Gesicht Bosheit, Neid oder Eifersucht ablesbar9.«
Damit wird ein
Zusammenhang zwischen ästhetischer Wahrnehmung, edlen oder niederträchtigen Handlungsmotivationen und altruistischen oder egoistischen Zielen hergesteht. Bei den ästhetischen Darstellungen schwingen uralte Stereotypen mit: vom blonden Siegfried und dem dunklen Hagen, vom verschlagenen Loki und dem Lichtgott Baidur. In den frühen Western der Filmgeschichte trug der Gute den weißen Hut und der Böse den schwarzen. Humphrey Bogart trägt in Oklahoma Kid (R: Lloyd Bacon, s/w, USA 1939) nicht nur den schwarzen Hut; er ist ganz in schwarz gekleidet. Er will das Geld der Siedler. Sein Gegenspieler (James Cagney) sorgt dafür, daß eine junge Dame im überfüllten Hotel ein Zimmer bekommt, auf das er selbsdos verzichtet, und er bringt ein weinendes Kleinkind zur Ruhe.
9
Fuchs/Reitberger, Comics-Handbuch, S. 133.
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Die
Verwandlung von Gut %u Böse: AI Harley und Hank Chapman,
Charlie Brown?
What's wrong with
Erst der Italo-Western durchbricht diese Muster. Daß hier auch der Bösewicht schnell seine Pistole ziehen kann und zudem die schöne blonde Frau bekommt wie in Spiel mir das Lied vom Tod (Cera una volta il West, R: Sergio Leone, ItaHen/USA 1968) ist bisweilen nur ein retardierendes Moment, denn das Ende hält auch für ihn die Strafe bereit, die wir auf Grund seines Verhaltens als gerecht empfinden dürfen. In Leichen pflastern seinen Weg (Il grande Silenzio, R: Sergio Corbucci, ItaHen/Frankreich 1968) schHeßHch ist der Bösewicht Locco (Klaus Kinski) nicht nur blond, er erschießt am Ende gar Held und Heldin. Kritisiert wird hier das System, das solche Ungerechtigkeiten zuläßt. Gut und Böse sind keine eindeutig und auf Dauer definierten Begriffe. Es gibt auch kein universeUes Moralsystem. Werte und Normen sind abhängig von der jeweüigen Situation und dem Zustand der Gemeinschaft. Eine ständige Beschäftigung damit ist sinnvoU. Eine Anpassung kann immer wieder vorgenommen werden. Die MitgHeder müssen auf dem Laufenden gehalten werden, wie der Stand der Diskussion ist, und sie können sich beteiHgen an der Debatte durch ästhetische Urteile über die vorgeführten medialen Angebote. In den dreißiger und vierziger Jahren waren die Deutschen immer wieder die man denke nur an die Bösewichte in engHschen und amerikanischen Filmen Casablanca Michael RoUe des Major Strasser in (R: Curtiz, s/w, USA 1942). In dem deutschen Film Titanic (R: Werner KHngler und Herbert Selpin, s/w, Deutschland 1943) waren habgierige Engländer für den Untergang des Schiffes verantwortHch. Vor dem Abspann heißt es: »... eine ewige Anklage gegen Englands Gewinnsucht«. In der medialen Aufbereitung des Vietnamkrieges trat der Vietcong auch als Gegner in Filmen auf, beispielsweise in Die durch die Hölle gehen (The Deer Hunter, R: Michael Cimino, USA 1978). Nachdem dieser Film auf der Beriinale gezeigt worden war, zogen die Delegationen mehrerer soziaUstischer Länder als Reaktion auf die Darstellung des Vietcong ihre Wettbewerbsbeiträge zurück und veriießen —
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Kriegs filmen
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Unteroffizier Hans Schulz John Banner), Colonel Robert Hogan (Edward Crane) und Oberst Wilhelm Klink (Werner Klemperer) in der TVSerie: Ein Käfig voller Helden Berhn. In Rambo III (R: Peter MacVon links:
Donald, USA 1987) befreit ein Viet-
nam-Veteran seinen ehemahgen Voraus den Händen russischer Geiselnehmer in Afghanistan. In der Kriegsfilm-Komödie Hot Shots Die Mutter aller Filme (Hot Shots, R: Jim Abrahams, USA 1991), die kurz nach dem Golfkrieg in die Kinos kam, wird Saddam Hussein persifliert. Die Gegner in Kriegsfilmen variieren. Kalte Kriege werden auf der Leinwand zu heißen. Man bestätigt vermental für kommende. Immerhin beund ist gerüstet gangene Entscheidungen zieht man daraus eine Bestätigung der Vorurteile und erinnert an die latente Gefahr, die von der anderen Seite ausgeht. Auch in Komödien werden durch ästhetische Attribute die Rohen verteüt. Die auf Kabel 1 ausgestrahlte TV-Serie Ein Käfig voller Helden (Hoogan's Heroes, USA 1965-1971), auf Satl unter dem Titel Stacheldraht und Fersengeld gesendet, zeigt ein deutsches Kriegsgefangenenlager während des Zweiten Weltkrieges. Direkt unter den Augen des naiven Lagerleiters Klink und des Urbayern Schulz organisieren die alliierten Gefangenen unter Leitung von Colonel Hogan ihren Alltag. Es wird gegraben, sabotiert und geflüchtet, doch nie so weit, daß es den Fortgang der Serie gefährden könnte. Der Gegensatz zwischen Gut und Böse verschiebt sich in der Komödie hin zu Clever gegen Dumm. Intelligenz drückt sich hier nicht nur in Mimik und Gestik aus, sondern auch in weiteren körperhchen Attributen wie Körperfülle oder Geschicklichkeit. Die Intention, den Gegner zu diskreditieren, kann auch mißlingen. Die Wirkung in Irland bei enghschen Kriegsfilmen ist eine andere als die in Großbritannien. In Irland sind Briten nicht sonderhch behebt, dafür aber deren Gegner, nämlich die Deutschen. Denn wer gegen die ungehebten Engländer ist, kann nicht unsympathisch sein. Dies ist ein Beispiel dafür, daß Konditionierung als einfaches Reiz-Reaktions-Schema nicht funktioniert. Das Böse muß nicht immer als Figur auftreten. In vielen Kriegsfilmen kommt es kaum vor. Aber hier hilft das kulturelle Hintergrundwissen weiter. Die Leerstelle ist auf Grund des Settings längst ausgeruht, die Krise in diesen Fällen anders gelagert. Gezeigt werden dann Ziel-, Handlungs- und Motivdifferenzen innerhalb einer Gruppe. Wer befördert das gemeinsame Ziel, wer behindert es durch sein unangebrachtes Verhalten? Woran erkennt man falsche Motive und welches Ver-
gesetzten
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halten ist
erfolgversprechend? In Die Brücke (R: Bernhard Wicki, s/w, BRD 1959) verteidigt eine Gruppe von JugendHchen in den letzten Kriegstagen eine kleine Brücke. Doch erst gegen Ende des Films tauchen die Kriegsgegner in Form einiger US-Panzer auf. Hier geht es eher um die unterschiedHchen Haltungen und Wahrnehmungsweisen der JugendHchen. Der Film Der schmale Grat (The Thin Red Line, R: Terrence MaHck, USA 1998) beschäftigt sich zwar mit den Schrecken des Krieges, die Gegner kommen jedoch nicht als Individuen vor. Thematisch wird aUerdings ausgeführt, wie die Gruppe der jungen Soldaten zusammenwächst, sich Emotionen entwickeln und untereinander Freundschaften und Abneigungen ent-
stehen. Auch metaphorisch kann das Böse auftauchen. Aus der Zeit der McCarthy-Ära finden Filmhistoriker eine Zunahme an Monster- und AHen-Filmen. Invasionen von Fremden wurden gedeutet als Angst vor der Unterwanderung durch den Kommunismus. Die Dämonischen Invasion der Körperfresser (Invasion of the Body Snatchers, R: Don Siegel, s/w, USA 1956), wo Außerirdische sich der schlafenden Bewohner einer Kleinstadt bemächtigen, darf als prototypisch gelten. Wir haben Probleme, uns komplexe oder abstrakte Sachverhalte vorzustellen. Der Film behilft sich in diesen FäUen mit der VisuaHsierung durch Metaphern und AUegorien. Es bedarf offenbar der narrativen Imagination, um Gut und Böse zu definieren. In Form von Märchen erfahren Kinder diese Definition schon recht früh. Die extensive Darstellung der bösen Gewalt in dieser Literaturgattung ist unbestritten. Auch Real-Geschichte kann als Fundus für beispielhafte Definitionen dienen. Den NationalsoziaHsten unterstem: man in ihrem Bestreben, einen Genozid zu voUbringen, einen geradezu mystischen Bezug zum Bösen. In der Geschichte wie in Geschichten geht es immer wieder darum, das Böse zu identifizieren, es zu verfolgen und zu bestrafen in der Hoffnung, es damit auf Dauer los zu werden. Wir müssen stets von neuem lernen und uns ständig wechselseitig absichern, wer oder was gut und böse ist, denn immerhin wechseln auch ständig die Kooperationspartner. Alte Freunde werden zu Feinden, die alten Feinde zu neuen Freunden. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Gut und Böse ist eine der wichtigsten Aufgaben von Kultur. Dies wird nicht nur in den Mythen und Märchen behandelt, in welchen Medien sie unter anderem aufgehoben sind und ohne die keine Kultur auskommt. Das gleiche gilt für Erfahrungen, wie sie in den Auseinandersetzungen mit inneren und äußeren Feinden gesammelt werden. Sie dienen der Vorbereitung auf angemessenes Verhalten in ähnHchen Situationen, von denen man annahmen kann, daß sie früher oder später, auf individueUer oder koUektiver Ebene, auftreten können. —
* * *
Clemens Schwender, PD Dr. phil., geb. 1956, Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Sprache und Kommunikation Fachgebiet Medienwissenschaft der Technischen Universität Beriin E-Mail: [email protected] —
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Literatur
Barkow, Jerome H., Darwin, Sex and Status. Biological Approaches to Mind and Culture, Toronto, Buffalo, London 1991 Betrifft Holocaust. Zuschauer schreiben an den WDR, hrsg. von Friedrich Knilh und Siegfried Ziehnski, Berhn 1983 Fuchs, Wolfgang J. und Reinhold Reitberger, Comics-Handbuch, Reinbek bei
Hamburg 1978
Gendler, Tamar Szabó, The Puzzle of Imaginative Resistance, in: Journal of Philo-
sophy, XCVII (2000), 2, S. 55-81 Johnson, Mark, Moral Imagination, Chicago, London 1997 LeFévre, J. and P. Dixon, Do Written Instructions Need Examples?, in: Cognition and Instruction, 3 (1986), S. 1 -30 Muhlack, Ulrich, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung. Die Vorgeschichte des Historismus, München 1991
Pinker, Steven, How the Mind Works, New York, London 1997 Riha, Karl, ZOK ROARR WUMM. Zur Geschichte der Comics-Literatur, Gießen 1970
Rorty, Richard, Contingency, Irony, and Sohdarity, Cambridge, New York 1989 Schwender, Clemens, Medien und Emotionen, Wiesbaden 2001 Simon, Christian, Historiographie. Eine Einführung, Stuttgart 1996
USA —
Sowjetunion.
Gewalt, Krieg und Nation im Film
Bernhard Chiari
USA -
Gewalt,
Sowjetunion
Krieg und Nation im Film
Auf der Tagung »inszenierte Wahrheit« im Oktober 2001 (Universität der Bundeswehr Hamburg) sprach Rainer Postel von der großen Deutungsbedürftigkeit aktueller Gewalt-, Terror- und Kriegsbilder1. Was für Mediendarstellungen des Krieges und für die »inszenierte Wahrheit« kriegerischer Auseinandersetzungen gilt, trifft auch für die Geschichtswissenschaft und hier besonders für die Militärgeschichte zu. Filme, die der Historiker als Quelle heranzieht, stellen bezüglich ihrer Interpretation eine außerordenthche Herausforderung dar. Historische Bildkunde und politische Ikonographie müssen mit Bhck auf die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von anderen Voraussetzungen ausgehen als bei der Analyse des deutschen Beispiels. Kenntnisse der sowjetischen und amerikanischen Gesellschaften (oder besser, unterschiedhcher Nationalitäten, die diese Gesellschaften bilden und deren übergeordnete Wertesysteme unterstützen) sind dabei unerläßlich. Nur so lassen sich, bezogen auf den Film, Entstehungszusammenhänge im Rahmen zeitgenössischer Diskurse begreifen2. Anregungen hierzu hefern die vier Aufsätze des folgenden Abschnittes. Sie zeigen die UdSSR wie die Vereinigten Staaten mit Bhck auf Krieg und Militär als einen ausgesprochen lohnenden Untersuchungsgegenstand. In beiden Gesellschaften kommt diesen Begriffen eine hervorragende, zumeist positive Rohe zu. Krieg und Militär haben geradezu eine staatstragende Funktion. Für die Sowjetunion gilt für Abschnitte ihrer Geschichte, daß sie als »militarisierte Gesellschaft« ebenso Krieg nach außen wie gegen sich selbst führte. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang der Bürgerkrieg, die Kollektivierung, der »Große Terror« oder verschiedene Phasen gewaltsamer Nationalitätenpolitik im Innern bis hin zum Umgang mit »Separatisten und Terroristen« in unseren Tagen. Gewalt als selbstverständliche staatliche wie individuelle Handlungsmöglichkeit hat in Rußland eine lange Tradition3. 1
Jockheck, Tagungsbericht
»Inszenierte Wahrheit« (Hamburg 12./13.10.2001), H-SOZ-U. Lars
KULT, 2 3
26.10.2001
Siehe Mythen der Nationen; Poktische KoUektive. Vgl. Plaggenborg, Gewalt und Miktanz; Helmedach, Gewalt; Sapper, Afghanistan-Krieges.
Die
Auswirkungen
des
158
Bernhard Chiari
Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs bildet geradezu die Basis der sowjetischen Nachkriegsidentität, und sie unterscheidet sich grundlegend von der amerikanischen: Im »Großen Vaterländischen Krieg« fielen wahrscheinHch etwa 8 700 000 sowjetische Soldaten, 18 MilHonen wurden verwundet und zum Teil verstümmelt. Die demographische Katastrophe vervollständigten etwa 26 MilHonen zivile Kriegstote. Der Krieg warf die UdSSR wirtschaftlich zehn Jahre zurück und nahm dem Land fast ein Drittel seiner Produktionsanlagen. Ein entsprechend zentraler Stellenwert kommt darum auch der Erinnerung an den Krieg und den sowjetischen Sieg zu4. Im Vergleich mit der sowjetischen nimmt sich die amerikanische Opferbilanz weniger katastrophal aus. Zwar beklagte die US Army etwa 320 000 gefallene Soldaten5, doch waren die Kriegsauswirkungen auf die Zivilbevölkerung in den USA insgesamt sehr begrenzt. Abgesehen von einigen vor der amerikanischen Küste herumgeisternden U-Booten und gescheiterten Kommandounternehmen bHeb der Kontinent von deutscher Waffenwirkung verschont. Die Erinnerung an den Sieg ist denn auch eine leichtere als die sowjetische, und sie muß auch nicht gegen das Erbe jahrzehntelanger Tabuisierung ankämpfen. In keinem anderen westHchen Land findet seit dem Zweiten Weltkrieg der Einsatz miHtärischer Mittel bei der Verfolgung einer »rechtmäßigen Sache« auf staatHcher wie individueller Ebene derart viel Zustimmung wie in den USA. Eine der Ausnahmen, welche diese Regel bestätigen, ist der Vietnamkrieg, der in der amerikanischen Gesellschaft zeitweise eine tiefe Verunsicherung erzeugte6. In unterschiedHcher Weise kam und kommt dem Spielfilm, sowohl in der früheren Sowjetunion als auch in den Vereinigten Staaten, eine große poHtische Bedeutung und eine zentrale Rolle als Mittel der poHtischen Einflußnahme und bei der Vermitdung von moraUschen Aussagen zu7. Bei der Suche nach Leitfragen und Interpretationsmustern für den deutschen Film, der sich dieser Sammelband verpflichtet fühlt, macht der BHck über den eigenen nationalen und kulturellen Tellerrand darum durchaus Sinn. Am Beispiel von The Best Years of Our Lives und Saving Private Pyan zeigt Andreas Etges (John F. Kennedy-Institut, Freie Universität Berlin) das amerikanische Verständnis vom Krieg im allgemeinen und vom Zweiten Weltkrieg im besonderen. Er tut dies zunächst gewissermaßen mit Hilfe einer Negativ-Vignette: Der unmittelbar nach Kriegsende angelaufene und kommerziell sehr erfolgreiche Schwarzweißfilm The Best Years of Our Lives vermittelt ein atypisches Bild amerikanischer Interpretationen vom Krieg und seiner Erinnerung. Vor dem Hintergrund der noch frischen Kriegserfahrung und der von vielen Kriegsteilnehmern erHttenen Traumata setzt er sich kritisch mit dem Schicksal miHtärischer Helden und der 4
5
6 7
Zahlen nach Hildermeier, Die Sowjetunion, S. 58; siehe auch Segbers, Die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, sowie Zubkova, Poslevoennoe sovetskoe obscestvo. Vgl. Overmans, 55 Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs? Siehe Dörner, Politische Kultur und Medienunterhaltung; McClosky/Zaller, The American Ethos. Siehe z.B. Quart/Auster, American Film and Society since 1945; From Hanoi to Hollywood.
Sowjetunion
USA.
Gewalt, Krieg und Nation im Film
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-
Sinnhaftigkeit des Krieges insgesamt auseinander. In Ergänzung hierzu präsentiert Etges den mehrfach preisgekrönten Kassenschlager der späten neunziger Jahre. Trotz der dort gezeigten extremen Brutahtät werden die Notwendigkeit der in Europa gebrachten Opfer nicht in Frage gestellt und die Leistungen der Kriegsteilnehmer mit einer beinahe mythischen Gloriole umgeben selbst in Anbetracht der differenzierten Darstellung sinnlosen (Helden)todes. Der Bedeutung der US-amerikanischen Nation und ihrer Mythen spürt Herbert Mehrtens (Technische Universität Carolo-Wilhelmina, Braunschweig) nach, und zwar hauptsächlich anhand der Analyse des Katastrophenfilms Deep Impact, der im selben jähr wie Saving Private Ryan in die Kinos kam. In Deep Impact werden die Vereinigten Staaten ihrer Führungsrolle in einem etwas anders gelagerten, aber ebenso existenziellen Konflikt wie dem Zweiten Weltkrieg gerecht. Ein amerikanisches Astronauten-Team (unterstützt durch einen russischen Kosmonauten) rettet die Erde vor einem gewaltigen Meteoriteneinschlag, der alles Leben auf dem Planeten auszulöschen droht. In seinen Ausführungen geht Mehrtens dem amerikanischen Verständnis von der kampfbereiten Nation nach und führt die theoretischen Überlegungen Benedict Andersons und Dieter Langewiesches mit dem »Ersatzkrieg Raumfahrt« gegen einen scheinbar übermächtigen Feind zusammen, den die —
amerikanischen Filmbilder dem Zuschauer vorführen und der schheßhch von sich selbst opfernden Helden gewonnen werden kann. Die zwei sich anschließenden Aufsätze thematisieren das sowjetische Bild vom Krieg. Die Osteuropa-Historikerin Beate Fieseier (Ruhr-Universität, Bochum) behandelt das Motiv des Kriegsinvaliden im sowjetischen Spielfilm, und es bleibt dem Leser überlassen, den Vergleich mit den entwurzelten amerikanischen Heimkehrern aus The Best Years of Our Lives anzustellen. Unter den Bedingungen der Stalinschen Diktatur und später der kommunistischen Einparteienherrschaft hatten sowjetische Filmemacher vor allem dem sowjetischen Sieg über den »Hitlerfaschismus« Denkmäler zu setzen und tabuisierten individuell-persönliche Probleme weitgehend. Der Triumph von Roter Armee und Partisanenbewegung war ein zentraler Bezugspunkt sowjetischer Nachkriegsidentität und zementierte den Führungsanspruch der KPdSU im gesamten sowjetischen Machtbereich8. Bei ihrer Analyse von Krieg und Heldentum im sowjetischen Film wählt Beate Fieseier neben filmwissenschafthchen vor allem historische Kriterien. Sie diskutiert mehrere Filmbeispiele aus der Stalin- und Tauwetterzeit als Medium staathcher Erziehungs- und Kulturarbeit. Neben dem Kampf des Guten gegen das Böse (die Sowjetunion als Siegerin gegen das Deutsche Reich) ist die Verwirklichung der besseren sozialistischen Ordnung im Innern ein zentrales Leitmotiv. Die Kriegsrückkehrer tragen zu beidem bei und werden so zu Sinnbildern des sowjetischen Wiederaufbaus. Carola Tischler (Berhn) ergänzt diesen Band um eine weitere Betrachtungsebene. Tischler verschränkt amerikanische und sowjetische Darstellungen vom Krieg, 8
Siehe hierzu The Impact of World War II on the Soviet Dead; vgl. auch Chiari, Die schüchterne Königstochter.
Union; Tumarkin, The Living and the
Bernhard Chiari
160
indem sie in ihrem Aufsatz das Bild des »Amerikaners« in sowjetischen Spielfilmen analysiert hauptsächHch am Beispiel des aus der Tauwetterperiode stammenden Streifens Mir vchodjascemu. Die Darstellung des einstigen amerikanischen Verbündeten im Kampf gegen »Hitlerdeutschland« ist aufschlußreich im HinbHck auf die Frage nach dem sowjetischen Bild vom »Anderen«, vom »Fremden«. Sie dient damit auch der Propagierung eigener, soziaHstischer Werte und PersönHchkeitsideale, die sich letztkch stets als der bessere und erfolgversprechende Weg erweisen werden. Ein weiteres wirkungsgeschichtHches Beziehungsgefüge deuten die Beiträge Tischlers wie Fieselers nur an: Die Rezeption amerikanischer Filme in der Sowjetunion und die Reaktion auf die Erfolgsproduktionen aus Hollywood sind für den Spielfilm der sowjetischen Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit sogar außerordentHch wichtig gewesen9. Die vier Beiträge im folgenden Abschnitt zeigen zweierlei. Erstens stellen Sie Filme als ein Abbild realer oder fiktiver Kriege und existentieller Auseinandersetzungen vor und spüren amerikanischen bzw. sowjetischen Gestaltungsmitteln nach1". Zweitens machen Sie deudich, wie Filme vom Krieg selbst ihre Geschichtsmächtigkeit entfalten, indem sie Bilder vermitteln, welche im kollektiven Gedächtnis neben reale Erinnerungen treten, sich mit diesen vermischen oder sie im Extremfall sogar ersetzen können: Schon nach dem Ersten Weltkrieg vergHch der Freud-Schüler Ernst Sirnmel die Vorführung eines Kriegsfilms mit dem Einsatz von Hypnose, um dem Patienten vergessene oder verdrängte Kriegstraumata wieder ins Bewußtsein zu rufen und ihn dadurch zu heilen11. Zwischen der Funktion von Kriegsfilmen als Spiegel der Ereignisse bzw. als bewußt eingesetztes Mittel für deren Konstruktion eine klare Grenze zu ziehen, wird dem Filmwissenschaftler ebenso unmögHch sein wie dem Historiker. Im Mittelpunkt sollte vielmehr die Frage stehen, welche PoHtik hinter den filmischen Inszenierungen der Nachkriegszeit steht12. Ebenso wie für die Hterarische Verarbeitung von Kriegen gilt auch für den Film, daß aufschlußreicher als die Suche nach kriegsapologetischer oder kritischer Darstellung jene nach der Art und Weise ist, in der die »Wahrheit« des Krieges hergestellt wird, und für welche poHtischen und kulturellen Optionen der Krieg zum Modell wird13. Genau dies geschieht in den folgenden vier Aufsätzen exemplarisch für die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten. Die unterschiedHchen Produktions- und gesellschaftlich-poHtischen Rahmenbedingungen in der Sowjetunion Josef StaHns und Nikita Chruscevs auf der einen und in den Vereinigten Staaten Harry S. Trumans und George W. Bushs auf der anderen Seite machen eine Gegenüberstellung ebenso schwierig wie reizvoll. Die hier präsentierten Einzelbeispiele können zumindest Anregungen für einen Ver-
9 10 11
12
13
Siehe Kenez, Cinema and Soviet Society. Siehe Sinnwelt Film. Vgl. Kaes, War Film Trauma, S. 124. Siehe Film und Krieg. Horn, Erlebnis und Trauma, S. 132. -
-
Sowjetunion
USA.
Gewalt, Krieg und Nation im Film
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-
gleich hefern. Sie erweitern den Bhck von der deutschlandzentrischen Interpretation von Krieg und Militär hin zu jener Rolle, welche militärische Gewalt bei den Siegern des Zweiten Weltkrieges spielte, die beide die europäische Nachkriegsordnung diktierten und dabei gleichzeitig in der Bundesrepubhk wie in der DDR die Entwicklung einer deutschen Erinnerungskultur beeinflußten und stellenweise dominierten14. Die Frage nach amerikanischen und sowjetischen Wahrnehmungs-, Interpretations- und Darstellungsmustern und damit der Bhck auf das »Andere« dient somit auch der eigenen Standortbestimmung. —
Bernhard
Chiari,
Dr.
phil, geb. 1965, wissenschaftlicher geschichtlichen Forschungsamt, Potsdam E-Mail:
—
Mitarbeiter
am
Militär-
[email protected]
Literatur
Chiari, Bernhard, Die schüchterne Königstochter. Die Republik Belarus
vor
der
Jahrtausendwende. Versuch einer Annäherung, in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Poktik, 11 (1999), 2, S. 43-54 Dörner, Andreas, Politische Kultur und Medienunterhaltung. Zur Inszenierung politischer Identitäten in der amerikanischen Film- und Fernsehwelt, Konstanz 2000 Film und
Krieg. Die Inszenierung von Poktik zwischen Apologetik und Apokalypse, hrsg. von Michael Strubel, Opladen 2001 From Hanoi to Hollywood. The Vietnam War in American Film, ed. by Linda Dittmar and Gene Michaud, New Brunswick, London 1990 Helmedach, Andreas, Gewalt, in: Studienhandbuch östliches Europa,
Bd 2: Geschichte des russischen Reiches und der Sowjetunion, hrsg. von Thomas M. Bohn und Dietmar Neutatz, Köln 2002, S. 227-236 Hildermeier, Manfred, Die Sowjetunion 1917-1991, München 2001 Horn, Eva, Erlebnis und Trauma. Die narrative Konstruktion des Ereignisses in Psychiatrie und Kriegsroman, in: Modernität und Trauma. Beiträge zum Zeitenbruch des Ersten Weltkriegs, hrsg. von Inka Mülder-Bach, Wien 2000, S. 131-162 The Impact of World War II on the Soviet Union, ed. by Susan J. Linz, Totowa 1985
Vgl. Karl,
Von Helden und Menschen. Eine Dissertation des Autors Rezeption in der DDR ist in Vorbereitung.
film und seiner
zum
sowjetischen Kriegs-
Bernhard Chiari
162
Film Trauma, in: Modernität und Trauma. Beiträge zum Zeitenbruch des Ersten Weltkriegs, hrsg. von Inka Mülder-Bach, Wien 2000, S. 121-130 Karl, Lars, Von Helden und Menschen. Der Zweite Weltkrieg im sowjetischen Spielfilm (1941 -1965), in: Osteuropa, 52 (2002), S. 67-82 Kenez, Peter, Cinema and Soviet Society 1917-1953, Cambridge 1992 McClosky, Herbert und John Zaller, The American Ethos. PubHc Attitudes To-
Kaes, Anton, War
—
—
wards CapitaHsm and Democracy, Cambridge 1984 Mythen der Nationen. Völker im Film, hrsg. von Rainer Rother, Berlin 1998 Overmans, Rüdiger, 55 MilHonen Opfer des Zweiten Weltkriegs? Zum Stand der Forschung nach mehr als 40 Jahren, in: MiktärgeschichtHche Mitteilungen, 49 (1990), 2, S. 103-121 Plaggenborg, Stefan, Gewalt und MiHtanz in Sowjetrußland 1917-1930, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, NF 44 (1996), S. 409-430 PoHtische Kollektive. Die Konstruktion nationaler, rassischer und ethnischer Gemeinschaften, hrsg. von Ukike Jureit, Münster 2001 Quart, Leonard und Albert Auster, American Film and Society since 1945, New York 1991 Sapper, Manfred, Die Auswirkungen des Afghanistan-Krieges auf die Sowjetgesellschaft, Münster 1994 Segbers, Klaus, Die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Die MobiHsierung von Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft im »Großen Vaterländischen Krieg« 1941-1943, München 1987 Sinnwelt Film. Beiträge zur interdiszipHnären Filmanalyse, hrsg. von Wilhelm Hofmann, Baden-Baden 1996 Tumarkin, Nina, The Living and the Dead. The Rise and Fall of the Cult of World War II in Russia, New York 1994 Zubkova, Elena, Poslevoennoe sovetskoe obscestvo. PoHtika i povsednevnost' 1945-1953, Moskva 2000 "
Andreas
Etges
The Best War Ever? Der Deutungswandel des Zweiten Weltkriegs in US-amerikanischen Filmen am Beispiel von »The Best Years of Our Lives« und »Saving Private Ryan« Von den Kriegen, an denen die Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert beteiligt waren, haben der Zweite Weltkrieg und der Vietnamkrieg den stärksten filmischen Nachhall gefunden. Der für die USA tragisch verlaufene und geendete Krieg in Südostasien sowie der Empfang der rückkehrenden Soldaten in der Heimat standen nach Meinung vieler Amerikaner im völligen Kontrast zum Zweiten Weltkrieg, nach dessen Beendigung die Rückkehrer mit Jubelparaden gefeiert worden waren, kür die Amerikaner erscheint im Rückbkck der Kampf gegen NS-Deutschland und Japan als ein eindeutig »gerechter« und »guter« Krieg, während der Einsatz in Vietnam weniger positiv beurteilt wkd. Der sich hierdurch ergebene große Kontrast zwischen Vietnam und dem Zweiten Weltkrieg ist nicht von der Hand zu weisen, doch der traumatische Vietnamkrieg und zuvor schon der Koreakrieg haben die Umdeutung der Kämpfe in Europa und im Pazifik zu einem scheinbar uneingeschränkt guten Krieg verstärkt: »The best war ever1.« In den USA erlebt die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg seit einigen Jahren einen wahren Boom. Auf der Bestsellerhste der »New York Times« finden sich
regelmäßig populärwissenschaftliche Bücher zur Kriegsgeschichte und zu »heldenhaften« Episoden des Krieges neben an »oral history« angelehnte Sammlungen von Interviews oder Erinnerungen2. Sowohl für das Kino wie für das Fernsehen werden erfolgreiche Spiel- und Dokumentarfilme produziert; und schkeßkch unterschrieb Präsident George W. Bush im Mai 2001 ein Gesetz, um die Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs zu beschleunigen3. 1
2
3
Siehe Adams, The Best War Ever; vgl. Polenberg, The Good War? Ich danke Kristina Scholz, die gerade eine Arbeit über Erinnerungskultur und den Zweiten Weltkrieg in den USA schreibt, für Kommentare und Korrekturen. Siehe z.B. Brokaw, The Greatest Generation; Ders., The Greatest Generation Speaks; Ders., An Album of Memories. Bereits früher: Terkel, The Good War. Schon im Jahre 1993, während der ersten Amtszeit von Präsident Bill Clinton, war der Bau beschlossen worden.
Andreas
164
Etges
Damit wird diesem Krieg und denen, die ihn kämpften, die höchste nationale Weihe zuteil, die in den Vereinigten Staaten zu vergeben ist: ein Denkmal auf der »Mah« in Washington. An zwei Beispielen wkd im folgenden der Bedeutungswandel des Zweiten Weltkriegs im Spiegel amerikanischer Spielfilme gezeigt. Die beiden Filme stehen zeithch am Beginn beziehungsweise am Ende des Untersuchungszeitraums: William Wylers Die besten Jahre unseres Lebens (The Best Years of Our Lives, R: Wilham Wyler, s/w, USA 1946) und Steven Spielbergs Der Soldat James Ryan (Saving Private Ryan, R: Steven Spielberg, USA 1998) gelten als Meisterwerke, haben viele Oscars bekommen und waren Hits an der Kinokasse.
Das Ende des Zweiten
Weltkriegs und die Heimatfront
Auch wenn das amerikanische Festland selbst nicht Kriegsschauplatz war, so hatte der Zweite Weltkrieg doch massive Auswkkungen auf die Heimatfront4. Der »New Deal« unter Präsident Franklin Delano Roosevelt stellte zwar das bis dahin größte wirtschafts- und sozialpolitische Reformprogramm dar, doch die Depression wurde in den USA erst mit und durch den Krieg, vor ahem mit Hilfe der massiven Rüstungsproduktion, überwunden. Kaum war ein siegreiches Ende des Krieges abzusehen, gab es weitverbreitete Sorgen, daß das Ende der Kriegswirtschaft zu einer erneuten großen Krise führen könne. An einen Nachkriegsboom glaubten zunächst nur wenige Zeitgenossen. Ein weiteres Problem war die Wiedereinghederung der vielen Veteranen in das Zivilleben. Insgesamt hatten etwa 16 Millionen Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs in den US-Streitkräften gedient. 1945 standen noch zwölf Milkonen von ihnen im Sold des Pentagons. Die amerikanische Bevölkerung befürwortete eine schnelle Demobihsierung mit Schlagrufen wie: »Home Ahve in '45« oder »Bring Our Boys Home Now.« Auch die Soldaten in Übersee forderten ihre baldige Heimkehr und drohten den Politikern: »No Boats, No Votes.« Harry Truman, der im April 1945 nach dem Tod von Roosevelt das Präsidentenamt übernahm, beugte sich dem öffenthchen Druck: Bis Mitte 1946 schrumpfte die Navy von vier auf eine Milkon Mann, die Army von acht auf weniger als zwei Millionen. Die gefeierte schnelle Rückkehr der Soldaten verschärfte die sozialen und emotionalen Spannungen innerhalb der amerikanischen Gesehschaft. Es gab zu wenig Wohnraum, so daß Millionen Menschen mit Garagen, Zeltstädten und Wohnwagen vorheb nehmen mußten. Viele Veteranen hatten Probleme, Arbeit zu finden, auch wenn unterstützt durch Kampagnen der Regierung die Frauen aus den »Männerberufen« wieder zurück an den Herd gedrängt wurden. Inflation und —
—
4
—
zu diesem Abschnitt Adams, Best War Ever; vgl. Patterson, Grand Expectations, S. 4-81; Diggins, The Proud Decades, S. 98-101; Kennedy, Freedom from Fear, S. 785-787.
Siehe
Der Deutungswandel des Zweiten Weltkriegs in US-amerikanischen Filmen
165
steigende Preise lösten Massenstreiks aus, an denen sich allein 1946 über vier Nhlhonen Arbeiter und Arbeiterinnen beteikgten. Hinzu kamen vielfältige familiäre Probleme. So stieg die Scheidungsrate von 264 000 im Jahre 1940 auf 485 000 fünf Jahre später und erreichte 1946 mit 610 000 einen vorläufigen Rekord5. Unzähhge Veteranen hatten psychische Probleme, und die milkonenfache Heimkehr der auf unterschiedlichste Weise vom Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Männer löste diffuse Ängste innerhalb der Gesellschaft aus. Eine breite Diskussion entstand darüber, ob und wie man den Übergang dieser »Krieger« mit ihren Erlebnissen von Tod, Zerstörung und Grausamkeit in das normale Leben gestalten müsse. Ernsthaft wurde über sogenannte »Demihtarisierungszentren« für die Ex-Soldaten nachgedacht, die ihnen nach ihrer Heimkehr die Unbedenklichkeit der Entlassung in den zivilen Alltag bescheinigen und den Übergang erleichtern sollten. Mit dem einstimmig vom Kongreß verabschiedeten »Serviceman's Readjustment Act« von 1944, dem »GI Bill of Rights«, leistete die Regierung zwar frühzeitig eine im Rückbhck gesehen sehr erfolgreiche Einghederungshilfe; etwa acht Millionen Veteranen profitierten von Arbeitslosengeld und Krankenversicherung, Hilfen bei Ausbildung, Umschulung und Wohnungssuche oder einem Universitätsstipendium. Doch die berühmten Bilder der Siegesparaden bilden nur einen kleinen Ausschnitt dessen ab, was die Rückkehrer in der Heimat erwartete. Die Soldaten kehrten zurück, um festzustellen, daß nicht nur sie sich verändert hatten. Ihr Land, ihre Famihen, ihre Freunde waren ebenso wenig dieselben. Zu diesem Themenkomplex des Readjustment entstanden kurz nach Kriegsende mehrere Filme. Der bekannteste und erfolgreichste ist: The Best Years of Our Lives6'. Den
Krieg überwinden oder »come on, snap out of it!«
Durch die Lektüre eines Artikels im Magazin »Time« über die Probleme von Veteerhielt der berühmte Hollywood-Produzent Samuel Goldwyn die Idee zu einem Film über Kriegsheimkehrer und ihre Schwierigkeiten in der Heimat. Das Buch »Glory for Me« von MacKinlay Kantor diente dann als Vorlage für das Drehbuch7. Wilham Wylers mit insgesamt sieben »Academy Awards« ausgezeichnetes Meisterwerk, das im November 1946 in die Kinos kam, bietet eine einmakge Momentaufnahme von einer Zeit, in welcher der Zweite Weltkrieg in den Köpfen und
ranen
5 6
Divorces and Annulments and Rates, , S. 9. Mit der Kriegsheimkehrerthematik setzten sich ebenfalls die Filme Pride of the Marines (1945) und Till the End of Time (1946) auseinander. Vgl. The Way Home, in: Time Magazine, 7.8.1944; Jackson, The Uncertain Peace; Culbert, Schurken, S. 240-244; Combs, American Political Movies, S. 38 f.; Christensen, Reel Politics, S. 76; Butler, The War Film, S. 79-85; Patterson, Grand Expectations, S. 14 f.
Vgl.
Andreas
166
Homer Parrish, Fred Deny undAl Stephenson The Best Years of Our Lives
Etges
(v.l.n.r.), die Protagonisten von:
Herzen der Menschen noch nicht vorüber war, der Kalte Krieg aber noch nicht begonnen hatte. Er zeigt auf vielfältige Weise die Anpassungsprobleme der körperkch wie psychisch von ihren Kriegserlebnissen gezeichneten Soldaten. Weit entfernt davon, den Krieg oder die Rückkehr zu glorifizieren, schildert Wyler schonungslos Konflikte mit Familie und Freunden, Arbeitskollegen und der Öf-
fenthchkeit. Entfremdung zwischen Ehepartnern und Fremdgehen, Alpträume und Alkoholprobleme, Arbeitslosigkeit und generehes Unverständnis für die Situation der Veteranen werden thematisiert. Der damahge Erfolg des Filmes er gkt als der Film mit den besten Einspielergebnissen seit Vom Winde verweht (Gone with the Wind, USA 1939) spricht dafür, daß er einen Nerv des Pubkkums traf8. The Best Years of Our Lives schildert die Heimkehr dreier Veteranen, die sich auf dem langen Flug in einem B-17 Bomber nach Boone City kennenlernen. Diese fiktive Stadt kegt im Mittleren Westen der USA, dem »heartland«, und soll das (weiße) Durchschnittsamerika symboksieren9. Die drei sind unterschiedlichen Alters, gehören verschiedenen sozialen Schichten an, haben unterschiedliche Berufe und Lebenserfahrung. Außerdem waren sie Angehörige verschiedener Waffengattungen und kämpften an verschiedenen Kriegsschauplätzen. —
-
In einer
Besprechung hob das Magazin »Life« hervor, daß der Film sich ernsthaft mit aktuellen Probleme auseinandersetze, vgl. Life, 16.12.1946, S. 71 -73. Die Luftaufnahmen wurden von Cincinnati gemacht.
Der
Deutungswandel des Zweiten Weltkriegs in US-amerikanischen Filmen
167
Marinesoldat Homer Partish: The Best Years of Our Lives Al Stephenson (Fredric March) ist der Älteste der drei. Er ist seit 20 Jahren verhekatet, hat zwei Kinder und war vor dem Krieg leitender Angestellter in einer Bank. Als Sergeant der Army stand er im Einsatz gegen Japan. Fred Derry (Dana Andrews) hatte zuvor in einem Drugstore an der Eis- und Getränketheke gearbeitet. Kurz bevor es für ihn mit der Air Force Richtung Europa ging, hatte er noch geheiratet. Der Jüngste der drei, Homer Parrish (Harold Russell), diente bei der Navy. Seiner Jugendfreundin Wilma Cameron (Cathy O'Donnell), einem Nachbarsmädchen aus dem kleinbürgerlichen Wohnviertel, hatte sie er zu hekaten. nach dem versprochen, Krieg Alle drei kehren mit inneren und äußeren Wunden zurück. AI kann seine Umwelt oft nur noch mit Alkohol ertragen. Fred, ein hochdekorierter Maschinengewehrschütze in einem Bomber, wird immer wieder von Alpträumen der Kampfeinsätze geplagt. Homer schließlich, einst Star seines High School-Footballteams, hat beide Unterarme verloren. Er muß jetzt Prothesen tragen1". Nach der Vorstellung der drei Protagonisten, deren Wege sich in Boone City immer wieder kreuzen werden, beschreibt der Film, wie sie »zu Hause« eintreffen. Die Familien wissen nicht, daß sie kommen, doch die Überraschung über ihr unerwartetes Eintreffen ist nicht der einzige Grund, der das Wiedersehen jeweils zu einem heiklen Ereignis werden läßt. Als erster trifft der junge Homer bei seiner Familie ein. Bei den Umarmungen seiner Eltern und dann seiner Freundin Wilma steht Homer steif mit herunter hängenden Armen. Die Navy, so Fred bewundernd, habe ihn gelehrt, seine Prothesen zu benutzen. Doch der zum Zynismus neigende AI bringt die Sache auf den Punkt: »They couldn't train him to put his arms around his gkl to stroke her hair.« Homers Prothesen die »Haken«, wie er sie nennt haben sein Leben grundle—
—
seine Rolle einen Spezial-Oscar erhielt, war ein echter Kriegs veteran. Drehbuchautor Robert Sherwood hatten den Schauspielamateur in einem Film der Armee entdeckt. »Life« bezeichnete ihn als »the most widely publicized double amputee of the war«, der außerdem mustergültig mit seiner Behinderung klar komme. Fritzell, 1 landless Veteran, in: Life, 16.12.1946, S. 71-73.
Harold
Russell, der für
Regisseur William Wyler und
Andreas
168
Etges
gend verändert, und seine Fähigkeit oder Unfähigkeit, sie zu benutzen, werden im ganzen Film eine wichtige Rolle spielen. Das Unwohlsein von AI vor dem Wiedersehen »it feels as if I were going in to hit a beach« bestätigt sich schnell11. Seine Frau Milly (Myrna Loy), sein Sohn Rob (Michael Hall) und seine Tochter Peggy (Teresa Wright) sind zwar alle daheim, und auf den ersten Bhck scheint man die glückkche Wiedervereinigung einer -
—
Famike zu sehen. Doch, das wkd schnell klar, es hat sich etwas verändert. Die Familie hat ihr Leben ohne AI eingerichtet. AI und Milly werden eine Zeit brauchen, sich wieder an die Nähe des anderen zu gewöhnen. Die Kinder sind älter geworden und haben sich weiterentwickelt. Zum Entsetzen von AI gibt es keine Haushaltshilfe mehr, und Peggy, die jetzt in einem Krankenhaus arbeitet, verkündet stolz, einen Kurs in »domestic efficiency« absolviert und ein Kochbuch gekauft zu haben. Am ernüchterndsten ist aber die Reaktion seines Sohnes, der noch zur High School geht. AI hat ihm besondere Geschenke mitgebracht: »AI: This is a Samurai sword, Rob. Rob (gleichgültig): Thanks very much, Dad. Al: This is a flag I found on a dead Jap soldier. All that writing on it is signatures and good luck messages from his relatives. Rob: Yes, I know. The Japanese attach a lot of importance to their
family relationship. Yeah, they are entirely different from us.«
Al:
Die fast abweisende Reaktion seines Sohnes statt der zu erwartenden Freude eines Teenagers über solche »Trophäen« steigert sich aus Sicht Als noch, denn er wird mit Fragen zu den Folgen des Atombombenabwurfs konfrontiert: »Rob: Say, you were at Hkosfiirna, weren't you Dad? Well, did you happen to notice any of the effects of
radioactivity on the people who survived the blast? Al: No, I didn't. Should I have? Rob: We've been having lectures in atomic energy at school, and Mr. McLaughlin, he's our physics teacher, he says that we've reached a point where the whole human race has either got to find a way to Uve together, or else uhm ...!? Al: Or else...? Rob: That's right. Or else ...« Diese Szene ist bemerkenswert. Der Überraschungsangriff der Japaner auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 hatte nicht nur zum Kriegseintritt der USA geführt, sondern eine von Rassismus gespeiste antijapanische Welle ausgelöst, die unter 1'
Bereits auf dem Flug nach Boone City hatte AI befürchtet: »The everybody is gonna try to rehabilitate me.«
thing that scares me most is that
Der
Deutungswandel des Zweiten Weltkriegs in US-amerikanischen Filmen
169
anderem zur grundrechtswidrigen Internierung von über 100 000 loyalen »JapaneseAmericans« führte. Der Krieg, der schließlich mit der auf den Abwurf der Atombomben auf Hkoshima und Nagasaki folgenden Kapitulation Japans endete, war von beiden Seiten mit besonderer Härte geführt worden. Doch statt sich über die Kapitulation der verhaßten Japaner oder doch zumindest über die Geschenke seines »wohlbehalten« aus dem Kampf zurückgekehrten Vaters zu freuen, interessiert sich Rob anscheinend mehr für das Schicksal der »Feinde«. Seine Familie, so Als enttäuschtes erstes Fazit des Wiedersehens, ist ihm fremd geworden: »I should have stayed home and found out what was really going on.« Freds Heimkehr ist noch frustrierender. Seine Frau Marie (Vkginia Mayo) lebt zu seiner Überraschung nicht mehr in der armsehgen Wohnung seiner Eltern. Außerdem arbeitet sie seit einiger Zeit in einem Nachtclub. Ihre neue Wohnung ist verschlossen, und Fred wird sie erst am nächsten Tag treffen. Im weiteren Verlauf beschreibt der Film, daß mit der Heimkehr die eigentkchen Probleme der drei, die sich bereits am ersten Abend in derselben Kneipe erneut begegnen, erst beginnen. Homer, der nun von Invakdenrente lebt, verschließt sein Inneres und zieht sich immer weiter von seiner Familie und auch von Wilma zurück. Daß er für alle Zeit auf andere angewiesen ist, wird ungeschminkt vor Augen geführt. Seine Prothesen sind Zeichen seiner Behinderung, doch ohne sie ist er noch hilfloser. Dies wird in zwei intimen Szenen in seinem Schlafzimmer verdeutlicht, wo ihm erst der Vater beim Auskleiden und Abnehmen der Prothesen hilft. Später nimmt er die ob seiner abweisenden Haltung allmählich verzweifelnde Wilma mit in sein Zimmer. Er will ihr nicht das Leben mit einem »Krüppel« zumuten, und so soll sie mit eigenen Augen sehen, wie hilflos und abhängig ihn seine Behinderung macht, sobald er die Prothesen abgenommen hat: »This is when I know I
am helpless [...]. I'm as dependent as a baby that doesn't know how to get anything except to cry for it.« Mit AI scheint es das Schicksal besser zu meinen. Seine Bank will ihn möghchst bald wieder einstellen. AI selbst hätte allerdings keber mehr Zeit gehabt, um sich an das Leben zu Hause und an seine Famike zu gewöhnen. Als neuer Vizepräsident der Bank soll er die Abteilung für Löhne an Veteranen im Rahmen des »GI Bill« leiten12. Seine Erfahrung im Krieg würde ihn, so sein Chef Mr. Milton, für
eine solche
Aufgabe prädestinieren:
»You're the man for it [...]. Your war experience will prove invaluable to us here [...]. We need a man who understands the soldier's problems. And at the same time, who's well grounded in the fundamental principles of sound banking. In other words, you.«
Später jedoch bekommt AI Schwierigkeiten, weil er die Probleme der Ex-Soldaten zu gut versteht und sich bei Krediten nach Meinung der Bank zu großzügig zeigt. Bei einem Bankett soll AI, der schon viel zu viel getrunken hat, eine Rede halten. Die in Teilen wkre Ansprache endet mit einem tief aus dem Inneren kommenden Bekenntnis, das gegen die »principles of sound banking« verstößt: 12
Culbert, Schurken, S. 243, kritisiert fälschlicherweise, im Film sei nie vom »GI Bill« die Rede.
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»I love the Cornbelt Loan and Trust Company. There are some who say that the old bank is suffering from hardening of the arteries and of the heart. I refuse to ksten to such radical talk. I say that our bank is akve, it's generous, it's human, and we're going to have such a line of customers seeking and getting small loans that people will think we're gambling with the depositors' money. And we will be. We will be gambling on the future of this country. I thank you.«
AI ist klar, daß der Beifah, den er für diese Worte erhält, geheuchelt ist. Es wird auch künftig zu Konflikten über seine Kreditbewilhgungen kommen. Aber der Film läßt den angetrunkenen AI eine Wahrheit aussprechen: Nachdem der Krieg in einer nationalen Kraftanstrengung und unter vielen Opfern gewonnen wurde, gilt es nun ebenso entschlossen und risikofreudig, den Frieden zu gewinnen. Fred macht besonders zu schaffen, daß er für seine Familie anscheinend nur als Soldat zählt. Für seine Eltern ist er wegen der vielen Auszeichnungen, die er bekommen hat, ein Held. Seine Frau wkl ihn vor allem in Uniform vorzeigen; nur darin sei er er selbst. Für seine Probleme hat sie keinerlei Verständnis und beklagt sich über seine Alpträume: »You know, the war's over. You won't get anyplace 'til you stop thinking about it. Come on, snap out of it.« Bei einem Besuch in seinem alten Drugstore, der nun von einer großen Kette übernommen worden ist, beäugen ihn andere Angestellte argwöhnisch, weh er wegen seiner Kriegsverdienste wohl bevorzugt bei der Einstellung behandelt wird. Doch es zeigt sich schnell, daß Freds Auszeichnungen im Berufsleben wertlos sind. Da er im Krieg weder Organisations- noch Führungserfahrung gesammelt hat, sondern »lediglich« Bomben abwarf, erscheint er dem neuen Chef nicht geeignet für eine leitende Funktion; aber Eis könne er gerne wieder verkaufen. Als ihm das Entlassungsgeld der Air Force allmählich ausgeht, verschärfen sich seine Probleme. Fred ist nicht bereit, in seinem Alter noch eine Ausbildung zu machen. Schließhch muß der »Kriegsheld« doch auf das finanziell und von der sozialen Stellung her erniedrigende Angebot des Drugstore-Managers eingehen und darf nun zusätzhch Damenparfüm verkaufen. Für seine Frau ist er damit endgültig ein Versager. Sie betrügt ihn und will schheßhch die Scheidung. Völhg frustriert beschheßt Fred, die Stadt zu verlassen. Die aus seiner Sicht »wertlosen« militärischen Auszeichnungen läßt er bei seinen Eltern zurück: »They're just a lot of fancy words that don't mean anything. You can throw them away.« Auf seinen Abflug wartend, geht Fred über den riesigen Flugzeugfriedhof, wo die ausrangierten Flugzeuge der Luftwaffe darauf warten, verschrottet zu werden. Fred schreitet vorbei an langen Reihen von Flugzeugrümpfen und ausgebauten Motoren. Ebenso wie er haben diese noch vor kurzem für das nationale Schicksal so wichtigen Maschinen ihre Funktion verloren. Auch sie werden nicht mehr gebraucht, und sie sind mit ihrem letzten Flug auf dem Schrottplatz gelandet. An den zum Teil beschädigten Maschinen fehlen die Propeller, und die nackten Flügel wirken so, als seien die Gkeder amputiert worden. Fred steigt in eines der B-17 Flugzeuge und setzt sich in die Plexiglas-Kanzel, seinen alten »Arbeitsplatz«. Die Erinnerungen an seine Einsätze übermannen ihn, und erst das Klopfen eines Arbeiters holt ihn in die Gegenwart zurück. Fred erfahrt, daß die alten Flugzeuge doch noch nicht ganz wertlos sind. Sie werden ausgeschlachtet und in Elemente
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Happy-End: Homer und Wilma heiraten: The Best Years of Our Lives
Fertighäuser umgewandelt. Und ebenso wie die ausgemusterten Flugzeuge, die wenige Momente zuvor noch ein Spiegel seiner eigenen Nutzlosigkeit zu sein schienen, erhält auch Fred eine neue Chance. Er kann bei der Verwertungs firma anfangen und damit im doppelten Sinne mit an der Zukunft Amerikas bauen. Zum Ende des Films nehmen so die Schicksale der drei Protagonisten eine gute Wendung. AI und Milly führen wieder eine glückkche Ehe. Homer und Wilma heiraten. Fred hat nicht nur einen neuen Job gefunden, nach der Scheidung von seiner Frau und dem Wiedereinzug bei seinen Eltern trifft er bei der Hochzeit von Homer und Wilma Peggy Stephenson wieder. Beide verheben sich ineinander und wollen nun einen neuen Anfang wagen. Doch trotz des Happy-Ends mag der Zuschauer der neuen Harmonie noch nicht so ganz trauen, weder bei den Hauptfiguren noch in der amerikanischen Gesellschaft. Das ist eine der Stärken des Films, der zu einer Zeit gedreht wurde, als der Krieg noch nicht ganz zu Ende war und der Frieden noch nicht richtig begonnen hatte. Oder auch: Als der neue, der Kalte Krieg noch nicht bestimmend geworden war. Eine der interessantesten Szenen von The Best Years of Our Lives beschäftigt sich genau damit und wäre wohl schon ein Jahr später in der Produktion eines großen Hollywood-Studios kaum noch denkbar: Homer besucht Fred im Drugstore. Ein anderer Kunde spricht ihn dort auf für
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seine Prothesen an. Selbstbewußt und mit einem Schuß Ironie beschreibt Homer den Verlust seiner Hände. Doch für den Mann ist Homer sinnlos zum Krüppel geworden. Man habe den falschen Krieg gegen die falschen Gegner geführt. Die wahren und kommenden Feinde seien die Kommunisten: —
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»Mann: It's terrible when you see a guy kke you that had to sacrifice himselfand for what? Homer: And for what? I don't getcha Mister? Mann: We let ourselves get sold down the river. We were pushed into war. Homer: Sure, by the Japs and the Nazis so we had Mann: No, the Germans and the Japs had nothing against us. They just wanted to fight the Limies13 and the Reds. And they would have whipped 'em too if we didn't get deceived into it by a bunch of radicals in Washington. Homer: What are you talkin' about? Mann: We fought the wrong people, that's all.« ...
...
Als Homer und der Mann schließlich aneinandergeraten, greift Fred ein und schlägt den Fremden, der »plain, old-fashioned Americanism« predigt, nieder. Fred ist klar, daß er damit seine Stelle im Drugstore verkert: »The customer is always right, so I am fired. But this customer wasn't right.« Der Film läßt keinen Zweifel daran, daß er in dieser Auseinandersetzung auf der Seite von Fred und Homer steht. Im November 1946, das zeigt The Best Years of Our Lives deuthch, war der Zweite Weltkrieg weit davon entfernt, nur als guter Krieg erinnert zu werden. Der Film gewährt einen faszinierenden Einbhck in eine Übergangsphase, in welcher weder Optimismus und Aufschwung noch neue Bedrohungsängste dominierten. Mit großer Offenheit beschreibt er die massiven Anpassungsschwierigkeiten von Veteranen und ihren Familien in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Das waren Erfahrungen, die Millionen Amerikaner machten. Man könnte kritisieren, daß der Film die Probleme der Schwarzen unberücksichtigt läßt, die im fernen Europa für die Freiheit anderer ihr Leben riskierten, um dann zu Hause wieder als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden. Auch die Frauenrollen sind sehr traditionell geraten. The Best Years of Our Lives ist hier wiederum ein Spiegel der damaligen Gesellschaft. Und der Titel des Films, der mit der provokanten These spielt, daß die Veteranen »die besten Jahre ihres Lebens« vielleicht im Krieg und nicht nach ihrer Rückkehr hatten, läßt sich auch auf Frauen und A fro-Amerikaner übertragen, denen die durch den Krieg gegebenen Freiheiten und Emanzipationserfolge nun zum Teil wieder genommen wurden. großen Den
Krieg erinnern oder »the greatest generation«
Die vielen amerikanischen Spielfilme, die sich in den fünfziger und sechziger Jahmit dem Zweiten Weltkrieg befaßten, entfernten sich weit von der Thematik
ren
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Limies: Slang für Briten. Wurde ursprünglich für britische Seeleute verwendet, die bei langen Reisen an Skorbut erkrankten. Dem Vitamin C-Mangel wurde schließlich durch LimonenRationen abgeholfen.
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des Wyler-Films. Sie stellten die Schlachten und die heldenhaften amerikanischen Soldaten in den Vordergrund. Die negativen Aspekte des Zweiten Weltkriegs wurden alknähkch verdrängt und vergessen14. Die Umdeutung des Zweiten Weltkriegs wurde positiv und negativ durch die Entwicklung der Nachkriegszeit befördert. Die nun zur wirtschaftlichen, politischen und militärischen Führungsmacht des Westens aufgestiegenen Vereinigten Staaten erlebten einen bis dahin unvorstellbaren Wohlstand, der schnell alle Ängste einer erneuten Depression vertrieb. Der Bkck wurde nach vorne gerichtet, nicht zurück. Der weit in die Innenpoktik wkkende Kalte Krieg ersetzte die alten Feinde durch neue. Die kriegerischen Auseinandersetzungen wurden nicht in dkekter Konfrontation, sondern auf Nebenkriegsschauplätzen geführt. Der Krieg in Korea zu Beginn der fünfziger Jahre keß sich schon nicht mehr als eindeutig erfolgreich deuten, doch erst die Tragödie von Vietnam zementierte das neue Bild des Zweiten Weltkriegs. Der Vietnamkrieg wurde zu »America's worst war ever« und zum Gegenbild des »good war«15. Damals, im Kampf gegen Nazis und Japaner, so die Argumentation, habe es noch richtige Fronten, eindeutig böse Feinde, dankbare Freunde, klare und gute Kriegsziele gegeben; die Heimatfront habe geschlossen hinter den Soldaten gestanden; ein glorreicher Sieg sei errungen und die Kriegsheimkehrer in Siegesparaden gefeiert worden16. Im Jahre 1990 beschrieb »Newsweek« den amerikanischen Militäreinsatz in Europa während des Zweiten Weltkriegs entsprechend als »symbol of unalloyed good, free of the moral and pohtical ambiguities of Vietnam, Grenada, Lebanon or Panama«. Wohlgemerkt bleibt der Krieg im Pazifik mit dem umstrittenen Abwurf der Atombomben und den auch innenpoktischen Folgen wie der Internierung der »Japanese-Americans« hier ausgespart17. Spätestens mit dem 50. Jahrestag von D-Day im Jahre 1994 wurde der Zweite Weltkrieg in den USA dann endgültig »the best war ever«. Paradigmatisch sind die 14
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Der Klassiker unter den heroischen Kriegsfilmen ist wohl Sands oflwojima (Du warst unser Kamerad, R: Allan Dwan, s/w, USA 1949) mit John Wayne. In ihren Erinnerungen schildern Vietnamveteranen immer wieder, daß dieser Film ebenso wie John F. Kennedys Aufruf an die Opferbereitschaft der jungen Generation zu ihrem ideologischen Marschgepäck gehörte, vgl. z.B. Caputo, A Rumor of War, S. XIV, 6, 16, 69 f., 230; Kovic, Born on the Fourth of July, S. 85 f. Dem widerspricht nicht, daß nicht zuletzt durch das »Vietnam Veterans Memorial« die »Wall« mittlerweile eine positive Umdeutung des Vietnamkrieges stattfindet. Neuerscheinungen zu diesem Themenkomplex werden besprochen in Andreas Etges, The Wound that Won't Heal. Neue Forschungen zum Vietnamkrieg und seinen Folgen, in: Neue Politische Literatur, 47 (2002), 1, S. 93-103. Zum Thema heimkehrende Soldaten siehe den von der Revolutionszeit bis zum Vietnamkrieg reichenden Vergleich von Severo/Milford, The Wages of War. Newsweek März 1990, zit. nach Adams, Best War Ever, S. 3. Eine der Debatte über die Wehrmachtsausstellung vergleichbare Auseinandersetzung fand Jahre 1994/95 über die vom nationalen Raumfahrtmuseum in Washington geplante »Enola-Gay-Ausstellung« statt. Veteranenverbände und viele Kongreßabgeordnete kritisierten, daß das Konzept zu sehr die Folgen des Atombombenabwurfs und damit die Japaner als Opfer zeige. Die Ausstellung wurde wegen des großen öffentlichen Drucks schließlich abgesagt, vgl. dazu Thelen, Enola Gay Round Table; siehe auch History Wars und Judgment at the Smithsonian. -
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Aufzeichnungen von Tom Brokaw, einem der prominentesten Fernsehjournaksten der USA, der den Feieriichkeiten in der Normandie beiwohnte. Diese gewöhnlichen Menschen, geht es Brokaw beim Anbkck der versammelten Veteranen durch den Kopf, hätten die Last auf sich genommen und die Welt von den beiden
schlimmsten und stärksten Mächten befreit, die je existiert hätten. Und nach dem Krieg hätten sie sich gleich daran gemacht, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und eine bessere Welt zu schaffen: »I think this is the greatest generation any society has ever produced18.« Folgerichtig wird diese »greatest generation« demnächst die nationale Heiligsprechung der modernen amerikanischen Erinnerungskultur erhalten. Mitten auf der »Mall« in Washington D.C., in der bislang unantastbaren Sichtachse zwischen »Washington Monument« und »Lincoln Memorial«, entsteht gegenwärtig ein monumentales Weltkriegsdenkmal. Im Sinne von Jan Assmanns Generationenmodell des kulturellen Gedächtnisses gibt es Bemühungen, für die späteren Generationen zu fixieren, wie der Zweite erinnert werden soll. Davon zeugen neben dem Denkmal und den vielen Weltkrieg welche die Büchern, Bedeutung der Weltkriegsgeneration hervorheben, vor allem auch Fernsehdokumentationen und eine neue Welle von Spielfilmen zum Zweiten Weltkrieg19. Steven Spielbergs mehrfach preisgekröntes Opus Saving Private Ryan von 1998 bringt diesen Bedeutungswandel filmisch perfekt zum Ausdruck. Der Film ist vor allem für die reakstische Darstellung der Landungsszenen in der Normandie gelobt worden. Fast 30 Minuten lang wird die blutige und opferreiche Eroberung von »Omaha Beach« am D-Day in für den Kinobesucher fast unerträghcher Detailgenauigkeit und »Nähe« geschildert. Es fehle nur der stechende Geruch des Todes in diesem »ultimate combat film«, lauteten einige Kommentare2". Die Kernstory dagegen ist unreakstisch und absurd, obwohl sie entfernt an eine wahre Begebenheit angelehnt ist21. Bei Spielberg erhält die Mutter der Familie Niland an einem Tag die Nachricht, daß drei ihrer vier Söhne gefallen sind. Der vierte Sohn, so wird von der höchsten militärischen Führung entschieden, soll von der Front zurückgerufen werden. Ein speziell dafür zusammengestelltes Kommando muß für den Versuch, dieses nun so besondere Leben des letzten NilandSohnes zu retten, fast komplett mit dem Leben bezahlen. i»
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Zitate aus Brokaw, The Greatest Generation, S. XIX XXI, XXX. »Nach 40 Jahren treten die Zeitzeugen, die ein bedeutsames Ereignis als Erwachsene erlebt haben, aus dem eher zukunftsbezogenen Berufsleben heraus und in das Alter ein, in dem die Erinnerung wächst und mit ihr der Wunsch nach Fixierung und Weitergabe.« Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 51. Zitate bei: Frank Rizzo, War as Hell. Spielberg on Saving Private Ryan, in: Hartford Courant, 26.7.1998; Jay Carr, Ryan is Gritty, Brutal and Vital, in: Boston Globe, 24.7.1998; Janet Maslin, Ryan a Soberly Magnificent New War Film, in: New York Times, 24.7.1998; Kenneth Turan, An Unflinching Vision of Men in War, in: Los Angeles Times, 24.7.1998; Michael O'Sullivan, Spielberg Wins Battle, not War, in: Washington Post, 24.7.1998. Vgl. Jane Summer, A Tough Critic Historian Stephen Ambrose is Shaken by »Private Ryan«, in: Dallas Morning News, 18.7.1998. -
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Captain John Miller (Tom Hanks) nach der Landung am D-Day in der Normandie: Saving Ryan
Private
romantisches oder heldenhaftes Ereignis den einfachen darstellen, sondern Soldaten, den sein Land in die Pflicht genommen und der trotz aller Grausamkeiten versucht hatte, seine Würde und Anständigkeit zu bewahren22. Der in Teilen zu patriotisch geratene Film zeigt nur bedingt klassische Helden. Der Krieg in Saving Private Ryan ist zuallererst grausam. So werden sich ergebende Deutsche einfach erschossen. Die amerikanische Fahne weht zwar noch, aber sie ist ausgebkchen und ihre Farben strahlen nicht mehr. Doch weder die Landungsszene, für die der Film vor allem gelobt wurde, noch die Kerngeschichte der Rettung des Soldaten James Ryan sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung, sondern die beiden Szenen auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in der Normandie. Sie rahmen den Film zu Beginn und am Ende ein. Hier versammeln sich drei Generationen: Der Großvater James Ryan (als alter Mann: Harrison Young, als junger Mann: Matt Damon) kehrt mit seiner Frau, seinen Kindern und Enkelkindern an diesen Ort der Erinnerung und Trauer zurück. Beim Anbkck des Grabsteins von Captain John Miker (Tom Hanks), dem Führer des Suchtrupps, sinkt Ryan auf die Knie. Seine Famike versammelt sich um ihn. Die Kamera fährt dann langsam auf die tränengefükten Augen von Ryan, und nach einem fast brutalen Schnitt springt der Film zum 6. Juni 1944 nach Omaha Beach in der Normandie, wo der schon auf den ersten Blick bedrohkch wirkende Strand wenige Minuten später mit verwundeten und toten amerikanischen Soldaten übersät sein wird, und wo Schüsse und Schmerz en s schreie die Wellengeräusche übertönen. Indem nun die Geschichte der Landung in der Normandie, vor akem aber die der
Spielberg wollte Krieg nicht mehr als
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Vgl. Frank Rizzo, War as Fielt Spielberg on Saving Private Ryan, in: Hartford Courant, 26.7.1998.
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Etges
Tom Hanks in:
Saving Private Ryan
Suche nach Ryan, erzählt wird, gibt der Großvater (Ryan) symbolisch seine Erinnerung und damit auch die dauerhaft angelegte Deutung des Krieges an die Kinder und Enkel weiter. »Earn it!« hatte Captain Miller ihm vor seinem Tod mit auf den Weg gegeben. Die vielfachen Opfer, um den einen zu retten, so lautet die Botschaft, dürften nicht umsonst gewesen sein. Und so hat sich Ryan sein ganzes Leben lang darum bemüht, ein guter Mensch zu sein. Seine Frau bestätigt dies schheßhch in einer der letzten Filmszenen, und ake Zuschauer wissen: Ryan gehört zur
»greatest generation«.
Nach einem Salut Ryans vor dem Grabstein von Captain Mkler fährt die Kamera immer näher auf die Inschrift, und von der langen Reihe der weißen Kreuze auf dem satten grünen Rasen wird übergeblendet auf eine amerikanische Fahne, deren Farben schon leicht verbkchen sind. So ist Saving Private Ryan zwar nicht ganz widerspruchsfrei, und auch in der Darstekung des Krieges verliert er sich oft in grausamen Büdern, aber letztendlich baut er mit an der Legende des Zweiten Weltkriegs.
Schluß The Best Years of Our Lives und Saving Private Ryan präsentieren keine neuen Thesen oder Interpretationen des Krieges. Sie können als Spiegel ihrer Zeit gesehen werden. Doch solche Filme sind mehr als ledighch eine Reflektion. Sie greifen einen dominanten Diskurs auf, spitzen ihn zu und verleihen ihm mächtige Bilder, die dann wiederum einflußreich sein können. Für Fhstoriker sind Filme wie die beiden hier vorgestellten deshalb von doppeltem Interesse. Zum einen öffnen sie ein Fenster in eine fernere oder nähere Vergangenheit. Damit können sie, wie etwa The Best Years of Our Lives, auch ein gewisses Korrektiv sein. Zum anderen prägen sie selbst die gesellschaftliche Erinnerung mit, sind also Teil einer Erinnerungsproduktion. Milhonenfach rezipiert helfen sie mit, bestimmte Interpretationen zu zementieren. Nicht zuletzt die Rambo-Füme der achtziger Jahre bestärkten die übergroße Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung in ihrem Irrglauben, es gäbe noch viele, auch von der eigenen Regierung im Stich gelassene Kriegsgefangene in Vietnam. Nach dem Film JFK (USA 1991) von Okver Stone wuchs die Masse derer noch an, die überzeugt waren, John F. Kennedy sei einer großen Verschwörung zum Opfer gefaken. Der Druck auf die US-Regierung, endkch Einbkck in die Archive zu geben, führte dann zu einem bisher einmaligen Aktengesetz, durch
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das die praktisch vollständige Öffnung sämtlicher mit der Ermordung in Verbindung stehender Archivbestände geregelt wird. So trug Stone nicht nur zur Geschichtskktterung bei, sondern half tatsächlich der »historischen Aufklärung«. »Historische« Filme können also auf vielerlei Weise »historisch« sein und »historische Wkkung« entfalten. * * *
Andreas Etges, Dr. pftil., geb. 1965, Wissenschaftkcher Mitarbeiter Kennedy-Institut der Freien Universität Berhn, Abteilung Geschichte E-Mail: [email protected]
am
John
F.
Literatur
Adams, Michael C, The Best War Ever. America and World War II, Baltimore 1994 Assmann, Jan, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und poktische Identität in frühen Hochkulturen, München 1997 Brokaw, Tom, An Album of Memories. Personal Histories from the Greatest Generation, New York 2001 Brokaw, Tom, The Greatest Generation, New York 1998 Brokaw, Tom, The Greatest Generation Speaks. Letters and Reflections, New
York 1999 Butler, Ivan, The War Film, London 1974 Caputo, Philip, A Rumor of War, London 1999 Christensen, Terry, Reel Politics. American Political Movies from Bkth of a Nation to Platoon, New York 1987 Combs, James E., American Poktical Movies, New York 1990 Culbert, David, Schurken, Exzesse, Verschwörungen. Tatort Kino. Der amerikanische Film, in: Mythen der Nationen: Völker im Film, hrsg. von Rainer Rother, Berhn 1998, S. 231-248 Diggins, John Patrick, The Proud Decades. America in War and Peace, 1941 -1960, New York 1989 Divorces and Annulments and Rates. United States 1940-90, in: Monthly Vital Statistics S.9
Report, 43 (1995), 9, ,
History Wars. Enola Gay and Other Battles for the American Past, ed. by Edward Linenthal and Tom Engelhardt, New York 1996 Jackson, Martin A., The Uncertain Peace. The Best Years of Our Lives (1946), in: American History/American Film. Interpreting the Hollywood Image, ed. by Martin A.Jackson and John E. O'Connor, New York 1998, S. 147-165 Judgment at the Smithsonian, ed. by Phihp Noble, New York 1995 Kennedy, David M., Freedom from Fear. The American People in Depression and War, 1929-1945, New York 1999
Andreas
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Etges
Kovic, Ron, Born on the Fourth of July, New York 1976 Patterson, James T., Grand Expectations. The United States, 1945-1974, New York 1996
Polenberg, Richard, The Good War? A Reappraisal of How World War II Affected American Society, in: Vkginia Magazine of History and Biography, 100(1992), S. 295-322 Severo, Richard and Lewis Milford, The Wages of War. When America's Soldiers Come Home From Valley Forge to Vietnam, New York 1989 Terkel, Studs, The Good War. An Oral History of World War II, New York 1984 Thelen, David, Enola Gay Round Table, in: Journal of American History, 82(1995), S. 1029-1144 —
Filmographie THE BEST YEARS OF OUR LIVES
Die besten Jahre unseres Lebens USA 1946, s/w R: Wilham Wyler, Howard Koch (ungenannt) B: Robert E. Sherwood (nach dem Roman von MacKinley Kantor »Glory for Me«) K: Gregg Toland BA: Perry Ferguson, George Jenkins A: Juka Heron M: Hugo Friedhofer P: Goldwyn/RKO L: 172 Minuten UA: New York, 21.11.1946 DE: Berlin, 1.6.1948 D: Fredric March, Myrna Loy, Teresa Wright, Dana Andrews, Vkginia Mayo, Cathy O'Donnell, Harold Russell u.a. SAVING PRIVATE RYAN
Der Soldat James Ryan USA 1998 R: Steven Spielberg B: Robert Rodat K: Janusz Kaminski M: John Wilhams P: Steven Spielberg, Ian Bryce, Mark L: 170 Minuten UA: 24.7.1998 DE: 8.10.1998 D: Tom Hanks, Matt Damon
Gordon, Gary Levinson
Herbert Mehrtens
Die filmische Konstruktion der kampfbereiten Nation: »Deep Impact« 1997 in den USA der Komet Hale-Bopp mit bloßem Auge am Himmel zu erkennen. Im folgenden Jahr kamen zwei Spielfilme in die Kinos, die im Wettlauf um die Zeit und um die spektakulärsten Katastrophenszenen von Warner (Dreamworks) und Disney (Touchstone) produziert worden waren: Deep Impact (USA 1998) von Mimi Leder mit Tea Leoni in der Hauptrolle bei Dreamworks und Armageddon (USA 1998) von Michael Bay mit Bruce Willis bei Touchstone. Ob Hale-Bopp bei der Entstehungsgeschichte der Filme eine Rolle gespielt hat, kann ich nicht sagen, jedenfalls war er ein Reaktätszeichen für die folgenden Fiktionen: In beiden Filmen wkd die Erde von einem Kometen bedroht, der dann am Ende durch todesmutige und opferbereite Helden im Weltraum soweit unschädlich gemacht wkd, daß er zwar genügend Anlaß für spektakuläre Katastrophenbilder gibt, ohne daß jedoch die menschkche Welt zur Gänze untergeht. Im Gegenteil, in beiden Fällen erfüllt sich am Schluß die zentrale Liebesgeschichte, denn so der Untertitel von Deep Impact— »Hope Survives«. Ist man allerdings an einem spannenden Actionfilm mit Ironie und Witz interessiert, dann ist man ohne Frage mit Armaggedon sehr viel besser bedient; Deep Impact spricht eher das Herz an, freilich verzichtet der Film ebensowenig auf ansehnhche Katastrophenbilder. Beide Filme waren Kassenschlager, und beide beinhalten eine Botschaft an die Nation, die in Deep Impact erheblich ausführkcher und feiner gearbeitet ist. Außerdem hat dieser Film zwar, wie es sich für Dreamworks gehört, auch seine märchenhaften Züge, aber die Erzählung ist eher reakstisch, nicht nur in der Vorführung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Asteroiden und Kometen1. Meine erste Begegnung mit Deep Impact fand nicht im Kino statt. Ich habe den Film 1998 auf einem Flug in die USA gesehen, als wk mit einer Gruppe von Studierenden unterwegs zu einer Exkursion waren, die Washington (D.C.) und New
Wochenlang war
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>»Die Darstellung war schon recht realistisch e
Kriegsanleihen, nachdem ihm in einem Traum die
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Angaben zum Film incl. der Inhaltsangabe bei Schmitt, Kirche und Film, S. 280 f. Vgl. auch Rother, Vom Kriegssofa, S. 204. Die
»L'effet de réel«
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der Krieg, der nach der Ideologie der »Ideen von 1914« den inimateriellen Werten wieder zu ihrem Recht verhelfen soll, infolge des wachsenden Mangels und der steigenden Inflation die öffentkche und private Aufmerksamkeit mehr denn je auf das Geld richtet. Doch es gibt einen weiteren Grund für die Bedeutung des Geldes: Der Krieg wird gerade auch dadurch zum Volkskrieg, daß ihn das Volk, nicht zuletzt mit dem Groschen der »kleinen Leute«, finanziert. Nicht in seiner KriegsdarsteUung, die wie in aUen deutschen Propagandafilmen der Zeit herkömmkchen Mustern verhaftet bleibt, sondern in seiner mit spielerischen Trickaufnahmen in Szene gesetzten Geschichte vom Umlauf des Geldes in Kriegszeiten deutet der Feldgraue Groschen auf mentale Verschiebungen und Umbrüche in der Kriegsgesellschaft. Crisis of representation? »Viewed as a drama, the war is in some ways disappointing« so lautet das Fazit des nordamerikanischen Regisseurs David W. Griffith, den die Leitung der britischen Kriegspropaganda 1916 eingeladen hatte, einen Kriegsfilm zur Mobiksierung der Sympathien der USA für die Sache der Entente zu drehen. Griffith unternahm, ausgestattet mit außerordentkchen Privilegien, zwei Frontreisen zu Dreharbeiten in Nordfrankreich, um seinen Film Hearts of the World (R: David Wark Griffith, stumm, s/w, USA 1918) schkeßkch völkg unter Stadiobedingungen zu drehen. Der Film geriet ihm unter der I land zu einem der Aktuaktät des Weltkriegs angepaßten »Remake« seines Bürgerkriegs films von 1915 The Birth of a Nation, das den Krieg in einen melodramatischen Plot umsetzte45. Griffith trat den Rückzug von der Reaktät der Westfront an, wo ihm wie keinem anderen Regisseur alle erdenkkchen Arbeitsmöghchkeiten eingeräumt worden waren, um den Großteil der Action-Szenen schkeßkch auf Übungsplätzen der britischen Armee und auf einer kakfornischen Ranch zu drehen. Dieser Schritt befreite den Filmemacher aus der Ohnmacht an der Front und erhob ihn über Chaos und Destruktion des Kampfes in die Position eines souveränen Gestalters und Erzählers. So konnte er sich den Panorama-Bkck des Feldherrnhügels früherer Jahrhunderte erhalten und war imstande, »wie ein Gott aus der Höhe [zu] schauen«, um dem Geschehen seinen Sinn zu verleihen46. Die alle Dimensionen sprengende Gewalt und die Verheerungen des Massenkrieges löst Griffith auf im kleinen menschkchen Rahmen, in der Geschichte eines jungen amerikanischen Paares, »Girl« und »Boy«, die in einem fran—
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The War, the West, and the Wilderness, S. 144-155; Merritt, D.W. Griffith Directs the Great War; Welsh, The Great War and War Film as Genre; das Zitat von Griffith aus einem Interview in Photoplay, März 1918, zit. nach Brownlow, The War, the West and the Wilderness, S. 149. So die Formulierung in einem Bericht an das Bild- und Filmamt Berlin durch den deutschen Attaché an der kaiserlichen Botschaft in Knstiana (Oslo), Carl Ludwig Duisberg, vom 26.10.1917, zu Griffiths Film »Intolerance«, zit. nach Rother, Monumentalkino, S. 382; der gesamte Text Duisbergs findet sich abgedruckt mit einer Einleitung von Rainer Rother in: Rother, »Ein neues, gewaltiges Instrument für die Menschheit«.
Vgl. Brownlow,
Martin Baumeister
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zösischen Dorf die Schrecken der deutschen Invasion erleben. Im Mttelpunkt stehen nicht Szenen von der Front, sondern die Übersetzung der Kriegsbedrohung und miktärischen Gewalt in elementare humane, besonders GeschlechterChiffren: so die versuchte Vergewaltigung und brutale Mißhandlung des »Girl« durch deutsche Soldaten; Szenen, die beim zeitgenössischen Pubkkum heftige Reaktionen auslösten. Das melodramatische Genre rettete nicht nur den auktorialen Erzähler, sondern auch das Subjekt als handelndes und duldendes Individuum. Griffith entschied sich für ein vertrautes Genre, das sich seiner Ansicht nach in überzeitkchen, aken Menschen gemeinsamen Emotionen gründete, obwohl ihm die Erfahrungen am Kriegsschauplatz deutkch zeigten, daß die moderne Schlacht jegkchen Versuch obsolet machte, den Krieg als »romance« zu erzählen. Der Publikumserfolg Hearts of the World war von seinem Start in den US-Kinos im März 1918 bis Mtte der zwanziger Jahre der erfolgreichste Weltkriegs film in den USA schien ihn in seiner Auffassung zu bestätigen. Wenn es eine öffentkche Auseinandersetzung um den Film gab, dann nicht um die »Angemessenheit« der Kriegsdarstellung, sondern um seine massiv anti-deutsche Tendenz und einige besonders gewaltsame Szenen. Die unterschiedkchen Modi und Genres der KnegsdarsteUung sind ein vielsagender Beleg für die von Kulturhistorikern diagnostizierte im Ersten Weltkrieg kulminierende »crisis of representation«47. Die westkche Moderne als Produkt von Wissenschaft und Technologie entziehe sich infolge der von ihr angestoßenen Auflösung der Idee der Subjektivität und ihrer Tendenz zu Abstraktion und Fragmentierung der Wirkkchkeit der bildkchen Wiedergabe der sichtbaren Oberfläche und verlange statt dessen nach der Schärfe analytischer Begrifflichkeit. Der Erste Weltkrieg sei eine radikaksierte, verdichtete und beschleunigte Form der modernen Ziviksation, deren Destruktivität und Sinnlosigkeit sich im modernen Schlachtfeld materiaksiere und symboksiere. Die Unmittelbarkeit und dokumentarische Genauigkeit moderner visueller Technologien erwiese sich dort als illusionär: Fotografie und Film, die wie nie zuvor Bild und Erinnerung des Krieges determinieren, zementieren »archaische« Bilder vom Krieg, produzieren Kohärenz, Sinn und ästhetische Attraktion und beteikgen sich an der Aufrechterhaltang der unhaltbar gewordenen Dichotomie von Krieg und Frieden, statt den Charakter des modernen Krieges transparent zu machen. Dieser Befund trifft auf die Kriegsfilme der Jahre 1914 bis 1918 zweifelsohne zu. Erstaunen mag dabei die Persistenz, ja geradezu die Wiederkehr scheinbar überlebter Modi der Kriegsdarstellung in den deutschen Propagandafilmen der letzten beiden Kriegsjahre. Die begrenzten Fähigkeiten, das fehlende Geschick der Filmemacher mögen hier durchaus eine Rolle gespielt haben, aber auch, wie ein Film in der Art des Feldgrauen Groschen vermuten läßt, die Präferenzen der Propagandisten, das Interesse an der filmischen Bekräftigung einer zerbrechenden »Volksgemeinschaft«. Nicht der Kampfplatz als solcher, sondern Bilder von Nation und Volk rücken damit in den Mttelpunkt des »Kriegsfilms«. Dagegen lassen —
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Vgl. I Iüppauf, Experiences of Modern Warfare; Ders., Kriegsfotografie.
»L'effet de réel«
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Streifen, die wie der deutsche Somme-Film Bilder vom modernen Schlachtfeld zeigen woken, Tabus und Defensivmechanismen erkennen, die sich in einer Asep-
tisierung und Abstrahierung des Kampfgeschehens im Unterschied zur »Humanisierung« des Krieges in The Battle of the Somme niederschlagen. Entgegen aller Ideologiekritik kegt das Modernitätspotential des Kinos im Ersten Weltkrieg nicht in der Transzendierung, Offenlegung und »adäquaten« Abbildung einer Realität von apokalyptischem Zuschnitt: »There was, in short, no appropriate way of viewing a war which could not be represented48.« Vielmehr bestärkte der Krieg eine bereits im Vorkriegsfilm angelegte Desillusionierung des filmischen »Reaksmus« und führte unter dem Druck nicht nur einer aUe tradierten Kategorien in Frage stellenden Wirkkchkeit, sondern vor akem neuartiger öffentkcher Funktionen und Funktionaksierungen des Kinos zu einer Umorientierung: weg von einer »Reproduktion« und hin zu einer pubhkumsorientierten »Inszenierung« und »Refigu-
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—
—
ration« des Wirkkchen49. Dieser Prozeß, der sich als fortlaufender Test der inszenatorisch-technischen und wirkungsästhetischen Mögkchkeiten des Films darstellte, keß die Grenzen zwischen »fiction« und »non-fiction film« durchlässiger werden denn je. Die Simulation erhielt durch das Medium die Autorität des Authentischen und stellte sich, wie es Griffith anschaukch vorführte, über das »Original«, die »rohe« Wirkkchkeit. Diese Entwicklung fand eine bemerkenswerte Parallele im poktischen Raum. Dort wuchs, angestoßen von den Erfahrungen der Kriegszeit, der Glaube an die Mögkchkeiten der »Refiguration« von Meinungen und Mehrheiten, an die Manipukerbarkeit der »öffentkchen Meinung« durch die zunehmende Macht der Medien5". Die Folge war eine tiefe Skepsis bezügkch des poktischen Massenmarkts, welche die alten wie die neu aus dem Krieg hervorgegangenen Demokratien nach Versailles erhebkch belasten mußte. * * *
Martin Baumeister, Prof. Dr. phil, geb. 1958, Professor für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts am Flistorischen Seminar der Ludwig Maximikans Universität München E-Mail: [email protected] Literatur
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108 f.
Vgl. die Überlegungen von Verhey, Some Lessons of the War, S. 99-118.
Martin Baumeister
264
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»L'effet de réel«
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Martin Baumeister
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»L'effet de réel«
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Großbritannien 1916, stumm, s/w British Topical Committee for War Films Geoffrey H. Makns / J.B. McDowell 5075 ft. UA: 21.8.1916
P: K: L:
BEI UNSEREN 1IELDEN AN DER SOMME
1916/17, stamm, Hans Brennert Bild- und Filmamt 981 m 19.1.1917
Deutschland B: P: L: UA:
s/w
DIE BRENNENDE WUNDE
Deutschland 1918, stamm,
R B: P: D:
s/w
Karl Frey Karl Frey Leo Film Gesellschaft München Eduard Pleithner, Fanny Schuller, Karl Mttermayer, Reil, Ludwig Weng, Franz Seitz
Georg Schuller, Anna
DER FELDGRAUE GROSCIIEN
Deutschland 1917, stumm, R: B: P: D:
s/w
Georg Jacoby
Hans Brennert
Projektions-AG Union im Auftrag des Bild- und Filmamtes Frieda Richard, Edith Meiler, Käthe Haack, Margarete Kupfer, us, Otto
Koenig, Albert Paukg, Max Witte, Toni Zimmer
Fritz Dek-
Martin Baumeister
268 IIEARTS OF THE WORLD
USA 1918 R: David Wark Griffith B: M. Gaston de Tokgnac / D.W. Griffith BA: Frank »Huck« Wortman P: Famous Players-Lasky Corporation D: Lilkan Gish, Robert Harron, Dorothy Gish, Erich UA: 4.4.1918
von
Stroheim
DAS KRIEGSSOFA
Deutschland 1914, stamm, s/w P: Nationalfilm D: Richard Georg, Tatjana Irrah, Karl Platen L: 474 m RENTIER KULICKES FLUG ZUR FRONT. EIN
ZEITGEMÄSSES LUSTSPIEL
Deutschland 1918, stumm, s/w D: Flenry Bender, Albert Paukg DAS TAGEBUCH DES DR. IIART
(Arbeitstitel: Der Feldarzt)
Deutschland 1917, stamm, s/w R: Paul Leni B: Hans Brennert K: Carl I Ioffmann BA: Paul Leni P: Projektions-AG Union im Auftrag des Bild- und Filmamtes L: 1351 m (1. Fassung); 1347 m (2. Fassung) UA: 21.1.1918 (2. Fassung) D: Heinrich Schroth, Käthe Haack, Adolf Klein, Dagny Servaes, Ernst Hoffmann
WEIHNACHTSGLOCKEN 1914
(nach UA gelaufen unter dem Titel: I leimgekehrt) Deutschland 1914, stumm, s/w R: Franz Hofer B: Franz Hofer P: Luna-Film UA: Dezember 1914 D: Dorrit Weixler, Otz Tollen, Fekx neck
Basch, Frieda Richard,
Flermann Seide-
Philipp Stiasny »Die poetische Schmachtlocke sträubt sich hier ohne weiteres zur politischen Borste«. »Fridericus Rex« und das Bild des Krieges im Weimarer Kino
Krieg im Kostüm Bilder von endlosen Schlammwüsten und zerschossenen Dörfern, von verdreckten, hungrigen und verendenden Soldaten: Solche Szenen kennen wir heute nicht zuletzt aus den Filmen über den Ersten Weltkrieg; und keiner von ihnen hat so nachhaltig gewirkt wie der amerikanische Film Im Westen nichts Neues (All Quiet on the Western Front, R: Lewis Mlestone, s/w, USA 1930) nach dem Bestseker von Erich Maria Remarque. Auf die Bedeutung dieses Films für die mediale Aufbereitung des Weltkrieges ist deshalb schon oft hingewiesen worden der Remarquefilm hat die nachträgkche Vorstellung von »dem« Krieg geprägt. Eine besondere Position nimmt Im Westen nichts Neues auch in der deutschen Fümgeschichte ein. Als der Füm im Dezember 1930 in die deutschen Kinos kommt, nehmen ihn die erstarkenden Nationalsoziaksten unter der Führung Goebbels' zum Anlaß, eine öffenthche Hetzkampagne gegen Remarque und mit ihm gegen die »Repubkk der Verkerer« anzuzetteln. Sie endet mit dem geschichtspoktischen Sieg einer heterogenen Koalition von ganz rechts bis zu den Konservativen und der verschiedentlich als symptomatisch verstandenen Niederlage der kberalen Mtte. Die Zulassung des Films durch die Zensurbehörde wird wenige Tage nach der Premiere widerrufen. Für Goebbels stand damals der Signalcharakter dieses Vorgangs fest, denn »zum ersten Male haben wir in Berkn die Tatsache zu verzeichnen, daß die Asphaltdemokratie in die Knie gezwungen wurde«1. Nur eine Woche nach dem Verbot des Remarquefüms feiert in Berkn eine Großproduktion der Ufa Premiere, auch diese ein Kriegsfilm, nun aber zurückversetzt ins 18. Jahrhundert: Das Flötenkonzert von Sanssouci (R: Gustav Ucicky, s/w, Deutschland 1930). Der gleichermaßen auf Spannung und Sentiment setzende, —
1
Dr. G.
[Joseph Goebbels|,
in: Der
Nr. 117, 12.12.1930. Grundlegend zur Kontroverse: auch Der Fall Remarque. Für Hinweise und Kritik und Erhard Schütz.
Angriff,
Eksteins, War, Memory, and Politics. Siehe
danke ich Henrik
Bispink, Albrecht Sclge
Philipp Stiasny
270
prächtig ausgestattete Kostümfilm schildert die letzten Tage vor dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, erzählt von einem Komplott gegen Preußen und der List des großen Friedrich. Dieser sieht sich am Schluß zum Präventivschlag gegen Schlesien gezwungen. Fur die zeitgenössische Filmkritik sind die Impkkationen des historischen Stoffes, insbesondere nach dem vorangegangenen »Fak Remarque«, offensichthch. Nicht selten reagiert deshalb die liberale Presse mit Empörung auf den Zusammenhang zwischen dem Film und der Weltkriegsniederlage, der Kriegsschulddebatte und den Revisions forderungen: gibt dumme, rohe Filme genug, vermutkch auch schlechter gemachte, es gibt aber keinen, der sich so offen zum Krieg bekennt, ihn so für die ewig Unreifen herausputzt
»Es
und liebUch schminkt. Wenn die Polen und die nationalistischen Franzosen nur ein Hundertstel jener Propagandamittel hätten, die für die deutsche Auslandspropaganda stets zur Verfügung stehen, sie müßten Das Flötenkonzert von Sanssouci kaufen und unentgeltkch überall vorführen: dann würde jeder Revisionist im Auslande schreckensbleich verstummen und überall wäre die entsetzliche, für Deutschland vernichtende Gleichung bestätigt: Deutschland, das ist der Krieg2!«
Aleinen Bkck werde ich im folgenden auf historische Filme vom Schlage des Flötenkonzerts von Sanssouci richten, die von weit zurückkegenden Kriegen erzählen, und nicht auf das Genre des Weltkriegs films, in dem der Krieg von 1914 bis 1918 im Vorder- oder Hintergrund der Handlung unverschlüsselt auftaucht3. Von der Vermutung ausgehend, daß sich nach 1918 auch die Darstellung vergangener Kriege nicht von der Erfahrung des Weltkrieges loslösen heß, frage ich danach, welche Verbindungshnien sich zwischen dem historischen Kriegsfilm und dem Weltkriegsfilm aufdecken lassen. 1947 hatte Siegfried Kracauer seine einflußreiche Deutung des Weimarer Kinos vorgestekt, nach der die diversen autokratischen Figuren, die in den deutschen Filmen auftreten unter ihnen prominent die Figur Friedrichs des Großen —, eine auf den Führerkult des Nationalsoziaksmus verweisende mentale Disposition in Deutschland widerspiegelten4. Mr erscheint es heute sinnvoll, diese Projektion versuchsweise umzukehren nicht Hitler träte dann als Schatten auf die Leinwand, sondern der Erste Weltkrieg5. Mein Interesse gut dabei jedoch weniger der Zeit um 1930, in der die kterarische Beschäftigung mit dem Weltkrieg nach dem Erfolg von Remarques Buch einen Sprung macht und in der auch der Kriegsfilm durch die Einführung des Tons neue Mögkchkeiten einer »reahstischen« Abbildung erfährt. Diese Zeit hat meist im Rampenhcht der Forschung gestanden. Hier wird sie lediglich in einem Ausbkck am Ende noch einmal auftauchen. —
—
2 3 4
5
Dr. Ludwig Bauer, in: Der Montag Morgen, Nr. 51, 22.12.1930. Zum Weltkriegsfilm siehe die Pionierstudie von Kester, Filmfront Weimar. Kracauer, Von Caligari zu Hitler. Mit Blick auf die »zivilen« Sujets im Weimarer Kino erhob Klaus Kreimeier die Forderung, Abstand von Kracauets teleologischer Blickrichtung zu nehmen und danach zu fragen, wie die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges im Film verarbeitet wurden. Zwar unterschätzt Kreimeier of-
fenbar die Zahl der unverschlüsselten Weltkriegs filme und benennt die Reflektion der Film nicht, doch bleibt seine Forderung wichtig, vgl.
erfahrung im historischen Dispositiv Kino, S. 19.
WeltkriegsKreimeier,
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
271
Vielmehr interessieren mich im folgenden die Jahre vor 1925, in denen in Deutschland keine Weltkriegs filme gedreht wurden. Zwar nehmen einige Filme zwischen 1919 und 1921 auf den Ersten Weltkrieg deutkchen Bezug; über Gründe dafür, weshalb sich deutsche Produktionen zwischen 1921 und 1925 dem Stoff ganz fernhalten, kann jedoch angesichts der äußerst lückenhaften Quekenüberkeferung nur spekukert werden. Da auch in der Filmfachpresse vor 1925 keine Pläne für Weltkriegs filme bekanntgegeben wurden und eine Direktive der Zensur als recht unwahrscheinlich gelten kann, läßt sich hier nur soviel sagen: In unverschlüsselter Form erschien der Erste Weltkrieg offenbar nicht als kommerziell lockender Stoff für das Kino6. Von einer genereken Tabuisierung der Weltkriegsthematik in der Öffentkchkeit läßt sich freilich weder vor noch nach 1925 sprechen, wie die andauernden Debatten um Kriegsschuld und Kriegsursachen zeigen. Während also zwischen 1921 und 1925 keine Büder des Weltkrieges in unverschlüsselter Form auf der Leinwand zu sehen waren, fanden Schlachten im historischen Gewand gleichwohl in beträchthcher Anzahl statt. Im Genre des historischen (Monumental-) Füms, das verstärkt nach 1918 aufgrund seines hohen Schauwertes mit Kostüm- und Kukssenspektakel für Aufsehen sorgte, stellten Schlachten immer wieder die Höhepunkte dar. Einen Eindruck von dem Aufwand solcher Filme, bei denen riesige Heere aus Komparsen zum Einsatz kamen, vermittelt ein Drehbericht zu der Emelka-Produktion Monna Vanna (R: Richard Eichberg, stumm, s/w, Deutschland 1922) von August 1922. Beschrieben wird hier, wie eine Schlacht zwischen den Städten Florenz und Pisa in der Renaissance in der Nähe von München nachgesteüt wurde. 6000 Komparsen wirkten mit, aües war
generalstabsmäßig geplant:
»Polizei ist aufgeboten zu Fuß und zu Pferde, Sanitätspersonal mit Unfallauto, Arzt, Tierarzt, Feldtelefon, Musik und das gesamte Büropersonal der Emelka, um an 20 Kassen das Kriegsvolk nach geschlagener Schlacht zu besolden. (...) Die filmfreundkch ent-
gegenkommende Bevölkerung von Etzenhausen und Dachau mit schädigung für Flurschaden hofft sie ihr Kriegerdenkmal zu fördern Zuschauergruppen7«. —
der Pauschalentbildet zahkeiche
—
6
von Weltknegsfifmcn vor 1925 gibt es gegenwärtig drei Erklärungsansätze. ThoSaunders zufolge stieß der Erste Weltkrieg bei den Produzenten als Stoff ohne Unterhaltungswert auf einhellige Ablehnung; befürchtet wurde, daß er das Publikum polarisiere. Erst der Erfolg von Weltkriegs filmen aus Hollywood im Ausland habe diese Befürchtungen entkräftet, vgl. Saunders, Politics, S. 29. Ein mentalitätsgeschichtliches Argument nennt Rainer Rother: Die Fähigkeit, die traumatischen Kriegsereignisse mit der notwendigen Distanz darzustellen, habe erst langsam entwickelt werden müssen, vgl. Rother, Germany's »Douaumont« (1931), S. 218, sowie Ders., The Experience of the First World War, S. 218 f. Anton Kaes' psychoanalytisch inspirierter F^rklärung zufolge sind beispielsweise auch Das Cabinet des Dr. Caligari (R: Robert Wiene, stumm, s/w, Deutschland 1920) und Nosferatu (R: Friedrich Wilhelm Murnau, stumm, s/w, Deutschland 1921) als verschlüsselte Kriegsfilme zu begreifen, die das Trauma der Kriegserfahrung reflektierten und damit den späteren unverschlüsselten Weltkriegs filmen vorangingen. Dazu Kaes, War Film Trauma; Ders., M. Eine breit angelegte Arbeit von Kaes zum Thema Film und Kriegstrauma in der Weimarer Republik ist angekündigt. Fine Filmschlacht zwischen Florenz und Pisa, in: Der Montag, Nr. 31, 28.8.1922.
Für das Fehlen
mas
—
—
7
Philipp Stiasny
272
Obwohl Kriege im historischen Film bis heute häufig eine Rohe spielen, wäre es falsch zu sagen, daß sie »das« konstitutive Handlungselement des Genres darstellen. Denn viele historische Filme der Nachkriegszeit drehen sich um ähnhchc Konflikte wie die in der Gegenwart spielenden Melodramen. Es ging hier wie dort um Frauen und Männer, um Liebe, Haß und Verrat. Zentral auf der Handlungsebene waren Kriege hingegen in einer besonderen Spielart des historischen Films, dem »Preußenfilm«. Die Preußenfüme, für die je nach Handlungsschwerpunkt auch Begriffe wie »Fridericusfilm« und »Luisenfüm«, akgemeiner auch »nationaler« und »vaterländischer« Film kursieren, beschränken sich fast ausschkeßkch auf Geschichten aus zwei historischen Epochen, nämkch aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges und der Napoleonischen Kriege8. Ohne Belang ist dabei für die Zuordnung, ob die Kriege im Vordergrund der Handlung stehen oder den Hintergrund bilden. Auch im Kaiserreich hatte es schon Preußenfilme gegeben, doch erst nach dem verlorenen Weltkrieg wurde der Preußenfilm zu einem poktisch und symboksch aufgeladenen Genre, das die Kritikermeinungen akein aufgrund seiner Themenwahl zu spalten vermochte. Schicksalswende 1923 Den Anfang des Preußenfüms in der Weimarer Repubkk machte die von 1920 bis 1923 produzierte vierteilige Fümbiographie Friedrichs des Großen in Fridericus Rex (R: Arzén von Cserépy, stamm, s/w, 1920-1922), nachdem das Preußenthema bereits 1920 in Die Tänzerin Barberina (R: Carl Boese, stamm, s/w, Deutschland 1920) angetestet worden war. Auf den verfilmten Friedrich, der mit der Fixierung auf eine meist einsam entscheidende Führerfigur genreprägend wurde, folgten dann später Männer wie Blücher und Schul, Yorck, Theodor Körner sowie ein unbekannter Hauptmann auf die Leinwand9. Die Verbindungsknien zwischen Weltkrieg und historischem Kriegsfilm sollen nun eingehender betrachtet werden am Beispiel von Schicksalswende, dem vierten und letzten Teü von Fridericus Rex. Beim zeitgenössischen Pubkkum hatte diese Großproduktion außerordentlichen Erfolg, und anders als vielen kleineren, späteren Arbeiten aus dem Bereich des Miktär- und Weltkriegs films gelang es ihr, auch B
'
Anders als Gerhard Schoenberner und Rainer Rother zähle ich Filme über den Ersten Weltkrieg nicht zum Preußenfilm, sondern nur solche, die Siegfried Kracauer als »nationale« und »Fridericus-Filme« bezeichnet. Zur Abgrenzung Schoenberner, Das Preußenbild im deutschen Film, S. 11, und Rother, Vom Kaiserreich bis in die fünfziger Jahre, S. 68. Zur wissenschaftlichen, literarischen und filmischen Rezeption Friedrichs II., der zwischen 1920 und 1942 in fünfzehn Filmen wegen der physiognomischen Ähnlichkeit von dem Schauspieler Otto Gebühr verkörpert wurde, vgl. Dollinger, Friedrich II., S. 161 -176. Knapp dazu auch Kroll, Friedrich der Große. Filmographische Angaben zu diesen Filmen finden sich in der Filmographie am Ende dieses
Beitrages.
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
273
zu finden1". Nur dieser letzte Teü von Fridericus Rex ist im wesentkchen erhalten gebkeben11. Bevor hier jedoch die Büdsprache von Schicksalswende genauer untersucht wird, soü nach einer kurzen Inhaltsangabe des Füms zunächst die für das Jahr 1923 ungewöhnhch breite zeitgenössische Presserezeption nach der Uraufführung auf Stichworte zum Thema »Weltkrieg« hin abgesucht werden12.
im Ausland Resonanz
Volksbüdend, jugendfrei. Inhalt und
Presserezeption von »Schicksalswende« Behandeln die ersten drei Teüe der Fridericus R¿x-Reihe Friedrichs Jugend, die Konflikte mit seinem Vater, seine Unterwerfung unter dessen Wülen und seine ersten Regierungsjähre, so umfaßt die erzählte Zeit des vierten Teüs Schicksalswende nur zwei Tage. Friedrich hat nach der Niederlage bei Kolin sein Hauptquartier in ärmlichen Bauernhaus bezogen, wo ihn innerhalb eines Tages und einer einem Hiobsbotschaft nach der anderen erreicht: Berhn sei von den Russen eine Nacht Finck habe die Waffen gestreckt, seine LiebkngsGeneral geplündert worden, General von Wedeü gefaüen. Eine Delegation aus sei und schwester gestorben und dem Thronfolger fordert in dieser Situation, mit Graf Finkenstein Berlin um Preis Frieden schkeßen, was dieser harsch ablehnt. Auch Friedrich solle jeden eine Zusammenrottung aufgebrachter, hungriger und kriegsmüder Soldaten wird von Friedrich aufgelöst. Dennoch malt die erste Fümhälfte überwiegend das Büd eines einsamen und alt gewordenen, eines passiven, äußerhch verwahrlosten und gebrechkchen Mannes, der mühsam um Selbstbeherrschung ringt, zwischendurch einen Schwächeanfaü erleidet, von einem Angsttraum gequält wird und dem Tod näher scheint als dem Leben. Der nächste Morgen bringt im Film die Wendung. Auf die Nachricht, daß die Österreicher vorrücken, versammelt Friedrich seine Generäle und begeistert sie in einer Ansprache für seine Absicht, alles zu riskieren. Kurz darauf beginnt die Schlacht bei Leuthen, welche dann die zweite Filmhälfte bestimmt. Hoch zu Pferde und wie ausgewechselt kommandiert Friedrich die Truppen und greift selbst in die Angriffe ein. Am Ende des Tages haben die Preußen die Österreicher in die Flucht geschlagen und Leuthen eingenommen. Die Schlußeinstellung zeigt den 10
11
Auf den
geringen Auslandserfolg der in Deutschland so beliebten nationalen Filme weist Thomas
J. Saunders hin, vgl. History in the Making, S. 55.
Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv, Magazin-Nr.: M 10198; 1625 Meter (35 mm); Originallänge: 2565 Meter. Wie ein Vergleich mit der Zensurkarte zeigt, fehlen in der erhaltenen Kopie neben mehreren Zwischentiteln insbesondere zwei Szenen: Friedrichs Traum, der vom mächtigen Vater, der Hinrichtung Kattes und der unfreiwilligen Ver-
Fridericus Rex, Teil 4: Schicksalswende;
Länge:
12
heiratung handelt (Akt 2), und das Abfassen seines Testaments (Akt 4). Das große Echo in der Presse markiert dabei einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung des Kinos. Filme wie Fridericus Rex und wenig später Die Nibelungen (R: Fritz Lang, stumm, s/w, Deutschland 1922-1924) trugen aufgrund ihrer nationalen Stoffe und ihres Kunstanspruchs zu seiner Nobilitierung des Mediums Film bei.
Philipp Stiasny
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Friedrich der Große (Otto Gebühr, links) kämpft mit den Tränen, als er vom Tod
seiner Lieblingsschwester erfährt:
Fridericus Rex— Schicksalswende
Friedrich der Große begeistert seine Generäle der Schlacht: Fridericus Rex Schicksalswende (1923) vor
—
(1923)
er aüein in der Potsdamer Schloßkapelle einem Kammerkonzert lauscht13. Der Fridericusfüm steüte, wie zu Recht bemerkt wurde, »den ersten großen poktischen Filmskandal der Repubkk« dar14 Jahre vor den Zensurstreitereien um Panzerkreuzer Potemkin (R: Sergej Eisenstein, stamm, s/w, UdSSR 1925) und Im Westen nichts Neues. Der Film, dessen Produktion, Ästhetik und Rezeption jüngst von Solveig Corneksen ausführlich dokumentiert und untersucht wurde15, entstand unter der Regie des Ungarn Arzén von Cserépy für die Produktions firma Cserepy-Füm. Diese mußte ihn jedoch aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten in den Verleih der Ufa geben. Ausdrücklich wurde der Großfilm als ein Mehrteüer geplant, der obwohl er ein nationales Thema hatte auch für den Auslandsmarkt bestimmt war. Vor allem in den USA soüten die enormen Produktionskosten eingespielt werden. Ebenso wie nicht wenige andere nationale Füme auch, erhielt Fridericus auf
erschöpften Sieger Friedrich, wie
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Vom Leben und Sterben des »Alten Fritz« berichtet einige Jahre später ein weiterer Fridericus film (Der Alte Fritz, 2 Teile, R: Gerhard Lamprecht, stumm, s/w, Deutschland 1927), der inhaltlich an Schicksalswende anknüpft. Kreimeier, Die Ufa-Story, S. 111. Siehe Cornelisen, Geschichtsdarstellung im Film. Dieser Arbeit verdanke ich viele Informationen zu den Produktionsumständen, der Vermarktung und Distribution, der Rezeption der Teile 1 und 2 sowie eine Analyse der Bildsprache von Teil 4. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich bei Solveig Cornelisen, die mir zudem großzügig Einblick in weitere Unterlagen gewährte.
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
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indirekte Art eine staatkche Förderung: AUe vier Teüe wurden jugendfrei zensiert und zudem mit dem Prädikat »volksbüdend« ausgezeichnet, was eine erhebkche steuerhche Vergünstigung bedeutete. Der Skandal, für den der Film dann sorgte, ging von den Teüen 1 und 2 aus, die 1922 ihre Uraufführung feierten. Heftige Diskussionen setzten ein, und von handfesten Prügeleien wurde berichtet. Dabei ging es jedoch nicht etwa um die anstößige Darsteüung eines Krieges, sondern ganz aügemein um die Darstellung der preußischen Monarchie. Während der Füm von rechtskonservativer Seite zumeist bejubelt wurde, störten sich die Liberalen an der durchaus nicht ungebrochenen Zurschaustekung eines Mktärstaates mit pausenlosem Exerzieren, schmucken Uniformen und Prachtentfaltung bei Hofe. Doch läßt sich der Skandal nicht zwingend auf den Füm selbst zurückführen. Neu und herausfordernd war vielmehr die Reaktion eines beträchthchen Teüs des Publikums, der während der Vorsteüung häufig stark applaudierte, vaterländische Lieder anstimmte und eine offenbar sehr irritierende Sympathie für den Filmhelden bekundete. Auf republikanische Kritiker und besonders auf Sozialdemokraten und Soziaksten wirkten die Symbole eines gerade erst untergegangenen Staates wie eine Beleidigung. Der Prunk der vergangenen Monarchie schien die zivüe, die unkriegerische neue Staatsform in ein schlechtes Licht zu stehen, schien die Monarchie als Alternative zur Repubkk wieder attraktiv machen zu wohen und mithin einen nur dürftig verschleierten Angriff auf die Errungenschaften vom November 1918 darzusteüen. Der Boykott des Fridericusfilms, zu dem die Gewerkschaften aufriefen, hatte allerdings keinen Erfolg. Überall kef der Film vor vokem Haus16. Nachdem im Herbst 1922 die Veröffentkchung des »Fridericus Rex-Buches« bereits einen Vorgeschmack auf die Teüe 3 und 4 gekefert hatte17, fand deren gemeinsame Premiere am 19. März 1923 in Berlin statt. Die Presse reagierte weniger heftig als bei den Vorgängern. Die rechtskonservativen Zeitungen bemängelten zunächst einige Szenen des Films, in denen, angebkch als Konzession an den Zeitgeist, Kritik am Adel geübt werde. Nach Ansicht der »Börsen-Zeitung« verfolgte der Füm die »deuthche Absicht, den König so zurechtzustutzen, daß auch der radikalste Kommunist kaum etwas an ihm auszusetzen haben kann«18. Zudem 16
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18
Irritationen und Streit verursachten dabei die Meldungen, daß Reichswehreinheiten den Film geschlossen besuchen wollten. Zur Pressedebatte, den heftigen Zuschauerreaktionen und den Bemühungen, ein jugendliches Publikum für den Film zu gewinnen, vgl. ebd., S. 74-98. Zur ambivalenten Beurteilung Friedrichs im sozialdemokratischen Milieu und der Rolle der Fridericusfilme in diesem Kontext vgl. Buchner, Um nationale und republikanische Identität, S. 237-245. Molo, Das Fridericus Rex-Buch. Dieses Buch zum Film vor dem Film enthält knappe Beschreibungen der Teile 1-3 sowie im Hauptteil eine gekürzte Fassung von Walter von Molos Roman »Fridericus« (München 1918), der literarischen Vorlage von Schicksalswende. Das Buch enthält zudem 23 Fotografien, die sich überwiegend auf Teil 4 beziehen, dabei aber geringe Differenzen zu den tatsächlichen Filmbildern aufweisen. Im Geleitwort beschwören Cserépy und Hans Neumann, der Produktionsleiter, die Macht der Geschichte als große Lehrmeisterin der Nationen. Der Film solle in einer Zeit der Not, »Warnung und Trost zugleich, ein Memento an PreußenDeutschlands gewaltige Vergangenheit« sein. Fritz Olimsky, in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 133, 20.3.1923. Vgl. auch E.v.P., in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 132/133, 21.3.1923; St., in: Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung, Nr. 134,
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die Soldaten vor der Schlacht jammern und beim Parademarsch vielmehr lasse die Figur des Königs selbst hoheitsvoüe Größe schlapp wirken, vermissen. Dagegen wurde die Darstellung der Schlacht gelobt, ja bejubelt. Die »Neue Preußische Zeitung« schrieb: würden nicht
nur
»Dann die Schlacht bei Leuthen, die fast den ganzen letzten Teil fuUt. [...] Hier ist Schöpfertum und Kunst! Da müssen die Herzen höher schlagen, ob sie woken oder nicht. Die Augen bktzen, als der Hohenfriedberger erklingt, als die friderizianischen Grenadiere den Kirchhof stürmen, als Ziethen aus dem Busch bricht, als Seydktz Attacke reitet. Nicht endenwokender Jubel und Applaus, der wohlverdient ist. Man wird versöhnt. Man läßt Geschichte Geschichte sein und lebt und fühlt mit: Fridericus
Rex19!«
Die historische ebenso wie die gegenwärtige Bedeutung von Friedrich resümiert der Rezensent der Scherl-Zeitung »Montag«: Was nämlich Filmfreunde und Filmfeinde in den Füm hineinzwinge, sei
»der Genius des größten Preußenkönigs, der in einer Zeit, da es unserem Vaterlande mindestens so schlimm ging wie heute, nicht den Mut verlor und nicht verzagte, der aus Elend das Volk emporführte zu Ansehen und zur geistigen Freiheit. Der Preußen dahin führte, wohin wk uns alle stark sehnen, ganz gleich ob wir poktisch links oder rechts eingestellt sind2".«
Während Schicksalswende der kommunistischen Linken ledighch als ein weiterer Anlaß zur Polemik gegen die »Bourgeoisie« und deren sozialdemokratische Helfer diente21, wurde das in der rechtsstehenden Presse nur leise ankkngende Verhältnis zwischen dem historischen Kxiegsfilrn Schicksalswende und dem Weltkrieg in Teüen der kberalen, republikanischen Presse betont. Regie, Kamera und Darsteker erhielten zwar für ihre Leistung überwiegend Lob, doch über die Kriegsbüder schrieb der Kritiker des »Berliner Tageblatts«:
»Nur,
in sich
hineinlauscht, hört man das Paradegeschmetter überbrükt von die Erinnerungen Dinge, noch nicht lange her sind, sieht man das Degenbktzen und Standartenfunkeln überweht von Bildern, die noch zu nahe sind, als daß man sie so eilig vergessen könnte. Längst geht es um andere Dinge in der Welt, meint man, aber es geht wohl noch um dieselben, denn der jubelnde Beifall gestern schwieg gelangweilt vor dem Zauber eines schönen meisterlichen Bildes auf der Leinwand, kam aber wie ein Gewitter vor den Paraden, den Infanteriekolonnen, den Schwadronen und Kanonen, den Gefechten, den schlagenden, stoßenden, schießenden, sterbenden Grenadieren. Es war ganz egal, was da ankam, Preußen oder Österreicher; nahten Kolonnen, empfing sie dröhnender Beifall22.« wenn man an
19 20 21
22
21.3.1923, und Deutsche Tageszeitung, Nr. 133, 20.3.1923. Lediglich ästhetische Einwände hegt Aros. [Alfred Rosenthal], in: Der Montag, Nr. 12, 26.3.1923; uneingeschränkt positiv fällt die Kritik von Teil 4 aus von h.schr., in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 133, 20.3.1923. St., in: Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung, Nr. 134, 21.3.1923. Aros. [Alfred Rosenthal], in: Der Montag, Nr. 12, 26.3.1923. Die Rote Fahne, 21.3.1923, zit. in Film und revolutionäre Arbeiterbewegung in Deutschland, S. 262 f. Fred Hildenbrandt, in: Berliner Tageblatt, Nr. 134, 20.3.1923. Während die Rezensenten über die ästhetische Qualität des Films unterschiedlicher Auffassung waren, stimmten sie doch in der Einschätzung der Publikumspräferenz für Militärbilder überein und sagten dem Film einen großen
»Fridencus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
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Daß die Wahl des Themas dem Kritiker ganz und gar nicht behagte, ist hier offensichtlich. Wirkliches Entsetzen schwingt aber mit in den Bemerkungen über jenes gewisse Pubkkum, dessen Instinkten der Regisseur bereitwükg entgegengekommen sei:
»Jenes Pubkkum,
das
gemeint war, regierte,
der
Erfolg war
Sterbende, Hauen, Schießen, Stechen, Tod und Blut, Bild
da:
um
Soldaten, Verwundete, Bild, Akt um Akt. Die
Freude daran war groß. Die Mittel dazu sind bilkg. Es gibt noch die alten Trümpfe in der Welt. AUes, was schkeßkch geschehen ist in diesen neun Jahren seit 1914, meint man, sei ein Stäubchen gewesen im All, das wieder zum Boden muß, wo die Blutpfützen noch nicht eingetrocknet sind23.« Wenn auch das Pathos dieser Rezension etwas ungewöhnlich war, zeigen ähnhche
Bedenken in anderen Zeitungen, daß hier keine besondere Empfindlichkeit vorDen poktischen Gehalt des Films oder doch das, was poktisch verstanden werden konnte, ignorierte die kberale Kritik im Faüe von Fridericus Rex nur ausnahmsweise25. Hingewiesen wurde jedoch auch darauf, daß der Film einen »doppelköpfigen« Friedrich konstruiere, der als Freigeist den Beifaü der Demokraten, als »militärischer Draufgänger und Durchhalter« den der Deutschnationalen erheische.26 Auf dem Weg zu jener politisierten und zunehmend polarisierten Filmkritik, die später die Presserezeption der Weltkriegsfüme dominieren sollte, nimmt der Fridericusfihn eine bedeutende Rohe ein. Der Kritiker der »Berhner VolksZeitang«, der offenbar gewohnt war ästhetisch zu urteilen, erkannte dieses Dilemma. Er steüte fest: »Ein Fümrezensent hat hier nur wenig zu suchen, die poetische Schmachtlocke sträubt sich hier ohne weiteres zur politischen Borste27.«
lag24.
Erfolg voraus. Vgl. auch Peter Ejk, in: 8 Uhr-Abendblatt, Nr. 67, 20.3.1923; pw., in: B.Z. am Mttag, Nr. 78, 20.3.1923, und Hilding Bengtsson, in: Berliner Volks-Zeitung, Nr. 135, 21.3.1923. Daß große Zeitungen wie die Ullstein-Blätter »Berliner Morgenpost« und »Vossische Zeitung« sowie der sozialdemokratische »Vorwärts« überhaupt keine Besprechung brachten, kann sicher-
23 24
23
26
27
lich auch als Kommentar gewertet werden. Fred Hüdenbrandt, in: Berliner Tageblatt, Nr. 134, 20.3.1923. Vgl. etwa -nn., in: Germania, Nr. 80, 22.3.1923. Verneint wird hier allerdings der implizite Vorwurf, der Film betreibe »militärische Propaganda«, denn dafür hätten »die Kampfmethoden des siebenjährigen Krieges auf uns, die Zeitgenossen von Tank und Gas, viel zu historisch« gewirkt. Rein ästhetisch fällt die Kritik von Herbert Ihering aus, in: Berliner Börsen-Courier, Nr. 134, 20.3.1923. Vgl. Kurt Pinthus, in: Das Tagebuch, 4 (1923), 12, S. 404. Insgesamt differenziert auch Roland Schacht, in: Die Weltbühne, 19 (1923), 19, S. 374 f. Hilding Bengtsson, in: Berliner Volks-Zeitung, Nr. 135, 21.3.1923. Die weiteren Ausführungen fielen dementsprechend politisch-polemisch aus: »Der Abend vor der Schlacht bei Leuthen hat angedeutete Parallelen zur Dolchstoßlegende von 1918 ( Ei, ei, das hat ja eine Spitze gegen Ludendorff; sollte der Zusammenbruch wohl daher gekommen sein, daß der nicht annähernd so genialisch mit den Augen dreinblicken konnte [wie Friedrich im Film] ?).« -
—
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Philipp Stiasny Von Zweifeln und Befreiung, von Schlacht und Trauer. Zur Büdsprache von »Schicksalswende«
Als auffälligste filmische Eigenheit von Schicksalswende springt der krasse Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Hälfte des Films ins Auge28. Wo zuvor die Düsternis und die Enge einer niedrigen Bauernstube herrschen, wo eine bisweüen expressionistische Lichtsetzung für eine ahnungsvoüe und drückende Stimmung sorgt, wo Gegenstände mit Bedeutung aufgeladen scheinen, da ist jetzt Tageshcht, da dominieren totale Einsteüungen und zeigen die Weite der Landschaft. Verbüdlicht wird hier nichts weniger als die Idee, daß erst die Schlacht Friedrich befreit: Die Sorgen und die Not sind wie weggeblasen, die Schlacht hat die Energien und das Genie des Königs entfesselt. Die Zeit des nervösen Wartens hat mit der Entscheidung zum Angriff und dem Verlassen des Unterstandes ein Ende. Inszeniert wird so etwas wie das metaphorische Äquivalent zum Sprung »over the top«, zum Sprung aus dem Graben. In der Schlacht zeigt Friedrich es allen Zweiflern: der Delegation aus Berhn, die Frieden um jeden Preis fordert, den unzufriedenen Soldaten und den skeptischen Generälen. Die totalen Einstekungen der zweiten Fümhälfte stehen für den Bhck des Feldherrn, der Friedrichs Entscheidungshoheit begründet. Lange Einstellungen der vormarschierenden Truppen wechseln nun mit Naheinstellungen, die nur Friedrich zu Pferde zeigen und ihn büdhch von der Masse separieren. Später greift Friedrich an verschiedenen Stehen auch selbst in die Schlacht ein, deren Verlauf dabei etwas verwirrend erscheint und sich dem Betrachter nicht ganz erschheßt. Die Preußen rennen gegen den Feind an, viele fallen dabei. Dazwischen werden in der Totalen frische Truppen im Vormarsch gezeigt, dann Friedrich im Pulverdampf, Friedrich beim Erteüen von Befehlen, Friedrich beim Verhindern des Retirierens, des Rückzugs. Als am Ende das Dorf Leuthen eingenommen ist und die Österreicher fliehen, kegen am Boden neben den Kanonen die Toten und Verletzten, hängt der Qualm der Geschütze über dem Feld. Es herrscht Ruhe. Friedrich geht die Reihen der unverletzten Soldaten ab. Der Choral »Nun danket ake Gott« erkkngt, wie ein Zwischentitel anmerkt. Ein weiterer Zwischentitel verheißt: »Und die friedkche Arbeit beginnt wieder ...« Die Schlußszene in der Potsdamer Schloßkapeke mit dem Titel »Der Sieger« zeigt dann einen Friedrich, der in der Inszenierung viel stärker dem »Einsamen« aus der ersten Fümhälfte gleicht als dem aktiven Feldherrn und dennoch auch einen bislang unbekannten Friedrich präsentiert. Ganz aüein in der Schloßkapelle lauscht der König einem Ensemble von Musikern. Klein und zusammengesunken und mit aufgestütztem Arm sitzt Friedrich in einem Sessel und schheßt in der halbnahen Schlußeinstellung die Augen. Überhöht wird er durch einen Lichtpegel auf seiner Stirn und den Schatten, den sein Kopf an die Wand wirft. 2H
Zur Raum-, Zeit- und S. 43-54.
Figurengestaltung vgl.
auch
Cornelisen, Geschichtsdarstellung
im
Film,
»Fridericus Rex« und das Bild des
Leopold von Anhalt-Dessau (Eduard von Winterstein, Mitte) stürmt in der Schlacht mit der Fahne
voran:
Schicksalswende
Fridericus Rex
(1923)
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Krieges im Weimarer Kino
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Die Nachricht von der Kapitulation des General Finck versetz/ Friedrich dem Großen einen Schock: Fridericus Rex Schicksalswende (1923)
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Schicksalswende zeichnet den Feldherrn Friedrich als einsame, aber dabei entschlossene Figur. Die Szene, die den Schwächeanfak des Königs zeigt, die verdeutlicht, wie er die Nerven verliert angesichts der Kapitulation des Generals Finck, mindert den Eindruck von Entschlossenheit nicht entscheidend, denn schon in der nächsten Szene steht Friedrich seine Selbstbeherrschung wieder unter Beweis. Die Schmerzanfälhgkeit und Menschlichkeit des Führers, die hier dennoch zum Ausdruck kommen und die in der Romanvorlage noch deutkcher sind, bezeichnen auch die Modernität des Friedrich-Büdes. Die Figur vereinigt Gegensätze in sich; sie hält das Nebeneinander von Härte und Verletzkchkeit aus. Ihr wesenthches Merkmal ist nicht das Majestätische, nicht das Könighafte. Statt dessen ist Friedrich ausgestattet mit den Kennzeichen des halb väterhchen, halb kameradschafthchen Frontoffiziers, so wie er später im Wehkriegsfüm zur standardisierten Figur wird. Ihn trennen zwar Rang und Stand von den Mannschaften, doch die gemeinsam erfahrenen Entbehrungen verbinden die Männer wiederum. Es sind nicht nur das Charisma des Redners und Friedrichs Bkck mit quasi hypnotischer Kraft, die seine Führerschaft ausmachen. Vielmehr wird ebenso sehr wie sein herausragendes Genie das asketische Wesen des Königs inszeniert. Friedrichs Glaubwürdigkeit beruht darauf, daß er sich keine höheren Ansprüche zubühgt als den einfachen, hungernden und frierenden Frontsoldaten. Zumindest symboksch teilt er auf diese Weise ihr Leid. So ist es der kollektivsubjektive Kamerabkck der aufbegehrenden Soldaten, die in die Stube des Königs eingedrungen sind und nun vor ihm stehen, der zufällig auf die zerlöcherten Stiefel ihres
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Philipp Stiasny
Führers fällt. Dieser Bhck bringt sie zur Besinnung. Schlagartig wird ihnen (und natürlich auch dem Betrachter) hier bewußt, daß sie es nicht mit einem der vornehmen, elegant gekleideten und mit erkennbar weibhchen Zügen versehenen Generäle zu tan haben, wie sie etwa auf der Seite der Österreicher auftreten. Nein, Friedrich ist auch einer von ihnen. Seine schkchte Bekleidung war bereits zuvor in der direkten Gegenübersteüung mit dem herausgeputzten preußischen Thronfolger hervorgehoben worden. Auf nicht eben subtile Weise wurde damit auch die Heimatfront, die anscheinend keinen Mangel htt, denunziert. Daß selbst Friedrich zudem dauernd friert und unverblümt über die »Saukälte« schimpft, daß er, von Müdigkeit und Erschöpfung geplagt, in Uniform und mit Stiefeln in den Bettkasten sinkt, das unterstreicht seine heroische Leidensbereitschaft. Die niedrige, karg eingerichtete Bauernstube erscheint dann um so mehr als das Pendant zum Unterstand im Weltkrieg. Und am nächsten Tag ist es der Frontoffizier Friedrich, der nicht die Gefahr scheut, selbst in die Schlacht einzugreifen, der nicht nur die totale Aufsicht kennt, sondern eben auch die Nahaufnahme. Nach dem Aufruhr, noch bevor der Entschluß zum Angriff getroffen ist, gibt Friedrich am Abend den Befehl, an die Truppen Branntwein auszugeben. Das ist nur ein Detaü und lädt doch zur Interpretation ein. Denn diese Handlung der Branntweinausgabe vor der Schlacht war einem Veteranen des Weltkrieges so vertraut wie vielen anderen Zeitgenossen im Jahre 1923, welche die Front selbst nur aus Berichten kannten. Mit der Erfahrung des Weltkrieges im Rücken konnotiert die Branntweinausgabe einen bevorstehenden Angriff und die Verdrängung von Angst. Diese Konnotationen setzt der historische Kriegsfilm Schicksalswende als narrativen Vorverweis auf Schlacht und Tod ein, ohne große Worte zu machen. In seiner Büdsprache orientiert sich Schicksalswende ganz wesenthch an den Hlustrationen Adolph Menzels zu Franz Kuglers immens populärer »Geschichte Friedrichs des Großen« von 1842, wie Solveig Cornelisen gezeigt hat29. Im Schlachtenpanorama ruft Schicksalswende dabei den Büderschatz des 19. Jahrhunderts auf. Verzichtet wird hier auf die gelegentliche Drastik der Kriegsbeschreibung in der Buchvorlage von Schicksalswende, in Walter von Molos im Sommer 1918 erschienenem Roman »Fridericus«. Im Roman heißt es beispielsweise über den Abend der Schlacht, als die Preußen noch gegen die Österreicher anrennen: »Entsetzlich wurde das dunkelnde Schlachtfeld: Blut, Gkeder, Fetzen, Menschenbrei; die Erde fror, sie weigerte sich, soviel Elend zu schlucken. Die Nacht kam. ÜberaU krochen Sterbende und Verwundete. [...] Die beschneiten Haufen der Gefallenen bewegten sich. Vergeblich suchten Halbtote die Last der Leichen über sich abzuwerfen30.«
Vgl. Cornelisen, Geschichtsdarstellung im Film, S. 45 f., 56 f. Hier wären sicherlich weitere Studien sinnvoll, um die Traditionslinien in der filmischen Kriegsdarstellung genauer nachzeichnen zu
können. Siehe auch Kugler, Geschichte Friedrichs des Großen. Molo, Fridericus, S. 307. Anders als die Verfilmung vermischt Molos Roman, der erste Teil der auflagenstarken Trilogie »Ein Volk wacht auf«, Ereignisse aus den Jahren 1757 und 1762, ohne darauf hinzuweisen. Daß der Roman zwar noch während des Krieges erschien, aber erst nach der Niederlage ein Massenpublikum erreichte, schadete seiner Rezeption offenbar nicht. Der Kritiker der rechtsradikalen Zeitschrift »Deutschlands Erneuerung« bemerkt 1921 etwa über die frühere und gegenwärtige Funktion des Buches: »Die Gnade echten Führertumes, das jenseits von Gut
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
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Indem der Füm, der sich ansonsten stark an der Buchvorlage orientiert, dem Zuschauer solche grauenhaften Büder erspart, nimmt er der Darstellung der Schlacht zweifeüos viel von ihrem Schrecken. Er entschärft sie. Die Kampfszenen zeigen die pausenlos anrennenden Preußen, der Betrachter sieht, wie Soldaten faüen, wie andere am Boden hegen. Nahaufnahmen von Verwundeten und Sterbenden enthält Schicksalswende jedoch nicht. Nur ein Zwischenfah wird dargestellt, nämlich wie der Herzog von Braunschweig mit großer theatralischer Geste fäüt und weggetragen wird. Der Weltkrieg mit Materialschlacht und Grabenkrieg und Dreck und Schlamm ist in diesen altertümlichen Bildern merkwürdig fern. Dieses scheinbare Zurückdrehen der Uhr war es denn wohl auch, was die repubkkanischen Kritiker erzürnte so, als habe es den Weltkrieg nie gegeben. Anders als die Buchvorlage jedoch endet der Füm mit dem erschöpften, müden Friedrich, dem hier alles Kriegerische abgeht, in der Schloßkapehe. Zurückgezogen in den Kirchenraum, macht der nicht als religiös bekannte König einen ganz und gar nicht euphorischen Eindruck, sondern einen melanchokschen, was durch die ruhige Kamerabewegung und die fast vollständige Regungslosigkeit Friedrichs unterstrichen wird. Der König schmiedet hier keine neuen Pläne, er trauert. Die mögkche Verknüpfung von Kriegsopfer und Wiederaufnahme der Arbeit das Opfer erschiene als Voraussetzung und somit als sinnhaft wird im Büd nicht geleistet. Vielmehr steht die Trauer um die Gefallenen am Ende, ohne daß sie pathetisch überbrüllt wird. Es ist ein stüles und lyrisches Ende, das den Triumph des Sieges weit in den Hintergrund treten läßt: Nein, von Triumph kann hier eigentlich keine Rede sein. Zwar kkngt keine Anklage des Krieges durch, ein versteckter Appeü an Opfermut und Todesbereitschaft jedoch auch nicht. Daß diese Schlußszene pathetisch mit dem Titel »Der Sieger« überschrieben ist, wirkt so betrachtet eher merkwürdig. Anknüpfend an Jay Winter, der das Verhandeln »ewiger Themen« in den mythisierenden Filmen über den Weltkrieg herausgesteht hat, heße sich hier vieheicht davon sprechen, daß auch der Schluß von Schicksalswende das Bedürfnis nach Trauer und Klage reflektiere31. Nur angerissen sei im Kontext von Schlacht, Sieg und Trauer eine Besonderheit des Preußenfilms. Im historischen Gewand nämkch können Dinge anders ausgesprochen werden als im Weltkriegs film, und sprechend sind dabei auch die Leerstellen. So wird sich im Genre des Weltkriegs films unter der Vielzahl melo—
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und Böse steht, wird hier gestaltet. Der Roman erschien im Kriege. Er hätte helfen können, dem deutschen Geist die Wege zu weisen: Liebe zum genialen, erzharten Führer hätte die Dichtung helfen wecken können [sie!] ehe es zu spät war! Heute aber kann sie weite Kreise auf die Größe und die Unersetzlichkeit des königlichen Menschen verweisen jenes Führers, der uns so bitter nottut.« Vgl. Kurt Hotzel, in: Deutschlands Erneuerung 5 (1921), 1, S. 64. Ferner auch Stahl, Wilhelm, Historische Belletristik, in: Vergangenheit und Gegenwart, 8 (1918), 6, S. 239-244, und A. H. (August Homesser), in: Der unsichtbare Tempel 4 (1919), 1, S. 128. Auf die Verfahren der Mythisierung in den populären Medien wie dem Film hat Jay Winter er spricht von Mythologisierung mehrfach hingewiesen. Die gleichzeitige »Vermenschlichung« des Krieges, z.B. in Romanzen, und seine Monumentalisierung im Mythos verfolge dabei das Ziel, einen neuen Sinn des Krieges zu finden, der erträglicher sei als seine Realität. Vgl. Winter, Kriegsbilder, S. 104 f. Ausführlicher dazu Ders., Sites of Memory, S. 119-144. -
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dramatischer Werke kaum je eine so konsequente Ausschheßung von Frauen finden lassen, wie das in Schicksalswende der Faü ist32. Während ein Großteil der melodramatisch strukturierten Filme über den Ersten Weltkrieg auf ein Neben- oder Mteinander von Männern und Frauen an der Front oder an der Heimatfront nicht verzichten kann, lesen sich die Preußenfilme als regehechte Verzichtserklärungen auf Sexuaktät. Das Wissen der Zuschauer um die späteren Siege der Helden über die Feinde des Vaterlandes läßt diesen Verzicht und auch den Tod als sinnhaft und zielgerichtet erscheinen. Die
symboksche Deutung der Vergangenheit. Friedrich und die Niederlage von 1918
Anknüpfend an Siegfried Kracauer ist in der Forschungshteratur die Fridericus RexSerie und mit ihr der Preußenfilm verschiedenthch als Projektion eines zukünftigen deutschen Wiederaufstiegs unter einem Autokraten verstanden worden. Der Verweis auf Fuder hat im Zusammenhang mit den Preußenfilmen auch aus der Zeit vor 1933 selten gefehlt33. Diese Projektion wollte ich hier umkehren und den Bkck statt dessen auf den verlorenen Weltkrieg lenken. Unter skeptischen Zeitgenossen stand Schicksalswende zunächst im Verdacht, auf böswillige Weise die Gegenwart des Jahres 1923 gegen eine glorreiche Vergangenheit zu stellen. Mt der Frage, ob der Film nicht sogar die Dolchstoßlegende zur Erklärung der Niederlage von 1918 propagiere, mußte sich kurz vor der Premiere die Filmprüfstelle befassen. Die Zensurentscheidung wies darauf den Vorwurf zurück:
»Zu einer
Zeit, in der Deutschland seinen Zusammenbruch erlebt, werden gewollt oder
ungewollt vergleichsweise die Ereignisse früherer Zeit den Ereignissen heutiger Zeit dem Beschauer gegenübergestekt werden müssen, und es ist möglicherweise gar die Absicht des Films gewesen, solche Vergleiche zu ziehen. Doch kann dieser etwaigen
von
Absicht die weitere Tendenz nicht untersteUt
32
33
werden, daß der
Film den Zusammen-
Die erhaltene Kopie von Schicksalswende wird dabei allerdings auch deshalb zum Extremfall, weil die ursprünglichen Szenen, die von Frauen handeln, komplett fehlen. Die Verbannung der Erotik aus dem Preußenfilm ist Jan-Chnstopher Horak zufolge gleichwohl ein typologisches Merkmal des Genres, vgl. Horak, Liebe, Pflicht. Vgl. etwa Regel, Die Fridericus-Filme, S. 126, und Hanisch, Fridericus Rex, S. 66 f. Ahnlich wie für Kracauer stand angesichts des Zweiten Weltkriegs auch für den Theaterkritiker Alfred Kerr im Rückblick die Bedeutung des Fridericus-Kultes für den Militarismus in Theater und Film der Weimarer Republik fest. In einem englischsprachigen Memorandum, das Kerr 1945 im Londoner Exil verfaßte und das er als Warnung vor dem »militarisierten Bewußtsein der Deutschen« begriff, deutet er Fridericus Rex als medialen Vorläufer Hitlers und als »zukünftigen Kriegsgott der Deutschen«, vgl. Kerr, Der Einfluß, S. 396; zum Fridericus-Kult ebd. S. 391-400. Als »ganz unmilitaristischen Film«, der Friedrich vor allem als sehr zwiespältige Person zeige, bewertete dagegen der passionierte Kinofreund Victor Klemperer Schicksalswende in seinem Tagebuch am 20.5.1923, siehe Klemperer, Tagebücher, S. 157 f.
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
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bruch des Jahres 1918 als ein vom Volk gegen das kämpfende Herr begangenes Verbrechen, Dolchstoßlegende, vergleichsweise hinstellen wül34.« Das Eingeständnis, daß von Schicksalswende gleichwohl die Gefahr eines Mißverständnisses ausgehen kann und das Werk dann als Kommentar zur deutschen Niederlage aufgefaßt wird, kommt in den gewundenen Sätzen dennoch zum Ausdruck. Den aktuellen, geschichtspoktischen Sprengstoff des Films kann die Zensur nicht beseitigen. Wie die Presseberichte zeigen, wecken die Bilder vom Schlachtfeld und von Soldaten, von Leidensbereitschaft und endhchem Sieg im Kino zu-
mindest bei den Kritikern nicht nur Revanchegefühle und somit Emotionen, die sich auf ein zukünftiges Ereignis richteten wie den Wiederaufstieg Deutschlands zu Größe und Macht. Vielmehr ist ebenso die Rede vom Weltkrieg als einem Ereignis der brennend aktueüen Vergangenheit, dessen Erinnerung durch den Film mitgeformt wurde. Die Befürchtungen, die der Ablehnung der Preußenfilme vor allem in der kberalen Presse zugrunde lagen, bezogen sich genau auf diese Fähigkeit der Filmbilder. Die Popularisierung historischen Wissens durch das Massenmedium Film ging dabei, wie das Beispiel Friedrich zeigt, mit der Mythisierung seines Gegenstandes einher. Der hberale Historiker Veit Valentin etwa klagte 1927 darüber. Er schrieb: —
den Friedrich der Große verloren hat. Trotzdem MiHtärgefühl auf diese abverklärte und anekdotisch ausgemünzte, jedem Deutschen halb geschiedene, mythisch märchenhaft vertraute, in ihrem wkldichen Sein und Wkken unbekannt gewordene Größe, und zerrte sie zur Reklame figur schmalziger Films verkitscht in triviaHsierter Propaganda durch Gasse und Gosse33.« Büder von Krieg und Schlacht, Elend und Tod hatten sich in das Gedächtnis vieler »Der
Weltkrieg ist
der
erste
Krieg,
stürzte sich ein verwundetes National- und
oder deshalb?
—
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Kriegsteünehmer eingebrannt, aber im Kino drohte dieser Bereich vom historischen und nationalen Film beschlagnahmt zu werden, der ja zudem den Gesetzen der Kommerziahtät unterlag. Die Erinnerung stand auf dem Spiel, so mußte es den
Liberalen vorkommen. Auch wenn es wohl primär die öffentkche Rezeption und weniger die Fümsprache ist, die mit Schicksalswende ein weit zurückkegendes Ereignis aus dem Siebenjährigen Krieg untrennbar mit den Erfahrungen des Weltkrieges verknüpft, kann dieser frühe Preußenfilm rückbkckend als Bindegked zwischen dem späteren Weltkriegsfilm und dem historischen Füm begriffen werden. Erst in seinem »Kielwasser« kommt es ab 1925 wieder zu Müitär- und Weltluiegsfümen36. 34
33 36
Entscheid der Filmoberprüfstelle B.V.17.29 vom 12.3.1923, hier S. 3 f., veröffentlicht unter . Valentin, Friedrich der Große, S. 136. Vom »Kielwasser« des Fridericusfilms, in dem es 1925/26 zu einer Konjunktur von Soldatcnfilmen, Offizierstragödien, Königsdramen und eben auch Weltkriegs filmen gekommen sei, spricht Kester, Filmfront Weimar, S. 45 f. Von dieser Bemerkung abgesehen, »taucht« der Preußenfilm bei Kester nicht auf. Keine Verbindung zwischen dem Preußenfilm und dem sich ab 1925/26 wieder etablierenden Genre des Militärlustspiels wird hergestellt von Hickethier/Bier, Das Unterhaltungskino. Nicht ganz zutreffend heißt es dort: »Das Militär war nach dem verlorenen Krieg im Kino nicht sujetfähig, weniger weil das Publikum pazifistisch gesinnt war, sondern eben weil
Vgl.
Philipp Stiasny
284
Ausbkck und Schluß Wie eng und untrennbar sich die Verbindung von Preußenfilm und Weltkriegs film bereits wenige Jahre später darsteht, soü ein kurzer Ausbhck zeigen, der zugleich zum Ausgangspunkt dieses Beitrages zurückführt. Der Füm Die letzte Kompagnie (R: Kurt Bernhardt, s/w, Deutschland 1930) dient hier als Beispiel. Entstanden ist er in einer Zeit, in der Weltkriegs filme schon fast zur Normaktät des Kinoprogramms gehörten und die mit der Anti-Young-Plan-Propaganda und dem Streit über das Remarquebuch einen Siedepunkt des Weltkriegsdiskurses markierten. Erzählt wird von einer auf 13 Mann dezimierten Kompanie, die nach der Schlacht bei Jena 1806 die nachrückenden Franzosen aufhalten und dadurch den Rückzug der besiegten preußischen Armee sichern soll. Es ist ein Himmelfahrtskommando, eine Geschichte vom verlorenen Posten. Die abgekämpften und erschöpften Soldaten, geführt von einem einsamen und menschenscheuen, fatakstischpfkchtbewußten Hauptmann verbarrikadieren sich in einer Mühle, sie warten und warten, und dann fallen sie nach kurzem Gefecht. Ihre Aufgabe aber haben sie erfüllt: Die Reste der Armee sind gerettet. Einige Pressezitate verdeutlichen, um was es nach Meinung der Rezensenten tatsächhch ging. Der rechtsstehende »Lokal-Anzeiger« schrieb, dieser Film sei eine »ehrfürchtige Huldigung vor heroischer Soldatentreue«, der, »obwohl im Unglücksjahr 1806 spielend, dennoch die Größe, das Grauen und die tragische Schwere des Weltkriegserlebnisses unserer Soldaten in sich schkeßt, ein Film, [...] der das Zeug dazu hat, als der deutsche Soldatenfilm, als der nationale Film Deutschlands nicht mehr vergessen zu werden«. Die Soldaten teüten im Füm nicht nur das Pflichtgefühl mit den Hunderttausenden Gefaüenen des Weltkrieges, sondern auch ihr Wesen, ihr Aussehen und die Umgebung gkchen einander: »Die Bilder, die das Gebiet um Saale und Unstrut wiedergeben, lassen die hölkschen KuHssen des Weltkrieges im Gedächtnis wieder auferstehen. So geschichtlich getreu, wie alle
Krieg37.«
Requisiten gefertigt
sein
mögen
man
denkt
stets an unseren,
den
jüngsten
—
Die »Neue Preußische
Zeitung« führte aus:
»Das Herz und der Geist sind auch im Weltkrieg der gleiche gebheben, und das ist es, was uns so ergreift: was da aus der Vergangenheit zum neuen Leben geweckt zu sein scheint, ist ja Fleisch von unserm Fleisch. Jeder dieser Dreizehn ist ein Stück lebendigen Lebens! Unseres besseren Lebens38!«
Das kberale sich die 37 38
Lager hingegen empörte sich. Der »Börsen-Courier« monierte:
Vorstellung von
ebd., S. 78.
Militär unauflösbar mit den Bildern des
Kriegs
verbunden hatte.«
Vgl.
N.N., in: Berliner Lokal-Anzeiger, Nr. 126, 15.3.1930. D., in: Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung, Nr. 76, 16.3.1930. Vgl. auch St., in: Deutsche Tageszeitung, Nr. 127, 15.3.1930. Etwas stärker historisch urteilt Fritz Olimsky, in: Berliner BörsenZeitung, Nr. 126, 15.3.1930. Gleichwohl ist Die letzte Kompagnie für ihn »seit den Nibelungen der deutscheste Film«.
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
Nach der Schlacht ist vor der Schlacht— Die 13 Soldaten und ihr Hauptmann Mitte): Die letzte Kompagnie (1930)
285
(Conrad Veidt,
»Alte Geschichtsschmachtfetzen. Wk schrauben den Geist zurück und die Erfahrung. 1914 war nichts und 1918. Ausgelöscht der Umsturz einer Welt. Die Wahrheit flieht und das Sentiment bleibt übrig39.«
Das »Berkner Tageblatt« schrieb: »MilKonen von sogenannten Helden aus dem Weltkrieg haben sich heute wieder in schHchte Kinobesucher verwandelt. Und sie alle wissen, daß dieses gegenseitige Morden eine Banalität, eine Erbärmlichkeit und eine Dummheit war. Dieser Hauptmann [...] gehört in Wkkkchkeit vor ein
Kriegsgericht411.«
Als Propaganda für die Begriffe »Militarismus und Kadavergehorsam« bewertete schließlich die kommunistische »Welt am Abend« die Letzte Kompagnie. Deren Macher hätten offenbar den Vorteil davon erkannt, »eine kleine Flucht in die Vergangenheit zu unternehmen, die Zuschauer sind dann weniger empfindlich, und man kann es schon riskieren, eine nette, wkksame Heldentod-
konjunktur unter die Leute zu bringen«41.
39
Herbert
40
Hans
Ihering, in: Berliner Börsen-Courier, Nr. 126, 15.3.1930. Flemming, in: Berliner Tageblatt, Nr. 128, 16.3.1930. Vgl.
Der Abend.
Vorwärts, Nr. 126, 15.3.1930. 41
M.M.
[Michael Mendelsohn], in: Die Welt am Abend, Nr. 63,
15.3.1930.
Spätausgabc
des
286
Philipp Stiasny
Die »letzte Kompagnie« auf verlorenem Posten beim Die letzte Kompagnie (1930)
Verteidigen der Mühle:
Ein Vergleich mit Schicksalswende einerseits und mit den um 1930 entstehenden Frontfilmen wie Die andere Seite (R: Heinz Paul, s/w, Deutschland 1931) und Westfront 1918 (R: Georg Wilhelm Pabst, s/w Deutschland 1930) andererseits bietet sich hier an. Doch sei an dieser Stehe ledigkch die Ähnlichkeit mit der Führerfigur von Schicksalswende hervorgehoben: einsam, nachdenklich, asketisch, pflichtbewußt. Beide Filme beginnen mit einer Niederlage: Kolin hier, Jena dort. Während jedoch Schicksalswende mit einem Sieg endet, endet Die letzte Kompagnie mit dem Tod der Helden. Dieser Tod ist freihch keine Niederlage, sondern auch ein Sieg: Es ist ein »Triumph des Wülens« über den Körper. Der Kampf erscheint als innere, als psy-
chologische Kraftprobe. In der Ästhetik allerdings bestehen erhebhche Unterschiede. Die filmische Quahtät des Films von 1930 ist auch heute noch überzeugend, insbesondere der virtuose Einsatz des Tons. Die Büdsprache ähnelt dem schlammigen Reaksmus der Weltkriegs filme; von den Schlachtenpanoramen ist nichts mehr übrig. Die herausragende Eingangssequenz der Letzten Kompagnie zeigt in Nahsicht das Schlachtfeld als eine nebhge, undurchdringkche Schlammlandschaft, in der tote Menschen und Tiere hegen und unbrauchbare Geschütze. Die übersichthche und
unversehrte Natur von Schicksalswende hat sich hier in eine Ödnis verwandelt, die an die Schlachtfeldvisionen von Otto Dix erinnert und nicht mehr an das 19. Jahr-
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
287
hundert. Der Preußenfilm ist in diesem Werk von 1930 ästhetisch ein Weltkriegsfilm geworden. Viele Fragen sind offen, und einige davon sollten hier zumindest angerissen werden. Sie betreffen den oft behaupteten Beitrag der Preußenfüme zur Remilitarisierung der Kinobesucher und hier sicherkch vor allem des jugendhchen Publikums. Wie eindeutig propagieren etwa diese Filme miktärische Ideale und Konfliktlösungen, wenn sie Krieg als ein historisches Schicksal und nicht als politisches Machtmittel inszenieren?42 Welche Funktion nahmen sie ein im Kontext der Mythisierung der Kriegsniederlage und innerhalb der Deutung von Geschichte? Auch als Bestandteüe einer massenmedial und nicht zuletzt kommerziek betriebenen Geschichtspoktik verdienen solche historischen Filme eine nähere Untersuchung43. Welche Auswirkungen hatten sie beispielsweise auf die Tradierung historischen Wissens in der Nachkriegszeit? Auch aus der vorangehend vertretenen filmhistorischen Perspektive wird über die Gründe, weshalb im Kino eine unverschlüsselte, direkte Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit vor Mitte der zwanziger Jahre nicht wünschenswert erschien, weiter gerätselt werden können. Der Erfolg des Preußenfilms dürfte freihch die Vorzüge der indirekten Sprechweise und der Verwendung eines historischen Kostüms erwiesen haben. Wie es scheint, bedurfte der Weltkriegsfilm eines Geburtshelfers. Der hieß Friedrich. * * *
Philipp Stiasny, M.A., geb. 1973, Berlin E-Maü:
Doktorand
an
der Humboldt-Universität
zu
[email protected] Literatur
Um nationale und repubhkanische Identität. Die deutsche Sozialdemokratie und der Kampf um die Symbole in der Weimarer Repubkk, Bonn
Buchner, Bernd, 2001
Corneksen, Solveig, Geschichtsdarsteüung im
Füm. Vergleichende Analyse zweier »Preußenfüme« der Weimarer Repubkk, unveröffentkchte Magisterarbeit, Humboldt-Universität zu Berhn 1998 Dolhnger, Hans, Friedrich II. von Preußen. Sein Büd im Wandel von zwei Jahrhunderten, München 1986 Eksteins, Modris, War, Memory, and Poktics. The Fate of the Film All Quiet on the Western Front, in: Central European History, 13 (1980), 1, S. 60-82 42 43
Dazu zuletzt und schematisch Körte, Der Spielfilm. Zum »Krieg der Erinnerungen« in der Weimarer Republik Waffe, S. 26-38.
pointiert: Wolfrum,
Geschichte als
Philipp Stiasny
288
Der Faü Remarque. Im Westen nichts Neues. Eine Dokumentation, hrsg. von Bärbel Schrader, Leipzig 1992 Füm und revolutionäre Arbeiterbewegung in Deutschland 1918-1932. Dokumente und Materiaken zur Entwicklung der Fümpoktik der revolutionären Arbeiterbewegung und zu den Anfangen einer soziakstischen Filmkunst in Deutschland, hrsg. von Gertraude Kühn, Karl Tümmler und Walter Wimmer, 2 Bde, Berhn (Ost) 1975 Hanisch, Mchael, Fridericus Rex, in: Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933. Ein Filmführer, hrsg. von Günther Dahlke und Günter Karl, Berhn (Ost) 1988, S. 66 f. Hickethier, Knut und Marcus Bier, Das Unterhaltangskino I. Müitärschwänke im Kino der zwanziger Jahre, in: Die Perfektionierung des Scheins. Das Kino der Weimarer Republik im Kontext der Künste, hrsg. von Harro Segeberg, München 2000, S. 67-93 Horak, Jan-Christopher, Liebe, Pflicht und die Erotik des Todes, in: Preußen im Füm, hrsg. von Axel Marquardt und Heinz Rathsack, Reinbek 1981, S. 205-218 Kaes, Anton, M, London 2000 Kaes, Anton, War Film Trauma, in: Modernität und Trauma. Beiträge zum Zeitenbruch des Ersten Weltkrieges, hrsg. von Inka Mülder-Bach, Wien 2000, S. 121-130 Kerr, Alfred, Der Einfluß des deutschen Nationaksmus und Müitarismus auf Theater und Füm in der Weimarer Repubkk, in: Ders., Essays. Theater. Film. Werke in Einzelbänden, hrsg. von Hermann Haarmann und Klaus Siebenhaar, Bd 3, Berhn 1991, S. 383-424 Kester, Bernadette, Filmfront Weimar. Representaties van de Eerste Wereldoorlog in Duitse films van de Weimarperiode 1919-1933, Hüversum 1998 Kester, Bernadette, Füm Front Weimar. Representations of the First World War in German Films of the Weimar period (1919-1933), Amsterdam 2003 Klemperer, Victor, Tagebücher 1922-1923, hrsg. von Walter Nowojski, Berkn —
—
2000
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19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Die Perfektionierung des Scheins. Das Kino der Weimarer Repubhk im Kontext der Künste, hrsg. von Harro Segeberg, München 2000, S. 17-34 Kreimeier, Klaus, Die Ufa-Story. Geschichte eines Fümkonzerns, München, Wien 1992 Kroll, Frank-Lothar, Friedrich der Große, in: Deutsche Erinnerungsorte, hrsg. von Etienne François und Hagen Schulze, Bd 3, München 2001, S. 620-635
»Fridericus Rex« und das Bild des
Krieges im Weimarer Kino
289
Geschichte Friedrichs des Großen. Mit 328 Holzschnitt-Illustrationen von Adolph Menzel, hrsg. von Roland W. Pinson, Bayreuth 1981 Molo, Walter von, Fridericus, München 1918, Berkn 1924 Molo, Walter von, Das Fridericus Rex-Buch, Berhn 1922 Regel, Fielmut, Die Fridericus-Füme der Weimarer Repubkk, in: Preußen im Füm, hrsg. von Axel Marquardt und Heinz Rathsack, Reinbek 1981, S. 124-134 Rother, Rainer, The Experience of the First World War and the German Füm, in: The First World War and Popular Cinema. 1914 to the Present, ed. by Mchael
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Philipp Stiasny
290
Filmographie Abkürzungen Z:
M.00000:
Zensur Nummer der Film-Prüfstelle Berkn Nummer der Film-Prüfstelle München
Jf: Jv.:
Jugendfrei Jugendverbot
B.00000:
Kopienstandorte wurden, wenn bekannt, angegeben. DER ALTE FRITZ
1. Teü: FRIEDE 2. Teü: AUSKLANG
Deutschland 1927, stumm, s/w R: Gerhard Lamprecht Hanns Torius (ps: Luise Heüborn-Körbitz, Gerhard Lamprecht) B: K: Karl Hasselmann BA: Otto Moldenhauer M: Artur Guttmann P: Gerhard Lamprecht-Film-Produktion GmbH, Berkn L: 9 Akte, 3404m (Z: B.17620, 16.12.1927, Jf), und 10 Akte, 3213m UA: D:
Kopie:
(Z:
B.17719, 23.12.1927, Jf.) 3.1.1928 und 20.1.1928, Berkn (Ufa-Palast am Zoo) Otto Gebühr, Juhe Serda, Berthold Reissig, Heinz B. Klockow, Dina Gralla, Franz Stein, Albert Ihle, Elsa Wagner, Anton Pointner, Peter van Hahn, Maria Reisenhofer Fümmuseum Berkn-Deutsche Kinemathek
DER CHORAL VON LEUTHEN
Deutschland R:
B: K: BA: M: P: L: UA:
am
D:
1932/1933, s/w
Carl Froekch, Mtarbeit: Arzén von Cserépy, Walter Supper Johannes Brandt, Ilse Spath-Baron, frei nach dem Roman »Fridericus« von Walter von Molo und nach einer Idee von Friedrich Pflughaupt Hugo von Kaweczynski, Franz Planer Franz Schroedter, Walter Haag Marc Roland Carl Froelich-Füm GmbH (FFG), Berkn 6 Akte, 2400m, 88 Mnuten (Z: B.33065, 30.1.1933, Jf.) 3.2.1933, Stuttgart (Universum-Theater), 7.3.1933, Berhn (Ufa-Palast
Zoo)
Otto Gebühr, Olga Tschechowa, Elga Brink, Harry Frank, Paul Otto, Hans Adalbert Schlettow, Jack Mylong-Münz, Hugo Froehch, Werner
»Fridericus Rex« und das Bild des
Anm.:
Kopie:
291
Finck, Josef Dahmen, Veit Harlan, Walter Janssen, Paul Richter, Anton Pointner, Otto Hartmann, Ludwig Trautmann, Wolfgang Staudte
Der Füm erhielt das Prädikat »volksbüdend«. Wie FRIDERICUS REX, Teü 4: SCHICKSALSWENDE (1921-1923) ist die Geschichte von DER CHORAL VON LEUTHEN an den Roman »Fridericus« von Walter von Molo angelehnt. Fümmuseum Berkn-Deutsche Kinemathek
DIE ELF SCHILLSCHEN OFFIZIERE
Deutschland 1926, stumm, s/w R: Rudolf Meinert B: K: BA: P: L: UA: D:
Krieges im Weimarer Kino
Max Jungk, Juhus
Ludwig Lippert
(1926)
Urgiß
Gustav A. Knauer Internationale Füm AG (Ifa), Berhn 7 Akte, 2853m (Z: B.13374, 2.8.1926, Jf.) 27.8.1926, Berhn (Kammerlichtspiele, Tauentzien-Palast) Rudolf Meinert, Gustav Adolf Semler, Grete Reinwald, Leopold von Ledebur, Imogen Robertson, Ernst Rückert, Albert Steinrück, Charles Willy Kayser, Camüla von Hoüay, Werner Pittschau Anm.: Ein Remake unter dem gleichen Titel erschien 1932.
DIE ELF SCHILLSCHEN OFFIZIERE
(1932)
Deutschland 1932, s/w R: Rudolf Meinert Rudolf Meinert B: K: Eduard Hoesch, Hugo von Kaweczynski BA: Heinrich Richter M: Karl M. May P: Märkische Füm GmbH, Berkn L: 6 Akte, 2769m, 101 Mnuten (Z: B.31947, 15.8.1932, Jf.) UA: 22.8.1932, Berlin (Marmorhaus) Friedrich Kayßler, Hans Brausewetter, Veit Harlan, Carl de Vogt, D: Theodor Loos, Hertha Thiele, Heinz Khngenberg, Camüla Spira, Eugen Rex, Paul Günther, Erna Morena, Wera Liessem DAS FLÖTENKONZERT VON SANSSOUCI
Deutschland 1930, s/w R: Gustav Ucicky Walter Reisch, unter Verwendung B: Brandt K: Carl Hoffmann Robert Herlth, Walter Röhrig BA: M: Willy Schmidt-Gentner
von
Motiven
von
Dr. Johannes
Philipp Stiasny
292
Universum-Film AG (Ufa), Berhn 9 Akte, 2412m, 88 Minuten (Z: B.27690, 16.12.1930, Jf.) UA: 19.12.1930, Berhn (Ufa-Palast am Zoo) D: Otto Gebühr, Renate Müller, Hans Rehmann, Walter Janssen, Raoul Asian, Friedrich Kayßler, Carl Goetz, Aribert Wäscher, Margarethe Schön, Theodor Loos, Hans Brausewetter, Paul Biensfeldt, Wladirnir Sokoloff, Alexander Murski, Friedrich Kühne, Alfred Beierle, Georg John, Theo Lingen Anm.: Der Füm erhielt die Prädikate »künstlerisch« und »volksbüdend«. Es wurde auch eine stumme Fassung hergestellt. Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv, Berhn, und VHS-Kaufvideo
P: L:
FRIDERICUS REX 1. Teü: STURM UND DRANG 2. Teil: VATER UND SOHN
Deutschland 1920-1922, stumm, s/w R: Arzén von Cserépy B: K:
BA: M: P: L:
UA: D:
Behrendt, Arzén von Cserépy, BE. Lüthge Guido Seeber, Ernst Lüttgens Hans Dreier, Ernö Metzner, Artur Günther, Hans Flemming, Wiüy Hesch Marc Roland Cserepy-Füm Co. GmbH, Berkn 6 Akte, 2077m (Z: B.05179, 24.1.1922, Jf), und 5 Akte, 1317m (Z: Hans
B.05180, 24.1.1922, Jf.) 31.1.1922, Berkn (Ufa-Palast am Zoo) Otto Gebühr, Albert Steinrück, Gertrud de Lalsky, Erna Morena, Edu-
ard von Winterstein Anm.: Teü 1 und 2 erhielten das Prädikat »volksbüdend«. FRIDERICUS REX 3. Teü: SANSSOUCI 4. Teü: SCHICKSALSWENDE
Deutschland 1921 -1923, stumm, s/w R: Arzén von Cserépy B: Hans Behrendt, Arzén von Cserépy, K: Guido Seeber, Ernst Lüttgens, Reimar Kuntze, Friedrich Paulmann Karl Rainer, Ernö Metzner BA: M: Marc Roland P: Cserepy-Füm Co. GmbH, Berkn L: 6 Akte, 1786m (Z: B.06988, 10.3.1923, Jf), und 6 Akte, 2565m UA:
B.07057, 12.3.1923, Jf.) 19.3.1923, Berkn (Ufa-Palast am Zoo)
(Z:
»Fridericus Rex« und das Bild des
D:
Krieges im Weimarer Kino
293
Otto Gebühr, Erna Morena, Gertrud de Lalsky, Lothar Müthel, Eduard von Winterstein, Alexander Granach, Friedrich Kayßler, Heinrich
George
Anm.: Teü 3 und 4 erhielten das Prädikat »volksbüdend«. Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv, Berhn (nur Teil 4)
KÖNIGIN LUISE 1. Teü: DIE JUGEND DER KÖNIGIN LUISE 2. Teü (ohne weitere Titelangabe) Deutschland 1927/1928, stumm, s/w R: Karl Grüne B: K: BA: M: P: L:
UA: D:
Ludwig Berger Arpad Viragh Hans Jacoby Walter Ulfig
Terra-Film AG
Akte, 3031m (Z: B.17601, 16.12.1927, Jf), und 8 Akte, 3180m (Z: B.17878,13.1.1928,Jf) 22.12.1927, Berkn (Atrium) und 16.1.1928, Berkn (Atrium, BebaPalast) Mady Christians, Hans Adalbert Schlettow, Anita Dorris, Hedwig Wangel, Hans Merendorff, Ida Wüst, Auguste Prasch-Grevenberg, Mathias Wiemann, Adele Sandrock, Lotte Lorring, Antonie Jaeckel, Karl Elzer, Fred Döderlein und (maries Vanel, Helga Molander, Egon von Jordan, Alfred Gerasch, Theodor Loos, Ferdinand von Alten, Eduard Rothauser, Hans Wassmann, Max Pohl, Emü Heyne 7
DIE LETZTE KOMPAGNIE
Deutschland 1930, s/w Kurt Bernhardt
R: B:
Ludwig von Wohl, Heinz Goldberg, Hans J. von
K: BA: M: P: L: UA: D:
Rehfisch nach einer Idee
Hans Wühelm und Hermann Kosterktz
Günther Krampf
Andrej Andrej ew Ralph Benatzky, Franz Grothe Universum-Film AG (Ufa) / Joe May-Produktion der Ufa 9 Akte, 2167m, 79 Mnuten (Z: B.25300, 7.3.1930, Jf.) 14.3.1930, Berkn (Ufa-Pavülon Nokendorfplatz)
Conrad Veidt, Karin Evans, Paul Henckels, Heinrich Greder, Paul Henckels, Ferdinand Asper, Martin Herzberg, Werner Schott, Philipp Manning, Max Wühelm Hüler, Ferdinand Hart, Alexander Granach, Gustav Püttjer, Albert Karchow, Horst von Harbou
Philipp Stiasny
294
Anm.: Der Film erhielt das Prädikat »künstlerisch«. Es wurde auch eine stumme Fassung hergesteht. Die enghsche Fassung hatte den Titel THE LAST COMPANY, L: 2040 m, 75 Mnuten, EA: 27.9.1930, London. Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv, Berhn, und Fümmuseum Berlin-Deutsche Kinemathek, Deutsches Füminstitat, Wiesbaden (enghschsprachige
Fassung)
LUISE, KÖNIGIN VON PREUSSEN Deutschland 1931, s/w R: Carl Froehch Fred Hüdenbrandt, Friedrich Raff, Juhus Urgiß, nach dem Roman B: »Luise« von Walter von Molo K: Friedl Behn-Grund Franz Schroedter BA: M: Hansom Müde-Meißner P: Henny Porten-Filmproduktion GmbH L: 7 Akte, 3168m, 115 Mnuten (Z: B.30450, 25.11.1931, Jf.) UA: 4.12.1931, Berkn (Atrium) D: Henny Porten, Gustaf Gründgens, Ekkehard Arendt, Wladimir Gaidarow, Friedrich Kayßler, Helene Fehdmer, Paul Günther Kopie: Bundesarchiv-Fümarchiv, Berhn LÜTZOWS WILDE VERWEGENE JAGD. DAS HELDENSCHICKSAL THEODOR KÖRNERS UND SEINE LETZTE LIEBE Deutschland 1927, stamm, s/w R: Richard Oswald Max Jungk B: K: Ewald Daub BA: Ernst Stern M: Gustav Gold P: Richard Oswald Film-Produktion GmbH, Berkn L: 7 Akte, 2960m (Z: B.15036, 21.2.1927, Jf.) UA: 21.2.1927, Berkn (Mozartsaal) D: Maty Kid, Arthur Welhn, Ernst Rückert, Vera Engels, Paul Bildt, Albert Steinrück, Leopold von Ledebour, Siegfried Arno, Harry Nestor, Robert Hartberg, Friedrich Kühne, Carl Zickner, Eduard von Winterstein, Paul Marx Anm: Dem Film LÜTZOWS WILDE VERWEGENE JAGD ist THEODOR KÖRNER (1932) nachempfunden.
VORWÄRTS Deutschland 1932, s/w R: Heinz Paul B: Arzén von Cserépy, Hella
MARSCHALL
Moja, Heinz Paul
»Fridericus Rex« und das Bild des
K:
BA: M: P: L:
UA: D:
Krieges im Weimarer Kino
295
Viktor Gluck, Carl Hoffmann Robert Dietrich, Bruno Lutz Wiüy Schmidt-Gentner Biograph-Film GmbH, Berkn und Tobis-Melofilm GmbH, Berkn 10 Akte, 2780m, 102 Mnuten (B.32340, 24.10.1932, Jf.) 23.11.1932, Berlin (Titania-Palast, Atrium) Paul Wegener, Helen Schoener, Hans von Schwerin, Elga Brink, Theodor Loos, Friedrich Kayßler, Fritz Alberti, Paul Richter, Josef Peterhans, Eduard Rothauser, Carl Auen, Alfred Durra, Anton Pointner, Hans Adalbert Schlettow, W. von Herwarth, Oskar Marion, Mchael von Newlinski, Alfred Gerasch, Paul Biensfeldt
DER SCHWARZE HUSAR
Deutschland 1932, s/w R: Gerhard Lamprecht
B: K: BA: M: P: L:
UA: D:
Kopie:
Curt J. Braun, Philipp Lothar Mayring, nach einer Idee von Leo Lenz Franz Planer Robert Herlth, Walter Röhrig Eduard Künneke Universum-Film AG (Ufa), Berkn 9 Akte, 2585m, 94 Minuten (Z: B.32235, 4.10.1932, Jf.) 12.10.1932, Berkn (Ufa-Palast am Zoo) Conrad Veidt, Wolf Albach-Retty, Mady Christians, Ursula Grabley, Bernhard Goetzke, Otto Wallburg, Günther Hadank, Grigori Chmara, Fritz Greiner, Franz Stein, Hubert von Meyerinck Deutsches Filminstitut, Wiesbaden
THEODOR KÖRNER
Deutschland 1932, s/w R: Carl Boese, unter der künstlerischen Oberleitung von Rudolf WaltherFein B: Franz Rauch Heinrich Gärtner K: Walter Reimann BA: Werner Schmidt-Boelcke M: P: Aafa-Füm AG, Berkn L: 9 Akte, 2572m, 94 Mnuten (Z: B.32197, 29.9.1932, Jf.) UA: 4.10.1932, Dresden; 14.10.1932, Berlin (Primus-Palast) D: Wilk Domgraf-Faßbaender, Ludwig Trautmann, Marta Maria Newes, Dorothea Wieck, Lissy Arna, Sigurd Lohde, Maria Meißner, Wolfgang von
Schwind, Curt Max Richter, Heinz Kkngenberg, Josef Peterhans
Philipp Stiasny
296 WATERLOO
Deutschland 1928, stamm, R: Karl Grüne B: K: BA: M: P: L: UA: D:
Max Ferner, BE. Lüthge Fritz Arno Wagner, Josef Wirsching,
Hugo von Kaweczynski
Ludwig Reiber Hansheinrich Dransmann (bei der Berliner EA im Titania-Palast) Münchener Lichtspielkunst AG (Emelka), München 10 Akte, 3505m (Z: M.03090, 29.12.1928, Jf.) 7.1.1929, München (Phoebus-Palast), 10.1.1929, Berlin (Capitol, Titania-Palast)
Gebühr, Charles Willy Kayser, Charles Vanel, Auguste PraschGrevenberg, Fritz Ulmer, Georg Henrich, Karl Graumann, HumberOtto
de Vogt, Helmuth Renar, Wera Malinowskaja, CaOskar Marion, Betty Bird, Fred Immler, Franz Wiü Dohm Scharwenka, Cinémathèque Municipale de la Vüle de Luxembourg, Luxemburg stone
müla
Kopie:
s/w
Wright, Carl Hoüay,
von
YORCK
Deutschland 1931, s/w Gustav Ucicky Hans Müker, Robert Liebmann Carl Hoffmann Robert Herlth, Walter Röhrig Werner Schmidt-Boelcke Universum-Füm AG (Ufa), Berkn 10 Akte, 2793m, 102 Mnuten (Z: B.30626,18.12.1931, Jf.) UA: 23.12.1931, Berkn (Ufa-Palast am Zoo) D: Rudolf Forster, Werner Krauß, Grete Mosheim, Gustaf Gründgens, Lothar Alüthel, Friedrich Kayßler, Hans Rehmann, Walter Janssen, Theodor Loos, Paul Otto, Otto Wallburg, Raoul Asian, Jakob Tiedtke, Günther Hadank
R: B: K: BA: M: P: L:
Barbara Ziereis
Kriegsgeschichte im Spielfilmformat. Der Erste Weltkrieg im Tonspielfilm der Weimarer Republik »Filmfront Weimar« Weltkriegs filme am Ende der Weimarer Repubkk —
»Ein Tonfilm
vom
Krieg, nach Johannsens: Vier von der Infanterie gedreht. Ich kann mich Krieg, und zwar der Stellungskrieg in seiner letzten schrecklich-
nicht erinnern, daß der sten Phase, im Film je
so realistisch dargestellt worden wäre. Sollte nachgeholt werden, was in der Literatur bereits geschehen ist1?«
auf der Leinwand
In diesem Zitat aus Siegfried Kracauers Rezension zu dem Film Wesfront 1918, erschienen in der Frankfurter Zeitung vom 27. Mai 1930, spiegelt sich ein Trend des Kinos der frühen dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wider. Am Ende der
Weimarer Repubhk ist eine auffälkge Konjunktur von Spielfilmen zu konstatieren, die den Ersten Weltkrieg in den Mttelpunkt ihrer Handlung stellen2. Der vorhegende Aufsatz möchte einen Beitrag dazu leisten, diese Filme in den Kontext der kollektiven Erinnerung an den »Großen Krieg« einzuordnen. Welche Roüe nahmen Kriegs filme auf dem Feld der Wahrnehmung und Erinnerung an die »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« ein? Dabei soü die folgende These in das Zentrum der Untersuchung gestellt werden: Die intensive Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg im Spielfilm hatte ihren Grund in der Weimarer Gesellschaft und erklärt sich aus dem massenhaften Erleben des »totalen Krieges« an Heimat- und Kriegsfront, die sich in der Zwischenkriegszeit in vielfältigen kulturellen Ausdrucksformen niederschlug3. Die Segmentierung der Gesellschaft der Weimarer Repubkk in unterschiedkche poktische Mkeus prägte die persönkche Erinnerung an den Krieg. 1
2
Kracauer, Von Caligari zu Hitler, S. 430.
Siehe allgemein zur Darstellung des Ersten Weltkriegs im Film: Ziereis, Der Erste Weltkrieg; The First World War and Popular Cinema; Kester, Filmfront Weimar; Kelley, Cinema and the Great War; Film and the First World War. Vgl. Fückethier, Krieg im Film nicht nur ein Genre; Montgomery, »Realistic« War Films. Zweiter Weltkrieg; vgl. Rürup, »Weltkrieg« Siehe dazu die Beiträge in: Erster Weltkrieg —
3
»Volkskrieg« »Kulturkrieg«. —
-
—
Barbara Ziereis
298
Die Filme ordneten sich in einen bereits bestehenden Erinnerungskosmos an den Krieg ein, der durch eine Vielzahl von Denkmälern, Fotografien, Romanen oder Theaterstücken erzeugt wurde4. Sie griffen jedoch nicht nur auf den bereits vorhandenen Text- und Bildpool zum Thema »Weltkrieg« zurück, sondern erzeugten darüber hinaus eine eigene, spezifische Art von Bildern. Historienfilme und damit auch die Weltkriegs filme der Weimarer Zeit übersetzten ihren historischen Stoff in einen Plot und in bewegte Bilder. Sie verbanden die Praxis des Erinnerns mit jener des Amüsements und trugen somit den Aspekt des »Erlebnisses« in sich. Darüber hinaus begründeten filmische Mttel wie beispielsweise Großaufnahmen oder Kameraführung eine spezifische psychologische Kraft, durch die das Pubkkum, mehr als bei jedem anderen Medium, emotional an seine Protagonisten gebunden werden konnte5. Kurz zur Vorgehensweise: Zunächst wird der zeitgeschichtkche Kontext der Weltkriegs filme knapp umrissen, anschkeßend werden fünf ausgewählte Filme vorgestellt und einem Vergleich unterzogen. Als Kategorie des Vergleichs fungiert dabei die Darstellung von Tod und Gewalt sowie ihre Einordnung in die jeweikge Filmhandlung. Die Untersuchung konzentriert sich folghch auf den filmischen Umgang mit der Todes er fahrung im indus triaksierten Krieg. In einem Fazit soll dann das Kino als Ort der Erinnerung einer modernen Gesellschaft interpretiert werden.
Der zeitgeschichtkche Kontext Der Erste Weltkrieg wurde bereits von den Zeitgenossen als poktische Epoche wahrgenommen oder zumindest als Epochenscheide, die das Wilhelminische Kaiserreich von der parlamentarischen Demokratie der Weimarer Repubkk trennte6. Die Auseinandersetzung um den Krieg und seine Folgen prägte die poktische Kultur der zwanziger Jahre und war auch gegen Ende der Weimarer Repubkk keineswegs zum Erkegen gekommen7. Die im Versaüler Vertrag festgeschriebene deutsche Niederlage und Kriegsschuld bildete den Anknüpfungspunkt für die —
4
5
Siehe zu den verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen der Thematik »Krieg«: Die letzten Tage der Menschheit. Vgl. grundlegend zur Methodik der Filmanalyse Kaes, Filmgeschichte als Kulturgeschichte; Buchschwenter/Tillner, Geschichte als Film Film als Geschichte; Mattl/Stuhlpfarrer, Film und Geschichte; Sorlin, Das Kino; siehe auch Hickethier, Film- und Fernsehanalyse; Monaco, Film -
6
7
History. Forschungen zum Fürsten Weltkrieg haben in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erfahren, vgl. Epkenhans, Neuere Forschungen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges; Dipper, Die Forschung zum Ersten Weltkrieg; Krumeich, Kriegsalltag vor Ort. Siehe zur Wahrnehmung des F.rsten Weltkrieges: Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ...; Mchalka, Der Erste Weltkrieg;
verstehen; Thompson/Bordwell,
Film
Die
Eine Welt von Feinden; Der Tod als Maschinist. Siehe auch: Krieg im Frieden; vgl. Wette, Von Kellog
zu
Hitler.
Der Erste
Weltkrieg im Tonspielfilm der Weimarer Republik
299
Poktisierung und Instrumentaksierung der individuellen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg8. Das poktische und kulturelle Deutschland war zum Ende der Weimarer Repubkk eine »mehrfach gespaltene Gesellschaft«9. Trotz aller Differenzierung schält sich indes eine Zweiteilung in ein konservatives und ein progressives Lager heraus. Auf der einen Seite stand die politische Rechte, deren Spektrum Monarchisten,
Nationalkonservative und Nationalsozialisten umfaßte. Ihnen trat eine Linke gegenüber, die vom kberalen Bürgertum über die Sozialdemokratie bis zur KPD reichte1". Jede dieser politischen Gruppierungen generierte ihr eigenes Bild vom Krieg und seinen Folgen11. Im Kontext des »Kampfes um die Erinnerung« kam dem Gedenken an die Toten des Ersten Weltkrieges eine entscheidende Bedeutung zu. Den Gefallenen wurde eine aktive Rolle in der Poktik der Weimarer Repubkk zugewiesen. Je nach poktischer Ausrichtung mahnten die Kriegstoten zur Revision von Versailles, traten ein für die Monarchie, für konservative Werte, für den Pazifismus, für eine soldatische Gesellschaft oder für ein nationalsoziakstisches »Reich«12. Weltkriegs filme boten dabei durch ihre spezifische Wirkungskraft eine neue Quaktät in der Vermittlung von Deutungen und Bedeutungen des Krieges. Die Gründe für den Erfolg von Filmen über den Weltkrieg im letzten Drittel der Weimarer Repubkk sind jedoch vielfältig: Eine wichtige Rolle kommt dabei auch den inneren Mechanismen und Entwicklungen der Filmwirtschaft zu. Der Weltkriegs film zählte neben dem Operetten- und dem preußischen Historienfilm am Ende der Weimarer Repubhk zu den erfolgreichsten Genres13. Einen großen Anteil daran trug der zunehmende Wettbewerb in der Filmwirtschaft; verständhcherweise produzierten die großen Gesellschaften solche Filme, die einen kommerziellen Erfolg versprachen14. Frontromane hatten sich in großer Zahl verkauft und deuteten auf ein entsprechend großes Pubkkumsinteresse hin15. —
—
8
9 1(1
11 12
•3 14
15
Hierzu: Versailles 1919; Haverkamp, Zwei Millionen Tote! Umsonst?; Daniel, Die Politik der Propaganda; Dreyer/Lembcke, Die deutsche Diskussion um die Kriegsschuldfrage 1918/19; Forging the Collective Memory. Diesbezüglich auch die älteren Studien von Heinemann, Die verdrängte Niederlage, bzw. Salewski, Das Weimarer Revisionismussyndrom.
Winkler, Weimar 1918-1933, S. 285. Noch immer grundlegend dazu Laqueur, Weimar.
Siehe jetzt auch Schumann, Politische Gewalt in der Weimarer Republik. Zum geteilten Bild vom Krieg: Krieg im Frieden; Ziemann, Republikanische Kriegserinnerung; Faulenbach, Nach der Niederlage; Hüppauf, Fotografie im Ersten Weltkrieg. 2 Millionen Tote! Umsonst?; Latzel, Vom Vgl. zur Bedeutung der Kriegstoten: Haverkamp, Sterben im Krieg; Behrenbeck, Der Kult um die toten Helden; Mosse, Soldatenfriedhöfe und nationale Wiedergeburt. Vgl. Murray, Film and the German Left, S. 155. Siehe zur wirtschaftlichen Konzentration in der deutschen Filmindustrie sowie zur Entwicklung der Ufa: Das Ufa-Buch; Die Ufa ein Traum; Kreimeier, Die Ufa-Story; Die Ufa. Das deutsche
Bilderimperium.
-
Krieg und die Schriftsteller; Gollbach, Die Wiederkehr des Weltkrieges in der Müller, Literatur; Baron/Müller, Weltkriege und Kriegsroman. Hierzu:
Der
300
Barbara Ziereis
Darüber hinaus verschafften Neuerungen der Aufnahme- und Vorführtechnik den Weltkriegs filmen eine neue Erlebnisquaktät. Hervorzuheben ist hier vor allem die Einführung des Lichttons, der seit 1929, nach jahrelangen Patentstreitigkeiten, eingesetzt werden konnte16. Durch den Ton gewann die Darstellung der Kriegs erlebnis se an der Front einen neuen Grad an Authentizität und Eindringkchkeit17. Die Kakophonie des Kriegslärms der Schlachtfelder ertönte in den Kinosälen in einer bislang unbekannten Lautstärke, und die Geräuschpalette vermittelte ein Gefühl des hautnahen Mterlebens18.
Auswahl und
Einordnung der Filme19
Der Film Wesfront 1918, der 1930 unter der Regie von Georg Wühelm Pabst gedreht wurde, war der erste deutsche Tonspielfilm zum Thema2". Die Nero-Film AG, Berkn, die für den Einsatz moderner Fümtechnik und der Gewährung großer Freiheiten gegenüber den Regisseuren bekannt war, produzierte den Film. Die Zensurbehörde gab Wesfront 1918 am 21. Mai 1930 frei und verheh ihm das Prädikat »künstlerisch«. Der Film war ein großer kommerzieller Erfolg. Nach der Romanvorlage »\fier von der Infanterie« von Ernst Johannsen erzählt er die Geschichte von vier deutschen Soldaten, die gemeinsam in den Schützengräben an der Westfront kämpfen. Die Handlung setzt ein, als das Scheitern der deutschen Sommeroffensive im letzten Kriegsjahr und damit die unausweichkche militärische Niederlage der deutschen Armee sich abzuzeichnen beginnt. Berge in Flammen ist ein Berg- und Kriegsfilm, den Luis Trenker im Jahr 1931 realisierte21. Trenker verfaßte zusammen mit Karl Hard das Drehbuch, führte Regie und übernahm zudem die Hauptrolle. Auch dieser Film erhielt von der Zensurbehörde das Prädikat »künstlerisch« und entwickelte sich zum Kassenschlager. Schauplatz ist die Hochgebirgsfront in den Dolomiten, an der sich österreichisch16
17
18
19
20
21
Vgl. Körte, Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 90 f.; Mühl-Benninghaus, Die
deutsche Tonfilmentwicklung, S. 206-209. Vgl. beispielsweise im Zusammenhang mit der Aufführung von Westfront 1918 die Rezension in: Brandenburgische Zeitung, 1.10.1930: »Alles das zeigt der Tonfilm Westfront 1918 so grausam
anschaulich, die Todesschreie der Verwundeten und das Krachen der Geschütze mischen sich in das Gellen des Wahnsinns der Opfer des Mordens, daß man erschüttert hinausgeht [...].«
Maßstäbe setzte hier die amerikanische Produktion Im Westen nichts Neues (All Quiet on the Western Front, R: Lewis Milestone, s/w, USA 1930), dessen deutsche Erstaufführung am 5.12.1930 in Berlin stattfand. Vgl. zum Streit um diesen Film Der Fall Remarque; Beller, Gegen den Krieg. Detaillierte Angaben zu den Produktionsdaten der im folgenden genannten Filme finden sich in Klaus, Deutsche Tonfilme. Eine ergiebige Quelle für die mitwirkenden Personen oder Institutionen sind darüber hinaus die entsprechenden Einträge in CineGraph. Lexikon zum deutschsprachigen Film. Vgl. zu Westfront 1918 ausführlich G.W. Pabst, S. 326-328; Geisler, The Battleground of Modernity; Körte, Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 193-218. Allgemein zum Genre des »Bergfilms«: Berge, Licht und Traum; Rapp, Höhenrausch; Alexander, Der Dolomitenkrieg im »Tiroler« Film; Rentschier, Mountains and Modernity.
Der Erste
Illustrierter Filmkurier.
(1931)
Weltkrieg im Tonspielfilm der Weimarer Republik
Berge
301
in Flammen
ungarische Kaiserjäger und italienische Alpini gegenüberkegen. Im Mttelpunkt der Handlung steht die Gefahr der Sprengung einer Kaverne durch die itakenischen Truppen. Niemandsland eine Regiearbeit des
F^xürussen Viktor Trivas und ebenfalls aus dem Jahr 1931 führt kammerspielfünf Infanteriesoldaten verschiedeartig ner nationaler Armeen zusammen, die zwischen den Fronten aufeinandertreffen. Das Drehbuch wurde von Trivas selbst und Leonhard Frank verfaßt, die Produktion übernahmen Resco-Füm und Tobis-Melofilm. Die Filmmusik von Niemandsland stammt von Hanns Eisler. Der von der Kritik hochgelobte Film fand in Deutschland aüerdings kein Pubkkum22. Im Jahr 1932 verwirkkchte der Regisseur Heinz Paul23 den Film Tannenberg, der die Geschichte der wohl berühmtesten Schlacht an der Ostfront thematisiert. Als Produktionsfirma traten die Schweizer Praesensfüm und ihr deutscher Ableger auf. Die Handlung verteilt sich auf zwei miteinander verschränkte Erzählstränge: In einem dokumentarischen Teil steht die Perspektive der kommandierenden Generäle im Vordergrund. In einer Spielhandlung werden die Erlebnisse der Bewohner eines von den Kämpfen betroffenen Gutes in Ostpreußen erzählt. Obwohl mit der siegreichen Schlacht bei Tannenberg der Mythos des von 1925 bis 1934 amtierenden Reichspräsidenten Paul von Hindenburg als »Retter des Vaterlandes«24 begründet wurde, war diesem Film an den Kinokassen kein Erfolg beschieden. Der letzte ausgewählte Film Morgenrot von Gustav Ucicky ist gleichzeitig auch der letzte in der Weimarer Repubkk produzierte Weltkriegsspielfilm. Diese —
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22
23
24
—
Siehe Victor Trivas. Eine Filmreihe im Metropolis-Kino. Vgl. auch Müller, Aus der Chronik des Antikriegsfilms; Körte, Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 217-224; Murray, Film, S. 158 f.; Kelley, Cinema and the Great War, S. 81 -100. Heinz Paul kann als Spezialist für Kriegsfilme gelten, da er bis zu diesem Zeitpunkt bereits vier Filme dieses Genres gedreht hatte: U 9 Weddigen (1927), Drei Tage auf Eeben und Tod. Aus dem Logbuch des U.C. 1 (1930), Die andere Seite (1932), Douamont (1932). Auf Hmdenburgs Betreiben wurde das Gefecht von 1914 nach der historischen Schlacht bei Tannenberg im Jahr 1410 benannt. In der militärischen Auseinandersetzung im Spätmittelalter war das Deutschordensheer den Truppen polnischer und litauischer Fürsten unterlegen. Vgl. zum Tannenberg-Mythos ausführlich Fischer, Tannenberg-Denkmal; Wippermann, Der Ordensstaat. Vgl. zum Film Tannenberg die Angaben in Körte, Der Spielfilm und das Finde der Weimarer Republik, S. 365, bzw. Montgomery, »Realistic« War Films, S. 129-131.
Barbara Ziereis
302
Illustrierter Filmkurier:
Tannenberg (1932)
große Ufa-Produktion,
die ebenfalls das Prädikat »künstlerisch« erhielt, entstand nach einem Drehbuch von Gerhard Menzel. Morgenrot war ein durchschlagender kommerzieller Erfolg und wurde im In- und Ausland gefeiert und prämiert. Am Abend nach Hitlers Machtübernahme uraufgeführt, erzählt der Film die Geschichte einer deutschen UBoot-Besatzung auf Heimaturlaub und bei Gefechten auf See25. Diese Filme wurden ausgewählt, weil sie in vielerlei Hinsicht als repräsentativ für den Weltkriegs film ihrer Zeit gelten können: Sie sind in der Endphase der Weimarer Repubkk entstanden, als die Abwehr von Versailles zur »nationalen Klammer« in der Sphäre der Poktik geworden war26. Der Einsatz der neuen, erlebnisintensiven Tontechnik folgte dem Bedürfnis nach Authentizität bei Kritik und Pubkkum. Darüber hinaus legten die ausgewählten Filme großen Wert auf historische Details in Ausstattung und Kostümen, zum Teil wurden sie an sogenannten »Originalschauplätzen« gefilmt. Sie alle versuchten sich der Thematik »Weltkrieg« zu nähern, indem sie vorgaben, sich streng an historischen Fakten zu orientieren27. Zudem verlegten sie übereinstimmend ihren Schwerpunkt auf die Ereignisse an den Frontknien und richteten ihren Fokus auf einzelne Soldaten an der Front, aus deren Bkckwinkel heraus die Geschichten über den Krieg entwickelt wurden. Dabei erscheint in allen Filmen die Front als Bereich der Män-
Morgenrot Hampicke, Auf Feindfahrt; Kreimeier, Die Ufa-Story, S. 241 f. Morgenrot wurde Kriegspropaganda wiederaufgeführt. Vgl. Truppner, »Zeitgemäße NeuAufführungen«. Vgl. Daniel, Die Politik der Propaganda, S. 59. Die Filme setzten allgemein bekannte Schauplätze des Krieges in Szene: Mt Tannenberg bezog man sich auf einen konkreten Schlachtenort, Berge in Flammen verweist auf den Hochgebirgskrieg um den Col di Lana, Morgenrot nahm allgemein auf die Vernichtung der deutschen U-Bootflotte im Krieg Bezug, Niemandsland und Wesfront 1918 auf die grausamen Stellungskämpfe in Frankreich, die für die beteiligten Armeen sehr verlustreich waren. Vgl.
zu
1940 im Rahmen der
Der Erste
Weltkrieg im Tonspielfilm der Weimarer Republik
303
hingegen als Sphäre der Frauen. Genretypisch ist auch, daß das als Sujet »Krieg« Fohe zur Überprüfung geseüschafthcher Werte diente, die anhand des Erlebens der Protagonisten im Krieg erzählt wurden. Die einzelnen Filme lassen sich den beiden bereits vorgestellten poktischen und kulturellen Mkeus der Weimarer Repubkk zuordnen, transzendierten diese jedoch. Wesfront 1918 und Niemandsland sind als pazifistische Filme konzipiert. Sie können zum gesellschaftlich progressiven Lager der Weimarer Repubhk gezählt werden. Berge in Flammen, Tannenberg und Morgenrot fügten sich in die Erinnerungsmuster der poktischen Rechten ein. Diese drei Filme beschreiben den Krieg als naturgegebene und damit unvermeidliche Notwendigkeit28. Allerdings wurde mikeuübergreifend eine »reakstische« Darstellung durchweg als positiv wahrgenommen und lobend erwähnt. Aufgrund seiner reakstischen Kriegsszenen rezensierten Wesfront 1918 sogar Kritiker aus dem konservativen Lager positiv, obwohl der Regisseur wegen seiner Nähe zur Sozialdemokratie als der »rote Pabst« bezeichnet wurde29. Die Unterschiede der Filme treten vor allem zu Tage, wenn man sich die Frage nach der spezifischen Darstellung von Tod und Gewalt stellt30. Die Form ihrer filmischen Repräsentation spiegelte und strukturierte die Bilder im Kopf des Pubkkums. Die Frage nach der Konstruktion dieser Filmbilder führt direkt zum kollektiven Gedächtnis und damit zur Reflexion und zur politischen Einordnung des Ersten Weltkrieges und seiner Folgen in der Weimarer Gesellschaft insgesamt. Im folgenden sollen diese Unterschiede anhand von fünf Aspekten analysiert werden. Eingangs wird beschrieben, wie jeder Film den Ausbruch des Krieges schildert. Da der Versaüler Vertrag die deutsche Kriegsschuld festgeschrieben hatte und sich darauf die Reparationsforderungen gründeten, waren dieser Aspekt und seine Darstellung im Film ein hochpoktischer Akt. Ein zweiter Punkt widmet sich dem Problem, wer in den Filmen Gewalt ausübt und wie sie kontextuahsiert bzw. legitimiert wird. Drittens soll untersucht werden, welche Personen in den Spielfilmen Gewalt im Krieg zu erleiden hatten. Ebenso entscheidend ist viertens die Frage danach, wie Opfer von Gewalt dargestellt werden. Darin zeigt sich einerseits die Konvention der Darstellung von Tod oder Sterben, andererseits jedoch positionieren sich die Filme im gesellschaftlichen Diskurs über den Sinn der Kriegstoten des Weltkrieges31. Schkeßkch wird fünftens untersucht, wie die Filme
ner, die Heimat
28
Vgl. Kracauer, Von Caligari zu Hitler, S. 285, der dieses Merkmal als typisches Kennzeichen von
25
Vgl.
konservativen Filmen bezeichnet. z.B. die Besprechung in der
»Kreuz-Zeitung« vom
30.5.1930: »Der
Grabenkampf, das
Ver-
schüttetsein, Handgranatenangriff, die Truppen im Ruhequartier und im Unterstand und zuletzt im Frontlazarett, geben wahrheitsgetreu das Kampferlebnis und das Leben und Leiden des Frontsoldaten echt wieder.«
30
31
Vgl. allgemein Gestrich, Einführung; Geyer, Gewalt und Gewalterfahrung; Münkler, Gewalt und Ordnung. Vgl. z. B. das Bild des »jugendlichen Freiwilligen« im populären Langemarck-Mythos. Ausführlich dazu Brandt, Vom Kriegsschauplatz zum Gedächtnisraum, S. 190-208.
Barbara Ziereis
304
das Kriegsende und die Folgen thematisieren, da sie damit eine Einschätzung einer der politischen Grundfragen der Weimarer Repubkk abgeben.
zu
Tod und Gewalt im Film Ausbruch des
Krieges und Kriegsschuld
In den Filmen Tannenberg, Berge in Flammen und Niemandsland wird der Kriegsausbruch expkzit erzählt. Tannenberg beginnt damit, daß ein Geschoß in eine menschenleere ostpreußische Landschaft einschlägt, die durch ein steinernes Grabkreuz markiert ist. Die nächste Szene zeigt russische Generäle bei der Planung der Besetzung Ostpreußens. Es folgt die Darstellung des Einmarsches der russischen Truppen, auf den die deutsche Seite mit der Mobihsierung der Armee reagiert. In Berge in Flammen beginnt der Krieg durch das Läuten der Kirchenglocken und das Verlesen der Kriegserklärung, die expkzit einen Verteidigungsfall als Kriegsgrund formukert. Niemandsland benennt in einer Montagesequenz die Regierungen aller beteikgten Staaten als gleichermaßen am Kriegsausbruch schuldig. Die deutsche Kriegserklärung steht am Anfang einer Zitatsequenz verschiedener Dokumente und Reden, sie wird jedoch als Folge der akgemeinen Kriegsbereitschaft inszeniert. Die Filme Wesfront 1918 und Morgenrot setzen hingegen mitten im Krieg ein. Die ersten beiden Filme stellen den Krieg als notwendigen Verteidigungskrieg der Deutschen gegen die Angreifer dar. Schon zu Beginn vertreten sie damit eine revisionistische Geschichtsauffassung. Niemandsland betont den Zusammenhang von Kriegsausbruch und bestehendem Mhtarismus. Die Regierungen hätten durch das Wettrüsten die materiellen Grundlagen gelegt und den Krieg damit in Kauf genommen. Die Menschen aller Länder seien begeistert und in bkndem Patriotismus in den Krieg gezogen. Wesfront 1918 verzichtet auf die Darstellung des Kriegsausbruches, weil der Film sich dem Phänomen »Krieg-an-sich« nähert und seine Sinnlosigkeit im allgemeinen in den Mttelpunkt rückt. Die konkreten Ausgangslagen sind dabei unwichtig. Das gleiche gilt nur mit umgekehrten Vorzeichen für Morgenrot. Auch dieser Film hinterfragt nicht die Kriegsschuld, auch er nähert sich dem »Allgemeinen« des Krieges. Hier hat der Krieg Sinn und erscheint als akzeptierter Bestandteil des Lebens einer kampfbereiten Nation. —
—
Wer übt Gewalt aus?
Wesfront 1918 zeigt in langen Passagen nur die Einschläge der Geschosse, die von Kriegslärm unterlegt sind. Die Menschen hinter den Waffen bleiben unsichtbar. Im Vordergrund steht die Wucht der Waffen im industriaksierten Krieg. Auch Niemandsland und Berge in Flammen folgen über weite Strecken dieser Codierung von Gewalt, die als Folge des »Krieges-an-sich« erscheint. Berge in Flammen zeigt darin —
Der Erste
Weltkrieg im Tonspielfilm der Weimarer Republik
305
ganz dem Genre des Bergfilms verpflichtet zudem die Natur als gewalttätige Macht: Ein Wachposten erfriert in der Kälte eines Eissturms, eine Lawine reißt eine ganze Kolonne in die Tiefe und begräbt sie im Schnee. Die Inszenierung derer, die Gewalt ausüben, läßt sich nach verschiedenen Gruppen analysieren. In allen Filmen tritt der »Feind« überwiegend als massenhafte Formation im hochgerüsteten Truppenverband auf und erscheint grundsätzlich als Angreifer. In einigen Filmen wird je ein feindkcher Soldat als Charakter herausgearbeitet. In Berge in Flammen ist es der italienische Bergkamerad des Tiroler Helden, Arthur Franchini, der als Ingenieur die Sprengung der österreichisch-ungarischen Kaverne leitet. In Tannenberg wird dem russischen Oberbefehlshaber General Samsonov diese Rolle zugeschrieben. Diese personaksierten Feinde treten als Ehrenmänner auf, beide üben im Krieg ausschheßhch »saubere Gewalt« aus, da sie Planungsaufgaben übernehmen32. Im Unterschied dazu bekommt in Wesfront 1918 der feindkche Soldat ein Gesicht, der den jugendhchen Held in einem Zweikampf grausam erwürgt. Diese Szene wird aus nächster Nähe und für damalige Sehgewohnheiten ausnehmend drastisch dargestellt. Die Figur dieses Täters wird von einem schwarzen Schauspieler gespielt dem einzigen in diesem Film. Der rassistisch konnotierte »schwarze Mann« erscheint hier als das Gegenteil eines »Ehrenmannes«: Er wälzt sich auf der Erde, er tötet selbst, ohne Waffe und mit seinen bloßen Händen33. Auch Morgenrot greift einen Antagonisten besonders heraus, auch er ist das Gegenteil eines Ehrenmannes, wenn auch in anderer Hinsicht. Es ist der Kapitän eines britischen Handelsschiffes, das nicht nur unter falscher Flagge fährt, sondern auch das deutsche U-Boot in eine Falle lockt. Die Figur dieses Kapitäns ist durch seine Kleidung als Brite typisiert und erhält alle negativen Eigenschaften eines Schurken. Daß er die Regeln des ehrenhaften Krieges brechen wird, ist schon bei seinem ersten Auftritt deutkch: Sein schiefer Gang, sein verkniffenes Gesicht, seine schlechte Kleidung sind codierte Vorzeichen seiner Hinterhältigkeit, die sich sogleich erfüllen, als er die Besatzung des deutschen U-Bootes täuscht und einen deutschen Matrosen anschießt. Ganz anders hingegen ist die Darstellung der deutschen Handlungsträger als Ausübende von Gewalt, sie treten als Individuen auf. In Wesfront 1918, Berge in Flammen und Niemandsland sieht man die deutschen Soldaten Waffen bedienen und kämpfen. Außerhalb des Bkckfeldes jedoch bleiben die Folgen dieser Gewaltaus-
—
—
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übung.
Eine weitere Variante bietet der Film Morgenrot. Hier erscheint die Besatzung des deutschen U-Bootes expkzit als Angreifer, sie spürt britische Schiffe auf und torpediert diese. Doch zeigt der Film ledigkch die versinkenden Schiffe und damit nur sehr distanziert und verschlüsselt die Folgen der von deutscher Seite ausgeüb32 33
Zum Begriff des »Ehrenmannes« ausführlich: Ute Frevert, Ehrenmänner. Der Film folgt darin der ikonographischen Tradition des »schwarzen Flenkers«, wie er bereits im deutschen Unterhaltungsfilm der Stummfilmära aufgetreten war, vgl. dazu Nagl, »Das Fernrohr nach Afrika«.
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Illustrierter Filmkurier. Niemandsland (1931) Gewalt. Die Tötung des »engkschen Schurken« wird zwar dargestellt, jedoch als legitimer Akt der Bestrafung inszeniert. Ein weiterer, geradezu auffälkger Aspekt ist, daß in den Filmen Morgenrot und Tannenberg Figuren auftreten, die sich selbst Gewalt zufügen. Der Film Tannenberg zelebriert den Suizid des russischen Generals Samsonov nach der Niederlage der russischen Armee in einer zwanzigminütigen Sequenz. In Morgenrot erschießen sich ein Offizier und ein Matrose, um ihren Kameraden die Rettung zu ermöglichen. Ihr Opfertod dient im Rahmen der Filmhandlung der des einerseits Erhöhung Heldentums, andererseits tragen jene, die den Freitod den Makel der psychischen Versehrtheit. Der Offizier leidet unter einer wählen, unglückkchen Liebe, der Matrose neigt zur Depression. Der Freitod offeriert im Rahmen der Filmhandlung den »ehrenvollen« Ausweg aus der persönkchen Msere. Die tatsächlichen Gründe für die verhältnismäßig hohe Zahl der Suizide an der Front werden hier negiert. Die Filme deuten das Thema Suizid um und betten es in nationales Pathos ein34. Soldaten als Gewaltausübende außerhalb des Gefechts thematisiert nur der Film Wesfront 191'8, in allen anderen kommt diese Form der Gewalt als Folge oder Teil des Krieges nicht vor. Gleich zu Beginn zeigt Wesfront 1918 in heiterem Tonfall einen Protagonisten, wie er die Tochter des Hauses, in das deutsche Einheiten einquartiert sind, belästigt und zu überwältigen versucht. Die Szenerie löst sich in Gelächter auf. In einer späteren Szene bedroht der Infanterist Karl seine Frau mit dem Gewehr, als er im Heimaturlaub nach Hause kommt und sie beim Ehebruch ten
ertappt.
Nur Niemandsland durchbricht das Freund-Feind-Schema bei der Darstellung Gewalt. Hier wird der Wandel von Soldaten verschiedener Armeen von »Feinden« zu »Freunden« erzählt. Keiner von ihnen übt als Beteikgter an einem Gefecht Gewalt aus, keiner von ihnen wird gezeigt, wie er einen Menschen mit dem Tod bedroht. Nur zum Niederreißen des Stacheldrahtes, der als Symbol des
von
34
Zum Suizid im 20. Jahrhundert: Mischler, Von der Freiheit, das Leben Ahrens, Selbstmord; Baumann, »Vom Recht auf den eigenen Tod«.
zu
lassen,
S.
131-146;
Der Erste
Weltkneg im Tonspielfilm der Weimarer Republik
Krieges eingesetzt ist, wenden »Krieg dem Krieg«, Gewalt an. Wer wird
die
Protagonisten, legitimiert
307
durch den Zweck
Opfer von gewalttätigen Handlungen?
Die fünf ausgewählten Filme zeigen vor allem die positiv besetzten Hauptfiguren als Opfer der Kriegsgewalt. So werden beispielsweise in Niemandsland zwei Protagonisten im Laufe von Gefechten verletzt: Einer verkert durch den Kriegslärm sein Gehör und leidet fortan unter Amnesie, der andere wird durch eine Explosion verschüttet und quetscht sein Bein. In Wesfront 1918 werden alle vier Protagonisten zu Opfern. Der Film zeigt wie bereits geschildert den Tod des jugendlichen Helden in einem Zweikampf, den Wahnsinn des Unteroffiziers und den Todeskampf zweier weiterer Hauptfiguren im Lazarett. In Berge in Flammen wird die Hauptfigur Florian Dimai vom Feuer der eigenen Truppe am Arm getroffen, als er nach einer Desertion zu seiner Einheit zurückkehrt, um seine Kameraden zu warnen. Ein itakenischer Gebirgsjäger erschießt Dimais besten Freund während eines In Spähgangs. Tannenberg findet Rittmeister Arndt den Tod direkt auf dem Schlachtfeld. In Morgenrot wird der Steuermann des deutschen U-Bootes verletzt, die Hälfte der Mannschaft ertrinkt. Neben den Protagonisten werden auch unbekannte Soldaten, d.h. nicht weiter vorgestellte Figuren, verletzt und getötet. Vor allem Wesfront 1918 und Niemandsland rekurrieren auf den Topos des »unbekannten Soldaten«, beide Filme zeigen expkzit wie Frontsoldaten aller beteiligten Seiten verwundet und getötet werden. Besonders wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis auf zwei weitere Aspekte: Zum einen erleiden die Frauen der jeweihgen Protagonisten Gewalt. Sie werden wie in Niemandsland aus ihren Häusern vertrieben oder leiden wie in Wesfront 1918 unter der Verrohung des Mannes auf Fronturlaub. Zum anderen erscheint neben den Menschen die Natur als Opfer von Gewalt. In den Filmen Niemandsland, Wesfront 1918 und Berge in Flammen hinterläßt der Krieg verbrannte Erde, Gräben und tiefe Verwerfungen, die in eindrucksvolle Bildern gefaßt werden. Auch in Tannenberg sind die Einschläge zu sehen, die Zerstörung der Natur wird hier symbolisch aufgeladen. Sie repräsentiert die ins Mythische gewendete Bedrohung des kriegführenden Staates durch »die Feinde« oder der Menschen durch den Krieg im allgemeinen. —
—
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Wie werden die
Opfer dargestellt?
Berge in Flammen wird das Eintreten des Todes durch das Einstellen der Bewegungen der Schauspieler markiert. Die Kamera bleibt auf Distanz. Die Gefallenen sind unversehrt, sie erscheinen dem Zuschauer wie eingeschlafen. Ähnlich distanziert und wirkhchkeits fremd ist der Bkck auf die Verletzten in Tannenberg. Hier sind Verwundete vor allem daran zu erkennen, daß sie einen sauberen Kopfverband In
tragen.
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Barbara Ziereis
Illustrierter Filmkurier. Morgenrot (1933) Das Sterben des Protagonisten in Tannenberg ist der einzige in Bilder gefaßte Tod des ganzen Films. Die Inszenierung folgt dem ikonographischen Programm eines Heldentods in der hi-
storischen Schlachtenmalerei: Rittmeister Arndt sinkt von einer Kugel getroffen nieder und entschläft im Kreis seiner Getreuen noch auf dem Schlachtfeld. Wesfront 1918 und Niemandsland sind hingegen in ihrer Darstellung des Todes drastischer und reakstischer: Die Zuschauer sehen verkrümmte Tote und hören laute Schreie oder durchdringendes Wimmern von Verwundeten. Die Kamera wählt Naheinstellungen, um eine emotionale Bindung an die Verletzten und Sterbenden zu erreichen. In den eindrückkchsten Szenen jene des bereits erwähnten Zweikampfes und im Lazarett sind die Gesichter der mit dem Tode ringenden Protagonisten in Großaufnahmen zu sehen. Ihre Gesichtszüge sind maskenhaft verzerrt, die Körper verkrümmt. Niemandsland wendet die gleichen Mttel bei der Darstellung eines »unbekannten Soldaten« an, der getötet im Stacheldrahtverhau hängt. In Morgenrot stirbt die halbe Besatzung des deutschen U-Bootes nach einem Torpedotreffer. Ihr Tod wird nicht visualisiert Nur die Nennung ihrer Namen durch den Kapitän erzählt von ihrem Tod. Auch der freiwühge Opfergang zweier Besatzungsmitgkeder erhält kein Büd. Hier ersetzt ebenfalls das gesprochene Wort die visuelle Umsetzung: Der Kapitän des U-Bootes hält eine Rede auf den Todesmut und die Kameradschaft der Mannschaft. Er interpretiert den Akt der Selbsttötung als Aufforderung, »wieder und wieder in den Krieg zu ziehen«, um das geschenkte Leben erneut »opfern« zu können. —
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Wie äußern sich die Filme zum Ende des Krieges und damit zum Ende der Gewalt? Die Frage des Kriegsausgangs steht in allen fünf untersuchten Filmen außerhalb der Narration. Indirekt geben jedoch Themenwahl und Filmende Auskunft über die Position des Filmes zum Ausgang des Krieges. In Berge in Flammen gewinnen die österreichisch-ungarischen Truppen durch den Sportsgeist und Wagemut des Tiroler Filmhelden die entscheidende Schlacht um den Col Alto. Mt der Wahl der Geschichte eines Sieges legt der Film impkzit die Interpretation nahe, die Mttelmächte seien die eigentlichen und morahschen
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Sieger des Krieges. Am Ende des Filmes gehen die beiden Bergkameraden, die auf verschiedenen Seiten gekämpft haben, wie vor dem Krieg gemeinsam auf Gebirgstour. Ihre Freundschaft hat den Krieg überstanden. Mt der Auswahl des berühmtesten deutschen Schlachterfolgs stützt der Film Tannenberg den Mythos von den im Felde unbesiegten deutschen Truppen. Am Ende des Filmes wird der Dankesbrief Hindenburgs an die Kämpfenden dieser Schlacht verlesen, in dem auch der Gefallenen gedacht wird. Der Film endet mit einem Schwenk über die Anlage des im Jahr 1927 errichteten Tannenbergdenkmals mit seinen Gräberfeldern35. In Morgenrot fährt das U-Boot weiter. Der Film endet musikaksch mit dem Kriegsked »Wir fahren gen Engeland« und der Einblendung einer im Wind flatternden Reichskriegsflagge, welche die ganze Leinwand ausfüllt. Dieser Schluß kann als Verweis auf den weiterhin nötigen Kampf zur Revision des Versaüler Vertragswerkes und zur fortwirkenden Feindschaft mit England gelesen werden. In Wesfront 1918 wird die Niederlage der deutschen Seite offenbar, als britische Panzer deutsche Maschinengewehrkommandos überrollen. Am Ende fährt die Kamera minutenlang durch ein überfülltes Feldlazarett, wo gerade zwei noch verbkebene Hauptfiguren sterben, während ein dritter wahnsinnig geworden ist. Im Augenbkck seines Todes vergibt der Infanterist Karl seiner untreuen Ehefrau und reicht einem ebenfalls mit dem Tode ringenden französischen Soldaten neben ihm die Hand. Diesem gehört der letzte gesprochene Satz des Films: »Mein Kamerad [...] nicht mein Feind.« In Niemandsland steigen zu den Klängen von Eislers Musik die Hauptdarsteller mit dem Gewehr in der Hand gemeinsam aus dem Keüer, der ihnen Unterschlupf bot. Sie zerstören den Stacheldrahtverhau und schreiten einer leuchtenden Zukunft entgegen. Fazit In der Gesellschaft der Weimarer Repubkk fand die kritische Aufarbeitung der Ursachen und Wirkungen des Weltkrieges kaum statt. An ihre Stelle traten tiefgreifende Kämpfe um die kollektive Erinnerung an den Krieg. Auch das Kino als »Lieu de mémoire« entwickelte sich zu einem Schlachtfeld dieser Auseinandersetzungen. Für den »Augenzeugen« im Kino verschwammen die Grenzen zwischen historischer Wahrheit und Fiktion, zwischen »so war es« und »so könnte es gewesen sein«. Ihre besondere Kraft bezogen die Weltkriegs filme aus ihrer vorgebkchen Authentizität, bei der auch die eindringkche Geräuschkuksse eine entscheidende Rolle spielte. Ein weiterer wichtiger Grund für den Erfolg der Weltkriegs filme stellt die Tatsache dar, daß sie bereits existierende Codierungen des Krieges übernahmen. Die35
Zum Tannenbergdenkmal: Nationaldenkmal.
Fischer, Tannenberg-Denkmal,
bzw.
Tietz, Das Tannenberg-
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Erinnerungsfiguren wurden je nach poktischer Ausrichtung der Filme weiterentwickelt, verfestigt oder destruiert. Durch das genaue Lesen der Sequenzen trewie die vorstehende Analyse gezeigt hat die verborgenen Aussagen zu geten sellschaftlichen Werten oder individuellen Lebensstrategien zutage. Die Filme Morgenrot und Tannenberg konstruierten eine Metaerzählung, die sich auf die Aussage verdichten läßt, der Krieg hege in der Natur des Menschen. In der Kultur des Krieges unterscheiden sich »Zivilisierte« von »Barbaren«. Das Einhalten von Regeln macht den Krieg, der einem Duell gleichkommt, zu einem sauberen und gerechten Krieg. Die Ausübung von Gewalt im Krieg dient der Verteidigung der Heimat und erfüllt die männkche Bestimmung. Diese Filme zeigen den siegreichen Ausgang der Schlacht oder den morakschen Sieg deutscher Soldaten. Die Siege werden errungen durch die vorgeführte Einheit von Heimat und Front. Filme dieser Art bezogen sich positiv auf konservative Mythen wie »im Felde unbeoder »die Deutschen seien die morahschen Sieger des Krieges«. Das Sterben siegt« im Krieg wurde entweder gar nicht dargestellt oder nur in einer sehr ästhetisierten und verschlüsselten Form. Die propagierte Strategie zum Umgang mit der Erinnerung an den Krieg bestand im Ignorieren und Umdeuten der grausamen Wirkkchkeit. Krieg wurde als eine in der Natur des Menschen hegende überzeitkche Konstante eingeführt und mystifiziert. Wesfront 1918 und Niemandslandwaren als Antikriegs filme konzipiert. Ihre Metaerzählung läßt sich wie folgt zuspitzen: Der Krieg ist hier eine Metapher für die se
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Moderne, seine Grausamkeit resultiert aus seinem industriaksierten Charakter. In ihm können Menschen nur verrohen, er führt humanitäre Werte ins Absurde. Die
Filme dekonstruieren miktaristische Mythen durch ihren Reahsmus in den Todesdarstellungen und fordern dazu auf, sich auf die Wirklichkeit in ihrer ganzen Grausamkeit einzulassen und sich deswegen gegen Krieg und Gewalt zu stellen. Der Film Berge in Flammen verknüpfte beide Modelle der Interpretation des Krieges, indem er die Bedrohungen der modernen Welt mit jenen der Natur gleichsetzte. Als naturhaft begriff der Film nicht nur die alpine Bergwelt, sondern auch den Krieg, der dem Wesen des Menschen zugerechnet wurde. Berge in Flammen trägt in Bildsprache und Themenwahl sowohl Elemente des progressiven als auch des konservativen Films in sich. Er bietet letzthch einen konservativen Lösungsansatz an, indem er empfiehlt, den Krieg als Spiel oder sporthchen Wettkampf aufzufassen. Dennoch gibt es einige Botschaften, die alle vorgestellten Filme teilen. Ihnen ist gemeinsam, daß sie die an der Front kämpfenden Soldaten als Leidens- und Opfergemeinschaft konstruieren. Im Rahmen der Spielhandlung geht die Gewalt zumeist von den »Feinden« aus, die Gewalt der Protagonisten wird als Verteidigung legitimiert. Der Topos vom deutschen Frontkämpfer als Opfer zeigt sich darin, daß dem Zuschauer zwar vorgeführt wird, wie die Hauptfiguren verletzt werden oder gar sterben. In keinem der Filme jedoch sieht man die Folgen der von den Protagonisten im Kampf ausgeübten Gewalt. Keiner der Protagonisten wird dabei gezeigt, wie er tötet.
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Gemeinsam ist den Filmen schheßhch auch, daß sie die Gewalt außerhalb der Schlachtfelder vernachlässigen. Vor allem die Gewalt gegen Frauen als Folge des Krieges wird entweder gar nicht erzählt oder verharmlosend dargestellt. Zudem nehmen alle untersuchten Filme bei der Darstellung der »Heimat« konsequent einen »männkchen« Bkckwinkel ein. Der Krieg an der Heimatfront, die Kriegswirtschaft und damit auch der »Krieg der Frauen« kommt nur als bloßes »Anhängsel« oder Antithese vor36. Darüber hinaus erfährt das Phänomen des Suizids von Soldaten eine Umdeutung. Erzählen Filme davon, so erscheint der Selbstmord als Folge konsequenten Heldentums. Der frei gewählte Tod wird als sinnhafte Lösung einer psychisch über die Kräfte gehenden Situation propagiert. Die Ursachen dieser psychischen Not, die tatsächkch zu einem signifikanten Anstieg der Selbstmordrate im Krieg beigetragen hatte, werden banahsiert, verbannt und in nationalem Pathos aufgehoben. Wenn wir heute Weltkriegs filme aus der Zeit der Weimarer Repubkk sehen, so läßt sich feststellen, daß sie dazu beigetragen haben, die Vorstellungen vom Krieg dauerhaft zu prägen. Schon in dieser ersten Blüte des Kriegsfüms vor etwa siebzig Jahren wurden die Chancen und Grenzen des Genres ausgelotet, die bis heute fortwirken. Sei es die Geräuschkuksse, die mit Stacheldraht bewehrten Schützengräben vor leeren Schlachtfeldern oder das Bild der »verletzten Landschaft« als Code für die Gewalt, bis in die Gegenwart erscheinen diese Bilder als Wiedergänger in Kriegsfilmen und sind fest in das kollektive Büdgedächtnis eingeschrieben worden. * * *
Barbara Ziereis, M.A., geb. 1967, Wissenschafthche Mtarbeiterin Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart E-Mail: [email protected]
am
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Vgl. dazu in einem allgemeinen Zusammenhang Daniel, Der Krieg der Frauen; Opitz, Von Frauen im Krieg zum Krieg gegen Frauen; Seifert, Der weibliche Körper.
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Berkn, bearbeitet (= FümMateriaken, 9)
no,
von
—
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Der Erste
Weltkrieg im Tonspielfilm der Weimarer Republik
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Filmographie BERGE IN FLAMMEN
Deutschland 1931, s/w R: Luis Trenker, Karl Hard B: Luis Trenker, Karl Hard K: Sepp AUgeier, Albert Benitz, Giovanni Vitrotti,
Siegfried Weinmann Becce Giuseppe BA: Leopold Blonder P: Französisch-deutsche Gemeinschaftsproduktion Marcel Vandal & Charles Delac Paris Marcel Vandal & Charles Delac Tonfilmproduktion G.m.b.H., Berkn L: 2994 m UA: 28.9.1931, Berkn D: Luis Trenker, Lissy Arna, Claus Clausen, Luigi Servent!, Paul Graetz M:
MORGENROT
Deutschland 1933, s/w R: B: K:
Gustav Ucicky Gerhard Menzel
Carl Hoffmann BA: Robert Herlth, Walter Röhrig M: Herbert Windt P: Universum Film A.G. (Ufa), Berkn L: 2338 m UA: 31.01.1933, Essen D: Rudolf Forster, Fritz Genschow, Paul Westermeier, Friedrich Gnaß, Gerhard Bienert, Adele Sandrock, Else Knott, Camilla Spira, Hans Leibelt, Franz Nickksch, Eduard von Winterstein NIEMANDSLAND
Deutschland 1931, s/w Victor Trivas Victor Trivas, Leonhard Frank Alexander von Lagorio, Georg Stikanudis Hanns Eisler Arthur Schwarz Resco-Filmproduktion, Anton Resch, Berkn Tobis-Melofüm G.m.b.H., Berkn (Ton)
R: B: K: M: BA: P:
L: 2556 m UA: 10.12.1931, Berkn D: Ernst Busch, Hugh
Stephens Douglas, Louis Douglas, Zoe Frank, E,ksabeth Lennartz, Georges Péclet, Rose Mai, Wladimir Sokoloff, Renée Stobrawa, Holmes Zimmermann
Barbara Ziereis
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TANNENBERG
Deutschland 1932, s/w Heinz Paul
R: B: K: M:
Paul Oskar Höcker, Georg von Viebahn und Heinz Paul Viktor Gluck und Georg Bruckbauer Ernst Erich Buder BA: Robert Dietrich P: Deutsch-schweizerische Gemeinschaftsproduktion Präsens-Film G.m.b.H., Berhn Prasens-Füm A-G, Zürich L: 2806 m UA: 27.9.1932, Berkn D: Käthe Haack, Franziska Kinz, Karl Klöckner, Jutta Sauer, Hans Viktor de Kowa, Hertha von Walther
Stüwe,
WESTFRONT 1918
Deutschland 1930, s/w R: Georg Wilhelm Papst B: Ladislaus Vajda u. Peter Martin Lampel nach dem Roman »Vier von der Infanterie« von Ernst Johannsen K: Charles Metain, Fritz Arno Wagner M: Alexander Laszlo BA: Ernö Metzner P: Nero-Film AG, Berkn L: 2672 m UA: 23.5.1930, Berkn D: Fritz Kampers, Gustav Dießl, Hans-Joachim Moebis, Claus Clausen, Gustav Püttjer, Jackie Monnier, Hanna Hoeßrich, Else Heller, Carl Baihaus, Wladimir Sokoloff
Ralph Winkle Der Schock und die
Ästhetik des Erhabenen.
Darstellungsformen des Weltkrieges in Filmen der zwanziger und dreißiger Jahre »Warum sind wir nicht einfach da und sehen dem
Der Erste
Krieg der Landschaften zu1?«
Weltkrieg unterschied sich in seiner materiellen Wirklichkeit von aüem, was bisher aus anderen Kriegen bekannt war. Die Industriaksierung des Krieges und seine Materialschlachten steüten ein Schock-Erlebnis dar, das zu einer »voüständigen Zerstörung herkömmkcher Felder der Wahrnehmung«2 führte. Die Entfesselung der technischen Destruktivkräfte, wie sie im Gas-, Tank- und Steüungskrieg stattgefunden hatte, war mit traditioneUen Formen der Kunst kaum mehr angemessen zu beschreiben. Dies galt in der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit ebenso für den Film. Obwohl der moderne Krieg aufgrund seines Vernichtungspotentials in der Lage war, in kurzer Zeit die Topographie ganzer Landschaften zu verändern und so wie Marinetti dies in seinem Manifest zum Kolonialkrieg in Äthiopien in ideologisch überhöhter Form dargesteüt hat zu einem ästhetischen Ereignis wurde, bheb er bis Ende der zwanziger Jahre hinein seltsam büderlos. Die patriotischen Melodramen, die während und unmittelbar nach dem Krieg entstanden waren, nahmen zwar inhaltlich auf den Weltkrieg Bezug, blendeten aber die agonale Kriegsreaktät und die Erfahrung des »Kriegers« an der Front weitgehend aus3. Zwar entstanden auch während und nach dem Ersten Weltkrieg Füme über den Ersten Weltkrieg, in denen Schlachtenszenen mit Veteranen als Komparsen nachgesteüt wurden. Aber erst mit der Erfindung des Tonfilms und der Einführung neuer Kameratechniken konnte im Kino jene »Überwältigungsästhetik« inszeniert werden, in der sich das zentrale Schock-Erlebnis ganzer Kriegsgenerationen widerspiegelte4. Mt den Mtteln einer innovativen Filmtechnologie entstanden Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre in Europa und Amerika zahl—
—
1 2
3 4
Müller, Der Auftrag, S.
1261.
I lüppauf,
Kriegsfotographie, S. 876. Kreimeier, Trennungen, S. 17. »Naturkatastrophen, die Greuel des Krieges,
Gewalttaten und Terrorakte, hemmungslos erotisches Triebleben und der Tod sind Ereignisse, die das menschliche Bewußtsein zu überwältigen drohen.« Kracauer, Theorie des Films, S. 91.
Ralph Winkle
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reiche Füme, die auf den Ersten Weltkrieg Bezug nahmen und eine spezifische Ästhetik und Büdersprache ausbildeten.
Insbesondere im Kino der Weimarer Repubkk ist die Darstellung des Kriegsgeschehens im Kontext eines Kampfes um die Erinnerung und um die poktische Deutung des Ersten Weltkrieges zu begreifen. Man hat deshalb versucht, Füme, die das Kriegsgeschehen visuahsieren, nach ihrem »politisch-moralischen Code« zu unterscheiden und sie entweder als Kriegs- oder als Antilulegsfilme zu kategorisieren. Je nach politisch-moralischem Code der Filme dominierte entweder eine heroisch-nationale oder eine antimüitaristische Deutung jener »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts«, die mit der Erfahrung von unkontrollierter Gewalt, massenhaftem Tod, Wahnsinn und monströser Technik auf breiter Ebene die gesamte Filmproduktion der Weimarer Repubkk bestimmte5. So wurden etwa die im Geiste des soldatischen Nationalismus entstandenen Füme Stoßtrupp 1917 (R: Ludwig Schmid-Wüdy und Hans Zöberlein, s/w, Deutschland 1933) und Berge in Flammen (R: Luis Trenker und Karl Hard, s/w, Deutschland 1931) als poktischer Gegenentwurf zu Müestones und Pabsts Antikriegs filmen All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues, R: Lewis Miestone, s/w, USA 1930) und Westfront 1918 (R: G.W. Pabst, s/w, Deutschland 1930) auf die Leinwand gebracht6, während Füme wie Unsere Emden (1925), Die versunkene Flotte (R: Manfred Noa, stumm, s/w, Deutschland 1926) und U 9 Weddigen (R: Heinz Paul, s/w, Deutschland 1927) eine Antwort auf die engkschen Seeschlachtenfilme darsteüten. Unabhängig von ihrer poktischen Intention erhoben die Filme den Anspruch auf eine »reakstische« Darstekung des Krieges, die vor aüem in den Büdern einer spezifischen »Überwältigungsästhetik« Ausdruck gefunden hat. Neben den durchaus heterogenen »poktisch-morahschen Codes« entwickelten die Füme in der Rekonstruktion und Darstellung der Kriegsreaktät somit einen »visueüen Code«, der die Unterscheidung zwischen Kriegs- und Antikriegsfikn tendenzieü unterkef. Im folgenden soü in einem ersten Schritt eine Analyse dieser Büdersprache geleistet werden; ein zweiter Schritt versucht dann die Verklammerungen zwischen dem optischen und dem poktischen Diskurs in der filmischen Darstellung des Krieges zu umreißen. Vor allem zwei Momente kinematographischer Ästhetik waren dazu prädestiniert, die Reaktät des Krieges technisch zu simukeren und auf die Leinwand zu projizieren. Der erste besteht in der Konstruktion von Büd- und Aktionsräumen, die nicht nur als Kuhsse, sondern als dramaturgischer Bestandteil der Inszenierung und Visuaksierung des Krieges fungieren. Diese Räume sind durch Landschaften und Naturelemente dominiert, die in ihrer spezifischen Ikonographie allegorische, 5
6
Beispiel der Filme Das Cabinet des Dr. Caligari (R: Robert Wiene, stumm, s/w, Deutschland 1919), Nosferatu (R: Friedrich Wilhelm Murnau, stumm, s/w, Deutschland 1922), Die Nibelungen (R: Fritz Lang, stumm, s/w, Deutschland 1922/24) und Fritz Langs M (stumm, s/w, Deutschland 1931) stellte Anton Kaes die überzeugende These auf, daß auf latenter Ebene eine Beschäftigung mit Kriegspsychosen, Traumata und anderen Formen des Wahrnehmungsschocks des Krieges in die Filmproduktion der Weimarer Republik Eingang fand, siehe Kaes, M. »Trenker selbst nennt im Westen nichts Neues einen der wesentlichen Impulse zu Berge in Flammen. Er wollte seinen Film als Antwort auf Müestone verstanden wissen.« Rapp, Höhenrausch, S. 160. Am
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
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symboksche und mythische Qualitäten besitzen: In Pabsts Westfront 1918, in Stoßtrupp 1917, in Lewis Müestones All Quiet on the Western Front und in Viktor Trivas' Niemandsland (s/w, Deutschland 1931) ist es das Motiv des Niemandslandes; in den U-Boot-Fümen U-9 Weddigen, Kreuzer Emden (R: Louis Ralph, Deutschland 1927) und Morgenrot (R: Gustav Ucicky und Vernon Seweü, s/w, Deutschland 1933) ist es das Meer, und in Luis Trenkers Berge in Flammen schheßhch ist es die Alpenlandschaft, die durch eine an die Landschaftsräume des Krieges gebundene
Ästhetik des Erhabenen in Szene gesetzt wird. Diese Ästhetik des »Natur-
Erhabenen« ist wie noch zu zeigen sein wird eine zentrale Kategorie in der filmischen Darstellung der Aktions- und Destruktionsräume des Krieges. Das zweite zentrale Element in der filmischen Darsteüung des Krieges ist im Gegensatz zum eher statischen Raummodeü ein dynamisches Moment, das sowohl der modernen Kriegstechnologie als auch der »taktilen Quaktät«7 der Fümästhetik immanent ist. Wie kein anderes Medium ist der Film aufgrund seiner technischen Möghchkeiten dazu prädestiniert, jene Erfahrungsdimension des industrialisierten Krieges zu visuahsieren, die Walter Benjamin mit dem Begriff des »Schocks« beschrieben hat. Die Destruktionsverhältnisse, die im modernen Krieg ihre Macht entfalteten, heßen sich nicht mehr in eine traditioneüe kontemplative Ästhetik übersetzen. Insofern ist der Film und die ihm immanente ästhetisierte Darstekung von Krieg und Gewalt als Antwort auf die historische Erfahrung von »Schock« und »Trauma« im Zuge der Industriaksierung des Krieges zu verstehen. Walter Benjamin hat im Begriff des »Schocks« die Verwandlung des »neurotischen Schreckens«, wie ihn Sigmund Freud am Beispiel der Kriegsneurotiker untersucht hat8, in den »poetischen Schrecken« beschrieben9. Insbesondere der Film so Benjamin konnte aufgrund seiner technischen Struktur und seiner taktilen Quaktät diese Transformation leisten. Die folgenden Überlegungen gehen mit Bhck auf die Kategorien des NaturErhabenen und des Schocks davon aus, daß es eine Kongruenz zwischen dem Erfahrungsraum des industrialisierten Krieges und der Technik des Films und seiner spezifischen Büdersprache gibt. Diese These impliziert einige Fragen, die im folgenden erörtert werden soüen: In welchem Repräsentationsverhältnis steht der Kriegs- bzw. Antikriegs film der Zwischenkriegszeit zur Reahtät des modernen Krieges? Wie wird das Verhältnis von Naturraum und der Destruktivkraft des industriaksierten Krieges visuaksiert? Und wie sind schkeßkch die Ästhetik des Erhabenen, mit welcher die zur Naturgewalt stilisierten »Stahlgewitter« gleichge—
—
-
-
7 8
Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S. 164. Wolfgang Schivelbusch hat darauf hingewiesen, daß »der späte Freud seinen Schockbegriff und die Theorie des Reizschutzes-Durchbruchs vor dem Hintergrund des Massenphänomens des Granat-Schocks im 1. Weltkrieg« entwickelt hat, vgl. Schivelbusch, Geschichte der Eisenbahnreise, S. 134.
9
Vgl. dazu Bohrer, Die Ästhetik des Schreckens, S. 191
f.
Ralph Winkle
322 setzt
im
werden, und die schockförmige Wahrnehmung als formales Prinzip des Films
allgemeinen und im Kriegsfilrn im besonderen10 aufeinander bezogen?
Mythische Naturräume und die filmische Ästhetik des Erhabenen Die filmische Inszenierung der Materialschlachten konnte nur durch eine Ästhetik des Erhabenen reaksiert werden, die unabhängig vom poktischen Code des Films den Krieg und sein Destruktionspotential ästhetisch renaturahsierte. So projizierten die Kriegs- und Antikriegs filme der zwanziger und dreißiger Jahre auf die Leinwand, was eine zentrale Erfahrungsdimension des industriaksierten Krieges ausmachte. Walter Benjamin hat dies mit folgenden Worten beschrieben: »Eine Generation, die noch mit der Pferdebahn zur Schule gefahren war, stand unter freiem Himmel in einer Landschaft, in der nichts unverändert gebkeben war als die —
—
Wolken und in der
Mitte, in einem Kraftfeld zerstörender Ströme und Explosionen, der
winzige gebrechkche Menschenkörper11.«
Die Technisierung des Krieges »hat mit der Materialschlacht, vom Tank bis zum Trommelfeuer und Feuerwalze, ein Szenario geschaffen, in dem der Mensch sich wie einer Naturgewalt ausgekefert fühlt«12. Die im Stile der Neuen Sachhchkeit gedrehten Kriegs- und Antikriegs filme haben die zur Naturgewalt transformierten Destruktivkräfte des industriaksierten Krieges in eine modifizierte Ästhetik des Erhabenen übersetzt und auf die Leinwand gebracht. In der Darstellung von Kriegslandschaften trug der Film so zu einer Renaissance und zugleich zu einem Bruch mit den traditioneüen Formen des Natur-Erhabenen bei. Nach der klassischen Definition Kants ist das Erhabene eine ästhetische Kategorie, in der die menschlichen Sinne durch die erschreckenden Naturgewalten überwältigt werden, die Vernunft aber zugleich die Schönheit dieser Sinneseindrücke erkennt und sich so durch seine Einbüdungskraft über die sinnkche Welt erhebt. Im Modus des Erhabenen erhebt sich der Betrachter morahsch über die Gewalt der Natur, die ihm zum ästhetischen Phänomen wird13. Ähnkches geschieht nun im Kino, wo der 10
»
12
13
»Im Film kommt die schockförmige Wahrnehmung als formales Prinzip zur Geltung.« Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S. 208. Ebd., S. 291. Nieraad, Die Spur der Gewalt, S. 151. Vgl. Kant, Kritik der Urteilskraft: »Man kann das Erhabene so beschreiben: es ist ein Gegenstand [der Natur), dessen Vorstellung das Gemüt bestimmt, sich die Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken [...]. Die Verwunderung, die an Schreck grenzt, das Grausen und der heilige Schauer, welcher den Zuschauer bei dem Anblicke himmelansteigender Gebirgsmassen, tiefer Schlünde und darin tobender Gewässer, tief beschatteter, zum schwermütigen Nachdenken einladender FJinöden usw. ergreift, ist bei der Sicherheit, worin er sich weiß, nicht wirkliche Furcht, sondern nur ein Versuch, uns mit der Einbildungskraft darauf einzulassen, um die Macht ebendesselben Vermögens zu fühlen, die dadurch erregte Bewegung des Gemüts mit dem Ruhestand desselben zu verbinden und so der Natur in uns selbst, mitbin auch der außer uns, sofern sie auf das Gefühl des Wohlbefindens Einfluß haben kann, überlegen zu sein.« Ebd., S. 116.
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
323
Zuschauer eben in eine Position versetzt wird, in der er von dem dargesteüten Krieg als gewaltigem ästhetischem »Schauspiel« überwältigt wird und sich zugleich ähnlich wie Caspar David Friedrichs »Mönch am Meer« (1808/10) oder der »Wanderer über dem Nebelmeer« (um 1815) als distanzierter Betrachter wiederfindet, der aus der Fernsicht der auf die Leinwand projizierten Destruktionslandschaften gewahr wird. Seit dem 17. und 18. Jahrhundert ist die Ästhetik der Erhabenheit an die Darstekung von Naturräumen gebunden und von der Erfahrung der neu eroberten Räume und Dimensionen geprägt: »von Ozean, Hochgebirge und Wüste, von den unheimlichen Fernen des Aus«14. Nachdem die Kategorie des Erhabenen in der Literatur und der bildenden Kunst im Laufe des 19. Jahrhunderts auch deshalb an Bedeutung verloren hatte, weü mit wachsender Naturbeherrschung das Erhabene als Erfahrung bzw. Vorsteüungsmöghchkeit verschwand15, erlebte dieser Modus ästhetischer Wahrnehmung in den Kriegsfilmen der Zwischenkriegszeit unter veränderten Vorzeichen ein Wiedererstehen. Der im Film voüzogene Bruch mit den traditioneUen Erscheinungsformen des Erhabenen hegt vor aüem darin, daß unter der Erfahrung des industriaksierten Krieges nicht mehr wie noch in Kants Definition »die erschreckenden Naturgewalten«, sondern vielmehr die Destruktionskraft einer hochentwickelten Kriegstechnik die sinnkche Wahrnehmung der -
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Kriegsteünehmer überwältigt:
»Der Schauer vor der gewaltigen Größe und den Abgründen der Schöpfung, der sich seit dem 18. Jahrhundert mit der Transzendenz und Moraktät verband, verwandelte sich nun in den Schauer beim Anbkck der menschkchen Zerstörungskraft, die die Grenzen der Phantasie sprengte16.«
Die auf die Überwältigung der Sinne gerichtete Inszenierung des Schreckens in der filmischen Darstekung des Krieges bringt zwei Momente einer dem Erhabenen zugrundehegenden Ästhetisierung von Gewalt zusammen: Zum einen werden die zerstörerischen Folgen einer entfesselten Kriegstechnologie visuahsiert, indem die Spuren der Gewalt an einer Naturlandschaft gezeigt werden, die sich unter der Einwirkung von Trommelfeuer und Grabenkrieg in eine Krater- und Mondlandschaft verwandelt. Zum anderen wird der Gegensatz von Natur und Kriegstechnologie aber tendenziell aufgehoben, da der Krieg und seine Technologie selbst als übermächtige Naturgewalten inszeniert werden, welche quasi schicksalhaft und unbeeinflußt von menschlichem Handeln über die Soldaten hereinbrechen17. Die Morphologie der Schlachtfelder und die als Naturgewalt erscheinenden Destruktivkräfte des Krieges werden in den Büdern der Kriegs- und Antikriegsfilme miteinander verklammert. 14
15
16 17
Nieraad, Die Spur der Gewalt, S. Ebd., S. 81.
78 f.
Hüppauf, Kriegsfotographie, S. 894. Kracauer hat diese Naturalisierung des Krieges am Beispiel von Milestones Film Im Westen nichts Neues kritisiert: »Sie steigert den Krieg zum mythischen Schicksal empor, das er nicht ist, und beläßt ihm die Unabwendbarkeit, die er nicht hat.« Kracauer, Von Caligari zu Hider,
Siegfried S. 458.
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Die Renaissance des Natur-Erhabenen in den Kriegs- und Antikriegs filmen der zwanziger und dreißiger Jahre löste damit die vor aüem in der büdenden Kunst entwickelten Darsteüungsformen aus ihren traditionellen ästhetischen Bezügen und gkch sie den technischen Voraussetzungen an, die u.a. mit der rasanten Entwicklung von Zieloptiken und der Luftbüdtechnik im Ersten Weltkrieg neue Wahrnehmungsperspektiven etabkerten. Die Darsteüungsformen des Erhabenen in den Knegsfümen der Zwischenkriegszeit wurden durch eine technische Apparatur reahsiert, die der Innovationsschub der Kriegstechnologie während des Weltkrieges selbst hervorgebracht hatte. Vor akem die Ablösung der statischen durch die beweghche bzw. die entfesselte Kamera im Laufe der zwanziger Jahre erlaubte eine »realistische« Visuahsierung des Kriegsgeschehens. Und erst mit der Entwicklung neuer Kamerabrennweiten konnte die Inszenierung des Erhabenen aus der Panoramaperspektive reaksiert werden. Eine der technischen Voraussetzungen für diese Form der Inszenierung des Krieges und der Natur schuf der »Vater des Bergfüms«, Arnold Fanck, bei dem Georg Wühelm Pabst, der Regisseur von Westfront 1918, in die Schule gegangen war: Da das Naturerhabene in den Bergfilmen nur »on location« in Szene gesetzt werden konnte, genügten die im Studio übkchen Objektiv-Brennweiten von 50-80 mm nicht mehr. Um Bewegungsabläufe, die in einer großen Distanz zum Kamerastandpunkt stattfanden, einfangen zu können, keß Fanck seit 1922 spezieüe Kameraobjektive mit Brennweiten von 220 mm und 300 mm und später von 500 mm entwickeln, die als Teleobjektiv wirkten18. Diese technischen Entwicklungen steüten die Voraussetzungen für eine Überwältigungsästhetik dar, wie sie in den Kriegs- und Antilmegsfilmen der zwanziger und dreißiger Jahre in Szene gesetzt wurde. Der Krieg als naturhafte
Elementarkatastrophe
Durch die Transposition einer Ästhetik des Erhabenen auf die Destruktionslandschaften des Krieges wurde in der Zwischenkriegszeit im deutschen und USamerikanischen Kino eine Ikonographie geprägt, die stilbildend für dieses Genre war: Die nahezu archetypischen Büder des Krieges zeigen
Grabensystem, Stacheldrahtverhaue, den Schlamm, AbfaU und die Leere des Niemandslandes, Erdfontänen der detonierenden Granaten [...] und, als sein Blickzentrum, Soldaten im Stahlhelm im AugenbUck des Angriffs, von dem der Betrachter weiß, daß
»das
er
ein weiterer Versuch der zahllosen und sinnlosen Versuche der Generale war, den
kriegsentscheidenden Durchbruch zu erzielen«19.
Das Motiv des Krieges, der als »Stahlgewitter« über die Leinwand tobt, ist typisch für fast aüe Kriegsfilrne der Zwischenkriegszeit, ganz gleich ob sie in ihrer poktischen Botschaft in einer pazifistischen oder in einer legitimatorischen Tradition 18
19
Vgl. Der deutsche I leimatfilm, S. 45. Hüppauf, Kriegsfotographie, S. 889.
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
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stehen. Daß die Destruktivkraft des Krieges vor aüem in Büdern der zerstörten Landschaft festgehalten wird, macht den mythischen Charakter des Genres aus. Mythisches Kino ist nach einer Definition von Hans-Thies Lehmann dadurch charakterisiert, daß es die autoritative Übermacht des Raums in Szene setzt20. Der Autor hat in seinen Ausführungen über das Kino als Raumfabrik überzeugend dargelegt, daß der Kinomythos ein Bündel optischer Zeichen ist, das einen Raum konstituiert den mythischen Raum des Westens im Western-Genre, das Labyrinth deA Großstadt der Gangsterfilme, die technisierte Weltraumszenerie des Science-fiction-Genres. Lehmann weist daraufhin, —
»daß der karge Raum der Prärie für den Western, das steinerne Labyrinth der Großstadt für den Gangsterfilm, die technisierte Welt-Räumkchkeit für den Science-fiction-Film sind als die ideologischen I Iandlungsmodeke der Genres, die in der bedeutungsvoUer Regel der Ästhetik des 19. Jahrhunderts verpflichtet sind«21.
Daß Prärie und Weltraum ebenso wie die Destruktionslandschaft des »no man's land« in den Weltkriegsfiknen wesentlich leere Räume sind, bestätigt nur, daß dem Raum mehr Bedeutung zukommt als der psychologisch motivierten Handlung22. Im Kriegs-\und auch im Antikriegsfilm das macht die beiden Genres übrigens verhält es sich nicht anders. In der stereotypen Darstekung der so verwechselbar Natur im US-arherikanischen Vietnamfilm ist es das Motiv des undurchdringkchen Dschungels, in dem sich gleichsam unsichtbar »Charly«, der gesichtslose Feind, verbirgt. In Peckinpahs Stalingradfilm Steiner das Eiserne Kreuz (Cross of Iron, USA 1977) über VUlsmaiers Stalingrad (Deutschland 1991/92) bis hin zu Jean-Jacques Annauds Duell- Enemy at the Gates (Deutschland 2001) sind es die monumentalen Ruinen und Trümmerlandschaften, also die zur Natur gewordenen Überreste einer zerbombten Urbanität, welche den symbokschen Raum und das Landschaftsbüd des Kriegsfilms charakterisieren. Im Kriegsfüm der zwanziger und dreißiger Jahre ist Ähnkches zu beobachten: Eine Geometrisierung des Raumes, in dem die zerschossenen Überreste des industrialisierten Krieges und die tote Natur panoramatisch und in langsamen und schnellen Kamerafahrten inszeniert werden23. Ein Vorreiter in der filmischen Inszenierung von Landschaften und Naturräumen ist Georg Wühelm Pabsts Film Westfront 1918, der 1930 in die Kinos kam. Er büdete den vorläufigen Höhepunkt in einer Phase der Hersteüung von Kriegsfümen, die eine realistische Nachahmung der Kriegswirkkchkeit anstrebten24. Der -
—
—
20 2i 22 23
24
Vgl. Lehmann, Die Raumfabrik, S. 586. Ebd. Ebd.
Siegfried Kracauer hat am Beispiel von Pabsts Film Westfront 1918 auf die Bedeutung der Kamerafahrten im Kriegsfilm hingewiesen: »Durch den ganzen Film scheint der Krieg eher erfahren als inszeniert zu sein. Um diese Erfahrung zu verstärken, wird viel mit Kamerafahrten gearbeitet. Sie entstehen mittels einer Kamera, die über weite Strecken fahren kann, um eine Szenerie [...] als Ganzes einzufangen.« Kracauer, Von Caligari zu Hider, S. 245 f. »Ich will, und das sage ich unumwunden, einen politischen, entschieden antimilitaristischen Film machen. Ich werde den Krieg zeigen, nicht nur wie ihn der Soldat gesehen, sondern wie ihn der Mensch, der denkende Mensch, der homo sapiens empfunden hat. Mein Film wird eine Anklage-
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Reaksmus des Films rührt vor aüem daher, wie Siegfried Kracauer in einer Rezension bemerkt, »daß die Stacheldrahdandschaft den Büd- und Lebensraum beherrschte, statt wie in früheren Kriegsfilmen nur eine eingestreute Episode zu sein«25. Pabsts Bkck auf den Krieg an der Westfront ist vor aüem ein Bkck auf das Schlachtfeld, die zerschossene, mit Granattrichtern übersäte und mit Schützengräben durchzogene Destruktionslandschaft, die den vier Protagonisten des Films zum Schicksal wird. Pabsts Kameraführung verleiht dem Raum, den sie zeigt, einen Ausdruck, wie sonst nur dem menschhchen Gesicht. Eine der häufig wiederholten Aufnahmen ist die des verödeten Landstrichs vor den deutschen Linien. Seine Vegetation besteht aus zerstörter Natur und zerschnittenen Stacheldrahtzäunen, die sich vom Himmel durch Rauchwolken oder undurchdringlichen Nebel abheben. Helme und zerstückelte Leichen büden als Motive einer »nature morte« in Pabsts Inszenierung des Krieges ein bizarres Stilleben26. In dem Film gibt es weder eine tragende Gestalt noch eine geschlossene Fabel, wie Jerzy Toepktz in seiner »Geschichte des Films« bemerkt hat27, so daß die »topographische« die »narrative« Struktur des Films dominiert. Pabsts Protagonisten agieren defensiv und werden in den dokumentaristisch inszenierten Schlachtenszenen selbst zu Teüen einer Landschaft, die den Individuen feindkch gegenübersteht. Der leere Raum der Destruktionslandschaften gibt zum einen ihrer Verlorenheit Ausdruck28 und transformiert so in eine Büdersprache, was die Männer in der Höhe des Steüungskrieges psychisch durchmachen mußten29. Zum anderen hat der leere Raum durch die Suggestion einer permanenten Bedrohung auch eine dramaturgische Funktion: Permanent suchen die Kamera und mit ihr die Bkcke der Zuschauer den leeren Raum nach den Zeichen des niemals als Individuum sichtbaren Feindes ab, bis sich der Nebel über der Todeslandschaft hchtet und Panzer in Kampfknie aus dem Vakuum auftauchen und nach und nach die Leinwand füüen3". Die Naturdarsteüungen haben in den Kriegs- und Antikriegs filmen der Zwischenkriegszeit eine »inszenatorische« Funktion, indem in ihnen der Schauwert der Zerstörungen ausgesteüt wird. Darüber hinaus aber besitzen sie auch eine »symbolische« Funktion: In Westfront 1918 folgt dem Protagonisten eine Kamera auf seinem Weg zum Hauptquartier; er fäüt hin, steht wieder auf und rennt am beschädigten Stamm eines einsamen Baumes vorbei, der sich mitten im Nichts erhebt31. In expressionistischer Manier verweisen hier der Natur entnommene Todessymbole auf den Fortgang der Handlung und das Schicksal der Protagonisten: Später kommt derselbe Soldat ums Leben, indem er, vor den Augen der Zuschauer, von Schrift gegen den Krieg sein!« Georg Wilhelm Pabst, in: Kurier Polska, Warschauer vom 15.10.1930. Kracauer, Von Caligari zu Hider, S. 431. Vgl. ebd., S. 245. Toeplitz, Geschichte des Films, S. 208. Vgl. Lehmann, Die Raumfabrik, S. 588. Vgl. Kracauer, Von Caligari zu I lider, S. 246. Ebd. Ebd. Nr. 126
25
2« 27
2» 29 30
31
Ausgabe
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
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einem gesichtslosen, anonymen gegnerischen Soldaten im Zweikampf im Sumpf erstickt wird32. Die Inszenierung von Naturräumen durch eine dem Erhabenen verwandte Ästhetik des Schreckens hatte für nachfolgende Filme, so etwa für Viktor Trivas' Antikriegsfilrn Niemandsland Vorbüdfunktion. So hat etwa der von Anhängern des soldatischen Nationalismus gefeierte Film Stoßtrupp 1917 diese Art der filmischen Inszenierung von Kriegslandschaften nachgeahmt. Der Regisseur des Films gibt obwohl er die Legitimität des Krieges keineswegs anzweifelt die Schrecken des Steüungskrieges mit einer reakstischen Objektivität wieder und hebt genau wie Pabst die Verzweiflung der Soldaten besonders hervor, indem er die Destruktivkraft des industriaksierten Krieges in Büder der zerstörten Natur übersetzt33. Auch in der präfaschistischen und faschistischen Fümästhetik kommt der Darsteüung der Natur, die mit der Ästhetik des Erhabenen in engster Verbindung steht, eine symboksche Funktion zu: In dem Film Ewiger Wald (R: I Ianns Springer, s/w, Deutschland 1936) wird der Wald durch Überblendungen zum einen dem deutschen Volk und zum anderen der Armee des soldatischen Mannes gleichgesetzt. In einer Paraüelmontage werden hier Büder von den militärischen Niederlagen des Volkes nach dem Bauernkrieg und dem Ersten Weltkrieg mit Büdern, in denen das reihenweise Fähen von Bäumen gezeigt wird, nebeneinander geschnitten. Ebenfaüs mit symbokscher Bedeutung aufgeladen war die Büdmontage von Großaufnahmen des Baumabtransports im Rahmen von Reparationsleistungen nach Frankreich: Unter Aufsicht senegalesischer Scharfschützen waren die gefällten deutschen Eichen mit Eisenklammern beschlagen und mit Sägen geteüt worden, bevor sie mit Ketten gebunden und abtransportiert wurden34. Ewiger Wald ist Teü einer ästhetischen Tradition, welche die »Schicksalsgemeinschaft von Wald und Volk« im Medium Film visuaksiert35. Der von der Zeit unberührte »statische« Raum des »ewigen Waldes« wird hier zum Sinnbüd der deutschen Volksgemeinschaft, die im Anschluß an eine romantische Tradition nationale Werte wie Ursprüngkchkeit, Schhchtheit, Innerhchkeit und Treue in Natursymbolen zum Ausdruck bringt. Die Naturelemente der in der Zwischenkriegszeit entwickelten Fümikonographie standen in einem engen Kontext zu einer poktischen Symbokk, die etwa im poktischen Totenkult der Weimarer Repubkk auf den Ersten Weltkrieg bezogen wurde. Benjamin Ziemann verweist mit Bkck auf die Heldenhaine der gefallenen Soldaten auf den politischen Gehalt der Natursymbole: —
-
32
» 34
35
Ebd., S. 431. Ebd., S. 247. Vgl. Linse, Der
Film Ewiger Wald, S. 63. Ein zeitgenössischer Kritiker bemerkt anläßlich der Uraufführung, daß die Parallelen zwischen Wald und geschichtlichen Ereignissen etwas weit hergeholt seien, und man könne »die Symbolik als lediglich um der Symbolik willen angewendet be-
zeichnen«, ebd.
In der Schlußapotheose des Films, in der die Kamera Bilder der Soldatenfriedhöfe und I leldenhaine des Ersten Weltkrieges zeigt, spricht eine Stimme aus dem Off in gramvoll-pathetischem Schmerz: »Verrottet, verkommen, von fremder Rasse durchsetzt! Wie trägst du, Volk, wie trägst du, Wald, die undenkbare Last?«
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»In seiner Ursprüngkchkeit war der Wald der Kraftquell des deutschen Volkes, welches sich in seiner auf Jahrtausende zählenden Zuwendung zu diesem auch der eigenen Unvergängkchkeit versichern konnte36.«
Während in den Filmen, zu denen Pabst und Müestone die Vorbilder gekefert haben, die Verlorenheit der Protagonisten im Raum als genuine Erfahrung des modernen Krieges und der Moderne schlechthin in Szene gesetzt wird, knüpfen Ewiger Wald und andere Füme über den Ersten Weltkrieg an eine vormoderne Naturikonographie und -Symbolik an. Jene Füme, die man mit Siegfried Kracauer als nationale Epen bezeichnen kann, tendieren anders als die Antikriegs filme von Pabst und Müestone dazu, die »Erhabenheit des Krieges«37 mit der »Erhabenheit der Natur« zu konfrontieren. In Filmen wie Kreuzer Emden, U 9 Weddigen und Morgenrot ebenfaüs ein U-Boot-Film wird das Meer als eine Macht in Szene gesetzt, welche unberührt bleibt von den Destruktionskräften der Kriegstechnologie und somit im Modus des Erhabenen ein Gegenbüd schafft zu den Schrecken des technifizierten Krieges. Neben dem Wald- und dem Meer-Motiv ist das Symbol des Berges in jenen Filmen der Zwischenkriegszeit zentral, die sich in Opposition zu Milestones und Pabsts Antikriegs filmen definieren. In Luis Trenkers Fümen Berge in Flammen und Der Rebell (R: Luis Trenker und Kurt Bernhardt, s/w, Deutschland 1933) etwa gehen die beiden Filmgenres »Kriegsfilm« und »Bergbzw. Heimatfilm« eine eigenwilkge Synthese ein. Die Überwältigungsästhetik sowie die Büd- und Aktionsräume dieses Films sind gänzkch anders gestaltet als die Destruktionsräume in den Filmen von Pabst, Trivas und Müestone. Der Filmtheoretiker Béla Balázs hat bereits 1931 darauf hingewiesen, daß in den Bergfilmen durch Regie und Kameraarbeit Landschaft nicht als Flintergrund, sondern als dramaturgischer Bestandteü der erzählten Geschichte inszeniert wird38. Die alpine Berglandschaft wird in Berge in Flammen zum Kriegsschauplatz, in dem die Erhabenheit der Natur den Destruktionsformen des Krieges kontrapunktisch entgegengesetzt ist. Erzählt wird die Geschichte zweier Bergkameraden, einem österreichischen und einem itakenischen Alpinisten, die sich seit dem »Ausbruch« des Krieges als Feinde gegenüberstehen. Die Österreicher haben sich in den Bergen verschanzt und verteidigen die Alpenfestung gegen die Angriffe der Itakener, die schheßhch einen Stoüen in den Berg graben, um diesen zusammen mit der gegnerischen Festung in die Luft zu sprengen. In der Verschmelzung von Bergund Kriegsästhetik werden die Ästhetik des Erhabenen und Momente des Heroischen miteinander verklammert. Unterschiedkche Varianten einer Mythologie des Krieges z.B. Opfertod des Soldaten und Kameradschaftsmythos werden auf —
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36
37
's
Ziemann, Die deutsche Nation und ihr zentraler Erinnerungsort, S. 74. 1 lervorhebung im Original. »Selbst der Krieg, wenn er mit Ordnung und 1 Ieiligachtung der bürgerlichen Rechte geführt wird, hat etwas Erhabenes an sich und macht zugleich die Denkungsart des Volkes, welches ihn auf diese Art führt, nur um desto erhabener, je mehreren Gefahren es ausgesetzt war und sich mutig darunter hat behaupten können [...].« Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 109. Dieses auf die Kabinettskriege des 18. Jahrhunderts gemünzte Diktum Kants wird von den nationalepischen Filmen ungebrochen auf den industrialisierten Krieg übertragen. Vgl. Esser, Bergfilm, S. 31.
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
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das Symbol der Natur und vor aüem auf das des Berges projiziert, der anders als die Destruktionslandschaften der Antikriegsfüme in majestätischer Schönheit erscheint. Dieser wesentliche Unterschied in der Inszenierung des Erhabenen wird bereits in der Büdouvertüre deutlich, wenn Sepp AUgeiers brûlante Kameraarbeit in langsamen Panoramaschwenks über weite Bergsühouetten und sich bauende Wolkengebüde die Schrecken und auratische Schönheit der Landschaft einfangt. Sowohl der Kriegs- als auch der Bergfüm bieten unter technisch-formalen Gesichtspunkten die idealen Voraussetzungen für die Inszenierung des Erhabenen, welche an eine romantische Büdikonographie Anschluß findet: Die distanzierten Panoramaund Vogelperspektiven von den Gipfeln der Bergwelt erlauben es den Betrachtern in und außerhalb des Films, sich über die Natur und die Schrecken des Krieges zu stehen. Elegische Schwenks über die majestätische Bergwelt und Übersichtstotalen wechseln mit Nahaufnahmen, in denen ein Held portraitiert wird, der zumeist aus der Distanz einer erhöhten Gipfel-Position auf die Zerstörungsgewalt des Krieges und die Naturlandschaft bhckt. Auf diese Weise wechselt die Kameraperspektive so zwischen Portraits und Panoramaaufnahmen, um den Gleichklang, das Aufgehen des soldatischen Mannes in der mythischen Natur, zu visuahsieren. Ebenso sind das (auratische) Licht unter Ausnutzung des Gegenlichts und die symphonische und synästhetische Filmmusik tragende Elemente dieser Inszenierung des Erhabenen. In Berge in Flammen werden zwar auch die Schrecken des Krieges dargestellt, aber eben mit einer Ästhetik des Erhabenen kontrastiert, die, wie die Bergfilme Arnold Fancks, Anleihen »an die begeisterte Naturästhetik im 18. Jahrhundert und an die Landschaftsmalerei der deutschen Romantik«39 machte. Die technologischen Innovationen im Kino der Zwischenkriegszeit ermöglichten eine Rezeptionsästhetik, die auf ein kontemplatives Schauen gerichtet war: Das Erhabene erscheint in Berge in Flammen als Imitation einer Naturbetrachtung, die etwa an Caspar David Friedrichs Darsteüungsformen des Erhabenen orientiert war40. Die erhabene und gleichsam idyllische Berglandschaft ist freilich das macht im wesentlichen die Spannung des Films aus permanent bedroht, da die Position des Erhabenen durch ein Bohrunternehmen der Itahener, das zur Sprengung der Naturfestung führen soü, im wahrsten Sinne des Wortes unterminiert wird. So besteht die Schuld der itakenischen Invasoren in Berge in Flammen im aggressiven, technologischen Angriff auf die Natur. Dem Helden gekngt es aber schheßhch, den Berg und damit seine Kameraden zu retten, indem die Natur zum geheimen Verbündeten des Helden wird: Dimai, gespielt von Luis Trenker, mobüisiert die Landschaft gegen einen Gegner, der nicht landschaftlich gebunden ist, und siegt, indem er die Naturgewalten gegen die Technologie des Krieges ausspielt. —
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39 40
Rentschier, Hochgebirge und Moderne, S.
197. Die Inszenierung des Erhabenen wird auf der Inhaltsebene des Films immer wieder mit dem Gestus des Heroischen verklammert: Während Dimai, die I lauptfigur des Films, mit dem Fernglas das Dorf beobachtet (Vogelperspektive), stirbt sein Freund inStaudacher durch eine italienische formuliert es Trenker der Romanvorlage, »ist beinahe Kugel. »Aber dieser Blick [vom ein Leben wert.« Im Film wird dies nicht ausgesprochen, aber auf der visuellen Ebene evoziert.
Gipfeil«,
Ralph Winkle
330
Auch die Schlußszene des Films steht in mehrfacher Hinsicht im Zeichen des Erhabenen. Nachdem die Schlachten des Ersten Weltkriegs geschlagen sind, reichen sich Dimai und sein ehemahger itahenischer Gegner auf dem Col Alto zum Zeichen der Kameradschaft die Hände. Diese Apotheose der Kameradschaft knüpft nahdos an die Anfangsszene des Films an. Christian Rapp hat in seiner Analyse des Films darauf hingewiesen, daß diese symmetrische Rahmung die Vorsteüung einer Bergkameradschaft fördert, »der auch die Gegnerschaft im Krieg keinen Abbruch tun konnte«41. Zugleich geht diese Verbrüderung im Zeichen der Bergkameradschaft einher mit einer pathetischen Geste der Versöhnung mit der Natur und der »Wiederhersteüung der Gipfelruhe«42. Die durch den Krieg bedrohten Berge werden hier wieder in ihrer ganzen idyllischen Schönheit und pathetischen Erhabenheit gezeigt. Es gibt somit eine Paraüele zwischen Kameradschafts- und Naturmythos: Beide stehen als das Ewige und morahsch Erhabene über den naturahsierten Darsteüungsformen der Kriegsereignisse. Diese Verklammerung des I Ieroischen mit einer Ästhetik des Erhabenen wird etwa in den Filmen von Pabst, Müestone und Trivas verweigert, indem in ihren Filmen die Büder der Zerstörung nicht mit einer »Ästhetik des Naturschönen« kontrastiert werden, sondern im Gegenteü die kontemplative Wahrnehmungsperspektive, die der Ästhetik des Erhabenen immanent ist, durch Schock- und andere taktile Effekte konterkariert wird. —
-
Zum Begriff des Schocks
—
Kriegsrealität und Filmästhetik
Die in den zwanziger und dreißiger Jahren entwickelten technischen Mögkchkeiten des Films bildeten wie bereits erwähnt die Voraussetzung für eine Renaissance des Erhabenen in der Inszenierung des Krieges. Zugleich aber wird mit der technischen Apparatur des Films einer Rezeptionsform Vorschub geleistet, die Walter Benjamin mit derjenigen der »Schockwahrnehmung« gleichgesetzt, und die er eben mit jener »Zertrümmerung der Aura« in Verbindung brachte, die für die Ästhetik des Erhabenen in der ikonographischen Tradition einer romantischen Ästhetik konsumtiv war43. Das Kino, so der Fümhistoriker Tom Gunning, wurde »as a se—
41 42 43
—
Rapp, Höhenrausch, S.
164.
Ebd. Zur
Inszenierung des
Erhabenen in den
Naturdarstellungen Caspar
David Friedrichs
vgl.
Stein-
hauser, Im Bild des Fjhabenen, S. 820 f. Benjamin konstatiert einen Gegensatz zwischen der Ästhetik der Malerei und der Ästhetik des Films, den er wie folgt beschreibt: »Der Maler beo-
bachtet in seiner Arbeit eine natürliche Distanz zum Gegebenen, der Kameramann dagegen dringt tief ins Gewebe der Gegebenheit ein. Die Bilder, die beide davontragen, sind ungeheuer verschieden. Das des Malers ist ein totales, das des Kameramanns ein vielfältig zerstückeltes, dessen Teile sich nach einem neuen Gesetze zusammenfinden.« Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S. 158.
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
ries of visual shocks« konzipiert44; und bereits eine »taktile Quaktät« zugeschrieben, die auf
331
Benjamin hat der Ästhetik des Füms
»dem Wechsel der Schauplätze und Einstellungen beruht, welche stoßweise auf den Beschauer eindringen [...] Man vergleiche die Leinwand, auf der der Film abroUt, mit der Leinwand, auf der sich das Gemälde befindet. Das letztere lädt den Betrachter zur Kontemplation ein; vor ihm kann er sich seinem Assoziationsablauf überlassen. Vor der Filmaufnahme kann er das nicht. Kaum hat er sie ins Auge gefaßt, so hat sie sich schon verändert. Sie kann nicht fixiert werden45.«
Diese dem Film immanente Wahrnehmungsform entspricht der Reahtät des modernen Krieges, der in verschiedene Feldzüge mit dazwischen leeren Zeiträumen auseinander fäüt. Analog zum optischen Diskurs der Fümsprache wird der industriaksierte Krieg als Aktionsfeld beschrieben, in dem zwischen den diskontinuierkchen, stoßweisen Aktionen Pausen entstehen, in denen die Langeweüe als Reaktion auf die Endeerung der Zeit dominiert46. Nicht nur die Kriegsreaktät, auch die Kriegstechnologie entspricht der technischen Apparatur des Füms in seiner taktilen Quaktät. Paul Viriko hat auf den gemeinsamen Ursprung von Film und miktärischer Luftfahrt am Ende des 19. Jahrhunderts und die damit einhergehende Osmose von Kriegs- und Kameratechniken hingewiesen47. Eine zentrale Kategorie, welche die filmische Ästhetik mit der Reaktät des technisierten Krieges verbindet, ist die des Schocks. Dieser steht sowohl im Gegensatz zur kontemplativen Besinnhchkeit traditioneUer Kunstformen, markiert aber auch einen Bruch in der soldatischen Kriegserfahrung, die mit dem Einsatz von moderner Kriegstechnologie virulent wird:
Verwundung durch Feuerwaffen (Salven) kommt schlagartig, unsichtbar, wie aus dem Nichts. [...] Mit Schock wird derjenige plötzkche und heftige Gewaltvorgang beschrieben, der die Kontinuität einer künstkch-mechanisch hergestellten Bewegung oder Situation durchschlägt, sowie der darauffolgende Zustand der Zerrüttung48.« In den innovativsten Filmen der Nachkriegszeit wird die im Krieg erzwungene »Die
Technisierung von Wahrnehmung zur Darstellung der technisierten Kriegesrealität genutzt. In der Verfilmung von Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues« setzte der Regisseur Lewis Müestone ganz bewußt die filmische Ästhetik mit der technischen Logik militärischer Waffentechnik gleich: Lange Parakelfahrten der Kamera zeigen die Schützengrabensysteme an der Front aus einer Perspektive, die nicht mehr dem bevorzugten »Feldherrenbkck« der traditionellen Kriegsmalerei entspricht49. Die vorherrschenden Kameraperspektiven sind amerikanische Einsteüungen und Halbtotalen, die den Bkck auf die anstürmenden 44 45 46
47 48 49
Gunning, An Aesthetic of Astonishment, S. 33. Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S. Vgl. Nieraad, Die Spur der Gewalt, S. 168. Siehe Virilio, Krieg und Kino. Schivelbusch, Die Geschichte der Eisenbahnreise, S.
164.
140 f.
wahrnehmungsästhetischen Konstitution des Erhabenen im 17. und kommt in der Kriegs- und Landschaftsmalerei »jene spezifische Geste auf, die den Feldherrn abseits des Kampfes einen höheren Standpunkt suchen läßt, von dem aus er eine Gesamtsicht gewinnt«, Warnke, Politische Landschaft, S. 71. Zeitgleich mit 18. Jahrhundert
der
Ralph Winkle
332
Truppen lenken. Die Technik der entfesselten Kamera und die damit einhergehende Subjektivierung des Kamerabkcks imitieren die Perspektive des Soldaten aus dem Schützengraben, der den feindhchen Raum nur noch in Ausschnitten wahrnimmt. Exemplarisch dafür steht die Grabenkampfsequenz mit den berühmten MG-Salven, die Hans Beüer einer eingehenden Analyse unterzog50. Auf einem Kran montiert fährt die Kamera im Tempo der Herauseüenden den Graben entlang und wechselt in der Perspektive zwischen derjenigen der Akteure und einer distanzierten Draufsicht, mit der sich die Kamera langsam über dem Graben zurückzieht. Die darauf folgende Einstellung, die in erneut wechselnder Perspektive einen MG-Schützen oder die heranstürmenden Franzosen zeigt, die auf die Kamera bzw. das MG zurennen und reihenweise niedergemäht werden, gehört auch deshalb zu den bedeutendsten der Filmgeschichte, weü sie die Schockwirkung des Schneüfeuergewehrs und die technischen Darsteüungsmittel des Füms ganz bewußt paraüel setzt. Müestone hat durch Schnittechnik und Kameratechnik die Reaktät des Krieges zu simukeren versucht:
»In trench warfare, they used to send over wave upon wave. I thought that when the machine gun shoots, the men ought to drop with the same rapidity as the bullet leaves the gun. You have six, seven frames of the machine gun shooting, than immediately show the guys dropping, and they drop with the same impersonal, unemotional action as the machine gun spitting bukets. [...] At the opening night, a couple of veterans who had been wounded at the front jumped out of their seats and said, Come on, let's get those guys< and they charged at the screen51.«
Nur mittels einer
Montagetechnik sowie der von Guido Seeber Maschinengewehrkamera konnte eine Synchronizität von Bild und Projektil hergesteüt werden: Die Schlachtsequenz mit den MG-Massakern im Schützengraben beinhaltet bei sechseinhalb Mnuten Laufzeit 169 Einstellungen und übertrifft damit die berühmte Treppensequenz von Sergej M. Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin (stumm, s/w, UdSSR 1925), die in etwa sieben Mnuten 166 Einsteüungen enthält. Pabsts und Milestones Füme zeichnen sich dadurch aus, daß sie nicht die »Erhabenheit des Krieges« mit der »Erhabenheit der Natur« konfron—
neuen
Schnitt- und
entwickelten
tieren, sondern der Ästhetik des Erhabenen
immer wieder das der modernen ebenso der wie Fümästhetik immanente Moment des Schocks Kriegstechnologie entgegensetzen. Dies zeigt sich auch im Einsatz akustischer Mttel: Während Luis Trenker in Berge in Flammen dem Natur-Erhabenen durch eine symphonische Musik Ausdruck verleiht, weigerte sich Pabst, musikahsche Elemente einzusetzen, mit der Begründung, »daß der Film dadurch den Charakter eines authentischen Berichts verkeren würde«52. Statt dessen setzte Pabst bereits ein Jahr nach der Einführung des Tonfilms Geräusche mit dem Ziel ein,
Nervensystem des Zuschauers zu bearbeiten und ihm auf der akustischen Ebene Zersplitterungseffekte zuzumuten: Ketten von Detonationen, das Flacken eines Maschinen-
»das
50 31
52
Vgl. Beller, Gegen den Krieg, S.
117 f. Lewis Müestone im Interview mit Kevin Wüderness, S. 214 f. Toeplitz, Geschichte des Films, S. 209.
Brownlow, zit. nach Bronlow, The War the West the -
-
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
333
der heulende Ton einer Granate verstärken den Eindruck eines berstenden wieder zerstückeln sie den Dialog53.« immer Raums;
gewehrs,
Diese Momente des visueüen und akustischen Schocks stehen in einem Spannungsverhältnis zu jener Ästhetik des Erhabenen, welche die Distanz des Betrachters zu den Natur- und Destruktionslandschaften zur Voraussetzung hat54. Die
Unmögkchkeit des Erhabenen
Pabsts, Alüestones und Trivas' Filme inszenieren zwar den Krieg als »erschreckende
ren
Naturgewalt«, welche
die Sinne
überwältigt,
aber den
Bezugspunkt des
»siche-
Orts«55, der bei Kant die conditio sine qua non des Erhabenen darsteüte56, gibt
hier nicht mehr. Deshalb ist die Erfahrung des Erhabenen für die Protagonisten des Pabst-Füms auch nicht ein Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer höheren Sittlichkeit, sondern endet im Gegenteü mit dem koüektiven Verfaü in den Wahnsinn, der die berühmte Schlußsequenz von Westfront 1918 bestimmt. Personifiziert wird dieser Wahnsinn in der Figur des Leutnants (Claus Clausen), der vom soldatischen Maschinenmenschen in sein Gegenteü mutiert: »das des hemmungslos schreienden, in Angst und Wahnsinn außer sich geratenen es
Kreatur. Sein letzter Salut Heulen über, das niemand rett sterben wird57.«
an
den Kaiser
um
ihn herum
Befehl, Majestät! Hurra!< geht in ein Schweigen bringen kann, bis er im Laza-
>Zu
—
zum
—
Berge in Flammen und anderen Filmen, die durch einen »heroischen Ideaksmus«58 gekennzeichnet sind, wird am Ende eine Versöhnung des Menschen mit der Natur angedeutet; in Pabsts Film dominieren hingegen apokalyptische Büdmotive. Dieser und andere Kriegsfikne der Zwischenkriegszeit stehen damit einen Gegenentwurf zu zwei anderen mythologischen Genres dar, die das Kino nach dem Ersten Weltkrieg hervorgebracht hat: Während sowohl der amerikanische Western als auch der russische Revolutions film von der Entstehung einer neuen Gesellschaft berichten, erzählen die Kriegs- und Antikriegs filme in apokalyptischen Büdern von der Selbstzerstörung der ziviksierten Welt und dem Ende der Hoffnung auf die Versöhnung des Menschen mit der Natur. Indem die Büder vom Krieg apokalyptische Dimensionen annehmen, wird auch die Inszenierung des Erhabenen prekär. Die Protagonisten der Füme Pabsts In
53 54
55 56 57 58
103- 105. I Iervorhebung im Original. So ist nach Kant die »Verwunderung, die an Schreck grenzt, das Grausen und der heilige Schauer, welcher den Zuschauer bei dem Anblicke himmelsansteigender Gebirgsmassen [...] ergreift, [...] bei der Sicherheit, worin er sich weiß, nicht wirkliche Furcht, sondern ein Versuch«, Kant, zitiert nach Bartetzko, Zwischen Todesschwärmerei und Empfindelei, S. 838. Zur Anwendung der Kategorie des Erhabenen in der Ästhetik der Gewalt vgl. Bratze-Hansen, Dinosaurier sehen und nicht gefressen werden, S. 253 f. Der Anblick einer Übermächtigen und bedrohlichen Natur wird nach Kant »desto anziehender, je furchtbarer er ist, wenn wir uns nur in Sicherheit befinden«, Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 107. Kreimeier, Trennungen, S. 102. Kracauer, Von Caligari zu Hitler, S. 120.
Kreimeier, Trennungen, S.
Ralph Winkle
334
und Miestones vermögen sich anders als die Zuschauer im Kinosaal angesichts des als Naturgewalt inszenierten Krieges nicht mehr in die Position des Erhabenen zu retten. In All Quiet on the Western Front gibt es eine Schlüsselszene, in der die Vaterfigur Katzinsky, »Papa Kat« genannt, den unerfahrenen Rekruten rät, sich bei einem Artülerie-Angriff dicht auf die Erde zu pressen und so den Schutz von »Mutter Natur« zu suchen. Im Laufe des Füms zeigt sich aber, daß »Mutter Natur« gegen die Destruktivkräfte des industriaksierten Krieges keinen Schutz bieten kann. Ganz im Gegenteil die Natur verschkngt die Protagonisten in ihren verschütteten Unterständen und in den Granattrichtern, die für die Soldaten zu Gräbern werden. Wie Martin Warnke in seiner Studie über die poktische Landschaft -
ausführt,
»verkriecht sich der moderne Soldat vor der Effizienz der neuen Waffen immer mehr in die Erde und gleicht sich seiner Tarnung auch äußerlich der Landschaft an. Wenn er sich in sie aus taktischen Gründen zurückzieht, begibt er sich jedoch in Gefahr, in ihr tatsächlich zu verschwinden59.«
Nicht einmal mehr die Toten finden in der Natur ihre ewige Ruhe, denn eine Sequenz in Westfront 1918 zeigt, wie durch einen Artilleriebeschuß die Toten aus ihren Gräbern gerissen werden. Auch die Schlußszene von Im Westen nichts Neues ist eine Absage an die romantische Apotheose der Natur. Pauls Sehnsucht nach der heüen und heuenden Natur visuaüsiert sich in der aüegorischen Endeinstellung des Films: Ein Schmetterling erhebt sich über der toten Landschaft des »no man's land«. Als Paul fasziniert von der Schönheit der Natur sich aus seiner Deckung wagt, trifft ihn ein tödhcher Schuß. Der Schmetterkng als Symbol einer lebensspendenden, idylüschen Natur wird zum Zeichen einer unerfüübaren Sehnsucht. Während Pabsts und Müestones Ästhetik der Kriegsdarstellung erst wieder in den Antikriegs filmen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Nachfolger findet, hat die Ästhetik des Erhabenen, wie sie von Luis Trenker und Arnold Fanck inszeniert wurde, auch nach den dreißiger Jahren Konjunktur. Sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland und Österreich eine Weüe von Berg- und I Ieimatfümen, die sowohl einen formalen Kontrast als auch symbolische Bezüge zum Kriegsgeschehen herstekten. Das Erhabene trägt aber immer deutlicher Züge des Kitsches, indem die Erhabenheit der Natur hier vollständig zum psychologisch Tröstenden funktionaksiert wird, das die Schrecken des Krieges vergessen lassen soü. * * *
Ralph Winkle, Dr. phü., geb. 1964, Wissenschaftkcher Mtarbeiter am Sonderforschungsbereich 437 »Kriegserfahrungen Krieg und Geseüschaft in der Neuzeit«, Universität Tübingen E-Maü: [email protected] —
59
Rapp, Höhenrausch, S.
171
f.; mit Bezug auf Warnke, Politische Landschaft, S.
119 f.
Der Schock und die
Ästhetik des Erhabenen
335
Literatur
Bartetzko, Dieter, Zwischen Todesschwärmerei und Empfindelei. Erhabenheitsmotive in NS-Staatsarchitektar und postmodernen Bauten, in: Merkur. Deut-
sche Zeitschrift für europäisches Denken, 43 (1989), 487/488, S. 833-847 Beüer, Hans, Gegen den Krieg. Im Westen nichts Neues (All Quiet on the Western Front, 1929), in: Fischer Filmgeschichte, Bd 2: Der Film als gesellschaftliche Kraft 1925-1944, hrsg. von Werner Faulstich und Helmut Korte, Frankfurt a.M. 1991, S. 110-129 Benjamin, Walter, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: Ders., Illuminationen. Ausgewählte Schriften, Frankfurt a.M. 1977, S. 136-169 Bohrer, Karl Heinz, Die Ästhetik des Schreckens. Die pessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk, Frankfurt a.M., Berkn, Wien 1983 Bratze-IIansen, Mriam, Dinosaurier sehen und nicht gefressen werden. Kino als Ort der Gewaltwahrnehmung bei Benjamin, Kracauer und Spielberg, in: Auge und Affekt. Wahrnehmung und Interaktion, hrsg. von Gertrud Koch, Frankfurt a.M. 1995, S. 249-271 Bronlow, Kevin, The War the West the Wilderness, London 1978 Der deutsche I Ieimatfüm. Büderwelten und Weltbüder. Büder, Texte, Analysen zu 70 Jahren deutscher Fümgeschichte, hrsg. von Projektgruppe Ludwig-UhlandInstitut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen, Tübingen 1989 Esser, Mchael, Bergfilm, in: Sachlexikon Film, hrsg. von Rainer Rother, Reinbek bei Hamburg 1997, S. 29-31 Gunning, Tom, An Aesthetic of Astonishment. Early Film and The (In)Credulous Spectator, in: Art & Text, 34 (1989), S. 31 -45 I Iüppauf, Bernd, Kriegsfotographie, in: Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, hrsg. von Wolfgang Aüchalka, München 1994, S. 875-909 Kaes, Anton, M, London 2000 Kant, Immanuel, Kritik der Urteilskraft, Hamburg 1974 Kracauer, Siegfried, Theorie des Films. Die F>rettung der äußeren Wirkkchkeit, Frankfurt a.M. 1985 Kracauer, Siegfried, Von Cakgari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Füms, Frankfurt a.M. 1984 Kreimeier, Klaus, Trennungen. G.W. Pabst und seine Füme, in: G.W. Pabst, hrsg. von Wolfgang Jacobsen, Berhn 1997, S. 11 -124 Lehmann, Hans-Thies, Die Raumfabrik Mythos im Kino und Kinomythos, in: Mythos und Moderne. Begriff und Büd einer Rekonstruktion, hrsg. von Karl Heinz Bohrer, Frankfurt a.M. 1983, S. 572-609 Linse, Ulrich, Der Film Ewiger Wald oder die Überwindung der Zeit durch Raum, in: Formative Ästhetik im Nationalsoziaksmus. Intentionen, Medien und Praxisformen totaktärer Herrschaft und Beherrschung, hrsg. von Ulrich Herrmann und Ulrich Nassen, Weinheim, Basel 1994, S. 57-75 —
-
—
—
Ralph Winkle
336
Müüer, Heiner, Der Auftrag, in: Sinn und Form, (1979), 6 Nieraad, Jürgen, Die Spur der Gewalt. Zur Geschichte des Schrecklichen in der Literatur und ihrer Theorie, Lüneburg 1994 Rapp, Christian, I löhenrausch. Der deutsche Bergfilm, Wien 1997 Rentschier, Eric, Hochgebirge und Moderne. Eine Ortsbestimmung des Bergfilms,
in: Filmkultur zur Zeit der Weimarer Repubkk. Beiträge zur internationalen Tagung vom 15. bis 18. Juni 1989 in Luxemburg, hrsg. von Uh Jung und Walter Schatzberg, München 1992, S. 195-214 Schivelbusch, Wolfgang, Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industriaksierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1989 Steinhauser, Monika Im Büd des Erhabenen, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, 43 (1989), 487/488, S. 815-832 Toepktz, Jerzy, Geschichte des Films 1928-1933, München 1977 Virilio, Paul, Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung, Frankfurt a.M. 1989 Warnke, Martin, Poktische Landschaft Zur Kunstgeschichte der Natur, München 1992 Ziemann, Benjamin, Die deutsche Nation und ihr zentraler Erinnerungsort. Das »Nationaldenkmal für die Gefallenen im Weltkriege« und die Idee des »Unbekannten Soldaten« 1914-1935, in: Krieg und Erinnerung. Fallstadien zum 19. und 20. Jahrhundert, hrsg. von Helmut Berding, Klaus Heller und Winfried Speitkamp, Göttingen 2000, S. 67-91 ,
-
Filmographie ALL
QUIET ON THE WESTERN FRONT
Im Westen nichts Neues
USA 1930, s/w R: Lewis Müestone B: Del Andrews, Maxweü Anderson, Georg Abbott nach dem migen Roman von Erich Maria Remarque K: Arthur Edeson, Karl Freund BA: Charles D. Hau, William R. Schmidt M: David Broekman P: Universal L: 135 min UA: New York, 29.3.1930 DE: D:
gleichna-
Berlin, 4.12.1930
Ayres (Paul Bäumer), Louis Wolheim (Katzinsky), John Wray (I Iimmelstoß), George >Skm< Summerville (Tjaden), Rüssel Gleason, Wilüam Bakeweü, Scott Kolk, Wolfgang Staudte u.a.
Lew
BERGE IN FLAMMEN
Deutschland 1931, s/w
Der Schock und die
R: B: K: Musik: P: L: UA: D:
Ästhetik des Erhabenen
337
Luis Trenker, Karl Hartl Luis Trenker, Walter Schmidkunz
Sepp AUgeier Guiseppe Becce, Hedy Knorr (Liedtexte)
Vandal/ Delac Tonfilm 2994 m
18.9.1931, Ufa-Palast am Zoo, Berkn Luis Trenker, Lissy Arna, Luigi Serventi, Claus Clausen, Erika Dannhoff, Paul Graetz, Mchael von Newknski, Emmerich Albert, Luis Gerold, Flans Jamning, Luis Langenmeier, I lugo Lehner, Roland von Rossi
CROSS OF IRON
Steiner das Eiserne Kreuz USA 1977 R: Sam Peckinpah —
B: K: M: L: D:
JukusJ. Epstein, James Hamilton John Coquülon Ernest Gold 133
James Coburn, Maximilian Scheu, James Mason, David Warner, Klaus Löwitsch, Vadim Glowna, Roger Fritz, Dieter Schidor, Burkhard Driest, Fred Stülkrauth, Véronique Vendeü, Arthur Brauss, Senta Berger
DUELL-ENEMY AT THE GATES Deutschland 2001 R: Jean-Jacques Annaud
B: K: M: P: L: D:
Jean-Jacques Annaud, Alain Godard Robert Fraisse
James Horner John D. Schofield 131 min.
Jude Law, Joseph Fiennes, Rachel Weisz, Ed Harris, Bob Hoskins
EWIGER WALD
Deutschland 1936, R: M: L:
s/w
Hanns
Springer Wolfgang Zeker 75 Min.
KREUZER EMDEN
Deutschland 1927, stumm, s/w R: Louis Ralph B: Alfred Halm, Louis Ralph K:
Franz
Koch, Josef Wirsching
Ralph Winkle
338
M: D:
Friedrich Jung Louis Ralph, Renée Stobrawa, Flans Schlenck, Robert Forster-Larrinaga, Werner Fuetterer, Fritz Greiner, Will Dohm, Willy Kaiser-FIeyl
MORGENROT
Deutschland 1933, s/w R: Gustav Ucicky, Vernon Seweü B: Gerhard Menzel K: Carl Hoffmann M: Herbert Windt P: Universum Film A.G. L: D:
75
Rudolf Forster, Fritz Genschow, Paul Westmeier, Friedrich Gerhard Bienert, Adele Sandrock, Else Knott, Camüla Spira
Gnaß,
NIEMANDSLAND
Deutschland 1931, s/w Viktor Trivas Leonhard Frank, Viktor Trivas Georg Stikanudis, Alexander von Lagorio Hanns Eisler Ernst Busch, Hugh Douglas, Louis Douglas, Zoe Frank, Eksabeth Lennartz, Georges Péclet, Rose Mai, Vladimir Sokoloff, Renée Stobrawa
R: B: K: M: D:
DER REBELL
Deutschland 1932, s/w Luis Trenker, Kurt Bernhardt Luis Trenker
R: B: K: BA: M: P: L: UA: D:
Sepp AUgeier
Fritz Maurischat
Guiseppe Becce, I ledy Knorr Deutsche Universal-Film 2542 m
22.12.1932, Stuttgart; 17.1.1933, Berhn Ufa-Palast am Zoo, Berhn Luis Trenker, Luise Ullrich, Olga Engl, Erika Dannhoff, Ludwig Stoessl, Victor Varconi, Fritz Kampers, Reinhold Bernd, Arlbert Schuhes, Arthur Grosse, Amanda Lindner, Otto Kronburger, Emmerich Albert, Hans Jamning, Luis Gerold, Inge Konradi
STALINGRAD
Deutschland R: B:
(Liedtexte)
1991/92
Joseph Vüsmaier Johannes Heide
Der Schock und die Ästhetik des Erhabenen
K: M: P: L: UA: D:
339
Rolf Greim, Klaus Moderegger, Peter von Hauer, Joseph Vüsmaier Norbert Jürgen Schneider Hanno Huth, Günter Rohrbach, Bob Arnold 123 min. 21.1.1993
Dominique Horowitz, Thomas Kretschmann, Jochen Nickel, Sebastian Rudolph, Dana Vavorova, Martin Benrath
STOßTRUPP 1917
Deutschland 1933, R: B: D:
s/w
Ludwig Schmid-Wüdy, Hans Zöberlein Hans Zöberlein
Beppo Brem
U 9 WEDDIGEN
Deutschland 1927, stumm, I Ieinz Paul Wüly Rath
R: B: K: D:
s/w
Wüly Goldberger
Gerd Briese, Ernst Hoffmann, Fred Solm, Fleüa Moja, Mathüde Sussin, Fritz Alberti, Hans Merendorff, Carl de Vogt, Hanne Brinkmann, Wüly Mendau
DIE VERSUNKENE FLOTTE
Deutschland 1926, stumm, s/w Manfred Noa Heinrich George
R: D:
WESTFRONT 1918
Deutschland 1930, s/w R: G.W. Pabst Ladislaus Vajda, nach dem Roman »Vier von der Infanterie« von Ernst B: K: L: D:
Johannson
Fritz Arno Wagner, Charles Métain 98 mm. Fritz Kampers (Bayer), Gustav Diessl (Karl), Hans Joachim Moebis (Student), Claus Clausen (Leutnant), Gustav Püttjer (Hamburger), Jackie Monnier (Yvette)
Die Luftwaffe im NS-Propagandafilm
Matthias
Rogg
Die Luftwaffe im NS-Propagandafilm Das Thema »Militär und Krieg im Film« spielt in der Zeit des Nationalsoziaksmus ohne Zweifel eine besondere Rolle. Die Gründe dafür hegen auf der Hand: Die Kategorien »Krieg« und »Kampf« gehörten nicht nur zu den festen Bezugsgrößen nationalsoziakstischer Ideologie. Die Betonung miktärischer Stärke büdete ein konstitutives Element des gesamten Systems, ein gedankliches wie auch faktisches Fundament. Genauso wie der Rassenwahn formten Kriegsbereitschaft, Wehrhaftmachung und Kriegsführung ein Koordinatensystem, das die wichtigsten Bezugsgrößen Nationalsoziakstischer Ideologie und damit auch ihrer Propaganda bestimmte. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß zahheiche Spiel- und Dokumentarproduktion des Dritten Reiches das Genre »Müitär und Krieg« bedienten. Eine besondere Rolle spielten in diesem Zusammenhang Produktionen, in denen die Luftwaffe den Handlungsrahmen bestimmte. Wenngleich einige sehr aufschlußreiche Untersuchungen zu bestimmten Filmen vorkegen1, ist der Themenkomplex »NS-Film und Luftwaffe« bisher nur am Rande Gegenstand vergleichender Betrachtung gewesen2. Diese Tatsache erstaunt, wenn man die Vielzahl der Produktionen bedenkt: Pour le Mérite (1938), Legion Condor (1939), D III 88 (1939), Kampfgeschwader Lützow (1941), Stukas (1941), Die große Liebe (1942), Besatzung Dora (1943) und Junge Adler (1944); im weiteren Sinne läßt sich auch Heinz Rühmanns Erfolgs film Quax der Bruchpilot (1941) dazu rechnen.
Im direkten Vergleich mit dem Heer und der Marine kann man einen deutlichen Schwerpunkt bei Produktionen im Luftwaffenkontext feststellen. Die Ursachen dieser Konzentration kegen nicht zuletzt in der Weltanschauung des Dritten Reiches. Wenn man nach der ideologischen Verortung der einzelnen Teilstreitkräfte der Wehrmacht fragt, dann wird zuwehen gerne auf die plakative Formel vom »preußischen Heer, der kaiserkchen Marine und der nationalsoziakstischen Luftwaffe« zurückgegriffen3. So einprägsam dieses Bild auch zu sein scheint, die holzschnittartige Veraügemeinerung verlangt nach differenzierter Bewertung.
1
2 3
Vgl. Loiperdinger, Schönekäs, Die große Liebe; Ritzel, Thiele, »Die große Liebe«. Vgl. Kirste, Fliegen fürs Vaterland. Funke, Hitler und die Wehrmacht, S.
308.
Matthias
344
Rogg
Als jüngste Teüstreitkraft konnte die Luftwaffe nicht auf eine lange Tradition großer Vorbilder oder militärischer Riten und Symbole zurückgreifen. Der geringe Bestand an kriegserfahrenen Flugzeugführern und der zeithche Abstand zwischen dem Kriegsende 1918 und den Anfangen des zentral organisierten »Deutschen Luftsportverbandes« (1933) zwangen die Müitärs zu einem grundlegenden Neuaufbau4. Allein zwischen der offiziellen Aufstellung der Luftwaffe am 16. März 1935 und dem Kriegsausbruch am 1. September 1939 stieg das Offizierkorps der Luftstreitkräfte
um das dreizehnfache an5. Der technisch-dynamische Charakter der neuen Waffengattung sprach natürlich vor allem Jugendhche und junge Männer an6. Aus zahheichen Selbstzeugnissen wissen wir, daß weniger das Erlernen des Waffenhandwerks als die Begeisterung für die Technik im allgemeinen und das Fkegen im besonderen im Vordergrund stand. Die jüngste Teilstreitkraft gab sich nicht nur unbekümmert, betont lässig, schätzte einen lockeren Umgangston und verwies in Abgrenzung zum Feldgrau des Heeres gerne auf den »Geist des blauen Tuches«. Auch die NSPropaganda pflegte diese Büder. Im Drehbuch des Luftwaffenfilms D III88 wird der Fliegeroffizier Brand charakterisiert als: »frischer und fideler Leutnant, die Verkörperung des sportkchen, jungen Offiziers der deutschen Luftwaffe, intelli-
gent, unbekümmert, hebenswürdig«7.
Auch wenn die unzweideutige poktische Überzeugung Hermann Görings, des Oberbefehlshabers der Luftwaffe und zeitweilig zweitmächtigsten Mannes des Dritten Reiches, andere Rückschlüsse vermuten läßt, eine gezielte ideologische Ausrichtung kann für die gesamte Luftwaffe nicht nachgewiesen werden. In welchem Maße diese für eine umfassende ideologische Prägung empfänghch waren, ist nur im Einzelfall zu bestimmen. Das Gros des flugspezifischen Personals, also die Flugzeugführer, Flugzeugtechniker und die Luftnachrichtentruppe, bestand aus sehr jungen Soldaten. Ohne Zweifel bemühten sich die Jugendverbände und das »Nationalsoziakstische Fliegerkorps« um ein frühzeitiges Filtern und Fördern des Nachwuchses in fachlicher8 wie auch in weltanschaukcher Hinsicht9. Nicht unerwähnt bleiben darf die Tatsache, daß keine Schlüsselfigur des militärischen Widerstands gegen Hitler der Luftwaffe angehörte10. Eine übergreifende, oder gar organisierte Kritik am poktischen System des Nationalsoziaksmus oder der miktärischen Führung kann man in der Luftwaffe daher nicht nachweisen. —
4
s 6
7 8
9 10
Vgl. Köhler/Hummel, Organisation
der Luftwaffe, S. 516-518; Boog, Das Offizierkorps der Luftwaffe, S. 269-271; Corum, Stärken und Schwächen der Luftwaffe. Vgl. Deist, Die Aufrüstung der Wehrmacht, S. 473-475. Vgl. Krause, Die Jüngsten der Luftwaffe; siehe Adler, Wie werde ich Offizier der Luftwaffe?
Drehbuch »D III 88«, Szene 12. Vgl. Kroener, Die personellen Ressourcen des Dritten Reiches, S. 907 f.; Köhler/Hummel, Organisation der Luftwaffe, S. 548-549. Vgl. Schüler-Springorum, Vom Fliegen und Töten, S. 221-223. Oberstleutnant Caesar von Hofacker bildete als Reserveoffizier hier eine Ausnahme, vgl. Hiller von Gaertringen, Cäsar von Hofacker.
Die Luftwaffe im
NS-Propagandafilm
345
Obgleich der Anteü des fliegenden Personals im Verlauf des Krieges stetig abnahm und zum Schluß nur noch bei knapp zwei Prozent lag11, konzentrierte sich die Kriegspropaganda besonders auf die Erfolge der Flugzeugführer allen voran der Jagdflieger. Ihre ungestüme, scheinbar selbständige Kampfweise, das Beherrschen hochmoderner Waffentechnik und nicht zuletzt die jugendhche Aura bereiteten den idealen Nährboden, um Heldenlegenden wachsen zu lassen12. Die wortwörtlich so zu nennenden »Hitksten« der Abschußzahlen bezeugten sinnbüdkch die Überlegenheit des deutschen Mktärs gegenüber den Soldaten anderer Nationen. Jagd- und Kampfflieger wie Adolf Gaüand, Erich (»Bubi«) Hartmann, Werner Mölders, Johannes Steinhoff und Hans-Joachim Marseille erhielten höchste Auszeichnungen und schnelle Beförderungen. Mt 30 bzw. 20 Jahren waren Generalmajor Galland und Hauptmann Marseille die jeweils jüngsten ihres Träger Dienstgrades in der gesamten Wehrmacht. Überschwenghche Wochenschau- und Zeitungsberichte hoben die »Fhegerasse« in den Rang von Nationalhelden. Die Popularität mancher Jagdflugzeugführer entwickelte einen Starkult, der sich durchaus mit dem heutiger Größen im Showgeschäft vergleichen läßt. Weibhche Verehrerinnen keß man dabei in ihrer Bewunderung bewußt gewähren. Schkeßkch kompensierten viele Mädchen und junge Frauen so den Mangel an gleichaltrigen Männern die meisten standen ja an der Front. So bediente sich die NS-Propaganda des Fhegertopos, um ihr Idealbild vom neuen, arischen Übermenschen zu demonstrieren: jung, tollkühn, attraktiv, erfolgreich und zugleich ein wenig entrückt. Der männkche Hauptdarsteller in Rolf Hansens Die große Liebe (1942), ein Oberleutnant der Luftwaffe, wird im »Filmkurier« beschrieben als »ein Prachtkerl von Fheger, draufgängerisch, voll männlichem Optimismus und soldatisch in seinem Erscheinen«13. Die Figur des Fliegeroffiziers gerann so in der Propaganda zur Inkarnation des nationalsoziakstischen -
—
Supermanns.
Das Bild vom arischen Helden und der kampfbereiten Nation entlarvt auch Rainer Rother (Deutsches Historische Museum Berkn) in seinem Beitrag über Karl Ritters Film Stukas (1941). Wie durch ein Brennglas lassen sich in dieser Produktion die narrativen und filmästhetischen Elemente eines typisch nationalsozialistischen Films betrachten. Filmische und formale Mttel traten in dem Streifen bewußt zugunsten der psychologischen Wirkung zurück. Stukas (= Sturzkampfbomber) stellte den Versuch dar, eine regimekonforme, aktueke Antwort auf die neue miktärische und poktische Situation des Großdeutschen Reiches zu finden. Eingewobene Dokumentarspielszenen, teüweise kompiliert aus Wochenschauen, -
11
12
«
Nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz aller Luftwaffensoldaten
gehörte
dem
fliegenden
Personal an. Die Kriegswirklichkeit sah den Angehörigen der Luftwaffe bei der Flak, im Luftnachrichtendienst und als miserabel ausgerüsteten Fußsoldaten bei den Luftwaffenfelddivisionen, vgl. Kroener, Die personellen Ressourcen des Dritten Reiches, S. 909; Stumpf, Luftwaffe als drittes Heer. Vgl. Schüler-Springorum, Vom Fliegen und Töten, S. 222; zu den historischen Wurzeln vgl. Schilling, Die Helden der Wehrmacht. Film-Kurier Nr. 136 (1942), S. 2.
Matthias
346
Rogg
sollten den Charakter des Authentischen noch verstärken. Geschickt konstruierte die Dramaturgie ein Pendant zum »Bktzkrieg«. Die Angriffsaktionen der Luftwaffe zeigen einen Soldatentyp, der expressis verbis dem Ideal des ehernen Kämpfers entsprach. Neben der heroischen Reportage14 und den WochenschauKompilationen15 waren es sogenannte »zeitnahe Filme« wie Karl Ritters Stukas, in denen sich das NS-System idealtypisch dargestellt glaubte und die so zur Foke für das weltanschauhche Selbstverständnis genutzt werden konnten. Diese Stereotypen des Helden und der Technikfaszination keßen sich ideal für die Wehrmobiksierung nutzen, wie Rolf Seubert (Universität-Gesamthochschule Siegen) in seinem Beitrag überzeugend unterstreicht. Geschickt nutzte die Propaganda das Bedürfnis junger Menschen nach Aktivität und dem Traum der Beherrschung moderner Technik. Im Film Wunder des Fliegens (1935) wird mit der dramaturgisch geschickten Einbindung der Kampffkegerlegende Ernst Udet der Jugend ein Fkegeridol präsentiert, das sowohl für die miktärischen Traditionen der Weltkriegsteilnehmer als auch für den »Geist der neuen Zeit« stand. Am Beispiel einer Segelfliegergruppe in einem HJ-Lager thematisiert Himmelhunde (1942) die Problemfelder Generationenwechsel, Befehl und Gehorsam und bietet als Lösung die Einordnung, Einsicht und das Vertrauen in die Kraft des neuen nationalsoziakstischen Menschen an. In Alfred Weidemanns Spielfilm Junge Adler (1944) wird der Prozeß der Selbsterziehung durch die Läuterung und Integration von Außenseitern vorgestekt. Schwer erziehbare Jugendliche erkennen ihre Mssion bei der Montage von Kriegsflugzeugen und werden als Lehrhnge schheßhch aktiver Teü des Rüstungsprogramms. Ganz im Sinne der NS-Propaganda keß sich so das Leitbild vom »Volk von morgen« vermitteln eine Stütze des Systems, die durch Sinnstiftung systematisch mobilisiert werden mußte, um sie letztkch zu mißbrauchen. Der Film bot sich dafür als idealer Transmissionsriemen an. Nicht minder ideologisch intendiert präsentieren sich zahlreiche Dokumentarfilme, ein Genre, dem sich Jan Kindler (Hochschule der Künste Berkn) eingehend widmet. Nach der offiziellen Aufstellung der Luftwaffe am 16. März 1935 bestand ein vehementer Propagandabedarf. Die Öffentkchkeit sollte rasch über Auftrag, Gkederung und Bewaffnung informiert und zudem für den Dienst in der jüngsten Teilstreitkraft gewonnen werden. Kindler deckt in seiner Darstellung auf, wie sehr sich die Propaganda verwandter Muster, ja mehr noch einer standardisierten Dramaturgie bediente und einen Mkrokosmos konstruierte, in dem es keine unlösbaren Probleme gibt und aües im Sinne der Führung funktioniert. Die Frage nach der Authentizität steht sich hier um so mehr, weh die filmischen Mttel Objektivität suggerieren. Im Film Fliegeroffiziere (1942) wird das Büd eines idealtypischen militärischen Soziotops vermittelt, in dessen Zentrum der Kompaniechef einer Luftwaffenstaffel steht, der sich als fürsorgkcher Vorgesetzter um alles kümmert und dessen Rolle vom unnahbaren Chef bis zum Ersatzvater reicht. Die Inszenierung der Soldatengemeinschaft als bündischer Ersatzfamihe und des Krie—
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14
15
Beispielhaft sie hier an Leni Riefenstahls Parteitagsfilm Triumph des Willens (1935) erinnert. Ebenso beispielhaft zu nennen etwa Sieg im Westen (1941).
Die Luftwaffe im
NS-Propagandafilm
347
ges, als heroischem Erlebnis soüten im Gewand des Kultur- und Dokumentarfilms ein mögkchst objektives Bild vom Alltag der Soldaten vermitteln und hatten doch mit der Wirkkchkeit der Wehrmacht wenig zu tun. In seiner Darstellung »Krieg und Kino« hat Paul Virilio das Dreiecksverhältnis von Luftfahrt, Filmtechnik und Krieg aus unterschiedkchen Bhckwinkeln und mit teilweise überraschenden Erkenntnissen aufgezeigt. Unter anderem stellte er fest, das Motto der Flugabwehr hätte auch das gleiche sein können wie das der Kameramänner: »Ce qui est éclairé est révélé« »Was beleuchtet ist, ist auch entdeckt16.« In diesem Sinne werfen die folgenden Beiträge von Rainer Rother, Rolf Seubert und Jan Kindler einen scharfen Lichtstrahl auf ein weithin noch dunkles Feld der Film- und Mhtärgeschichtsforschung. —
Literatur
Adler, Hermann, Wie werde ich Offizier der Luftwaffe?, 4. Aufl., Berhn 1943 Boog, Horst, Das Offizierkorps der Luftwaffe 1935-1945, in: Das deutsche Offizierkorps 1860-1960, hrsg. von Hans Hubert Hofmann, Boppard 1980, S. 269-325 (= Deutsche Führungsschichten der Neuzeit, 11) Corum, James S., Stärken und Schwächen der Luftwaffe. Führungsquahtäten und Führung im Zweiten Weltkrieg, in: Die Wehrmacht. Mythos und Reahtät, hrsg. von Rolf-Dieter Müker, Hans-Erich Volkmann, München 1999, S. 283-306 »D III 88«. Regie Hans Bertram, nicht veröffenthchtes Manuskript des Drehbuchs, Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf, Potsdam Deist, Wilhelm, Die Aufrüstung der Wehrmacht, in: Das Deutsche Reich und der
Weltkrieg, Bd 1, Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik, Stuttgart 1979, S. 473-475 Funke, Manfred, Hitler und die Wehrmacht. Eine Profilskizze ihrer Beziehungen, in: Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz, hrsg. von Wolfgang Mchalka, München 1989, S. 301-313 Gaertringen Hiller von, Friedrich Frhr., »Sie sollten jetzt schweigen Herr Präsident« Oberstleutnant d.R. Cäsar von Hofacker, in: Der 20. Juk 1944 in Paris. Verlauf Hauptbeteikgte Augenzeugen, hrsg. von Bengt von zur Mühlen Zweite
—
und Frank Bauer, Berkn 1995, S. 41-60 Kirste, Katja, Fkegen fürs Vaterland. Tod und Patriotismus in Fkegerfümen. Eine interkulturelle Perspektive, in: Geschichte(n). NS-Füm. NS-Spuren heute, hrsg. von Hans Kräh, Kiel 1999, S. 75-96 Köhler, Karl und Karl-Heinz Hummel, Die Organisation der Luftwaffe 1933-1939, in: Deutsche Mhtärgeschichte in sechs Bänden 1648-1939, Bd 4: Abschnitt VII, Wehrmacht und Nationalsoziaksmus, hrsg. vom Mhtärgeschichthchen Forschungsamt durch Friedrich Forstmeier, Wolfgang Groóte, —
16
Virilio, Krieg im Kino, S.
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26.
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Matthias
Rogg
Othmar Hackl, Hans Meier-Welcker und Manfred Messerschmidt, München 1983, S. 501-579 Krause, Erwin, Die jüngsten der Luftwaffe. Ein Buch von den FliegerTechnischen Vorschulen, Berkn 1939 Kroener, Bernhard R., Die personellen Ressourcen des Dritten Reiches im Spannungsfeld zwischen Wehrmacht, Bürokratie und Kriegswirtschaft 1939-1942, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, hrsg. vom Mhtärgeschichthchen Forschungsamt, Bd 5/1: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personellen Ressourcen: 1939-1941, Stuttgart 1988, S. 907 f. Loiperdinger, Martin und Klaus Schönekäs, Die große Liebe Propaganda im Unterhaltungsfilm, in: Büder schreiben Geschichte. Der Historiker im Kino, hrsg. von Rainer Rother, Berhn 1991, S. 143-153 Ritzel, Fred und Jens Thiele, Poktische Botschaft und Unterhaltung die Reaktät im NS-Film Die große Liebe (1942), in: Fischer Filmgeschichte, Bd 2: Der Film als gesellschaftliche Kraft 1925-1944, hrsg. von Werner Faulstich, Helmut Körte, Frankfurt a.M. 1991, S. 310-323 Schükng, René, Die Helden der Wehrmacht Konstruktion und Rezeption, in: Die Wehrmacht. Mythos und Reaktät, hrsg. von Rolf-Dieter Müller, HansErich Volkmann, München 1999, S. 550-572 Schüler-Springorum, Vom Fkegen und Töten. Militärische Männlichkeit in der deutschen Fhegerkteratur, 1914-1939, in: Heimat Front. Mktär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, hrsg. von Karen Hagemann, Stefanie Schüler-Springorum, Frankfurt a.M. 2002 (= Geschichte und Geschlechter, 35), S. 208-233 Stampf, Reinhard, Die Luftwaffe als drittes Heer. Die Luftwaffen-Erdkampfverbände und das Problem der Sonderheere 1933-1945, in: Soziale Bewegung und poktische Verfassung. Beiträge zur Geschichte der modernen Welt. Festschrift Werner Conze, Stuttgart 1976, S. 857-894 Virilio, Paulo, Krieg im Kino. Logistik der Wahrnehmung, Frankfurt a.M. 1994 —
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Rainer Rother
»Stukas«. Zeitnaher Film unter Kriegsbedingungen
(R: Karl Ritter, s/w, Deutschland 1941) ist kein guter Film. Und Karl Ritter ein mittelmäßig begabter Regisseur. So kann man, von einer vor allem ästhetischen Perspektive ausgehend, das heutige Urteil wohl zusammenfassen. Entsprechend haben weder der Film noch sein Regisseur tiefschürfende Analysen provoziert. Der Fkegerfilm, so viel sollte immerhin festgehalten werden, ist wie alle anderen Filme seines Regisseurs ein minutiös vorbereitetes Produkt, das im Storyboard schon detailliert entwickelt wurde, bevor die Dreharbeiten begannen1. Weder Fleiß noch Sorgfalt in der Vorbereitung sind Ritter abzusprechen, er war bestens präpariert, diesen Film zu drehen und hatte präzise Vorstellungen, was für einen Film er herstellen woüte. Stukas ist ein deuthch auf Propaganda ausgerichteter Kriegsfilm, auch deswegen mag es ungewöhnhch wirken, ihn unter formalen Gesichtspunkten zu betrachten. Daß in solcher Perspektive über nationalsoziakstische Füme Wissenswertes herauszufinden sei, scheint allzu unwahrscheinhch und eigenthch nur in den Fällen Leni Riefenstahl Stichwort: »heroische Reportage« und Veit Harlan Stichwort: »Melodram« einigermaßen lohnend. Doch Stukas repräsentiert auch eine bestimmte Form oder, zurückhaltender formukert, ein Stukas
war nur
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bestimmtes Markenzeichen des nationalsozialistischen Films besonders konsequent: den zeitnahen Film. In ihm läßt sich eine narrative Strategie zur Produktion als zeitnah angepriesener Füme erkennen, den neuen Bedingungen im Krieg angepaßt, zugleich in der Konsequenz von Bemühungen der Vorjahre hegend. Karl Ritter galt als der wichtigste Repräsentant, wenn nicht der Erfinder des Fümtyps und konnte zur Zeit der Dreharbeiten von Stukas bereits auf eine ganze Reihe eigener Produktionen verweisen, die diesem Typus entsprachen. Man kann ohne Übertreibung feststellen, daß die produktivste Phase des Regisseurs an den Zeitfilm gebunden war. Zwischen 1936 und 1943, als das Propagandaministerium ihm die weitere Tätigkeit als Regisseur untersagte, inszenierte er 17 Spielfilme und Das Notizbuch mit den Zeichnungen zu den Einstellungen befindet sich im Filmmuseum Berlin, Nachlaß Hagemann. Neben vielen Szenen, deren Umsetzung ins Bild detailliert nachvollziehbar ist, enthält dieses Arbeitsheft auch Storyboards zu einer Sequenz, die im Film nicht vorkommt. Die Szenen sind mit »Hotelzimmer« und »Traumtanz« bezeichnet. Wann diese vermutlich abgedrehten Szenen ausgeschieden wurden, ließ sich bisher nicht klären.
Rainer Rother
350
erwies sich als ein erstaunkch arbeitsfreudiger Spielleiter. Unter diesen Filmen fünf Stoffe, die als »heitere« Filme konzipiert waren, und ein Historienfilm mit offen anti-russischer Tendenz Kadetten, bereits 1939 fertiggestellt, aufgrund des deutsch-sowjetischen Paktes aber zeitweikg inopportun und erst zwei Jahre später uraufgeführt. Mt immerhin elf Filmen in acht Jahren war Ritters Beitrag zum zeitnahen Film schon quantitativ herausragend, seine Karriere und der Weg des neuen Filmtyps verhefen parallel. Er bereicherte ihn mit seiner Weltkriegstrilogie {Patrioten, Unternehmen Michael, beide 1937, und Urlaub auf Ehrenwort, 1938), mit dem vom »Zusammenbruch« über die »Systemzeit« bis zum »neuen Deutschland« führenden Querschnittsfilm Pour le Mérite (1938), der pro-francistischen Kompilation Im Kampf gegen den Weltfeind Deutsche Freiwillige in Spanien (1939), schheßhch mit seinen Fkeger- und Kriegsfilmen; diese umfassen das abgebrochene Projekt Legion Condor (1939), Über alles in der Welt (1941), Stukas und Besatzung Dora (1942/43). Komplettiert wird die Liste des Ritterschen Beitrags zum zeitnahen Film durch den antisowjetischen Streifen GPU (1941/42) all das waren im Sinne des Regimes durchaus lebensnahe Projekte. 1940, als über ihn eine Broschüre in der Reihe »Aktuelle Filmbücher« erschien, konnte Ritter daher auf einen Lebensweg zurückbkcken, der ihn zu einem der berühmtesten und bestbezahlten Regisseure des »Dritten Reiches« gemacht hatte. Zudem wurde er mit dem selten verkehenen Professorentitel geehrt. waren nur
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ist dabei zu bedenken, daß es nicht der Zufall war, der einen auf diesen Platz steUte. Nicht ein gutgelauntes Schicksal hat mich auf diesen Platz gespült, von dem aus es mir möglich wurde, mein weitgestecktes Ziel zu verfolgen, Pläne, wie z. B. die Idee des Zeitfilms, zu verwirkkchen2.«
»Allerdings
Damals hatte Karl Ritter tatsächlich fast ahes erreicht und Recht darin, dies nicht dem Schicksal allein zuzuschreiben, denn er verdankte seine Karriere in einem Maße wie nur wenige andere seiner Kollegen dem Nationalsoziaksmus3. Schon sein Eintritt als Produktionsleiter bei der Ufa war eine Reaktion auf den Machtantritt der NSDAP4. Aufgrund seines frühen Parteieintritts boten sich ihm später bessere Karrierebedingungen und neue Chancen. Ritter wußte diese Kontakte überzeugend zu nutzen namentkch für die Produktionsleitung bei Hitlerjunge Quex (R: Hans Steinhoff, s/w, Deutschland 1933) und den Regieauftrag für den Staatsauftragsfilm Verräter (s/w, Deutschland 1936) und stieg mit seinen nächsten, in rascher Folge erscheinenden Filmen in die erste Riege der Regisseure auf. Wenn er in der Rückschau des Jahres 1940 dabei den »Zeitfilm« als seine Idee —
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2
3
Ritter, Vom einzigen Sinn einer biographischen Aufzeichnung, o.S. Das bemerkte
möglicherweise nicht ganz ohne Hintersinn das Fachblatt »Film-Kurier« in der über die Verleihung des Professorentitels an Ritter: »Ohne den 30. Januar 1933 aber hätte Karl Ritter nie der werden können, der er heute ist, denn erst im Reiche des Führers konnten seine großen Filme Wirklichkeit werden.« Film-Kurier, 21.4.1939, Nr. 92. Der Artikel ist mit dem Kürzel »G. H.« gezeichnet, stammt daher vielleicht von Georg Herzberg. Gethmann, Das Narvik-Projekt, S. 260, weist darauf hin, daß Ritter nicht, wie von ihm immer behauptet, schon im Januar 1933 als Produktionsleiter der Ufa eingestellt wurde, sondern erst im Februar. Meldung
4
»Stukas« -
bezeichnet,
so
Zeitnaher Film unter Kriegsbedingungen
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belegen seine Werke, wie immens wichtig er für dessen Ausbildung
Anfang gewesen ist. Als Zeitfilm bezeichnete Ritter den eigentkch nationalsoziakstisch zu nennenden Film einen Typus, der nur unter den neuen Bedingungen mögkch geworden, von ihnen aber zugleich auch kategorisch gefordert sei. 1936, nach der Premiere von Verräter, begann er, diese Vorstellung in verschiedenen Vorträgen zu popularisieren. Von seinem Auftritt in der Lessing-Hochschule in Berhn im Dezember des Jahres berichteten diverse Filmzeitschriften ausführlich. In diesem Vortrag erklärte er ein Verhältnis von 1:5 des neuen Fümtyps zum bloßen Unterhaitungs film als obwohl heute vielleicht noch nicht zu erreichen. Das Verhältnis »wünschenswert, von 1:10 müsse aber erreicht werden. Dabei sei keine Ernüchterung des Kinobesuchers zu befürchten5.« Der angestrebte Film, für die neue Zeit angemessen und wünschbar, müsse von
an
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»in erster Linie nationalsozialistisch sein, von Nationalsozialisten (mit oder ohne Parteibuch) erdacht, gedichtet und gemacht werden. Er muß das heutige deutsche Gesicht haben, heroisch sein, wie das Schicksal der Zeit es vom Leben fordert, befreiend und erhebend, lebensbejahend und von einem daseinsgläubigen Humor erfüllt, ein Werk von innerkch jungen Menschen, mithelfend an der inneren Gestaltung des deutsche Menschen.«
Ritter, der dem damals gängigen Topos folgend diesen Fümtyp als Gegenentwurf
zum russischen Revolutionsfilm konzipierte, hat für den Zeitfilm das geleistet, was Leni Riefenstahl für die andere Vorzeigeform des nationalsozialistischen Films, die »heroische Reportage«, vollbracht hatte6. In Kurt Höllgers Broschüre wurde dem Kriegserlebnis Ritter war im Ersten Weltkrieg Pionier- und später Fkegeroffizier gewesen besondere Bedeutung in der Herausbildung der Konzeption zugesprochen7. Tatsächkch sahen zeitgenössische Besprechungen den so wünschenswerten Zeitfilm nicht zuletzt in Weltkriegsstoffen reaksiert. Seine eigentkche Geburtsstande datiert aber auf die während des Parteitages der NSDAP in Nürnberg am 9. September 1936 gefeierte Premiere von —
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5
Ms., Mehr Weltanschauung im Film. Karl Ritter sprach über »Zeitfilm Zeitgeschichte«, in: Berliner Börsen Zeitung, 13.12.1936. Ein entsprechender Bericht auch im Film-Kurier, 10.12.1936, Nr. 289 von Hans Schumacher, Karl Ritter. »Zeitfilm Zeitgeschichte«. Aufriß der großen deutschen -
6
Filmaufgabe.
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»Wie müssen heute mit anderen Vorzeichen solche Filme machen, wie sie mit Panzerkreuzer Potemkin und mit Sturm über Asien die Russen vor zehn Jahren machten.« Ebd. Zum Verweis auf den »Russenfilm« und den angestrebten »deutschen Potemkin« sowie die dokumentarischen Formen vgl. ausführlicher Rother, Was ist ein nationalsozialistischer Film?, S. 1103 -1115. »Aus diesem umfassenden Erleben des Krieges, das alles an Erschütterungen und durchlebten Einzelheiten in sich beschließt, nimmt der künstlerisch empfindende Mensch und Soldat Karl Ritter Eindrücke um Eindrücke in sich auf. Aus ihnen heraus wird fünfzehn Jahre später die Idee zum Zeitfilm geboren. Aus ihnen heraus schöpft er neunzehn Jahre später Gehalt und Gestalt für seine gewaltige Filmtrilogie Patrioten, Unternehmen Michael, Urlaub auf Ehrenwort.« Höllger, O.S. Als erstes Beispiel eines zeitnahen Films sei Hitlerjunge Quex anzusehen, bei dem Ritter als Produktionsleiter fungierte; der Beitrag sei von Regie und Produktion kaum zu trennen. »Entscheidend allein war es, daß die Idee zum Zeitfilm, die ihn schon zuvor beschäftigte, hier für ihn die erste Bestätigung fand.« Höllger, Karl Ritter, o.S.
Rainer Rother
352
Verräter, dem Prototyp der neuen Form8 ein Status, der durch einen Text Ewald Demandowskis, Filmkritiker des »Völkischen Beobachters«, quasi offiziell —
von
wurde:
»Gerade diese Gegenwartsnähe scheint mir besonderer Betrachtung wert. Gerade in der Presse sind immer wieder Rufe nach zeitnahen Themen laut geworden und die Industrie hat in diese Rufe mit emgestimrnt, nur mit dem Unterschied, daß sie gleichzeitig damit die Autoren mobil machen wollte. Der Widerhall war recht schwach. Die Praxis ergab, daß die Meinungen über Zeitnähe recht weit auseinandergingen, man half sich auf die Weise, indem man mit Themen aus der Vergangenheit, aus der Historie, Parallelen zur heutigen Zeit, zum Geschehen unserer Tage zog. Die Erfolge waren geteilter Natur. Man fühlte den Ersatz, den gut gemeinten, vielleicht auch gut gekonnten, aber kgend etwas fehlte, eine Substanz, die nicht aus dem Vorgestern geholt werden konnte. Diese Situation ist mit einem Schlag verändert, seitdem Verräter auf der Leinwand auftauchte9.« Gegenwartsnähe, laut Demandowski in Rezensionen von Verräter immer wieder
hervorgehoben, bheb dabei, nicht nur wegen der Erinnerung an die »Märtyrerfilme« des Jahres 1933, eine zweischneidige Quaktät. Ganz unabhängig von der Unmöghchkeit, die Reaktät der Diktatur auch nur annähernd wirkkchkeitsgetreu in Filmen zu fassen, bkeben auch die Aspekte, die im ideologischen Diskurs für Gegenwartsnähe einstanden, problematisch. Denn sie müßte doch
Filmen führen [...], in denen sich die Leute mit dem Deutschen Gruß begrüßen, in denen SA und SS als Elemente der Gesellschaft begegnen, in denen das nationalsozialistische Gespräch nicht ausgeschaltet werden kann: kurz also zu Filmen, wie sie 1933 in einigen Fassungen unzureichend versucht und schließlich wieder aufgegeben wurden. Die Exporteure könnten von ihrer Seite gegen diese Art von Filmen Einwände finden; sie könnten sagen, das Ausland empfinde solche deutsche Gegenwartsfilme, die das nationalsozialistische Deutschland auch im Äußeren spiegeln, nicht als nationalsozialistische Filme, sondern als Na^-Filme und versperrte ihnen den Weg zu sich10.« Der taktische Verweis auf Exportschwierigkeiten trifft ein tiefer gehendes Problem. Der Gegenwartsfilm stand nicht nur vor der Aufgabe, ein Deutschland vol»zu
ler NS-Uniformen und —Rituale wiederzugeben, 8
9 10
es
mußte sich auch
allgemein dem
Wer diesen Prototyp entscheidend geprägt hatte, war dabei anfangs umstritten. So reklamierte und erhielt Hans Weidemann den credit »Künstlerische ( )berleitung« (wie u. a. auch für Jugend der Welt, 1936). Leonhard Fürst wurde im Vorspann als alleiniger Drehbuchautor genannt. Aus Briefwechseln, die in der Personalakte von Hugo Correll im Ufa-Bestand erhalten sind, läßt sich entnehmen, daß das erste Drehbuch von Ritter und Richard Riedel zusammen mit Fürst eingehend überarbeitet wurde. Weidemanns Beitrag zum Film muß wohl als bescheiden gelten. Die Idee zu dem Film war von Anfang an propagandistisch inspiriert. Ritter schrieb am 1.10.1936 an Correll, der Gedanke sei von »Dr. Herzlieb und Dr. Wagner [ausgegangen]. Diese trugen ihren Vorschlag Herrn Admiral Canaris vor, dieser wiederum dem Herrn Reichskriegsminister. Nach erfolgte eine ZuRücksprache des Herrn Reichskriegsministers mit Herrn Minister Dr. Goebbels sammenkunft der Herrn Admirai Canaris mit Herrn Minister Dr. Goebbels. Hier erhielt der Gedanke eine feste Form, und erst jetzt schaltete Herr Dr. Goebbels Herrn Weidemann ein, der seinerseits den Dramaturgen der Fachschaft, Herrn Dr. Fürst, mit der Ausarbeitung des Drehbuchs Form«, S. 422-427. beauftragte.« Vgl. Rother, »Hier erhielt der Gedanke eine feste Ewald von Demandowski, Verräterin anderer Beleuchtung, in: Film-Kurier, 19.9.1936, Nr. 220. Spielhofer, Vom Kostümfilm zum Gegenwartsfilm, S. 109. Hervorhebung im Original.
»Stukas«
Zeitnaher Film
unter
Kriegsbedingungen
353
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Vergleich von Filmbild und Zuschauerrealität stellen. Das Propagandaministerium bevorzugte für den Spielfilm weitgehend Beispiele, die solche Kontrasterfahrung gar nicht erst nahe legten. Daher bkeb Verräter, ein Gegenwartsfilm ohne »den Geruch des Afa^'-Füms«11, Bezugspunkt und Vorbild in der Diskussion um den zeitnahen Film, in seiner Bedeutung dann abgelöst und übertroffen von Urlaub auf
Ehrenwort. Dem nationalsoziakstischen Film fehlte es aber nicht nur an Gegenwartsnähe, er beschwor auch formale Eigenarten, die dabei in standardisiert wirkenden Formukerungen beschworen wurden. Ein Drehbericht zu Unternehmen Michael meldete, es entstehe: »hier ein dokumentarischer Film über die gewaltige Frühjahrsoffensive des Jahres 1918«12. Das Dokumentarische wird auch an anderen Filmen Ritters später gelobt, vom »Querschnitt«, den die Filme geben, ist die Rede13, vom »reportagehaften Aufbau der Handlung«14. Wie ein Resümee über die Eigenart von Ritter-Filmen wirkt eine Besprechung zu Über alles in der Welt. »Man könnte den ganzen Film glückkch als eine in die Form des Spielfilms gebannte Reportage bezeichnen15.« Die Sätze der Rezensionen sind Formeln, der Verweis auf das seit Urlaub auf Ehrenwort »den man den Standardfilm des deutschen Soziaksmus nennen könnte«16 Erreichte ist sozusagen unabdingbarer Bestandteü des Schreibens über Ritter-Filme. Es behauptet als verwirklicht, was der nationalsozialistische Film nie erreicht hat, Reahsmus. »Echte Atmosphäre«, »unbedingte Wirkkchkeitstreue«17, »reakstisch hat die Regie diese Frontbilder gezeichnet«18, »die realistische, wunderbar lebensechte und natürliche Weise, die Karl Ritter allen seinen Werken angedeihen ließ«19. Diese Lobesworte verstehen die Aufgabe der Ritter-Filme, lebensnahe Filme zu schaffen, regelmäßig als gelöst. Das Konzept bkeb also diffus und zugleich umstritten. Daran änderte auch Goebbels 1938 vor der Reichsfilmkammer aufgestellte Forderung nach »lebensna—
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Ebd.: »Wir hatten das Ei des Kolumbus schon gefunden: der Film Verräter schilderte deutsche Gegenwart, jüngste deutsche Gegenwart. Er wurde ein Kunstwerk, er wurde eines der größten Geschäfte der letzten Saison und erfreute sich des Interesses im Ausland. Und bei allem, er versündigt sich nicht an dem Grundsatz, daß Nationalsozialismus keine Exportware ist!« Ein männlicher Film ohne falschen Zauber. Karl Ritter über Unternehmen Michael, in: Film-Kurier,
28.5.1937, Nr. 13
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17 18 19
121.
Einzel- und Massenschicksal im Film, in: Film-Kurier, 19.1.1938, Nr. 15; siehe auch Hermann Hacker, »Dies Drehbuch schrieb die Wirklichkeit ...!« Gespräch mit Karl Ritter über seinen neuen Film Über alles in der Welt, in: Film-Kurier, 18.6.1940, Nr. 149. Idee, Handlung und Gestaltung des Ufa-Films Pour le mérite, in: Film-Kurier, 10.6.1938, Nr. 133. Dr. Ludwig Gesek, Der Weltgeschichte auf den Fersen. Prof. Ritter über seinen neuen Ufa-Film Über alles in der Welt, in: Film-Kurier, 7.3.1941, Nr. 56. Maraun, Deutscher Sozialismus im Film, S. 209. S-k., Film braucht Gegenwartsnähe. Zur erfolgreichen Uemsr'fer-Premiere, in: Filmkurier, 16.9.1936, Nr. 217. Günther Schwark, Unternehmen Michael, in: Film-Kurier, 20.11.1937, Nr. 270. Hermann Hacker, Stukas. Karl Ritters neuer Ufa-Film, in: Film-Kurier, 21.11.1940, Nr. 274.
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Rainer Rother
her Kunst«2" nichts. Lebensnähe als Quahtät von Filmen, dagegen war innerhalb der Partei keine Opposition zu gewärtigen, doch wie sie auszufüllen sei und in welchem Umfang, bheb offen. Blut- und Bodenfilme galten der entsprechenden Fraktion sicher als »lebensnah«, es gab jedoch konkurrierende Forderungen nach einem »Arbeiterfilm« und Beispiele nicht nur formal interessanter Kulturfilme über Industrie und Handwerk. Nicht allein ideologische Rivalitäten verhinderten, daß dieses Konzept, ähnhch wie der »sozialistische Realismus«, als verbindkch verkündet wurde. Goebbels Rede vor der Reichsfümkammer 1938 belegt zwar, daß er mindestens kurzfristig die Tendenz zu mehr zeitnahen Filmen förderte, nach dem Kriegsausbruch forderte er sie sogar vehement. Doch das Ende der schnellen Kriegserfolge bewirkte die Rückkehr zur Dominanz des Unterhaltungsfilms, der »nicht merkkchen Tendenz«, anders gesagt: zu einem intakten Unterhaltungskino unter nationalsoziakstischen Bedingungen. Für Stukas jedoch bildet die nach dem 1. September 1939 verstärkte Propagierung von Filmen, die den Kriegsbedingungen angemessen sein sollen, den quasi theoretischen Hintergrund. Der Kriegsausbruch brachte eine deuthche Verschärfung des Tons, in dem zeitgemäße Filme gefordert und reine Unterhaltungsware verdammt wurde21. Es schien fast, als würden Argumente, die unmittelbar nach der Machtübernahme im Schwange waren, wieder aufgenommen. Diesmal divergierten die Zielvorstellungen jedoch nur gering, die Formulierung der Bedingungen eines neuen Films, denen Stukas wie wenige andere entsprachen, bezogen sich regelmäßig auf wenige Beispiele der Vorkriegszeit, auf solche eben, die als zeitnahe Filme galten. Innerhalb der Argumentationen spielte der Kontrast zwischen der Wochenschau als der eigentkch zeitgemäßen filmischen Form und dem Spielfilm, der überwiegend noch den Konventionen der Vorkriegszeit verhaftet gewesen sein soll, eine nicht zu unterschätzende Rolle, zumal auch von offizieller Seite, vom Reichs filmintendanten Fritz Flippier oder dem Propagandaminister selbst, ähnhche Argumentationen bemüht wurden. Als sich jedoch Goebbels in seiner Rede auf der Kriegstagung der Reichsfilmkammer am 15. Februar 1941 erneut auf das Vorbild der Wochenschau bezog, tat er es diesmal nicht ohne anzumerken, daß mittlerweile auch der Spielfilm den Anschluß gefunden habe22. Es hatte sich augenscheinlich in dieser kurzen Zeit etwas Entscheidendes getan. Während aber die von Goebbels bei den Produktionsfirmen angemahnten und bald auch reaksierten anti-engkschen und anti-semitischen Spielfilme auf eine Überformung von Genre20
21
22
So Reichsminister Dr. Joseph Goebbels auf der Kundgebung der Reichsfilmkammer am 4.3.1938 in der Krolloper in Berlin, vgl. Jahrbuch der Reichsfilmkammer 1938, S. 12. Gressieker, Die Parole des deutschen Films, S. 63, beschrieb vermeintlich seine Kinoerfahrung nach dem 1.9.1939 und befand, der Realitätsgerechtigkeit der Wochenschau kontrastiere die Leistung des folgenden Spielfilms aufs ungünstigste: »die geistig-seelische Orientierung ist uns völlig vernebelt worden durch den Flimmerzauber des Spielfilms. Der Kontrast zwischen der großen Wirklichkeit der Wochenschau und der gefälligen Scheinwelt der Happy-end-story ist umwerfend. [...] Dies F.xempel enthält eine Erfahrung: Lebensferne des Films. Und es enthält eine Forderung: Lebensnähe des Films.« Rede des Reichsministers Dr. Goebbels anläßlich der Knegstagung der Reichsfilmkammer am 15.2.1941, vgl. Film im Dritten Reich, S. 70-97.
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setzten, schlugen einige Kriegs filme einen anderen Weg ein. Sie schlössen sich an den zeitnahen Film der Vorkriegszeit an; wie diese verzichteten sie oft auf eine streng strukturierte Handlung, tendierten zu Gruppen statt Einzelfiguren, zum episodischen Erzählen und zum Querschnittsfilm. Man kann daher von zwei Arten des originär nationalsozialistischen Films sprechen von einem Typus, der von den Pubhzisten der Zeit als ausschkeßkch unter den Bedingungen des Nationalsoziaksmus mögkche Leistung und zugleich als sein adäquater Ausdruck definiert wurde. Der »filmische Film«, das andere Liebkngsprojekt dieser Autoren, bezog sich vor allem auf dokumentarische, der zeitnahe, ungekünstelte, quasi reakstische NS-Film auf fiktionale Formen. Das Ziel »Das neue Gesicht des deutschen Films« keß sich so beschreiben: mustern
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»dem Verzicht auf das filmische Experiment [entsprach] gleichzeitig eine konsequente Erhöhung des Durchschnittsniveaus. Ein manchmal sehr weitgehendes Sichbeschränken in den Mitteln des Filmischen wurde ausgeglichen durch die Allgemeinverständlichkeit und die zwingendere, klarere Logik [...]. Die psychologische Wirkung wurde wichtiger als die filmische. Der Inhalt bekam eine dominierende Stellung gegenüber den formalen Problemen23.« Das kann insgesamt als eine recht genaue Beschreibung der Eigenarten von Ritter-
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Filmen Die
gelten. kriegsgemäße
Variante des zeitnahen Film wurde aber nicht nur im Ver»filmischen« Dokumentarstil der heroischen Reportage, und damit in gleich gewisser Hinsicht als defizient, beschrieben. Sie kann auch als eine Form aufgefaßt werden, in der der nationalsoziakstische Spielfilm zu sich selbst kam. zum
sich eigentlich die Propagandamission des Nationalsozialismus. Er ist hinwollte und kann sein Freund-Feind-Denken beglaubigen und auslestößt zugleich an die Grenzen seiner Möglichkeiten24.«
»Im
Krieg erfüllt
nun
dort, wo
ben, aber er
er
Stukas repräsentiert diese Mögkchkeiten fast in Reinkultur. Er ist im nationalsoziahstischen Verständnis die vollendete Entsprechung der neuen Wirklichkeit des Krieges, und dies gilt nicht zuletzt für das »Bildnis des deutschen Soldaten im Film«, welches, wie Frank Maraun in seinem Aufsatz gleichen Titels feststellte, zunächst die Wochenschau präsentierte:
»Es sind Sinnbilder des Geistes, der die neue deutsche Wehrmacht beseelt. In ihrer kalten Entschlossenheit und gespannten SachHchkeit, in ihrer selbstsicheren Ruhe und sieggewohnten Überlegenheit werden sie zu sinnbildhaften Zeichen der ideellen Haltung und der rassischen Substanz, die der Wehrmacht den unwiderstehlichen Schwung ihrer Kampfkraft gegeben hat23.«
Verallgemeinernd argumentiert der selbe Artikel, und damit schon auf Stukas voraus
weisend:
»Kein anderes Darstellungsmittel als der Film kann eindrucksvoller Zeugnis ablegen von dieser untrennbaren Verschmelzung zwischen Mensch und Apparatur, die beide zu einer geschlossenen Einheit des Willens und der Aktion gemacht hat [sie!]. Man erlebt 23 24 25
Schüddekopf, Das neue Gesicht des deutschen Films, S. Prümm, Modellierung des Unmodellierbaren, S. 320. Maraun, Einst und jetzt, S. 224.
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hier, wie die Technik vom menschkchen Willen beseelt und gelenkt und wie umgekehrt
auch der Mensch von der technischen Präzision und SchneUigkeit miterfaßt und geformt wird. Man erlebt im filmischen Bildnis den deutschen Soldaten von heute als den kämpferischen Vertreter einer Idee, der es gelungen ist, die elementaren Kräfte der Technik einem moralischen Prinzip zu unterwerfen, und die deshalb dazu berufen erscheint, dem 20. Jahrhundert seine Gestalt zu geben26.«
Stukas erhielt die Prädikate »staatspoktisch wertvoll«, »künstlerisch wertvoll«, »volkstümkch wertvoü« und »jugendwert«. Obwohl er also die höchsten Prädikate »staatspoktisch besonders wertvoll« und »Film der Nation« verfehlte, »ein sichtbarer Aufschwung auch auf dem Gebiet des Spielfilms«, den Fritz Hippler Mtte 1941 konstatierte27, verband sich mit ihm und ähnhchen Filmen. Die ebenso sichtbaren Schwächen des Films haben vermutlich höhere Einstufungen verhindert, doch seine sehr spezifischen Quahtäten begründeten die verhehenen Prädikate vollauf. Das abschätzige Urteil über Stukas heute und seine damahge Einschätzung haben gewissermaßen die gleichen Gründe. Ritters Inszenierungen fehlt jede Eleganz; Leichtigkeit schlössen in seiner Sicht schon die ernsten Stoffe seiner mihtärischen Filme aus, doch auch bei seinen Ausflügen ins heitere Genre setzt er nicht gerade auf Sublimes. Der für Ritter so typische Humor, der von Beginn seiner Karriere an selbst zeitgenössischen Rezensenten »derb« anmutete28, bringt auch in die den Ruhepausen gewidmeten Sequenzen von Stukas immer wieder den zu lauten Ton hinein, der für diesen Regisseur charakteristisch war. Goebbels etwa, der in seinen Tagebüchern schwankende Urteile auch über Ritter festhält, notierte anläßkch von Bal paré (1940): »Ritter eignet sich nicht für feinpsychologische Zeichnung. Er ist mehr für die deftigen Dinge29.« Man kann darin eine schkchte Unfähigkeit erkennen, einen Mangel an künstlerischer Differenziertheit, der unter den Bedingungen des Nationalsoziaksmus und angesichts des Mangels an »könnenden Regisseuren«30 nicht stark auffiel. Unter heutiger Perspektive tritt dies um so stärker hervor, auch wenn man den gewandelten Zeitgeschmack mit in Rechnung steht. Doch daß das Unverblümte gewollt war, steht gleichwohl außer Frage. Ritter fand dafür das entsprechende Bild. »Der reine Unterhaltungsfilm gehört zur Etappe im heutigen Aufmarsch der weltanschaulichen Fronten. Der Zeitfilm ist der Stoßtrupp, der Panzerwagen an der Fronfi^.« Es geht bei diesem Regisseur um Eindeutigkeit, in Stukas ist schon durch die Figurenkonsteüation ein
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Ebd., S.
226.
Hippler, Der Film als geistige Waffe im Krieg, S. 213. Zu Weiberregiment, der ersten Regiearbeit, schrieb der »Film-Kurier«: »Karl Ritter nahm das Drehbuch in die Hand, setzte sich mit echt bayerischem Gleichmut über die logischen Eigentümlichkeiten hinweg und machte einen handfesten, derben und flotten Film daraus, den man von Anfang bis Schluß mit lachendem Gesicht anschaut, der erfreut und Spaß macht und der vergelt's
Gott, Karl Ritter sich so gar nicht um das kümmert, was man Ästhetik der Leinwand< nennen möchte.« Film-Kurier, 11.7.1936, Nr. 160. Die Tagebücher von Joseph Goebbels, S. 84. So schätzte Ernst Hugo Correll, Produktionschef der Ufa, die Lage nach der erzwungenen Emigration jüdischer Regisseure ein, vgl. Rother, Ein spezieller Fall, S. 2. So referiert die »Berliner Börsen Zeitung« vom 13.12.1936 aus Ritters Vortrag »Zeitfilm Zeitgeschichte«, den er in der Lessing-Hochschule gehalten hatte. Hervorhebung im Original. —
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Subtext, wie er bei melodramatischen Stoffen oft diagnostiziert wurde, fast ausge-
schlossen32. Die Filmerfahrung angesichts seiner Werke widerspricht jedenfalls dem Credo, mit dem Ritter seinen Vortrag in der Lessing-Hochschule beendete. Seine Ausführungen weisen hier große Ähnkchkeit zu entsprechenden Reden von Goebbels auf: »Ein Tendenzfilm ist dann gelungen, wenn der Zuschauer mit dem Gefühl das Kino er habe einen spannenden Unterhaltungsfilm gesehen. Nichts ist tödlicher für die propagandistische Wirkung als die trockene Belehrung und die Selbstentblößung der Absicht, die sie verfolgt.«
verläßt,
Über Ritters Absicht jedoch dürften die Zuschauer in den meisten seiner Filme
kaum im Zweifel gebkeben sein. Differenzierte Figuren, eine mit Überraschungen aufwartende Handlungsführung oder ambivalente Zeichnungen fehlen auch bei Stukas. Dieser Fhegerfüm beschränkt die Dramaturgie über weite Strecken auf die Abfolge von Kampfszenen und Kampfpausen, »die Auflockerung erfolgt durch Motive des Frontlebens selbst«33. Szenen auf dem Feldflughafen wechseln mit solchen in den Pilotenkapseln ab, so daß die Kriegserfahrung quasi zwischen einem Campingerlebnis und der Symbiose mit der Maschine schwankt. Ein Effekt der Erzählstruktar die auf dem Prinzip des »und dann« aufbaut34 ist, daß Stukas vor allem im ersten Teü zwar actionreich, aber zugleich seltsam spannungsarm ausfällt. Allein die Flugzum das Teü durch dokumentarische Aufnahmen gewonnene Spektakuläre szenen, der Kämpfe entschädigt für ansonsten fehlende Dramatik. Diese stellt sich vor allem deswegen nicht ein, weil die Ruhepausen in unvermeidlicher Weise unterbrochen werden durch den nächsten Einsatz, in dem dann nichts anderes geschieht als Altbekanntes. Selbst der Tod bedeutet in diesem Kriegsfilm keine Wendung, er geschieht außerhalb des Bildes, von ihm wird nur im Dialog berichtet. Indem die Figuren so entweder »da« oder »gefallen« sind, entsteht keine an sie gebundene Erzählkontinuität, »absichtkeh wurde verzichtet auf eine durchgehende dramatische Handlung im althergebrachten Sinne«35. Ein Grund für die mangelhaft scheinende Handlungsführung hegt dabei im Bestreben, möglichst viele Anwendungsformen des Sturzkampfbombers JU 87 vorzuführen: Angriffe auf gegnerische Forts, Infanterie, Brücken, Panzer, Schiffe ergeben eine Reihung, die sich wie ein Katalog von Einsatzmöghchkeiten liest36. Aus einem ganz ähnhehen Grund gewinnen die Darsteller keine Kontur. Sie bleiben, ausgestattet mit einigen leicht unterscheidbaren Eigenarten, so vollständig auf Typen von Piloten bzw. des Bodenpersonals festgelegt, daß sie außerhalb der -
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32
ist das Männcrbündlerische des films nicht frei von homoerotischen Tönen; die Bedes Oberarztes, seine intensive Beziehung zum Staffelchef Bork sind hier die auffälligsten Momente. Gerhard Stark, Stukas, in: DAZ, 28.6.1941. Frühere Szenen sind nicht der Keim für spätere, sondern von gleicher Art und nur durch die Stellung in der Chronologie geschieden. Gerhard Stark, Stukas, in: DAZ, 28.6.1941. Zu den Einsatzmöglichkeiten der Stukas, die sie bei Erscheinen des Films bereits zu einer minder wichtigen Waffe reduzierten, siehe Gethmann, Das Narvik-Projekt, S. 138- 140.
Allerdings sorgtheit
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Einsatzsituation kaum vorsteübar scheinen. Hinter den narrativen Schwachstellen die vor allem im Vergleich mit den damakgen Standards auffallen steht dabei ein Konzept, das gegenüber dem »herkömmlichen Spielfilm« expkzit abgesetzt war. Stukas sollte, wie ein Bericht im Vorfeld der Uraufführung ausführte, »wieder ein Film der Männer und ganzen Kerle werden«37, zugleich auch ein weiteres von Ritters packenden »Zeitdokumenten«. Es handelt sich nicht nur um das Hochloben eines mittelmäßigen Films, sondern um eine Beschreibung tatsächhch auffälkger Eigenarten. Denn Ritter läßt aus der Reihung der Szenen zwei Stränge hervortreten, die Figuren in Konfliktsituationen zeigen. Hier drängt alles auf eine Entscheidung hin, ist mindestens im Kern eine Erzählsituation gegeben, die über die Alternation hinaus strebt, doch auch sie wird in der Perspektive des Querschnitts films aufgefaßt und nicht zu einer im eigentlichen Sinn spannenden Handlung geschürzt38. Die Episode um den fast unter Kurbedingungen im Lazarett hegenden Oberleutnant Wilde (Hannes Stelzer), dessen Melanchoke, Spätfolge der physischen Verletzungen nach einer Bruchlandung, erst durch den Besuch bei den Kriegsfestspielen in Bayreuth geheilt wird, zog sich sogar unter den Bedingungen der längst abgeschafften Fümkritik im NS-Staat eine entsprechende Bemerkung zu: —
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»Im Drehbuch nicht ganz geklärt ist die Wendung, daß dieser Offizier erst des Erlebnisses einer Bayreuther Aufführung bedarf, um nach einer Verwundung mit altem Temperament zu
seinen Kameraden zurückzukehren39.«
Was dramaturgisch nicht recht befriedigte, kann einerseits durch bildliche Mögkchkeiten des Schauplatzes erklärt werden. Ritter nahm die Gelegenheit war, Rekonvaleszenten in Uniform, die in großer Zahl den Festspielen beiwohnen konnten, mit dokumentarischem Material in seinem Film auftreten zu lassen. Zudem lag Bayreuth aber auch aus anderen Gründen nahe, denn Ritter war über seine Frau mit der Wagner-Famike verwandt und dort oft zu Gast gewesen. Die zweite und etwas ausführlichere Handlung zeigt drei deutsche Fkeger den verwundeten Adjutanten Hesse (Albert Hehn), den Bordfunker (Georg Thomaha) und den meist unglücklich agierenden Oberleutnant von Bomberg (Ernst von Kkpstein) —, die sich hinter den feindhchen Linien durchzuschlagen versuchen. Die Story wartet mit Elementen auf, die zu Verwicklungen Gelegenheit gäben: dem Versuch, sich Essen zu besorgen; der Entdeckung durch eine junge Französin; der schkeßkch unvermeidkchen Gefangennahme. Doch bleibt dies mechanische, auf den Schlußpunkt zustrebende Abfolge, bis Bomberg schkeßkch eine ganze französische Einheit zur Kapitulation überreden kann*1. Wie sich zuvor die —
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Hermann Hacker, Stukas. Karl Ritters neuer Ufa-Film, in: Film-Kurier, 21.11.1940, Nr. 274. Das blieb auch der zeitgenössischen Kritik nicht verborgen. »Der Film verzichte auf jede Art einer romantischen oder abenteuerlichen Spielhandlung. Dieser Film entbehrt jeder Schürzung eines dramatischen Knotens.« S. Pfankuck, Die Stukas! Die Stukas kommen!, in: Film-Kurier, 19.6.1941, Nr. 141. Das galt selbstverständlich nicht als Einwand gegen den Film, sondern als eine Beschreibung seiner Besonderheit und formalen Neuheit. Georg Herzberg, Stukas, in: Film-Kurier, 28.6.1941. Courtade, Pierre Cadars, S. 212, finden insbesondere diese Szenen, wohl nicht überraschend, unerfreulich: »Même si la réalité n'a pas été tellement différente, force est de constater le ravisse-
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Szenen immer wieder mit den nächsten Kampfeinsätzen abwechseln, so werden hier mögkche Konflikte durch die nächste Situation einfach ersetzt, bis die arg mitgenommene Dreiergruppe zum triumphalen Sieger geworden ist. Einmal mehr begnügt sich die Handlung um die Figur von Bomberg mit einer bloß exekutierten Idee zur Veranschaukchung der Überlegenheit der deutschen Seite in diesem Bhtzkrieg. Von einer mit Bkck auf den Spannungsaufbau vorgenommenen Inszenierung kann nicht gesprochen werden. Stukas läßt sich wie gesagt als ein Film voller Mängel beschreiben; Karsten Wittes Bemerkung, daß Ritter »am laufenden Band schlechte Actionfilme« drehte und »hochbudgetierte Kampfmaschinen« verantwortete41, ist durchaus beizupflichten. Allerdings sollte nicht übersehen werden, daß die Beschreibung der Defizite von Stukas in gewisser Hinsicht offene Türen einrennt. Der Film sollte so werden, wie er geworden ist und bestimmte Elemente seiner Form sind von der Kriegssituation mindestens mitbestimmt. Offensichthch ist das »offene Ende« mit dem Ausblick auf den nächsten Feldzug, diesmal gegen England, das auch in anderen Kriegsfilmen der Zeit seine Parallele findet, aus der Kriegslage selbst heraus motiviert. Das offene Ende das etwas ganz anderes ist als der Abschluß eines Films, an dem mehr oder weniger starke Kämpfe zu Ende gegangen waren, geführt mit oder ohne Erfolg, zu großen oder größten Kosten entspricht der episodischen Erzählweise. Mit ihr fiel Stukas tatsächkch »nicht-konventionell«, verstanden als »von der großen Mehrheit zeitgleicher Filme abweichend«, aus. Auf ihn trifft eher zu, was in Besprechungen vergleichbarer Produktionen gelobt wurde: Der Film sei »fern von jedem schmückenden Beiwerk«42 und weise »keine in sich nach Ort und Zeit abgeschlossene Filmhandlung im übkchen Sinne« auf43. Ritter berücksichtigte in seinen staatspohtischen Filmen Unterhaltungsbedürfnisse kaum, insofern könnte man sagen, er konzipierte sie in gewisser rlinsicht, ohne an das Pubkkum zu denken, oder genauer: Er dachte sich sein Pubkkum als zusammengesetzt aus lauter Nationalsoziaksten44, und so wollte er es weniger verführen als beeindrukken, nicht überzeugen, sondern bestätigen. Seine Version des Zeitfilms führte ihn tendenziell vom klassischen Erzählkino weg. Er pflegte eine episodische Bauweise aber gewiß nicht, weü ihm jede Episode gleich viel galt und er darin Alltägliches
ruhigen
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ment
lassA« 41 42
43 44
sadique de l'auteur. L'expression
favorite de l'escadrille définit
son
film à merveille:
dégueu-
Witte, Film in Nationalsozialismus, S. 160, 162. Ein männlicher Film ohne falschen Zauber, in: Film-Kurier, 28.5.1937, Nr. 121. Idee, Handlung und Gestaltung des Ufa-Films Pour le mérite, in: Film-Kurier, 10.6.1938, Nr. 133. »>Wir wollenin unseren Filmtheatern nichts anderes sitzen sehen als überzeugte Nationalsozialisten, wir wollen, daß unten lauter Menschen sitzen, die glücklich sind, in dieser Zeit zu leben. Der Weg des deutschen Films wird kompromißlos dahin führen müssen, daß jeder Film im Dienste der Gemeinschaft, der Nation und unseres Führers stehen muß!jungen Adler« bedanken sich bei der Betriebsgemeinschaft mit einem Lied: Junge Adler Nach ihrer normalen täghchen Arbeit schleichen die Lehrhnge zur nächthchen Sonderschicht ins Werk. Diese Leistung schweißt sie zusammen und bindet auch den Außenseiter Theo ein, ja er ist sogar einer der »Wildesten« bei der Arbeit. Die Werkmeister sind stolz auf »ihre Jungen«. Theo ist jetzt wie verwandelt. Er gesteht seinem Freund Otto (Manfred Schrott) sogar seine Dummheit. Und sofort tritt die Lehrlingsgemeinschaft in Aktion: Es wird zusammengelegt, die Schuld wird beglichen. Inzwischen hat jedoch der Gastwirt den Abater informiert. Und so kommt es während der Siegesfeier für die aufgeholten Produktionsziffern zum dramatischen Höhepunkt. Der von der moralischen Verworfenheit seines Sohnes tief enttäuschte Abater entläßt ihn. ATerzweifelt klettert Theo unter das Dach der Flugzeughalle, wohl in der Absicht sich hinabzustürzen. Und wieder bewährt sich die Lehrlingskameradschaft. Theo wird heruntergeholt, der Vater vom grundlegenden Wandel seines Sohns überzeugt. Das glückliche Ende wird mit einem großen Konzert der Betriebsgemeinschaft gefeiert, das mit einer flotten Neukomposition eines Alarschs durch einen Chor der Lehrlinge beendet wird. Im letzten Bild marschiert die geschlossene Formation singend an den aufgereihten Bombern vorbei. Junge Adler war ein Durchhaltefilm nach dem Geschmack der NS-Führung. Nahezu die gesamte Reichsjugendführung erschien zusammen mit Diplomaten und den Spitzen der Wehrmacht zur Berkner Uraufführung. Er wurde eingeleitet durch die
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Rolf Seubert
7. Filmschau Junges Europa51. Sie zeigt Jugendhche im Einsatz gegen den »alliierten Bombenterror« und mehr noch am Arbeitsplatz unter dem Kommentar: »So sind Millionen junger Hände am Werk, um die Worte des Führers einzulösen: Er-
härtet am Arbeitsplatz das Treuebekenntnis zu unseren Soldaten. Den Kampf an der Front führen die Tapfersten, der Kampf im Beruf soll uns die Tüchtigsten sichtbar machen.«
Die Vorschau ist thematische Dublette des Füms. Im 5. Kriegsjahr steht Junge Adler zwar im Kontext der Fkegerfüme. Aber schon der Titel führt in die Irre, denn Flugzeuge in der Luft gibt es kaum zu sehen. Längst geht es nicht mehr um Püotenausbüdung. Aus den flugbegeisterten »jungen Adlern« der Fheger-HJ der dreißiger Jahre sind nun die in Tag- und Nachtarbeit schuftenden Flugzeugbauerlehrhnge geworden, die die »Bruchlandung« des Dritten Reichs verhindern soken. Jetzt, wo es in den Endkampf geht, müssen die jungen »Soldaten der Arbeit« in die Produktionsschlacht gelenkt werden. Einer der Lehrlinge darf zwar zum Ansporn einmal in die Luft abheben, um sich angesichts der ungehindert ins Reich einfliegenden alkierten Bomberverbände sagen zu lassen, Fkegen sei »ein Stück Rekgion«. Die Wkkkchkeit aber ist profanerer Natur. Der alkierten Luftüberlegenheit kann durch noch so hohe Leistungsbereitschaft und gesteigerten Einsatzwülen nichts mehr entgegengesetzt werden. Die fröhliche Lehrhngskameradschaft im Film erweist sich im AUtag des Jahres 1944 als plumpes IUusionsprodukt. Die Propaganda einer generationsübergreifenden, von einheitlichem Willen beseelten A^olksgemeinschaft wkd von der rauhen Wkkkchkeit des sich abzeichnenden Zusammenbruchs eingeholt. Resümee
Durchgängiges Thema der auf die Jugend als Zielgruppe produzierten Filme zwischen 1933 und 1944 ist die Dauermobilisierung für die politischen Ziele des Na-
tionalsozialismus. Der forciert betriebene Aufbau der Wehrmacht begann unmittelbar nach Hitlers Alachtergreifüng. Der Rückstand, den die Luftwaffe aufzuholen hatte, war besonders groß, da der Versaüler A^ertrag jegkche Miktärfkegerei verboten hatte. Ihr Aufbau fand unter strenger Geheimhaltung und unter dem zivüen Deckmantel des Reichsluftfahrtrriinisteriums statt. Zwar hatte sich die zivüe Luftfahrt nach dem Weltkrieg auch in Deutschland rasch weiterentwickelt, war das Flugzeug hier wie in allen hochzivilisierten Ländern zum wichtigsten Symbol technischen Fortschritts geworden. In den zwanziger Jahren waren es vor allem ehemahge Kampfflieger, die sich nun als Flugartisten durchschlagen mußten. Akt ihren Kunststücken waren sie Liebknge der Massen und Leitbüder für Modernität und Abenteurertum. AUerdings fehlten auf Grund des Versaüler A^ertrags für die technische Entwicklung des militä37
Die Filmschau Junges Europa stammt ebenfalls von Alfred Weidenmann. Sie wurde seit 1942 in insgesamt acht Folgen nach Art der Wochenschau gedreht.
Technikfaszination und
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tischen Flugzeugbaus eine Luftwaffe und die dazu erforderhche Industrie. Mehr noch: Gerade weü die Fkegerei im Zeitgeist hoch bedeutsam war, empfanden müitärisch-konservative Kreise das ATerbot als »nationale Schmach«. Dies sollte sich nach 1933 rasch ändern. AUerdings fehlte es für den Neuaufbau neben technischer Infrastruktur und fachkundigem Personal vor allem an Püoten. Daher gewann die Nachwuchsfrage eine besondere Bedeutung. Da der A^ersaüler \rertrag Alilitärschulen verbot, war es seit den zwanziger Jahren die Aufgabe der Luftsportvereine, die Flugbegeisterung der Jugend aktiv zu unterstützen. Dies geschah vor allem durch Segelfhegerkurse. Nach 1933 nahmen diese rasch vormilitärischen Charakter an, gefördert von Reichsluftfahrtminister Göring. Aber auch Reichserziehungsminister Rust unterstützte diese Entwicklung mit einem ersten Erlaß zur Förderung der Luftfahrt vom 17. November 1934:
»Segelflugsport ist eine Schule für die StäHung des Wikens, Bildung der Persönkchkeit und Erprobung des Charakters. Wer fliegen will, muß den Körper geschmeidig, zäh und kräftig behalten, muß an straffe Zucht, an Anstrengung und rasches Zugreifen gewöhnt werden. [...] So verbindet der Segelflugsport in harmonischer Form körperliche Ertüchtigung, wissenschaftliche Ausbildung und charakterliche Durchbüdung des jungen Menschen. Er birgt auch hohe Werte zur Schaffung einer wahren Volksgemeinschaft38.« Diese Leitsätze bestimmten in der Folge die NS-Jugendfümproduktion. Ihre geschönten Büder entsprachen partieüer Wkkkchkeit. Der finale Zweck bkeb hinter inszenierter Begeisterung verborgen. * * *
Rolf Seubert, Dr.
phil, geb. 1941, Akademischer hungswissenschaft der Universität Siegen E-Maü:
Oberrat im Fachbereich Erzie-
[email protected]
Literatur
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Filmographie HDLMELHUNDE
1941/42, s/w Roger von Norman Philipp L. Mayring,
Deutschland R: B:
nach einer Idee von Hanns Fischer-Gerold und Herbert Heise K: Herbert Körner BA: Hermann Asmus Werner Bochmann M: P: Terra L: 2076 Aleter UA: Stuttgart, 20.6.1942 D: Malte Jaeger, Walter Leitgeb, Josef Kamper, Lutz Götz, Claus Pohl, Albert Florath, Toni von Bukovicz, Eric Schumann, Volkmar Geiszer, Horst Neutze, Hermann Oswald Peck Prädikat: ohne; nach 1945 durch die Miktärregierung verboten und von der FSK bis heute nicht freigegeben.
JUNGE ADLER
Deutschland 1943/1944, s/w R: Alfred Weidenmann B: Herbert Reinecker, Alfred Weidenmann K: Klaus von Rautenfeld BA: Wilhelm Arorweg, Rudolf Linnekogel M: P: L:
UA: D:
Hans Otto
Ufa
Borgmann
2943 Aleter Berkn, 24.5.1944 Wüly Fritsch, Herbert Hübner, Gerda Dannemann, Paul Henckels, Aribert
Böttcher, Albert Florath, Karl Wäscher, Josef Sieber, Fritz
Rolf Seubert
400
Hoopts,
Dietmar
Prädikat:
Schönherr, Manfred Schrott, Gunnar Möller,
Krüger, Robert Fühpowitz staatspolitisch wertvoü, künstlerisch wertvoü, jugendwert; nach 1945 durch die Mlitärregierung verboten. Aron der FSK freigegeben für Jugendhche ab 18 Jahren. Eberhard
SOLDATEN VON MORGEN
Deutschland 1942, s/w R: Alfred Weidenmann Alfred Weidenmann B: Emil Schünemann K: M: D: P:
Z:
Prädikat:
Horst Hanns Sieber
Schüler der Adolf-Hitler-Schule Sonthofen Deutsche Filmhersteüungs- und A^erwertangsgeseUschaft Film der
Reichsjugendführung 3.7.1942,490 m,
jugendfrei, staatspoktisch
und künsderisch
wertvoü, volksbüdend,
Lehrfilm
WUNDER DES FLIEGENS
Deutschland 1935, s/w R: Heinz Paul Peter Francke, Heinz Paul B: K: Hans Schneeberger, H. vonjaworsky Robert Dietrich BA: M: Guiseppe Becce P: Terra L: 2153 Meter UA: München, 14.5.1935 D: Ernst Udet, Käthe Haak, Jürgen Ohlsen Prädikat: staatspolitisch wertvoü, volksbüdend. Nach 1945 durch die Militärregierung verboten; durch die FSK freigegeben 16 Jahren.
Jan Kindler »Wo wir
Zur
sind, da ist immer oben«1.
Inszenierung der Luftwaffe im NS-Kulturfilm
Neben Wochenschau und langem Spielfilm bildeten überwiegend dokumentarische Kurzfilme bis Ende der fünfziger Jahre einen festen Bestandteü des deutschen Kinoprogramms. Seit Ende des Ersten Weltkrieges hatte sich für diesen Teü des Beiprogramms der Begriff »Kulturfilm« etabhert. Im Kontext des Sektionsschwerpunktes »Luftwaffe« soh nun geklärt werden, welche Spuren dieser Wehrmachtteü im Beiprogrammfilm des Dritten Reiches hinterlassen hat. Angestrebt ist also die Analyse einer bestimmten Gattung des militärischen NS-Kulturfilrns. Hierbei ergibt sich zunächst ein methodisches Problem: Kulturfilme weisen neben spielfilmhaften Rahmenhandlungen häufig nachinszenierte Teüe auf, die sich jedoch als authentisch ausgeben. Dies gilt in besonderem Maße für Kulturfilme zu miktärischen Themen, da Originalaufnahmen von Kampfhandlungen schon damals Personal und Technik akuter Gefahren aussetzten und zudem durch militärische Geheimhaltungsinteressen massiv erschwert wurden. Dem heutigen Betrachter fällt eine Identifizierung solcher »Fakes« häufig nicht leicht. Ein analytisches Dilemma, das auch durch genaueste Berücksichtigung von Produktions- und Rezeptionskontext nicht immer gelöst werden kann. Doch bei aüer gebotenen medienkritischen Hinterfragung des Authentizitätsgrades einzelner Sequenzen gut es für eine Analyse auch der filmsprachhchen Mttel, die Füme wieder in ihrer Gesamtheit zu betrachten und als das zu nehmen, was sie sind: komplexe Mschformen fiktionaler und nicht-fiktionaler Elemente. Denn im Gegensatz zu unserem heute stark ausgeprägten Mißtrauen gegenüber jeder Form medialer Reaktätsabbüdung war beim Pubkkum von 1933 der Glaube an die Faktizität des filmischen Bildes noch beinahe ungebrochen. Vor diesem Hintergrund mußte der Kulturfilm, in dem die Verquickung von dokumentarischen und fiktionalen Elementen bereits 1933 ein etabkertes Gestaltungsprinzip darstellte, vielen Nationalsoziaksten als ein ideales Instrument filmischer Propaganda erscheinen. Kurze Produktionszeiten, vergleichsweise niedrige 1
Textzeile aus dem Lied der Legion Condor. Der Reim lautet komplett: »Wir pfeifen auf unten und oben / Und uns kann die ganze Welt / Verfluchen oder auch loben / Grad wie es ihm gefällt. / Wo wir sind, da ist immer oben.« Veröffentlicht in: Flieger sind Sieger, S. 11.
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Jan Kindler
Flerstellungskosten und eine durch festen Einsatz mit einem Spielfilm garantierte, beträchtliche Reichweite machten den Kulturfilm insbesondere für kurzfristige Agitationsabsichten einzelner Organisationen oder Ämter attraktiv. Bis Kriegsbeginn entstand so zu beinahe jeder staatlichen oder halbstaatlichen Organisation mindestens ein Kukurfilrn, der die vermeintlichen Errungenschaften von Einrichtungen wie »Hiderjugend«, »Bund deutscher Mädel« oder »Kraft durch Freude« filmisch glorifizieren sohte. Die gegenüber den eher subtilen Strategien der Spielfilme meist beträchthche propagandistische Vehemenz solcher »staatspohtischen« NS-Kulturfilme hat jedoch lange den Bhck auf Detaüs ihrer Inszenierung und Dramaturgie verstellt. Insbesondere Kulturfilme zur Wehrmacht mit dem allzu offenkundigen Befund militaristischer Propaganda bheben einer fundierten analytischen Betrachtung bislang vorenthalten. Dabei stehen die Chancen für kontextorientierte historische Filmanalysen in diesem Bereich besonders gut, kann doch der hierfür zentrale Kontext einer wechselnden Strategien folgenden staatkch-miktänschen Wehrpropaganda als weitgehend aufgearbeitet gelten. Die sozialhistorisch orientierte deutsche Militärgeschichte hat die grundsätzkche Bedeutung staatlich gelenkter Propaganda im Rahmen der nationalsoziakstischen Kriegsvorbereitang und -durchführung bereits früh erkannt. Zur Rolle des Films wurde jedoch bislang nur allgemein festgesteüt, »die seit 1934 anlaufenden Wehrrnachtsfilrne« seien »ganz auf Sympathiewerbung für das Militär abgestimmt« gewesen2. Der folgende Beitrag möchte zu einer Differenzierung dieses Befundes für den Bereich des Luftwaffen-Kulturfilms beitragen. Grundlage der Untersuchung soll die Auseinandersetzung mit dem überkeferten Filmmaterial sein; Quellen (auch militärischer Provenienz) zur Produktions- und Aufführungsgeschichte werden ergänzend herangezogen3. Die separate Betrachtung eines einzelnen Wehrmachtteüs erscheint dabei aus zwei Gründen sinnvoh: Zunächst stand bereits 1933 jede Visuaksierung militärischer Themen in lange zurückreichenden piktoralen, filmischen und auch literarischen Traditionen, die sich innerhalb der drei Hauptbereiche militärischer Macht (Heer/Landkrieg, Marine/Seekrieg, Luftwaffe/Luftkrieg) sehr unterschiedlich entwickelt hatten und dies auch weiterhin taten. Insbesondere Mögkchkeiten und Einschränkungen filmischer Gestaltung unterscheiden sich bis heute zum Teü deutlich; fast jede Waffengattung hat ihre eigenen »filmischen Momente«. Eine Analyse, die sich auch mit ästhetischen Fragen auseinandersetzen wül, muß hierauf Rücksicht nehmen. Zum zweiten war ein wichtiger Bereich der Produktionsseite, nämlich die miütärinterne Fümproduktion, innerhalb der drei Wehrmachtteüe weitgehend auto2 3
[u.a.], Ursachen und Voraussetzungen des Zweiten Weltkrieges, S. 150. Rezeptionsdokumente liegen nur in Ausnahmefällen vor. Zur Gesamtproblematik einer Rezeptionsforschung zum NS-Film, die auf zeitgenössische Erhebungen durch Staat und Partei mit stark eingeschränktem Aussagewert zurückgreifen muß, siehe Stahr, Volksgemeinschaft vor der LeinDeist
wand.
»Wo wk
Die Luftwaffe im NS-Kulturfilrn
sind, da ist immer oben«
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organisiert. Bis 1943 entstammen sämtliche wehrmachtintern hergestellten miktärischen Kulturfilme separaten Filmstehen von Heer, Marine oder Luftwaffe. Die Hauptfilmstelle des Reichsluftfahrtministeriums, gegründet 1935, verteidigte mit Hufe des Einflusses von Göring ihre Selbständigkeit am erfolgreichsten und behielt sogar bis Kriegsende eine eigene Fümproduktion4. In ihren Inszenierungen militärischer Milieus repräsentieren wehrmachtintern hergestehte Füme damit eher die ausgeprägten und eifersüchtig gewahrten Identitäten einzelner TeüStreitkräfte als das homogene Selbstbild einer Gesamt-Wehrmacht, das bis 1945 kaum ausgeprägt war5. Aufgrund der großen Zahl der zum Thema Luftfahrt und Fhegen in der NSZeit entstandenen dokumentarischen Kurzfilme muß der Filmkorpus jedoch auf Kulturfilme zum miktärischen Kern des Themas beschränkt werden. Auf Filme also, die in der Hauptsache die militärische Luftfahrt behandeln, deren Länge dem damals gängigsten Kulturfilmformat von 10-20 Mnuten entspricht und die zur öffenthchen oder zumindest teüöffentlichen Vorführung zugelassen waren6. Ausgeklammert bleiben unzensierte Filme7 und abweichende Formate wie etwa dokumentarische Langfilme8, das an die Wochenschau angelehnte Reportagenom
Die Filmstellen der einzelnen Wehrmachtteile stellten zwar hauptsächlich militärische Ausbildungsfilme für den internen dienstlichen Unterricht her, einzelne Filme allerdings fanden, zum Teil in veränderten Fassungen, den Weg in die öffentlichen Kinos. Auf die mindestens drei öffentlich aufgeführten Produktionen der Luftwaffen-Filmstelle (Flieger-Offiziere, 1942; Fernbomber über dem Atlantik, 1942; und Einsatz, 1942/43) wird im Verlauf des Textes eingegangen. Für nähere Angaben siehe Filmographie. Für den Bereich der Marine-Kulturfilme im Nationalsozialismus ist im Rahmen des DFGForschungsprojektes »Geschichte und Ästhetik des dokumentarischen Films in Deutschland bis 1945« eine separate Untersuchung des Autors in Arbeit. Zur Erteilung einer Aufführungszulassung durchliefen die Filme eine staatlich kontrollierte Filmzensur. Manche Filme wurden nur für teilöffentliche Vorführungen zugelassen, wie sie in geschlossenen Veranstaltungen von H] (Jugendfilmstunden), Deutscher Arbeitsfront oder Wehrmacht (Veranstaltungen der Truppenbetreuung außerhalb des dienstkchen Unterrichtes) stattfanden. Recherchen auf der Grundlage der bis März 1945 weitgehend lückenlos vorliegenden Zensurlisten, überlieferten Zensurkarten sowie Notizen über Aufführungen und Zensurentscheidungen in der zeitgenössischen Filmpresse. Hierzu gehört insbesondere die große Zahl militärischer Ausbildungsfilme, die keine öffentliche oder teilöffentliche Aufführung erlebten. Sie decken verschiedene Formen des dokumentarischen Luftwaffenfilms ab: Neben technischen Filmen u.a. zur Wartung und Navigation bestimmter Flugzeugtypen finden sich auch Anschauungsfilme über verschiedene Waffengattungen der Luftwaffe (z.B. Ausbildung der Fallschirmschützen, 1937), historische Überblicksdarstellungen (z.B. Deutsche Luftgeltung) und Operationschroniken (z.B. Kreta Ein Heldenlied unserer Zeit, 1942). Angaben zu beteiligten Personen sind für Ausbildungsfilme in der Regel nicht überliefert. Für eine erste Übersicht zur Luftwaffe siehe Filmverzeichnis der Luftwaffe. Neben zwei Langfilmen, die nach Beendigung des Spanischen Bürgerkrieges die Beteiligung der deutschen »Legion Condor« feierten, Helden in Spanien (España Heroica, Deutschland/Spanien 1938/39; R: Fritz Mauch, Paul Laven, Joaquín Reig; Z: 27.8.1938; 2266 m; UA: 8.6.1939) und Karl Ritters Ufa-Film Im Kampf gegen den Weltfeind Deutsche Freiwillige in Spanien (Deutschland 1939; Z: 12.6.1939; 2564 m; UA: 16.6.1939), gehören hierzu ein abendfüllender Kulturfilm der Tobis (R: Hans Bertram) über den Einsatz der Luftwaffe beim Überfall auf Polen (Feuertaufe, Deutschland 1939/40; Z: 3.4.1940; 2462 m; UA: 5.4.1940) sowie ein weiterer Tobis-Füm (R: Walter Jerven) über, so der Untertitel, »Geburt und Geschichte des Fliegens« (Elimmelstürmer, Deutschland 1941; Z: 19.9.1941; —
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format »Zeit im Büd«9 sowie die für den Schmalfilmmarkt konzipierten UltraKurzformate der IG-Farben1". Unberücksichtigt müssen auch Füme zu verwandten Themenbereichen bleiben wie Luftschutz11, Werk- und Werbefilme der Flugzeugindustrie12, Portraits13, Filme des Nationalsoziakstischen Fkegerkorps (NSFK)14 sowie Füme zu überwiegend zivüen Aspekten der Luftfahrt (Luftsport,
Segelfhegen, Verkehrsfkegerei etc.). Als Kern der Betrachtung verbleiben 20 Luftwaffen-Kukurfüme, für die eine Zulassung zwischen 1933 und 1945 nachgewiesen werden konnte15. Nach einer 23.9.1941). Schließlich wurde noch 1943 mit Kolbenringe im Flugzeugmotor ein längerer technischer Lehrfilm der Commerz-Film AG, Berlin, zugelassen für Aufführungen »zu Lehr- und LJnterrichtszwecken bei der Luftwaffe, dem NSFK, den Technischen Hochschulen, vor Gefolgschaftsmitgliedern der verwandten Rüstungsbetriebe, sowie in Lehrlingswerkstätten, auch vor Jugendlichen« (ZK v. 17.6.1943). Für den nur als Fragment (2306 m, es fehlen drei von neun Rollen) überlieferten Film Front am Himmel (ca. 1940-1942; P: Tobis-Filmkunst im Auftrag des OKW) konnte weder Zensur noch Aufführung nachgewiesen werden. Er zeigt das System deutscher Luftabwehr sowie Vergeltungsschläge gegen Südengland und beinhaltet neben dokumentarischen Bildern auch ausführliche Tricksequenzen und längere Spielszenen. Das Reportageformat Zeit im Bild wurde von der Deutschen Wochenschau GmbH produziert und lieferte mindestens vier Ausgaben zur Luftwaffe, allesamt zensiert im Jahr 1941, unter den Titeln Auf einem Feldflughafen, Flieger-Tauglichkeitsprüfüng, IKachrichtenhe/ferinnen und Pimpfe lernen fliegen. Die IG Farben produzierte seit Kriegsbeginn eine Vielzahl von militärischen Ultra-Kurzfilmen mit einer Laufzeit von drei bis sieben Minuten, die meist auf Material längerer Kulturfilme zurückgriffen. Zur Luftwaffe entstanden Unsere Flieger- Von der Ausbildung im Fliegerhorst (1939), Unsere Flieger im Manöver (1939) und S'eejlieger auf Kape fahrt (1940). Die genaue Anzahl öffentlich vorgeführter Kurzfilme zum Thema Luftschutz ist ungeklärt. Eine erste Darstellung zum Komplex »Luftschutzfilme« beruht auf einem begrenzten privaten Filmfund, siehe Ebner, Luftschutzfilme im Dritten Reich. In Filmen dieser Kategorie stehen Konstruktion und Fertigung verschiedener Flugzeugtypen im Mittelpunkt. Die Luftwaffe erscheint allenfalls als Sujet einer Apotheose, die den erfolgreichen militärischen Einsatz des Flugzeuges als Ziel und Bestimmung der geschilderten Arbeit inszeniert. Glorifizierende Fertigungschroniken dieser Art entstehen als Portrait bestimmter Flugzeugtypen (Beispiel: Geschwindigkeit und Sicherheit, 1938; P: Körösi & Bethge; R: Emil Karl Beltzig; Film über den Bau der Me 108 »Taifun«) oder auch als Werbefilm für einzelne Fertigungsbetriebe (Beispiel: Metallene Schwingen, 1938; P: Ufa; R: Hans F. Wilhelm; zwei Fassungen über die Junkers-Werke). Erste Hinweise zur Herstellung und Funktion solcher Filme in einem zeitgenössischen Artikel (Der Werk- und Industriefilm) von 1942. Das einzige ermittelte Luftwaffen-Portrait in Kulturfilm-Format stellt der 1941 (28.11.) zensierte ein Gedenkfilm anläßlich des Selbstmordes von Ernst Udet dar: Ernst Udet. Ein Fliegerleben Heldenleben (P: Deutsche Wochenschau GmbH). Das paramilitärische NSFK (Liniformierung, Anlehnung an Wehrmachtsränge, Unterstellung unter Göring) war im April 1937 aus dem Deutschen Luftsportverband hervorgegangen und sollte in Kooperation mit der HJ (Flieger-HJ) fachlich geschulten Nachwuchs für die Luftwaffe bereitstellen. Das NSFK stellte eine unübersehbare Menge an Kurzfilmen über Ausbildung (Flieger über Deutschland, 1940), Sport (Ballonsport im NS-Fliegerkorps, 1939; Kampf in derR/iön, 1940) 2730 m; UA:
(973 m)
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von NSFK-Abordnungen an Parteitagen her (Das Ai'S-Fliegerkorps auf dem Reichsparteitag 1938, 1939). Sie finden in diesem Beitrag nur dann Erwähnung, wenn ihr Schwerpunkt auf der späteren militärischen Verwendung der Jugendhchen bei der Luftwaffe hegt. Zur NSFK-Ausbildungstätigkeit entstand auch ein Spielfilm: Himmelhunde (1942; P: Terra; R: Roger von Norman). Detaillierte Angaben zu den einzelnen Filmen finden sich in einer Filmographie am Textende. In den Fußnoten werden nur Kurzbelege dieser Filmtitel gegeben. Bei Zensurangaben handelt es
und die Teilnahme
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sich, wenn nicht anders vermerkt, um die Erstzensur der vertonten 35 mm-Fassung.
»Wo wir sind, da ist immer oben« Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
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kurzen Übersicht über Filme aus der sogenannten Tarnzeit (bis 1935) wird dieser Korpus in seiner Entwicklung und anhand von Detaüanalysen näher untersucht. Bei der Auswahl der Faüanalysen wird die Trennung des Produktionssektors in staatkch kontrollierte Filmwirtschaft und luftwaffeninterne Filmstelle berücksichtigt. Näher betrachtet werden einmal die vom Schweizer Martin Rikli geprägten, von der Filmindustrie hergestehten Luftwaffen-Kulturfilme der Vorkriegszeit sowie ein von der Luftwaffen-Fümsteüe 1942 hergestellter Nachwuchs-Werbefilm.
Argumente für die Aufrüstung Luftfahrtfüme der »Tarnzeit« (1933 bis
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In den
1935)
zwei Jahren nationalsoziakstischer Herrschaft wurde die in der WeiRepubkk angesichts des grundsätzkchen Luftwaffenverbots betriebene Tarder nung Luftrüstung zunächst beibehalten. Bis zu ihrer offizieüen Enttarnung März 193516 wurde deshalb auch kein Film hergesteüt, der exphzit die Anfang inzwischen stark forcierten deutschen Aufrüstungsaktivitäten thematisiert hätte. Diese anfängkche Zurückhaltung der Ftimproduktion entsprach ganz den im Juk 1933 von der Pressesteüe der Reichswehr und dem neugegründeten Propagandaministerium aufgestellten »Richtlinien für die öffentliche Behandlung der Abrtistungsfrage«, wonach der »Eindruck einer Aufrüstung« zunächst vermieden werden soüte. Im Vorgriff jedoch auf einen fest geplanten offenen Bruch mit den militärischen Beschränkungen Deutschlands wurde bereits in diesem Papier gefordert, man müsse »das Ausland an den Gedanken gewöhnen, daß es so oder so in Kürze zu einer Neugestaltung der deutschen Wehrmacht kommen müsse«17. Mit dieser Zielsetzung setzte bereits 1933 eine umfassende Pressekampagne mit beinahe täghch erscheinenden Artikeln und Kommentaren ein, die eine akute Bedrohung Deutschlands durch ein hochgerüstetes Ausland zu konstruieren suchten, um die deutsche und internationale Öffentkchkeit von der angebhchen Rechtmäßigkeit einer deutschen Wiederaufrüstung zu überzeugen. Als filmisches Pendant dieser indirekten Aufrüstungskampagne wirkten vorab fünf Kulturfilme, die der Reichsluftschutzbund (RLB)18 1934 zensieren heß. Filme wie Moderne Luftwaffen ersten
marer
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Nachdem sich kein nennenswerter internationaler Protest gegen ein von Göring am 14.3.1935 der Mail« gegebenes Interview regte, in dem der Luftwaffenchef geheime deutsche Luftrüstungen zugab, verkündete Hider am 16.3.1935 offiziell die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht. Auch dieser eklatante Verstoß gegen die Bestimmungen des Versaüler Vertrages bheb ohne ernsthafte Gegenwehr des Auslandes. Eine Übersicht über geheimen Aufbau, Enttarnung und weiteren Ausbau der Luftwaffe bei Absolon, Die Wehrmacht im Dritten Reich, Bd 3 (3.8.1934-4.2.1938), S. 125 f. BA-MA, RH 1/13, Reichswehr-Ministerium, Richtlinien für die öffentliche Behandlung der Abrüstungsfrage vom 15.7.1933. Gegründet am 29.4.1933, unterstand der RLB zunächst dem Reichsluftfahrtminister und wurde 1944 von der NSDAP übernommen. Seine Hauptaufgabe war die Schulung ehrenamtlicher Luftschutzwarte, die in Häuserblocks oder einzelnen Häusern »Luftschutz-Gemeinschaften« leiteten. Zum RLB vgl. Buchheim, Der Reichsluftschutzbund.
»Daily
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Einsatz unc^ Wirkung der Luftwaffe des Auslandes, die uns laut Versailler Vertrag verboten argumentierten durch ihre provokative Betonung des Bedrohungspotentials ausländischer Luftwaffen ganz im Sinne der Reichswehr-Richtlinien des Vorjahres20. Auch historische Chroniken zur Geschichte der Luftfahrt gerieten seit 1933 nicht nur in den Sog einer Nationaksierung klassischer deutscher Kulturfilmthe-
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Landschaft, Kunst, Arbeit oder Volkstum zu beobachten ist. Gerade der militärische Aspekt des Themas wurde, vorerst aüerdings unter historischem Bkckwinkel, bereits stärker betont. Bildete die müitärische Luftfahrt etwa in dem Ufa-Film Die Eroberung der Luft2' von 1929 noch ein untergeordnetes Thema, so stand bereits 1933 in dem schon im Titel nationalisierten Film Deutschlands Eroberung der Luft22 die Inszenierung deutscher Piloten des Weltkrieges als Fkegerhelden im Mttelpunkt. Die Reihe historischer Luftfahrtchroniken mit einer forcierten Betonung von Nation und Militär fand ihre Fortsetzung mit Filmurkunden von Deutschlands Eroberung der Luft21 (1934) und Flieger empor24 (1936), bevor man sich im Krieg ganz auf das Mlitärische beschränkte (Bilder vom Aufstieg der deutschen Luftwaffe25, 1940) und schheßhch die Luftwaffe als Krönung einer glorreichen Entwicklung deutscher Luftfahrt inszenierte (Der Wille Zum Fliegen26, 1941). Die historische Luftfahrt-Chronik fand damit zum gleichen Konzept einer Inszenierung historischer Stoffe als Präfiguration oder Vorstufe einer idealisierten Gegenwart oder (bis 1935) nahen Zukunft, das auch eine Vielzahl historischer Spielfilme im Nationalsoziaksmus prägte. men, wie sie ebenso für die Bereiche
llJ
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P: Reichsluftschutzbund e.V., Das Präsidium, Berhn; Z: 29.6.1934; 477 m; stumm; PRÄ: volksbildend (vb), Lehrfilm (L), jugendfrei (jfr); auch Schmalfilm. Die weiteren RLB-Titel, am selben Tag und mit (bis auf die Länge) identischen Formaten und Prädikaten zensiert: Luftkampf und Bombenabwurf Die Luftwaffen fremder Staaten (328 m), Manöver der Jagd und Bombengeschwader des Auslandes (286 m), Die Grundlagen des Gasschutzes (379 m) sowie Die taktische Verwendung des Flakregiments (326 m). Die Eroberung der Luft, 1929; P: Ufa; Z: 17.9.29; 270 m; PRÄ: jfr; neu zugelassen am 3.9.1935. Deutschlands Eroberung der Luft, 1933; P: Robert Golombeck; Z:18.4.1933;550m; PRÄ: j fr. Filmurkunden von Deutschlands Eroberung der Luft, 1934; P: Ufa; Z: 4.10.1934; 207 m/16 mm (210 m vZ; zunächst verboten, wurde eine Sequenz über den Besuch Görings beim Leiter des italienischen Flugwesens Bailo in Rom, diese wurde erst mit Nachzensur am 12.1.1938 freigegeben). Flieger empor, 1936; P: Bavaria-Film; Z: 2.5.1936; 404 m; PRÄ: vb, jfr, L; nicht zu verwechseln mit gleichnamigem Roto-Film von 1942 (siehe auch Anm. 79). Bilder vom Aufstieg der deutschen Luftwaffe, 1940; P: Ufa; Z: 3.12.1940; 339 m; PILA: staatspoktisch wertvoll (stw), vb, jfr. Für den 1937 von der Filmstelle des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) werden. Der Film ist hergestellten Film Deutschlands Luftgeltung konnte keine Zensur nachgewiesen aufgeführt in: Filmverzeichnis der Luftwaffe, S. 65 (Rubrik »Filme vom Zeitgeschehen«, Film Nr. 104, Laufzeit 35 Min.). Der Wille zum Fliegen, 1941; P: Kulturfilm-Produktion Ada von Roon; Z: 21.2.1941; 504 m; PRÄ: stw, jfr, zugelassen nur für geschlossene Veranstaltungen der Gaufilmstellen und des NSFK. -
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sind, da ist immer oben«
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Die Utopie von der gebändigten Kriegstechnik. Waffenschauen der Vorkriegszeit (1935 bis 1939) Erst nach Offenlegung der bislang geheimen deutschen Rüstungstätigkeiten im März 1935 begann die Phase offener militärischer Propaganda, wobei Kulturfilme eine Schlüsselroüe übernahmen. Sie präsentierten dem In- und Ausland Ausbüdung, Ghederung, Bewaffnung und taktische Funktion von Truppengattungen aüer Wehrmachtteüe. Für die Luftwaffe als jüngste TeüStreitkraft hatten solche Kulturfilme besondere Bedeutung, da aufgrund des im Versaüler Vertrag festgelegten grundsätzüchen Luftwaffenverbots die Zahl der unter Geheimhaltung entwickelten und damit der breiten Öffentlichkeit noch unbekannten Waffen und Flugzeugtypen hier besonders hoch war27. Im Mttelpunkt der Vorkriegsproduktion zur Luftwaffe standen drei im Auftrag oder mit Unterstützung des Oberkommandos der Luftwaffe produzierte Kulturfilme: Flieger, Funker, Kanoniere2,6 (1936-38), Fallschirmjäger29 und Flieger zur Seeil) (beide 1939). Bei aüer Vermitdung technischer und taktischer Neuigkeiten hatten diese Waffenschauen jedoch vor aüem ideologische Arbeit zu verrichten: »Wehrgeistige Erziehung« und Mobilisierung der eigenen Bevölkerung, militärische Machtdemonstration nach außen und schheßhch auch eine stärkere Profiherung der Wehrmacht als aheiniger Waffenträger nach Ausschaltung der SA Ende Juni 193431 gehörten zu den Hauptaspekten exphziter Propaganda dieser Vorkriegs filme. Sie steüen damit eine spezieüe Gattung von Kriegserziehungs filmen dar, wie sie im Rahmen einer von Reichswehr und Staatsführung bereits vor 1933 geplanten und seit 1933 systematisch durchgeführten materieüen, personeüen 27
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Ein Angehöriger der Hauptfilmstelle des RLM betont 1940 in einem Aufsatz der Fachzeitschrift »Der deutsche Film« rückbhckend, wegen der »Lücke im Wissen des Volkes um technische Weiterentwicklungen und taktische Möghchkeiten« sei der Kulturfilm gerade für die Luftwaffe besonders wichtig gewesen, vgl. Thomale, Die Luftwaffe im Kulturfilm, S. 28. Flieger, Funker, Kanoniere, 1936-38; UT: Ein Querschnitt aus der Aufbauzeit der deutschen Luftwaffe; P: Ufa; R: Martin Rikli; Z: 10.11.1937; 557 m; PRÄ: stw, künsderisch wertvoll (küw), vb, jfr., L (ohne Vorrede Göring), 23.12.1937 (Vorrede Göring, 62 m, gleiche Prädikate). Fallschirmjäger, 1939; P: Körösi & Bethke; R: Emil Karl Beltzig; Z: 28.7.1939; 416 m; PRÄ: stw, küw, vb, jfr., L. Nicht zu verwechseln mit einem stummen RWU-Film gleichen Titels (RWUNr. 239) von 1939 sowie einem 1943 von der Mars-Film GmbH für die Filmstelle des RLM hergestellten Film Fallschirmjäger-Sturmsoldaten der Luft, 1943 (P: Mars-Film GmbH, Berlin für das Reichsluftfahrtministerium/Filmgruppe; Nachweis in: Filmverzeichnis der Luftwaffe, S. 57, Rubrik »Nachwuchsfilme«, Film Nr. 366, 15 Min.). Für beide Filme konnte keine Zensur nachgewiesen werden. Flieger zur See, 1938/39; P: Ufa; R: Martin Rikli; Z: 29.3.1939; 546 m; PRÄ: stw, küw, vb, jfr., L. Nicht zu verwechseln mit einem Film gleichen Titels des kaiserlichen Bild- und Film-Amtes (BUFA) von 1918 (Z: 22.12.1921). Beim »Röhm-Putsch« (30.6.-2.7.1934) wurden alle höheren Funktionäre der SA ermordet oder inhaftiert. Der nachfolgenden Säuberungswelle fielen auch Regimegegner außerhalb der SA zum Opfer. Rautenberg weist darauf hin, daß die Abteilung Inland des Reichswehr-Ministeriums schon kurz nach dem Röhm-Putsch eine vermehrte Presse-Berichterstattung über Veranstaltungen der Wehrmacht in der Öffentlichkeit gefordert hatte, vgl. Rautenberg, Deutsche Rüstungspoktik, S. 257; vgl. auch BA-MA, W 01/156, dort Hinweis auf einen Vortrag des Ic-Offiziers vom 17.4.1934.
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geistigen Mobilmachung der deutschen Bevölkerung seit Mtte der Jahre produziert wurden. dreißiger Wie systematisch hierbei eine Doppelstrategie nach der die eigene militärische Stärke zwar betont, dabei aber hinter Friedensbeteuerungen abgeschirmt werden soüte bis 1939 weitergeführt wurde, zeigt sich anhand entsprechender Passagen aus der seit 1936 kontrollierten Fümpresse. So schreibt ein Rezensent über den 1939 fertiggesteüten Film Flieger zur See:
und eben auch
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»und das Gefühl der Geborgenheit für Volk und Heimat steigt als heißer Dank für den Mann empor, der Deutschlands Wehrfreiheit zu einer Wehrkraft erhoben hat, die inmitten eines kriegswütigen Europas als der stärkste Hort des Friedens emporragt. Ob der Welt dieser letzte, großartige Sinn der deutschen Rüstung eines Tages aufgehen
wird32?« Der resignative Unterton in der rhetorischen Schlußfrage suggeriert bereits den Wandel dieser lange verfolgten Täuschungsstrategie33 in einer Phase ungebremster militärischer Propaganda kurz vor Kriegsausbruch. In diesen zeitlichen Abschnitt fäüt nicht nur die Produktion der beiden späteren Luftvvaffenfilme. Entsprechend ihrer Mobihsierungsfunktion fanden für alle drei als »staatspolitisch wertvoll« prädikatisierten Filme kurz vor Beginn des Uberfaüs auf Polen im August 1939 festliche Sonderaufführungen auf der 7. Biennale in Venedig statt. Die Filme waren dort Teü dezidiert staatspoktisch-mihtärischer Filmprogramme34. Solche Bündelung propagandistisch vehementer Kultur- und Spielfilme scheint jedoch eher die Ausnahme und auf besondere Anlässe beschränkt gewesen zu sein. Ledigkch der erste Luftwaffenfilm, Flieger, Funker, Kanoniere, bildete gemeinsam mit Karl Ritters Urlaub auf Ehrenwort (1937/38)35 auch im tägkchen Kinoeinsatz ein Programm gebauter miktärischer Propaganda, das geschickt aktueüe miktärische Stärke der Wehrmacht mit zeidosen soldatischen Tugenden zu verbinden suchte. Während der Vorfilm militärische Technik und Ausbüdung der Gegenwart glorifizierte, wurden im anschheßenden Spielfilm Gehorsam und Pflichterfüllung im Rahmen einer Handlung aus der Endphase des Ersten Weltkrieges ideaksiert36. 32
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Robert Volz, Rezension von Flieger zur See, O.A., im Archiv filmbegleitender Materialien im BAFA, Berlin. Näheres zum Prinzip dieser Täuschungspropaganda Hegt bislang nur für den Pressebereich vor: Sänger, Politik der Täuschungen. Ergänzend auch Sywottek, Mobilmachung für den totalen Krieg, S. 166 f. Flieger, Funker, Kanoniere und Flieger zur See bildeten als Vorprogramm mit dem als offiziellem deutschen Festivalbeitrag aufgeführten Spielfilm Pour le Mérite (1938; P: Ufa; R: Karl Ritter) ein reines Luftwaffen-Programm, Fallschirmjäger war Teil eines Sonderprogramms deutscher Kulturfilme gemeinsam mit Unsere Artillerie (1938; P: Ufa; R: Georg Muschner), Kennt ihr schon das Land in deutschen Gauen? (1938; P: Tobis, Kling-Film; R: Albert Kling), Kraft und Schwung (Olympia-Film, 1939) und Schiff ohne Klassen (1938; P: Filmstelle der Deutschen Arbeitsfront; R: Hans Heinrich). Urlaub auf Ehrenwort, 1937/38; P: Ufa; R: Karl Ritter; D: Ingeborg Theek, Rudolf Möbius, Fritz Kampers; UA: 11.1.1939 (mit gesondertem Beiprogramm), seit 19.1.1938 Einsatz mit Flieger, Funker, Kanoniere als festem Beiprogrammfilm. Der Status von Flieger, Funker, Kanoniere als offizielle Verlautbarung wurde zudem durch eine (nachträglich) vorangestellte Kurzansprache Görings betont. Unter dem Titel Generaloberst Göring spricht zum Luftwaffen-Film der Ufa wurde die statische Portraitaufnahme nachträglich zensiert am
»Wo wir
sind, da ist immer oben«
Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
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AUe nachfolgenden Luftwaffenfilme, zu denen der entsprechende Hauptfilm identifiziert werden konnte, kefen jedoch im Vorprogramm populärer Unterhaltungsfilme wie Komödien und Melodramen37. Grundsätzkch scheint also der Einsatz der Filme als Programmbestandteü, der in der Regel von den Verleihfirmen bestimmt wurde, eher an kommerzieüen Auswertungsinteressen orientiert und auf Abwechslung und Ergänzung angelegt gewesen zu sein. Das poktische und auch geseüschafthche Prestige der müitärpoktisch ausgerichteten Luftwaffen-Beiprogrammfilme wurde vor aüem durch maximale Prädikatisierung sowie festliche Sonder- und Uraufführungen gefördert. Prägend für die Gattung der Vorkriegs-Waffenschauen wurde der Schweizer Martin Rikk38, der als fester Mtarbeiter der Ufa-Kulturfilm-Abteüung an aüen drei Filmen maßgebkch beteiligt war39. Rikli brachte für Wehrmachts-Themen aüe notwendigen Voraussetzungen mit. Neben einer durch Parteieintritt signalisierten »richtigen« Gesinnung und einer starken Begeisterung für das Fhegen und jede Form militärischer Technik gehörte Rikk zu den erfahrensten DokumentarfilmRegisseuren der Ufa und hatte sich auch bei militärischen Themen bereits bewährt411. Als promovierter Naturwissenschaftler besaß er zudem das Talent, komplexe technische Vorgänge leicht verständhch darzustellen und zeigte dabei einen ausgeprägten Sinn für visuelle Wirkungen. Rikk entwickelte in seinen miktärischen Kulturfilmen der Vorkriegszeit eine spezifische Form feuiüetonistischer Waffenschau. In weitgehend standardisierter
23.12.1937 37
38
39
40
vb, jfr, L).
(62 m
=
2
Min.)
und ebenfalls mit den höchsten Prädikaten
ausgezeichnet (stw, küw,
Von den 16 identifizierten Kulturfilmen zur Luftwaffe nach 1935 konnte für sieben der Hauptfilm identifiziert werden. Nähere Angaben in der Filmographie. Eine um Wochenschaubilder ergänzte Kurzfassung von Ritters Deutsche Freiwillige in Spanien über die Legion Condor (die zwei Wochen später uraufgeführte Langfassung erhielt zur Unterscheidung den Zusatztitel Im Kampf gegen den Welfeind) lief am 2.6.1939 als Massenstart in allen Kinos der ersten Wochenschaufolge an (ca. 850) und hatte dementsprechend verschiedene Hauptfilme. Dr. Martin Rikli, geb. 19.1.1889, gest. 7.4.1969, jeweils in Zürich, Autor und Regisseur, Ende der zwanziger Jahre bis 1944 bei der Ufa-Kulturfilm-Abteilung, setzt sich gemeinsam mit deren Leiter, Nicholas Kaufmann, 1944 in die Schweiz ab, dort mit eigenem »Institut für Farbenphotografie« wieder als Lehrfilmregisseur tätig. Zu Rikli bislang nur Brandt, Martin Rikli, sowie ein zeitgenössisches Kurzportrait in: Der deutsche Film, 10 (1939), S. 296-297. Drehbuch und Regie bei Flieger, Funker, Kanoniere (1936-38) und Flieger zur See (1939). Für Fallschirmjäger (1939) gibt Regisseur Emil Karl Beltzig Rikli als Drehbuchmitarbeiter an, Rikli spricht in seinen Memoiren (Ich filmte für Millionen, Berhn 1942) etwas ungenauer von »Mitarbeit«. Da Beltzig bei der Ufa unter Rikli das Kulturfilm-Handwerk gelernt hatte, ist in jedem Fall von dessen grundlegendem Einfluß auf Beltzigs Regie auszugehen. Der Film selbst ist hierfür der beste
Beleg. Riklis
zuvor
bei der Ufa realisierte Wehrmachts-Filme entstanden für die Marine
(Dasgeheimnisvolle
Schiff, 19311'32; Mit Kreuzer Königsberg in See, 1933; Gorch Fock, 1934, und Husaren der See, 1935) und
weisen ihn bereits als überzeugten Parteigänger aus. Nicht ohne Grund wird man bei der Luftwaffe auf eine ebenso linientreue Gestaltung des ersten Luftwaffenfilms vertraut haben. Martin Loiperdinger hat auf die besondere Bedeutung von Protegierungen und persönlichen Kontakten als Kontrollinstrument im NS-Dokumentarfilmbereich hingewiesen, wo oft ohne zensierfähiges Drehbuch gearbeitet wurde, vgl. Loiperdinger, Neue Sachlichkeit und Nationalsozialismus.
Jan Kindler
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Hierarchie und Gemeinschaft
(Ufa, 1938/39)
—
Offiziere und Schüler folgen der Ausbildung in: Flieger zur See
auf einen mehr lehrhaften ersten Teü ein stark dramatisierter der im Faüe der Luftwaffenfikne von spektakulären Flugaufnahmen dominiert wurde. Im Lehrteü von Rudis Filmen steht neben Waffentechnik die Ausbüdung der Mannschaften im Mttelpunkt. Zentrales Gestaltungselement ist hier die geordnete, zu Ornamenten arrangierte Gruppe. Sie wird vorzugsweise in synchroner Bewegung präsentiert, bei Sport, Flaggenalphabet oder Exerzierübungen. Kontrastiert werden solche Tableaus militärischer Kontroüe über den Menschen von einzelnen Einsteüungen, in denen verschiedene Dienstgrade als locker zusammenstehende Gruppe arrangiert werden, die durch büdfüüende Komposition aber dennoch geschlossen wirken. Hier wird das Versprechen einer dienstgradübergreifenden miktärischen Gemeinschaft visueü umgesetzt. Für die Unterbringung kasernierter Volksgenossen finden sich in den Luftwaffen-Kulturfilmen ganz ähnhche Einsteüungen wie in Filmen über andere staatliche Organisationen: Lichtdurchflutete, geräumige Aufenthaltsräume für die Mannschaften suggerieren Sauberkeit und Modernität, mondän wirkende Sonnen-
Dramaturgie folgte Manöverteü,
»Wo wir
sind, da ist immer oben« Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
411
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für die Offiziere betonen das ektäre Selbstbewußtsein der damals jüngsten deutschen Teüstreitkraft. Zur Erläuterung technischer Vorgänge werden einfach gehaltene Zeichentricksequenzen eingesetzt, wobei kurze Unterrichtsszenen als Rahmenhandlung dienen. Diese Kurzhandlungen verstärken jedoch aufgrund hölzern agierender militärischer Laiendarsteüer und mangelhafter Synchronisation eher den Bruch zwischen den dokumentarischen Bildern und den kommentierten Tricksequenzen und verleihen den ersten, lehrfilmhaften Teilen einen etwas unausgewogenen, fragmentarischen Charakter. Im zweiten Teü seiner Waffenschauen präsentiert Rikk als Höhepunkt aufwendig gedrehte Manöverbilder, deren Montage den Ablauf einer miktärischen Übung nachvoüzieht. Um den Bruch von der visueü fragmentarischen, durch ständige Musikuntermalung zusammengehaltenen Erzählform des ersten Teüs zur narrativen Struktur des zweiten Manöverteüs abzuschwächen, setzt Rikk auch hier auf eine überleitende Sequenz. Es sind seine Vorkriegskulturfilme, die im Kanon miktärischer Füme hierfür eine Alarmierungs-Sequenz etabheren, in der das Anlaufen eines Mihtärapparates mittels dynamischer Montagen von losstürmenden Soldaten, startenden Motoren und aufsteigenden Flugzeugen inszeniert wird. Die zuvor detailkert beschriebene Kriegstechnik wird nun, noch probeweise, entfesselt. Erinnert man sich der zeitlichen Nähe der Sonderaufführung dieser Filme auf der Biennale im August 1939 zum Kriegsausbruch, so erscheinen gerade die Alarmsequenzen wie eine Vorwegnahme des kurz darauf realen Überfaüs der Wehrmacht auf Polen. Das Motiv des »Losschiagens«, der dynamisch und anscheinend unaufhaltsam beginnenden miktärischen Aktion, soüte sich zu einem zentralen Topos faschistischer Selbstdarsteüung entwickeln. Es ist nicht mit Sicherheit zu beurteüen, inwiefern das Spektakel der aufwendig gedrehten Flugaufnahmen, auch in Verbindung mit dem zweifeüos hohen Informationswert der einleitenden Teüe, das Fehlen authentischer Kriegsbüder hat kompensieren können. Fiel doch die Rezeption der späteren beiden LuftwaffenFilme fast ausschheßkch in die Kriegszeit, in der Luftwaffen-Fümberichter bereits Aufnahmen von realen Sturzflugangriffen drehten. In den Waffenschauen der Vorkriegszeit dagegen wurde noch geübt. Einzelne Hinweise in den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS aus der zweiten Hälfte des Jahres 1940 deuten ledighch darauf hin, daß solche Kuhurfilrne zumindest nach der Beendigung des Westfeldzuges und dem vorläufigen Ausbleiben aktueüer Kampfberichte von Teüen des Publikums als Ergänzung zu Wochenschau, Radio und Presse begrüßt wurden41. terassen
41
In der Meldung Nr. 124 vom 16.9.1940 etwa heißt es, es sei gemeldet worden, Filme wie Fallschirmjäger oder Flieger zur See als Kulturfilme zu den »gegenwärtig besonders interessierenden Fragen [...] fänden großes Interesse.« Meldungen aus dem Reich, Bd 5, S. 1579. Vier Wochen später besagt Meldung Nr. 133 vom 17.10.1940: »in weiten Teilen der Bevölkerung« bestehe »großes Interesse für Beifilme, die die Kenntnisse der wichtigsten miktärischen Waffen vermitteln und vertiefen. [...] Eine Aufführung derartiger, die OKW- und PK-Berichte ergänzenden Kulturfilme
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Jan Kindler
Lufnvaffen-Kulturfilrne profitierten dabei von einer großangelegten Pressekampagne, in der die Attraktivität ihrer spezifischen Kombination von spektakulären Flug- und Landschaftsaufnahmen sowohl in Artikeln der Film- und Tagespresse als auch in eigens pubhzierten Büchern hervorgehoben wurde42. Der erste Kameramann Rudis, Erwin Bleeck-Wagner, wurde hier zu einer Art frühem Medienstar aufgebaut, wobei die Ideaksierung seiner Tollkühnheit in der Büdproduktion schon die Diktion späterer PK-Berichte aufweist43. Aufwendige Extra-Aus»Der deutThema »Die Luftwaffe im Film« in der Filmfachzeitschrift zum gaben sche Füm« (1942) oder im Propagandablatt der Luftwaffe »Der Adler« (1943) soüten das Interesse an der Thematik bis in das vierte Kriegsjahr aufrecht erhalten und beschworen eine enge Verbindung des jüngsten und technisch modernsten Massenmediums zum hierin anscheinend artverwandten dritten Wehrmachtsteü44. Diese Betonung einer besonderen kriegstechnischen Modernität steht im Mittelpunkt von Rudis dynamisch montierten, von Triumphmärschen, Motoren- und Waffenlärm begleiteten Manöversequenzen, die von Schlußtableaus geometrischer Fhegerformationen abgeschlossen werden. Es zeugt dabei durchaus von dramaturgischem Geschick, wenn die lautstarken Entfaltungen militärischer Technik unterbrochen werden von ruhigeren Passagen, die mittels längerer Einstellungen und panoramenhafter Büdausschnitte eine kurze Atempause im Rausch von Musik und Bewegung gönnen. Hier experimentiert Rudi zudem mit visueüen Einfäüen, wenn etwa in Flieger zur See das in langen Überflugeinstellungen beschriebene und mit leise flirrenden Streichern unterlegte Einnebeln eines Kreuzers durch ein Flugzeug
opernhafte Züge gewinnt. War beim Vorgängerfilm Flieger, Funker, Kanoniere noch der »Verzicht auf jegliche Romantik« sowohl von Göring in seiner Vorrede45 als auch von Rudi selbst in
42
43
44
43
im Zusammenhang mit der Wochenschau auch in Sondervorstellungen am Sonntag-Vormittag sei mehrfach angeregt worden.« Ebd., S. 1680. Zu den Büchern zählt insbesondere ein von Rikk als Begleitbuch zum gleichnamigen Film herausgegebener Text-Bildband (Fheger, Funker, Kanoniere, Berhn 1938) sowie seine erste Autobiographie (Ich filmte für Milhonen, Berhn 1942). Ausdrücldich hingewiesen sei zudem auf Frank Maraun, angestellt im Propaganda-Ministerium und zuständig für Kulturfilm- und Nachwuchsfragen, der hierzu regelmäßig in filmischer (»Der Deutsche Film«) und militärischer Fachpresse (»Die Wehrmacht«) programmatische Leitartikel publizierte. Siehe vor allem seine Texte Wehrmacht im Film sowie Mann und Waffe. »Angeschnallt an die Tragflächen, Kälte, Luftzug und beim Niedergehen den Wogen ausgesetzt, hat der Kameramann Erwin Bleeck-Wagner jede nur erdenkliche Möglichkeit wahrgenommen, die Fliegerei zur See mitten aus dem Herzen des Geschehens heraus zu verfolgen«, siehe Anm. 32. Bleeck-Wagner kommt 1940 als Luftwaffen-Filmberichter bei einem Kampfeinsatz über dem Ärmelkanal ums Leben. Siehe Der deutsche Film, 6 (Dezember 1941/Januar 1942), 6/7, und Der Adler, 3. Juni-Heft, 1943. Göring nennt als eine Aufgabe des Films: »Zweitens wollen wir damit besonders unserer Jugend zeigen, wie heute der Dienst in der Luftwaffe abläuft, damit sich unsere Jugend nicht irgendwelche falsche Vorstellung macht, die sich vielleicht in einer allzu großen fantasievollen Auffassung bewegt. Der Dienst ist hart, ist streng und ist schwer [...].« Zit. nach Zensurkarte Nr. 47743 v. 28.2.1938.
»Wo wk
sind, da ist immer oben« Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
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Kontrolle, militärische Nutzung und Verklärung der Natur künstlicher Nebel in: Flieger zur See
(Ufa, 1938/39)
—
seinem Buch zum Füm46 nachdrücklich gefordert worden, so steigert sich die Stilisierung in der Einnebelungs-Sequenz von Flieger zur See anhand eines eigenen Spannungsbogens bis hin zu einer besonders verkitschten Form von FliegerRomantik. Zum Pianissimo der Geigen scheint das Flugzeug, vom Kameraflugzeug verfolgt, auf einer am Heck austretenden Nebelstraße zu schweben. Erst eine bedrohlich anrollende Nebelwand, begleitet vom tiefen Crescendo der Celli, leitet schkeßkch zurück auf die reale Manöverbedrohung durch anfliegende Kampfflugzeuge. In der hier gezeigten Anwendung von Zeitrafferaufnahmen zur Dynamisierung von Wolkenbewegungen greift Rudi auf eigene Erfahrungen aus Unsichtbare Wolken (1932) zurück und wird diese Gestaltungsidee noch in mehreren Kulturfilmen weiterentwickeln47. Riklis Nebelsequenzen kontrastieren sowohl mit der lauten miktärischen Dramatik der Manöverbüder als auch mit den sachhch-technischen Passagen des Lehrteüs. Ihr Zweck scheint wohl zu sein, die zuvor durch bhtzende Oberflächen und lautes Triumphgeheul von Musik und Kommentar ideaksierte Kriegstechnik durch extreme Stilisierung noch um eine mythische Komponente zu erweitern. Wenn das Flugzeug scheinbar elegant in einem himmkschen Wolkenpanorama schwebt, überträgt Rudi seine Begeisterung für das Fhegen als elementares Naturerlebnis auf das gesteüte militärische Thema. Seine Inszenierung eines miktärischen Fluges als traumähnkchen Segelflug beschwört für Sekunden den alten Mythos von der Freiheit des Fkegens, verleiht ihm jedoch zugleich eine neue, zweckgebundene Deutung. Hier kegt der Versuch vor, romantisierend-mythische Natur-
46
47
»Unter Verzicht auf jegliche Romantik und irgendwelche Tricks oder Filmmätzchen mußte, dem Ernst und der Größe des Themas entsprechend, das Niveau eines künsderischen Ethos gefunden werden. [...]« Da Rikk auch in seinem ersten Luftwaffen film bereits allerlei »Filmmätzchen« anwandte, dürfte diese Absichtserklärung eher auf die Skepsis der miktärischen Auftraggeber verweisen, vgl. Fheger, Funker, Kanoniere, S. 10. Sinfonie der Wolken (Deutschland, 1939; P: Ufa), Wolkenspiel (Deutschland, 1943; P: Ufa), Wolken als Wetterpropheten (Schweiz, 1944/45), Weißer Schleier (Schweiz, 1944/45).
Jan Kindler
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Das Ideal vom maschinisierten Krieger I Technik als schützender Panzer. Flieger, Funker, Kanoniere (Deutschland 1936/38) —
Verehrung und einen Einklang zu bringen.
auf
Das Ideal vom maschinisierten Krieger II Technik als tödliche Waffe
Knegstechnik reduzierten
—
Modernismus miteinander in
Thomas Elsässer hat auf die Entstehung eines reaktionären Modernismus in den dreißiger Jahren hingewiesen, der unter maßgebhchem Einfluß Ernst Jüngers »die industrielle Ausbeutung der Natur mit einer heidnischen Verehrung ihrer Schönheit und Größe zu verbinden sucht«48. Wie nahe Rikli diesen Ideen stand, ist aus seinen Filmen deutkch abzulesen. Seine Materialschlachten wirken wie eine Bebüderung der von Jünger vorhergesagten Spektakel der Zerstörung. Zudem betont Rudi in seinem 1938 publizierten Buch zum ersten Luftwaffen-Füm Flieger, Funker, Kanoniere das »innere Erlebnis des Fkegens«49 als zentrale Botschaft des Füms und zeigt starke Anleihen bei Jüngers damals vielgelesenem Traktat »Der Kampf als inneres Erlebnis« von 19225" und dessen mythosgleicher Verklärung der Grabenkämpfe im Ersten Weltkrieg. In Rudis standardisierten Luftwaffen-Kulturfilmen der Vorkriegszeit wird noch ein weiteres zentrales Element aus Jüngers Motivwelt besonders hervorgehoben: Es ist die Utopie vom maschinisierten Menschen, einem Übermenschen, der die entfesselte Kriegsapparatur beherrscht und den eine Kombination aus kämpferischer Entschlossenheit und technischer Präzision scheinbar unverwundbar macht. Frank Maraun, im Propagandaministerium für Kulturfümfragen zuständig, erkannte diese Utopie einer gegenseitigen Durchdringung von Krieger und Knegstechnik als ein dominierendes Motiv in Rudis Filmen und steüte diese Beobachtung in programmatischen Artikeln wiederholt heraus:
48 49 30
Elsässer, Das Weimarer Kino, S. 294. Vgl. auch Elsässer, Moderne und Modernisierung. Fkeger, Funker, Kanoniere, S. 7. Siehe Jünger, Der
Kampf als inneres Erlebnis.
»Wo wir
sind, da ist immer oben«
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»Man erlebt in diesen Filmen das begeisternd exakte Zusammenarbeiten von Mensch und Apparatur: eine Technik, beseelt und gelenkt von menschlichem Wülen, Menschen, miterfaßt und geformt von der technischen Präzision und ganz von ihrer Energie er-
füllt51.«
Rudis Filme sind tatsächhch übervoü von Menschen, die kompkzierte Technik selbst wie mechanisch bedienen und »die Herrschaft über die Technik angetreten«52 zu haben scheinen. In ihrer Bedienung aber, festgezurrt in Flugzeugkanzeln und Luftdruckanzügen, sind sie selbst ein Teü dieser Maschinen geworden. Wiederholte Großaufnahmen sowie eine Füüe von Standfotos, die in seinem Begleitbuch zusätzhch pubhziert wurden, betonen die emblematische und zugleich komplementäre Bedeutung solcher Einstellungen. Rudis Füme zeigen damit eine Nähe zu Kerngedanken und Wunschfiguren konservativer Utopie, die sich nicht auf eine um Mythisierung bemühte Grundhaltung beschränkt. Seinen Filmen ist vor aüem der euphorische Glaube an eine stählerne Unverwundbarkeit eingeschrieben, mit dem kurz vor Kriegsbeginn das Verhältnis der Bevölkerung zur Luftwaffe und damit zur Wehrmacht emotional geprägt werden soüte. Ran! Drauf! Hinab! -
Mt dem letzten
Das filmische Primat der Angriffswaffen
Kriegsbeginn entstandenen Luftwaffen-Kulturfilm Fallschirmjäger (1939), Regisseur Emü Karl Beltzig53 nach einem gemeinsam mit Rikli verfaßten Drehbuch hergesteht, gerät erstmals eine Waffengattung in den Bhck des Kulturfilms, die in mehrfacher Hinsicht günstige Voraussetzungen für ihre filmische Inszenierung bot. Aufnahmen von Faüschirmjägern versprachen besonders attraktive Perspektiven. Die verschiedenen Phasen ihres Einsatzes ermöglichten zudem starke draNach Büdern hektischer maturgische Kontrastierungen. Vorbereitung und Alardie bereits bekannten und Landschaftsaufnahmen mit der mierung folgten Flugeiner Hierauf dramatische Mögkchkeit mythisierenden Naturinszenierung. folgten Einsteüungen von sich kopfüber aus den Maschinen stürzenden Menschen, woran sich mit den langsam abwärtsschwebenden Fallschirmen wiederum eine ruhige vor
von
51 32 33
Unsere Wehrmacht im Film, S. 232. Ebd. Emil Karl (E.K.) Beltzig, Regisseur und Produzent. Speziakst für dokumentarische Luftfahrtfilme; Jagdflieger im Ersten Weltkrieg, lernt seit 1932 in der Ufa-Kulturfilm-Abteilung unter Rikk, seit Mitte der dreißiger Jahre Arbeiten für Körösi & Bethke (Berhn) und Arnold & Richter (München), seit 1936 bis Oktober 1944 mit eigener Firma EKA-Film mindestens 65 Einweisungs- und Lehrfilme für das Reichsluftfahrtministerium zu neuen Flugzeugtypen; nach 1945 u.a. Lehrfilme zu Atomschutz und Abwehr chemischer Kampfmittel für den Bundes-Luftschutzverband, Nachlaß Beltzig im IfZ München, ED 323/1. Beltzigs enge Beziehung zu Ernst Udet, der als Generakuftzeugmeister für die vorrangige Berücksichtigung des Regisseurs bei der Vergabe von Filmaufträgen sorgte, kann als weiterer Beleg für die Bedeutung von Protektion im Bereich des miktärischen dokumentarischen Films im Nationalsoziaksmus gesehen werden.
Maraun,
Jan Kindler
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Passage anschloß. Als Höhepunkt zeigten die Faüschirmjäger-Füme dann die abgesprungenen Soldaten im Erdkampf. Eine besondere visueüe Attraktivität kam hier filmischen Erfordernissen genauso entgegen wie ein natürlicher Handlungsablauf, dessen ständiger Wechsel von Aktion und Entspannung mit finalem Flöhepunkt in verdichteter Form den dramaturgischen Prinzipien klassischer Kriegsfilme ge-
horchte. Zudem zeigte sich das Thema »Faüschirmjäger« auch metaphorisch ausgesprochen kompatibel und erlaubte assoziative Verbindungen zu wesentlichen Aspekten nationalsoziakstischer Ideologie. Faüschirmjäger stellten eine neuartige Truppengattung dar und verkörperten auch auf rnihtärisch-operativer Ebene jenes modernistische Element, das die Luftwaffen-Filme durch ihre forcierte Darstellung müitärischer Technik grundsätzkch betonen. Als Angreifer aus der Luft erreichte ihr Zerstörungspotential zwar nicht dasjenige großangelegter Flächenbombardements. Indem sie jedoch »leibhaftig« vom Fhrnrnel fielen, konnte ihr Angriff zum personalisierten Strafgericht, zur apokalyptischen Vision einer auf Revanche (Versaüler Vertrag) zielenden, aggressiven Kriegspohtik inszeniert werden54. In dieser Flinsicht spiegeln sie äußerst aufschlußreich die Büder eines aus den Wolken über Nürnberg auf Deutschland herabfliegenden Hitlers in der Anfangssequenz von Leni Riefenstahls Triumph des Willens55. Schheßhch waren die Luftlande-Truppen ausschheßhch für den Angriff ausgebüdet. Ihr Einsatz konnte unabhängig von der miktärischen Gesamdage, stets als dynamische Offensivaktion inszeniert werden. Entsprechend dem Selbstverständnis der politischen Führung als Vertreter einer dynamisch-offensiven Bewegung bevorzugte der militärische Kulturfilm gerade im Nationalsoziaksmus grundsätzkch Waffengattungen, die aggressiv, in Aktion und mögkchst im Angriff darstellbar waren. Aufgrund des ungünstigen Kriegsverlaufs bkeb dem LuftwaffenKulturfilm jedoch nur eine kurze Zeitspanne (1939 bis etwa 1941), um das im Vorkriegsfilm konstruierte Büd offensiver und erfolgreicher Luftstreitkräfte im Krieg weiterzuführen. Hierzu dienten vor aüem abendfüllende Langfilme56. Seit 1942 verengte sich deshalb die Perspektive des Luftwaffen-Kulturfilms wieder auf einzelne Waffengattungen. Der hierbei bevorzugte Rückgriff auf Offensivteüe spiegelt nicht nur eine grundsätzhch unterentwickelte Berücksichtigung von Ver54
33
36
Beltzig erwähnt in seinem Nachlaß einen Füm, Soldaten fallen vom Himmel, von 1937/38 über Ausbildung und Massenabsprung des 1. Fallschirmjäger-Regiments in Stendal, für den jedoch keine Zensur nachgewiesen werden konnte. Ob es sich hierbei um eine erste Fassung des Films Fallschirmjäger handelt, ist ungeklärt, vgl. Schreiben Beltzig an den Deutschen Aero-Club e.V. vom 30.6.1962, IfZ, ED 323/1, Nachlaß Beltzig. Triumph des Willens, 1934/35; P: Reichsparteitagfilm der L.R. Studio-Film, Berkn; B+R: Leni Riefenstahl; M: Herbert Windt; Z: 26.3.1935; 3109 m; PRÄ: staatspoktisch und künsderisch besonders wertvoll (stkübw), vb. Kameramann der Eröffnungssequenz war Albert Kling, dessen Firma Kkng-Film sich in der Folge auf Luftaufnahmen speziaksierte. Filme zum (getarnten) Einsatz der Luftwaffe im spanischen Bürgerkrieg: Helden in Spanien (Espana Heroica, Deutschland/Spanien 1938/39), Im Kampfgegen den Weltfeind Deutsche Freiwillige in Spanien (1939) sowie zum Überfall auf Polen Feuertaufe (1939/40). Nähere Angaben siehe —
Anm. 8.
»Wo wk
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sind, da ist immer oben«
im
NS-Kulturfüm
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teidigungswaffen bei der Rüstungsplanung und strategischen Ausrichtung der Luftwaffe. Die in der Tradition des Vorkriegskulturfilms stehende Fokussierung auf einzelne, als »Sieg im Kleinen« darsteübare Operationen entsprach auch der Notwendigkeit, von einer zunehmend kritischen militärischen Gesamdage abzulenken. Eine Entwicklung, die ähnkch bei anderen Wehrmachtteilen57 und auch bei der Kriegswochenschau zu beobachten ist, seit sich die Unverwundbarkeit deutscher Waffen mehr und mehr als Trugbild erwies und Verteidigung und Rückzug die mihtärische Reahtät bestimmten. Zu den Angriffswaffen, die ab 1942 im Luftwaffen-Kultarfüm gezeigt wurden, gehörten auch die Starzkampfbomber vom Typ Junkers 87 und 88, kurz »Stuka« genannt. In Ergänzung zu Karl Ritters Spielfilm Stukas5* (1941), unzähhgen Kurzsujets aus der Wochenschau und dem Feldzugsfilm Feuertaufe59 (1939/40) sowie Werkfümen über die Hersteüung dieser Flugzeugtypen60 entstand mit Sturz 'ns Zief'x 1943 bei der Ufa ein Kulturfilm, der sich neben der Technik des Sturzbombenangriffs vor aüem auf die Schilderung eines Angriffes auf einen britischen Geleitzug konzentrierte. Ahen Waffenportraits der Kriegszeit gemeinsam ist die Konzentration auf den Waffengang unter weitgehendem Verzicht auf eine Darsteüung der Ausbüdung62. Auch in Faüschirmjäger-Fümen wie Sprung in den Feinde (1942) oder dem ledigkch wehrmachtintern vorgeführten Fallschirmjäger Sturmsoldaten der Luft (1943) stehen ausführhch gezeigte Kampfhandlungen im Mttelpunkt, denen allenfalls noch Bilder der Alarmierung und Einsatzvorbereitung vorgeschaltet sind. Sie bedienen sich dabei ausführhch im Vorkriegsfüm entwickelter Techniken64 und Motive (Grup—
57
Kriegsmarine nach 1939 beispielsweise zeigten vor allem U-Boote, U-Boote am Feind P: Marine-Hauptfilm- und Bildstelle; R: Korv.Kapt. [FA.] Zerbe) und Kurs Atlantik (1944; P: Mars-Film; R: Oblt. Herbert Lander), oder Schnellboote (Asse zur See, 1943; P: MarsFilm; R: Hermann Stöss). Näheres zur Thematik der Marine-Kulturfilme im Nationalsoziaksmus in einer separaten Untersuchung, siehe Anm. 5.
Filme
zur
(1939/40;
58 59 60 61
Stukas, 1941; P: Ufa; R:
Karl Ritter; D: Carl Raddatz, Albert Hehn, O.E. Hasse u.a. Siehe auch den Beitrag von Rainer Rother in diesem Band. Siehe Anm. 8. Siehe Anm. 12. Sturz im ziel, 1943; P: Ufa; B+R: Hans F- Wilhelm; K: Otto Martini, Karl Heinz Witte; M: Walter Winnig; Fachberatung: Helmuth Wenke; Z: 28.10.1943, Nr. 58842; 430 m; PRÄ: stw, anerkennenswert
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64
(aw), vb, jfr.
Ausnahme ist ein bislang unbestätigter Hinweis aus den »Meldungen aus dem Reich« vom 19.2.1942. Hier wird von einem Vorfilm namens Ganze Männer übet Ausbildung und Einsatz der FaUschirmtruppe berichtet, der im Reichsgebiet einheitliche Zustimmung gefunden habe. Eine Zensur dieses Titels konnte jedoch bislang nicht nachgewiesen werden, vgl. Meldungen aus dem Reich, Bd 9, S. 3343. Sprung in den Feind, 1942; UT: Gestaltet nach dem Gefechtsbericht eines FallschirmjägerBataillons; P: Tobis-Filmkunst GmbFl, Herstellungsgruppe Wilhelm Stöppler (im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht); R: Paul Otto Bartning, Karl-Ludwig Ruppel; M: Norbert Schultze; Z: 28.8.1942, Nr. 57495; 697 m; PRÄ: stw, küw, vb, jfr. Technische und organisatorische Erfahrungen bei der Produktion von Flugaufnahmen für die Vorkriegskulturfilme bildeten eine wichtige Vorarbeit sowohl für die Kulturfilme der Kriegszeit als auch für die Luftwaffen-Filmberichter der Propaganda-Kompanien. Näheres bei Rikk, Ich
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pen- und Detaüaufnahmen vom Anlegen der Ausrüstung, Großaufnahmen angespannter Gesichter vor dem Absprung, Totalen der schwebenden Fallschirme etc.), verknüpfen sie aber nun zu geschlossenen Darsteüungen einzelner militärischer Aktionen. Luftwaffen-Filme der Kriegszeit lassen sich genereh mehr Zeit, eine militärische Aktion in ihren Einzelheiten zu entwickeln. Sie zeigen sie in ihrer Chronologie und nähern sich damit, zumindest auf der dramaturgischen Ebene, dem Format einer Chronik. Die hierfür notwendige Objektivität erreichen sie jedoch nie. Dies verhindert vor allem der kontinuierliche Rückgriff auf zentrale
Dramatisierungstechniken der Vorkriegszeit. Im Vergleich zur Kriegswochenschau und den abendfüllenden Feldzugs filmen geschieht dies aüerdings in abgeschwächter Form. Nur einzelne Passagen weisen noch eine ähnhch hochgradige Stiksierung auf, die sich neben Rudis Vorlmegs filmen auch Riefenstahls Parteitagsinszenierun-
gen zum Vorbüd nehmen65. Zwei Kulturfilme der Hauptfiknsteüe der Luftwaffe schheßhch bemühten sich, in völligem Widerspruch zur militärischen Lage, auch die Bomberstaffeln der Luftwaffe als eine in der Offensive erfolgreiche, überlegende Waffe zu preisen: Fernbomber über dem Atlantik66 (1942) thematisiert den Angriff einer Staffel FockeWulf-Fernbomber gegen einen britischen Geleitzug, und Einsaiff (1942/43) zeigt ein Flieger-Korps am Ärmelkanal bei Aufklärung, Luftbüdauswertung und abschließendem Bombenangriff auf Southhampton. Beide Füme stehen zudem für die anhaltende Fixierung auch der späteren Luftwaffen-Filme auf den Gegner England. Insbesondere die verlorene Luftschlacht um England scheint den Luftwaffen-Filmern keine Ruhe gelassen zu haben: Die anscheinend fehlerlos funktionierende Luftwaffe in den dramatisierten Einsatz-Chroniken seit 1941 wurde ausnahmslos in Offensivaktionen gegen England gezeigt. Ein einziger Luftwaffen-Füm im übkchen Kulturfilm-Format thematisiert zumindest die Mögkchkeit eines Abschusses deutscher Püoten: Flugzeug in Seenof* (1943) zeigt die nachinszenierte Rettung einer Flugzeugbesatzung nach einer Notwasserung. Seine sowohl an die gefährdeten Fheger als auch an die breite Bevölkefilmte für Millionen ter, S. 4 f.
(Kap.
Wir filmten die
Luftwaffe),
sowie bei
Cranz,
Die
ersten
Kriegsberich-
63
Ein
66
Fernbomber über dem Atlantik, 1942; UT1: ein Erlebnisbericht vom Einsatz des CondorGeschwaders; UT2: aufgenommen von Filmberichtern einer Luftwaffen-Kriegsberichterkompanie; P: Hauptfilmstelle des RLM, Berlin-Lankwitz; Z: 23.4.1942, Nr. 57104; 398 m; PRÄ: stw,
67
68
Beispiel wäre die an den abendkchen AppeU der politischen Leiter aus Triumph des Willens angelehnte mythisierende Inszenierung einer nächtlichen Befehlsausgabe in Sprung in den Feind (1942) in einem düsteren Flugzeughangar, samt flackerndem Fackelkcht und dunkel-beschwörendem Marschgesang. vb,L, jfr. Einsatz, 1943; P: Hauptfilmstelle des RLM, Berlin-Lankwitz; Z: 15.3.1943, Nr. 58755; 521 m; PRÄ: stw, küw, jfr. Flugzeugin Seenot, 1943; UT: Dieser Film ist eine Nacherzählung der Erlebnisse einer Flugzeugbesatzung, die
aus
Seenot gerettet wird; P: Deutsche
Filmherstellungs- und Verwertungs GmbH der
NSDAP, Berhn-Tempelhof (mit Unterstützung des RLM); B+R: Kurt Wolfes; K: Wolf Schwan, S. Kröner; M: Hans Heinz Sieber; D: Leutnant Ehrhardt, Leutnant Vertens und eine Seenotstaffel; Z: 14.1.1943, Nr. 57665; 431 m; PRÄ: stw, aw, jfr.
»Wo wk
sind, da ist immer oben« Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
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rung gerichtete Botschaft, für die Sicherheit von Flugzeugbesatzungen über See sei nach wie vor bestens gesorgt, soll 1944 in einem Lehrfilm Flugzeug in Bergnot69 auf den Einsatz im Gebirge übertragen werden. Eine Anmerkung im LuftwaffenFilmverzeichnis vermerkt lakonisch: »Beitrag zur Beseitigung natürlicher Hemmungen beim kämpferischen Einsatz im Alpengebiet70.« Als die Luftwaffe schheßhch im Dezember 1944 beim Propagandaministerium noch um die Übernahme einer Kurzfassung dieses Lehrfüms in die Wochenschau
bittet,
dem
fliegenden Personal unserer Jagdverbände und der Bevölkerung die Sicherheit geben, daß auch über dem deutschen Hochgebkge alles zur Bergung abgestürzter deutscher Fkeger getan wird«71,
»um zu
wird dies in einer Zensursitzung am 6. Dezember 1944 im Führerhauptquartier auf Anregung des Reichspressechefs Otto Dietrich letztlich abgelehnt, »da über den Alpen keine Jäger im Einsatz wären«72. Eines der nicht seltenen Beispiele dafür, wie der bürokratisch aufgeblähte Zensurapparat vom zunehmend schneüen militärischen Zusammenbruch überholt wurde. Von Deutschlands gewandelter Roüe im Luftkrieg vom Angreifer zum Opfer findet sich in den auf Offensive ausgerichteten Kulturfilmen so gut wie keine Spur. Ausnahmen sind ledigkch die in großer Zahl hergesteüten Kurzfilme zum Thema Luftschutz73 sowie der als Langfilm konzipierte Front am HimmeP*. Für den nur als Fragment überkeferten Füm keß sich jedoch keine Zensur nachweisen. Ganze Kerle für die Lufthoheit Nachwuchswerbung als Grundthema —
Grundsätzhch alle NS-Kulturfilme zur Luftwaffe waren auch an die Jugend gerichtet, und das nicht erst seit der zunehmend kritischer werdenden Ersatzlage mit Beginn der Massenverluste des Heeres in Rußland. Seit Wiedereinführung der aügemeinen Wehrpflicht betrieben aüe Wehrmachtteüe, später auch die stetig 69
Flugzeug in Bergnot, 1944; zeichnis der
70
71 72
73 74
Luftwaffe,
S.
P:
Hauptfilmstelle des RLM, Berkn-Lankwitz; Nachweis im Filmver10, Rubrik Taktische Filme/Luftkrieg, Film Nr. 379, 38 Min. Als In-
haltsangabe ist aufgeführt: »Falsches und richtiges Verhalten von Fkegern in Bergnot. Meldeorganisation und Hilfsmittel zur Suche und Bergung.« Filmverzeichnis der Luftwaffe, S. 10.
R 55, Nr. 663, Ministervorlage Büro Reichsfilmintendant betr. Zensur der Wochenschau durch den Führer vom 7.12.1944, Bl. 92-94. Die Frage der Herausnahme dieses Sujets wurde mit der genannten Ministervorlage vom 7.12.1944 nochmals Goebbels zur Entscheidung vorgelegt, nachdem die Anregung des Reichspressechefs in Abwesenheit Fuders als angebhcher Führerentscheid im Protokoll vermerkt und darüber Beschwerde geführt worden war. Goebbels Entscheidung ist nicht überliefert, doch scheint er der Anregung Dietrichs gefolgt zu sein, da ein entsprechendes Sujet in den Wochenschauen seit Dezember 1944 nicht auftaucht, ebd. Siehe Anm. 11. Siehe Anm. 8.
BA-Lichterfelde,
Jan Kindler
420
wachsende Waffen-SS, aktive Nachwuchswerbung. Schon der erste Luftwaffen film Flieger, Funker, Kanoniere (1936-38) hatte sich expkzit auch an die Jugend gerichtet75. Seit Ende der dreißiger Jahre war in Kooperation mit der Fheger-HJ das Nationalsoziahstische Fliegerkorps (NSFK)76 für die frühzeitige Werbung und technische sowie fliegerische Vorausbüdung späterer Luftwaffenangehöriger zuständig. Eine große Anzahl von Kulturfilmen des NSFK wandte sich ausschkeßkch an Jugendhche und sprach Erwachsene ledigkch als Elternteüe an, um deren Unterstützung zu gewinnen. Diese Füme rufen bewußt jugendkche Träume nach einem abenteuerkchen Püotenleben auf und steüten vor aüem die flugsporthchen Aktivitäten des NSFK heraus. Nur in zweien dieser Werbefilme stand die konkrete Vorbereitung der Jugendhchen auf eine militärische Verwendung in der Luftwaffe im Mttelpunkt. Die Jüngsten der Luftwaffe11 (1939) über die flieger-technischen Vorschulen und Flieger empor™ (1942) über die fliegerische Ausbüdung im NSFK unterscheiden sich in dieser Hinsicht vom großen Rest der NSFK-Fümproduktion. Die Luftwaffe selbst stellte mit Flieger-Offiziere19 erst 1942 durch ihre Hauptfilmsteüe einen eigenen offizieüen Werbefilm her, der um Nachwuchs für sein Offizier-Korps warb. Die Aufführung des Films war hierzu per Zensurentscheid vom 24.8.1942 »nur in geschlossenen Veranstaltungen der Wehrmacht und der HJ« erlaubt worden. Als Beispiel für luftwaffeninterne, aber auf zivües Pubhkum zielende Filmproduktion soll er genauer betrachtet werden. Flieger-Offiziere verbindet schon im programmatischen Titel romantische Fkegerfantasien mit dem gesellschaftlichen Leitbüd des Offiziers und damit zwei der populärsten Identifikationsangebote für männhche Jugendhche dieser Zeit80. Auch der Füm selbst ist vor aüem um eine Ideahsierung der Figur des Flieger-Offiziers in seinen verschiedenen Funktionen innerhalb einer Fheger-Staffel bemüht. Der Offiziersberuf bei der Luftwaffe soüte so als ein erstrebenswertes Berufsziel nicht für den durchschnittkchen Jugendlichen, aber für eine ektäre Auslese etabkert werden. Solche Ansprache einer der damaligen Jugend früh anerzogenen Ehteorientierung funktionierte im Nationalsozialismus als Identifikationsangebot in vielen 73
76 77
Regisseur Rikk in seinem Begleitbuch: »An die Jugend sich wendend, war beabsichtigt, in einem packenden Filmappell diese mit Leib und Seele für die Luftwaffe zu begeistern und zu gewinnen.« Fkeger, Funker, Kanoniere, S. 10. Nähere Angaben zum NSFK in Anm. 14. Die Jüngsten der Luftwaffe, 1939; P: Universum-Film AG, Berkn (Kulturfilm-Abteilung); R: Her-
Boehle; B: Erwin Krause; K: Otto Martini; M: Walter Schütze; Z: 14.7.1939, Nr. 51778; PRÄ: stw, vb, jfr, L. Flieger empor, 1942; P: Roto-Film Siem & Co., Hamburg; R: + flugtechn. Leitung: Markus Joachim Tidick; K: Wilhelm Siem; M: Wilhelm Krüger; Z: 3.3.1942, Nr. 56827; 420 m; PRÄ: stw, vb, jw, mann
456 m;
78
79
811
jfr, L. Nr. 57497; 498 m; PRÄ: Flieger-Offiziere, 1942; P: HauptfilmsteUe des RLM, Berkn; Z: 24.8.1942, nur in geschlossenen Veranstalzur im Deutschen L; Reich, zugelassen »jedoch stw, Vorführung tungen der Wehrmacht und HJ, auch vor Jugendhchen«. Auf die Wirkungsmächtigkeit dieser Kombination auch über 1945 hinaus hat Katja Kirste hingewiesen, vgl. Kirste, Fhegen fürs Vaterland.
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sind, da ist immer oben«
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Varianten und büdete bei den Werbemaßnahmen verschiedenster miktärischer Formationen ein zentrales Element. In diesem Sinne wird in Flieger-Offizjere gleich zu Beginn mit einer Schubblende von einem jugendhchen Flugschüler im Lenksitz eines Segelflugzeuges auf einen erwachsenen Püoten in seiner Flugzeugkanzel geblendet, gefolgt vom Tiefflug einer geordneten Flugzeugstaffel über die am Boden kauernde Kamera. Der Kommentar formuliert hierzu die angestrebte Zielrichtung der propagandistischen Argumentation des Füms:
»Kampfbegeisterte deutsche Jungen drängt es, Fheger zu werden. Fkeger-Offiziere aber können nur die sein, die mit überlegenem Können, sicher und entschlossen, Menschen und Flugzeuge zu steuern vermögen.«
Jugendkche Begeisterung für das Fhegen wird also bereits vorausgesetzt und gleichzeitig durch eine Aktivierung bestehender Ehtevorsteüungen bestätigt und verstärkt, indem der Fkegerberuf als »besonders anspruchsvoü« charakterisiert wird. Die mittig sich öffnende Schubblende zu Beginn suggeriert in diesem Sinne, daß in jedem erfolgreichen Segelflieger auch ein potentieüer Kampfflieger steckt. Schon dem vorrnihtärischen Segelflug-Training wird damit eine Vorstufe dieser Auslese als Aufgabe zugewiesen. Der Film hält die Grundlinie seiner zu Beginn expkzit formukerten Argumentation in der Folge ein und bemüht sich vorrangig um eine Präsentation des Flieger-Offiziers als Angehöriger einer ektären Berufsgruppe. Er benutzt hierzu in der Anfangssequenz einen einfachen dramaturgischen Trick, wenn sich der Pilot vom Beginn des Füms erst nach seiner Landung als Staffel-Kapitän zu erkennen gibt, der von seinen Untergebenen übertrieben enthusiastisch begrüßt wird. Der Film beginnt damit an der Spitze der Hierarchie einer Fkeger-Staffel, ihr »Chef« steht von Anfang an im Mttelpunkt der Inszenierung. Als Püot wird er zu Beginn als ruhender Pol gegen dynamische Flugaufnahmen montiert
den ganzen Film durchzieht. Eine sich wiederholende ihn hierbei in starker Untersicht innerhalb der Kanzel gegen die Einstehung zeigt durchsichtige Plexiglashaube quasi direkt »im Himmel« ein 1942 in zahlreichen Fhegerfilmen bereits standardisierter Bkck auf den Protagonisten als aügewaltig lenkenden, dabei anscheinend unabhängig agierenden und freien Flieger-Helden81. Zwei betont langsam ausgeführte Seitenbhcke durch die Kanzelfenster auf begleitende Flugzeuge deuten jedoch bereits die Grenzen fliegerischer Freiheit und die Einbindung des Einzelnen in militärische Strukturen an. Sie sind zudem als Kontroübkcke inszeniert und werden vom Kommentar zum aügemeinen Sinnbild für militärische Führung erhoben: ein
Motiv, das
—
—
»Nur die eigene Leistung rechtfertigt den Führungsanspruch des Offiziers. Seine charakterliche Haltung und Kunst der Menschenführung formen den inneren Wert seiner Männer.«
Neben zahlreichen Wochenschau-Sujets zur Luftwaffe lassen sich solche Einstellungen bereits in den Fhegerfilmen von Karl Ritter (Patrioten, 1937; Pour le Mérite, 1938; Stukas, 1941; alle Ufa), Herbert Maisch (D III 88, 1939; P: Tobis) und Hans Bertram (Feuertaufe, 1939/40, Kampfgeschwader Eützpw, 1941; beide Tobis) nachweisen.
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Luft-Herrschaft per Seitenblick RLM, 1942)
—
Der Staffelführer in: Flieger-Offiziere
(Hauptfilmstelle des
Die anschkeßende Landung auf dem Staffel-Flugfeld und die überschwenghche Begrüßung des bislang solitär auftretenden Fhegers zementieren endgültig seine Verankerung in der miktärischen Gemeinschaft. So werden bereits in der Anfangssequenz romantische Vorsteüungen vom Kriegseinsatz als Püot zwar kurz zugelassen, dann aber »auf den Boden«der miktärischen Hierarchie zurückgeholt. Im Anschluß werden in der Tradition der Vorkriegskulturfilme mehrere Szenen aus der Ausbüdung künftiger Fkeger gezeigt. Anders als bei Rikk steht hier jedoch nicht die Ausbüdung selbst im Mttelpunkt mit dem Hauptziel, das Verschmelzen von Mensch und Technik zu einer funktionierenden Einheit zu suggerieren. Hier dominiert weiter der ausbüdende Offizier als Menschenführer die Inszenierung. Mehrmals wird er in Großaufnahme und Untersicht gezeigt, betont durch dramatische Akzente der Musik. Die gesamte Inszenierung ist auf ihn als Ausbüder und Führer ausgerichtet, filmisch auf den Punkt gebracht, wenn seine Großaufnahme den Endpunkt einer von Crescendo begleiteten Kamerafahrt an einer angetretenen Gruppe entlang büdet. Hier wird eine von Riefenstahls Kameraleuten in Triumph des Wilkns (1934/35) und Tag der Freiheit Unsere Wehrmacht (1935)82 gezeigte Dramatisierungstechnik militärischer Formationen weiterentwickelt. —
82
Tag der Freiheit Unsere Wehrmacht, 1935; P: Reichsparteitagfilm der L.R. Studio-Film, Leni Riefenstahl; K: Willy Zielke, Walter Frentz, Hans Ertl u.a.; M: Peter Kreuder. -
Berhn; R:
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Disziplin und Fürsorge Der Staffel-Kapitän inspiziert die Küche in: Flieger-Offiziere (Haup filmstelle des RLM, 1942) —
Eine Differenzierung soü die Figur des Staffel-Kapitäns durch die Betonung seiner fürsorgkchen Quaktäten erhalten. Drill und Disziphn, dem automatischen Funktionieren von Rekruten wird sehr viel weniger Raum gelassen als der ständigen Fürsorge des Vorgesetzten: Er inspiziert die Küche, probiert das Essen, schaut sogar im Waschraum vorbei, um zu prüfen, ob man sich auch ordnungsgemäß wäscht und geseht sich nach Feierabend zur Skatrunde in der ausgestehten Bauernstubengemütlichkeit der Mannschaftsstube. Die Staffel wird als kleine Volksgemeinschaft in militärischer Ausprägung inszeniert, mit dem »Staffel-Kapitän« als allmächtigem Führer in seiner weichen, jugendkompatiblen Komponente: als treusorgender Ersatzvater und Kumpel auch nach Feierabend. Der Füm erweitert die Inszenierung des Fkeger-Offiziers im folgenden auf die einzelnen Funktionsoffiziere der Staffel, mit denen der Staffel-Kapitän seine Herrschaft über Mensch und Technik teüt und die mit ihren Arbeitsfeldern kurz vorgesteüt werden. Technischer Offizier, Waffen- und Bombenoffizier sowie Beobachtungsoffizier faüen dabei durchweg durch ihre jugendhche Erscheinung auf. Als Ausgleich werden auch ihre Gesichter wiederholt in Großaufnahme mit konturbetonendem Seitenkcht in Szene gesetzt ihre auftauende Ähnkchkeit verdichtet sich dabei zunehmend zu einem einzigen, typisierten Gesicht: dem ideahsierten Soldatenportrait in der Ausführung des jugendhch-schneidigen Fkeger-Offiziers, der noch die Kantinensuppe in schicker Ausgehuniform probiert. —
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Ideahsierung des Flieger-Offiziers als heldischen Mann und an der fürsorglichen Führer, jugendkchen Zielgruppe orientierte Variation des wird wiederholt unterlaufen durch das hölzerne Spiel der Führerprinzips, jedoch Der Versuch einer
eine
Laiendarsteüer. Übertrieben heroische Posen und angestrengt entschlossene Mmik der Protagonisten als befehlsgebende Leiter vor angetretener Truppe, gestelzt bis unfreiwillig komisch wirkende Kameradschaftlichkeit oder Anzugskontrollen im Waschraum, die der Kommentar als sichtbares Zeichen für eine »Atmosphäre des Vertrauens« interpretiert: Das Spiel der Darsteüer zeigt sich als ein grundsätzliches Problem militärischer Fümproduktion, wie es seit Mtte der dreißiger Jahre wirksam wurde. Geleitet von einem vor aüem ideologisch motivierten Glauben an die Wirkung militärischer Erziehung, meinten Militärs und auch Parteifunktionäre, die angestrebte heroische Wirkung am besten in den Gesichtern »echter Soldaten« zu finden: »Echte Soldaten, nicht ideaksiert, sondern mit einem kraftvollen Realismus hingestellt: das könnte man als das charakteristische Merkmal aller neueren Soldatenfilme bezeichnen83.«
Das »Kraftvoüe« an dieser Art von Reahsmus zeigt sich tatsächhch jedoch weniger in den zwar authentischen, aber meist nach physiognomischen Merkmalen wie besonders martiaksch wirkenden Gesichtskonturen ausgewählten Soldatendarstellern. Wichtiger sind hier die mittels Büdausschnitt, Perspektive, Licht und Maske nachhelfenden, eben doch ideahsierenden Inszenierungsstrategien der Filmleute84. Marauns Forderung nach »echten Soldaten« erscheint damit eher als Fortschreibung eines grundsätzhchen Denkfehlers vieler nationalsoziakstischer Kulturfunktionäre, eine (durch müitärische Ausbüdung angebkch garantierte) konforme Gesinnung führe auch automatisch zum gewünschten (Gesichts-)Ausdruck. Den grundlegenden Irrtum des Verfahrens, Soldaten als Darsteüer auch bei Spielszenen in ihren Positionen zu belassen, offenbaren die Füme noch heute. Die militärischen Laiendarsteller verfahen aufgrund ihrer Unsicherheit vor der Kamera, vor aüem aufgrund ihrer spürbaren Unfähigkeit zur nuancierten, dabei natürlich wirkenden Darstekung, oft in ein, je nach Regieanweisung, übertrieben zackiges oder legeres Spiel. Dieses zweifellos ungewoüte Irritationselement läßt sich in der Mehrzahl der mit miktärischen oder anderen Laiendarsteüern inszenierten Spielsequenzen in Kulturfilmen und auch Ausbüdungsfilmen der NS-Zeit finden. Es wirkt sich im ersten Teü von Flieger-Offiziere mit seiner Fokussierung auf den miktärischen Ausbüder jedoch besonders stark aus. Ausgerechnet die Darsteher kommen hier der Hauptintention der miktärischen Auftraggeber, deren Träger sie eigentlich sein soüen, in die Quere. —
—
83 84
Maraun, Unsere Wehrmacht, S. 229 f.
Eine in der miktärischen Lehrfilmproduktion entwickelte Schminkrezeptur zur Abdunklung der Gesichtsfarbe und Betonung der Gesichtskonturen etwa wurde von den Beteiligten scherzhaft als »heldisch-braun« bezeichnet.
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Der zweite Teü des Füms hier wird die Struktur der Vorkriegskulturfilme exakt kopiert besteht aus einem längeren Manöverteü. Er zeigt eine fotografische Fernaufklärung, die Entwicklung und Auswertung des Luftbüdmaterials sowie einen Bombenangriff auf die betreffende (wiederum engksche) Hafenanlage. Die Aufnahmen der Flugzeugbesatzungen während der Einsätze entstanden hierfür in der Kanzel eines Flugsimulators. Musikahsch wird für den abschkeßenden Bombenangriff ein heroisches Fanfarenmotiv wieder aufgegriffen, das am Beginn des Füms die Kamerafahrt entlang einer angetretenen Ausbüdungseinheit begleitet. Hier leitet es einen erfolgreichen Luftangriff ein und schließt damit den Kreis der militärischen Initiation vom ersten Ausbüdungsappeü bis zum Öffnen der Bombenschächte. Die Orientierung der Fümstruktur am Initiationsprozeß wird abschheßend noch einmal betont. Zu einem Medley verschiedener Luftwaffen-Lieder (es erklingen u.a. die ersten Takte des Stuka-Lied-Refrains) wird in schneüer SchubladenMontage noch einmal der Ausbüdungsgang gerafft nachvoüzogen. Hier wird der garantierte Erfolg einer militärischen Ausbüdung suggeriert, aus der automatisch erfolgreiche Operationen hervorzugehen scheinen, bevor in Fhegerfilm-typischer Apotheose symmetrisch geordnete Formationsbüder die letztüche Kontroüe der Technik durch den Menschen versichern. Wie bei vielen Kulturfilmen im Nationalsoziaksmus bildet der Schluß von Flieger-Offiziere gemeinsam mit der Anfangssequenz eine Art propagandistischer Einklammerung: Hier wird der Füm am deutlichsten, hier kommt der Kommentar auf den ideologischen Punkt. Angesichts der festgesteüten Irritationselemente erscheint diese Einrahmung des Füms wie die Absicherung einer zwischenzeitlich in Gefahr geratenen propagandistischen Intention. -
—
Fazit Ein genauerer Bhck auf die Luftwaffen-Kulturfilme im Nationalsoziaksmus hat gezeigt, daß es sich von Anfang an um komplexe filmische Leitartikel zu militärpoktischen und ideologischen Themen handelt. Produziert sowohl von der staatlich kontrolkerten Filmindustrie als auch von militärischen Dienststeüen, zeigen Gestaltung und Argumentation der Filme eine homogene Ausrichtung an den wechselnden Schwerpunkten staathch gelenkter Mktärpropaganda85. Filme der Vorkriegszeit vermitteln mit dem Glauben an eine stählerne Unverwundbarkeit und einen zu kriegerischer Aggressivität transformierten jugendhchen Draufgängertum grundlegende Mobüisierungselemente nationalsoziakstischer Ideologie. Die durchaus ambitionierten Gestaltungsinteressen eines Martin Rikk verhalten sich hier gänzkch systemkonform. Mt Kriegsausbruch verlagert sich die 83
Eine Übernahme des ursprüngkch zeitgenössischen Begriffes »heroische Reportage« zur Bezeichnung dieser Gattung würde demnach den vielschichtigen Manipukerungsinteressen der Hersteller nicht gerecht werden.
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Produktion quantitativ zwar stärker auf die expandierende Fümsteüe im Reichsluftfahrt-Mnisterium (RLM), doch Motivauswahl, dramaturgische Muster und grundlegende filmische Gestaltungselemente (Büdausschnitte, Kameraperspektiven und -bewegungen, durchkomponierte Musikbegleitungen) werden übernommen. Auch bei dem seit 1941 vorherrschenden Format einer geradhnigeren Einsatz-Chronik finden sich aüe zentralen Dramatisierungstechniken der Vorkriegszeit, bis hin zu Passagen hochgradiger Stilisierung. Gänzhch ungebrochen bleibt die Fixierung der Filme auf einen Bkck nach innen, der Gegner und damit das Ziel militärischer Aggression bleibt auch im Krieg weitgehend ausgespart. Im Mttelpunkt der Luftwaffenfilme steht vielmehr das Versprechen einer eigenen, auf den ideologiekonformen Bereich der »Kriegstechnik« reduzierten Modernität. Hierfür werden Herrschaftsphantasien, wie sie als Grundmotivation auch den Endzweck, die Exekution einer aggressiven Kriegspoktik geprägt haben, auf das Schreckbüd einer aües verändernden technischen Modernisierung übertragen. Klassischen Modernisierungsängsten wird so mit der Utopie einer völhgen Beherrschung der Technik durch einen neuen Kriegertyp
begegnet. Seit
täten
1942, als sich schlußendlich die Unterlegenheit deutscher Rüstungskapaziabzeichnet, wird dieser fixe Glaube an übermenschliche Fähigkeiten durch
forcierte
Ideaksierungen des soldatischen Personals auf die Spitze getrieben (Beispiel: Flieger-Offiziere). Die Betonung einer überlegenen Technik verschwindet demgegenüber mit fortschreitendem Krieg mehr und mehr aus den heroischen Kulturfilm-Utopien von Luftkrieg und Miktär. Erst kurz vor Kriegsende wird bei der Bavaria noch ein Kulturfilm in Angriff genommen, der mittels Aufnahmen verschiedener Sonderkonstruktionen der Luftwaffe (»Gotha«, »Fokker«) noch einmal »Hoffnung auf eine Landung in England wecken« und »gleichzeitig [den] Gegner irreführen« sollte86. Das nach Angaben des Kulturfürnregisseurs Emü K. Beltzig unter dem Titel Invasion im Rücken der Front bearbeitete Projekt wurde jedoch nicht mehr fertiggesteüt und ist eher zu den Projekten der letzten Stunde zu zählen, in deren Produktionsstäben zahlreiche Fümschaffende die Kapitulation abwarteten. Eine zum Kriegsende tatsächhch forcierte Wunderwaffen-Propaganda, die noch einmal an die im Kulturfilm entwickelten Utopien überlegener deutscher Kriegstechnik anknüpfte, bediente sich mit Presse und Wochenschau anderer, noch intakterer Kanäle. Der Luftwaffen-Kulturfilm spielte hierbei keine Rohe mehr. * * *
Jan Kindler, M.A., geb. 1967, Filmhistoriker, Diplomkommunikationswkt
und
Doktorand an der Technischen Universität Berkn E-Maü: [email protected]
86
Undatierte Notiz aus der direkten Nachkriegszeit mit »Angaben« Emil Karl Beltzigs Propaganda der Luftwaffe«, vgl. Nachlaß Beltzig im IfZ München, ED 323/1.
zur
»Film-
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sind, da ist immer oben«
Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
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Literatur
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Film,
6
(1941/42), 6/7 (Dezem-
Filmographie Berücksichtigt wurden dokumentarische Beiprogrammfüme zum Thema »Luftwaffe«, für die auf der Grundlage von Zensurksten der Berkner FilmprüfsteUe, überkeferter Zensurkarten und Notizen in der zeitgenössischen Fachpresse eine Zensur zwischen 1933 und 1945 nachgewiesen werden konnte. Ausgeklammert blei-
ben neben unzensierten Filmen solche zu verwandten Bereichen wie Luftschutz, Werk- und Werbefilme, Portraits, Füme zur zivüen Luftfahrt (Luftsport, Segelfliegen, Verkehrsfliegerei etc.) sowie Filme des NSFK (Nationalsoziakstisches Fliegerkorps). Bemerkungen zum Inhalt beschränken sich auf die Füme, die im Text nicht näher behandelt werden. Neben den übkchen Abkürzungen für Produktion (P), Drehbuch (B), Regie (R), Kamera (K), Musik (M) und Darsteüer (D) werden verwendet: Untertitel UT: V: Verleih Erstzensur der Normalfassung (35 mm) mit Angabe von AusstellungsdaZ: tum und Nummer der Zensurkarte (Prüfnurnmer), Format, Länge und vergebenen Prädikaten. In der Regel folgten später noch Zensuren vertonter und/oder stummer Schmalfümfassungen sowie Nachzensuren der Normalfassung, auf deren Angabe aus Platzgründen verzichtet wird. UA: Uraufführung: In der Regel fand die Erstaufführung eines neuen Kulturfilms als gemeinsame Premiere mit einem fest zugeordneten Spielfilm statt. Aufgrund der unregelmäßigen und nur marginalen Besprechung von Kulturfilmen in der Tages- und Fachpresse läßt sich jedoch die Uraufführung nicht in jedem Faü belegen. Propagandistisch besonders bedeutsame Kulturfilme zu staatlichen Einrichtungen (und hierzu zählt eine Reihe der Wehrmachts-Filme) erlebten häufig separate Voraufführungen auf Festivals oder vor teilöffentlichem Pubhkum (Truppenteüe, Parteistellen etc.). Nachzuweisen sind in der Regel nur Festivalaufführungen, meist auf der Biennale in Venedig. In solchen Fäüen einer Uraufführung im Ausland (UA) wird getrennt berücksichtigt die deutsche Erstaufführung (DE).
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HF:
LIT:
KO: BEM:
Hauptfilm (Spielfilm), zu dem der betreffende Kmturfikn nachweiskch als fest programmierter Beiprogrammfilm eingesetzt, d.h. von einem Verleih an die Kinos im Paket verkehen wurde. Grundlage sind in der Regel Presvon Kultur- und Haupteiner Premiere sebesprechungen gemeinsamen film (hierzu zählen auch regionale Premieren in der »Provinz«). Parallele Mehrfachprogrammierungen eines Kulturfilms mit regionalen Abweichungen sind jedoch genauso wenig auszuschheßen wie Wiederholungs-
einsätze. Literatur. Neben den üblichen zeitgenössischen Fachzeitschriften (FilmKurier, Lichtbüd-Bühne) vor aüem: Wochenschauen und Dokumentarfilme 1895-1950 im Bundesarchiv-Filmarchiv (Findbücher zu Beständen des Bundesarchivs, Band 8), neubarbeitet von Peter Bucher, Koblenz 1984 (abgekürzt: BUCHER); John Frank Kelson, Catalogue of Forbidden German Feature and Short Film Productions held in Zonal Film Archives of Film Section, Information Services Division, Control Commission for Germany (BE), hrsg. von K.R.M. Short in Zusammenarbeit mit dem Imperial War Museum, London (= Studies in War and Füm, 4), Trowbridge 1996 (abgekürzt: KELSON); Füm- und Lehrbildreihenverzeichnis der Luftwaffe (Luftwaffen-Dienstvorschrift Nr. 983/1), Teü 1: Fümverzeichnis der Luftwaffe, November 1944 (abgek: L.Dv.983/1). Benutzbare Archiv-Kopien: BA (= Bundesarchiv-Filmarchiv, Berhn) und IWMFV (= Imperial War Museum Füm and Video Archive, London).
Bemerkungen
Kulturfilme
zu
ausländischen Luftwaffen
LUFTKAMPF UND BOMBENABWURF
Deutschland
H/P: Z: ZK: KO: LIT:
1934, s/w
aus
der »Tarnzeit«
(1933-35):
DIE LUFTWAFFEN FREMDER STAATEN -
Reichsluftschutzbund e.V., Das Präsidium, Berkn 29.6.1934, Nr. 36626; 35 mm; 328 m; stumm; vb, jfr, L 130 m) Nr. 36626 v. 29.6.1934 BA LBB 6/36
(auch seh:
MANÖVER DER JAGD- UND BOMBENGESCHWADER DES AUSLANDES Deutschland 1934, s/w
H/P: Z:
KO: LIT:
Reichsluftschutzbund e.V., Das Präsidium, Berhn 29.6.1934, Nr. 36628; 35 mm; 286 m; stumm; vb, seh: 118 m) BA LBB 6/36
jfr,
L
(auch
Jan Kindler
430
EINSATZ UND WIRKUNG DER LUFTWAFFE DES MODERNE LUFTWAFFEN VERSAILLER VERTRAG VERBOTEN SIND DIE UNS LAUT AUSLANDES, -
Deutschland
H/P:
1934, s/w
Reichsluftschutzbund e.V., Das Präsidium, Berkn 29.6.1934, Nr. 36624; 35 mm; 477 m; stumm, vb, jfr, L (auch seh: 190 m) LBB 6/36 Als weitere RLB-Füme wurden am 29.6.1934 als stumme 35und 16-mm-Formate mit gleichen Prädikaten zensiert: Die Grundlagen des Gasschutzes (35 mm: 379 m) Die taktische Verwendung des Flakregiments (35 mm: 326 m)
Z:
LIT: BEM:
Luftwaffen-Kulturfilme 1935-45: FLIEGER EMPOR
Deutschland P:
Z: UA: UT: BEM:
1936, s/w Bavaria-Füm AG, München 2.5.1936, Nr. 42346; 35 mm; 404 m; 19.6.1936, Berhn (Primus-Palast) FK
jfr, vb, L
142/36 (20.6.36)
Eine Geschichte der deutschen Luftfahrt, die für die Idee einer »deutschen Fhegerei« wirbt; verbindet zivüe Bereiche Luftsport und Verkehrsluftfahrt mit »Wehrluftfahrt« (nach ZK Nr. 42346), nicht zu verwechseln mit gleichnamigem Roto-Füm von 1942.
FLIEGER, FUNKER, KANONIERE Deutschland 1936-38, s/w Ein Querschnitt aus der Aufbauzeit der deutschen Luftwaffe UT: Martin Rikk B/R: P: Universum-Film AG, Berkn (Kmturfilrn-Abteüung, Herstellungsgruppe Dr. Nicholas Kaufmann) in Zusammenarbeit mit dem Reichsluftfahrtministerium K: Erwin Bleeck-Wagner M: Walter Winnig Z:
10.11.1937, Nr. 46726; 35mm; 557 m (ohne Vorrede Göring); kw, jfr, vb, L; zusätzkeh wkd eine Kurzansprache von Gözensiert und dem Film vorangesteht: 23.12.1937, Nr. 47148; ring stw,
UA: HF:
35 mm; 62 m (»Generaloberst Göring spricht zum LuftwaffenFilm der Ufa«); stw, kw, jfr, vb, L 19.1.1938, Berlin (Ufa-Palast am Zoo) als Vorfilm zu URLAUB AUF EHRENWORT (s.u.) (lt. FK 16/38 v. 20.1.1938 vorher Sondervorführung, nicht nachzuweisen) URLAUB AUF EHRENWORT (milk. Propagandafilm über Endphase des l.WK; P: Ufa; R: Karl Ritter; D: Ingeborg Theek,
»Wo wir
sind, da ist immer oben« Die Luftwaffe im NS-Kulturfilrn
431
-
LIT:
KO: BEM:
Rudolf Möbius). Dieser Film hatte bereits am 11.1.1938 eine eigene feierkche Premiere mit gesondertem Beiprogramm.
267/37 (16.11.1937), FK 294/37 (18.12.1937), FK 16/38 (20.1.1938), FK 47/38 (25.2.1938), FK 165/39 (19.7.1939); Der Film, 47/37 (20.11.1937, Beilage), Der Film, 4/38 (22.1.1938, Beilage); LBB 267/37 (16.11.1937); Martin Rikk, Fkeger, Funker, Kanoniere, Berlin 1938; Ufa-Schmalfilme tönend und stumm (Katalog), 1937/1938 (S. 9) und 1940 (S. 14) FK
BA
Sonderaufführung auf der 7. Biennale in Venedig am 11.8.1939, gemeinsam mit FLIEGER ZUR SEE als Vorprogramm zur UA des Spielfilms POUR LE MERITE (Fliegerfilm, Deutschland 1938; R: Karl Ritter; D: Paul Hartmann, Jutta Freybe)
FLIEGER ZUR SEE
Deutschland P:
B/R: K: M:
Sprecher: Z:
UA:
DE: HF:
1938/1939, s/w Universum-Füm AG, Berkn (Kuhurfüm-Abteilung) in Zusammenarbeit mit dem RLM Martin Rudi Erwin Bleeck-Wagner Walter Schütze Hans Meyer-Hanno 29.3.1939, Nr. 50794; 35 mm; 546 m; stw, kw, vb, jfr, L (bei Zweitzensur am 16.12.42, Nr. 58062, entfaüen die Prädikate »künsderisch wertvoü« und »volksbüdend«) 11.8.1939, Venedig; Sondervorführung auf der 7. Biennale gemeinsam mit FLIEGER, FUNKER, KANONIERE als Vorprogramm zur UA von POUR LE MERITE (Deutschland 1938, s.o.) 15.8.1939, Berlin (Ufa-Palast am Zoo) als Vorfilm zur UA von ES WAR EINE RAUSCHENDE BALLNACHT (s.u.) ES WAR EINE RAUSCHENDE BALLNACHT
s/w, der,
LIT:
KO: BEM:
FK
(Deutschland 1939,
musikal. Drama; P: Ufa; R: Carl Fröhhch; D: Zarah LeanMarika Rökk)
FK 192/39 (19.8.1939), FK 165/39 deutsche Der (19.7.1939); Füm, 3 (1938/39), 10; Der Film, Der 18/39, Füm, 12/42 (21.3.1942); Bucher, S. 298 BA Nicht zu verwechseln mit gleichnamigem Film des kaiserl. Bildund Film-Amtes von 1918 (ZK: Nr. 4984 v. 22.12.1921).
50/39 (28.2.1939),
Jan Kindler
432
FALLSCHIRMJÄGER Deutschland 1939, s/w E. K (Emü B:
Karl) Beltzig, Martin Rudi Beltzig Körösi & Bethke Kuhurfihnproduktion, Berkn sum-Film AG, Berkn (Kulturfilm-Abteilung)
R: P:
E. K.
V: K: M:
Terra Herbert Körösi, Ludwig Zahn Erich Kuntzen Text des Fahschirmjägerkedes: G. Theilmann
Schnitt: Z: UA:
für die Univer-
Luftwaffe) Wolfgang Suntheim
(Gefreiter
der
28.7.1939, Nr. 51859; 35 mm; 416 m; stw, kw, vb, jfr, L
Auf der 7. Biennale,
Sonderprogramms (1938,
Venedig
1939 (August 1939) als Teü eines Kulturfilme mit UNSERE R: Georg Muschner), KENNT IHR
deutscher
P: Ufa, ARTILLERIE P: DAS LAND IN DEUTSCHEN GAUEN? KRAFT SCHWUNG Albert UND Film, R: sowie SCHIFF OHNE KLASSEN
pia-Film)
(1938,
Kling),
DE:
Fümsteüe, R: Hans Heinrich) 3.10.1939, Berhn (Gloria-Palast)
HF:
DIE WELTKONFERENZ KITTY UND DIE WELTKONFERENZ
als Vorfilm
Tobis/Kling(1939, P: Olym(1938, P: DAFzu
KITTY UND
(s.u.)
(Deutschland 1939,
Ko-
mödie; P: Terra; R: Helmut Käutner; D: Hannelore Schroth, Christian
LIT:
KO: BEM:
Dieser Füm hatte bereits am 25.8.1939 in Stuttgart Premiere und wurde schon Ende 1939 »im Hinbhck auf die eingetretene Kriegslage« wieder verboten (Jacobsen/ Prinzler, Käutner, 1992, S. 276). FK 194 (22.8.1939), FK 231 (4.10.1939), FK 203 (30.8.1940), FK 165/39 (19.7.1939); Kelson (S. 137) BA, IWMFV (GWY 985) Weitere Sonderaufführungen von FALLSCHIRMJÄGER auf der ersten Kulturfilm-Woche in München vom 22. bis 28.7.1940 (Volkstheater München) sowie auf einer Sonntagsmatinee des Reichsbundes ehem. Frontsoldaten am 22.6.1941 (Titania-Palast, Berhn, mit neuester Wochenschau und Ansprache eines Korvetten-
Gollong).
kapitäns Breithaupt).
spricht Regisseur Beltzig von einen Film SOLDATEN von 1937/38 über Ausbüdung und Massenabsprung des 1. Fallschirmjäger-Regiments in Stendal, für den keine Zensur nachgewiesen werden konnte. Ob es sich um eine erste oder abweichende Fassung des Films FALLSCHIRMJÄGER handelt, ist ungeklärt (Nachlaß Beltzig, IfZ, ED 323/1). Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, von Bucher (S. 297) anIn seinem Nachlaß
FALLEN VOM HIMMEL
»Wo wir
sind, da ist immer oben« Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
433
-
geführten Film (16 mm, (F 239). DIE
113 m,
st).
Hier handelt
es
sich
um
einen RWU-Füm
JÜNGSTEN DER LUFTWAFFE
Deutschland 1939, s/w Ein Füm von den Fheger-Technischen Vorschulen UT: P: Universum-Film AG, Berkn (Kulturfilm-Abteilung) V: Tobis R: Hermann Boehle B: Erwin Krause K: Otto Martini Walter Schütze M: Z: 14.7.1939, Nr. 51778; 35 mm; 456 m; stw, vb, jfr, L UA: Anfang November 1939 als Vorfilm zu DIE REISE NACH TILSIT (s.u.), kurz nach dessen Uraufführung am 2.11.1939 in Tüsit HF:
(Deutschland 1939, Melodram; P: MaR: Veit Harlan; D: Kristina Söderbaum, Fritz jestic-Füm GmbH; van Dieser Film (und damit das gesamte Programm) Dongens). DIE REISE NACH TILSIT
war
LIT: KO:
FK BA
für Jugendhche verboten. 268/39 (16.11.1939), Kelson
(S. 137)
BILDER VOM AUFSTIEG DER DEUTSCHEN LUFTWAFFE
Deutschland 1940, s/w P: Universum-Film AG, Berlin (Kultarfilm-Abteüung) Z: 3.12.1940, Nr. 54575; 35 mm; 339 m; stw, vb, jfr DEUTSCHE FREIWILLIGE IN SPANIEN
Deutschland 1939, s/w UT: Der erste Filmbericht vom Kampf der Legion »Condor« P: Deutsche Wochenschauzentrale Schnitt: Herr Schüüer M: Ernst Erich Buder Z: 2.6.1939, Nr. 51583; 35 mm; 433 m (lt. FK 126/39: 450 m); stw, UA:
LIT:
vb, jw, jfr 2. Juni 1939, Massenstart in 850 Kinos der ersten Wochenschaufolge anstatt eines Kulturfilms, hef direkt nach einer Wochen-
schau über den Empfang der Legion in Hamburg (DeuligTonwoche Nr. 387/39 und Ufa-Tonwoche Nr. 456/39). FK 126/39 (3.6.1939 / Titelblatt); Der deutsche Füm, 1/39 (Juk 1939); Helmut Regel, Han Pasado Sie sind durchgekommen. Der spanische Bürgerkrieg im NS-Kino, in: Büder schreiben Geschichte. Der Historiker im Kino, hrsg. von Rainer Rother, -
Jan Kindler
434
Berhn 1991, S. 129-142; Boguslaw Drewniak, Der deutsche Film 1938-1945, Düsseldorf 1987, S. 346-348; Bucher (S. 289) BA Einsatz deutscher Luftwaffen-Verbände als »Legion Condor« im spanischen Bürgerkrieg an der Seite Francos: u.a. Bombardierung und Beschießung von Städten und Brücken, Ausbüdung frankistischer Truppen, Rückkehr nach Deutschland. Um Wochenschaubilder ergänzte Kurzfassung von Karl Ritters zehn Tage später zensiertem Langfilm IM KAMPF GEGEN DEN WELTFEIND DEUTSCHE FREIWILLIGE IN SPANIEN (Ufa; Z: 12.6.1939; 35 mm; 2.564 m; UA: 15.6.1939; Vorfilm: DAS WORT AUS STEIN). Beide Fassungen wurden am 7.9.1939 nach Abschluß des Hider-Stahn-Paktes wie aüe anti-kommunistischen Füme zunächst verboten, vgl. Regel, Der Spanische Bürgerkrieg, S. 134, und Drewniak, Der deutsche Film, S. 347. Ausschkeßkch zu den Hamburger Feierkchkeiten anläßkch der Rückkehr der Legion »Condor« im Juni 1939 auch: ANKUNFT DER LEGION CONDOR IN HAMBURG (P: Reichspropagandaleitung der NSDAP/Amtsleitung Film; Z: 22.7.1940, Nr. 54012; 16 mm;
KO: BEM:
-
134 m; stumm;
jfr).
Von einem weiteren dokumentarischen Langfilm über den Spanienkrieg mit dem Titel HELDEN IN SPANIEN (D/SPA 1938/39; Z: 27.8.1938; 35 mm; 2266 m; UA: 8.6.1939; span. Fassung: ESPAÑA HEROICA) wurde 1942 eine Kurzfassung hergestellt (HELDEN IN SPANIEN; Hispano Füm Produktion, Johann W. Ther, Berhn; Z: 17.4.1942, Nr. 57109; 35 mm; 521 m). AUerdings werden in der überkeferten Fassung der langen Version von 1939 (der Kurzfilm ist nicht nachweisbar) keine Angehörigen der Legion Condor gezeigt, vielmehr Franco als aüeiniger Sieger inszeniert. Auf der Grundlage des überlieferten Fümmaterials läßt sich demnach nicht von einem Füm über die deutsche
Luftwaffe
sprechen.
DEUTSCHE FRONTFLUGZEUGE
Deutschland 1940, s/w UT: Ein Büdbericht von E.K. Beltzig P: Arnold & Richter KG, München R: E. (Emil) K. Beltzig
M/musikal.
Leitung: Z: UA:
HF:
Emü Kaiser 11.5.1940, Nr. 53746; 35 mm; 392 m; vb, jfr 22.5.1940, Berhn (Atrium), als Vorfilm zu DER RETTENDE ENGEL (s.u.) DER RETTENDE ENGEL
Lustspiel; R:
(Deutschland 1939/40, bayrisches Sepp Rist). Die-
Ferdinand Dörfler; D: Carla Rust,
»Wo wk
sind, da ist immer oben« Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
435
-
ser Film hatte seine UA am 19.4.1940 in Weimar, vgl. Drewniak, Der deutsche Füm, S. 535. FK 118/40 (23.5.1940), Bucher (S. 334), Kelson (S. 138) BA Stellt folgende Flugzeugtypen vor: He 111, MesserschmidtJäger, He 114 und 115 (Wasserflugzeuge), Do 18 (Langstreckenflugzeug), Ju 87 (Stuka)
LIT: KO: BEM:
DER WILLE ZUM FLIEGEN
Deutschland P: V: Z:
1941, s/w
Kulturfüm-Produktion Ada von Roon
»Kultura«, Berhn NSDAP, Reichspropagandaleitung, Hauptamt Füm, Berhn 21.2.1941, Nr. 55088; 35 mm; 504 m; stw, jfr; »darf jedoch
nur
in geschlossenen Veranstaltungen der GaufümsteUen der NSDAP und des NS-Füegerkorps, auch vor Jugendhchen, gezeigt werden« (ZK) BA Geschichte der Luftfahrt, Betonung des deutschen Erfinders Otto Lüienthal und des Weltkrieges; Schüderung des Aufbaus einer zivüen deutschen Luftwaffe seit 1918, Ausbüdung im NSFliegerkorps, Luftwaffe als »Krönung der Fhegerei«
KO: BEM:
FLIEGER ZU FUß
Deutschland P: Z:
1941, s/w
(Gefreiter) Anton Schütz, Düsseldorf Nr. 55583; 16 mm; 200 m (stumm); Schmalfilm-Zensur) Gefr.
7.10.1941,
stw,
vb, jfr (nur
FLIEGER EMPOR
Deutschland P:
1942, s/w
Roto-Füm Siem & Co.,
D/R/
flugtechn. Leitung: K: M: Z: LIT: BEM:
Hamburg
Markus Joachim Tidick Wilhelm Siem Wilhelm Krüger 3.3.1942, Nr. 56827; 35 mm; 420 m; stw, vb, Kelson (S. 98) Fliegerische Ausbüdung der HJ im NSFK
jw, jfr, L
FLIEGER-OFFIZIERE
Deutschland 1942, P: V:
s/w
Hauptfümstelle des Reichsluftfahrtministeriums, Berhn Sigma Füm Uhkch & Schröter, Berhn
Jan Kindler
436
Z:
Nr. 57497; 35 mm; 498 m; stw, L; zugelassen zur Vorführung im Deutschen Reich, »jedoch nur in geschlossenen
24.8.1942,
der Wehrmacht und HJ, auch vor Jugendhchen« Füm- und Lehrbüdreihenverzeichnis der Luftwaffe (L.Dv. 983/1), Teü 1: Fümverzeichnis der Luftwaffe, November 1944, S. 57 BA
Veranstaltungen
Lit: KO:
SPRUNG IN DEN FEIND
Deutschland 1942, s/w Gestaltet nach dem Gefechtsbericht eines FaüschirmjägerbaUT: taiüons P: Tobis-Fümkunst GmbH, Herstellungsgruppe Wühelm Stöppler (im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht) R: Paul Otto Bartning, Karl-Ludwig Ruppel M: Norbert Schultze Z: 28.8.1942, Nr. 57495; 35 mm; 697 m; stw, küw, vb, jfr; Zensur gemeinsam mit einer itakenischen Fassung: Nr. 57496, 697 m, einkopierte itakenische Untertitel unter dem Titel ASSALTO DAL CIELO
UA: LIT: KO: BEM:
4.9.1942, Venedig; Sondervorführung auf der 10. Biennale als Vorfilm zu schweizer Zirkus-Film GENS, QUI PASSENT FK 208/42 (5.9.1942), Kelson (S. 137) BA, IWMFV (GWY 708)
Nachinszenierung des Einsatzes eines Fallschirmjäger-Bataülons bei der Erstürmung hoüändischer Festungen im Mai 1940. Sonderaufführung auf 2. Reichswoche für den deutschen Kulturfilm (München, 13.-22.1.1942)
ÜBER DEM ATLANTIK Deutschland 1942, s/w Ein Erlebnisbericht vom Einsatz des Condor-Geschwaders UT1: UT2: Aufgenommen von Fümberichtern einer Luftwaffen-Kriegsberichterkompanie, gestaltet von der Hauptfilmsteüe des Reichsluftfahrtministeriums P: Hauptfilmsteüe des Reichsluftfahrtministeriums, Berlin-Lankwitz Z: 23.4.1942, Nr. 57104; 35 mm; 398 m; stw, vb, L, jfr
FERNBOMBER
KO: BEM:
BA Einsatz eines Fernbombers Focke-Wulf »Condor« gegen britische Geleitzüge im Nordatiantik
»Wo wk
Die Luftwaffe im NS-Kulturfilm
sind, da ist immer oben«
437
-
FLUGZEUG IN SEENOT
Deutschland 1943, s/w UT: Dieser Film ist eine Nacherzählung der Erlebnisse einer Flugzeugbesatzung, die aus Seenot gerettet wird P: Deutsche Filmherstehungs- und Verwertungs GmbH der NSDAP, Berkn-Tempelhof (mit Unterstützung des Reichsluft-
fahrtrninisteriurns)
B/R:
Kurt Wolfes
K: M: D:
Wolf Schwan, S. Kröner HH (Hans Heinz) Sieber Leutnant Ehrhardt, Leutnant Vertens und eine Seenotstaffel
14.1.1943, Nr. 57665; 35 mm; 431 m; stw, aw, Bucher (S. 340), Kelson (S. 131) BA, IWMFVA (GWY 783)
Z: LIT: KO:
jfr
EINSATZ
1942/43, s/w
Deutschland P:
Hauptfilmsteüe
witz
des
Reichsluftfahrtrninisteriums,
Berlin-Lank-
15.3.1943, Nr. 58755; 35 mm; 521m; stw, küw, jfr BA Einsatz eines Fkeger-Korps am Ärmelkanal im Luftkrieg gegen
Z: KO: BEM:
England
STURZ INS ZIEL
(auch:
UNSERE
STUKAS)
Deutschland 1943, s/w UT: Gestaltet nach dem Erlebnisbericht (lt. Zensurkarte Nr. 58842) P: Ufa-Filmkunst GmbH, Berkn Hans F. Wühelm B/R: K: Otto Martini, Karl Heinz Witte M: Walter Winnig Fachberatung: Helmuth Wenke Z: 28.10.1943, Nr. 58842; 35 mm; 430 m; stw, aw, vb, jfr LIT: Kelson (S. 138) BA KO: BEM: Technik des Sturzbombenfluges, Bombenabwurf Stuka (Ju 87 und 88), Stuka-Angriff auf Geleitzug, Fhegerabwehr an Bord des Geleitzuges. In der Bundesrepublik ist der Füm in einer autorisierten 8-mm-Fassung im freien Verkauf erhältkch. "
Jan Kindler
438
Kein
Zensurnachweis, off. Vorführung aber ursprünglich wohl geplant:
FRONT AM HIMMEL
Deutschland ca. 1940-1942, s/w Ein Füm vom Einsatz der deutschen Luftwaffe UT1: Die Aufnahmen wurden nach Erlebnisberichten mit der EinUT 2: UT 3:
P: R: M: K:
LIT: KO: BEM:
satz-Truppe gedreht
Viele, die in diesem Füm mitgewirkt, manche, die an ihm mitgearbeitet haben, erleben seine Aufführung nicht mehr. Ihnen
setzt dieses Büddokument ein Denkmal Tobis-Fümkunst GmbH, Berkn im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht Wühelm Stöppler, Carl O. Bartning, Karl L. Ruppel Norbert Schultze Karl Ludwig Ruppel, Roderich Nolting. Verwendete Aufnahmen der Kriegsberichter: Ltn. Rolf von Pebal, Ltn. Werner Speer, Gefr. Kurt Leisler, Ltn. Hans Theyer, Uffz. Joachim W. Schröder, Gefr. Heinz Jaworski, Flg. Johannes Arndt Bucher (S. 341), Kelson (S. 50/51) BA (Fragment, 83 Min., teüweise ohne Ton), IWMFV (GWY 502, Fragment, teüweise ohne Ton) Der Füm behandelt den Luftkrieg gegen England (1940/41) und beinhaltet neben dokumentarischen Büdern von LuftwaffenFümberichtern auch Tricksequenzen und ausgedehnte Spielszenen. Luftangriff auf Berhn, System deutscher Luftabwehr, Vergeltungsangriff auf Southampton, Luftkämpfe.
Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm
Wolfgang Schmidt
Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm Ein zentrales Phänomen der deutschen Geschichte zwischen 1945 und 1989 ist ihre Doppelung1. Die doppelte Staatsgründung von 1949 hatte, lange bevor Willy Brandt dies 1969 in eine regierungsamtkche Formel goß, faktisch »zwei Staaten in Deutschland« formiert2. Fragt man nach dem Charakter ihrer politischen Architektur, so findet sich die Antwort in der Statik der bipolaren Weltordnung, welche spätestens zum Ende der vierziger Jahre die europäische Nachkriegsordnung unter der Prämisse des Kalten Krieges diktierte. Moskau und Washington waren die Bezugspunkte, welche die politische, ökonomische und zunehmend auch gesellschaftliche Verfaßtheit von Bundesrepubhk und DDR auseinander führten. Hier lagerten aber auch die Transmissionsriemen in einem Prozeß, der beide deutsche Staaten in Konfrontation zueinander brachte. Die innerdeutsche Grenze trennte nicht nur Parteiendemokratie von Parteidiktatur, soziale Markt- von zentralistischer Planwirtschaft, eine plurahstische von einer monistischen Gesehschaft oder den Liberalismus von der Diktatur des Proletariats. Vielmehr standen sich an der stacheldrahtbewehrten, von Minen gesäumten europäischen Trennhnie eines weltweiten Antagonismus zwei nuklear gerüstete Militärbündnisse gegenüber, die seit den fünfziger Jahren nachhaltig auch von deutschen Streitkräften getragen wurden von der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Bundeswehr. Prononcierte Trennung und polarisierte Gegensätzhchkeit markierten aber nur eine Seite der deutsch-deutschen Medaille. Beide Tedstaaten und -gesehschaften waren in vielfältiger Widersprüchkchkeit nicht nur durchgängig aufeinander bezogen, sondern sie trugen auch die gesamte deutsche Geschichte mit sich. Aufgrund der biographischen Kontinuitäten lastete in jedem Fall das Erbe des nationalsoziakstischen Regimes und die Erfahrung der totalen Niederlage von 1945 auf beiden Kriegsfolgegesehschaften3. In dem Maße aber, wie Erinnerung und Deutung von Nationalsozialismus, Krieg und Kriegsfolgen zur Legitimation der jeweüs eigenen Position bzw. zur Ausgestaltung sowie zur Abgrenzung der poktischen und gesell—
Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung; Kleßmann, Zwei Staaten, eine Nation. Regierungserklärung vom 28.10.1969, in: Die großen Regierungserklärungen, S. 164. Siehe Drei Wege deutscher Sozialstaatlichkeit; Nachkrieg in Deutschland. Siehe z.B.
Wolfgang Schmidt
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schafthchen Ordnung instrumentalisiert wurden, geriet dieser ursprünglich gemeinsame Nenner in den Strudel von Systemkonfrontation und -konkurrenz4. Die zentrale Leitformel, unter der die historiographische Forschung die Geschichte der deutschen Zweistaathchkeit inzwischen in den Bhck nimmt, lautet »Verflechtung in der Abgrenzung« freilich nicht ohne den aus den internationalen Verschränkungen resultierenden, folgenreichen pohtischen wie soziokultarehen Veränderungsprozeß zu berücksichtigen, welcher mit den Schlagworten von der Verwestlichung bzw. Verösthchung umrissen wkd. Den Kern einer vergleichsund beziehungsgeschichthch angelegten Interpretation der doppelten deutschen Zeitgeschichte umschheßen mithin fünf Einflußgrößen, die als Traditions-, Kooperations-, Konkurrenz-, Kontrast- und Wechselbeziehungen bestimmt werden5. Diese bkden auch den Referenzrahmen, in den die nachfolgenden Untersuchungen zu Krieg und Miktär im deutschen Nachluiegsfilm eingespannt sind. Anhand von drei aufeinander bezogenen Themenkomplexen wird versucht, die mediale Abbkdung von Krieg und Miktär sowie dessen Instrumentaksierung, deren Rezeption und mentale Internaksierung punktuek für die Zeit der fünfziger bis zum Anfang der siebziger Jahre nachzuzeichnen. Während im ersten Abschnitt die kulturehe Bearbeitung des Zweiten Weltkrieges behandelt wkd, führt der zweite Bereich das durch Spielfilme in der Gesekschaft distributierte Bkd von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee vor. Im dritten Teil stehen die der Gattung des Aufklärungs-, Werbe- bzw. poktischen Bkdungsfilms verwandten Ausbildungsund Informationsfilme beider Streitkräfte im Bkckpunkt, mithin das Selbstbild einer Armee in der Demokratie bzw. einer Armee mit soziakstischem Parteiauftrag. Methodisch verfolgen die Autoren einen integrativen Analyseansatz, indem sie nach dem historischen Produktionskontext fragen, bevor sie sich der narrativen Struktur, Ikonographie und Ästhetik einzelner Filme zuwenden, um dann Fragen nach Rezeption und Wkkungsweise zu untersuchen. Der Krieg war ein gängiges, weithin akzeptiertes Sujet der bundesdeutschen Kinounterhaltung in den fünfziger Jahren. Kaum eine Fkmgattung war wirtschaftlich erfolgreicher und kein Genre wurde damals in der Öffentkchkeit so heftig diskutiert. Wegen ihres gehäuften Erscheinens parahel zur westdeutschen Aufrüstung bezeichnete man sie als Filmpropaganda für die Wehrbereitschaft6. Unter modernem kulturgeschichthchen Ansatz gelten sie als emotional wirksame Agenturen kokektiver Erinnerung, welche die Legende einer sauberen, vom Nationalsoziaksmus abgespaltenen Wehrmacht in der westdeutschen Gesekschaft manife—
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Siehe Die geteilte Vergangenheit. Zur kulturellen Bc- und Verarbeitung des Zweiten Weltkrieges in beiden deutschen Staaten siehe Schuld und Sühne? Kriegserlebnis und Kriegsdeutung. Speziell zum Soldatenbild vgl. Hartewig, Militarismus und Antifaschismus; Echternkamp, Arbeit am Mythos. Zum Interpretationsansatz siehe Doppelte Zeitgeschichte. Siehe auch Deutsche Vergangenheiten eine gemeinsame Herausforderung. So Bredow, Filmpropaganda für die Wehrbereitschaft. -
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stiert habe7. In seinem Aufsatz »Kino und kollektives Gedächtnis? Überlegungen zum westdeutschen Kriegsfilm der fünfziger Jahre« stellt Phihpp von Hugo (Westfälisches Institut für Regionalgeschichte, Münster) die »schkchte These, daß Kriegsfilme das kollektive Gedächtnis formen und prägen« auf den Prüfstand. So sage der massenhafte Besuch von Istiiegsfilmen allein kaum etwas über die Rezeption oder gar die Perzeption der darin vorgestehten Deutungsangebote aus. Um der Rezeptionsweise des Pubhkums näher zu kommen, plädiert er über die Kontextuahsierung des medialen Gesamtgefüges der Zeit hinaus besonders auch für die Einbeziehung des durch Werbemateriahen betriebenen Marketings und den über Zeitungsartikel stattgefundenen Diskurs. Diesen Analyseansatz verfolgt er exemplarisch anhand von Canaris, Haie und kleine Fische und Die Brücke. Im Ergebnis bestätigt der Autor zwar den Beitrag, den die fiktionalen Kriegsfilme mit ihrer weichzeichnenden Konstruktion der Kriegs- und Soldatenbilder zur Legendenbildung um die Wehrmacht geleistet haben, seine Befunde über die Erwartungshaltung der Verleihfirmen einerseits und die generations- und geschlechterspezifischen Rezeptionsschwankungen andererseits führen ihn aber zu dem Schluß, daß die These vom mentahtätsprägenden Einfluß auf ein kollektives Gedächtnis der bundesdeutschen Gesellschaft mit Bhck auf unterschiedhche Rezeptionsebenen und -gruppen relativierungsbedürftig sei. Folgten die Produkte der westdeutschen Filmindustrie in aller Regel den Bedingungen des Marktes und waren grundsätzlich keine Artikel staatlich verordneter Erinnerungspohtik, so galten für die in der Zahl weitaus weniger üppig produzierten Filme über den Krieg in der DDR ganz andere Gesetzmäßigkeiten8. Zunächst einmal bestimmte der in proletarischer und antifaschistischer Traditionshnie stehende, an der Seite der Sowjetunion ausgefochtene Widerstandskampf als kanonisierter Gründungsmythos nachhaltig die Konstruktion der ostdeutschen Herrschaftsordnung. Davon leiteten sich auch die Parameter einer herrschaftslegitimierenden Erinnerungskultur ab, wobei dem Film eine zentrale Vermittlerfunktion zukam9. Weiterhin unterlag die mediale Konfiguration des Zweiten Weltkrieges jener Kommunikations théorie, wonach »jede Form öffentlicher Kommunikation nur in klassenmäßigen und damit jeweüs bestimmte Interessen bedienenden Bezugsgrößen interpretiert werden könne«10. Mit anderen Worten, auch Filme über den Krieg waren in ihrer Eigenschaft als »Massenkommunikationsmittel in der Hand der Arbeiter dem Kampf und dem Sieg ihrer Klasse und deren Verbündeten
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Siehe u. a. Wegmann, Der westdeutsche Kriegsfilm der fünfziger Jahre; Flickeffiier, Krieg im Film nicht nur ein Genre; Wilharm, Krieg in deutschen Nachkriegsspielfilmen. Zur ostdeutschen Filmproduktion siehe I label, Das große Lexikon der DEFA-Spielfime. Zur Filmpolitik siehe Heimann, DEFA, Künstler und SED-Kulturpolitik; Schitdy, Zwischen Regie und Regime. Vgl. Münkler, Antifaschismus und antifaschistischer Widerstand als politischer Gründungsmythos. Siehe auch Helden, Täter und Verräter. Stadien zum DDR-Antifaschismus; Vielstimmiges Schweigen. Neue Stadien zum DDR-Antifaschismus. Zur Mittlerrolle des Films vgl. Kannapin, Dialektik der Bilder. Mühl-Benninghaus, Vergeßt es nie! Schuld sind sie!, S. 751. -
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unterzuordnen«11. Auch
die in den fünfziger Jahren in diesem Sinn noch Korrektheit während der sechziger Jahre zugunsten überwiegende klassenmäßige eines vielschichtigeren, in sich oftmals widersprüchlichen Umgangs mit Krieg und NS-Herrschaft in der DDR gewichen sein mochte, so zählten die von der DEFA produzierten Kjiegsfilme nach wie vor zum politisch-ideologischen Lenkungsarsenal12. Unbestritten galt dies auch für Ich war neunzehn von Konrad Wolf aus dem Jahr 1968, der von Susanne Brandt (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf) als »Bestandteü offizieller Erinnerungskultur an das Kriegsende 1945 in der DDR« untersucht wird. Der Film um die Geschichte des in der Sowjetunion aufgewachsenen jungen Emigranten Gregor Hecker, der im Frühjahr 1945 mit der Roten Armee in das zerstörte Berhn zurückkehrt, und seine Freundschaft mit dem russischen Soldaten Sascha gehörte bis in die achtziger Jahre zum pädagogischen Pflichtprogramm für Jugendhche anläßhch von Veranstaltungen zum Gedenken an die Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur. Im Grunde genommen ging es bei Ich war neunzehn nicht in erster Linie darum, einen genretypischen Kriegsfikn zu gestalten, sondern die Intention von Regisseur, Drehbuchautoren und Parteiberatern war, vielmehr einen Film über die deutsch-sowjetische Freundschaft und die Formierung einer antifaschistisch-sozialistischen deutschen Identität zu schaffen. Obwohl der Regisseur Konrad Wolf mit seiner eigenen Biographie als kommunistischer Emigrant und als ein mit Privkegien ausgestatteter, prominenter Kulturschaffender (Präsident der Akademie der Künste) eigentkch die Gewähr dafür zu bieten schien, ein SED-konformes Geschichtsbild zu transportieren, zeichnet sich der Film durch einen differenzierten Umgang mit der Vergangenheit aus. So ist der Protagonist eher ein spröder Held und kein unerschrockener Kämpfer, auf jeden Fall aber flammend in seinem Haß auf die Faschisten. Anhand des umfangreichen schrifthchen Quekenmaterials gekngt es Susanne Brandt mit Bkck auf kontrovers diskutierte Szenen nicht nur das Ringen um die Gestaltung des Films zu rekonstruieren, sondern sie beleuchtet damit den komplexen, zwischen Zensur und Widerständigkeit oszilkerenden Spannungsbogen, der sich über das Filmemachen in der DDR wölbte13. Die Glaubwürdigkeit des in Ich war neunzehn enthaltenen Deutungsangebots, so das Fazit, nahm im Laufe der Zeit freikch ab. Wegen des »Eingezwängtseins« in den staathchen Erinnerungskult forcierte er beim jugendkchen Zielgruppenpubhkum nachgerade Skepsis gegenüber den intendierten sinnstiftenden Mustern. Und auch die systemimmanent inszenierten Fkmcodes konnten angesichts des auch in Ostdeutschland stattgefundenen gesehschafthchen Wandels Mitte der achtziger Jahre gar nicht mehr ohne weiteres entschlüsselt werden. Die deutsche Zweistaathchkeit im Kalten Krieg war indes nur partiek von Vergangenem bestimmt. Einen wesentlichen Tek zu diesem Aggregatzustand trug wenn
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Ebd.
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Vgl. Heimann, Erinnerung als Wandlung. Siehe Geiss, Repression und Freiheit.
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auch die in Militärbündnissen organisierte Blockkonfrontation bei, in Mitteleuropa gestützt auf Bundeswehr und Nationaler Volksarmee. Phasenweise mochte es danach aussehen, daß im Falle eines Krieges auch Deutsche auf Deutsche schießen müßten. Aber so sehr die Aufrüstung der Bundesrepubhk in den fünfziger Jahren politisch und gesellschaftlich umstritten war14 und mit der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Beziehung gesetzt wurde15, so wenig stellten die neuen westdeutschen Streitkräfte ein attraktives Thema für marktwirtschaftkche Kinoproduktionen dar. Es waren gerade einmal drei in schwarzweiß gedrehte Spielfilme, die mein eigener Beitrag »Barras heute. Bundeswehr und Kalter Krieg im westdeutschen Spielfilm der frühen sechziger Jahre« vorstellt. Während bei zweien die im Bundeswehr-Mikeu angesiedelte Handlung letztkch nur die Inszenierungsfohe für eine Komödie abgibt, versucht Barras heute unter mehr oder minder deutlich sichtbarer retrospektiver Anlehnung an den ersten Ted der Verfilmung von Hans Hellmut Kirsts Romantrilogie 08/15 das Binnengefüge einer Armee auszuleuchten, deren Konsistenz in Abkehr bisheriger deutscher Streitkräftemodelle von ihrer gesetzhch normierten Demokratiekompatibihtät her bestimmt wird16. Über die Handlung hinaus will die filmische Inszenierung der Domestizierung militärischer Macht durch den seit 1949 demokratisch verfaßten Staat und seine zivüe Gesehschaft dadurch entsprechen, daß man unter Verwendung auch audiovisueller Stilmittel Überkommenes mit zeitgemäß Modernem kontrastiert. Weiterhin berührt Barras heute das deutsch-deutsche Dilemma, indem nicht nur Spionage- und Zersetzungsversuche kolportagehaft integriert sind freilich in dem Bewußtsein, auf der richtigen Seite zu stehen —, sondern angesichts beidseitiger Nuklearbewaffnung die tödhchen Folgen eines befürchteten Bruderkrieges klar zur Sprache kommen. Weh es der privatwktschafthch organisierten westdeutschen Filmindustrie in erster Linie um den Gewinn ging, waren solche Filme auf einen projektiven Pubkkumsgeschmack hin genretypisch inszenierte kommerziehe Produkte. Die Bundeswehr selbst konnte nur dann eine Rohe spielen, wenn sie um materielle Unterstützung und mihtärfachhehe Beratung gebeten wurde. Natürlich versuchte sie, streitkräftekonforme Deutungsangebote zu lancieren, ohne allerdings einer filmischen Beachtung letztkch sicher zu sein. Die schriftliche Quellenüberheferung belegt ganz unterschiedhehe, ja gegensätzhehe Wahrnehmungen, die etwa im Fähe von Barras heute besonders krass zwischen Werbung für und Verunglimpfung der Bundeswehr pendeln eine Urteüsspanne, die innerhalb wie außerhalb der Streitkräfte nachgewiesen werden kann. Ferner erkennt man am innermihtärischen Rezeptionsdiskurs, wie unterschiedheh die möghehen Auswirkungen einzelner Szenen auf das Bundeswehr-Bild der Gesehschaft bewertet wurden. Weiterhin kann er auch als Indikator für die als ideologische Spaltung in der Frühphase der Bundes-
u.a.
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Vgl. Volkmann, Die innenpolitische Dimension Adenauerscher Sicherheitspolitik; Ehlert, politische Auseinandersetzungen um die Pariser Verträge. Siehe Schuld und Sühne? Kriegserlebnis und Kriegsdeutung; Knoch, Die Tat als Bild. Siehe
Bredow, Demokratie und Streitkräfte.
Innen-
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wehr beschriebene Konkurrenz verschiedener Konzeptionen im Umgang mit einer offenen, zuwehen miktärkritischen Gesellschaft betrachtet werden17. Von öffenthch präsentierten, auch Kritik anbietenden konkurrierenden Bkd-
Streitkräftedarstekung konnte in der DDR keine Rede sein. Eine deutsch-deutsche Gemeinsamkeit bestand allerdings darin, daß das zeitbezogene Miktärgenre ebenfalls nur recht selten in die DDR-Kinos gelangte, wiewohl es der politisch intendierte Kalte-Krieg-Film mit dem Feindbild »Westen« durchaus zu einem eigenen Genre brachte vice versa im übrigen auch in der Bundesrepubhk anzutreffen war18. Im Unterschied etwa zur Sowjetunion, wo erhebhch mehr gegenwartsbezogene Mihtärfilme gedreht wurden, produzierte die DEFA von 1957 bis 1977 ledigkch zehn im Mikeu der Nationalen Volksarmee oder der Grenztruppen angesiedelte Spielfilme. Um so mehr überrascht es, wenn der im sehr teueren und technisch aufwendigen 70-mm-Format gedrehte DEFA-Farbfilm sich der NVA-Luftstreitkräfte annahm. Mit »Top Gun in der DDR? Der Kalte Krieg und die NVA im Spielfilm am Beispiel von Anflug Alpha 1« lenkt Gerhard Wiechmann (Carl-von-Ossietzky-Universität, Oldenburg) den Bhck auf einen weithin vergessenen, sogenannten Gegenwartsfilm von 1971. Auch wenn die Idee dazu vermutlich mustern
in der
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im DEFA-Studio entwickelt worden war, kann über die rekonstruierte Produktionsgeschichte nicht nur das große Interesse der und die großzügige Unterstützung durch die NVA belegt werden, sondern dieser Film ist eine aufschlußreiche Quelle zum Selbstverständnis der politischen und militärischen Führung der DDR sowie auch der Filmschaffenden19. Die aus den »politischen Konzeptionsgesprächen« zwischen den Beteihgten erwachsene »ideelle Führungshnie« sah vor, auch wegen beständiger Rekrutierungsprobleme2" einen absolut systemkonformen Werbespielfilm mit Vorbüdfunktion für Jugendkche zu schaffen. Dezidiert sohte keine Fkegerromantik, sondern das Aktagsleben der Flugzeugführer mit ihren dienstlichen wie privaten Problemen einschheßhch der Lösungsansätze inszeniert werden21. Baukastengleich fügte man die erforderhchen ideologischen Deutungsmuster (u.a. Jarama-Lied, sowjetisches Gefallenendenkmal) zusammen. Mit dem Tod eines Armeeangehörigen beim Entschärfen einer amerikanischen Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, dem Eindringen eines US-Jagdbombers in den Luftraum der DDR und Verweisen auf den Vietnam-Krieg ist die permanente imperiakstische Bedrohung inszeniert und die Verteidigung durch die NVA-Luftstreitkräfte legitimiert. Dazu paßt, daß die Charaktere der handelnden Personen von den Darstellern als Verkörperung klassenmäßiger Prinzipien gespielt werden. Doch sind nicht —
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Hierzu siehe Bredow, Der Primat militärischen Denkens. Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus, S. 575-599. Siehe auch Mückenberger, DEFA und »Kalter Krieg«; Rother, Feindliche Brüder. Zur Beziehung von Partei und Armee siehe Giese, Die SED und ihre Armee; Hagemann, Parteiherrschaft in der NVA. Siehe Fingerle, Waffen in Arbeiterhand?; Müller, Tausend Tage bei der »Asche«. Speziell zu den Allgemein zur Geschichte der NVA vgl. Wenzke, Die Nationale Volksarmee.Nationalen VolksLuftstreitkräften vgl. Kopenhagen, Die Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der armee; Kopenhagen, Die Luftstreitkräfte der NVA.
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die Individuen die Träger der Filmhandlung, die angesichts einer etwas chaotischen Handlungsführung eher als politisch-morahsches Kompüat zu bezeichnen ist, sondern gemäß dem ideologischen Überbau das Kollektiv. Gerade im Bruch mit den Dramaturgieregeln, die eine individuelle, emotionale Identifikation mit den Protagonisten nur schwer oder gar nicht zulassen, sieht Gerhard Wiechmann den Grund dafür, daß der Füm beim Pubhkum überhaupt nicht ankam und schon bald aus dem Verleih genommen wurde, trotz realistischer Ikonographie, tedweise Momente und beeindruckender spannender Flugaufnahmen. Als mit dem Ende des Ost-West-Konflikts die DDR mit ihrer Armee im Herbst 1990 zu bestehen aufgehört hatte, konnte man vornehmhch aus den Reihen der im Selbstbüd »abgewickelten« Berufssoldaten vernehmen, der Dienst in der Nationalen Volksarmee habe mit dazu beigetragen, daß im Kalten Krieg der Frieden bewahrt worden sei. Als sinndeutende und -stiftende Erklärung für eine individuelle Lebensleistung mag man diese Auffassung noch hinnehmen, ihr eine kollektive Relevanz zuzuerkennen, fäkt hingegen schwer, hefe sie im Ergebnis doch auf eine Äquidistanz beider deutscher Streitkräfte hinaus. Aber in ganz elementarem Sinne war der zweifellos vorhandene Unterschied22 ein struktureker, der sich aus den ungleichen politischen wie gesehschaftkchen Bezugssystemen ergab, auf denen Bundesrepubkk und DDR ruhten. Möghche rein miktärfunktionale Parallelen spielen dabei keine Rohe. So keßen, um im Kontext der hier zur Rede stehenden Thematik zu bleiben, sowohl Bundeswehr als auch NVA sogenannte Ausbildungs- und Informationsfilme produzieren. Sie sollten zur miktärfachhchen Professionaksierung beitragen und als Werbemittel dienen, wurden aber auch zur internen wie externen Kommunikation bei der sicherheits- und militärpolitischen Offentkchkeitsarbeit eingesetzt. In dem Maße, wie sich kaum ein anderes Medium dazu eignete, das Selbstbild einer Armee zu transportieren, sind Ausbüdungs- und Informations filme aber auch eine besonders zentrale Quelle für das jeweikge Selbstverständnis. Zudem kann eine in vergleichender Perspektive vorzunehmende Analyse mit dazu beitragen, den Stellenwert des Miktärischen in Ost- und Westdeutschland weiter auszuleuchten. So fokussiert Katja Protte (Deutsches Historisches Museum, Berhn) in ihrer Studie »Auf der Suche nach dem Staatsbürger in Uniform. Frühe Ausbüdungsund Informationsfilme der Bundeswehr« genau den demokratiekonformen Kern, um den herum die westdeutschen Streitkräfte konstruiert worden waren. Denn erstmals in der deutschen Geschichte hegte ein demokratisches Regelwerk das Miktär parlamentarisch ein. Dem entsprachen das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform als idealtypischer Rollenbeschreibung des neuen Soldaten, als Angehörigem einer Armee in der Demokratie, sowie die unter dem Begriff der Inneren Führung abgefaßten Grundsätze der Menschenführung und Normen für den internen Alltagsbetrieb: Ein Konzept, das als »eine der innovativsten und kreativsten poktischen Neuerungen der Bundesrepubhk Deutschland [gilt], in ihrer Bedeutung
Vgl. 1 lerspring, Requiem für eine Armee, S. 189.
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durchaus vergleichbar der wktschafts- und gesellschaftspolitischen Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft«23. Auf diesem in Anlehnung an den gesamtgesellschaftlichen Prozeß als miktärkultureke Modernisierung zu beschreibenden Weg24 lag aber noch mancher Stolperstein, der nicht zuletzt auch mit der tekweisen biographischen Kontinuität von der Wehrmacht zur Bundeswehr zusammenhing25. Die Frage nach dem spannungsvollen Umorientierungsprozeß, welche Katja Protte über einige während der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre entstandene Filme im Sinne »medialer Spurungen« zu beantworten sucht, bleibt darüber hinaus nicht auf die militärische Binnenwelt beschränkt. Weh dieses Medium an der Schnittsteke zwischen Innenansicht und Außendarstehung angesiedelt und somit Bestandtek der öffentkchen Kommunikation um die Streitkräfte war, dienten Ausbildungs- und Informationsfilme auch als Quehe zur Positionierung der Bundeswehr in der Zivilgesellschaft. Insofern spiegeln sie bis in ihre stikstischen Formen hinein die anpassenden »Suchbewegungen« einer jungen Armee wieder, deren Selbstverständnis zwischen traditionellen miktärischen Tugenden und Soldatenbkdern und einer demokratisch-plurahstischen Gesehschaftsform pendelte. Schon der Produktionsprozeß erforderte ein enges Ineinandergreifen von militärischem Auftraggeber und zivker Filmfirmen. Ein mehr oder minder ziviler Habitus bestimmte die Darstekung des Soldaten als Staatsbürger in Uniform. Und der Inneren Führung beispielsweise näherte man sich 1956 mit Hkfe eines avantgardistischen Animationsfilms an, der bis hin zu Graphik und Farbe die zeittypische westhche Modernität beschwört. Die Wkksamkeit solcher Zurschaustellung der neuen miktärischen Normahtät in der Öffenthchkeit bleibt freilich Spekulation, zumal die in vorkegender Untersuchung als Referenzfohe hinterlegte mediale Draufsicht etwa durch kritische Fernsehberichte eine von zivkem Unbehagen vor den miktärischen Tatsachen und Deutungsangeboten geprägte Fremdwahrnehmung wiedergibt. Während in der Bundesrepubhk die grundgesetzhch geschützte Meinungsfreiheit nicht vor den Streitkräften halt machte, duldete die DDR gerade auch bei den bewaffneten Organen als wichtige Säule ihrer Herrschaftslegitimierung und -Sicherung keinerlei Spielraum für Fragen oder Auslegungen. Vielmehr waren ahe Medien auf der Grundlage sozialistischer Parteihchkeit als »schärfste Waffe der Partei« nicht nur allgemein ein zentrales Instrument bei der ideologischen Propagandaschlacht26, sondern besonders der Film diente ganz konkret der »geistigen und praktischen Wehrhaftmachung aller gesekschafthcher Gruppen mit dem Endziel einer Militarisierung von Staat und Gesekschaft«. So die Einschätzung von Matthias Rogg (Mihtärgeschichthches Forschungsamt, Potsdam), der in seinem
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Bredow, Demokratie und Streitkräfte, S.
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Zum gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozeß siehe Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre; Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften. Hierzu Meyer, Zur inneren Entwicklung der Bundeswehr bis 1960/61; Bald, Militär und Gesellschaft 1945 1990; Naumann, Nachkrieg als militärische Daseinsform. Allgemein zur Medienpolitik siehe Holzweißig, Die schärfste Waffe der Partei. -
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Aufsatz »Filme von der Fahne. Das Armee films tudio der Nationalen Volksarmee der DDR« erste wichtige Konturen um den bislang kaum erforschten NVAMedienapparat zeichnet. Gegründet 1960, hing die Aufstehung eines armeeeigenen Filmstudios über einen miktärfachhchen Professionaksierungsschub hinaus mit der gegen Ende der fünfziger Jahre eingeleiteten Politisierung und parteigebundenen Herrschaftsverdichtung innerhalb der Streitkräfte zusammen. Vor dem Hintergrund des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts, in Anbetracht professioneher Defizite und dem Erfordernis nach verstärkter ideologischer Indoktrinierung war dies ein offenbar notwendiges Unterfangen. Dem entsprachen erstens die strukturelle Einbettung in den Poktapparat und zweitens der als weltanschaukche Sicherung konstruierte Instanzenweg beim Genehmigungs- und Herstehungsverfahren. Folgkch lichteten sich die Produktionen des Armeefilmstudios als ein erzieherisches Mittel zunächst an die Soldaten. Eine besonders ausgeprägte ideologische Zielrichtung wies dabei die Kategorie des sogenannten »Dokumentarfilms« auf. An mehreren Beispielen kann Matthias Rogg das Konstrukt eines gegen die Bundesrepubkk und die Bundeswehr gerichteten aggressiven Feindbüdes in aller Deutlichkeit illustrieren und somit die verklärend-egahsierende Formel, wonach alle nur dem Frieden gedient hätten, zumindest für die sechziger Jahre zurückweisen. Schwierig wkd es jedoch, die Wkksamkeit verordneter und durch die Zensur den politischen Umständen fallweise angepaßter Bddmuster unter den Bedingungen einer kontrollierten öffenthehen Meinung zu messen. Zwar transportierten die im Laufe der Zeit etwa bei der vormilitärischen Wehrerziehung eingesetzten Filme in den Darstellungen des Alltagslebens der NVA das propagandistisch verklärte Leitbild einer soziakstischen Soldatenpersönkchkeit, doch die realsoziakstische Lebenswirkkehkeit sah, wie die bisherigen Forschungen zur DDR- und NVAGeschichte unterstreichen, deutheh anders aus27. Literatur 1945-1990. Die Bundeswehr der Bonner Baden-Baden 1994 Repubhk, Bredow, Wüfried von, Demokratie und Streitkräfte. Miktär, Staat und Gesellschaft in der Bundesrepubkk Deutschland, Wiesbaden 2000 Bredow, Wdfried von, Filmpropaganda für die Wehrbereitschaft. Kriegsfilme in der Bundesrepubkk, in: Film und Gesehschaft in Deutschland. Dokumente und Materiaken, hrsg. von Wdfried von Bredow und Rolf Zurek, Hamburg 1975,
Bald, Detlef, Mihtär und Gesehschaft
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Zur Lebenswirklichkeit in der DDR siehe Wolle, Die heile Welt der Diktatur. Zur NVA zukünftig Rüdiger Wenzke, Auf dem Weg zu modernen Streitkräften. Die strukturelle, personelle und politisch-weltanschauliche Entwicklung der DDR-Volksarmee 1956-1970/71; Matthias Rogg, »Armee des Volkes?« Zum Verhältnis von Armee und Gesellschaft in der DDR 1956 bis 1988.
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von, Der Primat miktärischen Denkens. Die Bundeswehr und das Problem der okkupierten Öffentkchkeit, Köln 1969 Deutsche Vergangenheiten eine gemeinsame Herausforderung. Der schwierige Umgang mit der doppelten Nachkriegsgeschichte, hrsg. von Christoph Kleßmann, Hans Misselwitz und Günter Wiehert, Berhn 1999 Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 1945-1990, hrsg. von Arnd Bauerkämper, Martin Sabrow und Bernd Stöver, Bonn 1998 Drei Wege deutscher Sozialstaathchkeit. NS-Diktatur, Bundesrepubhk und DDR im Vergleich, hrsg. von Hans Günter Hockerts, München 1998 Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesehschaften, hrsg. von Axel Schüdt, Detlef Siegfried und Karl Christian Lammers, Hamburg 2000 Echternkamp, Jörg, Arbeit am Mythos. Soldatengenerationen der Wehrmacht im Urtek der west- und ostdeutschen Nachkriegsgesellschaft, in: Nachkrieg in Deutschland, S. 421-443 Ehlert, Hans, Innenpolitische Auseinandersetzungen um die Pariser Verträge und die Wehrverfassung 1954 bis 1956, in: Anfange westdeutscher Sicherheitspohtik 1945-1946, Bd3: Die NATO-Option, hrsg. vom Miktärgeschichthchen Forschungsamt, München 1993, S. 235-560 Fingerle, Stephan, Waffen in Arbeiterhand? Die Rekrutierung des Offizierkorps der Nationalen Volksarmee und ihrer Vorläufer, Berhn 2001 (= Militärgeschichte der DDR, 2) Geiss, Axel, Repression und Freiheit. DEFA-Regisseure zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Potsdam 1997 (= Brandenburgische Historische Hefte, 7) Die getekte Vergangenheit. Zum Umgang mit Nationalsozialismus und Widerstand in beiden deutschen Staaten, hrsg. von Jürgen Danyel, Berhn 1995 Giese, Daniel, Die SED und ihre Armee. Die NVA zwischen Politisierung und Professionahsmus 1956-1965, München 2002 Die großen Regierungserklärungen der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Schröder, hrsg. von Klaus Stüwe, Opladen 2002 Habel, Frank-Burkhard, Das große Lexikon der DEFA-Spielfime. Die vokständige Dokumentation der DEFA-Spielfilme von 1946 bis 1993, Berlin 2001 Hagemann, Frank, Parteiherrschaft in der NVA. Zur Rolle der SED bei der inneren Entwicklung der DDR-Streikräfte (1956-1971), Berkn 2002 (= Militärgeschichte der DDR, 5) Hartewig, Karin, Miktarismus und Antifaschismus. Die Wehrmacht im kollektiven Gedächtnis der DDR, in: Der Krieg in der Nachkriegszeit. Der Zweite Weltkrieg in Politik und Gesehschaft der Bundesrepubhk, hrsg. von Michael Th. Greven und Ohver von Wrochem, Opladen 2000, S. 237 254 Heimann, Thomas, DEFA, Künstler und SED-Kulturpolitik, Berhn 1994 Heimann, Thomas, Erinnerung als Wandlung. Kriegsbkder im frühen DDR-Film, in: Geschichte als Herrschaftsdiskurs. Der Umgang mit der Vergangenheit in der DDR, hrsg. von Martin Sabrow, Köln, Weimar, Wien 2000, S. 37-85 Helden, Täter und Verräter. Stadien zum DDR-Antifaschismus, hrsg. von Annette Leo und Peter Reif-Spkek, Berhn 2000
Bredow, Wkfried
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Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm
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für eine Armee. Das Ende der Nationalen Volksder DDR, Baden-Baden 2000 (= Forum Innere Führung, 8) Hickethier, Knut, Krieg im Film nicht nur ein Genre. Anmerkungen zur neueren Kriegsfilm-Diskussion, in: Weltkriege in Literatur und Film, hrsg. von Helmut Kreuzer, Göttingen 1989, S. 39-53 Holzweißig, Gunter, Die schärfste Waffe der Partei. Eine Mediengeschichte der DDR, Wien 2002 Kannapin, Detlef, Dialektik der Büder. Über den Umgang mit der NS-Vergangenheit im deutschen Füm nach 1945. Methoden und Analysekriterien, in: Visuehe Politik. Filmpohtik und visuehe Konstruktion des Politischen, hrsg. von Wilhelm Hofmann, Baden-Baden 1998, S. 220-240 Kleßmann, Christoph, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte
Herspring, Dale R., Requiem armee
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1971 -1989, 2.
Aufl., Bonn 1999
Phikpp von Hugo Kino und kollektives Gedächtnis? Überlegungen zum westdeutschen Kjiegsfilm der fünfziger Jahre
Einleitung Nur wenige Jahre nachdem die letzte Wochenschau verklungen und der letzte Wehrmachtsbericht verkündet waren, marschierten in Westdeutschland erneut Soldaten mit den Hoheitszeichen des nationalsozialistischen Staates, wurden die Schlachten des Krieges nochmals geschlagen. In Illustrierten, Romanen und Spielfilmen lebten die Kriegsjahre wieder auf. Man machte sich nicht nur im metaphorischen Sinn, sondern vielmehr ganz konkret ein Bild von der Vergangenheit. Wie kaum ein anderes Jahrzehnt der bundesdeutschen Geschichte waren die fünfziger Jahre durch eine Fülle von Büdern des Zweiten Weltkriegs geprägt, wobei insbesondere Kriegsfilme westdeutscher Provenienz überdurchschnittlich erfolgreich waren.
Weltkrieg erst wieder in den neunziger Jahren der sich häufenden Jubdäen und Gedenktage1. nicht zuletzt aufgrund besichtigt, Dabei rückte ein Medium ganz besonders in den Mittelpunkt des öffentkchen Interesses. Die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« des Hamburger Instituts für Sozialforschung zerstörte das bis dahin dominierende Geschichtsbild von der zumindest in Teüen der Öffentlichkeit »sauberen« Wehrmacht, indem erstmals auf Photographien Verbrechen deutscher Soldaten einem breiten Publikum vorgeführt wurden. Diese Wanderausstehung stellte im doppelten Sinn eine »Wahrnehmungszäsur« (Klaus Naumann) dar. Es lag nicht allein an ihrem Inhalt, sondern auch an der Form der Präsentation, an der Kombination von Texten und Büdern, daß die Ausstehung eine derartige PubliziDerart intensiv wurde der Zweite
-
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tät
erlangte2.
Hier sind insbesondere der Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie und der 50. Jahrestag des Kriegsendes zu nennen. Siehe Klein, Das internationale Medienereignis D-Day; Naumann, Der Krieg als Text. »Die viel zitierte Wucht der Ausstellungsbilder und die dazugehöngen Texte haben in Deutschland eine große polarisierende Wirkung ausgelöst [...] niemand lassen diese Bilder kalt.« Befreiung -
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Somit steht sich die Frage nach dem Bereich des Visueken im Prozeß historischer Erinnerung. Welche Rohe spielen insbesondere die modernen Medien des 20. Jahrhunderts, Photographie und Film, in diesem Zusammenhang? Die Präsentation der Bkder deutscher Verbrechen markierte das Ende eines Tabus der westdeutschen Gesehschaft3. Indem die »Bilderwelt der Nachkriegsjahre« diesen Photos kontrastierend vorangestekt wurde, zu der neben Filmen auch Zeitschriftenartikel und Romane zählen, verwies die Ausstehung zugleich auf die Ursprünge dieses Tabus4. Hieran anknüpfend stehen sich wiederum grundsätzliche Fragen nach der »Gesellschaftsgeschichte einer Legende«, wie sie von Klaus Naumann formuhert worden sind5. Betrachtet man die in jüngster Zeit erschienene Literatur zum Thema Film und Erinnerung, so kegt der Zusammenhang von Nachlmegsfihnen und späterem Tabubruch vermeintlich klar auf der Hand, geraten die Kriegsfilme als Medien der Legendenbkdung in den Bkck. Man müsse danach fragen, so zum Beispiel Knut Hickethier, »welche Bedeutung die audiovisueken Medien, aken voran Film und Fernsehen, für das kulturelle Gedächtnis, für die Konstruktion von Geschichte und für die Herausbkdung eines historischen Bewußtseins haben«6. Mit dieser Fragestekung haben sich verschiedene Autoren in unterschiedhchen Kontexten auseinandergesetzt, wobei die filmischen Bearbeitungen des Dritten Reiches, der Shoah und des Zweiten Weltkriegs die größte Aufmerksamkeit gefunden haben7. Vor dem Hintergrund des »memory booms« in den Kulturwissenschaften8 wird dem Film ein besonderer Platz unter den Medien des kollektiven Gedächtnisses eingeräumt. Das Argument hierfür ist die vielzitierte und doch empirisch kaum erforschte Wkkmächtigkeit von Filmbkdern. Die Besonderheit des Films, so Thomas Heimann, kegt »in seiner besonderen Fähigkeit zur Emotionaksierung, Personaksierung und Dramatisierung von Geschichte, die anders als Literatur öffentlich unmittelbarer von einem Massenauditorium rezipiert werden kann«9. Bezogen auf die westdeutschen Kjriegsfilme der fünfziger Jahre könnte die These der Wehrmacht?, S.U. Vgl. hierzu auch den Katalog der überarbeiteten Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht, S. 687-729 (»Kontroversen über eine Ausstellung«). »Daß der Wehrmachtsausstellung schließlich eine solche Publizität zuteil wurde, lag wohl daran, daß sie das letzte Tabu brach, das die Deutschen bis dahin vor der Anerkennung aller Verbrechen bewahrte, die nicht nur in ihrem Namen, sondern von Deutschen verübt worden waren.« Dubiel, Niemand ist frei von der Geschichte, S. 24 f.; vgl. ebenso Romberg, Ende eines Tabus. Vgl. Heer, Die Bilderwelt der Nachkriegsjahre. Naumann, Die »saubere« Wehrmacht, S. 8. Hickethier, Film und Fernsehen, S. 63. Die Frage nach der Rolle des Films in der Konstitution eines kollektiven Gedächtnisses wird auch von Michèle Lagny in den Mittelpunkt gerückt, vgl. Lagny, Kino für Historiker, S. 468. Siehe hierzu Die Vergangenheit in der Gegenwart; vgl. AHR Forum »World War II and National Cinemas«; siehe außerdem die filmwissenschaftliche Studie von Wenzel, Gedächtnisraum, sowie auch die Arbeit von Kaes, Deutschlandbilder. Zur Photographie: Brink, Ikonen der Vernichtung; Knoch, Die Tat als Büd. Vgl. die Überlegungen von Winter, Die Generation der Erinnerung. Heimann spricht in diesem Zusammenhang von Filmen als »Agenturen des kulturellen Gedächtnisses«. I leimann, Erinnerung als Wandlung, S. 37.
von
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folgkch lauten: Die Filme über den Zweiten Weltkrieg, von Alfred Weidenmanns Canaris (s/w, Deutschland 1954) bis Bernhard Wickis Die Brücke (s/w, Deutschland 1959), prägten das Büd der »sauberen« Wehrmacht, die »Knegs filmwelle« formte das kollektive Gedächtnis der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Die Darstehung des Zweiten Weltkriegs in diesen Filmen kann als kollektive Form der Erinnerung beschrieben werden. Kritik, Forschungsstand, Methode KoUektives Gedächtnis und
Rezeption
These, daß Kriegsfilme das kokektive Gedächtnis formen und repräsentieren, greift jedoch in mehrfacher Hinsicht zu kurz. An einer solch verallge-
Die schhchte
meinernden und funktionakstischen Sichtweise ist von unterschiedhcher Seite berechtigte Kritik geübt worden. Gegen eine aüzu voreilige und leichtfertige Zuordnung von kulturellen Praktiken und Objekten, die sich in unterschiedhcher Form mit Vergangenheit befassen, hin zu einem kollektiven Gedächtnis werden vor allem methodische Argumente vorgebracht. Ein zentraler Kritikpunkt ist die Häufigkeit und scheinbare Bekebigkeit, mit der die Begriffe »Erinnerung« und »Gedächtnis« für unterschiedkche Ebenen und Kontexte des Vergangenheitsbezugs verwendet werden, »oft ohne daß die Entstehung, Vermittlung und vor allem die Aneignung der so tradierten Vergangenheitsdeutungen einer eingehenden empirischen Untersuchung unterzogen würden«10. Das Postulat der Empirie läßt sich nicht nur allgemein, sondern insbesondere auch für das Thema Film und Geschichte formuheren. Die Mehrzahl der bislang vorhegenden Beiträge verfolgt eher filmwissenschafthche Ansätze, in denen die Darstehung von Geschichte im Film im Mittelpunkt steht11. Filme sind inzwischen als eine historische Quelle grundsätzkch anerkannt. Demgegenüber haben jedoch nur wenige Autoren weitergehende Fragen danach gesteht, welche Quehen herangezogen werden können und müssen, um das Medium Film in seinem gesellschaftlichen Kontext zu beschreiben und um die damit verbundenen Bereiche seiner Produktion und der Rezeption zu
analysieren12.
Vor allem der Aspekt der Rezeption ist in den Debatten um Erinnerung und kollektives Gedächtnis ein neuralgischer Punkt. Die Kritik entzündet sich hier im besonderen, weil mit der Analyse von Deutungsangeboten der Vergangenheit, vor 10 11
Wierling im Editorial zu Werkstattgeschichte. Siehe zum Beispiel Greffrath, Gesellschaftsbilder der Nachkriegszeit; vgl. Rother, Film, sowie die bereits genannten Arbeiten
12
von
Wenzel, Gedächtnisraum,
und
Geschichte im
Kaes, Deutsch-
landbüder. Diese Frage stellt Nicholas Pronay: »If film is evidence and a valid historical source in its own right, what are the sources for film, how can this new kind of non-written source be >integratcd< with the general bodv of documentan' and literary sources?« Pronav, The »Moving Picture«, S. 366.
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allem in Medien wie Büchern, Filmen oder auch Denkmälern, unter dem Etikett »kokektives Gedächtnis« häufig impkzit die Annahme zum Ausdruck kommt, daß diese Deutungsangebote auch ebenso rezipiert worden seien. Indem sich viele Studien auf die Repräsentationen der Vergangenheit konzentrieren und dabei die korrespondierenden sozialen Praktiken ignorieren, wird unwikkürkch ein unmittelbarer Bezug zwischen Repräsentation und Rezeption hergesteht, der zunächst selbst untersucht werden muß13. Lutz Niethammer hat in diesem Zusammenhang am schärfsten gegen eine Forschung polemisiert, die meint, sich »den lästigen Sozialklimbim der unlösbaren Fragen nach der kulturehen Rezeption in der Gesehschaft vom Halse schaffen zu können«14. Das methodische Unbehagen richtet sich nicht zuletzt gegen Analysen, in denen eine häufig nur geringe Anzahl untersuchter Objekte quasi als Widerspiegelung eines kokektiven Gedächtnisses betrachtet wkd. Es ist jedenfalls fraglich, ob anhand von zwei, vier oder auch sechs Filmen Aussagen über ein kokektives Gedächtnis getroffen werden können im Fall des Films zumeist der gesamten Gesekschaft15. Es trifft zu, daß »beim inflationären Gebrauch oft unversehens das zum realen Gedächtnis der Subjekte [gerät], was zunächst nur als öffentliches Angebot an das Gedächtnis beschrieben werden kann«16. -
»Bewältigt«, »verdrängt« oder instrumentaksiert? Überbkck über den Forschungsstand Wie sehr eine
empirische Fundierung nicht nur hinsichtlich des Aspekts der Rezeption notwendig ist, zeigt auch die bisherige Literatur zu den westdeutschen Kriegs filmen der fünfziger Jahre. Dabei lassen sich zwei Themenkomplexe unterscheiden, die zugleich zwei Phasen der Beschäftigung mit dem Gegenstand widerspiegeln. Erstens steht ungefähr seit Mitte der achtziger Jahre in den ahermeisten Beiträgen zum Thema die Frage im Mittelpunkt, ob diese Filme mehr zur Verdrängung oder mehr zur Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit beigetragen haben. Auch hier wkd die Rezeptionsfrage zumeist nicht berücksichtigt, und die daraus resultierende historische Filmkritik kommt folgkch, je nach Standpunkt, zu divergierenden Ergebnissen. Auf der einen Seite finden sich Beiträge wie von 13
14
»In
reality, the crucial issue is not what is represented but how this representation has been interpreted and perceived.« Confino, Collective Memory and Cultural History, S. 1392. »Seine [Maurice Halbwachs] Betonung des äußeren Gedächtnisraums überlieferter kultureller Objektivationen
schien die methodisch konservativsten Geisteswissenschaftler, die der Rezeptiwaren oder ihnen noch nie nachgegeben hatten, an die Spitze des Fortschritts zu katapultieren; denn jede Quisquilie zur kulturellen Werk- und Objektgeschichte ließ sich nun leicht als Beitrag zu diesem oder jenem kollektiven Gedächtnis umschminken.« Niethammer, Kollektive Identität, S. 361. Siehe zum Beispiel Wenzel, Gedächtnisraum. Vgl. auch Zahlmann, Erinnerungen an ErinnerungenWierling, F.rzählungen im Widerspruch?, S. 31.
onsdebatten müde
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Graml, der allein die Tatsache, daß in den fünfziger Jahren Kriegsfilme gedreht wurden, als positiv bewertet in einer, so Graml, »Periode lebendigster Hermann
der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgter hterarischer Auseinandersetzungen mit der NS-Zeit«. Dieser filmische Umgang mit der Vergangenheit sei »zum fast zuverlässigsten Indiz und überdies zu einem starken Impuls« dafür geworden, »daß einer eindeutigen Majorität der westdeutschen Bevölkerung die Abweisung jeder Erscheinung, die als nationalsozialistisch einzuordnen war, selbstverständlich zu werden begann«17. Ebenso eigentümlich wie der Eklektizismus Grands18 mutet der Vergleich an, den unlängst Frank Stern bemüht hat. Er kommt zu dem Schluß, und
—
von
»daß diese frühen Filme bei aller ästhetischen und narrativen Problematik dichter an der historischen Wahrheit über die Rolle der Wehrmacht waren als die zeitgenössischen akademischen Diskurse jener Zeit und dubiose, soldatische Kameraderie abfeiernde Filme wie Das Boot oder Stalingrad«19.
Wenn schon eine »historische Wahrheit« bemüht werden soll, so müßte man zumindest auch den gegenwärtigen Forschungsstand zur Wehrmacht in den Vergleich mit einbeziehen20. Eine historiographische Quahtät der Kriegsfilme der fünfziger Jahre ist dann aber wiederum bei weitem nicht zu erkennen. Auf der anderen Seite wkd folgkch auch in der Mehrzahl der Beiträge die These vertreten, daß die westdeutschen Kriegsfilme die Vergangenheit verdrängten und eben nicht bewältigten: »Nicht die Vergangenheit wurde bewältigt, sondern die deutsche Niederlage [...]. Der
Kriegsfilm [...] gab sich zwar kritisch als Anti-Kriegsfilm aus, bestärkte aber die alte Wkwaren-alle-Opfer-Eegende und nahm die konstitutive Rolle der Wehrmacht im NSStaat und seiner Ideologie nicht zur Kenntnis21.« Die meisten Autoren, die sich mit der Darstehung der Wehrmacht in den Kriegsfilmen beschäftigt haben, kommen zu einem ähnhchen Fazit. Der Zusammenhang
zwischen nationalsoziakstischer Politik und Zweitem Weltkrieg werde ausgeblendet, der Krieg werde als Schicksal inszeniert und die Wehrmacht letztlich als Opfer eines gefährkchen Abenteuers dargesteht. »Pointiert gesagt: Es gab für den westdeutschen Spielfilm so gut wie keine Vergangenheit zu bewältigen, um so mehr aber eine Niederlage22.« Die Diskussion, ob der westdeutsche Kjriegsfikn als »Bewältigung« oder »Verdrängung« der nationalsoziakstischen Vergangenheit und der Rohe der Wehrmacht interpretiert werden kann, berührt die eingangs formuherte Frage nach dem Zusammenhang von Kino und kollektivem Gedächtnis, ist aber in der vorkegenden 17 18
19 2,1
21 22
178. hier die Kriegsfilme in einem Atemzug mit dem »Tagebuch der Anne Frank« als positive Beispiele der Vergangenheitsbewältigung. Stern, Gegenerinnerungen seit 1945, S. 90 f. Siehe unter anderem Die Wehrmacht; Mythos Wehrmacht; Wette, Die Wehrmacht. Hey, Zwischen Vergangenheitsbewältigung und heiler Welt, S. 236. Hey stellt hier zwar eingangs die Frage nach der Rezeption, geht ihr aber nicht weiter empirisch nach. Becker/Schöll, In jenen Tagen, S. 188; vgl. ebenso Seidl, Opfergang; vgl. auch die Aufsätze von I hekethier, Krieg im Film; Ders., Militär und Krieg.
Graml, Die verdrängte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, Zitate S. 176, Graml
nennt
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wenig fruchtbar. Gegen eine solchermaßen »quantifizierende Bewältigungsforschung« hat sich zu Recht Norbert Frei gewandt23. Auch Peter Reichel hat darauf hingewiesen, daß man angesichts des bundesdeutschen Umgangs mit der NSVergangenheit nach der jeweks spezifischen »Erinnerungs«-Pohtik fragen müsse, anstatt pauschal von einer Verdrängung der NS-Vergangenheit auszugehen24. Bezogen auf die Knegsfilme gut es folgkch nicht nur nach der Rezeption zu fragen, sondern auch nach den Erinnerungsstrategien der verschiedenen Akteure; danach also, wer überhaupt an der Produktion der Bilder über den Zweiten Weltkrieg und die Wehrmacht beteikgt war. Solche weiterführenden Überlegungen zum Zusammenhang von Film und Erinnerungspohtik sind bislang ebenfahs nicht aufgegriffen worden, obwohl für die Kriegsfilme der fünfziger Jahre wie für kaum ein anderes Medium bundesdeutscher Geschichte der Vorwurf politischer Einflußnahme Form
erhoben worden ist. Dieser zweite Themenkomplex der Filmpoktik bestimmt eine erste Phase der wissenschaftlichen Diskussion in den sechziger und siebziger Jahren. Kern der Annahme, die Kriegsfiknproduktion in den fünfziger Jahren sei in erster Linie poktisch motiviert und beeinflußt gewesen, ist dabei der zeitgenössische Kontext der Debatten um die Wiederbewaffnung. Die einfache Formel, die Wkfried von Bredow eingebracht hat und die sich bis in die Gegenwart hartnäckig in einigen Veröffenthchungen hält, lautet: »Filmpropaganda für Wehrbereitschaft«25. Noch weitaus erstaunhcher und unverständhcher als bei der Frage nach der Rezeption ist jedoch, daß bis vor kurzem niemand diese These von der Instrumentahsierung des Kinos zu politischen Zwecken empkisch überprüft hat26. Ein Bhck in entsprechende Quellen zeigt, daß das filmische Feld hinsichthch der Kriegsfilme in der Nachkriegszeit sehr wohl eng mit dem politischen Feld verknüpft war. Nicht die Tagespolitik der Wiederbewaffnung war hierbei jedoch maßgebend, sondern vielmehr waren Beobachtung, Förderung und Zensur von Spielfilmen über den Zweiten Weltkrieg Ted einer spezifischen Pohtik mit der Erinnerung. Aufgrund der latenten Problematik der Kontinuität von nationalsoziakstischer Wehrmacht und Bundeswehr lag zunächst alle Aufmerksamkeit auf der Inszenierung und Konstruktion des »Vor«-Bkdes der Wehrmacht. Das filmpohtische Gebot der Stande war nicht eine positive Darstekung der Bundeswehr, sondern eine affirmative Darstehung der Wehrmacht27.
23 24
Frei, Das Problem der NS-Vergangenheit in der Ara Adenauer, S. 21. Es sei aufschlußreicher »nach den Medien und Manifestationen des Erinnerns zu fragen, nach den Stationen und Konflikten dieses Prozesses, den Erinnerungsstrategien der verschiedenen Akteure und den politischen Interessen, die sie leiten«, Reichel, Politik mit der Erinnerung, S. 15 f. Bredow, Filmpropaganda für Wehrbereitschaft. Wolfgang Schmidt hat sich als erster auf der Grundlage einschlägiger Quellen mit der Rolle der Bundeswehr in diesem Kontext befaßt, vgl. Schmidt, »Wehrzersetzung«. Siehe hierzu Hugo, Beobachten, bürgen und zensieren. —
25 26
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Kriegsfilm und Gedächtnis Es sprechen somit aus zwei Perspektiven Argumente gegen eine pauschale Zuordnung der sowohl an der Kinokasse als auch durch Filmpreise erfolgreichen westdeutschen Kriegsfilme der fünfziger Jahre zu einem vermeintlichen kollektiven Gedächtnis der bundesdeutschen Gesellschaft. Erstens können die Bdder über den Zweiten Weltkrieg, welche die Zuschauer in den Kinos zu sehen bekamen, nicht einfach als Spiegelung einer Kollektivmentalität28 beziehungsweise als unmittelbarer Ausdruck bereits vorhandener kollektiver Erinnerungen der Gesehschaft angesehen werden. Eine ganze Reihe von Akteuren und Institutionen, von der Freiwilkgen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft bis zu verschiedenen Bundesministerien, war in die Produktion der Kriegsfilme involviert, beeinflußte diese und zensierte die Filme gegebenenfahs auch29. Zweitens besagt die Tatsache massenhafter Rezeption, das heißt der mdlionenfache Kinobesuch, noch nichts über die tatsächliche Aneignung der präsentierten Deutungen durch die verschiedenen Pubhka, zum Beispiel über geschlechts- oder generationsspezifische Unterschiede in den
Rezeptionsweisen'1 '.
Darüber hinaus darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Rezeption keineswegs voraussetzungslos war. Um ein annähernd adäquates Büd des filmischen Umgangs mit dem Zweiten Weltkrieg in den fünfziger Jahren zeichnen zu können, ist es notwendig, die Kjiegsfilme in ihrem erinnerungskulturellen und vergangenheitspoktischen Kontext zu betrachten. Zu diesem Kontext sind unter anderem die offizielle Vergangenheitspohtik zu zählen31, aber auch die Memoken der Generäle32 sowie die Illustriertenromane und Kriegsromanhefte33. Die Mehrzahl der Filme basiert auf erfolgreichen Romanvorlagen und reüssierte in den Kinos unter dem gleichen Titel34. Man kann die These formulieren, daß die Kriegsfilme der fünfziger Jahre Anteil an der Legendenbildung um die Wehrmacht hatten, aber man muß das mediale Gesamtgefüge berücksichtigen und den Ort sowie die Rohe der Filme in der Erinnerungskultur bestimmen, um letztkch Aussagen zur Funktion des Films in der Konstitution von kollektiv getedten Erinnerungen treffen zu können. Dazu ist es unerläßkch, die internationalen Bezüge des Mediums Film, das bislang zumeist 28
29 30 31
32 "
34
So die klassische These von Siegfried Kracauer: Kracauer, Von Caligari zu Hider. Siehe Hugo, Beobachten, bürgen und zensieren. Dies kritisiert auch Wierling, Erzählungen im Widerspruch?, S. 31. Siehe Frei, Vergangenheitspolitik. Vgl. Gerstenberger, Strategische Erinnerungen; siehe Düsterberg, Soldat und Kriegserlebnis. Siehe Schornstheimer, Die leuchtenden Augen der Frontsoldaten; Geiger, Kriegsromanhefte in der BRD; vgl. Nutz, Der Krieg als Abenteuer und Idylle. Unter anderem basieren folgende Filme auf den gleichnamigen Romanen; Hans Hellmut Kirst, 08/15 (1954/55); Wolfgang Ott, Haie und kleine Fische (1956); Fritz Wöss, Hunde wollt ihr ewig leben (1958); Heinz G. Konsalik, Der Arg von Stalingrad (1958); Strafbataillon 999 (1960); Manfred Gregor, Die Brücke (1958). Zum Kriegsroman: Baron/Müller, Weltkriege und Kriegsromane; Wagener, Soldaten zwischen Gehorsam und Gewissen; Hermand, Darstellung des Zweiten Weltkrieges.
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nationaler Perspektive betracht wurde, in die Untersuchung mit einzubeziehen. Wenn hier nur die westdeutschen Kriegsfilme betrachtet werden, so bedeutet dies von vornherein, daß über den Einfluß des gesamten Kinoangebotes allenfalls Hypothesen formuliert werden können. »Die notwendige Ausklammerung der in der Bundesrepubkk gelaufenen ausländischen Filme [...] bedingt insofern den Verzicht auf eine Aussage zur Wirkung des Mediums auf die Zuschauer35.« Welche Möghchkeiten und Grenzen für eine Rezeptionsgeschichte des Films grundsätzkch bestehen, hat Helmut Körte zuletzt in seiner umfangreichen Studie zum Ende der Weimarer Repubkk ausgelotet. Dabei sind nicht die Filme selbst der Gegenstand der Analyse, unter
»sondern die schriftlichen Äußerungen über diese [...], wobei das reale Publikum allenfalls spezifisch selektiert über die schriftlichen Rezeptionsdokumente oder hypostasiert aufgrund der Kontextdaten und der Filminhalte in die Ergebnisse eingeht«36.
Ein solcher Zugang über schriftliche Dokumente soll auch in diesem Beitrag vorgesteht werden. Eine Chance, aus der Perspektive der Printmedien Aussagen über die Rezeption der Kjiegsfilme machen zu können, bieten die Besprechungen in Tages- und Wochenzeitungen sowie Fachzeitschriften. Diese ermöglichen durch ihre Berichte nicht nur eine Annäherung an die Rezeptionsweisen des Pubhkums, sondern sind selbst Rezipienten und zugleich Multiplikatoren von Deutungen. Die Lesarten der Filme durch die Presse waren wiederum in einen Diskurs eingebunden, der in entscheidendem Maße von den Inhalten geprägt wurde, welche die Verleihfirmen in der Werbung für den jeweikgen Film formukerten. Durch das Marketing des Films im Vorfeld formukerte Präformationen strukturieren die Rezeption der Kriegsfilme vorab37. Anhand einer Analyse von Werbemateriahen und Pressemappen läßt sich darüber hinaus zeigen, welche Rezeptionserwartungen die Verleihfirma mit dem jeweikgen Fkm verband und welche Deutangsangebote mit Bhck auf Journaksten als Multipkkatoren wichtig waren. Beide Quellentypen markieren einen zentralen Bereich der Kommunikation über die westdeutschen Kjiegsfilme, denn »Filme sind ein kommunikatives Ereignis. Das muß im Mittelpunkt jegkcher Filmgeschichtsschreibung stehen38.« Im Anschluß an die eingangs formukerte These stehen dabei unter anderem folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie wird der Zweite Weltkrieg insgesamt dargesteht? Wie beschreiben Werbestrategen und Rezensenten jeweks die Wehrmacht und ihre Rohe in diesem Krieg? Wie wkd das Verhältnis von Wehrmacht und nationalsozialistischer Führung beschrieben? Und schheßhch: Von wem wurde an welcher Stelle und mit welchen Argumenten Kritik an der Darstekung der Vergan-
genheit geäußert?
35 36 37 38
Kahlenberg, Film, S. 464 f. Körte, Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik, S. 46. Vgl. Schneider, Die Re-Installation. Mikos, Der erinnerte Film, S. 147.
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Der westdeutsche
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Kriegsfilm in Werbung und Berichterstattung
Das Kino der fünfziger Jahre machte nicht nur in einer Fülle von Filmen, die im Hochadels- oder Fürstenmikeu angesiedelt waren, sowie in den Heimatfilmen »Urlaub von der Geschichte« (Hermann Heimpel). Millionen Kinogänger wollten zugleich Geschichten des Zweiten Weltkriegs, Geschichten über Soldaten und Offiziere der Wehrmacht sehen und machten die westdeutschen Produktionen damit zu den erfolgreichsten Filmen in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. Insgesamt zehn Kriegsfilme sind sowohl durch ihren Kassenerfolg als auch durch Filmpreise unter den jeweiligen »top ten« der Jahre 1954 bis 1959 vertreten39. Es fällt zunächst schwer, Gemeinsamkeiten auszumachen, da sich die Filme auf den ersten Blick überaus heterogen darstchen. Sie handeln auf der einen Seite von hohen Offizieren, Canaris und Des Teufels General (R: Helmut Käutner, s/w, Deutschland 1954), und auf der anderen Seite von einfachen Soldaten, 08/15 (R: Paul May, s/w, Deutschland 1954). Gekämpft wird zu Lande, Hunde, wollt ihr ewig leben? (R: Frank Wisbar, s/w, Deutschland 1958), zu Wasser, Haie und kleine Fische (R: Frank Wisbar, s/w, Deutschland 1957), U47-Kapitänleutnant Prien (R: Harald Reinl, s/w, Deutschland 1958), und in der Luft, Der Stern von Afrika (R: Alfred Weidenmann, s/w, Deutschland 1956). Außerdem werden so unterschiedhehe Themen wie Kriegsgefangenschaft, Der Arzt von Stalingrad (R: Geza Radványi, s/w, Deutschland 1958), oder Spionage, Der Fuchs von Paris (R: Paul May, Deutschland 1957), behandelt. Betrachtet man jedoch sowohl die Werbung für diese Filme als auch die Diskussion über sie, so läßt sich durchaus ein roter Faden in den Texten zu den Kriegsfilmen ausmachen. Der Diskurs kreist immer wieder um die Frage, ob es gelungen sei, eine »gültige«, »wahre« oder »wahrhaftige« Darstehung des Zweiten Weltkrieges zu schaffen, eines Geschehens, das durchgehend als »Tragödie« oder »Schicksal« apostrophiert wkd. Treffend spiegelt sich dies in dem Ausruf eines Rezensenten wider: »Daß wk solche Mühe haben, unser eigenes Schicksal zu begreifen! Und darzustellen! Und gar zu verfilmen40!« In den Presse- und Werbemateriahen zu den Kriegsfilmen41 lassen sich insgesamt drei durchgängige rhetorische Figuren feststellen, die zentral für die Deutungsangebote der Produzenten, Regisseure und Werbestrategen sind42. Erstens ist die Existentiahsierung der nationalsozialistischen Vergangenheit und speziell des Krieges zu nennen; beide werden als Schicksal, als Drama, als Tragödie, als überwältigende Geschichte, die dem einzelnen Menschen unentrinnbar auferlegt wur39 411
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Siehe die Zusammenstellung von Jahreslisten bei Sigl/Schneider/Tornow, Jede Menge Kohle? Echo der Zeit, Recklinghausen, 20.3.1955. Vgl. die Sammlung von Werbematcrialien und Pressebroschüren des Deutschen Filminstituts (DIE) in Frankfurt am Main zu den genannten Filmen, auf die sich die Analyse im folgenden stützt. Ich beziehe mich auf Helmut Dubiels Analyse der Parlamentsdebatten des Deutschen Bundestages, in der er auf vier nahezu ubiquitäre rhetorische Figuren hinweist, »mit denen die Deutschen versuchten, sich ihre belastende Vergangenheit vom Leibe zu halten«, Dubiel, Niemand ist frei von der Geschichte, S. 69-74.
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de, dargestellt. Hierin kommt einerseits ein Identifikationsangebot zum Ausdruck, welches das zeittypische Opfergefühl bediente. Andererseits erfüllte die Dramatisierung den Zweck, das Thema interessant und spannend zu gestalten. Zweitens insistierte man auf Wahrheit, auf der Darstellung von Tatsachen und auf dem Anspruch auf Wahrhaftigkeit. Die Fkme handelten von Ereignissen, die jedem Zuschauer entweder aus eigener Erfahrung oder vom Hörensagen bekannt waren. Nur wenn sie dieses Wissen aufnahmen und zu vertiefen versprachen, konnten sie auf Resonanz (und kommerziellen Erfolg) hoffen. Drittens zeigt die Behandlung der Vergangenheit eine Tendenz zur »Abspaltung«: Die Wehrmacht, ihre Soldaten und Offiziere werden deutlich von der nationalsozialistischen Reichsführung und Partei getrennt; letztere gelten als Erfinder und Exekutoren einer verbrecherischen Politik, während die Wehrmacht als unschuldig, letztheh sogar als Opfer jener Politik gezeichnet wkd. Bei einer Analyse der zeitgenössischen Rezeption der Kjiegs filme in Tagesund Wochenzeitungen lassen sich ebenfahs diese wesentlichen rhetorischen Figuren und Argumentationsmuster identifizieren. Das Marketing für die Filme präformierte die Rezeption der Filme nicht zuletzt dadurch, daß es für kleinere Zeitungen vorformuherte Texte wie zum Beispiel Inhaltsangaben anbot, die teilweise von Lokalredaktionen auch übernommen wurden. Die gleichen Texte und Bilder erreichten, wenn auch in leicht veränderter Form als Programmhefte, ebenfalls das
Kinopublikum43.
Auf der einen Seite kann man feststeken, daß die Rezeption in den Tages- und Wochenzeitungen zu einem guten Ted zkkulär war, da sie sich immer wieder auf das jeweikge Marketing bezog, ohne das entsprechende Deutungsangebot der nationalsozialistischen Vergangenheit grundsätzlich in Frage zu stellen. Auf der anderen Seite wurde jedoch von Anfang an zunächst nur sehr vereinzelt auch Kritik am filmischen Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg geäußert. Solche kritischen Stimmen finden sich zwar zum Ende der fünfziger Jahre häufiger, bheben aber letztheh marginal44. Das Thema Wiederbewaffnung wurde dabei zwar angesprochen, stand aber weit weniger im Mittelpunkt, als dies durch die spätere Forschungshteratur nahelegt wird. Die Diskussion in der Presse, ob westdeutsche Kriegsfilme die Wehrmacht und die deutschen Soldaten zu schlecht oder zu gut darstellten und somit als »Propaganda« für die geplante Bundeswehr zu sehen waren, entzündete sich insbesondere am ersten Teil der von Paul May verfilmten —
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—
In den fünfziger Jahren konnten die Besucher noch zu jedem Film ein Filmprogramm an der Kinokasse kaufen. In diesen Programmheften fanden sich auch Hintergrundinformationen, zum Beispiel Porträts der Darsteller oder Berichte zu spektakulären Dreharbeiten. Erst gegen Ende der sechziger Jahre haben die Verleihfirmen von dieser aufwendig gestalteten Werbung für den einzelnen Film abgesehen. Eine »Institution«, an der man diese Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen festmachen kann, ist die Zeitschrift »Filmkritik«, in der seit 1957 konsequente und scharfe Kritik an den Kriegsfilmen Studenten geäußert wurde. Das linke Filmjournal war zunächst vor allem ein Sprachrohr junger und Theound erschien monatlich. Es war der Nachfolger der unter anderem von Enno Patalas dor Kotulla gegründeten Zeitschrift »Film 56«, die aber nur drei Ausgaben erreichte.
Kino und kollektives Gedächtnis?
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08/15-Roman-Trilogie. Nachdem sich aber die Auffegung um den Film 08/15 gelegt
hatte, spielte in der Folgezeit auch das Thema Wiederbewaffnung im Zusammenhang
mit den Kriegsfilmen keine große Rolle mehr zumindest außerhalb der Bundeswehr. Die skizzierten Muster von Promotion und Rezeption können anhand von drei Filmen exemplarisch verdeutlicht werden. Canaris und Die Brücke markieren den Anfangs- bzw. den Endpunkt der »Kriegs filmwehe«. Die Werbung für diese beiden Filme arbeitete, wie auch bei Haie und kleine Fische, mit den oben benannten rhetorischen Figuren. Im Fah von Canaris wurden diese Figuren ebenso auffällig wie wkkungsvoh eingesetzt, und der Film stellte in dieser Hinsicht ein Erfolgsmuster für alle weiteren Filme dar. Die Werbung zu Haie und kleine Fische knüpfte hier an, ist aber deshalb von besonderem Interesse, wed kein anderer Film vergleichbar offensiv um das weibhche Pubhkum warb. Dieses Werben wirft Fragen nach einer geschlechtsspezifischen Rezeption der Kriegsfilme auf, die sich die Forschung bislang nicht gestellt hat. Die Berichterstattung über alle drei Filme bewegte sich in den Grenzen des skizzierten rhetorischen Rahmens, gibt aber vor allem im Fah von Die Brücke Aufschluß über die teüweise sehr unterschiedhche hier generatider onsspezifische Rezeption Kriegsfilme. —
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Die »innere Wahrhaftigkeit« des »deutschen Schicksals«
Canaris war der erste erfolgreiche westdeutsche Spielfilm, der sich des Kriegssujets annahm. Der Film kam Ende 1954 in die bundesdeutschen Kinos45. In den von der Europa Filmverleih GmbH herausgegebenen Pressenotizen werden die schicksalhaften Umstände der erzählten Geschichte betont; es sei, so der Slogan: »Der Film einer deutschen Tragödie46.« Erzählt wird die Geschichte des Admirals Wilhelm Canaris, Chef der Abwehrabtedung und von 1938 bis 1944 Leiter des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht. Canaris, so die Informationen für die Presse, »der Mann, der Deutschland retten wohte, war zugleich auch der Mann, der alles wußte«. Er habe aufgrund seiner Informationen versucht, den Krieg zu verhindern. Während des Krieges habe er sich immer wieder bemüht, Unheil abzuwenden, aber nie Gehör gefunden. Der Verleih warb damit, daß diese Geschichte nicht nur einen Einzelfall beleuchte, sondern von allgemeiner Gültigkeit sei. »Der Film von
[soll]
die
Tragödie
eines Mannes
Millionen deutscher Menschen
aufzeigen, die sich gleichsam im Erleben widerspiegelt. Denn in der Person des Admirals
Canaris läßt sich das deutsche Schicksal mit erschreckender Deudichkeit ablesen.« 15
Altersfreigabc ab 12 Jahren und das Prädikat »besonders wertvoll« der EilmCanaris bekam außerdem den Deutschen Filmpreis für Produktion, Regie, Drehbuch und darstellerische Leistung (Martin Held als Reinhard Heydrich) sowie den Bambi für den geschäftlich erfolgreichsten Film des Jahres 1955. Dieses und alle weiteren Zitate in diesem Kapitel stammen, sofern nicht anders angegeben, aus der Werbebroschüre zu dem jeweiligen Film, die sich in der Sammlung von Presseheften und Werbematerialien zu deutschen Filmen der Jahre 1945 ff. des Deutschen Filminstituts (DIF) in Frankfurt befindet. Der Film bekam die
bcwertungsstelle. il'
Philipp von Hugo
464
Canaris, Deutschland 1954. Von links: Oberst Holl (Wolfgang Preiss), Admiral Wilhelm Canaris
(O. E. Hasse)
Besprechungen in der Presse waren durchweg positiv und griffen die VorgaMarketings auf. Dabei wurde in Form der grundlegenden rhetorischen der Figuren Existentiahsierung und Abspaltung Bezug auf die Vergangenheit ge-
Die
ben des
nommen.
In einem Vorbericht mit dem Titel »Das Verbrechen
das »Berkner
Montags-Echo«
an
Canaris« stellte
fest:
»In der Persönlichkeit des Chefs der deutschen Abwehr soll das Schicksal von Tausenden von Deutschen aufgezeigt werden, deren Idealismus in gleicher Weise mißbraucht
und
betrogen wurde47.«
Noch einen Schritt weiter ging Wkhelm
Mogge in der »Kölnischen Rundschau«:
»Auf weite Strecken wird die Atmosphäre ständiger Todesgefahr spürbar, in der Millionen sauberer, guter und anständiger Menschen jahrelang leben mußten, in der Hunderttausende dann auch den schmählichen und fürchterkchen Tod fanden48.«
Canaris wurde hier zum einen auf der Grundlage der Figur der Abspaltung als Sinnbild deutscher Leiden und als Opfer des »verbrecherischen Systems« stilisiert. Zum anderen sollte er zugleich Symbol für Tragödie und Schicksal sein hier griff die Figur der Existentiahsierung. —
47 48
Berkner Montags-Echo, 11.10.1954. Kölnische Rundschau, 3.1.1955.
Kino und kollektives Gedächtnis?
465
Rudolf Lange äußerte sich in der »Welt« zwar skeptisch, »ob nach so kurzer Zeit bereits eine Darstellung gegeben werden kann, die den Nachprüfungen der Historiker standhält«. Als Gesamteindruck bleibe aber, »daß Deutschland in den Abgrund gerissen wurde durch die Maßlosigkeit einer ver-
blendeten, an kein Gesetz mehr gebundenen Führung, die die Wirklichkeit längst nicht mehr sah, nicht mehr sehen wollte«49.
Zwei Tage später brachte Walter Becker dies an gleicher Stehe auf den dem er beide Argumentationsmuster miteinander verband:
Punkt, in-
»Die Tragik des Geschehens [...] kommt darin zum Ausdruck, daß ein offenbar dumpf waltendes Schicksal dem verbrecherischen System immer wieder scheinbar recht gab, wenn die Kräfte des Widerstandes sich regten5".« Wie inklusiv dabei die Opferperspektive war, die der Film offensichtlich als Deu-
zeigt schheßhch ein Artikel des »Kölner Stadt-Anzeiger«. Canaris habe überbhckt, der Autor, »was sich vor und während des Krieges gegen Deutschtung anbot,
so
land und seine Wehrmacht zusammenbraut«51. Eine der ganz wenigen kritischen Stimmen zu dem Film brachte die Zeitung »Der Kurier«, die in Westberkn erschien. Der Autor, politischer Redakteur seiner Zeitung, kam zu einem negativen Urtek: »Machen wir uns über die Wirkung des Canaris-Films nichts vor: Die gebrannten Kinder des tausendjährigen Reiches scheuen das Feuer ohnehin, wenigstens für einige Zeit, und der kleine Rest wird am Biertisch oder in privaten Konventikeln Betrachtungen darüber anstellen, wie man es beim nächsten Mal im Sinne des Herrn Heydrich (Martin Held), des Gegenspielers von Canaris, besser machen könnte52.«
Welche Wkkung Canaris tatsächhch hatte, läßt sich hier nicht sagen. Man kann aber durchaus feststellen, daß er für den Diskurs über den Zweiten Weltkrieg und die Wehrmacht in gewissem Sinne stilbkdend war. Canaris war der »Prototyp« einer ganzen Reihe von Fkmen, die sich um die Abspaltung des Krieges vom Nationalsoziaksmus und um die Existentiaksierung dieses Krieges bemühten53. Diese Argumentationsmuster finden sich durchgängig sowohl in den Werbemateriahen als auch in den Besprechungen der Filme. »Harte Männer«
Geschlechtergeschichtliche Aspekte —
Ein in mehrfacher Hinsicht interessantes Beispiel ist die Präsentation des Films Haie und kleine Fische. Der Film schildert die Ereignisse um vier junge Seekadetten, die auf einem U—Boot Dienst tan »und deren Schicksale als Beispiel dafür gelten, daß der Mensch die Technik nicht be-
siegen kann. Ein harter Film also männliche Publikum wendet.«
« 30
31 32 33
unter
Die Welt, 3.1.1955. Die
Welt,
5.1.1955.
Kölner Stadt-Anzeiger, 31.12.1954. Der Kurier, 5.1.1955. Vgl. Wilharm, Filmwirtschaft, S. 289 f.
harten Männern, der sich in
erster
Linie
an
das
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Haie und kleine Fische, Deutschland 1957. Von links: Seekadett Stollenberg (Thomas Seekadett Teichmann (Hansjörg Felmy), Seekadett Heyne (Horst Frank)
Braut),
Dieser Text, in dem der Verleih unter der Überschrift »Haie und kleine Fische ein Film nur für Männer?« zu begründen versuchte, warum sich dieser Kriegsfilm seiner Ansicht nach gerade auch an das weibhche Pubhkum richte, ist ein bemerkenswertes Zeitdokument, gerade auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Befindlichkeit der Bundesrepubkk in den fünfziger Jahren. Der Film dürfe —
»auch an dem Schicksal der Frauen nicht vorübergehen, deren Bild das harte Leben der Männer begleitete und ihnen immer wieder neue Kraft gab, sie immer wieder neue Hoffnung schöpfen ließ«. Der Verleih informiert in der Pressebroschüre darüber, daß die Nachwuchsschau-
spielerin
Sabine Bethman die Rohe der Edith als ihre bisher schönste bezeichnet
habe.
»Diese Edith sie ist die Frau des Korvettenkapitäns Wegener ist daher bewußt in den Mittelpunkt der Filmhandlung gerückt, denn auch in ihre Welt greift der Krieg ein und lehrt sie ein neues, entbehrungsreiches Leben.« Das Schöne an diesem Leben für Edith sei »ihr Glück an der Seite des überlegenen -
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Mannes, dessen selbstsichere Art und verständnisvolle Güte ihr Geborgenheit
geben«. Als ihr Mann an den Folgen einer Kopfverletzung erbkndet, finde sie »die Kraft, vor dieser Forderung des Schicksals zu bestehen«. Es fällt schwer, in dem hier propagierten Frauenbdd mit dem der Verleih hoffte, Frauen für seinen -
Kino und kollektives Gedächtnis?
»Männerfilm« zu auszumachen:
begeistern
Unterschiede
zur
467
nationalsozialistischen
-
Propaganda
»Ganz Liebe und tätige Hingabe, verhilft sie ihrem Mann dazu, sein Eos nicht nur zu tragen, sondern es auch zu überwinden und so an der Schwelle zu einem neuen Leben auch ein neues gemeinsames Glück zu finden.«
Haie und kleine Fische wurde von Martin Ruppert in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« als »08/15 auf dem Wasser« bezeichnet. Aus seiner Sicht erzählt der Film in erster Linie eine Geschichte von deutschen Soldaten als Opfern des Krieges: »Soweit das Gerüst einer Geschichte von den großen Haien, die gierig die kleinen Fische fressen, einer Geschichte vom Soldaten, den, wie so viele andere, das Räderwerk dieses Krieges verzehrte54.« In diesem Sinn äußerte auch Georg Herzberg in der Zeitschrift »Film-Echo« Ver-
ständnis für die Darstehung des Füms. »Die meisten waren ja im Sinne des Filmtitels wirklich kleine Fische, nur wußten es die einen gleich und die anderen erst nach Stahngrad oder noch später55.« Einige Besprechungen kritisierten den Film demgegenüber vor allem deshalb, weh von den im Titel genannten Haien nichts zu sehen sei. Am deutkchsten tat dies Georg Ramseger in der »Welt«:
ein Film Haie und kleine Fische, in dem die Haie fehlen? Man kann so arkann Tornado sagen, indem man abgedeckte Häuser zeigt. Und man kann Krieg sagen, indem man Tod und Untergang häuft. Aber nicht diesen Krieg. Nicht diesen unseren Krieg, weil dahinter etwas stand, das die Partei hieß, das Hider hieß, das Himmler hieß und Heydrich und Kaltenbrunner und KZ alles das eben, was in der Vokabel Hai kompakt gerafft ist56.« »Was soll
beiten;
uns
man
—
Auch diese Kritik entgeht keineswegs trotz aller Deutkchkeit der rhetorischen Abspaltung der wenigen »Haie« von den vielen »kleinen Fischen«. Interessanter ist hier jedoch die aufgeworfene Frage einer Geschlechtergeschichte des Kriegfilms. Im Anschluß an Heide Fehrenbachs Studie über die geseüschafthche Bedeutung des Kinos in der Nachkriegszeit kann die These formukert werden, daß auch in den Kriegsfilmen ein überkommenes Büd von Geschlechterrollen präsentiert wurde, das im Kontext einer »Krise der Männkchkeit« gesehen werden kann, wie sie Fehrenbach für die fünfziger Jahre konstatiert57. Solche Gesichtspunkte sind bislang in keiner Arbeit zu den Kriegsfilmen der fünfziger Jahre erörtert worden. Die einzige Studie, die Anregungen in diese Richtung bietet, stammt von Gerhard Bhersbach, der den Film Haie und kleine Fische aus psychologischer Sicht analysiert. Der Film schildere »das ödipale Drama eines jungen Mannes, der sich an seinen Ersatz-Vätern reibt, wed er um seine Ersatz—
—
Mutter
kämpft«58. Angesichts der Vehemenz, mit welcher der Verleih um das weibhche Pubkkum warb, ist zu fragen, inwiefern sich die Kriegsfikne insgesamt nicht zuerst an das 54 55 56
57 58
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.9.1957. Film-Echo, 12.10.1957. Die Welt, 12.10.1957. Hervorhebungen im Original Vgl. Fehrenbach, Cinema in Democratizing Germany, besonders Bliersbach, Ödipus im Seekrieg, S. 48.
Kapitel 3, Zitat S. 95.
Philipp von Hugo
468
männhche Publikum der Millionen Kriegsteilnehmer richteten, deren Erinnerungen in diesen Filmen gewissermaßen visuaksiert wurden. Dementsprechend geht es folghch in erster Linie nur um das koUektive Gedächtnis einer Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung der männlichen. —
»Das ist
unser
Film«
Generationsspezifische Rezeption —
Betrachtet man abschheßend die Reaktionen, die der Film Die Brücke 1959 hervorrief, so schien aus Sicht der Presse und der Filmkritik hier die Darstekung und Verfilmung des »eigenen Schicksals« geglückt. Nach der Uraufführung, so »Der Spiegel«, »überschütteten die bundesdeutschen Kritiker das Kino-Opus mit Lob, wie keinen deutschen Film in den letzten Jahren«59. Man habe nicht recht daran geglaubt, so Karlfriedrich Scherer, daß der deutsche Film »so bald und so kühn einen neuen Schritt zur Bewältigung unserer leidvollen Vergangenheit tun würde und tan könnte«6". Hans-Dieter Roos lobte Die Brücke in der »Süddeutschen Zeitung« als ein
»spontanes Meisterwerk. Er ist, wenn es je ein Film war, besonders wertvoll. Weü er uns noch einmal den Schock vermittelt, den wir vor vierzehn Jahren empfangen und vergessen haben61.« Der Film wurde besonders im Vergleich mit den vorherigen Kriegsfilmen hervorgehoben. Karl-Heinz Krüger erklärte ihn in der Zeitschrift »Der Abend« zu einem der besten Nachkriegsfilme überhaupt: »Die Regie-Anstrengungen des Schauspielers [Bernhard Wicki] führten zu einem der wichtigsten, erschütterndsten und besten Filme, die nach dem Kriege im deutschen Sprachbereich gedreht wurden62.« Im Presseheft der Deutschen Film Hansa, die den Film verkeh, wkd Die Brücke in direkten Bezug zu Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues« gesteht. Der Film woke »ebenso wie Remarques Buch weder Anklage noch Bekenntnis sein, sondern nur berichten, was war«. Es komme aber darauf an, »wie echt wir in Zukunft das münzen, wofür Jugend sich immer begeistern und notfalls sterben wird. Denn sie glaubt, was wir ihr beibringen63.« Die große Zustimmung, die der Film erfuhr, wurde jedoch längst nicht von allen Seiten getekt. Enno Patalas kritisierte in der Zeitschrift »Filmkritik« scharf, daß der Anspruch des Films nicht eingelöst werde: 59
"
61 62
63
Spiegel, 4.11.1959. Die Brücke erhielt das Prädikat »besonders wertvoll« (FSK: ab 12), den Deutschen Filmpreis für Produktion, Regie, Musik, darstellerische Leistung (Cordula Trantow, Edith Schulze-Wcstrum) und den Preis der deutschen Filmkritik. Er war »Monatsbester« der Der
evangelischen Filmgilde sowie »Jahresbester« der Katholischen Film- und Fernsehkga.
Film-Echo, 28.10.1959. Süddeutsche Zeitung, 25.10.1959. Hervorhebung im Original. Der Abend, 23.10.1959. Diese Feststellung bezieht sich auf eine Szene im Film, in welcher der Lehrer der Jungen, Studienrat Stern, sagt: »Alle diese Ideale Freiheit, Vaterland, Heldentod sind doch Falschmünzern in die Hände gefallen.« Zitat nach eigenem Protokoll. -
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Kino und kollektives Gedächtnis?
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»Hier wäre
Gelegenheit gewesen, zu zeigen, wie eine Anzahl Deutscher 1945 zum Krieg, zur Kriegsschuld, zum Nazismus stand, und dahinter die Ursachen der Katastrophe aufscheinen zu lassen. Statt dessen respektiert der Film aber die Tabus der westdeutschen Produktion, die er sonst so mutig durchbricht. Bis auf den Ortsgruppenleiter erscheinen die Erwachsenen ausnahmslos als unschuldige Opfer der Geschichte oder des Geschicks [...]. Die allgemeineren Gründe für den Fanatismus eines Teils der deutschen Jugend von 1945 bleiben außerhalb der Diskussion. Sogar der Mechanismus der Militärs wird ausdrücklich freigesprochen: Die Vorgesetzten wollen die Jungen vor dem Einsatz bewahren, nur durch den zufälligen Tod des Unteroffiziers, der auf sie aufpassen sollte, wkd diese Absicht vereitelt. So gewinnt der Krieg letzten Endes doch, wieder -
einmal, den Charakter eines unentrinnbaren Fatums,
an
dem niemand Schuld
war
und
das niemand verhindern konnte64.«
Die Brücke ist in zweifacher Hinsicht interessant. Erstens stand der Film für das Ende der westdeutschen »Kriegsfilmwelle«. Nach ihm läßt sich bis zu Wolfgang Petersens Das Boot (R: Wolfgang Petersen, Deutschland 1984) jedenfalls keine vergleichbare westdeutsche Produktion nennen. Zugleich schien aber auch aus zeitgenössischer Sicht mit Die Brücke nun endhch eine gültige Verfilmung des eigenen Schicksals vorzukegen. Die Kritik lobte vor allem die »harte«, realistische DarTodes der Jungen an der Brücke, die den Krieg zeige, »wie er wkldich des stellung ist«. Damit hatte das deutsche Kino vermeintlich einen bedeutenden Film gegen den Krieg vorzuweisen. »Aus Gregors bescheidenem Opus eins [der gleichnamige Roman von Manfred Gregor] indessen wurde einer der härtesten, bittersten Antikriegsfikne, die je über eine Leinwand kefen65.« Die Schwierigkeiten, die man bislang mit der Darstehung der Generahtät, des Kasernenlebens, einzelner »Helden« und Kriegsschauplätze hatte, schienen durch Bernhard Wickis Film gelöst. Dabei bkeben die rhetorischen Figuren der Abspaltung und Existentiaksierung jedoch wkksam, wie die zutreffende Kritik Enno Patalas' zeigt. Als falsch erweist sich zweitens die These, daß es sich hier um einen Antikriegsfilm handele. Die Rezeption des Films Die Brücke ist ein Beispiel par excellence dafür, daß eine Unterscheidung zwischen Kriegs- bzw. Antikriegsfilmen analytisch wenig sinnvoll ist. Der »Weser Kurier« berichtete unter der Überschrift »Grausige Mischung: Gehende Schreie und Gelächter«, daß einige, vor allem junge Menschen, während des Films gelacht hätten. Auf Nachfrage des Reporters habe einer geantwortet: »Das ist unser Film. So wie diese Jungens muß man sich für das Vaterland einsetzen. Das sind Patrioten! Wo gibt es so was heute noch? Jetzt weiß ich, was Vorbilder sind66.«
Die Reaktionen auf den »ehrhchsten und erschütterndsten deutschen Film über den Zweiten Weltkrieg« bewiesen, so das Fazit des Autors, daß man die jungen Menschen mit dem Füm nicht allein lassen dürfe. Bei den Reaktionen der Jugendhchen in Bremen handelte es sich keineswegs um einen Einzelfall. Die »Deutsche Woche« druckte einen offenen Brief des Jour64 65 «
E[nno] P[atalas], Die Brücke, S. 316 f. Hervorhebung im Original.
Süddeutsche Zeitung, 25.10.1959. Weser Kurier, 9.12.1959.
Philipp von Hugo
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Die Brücke, Deutschland 1959
naksten und Filmkritikers Klaus Norbert Scheffler an den Regisseur Bernhard Wicki ab. Scheffler berichtete über die Reaktionen von Jugendhchen in einer Nachmittagsvorstellung in Hannover: »Mit Beginn der Kampfhandlungen im Film setzte ein nur als frenetisch zu bezeichnendes Geheul der Jugendhchen ein. Nur einige der Zwischenrufe: >Schieß die Sau ab! Knall dem Vieh doch ein paar vor die Birne! Hack die Sau zusammen! Mensch, rotz den Kerlen doch schon Blei in die Rippen! Schieß, schieß, schieß! Jetzt ist er verreckt!< Nach der Bauchschußszene stammelte mein kleiner Nachbar (er gab später an, ganze sieben Jahre alt zu sein): >Prima, jetzt quillt dem der Quark aus den Rippen67!iochiiBpeH»n, btt der Anm «In« &iïMifi Ihaari dt» Hauptffcbitr»- tiad O*lr«ll««-Mnitonn vor
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