Kreolische Identität: Eine amerikanische ›Rassengeschichte‹ zwischen Schwarz und Weiß. Die Free People of Color in New Orleans [1. Aufl.] 9783839410363

Frei, wohlhabend und 'rassengemischt' - die kreolischen Free People of Color waren eine Anomalie innerhalb des

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German Pages 378 Year 2015

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Table of contents :
INHALT
Vorwort
EINLEITUNG
»Black, White or Chocolate?«: Identitäten in New Orleans
Fragestellung und Methode
Begriffe und Konzepte
Forschungsüberblick
Quellenlage
Aufbau der Arbeit
»A NATION OF A QUEER PLACE«: LOUISIANA ALS AMERIKANISCHER ›ORIENT‹
»La Louisiane, La Luisiana«: Die Kolonialgeschichte
»Quadroons, Catholicism and Aristocracy«: Die Konstruktion von der ›unamerikanischen‹ kreolischen Gesellschaft
»Innocent Blood which has Encrimsoned the Plains of St. Domingo«: Das Schreckgespenst einer schwarzen Revolution in Louisiana
»They Must Be For, or Against Us«: Die Free Men of Color in der Schlacht um New Orleans
Resümee
»IN DEFENSE OF OUR SYSTEM«: VON DER KARIBISCHEN BESONDERHEIT ZUM AMERIKANISCHEN STANDARD
»The Perfect Mingling of Blood«: Die ›Hybriden‹ in den Rassentheorien
Das Fremde im Eigenen: Die Kolonisierungsdebatte
»Nothing of the African About Her«: ›Rasse‹ vor Gericht
Zwischen Assimilation und Protest: Die Literatur der Free People of Color
»Being Ourselves«: Im Schutz der eigenen Gemeinschaft
Resümee
ZWISCHEN FORTSCHRITT UND REAKTION: DER KAMPF UM EINE NEUDEFINITION DER GESELLSCHAFT LOUISIANAS
»The Manly Warrior-Citizen«: Free Men of Color in Port Hudson
»Men on the Battlefield, Women at the Ballot-Box?«: Auf dem Weg zu politischer und sozialer Selbstbestimmung
Resümee
»VANISHING INTO OBLIVION«: SCHWARZ-WEISSE REALITÄTEN IN LOUISIANA
»A Truly Political Work«: George Washington Cables The Grandissimes
»Romantic Incident and Legendary Lore«: Erinnerung und Vergessen in Louisiana
»Crowding Our Enemies to the Wall«: Plessy v. Ferguson
Resümee
SCHLUSS
EPILOG: NEW ORLEANS UND HURRIKAN ›KATRINA‹
ANHANG
Tabellen
Wichtige farbige Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in Louisiana
Informationen zu den benutzten Zeitungen
Abbildungen
Abkürzungsverzeichnis
Bibliographie
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Kreolische Identität: Eine amerikanische ›Rassengeschichte‹ zwischen Schwarz und Weiß. Die Free People of Color in New Orleans [1. Aufl.]
 9783839410363

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Nina Möllers Kreolische Identität

H i s t o i r e | Band 3

2008-09-15 15-58-29 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0284189389294584|(S.

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Nina Möllers (Dr. phil.) arbeitet am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die amerikanischen Südstaaten, Gender und Cultural Studies sowie museale Geschichtsdarstellungen.

2008-09-15 15-58-30 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0284189389294584|(S.

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Nina Möllers Kreolische Identität. Eine amerikanische ›Rassengeschichte‹ zwischen Schwarz und Weiß. Die Free People of Color in New Orleans

2008-09-15 15-58-30 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0284189389294584|(S.

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Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der FAZIT-STIFTUNG und den Stiftungen Landesbank Baden-Württemberg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2008 transcript Verlag, Bielefeld Zugl. Dissertation, Universität Trier (Fachbereich III), Berichterstatter: Prof. Dr. Andreas Gestrich, Prof. Dr. Michael Hochgeschwender, Mündl. Prüfung: 29.06.2007. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Vorderseite Sara Gorée, Rückseite Fred Gorée (Familienfotografien); © Richard Augustine/Comeaux Lektorat & Satz: Nina Möllers Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1036-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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»Don’t you see, ma chère, they can’t make you into something by what they did, they can’t make you into what they say. … They take the pen in hand, they write the play for us, they tell us to take the parts. … But we can turn our backs on it, we can take the pen from their hand. We are free really, free to live as we want to live. … We are alive, look at us, listen to the beat of our hearts, Marie…« Anne Rice, Feast of All Saints (1979)

INHALT Vorwort

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EINLEITUNG

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»Black, White or Chocolate?«: Identitäten in New Orleans Fragestellung und Methode Begriffe und Konzepte Forschungsüberblick Quellenlage Aufbau der Arbeit

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»A NATION OF A QUEER PLACE«: LOUISIANA ALS AMERIKANISCHER ›ORIENT‹

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»La Louisiane, La Luisiana«: Die Kolonialgeschichte »Quadroons, Catholicism and Aristocracy«: Die Konstruktion von der ›unamerikanischen‹ kreolischen Gesellschaft »Innocent Blood which has Encrimsoned the Plains of St. Domingo«: Das Schreckgespenst einer schwarzen Revolution in Louisiana »They Must Be For, or Against Us«: Die Free Men of Color in der Schlacht um New Orleans Resümee »IN DEFENSE OF OUR SYSTEM«: VON DER KARIBISCHEN BESONDERHEIT ZUM AMERIKANISCHEN STANDARD »The Perfect Mingling of Blood«: Die ›Hybriden‹ in den Rassentheorien Das Fremde im Eigenen: Die Kolonisierungsdebatte »Nothing of the African About Her«: ›Rasse‹ vor Gericht Zwischen Assimilation und Protest: Die Literatur der Free People of Color »Being Ourselves«: Im Schutz der eigenen Gemeinschaft Resümee

45 53 74 88 97

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103 109 124 138 157 187

ZWISCHEN FORTSCHRITT UND REAKTION: DER KAMPF UM EINE NEUDEFINITION DER GESELLSCHAFT LOUISIANAS »The Manly Warrior-Citizen«: Free Men of Color in Port Hudson »Men on the Battlefield, Women at the Ballot-Box?«: Auf dem Weg zu politischer und sozialer Selbstbestimmung Resümee »VANISHING INTO OBLIVION«: SCHWARZ-WEISSE REALITÄTEN IN LOUISIANA »A Truly Political Work«: George Washington Cables The Grandissimes »Romantic Incident and Legendary Lore«: Erinnerung und Vergessen in Louisiana »Crowding Our Enemies to the Wall«: Plessy v. Ferguson Resümee

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SCHLUSS

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EPILOG: NEW ORLEANS UND HURRIKAN ›KATRINA‹

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ANHANG

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Tabellen Wichtige farbige Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in Louisiana Informationen zu den benutzten Zeitungen Abbildungen Abkürzungsverzeichnis Bibliographie

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VORWORT »The hurricane haunts the Caribbean like a spectral presence. It has always been thus. The experience makes for the memory of a lifetime. […] No passage of time seems to dim the memory of the experience, or its effects: it is something that people remember clearly and recall often.« Louis A. Pérez

Als ich im Herbst des Jahres 2003 begann, über das Studium von Büchern und Artikeln in die Welt Louisianas einzutauchen, wusste ich weder wer Kreolen und Cajuns waren, noch was der Unterschied zwischen Voodoo und Hoodoo ist, wo Thibodeaux liegt oder was ein Beignet ist. Nach einem abgeschlossenen Magisterstudium der amerikanischen Geschichte und Literatur sowie mehreren Aufenthalten in verschiedenen Regionen der USA glaubte ich, das Land recht gut zu kennen. Was mir allerdings in den Geschichten über New Orleans begegnete, erschien mir in vielerlei Hinsicht nicht ins Bild zu passen. In den Monaten, die ich in New Orleans verbrachte, ist mir diese einzigartige Stadt aus vielerlei Gründen ans Herz gewachsen. Als Historikerin hatte ich mir unter anderem zum Ziel gesetzt, den Mythos, der sich über die Jahrhunderte um die Stadt gebildet hat und der von der Touristikbranche genährt wird, in meiner Arbeit kritisch zu hinterfragen. Ich hoffe, dass mir dies gelungen ist. Aber ich muss zugeben, dass es schwierig ist, sich von dem Zauber New Orleans’ nicht gefangen nehmen zu lassen. Während meiner Aufenthalte habe ich mich über vieles gewundert, war von vielem, was ich sah, entsetzt und nicht selten verärgert: die Armut, der Rassismus, die Gewalt, das Verkehrsnetz, die unzulängliche Kanalisation, die den Weg vom Archiv nach Hause nach manchem tropischen Gewittersturm zu einem wahren Abenteuer werden ließ. Und doch war ich auch stets fasziniert und begeistert: von der Freundlichkeit der Menschen, von ihrem Akzent, mit dem sie Straßennamen wie Chartres, Melpomene oder Tchoupitoulas aussprechen, von der lässigen Leichtigkeit, mit der sie die Welt um sich herum kommentieren, von der Architektur, von den Shrimps und von der Geschichte, die sich in New Orleans trotz riesigem Touristikapparat so charmant präsentiert wie nirgendwo sonst. Vielleicht sind mir diese positiven Dinge auch erst später aufgefallen, als klar wurde, dass New Orleans, so wie ich es kennen gelernt hatte, nie wieder sein würde; als Hurrikan Katrina am 29. September 2005 über die Golfküste hinwegfegte und ich zusammen mit John und Jennifer, zwei Katzen und meinen bis dato kopierten Quellen in einem stromlosen Motelzimmer in Columbus, Mississippi saß. Es gäbe viel zu sagen über das, was danach passierte: über all die Bilder, die wir in den folgenden Tagen im Fernsehen und im Internet sahen. Über das seltsam ambivalente Gefühl, das mich in den folgen-

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den Wochen begleitete: auf der einen Seite froh, heil aus der Stadt herausgekommen zu sein und auf der anderen Seite verwirrt über das Drama, das sich in New Orleans und an der amerikanischen Golfküste abspielte. Als am zweiten Tag die Deiche brachen und das Wasser in die Stadt strömte, war klar, dass meine Archivreise ein jähes Ende gefunden hatte. Nach einer anstrengenden Woche und one hell of a ride durch Mississippi und Tennessee war ich auf dem Weg nach Hause. Die folgenden Wochen in Deutschland waren schwierig. In ihren Emails berichteten mir meine Gastgeber aus New Orleans regelmäßig über die Entwicklungen vor Ort. Angesichts der menschlichen Tragödien, über die wir in den Nachrichten erfuhren und die durch meine Bekanntschaft mit John und Jennifer und ihrer Familie eine sehr persönliche Qualität bekamen, konnte ich bei meiner Forschung nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Ich wusste nicht, wie ich über eine Stadt forschen sollte, deren Geschichte und Traditionen gerade drohten, unterzugehen. Letztlich waren es die New Orleanians selbst, die mich in meinem Vorhaben, gerade jetzt meine Arbeit zu schreiben, bestärkten. In Zeitungsartikeln und Fernsehberichten äußerten sie immer wieder den Wunsch, dass nicht auch noch die Geschichte ihrer einzigartigen Stadt ein Opfer des Hurrikans würde. Ich hoffe, dass ich mit dieser Arbeit dazu beitrage, das Bewusstsein für die besondere Geschichte von New Orleans wachzuhalten. An dieser Stelle möchte ich einigen Menschen danken, ohne die diese Arbeit nie entstanden wäre. Großer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Udo Sautter, der durch seinen einzigartigen Stil in mir das Interesse an der amerikanischen Geschichte weckte. Herrn Prof. Dr. Michael Hochgeschwender möchte ich neben seiner wertvollen Unterstützung als Betreuer auch als Ideengeber für diese Arbeit danken. Sein Hinweis war es, der mich überhaupt auf den Gedanken brachte, mich näher mit den Kreolen Louisianas zu beschäftigen. Für die finanzielle Unterstützung danke ich dem von der DFG und dem Land Rheinland-Pfalz geförderten Graduiertenkolleg »Identität und Differenz. Geschlechterkonstruktion und Interkulturalität, 18. bis 21. Jahrhundert«. Sämtlichen Mitgliedern des Graduiertenkollegs sei ein herzlicher Dank ausgesprochen für die vielen interessanten und anregenden Diskussionen und die Unterstützung, die mir während meiner Jahre in Trier zuteil wurden. Meinen MitstipendiatInnen danke ich sowohl für wissenschaftliche Hilfe als auch für die vielen schönen Stunden außerhalb des ›Elfenbeinturms‹. Der Koordinatorin des Graduiertenkollegs Dorothea Coşkun danke ich für ihre hilfsbereite und unkomplizierte Art, mit der sie meine Reisevorbereitungen begleitete. Den beiden Betreuern dieser Arbeit, Herrn Prof. Dr. Andreas Gestrich und Herrn Prof. Dr. Michael Hochgeschwender, danke ich für ihre hilfreiche Unterstützung und dafür, dass sie mir das Gefühl gaben, dass diese Arbeit eine wichtige ist. Für die freundliche finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung der Arbeit danke ich der FAZIT-STIFTUNG, den Stiftungen Landesbank Baden-Württemberg sowie Hans-Joachim Möllers. Eine historische Untersuchung ist nur so gut wie ihre Fragestellung und das Quellenmaterial, das sie benutzt. Letzteres hätte ich nicht finden/sortieren/verstehen können ohne die bereitwillige und geduldige Hilfe vieler ArchivarInnen und BibliothekarInnen. Mein herzlicher Dank geht an die MitarbeiterInnen der Special Collections an der Tulane University, besonders an Kenneth Owen und William Meneray, an die MitarbeiterInnen der Newspaper Collection der Tulane University, an die Special Collections der University of New Orleans, an die MitarbeiterInnen der Special Collections der Louisia-

VORWORT | 11

na State University in Baton Rouge, an die Historic New Orleans Collection, an das Amistad Research Center, an Wayne Everard und Greg Osbourne in den City Archives der New Orleans Public Library und an Lester Sullivan im Archiv der Xavier University. In der American Antiquarian Society in Worchester, Massachusetts möchte ich allen MitarbeiterInnen danken. Als ich nach ›Katrina‹ in der Konzeption meiner Dissertation umdenken musste, haben sie mich vor Ort mit allen nur erdenklichen Informationen versorgt, um den abrupten Abbruch meiner Archivreise in New Orleans auszugleichen. In der Research Library möchte ich besonders Vincent Golden und Dennis R. Laurie danken, die mir wertvolle Tipps zu den vorhandenen Quellen gaben und sich Zeit nahmen, meinen Fragen und Ideen zu lauschen. Nadine Klopfer danke ich für die schöne Zeit, die wir zusammen in New Orleans verbracht haben. Bernd Elzer sei ein herzlicher Dank ausgesprochen für die unterhaltsamen und interessanten Gespräche über die Wissenschaft und vieles mehr und seine Hilfe bei der Übersetzung französischer Originalzitate. Last but not least, danke ich Karsten Werth für seine klugen Hinweise und Fragen und sein unermüdliches Korrekturlesen. Diese Arbeit wäre nicht lesbar, wenn er nicht – auf stets ermunternde Art und Weise – den Rotstift hätte walten lassen. Seine Unterstützung und sein Humor haben mir geholfen, wenn Fragen und Zweifel drohten, die Überhand zu gewinnen. Besonders verbunden bin ich Jonathan und Jennifer Schwehm und ihrer Familie. Nicht nur haben sie mich mehrfach in ihrem Haus auf außergewöhnliche Weise willkommen geheißen, ohne sie wäre diese Arbeit vielleicht nie beendet worden. Ich weiß nicht, wie ›Katrina‹ über mich gekommen wäre, wenn sie mich nicht in ihre Gedanken über das ›Danach‹ eingeschlossen hätten. Wenn Menschen ihr Haus und ihr Leben Hals über Kopf verlassen müssen und dennoch die Zeit und Güte finden, sich um einen ihnen fremden Menschen zu kümmern und sogar mit ihm zu hoffen, dass trotz der außergewöhnlichen Umstände die Dissertation fertiggestellt werden kann, dann ist dies nicht nur eines einfachen Dankes sondern großer Bewunderung wert. Ihnen sei an dieser Stelle nochmals aus tiefstem Herzen gedankt. Sicherlich stehen sie mit ihrer Warmherzigkeit stellvertretend für die Bewohner von New Orleans, die mir stets Freundlichkeit und großes Interesse entgegenbrachten. Sie alle wurden nie müde, mir von ihrer Stadt zu erzählen. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit dieser Arbeit etwas von dieser Freundlichkeit zurückgeben kann. Stuttgart, im September 2008

EINLEITUNG »Black, White or Chocolate?«: Identitäten in New Orleans »It’s time for us to come together. It’s time for us to rebuild New Orleans. […] This city will be a majority African American city. It’s the way God wants it to be. You can’t have New Orleans no other way. It wouldn’t be New Orleans. I don’t care what people are saying Uptown or wherever they are. This city will be chocolate at the end of the day.«1

So sprach C. Ray Nagin, der Bürgermeister der im Sommer 2005 von Hurrikan Katrina zerstörten Stadt New Orleans, am 16. Januar 2006 anlässlich des Martin Luther King Day. Seine Bemerkung löste augenblicklich einen Sturm der Entrüstung aus. Nagin wurden rassistische Tendenzen nachgesagt und viele New Orleanians warfen ihm vor, die Bewohner der Stadt entlang ›Rassen‹- und Klassenlinien zu entzweien. Auf die heftige Kritik wehrte er sich mit einer Entschuldigung, in der er seine Vorstellung vom zukünftigen New Orleans zeichnete, das entsprechend seiner langen Geschichte ein Symbol von Rassenintegration und kulturellem Pluralismus sein sollte. Auf seine unglücklich gewählte Metapher bezogen erklärte er: »How do you make chocolate? You take dark chocolate, you mix it with white milk, and it becomes a delicious drink. That is the chocolate I am talking about.«2 Neben all seinen demographischen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen kämpft New Orleans seit Hurrikan Katrina mit dem alten Schreckgespenst des amerikanischen Rassismus. Vom nationalen Kongress bis zur Straßenecke im Tremé District, überall werden die Rolle von Rassismus und Klassenfeindlichkeit, wie sie der Sturm und seine Folgen offenbarten, diskutiert. Neben den chaotischen und teilweise apathisch wirkenden Hilfsmaßnahmen in direkter Reaktion auf die Überschwemmung der Stadt, ist vor allem der Wiederaufbau von der Rassismusproblematik überschattet. Viele farbige New Orleanians sehen beispielsweise in der Weigerung der Stadt, die nur minimal beschädigten sozialen Wohnungsprojekte wieder zu öffnen, einen Versuch der weißen Bevölkerung, ›ihre‹ Stadt von dem innerstädtischen Problem der armen und zumeist farbigen Bevölkerungsschicht zu ›befreien‹. Flankiert werden solche Maßnahmen ihrer Meinung nach durch die unzähligen Pläne der Komitees zum Wiederaufbau, die zum Beispiel die

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Brett Martel: »Storms Payback From God, Nagin Says«, in: Washington Post, 17. Januar 2006. »Nagin apologizes for ›chocolate‹ city comments«, CNN Online, 17. Januar 2006, http://www.cnn.com/2006/US/01/17/nagin.city/, Stand: 14.02.06.

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mehrheitlich von Farbigen bewohnten Stadtgebiete in unbebaute Natur zum Schutz gegen Fluten umwandeln wollen. Bürgermeister Nagin war nach Katrina ebenso Ziel der allgemeinem Empörungswelle wie die Verantwortlichen auf staatlicher und nationaler Ebene, Gouverneurin Kathleen B. Blanco und US-Präsident George W. Bush. Besonders aus der afroamerikanischen Gemeinschaft häuften sich vernichtende Einschätzungen des Krisenmanagements aller Ebenen. Während einige Unzulänglichkeiten noch mit viel Wohlwollen der Dramatik der ersten Tage zugeschrieben werden konnten, ereiferten sich AktivistInnen zunehmend über die elitäre, den Unterprivilegierten gegenüber feindlich eingestellte und aus ihrer Sicht bisweilen rassistische Haltung ihres Bürgermeisters und zeichneten den Demokraten als einen kapitalistischen, die Geschichte von New Orleans missachtenden Komplizen neoliberaler Tendenzen. So schrieb der Aktivist und Globalisierungskritiker Jay Arena: »The national controversy should be over Nagin’s hypocrisy—calling for the return of Black working class people, yet in practice doing everything to prevent that outcome. The words uttered by this Black comprador leader, beholden to large white capitalist interest, was to confuse and insulate himself from the growing working class anger the plans hatched by his official ›Bring New Orleans Back‹ Commission have generated. […] In the end, in this majority Black city, this world cultural treasure, it will take a Black working class led movement to create a racially and economically just rebuilding.«3

In der Debatte über das dem Hurrikan folgende humanitäre Drama auf dem Boden der Weltmacht USA spiegeln sich drei wesentliche Themen dieser Arbeit wider. Zum einen verdeutlicht sie die Komplexität der Rassenbeziehungen in New Orleans und die schwierigen Identitätspolitiken unterschiedlicher farbiger Minderheiten. Zum anderen spricht aus der Berichterstattung über den Hurrikan und die Wiederaufbaumaßnahmen die Bemühung der Verantwortlichen und BürgerInnen, ein neues New Orleans nicht zu enthistorisieren, sondern in die Traditionen der facettenreichen Stadtgeschichte einzuordnen. Dabei verweisen viele der verwendeten Bilder auf ihren Mythos als die ›afrikanischste‹ Stadt der USA. Drittens wird an der gegenwärtigen Debatte deutlich, wie schwierig sich die Durchsetzung einer Politik im Sinne der afroamerikanischen Gemeinschaft gestaltet. Dabei ist ihre innere Zerrissenheit in New Orleans nichts Neues. Tatsächlich kann die Stadt auf eine ebenso faszinierende wie komplizierte Geschichte zurückblicken, wenn es um Rassenbeziehungen und identitäre Zuschreibungen geht. Zwar galt sie vielen lange als vorbildlich in ihrer multikulturellen Lebensart, die Einheimische gerne mit dem traditionellen kreolischen Eintopfgericht Gumbo vergleichen, doch kann dieser Vergleich nicht über die tiefgreifenden Probleme hinwegtäuschen, die durch Katrina ins Bewusstsein der Stadt und der Nation gespült wurden.

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Jay Arena: »The Contradictions of Black Comprador Rule: Unterstanding Nagin’s ›Chocolate‹ City Remark«, 22. Januar 2006, http://neworleans.indy media.org/news/2006/01/6847.php, Stand: 14.02.06.

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Fragestellung und Methode Trotz der Probleme, die 2005 in New Orleans auf so dramatische Weise offenbar wurden und die die Stadt mit vielen anderen US-amerikanischen Städten teilt, verbirgt sich hinter der Gumbo-Metapher eine in vielerlei Hinsicht exzeptionelle Geschichte. Vieles in New Orleans hat der Stadt den Ruf eingebracht, ein gänzlich ›unamerikanischer‹ Ort zu sein. Kernstück dieser Besonderheiten ist ihre heterogene Bevölkerung. Basierend auf einer von den übrigen Südstaaten abweichenden Kolonialgeschichte, die New Orleans eher in einen transkaribischen, lateinischen Kulturkreis einbettete als in einen national-angloamerikanischen, entstand in New Orleans und Louisiana ein alternatives Rassensystem, dessen wichtigstes Merkmal die Gruppe der Free People of Color war. Diese unter vielen Namen bekannte Gemeinschaft – Afrokreolen, gens de couleur libres oder Creoles of Color – entstand in der französischen und spanischen Kolonialzeit und bildete die soziale und wirtschaftliche Mittelschicht zwischen der weißen kreolischen, später angloamerikanischen Bevölkerung und der Gruppe der SklavInnen.4 Diese Arbeit untersucht die diskursive Verhandlung der gesellschaftlichen Zwischenstellung und Identität der Free People of Color im Staat Louisiana und besonders der Stadt New Orleans während des 19. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund politischer und sozialer Umwälzungen durch die amerikanische Machtübernahme, den Bürgerkrieg und die Entwicklung der Jim Crow-Gesellschaft wird nach der Konstruktion der Kategorien ›Rasse‹, Klasse und Geschlecht in einer hierarchisierten Gesellschaft gefragt. Dabei werden die Funktionalisierungen bestimmter ›rassischer‹ Zuschreibungen und ihre Interdependenzen aufgezeigt. Die Auswahl eines ganzen Jahrhunderts als Betrachtungszeitraum legt den Fokus auf die Kontinuitäten und Brüche solcher Konstruktionen. Die Besonderheit des Untersuchungsgegenstandes liegt in der von den ›kolonisierenden‹ Amerikanern als fremd wahrgenommenen Gesellschaftsstruktur des frühen Louisiana, die sich zwar ebenfalls auf Rassenkategorisierungen stützte, die jedoch anders als in den übrigen Südstaaten eine handlungsfähige Mittelschicht hervorbrachte, deren Existenz und Willen zum Kampf um ihre Rechte den bipolaren amerikanischen ›Rassendiskurs‹ ständig destabilisierte. Bei der Betrachtung der Diskursmuster geht es aller4

Obwohl New Orleans während der Antebellumzeit die größte und einflussreichste Gruppe freier Farbiger im Süden besaß, gab es auch in einigen anderen Städten, v. a. Pensacola, Mobile und Charleston, eine beachtliche Gemeinschaft von Free People of Color. New Orleans unterschied sich von diesen Orten in seiner verzögerten ›Amerikanisierung‹, die den Free People of Color die Möglichkeit einer gesellschaftlichen ›dritten‹ Position bot. Zu den Free People of Color in Mobile und Pensacola siehe L. Virginia Meacham Gould: »The Free Creoles of Color of the Antebellum Gulf Ports of Mobile and Pensacola: A Struggle for the Middle Ground«, in: James H. Dormon (ed.), Creoles of Color of the Gulf South, Knoxville: University of Tennessee Press 1996, 28-50. Zu Charlestons freien Farbigen siehe Michael P. Johnson/James L. Roark: Black Masters. A Free Family of Color in the Old South, New York: Norton 1984; Marina Wikramanayake: A World in Shadow. The Free Black in Antebellum South Carolina, Columbia: University of South Carolina Press 1973; Bernard E. Powers, Jr.: Black Charlestonians. A Social History, 1822-1885, Fayetteville: University of Arkansas Press 1994, Kapitel 2.

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dings weniger um die Entlarvung der Rassismen und Diskriminierungen, unter denen die Free People of Color zu leiden hatten, sondern um die Wechselwirkungen zwischen den Ein- und Ausschließungsmechanismen verschiedener Gesellschaftsgruppen. Die Free People of Color werden als Akteure verstanden, indem ihre Reaktionen auf die von außen geschaffenen Lebensumstände sowie ihre Handlungsspielräume in Form von Widerstand, alternativen ›Rassenkonstruktionen‹ und der Herausbildung einer handlungsfähigen Identitätspolitik in den Blick gerückt werden. Während sich die bisherige Forschung zu den Free People of Color vor allem auf die Lebensumstände der Gruppe im dichotomen Rassensystem der USA konzentrierte und dabei vornehmlich sozialhistorische Ansätze verfolgte, basiert die vorliegende Arbeit auf einem kulturwissenschaftlichen Ansatz, der sich erstmals dem Rassendiskurs in Louisiana im 19. Jahrhundert widmet. Innerhalb dieses Rahmens hat die Arbeit drei thematische Gewichtungen. Zunächst der zeitliche und räumliche Rahmen: Die Konstruktion der Kategorien ›Rasse‹, Klasse und Geschlecht in Louisiana werden erstmals über einen langen Zeitraum hinweg untersucht. Diese Herangehensweise ermöglicht nicht nur eine Neubetrachtung der häufig angenommenen Kontinuität von US-amerikanischen Rassismen, sondern auch einen Einblick in mögliche Brüche dieser Konstruktionen und ihrer realpolitischen Ausformungen. Außerdem lenkt sie den Blick auf alternative Konstruktionen und auf Phasen des Widerstands. Räumlich greift die Arbeit Konzepte des Transnationalismus auf. So vollziehen sich die Aushandlungen und Kämpfe um ›rassische‹ und geschlechtliche Identitäten und damit um politische und soziale Rechte meinem Verständnis nach nicht nur im Gebiet der Stadt New Orleans oder des Staates Louisiana. Vielmehr sind beide Räume in ein Geflecht identitärer Raumkonstrukte eingebunden. Neben dem nationalen Raum sind hier für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts die Region des Golfs von Mexiko sowie später das Konstrukt vom ›Süden‹ als identitätsstiftendem Raum zu nennen.5 Den Fokus auf Louisiana und die Stadt New Orleans verstehe ich demnach nicht als eine Einschränkung, sondern als eine Form transregionaler Betrachtung. Louisiana war über das gesamte 19. Jahrhundert von besonderer Bedeutung für die US-amerikanische Nation und wird durch die verbreitete Wahrnehmung als Abweichung von der nationalen Norm zu dieser in Beziehung gesetzt. Anders als bisherige Arbeiten, die sich zwar vereinzelt den Kategorien Geschlecht und Klasse zuwandten, doch diese zumeist schematisch getrennt voneinander analysierten, versuche ich eine Zusammenschau von ›Rasse‹, Klasse und Geschlecht. Lange Zeit herrschte in der angloamerikanischen Forschung das Konzept der double beziehungsweise triple crucible vor. Dies bezog sich auf die mehrfache Diskriminierung, der sich Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und/oder ihres sozialen Status ausgesetzt sehen. Anfänglich erwies sich dieses Modell als nützlich, um auf die doppelte Belastung von farbigen Frauen und die in der frühen feministischen Bewegung eingelagerten Diskriminierungen aufgrund von ›Rasse‹ und Klasse hinzuweisen.6 In letzter Zeit ge5 6

Vgl. Rebecca Scott: Degrees of Freedom. Louisiana and Cuba after Slavery, Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard UP 2005. Siehe z. B. Diane K. Lewis: »A Response to Inequality: Black Women, Racism, and Sexism«, in: Signs 3:2 (Winter 1977), 339-61.

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riet es allerdings zunehmend in die Kritik, weil es die unterschiedlichen Formen der Ausgrenzung und Benachteiligung lediglich additiv nebeneinander stellt und die strukturellen Verbindungen und Abhängigkeiten der Kategorien nicht beleuchtet. Hegemoniale und auf Geschlechterunterschieden basierende Diskriminierungsformen sind oftmals, so haben Forschungen der vergangnen zwei Jahrzehnte gezeigt, ›rassisch‹ konnotiert und rekurrieren genauso auf ethnische wie auf geschlechtliche Differenzen. Dieser Gleichzeitigkeit und gegenseitigen Bedingtheit von Diskriminierungsprozessen soll in dieser Arbeit Platz eingeräumt werden. Schließlich will die Untersuchung ihren Schwerpunkt nicht auf die Gruppe der Free People of Color oder auf die dominante weiße Gesellschaft allein, sondern vielmehr auf die Interaktionen der beiden Gruppen unter Berücksichtigung anderer Bevölkerungsteile legen. Es geht nicht so sehr darum, die realgeschichtliche Situation der Free People of Color nachzuerzählen, sondern die Aushandlungsprozesse und Interdependenzen von Selbst- und Fremdzuschreibungen und deren Funktionalisierungen zum Machterhalt beziehungsweise zur Handlungsermächtigung zu analysieren. Die verwendeten Quellen werden als Ausdruck eines Diskurses gelesen und analysiert, der ein Wissen von den Free People of Color schafft. Dieser von weißer Seite dominierte Diskurs wird jedoch durch Gegendiskurse der Free People of Color unterlaufen. Die dabei angewandten Strategien der Identitätsbildung werden ebenso untersucht wie Strategien der Ermächtigung. Die vorliegende Analyse der Rolle der Free People of Color innerhalb des in Louisiana herrschenden Rassendiskurses basiert auf der These, dass sich die Konstruktionen von ›Rasse‹ als ethnische und kulturelle Identitätskategorie über das 19. Jahrhundert in einem Bedeutungsfluss befanden. Zwar ist eine grobe Entwicklung von der anfänglichen lateinischen, eher auf kultureller Differenz basierenden Rassenkonstruktion hin zum angloamerikanischen bipolaren Rassenverständnis nachzuweisen. Zugleich ist der Rassendiskurs Louisianas aber von konkurrierenden Interpretationen gekennzeichnet, die den Versuch der Etablierung eines biologistisch-essenzialistischen Rassenkonzepts durchkreuzen und den Free People of Color Phasen des Widerstands ermöglichen. Vor dem Hintergrund struktureller Veränderungen der dreischichtigen Gesellschaft hin zum amerikanischen Standard der bipolaren Rassenordnung, vollziehen sich mannigfaltige Prozesse der Aushandlung, die Nischen alternativer sozialer, kultureller, geschlechtlicher und ›rassischer‹ Identitäten bieten. Durch deren Sichtbarmachung wird das noch immer gängige Bild von der relativ homogenen afroamerikanischen Bevölkerung der USA revidiert. Mit den Free People of Color wird erstmals intensiv eine eigenständig agierende Gruppe innerhalb der ›schwarzen Bevölkerung‹ betrachtet, die ihr Selbstverständnis in Reaktion auf die Fremdzuschreibungen anderer Gruppen, allen voran der weißen Dominanzkultur, konstruierte. Dabei bekämpfte sie teilweise an sie heran getragene Identitätsentwürfe, entwarf neue oder projizierte sie auf andere Bevölkerungsgruppen wie die Sklavenbevölkerung. Während aus weißer Sicht die farbige Bevölkerung als eine große homogene ›Masse‹ wahrgenommen wurde, die sich angeblich allein über ihre gemeinsame Rassenzugehörigkeit identifizierte, zeigt die Geschichte der Free People of Color, dass sie sich in Louisiana entlang gesellschaftlicher Stratifizierungen differenzierte. Aufgrund der Fragestellung und der Quellenbasis, auf die später näher eingegangen wird, handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine quali-

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tative Auswertung. Als Konzeption wird eine Mischung aus Makro- und Mikroperspektive angewandt. Wegen der nur dünn gesäten Quellen von den Free People of Color ist eine strikt eingehaltene Mikroperspektive aus kulturhistorischer Sicht nicht machbar. Um einen Einblick sowohl in die Selbst- als auch Fremdzuschreibungen zu erhalten und dabei weder die agency der Free People of Color noch die sie überlagernden strukturellen Begebenheiten zu vernachlässigen, wurde die Arbeit in vier Großkapitel unterteilt. Die grobe chronologische Gliederung ermöglicht es, Kontinuitäten und Brüche im Rassendiskurs aufzuzeigen. Innerhalb dieser Chronologie werden unterschiedliche Brennpunkte, Krisenmomente oder identifikatorisch aufgeladene Räume untersucht. Die Fokussierung auf die Aushandlungsprozesse hat zur Folge, dass die agency aller beteiligten Gruppen untersucht wird. Aufgrund der Machtverhältnisse innerhalb der hierarchisierten Gesellschaft bedeutete dies – zumindest für die Antebellumzeit –, dass den Free People of Color häufig nur die Möglichkeit der Reaktion blieb. Die Forschungsmeinung von der handlungsunfähigen afroamerikanischen Gemeinschaft soll mit der Konzentration dieser Arbeit auf die durchaus vorhandenen Handlungs- und Widerstandsräume ein Stück weit revidiert werden. Die Klammer zwischen den einzelnen Kapiteln bildet der Blick auf die Free People of Color. Zwar werden auch andere Bevölkerungsgruppen in die Analyse des Rassendiskurses einbezogen, doch dient dies dazu, die Rolle der Afrokreolen für die Konstruktion der Kategorie ›Rasse‹ im zeitlichen und geographischen Rahmen dieser Arbeit zu untersuchen. Diese Fokussierung ist deshalb wichtig, weil die Free People of Color bisher vorwiegend als Ausnahme von der Norm und damit als vernachlässigbar angesehen wurden. Die Free People of Color waren aber mehr als nur eine lokale Kuriosität. Die Untersuchung der Gesellschaft Louisianas kann vielmehr neue Ansatzpunkte für das Verständnis des amerikanischen Rassendiskurses liefern, weil dieser eben nicht nur auf dem binären Konstrukt von ›Schwarz‹ und ›Weiß‹ beruhte. Hier tritt eine dritte Kraft in Erscheinung, deren Einfluss über den lokalen Bereich hinausreichte: Die Existenz der Creoles of Color wirft die Frage auf, wie sich der amerikanische Rassendiskurs unter ihrem Einfluss veränderte. Natürlich handelte es sich bei den Free People of Color wegen ihres hohen Bildungsstandes und ihrer guten wirtschaftlichen Position um eine Ausnahmegruppe. Aus weißer Sicht gehörten sie allerdings trotzdem der ›schwarzen Rasse‹ an, so dass die Untersuchung ihrer gesellschaftlichen Mittelstellung und ihrer Identitätsentwürfe wichtige Erkenntnisse über die Rassenkonstruktionen in einer multikulturellen Gesellschaft bringt. Wie bereits erwähnt, wird in der Arbeit ein kulturhistorischer Ansatz angewandt, der sich vor allem in der Benutzung qualitativer Quellen und ihrer Interpretation als Ausdruck von diskursiven Verhandlungen und Zuschreibungen äußert. Die Analyse wird ergänzt vom nötigen Maß an politikhistorischer Betrachtung. Dies verlangt zum einen die wenig bekannte Lokalgeschichte Louisianas. Zum anderen ist sie notwendig für die Untersuchung kultureller Zuschreibungen, da diese eng mit der Vorstellung einer amerikanischen Regierungstradition verbunden sind, die es in Louisiana zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu etablieren galt. Die Frage der Rassenkonstruktionen war in den USA stets gekoppelt an das ›Amerikanertum‹, das die junge Einwanderernation bis weit ins 20. Jahrhundert umtrieb. Die bisherige Forschung zum Thema ist durch eine starke Auffächerung gekennzeichnet. Es scheint, als ob jede denkbare Disziplin sich ein Stück des

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in den 1990er Jahren wiederentdeckten Kuchens der ›faszinierenden Afrokreolen‹ abschneiden möchte. Dies hat zum Teil zu hervorragenden Ergebnissen geführt. Das Rezeptionsfeld ist jedoch inzwischen stark aufgesplittert und reicht von Arbeiten über den psychologischen Hintergrund des passing von Free People of Color über wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten zur Effizienz der Plantage eines Free Man of Color bis hin zur literaturwissenschaftlichen Interpretation vierzeiliger Gedichte aus der Feder eines Afrokreolen.7 Durch ihren kulturhistorischen Ansatz hebt die vorliegende Arbeit die einflussreiche Gruppe der Free People of Color aus ihren thematischen und lokal begrenzten Nischen heraus. Indem sie zurückgeht zu anderen Orten und Zeitpunkten, die in der amerikahistorischen Forschung bislang wenig beachtet wurden, wirft sie einen innovativen Blick auf die vermeintlich klaren und durch die Dichotomie ›Schwarz/Weiß‹ bestimmten Rassenbeziehungen in den Südstaaten des 19. Jahrhunderts und dokumentiert bisher übersehene Räume des Widerstands, der selbstbestimmten Identitätskonstruktion und der Subversion.

Begriffe und Konzepte Jede wissenschaftliche Arbeit bedient sich einer Vielzahl mehr oder weniger eindeutiger Begriffe. Um Verwirrung über ihre Verwendung zu vermeiden, sollen die wichtigsten Bezeichnungen und die hinter ihnen stehenden Konzepte an dieser Stelle kurz dargelegt werden. Neben den Kategorien der ›Rasse‹, des Geschlechts und der Klasse ist für die Arbeit außerdem der Kreolenbegriff von Bedeutung. Allen Kategorien ist gemeinsam, dass sie als gesellschaftlich konstruiert verstanden werden. Sie sind nicht statisch, sondern Veränderungen der materiellen Strukturen unterworfen, innerhalb derer sie produziert werden. Darüber hinaus sind sie stets in Abhängigkeit voneinander und von sozialen Aushandlungsprozessen zu betrachten.

›Rasse‹ Wie aus dem Titel der Arbeit ersichtlich, spreche ich in meiner Analyse von ›Rasse‹ und ›rassischen‹ Merkmalen. Obwohl der Begriff auf eine problematische Geschichte zurückblickt, verwende ich ihn aus folgenden Gründen:8 Zunächst wird die englische Bezeichnung race sowohl in der amerikanischen Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit bis heute relativ unverhohlen ge-

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Z. B. Adrian Piper: »Passing for White, Passing for Black«, in: Transition 58 (1992), 4-32; David O. Whitten: »A Black Entrepreneur in Antebellum Louisiana«, in: Business History Review 45 (Summer 1971), 201-19; Jerah Johnson: »Les Cenelles: What’s in a Name?«, in: Louisiana History 31:4 (Winter 1990), 407-10. Um den konstruktiven Charakter des Begriffs in Erinnerung zu behalten, wird ›Rasse‹, ›rassisch‹ und ›rassengemischt‹ im Folgenden in einfache Anführungszeichen gesetzt. Um den Lesefluss nicht unnötig zu erschweren, werden alle anderen zusammengesetzten Worte wie Rassengrenzen, Rassenordnung, Rassendichotomie etc. nicht durchgehend gekennzeichnet. Dies geschieht lediglich, wenn es der Kontext auf besondere Weise erfordert.

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braucht.9 Darüber hinaus bedeutet die Vermeidung des Begriffs und seine Tabuisierung keine gleichzeitige Sensibilisierung für die mit ihm einhergehenden Machthierarchien und Diskriminierungen. Den Begriff zu vermeiden, heißt nicht, das dahinterstehende Konzept einer essenzialistischen ›natürlichen rassischen‹ Identität in Frage zu stellen. Statt des schwierigen deutschen Begriffs einfach die englische Form zu verwenden, wie von einigen Rassismus-ForscherInnen praktiziert, erscheint mir wenig sinnvoll. Diese Maßnahme wird vielfach damit begründet, dass der Begriff im US-amerikanischen Kontext eine kritische Analysekategorie darstelle. Jeglichem Gebrauch des Wortes in den USA jedoch eine solche Kritikfähigkeit zu unterstellen, erscheint naiv.10 Die Verwendung des englischen Wortes ist wiederum nur eine Ausflucht, die den Kern des Problems nicht löst. Ich sehe davon ab und wähle bewusst den Begriff ›Rasse‹. Zum einen stellt das Konzept der ›Rasse‹, wie es in den USA im 19. Jahrhundert verwendet wurde, ein Medium dar, über das die fundamentalen Fragen von Macht und Dominanz, Souveränität und Bürgerrecht verhandelt wurden.11 Ferner wiesen die Free People of Color im Verständnis der damaligen amerikanischen Gesellschaft ›rassische‹, aber nicht notwendigerweise ethnische Unterschiede auf, da sie kulturelle, religiöse, linguistische und andere Merkmale mit den ›weißen‹ Kreolen teilten. Die Ausgrenzung der Free People of Color basierte auf einer Idee von ›Rasse‹, die vor allem auf Hautfarbe und afrikanische Herkunft reduziert wurde.12 Gerade für den US-amerikanischen Raum ist die mutmaßliche ›Rassenzugehörigkeit‹ im sozialen Leben noch immer von zentraler Bedeutung. Dabei stehen häufig nicht einmal die biologischen Merkmale im Vordergrund, sondern vielmehr die mit ihnen in Verbindung gebrachten sozialen Attribute. In meiner Verwendung des Begriffs orientiere ich mich an den Arbeiten von Michael Omi und Howard Winant, die ›Rasse‹ als eine in unterschiedliche ethnische Untergruppen aufgeteilte Kategorie auffassen.13 Dementsprechend stellen die kreolischen Free People of Color in mancher Hinsicht eine ethni9

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Selbst in solchen akademischen Arbeiten, die sich der Problematik des Begriffs durchaus bewusst sind und ihn für die Analyse anderer Gesellschaften in Anführungszeichen setzen, wird oftmals auf die ›unproblematische Benutzung‹ im Kontext der US-amerikanischen Gesellschaft hingewiesen. So bei Peter Ratcliffe: »Conceptualizing ›Race‹, Ethnicity and Nation: Towards a Comparative Perspective«, in: Ratcliffe (ed.), »Race«, Ethnicity and Nation. International Perspectives on Social Conflict, London: University College London Press 1994, 4. Bisweilen wird auch eine vielschichtigere Bedeutung des englischen race unterstellt, doch fehlt z. B. bei Eske Wollrad eine Erklärung, um welche es sich handelt: Weißsein im Widerspruch. Feministische Perspektiven auf Rassismus, Kultur und Religion, Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2005, 18. Allerdings weist Wollrad an selber Stelle darauf hin, dass auch der englische Begriff keineswegs ein neutraler ist. Barbara J. Fields: »Ideology and Race in American History«, in: J. Morgan Kousser/James M. McPherson (eds.), Region, Race, and Reconstruction: Essays in Honor of C. Vann Woodward, New York: Oxford UP 1982, 162. Zur besonderen Begriffsgeschichte der Kategorie ›Rasse‹ in den USA siehe Audrey Smedley: Race in North America. Origin and Evolution of a Worldview, Boulder, CO: Westview Press 1993. Michael Omi/Howard Winant: Racial Formation in the United States. From the 1960s to the 1990s, 2nd ed., New York: Routledge 1994, 14-23.

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sche Untergruppe der afroamerikanischen Bevölkerung der USA dar. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Verwendung des historischen Begriffs keineswegs ein Fortschreiben biologistischer Annahmen darstellen soll. Eine wie auch immer geartete natürliche ›rassische‹ Essenz wird aus heutiger Sicht klar zurückgewiesen. Es wird deshalb im Verlauf der Arbeit stets versucht, den Begriff zu historisieren und von der Analysekategorie einer ethnischen Zugehörigkeit zu trennen.14

Geschlecht Ähnlich wie ›Rasse‹ basiert die Kategorie Geschlecht im Sinne des englischen gender auf der etablierten Auffassung von seiner sozialen und kulturellen Konstruktivität. Geschlecht wird als eine relationale Kategorie aufgefasst, Problemstellungen oder Fragen, die vordergründig ›nur‹ Frauen betreffen, sind deshalb immer auch in Hinblick auf das männliche Geschlecht zu untersuchen und umgekehrt. Die Erkenntnis von der sozialen Konstruktivität der geschlechtlichen Identität, die wesentlich von ForscherInnen wie Judith Butler und Thomas Laqueur geprägt wurde, beinhaltete die Untersuchung der sich wiederholenden performativen Akte, über die ›weibliche‹ oder ›männliche‹ Identitäten innerhalb eines durch Konvention geschaffenen sozialen Raumes (re-)produziert werden. Im Rahmen dieser Arbeit sollen auf geschlechtlichen Differenzen basierende Machthierarchien untersucht werden, d. h. es interessieren sowohl die geschlechtlichen Zuweisungs-, Abgrenzungs- und Unterdrückungsmechanismen innerhalb einer Gruppe als auch die Funktionalisierungen bestimmter geschlechtlicher Zuweisungen in der Konstruktion sozialer und kultureller Machtgefälle zwischen dominanten und marginalisierten Gruppen. Geschlechterdifferenzen werden in diesem Zusammenhang als funktionalisierte Signifikanten von ›rassischer‹ und sozialer Ungleichheit verstanden. In Anschluss an die von Joan W. Scott formulierten Fragen sollen die symbolischen Repräsentationen von Geschlecht untersucht werden, um die dahinterstehenden normativen Bedeutungsmuster zu analysieren, die zum Aufbau und der Aufrechterhaltung bestimmter Machtverhältnisse benötigt werden.15 Dabei geht es nicht darum, einfach ›nur‹ eine Frauenperspektive auf die Geschehnisse des 19. Jahrhunderts in Louisiana zu bieten, die sich letztlich doch wieder auf eine essenzialisierte Vorstellung von ›Mann-‹ und ›Frausein‹ be14 Zur Entwicklung des Rassebegriffs existieren eine Vielzahl von Publikationen, z. B. Michael Banton: The Idea of Race, Boulder, CO: Westview Press 1978; Racial Theories, Cambridge, UK: Cambridge UP 1998; Bernard Boxill (ed.): Race and Racism, Oxford: Oxford UP 2001; David Theo Goldberg (ed.): A Companion to Racial and Ethnic Studies, Malden, MA: Blackwell 2002; John Stone (ed.): Race and Ethnicity: Comparative and Theoretical Approaches, Malden, MA: Blackwell 2003. Für den US-amerikanischen Kontext außerdem Carl N. Degler: »Slavery and the Genesis of American Race Prejudice«, in: Comparative Studies in Society and History 2 (1959), 49-66; Thomas F. Gossett: Race. The History of an Idea in America, New York: Shocken Books 1977; bell hooks: Black Looks. Race and Representation, Boston: South End Press 1992; Stephen Steinberg (ed.): Race and Ethnicity in the United States. Issues and Debates, Malden, MA: Blackwell 2000. 15 Joan W. Scott: »Gender: A Useful Category of Historical Analysis«, in: American Historical Review 91 (December 1986), 1068.

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zieht. Vielmehr wird der Schwerpunkt auf die Beziehung zwischen den Geschlechtern gelegt und untersucht, wie in unterschiedlichen Kontexten geschlechtliche Zuschreibungen mit solchen der ethnischen Charakterisierung ineinander greifen. In diesem Sinne wird das Geschlecht lediglich als eine mögliche kulturelle und identitäre Differenz betrachtet. Die wichtige Verknüpfung von Geschlechter- und Rassenkonstruktionen steht seit einiger Zeit im Fokus sowohl der Geschlechterforschung als auch der postkolonialen und antirassistischen Forschung. Besonders in Gesellschaften mit institutioneller und politisch abgesicherter Rassentrennung sind geschlechtliche und ›rassische‹ Codierungen eng miteinander verzahnt. Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, diese Verschränkungen am Beispiel der Gesellschaft Louisianas zu analysieren. Gleichzeitig sehe ich, Henry Louis Gates und Evelyn Brooks Higginbotham folgend, in der Kategorie ›Rasse‹ für meinen Untersuchungsgegenstand eine Leitdifferenz oder Metasprache16, die zumindest teilweise die Konstruktionen von Geschlecht überlagert.

Klasse Während die Untersuchung der Interdependenzen von ›Rasse‹ und Geschlecht immer mehr Einzug in die Forschung hält, wird die Kategorie der Klasse häufig vernachlässigt. Die vorliegende Arbeit basiert auf einem bürgerlichen Klassenverständnis, das neben rein ökonomischen Produktionsund Besitzverhältnissen auch andere Aspekte mit einbezieht wie sozialen Status und ein sich daraus ableitender Lebensstil, Familienstrukturen, Wertvorstellungen und ethnokulturelle Aspekte. Die Kategorie Klasse ist stets als zweierlei zu betrachten: Zum einen benennt sie die tatsächlichen ökonomischen Daseinsgrundlagen einer Person oder einer Gruppe, zum anderen hat sie einen Repräsentationseffekt, d. h. sie wird über soziale Praxen und Verhaltensweisen sowie identitäre Zuschreibungen an eine gesellschaftliche Gruppe zum Ausdruck gebracht.17 Die Arbeit basiert ferner auf der Idee Pierre Bourdieus, dass sich Unterschiede in der sozioökonomischen Stellung einer Person und/oder einer Gruppe nicht auf den Bereich der Ökonomie beschränken, sondern eine Übersetzung finden in das soziale und kulturelle Leben. Transportiert in kulturell aufgeladene Hierarchien und Lebensstile entsteht neben dem Kampf um Produktionsmittel ein symbolischer Klassenkampf, der soziale Unterschiede erst schafft.18 Auf die vorliegende Arbeit bezogen, bedeutet dies, dass die Analyse der Free People of Color sowohl ihre Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht beinhaltet als auch darüber hinaus – und darauf liegt der Fokus – ihre Selbstidentifikation als eine der bürgerlichen Mittelklasse zugehörige Grup-

16 Evelyn Brooks Higginbotham: »African-American Women’s History and the Metalanguage of Race«, in: Signs 17:2 (Winter 1992), 255; Henry Louis Gates (ed.): »Race«, Writing, and Difference, Chicago: University of Chicago Press 1986. 17 Fields, 151. 18 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, 2. Aufl., Frankfurt/Main: Suhrkamp 1988.

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pe. Diese klassenspezifische Identität brachten sie vor allem durch den Verweis auf ihre hohen Moralvorstellungen, ihre klassisch-bürgerliche Bildung und ihre Geschlechterrollen zum Ausdruck. Das Zusammenwirken von ›Rasse‹, Geschlecht und Klasse ist besonders für die farbige Bevölkerung in den USA wichtig, weil sie zu lange als monolithische Gruppe betrachtet worden ist. Dies hängt vor allem mit dem Forschungsschwerpunkt auf der Sklavereierfahrung zusammen, der zwar seine Berechtigung hat, aber auch dazu führte, dass freie und wirtschaftlich besser gestellte farbige Gruppen vernachlässigt wurden. Die durch Klassenlinien definierten Hierarchien in der afroamerikanischen Bevölkerung sind dabei aus dem Blick geraten.

Identität Eine Geschichte der Identitätskonstruktionen der Free People of Color in Wechselbeziehung zu den Rassenkonstruktionen zu schreiben, bedeutet nicht, Identität als eine essenzialistische und naturgegebene Einheit zu begreifen. Vielmehr liegt dieser Arbeit das Verständnis von Identität als einer sozial erzeugten und im ständigen Fluss der Veränderung stehenden Kategorie zugrunde. Demnach entsteht Identität durch soziale Interaktion und die Erfüllung verschiedener ›Rollen‹. Nach Stuart Hall wird Identität diskursiv erzeugt. Diese Diskurse entwickeln sich in historischen und institutionellen Begebenheiten und unter der Anwendung bestimmter Strategien: »Kultur und Identität […] folgen keinen vorgegebenen, historisch verankerten Mustern mehr, vielmehr entstehen ihre Bedeutungsfragmente immer erst im Moment ihrer Aushandlung, Übersetzung und ›Hybridisierung‹. Identität wird in dieser Situation zu einem fortlaufenden Prozess der Identifizierung, der beständigen Neupositionierung ohne Fixpunkte und Garantien, zu einem ›Terrain der Verstörung‹, das man konsequent weiterbearbeiten muß, auf dem nichts ein für allemal gegeben ist.«20

Identität äußert sich diesem Verständnis nach durch soziale Praxen. Sie stellt gewissermaßen ›gelebte Konstruktion‹ dar, wenn die Free People of Color die an sie herangetragenen Identitätsentwürfe annehmen, umformen oder verwerfen. Dabei sind Individuen immer eingebunden in multiple Identifikationsprozesse und -diskurse, die sich gegenseitig stützen oder destabilisieren 19 Für die Betrachtung der Südstaatengesellschaft ist der Begriff der Mittelklasse problematisch. In der Forschung ist lange behauptet worden, dass sich im Süden eine zum Norden vergleichbare Mittelklasse erst nach dem Bürgerkrieg formierte. Neuere Forschungen wie die von Jonathan Wells rücken allerdings inzwischen von dieser Sicht ab. Vgl. The Origins of the Southern Middle Class, 1800-1861, Chapel Hill: University of North Carolina Press 2004. New Orleans war aufgrund seiner starken Orientierung am nationalen und internationalen Handel ohnehin ein Sonderfall. Hier bildete sich früher als im übrigen Süden eine bürgerliche Mittelklasse, zu denen ich auch die Free People of Color zähle. Sie vertraten bereits vor dem Krieg bürgerliche Lebensstile und Geschlechtervorstellungen und gingen vorwiegend Berufen im Handwerk und Handel nach. 20 Hall zitiert in Rolf Eickelpasch/Claudia Rademacher: Identität, Bielefeld: transcript 2004, 107. Siehe auch Stuart Hall: »Who Needs Identity?«, in: Stuart Hall/Paul Du Gay (eds.), Questions of Cultural Identity, London: Sage 1996, 4.

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können. Identität und Subjekt werden mit dem Fokus auf Repräsentation gedacht, d. h. es werden die Verhandlungsmomente und performativen Akte untersucht, die zu einer Neudefinition von Repräsentation führen (können) und die Frage nach einer dennoch möglichen Identitätspolitik aufwerfen. So bedienten sich die Free People of Color in ihrem Kampf um Bürgerrechte und Gleichberechtigung verschiedener Strategien und Diskurse. Ich sehe sie demnach als AkteurInnen, die sich bestimmte Identitätskategorien zu Nutze machten und in gewissem Maße eine Identitätspolitik betrieben. Dabei bin ich mir der Tatsache bewusst, dass die Afrokreolen keine autonom handelnden Subjekte waren. Vielmehr sind auch sie tief in das hegemoniale Machtsystem eingebunden, was ihre Handlungsmöglichkeiten zwar beschränkt, aber nicht völlig unterbindet. Auch die Skepsis gegenüber Identitätspolitiken, wie sie vor allem von Judith Butler geäußert wurde, soll in dieser Arbeit beachtet werden.21 So werden die Ausschließungsmechanismen dargestellt, die den Identitätszuschreibungsprozess kennzeichnen – bei der hegemonialen weißen Gesellschaft genauso wie bei den marginalisierten Free People of Color. Wichtig erscheint mir außerdem, das Postulat Lawrence Grossbergs ernst zu nehmen, nicht länger die Identitäten der dominanten und der marginalisierten Gruppen getrennt voneinander zu betrachten, sondern vielmehr den Akzent auf die Wechselwirkungen zwischen den beiden zu legen und ihre Funktionen für einander zu untersuchen.22 Neben der persönlichen Identität jedes Einzelnen spielt für die vorliegende Arbeit die Vorstellung einer kollektiven Identität eine wichtige Rolle. Die Existenz einer solchen Gruppenidentität ist in der Vergangenheit angezweifelt und der Begriff als untaugliches ›Plastikwort‹ kritisiert worden.23 Dennoch sehe ich in ihm ein unabkömmliches Untersuchungsinstrument. Dabei ist die kollektive Identität genau wie die persönliche eben nicht als eine normierende Kraft, sondern vielmehr als eine (re-)konstruierende zu verstehen.24 Als Leitfaden für die Untersuchung dient die folgende Definition kollektiver Identität von Jan Assmann: »Unter einer kollektiven oder Wir-Identität verstehen wir das Bild, das eine Gruppe von sich aufbaut und mit dem sich deren Mitglieder identifizieren. Kollektive Identität ist eine Frage der Identifikation seitens der beteiligten Individuen. Es gibt sie nicht ›an sich‹, sondern immer nur in dem Maße, wie sich bestimmte Individuen zu ihr bekennen. Sie ist so stark oder so schwach, wie sie im Denken und Handeln der

21 Judith Butler: »Kontingente Grundlagen. Der Feminismus und die Frage der ›Postmoderne‹«, in: Seyla Benhabib/Judith Butler/Drucilla Cornell/Nancy Fraser (eds.), Der Streit um Differenz. Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart, Frankfurt/Main: S. Fischer 1993, 49; Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt/Main: Suhrkamp 1991, 18-20. 22 Lawrence Grossberg: »Identity and Cultural Studies: Is That All There Is?«, in: Hall/Du Gay, 90. 23 Lutz Niethammer: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2000. 24 Jürgen Straub: »Personale und kollektive Identität. Zur Analyse eines theoretischen Begriffs«, in: Aleida Assmann/Heidrun Friese (Hg.), Identitäten, 2. Aufl., Frankfurt/Main: Suhrkamp 1999, 99.

EINLEITUNG | 25 Gruppenmitglieder lebendig ist und deren Denken und Handeln zu motivieren vermag.«25

Die kollektive Identität der Free People of Color ist als ein solches ›WirBild‹ zu verstehen. Sie basiert auf realhistorischen Bedingungen und lebensalltäglichen Erfahrungen, ohne dass sie als normative Essenz zu verstehen ist. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Konstruktionen von unterschiedlichen Identitätsentwürfen und mögliche Identifikation oder Nichtidentifikation sowie deren Gründe zu analysieren. Dabei soll der Blick auf die AkteurInnen selbst gelenkt werden, die – zwischen Selbst- und Fremdbestimmung oszillierend – Möglichkeiten der Identifikation bejahen oder ablehnen. So spricht aus den Handlungen der AkteurInnen ihr Anspruch, durch eine bewusst gewählte und strategisch eingesetzte Identitätspolitik, die eigene gesellschaftliche Position – und bisweilen auch die anderer Bevölkerungsgruppen – zu verändern.26 Die Besonderheit meines Untersuchungsgegenstandes liegt in den Interdependenzen von Identität mit ›Rasse‹, Klasse und Geschlecht (neben vielfältigen anderen Kategorien wie Alter, Konfession, Sprache, Raum etc.), die dazu führen, dass sich Subjekte in unterschiedlichen Positionen und multidimensionalen Beziehungen zueinander befinden. In Bezug auf die (Definitions- und Zuschreibungs-)Macht folgt aus dem gesellschaftlichen Mittelstatus der Free People of Color, dass sie zugleich privilegiert und unterdrückt waren. Die Konstruktion von persönlicher und kollektiver Identität war in Louisiana im 19. Jahrhundert nicht von einer linearen, eindimensionalen Beziehung abhängig, sondern von einem Netz sich gegenseitig konstituierender Identitäten. Die Vielzahl kultureller, gesellschaftlicher und ›rassischer‹ Gruppen wie Kreolen, Angloamerikaner, Free People of Color, Acadians und Sklaven sind miteinander verwoben in einem Labyrinth der Identitäten, das es zu entwirren gilt.

Creole Eine der umstrittensten Zuschreibungen betrifft die kreolische Identität. Im November 2006 sorgte der in den USA landesweit bekannte Restaurantkritiker Alan Richman mit einem Artikel im GQ-Magazin für eine Welle der Entrüstung, als er nicht nur die Qualität der berühmten Restaurants von New Orleans in Frage stellte, sondern darüber hinaus die Existenz der kreolischen Bevölkerung. In seinem viel zitierten Artikel hieß es: »Supposedly, Creoles can be found in and around New Orleans. I have never met one and suspect they are a faerie folk, like leprechauns, rather than an indigenous race.«27 Vor allem im Internet entlud sich daraufhin der Zorn der New Orleanians.28 Die Mehrheit der KommentatorInnen sah Richmans Äußerungen nicht nur als unqualifizierten Journalismus und persönliche Beleidigung einer von den Folgen des Hurrikans Katrina ohnehin gebeutelten Gesellschaft an, son25 26 27 28

Jan Assmann zitiert in Straub, 102-03. Eickelpasch/Rademacher, 12. Alan Richman: »Yes, We’re Open«, in: GQ, November 2006. Siehe bspw. Brett Anderson: »Renowned Restaurant Writer Rips New Orleans but Only Embarrasses Himself«, in: New Orleans Times-Picayune, 2. November 2006; Interview der Food-Blog-Platform »Appetites«, http://www.appetites. us/archives/000469.html, Stand: 08.12.2006.

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dern auch als rassistisch motivierte Anfeindung gegenüber dem ethnischen Erbe vieler New Orleanians. So hieß es auf einer Blog-Seite: »Either he is a) a blatant racist who sees nothing wrong in attacking a race so small that they cannot make enough noise to get him fired, or b) truly ignorant of Creoles.«29 Aus einigen Blog-Einträgen sprach jedoch auch die gespaltene Meinung vieler New Orleanians über die Frage, was ›kreolisch‹ überhaupt bezeichne. Während einige auf das afrikanische Kulturerbe hinwiesen, das die kreolische Identität wesentlich präge und das sich sowohl in der kreolischen Küche als auch in der für New Orleans typischen Musik, der Architektur und der Sprache äußere30, empfand ein anderer die Interpretation der kreolischen Identität als afroamerikanisch als eine kulturelle Aneignung: »Alan Richman is correct. […] I just don’t understand why the Africian Americans feel the need to steal culture and traditions. The only Africian influence on Creole food that I know of was the food product ›orka‹ [sic].«31 Aus dieser Diskussion wird das Interpretations- und Konfliktpotenzial, das sich hinter dem identitären Begriff Creole verbirgt, ersichtlich. Bevor näher darauf eingegangen wird, soll kurz die Geschichte des Begriffs in Louisiana umrissen werden. Die heutige linguistische Forschung ist sich einig, dass seine etymologischen Wurzeln im Portugiesischen liegen. Vermutlich vom lateinischen Verb creare stammend, entwickelte sich unter dem Einfluss afrikanischer Phonetik das Nomen und Adjektiv crioulo. In der kolonialen Welt Louisianas tauchte das Wort erstmals Ende des 18. Jahrhunderts auf.32 Bei dieser frühen Verwendung des Kreolenbegriffs finden sich keine Hinweise darauf, dass die ›Rassenzugehörigkeit‹ der so Bezeichneten eine Rolle spielte. Der Begriff wurde vielmehr als Synonym für ›in Louisiana einheimisch‹ verwandt. So wurden als Kreolen vornehmlich diejenigen Louisianians bezeichnet, die von den ursprünglichen Siedlerfamilien des 18. Jahrhunderts aus Frankreich und Spanien abstammten. Ähnlich wie in den europäischen Kolonien der Karibik, bezeichnete man lange Zeit sowohl weiße als auch farbige Louisianians als Kreolen. Es handelte sich zunächst um einen rassenübergreifenden Begriff, der auf dem gemeinsamen kulturellen Erbe und der Herkunft basierte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde dann als erstes die Sklavenbevölkerung ausgeschlossen. Hierbei ist zu beachten, dass man in Louisiana stets einen Unterschied zwischen dem Nomen und dem Adjektiv machte. Während neben SklavInnen, die in Louisiana geboren waren, auch Vieh, landwirtschaftliche Produkte oder typische Gerichte mit dem Adjektiv creole bezeichnet wurden, um ihre Herkunft anzuzeigen, war der als Nomen gebrauchte Identitätsmarker der weißen kreolischen Bevölkerung sowie den Free People of Color vorbehalten. Mit der fortschreitenden ›Amerikanisierung‹ der Rassenbeziehungen in Louisiana versuchte die weiße Bevölkerung 29 Blogger-Eintrag, 13. November 2006, »Appetites«, http://www.appetites.us/ archives/000469.html, Stand: 08.12.2006. 30 Blogger-Eintrag (»Frip«), NOLA Updates, 7. December 2006, http://updates. blogs.nola.com/default.asp?item=371777, Stand: 8.12.2006. 31 Blogger-Eintrag (»Holyoke«), NOLA Updates, 7. December 2006, http:// updates.blogs.nola.com/default.asp?item=371777, Stand: 8.12.2006. 32 Lester Sullivan: »A Note on the Word ›Creole‹«, in: Amistad Research Center (ed.), Guide to Amistad Research Center Light. A Series of Multi-Image Shows about Afro-Americans, Other Ethnic Groups, and Race Relations Today, New Orleans: Amistad Research Center 1983, 19-20.

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immer mehr, das Nomen Creole von der ›Rassenmischung‹ zu trennen und ›weiß zu waschen‹. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde aus einem rassenintegrativen Begriff ein rassistischer, den sich die weiße Gesellschaft im Jim Crow-System seit den 1870er Jahren einverleiben wollte. Im letzten Drittel des Jahrhunderts entwickelte sich als Reaktion auf diese Beschränkung die Bezeichnung Creole of Color.33 Die heutige Forschung spricht darüber hinaus manchmal von Black Creoles.34 Dieser Begriff ist jedoch umstritten. Creoles of Color haben darauf hingewiesen, dass sie zwar ein ›rassengemischtes‹ Erbe besäßen, sich allerdings in ihrer Identität von der übrigen farbigen Bevölkerung Louisianas unterscheiden würden und deshalb nicht als ›schwarz‹ zu bezeichnen seien. Welches Politikum der Kreolenbegriff auch heute noch darstellt, offenbarte sich mir bereits zu Beginn meiner Forschungen, als ich – mit der Materie noch unbekannt – in einer Anfrage an das Historikernetzwerk H-Louisiana nach Literatur zu den ›Black Creoles‹ fragte. Neben durchaus hilfreichen Hinweisen wurde ich mehrfach auf meine ›falsche‹ Terminologie aufmerksam gemacht. A. D. Powell, eine Aktivistin im Interracial Movement, die sich seit Jahren gegen die aus ihrer Sicht noch immer von der US-amerikanischen Regierung propagierten one-drop-rule engagiert, schrieb mir: »Creoles are a multiracial ethnic group, just as Hispanics are. Hispanics are not called ›black,‹ even though nearly all of them have African ancestry. Creoles should be respected in the same way. Creoles, like Hispanics, vary in phenotype from European or ›white‹ to African or ›black,‹ and every shade and phenotype in between. […] Calling them a ›black‹ group when so many of them are as ›white‹ as you are, is as racist as calling them ›non-Aryan.‹«35

Obwohl mich diese Email dazu brachte, eingehender über die identitären Zuschreibungen in Louisiana nachzudenken, soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass Powell mich offensichtlich ebenfalls ›kategorisierte‹, indem sie annahm, dass ich als Deutsche ›weiß‹ sein müsse. Die schwierige Position des Forschenden, vor allem, wenn er oder sie nicht aus der Gruppe der Creoles of Color stammt, lässt sich auch an einem anderen Ereignis zeigen: Als in den 1970er Jahren ein weißer Archivar an ein ehemaliges Mitglied des Creole of Color-Wohltätigkeitvereins Les Jeunes Amis herantrat, um seine Quellensammlung über ›schwarze‹ Geschichte in Louisiana zu erweitern, wurde ihm der Zugang zum Vereinsarchiv verwehrt. In der Begründung hieß es, der Gründer der Organisation, Thomy Lafon, sei nicht ›schwarz‹ gewesen.36

33 Interessanterweise hat sich der Kreolenbegriff innerhalb des 20. Jahrhunderts wieder gewandelt. Seit der Renaissance der kreolischen Identität in den 1980er Jahren wird nun von vielen ein ›rassengemischtes‹ Familienerbe als wesentlicher Teil der kreolischen Identität angesehen. Eine Fallstudie zum Selbstverständnis der heutigen Creoles of Color bietet Tameka S. Susberry: »Racial Identification and Ethnic Identity in Louisiana: Creole People of Color«, (Ph.D. diss., University of Houston 2004). 34 Z. B. Carl A. Brasseaux: French, Cajun, Creole, Houma. A Primer on Francophone Louisiana, Baton Rouge: Louisiana State UP 2005, 112. 35 A. D. Powell in Emails an die Autorin, 8. September 2003. 36 Frank W. Sweet in Email an die Autorin, 8. September 2003.

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Aus diesen Anekdoten über die Erfahrungen von ForscherInnen wird ersichtlich, dass man sich auf schwieriges Terrain begibt, wenn man mit dem Kreolenbegriff arbeitet. Fast sicher ist, dass sich mindestens eine der beteiligten Gruppen falsch repräsentiert sieht. Entweder wehren sich ›weiße‹ Kreolen gegen die unterstellte ›Rassenmischung‹ oder ›schwarze‹ Kreolen wittern weiße Herrschaftsansprüche. ›Rassengemischte‹ Kreolen protestieren dagegen, als ›schwarz‹ bezeichnet zu werden. Die logische Konsequenz für die Forschung wäre entweder, jeden Einzelnen, der in dieser Arbeit ethnisch oder kulturell kategorisiert wird, zunächst nach seiner Selbstbeschreibung zu befragen. Das ist allerdings nicht mehr möglich. Von einem strikten postkolonialen Blickwinkel betrachtet, müsste ich deshalb an diesem Punkt aufhören, denn bereits in dem Moment, wo ich beginne, mich mit den Kreolen zu befassen, bin ich gezwungen, sie zu benennen und laufe damit Gefahr, sie aus meiner eigenen Position heraus – die einer westlichen, weißen, privilegierten Forscherin – fremd zu bestimmen. Weil dann aber jegliche historische Arbeit zum Scheitern verurteilt wäre, kann dies nicht die Lösung sein. Die vorangegangene Darstellung zeigt die Notwendigkeit klarer Definitionen. Diese mögen nicht allgemeingültig sein, aber sie sind die Grundlage für eine analytisch verständliche Arbeit. Die vorliegende Studie basiert deshalb auf einem Kreolenbegriff, der, wenn nicht näher spezifiziert, sowohl Weiße als auch Free People of Color umschließt. Bei den weißen Kreolen handelt es sich dabei zum einen um diejenigen Louisianians, die entweder bereits vor dem Louisiana-Kauf 1803 in Louisiana ansässig waren und/oder von französischen und spanischen Siedlerfamilien abstammen. Darüber hinaus werden als Kreolen aber auch zugewanderte SiedlerInnen aus Europa – etwa Franzosen, Deutsche und Iren – und den angloamerikanischen Gebieten bezeichnet, sofern entweder der Zeitpunkt ihrer Einwanderung (ca. vor 1840) oder ihr soziales Umfeld in Louisiana darauf schließen lassen, dass sie sich als Kreolen sahen.37

Free People of Color Zu guter Letzt soll auf die bereits vielfach verwendete Bezeichnung Free People of Color eingegangen werden. Der Begriff Free People of Color beziehungsweise gens de couleur libres entwickelte sich während der französischen Kolonialzeit und wurde von der spanischen und später amerikanischen Gesellschaft in Louisiana beibehalten. Er orientierte sich an den Kolonialgesellschaften der Karibik und Lateinamerikas, wo sich ebenfalls eine zahlenmäßig große Gruppe an freien Farbigen bildete. Um sie klar von der Sklavenbevölkerung abgrenzen zu können, wurden sie mit dem Begriff Free People of Color belegt, wobei es freilich zu unterschiedlichen Bedeutungen in den einzelnen Regionen und Kolonien kam. Da die vorliegende Arbeit ei37 Trotz seines konstruktivistischen Charakters wird der Identitätsmarker Kreole/Kreolin im weiteren Verlauf ohne Anführungszeichen stehen, um den Lesefluss nicht unnötig zu erschweren. Gleiches gilt für weitere qualifizierende Zusätze, wie weiß, schwarz oder angloamerikanisch und afroamerikanisch, die auf die linguistischen, ethnokulturellen und konfessionellen Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen hinweisen. Diese Bezeichnungen dienen der Nachvollziehbarkeit der Argumentation und sollten keineswegs als essenzialistische Kategorien verstanden werden.

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nen fast hundertjährigen Zeitraum untersucht, der als wesentlichen Bruch den Bürgerkrieg umfasst, stellt sich ein Benennungsproblem. Der Begriff Free People of Color verlor mit der Emanzipation der SklavInnen seinen Sinn, denn zumindest im bürgerrechtlichen Status gab es fortan keinen Unterschied mehr zwischen ehemaligen SklavInnen und der afrokreolischen Bevölkerung der Free People of Color. Als Reaktion auf verschiedene Auseinandersetzungen, auf die im Text eingegangen wird, gewann die Bezeichnung Creoles of Color in den 1870er und 80er Jahren an Bedeutung. Gleichzeitig gab es allerdings die Tendenz, sich trotz des Anachronismus weiterhin als Free People of Color zu bezeichnen, um sich von den vorwiegend protestantischen, englischsprachigen Ex-SklavInnen abzusetzen und auf die eigene Herkunft und Geschichte hinzuweisen. Da diese Arbeit nicht umhin kommt, trotz dieser Probleme die Gruppe zu benennen, werden die Begriffe Free People of Color, Creoles of Color und ihre deutschen Abwandlungen wie Afrokreolen als Synonyme benutzt. In der deutschsprachigen Literatur wird häufig von ›freien Schwarzen‹ gesprochen, wenn nichtversklavte Afroamerikaner in der Antebellumzeit gemeint sind. Diese Übersetzung birgt für die vorliegende Arbeit ein Problem in sich, denn die Creoles of Color durchkreuzten ja gerade das bipolare amerikanische Rassensystem. Die Free People of Color als ›schwarz‹ zu bezeichnen, würde demnach die Dichotomie der ›Rassen‹ fortschreiben. Um dies zu umgehen, verwende ich stattdessen die Bezeichnung Farbige, die mir als geeignetste Übersetzung des englischen Begriffs People of Color erscheint. ›Schwarz‹ benutze ich hingegen dort, wo die bipolare Struktur betont werden soll, etwa wenn die Sicht der Hegemonialgesellschaft dargestellt wird.

Diskurs Bereits mehrfach ist von Diskurs und diskursiven Verhandlungen die Rede gewesen. Obwohl heutzutage kaum eine kulturwissenschaftliche Arbeit ohne diesen Begriff auskommt, soll hier zur Klärung etwas näher definiert werden, was damit gemeint ist. Grundlegend ist festzuhalten, dass jegliche Geschichtsschreibung auf das Medium der Sprache angewiesen ist. Da wir immer nur das erkennen und benennen können, für das wir Kategorien haben, vermitteln uns die historischen Quellen nie die ›Wahrheit‹. Was wir aus den Quellen lesen, ist nicht die Geschichte selbst, sondern vielmehr, wie Menschen ihre Umwelt verstanden haben und wie sie ihre Erfahrungen ordneten.38 Die vorliegende Arbeit wendet einen weiten Diskursbegriff an, der sowohl Sprach- als auch soziale Handlungspraxen beinhaltet und im Wesentlichen die »Gesamtheit aller schriftlichen, mündlichen, bildlichen oder sonstigen zeichenhaften Hervorbringungen und Praktiken« zusammenfasst, die sich mit dem Diskursthema der Rassenkonstruktion beschäftigen.39 Es sollen die unterschiedlichen Regelmechanismen des sich Äußerns und Handelns untersucht werden, die als Eckpfeiler das markieren, was im Rahmen der ›rassischen‹ Wissensordnung als sagbar gilt. Die diskursive Verhandlung von rassi(sti)schen Zuweisungen beinhaltet dabei stets ein Machtgefälle, das es ein38 Jörg Baberowski: Der Sinn der Geschichte. Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault, München: Beck 2005, 22. 39 Andreas Landwehr: Geschichte des Sagbaren. Einführung in die Historische Diskursanalyse, Tübingen: edition diskord 2001, 106.

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zelnen Subjekten und Gruppen erlaubt, die ›Anderen‹ und ›Anomalen‹ außerhalb des eigenen Regelsystems zu definieren und auszugrenzen. Die in dieses System eingelassene Gewalt äußert sich über Ausschließungsmechanismen. Diese »disziplinieren die Gesellschaft, indem sie ihre Mitglieder dazu zwingen, sich Sagbarkeitsregimen zu unterwerfen.«40 Der Rassendiskurs des 19. Jahrhunderts diente der Verbreitung des ›Wissens‹ von der ›rassischen‹, sozialen und politischen Minderwertigkeit der farbigen Bevölkerung. Die Arbeit geht den Diskurs- und Handlungsmustern nach, die diesem ›Wissen‹ nach angewandt wurden. Darüber hinaus analysiert sie solche Mechanismen, die dem dominanten Diskurs entgegenliefen, ihn unterwanderten und alternative Handlungsmöglichkeiten boten. Konstruktionen von Identität werden nicht allein von einer schwebenden, nicht zu ortenden Diskursmacht gestaltet. Die Akteure sind zwar in Diskursmuster eingebettet; trotzdem handelt es sich nicht um willenlose, im System gefangene, Subjekte. Ich lehne mich in dieser Sichtweise Bourdieus Konzept vom Habitus an, der die vom Individuum durch den Prozess der Sozialisierung verinnerlichten und ihm zur Verfügung stehenden »Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata« benennt: »Als Produkt der Geschichte produziert der Habitus individuelle und kollektive Praktiken, also Geschichte, nach den von der Geschichte erzeugten Schemata; er gewährleistet die aktive Präsenz früherer Erfahrungen, die sich in jedem Organismus […] niederschlagen.«41 Der Habitus strukturiert zwar die Handlungen des Subjekts innerhalb einer bestimmten Situation oder Gesellschaft, doch versteht Bourdieu ihn deshalb nicht als deterministisch. Vielmehr ist es dem Akteur trotzdem möglich, alternative Handlungspraktiken innerhalb der Strukturen zu erarbeiten, die sowohl den Habitus als auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Räume verändern können. Der Begriff des Habitus eignet sich als Instrument zur Analyse der ambivalenten Situation der Free People of Color, die sie einerseits in einem hegemonialen System gefangen, ihnen andererseits aber dennoch Handlungsmöglichkeiten offen hält.

Postkolonialismus, Kreolisierung und Hybridität Obwohl der Postkolonialismus nicht lediglich das Danach der Kolonialherrschaft beschreiben will, ist in der Forschung debattiert worden, ob das postkoloniale Paradigma in der US-amerikanischen Geschichte sinnvoll eingesetzt werden kann, da es sich bei den USA nicht um eine traditionelle europäische Ex-Kolonie handelt.42 Für die vorliegende Arbeit ergibt sich daraus folgende Konsequenz: Postkolonial bezeichnet hier im weitesten Sinne die Betrachtung der im 19. Jahrhundert vorherrschenden Hierarchie- und Machtver40 Baberowski, 198. 41 Pierre Bourdieu: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, 3. Aufl., Frankfurt/Main: Suhrkamp 1999, 101; »Zur Genese der Begriffe Habitus und Feld«, in: Margareta Steinrücke (Hg.), Der Tote packt den Lebenden. Schriften zu Politik & Kultur 2, Hamburg: VSA-Verlag 1997, 61. 42 Abgelehnt wird der Begriff für den geographischen Raum der USA z. B. von Ruth Frankenberg/Lata Mani: »Crosscurrents, Crosstalk: Race, ›Postcoloniality‹ and the Politics of Location«, in: Cultural Studies 7 (1993), 292-310. Skeptisch auch Anne McClintock: »The Angel of Progress. Pitfalls of the Term ›PostColonialism‹«, in: Social Text 31/32 (1992), 84-98.

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hältnisse, die Ausschlussmechanismen, Zuschreibungen, Rassismen, Sexismen und Widerstand gegen dieselben erzeugen. Für die Betrachtung der Geschichte der Free People of Color bedeutet die postkoloniale Sichtweise nicht so sehr die Anwendung einer bestimmten Methode als vielmehr eine Perspektive, die versucht, eurozentristische und essenzialisierende Darstellungen zu hinterfragen und Platz zu machen für uneindeutige und widersprüchliche Aussagen. Darüber hinaus besitzt diese Arbeit eine postkoloniale Qualität, weil sie sich mit einer amerikanischen Lokalität beschäftigt, die seit jeher als der ›Orient‹ der USA betrachtet wurde. So waren Louisiana und New Orleans zwar Teil der politischen und ökonomischen Einheit der westlichen Hemisphäre und der aufstrebenden Macht USA, doch symbolisierten sie zugleich das dem Westen nicht ganz zugehörige und kolonisierte Andere. Diese Idee von Postkolonialismus baut auf einem Verständnis von Kolonialismus auf, das den »gesamten Prozeß von Expansion, Erforschung, Eroberung, Kolonisation und imperialer Hegemonisierung« beinhaltet.43 Auch die Reziprozität, die der postkoloniale Ansatz mit sich bringt, erscheint lohnenswert. Die Geschichte der Free People of Color aus postkolonialer Sicht zu schreiben, bedeutet, die binäre Form des Kulturkontaktes und -konflikts zwischen Free People of Color und weißen Kreolen beziehungsweise Amerikanern neu zu lesen als eine Transkulturation, eine Überprüfung des binären Gegensatzes und als die Geschichte einer transnationalen und interkulturellen Gesellschaft. Eine wissenschaftliche Arbeit, die sich mit den Identitätskonstruktionen multiethnischer Individuen wie den Kreolen beschäftigt, legt den Verdacht nahe, dass sie mit den in der neueren postkolonialen Forschung sehr beliebten Konzepten der Kreolisierung und Hybridität arbeitet. Unter Kreolisierung versteht man die Verschmelzung kultureller Elemente aus unterschiedlichen Kulturen und Gesellschaftsbereichen, wie sie vor allem als Konsequenz des Kolonialismus, aber auch durch die Globalisierung eintritt. In Bezug auf die Untersuchung der Free People of Color spielt dieser Gedanke eine tragende Rolle. Es soll unter anderem untersucht werden, ob man von einer Kreolisierung ihrer Identität und Kultur sprechen kann und ob es ihnen im 19. Jahrhundert gelungen ist, über die Prozesse der Transkulturation für sich einen ›dritten Raum‹ zu schaffen, der durch die Verschmelzung ihres multikulturellen Erbes gekennzeichnet war.44 Die Bezeichnung ›dritter Raum‹ wurde wesentlich von Literatur- und Kulturtheoretikern wie Homi K. Bhabha, Stuart Hall und Edouard Glissant geprägt. Als solche werden identitäre und kulturelle Räume bezeichnet, wenn sie von der hegemonialen Macht als das ›Andere‹ wahrgenommen, aber schwer zuzuordnen sind. Ihre prekäre, aber potenziell auch befreiende Position macht dabei gerade diese Grenzwertigkeit aus, die es ihnen ermöglichen kann, eine dritte Alternative der Identität neben den dichotomen Polen zu schaffen.45 43 Stuart Hall: »Wann war ›der Postkolonialismus‹? Denken an der Grenze«, in: Elisabeth Bronfen (Hg.), Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte, Tübingen: Stauffenburg 1997, 231. 44 Zum Konzept der Kreolisierung vgl. Stuart Hall: »Créolité and the Process of Creolization«, in: Okwui Enwezor (ed.), Documenta11, 2002, Kassel. Platform Créolité and Creolization Workshop in St. Lucia, West Indies, Jan. 13-15, 2002, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2003, 27-41. 45 Grossberg, 91.

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Es soll aber hier auch auf ein Problem des Kreolisierungskonzeptes hingewiesen werden, das das Feiern einer postmodernen, kreolisierten kulturellen Identität lediglich verdeckt aber nicht beseitigt. Denn obwohl es auf den ersten Blick eine befreiende Komponente hat, indem es sich von den hegemonialen Zuschreibungen abwendet und augenscheinlich einen Raum kultureller Selbstbestimmung eröffnet, ist nicht immer klar, wie es die Überwindung hierarchischer Machtansprüche schaffen will. So behaupten Gegner des Kreolisierungskonzeptes, dass der Marker Creole oder creolized hierarchisches Denken nicht grundsätzlich in Frage stellt, sondern oftmals lediglich eine Neugewichtung der unterschiedlichen Elemente vornimmt. Der afrikanischen Komponente wird in der Kreolität häufig noch immer die ›unzivilisierte‹ Seite zugeschrieben; sie wird ›kreolisiert‹ und durch den Einfluss europäischer Elemente ›zivilisiert‹. Andererseits wird die ›kreolisierte‹ europäische Kultur durch ihren Kontakt und ihre Verschmelzung mit afrikanischen beziehungsweise außereuropäischen Elementen ›entzivilisiert‹.46 Ähnliche Vorbehalte haben postkoloniale Denker auch gegenüber dem vor allem von Homi K. Bhabha in Umlauf gebrachten Begriff ›Hybridität‹ geäußert. Anstatt neue Möglichkeiten einer ›dritten Identität‹ aufzuzeigen, affirmiere der Begriff lediglich biologistische Konzepte. Seine direkte Nähe zu den ethnologischen und rassentheoretischen Diskursen des 19. Jahrhunderts, in denen die Mischlinge aus Beziehungen zwischen weißen Kolonialherren und farbigen Kolonisierten als ›Hybride‹ bezeichnet wurden, mache den Begriff für eine postkoloniale, anti-essenzialistische Theorie unbrauchbar. Durch die Verstärkung dualistischen Denkens verhindere der Begriff außerdem die Entstehung und Entfaltung von etwas ›Drittem‹.47 In der vorliegenden Arbeit sollen diese Bedenken stets berücksichtigt werden, doch schließt sie sich im Wesentlichen Rolf Eickelpasch und Claudia Rademacher an, die in dem Begriff – zumindest wenn er sich auf den angloamerikanischen Raum bezieht – ein durchaus hilfreiches Analyseinstrument sehen. Denn gerade der Rückbezug auf die dortige, im Denken des 19. Jahrhunderts allgegenwärtige ›Gefahr der Rassenmischung‹ macht ihn zu einer wertvollen Metapher. Hybridität kann in diesem Zusammenhang sowohl auf die Instabilität von Identitäten hinweisen als auch »die Chancen und produktiven Momente« bezeichnen, »die sich aus den Fragmentierungen und Brüchen und dem aus dieser Erfahrung hervorgehenden Bewusstsein für Heterogenität ergeben«.48 So wird der Begriff der Hybridität als Instrument nicht 46 Vgl. Percy C. Hintzen: »The Caribbean: Race and Creole Ethnicity«, in: Goldberg (ed.), A Companion to Racial and Ethnic Studies, Malden, MA: Blackwell 2002, 478. 47 Zur ›Hybridität‹ in Geschichte und postkolonialer Theorie siehe Homi K. Bhabha: Die Verortung der Kultur, Michael Schiffmann/Jürgen Freudl (Übers.), Tübingen: Stauffenburg 2000; Robert J. C. Young: Colonial Desire. Hybridity in Theory, Culture and Race, London: Routledge 1995; Elisabeth Bronfen (Hg.): Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte, Tübingen: Stauffenburg 1997; David Theo Goldberg: »Heterogeneity and Hybridity: Colonial Legacy, Postcolonial Heresy«, in: Henry Schwarz (ed.), Companion to Postcolonial Studies, Malden, MA: Blackwell 2000. Zur problematischen Herkunft des Begriffs siehe Werner Sollors: Neither Black Nor White Yet Both. Thematic Explorations of Interracial Literature, New York: Oxford UP 1997, 129. 48 Eickelpasch/Rademacher, 104-05.

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grundsätzlich abgelehnt, allerdings wird in der Analyse erst herauszufinden sein, inwiefern es den Free People of Color gelang, eine ›dritte Identität‹ aufzubauen und ob sie überhaupt im Interesse der Gruppe lag.

Performanz Nach anfänglichem Zögern hat sich inzwischen auch in der Geschichtswissenschaft ein performative turn vollzogen, der das Augenmerk der WissenschaftlerInnen zunehmend auf Prozesse der Inszenierung, Rollenspiele und Performances innerhalb der Gesellschaften richtet. Es wird inzwischen weithin akzeptiert, dass sich moderne Gesellschaften neben Sprache und Text performativer Handlungen bedienen, um sich ihrer eigenen Identität und Rolle innerhalb eines größeren Gesellschaftsverbandes zu vergewissern. Die Frage der Performanz ist für die vorliegende Arbeit vor allem von Bedeutung, wenn es um die Gemeinschaftsbildung der Free People of Color und die Konstruktion ihrer Identitäten geht. So entwickeln sich innerhalb der afrokreolischen Gruppe ritualisierte Handlungsweisen und Sprechaktmuster, die performativ ausgelebt werden mit dem Ziel, eine bestimmte Rolle innerhalb der Gesellschaft auszufüllen und zu behaupten. Dabei kommt ein Selbstverständnis zum Ausdruck, das Änderungen unterworfen ist und sich an äußere Umstände anpassen muss. Wenn sich die Free People of Color im Verlauf des 19. Jahrhunderts beispielsweise immer wieder als Bürgersoldaten inszenieren, drücken sie damit ihren Anspruch auf eine bestimmte Rolle innerhalb der Gesellschaft Louisianas aus. Aber auch auf einer privaten Ebene nimmt das ›Zurschaustellen‹ einer Rolle eine wichtige Funktion ein, etwa wenn sich die Creoles of Color in den Kontext einer französisch-karibischen Freiheitskultur stellen, bestimmte Feste wie den Jahrestag des Sturms auf die Bastille feiern oder spiritistische Nachrichten von Robespierre empfangen. Über den Aspekt der Gemeinschaftsbildung hinaus, spielt der Performanz-Begriff eine wichtige Rolle in der Geschlechterforschung. Die Wahrnehmung des Geschlechts als soziale Konstruktion rückt die Frage nach seiner performativen Herstellung angesichts eines fehlenden essenziellen Kerns in den Mittelpunkt. Durch die wiederkehrende performative ›Aufführung‹ von Geschlecht und das Zitieren bestimmter Codes entsteht erst das Geschlecht, das wir in der Folge als natürlich gegeben betrachten.49 Analog dazu entstehen auch andere Identitäten erst im Moment ihrer Performanz und werden mit einer Bedeutung belegt.

Macht Als Letztes soll auf den Begriff der Macht eingegangen werden. Sie spielt bei der Analyse von Identitätskonstruktionen eine wesentliche Rolle. So werden Identitäten nie in einem Machtvakuum konstruiert; vielmehr werden sie artikuliert und ausgehandelt in Dominanz- und Subordinationsverhältnissen. In der vorliegenden Arbeit ist der Begriff Macht in vielfältiger Weise zu verstehen. Zum einen im Sinne von Herrschaft: Den Free People of Color blieb es lange Zeit verwehrt, politische Macht auszuüben und ihren gesellschaftlichen 49 Vgl. Judith Butler: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Berlin: Berlin-Verlag 1995, 32.

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Status dadurch mitzubestimmen. Selbst nach dem Ende des Bürgerkriegs, als sich dies vorübergehend änderte, standen sie weiterhin in einem politischen Abhängigkeitsverhältnis. Darüber hinaus ist Macht vor dem Hintergrund der vielfältigen kulturellen und identitären Aushandlungsprozesse als Deutungsmacht zu verstehen. Diese oblag im Kern der hegemonialen weißen Gesellschaft, auf deren Identitätszuschreibungen die Afrokreolen zunächst nur reagieren konnten. Macht ist jedoch niemals aus sich heraus totalitär, »es gibt immer Sprünge und Risse, die zu Ausgangspunkten von Veränderungen werden können«.50 So entfalteten sich verschiedene Widerstandsräume innerhalb dieser hierarchisierten Machtstruktur, in denen es den Free People of Color stellenweise gelang, den dominanten Identitäts- und Rassendiskurs zu unterlaufen und umzudeuten. Wichtig ist allerdings, dass sie sich ebenfalls innerhalb dieses Netzes von Machtachsen bewegten. Diese multidimensionale Struktur kommt in den Momenten zum Tragen, in denen sie in ihrem eigenen Versuch der Machtermächtigung andere gesellschaftliche Gruppen wie die Sklavenbevölkerung von dieser Macht ausschließen. Die Untersuchung von Machtstrukturen bedeutet demnach nicht nur die Betrachtung einer Ebene zwischen der weißen Herrschaftselite und den Free People of Color, sondern die Einbeziehung gesellschaftlicher Untergruppen, die in vielfältigen Machtpositionen zueinander standen.

Forschungsüberblick Wie fast jeder Bereich der amerikanischen Geschichte, ist auch die Historie Louisianas in einer kaum noch zu fassenden Anzahl historiographischer Arbeiten zum Thema gemacht worden. Dabei reichen die Werke von allgemeinen Überblickdarstellungen über an einzelnen historiographischen Problemen orientierten Arbeiten hin zu detaillierten Artikeln über kaum bekannte Ereignisse. Innerhalb dieses Konglomerats ist es nicht immer einfach, zwischen der wissenschaftlichen Erkenntnis dienenden Arbeiten und wenig kritischen Ereignisdarstellungen, heimatgeschichtlichen, populärwissenschaftlichen und journalistischen Abhandlungen zu unterscheiden. So handelt es sich bei vielen Artikeln um Zusammenfassungen historischen Wissens über bestimmte Ereignisse und Zusammenhänge, die zwar für die vorliegende Arbeit als Informationsquelle von Bedeutung sind, jedoch häufig nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügen oder in ihren Erkenntnissen schlicht veraltet sind. Eine besondere Problematik der New Orleans-Historiographie ist ihr starker Hang zur Mythenbildung. Obwohl die moderne Forschung im Allgemeinen den wissenschaftlichen Standards gerecht wird, finden sich auch heute noch gelegentlich oberflächliche Aussagen und ein unkritischer Umgang mit den Quellen. Das Thema der Free People of Color findet in vielen wissenschaftlichen Arbeiten nur einen untergeordneten Platz, so dass Mythen und Phantasmen fortgeschrieben werden, die ihren Ursprung in der rassistischen und hegemonialen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts haben. Diese Tendenz ist nicht zuletzt dem Druck der für New Orleans so wichtigen Touristikbranche und dem populärwissenschaftlichen Interesse geschuldet. 50 Lawrence Grossberg: What’s Going On? Cultural Studies und Populärkultur, Wien: Turia und Kant 2000, 266.

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Die wachsende Zahl belletristischer Literatur zu den Free People of Color ist ein weiterer Beleg für die neue Attraktivität des Themas.51 Trotz dieser Einschränkungen kann für die vorliegende Arbeit auf eine breite wissenschaftliche Basis zurückgegriffen werden. Zum besseren Verständnis sollen hier die wichtigsten Forschungsströmungen kurz umrissen werden. Die Forschung zu den Creoles of Color wurde bisher weitestgehend von AmerikanerInnen betrieben. Die einzigen deutschsprachigen Beiträge zum Thema sind eine unveröffentlichte Zulassungsarbeit von Jörg Kuhlmann, in der er den besonderen sozialen und wirtschaftlichen Status der freien Farbigen in Louisiana und South Carolina miteinander vergleicht, sowie einige Artikel zur Geschichte Louisianas und den Kreolen von Berndt Ostendorf.52 Die ersten Arbeiten zu den Free People of Color wurden zwar bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben und dienen zum Teil noch immer als Informationsquelle. Allerdings werden sie auf analytischer Ebene kaum den heutigen wissenschaftlichen Standards gerecht. Von Creoles of Color selbst verfasst, dienten sie vor allem der Bewahrung der eigenen Geschichte und kommen in weiten Teilen parteiisch und relativ unkritisch daher. Das früheste Beispiel für diese Geschichtsschreibung ist die Gruppenhistorie aus der Feder von Rodolphe Lucien Desdunes, die ich in einem späteren Kapitel ausführlich untersuche.53 Abgesehen von diesen Arbeiten wurde das Interesse an den Free People of Color lange überschattet von der Historiographie zur Sklaverei in den amerikanischen Südstaaten. Die Geschichtsschreibung über die freien Farbigen in den USA kann man in drei grobe Entwicklungsstufen einteilen. Ein erstes Interesse an den unterschiedlichen Gemeinschaften freier Farbiger entwickelte sich in den 1930er Jahren aus dem Zweig der Soziologie, in dem so einflussreiche Persönlichkeiten wie W. E. B. DuBois und E. Franklin Frazier tätig waren. Aus diesem aufkommenden Interesse an der eigenen Geschichte, begünstigt durch verbesserte 51 Beispiele sind die Romane von Anne Rice: Feast of All Saints (1979), Lalita Tademy: Cane River (2001) und Elizabeth Shown Mills: Isle of Canes (2004). 52 Jörg Kuhlmann: »Freie Schwarze in Louisiana und South Carolina 1803-1860: Status und Identität in der Südstaaten-Gesellschaft vor dem amerikanischen Bürgerkrieg«, (Staatsexamensarbeit, Universität Bochum 1990); Berndt Ostendorf: »A Tale of Two Cities: Die kreolischen und amerikanischen Wurzeln der Kultur von New Orleans«, in: Franz Greß/Hans Vorländer (Hg.), Liberale Demokratie in Europa und den USA. Festschrift für Kurt Shell, Frankfurt/Main: Campus 1990, 71-93; »Urban Creole Slavery and its Cultural Legacy: The Case of New Orleans«, in: Wolfgang Binder (ed.), Slavery in the Americas, Würzburg: Königshausen und Neumann 1993, 389-401; »Creolization and Creoles. The Concepts and Their History with Special Attention to Louisiana«, in: Odense American Studies International Series 27 (April 1997), 1-35. 53 Rodolphe Lucien Desdunes, Nos Hommes et notre Histoire… Notices biographiques accompagnées de réflexions et de souvenirs personnels. Hommage à la population créole, en souvenir des grands hommes qu’elle a produits et des bonnes choses qu’elle a accomplies, Montréal: Arbour & Dupont 1911, Engl. Übersetzung: Our People and Our History, Sister Dorothea Olga McCants (transl. and ed.), Baton Rouge: Louisiana State UP 1973; Alice Dunbar-Nelson: »People of Color in Louisiana: Part I«, in: Journal of Negro History 1 (October 1916), 361-76; »People of Color in Louisiana: Part II«, in: Journal of Negro History 2 (January 1917), 51-78; Charles B. Roussève: The Negro in Louisiana. Aspects of His History and Literature, New Orleans: Xavier UP 1937; The Negro in New Orleans, New York: Archives of Negro History 1969.

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finanzielle Förderungsmöglichkeiten, entwickelte sich eine afroamerikanische Geschichtsschreibung, in der besonders die Forschungen von John Hope Franklin und Carter G. Woodson Aufsehen erregten. Allerdings beschäftigten sich auch diese Arbeiten vorwiegend mit der Sklavereierfahrung. Eine zweite Welle der afroamerikanischen Geschichtsschreibung und ein vertieftes Interesse an den Gemeinschaften freier Farbiger setzte sich seit den 1950er Jahren, vor allem aber im Zuge der Bürgerrechtsbewegung, in Gang. Die ersten Arbeiten, die sich ausschließlich mit Louisianas Free People of Color beschäftigten, stammen von Annie Lee West Stahl und Donald E. Everett. Vor allem Everetts Dissertation ist bis heute unabkömmlich; leider aber noch immer unveröffentlicht und damit einer breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich.54 1972 legte dann Herbert Sterkx ein Grundlagenwerk zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Stellung der Free People of Color in der Vorkriegszeit vor.55 Darin sah er die Basis für den relativen Wohlstand und die rechtliche Sicherheit, die die Free People of Color im Gegensatz zu anderen Gruppen freier Farbiger genossen, in der spanischen Kolonialzeit. Für die Antebellumphase konstatierte er eine relative Kontinuität in der sozialen und wirtschaftlichen Position der Free People of Color und argumentierte, dass es der Gruppe gelang, den rassistischen und auf Exklusion zielenden gesetzlichen, sozialen und kulturellen Veränderungen zumindest bis zum Bürgerkrieg Stand zu halten. Ähnlich argumentierte auch Ira Berlin, der in seiner Monographie Slaves Without Masters der Ansicht war, dass es den Free People of Color Louisianas aufgrund ihrer Teilnahme am Krieg von 1812 gegen England gelungen war, ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status trotz wachsender Restriktionen bis in die unmittelbare Vorkriegszeit zu retten. Berlin konzentrierte sich in seinem Buch allerdings auf die Zeit vor 1812 und widmete Louisiana nur ein Kapitel.56 Trotz dieser Schlaglichter blieb die Historiographie über die Free People of Color zunächst überschaubar. Eine 550 Seiten umfassende Bibliographie zur Südstaatengeschichte behandelt die Veröffentlichungen zu den freien Farbigen im Süden bis zum Jahr 1987 auf drei Seiten ab; New Orleans als Heimat der einflussreichsten Gruppe vor dem Bürgerkrieg findet noch kaum Beachtung.57 Dies änderte sich seit Ende der 1980er Jahre, als die aufkommende Welle ethnischer und geschlechterorientierter Forschung das Interesse an ›rassengemischten‹ Personen weckte. Die kritische Untersuchung von Sexualitätsvorstellungen führte zur ›Entdeckung‹ der ›rassengemischten‹ Free

54 Annie Lee West Stahl: »The Free Negro in Ante-Bellum Louisiana«, in: Louisiana Historical Quarterly 25:2 (April 1942), 301-96; Donald E. Everett: »Free Persons of Color in New Orleans, 1803-1865«, (Ph.D. diss., Tulane University 1952). 55 Herbert E. Sterkx: The Free Negro in Ante-Bellum Louisiana, Rutherford, NJ: Fairleigh Dickinson UP 1972; außerdem Robert R. MacDonald/John R. Kemp/Edward F. Haas (eds.): Louisiana’s Black Heritage, New Orleans: Louisiana State Museum 1979. 56 Ira Berlin: Slaves Without Masters. The Free Negro in the Antebellum South, New York: Pantheon 1974. 57 John B. Boles/Evelyn Thomas Nolen (eds.): Interpreting Southern History. Historiographical Essays in Honor of Sanford W. Higginbotham, Baton Rouge: Louisiana State UP 1987, 153-55.

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People of Color. Neben den Free People of Color in Louisiana und in Charleston, South Carolina widmete man sich vereinzelt auch den Melungeons im Dreieck von Virginia, Tennessee und Kentucky, den Métis in Kanada sowie den Red Bones in Louisiana.59 In den vergangenen 20 Jahren sind verschiedene Aspekte der Free People of Color erforscht worden. Der lokale Fokus liegt bei den meisten Arbeiten auf der Stadt New Orleans, allerdings gibt es inzwischen auch einige Arbeiten zu den Free People of Color in den ländlichen Gebieten des Staates. Diese sind vor allem sozialhistorischer Natur.60 Über die wichtigste und wohl bekannteste ländliche Kolonie, Isle Brevelle am Cane River im nördlichen Louisiana, sind bislang vor allem ethnologische Fallstudien angefertigt worden, so die Arbeit von Gary B. Mills, die sich mit der prominenten Familie der Metoyers beschäftigt.61

58 Wichtige Arbeiten zur ›Rassenmischung‹ sind Beth Day: Sexual Life Between Blacks and Whites. The Roots of Racism, London: Collins 1974; John G. Mencke: Mulattoes and Race Mixture. American Attitudes and Images 18651918, Ann Arbor: University of Michigan Research Press 1976; Joel Williamson: New People. Miscegenation and Mulattoes in the United States, New York: Free Press 1980; Martha Hodes: White Women, Black Men. Illicit Sex in the 19th Century South, New Haven, CT: Yale UP 1997; Stephan Talty: Mulatto America. At the Crossroads of Black and White Culture: A Social History, New York: Harper Collins 2003. 59 N. Brent Kennedy/Robyn Vaughn Kennedy: The Melungeons. The Resurrection of a Proud People, Macon, GA: Mercer UP 1994; Wayne Winkler: Walking Toward the Sunset. The Melungeons of Appalachia, Macon, GA: Mercer UP 2004; Evelyn Peters: The Ontario Métis. Characteristics and Identity, Winnipeg, Manitoba: Institute of Urban Studies 1991; Wolfgang Klooß: »Die Métis als Minderheit im multikulturellen Kanada«, in: Helmut J. Vollmer (Hg.), Multikulturelle Gesellschaft und Minderheiten: Kanada und USA, Augsburg: AVVerlag 1992, 87-103; Don C. Marler: The Neutral Zone. Backdoor to the United States, Woodville, TX: Dogwood Press 1996; The Redbones of Louisiana, Oakdale, LA: Dogwood Press 2003. Zur Bedeutung des kulturellen Erbes der Native Americans innerhalb der Creole of Color-Gemeinschaft siehe außerdem Andrew J. Jolivétte: Louisiana Creoles. Cultural Recovery and Mixed-Race Native American Identity, Lanham, MD: Lexington Books 2007. 60 Carl. A. Brasseaux/Keith P. Fontenot/Claude F. Oubre: Creoles of Color in the Bayou County, Jackson: UP of Mississippi 1994; Dormon: Creoles of Color of the Gulf South, 1996. 61 Gary B. Mills: The Forgotten People. Cane River’s Creoles of Color, Baton Rouge: Louisiana State University 1977. Bereits einige Jahre zuvor hatte Frances J. Woods ebenfalls über die Metoyers ihr Buch Marginality and Identity. A Colored Creole Family Through Ten Generations (1972) geschrieben. Allerdings handelt es sich hierbei weniger um eine historische als um eine soziologische Arbeit. Siehe außerdem Virginia R. Domínguez: White by Definition. Social Classification in Creole Louisiana, New Brunswick, NJ: Rutgers UP 1986, deren Analyse vor allem das 20. Jahrhundert betrifft. Neue Arbeiten über Natchitoches und Cane River sind die bisher unveröffentlichte Dissertation von Susan E. Dollar: »›Black, White, or Indifferent‹: Race, Identity, and Americanization in Creole Louisiana«, (Ph.D., diss., University of Arkansas 2004) sowie H. Sophie Burton/F. Todd Smith: Colonial Natchitoches. A Creole Community on the Louisiana-Texas Border, College Station: A&M University Press 2008.

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Besonderes Augenmerk auf die afrikanischen Einflüsse durch die SklavInnen aus Westafrika und deren Kreolisierung in Louisiana legte Gwendolyn Midlo Hall.62 Sie konzentrierte sich erstmals stärker auf die Prozesse des Kulturaustauschs zwischen den aus Afrika eingeführten SklavInnen und der in Louisiana ansässigen Bevölkerung. Die Bedeutung dieses Ansatzes liegt in der Betonung der gegenseitigen Beeinflussung und der doppelten Stoßrichtung kulturellen Wandels. Eine Folgeerscheinung dieses Kulturtransfers nach Louisiana war laut Hall die Entstehung einer außergewöhnlich egalitären Gesellschaft, in der die im karibischen Raum üblichen starren Rassensysteme bis zum Wendepunkt des Sklavenaufstandes in Pointe Coupée 1795 keinen Platz fanden. Für das Gebiet Louisiana und besonders New Orleans fand die Kolonialzeit große Beachtung, wurde sie doch als die weichenstellende Zeit angesehen, die zur Entstehung der besonderen Situation der freien farbigen Bevölkerung führte. Wegweisend auf diesem Gebiet sind die Arbeiten von Kimberly S. Hanger und die zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Arbeit noch unveröffentlichte Dissertation von Jennifer Spear.63 Hanger konzentrierte sich in ihrer Analyse auf die Lebensumstände während der spanischen Kolonialzeit, die ihrer Meinung nach wesentlich dazu beitrugen, dass sich die Gruppe der Free People of Color stark vergrößern konnte und es ihr gelang, eine gesicherte wirtschaftliche und rechtliche Position innerhalb der Gesellschaft Louisianas aufzubauen. Hangers These war, dass es diese besondere Position war, die es den Free People of Color während der Kolonialzeit erlaubte, eine kohärente Gruppenidentität aufzubauen. Eine andere Interpretation bot Thomas N. Ingersoll, der argumentierte, dass viele der vordergründig großzügigen Zugeständnisse an die freie farbige Bevölkerung Louisianas zur Stabilisierung und Aufrechterhaltung des sozialen Kastensystems dienten. Indem man Anreize für den sozialen Aufstieg bot und die Gruppe der Free People of Color vergrößerte, kreierten die Herrschenden eine Art sozialen Puffer zwischen der spanischen Kolonialgesellschaft und der Sklavenbevölkerung und trieb einen Keil zwischen die Free People of Color und die SklavInnen.64 Geschlechterproblematische Aspekte wurden in der Forschung bisher nur gestreift. Lediglich in den Arbeiten zur Kolonialzeit von L. Virginia Meachum Gould finden sich tiefergehende Untersuchungen. Allerdings sind sie klar auf die Women of Color konzentriert und untersuchen weniger die relationalen Abhängigkeiten von Weiblichkeits- und Männlichkeitskonstruktionen.65 62 Gwendolyn Midlo Hall: Africans in Colonial Louisiana. The Development of Afro-Creole Culture in the Eighteenth Century, Baton Rouge: Louisiana State UP 1992. 63 Kimberly S. Hanger: Bounded Lives, Bounded Places. Free Black Society in Colonial New Orleans, 1769-1803, Durham, NC: Duke UP 1997; Jennifer Spear: »›Whiteness and Purity of Blood‹: Race, Sexuality, and Social Order in Colonial Louisiana«, (Ph.D. diss., University of Minnesota 1999). 64 Thomas N. Ingersoll: Mammon and Manon in Early New Orleans. The First Slave Society in the Deep South, 1718-1819, Knoxville: University of Tennessee Press 1999. 65 L. Virginia Meacham Gould: »In Full Enjoyment of their Liberty: The Free Women of Color in the Gulf Ports of New Orleans, Mobile, and Pensacola, 1769-1860«, (Ph.D. diss., Emory University 1991); »In Defense of their Creole Culture: The Free Creoles of Color of New Orleans, Mobile, and Pensacola«,

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Den kulturellen Aushandlungsprozessen zwischen Kreolen und Amerikanern auf der einen und weißer und farbiger Bevölkerung auf der anderen Seite widmete sich erstmals ausführlicher die von Joseph Logsdon und Arnold R. Hirsch herausgegebene Aufsatzsammlung Creole New Orleans, darin vor allem der Beitrag von Logsdon und Caryn Cossé Bell über die ›Amerikanisierung‹ des Rassensystems in Louisiana. Der Rolle der Free People of Color in der turbulenten Zeit während des Bürgerkriegs und der Rekonstruktion in New Orleans widmeten sich außerdem John W. Blassingame und Ted Tunnell.66 Blassingame betonte dabei als einer der ersten die schwierigen Aushandlungsprozesse und oftmals konträr zueinander verlaufenden Interessen verschiedener Subgruppen innerhalb der von weißer Seite als homogen wahrgenommenen afroamerikanischen Bevölkerung. Für die Phase nach 1877 finden sich nicht mehr viele Arbeiten, die sich im Detail mit den Creoles of Color beschäftigen. Eine häufige Erklärung dafür ist, dass sie ihr Gemeinschaftsgefühl und ihre kollektive Identität durch die neuen Umstände nach dem Bürgerkrieg und die konservative Reaktion verloren. Nur noch wenige Arbeiten unterscheiden für die Zeit nach den 1870ern zwischen ehemaliger Sklavenbevölkerung und den Afrokreolen. Dieses Verblassen der Identität der Creoles of Color in mehrfacher Hinsicht untersucht Shirley Elizabeth Thompson in ihrer noch unveröffentlichten Dissertation, wobei sie den kulturellen Tod der Gemeinschaft der Creoles of Color bereits in den 1850er und 60er Jahren festmacht.67 Dieser ist jedoch zeitlich zu früh angesetzt. Außerdem bleiben durch ihre Konzentration auf die Creoles of Color die komplexen Interdependenzen von Selbst- und Fremdzuschreibungen größtenteils unbeachtet. Viele der Arbeiten, die das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts behandeln, lassen eine differenzierte Analyse der afroamerikanischen Bevölkerung in Louisiana vermissen. So ist sowohl die Rolle der Creoles of Color als Initiatoren des Gerichtsfalls Plessy v. Ferguson als auch dessen Auswirkungen auf ihre kollektive Identitätskonstruktionen in der Forschung vernachlässigt worden. Die wichtigsten Arbeiten zu diesem Präzedenzfall arbeiten sich auch heute noch an den juristischen Argumentationen ab.68 in: Gulf Coast Historical Review 9:1 (Fall 1993), 26-46; Loren Schweninger: »Property Owning Free African-American Women in the South, 1800-1870«, in: Darlene Clark Hine/Wilma King/Linda Reed (eds.), We Specialize in the Wholly Impossible. A Reader in Black Women’s History, Brooklyn: Carlson 1995, 253-79. 66 John W. Blassingame: Black New Orleans 1860-1880, Chicago: University of Chicago Press 1973; Ted Tunnell: Crucible of Reconstruction: War, Radicalism, and Race in Louisiana, 1862-1877, Baton Rouge: Louisiana State UP 1984. Siehe auch Charles Vincent: »Negro Leadership and Programs in the Louisiana Constitutional Convention of 1868«, in: Louisiana History 10:4 (Fall 1969), 339-51; Black Legislators in Louisiana During Reconstruction, Baton Rouge: Louisiana State UP 1976; »Black Louisianians During the Civil War and Reconstruction: Aspects of Their Struggles and Achievements«, in: Robert R. MacDonald/John R. Kemp/Edward F. Haas (eds.), Louisiana’s Black Heritage, New Orleans: Louisiana State Museum 1979, 85-106. 67 Shirley Elizabeth Thompson: »The Passing of a People: Creoles of Color in Mid-Nineteenth Century New Orleans«, (Ph.D. diss., Harvard University 2001). 68 Charles A. Lofgren: The Plessy Case. A Legal-Historical Interpretation, New York: Oxford UP 1987; Keith Weldon Medley: We As Freemen. Plessy vs. Fer-

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Die wissenschaftlichen Studien über die Free People of Color waren lange von einem sozial- und politikhistorischen Ansatz geprägt. So wertvoll diese Grundlagenforschung heute ist, so lässt sie aus Sicht einer kulturwissenschaftlichen Geschichtsschreibung die Betrachtung kultureller Aushandlungsprozesse vermissen.69 Der Aspekt der Identitätskonstruktionen wird in den bisherigen Studien allenfalls gestreift. Eine Trendwende in Richtung einer kulturwissenschaftlichen Untersuchung der Creoles of Color leitete Caryn Cossé Bell mit ihrem 1997 erschienenen Buch Revolution, Romanticism, and the Afro-Creole Protest Tradition ein.70 Darin argumentierte sie, dass die Afrokreolen während der Antebellumzeit den Kampf um politische und soziale Gleichberechtigung anführten. Sie warf die Frage auf, ob die Free People of Color dies aus opportunistischen Gründen taten, um ihre ehemals privilegierte Position gegenüber der Sklavenbevölkerung zu sichern. Bell kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem Kampf der Creoles of Color weniger um Eigennutz, denn um einen aufopfernden Versuch handelte, die Verhältnisse zugunsten der gesamten afroamerikanischen Bevölkerung umzuwerfen. Diese vereinfachende Einschätzung bedarf meines Erachtens einer Revision, die die vorliegende Untersuchung leisten soll. Trotz einer gewissen Anzahl an Arbeiten, die sich mit den Free People of Color auseinander setzen, existiert bis dato keine Untersuchung, die die unterschiedlichen Aspekte ihrer Identitätsentwürfe über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg verfolgt und dabei in Beziehung setzt zur Umwandlung der dreistufigen Gesellschaftsordnung Louisianas in ein ›amerikanisiertes‹ bipolares Rassensystem. Meine Arbeit hat zum Ziel, diese Lücke zu schließen, indem sie den Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen hegemonialen und marginalisierten Positionen legt. Darüber hinaus ermöglicht es der weite Betrachtungszeitraum, größere Verschiebungen nachzuvollziehen. Anders als bisherige Studien, verfolgt die vorliegende Arbeit den Prozess der Identitätsbildung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und schließt die lange vernachlässigte, für das Verständnis der Gruppe aber wichtige, Periode des letzten Jahrhundertdrittels ein. Indem die Arbeit die vielschichtigen und in mehrere Stoßrichtungen verlaufenden Identifikations- und Differenzierungsprozesse innerhalb der hierarchisierten und auf Rassenkonstruktionen basierenden Gesellguson, Gretna, LA: Pelican 2003; Harvey Fireside: Separate but Unequal. Homer Plessy and the Supreme Court Decision that Legalized Racism, New York: Carrol, Graf 2004. 69 Zur sozioökonomischen Situation der Free People of Color siehe u. a. Robert C. Reinders: »Decline of the New Orleans Free Negro in the Decade before the Civil War«, in: Journal of Mississippi History 24:2 (April 1962), 88-98; »The Free Negro in the New Orleans Economy 1859-1869«, in: Louisiana History 6:3 (Summer 1965), 273-85; Paul F. Lachance: »Intermarriage and French Cultural Persistence in Late Spanish and Early American New Orleans«, in: Social History 15 (May 1982), 47-81; »The Formation of a Three-Caste Society«, in: Social Science History 18:2 (1994), 211-42; »The Limits of Privilege: Where Free Persons of Colour Stood in the Hierarchy of Wealth in Antebellum New Orleans«, in: Slavery and Abolition 17 (April 1996), 65-84; Loren Schweninger: »Antebellum Free Persons of Colour in Postbellum Louisiana«, in: Louisiana History 30:4 (Fall 1989), 345-64; Black Property Owners in the South, 17901915, Urbana: University of Illinois Press 1990. 70 Caryn Cossé Bell: Revolution, Romanticism, and the Afro-Creole Protest Tradition, Baton Rouge: Louisiana State University 1997.

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schaft Louisianas analysiert, nimmt sie eine lange überfällige Revision der Rassenbeziehungen in den amerikanischen Südstaaten vor. Dabei erweitert sie das herkömmliche Bild von einer sozial und identitär homogenen afroamerikanischen Bevölkerung und verdeutlicht das große Widerstandspotenzial der Creoles of Color im Kampf für ein selbstbestimmtes Leben.

Quellenlage Diese Arbeit basiert auf einer breiten Auswahl unterschiedlicher Quellengattungen. Zwar sind – anders als in Anbetracht ihrer hohen Bildung anfangs erwartet – nur wenige Quellen aus der Feder der Free People of Color überliefert. Doch auch die Afrokreolen hinterließen Spuren. Diese finden sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt in Zeitungen, politischen Reden und Pamphleten sowie in erinnerungsgeschichtlichen Quellen. Darüber hinaus existieren eine Vielzahl von Gerichtsakten, in denen Free People of Color als Angeklagte, aber auch als Kläger auftreten. Außerdem nehmen seit Mitte des 19. Jahrhunderts Quellen der Wohltätigkeitsvereine, der Freimaurerlogen und des Spiritistenzirkels zu; alle drei Institution waren seit den 1850er Jahren wesentliche Bestandteile der afrokreolischen Gemeinschaft. Schließlich sind für die kulturelle Selbstdarstellung ihre literarischen Erzeugnisse aussagekräftig, die zum Teil bereits aus der Antebellumzeit stammen. Neben diesen Quellen wurden für die einzelnen Kapitel weitere Bestände genutzt. Abgesehen von privaten Papieren prominenter Familien, lässt sich das Quellenkorpus in die drei Kategorien der politisch-juristischen, der literarisch-historiographischen und der medialen Quellen einteilen. Neben politischen Schriften jeglicher Couleur (Pamphlete, Debatten, Gesetzestexte, Kongressberichte etc.) beinhaltet die erste Gruppe die Korrespondenz des ersten amerikanischen Gouverneurs des Orleans-Territoriums, William C. C. Claiborne, die besonders für das erste Hauptkapitel wichtig ist. Diese Quellen bilden den Rahmen, innerhalb dessen sich die Aushandlung von ›rassischen‹ Zuschreibungen und politischen und sozialen Rechten vollzogen. Tiefere Schichten des Rassendiskurses lassen sich durch das Studium von einzelnen Gerichtsfällen analysieren. Für die Zeit des Bürgerkriegs spielen darüber hinaus militärhistorische Quellen eine tragende Rolle, die überwiegend der von Ira Berlin herausgegebenen Sammlung Freedom. A Documentary History of Emancipation 1861-1867 (Series II) entnommen wurden. Der Bereich der Literatur umfasst sowohl die reichlich vorhandene Reiseliteratur, die für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts von großer Bedeutung ist, als auch einige Gedichte und Romane, die entweder von einheimischen AutorInnen verfasst oder dort rezipiert wurden. Für die Antebellumzeit wird der Bereich komplettiert durch die bereits erwähnten afrokreolischen literarischen Werke. Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist auf dieser Ebene der Umgang mit der eigenen Geschichte von Bedeutung, der anhand von historiographischen Schriften sowohl der weißen Gesellschaft als auch der Free People of Color-Gemeinschaft nachvollzogen wird. Der dritte und letzte Quellenbereich umfasst den außergewöhnlich breit gefächerten Zeitungsmarkt Louisianas. Insgesamt wurden über vierzig Zeitungen und Zeitschriften bearbeitet, wobei bei ihrer Auswahl auf eine möglichst breite Meinungsvielfalt geachtet wurde (siehe Anhang). Besonders er-

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giebig war die Analyse der verschiedenen afrokreolischen Zeitungen wie der Union, der Tribune de la Nouvelle-Orléans und dem Crusader.

Aufbau der Arbeit Die Arbeit folgt einem groben chronologischen Aufbau, da die Entwicklung der Identitätskonstruktionen der Free People of Color in Wechselwirkung mit sich verändernden historischen Rahmenbedingungen im Vordergrund steht. Trotzdem verlangt die thematische Schwerpunktsetzung der einzelnen Unterkapitel teilweise Vorgriffe und Rückblicke. Nach der Einleitung folgt im zweiten Kapitel die Darstellung der historischen Rahmenbedingungen. Ausgehend von der Quellenbasis wird in diesem Teil vornehmlich der Blickwinkel der hegemonialen Gesellschaft dargestellt. Zunächst gehe ich auf die Kolonialgeschichte ein, wobei besonderes Augenmerk der Entstehung der dreischichtigen Gesellschaft gilt. Von großer Bedeutung waren für die Free People of Color die Sklavereibedingungen in Louisiana, die französische und spanische Kolonialpolitik sowie die Frage, inwieweit sich die beiden Kolonialmächte in ihrer Auffassung von ›Rasse‹ von der englischen unterschieden. Im zweiten Teil des Kapitels wird die amerikanische Betrachtung von New Orleans und Louisiana als zu zivilisierender amerikanischer ›Orient‹ untersucht. Obwohl Louisiana als fremdartig und bedrohlich wahrgenommen wurde, glaubten die ankommenden Amerikaner, das Gebiet und seine EinwohnerInnen durch die Erziehung entlang amerikanischer Werte aus dem transkaribischen Beziehungsgeflecht, das Louisiana mit St. Domingue verband, herausreißen und in die noch junge, um nationale Identität ringende US-Nation einbinden zu können. Die gesellschaftlichen Verhältnisse im erworbenen Gebiet nahmen die neuen Machthaber als ›unamerikanisch‹ und gefährlich wahr. Ihre Darstellung konzentrierte sich auf den Bereich des Vergnügens, der Religionsausübung und des sexuellen Lebens der kreolischen Gesellschaft. Parallel dazu wurden die Kreolen als obrigkeitsgläubige, unselbständige und den demokratischen Idealen unverständlich gegenüberstehenden Untertanen der verhassten Monarchie gesehen. Daraus resultierte ein wenig schmeichelhaftes Bild von der kreolischen Gesellschaft als degeneriert, fremdartig und ›unmännlich‹. Verbindungen zwischen diesen kulturellen Fremdwahrnehmungen verknüpften sich mit einem ›Rassen‹- und Geschlechterdiskurs, der die Figur der ›rassengemischten‹ Frau zur Allegorie der kreolischen Verdorbenheit machte. Der Sklavenaufstand von 1811 wurde im amerikanischen Diskurs als unausweichliche Konsequenz der kreolischen Auffassung von Gesellschaft und Rassenhierarchie und der zu starken kulturellen Beziehung Louisianas zur Karibik, besonders dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Haiti, gesehen. Die größte Sklavenrebellion der US-Geschichte löste bei der weißen Bevölkerung Entsetzen aus und führte zu Diskussionen über die Stabilität des heimischen Gesellschaftssystems, in dem den Free People of Color als möglichen Anstiftern wachsendes Misstrauen entgegengebracht wurde. Eine ›Amerikanisierung‹, wie sie durch den Krieg von 1812 und die Staatsgründung von 1816 eingeleitet wurde, sollte diesen Tendenzen Einhalt gebieten. Der abschließende Teil des Kapitels befasst sich mit der Rolle der Free People of Color in der Schlacht um New Orleans und diskutiert die Aushandlungsmechanismen um politische und soziale Gleichberechtigung.

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Kapitel 3, das die Zeitspanne zwischen 1820 und dem Vorabend des Bürgerkriegs umfasst, widmet sich auf der einen Seite dem Einfluss eines zunehmend biologistischen Rassenverständnisses auf die traditionell ethnokulturelle Sichtweise in Louisiana. Auf der anderen Seite fokussiert es die Reaktionen der Free People of Color auf diese Veränderungen und ihre wachsende Marginalisierung. Sowohl die Ausdehnung des auf der Sklaverei basierenden Wirtschaftsystems als auch die europäische Einwanderung führten zu dem Verlangen, eine striktere Rassenkategorisierung und Kontrolle der als gefährlich eingestuften Free People of Color durchzusetzen. Die Besonderheit der Lokalität erforderte eine Auseinandersetzung mit den aufkommenden Rassentheorien, der Idee von ›Weißsein‹ und der Frage nach dem ›Mischling‹, die sich in der Debatte um die so genannten ›Hybriden‹ entlud. Dem wachsenden Druck von außen stellten sich die Afrokreolen in vielerlei Hinsicht entgegen. Ihr Widerstand soll am Beispiel ihrer in den 1840ern verfassten Literatur, ihres Kampfes vor den Gerichten sowie des Aufbaus verschiedener sozialer Räume untersucht werden. Bei der Analyse geht es um die Frage, welche Formen des Widerstandes den Free People of Color in der Aushandlung ihrer gesellschaftlichen Position und Identität zur Verfügung standen. Außerdem beschäftigt sich dieser Teil mit der gegenseitigen Bedingtheit von ›rassischen‹ und geschlechtlichen Zuschreibungen. Der Bruch, den der Bürgerkrieg und die Rekonstruktionszeit für die Gesellschaft Louisianas bedeuteten, ist Thema des vierten Kapitels. Der politischen und sozialen Neuordnung steht ein Subtext rassistischer und kultureller Differenzen gegenüber, der sich vor allem in der Diskussion um das Wahlrecht und die neue Position der Ex-SklavInnen äußert. Auf die Betrachtung der militärischen Beteiligung der Creoles of Color im Krieg, folgt die Analyse des Aktivismus der Afrokreolen um politische und soziale Gleichberechtigung. Am Beispiel des Wahlrechts werden Ein- und Ausschließungsmechanismen bei der Verhandlung farbiger Identitäten nach der bürgerrechtlichen Gleichstellung der Freigelassenen untersucht. Die Free People of Color spielten innerhalb dieses Bemühens eine ambivalente Rolle, da sie zugleich Opfer und Urheber von Diskriminierungen waren. Ihre radikale Politik führte zu einem elitären Differenzdenken und einer im Hinblick auf die ehemalige Sklavenbevölkerung auf Exklusion bedachte Identitätspolitik. Das letzte Kapitel steht vor dem Hintergrund der reaktionären Wiedererlangung der politischen Macht in Louisiana. Als Gegendiskurs zur Rekonziliationsliteratur der 1880er Jahre versuchte George W. Cable in seinem Roman The Grandissimes den literarischen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart und re-interpretierte die Bedeutung der kreolischen Identität als integrative Kraft. Gleichzeitig entbrannte Ende des 19. Jahrhunderts ein Deutungskampf um die Identitätskategorie ›Kreole‹. Während sich weiße Kreolen wie Charles E. A. Gayarré bemühten, eine Meistererzählung zu etablieren, in der die kreolische Identität von jeglicher farbiger ›Verschmutzung‹ weißgewaschen war, arbeitete der afrokreolische Autor und Aktivist Rodolphe Lucien Desdunes an seiner Variante einer Biographie seiner Erinnerungsgemeinschaft und deren Integration in die kreolische Gemeinschaft. Geschwächt von politischer Machtlosigkeit und wirtschaftlichem Niedergang, aber auch dem Verlust der eigenen Gruppenzusammengehörigkeit, schafften es die Creoles of Color im Gerichtsfall Plessy v. Ferguson nur noch einmal, gegen die hegemonialen Kräfte vorzugehen, bevor ihr politischer und gesellschaftlicher Einfluss endgültig verloren war.

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In einem abschließenden Epilog wird das Geschehen rund um den Hurrikan ›Katrina‹ auf seine Bedeutung für die vorliegende Arbeit kommentiert und zur heutigen Identitätspolitik der Afrokreolen in New Orleans in Verbindung gebracht. Der Hurrikan hat in der Stadt eine lange überfällige Debatte um Rassismus und konzentrierte Armut losgetreten, die offenbart, wie schwierig sich politisches und soziales Handeln in einer von ungleichen Chancen und hoher Kriminalität geprägten Gesellschaft gestaltet. Gleichzeitig wird erneut die Zersplitterung der afroamerikanischen Bevölkerung entlang sozio-ökonomischer Stratifizierungen deutlich, die sich nicht zuletzt in der Frage äußert, was es im 21. Jahrhundert bedeutet, ein Kreole zu sein.

»A N A T I O N O F LOUISIANA ALS

Q U E E R P L A C E «: A M E R I K A N I S C H E R ›O R I E N T ‹ A

»La Louisiane, La Lusiana«:

Die Kolonialgeschichte »Have you ever been in New Orleans? If not you’d better go, It’s a nation of a queer place; day and night a show! Frenchmen, Spaniards, West Indians, Creoles, Mustees, Yankees, Kentuckians, Tennesseeans, lawyers, and trustees, Clergymen, priests, friars, nuns, women of all stains; Negroes in purple and fine linen, and slaves in rags and chains. White men with black wives, and vice-versa too. A progeny of all colors—an infernal motley crew!«1

Als die amerikanischen Kolonialgesandten und Soldaten unter der Führung William C. C. Claibornes2 am 30. November 1803 zu einigen Hundert in das von Washington weit entfernte New Orleans an der Mündung des Mississippi kamen, sahen sie sich einer in ihren Augen gänzlich ›unamerikanischen‹ Stadt gegenüber. Nicht nur Flora und Fauna der Bayous, die New Orleans umgaben, erschienen ihnen fremd, sondern auch die eigentümliche Bevölkerung, die sich aus Kreolen, Franzosen und Spaniern, Einwanderern aus der Karibik, SklavInnen aus Westindien3 und Afrika und nicht zuletzt einer großen Zahl freier Farbiger zusammensetzte. Die noch jungen Vereinigten Staaten hatten mit dem Kauf des Louisiana-Gebietes ihre Fläche mit einem Schlag verdoppelt. Der riesige Landstrich von ungefähr 2.445.000 Quadratki1 2

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James R. Creecy: Scenes in the South, and Other Miscellaneous Pieces, Washington: Thomas McGill 1860, 276. Claiborne war 1775 in Virginia als Sohn eines Farmers geboren worden. Nach seiner Ausbildung an der Richmond Academy und am William and Mary College und einem Jurastudium in Philadelphia, war er nach Tennessee gegangen, wo er bis 1794 als Anwalt arbeitete. Dort war er u. a. Repräsentant im Staatsparlament. Präsident Jefferson ernannte ihn 1801 zum Gouverneur des Mississippi-Territoriums. 1803 wurde er zusammen mit General James Wilkinson beauftragt, die amerikanische Übernahme des Louisiana-Gebietes zu regeln und zum Gouverneur des neuen Territoriums ernannt. Siehe »Claiborne, William Charles Cole« (s.v.), Glenn R. Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, 2 vols., vol. 1, New Orleans: Louisiana Historical Association 1988, 181-82. West Indies oder Westindien bezeichnet im weiteren Verlauf der Arbeit die Gruppe von Inseln und Ländern in der Karibischen See zwischen der südöstlichen Grenze Mexikos bis an die nordwestliche Grenze des südamerikanischen Kontinents.

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lometern reichte im Norden bis an die Grenze zu Kanada und im Westen bis in die heutigen Staaten Montana, Wyoming, Colorado und Oklahoma. Der Großteil der Fläche war zu jener Zeit noch unberührt von europäischen Siedlungen. Lediglich einzelne militärische Vorposten und einsame, wagemutige Pelzhändler teilten sich das Land mit den American Indians. Der unverhoffte Zugewinn des immensen Territoriums stellte die amerikanische Nation vor große Herausforderungen. Ursprünglich hatten die Amerikaner durch den Erwerb der Hafenstadt New Orleans lediglich ihre Zugangsrechte zur Mississippi-Mündung langfristig sichern wollen. Im Jahre 1802 wurden sie dann Zeugen der unerwarteten Rückgabe des Louisiana-Gebietes an Frankreich unter der Herrschaft von Napoleon Bonaparte. Um die Navigationsrechte behalten zu können, bemühten sich die USA deshalb um den Erwerb der Hafenstadt New Orleans. Die großen Schwierigkeiten, denen sich die französische Armee in der Kolonie St. Domingue gegenübersah sowie die chronisch leere Staatskasse bewegten Naopoleon dazu, den beiden amerikanischen Gesandten James Monroe und Robert R. Livingston das gesamte LouisianaGebiet anzubieten. Da es für die beiden amerikanischen Unterhändler von Paris aus keinerlei Möglichkeiten gab, das Angebot Napoleons von ihrem Präsidenten oder dem US-Kongress prüfen zu lassen, griffen sie zu. Für 15 Millionen Dollar – nur 5 Millionen mehr als Jefferson für den Erwerb der Stadt New Orleans bewilligt hatte – verdoppelten Monroe und Livingston auf einen Schlag das Gebiet der amerikanischen Nation.

Französische und spanische Kolonialzeit Doch bevor das Interesse der USA an Louisiana erwuchs, hatte es als Kolonialgebiet europäischer Mächte bereits eine wechselvolle Geschichte erlebt. Nachdem verschiedene französische Expeditionen im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts aufgebrochen waren, den mysteriösen Great River westlich der Siedlungsgrenze zu erkunden, erwachte Ende des Jahrhunderts ein verstärktes Interesse an einer möglichen Kolonie an der Mündung des Mississippi. Während einer Expedition beanspruchten der Kanadier Pierre Le Moyne d’Iberville und sein Bruder Jean Baptiste Le Moyne de Bienville im Jahre 1698 die Gebiete um Biloxi und Baton Rouge für Frankreich. 1712 erwarb ein wohlhabender französischer Kaufmann namens Antoine Crozat das Louisiana-Gebiet als Eigentümerkolonie. Crozat hoffte, die Besiedlung Louisianas durch großzügige Landverkäufe voranzutreiben. Bereits 1717 gab er die Louisiana-Kolonie wegen finanzieller Misserfolge allerdings zurück. Der Herzog von Orléans, Regent des neuen Königs Louis XV., ließ Louisiana daraufhin von der neugegründeten Investmentgesellschaft Company of the West verwalten. Im Jahre 1731 löste Louis XV. die Charter auf, machte Louisiana zur Kronkolonie und ernannte Bienville zum königlichen Gouverneur. Als Problem erwies sich während dieser Zeit die Besiedlung des Gebietes. Nur durch den Aufbau eines Handelssystems mit den umliegenden Stämmen der American Indians gelang es Bienville, das Überleben von New Orleans, das 1718 gegründet worden war, zu garantieren und die Besiedlung des umliegenden Plantagenlandes zu fördern. Der ausbleibende Ansturm Siedlungswilliger begründete sich zum Teil in dem nur schwachen Interesse der französischen Krone am Louisiana-Gebiet. Anders als in seinen westindischen Besitzungen, sah man in Louisiana zum damaligen Zeitpunkt keine ökonomisch wertvolle Kolonie. Vielmehr sollte das Gebiet zuvorderst als

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geographischer Puffer dienen, der den britischen Einfluss auf dem nordamerikanischen Kontinent eindämmen und die profitablen Kolonien in der Karibik schützen sollte. Die wegen des subtropischen Klimas schwierigen Lebensbedingungen und die häufigen Epidemien, sowie der für die Landwirtschaft nur bedingt nutzbare Boden ließen das Gebiet in den Augen der meisten auswanderungswilligen Europäer wenig einladend erscheinen. Während des 18. Jahrhunderts blieb Louisiana deshalb geteilt in eine »frontier exchange economy«4, die vor allem auf dem Anbau landwirtschaftlicher Produkte zur Selbstversorgung und dem Handel mit umliegenden Siedlungen der indigenen Bevölkerung basierte, und einer im Entstehen begriffenen Plantagenwirtschaft. Letztere war es, die aufgrund der relativ geringen Einwanderung den Mangel an Arbeitskräften bald in den Vordergrund rückte. Da man sich allerdings eine weitreichende Versklavung der benachbarten Stämme wegen der Abhängigkeit der Kolonie von der militärischen und landwirtschaftlichen Hilfe der Nachbarn nicht erlauben konnte, nahm man von dieser Praxis schnell Abstand.5 Ein erster Impuls für die Einfuhr afrikanischer SklavInnen kam in den 1720er Jahren, als man begann, das Louisiana-Gebiet für den Anbau von Tabak zu nutzen. Es dauerte bis um 1800, bis sich in Louisiana aufgrund technischer Errungenschaften in der Verarbeitung von Zucker und Baumwolle eine Plantagenwirtschaft mit riesigen Landgütern und einer großen Zahl von SklavInnen herausgebildet hatte.6 Die ersten Sklaveneinfuhren in Louisiana wurden durch die Compagnie du Sénégale durchgeführt, die seit einigen Jahrzehnten ein Handelsprivileg entlang der westafrikanischen Küste besaß. In der relativ kurzen Zeit zwischen 1718 und 17317 kamen auf diesem Wege über 6.000 SklavInnen nach Louisiana. Wegen der relativen Geschlossenheit der Gruppe in Stammeszugehörigkeit, Herkunft, Sprache und Kultur ist diese Phase der Sklaveneinfuhr wichtig für die Entstehung der afrokreolischen Kultur in Louisiana. Der Großteil der eingeführten SklavInnen stammte aus der Region Senegambia entlang des oberen Teils des Flusses Niger.8 4

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Daniel H. Usner, Jr.: Indians, Settlers, and Slaves in a Frontier Exchange Economy. The Lower Mississippi Valley before 1783, Chapel Hill: University of North Carolina Press 1992, passim. Zum Problem der Versklavung indigener Stämme siehe Spear, 104-05. Usner, passim. 1731 stellte Louisiana den Sklavenhandel vorübergehend ein. Carl A. Brasseaux: »French Louisiana’s Senegambian Legacy«, in: Sénégal: Peintures Narratives – Narrative Paintings. The Collection of Maurie Dedieu, Lafayette: University Art Museum, University of Southwestern Louisiana Press 1986, 54. Obwohl der geographische Herkunftsraum sehr weitläufig war, wurden viele der eingeführten SklavInnen den Stämmen der Bambara-Nation zugeordnet. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Terminus ›Bambara‹ um einen kolonialen Begriff handelt, der in Senegambia als generisches Label für SklavInnen benutzt wurde, ohne eine Spezifizierung des ethnischen Hintergrundes. Sicher scheint jedoch, dass ein großer Teil der nach Louisiana eingeführten SklavInnen zumindest aus dem weiteren Gebiet der westafrikanischen Küste stammte. Vgl. Peter Caron: »›Of a Nation which the Others do not Understand‹: Bambara Slaves and African Ethnicity in Colonial Louisiana, 1718-60«, in: Slavery and Abolition 18:1 (April 1997), 100, 115; Gwendolyn Midlo Hall: »The Formation of Afro-Creole Culture«, in: Arnold R. Hirsch/Joseph Logsdon (eds.), Creole New Orleans. Race and Americanization, Baton Rouge: Louisi-

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Nachdem es der französischen Kolonialmacht bis Mitte des 18. Jahrhunderts gelungen war, mit New Orleans eine funktionierende koloniale Siedlung zu etablieren, änderten sich die Verhältnisse schlagartig mit dem Ausgang des French and Indian War. Im Friedensvertrag von Paris aus dem Jahre 1763 trat Frankreich seine Besitzungen im heutigen Kanada an Großbritannien ab und verlor das Louisiana-Gebiet an Spanien. Frankreich verschwand damit als Kolonialmacht von der Landkarte des nordamerikanischen Kontinents. Allerdings dauerte es weitere vier Jahre, bis Spanien Kolonialpersonal nach Louisiana entsandte. Die spanische Krone wusste, dass sie das Gebiet nur in ihrem Herrschaftsgebiet halten konnte, wenn sie es mit ausreichend spanischen SiedlerInnen versorgte. Doch obwohl die Bevölkerung von New Orleans während der spanischen Herrschaft tatsächlich um das Dreifache wuchs, gelang eine ›Hispanisierung‹ nur bruchstückhaft.9

Die Free People of Color Die wichtigste demographische Hinterlassenschaft der spanischen Kolonialzeit war die Entstehung einer dreischichtigen Gesellschaft. Zwischen der weißen Oberschicht, die sich aus ehemaligen französischen und spanischen Kolonialbeamten sowie zugewanderten weißen Plantagenbesitzern und Händlern von den westindischen Inseln zusammensetzte, und der steigenden Zahl an SklavInnen, etablierte sich in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts die Gruppe der Free People of Color. In der Forschung sind vielerlei Gründe für ihr starkes Anwachsen während dieser Zeit genannt worden. Die wichtigsten waren ein Mangel an weißen Siedlerinnen, eine von der englischen Praxis abweichende Einstellung der französischen und spanischen Kolonialmächte zu ›rassengemischten‹ Beziehungen und die spanischen Freilassungsgesetze. Wesentliches Problem für die fortschreitende Besiedlung Louisianas war der konstante Mangel an heiratsfähigen weißen Frauen. Nach den spanischen Zensuserhebungen kamen im Jahre 1769 auf 100 Frauen in den jeweiligen Gruppen 135 weiße Männer, 48 Free Men of Color und 81 Sklaven. Der Überschuss an weißen Männern und Free Women of Color führte in vielen Fällen zu ›rassengemischten‹ Liebesbeziehungen.10 Neben New Orleans verzeichneten auch die umliegenden ländlichen Gebiete wie die Attakapas und Opelousas-Regionen im Süden und Südwesten ana State UP 1992, 66-69; Michael A. Gomez: Exchanging Our Country Marks. The Transformation of African Identities in the Colonial and Antebellum South, Chapel Hill: University of North Carolina Press 1998, Kapitel 1-2. 9 Siehe dazu Jerah Johnson: »Colonial New Orleans: A Fragment of the Eighteenth-Century French Ethos«, in: Arnold R. Hirsch/Joseph Logsdon (eds.), Creole New Orleans. Race and Americanization, Baton Rouge: Louisiana State UP 1992, 46-47. 10 Lachance: »The Formation of a Three-Caste Society«, 227. Zum Geschlechterverhältnis im kolonialen und territorialen New Orleans siehe Paul F. Lachance: »L’effet de déséquilibre des sexes sur le comportement matrimonial: comparaison entre la Nouvelle-France, Saint-Domingue et la Nouvelle-Orléans«, in: Revue d’histoire de l’Amérique française 39:2 (1985), 211-31. Für eine frühe Einschätzung der unterschiedlichen Einstellungen zu ›rassengemischten‹ Beziehungen der europäischen Kolonialmächte siehe Carter G. Woodson: »The Beginnings of the Miscegenation of the Whites and Blacks«, in: Journal of Negro History 3:4 (October 1918), 335-53.

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Louisianas einen Zuwachs an Free People of Color.11 Mit der steigenden Zahl ›rassengemischter‹ eheähnlicher Beziehungen ging die besondere Freilassungsgesetzgebung der spanischen Kolonialregierung einher. Diese erlaubte SklavInnen, ihre Freiheit mit dem Geld zu erwerben, das sie durch Extraarbeiten außerhalb des normalen Arbeitspensums erwirtschaften konnten. Einer unfairen Preissetzung durch den Besitzer wurde durch die Möglichkeit Einhalt geboten, den Preis von einem Gericht festlegen zu lassen.12 Diese in den von Spanien kontrollierten Kolonialgebieten als coartación13 bezeichnete Praxis machte die SklavInnen zwar prinzipiell weniger abhängig von der Gunst und Willkür der Besitzer, doch gestaltete sich der Prozess des Freikaufs häufig sehr langwierig, kostspielig und gefährlich. Trotzdem gelang es in Louisiana zwischen 1769 und 1803 1.490 SklavInnen, auf diese Weise ihre Freiheit zu erkaufen. Angesichts der noch sehr niedrigen Bevölkerungszahl im Jahre 1785 von 4.433 weißen Bewohnern, 9.513 SklavInnen und 907 Free People of Color handelt es sich um eine beträchtliche Zahl.14 Da die spanische Kolonialregierung den französischen Code Noir, der in Louisiana 1724 eingeführt worden war, übernahm, erhielten die Freigelassenen dieselben Rechte und Privilegien wie alle freien Kolonialbürger Louisianas.15 Seine 54 Artikel behandeln sowohl die Rechte und Vorschriften für die Sklavenbevölkerung als auch den Status von Freigelassenen und freigeborenen farbigen Personen. Der für die Entstehung der Free People of Color wohl wichtigste Artikel verbot die Heirat zwischen weißen und farbigen Louisianians, ganz gleich welchen sozialen Status sie besaßen.16 Außerdem wurden außereheliche Beziehungen zwischen SklavInnen und Free People of Color verboten.17 Von großer Bedeutung ist, dass der Code Noir zwar die Ehe, 11 Brasseaux/Fontenot/Oubre, 8. Der Opelousas-Parish wurde 1807 in St. Landry Parish umbenannt. Als Parish werden in Louisiana die regionalen Verwaltungseinheiten bezeichnet, die auf den kirchlichen Gemeindegrenzen beruhen. Die amerikanischen Machthaber versuchten zwar anfangs, ihr County-System durchzusetzen, allerdings entwickelte sich dadurch eine ineffiziente Parallelstruktur, so dass Louisiana bis heute aus den lokalen Einheiten der Parishes besteht. 12 Laura Foner: »The Free People of Color in Louisiana and St. Domingue. A Comparative Portrait of Two Three-Caste Slave Societies«, in: Journal of Social History 3 (1970), 410. 13 Die coartación basierte auf dem spanischen Gesetz des Mittelalters, Siete Partidas, das in Louisiana zwar nie als offizielles Gesetz publiziert wurde, das jedoch seit 1769 Anwendung fand. Vgl. Thomas N. Ingersoll: »Free Blacks in a Slave Society: New Orleans, 1718-1812«, in: William and Mary Quarterly, 3rd series, 48:2 (April 1991), 180. 14 Ingersoll: »Free Blacks in a Slave Society«, 183. 15 Bei dem im Jahre 1724 für Louisiana erlassenen Code Noir handelte es sich um eine leicht abgeänderte Form des Code Noir, der 1685 für die Kolonialgebiete auf den französischen karibischen Inseln erlassen wurde. Recueil d’Edits, Declarations et Arreste de sa Majeste, Concernant l’Administratioin de la Justice et la Police des Colonies Françaises de l’Amérique, et les Engagés, Paris: Chez le Libraires Associez 1744, Library of Congress/Bibliothèque nationale de France, La France en Amérique. France in America, http://visualiseur.bnf.fr/Visualiseur? Destination=Gallica&O=NUMM-84479, Stand: 15. Oktober 2005. 16 Recueil d’Edits, Declarations…, 138. Dieses Verbot wurde später auch durch den amerikanischen Civil Code von 1808 aufrechterhalten. 17 Recueil d’Edits, Declarations…, 138.

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nicht aber außereheliche Beziehungen zwischen freien Farbigen und Weißen verbot. Den sozialen Statusunterschied zwischen SklavInnen und Free People of Color stellte Art. 28 fest, indem er tätliche Angriffe von SklavInnen auf alle freien Personen mit schwerwiegenden Strafen bis hin zur Todesstrafe belegte.18 Zwar handelte es sich bei dem Code Noir ursprünglich um ein französisches Gesetz, wichtig wurden seine Auswirkungen angesichts des starken Anstiegs der Free People of Color-Bevölkerung aber vor allem unter der spanischen Herrschaft. Dass die Regierung sowohl den Code Noir beibehielt als auch im Vergleich recht großzügige Freilassungsgesetze erließ, zeugte von einer grundsätzlich wohlgesonnenen Einstellung gegenüber den Free People of Color.19 Über die Gründe dafür ist in der Forschung viel spekuliert worden. Häufig wird vor allem der Nutzen betont, den sich die Spanier von einer starken gesellschaftlichen Mittelschicht versprachen. Die Free People of Color wurden zur inneren und äußeren Verteidigung der Kolonie eingesetzt und wirkten als ein sozialer Puffer zwischen den Kolonisatoren und den SklavInnen. Zu guter Letzt füllten sie in der noch rudimentären kolonialen Siedlungsgesellschaft als Handwerker und Kleinhändler große Lücken auf dem Arbeitsmarkt.20 Doch die strategische Unterstützung der Spanier erklärt noch nicht hinreichend, warum in Louisiana eine dreischichtige Gesellschaft entstand, die sich wesentlich von den angloamerikanischen Kolonien unterschied. Auch dort entwickelten sich zum Teil Gruppen freier Farbiger, doch ähnelte deren gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Status weitestgehend dem der Sklavenbevölkerung. Um dieses Phänomen erklären zu können, hat sich die Forschung intensiv der Einstellung der Kolonialmächte zur ›Rassenmischung‹ gewidmet. Vielfach ist argumentiert worden, dass der spanische Einfluss in Louisiana dazu geführt habe, dass die color line verschiebbar blieb und mittlere Gruppen wie die Free People of Color mehr Spielraum für sozialen Aufstieg unabhängig von ihrem ethnischen Erbe besaßen.21 Maßgeb18 Für eine detaillierte Diskussion einzelner Artikel des Code Noir siehe auch Spear, 119-29 sowie William R. Riddell: »Le Code Noir«, in: Journal of Negro History 10:3 (July 1925), 321-29. 19 Die Rechte der Free People of Color wurden z. B. nochmals klar definiert in einem Erlass des spanischen Gouverneurs Baron de Carondelet: »Free People of Color, enjoying by law the same advantages with the other members of the nation with which they are incorporated, may not be molested in the possession of their property, injured, or ill-treated[.]«, zitiert aus einem Bericht des amerikanischen Kongresses über die Gesetzeslage in Louisiana: »Digest of the Laws of Louisiana«, Annals of Congress, 8th Cong., 2nd sess. (1804-05), 1570. 20 Kimberly Hanger: »The Fortunes of Women in America: Spanish New Orleans’ Free Women of African Descent and their Relations with Slave Women«, in: Patricia Morton (ed.), Discovering the Women in Slavery. Emancipating Perspectives on the American Past, Athens: University of Georgia Press 1996, 155. Zur Entstehung der Free People of Color während der spanischen Kolonialzeit vgl. Hanger: »Patronage, Property and Persistence: The Emergence of a Free Black Elite in Spanish New Orleans«, in: Slavery and Abolition 17 (April 1996), 44-64. 21 Laura Foner kam in ihrem Vergleich der Drei-Kasten-Gesellschaften Louisianas und St. Domingues zu dem Schluss, dass die »Rassenlinien« in den Gesellschaften der britischen und französischen West Indies strenger definiert waren als in den spanischen Gebieten. Trotzdem gelang es vielen Ex-SklavInnen auch hier, sich in eine mittlere Gesellschaftsgruppe einzugliedern: Foner, 406.

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licher Bezugspunkt in dieser Forschungsdebatte ist die von Frank T. Tannenbaum formulierte These, die eine direkte Verbindung zwischen dem kulturellen Hintergrund der Kolonisatoren und deren Umgang mit einer freien, ›rassengemischten‹ Bevölkerung unterstellte. Neuere Forschungen haben sowohl diese Dichotomie von angelsächsischem und romanischem Rassensystem in Frage gestellt als auch auf lange vernachlässigte Faktoren wie ökonomische Nischen und militärische Aufgaben hingewiesen, die für die Entstehung und Festigung einer mittleren Gesellschaftsschicht wichtig waren.22 Darüber hinaus haben Forscher wie Winthrop D. Jordan darauf hingewiesen, dass sich in englischen Inselkolonien ebenfalls liberale und dreistufige Gesellschaftsformen entwickelten. Die dichotome Rassentrennung der englischen Festlandkolonien allein auf das Kulturerbe der englischen Kolonialherren zurückzuführen, greift demnach zu kurz.23 Offensichtlich scheint die Einstellung der englischen Kolonisatoren gegenüber einer freien, ›rassengemischten‹ Bevölkerungsschicht auch von geographischen, ökonomischen und vor allem demographischen Verhältnissen bestimmt gewesen zu sein. Jordan sieht den wesentlichen Grund für die Unterschiede zwischen Festland- und Inselkolonien in der jeweiligen Bevölkerungszusammensetzung. Dort wo der prozentuale Anteil der farbigen Bevölkerung den der weißen um ein erhebliches Maß überstieg, war es der weißen Bevölkerung nur schwer möglich, englische Lebensweise und Kultur aufrechtzuerhalten. Nur dort, wo man trotz einer großen Anzahl von SklavInnen noch das Gefühl hatte, kulturell und sozial die Oberhand zu haben, war man in der Lage, der Vermischung Einhalt zu gebieten. Die Frage nach der Bedeutung einer eventuell abweichenden Wahrnehmung der ›Rassenmischung‹ durch die französischen und spanischen Kolonialmächte für die Entstehung der Free People of Color in Louisiana ist nicht Thema dieser Arbeit und kann deshalb an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Wichtig ist allerdings die Tatsache, dass eine mögliche laxere Einstellung gegenüber ›rassengemischten‹ Beziehungen aus Sicht der späteren amerikanischen Machthaber immer wieder als Erklärung für die ›unamerikanische‹ Gesellschaftsstruktur in New Orleans und Umgebung herangezogen wurde.

22 Frank Tannenbaum: Slave and Citizen. The Negro in the Americas, New York: Knopf 1947. Die Free People of Color wurden bevorzugt in militärischen Auseinandersetzungen mit den American Indians, als Sklavenfänger und als Arbeiter in Notsituationen wie bei den häufigen Überschwemmungen und Deichbrüchen eingesetzt. Foner, 415. Eine ähnliche Interpretation lieferte Marvin Harris für die brasilianische Gesellschaft: Patterns of Race in the Americas, New York: Walker and Co. 1964. Dieser Interpretation widerspricht Harmannus Hoetink: Slavery and Race Relations in the Americas. Comparative Notes on Their Nature and Nexus, New York: Harper 1973. Für wirtschaftliche und demographische Verhältnisse als Determinanten für den Status und den Umgang mit einer ›rassengemischten‹ mittleren Bevölkerungsgruppe spricht sich auch David C. Rankin aus: »The Tannenbaum Thesis Reconsidered: Slavery and Race Relations in Antebellum Louisiana«, in: Southern Studies 18:1 (Spring 1979), 5-31. 23 Auf diesen Umstand wies v. a. Winthrop D. Jordan in seinem vergleichenden Essay hin: »American Chiaroscuro: The Status and Definition of Mulattoes in the British Colonies«, in: William and Mary Quarterly, 3rd series, 19:2 (April 1962), 192. Siehe auch Donald L. Horowitz: »Color Differentiation in the American System of Slavery«, in: Journal of Interdisciplinary History 3:3 (Winter 1973), 540.

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Zwischen 1771 und 1805 wuchs der Anteil der Free People of Color an der Gesamtbevölkerung von New Orleans um 15,9 Prozent auf 19 Prozent. Innerhalb der freien Bevölkerung betrug er 1805 30,6 Prozent, was einer Versechsfachung entspricht.24 Obwohl es auch in den ländlicheren Parishes Free People of Color gab, handelte es sich eher um ein städtisches Phänomen. Innerhalb des zwar noch überschaubaren, aber stetig wachsenden Wirtschaftssystems Louisianas nahmen sie vorwiegend Positionen im Handel und Handwerk ein. Auffallend ist, dass viele Free Women of Color einer beruflichen Tätigkeit nachgingen. Zum einen lag dies an der noch unsicheren wirtschaftlichen Lage vieler Free People of Color-Familien, zum anderen an der Tatsache, dass sie früh berufliche Nischen für sich eroberten. Insgesamt kann man festhalten, dass die Free People of Color an der Wende zum 19. Jahrhundert zwar keine Reichtümer für sich veranschlagen konnten, aber zum großen Teil der sozioökonomischen Mittelschicht angehörten.25 Diese gesellschaftliche Stellung, die die Free People of Color von der Sklavenbevölkerung unterschied, basierte außerdem auf einer Reihe von Rechten, die ihnen von den Kolonialmächten zugesprochen wurden. Eines der wichtigsten war das Recht auf Besitz, das es ihnen ermöglichte, ihre soziale und wirtschaftliche Position besonders durch den Handel mit Immobilien zu festigen. Darüber hinaus war es ihnen, anders als den SklavInnen, erlaubt, ihre Rechte vor Gericht einzuklagen. Als anerkannte Mitglieder der katholischen Kirche empfingen sie zudem alle heiligen Sakramente – mit der Einschränkung in Bezug auf ›rassengemischte‹ Eheschließungen – und konnten ihren Beruf frei wählen, obgleich es in diesem Bereich de facto Einschränkungen aufgrund von Vorurteilen gab.26 Am Vorabend der amerikanischen Machtübernahme war Louisianas Gesellschaft dreischichtig. Zwischen der weißen Hegemonialbevölkerung und den SklavInnen hatte sich, begünstigt vor allem durch das Geschlechterungleichgewicht und die in einigen Punkten abweichende Kolonialpolitik der französischen und spanischen Herrscher, die mittlere Schicht der Free People of Color herausgebildet. Als eine eigene gesellschaftliche Gruppe von den Kolonialmächten anerkannt, bildete sich in der Folgezeit auf der Grundlage der ihnen zugestandenen Rechte, ihres ökonomischen Status und ihres ethnokulturellen Erbes ihre gruppenspezifische kollektive Identität heraus.

24 Hanger: »Patronage, Property and Persistence«, 57. 25 Zu berufstätigen Free Women of Color siehe Gould: »In Full Enjoyment of their Liberty«, passim; für einen Überblick über prominente Free People of Color in unterschiedlichen Geschäftsbereichen siehe Mary Gehman: »Visible Means of Support. Businesses, Professions, and Trades of Free People of Color«, in: Sybil Kein (ed.), Creole. The History and Legacy of Louisiana’s Free People of Color, Baton Rouge: Louisiana State UP 2000, 208-22. 26 Eine anschauliche Beschreibung über die soziale Stellung der Free People of Color in der Antebellumzeit bietet Sterkx, 160-99.

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»Quadroons, Catholicism and Aristocracy«: Die Konstruktion von der ›unamerikanischen‹ kreolischen Gesellschaft »A man might here study the world. Every race that the world boasts is here, and a good many races that are nowhere else. The strangest and most complicated mixture of negro and Caucasian blood, with negroes washed white, and white men that mulattoes would scorn to claim as of their own particular hybrid [.]«27

Bis zur amerikanischen Übernahme des Gebietes war in Louisiana eine multikulturelle und multiethnische Gesellschaft entstanden. Einflüsse aus der französischen und spanischen Herrschaft hatten sich mit kulturellen Elementen der Sklavenbevölkerung gemischt, Einwanderer aus Haiti und den kanarischen Inseln lebten dicht neben Siedlern aus Deutschland und der Schweiz und alle gemeinsam trugen sie bei zu einer kreolisierten Gesellschaft und Kultur, die sich in wesentlichen Dingen von der angelsächsischen Kultur der übrigen US-Bundesstaaten und Territorien unterschied.28 Verstärkt wurde die Fremdheitswahrnehmung der amerikanischen Regierungsbeamten und der Siedlerfamilien durch den Umstand, dass sich ihr Wissen größtenteils aus Reisebeschreibungen und Hörensagen speiste. New Orleans erschien ihnen als großes Enigma und eine Art ›Orient‹ der Republik. Tatsächlich war die Stadt am Golf bekannt als ein Zufluchtsort für Personen

27 Will H. Coleman: »The French Market«, in: Frank De Caro (ed.), Louisiana Sojourns. Travellers’ Tales and Literary Journeys, Baton Rouge: Louisiana State UP 1998, 89, 91. Zum French Market als Ort, wo sich dem Besucher die Vielzahl an unterschiedlichen Menschen und Sprachen offenbarte siehe auch Daily True Delta, 3. Februar 1850; Fredrick Law Olmsted: The Cotton Kingdom. A Traveller’s Observations on Cotton and Slavery in the American Slave States, Arthur M. Schlesinger (ed.), New York: Modern Library 1984 [1861], 229; Benjamin Henry Boneval Latrobe: Impressions Respecting New Orleans. Diary and Sketches 1818-1820, Samuel Wilson, Jr. (ed.), New York: Columbia UP 1951, 22; Fredrika Bremer: Homes of the New World. Impressions of America, Mary Howitt (transl.), 2 vols., vol. 1, New York: Harper and Brothers 1854, 213. Siehe außerdem die Beschreibung bei Paul Wilhelm, Herzog von Württemberg: Erste Reise nach dem nördlichen Amerika in den Jahren 1822 bis 1824, Tübingen: Verlag der J. C. Cotta’schen Buchhandlung 1835, 31-32. 28 Trotz dieser multikulturellen Wurzeln der Bevölkerung lässt sich eine besondere Sogkraft des im weitesten Sinne gallischen Kulturkreises festmachen, die dazu führte, dass die kreolisierte Gesellschaft von außen als französisch wahrgenommen wurde. Tatsächlich gingen die Einflüsse vieler europäischer Einwandererkulturen in der französisch-geprägten Gesellschaft Louisianas auf. Vgl. T. Lynn Smith/Vernon J. Parenton: »Acculturation Among the Louisiana French«, in: American Journal of Sociology 44:3 (November 1938), 355-64. Zur Reziprozität der Kreolisierung siehe Hall: »The Formation of Afro-Creole Culture«, 59.

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zweifelhaften Rufes und finstere Piratenvölker.29 Vor allem wegen seiner Lage an der Mündung des Mississippi und am Golf von Mexiko, sowie der Nähe zu den karibischen Inseln, sahen amerikanische Plantagenbesitzer, Großkaufleute und Händler in New Orleans lange vernachlässigtes Potenzial. Damit dieses aber profitabel genutzt werden konnte, musste die Stadt mitsamt der umliegenden Region erst erschlossen werden. Dazu fehlten 1803 die notwendigen Siedlerfamilien. Die Mehrzahl der Louisianians stammten zu dieser Zeit aus der ancienne population.30 Da die Nachricht von dem Machtwechsel noch nicht bis zu ihnen vorgedrungen war, zeigten sie sich erstaunt, als die ersten Regierungsund Handelsvertreter aus Washington in New Orleans eintrafen. Weil man einen Aufstand loyaler spanischer Siedler befürchtete, hatte man versucht, die Neuigkeiten über den Herrschaftswechsel bis zur Ankunft der amerikanischen Vorhut geheim zu halten.31 Der Erwerb des riesigen Louisiana-Gebietes stellte für die junge Nation eine große Herausforderung dar: ein ungeheures Gebiet mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen (trotz der relativ spärlichen Besiedlung weiter Teile) musste nicht nur angegliedert, sondern in ein noch unfertiges nationales Gebilde integriert werden. Die räumliche Eingliederung stellte dabei das kleinere Problem dar, die wirkliche Aufgabe bestand darin, die kreolische ancienne population an die junge amerikanische Nation zu binden. Zu Beginn des Jahrhunderts stand die kreolisierte Gesellschaft Louisianas deshalb einer amerikanischen Gesellschaft gegenüber, die sich zwar ebenfalls noch im Prozess der Identitätsfindung befand, die aber fortan die Norm darstellte, an der sich die Kreolen messen lassen mussten. Der sich in den ersten Jahren nach dem Louisiana Purchase entwickelnde Konflikt zwischen neuen amerikanischen, vorwiegend protestantischen Machthabern und der katholischen kreolischen Bevölkerung stellt die Folie dar, auf der die Geschichte Louisianas und das Verständnis des dort herrschenden Rassendiskurses zu sehen sind. Neben den geographischen und botanischen Unterschieden, die den Amerikanern bei ihrer Ankunft in Louisiana ins Auge fielen, nahmen sie vor allem die Gesellschaftsstruktur Louisianas als fremd und zutiefst ›unamerikanisch‹ wahr. Sie gewannen den Eindruck, bei den Kreolen Louisianas handele es sich um eine altweltliche aristokratische Gesellschaft, die einem unaufgeklärten Katholizismus frönte und die obendrein durch mangelhafte Bildung, fehlendes Demokratieverständnis und laxe Moralvor29 Zu den ›Piraten‹ siehe Stanley Faye: »Privateers of Guadeloupe and Their Establishment in Barataria«, in: Louisiana Historical Quarterly 23 (April 1940), 431-34. 30 Als ancienne population wird im Folgenden die zur Zeit des Louisiana-Erwerbs im Gebiet ansässige Bevölkerung bezeichnet, die ursprünglich französischer und spanischer Herkunft war. Des Weiteren werden solche Familien dazugezählt, die aufgrund ihres kulturellen Erbes, ihrer sozialen Position und ihres katholischen Glaubens dieser Bevölkerung sehr ähnlich waren, nicht aber notwendigerweise aus Frankreich, sondern von den West Indies oder aus anderen europäischen Ländern stammten. Wichtigstes Bindeglied innerhalb der ancienne population war die französische Sprache. 31 Claiborne an den Präsidenten, 29. September 1803, Clarence E. Carter (ed.): The Territorial Papers of the United States, vol. 9: Territory of New Orleans, 1803-1812, Washington: GPO 1940, 59; fortan TP abgekürzt.

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stellungen auffiel. Die Bewohner des »Southern Babylon«32, wie New Orleans gerne von den Amerikanern genannt wurde, würden zunächst ›amerikanisiert‹ werden müssen, bevor sie als gleichwertige Bürger an der Demokratie teilhaben könnten.33 Das Bild von Louisiana und New Orleans als amerikanischem ›Orient‹ war durch die Vielzahl an ReiseautorInnen entstanden, die das Gebiet seit der europäischen Kolonialzeit bereist hatten.34 Sie kreierten in ihren Berichten ein ›anderes‹ Amerika, das sie zugleich anzog und abstieß. Die von der Reiseliteratur ausgehende Faszination mischte sich bald mit den Ängsten und Sorgen der amerikanischen Regierungsbeamten vor Ort zu einem ›OrientDiskurs‹, der die Grundlage darstellte für eine langlebige und tiefgehende Repräsentation Louisianas als dem ›anderen‹ Amerika, die sich bis in die heutige Zeit zieht. So dient die Stadt der ›Großen Leichtigkeit‹ während des alljährlichen Mardi Gras-Spektakels für amerikanische TouristInnen auch heute noch als der Ort, wo man sich dem zügellosen Vergnügen hingeben darf.35 Die Fremdheitswahrnehmung der Amerikaner wurde dabei gespiegelt von der kreolischen Bevölkerung, die ihrerseits in ihren neuen ›Herrschern‹ die ›Anderen‹ sahen. Die vielfältigen Beziehungen zwischen Louisiana und verschiedenen karibischen Staaten, sowohl im Handel als auch auf individueller und familiärer Ebene, hatten Louisiana über das 18. Jahrhundert hinweg zu einem wichtigen Teil der die karibischen Inseln umspannenden Kolonialwelt gemacht.36 Nicht wenige Plantagenbesitzer und am Geschäft der Sklaverei verdienende Unternehmer hatten es als ein erstrebenswertes Ziel angesehen, Louisiana zu einem zentralen Ort innerhalb eines karibischen Herrschaftssys32 Herbert A. Kellar: »A Journey Through the South in 1836: Diary of James D. Davidson«, in: Journal of Southern History 1:3 (August 1935), 357. 33 Mit dem Begriff der ›Amerikanisierung‹ sind im Folgenden die vielfältigen Prozesse der Assimilation gemeint. Neben der Angleichung des politischen Systems, des Rechtswesens oder der Wirtschaftspraxen war vor allem der amerikanische Versuch von Bedeutung, das dreischichtige Gesellschaftssystem Louisianas in ein binäres Rassen- und Gesellschaftssystem umzuformen. Die Anführungszeichen sollen daran erinnern, dass die amerikanische Identität ebenfalls im Prozess der Aushandlung war und nicht auf ein monolithisches Identitätskonzept zurückgreift. 34 Für die folgende Analyse wird verstärkt auf Quellen der Reiseliteratur zurückgegriffen. Dabei bin ich mir der Tatsache bewusst, dass diese nur selten den modernen Ansprüchen einer ethnographischen Darstellung gerecht wurden. Reiseliteratur konzentriert sich auf Details und Eigentümlichkeiten, die bisweilen unkorrekt und oberflächlich wiedergegeben werden. Es geht jedoch im Folgenden nicht um einen Abgleich mit der ›Wirklichkeit‹, sondern um die Analyse der Wahrnehmung und der Repräsentationen dieses Ortes durch die nicht-kreolische Welt. Zur Reiseliteratur siehe John D. Cox: Traveling South: Travel Narratives and the Construction of American Identity, Athens: University of Georgia Press 2005. 35 Die Darstellung Louisianas im 19. Jahrhundert als irrationales, moralisch verdorbenes und verweiblichtes ›Andere‹ ähnelt in verschiedenen Punkte Saids Orientalismus. Vgl. Orientalism, New York: Vintage 1979. 36 Joseph Roach prägte in der englischsprachigen Forschung den Begriff der ›circum-Atlantic world‹, den er dem häufigeren ›trans-Atlantic‹ vorzieht, um auf die Interdependenzen und die unterschiedlichen Richtungen der Beeinflussung zwischen der ›Neuen Welt‹ und Afrika in der Entstehung der modernen Gesellschaft hinzuweisen: Cities of the Dead. Circum-Atlantic Performance, New York: Columbia UP 1996, 4.

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tems aufzubauen. Die amerikanische Machtübernahme hatte nicht nur jegliche Aussicht auf eine politische Zusammenfindung zunichte gemacht, sondern stellte vor allem die kulturelle und gesellschaftliche Verwobenheit dieser atlantischen Verwandtschaft in Frage.

Religion, Kultur und Sexualität Das orientalisierte Bild, das die Amerikaner von Louisiana hatten, äußerte sich besonders in ihrer Betrachtung von Religion, Kultur und Sexualität. Den vorwiegend vom Protestantismus geprägten Amerikanern stach der Katholizismus der kreolischen Gesellschaft schnell ins Auge. Allerdings war es nicht allein der von ihnen als altweltlich und überholt eingestufte Glaube, der sie irritierte, sondern vielmehr die augenscheinlich fehlende Gottesfürchtigkeit der Kreolen allgemein. Diese äußerte sich für sie am sichtbarsten in der Begehung des heiligen Sonntags. Sowohl die Tatsache, dass an diesem Tag rege Geschäftigkeit in allen Straßen herrschte, als auch die Häufigkeit, mit der frivolen Vergnügungen wie dem Glücksspiel und dem Tanz nachgegangen wurde, erstaunten die protestantischen Amerikaner.37 Neben der Geschäftigkeit der Katholiken am heiligen Sonntag, waren die von katholischen Riten geprägten Gottesdienste für die Amerikaner ein Sinnbild der Fremdartigkeit. Religiöse und ›rassische‹ Differenz vereinten sich in ihnen zu einem abrufbaren Fremdheitssymbol, das sich bis weit ins 19. Jahrhundert in der Reiseliteratur findet: »Within the edifice [St. Louis Cathedral, N.M.] there is no separation. Some few persons may be in pews; but kneeling on the pavement may be seen a multitude, of every shade of complexion, from the fair Scotchwoman or German to the jet-black pure African. The Spanish eye flashes from beneath the veil; the French Creole countenance, painted high, is surmounted by the neat cap or the showy bonnet; while between them may be thrust a gray-headed mulatto, following with his stupid eyes the evolutions of the priest; or the devout Negro woman telling her beads—a string of berries—as if her life depended on her task.«38

37 James Alexander Robertson (ed.): Louisiana under the Rule of Spain, France, and the United States, 1785-1807. Social, Economic, and Political Conditions of the Territory represented in the Louisiana Purchase as portrayed in hitherto unpublished contemporary accounts by Dr. Paul Alliot and various Spanish, French, English, and American Officials, 2 vols., Freeport, NY: Books for Libraries Press 1969 [1910-11], 75-77. Vgl. Latrobe, 35-36; Samuel Gray to Samuel Merril, 1. Januar 1848, Samuel Gray Collection, Correspondence, Historic New Orleans Collection, Williams Research Center, New Orleans, Louisiana (HNOC); Bernard Saxe-Weimar-Eisenach: Travels by His Highness Duke Bernhard of Saxe-Weimar-Eisenach Through North America in the Years 1825 and 1826, William Jeronimus (transl.), C. J. Jeronimus (ed.), Lanham: UP of America 2001, 341; James Stuart: Three Years in North America, 3rd rev. ed., 2 vols., vol. 2, Edinburgh: Printed for Robert Cadell 1833, 206. 38 Harriet Martineau: Retrospect of Western Travel, new ed. with introduction by Daniel Feller, Armonk, NY: M. E. Sharpe 2000 [1838], 109. Zur Rassenintegration in katholischen Kirchen, vor allem der St. Louis-Cathedral, siehe Olmsted: Cotton Kingdom, 228.

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Viele BeobachterInnen verstörte der im alltäglichen Leben offenbar problemlose Umgang der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und ›Rassen‹ miteinander. Zwar war es auch in den atlantischen Staaten zu ›Rassenmischung‹ gekommen, doch schockierte sie die Selbstverständlichkeit und gesellschaftliche Toleranz, mit der diese Vergnügungen in New Orleans praktiziert wurden. Die Fluidität der Gesellschaft und die Schwierigkeit, die Menschen ›rassisch‹ zu klassifizieren, verwirrte die Amerikaner mindestens genauso wie die Tatsache, dass die kreolische Gesellschaft offenbar ihren Impuls zur Kategorisierung nicht teilte.39 Um die verstörende Faszination der ›rassischen‹ Vielfalt von New Orleans zu beschreiben, griffen die ReiseautorInnen tief in die Kiste der schriftstellerischen Finessen. Auch der Engländer George W. Feathersonhaugh beschrieb die New Orleanians als ein durch und durch ›fremdes‹ Volk, dessen Andersartigkeit sich in ihrem Äußeren widerspiegelte: »The population partook strongly of the character of the latitude it was in, a medley of Spaniards, Brazilians, West Indians, French Creoles, and breeds of all these mixed up with the Negro stock. […] [T]aking it altogether, I never saw such a piratical-looking population before. Dark, swarthy, thin whiskered, smoking, dirty, reckless-looking men; and filthy, ragged, screaming Negroes and mulattoes, crowded even Rue de Chartres, where our lodgings were, and made it a very unpleasant quarter to be in. Notwithstanding it was Sunday, the market was open, and there I saw green peas (January 1st), salads, bouquets of roses, bananas from Havana, and various good things that reminded me I was in the 30th degree of N. lat.«40

Die Verknüpfung von der Andersartigkeit der New Orleanians mit dem Raum – nämlich dem aus nordstaatlicher und westeuropäischer Sicht weit südlich liegenden 30. nördlichen Breitengrad – findet sich in vielen Reisebeschreibungen jener Zeit. New Orleans ist nicht einfach nur ein fremder Ort innerhalb des eigenen Landes: Er ist vielmehr ein Mysterium, dessen Sonderbarkeit sich aus seiner geographischen Lage ergibt. Weit entfernt von den Metropolen der jungen Republik, an der Mündung des endlosen, furchteinflößenden Mississippi gelegen, konnte New Orleans in der Imagination seiner neuen Besitzer und Siedler gar nicht unamerikanischer sein. Angesichts solcher Lebensumstände konnte es aus Sicht der Neulinge um die Moral der Kreolen nicht gut bestellt sein. So sahen denn auch viele Berichterstatter in der öffentlich betriebenen ›Rassenmischung‹ gleichzeitig die Ursa39 New Orleans wurde in der Wahrnehmung der weit verbreiteten ›Rassenmischung‹ zwischen ›weißen‹ und ›schwarzen‹ Rassen als Antipode gelesen zu dem ansonsten ländlich geprägten tieferen Süden. Die riesigen Zucker- und Baumwollplantagen wurden vornehmlich von SklavInnen bearbeitet, die – oftmals über Zwischenstationen in der Karibik oder in den oberen Südstaaten – aus Afrika kamen. Der Anteil ›rassengemischter‹ Personen an der Gesamtbevölkerung war im oberen Süden höher als im tieferen Süden. Lediglich New Orleans und die umliegenden Parishes bildeten eine Ausnahme. Siehe Williamson, 25 sowie Tabelle 5 im Anhang. 40 George W. Featherstonhaugh: Excursion through the Slave States, from Washington on the Potomac to the Frontier of Mexico; With Sketches of Popular Manners and Geological Notices, New York: Harper and Brothers 1844, 140. Vgl. Latrobe, 22.

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che für und die Folge der ›degenerierten Natur‹ der kreolischen Bevölkerung. Die ungenierte Zusammenkunft von Menschen jeglicher Hautfarbe führte nach Ansicht des aus Bordeaux stammenden Reisenden Berquin-Duvallon41 zumindest bei den unteren sozialen Schichten zu verdorbenen Sitten: »At every cross street of the town and suburbs, one sees those places of riot and intoxication crowded day and night. The low orders of every colour, white, yellow, and black, mix indiscriminately at these receptacles, finding a market for their pilferings, and solacing their cares with tobacco and brandy. Gambling is practiced to an incredible excess. To dancing there is no end.—Such a motley crew, and incongruous scene!«42

Doch auch die höheren gesellschaftlichen Schichten blieben von der Ungezügeltheit des rassenübergreifenden sozialen Kontaktes nicht unberührt. Als der amerikanische Gouverneur Claiborne eine Studie der kreolischen Oberschicht in Auftrag gab, um herauszufinden, welche Kreolen politische und bürokratische Ämter übernehmen könnten, wurden die Kandidaten auch hinsichtlich ihrer Moral beurteilt. Neben einigen Vertretern, denen diese völlig abgesprochen wurde, erhielten viele das zweifelhafte Prädikat »Creole morals«.43 Da die ReiseautorInnen stets ihre Leserschaft im Blick hatten, die, nachdem die Saat einmal gelegt worden war, immer mehr Kuriositäten aus dem amerikanischen ›Orient‹ forderte, fanden auch die Free People of Color mit ihrem aus amerikanischer Sicht eigentümlichen gesellschaftlichen Mittelstatus Eingang in die Berichte. Dabei hing es vom Schreibenden ab, ob sie als bemitleidens- oder bewundernswert angesehen wurden; eine Anomalie waren sie in jedem Fall. Timothy Flint sah in ihnen eine sozial und moralisch degenerierte Gruppe: »The heaviest scourge of New Orleans is its multitudes of free black and coloured people. They wallow in debauchery, are quarrelsome and saucy, and commit crimes, in proportion to the slaves, as a hundred to one.«44 Den Grund für ihre niedere Position in Wirtschaft und Gesellschaft sah BerquinDuvallon, der Flints Meinung teilte, sowohl in ihrer eigenen Unzulänglichkeit als auch in ihrer ambivalenten Herkunft. Mit der weißen Gesellschaft 41 Über die Herkunft Berquin-Duvallons herrschte lange Unklarheit. Am wahrscheinlichsten ist, dass er nicht – wie lange angenommen – aus St. Domingue stammte, sondern lediglich Familienbesitz dort besaß. Thomas D. Clark: Travels in the Old South. A Bibliography, 3 vols., vol. 2, Norman: University of Oklahoma 1956, 86. 42 Berquin-Duvallon: Travels in Louisiana and the Floridas in the Year, 1802, Giving a Correct Picture of those Countries, John Davis (transl.), New York: Riley and Co. 1806, 53-54. Das Gegenteil konstatierte für einen späteren Zeitpunkt Eliza Potter, die beschrieb, dass es vor allem innerhalb der höheren sozialen Schichten zur Interaktion über Rassengrenzen hinweg kam, während man auf unterer Ebene eher rassenbedingte Feindlichkeiten vorfand: A Hairdresser’s Experience in the High Life, Cincinnati, OH: E. Potter 1859, reprint New York: Oxford UP 1991, 159. 43 Characterization of New Orleans Residents, 1. Juli 1804, TP, 248-58. 44 Timothy Flint: Recollections of the Last Ten Years. Passed in Occasional Residences and Journeyings in the Valley of the Mississippi (1826), in: John Davis: »Observations on the Negroes in Louisiana«, in: Journal of Negro History 2:2 (April 1917), 177.

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verwandt, konnten sie dennoch nie auf deren volle Anerkennung als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft hoffen: »Die Mulatten sind insgesamt Faulenzer, Schwelger, Trunkenbolde, Lügner, Windbeutel, Grobiane und feige Memmen. Sie hassen von Herzensgrunde die Weißen, denen sie doch ihr Dasein zu danken haben, und die ihre ersten und vornehmsten Wohlthäter sind. […] Die Mulattinnen sind zwar nicht so ganz mit allen Gebrechen der Mulatten behaftet; aber sie ähneln ihnen doch in ihrem großen Hange zur Ungebundenheit, in ihrer Eitelkeit, welche die Schoossünde beider Geschlechter ist, und (als eine Folge von eben dieser Eitelkeit) in ihrem Hasse gegen die Klasse der Weißen überhaupt, und gegen die weißen Weiber insonderheit[.]«45

Andere Autoren, wie der Arzt Paul Alliot, betonten dagegen die erstaunlichen Zugeständnisse, die die kreolische Gesellschaft an die Free People of Color gemacht hatte.46 Diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Aussagen sind unter dem Aspekt des Vergleiches zu verstehen, denn wo die einen Beobachter eine sozial und wirtschaftlich abgesicherte Gruppe sahen, weil sie sie mit den freien Farbigen der übrigen Südstaaten verglichen, da sahen die anderen in den Free People of Color diejenigen, die in einem direkten Vergleich mit der lokalen Elite immer den Kürzeren zogen. Eng verbunden sowohl mit den absonderlichen Moralvorstellungen der Kreolen als auch der Darstellung der anomalen gesellschaftlichen Position der Free People of Color war der kreolische Umgang mit ›rassengemischten‹ Beziehungen. Den zugereisten AmerikanerInnen blieb die hohe Anzahl ›gemischtrassiger‹ New Orleanians nicht lange verborgen und auch das für die Stadt typische ›System‹ der plaçage47 lernten sie bald kennen.

Quadroons und Plaçage Dessen Ursprünge lagen in der Kolonialzeit, als es aufgrund des Mangels an weißen Frauen und Free Men of Color48 ähnlich wie in den Kolonien Westindiens zu sexuellen Beziehungen zwischen den Ethnien gekommen war. Trotz des Verbots der ›rassengemischten‹ Ehe im Code Noir, hatte sich in der spanischen Kolonialzeit das extralegale System der plaçage entwickelt, das stillschweigend sogar von Würdenträgern der katholischen Kirche gebilligt wurde. Während der amerikanischen Territorialregierung entwickelte es sich dann zu einer formalisierten Institution. Beim Eingehen eines solchen Verhältnisses etablierte der weiße Mann einen eigenen Haushalt für die plaçée 45 Berquin-Duvallon: Schilderung von Louisiana. Aus dem Französischen des von Duvallon herausgegebenen Werkes zweckmäßig abgekürzt. Mit einer Einleitung und Zusätzen, Theophil Friedrich Ehrmann (Hg.), Weimar: Verlag des F. G. pr. Landes-Industrie-Comptoirs 1804, 248-49. 46 Robertson, 71. 47 Abgeleitet vom franz. Verb placer = platzieren. 48 Kimberly Hanger weist auf die lange vernachlässigte Tatsache hin, dass es auch innerhalb der Free People of Color-Bevölkerung ein Geschlechtsungleichgewicht gab. So konnte sie für das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts ein starkes Übergewicht von Women of Color in New Orleans feststellen. »Household and Community Structure Among the Free Population of Spanish New Orleans, 1778«, in: Louisiana History 30 (Winter 1989), 67.

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und eventuelle gemeinsame Kinder, die er als natural children anerkennen konnte. In einer formal bindenden Abmachung zwischen dem weißen Mann und der plaçée wurde außerdem festgelegt, in welcher Form er diese Familie finanziell unterstützen würde, falls er zu einem späteren Zeitpunkt eine legale Ehe einginge. Den offenen Umgang mit ›rassengemischten‹ Beziehungen und die relativ hohe Akzeptanz derselben innerhalb der kreolischen Gesellschaft zeigte Jennifer Spear in ihrer Auswertung von Taufregistern auf, die seit dem späten 18. Jahrhundert wesentlich häufiger namentliche Eintragungen des weißen Vaters aufwiesen als noch zur Mitte des Jahrhunderts, als man vorwiegend »Vater unbekannt« angegeben hatte.49 Die meisten der plaçage-Verbindungen wurden auf den so genannten Quadroon-Bällen geschlossen.50 Obwohl diese bereits während der spanischen Ära stattgefunden hatten, erreichten sie in der brisanten Umbruchzeit der amerikanischen Territorialregierung ihren Höhepunkt.51 Im November 1805 kündigte August Tessier, ein Tänzer und Schauspieler des lokalen Opernensembles, nach zwischenzeitlichem Verbot an, fortan zwei Abende pro Woche einen Ball für Free Women of Color zu geben, zu dem nur weiße Männer Einlass finden sollten.52 Seinem Beispiel folgten in den nächsten Jahren noch andere Geschäftsmänner. So entstanden unter anderem der Union Ballroom, Laignel’s Pleasure Garden, Chartres Street Ballroom und der besonders verruchte Globe Ballroom, bei dem es sich laut Daily True Delta um ein »eitriges Geschwür« handelte, das an der Moral der Gesellschaft zehrte.53 Verschiedene Zeitungen warben für »Dress and Masquerade Ball[s]«, zu denen nur Quadroons und weiße Gentlemen zugelassen wurden.54 Viele der Etablissements hielten vier bis fünf Bälle pro Woche ab, die oftmals wesentlich besser besucht waren als die üblichen Feste der weißen Kreolen. Bald beschwerte sich eine Zeitung, dass die Männer der Stadt den »weißen Liguster« zugunsten der »schwarzen Trauben« vernachlässigten.55

49 Spear, 207. 50 Laut American Heritage College Dictionary bezeichnet der Begriff Quadroon eine Person mit »one-quarter Black ancestry«. Obwohl geschlechtsunspezifisch, wurde die Bezeichnung im Laufe der Zeit aufgrund der Verschränkung von ›rassischen‹ und geschlechtlichen Zuschreibungen vorwiegend auf Frauen angewandt. Ähnlich wie andere ›rassisch‹-konnotierte Begriffe wie Mulatto/a, Octoroon, Griffe, Marabon, Métif oder Sang-mêlé fand auch die Bezeichnung Quadroon ungenaue Anwendung und benannte häufig pauschal eine Mischlingsfrau. Zu den Quadroon-Bällen siehe Ronald R. Morazán: »›Quadroon‹ Balls in the Spanish Period«, in: Louisiana History 14 (1973), 310-15. 51 Wie die Diskussion über ein Verbot der ›rassengemischten‹ Maskenbälle zeigt, erfreuten sich diese Festivitäten bis weit in die Antebellumzeit hinein größter Beliebtheit. Daily Picayune, 27. Oktober 1837. Vor allem unter den zugewanderten Flüchtlingen aus St. Domingue fanden sie großen Zuspruch. Nathalie Dessens, From Saint-Domingue to New Orleans. Migration and Influences, Gainesville: University Press of Florida 2007, 104. 52 Henry A. Kmen: Music in New Orleans. The Formation Years 1791-1841, Baton Rouge: Louisiana State UP 1966, 47. 53 Daily True Delta, 18. Januar 1853. 54 Le Moniteur de la Louisiane, 22. August 1807; Daily Picayune, 28. November 1841. 55 Argus, 18. Dezember 1826.

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Die Zahl der tatsächlichen plaçage-Beziehungen ist nur schwer zu bemessen. Für den Zeitraum zwischen 1782 und 1791 hat David Rankin nachgewiesen, dass in der St. Louis Cathedral 2.668 Taufen im gesonderten afroamerikanischen Register verzeichnet wurden, allerdings im selben Zeitraum nur 40 Ehen zwischen Free People of Color geschlossen wurden.56 Die Mehrzahl der getauften Kinder stammte demnach vermutlich aus plaçageBeziehungen. Egal mit welcher Häufigkeit Free Women of Color solche Beziehungen eingingen, in der Wahrnehmung von New Orleans durch Reisende und das amerikanische Regierungspersonal nahmen sie eine prominente Stellung ein.57 Dabei legten viele AutorInnen großen Wert auf die Beschreibungen des Äußeren der Quadroon-Frauen. Die allermeisten zeigten sich begeistert von ihrer exotischen und geheimnisvollen Schönheit, die daran Schuld sei, dass ihnen die weißen Männer der Reihe nach erlägen. So beschrieb der britische Reformer James Silk Buckingham die Quadroons folgendermaßen: »[T]here is a large number of brown or mulatto persons, of mixed European and African blood, usually called ›coloured people.‹ Of these, it may be said, that they are handsome, interesting, intelligent, and agreeable, in proportion to the distance at which they are removed from the original African stock. […] [T]he fourth remove, or the Quadroons, as they are called, furnish some of the most beautiful women, that can be seen, resembling, in many respects, the higher order of women among the Hindoos, with lovely countenances, full dark liquid eyes, lips of coral and teeth of pearl, long raven locks of soft and glossy hair, sylph-like figures, and such beautifully-rounded limbs, and exquisite gait and manner, that they might furnish models for a Venus or a Hebe to the chisel of the sculptor.«58

Obwohl bei den männlichen Autoren die Begeisterung für das Äußere der Quadroons vorherrschend war, zeigten sich einige wenige auch enttäuscht, weil die ›rassische‹ Zugehörigkeit der Quadroons, die sie in ihrer Physiognomie zu erkennen glaubten, das Erscheinungsbild nachteilig beeinflusse. Der Sklavereigegner Thomas Hamilton etwa erkannte im Äußeren der Quadroons die ›typischen‹ Merkmale der ›schwarzen Rasse‹: »I had heard a great deal of the beauty of these persons; but cannot profess having been at all smitten with their charms. […] Something of the Negro always remains—the

56 David C. Rankin: »The Forgotten People: Free People of Color in New Orleans, 1850-1870«, (Ph.D. diss., Johns Hopkins University 1976), 101. 57 Es soll im Folgenden nicht darum gehen, die sozialhistorischen Umstände der Entstehung der plaçage darzustellen. Überlegungen zu diesem Thema finden sich bei Lachance: »L’effet de déséquilibre des sexes«, 211-31; Judith K. Schafer: »›Open and Notorious Concubinage‹: The Emancipation of Slave Mistresses by Will and the Supreme Court in Antebellum Louisiana«, in: Louisiana History 28:2 (Spring 1987), 165-82; Claude F. Oubre/Keith P. Fontenot: »Emancipation and Concubinage in Antebellum St. Landry Parish«, in: Louisiana History 42:4 (Fall 2001), 419-37. 58 James Silk Buckingham: The Slave States of America, 2 vols., London: Fisher, Son & Co. 1842, 358. Weitere Beschreibungen der Quadroons bei H. Didimus [Edward Durell]: New Orleans As I Found It, New York: Harper and Brothers 1845, 29; Bremer, 240.

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long heel—the woolly hair—the flat nose—the thick lips—or the peculiar form of the head.«59 Auch andere Beobachter, die in den Quadroons exotische Schönheiten sahen, wiesen darauf hin, dass ihr Liebreiz nicht über den Makel ihrer ›rassischen‹ Identität hinwegtäuschen könnte. Letztlich manifestierte sich in ihrem ›scheinbar weißen‹ Äußeren ihre ›natürliche‹ und unumgehbare essenzielle Identität, die ihnen den vollen Zugang zur weißen Dominanzgesellschaft versperrte. Die äußerliche Maskerade der Quadroons beschrieb Bernhard Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach so: »These Quadroons are almost entirely white. From their skin, one would not be able to discern their heritage. Indeed, many Quadroons have skin whiter than many proud Creoles. They are sooner betrayed by their black hair and eyes; and yet, there are also blonde male Quadroons and female Quadroons. […] Still, there is the strongest prejudice against them because of their black ancestry; the white ladies in particular have, or effect, the greatest aversion to these Quadroons.«60

Der Wahrnehmung der Quadroons durch die weiße Gesellschaft lag somit eine grundlegende Ambivalenz zugrunde. Die BeobachterInnen sahen in ihnen einerseits begehrenswerte, weil exotisch-sexuelle Objekte und potenziell bedrohliche, weil nicht zu kategorisierende Wesen andererseits. Indem sich die Quadroons in ihrer vermeintlich ›weißen‹ Erscheinung zumindest einen temporären Platz innerhalb der männlichen weißen Gesellschaft sichern konnten, untergruben sie das von den Amerikanern propagierte Rassensystem, das jegliche ›Rassenmischung‹ als Gefahr ansah. Während die kreolische Gesellschaft sowohl die mittlere Stellung der Free People of Color als auch eine prinzipielle Ambiguität äußerer ›rassischer‹ Merkmale anerkannt hatte, basierten die amerikanischen Rassenkategorien stärker auf angeblich eindeutigen physiognomischen Merkmalen. Zwar waren auch den angloamerikanischen Sklavenbesitzern Mulatten und andere multiethnische Menschen bekannt – schließlich waren sie nicht unwesentlich an ihrer Entstehung beteiligt –, doch gehörten diese in der überwiegenden Zahl der Sklavenbevölkerung an und waren deshalb für die Stabilität des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems weniger gefährlich. Die Quadroons von New Orleans zeichnete allerdings neben ihrer ›rassischen‹ Ambiguität ihre soziale Position innerhalb der Mittelschicht aus. Darüber hinaus zeigten sie sich bei näherem Hinsehen keineswegs lediglich als das ›passive‹ Ergebnis eines Tabubruchs. Vielmehr schrieb man ihnen als Akteurinnen bösartige und zerstörerische Eigenschaften zu.61

59 [Thomas Hamilton]: Men and Manners in America, 2nd ed., Edinburgh: William Blackwood and Sons 1843 [1833], 342. Siehe auch Featherstonhaugh, 141; Thomas Ashe: Travels in America, performed in 1806, for the purpose of exploring the Rivers Alleghany, Monongahela, Ohio, and Mississippi, and ascertaining the Produce and Condition of their Banks and Vicinity, New York: Printed for the Publisher 1811, 344-45. 60 Saxe-Weimar-Eisenach, 346. 61 Zur Repräsentation der ›schwarzen‹ Frau als Urheberin von Krankheiten und gesellschaftlicher Degeneration siehe Sander L. Gilman: »Black Bodies, White Bodies: Toward an Iconography of Female Sexuality in Late Nineteenth-Century

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Wie Monique Guillory herausgearbeitet hat, wurden ›Schuldige‹ für die Existenz der Quadroon-Bälle und der damit verbundenen ›Rassenmischung‹ ausgemacht. So hielt man den kreolischen Männern ihre offensichtliche Zügellosigkeit und Unkontrolliertheit in der Befriedigung ihrer sexuellen Interessen vor, während man den weißen Frauen ihre angebliche Leidenschaftslosigkeit vorwarf, die die Männer scharenweise in die Arme der aufregenderen Quadroons trieb.62 Die Hauptschuld wurde allerdings in den meisten Fällen den Quadroons selbst angelastet, die man sowohl der Geldgier als auch der Hypersexualität verdächtigte. Innerhalb des Schuldkomplexes der weißen Männer offenbarte sich eine signifikante Machtasymmetrie, die aus der Quadroon als Ergebnis der Grenzüberschreitung die schuldige Urheberin derselben machte. Die ›größte Sünde des weißen Mannes‹ verwandelte sich in der weißen Wahrnehmung zu einer Verschwörung der ›sexuell hyperaktiven‹, ›degenerierten‹ und ›bösartigen‹ Mischlingsfrau. Als bedrohlich für die weiße Bevölkerung wurde vor allem das Vermögen der Quadroons angesehen, durch die Maskerade als ›nahezu weiße‹ und damit respektable Frauen, bei gleichzeitigem Verweis auf ihre ›exotische Erotik‹, die Männer sexuell und moralisch zu verführen. So beschrieb der französische Autor Charles C. Robin die Männer, die Verbindungen mit Quadroons eingingen, als Opfer berechnender und tugendloser Frauen: »The men, wearied by the monotony of the company of their wives, seek solace in the company of the Negresses and especially of the mulatto women. A great number form liaisons with these lascivious, coarse, and lavish women and are ruined, to be dismissed and replaced by others or end vilely, living with these women with swarms of children, who, condemned by original sin to abjection, become what they can.«63

Die weißen Frauen verachteten die Quadroons, an die sie ihre (potenziellen) Ehemänner häufig verloren. Dafür gab es unterschiedliche Gründe. Zum einen scheint es verständlich, dass sie sich unabhängig vom besonderen Aspekt der ›Rassenfrage‹ hintergangen und verletzt fühlten.64 Darüber hinaus sahen die Frauen in den Quadroons aber auch eine Gefahr für die Familie als Kern der weißen Gesellschaftsordnung. Wie aus unzähligen Gerichtsverfahren ersichtlich, in denen Nachkommen aus plaçage-Beziehungen nach dem Tod ihres weißen Vaters um ihren Erbteil stritten und dabei auf dessen Kinder aus Art, Medicine and Literature«, in: Henry Louis Gates, Jr. (ed.), »Race«, Writing, and Difference, Chicago: University of Chicago Press 1986, 248-51. 62 Vgl. Monique Guillory: »Some Enchanted Evening on the Auction Block. The Cultural Legacy of the New Orleans Quadroon Balls«, (Ph.D. diss., New York University 1999), 21. 63 C. C. Robin: Voyage to Louisiana, 1803-1805. An abridged Translation from the Original French, Stuart O. Landry, Jr. (ed.), New Orleans: Pelican Publishing 1966 [1807], 57. 64 Charles Gayarré: »The Quadroon of Louisiana, Historical Sketch«, Typed Copy (ca. 1890), Charles Gayarré Papers, Louisiana and Lower Mississippi Valley Collections, Hill Memorial Library, Louisiana State University, Baton Rouge (LLMVC), Box 6. Siehe außerdem Saxe-Weimar-Eisenach, 347 und Frances M. Trollope: Domestic Manners of the Americans, London: Whittaker, Treacher 1832, 16.

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seiner ›weißen‹ Ehe trafen, waren viele dieser Beziehungen weitaus mehr als nur kurzfristige Arrangements zur Befriedigung sexuellen Begehrens.65 In nicht wenigen Fällen zeigte sich nach dem Tod eines Mannes, dass er über Jahrzehnte hinweg neben seiner offiziellen Familie einen Zweithaushalt unterhalten hatte. Anders als es sich viele weiße Ehefrauen vermutlich gewünscht hatten, wurde bei der näheren Betrachtung oftmals sichtbar, dass es sich keineswegs um ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis gehandelt hatte, bei dem der eigene Ehemann lediglich sexuelle Gegenleistungen für seine finanzielle Unterstützung bekommen hatte. Dass es auch tiefgehende Liebe zwischen den Männern und den Quadroons gab, zeigt die Tatsache, dass viele Beziehungen ein Leben lang hielten und bis auf den fehlenden Trauschein einer Ehe ähnelten.66 In einigen – wenn auch seltenen – Fällen waren die weißen Männer sogar bereit, ihre weiße Familie zugunsten ihrer plaçageBeziehung zu verlassen.67 Neben dem emotionalen Schmerz, den eine solche Erkenntnis bei den weißen Ehefrauen auslöste, hatte die plaçage einen ökonomischen Aspekt. Zwar nahm die weiße Frau in Louisiana im Vergleich zu den übrigen Bundesstaaten eine recht dominante Position ein, indem sie in finanzieller Hinsicht mehr Rechte besaß als andere, doch empfanden viele von ihnen – und auch einige Männer – das Doppelleben vieler weißer Familienväter als Gefahr für die Gesellschaft.68 Bei den Erbstreitigkeiten zwischen den beiden Familien ging es nicht selten um hohe Summen, die über den sozialen Aufoder Abstieg entscheiden konnten. Dass dabei die Quadroons nicht zwangsläufig im Nachteil waren, zeigen Prozesse wie der von Celeste Perrault, die von ihrem weißen Lebenspartner, dem ehemaligem Bürgermeister von New Orleans Auguste Macarty, einen großen Anteil seines erheblichen Vermögens zugesprochen bekam.69 Um die von den Quadroons ausgehende verführerische Gefahr für die weißen Männer und damit die Familien zu bannen, scheuten sich die Frauen auch nicht, sich in politische Angelegenheiten zu mischen. So erregte 1810 ein Artikel der 18-jährigen Lucinda Sparkle Aufsehen, als diese sich beim Bürgermeister beklagte, dass der als sonntägliche Flaniermeile genutzte Mississip65 Da die spanische Kolonialmacht den Art. 52 des Code Noir aufgehoben hatte, war es weißen Männern unter bestimmten Bedingungen möglich, ihren Mätressen und Kindern, Besitz zu vererben. So gelang es vielen Free Women of Color, einen gewissen Wohlstand zu erwerben. Die häufigen Streitigkeiten vor Gericht zeugen davon, z. B. Bore’s Executor v. Quierry’s Executor, 4 Mart. La. 545 (1816); Heirs of Cole et al. v. Cole’s Executors, 7 Mart. N. S. 414 (1829); Valsain et al. v. Coutier, 3 La. 170 (1831); Barriere (f.w.c.) v. Gladding’s Curator, 17 La. 144 (1841); Heirs of Compton v. Executors, 12 Rob. La. 56 (1845). 66 Macarty et al. v. Mandeville, 3 La. Ann. 239 (1848). 67 Labbé v. Abat, 2 La. 53 (1831). 68 Nur in Louisiana und Texas blieb die Frau auch mit der Heirat eine selbstständige rechtsfähige Person. In den übrigen US-Bundesstaaten herrschte dagegen das aus dem englischen Common Law erwachsene Verständnis von der Coverture vor, nach der die Rechte der Frau in der Ehe auf ihren Ehemann übertragen wurden. Vgl. Peter W. Bardaglio: Reconstructing the Household. Families, Sex, and the Law in the Nineteenth-Century South, Chapel Hill: University of North Carolina Press 1995, 31. 69 Marie L. Badillo et al. v. Francisco Tio, 6 La. Ann. 129 (1851); Mahier (f.w.c.) v. Le Blanc et al, 12 La. Ann. 207 (1857).

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pi-Damm fast nur noch von weißen Kreolen und ihren Quadroon-Mätressen frequentiert wurde. Sie regte deshalb den Bau einer neuen Promenade an, wo »new conquests might be made; and many strangers who now leave us in disgust, might be retained much to their own satisfaction, and greatly to the satisfaction of the ladies, and it would also promote the cause of MATRIMONY, and suppress the vices complained of by your petitioner.«70 Eine Hausfrau und »Mother of a Family« aus New Orleans bezeichnete die Mulattinnen und Quadroons sogar als »Heaven’s last, worst gift to white men« und befürchtete die ›Verunreinigung‹ der besten Familien Louisianas durch eine Infiltration der als ›weiß maskierten‹ Quadroons.71 Neben öffentlichen Verurteilungen schritten viele weiße Frauen zur Tat, indem sie sich verbotenerweise bei den Quadroon-Bällen einschlichen, um nach ihren auf Abwege geratenen Ehemännern zu suchen.72 Da die plaçage auch während der amerikanischen Territorialregierung weiter gepflegt wurde, stellte sie für die Regierungsbeamten ein wesentliches Hindernis im Aufbau einer funktionierenden und stabilen Gesellschaftsstruktur dar. Vor allem das zu erwartende Anwachsen der mittelschichtigen Free People of Color, deren finanzieller Einfluss in der Stadt durch den verbundenen Transfer von Geld und Besitz stetig stieg, machte ihnen Sorgen. Die Frage, ob es sich bei der plaçage um eine Form der ritualisierten Prostitution handelte – und dadurch um eine für die Stabilität des amerikanischen Rassensystems ungefährlichere Variante – oder ob es auch zu langfristigen Beziehungen und damit sozioökonomischen Verschiebungen in der Gesellschaft kam, beschäftigte sowohl die Zeitgenossen als auch spätere WissenschaftlerInnen.73 Viele Beobachter sahen in der plaçage lediglich eine zeitweilige Lebensform. Während allerdings Alexis de Tocqueville überzeugt war, dass die Quadroons später einen Mann ihrer eigenen Gruppe heirateten, glaubte der Louisiana-Reisende Paul Alliot, dass sie ihre weißen Lebenspartner wechselten, sobald der finanzielle Zugewinn durch eine plaçage erschöpft war.74 Monique Guillory argumentiert in ihrer Dissertation, dass sich gerade in dieser bewussten Suche nach geeigneten männlichen Partnern ein Raum für

70 Louisiana Gazette, 18. September 1810, zitiert nach Jane Lucas De Grummond: »Lucinda Sparkle«, in: Louisiana History 2 (1961), 347-48. 71 Niles’ Weekly Register, 5. November 1825. 72 New Orleans Bee, 5. Januar 1828. 73 Für erstere Sichtweise siehe z. B. Joseph G. Tregle, Jr.: »Early New Orleans Society: A Reappraisal«, in: Journal of Southern History 18:1 (February 1952) und Floyd Cheung: »Les Cenelles and Quadroon Balls: ›Hidden Transcripts‹ of Resistance and Domination in New Orleans, 1803-1845«, in: Southern Literary Journal 29:2 (Spring 1997), 5-16; für zweitere siehe Blassingame: Black New Orleans und Joan M. Martin: »Plaçage and the Louisiana Gens de Couleur Libre. How Race and Sex Defined the Lifestyles of Free Women of Color«, in: Sybil Kein (ed.), Creole. The History and Legacy of Louisiana’s Free People of Color, Baton Rouge: Louisiana State UP 2000, 57-70. Siehe auch Nina Möllers: »›Heaven’s Last, Worst Gift to White Men‹ – Die ›rassengemischte‹ Frau im New Orleans des 19. Jahrhunderts«, in: Graduiertenkolleg Identität und Differenz (Hg.), Ethnizität und Geschlecht. (Post-)Koloniale Verhandlungen in Geschichte, Kunst und Medien, Köln: Böhlau 2005, 67-70. 74 Alexis de Tocqueville: Journey to America, J. P. Mayer (ed.), New Haven: Yale UP 1960, 71-72; Robinson, 85-86.

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Machtumkehrung und Freiheit der Quadroons äußerte.75 Tatsächlich kann der Umstand, dass es einigen Frauen durch eine plaçage-Beziehung gelang, sozialen Aufstieg und finanziellen Profit zu sichern, als Widerstand gegen eine unterwürfige Resignation in das Schicksal einer sozial unterdrückten Position gelesen werden. Zwar handelte es sich bei den Quadroon-Bällen um einen ›Verkauf‹ des eigenen Körpers, die aus ihnen erwachsenen plaçageVerbindungen eröffneten aber Wege der Einflussnahme auf das gesellschaftliche Ordnungssystem, da die Quadroons im Gegenzug Eigentum und soziales Privileg aushandeln konnten. Ihre sorgfältige Auswahl der Männer, von der viele berichteten, spiegelte eine solche partielle Machtverschiebung wider.76 Diese lässt sich auch im Blick festmachen, der sich vom weißen männlichen Betrachter der exotisierten Schönheit auf dem ›Auktionsparkett Ballsaal‹ zumindest teilweise auf die Quadroons verlagert, die das Angebot ebenfalls nach ihren Kriterien betrachteten. Einsatz und Preis waren in diesem Handelstransfer ihre verbotenen Körper. Die gezielte Verwendung ihrer ›erotischen Macht‹77 kann als eine bewusst gewählte, an das Leben in New Orleans angepasste Strategie interpretiert werden. Indem sie es vermochten, aus ihrer Verfügbarkeit finanziellen Gewinn zu erzielen, wurde aus einer ansonsten einseitigen Ausnutzung ein wechselseitiger Profit. Der Preis für diese Verschiebung war unbestritten ein sehr hoher, denn keinesfalls handelte es sich um ein Geben und Nehmen zu gleichen Konditionen. Dennoch ist die plaçage nicht mit Prostitution im herkömmlichen Sinne zu vergleichen. Der finanzielle Gewinn, der mit einer solchen Beziehung einherging, überstieg in den meisten Fällen das Entgelt für sexuelle Dienste einer ›einfachen‹ Prostituierten und resultierte oft in sozialem Aufstieg nicht nur für die Quadroon, sondern auch für den aus der plaçage entstehenden Familienzweig. Diese zugegebenermaßen kleinen, aber wichtigen Machträume der Quadroons blieben der weißen Gesellschaft, darunter vor allem dem amerikanischen Teil, nicht verborgen. Als Symbol für die ›Degeneriertheit‹ der fremden kreolischen Gesellschaft nahmen die Quadroons in den folgenden Jahrzehnten einen wichtigen Platz in der Imagination der Amerikaner und in ihrem Diskurs über die notwendige ›Amerikanisierung‹ und ›Zivilisierung‹ der kreolischen Gesellschaft ein. Im Sprechen über die moralische Verderbnis, die sich in New Orleans nach Ansicht der Amerikaner zu Hause fühlte, offenbart sich ein Muster, entlang dessen über Ursache und Wirkung der moralischen Verfehlungen gesprochen wurde. Dabei stand die Quadroon als Allegorie für die Unheil bringende Weiblichkeit der gesamten Stadt, denn so wie die weißen Männer von den Quadroons verführt wurden, so verführte das kreolische New Orleans die amerikanische Gesellschaft insgesamt. Instrument dieser Versuchung war der weibliche, ›rassengemischte‹ Körper, der im Gegensatz zu den zwar ebenfalls schönen, aber doch steifen Körpern der weißen Frauen von einer fremdanmutenden Weichheit und Zügellosigkeit 75 Guillory, 3. 76 Frederick Law Olmsted: A Journey in the Seaboard Slave States, with Remarks on Their Economy, New York: Negro Universities Press 1968 [1856], 594-95. 77 Zum Begriff der erotischen Macht siehe Jacquelyn Dowd Hall: »›Das Bewußtsein, das in jedem Körper brennt‹: Frauen, Vergewaltigung und Rassengewalt«, in: Ann Snitow/Christine Stansell/Sharon Thompson (eds.), Die Politik des Begehrens. Sexualität, Pornographie und neuer Puritanismus in den USA, Berlin: Rotbuch 1985, 129.

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markiert war. Mit jedem Mann, der in den Bann der kreolischen Sitten und Gebräuche geriet, tat sich ein Riss auf in der protestantischen, republikanisch-amerikanischen Dominanzgesellschaft; ein Riss, der im neu erworbenen Golfgebiet bald zum Zusammenbruch der Gesellschaft führen könnte.78 In der Allegorie der Quadroon bündelte sich für die Amerikaner das Aufeinanderprallen von karibisch geprägtem Gesellschaftssystem, das der ›rassengemischten‹ Bevölkerung eine Zwischenposition zugestand, und ihren eigenen Ordnungsvorstellungen. Darüber hinaus verwies das Bild von einer selbstbestimmt handelnden Quadroon auf die Angst der weißen Gesellschaft vor einem Macht- und Kontrollverlust gegenüber der ›rassengemischten‹ Bevölkerung. So wie es vielen Free Women of Color aufgrund von plaçageBeziehungen gelang, ihren sozialen Status zu heben und das Schicksal ihrer Familien zu beeinflussen, so könnten die Free People of Color eines Tages die Rassengrenzen und damit das auf der Dialektik von Dominanz und Unterwerfung basierende Sklavereisystem ins Wanken bringen.

Unfähig zur Demokratie? Neben den aus amerikanischer Sicht fremdartigen und zum Teil zweifelhaften Einstellungen der Kreolen zu Religion, Moral und Sexualität, beschäftigten sich die nach Louisiana entsandten Regierungsvertreter mit der Frage, wie diese ›unamerikanische‹ Gesellschaft möglichst reibungslos in den Staatenverbund eingegliedert werden könnte.79 Als die Amerikaner im Herbst 1803 nach New Orleans einmarschierten, existierte ihre Herrschaft über das Gebiet lediglich auf einem Stück Papier. Zahlenmäßig waren das Militär und die mitreisenden Regierungsbeamten der ansässigen Bevölkerung unterlegen. Der amerikanische Konsul in New Orleans, Daniel Clark, warnte Claiborne im November, dass sich die Amerikaner derzeit auf einem Pulverfass befänden, das drohte, in die Luft zu gehen.80 Den neuen Machthabern war deshalb klar, dass man das Gebiet nur dann wirklich für sich beanspruchen könnte, wenn es gelänge aus der ancienne population überzeugte Amerikaner zu machen. Dies war allerdings eine schwierige Aufgabe. Während sie in einigen kreolischen Charaktereigenschaften wie etwa deren Sinn für Schönheit und kulinarische Finessen noch einen gewissen Charme erkennen konnten, sahen die Amerikaner in dem niedrigen Bildungsstand, dem ineffizienten Justizsystem, das auf dem Napoleonischen Code Civil beruhte, und den als unorthodox empfundenen Geschäftspraktiken der Kreolen wesentliche Hindernisse für eine schnelle ›Amerikanisierung‹. Es scheint, als ob das romantisierte Bild von der vornehmen und kultivierten Art der Kreolen, ihrer Versiertheit in den schönen Künsten und ihrer generellen Abscheu gegenüber allem Profanen und Monetären erst im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts entstand, als ihre Einzigartigkeit immer mehr in einer amerikanisierten Kultur aufging.81 Während der territorialen Phase sahen die Amerikaner die kreolische 78 Buckingham, 348. 79 Daniel Clark an James Madison, 20. Oktober 1803, in: »Despatches from the United States Consulate in New Orleans, 1802-1803, II«, in: American Historical Review 33:2 (January 1928), 349-50. 80 Daniel Clark an Governor Claiborne, 23. November 1803, TP, 121. 81 In seinem Artikel aus dem Jahre 1952 revidierte Joseph G. Tregle dieses lange perpetuierte Bild von der vornehmen kreolischen Gesellschaft: »Early New Or-

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Gesellschaft zwar als fremd, nicht aber notwendigerweise bewundernswert an. Auch das vielbeschworene savoir-vivre suchten manche Besucher in New Orleans vergeblich.82 So empfanden die Amerikaner die Kreolen durchweg – entgegen dem Mythos – als eine dem Luxus und der Geldgier anheim fallenden Gesellschaft; eine Tatsache, die ihrer Meinung nach zu Lasten der politischen Organisation ging. Bildung, Erziehung, Demokratieverständnis: Das waren nach Ansicht der Amerikaner ideelle Werte, die in der kreolischen Gesellschaft nur geringe Beachtung fanden.83 Die Gründe für diese Prioritäten sahen die neuen Machthaber in der jahrelangen Unterdrückung durch die despotischen Monarchien Frankreichs und Spaniens, die es ihnen nun erschwerten, ihre gesellschaftlichen und politischen Werte an die Kreolen zu vermitteln: »An extensive aristocratic Class, wallowing in wealth and luxury, were licentious and oppressive in the extreme; for their wealth gave them influence, and the means of corruption; from interest, the latter was cherished, and the former, even the iron hand of Despotism dared not attempt to crush. […] The people, as is usual in all cases of great and sudden change, are unreasonable in their expectations. […] [T]hey expect unbounded licence [sic] in many of their vicious, luxurious, and oppressive habits, and at the same time, the full fruition of all those blessings of Republican liberty, which never did, nor never can, long exist, except bottomed on Economy and Virtuous Manners.«84

Vielen Politikern Washingtons fiel es deshalb leicht, die Zugehörigkeit Louisianas zu den USA in Frage zu stellen. Für sie war die beste Lösung, dem Gebiet den Status einer Kolonie zu verleihen, in der ein amerikanischer Gouverneur mit Unterstützung des Militärs die Fäden ziehen sollte. So konstatierte der Senator James Hillhouse aus dem für Louisianians fernen Connecticut: »We must consider that country as being within the Union or without it—there is no alternative. I think myself they are not a part or parcel of the United States.«85

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leans Society«, 21. Obwohl Tregles Grundaussage auch heute noch Gültigkeit besitzt, ist der Artikel in vielen seiner Analysen inzwischen veraltet und bisweilen zu pauschalisierend. Berquin-Duvallon, Travels in Louisiana and the Floridas, 53. Zum Problem der mangelhaften Bildung in Louisiana siehe z. B. BerquinDuvallon, Schilderung von Louisiana, 293-94. Laut einer offiziellen Bestandsaufnahme im Auftrag Washingtons gab es im gesamten Louisiana-Gebiet zur Zeit der Übernahme nur eine öffentliche Schule und keine weiterführende Schule. Etwa die Hälfte der Bevölkerung waren Analphabeten, wobei das Niveau der Fähigkeiten im Lesen und Schreiben der anderen Hälfte relativ dürftig gewesen sein dürfte: »Description of Louisiana«, Annals of Congress, 8th Cong., 2nd sess. (1804-1805), 1519. Isaac Briggs an den Präsidenten, 2. Januar 1804, TP, 147. Ähnlich äußerte sich auch Claiborne in einem Brief an Außenminister Madison, 2. Januar 1804, Dunbar Rowland (ed.): Official Letter Books of W. C. C. Claiborne, 6 vols., vol. 1, Jackson: State Department of Archives and History 1917, 323. Fortan abgekürzt als CLB. Everett S. Brown (ed.): »The Senate Debate on the Breckinridge Bill for the Government of Louisiana, 1804«, in: American Historical Review 22:2 (January 1917), 346.

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Das wirkliche Problem lag nach Ansicht vieler allerdings nicht nur in der Tatsache, dass die kreolische Bevölkerung große Defizite in Moral, Bildung und demokratischen Idealen aufwies; vielmehr beunruhigte sie der mögliche Einfluss dieses Lebens auf die nach Louisiana strömende amerikanische Bevölkerung. Vor allem den vielen jungen Männern, die sich nach anfänglichem Zögern in immer größeren Zahlen in der Hoffnung auf gesellschaftlichen Aufstieg auf den Weg in den Süden machten, wähnte man bereits in einer Spirale des moralischen Verfalls. Bei all den verwerflichen Versuchungen, die der Sündenpfuhl New Orleans zu bieten hatte, würden viele von ihnen ihre republikanischen Werte bald über Bord werfen und das Experiment der Demokratisierung und ›Amerikanisierung‹ zum Scheitern verurteilen. In den Städten des Nordens geisterten bereits viele solcher Geschichten umher, wie sie der Engländer James Silk Buckingham erzählte: »From the first false step to the second, the descent is soon made. The bar-rooms of the hotels, next become their haunts; smoking and drinking follows; a Quadroon mistress, of the class of coloured females with the smallest admixture of African blood, called Quadroons from their being supposed to be four removes from the pure African, is next taken; and habits of betting, racing and gambling; crown the whole. Such is the painful history of many a young New Englander coming to New Orleans for health and pleasure; and returning home a dissipated rake.«86

Die von Washington mit einem Regierungsauftrag ausgestatteten Beamten sahen sich in New Orleans der schwierigen Aufgabe gegenüber, aus einem Gebiet, das geprägt war durch die Heterogenität seiner Bevölkerung, fehlende Bildung und ein koloniales Erbe, in kurzer Zeit ein den demokratischen Idealen der jungen amerikanischen Republik verschworenes Gebiet zu machen. Neben der ständigen Angst vor Sklavenaufständen wurde die amerikanische Macht im Süden und Westen von den Spaniern bedroht, die sich noch nicht vollends mit dem Verlust des Louisiana-Gebietes abgefunden hatten.87 Die Amerikaner begegneten den ansässigen Kreolen mit Misstrauen und Skepsis und sahen in ihnen zunächst nur obrigkeitsgläubige und dem alten europäischen Ideal einer aristokratischen Gesellschaftsordnung verhaftete Unterta86 Buckingham, 348. Eine ähnliche Geschichte war auch Olmsted von einem Informanten erzählt worden: The Cotton Kingdom, 231. Dieser ›vorgezeichnete‹ Abstieg entspricht in vielen Punkten der von Karen Haltthunen für das Gilded Age beschriebenen »Era of the Confidence Man«. In einer Art Vorgriff auf diese Zeit stellte New Orleans bereits Anfang des 19. Jahrhunderts den Kern all dessen dar, was man später mit dem städtischen Umfeld allgemein in Verbindung bringen würde. Für die einen Raum voller Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung, war die Stadt für die anderen Beginn (und oftmals Ende) eines Weges in die persönliche Verderbnis, ausgelöst durch die Vielfalt an verlockenden und unmoralischen Angeboten, denen eine durch ländliche und familiäre Strukturen geprägte Jugend unvorbereitet gegenüberstand. Siehe Karen Halttunen: Confidence Men and Painted Women. A Study of Middle-Class Culture in America, 1830-1870, New Haven: Yale UP 1982, besonders Kapitel 1. 87 Die westliche Grenze Louisianas blieb lange ein Streitpunkt zwischen den USA und Spanien, der die beiden Nationen zeitweise an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung brachte. Erst 1819 wurde die heutige Westgrenze entlang des Sabine River durch den Adams-Onís-Vertrag festgelegt.

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nen. Das in Louisiana zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorherrschende Regierungs- und Rechtssystem war aus amerikanischer Sicht nicht zu vereinen mit dem eigenen republikanischen System.88 Eine langwierige Erziehung der Kreolen zu mündigen, den demokratischen Ideen verbundenen Bürgern sahen sie als schwierig, aber unerlässlich an. Claiborne äußerte sich vor allem besorgt über die fehlende Bildung und die Gleichgültigkeit der Kreolen gegenüber demokratischen Werten: »But the principles of a popular Government are utterly beyond their comprehension. The Representative System, is an enigma that at present bewilders them. Long inured to passive obedience, they have, to an almost total want of political information, superadded an inveterate habit of heedlessness as to measures of Government, and of course are by no means prepared to make any good use of such weight as they may prematurely acquire in the national Scale.«89

Trotzdem versuchte Claiborne, die Kreolen in den geplanten Prozess der Demokratisierung und ›Amerikanisierung‹ ihrer Heimat einzubinden.90 Wie schnell der Kulturkonflikt trotz der zunehmenden Zusammenarbeit an vermeintlichen Kleinigkeiten wieder aufflammen konnte, zeigte sich dem Gouverneur allerdings nur wenige Monate nach der amerikanischen Übernahme an einem Zwischenfall auf einem der häufigen Bälle. Auslöser der zum Teil handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Amerikanern und – wie Claiborne betonte – Franzosen, nicht Kreolen, war der so genannte Contra Danse, Anglaise; ein Tanz, der nach Meinung der französischen Bevölkerung von New Orleans durch seinen Namen die amerikanische Verbundenheit zu den verhassten Engländern ausdrückte. Angestachelt von der als Provokation empfundenen Einmischung der Franzosen in die Abfolge der Tänze, hatten die anwesenden amerikanischen Regierungsvertreter das patriotische Lied »Hail Columbia« angestimmt, auf das die anwesenden Franzosen prompt mit der »Marseillaise« antworteten.91 Es kam zu einem Tumult, in dem auch der anwesende Gouverneur bedroht wurde und in dessen Folge ein französischer Geschäftsmann und ein Chirurg der französischen Armee festgenommen wurden.92 Welch weite diplomatische Kreise eine solche Affäre ziehen konn88 Senator Hillhouse (CT) in Brown: »The Senate Debate on the Breckinridge Bill«, 260; Daniel Clark an James Madison, 20. Oktober 1803, »Despatches from the United States Consulate«, 349-50. 89 Claiborne an James Madison, 2. Januar 1804, CLB, vol. 1, 328. 90 Governor’s Address to the Citizens of Louisiana, 20. Dezember 1803, Early American Imprints, 2nd series, Shaw/Shoemaker, no. 4666 [microform], American Antiquarian Society, Worcester, Massachusetts (AAS). 91 Deposition of George W. Morgan, 28. Januar 1804, TP, 180. 92 Claiborne und James Wilkinson an den Secretary of State [James Madison], 7. Februar 1804, TP, 178. Als Reaktion auf den erneuten Zwischenfall in Anwesenheit des Gouverneurs erließ die Stadtregierung am 25. Januar ein Gesetz. Dieses veranlasste, dass alle Besucher, mit Ausnahme des Gouverneurs und seiner direkten Mitarbeiter, bei Betreten des Ballsaals alle Waffen abgeben mussten. Außerdem sollten zwei von der Stadtregierung eingesetzte Manager anwesend sein, die den Fortgang des Balls beobachten und zu gegebenem Anlass einschreiten sollten. Jegliche Form der Ruhestörung und der Einmischung in die Abfolge der Tänze wurde unter Androhung der sofortigen Festnahme verboten. »Extract from

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te, zeigte sich im Verlauf der nächsten Tage, als sich die französische Seite bei Claiborne darüber beschwerte, dass ein französischer Staatsbürger vor ein rein amerikanisches Gericht gezerrt worden war. Claiborne forderte daraufhin den sofortigen Abzug aller französischen Truppen aus seinem Gebiet, da die zugebilligten drei Monate für die Durchführung des Abzugs seit der amerikanischen Übernahme ohnehin verstrichen waren. Wie sehr die einheimischen Kreolen in ihrer politischen Kultur noch dem französischen Einfluss verhaftet waren, offenbarte sich den amerikanischen Beamten außerdem bei verschiedenen Feierlichkeiten, besonders am Jahrestag des Sturms auf die Bastille, der in Louisiana nach wie vor als Feiertag begangen wurde. So berichtete Claiborne dem Außenminister James Madison im Juli 1804: »On yesterday in commemoration of the destruction of the Bastile a number of Frenchmen assembled in this city to pass the day in joy and Festivity; they hoisted the french flagg [sic] and sung their favourate [sic] national Songs. The waving of the flagg [sic] excited the jealousy of the Americans and it required some address to prevent their taking it down by violence[.] […] Many years will elapse before the strong partiality of the Louisianians for their Mother Country will be effaced. This partiality is not confined to the emigrants from France it seems to be infused more or less into all the descendants of Frenchmen.«93

Claiborne setzte alles daran, auf der Ebene der Staatsfeierlichkeiten, die Zugehörigkeit des Gebietes und der Bevölkerung zur amerikanischen Nation zu dokumentieren und zu festigen. Vor allem auf der kulturellen Ebene glaubte er, die verschiedenen Bevölkerungsteile vereinen zu können. Wenige Monate nach dem französischen Nationalfeiertag, pries er am ersten Jahrestag des Louisiana Purchase dessen Bedeutung für die kreolische Gesellschaft: »The 20th of December, 1803, was the birth day of our liberty—it saw us united to the freest and most happy people upon earth— […] The liberty of our country will be established forever, and the fiat will be sealed in the great Divan of Heaven, that Louisiana shall become the pride, the boast, the glory of America[.]«94

Trotz der offensichtlichen Probleme ließ sich Claiborne nicht entmutigen. Grundsätzlich sah er in den Kreolen ein ehrliches und loyales Volk. Bessere Bildung und eine schrittweise Erziehung in der Lehre der Demokratie würde auch sie langfristig zu guten republikanischen Staatsbürgern machen.95

the Register of Deliberations of the Municipal Body of New-Orleans, of the 25th January 1804«, Le Telegraphe, Commerical Advertiser, 1. Februar 1804. 93 Claiborne an James Madison, 16. Juli 1804, CLB, vol. 2, 249-50. 94 New Orleans Gazette; and Commercial Advertiser, 20. Dezember 1804. Treueschwüre und Loyalitätsbekundungen finden sich en masse in der den Amerikanern wohlgesonnen Presse Louisianas. Jeder Jahrestag wurde mit patriotischen Schriften und Reden begleitet. Siehe z. B. zum Jahrestag des Vertrags von Paris, New Orleans Gazette, 26. April 1806, außerdem 5. Juli 1806, 9. Oktober 1806; Louisiana Gazette, 30. April 1804. 95 Claiborne an den Präsidenten, 16. Januar 1804, TP, 161.

72 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Die Frage nach der amerikanischen ›Staatsbürgerlichkeit‹ war es denn auch, die in den folgenden Monaten die politische Diskussion bestimmte. Diese spielte sich nicht nur auf dem lokalen Parkett ab, sondern erreichte mit der Debatte um die Etablierung einer Territorialregierung im Frühjahr 1804 Washington.96 Während sich einige Senatoren gegen eine Militärregierung mit beinahe diktatorischem Machtpotenzial aussprachen, weil dies der Idee einer freiheitlich-demokratisch-verfassten Regierung widersprach, äußerten andere Skepsis gegenüber einer schnellen Eingliederung Louisianas als USBundesstaat.97 Tatsächlich sah man neben der Notwendigkeit einer schnellen ›Umerziehung‹ und ›Amerikanisierung‹ auch die Gefahr, dass eine mündige, mit politischem Geschick ausgestattete kreolische Gesellschaft zu einer nur noch schwer zu kontrollierenden Größe werden könnte.98 So sehr man die schnelle ›Amerikanisierung‹ Louisianas wünschte, so sehr fürchtete man sich gleichzeitig vor einem ›Missbrauch‹ republikanischer Werte wie der Presseund Meinungsfreiheit, die die amerikanischen Pläne durchkreuzen könnten.99 Dass die Kreolen weitaus schneller lernten als von den Amerikanern angenommen, zeigte sich daran, dass sie sich bald in die Diskussionen über ihre politische Zukunft einmischten. In verschiedenen Petitionen an den amerikanischen Kongress wehrten sie sich gegen die Aufteilung des riesigen Louisiana-Gebietes in zwei Territorien, die ihrer Ansicht nach nur dazu benutzt wurde, eine Angliederung Louisianas als Bundesstaat aufgrund zu geringer Bevölkerungszahlen zu verzögern.100 In ihrem Protest nahmen sie Bezug auf ihre politische Identität als amerikanische Staatsbürger, die nicht notwendigerweise mit ihrer kulturellen Identität als Kreolen deckungsgleich sein müsste. Die häufig vorgebrachten Vorwürfe, sie seien ungebildet, dekadent und ›verweiblicht‹, entlarvten sie als kalkulierte Methode, die Louisianians als handlungsmächtige und selbstbestimmte Staatsbürger zu diskreditieren und damit einer notwendigen Machtabgabe vorzubeugen: 96 97

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»An Act erecting Louisiana into two territories, and providing for the temporary government thereof«, [26. März 1804], TP, 202-13. Brown: »The Senate Debate on the Breckinridge Bill«, 357-59. Claiborne zeichnete die kreolische Bevölkerung zwar ebenfalls als ungebildet in republikanischen Regierungsformen, doch hielt er eine Militärregierung für unangebracht, da sie die eigentlichen Vorteile des amerikanischen Regierungssystems – Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – den neuen Bürgern vorenthalten würde. Er schlug stattdessen die Übergangslösung einer territorialen Regierung vor. Vgl. Claiborne an den Präsidenten, 16. Januar 1804, TP, 162. Zu seinen Zweifeln gegenüber einer schnellen Eingliederung als Staat in die amerikanischen Nation siehe Claiborne an den Präsidenten, 1. Juli 1804, TP, 247. Claiborne an den Präsidenten, 24. August 1803, TP, 21. Claiborne an den Secretary of State [James Madison], 3. Oktober, 1804, TP, 305. Vgl. Claiborne an James Madison, 10. Januar 1804, CLB, vol. 1, 329. »Remonstrance of the People of Louisiana Against the Political System Adopted by Congress for Them«, in: American State Papers, Senate, 8th Cong., 2nd sess., 31 December 1804, Miscellaneous: Vol. 1, No. 183, 396. Eine ähnlich scharfe Verurteilung des Kongressbeschlusses zur Aufteilung des Louisiana-Gebietes in die zwei Territorien verfassten auch die Vertreter des nördlichen Teils, des Territory of Louisiana: U. S. Congress, Senate, [Remonstrance Communicated to the House of Representatives], 8th Cong., 2nd sess., American State Papers, 4 January 1805, Miscellaneous: Vol. 1, No. 183, 400-06.

»A NATION OF A QUEER PLACE« | 73 »To deprive us of our right of election, we have been represented as too ignorant to exercise it with wisdom, and too turbulent to enjoy it with safety. Sunk in ignorance, effeminated by luxury, debased by oppression, we were, it was said, incapable of appreciating free constitution, if it were given, or feeling the deprivation, if it were denied.«101

Ihrer Sicht nach gäbe es vielmehr gute Gründe für eine schnelle Anerkennung Louisianas als Staat, allen voran die Tatsache, dass ihnen die amerikanische Staatsbürgerschaft bereits im Vertrag mit Frankreich 1803 versprochen worden war.102 Darüber hinaus sahen sie es als widersprüchlich an, dass die Amerikaner einerseits die Demokratie als höchstes Gut deklarierten, die Louisianians aber gleichzeitig einer Territorialregierung unter einem mit nahezu diktatorischen Rechten ausgestatteten Gouverneur unterstellten. Die Verfasser des Schreibens kleideten sich zwar kulturell weiterhin in das Gewand ihrer Kreolität, politisch aber inszenierten sie sich als Amerikaner, indem sie nicht nur auf die republikanischen ›Heiligtümer‹ der Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung verwiesen, sondern gleichzeitig der Idee einer formbaren amerikanischen Identität Tribut zollten. Das Besondere an einer solchen, in ihren Einzelelementen wie auch immer zu fassenden Identität war es ja gerade, dass sie nicht auf natürlich-essenzialistische Inhalte rekurrierte, sondern auf bestimmte Wertvorstellungen. Das ›Amerikanertum‹, auf das sich die Kreolen bezogen und das ihnen die Tür zur politischen Selbstbestimmung öffnen sollte, war eine erworbene, nicht eine angeborene Identität.

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»Remonstrance of the People of Louisiana«, 398. Über die von den Amerikanern festgestellte angebliche Unfähigkeit zur Demokratie hatten sich die Kreolen bereits mehrfach empört, besonders als ein Brief Claibornes an James Madison über eine versehentliche Veröffentlichung in einer Zeitung an die Öffentlichkeit gekommen war: Claiborne an James Madison, 2. Januar 1804, CLB, vol. 1, 328; Claiborne an James Madison, 14. April 1804, TP, 220. »Remonstrance of the People of Louisiana«, 397; »The Cession of Louisiana«, Art. III, in: Henry Steele Commager (ed.), Documents of American History, 9th ed., vol. I, New York: Appleton-Century-Crofts 1973, 191.

74 | KREOLISCHE IDENTITÄT

»Innocent Blood which has Encrimsoned the Plains of St. Domingo«: Das Schreckgespenst einer schwarzen Revolution in Louisiana »Haiti seems to have always had the lure of the extreme case, whether it was virgin terrain, a garden of earthly delights where the black race could begin again or the closest and most historic examples of Africa’s continental darkness. These alternating stereotypes […] constitute a binary model of differences that fixed the relationship between the United States and Haiti.« 103

Die Fremdheit der kreolischen Gesellschaft, die sich in ihrer Kultur, Religion und in ihrem anderen Umgang mit der ›Rassenmischung‹ äußerte, basierte insbesondere auf der Tatsache, dass Louisiana als Teil eines umfassenden karibischen Kulturkreises wahrgenommen wurde. Konnte man diese Kulturverwandtschaft für die weiße kreolische Bevölkerung Louisianas noch als differenzstiftende, nicht aber notwendigerweise der ›Amerikanisierung‹ im Weg stehende Tatsache auffassen, stellte die Einbindung Louisianas in den karibischen Raum für den Umgang mit der anomalen Bevölkerungsgruppe der Free People of Color ein schwerwiegendes Problem dar. Die amerikanischen Machthaber diskutierten deren Rolle während der Territorialphase stets vor dem Hintergrund der Revolution im französischen Teil Hispaniolas, St. Domingue104, die ihren Anfang in einem Sklavenaufstand gehabt hatte und an deren Ende 1804 die Gründung der ersten farbigen Republik in der westlichen Hemisphäre stand.105 Als besonders besorgniserregend empfanden die Amerikaner dabei die Ähnlichkeiten des Gesellschaftssystems Louisianas mit der ehemaligen französischen Inselkolonie. Dort hatte die blutige Revolution mit dem Versuch der zahlreichen wohlhabenden gens de couleur libres 103 104

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J. Michael Dash: Haiti and the United States. National Stereotypes and the Literary Imagination, London: Macmillan 1988, 2-3. In der Bezeichnung der westindischen französischen Kolonie waren die Zeitgenossen oft ungenau. So finden sich neben St. Domingue auch die Begriffe San Domingo, Santo Domingo oder San Domingue in den Quellen. Durch die spanischen Abwandlungen entsteht oft der Eindruck, dass die gesamte Insel Hispaniola gemeint war. Darüber hinaus werden die Begriffe auch nach der Gründung der Republik Haiti als Synonyme benutzt. In der vorliegenden Arbeit werden nur die Bezeichnungen St. Domingue und Haiti verwendet; sie beziehen sich ausschließlich auf den französischen Teil der Insel. Zur Revolution und Staatswerdung Haitis: C. L. R. James: The Black Jacobins. Toussaint L’Ouverture and the San Domingo Revolution, new ed., London: Allison and Busby 1980; Thomas Ott: The Haitian Revolution, 1789-1804, Knoxville: University of Tennessee Press 1973; Carolyn Fick: The Making of Haiti. The Saint Domingue Revolution From Below, Knoxville: University of Tennessee Press 1990; Philip Curtin: »The Declaration of the Rights of Man in SaintDomingue, 1788-1791«, in: Hispanic American Historical Review 30 (May 1950), 157-75.

»A NATION OF A QUEER PLACE« | 75

begonnen, im Zuge der Französischen Revolution ihre Gleichberechtigung als Staatsbürger zu erlangen. Aus Sicht der Amerikaner stellte St. Domingue das symbolische Schwert dar, mit dem das südstaatliche Sklavereisystem zerschlagen werden könnte, wenn man seinen Einfluss auf Louisiana nicht schnellstmöglich eindämmte. Um das Wirtschafts- und Sozialsystem der Sklaverei aufrechterhalten zu können, bedurfte es einer klaren Rassenaufteilung, die jegliche Ungenauigkeiten und Aushandlungsspielräume ausschloss. Die räumliche und kulturelle Nähe Louisianas zur Republik Haiti schürte bei der weißen Bevölkerung in New Orleans und den umliegenden sugar parishes die Angst vor Nachahmern unter der heimischen Sklavenbevölkerung. Dass diese Angst nicht unbegründet war, hatten zwei Sklavenrevolten im Pointe Coupée Parish in den Jahren 1791 und 1795 gezeigt.106 Zwar waren diese bereits im Keim erstickt worden, eine mögliche Verbindung zu St. Domingue zeigte sich allerdings beim Prozess von 1791, als der angebliche Anführer des Aufstandes, ein Mulatte namens Pierre Bailly, während seiner Gerichtsverhandlung zugab, er habe auf Anweisungen aus St. Domingue gewartet.107 Diese über der weißen Bevölkerung wie ein Damokles-Schwert hängende Gefahr eines gewaltsamen Aufbegehrens der SklavInnen – womöglich initiiert und geplant durch gebildete Free People of Color – hatte vor der amerikanischen Machtübernahme bereits die kreolischen Sklavenbesitzer umgetrieben. In ihren Lösungsvorschlägen waren sich die ancienne population und die neuen amerikanischen Regierungsbeamten allerdings nicht immer einig. Dass eine Revolte vor allem von SklavInnen aus Westindien ausgehen würde und deren Einfluss auf Louisiana deshalb minimiert werden müsse, stand außer Frage. Über die Folgen einer möglichen Einschränkung des Arbeitskräftereservoirs war man sich aber uneins.

Die Frage des Sklavenhandels Als Reaktion auf die Sklavenrevolten in den 1790er Jahren hatte man im Cabildo, dem spanischen Stadtrat von New Orleans, ein Verbot der Sklaveneinfuhr aus ausländischen Gebieten heftig debattiert. Als eine mögliche Lösung des Problems hatte man überlegt, nur noch die Sklaveneinfuhr aus Afrika, nicht aber von den westindischen Inseln, zu erlauben. Allerdings mussten die spanischen Beamten zugeben, dass es angesichts von Schmuggel und Kungelei schwierig sein würde, diese Unterscheidung tatsächlich umzusetzen.108 Die Umstellung von Tabak und Indigo auf die Monokulturen Baumwolle und Zucker, die zur Jahrhundertwende durch neu entwickelte Technologien vorangetrieben wurde, steigerte in Louisiana die Nachfrage nach Arbeitskräften.109 Wollte man die Sklavereiwirtschaft effizient ausbauen und sich gleich106 107

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Jack D. L. Holmes: »The Abortive Slave Revolt at Pointe Coupée, Louisiana, 1795«, in: Louisiana History 11:4 (Fall 1970), 341-62. Paul Lachance: »The Politics of Fear: French Louisianians and the Slave Trade, 1786-1809«, in: Plantation Society in the Americas 1:2 (June 1979), 168. Zu Pierre Bailly siehe Hanger: Bounded Lives, 150-62. Lachance: »The Politics of Fear«, 169. Landwirtschaftlich teilte sich Louisiana sehr früh in zwei Bereiche: Während im Norden aufgrund des gemäßigteren Klimas vor allem Baumwolle angebaut wurde, konzentrierte man sich in den südlicheren Parishes auf Zitrusfrüchte, Reis und Zuckerrohr.

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zeitig vor umstürzlerischen Ideen schützen, musste eine Regelung der Sklaveneinfuhr gefunden werden, die beiden Anforderungen genügte. Mit der amerikanischen Machtübernahme gewann die Diskussion um die Zukunft des Sklavenhandels neue Bedeutung. In der auf regionaler und nationaler Ebene geführten Diskussion standen die wirtschaftlichen Interessen von Plantagenbesitzern und Händlern denen der Regierung in Washington gegenüber, die sich Sorgen um den Zusammenhalt und die Sicherheit des Gebietes machte. Während die in Louisiana ansässigen Plantagenbesitzer vor allem auf die schwierigen klimatischen Bedingungen hinwiesen, die eine landwirtschaftliche Kultivierung des Landes durch weiße Arbeitskräfte aus ihrer Sicht unmöglich machten, hob die Gegenseite die mit der Einfuhr von SklavInnen verbundene Gefahr für die Stabilität des Gesellschaftssystems hervor.110 Aus der Debatte um die zukünftige Regierungsform Louisianas wird ersichtlich, welch erstaunlich hoher Einfluss den Geschehnissen in Louisiana für das Wohlergehen der Nation zugeschrieben wurde. Von dem Projekt ›Louisiana‹ schien für viele Politiker der Erfolg der noch jungen Republik abzuhängen. Dass die Einflüsse aus Haiti nicht nur eine lokal begrenzte Sklavenrevolte auslösen, sondern das Gleichgewicht und die Sicherheit anderer US-Staaten, ja vielleicht sogar der gesamten Nation, bedrohen könnten, war für viele Abgeordnete im US-Kongress kein weit hergeholtes Szenario. Der Forderung vieler Louisianians nach uneingeschränkter Sklaveneinfuhr sollte deshalb nach Meinung des Senators aus Ohio, John Smith, nicht stattgegeben werden: »Slaves ought not to be permitted to set their feet there. Introduce slaves there, and they will rebel. That country is full of swamps—negroes can retire to them after they have slain their masters. This was in fact the case not eighteen years since—they rose, slew many, and fled to the morasses. Will you encrease [sic] their number, and lay the necessary foundation for the horrors of another St. Domingo? If slaves are admitted there, I fear, we shall have cause to lament the acquisition of that country—it will prove a curse.«111

Nach zähen Verhandlungen einigte man sich 1804 auf das Verbot der Sklaveneinfuhr aus dem Ausland. Fortan durften lediglich solche SklavInnen in Begleitung ihres Besitzers nach Louisiana eingeführt werden, die entweder auf US-amerikanischem Gebiet geboren oder vor 1798 in die USA gekommen waren.112 Allerdings eröffnete sich für die nach weiteren Sklavenimporten verlangende kreolische Bevölkerung bald ein Schlupfloch, als ein zweiter Erlass im März 1805 die künftige Regierungsform Louisianas nach dem Vorbild des bereits bestehenden Mississippi-Territoriums organisierte und dabei 110

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Senator Jonathan Dayton (NJ) und Senator John Smith (OH), Brown: »The Senate Debate on the Breckinridge Bill«, 345. Zum Streit um die Sklaveneinfuhr nach Louisiana siehe John Craig Hammond: »›They Are Very Much Interested in Obtaining an Unlimited Slavery‹: Rethinking the Expansion of Slavery in the Louisiana Purchase Territories, 1803-1805«, in: Journal of the Early Republic 23:3 (Fall 2003), 353-81. Senator John Smith (OH), Brown: »The Senate Debate on the Breckinridge Bill«, 346. »An Act erecting Louisiana into two territories, and providing for the temporary government thereof«, [26. März 1804], Sec. 10, TP, 209-10.

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alle Artikel des ersten Territorial Act aufhob, die im Widerspruch zum zweiten Erlass standen.113 Dies wurde von der Mehrheit der Bevölkerung so interpretiert, dass sie nun das Recht besäßen, afrikanische SklavInnen einzuführen, wenn sie über die Häfen der atlantischen US-Küste kämen.114 Auf diesem Wege stieg die Sklavenbevölkerung Louisianas zwischen 1805 und 1808 nochmals stark an, bevor im Januar 1808 das in der US-Verfassung festgelegte endgültige Einfuhrverbot ausländischer SklavInnen griff.

Loyalitäten der Free People of Color Neben dem Problem der rasant steigenden Sklavenbevölkerung beschäftigte die Amerikaner die Rolle der Free People of Color im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gefüge des Territoriums. Eine Anomalie stellten sie aus ihrer Sicht nicht nur wegen ihres ›rassengemischten‹ Erbes dar, sondern auch im Hinblick auf ihre möglichen Loyalitäten im Falle eines Aufbegehrens der Sklavenbevölkerung. Der Vorstellung vieler von einem ›schwarzen Wesenskern‹, der die Free People of Color trotz ihrer besonderen Rechte im Falle einer Revolte mit ihren versklavten ›Brüdern und Schwestern‹ sympathisieren ließe, standen die wirtschaftlichen Interessen der farbigen Kreolen gegenüber, die aufgrund ihres mittleren Status und ihrer Verflochtenheit mit dem auf der Sklaverei basierenden Wirtschaftssystem eine Loyalität zur weißen Dominanzgesellschaft nahe legten. Darüber hinaus glaubten viele weiße Louisianians, das Streben der Free People of Color nach einer Assimilierung an die Dominanzgesellschaft würde einen Keil zwischen die Afrokreolen und die Sklavenbevölkerung treiben, denn schließlich basierte die besondere und innerhalb der ›rassisch-schwarzen‹ Bevölkerung privilegierte Position der Creoles of Color auf ihrer Differenz zu den SklavInnen. Andererseits sahen manche in dieser besonderen Position die eigentliche Gefahr. Durch ihre nicht unerhebliche wirtschaftliche Macht würde einer Sklavenrevolte durch die Unterstützung der Free People of Color eine völlig andere Gewichtung verliehen, von ihren Fähigkeiten im Bereich der Kommunikation, Organisation und Logistik ganz zu schweigen. Die Ambivalenz, mit der die amerikanischen Regierungsbeamten die Free People of Color betrachteten, kommt in einem Brief von James Wilkinson, dem zweiten Gouverneur Louisianas, zum Ausdruck. Einerseits musste er zugeben, dass sich die freie farbige Bevölkerung im Gegensatz zu vielen weißen Kreolen dem neuen amerikanischen Machthaber gegenüber loyal verhielt. Gleichzeitig beunruhigte ihn allerdings der Umstand, dass sie in Besitz von Waffen waren und sich gegebenenfalls mit Gewalt gegen unliebsame Entscheidungen der Amerikaner zur Wehr setzen würden: »The People of Colour are all armed, and it is my Opinion a single envious artful bold incendiary, by rousing their fears & exciting their Hopes, might produce those Horrible Scenes of Bloodshed & rapine, which have been so frequently noticed in St Domingo[.]«115 113 114 115

»An Act further providing for the government of the territory of Orleans,« [2. März 1805], Sec. 8, TP, 407. Lachance: »The Politics of Fear«, 180. James Wilkinson an den Secretary of War [Henry Dearborn], 11. Januar [1804], TP, 160. Bereits vor der offiziellen Inbesitznahme hatte Claiborne angeregt, Waffen für die weiße Bevölkerung nach New Orleans zu transportieren, weil er

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Die Unsicherheit in der Frage, auf welche Seite sich die Free People of Color im Falle eines blutigen Kampfes zwischen ›Weiß‹ und ›Schwarz‹ schlagen würden, beruhte neben ihrem gemischten ›rassischen‹ Erbe auf der Tatsache, dass eine nicht zu vernachlässigende Zahl von ihnen neben Land auch SklavInnen besaß. Der im Vergleich zu anderen Südstaaten weit verbreitete Sklavenbesitz unter den Free People of Color beschäftigt die Forschung bis heute. Leider fehlt bislang eine ausführliche Studie über farbige Sklavenhalter in Louisiana wie sie Larry Koger für South Carolina vorgelegt hat.116 Trotz einiger Defizite ist Carter G. Woodsons quantitative Studie noch immer der beste Überblick über die zahlenmäßige Verteilung der farbigen Sklavenbesitzer.117 Demnach gehörten 735 der im Zensus von 1830 gezählten 2.351 SklavInnen in Louisiana farbigen Sklavenhaltern, also rund 31 Prozent. Zwar haben vergangene Studien gezeigt, dass viele sklavenbesitzende Free People of Color nur ein oder zwei Personen besaßen und in vielen Fällen davon auszugehen ist, dass es sich um Familienangehörige handelte, die man aufgrund der schwierigen Freilassungsgesetze nominell in der Sklaverei behielt. Die Zahlen Woodsons zeigen aber auch, dass 153 Free People of Color fünf oder mehr SklavInnen besaßen, 23 unter ihnen zwischen zehn und 20.118 Joseph Karl Menn fand heraus, dass es 1830 im gesamten Gebiet der Südstaaten zehn farbige Sklavenhalter mit 50 oder mehr SklavInnen gab, wovon neun in Louisiana zu finden waren und einer in Virginia.119 Die räumliche Verteilung entsprach dabei dem Muster weißer Sklavenhalter. So war der Sklavenbesitz in höheren Zahlen vor allem in den ländlichen Gebieten verbreitet, während Free People of Color in New Orleans oftmals nur wenige besaßen, die zwar nominell versklavt, in ihrer Arbeit und ihren Lebensbedingungen aber eher Dienstpersonal glichen. In Attakapas und Opelousas entsprach die Anzahl der farbigen Sklavenhalter und ihrer SklavInnen im We-

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befürchtete, dass die Free People of Color das zeitweilige Machtvakuum für einen Aufstand nutzen könnten. Claiborne an den Präsidenten, 29. September 1803, TP, 59. Larry Koger: Black Slaveowners. Free Black Slave Masters in South Carolina, 1790-1860, Jefferson, NC: McFarland 1985, 11. Erste Arbeiten zum Sklavenbesitz unter der freien farbigen Bevölkerung lieferte Calvin D. Wilson: »Black Masters: A Side-Light on Slavery«, in: North American Review 181 (1905), 685-98; »Negroes Who Owned Slaves«, in: Popular Science Monthly 81 (November 1912), 483-94. Zu Virginia siehe Philip J. Schwarz: »Emancipators, Protectors, and Anomalies: Free Black Slaveowners in Virginia«, in: Virginia Magazine of History and Biography 95:3 (July 1987), 317-38. R. Halliburton hat Woodsons Daten überprüft und konnte dabei einige von Woodson genannte Sklavenbesitzer nicht in den jeweiligen Parish Records nachweisen: »Free Black Owners of Slaves. A Reappraisal of the Woodson Thesis«, in: South Carolina Historical Magazine 76:3 (July 1975), 129-42. Koger merkte in seiner Arbeit zu South Carolina außerdem an, dass Woodson aus der Tatsache, dass freie Farbige und Sklaven auf einer Plantage zusammenlebten sogleich schloss, dass es sich um farbige Sklavenbesitzer handelte. Dabei missachtete er die Möglichkeit abwesender weißer Sklavenbesitzer. Carter G. Woodson: »Free Negro Owners of Slaves in the United States in 1830«, in: Journal of Negro History 9:1 (January 1924), 49-58. Vgl. auch Loren Schweninger: »Prosperous Blacks in the South, 1790-1880«, in: American Historical Review 95:1 (February 1990), 36. Joseph Karl Menn: The Large Slaveowners of Louisiana—1860, New Orleans: Pelican 1964, 92-93.

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sentlichen der weißen Sklavenhaltung. Der Afrokreole Martin Donato im St. Landry Parish war mit 75 SklavInnen im Jahre 1830 sogar der drittgrößte Sklavenbesitzer der Vereinigten Staaten.121 Über die Beweggründe der sklavenhaltenden Free People of Color kann aufgrund der schlechten Quellen- und Forschungslage nur spekuliert werden. Der Ansicht, dass es sich überwiegend um den Versuch handelte, unfreie Familienmitglieder vor skrupellosen weißen Sklaventreibern zu schützen, stehen Hinweise gegenüber, die auf ein Profitstreben vieler Free People of Color hindeuten, das sie laut Zeitungen und Reiseberichten häufig zu brutalen Sklavenherren werden ließ.122 Beide Varianten sind denkbar. Als einzige Quellen eines farbigen Sklavenbesitzers in Louisiana sind uns die Papiere von Andrew Durnford bekannt, der als Sohn eines Engländers und einer Free Woman of Color geboren wurde und mithilfe eines Freundes seines Vaters – dem Sklavenhalter und späteren Emigrationsunterstützer John McDonogh – die Zuckerplantage St. Rosalie südlich von New Orleans erwarb, auf der er zeitweise bis zu 77 SklavInnen beschäftigte. Nach allem, was aus seinen spärlichen Papieren zu schließen ist, war er als Plantagenbesitzer und Unternehmer nicht sonderlich erfolgreich.123 Über seine Einstellung zur Sklaverei erfahren wir wenig; die Tatsache, dass er sich in seinen Briefen fast nur mit den wirtschaftlichen Belangen seiner Plantage auseinandersetzt und dass er – ähnlich wie seine weißen Kollegen – nur seinen Sohn, den er mit einer Sklavin hatte, freiließ, deuten darauf hin, dass er gegen die Sklaverei nur wenige moralische Bedenken hatte.124

Flüchtlinge aus St. Domingue Die beiden wichtigsten Faktoren im Kampf um die innere Sicherheit des Orleans-Territoriums waren die strenge Fernhaltung allen revolutionären Gedankenguts von der heimischen Sklavenbevölkerung und die Sicherung der 120 121

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Brasseaux/Fontenot/Oubre, 71. Woodson, »Free Negro Owners of Slaves«, 51; Brasseaux/Fontenot/Oubre, 74. Weitere große Sklavenbesitzer waren Antoine Decuir (Pointe Coupée) mit 70, Augustin Metoyer (Natchitoches) mit 54, Victoire Deslondes (St. John the Baptist) mit 52 und Madame Antoine Dubuclet (Iberville) mit 44 SklavInnen. Der farbige Sklavenbesitzer Etienne Fortin wurde wegen Gewalt an seinen SklavInnen verhaftet. Daily Picayune, 25. Juli 1844; Perrin du Lac’s Reise in die beyden Louisianen unter die wilden Völkerschaften am Missiouri, durch die Vereinigten Staaten und die Provinzen am Ohio, in den Jahren 18011802, und 1803. Nebst einer Darstellung der Sitten, der Lebensweise, des Charakters und der religiösen und bürgerlichen Gebräuche der verschiedenen Völker jener Gegenden, Wien: Verlag Anton Doll 1807, Nachdruck Wyk auf Foehr: Verlag für Amerikanistik D. Kuegler 1989, 258. Eine wirtschaftshistorische Arbeit zur Profitabilität von Durnfords Plantage ist Whitten: »A Black Entrepreneur in Antebellum Louisiana«, 201-19. Siehe außerdem Whittens Monographie: Andrew Durnford. A Black Sugar Planter in Antebellum Louisiana, Natchitoches, LA: Northwestern State UP 1981 sowie David C. Rankin: »Black Slaveholders: The Case of Andrew Durnford«, in: Southern Studies 21:3 (Fall 1982), 343-47. John McDonogh Papers, Special Collections, Howard M. Tilton Library, Tulane University, New Orleans, Louisiana (TU), Box 9; Whitten: Andrew Durnford, 62.

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Loyalität der Free People of Color gegenüber dem US-amerikanischen Staat. Bei der Verfolgung dieser Ziele erwies sich die wachsende Rolle Louisianas im Flüchtlingsdrama St. Domingues als Problem. Seit Anbeginn der gewaltsamen Auseinandersetzungen auf der westindischen Insel, vor allem aber seit 1803, waren sowohl weiße St. Dominguians mit ihren SklavInnen als auch Free People of Color nach Kuba geflüchtet. Als der Bruder Napoleons, Joseph, den spanischen Thron bestieg, kam es auf Kuba zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Anhängern des spanischen Monarchen Ferdinand VII. und den Frankreich-treuen Ex-Bewohnern von St. Domingue. Zwischen Mai 1809 und Januar 1810 suchten 9.059 Flüchtlinge in Louisiana Asyl, darunter 3.102 Free People of Color.125 Die freie Gesamtbevölkerung des Orleans Parish stieg von 17.001 im Jahr 1806 auf 24.552 vier Jahre später. Von der Hauptflüchtlingswelle 1809 waren 30 Prozent Weiße, 34 Prozent Free People of Color und 36 Prozent SklavInnen.126 Die Mehrzahl der Flüchtlinge siedelte in der Stadt New Orleans, wo der Anteil der Free People of Color an der Gesamtbevölkerung zwischen 1805 und 1810 von 19 auf 29 Prozent anstieg.127 Die Reaktionen der kreolischen und amerikanischen Bevölkerung und der politischen Führung auf die Flüchtlingsströme waren angesichts der Probleme, die man mit der Geschichte St. Domingues verband, ambivalent. Man befürchtete, dass mit den Flüchtlingen auch die Auseinandersetzungen der 125

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Le Moniteur de la Louisiane, 27. Januar 1810. Nach den Forschungen von Carl Brasseaux und Glenn Conrad landeten zwischen 10 % und 20 % der Flüchtlinge in New Orleans, der Rest wählte vor allem die ländlichen Parishes wie Pointe Coupée und St. James (Introduction, The Road to Louisiana. The Saint-Domingue Refugees 1792-1809, (eds.) Carl A. Brasseaux/Glenn R. Conrad, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Southwestern Louisiana 1992, x-xi). Detaillierter zu den Flüchtlingen aus St. Domingue in New Orleans siehe Winston C. Babb: »French Refugees from Saint Domingue to the Southern States: 1791-1810«, (Ph.D. diss., University of Virginia 1954); Paul F. Lachance: »The Foreign French«, in: Arnold R. Hirsch/Joseph Logsdon (eds.), Creole New Orleans. Race and Americanization, Baton Rouge: Louisiana State UP 1992, 103-11; Dessens (2007). Paul F. Lachance: »The 1809 Immigration of Saint-Domingue Refugees to New Orleans: Reception, Integration and Impact«, in: Carl A. Brasseaux (ed.), A Refuge for All Ages: Immigration in Louisiana History, The Louisiana Purchase Bicentennial Series in Louisiana History, vol. 10, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Southwestern Louisiana 1996, 259. In der Aufzählung der Flüchtlinge, die allein zwischen dem 18. Juli und dem 17. August 1809 nach New Orleans kamen, wird auch eine GenderEntwicklung deutlich. Während sich die Zahlen nahezu gleichmäßig über die drei Kategorien Weiße, Free People of Color und SklavInnen aufteilten, gestaltet sich die Geschlechterverteilung unterschiedlich. So dominierten innerhalb der weißen Bevölkerung über 15 Jahren mit 67 % die Männer. Bei den Free People of Color dominierten die Frauen mit 77,3 % der erwachsenen Bevölkerung. Im direkten Vergleich brachten die Free People of Color wesentlich mehr Kinder mit nach New Orleans, nämlich 42,8 % der gesamten Einwanderer ihrer Gruppe, während die Kinder bei den Weißen lediglich 24 % ausmachten. »Extract from the Lists of passengers reported at the Said Office [Mayor’s Office] by the Captains of Vessels who have Come to this Port from the Island of Cuba«, CLB, vol. 4, 381-82. Vgl. im Anhang Tabelle 6. Lachance: »Formation of a Three-Caste Society«, 227.

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haitianischen Dreischichten-Gesellschaft in Louisiana Einzug halten würden. Die Neuankömmlinge waren deshalb zunächst auf die Hilfe früherer Einwanderer aus ihrer Heimat angewiesen. Über Anzeigen in den vielen Zeitungen der Stadt, die zum überwiegenden Teil im Besitz ehemaliger Flüchtlinge waren, halfen die Alteingesessenen bei der Vermittlung von Wohnungen und Arbeitsstellen und warben für finanzielle Unterstützung der Flüchtlinge.128 Die amerikanischen Beamten sahen sich neben logistischen und sozialen Herausforderungen vor allem der Frage gegenüber, wie mit den zahlreichen SklavInnen umzugehen sei, die die Flüchtlinge mitbrachten und für die diese eine Ausnahme vom Einfuhrverbot aus Westindien verlangten.129 Neben den Gefahren, die von den westindischen SklavInnen ausgehen konnten, sorgte sich Claiborne um ein mögliches Wiedererstarken des transkaribischen Kulturkreises, was die ›Amerikanisierung‹ des Orleans-Territoriums empfindlich stören konnte. Claiborne hatte die eigenen Interessen abzuwägen gegen die humanitäre Frage, die sich ihm durch das Stranden Tausender Flüchtlinge stellte.130 Claibornes Minister W. B. Robertson zeigte sich jedenfalls wenig begeistert vom steigenden Einfluss französischer Kultur in Louisiana und befürchtete, er würde die kreolische Bevölkerung davon abhalten, »for many years to come, from considering this [Louisiana, N.M.] in heart and sentiment as an American country.«131 Je länger sich das Flüchtlingsdrama hinzog und je mehr Schiffe mit Asylsuchenden im Hafen von New Orleans Anker warfen, desto schneller wich bei den Amerikanern das anfängliche Mitleid mit den Betroffenen einem Gefühl der Besorgnis: »The foreign Frenchmen residing among us take great interest in favour of their countrymen, and the sympathies of the Creoles of the Country (the descendants of the French) seem also to be much excited.—The native americans [sic] and the English part of our society on the contrary (with some few exceptions) appear to be prejudiced against these Strangers, and express great dissatisfaction that an Asylum in the Territory was afforded them.«132

Das Flüchtlingsproblem wurde bald zu einem Politikum im entfernten Washington, wo man sich um die Sicherheit Louisianas und des gesamten Südwestens sorgte. In einer Kongressdebatte wurde vor der Gefahr einer weiteren 128

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Fast alle wichtigen Zeitungen, die in der territorialen Phase entstanden, wurden von Flüchtlingen aus Haiti gegründet, so z. B. Le Moniteur de la Louisiane (Louis Declot und Jean-Baptiste LeSueur Fontaine), Le Telegraphe (Jean Renard und Claudius Beleurgey), L’Abeille de la Nouvelle-Orléans (François Delaup), Courrier de la Louisiane (J. C. de Saint-Romes) und L’Ami des Lois (Jean Leclerc). Vgl. Dessens, 86-88. Claiborne an den Außenminister [Robert Smith], 28. Mai 1809, in: Luis M. Perez: »French Refugees to New Orleans in 1809«, in: Publications of the Southern History Association IX:4 (July 1905), 298. Claiborne an Robert Smith, 20. Mai 1809, CLB, vol. 4, 365. Secretary Robertson an den Außenminister [Robert Smith], 24. Mai [1809], TP, 841. Claiborne an Robert Smith, 29. Juli 1809, CLB, vol. 4, 392. Siehe dazu auch einen frühen Zeitungsartikel des Claiborne-Kritikers Livingston unter dem Pseudonym ›A Louisianian‹ in der Louisiana Gazette, 29. Januar 1805.

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Vergrößerung des Bevölkerungsanteils der Free People of Color in Louisiana gewarnt.133 Trotzdem wurde Claiborne – sehr zu seiner Empörung – mit dem Problem allein gelassen. Mehrfach äußerte er in privaten Briefen den vergeblichen Wunsch, die Flüchtlinge mögen an einem anderen Ort Zuflucht suchen.134 Mit der Zahl der Flüchtlinge stieg die Gefahr, dass sich neben begüterten und gesellschaftlich angesehenen Personen auch solche unter die Einwanderer mischten, die weder über Geld noch ehrlichen Ehrgeiz verfügten, sich ein neues Leben als aufrechte amerikanische Staatsbürger aufzubauen.135 Doch alle Versuche, die Flüchtlinge über New Orleans direkt nach Frankreich zu leiten, schlugen fehl.136 So versuchte Claiborne in dem allgemeinen Durcheinander, zumindest die Zahl der einreisenden Free People of Color niedrig zu halten. Dazu verfasste er ein Schreiben an die amerikanischen Konsuln auf Kuba und Jamaika, in dem er dazu aufrief, den dortigen Free People of Color von einer Einreise nach Louisiana abzuraten, denn: »We have at this time a much greater proportion of that kind of population than comports with our interests.«137 Allerdings musste Claiborne zugeben, dass die Free People of Color bisher zu keiner Beanstandung ihres Verhaltens Anlass gegeben hatten. Außerdem entstammte die große Mehrzahl von ihnen der wohlhabenden Mittel- bis Oberschicht. Die Einwanderung vor allem der begüterten Women of Color ließ den Wohlstand der Free People of ColorBevölkerung in New Orleans rasch ansteigen.138 Während diese Tatsache durchaus ein Argument für die Aufenthaltsgenehmigungen war, die Claiborne für alle Frauen und ihre Kinder unter fünfzehn Jahren aussprach, forderte er alle Men of Color über dieser Altersgrenze dazu auf, das Orleans-Territorium zu verlassen. Der Bürgermeister von New Orleans, James Mather, musste allerdings wenig später melden, dass kaum jemand diesem Aufruf Folge geleistet hatte.139 Trotz aller Bemühungen konnte es den amerikanischen Kräften nicht gelingen, die Einwanderung zu kontrollieren. Das sumpfige Gebiet um New Orleans war zu unübersichtlich und es mangelte an Polizei und militärischem Personal, um die vielen Einreisewege zu überwachen.

Haiti und Louisiana: Gleiches Schicksal? Durch die Flüchtlingswellen aus St. Domingue wurden die Louisianians ständig an die Fragilität ihres Gesellschaftssystems erinnert. In den Köpfen der Menschen setzten sich die in vielen Zeitungs- und Augenzeugenberichten 133 134 135 136 137 138

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»Emigrants from Cuba«, Annals of Congress, House of Representatives, 11th Cong., 1st sess. (27 June 1809), 464-65. Secretary Robertson an den Außenminister [Robert Smith], 24. Mai [1809], TP, 841. Claiborne an Robert Smith, 14. Mai 1809, CLB, vol. 4, 352. Lachance: »The 1809 Immigration«, 266. Claiborne an William Savage [Jamaica], 10. November 1809, CLB, vol. 5, 4; Claiborne an James Mather, 9. August 1809, CLB, vol. 4, 402. Paul F. Lachance: »Were Saint-Domingue Refugees a Distinctive Cultural Group in Antebellum New Orleans? Evidence from Patterns and Strategies of Property Holding«, in: Revista/Review Interamericana 29 (1999), 191. Siehe außerdem John D. Garrigus: »Colour, Class and Identity on the Eve of the Haitian Revolution: Saint-Domingue’s Free Coloured Elite as Colons américains«, in: Slavery and Abolition 17 (April 1996), 20-43. James Mather an Claiborne, 7. August 1809, CLB, vol. 4, 407.

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beschriebenen Gräueltaten an der weißen Bevölkerung der Insel fest und führten zu einer fast paranoiden Angst vor der eigenen Sklavenbevölkerung. Zwar war man im Prinzip von ihrer Harmlosigkeit überzeugt, glaubte man doch an das paternalistische System und die unterwürfige und unselbständige ›Natur‹ der Schwarzen. Das Beispiel Haitis hatte aber gezeigt, dass es in einer dreischichtigen Gesellschaft leichter zu einem Umsturz kommen konnte. Die mit dem bloßen Stichwort ›St. Domingue‹ abrufbaren Assoziationen prägten in dieser Phase die gesellschaftliche Psyche Louisianas. Claiborne war sich als oberster Regierungsbeamter des Orleans-Territoriums bewusst, dass die Free People of Color allein durch ihre große Zahl ein wichtiger Faktor in Sklavenaufständen sein konnten.140 Dass sie in St. Domingue zum überwiegenden Teil Sklavenhalter gewesen waren, und es ihnen weniger um die Abschaffung der Sklaverei, als vielmehr um ihre rechtliche Gleichstellung mit der weißen Gesellschaft gegangen war, wurde in den Diskussionen in New Orleans und Washington größtenteils missachtet. Wie befürchtet wurde im Spätsommer des Jahres 1805 tatsächlich eine Verschwörung unter Beteiligung von Free People of Color aufgedeckt, die einen Aufstand gegen die weiße Gesellschaft und die Zerschlagung des Sklavereisystems zum Ziel gehabt hatte. Am Beispiel dieser Episode um den aus St. Domingue stammenden Le Grand, der für den geplanten Aufstand verantwortlich zeichnete, wurde wiederum auf das Schreckgespenst der ›schwarzen Revolution‹ verwiesen. Jeglichen Einflüssen aus Haiti und dem Zuwachs an Free People of Color im Orleans-Territorium müsse sofort Einhalt geboten werden: »[F]rom our contiguity to the West India Islands, from the great number of Slaves and free people of color as well as bad disposed white people now among us who have been conversant with the crimes that have disgraced and the innocent blood which has encrimsoned the plains of St Domingo and other countries we shall ever be in danger while the protecting Arm of our country is so feeble. Our Militia will never be worth much while our numbers are so few and scattered over such an extensive country. They are moreover mingled with those very Negroes and and [sic] free people of colour whom we must necessarily always consider in a country where slavery exists to the extent it does here as political enemies.«141

Immer wieder wurde in den Diskussionen um mögliche Aufstände auf die transkaribische Verbindung verwiesen, die eine ›Infizierung‹ der heimischen SklavInnen und Free People of Color mit revolutionären Ideen mehr als wahrscheinlich machte. Um Louisiana fest in die US-amerikanische Nation einzubinden, war die schnelle Besiedlung des Gebietes durch republikanische Bürger und Bürgerinnen vonnöten: »It is high time that the people of this country and more particularly the Strangers who reside among us should be convinced and that beyond a possibility of doubt that the Sovereignity [sic] of Louisiana is irrevocably fixed in the hands of the Uni140

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Claiborne zitiert in Charles E. Gayarré: History of Louisiana, 4 vols, vol. 4: The American Domination, 4th ed., New Orleans: F. F. Hansell 1903, Reprint New Orleans: Pelican 1965, 226-27. John Watkins an Secretary John Graham, 6. September 1805, TP, 503.

84 | KREOLISCHE IDENTITÄT ted States. The American population must be increased, it must be made to overbalance that of every other description of persons. The character, the manners, the language of the country must become American if we wish the Government to be such.«142

Bereits mehrere Male im Verlauf des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts hatten die Louisianians konkrete Hinweise auf bevorstehende Revolten der Sklavenbevölkerung erhalten. So wandten sich 1804 verschiedene Einwohner mit einer Petition an den Gouverneur, in der sie aufgrund konkreter Verdachtsmomente entsprechende Regierungsmaßnahmen verlangten. Sie verliehen ihrer Forderung Nachdruck, indem sie von einer Verschwörung berichteten, »which seems to be formed by the Slaves of this city, perhaps those of the province, a plot threatening the individual Safety of all The Inhabitants, and causes them to Fear that they will See Their country a prey to the same Events which have laid waste the French colonies, & Particularly the Proud and rich Colony of San Domingo.«143 Ähnlich besorgt zeigten sich die Bewohner des Pointe Coupée Parish, wo man sich – nach den Revolten von 1791 und 1795 nicht zu Unrecht – als besonders gefährdet ansah. Auch sie ersuchten über den Weg einer Petition Hilfe im Kampf gegen zunehmend ungehorsame und konspirativ wirkende SklavInnen, die über die Ereignisse in Haiti scheinbar gut informiert waren.144 Trotz der wachsenden Angst in der Bevölkerung blieben handfeste Hinweise auf eine Beteiligung oder Anstachelung durch Free People of Color aber die Ausnahme.145

Der Sklavenaufstand von 1811 Zwei Jahre nach der größten Flüchtlingswelle aus Haiti ereignete sich am Abend des 8. Januar 1811 auf der Plantage von Colonel Manuel Andry im St. John the Baptist Parish das, vor dem sich die Bevölkerung Louisianas und die US-amerikanische Regierung lange gefürchtet hatten. Ein Gruppe von Sklaven unter der Führung eines Charles Deslondes attackierte die Familie des Plantagenbesitzers und tötete dessen Sohn. Ob es zuvor Absprachen zwischen den SklavInnen entlang der River Road gegeben hatte oder ob es sich 142 143

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John Watkins an Secretary John Graham, 6. September 1805, TP, 504. Vgl. auch James an John Breckinridge, 17. September 1805, TP, 512. »Petition of the Inhabitants & colonists of Louisiana«, [17. September 1804], TP, 297. In einem Brief an den Präsidenten äußerte sich Claiborne skeptisch, dass es tatsächlich handfeste Gründe für die gesteigerte Angst der Louisianians gäbe. Dennoch verstärkte er die Nachtpatrouillen und hielt die Stadtmilizen in Alarmbereitschaft. Claiborne an den Präsidenten, 18. September 1804, TP, 298. »Petition to Governor Claiborne by Inhabitants of Pointe Coupee«, 9. November 1804, TP, 326. Das Pointe Coupée Parish wies mit ca. 70 % der Bevölkerung den höchsten Anteil von SklavInnen aller Parishes im OrleansTerritorium auf. Im Januar 1806 brachte ein Creole of Color selbst einen Fall ans Licht. Dabei handelte es sich allerdings nicht, wie sich nach der intensiven Befragung herausstellte, um einen geplanten Umsturz der Sklavengesellschaft, sondern um den Versuch, das Territorium wieder unter spanische Kontrolle zu bringen. »Statement of Stephen, a Free Negro, to Governor Claiborne«, 23. Januar 1806, TP, 575.

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um ein spontanes Aufbegehren handelte, ist unklar, aber im Verlauf des Abends und der Nacht fanden sich immer mehr Sklaven und so genannte maroons, also flüchtige Sklaven, die sich in den unzugänglichen Bayous versteckten, zusammen. Auf ihrem Weg in Richtung New Orleans versetzten sie die weißen Familien in Angst und Schrecken und veranlassten viele, ihr Land fluchtartig in Richtung der schützenden Stadt zu verlassen. Dort angekommen, verbreiteten diese die Nachricht von der Revolte und warnten vor dem ›Einfall‹ der Aufständischen. Die zwischen 150 und 500-Mann starke Gruppe (die Zeitungsberichte unterscheiden sich stark) wurde nahe der Plantage von François Bernard Bernoudi von der lokalen Miliz, die Andry trotz Verletzung ad hoc organisiert hatte, eingeholt und in die umliegenden Wälder getrieben.146 Claiborne entsandte aus New Orleans General Wade Hampton und Major Homer Virgil Milton, um Andrys Männer zu unterstützen. Am Abend des 11. Januar schrieb Colonel Andry an Claiborne, dass der Aufstand niedergeschlagen und alle Verantwortlichen entweder getötet oder gefangen genommen worden seien.147 Die entsandten Truppen töteten 66 der Aufständischen an Ort und Stelle und brachten weitere 30 nach New Orleans. Bereits einige Tage später wurde ein Gerichtsverfahren auf der Destrehan Plantage einige Meilen von New Orleans entfernt begonnen. Von den 30 Angeklagten wurden 21 zum Tode verurteilt. Ihre Köpfe wurden als Warnung auf Pfählen entlang des Weges aufgespießt. Drei Angeklagte wurden in die Sklaverei zurück geschickt, über das Schicksal von sechs weiteren sollte nach einer zweiten Verhandlung entschieden werden.148 In der Betrachtung der Reaktionen auf die Sklavenrevolte von 1811 offenbart sich eine Ambivalenz, die aus heutiger Sicht verwirrt. Es handelte sich um die größte und gefährlichste Sklavenrebellion auf US-amerikanischen Boden, weshalb sie auf breites Interesse in der regionalen und nationalen Öffentlichkeit stieß. 90 Prozent aller Zeitungen der USA, so hat die Studie von Thomas Marshall Thompson gezeigt, berichteten zumindest einmal über den Aufstand, viele mehrfach und im Detail. Die Artikel wiesen häufig auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Revolte und dem Ort Louisiana hin. Der Tatsache, dass ein Aufstand solch großen Ausmaßes gerade dort geschah, wurde große Bedeutung beigemessen. Vielfach flammten auch die Diskussionen um die bevorstehende Eingliederung Louisianas in den nationalen Staatenbund wieder auf. Die Sklavenbevölkerung und die fremdartige gesellschaftliche Konstellation wurden als ein Pulverfass angesehen, dessen Kontrolle noch nicht als gesichert galt. Vor allem in den weit entfernten Städten Neuenglands erschien die kreolische Gesellschaft aufgrund der Ereignisse weiterhin als bedrohlich für die Stabilität der Nation.149 146 147 148

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James Dormon: »The Persistent Specter: Slave Rebellion in Territorial Louisiana«, in: Louisiana History 18:4 (Fall 1977), 396. Manuel Andry an Governor Claiborne, 11. Januar 1811, TP, 915-16. Dormon: »The Persistent Specter«, 398. Siehe außerdem Herbert Aptheker: American Negro Slave Revolts, 50th Anniversary ed., New York: International Publisher 1993, 249-50; Glenn R. Conrad: »Summary of Trial Proceedings of Those Accused of Participating in the Slave Uprising of January, 1811«, in: Louisiana History 18:4 (Fall 1977), 472-73. Thomas Marshall Thompson: »National Newspaper and Legislative Reactions to Louisiana’s Deslondes Slave Revolt of 1811«, in: Dolores Egger Labbé (ed.),

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Doch trotz dieser Angst vor einer Eskalation wurden die Anführer der Sklavenrevolte in der Berichterstattung weniger als vom revolutionären Gedankengut Haitis beeinflusste Freiheitskämpfer dargestellt, denn als kriminelle Ausnahmeerscheinungen, deren Einfluss relativ begrenzt blieb. Während viele Journalisten auf der einen Seite auf die Kaltblütigkeit und das Kalkül der Aufständischen hinwiesen und so bei der Öffentlichkeit das latente Angstgefühl abriefen, zeichneten sie die angeblich Mordlustigen gleichzeitig als kriminelle ›Außenseiter‹ der ansonsten untergebenen und zufriedenen Sklavenbevölkerung. Ein Beispiel dafür ist die Darstellung der Geschehnisse durch Manuel Andry selbst, der die Aufständischen als »atrocious bandittis« bezeichnete und kein Wort über die mögliche Motivation für die Revolte verlor. In seinen Augen, so scheint es, waren die Aufständischen lediglich auf Bereicherung und allgemeine Ruhestörung aus.150 Auch in den Zeitungsberichten wurden die Rebellen überwiegend als an Essen und Alkohol interessiert und von blindem Vandalismus getrieben dargestellt.151 Während General Hampton in einem privaten Bericht über die Ereignisse einige Tage später seine Überraschung über die Organisiertheit der Sklavenrevolte ausdrückte und besonders auf den geordneten Rückzug der Gruppe angesichts der heranrückenden Milizen hinwies, wurde in der öffentlichen Berichterstattung dieses Element verschwiegen.152 Vermutlich um die angespannte Situation zu entschärfen, bemühte man sich um eine verharmlosende Darstellung der Revolte. Die bewusste Manipulation der Öffentlichkeit ging dabei Hand in Hand mit dem Wunsch der Verantwortlichen, in dem Ereignis ›nur‹ einen spontanen Aufstand und damit eine relativ ungefährliche Störung der organischen Beziehung zwischen Herren und SklavInnen zu sehen. An dem Beispiel der Sklavenrevolte von 1811 äußert sich die schwierige, bisweilen gespalten wirkende Psyche der sklavenhaltenden Südstaatler. Einerseits waren sie ihrem Dogma von der ›geistigen Minderwertigkeit‹ der ›schwarzen Rasse‹ verpflichtet und sprachen ihrer Sklavenbevölkerung deshalb die Fähigkeit ab, eine Revolte planen und durchführen zu können. Darüber hinaus verlangte es ihr Glaube an die ›natürliche‹ Unterwürfigkeit der Sklavenbevölkerung und ihre Zufriedenheit mit dem Paternalismus, dass man jegliche Motivation zu einem Aufstand klein redete. Zur selben Zeit wurden die Sklavenbesitzer allerdings von der allgegenwärtigen Angst vor Racheakten ihrer ›Schützlinge‹ umgetrieben. Diesem Widerspruch in der Rechtfertigungslogik der Sklaverei ist die ambivalente Darstellung der Sklavenrevolte von 1811 geschuldet. Die Außenwirkung der Revolte wurde allerdings bisher in der Forschungsdiskussion zu wenig beachtet. Die Tatsache, dass in so vie-

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The Louisiana Purchase and Its Aftermath, 1800-1830, Louisiana Purchase Bicentennial Series in Louisiana History, vol. 3, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Southwestern Louisiana 1998, 307, 312, 320. Manuel Andry an Governor Claiborne, [11. Januar 1811], TP, 916. Siehe auch Le Moniteur de la Louisiane, 15. Januar 1811. Louisiana Gazette and New Orleans Advertiser, 17. Januar 1811. Hampton an William Eustin, 16. Januar 1811, Records of the Office of the Secretary of War, RG 107, National Archives, Washington, DC, zitiert in Robert Paquette: »Revolutionary Saint Domingue in the Making of Territorial Louisiana«, in: David Barry Gaspar/David Patrick Geggus (eds.), A Turbulent Time. The French Revolution and the Greater Caribbean, Bloomington: Indiana UP 1997, 220.

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len Zeitungen über das Ereignis berichtet wurde, ist nicht einzig der Sensationslust der Zeitungsmacher geschuldet. Die Louisianians standen seit 1803 unter der strengen Beobachtung sowohl der politischen Vertreter der USNation als auch der allgemeinen Öffentlichkeit der übrigen Staaten. Trotz der prinzipiellen Freude über den territorialen und damit potenziell wirtschaftlichen Zugewinn, standen viele AmerikanerInnen dem ›Projekt Louisiana‹ skeptisch gegenüber. Dass sich gerade dort nun die lange befürchtete und in ihren Ausmaßen einzigartige Sklavenrevolte ereignete, spielte LouisianaKritikern in die Hände. Um möglichen Sanktionen, vor allem in Bezug auf den wichtigen Sklavenhandel vorzubeugen, bemühten sich die Louisianians darum, den Aufstand als einmalige Entgleisung eines ansonsten funktionierenden Systems darzustellen. Sowohl um die Außenwelt als auch sich selbst zu beruhigen, suchte man die Schuld an dem Aufstand nicht bei der heimischen Sklavenbevölkerung, sondern bei gesellschaftlichen Außenseitern. Während einige die noch immer in Louisiana verweilenden Spanier verdächtigten, sahen Claiborne und seine Territorialregierung in den aus Haiti eingeführten SklavInnen die Urheber der Revolte. Darüber hinaus kamen die vielen Free People of Color in Verdacht, deren Zahl sich durch die Flüchtlingsströme aus Haiti mehr als verdoppelt hatte. Um so verständlicher war die Meldung in der Louisiana Gazette, in der der Anführer der Revolte, Charles Deslondes, als »yellow fellow« bezeichnet wurde.153 Diese Falschangabe, die von anderen Zeitungen übernommen wurde, verbreitete das Gerücht, dass der Aufstand von Free People of Color angeführt worden sei.154 Dass die Afrokreolen die große Unbekannte in einem blutigen Kampf zwischen Sklavenhaltern und ihren SklavInnen darstellen würden, hatten Claiborne und seine Beamten früh erkannt. Die kolonialen Rechte der mittleren Gesellschaftsschicht hatte Claiborne trotz Unbehagen gegenüber dem dreistufigen Sozialmodell jedoch nicht gleich eingeschränkt, weil er auch erkannt hatte, dass es für die weiße Gesellschaft lebenswichtig sein könnte, sich der Loyalität der Free People of Color zu versichern. Bereits 1804 hatte er an den Außenminister in Washington geschrieben: »I remembered that the events which have Spread blood and desolation in St. Domingo, originated in a dispute between the white and Mulatto inhabitants, and that the too rigid treatment of the former, induced the Latter to seek the support & assistance of the Negroes.«155 Wohl auch aus diesem Grund sah sich Major Charles Perret genötigt, den Verdacht gegenüber den Free People of Color als mögliche Anstifter der Revolte zu entkräften, indem er ihre Rolle in der Verteidigung von New Orleans gegenüber den Aufständischen betonte. In einem öffentlichen Brief nannte er die Namen von sieben Free Men of Color, die ihm tatkräftig und mutig in der Niederschlagung des Aufstandes zur Seite gestanden hatten. Als Belohnung für ihre Loyalität, so Perret, verdienten diese Männer sowohl öffentliche Anerkennung als auch eine finanzielle Belohnung.156

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Louisiana Gazette and New Orleans Advertiser, 11. Januar 1811. Thompson: »National Newspaper and Legislative Reactions«, 311. Claiborne an Madison, 12. Juli 1804, CLB, vol. 2, 245. Le Moniteur de la Louisiane, 17. Januar 1811. Siehe auch Claiborne an den Außenminister [Robert Smith], 14. Januar 1811, CLB, vol. 5, 100.

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James Dormon hat das Problem möglicher Sklavenrevolten als das ›Schreckgespenst‹ Louisianas bezeichnet.157 Tatsächlich blieb die Revolte von 1811 einzigartig sowohl hinsichtlich der hohen Zahl der an ihr beteiligten SklavInnen als auch wegen ihres Schattens, den sie fortan auf das Sklavereisystem warf. Um dieser Kultur der Angst vor der im System inhärenten Umsturzgefahr entgegenzuwirken, war es für die sklavenhaltende Gesellschaft Louisianas notwendig, die Ereignisse des Jahres 1811 herunterzuspielen. Eine rationale Erklärung für das Aufbäumen der heimischen Sklavenbevölkerung erforderte Schuldige außerhalb der eigenen Gesellschaft. Selbst diejenigen, die eine Schuldzuweisung an die Spanier oder die in den Sümpfen hausenden Piraten als abwegig empfanden, suchten nach Erklärungsmustern, die der sklavenhaltenden Gesellschaftsgruppe die Absolution erteilte. Angesichts der Flüchtlingsproblematik in den vorangegangenen Jahren erschien es mehr als verständlich, im haitianischen Einfluss das wahre Problem zu sehen. Mit der Sklavenrevolte von 1811 etablierte sich im Denken vieler Louisianians ein Bild von Haiti als dem ›Anderen‹, von dem eine ständige Gefahr für die Stabilität der eigenen Gesellschaft ausging. Auf einer gedachten Achse der Andersartigkeit standen sich die Pole USA und Haiti konträr gegenüber, während sich Louisiana in der Mitte befand – unentschieden, in welche Richtung es sich wenden sollte. Haiti als zu fürchtendes Beispiel eines verlorenen Paradieses bestimmte im gesamten 19. Jahrhundert das Denken und Handeln der USA, wenn es um die Rolle Louisianas in der Nation ging.

»They Must Be For, or Against Us«: Die Free Men of Color in der Schlacht um New Orleans »In the sincerity of a Soldier, and the language of truth I address you. Your Country, altho’ calling for your exertions does not wish you to engage in her cause, without amply remunicating [sic] you, for the services rendered.«158

Im Verlauf des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts hatte sich die außenpolitische Lage der USA rasant verändert. In Europa tobten die Befreiungskriege gegen Napoleon, von deren Rückwirkungen nach Meinung Claibornes auch die USA nicht verschont bleiben würden. Darüber hinaus bahnte sich zwischen den USA und der ehemaligen Kolonialmacht England eine erneute militärische Auseinandersetzung an.159 Da das riesige Louisiana-Gebiet im Fall eines feindlichen Angriffs besonders gefährdet sein würde, war man in 157 158

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Dormon: »The Persistent Specter«, 404. »To the Free Coloured Inhabitants of Louisiana«, in: John Spencer Bassett (ed.): Correspondence of Andrew Jackson, 7 vols., vol. 2, Washington: Carnegie Institution 1927, 58-59. Die Monroe-Doktrin vorwegnehmend vertrat Claiborne die Meinung, dass die Lage in Europa dazu einlud, den nordamerikanischen Kontinent gänzlich von allen unerwünschten ›europäischen Einflüssen‹ zu befreien: Claiborne an Robert Smith, 14. Mai 1809, CLB, vol. 4, 353.

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Washington daran interessiert, dem Wunsch der Louisianians zu entsprechen und sie aus ihrem Territorialstatus zu befreien. Im Gegenzug für die daraus erwachsenden Vorteile erhoffte man sich bedingungslose Loyalität und militärische Unterstützung im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung. Im Februar 1811 erließ die nationale Regierung ein Gesetz zur Staatsgründung Louisianas, das die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung vorsah.160 Ein knappes Jahr später wurde Louisiana als 18. Staat in den Verbund der USA aufgenommen. Während man hoffte, die weiße Bevölkerung Louisianas auf diese Weise endgültig auf Kurs gebracht zu haben, blieb weiterhin die Frage offen, wie sich die Afrokreolen bei einem Angriff von außen verhalten würden. Besondere Brisanz gewann sie durch die Tatsache, dass die Free People of Color über langjährige Erfahrungen im Umgang mit Waffen verfügten.

Free Men of Color in der Miliz Louisianas Ähnlich wie in den Gesellschaften Lateinamerikas oder der britischen West Indies hatten die Free Men of Color während der Kolonialzeit einen wesentlichen Beitrag zur inneren und äußeren Sicherheit der Siedlungen geleistet. Seit dem Überfall der Natchez auf das Fort Rosalie im Jahre 1729 waren sie wiederholt eingesetzt worden, um strategisch wichtige Orte zu schützen. Unter den Franzosen hatten sie sogar Offiziersränge eingenommen. Diese Tradition hatten die spanischen Machthaber fortgeführt und rund 80 freie Afrokreolen in zwei Kompanien unterhalten, eingeteilt entsprechend ihrer Hautfarbe.161 Als die Amerikaner 1803 nach Louisiana kamen, waren sie aufgrund ihrer Furcht vor der Bewaffnung freier Farbiger über die gemischte Miliz überrascht.162 Allerdings glaubten sie, dass auch sie auf deren Hilfe nicht würden verzichten können, befand sich die weiße Miliz doch in einem beklagenswerten Zustand.163 Claiborne sah sich in einer schwierigen Situation, denn die Abschaffung der Free Men of Color-Milizen würde deren Zorn auf die amerikanische Regierung nach sich ziehen, während ihr Fortbestand die weiße Bevölkerung verärgern würde. Im Falle eines Angriffs von außen mussten sich die Regierungsbeamten allerdings auf die Loyalität beider Gruppen verlassen können. Claiborne hoffte auf Anweisungen aus Washington, wie er mit den Milizen umzugehen habe. Diese kamen im Februar 1804, allerdings nicht in der von Claiborne erhofften Klarheit. Der Verteidigungsminister Henry Dearborn schrieb lediglich: »[I]t will be expedient either to continue or renew the organization, as may in your excellency’s opinion be

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»An Act to enable the people of the territory of Orleans to form a constitution and state government and for the admission of such state into the union, on an equal footing with the original states and for other purposes«, in: A General Digest of the Acts of the Legislatures of the Late Territory of Orleans and of the State of Louisiana …, New Orleans: Peter K. Wagner 1816, vol. I, 212-18. Zur Geschichte dieser Miliz während der Kolonialzeit siehe Roland C. McConnell: Negro Troops of Antebellum Louisiana. A History of the Battalion of Free Men of Color, Baton Rouge: Louisiana State UP 1968. Claiborne an den Präsidenten, 24. August 1803, TP, 18. Claiborne an James Madison, 10. November 1804, CLB, vol. 3, 7; Claiborne an den Secretary of War [Henry Dearborn], 16. Juni 1808, TP, 793.

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most proper. It will be prudent not to increase the Corps, but diminish, if it can be done without giving offense[.]«164 In der Zwischenzeit hatten sich einige Free Men of Color, die in der spanischen Miliz gedient hatten, mit einem Schreiben an den Gouverneur gewandt, in dem sie zunächst ihre Freude über die amerikanische Übernahme ausdrückten und den neuen Machthabern ihre Loyalität zusicherten. Des Weiteren betonten sie nicht nur ihren freien Status, sondern auch ihre Herkunft und Zugehörigkeit zu Louisiana, aus der sie ein besonderes Interesse an der Sicherheit und dem Wohlergehen ihrer Heimat ableiteten: »We are Natives of this Province and our dearest Interests are connected with its welfare. We therefore feel a lively Joy that the Sovereignty of the Country is at length united with that of the American Republic. We are duly sensible that our personal and political freedom is thereby assured to us for ever, and we are also impressed with the fullest confidence in the Justice and liberality of the Government towards every Class of Citizens which they have here taken under their Protection.«165

Zunächst musste diese Loyalitätsbekundung Claiborne beruhigen. Allerdings wurde aus dem Schreiben der Free Men of Color ersichtlich, dass sie sich ihrer militärischen Bedeutung angesichts drohender Auseinandersetzungen bewusst waren. Anders als es die Amerikaner aus anderen Südstaaten gewohnt waren, traten die freien Farbigen in Louisiana sehr selbstbewusst auf. Als Gegenleistung für ihre Loyalität, so wird aus dem Schreiben deutlich, erwarteten sie die Anerkennung als amerikanische Staatsbürger mit allen dazu gehörigen Rechten. Konkret boten sie ihren Dienst in einem von Claiborne zu etablierenden Freiwilligen-Korps an.166 Dessen Antwort ist uns nur in Form eines Briefes an James Madison überliefert. Darin berichtete Claiborne, dass er den Free People of Color ihre Rechte auf Freiheit, Besitz und freie Religionsausübung zugesichert habe. Auf das Angebot einer Milizaufstellung hatte er mit der Bitte um Geduld geantwortet, bis er von Washington nähere Anweisungen erhalten hätte. Abschließend versicherte er sie seines Vertrauens in ihre militärischen Fähigkeiten und ihre Loyalität gegenüber der amerikanischen Regierung und Nation.167 Um die Free People of Color weiter an die Obrigkeit zu binden, übergab er ihren noch immer unabhängig von der offiziellen Miliz existierenden Bataillonen im Juni 1804 eine Standarte, die in den Soldaten seiner Meinung nach »Sensibility and gratitude« hervorrief.168 Auf diese Weise versuchte er, sowohl die Gemüter der weißen Bevölkerung zu beruhigen als auch die Solidarität der Free People of Color zu sichern. Seine Behandlung der afrokreolischen Miliz stieß bei der weißen Bevölkerung allerdings auf wenig Zustimmung. In den nächsten Monaten wurde Claiborne in der Presse wegen seiner Position zur Free Men of Color-Miliz scharf angegriffen. So kritisierte der 164 165 166 167 168

Henry Dearborn an Claiborne, 20. Februar 1804, CLB, vol. 2, 54. Address from the Free People of Color, January 1804, TR 174. Address from the Free People of Color, January 1804, TR 174. Claiborne an James Madison, 17. Januar 1804, CLB, vol. 1, 339-40. Claiborne an Henry Dearborn, 22. Juni 1804, CLB, vol. 2, 218.

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anonyme ›Louisianian‹ die übertriebene Größe der Standarte und ihre Ähnlichkeit zur Flagge der weißen Miliz.169 Tatsächlich hatte Claiborne in seinem Bericht an den Verteidigungsminister nicht erwähnt, dass er bei der feierlichen Standartenübergabe gezwungen gewesen war, das Bataillon der Free Men of Color durch Gardisten vor einer aufgebrachten weißen Meute zu schützen.170 In dem Gesetz zur Milizenbildung, das von der Territorialregierung im März 1805 erlassen wurde, fanden die Free Men of Color-Bataillone keinerlei Erwähnung.171 Offensichtlich wusste Claiborne noch immer nicht, wie er das Dilemma um die Interessen der Verteidigung Louisianas mit dem Unbehagen der Bevölkerungsmehrheit über bewaffnete Free People of Color lösen sollte. Sicher war er sich aber, dass die Nichtbeachtung ihres Angebots in den neuen Gesetzen zur staatlichen Miliz bei den Free Men of Color zu Irritationen geführt hatte: »[S]o much was said upon the subject, that the late Legislative Council thought it prudent to take no notice of the Mulatto Corps in the general Militia Law;—this neglect has soured them considerably with the American Government, and it is questionable how far they would, in the hour of danger, prove faithful to the American Standard.«172

Der Krieg von 1812 Zunächst blieb den Free People of Color nichts weiter übrig, als die gegebenen Tatsachen zu akzeptieren. Die Vorzeichen änderten sich allerdings schneller als gedacht, denn bereits seit einigen Jahren drohte ein Krieg mit dem ehemaligen Mutterland. In seiner Kriegsmitteilung an den nationalen Kongress im Juni 1812 nannte Präsident Madison drei Gründe für eine kriegerische Auseinandersetzung: die englische Praxis des Impressment, bei der amerikanische Seeleute von ihren Schiffen gekidnappt wurden, um für England im Krieg gegen Napoleon zu kämpfen, die Aufhetzung der amerikanischen Ureinwohner gegen die amerikanische Nation sowie die englischen Einschränkungen des neutralen Handels. Die ersten zwei Kriegsjahre verliefen für New Orleans relativ ruhig, doch gegen Ende 1814 mehrten sich die Anzeichen für einen baldigen Angriff der Engländer auf die Hafenstadt. Besonders erbost zeigten sich die Amerikaner darüber, dass sich die Briten nicht scheuten, die in den Sümpfen lebenden ›Piraten‹ – die Baratarians – auf ihre

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Es handelte sich hierbei, wie bereits damals bekannt war, um Edward Livingston. Louisiana Gazette and New Orleans Advertiser, 29. Januar 1805. Der Verweis auf die aufgestellten Gardisten findet sich in einem Brief von James Sterret an Nathaniel Evans, 23. Juni 1804, Nathaniel Evans Papers, LLMVC. »An Act Concerning Volunteer Companies of Militia«, in: Acts Passed at the First Session of the Legislative Council of the Territory of Orleans…, NewOrleans: James M. Bradford 1805, 120. Claiborne an den Secretary of War [Henry Dearborn], 8. Januar 1806, TP, 561.

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Seite zu ziehen.173 Und auch farbige Soldaten wurden aus den britischen Inselkolonien rekrutiert und in den Kampf nach Louisiana entsandt: »We anxiously look towards this city, filled with hopes and wounded by fears for its fate. On the events that have happened there, great interests depend, not to the individuals, or to the immense tract of country immediately concerned in the welfare of this mighty depot, but only to all the United States. On the 12th December, intelligence reached New-Orleans, that the much-talked-of expedition from the WestIndies (or a part of it) consisting of from 35 to 40 vessels, had appeared off Ship Island, in the bay of St. Louis, approaching towards Lake Ponchartrain, with an undoubted design of making a ›demonstration‹ on the city on that side. The troops on board were supposed to amount to 6000 men, among were some black soldiers.«174

Diese Neuigkeiten verstärkten die Debatte um eine Einbindung der Free Men of Color in den Milizenverband. Bereits seit August des vorherigen Jahres hatte Claiborne hinter den Kulissen auf eine Eingliederung hingearbeitet. Allerdings hatten seine Vorstellungen bislang nicht die Zustimmung des Territorial-Parlaments gefunden.175 Erst mit der drohenden Gefahr vor Augen wendete sich das Blatt. Nachdem Claiborne zum ersten Gouverneur des Staates Louisianas gewählt worden war, erließ der Staatenkongress nach zähen Debatten im September 1812 ein Gesetz, das ihm erlaubte, eine Miliz der Free Men of Color, bestehend aus vier Kompanien zu je 64 Männern, auszuheben. Diese sollten laut Gesetzestext aus der Gruppe der »Creoles« ausgesucht werden, wobei entweder sie selbst oder ihre Väter seit mindestens zwei Jahren Land im Wert von mindestens 300 Dollar besitzen sollten.176 Kommandiert wurden die Kompanien zwar von einem Weißen, die Offiziere niedrigeren Ranges konnten jedoch aus den Reihen der Free Men of Color gewählt werden. Diese farbigen Soldaten waren die ersten, die unter der USRegierung je den Rang eines Offiziers bekleideten. Später wurden noch zwei weitere Kompanien eingegliedert. Das Gesamtkommando hatten Lieutenant

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»Jackson’s Proclamation to the People of Louisiana«, 21. September 1814, in: Bassett, 58. Niles’ Weekly Register, 14. Januar 1815. Hervorhebungen im Original. Claiborne an William Eustis, 31. August 1811, CLB, vol. 5, 350. Bereits 1807 hatte Claiborne einen Zensus aller Free Men of Color in New Orleans und Umgebung, die zuvor in einer Miliz tätig gewesen waren, in Auftrag gegeben. Außerdem ordnete er an, dass Vorbereitungen getroffen werden sollten, falls eine Reaktivierung der Miliz durch das Staatsparlament angeordnet würde. General Orders, 9. Januar 1807, TP, 717. Im Januar 1807 schlug er in seiner Rede vor dem Staatsparlament erneut eine Eingliederung der Einheiten der Free People of Color in das staatliche Milizwesen vor und verwies auf ihre wichtige Rolle und das vorbildliche Verhalten während der spanischen Kolonialzeit und der Territorialphase: »Speech to Assembly«, 13. Januar 1807, CLB, vol. 4, 92. »An Act to organize in a Corps of Militia for the service of the State of Louisiana, as well for its defense as for its Police, a certain portion of chosen men from among the free men of colour«, in: Acts Passed at the First Session of the First General Assembly of the State of Louisiana, New-Orleans: Thierry 1812, 72.

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Colonel Michel Fortier und Major Pierre Lacoste inne, ranghöchster Free Man of Color war Vincent Populus als Second Major.177 Treibende Kraft im Kampf um die Eingliederung der Free Men of ColorMiliz war seit Kriegsbeginn General Andrew Jackson, Befehlshaber der amerikanischen Streitkräfte. Er sah in ihnen wegen ihrer langjährigen Erfahrung ungenutztes Potenzial. Außerdem glaubte er ähnlich wie Claiborne, dass man sich ihrer Loyalität am besten versichern konnte, wenn man sie in den Kampf mit einbezöge und ihre Interessen denen der amerikanischen Nation angleiche. In einem Schreiben an Claiborne warb er deshalb für die Aufstockung der Einheiten: »The free men of colour in your city are inured to the Southern climate and would make exellent [sic] Soldiers. They will not remain quiet spec[ta]tors of the interesting contest. They must be for, or against us—distrust them, and you make them your enemies, place confidence in them, and you engage them by every dear and honorable tie to the interest of the country who extends to them equal rights and priviledges [sic] with white men.«178

Obwohl Claiborne ähnlich wie Jackson dachte, erinnerte er den General an die Stimmung vieler Louisianians, die sich vor bewaffneten Free People of Color fürchteten, denn »if at the close of the War, the Individuals were to settle in Louisiana, with a Knowledge of the use of Arms, and that pride of Distinction, which a soldiers pursuits so naturally inspires, they would prove dangerous.«179 Angesichts des drohenden britischen Angriffs und der nur schleppend vorangehenden Rekrutierung innerhalb der weißen Bevölkerung, lenkte Claiborne aber dennoch ein. Das zweite Bataillon der Free Men of Color, das wenig später rekrutiert wurde, bestand ebenfalls aus vier Kompanien und unterstand Major Louis D’Aquin und Second Major Joseph Savary, einem Free Man of Color aus St. Domingue.

Die Schlacht um New Orleans Als es am 8. Januar des Jahres 1815 zwischen den Briten und den Amerikanern zur Schlacht um New Orleans kam, war die Mehrzahl der Free Men of Color-Soldaten daran beteiligt.180 Das Kommando der US-Armee war überzeugt, dass man mit einem deutlichen Sieg über die Engländer den nun bereits zweieinhalb Jahre andauernden Krieg für sich entscheiden würde. Allerdings wusste man nicht, dass sich zur selben Zeit, als sich die Louisianians auf die entscheidende Schlacht vorbereiteten, im belgischen Ghent Vertreter der britischen und amerikanischen Regierungen trafen, um über einen Friedensvertrag zu verhandeln. Im Glauben an die alles entscheidende Schlacht 177

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Für die genaue Zusammensetzung der Kompanien siehe das »Roster of The Battalions of Free Men of Color« bei Rosemarie Loomis: Negro Soldiers – Free Men of Color in the Battle of New Orleans – War of 1812, New Orleans: n. p. 1991, n. p. Andrew Jackson an Claiborne, 21. September 1814, in: Bassett, 56-57. Claiborne an Andrew Jackson, 17. Oktober 1814, in: Bassett, 77. Für den Hergang der Schlacht siehe McConnell, Kapitel 5; Robert V. Remini: The Battle of New Orleans, New York: Viking 1999.

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peitschte der rhetorisch gewandte Jackson seine Soldaten an. Ihrem multikulturellen Hintergrund Rechnung tragend, spitzte er seine Rede auf den gemeinsamen Feind England zu: »The proud Britain, the national and sworn Enemy, of all Frenchmen, of all Americans, and of all freemen, has called upon you by a proclamation; to aid her in her tyranny, and to prostrate the Holy temple of our liberty. Can Louisianians, can Frenchmen, can Americans ever stoop to be the Slaves or allies of Britain?«181

Direkt an die Free Men of Color wandte sich Jackson mit einer weiteren Proklamation, um deren Verlesung er Claiborne in einem Brief bat. Diesen überkamen angesichts der brisanten Situation zwar Zweifel, doch ließ er Jacksons Deklaration nach einigem Zögern schließlich doch verlesen.182 Gleich zu Beginn distanzierte sich Jackson von der bisherigen Politik seiner Regierung gegenüber den Free People of Color und erklärte sie zu Staatsbürgern der USA, denen als Amerikanern und Bürgersoldaten genau dieselben Rechte zuständen wie allen anderen Freien der USA. Um diese zu erhalten, sollten sie nun der Pflicht der Vaterlandsverteidigung nachkommen: »Through a mistaken policy, my brave fellow Citizens, you have heretofore been deprived of a participation in the Glorious struggle for National rights, in which our Country is engaged. This shall no longer exist, as sons of freedom, you are now called upon to defend our most estimable blessing: As Americans, your Country looks with confidence to her adopted Children, for a valorous support, as a partial return for the advantages enjoyed, under her mild and equitable government. As fathers, husbands, and Brothers, you are summoned to rally around the standard of the Eagle, to defend all which is dear in existance [sic].«183

Jackson versprach den Free Men of Color, dass sie für ihre Leistungen genauso entschädigt würden wie ihre weißen Kameraden. Die Nation werde ihren Mut und ihre Opfer, die sie als Soldaten zu ihrem Schutze erbringen würden, entsprechend entlohnen: »The president of the United States shall be informed of your conduct on the present occasion, and the voice of the representatives of the American nation shall applaud your valor, as your genera[l] now praises your ardor. The enemy is near; his ›sails cover the lakes;‹ but the brave are united; and if he finds us contending among ourselves, it will be for the prize of valor and fame its noblest reward.«184

Die Schlacht um New Orleans bestand eigentlich aus einer Serie von Scharmützeln, die im Dezember 1814 begannen und ihren Abschluss fanden in einem entscheidenden Gefecht am Morgen des 8. Januars im Nebel von Chalmette etwa acht Kilometer von der Stadt entfernt. Die 3.500 bis 5.000 amerikanischen Truppen standen einem englischen Heer von über 8.000 Mann ge181 182 183 184

»Jackson’s Proclamation to the People of Louisiana«, 21. September 1814, in: Bassett, 57. Claiborne an Jackson, 17. Oktober 1814, in: Bassett, 76. »To the Free Coloured Inhabitants of Louisiana«, in: Bassett, 58-59. Niles’ Weekly Register, 28. Januar 1815.

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genüber, das sowohl britische Veteranen umfasste als auch farbige Soldaten aus den westindischen Besitzungen Großbritanniens. Aber auch die amerikanische Streitmacht war heterogen: neben verschiedenen südstaatlichen Milizverbänden kämpften Choctaws, Piraten der Baratarians – die sich nun doch für die amerikanische Seite entschieden hatten – und Free Men of Color. Obwohl in Unterzahl, gelang es den Truppen unter Jackson, die Engländer in die Enge zu treiben. Während die Amerikaner am Ende nur 13 Tote und ungefähr 80 Verwundete melden mussten, hatten die Engländer über 1.000 Verwundete und über 300 Tote zu beklagen, darunter auch ihren Kommandanten Major General Edward Pakenham. An dem durchschlagenden Erfolg des 8. Januars trugen die Free Men of Color-Einheiten einen wesentlichen Anteil. Die Angst vieler weißer Louisianians, sie könnten ihrem Ruf als tapfere Soldaten nicht gerecht werden oder gar die Seiten wechseln, blieb unbegründet. Einige Berichte sprachen sogar von übermäßigem Streben nach Ehre und Ruhm, das sie zu einem erbitterten Kampf gegen die Engländer anstachelte.185 Nachdem sich der Pulverdampf der Schlacht verzogen hatte und man auch in New Orleans von dem Friedensvertrag hörte, der im Wesentlichen den status quo ante wiederherstellte, ging es für die Free Men of Color darum, die Einlösung der von Jackson gemachten Versprechen zu fordern. Dabei stellte sich heraus, dass die aus einer Notsituation geborenen und von ihm eigenmächtig gemachten Offerten nicht mit den Plänen der US-Regierung zu vereinbaren waren. Zwar wurden die Einheiten der Free Men of Color von der amerikanischen Regierung offiziell für ihre Dienste gelobt und einige der hochrangigen Soldaten wurden auch mit Pensionszahlungen bedacht, die mit denen weißer Soldaten zu vergleichen waren.186 Das Versprechen von Jackson auf Entschädigungen in Form von Land wurde allerdings erst im Verlauf der 1850er Jahre eingelöst – vermutlich weil man sich angesichts des drohenden Bürgerkriegs erneut der Loyalität und des Verteidigungswillens der Free Men of Color versichern wollte. Neben der finanziellen Entlohnung war für die Free People of Color die Hoffnung, fortan als gleichberechtigte Bürger anerkannt zu werden, von besonderer Wichtigkeit gewesen. Doch hier entpuppte sich Jacksons großmütiges Versprechen als eine Seifenblase. Sicherlich gewannen die Soldaten an Respekt, doch resultierte ihr erfolgreicher militärischer Einsatz keineswegs, wie es Ira Berlin behauptete, in einer längerfristigen Stärkung ihrer sozialen Stellung.187 Der Krieg von 1812, der später als Zweiter Unabhängigkeitskrieg bezeichnet wurde, hatte vor allem die Aufgabe gehabt, die noch relativ junge Nation zu festigen. Das Ziel, eine nationale amerikanische Identität zu schmie185 186

187

Niles’ Weekly Register, 11. Februar 1815. »An Act for the relief of Charles Savary, and of certain persons therein mentioned«, in: Acts Passed at the First Session of the Second Legislature of the State of Louisiana, New Orleans: Peter K. Wagner 1815, 84-85; »An Act for the relief of the persons therein mentioned«, in: Acts Passed at the First Session of the Second Legislature of the State of Louisiana, 90-91; »An Act to grant a pension to Joseph Savary, of the regiment of men of color«, in: Acts Passed at the First Session of the Fourth Legislature of the State of Louisiana, New Orleans: J. C. de St. Romes 1819, 9-10. Zu den Pensionen und Belohnungen in Form von Land siehe McConnell, 108-112. Berlin: Slaves Without Masters, 128.

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den und sich von den noch immer starken europäischen Einflüssen zu lösen, hatte in Louisiana eine besondere Bedeutung. Mehr als irgendwo sonst diente der Krieg im gerade erst etablierten Staat zur ›Identitätsfindung‹ der Louisianians und zur ›Amerikanisierung‹ der einheimischen Bevölkerung. Tatsächlich gelang es, den schwierigen und alles überlagernden Kulturkonflikt zwischen der kreolischen ancienne population und den Angloamerikanern zumindest soweit zu kontrollieren, dass die Stabilität des Gebietes fortan als gesichert gelten konnte. In Bezug auf die anomale Klasse der Free People of Color hinterließen der Krieg und die Schlacht um New Orleans eine zwiespältige Wirkung. Auf der einen Seite standen die amerikanischen Regierungsbeamten dem dreischichtigen Gesellschaftssystem mit einer starken, ›rassengemischten‹ Gruppe skeptisch gegenüber und strebten eine schnelle ›Amerikanisierung‹ des Rassensystems an. Die Schwierigkeit war allerdings, dass die Free Men of Color die sich ihnen mit dem Krieg von 1812 bietende Möglichkeit genutzt hatten, den Prozess der ›Amerikanisierung‹ in ihrem Sinne zu beeinflussen. In dem Moment, in dem ein Angriff von außen drohte, hatten sie sich als unverzichtbare Verteidiger der amerikanischen Nation und damit als legitimer Teil derselben inszeniert. Indem sie ihr Leben neben Amerikanern und weißen Kreolen in der Schlacht aufs Spiel gesetzt hatten, erwarben sie sich zumindest das moralische Recht auf Gleichberechtigung. Eine Eingliederung der ›rassengemischten‹ Gruppe als ebenbürtige Bürger der US-Nation hätte jedoch unweigerlich die das südstaatliche Sklavereisystem stützende Rassenlehre unterwandert und konnte deshalb nicht erfüllt werden. Für die Amerikaner hieß dies, dass sie in der Folgezeit gezwungen waren, der durch den erfolgreichen Militärdienst errungenen Erhöhung der Free Men of Color in den Bürgerstatus entgegenzuwirken. Abgesehen von den finanziellen Entschädigungen konnten die Free Men of Color aus ihrer Teilnahme an der Schlacht um New Orleans kein Kapital schlagen. Ihre Bataillone wurden nach dem Krieg aufgelöst und ein neues Gesetz im Jahre 1834 schloss die Free Men of Color aus dem Milizwesen Louisianas aus. Die vollen Bürgerrechte als amerikanische Staatsbürger bekamen sie nicht verliehen. Stattdessen war in der Verfassung von 1812 das Wahlrecht für die Free People of Color zu ersten Mal explizit ausgeschlossen worden. Warum sie sich nicht vehement gegen die Nichteinhaltung der gemachten Versprechen wandten, bleibt unklar. Es scheint jedoch, als ob sie zunächst von der auf den Krieg folgenden Zeit der Prosperität profitierten und sich mehr ihrem wirtschaftlichen Vorankommen widmeten – womöglich in der Hoffnung, dass die politische Gleichberechtigung dem wirtschaftlichem Erfolg auf dem Fuße folgen würde. Die Erinnerung an die Verdienste der Free Men of Color-Miliz in der Schlacht um New Orleans verblasste in der hegemonialen weißen Gesellschaft schnell. Je mehr ihre loyale Pflichterfüllung in der amerikanischen Öffentlichkeit in Vergessenheit geriet, desto wichtiger wurde sie jedoch für die innere Gemeinschaft der Free People of Color. Das Gedenken an ihre soldatischen Leistungen wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einem unverzichtbaren Marker ihrer kulturellen, regionalen und nationalen Identität stilisiert. Die Erinnerung an die erbrachten Opfer der Väter diente den folgenden Generationen als Rückversicherung und Rechtfertigungsgrundlage in ihrem Kampf gegen stetig wachsende Restriktionen auf dem Weg zu einer ›amerikanisierten‹, bipolaren Gesellschaft.

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Resümee Die ersten zwei Jahrzehnte nach dem Erwerb des Louisiana-Gebietes stellten die amerikanischen Machthaber und Siedlerfamilien vor eine große Herausforderung. Nie zuvor und nie mehr danach galt es, eine so große Fläche in die US-Nation einzugliedern. Im Gegensatz zu den Gebieten im Westen, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts den USA einverleibt werden würden, blickte Louisiana bereits auf eine lange europäische Kolonialgeschichte zurück und besaß eine ausdifferenzierte Gesellschaft. Oberstes Ziel für die entsandten amerikanischen Regierungsbeamten vor Ort und der Nationalregierung in Washington war es deshalb, die Einheimischen Louisianas zu ›amerikanisieren‹. Dies bedeutete zunächst die der amerikanischen Nation zugrundeliegenden Wertvorstellungen im politischen Bereich, also den Republikanismus, den Freiheitsgedanken und eine auf der Repräsentation aller freien Bürger basierenden Regierung zu etablieren. Jahrzehnte unter despotischen europäischen Regierungen hatten in den Kreolen jeglichen Glauben an Gleichheit und eine repräsentative Regierungsform erstickt und der Entwicklung eines Demokratieverständnisses keinen Raum gelassen. Erschwerend kam hinzu, dass die Kultur der ancienne population in weiten Teilen als grundsätzlich konträr zur angloamerikanisch geprägten Ausformung in den US-Staaten gesehen wurde. Vor allem in ihren moralischen Vorstellungen nahmen die Amerikaner die kreolische Gesellschaft als korrumpiert und degeneriert wahr und propagierten fortan Bescheidenheit und absolute Abstinenz von dekadentem Luxus und dem Genuss zügelloser (sexueller) Vergnügungen. Die Fremdwahrnehmung zwischen der angloamerikanischen Bevölkerung, die nach Louisiana strömte, und der kreolischen ancienne population lag während der ersten zwei Jahrzehnte – und zum Teil auch noch danach – als ein alles bestimmender Schatten über der Entwicklung Louisianas. Beinahe alle Ereignisse, Entwicklungen und Probleme wurden durch die Brille dieses Kulturunterschieds betrachtet. Dabei sind die Dynamiken der Selbst- und Fremdzuschreibungen dieser Zeit stets unter dem Aspekt einer multikulturellen und multidifferenten Gesellschaft zu sehen, die nicht in einem eindimensionalen Austausch stattfanden, sondern vielmehr in einem mehrdimensionalen Netz von AkteurInnen. So begriffen die Amerikaner die für sie anomale Gruppe der Free People of Color zunächst als eine ›Unterart‹ der nicht minder fremdartigen Kreolen. Obwohl diese kulturalistische Differenz zunächst überwog, gewann die ›rassische‹ Komponente bald an Bedeutung. Im Zusammenhang mit ihrer Rolle im Falle einer Sklavenrevolte und später eines Angriffs von außen, zeigten sich die Free People of Color als eine Anomalie, die eine Gefahr für das Rassensystem im amerikanischen Süden und damit für die Stabilität der Gesellschaft darstellte. Es war die amerikanische Vorstellung von der Notwendigkeit einer ›Ordnung‹ der Gesellschaft Louisianas entlang klarer Zugehörigkeitslinien zu bestimmten Schichten, die das der kreolischen Gemeinschaft ursprünglich innewohnende Versprechen eines alternativen Gesellschaftsentwurfes zunichte machte. Zwar war die kreolische Gesellschaft auch vor der amerikanischen Machtübernahme bereits ein Sklavereisystem gewesen, doch war dieses ähnlich wie in den karibischen Inselkolonien offener gewesen und hatte den Free People of Color einen alternativen Platz außerhalb der strikten Rassendichotomie ermöglicht. Die multiplen Beziehungsgeflechte zwischen weißen Kreolen, Franzosen, Einwanderern

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aus westindischen Inseln, Free People of Color, American Indians und so weiter wurden durch die angestrebte ›Amerikanisierung‹ nach 1803 auf den Gegensatz zwischen kreolischer und angloamerikanischer Kultur zugespitzt und dadurch eines potenziell anderen Weges beraubt. Während die Gruppe der wirtschaftlich gut situierten Free People of Color als ein Sinnbild für die Andersartigkeit der kreolischen Gesellschaft zunächst eine untergeordnete Rolle spielten, gewann sie in dem Maße an Bedeutung, in dem man sich der Loyalität der weißen Louisianians versichert hatte. Nachdem die größten Schwierigkeiten bis zur Staatswerdung Louisianas 1812 aus dem Weg geräumt waren, konnten sich die Amerikaner den Free People of Color widmen. Die Frage, wie mit ihnen umzugehen sei und welchen Status sie fortan haben sollten, war wesentlich von zwei Faktoren beeinflusst: Zunächst stellte ihre eigentümliche ›rassische‹ und sozioökonomische Stellung ein Problem dar, denn ihr ›rassengemischtes‹ Erbe, das sie nach amerikanischem Verständnis als ›Schwarze‹ und deshalb nur schwer zu zivilisierende, minderwertige Menschen kennzeichnete, war nicht zu vereinen mit ihrer Position als anerkannte Mittelschicht Louisianas, der größtenteils dieselben Rechte zustanden wie weißen Personen, und die einen beträchtlichen Anteil an der Wirtschaftskraft der Gesellschaft hatten. Ließ man das kreolische dreischichtige System in Kraft, untergrub man zwangsläufig das eigene Postulat von einer ›rassisch‹-determinierten bipolaren Gesellschaftsordnung, die der Sklaverei zugrunde lag. Neben diesem Widerspruch, den die Amerikaner zu lösen hatten, stellten sich ihnen praktische Fragen nach der Loyalität der Free People of Color. Die Sklavenrevolte von 1811 und der Krieg gegen England wirkten auf den Prozess der ›Amerikanisierung‹ Louisianas sowohl als forcierende als auch retardierende Momente. Was zunächst als Widerspruch erscheint, erklärt sich durch die schwierige Rolle der Free People of Color und den ambivalenten Umgang der weißen Bevölkerung mit ihnen. Denn obwohl man sie wegen ihrer großen Zahl als Gefahr ansah, war man gleichzeitig auf ihre Loyalität zur amerikanischen Nation angewiesen. Aus dieser Position heraus mussten Claiborne und die Regierung in Washington den schwierigen Balanceakt vollbringen, sie einerseits an sich zu binden, was nur durch Zugeständnisse geschehen konnte, während sie andererseits versuchten, den Einfluss der Free People of Color zu dämmen. Ähnlich gestaltete sich die Problematik in Zusammenhang mit der von England ausgehenden Bedrohung. Die übermächtige englische Streitmacht vor Augen, sah man in New Orleans und Washington das Schicksal Louisianas und damit die weitere Expansion der US-Nation in Gefahr. Diese Notsituation konnten die Free Men of Color für sich nutzen, indem sie durch ihren militärischen Einsatz an der Seite von Kreolen und Amerikanern ihre Heimat verteidigten. Was für sie allerdings zunächst wie ein moralischer Sieg in Richtung einer vollen Anerkennung als Staatsbürger anmutete, versuchten die Amerikaner in der Folgezeit als ehrenvolle Einzelleistungen darzustellen, die nicht als Grundlage einer Revision der gesellschaftlichen Position der Free People of Color dienen konnten. Während die Erfahrung der gemeinsamen Verteidigung der Heimat zu einer Annäherung zwischen kreolischen und amerikanischen Louisianians führte, stellte er für die Afrokreolen den Schlusspunkt der amerikanischen Unsicherheit über ihren Status dar. In den folgenden Jahrzehnten zeigte sich, dass ihr scheinbarer Sieg einen bitteren Nachgeschmack hatte.

»I N D E F E N S E O F O U R S Y S T E M «: VON DER KARIBISCHEN BESONDERHEIT AMERIKANISCHEN STANDARD

ZUM

Auf die schwierige und oftmals turbulente Territorialphase der ersten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts folgte in den 1820er und 30er Jahren sowohl auf nationaler als auch regionaler Ebene eine ›Ära der guten Gefühle‹. New Orleans entwickelte sich zum wichtigsten Verkehrsknotenpunkt am Mississippi und zu einer pulsierenden Wirtschaftsmetropole, von der auch die Free People of Color profitierten. Die Position Louisianas innerhalb des amerikanischen Staatenverbundes hatte sich seit dem Treuebeweis im Krieg 1812 gefestigt und obwohl die kulturellen und politischen Konflikte zwischen der ancienne population und den angloamerikanischen SiedlerInnen nicht zufriedenstellend gelöst waren, hatte man in den wesentlichen Punkten einen modus vivendi gefunden. Doch es war nur die Ruhe vor dem Sturm, denn bereits Mitte der 1830er Jahre taten sich neue Probleme auf. Diese waren vor allem demographischer Natur. Neben der wachsenden Einwanderung aus Europa, beschäftigte die Louisianians der erneut aufflammende Konflikt zwischen der kreolischen Gesellschaft und der stetig steigenden Zahl angloamerikanischer Zuwanderer. Erste wirtschaftliche Krisen der noch in den 1820er und 30er Jahren boomenden Südstaatenwirtschaft und der steigende Einfluss der Angloamerikaner innerhalb der Wirtschaft und Lokalpolitik führten zu Spannungen zwischen den beiden Gruppen.1 Als die Vorstellungen über die gemeinsame Zukunft so unterschiedlich wurden, dass eine effektive Regierung der Stadt unmöglich wurde, entschied man sich 1836, New Orleans in drei autonome Stadtbezirke aufzuteilen. Fortan bildete das French Quarter, das weiterhin überwiegend von Kreolen bewohnt war, den Ersten Bezirk, der vor allem von Amerikanern bewohnte Faubourg St. Mary den Zweiten Bezirk und der ebenfalls kreolische Faubourg Marigny den Dritten Bezirk. Alle drei hatten ihren eigenen Stadtrat. Einmal im Jahr trat ein gesamtstädtischer Rat zusammen, um Fragen und Probleme zu diskutieren, die alle drei Bezirke betrafen. Die Bevölkerungsstruktur Louisianas veränderte sich in den 1830er und 40er Jahren durch die rasant ansteigende Zahl europäischer Einwanderer. Die Phase zwischen 1820 und 1860 stellte für die Stadt den Höhepunkt ihrer Einwanderungsgeschichte dar. Im Jahrzehnt von 1847 bis 1857 avancierte New Orleans zum zweitgrößten amerikanischen Einwanderungshafen nach 1

Zum wirtschaftlichen Einfluss der nordstaatlichen Einwanderer siehe William W. Chenault/Robert C. Reinders: »The Northern-born Community of New Orleans in the 1850s«, in: Journal of American History 51:2 (September 1964), 238.

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New York.2 Zwar siedelte nur ein relativ geringer Prozentsatz der einreisenden Einwanderer im Raum New Orleans – die große Mehrheit wanderte früher oder später weiter gen Westen –, doch bleibt eine nicht zu vernachlässigende Zahl, die die Stadt in den 1840er und 50er Jahren wesentlich prägte. Die beiden wichtigsten und zahlenmäßig größten Einwanderergruppen waren die Iren und die Deutschen. Bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts waren irische Einwanderer vereinzelt nach Louisiana gekommen, doch stieg ihre Zahl in den 1840ern und frühen 50ern stark an.3 Dieser schnelle Zuwachs führte zu einer Debatte um die ethnische Identität der Iren. Noel Ignatiev hat argumentiert, dass es während der Antebellumzeit starke Tendenzen gab, den Iren einen sozialen Mittelplatz zwischen der dominanten weißen Gesellschaft und der farbigen Bevölkerung zuzuweisen.4 Zwar wurde ihnen das ›Weißsein‹ nicht kategorisch aberkannt, doch legte man einen Standard der Entwicklung an. Demnach waren die Iren ›naturgemäß‹ zunächst nicht als republikanische Staatsbürger geeignet, doch wurde ihnen das Potenzial auf Entwicklung in diese Richtung zuerkannt.5 Die ersten deutschen Einwanderer waren bereits während der Kolonialzeit gekommen und hatten sich vornehmlich in einer Gegend um New Orleans niedergelassen, die später als German Coast bekannt wurde. In den 1840er Jahren nahm die deutsche Einwanderung ähnlich wie in New York und Philadelphia stark zu. Mitte der 1850er Jahre kam es zu einem Einbruch, der – wie im Fall der irischen Einwanderung – vor allem auf die verbesserten Verkehrswege zurückzuführen war, die es den Einwanderern fortan erlaubten, ihr meist im Westen gelegenes Ziel über die neuen Eisenbahnstrecken zeit- und geldsparender an New Orleans vorbei zu erreichen.6 Obwohl die deutsche Einwanderung die irische zahlenmäßig überstieg, war der Einfluss der irischen Zuwanderer in der Stadt deutlicher zu spüren. Randall Miller begründete diesen Umstand mit der stärkeren Heterogenität der deutschen Einwandergruppe aufgrund von Konfessions- und Klassenunterschieden sowie der größeren Regionalität ihrer Herkunft.7 Die Mehrzahl der deutschen Einwanderer, die sich in Louisiana niederließen, zog es außerdem in die ländlichen Parishes, während der Großteil der irischen Zuwanderer in New Orleans blieb. So wurden die Deutschen, anders als die Iren, mehrheitlich als »nützliche Einwanderer« wahrgenommen, die es durch harte landwirtschaftliche 2

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Joseph Logsdon: »Immigration through the Port of New Orleans«, in: M. Mark Stolarik (ed.), Forgotten Doors. The Other Ports of Entry to the United States, Philadelphia: Balch Institute Press 1988, 108. Earl F. Niehaus hat darauf hingewiesen, dass die ›alte‹ irische Einwanderung – vor der Großen Hungersnot in den 1840er Jahren – in der Forschung wenig beachtet wurde. Daraus resultierte für ihn eine zu starke Konzentration auf Fragen der Klassenherkunft der irischen Bevölkerung und eine Vernachlässigung der Einwanderung aus der (oberen) Mittelschicht Irlands: The Irish in New Orleans 1800-1860, Baton Rouge: Louisiana State UP 1965, 26. Noel Ignatiev: How the Irish Became White, New York: Routledge 1995, 76. Dale T. Knobel: Paddy and the Republic. Ethnicity and Nationality in Antebellum America, Middletown, CT: Wesleyan UP 1986, 42. Ellen C. Merrill: Germans of Louisiana, Gretna, LA: Pelican 2005, 49, 65; John Frederick Nau: The German People of New Orleans, 1850-1900, Leiden: E. J. Brill 1958. Randall M. Miller: »›Immigration through the Port of New Orleans‹: A Comment«, in: Stolarik, 129.

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Arbeit und ein genügsames Leben vermochten, ihren Lebensunterhalt unabhängig zu verdienen.8 Die demographischen Umwälzungen, die die europäische Einwanderung, aber auch das veränderte Kräfteverhältnis zwischen kreolischer und angloamerikanischer Bevölkerung mit sich brachten, zogen in Louisiana eine Neujustierung des Rassensystems nach sich. Einer weiteren Verkomplizierung der Rassenbeziehungen und einer möglichen Destabilisierung der Gesellschaft musste aus Sicht der Louisianians Einhalt geboten werden, weil die in den Nordstaaten wachsende Antisklavereibewegung zunehmend Druck auf die sklavenhaltenden Staaten ausübte. Unter dem Zwang, sich des eigenen Systems zu versichern und es vor der Außenwelt zu rechtfertigen, konnte der bisher akzeptierte Sonderstatus Louisianas nicht länger aufrechterhalten werden. Wo man bislang noch Uneindeutigkeiten und Zwischenstellungen aufgrund der historisch gewachsenen Andersartigkeit der kreolischen Gesellschaft hatte gelten lassen, lenkte man den Blick nun vermehrt auf ›biologisch-rassische‹ und weniger ethnokulturelle und soziale Unterschiede, um endlich das angestrebte amerikanische bipolare Ordnungssystem zu etablieren. Als Sinnbild für Uneindeutigkeit und Ambivalenz gerieten die Free People of Color zwangsläufig ins Visier der Gesellschaftsreformer. Zwar fiel ihr prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung aufgrund des schnelleren Anstiegs der weißen Bevölkerung von 6,8 Prozent im Jahr 1820 auf 3,4 Prozent im Jahr 1850, doch war er zwischenzeitlich auf 7,7 Prozent angestiegen. Ein Blick auf die absoluten Zahlen zeigt außerdem, dass die Gruppe bis 1850 stetig anwuchs; der relative Rückgang ist allein auf ihr langsameres Wachsen im Vergleich zur weißen Gesellschaft zurückzuführen. Louisiana besaß während der gesamten Antebellumphase zusammen mit North Carolina mit Abstand die größte Free People of Color-Bevölkerung im Süden. Im Jahrzehnt zwischen 1830 und 1840 stand Louisiana sogar vor North Carolina an der Spitze der Statistik.9 Gefährlich für die Stabilität des Sklavereisystems war diese Entwicklung aus Sicht vieler Louisianians vor allem, weil die heimischen Free People of Color einen wesentlich höheren sozialen Rang einnahmen als die freien Farbigen North Carolinas. Um das System aufrechterhalten zu können und sich gegen die Anfeindungen nordstaatlicher Sklavereigegner wehren zu können, war es unabdingbar, die Rechte der Free People of Color einzuschränken und sie in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Position der Sklavenbevölkerung anzunähern. Dies geschah vor allem in den 1850er Jahren, als man in Louisiana und New Orleans begann, bestehende Bestimmungen zu verschärfen und bisher geltende Rechte einzuschränken. 1852 entschied man sich, die getrennten Stadtbezirke wegen administrativer Ineffizienz wieder zusammenzulegen.10 Dies hatte zur Folge, dass die Gesetzgebungsgewalt von den einzelnen Distrikten wieder auf einen Gesamtstadtrat überging. Für die Free People of Co8 Weekly Delta, 3. November 1845. 9 Vgl. dazu die Tabellen 3, 4 und 5 im Anhang. 10 Dies war seit Beginn des Jahrzehnts von Politikern und Unternehmern gleichermaßen gefordert worden. Siehe z. B. Daily True Delta, 5. Februar 1850. Dabei wurde der ehemalige erste Distrikt, das French Quarter, nun zum zweiten Distrikt, Faubourg St. Mary wurde der erste Distrikt und Faubourg Marigny der dritte. Außerdem wurde die bisher autonome Stadt Lafayette als vierter Distrikt in das Stadtgebiet aufgenommen.

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lor konnte dies nur eine Verschärfung der Gesetze bedeuten, denn bisher hatten sie von der laxen Kontrolle bestehender Restriktionen im French Quarter und dem Faubourg Marigny profitiert, wo der amerikanische Einfluss aufgrund der städtischen Bevölkerungsstruktur relativ gering gewesen war. Die Zusammenlegung hatte zur Folge, dass die kreolische und die angloamerikanische Bevölkerung gezwungen waren, verstärkt zusammenzuarbeiten. Da der Einfluss der Kreolen sowohl kulturell als auch politisch und wirtschaftlich wegen der veränderten demographischen Verhältnisse kontinuierlich abnahm, mussten sich die Free People of Color darauf einstellen, dass das traditionell liberalere kreolische Rassenverständnis an Einfluss verlieren würde. Je mehr die Kreolen unter Druck gerieten, desto eher waren sie bereit, sich den Vorstellungen ihrer angloamerikanischen Nachbarn anzupassen. Die in der Folgezeit erlassenen Gesetze betrafen fast alle Lebensbereiche der Free People of Color. So wurde zum Beispiel der Alkoholausschank in afrokreolischen Tavernen einschränkt und die Neueröffnung von Kaffeehäusern für sie untersagt. Ebenso verboten wurden Vergnügungsspiele zwischen weißen Gästen, Free People of Color und SklavInnen in gastronomischen Einrichtungen.11 Im Versuch, das gesamte Alltagsleben der Free People of Color zu überwachen, erließen der Staat und die Stadt eine Vielzahl von Bestimmungen, die sowohl die Grundrechte betrafen als auch Kleinigkeiten wie die Benutzung von Feuerwerk oder rassenübergreifende Tanzabende regelten.12 Um das Anwachsen der Free People of Color-Bevölkerung zu erschweren, wurde 1852 ein Pass-System eingeführt, nach dem es Free People of Color aus anderen Staaten nur noch erlaubt war, in New Orleans zu verweilen, wenn sie eine vom Bürgermeister ausgestellte temporäre Aufenthaltsgenehmigung mit sich führten. Der Vergrößerung der Free People of Color-Bevölkerung versuchte man darüber hinaus durch Einreisebeschränkungen und verschärfte Freilassungsgesetze einen Riegel vorzuschieben. Vorläufiger Höhepunkt dieser restriktiven Entwicklung war ein Gesetz am Vorabend des Bürgerkriegs, dass die Free People of Color dazu aufforderte, sich freiwillig in die Sklaverei zu begeben.13

11 »An Ordinance Relative to Coffee-houses, Cabarets, Bar-rooms, etc.« (1856); »An Ordinance Relative to Slaves and Free Persons of Color« (1857), in: Henry J. Leovy: The Laws and General Ordinances of the City of New Orleans, Together with the Acts of the Legislature, Decisions of the Supreme Court, and Constitutional Provisions, Relating to the City Government, New Orleans: E. C. Wharton 1857, 44, 260-61. 12 Reinders: »Decline of the New Orleans Free Negro«, 90. 13 »An Act to Permit Free Persons of African Descent to Select Their Masters and Become Slaves for Life« (1859), zitiert in Ellen Holmes Pearson: »Imperfect Equality: The Legal Status of Free People of Color in New Orleans, 18031860«, (M.A. thesis, University of New Orleans 1996), 25. Heute sind sechs Petitionen bekannt, in denen Free People of Color die freiwillige Versklavung wünschen.

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»The Perfect Mingling of Blood«: Die ›Hybriden‹ in den Rassentheorien »Anatomy and physiology have been interrogated, and the response is, that the Ethiopian, or Canaanite, is unfitted, from his organization and the physiological laws predicated on that organization, for the responsible duties of a free man.«14

Neben den praktischen Veränderungen im Umgang mit den Free People of Color, machten sich Politiker, Intellektuelle und Wissenschaftler in der Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck der wachsenden Kritik am Sklavereisystem daran, eine Rechtfertigungsideologie zu entwickeln, die nicht nur die ökonomische Notwendigkeit der Sklaverei betonte, sondern darüber hinaus eine Erklärung für das mit ihr verbundene Rassen- und Gesellschaftssystem liefern konnte. Eingewoben in die Pro-Sklaverei-Ideologie war der Versuch, eine ganzheitliche Philosophie südstaatlicher Politik, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu schaffen, mit der sich das Leben im Süden begreifen ließ. Wesentlicher Teil dieses Diskurses war in Louisiana die Debatte um die so genannten »Hybrids«.15 Mit diesem Begriff wurden in den aufkommenden Rassentheorien allgemein ›rassische Mischlinge‹ bezeichnet. In den wenigsten Theorien ging es um die Bestimmung des genauen, prozentualen Anteils dieser oder jener ›Rasse‹ am genetischen Erbe – wenn auch manche behaupteten, dieses genau benennen zu können –, sondern vielmehr um die ›Rassenmischung‹ allgemein. Wie bereits in der Diskussion um die Figur der Quadroon gesehen, stellten ›rassengemischte‹ Personen für die Louisianians ein wesentliches Problem dar, denn in der sich entwickelnden Sklavereiapologie durchkreuzten die freien und wirtschaftlich erfolgreichen Afrokreolen immer wieder die südstaatliche Argumentation. Auf die inzwischen aggressiver vorgetragene Anklage der Antisklaverei-AktivistInnen reagierten die Südstaaten deshalb mit einer ganz eigenen Rechtfertigungslogik. Zunächst einmal ging es darum, die Sklaverei als unvermeidlichen, wenn auch beklagenswerten, Bestandteil der Gesellschaft darzustellen. In der Verteidigung des ›notwendigen Übels‹ bediente man sich zum einen ökonomischer Argumente, nach denen der wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenbruch drohte, wenn die Sklaverei abgeschafft würde. Flankiert wurde dieses Argument durch die Propaganda einer Rassenideologie, die auf der angeblich angeborenen, ›natürlichen‹ Minderwertigkeit der ›schwarzen Rasse‹ in Geist und Moral basierte. In der Logik dieses Rechtfertigungsdiskurses wurde der farbigen Bevölkerung die Fähigkeit abgesprochen, als freie und ebenbürtige Bürger leben zu können; sie 14 Samuel A. Cartwright: »Diseases and Peculiarities of the Negro Race«, in: De Bow’s Review 11 (1851), 68. 15 Das Wort hybrid kommt vom lateinischen hybrida und bezeichnet laut Oxford English Dictionary die Nachkommen von Eltern unterschiedlicher ›Rassen‹. Der eigentliche Ursprung dieser Bezeichnung liegt in der Tierwelt; bekanntestes Beispiel eines Hybrid ist das Maultier als Nachkommen einer Pferdestute und einem Eselhengst. Zu den Begriffen siehe Sollors, 129.

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war in den Augen der Sklavereibefürworter auf den patriarchalischen Schutz durch die weiße Bevölkerung angewiesen. Die Sklaverei war demnach ein zivilisierendes und erzieherisches Instrument, das es den SklavInnen erlaubte, ein gesichertes und ›beschwerdefreies‹ Leben zu führen. Diesem Diskurs lag die Annahme zugrunde, dass Sklaverei und ›Schwarzsein‹ nicht zufällig, sondern ›natürlich‹ und kausal miteinander verbunden waren. Der Status des Sklaven ergebe sich gezwungenermaßen aus seiner Zugehörigkeit zur ›schwarzen Rasse‹.16 Die von den Rassentheoretikern propagierte Unfähigkeit der ›schwarzen Rasse‹ zu einem selbstbestimmten Leben in Freiheit wurde durch häufige Verweise auf Haiti untermauert. Trotz großen wirtschaftlichen Potenzials sei die Republik unwiderruflich in eine Spirale des Verfalls geraten.17 Um die ›natürliche‹ Minderwertigkeit der ›schwarzen Rasse‹ zu beweisen, bedienten sich die Theoretiker verschiedener Argumentationsmuster. Eine Essenzialisierung der ›biologischen‹ Differenzen zwischen ›Weißen‹ und ›Schwarzen‹ wurde vor allem von dem aus New Orleans stammenden Arzt Samuel Cartwright vorangetrieben, der in einem vergrößerten Nervensystem der ›Schwarzen‹ den Grund für ihren verminderten Intellekt und größere Emotionalität sah. Ein Mangel an roten Blutkörperchen führe zu einer ›angeborenen‹ Lethargie, die den freien Willen ›des Schwarzen‹ reduziere: »Although he has exaggerated appetites and exaggerated senses, calling loudly for their gratification, his will is too weak to command his muscles to engage in such kinds of labor as would readily procure the fruits to gratify them. Like an animal in a state of hibernation, waiting for the external aid of spring to warm it into life and power, so does the negro continue to doze out of a vegeto-animal existence in the wilderness, unable to extricate himself therefrom—his own will being too feeble to call forth the requisites muscular exertion.«18

Neben dieser biologischen Begründung fand noch immer die biblische Rechtfertigung große Akzeptanz, die in den Farbigen – egal ob Sklave oder frei – die Nachkommen Hams sah, der den Fluch seines Vaters Noah über sich brachte, weil er diesen nackt gesehen hatte.19 Angesichts der wachsenden kritischen Hinterfragung dieser älteren Argumentationsmuster durch die Sklavereigegner versuchte man seit den späten 1830er Jahren, die Erkenntnisse über die ›Menschenrassen‹ zu verwissenschaftlichen. Im Zuge dieser Bewegung

16 Zur Forschungsdebatte über den Zusammenhang von Rassismus und Sklaverei siehe Degler, 49-66. Degler und andere Forscher, darunter Winthrop Jordan vertraten die Meinung, dass rassistische Stereotypen und Vorurteile bereits vor der Entwicklung der Sklaverei in den USA vorherrschend waren. Demgegenüber stehen die Meinungen u. a. von George Frederickson, der keine wesentlichen Statusunterschiede zwischen farbigen und weißen DienerInnen während der frühen amerikanischen Besiedlung ausmachen konnte und deshalb die Ansicht, dass sich die Versklavung der farbigen Bevölkerung aus einem bereits bestehenden Rassismus ergab, ablehnt. 17 New Orleans Bee, 16. März 1861. 18 Samuel A. Cartwright: »Dr. Cartwright on the Caucasians and the Africans«, in: De Bow’s Review 25 (1858), 48. 19 Genesis 9:21-25.

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wurde die Frage nach der Entstehungsgeschichte der unterschiedlichen ›Rassen‹ neu verhandelt. In den 1850er Jahren entbrannte ein regelrechter Kampf zwischen den Vertretern der Monogenese und denen einer Polygenese. Die Mehrzahl der Südstaatler hing einer biblischen Interpretation der Entstehungsgeschichte an. Nach ihrer Auslegung der Genesis waren die ›Rassen‹ zwar im selben göttlichen Schöpfungsakt erschaffen worden, doch hatte sich die ›schwarze Rasse‹ in der weiteren Menschheitsgeschichte aufgrund unterschiedlicher Umwelteinflüsse und Migrationen anders entwickelt. Die sich im Laufe der Zeit herausbildenden Unterschiede wurden dabei im Sinne der Lamarck’schen Theorie an die Nachfahren vererbt und somit zu ›natürlichen‹ Charakteristika der ›Rassen‹. Auf diesem Wege konnte einer angenommenen Minderwertigkeit der ›schwarzen Rasse‹ trotz des gemeinsamen Ursprungs Rechnung getragen werden. Diese Sicht wurde nun allerdings von den Polygenisten angezweifelt, die nicht länger an die biblische Schöpfungsgeschichte glaubten. Ihrer Meinung nach basierten die Unterschiede der ›Rassen‹ auf verschiedenen Schöpfungsakten, die den Ausgangspunkt menschlicher ›Spezies‹ bildeten. Vorteilhaft an dieser neuen These war, dass sie die moralische Rechtfertigung der Sklaverei vereinfachte, weil sie die SklavInnen der ›weißen Rasse‹ entrückte und ›entmenschlichte‹. Ihr großer Nachteil war, dass sie die biblische Schöpfungsgeschichte anzweifelte, was im religiösen Süden Irritationen hervorrief. Folgte man dem Konzept von der ›natürlich minderwertigen schwarzen Rasse‹ und der These einer Polygenese der ›Menschenrassen‹, so ergab sich eine fundamentale Frage: Wie konnte man die große Anzahl an ›rassengemischten‹ Personen erklären und welchen Platz sollten sie innerhalb der Sklavereigesellschaft einnehmen? Besonders für Louisiana war diese Frage von zentraler Bedeutung, beheimatete der Staat 1850 doch die Hälfte aller freien Farbigen des tiefen Südens. Zudem war der Prozentsatz an ›rassengemischten‹ Personen innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe in Louisiana am höchsten. Darüber hinaus führte ihre komfortable wirtschaftliche Stellung den Louisianians täglich den Widerspruch ihrer eigenen Theorien vor Augen. Während die Free People of Color aus kreolischer Sicht in der Kolonial- und Territorialzeit noch weniger unter biologistischen als vielmehr ethnokulturellen Aspekten gesehen worden waren, gewann mit der Verbreitung der Rassentheorien ihr ›biologisches‹ Erbe an Bedeutung. Ausdruck des gesteigerten politischen Interesses an der ›rassischen‹ Zusammensetzung der Gesellschaft war der Zensus von 1850, der die farbige Bevölkerung erstmals in ›Schwarze‹ und ›Mulatten‹ einteilte. Die Zugehörigkeit der Individuen wurde allerdings nicht durch sie selbst bestimmt, sondern vom Zensuserheber festgelegt.20 Bei der Kategorisierung der Mischlinge ergab sich das Problem, dass viele BeobachterInnen ihnen die niederen Eigenschaften der ›schwarzen Rasse‹ zuschrieben, während sie gleichzeitig anerkannten, dass sie sich im Vergleich zu den ›reinen Schwarzen‹ oftmals durch eine höhere Intelligenz, eine größere ›Lebensfähigkeit‹ und eine bessere körperliche Konstitution auszeichneten. Diese Eigenschaften wurden zumeist auf ihr anteiliges ›weißes Erbe‹ zurückgeführt. Daraus entstand die Problematik, dass die ›Rassenmi20 Iman Makeba Laversuch: Census and Consensus? A Historical Examination of the US Census Racial Terminology Used for American Residents of African Ancestry, Frankfurt/Main: Peter Lang 2002, 128.

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schung‹ einen positiven Nimbus erhielt und sie von einigen Theoretikern sogar als Mittel zur ›Zivilisierung‹ der ›schwarzen Rasse‹ angesehen wurde. Der aus Alabama stammende Arzt Josiah C. Nott lieferte mit seiner Theorie von der Degeneriertheit der ›Hybriden‹ den scheinbaren Ausweg aus dem Dilemma.21 Inspiriert durch das Studium der Geschichte Jamaikas und aufgrund seiner langjährigen Praxiserfahrung als Arzt kam er zu dem Schluss, dass Mischlinge zwar intelligenter, aber wesentlich weniger widerstandsfähig seien als ›Schwarze‹ und eine kürzere Lebenserwartung hätten. Dabei bescheinigte er besonders den weiblichen Mischlingen einen prekären Gesundheitszustand: »[T]he women are bad breeders and bad nurses—many of them do not conceive at all—most are subject to abortions, and a large portion of their children die at an early age.«22 Die notwendige Schlussfolgerung war für Nott, dass die Nachkommen von Mischlingen weniger fruchtbar waren als solche, deren Eltern mindestens zu einem Teil des parent stock, also entweder der ›reinen weißen‹ oder ›reinen schwarzen Rasse‹ entsprängen.23 Zum logischen Ende gedacht, bedeutete dies, dass Mischlingsbevölkerungen wie im amerikanischen Süden aufgrund ihrer niedrigen Fruchtbarkeitsrate dem Untergang geweiht waren. Als Beweis nannte Nott das häufig kommentierte ›Verschwinden‹ ganzer Familienzweige in Städten wie Charleston oder New Orleans. Letztere gab allerdings auch dem erklärten ›Rassenkenner‹ Nott Rätsel auf. Dort lag der Beginn der ›Rassenmischung‹ bekanntermaßen schon sehr weit zurück und hatte – entgegen seiner These – keineswegs zu einem Aussterben als vielmehr zu einem Anstieg der ›rassengemischten‹ Bevölkerung geführt. Diesen Umstand berücksichtigte Nott immerhin in einer Fußnote, wo es hieß: »I would here remark, that there is a mixed race in New Orleans and Mobile, of French and Spanish blood with the negro, which presents a very different appearance from the chalky Mulattoes of the Atlantic States. They have a redder skin than the latter, are more robust, healthy, and superior in every respect.«24

Notts Artikel enthielt keinerlei wissenschaftliche Daten, mit denen er seine These stützte. Vielmehr drückte er seinen Wunsch nach einer zukünftigen wissenschaftlichen Debatte aus, die er mit seinem Artikel anstoßen wollte.25 In den folgenden Jahren präzisierte Nott seine Theorie und avancierte zur Führungsfigur der ›American School of Anthropology‹. Seine Vorträge und 21 Reginald Horsman: Josiah Nott of Mobile. Southerner, Physician, and Racial Theorist, Baton Rouge: Louisiana State UP 1987. Siehe auch Michael O’Brien: Conjectures of Order. Intellectual Life and the American South, 1810-1860, 2 vols., vol. 1, Chapel Hill: University of North Carolina Press 2004, 240-47. 22 Josiah C. Nott: »The Mulatto a Hybrid—Probable Extermination of the Two Races if the Whites and Blacks Are Allowed to Intermarry«, in: American Journal of Medical Sciences 6 (July 1843), 253. 23 Nott: »The Mulatto a Hybrid«, 253. 24 Nott: »The Mulatto a Hybrid«, 255. 25 Sein schärfster Kritiker in der Anfangsphase war Moses Ashley Curtis: »Unity of the Races«, in: Southern Quarterly Review 7:14 (April 1845), 372-448. Nott antwortete auf die Rezension Curtis’ in der folgenden Ausgabe: »An Issue with the Reviewer of ›Nott’s Caucasian and Negro Races‹«, in: Southern Quarterly Review 8:15 (July 1845), 148-190.

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Abhandlungen brachten ihm die Anerkennung einflussreicher Rassentheoretiker wie Samuel George Morton oder Louis Agassiz ein.26 In einem seiner Vorträge stellte Nott die Frage, weshalb man sich so intensiv mit dem Ursprung der ›Menschenrassen‹ auseinander setzen müsse. In seiner eigenen Antwort betonte er die politischen und gesellschaftlichen Implikationen der südstaatlichen Rassenordnung: »The question will no doubt be asked cui bono? for what useful end has this vexed question of the Unity of Man, been torn open? In reply I would say that this is not a question for mere idle discussion, but one involving others of deep Political, Moral and Religious import. […] The white and black races are now living together in the United States under circumstances which, if we may judge by the signs of the times cannot endure always, and it is time for the Philanthropist to do as I have done, look the question boldly in the face.«27

Die von Nott entzündete Debatte um die Frage, ob es sich bei der einheimischen Mischlingsgesellschaft um ›Hybride‹ im biologischen Sinne handelte, deren Nachkommen langfristig unfruchtbar seien, wurde besonders in Louisiana aufmerksam verfolgt. Sowohl Nott als auch sein Weggefährte Samuel Cartwright hatten einige Zeit in New Orleans gelebt und gaben offen zu, dass ihre dortigen Erfahrungen ihr Denken über die Kategorisierung der unterschiedlichen ›Rassen‹ beeinflusst hatten. In dem in New Orleans verlegten Journal De Bow’s Review finden sich viele Artikel, die sich mit dem Problem der menschlichen ›Hybriden‹ befassen.28 Dabei stimmten die Mehrzahl der Autoren der Ansicht Notts von einer Unfruchtbarkeit der Mischlinge zu.29

26 Horsman, 98. Siehe auch Samuel George Morton: Crania Americana; or, A Comparative View of the Skulls of Various Aboriginal Nations of North and South America: To which is prefixed an Essay on the Varieties of the Human Species, London: Simpkin, Marshall 1839; Samuel George Morton: »Hybridity in Animals, Considered in Reference to the Question of the Unity of the Human Species«, in: American Journal of Science, 2nd series, 3 (1847), 39-50, 203-23; Louis Agassiz: »The Diversity of Origin of the Human Races«, in: Christian Examiner 49 (1850), 110-45. 27 Josiah C. Nott: »Two Lectures on the Natural History of the Caucasian and Negro Races«, in: Drew Gilpin Faust (ed.), The Ideology of Slavery. Proslavery Thought in the Antebellum South, 1830-1860, Baton Rouge: Louisiana State UP 1981 [1844], 237-38. 28 De Bow’s Review war in der Antebellumzeit das führende Journal in Wirtschafts-, Handels-, aber auch Rassenfragen des Südens. Es war 1846 vom South Carolinian J. D. B. De Bow in New Orleans gegründet worden. Zunächst unter dem Titel Commerical Review of the South and West firmierend, änderte es seinen Namen 1850 in De Bow’s Southern and Western Review. Der De Bow’s Review hatte in der Antebellumzeit mit Abstand die höchste Auflage aller Magazine in den Südstaaten. Robert F. Durden: »J. D. B. De Bow: Convolutions of a Slavery Expanisonist«, in: Journal of Southern History 17:4 (November 1951), 442. 29 Siehe bspw. Jess Chickering: »The White, Free-Colored, and Slave Population of the United States«, in: De Bow’s Review 15 (1851), 129-43; Samuel Kneeland: »The Hybrid Races of Animals and Man«, in: De Bow’s Review 19 (1855), 53539.

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Nach seinen ersten Abhandlungen über das Thema, widmete sich Nott Mitte der 1850er Jahre zusammen mit George Gliddon in einem rund 700 Seiten starken Werk ausführlich der Abstammung der ›Menschenrassen‹ und den ›Hybriden‹. Das Elaborat bestand aus einem ersten von Nott verfassten Teil, der sich mit der geographischen Verteilung der unterschiedlichen ›Menschenrassen‹, der Schöpfungsfrage und dem Hybriditätsproblem beschäftigte. Gliddon widmete sich im zweiten Teil den archäologischen und theologischen Aspekten ihrer Theorie. Auch dank des angesehenen Verlages Lippincott wurde das Buch zu einem wirtschaftlichen Erfolg. Zwar enthielt es weniger neue Thesen als vielmehr eine Art Bestandsaufnahme der bisherigen Rassentheorien, doch stieß es sowohl in akademischen Kreisen als auch in der breiten Öffentlichkeit auf Interesse.30 Bezüglich der besonderen Situation in New Orleans argumentierte Nott, dass die Fruchtbarkeit der dortigen ›rassengemischten‹ Bevölkerung nicht auf ihre schwarzen Vorfahren zurückzuführen sei, sondern auf ihr teilweises weißes Erbe. In New Orleans sei offensichtlich, dass sich auch die ›kaukasische Rasse‹ in Unterarten aufteile, von denen einige eine größere Neigung und Eignung zur ›Rassenmischung‹ besäßen als andere: »I had latterly seen reason to credit the existence of certain ›affinities and repulsions‹ among various races of men, which caused their blood to mingle more or less perfectly; and that, in Mobile, New Orleans and Pensacola, I had witnessed many examples of great longevity among mulattoes; and sundry instances where their intermarriages (contrary to my antecedent experiences in South Carolina) were attended with manifest prolificacy. Seeking for the reason of this positive, and, at first thought, unaccountable difference between mulattoes of the Atlantic and those of the Gulf States, observation led me to a rationale; viz., that it arose from the diversity of type in the ›Caucasian‹ races of the two sections. In the Atlantic States the population is Teutonic and Celtic: whereas, in our Gulf cities, there exists a preponderance of the blood of French, Italian, Spanish, Portuguese, and other dark-skinned races.«31

Am Beispiel von New Orleans ging Nott auf die Verbindung von ›Rassenmischung‹ und sexueller Anziehungskraft ein, wenn er als Motiv und Auslöser für die häufigen Beziehungen über die Rassengrenze hinweg eine Dialektik von Anziehung und Abstoßung feststellte. Damit wies er auf einen wesentlichen Punkt der Diskussion hin: Es ging nicht lediglich um die Feststellung, ob die verschiedenen ›Rassen‹ gleichen Ursprungs waren, noch ging es wirklich um die Frage, ob und wie viele Generationen von ›rassengemischten‹ 30 Vgl. Horsman, 175-79. Geo. R. Gliddon/J. C. Nott: Types of Mankind: or, Ethnological Researches, Based Upon the Ancient Monuments, Paintings, Sculptures, and Crania of Races, and Upon Their Natural, Geographical Philological, and Biblical History …, Philadelphia: Lippincott, Grambo 1854, reprint Miami: Mnemosyne Publishing Co. 1969. 31 Gliddon/Nott, 374, Hervorhebungen im Original. Siehe dazu auch Notts Appendix zu seiner Übersetzung von A. de Gobineau: The Moral and Intellectual Diversity of Races, with Particular Reference to Their Respective Influence in the Civil and Political History of Mankind …, Philadelphia: J. B. Lippincott 1856, reprint New York: Garland 1984, 498.

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Nachkommen fruchtbar waren. Vor allem in Städten mit einem hohen Anteil ›rassengemischter‹ Personen stand vielmehr im Vordergrund, warum es überhaupt zu diesen sexuellen Verbindungen kam, denn offenbar bestand bei aller proklamierten Andersartigkeit gleichzeitig ein starkes Gefühl der Anziehung zwischen Menschen verschiedener ›Rassen‹. Die Diskussion um die Hybridität der ›rassengemischten‹ Bevölkerung war klarer und notwendiger Ausgangspunkt jeder südstaatlichen Rassentheorie, denn nur von ihr her konnte eine Ideologie erarbeitet werden, die das Phänomen einer Verbindung der ›Rassen‹ erklären und dabei die notwendige Distinktion derselben beibehalten konnte. Solange diese ›Rassenmischung‹ in den USA und besonders in Louisiana anhielt, lief die weiße ›Rasse‹ nach Ansicht der Rassentheoretiker Gefahr, eine ähnliche Entwicklung zu nehmen wie die der französischen und spanischen Kolonien, deren ›Degeneration‹ man ihrem laxen Umgang mit der ›Rassenmischung‹ anlastete.32 Da die weiße ›Rasse‹ allerdings offensichtlich nicht in der Lage war, der starken Anziehung der ›minderen Rassen‹ standzuhalten, sah man für die amerikanische Gesellschaft langfristig nur eine Lösung: Diejenigen Farbigen, die man nicht in der Sklaverei halten konnte, mussten aus der ›weißen‹ Gesellschaft verschwinden.

Das Fremde im Eigenen: Die Kolonisierungsdebatte »In a country like ours, the class of free negroes is really an anomaly; it is useless, it is more than useless, it is injurious; we do not want it, we ought not to have it among us; it is incompatible with our prosperity as a community of slave-holders. There should be in every slave state but two classes, that of the free white man and the negroe slave.«33

Die von der ›American School of Anthropology‹ in Umlauf gebrachten Rassentheorien sagten einen baldigen Untergang der ›weißen Rasse‹ hervor, würde man dem Anwachsen der farbigen Bevölkerung nicht bald Einhalt gebieten. Bereits in den 1820ern war im US-Kongress auf die Gefahren des starken Zuwachses an Free People of Color hingewiesen worden.34 Freie Farbige würden auf die Dauer die Ordnung der durch die Sklaverei strukturierten Gesellschaft nicht nur durch ihre bloße Existenz gefährden, sie könnten auch als Spielball der immer stärker werdenden Abolitionismusbewegung die SklavInnen zu einer großen Revolte führen.35 Darüber hinaus bemühten viele Zeitungen, auch in Louisiana, gerne die amerikanische Angst vor einer ›Rassenmischung‹ und den darauf folgenden Verfall der ›weißen Zivilisation‹: 32 W. W. Wright: »Amalgamation«, in: De Bow’s Review (July 1860), 14. 33 Opelousas Patriot, 6. August 1859. 34 U. S. Congress, »Memorial of the President and Board of Managers on the American Colonization Society«, in: Annals of Congress, 16th Cong., 1st sess. (2 February 1820), 1048. 35 African Repository, Januar 1833, 334; Daily Picayune, 4. September 1859.

110 | KREOLISCHE IDENTITÄT »Those who oppose the colonization scheme, are, by necessary implication, worse than mere Abolitionists—they prove themselves Amalgamationists, by desiring that the country shall be overrun by free Negroes until they shall become in the south as numerous and powerful and impudent as they are already in the North, and set themselves up for an undistinguished enjoyment of all the privileges and immunities of white society and for an unrestricted commerce and intercourse with our wives and daughters.«36

Erste Überlegungen zu einer Ansiedlung der ›unerwünschten‹ freien Farbigen in einem Gebiet außerhalb der USA waren bereits sehr früh angestellt worden. Nachdem man zunächst aus Kostengründen Reservate auf dem nordamerikanischen Kontinent angedacht hatte, kamen viele Politiker schnell zu der Überzeugung, dass nur eine Verbringung nach Mittel- und Südamerika oder gar Afrika in Frage kam. Durch Einwanderungsbeschränkungen – vor allem aus Haiti – hatten die Louisianianas bereits in der Territorialphase versucht, die Free People of Color in Schach zu halten.37 Zwar waren die Louisianians, besonders der kreolische Teil, im Alltag bislang mit den Free People of Color zurechtgekommen. Die schärfer werdende Kritik forderte aber eine unangreifbare Rechtfertigungslogik für das Sklavereisystem, die die Südstaaten in der angeblich wissenschaftlich nachweisbaren ›Minderwertigkeit‹ der ›schwarzen Rasse‹ gefunden zu haben glaubten. Diese Mangelhaftigkeit erforderte ihrer Ansicht nach das paternalistische System der Sklaverei, da der ›Schwarze an sich‹ unfähig sei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Eine solche Argumentation basierte auf einem organischen Gesellschaftssystem, dass neben den beiden ›Rassen‹ und gesellschaftlichen Klassen keine dritte Variante zulassen durfte. Die weißen Gesetzesmacher Louisianas begannen deshalb seit den 1830er Jahren, die Rechte der in der gesellschaftlichen Mitte stehenden Afrokreolen sukzessive zu beschneiden. Im Jahre 1830 beschloss das Staatsparlament, die Zuwanderung freier Farbiger nach Louisiana erheblich einzuschränken. Diejenigen Free People of Color, die zwischen 1812 und 1825 nach Louisiana gekommen waren, mussten sich im Rathaus registrieren lassen. Alle anderen mussten mit sofortiger Wirkung den Staat verlassen. Ein Jahr später wurde das Gesetz um einen Zusatz erweitert, der es Free People of Color, die Besitz und/oder Arbeit in Louisiana hatten, erlaubte, unbehindert ein- und auszureisen; die Reise nach

36 New Orleans Commercial Bulletin, 15. Juni 1838. 37 »An Act to Prevent the Emigration of Free Negroes and Mulattoes into the Territory of Orleans«, in: Acts Passed at the Second Session of the First Legislature of the Territory of Orleans, New Orleans: Bradford and Anderson 1807, 17880. Dieses Gesetz hob ein früheres vom Juni 1806 auf, in dem die Einreise aller Free Men of Color aus Hispaniola verboten worden war. Kinder und Free Women of Color, die vor den Unruhen von dort geflüchtet waren, durften allerdings weiterhin nach Louisiana kommen: »An Act to Prevent the Introduction of Free People of Color from Hispaniola, and the Other French Islands of America into the Territory of Orleans«, in: Acts Passed at the First Session of the First Legislature of the Territory of Orleans, New Orleans: Bradford and Anderson 1807, 126-31.

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Westindien blieb allerdings verboten. Darüber hinaus nahm man Veränderungen in den Freilassungsgesetzen vor. So mussten seit 1830 alle in die Freiheit entlassenen SklavInnen den Staat innerhalb von dreißig Tagen verlassen.39 Dass diese Maßnahmen allerdings nicht die von den Behörden erhoffte Wirkung zeigten, wird aus Bürgerbeschwerden über das Verhalten ehemaliger SklavInnen ersichtlich.40 Um den mit einer zahlenmäßig und wirtschaftlich einflussreichen Free People of Color-Bevölkerung verbundenen Gefahren entgegentreten zu können, musste diese auf Dauer aus dem Gebiet verdrängt werden.

Die American Colonization Society Fast zeitgleich mit der Verschärfung der Einwanderungsgesetze wurde 1832 die Louisiana Colonization Society unter der Leitung von Reverend Robert S. Finley gegründet, die der nationalen American Colonization Society (ACS) angegliedert war.41 Letztere war bereits 1816 von südstaatlichen Plantagenbesitzern und Sympathisanten im Norden und Westen in Washington gegründet worden. Ihr Ziel war es, »to colonize, with their own consent, on the Coast of Africa, or such other place as Congress shall deem expedient, the people of colour in our country, already free—and those others, who may hereafter be liberated by the humanity of individuals, or the laws of the States.«42 Die Sklaverei als Institution wurde – zum Ärger der AbolitionistInnen – allerdings nicht hinterfragt.43 1821 gelang es der ACS, an der westafrikanischen Küste Land zu erwerben. Das fortan von ihr verwaltete Liberia wurde 1847 unabhängig und mit einer am amerikanischen Modell orientierten Verfassung ausgestattet. Diplomatisch anerkannt wurde die Republik von den USA allerdings erst während des Bürgerkriegs. Die Argumentation der ACS verlief entlang der für Migrationen klassischen Aufteilung in ›Push‹- und ›Pull‹-Faktoren. So konstruierten die ACS und ihre Unterstützer die freie farbige Bevölkerung als einen Fremdkörper innerhalb einer organischen, ›rassisch‹-bipolaren Gesellschaft. Es verbreitete 38 »An Act to Prevent Free Persons of Color from Entering the State, and for other Purposes«, in: Acts Passed at the Second Session of the Ninth Legislature of the State of Louisiana, Donaldsonville: C. W. Duhy 1830. 39 Allerdings ist hier anzumerken, dass die Gesetzeslage nicht unbedingt die de facto Auslegung derselben widerspiegelt. So kam es in vielen Freilassungsverfahren zur Anwendung der Ausnahmeregelung, die besagte, dass ein Freigelassener aufgrund ›guter Führung‹ von dem Ausreisezwang entbunden werden konnte. Nach verschiedenen Gesetzesänderungen verbot die Staatsregierung 1857 Freilassungen ganz. Zwei Jahre später wurde das bereits erwähnte Gesetz erlassen, dass den Free People of Color ›erlaubte‹, sich freiwillig in die Sklaverei zu begeben. 40 »Petition from the City Inhabitants against Admittance of the Foreign Negroes«, 8. Juni 1831, Record No. 732, Records of the City Council, City Archives, New Orleans Public Library, New Orleans, Louisiana (NOPL). 41 African Repository, April 1832, 59-60. 42 A Few Facts Respecting the American Colonization Society and the Colony at Liberia, Washington: Way and Gideon 1830, 3, LC, American Memory, From Slavery to Freedom: The African-American Pamphlet Collection, 1824-1909, http:// memory.loc.gov/ammem/aapchtml/aapchome.html, Stand: 12.06.2006. 43 African Repository, Januar 1833, 331.

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sich immer mehr die Ansicht, dass die für eine Sklavengesellschaft ›natürliche‹ und unverrückbare binäre Aufteilung in eine herrschende weiße Gruppe und eine untergeordnete schwarze Sklavengruppe keinen Platz für eine dritte Kategorie böte.44 Diese dichotome Struktur wurde in den Argumentationen der Kolonisierungsbefürworter als systemimmanent, ja geradezu gottgegeben interpretiert. Darüber hinaus seien die freien Farbigen, vor allem die kürzlich Freigelassenen, unfähig, mit der Freiheit umzugehen. Anstatt diese zu nutzen, um sich wirtschaftlich und gesellschaftlich zu etablieren und Anerkennung und Respektabilität zu erlangen, verfiele die Mehrzahl von ihnen Alkohol, Müßiggang und Promiskuität.45 Dass viele Free People of Color v. a. in New Orleans eine anerkennungswürdige gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung einnahmen, hielt Kolonisierungsbefürworter wie James G. Birney nicht davon ab, die Migration aller Farbigen zu fordern. Indem er die Skeptiker unter den Creoles of Color als selbstzufriedene Egoisten darstellte, erhob er die Kolonisierung zu einer Aufgabe prophetischen Ausmaßes: »[T]o the more noble-minded—to those who wish to get from under the pressure of irresistible, unjust power—to those who wish to give full sweep to the faculties which God has given to all his children—to those who wish to make MEN of themselves—to those, the sooner the idea is proposed the better.«46

Auch das offizielle Organ der ACS, der African Repository, bediente sich gerne dieser Rhetorik. In vielen Variationen priesen seine AutorInnen die Möglichkeiten zur freien Entfaltung der Free People of Color in deren ›Heimat‹ Afrika. Dabei spielte man immer wieder auf die bürgerliche Reputation an, die den freien Farbigen in den USA abgesprochen wurde, die sie aber – so der Repository – in Liberia erlangen könnten: »There are MEN there! MEN, who would be acknowledged such in any society, in any emergency. Men, who have been made what they are by the part which they have been called on to act, in the great events which have been transpiring there for the last twenty years! Their condition has been elevated, and consequently their respectability has been greatly improved!«47

44 A. Featherman: »Our Position and that of Our Enemies«, in: DeBow’s Review 31 (1861), 31. 45 A Few Facts Respecting the American Colonization, 12. Siehe außerdem African Colonization—Its Principles and Aims. An Address Delivered by John H. B. Latrobe, President of the American Colonization Society, at the Anniversary Meeting of the American Colonization Society Held in the Smithsonian Institute, Washington City, January 18, 1859, Baltimore: J. D. Toy 1859, 9-10, LC, American Memory, From Slavery to Freedom: African-American Pamphlet Collection, 1824-1909, http://memory.loc.gov/ammem/aapchtml/aapchome.html, Stand: 10.05.2006. 46 James G. Birney: Examination of the Decision of the Supreme Court of the United States, in the Case of Strader, Gorman and Armstrong vs. Christopher Graham, Delivered at its December Term, 1850: Concluding with an Address to the Free Colored People, Advising Them to Remove to Liberia, Cincinnati, OH: Truman and Spofford 1852, 45-46. 47 African Repository, September 1846, 267, Hervorhebungen im Original.

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In ihrer Argumentation griffen die Kolonisierungsbefürworter auch Diskursinhalte der Gegenseite auf. So wandte sich Birney in einem Pamphlet gegen die häufig von farbigen Gegnern der Kolonisierung geäußerte Behauptung, sie könnten schon allein deshalb ihr Heimatland nicht verlassen, weil sie im Kampf um die Befreiung ihrer ›Brüder‹ aus der Sklaverei benötigt würden. Der noble Versuch freier Farbiger, zum uplift ihrer gesamten ›Rasse‹ beizutragen, war laut Birney zum Scheitern verurteilt: »Your presence here, now, can be of no service to your enslaved brethren. By remaining, you only destroy yourselves. Your submitting, suffering, ultimately dying here can effect nothing on the hearts and determination of your oppressors and the oppressors of your brethren. […] Superiority on the part of the whites will always be vaunted over you—as a class, inferiority will always be acknowledged by you. There are individuals who will be exceptions, but they will be rare, and exceptions only.«48

Die vor allem von nordstaatlichen farbigen AktivistInnen vorgebrachte Argumentation, sie ständen in der Pflicht, für die Befreiung der SklavInnen auf dem nordamerikanischen Kontinent zu kämpfen, wurde im Pro-Kolonisierungsdiskurs der ACS in einen Zivilisierungsauftrag für Afrika umgewandelt. Anstatt ihre Fähigkeiten in einer aussichtslosen Situation zu verschwenden, sollten die Farbigen den afrikanischen Kontinent aus der ›Barbarei‹ und dem ›intellektuellen Mittelalter‹ führen.49 In dieser Argumentation trat das biologistische Rassenverständnis der ACS hervor, das den freien Farbigen der USA eine ›natürliche Rassenverbundenheit‹ mit den Bewohnern Afrikas unterstellte. Dieser ontologisch gedachte ›Rasseninstinkt‹ mache es für sie unmöglich, sich ihrem Auftrag zur christlichen Zivilisierung der ›afrikanischen Brüder und Schwestern‹ zu entziehen: »They ought to feel for their race, as nobody else can feel for it. They ought to be penetrated with a benevolence of the millions in Africa who are shrouded by the darkest pall of heathenism, superstition and moral death. […] The very men, who by reason of their physical constitution, or their superior intelligence and advantages, are capable of performing immeasurable good for their race, in Africa, and who of all others ought to feel deeply for their woes, and throw themselves with all their influence into the opened channel of usefulness, are here found using every means in their power to thwart the good proposed, and to destroy the last hope of their race!«50

Einige weiße Zeitungen in Louisiana schlossen sich dieser von der ACS propagierten Meinung an, indem sie die Auswanderung der heimischen Free People of Color nicht als eine ›Vertreibung‹ verstanden wissen wollten, son48 Birney, 43, Hervorhebungen im Original. 49 Augustus Washington an die ACS, 3. Juli 1851, »Letters to the American Colonization Society [Part 5]«, in: Journal of Negro History 10:2 (April 1925), 287. Siehe außerdem U. S. Congress, House, Memorial of the American Society for Colonizing the Free People of Color, 19th Cong., 2nd sess., H. Doc. No. 64 (29 January 1827), 7; New Orleans Times, 13. März 1864. 50 African Repository, September 1846, 268-69, Hervorhebung im Original.

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dern als einen von Gott vorgesehenen Auszug der ›schwarzen Rasse‹ in ein besseres – in ihr gelobtes – Land: »This, then, is the hour for you to make one earnest effort to secure your own social position and independence, by co-operating with those who now reach out their hands to aid you. […] If this travail and pain of the nation becomes the birthday of your freedom, let us plant you free and independent beyond the reach of the power that has oppressed you. Consider this as an opening by the wisdom of Divine Providence, when you are called of God to go with me to a country which your oppressed people are soon to receive for their inheritance.«51

Der in der amerikanischen Geschichte häufig bemühte Topos der Heilsgeschichte fand auch in diesem Fall seinen Gebrauch. Liberia wurde in dieser Rhetorik zum afroamerikanischen Gegenstück der city upon a hill, die den aus ihrer Heimat vertriebenen Puritanern Zuflucht geboten hatte.52

Der Kolonisierungsgedanke in Louisiana Obwohl die Mehrzahl der Gründungsmitglieder der ACS südstaatliche Plantagenbesitzer und von der Sklavereiwirtschaft profitierende Händler gewesen waren, hielt sich die aktive Unterstützung für die Kolonisierungsbestrebungen im Süden in Grenzen. Ein wesentliches Problem war die ACS selbst, die im Zuge der sich verstärkenden sektionalen Auseinandersetzungen immer mehr zwischen die Stühle geriet. Viele Südstaatler sahen in ihr lediglich ein weiteres institutionelles Instrument des Nordens, politischen Einfluss auf den Süden auszuüben. Nach der anfänglichen Begeisterung zogen sich die Südstaatler deshalb aus der ACS zurück. Die Skepsis gegenüber der ACS bedeutete jedoch nicht, dass der Kolonisierungsgedanke in Louisiana keinerlei Wirkungen zeigte. Zwar blieb eine substantielle Auswanderung der Free People of Color aus Louisiana aus, denn von den 10.039 Auswanderern, die die ACS zwischen 1820 und 1858 nach Liberia brachte, stammten lediglich 261 aus Louisiana, also nur 2,6 Prozent.53 Auch zu

51 Daily True Delta, 14. September 1862. 52 Vergleiche mit der puritanischen Auswanderung nach Nordamerika fanden sich häufig in Meinungsäußerungen zur Kolonisierung in Liberia, siehe z. B. Augustus Washington an die ACS, 3. Juli 1851, »Letters to the American Colonization Society [Part 5]«, 289. 53 »Table of Emigrants, Showing the number of Emigrants sent to Liberia by the American Colonization Society and its Auxiliaries, from each State, in the several expeditions from 1820 to 1858, inclusive«, in: Forty-Second Annual Report of the American Colonization Society, With the Proceedings of the Board of Directors and of the Society (1859), in: The Annual Reports of the American Society for Colonizing the Free People of Colour of the United States, vols. 34-43 (1851-60), New York: Negro Universities Press 1969, 53-56. Auch in nordstaatlichen Städten zeigten sich die freien Farbigen wenig begeistert von den Kolonisierungsbestrebungen der ACS. Eric Burin: Slavery and the Peculiar Solution. A History of the American Colonization Society, Gainesville: UP of Florida 2005, 65.

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einem vom Bundesstaat getragenen Kolonisierungsprojekt konnte man sich nie durchringen.54 Die Diskussionen, die die Kolonisierungsfrage jedoch auslöste, wirkten bis tief in die Gesellschaft und waren von einer für Louisiana typischen Ambivalenz geprägt. Diese war der besonderen sozialen und wirtschaftlichen Position der Free People of Color geschuldet, die sich in den 1820er und 30er Jahren den Respekt vieler weißer Louisianians erarbeitet hatten. Man wusste um die Verdienste vor allem der Zugewanderten aus Haiti, die viele gesellschaftliche Bereiche reformiert und durch Erfindungen, Verdienste im Journalismus, im Militärdienst etc. dem Staat nach der amerikanischen Machtübernahme zu neuer Blüte verholfen hatten. Diese Leistungen waren nach Meinung vieler weißer Kritiker allerdings auf die Herkunft, Bildung und das besondere kulturelle Erbe der afrokreolischen Louisianians zurückzuführen. Anders als die große Masse der nordstaatlichen Farbigen lebten sie entlang ›weißer‹ bürgerlicher Werte und waren deshalb weniger ›abstoßend‹.55 Während in New Orleans Für und Wider der Kolonisierung abgewogen wurden, dominierten im ländlichen St. Landry Parish eindeutig die Verfechter der Kolonisierung. Dies war insofern nicht ohne Bedeutung, als dass dort – nach dem Orleans Parish – die größte Free People of Color-Bevölkerung lebte, gefolgt von Natchitoches, Jefferson und Pointe Coupée.56 Hatte man in den wirtschaftlich und politisch ruhigen 1820er Jahren noch wenig Kritik am südstaatlichen System verspürt, nahm der Druck von außen in den 1830er Jahren spürbar zu. Innerhalb des Kolonisierungsdiskurses verdrängte der Gefahren-Diskurs die positiveren Einschätzungen aus den 1820er Jahren und machte Platz für einen schärferen Rassendiskurs, der den ›dritten Raum‹ der Free People of Color zunehmend in Frage stellte. Für die Kolonisierungsbefürworter folgte daraus unausweichlich der Auftrag an die Free People of Color, die USA freiwillig zu verlassen, um einer späteren Zwangskolonisierung zu entgehen: »You can not [sic] live in the United States with the white man in peace, you can never hope to approach any thing like and equality with him, this idea on your part would be repugnant to the laws of natural reason, nature and nature’s God. […] We would advise you to flee the society of the white man voluntarily, before you are compelled to do so by his irrevocable decrees. […] We speak advisedly and know that your places in this parish can and will be quickly filled by good, moral and respectable white families from a neighboring state. This is the element we desire, this

54 Sämtliche Gesetzesentwürfe, die die Finanzierung der Kolonisierungsvorhaben durch öffentliche Steuern vorsahen, schlugen im Staatsparlament fehl. Vgl. Everett: »Free People of Color«, (Diss.), 127. Unter dem Eindruck des zu geringen Enthusiasmus der Free People of Color für die Kolonisierung erließ das Staatsparlament immer wieder Resolutionen, die die Kongressangehörigen dazu aufriefen, ihren Einfluss zu nutzen, um nationale Mittel für den Ankauf von Land in Afrika sowie größeres Interesse an der Auswanderung zu erwirken. Siehe z. B. Thirty-Sixth Annual Report of the American Colonization Society, January 18th, 1853, in: Annual Reports of the American Society for Colonizing the Free People of Colour, 10-11. 55 Louisiana Gazette, 2. März 1818. 56 Opelousas Patriot, 16. Juli 1859. Außerdem 4. Dezember 1858 , 23. Juli 1859.

116 | KREOLISCHE IDENTITÄT is the kind of population we want—all white citizens and their slaves—no free colored citizens in our midst.«57

Wo den Free People of Color in früheren Darstellungen zumindest ein gewisser Anteil an der Geschichte des Staates zugesprochen worden war, konstruierte man sie in den beiden Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg zunehmend als ›auszuschließende Fremdkörper‹. Zwar bescheinigte man ihnen noch immer Respekt den gesellschaftlichen Institutionen gegenüber und sogar eine gewisse Liebe zu Louisiana58; ihre ›natürliche Heimat‹ sahen viele aber fortan in Afrika und Haiti. Ausdruck der ambivalenten Einstellung des weißen Louisianas und zugleich Lösungsversuch des Dilemmas stellt ein Artikel in der Daily Picyune dar, der den Topos von der ›Anomalie‹ der Free People of Color Louisianas für seine pro-Kolonisierungsargumention nutzbar macht: »As a general rule, the free colored people of Louisiana, and especially of New Orleans—the ›creole colored people,‹ as they style themselves—are a sober, industrious and moral class, far advanced in education and civilization. […] The Haytians need a nucleus of intelligent, enlightened, industrious people of their own color, and speaking, if possible, their own language—just such men as New Orleans can furnish—to settle among them and show them what industry, activity and enterprise can achieve[.]«59

Die Errungenschaften der Creoles of Color, die in früheren Aussagen noch als Argument gegen eine Kolonisierung angebracht wurden, werden hier umgedeutet: Gerade diese besonderen Fähigkeiten seien es, die die Free People of Color dazu ermächtigten, ja geradezu verpflichteten, fernab von Louisiana ihre Talente zur Verfügung zu stellen. Aus der vormals als zwanghaft empfundenen ›Aussiedlung‹ wurde wie im nationalen Kolonisierungsdiskurs eine ruhmreiche Erfüllung des Manifest Destiny-Gedankens.

Die Kolonisierungbewegung und der Black Nationalism Die Forschung sieht die hitzige Debatte um den ›wahren‹ Platz der afroamerikanischen Bevölkerung als Auslöser einer integrativen Sogwirkung, die zur verstärkten Postulierung einer afroamerikanischen Identität führte. Im Norden resultierten die Kolonisierungspläne der weißen Elite in einer stärkeren Identifikation freier Schwarzer mit den versklavten ›Brüdern und Schwestern‹.60 Kolonisierung wurde in diesem Denken als ein weiteres Mittel der Hegemonialmacht angesehen, ihrer Verantwortung gegenüber den von ihnen Unterdrückten zu entkommen. Anstatt sich der Fremdzuschreibung durch die weiße Gesellschaft zu ergeben, forderten nordstaatliche freie Farbige die gemeinschaftliche Besinnung auf ihre amerikanische Identität und die damit verbundenen Rechte:

57 58 59 60

Opelousas Patriot, 23. Juli 1859, Hervorhebungen im Original. Daily Picayune, 15. Januar 1860. Daily Picayune, Afternoon Edition, 15. Juli 1859. Leonard I. Sweet: Black Images of America 1784-1870, New York: Norton 1976, 66.

»IN DEFENSE OF OUR SYSTEM« | 117 »We are written about, preached to, and prayed for, as Negroes, Africans, and blacks, all of which have been stereotyped as names of reproach, and on that account, if no other, are unacceptable. […] Many would rob us of the endeared name, ›Americans,‹ a distinction more emphatically belonging to us, than five-sixths of this nation, and one that we will never yield. In complexion, in blood and nativity, we are decidedly more exclusively ›American‹ than our white brethren; hence the propriety of the name of our people, Colored Americans, and of identifying the name with all our institutions, in spite of our enemies, who would rob us of our nationality and reproach us as exoticks [sic].«61

Im Gegensatz zur heilsgeschichtlichen Rhetorik der Kolonisierungsbefürworter sahen auch viele nordstaatliche freie Farbige in der Emigration eine feige Flucht vor dem Kampf um Bürgerrechte: »Some say, let the colored people leave the country! We reply NO BRETHREN. We would rather die a thousand deaths, in honestly and legally contending for our rights in this our native country. We cannot act in this respect so IGNOBLY as our Pilgrim fathers did. We will stay and seek the purification of the whole lump. With the character of the country we are identified, and with its character we intend to sink or swim.«62

Eine erste politische Umsetzung des Black Nationalism und Reaktion auf die Kolonisierung stellte im Norden das Negro Convention Movement dar, dass in den 1820er Jahren ins Leben gerufen wurde. Seit den 1830er Jahren fanden in regelmäßigen Abständen Versammlungen statt.63 Doch auch hier offenbarte sich die Unvereinbarkeit der Positionen. Während man in den 1830er Jahren noch der Idee der moral suasion anhing, propagierten zumindest Teile der Bewegung immer häufiger alternative Lösungen des Rassismusproblems, darunter auch die freiwillige Emigration.64 Eine der schillerndsten und zugleich komplexesten Figuren der freiwilligen Emigrationsbewegung war Martin R. Delany. Geboren in Charlestown, Virginia (heute West Virginia) und Sohn einer freien schwarzen Näherin und eines Sklaven, wuchs er größtenteils in Pennsylvania auf. Im Jahre 1843 gründete er mit Mystery eine der ersten afroamerikanischen Zeitungen der USA. Ende der 1840er Jahre ging er nach Massachusetts an die Harvard Medical School, von der er allerdings wegen rassistischer Agitationen seiner weißen Kommilitonen wieder ausgeschlossen wurde. Delanys Biographie zeichnet sich vor allem durch seine häufigen und zum Teil extremen Meinungsänderungen aus. In den 1840er Jahren fühlte er sich der Idee des racial 61 Colored American, 4. März 1837, zitiert in Sweet, 53, Hervorhebungen im Original. 62 Colored American, 30. September 1837, Hervorhebungen im Original. 63 Seit der Gründung der ACS hatte es im Norden sporadische Treffen freier Farbiger gegeben, um gegen die Organisation zu protestieren. 1831 begann die American Society of the Free Persons of Color – später die American Moral Reform Society –, in Philadelphia jährliche Treffen abzuhalten. 64 Howard H. Bell: »National Negro Conventions of the Middle 1840’s: Moral Suasion vs. Political Action«, in: Journal of Negro History 42:4 (October 1957), 247.

118 | KREOLISCHE IDENTITÄT

uplift durch Hilfe zur Selbsthilfe in Form wirtschaftlicher Autonomie der eigenen Gemeinschaft verpflichtet. Seine Schriften jener Zeit waren von dem Gedanken des self-improvement geprägt: Eine Besinnung der farbigen Gemeinschaft auf moralische Werte und ökonomische Zielsetzungen würde auch die weiße Gesellschaft von der Respektabilität der Farbigen überzeugen; politische Rechte und der Rückgang rassistischer Vorurteile wären die zwangsläufige Folge.65 In den 1850er Jahren entdeckte er dann den Emigrationsgedanken für sich. Dabei sprach er sich für die Emigration der freien Farbigen nach Mittel- und Südamerika oder in die Karibik aus; Afrika als Auswanderungsziel stand er dagegen skeptisch gegenüber, weil er die ACS als verlängerten Arm der Hegemonialmacht ablehnte.66 Doch auch diese Meinung sollte er wenig später ändern. Ende der 1850er Jahre unternahm er eine großangelegte Expedition in das Nigertal, wo er sich vom ökonomischen Potenzial Afrikas beeindruckt zeigte.67 Im Bürgerkrieg schob Delany schließlich sein Emigrationsvorhaben zur Seite und verpflichtete sich erneut dem Black Nationalism. Bester Ausdruck dieser Rückbesinnung war sein Eintritt in die Unionsarmee, wo er als Major für das Recht aller Farbigen auf ein gleichberechtigtes Leben als amerikanische Staatsbürger kämpfte. Delanys Begeisterung für den Emigrationsgedanken in den 1850ern basierte auf der bitteren Erkenntnis, dass die weiße Hegemonialgesellschaft eine Gleichstellung der Farbigen nie zulassen würde. Darüber hinaus zeigte er sich besorgt über den eigenen Identitätsverlust, zu dem seine Gemeinschaft aufgrund der Machtverhältnisse gezwungen wurde. In seiner Rede auf der National Emigration Convention zeichnete er seine Vorstellung von einer funktionierenden Gesellschaft als ein organisches Gebilde, in der jedes Element in Verbindung zum Zentrum stand; ein Zentrum, das seine Gemeinschaft Gefahr lief, zu verlieren.68 Die im Diskurs um gesellschaftliche Gleichberechtigung vorgebrachte Vorstellung von der universalistischen Gleichheit der Menschen sah Delany deshalb als zutiefst problematisch an. Letztlich verstecke sie unter dem Deckmantel von Egalität nur das Machtgefälle, das der amerikanischen Gesellschaft zu Eigen war. Letztere verlange

65 Hier ähneln die Gedanken Delanys denen der von William Lloyd Garrison geführten AbolitionistInnen, die als vorderstes Mittel der Bekämpfung der Rassismen die Einhaltung moralischer Werte propagierten und dabei die wichtige Rolle der freien farbigen Bevölkerung betonten. Vgl. z. B. William Lloyd Garrison: An Address, Delivered Before the Free People of Color, in Philadelphia, New-York and other Cities, During the Month of June, 1831, 3rd ed., Boston: Stephen Foster 1831, 4-6, LC, American Memory, From Slavery to Freedom: The African-American Pamphlet Collection, 1824-1909, http://memory.loc. gov/ammem/aapchtml/aapchome.html, Stand: 07.09.2006. 66 Martin R. Delany: »The Condition, Elevation, Emigration and Destiny of the Colored People of the United States [Philadelphia 1852]«, in: Robert S. Levine (ed.), Martin R. Delany. A Documentary Reader, Chapel Hill: University of North Carolina 2003, 204-05. 67 Zu dieser Expedition siehe Richard Blackett: »Martin R. Delany and Robert Campbell: Black Americans in Search of an African Colony«, in: Journal of Negro History 62:1 (January 1977), 1-25. 68 Martin R. Delany: »Political Destiny of the Colored Race on the American Continent«, in: Levine, Martin R. Delany. A Documentary Reader, Chapel Hill: University of North Carolina 2003, 250.

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von der afroamerikanischen Gemeinschaft den zu hohen Preis der identifikatorischen Selbstaufgabe: »Our friends in this and other countries, anxious for our elevation, have for years been erroneously urging us to lose our identity as a distinct race, declaring that we were the same as other people; while at the very same time their own representative was traversing the world and propagating the doctrine in favor of a universal AngloSaxon predominance. […] The truth is, we are not identical with the Anglo-Saxon or any other race of the Caucasian or pure white type of the human family, and the sooner we know and acknowledge this truth, the better for ourselves and posterity.«69

Delanys Schriften zur Emigration fördern ein Rassenverständnis zutage, das in wesentlichen Teilen auf der kausalen Verbindung von biologischen Eigenschaften und kulturellen Identitäten basiert. Für ihn besitzt die Gruppe der freien Farbigen in den USA eine eigene, auf biologischen Grundlagen basierende Identität, die ein Zusammenleben der ›Rassen‹ auf dem nordamerikanischen Kontinent unmöglich macht: »We have then inherent traits, attributes—so to speak—and native characteristics, peculiar to our race—whether pure or mixed blood—and all that is required of us is to cultivate these and develop them in their purity, to make them desirable and emulated by the rest of the world. […] It would be duplicity longer to disguise the fact, that the great issue, sooner or later, upon which must be disputed the world’s destiny, will be a question of black and white; and every individual will be called upon for his identity with one or the other.«70

Diese starke Betonung afroamerikanischer Kultur war es unter anderem, die es den Free People of Color in Louisiana erschwerte, sich mit dem Black Nationalism zu identifizieren. In den überlieferten Quellen aus Louisiana finden sich wenig Hinweise darauf, dass die Free People of Color auf die Kolonisierungsbestrebungen der ACS oder des eigenen Staates direkt reagierten. Es scheint, als hätten sie durch ihr Desinteresse ihre Missbilligung gegenüber den Kolonisierungsbestrebungen zum Ausdruck gebracht. Einen Einblick in die Sichtweise der Free People of Color bietet aber die Diskussion um den Zielort einer möglichen Emigration. Dabei eröffnet sich eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen der weißen und farbigen Bevölkerung Louisianas, denn beide standen dem Ort Afrika, insbesondere Liberia, von Beginn an skeptisch gegenüber. Charles Gayarré71, Vorsitzender des Parlamentskomitees zur Kolonisierung, wandte sich in dem von ihm verfassten Minority Report gegen die Ko69 Delany: »Political Destiny,« 251. 70 Delany: »Political Destiny,« 252. 71 Charles Etienne Arthur Gayarré wurde 1805 auf der Boré Plantation in der Nähe von New Orleans geboren. Nach seinem Jurastudium in Philadelphia arbeitete er als Anwalt. Gleichzeitig begann seine politische Karriere, in der er u. a. im Staatsparlament von Louisiana saß sowie Richter der New Orleans City Courts war. 1861 unterstützte Gayarré die Sezession. »Gayarré, Charles Etienne Arthur« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 1, 340-41.

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lonisierungspläne. Seine Ablehnung begründete er mit der besonderen Identität der freien farbigen Bevölkerung in Louisiana, die nicht mit der anderer ›rassengemischter‹ Gemeinschaften der USA vergleichbar sei. In seinem Plädoyer für den Verbleib der Free People of Color bezog er sich auf das Ideal einer rassenübergreifenden kreolischen Identität, deren Wurzeln er im gemeinsamen französischen Erbe sowohl der weißen kreolischen als auch der Free People of Color-Bevölkerung erkannte. Diese Gemeinsamkeit verband die Creoles of Color unwiderruflich mit Louisiana und seiner weißen Bevölkerung: »[Y]our Committee cannot conceive the expectation that a colored man, born in Louisiana, will break so many ties […] to cross the ocean and settle among men whose origin, whose language, and whose manners are so different from his own. […] A colored man, of French origin, born in Louisiana would not voluntary go to Liberia even if it had pleased the Almighty to transform that favored spot into a paradise.«72

Im Gegensatz zu Delanys exkludierender und auf einer binären Struktur basierenden afroamerikanischen Identität, argumentierte Gayarré entlang einer zumindest auf kultureller Ebene inkludierenden kreolischen Identität, die einer erfolgreichen Identifizierung der Free People of Color mit Afrika und damit einer Kolonisierung im Weg stand.

Afrika oder Haiti? Doch Gayarrés Ablehnung bedeutete nicht das Ende des Kolonisierungsgedankens in Louisiana. Auch wenn die öffentliche Meinung immer wieder auf die besonderen Umstände hinwies, so kam man letztlich zu dem Schluss, dass auch die einheimischen Free People of Color auf lange Sicht unvereinbar waren mit dem Fortbestand der Sklaverei. Typisch für diese Darstellung war ein Artikel in der Daily Picayune von 1859: »So far as our community is concerned, although our colored population has always been law abiding, peaceful and industrious, it is still an undesirable element to be kept among us, as they would always remain in the equivocal position they now hold between the two races; and if they can find more happiness elsewhere, aid in the work of civilization, we can only rejoice at this movement and hope to see it encouraged by all proper means.«73

Anders als in den Nordstaaten sahen viele Kolonisierungsbefürworter den idealen Ort für eine Emigration allerdings nicht in Afrika, sondern in Südamerika und besonders auf Haiti. Bereits in den 1820er Jahren hatte es Kontakte zwischen amerikanischen Kolonisationsbefürwortern und dem haitiani-

72 Journal of the House of Representatives of the State of Louisiana, 10th Leg., 1st sess. (1831), 83-85, zitiert in Everett: »Free People of Color«, (Diss.), 125. 73 Daily Picayune, Evening Edition, 22. Juni 1859. Vgl. Daily Picayune, 14. August 1859.

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schen Staatspräsidenten Jean-Pierre Boyer gegeben.74 Aus einem großangelegten Kolonisierungsprojekt war allerdings nichts geworden, weil Boyer nicht bereit gewesen war, seine Autorität und die Autonomie seines Staates den Interessen der ACS unterzuordnen. Diese hatte sich daraufhin von Haiti als möglichem Ort der Kolonisierung distanziert und sich dem Projekt Liberia gewidmet.75 Erst Mitte der 1850er Jahre ergriff ein neues ›Haiti-Fieber‹ die Kolonisierungsbewegung in Louisiana.76 Im Jahre 1858 schickte der inzwischen die Macht innehabende haitianische Kaiser Soulouque seinen Kolonisierungsagenten Emile Desdunes nach Louisiana, um dort Auswanderungswillige zu rekrutieren. Desdunes stammte aus New Orleans und bemühte sich darum, die Anfang des Jahrhunderts aus St. Domingue eingewanderten Free People of Color und ihre Nachfahren zu einer Rückkehr nach Haiti zu bewegen. Nach dem Sturz Soulouques durch Nicolas Fabre Geffrard schliefen die Immigrationsbestrebungen der haitianischen Regierung allerdings Anfang der 1860er Jahre wieder ein. In Louisiana wurde dem Plan einer Kolonisierung in Haiti in der breiten Bevölkerung mehr Erfolg zugetraut als den Bestrebungen der ACS, einen afrikanischen Staat aufzubauen. Insgesamt blieb die Zahl freier Farbiger, die durch organisierte Auswanderungspläne – sei es durch die ACS oder die Kolonisierungsofferte Haitis – Louisiana verließen, gering. Aus einem Vergleich der Zensusdaten von 1840 und 1850 geht zwar hervor, dass die Bevölkerungszahl der Free People of Color in diesem Jahrzehnt um ungefähr 8.000 Personen zurückging und im folgenden Jahrzehnt stagnierte.77 Für diese Entwicklung ist aber auch ein natürlicher Rückgang der Geburtenrate aufgrund schwieriger Lebensumstände sowie die Tatsache verantwortlich, dass Free People of Color angesichts zunehmender Restriktionen vermehrt ein passing in die weiße Gesellschaft versuchten und deshalb aus dem Zensus der Free People of Color herausfielen. Darüber hinaus verließen einige Afrokreolen Louisiana auch in Richtung Europa oder amerikanischem Westen.78 Überwanden die Free People of Color ihre prinzipielle Ablehnung gegenüber einer Emigration, so favorisierten sie als Auswanderungsziel Haiti. In der kurzen Periode von Juni 1859 bis Januar 1860 sah Louisiana die größte Auswanderungswelle einheimischer Free People of Color. Im Juni 1859 verließen 200 von ihnen New Orleans79, von denen allerdings circa 30 bereits 74 [Loring Daniel Dewey]: Correspondence Relative to the Emigration to Hayti, of the Free People of Colour, in the United States. Together With the Instructions to the Agent Sent Out to President Boyer, New York: Printed by Mahlon Day 1824. 75 Elizabeth R. Bethel: The Roots of African-American Identity. Memory and History in Free Antebellum Communities, London: Macmillan 1997, 150. Die ACS bemühte sich in der Folgezeit, Haiti als unsicheren Ort für die Emigration darzustellen, so z. B. African Repository, April 1829, 62. 76 New Orleans Commercial Bulletin, 4. Mai 1859. 77 Vgl. Tabelle 4 im Anhang. 78 Neben der organisierten Auswanderung nach Haiti und Liberia ist aus Louisiana das Projekt des Creole of Color und Zigarrenfabrikant Nelson Fouché bekannt, der 1857 ein alternatives Kolonisierungsprojekt in Eureka, Veracruz, Mexiko organisierte. Vor allem freie Farbige aus den ländlichen Gebieten unter der Führung der Donato-Familie wanderten dorthin aus. Siehe Documents relatifs à la colonie d’Eureka, dans l’Etat de Veracruz (1857), TU. 79 Daily Picayune, 22. Juni 1859.

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einen Monat später zurückkehrten, zum Teil aus Enttäuschung über die in Haiti vorgefundenen Verhältnisse, zum Teil, um weiteres Kapital und Arbeitsgeräte für eine endgültige Auswanderung zu besorgen. Im Juni 1860 verließen nochmals 81 den Staat gen Haiti, von denen die Daily Delta behauptete, dass sie in der Mehrzahl erfahrene Landwirte waren.80 Aufgrund der schwierigen Quellenlage ist es nur bedingt möglich, Aussagen über die Gründe für die starke Ablehnung Liberias als Siedlungsort zu machen. Auch über die soziale Zusammensetzung der auswanderungswilligen afrokreolischen Louisianians kann nur spekuliert werden. Es scheint aber, als ob vor allem die unteren Schichten einer Auswanderung nach Liberia etwas abgewinnen konnten. Die städtische Mittelklasse, die über Immobilienbesitz und handwerkliche Betriebe zu einem gewissen Wohlstand gekommen war, zeigte sich von dem Gedanken einer Aussiedlung, besonders nach Afrika, wenig begeistert.81 Aus den Briefen Auswanderungswilliger an die ACS geht hervor, dass die Aussicht auf verbesserte ökonomische Lebensumstände eine gewichtige Rolle spielte bei der Entscheidung für Liberia.82 In den vergleichsweise wenigen Briefen aus Louisiana wird deutlich, dass dieser Motivationsgrund für die Free People of Color einen geringeren Stellenwert einnahm. Für die wirtschaftlich gut situierten Creoles of Color standen das Versprechen einer politisch-autonomen Regierung und einer kulturellen ›Heimat‹ im Vordergrund. Beides glaubten sie eher in Haiti (wieder)finden zu können. Inwieweit die Ablehnung Liberias auf einem gewissen Kulturchauvinismus der Free People of Color basierte, ist schwer zu sagen. Direkte Aussagen in diese Richtung finden sich aufgrund der eingeschränkten Meinungsfreiheit in jener Zeit nicht, doch bietet die öffentliche Diskussion in Charleston einige Hinweise darauf, wie man im sozial ähnlich strukturierten New Orleans gedacht haben mag.83 In einem Brief an die ACS griff ein freier Farbiger die in Charleston vorherrschenden Argumente gegen eine Auswanderung nach Liberia auf: »[A] consideration of the objections many have to emigrating to a country whose inhabitants are shrouded in deep ignorance—whom long and deep-rooted custom forbids us to have social intercourse with in the various relations of civilized life upon fair and equal terms of husband and wife, and whose complexion is darker than many of ours.«84

Dass ähnliche Vorbehalte auch unter den Afrokreolen Louisianas weit verbreitet waren, zeigt ein in der Daily Picayune abgedruckter Brief eines kurz zuvor nach Monrovia Ausgewanderten. Dieser äußert zunächst sein Erstaunen, ja sogar Entsetzen, über die vorgefundenen Zustände und Sitten der Einheimischen, um dann – vermutlich nicht ohne die redigierende Hand des Redakteurs – Liberia als seine ›natürliche Heimat‹ zu preisen: 80 Daily Delta, 26. Januar 1860. 81 Siehe J. B. Jordan an Dr. James W. Lugenbeel, 1. Oktober 1850, »Letters to the American Colonization Society [Part 5]«, 272. 82 »Letters to the American Colonization Society«, 154-311. 83 Zur Gruppe der freien Farbigen in Charleston siehe Michael P. Johnson/James L. Roark: No Chariot Let Down. Charleston’s Free People of Color on the Eve of the Civil War, Chapel Hill: University of North Carolina 1984. 84 Anonymer Free Man of Color, African Repository, Oktober 1832, 216.

»IN DEFENSE OF OUR SYSTEM« | 123 »To be candid, I was much disappointed on going ashore. The natives with a handkerchief around the loins were at work rolling the palm oil and singing the most wild songs I had ever heard. […] My wife with tears in her eyes looked at me despondingly, and my child only three years old began to cry from fear of the natives. With a forebearing discontent I began the ascent of the hill, and after crossing several streets running at right angles, I arrived at the house of my associate where I was to stop. There I met many of the chief persons of the country and I conversed with them freely; and soon felt as if I had reached home. My forebodings left me and I determined to die here.«85

Dass solche Bekundungen der ›Herrlichkeit‹ Liberias bei der Mehrzahl der Free People of Color auf die von der weißen Bevölkerung erhoffte Resonanz stießen, darf bezweifelt werden. Haiti dagegen besaß ihrer Meinung nach mehrere Vorteile. Zunächst fühlten sich viele Afrokreolen dem Staat und seinen Menschen familiär und kulturell eng verbunden. Darüber hinaus sahen sie es als einen Vorteil an, dass Haiti innerhalb der westlichen Hemisphäre lag. Eine mögliche Rückkehr – etwa bei Komplikationen – war so nicht gänzlich ausgeschlossen. Letztlich stellte eine freiwillige Emigration für die Mehrzahl der Free People of Color aber keine Option dar. Die in ihrer Gemeinschaft tief verwurzelte politische Protesttradition machte es ihnen unmöglich, auf die zunehmende Unterdrückung mit ›Flucht‹ zu antworten. Sie empfanden Louisiana als ihre rechtmäßige Heimat, die sie nicht kampflos aufgeben wollten. Diese starke Widerstandstradition war nicht zuletzt das Erbe der vielen Flüchtlinge aus Haiti, die zu Beginn des Jahrhunderts in Louisiana Zuflucht gefunden hatten und sich nun einer erneuten Zwangsemigration vehement entgegenstellten. In ihrer Bereitwilligkeit, aufzubegehren und für ihre Identität und Zugehörigkeit zur Gesellschaft einzutreten, waren sie den Anhängern des Black Nationalism in den Nordstaaten durchaus ähnlich. Allein, ihr Selbstverständnis als Afrokreolen, das auf ihrer ›rassengemischten‹ Herkunft, ihrer Freiheit und ihrem kreolisch-katholischen Erbe basierte, erschwerte ihnen die Identifikation mit den Strategien und Identitätsentwürfen des nordstaatlichen Black Nationalism. Letztlich erwiesen sich die Anstrengungen der Kolonisierungsbefürworter als kontraproduktiv. Anstatt die Unterschiede zwischen Sklavenbevölkerung und Free People of Color aufzuweichen und auf diesem Wege auch die unliebsame afrokreolische Bevölkerung aus dem eigenen Lebensraum zu verdrängen, festigte die hegemoniale Gesellschaft durch ihre forcierten Kolonisierungsanstrengungen die afrokreolische Identitätsgemeinschaft. Anstatt sie einzuschüchtern, erweckten die Kolonisierungspläne bei den Free People of Color alten Rebellengeist zu neuem Leben. Noch würden sie der weißen Hegemonialgesellschaft das Feld nicht kampflos überlassen.

85 Daily Picayune, 19. Februar 1854.

124 | KREOLISCHE IDENTITÄT

»Nothing of the African About Her«: ›Rasse‹ vor Gericht »We do not think there could be any serious denial of the fact that in Louisiana the words ›mulatto,‹ ›quadroon,‹ and ›octoroon‹ are of as definite meaning as the word ›man‹ or ›child‹. […] Between these different shades, we do not believe there is much, if any, difficulty in distinguishing.«86

Trotz der zunehmenden Repressionen blieb den Free People of Color das Recht, uneingeschränkt vor Gericht auszusagen und selbst zu klagen.87 Neben den vielen Erbschaftsstreitigkeiten im Zuge von plaçage-Beziehungen, spielte die ethnische Identität und der gesellschaftliche Status der Betroffenen in Fällen von Körperverletzung, Totschlag und Mord eine wichtige Rolle. Daneben finden sich in den Gerichtsakten der 1840er und 50er Jahre in wachsender Anzahl Verfahren, in denen es um die Feststellung der ›rechtmäßigen‹ Identität einer Person ging. Mit der Ausbreitung der Sklaverei hatte sich im Süden die Überzeugung von einer ›natürlichen‹ Analogie zwischen der ›schwarzen‹ Hautfarbe der SklavInnen und ihrem sozialrechtlichen Status etabliert. ›Weißsein‹ wurde zu einer wichtigen Form von Besitz, der sich in bestimmten Rechten und Privilegien äußerte, und dessen Verlust die ›rassische‹ und damit die soziale Position der Person und der Familie gefährdete.88 Diese Konzeption beinhaltete das Recht auf Exklusion, denn die Kategorie ›Weißsein‹ konstituierte sich durch den Ausschluss Andersartiger. Die juristische Deutungsmacht spielte in der Festlegung von ›Weißsein‹ und der Wahrung der damit verbundenen Privilegien eine wichtige Rolle. Sie stellte weniger ein Organ dar, das auf veränderte gesellschaftliche Umstände reagierte und bereits vorherrschende Konventionen und Bräuche kodifizierte. Vielmehr beteiligten sich die Gerichte aktiv an der gesellschaftlichen Konstruktion von ›Rasse‹, wie die drei folgenden Beispiele zeigen.89

86 State v. Treadway (1910), 126 La. 300. 87 1850 bestätigte ein Gericht das Recht der Free People of Color auf die Zeugenaussage und begründete es mit ihrer besonderen sozialen Position. The State v. Henry Levy and Jacob Dreyfous (1850), 5 La. Ann. 64. 88 Cheryl I. Harris: »Whiteness as Property«, in: Harvard Law Review 106:8 (June 1993), 1725-26. In Louisiana kam es in den Antebellum-Jahrzehnten vermehrt zu Verleumdungsklagen, in denen sich Personen dagegen wehrten, als Free People of Color bezeichnet zu werden. Vgl. Cauchoix v. Dupuy et al. (1831), 3 La. 206; Stephen Bollumet v. Alexander Phillips (1842), Docket No. 4219, Supreme Court Collection, Special Collections, Earl K. Long Library, University of New Orleans, Louisiana (UNO); Luc Dobard et al. v. Vincente Nunez (1851), 6 La. Ann. 294. 89 Ariela J. Gross: »Litigating Whiteness: Trials of Racial Determination in the Nineteenth-Century South«, in: Yale Law Journal 108:1 (October 1998), 116.

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Sally Miller v. Louis Belmonti Die Frau, die im Jahre 1843 vor ein Bezirksgericht in New Orleans trat, wurde als eine »brunette [with, N.M.] long, straight, black hair, hazel eyes, and Roman nose and thin lips« beschrieben.90 Seit mehr als 25 Jahren war sie versklavt. Zufällig von Verwandten entdeckt, die in ihr ein verlorenes Familienmitglied wiedererkannten, zog Sally Miller vor Gericht, um ihre Freiheit wiederzuerlangen. Anders als in anderen Südstaaten war es SklavInnen in Louisiana erlaubt, in freedom suits als KlägerInnen aufzutreten. Sally Millers Geschichte beginnt in Langensulzenbach im Elsass, wo sie vermutlich als Salomé Müller zur Welt kam. Aus wirtschaftlicher Not entschloss sich ihre Familie, ihr Glück in der Neuen Welt zu suchen. Auf der beschwerlichen Überfahrt starben ihre Mutter und einer ihrer Brüder. Allein mit ihrem Vater, einem weiteren Bruder und zwei Schwestern erreichte Salomé New Orleans, wo die Familie Spekulanten in die Hände fiel, die von den Einwanderern erneut Geld verlangten. Die Müllers wurden daraufhin als redemptioners in das Attakapas-Parish verschleppt. Auf dem Weg dorthin starben der Vater und der Bruder. Von den drei jungen Mädchen verlor sich jede Spur, bis deutsche Verwandte Salomé mehr als zwanzig Jahre später in der Sklavin Sally Miller in einem Café im Faubourg Marigny wiedererkannten. Ihr Besitzer Louis Belmonti hatte sie, so eröffnete der Gerichtsfall, einige Jahre zuvor von dem angesehenen Plantagenbesitzer John Fitz Miller gekauft. Während John Miller behauptete, dass er nichts über die mögliche deutsche Herkunft und damit weiße Identität seiner Sklavin gewusst habe91, basierte die Argumentation von Sally Millers Anwalt, Christian Roselius, auf den Zeugenaussagen von Verwandten und Freunden der Familie, die in Sally die lange vermisste Tochter des deutschen Auswanderers Daniel Müller erkannten. Diesen Aussagen konnte John Miller nur entgegenwirken, indem er seiner Sklavin eine andere Identität gab. So behauptete er, dass es sich nicht um Sally Miller alias Salomé Müller handelte, sondern um die Mulattin Mary Bridgett, die er im Jahre 1822 legal erworben habe. Das Gericht entschied gegen Sally Miller. Der vorsitzende Richter Buchanan begründete das Urteil zum einen mit den Widersprüchen bei der Bestimmung ihres Alters. Im Prozess war behauptet worden, Sally Miller habe ihr erstes Kind 1825 geboren. Die Zeugen hatten ihr Geburtsjahr jedoch überwiegend auf 1814 geschätzt, so dass Miller bei ihrer ersten Schwangerschaft erst elf Jahre alt gewesen wäre. Diese Altersdiskrepanz sprach gegen die Möglichkeit, dass es sich bei der Klägerin tatsächlich um die verschollene deutsche Einwanderin handelte. Zum anderen schenkte man den ZeugInnen des Angeklagten mehr Glauben, die in Sally Millers Sprache keinerlei Spuren eines deutschen Akzentes fanden. Die ZeugInnen der Anklägerin dagegen konnten sich nur auf weit zurückliegende Erinnerungen berufen, was ihre Glaubwürdigkeit einschränkte. 90 New Orleans Tropic, 25. Juli 1845, zitiert in Carol Wilson: »Sally Muller, The White Slave«, in: Vaughan B. Baker (ed.), Visions and Revisions. Perspectives on Louisiana Society and Culture, Louisiana Purchase Bicentennial Series in Louisiana History, vol. 15, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Southwestern Louisiana 2000, 235. 91 New Orleans Bee, 1. Juni 1844.

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Doch Sally Miller und ihre Unterstützer ließen sich nicht beirren. Von einer Woge der öffentlichen Sympathie getragen, wandten sie sich an das Oberste Gericht von Louisiana.92 In das wiederaufgenommene Verfahren brachten ihre Anwälte ein neues Beweisstück ein: die Geburtsurkunde von Salomé Müller aus Langensulzbach, aus der ihr Geburtsdatum als der 10. Juli 1813 hervorging. Demnach hatten Sally Millers Zeugen mit ihren Aussagen richtig gelegen. Außerdem konnten sich einige nun erinnern, dass die Geburt des ersten Kindes erst 1827 oder 1828 gewesen war; ein wesentlicher Unterschied, war Sally Miller zu diesem Zeitpunkt doch bereits vierzehn bzw. fünfzehn Jahre alt. Ebenso löste sich die Verwirrung um die Muttermale auf, die Sally Miller auf den Innenseiten ihrer Oberschenkel haben sollte. Diese hatten zwar bereits im ersten Fall eine Rolle gespielt, doch weil es über ihre Existenz widersprüchliche Aussagen gegeben hatte, waren sie nicht als glaubwürdige Beweise in den Richterspruch eingeflossen.93 Anders jedoch im Revisionsverfahren, wo man zwei Ärzte mit einem Gutachten beauftragte. Diese bestätigten unabhängig voneinander, dass Sally Miller die Muttermale eindeutig seit ihrer Geburt besaß. Sie konnten deshalb als unverwechselbare Kennzeichen zur Feststellung ihrer Identität gelten. Verweise auf den Körper der Klägerin spielten während des Prozesses eine wichtige Rolle. Zwar gab es in Louisiana, anders als in den übrigen Südstaaten, keine gesetzliche Definition ›rassischer‹ Kategorien wie mulatto, quadroon, oder colored. Dennoch hatte sich auch hier unter dem Druck der wachsenden ›Amerikanisierung‹ des Rassensystems die Praxis herausgebildet, die ›dritte‹ Identität der ›rassengemischten‹ Personen fallen zu lassen und entsprechend der one-drop-rule juristisch nur noch zwischen ›Weißen‹ und ›Schwarzen‹ zu unterscheiden. Das Äußere Sally Millers, das eher für ihr ›Weißsein‹ sprach, stellte John Miller deshalb vor große Schwierigkeiten. Einer seiner Zeugen, General John Lawson Lewis, glaubte, bei Sally Miller ›typische‹ Merkmale der ›schwarzen Rasse‹ erkennen zu können. Allerdings schränkte er seine Aussage selbst ein, als er zugab, dass seine Wahrnehmung davon geprägt sein könnte, dass er sie stets in der Umgebung anderer SklavInnen gesehen hatte.94 Auch andere Zeugen bestätigten, dass sie Sally Miller stets für eine Quadroon gehalten hatten, die lediglich äußerlich ›weiß‹ erschien. Ins Kreuzverhör genommen, konnten sie allerdings nie schlüssig erklären, woran sie die farbige Identität Sally Millers festmachten. Der Zeuge C. Pollock nannte die Fähigkeit, ›Rassen‹ mit bloßem Auge erkennen zu können, eine »instinktive Beurteilungskraft«, die nur schwer zu erklären sei.95 Dass das soziale Umfeld der eigentliche Indikator war, zeigte die Aussage von William Turner, der in Sally Miller stets eine Sklavin gesehen hatte, weil sie mit anderen SklavInnen Umgang hatte und als solche in der Familie ihres Besitzers behandelt wurde.96 92 Sally Miller v. Louis Belmonti and John F. Miller (warrantor), Docket No. 5623 (1845), Supreme Court of Louisiana Collection, UNO. 93 Die bei der Geburt von Sally Millers erstem Kind anwesende Hebamme, Rosalie Labarre, konnte sich an keine Muttermale erinnern. Sally Miller v. Louis Belmonti and John Miller (called in warranty), 1 DC 23041 (1844), Supreme Court of Louisiana Collection, UNO. 94 Miller v. Belmonti (1845), La. 11 Rob. 339. 95 Miller v. Belmonti (1844), UNO. 96 Miller v. Belmonti (1844), UNO.

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Die Frage von Millers ›rassischer‹ Identität blieb im Prozess weiterhin bestimmend. Allerdings versuchte ihr Anwalt Roselius, diese weniger mithilfe von sichtbaren äußerlichen ›Rassenmerkmalen‹ zu beweisen, als vielmehr mit ihrer inneren ›Wesensart‹. Indem er auf ihren vorbildlichen Charakter verwies, den sie trotz ihres Status als Sklavin nicht verloren hatte und ihr hohes Moralverständnis als ein inhärentes Merkmal der ›weißen Rasse‹ proklamierte, entrückte er Sally Miller der Sklaverei. Gerade weil die niederträchtige Institution sie nicht degeneriert habe, könne sie nur weiß sein. Fleiß, Durchhaltevermögen und Sittsamkeit – dies waren nach Meinung der Anklage die Charakteristika, die die Gruppe deutscher Einwanderer auszeichnete, aus deren Mitte Sally Miller durch widrige Umstände gerissen worden war: »Of all the poor and half starved people who came over to this country in the Bark Johanna, in 1818, and who now survive, I tell the Court there is not one, except this unfortunate Plaintiff, who is not in better than middling circumstances—all of them are well off, many of them really affluent. And she, the perseverance, the uniform good conduct, the quiet and constant industry, which are found in those she claims as relatives, have always been found in her, and however polluted and degraded her person may have been, these traits have yet left her worthy of the relatives who ask her at your hands—and these traits prove her white nature[.]«97

Sowohl die Moral Sally Millers als auch ihr Äußeres zeigten seiner Meinung nach, dass nichts an ihr ›afrikanisch‹ sei.98 Ihr ›weißes‹ Erscheinungsbild war in diesem Fall nur ihre ins Sichtbare gekehrte ›weiße‹ Natur. Sally Miller konnte schon deshalb keine Quadroon sein, weil ihre Charaktereigenschaften im Gegensatz zu denen einer ›rassengemischten‹ Frau standen: »I contend that the moral traits of the Quartronne, the moral features of the African taint are far more difficult to be erased, and are far more easily traced, than are the distinctions and differences of physical conformation. The Quartronne is idle, reckless and extravagant, this woman is industrious, careful and prudent—the Quartronne is fond of dress, of finery and display—this woman is neat in her person, simple in her array, and with no ornament upon her, not even a ring on her fingers.«99

Das Äußere von Sally Miller hätte das Gericht täuschen können, doch ihr Inneres – ihre Moral – würde sie jederzeit als Weiße ›verraten‹. Zur Verstärkung seines Arguments machte sich Roselius auch die breite öffentliche Sympathie, die Sally Miller entgegenströmte, zu Nutze. Das Wohlwollen der Gesellschaft spräche schließlich für ihre ›weiße Natur‹, denn »no one but a white woman could possible [sic] raise up and control [such an influence, N.M.]—an influence as inconsistent with the nature of an African, as it would be with the nature of a Yahoo.«100 Das Oberste Gericht des Staates Louisiana zeigte sich von der Argumentation Roselius’ beeindruckt und hob das Urteil des Bezirksgerichts auf. Es entließ Sally Miller in die Freiheit. Für ihren ehemaligen Besitzer John Miller 97 98 99 100

Miller v. Belmonti (1845), UNO, Hervorhebung im Original. Miller v. Belmonti (1845), UNO. Miller v. Belmonti (1845), UNO. Miller v. Belmonti (1845), UNO.

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bedeutete dies aber noch nicht das Ende. Einige Monate nach dem Urteilsspruch veröffentlichte er ein Pamphlet, in dem er behauptete, er habe die wahre Salomé Müller in der Person einer gewissen Polly Moore ausfindig gemacht.101 Aufgrund dieser neuen Sachlage beantragte er die Aufhebung des zuvor ergangenen Urteils. Zwar kam es tatsächlich zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens, doch wurde es schließlich aufgrund eines Formfehlers vom Obersten Gericht Louisianas eingestellt.102

George Pandelly v. Victor Wiltz Für großes Aufsehen sorgte im Jahr 1853 ein weiterer Gerichtsfall. Diesmal ging es um die Identität des Stadtratsabgeordneten George Pandelly, der von einem Kollegen bezichtigt wurde, seine ›rassische‹ Identität verschwiegen und sich auf diese Weise das Mandat erschlichen zu haben. Kurz nachdem Pandelly in den Stadtrat gewählt worden war, hatte Victor Wiltz seine Vermutung in einem Brief an den Assistant Alderman Latour geäußert. Ein Paket mit angeblichen Beweisen schickte er gleich mit.103 George Pandelly verklagte Wiltz daraufhin auf Schadensersatz in Höhe von 20.000 Dollar, die er einem karitativen Zweck spenden wollte.104 Weil es sich bei den Pandellys um eine angesehene Familie aus New Orleans handelte, wurde der Prozess von der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.105 In der Anklageschrift verwiesen Pandellys Anwälte, die erneut von Christian Roselius angeführt wurden, auf die Tatsache, dass Wiltz historische Identitätszuschreibungen aus ihrem Kontext gerissen hatte, um Pandelly seinen sozialen Status als ›Weißer‹ abzusprechen. Wiltz’ Argument basierte auf der Behauptung, dass die mütterliche Linie von Pandellys Stammbaum »Negerblut« habe. Pandelly wies diesen Vorwurf strikt von sich und behauptete, »that he is a free white citizen of the State of Louisiana and of the United States […] that he has always conducted himself with propriety and pursued an honest occupation […] his paternal ancestors are all of European origin, his great great grand father being of French origin, and his great grandfather and grandfather on the paternal side being Greeks, […] and all being of unmixed Caucasian blood.«106

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John F. Miller: A Refutation of the Slander and Falsehoods Contained in a Pamphlet, entitled, Sally Miller, with the Entire Evidence in the Case of Sally Miller vs. L. Belmonti & al. on Which the Supreme Court Decided She Was Entitled to Her Freedom, New Orleans: Author 1845, in: Paul Finkelman (ed.), Free Blacks, Slaves, and Slaveowners in Civil and Criminal Courts. The Pamphlet Literature, Series VI, vol. 2, New York: Garland 1988, 140. Weekly Delta, 22. Dezember 1845; Miller v. Miller et al., Docket No. 1114 (1849), Supreme Court of Louisiana Collection, UNO; das Urteil ist auch erschienen unter 4 La. Ann. 354. George Pandelly v. Victor Wiltz, 4 DC 7021 (1854), NOPL. Die Schreibweise des Klägers ist in den Originaldokumenten unterschiedlich. Der Einheit halber verwende ich durchgehend die Form »Pandelly«. New Orleans Bee, 2. Februar 1854. Louisiana Courier, 8. Februar 1854. Siehe außerdem 5. Februar 1854. Pandelly v. Wiltz (1854), NOPL.

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Seine Herkunft mütterlicherseits sei dagegen ›indianisch‹, weil seine Ururgroßmutter die Tochter eines weißen Offiziers der französischen Armee und einer ›Indianerin‹ gewesen sei. Wiltz missachtete nach Meinung von Pandellys Anwälten die historischen Umstände, wenn er bei der Betrachtung der Tauf-, Ehe- und Sterbeurkunden vergaß, dass bestimmte Bezeichnungen im Laufe der Geschichte ihre Bedeutung geändert hatten. Wiltz’ Behauptung, dass Pandellys Ururgroßmutter eine Mulattin gewesen sei, konterte Roselius mit der Feststellung, dass es zum Zeitpunkt ihrer Geburt im Jahre 1707 noch keine Farbigen in Louisiana gegeben hätte. Als ›Beweis‹ für diese historische ›Tatsache‹ wurde aus der Geschichtsdarstellung des angesehenen Politikers und Historikers Charles Gayarré zitiert. Darüber hinaus baute Roselius seine Argumentation auf Wiltz’ falscher Definition der Bezeichnungen mulatress und quarteron auf. Verschiedene ZeugInnen wiesen darauf hin, dass man im 18. Jahrhundert nicht zwischen ›Indianisch‹ und ›Afrikanisch‹ unterschieden habe, da zum damaligen Zeitpunkt auch noch ›Indianer‹ versklavt worden waren. Tatsächlich hätten diese sich oftmals als Mulatten bezeichnet, weil der Begriff einen höheren sozialen Status suggerierte.107 Zusätzlich bezog sich Roselius auf alte Wörterbücher, in denen der Begriff quarteron erklärt wurde als »applied in the Indies to the son of a mestizo (half white/half Indian) and a Spanish woman or a mestiza (half European/half Indian woman)«.108 Demnach war die identitäre Zuschreibung quarteron nicht gleichzusetzen mit ›schwarzen‹ Erbanteilen. Wiltz’ Verteidiger versuchten dagegen zu beweisen, dass Pandellys Urgroßmutter Françoise nicht ›indianisch‹ gewesen war, sondern das Kind einer illegitimen Beziehung zwischen einer schwarzen Frau – Marianne Delha – und einem weißen Mann namens Monplaisir Chauvin Beaulieu. Die ›Sichtbarkeit‹ ihres ›schwarzen Erbes‹ äußerte sich für die Verteidigung in Françoises Haaren, die nach Aussage eines Zeugen die typischen Charakteristika einer Mulattin aufgewiesen hatten.109 In gleicher Weise äußerte sich Madame Veuve Renaud, die behauptete, dass Françoise ›schwarz‹ gewesen war. Bei zwei Gelegenheiten hatte sie die Urgroßmutter Pandellys beim Kämmen beobachtet und bemerkt, dass deren Haar crepu war, genau wie das ihrer Tochter Marianne, der Großmutter Pandellys.110 Obwohl die Zeugin im Kreuzverhör zugeben musste, dass diese Beobachtung über fünfzig Jahre zurücklag und sie kaum mehr als zehn Jahre alt gewesen war, traute ihr das Gericht dennoch zu, weitere brauchbare Angaben zur physischen Erscheinung der Vorfahren Pandellys zu machen. Im weiteren Verhör wurden die im 19. Jahrhundert weithin akzeptierten ›rassischen‹ Merkmale abgefragt, die man mit einer ›schwarzen‹ Identität in Verbindung brachte. Allerdings konnte Madame Renaud weder Angaben zur Form des Fußes, der Farbe der Fingernägel oder zur Handinnenfläche von Pandellys Urgroßmutter machen.111 Weil man aber davon überzeugt war, die ›rassische‹ Identität am Äußeren erkennen zu können, beantragte die Verteidigung, die Mutter Pandellys, Madame Dimitry, 107 108 109 110 111

Pandelly v. Wiltz (1854), NOPL. Zitiert in Thompson: »Passing of a People«, 171. Vgl. Louisiana Courier, 5. Februar 1854. Pandelly v. Wiltz (1854), NOPL. Vgl. Louisiana Courier, 7. Februar 1854. Louisiana Courier, 7. Februar 1854. Louisiana Courier, 7. Februar 1854. Siehe auch Pandelly v. Wiltz (1854), NOPL.

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die wegen Krankheit dem Prozess nicht beiwohnen konnte, zuhause besuchen zu dürfen, um eine ›Inspektion‹ ihrer Haare und ihres Äußeren vorzunehmen.112 Doch ähnlich wie im Fall Sally Miller traten die physischen Merkmale, die zu einer eindeutigen Feststellung der ›rassischen‹ Identität Pandellys führen sollten, im Verlauf des Prozesses immer mehr in den Hintergrund. Angesichts der Schwierigkeiten einer eindeutigen ›rassischen‹ Zuweisung anhand von Äußerlichkeiten, wandte man sich der sozialen Position Pandellys zu. Während man bei seinen weiblichen Vorfahren ›nur‹ auf ihre privaten Kontakte eingehen konnte, die allerdings von Zeugen der Anklägerseite als eindeutig sozial ›weiß‹ definiert wurden113, betonte man in Bezug auf die männlichen Mitglieder der Familie ihr hohes Maß an gesellschaftlicher Anerkennung, das ihnen aufgrund ihrer Leistungen zuteil wurde. Besonders häufig verwiesen die ZeugInnen auf Pandellys berühmten Onkel Alexander Dimitry, der zum Aufbau des öffentlichen Schulsystems in Louisiana beigetragen hatte und als einer der angesehensten Bürger der Stadt beschrieben wurde.114 Die Frage nach dem Status und der damit einhergehenden ›rassischen‹ Identität wurde in Abhängigkeit von der sozialen Respektabilität der Familie konstruiert, die wiederum in engem Zusammenhang mit der Geschichte Louisianas stand. Angesehene Bürger von New Orleans wie Bernard Marigny und der ehemalige Bischof, Michael Portier, bestätigten den gehobenen Status der Familie Pandelly. Während sich der Bishof auf die Tatsache berief, dass die Hochzeit von Pandellys Eltern öffentlich gefeiert worden war und deshalb keine plaçage-Beziehung sein konnte, verwies Marigny auf die Tugendhaftigkeit und die außergewöhnliche Moral von Madame Dimitry, Pandellys Mutter.115 Die Zeitung unterstrich den ›weißen‹ Status der Familie Dimitry, indem sie direkt unter den Bericht des vorangegangenen Verhandlungstages einen Briefwechsel zwischen Vertretern des Staatsparlaments in 112 113

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New Orleans Bee, 3. Februar 1854. »Madame Dragon [Pandellys Mutter] always associates with white ladies and never with any other.«, Pandelly v. Wiltz (1854), NOPL. Im Umkehrschluss bezog sich Wiltz auf einen Zeugen, der sich an einen Ball in den 1820er Jahren erinnerte, bei dem man die weiblichen Mitglieder der Familie Dimitry des Saales verwiesen hatte, weil man die Anwesenheit farbiger Frauen nicht duldete. Zeuge B. P. Montamat, Pandelly v. Victor (1854), NOPL; vgl. Louisiana Courier, 10. Februar 1854. [John Whitaker]: Sketches of Life and Character in Louisiana. The Portraits Selected principally from the Bench and Bar, New Orleans: Ferguson and Crosby 1847, 77. Pandelly v. Wiltz (1854), NOPL; New Orleans Bee, 2. Februar 1854. Darüber hinaus verwies die Anklage auf einen Gerichtsfall in den 1830er Jahren, in dem die Großmutter Pandellys von zwei Free Women of Color verklagt worden war. Diese hatten versucht, ihr Eigentum zurückzuerlangen, das von ihren Eltern an Madame Dimitry verkauft worden war. Dafür behaupteten sie, dass ihr Eigentum an eine Free Woman of Color gegangen sei. Da Madame Dimitry aber weiß sei, könne sie nicht die rechtmäßige Besitzerin sein. Vgl. Pauline and Joséphine Forstall v. Arma Maria Dragon, wife of Andreas Dimitry (1832), New Orleans Parish Court, No. 6382, Parish Court Records, NOPL. Die Unterlagen dieses Gerichtsfalls finden sich heute bei den Akten des Pandelly-Falls, NOPL.

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Baton Rouge und Pandellys Onkel Alexander Dimitry abdruckte. Dieser wurde darin eingeladen, eine Rede vor dem Repräsentantenhaus zu halten.116 George Pandelly selbst wurde in der Beweisaufnahme als pflichtbewusster Bürger dargestellt; sein ›Weißsein‹ wurde durch seine wiederholte Performanz bürgerlicher Aufgaben betont. Seine Mitgliedschaft im renommierten Clay Club während der 1840er Jahre, zu dem nur wahlberechtigte Personen Zugang hatten, sollte dies genauso untermauern wie die in einer Freimaurerloge, in die nach Aussage eines Mitglieds keine Free People of Color aufgenommen wurden.117 Darüber hinaus legten Pandellys Anwälte Wahlunterlagen der vergangenen Jahre vor, um zu dokumentieren, dass er seiner Bürgerpflicht zur Wahl nachgekommen war. Da es in Louisiana niemandem mit teilweisem ›schwarzen‹ Erbe, auch nicht den Afrokreolen, erlaubt war, zu wählen, bescheinigte dies laut Anklage die ›weiße‹ Identität Pandellys.118 Trotz dieser soziologischen Argumentationen flossen auch in den Pandelly-Fall immer wieder biologische Aspekte ein. Unter dem Einfluss der zu jener Zeit diskutierten Rassentheorien, untersuchte man die Kopf- und Gesichtsform verschiedener Verwandter, um die Identität Pandellys eindeutig festlegen zu können. Der Zeuge H. Strawbridge beschrieb den Onkel Pandellys, Nicolas Dimitry, folgendermaßen: »[Nicolas, N.M.] has a good deal of the classic grecian [sic] face but nevertheless the Indian was very much predominant in his general appearance. His features were very regular. [H]is face was of a long oval shape, nose thin and straight […]. His complexion was very dark olive with scarcely a noticeable trace of copper color […] [T]he brow of Nicolas Dimitry was rather high than narrow; the fascial [sic] angle approached to a right angle; as much as one sees in the best formed heads of the white race.«119

Diese Angaben wurden jedoch nicht von ›Experten‹ überprüft. Vielmehr gestand man Strawbridge zu, dass er aufgrund seiner Herkunft aus New Orleans geübt in der Einordnung ›rassischer‹ Merkmale sein musste. Allerdings offenbart sich in der Annahme der Glaubwürdigkeit des Zeugens die Unzulänglichkeit jeglicher ›rassischen‹ Zuordnung: »[H]as spent most of his life in New Orleans; deponent has seen the Indians playing ball on Marigny’s canal by hundred, when he (witness) was a boy; spent about two months in Texas saw Indians in Washington; deponent derives his knowledge of classic Greek features from ancient medals—works—and the description of that style of feature described in history; witness never was in Greece; has perhaps seen eight or ten Greeks.«120

Aus den Zeugenaussagen Strawbridges und anderer spricht letztlich die Unfähigkeit der Gesellschaft, den von ihr selbst auferlegten Ansprüchen einer 116 117 118 119 120

Courrier de la Louisiane, 12. Februar 1854. Siehe auch Courrier de la Louisiane, 15. Februar 1854; Daily True Delta, 15. Februar 1854. Louisiana Courier, 10., 11. Februar 1854. Louisiana Courier, 11. Februar 1854. Pandelly v. Wiltz (1854), NOPL. Louisiana Courier, 5. Februar 1854.

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eindeutigen, weil sichtbaren Rassenzuordnung gerecht zu werden. Der Rassendiskurs der späten Antebellumzeit war geprägt von dem Versuch einer offenen Rhetorik, die die ›rassische‹ Identität eines Menschen für alle Beteiligten und mit wissenschaftlichen Mitteln nachvollziehbar erscheinen lassen sollte. Diesem Anspruch konnte man allerdings auch mit größter Mühe nicht gerecht werden, denn der Diskurs des ›Eindeutigen‹ wurde stets durchkreuzt von dem Diskurs des ›Versteckten‹ und ›Verborgenen‹.121 So konnten die im Pandelly-Prozess gehörten ZeugInnen letztlich nicht sagen, was sie zu der einen oder anderen Überzeugung über die ›rassische‹ Identität Pandellys kommen ließ. Auf die Frage an den Zeugen Louis Adam, woher er wüsste, dass Françoise eine Mulattin gewesen sei, wurde folgende Antwort protokolliert: »[H]e knows it because the public knows it. Being asked how he knows that the public knew this fact. Says he knows by the public generally that Françoise Dragon was considered as a coloured woman as well as he knows that the Beaulieus, Dolliole and others are coloured people.«122

Françoise war in den Augen Adams eine Mulattin, weil die ›Gesellschaft‹ ihm dies signalisierte. Die Konsequenz dieses Arguments bedeutete aber, dass es keine festen Regeln und Merkmale gab, nach denen die ›rassische‹ Identität eines Menschen zu kategorisieren war. Die Definition von ›Rasse‹ berief sich sowohl auf soziale Performanz als auch auf biologistische Rassentheorien. Wie groß die Deutungsmacht der Gesellschaft sein konnte, zeigt sich daran, dass sie es den Eltern absprechen konnte, die Identität ihres Kindes eindeutig zu benennen. Als sich ein Jury-Mitglied unsicher darüber zeigte, in welchem Verhältnis die Aussage der Eltern zu den Aussagen aus der Gesellschaft stehen sollte, erklärte das Gericht, dass die Erklärung der Eltern zwar als Beweis gelte, dieser jedoch jederzeit von konträren Aussagen aus der Gesellschaft entwertet werden konnte.123 Das Gericht zeigte sich am Ende von der Argumentation Roselius’ überzeugt, dass die Pandelly-Familie allenfalls ›indianische‹ Wurzeln habe, was ihnen jedoch nicht ihr ›Weißsein‹ absprach. George Pandelly und seinen Anwälten war es gelungen, die Identität der Familie gegenüber allen Anfeindungen zu verteidigen; dem Antrag auf Schadensersatz wurde allerdings nicht stattgegeben. Aus dem Pandelly-Fall spricht die tiefliegende Furcht der Louisianians vor einer Infiltration der weißen Gesellschaft mit ›schwarzem‹ Erbe. Die angebliche Fähigkeit des ›schwarzen Blutes‹, sich hinter augenscheinlich ›weißen‹ Merkmalen zu verstecken, machte es für die Antebellum-Gesellschaft faszinierend und furcheinflössend zugleich. Die Angst vor einer schleichenden Zersetzung des amerikanischen Rassensystems, der Basis der Sklavereigesellschaft, wurde in Pandelly personifiziert und auf die Spitze getrieben, war er doch prominent, angesehen und mit Macht ausgestattet. So war es Aufgabe des Gerichts, eine mögliche ›schwarze Essenz‹ in Pandelly zutage zu fördern. Dass dies mithilfe von biologistischen Theorien machbar war, daran musste man glauben, wollte man sich nicht der fürchterlichen Erkennt121 122 123

Gross, 123. Louisiana Courier, 8. Februar 1854. Daily True Delta, 14. Februar 1854.

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nis hingeben, dass die Aufspürung ›rassischer Unreinheiten‹ und ihre Beseitigung aus dem bipolaren Sklavereisystem unmöglich war. Die trotz allem noch anhaltende Offenheit dieses auf den ersten Blick restriktiven Systems zeigt sich in der gesellschaftlichen Akzeptanz sozialer Performanz, die zwar eigentlich nur biologische Fakten unterstreichen sollte, letztlich allerdings ein Vehikel sein konnte, angenommene biologistische Essenzen zu maskieren und eine ›weiße‹ Identität über ›rassische‹ Performanz zu erlangen.

Anastasie Desarzant v. Pierre Leblanc and Eglantine Le Maizzilier, his wife Den Versuch der unrechtmäßigen Annahme einer weißen Identität mittels sozialer Performanz hatte nach Ansicht eines Gerichts Anastasie Desarzant unternommen. Weil sie das Gerücht verbreitet hatten, dass Desarzant eine Free Woman of Color sei, verklagte diese ihre Nachbarn vor einem Bezirksgericht in New Orleans und verlangte als Entschädigung von Pierre Leblanc und seiner Frau Eglantine Le Maizilier 10.000 Dollar.124 Für Desarzant stand viel auf dem Spiel. Konnte sie, die eigentlich als Madame Maurice Antoine Abat bekannt war, dem Gericht nicht glaubwürdig darlegen, dass sie tatsächlich ›weiß‹ war, würde ihre Ehe annulliert werden und ein sozialer Abstieg wäre unausweichlich.125 Desarzant erschien deshalb gut vorbereitet zum Prozessauftakt. Um ihre ›rassische‹ Identität beweisen zu können, legte sie dem Gericht drei Dokumente vor. Diese waren erstens ihre Taufurkunde, aus der hervorging, dass sie die Tochter des Schweizers Jean Desarzant und einer Françoise Martin aus St. Domingue war. Das zweite Dokument war die Passagierliste eines Schiffes, das 1809 in New Orleans eingelaufen war, und das die Eltern Desarzants an Bord gehabt haben sollte. Das dritte Beweismittel waren die Unterlagen eines früheren Gerichtsverfahrens. Darin hatte ihr Mann, Maurice Antoine Abat, im Auftrag seiner Ehefrau Mietschulden eingeklagt. Der Mieter hatte die Zahlung mit der Begründung verweigert, dass Desarzant eine Free Woman of Color sei.126 Im damaligen Prozess hatte sich das Gericht von dem ›Weißsein‹ Desarzants durch eine unter Eid gemachte Aussage ihrer Mutter überzeugen lassen. Die Angeklagten Leblanc und Le Maizilier behaupteten dagegen, dass Desarzant die Tochter von Jean Lezaire, einem Weißen, und Françoise Martina, alias Justine Bacquié, einer Free Woman of Color sei. Es ging also im folgenden Prozess darum, die ›rassische‹ Identität dieser Frau zu klären, die mit einer Vielfalt an Namen bezeichnet wurde: Justine Bacquié, Françoise Bacquié, Justine Martin und Françoise Martin. Die Angabe Desarzants, dass ihre Mutter aus St. Domingue stammte, löste bei einigen Beteiligten Zweifel 124

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Anastasie Desarzant v. Pierre Leblanc and Eglantine Le Maizzilier, his wife, 3 DC 9808 (1858), NOPL. Für die folgende Analyse werden die Akten des Gerichtsfalls vor dem Bezirksgericht und später vor dem Obersten Gericht Louisianas ohne Berücksichtigung der Chronologie verwendet, da der Revisionsfall vor dem Supreme Court nur wenige Monate nach dem ergangenen Urteil stattfand und keine weiteren Beweismittel einflossen. So geschehen z. B. im Fall: Succession of Jean Michel Minvielle—R. Domec v. L. Barjec, Executor, and Cora Lalande, f.w.c. (1860), 15 La. Ann. 342. Abat v. Mourier (1854), New Orleans Parish Court, No. 9828, Parish Court Records, NOPL.

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über ihren ›weißen‹ Status aus, denn die großen Flüchtlingswellen aus dem karibischen Staat hatten zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch viele Free Women of Color nach Louisiana gebracht.127 Desarzants Anwälte versuchten deshalb, die problematische Herkunft ihrer Mutter mit der ihres Vaters aufzuwiegen. Im Eingangsplädoyer ihres Anwaltes Roselius hieß es: »The petition of Anastasie Desarzant, residing in the city of New Orleans, Respectfully represents, that she is a free white person, […] that she is the daughter of Jean Desarzant, a native of Switzerland, and Françoise Martin, both now deceased, that both her parents were of the pure Caucasian race, without the slightest mixture of African blood in their veins; that both her parents died when she was yet an infant, and she was confided to the care of the late Jean Lazier [sic, Lezaire], who placed her with a colored woman, Justice Baquié by whom she was brought up[.]«128

Aufgrund des frühen Todes ihrer leiblichen Mutter stellte sich für das Gericht die Frage, welche Bedeutung der Adoptivmutter zukam. Sollte es sich bei Bacquié um eine Free Woman of Color handeln, dann hätte das Gericht zu entscheiden, ob es in der Bestimmung der Identität Desarzants um die biologische Abstammung oder die Sozialisierung in einer Gemeinschaft von Free People of Color ging. Für Desarzant bestand die Herausforderung darin, sich eine weiße Mutter zu konstruieren, die sie aus dem ›rassischen‹ Einflusskreis ihrer Adoptivmutter hinein in eine ›weiße‹ Familiengeschichte tragen würde. Auf diese Weise könnte das biologische ›Weißsein‹ ihrer verstorbenen Mutter das kulturelle ›Schwarzsein‹ ihrer Sozialisierung durch die Adoptivmutter aufheben. Durchkreuzt wurde diese Konstruktion allerdings durch verschiedene Zeugenaussagen, darunter die von Madame Carmélite Ottman, die zu Protokoll gab, dass Justine Bacquié und Françoise Martin ein und dieselbe Person aus St. Domingue waren.129 Die von Desarzant propagierte Existenz zweier Mütter wurde dadurch als eine Erfindung zum Zwecke der ›Usurpation‹ des weißen Status enttarnt. Nach der abschließenden Zeugenanhörung entschied das Gericht, dass es sich bei Anastasie Desarzant um eine Betrügerin handelte, die sich über Jahre eine falsche Identität erschlichen hatte. Während man ihrer Darstellung eines weißen Vaters folgte, glaubte man ihre Geschichte von einer weißen leiblichen und einer farbigen Adoptivmutter nicht. Im Richterspruch hieß es dazu: »But the documentary and oral evidence found in the record prove sufficiently that the pretensions of the plaintiff to be a white person, are an afterthought, and that the person whom she claims to be her mother, is the identical Françoise Martin alias Justine Bacquié. The proof is direct that Justine Bacquié gave birth to the plaintiff, nor can it be doubted that Jean Lezaire was her father.«130

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Baptism Certificate of Anastasie Desarzant, St. Louis Cathedral, 11 January 1824, Desarzant v. Leblanc (1858), NOPL. Vgl. auch Tabelle 6 im Anhang. Desarzant v. Leblanc (1858), NOPL. Anastasie Desarzant v. Pierre Leblanc and Eglantine Le Maizzilier, his wife (1859), Docket No. 5868, Supreme Court of Louisiana Collection, UNO. Desarzant v. Leblanc (1859), UNO.

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Anastasie Desarzant war in den Augen des Gerichts demnach das Kind einer unehelichen plaçage-Beziehung zwischen Justine Bacquié, einer Free Woman of Color, und einem gesellschaftlich angesehenen weißen Mann aus New Orleans. Dieser war sich seiner Vaterpflichten zumindest in der Weise bewusst gewesen, dass er als Taufpate seiner Tochter auftrat. Dies war eine weit verbreitete Taktik in New Orleans, die es den Männern erlaubte, ihre unehelichen Kinder unter der Bewahrung des schönen Scheins besuchen zu können und sie finanziell zu unterstützen. Offenbar hatte dies auch Jean Lezaire getan, als er 1830 in seiner Eigenschaft als Taufpate für seine Kinder mit Justine Bacquié ein Haus in Marigny erworben hatte. Dass diese ›zweite‹ Familie Lezaires als farbige Familie angesehen wurde, erfuhr das Gericht durch verschiedene Zeugenaussagen, die die Wahrnehmung der Familie in ihrer gesellschaftlichen Umgebung widerspiegelten. So äußerten sich P. E. Livaudais, der Justine Bacquié seit den 1820er Jahren kannte, genauso wie die Tochter Lezaires aus seiner offiziellen Ehe, Eugènie Lezaire, die ebenfalls vernommen wurde. Auch die Lebensgeschichte und ›rassische‹ Einordnung der Geschwister Desarzants wurden in den Fall mit einbezogen. Die Seite der Angeklagten betonte, dass der Bruder Anastasies, Armand Desarzant, im farbigen Taufregister aufgeführt war, ebenso wie drei Kinder ihrer Schwester, Louise Desarzant.131 Aufgrund dieser Identifikation von nahestehenden Familienmitgliedern entstand bei dem Gericht der Eindruck, dass es sich bei der Rassenkategorisierung Anastasie Desarzants um einen Fehler handeln müsse. Dies implizierte auch Aimé Willoz, der Kustode der St. Louis-Gemeinde, indem er zu Protokoll gab: »It’s quite common to find colored persons ensembled on the registry of white persons. It’s very seldom that white persons are inscribed in the register of colored persons.«132 Schließlich spielte Desarzants eigenes Auftreten vor dem Gericht eine wichtige Rolle. Während es Pandelly hervorragend gelungen war, sich als der unschuldige Geschädigte in Szene zu setzen, haftete Anastasie Desarzant bereits früh der Verdacht eines Schwindels an. So erzählte die aus St. Domingue stammende Zeugin Marguerite Minard von einer Begegnung mit Justine Bacquié, bei der sich letztere weinend über ihre Tochter ausgelassen hatte, dass diese sie schlecht behandele und des Hauses verwiesen hätte. Darüber hinaus äußerte sie Bedauern darüber, dass sie im früheren Gerichtsfall um die ausstehenden Mietschulden behauptet hatte, dass Anastasie weiß sei.133 Solche Aussagen führten dazu, dass sowohl das Gericht als auch die Öffentlichkeit in Desarzant bald nicht mehr die Anklägerin, sondern die Angeklagte sahen. Der eigentliche Strafbestand der Diffamierung durch Leblanc und dessen Frau geriet in den Hintergrund; es ging nun vielmehr darum, ob sich Desarzant unrechtmäßig einer ›weißen‹ Identität bemächtigen wollte. Dass Desarzant mit Kalkül ihren eigenen Vorteil gesucht hatte, war in den Augen der meisten BeobachterInnen nur ein weiteres Indiz für die ›typische‹ Verschlagenheit einer ›rassengemischten‹ Person, wie man sie den Quadroons auch im Fall Sally Millers unterstellt hatte.134 131 132 133 134

Desarzant v. Leblanc (1859), UNO. Desarzant v. Leblanc (1858), NOPL. Desarzant v. Leblanc (1859), UNO. Marouf Hasian, Jr.: »Critical Legal Theorizing, Rhetorical Intersectionalities, and the Multiple Transgressions of the ›Tragic Mullata,‹ Anastasie Desarzant«, in: Women’s Studies in Communication 27:2 (Summer 2004), 142, 133.

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Desarzants Leben, wie sie es vor den Anschuldigungen ihrer Nachbarn und dem Gerichtsfall gekannt hatte, war vorüber. Sehr wahrscheinlich verließ sie nach dem niederschmetternden Urteil die Stadt in Richtung Santiago de Cuba. 1871 erkrankte sie schwer und starb mit 47 Jahren.135

Identität zwischen biologischer Essenz und sozialer Performanz Die drei behandelten Gerichtsfälle haben als gemeinsamen Ausgangspunkt die Frage, ob es sich bei den im Mittelpunkt stehenden Personen um ›weiße‹ Menschen handelt. Mit dem Privileg des ›Weißseins‹ ist im Fall von George Pandelly und Anastasie Desarzant die Frage nach ihrem Status innerhalb der Gesellschaft Louisianas verbunden; im Fall von Sally Miller obendrein, ob sie widerrechtlich versklavt worden ist. In allen drei Fällen war das Gericht und nach Möglichkeit die gesamte Öffentlichkeit von dem ›Weißsein‹ der AnklägerInnen zu überzeugen. Die jeweilige Gegenseite legte alles daran, eben diesen ›weißen‹ Status in Zweifel zu ziehen. Dazu bedienten sich die Parteien verschiedener Strategien. Zum einen versuchte man, die neuen Erkenntnisse aus den Rassentheorien aufzugreifen und für die eigene Argumentation nutzbar zu machen. Hinweise auf eine biologische Essenz – sei sie weiß oder schwarz – wurden im äußeren Erscheinungsbild der Personen gesucht. Die Frage der Abstammung nahm eine ebenso wichtige Rolle ein wie an den Körper gebundene ›rassische‹ Markierungen. Dabei konzentrierten sich die Beschreibungen von ZeugInnen häufig auf einige wenige körperliche Merkmale, an denen man die ›Rasse‹ eines Menschen glaubte, ablesen zu können. Neben dieser versuchten Anwendung der Rassentheorien wurden in Louisiana zum anderen sozialperformative Aspekte bei der Rassenbestimmung angewandt. Es wurden unzählige Beweismittel – in den Worten Ariela Gross’ »reputation evidence«136 – gesammelt, um anhand der sozialen Akzeptanz und Stellung eines Menschen Rückschlüsse auf dessen Rassenzugehörigkeit zu ziehen. Sowohl Pandelly als auch Desarzant beteiligten sich aktiv an der Konstruktion ihrer ›weißen‹ Identität durch eine Selbstpositionierung in den entsprechenden sozialen Kreisen und die Darstellung ›typisch‹ weißer Identitätsmerkmale. Entsprechend der damals vorherrschenden Geschlechterkonstruktionen konstituierte sich die weibliche ›weiße‹ Identität vor allem über die Reinheit und Moral des weiblichen Charakters und ihrer Sexualität, während die männliche ›weiße‹ Identität primär in der Ausübung bürgerlicher Pflichten wie dem Kriegsdienst, dem Wahlgang und der Ausübung öffentlicher Ämter zum Ausdruck kam. Den Anwälten Sally Millers gelang es, ihre Mandantin in das Schema des weiblichen ›Weißseins‹ durch moralische Vollkommenheit einzuschreiben. Zwar war es Sally Miller nicht möglich gewesen, eine bürgerliche ›weiße‹ weibliche Identität zu leben, doch gerade ihr Vermögen, die an eine solche Identität gekoppelten Anforderungen trotz der Widrigkeiten des korrumpierenden Sklavereisystems aufrecht zu erhalten, zeichneten sie nach Meinung ihrer Anwälte als ›weiß‹ aus. Auch Anastasie Desarzant versuchte, ihre ›weiße‹ Identität über die Strategie einer 135 136

Succession of Anastasie Desarzant, 2 DC Orleans Parish (1872), Probate Records, NOPL. Gross, 147.

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sozialen Performanz zu verteidigen. Dabei sah sie sich allerdings der besonderen Herausforderung gegenüber, dass sie durch ihre Erziehung im Einflusskreis von Free People of Color ihr ›Weißsein‹ gleich doppelt verteidigen musste. Sie musste beweisen, dass sie ihre ›weiße‹ Identität trotz der fehlenden sozialen Umgebung gelebt hatte. Glaubte man dem Prinzip einer essenziellen ›weißen‹ Natur, so hätte eine Sozialisierung durch eine Free Woman of Color als Adoptivmutter Desarzants ›weißer‹ Identität nicht schaden dürfen. Da sie dem Gericht aber nicht glaubhaft versichern konnte, dass Justine Bacquié lediglich ihre Ziehmutter, nicht aber ihre leibliche Mutter gewesen war, wurde die Frage der Sozialisierung vom Gericht letztlich nicht diskutiert. Erschwerend kam hinzu, dass Desarzants moralische Integrität – wesentlicher Bestandteil einer angeblichen ›weißen‹ Identität – während des Gerichtsverfahrens in Frage gestellt wurde. Die Gerichtsfälle von Sally Miller, George Pandelly und Anastasie Desarzant lösten in New Orleans und Louisiana großes öffentliches Interesse aus. Vor allem die Fälle der beiden Frauen gingen in das Gedächtnis der Stadt ein und wurden über die Jahrzehnte zu mythenumrankten Ereignissen. Noch in den 1890er Jahren war der kreolische Schriftsteller George W. Cable von der ungewöhnlichen Geschichte der zu Unrecht versklavten ›weißen‹ Frau so fasziniert, dass er den Stoff in einer Kurzgeschichte verarbeitete.137 Auch Desarzants Geschichte ging in die Folklore Louisianas ein. Bereits kurz nach dem Urteilsspruch wurden die Straßen des French Quarter erfüllt von dem Song »Toucoutou«, in dem Desarzants Versuch, sich ›weiß zu waschen‹ satirisch aufgeladen verlacht wurde. 1928 verarbeitete Edward L. Tinker Toucoutous Geschichte – dieser kreolische Spitzname für Desarzant war während der Zeugenaussagen mehrfach genannt worden – in seinem gleichnamigen Roman.138 Das große öffentliche Interesse an den Prozessen begründete sich in der allgemeinen Unsicherheit der Bevölkerung in Bezug auf ›rassische‹ Identitäten. In Reaktion auf die zunehmende Kritik am südstaatlichen Gesellschaftssystem, gewannen auch in Louisiana biologistische Rassentheorien immer größere Bedeutung. Die von den Wissenschaftlern postulierten ›Rassenidentitäten‹, die sich auf klar zu kategorisierenden und erkennbaren biologischen Merkmalen aufbauten, standen allerdings im Gegensatz zum Alltag vieler Louisianians, in dem sie mit Menschen in Kontakt kamen, deren Identität alles andere als klar definiert schien. Wenn weiß gleich sozial anerkannt und schwarz gleich minderwertig war, wo standen dann die ›rassengemischten‹ Creoles of Color? Letztlich war das große Interesse an den Prozessen auch der Tatsache geschuldet, dass alle drei AnklägerInnen im Fall einer Niederlage einem leidvollen Schicksal entgegensahen. Sally Miller hätte ihr Leben weiterhin als 137

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George W. Cable: »Salome Müller«, in: Century 38:1 (May 1889), 56-69. Dass die Geschichte Sally Millers auch heute noch fasziniert, beweist ein neues populärwissenschaftliches Buch über den Fall. John Bailey: The Lost German Slave Girl. The Extraordinary True Story of the Slave Sally Miller and Her Fight for Freedom, Sydney: Macmillan 2003. Joe Beaumont: »Toucoutou«, Bibliothèque Tintamarre, Centenary College, Shreveport, Louisiana, http://www.centenary.edu/french/anglais/ang-conscien tiousmar.html. Stand: 08.22.2006; Edward Laroque Tinker: Toucoutou, New York: Dodd Mead 1928.

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Sklavin fristen müssen. George Pandelly und Anastasie Desarzant hätten zwar ihre Freiheit behalten, aber ihren sozialen Status unwiederbringlich eingebüßt. Diese Aussicht zwang beide dazu, die Flucht nach vorn anzutreten, denn nur die Rehabilitation durch einen Richterspruch würde ihren sozialen Abstieg verhindern können. Gleichzeitig stellte die Handlung Pandellys und Desarzants auch einen Ermächtigungsakt dar. Zwar reagierten sie auf den gesellschaftlichen Druck. In der Möglichkeit, ihren sozialen Status vor Gericht zu verteidigen oder sich gar einen anderen einzuverleiben, war jedoch auch ein gewisses Widerstandspotenzial enthalten, welches den freien Farbigen anderer US-Bundesstaaten meistens verwehrt blieb. Lesen wir zum Beispiel Sally Miller und George Pandelly als farbig, so sehen wir in ihnen zumindest oberflächlich zwei Gewinner, denen es gelang, trotz restriktiver Rassengesetze und biologistischer Theorien, sich über den Weg der sozialen Performanz den Besitz von ›Weißsein‹ und die damit verbundenen Privilegien zu erstreiten. Welchen persönlichen Preis sie für dieses passing zahlten, bleibt unbekannt.

Zwischen Assimilation und Protest: Die Literatur der Free People of Color »Ein Mensch, der die Sprache besitzt, besitzt auch die Welt, die diese Sprache ausdrückt und impliziert. […] Jedes kolonisierte Volk – das heißt jedes Volk, in dem ein Minderwertigkeitskomplex entstanden ist, weil die lokale kulturelle Eigenart zu Grabe getragen wurde – situiert sich im Hinblick auf die Sprache der zivilisatorischen Nation[.]«139

Neben dem persönlichen Kampf um Identitäten vor Gericht, wandten sich die Free People of Color im Verlauf der letzten beiden Jahrzehnte vor dem Bürgerkrieg verstärkt ihrer inneren Gemeinschaft zu. Je weiter die Angleichung der Gesellschaft Louisianas an den amerikanischen Standard einer ›rassischen‹ und sozialen Zweiklassengesellschaft mithilfe von Restriktionen vorangetrieben wurde, desto wichtiger wurde für die Free People of Color die Artikulation der eigenen Identität. Die kulturelle Produktivität der Gruppe in dieser Zeit zeugt davon, dass sich ihre Maler, Musiker und Literaten in zunehmenden Maße nicht nur als individuelle Künstler, sondern als Teil einer afrokreolischen Gemeinschaft wahrnahmen. Bereits 1830 wurde von den Creoles of Color als Reaktion auf die Rassentrennung im Konzertsaal eine eigene Philharmonie gegründet.140 Gespielt wurden dort neben den Werken europäischer Komponisten auch afrokreolische Musiker wie Edmond Dédé, Lucien und Sidney Lambert und Samuel Snaër.141 Auch in der Kunst taten

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Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken, Eva Moldenhauer (Übers.), Frankfurt/Main: Syndikat 1980, 14. Kmen, 234. Lester Sullivan: »Composers of Color in Nineteenth-Century New Orleans«, in: Sybil Kein (ed.), Creole. The History and Legacy of Louisiana’s Free People of

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sich im Laufe der 1830er und 40er Jahre Creoles of Color hervor. Neben dem Maler Jules Lion142 wurde vor allem den Werken des Bildhauers Daniel Warburg große Verehrung entgegengebracht.143 Es war allerdings die literarische Produktion, die in den 1840er Jahren eine über den rein künstlerischen Bereich hinausgehende Bedeutung erlangte und um die es in diesem Kapitel gehen soll. Die Publikation literarischer Werke war für die Free People of Color in Louisiana stets schwierig gewesen. Da sie keine eigenen Zeitungen und Verlage besaßen, waren sie in der Antebellumzeit auf die Gunst weißer Organe angewiesen. Während politische Schriften generell abgewiesen wurden, fanden literarische Werke vereinzelt den Weg in die Öffentlichkeit. Der Preis für eine Veröffentlichung war allerdings häufig der Verlust der eigenen Identität, denn die Autorennamen wurden entweder abgekürzt oder hinter einem Pseudonym versteckt.144 Die unzensierte literarische Meinungsäußerung wurde bereits im Jahr 1830 durch ein Gesetz eingeschränkt, das die Publikation potentiell aufrührerischer Schriften verbot. Fortan wurden solche Meinungsäußerungen mit Gefängnisstrafe, mitunter sogar mit dem Tod, bestraft, die die Tendenz hatten, Unruhe in der freien farbigen Bevölkerung zu stiften oder die SklavInnen zur Auflehnung gegen ihre Herren aufzuwiegeln.145 Durch die weite Auslegung des Subversionsbegriff machte es fast alle Publikationsmöglichkeiten der Free People of Color-Autoren zunichte. In New Orleans kam es vereinzelt zu Festnahmen und Gefängnisstrafen wie im Fall des Herausgebers der Zeitung Le Libéral, den man verdächtigte, Autor einiger Pamphlete zu sein, in denen die Anerkennung der Free People of Color als Staatsbürger verlangt wurde.146 Damit reagierten die Politiker in Louisiana auf das sich schnell verbreitende abolitionistische Gedankengut aus dem Norden, speziell auf die radikale Schrift von David Walker aus dem Jahre 1829, die ihren Weg von Boston

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Color, Baton Rouge: Louisiana State UP 2000, 71-100; Louis Panzeri: Louisiana Composers, New Orleans: Dinstuhl 1972. Martin Wiesendanger/Margaret Wiesendanger: 19th Century Louisiana Painters and Paintings from the Collection of W. E. Groves, New Orleans: W. E. Groves Gallery 1971; Patricia Brady: »Black Artists in Antebellum New Orleans«, in: Louisiana History 32:1 (Winter 1991), 5-28. Daily Crescent, 26. Dezember 1857; New Orleans Bee, 13. Dezember 1850. Patricia Brady: »Free Men of Color as Tomb Builders in the Nineteenth Century«, in: Vaughan B. Baker (ed.), Visions and Revisions. Perspectives on Louisiana Society and Culture, The Louisiana Purchase Bicentennial Series in Louisiana History, vol. 15, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Louisiana 2000, 554-63. Zu den Free People of Color-Künstlern Warburg, Lion und Foy siehe auch John A. Mahé, II./Rosanne McCaffrey (eds.): Encyclopedia of New Orleans Artists 1718-1918, New Orleans: Historic New Orleans Collection 1987, 238-39, 401-02, 142-43. Vgl. Michel Fabre: »The New Orleans Press and French-Language Literatures by Creoles of Color«, in: Werner Sollors (ed.), Multilingual America: Transnationalism, Ethnicity, and the Languages of American Literature, New York: New York UP 1998, 36-38. Albert Voorhies: A Treatise on the Criminal Jurisprudence of Louisiana, embracing the criminal statutes of the territory of Orleans, and of the State of Louisiana, from the year 1805 to the year 1858 inclusively …, New Orleans: Bloomfield and Steel 1860, 293-94. [Jean Boze]: »Nouvelles Diverses«, July 1830-25 Nov. 1830, St. Gême Family Papers, HNOC, Reel 2, Folder 174.

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nach Louisiana gefunden hatte. Der farbige Freiheitskämpfer warb darin für gewaltsamen Widerstand gegen die weiße Machtelite. Unter dem Eindruck seiner aufrührerischen Ideen sowie der Festnahme mehrerer freier Farbiger in New Orleans, die versucht hatten, Kopien von Walker’s Appeal an die Sklavenbevölkerung zu verteilen, richteten die weißen Louisianians ihren Blick erneut auf die Free People of Color. Weil diese bekanntlich intensive Verbindungen nach Frankreich und Haiti hatten, fürchtete man ein Überschwappen revolutionärer Ideen.147 Die Besonderheit der literarischen Werke der Free People of Color liegt nicht nur, wie in der Forschungsliteratur lange behauptet, in der Tatsache, dass es ihnen angesichts dieser Publikationshürden überhaupt gelang, ihre Gedichte und Essais zu veröffentlichen.148 Vielmehr wird in ihnen deutlich, wie die Gemeinschaft versuchte, angesichts des verstärkten Betreibens der hegemonialen Gesellschaft, eine dichotome Rassen- und Sozialordnung zu etablieren, ihre kulturelle und soziale Identität aufrechtzuerhalten. Floyd Cheung war der Erste, der die politische Brisanz der Gedichte entdeckte; andere Forschende hatten in den Werken der Free People of Color keinerlei Hinweise für ein Bewusstsein der eigenen ›rassischen‹ Identität und der marginalisierten sozialen Position finden können.149 Tatsächlich bringen die Gedichte nicht nur das Bewusstsein der Autoren für rassistisch motivierte Unterdrückungsmechanismen der weißen Gesellschaft zum Ausdruck, sondern auch die Bedeutung bestimmter Institutionen und Werte für die Konstruktion einer tragfähigen Gruppenidentität. Besonders deutlich wird dies an der Ambivalenz der Frauenfigur in ihren Gedichten. Auf der einen Seite als von den weißen Männern missbrauchtes, sexualisiertes Opfer dargestellt, wird ihr von den Autoren der Gedichte auch eine Mitschuld an ihrer eigenen Erniedrigung und der ihrer Familien zugeschrieben. Anstatt dem Ideal der tugendhaften und moralisch reinen Frau zu entsprechen, über das sich Mitte des Jahrhunderts nicht nur die weibliche Identität, sondern letztlich auch die der Männer bestimmte, spielen die farbigen Frauen dem hegemonialen System in die Hände. Im entstandenen Kampf um die Vorherrschaft im Patriarchat, verlieren die Männer der Gemeinschaft nicht nur die Kontrolle über ihre Familien, sondern auch die Möglichkeit, sich entlang den Vorgaben eines bürgerlichen Mittelklasse-Ideals darzustellen.

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David Walker starb nur einige Monate nach der Veröffentlichung seines Pamphlets. Die Umstände seines mysteriösen Todes wurden nie geklärt. Für eine gute Analyse zur Wirkung von Walker’s Appeal sowie zu seinem System der Zirkulation der Schrift mithilfe von Seemännern siehe Robert S. Levine: »Circulating the Nation. David Walker, the Missouri Compromise and the Rise of the Black Press«, in: Todd Vogel (ed.), The Black Press. New Literary and Historical Essays, New Brunswick, NJ: Rutgers UP 2001, 17-36. Vor allem zur See fahrende freie Farbige standen in Louisiana unter dem Verdacht, versteckte Agenten nordstaatlicher Abolitionisten zu sein. Siehe z. B. Daily Picayune, 22. August 1841. Vgl. Edward Maceo Coleman (ed.): Creole Voices. Poems in French by Free Men of Color First Published in 1845. A Centennial Edition, Washington: Associated Publishers 1945, xix; Times-Picayune New Orleans States Magazine, 29. August 1948. Cheung, 5-16.

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Die Literatur der Creoles of Color Angesichts der hohen Wachsamkeit von Regierung und Öffentlichkeit waren die Creoles of Color gezwungen, ihre Gedanken in solche Formen zu gießen, die einer Zensur durch die hegemoniale Gesellschaft entkamen. In den 1840er Jahren pflegten die Free People of Color noch immer einen regen intellektuellen Austausch mit der französisch-geprägten Karibik und dem kulturellen ›Mutterland‹ Frankreich. Für die Söhne der wohlhabenderen Familien waren Reisen nach Paris und das Studium an den renommierten Universitäten Frankreichs fast schon ein Muss.150 Es verwundert deshalb nicht, dass sich viele der literarisch aktiven Free People of Color in den 1840er Jahren der französischen Romantik zuwandten. In ihr fanden sie eine literarische Tradition, die es ihnen erlaubte, an europäischen Konventionen orientierte Gedichte zu schreiben, die – anders als in jener Zeit ebenfalls auf den Markt drängende Formen schwarzer Literatur wie die folktale oder die slave narrative – von der weißen südstaatlichen Öffentlichkeit weniger argwöhnisch betrachtet wurde. Das zunächst wichtigste Publikationsorgan der Creole of Color-Dichter151 wurde das im Jahre 1843 erstmals verlegte Album littéraire: Journal des jeunes gens, amateurs de littérature.152 Dieses literarische Magazin wurde offiziell von dem weißen Kreolen Jean-Louis Marciacq153 veröffentlicht, doch waren die darin zu findenden Kurzgeschichten, Essais und Gedichte überwiegend von Creoles of Color verfasst. Nachdem das Album nach einer kurzen Laufzeit wieder verschwand, erschien 1845 eine Gedicht-

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Viele der in diesem Kapitel besprochenen Autoren gingen zum Studium nach Frankreich, einige von ihnen verbrachten sogar den Großteil ihres Lebens dort, z. B. Victor Séjour, Pierre Dalcour, Louis und Camille Thierry. Zum Aspekt des transnationalen Literaturverkehrs zwischen New Orleans und Frankreich siehe Michel Fabre: From Harlem to Paris. Black American Writers in France, 1840-1980, Urbana: University of Illinois 1991, 9-21. Insgesamt war die Analphabetenrate in der Free People of Color-Gemeinschaft relativ niedrig, in New Orleans sogar niedriger als die der weißen Gesellschaft. Dies lag vermutlich daran, dass die privaten Schulen, in denen die Creoles of Color ihre Kinder unterrichteten, besser waren als das zur damaligen Zeit noch sehr rudimentäre öffentliche Schulsystem Louisianas. Im Jahre 1850 lag die Analphabetenraten der Creoles of Color bei knapp 20 %. Donald DeVore/Joseph Logsdon: Crescent City Schools. Public Education in New Orleans, 18411991, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Southwestern Louisiana 1991, 41. Obwohl nicht auszuschließen ist, dass sich hinter einem anonymen Verfasser oder einem Pseudonym eine Frau verbarg, ist dies bis heute noch für kein Gedicht eindeutig nachgewiesen worden. Das Magazin begann als ›Monthly‹, erschien danach aber auf Wunsch der Abonnenten in einer zweimonatlichen Fassung. Von den vermutlich sechs Ausgaben sind heute nur noch vier vorhanden. J. L. Mariacq war entweder aus Frankreich oder der französischen Karibik nach New Orleans geflohen. Als Direktor einer Schule für Free People of Color in New Orleans war er mit der Gemeinschaft der Creoles of Color gut bekannt. Vgl. Bell, 106.

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sammlung mit dem Titel Les Cenelles. Sie enthielt insgesamt 85 Gedichte von 17 verschiedenen Creole of Color-Autoren.154 Der Name der Sammlung bezieht sich auf eine botanische Seltenheit Louisianas: Die roten Beeren einer Art des Hagedornbuschs kommen nur in sehr isolierten Gegenden wie dem sumpfigen Umland von New Orleans vor. Wegen ihrer Schmackhaftigkeit als Konfitüre eingekocht, wurden sie in der Stadt im 19. Jahrhundert zu hohen Preisen gehandelt. Abgeleitet von dieser Tatsache hat Jerah Johnson die Bedeutung der Namensgebung dieses einzigartigen literarischen Werkes treffend zusammengefasst: »[They] evoked the image of small, uniquely flavored and rare local delicacies that struggled for life in surroundings so hostile as to make the very gathering of them a dangerous travail, but one worth the risk because of the richness of the reward.«155 Die Autoren der Gedichte, vor allem der Verfasser des Vorwortes, Armand Lanusse, waren sich demnach wohl bewusst, welche Rarität ihre Gedichtsammlung darstellte. Tatsächlich gilt sie als die erste Lyrikanthologie aus der Feder nordamerikanischer farbiger Autoren. Der zeitgenössischen Öffentlichkeit blieb die Brisanz des schmalen Büchleins allerdings verborgen, obwohl die Gedichte größtenteils mit den Autorennamen versehen waren. Doch wem der ein oder andere nicht persönlich bekannt war, der konnte aus dem Inhalt der Sammlung nicht auf die ›rassischen‹ Identitäten der Verfasser schließen. So wurde Les Cenelles auf dem literarischen Markt Louisianas lediglich als eine weitere Sammlung romantischer Gedichte wahrgenommen. Und auch die moderne Forschung hat ihren Wert lange verkannt.156 154

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Armand Lanusse: Les Cenelles. Choix de Poésies indigènes, Nouvelle-Orléans: Imprimé par H. Lauve et Compagnie 1845. Heute sind nur noch wenige Originaldrucke erhalten und werden streng behütet. Für die vorliegende Studie konnte ein besonders gut erhaltenes Exemplar aus dem Besitz von Edward Larocque Tinker in der American Antiquarian Society eingesehen werden. Johnson: »Les Cenelles«, 410. Diese Interpretation entspricht auch der 1911 von Desdunes geäußerten Meinung: Our People and Our History, 11. Anders sieht das M. Roy Harris, der glaubt, dass mit dem Titel die Mehlbeeren gemeint waren, deren geringe Schmackhaftigkeit auf die Bescheidenheit der Autoren hinweisen sollte. M. Roy Harris: »Les Cenelles: Meaning of a French AfroAmerican Title from New Orleans«, in: Revue de Louisiane/Louisiana Review 11:2 (Winter 1982), 179-96. Nach einer genauen Analyse der Gedichte erscheint es aber unwahrscheinlich, dass sich die Autoren der Bedeutung ihrer Werke nicht bewusst waren. Ich denke vielmehr, dass sie den Titel bewusst wählten, um auf die Besonderheit ihrer Gedichte hinzuweisen. Siehe die Rezension in La Chronique. Journal Politique et Littéraire, 30. Januar 1848. Alcée Fortier, kreolischer Professor für Französisch an der Tulane University und der erste Präsident der Modern Language Association, legte den Grundstein der Forschung zur französischsprachigen Literatur Louisianas mit seinem Buch Louisiana Studies: Literature, Customs and Dialects, History and Education, New Orleans: F. F. Hansell & Bros. 1894. Da er allerdings keine Literatur berücksichtigte, die in Zeitungen und Magazinen erschienen war, kamen Creoles of Color kaum vor. Von dieser Tradition beeinflusst, bezogen auch die weiteren Bibliographien die Creoles of Color nur in den seltensten Fällen mit ein, so auch nicht Ruby Van Allen Caulfield: The French Literature of Louisiana, New York: Institute of French Studies, Columbia University 1929. Erst Edward Larocque Tinker nannte die Creoles of Color-Autoren in seinem wegweisenden Werk Les Ecrits de langue française en Louisiane au XIX siècle: essais biographiques et bibliographiques, Genève: Slatkin 1975 [1932]. Siehe

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Wirft man einen ersten Blick auf die Gedichte, wirkt die Mehrzahl von ihnen tatsächlich zunächst wie ein Abklatsch ihrer Vorbilder aus der französischen Romantik. Anders als vielleicht zu erwarten, fehlt Lokalkolorit fast gänzlich. Nur wenige Gedichte beziehen die besondere Lokalität von New Orleans oder Louisiana ein. Auch auf die ›Rasse‹ bezogene identifikatorische Merkmale finden sich kaum. Bis auf einige wenige Ausnahmen, die dann allerdings sehr prominent eingesetzt erscheinen, werden die ProtagonistInnen der Gedichte nicht ethnisch markiert. Die Überschriften verweisen auf die für die französische Romantik typischen Themen wie Liebe, Lust, Leidenschaft, Melancholie und Tod. Und dennoch sind die Gedichte alles andere als nur romantische Liebesbeweise an schöne Frauen (obwohl es diese natürlich gibt). Denn wagt man einen Blick über die engen Vorgaben des Genres hinweg, so offenbart sich in einigen von ihnen ein durchaus klarer Bezug zu der Lebensrealität der Free People of Color im Louisiana des 19. Jahrhunderts.

Poesie als Protest? Die amerikanische Historikerin Caryn Cossé Bell hat die literarischen Schriften der Creoles of Color in den breiteren Rahmen einer Protesttradition gestellt, die sich ihrer Meinung nach aus der französischen Romantik speiste. Demnach war es integraler Teil der Bewegung, soziale und politische Themen, eingekleidet in Tropen und Stilmittel der Romantik, zu thematisieren. In der Tradition der französischen Aufklärung und der Menschenrechtserklärung stehend, sprachen sich die französischen Romantiker für Gleichberechtigung, Freiheit und Brüderlichkeit aus und verliehen diesen Idealen in ihrer Dichtung ein Sprachrohr.157 Gepaart mit den Gedanken deutscher Philosophen wie Hegel, ergab sich hieraus eine Ideologie der organischen Gesellschafts- und Nationenordnung, nach der die unterschiedlichen Elemente jeder Gesellschaft zum zivilisatorischen Fortschreiten der Nation beitragen konnten. Bell verband die Ideen der französischen Romantik und der deutschen Philosophie mit einer steigenden Bedeutungszuweisung der Gesellschaft an den Künstler. Ihm wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt die Rolle des Reformers und Erziehers zugeschrieben; er vermochte es, durch künstlerische Vergegenwärtigung gesellschaftlicher Probleme, die Menschen auf der emotionalen Ebene zu vereinnahmen und damit den Weg zu einer allumfassenden Erneuerung der Gesellschaft zu bahnen. Viele der französischen Romantiker, die sich die Creoles of Color zum Vorbild nahmen, wie zum Beispiel Victor Hugo, Pierre-Jean de Béranger, Alexandre Dumas der Ältere und Alphonse de Lamartine, wurden im Laufe ihrer literarischen Karriere auch zu Protagonisten im Kampf für das allgemeine Wahlrecht, die Meinungs- und Pressefreiheit und gegen die Sklaverei.158

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auch Tinker: Les Cenelles. Afro-French Poetry in Louisiana, New York: Spiral Press 1930. Eine gute aktuelle Übersicht über die französischsprachige Literatur Louisianas bietet die Einleitung von M. Lynn Weiss zu Norman R. Shapiro: Creole Echoes. The Francophone Poetry of Nineteenth-Century Louisiana, Urbana: University of Illinois Press 2004, xxiii-xxxix. Bell, 99. Bell, 103. Einige der Gedichte in Les Cenelles sind verschiedenen französischen Romantikern gewidmet oder ihren Werken nachgeahmt.

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Die Autoren des Album und der Gedichtsammlung waren sich natürlich der Tatsache bewusst, dass ein literarischer Protest wesentlich weniger schlagkräftig war als direkter politischer Widerstand. So fragt einer von ihnen in der ersten Ausgabe unverhohlen, was die Literatur angesichts eines gewalttätigen und ungerechten Zeitalters, wie man es in den 1840er Jahren erlebt, auszurichten vermag. Der anonyme Autor äußert sein Verständnis dafür, dass sich die Gesellschaft Louisianas und ganz speziell die Leserschaft des Magazins – personifiziert in der Figur ›Louisiana‹ – eventuell von den Literaten abwenden wird wie von einem Betrunkenen, dem man keinerlei Respekt entgegenbringt. Doch trotz dieser Unsicherheit besteht der Autor des Essais darauf, den Kampf aufzunehmen. In einer Sprache, die Entschlossenheit suggeriert und sich militärischer Metaphern bedient, bringt er seinen unbeugsamen Willen zum Ausdruck, über den viel belächelten Weg der Literatur, das aus seiner Sicht noble Ziel zu verfolgen, die politische Ungerechtigkeit mit den starken Worten der Literatur zu bekämpfen.159 Dieser erste Leitartikel des Album fasst die Einstellung der Creole of Color-Autoren zusammen, wie sie in den weiteren Gedichten und Kommentaren zum Ausdruck kommt. Tatsächlich können aus heutiger Sicht wenig präzise Aussagen darüber gemacht werden, welchen Einfluss die Literatur der Free People of Color auf die politische und gesellschaftliche Meinungsbildung Louisianas auszuüben vermochte. Aufgrund fehlender Daten zur Auflage und Verbreitung von Cenelles ist von vielerlei Seiten angezweifelt worden, ob literarischer Protest im Rahmen der französischen romantischen Tradition überhaupt eine Chance hatte, gehört zu werden. Die Diskussion um Durchschlagskraft und Motivation der Gedichte muss allerdings stets vor dem historischen Hintergrund der eingeschränkten Meinungsfreiheit der Creoles of Color betrachtet werden. Angesichts der zuvor beschriebenen Restriktionen erscheint es deshalb verständlich, dass sich die Free People of Color der letzten Bastion freier Meinungsäußerung zuwandten, auch wenn dies unter dem Deckmantel der romantischen Tradition geschehen musste. Schließlich läuft die Diskussion mitunter in eine falsche Richtung, weil sich – wie ich im Folgenden zeigen werde – die Literatur der Free People of Color in weiten Teilen an die eigene Gemeinschaft wandte und weniger an die hegemoniale Gesellschaft. Der rebellische Ton hatte demnach die Aufgabe, zunächst die eigene Gemeinschaft wachzurütteln und in ihr den Geist des Widerstandes zu stärken, um diesen dann langfristig in politische Aktivitäten umzuleiten. So interessiert in der folgenden Analyse der Gedichte nicht so sehr ihr tatsächlicher Erfolg, wie er sich etwa an Reaktionen in der weißen hegemonialen Gesellschaft ablesen ließe. Ich gehe vielmehr der Frage nach, welche Rolle der literarische Protest für die Gemeinschaft der Free People of Color spielte. Der Fokus liegt also weniger auf der Rezeptionsseite als vielmehr auf der Seite der Produzenten dieser Literatur.160 159 160

»L’Album à la Louisiane«, in: L’Album Littéraire. Journal des Jeunes Gens, Amateurs de Littérature, vol. 1 (1. August 1843), AAS. Eine Rezeptionsgeschichte der Free People of Color-Literatur zu schreiben, gestaltet sich als schwierig, da sich die weiße Gesellschaft in den französischsprachigen kreolischen und den englischsprachigen amerikanischen Teil aufgliederte. Indem die Free People of Color in ihrer Muttersprache Französisch schrieben, grenzten sie einen Großteil der weißen Gesellschaft damit bereits

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Das Thema der plaçage Bei sorgfältigem Lesen der Gedichte fällt auf, dass in denjenigen Werken, die eine gesellschaftliche Kritik erahnen lassen, das Thema der plaçage vorherrscht. Interessanterweise dominiert allerdings keineswegs das Bild von der viktimisierten farbigen Frau. Die Autoren evozieren auch nicht durchgehend ein Bild von der Free Woman of Color als tugendhafte und integere Frau, wie es Aubert Guillaume in seiner Analyse sah.161 Vielmehr weisen zumindest einige der Autoren den Women of Color eine Mitschuld an ihrer Situation zu, die letztlich nicht nur sie allein in ihrem Dasein bedroht, sondern negative Auswirkungen auf die gesamte Gruppe der Free People of Color hat. Diese wird durch das ›Abwandern‹ der farbigen Frauen sowohl zahlenmäßig als auch ideologisch geschwächt, denn indem sie sich dem Feind ›hingeben‹, spielen sie nach Meinung der Cenelles-Autoren dem weißen hegemonialen und patriarchalen Machtsystem in die Hände. Für die Dichter der Free People of Color stellte die plaçage eines der wichtigsten Themen dar, weil es sich um ein institutionalisiertes System mit langer Tradition handelte, das ihrer Meinung nach seit der Kolonialzeit den Aufbau einer vitalen, selbstsicheren gemeinschaftlichen Identität verhinderte. Sowohl die Frauen, die in einer solchen Beziehung lebten, als auch die aus ihr entstehenden Kinder wurden dem Einfluss der Gruppe entzogen und auf eine gewisse Weise heimatlos. Die häufige Abwesenheit des weißen Vaters hatte nicht nur Auswirkungen auf die einzelne Familie und die Entwicklung der Kinder. Die dysfunktionale Struktur einer plaçage-Beziehung erschwerte nach Meinung der Autoren auch den Aufbau einer organischen Gemeinschaft, in der ausgehend von einer funktionierenden Kernfamilie alle Mitglieder einen sicheren Platz finden konnten und die den von Außen auf sie hereinstürmenden gesellschaftlichen und politischen Angriffen die Stirn bieten konnte. Die plaçage stellte für viele die ›Wurzel allen Übels‹ dar, die beseitigt werden müsse, ehe ein organisierter Kampf gegen die Ungerechtigkeit des gesellschaftlichen Systems möglich sei. Joanni Questy162 näherte sich dem Thema der plaçage in Form einer Unterhaltung zwischen Bruder und Schwester. Das lyrische Ich wendet sich dabei eingangs an seine Schwester, die es zuvor mit ihrem Liebhaber gesehen hat. Aus den folgenden Zeilen, in denen der Bruder sich als liebender Beschützer darstellt, wird deutlich, dass er mit der Verbindung seiner Schwester nicht einverstanden ist. Es liegt nahe, dass Questy auf eine plaçage-Beziehung anspielt, die die Schwester des lyrischen Ichs im Begriff ist einzugehen.

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bewusst (oder zumindest billigend) aus dem Adressatenkreis aus und verminderten die Wirkungsmacht ihrer Literatur. Gleichzeitig kann die Wahl des Französischen auch als ein klares Bekenntnis zu ihrer Identität als europäischfranzösische (und katholische) Kreolen gewertet werden. Alfred J. Guillaume, Jr.: »Love, Death, and Faith in the New Orleans Poets of Color«, in: Southern Quarterly 20:2 (Winter 1982), 126-44. Joanni Questy wurde 1817 in New Orleans geboren und war Lehrer für Französisch, Englisch und Spanisch an der von Armand Lanusse geleiteten Institution Catholique. Siehe »Questi, Joanni« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 2, 668; Tinker: Les Ecrits des langues françaises en Louisiane, 384.

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So bittet er für einen kurzen Moment um ihr Gehör, um sie davon zu überzeugen, dass ihr Liebhaber nicht der richtige Umgang für sie ist. Interessanterweise wird allerdings nicht auf die Folgen einer plaçage für die Schwester eingegangen, sondern vielmehr werden die Leiden des Bruders in den Vordergrund gerückt, die er durch die Entscheidung seiner Schwester durchleben muss.163 Doch die Anklage des Bruders stößt bei der Schwester auf Unverständnis und sie läuft davon – in die Arme ihres Liebhabers, so wird angedeutet. Ihre Uneinsichtigkeit und ›Kaltherzigkeit‹ veranlasst das lyrische Ich, sie zu beschimpfen. Wo er sie zunächst noch als zu beschützendes ›Kind‹ bezeichnet hatte, mit dem er durch geschwisterliche Liebe verbunden ist, bedient er sich am Ende weitaus schärferer Ausdrücke. Als aufsässiges Mädchen ist sie seiner Meinung nach dem Teufel verfallen, dem materielle Dinge mehr bedeuten als die Ehre der Familie und das Wohlergehen des eigenen Bruders.164 Was sich zu Beginn noch als ein Ratschlag verkleidete, wird am Ende zu einer Drohung, wenn der Bruder seiner Schwester nachruft, dass er auch am nächsten Tag auf sie warten und keinerlei Gnade zeigen werde. Wie genau er beabsichtigt, seine Schwester zur Einsicht zu bewegen, lässt das Gedicht allerdings offen. Questy weist hier der Schwester, die sich für eine plaçage-Beziehung entscheidet, die Schuld für das Leiden des Bruders zu. Doch worin besteht dieses eigentlich? Da er es in dem Gedicht selbst nicht anspricht, verlässt sich Questy anscheinend darauf, dass die Leserschaft die Situation als eine alltägliche wiedererkennt, die sich in ähnlicher Form in vielen Free People of Color-Familien abspielte. Während die von weißen AutorInnen verfasste Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts die plaçage überwiegend als ein vorteilhaftes Arrangement für die Women of Color und ihre Familien bezeichnete165, sprechen die Gedichte der Cenelles-Autoren eine andere Sprache. Bei ihnen wird vor allem der Verlust betont, den das Eingehen einer solchen Beziehung nach sich zog. So deutet Questy an, dass der Bruder bereits zuvor eine weitere Schwester an einen weißen Mann ›verloren‹ hatte.166 Diese Verluste wogen so schwer, weil sie eine Komplizenschaft mit der hegemonialen weißen 163

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»Ah! Weißt du, Mircé, mein armes Kind,/Was dieser Mann wirklich ist? Und weißt du meine grausame,/Was in mir vorgeht, in meinem Herzen, in meinem Blut,/wenn sich manchmal einer von ihnen vor meinen Augen zeigt?«, »Causerie,« Régine Latortue/Gleason R. W. Adams (transl. and ed.): Les Cenelles: A Collection of Poems by Creole Writers of the Early Nineteenth Century, Boston: G. K. Hall 1979, 68, 69. Die Übersetzungen französischer Quellen ins Deutsche sind, wo nicht anders angegeben, meine. Die Zeile »Va-t’en te faire belle!« verweist auf die materiellen Dinge, die die Bewerber den plaçées zukommen ließen und die dazu beitrugen, dass die plaçage oftmals mit Prostitution gleichgesetzt wurde. Eine Ausnahme bildet Harriet Martineau, die das plaçage-Arrangement als eine Form der Ausbeutung der farbigen Frau beschrieb und auf die emotionalen Kosten hinwies, die mit ihm verbunden waren. Martineau verband ihre Kritik an der plaçage mit einer kritischen Darstellung der Stellung aller Frauen unabhängig ihrer Ethnizität innerhalb der Gesellschaft Louisianas, die ihrer Meinung nach durch die Vorherrschaft der Männer determiniert war. Vgl. Harriet Martineau: Society in America, 2 vols., vol. 2, Paris: A. and W. Galignani 1837, 80-81. »Ich dachte an diesen Engel,/(Meine andere wahre Schwester) die ich nie wieder sehen werde,/Um die ich noch immer trauere«, Latortue/Adams, 68, 69.

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Macht bedeuteten, die den Free People of Color ein gleichberechtigtes Leben versagte. Das Gedicht bezieht sich also auf den Machtverlust der Men of Color über ihre Frauen und Schwestern. Aufgrund der Verschränkung ethnischer und sexueller Zuschreibungen durch die weiße Gesellschaft standen die Free Men of Color am unteren Ende der sozialen Leiter und waren jeglicher Kontrolle sowohl in der weißen Gesellschaft als auch der eigenen Gruppe beraubt. Ihre Männlichkeit war von einem Mangel gekennzeichnet, der ihnen sowohl politische und soziale Restriktionen auferlegte als auch ihre dominante Rolle im Geschlechtergefüge der eigenen ethnischen Gruppe untergrub. Indem die weißen Männer den Free Men of Color deren Töchter und potenzielle Ehefrauen entrissen, inszenierten sie ihre Vorherrschaft nicht nur gegenüber den Frauen, sondern auch gegenüber den in ihren Augen unterlegenen Free Men of Color. Die Quadroons wurden dabei zur Schlüsselfigur eines ethnisch übergreifenden Patriarchats, das sie benutzte, um einen männlichen Kampf um kulturelle Vorherrschaft auszutragen und männlichen Besitz über die sexuell verfügbare Frau zu dokumentieren. Es erscheint deshalb zunächst nicht verwunderlich, dass aus den Gedichten der Creole of Color-Autoren eine gemischte Stimmung spricht, die zum einen die Verzweiflung des Ausgeliefertseins widerspiegelt, während sie gleichzeitig von Momenten der Gegenwehr durchsetzt ist, die vor allem das Eindringen der weißen hegemonialen Macht in den privaten Kern der Familie verhindern sollte. Einer der schärfsten Kritiker des plaçage-Systems war Armand Lanusse, der Herausgeber der Cenelles-Sammlung.167 Auch er wandte sich in seinen Gedichten häufig der Rolle der Frauen innerhalb des Arrangements der plaçage zu und hinterfragte ihre Motivationen. In »A Elora« klagt er nicht nur das Mädchen an, das – obwohl bereits mit einem Free Man of Color verlobt – einem Gerücht nach an einer Beziehung mit einem weißen Mann interessiert ist. Für Lanusse ist das Verlangen nach Luxus und Geld, welches das Mädchen offenbar bewegt, nur das Resultat der Erziehung der jungen Free Women of Color, die durch die Geldgier und fehlgeleiteten Familienwerte ihrer Mütter geprägt ist. So setzt Lanusse seinem Gedicht ein Epitaph voran, in dem er den negativen Einfluss der Mütter anspricht: »Dieses Kind wäre ohne ihre Mutter vielleicht weise gewesen. Als Ehefrau hätte sie für ihren Mann gesorgt; Als Mutter, hätte sie sich um alle Bedürfnisse ihrer Kinder gesorgt.«168 167

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Armand Lanusse gilt als inoffizieller Anführer der literarischen Bewegung der Creoles of Color. Er wurde 1812 in New Orleans geboren, wo er auch 1867 starb. Ob Lanusse tatsächlich in Paris studierte, wie von Tinker behauptet, oder ob er Frankreich nie besuchte, wie es Desdunes sah, ist unklar. Tinker: Les Ecrits des langues françaises en Louisiane, 272; Desdunes: Nos hommes, 17. Einig ist sich die biographische Forschung dagegen in der Tatsache, dass Lanusse neben seinen Aktivitäten im literarischen Bereich für seine Gemeinschaft wichtige Bildungsmöglichkeiten erkämpfte. Mithilfe eines Erbes von Madame Couvent, die ein Grundstück hinterließ, mit der Auflage, dass auf ihm eine Schule für farbige Waisenkinder gebaut würde, gelang Lanusse 1848 der Bau der Institution Catholique des Orphélins Indigents. Siehe auch »Lanusse, Armand« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 1, 483. Latortue/Adams, 98.

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Lanusse weiß um die Anziehungskraft der plaçage-Beziehungen, wenn er sie wegen des oftmals mit ihnen verbundenen Luxus und des scheinbar angenehmeren Lebens als verlockend darstellt. Doch für ihn ist dies nur der äußere Schein, der allerdings – so gibt er offen zu – schon allzu vielen gereicht hat, sich auf Kosten einer erfüllten Ehe in eine solche Beziehung zu stürzen. Die Macht der Nachahmung steht für ihn deshalb im Vordergrund. Er sucht sich aus der großen Zahl der plaçées, denen sich Elora offensichtlich anschließen möchte, das Mädchen Noémie aus, mit dem Elora einmal befreundet war. Auch in Noémies Fall, so der Sprecher, hatte die Mutter ihre Tochter in eine plaçage-Beziehung vermittelt. Anders als in vielen Reiseberichten über die Institution, wird ihre Abscheulichkeit in den Augen des Sprechers deutlich, wenn er die Mutter als gnadenlose Komplizin in einem Akt bezeichnet, der ein noch unschuldiges und naives Mädchen korrumpiert.169 Die Geschichte um Noémie endet, wie plaçage-Karrieren nach Meinung des Sprechers immer enden: Die jungen Mädchen werden vom Luxus eines Lebens als Geliebte geblendet und erkennen nicht, was ihnen vorenthalten bleibt. Denn nach kurzer Zeit erlischt das Feuer des Liebhabers für sein ›Spielzeug‹ und es kommt, wie es kommen muss: Die Spirale des persönlichen und gesellschaftlichen Abstiegs setzt sich in Gang, die das Mädchen aufgrund verletzter Gefühle einem ›unmoralischen‹ Lebensstil anheim fallen lässt. Und selbst solche Mädchen, deren Liebhaber sie nicht verlassen haben, sind in den Augen des Sprechers der Verdammnis preisgegeben, denn das Stigma ihrer ›Unmoral‹ können sie nicht reinwaschen. So mögen sie in Wohlstand leben, doch den Verlust ihrer Würde können sie nicht verleugnen: »Vergeblich in Palästen, die ihren Glanz ausstellen Möchten sie diese scheußliche Hässlichkeit verstecken, Diejenigen, die im Schoß des Reichtums leben Haben auf ihren Stirnen geschrieben: Unwürdigkeit, Niedertracht!«170

Wohin der Ehrgeiz und die ›Unmoral‹ der Mütter führen konnten, zeigte Lanusse in seiner Kurzgeschichte »Un mariage de conscience«, die im Album erschien. Mit ungewöhnlicher Offenheit wird darin die Geschichte eines verzweifelten jungen Mädchens erzählt, das – von seinem weißen Liebhaber ausgenutzt – seine Erlösung nur noch im Freitod findet. Den Rahmen der Geschichte bildet der Besuch des Erzählers in der St. Louis-Kathedrale im kreolischen Zentrum von New Orleans, wo er die junge Frau bei einem Gebet beobachtet, in dem sie der Heiligen Jungfrau Maria von ihrem tragischen Schicksal und ihrer Ausweglosigkeit erzählt. Auf diesem Wege erfährt die Leserschaft die Lebensgeschichte der jungen Frau. Auch in diesem Fall wird die Rolle der Mutter als skrupellose Komplizin im System der Ausnutzung in den Vordergrund geschoben. Während das junge Mädchen bei seiner Tante, wo es größtenteils aufwuchs, ein freies und erfülltes Leben genoss, wird es in der Obhut seiner Mutter in eine Rolle gedrängt, die ihm gänzlich zuwider ist. Anders als seine Schwestern macht es sich nichts aus Luxus und einem von Tanz und Feierlichkeiten geprägten Leben. Doch um seiner Mutter zu gefallen, ist es schließlich bereit, am sozialen 169 170

Latortue/Adams, 98. Latortue/Adams, 100.

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Leben seiner Schwestern teilzunehmen und besucht Bälle, bei denen es allerdings von Unsicherheit und Ekelgefühlen gegenüber den anwesenden Männern geplagt wird, deren Avancen es ungeschützt ausgeliefert ist: »Ich hatte mich daher entschieden, […] an mehreren dieser Bälle teilzunehmen. Der Gedanke an sie ließ mich immer vor Abscheu erschaudern: gefangen inmitten eines Gewühls von Männern, mit einer anderen Sprache, schamlosen Blicken und dreisten Gesten, konnte kein junges Mädchen auf den Schutz eines Bruders zählen, sie zu behüten. Nicht eine Frau hatte einen rechtmäßigen Ehemann, der dieser nach rohem Vergnügen lüsternen Rotte einen anständigen Namen hätte verleihen können.«171

Trotz ihres Widerwillens lernt die junge Frau wenig später einen Mann kennen, in den sie sich in dem Glauben verliebt, dass er anders sei, als all jene, deren Verhalten ihr so fremd und unmoralisch erscheint. Überzeugt davon, dass eine Verbindung, die von der katholischen Kirche anerkannt wird, rechtens und moralisch sei, geht sie die ›Gewissensehe‹ mit Gustave ein. Doch das Glück ist von kurzer Dauer. Die aufrichtige Liebe der jungen Frau und das Geschenk eines gemeinsamen Kindes halten Gustave nicht davon ab, seine Befriedigung woanders zu suchen. Nach einiger Zeit verlässt er seine Geliebte und heiratet eine weiße Frau. Nachdem die Verzweifelte – die namenlos bleibt und damit mehr einen Typus als ein Individuum verkörpert – ihr Leiden der Jungfrau Maria geklagt hat, verlässt sie das Gotteshaus. Doch auf dem Platz vor der Kirche sieht sie in einer Kutsche ihren ehemaligen ›Ehemann‹ mit seiner neuen Gattin. Von tiefem Schmerz und dem Gefühl der Demütigung geplagt, wirft sie sich unter den Wagen. Während die Begleiterin von Gustave ehrlich betroffen ist, zeigt er selbst sich nach einem Moment des Schocks berechnend und flüchtet vor den Konsequenzen seiner unmoralischen Ausbeutung. Zwar stellt Gustave in seiner distanzierten Kaltherzigkeit den aktiven Täter dar, der das junge Mädchen in den Tod treibt, doch bleibt er in der Geschichte letztlich eine Randfigur, die am Ende nur Vollstrecker einer vorgegebenen Handlungskette ist, deren Ursache, so suggeriert das Gedicht, im ›System plaçage‹ liegt. Durch seine Zugehörigkeit zur hegemonialen Gesellschaft ist Gustave dazu bestimmt, das junge Mädchen mit Missachtung zu strafen und sie als austauschbares Objekt zu behandeln; die wahre Anklage richtet Lanusse über seinen Vermittler des unbeteiligten Beobachters an andere Stellen. So macht sich in seinen Augen erneut die Mutter des Mädchens schuldig, wenn sie – anstatt sich gegen das ausbeuterische System zu wehren – diesem in die Hände spielt und ihm all ihre Töchter opfert. Ihre Schuld ist nach Lanusse zweifach: zum einen zwingt sie ihre Tochter förmlich, sich als Objekt der Begierde der Schar der weißen Männer hinzugeben, obwohl diese sich ausdrücklich gegen ein Leben als Mätresse ausspricht. Zum anderen ist sie unehrlich und nutzt die Naivität ihrer Tochter aus, als diese sich in Gustave verliebt. Ihrem Ziel eines auch für sie angenehmeren Lebens endlich nahe, vermag sie es nicht, über ihren Schatten zu springen, und ihrer Tochter die Wahrheit über das Arrangement einer plaçage-Beziehung zu offenbaren. 171

L’Album littéraire, vol. 1 (15. August 1843), Charles B. Roussève Collection, Amistad Research Center, Tulane University, New Orleans, Louisiana (ARC), Box 1.

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Neben diesen anklagenden Gedichten, finden sich in der Sammlung der Creoles of Color auch einige Gedichte, die ein anderes Bild von den Free Women of Color zeichnen, so zum Beispiel »A Ida« von Mirtil-Ferdinand Liotau.172 Bereits die Beschreibung der Angebeteten fällt auf. In vielen der übrigen Gedichte werden die plaçées als ›exotische Schönheiten‹ gefeiert, deren Reiz gerade darin besteht, dass ihr ›rassisches Erbe‹ unter als ›weiß‹ markierten Äußerlichkeiten wie dem blonden Haar oder den blauen Augen versteckt ist. Liotaus ›Ida‹ dagegen hat dunkle Augen und ebenholzfarbenes Haar. Allerdings sind es nicht ihre äußerlichen Vorzüge, die die Liebe eines Mannes zu ihr entfachen, sondern ihr tiefer Glaube und ihre Tugendhaftigkeit, die sich seiner Meinung nach in der Schönheit ihres Gesichtes widerspiegeln. So wird ›Ida‹ in den folgenden Strophen als gottesfürchtig und engelsgleich dargestellt und steht damit im klaren Gegensatz zu den Women of Color, die in den übrigen Cenelles-Gedichten als habgierig und tugendlos beschrieben werden. Ganz anders ›Ida‹, deren Charme und Anziehungskraft in ihrer Sanftheit und Unschuld liegen und die damit als Vorbild für alle afrokreolischen Frauen Louisianas gepriesen wird. So hofft auch das lyrische Ich, dass das Beispiel der reinen ›Ida‹ und sein Loblied auf sie als Echo in die Gesellschaft Louisianas – und wohl präziser in die Gruppe der Free People of Color – hinausgetragen wird.173 Der Versuch ›Idas‹, sich dem präskriptiven Bild von der ›tugendlosen farbigen Frau‹ zu entziehen, indem sie sich nach dem normativen Vorbild der ›reinen weißen Frau‹ inszeniert, kann im Kontext des Gedichtes als gelungen gelten. Außerhalb allerdings steht dem Bild von ›Ida‹ die sozioökonomische ›Realität‹ entgegen, die die Frauen auch in den 1840er Jahren noch immer in die Arme wohlhabender weißer Männer trieb. Obwohl den Women of Color von den Cenelles-Autoren eindeutig eine Mitschuld an dem Teufelkreis der plaçage zugesprochen wird, der so viele unschuldige Mädchen wie Liotaus ›Ida‹ in das System der sexuellen Ausbeutung treibt und sie damit der Möglichkeit einer glücklichen erfüllten Ehe mit einem Free Man of Color entzieht, tragen sie doch nicht die alleinige Verantwortung. Den weitaus verwerflicheren Fehler begeht nach Ansicht Lanusses die katholische Kirche, wenn sie ein ums andere Mal den ausbeuterischen Beziehungen den Schein der Legalität und Moral verleiht. Wo die Mutter noch durch menschliche Fehler wie Ehrgeiz, Geldgier und Selbstbetrug geblendet und deshalb unfähig ist, sich über diese zu erhöhen, erwartet Lanusse von der Kirche ein anderes Verhalten. So zeigt sich auch der Beobachter in Lanusses Kurzgeschichte »Un mariage de conscience« zunächst zufrieden, als er nach einer kürzeren Abwesenheit die Kirche mit der Absicht besucht, sich von den heiligen Worten des Priesters reinigen und inspirieren zu lassen. Doch sein Bild vom Katholizismus wird im Laufe der Geschichte getrübt. In ihrer Gutgläubigkeit und Fröm172 173

Liotau wurde in New Orleans geboren, wo er bis zu seinem Tod 1847 lebte. Auch Joanni Questy stellt seinen ansonsten wenig schmeichelhaften Darstellungen von Women of Color in seinem Gedicht »Vision« die einer jungen, gottesfürchtigen Frau entgegen. In deren Vaterlosigkeit spiegelt sich die Problematik der plaçage: auf der einen Seite vaterlos, weil dieser aus der weißen Schicht kommend sie verleugnet, ist sie auf der anderen Seite vaterlos wegen ihrer engelsgleichen Erscheinung, die sie für das lyrische Ich, das ihr begegnet, zu etwas Himmlischen macht, das in keinerlei irdische Familienstrukturen eingebunden ist. Latortue/Adams, 60-65.

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migkeit glaubt das junge Mädchen der Darstellung ihrer Mutter, denn solange ihre Verbindung zu Gustave vor dem Gesetz Gottes Bestand hat, reicht ihr das heilige Versprechen vor der Kirche auch ohne eine legale Trauung. Die Tatsache, dass Gustave auf die Frage des jungen Mädchens, ob er denn angesichts seines Versprechens an sie keinerlei Gewissenbisse hätte, mit einem ›Nein‹ antwortet, spiegelt nicht nur seine Skrupellosigkeit, sondern auch die der katholischen Kirche wider. Denn genauso einfach und schnell, wie Gustave sein Versprechen an sie vergessen hat, hat dies auch die Kirche getan. Die Komplizenschaft von Müttern und Kirche ist in Lanusses Gedicht »Epigram« Thema. Er beschreibt darin die Zerrissenheit einer Free Woman of Color, die sich der moralischen Verwerflichkeit des plaçage-Systems bewusst ist und dennoch aus ökonomischem Interesse und sozialem Zwang heraus, ihre Tochter in eben diesem System vermittelt sehen will. Obwohl der Kirchenvertreter in dieser Situation seiner Aufgabe gerecht wird und die Frau darauf hinweist, dass ihre Bestrebungen falsch und unmoralisch sind, schwingt in dem Gedicht gleichzeitig auch die Erinnerung daran mit, dass die Kirche eine Mitschuld an der Prominenz der plaçage trägt: »›Ihr wollt dem Teufel also nicht abschwören,‹ So sprach ein guter Pfarrer zu einer gewissen Frömmlerin Die jedes Jahr auf’s Neue kam, Ihm ihre ellenlange Liste gar großer Sünden zu präsentieren. ›Ich will‹, sagt sie, ›ihm ewig widersagen; Doch eh’ die Gnad’ in meiner Seele funkelt Und um mir künftig jeden Grund zu sündigen zu nehmen, Warum, Herr Pfarrer, kann ich nicht – Sagt, was? – erst meine Tochter etablieren?‹«174

Zu Recht hat Thomas Haddox, der die Gedichte unter dem Aspekt einer katholischen Identität interpretierte, darauf hingewiesen, dass der Aufbau des Gedichtes die Position des Kirchenvertreters schwächt. Bereits zu Beginn präsentiert sich seine Frage an die ansonsten fromme Frau als müder Versuch, diese von ihrem Plan abzubringen. Es finden sich auch keine Hinweise darauf, dass er ihr – sollte sie ihre Tochter tatsächlich etablieren und damit weltlichen Gesichtspunkten Vorrang geben – die Beichte verweigern würde. Ebenso signifikant erscheint die Tatsache, dass die Frau das letzte Wort hat und der Konflikt zwischen sozialen und ökonomischen Zwängen auf der einen Seite und den moralischen, überirdischen Ansprüchen auf der anderen Seite ungelöst bleibt.175 In den Reaktionen der Cenelles-Autoren auf die Institution der plaçage und die Quadroon-Bälle eröffnet sich ein Blick auf ihre Hilflosigkeit. Wenn auch nicht explizit, so kommt in Lanusses Gedicht doch die Marginalisierung und der Machtverlust der Free Men of Color innerhalb der eigenen Gruppe zum Ausdruck. Indem die Quadroons, gestützt auf die stillschweigende Billigung der Kirche, durch die Verbindungen zur weißen Gesellschaft ihr 174 175

Lanusse, Les Cenelles, 48. Thomas F. Haddox: »The ›Nous‹ of Southern Catholic Quadroons: Racial, Ethnic, and Religious Identity in Les Cenelles«, in: American Literature 73:4 (December 2001), 770.

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Schicksal selbst in die Hand nehmen, schmälert sich der Raum einer geschlechterübergreifenden wirkungsvollen Reaktion auf weiße Unterdrückung. Die Quadroon-Bälle und die plaçage stellen, wie von Floyd Cheung beschrieben, eine Form weißer Machtausübung dar, die über das Medium der verfügbaren – weil ›rassisch‹ markierten – Quadroon gleichzeitig die gesamte Gruppe der Afrokreolen dominiert.176 Die Free Men of Color wiederum, die sich in den Gedichten zumindest maskiert Gehör verschaffen können, fühlen sich durch den Machtverlust in ihrer Männlichkeit bedroht und geben den Frauen einen Großteil der Schuld am drohenden Zerfall der eigenen Gemeinschaft. Eine aussagekräftige Verurteilung der Ausbeutung der farbigen Frau und der Gemeinschaft der Free People of Color wird somit durch den Sexismus der Cenelles-Autoren durchkreuzt und entschärft. Sicherlich beinhaltet die Kritik an der plaçage auch eine Verurteilung der von ihr profitierenden weißen Männer, denn der Leserschaft war klar, dass ohne deren Verlangen nach solchen Beziehungen das System unmöglich gewesen wäre.177 Dennoch erstaunt die starke Fokussierung der Cenelles-Autoren auf die Frauen der eigenen Gemeinschaft und die relativ beiläufige Kritik an den weißen Männern. Die in den Gedichten nach außen getragene Betrachtung der plaçage und der Rolle der Free Men of Color innerhalb des Machtgeflechts kritisiert vor allem die Auswirkungen der plaçage auf die Familien, die für die Konstruktion einer kollektiven Identität benötigt werden und ohne die der Kampf gegen die gesellschaftlichen Unterdrückungsmaßnahmen der hegemonialen Gesellschaft erfolglos bleiben wird.

Der Katholizismus in den Gedichten der Creoles of Color Trotz der Verurteilung der Haltung der katholischen Kirche gegenüber der plaçage, wie sie in den Gedichten zum Ausdruck kommt, spielt der Glauben als identifikatorische Kraft in der Zeit der Repressionen eine wichtige Rolle. Liotau betrachtet den Katholizismus auch unter anderen Gesichtspunkten in seinem Gedicht »Une Impression«. Darin betrauert das lyrische Ich den Verfall der katholischen St. Louis-Gemeinde, die sich ihm bei einem Besuch als verlassener Schrein präsentiert, dem die ehemals so frommen Besucher den Rücken gekehrt haben. »Saint Louis! Alter Tempel, Schrein, Da stehst du nun so verlassen und unbewohnt! Jene, die sich hier deiner Pflege verpflichtet hatten, Vom heiligen Tabernakel, der die weltlichen Bedürfnisse verachtet, Haben sie die christliche Phalanx an einen anderen Ort geführt. «178

Die Wärme, Helligkeit und Feierlichkeit der katholischen Rituale werden im Folgenden mit der Leere, Dunkelheit und Unheimlichkeit des verlassenen Kirchenraums kontrastiert, die den Besucher der Kathedrale dazu veranlas176 177

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Cheung, 7. Vgl. Clint Bruce/Jennifer Gipson: »›je n’étais qu’un objet de mépris‹: degrés de résistance dans la littérature des créoles de couleur en Louisiane au XIX siècle«, in: Francophonies d’Amérique 17 (2004), 10. Shapiro, 116.

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sen, über die Rolle der Kirche als schützendes Bauwerk und als Institution nachzudenken. Symbolisiert wird dieser ideologische Raum im Gedicht durch die repräsentative Kirche St. Louis, die Sitz der Diözese New Orleans war. Die Verlassenheit des Kirchenraums verweist auf das Aufweichen des katholischen Universalismus und die sich verschärfenden gesellschaftlichen Restriktionen, denen sich die Free People of Color ausgesetzt sahen. So verwundert es kaum, dass sich das lyrische Ich die vergangene Zeit der Einheit zurückwünscht und für eine Wiederbelebung eben dieser katholischen Traditionen und damit der St. Louis-Kathedrale eintritt. Es appelliert an die Gläubigen, sich im Sinne von Gottes Sohn wieder zusammenzufinden und die Auflösungstendenzen zu überwinden. »Christen, vereinigt euch; dieser schützende Gott All sein Blut für uns am Kreuz vergoss, Lasst uns hoffen, dass an diesem Tag er allein, mächtig und stark von Herzen bittend unser Los verändern wird; Lasst uns beten, wenn wir wollen, dass seine Barmherzigkeit Hass und Zweitracht unter uns zerstöre.«179

Der Katholizismus hatte für die Creoles of Color bis in die 1840er Jahre zwei Funktionen: Zum einen stellte er einen identitätsstiftenden Faktor dar, der die sie miteinander vereinte und gleichzeitig – über die Differenz zu den vorwiegend protestantischen SklavInnen – ihre kulturelle Nähe zu den Kreolen der weißen machthabenden Schicht verdeutlichte. Darüber hinaus bot der katholische Glaube die Möglichkeit zu einer integrativen Gesellschaftspolitik. Das Beispiel des Katholizismus mit seiner rassenübergreifenden Religionsausübung konnte als Modell dienen für eine anzustrebende gesellschaftliche und politische Ordnung. Vor diesem Hintergrund erscheint es deshalb einleuchtend, dass Thomas Haddox das Gedicht Liotaus als einen Protest gegen die Protestantisierung der Gesellschaft von New Orleans liest, die weit über religiöse Fragen hinausgehend auch die Gefahr einer ›Amerikanisierung‹ der Rassenbeziehungen und den Zerfall einer rassenübergreifenden katholischen kreolischen Identität in sich trug.180 Einen Schritt weiter gehend deute ich die Dunkelheit, die den Innenraum der Kirche einnimmt, als ein Symbol für den drohenden Zerfall der Gemeinschaft der Free People of Color. Mit dem Verweis auf die vorausgegangenen Generationen, die bereits in der St. Louis-Kirche ihren Glauben und damit auch ihre Zusammengehörigkeit als Gruppe zelebrierten, verweist das Ich auf eine Vergangenheit, die nicht nur frei von protestantischen Einflüssen war, sondern die auch eine weitaus größere Kohärenz innerhalb der eigenen Gruppe vorweisen konnte. Zwar mussten sich auch die älteren Generationen bereits gegen ›fremde Ideen‹ zur Wehr setzen, die ihre Gruppenidentität hinterfragten und ihre Rechte auf politischer und gesellschaftlicher Ebene streitig machten, doch besaßen sie nach Meinung der Cenelles-Autoren einen weitaus kämpferischeren Geist, den die gegenwärtige Generation vermissen ließ. So verwundert es die Leserschaft nicht, wenn die Seelen der Verstorbenen

179 180

Shapiro, 118. Vgl. Haddox, 763.

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beim Anblick des gegenwärtigen Zustandes sowohl der Kirche als auch der Gemeinschaft der Free People of Color in Wehklagen verfallen: »Überreste geliebter Menschen, die noch immer beweint werden Und die all unsere Nöte auch verspüren, Stöhnen wie wir vom Grund ihrer Gräber auf.«181

Liotau konstruiert aus dieser Passage eine Verantwortlichkeit der jüngeren Generation gegenüber der älteren, sich nicht aufzugeben, sondern für die eigenen Rechte zu kämpfen. Der Aufruf zum Kampf beinhaltet dabei ganz klar die Aufforderung zur inneren Einheit als Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen gesellschaftliche Marginalisierung. Dabei kann hier sowohl die Einheit innerhalb der Gruppe gemeint sein, die zwar zum überwiegenden Teil katholisch war, sich allerdings entlang von Klassenlinien spaltete. Gleichzeitig kann aber auch die kreolische Identität angesprochen sein, die stark auf dem Katholizismus ruhte und sich lange als rassenübergreifend verstand. Liotau verweist damit erneut in die Vergangenheit, wo das latinisierte Rassensystem eine solche Identität entlang religiöser und ethnokultureller, nicht aber unbedingt ›rassischer‹ Faktoren konstruierte. So ist es auch nur schlüssig, dass das lyrische Ich mit einem Blick in die Vergangenheit schließt, der zwar zukunftsweisend sein soll, letztlich aber in seiner Blickrichtung zurück den neuen Lebensumständen der Free People of Color in den 1840er Jahren nicht gewachsen ist. Natürlich strömten die Katholiken auch weiterhin in die St. Louis-Kirche, wie vom Ich erhofft, doch änderte dies nichts an der Tatsache, dass die Zeichen der Zeit eindeutig auf Konflikt standen: »Christen, eine weitere Anstrengung wird den Ausschlag geben Ohne Zweifel für den Frieden, lasst uns die Zuversicht bewahren; Und wir werden wieder wie in der Vergangenheit Die Menschen jeden Tag in dem noch verlassenen Tempel sehen!«182

Mit der Kritik am Katholizismus und der Artikulation der Angst vor dem Zerfall der eigenen Gemeinschaft war ein Aufruf an die Jugend der Free People of Color verbunden, der sich bereits in den Essais des Albums fand. Darin propagierten die Autoren die Meinung, dass die Zukunft der Jugend davon abhängig sei, ob es gelänge, gegen die sich verbreitende gesellschaftliche Ungerechtigkeit anzukämpfen und ein Gefühl der Gruppenidentität zu bewahren.183 In dem Auftrag an die nachfolgende Generation – vor allem an ihre Künstler und Literaten – spiegelt sich der romantische Gedanke des gesellschaftspolitischen Umschwungs durch die Kunst und Literatur, den man aus Frankreich übernommen hatte. So hieß es in dem Essai »Tout est Crime«: »Junge Louisianians […] ihr werdet mit einem Finger die Laster berühren, die das Herz dieser Gesellschaft zerfressen; und dann, junge Männer, fähig etwas zu schaffen, weil ihr fähig seid, zu glauben, würdig der Freiheit, weil bei euch die Freiheit 181 182 183

Shapiro, 116. Shapiro, 118. »Horreurs du Jour«, in: L’Album littéraire 1 (15. Juli 1843), 77, AAS.

»IN DEFENSE OF OUR SYSTEM« | 155 nicht bloße Berechnung ist, sondern ein Glaube. Es ist an euch, die leblosen Überreste mit eurem Geist wieder zum Leben zu erwecken. Es ist an euch, den Kadavern des neunzehnten Jahrhunderts zuzurufen: ›Erhebt euch und marschiert…!‹«184

Das Widerstandspotenzial der Poesie Dass im Versuch der jugendlichen Erneuerung die Bildung eine wesentliche Rolle spielte, verdeutlichte Armand Lanusse in seinem Vorwort zu Les Cenelles.185 Letztlich stellte sich allerdings die Frage, zu welchem Ziel sich die Jugend diese Bildung erkämpfen sollte, wenn sie am Ende nichts an ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihrer politischen Unmündigkeit änderte. Zwar kommt bei den Cenelles-Autoren ein hoher Grad an Bildung und Ausdrucksgewandtheit zum Vorschein, doch ist damit nicht die Frage beantwortet, welches Widerstandspotenzial die Literatur der Creoles of Color hatte. In ihren Gedichten wenden sich die Autoren einigen wichtigen Missständen ihrer Gesellschaft zu, doch werden sie aus heutiger Sicht nicht den Anforderungen einer Widerstandsliteratur mit subversivem Potenzial gerecht. Dabei stellt sich wie eingangs erwähnt die Frage, ob nicht bereits die Verwendung der romantischen Tradition diesem Widerstandspotenzial Grenzen setzte. Die Tatsache, dass sich die Cenelles-Autoren an den Vorbildern der Romantik abarbeiteten anstatt eigene literarische Formen des Protestes zu entwickeln, ist in der Forschung als ›Versäumnis‹ und ›Eskapismus‹ bezeichnet worden.186 Diese Beurteilung erscheint mir nach der Analyse der Gedichte zu scharf. Vor allem die Schriften aus Album, aber auch einige Gedichte aus Les Cenelles, sind mehr als nur Nachzeichnungen einer von der französischen Romantik beeinflussten Schablone. Dennoch erscheint die Frage berechtigt, ob es sich bei der Auswahl der romantischen Tradition um einen ›Zufall‹ handelte, oder ob man sie ganz bewusst mit dem Ziel der Nachahmung auswählte. Eine solche Motivation muss noch nicht per se negativ bewertet werden. So hat zum Beispiel Henry Louis Gates die Literatur der Free People of Color vor allem deshalb gepriesen, weil sie durch die perfekte Erfüllung der Vorgaben einer westlichen ästhetischen Tradition dem Vorurteil der Minderwertigkeit der ›schwarzen Rasse‹ und Kultur den Boden entzog.187 Indem sich die Free People of Color nicht an den Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden afroamerikanischen Genres wie der folktale oder der slave narrative orientierten, und indem sie anstatt auf die realistische Wiedergabe afroamerikanischen Dialektes auf Hochkultur-Französisch und romantische Themen setzten, betonten sie die kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen ihrer Gruppe und den nicht-kreolischen Farbigen. Vor dem Hintergrund der stärker werdenden gesellschaftlichen Marginalisierung ging es für die Creoles of Color in den 1840er und 50er Jahren in ihrer Literatur darum, ihre Ähnlichkeit 184 185

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»Tout est Crime«, in: L’Album littérarie 1 (1. August 1843), 101, 105, AAS. Vorwort von Armand Lanusse zu Les Cenelles (1845). Ähnlich auch in »L’Album à la Louisiane«, in: L’Album littéraire 1 (1. August 1843), 13, AAS. Latortue/Adams, ix. Ähnlich äußerte sich noch 1982 Guillaume, 138. Henry Louis Gates zitiert in Haddox, 758. Michel Fabre argumentierte gar, dass das vorderste Ziel der Creoles of Color nicht die soziale Reform, sondern die Kultivierung der französisch-geprägten Literatur in Louisiana gewesen sei: »The New Orleans Press and French-Language Literatures«, 33.

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und Zugehörigkeit zur weißen kreolischen Gesellschaft zu dokumentieren. Indem sie sich in die französische Literaturtradition der Romantik erfolgreich einschrieben und dabei identitäre Gemeinsamkeiten wie den Katholizismus evozierten, kreierten die Free People of Color ein Gegengewicht zum angloamerikanischen-protestantischen Identitätsentwurf. Die Gedichtsammlung Les Cenelles als Beweis intellektueller Respektabilität188 stand dabei im klaren Gegensatz zu einer aufkommenden genuin afroamerikanischen Literaturtradition und Identität, die die Free People of Color mit den SklavInnen und protestantischen freien Farbigen anderer Südstaaten verbunden hätte. Die Gedichte der Free People of Color verweisen auf ihre innere Zerrissenheit, sowohl auf individueller als auch auf gemeinschaftlicher Ebene. Angesichts der Tatsache, dass die Entstehung der Free People of Color zum großen Teil auf den weit verbreiteten ›rassengemischten‹ Beziehungen basierte, musste eine Kritik an dem System der plaçage Schwierigkeiten bereiten.189 So schreckten die Autoren davor zurück, die Kritik an ihr in starke, eindeutige Worte zu fassen. Nicht die sexuelle Ausbeutung der Frauen wird thematisiert, sondern der unmoralische Aspekt der plaçage, der ein funktionierendes Familienleben verhindert und die kollektive Identität der Gruppe destabilisiert. Eine Festigung der Gemeinschaft von innen heraus war aber notwendig, um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung innerhalb Louisianas halten zu können. Ähnlich wie in der Reiseliteratur stand die Quadroon als sexuelles Objekt emblematisch für das Machtgefälle zwischen den Free People of Color und der hegemonialen weißen Gesellschaft. Das Dilemma, dem sich die Afrokreolen in ihrer literarischen Produktion gegenüber sahen, war, dass sie ein System kritisierten, dem sie in weiten Teilen ihre Existenz und ihre besondere gesellschaftliche Position verdankten. Zur Zerrissenheit der Free People of Color gehört darüber hinaus ein ambivalentes Verhalten der katholischen Kirche gegenüber. Auf der einen Seite anprangerungswürdig wegen seiner Billigung des Systems und damit der Unterdrückung der Afrokreolen, sehen sie im katholischen Glauben gleichzeitig einen letzten Ort identifikatorischer Kraft, der in einer rassenübergreifenden kreolischen Identität das Versprechen von Egalität und Gleichberechtigung in sich trägt. Angesichts dieses Zwiespalts verwundert es nicht, dass die Stilistik und der Ausdruck, den die Autoren wählten, ihre Unsicherheit widerspiegeln. Die Verwendung neuer literarischer Elemente, wie es in den aufkommenden afroamerikanischen Literaturtrends der Fall war, hätte den Creole of ColorAutoren eine größere Aufmerksamkeit beschert und vielleicht wäre es ihnen besser gelungen, ihren Protest gegenüber der hegemonialen Gesellschaft zu artikulieren. Ob dies allerdings wirklich in ihrem Interesse lag, bleibt fragwürdig. Eingebettet in ihre französisch-kreolische Abstammung, die sie im kulturellen Bereich klar der weißen kreolischen Gesellschaft näher stehen ließ als den protestantischen Angloafroamerikanern, war ihr Ziel eben nicht nur die Teilhabe an der machthabenden Gesellschaft, sondern auch die fort188 189

Geraldine Mary McTigue: »Forms of Racial Interaction in Louisiana, 18601880«, (Ph.D. diss., Yale University 1975), 16. Mindestens zwei der Cenelles-Autoren – Pierre Dalcour und Camille Thierry – sowie eventuell Victor Séjour waren die Kinder einer plaçage-Beziehung. Vgl. Blyden Jackson: A History of Afro-American Literature, vol. 1: The Long Beginning, 1746-1895, Baton Rouge: Louisiana State UP 1989, 229.

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währende Exklusion anderer Einflüsse aus der unter ihnen stehenden afroamerikanischen Kultur. Die Gedichte sind gezeichnet von der Erfahrung des ›Dazwischenseins‹ der Creoles of Color und dem Widerspruch ihrer Forderungen: Auf der einen Seite widerständig gegen das Kastensystem der weißen Gesellschaft, das ihnen einen ebenbürtigen Platz in der Gesellschaft verweigert, unterstützen sie eben dieses System in ihrem Versuch, sich weiterhin sowohl gesellschaftlich als auch identitär von der Gruppe der SklavInnen abzusetzen.

»Being Ourselves«: Im Schutz der eigenen Gemeinschaft »Of course the gens de couleur posed a special problem and always had. […] [H]ow could one account for their living here generation after generation in a country and a region that did not want them, that would never permit them equality, and sought ultimately to crush their heads? How could anyone […] come back to this place declaring sentimentally that it was his home?«190

Trotz der Restriktionen, die den Free People of Color zunehmend auferlegt wurden, befanden sie sich auch während der 1830er und 1840er Jahre in einer relativ komfortablen wirtschaftlichen Position. Zwar sahen sich die ungelernten ArbeiterInnen unter ihnen seit den Einwanderungswellen aus Deutschland und Irland größerer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt, doch blieben die Besitzverhältnisse der wohlhabenden Free People of Color davon relativ unbeeinflusst.191 Vor allem weil sich Verluste in einigen Bereichen schnell wieder durch Gewinne in anderen ausglichen, blieb ihre wirtschaftliche Position bis kurz vor dem Bürgerkrieg stabil. Die Mehrzahl der Free People of Color bewegte sich in der Mittelklasse und ging vor allem handwerklichen und kaufmännischen Berufen nach. Politische oder administrative Berufsfelder blieben ihnen weiterhin verschlossen. Die Women of Color arbeiteten vorwiegend als Näherin, Wäscherin oder Köchin. Während der häufigen Gelbfieber- und Cholera-Epidemien wurden sie als Krankenschwestern geschätzt. Im Vergleich zur weißen Gesellschaft gelangt es erstaunlich vielen Frauen der Free People of Color, ein eigenes Geschäft aufzubauen und auf diese Weise beträchtliches Eigenkapital zu erlangen. Allgemein besaßen die Free People of Color mehr Grundeigentum als vergleichbaren Gemeinschaften freier Farbiger in den übrigen USA, auch wenn sie im Durchschnitt nicht

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Rice, 374. Siehe dazu detaillierter Schweninger: »Prosperous Blacks«, 36-39; für die Jahrzehnte zwischen 1850 und 1870 Rankin: »The Forgotten People«, (Diss.), passim. Anders als Lachance, der einen wesentlichen Einbruch der Besitzverhältnisse der Free People of Color in den 50er Jahre feststellte, weist Schweningers Studie eine relative Konstanz bis in die 1860er Jahre auf.

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den Wohlstandsgrad ihrer weißen Konkurrenten erreichten.192 Im Jahre 1850 verfügten sie über 59 Prozent des gesamten Immobilienbesitzes der farbigen US-Bevölkerung. Bis zum Vorabend des Krieges sank diese Zahl bei gleichbleibender Bevölkerung auf 43 Prozent ab.193 Das Eigentum der Free People of Color war klar städtisch konzentriert. Etwa 65 Prozent der einkommensstärksten Gruppe lebte in New Orleans und anderen Städten Louisianas.194 Ihre außergewöhnliche wirtschaftliche Position half den Free People of Color jedoch nur bedingt, ihrer zunehmenden sozialen Entrechtung entgegenzuwirken. Sicherlich gelang es Einzelnen, Einschränkungen zu umgehen oder sie zumindest zeitweise zu entschärfen, allgemein jedoch war die Gruppe von einer steigenden Marginalisierung betroffen. Je seltener die angloamerikanische und auch kreolische weiße Mittelklasse bereit war, über die color line hinweg zu sehen und die wohlhabenden Free People of Color-Familien als ihresgleichen anzuerkennen, desto dringender wurde die Notwendigkeit, einen eigenen sozialen Raum zu schaffen. Begünstigt wurde diese Entwicklung von bourgeoisen Geschlechterrollen, die sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts sowohl in der weißen als auch in der farbig-kreolischen Mittelschicht verfestigten. Im Gegensatz zur versklavten Bevölkerung konnten die Free People of Color in der Antebellumzeit auf eine relativ stabile Familienstruktur zurückgreifen, die in den meisten Fällen über die eigentliche Kernfamilie hinausging.195 Zwischen 1800 und 1860 fiel zudem der Anteil unehelicher Beziehungen zugunsten von Eheschließungen innerhalb der afrokreolischen Gemeinschaft von 18% auf 1% ab.196 Selbst in solchen Familien, in denen es

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Reinders: »The Free Negro in the New Orleans Economy«, 281; Lachance: »The Limits of Privilege«, 74-76. Für eine ausführliche quantitative Analyse der Einkommens- und Besitzverhältnisse der Free People of Color siehe Rankin: »The Forgotten People of Color«, (Diss.), 115-18. Beispielbiographien wohlhabender Free People of Color liefern Gehman, 213-21 sowie Roulhac Toledano/Mary Louise Christovich: »The Role of Free People of Color in Tremé«, in: Roulhac Toledano/Mary Louise Christovich (eds.), New Orleans Architecture, vol. 6: Faubourg Tremé and the Bayou Road, Gretna, LA: Pelican 1980, 85-107. Schweninger: »Antebellum Free Persons of Color«, 350-51. Schweninger: »Prosperous Blacks«, 45. Über die Auswirkungen der Lebensbedingungen auf die Familienstruktur der SklavenInnen ist viel diskutiert worden. Während man in der frühen Forschung noch davon überzeugt war, dass die Institution der Sklaverei ein ›normales‹ Familienleben weitgehend verhinderte (E. Franklin Frazier) und vor allem die schwache Position der Ehemänner und Väter hervorhob, wiesen spätere Forscher (Herbert G. Gutman, Eugene Genovese, John Blassingame) darauf hin, dass es vielen Familien gelang, eine relativ stabile Zusammengehörigkeit aufrecht zu erhalten. Die jüngere Forschung hat sich auch der Sklavenfamilie in Louisiana zugewandt, z. B. C. Peter Ripley: »The Black Family in Transition: Louisiana, 1860-1865«, in: Journal of Southern History 41:3 (August 1975), 369-80; Ann Patton Malone: Sweet Chariot. Slave Family and Household Structure in Nineteenth-Century Louisiana, Chapel Hill: University of North Carolina Press 1992. Die Betrachtung der Familienstrukturen von freien Farbigen, vor allem im Süden, ist in der Forschung vernachlässigt worden. Einzig bisher Blassingame: Black New Orleans, Kapitel 4, passim. Gary B. Mills: »Piety and Prejudice: A Colored Catholic Community in the Antebellum South«, in: Randall M. Miller/Jon L. Wakelyn (eds.), Catholics in

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zur plaçage kam, wurden viele Aufgaben des biologischen Vaters von einem engmaschigen Familiennetzwerk übernommen. Sowohl über direkte Verwandtschaftsverhältnisse als auch über symbolische Beziehungen durch Patenschaften waren die Mitglieder der Gemeinschaft in New Orleans eng verflochten.197 Diese Verbindungen bildeten die Basis für eine zunehmende Identifikation vieler Free People of Color mit der eigenen Gruppe, die angesichts des Drucks von außen zu einer steigenden Bereitschaft führte, eine parallele soziale Welt zu schaffen. Sowohl das Schulsystem als auch die Entstehung verschiedener Clubs, Vereinigungen und Gesellschaften deuteten auf die Initiative vieler Free People of Color hin, der sozialen Marginalisation mit dem Aufbau eigener Institutionen entgegenzutreten. Das in Louisiana lange Zeit ohnehin nur rudimentär vorhandene öffentliche Bildungssystem – ein Gesetz dazu wurde erst im Jahre 1847 erlassen – schloss die Free People of Color explizit aus.198 Die Bildung ihrer Kinder basierte deshalb auf den beiden Säulen der selbstorganisierten privaten sowie der kirchlichen Schulen. Während private Schulen mit dem Ziel der Bildung der Free People of Color dem Gesetz nach illegal waren, blieben die unter der Obhut der katholischen Kirche stehenden Schulen vom Gesetzgeber unbehelligt. Die wichtigste Bildungsstätte für die Gemeinschaft wurde in den 1840er Jahren die Ecole des Orphelins Indigents. Die aus Guinea stammende Ex-Sklavin Justine Firmin Couvent hinterließ der katholischen Kirche ein Stück Land und mehrere Gebäude mit der Auflage, dass daraus eine Schule für Free Children of Color entstehen sollte. Es dauerte allerdings zwölf Jahre, bis es einigen prominenten Creoles of Color wie Armand Lanusse und Barthélemy Rey gelang, die Société Catholique pour l’Instruction des Orphelins dans l’Indigence zu gründen, die als Dachorganisation für den Aufbau der Schule zuständig war.199 In der Folgezeit entwickelte sich die auch unter dem Namen Couvent-Schule bekannte Institution zur wichtigsten Bildungsstätte der Free People of Color in New Orleans. Viele der nach dem Bürgerkrieg politisch aktiven Afrokreolen waren hier Lehrer und Direktoren, darunter Armand Lanusse, Joanni Questy und Paul Trévigne. Für die weiterführende Ausbildung auf Universitätsebene wurden viele Jungen der wohlhabenderen Familien auf Colleges im Norden oder nach Europa, besonders nach Frankreich, geschickt. Einige wurden dabei von den in den 1830er und 40er Jahren im Entstehen begriffenen Organisationen und Hilfsvereinen finanziell unterstützt. Bereits 1834 entstand die Société des Artisans de Bienfaisance et d’Assistance Mutuelle, zehn Jahre später die Dieu Nous Protège Benevolent and

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the Old South. Essays on Church and Culture, Macon, GA: Mercer UP 1983, 181. Um den sozialen Status und das Eigentum zu sichern, kam es besonders unter den wohlhabenden Free People of Color häufig zu Heiratsverträgen. Schweninger: »Antebellum Free Persons of Color in Postbellum Louisiana«, 352. Zum öffentlichen Schulsystem in Louisiana siehe Raleigh A. Suarez: »Chronicle of a Failure: Public Education in Antebellum Louisiana«, in: Louisiana History 12:2 (Spring 1971), 109-22. »Constitution de la Société Catholique, Pour l’Instruction des Orphelins dans l’Indigence«, 20. Juni 1849, Charles B. Roussève Collection, ARC, Box 1. Zur Geschichte der Couvent-Schule siehe R[odolphe] L. Desdunes: »Mme. Bernard Couvent«, in: Negro History Bulletin 7 (October 1943), 7-9.

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Mutual Aid Association.200 Die Société des Artisans stellte in vielerlei Hinsicht eine Konkurrenzvereinigung zur Société d’Economie dar, in der sich die Free People of Color der höheren gesellschaftlichen Klasse zusammenfanden.201 Beide Organisationen waren sich in ihrem Anliegen und ihrem Aufbau ähnlich. Wie viele weitere kleinere Hilfsvereine besaßen sie ein relief committee, das für die Verteilung von finanziellen Mitteln und medizinischer Hilfe sowie emotionalen Zuspruch im Falle einer Erkrankung oder eines Todesfalls innerhalb einer Mitgliedsfamilie zuständig war. Die zunehmende Organisation der Free People of Color in solchen Vereinen wurde von der weißen Hegemonialgesellschaft kritisch beobachtet. Je weiter sich das Netz ausdehnte und je autonomer sich die Gruppe darstellte, desto mehr hatte sie das Gefühl, die Kontrolle über die Free People of Color zu verlieren. 1850 wurden deshalb Neugründungen religiöser und geheimer Vereine für die Free People of Color verboten. Fünf Jahre später weitete man dieses Verbot auch auf wissenschaftliche, karitative und literarische Organisationen aus. Es scheint allerdings, als ob die bereits existierenden Assoziationen nicht betroffen waren. Unter der Trägerschaft der katholischen Kirche stehende Institutionen wie die Couvent-Schule blieben von dem Gesetz ebenfalls unberührt. Zusätzlich zu solchen Clubs, Vereinigungen und Schulen, die eng umrissene praktische Ziele verfolgten, waren die letzten beiden Jahrzehnte vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs auch vom Aufkommen unterschiedlicher Glaubenswelten geprägt. Neben dem weiterhin für die Gruppe identitätsstiftenden Katholizismus und dem Voodoo gewannen im Laufe des 19. Jahrhunderts die Freimaurerei sowie der Spiritismus an Bedeutung. Alle vier Glaubens- und Geisteshaltungen stellten auf unterschiedliche Weise Räume der spirituellen Erneuerung dar, die zunehmend ›rassisch‹ und geschlechtlich codiert waren. Während die Entstehung explizit ›rassischer‹ Räume für die Free People of Color größtenteils auf der von außen aufgezwungenen Verengung des bipolaren Rassensystems beruhte, ging die geschlechtliche Konnotierung der verschiedenen Räume von der Gemeinschaft selbst aus. Sie beruhte nicht zuletzt auf der zunehmenden Angleichung der Geschlechterrollen innerhalb der Gemeinschaft an die sich verbreitenden viktorianischen Ideale der geschlechtlichen ›Sphären‹. Ähnlich wie in den Nordstaaten beeinflussten die afrokreolischen Organisationen die Entwicklung bestimmter Geschlechterrollen.202 Die auf ihnen basierende Ordnung entstand aufgrund des komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren, von denen einige im Folgenden untersucht werden. Allgemein lässt sich sagen, dass sich in den 1840er und 50er Jahren 200

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Harry Joseph Walker: »Negro Benevolent Societies in New Orleans. A Study of Their Structure, Function, and Membership«, (M.A. thesis, Fisk University 1937), 37. Toledano/Christovich, 104. Die Erforschung der Geschlechterrollen bei freien Farbigen im Süden stellt ein Forschungsdesiderat dar. Lediglich einige Arbeiten über freie Farbige im Norden geben Anhaltspunkte, die in einem gewissen Rahmen wohl auch auf die der südstaatlichen urbanen Mittelklasse zugehörigen Free People of Color übertragen werden können. Siehe James Oliver Horton: »Freedom’s Yoke: Gender Conventions Among Antebellum Free Blacks«, in: Feminist Studies 12:1 (Spring 1986), 51-76.

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in New Orleans, ähnlich wie in vielen Städten der Nordstaaten, die sozialen Räume der freien farbigen Bevölkerung weiterentwickelten und sich dabei die patriarchale Ordnung innerhalb der Familien und der gemeinschaftlichen Organisationen festigte.203 Während sich hier eine Angleichung an die durch die weiße hegemoniale Herrschaftsschicht geprägte Lebenswelt offenbart, boten diese sozialen Räume gleichzeitig neue Möglichkeiten. Oftmals war es gerade deren erzwungene Exklusivität, die es den Free People of Color erlaubte, ein stärkeres Gruppengefühl zu entwickeln, das sie im späteren Kampf um politische und soziale Gleichberechtigung nutzen konnten. Im Folgenden werde ich die vier Bereiche des Katholizismus, des Voodoos, der Freimaurerei und des Spiritismus im Hinblick auf zwei Aspekte untersuchen. Zunächst interessieren die in den einzelnen Bereichen propagierten oder zumindest inhärent dargestellten Genderbezüge. Während etwa die Freimaurerei aufgrund ihrer Exklusion von Frauen ein männlich-definierter Raum ist, stellt der Katholizismus aufgrund der Dominanz der Women of Color ein weibliches Gegenstück dar. Ähnlich verhält es sich mit dem Voodoo, der in vielerlei Hinsicht eng mit dem Katholizismus in Verbindung steht. Der ein wenig später in Erscheinung tretende Spiritismus hatte über seine spirituelle Dimension hinaus auch eine politische. In Bezug auf die gesellschaftliche Schichtung der Räume muss angemerkt werden, dass es sich bei der Freimaurerei und dem Spiritismus um elitäre Kreise handelte, die zumindest den untersten Schichten der Free People of Color verschlossen blieben. So bewegt sich eine Untersuchung dieser vier sozialen Räume in einem Beziehungs- und Machtgeflecht zwischen der Free People of Color-Gemeinschaft und der weißen Hegemonialkultur auf der einen Seite und einem Differenzgeflecht innerhalb der eigenen Gemeinschaft auf der anderen. Neben der Untersuchung der Differenzen innerhalb der Räume und im Vergleich zu explizit ›weißen‹ sozialen Räumen, interessiert außerdem die Bedeutung der mit ihnen bereitgestellten Artikulations- und Widerstandsmöglichkeiten gegen die unterdrückende hegemoniale Gesellschaft. Vor allem der Spiritismus, der seinen Höhepunkt am Vorabend des Bürgerkriegs hatte, bot den Free People of Color einen neuen Weg, die Gemeinschaft zu stärken und sich ideologisch und identifikatorisch auf den bevorstehenden Konflikt vorzubereiten.

Katholizismus Die tiefe Verwurzelung des Katholizismus in Louisiana zeigt sich auch bei den Free People of Color, die zum überwiegenden Teil dieser Konfession angehörten. Weil die katholische Kirche weiße Väter dazu ermutigte, ihre ›rassengemischten‹ Kinder als ›natürliche‹ Nachkommen anzuerkennen und sie finanziell zu unterstützen, wurden diese Kinder eng an ihre väterliche Familienseite und damit an den Katholizismus gebunden. Diese Bindung der Free People of Color an die katholische Kirche hing darüber hinaus mit der besonderen französischen Ausprägung des Glaubens zusammen, der sich in einigen Punkten vom angloamerikanischen Katholizismus, wie er etwa in Maryland praktiziert wurde, unterschied.204 Bereits während der Kolonialzeit 203 204

Christopher B. Booker: »›I Will Wear No Chain!‹ A Social History of African American Males, Westport, CT: Praeger 2000, 44. Zum Katholizismus in Louisiana siehe Roger Baudier: The Catholic Church in Louisiana, New Orleans: A. W. Hyatt Stationary 1939; James Hennesey,

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waren die ersten Katholiken nach Louisiana gekommen. Aufgrund des schwierigen Lebens an der Siedlungsgrenze war das Gebiet Teil der Diözese Quebec und später Santiago de Kuba geblieben, bis 1793 die Diözese New Orleans etabliert wurde. Zu keiner Zeit unterstand die katholische Kirche Louisianas einer anglokatholischen Leitung.205 Gemäß seiner französischen (freimaurerischen) Prägung, war der Katholizismus in New Orleans durch einen starken Antiklerikalismus gekennzeichnet.206 Bei den katholischen Free People of Color erfreuten sich außerdem ein starker Devotionalismus, die ausgiebige Begehung kirchlicher Feiertage und Namenstage der Heiligen sowie der Fastenzeit großer Beliebtheit.207 Nachdem die katholische Kirche von New Orleans während der Kolonialzeit wegen der Entfernung zu Europa in Glaubensfragen im Wesentlichen sich selbst überlassen worden war, kam die Diözese New Orleans nach der amerikanischen Machtübernahme unter den Erzbischof von Baltimore. Dieser setzte 1815 als ersten Bischof von New Orleans William Dubourg ein, der jedoch beantragte, seinen Sitz in St. Louis einnehmen zu dürfen. Erst 1821 kam er das erste Mal nach New Orleans.208 Die amerikanische Übernahme resultierte keineswegs in einer ›Amerikanisierung‹ des Katholizismus. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein kam die Mehrzahl der kirchlichen Würdenträger aus Europa, vornehmlich aus Frankeich.209 Und auch die politische Bewegung der Know-Nothings, die in den 1850er Jahren aufkam, führte in Louisiana zu keinem Einflussverlust der katholischen Kirche.210

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S. J.: American Catholics. A History of the Roman Catholic Community in the United States, New York: Oxford UP 1981; Miller/Wakelyn: Catholics in the Old South (1983). Zum Katholizismus in der afroamerikanischen Bevölkerung siehe John T. Gillard: Colored Catholics in the United States, Baltimore: St. Josephite Press 1941; Cyprian Davis, O. S. B.: The History of Black Catholics in the United States, New York: Crossroads 1990. James B. Bennett: Religion and the Rise of Jim Crow in New Orleans, Princeton, NJ: Princeton UP 2005, 137. Dieser äußerte sich in New Orleans im Machtkampf der katholischen Kirchenvertreter mit den »Marguilliers«. Er basierte auf einer Konstellation, die zwar in den gesamten USA verbreitet war, jedoch in Louisiana für besonders heftige Auseinandersetzungen sorgte. Die katholische Kirche war nicht als juristische Einheit (juristische Person) anerkannt, was ihr verbot, Besitz zu erwerben und zu verwalten. Um diesen Umstand zu umgehen, setzte man in den Diözesen Komitees von Treuhändern ein, die von den Gemeindemitgliedern gewählt wurden. Über deren Zuständigkeiten kam es im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Kirchenvertretern und Treuhändern. Zum Problem der Kirchentreuhänder siehe Baudier, 335-44; Charles Edwards O’Neill: »›A Quarter Marked by Sundry Pecularities‹: New Orleans, Lay Trustees, and Père Antoine«, in: Catholic Historical Review 76 (1990), 235-77; Bell, 148-52. Stephen J. Ochs: A Black Patriot and a White Priest, Baton Rouge: Louisiana State UP 2000, 50. Baudier, 269. John B. Alberts: »Black Catholic Schools: the Josephite Parishes of New Orleans During the Jim Crow Era«, in: U.S. Catholic Historian 12 (Winter 1994), 80. In New Orleans waren sogar katholische Kreolen Mitglieder der KnowNothing-Partei. Wegen ihres Antiklerikalismus empfand man sie als weniger papstgläubig als die irischen Katholiken. Darüber hinaus zeigte sich die Partei

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Abb. 1: Die katholische St. Louis Cathedral am Jackson Square

Während der Antikatholizismus der Know-Nothings weitgehend ohne Auswirkungen blieb, veränderte die zunehmende Einwanderung irischer und deutscher Katholiken die Kirche Louisianas. Für die Free People of Color war die sich daraus entwickelnde Auseinandersetzung zwischen kreolischen und irischen Katholiken von Bedeutung, denn ihnen lag viel an der Beibehaltung der französischen Ausprägung des Katholizismus. Ähnlich wie in Irland, wo sich der Katholizismus aufgrund der langen Feindschaft mit dem protestantischen England stark mit nationalistischen Gefühlen aufgeladen hatte211, war der katholische Glauben für die Creoles of Color weitaus mehr als nur eine Konfession. Für sie verkörperte er das Versprechen einer gerechteren Welt, in der der Wert des Individuums sich nicht nach einer von fehlbaren Menschen konstruierten, ›unnatürlichen‹ Rassenordnung bemaß, sondern vielmehr auf dem Opfer Jesu beruhte, welches alle Menschen in seiner Erlösung mit einbezog. Weitaus mehr als nur symbolischen Wert hatte dieser Glaube in den sonntäglichen Gottesdiensten, wo die Free People of Color in aller Regel auf gleicher Stufe standen beziehungsweise in den gleichen Bänken saßen wie die außerhalb des Gotteshauses über ihnen thronende weiße Herrschaftselite.212 Dieses ›universale Ideal‹ stellte für die Free People of Color wesentlich mehr dar, als lediglich eine aus seiner historischen Entwicklung heraus entstandene Besonderheit des Katholizismus. Anders als im Protestantismus (und zum Teil dem nordstaatlichen angelsächsischen Katho-

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in Louisiana weniger katholikenfeindlich als in den Nordstaaten. Marius M. Carriere, Jr.: »Anti-Catholicism, Nativism, and Louisiana Politics in the 1850s«, in: Louisiana History 35:4 (Fall 1994), 465, 473. Zu dieser Problematik siehe Harold J. Abramson: »Ethnic Diversity Within Catholicism: A Comparative Analysis of Contemporary and Historical Religion«, in: Journal of Social History 4 (1970), 359-88. Hamilton, 344; Olmsted: Cotton Kingdom, 228.

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lizismus) sah man im katholischen Glauben einen Raum, in den die bipolaren Rassenvorstellungen der Außenwelt noch nicht vorgedrungen waren. So verwundert es auch nicht, dass viele Free People of Color unter den Gründungsmitgliedern der katholischen Kirchengemeinden waren, die während der Antebellumzeit entstanden.213 Trotz der Expansion des Protestantismus auch in Louisiana214 und der ambivalenten Haltung der katholischen Kirche zur Sklaverei und den ›Rassenlehren‹215, blieb die katholische Konfession für die Creoles of Color in seiner romanischen Ausprägung identitätsstiftend. Je stärker der Einfluss angloamerikanischer und irischer Katholiken in der Kirche von New Orleans wurde, desto stärker waren die traditionellen Rechte der Free People of Color bedroht.216 Über das Maß, in dem die Iren die katholische Kirche in Louisiana veränderten, herrscht in der Forschung Uneinigkeit.217 Klar scheint aber, dass sich der Schutzraum, den der Katholizismus den Free People of Color bot, sowohl durch die politischen Veränderungen als auch die inneren Kämpfe um die dogmatische Vorherrschaft im Verlauf der 1850er und 60er Jahre stark veränderte. Bereits während der Kriegsjahre sahen sich die Free People of Color dem steigenden Einfluss des Ras213

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St. Vincent de Paul (1838), St. Augustine (1841), St. Maurice (1844), Annunciation (1846), St. Francis de Sales, Houma (1847), St. Theresa (1849), St. John the Evangelist (1850), St. Ann (1853), Immaculate Conception (1856), St. Rose de Lima (1857) u a. mehr. Einige Free People of Color unterstützten allerdings auch die im Entstehen begriffenen protestantischen Gemeinden. 1848 wurde die African Methodist Episcopal Church in New Orleans gegründet. Bei der Mehrzahl der Mitglieder handelte es sich zwar vermutlich um angloafroamerikanische freie Farbige. Der Gerichtsfall einige Jahre später, bei dem sich die Kirche gegen das Versammlungsverbot für schwarze Kirchengemeinden wehrte, wäre allerdings ohne die Unterstützung wohlhabender Free People of Color nicht möglich gewesen. Siehe African Methodist Episcopal Church v. New Orleans (1860), 15 La. Ann. 441. Während der französischen und vor allem der spanischen Kolonialzeit war der Protestantismus größtenteils unterdrückt worden. Erst mit der amerikanischen Übernahme konnte er sich relativ unbehindert entwickeln. Eine der bekanntesten protestantischen Neugründungen in New Orleans war die Kongregationalistengemeinde von Theodore Clapp im Jahre 1822. Daneben etablierten sich 1843 die Baptisten und mit der zunehmenden deutschen Einwanderung in den 1850er Jahren die Unitarier. Siehe John K. Bettersworth: »Protestant Beginnings in New Orleans«, in: Louisiana Historical Quarterly 21 (July 1938), 823-45; Timothy F. Reilly: »Heterodox New Orleans and the Protestant South, 1800-1861«, in: Louisiana Studies 12 (Spring 1973), 533-51. Zum Verhältnis des südstaatlichen Katholizismus zur Sklaverei siehe Michael Hochgeschwender: Wahrheit, Einheit, Ordnung. Die Sklavenfrage und der amerikanische Katholizismus 1835-1870, Paderborn: Schöningh 2006; Joseph Butsch: »Catholics and the Negro«, in: Journal of Negro History 2:4 (October 1917), 393-410. John Bernard Alberts: »Origins of Black Catholic Parishes in the Archdiocese of New Orleans, 1718-1920«, (Ph.D. diss., Louisiana State University 1998), 55. Siehe dazu Randall M. Miller: »A Church in Cultural Captivity: Some Speculations on Catholic Identity in the Old South«, in: Miller/Wakelyn (eds.), Catholics in the Old South, 29-36; Michael Doorley: »Irish Catholics and French Creoles: Ethnic Struggles within the Catholic Church in New Orleans, 1835-1920«, in: Catholic Historical Review 87:1 (2001), 34-55; Hochgeschwender, 40, 98-99.

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sendenkens konservativer Geistlicher gegenüber, die ungeachtet des Universalitätsgebots freien Farbigen die Taufe oder Andachten für gefallene Soldaten verweigerten.218 In den Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg übernahm die katholische Kirche aber noch die Rolle einer konsolidierenden Kraft innerhalb der Gemeinschaft der Free People of Color. In ihrem geschützten Raum konnten sich die Creoles of Color ihrer eigenen individuellen und kollektiven Identität versichern.

Voodoo Eine ähnliche Funktion übernahm die spirituelle Bewegung des Voodoos, dessen Wurzeln ähnlich wie die des Katholizismus in die Kolonialzeit zurückreichen. Dieser religiöse Kult hatte sich in Louisiana wegen der fehlenden Kontrollorgane besonders gut verbreiten können. Ursprünglich eine von den Fon, Ewe und Yoruba in Dahomey219 und den Bantu-Stämmen im Kongotal praktizierte Religion, fand der Voodoo vermutlich über Haiti seinen Weg nach New Orleans.220 In Louisiana entstand aus unterschiedlichen Kulten Westafrikas und katholischen Elementen ein spezifischer Voodoo-Kult, der Damballa oder Schlangenkult.221 Voodoo, was in der Sprache der Fon ›Geist‹ oder ›Gottheit‹ bedeutet, wurde in New Orleans schnell zu einer synkretischen Religion, indem sie afrikanische Elemente wie altertümliche Gottheiten mit katholischen Heiligen vermischte. Ähnliche Parallelen fanden sich in der afrikanischen Vorstellung von Gut und Böse, die sich der christlichen Vorstellung von Himmel und Hölle oder Christus und dem Teufel annähern ließ. Entgegen der Annahmen vieler Zeitgenossen wies der Voodoo-Kult strikte Regeln zur Glaubensausführung auf. So waren die berühmt-berüch218

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L’Union, 6. Dezember 1862. Beschwerden über konservative katholische Priester außerdem in: L’Union, 15. November 1862, New Orleans Tribune, 1., 3. Dezember 1867. Trotz dieser Entwicklungen lehnten die geistlichen Würdenträger von New Orleans bis in die 1880er Jahre die Implementierung der ›rassischen‹ Segregation ihrer Kirchengemeinden ab. Dies änderte sich erst mit dem Amtsantritt des niederländischen Erzbischofs Francis Janssens, der 1895 mit St. Katherine die erste farbige Kirchengemeinde in New Orleans etablierte. Dahomey war ein westafrikanisches Königreich, dessen Grenzen in etwa denen des heutigen Staates Benin entsprechen. Zu den Wurzeln des Voodoo siehe Ina Johanna Fandrich: The Mysterious Voodoo Queen Marie Laveaux. A Study of Powerful Female Leadership in Nineteenth-Century New Orleans, New York: Routledge 2005, 38. Zur Entstehungsgeschichte des Voodoo in Afrika siehe Gomez, Kapitel 3; Astrid Reuter: Voodoo und andere afroamerikanische Religionen, München: Beck 2003, 14-19. Bei der Frage, ob der Voodoo über Haiti nach Louisiana kam oder direkt auf afrikanische Wurzeln zurückgeht, herrscht in der Forschung noch Uneinigkeit. Während z. B. Nathalie Dessens (2007) den Einfluss der Einwanderer aus St. Domingue betont, glaubt Ina Fandrich (2005), dass sich der Voodoo in Louisiana unabhängig von karibischen Einflüssen entwickelte. Jessie Gaston Mulira: »The Case of Voodoo in New Orleans«, in: Joseph E. Holloway (ed.), Africanisms in American Culture, Bloomington: Indiana UP 1990, 40. Voodoo ist nicht gleichzusetzen mit Hoodoo, das weniger eine Religion mit theologischen Ansichten und einer Gotteshierarchie ist, als vielmehr ein auf Folklore basierendes spiritistisches System, das vor allem mithilfe von Glücksbringern und Zaubertränken etc. versucht, das Leben der Menschen durch die Erlangung übersinnlicher Kräfte zu vereinfachen.

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tigten Zeremonien, Tänze und Rituale, die die weiße Bevölkerung zugleich faszinierten und beängstigten, durch festgelegte Regeln strukturiert. Die Hierarchie der Gottheiten wurde von einer Schöpferfigur angeführt, unter der sich die Gottheiten niedrigeren Ranges gruppierten, die als Vermittler zu den Menschen dienten.222 Es waren aber wohl vor allem die dem katholischen Glauben fremden Elemente wie die Weissagung, die Kräuterlehre und die Manipulation durch Flüche, die den Voodoo in der weißen Wahrnehmung in die Ecke von Magie und Wahnsinn drängte und ihn als ›primitives‹, gleichzeitig aber gefährliches Gegenstück zum Katholizismus erscheinen ließ. Jede Arbeit, die sich dem Voodoo widmet, sieht sich einer schwierigen Quellen- und Forschungslage gegenüber. Sowohl zeitgenössische Berichte als auch wissenschaftliche Arbeiten sind oft von einer patriarchalischen, eurozentristischen Grundhaltung gegenüber dem Voodoo geprägt. Viele der frühen Forschungsarbeiten nehmen eine überhebliche Sichtweise ein; ihre Analysen basieren oft auf unsicheren Quellen und schreiben Mythen und Clichés fort. Der Großteil der vorhandenen Quellen stammt aus der Feder weißer Männer, die über das Faszinosum Voodoo aus einer chauvinistischen und eurozentristischen Sichtweise schrieben. Doch selbst vor den aufgeklärten WissenschaftlerInnen, die sich in jüngster Zeit dem Thema Voodoo widmeten, macht der Impuls zur Romantisierung nicht Halt. So stellt die VoodooForschung in den Augen Stephan Palmiés ein klassisches Beispiel dafür dar, wie falsche und schlechte Quellen durch ständige Wiederholungen den Status von Fakten annehmen, bis jeglicher Impuls, sie zu hinterfragen, verloren geht.223 Vor diesem Hintergrund ist es schwierig, stichhaltige Aussagen zur Bedeutung des Voodoos für die Gemeinschaft der Free People of Color um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu machen. Wirft man jedoch einen kursorischen Blick auf die Zeitungsmeldungen, so fallen zweierlei Dinge auf: Zum einen steigt seit den 1840er Jahren die Zahl der Berichte über von der Polizei gesprengte Voodoo-Zeremonien deutlich an. Dies kann entweder auf eine steigende Popularität des Voodoos innerhalb der farbigen Bevölkerung hindeuten, oder aber auf die erhöhte Aufmerksamkeit der weißen Gesellschaft und ein größeres Bewusstsein für das im Voodoo enthaltene Widerstandspotenzial. Außerdem ist auffällig, dass bei den TeilnehmerInnen solcher Rituale die Frauen – sowohl als Priesterinnen als auch als praktizierende Gläubige – überwogen. Anders als in den haitianischen und westafrikanischen Ausformungen des Voodoos, wurde die Religion in New Orleans klar von Frauen dominiert.224 222 223

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Mulira, 36, 37-38. Stephan Palmié: »Conventionalization, Distortion, and Plagiarism in the Historiography of Afro-Caribbean Religion in New Orleans«, in: Wolfgang Binder (ed.), Creoles and Cajuns. French Louisiana – La Louisiane Française, Frankfurt/Main: Peter Lang 1998, 315. Als bisherige ›Krönung‹ der romantisierenden anthropologischen Geschichtsschreibung bezeichnet Palmié das Buch von Robert Tallant, welches seiner Meinung nach zu großen Teilen aus Plagiaten besteht. Robert Tallant: Voodoo in New Orleans, New York: Macmillan 1946. Auch die jüngsten Versuche, sich dem Voodoo in Louisiana wissenschaftlich zu nähern, machen noch zu starken Gebrauch von Exotismus und Sensationalismus. Siehe z. B. Martha Ward: Voodoo Queen. The Spirited Lives of Marie Laveau, Jackson: UP of Mississippi 2004. Mulira schätzt den Anteil der Frauen innerhalb des Voodoos in New Orleans auf ca. 75 % bis 80 %. Mulira, 49.

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Die Gründe für die weibliche Dominanz liegen in der Angst vieler Sklavenhalter vor dem Voodoo als möglicher Befreiungsideologie sowie seiner engen Verbindung zur farbigen Republik Haiti, die in ihrer Präzedenzrolle aus Sicht der weißen Herrscher negative Ausstrahlungskraft auf ihre (männliche) Sklavenbevölkerung haben könnte. Zwar gelang es auch männlichen Sklaven, an Voodoo-Zeremonien teilzunehmen, die tragenden Rollen in der Religionsausübung übernahmen allerdings Free Women of Color. Tatsächlich waren es vor allem weibliche Flüchtlinge aus St. Domingue, die in den Jahrzehnten nach ihrer Ankunft in Louisiana den bereits vorhandenen afrikanisch-geprägten Voodoo-Kult wesentlich beeinflussten. Eine der bekanntesten Voodoo-Queens von New Orleans war Marie Laveau, die diese Position um 1830 von ihrer Vorgängerin Sanité Dédé übernahm, deren Herkunft aus St. Domingue eindeutig nachgewiesen werden kann.225 Um die Geburt und Herkunft Laveaus ranken sich viele Gerüchte. Gesichert scheint, dass sie als Free Woman of Color um die Wende zum 19. Jahrhundert in New Orleans das Licht der Welt erblickte.226 Unter der Führung Laveaus rückte der Voodoo in das Interesse der Öffentlichkeit; vor allem die von ihr eingeführte Tradition, den St. John’s Eve im Juni am Ufer des Pontchartrain-Sees zu begehen, stieß bei Schaulustigen und Journalisten auf große Beachtung. Es scheint jedoch, als ob diese Aktivitäten in ihrer Konzeption von vorneherein darauf angelegt waren, das Interesse der weißen Bevölkerung an der fremden afrikanischen Religion gezielt zu kanalisieren, um die eigene Religionsausübung ansonsten ungestört vollziehen zu können. Die eigentlichen Kultaktivitäten fanden nach wie vor unter Ausschluss der Nichtgläubigen statt.227 In der Forschungsliteratur ist die Dominanz von Frauen im Voodoo häufig mit afrikanischen Gesellschaftsformen des Matriarchats in Verbindung gebracht worden. Jüngere Forschungen haben allerdings gezeigt, dass sich der Voodoo wie er in New Orleans praktiziert wurde, in der Führungsgruppe durch eine Zusammenarbeit zwischen den Geschlechtern auszeichnete. Die im Vergleich zu anderen religiösen aber auch säkularen Interessenverbänden als besonders machtvoll wahrgenommene Position der Frauen im Voodoo basierte auf dem eurozentristischen Blickwinkel, den die Mehrzahl der BeobachterIn225 226

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Zum Einfluss der Flüchtlinge auf die Entwicklung des Voodoos in Louisiana siehe Dessens, 159-62. 2002 fand Ina Johanna Fandrich die mutmaßliche Geburtsurkunde von Marie Laveau, aus der hervorgeht, dass Laveau – anders als bisher angenommen – erst 1801 geboren wurde. Siehe dazu »The Birth of New Orleans’ Voodoo Queen: A Long-Held Mystery Resolved«, in: Louisiana History 46:3 (2005), 293-309. Neben diesen Arbeiten sind in den vergangenen Jahren zahlreiche weitere Biographien und Artikel erschienen, z. B. Barbara Rosendale Duggal: Marie Laveau. The Voodoo Queen Repossessed, Baton Rouge: Louisiana State UP 2000; Carolyn Morrow Long: »Marie Laveau: A NineteenthCentury Voudou Priestess«, in: Louisiana History 46:3 (2005), 263-292 und A New Orleans Voudou Priestess. The Legend and Reality of Marie Laveau, Gainesville: UP of Florida 2006. Blake Touchstone: »Voodoo in New Orleans«, in: Louisiana History 12 (1972), 377. Berichte über den St. John’s Eve am Pontchartrain-See siehe New Orleans Bulletin, 25. Juni 1875; New Orleans Times, 23. Juni 1874; Daily Picayune, 26. Juni 1871, 24. Juni 1873, 26. Juni 1874, 26. Juni 1875 sowie Times-Democrat, 24. Juni 1884.

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nen einnahm. Von der viktorianischen Geschlechterordnung aus gesehen, musste die Position der Frauen innerhalb des Voodoos fremd wirken.228 In der Wahrnehmung der weißen Gesellschaft, die über die VoodooPraktiken in aller Regel aus der Außenperspektive berichtete, noch dazu von einer gesteigerten Sensationslust und einer geringschätzigen Einstellung gefärbt, stellt sich der Voodoo sowohl als ein vorwiegend weiblicher als auch als ein ›rassisch‹-determinierter Raum dar. Zwar konnte man immer wieder von der Beteiligung weißer Frauen an den Ritualen und Festivitäten des Voodoos lesen, doch war der Kult aufgrund seiner Herkunft und Geschichte eng verbunden mit den Free People of Color.229 Mit dem Voodoo in Verbindung gebracht zu werden, war aus diesem Grund für bürgerliche weiße Frauen verheerend. Empörte Meldungen über dem Voodoo verfallene weiße Frauen finden sich immer wieder in den Zeitungen der 1850er Jahre: »There were five or six white women and a dozen free women of color and one slave negress. Nearly all were young and handsome and the majority were clad in costly clothes. […] Of the white women, three are married, they are members of families of good standing, and this is the first step in error they are known to have committed. It was melancholy to witness their sense of self-debasement, as they stood prisoners, side by side with fallen ones of their own color, and with the abandoned of another and a degraded race.«230

In der Verschwisterung weißer Frauen mit den Women of Color des Voodoos sah die männliche hegemoniale Gesellschaft eine Gefahr für das eigene System, das zum einen auf der ausnahmslosen Unterdrückung der farbigen Gruppe basierte, und zum anderen auf der Erhöhung der Kernfamilie mit der moralisch tadellosen weißen Frau als Mittelpunkt. Beides war bedroht von einer möglichen Solidarisierung der Frauen über Rassengrenzen hinweg und musste deshalb im Keim erstickt werden. Nicht nur korrumpierte die weißen Frauen bereits der enge Kontakt mit den unter ihnen stehenden Free Women of Color, die gefährliche Anziehungskraft des Voodoos würde sie und ihre Familien nach Ansicht der weißen Herrscherelite entehren und ›entzivilisieren‹.231 Eine Selbsterniedrigung der weißen Frauen durch ihre Teilnahme an Voodoo-Festivitäten war daher nicht nur ein individueller Fehler, sondern bedeutete gravierende gesellschaftliche Konsequenzen.232 228

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Barbara Rosendale Duggal: »Marie Laveau. The Voodoo Queen Repossessed«, in: Sybil Kein (ed.), Creole. The History and Legacy of Louisiana’s Free People of Color, Baton Rouge: Louisiana State UP 2000, 171. In der Mehrzahl der Zeitungsberichte wurde von einer Überzahl an Free Women of Color bei den Voodoo-Treffen berichtet. Vgl. z. B. Daily Picayune, 2. August 1863. Die Teilnahme weißer Frauen und Männer an Voodoo-Zeremonien steht in starkem Kontrast zur Ausformung des Voodoos in Haiti, wo der Kult auf die Gruppe der SklavInnen beschränkt war: Dessens, 161. Daily True Delta, 29. Juni 1850. Siehe auch New Orleans Democrat, 18. Juni 1881. Daily Picayune, 2. August 1863. Auch Laveau wurde anlässlich ihres Todes die Verantwortung für den gesellschaftlichen Abstieg vieler weißer Frauen angelastet. New Orleans Democrat, 18. Juni 1881. Daily True Delta, 29. Juni 1850. Nicht nur den symbolischen gesellschaftlichen, sondern den realen Tod fand eine weiße Frau angeblich aufgrund eines

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Welche Gefahr der Voodoo für das Konstrukt der reinen und ehrenhaften weißen Frau zumindest eine Zeit lang in Louisiana bedeutete, wird auch daraus ersichtlich, dass sich viele Frauen vor dem Magnetismus des Voodoos fürchteten, ohne dass sie jemals selbst mit ihm in Kontakt gekommen wären. So offenbart ein Gerichtsfall aus dem Jahre 1850, wie ernst die Gefahr des sozialen Abstiegs durch eine mögliche Verbindung zu Voodoo-Aktivitäten genommen wurde. Laut Anklage der Geschädigten würde der Rufmord, den ein Nachbar begangen hatte, indem er sie des Voodoos bezichtigte, ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt ins Bodenlose sinken lassen: »He charged me—contemptible creature that he is—with being one of the weird sisters of that dark fraternity[.] […] If such vile charges and demands as these go unpunished, who will there be to awaken the love of this lorn bosom? Who will be won through the fictions of defamation, to smile on the lorn Zoe? Who will volunteer to make her heart throb with the blissful palpitations of wedded rupture?«233

Die ›rassische‹ Zuordnung des Voodoos in den Bereich der farbigen Bevölkerung bedeutete für die Free People of Color, dass sie sich einen Raum geschaffen hatten, den sie weitgehend selbst beherrschten. Zwar standen sie unter ständiger polizeilicher Überwachung, doch gelang es ihnen aufgrund der notorisch laxen Auslegung vieler Gesetze und der unzulänglichen Polizeiarbeit oftmals, die von der weißen Hegemonialmacht auferlegten Restriktionen zu umgehen. Besonders für die Frauen stellte die Ausübung des Voodoos eine der wenigen Möglichkeiten dar, selbstbestimmte Gemeinschaft zu erleben. Genutzt wurde diese jedoch bei weitem nicht von allen. Die Mehrzahl der oberen Gesellschaftsschicht angehörigen afrokreolischen Frauen blieb dem Katholizismus treu oder praktizierte lediglich im Privaten eine Mischform der beiden Religionen. Die Attraktivität des Voodoos für die oberen Schichten wurde dadurch gemindert, dass er sowohl in der weißen als auch der farbigen Wahrnehmung mit der sozialen Unterschicht in Verbindung gebracht wurde. Über den Katholizismus konnte man dagegen seine Zugehörigkeit zur bürgerlichen Mittelklasse belegen.

Sisters of a Holy Family Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein stellten weiße Frauen sowohl in den katholischen als auch in den protestantischen Gemeinden Louisianas die Mehrzahl der Mitglieder. Darüber hinaus riefen sie in New Orleans und einigen ländlichen Siedlungen katholische Laiengemeinschaften ins Leben. Einem frommen und bescheidenen Lebensstil anhängend, widmeten sich diese Schwesternschaften zumeist den Kranken und Schwachen sowie dem Bildungswesen.234 Für Free Women of Color waren die Möglichkeiten der akti-

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Voodoo-Zaubers, der sie ungewollt schwanger werden ließ und sowohl ihren als auch den Tod des Neugeborenen forderte. Daily Picayune, 13. August 1863. Daily Delta, 10. Juli 1850. Emily Clark: »›By All the Conduct of Their Lives‹: A Laywomen’s Confraternity in New Orleans, 1730-1744«, in: William and Mary Quarterly, 3rd series, 54:4 (October 1997), 769-94; Emily Clark: Masterless Mistresses. The New Orleans Ursulines and the Development of a New World Society, 17271834, Chapel Hill: University of North Carolina Press 2007, Kapitel 3;

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ven Mitarbeit in der katholischen Kirche allerdings begrenzt. Eine Mitgliedschaft in den Schwesternschaften blieb ihnen meistens verwehrt. Trotzdem stieg auch ihr Einfluss im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Über Taufpatenschaften und die Übernahme verschiedener Dienste bot sich ihnen die Möglichkeit, aktiv am katholischen Leben teilzunehmen.235 Einer Frau waren diese begrenzten Möglichkeiten der Einflussnahme jedoch nicht genug. Henriette Delille strebte danach, es ihren weißen Glaubensschwestern gleichzutun und ihr Leben ganz der Religion zu widmen. Sowohl um ihre Person als auch um den von ihr gegründeten Orden der Sisters of the Holy Family ranken sich viele Geschichten und Mythen. Nur wenige Quellen geben eindeutige Auskunft über die Person und ihr Werk und vieles von dem, was wir heute über sie wissen, basiert auf mündlichen Erzählungen des Ordens.236 Als Tochter von Jean Baptiste Delille und dessen plaçée Maria Josepha Diaz kam sie 1813 in New Orleans zur Welt.237 Während ihre zwei Schwestern Cecilia und Jean dem Beispiel ihrer Mutter folgten und eine plaçée-Beziehung eingingen, wandte sich Henriette von diesem Brauch ab und strebte stattdessen ein Leben als Ordensfrau an. Vermutlich erhielt sie ihre Schulbildung in der St. Claude School, die von der Dame d’Hospitalière Marthe Fontière gegründet wurde.238 Im Jahre 1836 fand sich Delille mit der Kubanerin Juliette Gaudin, Josephine Charles, der weißen Französin Marie Jean Aliquot sowie sechs weiteren uns unbekannten Frauen in einer Schwesternschaft mit dem Namen Congregation of the Sisters of the Presentation of the Blessed Virgin Mary zusammen, die allerdings von der katholischen Kirche nicht anerkannt wurde. In ihren Ordensregeln, die sie bald darauf formulierten, verschrieben sie sich drei Grundsätzen: Sie wollten fortan fromm leben, einander helfen und ihre Kraft und Aufmerksamkeit dem Wohlergehen der Gemeinschaft widmen, insbesondere den Kranken, Schwachen und Armen.239 Die Aktivitäten der drei Frauen wurden in den folgenden Jahren von der katholischen Kirche genau beobachtet. In Etienne Rousselon, der seit 1839 Diözesanvikar der St. Louis Cathedral war, fanden sie einen Unterstützer und Freund. Auch der damalige Bischof Antoine Blanc setzte sich für die Frauen

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Dolores Egger Labbé: »›Helpers in the Gospel‹: Women and Religion in Louisiana, 1800-1830«, in: Mid-America 79:2 (Summer 1997), 175; Baudier, 267. Zum Anstieg der Taufpatenschaften der Free Women of Color siehe Emily Clark/Virginia Meacham Gould: »The Feminine Face of Afro-Catholicism in New Orleans, 1727-1852«, in: William and Mary Quarterly, 3rd series, 59:2 (April 2002), 425; Clark, 185-86. Vor allem die frühen Schriften des Ordens zeigen sich überschwänglich zelebratorisch und lassen eine kritische Wissenschaftlichkeit vermissen. Siehe z. B. Sister Audrey Marie Detiege: Henriette Delille, Free Woman of Color, New Orleans: Sisters of the Holy Family 1976. Für einen Stammbaum der Familie Delille siehe Clark/Gould, 414. Martha Fontière stammte aus Frankreich und war die erste Missionarin in Louisiana, die sich ausschließlich der farbigen Bevölkerung widmete. Vgl. Virginia Meacham Gould: »Henriette Delille, Free Women of Color, and Catholicism in Antebellum New Orleans, 1727-1852«, in: David Barry Gaspar/Darlene Clark Hine (eds.), Beyond Bondage. Free Women of Color in the Americas, Urbana: University of Illinois Press 2004, 279. Virginia M. Gould/Charles E. Nolan: Henriette Delille: »Servant of Slaves«, New Orleans: Sisters of the Holy Family 1998, 10.

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ein und erreichte 1841 sogar, dass sie mit der Sodalität der Heiligen Jungfrau Maria in Rom affiliiert wurden. Allerdings ist davon auszugehen, dass Blanc nicht erwähnte, dass es sich bei der Schwesternschaft um Free Women of Color handelte.240 Ein Jahr später legten Delille und Gaudin im Rahmen der Feierlichkeiten zur Eröffnung der neuen Gemeindekirche St. Augustine241 ein privates Gelübde vor Rousselon ab und zogen in ein kleines Haus auf der Bernard Street um, das Rousselon anmietete. 1847 ließ Delille ihre Schwesternschaft als Korporation in das Register der Stadt eintragen, um von einer juristisch und finanziell sicheren Basis aus agieren zu können. Drei Jahre später erwarb sie mithilfe eines Erbes und Geschenken von Freunden ein Haus in der Bayou Road. Es beherbergte fortan ein Waisenhaus und Räume für eine Tages- und Abendschule. Dies blieb das Mutterhaus des Ordens bis 1881, als die nun unter dem Namen Sisters of the Holy Family agierenden Schwestern den ehemaligen Orleans Ballroom kauften. Bis in die 1960er Jahre hinein beherbergte der ehemalige Vergnügungstempel das Mutterhaus und die St. Mary’s Academy for Young Ladies of Color.242 Für die Free People of Color war der Orden in den 1840er Jahren eine wichtige Stütze des gemeinschaftlichen Lebens. Zwar schafften es die Sisters of the Holy Family wegen ihrer geringen Zahl nie, die Notlagen der zunehmend ins soziale Abseits gedrängten Gruppe vollständig zu lindern. Trotzdem leisteten sie durch die Pflege von Kranken und die Schulbildung von Waisenkindern einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität der Gemeinschaft. Ihre Arbeit sandte außerdem das wichtige Signal an die weiße Hegemonialgesellschaft, dass sich die Free People of Color von den Repressionen nicht einschüchtern ließen. Darüber hinaus stärkten Delille und ihre Glaubensschwestern das Gruppenbewusstsein der Free People of Color genauso wie sie ihre Identität als afrokreolische Frauen über ihr Dasein als katholische Glaubensvertreterinnen neu definierten. Der Voodoo und der Katholizismus stellten in vielerlei Hinsicht Gegenpole auf einer Achse der weiblichen religiösen und sozialen Selbstpositionierung dar. Beide boten den Free Women of Color soziale und ideologische Räume, in denen sie sich innerhalb der sowohl ›rassisch‹ als auch geschlechtlich hierarchisch organisierten Welt von New Orleans einen Freiraum schaffen konnten, von dem aus sie ein gewisses Mitspracherecht bei der gesellschaftlichen Formulierung von Werten und Lebensidealen entwickelten. Zu jeder Zeit waren diese Freiräume hart umkämpft – sowohl von Seiten der hegemonialen männlichen Herrschaft, sei sie schwarz oder weiß, als auch von Seiten konkurrierender weiblicher Instanzen. So wurden die Sisters of 240

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Sister Mary Bernard Deggs: No Cross, No Crown. Black Nuns in NineteenthCentury New Orleans, Virginia Meacham Gould/Charles E. Nolan (eds. and Introduction), Bloomington: Indiana UP 2001, xxxiii. Sister Mary Bernard Deggs wurde 1864 im East Feliciana Parish, östlich von Baton Rouge, geboren. Obwohl sie offiziell erst 1873 dem Orden beitrat, war sie bereits lange zuvor mit ihm assoziiert. Da sie die Ordensschule in der Bayou Road besuchte, ist anzunehmen, dass sie Delille noch persönlich gekannt hat. Vgl. Deggs, xiii-xiv. Zur Geschichte der St. Augustine-Gemeinde, die vor allem von Free People of Color besucht wurde, siehe Baudier, 364-65. Siehe dazu »Prospectus of St. Mary’s Academy for Young Ladies of Color, directed by the Sisters of the Holy Family«, A. P. Tureaud Papers, Series X, ARC, Box 77.

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the Holy Family vehement von Vertreterinnen weißer Nonnenorden angefeindet, die sich weigerten, ihre Gleichheit innerhalb der katholischen Kirche anzuerkennen.243 Die Gleichstellung ihres Ordens, symbolisiert durch eine einheitliche Tracht und die offizielle Anerkennung ihrer Ordensregeln, erreichten die Sisters of the Holy Family erst 1872, drei Jahre nach dem Tod ihrer Gründerin.244 Aus weißer Sicht betrachtet, stellte der Voodoo die religiöse Manifestation der natürlichen und nicht ablegbaren ›Wildheit‹ der afrikanischen Wurzeln der Free People of Color dar. Die Zeremonien halbnackter Frauen, die um heiß-brodelnde Töpfe tanzten – womöglich mit Tier- oder gar Menschenopfern darin –, waren für die weiße hegemoniale Gesellschaft ein weiterer ›Beweis‹ der ›rassischen‹ Minderwertigkeit der Free People of Color. In ihrer sexuellen Freizügigkeit ist die Voodoo-Gläubige somit ähnlich wie die Quadroon das Gegenstück zur moralisch reinen, bürgerlichen und respektablen weißen Südstaaten-Frau. Dieser Zuschreibung an die Women of Color widersetzen sich die Sisters of a Holy Family, indem sie sich nicht nur als bürgerliche, respektable Frauen inszenierten, sondern sogar als die moralisch reinsten aller Frauen, als Nonnen. Der Aufbau eines eigenen Ordens ist dabei nicht nur als wichtiger Beitrag für die Verbesserung der sozialen Stellung der Free People of Color-Gemeinschaft zu sehen, sondern auch als ein teilweises Umschreiben der bisherigen Repräsentationstraditionen. So tragen die Sisters of the Holy Family durch ihre performative Rolle als Ordensschwestern dazu bei, dem aus weißer Sicht traditionellen Bild von der Woman of Color als hypersexuelle, tugendlose und niederträchtige Frau eine Alternative gegenüberzustellen. Dabei verlangt die gesellschaftliche Rassen- und Geschlechterordnung von den Schwestern eine ›Überinszenierung‹ als Abbild des Ideals der weißen Frau, um überhaupt Glaubwürdigkeit erlangen zu können.245 Was die Free Men of Color in ihrer Lyrik forderten, versuchten einige Frauen über eine katholische Identität zu verwirklichen. Gleichzeitig muss gesehen werden, dass die Ordensschwestern in ihrer performativen Angleichung an das weiße Frauenideal auch deren geschlechtlich kodierte Stellung übernahmen. So perpetuierten die Nonnen das Bild von der gehorsamen Frau, deren Aufgaben vor allem im karitativen Bereich, nicht aber in der Kirchenlehre lagen. Sowohl beim Voodoo als auch bei den Ordensschwestern läuft ein Großteil dieser performativen Inszenierung über den Körper und seine ›sichtbare‹ 243 244 245

Deggs, 41-42. Gould/Nolan, 17. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass die Darstellung des Voodoos und des Ordens der Sisters of the Holy Family den dichotomen Topos von der Frau als ›Hure‹ oder ›Heilige‹ fortschreiben könnte. Allerdings soll der Fokus dieser Analyse nicht den Eindruck erwecken, als ob sich die Free Women of Color lediglich an diesen zwei Polen orientierten. Die Mehrzahl der Free Women of Color war weder besonders aktiv in der Ausübung ihres Voodoo-Glaubens noch in der katholischen Kirche. Es ist der schwierigen Quellenlage geschuldet, dass über die ›durchschnittlichen‹ Free Women of Color und ihre Aktivitäten in religiösen oder säkularen Vereinigungen wenig gesagt werden kann. Der sich aufdrängende Vergleich mit dem Topos rührt zudem von der Eigendynamik des hegemonialen Zuschreibungssystems, dass aufgrund seiner wiederkehrenden Repräsentationsmodi der Free Woman of Color als inhärent hypersexuell gezwungenermaßen eine stereotypisierte Form der weiblichen Identität als Ordensfrau forderte.

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Alterität. Dabei wird im Fall der Voodoo-Anhängerinnen, ähnlich wie bei der Darstellung der Quadroons, die Andersartigkeit allegorisch auf die gesamte Gemeinschaft der Free People of Color übertragen. Während sich die Voodoo-Gläubigen in der Wahrnehmung der weißen BeobachterInnen besonders durch ihre körperliche Fremdartigkeit von den weißen Frauen unterscheiden, nähern sich Delille und ihre Ordensschwestern in ihrer äußeren Erscheinung den Konventionen der herrschenden Gesellschaft an. Mehr noch: Ihre körperliche Alterität wird durch den Erwerb einer Ordenstracht sogar auf ein Minimum reduziert. Bis auf ihr Gesicht werden alle anderen körperlichen Merkmale, vor allem solche, die durch die Quadroon-Tradition sexuell aufgeladen worden sind, unter der Ordenstracht versteckt und stehen somit nicht mehr als Marker der Alterität zur Verfügung.

Freimaurerei Auch die männlichen Vertreter der Free People of Color sehnten sich angesichts ihrer Marginalisierung innerhalb der weißen Gesellschaft nach einem eigenen sozialen Raum. Diesen fanden sie in der Freimaurerei. Weiße Geheimbünde hatten sich trotz der rigorosen Bekämpfung durch die spanische Kolonialmacht und die Verurteilung durch die katholische Kirche bereits im späten 18. Jahrhundert in New Orleans gebildet.246 Selbst kirchliche Würdenträger wie der umstrittene Kapuzinermönch und spätere Pastor der St. LouisGemeinde Antonio de Sedella – besser bekannt als Père Antoine – und Mitglieder der marguilliers waren in freimaurerischen Geheimbünden vertreten.247 Der Ursprung der farbigen Freimaurerei aber lag im Nordosten. In Boston war der vermutlich aus Barbados stammende Ledermacher Prince Hall zusammen mit vierzehn weiteren farbigen Männern im Jahre 1776 von einen irischen Regiment als African Lodge No. 1 initiiert worden.248 Da sie nach dem Abzug der britischen Armee von der Grand Lodge of Massachusetts nicht anerkannt wurden, bemühte sich Prince Hall um eine Charter von der Premier Grand Lodge of England, die ihm 1784 genehmigt wurde; aus der African Lodge wurde die Masonic Lodge (African Lodge No. 459), die später in Prince Hall Lodge umbenannt wurde.249 Louisiana war neben Virginia und Maryland einer der wenigen Südstaaten, die bereits vor dem Bürgerkrieg

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Étoile Polaire (Polar Star) und Parfaite Union (Perfect Union). Glen Lee Greene: Masonry in Louisiana. A Sesquicentennial History, 1812-1962, New York: Exposition Press 1962, 36, 57. Grace King: New Orleans. The Place and the People, New York: Negro Universities Press 1968 [1895], 179. Zwischen 1821 und 1884 gab es acht päpstliche Erklärungen, die sich gegen die Freimaurerei aussprachen. Trotz der zahlreichen Erzählungen über Prince Hall gelten heute nur wenige Angaben über seine Herkunft als gesichert. Sein Geburtsdatum wird auf 1735 geschätzt. Unklar ist, ob Prince Hall ein freigelassener Sklave war oder ob er bereits als Freier geboren wurde. Die Biographie von Grimshaw aus dem Jahr 1903 wurde in wesentlichen Teilen von Charles Wesley widerlegt: Prince Hall: Life and Legacy, Washington: The United Supreme Council, Southern Jurisdiction, Prince Hall Affiliation, 1977. William A. Muraskin: Middle-Class Blacks in a White Society. Prince Hall Freemasonry in America, Berkeley: University of California Press 1975, 31-32.

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farbige Freimaurerlogen aufwiesen.250 Diese konzentrierten sich vor allem auf den Raum New Orleans, wo Free Men of Color in den fünfziger Jahren die Richmond Lodge, die Stringer Lodge und die Parsons Lodge ins Leben riefen. Alle drei Logen gründeten im Januar 1863 die Grand Lodge of Prince Hall.251 Bereits drei Jahre später kam es allerdings zu Auseinandersetzungen mit der wenig später etablierten National Grand Lodge um die Frage, wer als legitime Dachorganisation der farbigen Logen zu gelten hatte. Die Grand Lodge of Prince Hall spaltete sich daraufhin im Dezember 1866 von der National Grand Lodge ab und benannte sich in Eureka Grand Lodge um.252 In der Vorkriegszeit waren viele prominente Free Men of Color, die in der Rekonstruktionszeit als Politiker und Aktivisten für die Gleichberechtigung kämpfen würden, in der Freimaurerei organisiert, darunter der Zeitungsherausgeber Paul Trévigne, der Captain im Ersten Regiment der Native Guards Henry Rey und der politische Aktivist Jordan B. Noble.253 Die Freimaurerei innerhalb der farbigen Gesellschaft der USA ist von der Forschung lange vernachlässigt worden. Oft sah man in ihr nur einen Versuch der Farbigen, das Vorbild der weißen Freimaurer zu imitieren.254 Erst mit den revisionistischen Studien der 1970er Jahre, die sich dem kulturellen und schöpferischen Leben der Gemeinschaften der freien Farbigen zuwandten, etablierte sich eine neue Sicht.255 Der Fokus der meisten Studien liegt allerdings auch heute noch auf der Zeit nach dem Bürgerkrieg, in der es zu einem wahren Gründungsboom von Vereinen, Clubs und Geheimbünden innerhalb der afroamerikanischen Bevölkerung kam. In Louisiana war die Freimaurerei allerdings bereits vor dem Krieg bedeutend. Obwohl die Mitglieder250 251

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Edward Nelson Palmer: »Negro Secret Societies«, in: Social Forces 23:2 (December 1944), 208. »100 Years of Legitimate and Progressive Freemasonry. Centennial Souvenir of the Most Worshipful Prince Hall Grand Lodge, Free and Accepted Masons of Louisiana, 1963«, George Longe Collection, ARC, Box 41, Oversize; Proceedings of Most Worshipful Grand Lodge of Louisiana (1863), zitiert in Joseph A. Walkes, Jr.: Jno G. Lewis, Jr.—End of an Era: The History of the Prince Hall Grand Lodge of Louisiana, 1842-1979, [Leavenworth, KY]: J. A. Walkes, Jr. 1986, 21, FN 28. 1869 wurde die Eureka Grand Lodge als ›Grand Lodge of Free and Accepted Ancient York Masons for the State of Louisiana‹ von der Regierung Louisianas inkorporiert. 1944 änderte sie ihren Namen in Prince Hall Grand Lodge. Vgl. »100 Years of Legitimate and Progressive Freemasonry«, George Longe Collection, ARC; Walkes, 21. »Proceedings of the Eureka Grand Lodge, 1863«, George Longe Collection, ARC, Box 28. Leider gibt es keine genauen Zahlen zur Mitgliedschaft der Free Men of Color in Freimaurerlogen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Mitglieder während der Antebellumzeit vor allem aus der oberen Schicht rekrutierten. Gunnar Myrdal: An American Dilemma. The Negro Problem and Modern Democracy, 2 vols., vol. 2, New York: Pantheon 1962 [1944], 952-53. Trotz der erfreulichen Entwicklungen wird die Freimaurerei der Free People of Color in der Literatur noch immer marginal behandelt. Die Übersichtsstudie über die unterschiedlichen Bünde von Theda Skocpol und Jennifer Lynn Oser erwähnt die in Louisiana vorhandene farbige Freimaurerei gar nicht. Skocpol/Oser: »Organization Despite Adversity: The Origins and Development of African American Fraternal Associations«, in: Social Science History 28:3 (Fall 2004), 367-437.

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zahlen noch überschaubar waren, organisierten sich in den Logen viele prominente Vertreter der Gemeinschaft. Ihr Zusammenkommen in den Geheimbünden ermöglichte ihnen nicht nur die gegenseitige Unterstützung, sondern auch die Festigung der Gruppenidentität und diente als Brutstätte einer Protestbewegung gegen politische und soziale Ungerechtigkeiten. Abgeschirmt von der hegemonialen Außenwelt, konnten sie hier ein tragfähiges Selbstbild auf der Basis einer männlichen Mittelklasse-Identität aufbauen. Inhaltlich war die Freimaurerei vor allem wegen ihrer Verquickung von traditionellen christlichen Idealen mit aufklärerischen Ideen attraktiv.256 Die Vorstellung einer auf Gleichheit und Brüderlichkeit basierenden Gesellschaft trug großes Potenzial zur Veränderung in sich. In einer von Nächstenliebe geprägten Welt, in der humanitäres Verhalten sowohl des Individuums als auch der Gemeinschaft propagiert wurde, würde die brüderliche Einstellung der farbigen Freimaurer von der weißen Gesellschaft, wenn nicht mit Gegenliebe, so doch wenigstens mit Respekt und Toleranz beantwortet werden. Besonders die freimaurerischen Rituale waren für die Free Men of Color von tiefgehender Bedeutung. Die rituelle Tempelarbeit dient dazu, sich der eigenen Rolle innerhalb des Universums bewusst zu werden, der sich jeder Freimaurer unterwirft. Für die farbigen Freimaurer war dies freilich eine ambivalente Erfahrung, bedeutete die Unterordnung in das Universum des ›Großen Baumeisters‹ doch gleichzeitig die Eingliederung in eine von der weißen Gesellschaft bestimmten Welt. Dass die farbigen Freimaurerlogen daran interessiert waren, als reguläre Freimaurer von ihren weißen Kollegen anerkannt zu werden, bezeugen verschiedene Dokumente, in denen sie die Rechtmäßigkeit ihrer Gründungscharta betonen.257 Angesichts dieser Abhängigkeiten stellt sich die Frage, welches Widerstandspotenzial in einer Organisation stecken konnte, die sich sowohl äußerlich als auch in der Übernahme der wesentlichen Denkmuster an dem Vorbild der weißen Elite orientierte. Denn ähnlich wie die Sisters of a Holy Family waren die farbigen Freimaurer gezwungen, eine über das normale Maß hinausgehende Nachahmung zu praktizieren. Über die ritualisierte Darstellung als Freimaurer entstand eigentlich erst ihre Legitimität. Gerade hierin lag jedoch auch eine Möglichkeit zum Widerstand, denn durch eine perfekte Nachahmung stellten die Free Men of Color die normative und exkludierende Qualität der weißen Freimaurerei in Frage. Die erfolgreiche Performanz der Rituale untergrub die von der weißen Elite propagierte Unfähigkeit der farbigen Bevölkerung zur ›Zivilisation‹. Die freimaurerischen Riten boten somit die Möglichkeit, neue Identitätszuschreibungen zu machen. Über die erfolgreiche Performanz der von der hegemonialen Gesellschaft kreierten Rituale, versuchten die farbigen Freimaurer ihre bürgerliche Mittelklasse-Identität zu legitimieren.258 Diese be256 257

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Eine allgemeine Einführung in die Entstehung und das Denken der Freimaurerei bietet Helmut Reinalter: Die Freimaurer, München: Beck 2000. »The Legality of Colored Masons in America. Opinions of Distinguished White American Masons, and Decisions of American Grand Lodges, and Grand Masters, (White.)«, Proceedings of Eureka Lodge (1880), George Longe Collection, ARC, Box 28. Zum Zusammenhang von Ritual und Legitimierung siehe Jürgen Martschukat/Steffen Patzold: »Geschichtswissenschaft und ›performative turn‹: Eine Einführung in Fragestellungen, Konzepte und Literatur«, in: Jürgen Mart-

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tonte klassenspezifische, rassenübergreifende Identitätsmerkmale und verneinte eine ›natürliche‹, auf ›rassischen‹ Wesensmerkmalen basierende Zugehörigkeit zur Sklavenbevölkerung oder der Unterschicht angloamerikanischer Farbiger. In diesem Sinne waren die Freimaurer unter den Free People of Color ihren nordstaatlichen Gesinnungsbrüdern sehr ähnlich, die in der Institution der Freimaurerei ein wichtiges Mittel sahen, die mit der wachsenden Mittelklasse in Verbindung gebrachten Werte wie Selbstbeherrschung und persönliche Vervollkommnung zu verbreiten.259 Die Freimaurerei diente den Free Men of Color nicht nur dazu, eine klassenspezifische Identität darzustellen, sondern auch zur Konstruktion einer davon abhängigen Männlichkeit. Diese war wichtig, um sich gegen die von der weißen Gesellschaft angenommene ›natürliche‹ Verwandtschaft zwischen ihnen und der Sklavenbevölkerung aufgrund ihres gemeinsamen ›rassischen‹ Erbes zur Wehr zu setzen. Die Tatsache, dass die Free People of Color auch ein gemeinsames Erbe mit der weißen Bevölkerung teilten, wurde von dieser gerne übersehen. So bot die Freimaurerei den Men of Color neben dem Militär, aus dem sie seit der Schlacht um New Orleans ausgeschlossen blieben, einen wichtigen Ort, in dem sie männliche Identitäten leben konnten. Männlich-konnotiert war das Freimaurertum nicht nur wegen seines Ausschlusses von Frauen, sondern aufgrund der »maskulin strukturierten Symbolik«260 seiner Rituale. Phallische Zeichen sind genauso Ausdruck dieser Maskulinität wie die hierarchische Gliederung der Logen und das dualistische Denken, das zwischen dem männlichen Bürger und dem weiblichen Gattungswesen unterscheidet. Die Freimaurerlogen der Creoles of Color waren homosoziale Räume, in denen die Mitglieder Kämpfe um patriarchalische Vorrechte austragen konnten.261 Hier mussten sie sich entsprechend ihrer Position in der Gesellschaft messen lassen und sich in der hierarchischen Organisation der Meistergrade nach oben arbeiten. Über hohe Mitgliedsbeiträge und die strenge Befolgung der Rituale versuchten die Freimaurer die gewünschten Merkmale einer bürgerlichen Identität ihrer Mitglieder sicherzustellen und die daran gekoppelten Werte wie Respektabilität, Moral und Strebsamkeit zu propagieren.262

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schukat/Steffen Patzold (Hg.), Geschichtswissenschaft und ›Performative Turn‹. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln: Böhlau 2003, 8. Mark C. Carnes: Secret Ritual and Manhood in Victorian America, New Haven, CT: Yale UP 1989, 32. Elke Müller-Mees: »Freimaurer: Über sechs Millionen verschworene Männer – Eine Außenansicht«, in: Gisela Völger/Karin v. Welck (Hg.), Männerbande – Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich, Zweibändige Materialiensammlung zu einer Ausstellung des Rauthenstrauch-Joest-Museums für Völkerkunde in der Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln vom 23. März bis 17. Juni 1990, Köln: Wienand 1990, 49. Als homosozial werden solche Räume bezeichnet, in denen Männer die Begegnung mit anderen Männern suchen. Diese kann, muss aber nicht, eine erotische Komponente haben. Jean Lipman-Blumen: »Toward a Homosocial Theory of Sex Roles: An Explanation of the Sex Segregation of Social Institutions«, in: Signs 1:3 (Spring 1976), 16. Martin Summers: »Diasporic Brotherhood: Freemasonry and the Transnational Production of Black Middle-Class Masculinity«, in: Gender & History 15:3 (November 2003), 564.

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Analog zum Versuch der Sisters of the Holy Family, das von der weißen Hegemonialmacht perpetuierte Bild von der farbigen Weiblichkeit als hypersexuell und unehrenhaft zu revidieren, bot sich den Free Men of Color mit der Freimaurerei die Möglichkeit, das eigene Männlichkeitsbild umzuformen. Das steigende Interesse der weißen Mittelklasse an der Freimaurerei in der Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Forschung damit begründet, dass sich die Männer aufgrund veränderter Lebenswelten in einem zunehmend kapitalistischen System der Kontrolle über sich selbst und ihre Leben vergewissern mussten. Der erstarkende Individualismus in Wirtschaft und Privatleben verlangte den Männern immer mehr ab; die geregelten Ordnungsvorstellungen und Rituale der Freimaurerei boten daher ein Gerüst, in dem sich jeder Einzelne als Teil eines kontrollierten männlichen Gemeinschaftskörpers fühlen konnte.263 Auf ähnliche Weise bot die Freimaurerei den Creoles of Color eine Möglichkeit, dem Chaos der von ihnen nur schwer zu beeinflussenden Außenwelt zu entkommen und zumindest in einem Teil ihres Lebens Selbstbestimmung und Ordnung walten zu lassen. Mit rituellen Handlungen, in denen der Übergang des jungen Mannes in die Erwachsenenwelt zelebriert wurde und die ihn feierlich in die Gemeinschaft von Vätern und Familienoberhäuptern aufnahmen, konnten die Free Men of Color zumindest symbolisch die Kontrolle und familiäre Macht zurückerlangen, die ihnen die weiße hegemoniale Männlichkeit durch die versuchte Inbesitznahme der farbigen Frauen und die Verweigerung der Mitbestimmung absprechen wollte. Die Free Men of Color reagierten darüber hinaus auf ihre eingeschränkte Macht innerhalb anderer Räume der Sozialisierung, wie der Kirche, wo ihnen als farbige Männer keinerlei machtvolle Position zukam. Außerdem sahen sie sich einer Neudefinition von häuslicher Macht gegenüber, die der Frau als Mutter und Erzieherin immer mehr Bedeutung zusprach und den Mann aus der familiären ›Sphäre‹ hinausdrängte.264 Neben ihrer nach innen gerichteten Bedeutung in Bezug auf die Konstruktion einer männlichen Mittelklasse-Identität, war die Freimaurerei wichtig als Keimzelle politischen und gesellschaftlichen Widerstands. William Muraskin hat darauf hingewiesen, dass die Arbeit in den Komitees der Freimaurerlogen vielen erstmals die Möglichkeit bot, Erfahrungen in der Verwaltung, der Gerichtsbarkeit und im Finanzwesen zu sammeln.265 Da die Free People of Color in Louisiana bereits vor dem Bürgerkrieg vergleichsweise stark in der Unternehmenswelt vertreten waren, hatten sie in dieser Hinsicht sicherlich einen Vorsprung vor anderen Gruppen. Dennoch halfen ihnen diese Erfahrungen bei ihrer politischen Arbeit in den Nachkriegsjahren. Direktes politisches Engagement war aus den Freimaurerlogen heraus allerdings nicht zu erwarten. Zwar strebten sie eine Verbesserung der Gesellschaft an, zu erreichen war diese jedoch nicht durch aktiven politischen Kampf der Logenmitglieder – zumindest nicht in ihrer Funktion als solche –, sondern durch die sittliche ›Veredelung‹ des Einzelnen und damit der gesamten Gesellschaft. Der Menschheitsverbund, der sich durch Toleranz und Brüderlichkeit auszeichnete, und den die Freimaurer in ihrem kleinen Kreis zu leben versuchten, sollte auf das große Ganze der Gesellschaft übertragen 263 264 265

Vgl. Dana D. Nelson: National Manhood. Capitalist Citizenship and the Imagined Fraternity of White Men, Durham: Duke UP 1998, 185. Vgl. Carnes, 93-127. Muraskin, 129.

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werden.266 Obwohl sich die farbige Freimaurerei Louisianas an diesen Vorgaben orientierte, erscheint zumindest eine punktuelle Abweichung von dieser Norm möglich. Aufgrund der französisch-kreolischen Abstammung der Mehrzahl ihrer Mitglieder, orientierten sich die Free Men of Color weniger an der angloamerikanischen als an der französischen Form der Freimaurerei. Diese bejahte die Ideen des Liberalismus und der Revolution und lehnte die Beschäftigung mit politischen Ideen innerhalb ihrer Logenarbeit nicht so kategorisch ab wie die englische oder amerikanische. Das traditionell nach innen gerichtete Agieren der Freimaurerei wandelten sie häufig in eine aktive Teilnahme am politischen Leben um.267 Die Verbindung der farbigen Freimaurerei mit der radikalen republikanischen Politik in den 1860er Jahren offenbart sich in den Meldungen aus den Freimaurerzirkeln, die die afrokreolische Tribune de la Nouvelle-Orléans, die seit 1864 erschien, in regelmäßigen Abständen brachte.268 Mit der Emanzipation der Sklavenbevölkerung stellte sich allerdings auch für die Freimaurerei ein wesentliches Problem. Die Free Men of Color hatten während der Antebellumzeit ein Selbstbild konstruiert, das sich auf ihre Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Mittelschicht Louisianas stützte. Nach dem Bürgerkrieg entstanden vermehrt Logen, die ehemalige Sklaven aufnahmen und in Konkurrenz standen zu den als exklusiv wahrgenommenen Prince Hall-Logen. Anders als Joseph Logsdon, der die Freimaurerlogen nach dem Bürgerkrieg vor allem als Orte der Begegnung und der produktiven Zusammenarbeit zwischen Free Men of Color und ehemaligen Sklaven beschreibt, sehe ich in ihnen eher einen Ort der bewusst gewählten Differenzierung und Absonderung.269 Während die politischen Aktivisten der Creole of Color-Gemeinschaft – wie in einem der nächsten Kapitel beschrieben wird – vermehrt dazu gezwungen waren, ihre exklusive Identität als Mittelklassemänner zugunsten einer inklusiveren afroamerikanischen Variante aufzugeben, bot sich gerade in der Freimaurerei eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten zur Auslebung einer differenten Identität. Die im Jahre 1867 ins Leben gerufene Fraternité Lodge No. 20 etwa wählte als Amts- und Umgangssprache Französisch; eine Wahl die aufgrund des starken Bedeutungsrückgangs der französischen Sprache eindeutig als politisches und kulturelles Zugehörigkeitsstatement gedeutet werden kann. Auch finden sich unter den Gründungsmitgliedern vor allem afrokreolische Namen, zum Beispiel Arnold Bertonneau, Louis Nelson Fouché, Henry Louis Rey, Octave Rey oder Paul Trévigne.270 266

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Rolf Appel: »Die Freimaurer – Eine Innenansicht«, in: Gisela Völger/Karin v. Welck (Hg.), Männerbande – Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich, Zweibändige Materialiensammlung zu einer Ausstellung des Rauthenstrauch-Joest-Museums für Völkerkunde in der Josef-HaubrichKunsthalle Köln vom 23. März bis 17. Juni 1990, Köln: Wienand 1990, 355. Alexander Giese: Die Freimaurer. Eine Einführung, 4. erw. Aufl., Wien: Böhlau 2005, 69. New Orleans Tribune, 31. August, 1. September, 7. Oktober 1865, 2. Mai, 28. Dezember 1867. Joseph Logsdon: »Americans and Creoles in New Orleans: The Origins of Black Citizenship in the United States«, in: Amerikastudien/American Studies 34 (1989), 192. New Orleans Tribune, 23. Juni 1867; Fraternité No. 20, Minutes Book, 18681873, George Longe Collection, ARC.

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Spiritismus Die Enttäuschung über die zunehmend konservative Einstellung der katholischen Kirche, die der Freimaurerei in den 1850er Jahren vermehrten Zulauf durch Free People of Color bescherte, führte zur Entstehung einer weiteren Erneuerungsbewegung im städtischen Louisiana: dem Spiritismus. Ihren Anfang hatte die spiritistische Glaubensrichtung 1848 in Hydesville im Staat New York genommen, wo die dreizehnjährige Margaret Fox und ihre Schwester Kate eines Nachts Klopfgeräusche hörten, deren Urheber angeblich der Geist eines ermordeten Hausierers war. Sie glaubten, dass sie mit dem Geist Verbindung aufnehmen und über ihn Antworten auf wichtige Fragen erhalten konnten. In kürzester Zeit versammelte sich um die Schwestern, die bald öffentliche Séancen abhielten, eine wachsende Gefolgschaft. Grundgedanke des Spiritismus war der Glaube an das Weiterleben der individuellen Psyche nach dem Tod. Mithilfe besonders begabter Personen, so genannter Medien, und bestimmter Praktiken, sei es außerdem möglich, Kontakt mit den Geistern der Verstorbenen aufzunehmen. Diese meldeten sich während der Sitzungen durch Klopfgeräusche, Bewegungen des Tisches, Luftstöße, von unsichtbarer Hand gespielter Musik oder durch Mitteilungen, die über die Hand des Mediums aufgeschrieben wurden.271 Der Spiritismus war eine Reaktion der Menschen auf die sich im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung und Umstrukturierung der Gesellschaftsordnung verändernden Lebensumstände, die in ihnen das Bedürfnis nach einer persönlicheren Form der Religiosität weckten. Die zeitgleiche Fixierung auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die in jeden Bereich des gesellschaftlichen und familiären Lebens drängten, führte vielfach zu einer Abkehr vom Positivismus und ließ sie nach einer neuen Verbindung zu einer überirdischen Welt suchen. Die aufkommende Form der spirituellen Erneuerung speiste sich zum Teil aus bereits bestehenden Religionen wie dem Quäkertum und dem Unitarismus, aber auch aus philosophischen Richtungen wie dem Transzendentalismus. Dazu kamen Vorstellungen von der ›einen, allumfassenden Naturgewalt‹, die letztlich die Universalität der menschlichen Erfahrungen begründete.272 Wegbereiter für die Phänomenologie des Spiritismus waren die bereits Anfang des 19. Jahrhunderts gemachten Beobachtungen der Mesmeristen, die bei unter Hypnose stehenden Personen hellseherische Fähigkeiten beobachtet hatten. Trotz dieser Vielfalt an Einflüssen blieb der Spiritismus stets im Referenzrahmen des christlichen Glaubens. Selbst die Praxis der Kommunikation mit den Geistern verwies auf Traditionen der jüdisch-christlichen Religionen. Allerdings äußerten die Spiritisten Kritik an der Institution der Kirche, die ihnen zu dogmatisch und hierarchisch erschien. Spiritisten wollten die Kommunikation untereinander und mit der jenseitigen Welt wieder aufnehmen, die ihrer Meinung nach durch die Institutionalisierung und Ritualisierung des Glaubens verlorengegangen war. Der Ablehnung gegenüber der Kirche als Institution entsprach auch der Fokus auf die Séancen, in denen Kontakt zu 271 272

Howard Kerr: Mediums, Spirit-Rappers, and Roaring Radicals. Spiritualism in American Literature, 1850-1900, Urbana: University of Illinois Press 1972, 5. Bret E. Carroll: Spiritualism in Antebellum America, Bloomington: Indiana UP 1997, 4; Bell, 188.

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verstorbenen Personen mithilfe eines Mediums hergestellt wurde. Die Symbolik des Kreises, zu dem sich die Teilnehmer zusammenfanden, spiegelte die kosmische Ordnung und Harmonie wider, die die Spiritisten in der traditionellen christlichen Kirche nicht mehr fanden.273 Der Spiritismus blieb zwar im Wesentlichen ein nordstaatliches und weißes Phänomen, eine wichtige Ausnahme bildete jedoch New Orleans, wo sich in den 1850er Jahren nicht nur ein weißer, sondern auch ein afrokreolischer Spiritistenzirkel bildete. Zwar scheinen die Gruppen voneinander getrennt gewesen zu sein, doch geht aus den Séanceprotokollen des afrokreolischen Zirkels hervor, dass es zumindest einen sporadischen Austausch gab.274 Ähnlich wie die Société du Magnétisme de la Nouvelle-Orléans waren sowohl der weiße als auch der farbige Spiritistenkreis von der kreolischen Bevölkerung der Stadt dominiert.275 Die wichtigsten Medien des afrokreolischen Spiritistenkreises waren Valmour, über den nicht viel bekannt ist, und Henri Louis Rey, in dessen Haus viele der Séancen stattfanden. Rey war gebildet und entstammte einer der angesehensten Familien Louisianas. Sein Vater war Barthélemy Rey, der in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied der Couvent-Schule eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft eingenommen hatte. Anders als bei der Freimaurerei handelte es sich beim Spiritismus um eine geschlechterübergreifende Bewegung. Zwar wurde in den überlieferten Sitzungsprotokollen nicht immer die gesamte Anwesenheitsliste niedergeschrieben, doch finden sich immer wieder Eintragungen, dass bestimmte Frauen – meistens die Ehefrauen oder erwachsenen Töchter anwesender Spiritisten – an den Séancen teilnahmen. Offenbar fungierten sie manchmal auch als Medium. Der Spiritismus war für die Free People of Color aus mehreren Gründen eine attraktive Alternative zum Katholizismus. Anders als dessen dogmatische Lehren, die nicht immer auf rational nachvollziehbaren Feststellungen 273

274

275

Carroll, 9, 129. Für eine Kritik an der Institution der katholischen Kirche und besonders den Kirchenvertretern siehe ›The Unknown‹, 13. Juli 1870, René Grandjean Collection, Series IX: Spiritualism Records, Subseries IX.1: Séance Registers, UNO, Box 66. René Grandjean war 1889 in Frankreich geboren worden und wanderte über die Zwischenstation Haiti nach New Orleans aus. Dort kam er mit Rodolphe Desdunes in Kontakt, über den er seine spätere Frau Assitha Dubuclet kennen lernte, eine Nachfahrin Antoine Dubuclets, der während der Rekonstruktionszeit Schatzmeister von Louisiana war. Vermutlich über diese familiären Kontakte kam Grandjean in den Besitz der Séance-Protokolle der Spiritistengruppe. Seine Übersetzungen ins Englische sind heute Teil der Grandjean-Sammlung. Wo nicht anders angegeben, handelt es sich bei englischen Zitaten um diese Übersetzungen. Lagen keine englischen Übersetzungen vor, habe ich die entsprechenden Stellen ins Deutsche übersetzt. Es gab auch Kontakt zwischen den nordstaatlichen Spiritisten und ihren KollegInnen in New Orleans. Emma Hardinge Britten, ein einflussreiches ›Medium‹, unternahm Reisen in den Süden und kam dort in Kontakt mit Valmour, der im spiritistischen Zirkel von New Orleans eine wichtige Position einnahm. Emma Hardinge Britten: Modern American Spiritualism. A Twenty Years’ Record of the Communion between Earth and the World of Spirits, New York: University Books 1870. Wallace K. Tomlinson/J. John Perret: »Mesmerism in New Orleans, 18451862«, in: American Journal of Psychiatry 131:12 (December 1974), 1403. Auch die in den 1850er Jahren erscheinende Zeitschrift Le Spiritualiste de la Nouvelle-Orléans wurde von dem Kreolen Joseph Barthet herausgebracht.

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beruhten, vermochte es der Spiritismus aus Sicht seiner Anhänger, seine Lehren durch empirische Manifestationen greifbar zu machen.276 Die Unsterblichkeit der Seele, die sich in den Nachrichten der Verstorbenen äußerte, musste einer Gruppe wie den Creoles of Color, die sich im Diesseits einer ungerechten Lebenswelt gegenüber sahen, als beruhigende Verheißung erscheinen. Darüber hinaus besaß eine weitere Eigenschaft der neuen spirituellen Bewegung eine besondere Anziehungskraft: Der private Charakter der Spiritistenzirkel bot den Free People of Color den notwendigen Raum, um über den Weg der spirituellen Erneuerung Kritik am Gesellschaftssystem Louisianas zu üben. Tatsächlich wurde der Spiritismus zu einer Brutstätte progressiven Denkens. Die Forschung hat bisher vor allem seine Bedeutung für die Entwicklung der Frauenrechte betont, seine Verbindung zu politischen Ideologien ist dagegen vernachlässigt worden. Die Quellen der afrokreolischen Spiritisten zeigen allerdings deutlich, dass sie die neue religiöse Bewegung nicht nur zur spirituellen Erneuerung nutzten, sondern auch um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen. Das im Spiritismus enthaltene Widerstandspotenzial blieb der weißen Hegemonialmacht nicht verborgen. Dass man in den Spiritisten zum Teil gefährliche Radikale sah, drückt beispielsweise die Überschrift eines Zeitungsartikels im New York Herald aus, in dem der Termin einer bevorstehenden Versammlung bekannt gegeben wird und wo der Spiritismus neben all den anderen Gruppierungen erscheint, die man zu jener Zeit fürchtete: »Free Lovers, Spiritualists, Fourierites, Women’s Rights Men, Negro Equality Men and Miscegens in Convocation!«277 In Louisiana konnte sich während der 1850er Jahre der afrokreolische Spiritistenzirkel im Schutz der Privatsphäre dennoch ungestört treffen. Die überlieferten Protokolle ihrer Séancen zeugen von einer hohen Aktivität Ende der 1850er Jahre, die durch den Ausbruch des Bürgerkriegs unterbrochen wurde. Noch während der Krieg in den übrigen Bundesstaaten wütete, ließen Rey und andere prominente Free People of Color den Zirkel wieder aufleben. Unter dem Eindruck der Geschehnisse und der einmaligen Chance, endlich ihre Gleichberechtigung erlangen zu können, gewannen die Themen ihrer Séancen einen eindeutig politischen Charakter. So überrascht auch nicht, dass in dieser Zeit überwiegend die Geister verstorbener Revolutionäre und Staatstheoretiker wie Montesquieu, Béranger oder Toussaint l’Ouverture zu ihnen sprachen. Aber auch Verstorbene der eigenen Gemeinschaft melden sich zu Wort wie zum Beispiel die ›Märtyrer‹ des Aufstandes von 1866, Victor Lacroix und C. Auguste, oder der Held von Port Hudson, André Cailloux. Neben großen Staatsmännern wie Washington, Jefferson und Lincoln sprachen auch die Geister einfacher Menschen zu den Spiritisten, darunter Prostituierte, Sklaven und anonyme Personen ohne besonderen Rang und Namen.278 Anders als der europäische Spiritismus glaubte die amerikanische Ausprägung an die Möglichkeit, mit ihrer spirituellen Bewegung auf die irdi276 277

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Le Spiritualiste de la Nouvelle-Orléans, April 1857, hintere Außenseite. New York Herald, 4. September 1866, zitiert in Robert S. Cox: Body and Soul. A Sympathetic History of American Spiritualism, Charlottesville: University of Virginia Press 2003, 162. »Une qui Souffrit«, 22. Juli 1871, Grandjean Collection, Box 32; Rosalie Dubuclet, 29. April 1872, Box 65; »L’Inconnu«, kein Datum, Box 32 und 13. Juli 1870, Box 66.

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schen politischen und sozialen Probleme Einfluss nehmen zu können.279 Durch seine Abgeschlossenheit bot der Spiritismus den Free People of Color einen idealen Raum, Meinungen zu äußern und Forderungen zu formulieren, die in der Außenwelt als subversiv gewertet und deshalb unter Strafe gestellt worden wären. Die Erfahrung als Gruppe mit denselben Wünschen, Hoffnungen, aber auch Ängsten förderte darüber hinaus die eigene Wahrnehmung als Teil eines Kollektivs, auf der sich im späteren Verlauf das politische Agieren der Free People of Color aufbaute. Die Bedeutung des Spiritismus für den Kampf um soziale und politische Gleichberechtigung kam in einer Botschaft des erst sechzehnjährigen Soldaten John H. Crowder an das Medium Henry Rey zum Ausdruck: »[U]nderstand always that you must battle and never forget to let us use your medium powers as an active translation of our thoughts, desires and necessary teachings of the good of truth and justice. […] The dead’s language […] is full of real life, why should you not write it in the language we want?«280

Zur Konstruktion der Gruppenidentität trugen vor allem die Nachrichten von verstorbenen Mitgliedern der Gemeinschaft bei, darunter die des Helden von Port Hudson, André Cailloux, der sich bereits wenige Monate nach seinem Tod ›meldete‹. In seiner Nachricht betonte er, dass sein Tod nicht umsonst gewesen sei, sondern ein Zeichen gegen die irdische Ungerechtigkeit, die man den farbigen Soldaten und der Gruppe insgesamt antat. Indem er auf den Wert und die Notwendigkeit des Kampfes für die Gleichberechtigung hinwies und die lebenden Mitglieder seiner Gruppe seiner Unterstützung versicherte, forderte er sie auf, es ihm in seiner Opferbereitschaft gleichzutun. In seiner Nachricht an die Spiritisten hieß es: »Es war notwendig, dass Caillou und Crowder starben, um das Unrecht jener zu offenbaren, die den Mut der Schwarzen als Soldaten nicht anerkennen können und die in ihnen die Qualitäten, die einen guten Offizier ausmachen, leugnen wollen. Ich bin mit euch, liebe Freunde, in den Kämpfen wird mein Geist unter euch sein, er wird in euch den männlichen Mut entflammen und die unbändige Energie, die ich, seit ich hier bin, in den Seelen vieler meiner Kampfgenossen gelesen habe. Ich werde die Fackel sein, die euch lenken wird. […] Es wird Opfer brauchen, die als Trittbrett zur Freiheit dienen. […] Sie vermochten es, meinen Körper zu töten, aber es gibt zwei Dinge, die ich von Gott bekommen habe und die sie nicht auslöschen können: meine Seele und meine Liebe zur Freiheit, die hier regiert und die ich in das Ohr meiner trägen Freunde einhauche[.]«281

Auch die Nachrichten von weißen Politikern wie Lincoln und Washington sowie von französischen Freiheitskämpfern bestärkten die Free People of Color in ihrem Vorhaben, gegen die Unterdrückung durch das hegemoniale System vorzugehen. Etwas mehr als ein halbes Jahr nach seiner Ermordung 279 280 281

Kerr, 11. John H. Crowder, kein Datum, Grandjean Collection, Box 32. Capt. Cailloux, 17. Juli 1863, Grandjean Collection, Box 30. An die Opferbereitschaft appellierte auch der französische Literat Béranger, 7. Januar 1872, Box 38.

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erinnerte Lincoln die Spiritisten daran, dass sie wie ihre weißen Brüder und Schwestern Kinder Gottes seien und versicherte ihnen, dass ihnen früher oder später die gleiche Behandlung auf Erden zuteil würde: »Ich versichere euch, meine Kinder, die Freiheit wird auf der Erde herrschen, denn sie entspringt dem Himmel. Es war Gott, der sie schuf, nicht die Menschheit. […] Nur Mut, meine Brüder. Gott wacht über euch alle. Ihr werdet für die Leiden, die ihr ausgehalten habt, entschädigt werden, ihr und eure Kinder.«282

Verstärkt wurde die Botschaft von der unaufhaltsamen Gerechtigkeit, die über die Gesellschaft Louisianas kommen würde, von den Stimmen ehemaliger Herrscher. Napoleon zeigte sich als reumütiger Ex-Kaiser, der auf Erden den Mächtigen der Welt und dem einfachen Volk gleichermaßen das Fürchten gelehrt, der am Ende aber hatte einsehen müssen, dass er dem jüngsten Gericht nicht entkommen konnte. Er warnte diejenigen, die sich dem Fortschritt noch immer in den Weg stellten und die Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung verhindern wollten: »You who believe yourselves masters; you are mistaken; you are nothing but the slaves of your pride. You, the first on Earth, will be the last here and like me, you will regret the Royal Ermine which dress your shoulders and which today is stiff burning mine at the souvenir of the infamous role which it made me play.«283

Aus den vielen Nachrichten, die der afrokreolische Spiritistenzirkel von ehemaligen Herrschern, Geistlichen, Philosophen, Revolutionären und Staatsmännern hörte, spricht ihr Glaube an die Zerschlagung des hegemonialen Systems ohne unnötiges Blutvergießen.284 Sie zeigen auch, wie sie ihre eigene Rolle in diesem Kampf sahen. Als Vorkämpfer und Stimme der Sprachlosen würden sie nicht der Versuchung erliegen, sich an ihren Unterdrückern zu rächen. Vielmehr wurde in unzähligen Nachrichten die Barmherzigkeit in den Vordergrund gerückt, die im Spiritismus eine große Rolle spielte. Der farbigen Bevölkerung kam dabei die Rolle eines ›schwarzen Messias‹ zu, der frei von Rachegedanken trotz der großen Ungerechtigkeiten für eine bessere Welt für alle kämpfte. Der französische Heilige Vincent de Paul, der von Piraten verschleppt worden war und zwei Jahre in Tunis in der Sklaverei verbrachte, betonte immer wieder die Notwendigkeit, sich barmherzig zu zeigen.285 Selbst der zu Lebzeiten alles andere als den gewaltlosen Widerstand predigende John Brown lobte in einer Nachricht den afrokreolischen Märtyrer Cailloux: »[T]he Black Christ, who fell under bullets, has said: ›My Father! I have forgiven them; for, they knew not what they were doing!‹«286 282

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Abraham Lincoln, 7. Dezember 1865, Grandjean Collection, Box 31. Für ähnliche Aussagen siehe auch die Nachrichten von Lacroix, 21. Februar 1869, Box 31; Lamenais, 25. März 1869, Box 66; André C. Robesspierre, 14. Juli 1870, Box 32. Napoléon, 18. Februar 1869, Grandjean Collection, Box 32. Ambroise, 16. Februar 1872, Grandjean Collection, Box 66. Vincent de Paule, 27. November 1871, Grandjean Collection, Box 34; 8. Januar 1872, Box 38; 15. September 1874, Box 67; außerdem Dominique You, 1. August 1870, Box 66. John Brown, 8. Februar 1872, Grandjean Collection, Box 66.

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Wenn aus den Séanceprotokollen der Afrokreolen nun aber die Ansicht spricht, dass sie keinen gewaltsamen Umsturz des Systems anstrebten, so stellt sich die Frage, wie sie ihre Vorstellung von einer gerechteren Gesellschaft verwirklichen wollten. Verschiedene Nachrichten propagierten zu diesem Zwecke die Vereinigung der Menschen über Rassengrenzen hinweg. Der Brutalität der Hegemonialmacht musste man nach Meinung des von Weißen ermordeten Ex-Sklaven W. R. Meadows mit der Bildung einer Bruderschaft begegnen, die keine nationalen, aber auch keine ›rassischen‹ Unterschiede kennen sollte.287 Der aus der französischen Revolution übernommene Ruf nach Brüderlichkeit wurde auch vom Geist des französischen Romantikers Lamenais, den die Free People of Color verehrten, für die Louisianians fruchtbar gemacht. In seiner Nachricht bekam sie eine besondere Komponente durch seine doppeldeutige Formulierung, die sowohl die Verschmelzung der ›Rassen‹ im Sinne der unterschiedlichen Gesellschaftsteile, als auch die ›Rassenmischung‹ als Ziel implizierte.288 Fast schon komische Züge nehmen aus heutiger Sicht die Nachrichten verschiedener ›Indianer‹ an, die sich ganz im Stile der großen französischen Revolutionäre für die Freiheit und Brüderlichkeit aussprachen und dabei auf Elemente ihrer Kultur zurückgriffen. So hieß es in der Nachricht von Poloah: »Es lebe die Freiheit! Es lebe die spirituelle Brüderlichkeit, mit ihrem wunderbaren Band, das die Chinesen, die Hottentotten und so weiter vereint. […] Es gibt hier Brüder, in jeder Hinsicht des Wortes. Wir alle rauchen hier die Friedenspfeife und der Tomahawk ist für ewig vergraben, wie eine Erinnerung an die Barbarei.«289 Da die überlieferten Spiritistenprotokolle die wichtige Umbruchszeit zwischen dem Ausbruch des Bürgerkriegs über die turbulente Rekonstruktionszeit bis in die Zeit der konservativen Redemption in den 1870er Jahren umfassen, eignen sie sich gut, um einen Eindruck von den Vorstellungen der Free People of Color von einer gerechteren Welt zu gewinnen. Die Häufigkeit, mit der bestimmte Personen zu den Spiritisten sprachen, zeigt, dass in der ersten Phase in den späten 1850er Jahren vor allem Nachrichten von den ›Vätern‹ des Spiritismus empfangen wurden. Diese hatten häufig die Erneuerung des Glaubens, das private Familienleben und zwischenmenschliche Beziehungen zum Thema. Darauf folgte nach der Unterbrechung durch den Bürgerkrieg eine politisch orientierte Phase. Während dieser Zeit, die bis 1872 andauerte, sprachen überwiegend Staatstheoretiker, Politiker und wichtige Personen aus der eigenen Gemeinschaft zu den Spiritisten. Die Themen waren klar bestimmt von der Forderung nach politischer und sozialer Gleichberechtigung. Die Nachrichten enthielten sowohl Anweisungen, wie diese zu erreichen sei als auch die ständige Versicherung, dass den Unterdrückten Gerechtigkeit zuteil werden würde. Die Vorstellung von einer gerechteren Welt jenseits der irdischen spielte dabei eine wesentliche Rolle.

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W. R. Meadows, 9. November 1870, Grandjean Collection, Box 32. Ähnlich äußerte sich auch George Washington, 4. Juli 1871, Box 66. Meadows war ein Sklave gewesen und einer der 52 Vertreter in der verfassungsgebenden Versammlung von 1868. Lamenais, 6. Oktober 1871, Grandjean Collection, Box 34. Poloah, 27. Dezember 1871, Grandjean Collection, Box 35. Siehe auch die kurzen Botschaften von Pocahontas, Pocoha und Piloho, ebenfalls 27. Dezember 1871.

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Dieser Punkt gewann angesichts der Rückschläge in den 1870er Jahren an Bedeutung. Seit 1874 kamen in den Séancen immer seltener die altbekannten Geister der Politiker, Menschenrechtler und Märtyrer zu Wort und immer häufiger solche Personen, die sich mit der theologischen Bedeutung des Spiritismus und den praktischen Fragen rund um die ›richtige‹ Abhaltung einer Séance befassten. Der irdische Kampf um Gleichberechtigung rückte in den Hintergrund; der Spiritismus verlor sein widerständisches Potenzial und wandelte sich von einer Religion des Aufbruchs zu einer Religion der Resignation. Die Hoffnung auf eine Verbesserung der politischen und sozialen Lage der Gruppe auf Erden wurde dabei nicht völlig verdrängt, doch wurde sie umformuliert in die nun alles bestimmende ›Erlösung‹ nach dem Tod. Interessanterweise hielt hier, anders als in den 1860er Jahren, der Rachegedanke zumindest teilweise Einzug. Denn die wahre Gerechtigkeit, die die Menschen im Jenseits erwartete, beinhaltete nach Meinung der Spiritisten letztlich auch die Bestrafung ihrer Unterdrücker.290 Der Kampf, den die Armee der Free People of Color – sowohl im militärischen als auch im übertragenen Sinne verstanden – auf Erden begonnen hatte, würde die ›unsichtbare Armee Gottes‹ im Jenseits beenden: »It is an army led by God which watches eternally. Empires fall, kings disappear; but it is there, always there at the post of honor.«291 Obwohl der Spiritismus über seine Entwicklung seit den späten 1850er Jahren bis Ende der 1870er Jahre viel von seiner Kraft einbüßte, war er dennoch wegweisend für den politischen und sozialen Kampf der Free People of Color. So sahen sie es offenbar auch selbst, wenn sie den Spiritismus in ihren Zeitungen vor allem wegen seiner aufrüttelnden Kraft feierten, die ihre Gemeinschaft dazu ermutigt hatte, sich der neuen Situation zu stellen und die Möglichkeiten, die sich ihnen mit dem Sturz des südstaatlichen Systems boten, nicht ungenutzt vorbeiziehen zu lassen.292

Neue Räume – neue Möglichkeiten? Alle besprochenen sozialen Räume, der Katholizismus wie der Voodoo, die Freimaurerei wie der Spiritismus, waren für die Free People of Color wichtig. Die Erfahrungen, die sie innerhalb dieser Gruppen machten, führten ihnen sowohl ihre soziale Lage als auch ihre soziale Identität vor Augen. Es handelte sich entweder um streng entlang von Geschlechterlinien getrennte Räume oder zumindest um solche, in denen ein Geschlecht dominierte. Als geschlechterübergreifend zeigte sich noch am ehesten der Spiritismus. In dieser Aufteilung spiegelt sich einerseits das viktorianische Geschlechterverständnis wider, das zunehmend auch in der Gemeinschaft der Free People of Color wirkte. Andererseits gab es aber auch spezielle, die afrokreolische Gemeinschaft betreffende Faktoren, die diese Unterteilung verstärkten. So erlaubte es der Charakter der katholischen Kirche eher farbigen Frauen als Männern, sich einen Platz innerhalb der Institution zu erarbeiten. Das Bild 290 291

292

Paul Bertus, 14. September 1874, Grandjean Collection, Box 57, zitiert in Cox, 187. 8. Februar 1872, Grandjean Collection, Box 38, zitiert in Cox, 187. Siehe auch John Hendersons Verweis auf die ›unsichtbare Armee‹, 18. November 1871, Box 34; außerdem Abraham Lincoln, 4. September 1874, Box 66. New Orleans Tribune, 27. Juli 1867.

186 | KREOLISCHE IDENTITÄT

von der Frau als ›Helferin‹ des Mannes begünstigte diese Entwicklung, denn in vielerlei Hinsicht sah die katholische Kirche in den Sisters of the Holy Family nicht viel mehr als geschätzte Helferinnen des Erzbistums. Der Voodoo erscheint in seinem Ermächtigungspotenzial am ehesten begrenzt. Da es sich um eine Glaubensrichtung handelte, der zwar versteckt auch einige Weiße anhingen, die aber insgesamt als fremdartig und bedrohlich wahrgenommen wurde, gelang es den beteiligten Free People of Color nur in geringem Maße, ihre Position innerhalb des Voodoos zu nutzen. Dennoch ist auch er nicht zu unterschätzen. Für die beteiligten Frauen bot der Voodoo eine alternative Ausdrucksmöglichkeit, und die Arbeit als aktive Gläubige einen Weg, gegenüber den Männern eine ebenbürtige, zum Teil sogar höherrangige Position einzunehmen. Dies ermöglichte es ihnen, Erfahrungen in der Selbstbestimmung und der Artikulation der eigenen Wünsche und Forderungen zu machen und schaffte eine Netzwerk, das auf andere Bereiche übertragen werden konnte. Der Voodoo bot durch die Praktiken des gemeinsamen Glaubens vielen Free Women of Color die Möglichkeit, sich in einer weiblich dominierten Gruppe auszutauschen und eine Form der weiblichen Identität zu entwickeln. Darüber hinaus stärkte er die soziale Fürsorge innerhalb der Gruppe durch die für den Voodoo typische Tempelgemeinschaft, die mehrere Großfamilien miteinander verband und in der Ausübung der Religion weit über das im Katholizismus übliche Maß an interfamiliärer Vernetzung hinausging. Für die männlichen Afrokreolen bildete die Freimaurerei das Gegenstück. Hier konnten sich die heranwachsenden jungen Männer nicht nur ihrer Identität als Afrokreolen, sondern zudem als Männer versichern. In einer von hegemonialen Männlichkeitsentwürfen bestimmten Lebenswelt, die ihnen kontinuierlich die Teilhabe an dieser Identität versagte, boten ihnen die Rituale der Freimaurerei außerhalb der Familie eine der wenigen Möglichkeiten, ihre Männlichkeit zu konstruieren. Allerdings stellte der daraus resultierende recht einseitige Männlichkeitsentwurf in dem Moment ein Problem dar, in dem er auf die Gruppe der ehemaligen Sklavenbevölkerung traf, deren Identitäts- und Männlichkeitsentwürfe größtenteils andere Wurzeln hatten. Diese Schwierigkeit sahen offensichtlich auch die Spiritisten, deren Mitgliederkreis sich zumindest teilweise mit dem der afrokreolischen Freimaurerei überschnitt.293 Die Gefahr, im Kampf gegen die Ausgrenzung aus der Hegemonialgesellschaft Differenzen innerhalb der eigenen Gemeinschaft zu schaffen, wohnte auch dem Spiritismus inne, denn die Mehrheit der Mitglieder entstammte der wohlhabenden und einflussreichen Ober- und Mittelschicht. Das Private des Spiritistenzirkels verstärkte noch seine Exklusivität. Während Mitglieder der unteren Schicht der Free People of Color – zum Beispiel erst vor kurzem aus der Sklaverei befreite Afrokreolen – sich noch einen Platz in der Freimaurerei erkämpfen konnten, indem sie den Anforderungen der bürgerlichen Identität und des Männlichkeitsbildes entsprachen, blieb ihnen der Zutritt zu den Treffen der Spiritisten verwehrt. Gleichzeitig zielte der Spiritismus in seinen Auswirkungen weiter als die Freimaurerei. Die vielen Nachrichten politischer Persönlichkeiten dienten nicht zuletzt dem

293

»Un ex-vénérable de la St. André No. 5«, 25. Januar 1872, Grandjean Collection, Box 38.

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Zweck, einen Konsens über die Vorgehensweise im anstehenden Kampf um die Gleichberechtigung zu schaffen. Auf unterschiedliche Weise waren die vorgestellten Räume Ausgangspunkt für das, was nach dem Bürgerkrieg in Louisiana geschehen sollte. Die starke Prominenz der Free People of Color im Ringen um eine politische, soziale und wirtschaftliche Neuordnung des Staates wäre ohne sie nicht möglich gewesen. Sie boten die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten der Selbstregierung in der Formulierung von Zielen und ihrer Durchsetzung zu erproben und weiterzuentwickeln. Jedem Einzelnen stellten sie darüber hinaus einen Schutzraum zur Verfügung, in den er sich zurückziehen und in dem er sich als Teil einer Gemeinschaft mit einem wachsenden Verständnis von sich selbst wahrnehmen konnte.

Resümee Die Zeit von 1830 bis in die 1860er Jahre hinein war geprägt von einer Angleichung Louisianas an die soziale, politische und kulturelle Welt der übrigen Bundesstaaten. Die durch den Krieg von 1812 in Gang gebrachte ›Amerikanisierung‹ wurde von den politischen und wirtschaftlichen Eliten weiter vorangetrieben. Im Sinne einer totalen Kontrolle der farbigen Bevölkerung – unabhängig des sozialen Status – propagierten die ›amerikanisierten‹ weißen Louisianians fortan das Ideal einer bipolaren Rassengesellschaft. Zur ideologischen Untermauerung der notwendigen Klassifizierungsmuster verwiesen sie auf die Rassentheorien der 1840er und 50er Jahre. Zwar stellte die Hinwendung zu biologistischen Erklärungsmustern eine allgemeine Entwicklung dar, die neben den USA auch andere Kolonialgesellschaften kennzeichneten, doch hatten sie in Louisiana einen besonderen Schwerpunkt. Indem Wissenschaftler, Politiker und Bürger auf die ›Unnatürlichkeit‹ einer ›hybriden‹ Gruppe innerhalb der dichotomen Rassengesellschaft hinwiesen und ihren biologisch-kulturellen Untergang voraussagten, wollten sie eine Erklärung für die Existenz dieser anomalen Gruppe liefern und ihre Marginalisierung als ›Fremde‹ in der Gesellschaft legitimieren. ›Rasse‹ wurde in diesem Interpretationsrahmen als unhintergehbare ›natürliche‹ Essenz behandelt. Auf diesem Wege versuchte man, das in Louisiana beheimatete latinisierte Rassenund Gesellschaftssystem an den amerikanischen Standard der Zwei-Klassenund Zwei-Rassengesellschaft heranzuführen. Ähnlich wie in den anderen Staaten verbreitete sich daraufhin in Louisiana der Kolonisierungsgedanke. Auch hier war die Diskussion von der besonderen gesellschaftlichen Position der Free People of Color und ihrer ethnokulturellen Identität bestimmt. Obwohl es vereinzelt zu Auswanderungen kam – vor allem nach Haiti –, standen die Afrokreolen der Politik einer aus ihrer Sicht erzwungenen ›Abschiebung‹ kritisch gegenüber. Am Beispiel der Kolonisierungsdebatte, die zeitweise die gesamten USA beschäftigte, offenbarte sich für die Louisianians die Besonderheit ihrer Gesellschaft. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Afrokreolen eine afroamerikanische Identität, wie sie sich in den Nordstaaten im Rahmen des Black Nationalism entwickelte, ablehnten. Nicht der Aufbau einer unabhängigen ›schwarzen‹ Gemeinschaft war es, was die Creoles of Color anstrebten, sondern eine gerechte Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen System als Louisianians.

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An den in den 1840er und 50er Jahren sich häufenden, Aufsehen erregenden Gerichtsfällen äußern sich zwei Dinge. Zum einen zeigen sie, dass den Free People of Color trotz zunehmender Entrechtung noch ein wichtiger Weg des Widerstandes offen stand, der anderen farbigen Gruppen der USA versperrt war. Zum anderen zeigt sich an den Prozessen die ambivalente Einstellung der weißen Gesellschaft bei der Konstruktion ›rassischer‹ Kategorien. So versuchte man einerseits die Erkenntnisse aus den Rassentheorien nutzbar zu machen, indem man physiologische Merkmale in die Bestimmung der ›rassischen‹ Identität einfließen ließ. Andererseits wird aus allen drei behandelten Gerichtsfällen deutlich, dass es der ›neue‹ amerikanische Rassenbinarismus in Louisiana zu jener Zeit noch nicht vermochte, die althergebrachten ethnokulturellen und sozialen Rassenkonstruktionen völlig auszuschalten. So waren es letztlich die sozialen Verhaltensweisen und der gesellschaftliche Rang und Umgang, die den Ausschlag für die Anerkennung der begehrten ›weißen‹ Identität gaben. Der Blick in die Gerichtsakten fördert außerdem die Lücken des biologistischen Zuschreibungssystems zutage. Durch einfache rhetorische Mittel konnten die durch Rassenideologie aufgeladenen Verhandlungen in bestimmte Richtungen gelenkt werden und offenbarten die mögliche Einflussnahme der marginalisierten KlägerInnen. Beschränkt blieb deren Widerstandspotenzial freilich durch die Tatsache, dass sie nicht eine Gleichberechtigung als Free People of Color forderten, sondern für die Erlangung eben dieser Rechte ihre afrokreolische Identität – wenn wir zumindest Pandelly und Desarzant eine solche unterstellen wollen – verleugnen mussten. Die Gerichtsurteile konnten demnach nur bedingt dazu beitragen, dass System der Bipolarität und die mit ihm verbundenen Macht- und Hierarchieverhältnisse zu schwächen. Eine Möglichkeit der eigenmächtigen Umformulierung der afrokreolischen Identität und damit des Widerstands gegen die von der Hegemonie gemachten Zuschreibungen bot dagegen die Literatur. Im Rahmen ihrer vorwiegend lyrischen Werke nahmen die Autoren auf verschiedene Thematiken der Fremdzuschreibung und Unterdrückung durch die weiße Gesellschaft Bezug und verschleierten ihren zum Teil scharfen Protest unter dem Deckmantel einer kulturell assimilierten Literatur. Über dieses Medium gelangten sie zu einer Neuinterpretation der eigenen Gemeinschaft und der Geschlechterrollen darin, die vor allem durch das plaçage-System von der hegemonialen Gesellschaft mitbestimmt wurden. In ihrer Beschäftigung mit dieser Form der sexuellen Ausbeutung ›ihrer‹ Frauen, äußert sich der Versuch der Dichter, das Bewusstsein der eigenen Gemeinschaft für die zerstörerische Kraft der plaçage zu schärfen. Sie wenden sich explizit an diejenigen Frauen, die sich für ein Dasein als Konkubine eines weißen Mannes entscheiden und weisen ihnen eine Mitschuld an der Situation der Gemeinschaft zu. Als Voraussetzung für einen Weg heraus aus der Unterdrückung sahen die Autoren die Festigung der inneren Gemeinschaft, die auch eine deutliche Abgrenzung von der angloamerikanischen, protestantischen Sklavenbevölkerung bedeutete, der sie durch die Wahl ihrer Stilistik und Themen Ausdruck verliehen. Sowohl die zunehmende Entrechtung im Alltag als auch das eigene Verlangen nach einem Rückzugspunkt förderte die Etablierung neuer sozialer Räume und die Stärkung bereits vorhandener. Diese dienten den Free People of Color in den Jahrzehnten vor dem Bürgerkrieg dazu, sich als Gruppe mit ähnlichen Wünschen, Hoffnungen und Zielen wahrzunehmen. Als praktizierende Katholiken und Voodoo-Gläubige, als Nonnen, Freimaurer und Spiri-

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tisten bündelten sie die Kräfte innerhalb ihrer Gemeinschaft und erlernten Fähigkeiten der Selbstorganisation und -regierung für die spätere politische Arbeit. Die Erfahrung der Identifikation mit der Gruppe, die viele Free People of Color in diesen unterschiedlichen sozialen Räumen machten, half ihnen, sich ihrer Identität als freie, katholische, wirtschaftlich erfolgreiche und sozial noch immer relativ privilegierte Free People of Color bewusst zu werden. Doch den Platz, den sie mithilfe dieser Räume in der Gesellschaft Louisianas fanden, konnten sie nicht lange halten, denn mit dem Beginn des Bürgerkriegs und Lincolns Emanzipationserklärung im September 1862 war klar, dass nichts mehr so sein würde wie zuvor.

ZWISCHEN FORTSCHRITT UND REAKTION: DER KAMPF UM EINE NEUDEFINITION DER GESELLSCHAFT LOUISIANAS »The Manly Warrior-Citizen«: Free Men of Color in Port Hudson »Once let the black man get upon his person the brass letters U.S.; let him get an eagle on his button, and a musket on his shoulder, and bullets in his pocket, and there is no power on earth which can deny that he has earned the right of citizenship in the United States.«1

Der Bürgerkrieg und der aus ihm folgende Zusammenbruch des südstaatlichen Systems hatte für die Nation weitreichende Auswirkungen. Von der Wirtschaft über die Politik bis zur Gesellschaft, nichts würde so sein wie zuvor. Obwohl es durchaus Kontinuitäten gab, nahmen die Louisianians den Krieg als einen wesentlichen Wendepunkt in ihrem Leben und der Geschichte ihrer Heimat wahr. Für die Free People of Color stellte sich dieser auf eine ganz besonders dramatische Weise ein, als sie sich entscheiden mussten, auf welcher Seite sie im Bruderkrieg standen. In der Frontier-Gesellschaft Louisianas hatte die Fähigkeit, sich selbst, seine Familie, seine Siedlung und seine Nation jederzeit gegen Fremdlinge mit bösen Absichten verteidigen zu können, einen hohen Stellenwert gehabt. Die Befähigung zur Inschutznahme von Hof und Heimat machte einen Amerikaner, insbesondere einen Südstaatler, erst zu einem vollwertigen Mitglied der staatsbürgerlichen Gemeinschaft. Die Zugehörigkeit jedes Einzelnen wurzelte in der Ausübung bestimmter Pflichten, die sowohl familiäre und kollektive Aufgaben auf sozialer und politischer Ebene beinhalteten, als auch den Militär- und Kriegsdienst. Tatsächlich war die Ableistung von Milizdienst durch den zweiten Verfassungszusatz für weiße Männer verpflichtend. Erst durch eine ständige, sich wiederholende Performanz dieser rituellen Pflichterfüllung wurde ein Südstaatler zum vollwertigen Mitglied der Gemeinschaft republikanischer Staatsbürger und damit zum Mann.2 Die Teilnahme in der Miliz diente dazu, eine homogene männliche weiße Gemeinschaft zu bilden, 1 2

Boston Liberator, 24. Juli 1863. R. Claire Snyder: Citizen-Soldiers and Manly Warriors. Military Service and Gender in the Civic Republic Tradition, Lanham, MD: Rowman and Littlefield 1999, 3.

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deren Identität sich über den Ausschluss von Frauen und ethnisch Anderen konstituierte. Anders als im 20. Jahrhundert, als sich mit dem professionellen Berufssoldaten das Bild des American fighter etablierte, das sich zunehmend von dem des Staatsbürgers löste, konstruierte sich die bürgerliche Identität in Louisiana im 19. Jahrhundert über den militärischen Dienst. Folglich versuchten die Free Men of Color bereits mit der amerikanischen Machtübernahme, sich über den Militärdienst einen Platz in der bürgerlichen Gemeinschaft zu erkämpfen.3 Auch während der Kolonialzeit waren sie bereits in militärische Verpflichtungen eingebunden gewesen. Unter den französischen und spanischen Machthabern hatten sie am polizeilichen Patrouillendienst teilgenommen und waren in Konflikten mit Native Americans und zur Verfolgung flüchtiger SklavInnen eingesetzt worden. Auf den für die amerikanische nationale Identität zu einem Mythos stilisierten Kampf um New Orleans, in dem die Einheiten des Battalion of Free Men of Colour Seite an Seite mit den Truppen Andrew Jacksons den Engländern getrotzt hatten, wurde immer wieder verwiesen, wenn es darum ging, die hegemoniale Öffentlichkeit von der Loyalität und dem Opferwillen der Free People of Color zu überzeugen. Obwohl ihre Hoffnungen auf volle Bürgerrechte als Lohn für den militärischen Dienst in der Folgezeit unerfüllt geblieben waren, wandten die Nachfahren der viel gerühmten Veteranen von 1815 knapp fünfzig Jahre nach deren Erfolg im Wesentlichen dieselbe Strategie an. Dem Konzept einer republikanischen Staatsbürgerschaft folgend, hofften sie, durch ihren Militäreinsatz endgültig die ihnen lange vorenthaltenen Bürgerrechte zu erlangen.

Die Free People of Color im Bürgerkrieg: Konföderation oder Union? Eine Bewaffnung freier Farbiger stand in den Südstaaten vor dem Krieg außer Frage. Unter dem allgemeinen Eindruck der Kriegseuphorie, die an einen schnellen Sieg gegen den Norden glauben ließ, fühlte man sich stark genug, den Kampf ohne die Hilfe der Free People of Color zu bestehen. Trotz ihrer durchaus ruhmreichen Vergangenheit spürte man, dass man sich mit ihrer Bewaffnung unweigerlich der Frage aussetzen würde, wie diese ›Erhöhung‹ ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft Louisianas mit der Doktrin von der Minderwertigkeit jeglichen ›schwarzen Blutes‹ zu vereinbaren sei. Doch mit der zunehmenden Eroberung südstaatlichen Gebiets durch die Unionstruppen und der wachsenden Bedrohung für die Hafenstadt New Orleans, entschied

3

Für Übersichtsdarstellungen zur Rolle farbiger Soldaten in kriegerischen Auseinandersetzungen bis zum Bürgerkrieg siehe Robert Ewell Greene: Black Defenders of America, 1775-1973, Chicago: Johnson Publishing 1974; Robert B. Edgerton: Hidden Heroism. Black Soldiers in America’s Wars, Boulder, CO: Westview Press 2001; John Smith (ed.): Black Soldiers in Blue. African American Troops in the Civil War Era, Chapel Hill: University of North Carolina Press 2002. Auch die deutschen Juden versuchten im 19. Jahrhundert, über den Militärdienst ihre Zugehörigkeit zur deutschen Nation zu erkämpfen. Vgl. Gregory A. Caplan: »Militarism and Masculinity as Keys to the ›Jewish Question‹ in Germany«, in: Paul R. Higate (ed.), Military Masculinities. Identity and the State, Westport, CT: Praeger 2003, 175-90.

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sich die konföderierte Regierung schließlich dazu, einen Rekrutierungsaufruf an die Free People of Color zu richten. Auf diesen reagierten die Afrokreolen positiv. Sie hoben mehrere Milizeinheiten aus und bewarben sich um deren Eingliederung in den konföderierten Kampfverband.4 Über die Frage, warum sich die Free Men of Color freiwillig meldeten oder ob sie sich zu diesem Schritt gezwungen fühlten, ist in der Literatur viel diskutiert worden. Während einige ForscherInnen ihre Angst vor einer Zwangsrekrutierung und einem möglichen Verlust ihres sozialen Status für den Grund hielten, interpretierten andere die Entscheidung als einen opportunistischen Zug der Gemeinschaft. Gerade ihr bis dahin trotz aller Einschränkungen noch immer besonderer Mittelstatus und ihre wirtschaftlichen Interessen hätten die Free People of Color dazu bewogen, sich auf die Seite der Konföderierten zu schlagen.5 Eine solche, materialistische Motivation halte ich für unwahrscheinlich. Der Elan, mit dem die Free People of Color gleich nach der Eroberung von New Orleans die politische Arbeit aufnahmen, stützt vielmehr die Ansicht, dass es eine Mischung aus Heimatverbundenheit und Angst vor negativen Auswirkungen im Falle ihrer Verweigerung waren, die sie dazu bewogen, sich den Konföderierten anzubieten.6 Dies wird auch von eigenen Aussagen der Free People of Color gestützt, in denen sie das Dilemma betonen, in dem sie sich befanden: »When the first fratricidal shot was fired at Sumter, and Louisiana had joined her fortunes with the other seceding States, […] the condition and position of our people were extremely perilous. When summoned to volunteer in the defence of the State and city against Northern invasion, situated as we were, could we do otherwise than heed the warning, and volunteer in the defence of New Orleans?«7

Darüber hinaus ging die Mehrzahl der städtischen Afrokreolen handwerklichen und unternehmerischen Tätigkeiten nach. Wie auch ihre weißen Kollegen waren sie stark abhängig von den Handelsbeziehungen der Stadt mit den Nordstaaten; ihre wirtschaftlichen Interessen und damit politischen Einstellungen unterschieden sich in diesem Sinne von den Free People of Color in den ländlichen Parishes, von denen einige Plantagenbesitzer und Sklavenhal4 5

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7

Daily True Delta, 17., 23. April 1861; Daily Picayune, 28. April 1861. »Testimony by the Former Commander of the Department of the Gulf before the American Freedmen’s Inquiry Commission«, 1. Mai 1863, in: Ira Berlin (ed.), Freedom. A Documentary History of Emancipation 1861-1867, Cambridge, UK: Cambridge UP 1982, 313; James G. Hollandsworth, Jr.: The Louisiana Native Guards. The Black Military Experience During the Civil War, Baton Rouge: Louisiana State UP 1995, 3-4; Sterkx, 212. Vgl. Donald E. Everett: »Ben Butler and the Louisiana Native Guards, 18611862«, in: Journal of Southern History 24 (May 1958), 202-17; Mary F. Berry: »Negro Troops in Blue and Gray: The Louisiana Native Guards, 1861-1863«, in: Louisiana History 8:2 (Spring 1967), 167; Tunnell: Crucible of Reconstruction, 69-70. Boston Liberator, 15. April 1864. Siehe außerdem: L’Union, 28. April 1864, frz. Ausgabe, New Orleans Tribune, 7. Dezember 1864. Ihre Heimatverbundenheit kam während der Untersuchung zum Aufstand in New Orleans von 1866 zum Ausdruck: U. S. Congress, House, New Orleans Riots, 39th Congress, 2nd Session, H. Rpt. 16 (11 February 1867), 128.

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ter waren und sich ebenfalls in eigens ausgehobenen Regimentern organisierten.8 Die rekrutierten Free Men of Color aus New Orleans wurden von der Konföderiertenarmee in drei Regimenter aufgeteilt und waren fortan bekannt als die Native Guards.9 Allerdings nahmen sie unter der Konföderiertenregierung nie an einer Schlacht teil. Die folgenden Monate bestanden für sie einzig aus der Erfüllung so genannter fatigue duty im Hinterland. Sie waren zuständig für die Organisation von Nachschublieferungen, die Bewachung von Eisenbahnlinien, den Aufbau von Verteidigungslinien und die Holzbeschaffung.10 Im April 1862 nahmen die Unionstruppen von General Benjamin F. Butler New Orleans ein. Die zu dieser Zeit teilweise in der Stadt stationierten Native Guards folgten dem Rückzugsbefehl ihres Kommandanten nicht und ergaben sich der Unionsarmee. Ihre Entscheidung, nicht mit den übrigen Konföderierten zu fliehen, hat die Sichtweise auf die Free People of Color als Opportunisten sowohl bei den Zeitgenossen als auch in der Forschung bestärkt. Eine klare Aussage zu ihren Beweggründen ist aufgrund der schlechten Quellenlage nicht möglich. Zieht man allerdings die von Beginn an schwierige Lage der Native Guards in Betracht, so erscheint ihre Entscheidung als die logische Konsequenz äußerer Umstände. Ihre Heimatverbundenheit war es gewesen, die sie dazu bewogen hatte, ihr Land zu verteidigen, nicht aber ihre Unterstützung für das südstaatliche System, das sie als ungerecht empfanden. In der Zusammenarbeit mit der Unionsregierung sahen sie eine Möglichkeit, ihre Gesellschaft zu reformieren und sich einen ebenbürtigen Platz in ihr zu sichern. Als Verrat an der südstaatlichen Regierung erschien ihnen dies nicht, hatte diese doch alles daran gesetzt, sie politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich zu marginalisieren.11 Auch der Lehrer, Schriftsteller und politische Aktivist Armand Lanusse rechtfertigte sich einige Monate später mit dem Hinweis auf die einmalige Chance, die sich ihnen durch den Fall von New Orleans geboten hatte. Butler habe die Free People of Color auf gleicher Augenhöhe empfangen und ihnen die Möglichkeit gegeben, ihren gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft durch einen Militäreinsatz auf Seiten der Union zu erkämpfen. Da ihnen die Konföderation eine

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In Natchitoches gab es die Augustin’s Guards und die Monet’s Guards. Weitere Gruppen bildeten sich im Pointe Coupée Parish und in Baton Rouge. Pointe Coupée Democrat, 8. Juni, 2. November 1861; Baton Rouge Weekly Gazette and Comet, 27. April, 5. Oktober 1861; 5. April 1862; Gary B. Mills: »Patriotism Frustrated: The Native Guards of Confederate Natchitoches«, in: Louisiana History 18 (1977), 440-49. 9 U. S. War Department: The War of the Rebellion. A Compilation of the Official Record of the Union and Confederate Armies, 128 vols., series I, vol. XV, Washington: GPO 1880-1901, 556; fortan abgekürzt als OR. 10 Lediglich Arthur W. Bergeron glaubt, dass sie auf dem Schlachtfeld eingesetzt wurden: »Free Men of Color in Grey«, in: Civil War History 32:3 (September 1986), 247-55. 11 Das ehemalige Native Guards-Mitglied Charles W. Gibbons sagte später aus: »We did not go with the intention of fighting for the rebels; we said among ourselves that the moment ›we saw the flag, we were going to drop our arms; that we would not fight[.]‹«, U. S. Congress, New Orleans Riots, 126.

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gesellschaftliche Gleichberechtigung nie zugesprochen hätte, könne man auch nicht von Verrat sprechen.12 So konnte Lanusse die Lage allerdings nur mit einigen Monaten Abstand beschreiben, denn zunächst wurden die Native Guards von der Unionsarmee keinesfalls mit offenen Armen empfangen. Butler war zwar abolitionistisch eingestellt und vertrat den Gedanken der Gleichberechtigung, eine Eingliederung der Native Guards in die Unionsarmee strebte er deshalb aber nicht an. Überdies konnte darüber nur Präsident Lincoln als Oberbefehlshaber des Militärs entscheiden.13 In dieser Lage kam den Free Men of Color das Glück des Zufalls zur Hilfe, denn nur wenige Wochen später sah sich die Unionsarmee veränderten Verhältnissen gegenüber. Die Anwerbung von Soldaten gestaltete sich zunehmend schwierig; die anfängliche Kriegseuphorie, die die Freiwilligen zu Tausenden in die Armeen der Nord- und Südstaaten getrieben hatte, war einer schleichenden Resignation gewichen. Die Eroberung der Hafenstadt New Orleans war zwar wichtig gewesen für die Kriegsschauplätze im tiefen Süden, doch im umliegenden Gebiet des Mississippi-Deltas waren die Konföderierten längst nicht geschlagen. Diese Umstände führten zu einem Sinneswandel in der Führung der für Louisiana zuständigen Militärs, insbesondere bei Butler. Dieser schrieb im August an den Kriegsminister Edwin M. Stanton: »Indeed we are threatened with an attack on the City of New Orleans. […] If it becomes at all imminent, I shall call on Africa to intervene, and I do not think I shall call in vain. I have determined to use the services of the free colored men who were organized by the rebels into the ›Colored Brigade,‹ of which we have heard so much. They are free, they have been used by our enemies, whose mouths are shut, and they will be loyal.«14

Bereits einige Wochen zuvor hatte er Offiziere der Native Guards ins Hauptquartier bestellt. Butler zeigte sich bei dieser Gelegenheit überrascht und angetan von ihren Persönlichkeiten: »[I]n color, nay also in conduct, they had much more the appearance of white gentlemen than some of those who have favored me with their presence claiming to be the ›chivalry of the South‹«.15 Diese Erfahrung beeinflusste ihn vermutlich in seiner späteren Entscheidung, ihre Regimenter doch in die Unionsarmee aufzunehmen. Nach dem Erlass der General Order No. 63 wurden rund 1.800 Männer als die First und Second

12 Armand Lanusse in L’Union, 8. Oktober 1862, frz. Ausgabe. 13 Der Plan einer Bewaffnung von freien Farbigen und Ex-Sklaven wurde auf der Unionsseite von General John W. Phelps vorangetrieben. Als sich Butler allerdings dessen Vorschlägen verweigerte, reichte Phelps seinen Rücktritt ein. Vgl. ihren Briefwechsel sowie einige Briefe Butlers an seine Frau in Benjamin F. Butler: Private and Official Correspondence of Gen. Benjamin F. Butler, 5 vols., vol. 2, Norwood, MA: Plimpton Press 1917, 126, 143-48, 154. 14 Butler an Stanton, 14. August 1862, Private and Official Correspondence, vol. 2, 192. 15 OR, series I, vol. XV, 442-43. Vgl. Benjamin F. Butler: Butler’s Book. A Review of His Legal, Political, and Military Career, Boston: A. M. Thayer 1892, 492; Daily Picayune, 2. August 1863.

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Louisiana Native Guards in den Militärdienst gestellt. Ein drittes Regiment entstand wenige Wochen später.16 Butler lieferte somit – gewollt oder nicht – den Präzedenzfall für die Indienststellung farbiger Truppen in die Unionsarmee. Zugleich brachte er sich und das gesamte militärische Führungspersonal in eine Zwickmühle. Denn sollten die Regimenter ihrem Ruf gerecht werden und auf dem Schlachtfeld erfolgreich kämpfen, so würden ihre Mitglieder, soviel war klar, ihre militärischen Errungenschaften als ein Argument für die Erlangung politischer und sozialer Gleichberechtigung nutzen. Den Zusammenhang zwischen militärischem Dienst und nationalem Bürgerstatus der farbigen ›Rasse‹ stellte besonders lautstark Frederick Douglass in den Vordergrund: »The only way open to any race to make their rights respected is to learn how to defend those rights. […] When the nationality of the United States shall have been set in safety, in part by our hands, the whole world will cry shame upon any attempt to denationalize us.«17 Strategische Zwänge, die eine Rekrutierung von farbigen Soldaten unausweichlich machten, eröffneten den Free People of Color demnach einen Weg, sich als Bürger mit allen Pflichten und Rechten auszuweisen. Die Unionsregierung und ihr militärisches Personal waren in der Folgezeit gezwungen, einen Drahtseilakt zu vollziehen: Auf der einen Seite mussten sie die farbigen Soldaten bei der Stange halten und ihnen die gebührende Anerkennung für ihre Leistungen entgegenbringen. Gleichzeitig versuchten sie, den aus Sicht der Free People of Color damit einhergehenden Anspruch auf Bürgerrechte zu entkräften, indem sie sozialen Status und militärischen Rang voneinander lösten. Dass es sich bei den Regimentern der Native Guards um besondere Einheiten handelte, wurde den Beobachtern, die ihre Ausbildung im Camp Strong außerhalb von New Orleans verfolgten, schnell klar. Was sie gleichermaßen faszinierte und befremdete waren insbesondere die Offiziere der drei Regimenter, die größtenteils angesehenen und wohlhabenden afrokreolischen Familien der Stadt entstammten. Viele von ihnen waren direkte Nachfahren der vielgerühmten Veteranen, die 1815 unter Jackson gekämpft hatten.18 Die einfachen Soldaten der Native Guards, besonders des Dritten Regiments, rekrutierten sich dagegen nicht ausschließlich aus kreolischen Free People of Color, son16 General Orders, No. 63, 22. August 1862, OR, series III, vol. II, 436-38. Free People of Color aus der Unterschicht konnten dem Militärdienst allerdings nicht so viel abgewinnen. Vor allem im Zuge der späteren Zwangsmaßnahmen, die eine bestimmte Quote farbiger Soldaten für jeden Staat vorschrieben, klagten freie Farbige in Louisiana ihr Recht auf die Stellung eines Ersatzmannes bzw. die Bezahlung einer Ablösesumme ein. »Memorial of 36 Free Men of Color residing in the City of Baton Rouge, November 1863,« in: Berlin, Freedom, 15960. Gegen unrechtmäßige Festnahmen im Zuge der Rekrutierungsmaßnahmen wandten sich auch Free People of Color aus New Orleans, darunter die späteren Herausgeber der Zeitungen L’Union und New Orleans Tribune, J. B. Roudanez und Paul Trévigne: Manuel Guerrier et al. an Major Gen. Nathaniel P. Banks, 17. August 1864, in: Berlin, Freedom, 165. 17 Frederick Douglass: »Why a Colored Man Should Enlist«, April 1863, LC, American Memory, Frederick Douglass Papers, Speech, Article, and Book File, 1864-1894, http://memory.loc.gov/cgi-bin/ampage?collId=mfd&fileName=22/ 22006/22006page.db&recNum=2&itemLink=/ammem/doughtml/dougFolder5.htm l&linkText=7. 18 Für exemplarische Biographien siehe Berry, 167.

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dern auch aus angloafroamerikanischen Männern, die über keine militärischen Erfahrungen verfügten und oftmals erst seit kurzer Zeit in Freiheit lebten.19 Diese soziale Schichtung der Soldaten ist für die folgende Analyse zu bedenken, denn trotz einer prinzipiellen Deckungsgleichheit ihrer Interessen, verfolgten die Free People of Color mit ihrem Militärdienst weitreichendere Ziele als der einfache Soldat, für den in der Kriegszeit der Sold im Vordergrund stand. Die Nachricht von der Indienstnahme der Native Guards löste gemischte Reaktionen in der amerikanischen Öffentlichkeit aus. Auf den Straßen sahen sich viele von ihnen Beleidigungen ausgesetzt.20 Trotz der ruhmreichen Geschichte ihrer Vorväter, zeigten sich sowohl Militärs als auch die unionstreue Bevölkerung von New Orleans skeptisch. Dem ›Experiment‹ wurde vor allem deshalb ein desaströser Verlauf prophezeit, weil man sich im Glauben an die ›natürliche Kindlichkeit und Unselbständigkeit‹ der Farbigen nicht vorstellen konnte, dass diese unter dem Eindruck des grausamen Fronterlebnisses ›ihren Mann stehen‹ würden. Ihre ›angeborene Feigheit‹ verurteilte laut Meinung vieler Zeitungen jeglichen Vorstoß der Truppen zum Scheitern.21 Solange die Native Guards nur mit Aufgaben wie der Bewachung von Eisenbahnlinien betraut wurden, bot sich ihnen keine Möglichkeit, diesem Vorurteil entgegenzuwirken. Zwar konnten vor allem die afrokreolischen People of Color auf die Miliztradition ihrer Gemeinschaft verweisen, doch lag diese bereits ein halbes Jahrhundert zurück. Seither war ihnen jegliche Teilhabe an militärischen Erfahrungen verweigert worden. Während die Gemeinschaft der Free People of Color versuchte hatte, das Vergessen ihrer militärischen Tradition aufzuhalten, war die Erinnerung an die farbigen Veteranen in der weißen Bevölkerung bis zum Bürgerkrieg weitgehend verblasst. Dies erklärt auch, warum sich hier trotz der besonderen Geschichte Louisianas das durch die Sklaverei beeinflusste Bild vom ›feigen schwarzen Mann‹ etablieren konnte. Um diesem entgegenzuwirken, forderten die Native Guards immer wieder ihren baldigen Fronteinsatz. Unterstützt wurden sie von hochrangigen weißen Militärs, die die ständige Beschäftigung der farbigen Truppen mit Bewachungs- und Aufräumdiensten beklagten.22

Die Schlacht um Port Hudson Im Mai des Jahres 1863 bot sich dem Ersten und Dritten Regiment der Native Guards erstmals die Möglichkeit, sich im direkten Kriegseinsatz zu bewei-

19 Die Annahme Butlers, es handele sich ausschließlich um Afrokreolen, war falsch. U. S. Congress, Senate, Report of the Joint Committee on the Conduct of the War, 37th Cong., 3rd sess., S. Rpt. 108, Pt. 3 (1863), 357. 20 »Letter from a Colored Soldier«, Daily Delta, 7. November 1862, abgedruckt in L’Union, 8. November 1862, frz. Ausgabe. 21 Daily Picayune, 30. Juli 1862; Kate Mason Rowland/Mrs. Morris L. Croxall (eds.): The Journal of Julia LeGrand, New Orleans 1862-1863, Richmond: Everett Waddey 1911, 168. 22 Colonel S. M. Quincy an Lieutenant Colonel W. S. Albert, 30. August 1864, in: Berlin, Freedom, 508; Brig. Gen. Daniel Ullmann an Henry Wilson, 4. Dezember 1863, in: Berlin, Freedom, 496.

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sen.23 Butlers Nachfolger als Kommandeur am Golf von Mexiko, Nathaniel P. Banks, wusste um die Bedeutung des Fort Port Hudson nordöstlich von Baton Rouge. Dessen Eroberung durch die Unionsarmee hätte den Westen vom restlichen Süden abgeschnitten und die Versorgungswege der Konföderierten durchkreuzt. Um dies zu erreichen, entschied sich Butler dazu, die Native Guards in einem Angriff auf Port Hudson einzusetzen. Allerdings gelang es der Unionsarmee in der mehrtägigen Schlacht nicht, das Fort einzunehmen.24 Trotz dieses Scheiterns war die Schlacht um Port Hudson eine der bedeutendsten des Bürgerkriegs. Nicht nur das Militär, sondern auch die Politik und die Öffentlichkeit richteten ihren Blick in diesen Tagen gebannt auf das kleine Städtchen in Louisiana. Dass die Hoffnungen der gesamten afroamerikanischen Bevölkerung der USA auf den Schultern der Soldaten der Native Guards lasteten, dessen waren sich viele BeobachterInnen bewusst. Auch der kommandierende General William Dwight, Jr. wusste um den experimentellen Charakter seiner Unternehmung: »The Negro will have the fate of his race on his conduct. I shall compromise nothing in making this attack, for I regard it as an experiment.«25 Wie würden sich die farbigen Soldaten verhalten? Würden sie ihrer neuen Rolle als Verteidiger der Union an vorderster Front gerecht werden oder würden sich die Vorurteile vom ›feigen schwarzen Soldaten‹ bestätigen, der unfähig war, die komplexen militärischen Strategien zu verstehen und rational zu handeln? Die Reaktionen auf ihren Kampf, sowohl seitens des Militärs als auch unionsnaher Zeitungen waren überwältigend.26 Viele Kommentare überschlugen sich förmlich in ihrem Lob auf die koordinierte, mutige und ausdauernde Leistung der farbigen Soldaten, die endgültig bewiesen hatten, dass sie ›wahre Männer‹ waren und genau dieselbe Vaterlandsliebe und denselben Opferwillen besaßen wie ihre weißen Kameraden. Selbst die höheren militärischen Vertreter, die sich weniger vom ersten Einsatz der Native Guards blenden ließen als sensationshungrige Journalisten, zeigten sich von der grundle-

23 Lediglich in einer kleineren militärischen Operation in Pascagoula waren bereits zuvor drei Kompanien des Zweiten Regiments (ca. 188 Männer) in Kontakt mit Rebellen gekommen. L’Union, 14. April 1863, frz. Ausgabe. 24 Die Unionsarmee belagerte das Fort für 48 Tage. Erst als die Konföderierten am 9. Juli 1863 die Nachricht vom Fall Vicksburgs erhielten, der die Wende im Westen zugunsten der Union einleitete, gaben sie auf. Zum Hergang der Schlacht siehe den Bericht von Nathaniel P. Banks, 30. Mai 1863, OR, series I, vol. XXVI, pt. 1, 43-45; Joseph T. Wilson: The Black Phalanx. A History of the Negro Soldiers of the United States in the Wars of 1775-1812, 1861-65, Hartford, CT: American Publishing 1890, 212-19; Lawrence Lee Hewitt: »An Ironic Route to Glory. Louisiana’s Native Guards at Port Hudson«, in: Smith, Black Soldiers in Blue, 78-106; Roland C. McConnell: »Louisiana’s Black Military History, 1729-1865«, in: MacDonald/Kemp/Haas, Louisiana’s Black Heritage, 51-59. 25 William Dwight an seine Mutter, 26. Mai 1863, Dwight Family Papers, Massachusetts Historical Society, Boston, zitiert in Hollandsworth, 52. 26 Lediglich einige wenige Rebellen-Zeitungen beurteilten die Leistungen der Native Guards negativ. Siehe z. B. Daily True Delta, 9. August 1863. Außerdem ein Dispatch von ›Cairo‹ aus der Daily True Delta, abgedruckt in L’Union, 20. August 1863.

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genden Eignung der farbigen Soldaten überzeugt.27 In seinem offiziellen Bericht schrieb Banks: »It gives me great pleasure to report that they [das Erste und Dritte Regiment, N.M.] answered every expectation. In many respects their conduct was heroic. No troops could be more determined or more daring. […] The highest commendation is bestowed upon them by all the officers in command on the right. Whatever doubt may have existed heretofore as to the efficiency of organizations of this character, the history of this day proves conclusively to those who were in condition to observe the conduct of these regiments that the Government will find in this class of troops effective supporters and defenders.«28

Dieser offiziellen Einschätzung aus dem militärischen Hauptquartier schloss sich die Mehrzahl der Zeitungen an.29 Doch die öffentliche Begeisterung für die kämpfenden farbigen Soldaten basierte weniger auf einer Läuterung der weißen Gesellschaft, die plötzlich ihre Vorurteile und Rassismen erkannte, als vielmehr auf politischen Erfordernissen.30 Man hatte die Soldaten und Offiziere in die Unionsarmee eingegliedert, weil man sie brauchte und weil man ihnen aufgrund ihrer militärischen Tradition eher vertraute als anderen Gruppen. Darüber hinaus instrumentalisierten die Unionsgeneräle die Bewaffnung der Free Men of Color auch im psychologischen Kampf gegen die Südstaaten. Indem man Mitglieder der angeblich unterlegenen ›Rasse‹ auf das Schlachtfeld schickte und damit einen Nahkampf zwischen weißen Konföderierten und farbigen Soldaten inszenierte, von denen immer mehr aus den Reihen der nach New Orleans geflohenen Sklaven stammten, setzte man die Südstaatenregierung enorm unter Druck. Das von vielen Seiten gewürdigte Verhalten der Native Guards in Port Hudson hatte eine Ausdifferenzierung des Bildes vom farbigen Soldaten sowohl bei den weißen Kameraden als auch in der Öffentlichkeit zur Folge. Die Schwächung des lange vorherrschenden Bildes vom ›feigen schwarzen Sol27 Z. B. Brig. Gen. Daniel Ullman an Brig. Gen. L. Thomas, 19. Mai 1863, in: Berlin, Freedom, 145. 28 Report of Maj. Gen. Nathaniel P. Banks, U. S. Army, commanding Department of the Gulf, 30. Mai 1863, OR, series 1, vol. 26, pt. 1, 45. 29 Positive Berichte über das Verhalten der farbigen Soldaten in der Schlacht um Port Hudson: Harper’s Weekly, 8., 15. August 1863; New York Times, 11. Juni 1863, zitiert in Lawrence Lee Hewitt: »They Fought Splendidly!: The Struggle for Port Hudson«, (Ph.D. diss., Louisiana State University 1984), 292; New Orleans Tribune, 28. Juli 1864; J. S. C. Abbott: »Siege and Capture of Port Hudson«, in: Harper’s New Monthly Magazine 30:178 (March 1865), 435. 30 Die Bewaffnung der Free Men of Color brachte der Unionsarmee auch einen weiteren Vorteil. Indem man augenscheinlich nur ein Regiment wiederbelebte, das bereits die konföderierte Armee in den Dienst gestellt hatte, konnte man die heftig debattierte Bewaffnung von Sklaven hinterrücks einführen. Viele ehemalige Sklaven, die in die Reihen der Unionsarmee geflüchtet waren, wurden für die Native Guards rekrutiert. Obwohl ihr Anteil in den Einheiten mit Fortgang des Konflikts immer größer wurde, verbanden viele mit den Native Guards noch immer die Vorstellung einer aus freien Farbigen bestehenden Einheit. Siehe George S. Denison an Salmon P. Chase, 9. September 1862, zitiert in Butler: Private and Official Correspondence, vol. 2, 270; Butler an Halleck, 27. August 1862, OR, series I, vol. XV, 555-56.

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daten‹ bedeutete jedoch nicht zwangsläufig eine Entschärfung der Rassismen. Wie eng positive Einschätzungen über den Schneid der Soldaten mit rassistischen Vorurteilen verschränkt sein konnten, zeigt exemplarisch ein Brief des Unionssoldaten John H. Guild an seinen Bruder: »I am inclined to believe that they will make good soldiers, better in fact in drill and discipline than whites, but as to whether they will fight as well remains yet a mooted question, certain it is that they fought well at Port Hudson. […] It was fun to see the darkies skeedaddle in all directions bent almost double. […] I thought at the time that I would give all the spare money I had to have had the privilege of shooting as many of the black rats as I could.«31

So trafen sich weiße und farbige Soldaten auch nach Port Hudson nicht auf Augenhöhe, denn der neue Ruf vom farbigen Soldaten als mutig, opferbereit und ehrenvoll war von ambivalenter Qualität. Die Darstellung des farbigen Soldaten als ebenso tapfer und kampfeswillig wie seine weißen Kameraden behielt in vielen Berichterstattungen einen faden Beigeschmack. Eben jene Eigenschaften, die ihn gerade noch auf eine Stufe mit dem weißen Soldaten stellten, wurden kurzerhand umgedeutet zu Charaktereigenschaften, die in der ›Natur des Schwarzen‹ innewohnten. So wurde aus dem Mut und der Entschlossenheit fehlende Kontrolle und Verständnis für militärische Taktik und aus Opferbereitschaft Verantwortungslosigkeit und Irrationalität. Die häufig gestellte Frage war nun nicht mehr, ob der farbige Soldat kämpfen würde, sondern vielmehr wie es gelingen könne, seine offensichtlich unbändige Kraft und seinen Übermut im Felde erfolgreich zu zügeln.32 So äußerte sich in der Darstellung der farbigen Soldaten als auf dem Schlachtfeld ›gnadenlosen‹ Kämpfern der biologistische Unterton der amerikanischen Rassentheorien des 19. Jahrhunderts. Dem Bereich der Emotion zugeordnet, war es nach Ansicht der Berichterstatter nur schlüssig, dass die farbigen Soldaten mutig und kampfbereit waren. Anders als bei ihren weißen Kameraden wurden diese Qualitäten jedoch nicht als Tugenden des loyalen Bürgersoldaten und seiner Männlichkeit interpretiert, sondern als ein erneuter ›Beweis‹ für die Minderwertigkeit der ›schwarzen‹ und ›gemischten Rasse‹. Vor allem in Zeitungsberichten fanden sich viele Metaphern und Vergleiche aus der Tierwelt, die die farbigen Soldaten in die Nähe unkontrollierbarer ›wilder Barbarei‹ rückten. So kämpften sie laut einer Zeitung »with the desperation of tigers. One Negro was observed with a rebel soldier in his grasp, tearing the flesh from his face with his teeth[.]«33 Hier wird die ganze Ambivalenz der Beurteilung der farbigen kriegerischen ›Performanz‹ greifbar. Wie der restliche Artikel zeigt, wollte der Verfasser vor allem den unbändigen Mut der farbigen Soldaten und ihre aus seiner Sicht durchaus ge31 John H. Guild Letter, 10. August 1863, LLMVC. 32 Carlton [?], 26. März 1863, Scrapbook Concerning the Negro in the United States, TU. Die scheinbar nur schwer zu kontrollierende Aggression der farbigen Soldaten war es auch, die einigen weißen Offizieren die Entscheidung erschwerte, das Kommando über Native Guard-Einheiten zu übernehmen. Peter M. Yawyer Letter, 10. Januar 1863, LLMVC. 33 New York Herald, 6. Juni 1863, zitiert in William Wells Brown: The Negro in the American War of the Rebellion: His Heroism and His Fidelity, Boston: Lee and Shepard 1867, 175.

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rechtfertigte Wut auf ihre früheren Unterdrücker zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig ordnete er seine Beschreibungen durch die Verwendung der Tiermetaphern und die Anspielung auf barbarische und archaische Kampfeshandlungen in die Tradition einer rassistischen Lehre von der ›Kulturlosigkeit‹ der ›schwarzen Rasse‹ ein. Selbst wenn er auf die hervorragenden Leistungen hatte hinweisen wollen, eine grundsätzliche Revision bestehender Bilder geschah nicht. Wie schwierig es war, den gewohnten Darstellungsweisen zu entfliehen, beweist der Bericht des nordstaatlichen Geistlichen George H. Hepworth über die Schlacht um Port Hudson. Darin lässt er einige hochrangige Unionsoffiziere zu Wort kommen. In ihren Beschreibungen verweisen sie zunächst auf den außergewöhnlichen Mut der Native Guards und wenden sich damit direkt gegen den Mythos vom ›ängstlichen und feigen‹ farbigen Soldaten. Zugleich schwingt in ihren Worten allerdings das Konstrukt vom gefühlsgetriebenen, leidenschaftlichen und irrationalen Schwarzen mit. Es ist nicht so sehr der Mut, der die weißen Offiziere faszinierte, als vielmehr die fehlende Konzeption von Angst im Denken der Soldaten. Diese Unfähigkeit wurde gleichgesetzt mit einer beschränkten Intelligenz, die es dem farbigen Soldaten nicht erlaubte, das Kriegsgeschehen in all seinen möglichen Auswirkungen zu antizipieren und zu begreifen. Diese begrenzte Sichtweise sei es letztlich, die ihn dazu befähige, sich rücksichtslos und unbeirrt in das Schlachtengetümmel zu werfen. Zwar qualifizierte der befragte Offizier seine Aussage insofern, als er dieses Verhalten mit der aufgestauten Wut über die jahrzehntelange Unterdrückung im System der Sklaverei in Verbindung brachte, letztlich jedoch ändert diese Einsicht nichts an seiner Sicht auf die Dinge: »›When within a few rods of the enemy’s works,‹ said one of their officers, ›they became perfectly uncontrollable. We could not keep up with them. Their eagerness never was matched. Instead of cowardice, they seemed to have no conception of fear. […] They were close to the foe. It was a sound unlike any thing I ever heard, – a wild, unearthly noise. It came across me at the time, that it was the slavery of a thousand years finding vent.‹ […] The only difficulty to be found with them is one not often complained of. It is, that they are apt to go too far. They become passionate, fearfully excited, and their officers lose control of them. In battle, they are not merciful.«34

Ohne eine nennenswerte eigene Publizistik war es für die Free People of Color schwierig, gegen diese weitverbreiteten Darstellungen anzuschreiben. Lediglich ihre seit 1862 in New Orleans erscheinende Zeitung, L’Union, versuchte in ihren Berichten die Rationalität und das abgeklärte, professionelle Kampfverhalten der afrokreolischen Soldaten hervorzuheben. Dies tat sie vor allem durch das Abdrucken von Briefen weißer Militärs, wie etwa Captain M. M. Miller aus Illinois, der ein anderes Regiment farbiger Soldaten kommandierte. Über den Mut seiner Soldaten in der nach Port Hudson wohl wichtigsten Schlacht farbiger Einheiten am Milliken’s Bend in Louisiana schrieb er: »Not one of them offered to leave his place until ordered to fall back; in fact

34 George H. Hepworth: The Whip, Hoe, and Sword; or, the Gulf-Department in 63, Boston: Walker and Wise 1864, 189-90, Hervorhebung im Original.

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very few ever did fall back. […] They met death coolly, bravely—not rashly did they expose themselves, but all were steady and obedient to orders.«35 Die Schlacht um Port Hudson hatte sowohl für die militärische Führung als auch für weite Teile der Öffentlichkeit zweierlei verdeutlicht: Zum einen war klar geworden, dass sich farbige Soldaten grundsätzlich für den Kriegsdienst eigneten. Gleichzeitig glaubten die weißen Militärs erkannt zu haben, dass die Regimenter farbiger Soldaten einer durchgreifenden weißen Führung bedurften. Nur eine qualifizierte Anleitung würde in den Soldaten ihre ›natürlichen‹ Fähigkeiten stärken, die nach Meinung vieler im kompromisslosen Gehorsam und der perfekten und letztlich gedankenlosen Beherrschung der Waffen lagen: »Show them how to handle a musket and at once they imitated the movement as if they feared it might hurt them if they used it any other way. […] Again, their ear for time as well as tune was exceedingly apt; and it was wonderful with what accuracy and steadiness a company of Negroes would march after a few day’s instruction. […] They instinctively, and without needing so much drilling and experience as did white men, kept their camps neat and in better order.«36

Das Bild von den militärischen Fähigkeiten der farbigen Soldaten blieb demnach selbst bei Befürwortern ihrer Bewaffnung ambivalent. Auf der einen Seite verblüfften sie ihre Vorgesetzten und Gegner mit einem bemerkenswerten Talent für die einfachen militärischen Aufgaben und einem schier unbändigen Kampfeswillen. Gleichzeitig hinderte sie ihr fehlendes Vertrauen in sich selbst und ihre eigene ›Rasse‹ angeblich daran, selbstbestimmt und verantwortungsvoll die strategischen und taktischen Finessen des Kriegs anzuwenden: »Give them officers who will call out their latent manliness, who will work on their religious sensibilities, rallying them to their hopes of freedom, and you can carry them nearer the gates of hell than any regiment of whites. They certainly need white officers for a while, and the best of officers, too, for they will, like children, lean much on their superiors. Till they learn to respect their own race more than they do, colored officers will be a failure.«37

Diejenigen, die in den farbigen Soldaten nicht viel mehr als fügsames ›Kanonenfutter‹ sahen, hatten offensichtlich vergessen, dass die Einheiten der Native Guards durchaus über eine effiziente Führung in Form von afrokreolischen Offizieren verfügten. Für diese wurde die Umkehrung des Diskurses, die aus der anfänglichen Euphorie über die Leistungen der farbigen Soldaten schnell eine Reduzierung auf ›rassische‹ Merkmale machte, zum gewichtigen Problem. In ihren militärischen Funktionen unterstanden ihnen zum Teil auch weiße Soldaten, die sich oftmals schwer taten, ihrem Kommando Folge zu leisten. Dies lag nicht nur daran, dass sie die militärischen Fähigkeiten der 35 L’Union, 14. Juli 1863. 36 Butler, Butler’s Book, 494. Siehe außerdem Boston Liberator, 3. April 1863; New York Times, 11. Juni 1863, zitiert in Hewitt: »They Fought Splendidly!«, 292. 37 Henry T. Johns: Life with the Forty-Ninth Massachusetts Volunteers, Washington: Ramsey and Bisbee 1890 [1864], 168.

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afrokreolischen Offiziere in Frage stellten. Sie waren vor allem nicht bereit, in ihren farbigen Vorgesetzten ebenbürtige Männer zu sehen. Für die Offiziere der Native Guards ging es deshalb auch darum, ihre bellikose Männlichkeit unter Beweis zu stellen.

Der Kampf um die Männlichkeit Über die unterschiedlichen Männlichkeitsentwürfe in den USA im 19. Jahrhundert ist viel geschrieben worden. Dabei hat sich die Forschung lange auf die Männlichkeitskonzepte der weißen Mehrheitsgesellschaft konzentriert. Die Entwürfe männlicher Geschlechterrollen in der marginalisierten Gruppe der Afroamerikaner, ganz besonders der freien Farbigen, sind dagegen erst in jüngster Vergangenheit verstärkt in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Zwar war die Erfahrung des Miliz- und Militärdienstes in den meisten westlichen Gesellschaften jener Zeit von wesentlicher Bedeutung für die Konstruktion einer gesellschaftlich anerkannten Männlichkeit, doch stand die Wehrhaftigkeit im Süden besonders im Vordergrund. Die dortige Präsenz von Gewalt hat im 20. Jahrhundert zu der Vorstellung von einem ›martialischen Süden‹ geführt. John Hope Franklin machte in seiner Studie The Militant South die These von der gezielten Militarisierung der Südstaatengesellschaft populär, die seiner Meinung nach die Versklavung von Millionen von Menschen erst ermöglicht hatte. Gewalt als Mittel der sozialen Kontrolle hatte sich auf diese Weise im Süden derart verankert, dass die Gewaltbereitschaft zu einem Wesensmerkmal der Südstaatler geworden war.38 Zwar ist die These, dass der Süden auch in zivilen Lebensbereichen eine besondere Gewaltkultur generierte, in der jüngeren Forschung eingeschränkt worden, doch besteht dennoch wenig Zweifel darüber, dass sich dort geschlechtliche, soziale und regionale Identitäten in Abhängigkeit eines weitverbreiteten Ideals des Kämpfens konstruierten, welches sich sowohl auf militärischer Ebene als auch im alltäglichen Leben äußerte. Die Praxis des Duellierens, der auch immer wieder erlassene Verbote nichts anhaben konnten, ist nur ein Beispiel von vielen.39 Die Teilnahme an bestimmten performativen Gewaltausübungen war im Süden Voraussetzung für die gesellschaftliche Anerkennung als ›Mann‹. Für die Free Men of Color war das Angebot an Männlichkeitskonzepten von jeher schwierig gewesen, weil sie sich aufgrund ihrer sozialen Position an der Schnittstelle von hegemonialen und marginalen Männlichkeiten befanden.40 Die Rollenentwürfe, die den Free Men of Color bisher zur Verfü38 John Hope Franklin: The Militant South: 1800-1861, Cambridge, MA: Harvard UP 1956. 39 Siehe insbesondere Bertram Wyatt-Brown: Southern Honor. Ethics and Behavior in the Old South, New York: Oxford UP 1982; The Shaping of Southern Culture. Honor, Grace, and War, 1760s-1890s, Chapel Hill: University of North Carolina Press 2001. 40 Ich lehne mich hier den von R. W. Connell erarbeiteten Begrifflichkeiten von hegemonialen und marginalisierten Männlichkeitsentwürfen an. In seinem Konzept kommt neben der Frage von Macht auch die Verschränkung von Identitätskategorien wie Klasse und ›Rasse‹ mit dem Männlichkeitskonstrukt zur Sprache. Siehe dazu R. W. Connell: Masculinities, Berkeley: University of California Press 1995, Kapitel 3.

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gung gestanden hatten, oszillierten zwischen einer weißen hegemonialen Männlichkeit und einer farbigen Männlichkeit, die im Wesentlichen von der Institution der Sklaverei geprägt wurde. Neben dem Konzept vom ›feigen, irrationalen und kindlichen Schwarzen‹, dessen ›natürliche‹ Lebensbedingung die Sklaverei sein musste, existierte ein alternativer Männlichkeitsentwurf, der sich allerdings bei näherem Hinsehen lediglich als die andere Seite derselben Medaille entpuppt. Denn das Konzept des ›schwarzen Rebellen‹, der Qualitäten wie Mut, Entschlossenheit und Ehre besaß, schloss letztlich auch wieder die Komponente der Irrationalität und Hilflosigkeit ein.41 Der Widerstand von Sklaven war in der Darstellung der weißen Hegemonialmacht am Ende immer zum Scheitern verurteilt und offenbarte die unmännlichen Qualitäten des farbigen Mannes: seinen Fluchtinstinkt, seine blinde und unkontrollierte Wut, und seine Unfähigkeit, über das eigene Leben zu bestimmen.42 Anders als die Sklavenbevölkerung hatten die Free Men of Color zwar Zugriff auf wichtige Bereiche wie die Wirtschaft und das Militär gehabt, letztlich aber waren auch sie in ihrer Männlichkeit beschränkt, weil es ihnen versagt blieb, die Rolle des Bürgersoldaten voll auszufüllen. Des Weiteren büßten sie in ihrer Männlichkeit dadurch ein, dass es ihnen aus weißer Sicht nur bedingt gelang, als Patriarch und Beschützer die Rolle des Familienoberhauptes auszuüben.43 Um gesellschaftlich und politisch nicht länger im Abseits zu stehen, mussten die Free Men of Color versuchen, sich in den Diskurs der in Louisiana herrschenden Männlichkeitskonstruktionen einzuschreiben. Der Bürgerkrieg bot ihnen nun die Möglichkeit, sich als ›richtige Männer‹ zu beweisen und als solche einen ebenbürtigen Platz in der Gesellschaft zu erkämpfen. Dabei fanden sie sich allerdings in der kuriosen Lage wieder, dass sie einerseits dem Bild der Verweichlichung entgegenwirken, sich also vor allem als gewaltbereite Kämpfernaturen darstellen mussten. Andererseits mussten sie sich von dem Bild des ungestümen und damit irrational handelnden farbigen Soldaten distanzieren. So oszillierten sie fortan ständig zwischen der Betonung ihrer männlich-kriegerischen Kampfeslust und Opferbereitschaft und einer Selbstdarstellung als moralisch über den weißen Soldaten stehend. Indem sie die besondere Güte und Ehre der farbigen Soldaten betonten, versuchten sie eine positive Umformulierung ihrer angeblich weiblichen Züge. Diese äußerten sich ihrer Meinung nach in sol41 Auch Sklaven übernahmen diese von der weißen hegemonialen Gesellschaft konstruierten Männlichkeitsentwürfe nicht unreflektiert und versuchten, alternative Geschlechteridentitäten zu formulieren. Siehe dazu u. a. Bertram WyattBrown: »The Mask of Obedience. Male Slave Psychology in the Old South«, in: Anne Goodwyn Jones/Susan V. Donaldson (eds.), Haunted Bodies. Gender and Southern Texts, Charlottesville: University of Virginia Press 1997, 23-55; Sophie White: »›Wearing three or four handkerchiefs around his collar, and elsewhere about him‹: Slaves’ Constructions of Masculinity and Ethnicity in French Colonial New Orleans«, in: Gender & History 15:3 (November 2003), 528-49. 42 Zur Dualität der weißen Wahrnehmung farbiger Männlichkeitsentwürfe, die im Wesentlichen zwischen dem Stereotyp des ›Sambos‹ und dem gefährlichen, weil schwer beherrschbaren Typ des ›Nat Turners‹ oszillierten, siehe William F. Messner: »Black Violence and White Response: Louisiana, 1862«, in: Journal of Southern History 41:1 (February 1975), 19. 43 Ihre Angst vor dem Kontrollverlust im familiären Leben äußert sich auch in ihrer Dichtung. Vgl. dazu das Kapitel »Zwischen Assimilation und Protest«.

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chen Momenten, in denen sie unter Einsatz ihres Lebens schwerverletzten Rebellen halfen oder ihren weißen Vorgesetzen das Leben retteten.44 Vom ersten Tage ihrer Indienstnahme standen die Native Guards und ihre ›Mannhaftigkeit‹ unter dem prüfenden Blick der Öffentlichkeit. Neben ihren Leistungen auf dem Schlachtfeld generierte besonders ihre äußere Erscheinung eine Diskussion um männliche Attribute. Die Uniform nahm dabei einen wesentlichen Platz ein. Für die Free Men of Color war sie von großer Bedeutung, weil sie als Symbol sowohl für ihre Männlichkeit als auch das Versprechen einer gleichberechtigten Partnerschaft stand. Gleichzeitig ging von ihr eine große Attraktivität aus, weil sie, wie Ute Frevert bemerkte, die Nähe zur staatlichen Macht und die Möglichkeit zur Ausübung physischer Gewalt symbolisierte.45 Für die Free Men of Color diente die Uniform dazu, die Mannhaftigkeit des Einzelnen sowohl nach innen in die militärische Einheit als auch nach außen in die zivile Gesellschaft hinein zu dokumentieren und die Gruppe der soldatischen Free Men of Color in Erscheinung und Bedeutung innerhalb des interethnischen Militärverbandes zu egalisieren. Welche besondere Wirkung das Tragen der Uniform bei vielen farbigen Soldaten hatte, verwunderte ihre weißen Kameraden. Sie war für die Native Guards mehr als ein bloßes Kleidungsstück; sie symbolisierte die Anerkennung als freie Bürger und als Männer: »Put a United States uniform on his back, and the chattel is a man. […] He feels it, his looks show it. See him on guard. He is erect, not slouching; he seems to say, ›I am guarding my freedom and my manhood.‹«46 Aus Sicht der weißen Soldaten stand die Frage im Vordergrund, ob die Free Men of Color die Auszeichnung der militärischen Uniform ehrenvoll trugen. Waren sie in ihrem Verhalten und ihrem Auftreten berechtigt, die Uniform als Zeichen ihrer Gleichheit, zumindest im Rahmen der militärischen Einheit, zu tragen? Tatsächlich rief die Uniformierung und die Einweisung farbiger Truppen in die militärischen Aufgaben und Rituale bei vielen weißen Soldaten Unverständnis und bisweilen Zorn hervor. Das persönliche Selbstwertgefühl, dass das Tragen der US-Uniform in vielen farbigen Soldaten aufkommen ließ und das sie in der Öffentlichkeit gerne zur Schau stellten, geriet in der Wahrnehmung weißer Kameraden zu einer lächerlichen Szenerie: »If you could see some of the airs of these Serg[eants] when they have become proficient enough to drill a squad. You would be much amused, and then the pride they take in their personal appearance. Oh, how that brass does shine! And then that cap

44 New Orleans Tribune, 2., 26. Juli 1864. Der Versuch, den Effeminisierungsvorwurf positiv umzuwerten, entsprach auch den Bemühungen einiger farbiger Ethnologen, die in der Antebellumzeit die fehlende Aggressivität ihrer ›Rasse‹ als Ausdruck ihrer höheren Moral und Barmherzigkeit werteten. Mia Bay: The White Image in the Black Mind: African-American Ideas about White People, 1830-1925, New York: Oxford UP 2000, 71-74. 45 Ute Frevert: »Männer in Uniform. Habitus und Signalzeichen im 19. und 20. Jahrhundert«, in: Claudia Benthien/Inge Stephan (Hg.), Männlichkeit als Maskerade. Kulturelle Inszenierungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln: Böhlau 2003, 284, 292. 46 Johns, 169, Hervorhebung im Original.

206 | KREOLISCHE IDENTITÄT front turned up at an elevation of about 45 degrees […] When one is on guard especially in the street he is as good as the lord in his own imagination.«47

In den vielen Darstellungen über das Exerzieren der Native Guards und ihre Paraden wird immer wieder auf ihre Körper verwiesen.48 Die besondere physische Qualität, nicht der Intellekt, war es nach Meinung vieler, die den Erfolg der Einheiten ausmachen würde. Der farbige Soldat wurde in diesem Diskursfeld unter dem Aspekt seiner ›natürlichen und archaischen‹ Kraft konstruiert. Er würde nach Ansicht vieler Beobachter dem Militär das bieten können, was den weißen Männern aufgrund von Zivilisation und Bildung abhanden gekommen war: Kraft, blinden Gehorsam und Unterwürfigkeit. »Great lusty fellows with breasts like women’s; they take us down as far as brute strength is concerned. When I contrasted their elastic, vigorous steps with our wan looks and increasing debility I felt that they had not been recruited any too soon. Dressed in full uniform they made a fine appearance and marched as one man. In mere drill they must beat the whites; for ›time,‹ which is so important an item in drilling, is a universal gift to them. Their docility, their habits of unquestioning obedience, pre-eminently fit them for soldiers.«49

Für die Offiziere unter den Free Men of Color hatte die Unionsuniform noch eine weitere Bedeutung, denn ihre Ausstattung stellte nach Außen hin dar, welchen militärischen Rang der Einzelne ›bekleidete‹. Die Erhebung farbiger Soldaten in den Offiziersrang stellte die weiße Gesellschaft vor wesentlich größere Probleme als die Rekrutierung einfacher Soldaten, denn die propagierte ›Rassenlehre‹ und Verneinung einer farbigen Männlichkeit, die die wesentlichen Attribute der hegemonialen Männlichkeitsentwürfe beinhaltete, stand in einem unvereinbaren Kontrast zu farbigen Soldaten in Führungspositionen. Die drei Regimenter der Native Guards zählten insgesamt 76 farbige Offiziere; 49 von ihnen bekleideten den Rang des Lieutenants, 26 den des Captains und Francis E. Dumas brachte es als einziger zum Major.50

47 Henry R. Gardner an seine Eltern, 4. März 1864, in Kenneth E. Shewmaker/Andrew K. Printz (eds.): »A Yankee in Louisiana: Selections from the Diary and Correspondence of Henry R. Gardner, 1862-1866«, in: Louisiana History 5 (Summer 1964), 286. Hervorhebung im Original. Vgl. auch Rowland/Croxall, 167-68. 48 New York Times, 5. November 1862; Daily Picayune, 9. Februar 1862. 49 Johns, 167. 50 Im amerikanischen Militärwesen wird unterschieden zwischen commissioned und non-commissioned officers. Zwar handelt es sich bei beiden um Offiziersränge, doch haben die commissioned officers – Lieutenant und aufwärts – eine größere Verantwortung und Befehlsgewalt. Offiziere mit Commission erhielten ihren Rang direkt von einer hochrangigen militärischen Autorität, während Offiziere ohne Commission durch Beförderung innerhalb ihrer Einheit zum Offizier wurden. Insgesamt weiß man heute von ca. hundert farbigen Soldaten, die commissioned Offiziersränge bekleideten, davon etwa 2/3 in den Louisiana Native Guards und das andere Drittel als Pastöre und Ärzte in anderen farbigen Einheiten. Siehe die Liste im Anhang. Außerdem Berlin: Freedom, 303, 310-11.

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Die Präsenz dieser Offiziere in der Öffentlichkeit löste in New Orleans große Verwirrung aus. So berichtete der Korrespondent der New York Times von seiner Unterhaltung mit einem weißen Offizier in Fort Macombe: »›I understood you, colonel,‹ said I, ›that all your line officers were colored men; there goes one, at any rate, who is white.‹ The colonel turned to me with a sarcastic smile: ›And do you really think him white? Well, you may, sir, but that man is a ›negro,‹ for he carries the so-called curse of African blood in his veins.‹«51

Sowohl die scheinbare äußerliche Evidenz von ›Weißsein‹ als auch das Auftreten der Offiziere der Native Guards versetzte Beobachter und militärisches Personal in Erstaunen. Die Free Men of Color wurden nun erstmals im ganzen Land wahrgenommen. Dies geschah vor allem über Zeitungen und Magazine nationaler Verbreitung wie der New York Times und der Harper’s Weekly. Einige Monate vor der Schlacht um Port Hudson erschien ein ausführlicher Bericht über die Native Guards und ihre Offiziere. Illustriert wurde er von einer Zeichnung, die fünf Offiziere des Ersten Regiments in einer Reihe stehend zeigt. Abb. 2: Offiziere der First Louisiana Native Guards, Harper’s Weekly, 28. Februar 1863

Zum Teil auf ihre Säbel abgestützt und in verschiedene Richtungen in die Ferne blickend, strahlen sie Stolz und Selbstsicherheit aus. In der Bildunterschrift schrieb der Autor: 51 Harper’s Weekly, 28. Februar 1863, dort zitiert aus der New York Times.

208 | KREOLISCHE IDENTITÄT »This officer, Captain E. Davis, of Company A [Abb. 2, rechts] , was a fine-looking young man, not unlike General McClellan in mound of features, with light blue eyes, ruddy complexion, soft, silky hair, and a splendid mustache, of a sandy color, nearly approaching red. I would have defied the most consummate expert in Niggerology, by the aid of the most powerful microscope, to discover the one drop of African blood in that man’s veins. Still there it was upon the record against him.«52

Die Position der Offiziere wurde verkompliziert durch ihre engen Verbindungen zur weißen Oberschicht Louisianas. Nicht nur besaßen viele von ihnen eine ausgezeichnete Bildung und waren vermögend. Es war vor allem ihre Verwandtschaft zu prominenten weißen Familien des Staates, die den Umgang mit ihnen für die militärische Führung erschwerte. So sagte Colonel Stafford, der das Oberkommando über das Erste Regiment der Native Guards führte, zum Bürgerkriegsveteranen und Kriegsberichterstatter James Franklin Fitts: »Now look sharply down that line, and I’ll tell you a thing that you haven’t thought of. Sir, the best blood of Louisiana is in that regiment! Do you see that tall, slim fellow, third file from the right of the second company? One of the ex-governors of the State is his father. That orderly sergeant in the next company is the son of a man who has been six years in the United States Senate. Just beyond him is the grandson of Judge –, of one of the river parishes; and all through those ranks you will find the same state of facts. […] Their fathers are disloyal; these black Ishmaels will more than compensate for their treason by fighting it in the field.«53

Trotz ihrer engen Verwandtschaften mit angesehenen Familien aus der weißen Oberschicht, blieben die Free Men of Color in der damaligen amerikanischen ›Rassenlogik‹ minderwertig. Die Aufforderung an weiße Soldaten, sich dem Befehl eines farbigen Offiziers unterzuordnen, kam für viele weiße Soldaten deshalb einer ›Entmannung‹ gleich. So schrieb ein Soldat aus Ship Island, Louisiana: »In the protest they asserted their willingness to obey every order consistent with their manhood, but as to acknowledging a negro their superior, by any virtue of shoulder straps he might wear, they could not.«54 Die enge Zusammenarbeit – die wie im Fall der Belagerung von Port Hudson häufig auch körperliche Nähe bedeutete – ließ viele weiße Soldaten um ihre Männlichkeit fürchten. Angesichts solcher Umstände waren Beleidigungen gegenüber den Offizieren der Native Guards keine Seltenheit. So etwa ein Provost Marshal an einen Freund nach seiner Ankunft in New Orleans: »You should have a look here at these negro Captains, appointed by Gen. Butler. […] [They look, N.M.] like dogs in full dress, ready to dance in the menagerie. Would you like to obey such a fool?«55 52 Harper’s Weekly, 28. Februar 1863, dort zitiert aus der New York Times. 53 James Franklin Fitts: »The Negro in Blue«, in: Galaxy 3:3 (1 February 1867), 253. 54 Brief im Boston Journal, 14. Februar 1863, Scrapbook Concerning the Negro in the United States, TU. 55 Zitiert in Hollandsworth, 72. Siehe außerdem New York Herald, 21. Februar 1863, zitiert in Hollandsworth, 42. Auch innerhalb der militärischen Führung kam es häufiger zu Beleidigungen und Diskriminierungen. Besonders eklatant äußerten sich diese in der Debatte um eine angemessene Bezahlung der farbigen

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Die Offiziere der Native Guards Je länger und erfolgreicher die Native Guards dienten, desto schneller schwand bei den Militärs und innerhalb der politischen Führung die Begeisterung für sie. Hatte man zu Beginn noch daran geglaubt, dass man sie lediglich für den militärischen Erfolg ›benutzen‹ konnte, wurde den führenden Militärs, darunter vor allem dem neuen Kommandanten des Department of the Gulf, Nathaniel P. Banks, bald klar, dass sich die Native Guards nach ihrem Militärdienst nicht mehr mit ihrem alten gesellschaftlichen Platz zufrieden geben würden. Ging es nach Banks, mussten deshalb zumindest die Offiziere aus dem Verkehr gezogen werden. Um sie zum Rücktritt zu zwingen, wollte er sie zermürben, indem er die schwelenden Konflikte zwischen farbigen und weißen Soldaten weiter anstachelte und das Leben für die Free Men of ColorOffiziere unerträglich zu machen suchte. Wo diese Schikanierungstaktik fehlschlug, setzte er sich persönlich für ihren Rücktritt ein, indem er ihnen mit einer ehrenlosen Entlassung drohte.56 Eine besonders erniedrigende Methode, sich der unliebsamen Offiziere zu entledigen, wandte Banks im Fall des Zweiten Regiments an. Er berief ein Board of Examination ein, vor dem die Offiziere auf ihre Qualifikationen und Leistungen geprüft wurden. Besonders skandalös daran war die Tatsache, dass dieser Prüfungsausschuss zum Teil aus rangniedrigeren weißen Offizieren bestand. Die Mehrzahl der Free Men of Color verweigerte sich dieser Demütigung und reichte ihren Rücktritt ein. Einige wenige jedoch stellten sich dem Ausschuss, darunter Captain Robert H. Isabelle, der die Prüfung zwar mit Bravour bestand, einen Monat später jedoch aus Protest gegen anhaltende Diskriminierungen ebenfalls aufgab.57 Soldaten. OR, Series 3, vol. 3, 252; Berlin: Freedom, 363-68. Berühmt wurde im Jahre 1863 die 54th Massachusetts Volunteer Infantry unter Colonel Robert Gould Shaw, die, anstatt die Demütigung der niedrigeren Bezahlung hinzunehmen, ganz auf ihren Sold verzichtete. Herman Belz: »Law, Politics, and Race in the Struggle for Equal Pay During the Civil War«, in: Civil War History 22 (September 1976), 197-222. Obwohl es innerhalb der Unionsarmee vereinzelt auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und Beleidigungen kam, konnten sich die farbigen Offiziere im Wesentlichen ihrer körperlichen Unversehrtheit sicher sein. Anders allerdings, wenn sie Gefangene der Konföderiertenarmee wurden. Im Dezember 1863 erklärte Jefferson Davis, dass alle Commissioned Officers der Native Guards, die aufgegriffen wurden, als Kriminelle angesehen würden, die den Tod verdienten. Wilson, Black Phalanx, 316. 56 Die Berechnung, mit der der Rücktritt der Offiziere des Dritten Regiments angestrebt wurde, wird aus einem Briefwechsel zwischen Joseph G. Parker, dem Vorsitzenden einer Hilfsorganisation, die die Offiziere nach ihrem Ausschluss aus der Armee gegründet hatten, und Richard B. Irwin, dem Adjutanten Banks’, deutlich. Demnach hatte man vor dem Treffen der Offiziere mit Banks bereits das Gerücht verbreitet, dass sie aus dem Militärdienst entlassen werden sollten; eine Nachricht, die sicherlich die Willigkeit der Offiziere zum Rücktritt erhöhte. Darüber hinaus erbosten sich die Offiziere darüber, dass ihre Positionen bereits bei ihrer Rückkehr von dem Treffen mit weißen Offizieren wiederbesetzt worden waren. Vgl. Joseph G. Parker, 30. Mai 1863, und das Endorsement von Richard B. Irwin, 25. November 1863, beide Berlin: Freedom, 317-21. 57 R. H. Isabelle an Wickham Hoffman, 3. März 1863, siehe auch das Rücktrittschreiben von Capt. S. W. Ringgold an Maj. Gen. N. P. Banks, 7. Juli 1863, Berlin: Freedom, 323, 325.

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Auf ihre Ausbootung aus der Unionsarmee, die vorgab für die republikanischen Ideale des amerikanischen Staates zu kämpfen, reagierten die Free Men of Color geschockt, doch keineswegs sprachlos. Die vielen Protestschreiben an führende Militärs dokumentieren ihre Wut über die Bloßstellung und ihre Enttäuschung darüber, dass weiße Soldaten nicht in der Lage waren, militärische Tugenden wie Respekt auch ihren farbigen Kameraden entgegenzubringen: »At the time we entered the army It was the expectation of ourselves, and men, that we would be treated as soldiers. we did not expect, or demand to be putt [sic] on a Perfect equality In a social point of view, with the whites, But we did most certainly expect the Prividledges [sic], and respect due to a soldier who had offered his services and his life to his government, ever ready and willing to share the common dangers of the Battle field.«58

Bei der weißen Militärführung sah man die Sachlage indes anders. Dass sich die Offiziere gegen ihre Entlassungen wehrten und es wagten, Kritik am Militär und dessen Vorgehensweise zu üben, empfand man als unglaubliche Dreistigkeit. Die Rechtmäßigkeit ihrer Entlassung würde durch ihr unerhörtes Auftreten im Nachhinein legitimiert, so Richard B. Irwin, Banks’ Adjutant: »By their arrogance and intolerant self-assertion, the officers of this regiment had conclusively shown that they were not the men to pioneer this experiment, even before they proceeded to demonstrate their hostile and uncompromising spirit by seeking occasions to force their complaints upon the Dept. Commander. […] Whatever may be the general merits of the question, no candid man can doubt that in its practical operation, the experiment of officering colored troops with colored men has […] proved a distressing failure: nor that this failure is due to the incompetency, or bad character of the appointees and their nervous and uncontrollable anxiety to discount the future of their race.«59

Obwohl die Offizierslaufbahnen der Free Men of Color auf diese Weise in Schock und Enttäuschung endeten60, verbesserten sie durch den Militärdienst 58 Rücktrittsschreiben von sechzehn Offizieren des Dritten Regiments an Maj. Gen. Nathanial P. Banks, 19. Februar 1863, Berlin: Freedom, 316. Weitere Reaktionen der Offiziere, siehe: Capt. P. B. S. Pinchback et al. an Maj. Gen. N. P. Banks, [2. März 1863], Berlin: Freedom, 321-23; Capt. W. B. Barrett an Brigadier Gen. Ullmann, 17. Mai 1863, Berlin: Freedom, 324. 59 Adjutant General’s Office, Richard B. Irwin, Endorsement of Parker’s Petition of 30 May 1863, 25. November 1863, Berlin: Freedom, 320. 60 Obwohl man versucht hatte, sich der farbigen Offiziere zu entledigen, benötigte man ihre Dienste im weiteren Verlauf des Krieges immer wieder. Vor allem wegen schärferer Auflagen bei der Rekrutierung von Sklaven, erlaubte man den ehemaligen Offizieren wieder die Aushebung eigener Kompanien. Banks und anderen Militärs war es nicht entgangen, dass es farbigen Offizieren weitaus besser gelang, zuverlässige Einheiten zu rekrutieren als ihren weißen Kameraden. Vgl. General Orders No. 106, 2. August 1864, in New Orleans Tribune, 4. August 1864; General Orders No. 154, 27. Oktober 1864, in New Orleans Tribune, 29. Oktober 1864; Late 2nd Lieut. R. H. Isabelle an Brig. Gen. Ullman, 12. Juni 1863, Berlin: Freedom, 330. Eine Aushebung farbiger Regimenter wie die

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ihre Position in der Gesellschaft und im Kampf um politische Gleichstellung. Indem sie sich (erneut) in die ruhmreiche militärische Geschichte Louisianas einschrieben und die Rolle des mutigen und opferbereiten Bürgersoldaten spielten, hofften sie, sich endgültig einen ebenbürtigen Platz in der Gesellschaft des Staates und der Nation erkämpft zu haben. So folgten sie nicht nur der Tradition ihrer eigenen Väter, die in der Schlacht um New Orleans gestorben waren61, sondern stellten sich an die Seite der Gründungsväter der amerikanischen Nation, die für ihre Befreiung aus den ›Ketten der Unterdrückung‹ durch das Mutterland Großbritannien gekämpft hatten. Captain Henry Louis Rey vom Ersten Regiment der Native Guards verglich in einer Rede die Amerikanische Revolution mit dem eigenen Kampf gegen das unterdrückerische System und stellte seine Soldaten in die Tradition der Kämpfer von Chalmette: »We were treated with contempt; we are now respected as men. […] Hasten all; our blood only is demanded; who will hesitate? Men with the heart of the pelican [Louisianas Wappentier, N.M.]. Let us be worthy sons of the heroes of the plains of Chalmette of 1814 and 1815, and not the slaves of the ›fugitives‹ of Chalmette of 1862.«62

Durch seine Anspielung auf die Konföderiertentruppen, die New Orleans bei der Eroberung durch die Unionsarmee fluchtartig verlassen hatten, kehrte Rey das Stereotyp vom ›feigen schwarzen Soldaten‹ um und zeichnete die Native Guards als mutige und integre Helden. Die Wahl dieser Strategie bedeutete allerdings auch, dass die Free Men of Color auf Rollenbilder zurückgreifen mussten, die vorwiegend von der weißen Bevölkerung konstruiert worden waren. So entschieden sich die Offiziere der Native Guards nicht etwa dafür, ihre militärischen Kenntnisse zu einer gewaltsamen inneren Rebellion zu nutzen – wie man es ja lange befürchtet hatte –, sondern stattdessen für einen Weg der Nachahmung. Sie streiften sich das hegemoniale Männlichkeitsbild vom Bürgersoldaten über und orientierten sich damit am Ideal der US-amerikanischen Nation. Der Protest der Free People of Color innerhalb des amerikanischen Militärs fand stets im Rahmen eben jenes Systems statt, das sie bekämpften. Die politische Lage des Bürgerkriegs zwang sie zur Konstruktion einer Identität als Louisianian, die weniger auf konkreten politischen oder rassenbiologischen Überzeugungen beruhte, als vielmehr auf einer mythologisierten Heimatvorstellung. Louisiana wird ein Stück weit entpolitisiert und erlaubt es den Free People of Color, auf beiden Seiten des Bürgerkriegs ihren militärischen Dienst anzubieten. In Bezug auf ihr Männlichkeitsbild bot diese Strategie großes Potenzial, denn in ihrer Rolle des opferbereiten Bürgersoldaten untergruben sie ja gerade die angebliche Normativität und Exklusivität dieses Ideals. Ihre Inszenierung als Helden einer bürgerlichen Militärtradition offenbarte die Brüchigkeit des von der weißen Gesellschaft konstruierten Bildes vom hilflosen, unselbNative Guards fand in diesem Umfang in Louisiana allerdings nicht mehr statt. Im Frühjahr 1865 liefen die ehemaligen Offiziere sogar Gefahr, als einfache Soldaten zwangsrekrutiert zu werden. Dreißig Offiziere an Maj. Gen. N. P. Banks, 25. April 1865, in New Orleans Tribune, 14. Mai 1865. 61 L’Union, 29. Januar 1863. 62 New York Times, 5. November 1862.

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ständigen und machtlosen farbigen Mann. Komprimiert wurde die Auflehnung der Native Guards gegen dieses reduzierende Männlichkeitsbild in der schillernden Identifikationsfigur des André Cailloux, Offizier im Ersten Regiment.

Der Held von Port Hudson André Cailloux war am 25. August 1825 als Sohn des weißen Plantagenbesitzers Joseph Duvernay und dessen Sklavin Josephine im Plaquemines Parish geboren worden. Die Duvernays waren ein weit verzweigter Familienklan, dessen Mitglieder sich über New Orleans und die umliegenden Parishes verteilten und der sowohl weiße als auch ›rassengemischte‹ Zweige hatte. Nach dem Tod seines Vaters ging André in den Besitz von Duvernays Schwester Aimée und deren Ehemann über, die ihn, nachdem er eine Ausbildung zum Zigarrenmacher abgeschlossen hatte, aufgrund seiner ›guten Dienste‹ im Juli 1846 in die Freiheit entließen.63 In den folgenden Jahren fand Cailloux seinen Platz in der afrokreolischen Gesellschaft von New Orleans, obwohl er – anders als die Mehrzahl der kreolischen Farbigen – sich als full-blooded Negro bezeichnete.64 Im Jahre 1847 heiratete er und erwarb wenig später ein Haus in Lafayette, einem späteren Stadtteil von New Orleans. Seine Kinder besuchten die angesehene Couvent-Schule und die Familie gehörte zur Gemeinde St. Theresa of Avila, einer von Afrokreolen gegründeten katholischen Kirche. 1860 wurde Cailloux zum Sekretär der afrokreolischen Society of the Friends of the Order and Mutual Assistance gewählt. Um Caillouxs Heldentum in der Schlacht von Port Hudson hat sich ein Geflecht von Mythen entwickelt, das aus heutiger Perspektive nur noch schwer zu entwirren ist. Fest steht, dass er unter der Leitung des Lieutenant Colonel Chaucy J. Bassett mit dem Ersten Regiment der Native Guards direkt in die Frontkämpfe verwickelt war. Bereits sehr früh in der Schlacht am 27. Mai 1863 wurde er am linken Arm schwer verletzt. Trotzdem soll er seine Soldaten leidenschaftlich angeführt und mit den Worten »En avant, mes enfants!« aufgestachelt haben, bevor er, von einem weiteren Geschoss getroffen, tot zu Boden fiel.65 Neben Cailloux und dem erst sechzehnjährigen Lieutenant John H. Crowder, verlor das Erste Regiment in der Schlacht um Port Hudson 24 weitere Soldaten. 79 Männer wurden verletzt. Insgesamt forderte die Schlacht auf Unionsseite 293 Tote, 1.545 Soldaten wurden verletzt, 157 blieben vermisst.66

63 Vgl. Stephen J. Ochs: »A Patriot, a Priest, and a Prelate: Black Catholic Activism in Civil-War New Orleans«, in: U.S. Catholic Historian 12 (Winter 1994), 54. Cailloux profitierte von einem Gesetzeszusatz von 1830, der besagte, dass ein in die Freiheit entlassener Sklave den Staat Louisiana nicht – wie eigentlich vorgesehen – verlassen musste, wenn eine 2/3-Mehrheit des Geschworenengerichts für das Verbleibrecht des Freigelassenen stimmte. 64 William Wells Brown: The Black Man. His Antecedents, His Genius, and His Achievements, New York: Thomas Hamilton 1968 [1863], 301-02; Ochs: Black Patriot, 42. 65 Hewitt: »Ironic Route to Glory«, 90. 66 Ochs: Black Patriot, 147. Report of Maj. Gen. Nathaniel P. Banks, 29. Juni 1863, OR, series I, vol. 26, pt. 1, 47.

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Als besondere Demütigung hinderten die Konföderierten die Native Guards durch Scharfschützen daran, ihre Verwundeten und Gefallenen vom Schlachtfeld abzutransportieren.67 Erst Wochen später konnten die Leichen Caillouxs und der anderen Soldaten geborgen und nach New Orleans gebracht werden. Dort wurde die Heimkehr ›ihres‹ Helden von der Free People of ColorBevölkerung groß inszeniert. Sowohl die New York Times als auch die Harper’s Weekly schickten Korrespondenten, um vom Begräbnis zu berichten.68 Vier Tage vor der Beerdigung wurde Cailloux in der Halle der Friends of the Order aufgebahrt. Ganz bewusst ordnete man Cailloux dabei die wesentlichen Kennzeichen eines US-Bürgersoldaten zu: Sein Sarg war mit der amerikanischen Flagge umhüllt, auf ihm wurden sein Armeemantel sowie sein Gürtel mit dem Abzeichen der Unionsarmee und sein Schwert drapiert. Um den Sarg herum waren Blumen gestreut und Kerzen brannten ununterbrochen.69 Die einige Tage später stattfindende Beerdigung wurde von Pastor Claude Pascal Maistre zelebriert und das farbige 42nd Massachusetts Infantry Regiment, das ebenfalls an der Schlacht teilgenommen hatte, spielte die Trauermusik. Die Wahl Maistres stellte aus Sicht der katholischen Kirche eine klare Stellungnahme der Free People of Color dar. Der aus Frankreich stammende Priester stand seit jeher mit der Erzdiözese New Orleans auf Kriegsfuß, da er als einziger katholischer Geistlicher der Stadt die Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung und die bedingungslose Emanzipation der SklavInnen forderte. Seit 1857 war Maistre Priester der St. Rose de LimaGemeinde gewesen, die vor allem von deutschen Einwanderern und Free People of Color frequentiert wurde und wo Maistre sich in vielen Fällen über die Direktiven seines Erzbischofs Jean-Marie Odin hinwegsetzte. Mit der Übernahme der Trauerfeierlichkeiten für Cailloux widersetzte er sich erneut seinem Erzbischof, der kurz zuvor das Interdikt auf Maistre und seine Gemeinde gelegt hatte.70

67 Daily Evening Traveller, 16. Juni 1863, Scrapbook Concerning the Negro in the United States, TU. 68 Deren Berichte wurden auch von anderen national verbreiteten Zeitungen übernommen, z. B. dem National Anti-Slavery Standard und dem Anglo-African. 69 Harper’s Weekly, 29. August 1863. 70 Ochs: Black Patriot, 1, 135. Zu Maistre und seiner Gemeinde siehe Roger Baudier: Centennial St. Rose of Lima Parish. A Parish History 1857-1957, n. p.: n. p. 1957.

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Abb. 3: Begräbnis von André Cailloux, Harper’s Weekly, 29. August 1863

Am Tag des Begräbnisses wurde der Sarg Caillouxs von den Mitgliedern der Vereinigung der Friends of the Order durch die Straßen getragen, gefolgt von einem Pferdewagen mit der Witwe Caillouxs und einer Prozession hunderter Trauergäste.71 Die weißen Zuschauer überraschte und irritierte an diesem Großereignis vor allem die Masse an Mitgliedern verschiedener Vereinigungen der Free People of Color, die gesammelt an der Prozession teilnahmen. Knapp vierzig verschiedene Clubs zählten die Korrespondenten der New York Times, die offenbar so fasziniert waren, dass sie alle namentlich auflisteten.72 Insgesamt zeigten sich die nordstaatlichen Medien beeindruckt von der Inszenierung des Begräbnisses, die den Heldenstatus Caillouxs verdeutlichte. Für sie stellte es das erstaunlichste Ereignis dieser Art dar, das im gesamten Süden jemals stattgefunden hatte.73 In vielerlei Hinsicht erscheint das Begräbnisritual Caillouxs wie eine Art Vorläufer der ein Jahr später unter ähnlich Aufsehen erregenden Umständen stattfindenden Beerdigung von Abraham Lincoln. Cailloux und Lincoln wurden durch die Inszenierung ihres letzten Weges zu Ikonen der Nachkriegsgeneration und zu Sinnbildern für eine gleichberechtigte Gesellschaft. Der Unterschied bestand freilich darin, dass es im Fall Cailloux die Free People of Color waren, die diese Inszenierung vornahmen und damit auf gespaltene Reaktionen trafen. So bezeichnete Polyxene Reynès, die aus einer prominenten weißen kreolischen Familie der Stadt stammte, in einem empörten Bericht an ihren Sohn das Begräbnis als eine »cortège burlesque«, auf dessen Anblick ihr Mann mit einem Fieberan-

71 New York Times, 8. August 1863. 72 New York Times, 8. August 1863. 73 New York Times, 9. August 1863.

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fall reagierte. Interessanterweise glaubte sie an eine Mithilfe der nordstaatlichen Besatzer bei der Inszenierung des Begräbnisses. Offenbar erschien die geplante Demütigung der Südstaatler durch die ›Yankees‹ noch immer wahrscheinlicher als das Spektakel einer selbstbewussten Free People of ColorBevölkerung. Auch im Norden gab es einige Stimmen, die der Darstellung der großen Zeitungen entgegenliefen. Besonders rassistisch äußerte sich die New York World: »A Defunct Darkey Canonized. – Among the ›American‹ citizens of ›African descent‹ that occupied those ›prominent positions‹ in the assault upon Port Hudson, May 27, was a well-known ›bull-nigger‹ of New Orleans, named Cailloux. He was one of those much-praised native guards that had the choice between the batteries of their foes in front and the bayonets of their friends in the rear. Cailloux fell. His carcass lay rotting on the ground, exposed to sun and rain for forty-one days[.]«75

In New Orleans nutzte die seit einem knappen Jahr existierende afrokreolische Zeitung L’Union den frühen Tod Caillouxs, ihn zur Heldenfigur im Kampf der farbigen Bevölkerung für die Gleichberechtigung zu stilisieren. Als ehrenhafter Sohn Louisianas und als Repräsentant seiner ›Rasse‹ habe er diese in den Augen der weißen Armee rehabilitiert: »Bis zum letzten Moment hat man die nationalen Farben in seinen Händen flattern sehen, als ob eine Gottheit ihn und die Flagge und die Mutigen, die sie inmitten von Kugeln und Geschossen ausbreiteten, beschützt hätte. […] [Die farbigen Soldaten] haben der Welt gezeigt, dass sie all die großen Qualitäten besitzen, die zu einem Mann gehören. Die Ehre, der Mut, der Patriotismus, der Großmut und ein ritterliches Herz; all die Tugenden fanden sich versammelt in dem mutigen Captain André Caillou.«76

Der Charakterisierung Caillouxs schlossen sich in den nächsten Tagen und Wochen verschiedene den Free People of Color wohlgesonnene Zeitungen an. Es erschienen Gedichte und Lobeshymnen auf Cailloux, die den Märtyrertod des Offiziers als Fanal für den bevorstehenden Kampf der farbigen Bevölkerung darstellten. Auch die Union druckte ein solches Gedicht ab, in dem Cailloux als Vorreiter einer neuen, kampfesmutigen Generation auf dem politischen Schlachtfeld gezeichnet wurde:

74 Polyxene Reynès an Joseph Reynès, 7. August 1863, (Joseph and Family) Reynès Papers, LLMVC, Box 2. 75 New York World, zitiert in New York Times, 9. August 1863, Hervorhebung im Original. 76 L’Union, 16. Juni 1863, frz. Ausgabe. Siehe auch L’Union, zitiert in New York Times, 8. August 1863. Im Folgenden werden bei Zitaten aus zweisprachigen Zeitungen die englischen Originalzitate verwendet; liegt die Quelle nur auf französisch vor, wurde von mir ins Deutsche übersetzt.

216 | KREOLISCHE IDENTITÄT »Oh Freiheit! Unsere Mutter, betrachte, was deine Kinder nunmehr werden tun können? Der Zweifel ist verflogen; öffne deinen Tempel für sie; Und lass die Union ewig währen. Besiegt werden die unwürdigen Rebellen, die blutdürstenden Männer, eurer Größe neidisch, werden verschwinden, und dir werden treu sein über Hunderttausend Caillouxs!!!«77

Tatsächlich erschienen nach Caillouxs Tod und seinem Aufsehen erregenden Begräbnis immer häufiger Artikel und Gedichte, die ihn als Vorbild feierten. Sie riefen dazu auf, es ihm gleichzutun und für das ehrenvolle Ziel der Gleichberechtigung zu kämpfen – und zu sterben. Auch der Gedanke der Männlichkeit, die ein Soldat in einem solchen Akt der Selbstaufopferung zeigte, war dabei von großer Bedeutung. So hieß es in einem Gedicht, in dem eine Mutter ihren Sohn beklagt, der ebenfalls im Kampf gefallen ist: »Tell me, comrade, who saw him when dying, What he said, what he did, if you can; On the field in his agony lying Did he suffer and die like a man? Do you think he once wished he had never Borne arms for the right and the true? Nay, he shouted, Our Country forever! When he died he was praying for you!«78

Das Feiern des ehrenvollen Opfertodes Caillouxs und seine zur Schau gestellte Grablegung dienten der Gemeinschaft der Free People of Color zu weit mehr als lediglich dem Gedenken an einen außergewöhnlichen Mann. Die bis ins kleinste Detail geplante Beerdigung und die rituelle Erinnerung an ihn in den folgenden Jahren hatten zwei Ziele. In die weiße Öffentlichkeit trug Cailloux das Bild des mutigen Soldaten, dessen Opfer gebührend geehrt werden müsste. Im Sinne der Free People of Color war dies nur zu leisten, wenn man ihnen endlich die gleichberechtigte Staatsbürgerschaft zuerkannte, die man ihnen nach der Schlacht um New Orleans 1815 vorenthalten hatte. Nach innen transportierte der zum Helden stilisierte Cailloux Selbstbewusstsein und Hoffnung und trug zur Konstruktion einer Gruppenidentität der Free Men of Color auf der Basis der gemeinsamen Erfahrungen im Militär bei. Welch wichtigen Platz Cailloux fortan in der Gesellschaft der Free People of Color einnahm, zeigt das Protokoll einer Spiritistensitzung aus dem Juli 1863. Über ein Medium ließ Cailloux die Anwesenden wissen, dass er für das Ansehen der

77 L’Union, 4. Juli 1863, frz. Ausgabe. Ein weiteres Gedicht, das sowohl in Zeitungen des Südens erschien als auch als Pamphlet von abolitionistischen Vereinigungen im Norden verteilt wurde, war George H. Bokers »The Second Louisiana, May 27th, 1863«, Black Republican, 13. Mai 1865. Unter dem abgewandelten Titel »Charge of the Black Regiment at Port Hudson«, Broadside [Philadelphia: Published by the Union League of Philadelphia, 1863], AAS. 78 Anonym, Era, 10. Juli 1863.

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farbigen Soldaten gestorben sei und darauf hoffe, dass man den von ihm begonnenen Kampf in seinem Namen weiterführe.79

Vom militärischen zum politischen Kampf Der Militärdienst der Native Guards hatte bis zum Ende des Bürgerkriegs zwei Dinge erreicht. Ganz allgemein hatten die erfolgreichen Gefechte gezeigt, dass die Free Men of Color entgegen der vielen Vorurteile in der Lage waren, den hohen Anforderungen gerecht zu werden. Den Free Men of Color im Offiziersrang gelang es außerdem, sich gegen die vorherrschenden Konstruktionen farbiger Männlichkeit zur Wehr zu setzen und sich den militärisch-bürgerlichen Männlichkeitsentwurf zumindest zeitweise anzueignen. Indem sie teilweise militärische Ränge über weißen Soldaten bekleideten und auf diese Weise die aus Sicht der hegemonialen Gesellschaft ›natürliche‹ Machthierarchie umdrehten, stellten sie die Zwangsläufigkeit des binären Systems in Frage. Wie sehr die weiße Elite – sowohl die militärische als auch die politische – dies irritierte, zeigt sich an der Vehemenz, mit der man spätestens seit dem Frühjahr 1863 gegen die Offiziere der Native Guards vorging. Zweitens verstärkte sich über die gemeinsame Erfahrung im Militär die männliche Gruppenidentität. Die Beteiligung führender Free Men of Color an den Kriegsereignissen, sowohl als Offiziere als auch als einfache Soldaten, trug dazu bei, den Weg für den politischen Kampf zu ebnen. Ihr Militärdienst war die Keimzelle für den heranreifenden politischen Widerstand in der Rekonstruktionszeit. Die Verbindung von Männlichkeitsidealen mit dem Streben nach einer vollwertigen Bürgerlichkeit nahm in der Rhetorik der Free People of Color einen wesentlichen Platz ein. Gleichzeitig war ihr militärischer Einsatz allerdings auch der Beginn klassenpolitischer Streitigkeiten zwischen bessersituierten Afrokreolen und ärmeren, ungebildeten Freigelassenen. Zunächst jedoch wurde das Zepter vom Militär in die Hände der politischen Aktivisten, allen voran den Machern der seit einiger Zeit publizierenden afrokreolischen Zeitung New Orleans Tribune, übergeben. Als am 23. September 1865 das Erste Regiment der Native Guards – nun offiziell unter dem Namen 73rd Infantry USCT80 – demobilisiert wurde, marschierten seine Mitglieder die Conti Street hinunter zum Büro der Tribune und gaben drei Hurrarufe ab. Zu dieser symbolischen Verbrüderung zwischen den ehemaligen Kämpfern auf dem Schlachtfeld und den zukünftigen ›Soldaten der Politik‹ schrieb die Zeitung am nächsten Tag: »We take [the] opportunity to assure them that in the full measure of our power, we’ll battle with pen in hand, for the same noble cause for which they all suffered, fought and bled; and in whose defense so many of them died in the fray.«81

79 Spiritualism Registers, 17. Juli 1863, Grandjean Collection, Box 30. 80 Im Juni 1863 wurden die Native Guards in das neu entstandene Corps d’Afrique eingegliedert. Mit Bildung des Bureau of Colored Troops wurden die drei Regimenter im April 1864 zum 73rd, 74th und 75th Infantry Regiment der United States Colored Troops (USCT). 81 New Orleans Tribune, 24. September 1865, zitiert in Hollandsworth, 103.

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»Men on the Battlefield, Women at the Ballot-Box?«: Auf dem Weg zu politischer und sozialer Selbstbestimmung »Die Einnahme von New Orleans ist […] der Beginn einer neuen Lage, bestimmt von anderen Ideen. Die Zeit der Trugbilder und der Enttäuschungen ist vorbei; die Stunde des Nachdenkens ist gekommen. […] Unsere Epoche ist freiheitlich und fortschrittlich.«82

Der Wille, die durch die frühe Eroberung von New Orleans geschaffene Ausgangslage für die eigenen politischen Ziele zu nutzen, erwachte in der Gemeinschaft der Free People of Color schnell. Während sich einige Söhne der einflussreichsten Familien in den Native Guards zum militärischen Kampf entschieden, wurden andere auf der politischen Ebene aktiv. In beiden Bereichen bildeten die Afrokreolen die Vorhut eines nach dem Bürgerkrieg einsetzenden politischen Aktivismus der farbigen Bevölkerung. Ihr hoher Bildungsgrad und ihre militärische Erfahrung prädestinierten sie für die Rolle der Anführer ebenso wie ihre im Vergleich noch immer großen finanziellen Mittel und ihre lange Tradition des Protestes.83 Diese Eigenschaften wollten sie nun bündeln, um in einem gemeinschaftlichen Kraftakt die Fesseln der Unterdrückung abzustreifen. Die politische ›Stunde Null‹, die durch die Besatzung von New Orleans entstanden war, bot den afrokreolischen Aktivisten die einmalige Möglichkeit, mithilfe von sympathisierenden weißen Unionspolitikern ihre Bürgerrechte einzuklagen. Auch die Nordstaaten sahen in Louisiana ein Laboratorium, in dem nach Lösungen gesucht wurde auf die Frage, wie die abtrünnigen Südstaaten nach dem Ende des Bürgerkriegs wieder in den US-Staatenbund eingegliedert werden könnten. Dass in New Orleans die Verwaltung von jeglichem Einfluss der Rebellen bereinigt wurde, gab den führenden Köpfen der Free People of Color die Chance, zu wichtigen politischen Verhandlungspartnern aufzusteigen, deren Stimmen sowohl in New Orleans als auch im fernen Washington gehört wurden. Diese Chance auf Machtausübung nahmen viele von ihnen ohne Zögern wahr.84 82 Das Zitat bezieht sich auf die Eroberung Neapels durch Garibaldi im Jahre 1860. L’Union, 24. Februar 1863, frz. Ausgabe. 83 Die Dominanz der Free People of Color unter den farbigen Aktivisten der Bürgerkriegs- und Rekonstruktionszeit hat David C. Rankin nachgewiesen: »The Origins of Black Leadership in New Orleans During Reconstruction«, in: Journal of Southern History 40:3 (August 1974), 417-40. 84 Es ist vor allem der umstrittenen Darstellung der Dunning-School zuzuschreiben, dass ihre politische Arbeit in der Geschichtsschreibung lange unterschlagen oder falsch interpretiert wurde. In der Logik des Columbia-Professors William Archibald Dunning war aus der ›offensichtlichen Unfähigkeit‹ der Farbigen zur Selbstverwaltung während der Rekonstruktionszeit ›natürlicherweise‹ das spätere System der Rassentrennung erwachsen. Als erster prangerte W. E. B. Du Bois diese Sichtweise an: Black Reconstruction in America. An Essay Toward a History of the Part Which Black Folk Played in the Attempt to Reconstruct Democracy in America, 1860-1880, New York: Atheneum 1969 [1935].

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Um dem politischen Kampf die notwendige Durchschlagskraft zu verleihen, benötigten die Free People of Color ein eigenes mediales Sprachrohr. In der Antebellumzeit war ihnen die freie Meinungsäußerung streng verboten worden, doch mit der Besetzung von New Orleans ergaben sich neue Möglichkeiten. Der Kommandant der Besatzungskräfte, Butler, ging gegen jegliche Form der Rebellen-Propaganda hart vor; mit dem Ergebnis, dass von den vielen Zeitungen Louisianas lediglich die New Orleans Picayune als englischsprachige und die Abeille als französischsprachige überlebten. Im September 1862 begannen der afrokreolische Arzt Louis Charles Roudanez und der Lehrer Paul Trévigne mit der Herausgabe der Union.85 Abb. 4: Louis Charles Roudanez, Herausgeber der Union

85 Die Union erschien bis zum Dezember 1862 zweimal wöchentlich, seit Januar 1863 dreimal. Roudanez war 1823 als Sohn eines französischen Händlers und einer Free Woman of Color im St. James Parish geboren worden und hatte seine medizinische Ausbildung in Paris und am Dartmouth College absolviert. Vgl. »Roudanez, Louis Charles« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 2, 697. Trévigne stammte aus New Orleans und war dort als Sprachlehrer an der angesehenen Couvent-Schule tätig. Weitere, zum Teil sehr kurzlebige schwarze Zeitungen in Louisiana während der (späten) Rekonstruktionszeit waren der Concordia Eagle (Vidalia Parish), die Grand Era (Baton Rouge), die Lafourche Times, der News Pioneer (Iberville Parish) und der Pointe Coupée Republican. Nach Meinung Timothy F. Reillys hatte es mit Le Liberateur bereits in der Antebellumzeit eine Zeitung in Louisiana gegeben, die von einem Free Man of Color herausgegeben wurde. Allerdings haben weder Ausgaben dieser Zeitung überlebt, noch ist mit eindeutiger Sicherheit festzustellen, ob es sich bei dem Herausgeber Milo Mower um einen Free Man of Color handelte. Vgl. Timothy F. Reilly: »Le Liberateur: New Orleans’ Free Negro Newspaper«, in: Gulf Coast Historical Review 2:1 (Fall 1986), 5-24; Bell, 91, FN 4.

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Die französischsprachige Zeitung erschien zunächst zweimal wöchentlich und proklamierte sich in ihrer Erstausgabe als Vorkämpferin für die Errichtung einer von Freiheit und Gleichheit bestimmten Demokratie.86 Die integrative Wirkung der Union auf die afrokreolische Gruppe war groß. Zwar waren die Free People of Color in New Orleans und dem direkten Umland stets durch enge Kommunikationsnetze und Verwandtschaftsverhältnisse miteinander verbunden gewesen, doch diente die erste Tageszeitung der Gruppe fortan als Multiplikator, der als Meinungsmesser und -macher in ihrem politischen Kampf von unschätzbaren Wert war. Die Einzigartigkeit der Union bestand außerdem darin, dass sie mit einer bisher noch nicht da gewesenen Vehemenz politische Forderungen artikulierte. Während viele weiße Politiker und Militärs angesichts der zunehmenden Dramatik auf dem Schlachtfeld und im täglichen Leben der Menschen darum bemüht waren, bei ihren MitbürgerInnen das Gefühl von Kontinuität und Sicherheit aufrecht zu erhalten, schrien die Free People of Color den Bruch mit alten Traditionen laut heraus. Verpackt in pathetische Metaphern, die Anleihen an den Kreuzzugsgedanken des frühen Christentums machten, forderten sie alle »Freunde des Fortschritts« dazu auf, den Anbruch einer neuen Zeit zu nutzen, um eine gerechtere gesellschaftliche Ordnung zu schaffen: »An die Waffen! Es ist unsere Pflicht. Die Heimat zählt auf die Aufopferung und den Mut ihrer Kinder. Wir werden nicht gegen ihre Bitten taub bleiben; wir werden nicht unbeteiligte Zuschauer bleiben, wie die Fremdlinge, die nichts mit dem Boden verbindet. Wir sind Kinder Louisianas und wenn uns Louisiana ruft, dann marschieren wir. […] Wenn es wahr ist, dass das Beste und Wertvollste an einem Menschen seine Ehre ist, retten wir dieses Erbe für unsere Kinder, damit sie wissen, falls wir umkommen, dass ihre Väter der Schmach und der Ehrlosigkeit den Tod vorgezogen haben.«87

Der besondere Stil der Union, gepaart mit ihren häufigen Anleihen an europäische Theorien und Ereignisse führte allerdings dazu, dass die Zeitung nur innerhalb der Gemeinschaft der Free People of Color als Multiplikator dienen konnte. Obwohl man die Stimmen der Afrokreolen auf regionaler und nationaler Bühne vermehrt wahrnahm, blieb die Wirkungsmacht der Union in der Gruppe der übrigen Farbigen begrenzt: Die Tatsache, dass man auf Französisch publizierte, setzte dem Aufbau einer Gefolgschaft Grenzen. Sowohl die seit den 1830er Jahren durch den inländischen Sklavenhandel anglisierte Sklavenbevölkerung, die von Contrabands verstärkt wurde als auch die nach New Orleans kommenden Politiker aus anderen Südstaaten und dem Norden, die so genannten Carpetbaggers88, verstanden kaum Französisch. Seit Juli des Jahres 1863 wurde L’Union deshalb um einen englischen Teil erweitert. 86 L’Union, 27. September 1862, frz. Ausgabe. 87 L’Union, 2., 30. Juni 1863, frz. Ausgabe. 88 Als Carpetbaggers wurden die nach dem Bürgerkrieg in die besiegten Südstaaten strömenden Nord- und Weststaatler bezeichnet, die dort mit den Freigelassenen Interessenskoalitionen eingingen und die Kontrolle über die Republikanische Partei dieser Gebiete gewannen. Der Terminus rührt von dem günstigen Teppichstoff, aus dem ihre Reisetaschen gefertigt waren und verweist darauf, dass die überwiegende Zahl von ihnen nicht planten, längerfristig im Süden zu bleiben.

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Trotzdem gelang es der Zeitung in den folgenden Monaten kaum, die englischsprachige afroamerikanische Bevölkerung an sich zu binden. Die Sprachbarriere zwischen den Free People of Color und der angloafroamerikanischen Bevölkerung war ein Symptom der tiefergehenden kulturellen Kluft, die auf dem unterschiedlichen Status während der Antebellumzeit, einer anderen Religion, dem großen Unterschied im Bildungsstand und nicht zuletzt auf ökonomischen Klassenunterschieden beruhte. So bedienten sich die Leitartikel der Union häufig einer blumigen Sprache und zeugten von der tiefen Verehrung der Free People of Color für die französische Nation und ihr aufklärerisches Gedankengut. Da die englischen Seiten inhaltlich dem französischen Teil der Zeitung entsprachen, kam dieser ideologische Referenzrahmen auch dort zum Ausdruck. Pathetische Aufrufe wie folgender verfehlten deshalb ihre Wirkung bei den angloafroamerikanischen Farbigen: »Brüder! Die Stunde schlägt für uns. Eine neue Sonne, ähnlich der des Jahres 89, muss sich bald an unserem Horizont zeigen. Auf das der Schrei, den Frankreich beim Sturm auf die Bastille ausstieß, heute in unseren Ohren widerhallt. […] Erhebt euch, Brüder, erhebt euch…!«89

Die häufigen philosophisch-politischen Abhandlungen der Union über die Bedeutung der Freiheit entsprachen zwar im Kern den Forderungen angloamerikanisch geprägter Farbiger; allein, sie ließen aus deren Sicht den Bezug zur Realität und klare handlungspolitische Vorschläge vermissen. In der Forschungsliteratur wurde der Rhetorik der Union deshalb zwar ein revolutionäres, letztlich aber rückwärtsgewandtes und auf die Bedürfnisse der angloafroamerikanischen Bevölkerung wenig abgestimmtes Format bescheinigt.90 Tatsächlich gelang es ihr nicht, ausreichende Unterstützung für sich zu generieren, was sie schließlich in den Ruin trieb. Im Frühjahr 1863, nur ein Dreivierteljahr nach ihrer Erstausgabe, erschien L’Union zum letzten Mal.91 Doch trotz dieser Niederlage gab sich ihr Herausgeber Roudanez nicht geschlagen. Nur wenige Wochen nach der Auflösung der Union erschien unter seiner Leitung die New Orleans Tribune.92 Anders als ihre Vorgängerin hatte diese Zeitung bereits von Beginn an einen französischen und einen englischen Teil. Ab Oktober erschien sie täglich (außer montags) und wurde so zur ersten von Farbigen verlegten Tageszeitung der USA. Anders als die Union hatte die Tribune das Potenzial, zur wichtigsten Stimme der farbigen Bevölkerung des Südens zu werden und den Brückenschlag zwischen den ›alten‹ kreolischen Free People of Color und den angloafroamerikanischen Freigelassenen zu schaffen. Dabei helfen sollte der belgische Chefredakteur Jean-Charles-HippolyteJoseph Houzeau de LeHaine, der im November 1864 die Leitung der Redaktion übernahm. Houzeau war 1820 in eine Aristokratenfamilie geboren worden. Nachdem er als Journalist und Astronom gearbeitet hatte, bereiste er Europa, Mexiko und die USA, bevor er in New Orleans den Posten des Chefre89 L’Union, 18. Oktober 1862, frz. Ausgabe. 90 Vgl. Finnian Patrick Leavens: »L’Union and the New Orleans Tribune and Louisiana Reconstruction«, (M. A. thesis, Louisiana State University 1966), 49. 91 L’Union, 31. Mai 1864, frz. Ausgabe. 92 New Orleans Tribune, 21. Juli 1864.

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dakteurs übernahm.93 Dass man Houzeau die inhaltliche Leitung der Zeitung übergab, verwundert nur im ersten Augenblick. Nach eigener Aussage war er nicht der einzige weiße Reporter, der für die Tribune arbeitete.94 Darüber hinaus zeigt seine Biographie, dass sich Houzeau von frühester Jugend dem Kampf gegen Unterdrückung verpflichtet fühlte. In den 1840ern engagierte er sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen belgischer IndustriearbeiterInnen und sprach sich für demokratische Reformen aus, was ihn seine Stelle am Königlichen Observatorium in Brüssel kostete. Während seiner Zeit in Texas war er Mitglied einer Untergrundorganisation, die SklavInnen und verfolgten Unionisten bei der Flucht half. Mit Houzeau an der Spitze avancierte die Tribune schnell zu einer der wichtigsten republikanischen Zeitungen der USA, die auch von Kongressabgeordneten in Washington regelmäßig gelesen wurde.95 Da sich die Tribune-Gruppe zunächst ohne Möglichkeiten sah, den Kurs in Richtung eines republikanisch verfassten, auf den Pfeilern von Gleichberechtigung und Freiheit fußenden Staates durch direkte politische Handlungen zu beeinflussen, konzentrierte sie sich darauf, die Louisianians für ihre Forderungen zu sensibilisieren. In ihren Leitartikeln bedienten sich die Autoren drei grundlegender Argumentationslinien: In einem ersten Schritt verwies man auf den identitätsstiftenden Raum Louisiana, der für die Free People of Color Heimat und Versprechen zugleich war und mit dem sie sich als tief verwurzelt präsentierten. Damit einher ging die Betonung ihres Lebensstils, der sich durch die bürgerlichen, an die weiße Mittelklasse angelehnten Ideale von Respektabilität, Moral und Bildung auszeichnete. Dritter Argumentationspunkt war die militärische Pflichterfüllung der Free Men of Color in Vergangenheit und Gegenwart. Aus diesen drei Argumenten erwuchs aus Sicht der Free People of Color ihr Recht auf sofortige Gleichstellung in Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Die Hegemonialmacht war aufgefordert, ihrem Anspruch auf eine demokratische und egalitäre Gesellschaft, wie er in der Unabhängigkeitserklärung, aber auch im Louisiana-Kaufvertrag von 1803 formuliert worden war, endlich gerecht zu werden.96

Heimat Louisiana Angesichts der hohen Zahl an ausländischen Neuankömmlingen, die in New Orleans und Umgebung relativ problemlos eingebürgert wurde, pochten die Free People of Color auf ihre im Vergleich dazu in Louisiana tiefverwurzelten Familiengeschichten.97 Wie sehr sich die Free People of Color ihrer Hei93 Jean-Charles Houzeau: My Passage at the New Orleans Tribune. A Memoir of the Civil War Era, David C. Rankin (ed. and Introduction), Gerard F. Denault (transl.), Baton Rouge: Louisiana State UP 2002 [1870], 2-17. 94 Houzeau schrieb einmal an seine Eltern, dass fast ein Viertel der Angestellten weiß seien. Houzeau, 25. Allerdings wurde er von den Lesern der Tribune nicht als Weißer wahrgenommen. Er schrieb unter dem Pseudonym Charles J. Dalloz und versuchte nie, den Eindruck, er sei farbig, zu revidieren. Vgl. U. S. Congress, New Orleans Riots, 74. 95 New Orleans Tribune, 15. Dezember 1864. 96 L’Union, 4. Juli 1863, frz. Ausgabe. 97 L’Union, 30. Dezember 1862, frz. Ausgabe; New Orleans Tribune, 14. Januar 1865; New Orleans Times, 6. November 1863.

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mat verbunden und verpflichtet fühlten, brachten sie in der wiederaufflammenden Diskussion um die Kolonisierung der farbigen Bevölkerung zum Ausdruck. Eine Auswanderung nach Europa, wo bessere Lebensumstände lockten, kam für sie laut Union nicht in Frage: »Die Bindung der Farbigen an den Boden, auf dem sie geboren sind, erfüllt ihr Herz mit Ehre. Zur gleichen Zeit demonstriert sie unter ihnen den festen Vorsatz, mit aller Vehemenz gegen jegliche Politik vorzugehen, die darauf abzielt, sie auszuweisen. Genug von ihnen, die Vermögen haben, könnten nach Europa gehen und dort ein fürstliches Leben führen. Aber sie ziehen es vor, in diesem Land in ihrer bescheidenen Position zu leben und auf bessere Tage zu warten.«98

Unter dem Eindruck der Emanzipationserklärung, die am 1. Januar 1863 in Kraft trat, fühlte sich die weiße Gesellschaft zunehmend von der ›schwarzen Masse‹ bedroht, deren politischer, sozialer und wirtschaftlicher Status nach dem Ende des Bürgerkriegs neu verhandelt werden musste. Lincoln suchte deshalb früh nach Mitteln und Wegen, wie man sich des Problems der farbigen Bevölkerung möglichst annehmbar entledigen konnte. Bereits vor der Emanzipationserklärung setzte er ein Kongresskomitee ein, das die eng miteinander verflochtenen Fragen der Emanzipation und Kolonisierung bearbeiten sollte. Dessen Abschlussbericht schloss die während der Antebellumzeit lange favorisierte Lösung der Kolonisierung Liberias als zu teuer aus. Lincoln unternahm daraufhin immer wieder Versuche einer Kolonisierung in Mittelamerika oder Haiti, die allerdings allesamt in peinlichen Fehlschlägen endeten.99 Bei den Free People of Color waren die Kolonisierungspläne bereits vor dem Bürgerkrieg auf Ablehnung gestoßen. Auf der National Convention of Colored Men, die im November 1864 in Syracuse im Staate New York stattfand, sprachen sich die entsandten afroamerikanischen Sprecher gegen alle von der US-Regierung geleiteten Projekte aus.100 Die Free People of Color replizierten die von den Kolonisierungsgegnern vorgebrachten Argumente, indem sie auf ihre ›amerikanische Identität‹ anspielten, die sich in ihrer Abstammung äußerte. Dabei fällt auf, dass sie sich durchaus auch biologistischen Ansätzen annäherten, wenn sie ihre ›Blutsverwandtschaft‹ als US-Amerikaner herausstellten und diese auf eine organische und an den Raum gebundene Essenz 98 99

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L’Union, 1. Oktober 1862, frz. Ausgabe; New Orleans Tribune, 22. September 1864. Lincoln über die Notwendigkeit der Kolonisierung der afroamerikanischen Bevölkerung: Daily Picayune, 6. September 1862. Siehe Paul J. Scheips: »Lincoln and the Chiriqui Colonization Project«, in: Journal of Negro History 37:4 (October 1952), 418-53; James D. Lockett: »Abraham Lincoln and Colonization: An Episode that Ends in Tragedy at L’Ile a Vache, Haiti, 18631864«, in: Journal of Black Studies 21:4 (June 1991), 428-44. »Declaration of Wrongs and Rights«, Proceedings of the National Convention of Colored Men, Held in the City of Syracuse, N.Y., October 4, 5, 6, and 7, 1864, in: Minutes of the Proceedings of the National Negro Conventions, 1830-1864, Howard Holman Bell (ed.), New York: Arno Press 1969, 42. Siehe auch Daily Picayune, 20. Dezember 1864. Auch die Free People of Color in New Orleans verabschiedeten diese Deklaration: New Orleans Tribune, 4. Dezember 1864.

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bezogen. Zugleich schwächten sie die von weißer Seite oft unterstellte ›natürliche‹ Verbundenheit mit dem Kontinent Afrika ab: »We men of color were born here; so were our fathers, and mothers down a long line of ancestry: Our blood, bones, nerves—every material particle of our bodies was and is composed of American soil, air, water, and our souls are American all the way through, all of which, so it seems to me, constitutes us American; wherefore all our attractions, hopes, tendencies, ambitions and applications are American. […] What! are we to go to the lands of our African ancestors because our skins are dark? Are all our sufferings to be rewarded by our removal to African deserts and barbaric climes and places? […] We are Americans, and mean to remain such.«101

Die organische Verwurzelung der Free People of Color in Louisiana bedeutete für sie, sowohl Rechte zu haben als auch Pflichten erfüllen zu müssen. Eine der wichtigsten Pflichten war die Verteidigung des Staates. Noch während die Union und später die Tribune den rhetorischen Kampf mit den Gegnern einer gleichberechtigten farbigen Bevölkerung aufnahmen, riskierten die Native Guards ihr Leben auf den Schlachtfeldern des Bürgerkriegs.

Verteidigung der Heimat Die militärische Pflichterfüllung stand in engem Zusammenhang mit der Idee von einer bürgerlichen und politikfähigen Männlichkeit. Der erfolgreiche Militärdienst stellte für die Free Men of Color angesichts ihrer bisherigen Ausgeschlossenheit aus dem politischen Feld eine wesentliche Möglichkeit dar, sich in einen Identitätsdiskurs einzuschreiben, der ihnen die Teilhabe an der konstruktiven Gestaltung des Staatswesens und damit der Beeinflussung ihrer eigenen Stellung innerhalb der Gesellschaft sichern würde.102 Grundvoraussetzung für die Erlangung der Politikfähigkeit war für die Männer – Frauen blieben von der Möglichkeit einer politischen Mitarbeit weiter ausgeschlossen – der Militärdienst. Zwar konnten die Free Men of Color auf eine eindrucksvolle Militärgeschichte verweisen, das daraus folgende Wahlrecht war ihnen allerdings bislang verwehrt geblieben.103 Je länger es dauerte, desto häufiger und schärfer forderten die Creoles of Color ihr Recht. Dabei bedien101 102

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New Orleans Tribune, 8. Dezember 1864. Die Verweise auf die militärischen Leistungen der Free People of Color sind kaum zu zählen. Siehe bspw. L’Union, 1., 8. Oktober, 23. Dezember 1862, 29. Januar 1863, frz. Ausgaben. Aus heutiger Sicht erscheinen die Anspielungen redundant, doch muss man daran erinnern, dass die beiden Zeitungen L’Union und New Orleans Tribune die ersten öffentlichen Organe waren, in denen diese Informationen über die Geschichte der farbigen Bevölkerung Louisianas dargestellt wurden. Die Berichte dienten dazu, der eigenen Gemeinschaft vor Augen zu führen, dass sie einen wesentlichen Anteil an der Geschichte ihrer Heimat hatten und sich dieser keineswegs ›nur‹ auf ihre wirtschaftliche Arbeitsleistung beschränkte. Zur Rolle der farbigen Presse bei der Vermittlung eines Geschichtsverständnisses vgl. Sweet, 48-49. L’Union, 8. Oktober, 23. Dezember 1862, frz. Ausgaben. Vgl. »Address of the Colored National Convention to the People of the United States«, Syracuse, N.Y., 4-7 October 1864, in Bell: Minutes of the Proceedings of the National Negro Conventions, 56.

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ten sie sich eben jener Diskurse um Pflicht, Recht und Männlichkeit, die das Konzept eines politikfähigen Bürgers formulierten. Der Ausschluss von Frauen und Kindern aus dem politischen Prozess basierte auf deren ›Unfähigkeit‹, die aktive Pflicht der Heimatverteidigung zu übernehmen. Die Free Men of Color allerdings, so betonte die Tribune immer wieder, hätten sich ihren Aufgaben stets gestellt: »We did not act the part of women, in American society. We now ask why we should not be treated as men. They were not women, those gallant brethren of ours who irrigated the ground with their blood at Milliken’s Bend, Port Hudson, Fort Wagner, Fort Blakely, Petersburg, and hundreds of battle-fields illustrated by their valor. […] Now, if we were treated as men in the hour of peril, if we acted like men on the battle-field, we ask why we should be considered women at the ballotbox?«104

Wie wenig die Bereitschaft der Free Men of Color, ihr Leben für ihre Heimat zu opfern, von ihren weißen Mitbürgern honoriert wurde, führten ihnen die Feierlichkeiten zum fünfzigsten Jahrestag der Schlacht um New Orleans vor Augen. Zum ersten Mal blieb die für den Sieg über die Engländer wichtige Leistung des Battalion of Chosen Free Men of Color in der Presse Louisianas unerwähnt; für die Herausgeber der Tribune ein Signal, den Angriff auf die heuchlerische weiße Gesellschaft zu verschärfen: »Look at the signs of the times. Men of color, you are nothing in this community or less than nothing. All sacrifices on your part are ignored, all qualities and virtues are set aside. Scorn and contempt are the only things you reap. It is to you, by your own efforts and your just claims, to make room for yourselves. The blood you shed on the plains of Chalmette was as red as the blood of any other of your fellow-citizens, and still it has been shed in vain.«105

Die weißen Politiker reagierten auf die lauter werdenden Beschwerden der Free People of Color mit einem Gegendiskurs, der die militärischen Leistungen der Afrokreolen von der politischen Ebene trennte. Die Free Men of Color-Soldaten wurden in dieser Interpretation weniger wie Bürgersoldaten, sondern vielmehr wie Söldner behandelt, die für ihre Dienste ausreichend entlohnt worden waren.106 Im Gegensatz zum Diskurs der Free People of Color, der ihre militärischen Leistungen als einen aufopferungsvollen Dienst an der gemeinsamen Heimat darstellte, spielten ihre weißen Gegner ihn zu einer bloßen Ausübung von Gewalt herunter, die die farbigen Soldaten zwar zufriedenstellend vollzogen hatten, für die sie aber keine politischen Gegenleistungen erwarten konnten:

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New Orleans Tribune, 21. Dezember 1866. Vgl. L’Union, 28. November 1863, frz. Ausgabe. New Orleans Tribune, 10. Januar 1865. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, war die Bezahlung der Free Men of Color-Soldaten weder sicher noch regelmäßig oder großzügig. Harper’s Weekly, 13. Februar 1864.

226 | KREOLISCHE IDENTITÄT »[N]o nation has ever conferred the elective franchise for the reason that a man can exert a given amount of brute force. […] This is a white man’s country and government, and not a colored one’s, and if he be dissatisfied with taking and keeping his place amongst us, and of being the recipient of the incidents, instead of being the controlling power, let him, like the white man does under similar circumstances, expatriate himself.«107

Obwohl der Militärdienst auf den ersten Blick die Möglichkeit bot, die Gesamtheit der afroamerikanischen Bevölkerung, ohne Rücksicht auf den Status vor dem Bürgerkrieg, auf den Rang eines mit allen Rechten ausgestatteten Staatsbürgers zu heben, waren die Aussagen der Free People of Color nicht frei von Elitismus und Differenzdenken. Ihre häufigen Verweise auf die militärischen Leistungen während des noch laufenden Bürgerkriegs und auf die Leistungen ihrer Väter während der Kolonial- und Territorialphase hatten nicht zuletzt den Zweck, sich weiterhin über die ehemals versklavte farbige Bevölkerung zu stellen.

Bürgerliche Identität Ähnlich verhielt es sich mit einem weiteren Argument, auf dem die Free People of Color ihre Forderungen nach einer Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse aufbauten. Ihrem Verständnis nach war es nicht nur ihr Waffendienst für den Staat, sondern auch ihre traditionsreiche Stellung in der Mitte der Gesellschaft, die ihnen ein Anrecht auf die vollen Bürgerrechte gab. Gerne verwiesen sie auf ihre wirtschaftlich gute Lage und den Anteil, den sie in verschiedenen Funktionen und Berufen am wirtschaftlichen Boom und der Sicherung der Steuereinnahmen während der Antebellumzeit beigetragen hatten.108 Aus ihrer großzügigen Unterstützung für die Wirtschaft erwuchs ihrer Meinung nach das Recht auf politische Mitsprache: »Unsere Bevölkerung […] setzt sich zu einem großen Teil aus Eigentümern zusammen, die durch ihre großen Steuerleistungen helfen, den Fortbestand der staatlichen und kommunalen Regierung zu sichern. Deshalb wagen wir es heute, durch unsere Loyalität und unseren Patriotismus ermutigt, unsere Rechte, die zu lange verleugnet worden sind, einzufordern und endlich einen Platz am politischen Bankett zu erlangen.«109

Die Betonung ihres sozialen Status entfremdete die Free People of Color von den Freigelassenen. Ein gewisser Chauvinismus der ehemaligen Sklavenbevölkerung gegenüber drückt sich unterschwellig in Zeitungsartikeln aus, in denen sich die Afrokreolen anboten, die Freigelassenen zu respektablen Bür107

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Colored Suffrage: Report Submitted in the Board of Common Council, by Mr. S. A. Peugh, from the Select Committee on the Subject of Colored Suffrage, Monday, November 6, 1865 [Washington?: s.n., 1865?], LoC, American Memory, From Slavery to Freedom: The African-American Pamphlet Collection, 1824-1909, http://memory.loc.gov/ammem/aapchtml/aapchoml.html, Stand: 10.07.2006. L’Union, 5. Mai 1863. Siehe auch L’Union, 28. April 1864, frz. Ausgaben. L’Union, 11. April 1863, frz. Ausgabe.

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gern zu erziehen. Die Tribune-Herausgeber sahen sich und ihre Gefolgsleute als prädestiniert für diese Aufgabe, denn sie verfügten ihrer Meinung nach über die wichtigen Grundvoraussetzungen wie Bildung, ein Verständnis für die Ideale einer freiheitlichen Demokratie und – trotz dieser Unterschiede zur Ex-Sklavenbevölkerung – über eine starke emotionale Verbindung zu den Freigelassenen. Ihre vielfältigen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen SklavInnen wollten die Free People of Color allerdings klar getrennt sehen von ihrem eigenen Status in der Gesellschaft Louisianas. Obwohl sie ausdrücklich darauf hinarbeiteten, dass es keinen Unterschied mehr geben würde zwischen solchen Farbigen, die eine Vergangenheit in der Sklaverei hatten und solchen, die auf eine lange Familiengeschichte in Freiheit zurückblicken konnten, wehrten sie sich gegen Versuche der weißen Gesellschaft, sie den Freigelassenen gleichzumachen: »Obwohl wir derselben Rasse entstammen wie die unglücklichen Söhne Afrikas, die bis heute unter dem Joch einer brutalen und abstumpfenden Sklaverei gestöhnt haben, wollen wir unsere intelligente Bevölkerung nicht, ohne ihnen Unrecht anzutun, mit diesen neuen Freigelassenen verwechselt wissen. Sie hat sich durch ihren Fleiß und ihre Bildung dieser Gesellschaft auch als nützlich erwiesen, gleichviel wie andere Bürger. Von allen, die für Louisiana gelitten haben, um ihre Ergebenheit der Union gegenüber zu zeigen, hat keine Gruppe von Menschen mehr Opfer für die nationale Sache erbracht als die farbige Bevölkerung.«110

Für die Free People of Color folgte aus ihren Opfern, dass sie möglichst bald mit uneingeschränkten Bürgerrechten honoriert werden müssten. Zwar verwiesen sie auch auf ihre Verwandtschaft zu nach Amerika verbrachten SklavInnen, doch wurden sie gleichzeitig nicht müde zu betonen, dass diese gemeinsame Herkunft lange zurücklag. Umso empörter zeigten sie sich, wenn sie in weißen Zeitungen als ›Afrikaner‹ bezeichnet wurden, die der Ausübung politischer Staatsbürgerpflichten nicht fähig seien: »According to our contemporary [ein Autor der True Delta, N.M.], we are wild and savage Africans, entirely unfit to take any share in the political administration of the State. ›They demand,‹ says that paper, ›the fruition of a high civilization, before they have attained, the requisite condition.‹ […] [W]e assert that the sons and grand sons of the colored men who were recognized French citizens, under the French rule, and whose rights were reserved in the treaty of cession—taken away from them since 1803—are not savages and uncivilized inhabitants of the wild swamps of Louisiana.«111

Wie sehr sich die Free People of Color einer französisch-kreolischen Mittelklassekultur verbunden fühlten, zeigte sich in ihren Meldungen und Berichten über kulturelle Ereignisse. Diese spiegelten deutlich ihren Anspruch auf Zugehörigkeit zur europäischen Kulturtradition wider und machten nur in seltenen Einzelfällen auf die Kultur der Freigelassenen aufmerksam, die sich im 110 111

Tribune de la Nouvelle-Orléans, 4. August 1864. Siehe auch L’Union, 5. Mai 1863, frz. Ausgabe. New Orleans Tribune, 17. Januar 1865.

228 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Vergleich dazu durch eine Verschmelzung westlicher und afrikanischer Elemente auszeichnete. So wurden solche Free People of Color gepriesen, die im europäischen Ausland – vor allem Frankreich – große gesellschaftliche Anerkennung genossen. Die wichtigsten Beispiele, die als Vorbild für die Jugend herangezogen wurden, waren die Dichter Camille Thierry und Joanni Questy sowie der Komponist Edmund Dédé112 und der Künstler Daniel Warburg.113 Wie aus den dargestellten Argumentationslinien ersichtlich wird, befand sich die Gruppe nach der Eroberung von New Orleans und besonders seit Lincolns Emanzipationserklärung in einer schwierigen Position. Die Aufhebung der Sklaverei und ein inzwischen wahrscheinlich erscheinender Sieg der Union rückten das Ziel einer Neuordnung des Gesellschaftssystems in greifbare Nähe. Zwar begrüßten die Afrokreolen diese Entwicklung, doch hatten sie im Vergleich zu den übrigen Südstaaten in Louisiana trotz aller Repressionen immer einen privilegierten Platz innegehabt. Wollte man einen Neuanfang wagen, musste dieser Platz aufgegeben werden. Die Free People of Color sahen demnach in der Zeit ab April 1862 nicht nur einer politisch ungewissen Zukunft entgegen, sondern auch einer notwendigen Neuverhandlung ihrer individuellen und kollektiven Identität. Im Übergang von einer exklusiven Identität als Afrokreolen zu einer inklusiven afroamerikanischen Identität, die fortan die große Ex-Sklavenbevölkerung mit einschließen würde, befanden sich die Free People of Color in einem identitären Niemandsland. Während das Alte seine Daseinsberechtigung verlor, gab es noch kein eindeutiges ›Neues‹; alles war im Fluss. Diese Situation an der identitären Grenze wurde symbolisiert in der zunehmend anachronistischen Qualität der Bezeichnung ›Free People of Color‹. Je mehr SklavInnen befreit wurden, desto mehr verlor der freie Status der Afrokreolen als Marker einer Sonderstellung an Bedeutung. Auch die Tribune erkannte dies und verwandte immer häufiger inkludierende Begriffe, die sich auf die gesamte farbige Bevölkerung bezogen. Wollte man explizit auf die Gruppe der Free People of Color hinweisen, so benutzten viele das Attribut Creole, um ihre kreolisch-französische Herkunft zu betonen.

Das Wahlrecht Was auf der theoretisch-begrifflichen Ebene zumeist gelang, eröffnete auf der handlungspolitischen Ebene Probleme. Der erwartete und für die politische Wirkungsmacht notwendige Schulterschluss der Afrokreolen mit den ehemaligen SklavInnen verlief in der Folgezeit weniger reibungslos, als viele erwartet hatten. Die Schwierigkeiten zeigten sich besonders deutlich an der Debatte um das Wahlrecht, die bald das politische Geschehen beherrschte. Um die Wiedereingliederung Louisianas in die Union voranzutreiben, rief der Militärgouverneur von New Orleans, General George F. Shepley, alle Bürger 112

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Dédé wurde 1829 in New Orleans geboren. Ca. 1850 ging er mithilfe finanzieller Unterstützung prominenter Free People of Color nach Frankreich, um dort sein Talent als Violinist und Komponist zu verfeinern. Von 1859 bis 1865 war er Direktor der Orchester in Rouen, Angers und Bordeaux. »Dede, Edmond« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 1, 225. Zu Dédés Erfolgen siehe New Orleans Tribune, 3. August 1865. L’Union, 6., 10. Dezember, 1862; 20. Mai 1863, frz. Ausgaben.

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der Stadt auf, einen Eid auf die Union abzulegen, damit sie bei der Wahl einer zivilen Staatsregierung als Wähler berücksichtigt werden könnten.114 Am 5. November 1863 sandten die Free People of Color daraufhin eine Petition an Shepley, in der sie ihre Registrierung als Wähler verlangten.115 Nachdem weder Shepley noch Banks zu dieser Forderung Stellung genommen hatten, wandten sich die Aktivisten direkt an Lincoln. In ihrer Petition an den Präsidenten schränkten sie ihre Forderung allerdings auf diejenigen farbigen Männer ein, die bereits vor dem Bürgerkrieg frei gewesen waren.116 Dieses Postulat wiederholten auch Jean-Baptiste Roudanez, der Bruder des Tribune-Herausgebers Louis C. Roudanez, und Arnold Bertonneau, die kurz darauf zu einem Gespräch mit dem Präsidenten nach Washington reisten. Lincoln äußerte sich bei dieser Gelegenheit prinzipiell positiv zu den Inhalten der Petition, stellte aber gleichzeitig klar, dass er die Frage der Wahlberechtigung lieber von einer verfassungsgebenden Versammlung entscheiden lassen wollte.117 Die Bildung einer unionstreuen Staatsregierung, die in Louisiana nun zielstrebig vorangetrieben wurde, beruhte auf Lincolns Zehn-Prozent-Plan. Dieser sah vor, dass diejenigen ehemaligen Konföderiertenstaaten wieder in die Union aufgenommen werden und die Erlaubnis zur Bildung einer unionstreuen Regierung erhalten sollten, in denen mindestens zehn Prozent der Wähler, basierend auf dem Wahlregister von 1860, einen Eid auf die Union und die Emanzipation der SklavInnen abgelegt hatten. Auf der Grundlage dieses Plans griff Banks im Januar 1864 den Vorschlag Shepleys wieder auf und stellte für Februar die Wahl eines Gouverneurs und weiterer Staatsfunktionäre in Aussicht. Im darauffolgenden Monat sollten Delegierte zu einer verfassungsgebenden Versammlung gewählt werden. Obwohl sie offiziell von der Registrierung und den Wahlen ausgeschlossen blieben, kam es in der Tribune und auf den immer häufiger stattfindenden Unionstreffen der afrokreolischen Aktivisten zu heftigen Diskussionen über die Kandidaten. Während sich die radikaleren Free People of Color unter der Führung des weißen Thomas Jefferson Durant118 für Benjamin F. Flanders entschieden, schlossen sich die ge114

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Bereits im Dezember 1862 hatte Shepley zu einer Wahl von Abgeordneten für den nationalen Kongress aufgerufen. Da die Unionsarmee bis dahin nur zwei Kongressdistrikte unter ihre Kontrolle gebracht hatte, wurden mit Michael Hahn und Benjamin F. Flanders nur zwei Vertreter gewählt. In Washington wurde die Legitimität dieser Wahl lange debattiert; letztlich ließ man die beiden als Abgeordnete zu, allerdings nur bis zum Ende der laufenden Sitzungsperiode, die einen Monat später ablief. Appleton’s Annual Cyclopedia and Register of Important Events, Embracing Political, Military, and Ecclesiastical Affairs; Public Documents; Biography, Statistics, Commerce, Finance, Literature, Science, Agriculture, and Mechanical Industry, New York: Appleton 1863, 501-02. Die Petition war unterzeichnet von 27 Veteranen der Schlacht um New Orleans sowie von über tausend weiteren Free Men of Color. Außerdem setzten 22 weiße Unterstützer ihren Namen unter die Petition. Boston Liberator 1., 15. April 1864. 5. Januar 1864, abgedruckt in Boston Liberator, 1. April 1864 und Herbert Aptheker (ed.): Documentary History of the Negro People in the United States, vol. 1, New York: Citadel Press 1951, 494-95. Era, 13. März 1864. Durant war 1834 aus Philadelphia gekommen und hatte sich bereits früh für die Neubildung einer unionistischen Regierung eingesetzt. Seine Arbeit trug

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mäßigteren den Verbündeten Banks’ an und sahen in Michael Hahn119, einem Immigranten aus Deutschland, den vielversprechendsten Kandidaten zur Durchsetzung ihrer Ziele. Dass man in Louisiana noch nicht soweit war, das Gesellschaftssystem mit radikalen Mitteln zu verändern, offenbarte die Wahl Hahns im Februar. Der aus Klingenmünster in der Pfalz stammende Einwanderer hatte vor dem Bürgerkrieg dem demokratischen Lager nahe gestanden und war erst aufgrund der Sezession zum Republikaner geworden. In Rassenfragen waren von ihm keine radikal neuen Ansätze zu erwarten. Die Hoffnungen der Free People of Color lagen nun auf der verfassungsgebenden Versammlung, die im April einberufen wurde. Diese setzte sich gemäßigt bis konservativ zusammen. Mit 63 Delegierten dominierten die Distrikte der Stadt New Orleans klar über die ländlichen Parishes, die insgesamt 27 Abgeordnete stellten. Neben einem kleinen radikalen Flügel, der die sofortige Gleichberechtigung aller Afroamerikaner anstrebte, gab es eine gemäßigte Mitte, die sich zwar bereit zeigte, einige wesentliche Bürgerrechte zu garantieren. Diese sollten allerdings lediglich dazu dienen, die ehemaligen SklavInnen möglichst gewinnbringend und störungsfrei in die immer noch von Weißen dominierte Gesellschaft einzugliedern. Darüber hinaus gab es einen konservativen Flügel, der von Edmund Abell angeführt wurde. Dieser wehrte sich nicht nur gegen jede Form der Gleichberechtigung, sondern erwog sogar die Beibehaltung der Sklaverei in einer abgeschwächten Form. Die Free People of Color-Aktivisten waren zwar wegen ihres Ausschlusses von der Wahl nur Zuschauer, doch verfolgten sie die Debatten innerhalb der Versammlung mit großem Interesse und nahmen sie zum Anlass, in ihrer Zeitung auf die Umsetzung radikaler Ansätze zu pochen und das Wahlrecht zu fordern. Die letztlich angenommene Verfassung sprach sich klar gegen die Sklaverei aus, doch vermied sie eine eindeutige Stellungnahme zum Wahlrecht. Stattdessen versteckte sie sich hinter Artikel 15, der die Staatsregierung ermächtigte, das Wahlrecht auf der Basis von militärischem Dienst, Steuerzahlungen oder ›intellektueller Eignung‹ zu einem späteren Zeitpunkt zu verleihen.120 Für die Free People of Color bedeutete dies die schlechteste Lösung. Sie hatten weder das Wahlrecht erlangt, noch gab es gute Aussichten, dass sich eine Staatsregierung in Bälde dazu durchringen würde, es ihnen zuzusprechen. Darüber hinaus bestand bei einem vom staatlichen Gesetzgeber verliehenen Recht stets die Gefahr, dass eine darauffolgende Regierung die-

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dazu bei, dass sich weiße Unionspolitiker und Free People of Color annäherten. Im Dezember 1863 sprach er sich bei einem Treffen der Union National League in New Orleans offen für das Wahlrecht der farbigen Bevölkerung aus, das er allerdings zunächst auf die Gruppe der Afrokreolen beschränken wollte. New Orleans Times, 4. Dezember 1863. Zu Durants Politik siehe auch Joseph G. Tregle, Jr.: »Thomas J. Durant, Utopian Socialism, and the Failure of Presidential Reconstruction in Louisiana«, in: Journal of Southern History 45:4 (November 1979), 485-512. Hahn war ca. 1840 über New York nach New Orleans gekommen. Nach seinem Jurastudium hatte er für den Staranwalt Christian Roselius sowie als Immobilienmakler, Zeitungsreporter und Notar gearbeitet. »Hahn, Georg Michael Decker« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 1, 370-71. Official Journal of the Proceedings of the Convention for the Revision and Amendment of the Constitution of Louisiana, New Orleans W. R. Fish 1864, 175.

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ses wieder rückgängig machen würde. Für die Free People of Color stand deshalb fest: Das Wahlrecht musste ihnen vom nationalen Kongress verliehen und/oder in einer neuen Staatsverfassung verankert werden.121 Die nationale Verfassung legte das Wahlrecht aber in den Kompetenzbereich der einzelnen Staaten. In ihren Artikeln argumentierte die Tribune, dass Louisiana aufgrund der Sezession seine Mitgliedschaft im Staatenbund der USA verwirkt habe und deshalb nun ähnlich wie zu Beginn des Jahrhunderts als ein Territorium zu behandeln sei. Entsprechend der in der Northwest Ordinance festgelegten Bedingungen, sollte Louisiana im September des kommenden Jahres einen Territorial-Vertreter für den nationalen Kongress wählen.122 In den folgenden Monaten wandten sich die Free People of Color-Aktivisten zusammen mit weißen Unionisten gegen die neugewählte Staatsregierung. Deren Politik erschien ihnen in den wichtigsten Fragen zu zögerlich, einfallslos und restaurativ. Nach Ansicht der Free People of Color ging es nun nicht mehr darum, ob die farbige Bevölkerung das Wahlrecht bekommen sollte. Unklar blieb allenfalls, ob es sich um ein eingeschränktes Wahlrecht für einen bestimmten Teil der farbigen Bevölkerung wie die Free People of Color handeln sollte. Diskutiert wurde diese Frage vor dem Hintergrund, wer eigentlich als amerikanischer Bürger zu gelten habe. Wem eine amerikanische Identität zugeschrieben wurde, konnte seines Rechts auf politische Meinungsäußerung und das Mitwirken am Staatswesen nicht beraubt werden. Traditionell basierte die Staatsbürgerschaft der USA auf dem Prinzip des jus soli, nach dem jeder auf US-amerikanischem Staatsgebiet Geborene automatisch die Staatsbürgerschaft erhielt. Für die Free People of Color hatte dieses Gesetz allerdings nie gegolten. Der politische Bereich war während der Antebellumzeit der einzige gewesen, in dem ihnen keinerlei Rechte, auch nicht in eingeschränkter Form, zugesprochen worden waren.123 Der Bürgerkrieg bot den Free People of Color nun die Möglichkeit, die Frage der amerikanischen Staatsbürgerschaft und der dahinterstehenden amerikanischen Identität neu zu verhandeln. In ihren Reden und Zeitungsartikeln inszenierten sie sich immer wieder als ›Amerikaner‹, basierend auf ihrem Beitrag am Finanzhaushalt durch regelmäßige Steuerleistungen, einem von Moral und Respektabilität geprägten Lebensstil, einer Identifizierung mit den amerikanischen Werten und dem Willen, ihr Leben für die Union zu opfern. Für die Free People of Color standen zwei Wege der Argumentation offen: Entweder sie würden sich der normativen weißen staatsbürgerlichen Identität angleichen und lediglich ein beschränktes Wahlrecht fordern, oder sie wür121

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New Orleans Tribune, 30. August 1864; 14., 17., 26. Januar 1865. Weitere negative Reaktionen auf die Verfassung finden sich in New Orleans Tribune, 6. September, 1. Dezember 1864, 24. Januar 1865. Die nationale Verfassung legte das Wahlrecht in die Entscheidungsgewalt der einzelnen Staaten. New Orleans Tribune, 24. September 1865. Zum Territorium-Konzept der Tribune siehe 23. Juli, 23. Dezember 1864, 4. Februar 1865; Testimony of Thomas J. Durant, U. S. Congress, New Orleans Riots, 11. Der nationale Oberste Gerichtshof hatte im Fall Dred Scott v. Sandford im Jahre 1857 die Staatsbürgerschaft für alle Farbigen, ganz gleich ob versklavt oder frei, kategorisch ausgeschlossen. Sie wurde der afroamerikanischen Bevölkerung erst durch den 14. Verfassungszusatz vom 28. Juli 1868 verliehen.

232 | KREOLISCHE IDENTITÄT

den den schwierigeren Weg gehen und ein uneingeschränktes Wahlrecht für die gesamte afroamerikanische Bevölkerung anstreben. Letzteres setzte allerdings voraus, dass man gemeinsam mit der wachsenden Gruppe der vorwiegend angloafroamerikanischen Freigelassenen für die Anerkennung als amerikanische Staatsbürger kämpfte. Thomas J. Durant, eine der sprachgewaltigsten Figuren der weißen Unionisten in Louisiana und ein Verfechter der afroamerikanischen Gleichberechtigung, unterstützte zunächst ein eingeschränktes Wahlrecht. Den Free People of Color sprach er aufgrund ihrer Bildung und ihres gesellschaftlichen Ansehens ein größeres Potenzial für die wirksame politische Mitgestaltung der Gesellschaft zu.124 Seiner Meinung schlossen sich zunächst auch die Afrokreolen an. Während die verfassungsgebende Versammlung tagte, meldete sich Generalstaatsanwalt Bates zu Wort und erklärte im Juni 1864, dass alle unter den Free People of Color als Staatsbürger anzusehen seien, die lesen und schreiben könnten. Die Union reagierte am folgenden Tag auf diese Aussage in einem Artikel: »Ist es jetzt vernünftig, allen Individuen alle Rechte und Privilegien einzuräumen, die einen so plötzlichen Übergang von der Sklaverei in die Freiheit erfahren? Wir antworten nein, aber wenn es möglich ist, wenn es vernünftig ist, wenn es keine Empfindlichkeit verletzt, dann sollten diese Rechte und Privilegien an all diejenigen verliehen werden, die lesen und schreiben können.«125

Die Lesefähigkeit als Bedingung für das Wahlrecht stellte für die überwiegende Zahl der Free People of Color kein Problem dar. Die Analphabetenrate unter den Freigelassenen war dagegen sehr hoch, hatte das Erlernen von Lesen und Schreiben in der Sklaverei doch unter Strafe gestanden. Als die Versammlung auf die Diskussionen keine Taten folgen ließ, waren die Free People of Color zum Umdenken gezwungen. Je länger die weißen Machthaber allerdings zögerten, das eingeschränkte Wahlrecht zu etablieren, desto offensichtlicher wurde die Notwendigkeit eines Umdenkens für die Free People of Color. Ihre wachsenden Zweifel an der Wirksamkeit der bisherigen Politik fielen zeitlich zusammen mit der Übernahme der Redaktion der Tribune durch Houzeau. Dieser hatte von Beginn an vor einer Spaltung der afroamerikanischen Bevölkerung gewarnt. So schrieb er in einem Leitartikel im Januar 1865: »Who would be bold enough and selfish enough to go to the ballot-box and exercise the right of voting, when thousands of his brethren, as good citizens as he, would be lookers on, kept outside, and declared unfit to be men? Who would be willing to abandon his race and overlook his true interest, for a short and void gratification? We say short and void, because a few colored men will never have any material influence on the elections. […] Let a general measure be taken, let universal suffrage

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L’Union, 28. November 1863, frz. Ausgabe. L’Union, 25. Juni 1864, frz. Ausgabe. Ein Vorschlag, lediglich den Gebildeten, Soldaten und Steuerzahlern unter ihnen das Wahlrecht zu erteilen, wurde mit 53 zu 23 Stimmen abgelehnt. Official Journal of the Proceedings of the Convention for the Revision and Amendment of the Constitution of Louisiana, 134.

ZWISCHEN FORTSCHRITT UND REAKTION | 233 be granted,—which the Legislature has not power to confer upon us—and then let us come together, as a band of brothers, and take a manly stand on the political field.«126

Mit solch klaren Solidaritätsbekundungen reagierte die Tribune auf die in den vergangenen Monaten geäußerten Vorwürfe des Elitismus. Diese kamen sowohl aus den eigenen Reihen als auch von der farbigen Bevölkerung mit angloamerikanisch-protestantischem Hintergrund. Letztere war nicht länger bereit, sich unkritisch der Führung der Afrokreolen zu unterstellen. Auf die Mitspracheansprüche angloafroamerikanischer Aktivisten mussten die Creoles of Color reagieren, wollten sie ihren Einfluss nicht gänzlich einbüßen. Ein erstes Zeichen setzten sie, als sie James H. Ingraham, Captain im Ersten Regiment der Native Guards, zur Syracuse Convention of Colored Men schickten, die als Nachfolgerin der regelmäßigen Negro Conventions der Antebellumzeit von den Herausgebern des New Yorker Blatts AngloAfrican einberufen wurde. Ihre Teilnahme bot den Free People of Color zum ersten Mal die Möglichkeit, sich mit nordstaatlichen farbigen AktivistInnen auszutauschen. Mit der Wahl Ingrahams als ihrem Vertreter setzten die Afrokreolen ein klares Zeichen in Richtung einer konzertierten Anstrengung zur Gleichberechtigung auf der Basis einer nationalen afroamerikanischen Identität. Sie versuchten damit den Verdacht zu zerstreuen, dass es ihnen nur um die Sicherung alter Privilegien ging. Ingraham war zwar Louisianian und hatte in Port Hudson gekämpft, doch entstammte er nicht der Gruppe französisch-kreolischer Free People of Color, sondern war der Sohn eines englischsprachigen Sklavenhalters und dessen Sklavin. Durch sein ethnokulturelles Erbe und seine Religion – Ingraham war Methodist – unterschied er sich wesentlich von den meisten Afrokreolen. Er teilte jedoch deren politische Ansichten. Seine Verbundenheit mit der afrokreolischen Gemeinschaft dokumentierte er, als er in einem feierlichen Akt der Versammlung die blutverschmierte Flagge präsentierte, die das Erste Regiment der Native Guards in der Schlacht von Port Hudson geführt hatte.127 Ausgehend von der Syracuse Convention traf im Januar 1865 in New Orleans erstmals das Louisiana-Chapter der National Equal Rights League (NERL) zusammen, das sich zwei Ziele gesetzt hatte:128 Zunächst sollten die existierenden Interessenvertretungen der farbigen Bevölkerung in einer zentralen Organisation zusammengefasst werden. Außerdem stand die Verbesserung der Lebenssituation der Freigelassenen auf der Agenda. Die Vertreter der NERL zeigten damit, dass sie sich bewusst waren, dass man die große Gruppe der Freigelassenen nicht bevormunden durfte. Aus dieser Einsicht erwuchs die Notwendigkeit, sich mehr als bisher ihren spezifischen Problemen zu widmen, die vornehmlich die Fragen der Arbeitsbeschaffung und Entlohnung, der Bildung und der Familienzusammenführung betrafen.129 Dieser 126 127 128

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New Orleans Tribune, 24. Januar 1865. New Orleans Tribune, 25. Oktober 1864. Die NERL war aus der Syracuse Convention entstanden. Der Aufruf zur Gründung von NERL-Vertretungen findet sich in New Orleans Tribune, 3. Januar 1865. Deutlichstes Zeichen für diese Entwicklung war die Etablierung der Freedmen’s Aid Association. Diese Organisation sollte unter der Führung der Afrokreolen helfen, die ehemaligen SklavInnen mit den notwendigen Gerätschaften, Saatgut und Kleinkrediten zu versorgen, um sie aus den ausbeuteri-

234 | KREOLISCHE IDENTITÄT

neuen Fokussierung konnten sich auch die Free People of Color in New Orleans nicht entziehen. Mit jedem Tag strömten mehr ehemalige SklavInnen in die Stadt. Als man in der lokalen Vertretung der NERL nach einem Delegierten suchte, der sie in Washington vertreten sollte, sprach sich die Tribune erstmals für einen eng mit der Sklaverei verbundenen Vertreter aus: »First, the Delegate to be sent to Washington, there to reside, as the permanent business man, of the African race of Louisiana, should be chosen in such a way as to be a fair representative of the people. […] [W]e want our Delegate to be a fair representative not only of intelligence and education, not only of our patriotism and our devotion to our country, but we want him to be also a representative of the physical type of the great mass of the people of African descent. We want him to be a black man. We want him to be thoroughly identified with the working of slavery[.]«130

Nachdem der erste Versuch, das Wahlrecht zu erlangen, mit der Verfassung von 1864 gescheitert war, hatten die afrokreolischen Aktivisten einen Strategiewechsel vollzogen. Zwar brachte die Einbeziehung der Freigelassenen in den Kampf um die Bürgerrechte auch Probleme mit sich – nicht zuletzt weil die Freigelassenen aufgrund des früheren afrokreolischen Sklavenbesitzes der Führung der Free People of Color bisweilen skeptisch gegenüber stand –, doch überwogen die Vorteile, die man aus einer Allianz zu ziehen erhoffte. Die Afrokreolen hatten erkannt, dass die ›Masse‹ der Freigelassenen ihrer politischen Bewegung eine Kraft verleihen würde, die sie allein nicht erzeugen konnten. Ende des Jahres 1864 hieß es beim Gründungstreffen der NERL in New Orleans: »Here, the colored population has a twofold origin. There is an old population, with a history and mementos of their own, warmed by patriotism, partaking of the feelings and education of the white. The only social condition known to these men is that of freedom. […] There is, on the other hand, a population of freedmen, but recently liberated from the shackles of bondage. All is to be done yet for them. These two populations, equally rejected and deprived of their rights, cannot be well estranged from one another. The emancipated will find, in the old freemen, friends ready to guide them, to spread upon them the light of knowledge, and teach them their duties as well as their rights. But, at the same time, the freemen will find in the recently liberated slaves a mass to uphold them; and with this mass behind them they will command the respect always bestowed to number and strength.«131

Diese ›natürliche Symbiose‹ der zwei farbigen Bevölkerungsteile wurde in der Folgezeit auf vielfältige Weise in der Tribune beschworen. Als im Januar

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schen Arbeitsverhältnissen auf den Plantagen zu befreien und so die Entwicklung einer autonomen Kleinfarmerschicht zu unterstützen. Viele der politischen Aktivisten waren auch im Vorstand der Freedmen’s Aid Association, darunter Durant, Houzeau und die Free Men of Color Roudanez und Rillieux. New Orleans Tribune, 24. Februar, 21. März 1865. Siehe Blassingame: Black New Orleans, 56-58; Howard A. White: The Freedmen’s Bureau in Louisiana, Baton Rouge: Louisiana State UP 1970, Kapitel 6. New Orleans Tribune, 26. Mai 1865. New Orleans Tribune, 29. Dezember 1864.

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1865 das Treffen der Convention of Colored Men of Louisiana in New Orleans zu Ende ging, feierte es die Tribune als einen Meilenstein der Solidarität über kulturelle, religiöse und soziale Grenzen hinweg: »The day of the meeting of this Convention has inaugurated a new era. It was the first political move, ever made by the colored people of the State acting, in a body. […] There, were seated side by side the rich and the poor, the literate and educated man, and the country laborer, hardly released from bondage, distinguished only by the natural gifts of the mind. There, the rich landowner, the opulent tradesman, seconded motions offered by humble mechanics and freedmen. Ministers of the gospel, officers and soldiers of the U.S. army, men who handle the sword or the pen, merchants and clerks, – all the classes of society were represented, and united in a common thought: the actual liberation from social and political bondage.«132

Der Korrespondent des nordstaatlichen Anglo-African störte sich allerdings an der Dominanz der kreolischen Free People of Color in der Versammlung: »There has been a State convention, but it has divided the people more than ever. […] I assert that the Creole vote of this city thrice overbalanced not only the American and freedmen’s interest, but of all that part of the State represented. […] My entire sympathy is with the freedmen and the American people, for the reasons that they do the fighting; but I see no French soldiers—not one. There may be, and doubtless are such, and brave they may be, and probably are; but we outnumber them ten hundred to a single one, and therefore if any interest predominates, it ought to be ours, not theirs.«133

Die Tribune verteidigte sich, indem sie auf ihre Verbundenheit mit den Freigelassenen hinwies und betonte, dass die Interessen beider Gruppen deckungsgleich seien. Schließlich sei die lange vorherrschende Distanz nicht den Free People of Color zuzuschreiben, sondern vielmehr der machthabenden weißen Schicht, die durch ihre Gesetze, allen voran dem Black Code, die Interaktion miteinander verboten und so das gegenseitige Misstrauen genährt habe.134 Spätestens seitdem Houzeau im November 1864 die Leitung der Tribune-Redaktion übernommen hatte, versuchte die Zeitung außerdem, den Interessenkampf zwischen Free People of Color und Freigelassenen dadurch abzuschwächen, dass sie nicht mehr die kulturellen Differenzen betonte, sondern vielmehr die Klassenunterschiede, die vom Sklavereisystem verursacht worden waren. Radikale weiße Politiker unterstützten diese Sichtweise, allen voran Thomas J. Durant: »The question is not between black and white, but between capital and labor. Is it best that the capitalist owns its labor? Or is it best that, as the Constitution intended to have it, the laborer be the political 132 133

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New Orleans Tribune, 15. Januar 1865. Dr. Randolph in Anglo-African, zitiert in New Orleans Tribune, 10. März 1865. Randolph hatte sich noch im Dezember 1864 gegen die Kolonisierungspläne der US-Regierung ausgesprochen. Auf den von ihm geäußerten Vorwurf des Elitismus reagierten die Free People of Color prompt: Auf einem Treffen in der Economy Hall wurde eine Resolution erlassen, in der man Randolph die Freundschaft kündigte. New Orleans Tribune, 11. März 1865. New Orleans Tribune, 28., 31. März 1865.

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equal of the capitalist?«135 In diesem Sinne sprach sich die Tribune seit dem Frühjahr 1865 verstärkt gegen die von Banks ins Leben gerufene Neuordnung des Arbeitssystems auf den Plantagen aus, in dem die Zeitungsherausgeber lediglich die Fortsetzung der Sklaverei unter anderen Vorzeichen sahen.136 Die konservativen weißen Kräfte in Louisiana, die sich zwar mit der Niederlage im Sezessionskrieg abzufinden hatten, deswegen aber noch lange nicht bereit waren, der ehemaligen Sklavenbevölkerung als gleichberechtigten Bürgern zu begegnen, machten sich den schwelenden Konflikt zwischen unterschiedlichen farbigen Gruppen zu Nutze. Knapp zwei Wochen vor der Kapitulation der Konföderation erschien am 1. April 1865 eine Konkurrenz auf dem Zeitungsmarkt Louisianas, deren Geldquelle Konservative waren. Der Black Republican nannte sich die Stimme aller »American colored men« und ließ seine Leser wissen: »The Black Republican Newspaper Association by which our paper is issued, is composed with few exceptions, of American colored men, most of whom were bondmen. The editor of the Black Republican, now a freeman, was born, and has lived most of his life, a slave. […] We mean to maintain our race—not deny it. The name of our paper asserts at once our race and our principles.«137

Dass der Black Republican von der weißen Bevölkerung als eine Konkurrenz zur afrokreolischen Tribune angesehen wurde, zeigt der Kommentar des Abolitionisten Benjamin Rush Plumly in einem Brief an den Präsidenten: »The American colored people here, disgusted with the ›N.O. Tribune‹—the French Jesuit (color’d) paper, that under Durant and a few colored Creoles, has been against us—are just starting another paper.«138 Noch alarmierender für die Tribune-Herausgeber war allerdings, dass sich offensichtlich auch innerhalb der Free People of Color-Gemeinschaft Unbehagen gegenüber der Politik ihrer Zeitung breit machte, denn die Absichtserklärung des Black Republican wurde unter anderem von Thomas Isabelle, Jordan B. Noble und C. C. Antoine unterschrieben. Alle drei hatten in den Native Guards gedient und waren bisher eng in die politischen Organisationen der Free People of Color eingebunden gewesen.139 Obwohl die Konkurrenz nicht lange währte – der Black Republican musste bereits nach einem Monat seinen Betrieb einstellen –, verstärkte er bei den afrokreolischen Aktivisten das Verlangen, sich als Vorkämpfer für ihre ehemals versklavten Brüder und Schwestern zu stilisieren. Nicht gegen, sondern für die Freigelassenen wollten sie arbeiten, denn dass diese der Führung durch gebildete und mit den politischen und gesellschaftlichen Umgangsfor-

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New Orleans Tribune, 4. Februar 1865; ähnlich 8. September 1865. New Orleans Tribune, 14., 18. März 1865. Black Republican, 15. April 1865. Zitiert in Logsdon: »Americans and Creoles«, 201. Für weitere negative Aussagen Plumlys: New Orleans Tribune, 6. Dezember 1864. Black Republican, 15. April 1865.

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men vertraute Free People of Color benötigten, stand für die Tribune außer Frage.140 Allerdings war der Konflikt mit diesen Bekundungen noch nicht ausgestanden. Einige Teilnehmer der Convention of Colored Men of Louisiana hingen der Idee eines eingeschränkten Wahlrechts noch immer nach und formulierten eine Petition an die Regierung. Obwohl der Senat diese ablehnte,141 bekam die ohnehin nicht sehr feste Einheit der farbigen Bevölkerung erneut Risse. Die Tribune stellte deshalb die Fragen: »If we do not respect organizations which are being established by ourselves, who will respect them? […] It is taking out of the hands of the majority their lawful attributes, taking out of the hand of the Executive Board their moral and normal privileges. Is the majority willing to tolerate this secession? Who are our leaders? Where is the president of our central organization? Shall we suffer that a minority, incited by some active white men, should wring from the hands of our delegates the power with which we have entrusted them?«142

Für die Tribune stand fest, dass die Unterzeichner der Petition überwiegend aus dem Lager der ungebildeten Freigelassenen stammten, die die Tragweite ihrer Entscheidung nicht ermessen konnten. Aus den Reihen der Free People of Color jedenfalls, so war man sich sicher, hatte es niemand gewagt, vom vorgegebenen Weg abzuweichen: »The illiterate laborers who now petition the Legislature do not understand the limits which bind the power of that Assembly. […] How many, among the signers, belong to that other class, in whose name the memorial similarly affects to speak—the veterans of 1812-15? […] Let the memorialists publish the names of these ›undersigned, colored men‹ who ›served in the army under Gen. Andrew Jackson.‹ Let us know whom they are; if not, we will have a right to say that you have willfully misrepresented them, and that you have wrongfully used their names, their popularity and their glory. […] Let our brethren and our friends at the North know that the old soldiers of the republic, the great mass of tax-payers, the great mass of men who can read and write, were no party to that untimely and miscalculated move. They have sense enough to stand by their Convention, and they have virtue enough to decline receiving any thing that their more unfortunate brethren cannot obtain as well as they.«143

Die Free People of Color-Aktivisten hatten in mancherlei Hinsicht eine totale Kehrtwende gemacht. Von der Forderung nach dem eingeschränkten Wahlrecht waren sie zum Wahlrecht für die gesamte afroamerikanische Bevölkerung übergegangen. Strategische Beweggründe spielten genauso in diese Entwicklung hinein wie die Erfahrung, dass die große Masse an Freigelassenen 140

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New Orleans Tribune, 27. Dezember 1864, zitiert in Ted Tunnell: »Free Negroes and the Freedmen: Black Politics in New Orleans During the Civil War«, in: Southern Studies (Spring 1980), 24. Daily Picayune, 20. Dezember 1864. New Orleans Tribune, 15. Februar 1865. Zur Petitionsproblematik siehe Tunnell: »Free Negroes«, 20-22. New Orleans Tribune, 19. Februar 1865.

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jeglichen Forderungen der farbigen Bevölkerung mehr Gehör verschaffen würde. Das Misstrauen zwischen den Afrokreolen und den Angloafroamerikanern blieb allerdings trotz ihrer Allianz bestehen – zumindest solange das Wahlrecht umkämpft blieb.

Von Lincolns Ermordung zur Verfassung von 1868 Im Frühjahr und Sommer des Jahres 1865 hing das Bündnis zwischen den afrokreolischen Aktivisten und den Vertretern der Freigelassenen an einem seidenen Faden. Zwar bemühte man sich auf beiden Seiten redlich, doch erschwerten immer wieder die sozioökonomischen Unterschiede der beiden Gruppen ein konzertiertes Vorgehen. Wie so häufig waren es äußere Umstände, die die Notwendigkeit einer schnellen Beilegung ihrer Differenzen erzwangen. In diesem Falle war es die Ermordung des US-Präsidenten und Befürworters einer demokratisch-republikanischen Neuordnung des Staates Louisiana, Abraham Lincoln, am 14. April 1865. Die Free People of Color hatten zu Lincoln zwar ein gespaltenes Verhältnis gehabt, weil er ihrem Antrag zur Wahlbeteiligung im März 1864 nicht stattgegeben hatte, gleichzeitig verehrten sie ihn allerdings als einen Visionär republikanischen Denkens. Seine Fehler, die er ihrer Meinung nach gemacht hatte, traten hinter seinen großen Taten in dem Moment zurück, als im Januar 1865 die Nachricht von seinem Brief an Gouverneur Hahn bekannt wurde, in dem er diesem geraten hatte, zumindest den Free People of Color das Wahlrecht zu verleihen.144 Der Tod Lincolns war in Louisiana der Anfang einer turbulenten Neustrukturierung. Der neue Gouverneur des Staates, J. Madison Wells145, der das Amt im März vom zurückgetretenen Hahn übernommen hatte, rief eine Neuwahl aus, weil er die Ergebnisse von 1864 für manipuliert hielt. Bereits während seiner Zeit als kommissarischer Gouverneur seit März hatte er den überwiegenden Teil der unionistisch-progressiven Amtsinhaber in der Stadtund Staatsregierung entlassen und durch reaktionäre Unionisten und zurückkehrende Konföderierte ersetzt. Die konservativen Kandidaten für den Stadtrat von New Orleans waren zu 88 % ehemalige Konföderiertenamtsträger oder -soldaten. Der neue Bürgermeister John T. Monroe hatte bereits unter der Konföderiertenregierung dieses Amt inne gehabt bis Butler ihn wegen seiner Weigerung, einen Treueschwur auf die Union abzulegen, entfernte.146 Als Reaktion auf den stärker werdenden Einfluss ehemaliger Rebellen in New Orleans fanden sich weiße radikale Unionisten und Free People of Color sowie einige Freigelassene zur Vereinigung Friends of Universal Suffrage zusammen, deren Exekutivkomitee, bestehend aus jeweils sechs Delegierten der vier städtischen Distrikte von New Orleans, die Urzelle der Republikani144 145

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New Orleans Tribune, 21. Januar, 22. April 1865. Abraham Lincoln an Michael Hahn, 13. März 1864, Civil War Manuscripts Series, TU. Wells wurde 1808 bei Alexandria, Louisiana geboren. Nach dem Besuch verschiedener Schulen in Kentucky, Connecticut und Ohio kehrte er nach dem Bürgerkrieg nach Louisiana zurück, wo er eine Plantage im Rapides Parish erwarb. »Wells, James Madison« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 2, 833-34. James K. Hogue: Uncivil War. Five New Orleans Street Battles and the Rise and Fall of Radical Reconstruction, Baton Rouge: Louisiana State UP 2006, 33.

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schen Partei Louisianas bildete. Am 6. September 1865 fanden in Louisiana zwei Wahlen statt: die ›offizielle‹ bestätigte Wells im Amt des Gouverneurs und wählte Randall Hunt und Henry Boyce als Vertreter Louisianas in den nationalen Kongress. Die ›alternative‹ Wahl, organisiert von den Friends of Universal Suffrage, wählte Henry Warmoth148 als territorialen Vertreter Louisianas in den Kongress. Während Warmoth vom nationalen Kongress willkommen geheißen und mit allen Privilegien eines rechtmäßigen Vertreters ausgestattet wurde, mussten sich die Sieger der ›offiziellen‹ Wahl mit einem Platz auf der Galerie zufrieden geben. Der Kongress setzte damit ein erstes Zeichen gegen die Rekonstruktionspolitik des Präsidenten Andrew Johnson.149 Die Free People of Color hatten seit jeher gegen die Verleihung des Wahlrechts durch die Staatsregierung gewettert; sie wiederholten deshalb in dieser Zeit ihre Auffassung, dass Louisiana seinen Status als Staat durch seine Beteiligung an der Sezession verloren habe. Es müsse erneut eine Verfassung erarbeitet werden, auf deren Grundlage Louisiana wieder als vollwertiges Mitglied in den US-amerikanischen Staatenbund aufgenommen werden könnte. Diese müsse auf den Grundpfeilern einer republikanisch-freiheitlichen Ordnung stehen und das gleichberechtigte Wahlrecht für die gesamte Bevölkerung ohne Ausschluss aufgrund von ›Rasse‹ oder vorherigem Sklavenstatus garantieren. Eine Möglichkeit, diese Politik umzusetzen, sahen Unionisten in der Wiederbelebung der verfassungsgebenden Versammlung vom April 1864. Diese war offiziell nicht beendet, sondern lediglich auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Gouverneur Wells, der sich seit Mitte 1866 offen mit den Radikalen solidarisierte, ernannte den Richter am Obersten Gerichtshof von Louisiana, Rufus K. Howell, zum Präsidenten der verfassungsgeben Versammlung, die dieser daraufhin für den 30. Juli im Mechanics’ Institute einberief. Ihre Unterstützung für diese Politik zeigten die farbigen Aktivisten durch einen ›Marsch der Veteranen‹, der durch das French Quarter über die Canal Street zum Mechanics’ Institute führte. Was sich ausgehend von dieser Prozession im Verlauf des Tages ereignete, ging als eine der blutigsten Auseinandersetzungen zwischen republikanischen und konservativen Kräften in die Geschichte der Nation ein. Schon auf dem Weg zum Versammlungsort wurden Delegierte vom zusammengekommenen Mob attackiert. Es entwickelte sich ein Straßenkampf, das Mechanics’ Institute wurde von den Gegnern der verfassungsgebenden Versammlung belagert und schließlich gestürmt. Neben vielen zum Teil schwer Verletzten gab es 38 Tote, 34 davon waren farbig.150 147

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Zur Entstehungsgeschichte der Republikanischen Partei in Louisiana siehe Philip D. Uzee: »The Beginnings of the Louisiana Republican Party«, in: Louisiana History 12 (Summer 1971), 197-211. Geboren 1842 in Illinois, zog er 1860 nach Missouri und arbeitete dort als Anwalt. Er kämpfte im Bürgerkrieg auf Seiten der Union und eröffnete 1865 eine Kanzlei in New Orleans. »Warmoth, Henry Clay« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 2, 825-26. Zum Verhältnis zwischen Präsident Johnson und dem Kongress sowie der Entwicklung der Radical Reconstruction siehe Eric Foner, A Short History of Reconstruction 1863-1877, New York: Harper & Row 1990, 104-23. U. S. Congress, New Orleans Riots, 12. Für eine detaillierte Schilderung des Aufstandes und eine Analyse siehe James G. Hollandsworth: An Absolute Massacre. The New Orleans Race Riot July 30, 1866, Baton Rouge: Louisiana State UP 2001 sowie Gilles Vandal: The New Orleans Riot of 1866. Anatomy

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Aufgrund der Brutalität, die an diesem Tag in den Straßen von New Orleans herrschte und der Bedeutung Louisianas als Laboratorium für die republikanische Neuordnung der Nation, entschied sich der nationale Kongress, eine Kommission einzusetzen, die die Hintergründe des Aufstandes untersuchen sollte. Der über 1000 Seiten starke Mehrheitsbericht stellte im Februar des folgenden Jahres fest, dass die Polizei keinesfalls, wie von der städtischen Regierung und dem konservativen Lager behauptet, lediglich auf die von den Teilnehmern der Versammlung ausgehende Gewalt geantwortet hätte. Er kam vielmehr zu dem Schluss, dass die städtische Regierung unter der Leitung des Bürgermeisters Monroe die bevorstehende Versammlung zum Anlass genommen hatte, gegen unliebsame radikale weiße Unionisten und ihre farbigen Unterstützer mit Hilfe von Polizei und Schlägertrupps vorzugehen. Aber auch die Rolle des Militärs wurde hinterfragt. So geriet vor allem der Kommandant der Unionstruppen in Louisiana in die Kritik. Nicht nur hatte er es versäumt, die in den drei Meilen entfernten Jackson Barracks stationierten Truppen in die Stadt zu verlegen, um die Situation zu deeskalieren. General Baird gab in seiner Zeugenaussage auch noch unverhohlen zu, dass er geglaubt hatte, die Versammlung träfe sich erst um sechs Uhr abends und nicht wie tatsächlich geschehen bereits am Mittag.151 Darüber hinaus empörten sich die Mitglieder der Untersuchungskommission darüber, dass auch sechs Monate nach dem Vorfall noch keiner der Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen worden war.152 Damit entsprach der Bericht der Einschätzung der Tribune, die in dem Vorgehen der städtischen Polizei den feigen und brutalen Versuch ewig Gestriger gesehen hatte, das Rad der Zeit zurückzudrehen.153 Die New Orleans Times hatte die Dinge freilich anders gesehen. In einem in der gesamten Zeitungslandschaft der Südstaaten verbreiteten Artikel machte sie sich über eines der Opfer der Ausschreitungen, den weißen Zahnarzt und Unionisten A. P. Dostie, lustig und begrüßte implizit die Niederschlagung der ›schwarzen Meute‹: »What to do with him? This is a practical age in which we live, and we must turn everything to account. Let Dostie’s skin be forthwith stripped and sold to Barnum— the Proceeds to go to the Freedmen’s Bureau and negro newspapers, to be used by them for the benefit of negroes who have no taste for work. Dostie’s body will make good soap. Let him be boiled down, preparatory to being distributed in bars to Yankee ›school marms [sic].‹ Delicious will be the kisses by those angular females from ebony cheeks, late lathered with sweet scented Dostie.«154

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of a Tragedy, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Southwestern Louisiana 1983; kürzer: Hogue, 40-45. Testimony of Maj. Gen. Absalon Baird, U. S. Congress, New Orleans Riots, 444. U. S. Congress, New Orleans Riots, 16. Siehe auch das anonyme Pamphlet: The New-Orleans Riot. Its Official History. »It was no Riot—It was an Absolute Massacre by the Police—A Murder Perpetrated by the Mayor« [N. p.: n. p., n. d.]. New Orleans Tribune, 10. Oktober 1866. New Orleans Times, 8. August 1866, zitiert in Frank J. Wetta: »Bloody Monday: The Louisiana Scalawags and the New Orleans Riot of 1866«, in: Southern Studies (Spring 1991), 11. Auch die New Orleans Bee hielt die Wieder-

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Auch in der Forschungsliteratur hat es unterschiedliche Interpretationen des Aufstandes gegeben. Grundfrage war stets, inwiefern unterschiedliche Gruppen sich das emotionsgeladene und gewaltbereite Klima in New Orleans zu Nutze machten, um durch die Provokation von Auseinandersetzungen eigene politische Ziele durchzusetzen. Obwohl die radikalen Unionisten langfristig von der Brutalität des Aufstandes profitierten, da er der Nation und vor allem dem nationalen Kongress die Unzulänglichkeit der präsidialen Rekonstruktionspolitik vor Augen führte und damit den Übergang zur Congressional Reconstruction beschleunigte, kann ihnen nach heutigem Forschungsstand eine Verschwörung nicht nachgewiesen werden. Die Schuldzuweisungen an die weiße Machtelite in New Orleans, artikuliert von W. E. B. DuBois und zuletzt Eric Foner, sind allerdings ebenso unglaubwürdig, da sich die weißen Machthaber bei aller Feindschaft den Unionisten gegenüber durchaus bewusst waren, welche politischen Folgen eine gewaltvolle Zerschlagung der Delegiertenversammlung haben würde.155 Der wichtigste Faktor, der zum New Orleans Riot von 1866 führte, ist die allgemein gewaltbereite Stimmung in der Stadt, die zu einem spontanen und in ihrer Heftigkeit sicherlich überraschenden Ausbruch führte. Dabei ging es vielen der beteiligten Konservativen nicht so sehr darum, was die Unionisten mit der Versammlung verfolgten, sondern vielmehr darum, mit welcher Selbstverständlichkeit und aus ihrer Sicht Arroganz die unionistischen Louisianians ihre Forderungen vortrugen.156 Die deutliche Sichtbarkeit des Willens vieler Farbiger, auch abseits der Schlachtfelder ihr Leben für die Gleichberechtigung einzusetzen und die nicht minder irritierende Bereitschaft vieler weißer Unionisten, sie in ihrem Kampf zu unterstützen, löste bei den Konservativen ein Bedrohungsgefühl aus, das sie deutlich überreagieren ließ. Die Ereignisse im Juli 1866 setzten den Kulminationspunkt einer gefährlichen Entwicklung, die drohte, alle unionistischen Bestrebungen scheitern zu lassen. Die zunehmend unsichere Lage der afroamerikanischen Bevölkerung löste im Norden Besorgnis aus; zum einen aus humanitären Gründen, zum anderen aber auch, weil man eine große Migration der Betroffenen in den Norden befürchtete.157 Als die Republikaner bei den nationalen Kongresswahlen im November 1866 eine klare Mehrheit in beiden Kammern erlangten, war der Weg frei für die Reconstruction Acts, die im Verlauf des folgenden Jahres über das Veto des Präsidenten Andrew Johnson hinweg erlassen wurden. Die wichtigsten Neuerungen waren die Einteilung der besiegten Südstaaten in Militärdistrikte und die Ankündigung der Wiederaufnahme der ehemaligen Konföderiertenstaaten in die Union, unter der Bedingung, dass sie sich eine neue Verfassung auf der Basis eines uneingeschränkten Wahlrechts gaben. Louisiana wurde zusammen mit Texas dem Kommando von General Philip H. Sheridan unterstellt, der sofort die Registrierung loyaler Wähler vorantrieb, die im September Delegierte für eine neue verfassungsgebende Versammlung wählen sollten. Als sich die lokalen Behörden erneut mit aller Macht gegen die Registrierung farbiger Wähler und den Entzug des

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einberufung der Versammlung für verfassungswidrig und die Reaktionen der städtischen Polizei für angemessen: 1. August 1866. Hogue, 45-48. Donald E. Reynolds: »The New Orleans Riot of 1866, Reconsidered«, in: Louisiana History 5:1 (Winter 1964), 27. Taylor, 112.

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Wahlrechts ehemaliger Konföderierter wehrten, entließ Sheridan kurzerhand alle staatlichen und lokalen Amtsträger. Benjamin F. Flanders wurde daraufhin als neuer Gouverneur Louisianas eingesetzt. Obwohl es im Verlauf der Registrierung und der Wahl in Louisiana zu Aufständen und Gewalttaten kam, trat im November 1867 in New Orleans eine von Republikanern dominierte Versammlung zusammen.158 Die 52 Farbigen unter den 98 Delegierten waren die ersten gewählten farbigen Mandatsträger in der US-Geschichte. Von 14 ständigen Komitees wurden drei von farbigen Politikern geleitet, darunter der wichtige Ausschuss der Bill of Rights, dem der ehemalige Offizier aus den Native Guards, James H. Ingraham, vorstand.159 Obwohl einige der bekannten afrokreolischen Vorkämpfer sich nicht zur Wahl gestellt hatten – Louis C. Roudanez etwa glaubte, in seiner Tätigkeit als Tribune-Herausgeber mehr bewirken zu können – und wichtige Politiker aus der angloafroamerikanischen Gruppe auf den Plan traten, wie etwa P.B.S. Pinchback160, stammte die Mehrzahl der 52 Delegierten aus der Gruppe der Free People of Color. Viele von ihnen hatten in den Native Guards gedient, waren sowohl sozial als auch wirtschaftlich während der Antebellumzeit privilegiert gewesen und engagierten sich seit der Einnahme von New Orleans im Jahre 1862 für ihre uneingeschränkte Gleichberechtigung. Namen, die inzwischen weit über die Region hinaus bekannt waren, tauchten auf den Delegiertenlisten auf, darunter C. C. Antoine, Arnold Bertonneau, Robert H. Isabelle und dessen Bruder Thomas Isabelle. Lediglich für vier der Delegierten kann nachgewiesen werden, dass sie aus der ehemaligen Sklavenbevölkerung kamen.161 Die neue Verfassung, die in den nächsten Monaten von der Versammlung erarbeitet und im April 1868 mit 66.152 zu 48.739 Stimmen ratifiziert wurde, stellte ein revolutionäres Dokument dar. Sie setzte endgültig in Kraft, wofür die Tribune und farbige Politiker seit langer Zeit gestritten hatten: das allgemeine Wahlrecht ohne Einschränkungen und Auflagen für die gesamte afroamerikanische Bevölkerung. Darüber hinaus wurde die Rassentrennung sowohl in den öffentlichen Schulen als auch an öffentlichen Plätzen und in Verkehrsmitteln aufgehoben.162 Gewählte Amtsträger mussten einen Eid auf 158

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Die Mehrzahl der Wähler der Demokraten war aufgrund der verschärften Regeln von der Wahl ausgeschlossen. Siehe William A. Russ, Jr.: »Disfranchisement in Louisiana, 1862-1870«, in: Louisiana Historical Quarterly 18 (July 1935), 557-80. Ted Tunnell hat gezeigt, dass die Versammlung nicht, wie lange angenommen, paritätisch besetzt war. Vermutlich war es die Tribune selbst, die diese Fehlmeldung verbreitete, um die weiße Angst vor einem Kontrollverlust zu mindern. Siehe Tunnell, Crucible of Reconstruction, 113. Die beiden anderen Komitees beschäftigten sich mit der Miliz (P. B. S. Pinchback) und mit dem Haushalt (Henry Bonseigneur). Pinchback stammte aus Macon, Georgia, wo er 1837 als achtes von zehn Kindern geboren wurde. Nach seiner Schulbildung in Cincinnati studierte er Jura an der Straight University in New Orleans. 1862-63 diente er als Captain im Zweiten Regiment der Native Guards. »Pinchback, Pinckney Benton Stewart« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 2, 652. Tunnell: Crucible of Reconstruction, 231-33. Official Journal of the Proceedings of the Convention, for Framing a Constitution for the State of Louisiana, 1867-1868, New Orleans: J. B. Roudanez & Co., Printers 1867-1868.

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die Gleichbehandlung der ›Rassen‹ ablegen. Damit besaß Louisiana die fortschrittlichste Verfassung aller Südstaaten. Wären all ihre Bestimmungen in den folgenden Jahren umgesetzt worden, hätte sie den Weg in eine gerechtere, demokratische und freiheitliche Gesellschaft weisen können. Angesichts der Tragweite der neuen Verfassung sind die negativen Reaktionen in der weißen konservativen Presse nicht überraschend. Erstaunlich war allerdings der Ton, in dem gegen die Ratifizierung der »mongrel constitution« – vor allem in den ländlichen Parishes – angekämpft wurde. So nannte sie die Cado Gazette »a virtual repudiation of every principle dear to the Caucasian race.«163 Für diejenigen, die sich für die Annahme der Verfassung aussprachen, hatte der Courier of the Teche nur üble Beschimpfungen übrig: »[M]en, having a covering of white skin over their flesh, have voted for the mongrel constitution in the parish of St. Martin. May they be pointed out with the finger of scorn by all honorable men. May they be despised and hated by every living creature. May their wives, if such creatures can have wives, remain barren, that their descendants may not rot in jail or die of exhausting houses of ill-fame.«164

Doch egal welcher Wortwahl sich die Zeitungen bedienten, für viele Louisianians stand fest, dass es fürs Erste besser war, sich den Tatsachen zu fügen, denn nur eine ratifizierte Verfassung würde der Staat den Weg zurück in die Union ebnen. Am 15. Juni desselben Jahres wurde Louisiana wieder von den Vereinigten Staaten aufgenommen.

Das Ende der New Orleans Tribune Der errungene Etappensieg auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Existenz als Staatsbürger Louisianas und US-Amerikaner hätte die afrokreolischen und angloafroamerikanischen Aktivisten in ihrem Vorsatz bekräftigen müssen, künftig ihre Differenzen zu vergessen. Doch es kam anders. Kaum dass das Ziel erreicht war, von dem aus man sich nun an eine grundlegende Umstrukturierung der Gesellschaft machen konnte, geriet die fragile Allianz erneut in die Krise. Über die Nominierung eines Kandidaten für den neu zu besetzenden Gouverneursposten kam es zum endgültigen Bruch. Henry Clay Warmoth, der bereits 1865 als Territorialvertreter in der ›alternativen‹ Wahl nach Washington entsandt worden war, fand sich mit aufstrebenden Politikern der angloafroamerikanischen Gruppe wie P. B. S. Pinchback und Oscar J. Dunn zusammen und konnte die Nominierung für sich gewinnen. Die afrokreolischen Vertreter waren mit dieser Wahl allerdings nicht einverstanden und verließen die Nominierungsversammlung der Republikanischen Partei. Sie entschieden sich in der Folge, James G. Taliaferro, einen weißen Unionisten und ehemaligen Sklavenhalter aus Virginia, zu unterstützen. Als seinen Vizekandidaten wählten sie einen Mann aus ihren Reihen: Francis E. Dumas war in Frankreich geboren und hatte es als Plantagen- und Sklavenbesit-

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Zitiert in Roger A. Fischer: The Segregation Struggle in Louisiana, 1862-77, Urbana: University of Illinois Press 1974, 58. Zitiert in Du Bois, 466-67.

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zer zu Ansehen und Reichtum gebracht.165 Die überwiegende Zahl der Freigelassenen konnte sich mit ihm freilich nicht identifizieren. Der Konflikt um die Nominierung für den Gouverneursposten dehnte sich bis in die Chefetage der Tribune aus. Bereits im Frühjahr 1865 war es zum Zwist unter den Aktivisten gekommen, der einige von ihnen dazu bewegt hatte, kurzfristig den Black Republican zu unterstützen. Vor allem durch die vermittelnden Anstrengungen Houzeaus war es gelungen, den Streit innerhalb der Gruppe und mit den angloafroamerikanischen Aktivisten zu schlichten. Als das Hauptziel mit der neuen Verfassung erreicht war, brach er allerdings wieder aus. Houzeau warnte die Creoles of Color, die den größten Teil der sich abspaltenden Republikaner bildeten, vor der Aufstellung eines eigenen Tickets. Offenbar glaubte er, dass es – über vier Jahre nach Lincolns Emanzipationserklärung – für die Afrokreolen an der Zeit war, mehr Verantwortung an angloafroamerikanische Politiker abzugeben. Entsprechend seines Credos »One ought to be American before being Louisianian«166 plädierte er dafür, Warmoth als Gouverneurskandidaten zu unterstützen. Als Roudanez und seine Gefolgsleute dies versagten, trennte er sich von der Tribune in bitterer Enttäuschung und mit einem düsteren Ausblick in die Zukunft: »I have always maintained and shown that the two branches could have only one and the same politics, one and the same interest, before the common enemy […] But the old aristocratic spirit of the mulatto has reawakened, and today there are three parties: the proslavery people, the blacks (with the white radicals), and a little party of mulattoes (with some white malcontents). This last party is naturally destined, if you look at its numerical weakness and the illiberalism of its principles, to a certain failure.«167

Houzeau war überzeugt, dass seine Freunde wegen ihres nach außen gekehrten französischen Erbes die Wahl verlieren und ihren Einfluss auf die politischen Geschehnisse in Louisiana für immer einbüßen würden.168 Tatsächlich gewann Warmoth die Wahl im November. Oscar J. Dunn, der bis 1841 versklavt gewesen war, wurde Vizegouverneur.169 Mit Ehrgeiz und Aufstiegswillen brachte er es zu einem erfolgreichen Stuckateur und hatte als Captain in den Native Guards gedient. Aufgrund seiner bescheidenen Herkunft und seiner Erfahrung in der Sklaverei fühlte sich Dunn der Gruppe der Freigelassenen weitaus mehr verbunden als viele Free Men of Color. 165

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Als Major hatte er im Bürgerkrieg das Kommando über das Dritte Regiment der Native Guards. Nach damaliger Einschätzung war er einer der wohlhabendsten Sklavenhalter des Staates gewesen. »Dumas, Francis Ernest« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 1, 264. Houzeau, 49. Houzeau, 50. Houzeau, 50. Dunn wurde als Sohn einer Free Woman of Color vermutlich 1821 in New Orleans geboren; über seinen Vater ist nichts bekannt. Laut einer Zeitungsanzeige entfloh er 1841 der Sklaverei. 1862 trat er in das Erste Regiment der Native Guards ein. »Dunn, Oscar James« (s.v.), Conrad: A Dictionary of Louisiana Biography, vol. 1, 268; A. E. Perkins: »Oscar James Dunn«, in: Phylon, 2nd Quarter, 4:2 (1943), 105.

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Der abnehmende Einfluss der Creoles of Color blieb auch für die Tribune nicht ohne Konsequenzen. Nachdem die staatliche Republikanische Partei im Januar 1868 die Tribune als ihr offizielles Presseorgan gegen den der Warmoth-Gruppe nahestehenden New Orleans Republican austauschte, erschien sie im Februar zum vorerst letzten Mal. Houzeau kommentierte das unglamouröse Ende der Zeitung mit den Worten: »The colored press having sacrificed reputation and popularity to little hateful passions, is closed. Its politics have been repudiated by the immense mass—a crushing mass—of the colored population.«170 Im März 1869 versuchten Roudanez und seine Freunde zwar eine Wiederbelebung, allerdings mit nur mäßigem Erfolg, denn wenige Monate später verschwand die erste farbige Tageszeitung der USA endgültig. Mit der Tribune ging mehr verloren als ein außergewöhnliches Presseorgan. Ihr Verschwinden setzte einen Schlusspunkt unter die Bemühungen der Free People of Color, an der Spitze einer klassenübergreifenden afroamerikanischen Bewegung für die Gleichberechtigung und die Anerkennung als Staatsbürger zu kämpfen. Dem Tribune-Herausgeber Roudanez und den politischen afrokreolischen Aktivisten gelang es fortan nicht mehr, die Republikanische Partei hinter sich zu vereinen. Enttäuschung und Misstrauen machten sich auf allen Seiten breit. Während viele weiße Republikaner in der Entscheidung der Zeitungsmacher, sich gegen die Kandidaten Warmoth und Dunn zu stellen, einen letzten Beweis für das elitäre Denken und die fehlende Kompromissbereitschaft der Afrokreolen gesehen hatten, zweifelten Letztere an der Standhaftigkeit vieler angloafroamerikanischer Politiker. Die Free People of Color waren sich ihrer im Vergleich zu den Freigelassenen differenten sozialen Position und Identität von Anfang an bewusst gewesen. Aufgrund ihrer Bildung, ihrer Freiheit während der Antebellumzeit und ihrer wirtschaftlichen Kraft schrieben sie ihrer Gruppe die Rolle der Wegbereiter und Anführer der farbigen Bevölkerung zu. Politische Notwendigkeiten hatten sie im Verlauf des Jahres 1863 allerdings davon überzeugt, dass es ihrer Bewegung an Wirkungsmacht fehlte. Deshalb suchten sie, ihre Kräfte mit denen der angloafroamerikanischen Aktivisten zu bündeln. Was die zeitweise politische Koalition der beiden Gruppen allerdings verdeckt hatte, waren ihre nach wie vor starken kulturellen Unterschiede. Das französisch-kreolische Erbe der Creoles of Color im Gegensatz zur überwiegend angloamerikanischen Kultur der Freigelassenen sowie ihr Katholizismus im Gegensatz zum Protestantismus, gewann in dem Moment wieder an Bedeutung, in dem die großen politischen Gesetzesänderungen erreicht waren und es an die schwierige alltagspolitische Umsetzung ging.171 Anders als in den übrigen Südstaaten, in denen es bis zum Ende der Rekonstruktionszeit zu einer politischen, sozialen und kulturellen Annäherung zwischen der vorwiegend ›rassengemischten‹ Gruppe der ehemaligen Freien und der Ex-Sklavenbevölkerung gekommen war172, blieb die farbige Bevölkerung Louisianas Ende der 1860er Jahren zweigeteilt. Zwar war es auch hier 170 171

172

Houzeau, 56. In ihrer ambivalenten Einstellung zu den angloafroamerikanischen Freigelassenen sind sie anderen Gruppen afroamerikanischer Eliten ähnlich, die vor allem in den Nordstaaten Ende des 19. Jahrhunderts agierten. Vgl. Williard B. Gatewood, Jr.: »Aristocrats of Color: North and South. The Black Elite, 18801920«, in: Journal of Southern History 54:1 (1988): 6-7. Williamson, 78.

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zu einer Anpassung im Bereich des sozialen und wirtschaftlichen Status gekommen, die ethnokulturellen Unterschiede wogen jedoch noch immer schwer. Auch wenn die hegemoniale weiße Bevölkerung die Farbigen gerne als homogene ›Klasse‹ wahrnahm, so offenbarte sich in Louisiana so stark wie nirgendwo sonst im amerikanischen Süden die Heterogenität der farbigen Bevölkerung. Ihre Wurzeln reichten bis weit in die Geschichte des Staates zurück und blieben noch lange spürbar.

Resümee Die Phase von der Einnahme New Orleans’ durch die Unionstruppen bis zur konservativen Restauration war eine Zeit des Umbruchs. Den Free People of Color und den Ex-SklavInnen boten sich große Möglichkeiten. Der politische, wirtschaftliche und soziale Neuanfang, der mit der Niederlage der Konföderation eingeläutet worden war, hatte in Louisiana eine besondere Bedeutung. Über New Orleans wollte Präsident Lincoln den abtrünnigen Staaten einen Weg zurück in die Union ebnen. Die afrokreolische Gesellschaft versuchte diese Chance zu nutzen, um sich ihren Traum einer gleichberechtigten Existenz als amerikanische Staatsbürger zu verwirklichen. Wie bereits zu Beginn des Jahrhunderts sahen sie im Militärdienst eine wichtige Möglichkeit, sich als opferbereite amerikanische Staatsbürger zu inszenieren. Die Bürgerrechte standen für sie in einem Zusammenhang mit der Erfüllung bestimmter Bürgerpflichten, deren wichtigste in Kriegszeiten die Verteidigung der Heimat war. Die Creoles of Color sahen sich als Louisianians, aber auch als Bürger der Union. Von ihr erhofften sie sich jene Rechte und Privilegien, die ihnen der Süden stets verwehrt hatte. Obwohl ihr Dienstalltag als Soldaten offenbarte, dass auch die Unionsarmee und die hinter ihr stehende nordstaatliche Gesellschaft nicht frei von Vorurteilen war, versuchten vor allem die Offiziere der Native Guards, nicht nur als Bürger sondern auch als Männer von der weißen Hegemonialmacht anerkannt zu werden. Durch die Erfüllung der männlichen Pflichten des Bürgersoldaten wollten sie die Gleichstellung ihrer Gemeinschaft erwirken. In der Schlacht um Port Hudson gelang ihnen ein moralischer Sieg, als sie die Mehrheitsgesellschaft nicht nur von ihren Fähigkeiten als Soldaten, sondern auch von ihrer Männlichkeit überzeugen konnten. Doch das Bild vom farbigen Soldaten blieb ambivalent. Ihre Kampfkraft, die die Afrokreolen auf ihre Militärtradition zurückführten und aus denen sie einen Anspruch auf die Bürgerrechte konstruierten, wurde im Diskurs der weißen Hegemonialmacht lediglich als Ausdruck ihrer ›natürlichen‹ Begabung für Imitation und einer ›angeborenen Unbekümmertheit‹ interpretiert. Obwohl die Free Men of Color mit ihrer Strategie letztlich scheiterten, gelang es ihnen bis zu ihrer Absetzung zumindest, durch ihr bis dahin tadelloses Auftreten als Bürgersoldaten ein Zeichen zu setzen. Viel wichtiger für den weiteren Verlauf ihres Kampfes waren allerdings die kollektiven Erfahrungen, die sie während ihrer Dienstzeit machten. Als der Ort, an dem sich die späteren Führer der Gruppe trafen und ein Netzwerk bildeten, war das Militär die Keimzelle des politischen Aktivismus der Creoles of Color. Der publizistisch ausgetragene Kampf um das Wahlrecht wies durchaus Parallelen zur militärischen Strategie auf. Auch hier machten sich die Free People of Color das Macht- und Meinungsvakuum der Zeit zu Nutze und prä-

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sentierten sich erstmals lautstark auf der politischen Bühne. Begünstigt durch die Entmachtung konföderierter Politiker und deren publizistischer Organe, vermochten es die Afrokreolen mithilfe ihrer beiden Zeitungen, L’Union und New Orleans Tribune, die Politik in Louisiana für einige Jahre wesentlich mitzubestimmen. Nachdem das Ende sowohl der Sklaverei als auch des südstaatlichen Systems besiegelt war, konzentrierten sich die Zeitungsmacher und politischen Aktivisten auf die Erlangung des Wahlrechts, das die Voraussetzung zur Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung darstellte. In der folgenden Auseinandersetzung offenbarten sich schnell die unterschiedlichen Meinungen der Mitstreiter. Solange die ehemalige Sklavenbevölkerung außer ihrer nominellen Freiheit noch keine wesentlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verbesserungen genießen konnte, blieb die Führungsposition der Free People of Color innerhalb der afroamerikanischen Gruppe unangefochten. Neben verschiedenen weißen Politikern, die innerhalb der Republikanischen Partei ein eher konservatives Programm zur Verbesserung der Lage der gesamten farbigen Bevölkerung vertraten, erschienen allerdings mit fortschreitender Zeit auch immer mehr afroamerikanische Aktivisten auf der Bildfläche, die anders als die Creoles of Color angloamerikanisch geprägt waren und die Sklaverei zum Teil noch selbst erlitten hatten. Der sich innerhalb der afroamerikanischen Gruppe entwickelnde Kampf um Deutungsmacht, politische Ziele und Strategien schwächte sie insgesamt und bot der weißen Bevölkerung einen Angriffspunkt. Während es den Afrokreolen bis zur Verfassung von 1868, die der farbigen Bevölkerung endlich das uneingeschränkte Wahlrecht verlieh, noch gelang, die schwierige Allianz zwischen ihnen und den Freigelassenen aufrechtzuerhalten, zerbrach diese letztlich nach dem erreichten Ziel. Die Free People of Color waren im militärischen, politischen und sozialen Kampf um Gleichberechtigung nicht nur Vorreiter im Staat Louisiana, sondern in den gesamten USA. Keine andere farbige Gruppe vermochte es, den Diskurs um die Neuordnung der südstaatlichen Gesellschaft so wesentlich zu beeinflussen wie sie. Sie trugen dazu bei, dass in Louisiana für kurze Zeit die fortschrittlichste und liberalste Gesellschaft entstand, die es im Süden bis zur Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre geben sollte. Und dennoch erfüllte sich ihr Traum von echter politischer und sozialer Gleichheit nicht. Denn so schnell wie viele der Veränderungen gekommen waren, so schnell verschwanden sie mit der konservativen Bewegung der Redeemer auch wieder. Die Gründe für das Scheitern der Free People of Color sind vielfältig. Zum einen waren sie trotz ihrer privilegierten sozialen Position und ihres Bildungsgrades letztlich politische Amateure. Während der gesamten Vorkriegszeit waren sie vom politischen Prozess ausgeschlossen gewesen. In den 1860er Jahren wurden sie von einer Situation überrascht und zum Teil überfordert, die ihnen einen unerwarteten Handlungsspielraum bot. Was in der Theorie und in pathetischen Zeitungsartikeln wirksam erschien, entpuppte sich oft als wenig praktikabel. Die vielen Ideen und Ziele sowie die unterschiedlichen Vorstellungen, wie diese zu erreichen seien, lähmten die Gruppe. Darüber hinaus wurde ihre Politik von ihrer eigenen Selbstwahrnehmung durchkreuzt. Gefangen zwischen Fortschritt und Reaktion, versuchten sie einerseits revolutionäre Neuerungen für die gesamte farbige Bevölkerung durchzusetzen, während sie andererseits nicht bereit waren, ihre eigenen Privilegien und ihre exklusive Gruppenidentität für dieses Ziel zu opfern.

»V A N I S H I N G I N T O O B L I V I O N «: S C H W A R Z -W E I S S E R E A L I T Ä T E N

IN

LOUISIANA

Nachdem die Einheit der farbigen Aktivisten über die Kandidatenfrage im Gouverneurswahlkampf 1868 zerbrochen war und einige wichtige Köpfe wie Lanusse und Houzeau verstorben waren beziehungsweise Louisiana den Rücken gekehrt hatten, brachen in den 1870er Jahren schwere Zeiten an. Nach dem Verschwinden der Tribune und ihrer Ablösung durch andere, stärker vom angloafroamerikanischen Element beherrschten Zeitungen, wurde es für die Creoles of Color schwieriger, ihre politischen und sozialen Forderungen durchzusetzen. Ehemalige Verbündete aus dem weißen republikanischen Lager wie Henry Warmoth entpuppten sich zudem als in Rassenfragen Konservative im republikanischen Gewand. Zwar tastete Warmoth die neuen Rechte der farbigen Bevölkerung zunächst nicht an, doch orientierte sich seine Regierung zunehmend an der demokratischen Partei. Im Januar 1872 kam es zu einem ersten Kräftemessen als Warmoth den farbigen Mitgliedern des Repräsentantenhauses unter Gewaltandrohung den Zugang zur Versammlung versagte. In den darauffolgenden Monaten herrschte in New Orleans der Ausnahmezustand: Das Militär war in ständiger Bereitschaft, es kam immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen mit Todesfällen, zwei Repräsentantenhäuser existierten nebeneinander und die Wirtschaft geriet in eine tiefe Krise. Die farbige Bevölkerung der Stadt sah sich von Warmoth und seinen Gefolgsleuten verraten. Von weißer Seite aus wurde dagegen immer häufiger der Vorwurf geäußert, dass die unerfahrene farbige Wählerschaft durch ihr unkluges Wahlentscheiden an der Misere Louisianas schuld sei. Die Regierungskrise konnte erst beigelegt werden, als Warmoth im Dezember aufgrund nachgewiesener Wahlmanipulation und Korruption durch Impeachment abgesetzt wurde. Für die verbleibende Legislaturperiode von einem Monat übernahm sein Amt der aus Georgia stammende P. B. S. Pinchback. Für die farbige Bevölkerung Louisianas stellte Pinchbacks Ernennung einen nicht unwesentlichen Erfolg dar, wenn er auch von der afrokreolischen Bevölkerung aufgrund seines angloafroamerikanischen Erbes nie wirklich als einer der ihren anerkannt wurde.1 Das Jahr 1873 war geprägt von gewalttätigen und rassistisch-motivierten Auseinandersetzungen. Im April kam es in Colfax im Grant Parish über Unregelmäßigkeiten bei den Kommunalwahlen zu blutigen Ausschreitungen, bei denen über 100 Farbige starben. Die Verantwortlichen wurden zwar vor ein Gericht gestellt, jedoch wenig später freigesprochen.2 Die große Instabilität 1 2

Semi-Weekly Louisianian, 14. März 1872; New Orleans Times, 11. März 1872. Siehe dazu [»Committee of 70«]: History of the Riot at Colfax, Grant Parish, Louisiana, April 13th, 1873; With a Brief Sketch of the Trial of the Grant Parish Prisoners in the Circuit Court of the United States, New Orleans: Clark and

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des Staates veranlasste viele Louisianians dazu, ihre Steuerzahlungen zu verweigern – Louisiana stürzte in eine wirtschaftliche Krise, die durch den Börsensturz im Herbst 1873 noch verschlimmert wurde. Angesichts der desaströsen Lage machte sich innerhalb der weißen Bevölkerung die Ansicht breit, dass es vor allem die ungebildete und mit politischen Prozessen unerfahrene Gruppe der Farbigen sei, die aufgrund ihres fehlgeleiteten Wahlverhaltens Louisianas Krise zu verantworten habe. Um einem Auseinanderbrechen der bisherigen republikanischen Koalition entgegenzuwirken und sich für die Zeit zu wappnen, wenn auch ehemalige Konföderierte wieder würden wählen dürfen, reifte in der afrokreolischen Bevölkerung die Idee einer rassenübergreifenden Allianz. Zunächst im Stillen agierend, traf sich die fortan als Unification Movement bekannte Gruppierung erstmals öffentlich im Juni 1873 in der Carondelet Street. Unter den genau 100 Anwesenden fanden sich auf weißer Seite prominente Bürger aus Wirtschaft, Justiz und Presse. Viele von ihnen, wie der ehemalige Konföderiertengeneral Pierre Gustave Toutant de Beauregard standen großen Unternehmen vor. Auf farbiger Seite waren es vor allem einflussreiche und noch immer wohlbegüterte Afrokreolen, die der Unification-Bewegung anhingen. Neben bekannten Aktivisten wie Louis C. Roudanez und dem wohlhabenden Philanthropen Aristide Mary waren auch der Staatssenator George Y. Kelso und der Vizegouverneur C. C. Antoine anwesend. Das offizielle Ziel der Gruppe war die wirtschaftliche und politische Stabilisierung des Staates. Voraussetzung dafür war ihrer Meinung nach die Anerkennung der von der Verfassung festgelegten bürgerrechtlichen Gleichstellung der ›Rassen‹. Politisch umgesetzt sollte diese durch die gleichmäßige Verteilung der politischen Ämter auf die weiße und farbige Bevölkerung.3 In seiner feierlichen Ansprache an die Louisianians machte General Beauregard deutlich, dass die Zukunft ihrer Heimat eng mit dem friedlichen Zusammenarbeiten beider ›Rassen‹ verbunden sei. Er machte allerdings gleichzeitig deutlich, dass eine solche Kooperation keinesfalls als soziale Gleichheit zu verstehen sei: »By the enjoyment in common of such privileges, neither whites nor blacks assert, or assent to, social equality, neither with each other or even between individuals of the same race. […] I am persuaded that the natural relation between the white and the colored people is that of friendship. I am persuaded that their interests are identical; that their destinies, in this State where the two races are equally divided, are linked together; and there is no prosperity for Louisiana which must not be the result of their co-operation.«4

Die Unification-Bewegung blieb trotz großer Worte ein Strohfeuer. Keine der Forderungen konnte in Gesetzen implementiert werden und auch die wirt-

3 4

Hofelines 1874; [Anonym]: Horrible Massacre in Grant Parish, Louisiana. Two Hundred Men Killed. Details of the Occurrence. Meeting of Colored Men in New Orleans. Address and Speeches, New Orleans: Printed at the Republican Office 1873. Resolution, Unification Papers, 1873, LLMVC. »The Unification Question«, Address of Gen. T. Beauregard to the People of Louisiana, 1 July 1873, TU; siehe auch New Orleans Times, 1. Juli 1873.

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schaftliche und politische Lage blieb weiterhin instabil.5 Innerhalb der farbigen Bevölkerung förderte der Versuch einer ›rassenübergreifenden‹ Allianz das ohnehin wachsende Misstrauen zwischen Afrokreolen und Angloafroamerikanern. Die Gruppe der ›alten‹ wohlhabenden und vor dem Krieg freien Afrokreolen stellte die Mehrzahl der 50 farbigen Unterzeichner der Unification-Erklärung. Der zu dieser Zeit einflussreichste Vertreter der angloafroamerikanischen Gemeinschaft, Pinchback, fehlte. In den knapp zehn Jahren seit dem Ende der Kampfhandlungen hatte sich in Louisiana eine selbstbewusste Gruppe ehemals versklavter Afroamerikaner mit angloamerikanisch-protestantischen Hintergrund gebildet, die durch zugewanderte farbige Politiker aus dem übrigen Süden verstärkt wurde. Diese Gruppe war nicht länger bereit, den Kampf um ihre Rechte den Afrokreolen allein zu überlassen. Die alte Free People of Color-Bevölkerung dagegen versuchte mit der UnificationBewegung zu retten, was zu retten war. Es war die letzte Anstrengung der afrokreolischen Aktivisten, sowohl ihren verbliebenen Einfluss als auch die Überzahl der farbigen Bevölkerung an den Wahlurnen zu nutzen, um ihre Ideale in Gesetz und Gesellschaft zu verankern. Sicherlich wollten sie vom Genuss der gewonnenen Rechte andere afroamerikanischen Gruppen nicht ausschließen. Der Weg, den sie einschlugen, deutet allerdings darauf hin, dass sie sich noch immer oder vielmehr wieder als eine besondere Gruppe sahen, die sich durch ihr ethnokulturelles Erbe, ihre Bildung und ihren Wohlstand von den ehemaligen SklavInnen absetzte. In der wachsenden Besorgnis der weißen Elite sahen sie die einmalige Chance, das Ruder noch einmal herumzureißen und sich gegen die reaktionäre Stimmung zu stemmen. Eine rassenübergreifende Allianz auf der Basis einer Klassenidentität musste sie jedoch zwangsläufig gegen die sozial unter ihnen stehenden Afroamerikaner positionieren. Der wachsende Konflikt zwischen den beiden Gruppen der farbigen Gesellschaft wurde verkörpert in der Person Pinchbacks, der Anfang der 1870er Jahre in einem Zeitungsinterview zugeben musste, dass er nicht als Repräsentant der gesamten farbigen Bevölkerung dienen konnte.6 Diese nicht verwunderliche Feststellung brachte die New Orleans Times folgendermaßen auf den Punkt: »It was […] simply idiotic to have supposed that men of culture, who long before the war had enjoyed the society on equal terms of cultivated white people in Europe, would ever forgive the attempt made by a colored man, not a native of Louisiana, not of French ancestry, and lacking education, to assume the right to speak for them.«7

5

6 7

New Orleans Picayune, New Orleans Times, beide 16. Juli 1873; Daily Picayune, 18. Juli 1873. Zur Geschichte der Unification-Bewegung und den Gründen für ihr Scheitern siehe T. Harry Williams: »The Louisiana Unification Movement of 1873«, in: Journal of Southern History 11:3 (August 1945), 34969 und Vincent J. Marsala: »The Louisiana Unification Movement of 1873«, (M.A. thesis, Louisiana State University 1962). Semi-Weekly Louisianian, 14. März 1872. New Orleans Times, 11. Oktober 1874, zitiert in David C. Rankin: »The Impact of the Civil War on the Free Colored Community in New Orleans«, in: Donald Fleming (ed.), Perspectives in American History, vol. 11, Cambridge, MA: Harvard UP 1978, 412.

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Abb. 5: P. B. S. Pinchback

Das Scheitern der Bewegung war für die afrokreolische Widerstandspolitik der Anfang vom Ende. Ihre proklamierten Ziele hatten die Unificationists nicht erreichen können. Über die Gründung der ›rassenübergreifenden‹ Allianz waren die Differenzen innerhalb der farbigen Bevölkerung nur deutlicher zutage getreten. Wie sehr die Stimmung im Zuge der Restaurationspolitik der 1870er Jahre kippte, zeigen die Artikel der französisch-kreolischen Zeitung Le Carillon. Sie sprachen sich lautstark für die Bildung eines ›KaukasierKlubs‹ aus, um der Gegensätzlichkeit der ›Rassen‹ Ausdruck zu verleihen. An die farbigen Louisianians gerichtet, schrieb der Carillon: »Alea jacta est. […] Legt eurer Arroganz die Trense an. Versteht endlich, dass ihr […] gewisse Rechte habt, die wir euch nicht im Traum wegnehmen werden. Es gibt andere, die ihr nicht behaupten könnt; andere, die wir nicht anerkennen werden, ohne dem Ehrgefühl, der Würde, der Religion und der Rasse abzuschwören.«8

Das Ende der politischen Einflussnahme der farbigen Bevölkerung kam mit der Präsidentschaftswahl 1876, die in Louisiana mit der Gouverneurswahl zusammenfiel. Während sich dort die Geschichte wiederholte und es wie schon 1872 zur Etablierung zweier Regierungen kam, stritt man sich in Washington um die Stimmenauszählung. In der vom Kongress eingesetzten Wahlkommission einigte man sich schließlich darauf, die umstrittenen Stimmen aus Louisiana, Florida, South Carolina und Oregon dem Kandidaten Rutherford B. Hayes zuzuschlagen. Im Gegenzug wurde den ehemaligen Konföderierten-Staaten ein informelles Versprechen gegeben, die Unionstruppen schnellstmöglich aus dem Süden abzuziehen. Darüber hinaus signalisierte man für die Zukunft ›freie Handhabe‹ in der Behandlung der Rassenfrage. Der Abzug der Unionstruppen machte es für jede republikanische Regierung in Louisiana unmöglich, auf der Basis einer afroamerikanischen Wahlmehr8

Le Carillon, 19. Juli 1874; siehe auch 24. Mai 1874.

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heit an der Macht zu bleiben. Francis T. Nicholls setzte sich im Kampf um den Gouverneursposten durch und konnte sich auf eine demokratische Mehrheit in beiden Kammern des Staatsparlaments stützen. Louisiana wurde damit als letzter der ehemaligen Konföderiertenstaaten von der republikanischen Rekonstruktion ›erlöst‹. In New Orleans stand der traditionelle Mardi Gras in diesem Jahr unter dem Thema »The Aryan Race«. Die 23 Wagen der Karnevalsparade zeigten die Geschichte der ›großen arischen Rasse‹ von ihren Anfängen im alten Rom und Griechenland bis in die Zukunft im Jahre 1976, in der es laut Meinung der Karnevalisten einen weiblichen Präsidentschaftskandidaten geben würde und die Männer in Röcken gekleidet den Aufgaben des Haushalts und der Kindererziehung nachgingen.9 Angesichts der inzwischen in alle Sphären der amerikanischen Gesellschaft vorgedrungenen Herrschaftsansprüche der weißen Gesellschaft, wagten es seit der ›Befreiung‹ von der ›schwarzen Tyrannei‹ nur noch wenige Persönlichkeiten, Partei für die farbige Bevölkerung zu ergreifen.

»A Truly Political Work«: George Washington Cables The Grandissimes »The greatest social problem before the American people today is […] the presence among us of the Negro. […] There rests, therefore, a moral responsibility on the whole nation never to lose sight of the results of African-American slavery until they cease to work mischief and injustice.«10

Einer der unerschrockenen Südstaatler, die in den 1880er Jahren unverhohlen auf die dringendsten Probleme der zur Weltmacht aufstrebenden Nation aufmerksam machte, war der Literat George Washington Cable. Anders als viele seiner Zeitgenossen glaubte Cable nicht, dass die Sünde der US-Amerikaner mit der Emanzipation und der nominell erreichten politischen Gleichstellung der ehemaligen Sklavenbevölkerung gebüßt war. Mit dieser Überzeugung stand Cable jedoch allein, denn das Nachkriegsamerika der 1880er Jahre war nach den Wirren der Rekonstruktionszeit des sich Schuldigfühlens müde. Die Erinnerung an den Bürgerkrieg und den Wiederaufbau wurde zunehmend übertönt vom Ruf nach wirtschaftlichem Fortschritt, Innovation und einem Blick in die Zukunft, von der sich die Amerikaner persönlichen Wohlstand und eine führende Rolle ihrer Nation in der Welt erhofften. Besonders die gedemütigten Verlierer entwickelten in dieser Zeit den Ehrgeiz nach einem ›neuen Süden‹.11 9 Daily Picayune, 14. Februar 1877. 10 George W. Cable: »The Freedman’s Case in Equity«, in: Arlin Turner (ed.), The Negro Question, Garden City, NY: Doubleday 1958 [1885], 51. 11 Zum ›Neuen Süden‹ siehe C. Vann Woodward: Origins of the New South 18771813, Baton Rouge: Louisiana State UP 1999 [1971], insbesondere zur Südstaatenliteratur dieser Zeit, 163-68. Zu den sozioökonomischen Veränderungen im Übergang zum New South sowie zur Begrifflichkeit und Periodisierung siehe

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Literarische Werke, die sich mit der Vergangenheit beschäftigten, schienen unter diesen Voraussetzungen wenig Erfolg versprechend. Allein der gleichzeitig mit dem New South-Gedanken einsetzende Versöhnungsprozess zwischen den ehemals verfeindeten Sektionen konnte einem Schriftsteller wie Cable helfen. Denn mit dem Verblassen der Erinnerungen an der Bruderkrieg stieg gleichzeitig das Interesse der amerikanischen Leserschaft am ›inneren Anderen‹. Literarische Werke aus und über den Süden fanden nun Eingang in die neuen Magazine wie Atlantic Monthly, Scribner’s Monthly oder dem Harper’s New Monthly. Die in den Süden entsandten Reporter bescheinigten der ehemals abtrünnigen Region einen überall spürbaren Geist der Versöhnung und Eintracht.12 Dieses neue gesamtamerikanische Bewusstsein erlaubte es den SchriftstellerInnen wieder, sich der Beschreibung exotisch anmutender Orte zu widmen, ohne in den Verdacht zu geraten, politisch rückständige Positionen zu propagieren. Wie bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts avancierte New Orleans zu einem exemplarischen Ort des ›Tiefen Südens‹. Unzählige Artikel beschrieben den Charme der Stadt, der sich – wie eh und je – in der kuriosen Mischung von Eigenem und Fremdem, Fortschritt und Degeneration und Weiß und Schwarz offenbare.13 Obwohl 1844 in New Orleans geboren, stammte Cable nicht aus einer kreolischen Familie. Während sein Vater deutsche Vorfahren aus Pennsylvania hatte und in Virginia groß geworden war, entstammte seine Mutter einer neuenglischen Familie. Das puritanisch-calvinistische Familienerbe prägte Cable stark; eine Tatsache, die ihm Kritiker im späteren Verlauf seiner Karriere immer wieder vorwarfen. Durch den frühen Tod seines Vaters gezwungen, sorgte Cable bereits mit 14 Jahren als Zollbeamter für den Unterhalt seiner Mutter und seiner Geschwister.14 Im Jahre 1862 ließen sich seine Schwestern, die der Konföderation anhingen, wie von Butler gefordert als »Feinde der Union« registrieren. Cable verließ zusammen mit ihnen die Stadt und trat im Oktober 1863 in die Konföderiertenarmee ein. Nach dem Ende des Krieges kehrte er in seine Heimatstadt zurück und heiratete dort Louise Stewart Bartlett. Auch sie war das Kind einer Neuenglandfamilie und war in New Orleans aufgewachsen. Nachdem er zunächst als Buchhalter arbeitete, nahm Cable später eine Stelle als Kolumnist und Reporter für die New Orleans Picayune an. Seine bald regelmäßig erscheinende Kolumne »Drop Shot« wurde zu einem großen Erfolg. Harold D. Woodman: »The Political Economy of the New South: Retrospects and Prospects«, in: Journal of Southern History 67:4 (2001), 789-810. 12 Charles Dudley Warner: »Impressions of the South«, in: Harper’s New Monthly Magazine 71:424 (September 1885), 547. Eine gute Analyse der Rekonziliationsliteratur bietet David W. Blight: Race and Reunion. The Civil War in American Memory, Cambridge, MA: Belknap Press 2001, Kapitel 7. 13 Einige Beispiele sind Julien Ralph: »New Orleans, Our Southern Capital«, in: Harper’s New Monthly Magazine 86:513 (February 1893), 364-86; P. F. de Gournay: »Creole Pecularities«, in: Magazine of American History 16:5 (November 1886), 542-49; Eugene V. Smalley: »The Colored People at the New Orleans Exposition«, in: American Missionary 3:7 (July 1885), 189-91. 14 John Cleman: George Washington Cable Revisted, New York: Twayne 1996, 819; Michael Kreyling: »George Washington Cable«, in: Donald Pizer/Earl N. Harbert (eds.), Dictionary of Literary Biography. American Realists and Naturalists, vol. 12, Detroit: Gale 1982, 42-50. Bereits etwas älter: Arlin Turner: George W. Cable: A Biography, Durham, NC: Duke UP, 1956.

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Durch historische Recherchen und neue Bekannte wie Edward King inspiriert, begann er bald mit dem literarischen Schreiben. King war in den frühen 1870er Jahren vom Scribner’s Monthly in die Südstaaten geschickt worden, um die Lebensumstände dort zu beschreiben und sich nach neuen schriftstellerischen Talenten umzuschauen. In New Orleans fand er in Cable einen fähigen jungen Autor. Mit Kings Hilfe gelang es Cable 1873, seine erste Kurzgeschichte, »Sieur George«, zu publizieren. Für seine romantisierenden Geschichten über die kreolische Stadt, die später als Sammlung Old Creole Days erschienen, wurde Cable von den Kritikern mit Lob überhäuft und von der Leserschaft geliebt. Dies alles sollte sich allerdings mit der Veröffentlichung seines ersten Romans, The Grandissimes, schlagartig ändern, der als Fortsetzungsroman von November 1879 bis Oktober 1880 im Scribner’s Monthly und wenig später als Buch erschien.

The Grandissimes Die Handlung des Romans beginnt im Herbst des Jahres 1803, kurz nach der Übernahme des Louisiania-Gebietes durch die Vereinigten Staaten. Im Mittelpunkt stehen die Grandissimes, eine kreolische Gründerfamilie der ersten Stunde, sowie deren weit verzweigter Kreis von Angehörigen, Freunden und Feinden. Die Geschichte der Familie wird der Leserschaft durch die Augen des jungen amerikanischen Migranten deutscher Herkunft, Joseph Frowenfeld, präsentiert, der in New Orleans beginnt, sich ein Leben als Apotheker aufzubauen. Durch einen Zufall lernt er Honoré Grandissime, den Neffen eines der ältesten Familienmitglieder der Grandissimes, Agricola Fusilier, kennen. Im Laufe der Zeit entwickelt sich eine vorsichtige Freundschaft zwischen den beiden Männern. Obwohl sich der Verlauf des Romans anhand von drei verschiedenen Liebesgeschichten entfaltet und damit den Anforderungen eines an den Sentimentalismus gewöhnten Publikums gerecht wird, schafft es Cable gleichzeitig, ein komplexes Porträt der Gesellschaft Louisianas zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu zeichnen. Beim heimischen Publikum stieß Cables Beschreibung der kreolischen Gesellschaft allerdings auf wenig Gegenliebe. Viele empfanden sie nicht nur als fragwürdig in ihrem Wahrheitsgehalt, sondern als respektlose und verletzende Frechheit eines literarischen Anfängers, den sie aufgrund seiner familiären Herkunft zudem als Außenseiter betrachteten. Wo Literaturkritiker eine perfekte Symbiose von hartem Realismus und versöhnlicher Romantik sahen, erkannten die Louisianians nur bitterböse Seitenhiebe gegen ihre Kultur. In ihren Reaktionen auf The Grandissimes, überschritten nicht wenige die Grenzen des Anstands und missachteten häufig den Unterschied zwischen Romanfiguren und Autor. Die Protestschrift des Geistlichen und Dichters Adrien Rouquette ist nur ein Beispiel unter vielen. In seinem ›kritischen Dialog‹ zwischen Aboo und Caboo, zwei Familienmitgliedern der Grandissimes, die nach ihrem Tod als Geister auf die Erde zurückkehren und dort die Schrift Cables kennenlernen, wirft Rouquette dem Schriftsteller vor, kein wirklicher Louisianian zu sein: »[A] native of Louisiana; he is, besides, a pert, waggish, flippant, somewhat bold upstart, brazen-faced wiling, who supplies the Northern literary market with that sort of adulterated, but gratifying, stuff: How

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disloyal, how basely unfilial, how despi-cable!«15 Allerdings gab es auch lobende Stimmen aus dem Süden. Der allseits beliebte Lafcadio Hearn etwa sah in The Grandissimes »a series of pictures which, although in a certain sense created by the pencil of an Impressionist, wear a terrible resemblance to terrible realities.«16

Die Charaktere des Romans Was aber war es genau, das die Kreolen zu solch hitzigen Kommentaren bewegte? Um die folgende Analyse besser verstehen zu können, müssen zunächst einige der Hauptcharaktere vorgestellt werden. Auf Seiten der Grandissimes ist da zunächst der Patriarch Agricola Fusilier, dessen Name bereits auf die beiden Traditionen verweist, die er repräsentiert und in sich vereint: die des durch Bodenbesitz reich gewordenen Plantagenmanagers und die des Füsiliers, also des Militärs. Sein Neffe Honoré ist vor der Folie dieses überlebensgroßen Vorbilds zu sehen, dem er nachzueifern versucht, von dessen Werten er sich aber im Verlauf des Romans immer mehr distanziert. Im Verhältnis dieser beiden Männer äußert sich die generationenbedingte kulturelle Veränderung, die die kreolische Gesellschaft aufgrund der bevorstehenden ›Amerikanisierung‹, die zum Zeitpunkt des Romans ja gerade erst beginnt, durchlaufen wird. Neben Agricola steht Honoré in einer schwierigen Beziehung zu seinem farbigen Halbbruder, der ebenfalls Honoré heißt und das Kind Agricolas mit einer farbigen Frau ist, deren Identität nicht preis gegeben wird. Honoré, f.m.c., wie er im Roman bezeichnet wird, symbolisiert die prekäre gesellschaftliche Position der Free People of Color. Weitere wichtige farbige Charaktere sind der Sklave Bras-Coupé, sowie die Free Woman of Color Palmyre, die in New Orleans als Voodoo-Anhängerin bekannt ist. Überdeckt werden die komplizierten sozialen Verflechtungen von den drei parallel verlaufenden Liebesgeschichten. Honoré liebt Aurora Nancanou, eine verarmte weiße Kreolin, deren Mann seinen gesamten Besitz an Honorés Onkel Agricola bei einem Spiel verloren hat. Honoré wiederum wird von der farbigen Palmyre geliebt, die ihrerseits ohne ihr Wissen das Herz von Honoré, f.m.c. erobert hat. Frowenfeld, der amerikanische Außenseiter verliebt sich in die Tochter von Aurora Nancanou, Clotilde. Die sowohl für den Neuankömmling Frowenfeld als auch die Leserschaft verwirrenden Verwandtschaftsverhältnisse sowie die Irrungen und Wirrungen der sich überlagernden Liebesgeschichten und zu guter Letzt die den Lesefluss hemmenden DialektPassagen, machen ein mehrfaches Lesen des Romans fast unabdingbar. Dennoch soll in diesem Kapitel versucht werden, der Frage nachzugehen, welche Vorstellungen von ethnischen und nationalen Identitäten Cable in seinem Roman propagierte und welche Vision er von der südstaatlichen Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts hatte.

15 E. Junius [Adrien E. Rouquette] (ed.): Critical Dialogue Between Aboo and Caboo on a New Book or a Grandissime Ascension, Mingo City [New Orleans]: Great Publishing House or Sam Slick Allspice 1880, 10. 16 New Orleans Item, 27. September 1880, in: Arlin Turner (ed.), Critical Essays on George W. Cable, Boston: Hall 1980, 8.

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The Grandissimes als Sittenkomödie Obwohl die Handlung des Romans in der mit Mythen behafteten Zeit des Kulturkonfliktes zwischen der ancienne population und den amerikanischen SiedlerInnen nach dem Louisiana Purchase spielt, kommentiert Cable in seinem Roman gleichzeitig seine eigene Zeit zu Beginn der 1880er Jahre. In seinem autobiographischen Essay »My Politics«, der zu Cables Lebzeiten nie veröffentlicht wurde, weil seine Lektoren ihn als zu persönlich empfanden, bestätigte Cable die politische Motivation für seinen Roman: »It was impossible that a novel written by me then should escape being a study of the fierce struggle going on around me, regarded in the light of that past history— those beginnings—which had so differentiated the Louisiana civilization from the American scheme of public society. I meant to make The Grandissimes as truly a political work as it ever has been called.«17

Der Kulturkonflikt zwischen der kreolischen Gesellschaft und den amerikanischen Neuankömmlingen wird im Roman vor allem über die Figur Joseph Frowenfeld ausgespielt. Dieser hat neben seiner Freundschaft zu Honoré im Verlauf der Geschichte sowohl den amerikanischen Dr. Keene als auch einen Verwandten Honorés, Raoul Innerarity, als Informanten und ›Übersetzer‹ der ihm fremd erscheinenden Gesellschaft. Der Kulturkonflikt zwischen kreolischer und angloamerikanischer Lebenswelt nimmt einen wesentlichen Teil des Romans ein, doch während die Mehrzahl sowohl der damaligen Kritiker als auch der heutigen ForscherInnen sich in der Interpretation des Romans auf diesen Konflikt konzentrieren, sehe ich ihn eher als ein Mittel zum Zweck. Ich schließe mich in meiner Interpretation Robert Stephens an, der The Grandissimes weniger als Kulturroman18 als vielmehr als eine typische comedy of manners analysiert.19 So bricht Joseph Frowenfeld als angelsächsisch-protestantischer Fremder mit deutschen Wurzeln in die engmaschige, von Familienklans beherrschte, katholische Welt der kreolischen ancienne population ein und fordert deren Werte- und Gesellschaftssystem heraus. Im Verlauf der Handlung werden die Vor- und Nachteile der beiden miteinander konkurrierenden Systeme beleuchtet. Am Ende steht eine Auflösung des Konflikts, die allerdings weniger glatt verläuft als idealtypisch vorgesehen. Denn obwohl der Außenseiter Frowenfeld letztlich seine Ansichten bestätigt sieht, führen sie bestenfalls zu einer Modifizierung des etablierten Systems, nicht aber zu dessen Zerstörung.

17 George W. Cable: »My Politics«, in Turner: The Negro Question, 13, 14. Die Beziehung der Romanhandlung auf die politischen Verhältnisse in den 1870er Jahren wurde auch von Rezensenten erwähnt. Siehe z. B. Hjalmar H. Boyesen: »Cable’s Grandissimes«, in: Scribner’s Monthly Magazine 20 (November 1880), in: Turner: Critical Essays, 11. 18 Hjalmar H. Boyesen an George W. Cable, 17. März 1877, zitiert in Lucy Leffingwell Cable Bikle: George W. Cable. His Life and Letters, New York: Charles Scribner’s Sons 1928, 56. 19 Vgl. Robert O. Stephens: »Cable’s The Grandissimes and the Comedy of Manners«, in: American Literature 51:4 (January 1980), 510.

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Die fremde Kultur lernt Frowenfeld zunächst über die Natur kennen. Diese offenbart sich ihm und seiner Familie, die kurz nach ihrer Ankunft an Gelbfieber sterben wird, als undurchdringlich und lebensfeindlich. Und doch geht von ihr auch eine unglaubliche Faszination aus. Vom Schiff aus erkennt Frowenfeld zum ersten Mal die Ambivalenz der Natur, die, so wird er später feststellen, großen Einfluss auf das Wesen ihrer BewohnerInnen hat: »[N]o hills rose. However, by and by they found solace in the appearance of distant forest, and in the afternoon they entered a land – but such a land! A land hung in mourning, darkened by gigantic cypresses, submerged; a land of reptiles, silence, shadow, decay. […] [But] a gradually matured conviction that New Orleans would not be found standing on stilts in the quagmire enabled the eye to become educated to a better appreciation of the solemn landscape.«20

Wie die Natur, so präsentiert sich auch die Kultur der kreolischen Metropole am ›Ende der Welt‹ für Frowenfeld höchst ambivalent. Die Geschichten von ihren Bewohnern, allen voran den Grandissimes, erscheinen Frowenfeld als »little more than a thick mist of strange names, places, and events; yet there shone a light of romance upon it that filled it with color and populated it with phantoms. Frowenfeld’s interest rose – was allured into this mist – and there was left befogged« (GDS 23). Zum Zeitpunkt von Frowenfelds Ankunft in New Orleans – im Herbst 1803 – sind auch die New Orleanians verwirrt und in ihrer alltäglichen Routine gestört. Es geht das Gerücht um, Frankreich habe ihr geliebtes Louisiana an die jungen Vereinigten Staaten verkauft. Machtlos gegenüber dem von fernen Herrschern vereinbarten Wechsel, bleibt den Louisianians nichts anderes übrig, als abzuwarten.

Identitäten in The Grandissimes Der Handlungszeitpunkt an der Schnittstelle eines politischen und kulturellen Herrschaftswechsels ist von Cable glänzend ausgewählt, lassen sich doch leicht Parallelen zur Zeit der Veröffentlichung des Romans ziehen, in der es um die Neu-Konstruktion einer nationalen amerikanischen Identität und die Frage der Einbindung farbiger Identitäten ging. 1880 war man sich aus Sicht der Weißen einig, dass man nach den Wirren der Rekonstruktionszeit endlich so etwas wie einen modus vivendi gefunden hatte. Nachdem die größte Bitterkeit überwunden war, standen zu Beginn der 1880er Jahre wieder Fragen der kulturellen, regionalen und nationalen Identifikation im Vordergrund. Aus Cables Sicht bedurfte es zur Konstruktion einer beständigen nationalen Identität allerdings einer schonungslosen Auseinandersetzung mit der Rolle partikularer ethnischer Identitäten innerhalb des nationalen Raums. Diese versuchte er im Roman anhand des Kulturkonfliktes zwischen dem amerikanischen und dem kreolischen Werte- und Gesellschaftssystem zu analysieren. Cable kannte nur allzu gut die Besonderheit – und Doppelmoral – der weißen kreolischen Gesellschaft, wenn es um Rassenbeziehungen ging. Die 20 George Washington Cable: The Grandissimes, Gretna, LA: Pelican 2001, 1213. Im Folgenden wird die Abkürzung GDS mit der Seitenangabe im Text genannt.

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große Bedeutung, die man dem Blut als Träger von Identitätsmerkmalen beimaß, wird Frowenfeld bereits sehr früh durch Dr. Keene klargemacht: »Blood is a great thing here, in certain odd ways. […] Very curious sometimes« (GDS 21). In der kreolischen Welt sind Blutsverwandtschaft und Abstammung die Marker einer ›guten und reinen‹ Identität und Voraussetzung und Garant – (fast) unabhängig vom persönlichen Charakter – für einen ehrenvollen Platz in der Gesellschaft. So stammt Agricola von einer indianischen Stammesführerin ab, deren Hautfarbe und Äußeres – gemessen an der später populären Wissenschaft der Kraniologie – alles andere als den Standards ›echter Weißheit‹ entsprachen. Doch stellt die indianische Abstammung in kreolischen Kreisen kein Ausschlusskriterium dar; ganz anders als die Abstammung von einem afrikanischen Vorfahren. ›Schwarzes Blut‹ ist und bleibt der Marker, der zur sozialen Marginalisierung führt und im konkreten Fall von Honoré, f.m.c. dazu, dass er von seinem Onkel Agricola wegen seiner Anwesenheit bei einem nur für weiße Männer zugänglichen Quadroon-Ball geohrfeigt wird (GDS 22). Dass die Klassenzugehörigkeit in diesem Konzept keinerlei Berechtigung auf einen ›weißen Status‹ nach sich zieht, zeigt Dr. Keenes Beschreibung der Situation: »I saw that same old man [Agricola, N.M.] […] walk up to the handsomest, best dressed man in the house, a man with a skin whiter than his own, – a perfect gentleman as to looks and manners, – and without a word slap him in the face« (GDS 22). Tatsächlich wird der farbige Halbbruder Honorés als ein gutaussehender Mann beschrieben, dessen feine Gesichtszüge und makelloser Teint lediglich von ›Kennern‹ als Beweise seiner ›rassengemischten‹ Herkunft erkannt würden. Im Wesentlichen besticht er durch sein würdevolles Auftreten und seine distinguierte Art: »A strong, clear, olive complexion; features that were faultless (unless a woman-like delicacy, that was yet not effeminate, was a fault); hair en queue, the handsomer for its premature streakings of gray; a tall, well knit form, attired in cloth, linen and leather of the utmost fineness; manners Castilian, with a gravity almost oriental, – made him one of those rare masculine figures which, on the public promenade, men look back at and ladies inquire about« (GDS 56).

Honoré, f.m.c. ist im Roman das Symbol für die Ungerechtigkeit des kreolischen Rassenverständnisses. Das Besondere an Cables Analogie liegt in der Tatsache, dass den Kreolen aus angloamerikanischer Sicht zu Beginn des Jahrhunderts durchaus eine gewisse Großzügigkeit im Umgang mit dem ›rassisch Anderen‹ angelastet wurde; eine Sichtweise, die in späteren Geschichtsdarstellungen, verknüpft mit einer Analyse der kreolischen Sklavereiwirtschaft, oft zu dem Schluss führte, das in Louisiana lateinisch geprägte Rassenverständnis wäre zumindest in Teilen durchlässiger gewesen als das angloamerikanische. Genau dieses kreolische Rassensystem benutzt Cable aber nun, um auf die Ausweglosigkeit der gesellschaftlichen Position der schwarzen und vor allem der ›rassengemischten‹ Gruppe hinzuweisen, deren Zwischenstellung in eine Identitätslosigkeit führt, die nur durch ihre Einbindung in eine neue, auf den Werten von Gleichheit und Demokratie basierenden nationalen amerikanischen Identität aufgelöst werden kann. So offenbart sich in The Grandissimes die ganze Ambivalenz des kreolischen Rassenverständnisses, da es weder auf der ethnischen Gleichheit im Sinne des geteilten ›Weißseins‹ basiert noch auf dem gemeinsamen kulturellen Erbe. So wird Frowen-

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feld aufgrund seiner kulturellen Differenz ebenso aus der kreolischen Identität ausgeschlossen, wie Honoré, f.m.c. aufgrund seiner ›rassischen‹ Differenz. Dem farbigen Honoré bleibt in diesem System keine Möglichkeit, seine Identität positiv auszudrücken. Er ist immer nur nicht-Sklave und nicht-weiß (GDS 150).21 Die exklusive kreolische Identität wird dem Neuling Frowenfeld durch verschiedene Situationen und Gespräche vor Augen geführt. Bei einer Gelegenheit äußert sich Agricola fast so, als habe er postkoloniale Theorien gelesen, wenn er seinem ›Lehrling‹ in Sachen kreolischer Kultur klar macht, dass das Unmarkierte stets die Norm, also das ›Weißsein‹, bezeichnet: »H-my young friend, when we say, ›we people,‹ we always mean we white people. The non-mention of color always implies pure white; and whatever is not pure white is to all intents and purposes pure black. When I say the ›whole community,‹ I mean the whole white portion; when I speak of the ›undivided public sentiment,‹ I mean the sentiment of the white population« (GDS 78).

Dass die schwierige Position Honorés und damit aller Free People of Color nicht nur persönliche Konsequenzen hat, sondern letztlich ein starres Gesellschaftssystem erfordert, offenbart sich auch dem weißen Halbbruder. In einer Szene treffen Frowenfeld und Honoré bei einem Ausritt am MississippiDamm auf den farbigen Honoré, der sich offenbar mit dem Gedanken trägt, Selbstmord zu begehen. Die beiden können ihn zwar davon abhalten, doch in seiner Betroffenheit über die vermutlichen Gründe für Honorés Lebensmüdigkeit, bezeichnet Frowenfeld die marginalisierte Stellung der Free People of Color als den »langen Schatten des Äthiopiers«. Mindestens ebenso schockiert ist der weiße Honoré, der resigniert hinzufügt: »Ah! My-de’-seh, when I try sometimes to stand outside and look at it, I am ama-aze at the length, the blackness of that shadow!« (GDS 219).

Das kreolische System Eben jenes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das diesen ›langen Schatten‹ geschaffen hat, zeigt sich im Verlauf des Romans als eine vor allem auf Traditionen und von engen Gesetzmäßigkeiten bestimmte Ordnung. Frowenfelds Wille, diese auf seinen Nutzen hin zu hinterfragen, führt bei den Kreolen zu Irritationen. Agricola belehrt seinen jungen Freund über den hohen Stellenwert von Familientraditionen, als er ihm seine eigene Abstammung erklärt: »[Y]ou know, sir, h-tradition is much more authentic than history!« (GDS 27). Diese Traditionen legen den Handlungsspielraum der Kreolen von vorneherein fest. So etwa im Fall des Familienfestes, zu dem sich der gesamte Grandissime-Klan trotz aller Querelen zusammenfindet und bei dem es zu einem Zwischenfall zwischen Agricola und dem jüngeren Familienmitglied Sylvestre kommt. Wegen einer falschen Beschuldigung fordert Sylvestre seinen Verwandten zu einem Duell heraus. Die Zwangsläufigkeit, die Cable in seiner Beschreibung der Streitigkeit zum Ausdruck bringt, ähnelt der des Duells zwischen Agricola und Nancanou einige Jahre zuvor, die zum Tod Nan21 Thomas H. Fick/Eva Gold: »The Mulatto in The Grandissimes: Category Crisis and Crisis of Category«, in: Xavier Review 21:1 (2001), 78.

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canous und dem Verlust des Familienbesitzes seiner Frau Aurora und seiner Tochter Clotilde geführt hatte. Nicht ohne Grund nennt Dr. Keene den kreolischen Stolz »preposterous, apathetic, fantastic, suicidal« (GDS 69). Auch die beiden kreolischen Frauen sind gefangen in diesem System, verbietet es ihnen doch strikt, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, obwohl sie dazu durchaus in der Lage wären. Als kreolische ›Damen‹ sind sie gezwungen, für ihre Musikstunden kein Geld zu verlangen, denn »[a]fter all, what troubles us is not how to make a living, but how to get a living without making it« (GDS 12). Die Unvereinbarkeit von einem solchen Leben mit finanzieller Sicherheit führen die Nancanous auf das System zurück, das sie allerdings – im Gegensatz zu den Männern – auch als ein patriarchalisches entlarven, das die Frauen in einer niedrigen und kontrollierbaren Position wissen will: »[I]f society has decreed that ladies must be ladies, then that is our first duty; our second is to live. Do you not see why it is that this practical world does not permit ladies to make a living? Because if they could, none of them would ever consent to be married« (GDS 370-71). Trotz seiner offensichtlichen Sympathie für Frowenfeld, stellt Cable die Kreolen nicht als irrationale und herzlose Mitläufer dar. Vielmehr ist es das System, das Cable mithilfe Frowenfelds verurteilt und verändert sehen will.22 Das Ineinandergreifen von verschiedenen kreolischen Wertvorstellungen und ihre unabänderliche Natur, die es den Kreolen schwer macht, sich eine eigene Meinung zu bilden und nach ihrem freien Willen zu handeln, drückt Cable vielsagend aus. So zum Beispiel während eines Gesprächs Honorés mit Frowenfeld, in dem er zum ersten Mal den Sklaven Bras-Coupé erwähnt und zugibt, dass dessen Geschichte ihn dazu gebracht hatte, viele seiner Überzeugungen zu überdenken. Doch sofort nachdem er dessen Mut, Unrecht anzuprangern, gelobt hat, fühlt sich Honoré gezwungen, seinem Zuhörer zu verdeutlichen, dass er kein Abolitionist sei: »Do not mistake me for one of your new-fashioned Philadelphia ›negrophiles‹; I am a merchant, my-de’-seh, a good subject of His Catholic Majesty, a Creole of the Creoles, and so forth, and so forth« (GDS 53). Honorés »so forth« drückt zum einen aus, dass Frowenfeld wissen sollte, was aus seiner Identität als Katholik und Kreole zwangsläufig folgt, zum anderen beinhaltet dieser kurze Beisatz auch eine gewisse Herabsetzung dieser kreolischen Werte: indem er den Zwang der kreolischen Identität ausdrückt, die ihm kaum Raum lässt, abzuweichen.

Frowenfelds Akklimatisierung Die Moral von The Grandissimes wäre einfach, wenn nicht auch Frowenfeld in den Sog der kreolischen Gesetzmäßigkeiten geraten würde. Die erforderliche und zwangsläufige ›Akklimatisierung‹ an die kreolischen Bedingungen und Gepflogenheiten ist ein Topos, der sich schon früh in der fiktionalen und nichtfiktionalen Literatur über Louisiana findet. Selbst in der Politik wurden als abstrus empfundene Positionen damit erklärt, dass der sie Artikulierende von seiner neuen Umgebung beeinflusst sei. Aus Sicht Honorés ist es denn 22 Arlin Turner: »George W. Cable, Novelist and Reformer«, in: Mathé Allain (ed.), Louisiana Literature and Literary Figures, The Louisiana Purchase Bicentennial Series in Louisiana History, vol. 17, Lafayette: Center for Louisiana Studies, University of Louisiana at Lafayette 2004, 369.

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auch die einzige Möglichkeit, in Louisiana überleben zu können, weshalb er Frowenfeld bei ihrer ersten Begegnung einen Rat gibt: »You must get acclimated. […] [N]ot in body only, that you have done; but in mind – in taste – in conversation – and in convictions too, yes, ha, ha! They all do it – all who come. They hold out a little while – a very little; then they open their stores on Sunday, they import cargoes of Africans, they bribe the officials, they smuggle goods, they have colored housekeepers. My-de’-seh, the water must expect to take the shape of the bucket, eh?« (GDS 51).

Frowenfeld ist allerdings keineswegs bereit, sich den Formen Louisianas bedingungslos anzugleichen. Vielmehr fungiert er als kontinuierliche Störung des kreolischen Systems. Doch Cable macht es seiner Leserschaft nicht so leicht, Gut und Böse – fortschrittlich und rückständig – immer sauber voneinander zu trennen. Dass es auch dem auf den ersten Blick moralisch einwandfreien Frowenfeld nicht immer gelingt, sich den Versuchungen der kreolischen Gesellschaft zu entziehen, illustriert Cable überzeugend in der Beschreibung seiner Beziehung zur Quadroon Palmyre. Als Kind die Sklavin und Spielkameradin von Aurora Nancanou, wurde sie später durch ein Arrangement für ein paar Jahre an die Grandissimes-Familie ausgeliehen, weil man ihre zunehmend dominante Persönlichkeit als Gefahr für das weiße Mädchen ansah. Nach einer Episode um den Sklaven Bras-Coupé, auf die später noch eingegangen wird, wurde sie in die Freiheit entlassen und lebt danach in New Orleans, wo sie als Friseurin arbeitet und als Voodoo-Anhängerin bekannt ist. Cables erste Beschreibung Palmyres ist ungewöhnlich ausführlich im Vergleich zu den typischen Quadroon-Charakteren südstaatlicher Literatur: »While yet a child she grew tall, lithe, agile; her eyes were large and black, and rolled and sparkled if she but turned to answer to her name. Her pale yellow forehead, low and shapely, with the jet hair above it, the heavily penciled eyebrows and long lashes below, the faint red tinge that blushed with a kind of cold passion through the clear yellow skin of the cheek, the fullness of the red, voluptuous lips and the roundness of her perfect neck, gave her, even at fourteen, a barbaric and magnetic beauty, that startled the beholder like an unexpected drawing out of a jeweled sword. […] To these charms of person she added mental acuteness, conversational adroitness, concealed cunning, and noiseless but visible strength of will; and to these, that rarest of gifts in one of her tincture, the purity of true womanhood« (GDS 80).

Vor allem letztere Qualität ist es, die Palmyres Beziehung zu Frowenfeld bestimmt, ist er doch einer der wenigen Männer, die in ihr nicht nur die begehrenswerte und verfügbare ›rassengemischte‹ Frau sehen, sondern ein menschliches Wesen mit Gefühlen, dessen Weiblichkeit genauso seinen Respekt verdient wie etwa die der Nancanous. Ausgang seiner ersten intimen Begegnung mit Palmyre ist Dr. Keenes Krankheit, die diesen dazu veranlasst, Frowenfeld zu bitten, für ihn einen Krankenbesuch zu machen. Nicht wissend, wer der Patient ist, macht sich Frowenfeld auf den Weg. Sein Erstaunen ist groß, als er auf Palmyre trifft, die ihn bereits, auf einer Chaiselonge liegend, erwartet:

»VANISHING INTO OBLIVION« | 263 »One object – around which every thing else instantly became nothing – set his gaze. On the high bed, whose hangings of blue we have already described, silently regarding the intruder with a pair of eyes that sent an icy thrill through him and fastened him where he stood, lay Palmyre Philosophe. Her dress was a long, snowy morning-gown, wound loosely about at the waist with a cord and tassel of scarlet silk; a bright-colored woolen shawl covered her from the waist down, and a necklace of red coral heightened to its utmost her untamable beauty. […] ›Doctor Keene‹ – he began, but stopped, so uncomfortable were her eyes. She did not stir or reply. Then he bethought him with a start, and took off his dripping hat. At this a perceptible sparkle of imperious approval shot along her glance; it gave the apothecary speech« (GDS 188).

Der in dieser Szene inhärenten Spannung kann sich auch der ansonsten sachliche Frowenfeld nicht entziehen. Gegen seinen Willen fühlt er sich von Palmyres rauer Sinnlichkeit angezogen, gleichzeitig erkennt er in ihr eine ehrbare Frau, der er seinen Respekt dadurch erweist, dass er in ihrer Gegenwart seinen Hut abnimmt. Dass er dies, gefangengenommen von ihrer mysteriösen Ausstrahlung, zunächst vergisst, weist auf die Ambivalenz seiner Wahrnehmung Palmyres hin: »This woman had stood all her life with dagger drawn, on the defensive against what certainly was to her an unmerciful world. With possibly one exception, the man now before her was the only one she had ever encountered whose speech and gesture were clearly keyed to that profound respect which is woman’s first, foundation claim on man. And yet, by inexorable decree, she belonged to what we used to call ›the happiest people under the sun.‹ We ought to stop saying that. So far as Palmyre knew, the entire masculine wing of the mighty and exalted race, three-fourths of whose blood bequeathed her none of its prerogatives, regarded her as legitimate prey. The man before her did not« (GDS 190-91).

Doch obwohl Frowenfeld sie als Individuum und Dame anerkennen will, zeigt sich auch beim Idealisten Frowenfeld, wie tief die Stereotypen und antrainierten Umgangsweisen gehen und wie schwer dagegen anzukämpfen ist. Bei seinem vierten und letzten Krankenbesuch fragt ihn Palmyre, ob er Honoré erzählen wird, dass sie es war, die dessen Onkel Agricola mit dem Messer attackierte und die im Gegenzug von Dr. Keene in die Schulter geschossen wurde. Als Frowenfeld ihr daraufhin offenbart, dass er zwischenzeitlich die Geschichte von Bras-Coupé gehört hat und deshalb den Grund für ihren Hass auf Agricola kennt, wird sie von einem Gefühl der Nähe zu dem Apotheker überwältigt. Aufgewühlt durch ihre unerfüllte Liebe zu Honoré, ergreift sie Frowenfelds Hand, zieht ihn zu sich heran und fleht ihn an, dass er ihr helfen möge, die Liebe Honorés zu gewinnen. Frowenfeld seinerseits ist erschrocken von dieser Reaktion und erkennt, dass er sich von Palmyre auf eine ihm unerklärliche und Angst machende Weise sexuell angezogen fühlt: »However harmless or healthful Joseph’s touch might be to the philosophe, he felt now that hers, to him, was poisonous. He dared encounter her eyes, her touch, her voice, no longer. The better man in him was suffocating. He scarce had power left to liberate his right hand with his left, to seize his hat and go« (GDS 292).

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Das sich aus dieser Szene entwickelnde Gerücht in der Stadt, der in den Augen vieler Kreolen besserwisserische Frowenfeld habe eine Beziehung zu der Quadroon Palmyre ist nur der letzte Schritt in einem Lernprozess, der Frowenfeld die ganze Tragweite des kreolischen Rassen- und Gesellschaftssystems erkennen lässt.

Alternative Identitäten: Bras-Coupé und Palmyre Cables Versuch, mit The Grandissimes eine neue, inklusive amerikanische Identität zu propagieren, benötigte auch eine Neubetrachtung farbiger Identitäten, denn diese waren in der bisherigen gesamtamerikanischen Literatur vor allem von Stereotypen gekennzeichnet gewesen. Diesem Anspruch wollte Cable auf der weiblichen Seite mit der Charakterisierung Palmyres, die eine Alternative zu den üblichen Quadroon-Frauen darstellte, sowie mit Bras-Coupé auf der männlichen Seite gerecht werden. Die Geschichte um den afrikanischen Sklaven stellt eine eigene Erzählung innerhalb des Romans dar, der Frowenfeld erstmals während seiner Überfahrt in die neue Heimat begegnet.23 Die genauen Einzelheiten erfährt Frowenfeld dann in der Mitte des Romans. Dabei wird ihm die Geschichte innerhalb eines Tages von drei verschiedenen Personen erzählt. Der Leserschaft präsentiert Cable allerdings eine Version, die die drei Sichtweisen miteinander vereint. Bras-Coupé, eigentlich ein afrikanischer Prinz, war aus Langeweile in seiner Heimat zu einem Krieg aufgebrochen, in dessen Verlauf er gefangen genommen und als Sklave nach New Orleans verschickt worden war. Dort angekommen, gewinnt er die Aufmerksamkeit Agricolas, der ihn, von der Schönheit des Stammesführers fasziniert, erwirbt und wenig später an einen Bekannten, Don José Martinez, weiterverkauft. Bald danach stellen sich Probleme ein, denn der ehemalige Prinz macht keinerlei Anstalten, sich in seine neue Rolle als Feldarbeiter zu fügen. Stattdessen tötet er bei der ersten Gelegenheit seinen Aufseher. Daraufhin lässt ihn sein Besitzer Martinez zu sich bringen. Die beiden Männer erkennen im jeweiligen Gegenüber einen ebenbürtigen und integeren Mann. Martinez verlangt nach einem Übersetzer, um mit Bras-Coupé zu einer Einigung zu kommen. Palmyre, die verschiedener afrikanischer Sprachen mächtig ist, wird von Agricolas Plantage geholt. Schon der erste Blick, den Bras-Coupé auf Palmyre wirft, lässt ihn seine Versklavung vergessen. Martinez und er kommen zu der Übereinkunft, dass er fortan als Sklave auf dem Feld arbeiten wird, wenn er im Gegenzug Palmyre heiraten darf. Einige Wochen später findet auf der hinteren Veranda des Herrenhauses die Hochzeit der beiden statt; während gleichzeitig im Haus Martinez und Honorés Schwester vermählt werden. Beim anschließenden Hochzeitsessen des Sklavenpaares im Keller trinkt Bras-Coupé zum ersten Mal 23 Die Figur Bras-Coupé basiert sehr wahrscheinlich auf dem historischen Rebellenführer François Macandal, der von Moreau de Saint-Méry beschrieben wurde. Vgl. Barbara Ladd: »›An Atmosphere of Hints and Allusions‹: Bras-Coupé and the Context of Black Insurrection in The Grandissimes«, in: Southern Quarterly 29:3 (Spring 1991), 69; Herbert Asbury: The French Quarter. An Informal History of the New Orleans Underworld, Garden City, NY: Garden City Publishing 1938, reprint New York: Thunder’s Mouth Press 2003, 244-47; Robert O. Stephens: »Cable’s Bras-Coupe and Merimee’s Tamango: The Case of the Missing Arm«, in: Mississippi Quarterly 35:4 (Fall 1982), 387-405.

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Wein und ist bald so angetrunken, dass er, nachdem die Weinvorräte aufgebraucht sind, die Treppe zur weißen Hochzeitsgesellschaft hinaufsteigt. Als ihm Martinez weiteren Alkohol verwehrt, schlägt Bras-Coupé seinen Herrn kurzerhand zu Boden. Cable erinnert an dieser Stelle daran, dass eine solche Tat durch einen Weißen lediglich eine Geldstrafe oder einige Tage Gefängnis nach sich ziehen würde; für einen Sklaven allerdings bedeutet sie den Tod. Dies weiß auch Bras-Coupé und so nutzt er die allgemeine Aufregung, um zu fliehen – allerdings nicht ohne zuvor einen Voodoo-Fluch über die Plantage zu legen (GDS 259). Dieser bleibt nicht ohne Wirkung, denn es folgen Zeiten der Missernte und Krankheit. Einige Zeit später wird Bras-Coupé bei den regelmäßigen Treffen der Sklavenbevölkerung auf dem Congo Square in New Orleans gesichtet und kann – dank seines angetrunkenen Zustands – überwältigt werden. Entsprechend des Code Noir werden ihm für seine Flucht beide Ohren abgeschnitten, die fleur de lis auf die Schultern gebrannt und die Kniesehnen durchschnitten (GDS 274). Von seinem Sterbebett aus bittet der kranke Martinez seinen rebellischen Sklaven um die Aufhebung des VoodooFluchs, doch Bras-Coupé ist zu keinem Zugeständnis bereit. Erst nachdem Martinez gestorben ist, hebt er den Fluch auf (GDS 278). Bras-Coupés Leidensgeschichte ist voll von Symbolen des Identitätskonflikts, den das Sklavereisystem in Louisiana mit sich brachte. In Afrika der Herrschaftselite zugehörig, wird er in Louisiana der untersten Kaste zugeordnet. Den kulturellen Konflikt zwischen seiner Welt und der des Kolonisators Don Martinez verdeutlicht die Szene kurz vor seiner Vermählung mit Palmyre, als sich Bras-Coupé weigert, sich anzukleiden und stattdessen in afrikanischer Tradition mit Tiermustern bemalt zur Hochzeit erscheinen will. Auf Druck von Martinez gelingt es Palmyre schließlich, ihren zukünftigen Ehemann dazu zu bewegen, den für ihn bereitgestellten blau-roten Militärrock anzuziehen, in dem dieser wenig später als flüchtiger Sklave in den undurchdringlichen Sümpfen verschwinden wird. Bras-Coupés Wille zum Widerstand ist es, der selbst Palmyre fasziniert, die sich – verliebt in den weißen Honoré – bis zuletzt gegen ihre Vermählung sträubt und die der Grund ist für ihren späteren Hass auf Agricola (GDS 250-51). Tatsächlich sieht Palmyre in Bras-Coupé ungeahntes Potenzial, will sie seinen ungebändigten Geist doch für ihre Ziele nutzbar machen. Freilich kommt es durch die Vorfälle während ihrer Hochzeit und Bras-Coupés anschließende Flucht anders. Dennoch symbolisieren Bras-Coupé und Palmyre in dieser Phase alternative farbige rebellische Identitäten, die den engen Vorgaben einer subordinierten Stellung innerhalb des Sklavereisystems zumindest phasenweise entkommen. Anders als sonstige Darstellungen aufständischer Identität – allen voran Cassy in Harriet Beecher Stowes Uncle Tom’s Cabin – wird Palmyres rebellische und rachsüchtige Natur nicht etwa durch einen christlichen Glauben gezähmt. Vielmehr gewinnt diese Ader für das System, das sie bekämpft, desto mehr an Gefährlichkeit, je aussichtsloser ihre Liebe zu Honoré erscheint. Bras-Coupé dagegen zeigt am Ende seines Lebens eine Milde, die zwar sein bisheriges Tun nicht grundsätzlich in Frage stellt, die allerdings von Cable benutzt wird, um nicht den gewaltsamen Umsturz der Verhältnisse, sondern einen bedachten Gesellschaftswandel zu propagieren. Im Moment seines Sterbens betritt die Frau seines Herrn, Honorés Schwester, zusammen mit ihrem Baby die kleine Hütte, in der Bras-Coupé dahinsiecht. Als sie ihm das junge und unschuldige Kind in die Arme liegt, hebt er seinen Voodoo-Fluch auf:

266 | KREOLISCHE IDENTITÄT »The lady came, her infant boy in her arms, knelt down beside the bed of sweet grass and set the child within the hollow of the African’s arm. Bras-Coupé turned his gaze upon it; it smiled, its mother’s smile, and put its hand upon the runaway’s face, and the first tears of Bras-Coupés life, the dying testimony of his humanity, gushed from his eyes and rolled down his cheek upon the infant’s hand« (GDS 278).

Diese Geste Bras-Coupés ist Cables Analogie auf die Zukunft Louisianas, mit der er seiner Leserschaft die Notwendigkeit eines einträchtigen Zusammenlebens der ›Rassen‹ vor Augen führen wollte. War es für den geschundenen Bras-Coupé bereits zu spät, so barg die Zukunft einer unschuldigen und vom System noch nicht korrumpierten jungen Generation die Möglichkeit gesellschaftlichen Wandels. Ambivalent erscheint die von Cable dargestellte Szene allerdings zum einen durch die Tatsache, dass Bras-Coupé – obwohl er der moralische Sieger ist – am Ende sterben muss, und zum anderen weil er im Moment seines Todes die Sehnsucht nach seiner Heimat Afrika äußert. Auf die Frage des anwesenden Priesters, ob er wisse, wohin er nun ginge, heißt es: »›To–‹ the voice failed a moment; the departing hero essayed again; again it failed; he tried once more, lifted his hand, and with an ecstatic, upward smile, whispered, ›To—Africa‹ – and was gone« (GDS 279). Die Erinnerung an seinen Ursprung mochte zwar die Leserschaft nicht überraschen, doch impliziert sie auch eine Aussage über die Möglichkeit der Aneignung einer wie auch immer gearteten amerikanischen Identität durch die farbige Bevölkerung Louisianas. Cable entscheidet sich an dieser Stelle nicht für die Artikulation einer inklusiven afroamerikanischen Identität; vielmehr schränkt er den durch Bras-Coupé zum Ausdruck gebrachten Widerstand am kreolischen Sklavensystem durch dessen selbstbestimmten identitären Rückbezug ein und rechtfertigt implizit die von Sklavereibefürwortern und white supremacists vorgebrachte Argumentation der essenziellen Fremdheit der anderen ›Rasse‹. Sowohl Bras-Coupé als auch Palmyre werden von Cable als potenzielle Gefahren für das weiße Gesellschaftssystem gezeichnet, dem sie sich zu unterwerfen gezwungen sind. Interessant ist daran, dass nicht – wie traditionell üblich – von einem männlichen Charakter die größte Gefahr ausgeht, sondern von Palmyre. Sie ist es, der subversives Potenzial zugeschrieben wird; BrasCoupé wäre mit seiner rebellischen und aufbrausenden Art lediglich die perfekte Ergänzung für Palmyre gewesen, deren tiefsitzender Hass, gepaart mit Intelligenz und einem bedrohlichen Fatalismus, das System wahrlich hätte erschüttern können. Die Tatsache, dass sich Cable allerdings dafür entscheidet, Palmyres Lebensweg anders fortzuschreiben, sagt viel aus über seine Vorstellung von einem reformierten Louisiana. Während Bras-Coupé seine Auflehnung gegen die hegemoniale Macht mit dem Leben bezahlt, wird Palmyre gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Nachdem sie sich aufgrund eines Voodoozaubers mitschuldig gemacht hat am Tod von Agricola, der schließlich von Honoré, f.m.c. erstochen wird, nimmt sie dessen Angebot an, mit ihm ins Exil nach Bordeaux zu gehen. Dort leben sie als Geschwister bis sich Honoré das Leben nimmt. Cable wagt es nicht, die angedeuteten subversiven Tendenzen zu ihrem unausweichlichen Ende zu führen; letztlich müssen diejenigen Charaktere, die das kreolische Gesellschafts- und Hierarchiesystem am meisten bedrohen, sterben oder verbannt werden.

»VANISHING INTO OBLIVION« | 267

›Amerikanisierte‹ Identität als Lösung? Am Ende stellt sich die Frage, welche Lösung Cable für die Probleme bietet, die er im Roman anspricht. Dass er sich dem Weg einer revolutionären Umstürzung des gesellschaftlichen Systems verschließt, wird nicht nur deutlich an seiner Darstellung der Charaktere Bras-Coupé und Palmyre, sondern auch des farbigen Honorés. Aufgrund seiner sozialen und wirtschaftlichen Stellung würde man Letzterem die besten Aussichten im Kampf um soziale Gleichberechtigung bescheinigen. Auf die Frage Frowenfelds, warum Honoré seine Kräfte nicht gezielt einsetze, um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern, antwortet dieser resigniert und in gebrochenem Englisch – das interessanterweise sehr viel schlechter ist als das seines weißen Halbbruders, obwohl er dieselbe Ausbildung genossen hat: »›He canno’ be. He ’ave no Cause. Dad peop’ ave no Cause.‹ He went on from this with many pauses and groupings after words and idiom, to tell, with a plaintiveness that seemed to Frowenfeld almost unmanly, the reasons why the people, a little of whose blood had been enough to blast his life, would never be free by the force of their own arm. Reduced to the meanings which he vainly tried to convey in words, his statement was this: that that people was not a people. Their cause—was in Africa. They upheld it there—they lost it there—and to those that are here the struggle was over; they were, one and all, prisoners of war« (GDS 283).

Honoré, der in der dritten Person von den Sklaven spricht, weil er trotz der geteilten Marginalisierung nicht zu ihnen zählt, glaubt, dass Frowenfeld von ihm verlangt, eine Revolution anzuzetteln, was er mit den Worten kommentiert: »Ah cannod be one Toussaint l’Ouverture. Ah cannod trah to be. Hiv I trah, I h-only s’all soogceed to be one Bras-Coupé« (GDS 284). Doch Frowenfeld, und in der Verlängerung Cable, sprechen nicht von revolutionärem Umsturz. Vielmehr glaubt der Einwanderer an einen gewaltlosen, aber erfolgversprechenderen Weg: den der moralischen Überzeugung und Diplomatie. Honoré sieht er dabei als einen Vermittler zwischen zwei Welten, der auf beiden Seiten das Bewusstsein schärfen und einen Dialog aufbauen könnte. An dieser Stelle scheint Cable wieder deutlich Bezug zu nehmen auf seine eigene Zeit. In den 1870er und 80er Jahren war es aus seiner Sicht nötiger denn je, Vermittlung zwischen den sich verhärtenden Fronten zu schaffen. Frowenfelds Rezept ist Cables Rezept, wenn er sagt: »I have no stronger disbelief than my disbelief in insurrection. I believe that to every desirable end there are two roads, the way of strife and the way of peace. I can imagine a man in your place, going about among his people, stirring up their minds to a noble discontent, laying out his means, sparingly here and bountifully there, as in each case might seem wisest, for their enlightenment, their moral elevation, their training in skilled work; going, too, among the men of the prouder caste, among such as have a spirit of fairness, and seeking to prevail with them for a public recognition of the rights of all« (GDS 285).

Frowenfelds Lösung für den gesellschaftlichen Konflikt, den das starre kreolische System unweigerlich mit sich bringt, ist der Aufbau und die Verfesti-

268 | KREOLISCHE IDENTITÄT

gung einer einheitlichen amerikanischen Identität, die alle gesellschaftlichen Schichten vereint und die die ausgrenzenden Kräfte zugunsten einer integrativen, fortschrittlichen nationalen Identität verdrängt. Mit dieser Vision steht Frowenfeld in deutlichem Kontrast zu seinem väterlichen Freund Agricola, der noch immer an eine lebbare regionale, kulturelle, soziale und letztlich elitäre und exkludierende Identität als Louisianian glaubt. Eine nationale, über die Grenzen seines engen Systems hinausreichende amerikanische Identität, die nach Cable auch eine ›rassische‹ Erweiterung bedeuten würde, hat für ihn keinen Reiz. So warnt er Frowenfeld auf seinem Sterbebett vor der aus seiner Sicht gefährlichen Doktrin der politischen Gleichberechtigung und fordert seine Verwandten auf, über die Reinheit der weißen ›Rasse‹ zu wachen: »Beware, my son, of the doctrine of equal rights—a bottomless iniquity. Master and man—arch and pier—arch above-pier below. […] Society has pyramids to build which make menials a necessity, and Nature furnishes the menials all in dark uniform. […] Agamemnon! Valentine! Honoré! patriots! protect the race ! Beware of the—[…] Louis’—Louisian’—a—for—ever!« (GDS 474, 476).

Die unheilbringende Gegenüberstellung und gegenseitige Exklusion von kreolischer und amerikanischer Identität hatte Frowenfeld bereits in einem Dialog mit Honoré angesprochen. Die Chimäre einer essenziellen kreolischen Identität erkennt auch Honoré, der versucht, die Ausgrenzungsmechanismen und Fremdzuschreibungen der eigenen Identitätspolitik abzuschwächen. Auf die Frage Frowenfelds, ob das kreolische Verständnis von ›Wir‹ nicht viel Schaden anrichte, antwortet er: »My-de’-she, yes. Yet you see I am, even this moment, forgetting we are not a separate people. Yes, our Creole ›we‹ does damage, and our Creole ›you‹ does more. I assure you, sir, I try hard to get my people to understand that it is time to stop calling those who come and add themselves to the community, aliens, interlopers, invaders.« (GDS 212).

Die Ausgrenzung des Anderen in der kreolischen Gesellschaft, das sowohl ›rassisch‹ als auch kulturell anders sein kann, ist direkt übertragbar auf die Entstehungszeit des Romans, die von der wachsenden Tendenz der rassistischen Stigmatisierung und dem Rückzug auf eine ›weiße identitäre Essenz‹ gekennzeichnet ist. Die ironisch-tragische Komponente daran ist, dass sich die von Frowenfeld im Roman als Lösung postulierte inklusive amerikanische Identität in der Zeit Cables als eine exklusive und gewaltvoll verteidigte Identität zeigt. Am Ende des Romans bleibt die Leserschaft mit einem ambivalenten Bild von der Gesellschaft Louisianas und den Aussichten für die Zukunft zurück. Auf der Ebene des Romangeschehens entscheidet sich Cable für einen reformatorischen, aber ausdrücklich gewaltlosen Weg, dessen angeblicher Erfolg sich vor allem in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Grandissime-Brüder äußert. Denn nachdem sich der weiße Honoré dazu entschlossen hat, den Nancanou-Frauen ihren Besitz zurückzugeben, steht er vor dem finanziellen Ruin, aus dem ihn das Angebot seines Halbbruders zu einer geschäftlichen Partnerschaft rettet. Dessen einzige Bedingung ist die Anerkennung seines gleichberechtigten gesellschaftlichen Status durch die Be-

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nennung des neuen Unternehmens als »Grandissimes Frères« (GDS 390). Der Eindruck einer ›rassischen Einheit‹ ist allerdings nicht von Dauer, denn er wird zerstört durch das baldige, durch seinen Mord an Agricola notwendig gewordene Exil Honorés, f.m.c. Sein Vergehen wird indessen nicht als kaltblütiger Mord dargestellt, sondern als verzweifeltes Ergebnis der ständigen Erniedrigung. Die ganze Ambivalenz des Romans äußert sich am Ende, wo Cable Anzeichen einer sich in Richtung Fortschritt entwickelnden kreolischen Gesellschaft mit der nach wie vor herrschenden Ausweglosigkeit der Situation verbindet. Diese zweigleisige Darstellung spiegelt sich in der Vermischung der beiden Erzähltraditionen, der des didaktisch-reformatorischen Erzählers mit der romantischen Tradition, wider. Sowohl die Tatsache, dass am Ende Honoré und Aurora zusammenfinden und dadurch die jahrzehntelange Feindschaft ihrer beider Familien aufgebrochen wird, als auch die geschäftlichen Verbindungen zwischen Mitgliedern der kreolischen Grandissimes mit dem amerikanischen Frowenfeld deuten in eine positive Zukunft, in der das von Frowenfeld postulierte Ideal einer verbindenden amerikanischen Identität eine Chance hat. Es gelingt aber nicht, diese neue Identität auch ›rassisch‹ zu erweitern. Die Entscheidung Cables, seine Gedanken nicht bis zum logischen Ende zu führen, sondern sich dem System geschlagen zu geben, so wie sein Vermittler Frowenfeld sich ›akklimatisiert‹, indem er in eine kreolische Familie und damit in das System einheiratet, ist in der Forschungsliteratur häufig mit Cables eigener Angst vor einer Vermischung identitärer und letztlich ›rassischer‹ Kategorien erklärt worden.24 Tatsächlich passt sein Ende des Romans in das von ihm postulierte Denken in späteren nichtfiktionalen Schriften25, die sich mit der Zukunft Louisianas beschäftigen. Darin forderte er immer wieder die politische, wirtschaftliche und soziale Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung. Diese soziale Gleichstellung wollte er allerdings keineswegs als einen Zwang zum privaten Umgang verstanden wissen. Sein Ziel einer nationalen Einheit basierte nicht auf einer ›Rassenmischung‹. Vielmehr schloss er sich in diesem Punkt vielen seiner Kritiker an, die behaupteten, dass beide Gruppen von einem Instinkt bestimmt würden, der sie eine ›Rassenmischung‹ ablehnen ließe: »To America we see irreversibly assigned the latest, greatest task in the ›science of Humanity‹[.] […] It is to make national harmony and unity broader than race; to crystallize into fact the truth that national unity need not demand unification of race; to band together—without one single class disability or privilege diminishing or enhancing any individual’s intrinsic value—in that one common, undistinguished enjoyment of every human civil right which only can insure national harmony and 24 Vgl. Alfred Hornung: »George Washington Cable’s Literary Reconstruction: Creole Civilization and Cultural Change«, in: Wolfgang Binder (ed.), Creoles and Cajuns. French Louisiana – La Louisiane Française, Frankfurt/Main: Peter Lang 1998, 244. 25 Obwohl Cable weitere Romane schrieb, konnte er auf literarischer Ebene nicht an seinen Erfolg anknüpfen. Gerühmt und gehasst wurde Cable allerdings weiterhin für seine nichtfiktionalen Schriften, die sich unterschiedlichen Reformbestrebungen widmeten. Siehe Arlin Turner: »George W. Cable’s Beginning as a Reformer«, in: Journal of Southern History 17:2 (May 1951), 135-61.

270 | KREOLISCHE IDENTITÄT unity, two antipodal races; two races that have no wish to, and for all we know never will, mingle their two bloods in one stream. Nationalization by fusion of bloods is the maxim of barbarous times and peoples. Nationalization without racial confusion is ours to profess and to procure.«26

Cables Absage an jegliche Form der sozialen und sexuellen ›Rassenmischung‹ war nötig geworden, nachdem ihm Gegner vorgeworfen hatten, dass er genau diese mit seinen Schriften, allen voran seinem Artikel »The Freedman’s Case in Equity« propagiere.27 Tatsächlich sah er eine prinzipielle Hierarchisierung der Gesellschaft als durchaus notwendig an. Allerdings wehrte er sich gegen eine Stratifizierung auf der Grundlage von Hautfarbe und ›rassischer‹ Zugehörigkeit anstatt von individuellem Charakter.28 Während er es Agricola in The Grandissimes noch erlaubte, ungestraft seinen Neffen Honoré, f.m.c. zu ohrfeigen, weil dieser trotz gleicher Klassenzugehörigkeit den unauslöschlichen Makel der ›schwarzen‹ Hautfarbe trug, wandte er sich in seinen späteren politischen Schriften gegen die totale Definitionsmacht der ›rassischen‹ Komponente. In der seit den 1880er Jahren herrschenden Diskussion um die ›Natur des Schwarzen‹ und seine daraus folgende gesellschaftliche Stellung, vertrat Cable die Meinung, dass sich die soziale Position jedes Einzelnen nach dessen Charakter und Vermögen, zur Gesellschaft finanziell und intellektuell beizutragen, bemessen sollte. Doch auch der in vielen Ansichten seiner Zeit vorauseilende Cable konnte sich noch nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass ›Rasse‹ gar keine Bedeutung mehr haben sollte. Am Ende kommt George Washington Cable das große Verdienst zu, die Debatte um das Negro Problem in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts um eine starke liberale Stimme erweitert zu haben. Auch wenn es ihm letztlich nicht gelang, das Jim Crow-System aufzuhalten, so schaffte er es dennoch, den Diskurs des New South an wichtigen Stellen zu brechen. Seine Schriften bekommen einen neuen Stellenwert, wenn man sie vor dem Hintergrund der damaligen Rekonziliationsbemühungen betrachtet, die dazu führten, dass die brisanten und weitgehend ungelösten Probleme der Nachkriegszeit zugunsten einer florierenden Wirtschaft und einer augenscheinlichen nationalen Einheit verdrängt wurden. Die ganze Diskrepanz zwischen Schein und Wirklichkeit hätte jedem Besucher der Cotton Exposition, die 1885 in New Orleans ihre Tore öffnete, auffallen müssen, wo man die aus Philadelphia transportierte Liberty Bell – das Symbol amerikanischen Freiheitsdenkens – ausstellte.29 Doch geblendet von den Propagandisten des New South und einer romantisierenden Literatur, fanden außer Cable nur wenige den Mut, die unter der Oberfläche schwelenden Konflikte anzusprechen. Die Zeit des Kampfes und der Entbehrungen war aus Sicht der weißen Mehr26 George W. Cable: »The Silent South«, in: The Negro Question, 117. 27 ›B—Z.‹: »Mr. Cable, the ›Negrophilist‹« (1885), in: Thomas M’Caleb (ed.), The Louisiana Book. Selections from the Literature of the State, New York: R. F. Straughan 1894, 203. Vgl. Henry W. Grady: »In Plain Black and White. A Reply to Mr. Cable«, in: Century 29:6 (April 1885), 910. 28 Vgl. George M. Fredrickson: The Black Image in the White Mind. The Debate on Afro-American Character and Destiny, 1817-1914, Hanover, NH: Wesleyan UP 1987, 226. 29 Eugene V. Smalley: »The New Orleans Exposition«, in: Century 30:2 (June 1885), 199.

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heitsgesellschaft endgültig zu Ende. Anstatt sich weiter mit der unschönen und wenig ruhmreichen Vergangenheit aufzuhalten, blickte man in Richtung einer vielversprechenden Zukunft – eine Zukunft, in der es wie in The Grandissimes für die ›rassisch Anderen‹ keinen nennenswerten Platz geben sollte. Für Louisiana hieß dies unweigerlich, dass man den identitären Marker Creole von der vermeintlichen Schmach der ›Rassenmischung‹ bereinigen musste.

»Romantic Incident and Legendary Lore«: Erinnerung und Vergessen in Louisiana »Like poets, historians are born, not made. […] What historians of to-day study painfully from documents […], he [Charles Gayarré] knew as he knew his family ties. Our historical questions were to him questions of memory; and his memories have become to us historical documents.«30

Das seit den 1870er Jahren im Süden neuentfachte Interesse an der eigenen Geschichte stand in direktem Zusammenhang zur Aussöhnung zwischen den ehemals verfeindeten Sektionen. Gepaart mit der wachsenden Tendenz des Nordens, sich zumindest in der Frage der Rassenbeziehungen zugunsten einer florierenden Wirtschaft und einer starken Außenpolitik nicht länger steuernd in die Angelegenheiten des Südens einzumischen, gelangte nicht nur die Belletristik, sondern auch die Geschichtsschreibung zunehmend unter den Einfluss eines nationalistischen Hochgefühls. Ähnlich wie in der Literatur kam es zu einem Boom historischen Schreibens über den Süden. Nun da die Gefahr des Zerfalls der Union abgewehrt war, erschien es vielen historisch interessierten AutorInnen wieder sicher und geradezu notwendig, den Blick der Nation auf diesen ›exotischen‹ Ort zu lenken. Die Grausamkeiten des Sklavereisystems verkümmerten in diesen Geschichten über den New South zu weit entfernten Erinnerungen, die in der Gegenwart nicht selten zugunsten einer glorifizierenden Geschichte und der Lost Cause-Mythologie vergessen wurden. Das neue Interesse an der Geschichte Louisianas wurde unterstützt vom aufkommenden Massentourismus, der besonders New Orleans zu einem beliebten Ziel werden ließ. Eine wahre Flut an Stadtführern, die gegen Ende des Jahrhunderts den Buchmarkt überschwemmte, präsentierte der Nation eine ›andere‹ Stadt, die zwar politisch und wirtschaftlich sicher eingebunden war, doch in ihrer Kultur und Geschichte, »full of romantic incident and legendary lore«31, noch immer die Faszination des Fremden heraufzubeschwören und damit die Kassen vieler Einzelhändler zu füllen vermochte. Nicht wenige die30 Grace Elizabeth King: Creole Families of New Orleans, Baton Rouge: Claitor’s 1971 [1921], 271. 31 Edwin L. Jewell (ed. and comp.): Crescent City Illustrated. The Commercial, Social, Political and General History of New Orleans, Including Biographical Sketches of its Distinguished Citizens, New Orleans: n. p. 1874, n. p. Siehe auch Henry C. Castellanos: New Orleans as It Was. Episodes of Louisiana Life, New Orleans: L. Graham & Son 1895, reprint Baton Rouge: Louisiana UP 1978.

272 | KREOLISCHE IDENTITÄT

ser Guidebooks wurden von angesehenen Kennern Louisianas wie Lafcadio Hearn oder George W. Cable verfasst.32 Auch in der professionellen Geschichtsschreibung nahm New Orleans eine immer wichtigere Rolle ein. Am Vorabend der US-amerikanischen Expansion über die Grenzen des eigenen Landes hinaus, wurde Louisiana als ein Beispiel gelungener Verschmelzung von Kulturen porträtiert. Der Testfall der Eingliederung einer so fremden Kultur wie die der latinisierten Kreolen, die den angelsächsischen Amerikanern zu Beginn des Jahrhunderts große Sorgen bereitet hatte, konnte in den 1880er und 90er Jahren als abgeschlossen betrachtet werden. Die eigenwillige Interpretation des amerikanischen melting pot, wie er in Louisiana entstanden war, sollte als Vorbild dienen für ein politisches und kulturelles Ausgreifen der Nation unter Beibehaltung der zivilisatorischen Vorherrschaft.

Charles Gayarré Wichtigster Vertreter der historischen Forschung in Louisiana war der Kreole Charles Etienne Arthur Gayarré. Der Enkel von Etienne Boré, einem der Erfinder der Zuckergranulation und Bürgermeister von New Orleans unter Claibornes Territorialregierung, studierte in New Orleans und Philadelphia, bevor er als Anwalt arbeitete. 1830 wurde er in das Repräsentantenhaus von Louisiana gewählt. Es folgten Ämter als stellvertretender Generalstaatsanwalt, Richter in New Orleans sowie Senator in Washington und Secretary of State von Louisiana in den Jahren 1845 bis 1853.33

32 [Lafcadio Hearn]: Historical Sketch Book and Guide to New Orleans and Environs, With Map. Illustrated with Many Original Engravings; And Containing Exhaustive Accounts of the Traditions, Historical Legends, and Remarkable Localities of the Creole City, ed. and comp. by Several Leading Writers of the New Orleans Press, New York: Will H. Coleman 1885. George W. Cable schrieb die historische Einleitung zum Bericht über New Orleans in Department of the Interior, Census Office: Report on the Social Statistics of Cities, comp. George E. Waring, Jr., Expert and Special Agent, 2 vols., Washington: GPO 1887, reprint New York: Arno Press and New York Times 1970. 33 Für eine biographische Darstellung siehe Duchein (M. A. thesis, Louisiana State University 1934); Edward M. Socola: »Charles E. A. Gayarré: A Biography«, (Ph.D. diss., University of Pennsylvania 1954). Eine Kritik seiner historischen und literarischen Schriften findet sich bei John H. Nelson: »Charles Gayarré, Historian and Romancer«, in: Sewanee Review 33 (1925), 427-38.

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Abb. 6: Charles Etienne Arthur Gayarré

Bereits während dieser eindrucksvollen Karriere wandte sich Gayarré der Historiographie zu. Er publizierte erste Aufsätze und wurde zu einer wichtigen Triebkraft der bereits seit 1836 bestehenden Louisiana Historical Society.34 In den 1840er Jahren veröffentlichte er den ersten Band seines wichtigsten Werkes, der History of Louisiana, die er in den nächsten zwanzig Jahren immer wieder erweiterte. Obwohl sich Gayarré den Ruf eines ›echten‹ Historikers erarbeitete, ist seine Geschichtsschreibung von erzählerischem Charakter, und lässt vor allem in den ersten Bänden oftmals die wichtige Quellendokumentation vermissen, wie bereits ein zeitgenössischer Kritiker anmerkte.35 In seinem Essay »Romance of Louisiana History« legte er denn auch die große Bedeutung der Poetik für seine Geschichtsschreibung dar: »Poetry is the daughter of imagination, and imagination is, perhaps, one of the highest gifts of heaven, the most refined ethereal part of the mind, because when carried to perfection, it is the combined essence of all the finest faculties of the human intellect.«36 Gayarré glaubte an seine Rolle als Historiker der Massen. Um die historische Vergangenheit seiner Heimat allen Louisianians und AmerikanerInnen näher bringen zu können, bedurfte es aus seiner Sicht einer ansprechenden Präsentation, die zwar nichts erfinden wollte, wohl aber ver34 Grace King: »Charles Gayarré«, in Charles Gayarré: History of Louisiana, vol. 1, New Orleans: F. F. Hansell & Brothers 1903, reprint Gretna: Pelican 1974, xxi. 35 Walker, J. W.: »Gayarré’s History of Louisiana«, in: De Bow’s Review 11:1 (July 1851), 6. 36 Charles Gayarré: »Romance of Louisiana History«, in: Commercial Review 3:6 (June 1847), 449.

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suchte, die Geschichte im Sinne eines Walter Scott als von Emotionen und Romantik getragener Vergangenheit darzustellen: »When history is not disfigured by inappropriate invention, but merely embellished and made attractive by being set in a glittering frame, this artful preparation honies the cup of useful knowledge, and makes it acceptable to the lips of the multitude. Through the immortal writings of Walter Scott, many have become familiar with historical events, and have been induced to study more serious works, who, without that tempting bait, would have turned away from what appeared to them to be but a dry and barren field, too unpromising to invite examination, much less cultivation.«37

Eine der wichtigsten Fragen, mit denen sich Gayarré beschäftigte, war die nach dem Ursprung der kreolischen Zivilisation. Als stolzer Kreole glaubte er an die Überlegenheit seines kulturellen Erbes. Allerdings gestaltete er den Ausdruck dieses Glaubens nicht im alten Gewand der kreolischen und angelsächsischen Konkurrenz. Vielmehr stellte die kreolische Identität für ihn lediglich eine besondere Ausdrucksform der überlegenen ›weißen Identität‹ dar. Sowohl der Ursprung der Geschichte Louisianas als auch die Frage nach der Definition von ›Kreolität‹ nahm für ihn eine wichtige Stellung ein. Die ›wahre‹ Besiedlung Louisianas beginnt für Gayarré deshalb nicht mit den Native Americans, sondern mit der Besiedlung durch weiße Franzosen, wie er in einem Vortrag 1847 darstellte: »Man was there, however, but man in this primitive state, claiming as it were, in appearance at least, a different origin from ours, or being at best a variety of our species.«38 Für Gayarré liegt der Schlüssel zum Verständnis von Identität im organischen Ursprung einer Gesellschaft. Identität – sowohl persönliche als auch kollektive – ist demnach nicht konstruiert, sondern bestimmt von einer organischen Essenz. Die Einbindung der farbigen Bevölkerung Louisianas musste für ihn deshalb ein Problem darstellen, denn die nach dem Ende des Krieges und der Rekonstruktionszeit notwendig gewordene Neukonstruktion einer kreolischen, südstaatlichen oder nationalen Identität brach mit dieser Vorstellung einer natürlichen, organisch-gewachsenen und gezwungenermaßen ›weißen‹ Identität. Die 1880er Jahre waren von einem Gründungsboom kreolischer Organisationen geprägt, die sich der Wahrung des eigenen Kulturerbes verschrieben und sich gegen die Definition des Kreolenbegriffs als ›rassengemischt‹ wehrten.39 Auch Gayarré reagierte in seinen Schriften auf eine vermeintlich unrechtmäßige Einverleibung des aus seiner Sicht ›weißen‹ Labels ›Kreole‹. Als besonders beleidigend sah er Cables Roman The Grandissimes an, der ihn 1885 zu einer Vorlesung mit dem Titel »The Creoles of History and the Creoles of Romance« veranlasste. Darin argumentierte er, dass Cables Idee einer inklusiven, rassenübergreifenden kreolischen Identität sowohl gegen die Tradition als auch gegen die organische Ordnung der Gesellschaft verstieße: 37 Charles Gayarré: History of Louisiana, vol. 1, New Orleans: F. F. Hansell 1903, reprint Gretna: Pelican 1974, 7. 38 Gayarré: »Romance of Louisiana History«, 450. 39 L’Union française (1872), L’Athénée louisianais (1876), Creole Organziation (1886).

»VANISHING INTO OBLIVION« | 275 »Therefore to be a criollo was to possess a sort of title of honor – a title which could only be the birthright of the superior white race. This word, by an easy transition becoming creole, […] was adopted by the French for the same purpose – that is, to mean or signify a white human being created in their colonies of Africa and America – a native of European extraction, whose origin was known and whose superior Caucasian blood was never to be assimilated to the baser liquid that ran in the veins of the Indian and African native.«40

Gayarrés Kampf gegen die befürchtete ›Verschmutzung‹ des Kreolenbegriffs steht im größeren Zusammenhang einer zur damaligen Zeit aufkommenden Fokussierung auf eine inklusive weiße Identität. Unter dem Eindruck der wachsenden Einwanderung vor allem von Südeuropäern und der Verfestigung der so genannten one-drop-rule, die die gesamte farbige Bevölkerung inklusive der Afrokreolen in die Position einer subordinären generischen ›schwarzen Identität‹ zwang, gewann die Frage nach den Markern von ›Weißsein‹ zunehmend an Bedeutung.

Die Afrokreolen im kreolischen Geschichtsverständnis In diesem Spannungsverhältnis zwischen ›schwarzer‹ und ›weißer‹ Identität versuchten viele der ehemaligen Free People of Color die Reste ihrer besonderen Identität zu retten, indem sie sich ihres kreolischen Erbes erinnerten und dies durch die Selbstidentifikation als Creoles of Color zum Ausdruck brachten. Gayarré und andere weiße Kreolen reagierten auf diese aus ihrer Sicht unrechtmäßige Aneignung einer Identität, indem sie die Geschichte des Terminus umschrieben. Unter Ausblendung der Tatsache, dass das Wort Creole im 18. Jahrhundert alle Louisianians, ganz gleich welcher Herkunft, bezeichnet hatte, konstruierten sie es nun als einen ›rein weißen‹ Begriff.41 Für den Historiker Gayarré ging es bei der ›Reinhaltung‹ des Kreolenbegriffs um die Bestimmung der gesellschaftlichen Position der farbigen Bevölkerung. Aus dem Problem der Sklaverei war für ihn die weitaus komplexere Frage nach der Erhaltung der weißen Zivilisation – ganz gleich ob angelsächsisch oder kreolisch – geworden: »It is bound to solidify the Southern States more than the slavery question, because it is no longer a mere question of property, of individual or sectional wealth, or of political power, but a question of self-preservation, of civilization, and of the maintenance of the purity of a superior race.«42 In dem von der weißen Hegemonialgesellschaft geschaffenen System wurde die ›Reinheit der weißen Rasse‹ zum obersten Gebot. Besonders wichtig wurde sie für die Kreolen Louisianas, denn obgleich der 40 Charles Gayarré: The Creoles of History and the Creoles of Romance. A Lecture Delivered in the Hall of Tulane University, April 25, 1885, New Orleans: C. E. Hopkins 1885, 1-2. 41 Daily Picayune, 22. Dezember 1884; Lafcadio Hearn: »Los Criollos (December 3, 1877)«, in: S. Frederick Starr (ed.), Inventing New Orleans. Writings of Lafcadio Hearn, Jackson: UP of Mississippi 2001, 29; Brasseaux: French, Cajun, Creole, Houma, 89. Auch der ansonsten kritisch eingestellte Cable zollte dieser Konzeption zumindest vordergründig Tribut. George W. Cable: »Who Are the Creoles?«, in: Century 25:3 (January 1883), 396. 42 Charles Gayarré: »Southern Question«, in: North American Review 125 (1877), 479.

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Kulturkonflikt zwischen Angelsachsen und Kreolen keine tiefgreifende politische Konsequenz mehr hatte – vor allem weil die Kreolen ihre Vormachtstellung auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet schon lange hatten abgeben müssen43 –, ging es für sie noch um die Ehre ihrer Zivilisation; ein Gut, dass aus ihrer Sicht vielleicht noch höher einzuschätzen war als Einfluss und Macht. So fühlten sich Gayarré und andere weiße Kreolen von der Inbesitznahme ihrer kreolischen Identität durch schwarze oder ›rassengemischte‹ Personen aufs Tiefste in ihrer Ehre verletzt. Zwar konnte auch Gayarré die weit verbreitete ›Rassenmischung‹ nicht ungeschehen machen, doch konnte er sich zumindest gegen solche Darstellungen wehren, in denen er eine unrechtmäßige Übertreibung und Verkehrung der Wirklichkeit zu erkennen glaubte.44 Gayarré kreierte in seinen historischen Schriften eine kreolische ›Leitkultur‹, die sich der Vergangenheit auf eine selektive Art und Weise bediente. Ausblendungen und Vergessen kennzeichneten sie ebenso wie willkürliche Umschreibungen. Und dennoch avancierte seine Version im Laufe der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zur ›offiziellen‹ Geschichte. Seine Erinnerungen wurden, wie von der Schriftstellerin Grace King beschrieben, zu historischen Dokumenten für die Nachwelt und bewirkten, dass eine von Mythen durchsetzte Geschichtsschreibung zur Meistererzählung der ›kreolischen Zivilisation‹ wurde.

Meistererzählung und Gegengedächtnis Gayarré verstand Geschichte nicht nur als Chronik vergangener Ereignisse und ihre möglichst wertfreie Deutung, vielmehr sah er in ihr ein Mittel zur Erinnerungsarbeit und konstruktiven Mitbestimmung einer kollektiven Identität. Seine Deutungsmacht blieb dabei allerdings nicht unangetastet, denn im ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelten auch die Creoles of Color eine eigene Erinnerungsgeschichte; eine counter narrative45 zur hegemonialen Meistererzählung. Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive stehen Erinnerung und Geschichte stets in Spannung zueinander. Einer der wichtigsten Erinnerungstheoretiker, Pierre Nora, hat das Problem einmal folgendermaßen beschrieben: »Memory […] remains in permanent evolution, open to the dialectic of remembering and forgetting, unconscious of its successive deformations, vulnerable to manipulation and appropriation. […] History, on the other hand, is the reconstruction,

43 Die Unterlegenheit der Kreolen gegenüber der angelsächsisch-amerikanischen Kultur aufgrund ihrer ›degenerierten Natur‹ beschreibt Albert Rhodes: »The Louisiana Creoles«, in: Galaxy (August 1873), 255-57. 44 Gayarré: Creoles of History, 4. 45 Birgit Neumann: »Literatur als Medium (der Inszenierung) kollektiver Erinnerungen und Identitäten«, in: Astrid Erll/Marion Gymnich/Ansgar Nünning (Hg.), Literatur – Erinnerung – Identität. Theoriekonzeptionen und Fallstudien, Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2003, 65-66.

»VANISHING INTO OBLIVION« | 277 always problematic and incomplete, of what is no longer. […] History is perpetually suspicious of memory.«46

Die nähere Untersuchung von Prozessen der Erinnerungsbildung und des Umgangs mit Erinnerung in Form von professioneller Geschichtsschreibung hat die Konstruktivität von Vergangenheit offen gelegt. Schon vor langem hat die Historikerzunft akzeptieren müssen, dass es eine ›reine und wahre‹ Vergangenheit zwar vielleicht geben mag, diese uns aber nicht zugänglich ist. Diesem Eingeständnis nach ist die Erinnerung stets eine kommunikativ vermittelte Form der Vergangenheit so wie die Geschichtserzählung und Geschichtswissenschaft das Ergebnis bestimmter methodischer Verfahren der Rekonstruktion sind. Den Gegensatz zwischen Erinnerung und ihrer Darstellung in der Geschichtsschreibung nahmen Historiker und Literaten des ausgehenden 19. Jahrhunderts zwar noch anders wahr. Was der heutigen Geschichtsschreibung und der des 19. Jahrhunderts jedoch gemein ist, ist ihre Selektivität und Konstruktivität. Damals wie heute sind Werke der Geschichtswissenschaft Teil einer Erinnerungskultur, von der sie geprägt sind und auf die sie zurückwirken.47 Wenn man nun die Erinnerung Louisianas in Form von Geschichtsschreibung im ausgehenden 19. Jahrhundert untersuchen möchte, muss man die Rahmenbedingungen, in denen diese Erinnerungsprozesse stattfanden, näher beleuchten. Gayarrés historische Schriften entstanden kurz vor beziehungsweise nach dem Bürgerkrieg und in den 1880er Jahren. Es ist davon auszugehen, dass die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbrüche, die der Krieg mit sich brachte, zu einer Krise der althergebrachten Interpretationsmuster führten, die eine Reflexion über und eine Neuformulierung von Wissensstrukturen erforderte. Auf den dominanten Konflikt zwischen weißen und farbigen Bevölkerungsgruppen bezogen, nahm Gayarré eine Position ein, von der aus er zumindest in gewissem Maße Erinnerungshoheit ausüben konnte, d. h. er hatte die Mittel und Techniken zur Verfügung, um seinen und in der Verlängerung den Interessen der hegemonialen Gruppe einen Leitstatus zu verleihen.48 Mit jeder neuen Inszenierung, wie sie von Gayarré in Bezug auf seine poetische Darstellung ja auch als durchaus erstrebenswert dargestellt wird, kann es zu Umwertungen, Neugewichtungen, Ausblendungen oder gar Neuerfindungen von Vergangenheit kommen.49 Sowohl für Gayarré als auch für die Free People of Color stand der Prozess des Erinnerns in engem Zusammenhang mit dem Prozess der Identitäts46 Pierre Nora: »Between Memory and History: Les Lieux de Mémoire«, in: Geneviève Fabre/Robert O’Meally (eds.), History and Memory in AfricanAmerican Culture, New York: Oxford UP 1994, 285-86. 47 Hartmut Bergenthum: »Geschichtswissenschaft und Erinnerungskulturen. Bemerkungen zur neueren Theoriedebatte«, in: Günter Oesterle (Hg.), Erinnerung, Gedächtnis, Wissen. Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 129. 48 Bei den Begrifflichkeiten lehne ich mich an das vom SFB »Erinnerungskulturen« an der Universität Gießen entwickelte Konzept an. 49 Vgl. Marcus Sandl: »Historizität der Erinnerung/Reflexivität des Historischen. Die Herausforderung der Geschichtswissenschaft durch die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung«, in: Günter Oesterle (Hg.), Erinnerung, Gedächtnis, Wissen. Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 108.

278 | KREOLISCHE IDENTITÄT

bildung. Kollektive Identitäten sind keineswegs als starre Einheiten, basierend auf essenzialistischen Zuschreibungen, zu verstehen. Ihre Verhandlung ist vielmehr von kommunikativer Prozesshaftigkeit der Mitglieder untereinander geprägt. Trotz dieser Einschränkung sehe ich in den Creoles of Color eine Erinnerungsgemeinschaft. Als eine solche bezeichnet Birgit Neumann eine Gruppe, wenn die »Vorstellung einer gemeinschaftlichen, aktualisierungsfähigen Vergangenheit sich als konstitutiv für ihr Selbstverständnis erweist. Jede der kulturellen koexisitierenden Gruppen verfügt über einen spezifischen Fundus an konstitutiven Erfahrungen, der sie als eben diese Gruppe auszeichnet und der durch strategisches Einschwören auf die Kollektivvergangenheit präsent gehalten wird.«50

Dies voraussetzend muss darauf hingewiesen werden, dass die Abgrenzung unterschiedlicher Erinnerungsgemeinschaften nie so deutlich zu ziehen ist, wie in der Theorie vorgegeben. Tatsächlich können Individuen zu mehreren Erinnerungsgemeinschaften gehören, bestimmte Aspekte und Inhalte werden häufig von mehreren Gemeinschaften beansprucht und zu unterschiedlichen Zeitpunkten können verschiedene Elemente eines Erinnerungsdiskurses betont oder vernachlässigt werden. In extremen Fällen kann die Auflösung ihrer Grenzen zum Zerfall einer Erinnerungsgemeinschaft führen. In einer hierarchisch geprägten Gesellschaft stehen die Erinnerungsgemeinschaften verschiedener sozialer Gruppen außerdem in Konkurrenz zueinander. Während Gayarré mit seiner Geschichtsschreibung das hegemoniale, ›offizielle‹ Gedächtnis der weißen Mehrheitsgesellschaft repräsentiert, bemühte sich die marginialisierte Gruppe der Afrokreolen um eine Integration ihrer Erfahrungen. Mit ihrem »Gegengedächtnis« strebten sie danach, die »Homogenisierungs- und Naturalisierungstendenzen des dominanten, kollektiv-semantischen Gedächtnisses durch das Zugehörbringen alternativer Erinnerungsversionen zu unterminieren.«51 Obwohl sich Erinnern in vielerlei Hinsicht äußern kann – in Ritualen, in der Kanonbildung konventionalisierter Texte oder in Gedenkstätten –, soll der Fokus hier auf der historischen Literatur liegen. Dabei verstehe ich Historiographie als eine bestimmte Form des kulturellen Gedächtnisses. Sowohl Gayarrés Schriften als auch die von Rodolphe Lucien Desdunes, die im Anschluss untersucht werden, sind dem von Aleida Assmann entwickelten Konzept vom ›Funktionsgedächtnis‹ zuzuordnen. Sie beziehen sich auf eine bestimmte Erinnerungsgemeinschaft und konstruieren diese im Prozess der Geschichtserzählung durch Ein- und Ausschlussmechanismen. Sie gehen selektiv vor, sie bringen bestimmte Wertvorstellungen zum Ausdruck und sie sind in ihrem Vergangenheitsbezug zukunftsorientiert.52

50 Neumann, 62. 51 Neumann, 65-66. 52 Vgl. Aleida Assmann: »Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis – Zwei Modi der Erinnerung«, in: Kristin Platt/Mihran Dabag (Hg.), unter Mitwirkung von Susanne Heil, Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten, Opladen: Leske + Budrich 1995, 182; Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München: Beck 2006, 54-58.

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Rodolphe Lucien Desdunes Obwohl es während der Antebellumzeit bereits zu ritualisierten Formen der Erinnerungsgemeinschaft der Free People of Color kam – Beispiele waren die alljährlichen Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Schlacht um New Orleans oder das Gedenken an die Gefallenen bei Port Hudson –, gab es vor allem wegen der eingeschränkten Meinungs- und Pressefreiheit wenig publizistische Erinnerungsarbeit. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts finden sich zunehmend Schriften, die sich mit der Geschichte der Creoles of Color in Louisiana beschäftigen. Wichtigste Quelle ist eine Gruppenbiographie aus der Feder von Rodolphe Lucien Desdunes. Desdunes wurde am 15. November 1849 in New Orleans als Sohn eines haitianischen Rädermachers und einer Kubanerin geboren. Nachdem er zunächst als einer von drei Söhnen in der Zigarrenmanufaktur seines Vaters gearbeitet hatte, war er von 1871 bis 1874 Polizist, bevor er nach erneuter Anstellung bei seinem Vater eine Stelle im Zollamt von New Orleans annahm. 1882 graduierte er an der Juristischen Fakultät der Straight University in New Orleans.53 Bereits seit seinen Mitzwanzigern engagierte sich Desdunes für die politischen und sozialen Rechte seiner Gruppe. 1878 war er eines der Gründungsmitglieder der Young Men’s Progressive Association und seit den 1880er Jahren agitierte er für eine rassenübergreifende Organisation zum Schutze der Bürgerrechte der farbigen Bevölkerung.54 In den 1890er Jahren schließlich war er Mitinitiator des Comité des Citoyens, das sich mit dem Gerichtsfall Plessy v. Ferguson gegen die Rassentrennung im öffentlichen Verkehr wehrte. 1911 erlitt Desdunes bei einem Unfall Augenverletzungen, die ihn im Laufe der nächsten Jahre erblinden ließen. Er starb am 14. August 1928 während eines Besuchs bei seinem Sohn Daniel in Omaha, Nebraska.

53 Lester Sullivan: »The Unknown Rodolphe Desdunes: Writings in the New Orleans Crusader«, in: Xavier Review 10: 1,2 (1990), 1-2. Straight University war 1869 von der American Missionary Association in New Orleans für die farbige Bevölkerung gegründet worden. 1911 wurde sie wegen finanzieller Probleme geschlossen. 1930 tat sie sich mit der New Orleans University zusammen und gründete Dillard University. 54 »Address of the Young Men’s Progressive Association«, Weekly Louisianian, 28. Dezember 1878; Joseph Logsdon with Lawrence Powell: »Rodolphe Lucien Desdunes: Forgotten Organizer of the Plessy Protest«, in: Samuel C. Hyde, Jr. (ed.), Sunbelt Revolution. The Historical Progression of the Civil Rights Struggle in the Gulf States, 1866-2000, Gainesville: UP of Florida 2003, 57.

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Abb. 7: Rodolphe Lucien Desdunes

Sein Buch Nos Hommes et notre Histoire… wurde zwar erst 1911 in Montréal veröffentlicht, doch aus journalistischen Schriften geht hervor, dass er daran bereits seit den späten 1880er Jahren gearbeitet hatte. Ein weiteres Indiz für die frühe Entstehungszeit des Buches ist, dass es nur die Ereignisse bis 1896 berücksichtigt. Vermutlich war es Desdunes trotz jahrelanger Bemühungen nicht gelungen, sein Buch in einem heimischen Verlag zu veröffentlichen.55 Die von Desdunes gewählte Darstellungsform ist eine andere als bei Gayarré. Wie der Titel bereits andeutet, handelt es sich um eine Gruppenbiographie mit historiographischen Zügen. Zwar erhebt Desdunes keinen wissenschaftlichen Wahrheitsanspruch im Sinne einer positivistischen Historiographie, gleichzeitig bedient er sich aber bestimmter Strategien und Darstellungsweisen, um seine Geschichte der Gruppe als nichtfiktional und auf Tatsachen basierend darzustellen. In zwölf Kapiteln wendet sich Desdunes verschiedenen Vertretern seiner Gemeinschaft zu und versucht anhand ihrer Biographien eine Geschichte der Creoles of Color zu rekonstruieren und ihren Platz innerhalb der Gesellschaft Louisianas zu verteidigen. Dabei wendet er sich klar gegen die dominante weiße Gesellschaft, die für sich eine eigene Erinnerungsversion inklusive eines eigenen Herkunftsmythos in Anspruch 55 Tinker nimmt sogar an, dass die Veröffentlichung in New Orleans an Desdunes’ rassenübergreifender Interpretation des Kreolenbegriffs scheiterte. Tinker: Les Ecrits des langues françaises en Louisiane, 134.

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nimmt, in der die Geschichte der Creoles of Color keinen oder nur einen sehr peripheren Platz einnimmt. Desdunes entspricht dabei der »gesteigerte[n] Begründungs- und […] Selbstthematisierungsnotwendigkeit«56 diasporischer Gruppen. Im Sinne der Foucaultschen ›contre-mémoire‹ geht es Desdunes darum, mit einem Gegendiskurs der Erinnerung die Position der eigenen Gruppe zu stärken und die Erinnerungshoheit der weißen Bevölkerung zu durchbrechen. Gleichzeitig ist aber auch Desdunes’ Vergangenheitsversion keine objektive. Auch bei ihr kommt es zu Neugewichtungen, Umschreibungen und Ausblendungen. In seiner Fokussierung auf die afrokreolische Erinnerung vernachlässigt Desdunes die Erinnerungskultur der Sklavenbevölkerung, mit der seine Gemeinschaft verwandtschaftlich häufig genauso eng verbunden war wie mit der weißen Hegemonialgesellschaft. Darüber hinaus ist auch Desdunes’ Gedächtnis ›durchlässig‹, wenn er zum Beispiel den Sklavenbesitz der Free People of Color fast gänzlich verschweigt und lediglich in einem Nebensatz erwähnt. Verurteilt wird dieser nicht, sondern als eine ›natürliche‹ Konsequenz des unterdrückerischen südstaatlichen Systems der Antebellumzeit porträtiert, von dem die Afrokreolen ›gezwungenermaßen‹ ein Teil gewesen waren.57 Anders als Gayarré, der die farbige Bevölkerung – wenn er sie überhaupt beachtet – lediglich als eine dem Stereotyp entsprechende loyale Sklavenbevölkerung darstellt, die neben ihrer körperlichen Arbeitsleistung keinen kulturellen Beitrag zur Entwicklung Louisianas geleistet hat, zeichnet Desdunes seine Gemeinschaft als eine Gruppe handelnder Subjekte, deren wirtschaftlicher, politischer, aber vor allem kultureller Beitrag vielfältig ist. Desdunes schreibt mit seiner »Hommage à la population créole« gegen das Vorurteil der weißen Erinnerungsgemeinschaft an, die der farbigen Bevölkerung Louisianas – ganz gleich ob kreolisch oder angloamerikanisch – keinen nennenswerten Einfluss auf die Kultur Louisianas zubilligt. Gerade seit den 1880er Jahren wurde die Rekonstruktionszeit, die ja wesentlich von der Prominenz farbiger Politiker geprägt gewesen war, in der weißen Geschichtsschreibung zu einer Tyrannei inkompetenter, rachsüchtiger und arroganter farbiger Agitatoren dramatisiert. Desdunes wandte sich gegen diese Darstellung und betonte stattdessen den Opferwillen, das Engagement und die Selbstlosigkeit, mit der Politiker und Publizisten wie Isabelle, Roudanez oder Mary gehandelt hatten. Statt sich für die an ihnen begangenen Ungerechtigkeiten zu rächen, setzten sie sich für Versöhnung und ein gerechteres Louisiana ein.58 Was sind nun aber genau die Errungenschaften, die die afrokreolische Gemeinschaft nach Ansicht Desdunes’ für einen wirkungsvollen und gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft Louisianas qualifizierten? Bei den Kapitelüberschriften fällt auf, dass er sich stark auf kulturelle und militärische Leistungen sowie wirtschaftliche Unabhängigkeit konzentriert. Bei allen drei Merkmalen handelt es sich um Fähigkeiten, die die Ex-Sklavenbevölkerung aufgrund ihrer erst vor kurzem erlangten Freiheit noch nicht im gleichen Maß 56 Andreas Langenohl: »Ort und Erinnerung. Diaspora in der transnationalen Konstellation«, in: Günter Oesterle (Hg.), Erinnerung, Gedächtnis, Wissen. Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005, 620. 57 Desdunes: Nos Hommes, 27. 58 Desdunes: Nos Hommes, 167. Siehe auch Crusader, 11. Oktober 1895.

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vorweisen konnte. Mit dem Rückgriff auf das militärische Engagement der Creoles of Color bei mehreren Gelegenheiten, vor allem aber in der Schlacht um New Orleans und dem Bürgerkrieg, verweist Desdunes auf ein traditionelles Erinnerungsbild, das seit Beginn des 19. Jahrhunderts funktionalisiert wurde, um sowohl im politischen als auch sozialen Bereich Rechte einzuklagen. Die häufigen Verweise auf die Vergangenheit, wie wir sie auch in den politischen Schriften der Rekonstruktionszeit finden konnten, stehen im Dienst der Legitimation der lebenden Generation und fungieren als Basis für den geforderten sozialen und politischen Status. Im konkreten Fall der militärischen Erinnerung versucht Desdunes, sich in die dominante Erinnerungsgeschichte einzuschreiben, indem er die Rolle der Creoles of Color als patriotische Bürgersoldaten betont und so eine Traditionslinie der Zugehörigkeit und Partizipation sowohl in Friedens- als auch in Krisenzeiten etabliert. Über verschiedene historische Stationen hinweg verfolgt er dieses Engagement bis hin zur legendären Schlacht um Port Hudson. In der Beschreibung dieses Ereignisses verweist Desdunes auf das bekannte Bild des später zum Helden stilisierten Soldaten André Cailloux als amerikanischem Spartakus und lehnt sich in der Beschreibung des Soldaten an historische Figuren an. So verweist er auf den mittelalterlichen französischen Ritter Bayard – bekannt nicht nur wegen seiner Kampf- und Kriegskunst, sondern auch wegen seiner ritterlichen Tugenden –, und auf den frühchristlichen Märtyrer Bacchus, der wegen seines Glaubens hingerichtet wurde: »Der Held des alten Roms zeigte nicht mehr Heldentum als dieser kreolische Offizier, der mit einem Lächeln auf den Lippen seinem Tod entgegenrannte und rief: ›En avant, mes enfants!‹ […] Schließlich, als er unter dem tödlichen Schuss zusammenbrach, gab er einen letzten Befehl an seinen Unteroffizier: ›Bacchus, stürme voran!‹ Sollte irgendjemand sagen, dass der Ritter Bayard mehr vollbrachte, er würde die Geschichte betrügen.«59

Die gegensätzlichen Interpretationen der militärischen Leistung werden an der Betrachtung der Schlacht um New Orleans deutlich. In einem unveröffentlichten Manuskript misst Gayarré den afrokreolischen Soldaten unter Andrew Jackson zwar durchaus eine Bedeutung für den siegreichen Ausgang der Schlacht bei, glaubt aber, dass die Erhebung der Soldaten auf den gleichen Rang wie ihre weiße Kameraden dazu beitrug, das ›Rassenproblem‹ zu verstärken. Jacksons flammende Rede, die ein Versprechen der sozialen Gleichberechtigung beinhaltete, stand für Gayarré nicht in Einklang mit der Doktrin von der ›rassischen‹ Unterlegenheit der farbigen Soldaten.60 Desdunes dagegen preist die Ansichten Jacksons und dessen Vorgehen als beispielhaft; allein, sein Versprechen wurde aufgrund der Engstirnigkeit seiner Zeitgenossen nicht eingelöst.61 Eine Umdeutung von Geschichte findet auch auf der Ebene der Geschlechterzuweisungen statt, denn Desdunes zeichnet den farbigen Mann als den Idealen und Anforderungen einer weißen Männlichkeit gewachsen, in59 Desdunes: Nos Hommes, 166. 60 Charles Gayarré: »The Blacks of Louisiana«, unpublished manuscript, ca. 1880, Charles Gayarré Papers, LLMVC, Box 4. 61 Desdunes: Nos Hommes, 6.

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dem er nicht nur den erforderten Dienst an der Waffe erfolgreich absolvierte, sondern darüber hinaus auch im Kampf um seine Rechte eine männliche Bereitschaft zum Opfer an den Tag legt. Die versteckte Subversion liegt in der Tatsache, dass Desdunes den Männern seiner Gemeinschaft damit Qualitäten und Charaktereigenschaften zuschreibt, die in der Konstruktion der weißen Geschichtsschreibung stets einen ehrenhaften und ›wahren‹ Mann ausmachten, diese Qualitäten von den Afrokreolen jedoch eingesetzt werden für ein Ziel, das der Ideologie der hegemonialen Erinnerungsgemeinschaft entgegengesetzt ist. Um die Männlichkeit und damit den Wert der afrokreolischen Männer eindeutig festzuschreiben, bedurfte es allerdings noch einer weiteren Umschreibung. Diese bezog sich auf die hegemoniale Darstellung der afrokreolischen Frau, die als begehrenswertes und verfügbares Sexualobjekt nicht nur ihren eigenen Status als ehrenhafte Frau einbüßte, sondern gleichsam die afrokreolischen Männer ihrer Männlichkeit beraubte. Um diesem Bild zu entkommen, widmete Desdunes den Frauen seiner Gruppe ein ganzes Kapitel (wobei sie allerdings im Rest des Buches nicht mehr vorkommen). Er schreibt darin gegen die stereotypische Beschreibung der Kreolinnen als geldgierig und moralisch verdorben an und stellt sie stattdessen als keusche, gläubige und wohltätige Frauen dar. So verortet Desdunes den Platz der Creole women in der Familie und der Kirche. Entsprechend des viktorianischen Frauenbildes ist es ihre Aufgabe, für die moralische Reinheit, die Tugendhaftigkeit und den inneren Zusammenhalt von Familie und Gemeinschaft zu sorgen; eine Aufgabe, der sie in Vergangenheit und Gegenwart trotz aller Widrigkeiten auf bewundernswerte Weise nachgekommen seien: »Die kreolische Frau war in ihrem armseligen Heim und in ihrem Unglück so keusch und rein wie ihre glücklichere Schwester, die inmitten von Luxus lebte. Es war nicht notwendig, ihren Charakter zur Schau zu stellen, so durchdrungen war sie von der Religion und der Tugend. Wenn es heute so abscheuliche Menschen gibt, die versuchen, die Erinnerung an diese edlen Frauen zu beschmutzen und danach streben, sie auf die Ebene einer Wilden herabzusetzen, werden wir vor dem Tribunal der Geschichte Einspruch erheben, das zu jeder Zeit und in allen Ländern die Unschuldigen verteidigt hat.«62

Neben den militärischen Leistungen der Männer und den häuslichen der Frauen verweist Desdunes auf die kulturellen Errungenschaften der Gemeinschaft. Dabei verwendet er viel Platz auf die Darstellung der verschiedenen Literaten, Musiker und Künstler als stark geprägt von der französischen Kultur und dem europäischen Bildungsideal. Die Tatsache, dass es den Creoles of Color gelang, in repressiven Zeiten literarische Meisterstücke wie Les Cenelles zu schreiben und zu veröffentlichen, spricht laut Desdunes nicht nur für ihre Bildung, sondern vor allem für ihre Durchsetzungskraft, ihren Mut und ihren unbändigen Willen, gegen das System der Unterdrückung anzukämpfen: »In view of the circumstances and motives that inspired our forebears, this anthology comes to us as a sacred heritage. It is a duty of the high-

62 Desdunes: Nos Hommes, 135.

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est order that we perpetuate the memory of those who bequeathed this volume to us.«63

Identität bei Desdunes Aus Sicht Desdunes’ hatten die Free People of Color seit der Besiedlung Louisianas einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung ihrer Heimat geleistet. Für Desdunes war es demnach ganz verständlich, dass den Creoles of Color genau derselbe Platz in der Gesellschaft zustehen musste wie der weißen Bevölkerung; die konkrete soziale Position sollte sich lediglich nach den individuellen Leistungen des Einzelnen bemessen und nicht etwa nach dessen Zugehörigkeit zu einer – für Desdunes fiktiven – ›rassischen‹ Klasse. Um nicht nur die eigene Version der Vergangenheit vor den zerstörerischen Kräften der dominanten Gesellschaft abzusichern, sondern auch um Ansprüche für die Zukunft geltend zu machen, verknüpfte Desdunes, ähnlich wie Gayarré, in seiner Erinnerungskultur Raum und Zeit. Desdunes sieht sich dabei anders als Gayarré der Schwierigkeit gegenüber, dass die Erinnerungsgemeinschaft der Afrokreolen von der Hegemonialgesellschaft als eine Art Diaspora wahrgenommen wurde, deren Zugehörigkeit zum Ort Louisiana keineswegs als ›natürlich‹ und unverrückbar akzeptiert wurde. Mit seiner historiographischen Schrift versucht Desdunes deshalb, aus der raumzeitlichen Präsenz in der Vergangenheit Louisianas eine legitime Präsenz in Gegenwart und Zukunft abzuleiten.64 So dienen die gebetsmühlenartig vorgetragenen Verweise auf die Erfüllung militärischer und staatsbürgerlicher Pflichten in der Vergangenheit dazu, den gegenwärtigen Forderungen der Gruppe mehr Schlagkraft verleihen. Darüber hinaus spielen Raum und Zeit für Gayarré und Desdunes gleichermaßen eine wichtige Rolle, wenn es um die Deutungshoheit über den Kreolenbegriff geht. Im Aufeinandertreffen der beiden Erinnerungskonstruktionen werden sie verschmolzen zu einem ›Ursprungsmythos‹ der kreolischen Gesellschaft, der, je nach Sichtweise, die Farbigen ein- oder ausschließt. Wie bereits gezeigt, war Gayarré in seinen Schriften darum bemüht, die identitäre Kategorie von einer möglichen ›Verschmutzung‹ zu reinigen, indem er den ›rein weißen‹ Charakter der kreolischen Identität betonte. Im Gegensatz zu dieser exklusiven Definition, propagierte Desdunes in seiner Erinnerungsarbeit einen in weiten Teilen ›rassisch‹ inklusiven Kreolenbegriff. Anders als Gayarré stützte er sich dabei weniger auf biologistische ›rassische‹ Inhalte, als auf die Idee eines kulturalistisch-definierten Kreolenstatus. Nur sehr selten bedient er sich qualifizierender Zuweisungen wie gens de couleur oder créole de couleur, im überwiegenden Teil seiner Schrift betont er die Einheit der Kreolen aufgrund des gemeinsamen kulturellen Erbes und nennt sie schlicht la population créole. Es wäre allerdings falsch, von dieser Tatsache abzuleiten, dass Desdunes keine Differenzen in seinem Kreolenbegriff aufmacht. Vielmehr ist sein Differenzdenken ein anderes. Wo Gayarré eine biologistische, auf den Gegensatz von ›weißer‹ und ›schwarzer Rasse‹ basierende Abgrenzung propagiert, of63 Desdunes: Nos Hommes, 13. 64 Langenohl, 623.

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fenbart auch Desdunes’ auf den ersten Blick liberales Kreolenbild eine Differenz. Denn indem er sich stark auf das französisch-kreolische Erbe der eigenen Gruppe bezieht und dieses als konstitutiv für die Konstruktion einer kollektiven Identität ansieht, schließt er den weitaus größeren Teil der farbigen Bevölkerung aus, die eher protestantisch-angloamerikanisch geprägt war. Er wirkt damit der Bildung einer tragfähigen Gruppenidentität entgegen, die die unterschiedlichen kulturellen Elemente miteinander verbinden würde.65 Am Beispiel von Armand Lanusse, den er für einen der wichtigsten Vertreter der eigenen Gruppe hält, betont er die Bedeutung nicht nur einer regionalen, sondern vielmehr einer partikularen Identität als Kreole. Indem er diese über alle anderen möglichen Identitätsentwürfe stellt, erteilt er einer integrierenden nationalen afroamerikanischen Identität eine Absage: »Lanusse war zuerst ein Louisianian, in etwa so wie ein Bürger Athens mehr ein Athener war als ein Grieche, oder wie der gefeierte Calhoun mehr ein Carolinian war als ein Amerikaner. Man könnte sagen, Lanusse prahlte nie damit, ein Amerikaner zu sein. Sein kreolischer Instinkt war bei ihm ausgeprägter als seine Verbundenheit an den Titel ›Louisianian‹.«66

Damit stand Desdunes’ Ansicht konträr zu der bereits 1868 von Houzeau geäußerten Forderung: »One ought to be American before being Louisianian.«67 In gewisser Weise bestätigte sich bei Desdunes, was der Aktivist und Tribune-Redakteur bereits damals vorausgesehen hatte, nämlich, dass die Gemeinschaft der Creoles of Color sich nicht willens zeigen würde, ihre exklusive Identität zugunsten einer afroamerikanischen aufzugeben. Dass eine solch enge Identitätskonstruktion sich letztlich nicht als tragfähig erweisen konnte für die von Desdunes formulierten politischen und sozialen Ziele, hatte sich seit dem Ende des Bürgerkriegs immer wieder gezeigt. Das Problem von Desdunes’ Versuch, eine Erinnerungsgemeinschaft zu konstruieren, die als Basis für den gemeinsamen Kampf für Gleichberechtigung und gegen Unterdrückung fungieren konnte, lag in der Unvereinbarkeit seines Differenzdenkens mit der von ihm propagierten Notwendigkeit einer homogenen farbigen Gemeinschaft. Während er auf der einen Seite für die Aufhebung des biologistischen Differenzdenkens kämpft, schreibt er sich auf der anderen Seite ein in die Traditionen eines kulturalistischen und sozialbedingten Rassebegriffs, der die Dichotomie zwischen ›Schwarz‹ und ›Weiß‹ nicht aufhebt und die Linien lediglich verschiebt. Dies wird deutlich in einem Brief Desdunes’ an den farbigen Bürgerrechtler DuBois aus dem Jahre 1907. Darin nahm er Bezug auf eine von DuBois gemachte Aussage, dass den Farbigen des Südens die Bildung fehle, um an vorderster Front für die Gleichberechtigung zu kämpfen. Offensichtlich fühlte sich Desdunes von dieser Aussage angegriffen und nahm sie zum Anlass, in einem Pamphlet dazu Stellung zu nehmen. Darin offenbart sich erneut seine eigene Zerrissenheit, wenn er 65 Ein weiteres Beispiel ist Desdunes’ Rede vor der Freimaurerloge La Créole No. 1918 der Odd Fellows, deren wichtigstes Verdienst er darin sah, dass sie die französische Sprache innerhalb der farbigen Freimaurerei Louisianas kultivierte. »Discours de M. R. L. Desdunes«, (1882), A. P. Tureaud Papers, ARC, Roll 57, Box 77. 66 Desdunes: Nos Hommes, 28. 67 Houzeau, 49.

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zunächst die inneren Differenzen der farbigen Bevölkerung, die einem gemeinschaftlichen Auftreten und einer lebbaren kollektiven Identität im Wege stehen, bedauert: »We have, unfortunately, too many colors and too many fades in the black race. These act like parasites on the growth of the race: they feed on its vitality. That state of confusion, as a consequence, keeps the Negroes from broadening and from trusting one another on any common ground.«68 Allerdings trägt Desdunes wenige Sätze später selbst zur Aufsplitterung der Gruppe bei, indem er erneut eine Differenz aufmacht zwischen dem »Latin Negro« und dem »Anglo-Saxon Negro«, wobei letzterem die Position des Zögerers, des Mitläufers und des Opportunisten zukommt: »The Latin Negro differs radically from the Anglo-Saxon in aspiration and in method. One hopes, the other doubts. Thus we often perceive that one makes every effort to acquire merits, the other to gain advantages. One aspires to equality, the other to identity. One will forget that he is a Negro in order to think that he is a man; the other will forget that he is a man in order to think, that he is a Negro. […] One is a philosophical Negro, the other practical.«69

Die fehlende Gemeinschaftlichkeit, die er in den vorangegangenen Generationen gesehen hatte, sieht er indirekt in dem schwindenden Einfluss der Afrokreolen innerhalb der farbigen Gruppe begründet. Die aus seiner Sicht zersetzenden Kräfte wie Macht und schnöder Materialismus, stellt er in seiner dichotomen Gegenüberstellung auf die Seite der angloamerikanischen Farbigen und, so kann man implizieren, damit der ehemaligen Sklavenbevölkerung: »In früheren Zeiten waren die Kreolen stärker durch die Gefühle der Liebe miteinander verbunden. In der heutigen Zeit sind sie durch lächerliche Abneigungen und Meinungsunterschiede voneinander getrennt. Der lateinische Einfluss unter uns verschwand anscheinend mit dem Tod von Armand Lanusse. […] So war der Einfluss auf unsere Jugend, dass sie die Versuchungen des Eigennutz verschmähten. Materielle Genugtuungen hatten für diejenigen keine Bedeutung, die gelernt hatten, dass ›weder Geld noch die Pracht dieser Welt uns wirklich glücklich machen kann‹. Es mag töricht sein, davon zu träumen, zu diesen moralischen Gesetzen zurückzukehren, aber die Kreolen können nur gerettet werden, wenn sie diese Prinzipien leben. Sie können niemals ihren besonderen Charakter beibehalten, indem sie den Neigungen der Gegenwart nachgeben.«70

Neben der Unfähigkeit der angloamerikanischen farbigen Bevölkerung, die ›wahren‹ Werte zu vertreten, beobachtet er bei ihnen auch eine abnehmende Kampfbereitschaft. Die zunehmende Resignation, Bequemlichkeit und Bereitwilligkeit, sich mit der Situation zu arrangieren, begründet er mit dem wachsenden Einfluss der angloamerikanischen Farbigen, deren Wertesystem sich fundamental von dem der Creoles of Color unterscheide. Wo bei letzte68 Rodolphe L. Desdunes: A Few Words to Dr. DuBois With Malice Toward None, New Orleans: n. p. 1907, 10, A. P. Tureaud Papers, ARC, Roll 57, Series X, Box 77. 69 Desdunes: A Few Words to Dr. DuBois, 13. 70 Desdunes: Nos Hommes, 21.

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ren noch Prinzipien wie Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit Priorität hatten, sind die ersteren nur noch an schnellem wirtschaftlichen Erfolg und einem halbwegs ›zufriedenen‹ Leben ohne Anstrengung interessiert. Dass allerdings nicht die ganze Schuld auf den Schultern der erst vor kurzem in die Freiheit entlassenen SklavInnen lastet, sondern vielmehr auch auf denjenigen Afrokreolen, die sich von dieser Sichtweise haben anstecken lassen, zeigt folgende Aussage Desdunes: »D’Alembert hatte Recht. Dieser berühmte Schriftsteller glaubte, dass nichts abscheulicher sei, als eine unterdrückte Gemeinschaft, die ohne Widerstand flieht. Dieser Widerstand kann durch den festen Vorsatz aufrechterhalten werden, die Tyrannei nicht zu akzeptieren, selbst wenn man gezwungen ist, sich ihr zu fügen. Es ist ehrenhaft, für das zu leiden, was richtig ist. […] Manche Kreolen heutzutage sind auf einen solchen moralischen Tiefpunkt gesunken, dass sie nicht nur ihre Mitmenschen verkennen und abweisen, sondern sogar ihre eigenen Eltern.«71

Desdunes scheitert letztlich sowohl mit seinem Versuch, die Meistererzählung umzuschreiben als auch damit, eine funktionierende farbige Identität unter der Führung der Afrokreolen zu etablieren. Nur noch in der gruppenspezifischen Erinnerung konnte in den kommenden Jahren den Leistungen der identitären Gemeinschaft gehuldigt werden. Politische Konsequenzen konnten aus dieser erinnungsgeschichtlichen Identität zwar nicht mehr abgeleitet werden, doch das Wissen von einer ehemals stabilen afrokreolischen Identität lebte zumindest in der Erinnerung der Nachfahren fort. Die Archivarin Florence Borders berichtete in einem Fernsehinterview in den 1980er Jahren, welche Bedeutung Desdunes’ Buch für die kollektive Identität ihrer Gruppe auch im 20. Jahrhundert hatte: »I can recall very well, when I was in grade school and our teacher was pointing out to us that the last book written [in French; N.M.] by blacks had been written as late as 1911 and she was speaking of Desdune’s [sic] book. I mean, later I heard other people proud to have a copy of the book[.]«72

Den Creoles of Color des ausgehenden 19. Jahrhunderts brachte die spätere Verehrung von Desdunes’ Buch freilich nicht viel. Politisch entmachtet und zur völligen Bedeutungslosigkeit degradiert, wirtschaftlich stark angeschlagen und sozial zu Bürgern zweiter Klasse herabgestuft, sahen sie einem düsteren Schicksal entgegen. Ihre kreolische Identität und ihre enge Verwandtschaft mit der weißen Bevölkerung, die man ihnen während der Antebellumzeit zumindest nominell zugestanden hatte, verlor an Bedeutung. Für die weiße Mehrheitsgesellschaft gab es fortan kaum noch einen Unterschied zwischen Angloafroamerikanern und Afrokreolen. Im Jahre 1922 wollte sich der New Orleans Item nicht mehr daran erinnern, dass man ›rassengemischte‹ Personen jemals als Kreolen bezeichnet hatte.73 Bevor sich die Creoles of Co71 Desdunes: Nos Hommes, 24, 25. 72 Florence Borders, TV Programme, »The Creole Controversy« (Ch. 12 WYESTV, Nov. 16, 1989), Producer: Karen Snyder, Transcript, Xavier Media Collection, VC-2234, 9. 73 New Orleans Item, 26. März 1922.

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lor allerdings ihrem Schicksal ergaben, wagten sie einen letzten Versuch, der Unterdrückung Widerstand zu leisten.

»Crowding Our Enemies to the Wall«: Plessy v. Ferguson »[Y]ou can be sure in the future, as in the past, that you and your families will be surrounded by the most patient, faithful, law-abiding and unresentful people that the world has seen. […] In all things that are purely social we can be as separate as the fingers, yet one as the hand in all things essential to mutual progress.«74

Das letzte Gefecht der Creoles of Color wurde vor dem Hintergrund einer immer stärker segregierten Gesellschaft gefochten. Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich Louisiana in seinen Rassenbeziehungen den Gepflogenheiten im Rest der Nation angepasst. Die Entwicklung zu einer vom Jim-Crow-System geprägten Gesellschaft war allerdings von Ambivalenzen gekennzeichnet, die ihren Ursprung in der besonderen Geschichte Louisianas und nicht zuletzt der Existenz der Free People of Color hatten. Vor allem New Orleans war lange für seine Toleranz bei den Rassenbeziehungen bekannt gewesen. Die häufigen und in weiten Teilen der Gesellschaft tolerierten sozialen Kontakte zwischen den ›Rassen‹ reichten bis weit in die französische und spanische Kolonialzeit zurück und hatten zu einer hohen Integration der Wohnviertel geführt. Gleichzeitig hatte es allerdings auch in New Orleans bereits seit 1816 Rassentrennung im öffentlichen Raum gegeben. So hatten die städtischen Theaterhäuser damals begonnen, einen separaten Balkon für Free People of Color auszuweisen.75 Neben Restaurants, Grog- und Coffee-Shops wurden auch die Freudenhäuser angewiesen, auf die strenge Rassentrennung zu achten.76 So zog sich die color line durch das gesamte Leben eines Louisianians: vom Moment der Taufe, die in getrennten Registern vermerkt wurde, bis zur letzten Ruhestätte auf dem Friedhof, der ebenfalls nach ›Rassen‹ getrennt war.77 Seit der Verfassung von 1868 hatten republikanische Regierungen der weißen Bevölkerung die Aufhebung tradioneller Umgangsweisen im öffent74 Booker T. Washington: »Atlanta Exposition Address (1895)«, in: Philip S. Foner (ed.), The Voice of Black America. Major Speeches by Negroes in the United States, 1797-1971, New York: Simon and Schuster 1972, 581. 75 »An Ordinance Concerning the Public Exhibition and Theaters of New Orleans«, in: John Calhoun (comp.), Digest of the Ordinances and Resolutions of the Second Municipality of New Orleans, in Force May 1, 1840, New Orleans: F. Cook and A. Levy 1840, 123; Louisiana Courier, 29. November 1820. 76 »An Ordinance Relative to Slaves and Free People of Color«; »An Ordinance Concerning Lewd and Abandoned Women«, in: Leovy, 260-61, 376-78. 77 »An Act to provide for the recording of Births and Deaths«, in: Acts Passed at the Second Session of the Third Legislature of the Territory of Orleans (New Orleans: Thierry, 1811), 74-78; »An Ordinance Relating to Cemeteries and Interments« (1835), in: Fischer: Segregation Struggle, 14.

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lichen Leben aufgezwungen. Auch die farbige Bevölkerung war aktiv geworden und hatte durch Proteste und unter Androhung von Gerichtsklagen wichtige Siege gegen die institutionalisierte Rassentrennung erzielt. Bereits 1867 war es ihnen gelungen, die traditionellen ›Star Cars‹– benannt nach ihrer Kennzeichnung für farbige Fahrgäste – abzuschaffen und die Straßenbahnunternehmen zu einer Aufhebung der Rassentrennung in ihren Wagen zu zwingen.78 Die körperliche Intimität, die aus der daraus resultierenden Nähe zu den Farbigen in alltäglichen Leben erlebbar wurde, erschwerte es vielen Weißen, die neue gesellschaftliche Ordnung zu akzeptieren. Zwar hatte es auch während der Antebellumzeit auf den Plantagen und im städtischen Umfeld einen intimen Umgang über Rassengrenzen hinweg gegeben, allerdings blieb dieser stets in die gesellschaftliche Hierarchie eingebettet.79 Gebündelt wurde die Angst vor dem Kontrollverlust der weißen Bevölkerung in dem Bild vom ›hypersexuellen schwarzen Mann‹, das in den 1890er Jahren in Louisiana Fuß fasste.80 Mit der politischen Ermächtigung der ehemals unterdrückten Gruppe, sowohl der Free Men of Color als auch der ehemaligen Sklaven, wandelte sich der Eindruck, den die weiße Bevölkerung von ihnen hatte. Neben den kindlichen Sklaven und den in seinen Rechten beschnittenen Free Man of Color trat zunehmend das Bild vom aggressiven, lüsternen ›schwarzen Mann‹. Die Erinnerung an die jahrzehntelange Ausbeutung der farbigen Frauen auf den Plantagen und in der plaçage tat ein übriges, um in der weißen Bevölkerung die Angst vor dem Vergeltungswahn der farbigen Männer zu nähren. Vergewaltigungen von weißen Frauen durch farbige Männer kannten die Louisianians bereits aus der Antebellumzeit. Verstärkt politisiert und zu einer Gefahr der weißen Zivilisation hochstilisiert wurden solche Fälle allerdings erst mit zunehmender Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung. Aber auch die freiwillige Annäherung der ›Rassen‹, vor allem durch sexuelle Beziehungen, glaubte man unterbinden zu müssen. Langfristige Liebesbeziehungen zwischen weißen Frauen und farbigen Männern würden nicht nur das ideologische Bild von der Ungleichheit der ›Rassen‹ verändern, sondern zu einem Machtgewinn der farbigen Gemeinschaft durch ihre Teil-

78 Vgl. Michael Mizell-Nelson: »Challenging and Reinforcing White Control of Public Space: Race Relations on New Orleans Streetcars, 1861-65«, (Ph. D. diss., Tulane University 2001). 79 Dale Somers bezeichnete dieses Nebeneinander von Toleranz und Sehnsucht nach Kontrolle als eine »Fassade rassischer Harmonie«, die es Weißen und Farbigen ermöglichte, relativ friedlich nah beinander zu leben bei gleichzeitier Angst, Misstrauen und auch Haß. Dale Somers: »Black and White in New Orleans: A Study in Urban Race Relations, 1865-1900«, in: Journal of Southern History 40:1 (1974): 21. 80 Anders als Martha Hodes generell für die Südstaaten feststellte, gewann dieses Bild vom ›schwarzen Mann‹ in Louisiana erst im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhundert an Bedeutung. Vgl. Diane Sommerville: Rape and Race in the Nineteenth-Century South, Chapel Hill: University of North Carolina Press 2004, 198-99; Martha Hodes: »The Sexualization of Reconstruction Politics: White Women and Black Men in the South after the Civil War«, in: Journal of the History of Sexuality 3:3 (1993), 402-17.

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habe an der weißen Gesellschaft beitragen.81 Ein unkontrolliertes Ansteigen ›rassengemischter‹ Verbindungen würde Markierungen und Grenzen auflösen; die Unterscheidung zwischen Besitzenden und Besitzlosen sowie zwischen sozialen und legalen Repräsentationsformen würden sinnentleert.82 Getrieben von Ängsten und Xenophobie richteten die Louisianians in den 1870er Jahren ihr Augenmerk auf die Rassentrennung im öffentlichen Raum und forderten eine Angleichung an den Rest des Südens, wo bereits Rassentrennungsgesetze in Kraft waren.83 Der im Kompromiss von 1877 angekündigte Rückzug der nationalen Regierung aus den Rassenangelegenheiten des Südens führte zu einem Wiederaufflammen der Staatenrechtsideologie. Diese wurde durch richterliche Entscheidungen auf Bundesebene verstärkt, die zwischen den Privilegien und Immunitäten differenzierten, die ein Bürger durch das nationale Bürgerrecht erhielt und jenen, die ihm der Bundesstaat zusprach.84 Der 14. Verfassungszusatz, der diese Vorrechte vor gesetzwidrigen Beschränkungen schützen sollte, bezog sich nach Meinung prominenter Juristen nur auf die auf nationaler Ebene verliehenen Bürgerrechte, ein Eingriff in die von den einzelnen Staaten verliehenen Rechte könne durch den Verfassungszusatz nicht gerechtfertigt werden. Diese enge Auslegung des 14. Amendments, das primär auf die Abschaffung der Sklaverei und auf die Verleihung der Bürgerrechte für die ehemalige Sklavenbevölkerung ausgerichtet gewesen war, etablierte eine folgenschwere Differenz zwischen nationalem und staatlichem Bürgerrecht. Verschiedene Urteile wurden im Süden als Signal gewertet, dass sich die nationale Regierung fortan aus vielen Entscheidungsbereichen des Südens zurückziehen würde. Bestätigt wurde diese Annahme durch die Sammelklage der Civil Rights Cases, die sich gegen die Nichteinhaltung des 1875 erlassenen Civil Rights Act wandte. Mit nur einer Gegenstimme entschied der nationale Oberste Gerichtshof 1883, dass das Gesetz, das unter anderem die Integration der öffentlichen Verkehrsmittel vorgeschrieben hatte, gegen die nationale Verfassung verstoße, weil es in die Privatsphäre und Entscheidungsgewalt des Einzelnen eingreife. Dem Staat stände es lediglich zu, gegen ›rassische‹ Diskriminierung in staatlichen und kommunalen Einrichtungen vorzugehen, nicht aber bei privaten Unternehmen und Geschäften wie Eisenbahngesellschaften, Hotels oder Restaurants.85 Das Urteil des Supreme Court wirkte wie eine Initialzündung für Vermieter, Geschäftsleute und Arbeitgeber, die sich schon lange an der auferlegten Gleichberechtigung gestört hatten und sich nun für die Aufhebung der Integrationsgesetze einsetzten.

Der Act 111 und das Citizens’ Committee Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass in den späten 1880er Jahren auch in New Orleans die Stimmung kippte. Immer häufiger kamen Gesetzes81 Dass es in Louisiana bereits während der Antbellumzeit solche Beziehungen gegeben hatte, zeigen Zeitungsberichte: Daily Delta, 3., 18. Oktober 1854; 23. Oktober 1866. 82 Vgl. Eva Saks: »Representing Miscegenation Law«, in: Raritan 8:2 (Fall 1988), 42. 83 Daily Picayune, 10. Juli 1890. Vgl. Somers, 29-30. 84 Slaughterhouse Cases, 83 U. S. 36 (1873). 85 Civil Rights Cases, 109 U. S. 3 (1883).

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vorschläge zur Rassentrennung in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln im Parlament zur Diskussion. Da Louisiana mit der Verfassung von 1868 eine der fortschrittlichsten des Südens gehabt hatte, war hier der Widerstand gegen die Rassentrennung besonders stark ausgeprägt. Bereits in den frühen 1890er Jahren hatte sich in Washington auf Betreiben des Anwalts Albion W. Tourgée die rassenübergreifende American Citizens’ Equal Rights Association (ACERA) geformt, deren Präsident P. B. S. Pinchback war. Wenig später fanden sich in New Orleans Vertreter der liberalen weißen Gruppe und der farbigen Bevölkerung, vor allem Creoles of Color wie Rodolphe Lucien Desdunes, zusammen und formierten einen Ableger der ACERA auf Staatenebene. Ihre Ziele waren die Sicherung der in der Verfassung verbrieften Bürgerrechte, sowie die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage aller AmerikanerInnen.86 Desdunes begann allerdings sehr früh, für eine Doppelstrategie zu werben. Neben der herkömmlichen Überzeugungsarbeit durch publizistische Agitation sollte versucht werden, gegen die Segregation vor Gericht zu klagen. Außerdem forderte er zivilen Ungehorsam, um das System der Unterdrückung in die Knie zu zwingen: »It is time that some of these ›unregenerates‹ should know that we mean to test their legal right to humiliate us. […] I do not see any reason why we should adopt the doctrine of nonresistance, when experience and manliness argues that ›eternal vigilance is the price of liberty.‹ […] The good old time homogeneity is gone, and we may say, never to return. Let us stand together, and crowd our enemies to the wall.«87

Der Act 111, der im Frühjahr 1890 dem Staatsparlament zur Abstimmung vorlag, lieferte einen Anlass, Desdunes’ Strategie zu prüfen. Begründet wurde der Act to Promote the Comfort of Passengers in Railway Trains mit der Aufgabe des Staates, für Ordnung und Gemeinwohl zu sorgen. Diese könnten laut Gesetzestext auf Eisenbahnlinien nur gewährleistet werden, wenn nach ›Rassen‹ getrennt und so potenziellen Konflikten Einhalt geboten würde. Mit der Ausnahme von Straßenbahnen schrieb das neue Gesetz die Rassentrennung für innerhalb Louisianas verkehrende Züge vor. Dabei sollten separate, aber gleichwertige Sitzgelegenheiten für Weiße und Farbige bereit gestellt werden. Die Belegung eines Platzes in einem Abteil oder Wagen, zu dem man aufgrund seiner ›Rassenzugehörigkeit‹ nicht berechtigt war, wurde unter Strafe gestellt. Dem jeweiligen Bahnangestellten kam dabei eine wichtige Funktion zu, denn er war es, der vor Ort entscheiden musste, wo der jeweilige Fahrgast sitzen durfte.88 Während der Debatten um den Separate Car Act, wie er kurz genannt wurde, brach in der farbigen Bevölkerung ein Sturm der Entrüstung los. Eine Delegation der ACERA reiste nach Baton Rouge und trug eine Petition vor. Die darin verwendeten Argumentationsmuster glichen denen der Rekonstruktionszeit. Neben dem Verweis auf die Unvereinbarkeit des Gesetzes mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, betonten die 17 Verfasser den Bei-

86 Crusader, 22. März 1890. 87 Weekly Louisianian, 2., 23. Juli 1881. 88 Act 111, zitiert in Plessy v. Ferguson, 163 U. S. 537 (1896).

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trag, den die farbige Gemeinschaft zum Wohl und Fortschritt der Gesellschaft in Form von Steuerzahlungen und Arbeitskraft täglich leistete.89 In New Orleans wurde der Protest gegen das geplante Rassentrennungsgesetz von der farbigen Tageszeitung The Crusader90 vorangetrieben. Seit 1889 wurde diese von dem Afrokreolen Louis A. Martinet unter der redaktionellen Mitarbeit seiner Freunde Desdunes und Trévigne herausgegeben. Abb. 8: Titelblatt des Crusader, 22. März 1890

Martinet war das älteste von fünf Kindern aus der Ehe eines Belgiers und einer farbigen Louisianian. Im Jahre 1876 hatte er seinen Juraabschluss an der Straight Universtiy in New Orleans gemacht. Zeitweise liebäugelte er mit den Demokraten und unterstützte die konservative Staatsverfassung von 1879. In den 1880er Jahren wandte er sich allerdings wieder von den Demokraten ab und verfolgte eine radikalere Politik. Der Crusader entstand aus dem Versuch der Creoles of Color, eine Nachfolgezeitung der Tribune zu schaffen. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Desdunes die französischsprachige L’Union Louisianiaise ins Leben gerufen, die allerdings über eine Absichtserklärung

89 Der Text der Petition findet sich bei Otto Olsen: The Thin Disguise: Turning Point in Negro History; Plessy v. Ferguson; a Documentary Presentation, 1864-1896, New York: Humanities Press 1967, 47-50. 90 Nur wenige Ausgaben des Crusader haben überlebt. Neben einigen Ausgaben in der Sammlung von A. P. Tureaud im ARC steht noch die Desdunes Family New Orleans Crusader Clippings Collection an der Xavier University zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um gesammelte Einzelartikel aus dem Crusader unbekannter Herkunft, die erst 1990 zufällig in einem alten Ordner im Archiv der Universität gefunden wurden.

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nicht hinaus gekommen war. Erst mit der Unterstützung Martinets gelang es, mit dem Crusader eine zweisprachige, in ihren Inhalten klar der Gruppe der Creoles of Color nahestehende Zeitung zu etablieren. Die große Bedeutung dieses Blattes nicht nur für den Kampf gegen die Rassentrennung, sondern für die gesamte afroamerikanische Bevölkerung jener Zeit zeigt sich an der Tatsache, dass der Crusader Mitte der 1890er Jahre zur einzigen farbigen Tageszeitung der USA wurde. Als der Act 111 trotz lautstarken Widerstandes den Senat passierte, war dies für die Herausgeber, Redakteure und Freunde der Zeitung das Startsignal. Am 1. September 1891 rief der Crusader zu einem Treffen in den Redaktionsräumen auf. Es bildete sich das Citizens’ Committee to Test the Constitutionality of the Separate Car Act, zu dessen Mitgliedern neben Martinet, Desdunes und Trévigne weitere prominente Persönlichkeiten der Creoles of Color zählten, darunter der Philanthrop und ehemalige Plantagenbesitzer Aristide Mary, der die Arbeit des Komitees finanzierte. In seinem öffentlichen Appell rief das Komitee zum Kampf gegen die Rassentrennung und Unterdrückung auf: »Acting upon the suggestion of The Crusader, we, the undersigned citizens, come forward and tender our services in an earnest effort to vindicate the cause of equal rights and American manhood. […] At all events, it is the imperative duty of oppressed citizens to seek redress before the judicial tribunals of the country. In our case we find this the only means left us; we must have recourse to it, or sink forever into a state of hopeless inferiority.«92

Der Testfall Bereits einige Monate später war man soweit, einen Testfall gegen den Separate Car Act zu initiieren. Der 21-jährige Daniel Desdunes, Sohn von Rodolphe Desdunes, kaufte im Februar 1892 ein Erste-Klasse-Ticket für eine Zugreise von New Orleans nach Mobile, Alabama, und nahm im Wagen für weiße Fahrgäste Platz. Als er gebeten wurde, in den Wagen für farbige Fahrgäste zu wechseln, verweigerte er dies und wurde daraufhin des Verstoßes gegen den Separate Car Act angeklagt. Bis zu diesem Zeitpunkt lief alles nach Plan. Bevor es allerdings zu einer Verhandlung kam, wurde Desdunes’ Fall überraschend eingestellt. Im Verfahren Abbott v. Hicks hatte der Supreme Court von Louisiana entschieden, dass der Act 111 sich nur auf Strecken innerhalb des Staates bezog, nicht aber auf zwischenstaatliche. Da Desdunes aber von New Orleans nach Alabama unterwegs gewesen war, konnte der Separate Car Act auf ihn nicht angewandt werden, womit auch der Testfall jede Grundlage verlor. Nur wenige Monate später wagte das Citizens’ Committee einen neuen Versuch. Als Schlüsselfigur wurde der 29-jährige Homer Plessy ausgewählt. Sein Großvater war ein Franzose aus Bordeaux gewesen, seine Großmutter 91 »Prospectus« der L’Union Louisianaise, A. P. Tureaud Papers, ARC, Series X, Box 77. 92 Report of Proceedings for the Annulment of Act 111 of 1890 by the Citizens’ Committee of New Orleans, LA, New Orleans: Thomas & Panalle n. d., 2, Charles Roussève Collection, ARC, Box 1.

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eine Free Woman of Color, sein Vater kam aus Haiti, seine Mutter aus Cuba. Er sprach Französisch und Englisch, arbeitete als Schuhmacher und Versicherungsmakler und lebte im Herzen des alten kreolischen Viertels von New Orleans. Seine Zugehörigkeit zur Gruppe der Creoles of Color ist vor allem aus seiner aktiven Mitgliedschaft in afrokreolischen Clubs ersichtlich, wie etwa der Société des Francs Amis, der Ancient and Accepted Scottish Rite of Freemasonry (AASRFM)93 und dem Justice, Protective, Educational, and Social Club, dem er als Präsident vorstand. Außerdem war er Mitglied der katholischen Gemeinde St. Augustine im Tremé-Distrikt, die traditionell die Heimat vieler afrokreolischer Katholiken war. Am 7. Juni 1892 erwarb Plessy ein Erste-Klasse-Ticket für eine Fahrt mit der East Louisiana Railroad von New Orleans nach Covington oberhalb des Lake Pontchartrain und nahm in dem für weiße Reisende bereitgestellten Wagen Platz. Vermutlich beschwerte sich ein eingeweihter Mitreisender über ihn, so dass der Schaffner Plessy zur Rede stellte. Dieser gab offen zu, farbig zu sein, weigerte sich jedoch trotz mehrfacher Anweisung, das Abteil zu wechseln. Schließlich wurde er wie geplant des Zuges verwiesen, verhaftet und gegen eine Kaution von 500 Dollar bis zur Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. In der konservativen Zeitung Daily Crescent fand sich am nächsten Tag eine kurze Notiz: »A Snuff-Colored Descendant of Ham Kicks Against the ›Jim Crow‹ Law, and Takes the Jail End of It Rather than Comply with its distinctive Provisions.«94 In der im Oktober folgenden Verhandlung vor dem Bezirksgericht in New Orleans plädierte seine Verteidigung auf die Verfassungswidrigkeit des Separate Car Act. Das Gericht folgte jedoch der Interpretation des Staatsanwaltes Lionel Adams, der das Gesetz in Einklang sah mit der von der Verfassung zugeschriebenen Berechtigung der Bundesstaaten, eigene Regeln bezüglich des Umgangs mit den ›Rassen‹ aufzustellen.95 Im November ging das Citizens’ Committee am staatlichen Supreme Court in Revision, der jedoch das Urteil von Richter John Ferguson bestätigte.96 Eine weitere Revision brachte Plessy v. Ferguson schließlich vor den Obersten Gerichtshof der USA.

Plessy v. Ferguson vor dem nationalen Supreme Court Damit war das erste Etappenziel des Citizens’ Committee erreicht: Plessys vehemente Weigerung, sich den diskriminierenden Vorgaben des Rassentrennungsgesetzes zu beugen, war durch alle Instanzen gewandert und hatte nationales Interesse ausgelöst. Nun war es an der Verteidigung Plessys, diese einmalige Chance zu nutzen und der Rassentrennung den Todesstoß zu versetzen. Damit dies gelingen konnte, hatten sich Martinet und seine Verbündeten bereits früh um einen geeigneten Verteidiger bemüht. Die Wahl war auf

93 Homer Plessy an J. N. Davis, 15. Januar 1907, George Longe Collection, ARC, Box 8. 94 Daily Crescent, 8. Juni 1892 zitiert in Medley: We As Freemen, 143-44. 95 State of Louisiana v. Homer Adolph Plessy (13 October 1892); Times-Democrat, 19. November 1892. 96 Ex Parte Homer A. Plessy, 45 La. Ann. 80, 11 So. 948 (1892); Times-Democrat, 20. Dezember 1892. Eine detaillierte Biographie von John Ferguson findet sich bei Medley, 48-52.

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den Rechtsanwalt und Schriftsteller Albion W. Tourgée gefallen.97 In Ohio geboren, hatte er im Bürgerkrieg in der Unionsarmee gedient und war während der Rekonstruktionszeit ein angesehener Carpetbagger in North Carolina. In seiner Kolumne im Chicagoer Inter Ocean sowie seinen zahlreichen Romanen widmete er sich der Problematik der ›rassischen‹ Diskriminierung und sprach sich für ein Zusammenleben der ›Rassen‹ auf der Basis von Gleichheit und Demokratie aus.98 Ihm zur Seite gestellt wurde ein weiterer Anwalt aus New Orleans, James C. Walker, der die Verbindung zwischen Tourgée und der Gruppe der Creoles of Color aufrechterhalten sollte. Die Argumentation des Verteidigungsteams basierte im Wesentlichen auf zwei Punkten: Erstens verstoße der Separate Car Act gegen die Verfassung, weil die hinter ihm stehende Absicht keineswegs die Sicherung des Komforts der Fahrgäste sei, sondern die Legalisierung der Diskriminierung auf der Basis ›rassischer‹ Klassifizierungen. Darüber hinaus verstoße er sowohl gegen den 13. Verfassungszusatz, der die Rassendiskriminierung in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden sowie in Restaurants, Hotels, Geschäften u. ä. verbiete, als auch gegen den 14. Verfassungszusatz. Letzterer werde verletzt, weil der Bahnangestellte das Recht besäße, über die ›rassische‹ Identität des jeweiligen Fahrgastes zu entscheiden und ihn bei eventuellem Widerstand sogar verhaften zu lassen. Hierbei handelte es sich Tourgée zufolge eindeutig um eine Verletzung des 14. Amendments, das jedem Bürger einen ordentlichen Prozess zusagte, bevor er seines Rechts auf ›life, liberty, or property‹ beraubt werden könne. Tourgée versuchte trotz gegenteiliger Richtersprüche in den Slaughterhouse Cases (1873) und United States v. Cruikshank (1876)99, die Bedeutung des 14. Verfassungszusatzes auszuweiten und von ihm eine Allgemeingültigkeit abzuleiten, die diskriminierende Gesetzgebungen wie den Separate Car Act aushebeln würde. Dafür wandte er zunächst einen juristischen Kniff an, indem er das Augenmerk auf die Kategorie property lenkte. Der Besitz des eigenen Körpers wurde seit jeher als das wichtigste Gut zur Selbstbestimmung jedes Menschen gesehen. Dass dieses Recht in den USA jahrzehntelang durch die Sklaverei auf fürchterliche Weise beschnitten worden war, stellte einen Schandfleck in der eigenen Geschichte dar. Neben dem Besitz des eigenen Körpers galt darüber hinaus das Recht auf materiellen Besitz seit der Unabhängigkeitserklärung als grundlegende Voraussetzung, am Prozess der Nationenbildung sinnvoll teilnehmen zu können. Dass Tourgée dieses Recht auf Besitz eng mit ›Weißsein‹ verband, wird aus der Tatsache deutlich, dass er das ›rassische‹ Erbe seines Mandanten als zu sieben Teilen weiß und einem Teil schwarz bezeichnete, wonach Plessy die Rechte eines weißen Bürgers zuständen.100 Durch den Verweis in ein getrenntes Abteil werde

97 98

99 100

Zur Biographie Tourgées siehe Fireside, 78-87 und Otto Olsen: Carpetbagger’s Crusade: The Life of Albion Tourgée, Baltimore, MD: Johns Hopkins UP 1965. Zu seinen literarischen Werken siehe Monte M. Olenick: »Albion W. Tourgée: Radical Republican Spokesman of the Civil War Crusade«, in: Phylon, 4th Quarter, 23:4 (1962), 332-45; Blight, 217-21. United States v. Cruikshank, 92 U. S. 542 (1876) Brief for Plaintiff in Error (Homer A. Plessy) by Albion W. Tourgée, Supreme Court of the United States, October Term, 1895, in: Philip B. Kurland/Gerhard Casper (eds.), Landmark Briefs and Arguments of the Supreme

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Plessy in seiner Selbstbestimmung beschnitten und durch die willkürliche Fremdbestimmung des Schaffners seines Besitzes, der sich in seinem sozialen Status als Weißer äußere, beraubt: »[I]n any mixed community, the reputation of belonging to the dominant race, in this instance the white race, is property, in the same sense that a right of action or of inheritance is property; and that the provisions of the act in question which authorize an officer of a rail road company to assign a person to a car set apart for a particular race, enables such officer to deprive him, to a certain extent at least, of this property—this reputation which has an actual pecuniary value—›without due process of law,‹ and are, therefore, in violation of the […] XIVth Amendment of the Constitution of the United States.«101

Tourgées Argument stützte sich auf die Annahme, dass die Reputation, ein weißer Mann zu sein, vor allem einen Besitz darstellte, weil er soziale Vorteile ermöglichte. Der Besitz des Attributs ›weiß‹ beinhalte neben Selbstrespekt finanziellen Gewinn: »Probably most white persons if given a choice, would prefer death to life in the United States as colored persons. Under these conditions, is it possible to conclude that the reputation of being white is not property? Indeed, is it not the most valuable sort of property, being the master-key that unlocks the golden door of opportunity?«102

Mit seiner Strategie, auf die Verfassungswidrigkeit des Separate Car Act zu plädieren, warf Tourgée die Frage auf, wie ›rassische‹ Zugehörigkeit bestimmt werden könnte. Dabei ist nicht unbedeutend, dass es sich bei Plessy um einen sehr hellhäutigen und nach eigenen Aussagen äußerlich nicht als farbig erkennbaren Mann handelte. Aufgrund der jahrhundertealten ›Rassenmischung‹ könne man laut Tourgée keine eindeutigen ›rassischen‹ Schranken aufziehen. Dass gerade ein einfacher Bahnangestellter diese schwerwiegende Entscheidung treffen solle, erschwere die von dem Gesetz ausgehende Gefahr zusätzlich.103 Die Entscheidung des Citizens’ Committee, den Testfall von einem ›fast weißen‹ Mann unternehmen zu lassen, ist vor dem Hintergrund dieses Problems viel diskutiert worden. Während Vertreter der ehemaligen Sklavenbevölkerung Plessy und seinen Unterstützern vorwarfen, sie bemühten sich lediglich um die Wahrung der gesellschaftlichen Mittelstellung der zumeist sehr hellhäutigen Afrokreolen, nicht aber um eine Verbesserung der Lebensumstände der Freigelassenen, hat die Forschung in der Entscheidung rückblickend einen gezielten Versuch der Subversion des amerikanischen ›Rassensystems‹ gesehen. Der zunehmenden Bedeutung der binär ausgerichteten

101 102 103

Court of the United States: Constitutional Law, vol. 13: Plessy v. Ferguson (1896), Washington: University Publications of America 1975, 30. Brief for Plaintiff in Error by Albion W. Tourgée, 35. Brief for Plaintiff in Error by Albion W. Tourgée, 36. Brief for Plaintiff in Error by Albion W. Tourgée, 33.

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one-drop-rule sollte Einhalt geboten werden, indem dem Gericht die der Regel inhärenten Widersprüche vor Augen geführt wurden.104 Was auf den ersten Blick als eine subversive Strategie erscheint, weil es das essenzialistische, auf ›rassische‹ Sichtbarkeit basierende Klassifizierungssystem der weißen Hegemonialmacht hinterfragt, erweist sich bei genauerem Hinschauen als eine höchst ambivalente Strategie. Auf der einen Seite unterwanderte Tourgée mit seinem Versuch, die Undurchführbarkeit der eindeutigen ›rassischen‹ Klassifizierung aufzudecken, das ihr zugrundeliegende biologistische Rassenverständnis. Andererseits schaffte er es aber nicht, die binäre Struktur dieses Systems auszuhebeln. Besonders deutlich zeigt sich dies am Problem des passing. Zwar bedient sich Plessy der Vorteile seiner ›fast weißen‹ Erscheinung, denn wären Schaffner und Mitreisende nicht in den Fall eingeweiht gewesen, wäre er vermutlich unentdeckt geblieben. Der Erfolg des Testfalls hing also vom Scheitern dieses passing ab. Nur wenn Plessy trotz seines ›weißen‹ Äußeren als ›Schwarzer‹ erkannt wurde, bot sich den Creoles of Color die notwendige Plattform, um gegen das binäre und restriktive Rassensystem vorzugehen. Plessys Versuch, als Weißer durchzugehen, musste als unrechtmäßige Aneignung einer Identität dargestellt werden und eben nicht als die rechtmäßige Erfüllung eines ihm zustehenden Anspruchs.105 Ein weiteres Problem des passing bestand darin, dass es erneut den Fokus auf das Sichtbare und damit auf äußere ›rassische‹ Merkmale lenkte, die nach dem Verständnis der hegemonialen Bevölkerung von jedem – auch einem einfachen Bahnangestellten – zweifelsfrei gedeutet werden konnten. So führte letzten Endes nur eine ›lesbare‹ Identität zum Erfolg des passing, wodurch dem Angriff auf die Biologismen dieses Rasseverständnisses wieder der Argumentationsboden entzogen wurde. Selbst wenn der Bahnangestellte Plessy fälschlicherweise die ›weiße‹ Identität zugewiesen hätte und dieser damit ›unentdeckt‹ geblieben wäre, so wäre doch die Vorstellung von zwei dualistisch zueinander stehenden ›rassischen‹ Identitäten geblieben, die ein ›Dazwischen‹ nicht zulassen. Plessy würde keine ›dritte‹ Identität zugewiesen, sondern lediglich die falsche innerhalb des binären Systems. Die präskriptive Qualität dieses Rasseverständnisses spricht Tourgée indirekt an, wenn er darauf hinweist, dass die vom Separate Car Act erlassene Forderung der Rassentrennung nur die Aufteilung in zwei ›rassische‹ Identitäten zulässt und dabei missachtet, dass es vielfältigere Möglichkeiten gibt (auch wenn diese ebenfalls auf essenzialistischen Merkmalen beruhen): »[T]he statute does not use the ordinary scientific terms, Caucasian, Mongolian, Indian, Negro, etc. Why? Evidently, because the legislature recognized the fact that by this act they were imposing a greatly added expense on the railroad companies of the state in requiring them to provide separate accommodations for each race. In the

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Vgl. Mark Elliott: »Race, Color Blindness, and the Democratic Public: Albion W. Tourgée’s Radical Principles in Plessy v. Ferguson«, in: Journal of Southern History 62:2 (May 2001), 321. Amy Robinson: »Forms of Appearance of Value. Homer Plessy and the Politics of Privacy«, in: Elin Diamond (ed.), Performance and Cultural Politics, London: Routledge 1996, 243.

298 | KREOLISCHE IDENTITÄT first place, they reduce the whole human family to two grand divisions which they term ›races‹, the ›white race‹ and the ›colored race.‹«106

Die besondere Problematik Plessys als ›rassengemischter‹ Person sprachen Tourgée und Walker in ihren Plädoyers an. Dabei verwiesen sie sowohl auf die Unmöglichkeit der genauen Bestimmung als auch auf die im binären System inhärente unterschiedliche Wertigkeit der ›Rassen‹: »How can the court itself say to what race belong quadroons, and octoroons and those persons who are of mixed Caucasian and African descent in the proportion of fifteen-sixteenths Caucasian and one-sixteenth part African blood? […] Will the court hold that a single drop of African blood is sufficient to color a whole ocean of Caucasian whiteness?«107

Der Versuch der Anklage, über Plessys ›rassische‹ Zwischenstellung das Augenmerk des Gerichts auf die Unmöglichkeit einer eindeutigen identitären Zuordnung zu lenken, unterstrich zwar in eindrucksvoller Weise den Konstruktcharakter von Zuschreibungen, bediente sich dabei allerdings weniger als die Gerichtsverfahren in der Antebellumzeit der sozialen Performanz von ›Rasse‹. Im Plessy-Fall ging es nicht darum, sein eigentliches ›Weißsein‹ über soziale Verbindungen oder die Erfüllung bestimmter Ämter oder Handlungen zu beweisen. Ich würde deshalb Ariela Gross in ihrer Interpretation widersprechen, dass der Plessy-Fall eine Weiterführung der beobachteten sozialen Performanz von ›Rasse‹ darstellt.108 Sicherlich sah man in Plessy einen Vertreter der respektablen afrokreolischen Gemeinschaft und war sich deshalb seiner abweichenden sozialen Position von der vieler Freigelassener bewusst. Trotzdem lag der Fokus der Verteidigungsstrategie nicht auf dem Versuch, das Gericht vom sozialen ›Weißsein‹ Plessys zu überzeugen. Vielmehr richtete man den Blick der Richter auf die Tatsache, dass er trotz seines vorgeblich ›eindeutigen‹ Äußeren ›rassengemischt‹ war. Neben der Problematik der Anwendbarkeit des Separate Car Act hinterfragten Tourgée und Walker auch die Intention des neuen Gesetzes. Sie vertraten die Meinung, dass es sich bei dem angegebenen Zweck – der Sicherung des Komforts für alle Fahrgäste – um eine glatte Lüge handelte. Entlarvt wurde diese ihrer Meinung nach durch den Abschnitt des Gesetzes, der es farbigen Kindermädchen erlaubte, im Wagen für weiße Fahrgäste Platz zu nehmen, wenn sie ein weißes Kind dabei hatten. Diese Ausnahmeregelung beweise, dass es den weißen Machthabern vor allem darum ging, diejenigen

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Tourgée: »Plessy v. Ferguson. Argument of Albion W. Tourgée«, Albion W. Tourgée Collection, Chautauqua Country Historical Society, Westfield, New York, zitiert in Medley, 201. Brief of James C. Walker, Esq., of Counsel for Plaintiff in Error, on Points Second, Third and Fifth of Assignment of Errors, and on Subdivisions 7, 8 and 9 under Point One, Assignment of Errors, in Philip B. Kurland/Gerhard Casper (eds.), Landmark Briefs and Arguments of the Supreme Court of the United States: Constitutional Law, vol. 13: Plessy v. Ferguson (1896), Washington: University Publications of America 1975, 77; Brief for Plaintiff in Error by Albion W. Tourgée, 58. Gross, 178-79.

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Farbigen durch das Gesetz auszugrenzen, die nicht ohnehin durch ökonomische Abhängigkeit und niedrigen sozialen Status degradiert seien: »[This] act is intended to ›keep the Negro in his place.‹ The exemption of nurses shows that the real evil lies not in the color of the skin but in the relation the colored person sustains to the white. […] They [the whites, N.M.] do not object to the colored person in an inferior or menial capacity—as a servant or dependent, ministering to the comfort of the white race—but only when as a man and a citizen he seeks to claim equal right and privilege on a public highway with the white citizens of the state.«109

Dieses Argument ähnelte denen, die die Aktivisten während des Kampfes um die Aufhebung der Rassentrennung in den City Cars in den späten 1860er Jahren vorgebracht hatten. Wie damals wurde ihm dadurch besondere Schlagkraft verliehen, dass es sich bei Homer Plessy und den Creoles of Color eben nicht um Vertreter einer wirtschaftlich und sozialen Unterschicht handelte. Trotz finanzieller Einbußen nach dem Bürgerkrieg waren sie in der überwiegenden Zahl noch immer gut situiert und vereinigten einen nicht unwesentlichen Anteil des Immobilienbesitzes auf ihre Gemeinschaft. Aristide Mary etwa, der das Citizens’ Committee finanzierte, war einer der reichsten Louisianians. Auf die Zugehörigkeit ihres Mandanten zur Mittelklasse verwiesen Tourgée und Walker bereits am Anfang ihres Plädoyers, indem sie auf das kultivierte, unauffällige Auftreten Plessys hinwiesen.110 Dies entlarvte nach Meinung der Anklage die wahre Intention des Separate Car Act, nämlich alle Farbigen, egal welcher sozialen Position, zum ›Komfort‹ der weißen Bevölkerung aus deren Blickfeld zu entfernen. Wegen fehlender Richtlinien zur Identifizierung von ›Rasse‹ würde die one-drop rule angewandt, deren einziger Zweck es sei, jegliches ›schwarzes‹ Erbe mit dem Makel des ehemaligen Sklavenstatus in Verbindung zu bringen: »There is no law of the United States, or of the State of Louisiana defining the limits of race—who are white and who are ›colored‹? […] It may be said that all those should be classed as colored in whom appears a visible admixture of colored blood. By what law? With what justice? Why not count every one as white in whom is visible any trace of white blood? There is but one reason to wit, the domination of the white race. Slavery not only introduced the rule of caste but prescribed its conditions, in the interests of that institution. The trace of color raised the presumption of bondage and was a bar to citizenship. The law in question is an attempt to apply this rule to the establishment of legalized caste-distinction among citizens.«111 109 110

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Brief for Plaintiff in Error by Albion W. Tourgée, 46, 58. Vgl. auch Cable: »Freedman’s Case,« 65. Brief for Plaintiff in Error by S. F. Phillips, in: Philip B. Kurland/Gerhard Casper (eds.), Landmark Briefs and Arguments of the Supreme Court of the United States: Constitutional Law, vol. 13: Plessy v. Ferguson (1896), Washington: University Publications of America 1975, 7. Phillips fungierte auf Betreiben Tourgées hin als Co-Verteidiger. In den Civil Rights Cases hatte Phillips die Regierungsseite vertreten und führte seitdem eine Privatkanzlei in Washington. Brief for Plaintiff in Error by Albion W. Tourgée, 38.

300 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Anstatt alle Menschen afrikanischer Abstammung als gleichwertige Bürger anzuerkennen, wie es der 14. Verfassungszusatz nach Meinung Tourgées intendierte, wurde der Separate Car Act als Diskriminierungsinstrument benutzt, um in einer post-Sklaverei-Gesellschaft soziale Ungleichheit aufgrund ›rassischer‹ Unterschiede zur Aufrechterhaltung der weißen Vormacht fortzuschreiben.

Das Urteil Am 18. Mai 1896 – über vier Jahre nachdem Plessy sich geweigert hatte, das Zugabteil zu wechseln – verlas der vorsitzende Richter John Billings Brown das Urteil des Obersten Gerichtshof, dem alle außer John Marshall Harlan zugestimmt hatten. Der Supreme Court wies die Klage Plessys mit der Begründung ab, dass die vom Act 111 etablierte Rassentrennung keine rassistisch-motivierte Benachteiligung darstelle und nicht gegen die Verfassung verstoße. Dabei argumentierte das Gericht auf soziologischen Grundlagen und interpretierte den 14. Verfassungszusatz als eine Garantie für politische, nicht aber soziale Gleichberechtigung.112 Die von Tourgée vorgebrachte Argumentation, die Segregierung auf der Basis von ›Rasse‹ stelle eine Verletzung des Bürgerrechts auf ›life, liberty, and property‹ dar, lehnte Brown ab. Das Gesetz sei begründet in der »distinction which is founded in the color of the two races, and which must always exist so long as white men are distinguished from the other race by color«.113 Diese Differenz aufzumachen, hieße aber nicht, dass man die juristische Gleichheit der ›Rassen‹ anzweifle. Darüber hinaus widersprach das Gericht dem Argument Tourgées, dass Plessy seines Eigentums in Form der Reputation ein ›weißer‹ Mann zu sein, beraubt worden sei. In Browns Antwort auf Tourgées wohlformulierten Einwand wird ersichtlich, dass er trotz seiner ablehnenden Haltung der Verteidigung dahingehend folgte, dass er in einer ›weißen‹ Identität eine Form von Besitz erkannte, die einem Individuum in der amerikanischen Gesellschaft finanzielle und soziale Vorteile verschaffte. Was Brown aber ablehnte, war Tourgées Argumentation, dass Plessy aufgrund der Handlung des Bahnbeamten dieser Identität beraubt worden sei. Denn als farbiger Mann sei er gar nicht berechtigt, eine solche zu besitzen: »[W]e are unable to see how this statute deprives him of, or in any way affects his right to, such property. If he be a white man, and assigned to a colored coach, he may have his action for damages against the company for being deprived of his socalled ›property.‹ Upon the other hand, if he be a colored man, and be so assigned, he has been deprived of no property, since he is not lawfully entitled to the reputation of being a white man.«114

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Plessy v. Ferguson. Das Urteil sowie die abweichende Meinung des Richters Harlan finden sich z. B. in The Supreme Court Reporter. Cases Argued and Determined in the U. S. Supreme Court, vol. 16, October 1895-August 1896, St. Paul, MN: West Publishing Co. 1896, 1138-48. Urteil in Plessy v. Ferguson. Urteil in Plessy v. Ferguson.

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Brown stand in seiner Urteilsbegründung vor dem Problem, dass er nicht nur die Bestimmungen des Separate Car Act verteidigen, sondern gleichzeitig auf das von Tourgée dargelegte Problem seiner Durchsetzung eingehen musste. Durch seinen Verweis auf andere Gerichtsfälle, bei denen die einzelnen Staaten unterschiedliche Maßstäbe bei der Interpretation ›rassischer‹ Identität angewandt hatten, gab er indirekt zu, dass es sich um eine arbiträre Zuweisung handelte. Allerdings ging Tourgées Strategie, über den Weg der Undurchführbarkeit genauer ›rassischer‹ Klassifizierung den Act 111 zu kippen, nicht auf, denn Brown befand kurzerhand, dass das Problem außerhalb der Zuständigkeit seines Gerichts läge.115 Seiner Meinung nach könnten soziale Rechte nicht durch ein Gesetz erzwungen werden, sondern müssten von der Gesellschaft erarbeitet und gebilligt werden. Da diese im Umgang mit der farbigen Bevölkerung bestimmten Gewohnheitsregeln – in seinen Worten ›Instinkten‹ – folge, stehe es dem Gericht nicht zu, diese zu ändern: »If the two races are to meet upon terms of social equality, it must be the result of natural affinities, a mutual appreciation of each other’s merits, and a voluntary consent of individuals. […] Legislation is powerless to eradicate racial instincts, or to abolish distinctions based upon physical differences, and the attempt to do so can only result in accentuating the difficulties of the present situation. If the civil and political rights of both races be equal, one cannot be inferior to the other civilly or politically. If one race be inferior to the other socially, the constitution of the United States cannot put them upon the same plane.«116

Mit diesem Urteil war zwar der Grundsatz ›separate but equal‹ geschaffen, der die Rassentrennung de jure einführte und bis zum Gerichtsfall Brown v. Board of Education of Topeka im Jahre 1954 Bestand haben würde. Doch trotz aller augenscheinlichen Übereinstimmung gab es auch innerhalb des Supreme Court eine liberale Stimme, die nicht gewillt war, sich dem Mehrheitsbeschluss des Gerichts anzuschließen. Bekannt als der ›Große Abweichler‹, stellte sich John Marshall Harlan auch in diesem Fall gegen die Mehrheitsmeinung. Der Südstaatler und ehemalige Sklavenbesitzer aus Kentucky entlarvte den Act 111 als Diskrimierungspolitik, deren Ziel es sei, in einer post-Sklaverei-Gesellschaft der farbigen Bevölkerung einen Platz als zweitklassige, minderwertige Gesellschaftsgruppe zuzuweisen. Der Meinung des Gerichts, dass eine durch das Gesetz festgelegte Unterscheidung nicht zwangsläufig eine Diskriminierung bedeutete, konnte er sich nicht anschließen.117 Dass Harlan trotzdem ein Kind seiner Zeit war, äußert sich in seiner Sicht auf die Unterschiede der ›Rassen‹. Denn obgleich er in dem Separate Car Act ein Diskriminierungsinstrument sah, glaubte er an die inhärente kulturelle Überlegenheit der weißen ›Rasse‹. Der Fehler seiner Richterkollegen lag seiner Meinung nach darin, dass sie diese Erkenntnis über den kulturellen und zivilisatorischen Status in gesetzliche Ungleichheiten festschrieben, was eindeutig gegen die Verfassung verstieß:

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Urteil in Plessy v. Ferguson. Urteil in Plessy v. Ferguson. Minority Opinion von Richter Harlan in Plessy v. Ferguson.

302 | KREOLISCHE IDENTITÄT »The white race deems itself to be the dominant race in this country. And so it is, in prestige, in achievements, in education, in wealth, and in power. So, I doubt not, it will continue to be for all time, if it remains true to its great heritage, and holds fast to the principles of constitutional liberty. But in view of the constitution, in the eye of the law, there is in this country no superior, dominant, ruling class of citizens. […] Our constitution is color-blind, and neither knows nor tolerates classes among citizens.«118

So war für Harlan nicht die tatsächliche Gleichheit der ›Rassen‹ etwa im Sinne kultureller Leistungen ausschlaggebend, sondern die nackten Bestimmungen der Verfassung, auf denen das Gemeinwohl der Nation ruhte. Nicht die ›rassische‹ Gleichheit war für ihn bestimmend, sondern die amerikanische Tradition der Demokratie, die keine Klassenunterschiede vor dem Gesetz kannte. Schon allein weil das zukünftige Schicksal der beiden ›Rassen‹ auf das engste miteinander verbunden sein würde, war es Harlans Meinung nach die Aufgabe des Gerichts, deren Eintracht zu fördern.119 Als Legitimierungsgrundlage für spätere Formen der Diskriminierungen war Plessy v. Ferguson geradezu monumental in seiner historischen Wirkung. Der Tragweite des Urteils war sich die Öffentlichkeit damals freilich nicht bewusst. Der Ausgang des Testfalls wurde in den Zeitungen nur dürftig kommentiert. Dabei überwogen im Norden die negativen Einschätzungen, während im Süden die positiven Reaktionen die Mehrheit bildeten. Im kollektiven Gedächtnis der USA schlummerte der Fall bis zu jenem Moment im 20. Jahrhundert, als man sich im Fall Brown v. Board of Education of Topeka daran machte, den etablierten Leitsatz ›separate but equal‹ zu revidieren. Für die Gemeinschaft der Afrokreolen allerdings hatte der Gerichtsfall über die Etablierung der Rassentrennung hinausgehende Auswirkungen.

Der Kampf um die Gemeinschaft In der Forschungsliteratur ist nur wenig auf die Gemeinschaft der Afrokreolen im Zusammenhang mit dem Plessy-Prozess eingegangen worden. Zwar wird die Herkunft Homer Plessys meist korrekt dargestellt und auch die Rolle des Citizens’ Committee wird mehr oder minder ausführlich erklärt. Dennoch überwiegen die juristischen Interpretationen des Falls. Dort, wo historische Umstände näher untersucht werden, geschieht dies häufig auf einer allgemeinen Ebene. Eine Untersuchung des Rechtsstreits mit Fokus auf der Gemeinschaft der Creoles of Color und ihrer Identitätskonstruktionen gibt es bisher nicht. Dies stellt insofern ein Versäumnis dar, als es sich keineswegs um einen Zufall handelt, dass gerade die Afrokreolen den Testfall inszenierten. Knapp 30 Jahre nach der Emanzipationserklärung und 25 Jahre nach dem 14. Verfassungszusatz waren es noch immer überwiegend die Creoles of Color, die sich in der Lage sahen, gegen Ausgrenzungsmechanismen vorzugehen. Ihre über den Bürgerkrieg und die Rekonstruktion hinübergerettete gesellschaftliche Position ermöglichte es ihnen, Organisationen und Zeitschriften ins Leben zu rufen. Die Mitarbeit in und Leitung von solchen Einrichtungen blieb vielen ehemaligen SklavInnen schon aus dem einfachen Grunde 118 119

Minority Opinion von Richter Harlan in Plessy v. Ferguson. Minority Opinion von Richter Harlan in Plessy v. Ferguson.

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verwehrt, dass sie meist harte landwirtschaftliche Arbeit leisten mussten, um das Überleben ihrer Familien zu sichern. Darüber hinaus bestand trotz aller Fortschritte noch ein wesentlicher Rückstand der ehemaligen Sklavenbevölkerung in Bezug auf Bildung und wirtschaftliches Potenzial. Dass Letzteres auch für den Plessy-Fall nicht unbedeutend war, liegt auf der Hand. Zwar hatte Tourgée die Verteidigung pro bono übernommen, dennoch entstanden dem Citizens’ Committee hohe Kosten, zum Beispiel in Form der Kaution, die für Plessy nach seiner Verhaftung hinterlegt werden musste und die vom wohlhabenden Afrokreolen Paul Bonseigneur bezahlt wurde.120 Neben den praktischen Vorteilen, die den Afrokreolen aus ihren finanziellen Möglichkeiten und ihren Verbindungen zu wichtigen Persönlichkeiten in Louisiana erwuchsen, war es vor allem die Radikalität ihres Denkens, die die Gruppe für eine Führungsrolle im Kampf um das Segregationsgesetz prädestinierte. Anders als viele derjenigen, die die Sklaverei noch am eigenen Leib erfahren hatten, zeichnete sich die Identität der Creoles of Color durch eine häufige Rekurrierung auf den freien Status ihrer Familien vor dem Bürgerkrieg, ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Vorankommen des Staates und die militärischen Leistungen ihrer Vorfahren aus. Während Louisiana nach dem Bürgerkrieg zeitweise zu einem Vorzeigestaat im Hinblick auf Rassenversöhnung und Gleichberechtigung geworden war, kündigte sich seit der Redeemer-Bewegung eine konservative Gegenreaktion an. Die entwürdigende Absurdität des Jim Crow-Systems machte auch dem Herausgeber des Crusader, Martinet, zu schaffen, der nach eigener Angabe aufgrund seiner hellen Hautfarbe nur selten mit rassistischen Vorurteilen zu kämpfen hatte.121 Dennoch schrieb er zu Beginn des Plessy-Unternehmens resigniert an Tourgée:

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Bereits vor dem Plessy-Fall hatten Creoles of Color Versuche unternommen, gerichtlich gegen die Rassentrennung vorzugehen. So etwa Josephine Decuir, wohlhabende Plantagenbesitzerin und Tochter des ehemaligen Schatzmeisters Antoine Dubuclet, die sich 1872 gegen die rassengetrennten Einrichtungen auf dem Dampfschiff Governor Allen zur Wehr gesetzt hatte. Nachdem sowohl das Bezirksgericht als auch der staatliche Supreme Court in ihrem Sinne entschieden und ihr ein Schadensgeld zugesprochen hatte, kehrte das nationale Oberste Gericht die Urteile mit der Begründung um, dass das Schiff sowohl innerhalb als auch außerhalb Louisianas verkehre und der Besitzer deshalb eigene Regeln aufstellen dürfe, um den reibungslosen Geschäftsablauf zu sichern. Hall v. DeCuir, 95 U. S. 485 (1873). Siehe Kathryn Page: »Defiant Women and the Supreme Court of Louisiana in the Nineteenth Century«, in: Warren M. Billings/Mark F. Fernandez (eds.), A Law Unto Itself? Essays in the New Louisiana Legal History, Baton Rouge: Louisiana State UP 2001, 184-88. 1874 verklagten Aristide Mary und John F. Staes den Pächter des Opernhauses, L. Placide Canonge, der ihnen den Zutritt verwehrt hatte. Weekly Louisianian, 5. Dezember 1874. Sowohl der ehemalige Redakteur der Tribune, Paul Trévigne, als auch der Aktivist Arnold Bertonneau, klagten außerdem gegen Rassentrennung in Schulen: Paul Trévigne vs. School Board and W. O. Rogers (1879), 31 La. Ann. 105; Daily Picayune, 20. Februar 1879, zitiert in Fischer: Segregation Struggle, 141. Vgl. zu den beiden Gerichtsfällen DeVore/Logsdon, 88-99. Martinet an Tourgée, 5. Oktober 1891, zitiert in Blair Murphy Kelley: »›A Right to Ride‹: African American Citizenship, Identity, and the Protest over Jim Crow Transportation«, (Ph.D. diss., Duke University 2003), 73.

304 | KREOLISCHE IDENTITÄT »You don’t know what that feeling is, Judge. You may imagine it, but you have never experienced it. Knowing that you are a freeman, & yet not allowed to enjoy a freeman’s liberty, rights, and privileges unless you stake your life every time you try it. To live always under the feeling of restraint is worse than living behind prison bars. […] [I]t suffocates me.«122

Tatsächlich zeigten sich zu dieser Zeit in der Gemeinschaft der Creoles of Color erste Ermüdungserscheinungen. Die anfangs so kämpferischen Aussagen Desdunes’ und des Crusader waren zögerlichen und skeptischen Stimmen gewichen, die allerdings nur in privaten Briefen Ausdruck fanden. So fragte Martinet in einem Brief an Tourgée: »[Are we] fighting a hopeless battle—a battle made doubly hopeless by the tyranny and cruelty of the southern white and the Negro’s own lack of appreciation, his want of energy and his submissiveness?«123 Neben Selbstzweifeln spricht aus Martinets Brief das wachsende Bewusstsein für ein wesentliches Problem, mit dem sich das Citizens’ Committee während des jahrelangen Kampfes gegen das Segregationsgesetz konfrontiert sah. Zwar hatten die Creoles of Color von jeher die Führungsposition innerhalb der farbigen Bürgerrechtsbewegung für sich beansprucht, doch je mehr Zeit verging, desto stärker wurde die Konkurrenz von angloafroamerikanischen Aktivisten, die oftmals divergierende Strategien und andere Ziele verfolgten. So war es bereits vor der Gründung des Citizens’ Committee zu Differenzen zwischen den beiden Gruppen gekommen. Die ACERA, an der sowohl Afrokreolen als auch angloamerikanische, protestantische Farbige beteiligt gewesen waren, war letztlich an Unstimmigkeiten über die Vorgehensweise zerbrochen. Die Creoles of Color sahen im Zögern vieler protestantischer Mitglieder ein Zeichen fehlenden Kampfgeistes, ja der Feigheit. Zeitgleich mit der ACERA hatte sich in Chicago die Afro-American League unter der Leitung von Thomas Fortune geformt. Genau wie die ACERA und später das Citizens’ Committee kämpfte sie gegen die Diskriminierung im öffentlichen Raum. Da die von Fortune angeprangerten Missstände vor allem im Süden stark ausgeprägt waren, sah er dort den eigentlichen Wirkungsraum seiner Organisation. Die Nordstaaten sollten den Protest lediglich durch entsprechende Lobbyarbeit unterstützen. Die Afro-American League geriet mit der ACERA und Vertretern der Afrokreolen in New Orleans schnell in kontroverse Debatten über die Vorgehensweise. Nachdem Fortune anfangs einen ähnlich scharfen Kurs wie Desdunes vertreten hatte, wandte er sich von dieser Strategie bald ab. Bereits 1887, nur einige Monate nach der Gründung der Afro-American League, propagierte er ausschließlich »peaceable and lawful means«.124 Zwischen den beiden Organisationen der League und der ACERA tat sich außerdem bald ein Graben bezüglich der Behandlung weißer Unterstützer auf. Während die Afro-American League ihrem Namen treu blieb und alle weißen Sympathisanten, darunter auch Tourgée, von ihrem nationalen 122 123 124

Martinet an Tourgée, 30. Mai 1893, zitiert in Medley, 178. Martinet an Tourgée, [Mai 1893], zitiert in Kelley, 80. Emma Lou Thornbrough: »The National Afro-American League, 18871908«, in: Journal of Southern History 27:4 (November 1961), 496.

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Treffen im Januar 1890 ausschloss, bemühten sich Teile der ACERA darum, ihre Organisation rassenübergreifend zu gestalten.125 Unabhängig vom Citizens’ Committee versuchte die Afro-American League, einen Testfall gegen die Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln vor Gericht zu bringen, allerdings ohne Erfolg. Fehlende finanzielle Unterstützung verurteilte ihren Versuch zum Scheitern. An diesem Beispiel zeigt sich, wie einzigartig die Gruppe der Afrokreolen in New Orleans war. Nur weil es ihnen ein letztes Mal gelang, sowohl die finanziellen als auch die agitatorischen Kräfte ihrer Führungspersönlichkeiten zu bündeln, schaffte es der Plessy-Fall überhaupt bis zum Obersten Gerichtshof. Die afrokreolischen Aktivisten gingen mit größerer Angriffslust zu Werke und hatten weitreichendere Ziele als die meisten der angloamerikanisch geprägten Bürgerrechtler. Lediglich innerhalb ihrer Gemeinschaft in Ruhe gelassen zu werden und sich dem materiellen Fortkommen der eigenen Gruppe zu widmen, wie es von Booker T. Washington propagiert wurde, war den Creoles of Color zu wenig. So schrieb der Crusader im Mai 1895: »[W]e find Republican papers to assert that the ›war is indeed over‹, as if to mean that the feelings engendered by the war have died away. That may be true as to white and white, as a question of one race in social intercourse; but as a matter of loyalty to the laws of the Union, the prognostic is false, and no man having the despised blood in his veins should be so forgetful of surroundings, as to utter it, unless he rates his interest above his sentiment, and talks or wishes to accommodate.«126

Die Creoles of Color strebten danach, endlich für ihren Anteil am Aufbau und der Verteidigung des Staates Louisiana belohnt zu werden. Politische Gleichberechtigung – die noch dazu bereits wieder eingeschränkt wurde – bei gleichzeitiger sozialer Segregation war ihnen nicht genug. Mehr als alles andere sehnten sie sich nach der Anerkennung durch die weiße Gesellschaft. Wiederum eröffnet uns ein Brief Martinets Einblick in seinen Kampf: »I feel at times as if I could tear the flag—the stars and stripes—into shreds. Yet I am not a bad citizen—as long as I live within its jurisdictions I shall be loyal to the country. […] And yet why this feeling? I have no special love for the Negro—never perhaps had—only sympathy. As an individual I have been respected by those with whom I have come in contact. […] I do not hanker for companionship or social relations with those who do not want to associate with me, nor do I desire unduly the personal advantages that accrue from unreserved association with one’s fellow beings. […] All I want is my civil rights, privileges as a citizen, and simple justice for all who are denied it. I want to enjoy rights and don’t want to be tolerated merrily.«127

Obwohl sie mit dem 14. Verfassungszusatz als Bürger anerkannt wurden, stellte die weiße Hegemonialgesellschaft die Creoles of Color zusehends mit den Ex-SklavInnen auf eine Stufe; eine Tatsache, die ihnen bei aller Solidari125 126 127

Martinet an Tourgée, 5. Oktober 1891, in Olsen: Thin Disguise, 58. Crusader, 30. Mai 1895. Martinet an Tourgée, 20. Mai 1893, zitiert in Kelley, 81-82.

306 | KREOLISCHE IDENTITÄT

tät zu schaffen machte. Aufgrund ihres europäischen Erbes und ihres sozialen Standes fühlten sie sich in einer Vorreiterposition. Die Tendenzen der Creoles of Color, sich auf ihre ganz besondere Geschichte zu beziehen, wie sie vor allem in ihrer Zeitung L’Union während der Nachkriegszeit zum Ausdruck gekommen war, stießen bei der übrigen farbigen Bevölkerung auf wenig Verständnis. Das Citizens’ Committee und seine Unterstützer sah sich aber im Recht und reagierte auf Elitismusvorwürfe, indem es den fehlenden Kampfgeist der übrigen farbigen Bevölkerung anprangerte: »The colored people are […] divided into three classes. (1) Those who feel that whatever can be done of protest against wrong and in encouragement of right and duty, must be done. (2) Those who prefer to submit to wrong rather than suffer the inconvenience of demanding the right. (3) Those who care nothing about the rights and interests of their race, but are content to enjoy such privileges as the whites are willing to grant them from time to time. The Daily Crusader is the representative of the first class. It is the result of persevering faith and indomitable hope and courage. It needs no guaranty to any one who knows the history of its founding, that it will be a constant protest against wrong and will contend stoutly for right. […] It will be an interpreter to the white people of all classes, of the best hope and inspiration of the colored race,—an exponent of the best there is in the colored American.«128

Viele Aktivisten der angloafroamerikanischen Gruppe erinnerte das Citizens’ Committee an den Versuch der Unification-Bewegung, eine rassenübergreifende Elitenregierung zu etablieren. Tatsächlich waren viele der damals an der Unification beteiligten Creoles of Color auch im Bürgerkomitee vertreten. Martinet berichtete in einem Brief von dem Vorwurf eines protestantischen Geistlichen und Mitglieds der ACERA, A. S. Jackson, der behauptete, dass »the people who support our movement were nearly white, or wanted to pass for white and that in ›succumbing‹ to our fund they did not sign their names.«129 Die Creoles of Color beschwerten sich ihrerseits, dass die einflussreichen Führungspersönlichkeiten der angloafroamerikanischen Gruppe dem Citizens’ Committee ihre Unterstützung vorenthielten: »Frederick Douglass—the greatest of all Negroes—wrote that he was opposed to making decisions and establishing precedents against his race. The greatest representative of the Negro was unpardonably ignorant, it is seen, of the constitutional rights of his race.«130 Aus Sicht des Komitees kam es einem Verrat an der eigenen Sache gleich, dass sich viele der einflussreichen Bürgerrechtler aus der ehemaligen Sklavenbevölkerung einer finanziellen und ideologischen Unterstützung ihres Kampfes versagten. Martinet erklärte dieses Versäumnis mit dem Egoismus und Opportunismus vieler Aktivisten. Wie unversöhnlich die Positionen zwischen den Führern des Citizens’ Committee und anderen farbigen Bürgerrechtlern, vor allem angloafroamerikanischer Herkunft, waren, zeigt ein Brief Martinets, in dem er sich beklagt über die »readiness of certain ›national leaders‹ to affix their names to public documents for buncombe, but never make the slightest sacrifice, or do anything to help unless it 128 129 130

Crusader, 19. Mai 1894. Martinet an Tourgée, 11. Oktober 1891, zitiert in Kelley, 77. Crusader, 28. Mai 1892.

»VANISHING INTO OBLIVION« | 307 benefits them—Douglass, Pinchback & the like. What have they ever done that has not been of more profit to them than to their race? They have grown rich in fighting the race’s battles; that’s the kind of patriots they are. When we organized the Citizens’ Committee we sent a circular letter to each of those two gentlemen […], but neither gave a cent.«131

Mit Blick auf die privaten Aussagen Martinets scheint es, als ob die Gründung eines integrativen afroamerikanischen Aktionsbündnisses an der Sturheit und dem Egoismus der angloafrikanischen farbigen Bevölkerung gescheitert wäre. Tatsächlich lag jedoch ein Teil der Schuld auch bei den Creoles of Color. Die Vorbereitung und Anlage des Plessy-Falls machte es von vorneherein schwierig, eine breite Basis zu mobilisieren. Schon die Idee war im kleinen Kreis der Afrokreolen entstanden, die sich seit jeher exklusiv gaben. Verbreitet wurde sie durch den Crusader, der jedoch nur eine lokale Auflage hatte. Zwar versuchte Martinet zeitweise, auch die angloamerikanische, protestantische Gruppe der farbigen Bevölkerung zu engagieren. Bei genauer Betrachtung war der Crusader allerdings, wie seine Vorgänger L’Union und Tribune, ein elitäres Blatt, das vor allem die afrokreolische Mittelschicht repräsentierte.132 Darüber hinaus war die Wahl Homer Plessys als Ankläger problematisch. Sie verlieh dem Fall aufgrund seiner gemischten Abstammung zwar eine der Stadt New Orleans eigene Brisanz, öffnete aber auch Tür und Tor für Kritik. Das von Tourgée vorgebrachte Argument, dass Plessy seiner Reputation als ›Weißer‹ beraubt worden war, legte offen, dass nur solche Farbigen geschützt wären, die aufgrund ihrer Hellhäutigkeit in die weiße Schicht hinüberwechseln konnten. So schien es, als ob die Afrokreolen genau denselben engen Interpretationsrahmen anlegten wie das Gericht. Die Anwendung der passingStrategie erreichte lediglich, dass sich die Gruppe derjenigen vergrößerte, die von einer ›weißen‹ Identität profitierten. Das dahinterstehende Konzept der Favorisierung einer ›weißen‹ Identität wurde nicht angegriffen.

›Rasse‹ und Geschlecht im Plessy-Fall Ein weiterer Fehler in der Planung lag möglicherweise in der Entscheidung, einen männlichen Vertreter der Creoles of Color als Testperson zu engagieren. Zwar hatte man innerhalb des Komitees darüber diskutiert, ob man dem Fall besondere Durchschlagskraft verleihen könnte, wenn eine Frau gegen den Separate Car Act verstieße. Man entschied sich allerdings dagegen, weil man glaubte, dass es in New Orleans schwierig sein würde, den Fall mit einer weiblichen Testperson vor Gericht zu bringen, denn die Eisenbahnkontrolleure würden sie vermutlich nicht so vehement nach ihrer ›Rasse‹ befragen wie einen Mann.133

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133

Martinet an Tourgée, 4. Juli 1892, in Olsen: Thin Disguise, 65. Daran änderte auch Desdunes’ Versuch nichts, der Zeitung einen volksnahen Anstrich zu verleihen, indem er sich in seiner Funktion als leitender Redakteur seit 1895 darum bemühte, den Problemen der Arbeiterschicht mehr Platz einzuräumen. Martinet an Tourgée, 5. Oktober 1891, in Olsen: Thin Disguise, 56-57.

308 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Um den Hintergründen der Entscheidung auf die Spur zu kommen, ist ein Artikel von Barbara Welke hilfreich, der sich mit weiteren Fällen beschäftigt, die in der Zeit zwischen 1865 und 1890 von farbigen Frauen in den Südstaaten vor Gericht gebracht wurden. Die meisten von ihnen forderten die Rassentrennung dadurch heraus, dass sie verbotenerweise in den separaten Abteilen für Ladies Platz nahmen. Entsprechend der vorherrschenden Regeln vieler Städte und Staaten hatten sie als Women of Color dort allerdings nichts zu suchen und wurden gezwungen, in den weniger komfortablen Smoking Cars zu reisen, in denen sie nicht selten den Beleidigungen und sexuellen Aufdringlichkeiten weißer Männer ausgesetzt waren. Die bereits während der Antebellumzeit geltende Regel, dass Eisenbahnlinien und Schiffe gesonderte Räume für Frauen zur Verfügung stellen mussten, wurde in diesen Fällen auf die Rassentrennung übertragen. Wesentlicher Schwachpunkt daran war, dass die Zuordnung farbiger Frauen unklar blieb. Während man zuvor nach dem Grundsatz verfahren war, »all women are white, and all blacks are men«134, rückte nun die Tatsache in den Vordergrund, dass eben nicht alle Frauen ›weiß‹ waren. Wie bereits in den 1860er Jahren, als man in New Orleans die Rassentrennung in den City Cars debattiert hatte, ging es auch hier um die Frage, ob eine farbige Frau – unabhängig von ihrer sozialen Schicht – als ehrbare Dame zu behandeln war. Welke hat bei der Untersuchung von Gerichtsakten festgestellt, dass die Frauen eine durchaus faire Chance hatten zu gewinnen, während männliche Vertreter fast ausnahmslos ihre Klagen verloren. Diese Tatsache erklärt sie damit, dass die Women of Color ihren Status als Damen reklamierten, ihre ›rassische‹ Zuordnung aber oftmals keine große Rolle spielte. Indem sie auf ihre Rechte als Frauen pochten, blieben sie in dem ihnen zugeschriebenen privaten Bereich – den sie aus ihrer Sicht zweifelsfrei politisch machten –, der aber als solcher von der weißen Elite nicht wahrgenommen wurde.135 Der für den Plessy-Fall interessante Unterschied liegt in der Tatsache, dass ein männlicher Kläger unmissverständlich aus dem privaten Bereich heraustrat und eine weitreichende politische Forderung stellte. Dies war auch das Anliegen der Creoles of Color gewesen. Sie mögen von den übrigen Gerichtsfällen der Frauen gewusst haben oder nicht – sicherlich spürten sie aber, so würde ich argumentieren, dass nur ein Mann die politischen Rechte einklagen könnte, für die sie bereits seit knapp hundert Jahren kämpften. Anders als die weiblichen Kläger hinterfragten sie nicht eine spezifische Situation oder lokale Gewohnheiten und basierten ihre Forderungen nicht auf dem common law der getrennten Einrichtungen für die beiden Geschlechter. Vielmehr klagten sie die Rassenhierarchie eines Staates, ja einer ganzen Nation an, und beriefen sich dabei nicht nur auf ihre persönliche Integrität, sondern auf die in der Verfassung verbrieften Rechte als amerikanische Bürger. Auch die Gesetzgeber spielten auf ihre Weise mit der Verschränkung von Geschlecht und ›Rasse‹. Dabei wurde immer wieder auf die ›andere‹ Sexualität der farbigen Männer und Frauen Bezug genommen. In seinem Plädoyer hatte Tourgée dazu folgende rhetorische Frage gestellt:

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Barbara Y. Welke: »When All the Women Were White, and All the Blacks Were Men: Gender, Class, Race, and the Road to Plessy, 1855-1914«, in: Law and History Review 13:2 (Fall 1995), 261-316. Welke, 292.

»VANISHING INTO OBLIVION« | 309 »What is the act prohibited in the statute in question in this case? The sitting of a white man or woman in the car in which a colored man or woman sits or the sitting of a colored man or woman in the car in which white men or women are sitting,—is this dangerous to the public health? Does this contaminate public morals? If it does from whence comes the contamination?«136

Für die weiße Elite stand hingegen fest: Die ›Schwarzen‹ waren die ›Beschmutzer‹ der weißen ›Rasse‹. Entsprechend des rape-lynching-Komplex137, der sich nach anfänglichem Zögern in den 1890er Jahren auch in Louisiana festgesetzt hatte, wurde die ›weiße‹ Frau zum Sinnbild der zu beschützenden Reinheit stilisiert. Dass dieses Muster im Plessy-Fall funktionierte, zeigt ein Artikel des Times-Democrat, der sich für den Separate Car Act aussprach: »As a matter of fact, one is thrown in much closer communication in the car with one’s traveling companions than in the theatre or restaurant with one’s neighbors. Whites and blacks may there be crowded together, squeezed close to each other in the same seats, using the same conveniences, and to all intents and purposes in social intercourse. A man that would be horrified at the idea of his wife or daughter seated by the side of a burly negro in the parlor of a hotel or at a restaurant cannot see her occupying a crowded seat in a car next to a negro without the same feeling of disgust. […] The man who believes that the white race should be kept pure from African taint will vote against that commingling of the races inevitable in a ›mixed car‹ and which must have bad results.«138

Dass im Gegenzug auch die Creoles of Color die Gender-Karte spielten, zeigt ein Artikel im Crusader: »The question arises at once, that while a colored passenger, even a lady is forced into the company of vicious and disorderly white men, she cannot for any price or on any account be allowed in that coach which is better suited to her condition by the simple reason of color. If a young lady she may be inconvenienced, insulted, shocked or sick, it makes no difference; the law must be enforced to the full extent or a denial of travel be chosen as the last alternative.«139

Die Creoles of Color zeigen sich hier als Anhänger eines bürgerlichen Ideals, das der Frau besondere Charakteristika zusprach, die nicht nur ihren eigenen Status, sondern auch den ihrer männlichen Familienmitglieder widerspiegelten. Für die der mittleren Schicht angehörenden Creoles of Color war es deshalb undenkbar, dass ihre Frauen in den Smoking Cars Platz nehmen sollten und sich dort den despektierlichen Blicken und Anmaßungen weißer Männer preisgeben mussten. Sowohl die Anstrengungen der Creoles of Color als auch das Urteil im Plessy-Fall ist vor dem Hintergrund der Verschränkung von Rassen- und Ge136 137 138 139

Brief for Plaintiff in Error by Albion W. Tourgée, 45. Vgl. Sommerville; Gabriele Dietze: Weiße Frauen in Bewegung. Genealogien und Konkurrenzen von Race- und Genderpolitiken, Bielefeld: transcript (i. E.). Times-Democrat, 9. Juli 1890. Crusader, 11. Juni 1892.

310 | KREOLISCHE IDENTITÄT

schlechterdiskursen zu sehen, die seit der Rekonstruktion die Politik und das gesellschaftliche Leben des Südens prägten. Die politischen Rechte, die man den Männern der farbigen Bevölkerung durch die Verfassungszusätze zugesprochen hatte, wurden seit dem Ende des Bürgerkriegs immer stärker mit männlicher farbiger Sexualität in Verbindung gebracht. Der Gefahr, dass sich diese Männer nicht nur im politischen Bereich ihre Gleichberechtigung erkämpften, sondern auch in ihrem Zugriff auf weiße Frauen zum Ausdruck bringen könnten, trat man mit dem Bestrafungsmechanismus des Lynching entgegen, das in Louisiana seinen traurigen Höhepunkt eben in jenem Jahr fand, in dem Homer Plessy seines Bürgerrechts auf eine selbstbestimmte Identität beraubt wurde.140

Das Ende des afrokreolischen Aktivismus Der abweichende Richter Harlan hatte in seiner Meinungsbegründung prophezeit, dass der Tag des Plessy-Urteils als ein Tag der Ungerechtigkeit in die Geschichte der USA eingehen würde: »The thin disguise of ›equal‹ accommodations for passengers in railroad coaches will not mislead any one, nor atone for the wrong this day done.«141 Dass Harlan mit dieser Einsicht allein stand, zeigte sich an dem Desinteresse der Öffentlichkeit am Ausgang des Plessy-Falls. Für die Creoles of Color bedeutete dies neben der juristischen auch eine moralische Niederlage. Die afrokreolische Gemeinschaft blieb nach dem Plessy-Urteil als Verlierer auf der ganzen Linie zurück. Sie musste der Wahrheit ins Auge blicken, dass die Nation in absehbarer Zukunft nicht bereit sein würde, ihr Versprechen von Gleichheit einzulösen. So kam mit dem Scheitern im Plessy-Fall auch bald das Ende des Crusader. Alle Versuche, die Leserschaft und damit den Kreis der Unterstützer zu verbreitern, waren gescheitert. Bereits im Jahre 1895 mussten die Herausgeber mehrfach an ihre AbonnentInnen appellieren, den Erhalt der Zeitung zu sichern.142 Die Mehrzahl der angloafroamerikanischen Ex-SklavInnen waren zur Jahrhundertwende damit beschäftigt, sich ein eigenes Leben und eine einigermaßen sichere finanzielle Basis für ihre Familien aufzubauen. Sie sahen, wenn sie sich überhaupt für den Bürgerrechtskampf einsetzten, ihre Zukunft eher in Booker T. Washingtons Konzept. Dieser vertrat die Ansicht, dass auf den wirtschaftlichen Erfolg der farbigen Gemeinschaft und ihre Hinwendung zu einem sittsamen Lebensstil irgendwann auch das Ende der Diskriminierungen folgen würde. Auf sich allein gestellt, gaben sich die Verantwortlichen des Crusader wenig später geschlagen und stellten die Publikation ein. Desdunes sah in dem Scheitern der Zeitung ein Zeichen für die weiter abnehmende Bereitschaft der farbigen Bevölkerung, den rassendiskriminierenden Tendenzen der weißen Mehrheitsgesellschaft Widerstand zu leisten. In sein Urteil schloss er allerdings nicht nur die angloafroamerikanischen Farbigen ein, sondern ebenso die afrokreolische Bevölkerung. Aus seiner Sicht hatten sich inzwischen auch zu viele Creoles of Color mit der Situation arrangiert. Anstatt ihr gesamtes Potenzial in den Kampf zu stecken, waren auch sie von der allgemei140 141 142

Gegen Lynching setzten sich auch die Creoles of Color, vor allem Desdunes ein. Siehe dazu Weekly Louisianian, 9., 16., 23. Juli 1881. Minority Opinion von Richter Harlan in Plessy v. Ferguson. Crusader, 1. Juni 1895.

»VANISHING INTO OBLIVION« | 311

nen Sehnsucht nach Harmonie – egal wie brüchig – und wirtschaftlicher Selbstverwirklichung getrieben. Über den Untergang des Crusader schrieb er später in seiner Geschichte der Creoles of Color: »Diejenigen, die die Mittel hatten und die die Zeitung hätten unterstützen können, waren über die zunehmend schwierigen Umstände erschrocken. Weil die Freunde der Gerechtigkeit entweder tot waren oder gleichgültig, glaubten sie, dass die Weiterführung des Crusader nicht nur fruchtlos sein würde, sondern sogar gefährlich. Und weil sie außerdem sahen, dass die Tyrannei ihrer Unterdrücker grenzenlos war, dass sie all ihren Schöpfergeist daran setzten, immer mehr erniedrigende Gesetze gegen die Farbigen zu erschaffen, glaubte unsere Gemeinschaft, dass es besser sei, in Stille zu leiden als die Aufmerksamkeit auf ihr Schicksal und ihre Schwäche zu lenken. Wir teilen diese Schlussfolgerung nicht. Wir denken vielmehr, dass es edler und würdevoller ist, zu kämpfen, ganz egal wie, als in untätiger Resignation zu verharren. Absolute Unterwerfung vergrößert die Macht der Unterdrücker und lässt über die Gefühle der Unterdrückten Zweifel aufkommen.«143

Zweifel wollte Desdunes aber keinesfalls aufkommen lassen. Der ›Kuhhandel‹, den viele Creoles of Color in der Vorgehensweise Booker T. Washingtons sahen, stellte für Desdunes und seine Gefährten den Ausverkauf der afrokreolischen Seele dar. Ende des Jahrhunderts waren die Farbigen in Louisiana mehr denn je in ihren Ansichten gespalten. Während eine Mehrzahl von ihnen das propagierte Programm des wirtschaftlichen Fortkommens der ›Rasse‹ begrüßten, sahen vor allem die Creoles of Color in den Vertretern der ›Akkomodation‹ nur herzlose Opportunisten, die als ›gute Neger‹ der hegemonialen Macht nach dem Munde redeten.144 Am Ende blieb den Creoles of Color nur noch, ihren Widerstand gegen die weiße Vorherrschaft zu Grabe zu tragen. Sie taten dies, indem sie ein Pamphlet veröffentlichten. Ein letztes Mal legten sie ihre Meinung zu dem Gesetz der Rassentrennung dar. Anders als vielleicht zu erwarten und doch auf eine seltsame Weise passend, schlossen sie nicht mit einem pathetischen Aufruf, sondern mit der nüchternen Darstellung ihrer Finanzen. Von den eingenommenen Geldern blieben nach Abzug der Kosten 220 Dollar übrig. Sie wurden auf verschiedene karitative Einrichtungen der farbigen Bevölkerung in New Orleans verteilt.145 Am 11. Januar 1897 erschien Homer Plessy erneut vor dem Richter John H. Ferguson im Bezirksgericht von New Orleans, bekannte sich der Verletzung des Eisenbahn-Rassentrennungsgesetzes schuldig und bezahlte die Geldstrafe in Höhe von 25 Dollar. Plessy lebte lange genug, um die Ausdehnung der Rassentrennung auf die City Cars in New Orleans zu erleben und sich daran zu erinnern, wie seine Vorfahren 1867 gegen genau diese Maßnahme erbittert gekämpft hatten.146 1925 starb er und wurde auf

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Desdunes: Nos Hommes, 191. Siehe auch Crusader, 1. Juni 1895. Crusader, 1. Juni 1895. Report of Proceedings for the Annulment of Act 111 of 1890. Dem Urteil in Plessy v. Ferguson folgten weitere Rassentrennungsgesetze. 1894 wurde die Ehe zwischen Weißen und Farbigen verboten und die Verfassung von 1898 etablierte rassengetrennte Schulen. In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde eine große Zahl an weiteren Gesetzen er-

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dem St. Louis-Friedhof No. 1 beerdigt. Auf seinem Grabstein findet sich kein Hinweis auf seine Rolle im Kampf um die Bürgerrechte. Plessys Anwalt James C. Walker dagegen wurde in seinem Nachruf fälschlicherweise als Sieger im berühmten Jim Crow-Gerichtsfall bezeichnet.147

Resümee Die Phase seit dem Scheitern der Tribune und der Allianz zwischen den angloafroamerikanischen Politikern und den afrokreolischen Aktivisten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war der Abgesang einer handlungs- und politikfähigen Identität der Free People of Color. In den 1870er Jahren, die nach allen anderen Südstaaten schließlich auch in Louisiana in der Wiederherstellung einer konservativen, von den Demokraten getragenen Regierung mündeten, wurden die politisch engagierten Afrokreolen zunehmend im Kampf der politischen Lager zerrieben. Nachdem man sich mit den angloamerikanisch geprägten Freigelassenen nicht auf eine gemeinsame Strategie im Kampf für die Gleichberechtigung hatte verständigen können, wandten sich die Creoles of Color in der Unification-Bewegung kurzzeitig wieder der weißen Oberschicht als möglichem Partner zu. An der relativen Leichtigkeit, mit der die Afrokreolen offenbar ihre ›Loyalitäten‹ wechselten und sich auf Mitstreiter zumindest übergangsweise einstellen konnten, zeigt sich ihre noch immer währende identitäre Zwischenstellung. Nachdem sie mit ihrem Versuch einer Annäherung an eine integrative afroamerikanische Identität, wie sie sich in den 1860er Jahren zeitweise in der Tribune gezeigt hatte, gescheitert waren, betonten sie in den frühen 1870er Jahren wieder mehr ihre Gemeinsamkeiten mit Teilen der weißen Hegemonialgesellschaft. Ausgelöst durch die verheerende politische Lage Louisianas, die von Korruption und Missmanagement gekennzeichnet war, engagierten sich die Creoles of Color für eine rassenübergreifende Elitenregierung, die den Staat wieder auf Kurs bringen sollte. In ihrem Zusammengehen mit so prominenten weißen Bürgern von New Orleans wie General Beauregard offenbarte sich das grundsätzliche Misstrauen vieler Afrokreolen gegenüber der Gruppe der angloafroamerikanischen Politiker. Zumindest waren sie nicht bereit gewesen, sich deren Führung, nach der Vertreter wie Pinchback, Dunn und J. Henri Burch verstärkt verlangten, unterzuordnen. Mit dem vorzeitigen Ende der Unification-Bewegung war auch die Phase des großangelegten politischen Kampfes der Creoles of Color vorbei. In der Folgezeit wurden ihre Stimmen nur noch vereinzelt wahrgenommen. Eine konzertierte Aktion zur Umkehrung politischer Realitäten fand nicht mehr statt. Auch auf der Seite der weißen Hegemonialmacht hoffte man zu Beginn der 1880er Jahre, die aufwühlenden Zeiten überstanden zu haben. Fortan wollte man sich dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung des New South und der Versöhnung mit dem Norden widmen. Einzig George W. Cable legte in verschiedenen Artikeln und Reden immer wieder den Finger in die Wunden seiner Heimat und forderte eine Auseinandersetzung mit dem

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lassen, die die Rassentrennung flächendeckend auf das gesamte Alltagsleben der Louisianians ausdehnten. Times-Democrat, 9. Juli 1898.

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aus seiner Sicht noch immer ungelösten Problem des Rassismus. In seinem Roman The Grandissimes widmete er sich der kreolischen Identität und dem Rassenverständnis Louisianas und der USA in Vergangenheit und Gegenwart. Anhand seiner in die Anfänge des amerikanischen Louisianas zurückversetzten Handlung, wies Cable auf die Gefahren einer von starren Kategorisierungen und Abgrenzungen gekennzeichneten Identität hin und forderte eine integrative, rassenübergreifende amerikanische Identität, die sich nicht an einem willkürlichen und letztlich unbedeutenden ›rassischen‹ Erbe orientieren sollte, sondern vielmehr am charakterlichen Wert jedes Einzelnen. Eine solche inkludierende Identität blieb aber Wunschdenken Cables und konnte im ausgehenden 19. Jahrhundert keine Entsprechung in der Realität finden. Für die Creoles of Color bedeutete dies, dass ihre besondere afrokreolische Identität, die sie neben ihrer Abstammung auf ihrem freien Status vor dem Bürgerkrieg, ihrem Katholizismus und ihrer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Stellung aufgebaut hatten, fortan nur noch innerhalb ihrer Gemeinschaft von Bedeutung war. Die hegemoniale weiße Gesellschaft, auch in Louisiana, war immer weniger bereit, einen Unterschied zwischen den beiden farbigen Gesellschaftsgruppen zu machen. Für sie wurde die Hierarchisierung in Oben und Unten gleich Weiß und Schwarz oberstes Primat. Die ehemalige dreischichtige Gesellschaftsstruktur und die dahinterstehenden Identitäten lebten fortan nur noch in der Erinnerung der Gruppe. Dieser wurde seit den 1890er Jahren in der afrokreolischen Gemeinschaft ein großer Wert beigemessen. Als Bindeglied zur Vergangenheit und letzter Hoffnungsschimmer für eine bessere Zukunft wurde ihre Identität zu einer erinnerten, im Sinne einer Identitätspolitik letztlich aber handlungsunfähigen, Identität. Auf den Versuch der weißen kreolischen Gesellschaft, den gemeinsamen identitären Marker Creole ›reinzuwaschen‹ und die Creoles of Color davon auszuschließen, konterte Rodolphe Lucien Desdunes mit seiner Gruppenbiographie. Indem er eine afrokreolische Erinnerungsgemeinschaft schuf, versuchte er sowohl der Ausgrenzung aus der kreolischen Identität als auch aus der historischen Meistererzählung entgegenzuwirken. Angesichts der politischen Entmachtung der gesamten afroamerikanischen Bevölkerung zum Ende des 19. Jahrhunderts bemühte sich Desdunes nicht mehr darum, einer inklusiven afroamerikanischen Identität zu huldigen. Vielmehr verwies er explizit auf die Verwandtschaft der Creoles of Color zu der weißen kreolischen Bevölkerung und betonte das von den Angloafroamerikanern abweichende französisch-katholische Erbe der Afrokreolen. Nur ein einziges Mal traten die Creoles of Color noch als Gruppe und Vorkämpfer für die Rechte der farbigen Bevölkerung auf den Plan. Der in die Geschichte eingegangene Gerichtsfall Plessy v. Ferguson wurde von ihnen initiiert, um mit einem letzten organisierten Versuch gegen die Unterdrückung vorzugehen. Einige der ›alten‹ Aktivisten wie Paul Trévigne und Aristide Mary taten sich zusammen mit jüngeren wie Desdunes und Homer Plessy und versuchten über den Gerichtsweg, die Nation von der Unsinnigkeit und Ungerechtigkeit des binären Rassenverständnisses zu überzeugen. Tatsächlich blieben sie in ihrer Vorgehensweise allerdings ihrer partikularen Identität verhaftet. Diese erschwerte es erneut, in der angloafroamerikanischen Bevölkerung Rückhalt für ihr Vorgehen zu finden. Die gegenseitigen Beschuldigungen der beiden farbigen Gruppen führten schließlich zur Schwächung der hinter dem Plessy-Fall agierenden Bürgerrechtsbewegung und ließen die Revision der Rassentrennungsgesetze in weite Ferne rücken.

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Mit der Konzeption ihres Falls und der Wahl des hellhäutigen Plessy als Testperson verprellten die Creoles of Color den größten Teil der angloafroamerikanischen Bevölkerung, die in den Anstrengungen der Afrokreolen einen weiteren Versuch sah, sich eine Teilhabe an der weißen Identität zu erschleichen, ohne aber das bipolare Rassensystem und die in ihm verankerte Machthierarchie zu hinterfragen. Als das Urteil im Plessy-Fall gesprochen wurde, läutete dies auch das endgültige Ende der Bürgerrechtsbewegung der Creoles of Color ein. Viele der ursprünglichen Gallionsfiguren wie Louis C. Roudanez oder Armand Lanusse waren bereits verstorben, Aristide Mary hatte den Freitod gewählt und Rodolphe Desdunes widmete sich der Erinnerungsarbeit. Eine nachfolgende Generation von Aktivisten gab es nicht. Die Kinder Roudanez’ etwa waren nach Frankreich ausgewandert. Aus weißer Sicht schien die ›Negerfrage‹ an der Wende zum 20. Jahrhundert weitestgehend beantwortet. Eine neue Verfassung fixierte 1898 den untergeordneten politischen und sozialen Status der gesamten afroamerikanischen Bevölkerung und machte sie endgültig zu Bürgern zweiter Klasse. Die großen Fragen von ›Rasse‹, Zivilisation und Fortschritt verlagerten sich im aufkommenden US-amerikanischen Imperialismus auf die Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Zu Hause schien die Neustrukturierung der Gesellschaft abgeschlossen.

SCHLUSS »I am […] both; and people will just have to accept me as being both – Black and Créole. My ancestors have a unique culture and language which are part of the total Black culture. For too long, whites have only seen Black folk as one stereotypical mass. This is not true. […] The beauty of our Black race lies in its variety. It is time that this was made known.«1

Als die junge amerikanische Nation zu Beginn des 19. Jahrhunderts das riesige Louisiana-Gebiet übernahm, drang sie in eine ihr fremde Welt ein. Über die Exzeptionalität der Region und besonders der Stadt New Orleans ist sowohl damals als auch heute viel geschrieben worden. Ihre Andersartigkeit offenbarte sich den neuen amerikanischen Machthabern auf vielerlei Weise, doch war es die traditionell dreischichtig organisierte Gesellschaftsstruktur Louisianas, die ihnen die größten Schwierigkeiten bereitete. Seinen Ursprung hatte dieses Ordnungssystem in der französischen und spanischen Kolonialzeit, die zu einer engen Verbindung Louisianas mit der karibischen Welt, besonders Haiti, geführt hatte. Mit dem Louisiana-Kauf traf das in Gesellschaft und Kultur latinisierte Louisiana auf die angloamerikanische Welt. In dem sich entwickelnden Prozess der ›Amerikanisierung‹, der in den folgenden Jahrzehnten alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens bestimmte, geriet die gesellschaftliche Mittelstellung der Free People of Color und ihre partikulare Identität schnell in den Brennpunkt der Auseinandersetzungen. Die notwendige Angleichung Louisianas an den amerikanischen Standard, die Voraussetzung war für die erfolgreiche Expansion der amerikanischen Nation, erforderte die Umstrukturierung der gesellschaftlichen Schichten. Das dominierende Ordnungskriterium war dabei, wie in allen anderen Südstaaten, die Institution der Sklaverei. An ihr orientierte sich jede gesellschaftliche Zuschreibung. Während die kreolische ancienne population das Sklavereisystem entlang der karibischen Dreischichtengesellschaft aufgebaut hatte, orientierte sich das amerikanische Modell an einem bipolaren Gesellschaftssystem, das eine Zwischenstellung der Free People of Color nicht duldete. Politische Notwendigkeiten zwangen die neuen amerikanischen Machthaber zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwar dazu, das dreischichtige System in seinen Grundsätzen zunächst unangetastet zu lassen. Je weiter sich ihre Macht jedoch verfestigte und je stärker der Staat an die Nation gebunden wurde, desto stärker wurden die Bestrebungen, die mittlere Gesellschaftsschicht dem dichotomen Rassen- und Gesellschaftssystem einzuverleiben. Das aus Sicht 1

Sybil Kein: »Writing: The Healing Art«, Sybil Kein Papers, Special Collections, Xavier University, New Orleans, Louisiana (XU), Box 3.

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der nordöstlichen Staaten antiquierte südstaatliche Sklavereisystem konnte nur durch eine umfassende Rechtfertigungslogik verteidigt werden. Diese glaubten die Südstaatler in wissenschaftlichen Beweisen der Theorie von der ›Minderwertigkeit‹ der ›schwarzen Rasse‹ gefunden zu haben. Zwar war dies kein gänzlich neuer Gedanke, doch wurde er in der Folgezeit zu einer südstaatlichen Ideologie ausgebaut, die der Existenz einer dritten, ›rassengemischten‹ und freien Gesellschaftsgruppe den Boden entzog. Vor dem Hintergrund der in Louisiana besonders stark ausgeprägten Angst vor Sklavenaufständen und ihrem Konflikt mit den Kreolen um die politische und später kulturelle Vormacht, versuchte die angloamerikanische Gruppe die schrittweise, aber unumkehrbare Angleichung des kreolischen Louisianas an den amerikanischen Standard der bipolaren Gesellschaftsordnung. Der Bürgerkrieg und die Rekonstruktionszeit unterbrachen diesen Prozess der ›Amerikanisierung‹ kurzzeitig, hielten ihn letztlich aber nicht auf. Die Free People of Color konnten den Zusammenbruch des südstaatlichen Gesellschaftssystems zwar nutzen, um sich vorübergehend eine noch nie da gewesene politische und soziale Gleichberechtigung zu erkämpfen; von langer Dauer war diese freilich nicht. Mit dem Machtverlust der Reformer und der Wiederauferstehung der konservativen Redeemer-Kräfte verloren die Creoles of Color nicht nur die neu erlangten Rechte. Sie sahen sich auch der nun in alle Bereiche vordringenden ›Amerikanisierung‹ gegenüber. Ihr vormals besonderer Status war dem auf ›rassisch-essenziellen‹ Zuschreibungen basierenden Zweiklassensystem zum Opfer gefallen. Für die weiße Hegemonialgesellschaft bestand fortan kein Unterschied mehr zwischen afrokreolischer und angloafroamerikanischer farbiger Gesellschaft. In diesem Prozess der gesellschaftlichen und kulturellen Umwälzungen standen die Identitäten aller Beteiligten zur Disposition. Sie waren einem ständigen Verhandlungsprozess und Bedeutungswandel unterworfen, der sich auf unterschiedlichen Ebenen vollzog. Wie auf nationaler Ebene eine amerikanische Identität verhandelt wurde, so stand in Louisiana die kreolische Identität auf dem Prüfstand. Im Rahmen der gesellschaftlichen Umgestaltung war es aber vor allem die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Free People of Color, die diskutiert wurde. Für die weiße Gesellschaft war die Sachlage klar: Da man den Afrokreolen keinen gesellschaftlichen Mittelstatus zugestehen wollte, war es notwendig, ihre Rolle innerhalb der bipolaren Sklavereigesellschaft dem Status der SklavInnen anzugleichen. Zwar wirkte der Einfluss der weißen Kreolen zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch mildernd, doch nahm dieser in dem Maße ab, in dem sie selbst gezwungen waren, sich der amerikanischen Vorstellungswelt anzupassen. Darüber hinaus war auch die ancienne population, trotz ihres latinisierten Rassenverständnisses, nicht bereit gewesen, den Free People of Color einen wirklich ebenbürtigen Platz innerhalb ihrer Gesellschaft einzuräumen. Die Creoles of Color oszillierten während des gesamten Jahrhunderts zwischen einer afrokreolischen Identität, die ihre Kraft aus dem französischen Erbe, ihrem Katholizismus, ihrem wirtschaftlichen Status und ihrer Verwandtschaft zur hegemonialen weißen Gruppe schöpfte, und einer afroamerikanischen Identität, die neben ihrer Zugehörigkeit zur amerikanischen Nation auch ihre Gemeinsamkeiten mit der übrigen, zumeist versklavten, farbigen Bevölkerung des Südens postulierte. Während der 1810er und 20er Jahre versuchten sie, ihre partikulare Identität in eine nationale amerikanische Identität einzubetten. Sie sahen sich zunächst als kreolische Louisianians und

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dann als Amerikaner. Als aus ihrer anfänglichen Unterstützung der amerikanischen Nation in der Rolle des loyalen Bürgersoldaten allerdings nicht der erhoffte gleichberechtigte Status erwuchs, führte dies zu einer Rückbesinnung auf ihre afrokreolische Identität. In ihren Reaktionen auf die Kolonisierungsbestrebungen und den sich entwickelnden Black Nationalism offenbart sich ihre tiefe Verwurzelung im identitätsstiftenden Raum Louisiana und ihre Skepsis gegenüber einer einschließenden afroamerikanischen Identität. Ihr Rückzug in die romantische Literatur und ihre eigene Gemeinschaft förderte in der direkten Vorkriegszeit ihr kollektives Bewusstsein und festigte ihre Selbstwahrnehmung als eigenständige Gruppe. Je stärker der Druck von außen wurde, desto undurchlässiger wurde ihr eigenes Identitätskonstrukt. Während die weiße Gesellschaft mithilfe von Rassentheorien und Kolonisierungsplänen versuchte, die Idee der ›Wesensverwandtschaft‹ der Creoles of Color mit den versklavten ›Schwarzen‹ zu etablieren und Afrika als ihre ›natürliche Heimat‹ zu zeichnen, verwiesen sie selbst immer wieder auf ihre ›dritte‹ Identität, mit der sie sich zwischen der weißen hegemonialen und der afroamerikanischen Identität positionierten. Die politischen und sozialen Umwälzungen in Folge des Bürgerkriegs schufen freilich eine völlig neue Ausgangslage. Der Möglichkeiten der Handlungsermächtigung bewusst, engagierten sich die Creoles of Color in den 1860er Jahren im Kampf für die politische und soziale Gleichberechtigung. Ihre bislang exklusive Identität wurde aus zwei Gründen zum Dreh- und Angelpunkt ihres Engagements. Zum einen bewegten sich die Louisianians in einem unbestimmten politischen und sozialen Raum mit scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Wie am Beispiel des Wahlrechts gesehen, bedeutete dies in der Praxis, dass die Frage, wer als Staatsbürger gelten und damit welche Rechte verliehen bekommen sollte, neu verhandelt werden musste. Zum anderen hemmte die kreolische Identität der Free People of Color den Aufbau einer durchschlagenden afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Das afrokreolische Identitätsmuster erwies sich wegen seiner Exklusivität letztlich als handlungsunfähig im politischen Kampf. In der wegweisenden Phase der Rekonstruktionszeit fächerte sich die afrokreolische Identität in eine private kulturelle Identität auf, die im Wesentlichen an ihrer kreolischen Partikularität festhielt, und eine politische und öffentliche Identität, die sich auf afroamerikanische Komponenten berief. Während die Afrokreolen im privaten Bereich weiterhin auf eigene Organisationen wie die Freimaurerei und Wohlfahrtsvereine setzten, versuchten sie im politischen Rahmen eine wirkungsmächtige Allianz mit den angloamerikanisch geprägten Farbigen aufzubauen. Die innere Zerrissenheit, die eine solche Doppelidentität mit sich bringen musste, zeigte sich nicht zuletzt in ihrer Zeitung Tribune, die sich aus politischen Erfordernissen heraus um die Darstellung einer homogenen afroamerikanischen Identität bemühte, bei der aber immer wieder die Interessen ihrer afrokreolischen Macher durchblickten. Wie schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts scheiterten die Free People of Color mit ihrem Vorhaben, ihr ethnokulturelles Erbe in den Mantel einer farbigen amerikanischen Identität zu kleiden. Die politische und gesellschaftliche Restauration, die der emanzipatorischen Phase auf dem Fuße folgte, nahm ihrer Identität jegliches Handlungspotenzial. Nachdem der politische Kampf endgültig verloren schien, zogen sich die Afrokreolen zurück. Ihr integratives, auf die Angloafroamerikaner ausgedehntes Identitätskonzept verlor an Bedeutung und machte einer erneut erstarkten afrokreolischen Identität

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Platz. Während der Redakteur der Tribune, Houzeau, ein Zurücktreten der Besonderheiten ihrer Geschichte hinter eine wirkmächtige amerikanische Identität gefordert hatte, besannen sich die Creoles of Color nach der Rekonstruktionszeit wieder vermehrt auf ihre kreolischen Wurzeln, ihr französisches Erbe und ihren Status vor dem Bürgerkrieg, der sie der ehemaligen Sklavenbevölkerung entrückte. Eine afrokreolische Identität konnten sie angesichts des verlorenen politischen Einflusses allerdings nur noch im Privaten pflegen. Und selbst hier drohte der zahlenmäßig schwindenden Gruppe der Identitätsverlust. Die Bedeutung der Geschichte dieser einmaligen Gruppe und ihres Kampfes um eine eigenständige Identität ist deshalb so groß, weil sie trotz ihres Scheiterns ein ungeahntes Widerstandspotenzial in sich trug. Die Untersuchung der ambivalenten Identität der Free People of Color und des teilweise widersprüchlichen Umgangs der Hegemonialgesellschaft mit ihnen zeigen, dass das amerikanische bipolare Rassenkonstrukt bei weitem nicht so stabil und unverrückbar war, wie häufig angenommen. Auch wenn es die Creoles of Color letztlich nicht vermochten, aus ihrer ›dritten‹ Identität einen gleichberechtigten gesellschaftlichen Raum zu schaffen, so fanden sie über den Verlauf des 19. Jahrhunderts doch immer wieder Mittel und Wege, zumindest kurzzeitig den Zuschreibungen der hegemonialen Deutungsmacht Widerstand zu leisten. Wirft man einen Blick auf die Ausgangslage zu Beginn des Jahrhunderts, so stellt sich die Frage, warum es der relativ offenen, multiethnischen Gesellschaft nicht gelang, sich dem auf zwei identitäre Pole reduzierten amerikanischen Rassen- und Gesellschaftssystem entgegenzustemmen. Zwar sorgten die Free People of Color für eine fortwährende Destabilisierung, doch wurden auch sie schließlich Opfer der amerikanischen one-drop-Ideologie, die in einer auf ›rassischen‹ Essenzen basierenden Zweiklassengesellschaft endete. Den Free People of Color wurde ihre partikulare Identitätspolitik häufig als Opportunismus ausgelegt. Und auch ich habe darauf hingewiesen, dass sie fortwährend zwischen einer exklusiven, elitären afrokreolischen und einer inklusiven afroamerikanischen Identität schwankten. Doch will ich dies keinesfalls als Zeichen von Opportunismus verstanden wissen. Auf die heutige Gesellschaft bezogen stellt sich die Frage, ob es nicht ebenso rassistisch und essenzialistisch wäre anzunehmen, dass die Free People of Color gewissermaßen ›natürlich‹ den Schulterschluss mit der angloafroamerikanischen Bevölkerung hätten suchen müssen. Wird damit die Möglichkeit einer ›dritten‹ Identität nicht erneut verneint? Sicherlich bestechen die Afrokreolen durch ihre Fähigkeit, sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten entsprechend den Anforderungen eines bestimmten Identitätsentwurfs zu inszenieren. Wenn man die Free People of Color aber als eine identitär eigenständige Gruppe versteht, die über vielfältige Beziehungsgeflechte in die Gesellschaft eingebunden war, dann verwundert es kaum, dass sie sich für ihre eigenen Interessen einsetzten. Dass sie am Ende dennoch scheiterten, liegt zum Teil an den äußeren Umständen, zum Teil aber auch an ihnen selbst. Zum einen wurde die Gruppe der Freigelassenen von der weißen Hegemonialmacht bald als die größere Gefahr für die eigene Vorherrschaft angesehen. Die Bedeutung der Free People of Color als destabilisierendes Element nahm ab. Zum anderen wurde die anfängliche Führungsposition der Afrokreolen im Kampf um politische und soziale Gleichberechtigung immer häufiger von aufstrebenden Politikern

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und Aktivisten aus dem protestantisch-angloafroamerikanischen Lager hinterfragt. Je größer diese Konkurrenz wurde, desto seltener gelang es den Creoles of Color, die gesamte farbige Bevölkerung hinter sich zu vereinen. Die Streitigkeiten der beiden Gruppen anlässlich des Gerichtsfalls Plessy v. Ferguson offenbarten Ende des 19. Jahrhunderts das große Misstrauen der angloafroamerikanischen Bevölkerung gegenüber den als elitär wahrgenommenen Afrokreolen. Der Versuch der Creoles of Color, ihre Identität aufrecht zu erhalten und sie mit politischen und sozialen Rechten auszufüllen, fand stets innerhalb des Systems statt. Sie blieben zwischen den Polen der weißen hegemonialen und der marginalisierten afroamerikanischen Identität gefangen. Obwohl ihnen eine Transgression des auf ›rassischen‹ Zuschreibungen basierenden Gesellschaftssystems nicht gelang, lag in ihrer partikularen Identität doch ein gewisses Potenzial. Dieses äußerte sich in solchen Momenten, in denen sie die ›rassische‹ Komponente identitärer Marker hinterfragten und eine integrative, rassenübergreifende kreolische Identität postulierten. Die Geschichte der Free People of Color von Louisiana ist zugleich eine Geschichte des Scheiterns und des Erfolgs. Ihr unermüdlicher Kampf um politische und soziale Gleichberechtigung wurde erst im 20. Jahrhundert, lange nachdem sich die letzten Aktivisten zurückgezogen hatten, mit den Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung belohnt. Auch hier offenbarten sich allerdings die konkurrierenden Identitätsmuster innerhalb der farbigen Bevölkerung, die der Bildung einer wirkmächtigen Allianz oftmals im Wege standen. Letztlich führte die Black Pride-Bewegung in Louisiana zu einem weiteren Bedeutungsverlust der afrokreolischen Identität. Und dennoch ist es den Creoles of Color bis heute gelungen, ihre Geschichte und ihre kollektive Identität am Leben zu halten. Die Renaissance der kreolischen Identität seit den 1980er Jahren zeugt von ihrer weiterhin starken Anziehungskraft. Obwohl sie im 20. Jahrhundert kaum noch Auswirkungen auf den wirtschaftlichen und sozialen Status hatte, blieb die afrokreolische Identität als kultureller Marker weiterhin bedeutend. Creole als gewählte Selbstidentifikation spielt in New Orleans auch im 21. Jahrhundert noch eine so große Rolle, dass Partnerschaftsanzeigen wie diese keine Seltenheit sind: »Single Creole Male […] Seeking attractive, slim, honest, independent S[ingle] F[emale] Creole, H[ispanic]/W[hite]/A[sian].«2 Wer sich allerdings als Creole bezeichnet und auf welcher Grundlage, das ist heute nicht minder umstritten als im 19. Jahrhundert. Bezeichnend für die noch immer geltende Ambiguität des Kreolenbegriffs waren in den 1990er Jahren die Auseinandersetzungen um die beantragte Heiligsprechung der Gründerin des Nonnenordens Sisters of the Holy Family, Henriette Delille. Afrokreolische AktivistInnen wehrten sich dagegen, dass die katholische Kirche und der Orden Delille als Afroamerikanerin und nicht als »NativeBorn French-Creole American« bezeichneten.3 Gegen eine Vereinnahmung der Geschichte der Creoles of Color durch die größere angloafroamerikanische beziehungsweise ›schwarze‹ Gemeinschaft wandte sich auch A. D. Po2 3

New Orleans Gambit Weekly, 26. Oktober 2004. Siehe das Protestschreiben an Papst Johannes Paul II.: »Proposed Canonization of Mother Henriette Delille«, Interracial Voice, http://interracialvoice.com/ delille.html, Stand: 23.08.08; Marion I. Ferreira: »A Letter to the Pope«, Interracial Voice, http://webcom.com/~intvoice/marion2.html, Stand: 15.05.2006.

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wells, als sie über die Bezeichnung ›Schwarze Sklavenhalter‹ schrieb: »Remember that whenever you hear references to ›black‹ plantation owners in the antebellum South, someone is trying to steal history from racially mixed people […] and give it to blacks.«4 Dass sie sich für ihre Kritik ausgerechnet die problematische Verstrickung der ›rassengemischten‹ Free People of Color in das Sklavereisystem aussuchte, stimmte die gegensätzlichen Gruppen innerhalb der farbigen Gesellschaft nicht versöhnlicher. Wie erbittert in Louisiana auch heute noch um identitäre Zuschreibungen gekämpft wird, zeigt sich zudem in der Reaktion kreolischer AktivistInnen auf die Wiederbelebung der kulturellen Identität der Cajuns.5 Auf die seit den 1990er Jahren verstärkt aufkommenden touristischen Werbekampagnen, die aus Sicht vieler Kreolen ihre Geschichte einem aufgeblähten ›Cajun-Label‹ einverleiben, reagierten kreolische AktivistInnen in Lafayette mit der Gründung des Un-Cajun Committee. Auch weitere jüngere Organisationen wie die C.R.E.O.L.E., INC. widmen sich verstärkt der Erhaltung der kreolischen Kultur in Louisiana. Das in Natchitoches ansässige Creole Heritage Center versucht sich auch an einer Neudefinition des Kreolenbegriffs: »Creoles are not one thing or the other, and have lived their lives being misunderstood, misrepresented, and misinterpreted. In the past, under White government, Creoles were not allowed to be an equal part of society. Blacks, free and slaves, did not feel Creoles were part of their world either. Because of this rejection, Creoles had a strong bond with one another and had to create their own world and culture. […] The Creole Heritage Center is committed to the challenge of correcting the wrongs and misconceptions associated with this culture and will represent the Creoles in a true light.«6

So wie sich die Free People of Color im 19. Jahrhundert zugleich als fortschrittliche Reformer im Kampf um die Rechte der gesamten farbigen Bevölkerung und als rückwärtsgewandte, auf den Erhalt ihrer exklusiven afrokreolischen Identität bedachten Gruppe erwiesen, so offenbaren auch heutige AktivistInnen eine identitäre Dualität. Indem sie sich auf ihre Wurzeln berufen, die sie weder eindeutig der ›weißen‹ noch der ›schwarzen‹ Kultur zugeordnet wissen wollen, wenden sie sich gegen die one-drop-rule, die die Zugehörigkeit ›rassengemischter‹ Personen auch heute noch in das ausschließende Muster von Entweder-oder gießt. Zugleich führt die Betonung des kreolischen Erbes aber zu einer Konkurrenz der Identitätsentwürfe innerhalb der farbigen Bevölkerung. Wie schnell aus einer rassenübergreifenden, inkludie4 5

6

A. D. Powell: »›White,‹ ›Mixed‹ or ›Other‹?«, http://198.66.252.234/powell. html, Stand: 03.11.2006. Nachfahren der aus Nordostkanada stammenden Acadians, die im Zuge des Verlustes der französischen Kolonialgebiete in Nordamerika Mitte des 18. Jahrhunderts nach Louisiana flohen. »Creole Definition«, Louisiana Creole Heritage Center, http://www.nsula.edu/ creole/definition.asp, Stand: 27.03.2006. Zur Problematik des Kreolenbegriffs siehe auch Nina Möllers: »Black, White, or Faerie Folk? Louisianas Kreolen zwischen Erinnerung und Vergessen,« in: Anne Ebert/Maria Lidola/Karoline Bahrs/Karoline Noack (Hg.), Differenz und Herrschaft in den Amerikas: Repräsentationen des Anderen in Geschichte und Gegenwart, Bielefeld: transcript (i. E.).

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renden kreolischen Identität ein exklusiver Marker werden kann, beweist die Politik des Aktivisten Gilbert E. Martin aus New Orleans. In seinem Versuch, Entschädigungen für die aus seiner Sicht unrechtmäßig erfolgte amerikanische Übernahme des Louisiana-Gebietes zu erwirken, vertritt er eine Definition des Kreolenbegriffs, die zwar das dualistische Rassenschema hinterfragt, letztlich aber den bereits vorhandenen Identitätsentwürfen nur einen weiteren hinzufügt, der sich in seiner Abgeschlossenheit ähnlich statisch zeigt wie die Identitätsmuster des 19. Jahrhunderts.7 Die wechselvolle Geschichte der Free People of Color hat viel offenbart. Sie hat gezeigt, wie schwierig sich Selbstbehauptung und -artikulation in einem von ›rassischen‹ Zuschreibungen geprägten System gestalten. Sie hat auch gezeigt, dass Ein- und Ausschluss in jeder Gesellschaft nah beieinander liegen. Denn in dem Moment, wo zugeschriebene Identitätsentwürfe bekämpft, verworfen oder umgeschrieben werden, üben auch die Gegner der hegemonialen Deutungsmacht ihrerseits Macht aus. Auch sie machen Zuschreibungen und fördern Ausschlussmechanismen. Die Instabilität aller Identitäten im 19. Jahrhundert hat aber auch die Ausfransungen und Brüche dokumentiert, die als Chance und Ausgangspunkt für ein besseres Verständnis von der Heterogenität und Offenheit der Kategorie Identität dienen können. Nur wenn es gelingt, die kreolische Identität in eine im Sinne des Postkolonialismus kreolisierte umzuwandeln, kann sie ihr integratives Potenzial entfalten und dazu beitragen, dass sich der Traum der Creoles of Color von einer antirassistischen und antiessenzialistischen Gesellschaft endlich verwirklicht.

7

Gilbert E. Martin: Creoles, A Shattered Nation, Detroit: Research and Reports 1981.

EPILOG: NEW ORLEANS

UND

H U R R I K A N ›K A T R I N A ‹ »I just feel like America’s always been pushing the [impoverished] under the counter, trying to act like it’s not really there. And what happens if you’re cleaning the kitchen and you’re always dusting something under the counter? If you spill something, it’s going come up and be in your f---ing face.«1

Abb. 9: Haus im Ninth Ward, New Orleans, Oktober 2006

»USA, Talk about Race« – so steht es auf diesem verrottenden Haus im Stadtteil Ninth Ward. Wie lange diese Worte bereits da stehen oder von wem sie stammen, ist unbekannt. So kurz dieser Satz ist, so eingehend drückt er die Empörung, Verzweiflung und Hilflosigkeit der Bevölkerung von New Orleans aus. Er stellt einen sarkastischen Kommentar zu den Geschehnissen nach Hurrikan Katrina dar, die aus Sicht des Sprühers eben nicht nur eine Aneinanderreihung von Versäumnissen und Unfähigkeiten unterschiedlicher 1

»Kanye West Stands by Critique of President Bush at $2 Bill Show«, http:// www.mtv.com/news/articles/1509309/20050912/story.jhtml, Stand: 06.06.2006.

324 | KREOLISCHE IDENTITÄT

administrativer Ebenen waren, sondern Ausdruck sozialer Ungerechtigkeiten, die ihre Ursache in einem tiefverwurzelten Rassismus haben. Vor dem Hurrikan war New Orleans zu 68 Prozent von Farbigen bewohnt. Viele von ihnen führten ein Leben an oder unterhalb der Armutsgrenze. Mit 23 Prozent lag die Armutsrate weit über dem nationalen Durchschnitt von 13 Prozent.2 Das war allseits bekannt. Die schwierige finanzielle Situation vieler Familien bekam allerdings eine neue Brisanz durch den Hurrikan, der am 25. August des Jahres 2005 über New Orleans und die Golfküste hinwegfegte und die größte Naturkatastrophe auslöste, die die USA jemals erlebt haben. Warum die überwiegend farbigen BewohnerInnen, die keine Fluchtmöglichkeiten hatten, nicht von Bussen weggebracht wurden, warum es der nationalen Regierung nicht viel früher gelang, die Gestrandeten aus den Orten der ›letzten Zuflucht‹, wie der Superdome und das Convention Center genannt wurden, wegzubringen, und warum zuvor die Deiche trotz der Kenntnis von ihrer Unzulänglichkeit nicht verbessert worden waren, darüber ist in der Folgezeit viel debattiert und geschrieben worden.3 Es wird wohl noch seine Zeit dauern, bis man sich mit dem nötigen Abstand ein objektives Bild von den vielfältigen Versäumnissen und Momenten des Scheiterns wird machen können. Der Bericht des zuständigen Kongressausschusses umfasst zwar 379 Seiten, kommt letztlich aber zu dem ebenso knappen wie eindrücklichen Ergebnis: »None of this had to happen.«4 Klar ist, dass der Hurrikan, seine Folgen und die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Stadt tiefe Wunden aufgerissen hat. Die Bilder, auf denen StaatsbürgerInnen der Weltmacht USA unter menschenunwürdigen Bedingungen im Superdome oder am Convention Center auf Hilfe warten, brannten sich in das Gedächtnis von JournalistInnen und anderen BeobachterInnen ein und zwangen vielen von ihnen den Vergleich zu einem afrikanischen Flüchtlingslager auf. Sie förderten die lange verdrängte Erkenntnis zutage, dass die Gesellschaft der USA noch immer unter den Folgen historischer Sünden litt. Angesichts der vielen armen Farbigen, 2

3

4

Michael Eric Dyson: Come Hell or High Water. Hurricane Katrina and the Color of Disaster, New York: Basic Civitas Books 2006, 5. Zum Problem der konzentrierten Armut in New Orleans siehe Thomas J. Durant, Jr./Dawood Sultan: »The Impact of Hurricane Katrina on the Race and Class Divide in America«, in: Manning Marable/Kristen Clarke (eds.), Seeking Higher Ground. The Hurricane Katrina Crisis, Race, and Public Policy Reader, New York: Palgrave 2008, 195. Auf die Fluten Katrinas folgte eine Flut von Neuerscheinungen über Katrina und das vermeintliche Versagen der unterschiedlichen Behörden, z. B. Douglas Brinkley: The Great Deluge. Hurricane Katrina, New Orleans, and the Mississippi Gulf Coast, New York: Morrow 2006; John Brown Child (ed.): Hurricane Katrina. Response and Responsibilities, Santa Cruz, CA: New Pacific Press 2006; Jed Horne: Breach of Faith. Hurricane Katrina and the Near Death of a Great American City, New York: Random House 2006; Christopher Cooper/Robert Block: Disaster. Hurricane Katrina and the Failure of Homeland Security, New York: Times Books 2006; Ivor van Heerden/Mike Bryan: The Storm. What Went Wrong and Why During Hurricane Katrina—the Inside Story from One Louisiana Scientist, New York: Viking 2006. U.S. House of Representatives, A Failure of Initiative. Final Report of the Select Bipartisan Committee to Investigate the Preparation for and Response to Hurricane Katrina, 109th Cong., 2nd sess. (15 February 2006), 123.

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denen es nicht gelungen war, zu fliehen, machte sich in der Nation und der Welt der unbequeme Verdacht breit, dass es sich hierbei nicht um einen Zufall handeln konnte. Eine CNN-Gallup-Umfrage im September 2005 offenbarte, dass diese Wahrnehmung ethnisch gefärbt war: Während 60 Prozent der farbigen AmerikanerInnen glaubten, dass Rassismus bei den nur langsam anrollenden und ineffizienten Hilfeleistungen eine Rolle spielte, waren innerhalb der weißen Bevölkerung nur 12 Prozent dieser Ansicht.5 Abb. 10: Titelseite New Orleans Times-Picayune, 2. September 2005

Je mehr Zeit verging und je mehr verstörende Fernsehbilder auftauchten, desto klarer wurde, dass es sich bei Katrina nicht nur um eine Naturkatastrophe bisher unbekannten Ausmaßes handelte. Katrina, das wurde zum Inbegriff der Büchse der Pandora, deren Inhalt sich nun über die Nation ergoss. Pointiert zusammengefasst hat diese Offenbarung der französische Intellektuelle Bernard Henri-Lévy: 5

U.S. House, A Failure of Initiative, 19. Vgl. auch Durant/Sultan, 197.

326 | KREOLISCHE IDENTITÄT »Katrina, das war die paradoxe Erscheinung der Unsichtbaren. Katrina bedeutet das Auftauchen eines Atlantis, das es vor der Überschwemmung gab, eines Kontinents der Armut. Die Rassenfrage. Am 11. September kam der Tod, ohne zu unterscheiden. Hier hat er Listen gemacht. Er hat sich seine Kunden ausgesucht. Er hat sich wieder mit dem Geist des Rassismus und der Segregation verbündet.«6

Diese langsam einsickernde Erkenntnis wurde nicht gerade gemildert durch die vielen Berichte von Evakuierten über die unmenschliche Behandlung, die ihnen angeblich durch die meist militärischen Helfer zuteil wurde. Ein Beispiel war der Bericht des Bürgerrechtlers Jordan Flaherty, der über eine Internetmailingliste verbreitet wurde: »If anyone wants to examine the attitude of federal and state officials towards the victims of Hurricane Katrina, I advise you to visit one of the refugee camps. In the refugee camp I just left, on the I-10 freeway near Causeway, thousands of people (at least 90% black and poor) stood and squatted in mud and trash behind metal barricades, under an unforgiving sun, with heavily armed soldiers standing guard over them. When a bus would come through, it would stop at a random spot, state police would open a gap in one of the barricades, and people would rush for the bus, with no information given about where the bus was going.«7

Was die US-BürgerInnen in den Bildern vom Superdome und anderen Zufluchtsorten präsentiert bekamen, war nicht nur die abstrakte Verflechtung von schwelendem Rassismus, Armut und der Geschichte ungleicher Chancen, sondern die Erkenntnis, wie fremd man sich in der eigenen Gesellschaft war. Als amerikanischen StaatsbürgerInnen stand auch den armen und überwiegend farbigen New Orleanians die bestmögliche Hilfe zu, da war man sich in New York, Seattle und Kansas City einig. Wer sie als Menschen waren und in welcher Beziehung sie zur weißen Mehrheitsgesellschaft standen, darüber gab es allerdings unterschiedliche Meinungen. Die Medien taten in der Folgezeit mit ihren Bildern von angeblich plündernden Farbigen ein übriges, um die Stimmung ins Wanken zu bringen. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit machte der allzu bekannten Wahrnehmung der farbigen Bevölkerung als fremd und ›unamerikanisch‹ Platz. Ein Artikel in der Washington Post, der einige Tage nach Katrina erschien, beschrieb ein ›typisches‹ afroamerikanisches Paar der ›Innenstadtgettos‹: »On TV, we watch them: His braids are flying above his head and he’s got a wild look on his face. He’s running, one arm clutching a load of looted clothes, the other reaching back to tug at his pants, which are in danger of sliding past his rump. She’s crying and forlorn and too young to be carrying a baby in her arms, but carrying one she is, and both are dirty and sweaty and hungry, reduced to an animal-like state of waiting and starving and begging for help. We see them through our respective prisms 6 7

Bernard-Henri Lévy: »Katrina, ein Postscriptum«, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.09.2005. »Notes from Inside New Orleans«, Email Message from Jordan Flaherty, forwarded by Gwendolyn Midlo Hall via H-NET List for the History of Slavery, http://www.h-net.org/~slavery/, 06.09.2005.

EPILOG | 327 of race, and call them ›refugee,‹ as if they are foreigners in their own land. They are the Other, these victims of Katrina. And in this country, the Other is black. Poor. Desperate.«8

Die Wahrnehmung der farbigen Bevölkerung als fremd führte dazu, dass in den Medien alte Darstellungsmuster wiederauflebten. Die Sicht auf eine zu einem riesigen Slum verkommene Stadt, bewohnt von einer der bürgerlichen Normalität entrückten, ›von Natur aus‹ degenerierten farbigen Bevölkerung entsprach den etablierten rassistischen Wahrnehmungsmustern, die von der Bevölkerung nur allzu gerne als ›Realität‹ akzeptiert werden.9 Dass die Darstellungen von zügelloser Gewalt, sexuellen Übergriffen und Plünderungen bereits wenig später als Fantasien entlarvt wurden, tat dem Bild keinen Abbruch. Die eigentlich beunruhigende Gefahr dieses Mechanismus, der sich in New Orleans in Gang gesetzt hatte, liegt, wie Cheryl I. Harris und Devon W. Carbado festgestellt haben, in der großen Resonanz, auf die die zweifelhafte Berichterstattung der Medien stieß: »It was a narrative that made sense within the commonly accepted racial frames of law and order and black criminality. These frames made it difficult for us to make sense of reported instances of ›guys who looked like thugs, with pants hanging down around their asses,‹ engaged in frantic efforts to get people collapsing from heat and exhaustion out of the Superdome and into a nearby makeshift medical facility. These images did not make racial sense.«10

Der Darstellung der farbigen Bevölkerung im altbekannten rassistischen Referenzrahmen wurde dadurch eine besondere Komponente verliehen, dass sich die am Bildschirm beobachteten Geschehnisse ausgerechnet in New Orleans ereigneten – einer Stadt, die seit jeher als der ›Orient‹ Amerikas angesehen wurde. Die Sichtweise auf New Orleans als fremd, irgendwie mystisch und für die amerikanische Nation potenziell bedrohlich, machte es für die Medien nach der anfänglichen Selbstdarstellung als mitleidsvolle, zutiefst bewegte Agenten der Humanität einfach, sich von den Ereignissen zu distanzieren. Indem man häufig auf die so genannte ›Dritte Welt‹ verwies, enthob man die amerikanische Nation – politische Führung und BürgerInnen gleichermaßen – jeglicher Verantwortung. Solange sich das Drama ›nur‹ in New Orleans abspielte, das ohnehin nie ganz der amerikanischen Nation zugehörig gewesen war, bedurfte es keiner generellen Hinterfragung des eigenen Systems. Symptomatisch für diese Sicht waren die häufigen Verweise des US-

8

Lynne Duke/Teresa Wiltz: »A Nation’s Castaways. Katrina Blew In, and Tossed Up Reminders of a Tattered Racial Legacy«, in: Washington Post, 4. September 2005. 9 Mike Davis: »Nach der Sintflut die Spekulanten«, in: Die Zeit, 24.08.2006. Für ein Beispiel, wie diese Darstellung Eingang in die deutsche Berichterstattung fand, siehe: »Wenn alle Dämme brechen«, in: Der Spiegel, Nr. 36, 05.09.2005, 115-16. 10 Cheryl I. Harris/Devon W. Carbado: »Loot or Find: Fact or Frame?«, in: David Dante Troutt (ed.), After the Storm. Black Intellectuals Explore the Meaning of Hurricane Katrina, New York: New Press 2006, 102.

328 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Präsidenten George W. Bush auf »this part of the world,« wenn er von New Orleans und der Golfküste sprach.11 Ähnlich wie die Katastrophe das tiefsitzende Vorurteil von der ›Schuld der Schwarzen‹ an ihrem Dilemma wiederauferstehen ließ, sah man in New Orleans eine Stadt, die Schuld auf sich geladen hatte. Geistliche, Politiker und selbsternannte Moralapostel nutzten die Gelegenheit, um einmal mehr auf die von Armut, Korruption und wirtschaftlichem Missmanagement gebeutelte Stadt einzuschlagen. Während sich die Evangelikalen unter der Wortführerschaft von Franklin Graham vor allem über die weithin bekannte sexuelle Freizügigkeit der Stadt ereiferten und ihre homosexuelle Gemeinschaft attackierten, hinterfragte der Restaurantkritiker Alan Richman den Wert ihres kulturellen Erbes. Der damalige Sprecher im Repräsentantenhaus, Dennis Hastert, zweifelte sogar an, dass es sich lohnen würde, die Stadt wieder aufzubauen.12 Angesichts dieser Ablenkungsstrategien versuchten Organisationen und einzelne Idealisten verzweifelt, die Debatte am Leben zu halten. Der Aktivist Jay Arena bezeichnete die Vorgänge in New Orleans als eine Form der »ethnischen Säuberung«. Interessanterweise tat er dies nicht auf heimischem Boden, sondern in der Schweiz während einer Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos im Februar 2006.13 Solch eine Zurückhaltung legten AktivistInnen vor dem Kongresskomitee zur Untersuchung der KatrinaKatastrophe im Dezember 2006 nicht an den Tag. Die von der Repräsentantin Georgias, Cynthia McKinney, eingeforderte Anhörung ließ Überlebende des Hurrikans und AktivistInnen zu Wort kommen. In der Anhörung ging es unter anderem auch um einen Vorfall auf der Gretna-Brücke. Der Bürgermeister von New Orleans, C. Ray Nagin, hatte die auf Hilfe wartenden Gestrandeten einige Tage nach dem Hurrikan in seiner Verzweiflung aufgefordert, sich über die Brücke auf die weitgehend trockene West Bank unterhalb des Mississippi zu begeben. Daran waren sie allerdings laut Zeugenberichten von der Polizei unter Androhung von Waffengewalt gehindert worden. Der Wortwechsel zwischen einer Evakuierten aus New Orleans, Leah Hodges, und dem Repräsentanten Jeff Miller (R/FL) während der Anhörung offenbarte die Schwierigkeit der beiden, überhaupt in einen sinnvollen Meinungsaustausch einzutreten: »Leah Hodges: Jefferson Parish is where the Causeway concentration camp was housed, where we experienced the Gestapo-type oppression, as opposed to being rescued. […] 11 Mukoma Wa Ngugi: »New Orleans and the Third World«. ZNET. A Community Committed to Social Change, 08.09.2005, http://www.zmag.org/znet/view Article/5435, Stand: 14.12.2006. 12 »Graham: ›I would never say this is God’s judgment‹«, 04.10.2005, http:// edition.cnn.com/2005/US/10/04/cnna.graham/index.html, Stand: 05.10.2005; Alan Richman: »Yes, We’re Open,« GQ, November 2006; »Hastert: New Orleans ›could be bulldozed‹«, in: Seattle Times, 2. September 2005, http://seattletimes.nw source.com/html/nationworld/2002466132_kathast02.html, Stand: 19.02.2007. 13 Jay Arena zitiert in Gustavo Capdevila: »World Economic Forum: Davos and New Orleans, Neoliberal Twins«, 14. Februar 2006, Inter Press Service News Agency, http://ipsnews.net/news.asp?idnews=31964, Stand: 14.02.2006.

EPILOG | 329 Rep. Jeff Miller: Miss Hodges, would you be offended if I respectfully asked you not to call the Causeway area a concentration camp? Leah Hodges: I am going to call it what it is. If I put a dress on a pig, a pig is still a pig. […] And that is the only thing I could compare what we went through to: a concentration camp. […] Rep. Jeff Miller: Not a single person was marched into a gas chamber and killed. Leah Hodges: They died from abject neglect. We left body bags behind.«14

Unabhängig von der Frage, wie der Vorfall auf der Gretna-Brücke einzuordnen ist, zeigte sich in der Anhörung das Aufeinanderprallen zweier Welten. Die emotionale und deutliche Sprache der Betroffenen stand in einem starken und aus Sicht der Fernsehzuschauer unüberbrückbaren Gegensatz zum ruhigen und distanziert wirkenden Auftreten der Ausschussmitglieder. Der Vergleich, den Hodges zwischen dem Vorfall auf der Brücke und den Konzentrationslagern Nazideutschlands zog, wirkte auf die Kongressmitglieder – und ich wage zu behaupten, auch auf die Mehrzahl der weißen Mehrheitsgesellschaft – nicht nur deplaziert, sondern zeugte aus deren Sicht von der Unfähigkeit der farbigen Bevölkerung, sich entsprechend des gegebenen Rahmens zu verhalten. Während die mehrheitlich weißen Politiker als kultiviert und besonnen erschienen, hinterließ der Auftritt der teilweise schreienden und heftig gestikulierenden ZeugInnen vor dem Komitee einen bitteren Nachgeschmack, der alte Vorurteile zu bestätigen schien. Gepaart mit der unterschwellig rassistischen Darstellung der farbigen Bevölkerung als unfähig zur Selbstregierung, führten Auftritte wie diese in der Folgezeit des Hurrikans dazu, dass die überdurchschnittlich stark betroffene farbige Bevölkerung von New Orleans aus den anlaufenden Wiederaufbauprojekten nahezu ausgeschlossen wurde. Sicherlich ist die vom afroamerikanischen Bürgermeister Nagin ins Leben gerufene Bring New Orleans Back Commission keine rein weiße Angelegenheit. Und sicherlich versucht man gerade in New Orleans, dessen Einnahmen wesentlich von der Touristikbranche und dem Messewesen abhängen, das Bild einer von multikulturellem Erbe und ›Rassenharmonie‹ geprägten Stadt aufrechtzuerhalten. So verwundert es nicht, dass der Unterausschuss für Kultur in seinem »Cultural Vision Statement« feststellt: »New Orleans culture is the collective expression of the varied background of our people. […] Before the turn of the twentieth century, New Orleans was the most racially integrated city in the United States. After legislation supporting segregation

14 »Excerpts of House Select Committee Hearing on the Government’s Response to Katrina«, 6. Dezember 2006, Democracy Now, http://www.democracynow. org/article.pl?sid=05/12/09/1443240, Stand: 12.01.2007. Siehe auch die schriftliche Zeugenaussage von Leah Hodges vor dem Select Bipartisan Committee to Investigate the Preparation for and Response to Hurricane Katrina, »Hurricane Katrina: Voices from Inside the Storm,« 109th Cong., 2nd sess., (6 December 2005), http://katrina.house.gov/hearings/12_06_05/hodges_120605.rtf, Stand: 30.06.2008.

330 | KREOLISCHE IDENTITÄT was passed, we lost our way. Now we have the opportunity to reestablish a relationship with ourselves – to reinvest in the Creole experiment.«15

Fragwürdig erscheint dagegen bereits Abschnitt zwei des Wiederaufbauplans, in dem zur Begünstigung des Massentourismus und des damit verbundenen finanziellen Gewinns eine Form der ›verschriebenen‹ Darstellung der eigenen Kultur – oder das, was man dafür hält – propagiert wird: »People come from around the world to see us live and play. We need to strengthen our culture for internal consumption. Lets [sic] encourage our population, in its entirety, to cook our food, to dance our dances, play our music, respect our architecture, and tell our stories. Lets support our culture in tangible ways that ensure an organic and self-sustaining development. From the food served at City Hall to the music played while callers are on hold, we should utilize every opportunity to embrace our own distinctive way of being.«16

Welchen Anteil allerdings die farbige Bevölkerung an diesem über die Kultur erbrachten Gewinn haben wird – oder ob sie nicht sogar ganz ihren Einfluss verlieren wird – bleibt abzuwarten. Auch zu welchem Preis eine finanzielle Ausbeutung des historischen Erbes von New Orleans geschehen wird, ist noch offen. Während die überwiegend weiße Wirtschafts- und Bildungselite die ›Wiedergeburt von New Orleans‹ plant, wartet die große Mehrheit der ehemaligen BürgerInnen in Oregon, Oklahoma oder Ohio auch drei Jahre nach Katrina auf einen Weg aus dem privaten Unglück.17 Dass die von der Bring New Orleans Back-Kommission erarbeiteten Pläne, an denen auch prominente farbige Persönlichkeiten der Stadt mitwirkten, unter den Tausenden Evakuierten so wenig Anklang finden, offenbart die tiefe und lange ignorierte Zerrissenheit innerhalb der farbigen Bevölkerung von New Orleans. Die Katastrophe Katrina hat nicht einfach nur das ›Rassenproblem‹ zutage gefördert; sie hat vielmehr den Zusammenhang von ›Rasse‹ 15 »The Cultural Vision Statement. A Cultural Dream for New Orleans: A Symphony of Integration by the Cultural Subcommittee of the Mayors Commission to Bring Back New Orleans«, 11.08.2005, http://www.bringneworleansback. org/Portals/BringNewOrleansBack/portal.aspx?tabid=71, Stand: 11.01.2006. Zum Umgang der Touristikbranche mit dem Begriff »Creole« siehe Lynell Thomas: »›The City I Used to ... Visit‹: Tourist New Orleans and the Racialized Response to Hurricane Katrina«, in: Manning Marable/Kristen Clarke (eds.), Seeking Higher Ground. The Hurricane Katrina Crisis, Race, and Public Policy Reader, New York: Palgrave 2008, 260-63. 16 »The Cultural Vision Statement«. 17 Im August 2008 erreicht die Anzahl der Haushalte in 16 von 50 Stadtteilen noch immer lediglich einen Wert unterhalb der Hälfte der Anzahl vor Katrina. Der stark zerstörte und vorwiegend von sozial schwachen Farbigen bewohnte Lower Ninth Ward weist sogar lediglich 11 Prozent der ursprünglichen Haushalte auf. Press Release, Greater New Orleans Community Data Center, 21. August 2008, http://www.gnocdc.org/, 24.08.08. Eine Übersicht über die Fortschritte des Wiederaufbaus bietet »The New Orleans Index: Tracking the Recovery of New Orleans and the Metro Area«, The Brookings Institution Metropolitan Policy Program & Greater New Orleans Community Data Center, August 2008, http://www.gnocdc.org/NOLAIndex/ESNewOrleansIndexAug08.pdf, 24.08.08.

EPILOG | 331

und Klasse in einer Gesellschaft gezeigt, in der es immer noch, und doch nicht nur um ›Schwarz‹ und ›Weiß‹ geht. Gerade in einer Stadt, die mit den Creoles of Color auf die Geschichte einer besonderen farbigen Gemeinschaft zurückblicken kann, gestaltet sich ›schwarze‹ Politik schwierig. Die Spaltung der farbigen Bevölkerung zeigt sich an den unterschiedlichen Einschätzungen des Krisenmanagements von Bürgermeister Nagin. Von einem Teil der farbigen Bevölkerung als Held gefeiert18, ist er für den anderen Teil nur einer von vielen farbigen Politikern, die ihre Seele den neoliberalen weißen Kräften verkauft haben.19 Die lange vernachlässigten ökonomischen und kulturellen Differenzen innerhalb der farbigen Bevölkerung Louisianas rückten durch die Ereignisse nach Katrina kurzzeitig wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der Kampf um Identitäten kam sehr pointiert an der Person des Armeegenerals Russel L. Honoré zum Ausdruck, der als Leiter der Military Special Task Force nach dem Hurrikan Wege aus dem Chaos suchte. Der aus Louisiana stammende General, der von vielen New Orleanians in der Folgezeit zum Helden stilisiert wurde und der sich selbst als African American Creole bezeichnet, wurde von verschiedenen ethnischen Gruppen als Leitfigur beansprucht. Wie sehr er das Problem von der sozioökonomischen Zersplitterung der farbigen Gesellschaft personifiziert, zeigt ein Zitat von Katherine Wing: »One of my friends thought that General Honoré was white, until I explained that he was a classic high-yellow black Creole, like my own ancestors. […] The Creoles still disproportionately account for the black elites of Louisiana. […] You did not see them wading through the floodwaters or stranded at the Superdome. They drove out. The race problem was not just black and white, but also within the historically color-conscious black community as well.«20

Von der weißen hegemonialen Gesellschaft oktroyiert, hat sich die afroamerikanische Bevölkerung zu lange damit zufrieden gegeben, eine kleine Elite der eigenen Gruppe für sich sprechen zu lassen. Teil dieser Mystifizierung, wie Paul Gilroy sie nannte, war die Vorstellung von einer quasi-nationalen kulturellen Identität, die jegliches Ausscheren unterdrückte.21 Im Glauben daran, dass wirklicher Fortschritt für die afroamerikanische Gemeinschaft nur über den Weg einer bedingungslosen identitären Angleichung funktionieren konnte, wurden potenziell fruchtbare Dissonanzen ausgeschaltet. Sich der inhärenten Differenz der afroamerikanischen Bevölkerung zu stellen, bedeutet nicht, die Identifikation mit der eigenen Gruppe aufzugeben. Dazu ist sie durch 18 Siehe verschiedene Blogeinträge im September 2005, Indymedia Radio, http://radio.indymedia.org/news/2005/09/6579.php, Stand: 09.09.05. 19 Jay Arena: »An Analysis of Nagin’s ›Chocolate‹ City Remark«, http://new orleans.indymedia.org/news/2006/01/6847.php, Stand: 14.02.06; Blogeinträge im September 2005, Indymedia Radio, http://radio.indymedia.org/news/2005 /09/6579.php, Stand: 09.09.05. 20 Adrien Katherine Wing: »From Wrongs to Rights: Hurricane Katrina from a Global Perspective«, in: David Dante Troutt (ed.), After the Storm. Black Intellectuals Explore the Meaning of Hurricane Katrina, New York: New Press 2006, 132. 21 Paul Gilroy: The Black Atlantic. Modernity and Double Consciousness, Cambridge: Harvard UP 1993, 33.

332 | KREOLISCHE IDENTITÄT

die gemeinsame Geschichte und die Erfahrung des weißen ›Rassismus‹ viel zu stark. Die Akzeptanz der Heterogenität der Gemeinschaft und die Erkenntnis, dass es um die Interdependenzen von ›Rasse‹ und Klasse geht, sind Voraussetzungen für eine zielgerichtete Debatte über das Armuts- und Rassismusproblem in den USA. Blickt man mit dem Abstand von drei Jahren auf die Geschehnisse, so wird klar, dass die damals von allen Seiten geforderte Auseinandersetzung nicht stattgefunden hat. Zwei Wochen nach dem Hurrikan zeigte sich USPräsident Bush medienwirksam vor der St. Louis-Cathedral im Herzen der Altstadt von New Orleans und gab zu: »[T]here is […] some deep, persistent poverty in this region as well. And that poverty has roots in a history of racial discrimination, which cut off generations from the opportunity of America.«22 Diese späte Einsicht war allerdings nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis. Viele AmerikanerInnen – und ich wage zu behaupten, der überwiegende Teil von ihnen ist weiß – wollen die ständigen Vorwürfe und Forderungen nach einer nachhaltigen finanziellen Unterstützung für die von Katrina verwüsteten Gebiete inzwischen nicht mehr hören.23 Das eigentlich die gesamte Nation betreffende Problem, das sich lediglich an New Orleans zum Ausdruck brachte, wird zunehmend regionalisiert und isoliert. Katrina als zum Großteil menschengemachtes Desaster und als Offenbarung der eigenen Unzulänglichkeiten rückt in den Hintergrund und macht Platz für Katrina als Naturkatatstrophe; als fürchterliches und einzigartiges, letztlich aber von der Natur hervorgerufenes Unglück, an dem die Nation und ihre BürgerInnen unschuldig sind. Auch die Medien scheinen nach ihrem anfänglichen Aufschrei die eigentliche Problematik des Geschehenen vergessen zu haben. Katrina ist zu einer Randnote der Geschichte geworden, die droht, abgetrennt von der Mehrheitsgesellschaft, fortan allein im Bewusstsein der afroamerikanischen Bevölkerung eine Bedeutung zu haben. Wieder einmal sind die Erinnerungen ›rassengetrennt‹: »Soon this history will become black, not American. And the problems, like mourners at all those funerals, will belong to one color again.«24 New Orleans kann es sich nicht leisten, die rassenbedingten Barrieren in Wirtschaft, Politik und Kultur nicht zu bekämpfen. Sie müssen ein für alle Mal aus den Köpfen der Menschen verschwinden, wenn man, wie angekündigt, nicht nur eine Kopie des alten, sondern ein besseres New Orleans schaffen will. Die Stadt könnte als Vorreiter und Vorbild für den Rest der USA dienen. New Orleans besitzt aus seiner Geschichte heraus ein unvergleichliches Potenzial. Trotz seiner Rassismen war es während des 19. Jahrhunderts 22 »Bush: ›We Will Do What It Takes‹«, 15. September 2005, CNN Online, http://edition.cnn.com/2005/POLITICS/09/15/bush.transcript/index.html, Stand: 16.09.2005. 23 Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass viele Katrina-Opfer auf der persönlichen Ebene große Sympathiebekundungen und Hilfeleistungen erfuhren. Unzählige Familien kamen übergangsweise bei fremden Menschen unter und wurden finanziell und emotional unterstützt. Trotzdem lässt sich mit der Zeit auch eine zunehmende Müdigkeit verzeichnen, was die Hilfeleistungen angeht und nicht wenige weisen heute auf die vielen Probleme hin, die angeblich mit den Evakuierten in ihren Städten und Gemeinden Einzug gehalten haben. 24 David Dante Troutt: »Many Thousands Gone«, in: Troutt (ed.), After the Storm. Black Intellectuals Explore the Meaning of Hurricane Katrina, New York: New Press 2006, 19.

EPILOG | 333

seiner Zeit weit voraus, was Gleichberechtigung und Bürgerrechte anging. Wenn es in New Orleans nicht gelingen kann, die tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelten rassistischen Vorurteile und Denkmuster anzugehen, dann kann es nirgendwo gelingen. In diesem Projekt sind beide Seiten gefragt: sowohl die weiße als auch die afroamerikanische Bevölkerung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bot sich in New Orleans bereits einmal die Möglichkeit eines alternativen Weges. Sie wurde nicht genutzt. Nun bietet sie sich erneut. Aus dem Unglück, das Katrina über die Region und ihre Menschen brachte, ist auch die Möglichkeit erwachsen, das der kreolischen Kultur innewohnende Potenzial einer antirassistischen Gesellschaft endlich zu verwirklichen. Am Schluss bleibt deshalb – wie bei der Büchse Pandoras – die Hoffnung. Die Hoffnung, dass die Zeilen, die Lyle Saxon vor etwa 80 Jahren über seine Lieblingsstadt schrieb, auch heute noch zutreffen: »There is something so excessively American in this determination to get ahead, and to continue in the face of all odds. It does not seem a picturesque struggle, for it is too near us, too much of our own times. But it is this curious quality of indestructibility which is most characteristic of New Orleans[.]«25

25 Lyle Saxon: Fabulous New Orleans, Gretna, LA: Pelican 1988 [1928], 259, Hervorhebung im Original.

ANHANG Tabellen Wichtige farbige Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in Louisiana Informationen zu den benutzten Zeitungen Abbildungen Abkürzungsverzeichnis Bibliographie

336 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Tabellen Tab. 1: Einwohnerentwicklung von New Orleans, 1810-1900 1810 17.242 1860

1820 27.176 1870

168.675

191.418

1830 46.082 1880 216.090

1840 102.193 1890 242.039

1850 116.375 1900 287.104

Quelle: Donald B. Dodd (comp.): Historical Statistics of the States of the United States. Two Centuries of the Census, 1790-1990, Westport, CT: Greenwood Press 1993, 453-54.

Tab. 2: Entwicklung der Gesamtbevölkerung in Louisiana, 1806-1890 Jahr 1806 1810 1820 1830 1840 1850 1860 1870 1880 1890

Gesamtbevölkerung Louisiana 51.544 76.556 153.407 215.739 352.411 517.762 707.829 726.275 938.609 1.117.588

Quelle: »A General Return of the Census of the Territory of Orleans Taken for the Year 1806«, New Orleans Municipal Papers (1782-1925), TU, Box 6; Abstract of the Returns of the Fifth Census, Showing the Number of Free People, the Number of Slaves, the Federal or Representative Number, and the Aggregate of Each County of Each State of the United States, Washington: Duff Green 1832; Compendium of the Enumeration of the Inhabitants and Statistics of the United States, as Obtained at the Department of State, from the Returns of the Sixth Census by Counties and Principal Towns…, Washington: Thomas Allen 1841; The Seventh Census of the United States: 1850, Washington: Robert Armstrong 1853; Population of the United States in 1860; Compiled from the Original Returns of the Eight Census, Washington: GPO 1864; Statistics of the Population of the United States, Embracing the Table of Race, Nationality, Sex, Selected Ages, and Occupations…, comp. from the Original Returns of the Ninth Census, Washington: GPO 1872; Statistics of the Population of the United States, Embracing the Table of Race, Nationality, Sex, Selected Ages, and Occupations…, comp. from the Original Returns of the Tenth Census, Washington: GPO 1883; Report on the Population of the United States at the Eleventh Census: 1890, Part 1, Washington: GPO 1895.

ANHANG | 337

Tab. 3: Aufgeschlüsselte Bevölkerungsentwicklung in Louisiana, 1806-1860 Weiße Bevölkerung 25.493 34.311 73.383 89.441 158.457 255.491 357.456

1806 1810 1820 1830 1840 1850 1860

Free People of Color 3.350 7.585 10.476 16.710 25.502 17.462 18.647

SklavInnen 22.701 34.660 69.064 109.588 168.452 244.809 331.726

400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 1806

1810

1820

Weiße

1830

FPC

1840

1850

1860

SklavInnen

Quelle: »A General Return of the Census of the Territory of Orleans Taken for the Year 1806,« New Orleans Municipal Papers (1782-1925), TU, Box 6; Abstract of the Returns of the Fifth Census…, Washington: Duff Green 1832; Compendium of the Enumeration of the Inhabitants and Statistics of the United States, as Obtained at the Department of State, from the Returns of the Sixth Census by Counties and Principal Towns…, Washington: Thomas Allen 1841; The Seventh Census of the United States: 1850, Washington: Robert Armstrong 1853; Population of the United States in 1860…, Washington: GPO 1864.

338 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Tab. 4: Prozentualer Anteil der Free People of Color an der Gesamtbevölkerung, an der freien Bevölkerung und an der farbigen Bevölkerung in Louisiana, 1806-1860

1806 1810 1820 1830 1840 1850 1860

Anteil an Gesamtbevölkerung (in %) 6,5 9,9 6,8 7,7 7,2 3,4 2,6

Anteil an Anteil an freier farbiger Bevölkerung Bevölkerung (in %) (in %) 11,6 12,9 18,1 18 12,5 13,2 15,7 13,2 13,1 13,1 6,4 6,7 5 5,3

Absolute Zahl

3.350 7.585 10.476 16.710 25.502 17.462 18.647

Quelle: »A General Return of the Census of the Territory of Orleans Taken for the Year 1806,« New Orleans Municipal Papers (1782-1925), TU, Box 6; Abstract of the Returns of the Fifth Census…, Washington: Duff Green 1832; Compendium of the Enumeration of the Inhabitants and Statistics of the United States, as Obtained at the Department of State, from the Returns of the Sixth Census by Counties and Principal Towns…, Washington: Thomas Allen 1841; The Seventh Census of the United States: 1850, Washington: Robert Armstrong 1853; Population of the United States in 1860…, Washington: GPO 1864.

Tab. 5: Freie farbige Bevölkerung in verschiedenen Südstaaten, 1810-1860 North South Georgia Alabama Mississippi Louisiana Carolina Carolina

1810 10.266

4.554

1.801



240

7.585

1820 14.712

6.826

1.763

571

458

10.476

1830 19.543

7.921

2.486

1.572

519

16.710

1840 22.732

8.276

2.753

2.039

1.366

25.502

1850 27.463

8.960

2.931

2.265

930

17.462

1860 30.463

9.914

3.500

2.690

773

18.647

ANHANG | 339

35.000

30.000

25.000

20.000

15.000

10.000

5.000

0 1810

1820 NC

1830 SC

GA

1840 AL

1850

1860 LA

MS

Quelle: John Cummings: Negro Population in the Unites States, 1790-1915, New York: Arno Press 1968 [1918], 57.

340 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Tab. 6: Alter und Geschlecht der Flüchtlinge von St. Domingue, 1809

Männer 15 Jahre +

Frauen 15 Jahre +

Kinder bis 15 Jahre

Insgesamt

Weiße

1.373

703

655

2.731

Free People of Color

428

1.377

1.297

3.102

SklavInnen

962

1.330

934

3.225

Insgesamt

2.763

3.410

2.886

9.059

Quelle: Mayor’s Report, 18. Januar 1810, Le Moniteur de la Louisiane, 27. Januar 1810, zusammengefasst in Lachance: »The 1809 Immigration of Saint-Domingue Refugees to New Orleans«, 259.

Wichtige farbige Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in Louisiana Offiziere der Native Guards1 André Cailloux James H. Ingraham Henry L. Rey Francis E. Dumas Arnold Bertonneau Robert H. Isabelle P. B. S. Pinchback Octave Rey

1

Captain, 1st Louisiana Native Guards Captain, 1st Louisiana Native Guards Captain, 1st Louisiana Native Guards Major, 2nd Louisiana Native Guards Captain, 2nd Louisiana Native Guards Captain, 2nd Louisiana Native Guards Captain, 2nd Louisiana Native Guards Lieutenant, 2nd Louisiana Native Guards

Die Liste beschränkt sich auf diejenigen Personen, die in der Arbeit näher besprochen werden oder in Quellen zu Wort kommen. Die Informationen sind entnommen aus A. E. Perkins: »Some Negro Officers and Legislators in Louisiana«, in: Journal of Negro History 14:4 (October 1929), 523-28; Berlin: Freedom, 310.

ANHANG | 341

Politische Amtsträger Oscar J. Dunn P. B. S. Pinchback C. C. Antoine P. G. Deslonde Antoine Dubuclet J. Henri Burch George Y. Kelso J. H. Ingraham Theophile T. Allain Emile Detiége Aristide DeJoie J. B. Esnard Robert H. Isabelle

Lieutenant Governor 1868-71 Senator des Orleans Parish 1868-72; Lieutentant Governor 1871-72 Senator des Caddo Parish 1868-72; Lieutenant Governor 1872-76 Repräsentant des Iberville Parish 1868-72; Secretary of State 1872-76 State Treasurer 1868-69 Repräsentant des East Baton Rouge Parish 1868-72; Senator des East Baton Rouge Parish 1872-80 Senator des Rapides Parish 1868-72 Senator des Orleans Parish 1870-74 Senator des Iberville Parish 1874-80; Repräsentant des Iberville Parish 1884-88 Senator des St. Martin Parish 1876-78 Repräsentant des Orleans Parish 1870-74 Repräsentant des Iberia Parish 1870-76 Repräsentant des Orleans Parish 1868-76

Aktivisten, Literaten, Musiker, Geschäftsleute etc. Bertonneau, E. Arnold Cailloux, André Desdunes, Rodolphe L. Durnford, Andrew Fouché, Louis Nelson

Weinhändler, Aktivist Soldat, ›Märtyrer‹ der Schlacht um Port Hudson Aktivist, Publizist Plantagen- und Sklavenbesitzer Architekt, Mathematiker und Initiator eines Kolonisierungsprojektes in Veracruz, Mexiko Lafon, Thomy Schuhfabrikant und Philanthrop Lanusse, Armand Lehrer, Schriftsteller, Aktivist Liotau, Mirtil-Ferdinand Schriftsteller Martinet, Louis A. Rechtsanwalt, Zeitungsherausgeber, Aktivist Mary, Alexandre Aristide Immobilienmakler und Philanthrop Plessy, Homer Schuhmacher, Versicherungsmakler, Aktivist Questy, Joanni Lehrer und Schriftsteller Rey, Henri [Henry] spiritistisches Medium Louis Roudanez, Jean-Baptiste Ingenieur, Zeitungsherausgeber, Aktivist Roudanez, Louis Charles Arzt, Zeitungsherausgeber, Publizist, Aktivist Trévigne, Paul Lehrer, Zeitungsherausgeber, Publizist, Aktivist Valmour spiritistisches Medium

342 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Informationen zu den benutzten Zeitungen Orleans Gazette (1804-1822?): Englisch, angloamerikanisch Courrier de la Louisiane, engl.: Louisiana Courier (1807-1860): zweisprachig, in der Territorialphase weiteste Verbreitung aller Zeitungen Louisiana Gazette, franz.: Gazette de la Louisiane (1804-1826): Englisch, seit 1817 zweisprachig, Federalist L’Abeille de la Nouvelle-Orléans, engl.: New Orleans Bee (1827-1923): zweisprachig, seit Juli 1872 nur noch in Englisch, überwiegend demokratisch Daily Picayune (1837-1914): Englisch, relativ unparteiisch, pro-Sklaverei Daily Delta (1845-1863): Englisch, pro-Konföderation Daily True Delta (1849-1866): Englisch, gemäßigt, konservativ in Rassenfragen New Orleans Republican (1867-1878): Englisch, Nachfolger von Daily True Delta, republikanisch (Carpetbagger), gemäßigt liberal in Rassenfragen New Orleans Democrat (1875-1881): Englisch, demokratisch L’Union (1862-1864): Französisch, seit 1863 zweisprachig, republikanisch, afrokreolisch La Tribune de la Nouvelle-Orléans, engl.: New Orleans Tribune (18641870): Nachfolger der Union, zweisprachig, republikanisch, afrokreolisch Black Republican (1865): Englisch, angloafroamerikanisch, gemäßigt republikanisch Louisianian (1870-1881): Englisch, angloafroamerikanisch, gemäßigt republikanisch Crusader (1889-96): zweisprachig, afrokreolisch, republikanisch New Orleans Times (1863-1881): Englisch, unionsnah, in Rassenfragen gemäßigt bis konservativ

Abbildungen Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4:

Nina Möllers. Harper’s Weekly, 28. Februar 1863, 133. Harper’s Weekly, 29. August 1863, 549. Rodolphe Lucien Desdunes: Nos Hommes et notre Histoire…, Montréal: Arbour & Dupont 1911, o. S. Abb. 5: Eric Foner: A Short History of Reconstruction 1863-1877, New York: Harper and Row 1990, o. S. Abb. 6: Jewell & Prescott, The Crescent City illustrated, Mss. 4526, LLMVC. Abb. 7: Rodolphe Lucien Desdunes: Our People and Our History, Sister Dorothea Olga McCants (transl. and ed.), Baton Rouge: Louisiana State University Press 1973, o. S. Abb. 8: The Crusader, 22. März 1890. Abb. 9: Nina Möllers. Abb. 10: New Orleans Times-Picayune, 2. September 2005.

ANHANG | 343

Abkürzungsverzeichnis AAS AASRFM ACERA ACS AL ARC CLB GA GDS GPO HNOC LA La. La. An. La. Rob. LC LLMVC MA Mart. MS NERL NC NOPL OR R/LA S/LA SC TP TU UNO UP XU

American Antiquarian Society, Worcester, Massachusetts Ancient and Accepted Scottish Rite of Freemasonry American Citizens’ Equal Rights Association American Colonization Society Alabama Amistad Research Center, Tulane University, New Orleans, Louisiana Official Letter Books of W. C. C. Claiborne, ed. Rowland Dunbar Georgia The Grandissimes, by George W. Cable Government Printing Office, Washington, DC Historic New Orleans Collection, New Orleans, Louisiana Louisiana Louisiana Term Reports or Cases Argued and Determined in the Supreme Court of the State of Louisiana Reports of Cases Argued and Determined in the Supreme Court of Louisiana Robinson’s Reports of the Cases Argued and Determined in the Supreme Court of Louisiana Library of Congress, Washington, DC Louisiana and Lower Mississippi Valley Collections, Hill Memorial Library, Louisiana State University, Baton Rouge, Louisiana Massachusetts Martin’s Reports or Cases Argued and Determined in the Superior Court of the Territory of Orleans Mississippi National Equal Rights League North Carolina City Archives, New Orleans Public Library, New Orleans, Louisiana US War Department, The War of the Rebellion. A Compilation of the OfficialRecords of the Union and Confederate Armies RepräsentantIn im US-Kongress/Louisiana SenatorIn im US-Kongress/Louisiana South Carolina Territorial Papers of the United States, ed. Clarence E. Carter Special Collections, Howard M. Tilton Library, Tulane University, New Orleans, Louisiana Special Collections, Earl K. Long Library, University of New Orleans, Louisiana University Press Special Collections, Xavier University, New Orleans, Louisiana

344 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Bibliographie Archivalien American Antiquarian Society, Worcester, Massachusetts Early American Imprints, 2nd series, Shaw/Shoemaker »Charge of the Black Regiment at Port Hudson«, Broadside Amistad Research Center, Tulane University, New Orleans, Louisiana A. P. Tureaud Papers Charles B. Roussève Collection George Longe Collection City Archives, New Orleans Public Library, New Orleans, Louisiana Abat v. Mourier, New Orleans Parish Court, No. 9828 (1854), Parish Court Records Anastasie Desarzant v. Pierre Leblanc and Eglantine Le Maizzilier, his wife, 3 DC 9808 (1858), Parish Court Records George Pandelly v. Victor Wiltz, 4 DC 7021 (1854), Parish Court Records Records of the City Council Succession of Anastasie Desarzant, 2 DC Orleans Parish (1872), Probate Records Historical New Orleans Collection, Williams Research Center, New Orleans, Louisiana Samuel Gray Collection Ste. Gême Family Papers Louisiana and Lower Mississippi Valley Collections, Hill Memorial Library, Louisiana State University, Baton Rouge, Louisiana John H. Guild Letter Charles (E. A.) Gayarré Papers Nathaniel Evans Papers Peter M. Yawyer Letter Reynès (Joseph and Family) Papers Unification Papers Special Collections, Howard M. Tilton Library, Tulane University, New Orleans, Louisiana Civil War Manuscripts Series Documents relatifs à la colonie d’Eureka, dans l’Etat de Veracruz (1857) John McDonogh Papers New Orleans Municipal Papers Scrapbook Concerning the Negro in the United States »The Unification Question«, Address of Gen. T. Beauregard to the People of Louisiana, 1 July 1873 Special Collections, Earl K. Long Library, University of New Orleans, Louisiana René Grandjean Collection Supreme Court of Louisiana Collection

ANHANG | 345

Special Collections, Xavier University, New Orleans, Louisiana Desdunes Family New Orleans Crusader Clippings Sybil Kein Papers TV Programme. »The Creole Controversy« (Ch. 12 WYES-TV, Nov. 16, 1989), Xavier Media Collection

Zeitungen und Zeitschriften2 African Repository [Washington, D. C.] Atlantic Monthly [Boston] L’Album littéraire: Journal des jeunes gens, amateurs de littérature L’Argus Baton Rouge Weekly Gazette and Comet [Baton Rouge] Black Republican Boston Liberator [Boston] Le Carillon Century [New York] La Chronique. Journal Politique et Littéraire Colored American [New York] Crusader Daily Crescent Daily Delta Daily Picayune Daily True Delta De Bow’s Review Era Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Gambit Weekly GQ [New York] Harper’s Weekly [New York] Louisiana Courier = La Courier de la Louisiane Louisianian Louisiana Gazette = La Gazette de la Louisiane = Louisiana Gazette and New Orleans Advertiser Le Moniteur de la Louisiane Niles’ Weekly Register [Baltimore] New Orleans Bee = L’Abeille de la Nouvelle-Orléans New Orleans Commercial Bulletin New Orleans Democrat New Orleans Gazette; and Commercial Advertiser New Orleans Item New Orleans Republican New Orleans Times New Orleans Tribune = La Tribune de la Nouvelle-Orléans New York Times

2

Wo nicht anders angegeben, ist der Erscheinungsort der amerikanischen Zeitungen New Orleans.

346 | KREOLISCHE IDENTITÄT

Opelousas Patriot [Opelousas] Der Spiegel Le Spiritualiste de la Nouvelle-Orléans Le Telegraphe, Commercial Advertiser L’Union Washington Post [Washington, D. C.] Die Zeit

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and of the Independence of the United States of America the Thirtieth, New Orleans: Bradford and Anderson 1807. Acts Passed at the Second Session of the First Legislature of the Territory of Orleans, Begun and Held in the City of New-Orleans, on the 12th Day of January, in the Year of Our Lord One Thousand Eight Hundred and Seven, and of the Independence of the United States of America the Thirty-First, New Orleans: Bradford and Anderson 1807. Acts Passed at the Second Session of the Third Legislature of the Territory of Orleans, New-Orleans: Thierry 1811. Acts Passed at the First Session of the First General Assembly of the State of Louisiana, New-Orleans: Thierry 1812. Acts Passed at the First Session of the Second Legislature of the State of Louisiana, New-Orleans: Peter K. Wagner 1815. Acts Passed at the First Session of the Fourth Legislature of the State of Louisiana, New-Orleans: J. C. de St. Romes 1819. Acts Passed at the Second Session of the Ninth Legislature of the State of Louisiana: Begun and Held in the City of Donaldsonville, on Monday the 4th day of January, A. D. 1830, and of the Independence of the United States of America the Fifty-Fourth, Donaldsonville: C. W. Duhy 1830. A General Digest of the Acts of the Legislatures of the Late Territory of Orleans and of the State of Louisiana, and of the ordinances of the governor under the territorial government: preceded by the treaty of cession, the Constitution of the United States, and of the state, with the acts of Congress, relating to the government of the country and land claims therein, New Orleans: Peter K. Wagner 1816, vol. I. Louisiana Annuals Official Journal of the Proceedings of the Convention, for Framing a Constitution for the State of Louisiana, 1867-1868, New Orleans: J. B. Roudanez & Co., Printers 1867-1868. Official Journal of the Proceedings of the Convention for the Revision and Amendment of the Constitution of Louisiana, New Orleans: W. R. Fish 1864. Voorhies, Albert: A Treatise on the Criminal Jurisprudence of Louisiana, embracing the criminal statutes of the territory of Orleans, and of the State of Louisiana, from the year 1805 to the year 1858 inclusively and having copious references to the decisions of the late Court of errors and appeals, and of the present Supreme Court, up to the thirteenth volume of Louisiana annual reports, inclusively, New Orleans: Bloomfield and Steel 1860. National Abstract of the Returns of the Fifth Census, Showing the Number of Free People, the Number of Slaves, the Federal or Representative Number, and the Aggregate of Each Country of Each State of the United States, Washington: Duff Green 1832. »Emigrants from Cuba«, Annals of Congress, House of Representatives, 11th Cong., 1st sess. (27 June 1809), 464-65. Compendium of the Enumeration of the Inhabitants and Statistics of the United States, as Obtained at the Department of State, from the Returns

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Unveröffentlichte Dissertationen und Magisterarbeiten Alberts, John Bernard: »Origins of Black Catholic Parishes in the Archdiocese of New Orleans, 1718-1920«, (Ph.D. diss., Louisiana State University 1998). Babb, Winston C.: »French Refugees from Saint Domingue to the Southern United States, 1791-1810«, (Ph.D. diss., University of Virginia 1954). Dollar, Susan E.: »›Black, White, or Indifferent‹: Race, Identity, and Americanization in Creole Louisiana«, (Ph.D., diss., University of Arkansas 2004). Duchein, Mary Scott: »Research on Charles Etienne Arthur Gayarré«, (M.A. thesis, Louisiana State University 1934). Everett, Donald E.: »Free Persons of Color in New Orleans, 1803-1865«, (Ph.D. diss., Tulane University 1952). Gould, L. Virginia Meacham: »In Full Enjoyment of their Liberty: The Free Women of Color in the Gulf Ports of New Orleans, Mobile, and Pensacola, 1769-1860«, (Ph.D. diss., Emory University 1991). Guillory, Monique: »Some Enchanted Evening on the Auction Block: The Cultural Legacy of the New Orleans Quadroon Balls«, (Ph.D. diss., New York University 1995). Hewitt, Lawrence Lee: »They Fought Splendidly!: The Struggle for Port Hudson«, (Ph.D. diss., Louisiana State University 1984). Kelley, Blair Murphy: »›A Right to Ride‹: African-American Citizenship, Identity, and the Protest over Jim Crow Transportation«, (Ph.D. diss., Duke University 2003). Kuhlmann, Jörg: »Freie Schwarze in Louisiana und South Carolina 1803-1860: Status und Identität in der Südstaaten-Gesellschaft vor dem amerikanischen Bürgerkrieg«, (Staatsexamensarbeit, Universität Bochum 1990). Leavens, Finnian Patrick: »L’Union and the New Orleans Tribune and Louisiana Reconstruction«, (M.A. thesis, Louisiana State University 1966). Marsala, Vincent J.: »The Louisiana Unification Movement of 1873«, (M.A. thesis, Louisiana State University 1962). McTigue, Geraldine M.: »Forms of Racial Interaction in Louisiana, 18601880«, (Ph.D. diss., Yale University 1975). Mizell-Nelson, Michael: »Challenging and Reinforcing White Control of Public Space: Race Relations on New Orleans Streetcars, 1861-65«, (Ph. D. diss., Tulane University 2001). Pearson, Ellen Holmes: »Imperfect Equality: The Legal Status of Free People of Color in New Orleans, 1803-1860«, (M.A. thesis, University of New Orleans 1996). Rankin, David C.: »The Forgotten People: Free People of Color in New Orleans, 1850-1870«, (Ph.D. diss., Johns Hopkins University 1976).

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Socola, Edward M.: »Charles E. A. Gayarré: A Biography«, (Ph.D. diss., University of Pennsylvania 1954). Spear, Jennifer: »›Whiteness and Purity of Blood‹: Race, Sexuality, and Social Order in Colonial Louisiana«, (Ph.D. diss., University of Minnesota 1999). Susberry, Tameka S.: »Racial Identification and Ethnic Identity in Louisiana: Creole People of Color«, (Ph.D. diss., University of Houston 2004). Thompson, Shirley Elizabeth: »The Passing of a People: Creoles of Color in Mid-Nineteenth Century New Orleans«, (Ph.D. diss., Harvard University 2001). Walker, Harry J.: »Negro Benevolent Societies in New Orleans: A Study of Their Structure, Function, and Membership«, (M.A. thesis, Fisk University 1937).

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Hier werden auch diejenigen Werke genannt, von denen eine spätere Auflage benutzt wurde, deren Ersterscheinungsdatum aber vor 1900 liegt. Diejenigen Titel, die nur in Archivbeständen nachgewiesen werden konnten, werden mit ihrem Fundort aufgelistet.

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Alexander Meschnig Der Wille zur Bewegung Militärischer Traum und totalitäres Programm. Eine Mentalitätsgeschichte vom Ersten Weltkrieg zum Nationalsozialismus

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