126 83 64MB
German Pages 496 [498] Year 2002
Kostenrechnung in der Türkei
Angewandte
Betriebswirtschaftslehre Herausgegeben von Prof. Dr. Bernd Kaluza Prof. Dr. Erich J. Schwarz
Band 3
Osman Tig
Kostenrechnung in der Türkei Empirische Untersuchung und theoretische Überlegungen
Verlag Wissenschaft & Praxis
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Tig, Osman: Kostenrechnung in der Türkei: empirische Untersuchung und theoretische Überlegungen / Osman Tig. Hrsg.: Bernd Kaluza ; Erich J. Schwarz. Sternenfels : Verl. Wiss, und Praxis, 2002 (Angewandte Betriebswirtschaftslehre ; Bd. 3) Zugl. : Duisburg, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-89673-150-5
ISBN 3-89673-150-5 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2002 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094 Alle Rechte vorbehalten
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Geleitwort
V
Geleitwort
Für Wissenschaft und Praxis ist es von größter Bedeutung, gesichertes Wissen über den Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente in der unternehmerischen Praxis zu
gewinnen. Dies gilt auch und gerade für ein „betriebswirtschaftliches Entwicklungs land" wie die Türkei. Seit mehreren Jahren versucht die Türkei, Anschluß an die EU
und besonders an Deutschland zu gewinnen. So wird beispielsweise das interne und
das externe Rechnungswesen in der Türkei von den amerikanischen und von den deutschen Lehrmeinungen geprägt. Es ist deshalb besonders interessant zu erfah ren, welche dieser unterschiedlichen Auffassungen sich in der Praxis der türkischen
Unternehmen durchgesetzt hat.
Vor diesem Hintergrund setzt sich Herr Tig als zentrales Ziel seiner Dissertation, den Stand und die Entwicklung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in
der Türkei zu ermitteln. Dafür untersucht der Autor zunächst die Grundlagen der
Kostenrechnung und stellt die verschiedenen Entwicklungsformen der Kostenrech nungssysteme vor. Der Verfasser gibt zudem einen Gesamtüberblick über das
türkische Schrifttum zur Kostenrechnung und erhebt in einer großzahligen empiri
schen Untersuchung den aktuellen Stand der Kostenrechnung und der Kostenrech nungssysteme in den türkischen Unternehmen. Es zeigt sich, daß hochentwickelte
Kostenrechnungssysteme in den türkischen Unternehmen bislang nur sehr selten eingesetzt werden. Eine besondere Leistung der vorliegenden Arbeit ist es daher,
Handlungsempfehlungen zur Implementierung dieser Systeme in den türkischen Unternehmen zu erarbeiten. Zudem werden Vorschläge für die Entwicklung der kostenrechnerischen Ausbildung in der Türkei unterbreitet. Dabei kommt dem
Verfasser bei der Durchführung und Auswertung zu Gute, daß er in beiden Kultur kreisen viele Jahre gelebt hat. Das vorliegende Buch, dem eine an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, wo
Herr Tig sich große Verdienste erworben hat, vorgelegte Dissertation zugrunde liegt,
richtet sich sowohl an Leser aus der Wissenschaft als auch aus der Praxis. Es bietet diesem Interessentenkreis eine Fülle interessanter Anregungen und bringt viele neue
Erkenntnisse besonders über die Verhältnisse in türkischen Unternehmen.
o.Univ.-Prof. Dr. Bernd Kaluza
Vorwort
VII
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2001 vom Fachbereich Wirtschafts
wissenschaft
der
Gerhard-Mercator-Universität
Duisburg
als
Dissertation
angenommen.
Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Bernd Kaluza, der mir die Möglichkeit geboten hat, diese Arbeit bei ihm zu schreiben. Herr Prof. Dr. Kaluza hat die vorliegende Arbeit in jeder Phase
wissenschaftlich begleitet und durch seine herausragende fachliche Kompetenz wesentlich geprägt. Ohne ihn wäre diese Arbeit nie entstanden. Herrn Prof. Dr.
Michael Wohlgemuth danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferats. Mit seinen konstruktiven Empfehlungen hat er mich in den verschiedenen Phasen
meiner Arbeit unterstützt. Ebenso gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Rainer Leisten und Herrn Privatdozent Dr. Jürgen Jerger als Mitglieder der Prüfungskommission. Weiterhin habe ich mich stets über die freundliche Unterstützung der Professoren
und all meiner Kollegen des ganzen Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft gefreut.
Recht herzlich danken und besonders hervorheben möchte ich Herrn Dipl.-Kfm. Markus Roos. Er hat in vielen fruchtbaren Diskussionen sehr zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Auch bedanken möchte ich mich bei Herrn Dipl.-Kfm. Jens Radde für die kritische Durchsicht der gesamten Arbeit sowie für seine fachlichen
Anregungen. Zu Dank für die Mithilfe bei der Entstehung meiner Arbeit bin ich meinen studentischen Hilfskräften Frau Dipl.-Kff. Iclal Kasim und den Herren Arif
Kaya, Dipl.-Kfm Andreas Baer, Dipl.-Kfm. Rainer Eichelberg, Dipl.-Ök. Michael
Janssen und Dipl.-Kfm. Carsten Bönig verpflichtet. Freundlicher Dank gebührt auch
Herrn Prof. Dr. Andreas Pasckert und Herrn Dr. Thorsten Blecker, die mich in allen Phasen der Arbeit motiviert haben.
Besonderer Dank gebührt meinen Eltern, Leyla und Mehmet Tig, ohne deren große Hilfe diese Dissertation niemals entstanden wäre. Sie haben mich unermüdlich unterstützt, gefördert und motiviert. Ihr Verständnis und ihre Hilfe haben den
erfolgreichen Abschluß von Studium und Promotion erst ermöglicht. Ihnen sei
deshalb diese Arbeit gewidmet.
Inhaltsverzeichnis
JX
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis......................................................................................... XVI
Tabellenverzeichnis............................................................................................ XVIII
Abkürzungsverzeichnis......................................................................................... XX Abkürzungsverzeichnis zitierter Handwörterbücher und Zeitschriften........... XXII
1 Einleitung................................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung................................................................................................. 1
1.2 Gang der Untersuchung..................................................................................... 5
2 Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung................................................10 2.1 Grundzüge der Kostenrechnung...................................................................... 10
2.1.1 Kostenrechnung als Teilgebiet des betrieblichen Rechnungswesens........................................................................ 10 2.1.2 Grundbegriffe der Kostenrechnung........................................................ 13
2.1.2.1 Kostenbegriffe........................................................................... 13 2.1.2.1.1 Wertmäßiger Kostenbegriff....................................... 13
2.1.2.1.2 Pagatorischer Kostenbegriff...................................... 16
2.1.2.1.3 Weitere Kostenbegriffe............................................. 17 2.1.2.2 Begriffsabgrenzungen...............................................................20
2.1.2.2.1 Abgrenzung von Ausgabe und Aufwand...................20
2.1.2.2.2 Abgrenzung von Aufwand und Kosten..................... 21 2.1.3 Funktionen und Zwecke der Kostenrechnung........................................23
2.1.4 Teilbereiche der Kostenrechnung...........................................................27
2.1.4.1 Kostenartenrechnung................................................................27 2.1.4.1.1 Grundsätzliche Bedeutung der Kostenartenrechnung.................................27
2.1.4.1.2 Klassifikationsmöglichkeiten der Kostenartenrechnung.................................28 2.1.4.1.3 Erfassung und Analyse der wichtigsten Kostenarten................................................ 30
2.1.4.2 Kostenstellenrechnung............................................................. 40 2.1.4.2.1 Bedeutung der Kostenstellenrechnung.................... 40
2.1.4.2.2 Einteilungskriterien und Arten von Kostenstellen.............................................43
2L
Inhaltsverzeichnis 2.1.4.2.3 Methoden und Prinzipien der Kostenverteilung........................................46
2.1.4.2.4 Problematik und Verfahren der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung.48 2.1.4.2.5 Betriebsabrechnungsbogen als Instrument der Kostenstellenrechnung........................ 52
2.1.4.3 Kostenträgerrechnung.............................................................. 54 2.1.4.3.1 Kostenträgerstückrechnung....................................... 57
2.1.4.3.1.1 Einflußgrößen bei der Wahl des Kalkulationsverfahrens. 57
2.1.4.3.1.2 Darstellung verschiedener Formen der Kalkulationsverfahren.........61 2.1.4.3.2 Kostenträgerzeitrechnung.........................................71 2.2 Grundzüge der Kostenrechnungssysteme.......................................................73 3 Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme........................................ 78
3.1 Ausgewählte Systeme der Vollkostenrechnung...............................................78 3.1.1 Entwicklungsformen der Istkostenrechnung........................................... 78
3.1.1.1 Grundform der Istkostenrechnung.............................................78
3.1.1.2 Weiterentwicklung der Istkostenrechnung................................. 80 3.1.2 Entwicklungsformen der Normalkostenrechnung................................... 83
3.1.2.1 Grundlagen der Normalkostenrechnung................................... 83
3.1.2.2 Starre Normalkostenrechnung...................................................85 3.1.2.3 Flexible Normalkostenrechnung................................................87 3.1.3 Entwicklungsformen der Plankostenrechnung........................................ 88 3.1.3.1 Starre Plankostenrechnung.......................................................91
3.1.3.1.1 Grundlagen der starren Plankostenrechnung..................................91
3.1.3.1.2 Funktionsweise der starren Plankostenrechnung..................................91 3.1.3.1.3 Kritische Beurteilung der starren Plankostenrechnung.................................. 94
3.1.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis....................95 3.1.3.2.1 Grundlagen der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis.. 95
3.1.3.2.2 Funktionsweise der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis.. 96
Inhaltsverzeichnis__________________________________________________________
XI
3.1.3.2.3 Kritische Beurteilung der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis.. 98 3.2 Ausgewählte Systeme der Teilkostenrechnung............................................. 100
3.2.1 Direct Costing.......................................................................................100
3.2.1.1 Grundgedanke des Direct Costing.......................................... 100 3.2.1.2 Voraussetzungen und Funktionsweise des Direct Costing........................................................................ 101 3.2.1.3 Kritische Beurteilung des Direct Costing................................. 104
3.2.2 Grenzplankostenrechnung................................................................... 106 3.2.2.1 Grundlagen der Grenzplankostenrechnung............................ 106
3.2.2.2 Funktionsweise der Grenzplankostenrechnung...................... 109 3.2.2.3 Kritische Beurteilung der Grenzplankostenrechnung............ 110 3.2.3 Dynamische Grenzplankostenrechnung............................................... 112 3.2.3.1 Grundlagen der dynamischen Grenzplankostenrechnung.......................................... 112
3.2.3.2 Entscheidungsrelevanz der Grenzkosten................................ 113 3.2.3.3 Kritik an der dynamischen Grenzplankostenrechnung.......... 116
3.2.4 Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung........................................... 117
3.2.4.1 Grundlagen der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung....................................... 117 3.2.4.2 Vorgehensweise der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung....................................... 121
3.2.4.3 Kritische Beurteilung der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung 3.3
123
. Prozeßkostenrechnung als neueres Kostenrechnungssystem
125
3.3.1 Grundlagen der Prozeßkostenrechnung
125
3.3.2 Funktionsweise der Prozeßkostenrechnung
128
3.3.3 Kritische Beurteilung der Prozeßkostenrechnung
132
4 Ausgewählte Rahmenbedingungen zur Bestimmung des Einsatzes der Kostenrechnung........................................................................................135 4.1 Organisationsstruktur.....................................................................................135
4.1.1 Begriffliche Grundlagen........................................................................135 4.1.2 Grundlegende aufbauorganisatorische Gestaltungsalternativen...............................................................139 4.1.2.1 Funktionalorganisation............................................................139
4.1.2.2 Divisionalorganisation.............................................................141
XII
Inhaltsverzeichnis
4.1.2.3 Matrix-Organisation.................................................................143 4.1.3 Einordnung des Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation......................................................... 146
4.1.4 Besonderheiten der Organisationsstruktur in der Türkei...................... 152 4.2 Unternehmenskultur.......................................................................................160 4.2.1 Wesen und Definitionsansätze.............................................................160 4.2.2 Typologisierungsversuche....................................................................163 4.2.3 Polaritätsprofil privater versus öffentlicher türkischer Unternehmen...............................................................................168
4.2.4 Merkmale und Wirkungen starker Unternehmenskulturen in der Türkei....................................................................................174 4.2.5 Interdependenzen von Unternehmenskultur und Kostenrechnung in türkischen Unternehmen.............................. 176
4.3 Wettbewerbsstrategien...................................................................................178 4.3.1 Grundlagen und Einordnung............................................................... 178 4.3.2 Ansätze von Wettbewerbsstrategien....................................................181 4.3.2.1 Generische Wettbewerbsstrategien nach Porter..................... 181
4.3.2.2 Ausgewählte Hybride Wettbewerbsstrategien.........................188 4.3.2.2.1 Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel..................................................... 188 4.3.2.2.2 Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza........ 190
4.3.3 Besonderheiten der Wettbewerbsstrategien in der Türkei.................... 193 5 Empirische Untersuchung zum Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen....................... 196
5.1 Zielsetzung der empirischen Untersuchung...................................................196 5.2 Grundlagen der empirischen Untersuchung...................................................198
5.2.1 Planung der empirischen Untersuchung..............................................198 5.2.1.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen............................................198
5.2.1.2 Gestaltung der Fragebogenstruktur....................................... 200 5.2.1.3 Festlegung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens........................................................ 203 5.2.2 Durchführung der empirischen Untersuchung..................................... 206 5.2.2.1 Zeitpunkt und Umfang der empirischen Untersuchung.......... 206
5.2.2.2 Repräsentativität der empirischen Untersuchung.................. 207
Inhaltsverzeichnis_________________________________________________________________ XIU
5.2.2.3 Anwendung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens........................................................ 218
5.3 Darstellung der Einzelantworten....................................................................219 5.3.1 Antworten zum Unternehmen...............................................................219
5.3.1.1 Branchenzugehörigkeit............................................................219 5.3.1.2 Unternehmensform..................................................................221 5.3.1.3 Unternehmensgröße...............................................................225 5.3.1.4 Fertigungsverfahren................................................................230 5.3.1.5 Zielsysteme.............................................................................232
5.3.2 Antworten zum Rechnungswesen........................................................237
5.3.2.1 Teilbereiche des Rechnungswesens.......................................237
5.3.2.2 Beurteilung des Einheitskontenrahmens................................ 239 5.3.3 Antworten zum Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme...........................................................240
5.3.3.1 Antworten zum Verzicht auf die Kostenrechnung................... 241
5.3.3.2 Rahmenbedingungen der Kostenrechnung............................ 244 5.3.3.3 Zwecke der Kostenrechnung...................................................248
5.3.3.4 Stufen der Kostenrechnung.....................................................250
5.3.3.5 Systeme der Kostenrechnung.................................................259 5.3.3.6 Informationsverwendung.........................................................265 5.3.3.7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse..................... 266
6 Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung......................269 6.1 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung und Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen........................... 269 6.1.1 Teilbereiche der Kostenrechnung.........................................................270
6.1.2 Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten....................................272 6.1.3 Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation.........................................274 6.1.4 Eingesetzte Kalkulationsverfahren.......................................................277
6.1.5 Typisierung der Ausgestaltungsformen der eingesetzten Kostenrechnung..........................................................................279 6.1.6 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme.................... 281
6.2 Einflußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen..........................................................................284
XIV_________________________________________________
.Inhaltsverzeichnis
6.2.1 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße....................................................................285 6.2.2 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit............................................................... 302
6.2.3 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Unternehmensform......................................................................320
6.2.4 Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von den Zwecken der Kostenrechnung....................................................................346 7 Handlungsempfehlungen zur Implementierung sowie Erweiterung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen..................................................................................361
7.1 Allgemeine Einführungs- und Gestaltungsempfehlungen.............................361 7.2 Spezielle Einführungs- und Gestaltungsempfehlungen unter Berücksichtigung entscheidungsrelevanter Einflußgrößen......................368
7.2.1 Handlungsempfehlungen unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße................................................................... 368
7.2.1.1 Kleinunternehmen...................................................................369 7.2.1.2 Mittelunternehmen...................................................................376 7.2.1.3 Großunternehmen...................................................................379 7.2.2 Handlungsempfehlungen unter Berücksichtigung der Branche.......... 381
7.2.2.1 Industrieunternehmen.............................................................382 7.2.2.2 Dienstleistungsunternehmen ...................................................385 7.3 Empfehlungen zur Gestaltung der Kostenrechnung unter Berücksichtigung allgemeiner Rahmenbedingungen...............................387
7.3.1 Anforderungen zur Steigerung des kostenrechnerischen Qualifikationsniveaus...................................................................387
7.3.2 Kostenrechnerische Anforderungen im Hinblick auf die Organisationsstruktur...................................................................395 7.3.3 Kostenrechnerische Anforderungen im Hinblick auf die Unternehmenskultur................................................................... 399 7.3.4 Kostenrechnerische Anforderungen im Hinblick auf die Wettbewerbsstrategie................................................................. 401
8 Zusammenfassung und Ausblick.................................................................... 404
Inhaltsverzeichnis_________________________________________________________________ XV
Literaturverzeichnis...............................................................................................409
Anhang A: Fragebogen.........................................................................................455 Anhang B: SPSS - Auswertungssyntax...............................................................465 Anhang C: Einheitskontenrahmen.......................................................................473
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1:
Grundstruktur der Funktionalorganisation
139
Abb. 2:
Grundstruktur der Divisionalorganisation
141
Abb. 3:
Grundstruktur der Matrix-Organisation
144
Abb. 4:
Aufbauorganisation türkischer Kleinunternehmen
153
Abb. 5:
Aufbauorganisation türkischer Mittelunternehmen
154
Abb. 6:
Aufbauorganisation türkischer Großunternehmen
156
Abb. 7:
Aufbauorganisation öffentlicher türkischer Unternehmen
158
Abb. 8:
Der „organisatorische Eisberg“
161
Abb. 9:
Unternehmenskulturtypologie nach Deal/Kennedey
164
Abb. 10:
Unternehmenskulturtypologie nach Bleicher
167
Abb. 11:
Unternehmenskulturelles Polaritätsprofil privater und öffentlicher türkischer Unternehmen
169
Abb. 12:
Wettbewerbsverhalten der etablierten Unternehmen
180
Abb. 13:
Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien
182
Abb. 14:
Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel
189
Abb. 15:
Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza
192
Abb. 16:
Verteilung der Unternehmen nach Branchen
220
Abb. 17:
Verteilung der Unternehmen nach Eigentumsverhältnissen
222
Abb. 18:
Verteilung der Unternehmen nach der Rechtsform
224
Abb. 19:
Verteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Beschäftigten
226
Abb. 20:
Verteilung der Unternehmen nach Jahresumsatz
227
Abb. 21: Verteilung der Unternehmen nach der Unternehmensgröße
230
Abb. 22:
Fertigungsverfahren
231
Abb. 23:
Arithmetische Mittelwerte der Formalziele
236
Abb. 24:
Teilbereiche des Rechnungswesens
238
Abb. 25:
Beurteilung des Einheitskontenrahmens
239
Abb. 26:
Einsatz der Kostenrechnung
242
Abb. 27:
Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung
243
Abb. 28:
Einsatzzeitraum der Kostenrechnung
245
Abb. 29:
Planungshorizont der Kostenrechnung
246
Abb. 30:
Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen
246
Abbildunasverzeichnis
XVII
Abb. 31:
Einsatz von EDV-Systemen
247
Abb. 32:
Zwecke der Kostenrechnung
249
Abb. 33:
Gründe für die Durchführung einer Kostenkontrolle
250
Abb. 34:
Teilbereiche der Kostenrechnung
251
Abb. 35:
Kostenspaltung
252
Abb. 36:
Fixkostenspaltung
254
Abb. 37:
Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen
255
Abb. 38:
Kalkulationsmethoden
256
Abb. 39:
Kalkulationsformen
257
Abb. 40:
Periodendauer der kurzfristigen Erfolgsrechnung
258
Abb. 41:
Eingesetzte Vollkostenrechnungssysteme
260
Abb. 42:
Eingesetzte Teilkostenrechnungssysteme
261
Abb. 43:
Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung
263
Abb. 44:
Kriterium der Preisuntergrenze
264
Abb. 45:
Kostenrechnungsinformationen
265
Abb. 46:
Vorgehensweise zur Analyse der Auswirkungen der Einfluß größen auf Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme 284
Abb. 47: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kleinunternehmen
292
Abb. 48: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Mittelunternehmen
294
Abb. 49: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Großunternehmen
296
Abb. 50: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Dienstleistungs unternehmen 310 Abb. 51:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Industrieunternehmen
311
Abb. 52:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei öffentlichen Unternehmen
332
Abb. 53:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Privatunternehmen
334
Abb. 54:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Joint VentureUnternehmen
336
Abb. 55:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kapitalgesellschaften
339
Abb. 56:
Entwicklungsstufen bei der Einführung und/oder Erweiterung der Kostenrechnung
362
Abb. 57:
Kostenrechnungs-Portfolio
367
Abb. 58:
Anforderungen zur Steigerung des kostenrechnerischen Qualifikationsniveaus
394
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tab. 1:
Repräsentativität nach Beschäftigtengrößenklassen
209
Tab. 2:
Repräsentativität der Untersuchung nach Branchen
213
Tab. 3:
Repräsentativität der Untersuchung nach Industriegruppen
214
Tab. 4:
Anzahl der angeschriebenen und antwortenden Unternehmen nach Regionen
216
Tab. 5:
Einteilung der Unternehmen in Unternehmensgrößenklassen
228
Tab. 6:
Gewichtung der Formalziele der Unternehmen
233
Tab. 7:
Formalzielgewichtungsfaktoren
235
Tab. 8:
Teilbereiche der Kostenrechnung
271
Tab. 9:
Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten
273
Tab. 10:
Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation
275
Tab. 11:
Eingesetzte Kalkulationsverfahren
277
Tab. 12:
Typisierung der Ausgestaltungsform der eingesetzten Kostenrechnung
280
Tab. 13:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme
282
Tab. 14:
Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Unternehmens größenklassen
286
Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung nach Unternehmensgrößenklassen
287
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Unternehmensgröße
290
Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße
293
Tab. 18:
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße
298
Tab. 19:
Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit
302
Gründe für den Verzicht einer Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit
303
Tab. 21:
Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Branche
307
Tab. 22:
Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Branche
313
Tab. 23:
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Branche
316
Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17:
Tab. 20:
Tabellenverzeichnis
XIX
Tab. 24:
Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen
321
Tab. 25:
Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen
323
Tab. 26:
Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform
325
Tab. 27:
Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform
327
Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen
328
Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform
330
Verzichtsgründe für Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung von Eigentumsverhältnissen
333
Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Rechtsform
340
Tab. 32:
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Eigentumsverhältnisse
342
Tab. 33:
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Rechtsform
344
Tab. 34:
Klassifikation von Kostenrechnungszwecken
347
Tab. 35:
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung
348
Tab. 36:
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Zwecke
349
Tab. 37:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung traditioneller Kostenrechnungszwecke
353
Tab. 38:
Eingesetzte Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung moderner Kostenrechnungszwecke
355
Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Zwecke
356
Pflichtsemester-Vorlesungswochenstunden im Bereich des Rechnungswesens an türkischen Hochschulen
388
Tab. 28: Tab. 29: Tab. 30:
Tab. 31:
Tab. 39: Tab. 40:
XX
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
ABC
Activity Based Costing
AG
Aktiengesellschaft
AS
Anonim Sirketi [Aktiengesellschaft]
Aufl.
Auflage
BAB
Betriebsabrechnungsbogen
Bd.
Band
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
DM
Deutsche Mark
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
TOSYÖV
Türkiye Orta Ölcekli Sirketler Vakfi [Stiftung der türkischen mittelständischen Unternehmen, Selbständigen und Geschäftsführer]
TTK
Türk Ticaret Kanuni [Türkisches Handelsgesetzbuch]
TÜRMOB
Türkiye Serbest Muhasebeci Mali Musavirler ve Yeminli Mali Musavirler Odalari Birligi [Türkischer Dachverband der Bilanzbuchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer]
TÜSIAD
Türkiye Sanayi Is Adamlari Dernegi [Verband der türkischen Industriellen und Geschäftsleute]
EStG.
Einkommensteuergesetz
et al.
et alii [und andere]
UL
Unternehmensleitung
etc.
et cetera
VUK
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Vergi Usui Kanunu [Türkisches Handelsgesetzbuch]
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
HGB
Handelsgesetzbuch
IWF
Internationaler Währungsfond
KG
Kommanditgesellschaft
Imi
leistungsmengeninduziert
Imn
leistungsmengenneutral
Mrd.
Milliarden
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
OHG
Offene Handelsgesellschaft
PKS
Prozeßkostensatz
REFA
Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation (REFA) e.V., Darmstadt
RKW
Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) e.V., Eschborn
SPSS
Statistic Program for Sozial Science
TL
Türk Lirasi [Türkische Lira]
Abkürzungsverzeichnis zitierter Handwörterbücher und Zeitschriften
XXI
Abkürzungsverzeichnis zitierter Handwörterbücher und
Zeitschriften A.Ü.I.B.F.D Ankara Üniversitesi Iktisadi Bilimler Fakültesi Dergisi
IIE
Institute of Industrial Engineers Inc.
Ba
Beschaffung aktuell
IMV
Istanbul Mülkiyeliler Vakfi
BB
Betriebs-Berater
io
io Management Zeitschrift
BBK
Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung
LÜ.I.F.Y
Istanbul Üniversitesi Isletme Fakültesi Yayinlari
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
JfB
Journal für Betriebswirtschaft
JoCM
Journal of Cost Management for the Manufacturing Industry
BWM
Betriebswirtschaftsmagazin
cm
Controller magazin
krp
Kostenrechnungspraxis
DB
Der Betrieb
MED
Muhasebe Enstitüsü Dergisi
DBW
Die Betriebswirtschaft
MM
Manager Magazin
DSWR
Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht
NACA
National Association of Cost Accountants
DU
Die Unternehmung
NB
Neue Betriebswirtschaft
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Zeitschrift für Unternehmensund Gesellschaftsrecht
Einleitung
1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung In den siebziger Jahren hat sich die türkische Wirtschaft in einer bedrohlichen Krise
befunden, die durch eine stetig ansteigende Arbeitslosigkeit, eine hohe Inflationsrate sowie eine wachsende Auslandsverschuldung und ein gravierendes Handels- und
Zahlungsbilanzdefizit gekennzeichnet war. Diese Gründe haben dazu geführt, daß
die Weltbank, die OECD sowie der IWF einerseits und zum anderen die türkischen Arbeitgeberverbände einen grundlegenden wirtschaftspolitischen Wandel gefordert haben. Der hiermit verbundene außen- und innenpolitische Druck hat schließlich die türkischen Regierungen veranlaßt, seit Beginn der achtziger Jahre einen zunehmend
liberalen Kurs in der Wirtschaftspolitik zu verfolgen.1 Dieser Kurswandel zeigt sich bis in die Gegenwart insbesondere in der Privatisierung staatlicher Unternehmen,
der Abschaffung staatlicher Monopole sowie der Durchführung arbeitsmarkt politischer Maßnahmen. Weiterhin hat die zum 1.1.1996 in Kraft getretene Zollunion2 zwischen der Türkei und der Europäischen Union wesentlich zu einer Libera
lisierung, Intensivierung und Globalisierung des Wirtschaftsgeschehens beigetragen. Es bleibt festzuhalten, daß türkische Unternehmen einer zunehmend dynamischen
und komplexen Umwelt3 gegenüberstehen. Dies hat zu großen Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation der einzelnen Unternehmen geführt. So ist einerseits ein
verstärkter Wettbewerb der türkischen Unternehmen untereinander festzustellen,
andererseits hat der Wettbewerb aufgrund des Eintritts ausländischer Unternehmen in den türkischen Markt in den achtziger und neunziger Jahren enorm zugenommen.
Darüber hinaus agieren türkische Unternehmen verstärkt auf den Weltmärkten, wodurch sie auch auf die internationale Konkurrenz treffen.4 Berücksichtigt man
Dieser wirtschaftspolitische Wandel wurde vor allem von dem damaligen türkischen Minister präsidenten Turgut Özal initiiert. Vgl. auch Pürsün [Türkei 1997], S.928. Vgl. hierzu Rumpf [Zollunion 1997], S.46ff. Vgl. auch Pürsün [Türkei 1997], S.928.
Vgl. zur grundsätzlichen Problematik der permanenten Umweltveränderungen Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.193, Aaker [Marke 1998], S.43, und Lester et al. [Manager 1998], S.26. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Textilindustrie und die Nahrungs- und Genußmittelindustrie zu nennen.
2.
Einleitung
zusätzlich die rapide fortschreitende technologische Entwicklung insbesondere im Bereich moderner Fertigungssysteme sowie der Informations- und Kommunikations
technologie und darüber hinaus den Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten, so
wird deutlich, daß türkische Unternehmen einem zunehmenden Kostendruck ausgesetzt sind. Zur Lösung der aufgeführten Probleme gewinnen die modernen betriebswirtschaft lichen Instrumente der Unternehmenssteuerung für türkische Unternehmen stetig an Bedeutung. Im Rahmen dieser Instrumente nimmt die Kostenrechnung eine heraus
ragende Stellung ein. Hierzu trägt wesentlich die aufgrund ihrer Schwankungsbreite
weitgehend nicht antizipierbare und hohe Inflationsrate in der Türkei bei.5 Es ist deshalb sehr überraschend, daß die Bedeutung der Kostenrechnung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei bisher nur unzureichend erkannt wird. Dies zeigt sich nicht nur in der geringen Anzahl von Publikationen, die sich mit dieser
Thematik auseinandersetzen, sondern auch dadurch, daß es sich bei dem über wiegenden Teil dieser Veröffentlichungen lediglich um Übersetzungen aus dem deutschsprachigen und anglo-amerikanischen Schrifttum handelt. Dieser bloße
Wissenstransfer ist jedoch vor dem Hintergrund ideologischer, politischer, sozio
ökonomischer sowie kultureller Unterschiede zwischen diesen Ländern nicht unproblematisch. Darüber hinaus resultiert aus dieser Vorgehensweise häufig eine uneinheitliche Verwendung der Fachterminologie. Ferner beurteilen wir die im
Schrifttum durchweg vertretene monistische Sichtweise, die die Dominanz der
Finanzbuchhaltung gegenüber der Kostenrechnung hervorhebt, sehr kritisch. Die Kostenrechnung gehört zu den Teilgebieten der Betriebswirtschaftslehre, bei
denen die Verbindung zwischen der Wissenschaft und der unternehmerischen Praxis sehr eng ist. Dennoch besteht in der traditionellen betriebswirtschaftlichen
Forschung im Hinblick auf die Kostenrechnung ein großes Informationsdefizit. Dies
ist insbesondere darauf zurückzuführen, daß die Anzahl der bislang durchgeführten empirischen Erhebungen im Bereich Kostenrechnung sowohl im deutschsprachigen
Vgl. hierzu llman [Enflasyon Muhasebesi 1989], S.123f., Kurtbay [Enflasyon 1992], S.42, Ongun [Kronoloji 1992], S.281, Türkkan [Sanayilesme 1994], S.49, Oyan et al. [Maliye 1995], S.131, Yüksel [Enflasyon Muhasebesi 1996], S.49, und Tokgöz [Gelisme 1998], S.18.
Einleitung
3
als auch im anglo-amerikanischen Raum gering ist.6 Darüber hinaus konzentrieren
sich die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Studien zum großen Teil auf eine bestimmte Branche oder liefern lediglich einen repräsentativen Querschnitt
von Mittel- bzw. Großunternehmen eines speziellen Wirtschaftszweigs und haben
mithin keinen allgemeingültigen Charakter.7 Ferner ist festzustellen, daß Kleinunter nehmen im Rahmen der empirischen Erhebungen kaum beachtet werden. Das türkische betriebswirtschaftliche Schrifttum weist in dieser Hinsicht ein
besonders großes Forschungsdefizit auf. Trotz intensiver Recherchen war es uns nicht möglich, einschlägige Informationen, die sich auf eine fundierte Daten
grundlage stützen, zu gewinnen. Die Begründung hierfür ist darin zu sehen, daß in der Türkei zu dieser speziellen Problematik bislang keine umfassenden empirischen Untersuchungen durchgeführt wurden.8 Im Rahmen der wenigen vorliegenden
empirischen Erhebungen wurde die Kostenrechnung bislang lediglich als Teilaspekt
innerhalb eines übergeordneten Untersuchungsgegenstandes, etwa des externen Rechnungswesens, aufgegriffen.9 Zudem sind die empirischen Erhebungen durch einen geringen Stichprobenumfang gekennzeichnet, so daß sie nur von geringer
Vgl. hierzu Küpper [Rechnungswesen 1993], S.603. Vgl. ausführlich zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen Horväth et al. [Planung 1978], Wurm [Kostenrechnungssysteme 1978], Marner [Rechnungswesen 1980], Frost/Meyer [Kostenrechnungssysteme 1981], IHK [Mittelstand 1981], Küpper [Kosteninformationen 1983], Becker [Kostenrechnung 1984], Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], Kind [Rechnungswesen 1986], Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], Witt [Controlling 1988], Krauß/Eifert [Kostenrechnung 1990], Weber et al. [Einführung 1990], Küpper et al. [Planungsverfahren 1990], Kosmider [Kostenrechnung 1991], Koeder [Rechnungswesen 1992], Amshoff [Controlling 1993], Spitzer [Rechnungswesen 1993], Weber [Grossunternehmen 1993], Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], Schehl [Industrieunternehmen 1994], Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], Funke [Fixkosten 1995], Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], Franz/Kajüter [Kostenmanagement 1997], Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], und Stoi [Prozeßkostenmanagement 1999].
Vgl. hierzu ausführlich Lalik [Türkiyede'ki Muhasebe 1980], S.122, Bilginoglu [Birim Maliyetleme 1982], S.14, Yildirim [Bilgisayarli Muhasebe 1988], S.53, Artan [Endüstri 1991], S.86f., Günes [Fiyatlandirma 1991], S.160, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.35, und Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.114. Zu den bisher durchgeführten empirischen Erhebungen vgl. Gecikligün [Muhasebe 1982], S.102ff., sowie Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], S.181ff. Gecikligün untersucht Kostenrechnung im Hinblick auf ihre Zwecke und die angewandten Kalkulationsverfahren sowie eine mögliche EDV-Unterstützung. Ersoy konzentriert sich im Rahmen seiner Untersuchung auf die ange wandten Kalkulationsverfahren und den EDV-Einsatz.
4
Einleitung
wissenschaftlicher Relevanz sind und keine Gestaltungsempfehlungen zulassen.10
Wegen der unzureichenden Forschungsarbeit auf dem Gebiet des internen Rech nungswesens in der Türkei ist das betriebswirtschaftliche Schrifttum und die unter nehmerische Praxis auf Vermutungen und individuelle Erfahrungen angewiesen. So findet man in einigen Veröffentlichungen die Aussage, daß die Kostenrechnung in
der unternehmerischen Praxis der Türkei kaum eingesetzt wird.11 Aufgrund dieser festgestellten Defizite besteht das zentrale Anliegen unserer Schrift
darin, den Stand der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen im Rahmen einer Primärerhebung, auf der Basis eines von
uns selbst konzipierten Fragebogens, festzustellen und kritisch zu analysieren. Hierbei besteht ein Hauptziel der empirischen Erhebung darin, zu untersuchen, ob
die türkischen Unternehmen im Hinblick auf die Kostenrechnung den veränderten Umweltbedingungen und den daraus resultierenden höheren Anforderungen ge
wachsen sind. Dabei interessiert uns auch die Frage, ob und inwieweit die in der Praxis vorzufindenden Formen und Systeme der Kostenrechnung den im betriebs wirtschaftlichen Schrifttum gestellten Ansprüchen gerecht werden. Wir wollen mit der Behandlung dieser Fragen einen Betrag zur Erfüllung des Beschreibungsziels
erbringen. Es wird also versucht, möglichst zutreffend den realen Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen wiederzugeben. Eine weitere Hauptaufgabe unserer Arbeit besteht darin, zu untersuchen, von
welchen Kontextfaktoren der Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei beeinflußt werden. Mit der Beantwortung dieser Fragen soll ein Beitrag zum Erklärungsziel
geleistet werden. Im Mittelpunkt dieses Teils der Arbeit stehen theoretische Über
legungen, d.h. es sind reale Sachverhalte der Kostenrechnung und der Kosten
Vgl. Gecikligün [Muhasebe 1982], dessen Studie allerdings nur eine Ausgangsstichprobe von 45 Unternehmen und eine tatsächliche Stichprobe von 22 Unternehmen umfaßt. Der Untersuchung von Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], liegt eine Ausgangsstichprobe von 30 Unternehmen und eine tatsächliche Stichprobe von 14 Unternehmen zugrunde.
Vgl. hierzu ausführlich Tüfekcioglu [Standart Maliyetler 1992], S.57, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.35, Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.113f., sowie Yücel [Maliyet Muhasebesi 1998], S.4.
Einleitung
5
rechnungssysteme zu erklären und Ursache-Wirkungszusammenhänge zu thema
tisieren. Die Berücksichtigung der Einflußfaktoren hat einen erheblichen Einfluß auf die Aus
sagekraft unserer Handlungsempfehlungen. Gleichzeitig ermöglicht die Isolierung
der wichtigsten Determinanten einen Vergleich mit den in Deutschland durchge
führten empirischen Erhebungen. Diese Gegenüberstellung verschafft einen Über
blick über den Entwicklungsstand der Kostenrechnung türkischer Unternehmen. Weiterhin haben wir uns das Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen zur Gestaltung der Kostenrechnung in türkischen Unternehmen zu analysieren und in den
Handlungsempfehlungen entsprechend zu würdigen. Mit diesem dritten Erkenntnis ziel unserer Studie soll ein Beitrag zum Gestaltungsziel erbracht werden. Es sollen also konkrete Hinweise zur Gestaltung der Kostenrechnung in türkischen Unter
nehmen gegeben werden.
1.2 Gang der Untersuchung Im Anschluß an diesen ersten Teil werden im zweiten Teil der Arbeit die theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung dargestellt. Wir beschäftigen uns
dabei besonders mit der Einordnung in das betriebliche Rechnungswesen, den grundlegenden Definitionen sowie den Funktionen und Zwecken der Kostenrech
nung. Darüber hinaus werden die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträger rechnung als Teilbereiche der Kostenrechnung thematisiert.
Im Anschluß an die theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung untersuchen wir im dritten Teil die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum diskutierten Kostenrech nungssysteme. Dazu nehmen wir zunächst eine Systematisierung der verschie
denen Kostenrechnungssysteme vor. Inhaltlicher Schwerpunkt unserer Ausführun gen ist dabei eine detaillierte und kritische Analyse ausgewählter Systeme der Voll-
und Teilkostenrechnung, wie sie im deutschsprachigen Schrifttum vorzufinden sind. In einem ersten Schritt stellen wir in Kapitel 3.1 die verschiedenen Vollkosten-
rechnungssysteme vor. Dabei stehen die Ist- und die Normal- sowie die Plankosten rechnung im Mittelpunkt unserer Betrachtungen. Daran anschließend werden in
Kapitel 3.2 das Direct-Costing, die Grenzplankostenrechnung und die dynamische
&
Einleitung
Grenzplankostenrechnung sowie die stufenweise Fixkostenrechnung als ausge wählte Teilkostenrechnungssysteme kritisch betrachtet. Zum Abschluß des dritten
Kapitels widmen wir in Kapitel 3.3 unsere besondere Aufmerksamkeit der Prozeß kostenrechnung als neueres Kostenrechnungssystem. Dieses ausgewählte Instru
ment des Kostenmanagements wird dabei einer kritischen Beurteilung unterzogen. Der vierte Teil der Schrift ist der Untersuchung ausgewählter Rahmenbedingungen
im Hinblick auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung gewidmet. Als
maßgebliche Rahmenbedingungen der Kostenrechnung sehen wir dabei die Organisationsstruktur, die Unternehmenskultur und die Wettbewerbsstrategie an. Zu
Beginn wird in Kapitel 4.1 die Organisationsstruktur aufgegriffen, wobei wir zunächst auf die begrifflichen Grundlagen der Organisation und die grundlegenden aufbauorganisatorischen Gestaltungsalternativen eingehen und insbesondere deren Vor-
und Nachteile herausarbeiten. Dies stellt die Grundlage für die sich anschließende
Betrachtung der Einordnung des Rechnungswesens in die Aufbauorganisation des Unternehmens dar. Abschließend werden im Abschnitt 4.1.4 die aufbauorga nisatorischen Besonderheiten in der unternehmerischen Praxis analysiert. Hierbei
werden die aufbauorganisatorischen charakteristischen Merkmale von türkischen Klein-, Mittel und Großunternehmen des privaten und öffentlichen Sektors einge
hender untersucht. Gegenstand des Kapitels 4.2 ist die Unternehmenskultur als eine Rahmenbedingung für die Kostenrechnung. Es erweist sich als erforderlich, verschiedene im Schrifttum vorzufindende Definitionsansätze des Terminus Unter nehmenskultur vorzustellen und zu systematisieren. Um die Interdependenzen
zwischen Unternehmenskultur und Kostenrechnung herausarbeiten zu können, ist es zunächst erforderlich, die unternehmenskulturellen Besonderheiten von türkischen
privaten und öffentlichen Unternehmen einander gegenüberzustellen und auf die
Stärke der Unternehmenskultur von türkischen Unternehmen einzugehen. Die Wett bewerbsstrategien als weitere Rahmenbedingung für den Einsatz der Kosten rechnung sind Inhalt des Kapitels 4.3. Unsere Betrachtung wird dabei zum einen auf den Stellenwert der Kostenrechnung innerhalb der verschiedenen Wettbewerbs
strategien fokussiert. Zum anderen gilt unsere Aufmerksamkeit den in der unter
nehmerischen Praxis der Türkei verfolgten Wettbewerbsstrategien.
Einleitung
7
Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung und Kosten
rechnungssysteme wollen wir nun deren Praxisrelevanz in türkischen Unternehmen im Rahmen einer empirischen Primäruntersuchung herausarbeiten. Dies ist Gegen
stand des fünften Teils der Arbeit. Hierzu wird in Kapitel 5.1 zuerst die wissen
schaftliche Zielsetzung der empirischen Untersuchung vorgestellt. Sie besteht darin, den Entwicklungsstand der eingesetzten Kostenrechnung und Kostenrechnungs
systeme in der unternehmerischen Praxis der Türkei detailliert zu untersuchen. Aus
gehend von dieser wissenschaftlichen Zielsetzung legen wir in Kapitel 5.2 die Grund lagen der empirischen Untersuchung fest. Insbesondere sind an dieser Stelle Über
legungen zur Planung der empirischen Untersuchung, zur Gestaltung des Frage bogens und zum Ablauf der empirischen Untersuchung anzustellen. Dabei ist das Augenmerk vor allem auf die Repräsentativität der Untersuchung zu richten. Den
Kern des fünften Teils bildet die Darstellung der Einzelantworten (Kapitel 5.3). In
einem ersten Schritt werden wir die befragten Unternehmen hinsichtlich ihrer Unter nehmensstruktur untersuchen. In diesem Zusammenhang sind die Branchen
zugehörigkeit, die Unternehmensform, die Unternehmensgröße, die eingesetzten Fertigungsverfahren und die unternehmerischen Zielsysteme näher zu analysieren.
Weiterhin sind
die Antworten
Rechnungswesens darzustellen.
der befragten
hinsichtlich
des
Es werden zunächst die Teilbereiche
des
Unternehmen
Rechnungswesens eingehend betrachtet. Darüber hinaus sind die Auswirkungen
des in der Türkei gesetzlich vorgeschriebenen Einheitskontenrahmens auf das interne Rechnungswesen zu untersuchen. Den Abschluß von Kapitel 5.3 bildet die Darstellung der Einzelantworten zum Einsatz der Kostenrechnung und Kosten
rechnungssysteme. Hierbei werden in einem ersten Schritt sowohl die Rahmen
bedingungen der Kostenrechnung als auch die von den Unternehmen mit der Kostenrechnung verfolgten Zwecke aufgezeigt. Zudem wird untersucht, welche Teil bereiche der Kostenrechnung von den Unternehmen eingesetzt werden. Ferner wird
aufgezeigt, welche Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis
angewendet werden. Dargestellt wird auch, inwieweit die aus der Kostenrechnung
gewonnenen Informationen bei unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Abschließend fassen wir im Rahmen der Auswertung die wichtigsten aus
der empirischen Untersuchung gewonnenen Einzelergebnisse zusammen.
Einleitung
£L
Basierend auf den vorangegangenen Ausführungen erfolgt im sechsten Teil der
Arbeit - als zentrales Anliegen unserer Schrift - eine Interpretation der Ergebnisse
der empirischen Untersuchung. Dazu wird in einem ersten Schritt in Kapitel 6.1 eine Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung und Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen durchgeführt. Bei dieser Typenbildung werden verschie
dene Kriterien zugrunde gelegt, wie die Teilbereiche der Kostenrechnung, die Klassifikationen von Kostenarten, die Einsatzformen der Kalkulation sowie die
verschiedenen Kalkulationsverfahren. Weiterhin nehmen wir eine Typisierung der in türkischen Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssysteme vor. In einem
nächsten Schritt werden die von uns in Kapitel 6.2 herausgearbeiteten zentralen Ein flußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und Kosten
rechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei systematisch analysiert. Hierbei erfolgt die Systematisierung anhand folgender Einflußgrößen: • Unternehmensgröße • Branchenzugehörigkeit • Unternehmensform
• Zwecke der Kostenrechnung.
Wir nehmen an, daß zwischen diesen Einflußgrößen und dem Einsatz sowie der
Ausgestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme ein kausaler
Zusammenhang besteht. Es wird deshalb zunächst der Einfluß dieser Kontext
faktoren auf den Einsatz der Kostenrechnung analysiert. Darauf aufbauend werden wir die zentralen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Determinanten heraus
arbeiten. Dabei werden insbesondere auch die Auswirkungen der einzelnen Einfluß
größen auf die Ausgestaltung der Kostenrechnung sowie der Kostenrechnungs systeme kritisch hinterfragt.
Auf der Basis unserer theoretischen Ausführungen und der im Rahmen unserer empirischen Untersuchung gewonnenen Ergebnisse werden im Teil sieben Hand
lungsempfehlungen zur Implementierung sowie Erweiterung der Kostenrechnung
und der Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei ent wickelt. Zunächst werden wir in Kapitel 7.1 die grundsätzliche Vorgehensweise bei
der Einführung und/oder Erweiterung der Kostenrechnung behandeln. Kapitel 7.2 thematisiert anschließend die entsprechenden Handlungsempfehlungen vor dem
Hintergrund entscheidungsrelevanter Einflußgrößen. Abschließend werden in Kapitel 7.3 Handlungsempfehlungen zur Einführung und/oder Erweiterung der Kosten
rechnung vor dem Hintergrund der allgemeinen Rahmenbedingungen in der unter
nehmerischen Praxis der Türkei herausgearbeitet. Den Schlußteil unserer Arbeit bildet der achte Teil, in dem die wesentlichen Ergebnisse zusammengefaßt werden und ein Ausblick auf weiterführende Frage stellungen gegeben wird.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
10
2 Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
2.1 Grundzüge der Kostenrechnung 2.1.1 Kostenrechnung als Teilgebiet des betrieblichen Rechnungswesens
Unter dem Begriff „betriebliches Rechnungswesen” werden üblicherweise sämtliche Verfahren zusammengefaßt, die das betriebliche Geschehen wert- und mengen
mäßig erfassen und überwachen.12 Das betriebliche Rechnungswesen enthält damit im wesentlichen Kontroll-, Planungs- und Dokumentationsaufgaben.13
Das betriebliche Rechnungswesen ist grundlegend in das externe und das interne
Rechnungswesen zu unterteilen.14 Diese beiden Hauptgebiete unterscheiden sich hinsichtlich
ihres
Informationsgegenstandes und
bezüglich des
Informations
empfängers.15 Das externe Rechnungswesen beschäftigt sich mit den Vorgängen finanzieller Art, die sich im Austausch zwischen Unternehmen und Umwelt ergeben.
Der Begriff „Umwelt” bezeichnet dabei vor allem die Partner auf den Beschaffungs-,
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.6, Kemmetmüller/Maurer [Kostenrechnung 1995], S.3, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.963, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.3, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.3, Botta [Rechnungswesen 1998], S.29, Busse von Colbe [Rechnungswesen 1998], S.599, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.13, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.23. Vgl. Szyperski/Winand [Planung 1981], Sp.1351f., Weber/Kalaitzis [Aufgaben 1984], S.149, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Brühl [Kostenrechnung 1996], S.18, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.24, Reichmann [Controlling 1997], S.119, Zimmermann [Kostenrechnung 1997], S.1, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.5, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.25f., und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.7.
Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Türkei wird diese Einteilung des Rechnungswesens von dem überwiegenden Teil der Autoren vorgenommen. Vgl. hierzu Cömlekci [Muhasebe Denetimi 1978], S.13, özarslan [Teknik 1980], S.7, Bilginoglu [Maliyet Muhasebesi 1981], S.24, Caldag [Muhasebe 1987], S.27, Sevilengül [Genei Muhasebe 1987], S.14, Dardeniz [Maliyet Sistemleri 1988], S.103, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.3, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.19, Koc-Yalkin [Genei Muhasebe 1994], S.4, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.14f., Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.2f., und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.5. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Kilger [Industriebetriebslehre 1986], S.47, Meyer [Rechnungswesen 1992], S.54, Lücke [Rechnungswesen 1993], Sp.1692, Schildbach/Feldhoff [Adressaten 1993], Sp.30, Wagner [Rechnungswesen 1993], Sp.3664f., Troßmann [Rechnungswesen 1996], S.349, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.15, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.29, S.83, Kemminer [Erlösmanagement 1999], S.11, und Männel [Integration 1999], S.11.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
11
den Absatz- und den Kapitalmärkten sowie den Staat.16 Das externe Rechnungs
wesen dient folglich primär der Information Außenstehender.17 Zu den externen Adressaten zählen Anteilseigner, Gläubiger, Kunden, Lieferanten, der Staat,
Gewerkschaften und die interessierte Öffentlichkeit. Es findet seinen jährlichen Ab schluß in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens, also im Jahresabschluß.18
Das
interne
Rechnungswesen
hingegen
befaßt sich
mit den wirtschaftlich
bedeutsamen Vorgängen, die innerhalb der Unternehmen ablaufen. Die Haupt
aufgaben des internen Rechnungswesens bestehen darin, den Verzehr von Pro duktionsfaktoren und die dadurch entstehenden Leistungen (Produkte) wert- und
mengenmäßig zu erfassen, die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung zu über wachen und Unterlagen für Unternehmensentscheidungen bereitzustellen.19
Das Hauptgebiet des internen Rechnungswesens ist die Kosten- und Leistungs
rechnung.
In der Praxis wird nicht immer zwischen externem und internem Rechnungswesen getrennt, sondern das betriebliche Rechnungswesen aus abrechnungstechnischen
und organisatorischen Gründen in die Teilgebiete Finanzbuchhaltung, Kosten
rechnung und Betriebsstatistik untergliedert.20
Vgl. Börner [Rechnungswesen 1973], S.154, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.1, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.24. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.4, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.1, Meyer [Rechnungswesen 1992], S.55, Kellner [Rechnungswesen 1995], S.11, Thommen [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.151, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.15, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.4. Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.6, Kosiol [Buchhaltung 1977], S.13, Coenenberg/Schönbrodt [Analyse 1981], Sp.472, Kilger [Industriebetriebslehre 1986], S.47, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3684, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.29, Pellens [Jahresabschluß 1998], S.367f., und Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.13.
Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.557f., Heinen [Kostenrechnung 1975a], S.81, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.5, Meyer [Rechnungswesen 1992], S.59, Wysocki [Jahresabschluß 1993], Sp.990f., Moews [Kostenrechnung 1996], S.5, Zimmermann [Kostenrechnung 1997], S.3, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.83f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.24. Vgl. Llletschko [Rechnungswesen 1970], Sp.865, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.11, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.3, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3678, Engelhardt et al. [Grundzüge 1996], S.3, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.11f.
12
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Aufgabe der Finanzbuchhaltung ist es, die Geschäftsvorfälle zwischen den Unter nehmen und ihrer Umwelt anhand von Belegen zu erfassen.21 Diese Geschäfts
vorfälle werden im Kontensystem der doppelten Buchführung verbucht, wobei
zwischen Erfolgs- und Bestandskonten unterschieden wird.22 Das Hauptaugenmerk der Finanzbuchhaltung liegt auf der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresab schlusses, der sich aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung
zusammensetzt Bei Kapitalgesellschaften umfaßt der Jahresabschluß zusätzlich
einen Anhang. Die Bilanz ergibt sich aus den Abschlußsalden der Bestandskonten, während die Gewinn- und Verlustrechnung aus den Abschlußsalden der Erfolgs konten resultiert. Diese Unterlagen dienen zugleich als Ausgangspunkt für die Ermitt lung der Steuerbemessungsgrundlage einer Unternehmung.23
Weitere Aufgaben der Finanzbuchhaltung
sind die Finanzplanung
und
die
Liquiditätskontrolle.24 Die Kostenrechnung erfaßt die Geschäftsvorgänge innerhalb der Unternehmung.
Ihre primäre Aufgabe besteht darin, den bewerteten Verbrauch an Produktions faktoren und die mit deren Hilfe vom Betrieb hergestellten und verkauften Produkt
mengen zu erfassen. Die Kostenrechnung ist originär geteilt in die Kostenarten rechnung, die Kostenstellenrechnung und die Kostenträger(stück)rechnung.25
Zum betrieblichen Rechnungswesen wird häufig auch die Betriebsstatistik gezählt,
die sich mit der Auswertung der aus dem Betriebsablauf gewonnenen Zahlen und Daten beschäftigt. Anders als bei der Finanzbuchhaltung und der Kostenrechnung
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.7, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3678, Peemöller [Finanzbuchhaltung 1993], Sp.594, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.965, und Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.4.
22
Vgl. hierzu Dellmann [Finanzbuchhaltung 1981], Sp.509ff., Horvath [Buchhaltung 1981], Sp.328f.,
Kilger [Kostenrechnung 1987], S.13, Haberstock/Breithecker [Buchführungssystem 1992], Sp.294, Peemöller [Finanzbuchhaltung 1993], Sp.599f., Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.32f., Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.967, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.71. 23
Vgl. Hoffmann [Jahresabschluß 1975, Sp.2025, Baetge/Uhling [Kostenrechnung 1985], S.275,
24
Vgl. Kilger [Kostenrechnung] 1987, S.13, sowie Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.11.
25
Auf die Teilbereiche der Kostenrechnung soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Eine ausführliche Darstellung erfolgt in Abschnitt 2.1.4.
Kilger [Kostenrechnung 1987], S.13, und Möller [Buchhaltung 1998], S.151.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung__________________________ _ _______________ 13
handelt es sich bei der Betriebsstatistik allerdings nicht um ein geschlossenes Abrechnungssystem.26
Insgesamt gesehen sind aus der Kostenrechnung viele unternehmensrelevante Informationen zu gewinnen, da sie nicht nur die gesamten Betriebsvorgänge erfaßt,
sondern auch die bestehenden Interdependenzen untersucht. Bei zweckgerechtem Einsatz bildet sie eine (nahezu) unverzichtbare Basis für alle kurzfristigen unterneh
merischen Entscheidungen. Die Kostenrechnung ist daher als wesentlicher Bestand teil des betrieblichen Rechnungswesens anzusehen. Wir halten es im Rahmen
unserer Arbeit für zweckmäßig, kurz ihre Grundzüge darzustellen. 2.1.2 Grundbegriffe der Kostenrechnung
2.1.2.1 Kostenbegriffe
2.1.2.1.1 Wertmäßiger Kostenbegriff Im betriebwirtschaftlichen Schrifttum liegen sehr unterschiedliche Interpretationen des Kostenbegriffs vor. Hierbei sind der wertmäßige Kostenbegriff und der pagatorische Kostenbegriff als die gängigsten Interpretationen hervorzuheben.27
Kosten sind in zwei Komponenten zu zerlegen, nämlich in eine Wert- und in eine Mengenkomponente.28 Die divergierenden Auslegungen im Schrifttum ergeben sich
vor allem aus der unterschiedlichen Interpretation der Wertkomponente.
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.18. Vgl. Koch [Kostenrechnung 1966], S.14f., Heinen [Kostenlehre 1983], S.57, Vodrazka [Kosten begriff 1992], S.19, Rehkugler [Kostenkategorien 1993], Sp.2322ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.26, Koch [Kostenbegriff 1998], S.637ff., und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.22. Auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird zwischen dem wertmäßigen und dem pagatorischen Kostenbegriff unterschieden, wobei dem pagatorischen Kostenbegriff in der Türkei weitaus größere Bedeutung beigemessen wird als im deutschsprachigen Schrifttum. Vgl. hierzu Güvemli [Mali Tablolar 1979], S.75f., Orhan [Maliyet Analizi 1979], S.69, Ertürk [Maliyet Muhasebesi 1982], S.87, Bilginoglu [Yönetim Muhasebesi 1984], S.7, Altug [llkeler 1985], S.37, Kutlu [Uygulama 1987], S.72, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.40, Özgür [Muhasebe llkeleri 1995], S.126, Balkan [Birim Maliyetleri 1996], S.26, und Erdogan [Maliyet Muhasebesi 1999], S.37. Vgl. Adam [Kostenbewertung 1970], S.18ff., Heinen [Kostenlehre 1983], S.58, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.221, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.11, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.39.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
14
Der wertmäßige Kosten begriff, der im Schrifttum zur Kostenrechnung und in der unternehmerischen Praxis vorherrschend ist, geht auf Schmalenbach zurück und
wurde vor allem von Kosiol präzisiert.29 Gemäß der wertmäßigen Kosteninter pretation werden Kosten als „leistungsbezogener bewerteter Güterverbrauch”30
definiert. Der wertmäßige Kostenbegriff ist also durch die drei Kriterien Güterverzehr, Leistungsbezogenheit und
Bewertung gekennzeichnet.31
Damit die Mengen
komponente ermittelt werden kann, sind der Güterverbrauch und die Leistungs bezogenheit zu bestimmen.
Ein Güterverzehr liegt immer dann vor, wenn Güter dem Wirkungs- und Verfügungs
bereich der Wirtschaftseinheit entweder vollständig oder zumindest teilweise entzieht, so daß ihr Wertcharakter für die jeweilige Wirtschaftseinheit verloren geht.32 Der Begriff „Güterverzehr” wird dabei im weitesten Sinne verstanden, d.h., er umfaßt
den Verzehr sowohl Güter materieller als auch immaterieller Art.33 Zu den materiellen Gütern zählt man unter anderem Sachmittel (Gebäude, Anlagen, Maschinen) und
Werkstoffe (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe), zu den immateriellen werden insbe
sondere Rechte (Patente) und Dienstleistungen gezählt.34
Vgl. hierzu ausführlich Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.5f., und Kosiol [Unternehmung 1979], S.21ff. Vgl. aber auch Menrad [Kosten 1970], Sp.875f., Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.31, und Seicht [Gestaltungsmöglichkeiten 1982], S.26. Demgegenüber lehnt Weber die Bezeichnung „wertmäßig“ ab, da Kosten durchweg Wertbezug aufweisen. Statt dessen schlägt er den Begriff „aufwandsorientierter Kostenbegriff' vor. Vgl. hierzu ausführlich Weber [Grundbegriffe 1992], S.6.
30 31
32 33
34
Kosiol [Unternehmung 1979], S.29.
Vgl. hierzu Menrad [Kostenbegriff 1965], S.24ff., Mandl [Kostenrechnung 1978], S.19, Kosiol [Unternehmung 1979], S.22, Heinen [Kostenlehre 1983], S.60ff., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.73f., Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.14f., Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.73, Küpper [Kosten 1998], S.458, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.17f., und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.620. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.23f. Vgl. Kosiol [Kostenbegriff 1958], S.11L, Menrad [Kostenbegriff 1965], S.28f., Heinen/Sievi [Kostentheorie 1979], Sp.973, Fischer [Kostenrechnung 1998], S.12, und Küpper [Kosten 1998], S.458. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.16, Mellerowicz [Kosten 1974], S.3, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.9, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.11, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.12.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
15
Leistung definiert Kosiol als das „bewertete Ergebnis der planmäßigen Arbeits
tätigkeit einer Unternehmung”35. Die Leistungsbezogenheit schränkt das Kriterium
des Wertverzehrs weiter ein, denn nur derjenige Güterverzehr stellt Kosten dar, der auch leistungsbezogen ist, also durch die Leistungserstellung verursacht wird. In
diesem Zusammenhang spricht man auch von der Leistungsbezogenheit nach dem
Verursachungsprinzip. Kosiol weitet dieses Kriterium aus, indem er auch denjenigen Güterverzehr als Kosten bezeichnet, der auf den Prozeß der Leistungserstellung zwangsläufig einwirkt.36 Diese Definition, nach der z.B. auch die Wagnisse, Steuern
und Versicherungsprämien zu den Kosten zählen, wird als Leistungsbezogenheit nach dem Einwirkungsprinzip bezeichnet. Das dritte Kriterium des Kostenbegriffs ist die Bewertung des leistungsbezogenen
Güterverbrauchs. Als Bewertung wird die Wahl der jeweiligen Art von Preisen
bezeichnet.37 Der in unterschiedlichen Maßgrößen erfaßte leistungsbezogene Güter
verbrauch wird in Geldeinheiten bewertet, woraus jedoch nicht gefolgert werden
kann, daß der Kostenbegriff zu einer monetären Größe wird. Die Bewertung in Geld
dient vielmehr nur der Homogenisierung des ansonsten in heterogenen Maßgrößen vorliegenden Güterverbrauchs.38 Diese Aufgabe der Kostenbewertung wird auch als
Verrechnungsfunktion bezeichnet. Eine weitere Funktion der Kostenbewertung
besteht darin, jene Wertansätze zu finden, die die knappen Faktoren in die Richtung des höchsten Nutzens lenken.39 In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Lenkungsfunktion der Kosten. Die Bewertung des Güterverzehrs soll rationale Entscheidungen
über
die
Verwendung
der
Güter
und
Dienstleistungen
ermöglichen.40
Kosiol [Unternehmung 1979], S.29. Vgl. ausführlich Kosiol [Kostenbegriff 1958], S.12. Vgl. auch Moews [Kosten 1981], Sp.1118. Vgl. hierzu Koch [Kostenbegriff 1958], S.360, Kosiol [Pagatorische Bilanz 1976], S.891, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.27, Fischer [Kostenrechnung 1998], S.14, Küpper [Kosten 1998], S.459, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.29.
Vgl. Szyperski [Terminologie 1962], S.88. Vgl. Adam [Kostenbewertung 1970], S.25.
Vgl. Heinen [Kostenlehre 1983], S.76.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Iß.
Kritisch anzumerken ist, daß der wertmäßige Kostenbegriff hinsichtlich seiner Wertkomponente nicht hinreichend bestimmt ist. Die aufgrund der Einengung der
Mengenkomponente gewonnenen spezifischeren Kostenbegriffe sind daher nicht
eindeutig zu definieren. 2.1.2.1.2 Pagatorischer Kostenbegriff
Bei der Diskussion des von Koch entwickelten pagatorischen Kosten beg riffs wird durch die Einführung prämissen- und zweckbedingter Hypothesen versucht, die
Diskrepanz zwischen einem exakt formulierten Kostenbegriff und dem Zweck
pluralismus der Kostenrechnung zu überwinden.41 Die Befürworter des pagatorischen Kostenbegriffs vertreten die Auffassung, der
Kostenbegriff müsse aus den Geldbewegungen des betriebswirtschaftlichen Kreis
laufes abgeleitet werden. Als Kosten gelten dabei die mit der Herstellung und dem Absatz einer Erzeugniseinheit verbundenen nicht kompensierten Ausgaben.42 Somit werden alle Ausgaben erfaßt bis auf diejenigen, die zur Tilgung oder Kreditge
währung geleistet werden, und diejenigen, denen entsprechende Einnahmen aus einer Kreditinanspruchnahme oder durch Rückempfang eines gewährten Kredites
gegenüberstehen. In Analogie zu dem wertmäßigen Kostenbegriff wird auch bei dem pagatorischen Kostenbegriff die Mengenkomponente durch das Kriterium der Leistungsbezogenheit
eingeschränkt. Bei strenger Auslegung des pagatorischen Kostenbegriffes entsteht insofern kein Bewertungsproblem, da man an tatsächliche Ausgaben anknüpft. Die
Wertkomponente ist damit eindeutig definiert. Für bestimmte Rechnungszwecke muß der pagatorische Kostenbegriff jedoch
modifiziert werden, damit er in der Kostenrechnung verwendet werden kann. So versucht Koch, das Problem verschiedenartiger Preise durch Bildung zweck- und
Vgl. hierzu und im folgenden Koch [Kostenbegriff 1958], S.355ff., Fettel [Kostenbegriff 1959], S.567ff., und Kosiol [Pagatorische Bilanz 1976], S.883ff. Vgl. kritisch hierzu Engelmann [Einwände 1958], S.558ff., Held [Pagatorischer Kostenbegriff 1959], S.170ff., Engelmann [Gelddenken 1959], S.166ff., Koch [Pagatorischer Kostenbegriff 1959], S.8ff., Zoll [Kostenbegriff 1960], S.15ff. und S.96ff., sowie Koch [Kostenrechnung 1966], S.48ff. Vgl. Koch [Kostenbegriff 1958], S.361.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
17
prämissenbedingter Hypothesen zu überwinden. Zweckbedingte Hypothesen sollen danach immer dann herangezogen werden, wenn es der Zweck der Kostenrechnung
verlangt. Sie werden z.B. bei Soll-Kosten oder Verrechnungspreisen gebildet.
Prämissenbedingte Hypothesen werden hingegen dann angewendet, wenn die empirischen Bedingungen eines konkreten Falles nicht mit den dem Kostenbegriff
zugrundeliegenden Prämissen übereinstimmen. Ein Beispiel für einen solchen Fall
wäre eine Schenkung an eine Unternehmung.43
Problematisch
ist,
daß der pagatorische Kostenbegriff den
kalkulatorischen
Kostenarten, insbesondere dem Unternehmerlohn und den Eigenkapitalzinsen, keinen Kostencharakter zugesteht, da hierfür kein gezahlter Marktpreis existiert.
Dieses Problem
ist allerdings weitgehend dadurch zu lösen, daß zumindest ein
potentieller Marktpreis besteht, der den Leistungen des Unternehmers zugerechnet werden kann.44 Während beim wertmäßigen Kostenbegriff somit besonders ein Bewertungsproblem besteht, tritt beim pagatorischen Kostenbegriff die Schwierigkeit der Hypothesen
bildung auf.45
2.1.2.1.3 Weitere Kostenbegriffe Neben dem wertmäßigen und dem pagatorischen Kostenbegriff werden im Schrift tum weitere Kostenbegriffe diskutiert. Hierbei nimmt der entscheidungsorientierte Kostenbegriff nach Riebel eine besondere Stellung ein.46 Wie der pagatorische Kostenbegriff basiert auch der entscheidungsorientierte Kostenbegriff auf Zahlungs
Vgl. Koch [Kostenbegriff 1958], S.369. Vgl. Engelmann [Einwände 1958], S.559. Vgl. hierzu Menrad [Kostenbegriff] 1965], S.146, sowie Fischer [Kostenrechnung 1998], S.16.
Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1978], S.127ff. Vgl. aber auch Riebel [Unternehmerrechnung 1970], S.372ff., Altenburger [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1976], S.149ff., Hummel [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1983], S.1204ff., Weber [Vorschlag 1987], S.255f., Hummel [Kosteninformationen 1992], S.78f., Männel [Kostenwertansätze 1992], S.417, Schneeweiß [Kostenbegriffe 1993], S.1205ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.28, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.17. Hingegen bleiben sowohl der entscheidungsorientierte Kostenbegriff als auch die Kostenbegriffen von Nicklisch, Schmidt und Schneider im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei unberück sichtigt.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
18
strömen.47 Riebel lehnt den Ansatz kalkulatorischer Kosten ab, da Kosten grund sätzlich spezifisch für ein bestimmtes Objekt sind. So verfälschen nach seiner
Ansicht etwa Opportunitätskosten, die aus nicht wahrgenommenen Handlungsalter nativen resultieren, die tatsächlich eintretende Erfolgsänderung einer objektbe
zogenen Maßnahme. Zudem sind sie im Rahmen der Bewertung objektbezogenen
Einflüssen unterworfen und ergeben sich darüber hinaus nur im Vergleich mit einer für den Adressaten der Kosteninformationen lediglich potentiellen Handlungsalter native. Ein weiterer Kostenbegriff stammt von Nicklisch, für den es sich bei Kosten um „Ausgaben für einen Gegenstand, der erworben ist, wird oder werden soll”48 handelt.
Die Kostenrechnung bezeichnet Nicklisch als eine Rechnung, die „ihrem Inhalt nach
Beschaffungskalkulation Bezugsrechnung ist”49. Demgegenüber sieht er die Auf
wandsrechnung als eine Rechnung an, die in keiner Verbindung zu den Kosten, sondern zu den Kostengegenwerten, die dem Betriebsprozeß zugeführt werden,
steht.50 Da es sich bei Kosten im Sinne von Nicklisch um Ausgaben handelt, liegt eine Zuordnung seiner Betrachtung zum pagatorischen Kostenbegriff nahe. Dies würde ihm jedoch insofern nicht gerecht, als sein Kostenbegriff sich nicht auf den mit
der Leistungserstellung verbundenen Güterverzehr, sondern vielmehr auf den zur Güterbeschaffung notwendigen Güterverzehr bezieht.51 Der
Kostenbegriff
nach
Schmidt
ist
geprägt
von
einer
mengenmäßigen
Betrachtungsweise. Folgt man dieser Sichtweise, so sind alle Güter, Nutzungen und
Dienste, die für die Erzeugung eines Produktes aufgewendet werden müssen, als
Kosten zu bezeichnen.52 Für die Bewertung dieser Kosten sollen aber nicht die Zahlungen entscheidend sein, da Kosten auch dann entstehen können, wenn keine
Im Gegensatz zu dem pagatorischen Kostenbegriff von Koch berücksichtigt Riebel weder irreversibel vordisponierte Ausgaben noch hypothetische Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Entscheidungsorientierter Kostenbegriff 1978], S.143. Nicklisch [Kosten 1939], Sp. 674.
Nicklisch [Kosten 1939], Sp. 675.
Vgl. Nicklisch [Betriebslehre 1922], S.97. Vgl. Thielmann [Kostenbegriff 1964], S.115. Vgl. hierzu ausführlich Schmidt [Kalkulation 1930], S.22.
Th^reti^hg GrundagfiD-der Kostenrechnung___________________________________ IS
Zahlungen erfolgen.53 Auch kommt es vor, daß die Beträge, die für bestimmte Kostengüter gezahlt wurden, nicht dem tatsächlichen Wertverzehr bzw. den Kosten
entsprechen. Schmidt zählt zu den Grundsätzen der Betriebsgestaltung auch den Grundsatz
der
Betriebserhaltung
und
das
„Gleichauf von
Produktion
und
Konsumtion”54. In diesem Sinne unterbreitet er den Vorschlag, den Kostenwert nicht
aus dem Anschaffungswert der Kostenteile am Anschaffungstag, sondern vielmehr
aus dem Tagesbeschaffungspreis am Umsatztag zu berechnen.55 Aus dieser Sicht stellen die bewerteten Kosten zugleich Aufwand dar.56
Schneider geht bei der Bestimmung des Kostenbegriffs von einem Wertkreislauf in
der Produktionsunternehmung aus. Hierbei unterscheidet er zwischen einem inneren und einem äußeren Bereich des Wertkreislaufs.57 Der innere Bereich umfaßt den
komplementären reinen Realgüterstrom, während sich im äußeren Bereich die „Transaktionen der Unternehmung mit der Umwelt” vollziehen.58 Die Finanzbuch haltung erfaßt den Nominalgüterstrom als Aufwand und Ertrag, während die Betriebsbuchhaltung den Realgüterstrom als Kosten und Leistungen erfaßt.
Schneider definiert Kosten als den im Zuge der Durchführung des Produktions prozesses in Geld bewerteten Verzehr von Gütern.59 Er sieht also in den Kosten nur den Realgüterverzehr und rechnet die Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals
nicht zu den Kosten, da ein Geldbetrag kein Gut, sondern lediglich eine Anweisung auf Güter darstellt.60 So haben nach Ansicht von Schneider Zinsen in der Kosten
rechnung lediglich die Eigenart von „Als-ob-Kosten”61.
Vgl. Schmidt [Kalkulation 1930], S.22.
Schmidt [Kalkulation 1930], S.19. Vgl. Schmidt [Kalkulation 1930], S.19.
Vgl. Schmidt [Kalkulation 1930], S.61. Vgl. Menrad [Kostenbegriff 1965], S.113. Vgl. Schneider [Rechnungswesen 1969], S.5 und S.38. Vgl. Schneider [Rechnungswesen 1969], S.5. Vgl. Schneider [Wirtschaftstheorie I 1970], S.34. Schneider [Wirtschaftstheorie 11970], S.34.
20________________________
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
2.1.2.2 Begriffsabgrenzungen
2.1.2.2.1 Abgrenzung von Ausgabe und Aufwand Schon die durch die vorangegangenen Ausführungen deutlich gewordene Vielzahl
von Auffassungen und Interpretationen läßt es sachgerecht erscheinen, eine
Abgrenzung der Begriffe „Ausgaben“, „Aufwand“ und „Kosten“ vorzunehmen. Dies soll dazu beitragen, die Eignung der einzelnen Begriffe für unterschiedliche Entschei dungsprobleme besser darstellen zu können.
Mit Ausgaben wird üblicherweise im Schrifttum der „Wert aller zugegangenen Güter und Dienstleistungen pro Periode“62 bezeichnet Als Aufwand, der einen Teilbereich
der Ausgaben darstellt,63 versteht man hingegen den während einer Periode
angefallenen bewerteten Verbrauch an Wirtschaftsgütern.64 Zunächst einmal gibt es Ausgaben, die nicht zugleich Aufwand darstellen.65 Derartige Ausgaben liegen
regelmäßig beim Erwerb von Gütern vor, die nicht in der gleichen Periode verbraucht werden. In diesem Fall steht der Verminderung des Geldvermögens eine betrags gleiche Erhöhung des Sachvermögens ausgleichend gegenüber, eine Veränderung
des Gesamtvermögens ergibt sich hierdurch nicht.66 Typisches Beispiel hierfür ist der Kauf von Rohstoffen, die erst in einer späteren Periode verbraucht werden.67 Es
gibt aber auch Ausgaben, die zugleich Aufwand darstellen. Bei derartigen Ausgaben vermindern sich sowohl das Geld- als auch das Gesamtvermögen, ohne daß dies durch eine betragsmäßig gleiche Erhöhung des Sachvermögens kompensiert wird.68
Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.17.
63
Vgl. Schulz [Ausgaben 1970], Sp.80, Männel [Begriffsreihen 1975], S.217, Lück [Ausgaben 1993], Sp.102f., Moews [Kostenrechnung 1996], S.10, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.17.
64
Vgl. Kosiol [Aufwand 1974], Sp.310, Menrad [Kosten 1975], Sp.2284, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.69, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.8, Jost [Kostenrechnung 1996], S.22, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.13, und Weber [Rechnungswesen 1998], S.320.
65
Vgl. Mellerewicz [Kosten 1973], S.8, Kosiol [Ausgaben 1974], Sp.327, Lück [Ausgaben 1993], Sp.104, Wöhe [Betriebwirtschaftslehre 1996], S.980, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.13.
66
Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.980.
67
Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.15, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.17, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.19.
68
Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.981, sowie Haberstock [Kostenrechnung 1997], S.19.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
21
Dies tritt regelmäßig dann auf, wenn Rohstoffe in der gleichen Periode gekauft und
verbraucht werden. Schließlich kann noch der Fall auftreten, daß zwar Aufwand,
nicht aber eine Ausgabe vorliegt. Dann nehmen Sach- und Gesamtvermögen ab, während das Geldvermögen unverändert bleibt.69 Als Beispiel hierfür ist die
Abschreibung einer Maschine zu nennen. 2.1.2.2.2 Abgrenzung von Aufwand und Kosten
Der Begriff des Aufwands umfaßt sowohl die betriebsbedingten Aufwendungen als
auch die betriebsfremden Aufwendungen und enthält somit, im Unterschied zum bereits vorab definierten Kostenbegriff, nicht nur den leistungsbezogenen Wert verzehr.
Kosten, die zugleich Aufwand darstellen, werden als Grundkosten bezeichnet. Diese bilden den Hauptanteil der Kosten und umfassen die wichtigsten Kostenarten wie z.B. Löhne und Gehälter.70 Es gibt aber auch Kosten, die keinen Aufwand darstellen
(aufwandsverschiedene Kosten).71 Diese sogenannten Zusatzkosten besitzen rein
kalkulatorischen
Charakter
und
werden
in
der
berücksichtigt.72 Bei den aufwandsverschiedenen
Finanzbuchhaltung
nicht
Kosten bzw. Zusatzkosten
unterteilt man weiterhin in wesensverschiedene Kosten (z.B. kalkulatorische Zinsen auf das Eigenkapital) und bewertungsverschiedene Kosten (z.B. kalkulatorische
Wagnisse und kalkulatorische Abschreibungen).73
Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.981, und Weber [Rechnungswesen 1998], S.320.
Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.9, Männel [Begriffsreihen 1975], S.217, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.22. Vgl. Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.10, Mellerowicz [Kosten 1973], S.9, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.423, Weber [Kosten 1993], Sp.1268, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.34, und Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.441.
Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird nicht zwischen Aufwand und Kosten unterschieden. Aus diesem Grund sind kalkulatorische Kosten, also sowohl Anders- als auch Zusatzkosten, unbekannt.
Vgl. Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.10, Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2274, Heinen [Kostenlehre 1983], S.100, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.17, Coenenberg [Kostenrechnung 1995], S.2079, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.16, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.31.
22.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Im Rahmen des Vergleichs von Aufwand und Kosten ist es weiterhin erforderlich,
zwischen kostengleichem Aufwand und kostenverschiedenem Aufwand zu unter
scheiden. Den kostengleichen Aufwand, der in der Praxis in allermeisten Fällen den größten Teil des Aufwands ausmacht,74 bezeichnet man als Zweckaufwand, da es sich dabei um einen Güterverzehr handelt, der dem Betriebszweck, also der
Erstellung von betrieblichen Leistungen, dient.75 Der Zweckaufwand kann daher
unmittelbar aus der Finanzbuchhaltung in die Kostenrechnung übernommen
werden.76 Der kostenverschiedene (neutrale) Aufwand umfaßt den betriebsfremden
Aufwand, den außerordentlichen Aufwand und den periodenfremden Aufwand. Der betriebsfremde Aufwand beinhaltet nur solche Aufwendungen, die nicht durch den Betriebszweck verursacht worden sind und diesem auch nicht mittelbar dienen.77 Hierzu zählen z.B. Aufwendungen für stillgelegte Anlagen, die keine Reserveanlagen
sind, und Aufwendungen für private Grundstücke.78 Der außerordentliche Aufwand hängt demgegenüber zwar mit der Erstellung der betrieblichen Leistungen zusammen, fällt jedoch unterschiedlich hoch und unregelmäßig an.79 Zu den außer
ordentlichen Aufwendungen zählen z.B. der Verkauf einer Anlage unter Buchwert, außerordentliche Wagnisverluste, Wäh rungs Verluste, Aufwendungen für Preis
Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.10, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.69, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.31. Vgl. Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.10, Mellerowicz [Kosten 1973], S.10, Egger [Aufwand 1993], Sp.91, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.8, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.39, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.623.
Vgl. Schulz [Aufwand 1970], Sp.76, Mellerowicz [Kosten 1973], S.9, Moews [Kosten 1981], Sp.1122, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.69, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.19. Vgl. Heinen [Kosten 1956], S.32, Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.19, Mellerowicz [Kosten 1973], S.10, Bratschitsch [Aufwand 1981], Sp.91, Weber [Grundbegriffe 1992], S.7, Bea [Grundbegriffe 1993], Sp.3711, Eckenbach [Kostenrechnung 1995], S.22, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.32, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.8, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.20. Vgl. Heinen [Kosten 1956], S.32, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.18, Jost [Kostenrechnung 1996], S.22, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.15, und Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.8. Vgl. Heinen [Kosten 1956], S.32, Mellerowicz [Kosten 1973], S.11, Bratschitsch [Aufwand 1981], Sp.91, Hilke/Rümmele [Neutrale Aufwendungen 1993], Sp.1416, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.32.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
strafen,
Ordnungsstrafen,
gebührenpflichtige Verwarnungen,
23
Debitorenverluste
außergewöhnlicher Art und anderes mehr.80
Die Verursachung der periodenfremden Aufwendungen fällt nicht in die betrachtete Abrechnungsperiode. Einen solchen periodenfremden Aufwand stellt etwa eine Steuernachzahlung (z.B. Gewerbesteuernachzahlung) dar.81
Kosten unterscheiden sich vom Aufwand also durch die Art ihrer Bewertung, durch das Gebiet ihrer Anwendung und durch ihren Umfang. 2.1.3 Funktionen und Zwecke der Kostenrechnung
Aufgrund des gestiegenen Informationsbedarfs der Unternehmensleitung kommen der Kostenrechnung eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen zu, die die unternehmerische Entscheidungsfindung unterstützen sollen. Grundsätzlich ist hin
sichtlich der Funktionen der Kostenrechnung zwischen der Ermittlungsfunktion, der Prognosefunktion, der Vorgabefunktion und der Kontrollfunktion zu unterscheiden.82
Die Ermittlungsfunktion dient der wirklichkeitsgetreuen Abbildung des Betriebs
geschehens und der Feststellung des Betriebsergebnisses.83 Die Prognosefunktion enthält die Bereitstellung von Informationen über die zu erwartenden kostenmäßigen Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen. Gegenstand der Vorgabefunktion ist die Festlegung von Soll-Kosten und Soll-Leistungen, die als anzustrebende
Vgl. Heinen [Kostenlehre 1983], S.100, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.15, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.21. Vgl. Männel [Begriffsreihen 1975], S.218, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.15, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.9, Schneider [Rechnungswesen 1997], S.52, Fischer [Kostenrechnung 1998], S.13, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.20.
Vgl. hierzu Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2314, Mandl [Kostenrechnung 1978], S.12, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.25, Chmielewicz [Kostenrechnung 1990], S.324f., Döring [Kostenrechnung 1993], Sp.2341, Reichmann [Controlling 1997], S.119, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.84. Eine ähnliche Einteilung der Funktionen der Kostenrechnung findet sich auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei. Hierbei wird die Ermittlungs funktion als wichtigste Funktion angesehen. Vgl. hierzu Uraz [Maliyet Analizleri 1971], S.57f., Turan [Yönetim Muhasebesi 1976], S.23, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.14f., Kizil [Muhasebe Sistemi 1993], S.45, und Orten [Muhasebe Uygulamalari 1999], S.61f.
Vgl. Stüben [Kostenrechnungssysteme 1979], S.1141, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.24, Reichmann [Controlling 1997], S.119, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.84, und Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.6.
24
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Zielgrößen in der Planung und Steuerung des betrieblichen Geschehens ihre
Berücksichtigung finden. Mit Hilfe der Kontrollfunktion soll die Einhaltung dieser Ziel
größen überprüft und die Ursachen für Abweichungen analysiert werden.84 Häufig findet sich in der Literatur anstelle des Begriffs „Funktionen der Kosten
rechnung“ auch der Ausdruck .Aufgaben der Kostenrechnung“. Diese Begriffe
werden von uns synonym verwandt, da beide eine Systematisierung der bereitzu stellenden Informationen nach Art und Verwendung vornehmen. Geht man der Frage nach, wofür die bereitgestellten Kosteninformationen verwendet werden sollen, so spricht man von den Zwecken bzw. Zielen der Kostenrechnung.85 Die wichtigsten Ziele bzw. Zwecke der Kostenrechnung bestehen in der Ermittlung
des Betriebserfolges, in der Wirtschaftlichkeitskontrolle des Unternehmens, auch Kontrolle der Betriebsgebarung genannt, und in der Bereitstellung von Kosten informationen zur Lenkung betrieblicher Prozesse.86
Die
Ermittlung
des
Betriebsergebnisses ermöglicht
durch
eine
periodische
Abrechnung der betrieblichen Leistungen die Überwachung der Entwicklung des Betriebserfolges. Zunächst werden hierzu die bei der Herstellung und Verwertung
der Erzeugnisse innerhalb einer Abrechnungsperiode angefallenen Kosten ermittelt. Die auf diese Weise ermittelten Kosten werden anschließend im Rahmen der Kostenträgerzeitrechnung den betrieblichen Leistungen der jeweiligen Abrechnungs
Vgl. Stüben [Kostenrechnungssysteme 1979], S.1142, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.24, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3679, Döring [Kostenrechnung 1993], Sp.2341, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1993], Sp.1236f., Reichmann [Controlling 1997], S.119. Vgl. hierzu Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.64f., Seicht [Gestaltungsmöglichkeiten 1982], S.21L, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.25, Küpper [Kostenrechnung 1992], S.38f., Troßmann [Kostenrechnung 1993], Sp.2386f., Krahnen [Kostenschlüsselung 1994], S.190, Pfaff [Kostenrechnung 1994], S.1068, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.38.
Vgl. Henzel [Kostenrechnung 1964], S.13ff., Kosiol [Unternehmung 1979], S.68ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.24f., Schneider [Rechnungswesen 1997], S.30f., Seicht [Kostenrechnung 1997], S.20, Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.18, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.37f. Demgegenüber wird in der türkischen Literatur die Ermittlung des Betriebserfolgs als wichtigster Zweck der Kostenrechnung angesehen. Vgl. hierzu ausführlich Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.17ff. Vgl. auch Kizil [Enflasyon Muhasebesi 1990], S.46, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.17f., Akdogan [Tekdüzen Muhasebe 1994], S.92f.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
25
periode gegenübergestellt.87 Die Differenz zwischen den Umsatzerlösen der Absatz
leistungen und deren Kosten stellt den Betriebserfolg dar. Das Betriebsergebnis spiegelt den Erfolg aus der betrieblichen Tätigkeit ohne Beeinflussung durch neutrale
und außerordentliche Aufwendungen und Erträge wider. Da die Betriebsergebnis
rechnung in relativ kurzen Zeitabständen (z.B. monatlich oder vierteljährlich) durch geführt werden kann, zeigt sie laufend, wie hoch der Anteil der einzelnen Produkte oder Produktgruppen am Gesamtergebnis ist und ob der Betrieb im ganzen wirt
schaftlich arbeitet. Die mit Hilfe der Betriebsergebnisrechnung gewonnenen Infor mationen können als Grundlage für Entscheidungen zur Verbesserung des betrieb lichen Erfolges und somit zur Erfolgslenkung dienen.88
Der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit kommt mit zunehmender Größe und Unter
gliederung der Unternehmungen eine immer größere Bedeutung zu.89 Unter dem
wertmäßigen Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ im engeren Sinne versteht man in der Betriebswirtschaftslehre die Relation zwischen Ertrag und Aufwand bzw. Leistung und Kosten.90 Eine systematische Kostenkontrolle tritt aufgrund der zunehmenden
Konkurrenz und der daraus resultierenden geringeren Einflußmöglichkeit auf den Marktpreis immer mehr in den Vordergrund. Ziel der Kostenkontrolle ist die Ermittlung und Beseitigung von Unwirtschaftlichkeiten, die beim Einsatz der
Produktionsfaktoren bzw. innerhalb des Produktionsprozesses auftreten können.91 Die
Wirtschaftlichkeitskontrolle
kann
mit
Hilfe
eines
Zeitvergleichs,
eines
Betriebsvergleichs, oder eines Soll/Ist-Vergleichs erfolgen.92 Sowohl der Zeitver
gleich, bei dem die Istkosten mehrerer Abrechnungsperioden miteinander verglichen werden, als auch der Betriebsvergleich, bei dem die Istkosten mehrerer Betriebe ein
ander gegenübergestellt werden, weisen aufgrund fehlender Vergleichsmaßstäbe
Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.36. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.69, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.4, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.17. Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.65, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.4. Vgl. hierzu Ruffner [Wirtschaftlichkeit 1970], Sp.1923f., Bohr [Wirtschaftlichkeit 1993], Sp.2186, und Horväth [Wirtschaftlichkeit 1998], S.753. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.47, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.14f.
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.31, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.155, Moews [Kostenrechnung 1996], S.7f., und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.47.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
26.
nur eine geringe Aussagefähigkeit auf.93 Bei dem Soll/Ist-Vergleich, der sich dies bezüglich als wesentlich effektiver erweist, werden die in den einzelnen Kosten stellen tatsächlich angefallenen Kosten (Istkosten) mit den vorgegebenen Kosten (Sollkosten) verglichen94 und die evtl, auftretenden Abweichungen analysiert.95 Der
Quotient aus Istkosten und Sollkosten stellt in diesem Zusammenhang eine ge eignete Maßgröße zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens dar.96
Die tatsächlichen Ursachen für die Abweichung zwischen Ist- und Sollgrößen sollen
mit Hilfe der Abweichungsanalyse festgestellt werden.97 Die Bereitstellung relevanter Kosteninformationen ist insbesondere im Rahmen der Produktionsprogrammplanung von großer Bedeutung,
da jedes Produktions
programm mit unterschiedlichen Kosten verbunden ist. Die mit den unterschiedlichen
Produktionsprogrammen verbundenen Kosten sind mit Hilfe einer Kostenprognose zu bestimmen.98 Durch die Ermittlung der Kosten verschiedener Produktions
programme läßt sich der jeweilige Erfolg kalkulieren, so daß das erfolgsoptimale Produktionsprogramm bestimmt werden kann.
Stehen für die Herstellung eines Produktes alternative Fertigungsverfahren zur Verfügung, so erleichtern Kosteninformationen ebenfalls die Entscheidungsfindung.
Die Bestimmung des kostengünstigsten Verfahrens wird erreicht, indem die Stück kosten für jedes technisch mögliche Fertigungsverfahren ermittelt werden.
Ferner kann die Bereitstellung relevanter Kosteninformationen bei der Entscheidung
über die Selbsterstellung oder den Fremdbezug von Vor- und Zwischenprodukten
Vgl. Moews [Kostenrechung 1996], S.7, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.47. Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.4. Vgl. Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.533. Vgl. Moews [Kostenrechnung 1996], S.8, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.4. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.73, Weber [Kostenrechnung 1997], S.54, Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.94, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.17. Vgl. Schwarz [Betriebsbuchhaltung 1981], Sp.128, Klümper [Kostenrechnung 1984], S.38, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.36.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
2Z
hilfreich sein." Bei solchen sogenannten „make-or-buy“-Entscheidungen wird daher
besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der variablen Kosten gelegt Auch im Rahmen der Preiskalkulation sind Kosteninformationen unerläßlich. Sie dienen als wichtige Anhaltspunkte bei der Preisgestaltung der für den Absatz be
stimmten Produkte. Durch die Ermittlung der Stückkosten läßt sich die Preisunter grenze für jedes einzelne Produkt bestimmen und feststellen, ob die je Produktein heit angefallenen Kosten vom Marktpreis abgedeckt werden.100
Die Kostenrechnung liefert ferner die Ausgangsbasis für die gern. §§ 253, 255 HGB
und § 6 EStG vorzunehmende Bewertung der im Unternehmen produzierten und auf Lager befindlichen fertigen und unfertigen Erzeugnisse.101 2.1.4 Teilbereiche der Kostenrechnung
2.1.4.1 Kostenartenrechnung
2.1.4.1.1 Grundsätzliche Bedeutung der Kostenartenrechnung Die Kostenartenrechnung gibt Auskunft darüber, welche Kosten in welcher Höhe im Laufe einer Rechnungsperiode angefallen sind.102 Sie steht am Anfang der Kosten rechnung und dient als Grundlage für die Kostenstellen- und die Kostenträger rechnung, wobei sie auf die Ziele ausgerichtet ist, die mit den beiden letztgenannten Rechnungen erreicht werden sollen. Die Kostenartenrechnung dient damit der
Vgl. Weber [Rechnungswesen 1991], S.11, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.155, Funke [Vollkostenrechnung 1994], S.326, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.85. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.29, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.37. Vgl. Schwarz [Betriebsbuchhaltung 1981], Sp.128, Piroth [Potentialkosten 1984], S.3, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.5, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.4, Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1083, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.49, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.17.
Vgl. Gayer [Vollkostenrechnung 1988], S.183, Niethammer [Systematisierung 1992], S.401, Thommen [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.156, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.8, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.94, Pinnekamp [Kostenrechnung 1997], S.47, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.55, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.85, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.48, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.629.
22.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Gewinnung von Informationen, die als Basis betrieblicher Dispositionen dienen.103
Man bezeichnet sie auch als Abgrenzungsrechnung, da eine Abgrenzung der Kosten gegenüber den Aufwendungen der Unternehmung vorgenommen wird.104 Der
Kostenartenrechnung liegt eine dreistufige Arbeitsweise zugrunde: Zuerst werden die als Aufwand anfallenden Kosten (Zweckaufwand, Grundkosten) erfaßt. Daran anschließend
erfolgt die Aussonderung
der aufwandsverschiedenen
Kosten
(Zusatzkosten, Anderskosten). Schließlich wird der gesamte kostenfremde Aufwand
(neutraler Aufwand) eliminiert.105 Unabdingbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfassung und Kontierung der Kosten ist eine zweckentsprechende Kostenarteneinteilung.106 Diese wird
dadurch erreicht, daß jede Kostenart eine Kostenartenbezeichnung und eine Kosten artennummer erhält und ähnliche Kostenarten zu Kostenartengruppen zusammen
gefaßt werden.107
2.1.4.1.2 Klassifikationsmöglichkeiten der Kostenartenrechnung Es ist üblich, die Gesamtkosten einer Abrechnungsperiode nach verschiedenen
Gesichtspunkten zu gliedern. Die entsprechenden Einteilungskriterien sind allerdings für die Kostenrechnung nicht alle gleich bedeutsam.
Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal bei der Kostenarteneinteilung sollte die faktororientierte Unterteilung sein, wenngleich auch andere kostenstellen- oder kostenträgerorientierte Kriterien in Ergänzung dazu durchaus zulässig und sinnvoll
Vgl. Lachnit/Ammann [Kostenrechnung 1993], Sp.1259, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.103, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.29, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86. Vgl. Reblin [Kostenrechnung 1993], Sp.467f., Weber [Kosten 1993], Sp. 1265t., Koch [Kostenrechnung 1997], S.21, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.66, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86.
Vgl. Rasche [Kostenrechnung 1980], S.49, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.128, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.95, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.25. Vgl. Schubert [Kostenarten 1981], Sp.999f., Kilger [Kostenrechnung 1987], S.69, Taube [Kostenrechnung 1989], S.40, und Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.256.
Vgl. Gau [Betriebsabrechnung 1970], S.39ff., Endres [Kontenrahmen 1987], S.220f., Kilger [Kostenrechnung 1987], S.69, Bergner [Kostenarten 1975], Sp.2307, Matthes [Kontenrahmen 1993], Sp.1124t., und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
22
erscheinen.108 Da die Produktionsfaktorgruppen in den verschiedenen Branchen von unterschiedlicher Bedeutung sind, läßt sich eine einheitliche, für alle Industrie
betriebe gleichermaßen zweckmäßige Kostenarteneinteilung nicht finden.109 In Deutschland dient für viele Industrieunternehmen die Klasse 4 des Gemeinschaftskontenrahmens der Industrie (GKR) als Grundlage für die Einteilung der Kosten
arten.110 Diese kann anhand verschiedener Kriterien erfolgen.111 Nach dem Gliederungskriterium „Art der verbrauchten Produktionsfaktoren“ sind Personal, Betriebsmittel-, Werkstoff- und Dienstleistungskosten sowie Steuern, Ge
bühren und Beiträge zu unterscheiden. Bei einer Unterteilung nach der „Art der betrieblichen Funktionen“ sind Beschaffungs-, Fertigungs-, Vertriebs- und Verwal
tungskosten voneinander abzugrenzen. Nimmt man eine Einteilung nach der „Art der
Verrechnung“ vor, ist zwischen Einzel- und Gemeinkosten zu differenzieren. Eine
weitere Unterteilung kann anhand des Merkmals „Verhalten bei Beschäftigungs
änderungen“ durchgeführt werden. Hierbei werden die fixen und die variablen
Kosten voneinander getrennt. Nach der „Art der Kostenerfassung“ ist zwischen aufwandsgleichen und kalkulatorischen Kosten zu unterscheiden.112 Als weiteres Gliederungskriterium dient die „Herkunft der Kostengüter“. Dieses Einteilungs
Vgl. Sommer [Kostenarten 1970], Sp.930f., Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.112, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.70, und Liessmann [Kostenrechnung 1997], S.370. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Kostenrechnung 1987], S.70, Moews [Kostenrechnung 1996], S.56, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.68f. Vgl. Kosiol [Kalkulatorische Buchhaltung 1953], S.200f, Schulze [Kontenrahmen 1970], Sp.844ff., Bergner [Kostenarten 1975], Sp.2308, Angermann [Kontenrahmen 1981], Sp.911, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.70, Niethammer [Systematisierung 1992], S.402, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.58.
Im folgenden werden die wichtigsten Einteilungskriterien dargestellt. Zu weiteren Einteilungs möglichkeiten vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.56ff. Bis auf das Kriterium „Art der Kostenerfassung“ werden die genannten Einteilungsmerkmale auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei diskutiert. Vgl. hierzu Cemalcilar [Genei Muhasebe 1976], S.S.41f., Yazici [Hesaplama Yöntemleri 1977], S.64, Aksan [Maliyet Türleri 1980], S.18, Orhan [Birlesik 1982], S.39, Ercan [Gider Kavramlari 1983], S.10, Akdogan/Aydin [Muhasebe Teorileri 1987], S.421f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi [Maliyet Muhasebesi 1992], S.9, Kücüksavas [Maliyet Sistemleri 1992], S.30, Demir [Maliyet 1993], S.74, und Ostün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.29f. Daß das Merkmal „Art der Kostenerfassung“ keine Berücksichtigung findet, ist darauf zurück zuführen, daß die Verrechnung kalkulatorischer Kosten in der türkischen Literatur unbekannt sind. Vor dem Hintergrund, daß kalkulatorische Kosten im Schrifttum der Türkei unbekannt sind, findet dieses Einteilungskriterium in der Türkei keine Berücksichtigung.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
30
merkmal ermöglicht eine Unterteilung der Kostenarten in primäre und sekundäre
Kosten. 2.1.4.1.3 Erfassung und Analyse der wichtigsten Kostenarten
Die Personalkosten (auch „Arbeitskosten“) enthalten alle Kosten, die durch die In anspruchnahme menschlicher Arbeitsleistungen unmittelbar und mittelbar verursacht
werden.113 Sie umfassen Bruttolöhne, Bruttogehälter, gesetzliche und freiwillige Sozialkosten sowie sonstige Personalnebenkosten. In
diesem Zusammenhang
kann
nach fertigungstechnischen,
verrechnungs
technischen oder Lohnberechnungsgesichtspunkten unterschieden werden. Bei einer Einteilung unter fertigungstechnischen Aspekten lassen sich Fertigungs- und
Hilfslöhne gegeneinander abgrenzen: Fertigungslöhne werden für die Arbeiten gezahlt, die am Werkstück selbst verrichtet werden, Hilfslöhne dagegen für solche,
die nur indirekt zu einer Veränderung des Produkts führen.114 Aus verrechnungstechnischer Sicht stehen die Einzellöhne den Gemeinkosten löhnen gegenüber. Einzellöhne entstehen durch Arbeiten, die der auftragsbezo
genen Leistungserstellung dienen und deren Kosten sich einem speziellen Auftrag
eindeutig zurechnen lassen. Gemeinkostenlöhne hingegen beziehen sich auf Arbeiten, bei denen eine solche auftragsspezifische Zuordnung nicht eindeutig möglich ist.115
Unter dem Aspekt der Lohnberechnung kann man schließlich eine Einteilung in Zeitlohn und Stücklohn vornehmen. Der Zeitlohn stellt die Vergütung für Arbeit in
einem bestimmten Zeitraum unabhängig von ihrem Ergebnis dar. Der Stücklohn
Vgl. hierzu Mellerowicz [Kosten 1973], S.42, Rasche [Kostenrechnung 1980], S.51, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.28, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.41, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.88, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.108f. Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.45, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1209, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.113, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.41, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.45.
Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.45, Gaugier [Personalkosten 1981], Sp.1276, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.45.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
(„Akkordlohn“)
ist demgegenüber das
JlL
Entgelt für die tatsächlich erbrachte
(mengenmäßige) Leistung.116 Probleme hinsichtlich der Personalkosten treten bei der Erfassung der Urlaubs-,
Krankheits- und Feiertagslöhne sowie der sozialen Leistungen auf, da diese un
gleichmäßig über das ganze Jahr anfallen.117 Um aber dennoch eine Aussagefähig keit der Kostenrechnung zu erhalten, werden derartige Kosten gleichmäßig auf den
gesamten Abrechnungszeitraum verteilt, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie tatsächlich angefallen sind.118
Materialkosten, die auch Werkstoffkosten oder Stoffkosten genannt werden, sind „die
mit ihren Preisen bewerteten Verbrauchsmengen an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen“.119 Schwierigkeiten können sich bei den Materialkosten im Hinblick auf die Erfassung
der Verbrauchsmengen und deren Bewertung ergeben. Grundsätzlich gibt es drei Methoden zur Feststellung der Verbrauchsmengen, nämlich die Skontrations-, die
Inventur-
und
die
retrograde
Methode.
Bei
der
Skontrationsmethode
(„Fortschreibungsmethode“) werden die Lagerabgänge durch Materialentnahme scheine in der Lagerbuchhaltung erfaßt.120 Die Inventurmethode (auch „Befund-“ oder „Bestandsdifferenzenrechnung “) ermittelt den Verbrauch durch Bestandsver
gleich, d.h. aus der Summe des Anfangsbestandes und der Zugänge abzüglich des Endbestandes.121 Bei der retrograden Methode („Rückrechnung“) gelangt man zu
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.99, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.324f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.29, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.104f., und Koch [Kostenrechnung 1998], S.45.
Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1210, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.114, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.88. Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1210, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.327, und Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.115. Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.64.
Vgl. hierzu Dorn [Entwicklung 1961], S.59, Schwarz [Betriebsbuchhaltung 1970], Sp.162, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.145, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.80f., Rehkugler [Kostenkategorien 1993], Sp.2328, Saul [Materialkosten 1993], Sp.1394, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.97, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.96. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Kostenrechnung 1987], S.79f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.32, Saul [Materialkosten 1993], Sp.1394, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.634.
32.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
den Verbrauchsmengen, indem man - ausgehend von den erstellten Mengen an Halbfertig- und
Fertigerzeugnissen - rückschreitend deren
Materialverbrauch
ableitet.122
Aus Sicht der Kostenrechnung ist die Skontrationsmethode das vorzuziehende Verfahren, da sich mit ihrer Hilfe die Verbrauchsmengen am genauesten bestimmen
lassen.
Auch die Bewertung des Materialverbrauchs kann in verschiedener Weise erfolgen,
je nachdem, ob dafür Einstandspreise, Festpreise, Durchschnittspreise, Wiederbe schaffungspreise, Tagespreise oder andere Preise herangezogen werden.123
Unter den Betriebsmittelkosten versteht man im allgemeinen „die unmittelbar durch den Einsatz von Gebäuden, Maschinen, maschinellen Anlagen, Transportmitteln, Einrichtungsgegenständen u.a. verursachten Abschreibungen, Zinsen, Reparaturund Instandhaltungskosten“124.
Dienstleistungskosten („Fremdleistungskosten“) entstehen durch die Inanspruch
nahme von Dienstleistungen anderer Unternehmen.125 Hierzu zählen beispielsweise Reparaturen, Wartungen, Werbemaßnahmen, Transportleistungen etc. Hinsichtlich
der Ermittlung der Dienstleistungskosten ergeben sich im Regelfall keine Probleme,
da man auf die eingehenden Fremdbelege in Form von Rechnungen zurückgreifen kann.126
Den kalkulatorischen Kosten stehen im Gegensatz zu den Grundkosten in der
Finanzbuchhaltung entweder kein Aufwand (= Zusatzkosten) oder Aufwand in
122
Vgl. ausführlich Kilger [Kostenrechnung 1987], S.80, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.318, Moews [Kostenrechnung 1996], S.88, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.634.
123
Vgl. Vodrazka [Materialkosten 1981], Sp.1173, Saul [Materialkosten 1993], Sp.1396f., Swoboda [Kostenrechnung 1997], S.32, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.65.
124
Kilger [Kostenrechnung 1987], S. 110.
125
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.71, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.103.
126
Vgl. Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.103.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
.33
anderer Höhe (= Anderskosten) gegenüber. Kalkulatorische Kosten werden ver
rechnet, um den tatsächlichen Werteverzehr an Produktionsfaktoren zu erfassen.127
Die erste Gruppe unter den kalkulatorischen Kosten stellen die kalkulatorischen Abschreibungen dar. Analog zu den bilanziellen Abschreibungen werden hierbei die
Ausgaben bzw. Auszahlungen, die einmalig für die Herstellung oder Anschaffung
eines Anlagegutes anfallen, auf die einzelnen Teilperioden ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer verteilt.128 Unter den kalkulatorischen Abschreibungen versteht man
mithin das „kostenmäßige Äquivalent für den Werteverzehr langfristig nutzbarer Produktionsfaktoren“129.
Die jeweilige Höhe der Abschreibungen wird durch die Komponenten Abschrei
bungsursachen, -verfahren und -betrag bestimmt.130 Die Abschreibung eines Betriebsmittels kann aufgrund verschiedener, etwa wirt
schaftlich bedingter Ursachen erforderlich werden. Dies ist der Fall, wenn die Wert minderung etwa durch den technischen Fortschritt oder durch eine Nachfragever schiebung herbeigeführt wird.131 Ebenso können verbrauchsbedingte Ursachen vor
liegen. Hierzu zählt man die Abnutzung durch Gebrauch, Zeitverschleiß und Substanzverringerung.132 Schließlich sind auch zeitlich bedingte Abschreibungs
ursachen denkbar, wozu der Ablauf eines Miet- oder Pachtvertrages oder der Ablauf von Schutzrechten gezählt werden kann.
Vgl. hierzu ausführlich Rasche [Kostenrechnung 1980], S.57, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.423, Küpper [Abschreibungen 1993], Sp.20, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.77, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.441, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.39.
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.163, Männel [Kalkulatorische Kosten 1997], S.7f., Wohlgemuth [Grundlagen 1998], S.3f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.61.
Kilger [Kostenrechnung 1987], S.112. Vgl. hierzu ausführlich Banse [Abschreibung 1970], Sp.30f., Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2276, Hohenbild [Gestaltung 1978], S.156f., Egner [Abschreibungen 1981], Sp.34f., Franz [Kalkulatorische Kosten 1992] 426f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.34, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.115. Vgl. hierzu Kilger [Kostenrechnung 1987], S.112f. Vgl. aber auch Küpper [Abschreibungen 1993], Sp.16, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.106, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.81. Vgl. Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.425, Küpper [Abscheibungen 1993], Sp.16, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.81.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
34
Verfahrensmäßig kann man zwischen der leistungsabhängigen Abschreibung, der zeitorientierten Abschreibung und der gespaltenen Abschreibung unterscheiden. Die leistungsabhängige Abschreibung ist das kostenmäßige Äquivalent für den Werte
verzehr entsprechend der wechselnden Inanspruchnahme der Betriebsmittel. Zur
Ermittlung des Abschreibungsbetrags einer Periode dividiert man zunächst die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch den Gesamtleistungs
vorrat und multipliziert anschließend den so ermittelten Abschreibungssatz pro
Leistungseinheit mit der in der jeweiligen Periode erbrachten Leistung.133 Die zeitorientierte Abschreibung kann in linearer, degressiver oder progressiver Form erfolgen. Bei der linearen Abschreibung ist der Abschreibungsbetrag pro Periode im
Verlauf der Nutzungsdauer konstant. Hingegen wird bei der degressiven Methode,
die sich noch in arithmetisch-degressiv und geometrisch-degressiv unterteilen läßt, ein abnehmender Werteverzehr während der Nutzungsdauer unterstellt. Die prog
ressive Abschreibungsmethode ist dadurch gekennzeichnet, daß die Abschreibungs
beträge von Periode zu Periode ansteigen, wobei sie entweder arithmetisch oder geometrisch steigende Reihen bilden.134
Bei der gespaltenen Abschreibungsmethode wird versucht, die Abschreibungs summe in einen zeitorientierten (fixen) und in einen leistungsabhängigen (variablen)
Block aufzuteilen. In diesem Zusammenhang kann sich die Bestimmung der jeweils geeigneten
Abschreibungsmethode und des damit verbundenen Abschreibungsbetrags pro
Periode als problematisch erweisen. Die leistungsabhängige Abschreibungsmethode
ist nur für den Fall anwendbar, daß der Werteverzehr der Betriebsmittel ausschließ lich durch den unmittelbaren Einsatz im Produktionsprozeß herbeigeführt wird. Dies
hätte aber zur Voraussetzung, daß das gesamte Nutzungspotential quantifizierbar wäre und die Leistungsabgabe in jeder Periode bestimmt werden könnte. Da sich
Vgl. Buchner [Abschreibung 1974], Sp.109, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.333, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.427, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.37, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.96.
134
Vgl. hierzu ausführlich Küpper [Abschreibungen 1993], Sp.23, Moews [Kostenrechnung 1996], S.104, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.106, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.317.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
33
dies in aller Regel nicht verwirklichen läßt, ist die leistungsabhängige Abschreibung in der Praxis nur von geringer Bedeutung. Die am häufigsten verwendete Methode ist daher die zeitorientierte Abschreibung. Die lineare Abschreibung besitzt dabei
einen besonderen Stellenwert, da sie rechnerisch einfach ist und dem Egali sierungsgedanken Rechnung trägt. Die degressive Methode weist demgegenüber den Vorteil auf, daß während der Nutzungsdauer wegen der in der Regel ansteigenden Reparatur- und Instandhaltungskosten ein relativ gleichmäßiger Ver
lauf der „Betriebsmittelkosten“ entsteht.135 Die progressive Abschreibungsmethode ist wiederum für die Praxis kaum von Interesse, da der Werteverzehr im allgemeinen keinen progressiven Verlauf aufweist.
Festzuhalten bleibt, daß dasjenige Abschreibungsverfahren als das geeignete Ver
fahren anzusehen ist, das in der Lage ist, die Abschreibungen gemäß dem tatsäch lich verursachten Werteverzehr in möglichst genauerWeise abzubilden.136
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der kalkulatorischen Abschreibung und der
bilanziellen Abschreibung besteht darin, daß bei der erstgenannten in der Regel der
Wiederbeschaffungswert eines Betriebsmittels, bei letzterer hingegen die ursprüng lichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten137 den Abschreibungsbetrag bildet.138 Die kalkulatorische Abschreibung berücksichtigt damit das Prinzip der substanziellen
Kapitalerhaltung, d.h., daß bei steigenden Beschaffungspreisen die Substanz eines
Unternehmens nicht dadurch gefährdet wird, daß man Abschreibungen auf der Basis von Anschaffungspreisen vornimmt.139
Vgl. ausführlich Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.94. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.43, Ballwieser [Abschreibungen 1998], S.9, und Schweitzer/Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.49. Vgl. hierzu handelsrechtlich § 253 HGB und steuerrechtlich § 7 EStG.
Vgl. hierzu ausführlich Gretz [Ergebnisrechnung 1980], S.20f., Wohlgemuth [Herstellungskosten 1991], S.25f., Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.426, Loos [Ermittlung 1992], S.528, Jost [Kostenrechnung 1996], S.71, Männel [Rechnungskreise 1997], S.12, Zimmermann [Unternehmenserhaltung 1997], S.25, Ballwieser [Abschreibungen 1998], S.5, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.441, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.61. Vgl. Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2276, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.35, und Männel/Distler [Substanzerhaltung 1997], S.43.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Geht man von dem Zweck der kalkulatorischen Abschreibung aus, der in der periodisch richtigen Erfassung des leistungsbezogenen Verbrauchs der Anlagen
besteht, so darf nicht übersehen werden, daß die Abschreibungsverfahren rein hypothetisch und grob vereinfacht sind, da sie lediglich der Verbrauchstendenz ent sprechen. Dieser Umstand ist u.a. auf Schwierigkeiten hinsichtlich der Messung des
Betriebsmittelverbrauchs zurückzuführen.140 Die kalkulatorischen Zinsen, verstanden als das „kostenmäßige Äquivalent für die Kapitalbindung in einer Unternehmung“141, bilden eine weitere wichtige, wenn auch
problematische Form der kalkulatorischen Kosten. Bei ihrer Ermittlung stellt sich
regelmäßig die Frage, auf welche Kapitalbeträge sie verrechnet werden sollen. Des weiteren ist umstritten, ob solche Zinsen überhaupt Kosten darstellen.142 Die Vertreter des pagatorischen Kostenbegriffs lassen für die Kostenrechnung nur solche Kosten zu, die mit Auszahlungen verbunden sind. Konsequenterweise lehnen
sie den Ansatz von kalkulatorischen Zinsen auf das Eigenkapital ab und sehen aus schließlich die Fremdkapitalzinsen als Kosten an.143 Demgegenüber definieren die
Vertreter des wertmäßigen Kostenbegriffs die Kosten als einen in Geld bewerteten,
betriebsnotwendigen Güterverzehr.144 Entsprechend bezeichnen sie die Eigen kapitalzinsen als Zusatzkosten und begründen dies damit, daß durch die Bindung von Eigenkapital an das eigene Unternehmen eine andere zinsbringende Anlage möglichkeit ausgeschlossen wird.145 Auch wenn man sich dieser Auffassung
anschließt, bleibt doch zu berücksichtigen, daß die Eigenkapitalzinsen nicht die
140
141
Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.109, und Swoboda [Bewertung 1998], S.37. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.133.
142
Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.50, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.108, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.62.
143
Vgl. hierzu ausführlich Huch [Kostenrechnung 1986], S.62.
144
Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.50, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.442, und Schweitzer/Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.54.
145
Vgl. Huch [Kostenrechnung 1986], S.62f.
Theoretische .Grundlagen der Kostenrechnung
2Z
Ausprägung einer tatsächlichen Auszahlung aufweisen, sondern vielmehr eine Form
des Nutzenentgangs im Sinne von Opportunitätskosten darstellen.146 In jedem Fall ist für die Ermittlung der Zinskosten die Konkretisierung des betriebs
notwendigen Kapitals erforderlich. Da das betriebsnotwendige Kapital im vorhinein nicht eindeutig bekannt ist, berechnet man zunächst das betriebsnotwendige Ver mögen. Letzteres muß nicht zwingend mit den Werten der Aktivseite der Handels und Steuerbilanz übereinstimmen, da dort auch solche Vermögensteile aufgeführt werden, die eben nicht betriebsnotwendig sind.147 Für die Bestimmung des betriebs
notwendigen Anlagevermögens stehen die Methoden der Restwertverzinsung, der Durchschnittswertverzinsung und der Resterlöswertverzinsung zur Verfügung. Bei
der Restwertverzinsung werden die Zinsen aus dem verbleibenden kalkulatorischen Restbuchwert der Anlagen berechnet.148 Das Verfahren der Durchschnittsver zinsung sieht eine Verzinsung des während der gesamten Nutzungsdauer durch
schnittlich gebundenen Kapitals vor.149 Bei der Resterlöswertverzinsung geht man
davon aus, daß in den Anlagen noch jener zu verzinsende Kapitalbetrag gebunden
ist, der bei deren Veräußerung eingenommen werden könnte.150 In der Praxis hat
sich das Verfahren der Durchschnittsverzinsung aufgrund des Egalisierungsge dankens durchgesetzt. Bei der Ermittlung des betriebsnotwendigen Umlaufver
mögens geht man meist vom Jahresdurchschnittswert des Umlaufvermögens aus. Das betriebsnotwendige Vermögen ergibt sich schließlich aus der Summe des
betriebsnotwendigen Anlage- und Umlaufvermögens abzüglich des neutralen Anlage- und Umlaufvermögens (z.B. betriebsfremde Anlagen oder Warenvorräte).
Subtrahiert man von diesem betriebsnotwendigen Vermögen noch das Abzugs
Vgl. Mellerowicz [Kosten 1973], S.78, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1212, Franz [Kalkulatorische Kosten 1992], S.429, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.62. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.95.
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.175, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.59, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.110, Eisele [Rechnungswesen 1999], S.647, und Schweitzer/Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.56. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.136, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.58, Reiners [Kalkulatorische Zinsen 1997], S.55, Eisel [Rechnungswesen 1999], S.647, und Schweitzer/ Ziolkowski [Unternehmungsrechnung 1999], S.56. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.175, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.109.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
38
kapital, also etwa Kundenanzahlungen oder unverzinsliche Darlehen, so gelangt
man zum betriebsnotwendigen Kapital.151 Die kalkulatorischen Zinsen erhält man, indem man das betriebsnotwendige Kapital mit einem einheitlichen Zinssatz
multipliziert,152 wobei meistens auf den Zinssatz für langfristige Kredite zurück
gegriffen wird. Jede unternehmerische Tätigkeit ist aufgrund der Unvollständigkeit und Ungenauig
keit der Vorstellungen bezüglich der zukünftigen Datenentwicklung mit Ungewiß
heiten verbunden.153 Diese Ungewißheiten, die man auch als Risiko oder Wagnis bezeichnen kann und die allgemeiner oder spezieller Natur sein können, bergen Gefahren für das unternehmerische Handeln in sich. Das allgemeine Unternehmens
wagnis umfaßt im wesentlichen schwer oder überhaupt nicht prognostizierbare Risiken, die das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie z.B. Inflation, plötzliche Nachfrageverschiebungen, technische Fortschritte etc. Wagnisse dieser Art sind so wenig kalkulierbar, daß sie in der Kostenrechnung nicht berücksichtigt werden, zu
mal ihnen die Möglichkeit der Gewinnerzielung kompensierend gegenübersteht. Bei den speziellen Einzelwagnissen handelt es sich dagegen um intern bedingte Risiken
in der Unternehmung, die sich auf einzelne Abteilungen, Tätigkeiten oder Produkte beziehen und unmittelbar mit der betrieblichen Leistungserstellung verbunden sind.154 Solche speziellen Einzelwagnisse können durchaus als kalkulatorische
Wagniskosten Eingang in die Kostenrechnung finden. Dabei ist aber zu beachten, ob
die jeweiligen Risiken durch eine besondere Fremdversicherung abgedeckt oder von der Unternehmung selbst getragen werden.155 Sofern die bestehenden Risiken durch
eine Versicherung abgedeckt sind, werden die laufenden Versicherungsprämien als
Vgl. Greifzu [Rechnungswesen 1965], S.331, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.85f., und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.57. 152
Vgl. Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2277, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.71, Männel [Rechnungskreise 1997], S.12, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.121.
153
Vgl. Moews [Kalkulatorische Kosten 1975], Sp.2277, Busse von Colbe [Substanzerhaltung 1990], S.306, Franz [Kalkulatorische Kosten 1993], Sp. 1046t., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.61, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.65.
154 155
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.101.
Vgl. Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.111, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.102.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
^2
Kosten innerhalb der Grundkostenarten erfaßt.156 In Form von kalkulatorischen Wagniskosten werden dann nur solche Risiken berücksichtigt, die von der Unter
nehmung selbst getragen werden. Dabei kann es sich um Anlagen-, Bestände-, Mehrkosten-, Gewährleistungs-, Vertriebs- sowie Entwicklungswagnisse handeln.157
Zur Verrechnung der kalkulatorischen Wagniskosten orientiert man sich an Ver
gangenheitswerten, die in die Zukunft extrapoliert werden.158 Mit Hilfe statistischer Verfahren läßt sich der sog. Wagniskostensatz ermitteln. Dieser ergibt sich als
durchschnittliche Größe aus den in der Vergangenheit tatsächlich eingetretenen Wagnisverlusten und einer geeigneten Bezugsgröße, die in Beziehung zur Höhe der
Wagnisverluste steht.159 Die kalkulatorischen Wagniskosten der laufenden Periode werden dann unter Berücksichtigung des Wagniskostensatzes in der Kostenrech
nung berechnet. Als kalkulatorischer Unternehmerlohn wird das für die unternehmerische Leistung
und die vom Unternehmer selbst durchgeführten Verwaltungsaufgaben zu berück
sichtigende rein kalkulatorische Entgelt bezeichnet.160 Ein solcher kalkulatorischer Unternehmerlohn,
der Zusatzkosten
darstellt,
findet sich
ausschließlich
bei
Personengesellschaften. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß Vorstands
mitglieder und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften Gehaltsempfänger sind,
während Gesellschafter von Personengesellschaften für ihre Tätigkeit kein Gehalt beziehen.161 Den Maßstab für die Höhe des kalkulatorischen Unternehmerlohnes
bildet das durchschnittliche Gehalt eines Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft
Vgl. Seicht [Kostenrechnung 1997], S.120, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.102.
Vgl. Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.123, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.130, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.442, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.65. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.62, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.33. Vgl. Götzinger/Michael [Kostenrechnung 1990], S.108, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.112. Vgl. hierzu ausführlich Greifzu [Rechnungswesen 1965], S.327, Franz [Kalkulatorische Kosten 1993], Sp.1045, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.56, Männel [Rechnenkreise 1997], S.12, Küpper [Kalkulatorische Kosten 1998], S.442, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.66f. Vgl. Hohenbild [Gestaltung 1978], S.158, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.115, Moews [Kostenrechnung 1996], S.96, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.132, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.67.
40
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
unter der Voraussetzung, daß sowohl gleiche Bedingungen hinsichtlich der Aufgabengebiete und Leistungen der zu vergleichenden Personen als auch der
Größe und der Art des Fertigungsprogrammes beider Unternehmen vorliegen.162 2.1.4.2 Kostenstellenrechnung 2.1.4.2.1 Bedeutung der Kostenstellenrechnung
Die Kostenstellenrechnung stellt verfahrenstechnisch betrachtet das Bindeglied zwischen der Kostenartenrechnung und der Kostenträgerrechnung dar.163 Sie gibt
Auskunft darüber, wie sich die einzelnen Kostenarten auf die Teilbereiche eines Unternehmens verteilen,
in denen sie innerhalb einer Abrechnungsperiode
angefallen sind.164 Unter Kostenstellen versteht man „Orte, an denen die zur Leistungserstellung benötigten Güter verbraucht werden“165. Allgemein unterscheidet
man
zwischen
Hauptkostenstellen
(Endkostenstellen)
und
Hilfskostenstellen
(Vorkostenstellen).166 Als Hauptkostenstellen bezeichnet man diejenigen Kosten stellen, deren Kosten sich mit Hilfe von Kalkulationssätzen den Kostenträgern un mittelbar zurechnen lassen.167 Die Hilfskostenstellen hingegen sind dadurch gekenn
zeichnet, daß ihre Kosten indirekt durch Umlage auf andere Hilfs- oder Hauptkosten stellen verrechnet werden.168
Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.63, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.649.
Vgl. hierzu Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2318, Brink [Kostenstellen 1993], Sp.2376, Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1249, Jost [Kostenrechnung 1996], S.77, Fiedler [Controlling 1998], S.55, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.126, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.74. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß diese Aussage nicht bei allen Kostenrechnungsverfahren zutrifft.
Vgl. Menrad [Vollkostenrechnung 1981], Sp.1741, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.190, Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1086, Moews [Kostenrechnung 1996], S.116, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.32.
Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.580, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.80f., Seicht [Kostenrechnung 1997], S.124, Swoboda [Kostenrechnung 1997], S.34, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.87. Vgl. Jost [Kostenrechnung 1996], S.78, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1271, Swoboda [Kostenrechnung 1997], S.34, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.640.
Vgl. Sommer [Kostenstellen 1970], Sp.976, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.154, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.81, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.78.
Theoretische Grünhagen der Kostenrechnung
41
Ebenso wie die Kostenartenrechnung verfolgt auch die Kostenstellenrechnung keinen Selbstzweck, sondern dient der Gewinnung von Informationen, die die Basis
für betriebliche Dispositionen darstellen.169 Die Aufgaben der Kostenstellenrechnung bestehen in der Verteilung der Gemeinkosten aus der Kostenartenrechnung auf die
Kostenstellen, der Durchführung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung, der
Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Vorbereitung der Kalkulation.170 Erst eine Einteilung des Unternehmens in verschiedene Kostenstellen ermöglicht die
Gewinnung derjenigen Informationen, die eine Analyse der Teilprozesse sowie ihrer Bestimmungsfaktoren und deren kostenmäßigen Auswirkungen erlauben.171 Eine
Wirtschaftlichkeitskontrolle, die sich demgegenüber darauf beschränkt, das Unter nehmen in seiner Gesamtheit zu betrachten, hat nur geringen Aussagewert und ist
damit für die Unternehmensleitung wenig hilfreich.172
Am Anfang der Kostenstellenrechnung muß unterschieden werden zwischen denjenigen Kostenarten, die den Kostenträgern direkt zugerechnet werden können
(Kostenträgereinzelkosten), und solchen, bei denen dies nicht möglich ist, so daß sie im Rahmen der Kostenstellenrechnung verteilt werden (Kostenträgergemeinkosten).
Handelt es sich bei den Kostenträgergemeinkosten um Kostenarten, die für die
Kostenstelle einzeln erfaßbar sind, so spricht man von Kostenstelleneinzelkosten. Lassen sich die Kostenträgergemeinkosten hingegen nicht pro Kostenstelle
erfassen, so werden sie als Kostenstellengemeinkosten bezeichnet. In einem solchen Fall erfolgt die Verteilung indirekt über sogenannte Schlüsselgrößen.173 Von einer Verteilung primärer Kosten spricht man, wenn die Verrechnung der Kosten
Vgl. Brink [Kostenstellen 1993], Sp.2378, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.74. Vgl. hierzu Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.379f., Männel [Kostenrechnung 1977], S.634f., Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.159, Moews [Kostenrechnung 1996], S.116f., Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.75f., Seicht [Kostenrechnung 1997], S.123, und Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.78.
Vgl. ausführlich Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.563, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.119, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.126. Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.580, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.159, und Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.86. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.71, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79, und Schierenbeck [[Betriebswirtschaftslehre 1999], S.648.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
42.
arten auf die Kostenstellen erfolgt Betrachtet man hingegen den Leistungsaus tausch zwischen den Kostenstellen, so verwendet man den Begriff der sekundären Kosten. Diese Kosten lassen sich mit Hilfe entsprechender Schlüsselgrößen, wie z.B. Kalkulationssätzen, auf die Kostenträger verrechnen.174
Bei der Bestimmung der einzelnen Kostenstellen eines Unternehmens müssen verschiedene Grundsätze beachtet werden, damit die Kostenstellenrechnung ihren
Aufgaben gerecht werden kann. Hierzu zählen die Grundsätze der Entsprechung,
der Verantwortlichkeit, der Eindeutigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit und Übersicht
lichkeit.175 Der Grundsatz der Entsprechung besagt, daß in Fällen, in denen es nicht
möglich ist, die Kostenarten verursachungsgemäß auf die Kostenträger zu verteilen,
innerbetriebliche „profit center“, also organisatorische Teilbereiche, gebildet werden
sollen, die die Leistungen untereinander austauschen und deren Leistungen man mit Hilfe sogenannter innerbetrieblicher Lenkungspreise bewertet.176 Der Grundsatz der Verantwortlichkeit fordert die Herstellung einer Identität zwischen Kostenstelle und
Verantwortungsbereich. Nur so kann eine wirksame Wirtschaftlichkeitskontrolle
gewährleistet werden.177 Durch Beachtung des Grundsatzes der Eindeutigkeit soll erreicht werden, daß die Kostenstellen unmißverständlich gegeneinander abge grenzt sind, damit eine exakte Zuordnung aller Kosten vorgenommen werden kann. Entsprechend dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Übersichtlichkeit soll ein Unternehmen nur soweit in einzelne Kostenstellen unterteilt werden, daß man den
dadurch entstehenden Aufwand wirtschaftlich vertreten kann und die Übersichtlich
keit nicht gefährdet wird.178
Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.564, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.107, und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.71. Vgl. Biethahn [Kostenstellen 1981], Sp.1093, Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1252, und Jörasz [Kostenrechnung 1996], S.115. Vgl. Biethahn [Kostenstellen 1981], Sp.1093, und Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1252.
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.198, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.134, und Jörasz [Kostenrechnung 1996], S.116. Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.563, und Biethahn [Kostenstellen 1981], Sp.1094.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
43
2.1.4.2.2 Einteilungskriterien und Arten von Kostenstellen
Die Gliederung eines Unternehmens kann nach verschiedenen Gesichtspunkten er folgen. Für welche Einteilung man sich letztendlich entscheidet, hängt im wesent lichen von den jeweils angestrebten Rechnungszielen ab. Die Kostenstellen können
grundsätzlich nach räumlich-geographischen Gesichtspunkten, nach Verantwor
tungsbereichen, nach verrechnungstechnischen Merkmalen oder nach funktionalen
Kriterien gebildet werden.179 Bei der Abgrenzung von Kostenstellen nach räumlich-geographischen Gesichts punkten wird jede Kostenstelle als ein räumlich zusammenhängender und abge
grenzter Bereich betrachtet. Eine solche Einteilung ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn in den jeweiligen Kostenstellen nur eine einzige Tätigkeit ausgeführt wird. Sofern in den räumlich abgegrenzten Betriebsteilen unterschiedliche Tätigkeiten aus
geführt werden, was den Regelfall darstellt, so erscheint diese Art der Kosten stellenbildung wenig sinnvoll, da nicht ersichtlich ist, welche Kosten durch die ein
zelnen Tätigkeitsbereiche verursacht worden sind.180 Eine zweite Alternative zur Einteilung der Kostenstellen stellt die Bildung der Kosten
stellen nach Verantwortungsbereichen dar. Bei dieser Gliederungsform werden die Kompetenzen und Verantwortungen der einzelnen Kostenstellenleiter eindeutig
gegeneinander abgegrenzt, so daß die Möglichkeit besteht, jeden Kostenstellenleiter
für den Anfall der Kosten verantwortlich zu machen.181 Eine solche Form der Kosten stellenbildung empfiehlt sich insbesondere, wenn man den Kosten- und Wirtschaft lichkeitskontrollen einen hohen Stellenwert innerhalb der Kostenstellenrechnung einräumt.
Ferner besteht die Möglichkeit, die Kostenstellen nach verrechnungstechnischen Gesichtspunkten voneinander abzugrenzen. Dabei werden nur jene produktiven
Demgegenüber ist die Einteilung der Kostenstellen nach Verantwortungsbereichen und nach verrechnungstechnischen Merkmalen in der Türkei unbekannt.
Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.563, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.197, Niethammer [Systematisierung 1992], S.408, und Eisele [Rechnungswesen!999], S.658. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.197, Schönfedl/Möller [Kostenrechnung 1995], S.134, und Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79.
44
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Einheiten zu Kostenstellen zusammengefaßt, die gleiche oder zumindest annähernd
gleiche Kostenstrukturen aufweisen. Dies bedeutet für Unternehmen, die ausschließ lich produktive Einheiten mit unterschiedlichen Kostenstrukturen aufweisen, daß jede
produktive Einheit in einer gesonderten Kostenstelle erfaßt werden muß, was in der Konsequenz eine sehr feine Kostenstellenunterteilung erforderlich macht.182 Vor diesem Hintergrund sollte bei der Kostenstellenbildung nach verrechnungs
technischen Gesichtspunkten stets eine Abwägung zwischen dem Vorteil, der aus der zunehmenden Verfeinerung der Kostenstellenunterteilung resultiert, und dem Nachteil,
der in dem ansteigenden Rechenaufwand besteht, vorgenommen
werden.183 Bei der Kostenstellenbildung nach funktionalen Gesichtspunkten werden gleichartige
Arbeitsgänge zu einer Kostenstelle zusammengefaßt.184 Demzufolge kann man
zwischen Allgemeinen Kostenstellen, Materialstellen, Fertigungsstellen, Verwal tungsstellen und Vertriebsstellen differenzieren.185 Die allgemeinen Kostenstellen
umfassen die Kostenstellen, deren Leistungen dem gesamten Unternehmen dienen, wie z.B. die Kraftzentrale, Werksfeuerwehr, Kantine sowie die Wasserversorgung und soziale Dienste.186
Die Materialstellen beinhalten die Kostenstellen, die mit der Beschaffung, Kontrolle,
Lagerung und Ausgabe von Werkstoffen und Materialien befaßt sind.187
Vgl. Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.111. Vgl. Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.111. Vgl. Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.262, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.134, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.76f. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.196, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.99f., Brink [Kostenstellen 1993], Sp.2379, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.135, und Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], Sp.79f. Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.120, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.110, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.79, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.641.
Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.387, Kosiol [Unternehmung 1979], S.127, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.196, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.99, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.77, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.113.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
45
Die Fertigungsstellen umfassen diejenigen Kostenstellen, die mittelbar oder unmittel
bar an der eigentlichen Leistungserstellung beteiligt sind. Sie lassen sich weiter in Fertigungshaupt- und in Fertigungshilfsstellen unterteilen, wobei in den Fertigungs
hauptstellen die Arbeitsgänge an den Werkstoffen und Zwischenprodukten voll
zogen werden, während die Fertigungshilfsstellen hauptsächlich mit der Fertigungs planung und -Steuerung, der Herstellung von Maschinen und Werkstücken für den Produktionsprozeß sowie mit der Informationsverarbeitung betraut sind.188
In der Verwaltungsstelle wird der gesamte Verwaltungsbereich des Unternehmens,
wie z.B.
die
Geschäftsleitung
sowie das
Rechnungs-
und
Personalwesen
zusammengefaßt.189
Die Vertriebsstelle umfaßt die Kostenstellen, die mit dem Absatz der Produkte des
Unternehmens beschäftigt sind.190 Bei den allgemeinen Kostenstellen handelt es sich verrechnungstechnisch betrachtet
um Hilfskostenstellen, da ihre Kosten nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar
mit Hilfe anderer Kostenstellen auf die Kostenträger verrechnet werden. Dabei tritt das Problem auf, daß die einzelnen Abteilungen die innerbetrieblichen Leistungen in
sehr unterschiedlichem Maße in Anspruch nehmen. Aus diesem Grunde ist man bemüht, geeignete Bezugsgrößen (Schlüssel) zu finden, die sicherstellen, daß den
einzelnen Kostenstellen nur die Kosten für diejenigen Leistungen angelastet werden,
die von der Kostenstelle auch tatsächlich in Anspruch genommen wurden. Als typisches Beispiel soll hier die Verteilung der Heizkosten dienen. Die entstandenen
Heizkosten müssen auf die anderen Hilfskostenstellen bzw. auf andere Hauptkosten
stellen umgewälzt werden. Es kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, daß die beanspruchte Heizleistung und die daraus resultierenden Heizkosten in Abhängigkeit von der Raumgröße der jeweiligen Kostenstelle stehen. Somit stellt die
Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre! 996], S.1272, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.135, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.659.
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.110, Scherrer [Betriebsabrechnungbogen 1998], S.80, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.641. Vgl. Kosiol [Unternehmung 1979], S.127, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.135, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.110, Scherrer [Betriebsabrechnungsbogen 1998], S.80, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.77.
4S.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Summe der rechnerisch in jeder Kostenstelle verbrauchten Kubikmeter Öl oder Gas
die Bezugsgröße und damit auch den Schlüssel für die Verrechnung der Heizkosten dar.191
2.1.4.2.3 Methoden und Prinzipien der Kostenverteilung Auf der ersten Stufe der Kostenstellenrechnung werden die Kostenarten in Kosten trägereinzelkosten und Kostenträgergemeinkosten unterteilt. Die Kostenträger einzelkosten lassen sich, wie bereits erwähnt, direkt den Kostenträgern zurechnen,
während die Kostenträgergemeinkosten indirekt über die Kostenstellen auf die Kostenträger verrechnet werden. Die Kostenträgergemeinkosten lassen sich nun
weiter in Kostenstelleneinzelkosten und Kostenstellengemeinkosten unterteilen, wobei die Kostenstelleneinzelkosten unmittelbar auf die Kostenstellen verteilt und die
Kostenstellengemeinkosten mit Hilfe von Bezugsgrößen auf die einzelnen Kosten stellen verrechnet werden. Die Weiterwälzung der Kostenarten auf die Kostenstellen
bezeichnet man auch als Verteilung primärer Kosten.192 Nach der Verteilung dieser Kosten auf die Kostenstellen erfolgt die Umlage der jenigen Kosten, die durch Inanspruchnahme innerbetrieblicher Leistungen entstan den sind.193 Diese innerbetriebliche Leistungsverrechnung kann entweder direkt oder
indirekt mit Hilfe von Bezugsgrößen durchgeführt werden. Im Anschluß daran findet
eine Umlage der Kosten von den Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen statt.
Die Kosten, die eine Kostenstelle von einer anderen Kostenstelle erhält, nennt man auch sekundäre Stellenkosten.
Die auf diese Weise ermittelten Kosten der Kostenstellen werden durch die Anwen dung entsprechender Schlüsselgrößen auf die Kostenträger verrechnet.
Im Rahmen der Kostenstellenrechnung können bei der Verteilung der Kosten, der
Verrechnung der Kostenträgergemeinkosten, der Kostenstellenumlage sowie der
Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.134, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.659. 192
193
Vgl. hierzu Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.104, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.71, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.71. Vgl. Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.141, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.79.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
47
Bestimmung von Zuschlagssätzen für Endkostenstellen vielfältige Probleme auf treten.194 Um die Genauigkeit der Kostenstellenrechnung zu erhöhen, müssen bei der
Verteilung der Gemeinkosten auf die Kostenstellen geeignete Bezugsgrößen (Kostenschlüssel) gewählt werden. Als Bezugsgrößen kann man sowohl Mengen
schlüssel als auch Wertschlüssel verwenden.195 Mengenschlüssel kann man weiter in die Untergruppen Zählgrößen, Zeitgrößen, Raumgrößen, Gewichtsgrößen und
technische Maßgrößen unterteilen, während man die Wertschlüssel in Absatz größen, Einstandsgrößen, Bestandsgrößen, Kostengrößen und Verrechnungsgrößen
differenzieren kann.196 Es lassen sich nun verschiedene Zurechnungsprinzipien und damit auch verschie
dene Gemeinkostenverteilungsschlüssel gegeneinander abgrenzen. Man unterschei det im wesentlichen zwischen dem Kostenverursachungsprinzip, dem Leistungs
entsprechungsprinzip und dem Kostentragfähigkeitsprinzip.
Zielsetzung des Kostenverursachungsprinzips ist es, den Leistungseinheiten nur diejenigen Kosten zuzurechnen, die unmittelbar durch eben diese Leistungs
einheiten hervorgerufen wurden. Das Kostenverursachungsprinzip betrachtet somit lediglich die durch die Leistungseinheit bewirkten Grenzkosten, während die
Fixkosten, die nicht unmittelbar produktionsbedingt sind, unberücksichtigt bleiben.197
Das Leistungsentsprechungsprinzip, das auf Koch zurückgeht, fordert die Bildung von Kostenanteilsziffern, d.h., daß zwischen den Gesamtkosten eines Unterneh mens bzw. einer Periode und der Gesamtheit der Leistungseinheiten eine Beziehung
hergestellt werden muß. Auf diese Art werden gleich großen Leistungseinheiten
Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.398, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.137, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.643.
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.218, Laßmann [Kostenerfassung 1993], Sp.1189, Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1255, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.88, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.154f. Vgl. Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1255, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.136, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.72, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.644. Vgl. Schweitzer [Prinzipien 1977], S.483f., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.53f., Franz [Kostenverursachung 1993], Sp.2420f., Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.72, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.10.
4^
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
gleich große Kostenanteile und größeren Leistungseinheiten dementsprechend
größere Kostenanteile zugeordnet198 Ausgangspunkt dieses Prinzips ist die Annahme, daß sich keine kausale Beziehung zwischen der Entstehung der Gesamt
kosten einer Periode und der Erstellung der Gesamtleistung dieser Periode herstellen läßt.199 Daraus ergibt sich die Forderung nach einer minimalen Gemein
kostenstreuung, die man dadurch zu erfüllen versucht, daß man bei der Verteilung der nicht direkt zurechenbaren Kosten jene Schlüsselgrößen zur Hilfe nimmt, bei
denen der Fehler der Gemeinkostenverrechnung am geringsten ist.200 Bei dem Kostentragfähigkeitsprinzip erfolgt die Kostenzurechnung nicht nach Verur sachungsgesichtspunkten, sondern richtet sich danach, inwieweit die Leistungs
einheit in der Lage ist, Kosten zu übernehmen.201 2.1.4.2.4 Problematik und Verfahren der innerbetrieblichen Leistungs verrechnung Neben den absatzorientierten Leistungen werden in einem Unternehmen auch
solche Leistungen erstellt, die das Unternehmen selbst wieder verbraucht. Solche Leistungen bezeichnet man als innerbetriebliche Leistungen. Bei diesen inner
betrieblichen Leistungen kann man zwischen aktivierbaren und nicht aktivierbaren Leistungen unterscheiden. Handelt es sich bei den innerbetrieblichen Leistungen um
aktivierbare Leistungen, d.h. sind sie mehrjährig nutzbar, so treten in der Regel keine
besonderen Probleme auf,202 denn diese Eigenleistungen werden als Kostenträger angesehen, d.h., sie werden wie Absatzleistungen zu Selbstkosten bewertet. Die
dadurch bewirkten Kosten müssen den jeweiligen Vermögenskonten zugerechnet und in späteren Rechnungsperioden als Abschreibungen verrechnet werden.203
Vgl. hierzu ausführlich Koch [Kostenrechnung 1966], S.102.
199
200 201
Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.578, und Börner [Kostenverteilung 1981], Sp.1112.
Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.578.
Vgl. Weber [Kosten 1972], S.24f., Schweitzer [Prinzipien 1977], S.485f., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.58f., und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.74.
202
Vgl. Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2489, Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.911, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.124.
203
Vgl. hierzu Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.911.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
49
Innerbetriebliche Leistungen sind nicht aktivierungsfähig, wenn sie in der gleichen
Rechnungsperiode hergestellt und verbraucht werden. In diesem Fall muß um gehend eine Verrechnung zwischen der leistenden und der empfangenden Kosten
stelle stattfinden.204 Dies ist allerdings mit Problemen verbunden. So können etwa
Veränderungen in der Anzahl der sich beliefernden Kostenstellen vorliegen oder der Leistungsaustausch sehr unregelmäßig erfolgen.205 Für die Verrechnung der innerbetrieblichen Leistungen stehen verschiedene
Verfahren zur Verfügung. Im wesentlichen kann man zwischen dem Kosten
artenverfahren, dem Kostenstellenumlageverfahren, dem Kostenstellenausgleichs verfahren, dem Kostenträgerverfahren sowie dem Gleichungsverfahren unter
scheiden.206 Bei dem Kostenartenverfahren werden die Kostenstellen, die innerbetriebliche
Leistungen empfangen, nur mit den direkt als Einzelkosten erfaßbaren primären Kosten belastet, während die durch innerbetriebliche Leistungen verursachten
Gemeinkosten durch dieses Verfahren nicht weiter umgelegt werden, sondern zu Lasten der leistenden Kostenstelle gehen.207 Hier handelt es sich um eine Teil kostenmethode, da die Gemeinkosten der innerbetrieblichen Leistungen bei der
Umlage unberücksichtigt bleiben.208 Das Kostenartenverfahren führt zu einer Ver
zerrung der Kostenstruktur, da die Gemeinkosten nicht den leistungsempfangenden Kostenstellen im Sinne des Verursachungsprinzips zugerechnet werden.209 Daher
kann dieses Verfahren nur dann sinnvoll angewendet werden, wenn die inner-
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.141. Vgl. hierzu ausführlich Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2490. Vgl. Kosiol [Verrechnung 1959], S.18ff., Schierenbeck [Leistungsverrechnung 1981], Sp.1150ff., Kilger [Kostenrechnung 1987], S.179ff., Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.156, Moews [Kostenrechnung 1996], S.146ff., und Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1278ff. Vgl. Kosiol [Verrechnung 1959], S.19, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.236, Wenz [Verrechnung 1992], S.493, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.156, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.141. Vgl. Börner [Leistungsverrechnung 1970], Sp.1020, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1278, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.140, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149. Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1215, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.147.
SQL
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
betrieblichen Leistungen lediglich geringen Ausmaßes sind und sofort verbraucht werden. Das Kostenstellenumlageverfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß besondere
Hilfskostenstellen für die innerbetrieblichen Leistungen eingerichtet werden, denen
man die gesamten primären Kosten zurechnet. Durch dieses Verfahren werden nicht
nur die Einzelkosten, sondern auch alle Gemeinkosten der innerbetrieblichen Leistungen erfaßt Die Verrechnung erfolgt in der Kostenstellenumlage von den
leistenden Hilfskostenstellen auf die leistungsempfangenden Kostenstellen, wobei man sich in der Regel der Methode der Schlüsselung bedient.210 Problematisch wird die Anwendung des Kostenstellenumlageverfahrens bei Vorliegen gegenseitiger
Leistungsverpflechtungen.211 In diesem Fall kann keine der Kostenstellen mit der
Kostenverteilung beginnen, da sie noch Belastungen von anderen Kostenstellen zu erwarten hat.212 Bei dem Kostenstellenumlageverfahren kann man noch weiter
zwischen dem Anbau- und dem Stufenleiterverfahren unterscheiden.213 Bei dem Anbauverfahren teilt man die Kostenstellen in zwei Blöcke auf. In dem einen Block befinden sich diejenigen Kostenstellen, die nur Leistungen abgeben, und in dem
anderen Block sind die Kostenstellen enthalten, die nur Leistungen empfangen.214 In der Regel umfaßt der erste Block die Allgemeinen Kostenstellen und die Hilfskosten
stellen, während der zweite Block die Hauptkostenstellen enthält. Die Verrechnung beginnt mit den Kostenstellen des ersten Blocks, wobei nur die primären Kosten
Berücksichtigung finden. Anschließend erfolgt eine Umwälzung der Kostenstellen
des ersten Blocks auf die Kostenstellen des zweiten Blocks.215 Aus der Summe der
Vgl. Lägel [Verfahren 1980], S.171, Schierenbeck [Leistungsverrechnung 1981], Sp. 1151, Moews [Kostenrechnung 1996], S.147, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.141. 211
Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.487, Schierenbeck [Leistungsverrechnung 1981], Sp.1151, und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.78.
212
Vgl. Lägel [Verfahren 1980], S.171, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.114.
213
Vgl. Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2493f., Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.914, Adelberger [Verrechnungspreise 1998], S.731, Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.125, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.141.
214
Vgl. Schierenbeck [Innerbetriebliche Leistungen 1993], Sp.915, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.93, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149.
215
Vgl. Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
primären und der empfangenen sekundären Kosten ergeben sich dann für die
Kostenstellen des zweiten Blocks die Stellengesamtkosten.216
Das Stufenleiter-
verfahren, das auch als Treppenverfahren oder step-ladder-system bezeichnet wird,
berücksichtigt im
Gegensatz zu
dem Anbauverfahren zumindest einseitige
Leistungsbeziehungen zwischen den Allgemeinen Kostenstellen und den Hilfs kostenstellen.217 Im Rahmen des Treppenverfahrens werden die Kostenstellen in
eine bestimmte Reihenfolge gebracht, d.h., man stellt die Hilfskostenstelle, die die wenigsten Leistungen von anderen Kostenstellen empfängt, an den Anfang.210
Daraufhin werden die primären Kosten dieser Hilfskostenstelle unter Berücksichti gung der Leistungsabgabe auf die nachfolgenden Kostenstellen verteilt. Für die
zweite Kostenstelle und die nachfolgenden Kostenstellen ergibt sich der gleiche abrechnungstechnische Ablauf.219 Das Kostenstellenausgleichsverfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß es nicht nur die Einzelkosten innerbetrieblicher Leistungen, sondern auch anteilige Gemein kosten verrechnet.220 Im Gegensatz zu den bereits erwähnten Verfahren berück
sichtigt es auch gegenseitige Leistungsverpflechtungen mit der Folge, daß eine sukzessive Kostenumlage nicht mehr durchführbar ist. Die Umlage der Kosten auf
die Kostenstellen muß auf simultanem Wege erfolgen, da die anfallenden gesamten Stellenkosten nicht mehr losgelöst ermittelt werden können.221 Charakteristisch für das Kostenträgerverfahren ist, daß innerbetriebliche Leistungen
ebenso wie die Absatzleistungen kostenrechnerisch als selbständige Kostenträger
Vgl. Seicht [Kostenrechnung 1997], S.149. Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, Huch [Kostenrechnung 1986], S.89, Wenz [Verrechnung 1992], S.497, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.141. Vgl. Weber [Rechnungswesen 1991], S.87, Wenz [Verrechnung 1992], S.497, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.131. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.131. Vgl. Börner [Leistungsverrechnung 1970], Sp. 1021, Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.490, Meffert [Kostenrechnung 1978], S.581, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.239, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.150. Vgl. Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.84.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
52.
behandelt werden.222 Das Kostenträgerverfahren wird vor allem dann eingesetzt,
wenn die in einer Abrechnungsperiode hergestellten innerbetrieblichen Leistungen vollständig oder teilweise in einer späteren Periode verbraucht werden,223 wodurch
eine zeitliche Abgrenzung (Aktivierung) notwendig wird. Für die innerbetrieblichen Leistungen werden innerbetriebliche Kostenträger eingerichtet, auf denen man die
Herstellkosten jener Leistungen verrechnet.224 Neben dem Kostenartenverfahren, dem Kostenstellenumlageverfahren, dem Kosten
ausgleichsverfahren und dem Kostenträgerverfahren gibt es noch das Gleichungs verfahren. Dieses Verfahren, das auch als Simultanverfahren oder mathematisches Verfahren bezeichnet wird, ist das genaueste Verteilungsverfahren. Es ermittelt die Verteilungssätze für die innerbetrieblichen Leistungen nicht sukzessiv, sondern
simultan mit Hilfe von linearen Gleichungen.225 Bei diesen Gleichungen stellen die
gegenseitig ausgetauschten Leistungsmengen und deren Preise die bekannten Größen dar, während die Kostensätze der innerbetrieblichen Leistungen als Unbe kannte auftreten.226 2.1.4.2.5 Betriebsabrechnungsbogen als Instrument der Kostenstellen rechnung Grundsätzlich kann man zwischen zwei Grundformen der Verbuchung in der Kosten
stellenrechnung unterscheiden, nämlich der kontenmäßigen und der tabellarischen Form.227 Bei der kontenmäßigen Erfassung und Verteilung ist für jede einzelne
Vgl. hierzu ausführlich Mellerowicz [Kostenrechnung I 1974], S.497, Bergner [Innerbetriebliche Leistungsverrechnung 1975], Sp.2494, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.242, Heinen/ Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1218, und Wenz [Verrechnung 1992], S.494. 223 224
225
226
Vgl. Moews [Kostenrechnung 1996], S.155. Vgl. Moews [Kostenrechnung 1996], S.155, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Schneider [Rechnungswesen 1969], S.48ff., Wenz [Verrechnung 1992], S.498, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.78, Friedank [Kostenrechnung 1997], S.143, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.126. Vgl. Waszkowiak [Gleichungsverfahren 1980], S.217, Schierenbeck [Leistungsverrechnung
1981], Sp.1153, Heinen/Dietel [Kostenrechnung [Kostenrechnung 1995], S.156. 227
1991],
S.1218,
und Zimmermann/Fries
Vgl. hierzu Ebert [Kostenrechnung 1997], S.70, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.115, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.661. Demgegenüber findet in der türkischen Literatur über wiegend die kontenmäßige Verbuchung der Kostenstellenrechnung Berücksichtigung. Vgl. hierzu ausführlich Kanat [Defter 1987], S.254f., Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.34, Uragun [Mali Tablolar 1993], S.264L, und Akdogan/Tenker [Tekdüzen 1994], S.169f.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
53
Kostenstelle ein entsprechendes Konto vorgesehen, auf dem man die zugehörigen Kostenarten verbucht. Bei der tabellarischen Erfassung und Verteilung der Kosten wird auf die doppelte Buchung kostenrechnerischer Vorgänge verzichtet.228 Der Kostenstellenbogen bildet das wichtigste Instrument zur Durchführung der
Aufgaben der Kostenstellenrechnung in tabellarischer Form. Ihn bezeichnet man als Betriebsabrechnungsbogen (BAB).229 Der Vorteil des BAB gegenüber der buch
halterischen Form besteht darin, daß er einfacher zu handhaben ist und eine höhere
Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Betriebsbedürfnisse aufweist.230 Bei dem
BAB handelt es sich also um eine Tabelle, bei der man im Spalteneingang die Haupt- und Hilfskostenstellen und im Zeileneingang die zu verteilenden Primär
kostenarten abträgt.231 Der BAB enthält soviel Spalten wie es Kostenstellen und soviel Zeilen wie es Primärkostenarten gibt.232 Man kann ihn als ein Instrument der
Kostenarten- bzw. der Kostenstellenrechnung ansehen, da die Kostenarten des Unternehmens von ihm erfaßt und auf die Kostenstellen des Unternehmens verteilt werden.233 Im BAB verrechnet man grundsätzlich nur die Gemeinkosten, da sich die
Einzelkosten direkt den Kostenträgern gemäß dem Verursachungsprinzip zurechnen lassen und somit aus abrechnungstechnischen Gesichtspunkten keiner weiteren Berücksichtigung innerhalb des BABs bedürfen. Die Tatsache, daß gelegentlich
doch Einzelkosten im Betriebsabrechnungsbogen auftreten, ist darauf zurück zuführen, daß diese Einzelkosten zur Ermittlung bestimmter Kalkulationssätze als Bezugsgrößen dienen.234
Die Aufgaben des BABs bzw. die Anforderungen an den BAB bestehen in der
Verteilung der primären Gemeinkosten auf die Kostenstellen gemäß dem Verur
Vgl. Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2319, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.70.
Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.127. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.35.
Vgl. Angermann [Kostenstellenverrechnung 1958], S.36. Vgl. Angermann [Kostenstellenverrechnung 1958], S.36.
Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.137f. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.115.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
54
sachungsprinzip, in der Verrechnung der Kosten der Allgemeinen Kostenstellen auf
die nachgelagerten Hilfs- und Hauptkostenstellen, der Verteilung der Kosten der Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen, der Ermittlung der Gemeinkosten zuschlagssätze als Grundlage für die Kostenträgerrechnung und in der Durchführung
eines Vergleichs der Istkosten mit den vorgegebenen Soll-Kosten zur Ermittlung der Kostenstellenüber- oder -unterdeckung.235 Durch diese Aufgaben wird auch
allgemein das Vorgehen bei einer Kostenstellenrechnung unter Einsatz eines BABs bestimmt.236 2.1.4.3 Kostenträgerrechnung
Die Kostenträgerrechnung stellt aufbauend auf der Kostenarten- und Kostenstellen
rechnung die letzte Stufe der Kostenrechnung dar.237 Sie geht der Fragestellung nach, wofür die Kosten angefallen sind. Kostenträger sind einzelne Produkte oder
Produktgruppen, „die die von ihnen verursachten Kosten zuzüglich eines Deckungs beitrages durch die von ihnen erzielten Erlöse erwirtschaften ('tragen') sollen“.238
Bei der Kostenträgerrechnung unterscheidet man zunächst zwischen zwei Aus wertungsformen, nämlich zwischen der Kostenträgerstückrechnung und der Kosten
trägerzeitrechnung.239 Die Kostenträgerstückrechnung dient zur Ermittlung der jenigen Kosten, die bei der Herstellung einer Einheit eines Kostenträgers anfallen.
Mit Hilfe der Kostenträgerzeitrechnung bestimmt man hingegen die gesamten
Kosten einer Rechnungsperiode und ihre Verteilung auf die Kostenträger.240
Vgl. Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, Schirmeister [Betriebsbuchhaltung 1993], Sp.159, und Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.94. Vgl. hierzu ausführlich Milling [Kostenstellenrechnung 1993], Sp.1253f., Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.115, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.640f. Vgl. Sommer [Kostenträger 1970], Sp.978, Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.581, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.255, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.167, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.648.
Busse von Colbe/Pellens [Rechnungswesen 1998], S.458.
Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.80, Bea [Kostenträgerrechnung 1993], Sp.1274, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.273, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.86, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.91. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2043, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.842, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1220, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.87, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.162.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
£5
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Zeitpunkt der Durchführung der Kalkulation. Hier kann zwischen der Vorkalkulation, der Nachkalkulation sowie den
diversen Formen der Zwischenkalkulation differenziert werden.241 Von einer Vor kalkulation spricht man, wenn die Kalkulation zeitlich betrachtet vor dem Beginn der Leistungserstellung durchgeführt wird.242 Dabei werden die Kosten mit Normal- oder
Soll-Sätzen, also mit geplanten Größen, im voraus in die Rechnung eingesetzt. Dieses Verfahren dient im wesentlichen der Angebotskalkulation, weshalb bei der
Ermittlung von Preisen einzelner Produkte eine Orientierung an den voraussicht lichen Stückkosten erfolgt.243 Zwischenkalkulationen werden zwar nach Beginn, aber
vor Beendigung der Leistungserstellung durchgeführt.244 Die Zwischenkalkulation
wird vornehmlich bei Kostenträgern mit einer langen Produktionsdauer zu Bilanzund Dispositionszwecken angewendet.245 Die Durchführung der Nachkalkulation wird im Anschluß an den Produktionsprozeß einer Leistungseinheit vorgenommen.246 Im
Gegensatz zur Vorkalkulation werden die Kosten bei der Nachkalkulation mit den Ist-
Sätzen bewertet und im nachhinein in die Rechnung eingesetzt.247 Die Nach
Vgl. hierzu und zum folgenden Bouffier [Preisgestaltung 1970], Sp.761, Schönfeld [Kostenrechnung I 1974], S.104, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844, Männel [Gesamtzusammenhang 1992], S.70, Jokisch [Kalkulation 1993], Sp.1021f., Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.116, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.146, Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.49, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.700.
Vgl. auch Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.38f., Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.167f., Ebert [Kostenrechnung 1997], S.89, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.148, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.700. Vgl. Sommer [Kalkulation 1970], Sp.756, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2047, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844, Zwehl [Kalkulation 1981], Sp.876, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.169. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird die Vorkalkulation zwar erwähnt, ihre praktische Bedeutung wird jedoch wegen der in der Türkei vorherrschenden hohen Inflationsrate angezweifelt. Vgl. hierzu ausführlich Akdogan [Enflasyon Muhasebesi 1980], S.25, özbasar [Maliyet Analizi 1983], S.50, özdora [Mamul Ayirimi 1987], S.113, Güvemli [Planlama 1990], S.117, Basik [Maliyet Analizi 1994], S.69, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.126. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.39, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.89, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.700.
Vgl. Bouffier [Preisgestaltung 1970], Sp.761, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.845, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.146. In der türkischen Literatur findet die Zwischenkalkulation kaum Beachtung. Vgl. hierzu Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.127f.
Vgl. Müller [Kostenrechnung 1955], S.37, Sommer [Kalkulation 1970], Sp.756, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.376, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.89, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.148, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.146. Vgl. Schönfeld [Kostenrechnung I 1974], S.104, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.844f., Müller [Rechnungswesen 1983], S.261, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.168, Ebert
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
56
kalkulation dient in erster Linie als Kontrollrechnung. Mit ihrer Hilfe soll festgestellt werden, ob die Mengen-, Wert- und Zeitansätze der Vorkalkulation eingehalten wurden.248
Im Hinblick auf den Umfang der kalkulierten Kosten kann man ferner zwischen der Vollkostenkalkulation und der Teilkostenkalkulation unterscheiden. Bei der Voll kostenkalkulation werden sämtliche Kosten eines Auftrags berücksichtigt.249 Die
Teilkostenkalkulation hingegen rechnet den Kostenträgern nur jene Kosten zu, die für den jeweils verfolgten Rechenzweck als relevant erscheinen.250 Eine wichtige Aufgabe der Kostenträgerrechnung ist es, Informationen für die
Preispolitik, die Programmpolitik und die Beschaffungspolitik sowie die Bestands bewertung bereitzustellen.251 Die Verwendbarkeit der Informationen als Grundlage
preispolitischer Entscheidungen ist davon abhängig, welche Bestimmungsgrößen für
die Preisentscheidungen maßgeblich sind.252 Der Kostenträgerrechnung kommt in dieser Hinsicht dann eine besondere Bedeutung zu, wenn sich der Verkaufspreis einer Unternehmung aus den Stückkosten und einem Gewinnzuschlag zusammen-
[Kostenrechnung 1997], S.90, [Rechnungswesen 1999], S.700.
Freidank
[Kostenrechnung
1997],
S.148,
und
Eisele
Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.40, Medicke/Plaut [Abrechnung 1991], S.71, und Seicht [Kostenträger 1993], Sp.2402. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2048, Stüben [Kostenrechnungssysteme 1979], S.1142, Zahn [Kalkulation 1981], Sp.845, Weber [Kostenrechnung 1991], S.53, Helm [Ergebnisrechnung 1992], S.672, Haberstock [Voll- und Teilkosten 1993], Sp.2117, Moews [Kostenrechnung 1996], S.167, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.116, und Lachnit [Prozeßorientiert 1999], S.44.
Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2948, Brink [Kostenträger 1981], Sp.1098, Gümbel [Kalkulationsverfahren 1981], Sp.869, Koeder [Teilkostenrechnung 1982], S.125, Weber [Kostenrechnung 1991], S.139, Moews [Kostenrechnung 1996], S.169, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.116, und Wolfstetter [Verfahren 1998], S.21. Vgl. hierzu Kruschwitz [Kalkulation 1973], S.219, Koch [Erfolgsrechnung 1993], Sp.556, Männel [Nettoergebnisrechnungen 1994], S.274, Männel [Kostenträger 1996], S.240, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.157, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.144, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.162, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.49. Im Schrifttum der Türkei werden die Preispolitik sowie die Bestandsbewertung als wichtigste Aufgaben der Kostenträgerrechnung gesehen. Vgl. ausführlich Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.3f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.14, Uragun [Mali Tablolar 1993], S.22, Canoglu [Maliyet Muhasebesi 1995], S.23, und Sevgener [Yönetim Muhasebesi 1998], S.38. Vgl. Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1088, Jokisch [Kalkulation 1993], Sp.1022, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.273, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.162.
Theoretische Grundlagen der.Kostenrechnung
31
setzt. Da aber in marktwirtschaftlichen Systemen die Marktpreise in der Regel haupt sächlich vom Verhalten der Nachfrager und der Konkurrenten abhängig sind,
müssen zusätzlich noch andere Größen berücksichtigt werden. So kann man bei
spielsweise die Kosten je Produkteinheit und ihre Aufteilung (z.B. in fixe und variable Kosten, in ausgabenunabhängige und mit Ausgaben verbundene Kosten sowie in
Einzel- und Gemeinkosten) zur Bestimmung von Preisuntergrenzen heranziehen. Darüber hinaus können die Kosten je Produkteinheit bzw. je Kostenträger während
einer Periode als Bestimmungsgröße für die programmpolitischen Entscheidungen einer Unternehmung genutzt werden. Die Kostenträgerrechnung kann weiterhin
beschaffungspolitische Entscheidungen der Unternehmung unterstützen. Dies kann z.B. durch die Bestimmung von Preisobergrenzen geschehen, die der Festlegung
von Einsatzgütern und Beschaffungspreisen sowie der Auswahl von Lieferanten dienlich sind.253 Schließlich liefert die Kostenträgerrechnung Informationen für die Bewertung der Bestände an End- und Zwischenprodukten einer Unternehmung.
2.1.4.3.1 Kostenträgerstückrechnung
Im Rahmen der Kostenträgerstückrechnung, häufig auch synonym Kalkulation ge nannt, betrachten wir zunächst die Einflußgrößen, die bei der Wahl des Kalkulations verfahrens zu beachten sind. Anschließend sind die verschiedenen Kalkulations verfahren darzustellen.
2.1.4.3.1.1 Einflußgrößen bei der Wahl des Kalkulationsverfahrens Die wichtigsten Einflußgrößen bei der Wahl des Kalkulationsverfahrens sind die
Rechnungsziele, das Produktionsprogramm und das Produktionsverfahren.254 Je nach Struktur des eingesetzten Kalkulationsverfahrens lassen sich unterschied liche Informationen über die anfallenden Kosten je Kostenträger ermitteln. Für die
Vgl. Kilger [Bestimmung 1982], S.168, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.320, Koch [Erfolgsrechnung 1993], Sp.556, Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.191, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.702.
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.266f., Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1089, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.90, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.148, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.188.
5S.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Auswahl zwischen den Verfahren ist es entscheidend, für welche Problemfelder man die Informationen auswerten möchte. Aus diesem Grund muß sich das Kalkulations verfahren nach den von der Unternehmung verfolgten Rechnungszielen richten.
Das
Produktionsprogramm
einer
Unternehmung
beeinflußt
die
Wahl
des
Kalkulationsverfahrens insbesondere durch die Anzahl der Produktarten und den Grad der Verbundenheit zwischen den Produkten.255 Ist das Produktionsprogramm völlig homogen, d.h., ist zwischen den Produkten, die in der Regel in großen Mengen hergestellt werden, eine vollständige Übereinstimmung gegeben, liegt ein Ein
produktunternehmen vor. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Massenfertigung.256 Bei einem Einproduktunternehmen sind sämtliche in einer Abrechnungsperiode entstehenden Kosten durch eben die eine Erzeugnisart
bedingt.257 Demgegenüber kann bei Mehrproduktunternehmen der Grad der Konformität
zwischen den Produkten sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob eine Sorten fertigung, eine Serienfertigung oder Einzelfertigung vorliegt. Dieses Maß der Über einstimmung zwischen den Produkten beeinflußt sowohl die Produktionsprozesse
als auch die Einsatzmengen an Betriebsmitteln und Werkstoffen sowie die Arbeits leistung. Der höchste Grad der Produktähnlichkeit ist bei Unternehmen mit Sorten fertigung gegeben. Die Sortenprodukte unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihrer
Dimension und ihrer Qualität,258 sind aber in wesentlichen Eigenschaften gleich, so daß auch hier die Produktion als annähernd homogen betrachtet werden kann. Bei
einer Serienfertigung stellt jede Serie eine Zusammenfassung homogener Produkte
dar. Zwischen den Produkten der verschiedenen Serien besteht aber keine Überein stimmung. Das niedrigste Maß an Übereinstimmung weist das Produktionsprogramm im Falle der Einzelfertigung auf, da von jeder Produktart nur ein einzelnes Stück
Vgl. Männel [Kalkulationsverfahren 1986], S.33, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.149, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.224. 256
Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.388, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.149, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.188, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92.
257
Vgl. Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1177, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92.
258
Vgl. hierzu Freidank [Kostenrechnung 1997], S.149, sowie Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
^2
hergestellt wird, das quasi ein individuelles Gut darstellt.259 Je höher der Grad an Übereinstimmung zwischen den Produkten ist, desto eher erscheint eine Form der
Divisionsrechnung geeignet. Ist die Übereinstimmung zwischen den Produkten dagegen nur gering, wird man auf eine Form der Zuschlagsrechnung zurück
greifen.260
Schließlich entscheidet auch das Produktionsverfahren über die Auswahl des
Kalkulationsverfahrens.261 Unter dem Begriff „Produktionsverfahren“ faßt man all diejenigen technischen Prozesse zusammen, die zur Herstellung eines Produkts durch bestimmte Einsatzgüter führen. Prägende Merkmale sind dabei die Kontinuität
des Produktionsablaufs, die Vergenz des Produktionsverfahrens und die Anzahl der Produktionsstufen.262 Hinsichtlich
der
Kontinuität von
Produktionsverfahren
kann
man
zwischen
kontinuierlichen und diskontinuierlichen Produktionsprozessen unterscheiden. Ein
kontinuierliches Produktionsverfahren ist durch einen zeitlich ununterbrochenen Fertigungsfluß gekennzeichnet. Ein derartiger Fertigungsfluß ist allerdings nur so
lange möglich, wie dieselbe Produktart hergestellt wird. Kontinuierliche Produktions verfahren sind daher, wenn überhaupt, nur bei Unternehmungen mit Massenferti gung vorzufinden.263 Sind zudem die Produktionsprozesse für die verschiedenen
Güter derselben Produktart gleich, läßt sich eine Kostenverteilung in Form einer
Divisionsrechnung vornehmen, da die Gütereinheiten die einzelnen Produktions stellen in gleicher Weise beanspruchen.264
Bei diskontinuierlichen Produktionsverfahren bedingen die technischen Gegeben
heiten eine Unterbrechung des Produktionsablaufs. Durch solche Unterbrechungen,
Vgl. Freidank [Kostenrechnung 1997], S.150, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.160, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.224. Vgl. Sommer [Kalkulation 1970], Sp.757, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.91. Vgl. Ebert [Kostenrechnung 1997], S.90, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.189, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.49. Vgl. hierzu ausführlich Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.189. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.191. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.191.
SO.
■Theoretische-Grundlagen der Kostenrechnung
die z.B. durch Umrüstvorgänge hervorgerufen werden können, werden besondere
Kosten verursacht. Die für die einzelnen Produkteinheiten anfallenden Kosten stehen somit in einem Zusammenhang mit den Gütermengen, die ohne Unter
brechung in einem Los gefertigt werden. Bei diskontinuierlichen Produktionsver fahren kann es daher zweckmäßig sein, die Anzahl der pro Erzeugnisart geführten
Kostenträger in Abhängigkeit zu der Anzahl der einzelnen Abschnitte im jeweiligen Herstellungsprozeß zu setzen.265
Die Vergenz des Produktionsverfahrens beeinflußt seine Struktur und die Kombina
tion der Einsatzstoffe.266 Man kann insofern zwischen Produktionsverfahren mit
divergierendem oder konvergierendem Charakter unterscheiden. Werden aus einem Einsatzstoff mehrere verschiedenartige Produkte hergestellt, handelt es sich um ein
Produktionsverfahren mit divergierendem Charakter.267 Ergeben sich diese ver schiedenartigen Produkte zwangsläufig, spricht man von einer Kuppelproduktion.
Werden dagegen zur Erzeugung einer Produktart mehrere artmäßig verschiedene Einsatzstoffe verwendet, handelt es sich um ein konvergierendes Produktionsver
fahren.260 Bei divergierenden Produktionsverfahren steigt die Anzahl der erstellten
Güter mit zunehmender Absatzreife, bei konvergierenden Produktionsverfahren hin
gegen verringert sie sich. Hinsichtlich der Anzahl von Produktionsstufen kann man zwischen einstufigen und
mehrstufigen Produktionsverfahren unterscheiden.269 Die Anzahl der Produktions stufen wird durch die zur Herstellung eines Gutes erforderlichen Arbeitsver
richtungen bestimmt.270 Das einstufige Produktionsverfahren ist dadurch gekenn zeichnet, daß alle notwendigen Arbeitsverrichtungen an einem einzigen Arbeitsplatz
oder Aggregat durchgeführt werden. Bei mehrstufigen Produktionsverfahren ver
teilen sie sich demgegenüber sequentiell auf mehrere Arbeitsplätze oder Aggregate.
Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.184. Vgl. Kosiol [Kostenrechnung 1972], S.183.
Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190. Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190. Vgl. Männel [Kalkulationsverfahren 1986], S.33.
Vgl. Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung___________________________________ si Die Wahl des Kalkulationsverfahren wird durch die Anzahl der Produktionsstufen
insofern beeinflußt, als auf den verschiedenen Produktionsstufen in der Regel nicht dieselben Produktmengen während einer Periode hergestellt werden und die Bean spruchung der einzelnen Arbeitsplätze oder Aggregate durch die Kostenträger unter schiedlich groß ist.271 Liegen bei homogenen oder annähernd homogenen Produkten
auf den einzelnen Produktionsstufen unterschiedliche Ausbringungsmengen vor, empfiehlt sich daher auch die Anwendung einer mehrstufigen Divisionsrechnung oder einer entsprechenden mehrstufigen Äquivalenzziffernrechnung. Demgegenüber
sind bei der Herstellung von Produkten mit einer geringen Übereinstimmung auf den
Produktionsstufen die Verfahren der einstufigen Divisions- und Äquivalenzziffern rechnung sowie der Zuschlagsrechnung als geeignet anzusehen.272
Die Wahl des Kalkulationsverfahrens ist, wie schon im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, von den verfolgten Rechnungszielen, vom Produktionsprogramm und
von dem oder den Produktionsverfahren einer Unternehmung abhängig. Das Ziel einer rechnerischen Durchdringung des Prozesses der Leistungserstellung gibt da bei einen engen Zusammenhang zwischen der formalen Struktur und dem zugrunde liegenden realen Gefüge des Produktionsprozesses vor. Wie oben ausgeführt, kann
diese Verbindung von Fall zu Fall eher durch eine Form der Divisionskalkulation oder eher durch eine Form der Zuschlagkalkulation erreicht werden.
2.1.4.3.1.2 Darstellung verschiedener Formen der Kalkulationsverfahren Kennzeichnendes Merkmal der Divisionskalkulation ist, daß die während einer Periode insgesamt angefallenen Kosten des Betriebs oder betrieblicher Teilbereiche
durch
die Anzahl
der erstellten
oder abgesetzten
Leistungseinheiten
der
Kostenträger dividiert werden.273 Der so erlangte Quotient entspricht den Kosten pro
Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.92, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.191. Vgl. hierzu Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.190. Vgl. Kosiol [Divisionsrechnung 1945], S.7, Dieterle/Abplanalp [Kostenrechnung 1990], S.79, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.170, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.277, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.160, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.384f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92. Die Divisionskalkulation findet im türkischen Schrifttum große Beachtung. Vgl. hierzu Bursal [Maliyet 1977], S.9f., Uman [Tekdüzen Muhasebe 1980], S.21, Tatar [Üretim 1982], S.94ff., Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.48f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.247f., und Üstün [Maliyet Muhasebesi 1995], S.105.
22.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Leistungseinheit.274 Grundsätzlich ist die Divisionskalkulation aufgrund ihrer Ein fachheit und der daraus resultierenden Zuverlässigkeit der Ergebnisse anderen
Verfahren vorzuziehen.275 Allerdings setzt ihre Anwendung voraus, daß eine weit gehende Übereinstimmung zwischen den als Kalkulationsobjekten gegebenen Pro dukten herrscht.276
Je nach Anzahl der Produktionsstufen unterscheidet man zwischen ein-, zwei- und mehrstufiger Divisionskalkulation. Bei der einstufigen Divisionskalkulation wird, ohne
zwischen Produktions- und Abrechnungsstufen zu unterscheiden, der gesamte Fertigungsprozeß in einem erfaßt.277 Die einstufige Divisionskalkulation kann immer
dann durchgeführt werden, wenn Produktions- und Absatzmenge einer Abrech
nungsperiode übereinstimmen und keine Veränderungen des Lagerbestands auf treten. Durch diese Bedingungen soll sichergestellt werden, daß sich Herstell- und
Vertriebskosten auf die jeweils gleiche Menge und die Herstellkosten sich zudem nur auf den Output an Fertigprodukten beziehen.278 Die Stückkosten ermittelt man nach
diesem Verfahren, indem man die gesamten in einer Periode angefallenen Kosten (Material-, Fertigungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten) durch die Anzahl der pro
duzierten Leistungen dividiert. In der Praxis findet sich die einstufige Divisionskalku lation eher selten. Als typische Beispiele für die Möglichkeit ihrer Anwendung können aber Elektrizitätswerke, Bergwerke, Sägewerke, Walzwerke sowie Brauereien und
Zementfabriken angeführt werden.279
Vgl. Lehmann [Industriekalkulation 1964], S.284, Kortzfleisch [Divisionskalkulation 1970], Sp.418, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2051. 275
Vgl. hierzu ausführlich Kortzfleisch [Divisionskalkulation 1981], Sp.404.
276
Vgl. Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.92, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.388f., Jehle
[Divisionskalkulation 1993], Sp.380, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.277, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.277. 277
Vgl. Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.59f., Kortzfleisch [Divisionskalkulation 1981], Sp.404, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.170, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.160, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.92.
278
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.306, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.268, Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.534, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.703.
279
Vgl. Kosiol [Divisionsrechnung 1945], S.9, Kalveram [Kostenrechnung 1973], S.337, Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.60, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.101, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.92, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.388f., und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.65.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
£3
Die zweistufige Divisionsrechnung wird eingesetzt, wenn Produktionsmenge und Absatzmenge einer Abrechnungsperiode nicht übereinstimmen,280 wenn es also zu
Bestandsveränderungen innerhalb des Fertigwarenlagers kommt. Da die damit not wendige Bestandsbewertung nur zu Herstellkosten erfolgen darf, müssen diese von
den Verwaltungs- und Vertriebskosten getrennt werden.281 Dafür wiederum ist die
vorherige Durchführung einer Kostenstellenrechnung erforderlich.282 Die Selbst
kosten pro Einheit ergeben sich nach diesem Verfahren aus der Summe der
Herstellkosten pro (erzeugter) Einheit und den Verwaltungs- und Vertriebskosten pro Einheit.283 Die mehrstufige Divisionskalkulation findet für den Fall Anwendung, daß eine
Massenfertigung mit mehreren vertikalen Produktionsstufen vorliegt und Bestands veränderungen im Zwischenlagerbereich auftreten.284 Der Einsatz der mehrstufigen Divisionskalkulation setzt voraus, daß strikt nach den einzelnen Fertigungsstufen
differenziert wird, was bedeutet, daß jeweils der Quotient aus den Gesamtkosten jeder einzelnen Produktionsstufe und den in dieser Produktionsstufe be- oder verarbeiteten Mengen gebildet werden muß.285 Die mehrstufige Divisionskalkulation
kann in addierender und durchwälzender Form durchgeführt werden.286 Bei der addierenden Divisionskalkulation werden zunächst die stufenbezogenen Stückkosten ermittelt, indem man jede Produktionsstufe unabhängig von den
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.535, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.278, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.66, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.93. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.278, Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.149, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.93.
Vgl. hierzu ausführlich Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.536. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.278, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.149. Vgl. hierzu Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.101, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.307, Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.536, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.172, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.93. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.270, und Jokisch [Kalkulation 1993], Sp.1024. Vgl. Männel [Divisionskalkulation 1986], S.70, Jehle [Divisionskalkulation 1993], Sp.383, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.173, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.95, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.385, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.53.
64
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
anderen betrachtet. Die gesamten Stückkosten ergeben sich, indem man die Summe der getrennt ermittelten Kosten pro Mengeneinheit bildet.287 Mit der durch
wälzenden Divisionskalkulation wird der Versuch unternommen, neben den auf einer
Fertigungsstufe anfallenden Kosten auch die Herstellkosten der Vorstufenprodukte zu erfassen. Dazu werden die entstandenen Kosten jeder einzelnen Produktions
stufe und zusätzlich die anteiligen Stufenkosten der wieder eingesetzten Zwischen
produkte auf den einzelnen Produktionsstufen durch die Ausbringungsmenge der jeweiligen Produktionsstufe dividiert.288 Auf diese Weise werden die insgesamt
anfallenden Kosten je Leistungseinheit für jede Produktionsstufe ermittelt. Ein Nachteil dieser Methode ist darin zu sehen, daß Verzögerungen entstehen, weil
die aufeinanderfolgenden Fertigungsstufen und Unternehmensbereiche von der Kalkulation der Vorstufen abhängig sind.289 Die Nachteile des durchwälzenden Kalkulationsverfahrens werden bei Anwendung
der Veredelungskalkulation umgangen. Grundgedanke dieses Verfahrens ist die
Umrechnung der Kosten je Einheit des jeweiligen Zwischenprodukts auf die End produkteinheit mit Hilfe von Produktionskoeffizienten. Die Produktionskoeffizienten erhält man, indem man die Einsatzmenge der Vorstufe durch die Erzeugnismenge
der jeweils betrachteten Produktionsstufe dividiert.290 Die Summe der Kosten, die für
die Produktion einer Endprodukteinheit in jeder Produktionsstufe anfällt, ergibt die Selbstkosten pro Einheit des Endprodukts. Die Äquivalenzziffernkalkulation stellt eine Sonderform der Divisionskalkulation
dar.291 Sie kann immer dann angewendet werden, wenn zwischen den produzierten
Vgl. Männel [Divisionskalkulation 1986], S.70, und Seicht [Kostenträger 1993], Sp.2407f. Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.66. Vgl. Männel [Divisionskalkulation 1986], S.70, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.66. Vgl. dazu Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.106.
Die Äquivalenzziffernkalkulation ist im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei nahezu unbekannt. Im Rahmen der wenigen Veröffentlichungen, die die Äquivalenzziffernkalkulation zum Gegenstand haben, wird diese ebenfalls als Sonderform der Divisionskalkulation angesehen. Vgl. hierzu ausführlich Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.257, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.94.
Theoretische Grundiggen der Kostenrechnung
£5
Erzeugnissen ein hoher Grad an Übereinstimmung besteht.292 Sie findet sich somit
hauptsächlich bei Unternehmungen mit Sortenfertigung, deren Erzeugnisse aus der gleichen Grundsubstanz bestehen und denselben oder einen annäherungsweise
gleichen Produktionsweg durchlaufen.293 Die Aufgabe der Äquivalenzziffernkalkula tion besteht in der Normierung der tatsächlich für die einzelnen Produkte einge setzten Leistungseinheiten, damit diese rechnerisch vergleichbar werden.294 Zu Beginn dieses Kalkulationsverfahrens erfolgt die Bestimmung einer Bezugssorte, die mit der Äquivalenzziffer 1,0 versehen wird.295 Daraufhin werden die übrigen Sorten
auf die Bezugssorte umgerechnet. Ziel ist es, die Kostenbelastungsdivergenz zwischen den Erzeugnissen zum Ausdruck zu bringen.296 Um für jede Produktart eine bestimmte Anzahl von Rechnungseinheiten zu erhalten, ist es erforderlich, die
tatsächlich produzierten Mengen je Sorte mit der dazugehörigen Äquivalenzziffer zu multiplizieren. Die Kosten der Einheitssorte erhält man, indem man die Gesamt
kosten der Einheitssorte durch die Summe der Schlüsselzahlen dividiert.297 Zur Ermittlung der Stückkosten müssen dann lediglich die Kosten der Einheitssorte mit der dieser Sorte zugeordneten Äquivalenzziffer multipliziert werden.298
Ähnlich wie bei der Divisionskalkulation kann auch bei der Äquivalenzziffern
kalkulation zwischen der einstufigen und der mehrstufigen Kalkulation unterschieden
Vgl. Kortzfleisch [Äquivalenzziffernkalkulation 1970], Sp.42, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.95, Bretzke [Äquivalenzziffernkalkulation 1981], Sp.43, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.394, und Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.279. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2053, Bretzke [Äquivalenzziffernkalkulation 1981], Sp.43, Plate/Sorg [Äquivalenzziffernkalkulation 1982], S.82, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.315, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.96, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.386.
Vgl. Müller [Kostenrechnung 1955], S.193, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2953, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.102, Bretzke [Äquivalenzziffernkalkulation 1981], Sp.45f., und Plate/Sorg [Äquivalenzziffernkalkulation 1982], S.82. Vgl. Seicht [Kostenträger 1993], Sp.2408, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.69, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.279, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.386. Vgl. Männel [Äquivalenzziffernrechnung 1986], S.108, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.96, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.279.
Vgl. Plate/Sorg [Äquivalenzziffernkalkulation 1982], S.83, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.394, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.386. Vgl. Kortzfleisch [Äquivalenzziffernkalkulation 1970], Sp.44, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.278, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.96, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.154.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
werden. Die Durchführung erfolgt bei beiden Formen analog der obigen Beschrei
bung. Allerdings erreicht man bei der einstufigen Äquivalenzziffernkalkulation die Gleichnamigkeit der Sorten durch Anwendung einer einzigen Äquivalenzziffernreihe,
während mehrstufige Produktionsprozesse und die unterschiedliche Inanspruch
nahme einzelner Fertigungsstufen das Aufstellen mehrerer Äquivalenzziffernreihen erforderlich machen.299
Die Hauptproblematik der Äquivalenzziffernkalkulation besteht in der Bestimmung
geeigneter Äquivalenzziffern, von deren Güte die Genauigkeit des Kalkualtionsergebnisses abhängt. Allgemein ist festzuhalten, daß die Äquivalenzziffernkalku
lation selbst bei Vorliegen einfacher und eindeutiger Zusammenhänge nicht das mathematische Genauigkeitsniveau der mit Hilfe der Divisionskalkulation ermittelten
Ergebnisse erreicht.300 Das Verfahren der Zuschlagskalkulation kommt im Regelfall bei Unternehmungen
mit Serien- oder Einzelfertigung zur Anwendung, also bei Vorliegen eines geringen Grades an Übereinstimmung zwischen den Produkten.301 Charakteristisch für die
Zuschlagskalkulation ist die Unterteilung der Gesamtkosten eines Unternehmens in Kostenträgereinzelkosten
und
Kostenträgergemeinkosten.302
Die
Einzelkosten
werden den Kostenträgern unmittelbar zugerechnet, während die Gemeinkosten
Vgl. Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.379, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.318, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.395, und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.155f.
Vgl. Kortzfleisch [Äquivalenzziffernkalkulation 1970], S.44, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2054, und Standop [Äquivalenzziffernkalkulation 1993], Sp.40. Vgl. hierzu und zum folgenden Heinen [Zuschlagskalkulation 1958], S.1, Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.38, Littmann [Zuschlagskalkulation 1962], S.365, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2056, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.327, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.397f., Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.174f., Jokisch [Kalkulation 1993], Sp1025, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.157, Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.56, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.95, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.708. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wird hervorgehoben, daß die Zuschlagskalkulation in der unternehmerischen Praxis der Türkei weit verbreitet ist. Empirisch belegt wird diese Aussage jedoch nicht. Vgl. ausführlich Gürgan [Maliyet Muhasebesi 1979], S.89, Büyükmirza [Evre Maliyeti 1982], S.25, Gök [Maliyet Muhasebesi 1990], S.113, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.270, und Hatipoglu [Maliyet Muhasebesi 1994], S.57f. Vgl. Riester [Zuschlagskalkulation 1970], Sp.2012, Kalveram [Kostenrechnung 1973], S.351, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.108, Schmidt/Wenzel [Maschinenstundensatzrechnung 1989], S.147, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.398, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1993], Sp.2262, und Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.379.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
67
mittelbar mit Hilfe von Zuschlagssätzen auf die einzelnen Kostenträger verrechnet werden.303 Die Kostenträgereinzelkosten, die bereits im Rahmen der Kostenarten rechnung ermittelt wurden, können direkt in die Kostenträgerrechnung übernommen
werden. Die Höhe der Gemeinkosten einzelner Kostenstellen und deren Zuschlags
sätze sind hingegen in der zwischengeschalteten Kostenstellenrechnung zu er mitteln. Nach der Art und Weise, wie die Gemeinkosten auf die einzelnen Kosten
träger verrechnet werden, wird zwischen der summarischen Zuschlagskalkulation und der differenzierenden Zuschlagskalkulation sowie der Bezugsgrößenkalkulation
unterschieden. Bei der summarischen Zuschlagskalkulation wird der gesamte Block der Kostenträgergemeinkosten unter Anwendung einer einzigen Bezugsgröße auf
die Kostenträger verrechnet.304 Dabei ist die Wahl der Bezugsgröße von der Art der Unternehmung, ihrem Produktionsprogramm und der Fertigungsstruktur abhängig.305
Diese Form der Zuschlagskalkulation ermöglicht nur eine grobe Kalkulation und kann eigentlich auch nur dann angewendet werden, wenn der Anteil der Kostenträger
gemeinkosten an den Gesamtkosten einer Unternehmung relativ gering ist.306 Im
Gegensatz zu der summarischen Zuschlagskalkulation setzt die differenzierende Zuschlagskalkulation - oft auch elektive Zuschlagskalkulation genannt - eine Unter
teilung der Unternehmung in einzelne Kostenstellen voraus,307 wobei für jede Kostenstelle separate Zuschlagsgrundlagen und Zuschlagssätze ermittelt werden
müssen.
Vgl. Riester [Zuschlagskalkulation 1970], Sp.2013, Bussmann [Rechnungswesen 1979], S.109, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.327, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.175, Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.157, und Vormbau [Zuschlagskalkulation 1998], S.760. Vgl. Henzel [Zuschlagskalkulation 1963], S.157, Kalveram [Kostenrechnung 1973], S.353, Weber [Kostenstellenbildung 1979], Sp.964, Jörasz/Christmann [Anwendung 1989], S.101, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.398, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1993], Sp.2265, Isermann [Kalkulationsverfahren 1998], S.380, und Vormbaum [Zuschlagskalkulation 1998], S.760. Vgl. Kilger [Kalkulationen 1969], S.478, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1981], Sp.1858, und Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.177. Vgl. hierzu Reichmann [Zuschlagskalkulation 1981], Sp.1859, und Männel [Zuschlagskalkulation 1986], S. 150. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2055, Männel [Zuschlagskalkulation 1986], S.151, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.328, Reichmann [Zuschlagskalkulation 1993], Sp.2268, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.159, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.95.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Sowohl der summarischen als auch der differenzierenden Zuschlagskalkulation kann
entgegengehalten werden, daß nur selten eine proportionale Beziehung zwischen den Kostenträgergemeinkosten und den bei der Zuschlagskalkulation verwendeten Bezugsgrößen besteht Als problematisch erweist sich ferner, daß die für die Lohn
zuschlagskalkulation als Bezugsgröße verwandten Fertigungslöhne zwar leicht erfaßt werden können, daß es aber infolge der zunehmenden Mechanisierung und
Automatisierung der Produktionsprozesse und der damit einhergehenden Verringe rung der Fertigungslöhne an den gesamten Fertigungskosten zu einem Anstieg der
Lohnzuschlagssätze auf über 1000% kommen kann.308 In diesem Zusammenhang ist nicht minder beachtenswert, daß die Lohnzuschlagssätze genau genommen mit
jeder Lohnerhöhung geändert werden müßten.309 Diese Umstände können zu erheb lichen Kalkulationsfehlern führen. Dem versucht man mit Hilfe der Anwendung der
Bezugsgrößenkalkulation entgegenzuwirken. Die Bezugsgrößenkalkulation erlaubt
eine differenzierte Verrechnung der Fertigungsgemeinkosten, wobei Zeit- oder Mengengrößen als Zuschlagsbasen für diese Fertigungsgemeinkosten verwendet
werden. Unter einer Kuppelproduktion versteht man einen Fertigungsprozeß, bei dem aufgrund technischer Umstände mehrere verschiedenartige Produkte zugleich
hervorgebracht werden.310 Bei Kuppelprodukten handelt es sich also um Güter unter schiedlicher Art, die sich zwangsläufig aus einem gemeinsamen Fertigungsprozeß
ergeben. In diesem Zusammenhang spricht man häufig auch von Spaltprodukten, Zwangsanfallsprodukten, gekoppelten Produkten und primär verbundenen Pro
dukten.311 Auf die Art, Güte und das Mengenverhältnis der Kuppelprodukte kann in
der Regel nur in geringem Maß Einfluß genommen werden. Eine Steuerung dieser
Vgl. Männel [Zuschlagskalkulation 1986], S.155. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.301.
Vgl. Beste [Kuppelprodukte I960], Sp.3629, Kruschwitz [Kalkulation 1973], S.220, Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.62, und Vormbaum/Ornau [Kalkulationsverfahren 1992], S.546. Wie die Äquivalenzziffernkalkulation findet auch die Kuppelkalkulation im Schrifttum der Türkei kaum Beachtung. Vgl. hierzu Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.47, und Canoglu [Maliyet Muhasebesi 1995], S.86. Vgl. Wenke [Kuppelprodukte 1961], S.12, Riebel [Kuppelprodukte 1970], Sp.994, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2056, Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1009, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.305, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.54.
Theoretische Grundlagen .derbsten
£2
Determinanten kann - wenn überhaupt - lediglich über eine Variation der Einsatz
stoffkombination, über eine Veränderung der Verfahrensbedingungen oder durch
eine Verschiebung der Qualitätsgrenzen erfolgen.312 Nach dem Kriterium der Ein
flußmöglichkeit auf den Produktionsprozeß kann man zwischen vollkommener und unvollkommener Kuppelproduktion unterscheiden. Bei der vollkommenen Kuppel
produktion handelt es sich um einen Fertigungsprozeß, bei dem die Produkte technisch bedingt nur in bestimmten, unveränderbaren Mengenverhältnissen an
fallen, während bei der unvollkommenen Kuppelproduktion durch Veränderung der
Prozeßbedingungen Einfluß auf das Mengenverhältnis der jeweiligen Produkte aus geübt werden kann.313
Die Kosten aller Fertigungsprozesse bis zur Trennung der einzelnen Kuppelprodukte ergeben sich für alle Produkte gemeinsam. Sie werden als Verbundkosten oder
echte Gemeinkosten bezeichnet. Die Durchführung einer verursachungsgerechten,
nach den jeweiligen Produkten differenzierenden Kostenträgerrechnung ist bei einer
Kuppelproduktion in der Regel nicht möglich.314 Dennoch sollte nicht auf eine Kalkulation der Kuppelprodukte verzichtet werden, da sie für bestimmte Zwecke, wie z.B. die Bestandsbewertung, dienlich ist.315 Zwar ist die Anwendung des Verur sachungsprinzips nicht möglich, doch gibt es Hilfsrechnungen die für diese Zwecke
herangezogen werden können. Solche Hilfsrechnungen sind die Marktpreismethode, die Restwertrechnung und die Kostenverteilungsmethode.316 Die Marktpreismethode, die auch als Äquivalenzziffernverfahren bezeichnet wird, verwendet die Marktpreise der einzelnen Produkte als Grundlage für die Bildung von Äquivalenzziffern und ermittelt unter Anwendung der Äquivalenzziffernrechnung die
Kosten je Einheit. Die Problematik dieses Verfahren besteht darin, daß zwischen den
Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Kuppelprodukte 1970], Sp.994. Vgl. hierzu Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.546. Vgl. Kruschwitz [Kalkulation 1973], S.220, Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1017, Gabele/ Fischer [Kostenrechnung 1992], S.186, Vormbaum/Omau [Kalkulationsverfahren 1992], S.546, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.167. Vgl. Wenke [Kuppelprodukte 1961], S.12. Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.99, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.307f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.101f.
70
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Marktpreisen von Produkten und deren Kosten in der Regel kein funktionaler Zusammenhang besteht. Folglich können die durch diese Methode gelieferten
Ergebnisse lediglich als grobe Schätzwerte angesehen werden.317
Bei der Restwertrechnung wird eines der gemeinsam entstandenen Erzeugnisse als Hauptprodukt und damit als eigentlicher Träger der Gemeinkosten betrachtet.318 Alle
daneben anfallenden Güter werden als Nebenprodukte behandelt. Die durch sie erzielten Erlöse vermindern die dem Hauptprodukt zugerechnete Kostensumme
(Subtraktionsmethode), hingegen wird die Kostensumme durch gegebenenfalls auf tretende Unterdeckungen erhöht (Additionsmethode).319 Die Herstellkosten ergeben
sich bei der Restwertrechnung mittels Division der beim Hauptprodukt verbleibenden
Restkosten durch die Ausbringungsmenge. Die Selbstkosten des Hauptprodukts können mittels der Zuschlagskalkulation bestimmt werden, wobei man den Herstell kosten des Hauptprodukts noch die anteiligen Verwaltungs- und Vertriebskosten
hinzurechnen muß.
Die Kostenverteilungsmethode wird herangezogen, wenn bei einer Kuppelproduktion nicht eindeutig zwischen Haupt- und Nebenprodukten unterschieden werden kann.
Dieses Verfahren besteht in einer Aufspaltung der Gesamtkosten mit Hilfe einer oder mehrerer Schlüsselgrößen. Als solche fungieren Mengenanteile, Marktpreise oder
physikalische bzw. technische Größen.320 Rechentechnisch betrachtet entspricht die Kostenverteilungsmethode der Methode der Äquivalenzziffernrechnung, wobei die zusammengefaßten Schlüsselgrößen je Produkteinheit als Äquivalenzziffern für die einzelnen Produkte dienen.321
Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.101, und Zahn [Kalkulation 1981], Sp.850.
318
liq
320
321
Vgl. Riebel [Kuppelprodukte 1970], Sp.906, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2057, Buckenmaier [Informationsinstrument 1977], S.63, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.309, und Kilger [Kostenrechnung 1987], S.356. Vgl. Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1017, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.309.
Zahn
[Kalkulation
1981],
Sp.850,
und
Vgl. Riebel [Kuppelproduktion 1955], S.65, Vormbaum [Kalkulationsformen 1975], Sp.2057, und Kilger [Kostenrechnung 1987], S.361.
Vgl. Vormbaum [Kalkulationsarten 1977], S.99, Riebel [Kuppelproduktion 1979], Sp.1018, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.361 f., und Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.169.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
ZI
2.1.4.3.2 Kostenträgerzeitrechnung
Im Gegensatz zu der Kostenträgerstückrechnung, bei der die Selbstkosten je Erzeugniseinheit ermittelt werden, stellt die Kostenträgerzeitrechnung eine perioden
bezogene Erfolgsrechnung dar. Im Rahmen der Kostenträgerzeitrechnung werden
den für die einzelnen Kostenträger kalkulierten Kosten die am Markt erwirtschafteten Erlöse gegenübergestellt.322 Die auf diese Weise ermittelten Kostenträgerergebnisse
dienen u.a. als Grundlage für sortimentspolitische Entscheidungen.323 Die Kosten
trägerzeitrechnung, die in der Regel monatlich oder vierteljährlich durchgeführt wird,
gewährt damit Einblicke in die Entwicklung der Kosten und des Erfolgs.
Das
Betriebsergebnis einer Abrechnungsperiode
kann entweder nach
dem
Gesamtkosten- oder nach dem Umsatzkostenverfahren ermittelt werden.324 Das Gesamtkostenverfahren findet in der Praxis nur selten Verwendung, da die für
seine Anwendung erforderlichen Voraussetzungen relativ selten erfüllt sind.325 Bei diesem Verfahren werden die nach Kostenarten gegliederten Gesamtkosten dem
Umsatz unter Berücksichtigung der Bestandsveränderungen an Halbfertig- und
Fertigfabrikaten gegenübergestellt. Der kalkulatorische Periodenerfolg läßt sich auf dem Betriebsergebniskonto als Differenz zwischen den gesamten Periodenkosten
und der gesamten Periodenleistung ablesen.326 Die mengenmäßige Perioden leistung ergibt sich aus der Summe der abgesetzten Produkte, der aktivierten inner
betrieblichen Leistungen und der auf Lager produzierten Erzeugnisse. Dabei werden
die abgesetzten Erzeugnisse mit dem Verkaufspreis und die Lagerbestands
Vgl. Beste [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], Coenenberg/Eifler [Erlös 1976], Sp.3976, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.317, Coenenberg [Rechnungswesen 1993], Sp.3689, Männel [Betriebbuchhaltung 1998], S.87, Schönfeld [Erfolgsrechnung 1998], S.226, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.102.
323
Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.565, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.317, Männel [Betriebsbuchhaltung 1998], S.87, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.720.
324
Demgegenüber ist in der Türkei ausschließlich das Umsatzkostenverfahren zur Ermittlung des Betriebsergebnisses zulässig. Das Gesamtkostenverfahren findet in der Literatur keine Berück sichtigung.
325
Vgl. hierzu Wurl [Gestaltungsprobleme 1980], S.612f., Moews [Kostenrechnung 1996], S.136, und Schönfeld [Erfolgsrechnung 1998], S.226.
326
Vgl. Heinen [Kostenrechnung 1975b], Sp.2321, Brauner [Betriebsergebnisrechnung 1991], S.329, Männel [Betriebsergebnisrechnung 1993], S.191, und Moews [Kostenrechnung 1996], S.136.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
12,
Veränderungen mit den Herstellkosten bewertet.327 Wenn in einer Abrechnungs
periode mehr produziert als verkauft wird, erhöhen sich die Bestände an fertigen und unfertigen Erzeugnissen. Diese Bestandszugänge, die mit den Herstellkosten
bewertet werden, müssen dann zur Erfassung der gesamten Leistungen einer Periode den Umsatzerlösen auf der Habenseite des Betriebsergebniskontos hinzu gefügt werden.328 Wenn in einer Periode die Absatzmenge größer als die
Produktionsmenge ist, sinken die Lagerbestände an unfertigen und fertigen Erzeug
nissen. In diesem Fall müssen die mit den Herstellkosten bewerteten Lager bestandsabgänge den gesamten primären Kosten zur Erfassung der gesamten
Kosten einer Periode auf der Sollseite des Betriebsergebniskontos hinzugefügt werden.329 Das Prinzip des Gesamtkostenverfahrens findet sich auch in der
Finanzbuchhaltung wieder. Dort wird das Periodenergebnis gemäß § 275 Absatz 2
HGB ebenfalls durch eine Gegenüberstellung der gesamten nach Arten gegliederten Aufwendungen einerseits und den Umsatzerlösen, den Bestandsveränderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen sowie den aktivierten Eigenleistungen anderer
seits ermittelt. Beim Umsatzkostenverfahren werden die gesamten Kosten der abgesetzten
Erzeugnisse den Umsatzerlösen einer Abrechnungsperiode gegenübergestellt.330 Insofern wird also auf eine Erfassung der Bestandsveränderungen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen verzichtet. Ein weiterer wesentlicher Unterschied gegenüber
dem Gesamtkostenverfahren ist darin zu sehen, daß bei diesem die Kosten nach
Vgl. Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.29, Brauner [Betriebergebnisrechnung 1991], S.329, Helm [Ergebnisrechnung 1992], S.671, Männel [Betriebsergebnisrechnung 1993], S.192, Zimmermann/Fries [Kostenrechnung 1995], S.161, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.807.
328
Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.130, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.103, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.172.
329
Vgl. Everling [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1965], S.49, Brauner [Betriebsergebnisrechnung 1991], S.329, Eisele [Rechnungswesen 1999], S.807, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.172. Vgl. Dorn [Betriebsbuchhaltung 1974], Sp.564, Huch [Kostenrechnung 1986], S.140, Brauner [Betriebsergebnisrechnung 1991], S.329, Helm [Ergebnisrechnung 1992], S.671, Lanz [Controlling 1992], S.192, Fischer [Umsatzkostenverfahren 1993], Sp.1928, Männel [Betriebsergebnisrechnung 1993], S.191, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.133, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.183, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.174.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
11
Kostenarten geordnet erfaßt werden, während beim Umsatzkostenverfahren sowohl
die Erlöse als auch die Kosten nach Produktarten bzw. -gruppen gegliedert werden. Die Vorteile des Gesamtkostenverfahrens bestehen in der Einfachheit seines rechnerischen Aufbaus sowie in der Tatsache, daß diese Methode ohne größere
Schwierigkeiten in das System der doppelten Buchführung eingebaut werden kann.331
Beim
Umsatzkostenverfahren
hingegen
ist
dies
nur
mit
einigen
Schwierigkeiten zu bewerkstelligen, was als ein grundlegender Nachteil dieses Ver
fahrens angesehen werden kann. Ein wesentlicher Nachteil des Gesamtkostenver fahrens besteht darin, daß zur Ermittlung der Bestandsveränderungen die Vorräte an
Halbfertig- und Fertigprodukten erfaßt werden müssen.332 Dies ist gerade bei Betrieben mit vielen Fertigungsstufen und einem differenzierten Fertigungsprogramm
mit erheblichem Aufwand verbunden.333 Hinzu kommt, daß das Gesamtkosten verfahren, bedingt durch die lediglich nach Kostenarten gegliederten Kosten, keine
Informationen für die Kosten- und Erfolgsanalyse der einzelnen Produktarten bzw. gruppen liefert. Hier ist wiederum das Umsatzkostenverfahren mit seiner Gliederung
nach Produktarten bzw. -gruppen dem Gesamtkostenverfahren überlegen.334
2.2 Grundzüge der Kostenrechnungssysteme Unter einem Kostenrechnungssystem versteht man eine Ausgestaltungsform der Kostenrechnung, mit deren Hilfe bestimmte Arten von Kosten unter spezifischen Zielsetzungen bestimmten Bezugsgrößen zugerechnet werden.335
Vgl. Kilger [Erfolgsrechnung 1981], Sp.483, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.196, Eisele [Rechnungswesen 1999], S.808, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.175. Vgl. Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.33, Groll [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1977], S.15, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.320, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.196. Vgl. ausführlich Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.33, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.808f.
Vgl. Wurl [Gestaltungsprobleme 1980], S.613, Lücke [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1993], Sp.1319f., Männel [Rechnungskreise 1997], S.9, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.199. Vgl. hierzu Ebert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1, Kloock [Systeme 1978], S.505, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.65, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.152, Huch et al. [Controlling 1997], S.7, Hummel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.453, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.78.
74
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
Die Kostenrechnungssysteme lassen sich nach mehreren Merkmalen gliedern, wobei die zeitliche Ausrichtung des Kostenrechnungssystems und der Umfang der Zurechnung der Kosten zu den wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen zählen.336
Hinsichtlich der zeitlichen Ausrichtung
kann man zwischen vergangenheits
bezogenen und zukunftsbezogenen Kostenrechnungssytemen unterscheiden. Das
Kriterium des Umfangs der auf die Kostenträger verrechneten Kosten dient zur
Unterscheidung zwischen Voll- und Teilkostenrechnungssystemen. Charakteristisch für die vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssysteme ist, daß
die auf die Kostenträger verrechneten Kosten den tatsächlich entstandenen Kosten einer oder mehrerer vergangener Abrechnungsperioden entsprechen. Die Mengen
komponente der zu ermittelnden Kosten wird bei den vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssystemen mit Hilfe des tatsächlichen Mengenverbrauchs an
Produktionsfaktoren der abgelaufenen Abrechnungsperiode bestimmt.337 Man kann
die vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssysteme weiter in Voll- und Teil kostenrechnungssysteme unterteilen. Zu den vergangenheitsbezogenen Vollkostenrechnungssystemen zählen die Ist kostenrechnung auf Vollkostenbasis und die Normalkostenrechnung auf Vollkosten
basis. Letztere läßt sich noch einmal in die starre Normalkostenrechnung und in die flexible Normalkostenrechnung unterteilen. Kennzeichnend für die vergangenheits bezogenen Vollkostenrechnungssysteme ist, daß sie alle Kosten der abgelaufenen
Abrechnungsperiode auf die in der Periode hergestellten Kostenträger verteilen, unabhängig davon, ob sie einem Erzeugnis unmittelbar zugerechnet werden oder
Vgl. Kunz [Kostenrechnungsverfahren 1977], S.101, Swoboda [Systematik 1981], Sp.1067, Ramsauer [Kostenrechnungssysteme 1982], S.32, Franzen [Entscheidungswirkungen 1984], S.1084, Grünig/Würmli [Kostenrechnung 1991], S.78f., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.65, Koch/Zimmermann [Kostenrechnung 1992], Sp.1090, Schweitzer [Systematik 1992], S.188ff., Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.170, Zimmermann [Kostenrechnung 1997], S.6, Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.5, und Horväth [Controlling 1998], S.458. Demgegenüber erfolgt im türkischen Schrifttum nahezu ausschließlich eine Einteilung der Kostenrechnungssysteme nach dem Umfang der verrechneten Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.321 f., Özgür [Muhasebe llkeleri 1995], S.68f., und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.124ff. 337
Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.65, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.140.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
25
nur mittelbar mit dem Erzeugnis in Beziehung stehen.338 Dabei kann ein Kosten träger ein Produkt, eine Produktgruppe oder einen Auftrag darstellen. Bei der Voll
kostenrechnung erfolgt die Verrechnung der Kosten in der Regel getrennt nach Kostenträgereinzelkosten, die den Kostenträgern direkt zugerechnet werden können,
und nach Kostenträgergemeinkosten, bei denen dies nur auf indirektem Wege über
Kostenstellen möglich ist.339 Entscheidend ist aber, daß bei der Vollkostenrechnung
die in einer Abrechnungsperiode angefallenen Kosten vollständig auf die herge stellten Kostenträger verrechnet werden.
Zu den vergangenheitsbezogenen Teilkostenrechnungssystemen zählen die Ist kostenrechnung auf Grenzkostenbasis und die stufenweise Fixkostendeckungs rechnung. Diese sind dadurch charakterisiert, daß sie den Kostenträgern nur einen
Teil der Kosten der abgelaufenen Abrechnungsperiode zurechnen.340 In der Regel
werden für diese Zwecke die variablen Kosten als sogenannte Teilkosten heran
gezogen.
Die zukunftsbezogenen Kostenrechnungssysteme sind im Gegensatz zu den vergangenheitsbezogenen Kostenrechnungssystemen dadurch gekennzeichnet, daß
sie für die Kosten einer betrachteten Abrechnungsperiode im vorhinein Plangrößen festlegen. Diese Plangrößen werden nach Ablauf der Abrechnungsperiode als Beur teilungsmaßstab für die tatsächlich entstandenen Kosten (Istkosten) heran
gezogen.341 Dies setzt allerdings eine Planung des Mengenverbrauchs der einzu
setzenden Produktionsfaktoren und der Faktorpreise der einzelnen Produktions faktoren
voraus.
Häufig
werden
Kostenrechnungssysteme,
die
Plankosten
Vgl. Pfeiffer/Preißler [Kostenrechnungsverfahren 1973], S.319, Heinen [Kostenrechnung 1975a], S.89, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.19, Menrad [Vollkostenrechnung 1983], S.3, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3690, Guthunz [Informationssysteme 1994], S.176, Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.7, und Hummel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.454. Vgl. Schwarz [Kostenträgerrechnung 1973], S.30, Kretschmer [Vollkostenrechnung 1981], S.131, Männel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.454, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.137. Vgl. Heinen [Kostenrechnung 1975a], S.93, Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.586, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.19, Coenenberg [Unternehmensrechnung 1993], Sp.3690, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1993], Sp.1241, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.8.
Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.90, und Hummel [Kostenrechnungssysteme 1998], S.454.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
76
verwenden, als Plankostenrechnungen bezeichnet. Man verwendet als Synonyme
aber ebenso die Bezeichnungen Vorgabekostenrechnung, Richtkostenrechnung, Standardkostenrechnung, Prognosekostenrechnung und Budgetkostenrechnung.
Einen Sonderfall der zukunftsbezogenen Kostenrechnungssysteme stellt dabei die Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung dar.342
Auch bei den zukunftsbezogenen Kostenrechnungssystemen kann man zwischen Voll- und Teilkostenrechnungssystemen unterscheiden.
Zu den zukunftsbezogenen Vollkostenrechnungssystemen zählt man die starre
Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, die flexible Plankostenrechnung auf Voll kostenbasis sowie die Standard- und Prognosekostenrechnung.343 Diese Kosten
rechnungssysteme sind dadurch gekennzeichnet, daß für die jeweilige Planungs periode die gesamten Kosten geplant und in vollem Umfang den Kostenträgern zugerechnet werden.344 Die Kostenplanung bezieht sich auf sämtliche Größen, die
einen Einfluß auf die in der Planungsperiode entstehenden Kosten ausüben. Hierzu zählen beispielsweise die Kapazitätsauslastung, der Beschäftigungsgrad, die Serien anzahl und die Seriengröße, die Auftragszusammensetzung, die Faktorpreise sowie
die Produktionsfaktorarten und -mengen.345 Die
zukunftsbezogenen
Teilkostenrechnungssysteme
umfassen
die
produkt
bezogene Grenzplankostenrechnung, die ergebnisbezogene Betriebsplankosten rechnung und die deckungsbeitragsbezogene Einzelkostenrechnung.346 Typisch für
diese Kostenrechnungssysteme ist, daß sie zwar sowohl die variablen Kosten als
Vgl. hierzu Küpper [Entwicklungslinien 1990], S.12, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.90. 343
Vgl. Kosiol [Plankostenrechnung 1975], S.22f., Küpper [Entwicklungslinien 1990], S.12, Schweitzer [Systematik 1992], S.185, Kloock [Kostenrechnungssysteme 1993], Sp.2359, und Hieke [Teilkostenrechnung 1998], S.7.
344
Vgl. hierzu Meffert [Kostenrechnungssysteme 1978], S.583, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.629.
345
Vgl. ausführlich Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93.
346
Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Einzelkostenrechnung 1992], S.247ff. Vgl. aber auch Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1974], Sp.435f., sowie Bruch [Kostenrechnungsforschung 1979], S.108ff.
Theoretische Grundlagen der Kostenrechnung
77
auch die fixen Kosten für die jeweils betrachtete Periode planen, daß sie aber nur die variablen Plankosten den Kostenträgern zurechnen.347
Da ein einzelnes Kostenrechnungssystem die Ziele der Kostenrechnung nicht
erfüllen kann, kommen die beschriebenen Kostenrechnungssysteme in den darge stellten idealtypischen Ausprägungen in der unternehmerischen Praxis kaum zur
Anwendung. Statt dessen werden regelmäßig Mischformen aus den verschiedenen Kostenrechnungssystemen eingesetzt.348
Vgl. Haberstock [Kosten 1981], Sp.980, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.72.
Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.47, Küpper [Entwicklungslinien II 1990], S.84, und Horväth [Controlling 1998], S.459.
78
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
3 Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme 3.1 Ausgewählte Systeme der Vollkostenrechnung 3.1.1 Entwicklungsformen der Istkosten rech nung
3.1.1.1 Grundform der Istkostenrechnung Die Istkostenrechnung stellt in ihrer ursprünglichen Ausprägung die älteste Form der
Kostenrechnung dar.349 Dieses Kostenrechnungssystem ist dadurch gekenn zeichnet, daß es die während einer Abrechnungsperiode effektiv angefallenen
Kosten entsprechend dem Kostenüberwälzungsprinzip350 vollständig auf die Kosten träger weiterverrechnet.351 Die Istkosten einer Abrechnungsperiode werden dabei durch Multiplikation der tatsächlich angefallenen Verbrauchsmengen (Istmengen) mit den tatsächlich gezahlten Faktorpreisen (Istpreisen) ermittelt.352 Für den Fall, daß kein eindeutig bestimmbares Mengengerüst vorliegt, gilt es, geeignete Bemessungs
grundlagen zu finden, die sich als Faktorverbrauchsmengen im weiteren Sinne
Vgl. Kilger [Kurzfristige Erfolgsrechnung 1962], S.75, Barth [Kostenrechnung 1989], S.17, Lorson [Entwicklungsformen 1990], S.21, Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.42, Dorn [Geschichtliche Entwicklung 1992], S.97ff., Schneider [Entwicklungsschwerpunkte 1992], S.90, und Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1323. Im türkischen Schrifttum wird die Istkostenrechnung als bedeutendstes Vollkostenrechnungssystem angesehen. Vgl. hierzu Toköz [Sanayi Muhasebesi 1972], S. 63, Canoglu [Isletme Muhasebesi 1977], S.33, Büyükmirza [Degisken Maliyet 1978], S.33, Üstün/Bozok [Maliyet Muhasebesi I 1984], S.13, Basik [Maliyetlerin Düsürülmesi 1985], S.67, özaslan [Teknik 1985], S.43, Yozgat [Isletme Yöntemi 1986], S.66, Erkural [Muhasebe 1988], S.43, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.44, Uslu/Sürmeli [Maliyet Muhasebesi 1990], S.22, Cetiner [Maliyet Muhasebesi 1991], S.31, Basik [Kar Planlamasi 1992], S.43, Erdamar [Muhasebe Bilgileri 1992], S.76, Gökcek [Üretim 1996], S.123, Uman [Maliyet Sistemleri 1996], S.23, Dülger [Siparis Maliyetler 1997], S.56, Sevgener [Yönetim Muhasebesi 1998], S.86, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.294. 350
Der Grundsatz der Kostenüberwälzung, der auch als Grundsatz der Kostendurchrechnung oder als Grundsatz der Kostenweiterwälzung bezeichnet wird, kommt im Rahmen der Istkosten rechnung mit sämtlichen hiermit verbundenen Vor- und Nachteilen zur Geltung. Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.51.
351
Vgl. ausführlich Müller [Kostenrechnung 1952], S.537, Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.13, Kleineidam/Obenhaus [Kostenrechnung 1976], S.115, Klümper [Kostenrechnung 1984], S.103, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.112, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1206, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.66.
352
Vgl. Silber [Grenzplankostenrechnung 1975], S.16, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.54, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.7, Eilenberger [Rechnungswesen 1995], S.253, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.174, Koch [Kostenrechnung 1997], S.13, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.158, und Haberstock [Kostenrechnung 11998], S.173.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
IS
interpretieren lassen. Dies ist z.B. bei Gebühren, Beiträgen und Versicherungs prämien der Fall.353 Es ist jedoch festzustellen, daß in der unternehmerischen Praxis eine Istkosten
rechnung, bei der alle Kostenarten reine Istkosten darstellen, nicht existiert.354 Vielmehr muß berücksichtigt werden, daß es Kostenarten gibt, bei denen die Höhe
der Kosten erst nach dem Jahresabschluß ermitteln werden kann und die aus diesem Grund nur geschätzt werden können. Diese geschätzten Kostenbeiträge, die
von den sich später ergebenden Istkosten abweichen können, stellen keine Istkosten dar, sondern können als Normal- oder Plankosten angesehen werden. Als Beispiel hierfür lassen sich die kalkulatorischen Abschreibungen anführen, die weniger der Definition von Istkosten als vielmehr der Definition von Plankosten entsprechen. Da
eine Messung der Abnutzung in der Regel nicht möglich ist355, und sich folglich auch
keine Istkosten ermitteln lassen356, werden jeder Abschreibung geschätzte bzw. geplante Nutzungsdauern zugrunde gelegt. Aufgrund des Prognosecharakters der
Nutzungsdauer kann also nicht mehr von Istkosten gesprochen werden.357
Entsprechendes gilt auch für die kalkulatorischen Zinsen, die aus Vereinfachungs gründen regelmäßig auf der Basis einer als normal angesetzten oder geplanten Höhe des betriebsnotwendigen Kapitals berechnet werden, sowie für kalkulatorische
Wagnisse, Ausschußraten und Kosten für Großreparaturen358, die stets aufgrund
von Erfahrungswerten geschätzt werden. Des weiteren gibt es Kostenarten, die infolge ihres intervallmäßigen Auftretens zu starken Schwankungen der Kosten
führen. Hierzu zählen z.B. Urlaubs-, Krankheits- und Feiertagslöhne. In der unter nehmerischen Praxis werden diese Kostenarten zu Beginn der Abrechnungsperiode geschätzt und gleichmäßig auf die einzelnen Monate verteilt. Es bleibt festzuhalten, daß es eine Istkostenrechnung in der reinen Ausprägung nicht geben kann, da
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.15. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.15f. Vgl. aber auch Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64.
Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.103, und Ahlert/Franz [Kostenrechnung 1992], S.110.
Vgl. Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.174.
Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.103. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
ßQ.
bestimmte Kostenarten stets von einem Durchschnitts- oder Plancharakter geprägt
sind.359 Mit der Grundform der Istkostenrechnung soll daher im folgenden eine
Entwicklungsform der Kostenrechnung bezeichnet werden, „bei der normalisierte
und geplante Kostenbeträge ausschließlich zum Zwecke der richtigen Erfassung und Abgrenzung der Kosten verwendet werden“360. Aufgrund ihrer Ausgestaltung als Vergangenheitsrechnung361 vermag die Grundform
der Istkostenrechnung lediglich die Dokumentationsaufgaben der Kostenrechnung in einer zufriedenstellenden Weise zu erfüllen. Im Mittelpunkt der Istkostenrechnung stehen dabei die Nachkalkulation der betrieblichen Erzeugnisse oder durchgeführten
Aufträge, die Bewertung von selbsterstellten Anlagen sowie die Bewertung von Haib
und Fertigerzeugnissen. 362 Insbesondere die mit der Grundform der Istkostenrechnung verbundenen rechen
technischen Schwierigkeiten, die daraus resultieren, daß alle Materialverbrauchs mengen mit individuellen Istpreisen bewertet werden müssen, führten zu einer
Weiterentwicklung dieses Kostenrechnungssystems.
3.1.1.2 Weiterentwicklung der Istkostenrechnung
Zur Reduzierung des Rechenaufwands wurde im Laufe der Zeit dazu übergegangen,
die Istverbrauchsmengen mit festen Verbrauchspreisen zu bewerten. Diese festen Verrechnungspreise wurden
aus den
Durchschnittswerten
der vergangenen
Rechnungsperioden ermittelt und mindestens für eine Abrechnungsperiode konstant
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.173. 360
Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16.
361
Vgl. zum Terminus „Vergangenheitsrechnung“ Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.51.
Nowak geht davon aus, daß die Istkostenrechnung ihrem Wesen nach eine Vergangen heitsrechnung ist. Er weist jedoch auch darauf hin, daß die Zielsetzung der Istkostenrechnung durchaus auch auf die Zukunft ausgerichtet sein kann. Als Beispiel führt er die Bereitstellung von Informationen für künftige Preisangebote an. Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.53.
362
Vgl. hierzu Götz [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1755, Schneider [Vollkostenrechnung 1985], S.2161, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.68, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
£1
gehalten.363 Durch die Einführung fester Verrechnungpreise wurde neben der rechentechnischen Vereinfachung der laufenden Materialabrechnung zugleich eine
bessere
Vergleichbarkeit
der
Kosten
unterschiedlicher Abrechnungsperioden
erreicht.364 Mittels Verwendung unveränderter Verrechnungspreise für Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe in den einzelnen Abrechnungsperioden konnte sichergestellt werden, daß eventuell auftretende Abweichungen nur aus Änderungen des Mengen
gerüstes der Kosten resultieren können.365 Auf diese Weise wurde die Grundlage für
eine Kostenkontrolle geschaffen. Mit der Einführung des Scientific Management nach Taylor einerseits sowie den
arbeitswissenschaftlichen
Erkenntnissen
des
Verbandes
für
Arbeitsstudien
(REFA)366 andererseits wurde eine weitere Entwicklungsstufe der Istkostenrechnung erreicht.367 Diese Entwicklung im Bereich der Arbeitswissenschaft und der daraus
resultierende Übergang von der Zeitlohnvergütung zum Akkordlohnsystem führten zu der Einführung von Zeitvorgaben und somit zur Umwandlung des Mengen
gerüstes von Ist- in Plangrößen.368 Die Entwicklung der „wissenschaftlichen Betriebsführung“ initiierte die Festlegung
von Vorgaben für die Einzelmaterialkosten. Es wurde damit begonnen, die Einzel materialkosten vorzukalkulieren, indem man unter Zuhilfenahme technischer Berech
nungen den geschätzten Verbrauch an Einzelmaterialarten je Kostenträger unter der Voraussetzung einer wirtschaftlichen Materialhandhabung zu ermitteln versuchte.369
Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.119, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.18, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.18, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.18.
Vgl. hierzu ausführlich REFA [Methodenlehre des Arbeitsstudiums 1978]. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.19. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.19. Lohnkostenabweichungen, die durch den Ausfall von Maschinen oder infolge von Mängeln der Werkzeuge und/oder Vor richtungen auftraten und zu höheren Istlohnkosten führten, wurden dabei gesondert als Zusatz löhne vergütet. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S. 19f. Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.120.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
Weitere Modifizierungen der Istkostenrechnung ergaben sich aufgrund der Bewer
tung der vorkalkulierten Einzelmaterialmengen mit festen Verrechnungspreisen.370 Die auf diese Weise ermittelten Planmaterialeinzelkosten wurden in einem weiteren
Schritt in die laufende Abrechnung integriert. Gleichzeitig wurden, ähnlich wie bei den Lohneinzelkosten, eventuell auftretende Verbrauchsabweichungen mit Hilfe von markierten Materialbelegen erfaßt. Hierdurch eröffnete sich in Verbindung mit der
Verwendung von Festpreisen die Möglichkeit einer Kontrolle der Materialeinzel
kosten.371
Aufgrund der kontinuierlichen Entwicklung der Kostenrechnungssysteme ist es
schwer, die Übergänge zwischen den einzelnen Entwicklungsformen exakt zu bestimmen. Die dargestellten Entwicklungsformen der Istkostenrechnung beinhalten bereits eine Vielzahl von Normal- und Planwerten, so daß diese Entwicklungsformen an der Grenze zur Normal- bzw. Plankostenrechnung stehen. Die in der unter
nehmerischen Praxis angewandte Istkostenrechnung ist daher eher als eine
Kombination aus Ist-, Normal- und Plankosten zu betrachten.372 Ungeachtet der jeweils vorliegenden Entwicklungsform der Istkostenrechnung ist festzustellen, daß dieses Kostenrechnungssystem die Aufgaben der Kostenrech nung in einer nur unzureichenden Weise erfüllt.373 Insbesondere die Aufgabe der
Kostenkontrolle kann mit Hilfe der Istkostenrechnung nur unbefriedigend erfüllt werden, da hierzu ein geeigneter Vergleichsmaßstab in Form von Plan-, Soll-, Standard- oder Richtkosten erforderlich ist.374 Auch für die Erfüllung dispositiver
370
Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.20.
371
Vgl. auch Klümper [Kostenrechnung 1984], S.120, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.146.
372
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.20 und die dort zitierte Literatur.
373
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.16, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.140, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.31.
374
Vgl. hierzu Michel/Torspecken [Kostenrechnung I 1989], S.190, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.56, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.17, Zimmermann [Kostenrechnung 1993], S.7, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.177. Zwar besteht im Rahmen der Istkostenrechnung die Möglichkeit zur Durchführung von Zeit- und Betriebsvergleichen, jedoch ist die Aussage fähigkeit im Hinblick auf die Kostenwirtschaftlichkeit als sehr gering einzustufen. Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.61.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme________________________________________ 83
Zwecke erweist sich die Istkostenrechnung als nur wenig geeignet375, da sich aus diesem überwiegend vergangenheitsorientierten Kostenrechnungssystem keine
zukunftsgerichteten Kosteninformationen ableiten lassen.376 Für diese Zwecke sind ebenfalls geplante Kosten erforderlich.377
3.1.2 Entwicklungsformen der Normalkostenrechnung 3.1.2.1 Grundlagen der Normalkostenrechnung
Die Einführung fester Verrechnungspreise für innerbetriebliche Leistungen ist darauf
zurückzuführen, daß sich die Istkostenverrechnungssätze für innerbetriebliche Leistungen378, über mehrere Perioden hinweg betrachtet, häufig nur um bestimmte
Durchschnittswerte bewegten.379 Diese Erkenntnis sowie die rechentechnischen Schwierigkeiten, die sich aufgrund der laufenden Nachkalkulationen mit den Ist kostensätzen ergaben, führten in der unternehmerischen Praxis dazu, auch für die
Hauptkostenstellen Normalkostensätze zu bilden.380 Als Gründe für eine Normalisie rung der Kosten sind neben der Beschleunigung und Vereinfachung der inner-
Vgl. Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.44, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.17, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.147.
Vgl. Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.56, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.17. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.22. Vgl. aber auch Michel/Torspecken [Kostenrechnung I 1989], S.191, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64. Vgl. Müller [Kostenrechnung 1952], S.538, Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.113, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.22, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.141, Koch [Kostenrechnung 1997], S.204f., Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.174, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.751.
Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei findet neben der Istkostenrechnung auch die Normalkostenrechnung große Beachtung. Vgl. hierzu Canoglu [Isletme Muhasebesi 1977], S.121, Ertuna [Maliyet Muhasebesi 1977], S.57, Ercan/Güredin [Maliyet Muhasebesi 1984], S.156, Kocel [Yönetim Kavrami 1985], S.90, Ostün et al. [Maliyet Muhasebesi II 1984], S.34, Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.75, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.42, Sevim [Tahmini Maliyet 1990], S.66, Kücüksavas [Maliyet Sistemleri 1992], S.11f., Albayrak [Degisken Maliyetleme 1995], S.48, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.294f. Zudem wird im türkischen Schrifttum die besondere Eignung der Normalkostenrechnung für die unternehmerische Praxis hervorgehoben. Vgl. hierzu Gecikligün [Muhasebe 1982], S.57, Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], S.38, Akesen [Maliyet Muhasebesi 1991], S.283, Cetiner [Maliyet Hesaplari 1992], S.12, Elmaci [Safha Maliyet 1992], S.65, und Sakrak [Maliyet Yönetimi 1997], S.19. Im Gegensatz dazu wird im deutschen betriebswirtschaftlichen Schrifttum die Praxisrelevanz der Normalkostenrechnung vielfach angezweifelt. Vgl. hierzu ausführlich Liesmann [Kostenrechnung 1997], S.464.
ß4
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
betrieblichen Leistungsverrechnung vor allem auch die Verbesserung der Vergleich barkeit sekundärer Kostenarten sowie die Möglichkeit einer stellenweisen Kosten kontrolle anzuführen.
Die beschriebenen Veränderungen verdeutlichen, daß sich die Normalkosten rechnung im wesentlichen auf die Verrechnung der Kostenstellenkosten konzentriert. Als Normalkosten werden dabei die durchschnittlichen oder bereinigten Istkosten
aus mehreren vergangenen Abrechnungsperioden verstanden.381 Konkret ergeben
sich die Normalkosten einer Kostenstelle aus der Multiplikation der Istbeschäftigung dieser Kostenstelle mit dem Normalkostensatz.382 Die Normalkostensätze lassen
sich aus den Mittelwerten der Istkosten und der Beschäftigung vergangener Perioden ermitteln.383 In Hinblick auf die Bildung der Normalkostensätze kann
zwischen zwei Verfahren unterschieden werden.384
Bei dem ersten Verfahren
werden die Normalkostensätze aus dem Quotienten der Istkostensummen ver
gangener Abrechnungsperioden und der Summe der dazugehörigen Kalkulations bezugsgrößen, wie z.B. Fertigungsstunden, gebildet. Veränderungen in der Kosten struktur finden dabei keine Berücksichtigung. Die nach diesem Verfahren ermittelten
Normalkosten
werden
im
betriebswirtschaftlichen
Schrifttum
als
„statische
Mittelwerte"385 bezeichnet. Im Gegensatz hierzu werden bei dem zweiten Verfahren
die durchschnittlichen Kosten zusätzlich an erkennbare Veränderungen angepaßt. In diesem Zusammenhang wird daher auch von „aktualisierten Mittelwerten"386
gesprochen.
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.67, Mellerowicz [Unternehmenspolitik 1976], S.353, Zimmerman [Plankostenrechnung 1990], S.49, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.70, Gabele/Fischer [Kostenrechnung 1992], S.57, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1324, und Liessmann [Kostenrechnung 1997], S.464. 382
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.23, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.629.
383
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.10, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.141, und
384
Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.24.
385
Vgl. ausführlich zum Begriff der statischen Mittelwerte Müller [Normalkostenrechnung 1949], S.601. Vgl. aber auch Müller [Kostenrechnung 1952], S.537f., und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.64.
386
Vgl. zum Begriff der aktualisierten Mittelwerte Kilger [Kostenrechnung 1987], S.57.
Seicht [Kostenrechnung 1997], S.159.
Enivyicklungsf^^
15
Die Einführung fester Verrechnungssätze für innerbetriebliche Leistungen führte endgültig zur Durchbrechung des Kostenüberwälzungsprinzips. 387 Gleichzeitig traten in den Kostenstellen Kostenabweichungen auf. Diese Kostenabweichungen, die
auch als Unter- bzw. Überdeckung bezeichnet werden, resultieren aus der Differenz zwischen den Istkosten und den verrechneten Normalkosten.388 Für den Fall, daß
die angefallenen Istkosten größer als die verrechneten Normalkosten sind, liegt eine
Unterdeckung vor. Demgegenüber wird von einer Überdeckung gesprochen, wenn die Istkosten kleiner als die verrechneten Normalkosten sind. Diese Unter- bzw. Überdeckungen werden weder auf andere Kostenstellen noch auf Kostenträger weiterverrechnet, sondern entweder monatlich oder am Ende des Jahres in die
Betriebsergebnisrechnung übernommen. Bei der Normalkostenrechnung kann zwischen den Ausgestaltungsformen der
starren und der flexiblen Normalkostenrechnung differenziert werden.389 Diese sollen im folgenden dargestellt werden.
3.1.2.2 Starre Normalkostenrechnung Von einer starren Normalkostenrechnung wird regelmäßig dann gesprochen, wenn sich die Normalkosten auf ein bestimmtes Leistungsprogramm und eine bestimmte Beschäftigung beziehen. Dieses Kostenrechnungssystem ist dadurch charakterisiert, daß für die Verrechnung der Gemeinkosten einer Kostenstelle auf andere Kosten stellen oder Kostenträger Normalgemeinkostensätze ermittelt werden. Dabei wird
angestrebt, die Verrechnungspreise möglichst lange konstant zu halten.390 Die starre Normalkostenrechnung wird daher auch als „eine auf einem bestimmten Leistungs
stand eingefrorene Ist-Kostenrechnung“391 bezeichnet.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.23. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.23. Vgl. auch Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.10, Michel/Torspecken [Kostenrechnung II 1986], S.26, Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.49, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.148. Vgl. Götz [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1756, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.73, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1324, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.753ff. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.69, Zimmermann [Plankostenrechnung 1990], S.51, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.148. Rocker [Plankosten 1952], S.134.
Entwicklunosformen der Kostenrechnungssysteme
ßß.
Die Normalkostensätze werden ermittelt, indem aus den Kosten der Kostenstellen
vergangener Perioden Durchschnittswerte gebildet werden, die in bezug auf den
Kostenträger sowohl fixe wie auch variable Kostenbestandteile aufweisen.392 Eine solche Vorgehensweise unterstellt allerdings, daß das Verhältnis von beschäfti gungsfixen und beschäftigungsvariablen Kosten der vergangenen Perioden, die zur
Ermittlung der Normalkostensätze verwendet worden sind, auch für die jeweils
betrachtete Abrechnungsperiode gilt.393 In der Regel treten jedoch zwischen den mit Hilfe des Normalgemeinkostensatzes verrechneten Kosten und den entstandenen
Istkosten Differenzen auf, die auf das Betriebsergebniskonto übertragen werden müssen. 394
Die starre Normalkostenrechnung führte zwar zu einer erheblichen Vereinfachung der Kostenstellenrechnung und der Kalkulation. Hierbei wurde allerdings in Kauf genommen, daß mit der Implementierung dieses Kostenrechnungssystems das Kostenüberwälzungsprinzip aufgegeben werden mußte.395
Bei der Frage nach der Verwendbarkeit der starren Normalkostenrechnung für eine kostenstellenweise Kostenkontrolle muß danach unterschieden werden, ob die
Normalkosten auf statischen oder auf aktualisierten Mittelwerten basieren.396
Beziehen sich die Normalkosten auf statische Mittelwerte, so erweist sich die starre Normalkostenrechnung für eine derartige Kostenkontrolle als ungeeignet, da bei den
Istkosten der vergangenen Abrechnungsperioden die Einflüsse von Unwirtschaftlich keiten nicht eliminiert werden. Normalkosten auf der Basis aktualisierter Mittelwerte sind zwar für die Durchführung einer Kostenkontrolle besser geeignet, dennoch sind
auch diese nur bedingt anwendbar, da sie ebenfalls nicht unabhängig von den
Istkosten der Vergangenheit ermittelt werden.397 Ferner kann im Rahmen der starren Normalkostenrechnung nicht erkannt werden, inwieweit die auftretenden Über- bzw.
Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.73, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.755. 393
Vgl. ausführlich Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.73.
394
Vgl. Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.148, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.753.
395
Vgl. Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.16, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25.
396
Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25.
397
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
87
Unterdeckungen auf Mengenänderungen bzw. Veränderungen der Mengenkombi nationen einzelner Kostengüter oder auf Änderungen des Beschäftigungsgrades
zurückzuführen sind.398 3.1.2.3 Flexible Normalkostenrechnung Die flexible Normalkostenrechnung stellt eine Weiterentwicklung der starren
Normalkostenrechnung dar. Das Hauptanliegen der flexiblen Normalkostenrechnung
ist es, eine effizientere Kostenkontrolle zu ermöglichen. Diese Ausprägung der Normalkostenrechnung soll dabei nicht nur möglicherweise auftretende Über- bzw.
Unterdeckungen ermitteln, sondern sie dient dazu zusätzlich eine Aufspaltung der Gesamtabweichungen der Kostenstellen vorzunehmen.399 So soll einerseits der Teil
der Abweichungen, der auf Beschäftigungsschwankungen zurückzuführen ist, und andererseits der Teil der Abweichungen, der auf sonstigen Einflußgrößen beruht,
ermittelt werden.400 Zu Beginn der flexiblen Normalkostenrechnung ist es daher
erforderlich,
eine
Aufspaltung
der
Kosten
in
beschäftigungsfixe
beschäftigungsvariable
Kosten
vorzunehmen.401
beschäftigungsvariablen
Kosten
an
die
Dabei
und
sind
in
die
Beschäftigungsschwankungen
anzupassen.402 Nach der Kostenauflösung in fixe und proportionale Bestandteile erfolgt die Ermittlung des Istkostengemeinsatzes der Kostenstelle für den jeweils
betrachteten Zeitraum.403 Aus der Differenz zwischen den Istgemeinkosten und den
verrechneten
Normalkosten
läßt sich dann eine Über- bzw.
Unterdeckung
Vgl. hierzu ausführlich Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.75. Vgl. Pentzek [Kostenrechnungsformen 1979], S.70, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.150, und Koch [Kostenrechnung 1997], S.207.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.26, undWöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1325. Vgl. Silber [Grenzplankostenrechnung 1975], S.19, Götz [Kostenrechnungssysteme 1978], S.1756, Bauer et al. [Kostenrechnung 1984], S.172, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.76, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.25f.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.26. Aufgrund der Anpassung an die unterschiedlichen Beschäftigungen wird diese Erscheinungsform der Normalkostenrechnung als „flexible Normal kostenrechnung“ bezeichnet. Vgl. hierzu ausführlich Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.76.
Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.77, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.151.
ßfi.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
feststellen.404 Durch die Berechnung der Beschäftigungsabweichung kann eine Aufspaltung der Gesamtabweichung vorgenommen werden. Dabei ergibt sich die
Beschäftigungsabweichung aus der Differenz zwischen den Normkosten, also der Summe der fixen und variablen Normalgemeinkosten der Kostenstelle in der Abrechnungsperiode, und den verrechneten Normalgemeinkosten.405 Im letzten
Schritt kann die Restabweichung aus der Differenz zwischen der Gesamt
abweichung und der ermittelten Beschäftigungsabweichung bestimmt werden.
Der wesentliche Vorteil der flexiblen Normalkostenrechnung ist in der zumindest in Ansätzen bestehenden kostenstellenweisen Kostenkontrolle zu sehen.406 Anderer seits ist jedoch zu berücksichtigen, daß bei der Ableitung der Normalkosten eine
starke Orientierung an den Istkosten der vergangenen Abrechnungsperioden erfolgt. Unwirtschaftlichkeiten der Vergangenheit sind dabei nicht erkennbar.407 Zudem führte die Aufspaltung der Kosten in beschäftigungsfixe und beschäftigungsvariable
Kosten bei der praktischen Umsetzung zu erheblichen Schwierigkeiten.408 Aus diesem Grunde kommt der flexiblen Normalkostenrechnung im Gegensatz zu der
starren Normalkostenrechnung in der unternehmerischen Praxis nur eine geringe
Bedeutung zu.409 3.1.3 Entwicklungsformen der Plankostenrechnung
Die historische Entwicklung der Plankostenrechnung ist insbesondere damit zu begründen, daß sich die Unternehmen bei der Festlegung der Normalkostensätze
zunehmend von den Istkosten lösten und versuchten, Kostenvorgaben mittels tech-
Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.67. Vgl. auch Kilger [Kostenrechnung 1987], S.57, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.172. Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.77. Vgl. Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.17, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.27. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.27. Vgl. Klümper [Kostenrechnung 1984], S.126. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.26, und Brombach/Walter [Kostenrechnung 1998], S.160.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
£9
nischer Berechnungen, Verbrauchsstudien und/oder Schätzungen zu ermitteln.410 Gleichzeitig erfolgte eine Weiterentwicklung der festen Verrechnungspreise zu
sogenannten Planpreisen. Das Ergebnis dieser Entwicklungen war eine neue
Kostenkategorie, bei der sowohl das Mengen- als auch das Preisgerüst aus geplanten Größen besteht.411 Diese Kosten werden als Plankosten bezeichnet.412 Für eine Kostenrechnung, die mit Plankosten arbeitet, hat sich dementsprechend der
Begriff „Plankostenrechnung“ durchgesetzt. Die Plankostenrechnung wird in die
starre und in die flexible Plankostenrechnung unterteilt. Bei der flexiblen Plankosten rechnung kann wiederum zwischen der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten,
der flexiblen Plankostenrechnung zu Teilkosten, die auch als Grenzplankosten rechnung bezeichnet wird, und der dynamischen Grenzplankostenrechnung unter schieden werden. Neben diesen Ausprägungen werden im betriebswirtschaftlichen Schrifttum weitere Sonderformen der Plankostenrechnung genannt. Als ein Beispiel
Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.27. Vgl. aber auch Tüfekcioglu [Muhasebe Problemleri 1969], S.74, Gürgan [Maliyet Muhasebesi 1979], S.45, Kizil [Standart Maliyet 1979], S.43, Backer/Jacobsen [Maliyet Muhasebesi 1983], S.289, Uslu et al. [Maliyet Muhasebesi 1985], S.61, Orhan [Standart Maliyet 1989], S.21, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.45, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.331, Cetiner [Maliyet Hesaplari 1992], S.12, Arkun [Yönetim Muhasebesi 1993], S.186, Aysan [Isletme Kararlari 1994], S.84, Canoglu [Maliyet Muhasebesi 1995], S.86, Hicsasmaz [Yönetim Muhasebesi 1996], S.44, Sevim [Toplam Kalite 1997], S.210, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.295. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.81, Mellerowicz [Plankostenrechnung II 1972], S 22, Giesen et al. [Plankostenrechnung 1976], S.17, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.9, Kilger Plankostenrechnung 1993], S.27, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.202, Huch et al. [[Controlling 1997], S.7, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.68. Vgl. hierzu auch Akesen [Maliyet Muhasebesi 1992], S.231, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.299. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum werden im Zusammenhang mit dem Terminus „Plankosten“ häufig auch die Begriffe „Sollkosten“, „Standardkosten“ und „Budgetkosten“ verwendet. Diese Begriffe sind jedoch von dem Terminus „Plankosten“, dem eine eher übergeordnete Funktion zugeordnet werden kann, abzugrenzen. So bezeichnen die Sollkosten die sich für die jeweilige Planbeschäftigung ergebenden planmäßigen Kostenvorgaben. Demgegenüber werden als Standardkosten nur die auf die Erzeugniseinheit bezogenen Plankosten bezeichnet. Die Budgetkosten stellen die für einen bestimmten Zeitraum pro Kostenstelle vorgegebenen Kosten dar. Vgl. hierzu ausführlich Petzold [Begriffsbestimmungen 1950], S.396ff., Schmalenbach [Kostenrechnung 1963], S.296, Henzel [Kostenrechnung 1964], S.526, Käfer [Standardkostenrechnung 1964], S.86ff., Swoboda [Kostenrechnung 1981], Sp.1068f., Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.10f., Hummel/Männel [Kostenrechnung I 1986], S.114, Michel/Torspecken [Kostenrechnung II 1986], S.40, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.28f., Ebert [Kostenrechnung 1997], S.144, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
SO.
ist an dieser Stelle insbesondere die Betriebsplankostenrechnung nach Laßmann413 anzuführen, die sich allerdings in der Bundesrepublik Deutschland nicht durchsetzen
konnte.
Mit der
Prognosekostenrechnung
und
der Standardkostenrechnung
existieren zwei weitere Erscheinungsformen der Plankostenrechnung, die sich in
deutschen Unternehmen in Anlehnung an die amerikanische Plankostenrechnung weiterentwickelt haben.414 Ihre amerikanischen Vorbilder sind in dem standard cost
accounting und in dem budgetary control zu sehen.415 Wesentliches Unter scheidungsmerkmal zwischen der Prognosekostenrechnung und der Standard
kostenrechnung ist ihr Wirtschaftlichkeitsbegriff.416 Die Prognosekostenrechnung, die von einem wertmäßigen Wirtschaftlichkeitsbegriff ausgeht, dient der Vorhersage der erwarteten Istkosten einer Planperiode 417 Im Gegensatz dazu geht die Standard kostenrechnung von einem mengenmäßigen Wirtschaftlichkeitsbegriff aus.418
Vgl. hierzu ausführlich Laßmann [Kostenrechnung 1968], S.11ff. Vgl. aber auch Laßmann [Plankostenrechnung 1980], S.117ff., Laßmann [Betriebsmodelle 1983], S.90ff., Kilger [Grundverfahren 1988], S.84f., Laßmann/Vogt [Erlösrechnung 1989], Sp.1345f., Laßmann [Betriebsplankostenrechnung 1992], S.300ff., Laßmann [Betriebsplanerfolgsrechnung 1998], S.88ff, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.21 Off.
Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Kostenplanung 1954], S.660, und Käfer [Standardkostenrechnung 1963], S.179ff. Vgl. auch Käfer [Standardkostenrechnung 1964]. S.71, Küpper [Differenzierung 1978], S.562, Kloock [Plankostenrechnung 1981], Sp.1290f., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.109, Troßmann [Plankostenrechnung 1992], S.226, Fischer [Kostenplanung 1993], S.12, Stehle/Sanwald [Kostenrechnung 1993], S.105f., Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.140, und Haberstock [Plankostenrechnung [1998], S.547. Im Unterschied zu dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Bundesrepublik Deutschland findet die Standardkostenrechnung in der Türkei eine wesentlich höhere Beachtung. In vielen Veröffentlichungen werden sogar die Begriffe „Standardkostenrechnung“ und „Plankosten rechnung“ als Synonyme verwendet. Vgl. hierzu ausführlich Bursal [Maliyet Muhasebesi 1968], S.379, Koc [Standart Maliyetler 1974], S.21, Büyükmirza [Standart Maliyet 1975], S.5, Üstün [Standart Maliyet 1988], S.68, Büyükmirza [Maliyet Muhasebesi 1991], S.373, Uslu [Maliyet Muhasebesi 1991], S.387, Aksit [Maliyet Muhasebesi 1993], S.25, Cetin [Tahmini Maliyet 1994], S.178, und Menderes [Mali Analiz 1997], S.53. Vgl. Petzold [Begriffsbestimmungen 1950], S.396, Kosiol [Kostenplanung 1954], S.660, Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2984, Dopuch et al. [Cost Accounting 1982], S.301, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.57, und Kloock [Plankostenrechnung 1993], Sp.1552. Vgl. hierzu auch Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.331. Vgl. Kosiol [Kostenplanung 1954], S.660, Ebert [Plankostenrechnung 1962], S.11, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.109, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401. Vgl. Ebert [Plankostenrechnung 1951], S.11, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.245.
Vgl. Kosiol [Plankostenrechnung 1975], S.23, Dworak [Standardkostenrechnung 1978], S.58f., Kosiol [Unternehmung 1979], S.249, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.109, Moews [Kosten 1996], S.263, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.401.
Entwicklunasformen der Kostenrechnunassysteme
ÄL
Im folgenden werden die starre Plankostenrechnung sowie die flexible Plankosten rechnung zu Vollkosten vorgestellt Die Grenzplankostenrechnung wird zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Teilkostenrechnungssysteme näher erläutert.419
3.1.3.1 Starre Plankostenrechnung 3.1.3.1.1 Grundlagen der starren Plankostenrechnung
Bei der starren Plankostenrechnung, die als erstes System der Plankostenrechnung
aus der Normalkostenrechnung hervorging, handelt es sich um ein Kostenrech
nungssystem, das auf dem Ansatz der Vollkostenrechnung basiert.420 Kenn zeichnend für die starre Plankostenrechnung ist, daß sie die Plankosten pro Kostenstelle lediglich für einen bestimmten Beschäftigungsgrad, nämlich den Planbeschäftigungsgrad, ermittelt.421 Das System der starren Plankostenrechnung
bietet somit keine Anpassungsmöglichkeit an alternative, von der Planbeschäftigung abweichende Beschäftigungen.422 3.1.3.1.2 Funktionsweise der starren Plankostenrechnung
Im Rahmen der starren Plankostenrechnung kann hinsichtlich der Kostenplanung zwischen der Planung der Kostenträgereinzelkosten und der Planung der Kosten-
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2. Vgl. Vormbaum/Rautenberg [Kostenrechnung III 1985], S.33, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.196, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.246, und Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland findet die starre Plankostenrechnung im betriebs wirtschaftlichen Schrifttum der Türkei wegen ihrer (vermeintlichen) Praxisrelevanz große Beach tung. Vgl. hierzu Koc [Standart Maliyetler 1974], S.28, Durik [Maliyet Muhasebesi 1984], S.83, Gündogdu [Maliyet Muhasebesi 1989], S.39, Ipci [Maliyet Yöntemi 1989], S.4, Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990], S.33, Cetin [Tahmini Maliyet 1994], S.179, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.484, und Kaya [Bilgi Sistemi 1997], S.31.
Vgl. Matz [Plankostenrechnung 1954], S.65, Bea [Plankostenrechnung 1972], S.525, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.110, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.135, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.18, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1231, Schweitzer [Systematik 1992], S.191, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414, Haberstock [Plankostenrechnung 1998], S.549, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.365. Vgl. Schwantag [Plankostenrechnung 1950], S.395, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.68, Kilger [Plankostenrechnung 1970], Sp.1343, Plaut [Plankostenrechnung 1978], S.34, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93, Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.203, und Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.176f.
£2
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
trägergemeinkosten unterschieden werden.423 Die Planung der Kostenträgereinzel kosten vollzieht sich in der Planung der für die jeweils betrachtete Periode erforder
lichen Produktfaktormengen, die mit Planfaktorpreisen bewertet werden.
Die Planung der Kostenträgergemeinkosten, also jener Kosten, die über die Kosten stellen abgerechnet werden, erfolgt in mehreren Schritten. Im ersten Schritt werden
für jede Kostenstelle Bezugsgrößen, wie z.B. Maschinen- oder Fertigungsstunden, festgelegt.424 Darauf aufbauend erfolgt in Abstimmung mit der Gesamtplanung die Festlegung der Planbeschäftigung. Die durchschnittlichen Planbeschäftigungen sind
mit Hilfe geeigneter Planbezugsgrößenmengen zu quantifizieren. Im Anschluß an die Festlegung der Planbeschäftigung werden durch Verbrauchsstudien und technische
Berechnungen die Verbrauchsmengen und -Zeiten ermittelt. Die geplanten Ver brauchsmengen und Arbeitszeiten werden im vierten Schritt mit Festpreisen bzw.
Lohnsätzen bewertet. Hieraus resultiert für jede Kostenart einer Kostenstelle der
sogenannte Plankostenbetrag, der der Planbezugsgröße entspricht. Die Summe
aller Plankostenbeträge ergibt die gesamten Plankosten einer Kostenstelle.425 Mittels
Division der gesamten Plankosten durch die Planbezugsgrößen wird im nächsten Schritt der Plankostenverrechnungssatz ermittelt.426 Dieser Plankostenverrechnungs
satz kommt bei der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung auf andere Kosten stellen und in der Kostenträgerrechnung zur Anwendung.427 Im letzten Schritt erfolgt
schließlich die Ermittlung der verrechneten Plankosten. Die verrechneten Plan kosten, die jeweils die auf die Kostenträger verrechnete Kostensumme darstellen,
Vgl. hierzu und im folgenden Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93. Vgl. Plaut [Plankostenrechnung 1951], S.532f., Koller [Plankostenrechnung 1973], S.81, Freidank [Plankostenrechnung 1985], S.57, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], Plaut [Entwicklung 1987], 359f., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.93ff., Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.37f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.365ff.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.37. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum werden anstelle der Bezeichnung „Plankostenverrechnungssatz" häufig auch die Begriffe „Plankalkulationssatz“ und „Planverrechnungssatz“ verwendet. Vgl. hierzu Kilger [Mittelbetrieb 1980], S.208, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.18, Däumler/Grabe [Plankostenrechnung 1995], S.81, und Weber [Kostenrechnung 1995], S.149. Vgl. Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.18, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.37, und Zimmermann/Fries [Rechnungswesen 1995], S.203. Vgl. Scherrer [Plankostenrechnung 1991], S.95.
Entwickiungsformen der KQStenrechnungssy.ste.me________________________________ 23 ergeben sich dabei durch Multiplikation des Plankostenverrechnungssatzes mit der Istbeschäftigung.428 Nach Abschluß einer Planungsperiode werden die in der jeweiligen Betrachtungs periode tatsächlich angefallenen Kosten der Kostenstelle, also die sogenannten
Istkosten, den Plankosten gegenübergestellt.429 Im Zusammenhang mit der sich hier
bei ergebenden Kostenabweichung ist zu berücksichtigen, daß beispielsweise im Falle einer Kostenunterschreitung keine Einsparung, sondern vielmehr eine Ab
weichung vorliegt, die vor allem darauf zurückzuführen ist, daß sich die Plankosten auf die Planbezugsgröße und die Istkosten auf die Istbezugsgröße beziehen.430 Aufgrund der fehlenden Auflösung in fixe und proportionale Kostenbestandteile kann jedoch nicht bestimmt werden, welcher Kostenbetrag für die Realisierung der jewei
ligen Istbeschäftigung gerechtfertigt gewesen wäre. Diese Kostenabweichung stellt eine „echte" Planabweichung dar, da sie die Differenz zwischen den effektiven und den geplanten Kosten ausweist. Dennoch sind die Ursachen dieser Abweichung
nicht feststellbar. Eine weitere Kostenabweichung ergibt sich aus dem Vergleich der Istkosten mit den
verrechneten Plankosten 431 Der wesentliche Vorteil bei der Analyse dieser Kosten abweichung ist darin zu sehen, daß hierbei die Möglichkeit des Vergleichs von
Kostenbeträgen auf Basis gleicher Beschäftigung besteht. Aber auch diese Kosten abweichung kann nicht in die einerseits aus Beschäftigungsschwankungen und andererseits aus Unwirtschaftlichkeiten resultierenden Abweichungen aufgespalten
werden.
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung I11986], S.19, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366. Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.135, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.95. Vgl. hierzu und im folgenden Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.38f.
Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.35. Vgl. aber auch Kloock/Bommes [Kostenabweichungsanalyse 1982], S.227f., und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.760.
94
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
3.1.3.1.3 Kritische Beurteilung der starren Plankostenrechnung Der wesentliche Vorteil der starren Plankostenrechnung ist in der verhältnismäßig
einfachen und schnellen Handhabung zu sehen.432 Darüber hinaus wird bei diesem
Kostenrechnungssystem die Kostenrechnung erstmalig in das Planungssystem der
Unternehmung einbezogen.433 Ein wesentlicher Nachteil ergibt sich hingegen daraus, daß eine wirksame Kostenkontrolle im Rahmen der starren Plankosten rechnung nicht möglich ist.434 Aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Anpassung
der Plankosten an die wechselnde Istbeschäftigung sowie der Proportionalisierung der fixen Kosten kann keine zweckmäßige Kostenkontrolle erfolgen. Gleichzeitig wird
mit der Fixkostenproportionalisierung gegen das Verursachungsprinzip verstoßen.435 Auch für die Erfüllung dispositiver Aufgaben ist die starre Plankostenrechnung nur
eingeschränkt verwendbar. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die starre Plan
kostenrechnung auf Vollkosten basiert, so daß die für Entscheidungsprobleme der
kurzfristigen Planung relevanten Teilkosten nicht bereitgestellt werden können.436
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.136, Vormbaum/Rautenberg [Kostenrechnung III 1985], S.35, Männel [Plankostenrechnung 1995], S.53, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.145, Haberstock [Plankostenrechnung 1998], S.549, Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.761.
Vgl. Kilger [Plankostenrechung 1993], S.39, und Weber [Kostenrechnung 1997], S.158. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2984, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1980], S.12, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.21, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1232, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.39, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.176, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366.
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.21, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.39, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.176, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.366. Vgl. Vormbaum/Rautenberg [Kostenrechnung III 1985], S.35, Kilger [Kostenrechnung II 1986], S.21, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.39.
Eniwicklyngsta
3.1.3.2 Flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
3.1.3.2.1 Grundlagen der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
Die flexible Plankostenrechnung437 auf Vollkostenbasis ging aus der Kritik an der starren Plankostenrechnung hervor.438 Der wesentliche Unterschied zwischen der
starren und der flexiblen Plankostenrechnung besteht darin, daß bei der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis im Rahmen der Kostenplanung die Plan
kosten einer Kostenstelle in fixe und proportionale Bestandteile aufgespalten
werden.439 Charakteristisch für die flexible Plankostenrechnung ist ferner, daß die geplanten fixen Kosten als von der Beschäftigung völlig unabhängig angesehen
werden. Bei den variablen Kosten wird hingegen zumeist eine proportionale
Bei den in der Praxis anzutreffenden Formen der flexiblen Plankostenrechnung handelt es sich zumeist um Kostenrechnungssysteme, die durch eine Anpassung der Plankosten des Plan beschäftigungsgrades an den Istbeschäftigungsgrad gekennzeichnet sind. Diese Ausprägung der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis wird als „einfache“ - oder „teilflexible“ Plankostenrechnung bezeichnet. Demgegenüber konnte eine „vollflexible“ Plankostenrechnung, die die Veränderungen aller Kostenbestimmungsfaktoren berücksichtigt, bisher technisch nicht umgesetzt werden. Vgl. ausführlich zur vollflexiblen Plankostenrechnung Neumayer [Plankostenrechnung 1951], S.397ff. Vgl. hierzu auch Plaut [Grenz-Plankostenrechnung 1953], S.248f., Neumayer [Teilkostenrechnung 1970], S.938, Kube [Grenzplankostenrechnung 1974], S.42f., sowie Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414.
Ebenso wie die starre Plankostenrechnung ist auch die flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis Gegenstand vieler Literaturbeiträge im türkischen Schrifttum. Vgl. hierzu Yücesoy [Maliyet Muhasebesi 1965], S.86f., Cömlekci [Maliyet Muhasebesi 1967], S.135, Hicsasmaz [Muhasebe 1971], S.103, Gök [Yönetim Muhasebesi 1981], S.154f., Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.79f., Üstün [Standart Maliyet 1988], S.74, Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.332, Hatipoglu [Maliyet Muhasebesi 1994], S.82, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.485f., Gündüz [Maliyet Yöntemi 1996], S.117ff., und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.295. Hierbei wird in vielen Veröffentlichungen die Praxisrelevanz der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis für Großunternehmen hervorgehoben. An dieser Stelle ist jedoch kritisch anzumerken, daß die Verbreitung in der unternehmerischen Praxis bislang nicht empirisch untersucht wurde. Vgl. hierzu Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.136, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.44, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.146. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.110, Layer [Informationsinstrument 1978], S.152, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1980], S.12, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1233, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.100, Kind [Plankostenrechnung 1992], S.249, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.40, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.177, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.414, Haberstock [Plankostenrechnung 1998], S.549, Schmidt [Kostenrechnung 1998], S.175, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.367.
SS.
Entwicklungsfounen-der Kostenrechnungssysteme
Änderung zur Beschäftigung unterstellt.440 Die proportionalen Plankosten werden auf
die erreichte Istbeschäftigung umgerechnet, um auf diese Weise die für eine bestimmte Planbeschäftigung ermittelten Plankosten zum Zwecke der Kontrolle an
die Istbeschäftigung anpassen zu können.441 Die Planwerte der übrigen Kosten einflußgrößen werden bei dieser Anpassung konstant gehalten.442 Auf diese Weise
werden den Kostenstellen keine festen Plankostenbeträge zugeordnet, sondern es werden Kostenfunktionen vorgegeben, die darüber Auskunft geben, wie sich die Kosten einer Kostenstelle in Abhängigkeit von der Beschäftigung verhalten sollen. In diesem Zusammenhang wird daher der Begriff der sogenannten „Sollkosten"
verwendet. Diese Sollkosten stellen die Plankosten der jeweiligen Istbeschäftigung
dar.443
3.1.3.2.2 Funktionsweise der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkosten basis Die Planung der Kosten erfolgt bei der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis analog zu der Vorgehensweise der starren Plankostenrechnung.444
Das Charakteristikum der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten besteht in der
Ermittlung der Sollkosten. Diese Sollkosten lassen sich aus den fixen Kosten zuzüglich dem Produkt aus proportionalem Plankostenverrechnungssatz und Ist beschäftigung berechnen, wobei sich der proportionale Plankostenverrechnungssatz
aus dem Quotienten von variablen Plankosten und Planbeschäftigung ergibt.445 Mit Hilfe der Sollkosten können dann in einem weiteren Schritt die verschiedenen
Abweichungen ermittelt werden. Ein Teil der Kostenabweichung, der auch als
Vgl. Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.30, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.177. 441
Vgl. Grafet al. [Plankostenrechnung 1971], S.53, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.23, und Kilger [Kostenrechnung 1987], S.60.
Vgl. Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1326, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.194. Vgl. hierzu Kilger [Kostenrechnung 1976], S.60, Kube [Leistungserfassung 1978], S.76f., Troßmann [Plankostenrechnung 1992], S.228, Männel [Plankostenrechnung 1995], S.54, und Kloock et al. [Kostenrechnung 1999], S.177. 444
445
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.40, Weber [Kostenrechnung 1997], S.160, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.69. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.41f.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
97
Beschäftigungsabweichung bezeichnet wird, ergibt sich aus der Differenz zwischen den Sollkosten und den verrechneten Plankosten.446 Als Beschäftigungsabweichung
wird hierbei im allgemeinen jener Teil der auf die Kostenträger verrechneten Planfix kosten bezeichnet, der im Rahmen der Verrechnung der Fixkosten mittels Istkosten
kalkulationssätzen auf Basis der Istbeschäftigung „zuviel“ bzw. „zuwenig“ verrechnet wurde.447 Für den Fall, daß die Istbeschäftigung größer ist als die Planbeschäftigung,
wurde zuviel verrechnet. Ist die Istbeschäftigung hingegen kleiner als die Plan
beschäftigung, so ist zuwenig verrechnet worden.448 Sofern die Sollkosten von den Istkosten abweichen, liegt in Höhe der Differenz eine
Verbrauchsabweichung vor.449 Eine Verbrauchsabweichung, die auch als Kosten
stellenabweichung bezeichnet wird,450 stellt eine Mengenabweichung dar. Sie ergibt
sich aus einem Mehr- oder Minderverzehr an Kostengütern gegenüber der
Planung.451 Entsprechend kann sie als Beurteilungsmaßstab für die Wirtschaftlichkeit einer Kostenstelle herangezogen werden.452 Vor diesem Hintergrund besteht beim Auftreten von Unwirtschaftlichkeiten die Möglichkeit, den jeweils verantwortlichen
Kostenstellenleiter zur Verantwortung zu ziehen. Dies gilt allerdings nur mit
Einschränkungen, da Verbrauchsabweichungen häufig auch auf Schwankungen anderer Kostenbestimmungsfaktoren zurückzuführen sind, für die die Kostenstellen-
Vgl. Schrülkamp [Plankostenrechnung 1954], S.623, Kosiol [Kostenabweichungen 1981], Sp.986ff., Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.138, Kunz [Plankostenrechnung 1984], S.65, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.104, Stehle/Sanwald [Kostenrechnung 1993], S.110, Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.132, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.369. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.106, Mellerowicz [Unternehmensführung 1975], S.225, Huch [Plankostenrechnung 1992], S.467, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.42.
Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.106, Kilger [Kostenrechnung 1987], S.60, und Weber [Kostenrechnung 1997], S.161. Vgl. Patterson [Abweichungen 1955], S.359, Koller [Plankostenrechnung 1973], S.63f., Laßmann [Gestaltungsformen 1973], S.15, Müller [Soll-Istkosten 1973], S.64, Kube [Leistungserfassung 1978], S.77, Piroth [Plankostenrechnung 1984], S.77, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.26, Glaser [Abweichungsanalyse 1987], S.43ff., Weber [Rechnungswesen 1991], S.244, Seicht [Leistungsrechnung 1995], S.454ff., Müller [Grenzplankostenrechnung 1996], S.132, Hoitsch [Erlösrechnung 1997], S.331, Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.288, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.369.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1952], S.510, und Kreuzer [Kostenabweichungen 1986], S.200f. Vgl. Auler [Plankostenrechnung 1951], S.413, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.211. Vgl. Auler [Plankostenrechnung 1949], S.261, und Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2987.
sa.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
leiter nicht verantwortlich gemacht werden können. Mit Hilfe einer weitergehenden
Analyse muß in solchen Fällen geklärt werden, auf welche Ursachen die Ver
brauchsabweichung tatsächlich zurückzuführen ist.453 3.1.3.2.3 Kritische Beurteilung der flexiblen Plankostenrechnung auf Voll kostenbasis
Ein wesentlicher Vorteil der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten ist in einer
gesteigerten Aussagefähigkeit der Kostenabweichung im Rahmen der Wirtschaft lichkeitskontrolle zu sehen. Auch im Hinblick auf die Erfüllung von Dokumentations
aufgaben werden Verbesserungen gegenüber der starren Plankostenrechnung deutlich. Dies ist vor allem damit zu begründen, daß die Kalkulationsgenauigkeit
durch Verwendung differenzierter Bezugsgrößen erhöht wird.454 Wesentliche Nachteile der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten ergeben sich
demgegenüber im Zusammenhang mit der Proportionalisierung der fixen Kosten. Einerseits wird zwar im Rahmen der Kostenstellenrechnung eine Aufteilung der
Kosten in fixe und variable Kostenbestandteile vorgenommen, andererseits wird aber
in der Kostenträgerrechnung nach wie vor mit verrechneten Plankosten gearbeitet.
Dies stellt einen Verstoß gegen das Verursachungsprinzip dar 455 Insbesondere bei kurzfristigen Verkaufsentscheidungen im Absatzbereich, bei kurzfristigen Ver fahrenswahlentscheidungen der Produktionsplanung und beim Aufbau der Erfolgs
planung kann die Proportionalisierung der Fixkosten zu Fehlentscheidungen
Vgl. Agthe [Abweichungen 1958], S.14ff., Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.138, Freidank [Kostenrechnung 1997], S.201. Bei den hier in Erscheinung tretenden Abweichungen handelt es sich um die sogenannten Spezialabweichungen. Hierzu zählen beispielweise die „Verfahrensabweichung“, die „Ausbeuteabweichung“ und die „Intensitätsabweichung“. Der nach der Abspaltung der Spezialabweichung von der Verbrauchsabweichung verbleibende Teil wird als „echte Verbrauchsabweichung“ oder als „Restabweichung“ bezeichnet. Mit der Isolation dieser Restgröße wird versucht, endgültig Aufschluß über möglicherweise vorliegende Unwirtschaftlichkeiten zu erlangen. Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Kostenabweichungen 1970], Sp.907ff., Nolte [Abweichungen 1973], S.99f., und Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.26. Vgl. Koller [Plankostenrechnung 1961], S.168f., und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.46. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.48.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssvsteme________________________________________ 99
führen.456 So werden bei der Auswertung der Ergebnisse der kurzfristigen Erfolgs
rechnung für die Zwecke der Verkaufssteuerung den Erlösen einzelner Produktarten die zugehörigen Selbstkosten gegenübergestellt. Die daraus resultierende Differenz
stellt den zugehörigen Vollkostenerfolg dar. Aufgrund der Proportionalisierung kann
jedoch der zur Entscheidungsfindung wichtige Deckungsbeitrag nicht ermittelt werden.457 Durch die Einbeziehung der Fixkosten können also letzlich keine
relevanten Kosteninformationen zur Lösung von Entscheidungsproblemen geliefert werden.458
Im Hinblick auf die Erfüllung dispositiver Aufgaben bewirkte die Weiterentwicklung der starren Plankostenrechnung hin zu einer flexiblen Plankostenrechnung auf Voll
kostenbasis somit keine oder nur geringe Fortschritte. Der wesentliche Fortschritt der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
gegenüber der starren Plankostenrechnung ist vielmehr darin zu sehen, daß die gesamte Kostenabweichung durch Aufspaltung in eine Verbrauchsabweichung und in eine Beschäftigungsabweichung deutlicher spezifiziert werden kann.459
Vgl. Wille [Standardkostenrechnung 1963], S.147, Zogg [Vollkostenrechnung 1971], S.7, Kilger [Kostenrechnung 1976], S.63ff., Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.108, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.89. Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.55f. Weitere Probleme ergeben sich im Zusammen hang mit der Eliminierung von Verlustartikeln, der Bestimmung von Preisuntergrenzen, der Wahl zwischen mehreren Fertigungsstellen, der Wahl zwischen Eigenherstellung und dem Fremd bezug sowie beim Aufbau der Erfolgsplanung und der Kontrolle des Periodenerfolgs. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.51 ff.
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.65. Vgl. Nowak [Kostenrechnungssysteme 1961], S.105, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.108, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.200.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
1DQ.
3.2 Ausgewählte Systeme der Teilkostenrechnung 3.2.1 Direct Costing 3.2.1.1 Grundgedanke des Direct Costing Direct Costing460 ist ein Teilkostenrechnungsverfahren US-amerikanischer Herkunft.
Die entsprechende Begriffsprägung geht zurück auf eine Veröffentlichung von Harris
aus dem Jahre 1936 461 Harris462 stellt darin das von ihm entwickelte betriebliche
Rechnungswesen vor. Dabei verwendet er erstmalig die Bezeichnung „direct cost plan“.463 Wesentliches Merkmal des Direct Costing ist die Trennung der Kosten in fixe und
proportionale Kosten. Als entscheidungsrelevante Kosten werden lediglich die proportionalen
Kosten den
Kostenträgern zugerechnet.464 Die fixen
Kosten
Anstelle des Begriffes „Direct Costing“ werden häufig auch die Synonyme „Direktkostenrechnung“, „Grenzkostenrechnung“, „Marginal Costing“ und „Variable Costing" verwendet. Vgl. hierzu Lawrence/Humphreys [Marginal Costing 1947], S.3ff., Heckert/Miner [Distribution Costs 1953], S.31, Blocker/Weltmer [Cost Accounting 1954], S.452, Longman/Schiff [Cost Analysis 1955], S.369, Heine [Direct Costing 1959], S.515, Börner [Direct Costing 1961], S.19, Hahn [Direct Costing 1964], S.222, Rummel [Kostenrechnung 1967], S.17, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.412, Knoth [Direct Costing 1974], Sp.1175, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.17, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.110, Heller [Kostenrechnung 1979], S.299, Kosiol [Unternehmung 1979], S.177f., Riebel [Teilkostenrechnung 1981], Sp.1549, Hummel/ Männel [Kostenrechnung II 1983], S.39, und Liessmann [Kostenrechnung 1997], S.147. Zum Direct Costing finden sich im Gegensatz zu anderen Teilkostenrechnungssystemen auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei zahlreiche Veröffentlichungen. Vgl. stellvertretend Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.43ff. In den meisten Veröffentlichungen wird jedoch nicht der Terminus „Direct Costing“, sondern vielmehr die Bezeichnung „Marginal Costing“ verwendet. Vgl. hierzu ausführlich Koc [Standart Maliyetler 1974], S.61 f., Uragun [Isletme Muhasebesi 1978], S.78, öcal [Maliyet Muhasebesi 1982], S.121, und Kishali [Maliyet Muhasebesi 1999], S.94f.
Vgl. Harris [Earn 1936], S.501 ff., Backer/Jacobsen [Cost Accounting 1964], S.368, Biergans [Direct Costing 1968], S.39, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.415, Unterguggenberger [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S.83, Horngren [Cost Accounting 1977], S.295, Jacob [Anmerkungen 1978], S.8, Seicht [Entwicklung 1988], S.37, Plaut [Kostenrechnungssystem 1992], S.203f. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.64, und Bungenstock [Kostenrechnungssysteme 1995], S.257. Harris arbeitete zu der Zeit als Controller bei der Dewey and Almy Chemical Co. in Cambridge (Massachusetts, USA). Unabhängig von HARRIS und fast zeitgleich setzte auch G. C. Harrison in der Spool Cotton Company eine nach dem Grenzkostenprinzip aufgebaute Standardkostenrechnung ein, über die er im Jahre 1937 einen Erfahrungsbericht abgab. Vgl. hierzu Weber [Direct Costing 1960], S.479, Biergans [Direct Costing 1968], S.35, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.79.
Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.222, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.87, Matz/Usry [Cost Accounting 1984], S.551, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.234.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme_______________________________________ 101
verbleiben hingegen stets auf den Kostenstellen und werden erst am Ende des
Abrechnungszeitraumes „en bloc“ in die Betriebserfolgsrechnung übernommen.465
Dieses Merkmal alleine kann das Direct Costing aber nicht hinreichend kenn zeichnen. Aus diesem Grund weist Weber wiederholt und nachdrücklich darauf hin, daß das Direct Costing in gleicher Weise von der als mehrstufige Margenrechnung
konzipierten Gewinn- und Verlustrechnung, die auf diesem Prinzip aufbaut, bestimmt • 466 sei. Als dritten und für ihn wesentlichen Punkt stellt Weber den Zusammenhang
zwischen der Methodik des Direct Costing und dem Prinzip des Monismus467 heraus.468 Nur bei intensiver Verflechtung von Finanzbuchhaltung und betrieblichem
Rechnungswesen sei es möglich, daß „ein ununterbrochener Wertefluß hergestellt
und damit eine wesentliche Voraussetzung zur Entwicklung einer integrierten retro graden Ergebnisrechnung erfüllt wird“469. 3.2.1.2 Voraussetzungen und Funktionsweise des Direct Costing
Um das Direct Costing erfolgreich umsetzen zu können, müssen einige Grund voraussetzungen erfüllt sein.470 So muß gewährleistet sein, daß die Beschäftigung bzw. die Ausbringungsmenge die einzige relevante Einflußgröße darstellt.
Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.520, Weber [Direct Costing 1960], S.479, Knoth [Direct Costing 1974], Sp.1176, Matz [Deckungsbeitrage 1975], S.148, Maurer [Probleme 1978], S.42, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Albrecht/Schradin [Steuerung 1992], S.575. Vgl. hierzu ausführlich Weber [Direct Costing 1970], S.5. Unter dem Begriff „Monismus“ soll in diesem Zusammenhang die Integration von Finanz buchhaltung und Betriebsrechnung verstanden werden. Vgl. hierzu ausführlich Weber [Vereinigte Staaten 1970], Sp.1767f., Dorn [Kostenrechnung 1981], Sp.633. Dieses Prinzip wird auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei kontrovers diskutiert. Vgl. hierzu Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.12, Peker [Yönetim Muhasebesi 1988], S.10f., Yazici [Muhasebe Tümlemleri 1990], S.15f., und Kücüksavas [Genei Muhasebe 1997], S.3.
Vgl. Weber [Direct Costing 1970], S.5.
Weber [Direct Costing 1970], S.15. Vgl. hierzu ausführlich Riebel [Teilkostenrechnung 1981], Sp.1550, Heinen/Dietel [Kostenrechnung 1991], S.1243f., Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1993], Sp.365, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.97.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
102
Eine weitere Forderung besteht darin, daß sich sämtliche Kosten - bezogen auf ihre
Ausbringungsmenge - in ihre fixen und variablen Bestandteile spalten lassen.471 Ferner wird vorausgesetzt, daß die variablen Kosten je Einheit konstant sind und sich den einzelnen Kostenträgern eindeutig zurechnen lassen. Mit dieser Annahme
unterstellt man gleichzeitig einen proportional-linearen Kostenverlauf, denn nur unter
dieser
Bedingung
stimmen
die
variablen
Stückkosten,
die
proportionalen
Stückkosten und die Grenzkosten überein und nur für diesen Fall ist die Zurechenbarkeit der variablen Kosten nach dem Verursachungsprinzip gegeben.472
Hinsichtlich der Erlöse wird angenommen, daß diese ebenfalls konstant sind und den einzelnen Leistungseinheiten eindeutig zurechenbar seien.473 Schließlich wird
noch davon ausgegangen, daß die fixen Kosten konstant sind und sich den einzelnen Perioden eindeutig zuordnen lassen. Als Fortschritt gegenüber der Vollkostenrechnung werden beim Direct Costing die
Kosten in ihre fixen und variablen Kostenbestandteile aufgespalten, um die beiden Kostengattungen getrennt voneinander verrechnen zu können.474 Diese Vorgehens weise wird damit begründet, daß zwischen den fixen Kosten und der Produktions
menge kein direkter Kausalzusammenhang besteht. Dies bedeutet gleichzeitig, daß eine verursachungsgerechte Verteilung der fixen Kosten auf die Kostenträger nicht möglich ist.475 Anstatt die zeitabhängigen Kosten auf die einzelnen Erzeugnisse umzulegen, stellt man sie „en bloc“ den Erlösen gegenüber.476
Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.222, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.163f., Riebel [Teilkostenrechnung 1981], Sp.1550, Weber [Controlling 1995], S.182, Männel [Kostenrechnung 1996], S.54, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.247. 472
Vgl. Weber [Direct Costing 1960], S.484, Unterguggenberger [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S.84, und Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1994], S.362.
473
Mit dieser Prämisse unterstellt man gleichzeitig proportional-lineare Erlösverläufe, d.h., daß die Preise von Veränderungen der Absatzmenge unabhängig sind.
474
Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.516, Biergans [Direct Costing 1968], S.44, und Hummel/ Männel [Kostenrechnung II 1983], S.40.
475
Vgl. Unterguggenberger [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S.84.
476
Vgl. Biergans [Direct Costing 1968], S.44, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.44, Weber [Controlling 1995], S.182, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.734.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
im
Sämtliche fixe Kosten werden direkt von der Kostenstellenrechnung auf ein Fix
kostensammelkonto und von dort als gesonderter Posten auf das Betriebsergebnis konto übernommen.477 Hinsichtlich der Behandlung der variablen Kosten unterscheidet sich das Direct
Costing nicht von den traditionellen Kostenrechnungssystemen.
Da die fixen Kosten den Produkten nicht im herkömmlichen Sinne zugerechnet werden, läßt sich auch kein Nettoerfolg für das einzelne Produkt aus der Differenz
zwischen dem Erlös je Einheit und den vollen Stückkosten ermitteln.478 Ein Nettoerfolg ergibt sich vielmehr nur für die Gesamtheit der in der Periode
produzierten und abgesetzten Erzeugnisse, indem von der Summe der Erlöse die variablen Kosten und der Fixkostenblock subtrahiert werden.479 Dieser Nettoerfolg,
der sich in der Betriebsergebnisrechnung ergibt, kann dem mittels der Vollkosten rechnung ermittelten Nettoerfolg entsprechen, muß aber nicht zwingend mit ihm
übereinstimmen.480 Dies ist darauf zurückzuführen, daß Bestandsveränderungen der Halb- und Fertigfabrikate beim Direct Costing keine fixen Kosten enthalten.481
Für das einzelne Erzeugnis kann man beim Direct Costing nur den Bruttoerfolg als Differenz zwischen dem Preis des einzelnen Produktes und seinen variablen Kosten
errechnen.482 Aufgrund der Tatsache, daß der Bruttoerfolg zur Deckung der fixen
Kosten bzw. zur Gewinnerzielung beiträgt, verwendet man auch den Begriff „Deckungsbeitrag“.483 Setzt man diesen Deckungsbeitrag in Beziehung zu den
Vgl. Kilger [Erfolgsanalyse I960], S.310.
Vgl. Biergans [Direct Costing 1968], S.44.
Vgl. Weber [Direct Costing 1960], S.479, Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413, Matz [Deckungsbeiträge 1975], S.150, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.87, und Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.136.
Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.516, Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.136. Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Matz [Deckungsbeiträge 1975], S.154. Vgl. RKW [Direct Costing 1969], S.59, und Berth [Deckungsbeiträge 1984], S.30. Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413.
104
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
Erlösen, erhält man den Deckungsbeitragssatz, der auch als „Bruttoerfolgssatz“ oder
Bruttoerfolgsspanne bezeichnet wird.
Das Direct Costing kann in Form einer Budgetrechnung oder als Plankosten rechnung durchgeführt werden.434 Wird das Direct Costing in Form einer Plankosten rechnung durchgeführt, so erhält man ein Kostenrechnungssystem, das der von Plaut konzipierten Grenzplankostenrechnung entspricht.485
3.2.1.3 Kritische Beurteilung des Direct Costing Der Begriff „Direct Costing“ wird von einigen Autoren als irreführend bezeichnet, da
er vermuten lasse, daß nur die direkt zurechenbaren Kosten, also die Einzelkosten,
auf die betrieblichen Produkte verrechnet würden.486 Tatsächlich werden aber stets
auch die variablen Gemeinkosten, insgesamt also sämtliche Kosten, die mit der
Beschäftigung des Betriebes variieren, berücksichtigt.487 Unabhängig von der unpräzisen Begriffswahl weist das Direct Costing den großen Vorteil auf, daß Fehler, wie sie sich bei der Vollkostenrechnung aufgrund der
Zurechnung der fixen Kosten auf die Kostenträger ergeben, grundsätzlich nicht auftreten, da es beim Direct Costing keine Zurechnung der fixen Kosten auf die
Kostenträger gibt.488 Da die Kosten in einen fixen und einen variablen Kostenbestandteil gespalten werden, ist das Direct Costing im Gegensatz zu Vollkostenrechnungssystemen geeignet, diejenigen Informationen zu liefern, die es ermöglichen, unternehmerische
Vgl. Hahn [Direct Costing 1964], S.223. Vgl. hierzu ausführlich Hahn [Direct Costing 1964], S.223, und Biergans [Direct Costing 1968], S.41. Vgl. Heine [Direct Costing 1959], S.516, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.71. Vgl. Holzer [Direct Costing 1970], Sp.413, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.87, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.121, und Witt [Deckungsbeitragsmanagement 1991], S.46.
Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.115, Witt [Deckungsbeitragsmanagement 1991], S.40, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.97.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme__________________________________
105
Fehlentscheidungen erheblich zu reduzieren.489 Gleichzeitig weist das Direct Costing Vorteile bei der Erfüllung der Darstellungs- und Dokumentationsfunktion der Kosten
rechnung auf.490 Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei dem Direct Costing häufig
keine sachgerechte Kostenspaltung zugrunde gelegt werden kann, da teilweise auch solche Kosten als variabel behandelt werden, die, zumindest auf einen kürzeren
Zeitraum bezogen, als beschäftigungsunabhängig anzusehen sind.491 Als ein Beispiel können hier die Fertigungszeitlöhne angeführt werden. Diese müssen zwar
als variable Kosten eingestuft, tatsächlich aber zu den Fixkosten gezählt werden, da
die Einstellung von Arbeitskräften in der Regel mit langfristigen vertraglichen Bindungen einhergeht und der vorzeitigen Personalfreisetzung durch die gesetz lichen Kündigungsfristen der Weg versperrt ist.492 Es ist ferner zu berücksichtigen,
daß sowohl Probleme bei der Messung der Beschäftigung als auch die Wirkungen anderer, nicht berücksichtigter Kosteneinflußfaktoren die Aufspaltung der Kosten in
fixe und proportionale Kostenbestandteile häufig erheblich erschweren.493 Ein weiterer Kritikpunkt ist darin zu sehen, daß das Direct Costing zur Messung der
Kosteneinflußgröße Beschäftigung lediglich auf die Bezugsgröße Ausbringung abstellt. Weitere als zweckmäßig einzustufende Bezugsgrößen, wie z.B. Rüstzeiten
oder Maschinenstunden, bleiben hingegen unberücksichtigt.
Hinsichtlich der Erfüllung der Planungs- und Vorgabefunktion - und damit inbegriffen
der Kontrollfunktion einer entscheidungsorientierten Kostenrechnung - muß kritisch hervorgehoben werden, daß das System des Direct Costing, wie die alleinige Beschäftigungsorientierung zeigt, im wesentlichen auf die Kostenträgerrechnung
abstellt. Die mangelnde Berücksichtigung anderer Kosteneinflußgrößen läßt das
Vgl. Henzel [Vollkostenrechnung 1967], S.485, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.121, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983] , S.39, Franzen [Teilkosteninformationen 1987], S.149, und Reichmann [Controlling 1997], S.123.
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.39, Reichmann [Controlling 1997], S.123, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.734. Vgl. Reichmann [Controlling 1997], S.123. Vgl. Reichmann [Controlling 1997], S.123. Vgl. Kruse [Direct Costing 1967], S.43, und Müller [Deckungsbeitragsrechnung 1982], S.2477f.
106
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
Direct Costing daher für die Erfüllung der Planungsfunktion und damit der Vorgabe-
und Kontrollfunktion als ungeeignet erscheinen. Die Tatsache, daß sich das System des Direct Costing zu sehr an der Beschäf
tigungsunabhängigkeit der Kosten orientiert und weniger auf deren Zurechenbarkeit abstellt, führt dazu, daß auch im Direct Costing eine Schlüsselung von variablen
Gemeinkosten grundsätzlich nicht vermieden wird. Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß erst die getrennte Verrechnung von variablen und fixen Kostenbestandteilen im Direct Costing die Grundlage sachdienlicher Anregungsinformationen für Entscheidungen, wie etwa im Rahmen von „make-orbuy“-Entscheidungen494, liefert. Vor diesem Hintergrund wird das Direct Costing im
Rahmen der Darstellungs- und Dokumentationsaufgabe einer entscheidungsorien tierten Kostenrechnung weitaus mehr gerecht als ein auf Vollkosten basierendes Kostenrechnungssystem.495 3.2.2 Grenzplankostenrechnung
3.2.2.1 Grundlagen der Grenzplankostenrechnung
Bereits die ersten Jahre der Nachkriegszeit sind dadurch gekennzeichnet, daß im
betriebswirtschaftlichen Schrifttum und in der unternehmerischen Praxis die Nach teile einer auf Vollkosten basierenden Plankostenrechnung immer deutlicher hervor
treten.496 Kritisiert wurde insbesondere die rechnerische Proportionalisierung der
fixen Kosten. Auf sie werden zahlreiche Fehlentscheidungen beim Aufbau der kurz
fristigen Planung, insbesondere im Rahmen der Produktions- und Absatzplanung zurückgeführt.497
Vor diesem Hintergrund wurde in den fünfziger Jahren eine Form der flexiblen Plankostenrechnung entwickelt, bei der den betrieblichen Erzeugnissen in den Kalkulationen und in der kurzfristigen Erfolgsrechnung ausschließlich die von ihnen
Vgl. Hahn [Direct Costing 1965], S.11, und Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.42. 495
Vgl. Riebel [Deckungsbeitragsrechnung 1970], Sp.398, und Reichmann [Controlling 1997], S.124.
496
Vgl. Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.7. Eine Auseinandersetzung mit dem Vollkostenprinzip aus primär praktischer Sicht liefern Böhm/Wille [Deckungsbeitragsrechnung 1974], S. 19ff.
4Q7
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.73.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme____________________________________
107
verursachten proportionalen Selbstkosten zugerechnet werden. Für dieses Kosten
rechnungssystem hat sich in Deutschland die von Plaut geprägte Bezeichnung „Grenzplankostenrechnung“498 durchgesetzt.499 Plaut, der in
Deutschland
als
Begründer der Grenzplankostenrechnung gilt, hat im Jahre 1950 damit begonnen, erste Entwürfe einer Grenzplankostenrechnung zu entwickeln und in die Praxis um
zusetzen.500 Die Grenzplankostenrechnung ist ein Kostenrechnungssystem, das auf einer strikten Trennung von fixen und proportionalen Kosten basiert. Wesentliches
Kennzeichen der Grenzplankostenrechnung ist, daß lediglich die proportionalen
Kosten auf die Kostenträger verrechnet werden.501 Primäre Zielsetzung der Weiter entwicklung der flexiblen Plankostenrechnung zu der Grenzplankostenrechnung war es, die Unzulänglichkeiten der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis bei
der Wahrnehmung dispositiver Managementaufgaben und der Ermittlung der Preis
untergrenzen sowie bei der Erfolgsanalyse zu eliminieren.502 Die Grundgedanken,
die sich hinter diesem Konzept verbergen, finden ihren Ursprung allerdings in der
An dieser Stelle sei noch angemerkt, daß Plaut in früheren Veröffentlichungen auch den Begriff „Grenzkosten-Planrechnung“ verwendet hat, bevor er sich dann schließlich auf die Bezeichnung „Grenzplankostenrechnung“ festlegte. Vgl. hierzu Plaut [Grenzkosten-Planrechnung 1953], S.402. Vgl. aber auch Zoll [Grenz-Plankostenrechnung 1954], S.401, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.156. Grundsätzlich kann die Bezeichnung „Grenzplan kostenrechnung“ nur verwendet werden, wenn für alle Kostenstellen ein linearer Gesamt kostenverlauf unterstellt werden kann, denn nur unter dieser Voraussetzung stimmen die Grenz kosten mit den variablen Stückkosten überein. Vgl. hierzu ausfühlich Kilger [Erfolgsanalyse 1960], S.309, und Kilger [Deckungsbeitragsrechnung 1989], Sp.599.
Vgl. Plaut [Plankostenrechnung 1952], S.400, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1955], S.25, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.69, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1983], S.58, Küting/Lorson [Grenzplankostenrechnung 1991], S.1421, Fischer [Kostenmanagement 1993], S.229, Männel [Kostenrechnung 1996], S.47, und Huch et al. [Controlling 1997], S.53.
Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei werden die Begriffe Grenzplankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung weitgehend synonym verwendet. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß in den meisten Veröffentlichungen zwar die Bedeutung der Grenzplan kostenrechnung betont wird, gleichzeitig jedoch auf die mit dem hohen Komplexitätsgrad einhergehenden Schwierigkeiten einer praktischen Umsetzung hingewiesen wird. Vgl. hierzu Koc [Standart Maliyetler 1974], S.141, Bursal [Maliyet Kontrolu 1976], S.7, Ercan [Maliyet Muhasebesi 1977], S.37, Eren [Planlama 1979], S.42, Cakici [Muhasebe Problemleri 1985], S.97, Hartaci [Denetleme 1985], S.76, Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.369, Erdogan [Maliyet Muhasebesi 1991], S.178, Benligiray [Yönetim Muhasebesi 1994], S.82, und Kishali [Maliyet Muhasebesi 1999], S.98.
Vgl. Plaut [Plankostenrechnung 1952], S.400, Plaut [Grenz-Plankostenrechnung 1953], S.347, Plaut [Grenzplankostenrechnung 1958], S.262, Plaut [Unternehmenssteuerung 1961], S.467, und Battenfeld [Kostenmanagement 1997], S.89. Vgl. Kilger [Diskussion 1970], S.1797, und Hantke [Kostenrechnung II 1974], S.107.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1975], Sp.2988, und Fischer [Kostenrechnung 1998], S.43.
108
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
schon wesentlich älteren Kostenlehre von Schmalenbach503 und in der Blockkosten
rechnung von Rummel504. Dennoch war es Plaut, der der Grenzplankostenrechnung zum Durchbruch verhalf,505 da weder Schmalenbach noch Rummel in ihren Konzep tionen berücksichtigt hatten, daß die der Grenzplankostenrechnung zugrunde
liegende Kostenverrechnung eine kostenstellenweise Kostenplanung voraussetzt. Besonderen Wert legt Plaut in diesem Zusammenhang darauf, daß für die im Soll
ist-Vergleich ausgewiesenen Kosten ein Festpreis- und Festlohnsystem etabliert wird. Zu diesem System werden alle Abweichungen von den Soll-Werten nicht im Monat des Entstehens zu Lasten des Ergebnisses ausgebucht, sondern als laufender Korrekturposten zur Bestandsrechnung mitgeführt.506 Hinsichtlich der Gestaltung des Soll-Istkostenvergleichs vertritt Plaut die Meinung, daß der dazu bestimmte Betriebsabrechnungsbogen „so einfach, klar und übersichtlich wie möglich zu gestalten (sei, d. Verf.), so daß ihn auch der letzte Kostenstellenvertreter [...] versteht und mit seinen Zahlen und Unterlagen selbständig umgehen kann“507.
Eben diese Eigenschaft spricht er dem von Michel und Neumayer, als dessen Mit
arbeiter er tätig war, entwickelten „Plankosten-Stellenabweichungsbogen“ ab. Er
ersetzt ihn durch ein übersichtliches Verrechnungsblatt, auf dem die nach den
verschiedenen Kostenarten getrennten Istkosten, Sollkosten und Kostenstellen abweichungen ausgewiesen werden.508 Als essentielle Frage sieht Plaut weiterhin das Problem einer notwendigen und
hinreichenden Tiefe der Differenzierung der Kostenstellen in einem Unternehmen und die Wahl der richtigen Bezugsgrößen an.509 Hinsichtlich des Verfahrens der Kostenplanung plädiert Plaut für eine analytische Kostenplanung, wobei er
Vgl. Schmalenbach [Buchführung 1928], S.9, und Kilger [Kostenlehre 1973], S.538.
504
Vgl. Rummel [Kostenrechnung 1967], S.209ff.
505
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1978], S.157, und Riebel [Deckungsbeitragsrechnung
506
Vgl. Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.7.
507
Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.7.
508
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.87.
509
Vgl. Plaut [Entwicklungsformen 1976], S. 11.
1974], Sp.1138.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
109
besonderen Wert auf eine sorgfältige Auflösung der Kosten in fixe und proportionale Bestandteile legt, da sich, wie er feststellt, „der weitaus überwiegende Teil aller
Kostenarten [...] jeweils aus einem fixen und einem proportionalen Bestandteil zusammen(setzt, d. Verf.), die von Stelle zu Stelle und von Kostenart zu Kostenart
unterschiedlich sind.“510 3.2.2.2 Funktionsweise der Grenzplankostenrechnung Die Kostenplanung im Rahmen der Grenzplankostenrechnung stimmt weitgehend
mit der Kostenplanung der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis überein.511 Im Gegensatz zu der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, bei der die Trennung in fixe und proportionale Plankosten lediglich zum Zwecke der
Kostenkontrolle erfolgt, wird bei der Grenzplankostenrechnung diese Trennung auch im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung, der Kostenträgerstück
rechnung sowie der kurzfristigen Erfolgsrechnung beibehalten.512 Bei der Bildung der
Plankostenverrechnungssätze werden also lediglich noch die proportionalen Plan
kosten513 berücksichtigt.514 Die fixen Kosten werden hingegen direkt in das Betriebs ergebnis übernommen.515 Daraus, daß bei der Bildung der Plankostenver rechnungssätze nur die proportionalen Plankosten verrechnet werden, resultiert
aber, daß die in der Grenzplankostenrechnung verrechneten Plankosten, die in die
Plaut [Entwicklungsformen 1976], S.21.
511
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.67, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.59, und Huch et
al. [Controlling 1997], S.54. £40
513
Vgl. Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.114, Fischer [Kostenmanagement 1993], S.229, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.215. Diese proportionalen Selbstkosten werden bei der Grenzplankostenrechnung im Rahmen der kurzfristigen Erfolgsrechnung den Verkaufserlösen gegenübergestellt. Die aus den Erlösen und den proportionalen Selbstkosten resultierende Differenz wird als Deckungsbeitrag bezeichnet. Aus diesem Grund wird auch häufig anstelle der Bezeichnung „Grenzplankostenrechnung" die Bezeichnung „Deckungsbeitragsrechnung “ verwendet. Vgl. hierzu Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.58, und Männel [Kostenrechnung 1996], S.50f.
514
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.67, Adam [Grenzkostenrechnung 1993], Sp.824, Kilger
515
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1962], S.69, Dörrie/Kicherer [Deckungsbeitragsrechnung 1973], S.102, Scholl [Plankostenrechnung 1981], S.85, Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.30, Franz [Kostenrechnung 1993], S.267, und Männel [Kostenrechnung 1996], S.48.
[Plankostenrechnung 1993], S.59, und Ebert [Kostenrechnung 1997], S.216.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
110
Kostenträgerstückrechnung eingehen, mit den Sollkosten übereinstimmen.516 Dies hat wiederum zur Konsequenz, daß Beschäftigungsabweichungen im Sinne von
„zuviel“ oder „zuwenig“ auf die Kostenträger verrechneten Plankosten in der
Grenzplankostenrechnung nicht existent sind.517 Die Durchführung des Soll-Ist-Kostenvergleichs erfolgt in der Grenzplankosten rechnung
analog zu der flexiblen
Plankostenrechnung
auf Vollkostenbasis.
Allerdings stimmen die im Rahmen der Grenzplankostenrechnung ermittelten Verbrauchsabweichungen nicht mit den im Rahmen der flexiblen Plankosten
rechnung auf Vollkostenbasis ermittelten Verbrauchsabweichungen überein.518 Ursächlich dafür ist, daß die innerbetrieblichen Leistungen in der flexiblen Plan
kostenrechnung auf Vollkostenbasis mit Vollkosten bewertet werden, während bei der Grenzplankostenrechnung Grenzkostensätze zugrunde gelegt werden.519
3.2.2.3 Kritische Beurteilung der Grenzplankostenrechnung Ein wesentlicher Vorteil der Grenzplankostenrechnung gegenüber der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis liegt in der verbesserten Wahrnehmung
dispositiver Aufgaben.520 Die im Rahmen der Grenzplankostenrechnung ermittelten Kostendaten, wie z.B. die
Plankostenverrechnungssätze und die Deckungsbeiträge, sind für Zwecke der kurz
fristigen Produktions- und Absatzplanung besser geeignet als die auf einer Voll kostenrechnung basierenden Kostendaten. Hinsichtlich der Ermittlung der Preis untergrenzen ist beispielsweise die Kenntnis proportionaler Selbstkosten uner
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.68, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.59.
517
Vgl. Haberstock [Kostenrechnung II 1986], S.31.
518
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.59.
519
Vgl. Peter [Grenzplankostenrechnung 1969], S.1952, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.689f., Männel [Grenzplankostenrechnung 1992], S.339, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.61.
520
Vgl. Plaut [Unternehmenssteuerung 1961], S.481, Woitschach [Deckungsbeitragsrechnung 1963], S.1ff., Freidank [Entscheidungsaufgaben 1979], S.252f., Männel [Deckungsbeitragsrechnung 1981], S.593ff., Ulrich [Deckungsbeitragsrechnung 1981], S.197, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.141, Bungenstock [Kostenrechnungssysteme 1995], S.150, Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.40, und Huch et al. [Controlling 1997], S.56.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
läßlich.521
Auch
bei
der
Gewinnplanung
111
und
der
Erfolgsanalyse
ist
die
Grenzplankostenrechnung vorteilhafter, da sie die Interdependenzen zwischen der Beschäftigung, den Kosten und dem Periodenerfolg transparenter macht, als dies in
einem auf dem Vollkostenprinzip beruhenden Kostenrechnungssystem der Fall ist.522 Daraus resultiert eine Verbesserung und Vereinfachung der Planung und der
Analyse des Periodenerfolgs.523 Neben der verbesserten Unterstützung bei der Bestimmung von Preisuntergrenzen
sind weitere Vorteile der Grenzplankostenrechnung in der Eliminierung von Verlust
artikeln und der Steuerung des Verkaufsprogramms zu erblicken.524 Aber nicht nur
die zu treffenden Verkaufsentscheidungen im Absatzbereich, sondern auch die Verfahrenswahlentscheidungen im Produktionsbereich werden durch die Grenzplan
kostenrechnung erleichtert, da für letztere auf die von der Grenzplankostenrechnung bereitgestellten Kostensätze der Fertigungsstellen zurückgegriffen werden kann.525 Stellvertretend für eine Vielzahl von Verfahrenswahlentscheidungen, bei der die
Grenzplankostenrechnung Hilfestellung leistet, sollen an dieser Stelle insbesondere
die
Wahl
zwischen
mehreren
Fertigungsstellen
und
die
„make-or-buy“-
Entscheidungen genannt werden.
Bei der Erfüllung von Dokumentationsaufgaben ist die Grenzplankostenrechnung
ähnlich hilfreich wie die flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Grenzplankostenrechnung die
Kontroll-, die Dispositions- und die Dokumentationsaufgaben in zufriedenstellender Weise wahrnimmt.
Vgl. Plaut [Grenzplankostenrechnung 1973], S.40. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.67, und Kilger [Rechnungswesen 1988], S.967. Vgl. Kilger [Rechnungswesen 1988], S.967. Vgl. Männel [Preiskalkulation 1978], S.11, Plaut [Deckungsbeitragsrechnung 1984], S.22, Eggert [Grenzplankostenrechnung 1986], S.221f., Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.62, und Kloock [Grenzkostenrechnung 1998], S.313.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.62, und Männel [Kostenrechnung 1996], S.47.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
112
3.2.3 Dynamische Grenzplankostenrechnung
3.2.3.1 Grundlagen der dynamischen Grenzplankostenrechnung
Die Frage, ob und inwieweit die durch die herkömmliche Grenzplankostenrechnung
ermittelten Plankostendaten entscheidungsrelevante Kosten für die kurzfristige Planung darstellen, liefert den Anstoß für die Weiterentwicklung der Grenzplan kostenrechnung zur dynamischen Grenzplankostenrechnung.526 Nur ein Kosten rechnungssystem, das diese Voraussetzung erfüllt, genügt den Ansprüchen, die an
ein entscheidungsorientiertes Kostenrechnungssystem gestellt werden müssen. Kilger untersucht, ob sich die mit Hilfe jahresbezogener Plankalkulationen ermittelten Grenzkosten als entscheidungsrelevante Kosten eignen. Hierzu analysiert er die
Prämissen, auf denen die jahresbezogenen Plankalkulationen der Grenzplankosten rechnung beruhen.527 Diese Untersuchung führt zu der Erkenntnis, daß die jahres bezogenen Plankalkulationen im wesentlichen auf drei grundlegenden Prämissen aufbauen. Erstens ist festzustellen, daß die geplanten Verbrauchsmengen und
Arbeitszeiten mit geplanten Faktorpreisen bewertet werden, wobei diese Faktor preise planmäßig erwartete Jahresdurchschnittswerte darstellen.528 Ferner hat Kilger ermittelt, daß bei der Aufteilung in fixe und proportionale Kosten im Rahmen der
Kostenplanung jeweils ein bestimmter Fristigkeitsgrad529 zugrunde gelegt wird.530 Die
Vgl. hierzu Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.18, Scholl [Grenzplankostenrechnung 1980], S.183, Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.109, Bungenstock [Kostenrechnungssysteme 1995], S.178, und Freidank [Kostenrechnung 1997], S.277. Trotz intensiver Literaturrecherche finden sich zur dynamischen Grenzplankostrechnung im türkischen Schrifttum keine Beiträge. Aus diesem Grund haben wir uns für eine ausführliche Darstellung der dynamischen Grenzplankostenrechnung entschieden.
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.18, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.109.
Vgl. Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110. Der Fristigkeitsgrad der Kostenplanung kann als Entscheidungsfeld definiert werden, „das den Kostenstellen in bezug auf die Anpassung personeller und sonstiger Potentialfaktoren an Beschäftigungsschwankungen als Soll vorgegeben wird.“ Dabei werden sowohl der Anpassungs zeitraum als auch die realisierbaren Anpassungsmaßnahmen durch das Entscheidungsfeld festgelegt. Den fixen oder den proportionalen Kosten ist in Abhängigkeit von der Länge des Anpassungszeitraums ein größerer oder geringerer Teil der Kosten zuzuordnen. Wurde ein langer Zeitraum festgelegt, so liegen geringe fixe Kosten, aber hohe proportionale Kosten vor. Hat man hingegen einen kurzen Anpassungszeitraum festgelegt, so entstehen hohe fixe Kosten, aber geringe proportionale Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
113
dritte Prämisse besteht in der Erkenntnis, daß beim Aufbau der jahresbezogenen Plankalkulationen häufig Vorab-Entscheidungen im Rahmen der Produktionsvollzugspianung erforderlich sind. Derartige Entscheidungen fallen aber nur dann an,
wenn die Produktionsvollzugsplanung Alternativen zuläßt.531 Hierzu können bei
spielsweise die Wahl der Seriengröße oder die Wahl des Fertigungsverfahrens ge zählt werden.532 Bei den Vorab-Entscheidungen der Produktionsvollzugsplanung wird in der Praxis überwiegend den jeweils kostengünstigsten Alternativen der Vor
zug gegeben.533 Erscheint die Durchführung der kostengünstigsten Alternative aller
dings als nicht sinnvoll, so ist eine der anderen Alternativen des Produktionsvollzugs oder die Kalkulation einer Mischrelation zu wählen.534
3.2.3.2 Entscheidungsrelevanz der Grenzkosten Die von Kilger hinsichtlichlich der Frage, ob sich die im Rahmen jahresbezogener Plankalkulationen ermittelten Grenzkosten für Zwecke der kurzfristigen Produktions-
und Absatzplanung eignen, vorgenommenen Untersuchungen ergaben, daß die auf diesem Wege ermittelten Kostendaten häufig keine entscheidungsrelevanten Kosten darstellen. Es wird ferner deutlich, daß jahresbezogene Kostendaten zur Erlangung
einer höheren Entscheidungsrelevanz an niedrigere Fristigkeitsgrade sowie an geänderte Faktorpreis- und Mengendaten angepaßt werden müssen.
Bei
der
Kostenplanung
muß
den
für kurzfristigere
Entscheidungsprobleme
herangezogenen Kostendaten ein Fristigkeitsgrad zugrunde gelegt werden, der der Fristigkeit der jeweiligen Entscheidung entspricht.535 Um dieser Forderung gerecht zu
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1983], S.65, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110.
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.606. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110f. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.298, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.607.
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.19, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.297, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.112.
114
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
werden, schlägt Kilger die Anwendung einer nach mehreren Fristigkeitsgraden differenzierten Kostenplanung536 vor.537 Für jeden einzelnen Fristigkeitsgrad ergeben sich dann eigene Grenzkostensätze.538 Kilger vertritt dabei die Auffassung, daß in der Praxis die Differenzierung in drei
Fristigkeitsgrade ausreichend sei.539 Für die Bewältigung praktischer Probleme erweist es sich als sinnvoll, für den ersten
Fristigkeitsgrad einen Anpassungszeitraum von einem Jahr, für den zweiten Fristig keitsgrad einen Anpassungszeitraum von zwei bis drei Monaten und für den dritten
Fristigkeitsgrad einen Anpassungszeitraum von einem Monat zu wählen. Daneben besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, eine andere Einteilung der Anpassungs zeiträume zu wählen. Dabei ist allerdings zu beachten, daß mit der Verringerung der
Fristigkeitsgrade der Anteil der proportionalen Kosten abnimmt.540 Daraus kann wiederum gefolgert werden, daß die Höhe der Grenzkostensätze ebenfalls sinkt.541
Die Anzahl möglicher Varianten des Produktionsvollzugs ist in der Praxis aber häufig derart groß, daß mit Hilfe von mathematischen Entscheidungsmodellen simultan
über den optimalen Produktionsvollzug und Materialeinsatz sowie über die optimale Zusammensetzung des Produktions- und Absatzprogramms entschieden werden muß.542 Kilger unterscheidet hier das Verfahren der Alternativkalkulationen und das
Die Forderung einer nach mehreren Fristigkeitsgraden differenzierten Kostenplanung findet ihren Ursprung in der „stufenweisen Grenzkostenrechnung“ von Seicht, die bereits zu Beginn der 60er Jahre entwickelt wurde. Seicht schlägt in diesem Konzept vor, eine Dreiteilung der fixen Kosten in kurz-, mittel- und langfristig abbaubare Kosten vorzunehmen. Vgl. hierzu ausführlich Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.706. Vgl. aber auch Seicht [Grenzkostenrechnung 1981], S.180, und Seicht [Deckungsbeitragsrechnung 1982], S.62. 537
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.297, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.112.
538
Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1987], S.297, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.112.
539
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.36, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.520.
540
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.37, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.523.
541
Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.37, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.523.
542
Vgl. Kilger [Planungsmodell 1979], S.92.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
115
Verfahren der Zerlegung der Grenzselbstkosten in relevante Kosten ersten und
zweiten Grades.543 Das Verfahren der Alternativkalkulation ist dadurch gekennzeichnet, daß pro
Erzeugniseinheit für jede Variante des Produktionsvollzugs besondere Plan kalkulationen erstellt werden. Die auf diese Weise ermittelten alternativen Grenz
kosten finden dann in den Zielfunktionen der Entscheidungsmodelle ihre Berück
sichtigung.544 Der wesentliche Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, daß die Zahl der Alternativen des Produktionsvollzugs und damit verbunden die Zahl der zu
ermittelnden Plankalkulationen unüberschaubar werden kann.545 Kennzeichen des zweiten Verfahrens ist, daß man neben den Endprodukten auch den möglichen Alternativen der Produktionsvollzugsplanung in der Zielfunktion und den Restriktionen linearer Programme Variablen zuordnet.
Für dieses Verfahren ist es allerdings notwendig, daß eine Zerlegung der Grenz selbstkosten in entscheidungsrelevante Kosten ersten und zweiten Grades vorge• . 546 nommen wird.
Unter relevanten Kosten ersten Grades versteht man jene Bestandteile der Grenz selbstkosten, „die nicht von den Entscheidungen der Produktionsvollzugsplanung ab
hängen.1,547 Hingegen sind die relevanten Kosten zweiten Grades jene Bestandteile der Grenzselbstkosten, „die zusätzlich von den Entscheidungen der Produktionsvoll
zugsplanung abhängen.1,548 Die hierfür erforderlichen Produktions- und Kostendaten werden durch Eliminierung der relevanten Kosten zweiten Grades von den Grenz
kosten ermittelt.549 Ferner erfordert dieses Verfahren, daß die relevanten Kosten
Vgl. Kilger [Planungsmodell 1979], S.92. Diese Unterscheidung geht ursprünglich auf Jacob zurück, der für diese Verfahren allerdings die Bezeichnungen „Lösungsansatz 1" und „Lösungsansatz 2“ wählte. Vgl. hierzu ausführlich Jacob [Produktionsplanung 1962], S.249.
Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180, und Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.24. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.168.
Vgl. Kilger [Planungsmodell 1979], S.92, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.108.
Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.25.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
116
zweiten Grades vor Aufstellung des Planungsmodells für jede Variante der Produktionsvollzugsplanung gesondert kalkuliert werden.550
Der Vorteil einer Zerlegung in relevante Kosten ersten und zweiten Grades liegt darin, daß die Zahl der Variablen gegenüber dem Verfahren der Alternativ
kalkulationen erheblich abnimmt.551 Allerdings ist auch zu berücksichtigen, daß die
Zahl der Restriktionen bei diesem Verfahren stark ansteigt.552
3.2.3.3 Kritik an der dynamischen Grenzplankostenrechnung Kilger verfolgte mit der Weiterentwicklung der Grenzplankostenrechnung zur
dynamischen Grenzplankostenrechnung im wesentlichen das Ziel, durch eine Ver feinerung der herkömmlichen Grenzplankostenrechnung die Wahrnehmung kosten
rechnerischer Aufgaben, insbesondere dispositiver Aufgaben, zu vervollkommnen.
Zwar gelingt dieses Vorhaben auch in weiten Teilen, jedoch erfüllt auch die
dynamische Grenzplankostenrechnung die Anforderungen an ein entscheidungs orientiertes Kostenrechnungssystem nicht ohne Einschränkungen.553 Dieser Umstand ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß eine derart differen
zierte Kostenplanung, wie sie die dynamische Grenzplankostenrechnung erfordert, nur für eine sehr begrenzte Anzahl von unterschiedlichen Fristigkeitsgraden prakti
kabel durchgeführt werden kann.554 Insbesondere ergeben sich Probleme bei der Zuordnung einzelner Entscheidungsprobleme zu bestimmten Fristigkeitsgraden.555
Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180, Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.26, und Kilger [Planungsmodell 1979], S.92. Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180, und Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.27.
Vgl. Kilger [Produktionsplanung 1973], S.180.
Kilger vertritt hingegen die Meinung, daß dieses Kostenrechnungssystem „den entscheidungs theoretischen Anforderungen an eine entscheidungsorientierte Kostenrechnung in nahezu ideal typischer Weise“ entspricht. Vgl. hierzu Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.113. Diese Beurteilung steht ferner in einem indirekten Widerspruch zu den vorherigen Beurteilungen Kilgers über die Eignung der Grenzplankostenrechnung hinsichtlich der Erfüllung dispositiver Aufgaben. Denn bereits dort schätzte er die Eignung der herkömmlichen Grenzplankostenrechnung bei der Wahrnehmung dispositiver Aufgabe als „hervorragend“ ein. Vgl. Kilger [Kostenrechnung 1976], S.68. Vgl. Kilger [Grenzplankostenrechnung 1976], S.39, Kilger [Probleme 1980], S.48, und Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.110.
Vgl. Brink [System 1978], S.576.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
117
Somit ist auch dieses Kostenrechnungssystem nicht in der Lage, jedem Entschei
dungsproblem die jeweils entscheidungsrelevanten Kosten zuzuordnen.
Dennoch
weist
die
dynamische
Grenzplankostenrechnung
gegenüber
der
herkömmlichen Grenzplankostenrechnung einige Vorteile auf. Ein wesentlicher Vor teil ist in der verbesserten Erfolgsermittlung und -analyse zu sehen. Weil die der
Erfolgsermittlung zugrunde liegende Plankalkulation an das aktuelle Preis- und Mengengerüst angepaßt werden muß, kommt es zu einer Verringerung der Kosten abweichungen und damit einhergehend auch zu einer Verminderung der mit der
Abweichungsrechnung verbundenen Ungenauigkeiten. Auch
die
Erfolgsanalyse
profitiert von der zunehmenden
Genauigkeit der
Erfolgsermittlung. Denn werden die Kostenabweichungen den aktualisierten Plan
kalkulationen gegenübergestellt, so können aktuelle Einflüsse der Kostenseite auf
die Erfolgsentwicklung deutlicher aufgezeigt werden als dies bei einem Vergleich zwischen Kostenabweichungen und jahresbezogenen Plankalkulationen der Fall ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß es für eine erfolgreiche Umsetzung der dynamischen Grenzplankostenrechnung, insbesondere im Hinblick auf die nach
unterschiedlichen Fristigkeitsgraden zu differenzierende Kostenplanung, noch der
Lösung vielfältiger theoretischer Probleme bedarf. 3.2.4 Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung
3.2.4.1 Grundlagen der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung Die von Agthe und Mellerowicz entwickelte stufenweise Fixkostendeckungs rechnung, die auch als mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung bezeichnet wird,556
556
Vgl. hierzu ausführlich Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.404ff., sowie Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.169ff. Vgl. aber auch Heitmann [Deckungsbeitragsrechnung 1980], S.179, Kilger [Plankostenrechnung 1980], S.41, Hummel /Mannel [Kostenrechnung II 1983], S.44, Lorson [Kostenmanagement 1993], S.92ff., Vikas [Kostenmanagement 1993], S.5, Männel [Kostenrechnung 1996], S.55f., Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.434ff., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.247ff.
118
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
stellt eine Weiterführung der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung dar.557 Durch
eine differenzierte Betrachtung der fixen Kosten wird versucht, die Aussagefähigkeit des Kostenrechnungssystems insbesondere in bezug auf die Elastizität der Unter
nehmungen gegenüber Schwankungen am Markt zu erhöhen.558 Ausgangspunkt der Überlegungen von Agthe und Mellerowicz war die Feststellung,
daß die fixen Kosten einen unterschiedlich hohen Grad an Verbundenheit gegenüber den einzelnen Produkten aufweisen.559 Daher schlagen sowohl Agthe als auch
Mellerowicz die Aufstellung einer nach der Erzeugnisnähe klassifizierten Bezugs größenhierarchie560 vor,561 wobei die Bezugsobjekte der oberen Ebenen jeweils die
Bezugsobjekte einer darunter liegenden Ebene beinhalten.562 Hinsichtlich der Strukturierung der Bezugsgrößenhierarchie bestehen zwischen
Agthe und Mellerowicz geringfügige Unterschiede. Während die von Agthe
Vgl. Krauss [Teilkostenrechnung 1976], S.33f., Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.174, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1995], S.53, Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31, Wöhe [Betriebswirtschaftslehre 1996], S.1317, Ehrmann [Kostenrechnung 1997], S.237, Plinke [Kostenrechnung 1997], S.237, und Horvath [Controlling 1998], S.461.
Im Gegensatz zu der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung bzw. dem Direct Costing findet die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung im türkischen Schrifttum nur geringe Beachtung. Als Begründung hierfür wird in den wenigen Beiträgen, die die stufenweise Fixkostendeckungs rechnung zum Gegenstand haben, deren geringe Praxisrelevanz angeführt. Vgl. hierzu Bursal [Finansal Konular 1976], S.323, Sürmeli [Sistem Yaklasimi 1977], S.119, Elmaci [Safha Maliyet 1992], S.71, Kücüksavas [Genei Muhasebe 1997], S.21f., und Kishali [Maliyet Muhasebesi 1999], S.105. 558
Vgl. Küpper [Teilkostenrechnung 1983], S.72f., und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.84.
559
Vgl. ausführlich Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254.
560
Neben der von Agthe/Mellerowicz nach der Erzeugnisnähe klassifizierten Bezugsgrößen hierarchie werden in der Literatur noch weitere Modelle diskutiert. Grundsätzlich kann bei diesen Modellen zwischen grob und detailliert untergliederten Hierarchien unterschieden werden. Ein Beispiel für eine detailliert untergliederte Hierarchie ist die Einteilung der Fixkosten in spezielle Fixkosten, die den Erzeugnis- und den Erzeugnisgruppenfixkosten nach Agthe/Mellerowicz gleichzustellen sind, und den allgemeinen Fixkosten, die den Kostenstellen-, Bereichs- und Unternehmensfixkosten entsprechen. Eine detailliert untergliederte Hierarchie könnte z.B. die Fixkosten für einzelne Produktionsprogramme berücksichtigen. Vgl. hierzu Schwarz [Kostenrechnung 1973], S.57.
561
Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, Krauss [Teilkostenrechnung 1976], S.34, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.84.
562
Vgl. Krauss [Teilkostenrechnung 1976], S.34, und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme_________________________________
119
konzipierte Bezugsgrößenhierarchie die Erzeugnisfixkosten, die Erzeugnisgruppen
fixkosten, die Bereichsfixkosten und die Unternehmensfixkosten als einzelne Stufen
umfaßt,563 enthält die von Mellerowicz entwickelte Bezugsgrößenhierarchie die Kostenstellenfixkosten als eine weitere - den Erzeugnisgruppenfixkosten überge
ordnete - Stufe.564 Diese Unterscheidung ist in erster Linie vor dem Hintergrund zu sehen, daß es in der Praxis häufig nicht möglich ist, den Fixkostenblock in fünf Schichten zu unterteilen
und daß dementsprechend manchmal nur mit zwei, drei oder vier Fixkostenschichten gerechnet wird.565 Die folgenden Erläuterungen beziehen sich aus Gründen der Vollständigkeit auf das
etwas detaillierter untergliederte Modell von Mellerowicz.
Die Erzeugnisfixkosten sind durch die Entwicklung, die Produktion oder den Vertrieb einer bestimmten Erzeugnisart verursacht worden und sind damit einer Erzeugnisart
direkt zurechenbar.566 Diese Kosten lassen sich zwar nicht einer einzelnen Einheit,
wohl aber der während einer Periode produzierten Gesamtstückzahl des jeweiligen Erzeugnisses zurechnen.567 Als Beispiele für Erzeugnisfixkosten können die Patent
kosten oder die Kosten für Spezialwerkzeuge, die nur bei der Herstellung eines
bestimmten Erzeugnisses verursacht werden, angeführt werden.568 Hingegen können die Erzeugnisgruppenfixkosten, zu denen beispielsweise die
Beratungskosten zählen, nicht mehr einem einzelnen Erzeugnis oder einer
Vgl. hierzu ausführlich Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.412. Vgl. ausführlich Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171. Vgl. aber auch Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Seicht [Entwicklung 1988], S.47, Männel [Kostenrechnung 1996], S.55, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.250. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.174. Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.210, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.736.
Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, und Weber [Rechnungswesen 1991], S.206. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, und Wolfstetter [Kostenrechnung 1997], S.161.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
12£L
Erzeugnisart zugerechnet werden. Sie müssen auf eine Erzeugnisgruppe verrechnet
werden.569 Bei den Kostenstellenfixkosten handelt es sich um fixe Kosten, die zwar nicht mehr
einer Erzeugnisart oder einer Erzeugnisgruppe, wohl aber einer Kostenstelle zu gerechnet werden können.570 Zu den Kostenstellenfixkosten, die unabhängig von
dem Kostenstellenausnutzungsgrad anfallen, gehören z.B. die Meisterlöhne und die Raumkosten.571
Bereichsfixkosten, die z.B. Verwaltungs-, Abteilungs- und Zwischenlagerkosten
umfassen, können zwar nicht den in den Produktionsbereichen oder Werken herge stellten Erzeugnissen, wohl aber den dazugehörigen Bereichen oder selbständigen
Werken zugerechnet werden.572 Die Bereichsfixkosten sind mithin einer Gruppe von Kostenstellen zurechenbar.573 Alle übrigen Kosten, die noch nicht verteilt worden sind, werden als Unternehmens
fixkosten bezeichnet.574 Zu den Unternehmensfixkosten können beispielsweise die Kosten der Unternehmensleitung oder die Kosten für die Betriebsüberwachung gezählt werden.575
Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.171, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.21 Of. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, Mayer et al. [Kostenrechnung 1997], S.216, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.736. Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.211, und Braunschweig [Kostenrechnung 1999], S.99.
Vgl. Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Michel/Torspecken [Kostenrechnung II 1986], S.156, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, Weber [Rechnungswesen 1991], S.206, und Wolfsstetter [Kostenrechnung 1997], S.162. Vgl. hierzu Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407. Vgl. aber auch Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.176, und Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.45f.
Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85, Moews [Kostenrechnung 1996], S.208, und Wolfsstetter [Kostenrechnung 1997], S.162. Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckung 1959], S.407, Mellerowicz [Kalkulationsverfahren 1977], S.172, Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.255, Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.177, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.250.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
121
Neben der Aufteilung des Fixkostenblocks nach dem Grad der Verbundenheit zu den
einzelnen Produkten schlägt Agthe eine Aufteilung nach dem Kriterium der
Ausgabenwirksamkeit576 vor.577 Diese Unterteilung hat das Ziel, die Zahlungsfähig keit der Unternehmung zu sichern.578 Als ausgabenwirksame Fixkosten bezeichnet
man diejenigen fixen Kosten, die kurzfristig zu Geldausgaben führen (z.B. Mieten und Gehälter). Die nicht ausgabenwirksamen Kosten sind dadurch gekennzeichnet,
daß sie Kosten enthalten, die aufschiebbar sind (z.B. Reparaturrückstellungen).579 In
der Regel unterscheidet man zwischen kurzfristig ausgabewirksamen, mittelfristig ausgabewirksamen, langfristig ausgabewirksamen und nicht ausgabewirksamen Fix-
kosten.
3.2.4.2 Vorgehensweise der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung
Im Gegensatz zu der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung, bei der zur Ermittlung des Nettoerfolges der gesamte Fixkostenblock von dem Deckungsbeitrag abge
zogen wird, werden bei der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung die diversen Fixkosten
stufenweise
subtrahiert.581
Als
Ergebnis
erhält
man
mehrere
Deckungsbeiträge, wie z.B. den Deckungsbeitrag, der durch eine Erzeugnisart erwirtschaftet wird.582
Die Möglichkeit einer zweifachen Unterscheidung wirft die Frage auf, welchem Kriterium in einer bestimmten Entscheidungssituation der Vorrang eingeräumt werden muß. In der Literatur herrschen bezüglich dieser Fragestellung sehr unterschiedliche Auffassungen. Während Agthe selbst dem Prinzip der Sicherheit den Vorrang einräumt, verweist Munzel darauf, daß die Beant wortung der Frage nach der Vorrangigkeit der Prinzipien von der Liquiditätssituation in der Unternehmung abhängig gemacht werden muß. 577
Vgl. hierzu ausführlich Agthe [Fixkostendeckungsrechnung 1959], S.410. Vgl. aber auch Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694L, Peterek [Fixkostendeckungsrechnung 1967], S.48f., Lorson [Kostenmanagement 1993], S.94, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.197, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.288.
578
Vgl. hierzu Agthe [Fixkostendeckungsrechnung 1959], S.410. Vgl. auch Hummel/Männel
579
Vgl. Koeder/Schmorleiz [Fixkostendeckungsrechnung 1978], S.254.
580
Vgl. Agthe [Stufenweise Fixkostendeckungsrechnung 1959], S.411, Massig [Kostenrechnung 1975], 46f., und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.255.
581
Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.46, Hahn [Kostenrechnung 1992], S.159, Weber [Controlling 1995], S.184, Breid [Kostenrechnung 1996], S.55, und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31.
582
Vgl. Fischer [Kostenmanagement 1993], S.232, Männel [Deckungsbeitragsrechnungen 1993], Sp.733f., und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.31.
[Kostenrechnung II 1983], S.48, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.215.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
122.
Zur Ermittlung des Nettoergebnisses der Unternehmung werden zunächst die variablen Kosten des Vertriebs und der Fertigung vom Erlös subtrahiert.583 Von dem dann verbleibenden Bruttoergebnis (Deckungsbeitrag der Stufe I) müssen die
Erzeugnisfixkosten abgezogen werden. Nach Abzug der Erzeugnisfixkosten ver
bleiben Überschüsse (Deckungsbeitrag der Stufe II), die zur Deckung der Erzeugnis
gruppenfixkosten herangezogen werden.584 Mit den aus den Differenzen ent stehenden Deckungsbeiträgen (Deckungsbeitrag der Stufe III) müssen sämtliche
Kostenstellenfixkosten abgegolten werden. Als Ergebnis erhält man die Bereichsdeckungsbeiträge (Deckungsbeitrag der Stufe
IV), die insgesamt sämtliche Bereichsfixkosten decken müssen.
Auf der letzten Stufe der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung wird das Residuum der Deckungsbeiträge um die zuvor nicht zurechenbaren Fixkosten ver
mindert.585 Das Endergebnis stellt den Reingewinn der Unternehmung dar.586
Neben dem hier beschriebenen Verfahren, das in der Literatur als retrograde Kalkulation bezeichnet wird, gibt es noch die Möglichkeit der Durchführung einer
progressiven Kalkulation. Bei der progressiven Kalkulation handelt es sich um eine Stückkostenrechnung, die
der Ermittlung des Angebotspreises dient.587 Von den Einzelkosten ausgehend werden über mehrere Fixkostenzuschläge, die im Rahmen der Betriebsergebnis
rechnung der Vorperiode ermittelt wurden, die Vollkosten ermittelt. Durch Hinzu rechnen des Gewinnzuschlags ergibt sich in einem weiteren Schritt der Selbst kostenpreis.588
Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, und Mellerowicz [Kostenrechnung II 1980], S.177. 584
Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85
585
Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, und Scherrer [Kostenrechnung 1991], S.85.
586
Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.694, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.195,
587
Vgl. Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.48, Seicht [Kostenrechnung 1997], S.253, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.253.
588
Vgl. hierzu ausführlich Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.253.
und Moews [Kostenrechnung 1996], S.208.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
423
Die progressive Kalkulation der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung liefert im Vergleich zur einfachen Deckungsbeitragsrechnung exaktere und aussagefähigere Ergebnisse. Dennoch stellt dieses Kalkulationsverfahren einen Rückschritt dar, da
auf die Prinzipien der herkömmlichen Vollkostenrechnung zurückgegriffen wird und entsprechend auch deren Mängel für dieses Kalkulationsverfahren mit übernommen
werden.589 Daher wird bei der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung in der Regel auf die retrograde Kalkulation zurückgegriffen.
3.2.4.3 Kritische Beurteilung der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung Die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung stellt einen erheblichen Fortschritt
gegenüber der traditionellen Grenzkostenrechnung dar. Durch die stufenweise Auf spaltung des gesamten Fixkostenblocks kann viel deutlicher erkannt werden, ob der je Erzeugnisart, Erzeugnisgruppe, Kostenstelle oder Bereich erzielte Deckungs
beitrag die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft rechtfertigt.590 Die absolute Höhe eines Deckungsbeitrages in einer Abrechnungsperiode gibt somit Aufschluß
darüber, inwieweit sie zur Deckung der allgemeinen Fixkosten und zum Gewinn
beitragen.591 Auf diese Weise ist es möglich, durch Einstellung der Fertigung eines bestimmten Erzeugnisses oder einer Erzeugnisgruppe bzw. durch Einstellung der
Fertigung in einer bestimmten Kostenstelle oder in einem Bereich, zu vermeiden, daß eben diese Kosten erneut anfallen.592 Dies würde auf lange Sicht die Ermittlung der abbaubaren Kapazitäts- und Bereitschaftskosten ermöglichen. Dies wäre als Informationsgrundlage für mittel- bis langfristig ausgerichtete Entscheidungen sehr
hilfreich.593 Ein solches Vorgehen setzt aber eine Aufspaltung in kurz-, mittel- und
langfristig liquidierbare fixe Kosten voraus.594
Vgl. hierzu Seicht [Kostenrechnung 1997], S.253, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.737.
Vgl. Agthe [Fixkostendeckung 1959], S.744, Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.697, Heinrich [Deckungsbeitragsrechnung 1989], S.14, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.212. Vgl. Männel [Fixkostenbeiträge 1967], S.766, Fischer [Kostenmanagement 1993], S.232, und Eisele [Rechnungswesen 1999], S.738.
Vgl. Agthe [Fixkostendeckung 1959], S.744, Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.699, und Mensch [Fixkostendeckungsrechnung 1996], S.32. Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.699, Hummel/Männel [Kostenrechnung II 1983], S.47, und Fischer [Kostenmanagement 1993], S.232. Vgl. Seicht [Grenzkostenrechnung 1963], S.699.
124
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
Anstatt aber eine
solche
Unterscheidung
vorzunehmen,
differenziert Agthe
zusätzlich zwischen ausgabewirksamen und nicht ausgabewirksamen fixen Kosten.
Dadurch wird die Möglichkeit einer praktischen Umsetzung erheblich einge schränkt.595 Aber selbst wenn eine derartige Differenzierung vorliegen würde, so
wäre die Eignung der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung für langfristig ausgerichtete Entscheidungen, wie z.B. für Investitions- oder Desinvestitionsent
scheidungen, sehr fraglich,596 da dieses Kostenrechnungssystem nur einperiodische, statische Vorteilsvergleiche ermöglicht.597 Ein Kostenrechnungssystem, das hin
gegen auch als Informationsgrundlage für langfristig ausgerichtete Entscheidungen
dienen soll, müßte vielmehr dynamischer Natur sein und strategische Aspekte, wie z.B. Verbundeffekte, Lebenszyklen, Marktverhältnisse und Erfolgspotentiale, berück
sichtigen.598
Das wesentliche Problem der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung ist in bezug auf die praktische Umsetzbarkeit in der unklaren und damit unscharfen Trennung
von fixen und variablen Kosten zu sehen.599 In den letzten Jahren sind aufgrund der Kritik an den traditionellen Kostenrech nungssystemen verschiedene neue Kostenrechnungssysteme entwickelt worden.
Wir konzentrieren uns in dieser Arbeit auf die Prozeßkostenrechnung.
Die Differenzierung der Fixkosten nach ihrer Ausgabewirksamkeit erscheint nicht sehr sinnvoll, da Rentabilitäts- und Liquiditätsgesichtspunkte miteinander vermischt werden. Die Sicherung der Liquidität ist aber eine Aufgabe, die die Unternehmung als Ganzes betrifft und die nur durch eine darauf abzielende Planung und Kontrolle der Kapitalverwendung sowie der Einnahmen und Ausgaben zu gewährleisten ist. Daher macht es keinen Sinn, die Kostenrechnung durch das Erfordernis eines getrennten Ausweises von Deckungsbeiträgen für ausgabenwirksame und für nicht ausgabenwirksame Kosten zusätzlich zu belasten. Vgl. ausführlich Wille [Fixkostendeckung 1959], S.740. Vgl.aberauch Hummel/Männel [Kostenrechnung I11983], S.48.
Vgl. Briese [Entscheidungsprozeß 1971], S.82f., und Fischer [Kostenmanagement 1993], S.233. Vgl. Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.257.
Vgl. Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.45, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.257. Vgl. Maurer [Probleme 1978], S.43f., Isermann [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.176, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.257.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
125
3.3 Prozeßkostenrechnung als neueres Kostenrechnungssystem 3.3.1 Grundlagen der Prozeßkostenrechnung
Mitte der 80er Jahre wurde von den amerikanischen Autoren Miller und Vollmann im Rahmen einer Studie herausgefunden, daß eine steigende Tendenz der Gemein
kostenanteile in den indirekt produktiven Bereichen zu verzeichnen ist. Weiterhin wurde festgestellt, daß dieser Trend ein zunehmendes Problem bei der verur
sachungsgerechten Zuordnung der Kosten auf die Kostenträger darstellt.600
Aufgrund dieser besonderen Entwicklungen, die zu einer Veränderung in der Kosten struktur führten und heute immer noch führen, sind neue Anforderungen sowohl an die Kostenrechnungssysteme als auch an das Kostenmanagement zu stellen.601
In Deutschland konnte ebenfalls eine vergleichbare Tendenz in der Kostenent wicklung festgestellt werden.602 Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich,
daß die ersten Ansätze zur Realisierung eines kontinuierlichen Kostenmanagements in den indirekt produktiven Bereichen aus der Praxis kamen.
Eine von Miller und Vollmann im Jahre 1985 veröffentlichte Studie ließ in der amerikanischen Industrie erkennen, daß die Gemeinkosten bezogen auf die Nettowertschöpfung und Fertigungs kosten seit mehr als 100 Jahren stetig angestiegen sind, während zeitgleich die Bestandteile der Einzelkosten überproportional sanken. Vgl. hierzu ausführlich Miller/Vollmann [Factory 1985], S.143. Vgl. aber auch Pfohl/Stölzle [Prozeßkostenrechnung 1991], S.1282, Reckenfelderbäumer [Prozeßkostenrechnung 1994], S.9, Kajüter [Prozeßkostenrechnung 1997], S.217, und Coenenberg [Kostenrechnung 1999], S.221.
Gründe für diese Kostenentwicklung sind in zunehmendem Maße die Globalisierung der Märkte, die Industrialisierung der asiatischen Schwellenländer, die Verstärkung der modernen Informationstechnologien sowie die Vielzahl von Rationalisierungsmaßnahmen in der Produktion. Vgl. hierzu Hitschler [Budgeting 1990], S.287, Horväth/Renner [Prozeßkostenrechnung 1990], S.100, Olshagen [Prozeßkostenrechnung 1991], S.25, Männel [Unternehmensstrukturen 1992], S.113, Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.217, Braun [Prozeßkostenrechnung 1996], S.IOff., Ebert [Kostenrechnung 1997], S.159, Koch [Kostenrechnung 1997], S.195, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.5, Quervain/Zoller [Prozeßkostenrechnung 1998], S.183, und Salchli/Gehrke [Entscheidungsqualität 1998], S.117.
Vgl. hierzu Mayer [Prozeßkostenrechnung 1990], S.74, Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1995], S.59, Muff [Prozeßkostenrechnung 1995], S.416f., Rau/Schmidt [Prozeßkostenrechnung 1995], S.177, Weber [Prozeßkostenrechnung 1995], S.27, Wallmeier [Prozeßkostenrechnung 1996], S.219, und Remer [Prozesskostenrechnung 1997], S.9.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
126
Bereits Mitte der 70er Jahre hatten die Firmen Siemens und Schlafhorst erkannt,
daß der Gemeinkosten-block von Aktivitäten, Prozessen und Transaktionen beeinflußt wird.603
Auf dieser Grundlage wurden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, eine prozeßund vollkostenorientierte Kosten- und Leistungsrechnung auf der Basis wieder kehrender Handlungen aufzubauen.604 Um eine verursachungsgerechte Verrechnung der anfallenden Gemeinkosten in den
indirekten Bereichen zu erzielen, kam es im US-amerikanischen Raum zur Entwick
lung des sogenannten ABC-Costing.605 Anschließend an die ersten Veröffentlichungen in den Vereinigten Staaten griffen insbesondere Horvath und Mayer diese Thematik in Deutschland auf.606 Seither hat
die Prozeßkostenrechnung in der wissenschaftlichen Diskussion des
603
Die ersten praktischen Ansätze zur Entwicklung eines Gemeinkostenmanagements wurden von Siemens bereits 1975 und bei Schlafhorst Anfang der 80er Jahre in einem Workshop untersucht. Ziel war es, eine aktivitätsorientierte Kostenrechnung zu konzipieren. Vgl. hierzu ausführlich Siemens AG [Kostenrechnung 1986], Vgl. hierzu auch Picot [Rationalisierung 1979], S.1145ff., Gaitanides [Verwaltungsleistungen 1980], S.680ff., Picot/Rischmüller [Verwaltungskosten 1981], S.331ff., Wäscher [Management 1987], S.297ff., und Ziegler [Kostenrechnung 1992], S.304ff.
604
605
Vgl. hierzu Miller/Vollmann [Factory 1985], S.142ff., Mayer [Prozeßkostenrechnung 1990], S.307, Pfohl/Stölzle [Prozeßkostenrechnung 1991], S.1283, und Kloock [Deckungsbeitragsrechnung 1993], S.56.
Die Abkürzung ABC steht für Activity Based Costing und bedeutet so viel wie aktivitätsorientierte
Kostenrechnung. Vgl. hierzu Cooper [System 1989], S.77ff., Cooper [Aktivity-Based Costing 1990a], S.210ff., Kloock [Prozeßkostenrechnung 1992], S.184, Bromwich [Activity Based Costing 1994], S.168, Ness/Cucuzza [ABC 1995], S.130ff., Graf [Qualitätskostenrechnung 1997], S.81f., Jehle et al. [Gemeinkostenmanagement 1997], S.273ff., Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.5, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.218, Kaplan/Cooper [Cost Effect 1998], S.79ff., und Krumwiede [ABC 1998], S.32ff. 606
Vgl. Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.214ff.
Demgegenüber findet die Prozeßkostenrechnung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei erst in jüngster Vergangenheit vereinzelt Beachtung. Die Praxisrelevanz der Prozeß kostenrechnung für türkische Unternehmen wird jedoch aufgrund ihres hohen Komplexitätsgrads einheitlich angezweifelt. Vgl. hierzu Banar [Maliyet Muhasebesi 1992], S.186, Ipci [Maliyet Muhasebesi 1994], S.117f., Akinci [Maliyet Muhasebesi 1995], S.68, Cankaya [Tekdüzen Muhasebe 1995], S.124f., Ayanoglu [Maliyet Sistemi 1996], S.75, Gündüz [Maliyet Yöntemi 1996], S.211f., Gürsoy [Yönetim 1997], S.164, Hacirüstemoglu [Maliyet Sistemi 1997], S.34, Kartal [Maliyet Muhasebesi 1997], S.219, Sakrak [Maliyet Yönetimi 1997], S.151, und Sevgener [Yönetim Muhasebesi 1998], S.132f.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
127
deutschsprachigen Raumes eine äußerst differenzierte Beurteilung erfahren.607
Mitverantwortlich für diesen Umstand ist die oft unterschiedliche Darstellung ihrer Konzeption und ihres Rechnungsaufbaus.608
In der Vergangenheit wurde das ABC-Costing häufig mit der im deutschsprachigen Raum entworfenen Prozeßkostenrechnung verglichen. Jedoch sind die Ausprä
gungen beider Systeme unterschiedlich.609 Einerseits bezieht das ABC-Costing nicht alle Einzelkosten, die in den indirekten Bereichen anfallen, in die Verrechnung mit ein. Andererseits zielt das System
vornehmlich auf die Gemeinkosten (overhead costs) im Fertigungsbereich ab.610 Mithin besteht beim ABC-Costing eine klare Ausrichtung auf eine Kostenstellen
rechnung in den begleitenden Fertigungsstufen.611 Das Erfordernis, in den begleitenden Fertigungsstufen eine höhere Kostentrans
parenz zu erhalten und ein Kostenmanagement einzurichten, wurde im deutsch
sprachigen Raum frühzeitig erkannt und bereits mit dem leistungsfähigen Plan kostenrechnungssystem von Plaut und Kilger realisiert.612
Auf der Grundlage des ABC-Costing und der Erfahrungen aus der Praxis wurde ein Kostenrechnungssystem entwickelt, das den spezifischen Anforderungen des
Vgl. Herzog [Entwicklungen 1989], S.325, Franz [Prozeßkostenrechnung 1991], S.536ff., Reichmann/Fröhling [Prozeßkostenrechnung 1993], S.63f., Schildbach [Vollkostenrechnung 1993], S.345, Vikas [Kostenmanagement 1993], S.284f., Altenburger [Prozeßkostenrechnung 1994], S.697ff., und Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.6. 608
Vgl. ausführlich Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.152ff.
609
Vgl. hierzu Cooper [Aktivity-Based Costing 1990b], S.271 ff., Brühl [Prozeßkostenrechnung 1992], S.73, Cooper [Aktivity-Based Costing 1992], S.360ff., Lorson [Prozeßkostenrechnung 1992], S.7f., Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1993], S.15, Reich [Kosteninformation 1995], S.125, Cokins [Aktivity Based Costing 1997], S.38ff., Jehle et al. [Gemeinkostenmanagement 1997], S.276f., Gaiser [Activity Based Costing 1998], S.67, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.5f., und Hintze/Michel [Prozeßkostenmanagement 1998], S.317f.
610
Vgl. hierzu ausführlich Cooper [Activity-Based-Costing 1988a], S.41 ff., Cooper [Activity-Based
Cost 1988b], S.45ff., und Geihecker [New Technologies 1996], S.42ff. Vgl. aber auch Scheer et al. [Kostenmanagement 1995], S.90f., und Gaiser [Activity Based Costing 1998], S.70.
611
Vgl. Cooper/Kaplan [Measure Costs 1988], S.96 ff., und Gaiser [Activity Based Costing 1998],
612
Vgl. hierzu ausführlich Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1993], S.15.
S.71.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
128
deutschen innerbetrieblichen Rechnungswesens entsprechen sollte.613 Wesentliche Zielsetzung der Prozeßkostenrechnung ist dabei stets, die Kostentransparenz in den
indirekten Leistungsbereichen des Unternehmens zu erhöhen.614
Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird die Prozeßkostenrechnung in ihrer Funktionsweise vorgestellt sowie deren Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt und kritisch hinterfragt.
3.3.2 Funktionsweise der Prozeßkostenrechnung Die Prozeßkostenrechnung basiert auf der Überlegung, daß für die Erstellung eines
Produkts oder für das Angebot einer Dienstleistung innerhalb des Unternehmens eine Vielzahl von Transaktionen erforderlich sind.615 Bei der Prozeßkostenrechnung handelt es sich nicht um ein neu entwickeltes
Kostenrechnungssystem. Vielmehr werden die Kostenarten-, Kostenstellen-616 und
Kostenträgerrechnung als traditionelle Elemente der Kostenrechnung in einer neuartigen Form miteinander verbunden.617
613
Verschiedene Autoren sehen im Begriff „Prozeßkostenrechnung“ nur eine Übersetzung des US-
amerikanischen ABC-Costing. Vgl. hierzu Fröhling [Prozeßkostenrechnung 1989], S.67, Schulte [Produzieren 1989], S.63ff., Faulhaber/Schulten [Gemeinkostenmanagement 1989], S.16, und Schönfeld/Möller [Kostenrechnung 1995], S.217ff. 614
615
Vgl. Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.216, Me Nair [Accounting 1990], S.21, Männel [Bedeutung 1992], S.291, Cervellini [Gemeinkostenmanagement 1994], S.67, Freidank [Prozeßkostenrechnung 1994], S.234, Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.143f., Kaluza [Kostenmanagement 1994], S.397, Burger [Kostenmanagement 1995], S.159, Männel [Aufgabenfelder 1995], S.33, Reich [Kosteninformation 1995], S.125, Seeger [Prozeßkostenrechnung 1996], S.103, Ewert/Wagenhofer [Interne Unternehmensrechnung 1997], S.279f., Welge/Amshoff [Kostenrechnung 1997], S.74, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.6, und Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.323f. Vgl. Fröhling/Krause [Management 1990], S.224, Biel [Prozeßkostenrechnung 1991], S.86, und
Rau/Rüd [Prozeßkostenrechnung 1991], S.14. 616
In der Prozeßkostenrechnung wird für die Kostenstellenrechnung häufig auch der Terminus
Kostenprozeßrechnung verwendet. Vgl. hierzu Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.146, Graf [Qualitätskostenrechnung 1997], S.105, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.37, und Kremin-Buch [Strategisches Kostenmanagement 1998], S.34. 617
Vgl. Mayer [Prozeßkostenrechnung 1990], S.75, Biel [Prozeßkostenrechnung 1991], S.85, Rau/Rüd [Prozeßkostenrechnung 1991], S.13, Betz [Gemeinkostencontrolling 1995], S.135, und Witt [Prozeßgrundrechnung 1995], S.31.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
122
Die im Rahmen der Kostenartenrechnung gewonnenen Daten und Informationen dienen hierbei als Grundlage für die Weiterverrechnung auf die Orte der Kostenent
stehung. Dabei kommt es zu einer Neuauslegung der ermittelten Kostenarten in den Kostenstellen.618 Demgegenüber erfolgt in der traditionellen Kostenstellenrechnung
eine differenzierte Gliederung619, um einen möglichst hohen Grad an verursachungs gerechter Verrechnung der Kosten sicherzustellen.620
Im Rahmen der Prozeßkostenstellenrechnung erfolgt aufgrund des angestrebten
Tätigkeitsbezugs eine aktivitätsorientierte Kostenausrichtung. Dies bedeutet, daß die gesamten Kosten der jeweils betrachteten Kostenstelle, vornehmlich in den indi rekten Wertschöpfungsbereichen, auf die dort ablaufenden Tätigkeiten, Handlungen
und Prozesse bezogen werden. Dabei konzentriert man sich auf solche Aktivitäten,
die sowohl operational als auch wiederholt meßbar sind.621 Diese Tätigkeiten umfassen Vorgänge, die mit dem Verzehr der eingesetzten Produktionsfaktoren verbunden sind. Eine Begrenzung auf ausschließlich physische Tätigkeiten erfolgt prinzipiell nicht. Zudem findet durch die Verrechnung kalkula
torischer Abschreibungen oder kalkulatorischer Zinsen auch eine Berücksichtigung wertbezogener Prozesse statt. Um die anfallenden Kosten in der jeweils betrachteten Kostenstelle den dort
ablaufenden Prozessen zuordnen zu können, bedarf es einer detaillierten Tätigkeits-
Vgl. hierzu Männel [Prozeßkostenrechnung 1993], S.1. Hierbei handelt es sich um eine ausführliche Darstellung aller anfallenden Kostenarten in der jeweils betrachteten Kostenstelle.
Vgl. hierzu nochmals ausführlich Gliederungspunkt 2.1.4.2. Vgl. Striening [Prozeß-Management 1988], S.36, Witt/Witt [Aktivitätscontrolling 1990], S.35f., und Coenenberg/Fischer [Prozeßkostenrechnung 1991], S.25.
130
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
analyse.622 Mit Hilfe der Tätigkeitsanalyse sind innerhalb jeder Kostenstelle die Aktivitäten in Teilprozesse zu zerlegen. Diese Teilprozesse spiegeln die Grundlage
der finalen Kostenverursachung wider. Ein Teilprozeß wird als die kleinstmögliche Einheit, für die Kosten und Zeiten erfaßt werden können, verstanden. Entsprechend
erhält nicht jede wiederkehrende Tätigkeit den Status eines Teilprozesses. Existiert
zwischen verschiedenen Transaktionen ein kausaler Zusammenhang, so erfolgt eine
Zusammenfassung dieser Aktivitäten zu einem Teilprozeß. Hauptprozesse dagegen zeichnen sich durch ihren kostenstellenübergreifenden Charakter aus. Sie bestehen entweder aus einem einzigen Teilprozeß, mehreren Teilprozessen derselben Kostenstelle oder mehreren Teilprozessen verschiedener Kostenstellen. Demzufolge bezeichnet man auf Kostenstellenebene die repetitiven Handlungen als Teilprozesse
und die Verdichtung623 verschiedener Teilprozesse, die sowohl in einer Kostenstelle als auch übergreifend anfallen können, als Hauptprozesse.624 In der Prozeßkostenrechnung sind aufgrund des kostenstellenübergreifenden
Charakters zwei wesentliche Prozessarten zu unterscheiden.625 Teilprozesse, deren
Bei den Analysen handelt es sich überwiegend um arbeitswissenschaftliche Studien, die eine zeitliche Messung und eine Quantifizierung der einzelnen ablaufenden Tätigkeiten ermöglichen sollen. Im besonderen sind hier die REFA-Studien und die Master-Clerical-Data-Verfahren zu nennen. Zur weiteren Vertiefung dieses Sachverhalts vgl. Bender [Personalbemessung 1980], S.85ff., Berkau [Prozesskostenmanagement 1995], S.112f., Betz [Gemeinkostencontrolling 1995], S.136, und Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.7. Vgl. hierzu auch weiterführend Finkheißen et al. [Prozeßanalyse 1996], S.58ff., und Rümmelin et al. [Prozeßkostenmanagement 1998], S.140f. Häufig findet im betriebswirtschaftlichen Schrifttum anstelle der Bezeichnung „Tätigkeitsanalyse“ auch der Begriff „Prozeßanalyse" Anwendung. Vgl. hierzu Fröhling [Kostenmanagement 1994], S.1149, Braun [Prozeßkostenrechnung 1996], S.41, Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.262, Ebert [Kostenrechnung 1997], S.160, Guldin/Neugebauer [Prozeßkostenmanagement 1998], S.331, Müller/Benz [Qualitätscontrolling 1998], S.175, Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.348, und Waibel/Werner [Prozeßoptimierung 1998], S.227. 623
Bei der Konsolidierung der Teilprozesse handelt es sich um eine sachlogische Verknüpfung eines kostenstellenübergreifenden Geschäftsprozesses, der als solcher nicht trennbar ist und nur für die anfallende Analyse und Kontrolle sukzessiv betrachtet wird.
624
Vgl. Männel [Kostenmanagement 1992], S.341, Freidank [Prozeßkostenrechnung 1993], S.390,
Fröhling [Kostenmanagement 1994], S.149, Kaluza [Kostenmanagement 1994], S.397, Schauenberg [Prozeßkostenrechnung 1994], S.221, Kajüter [Prozeßkostenrechnung 1997], S.222, und Hardt [Kostenmanagement 1998], S.229. 625
Vgl. Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.216, Olshagen [Prozeßkostenrechnung 1991], S.38ff., Scherrer [Kostenkontrolle 1994], S.595, Brühl [Prozeßkostenrechnung 1995], S.75, Reich [Kosteninformation 1995], S.134, Gaiser [Activity Based Costing 1998], S.72, Glaser [Deckungsbeitragsrechnung 1998], S.8, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.223, und Mayer [Prozeßkostenrechnung 1998], S.12f.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
131
Umfang sich arbeitsvolumenabhängig zum Leistungsoutput der Kostenstelle verhält,
werden leistungsmengeninduziert (Imi) genannt. Fallen Aktivitäten in einer zu
analysierenden Kostenstelle an, die nicht der Leistung zuzuordnen sind und sich
demnach zum Leistungspotential der Kostenstelle indifferent verhalten, bezeichnet man sie als leistungsmengenneutrale (Imn) Kosten.626 Die Abstufungen und Zu sammenfassungen unterschiedlicher Haupt- und Teilprozesse sind als Prozeß
hierarchie definiert.627 Für die leistungsmengeninduzierten Prozesse sind im Rahmen einer Bezugs größenauswahl kostenverursachende Einflußgrößen zu bestimmen.628 Sie sind
Bezugsgrößen zur Quantifizierung des arbeitsvolumenbezogenen Outputs und Aus
druck der Kostenentstehung. Diese Bezugsgrößen werden sowohl für Teil- als auch für Hauptprozesse gebildet. Auf Kostenstellenebene bezeichnet man sie als Prozeß größen629, bei den Hauptprozessen als Cost-Driver (Kosteneinflußgrößen). Die Ermittlung der Prozeßkostensätze setzt vorab die Bestimmung der Planprozeß
mengen voraus.630 Unter einer Prozeßmenge wird die aus einem Prozeß hervor gehende meßbare Leistung verstanden. Die Festlegung der Prozeßmenge konzen
Die Bezeichnungen leistungsmengenneutral (Imn) und leistungsmengeninduziert (Imi) wurden von Horväth und Mayer geprägt. Vgl. hierzu ausführlich Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.216.
Typische leistungsmengenneutrale Tätigkeiten sind im besonderen innovativer und dispositiver Natur, wie beispielsweise die Leitung und Steuerung einer Abteilung. Sie stellen die Grundlast der Kostenstelle dar. Es ist im besonderen darauf hinzuweisen, daß die Imi- sowie die ImnKosten nicht mit den Begriffen variable bzw. proportionale und fixe Kosten der Ist-, Normal- oder Plankostenrechnung gleichgesetzt werden dürfen, da die Prozeßkostenrechnung auf die Variation der Kosten durch das Tätigkeitsvolumen und nicht auf die zeitliche Veränderung der Gemeinkosten abzielt. Vgl. hierzu Ahlert/Franz [Kostenrechnung 1992], S.229f., und Müller [Prozeßkostenrechnung 1992], S.54. Die Bestimmung der kostenverursachenden Einflußgrößen in der Prozeßkostenrechnung weist deutliche Parallelen zur Ermittlung der Bezugsgrößen in der Plankostenrechnung auf. So ist es beispielsweise denkbar, daß in einigen Bereichen vergleichbare Bezugsgrößen, wie z.B. „Anzahl Rechnungen“ oder „Anzahl bearbeiteter Kundenaufträge“, zur Anwendung kommen. Vgl. hierzu ausführlich Kilger [Plankostenrechnung 1993], S.327. Vgl. auch Glaser [Prozeßkostenrechnung 1996], S.28. Im Schrifttum findet sich keine einheitliche Begriffsbestimmung; weitere Synonyme sind Bezugs größe und Maßgröße.
Vgl. hierzu Horväth/Mayer [Prozeßkostenrechnung 1989], S.217, Glaser [Prozeßkostenrechnung 1992], S.279f., Müller [Gemeinkosten-Management 1992], S.104, Friedl [Prozeßkostenrechnung 1994], S.149, Bauer [Prozeßkostenrechnung 1996], S.282, Sahl [Prozeßkostenrechnung 1998], S.152, sowie Schweitzer/Küpper [Systeme 1998], S.340.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
132.
triert sich auf meßbare Tätigkeitsabfolgen und beschränkt sich somit auf Imi-
Prozesse. Durch Division der Imi-Prozeßkosten durch die Prozeßmengen ergibt sich der Imi-Prozeßkostensatz (PKSlmi).631 Damit der Anspruch einer Vollkostenrechnung
bestehen bleibt, ist es notwendig, daß die Imn-Kosten in dem Prozeßkostensatz berücksichtigt werden. Dies wird erreicht, indem eine sogenannte Umlage der an
fallenden Imn-Kosten auf die jeweilige Intensität der Teilprozesse vollzogen wird.632 Der jeweilige Prozeßkostensatz setzt sich einerseits aus einem leistungsmengen
induzierten Bestandteil und andererseits aus einem leistungsmengenneutralen Be standteil zusammen. Er dient zur Kostenkontrolle, zur Bildung von Kennzahlen sowie zur verursachungsgerechten Verrechnung der Gemeinkosten innerhalb der Kosten
trägerstückrechnung. 633 Des weiteren verdeutlicht der Prozeßkostensatz, welche
Gemeinkosten für die einmalige Ausführung des Vorgangs anfallen. Aufgrund dieser Informationen können die Prozeßkosten entsprechend auf die Kostenträger verrechnet werden. 3.3.3 Kritische Beurteilung der Prozeßkostenrechnung
Die veränderten Kostenstrukturen verdeutlichen die Notwendigkeit, ein Kosten
rechnungssystem zu erarbeiten, das sowohl Einzel- als auch Gemeinkosten in
angemessener Weise berücksichtigt. Die Anwendung der Prozeßkostenrechnung bietet die Möglichkeit, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Bei der Konzeption der Prozeßkostenrechnung wurde bewußt eine aktivitätsorien
tierte Sichtweise gewählt, um Kosteneinflußgrößen in den Gemeinkostenbereichen
Vgl. Holzwarth [Prozeßkostenrechnung 1990], S.369f., Freidank [Prozeßkostenrechnung 1993], S.390, Glaser [Prozeßkostenrechnung 1993], Sp.1646, Betz [Gemeinkostencontrolling 1995], S.136, Hardt [Kostenmanagement 1998], S.226, Pinnekamp [Kostenrechnung 1998], S.351, und Stelling [Prozeßkostenrechnung 1998], S.11.
Hierbei handelt es sich um eine Möglichkeit, die anfallenden Imn-Kosten auf die Teilprozesse zu verrechnen. Die Imn-Kostenbetrachtung in der hier beschriebenen Variante bezieht sich unmittelbar auf die jeweilige Kostenstelle, dadurch entsteht ein höherer inhaltlicher Bezug bei der Verrechnung bzw. Verteilung der Imn-Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Coenenberg/Fischer [Prozeßkostenrechnung 1991], S.30, Strecker [Prozeßkostenrechnung 1991], S.42ff., und Ziegler [Kostenrechnung 1992], S.307f. Vgl. hierzu auch kritisch Kloock [Prozeßkostenrechnung 1992], S.237ff. Vgl. Franz [Prozeßkostenrechnung 1990], S.127, und Friedl [Prozeßkostenrechnung 1995], S.112f.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
123
bestimmen zu können.634 Befürworter dieser Verrechnungsart heben vor allem her
vor, daß durch die tätigkeitsorientierte Systemkonstellation eine strategische Kalkula tion erfolgen kann. Im Unterschied zu der traditionellen Teilkostenrechnung, die nur kurzfristige Entscheidungen ermöglicht, werden bei der Prozeßkostenrechnung, die
eine Vollkostenrechnung darstellt, langfristige Fragestellungen in die Kalkulation eingebunden.635 Hier liegt auch der besondere Vorteil der Prozeßkostenrechnung
begründet, da gegenüber der traditionellen Kostenrechnung auf eine globale Zuschlagskalkulation verzichtet wird. Mit Hilfe von Prozeßkostensätzen erfolgt keine
Umlagen der Gemeinkosten auf beispielsweise Maschinen- oder Lohnstunden. Des
halb findet mit den errechneten Sätzen eine denkbar genaue und verursachungs gerechte Zuordnung der Gemeinkosten für die nicht wertschöpfenden Leistungen
auf Kostenträger statt. Die Prozeßkostenrechnung besitzt demgemäß einen höheren
strategischen Charakter als die traditionelle Kostenträgerstückrechnung auf Teil kostenbasis.636
Zudem erscheint durch die Ausrichtung auf durchgängige Prozeßstrukturen die Möglichkeit gegeben, sowohl die fixen als auch variablen Gemeinkostenbestandteile
in die Planung, Steuerung und Kontrolle einzubeziehen. Dies bleibt den anderen
Vollkostenrechnungssystemen versagt. Erst durch diese übergreifende Betrachtung ergibt sich die Option eines umfassenden Gemeinkosten-Controllings. Diese Vor
gehensweise soll Rationalisierungspotentiale aufdecken und ein kontinuierliches Kostenmanagement sicherstellen.637 Zwischen den traditionellen Vollkostenrechnungssystemen und der vorgestellten
Prozeßkostenrechnung bestehen hinsichtlich ihres Rechnungsaufbaus und ihrer
Vgl. Franz [Prozeßkostenrechnung 1992], S.605, Glaser [Prozeßkostenrechnung 1992], S.277, Müller [Grenzplankostenrechnung 1992], S.39, Schnellhaas/Beinhauer [Prozeßkostenrechnung 1992], S.305, Coenenberg/Fischer [Prozeßkostenrechnung 1998], S.568f., Kagermann/Stuckert [Prozeßkostenrechnung 1998], S.505, und Mayer [Prozeßkostenrechnung 1998], S.5.
Vgl. Fröhling/Krause [Prozeßkostenrechnung 1992], S.386, Fröhling [Kostenmanagement 1994], S.149, Glaser [Entscheidungsrelevanz 1995], S.118, Warnick [Prozeßkostenrechnung 1995], S.195, Wäscher [Prozeßkostenrechnung 1995], S.207, Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.267, und Schneeweiß/Steinbach [Prozeßkostenrechnung 1996], S.472. Vgl. hierzu ausführlich Braun [Prozeßkostenrechnung 1996], S.87ff. Vgl. auch Stoi/Giehl [Prozeßkostenrechnung 1995], S.146f.
Vgl. Biel [Prozeßkostenrechnung 1991], S.330f., Striening [Gemeinkostenbereich 1991], S.144f., Mussnig [Kostenrechnung 1996], S.267, und Moor/Wintermantel [Prozesse 1998], S.352.
Entwicklungsformen der Kostenrechnungssysteme
IM
Grundkonzeption keine nennenswerten Unterschiede. Es handelt sich bei der Prozeßkostenrechnung um ein Kostenrechnungssystem, das sich genauso wie die
klassischen Verfahren einer Kostenarten-, Kostenstellen- sowie einer Kostenträger rechnung bedient. Nur die sogenannte Prozeßbezogenheit der Kosten innerhalb der
Kostenstellen führt zu einer Neuausrichtung der Kostenrechnung.638 Um die Planprozeßkosten errechnen zu können, bedarf es einer konkreten
Bestimmung der Prozeßmengen. Es bleibt jedoch ungewiß, wie diese Mengen genau festzulegen sind, da bezüglich ihrer Festlegung nur ungenaue Informationen bestehen. Somit erhärtet sich der Verdacht, daß die Kontrolle auf der Grundlage der geschätzten Prozeßmengen, die einen wesentlichen Einfluß auf die Bestimmung der
Planprozeßkosten besitzen, in Frage gestellt werden kann. Zusätzlich erscheint die
Kostenkontrolle auf der Grundlage einer Abweichungsanalyse wegen der Voll kostenbetrachtung zweifelhaft, da auch im System der Prozeßkostenrechnung
infolge der Proportionalisierung der Imn-Kosten das Fixkostenproblem nicht gelöst
wird.639
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß das System einen Wegweiser in die richtige Richtung darstellt, um den immer stärker steigenden Anteil der Gemein kosten an den Gesamtkosten angemessen berücksichtigen zu können. Die ersten
Ansätze in der unternehmerischen Praxis haben bereits bewiesen, daß durch ein kontinuierliches Prozeßmanagement in den Gemeinkostenbereichen Rationalisie rungspotentiale genutzt werden können, um die begleitenden Geschäftsprozesse im
Unternehmen zu optimieren.640
Vgl. hierzu ausführlich Lorson [Prozeßkostenrechnung 1992], S.8f. Vgl. aber auch Boot et al. [Prozeßkostenrechnung 1995], S.231, Rieg [Prozeßkostenrechnung 1995], S.235, Fischer [Prozeßkostenrechnung 1996], S.94f., und Lipke/Rendenbach [Prozeßkostenmanagement 1997], S.85.
Vgl. Friedl [Prozeßkostenrechnung 1993], S.39, und Küting/Lorson [Prozeßkostenrechnung 1995], S.97. Vgl. Cooper [Aktivity-Based Costing 1990c], S.34ff., Ostrenga [Total Cost Management 1990], S.46f., Dutz/Femerling [Prozeßmanagement 1991], S.221ff., Grzegotowski/Warnick [Prozeßkostenrechnung 1991], S.162, Coenenberg/Fischer [[Prozeßkostenrechnung 1995], S.25, Eging [Prozeßkostenrechnung 1995], S.235, Schäffer [Prozeßorientierte Kostenrechnung 1995], S.278f., Straube/Hartmann [Optimierung 1996], S.39, Warnick [Logistikkostenrechnung 1996], S.22ff., Behnke/Niemand [Prozeßkostenmanagement 1998], S.113, Kempf/Kieninger [Kostensenkung 1998], S.286, Leman/Weigand [Strukturentscheidungen 1998], S.256, und Schindler/Schimank [Prozeßkostenrechnung 1998], S.95.
Ausgewähite Rahmenbedincungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
125
4 Ausgewählte Rahmenbedingungen zur Bestimmung des Einsatzes der Kostenrechnung 4.1 Organisationsstruktur Innerhalb der Rahmenbedingungen zur Gestaltung der Kostenrechnung stellt die
Organisationsstruktur eine zentrale Komponente dar. Im folgenden wollen wir die
begrifflichen Grundlagen herausarbeiten und grundlegende aufbauorganisatorische Gestaltungsalternativen vorstellen. In einem weiteren Schritt ist die Einordnung des
Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation zu diskutieren. Abschließend sind die Besonderheiten der Organisationsstruktur von türkischen Unternehmen zu analysieren.
4.1.1 Begriffliche Grundlagen Bei jeder Analyse von organisatorischen Zusammenhängen ist zunächst festzu stellen, welche Beobachtungsperspektive der Betrachtung zugrundegelegt wird.641 Dabei sind im wesentlichen zwei grundlegend verschiedene Auffassungen des
Organisationsbegriffs gegeneinander abzugrenzen.
Institutionaler Organisationsbegriff
Beim institutionalen Organisationsbegriff wird der Begriff „Organisation“ als Oberbe
griff für eine Institution - also zum Beispiel für ein Unternehmen, eine Behörde oder eine Universität - verwendet.642 Auf der Basis dieses Organisationsverständnisses
wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit als Organisation angesehen.643 Aus
Vgl. Gaitanides [Prozeßorganisation 1983], S.1, Kubicek/Welter [Organisationsstruktur 1985], S.9ff., Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.15, Krüger [Unternehmung 1993], S.13, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.1, Bühner [Organisationslehre 1996], S.1, und Schreyögg [Organisation 1998], S.4f. Vgl. Grochla [Organisationsstruktur 1975], Sp.2847, Dülfer [Organisationskultur 1988], S.2, Schanz [Organisation 1992], Sp.1460, Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.1, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, und Laux/Liermann [Organisation 1997], S.1.
Vgl. Schanz [Organisation 1992], Sp.1460, Picot et al. [Organisation 1998], S.28, und Schreyögg [Organisation 1998], S.9.
132.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
dieser Sichtweise wird die Organisation als ein „zielorientiertes soziales Gebilde"644
betrachtet, das Unternehmen respektive der Betrieb ist eine Organisation.645 Instrumentaler Organisationsbegriff
Beim instrumentalen Organisationsbegriff bezieht sich der Begriff „Organisation" aus schließlich auf solche Regelungen, die als Mittel zur Zielerreichung von Institutionen
eingesetzt werden.646 Mithin begreift der instrumentale Organisationsbegriff die
Organisation als Summe von formalen Regelungen. Ziel der organisatorischen
Gestaltung ist es, einen Ideal-Mix an Regelungen zu finden, der es der Organisation ermöglichen soll, ihre Funktion als Instrument der Unternehmensführung zu
erfüllen.647 Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen hier also Regelungen, die als Mittel zur Erreichung der unternehmerischen Ziele eingesetzt werden und in ihrer
Gesamtheit die Struktur einer Unternehmung determinieren.648 Nach dieser Betrach tungsweise hat eine Unternehmen eine Organisation.649 Dabei wird üblicherweise
zwischen Aufbau- und Ablauforganisation differenziert.650 „Die Aufbauorganisation beschreibt die Ausstattung und Verteilung von Potentialen bzw. Beständen an materiellen und immateriellen Gütern innerhalb der Organisation.
Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.17. 645
646
Vgl. Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.4f., Schanz [Organisation 1992], Sp.1460, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Kieser [Organisation 1993], Sp.2989, Schulte-Zerhausen [Organisation 1995], S.1f., und Bühner [Organisationslehre 1996], S.4.
Vgl. Grochla [Gestaltung 1982], S.1,
Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.5, Schanz
[Organisation 1992], Sp.1460, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Remer [Organisationstheorien 1993], Sp.3057f., Hill et al. [Organisationslehre 1994], S.17, Bühner [Organisationslehre 1996], S.2f., Laux/Liermann [Organisation 1997], S.1, und Picot et al. [Organisation 1998], S.28. 647
Vgl. hierzu Grochla [Organisationsstruktur [Unternehmensorganisation 1993], S.17.
648
Vgl. Nordsieck [Betriebsorganisation 1955], S.23, Schanz [Organisation 1992], Sp.1460,
1975],
Sp.2848,
und
Gomez/Zimmermann
Ulrich/Fluri [Management 1992], S.171, Welge [Organisationsform 1993], Sp.3019, Bühner [Organisationslehre 1996], S.1, und Picot et al. [Organisation 1998], S.29. 649
Vgl. Hoffmann [Organisationsforschung 1976], S.58, und Schanz [Organisation 1992], Sp.1460.
650
Vgl. auch Witte [Ablauforganisation 1969], Sp.20ff., Lehmann [Aufbauorganisation 1974], Sp.290f., Kosiol [Organisation 1976], S.32f., Ellinger/Haupt [Ablauforganisation 1980], Sp.22, Grochla [Organisationsplanung 1989], Sp.1322, Schanz [Organisation 1992], Sp.1461, Bühner [Organisationslehre 1996], S.11, Frese [Organisation 1998], S.7, und Picot et al. [Organisation 1998], S.29.
Ausgewählte Rahmenbedtncungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 137
Gegenstände aufbauorganisatorischer Gestaltung sind daher nicht nur Personal-, Sachmittel- oder Datenbestände, sondern auch das Aufgaben- und Kompetenz
gefüge.“651 Damit ist die Aufbauorganisation als das „statische Gerüst“652 eines Unternehmens zu kennzeichnen, das bestimmt, welche Aufgaben von welchem
Menschen mit welchen Sachmitteln zu erfüllen sind. In diesem Sinne der kosiolschen
Gestaltungslehre653 ergibt sich die Aufbauorganisation eines Unternehmens durch Aufgabenanalyse und Aufgabensynthese.654 Im Rahmen der Analyse der Aufbau
organisation ist es zweckmäßig, die Gesamtaufgabe anhand der fünf Dimensionen Verrichtung, Objekt, Rang, Phase und Zweckbeziehung in Teilaufgaben zu
zerlegen.655 Diese analytisch gewonnenen Teilaufgaben werden im Prozeß der Aufgabensynthese nach bestimmten leitenden Prinzipien zu organisatorischen Ein
heiten zusammengefaßt.656
Im Unterschied zur Aufbauorganisation befaßt sich die Ablauforganisation mit Prozeßphänomenen. Durch sie wird die Bestandsdimension der Aufbauorganisation um die dynamische Komponente erweitert.657 „Der Prozeß der Aufgabenerfüllung stellt den Inhalt der Ablauforganisation dar.“658 Die Ablauforganisation ergibt sich nach Kosiol durch Arbeitsanalyse und Arbeitssynthese.659 Die Arbeitsanalyse
verschafft einen Überblick über sämtliche anfallende, auf Stellen und Abteilungen zu
Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.1.
Hoffmann [Aufbauorganisation 1992], Sp.208. Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Organisation 1976], S.32f.
Vgl. hierzu grundlegend Kosiol [Organisation 1976], S.32f. Vgl. auch Witte [Ablauforganisation 1969], Sp.21, Kosiol [Ablauforganisation 1980], Sp.2f., und Picot et al. [Organisation 1998], S.165f. Vgl. hierzu ausführlich Kosiol [Organisation 1976], S.192. Vgl. auch Kosiol [Aufbauorganisation 1969], Sp.175, Schweitzer [Ablauforganisation 1974], Sp.1, Grochla [Gestaltung 1982], S.60, und Schreyögg [Organisation 1998], S.114ff. Vgl. Kosiol [Aufbauorganisation 1969], Sp.176, Kramer [Planung 1969], Sp.1319, Bühner [Organisationslehre 1996], S.10f., und Picot et al. [Organisation 1998], S.166.
Vgl. Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.1. Wittlage [Unternehmensorganisation 1989], S.198.
Vgl. hierzu Kosiol [Organisation 1976], S.189. Vgl. auch Gaitanides [Ablauforganisation 1993], Sp.197f., und Olfert/Pischulti [Unternehmensführung 1999], S.124f.
138
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
verteilende Arbeitsteile.660 Sie wendet dieselben Gliederungskriterien wie die Aufbauorganisation an und setzt - analog der Aufgabenanalyse - bei den Stellen
aufgaben als Teilaufgaben niedrigster Ordnungsstufe an.661 Aus diesem Grund wird sie auch als verlängerte, erfüllungsbezogene Aufgabenanalyse charakterisiert.662 Aufbauend auf den Ergebnissen der Arbeitsanalyse wird der Arbeitsablauf durch die Zusammenfassung der analytisch gewonnenen elementaren Teilaufgaben im
Rahmen der Arbeitssynthese gestaltet.663 Dabei finden insbesondere personelle, temporale und lokale Gesichtspunkte Berücksichtigung.664
Die Differenzierung in Aufbau- und Ablauforganisation ist lediglich analytischer Natur und dient zur besseren Durchdringung der ganzheitlichen organisatorischen Problemstellung.665 Während sich die Aufbauorganisation primär der Bildung von organisatorischen Potentialen widmet, geht es im Rahmen der Ablauforganisation
vorrangig um den Prozeß der Nutzung dieser Potentiale.666 Aufbau und Ablauf sind
unterschiedliche Betrachtungsweisen des gleichen Gegenstandes und stellen „die bewußt geplante, formale, aus sachrationalen, generellen und dauerhaften Rege lungen bestehende Organisationsstruktur der Unternehmung“667 dar.
Den folgenden Ausführungen zur Organisationsstruktur wird der instrumentelle Organisationsbegriff zugrundegelegt, wobei die Betrachtung schwerpunktmäßig auf den aufbauorganisatorischen Aspekt und hier insbesondere auf die Einordnung des
Rechnungswesens und damit speziell auch der Kostenrechnung in die Unterneh mensorganisation sowie die Besonderheiten türkischer Unternehmen gerichtet wird.
Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.189, und Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.5. 661
Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.189. Vgl. hierzu auch Kosiol [Ablauforganisation 1980], Sp.3,
662
Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.190.
663
Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.190f., und Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.6.
und Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.5.
664
Vgl. Kosiol [Organisation 1976], S.191.
665
Vgl. Kosiol [Ablauforganisation 1980], Sp.1f., Hoffmann [Aufbauorganisation 1992], Sp.208, Bühner [Organisationslehre 1996], S.11, und Link [Führungssysstem 1996], S.66f.
666
Vgl. Gaitanides [Ablauforganisation 1992], Sp.2.
667
Hoffmann [Aufbauorganisation 1992], Sp.208.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 133
4.1.2 Grundlegende aufbauorganisatorische Gestaltungsalternativen 4.1.2.1 Funktionalorganisation
Die Funktionalorganisation stellt die häufigste und älteste Organisationsform dar.668 In Abbildung 1 ist das Grundmodell der funktionalen Organisation dargestellt.
Unternehmensleitung
Beschaffung
Produktion
Absatz
Forschung & Entwicklung
Verwaltung
Rechnungs wesen
Quelle: Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375 (leicht modifiziert)
Abb. 1: Grundstruktur der Funktionalorganisation
Ausgangspunkt für den organisatorischen Aufbau sind die Kerntätigkeiten, wobei die
Strukturierung gemäß dem Fluß des Realgüterstroms erfolgt.669 Die zweite, der Unternehmensleitung unmittelbar nachgeordnete Hierarchieebene ist nach Funkti
onen gegliedert, so daß als Ergebnis der funktionalen Gliederung Abteilungen wie beispielsweise Beschaffung, Produktion, Absatz, Forschung & Entwicklung, Ver
waltung und Rechnungswesen entstehen.670 Da die Grundlage für die Zusammen fassung von Funktionen gleichartige Verrichtungen sind, wird dieses Organisations
modell auch als Verrichtungsorganisation bezeichnet.671
Vgl. Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.179, Vahs [Organisation 1997], S.124, und Frese [Organisation 1998], S.333. Vgl. hierzu Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.178f., und Picot et al. [Organisation 1998], S.211.
Vgl. Staehle [Management 1994], S.708, Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.421, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.221f., Bühner [Organisationslehre 1996], S.110, und Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375. Vgl. Lochstampfer [Funktionale Organisation 1980], Sp.756f., Kieser/Kubicek [Organisation 1992], S.88, Bühner [Organisation 1993], S.397, Kieser [Organisationsstruktur 1993], S.60, Krüger [Unternehmung 1993], S.95, Staehle [Management 1994], S.708, Laux/Liermann [Organisation 1997], S.289, und Picot et al. [Organisation 1998], S.211.
140
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Entsprechend dem situativen Ansatz kann eine Bewertung dieses Organisations
modells nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen situativen Bedin gungen erfolgen.672 Die wesentlichen Vorteile einer verrichtungsorientierten Arbeits
teilung liegen in der Nutzung von Spezialisierungsvorteilen und in der Bildung in sich
homogener Handlungseinheiten mit hoher Kompetenzdichte, die eine effiziente Nut zung der Ressourcen ermöglichen.673 Schwachstellen der Funktionalorganisation können im Ressortegoismus und in der mangelnden Koordination zwischen den
einzelnen Bereichen liegen, wobei die Koordinationsprobleme im Regelfall mit wachsender Produktdifferenzierung und zunehmender Unternehmensgröße immer
deutlicher hervortreten.674 Als nachteilig erweist sich ferner die geringe Anpassungs fähigkeit an qualitative Marktveränderungen, wobei insbesondere die Innovations
kraft dieser Organisationsform aufgrund der hohen Standardisierung und Formali sierung in Verbindung mit der hohen Spezialisierung der Subsysteme stark einge schränkt ist.675 Die eingeschränkten Möglichkeiten der unternehmerischen Personal
entwicklung sind als weiterer Nachteil der Verrichtungsorganisation anzusehen. Festzuhalten bleibt, daß die Funktionalorganisation vor allem für kleinere und
mittlere Unternehmen mit homogenem Produktionsprogramm bei relativ stabilen Marktbedingungen geeignet ist.676 Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, daß die
Verrichtungsorganisation die Grundlage für eine Vielzahl von organisatorischen
Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375. Vgl. Gutenberg [Unternehmensführung 1962], S.120f., Grochla [Organisationsstruktur 1975], Sp.2855, Lochstampfer [Funktionale Organisation 1980], Sp.763, Frese [Unternehmensführung 1986], S.239, Frese [Organisation 1988], S.382ff., Probst [Organisation 1992], S.54, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.33, Vahs [Organisation 1997], S.126, und Schreyögg [Organisation 1998], S.132. Vgl. hierzu ausführlich Staehle [Management 1994], S.709. Vgl. hierzu auch Welge [Profit-Center 1975], S.37f., Grochla [Gestaltung 1982], S.136f., Braun/Beckert [Funktionalorganisation 1992], Sp.644f., Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.224ff., Bühner [Organisationslehre 1996], S.113, und Hinterhuber [Unternehmungsführung II 1997], S.129.
Vgl. Krüger [Unternehmung 1993], S.96f., Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.375f., und Schreyögg [Organisation 1998], S.133. Vgl. Lochstampfer [Funktionale Organisation 1980], Sp.763f., Staehle [Funktionen 1992], S.106, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.376, Picot et al. [Organisation 1998], S.217, und Schreyögg [Organisation 1998], S.133.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
141
Mischformen darstellt, die je nach Branche und Unternehmenszweck unterschiedlich
ausfallen.677
4.1.2.2 Divisionalorganisation Bei der Divisionalorganisation sind die Aufgabenbereiche auf der zweiten, der Unternehmensleitung nachgelagerten Hierarchieebene konsequent nach Geschäfts
bereichen (Sparten) gegliedert.678 In Abbildung 2 ist das idealtypische Modell der
Divisionalorganisation dargestellt.
Wie aus Abbildung 2 zu entnehmen ist, können die einzelnen Geschäftsbereiche
nach Produkten bzw. nach Produktgruppen (Objektorganisation), nach Regionen (Regionalorganisation) oder nach Kundengruppen (Kundengruppenorganisation) unterteilt werden 679 In den Geschäftsbereichen selbst kommt nach der ideal
typischen Vorstellung die funktionale Gliederung zur Anwendung.600 Für Koordi nationsaufgaben zwischen den verschiedenen Sparten, für spartenübergreifende
Vgl. Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.180. Vgl. Eisenführ [Divisionale Organisation 1980], Sp.558, Grochla [Gestaltung 1982], S.137, Kieser/ Kubicek [Organistion 1992], S.88, Bühner [Spartenorganisation 1992], Sp.2276, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.377, Laux/Liermann [Organisation 1997], S.290, und Schreyögg [Organisation 1998], S.135.
Vgl. Hoffmann [Organisationsforschung 1976], S.241, Eisenführ [Divisionale Organisation 1980], Sp.558ff., Grochla [Gestaltung 1982], S.137, Kuhn [Unternehmensführung 1982], S.138f., Ulrich/Fluri [Management 1992], S.179, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.183f., Bühner [Organisationslehre 1996], S.124, und Picot et al. [Organisation 1998], S.237f.
Vgl. Gälweiler [Divisionalisierung 1971], S.55, Staehle [Management 1994], S.710, Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423, und Bühner [Organisationslehre 1996], S.124.
142.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Aufgaben und zur Ausnutzung von Synergie- und Größenvorteilen werden regel mäßig Zentraiabteilungen installiert.681
Für den Fall, daß den Sparten sämtliche Funktionsbereiche übertragen werden, handelt es sich um sogenannte Profit Center, die in ihren Entscheidungen zwar (weitgehende) Autonomie besitzen, die wegen ihrer rechtlichen Abhängigkeit
allerdings „Unternehmen im Unternehmen“682 bleiben.683
Die Vorzüge dieser Organisationsform sind vor allem darin zu sehen, daß eine
größere Flexibilität erreicht wird, die Entscheidungen schneller und marktbezogener
getroffen werden, die Gesamtunternehmensleitung entlastet wird und der unter
nehmensweite Koordinations- und
Kommunikationsaufwand verringert wird.684
Gegebenenfalls können innerhalb der Geschäftsbereiche auch unterschiedliche
Strukturierungskonzepte zur Anwendung kommen, wodurch eine verbesserte Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen respektive an die Wertketten der
Marktpartner erreicht werden kann.685 Da die Spartenleiter ausschließlich auf ihren jeweiligen Geschäftsbereich konzentriert sind, ist zwischen ihnen keine Abstimmung
erforderlich. Abstimmungsbedarf entsteht erst auf den zwei obersten Hierarchie ebenen, wenn es, beispielsweise im Rahmen der internen Budgetierung, gilt, die einzelnen Unternehmensbereiche unter strategischen Aspekten zusammenzuführen
und die Ressourcenverteilung zu regeln.686 Positiv hervorzuheben ist ferner, daß
durch die weitgehende Autonomie der Geschäftsbereiche eine höhere Motivation der
Vgl. Staehle [Management 1994], S.710, Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.230f., Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.377, und Vahs [Organisation 1997], S.133.
Bühner [Organisationslehre 1996], S.124. Vgl. Budde [Profit-Center 1978], S.137, Eisenführ [Divisionale Organisation 1980], Sp.558f., Grochla [Gestaltung 1982], S.137, Frese [Profit-Center 1990], S.139, Frese/Werder [Organisation 1994], S.14f., Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.230, und Schreyögg [Organisation 1998], S.135.
Vgl. Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.35, Staehle [Management 1994], S.711, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.233, Bühner [Organisationslehre 1996], S.131, und Vahs [Organisation 1997], S.136.
Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.378, und Schreyögg [Organisation 1998], S.147. Vgl. Bühner [Spartenorganisation 1992], Sp.2276.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
14^
Mitarbeiter erreicht wird und gute Personalentwicklungsmöglichkeiten bestehen.687
Probleme können sich bei der Spartenorganisation vor allem dadurch ergeben, daß
die strategischen Entscheidungen der Unternehmensleitung in den einzelnen opera tiv orientierten Geschäftsbereichen keine ausreichende Berücksichtigung finden.688 Diese Bruchstelle zwischen Unternehmensführung und Sparten erschwert die Inte
gration strategischer und operativer Aufgaben erheblich.689 Sparten- und Unter
nehmensziele können voneinander differieren,690 wobei der „Spartenegoismus“691 zu suboptimalen Ergebnissen für das Unternehmen als Ganzes führen kann.692 Weitere
Nachteile sind darin zu sehen, daß eine größere Anzahl von Führungskräften erfor
derlich ist, daß Informationen von unternehmensweiter Bedeutung durch einzelne Geschäftsbereiche genutzt bzw. gefiltert werden, und es in den einzelnen Sparten
gegebenenfalls zu Doppelarbeiten kommt.693 Die hier aufgezeigten Vorzüge und Mängel stellen lediglich grundsätzliche Stärken
und Schwächen einer Divisionalorganisation dar. Eine situative Betrachtung des Einzelfalles kann durch diese grundsätzliche Analyse nicht ersetzt werden.
4.1.2.3 Matrix-Organisation Eine Matrix-Organisation ist gegeben, wenn auf der Hierarchieebene unterhalb der Unternehmensleitung „zwei Gliederungsprinzipien gleichzeitig
und weitgehend
gleichgewichtig verfolgt“694 werden. Die Matrix-Organisation ist in ihrem Grundmodell in Abbildung 3 veranschaulicht.
Vgl. Welge [Profit-Center 1975], S.77f., Krüger [Unternehmung 1993], S.102, Laux/Liermann [Organisation 1997], S.293, und Schreyögg [Organisation 1998], S.147. Vgl. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.392.
Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.379. Vgl. Wittlage [Unternehmensorganisation 1989], S.159. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.379.
Vgl. Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.379. Vgl. Wittlage [Unternehmensorganisation 1989], S.159, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.234, und Vahs [Organisation 1997], S.136.
Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.382.
144
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Die Matrix-Organisation kommt durch die Verknüpfung von zwei unterschiedlichen
Zentralisationskriterien auf der gleichen Hierarchieebene zustande.695 Das Prinzip
der Einheit der Auftragserteilung wird aufgegeben zugunsten der „Aufteilung der Leitungsfunktion nach Dimensionen“696. Als Dimensionen oder Zentralisierungs kriterien können gewählt werden: Funktionsbereich, Verrichtung, Region, Projekt,
Produktgruppe (Sparte).697 Die Matrix-Organisation ist ganz bewußt auf Kompetenzund
Verantwortlichkeitsüberschneidungen
ausgerichtet,698
mit
dem
Ziel,
Vgl. hierzu Scholz [Matrix-Organisation 1992], Sp.1302, Staehle [Funktionen 1992], S.113, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.182, Rühli [Organisationsformen 1993], Sp.3039, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.234, und Schreyögg [Organisation 1998], S.183.
696
Ulrich/Fluri [Management 1992], S. 184.
697
Vgl. Grochla [Gestaltung 1982], S.140, Remer [Matrix-Organisation 1983], S.666, Ulrich/Fluri [Management 1992], S.184, Staehle [Führungsorganisation 1995], S.422.
698
[Management
1994],
S.680,
und
Gaitandes
Vgl. hierzu ausführlich Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.182. Vgl. aber
auch Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.235, Bühner [Organisationslehre 1996], S.147, und Vahs [Organisation 1997], S.141.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
145
„Abstimmungszwänge (...) zu schaffen, um von verschiedenen Unternehmens bereichen gemeinsam genutzte, aber knappe Ressourcen durch gemeinsame Ent scheidung aller betroffenen Stellen möglichst effizient zu nutzen.“699
Die idealtypischen Vorteile einer funktionsfähigen Matrix-Organisation sind vor allem
darin zu sehen, daß sachgerechte, kreative und qualitativ hochwertige Team entscheidungen gefördert werden.700 Zusätzlich zu der verbesserten Entscheidungs qualität ist die Erhöhung der Flexibilität und der Reaktionsfähigkeit sowie die
Förderung der Konsensfindung und die Identifikation mit den verschiedenen Zielen positiv hervorzuheben.701
Idealtypische Nachteile dieser Organisationsform bestehen darin, daß aufwendige
Abgrenzungen der Kompetenzen vorgenommen werden müssen und ein erheblicher Kommunikationsbedarf entsteht.702 Hinzu kommt, daß die einzelnen Entscheidungs
prozesse kaum nachzuvollziehen sind, die Gefahr zu vieler Kompromisse besteht
und die eindeutig kommerzielle Ergebnisverantwortung der Dimensionsleiter fehlt.703
Der schwerwiegendste Einwand gegen die Matrix-Organisation ist jedoch, daß es in den Unternehmen zu langwierigen Diskussionen und damit verbundenen Ent
scheidungsverzögerungen sowie lähmenden Machtkämpfen kommen kann.704 Um Konflikte zu vermeiden, ist bei den Mitarbeitern von Unternehmen, die die Matrix
Gaitandes [Führungsorganisation 1995], S.422. Vgl. Ulrich/Fluri [Management 1992], S.187, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.43, und Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.384. Vgl. Probst [Organisation 1992], S.60, und Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.182. Vgl. Ulrich/Fluri [Management 1992], S.187, Probst [Organisation 1992], S.60, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.44, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.237, Vahs [Organisation 1997], S.143, und Schreyögg [Organisation 1998], S.189.
Vgl. Ulrich/Fluri [Management 1992], S.187, Schertler [Unternehmensorganisation 1993], S.44, und Probst [Organisation 1992], S.60. Vgl. Bühner [Matrix-Organisation 1985], S.179, Scholz [Matrix-Organisation 1992], Sp.1307, Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.183, Staehle [Management 1994], S.680, Gaitandes [Führungsorganisation 1995], S.422, Schulte-Zurhausen [Organisation 1995], S.237, und Schreyögg [Organisation 1998], S.189f.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
146.
Organisation
verwirklicht haben,
häufig
eine
„hohe
Programmierungs-
und
Standardisierungsneigung“705 festzustellen. Mit wachsender Unternehmensgröße nehmen Koordinationsbedarf und Kompetenz
unklarheiten in der Matrix-Organisation zu.706 In der Praxis ist diese Organisations form daher nur in Ausnahmefällen in der idealtypischen Ausprägung anzutreffen,
statt dessen wird hier regelmäßig eine der Dimensionen mit erhöhten Kompetenzen
ausgestattet.707 Als sog. Mikromatrix - d.h. der Beschränkung dieser Organisations
form auf Teilbereiche des Unternehmens - kommt die Matrix-Organisation vor allem in der Marketing- und Vertriebsorganisation zur Anwendung.708
4.1.3 Einordnung des Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation Das Rechnungswesen kann auf unterschiedliche Art und Weise in die Unterneh
mensorganisation integriert werden. Im folgenden werden die wesentlichen aufbau
organisatorischen Alternativen für die Einordnung des Rechnungswesens in die
Unternehmensorganisation analysiert. Die grundlegende Zielsetzung jedes organisatorischen Handelns besteht darin,
optimale Bedingungen für die Erfüllung der Aufgaben des zu organisierenden Bereiches zu schaffen und dabei Effektivitäts- und Effizienzkriterien zu berücksich tigen.709 Entsprechend diesen Zielsetzungen sind die Strukturen und Abläufe des
Rechnungswesens derart zu gestalten, daß im Sinne der Grenzkosten-/ Grenz
ertragsintensität ein Informationsoptimum erreicht wird.710 Im Rahmen dieser Gestaltungsaufgabe sind diverse unternehmensinterne und unternehmensexterne
Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.384.
706
Vgl. hierzu ausführlich Remer [Matrix-Organisation 1983], S.668, und Gomez/Zimmermann
707
Vgl. Gomez/Zimmermann [Unternehmensorganisation 1993], S.181.
708
Vgl. Gaitanides [Führungsorganisation 1995], S.423.
[Unternehmensorganisation 1993], S.181.
709
Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2153.
710
Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2153.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
147
Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.711 Zu den im Schrifttum genannten wichtigsten unternehmensinternen Rahmenbedingungen zählen die Unternehmens größe, die Branche, die Eigentumsverhältnisse, das vorhandene Personal, die wahr
genommene Bedeutung des Rechnungswesens innerhalb des Unternehmens sowie
die eingesetzte Hard- und Software. Die einschlägigen Gesetze und Rechtsver
ordnungen, die berufsständischen Erlasse und Empfehlungen sowie die allgemein anerkannten Normen stellen die wesentlichen unternehmensexternen Rahmen
bedingungen dar. Zentralisation und Dezentralisation werden als die grundlegenden Alternativen zur Verteilung der Aufgaben des Rechnungswesens innerhalb des Unternehmens
angesehen.712 Das Kernproblem besteht darin, die Kostenrechnung zentral oder dezentral in der unternehmerischen Aufbauorganisation anzuordnen. Werden die
Aufgaben des Rechnungswesens den einzelnen organisatorischen Gliederungs einheiten direkt zugeordnet, so liegt eine Dezentralisation des Rechnungswesens
vor.713 Eine Zentralisation des Rechnungswesens liegt vor, wenn die Aufgaben des Rechnungswesens aus den einzelnen Sachabteilungen ausgegliedert werden und von einer selbständigen organisatorischen Einheit zentral für das gesamte Unter nehmen wahrgenommen werden.714 Innerhalb der dezentralen Aufbaustrukturierung des Rechnungswesens können zwei
Varianten der Dezentralisation unterschieden werden. Eine Dezentralisation nach
(Informations-) Bedarfsstellen (Empfängern) liegt dann vor, wenn jede organisa torische Einheit die für ihre Entscheidungen notwendigen Informationsbeschaffungs-
Vgl. zum folgenden Zybon [Organisation 1969], S.221 ff. Vgl. hierzu auch Coenenberg [Rechnungswesen 1969], Sp.1422, Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2153, Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.489f., und Sigle [Organisation 1998], S.524ff. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1969], Sp.1417ff., Bleicher [Rechungswesen Sp.1296, Sigli [Organisation 1994], S.462, und Horväth [Controlling 1998], S.421.
1970],
Coenenberg [Rechnungswesen
1980],
Vgl. Bleicher [Rechnungswesen 1980], Sp.1296, Sp.1998f., und Horväth [Controlling 1998], S.421.
Vgl. Bleicher [Rechnungswesen 1970], Sp.1296, Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725, Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Horväth [Controlling 1998], S.422.
Ausgewählte Rahmenbedingunoen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
14£L
und -Verarbeitungsaufgaben selbständig wahrzunehmen hat.715 Sind dagegen die
notwendigen Informationsaufgaben von denjenigen organisatorischen Einheiten durchzuführen, bei denen die für interne und externe Zwecke bedeutsamen Informa
tionen anfallen, so handelt es sich um eine Dezentralisation nach (Informations-) Entstehungsstellen (Sendern).716 Beide Gestaltungsformen der dezentralen Aufgabenstrukturierung des Rechnungs
wesens sind mit erheblichen Nachteilen verbunden. Bei einer bedarfsorientierten Dezentralisation besteht unter quantitativen Aspekten die Gefahr der Überbelastung
organisatorischer Einheiten mit Informationssuchprozessen und der ineffizienten Doppelarbeit im Rahmen der Informationsverarbeitung.717 Bei der Beschaffung von
unternehmensexternen Informationen kann es zu erheblichen Schätzungsdiffe renzen zwischen den verschiedenen Stellen kommen, was in der Konsequenz zu nicht optimal aufeinander abgestimmten Teilentscheidungen führt.718 Die entschei
dungsorientierte Dezentralisation eleminiert diese Nachteile zwar in weiten Teilen, sie führt jedoch zu einer erheblichen Komplexitätserhöhung der Kommunikations beziehungen und ist zudem mit einer sukzessiven Erhöhung der Störanfälligkeit des gesamten dezentralen Rechnungswesens verbunden.719 Darüber hinaus kann es bei
einer Dezentralisation des Rechnungswesens nach den Stellen der Informationsent stehung zu Informationsmanipulationen durch diese organisatorischen Einheiten
kommen, um auf diese Weise für sie negative Informationskonsequenzen - wie etwa verzerrte Planvorgaben - zu vermeiden.720
Wird die (Verrichtungs-) Zentralisation konsequent auf das gesamte Rechnungs
wesen des Unternehmens angewandt, so führt dies zur Bildung einer eigenen
Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.724, Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.
716
Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.724, Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999,
717
Vgl. Gäfgen [Entscheicung 1968], S.194f.t und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.
718
Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992],
719
Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.
720
Vgl. hierzu ausführlich Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2156.
und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.
Sp.2155.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
149
Abteilung „Rechnungswesen“, die sämtliche mit der Informationsgewinnung und
-Verarbeitung zusammenhängenden Teilaufgaben wahrnimmt.721 Die Zentralisation
des Rechnungswesens wird regelmäßig auch mit einer gewissen räumlichen Zentra lisation einhergehen,722 auch wenn eine vollständige Zentralisation niemals zu
realisieren ist, weil die Erfassung bestimmter Informationen ausschließlich am Ort der Informationsentstehung möglich ist.723
Die Vorteile eines zentralisierten Rechnungswesens sind in der Spezialisierung, der weitgehenden Standardisierung von Erfassungs- und Verarbeitungsmethoden, der Arbeitsentlastung einzelner Stellen von Informationsaufgaben und, bedingt durch die Schaffung direkter Kommunikationswege zwischen den Sachabteilungen und der zentralen Abteilung Rechnungswesen, in der Vereinfachung der Kommunikations beziehungen zu sehen.724 Die externen, gesetzlich festgelegten Zwecke des Rech nungswesens sprechen ebenfalls für eine Zentralisierung des Rechnungswesens, da
das Unternehmen in der externen Rechnungslegung nach außen als selbständige
Wirtschaftseinheit in Erscheinung tritt.725 Ein zentralisiertes Rechnungswesen ermög licht die einheitliche und interessenneutrale Ermittlung von gesamtunternehmens
bezogenen Erfolgsgrößen und erweist sich damit auch im Hinblick auf die nach innen gerichteten Zwecke des Rechnungswesens als vorteilhaft.726
Werden die Aufgaben des Rechnungswesens zentral von einer organisatorischen Einheit wahrgenommen, so besteht die Gefahr, daß das Rechnungswesen zu einem starken Machtfaktor innerhalb des betrieblichen Entscheidungssystems wird.727 Im
Unternehmen entsteht hinsichtlich der quantitativen Informationen ein Informations
monopol, das mit der Gefahr der Informationsfilterung bzw. der unzureichenden
Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725., Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2156, und Horväth [Controlling 1996], S.419. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999. Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2154. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999, und Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2154. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999f.
Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.1999f. Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725.
15Q.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Weitergabe entscheidungsrelevanter Informationen verbunden ist.728 Schließlich kann es durch die Länge der Informationsdistanz zwischen den Informations
entstehungsstellen und dem Rechnungswesen einerseits sowie dem Rechnungs
wesen und den Informationsbedarfsstellen andererseits zu erheblichen inhaltlichen und zeitlichen Kommunikationsstörungen kommen.729 Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum herrscht bei der Frage nach Zentralisation oder Dezentralisation des Rechnungswesens Einigkeit darüber, daß es in der Regel nicht
darum gehen kann, eine der beiden idealtypischen Ausprägungen vollständig zu realisieren.730 Angestrebt werden sollte vielmehr eine unternehmensindividuelle, optimale Kombination von zentraler und dezentraler Aufgabenerfüllung. Dabei
müssen auf der einen Seite die Zielvorstellungen der Unternehmensführung, ins besondere die Bedeutung, die dem Rechnungswesen beigemessen wird, und
andererseits die spezifischen, unternehmensindividuellen Rahmenbedingungen wie
Unternehmensgröße und Organisationsstruktur, Berücksichtigung finden.731 Abschließend muß vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen darauf hingewiesen werden, daß die Einordnung des Rechnungswesens - und damit auch
der Kostenrechnung - in die Unternehmensorganisation wesentlich von der ge
wählten Aufbauorganisation des Unternehmens determiniert wird, wobei in der unter nehmerischen Praxis und in der Literatur im Regelfall folgende organisatorischen
Einbindungen des Rechnungswesens in die Unternehmensorganisation vorzufinden sind bzw. vorgeschlagen werden.732 In kleineren Unternehmen mit einer Funktional organisation besteht wegen der mangelnden Größenvorteile nur eine eingeschränkte
Dezentralisierungsnotwendigkeit des Rechnungswesens. Regelmäßig ist in diesen
Unternehmen eine geschlossene Integration der Abteilung Rechnungswesen in die
Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725f. Vgl. Neuhof [Rechnungswesen 1975], S.725f., und Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.2000. Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2155.
Vgl. Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2156. Vgl. zum folgenden Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2160ff.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
151
unternehmerische Aufbauorganisation festzustellen. Innerhalb des wenig spezia lisierten zentralen Rechnungswesens besteht regelmäßig keine eigenständige
Abteilung Kostenrechnung.733 Demgegenüber ist in größeren Unternehmen mit einer Funktionalorganisation meistens eine Aufgabenteilung zwischen einer Zentral abteilung Rechnungswesen und dezentralen Einheiten festzustellen. Während die
Zentralabteilung Rechnungswesen umfassende Aufgaben aus dem Rechnungs
wesen und dem Controlling für das Gesamtunternehmen wahrnimmt, befassen sich
die dezentralen Einheiten vorwiegend mit kostenrechnerischen Aufgaben in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich.734 Auch bei der Divisionalorganisation ist das Rechnungswesen grundsätzlich als Zentralbereich in die Aufbauorganisation inte
griert, jedoch aufbauorganisatorisch erweitert um eine dezentrale Controlling-Einheit zu jedem Objektbereich. Bei der Divisionalorganisation ist im Gegensatz zur
Funktionalorganisation regelmäßig eine fachliche und disziplinarische Unterstellung
der dezentralen Rechnungsweseneinheiten unter den Zentralbereich Rechnungs
wesen vorzufinden. Damit wird das Ziel verfolgt, möglichen manipulativen Eingriffen der Spartenleiter entgegenzuwirken. Bei der Regionalorganisation als möglicher Ausprägung der Divisionalorganisation besteht insbesondere in international stark differenzierten Unternehmen die Notwendigkeit, auch das externe Rechnungswesen
stärker dezentral auszurichten, um auf diese Weise die jeweiligen nationalen Rechnungslegungsvorschriften besser umsetzen zu können. Die Aufgaben der Kostenrechnung sind bei divisional organisierten Unternehmen regelmäßig derart
aufgeteilt, daß der Zentralbereich Rechnungswesen gesamtunternehmensbezogene
Planungs- und Kontrollaufgaben wahrnimmt, während die dezentralen Einheiten divisionsbezogene Aufgaben der Kostenrechnung durchführen.735 Bei der Ein ordnung des Rechnungswesens in die Matrix-Organisation muß vor allem das
Problem der fachlichen und diziplinarischen Über-/Unterordnungsverhältnisse der (dezentralen) Rechnungsweseneinheiten gelöst werden. Dabei reichen die Lösungs
Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.2002, Bleicher [Rechnungswesen 1981], Sp.1245, Macharzina [Rechnungswesen 1992], Sp.2160f., und Sigle [Organisation 1998], S.525.
Vgl. hierzu Bleicher [Rechnungswesen 1981], Sp.1250, und Sigle [Organisation 1998], S.525f. Vgl. Coenenberg [Rechnungswesen 1980], Sp.2002, Bleicher [Organisation 1991], S.308f., Hahn [Controllingkonzepte 1996], S.793, und Sigle [Organisation 1998], S.526.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
152.
möglichkeiten von der Institutionalisierung dezentraler Controlling-Bereiche im Innenbereich der Matrix bis hin zur Verankerung eines gesonderten Controlling-
Anweisungs- und Berichtssystems außerhalb der Matrix. 4.1.4 Besonderheiten der Organisationsstruktur in der Türkei
Im folgenden sollen die Besonderheiten der Organisationsstruktur von türkischen Unternehmen analysiert werden. Hierbei wird auf die Bedeutung und die Einordnung
des Rechnungswesens in die Aufbauorganisation eingegangen und insbesondere auch die Einordnung der Kostenrechnung in die Organisationsstruktur von türkischen Unternehmen herausgearbeitet. Im türkischen Schrifttum existieren nur wenige Beiträge, die sich mit der Thematik
der Aufbauorganisation befassen.736 Veröffentlichungen, die die Einordnung des Rechnungswesens in die Organisationsstruktur zum Gegenstand haben, konnten wir trotz intensiver Recherchen jedoch nicht finden. Vor diesem Hintergrund haben wir
versucht, die in der unternehmerischen Praxis der Türkei eingesetzten Formen der Aufbauorganisation durch zahlreiche Gespräche mit Praxisvertretern zu analysieren.
Unsere vorrangige Zielsetzung bestand darin, die Einordnung und die Bedeutung des Rechnungswesens in der Unternehmenshierarchie zu ermitteln. Die Ergebnisse dieser Gespräche sind Grundlage der folgenden Ausführungen. Dabei sind wir uns
durchaus der Tatsache bewußt, daß unsere Darstellungen keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben können, sondern lediglich den Versuch einer Systema
tisierung der in der unternehmerischen Praxis vorzufindenden Organisationsstruk turen darstellen. Bei der Analyse der Organisationsstruktur von Privatunternehmen wollen wir die auf
bauorganisatorischen Merkmale von Klein-, Mittel- und Großunternehmen heraus arbeiten.
Vgl. hierzu die Veröffentlichungen von Onal [örgüt Yapisi 1979], S.61f., Sözen [örgütlenme Kurami 1980], S.159ff., Dilber [Yönetsel Davranis 1981], S.72f., Celebioglu [örgütsel Degisim 1982], S.23f„ Tatar [Temel Kurallar 1987], S.25f., Tosun [Isletme Yönetimi 1987], S.47ff„ Eren [Organizasyon 1993], S.110ff., Ülgen [Organizasyon llkeleri 1993], S.43ff., und Hatipoglu [Özel Yönetim 1999], S.51ff.
Ausgewfthlte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________
152
Die Aufbauorganisation von Kleinunternehmen ist dadurch gekennzeichnet, daß
diese Unternehmen keine Hierarchie im strukturtechnischen Sinne besitzen.
Abbildung 4 gibt einen Überblick über die Organisationsstruktur von Kleinunterneh men in der Türkei.
Unternehmensleitung (Inhaber)
Mitarbeiter 1 |
Mitarbeiter 2 1
Mitarbeiter 3 1
Mitarbeiter 41 Quelle: Verfasser
Abb. 4: Aufbauorganisation türkischer Kleinunternehmen Wie aus Abbildung 4 zu entnehmen ist, werden die Aufgaben der Unternehmens
leitung in Kleinunternehmen vom Inhaber selbst wahrgenommen. Die Unterneh mensleitung erfährt keine Unterstützung durch einen Assistenten in Stabsstellenfuktion. Alle anfallenden Aufgaben werden vom Inhaber je nach Arbeitsanfall auf die einzelnen Mitarbeiter verteilt. Eine Spezialisierung der Mitarbeiter findet nicht statt. Entsprechend dem aufbauorganisatorischen Charakteristikum funktional stark einge
grenzter Aufgabenfelder müssen alle Mitarbeiter in gewissen Grenzen in der Lage
sein, alle im Unternehmen anfallenden Aufgaben zu übernehmen. Dabei erstreckt sich der Tätigkeitsbereich der Mitarbeiter vorwiegend auf die Bereiche Kunden betreuung und Auftragsbearbeitung im weitesten Sinne.
Das Rechnungswesen findet keine Berücksichtigung in der Aufbauorganisation dieser Unternehmen. Die Unternehmensleitung ist einerseits zu sehr in das operative Tagesgeschäft eingebunden, anderseits fehlen ihr auch die betriebswirtschaftlichen
Grundkenntnisse, um die Notwendigkeit einer Kostenrechnung zu erkennen. Die
unternehmerischen Entscheidungen beruhen auf Improvisationen, Schätzungen und
154____________ Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
insbesondere auf Erfahrungswerten. Mit der Durchführung der Finanzbuchhaltung
wird im Regelfall ein externes Buchhaltungsbüro737 beauftragt. Die Organisationsstruktur von türkischen Mittelunternehmen ist im Vergleich zu der
Aufbauorganisation von Kleinunternehmen wesentlich ausgeprägter. Im Gegensatz zu den Kleinunternehmen weisen die Mittelunternehmen einen hierarchischen Auf
bau im strukturtechnischen Sinne auf. Wie Abbildung 5 zeigt, besitzen diese Unter nehmen im Regelfall vier Hierarchieebenen.
Unternehmensleitung^ Technischer Leiter
Leiter kaufm. Bereich
Stv. Leiter kaufm. Bereich
Leiter Beschaffung
Leiter Produktion
I Mitarbeiter 11 | Mitarbeiter 21 | Mitarbeiter 11 | Mitarbeiter 21 | Mitarbeiter 11 | Mitarbeiter 21
Quelle: Verfasser
Abb. 5: Aufbauorganisation türkischer Mittelunternehmen Die Unternehmensleitung obliegt in den Mittelunternehmen entweder dem Inhaber oder wird durch einen vom Inhaber bestellten Geschäftsführer wahrgenommen.
Idealtypischerweise sind diese Unternehmen auf der zweiten Hierarchieebene in
einen kaufmännischen Bereich und in einen technischen Bereich unterteilt. Beide Bereiche werden von jeweils einem Bereichsleiter verantwortet, wobei dieser direkt an die Unternehmensleitung berichtet.
Im Gegensatz zu der Bundesrepublik Deutschland gibt es in der Türkei eigenständige Unter nehmen, die sich darauf spezialisiert haben, die Buchhaltung für andere Unternehmen durchzu führen. Diese Unternehmen übernehmen somit Funktionen, die in der Bundesrepublik Deutsch land von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern erfüllt werden.
Ausgewählte Rahmenbedinqunqen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
155
Dem kaufmännischen Bereichsleiter ist ein entsprechender Stellvertreter auf der
dritten Hierarchieebene unterstellt. Der stellvertretende kaufmännische Bereichsleiter nimmt einen Teil der von dem Bereichleiter delegierten Aufgaben selbst wahr und ordnet die verbleibenden Aufgaben den Mitarbeitern der vierten Hierarchieebene zu.
Besonders hervorzuheben ist, daß auf der vierten Hierarchieebene keine Speziali sierung der Mitarbeiter im engeren Sinne stattfindet, sondern grundsätzlich alle Mit arbeiter in der Lage sein müssen, sämtliche anfallenden operativen kaufmännischen
Aufgaben zu übernehmen. Die Durchführung der Finanzbuchhaltung und der
Kostenrechnung, sofern diese überhaupt eingesetzt wird, erfolgt in der Regel auf der
dritten hierarchischen Ebene. Der Leiter des technischen Bereichs wird von einem Beschaffungsverantwortlichen
und von einem Produktionsverantwortlichen unterstützt und ist diesen gegenüber weisungsbefugt. Sowohl dem Beschaffungsverantwortlichen als auch dem Pro
duktionsverantwortlichen sind jeweils mehrere Mitarbeiter nachgeordnet. Im Unter
schied zum kaufmännischen Bereich werden die technischen Aufgaben auf der untersten Hierarchieebene jedoch nicht völlig flexibel auf die einzelnen Mitarbeiter in diesem Bereich verteilt. Die Aufgabenzuordnung durch den Beschaffungs- bzw.
Produktionsverantwortlichen erfolgt zwar auch relativ flexibel auf die ihm jeweils unterstellten Mitarbeiter, jedoch sind die Aufgaben ausschließlich auf eines der beiden Verantwortungsgebiete Beschaffung oder Produktion beschränkt, wodurch es
letztlich auch auf der vierten Hierarchieebene zu Spezialisierungstendenzen kommt. Im Gegensatz zu Klein- und Mittelunternehmen ist die Organisationsstruktur von
türkischen Großunternehmen durch einen streng hierarchischen Aufbau im struktur-
technischen Sinne und starke Zentralisierungstendenzen gekennzeichnet. Dies verdeutlicht Abbildung 6.
15^
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Abb. 6: Aufbauorganisation türkischer Großunternehmen Wie Abbildung 6 zeigt, wird die Unternehmensleitung in türkischen Großunter
nehmen idealtypisch durch einen Geschäftsführer oder Vorstand repräsentiert. Der Unternehmensleitung in hierarchischer Reihenfolge unterstellt sind der GeneralManager und der stellvertretende General-Manager. Hierbei handelt es sich um jeweils eigenständige Hierarchieebenen mit klaren Kompetenzabgrenzungen und
einem eindeutigen Über- bzw. Unterordnungsverhältnis. Auf der vierten Hierarchie ebene, unterhalb des stellvertretenden General-Manager, kommt die Verrichtungs
zentralisation in der Aufbauorganisation zum Ausdruck. Aufgrund dieser Gegeben heiten bezeichnen wir die Organisationsstruktur von türkischen Großunternehmen im folgenden als pseudo-funktionale Aufbauorganisation. Denn nach der im betriebs wirtschaftlichen Schrifttum übereinstimmend vertretenen Auffassung wird von einer funktionalen Aufbauorganisation nur dann gesprochen, wenn die zweite, der Unter
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
15Z
nehmensleitung unmittelbar nachgelagerte Hierarchieebene, nach Funktionen unter teilt ist. Die Verrichtungszentralisation wird durch die Bildung der Hauptabteilungen Einkauf, Produktion, Vertrieb, Rechnungswesen/Finanzen und Verwaltung realisiert.
Innerhalb der Hauptabteilung Rechnungswesen/Finanzen werden auf der fünften Hierarchieebene häufig zwei Abteilungen gebildet. Diese werden jeweils durch den
Abteilungsleiter Rechnungswesen bzw. den Abteilungsleiter Finanzen geleitet. Der Abteilungsleiter Rechnungswesen wird durch zwei oder mehrere Gruppenleiter
unterstützt. Die Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Gruppenleiter, die auf der sechsten Ebene in der Unternehmenshierarchie angesiedelt sind, umfassen dabei
jeweils die Zuständigkeitsbereiche Finanzbuchhaltung und/oder Kostenrechnung. Damit ist die Kostenrechnung hinsichtlich ihrer hierarchischen Anordnung in der
unternehmerischen Aufbauorganisation eindeutig dem Rechnungswesen unter
geordnet. Die einzelnen Gruppenleiter wiederum werden durch die ihnen direkt zugeordnete Mitarbeiter der siebten Hierarchieebene unterstützt. Unsere Ausfüh
rungen verdeutlichen, daß in Großunternehmen keine wesentlichen aufbauorga nisatorischen Defizite im strukturtechnischen Sinne vorhanden sind. In einem weiteren Schritt wollen wir nun die Aufbauorganisation von öffentlichen türkischen Unternehmen analysieren. Die Organisationsstruktur öffentlicher Unter
nehmen ist ebenfalls durch einen sehr strengen hierarchischen und zentralistischen
Aufbau gekennzeichnet. Die generelle Aufbauorganisation der oberen Hierarchie ebenen in öffentlichen türkischen Unternehmen veranschaulicht Abbildung 7.
158
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Abb. 7: Aufbauorganisation öffentlicher türkischer Unternehmen
An der Unternehmensspitze der öffentlichen Unternehmen steht der amtierende Ministerpräsident bzw. ein von ihm benannter Minister738. Dementsprechend ist die oberste Position in öffentlichen türkischen Unternehmen als ein politisches Mandat zu kennzeichnen. Die zweite Hierarchieebene bildet der Vorstand. Dieses Gremium
besteht aus drei Mitgliedern und wird vom Ministerrat berufen. Die Position der ersten beiden Vorstandsmitglieder ist wiederum als ein rein politisches Mandat zu
738
Dies ist regelmäßig entweder der Minister für Wirtschaft oder der Minister für Finanzen.
Ausgewählte Rahmenbedin.qüOflenjm. Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
159
charakterisieren. Der General-Manager ist zwar ebenfalls von politischen Interessen abhängig. Seine Stellung ist jedoch nicht ausschließlich politisch geprägt. Dies ist
damit zu begründen, daß der General-Manager auf der dritten Hierarchieebene
gleichzeitig neben seinem Vorstandsmandat auch die unternehmerischen Interessen
vertreten muß. Auf der vierten Hierarchieebene ist der Stellvertreter des GeneralManagers angesiedelt. Diesem wiederum untersteht auf der fünften Hierarchieebene
der Regierungsbeauftragte des Ministerpräsidenten für Technik und Finanzen. Die Aufbauorganisation von öffentlichen türkischen Unternehmen ist bis zur fünften Hierarchieebene generell durch politische Vorgaben in dieser Form festgelegt. Die
Verrichtungszentralisation bzw. die funktionale Organisation kommt in der sechsten
Hierarchieebene zur Anwendung. Dabei wird in den meisten Fällen zwischen den Bereichen Finanz- und Rechnungswesen, Verwaltung, Beschaffung, Produktion und
Absatz unterschieden. Auch diese Organisationsform bezeichen wir als pseudo funktionale Aufbauorganisation. Die nachgelagerten Hierarchieebenen sind jeweils unternehmensindividuell ausgestaltet, wobei diese Hierarchieebenen in der Regel in
ihrer aufbauorganisatorischen Ausgestaltung eine analoge Struktur zu den privaten Großunternehmen aufweisen. Die Aufbauorganisation öffentlicher türkischer Unternehmen ist aus unserer Sicht
durch erhebliche Defizite gekennzeichnet. Die Kontinuität der Unternehmensführung
ist meist nicht gewährleistet; da die obersten Hierarchieebenen politisch geprägt sind, kommt es mit jedem Regierungswechsel praktisch zu einem Austausch der
Unternehmensspitze. Weiterhin geben bei der Auswahl der leitenden Angestellten regelmäßig politische Interessen den Ausschlag. Die fachliche Kompetenz der
Stelleninhaber ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Diese Probleme werden
zusätzlich noch dadurch verstärkt, daß es bei einem Regierungswechsel häufig zu
einem Austausch der Mitarbeiter zwischen den verschiedenen Hierarchieebenen
kommt. Entsprechend ihren politischen Abhängigkeiten läßt sich die Unternehmens leitung öffentlicher Unternehmen in ihren Entscheidungen von den politischen Vor gaben leiten und vernachlässigt dabei ökonomische Zielsetzungen. Dies hat zur
Folge, daß rationale politische Kalküle wesentlich das unternehmerische Handeln öffentlicher türkischer Unternehmen bestimmen.
160
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Unsere Ausführen haben gezeigt, daß hinsichtlich der hierarchischen Einordnung des Rechnungswesens, insbesondere der Kostenrechnung, aufbauorganisatorische Defizite in der unternehmerischen Praxis der Türkei bestehen. Diese Defizite werden vor allem bei Kleinunternehmen deutlich. Bei Mittel- und Großunternehmen ist zwar
häufig eine Aufbauorganisation im strukturtechnischen Sinne vorhanden, jedoch ist
die hierarchische Einordnung der Kostenrechnung als inadäquat zu beurteilen.
4.2 Unternehmenskultur Als eine weitere wesentliche Rahmenbedingung für den Einsatz der Kostenrechnung sehen wir die Unternehmenskultur an. Die große Bedeutung der Unternehmenskultur
wurde in der unternehmerischen Praxis und im betriebswirtschaftlichen Schrifttum
wesentlich später erkannt als die Bedeutung und der Stellenwert anderer Rahmen
bedingungen der Kostenrechnung. Im folgenden versuchen wir anhand einer Beschreibung der Unternehmenskultur sowie mittels ausgewählter Definitionen und
Typologisierungsversuche eine erste Einordnung vorzunehmen. Darauf aufbauend entwickeln wir ein Polaritätsprofil, in welchem wir die unterschiedlichen Unter nehmenskulturen von öffentlichen und privaten türkischen Unternehmen einander
gegenüberstellen. Daran anschließend arbeiten wir die Kennzeichen und Auswir kungen der durchgehend starken Unternehmenskulturen in türkischen Unternehmen
heraus. Abschließend betrachten wir die in der unternehmerischen Praxis der Türkei
vorzufindenden Interdependenzen zwischen der Unternehmenskultur und der
Kostenrechnung. 4.2.1 Wesen und Definitionsansätze Zur Kennzeichnung der generellen Bedeutung und des Wesens der Unter
nehmenskultur ist es zweckmäßig, auf eine Analogie von French und Bell zurückzu
greifen. Diese Autoren betrachten die formale Organisation als die Spitze eines Eis bergs, die nur so lange schwimmt, wie sie von der Organisationskultur als dem
Ausgewählte Rahmenbedingunqen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 161
unsichtbaren, aber wesentlich größeren Teil des Eisbergs getragen wird.739 Dieser
„organisatorische Eisberg" wird in Abbildung 8 dargestellt
Abb. 8: Der „organisatorische Eisberg“
Zum Phänomen der Unternehmenskultur existieren in der Literatur viele verschie dene Definitionen, wobei von den verschiedenen Autoren auch die Begriffe Firmen
kultur, Unternehmungskultur, Organisationskultur und Corporate Culture häufig ohne
739
Vgl. hierzu ausführlich French/Bell [Organisationsentwicklung 1990], S.31ff. Vgl. auch Ulrich/Fluri [Management 1992], S.206.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
162
nennenswerte
Bedeutungsunterschiede
verwendet
werden.740
Zur
Begriffs
bestimmung sollen im folgenden einige ausgewählte Definitionen vorgestellt werden: • Ulrich und Fluri betrachten die Unternehmenskultur als „die Gesamtheit der
firmen-typischen
Wertvorstellungen
und
Normen,
Denk-
und
Verhaltens
gewohnheiten“741.
• Bleicher definiert die Organisationskultur als "das kognitiv entwickelte Wissen und
die Fähigkeiten einer Unternehmung sowie die affektiv geprägten Einstellungen
ihrer Mitarbeiter zur Aufgabe, zum Produkt, zu den Kollegen, zur Führung und zur Unternehmung in ihrer Formung von Perzeptionen (Wahrnehmungen) und
Präferenzen (Vorlieben) gegenüber Ereignissen und Entwicklungen"742. • Scholz kennzeichnet die Organisationskultur als "das implizite Bewußtsein eines Unternehmens"743.
• Steinmann und Schreyögg bezeichnen die Unternehmenskultur als "eigene
unverwechselbare Vorstellungs- und Orientierungsmuster, die das Verhalten der Mitglieder (einer Unternehmung, Anm. des Verfassers) nach innen und außen auf
nachhaltige Weise prägen"744.
Vgl. hierzu Krulis-Randa [Unternehmenskultur 1984], S.360, Bleicher [Kulturen 1986], S.99, Dill [Unternehmenskultur 1986], S.100, Röttinger [Unternehmenskultur 1986], S.54f., Kieser [Organisationskulturen 1988], S.208, Schuh [Organisationskultur 1989], S.72, Seidel [Unternehmenskultur 1989], S.67, Dierkes [Unternehmenskultur 1990], S.14, Krulis-Randa [Unternehmungskultur 1990], S.2ff., Merkens [Organisationsveränderung 1990], S.51, Simon [Unternehmenskultur 1990], S.3, Becker [Unternehmenskultur 1991], S.7f., Gabele [Unternehmenskultur 1993], S.117f., Sourisseaux [Organisationskultur 1994], S.82, Bühner [Personalmanagement 1994], S.282f., Ebers [Organisationskultur 1995], Sp.1665f., Schein [Unternehmenskultur 1995], S.18ff., Heinen/Fank [Unternehmenskultur 1997], S.2f., Kajüter [Unternehmenskultur 1997], S.82f., May [Organisationskultur 1997], S.43f., und Frese [Organisation 1998], S.182f. Die Begriffe „Unternehmenskultur“, „Organisationskultur" und „Firmenkultur“ werden im folgenden synonym verwendet.
741 742
743 744
Ulrich/Fluri [Management 1992], S.38. Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2243. Scholz [Organisationskultur 1988], S.244.
Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.585.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
163
4.2.2 Typologisierungsversuche
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß jedes Unternehmen eine eigene (mehr oder weniger stark ausgeprägte) Unternehmenskultur besitzt, die nicht allein durch die
bloße Subsumtion unter einen bestimmten Kulturtyp zu verstehen ist. Die Organi sationskultur wird vielmehr durch eine Vielzahl unterschiedlicher Determinanten bestimmt.745 Insofern stellt jegliche Typologisierung eine starke Vereinfachung der
Realität dar. Dies erkennen auch Deal und Kennedy an, wenn sie ausführen: "This devision of the world of business into four categories is, of course, simplistic. No company we know today precisely fits into any of these categories. In fact, within any
single real-world company a mix of all four typs will be found."746 Allerdings leisten derartige Typologisierungen von Organisationskulturen einen Beitrag dazu, sich dem
komplexen Phänomen Unternehmenskultur (und insbesondere den verschiedenen Facetten und Zusammenhängen) überhaupt erst nähern zu können.747 Im folgenden wollen wir einige ausgewählte Typologisierungsversuche der Unternehmenskultur
vorstellen.
Typologie nach Deal/Kennedy Einen einfachen Operationalisierungsversuch der Unternehmenskultur stellt das
Modell von Deal und Kennedy dar.748 Nach diesen Autoren wird die Unternehmens
kultur durch die Parameter Risiko und Feedback bestimmt. Dabei lassen sich, wie in
Abbildung 9 dargestellt, vier Typen von Unternehmenskulturen unterscheiden.
Vgl. Kasper [Organisationskultur 1987], S.86ff., Flöther [Firmenkultur 1991], S.53f., Schneider [Unternehmenspolitik 1991], S.27, Welge/Al-Laham [Planung 1992], S.395, Ulrich [Unternehmenskultur 1993], Sp.4360, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.473f., Heinen/Fank [Unternehmenskultur 1997], S.26f., und Hinterhuber [Unternehmungsführung II 1997], S.238.
Deal/Kennedy [Corporate Cultures 1987], S.108. Vgl. Schreyögg [Organisationskultur 1992], Sp.1529f., Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.592, und Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.602. Vgl. zum folgenden Deal/Kennedy [Corporate Cultures 1987], S.107ff. Vgl. aber auch Deal [Unternehmenskultur 1984], S.27ff.
164
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Risiko n bei der Entscheidung
hoch
Bet-your-
Tough-Guy-
company-
Macho-
culture
culture
Work-hard/
Process
niedrig
play-hard-
culture
culture
schnell
langsam
Feedback
Quelle:Deal/Kennedy [Corporate Cultures 1982], S.107
Abb. 9: Unternehmenskulturtypologie nach Deal/Kennedy Die bet-your-company-Kultur ist dadurch gekennzeichnet, daß in Entscheidungs
situationen hohe Risiken eingegangen werden und der Finanzmittelrückfluß sich erst
nach Monaten oder Jahren einstellt. Voraussetzungen für den Erfolg sind hier Fach kompetenz und menschliche Autorität. Eine solche Kultur findet sich in Unternehmen
mit langfristigen Investitionen wie beispielsweise im Flugzeugbau, in der pharmazeu tischen und chemischen Industrie. Diese Unternehmenskultur stellt den Nährboden für Innovationsschübe in ganzen Branchen dar. In einer Organisation mit einer tough-guy-macho-Kultur arbeiten meist Individualisten
mit einer intuitiven Routine. Es werden hohe Risiken in Kauf genommen und ein schneller Informationsrückfluß verlangt, der Zeitfaktor beträgt hier Stunden, maximal
Tage. Beispiele für Unternehmen mit einer solchen Unternehmenskultur sind
Devisen- und Finanzmakler, Show- und Unterhaltungsfirmen sowie Werbeagenturen.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Werden
in
einem
Unternehmen
bei
den
Entscheidungen
geringe
IfiS
Risiken
eingegangen und kommt es zu einem langsamen Informationsrückfluß, so liegt eine process-Kultur vor. Bei diesem Kulturtyp ist das Wertgefüge auf Perfektion ausgerichtet; entscheidend für den Mitarbeiter ist nicht, was er tut, sondern, daß er
sich an die vorgegebenen Standards hält, die Hierarchie konsequent beachtet und den Dienstweg einhält. Beispiele für solche Unternehmenskulturen sind halbstaatlich
und staatlich geführte Unternehmen, aber auch die Rechnungswesenabteilungen
größerer Unternehmen. Die work-hard-play-hard Kultur ist typisch für alle marktorientierten Unternehmen,
zum Beispiel für Computerhersteller, Autofirmen und Fast-food-Ketten. Die Mit arbeiter gehen geringe Risiken ein, erhalten aber ein schnelles Feedback über die
von ihnen getroffenen Entscheidungen; Wochen und maximal Monate sind der Zeitfaktor. Teamarbeit und Serviceorientierung stehen bei dieser Unternehmens
kultur im Vordergrund, deren Erfolg wesentlich auf Beharrlichkeit aufbaut. Typologie nach Ansoff
Ansoff749 geht davon aus, daß in Organisationen bzw. ihren Subsystemen
unterschiedliche strategische
Kulturen entstehen, die durch
unterschiedliche
Attribute gekennzeichnet werden können. Durch die Zuordnung von bestimmten
unternehmerischen Tätigkeiten zu diesen Attributen ergeben sich die folgenden fünf
Kulturtypen:750 (1) Stabile Kulturtypen orientieren sich an der Vergangenheit, gehen keine Risiken
ein, sind introvertiert und streben vor allem nach einer Erhaltung des Status quo.
Derartige Kulturtypen finden sich vorwiegend in den Abteilungen Produktion und
Rechnungswesen.
(2) Reaktive Kulturtypen zeichnen sich durch Introvertiertheit, Gegenwartsorien tierung und geringe Risikoneigung aus. Kleinere Abweichungen vom gegen-
Vgl. zum folgenden Ansoff [Management 1991], S.120ff. Vgl. hierzu Matenaar [Organisationskultur 1983], S.73, und Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.602.
166____________ Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
wärtigen Status werden von diesem Kulturtyp, der in den Bereichen Produktion
und Finanzen anzutreffen ist, akzeptiert. (3) Antizipative Kulturtypen lassen sich dadurch kennzeichnen, daß sie sowohl introvertiert als auch extrovertiert sein können und Risiken ausschließlich bei
bekannten und vertrauten Situationen eingegangen werden. Eine solche Kultur
ist typischerweise in den Bereichen Marketing und Planung zu finden. (4) Explorative Kulturtypen sind extrovertiert. Sie legen ihre eigene Zukunft auch auf
eine unvertraute Zukunft aus. Veränderungsmöglichkeiten werden aktiv gesucht, wobei
ihre
Risikoneigung
dahingehend
tendiert,
Risiko
und
Gewinn
gegeneinander abzuwägen. Explorative Kulturtypen sind vorzufinden in den Bereichen Produkt- und Marktentwicklung sowie in Diversifikationseinheiten.
(5) Kreative Kulturtypen sind eindeutig extrovertiert und bevorzugen das unvertraute Risiko. Sie streben aktiv nach Veränderungen und gehen generell von einer neu
artigen Zukunft aus. Anzutreffen sind kreative Kulturtypen im Bereich der Forschung und in New Venture Units. Typologie nach Bleicher
Bleicher schlägt eine vierdimensionale Kulturtypologie vor, bei der jede der
Dimensionen • differenzierte Subkultur versus zentralistische Einheitskultur,
• soziale Orientierung versus ökonomische Orientierung, • Marktorientierung versus Technologieorientierung sowie • Innovationsorientierung versus Stabilitätsorientierung
„eine Spannungsreihe möglicher Justierungen der Unternehmenswirklichkeit"751 darstellt.752 Durch die Zusammenfügung der vier Dimensionen erhält man eine
Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2248. 752
Vgl. hierzu Bleicher [Organisationskultur 1986], S.103f., und Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2248f.
Ausgewghlte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
167
Zustandsbeschreibung der Organisationskultur,753 wobei Bleicher zwischen den in Abbildung 10 dargestellten Unternehmenskulturprofilen unterscheidet.
ältere. zentralistisch geführte Technologieuntemehmung unter starkem Ergebnisdruck
ältere, sozial verpflichtete, zentralistisch geführte Markenartikeluntemehmung
jung, dezentral geführte Technologieuntemehmung mit starker Ergebnisonentierung
jüngere, dezentral geführte Markenartikeluntemehmung mit starker Ergebnisorientierung
Quelle: Bleicher [Unternehmenskultur 1992], Sp. 2249 (leicht modifiziert)
Abb. 10: Unternehmenskulturtypologie nach Bleicher
753
Vgl. Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2248.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
168
4.2.3 Polaritätsprofil privater versus öffentlicher türkischer Unternehmen
Es existiert eine Vielzahl von Symptomen, an denen eine Unternehmenskultur
erkennbar ist Diese sind den Insidern regelmäßig derart vertraut, daß sie häufig
nicht mehr wahrgenommen werden, während sie andererseits Außenstehenden
sofort auffallen.754 Im folgenden wollen wir versuchen, eine Systematik zu entwickeln, um die Unternehmenskultur in der unternehmerischen Praxis der Türkei zu kennzeichnen. Zu dieser Thematik konnten wir trotz intensiver Recherchen keine
Ausführungen im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei finden. Da wir in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern aus der unternehmerischen Praxis feststellen konnten, daß in türkischen Privatunternehmen und in öffentlichen Unternehmen eine deutlich differenzierte Unternehmenskultur vorzufinden ist, wollen
wir diese Unterscheidung zur Grundlage unserer folgenden Ausführungen machen. In Abbildung 11 werden in einem Polaritätsprofil die Unternehmenskulturen privater türkischer
Unternehmen
und
öffentlicher
türkischer
Unternehmen
anhand
ausgewählter Kriterien einander gegenübergestellt. Dabei sind wir uns durchaus bewußt, daß in der Praxis Abweichungen auftreten können. Allerdings zeichnen sich
die Unternehmenskulturen innerhalb der Gruppe privater türkischer Unternehmen auf der einen Seite und innerhalb der Gruppe öffentlicher türkischer Unternehmen auf der anderen Seite - zumindest hinsichtlich einzelner Merkmale - durch eine
relativ große Homogenität aus, so daß eine derartige Typologiesierung durchaus ihre
Berechtigung hat.
754
Vgl. Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2245, und Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.587.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
169
Abb. 11: Unternehmenskulturelles Polaritätsprofil privater und öffentlicher türkischer
Unternehmen Aus Abbildung 11 können wir entnehmen, daß sich Privatunternehmen mit einer
deutlich höheren Intensität den Zukunftsproblemen und Visionen widmen als dies in
öffentlichen Unternehmen der Fall ist. Einschränkend müssen wir allerdings hinzufügen, daß auch in der „Händlerkultur" der türkischen Privatunternehmen die visionäre Zukunftsorientierung, absolut betrachtet, nur mittelstark ausgeprägt ist. Die
nur geringe Bedeutung der visionären Zukuftsorientierung in öffentlichen Unter
nehmen ist vor allem darauf zurückzuführen, daß, wie wir bereits dargestellt haben,
die für die unternehmerischen Visionen zuständige Unternehmensleitung als ein rein
170
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
politisches Mandat gekennzeichnet werden muß. Dementsprechend ist sie vor allem
an den aktuellen Entwicklungen, die ihr den politischen Machterhalt ermöglichen, interessiert. In dem sehr pluralistisch geprägten parteipolitischen Umfeld der Türkei
ist für visionäre Betrachtungsweisen kein Raum. Die höhere Bedeutung, die den unternehmerischen Visionen in privaten Unternehmen beigemessen wird, führen wir
darauf zurück, daß Visionen mit zu einer langfristig ausgerichteten Unter
nehmenspolitik gehören. Bedingt durch den höheren Wettbewerbsdruck kann sich
letztlich kein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen den Ansätzen einer lang fristig angelegten Unternehmenspolitik und damit auch den unternehmerischen
Visionen entziehen, auch wenn deren Bedeutung von den meisten Privatunter
nehmen bisher kaum erkannt worden ist. Weiterhin verdeutlicht Abbildung 11, daß der Traditionalismus in den türkischen
Privatunternehmen besonders hoch ausgeprägt ist, während die Ausprägung dieses Merkmals in den öffentlichen Unternehmen nur als mittelmäßig zu bezeichnen ist.
Den hohen Traditionalismus in türkischen Privatunternehmen führen wir darauf
zurück, daß die meisten dieser Unternehmen in Familienbesitz stehen und
dementsprechend eine stark ausgeprägte konservative Grundhaltung in diesen Unternehmen festzustellen ist. Das einzelne Unternehmen wird gewissermaßen von einer Generation an die nächste Generation übergeben, wobei die jeweilige Folge
generation sukzessive die unternehmerische Verantwortung übernimmt und dabei
stark von der Vorgängergeneration geprägt wird. Die mittelstarke Ausprägung des Traditionalismus in öffentlichen türkischen Unternehmen führen wir zum einen auf
die allgemein festzustellende konservative gesellschaftliche Grundhaltung in der Türkei zurück. Zum anderen resultiert sie aber auch aus der sich aus den häufigen Regierungs- und Unternehmensleitungswechseln ergebenden normativen Kraft des
Faktischen, die eine gewisse Traditionsbetonung zur Existenzsicherung der Unter nehmen mit sich bringt. Ausgehend von der Merkmalsausprägung des Traditionalismus ist der Widerstand
gegen Veränderungen in den Privatunternehmen stärker ausgeprägt als in den
öffentlichen Unternehmen. In öffentlichen Unternehmen sind Widerstände gegen Veränderungen nur schwer durchzusetzen, da eine sehr starke Hierarchiebetonung festzustellen ist und die hierarchieadäquate Verhaltensweise durch ein ent-
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
171
sprechendes Kontroll- und Sanktionssystem gefördert wird. Die von der politisch geprägten Unternehmensleitung festgelegten Veränderungen werden in öffentlichen Unternehmen kaum Widerstand erfahren, da die Unternehmensleitung über eine
Vielzahl von Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten verfügt und auch mit den
entsprechenden hierarchischen Machtbasen ausgestattet ist. Die Unternehmens
leitung in öffentlichen Unternehmen kann sich auf einen ausgeprägten Machtapparat stützen, der Widerstände gegen Veränderungen, die den Interessen der politischen
Unternehmensleitung zuwiderlaufen, bereits im Keim erstickt. Widerstände gegen
über Veränderungen treten in öffentlichen Unternehmen mithin nur zwischen den verschiedenen politischen Orientierungen in der Unternehmensleitung im Zeitablauf
auf. Aufgrund des starken Traditionalismus in türkischen Privatunternehmen ist hier mit hohen Widerständen gegen Veränderungen des status quo zu rechnen. Zwar sind die Kontroll- und Sanktionsmechanismen in den privaten türkischen Unter nehmen nicht so stark ausgeprägt wie in den öffentlichen türkischen Unternehmen,
jedoch wird auch hier, insbesondere in den Großunternehmen, mit nicht unerheb lichen Kontroll- und Sanktionsmechanismen gearbeitet, um die Mitarbeiter zielge
richtet im Sinne der Unternehmensleitung zu führen.
Risiken werden in öffentlichen Unternehmen im Regelfall vermieden, was wir darauf zurückführen, daß sich bei Fehlschlägen umgehend die Frage der unternehme
rischen und politischen Verantwortung stellt. Würde die politische Führung eines
öffentlichen Unternehmens unverhältnismäßig hohe Risiken eingehen, so stünde sie
umgehend zur Disposition und müßte gegebenenfalls auch wegen der Veruntreuung von Staatsfinanzen mit straftrechtlichen Konsequenzen rechnen. Verstärkt wird die
Abneigung gegen Risiken in öffentlichen türkischen Unternehmen noch dadurch, daß
die Mitarbeiter mit dem politischen Machtwechsel oftmals auch zwischen den Hierarchieebenen wechseln, so daß die jeweilige Opposition stets über den Grad der
Risikoextension Klarheit hat. Anders stellt sich die Situation in den privaten Unter
nehmen dar. Hier liegt das Risiko allein beim Eigentümer und/oder der Unter nehmensleitung, wobei in der unternehmerischen Praxis durchaus häufig, allerdings in begrenztem Umfang, gewisse Risiken eingegangen werden. Risiken werden
insbesondere dann eingegangen, wenn kurzfristig ein hohes Umsatzvolumen
realisiert werden kann.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
172
Dem
Planungsaspekt
wird
in
privaten
und
öffentlichen
Unternehmen
in
unterschiedlichen Ausprägungen Rechnung getragen. Abbildung 11 zeigt, daß der strategischen Planung sowohl in den privaten Unternehmen als auch in den öffent
lichen Unternehmen eine jeweils untergeordnete Bedeutung gegenüber der opera tiven Planung zukommt In den türkischen Privatunternehmen kommt der strate
gischen Planung allenfalls in den größeren Unternehmen eine marginale Bedeutung
zu, während sich der Großteil dieser Unternehmen eindeutig auf kurzfristige Maßnahmen konzentriert und auf ein kurzfristiges Gewinnstreben ausgerichtet ist Hierdurch können nachweislich bestirrimmte unternehmerische Potentiale ment
langfristig genutzt werden. Dies hängt im wesentlichen damit zusammen, daß in der unternehmerischen Praxis der Türkei langfristige betriebswirtschaftliche Planungs-
und Analyseverfahren völlig unbekannt sind. Die aut den laufenden Leistungs
erstellungsprozeß ausgerichtete Unternehmensführung betreibt allenfalls eine mittel fristig ausgerichtete rudimentäre Finanz- und Investitionspianung, um den betrieb
lichen Prozeß dei Leistungsersteliung stets aufrech.terhalten zu können. Primäres Ziel der privaten Unternehmen ist es, aus dem Leistungserstellungsprozeß kurzfristig höhere Gewinne als die Konkurrenzunternehmen abzuschöpfen, wooei dies oftmals
durch persönliche Bez»ehungen der Eiqentumer und/oder der Unternehmensleitung zu Lieferanten und Abnenmem erreicht werden soll In öffentlichen Unternehmen
kommt der langfristigen Planung eine größere Bedeutung zu Dies ist im wesent
lichen auf die politisch vorgegebene lanresplanung zurückzuführen. Hier geht es
primär darum, die langfristigen Zielsetzungen des Unternehmens festzulegen, die dann im Rahmen einer detailerten operativen Planung in die Praxis umgesetzt
werden müssen. Das primäre Ziel der öffentlichen Unternehmen besteht naturgemäß nicht in der Gewinnmaximierung 755 Gewinne müssen von den öffentlichen Unter
nehmen nicht erzielt werden, weshalb dem Gewinnsfreben und den persönlichen Beziehungen zu den Abnehmern nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Bei
der Auftragsvergabe müssen öffentliche Unternehmen nach eng definierten Kiitenen
vorgehen, weshalb auch den Beziehungen zu den l ieferanten nur eine marginale Bedeutung zukommt
im Rahmen jr.se'Recnetchen f.abw. wir ksigesteiii. oaß eme Vie.zuh! von öffentlichen tüikischen Unternehmen nicht einmal rmstencecKe-na arbeitet
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Abbildung 11 zeigt weiterhin, daß die Spezialisierung von Mitarbeitern in türkischen
Privatunternehmen mittelstark ausgeprägt ist. Dies ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die einzelnen angelernten Mitarbeiter langfristig in der gleichen
Branche und/oder in unterschiedlichen Branchen, aber mit identischen betrieblichen Funktionen, tätig bleiben. Beförderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten bestehen in den Klein- und Mittelunternehmen kaum. Da zudem das jeweilige unternehmerische
Leistungsniveau recht hoch ist und es in der Türkei kaum diversifizierte Unter nehmen gibt, kommt es zu einer sich gegenseitig verstärkenden Spezialisierung von
Mitarbeitern und unternehmerischem Leistungsspektrum und damit zu einer zuneh
menden gegenseitigen Abhängigkeit von Mitarbeitern und Unternehmen. Die Spezia lisierung der Mitarbeiter in öffentlichen Unternehmen ist noch weiter ausgeprägt, da es sich hier ausschließlich um Großunternehmen handelt, die eine Vielzahl von
spezialisierten Abteilungen aufweisen. Entwicklungsmöglichkeiten sind auch für
fachlich qualifizierte Mitarbeiter kaum vorhanden, da die Besetzung der oberen Hierarchieebenen ausschließlich auf der Basis politischer Erwägungen erfolgt.
Demgemäß besteht in diesen Unternehmen für den einzelnen Mitarbeiter die Notwendigkeit, sich entsprechend den Anforderungen der politisch geprägten Unter
nehmensführung auf ein eng begrenztes Aufgabengebiet zu spezialisieren. Da die öffentlichen Unternehmen nicht diversifiziert sind und häufig eine Monopolstellung auf dem inländischen Markt innehaben, kommt es auch hier zu einer gegenseitigen Abhängigkeit von Mitarbeitern und Unternehmen. Dabei ist die Abhängigkeit der Mit
arbeiter von dem jeweiligen öffentlichen Unternehmen aufgrund der Monopolstellung dieser Unternehmen und der gleichzeitig hohen Spezialisierung der Mitarbeiter sehr viel stärker ausgeprägt als in privatwirtschaftlich geführten Unternehmen. Gewisser
maßen werden in den öffentlichen türkischen Unternehmen, im Gegensatz zu den im betriebswirtschaftlichen Schrifttum bekannten Markteintrittsbarrieren, außergewöhn
lich hohe Austrittsbarrieren aufgebaut.
Aus dem von uns entwickelten unternehmenskulturellen Polaritätsprofil können wir entnehmen, daß die im Rahmen der Analyse der Unternehmenskultur zugrunde gelegten Merkmalsausprägungen bei privaten und öffentlichen Unternehmen von
unterschiedlicher Bedeutung sind. Einzelne Elemente der Unternehmenskultur sind bei den öffentlichen und privaten türkischen Unternehmen jeweils besonders deutlich
174_____________ Ausgewahite Rahmenbeaincungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
bzw. lediglich rudimentär ausgeprägt. Dies macht es aus unserer Sicht erforderlich,
im folgenden die Stärken einer Untemehmenskultur naher zu analysieren.
4.2.4 Merkmale und Wirkungen starker Unternehmenskulturen in der Türkei Neben der intrakultureilen Homogenität in öffentlichen und privaten Unternehmen weisen türkische Unternehmen durchgehend eine ausgeprägte Untemehmenskultur auf.
Nach Heinen ist eine starke Unternehmenskulhjr, im Gegensatz zu einer schwachen
Unternehmenskultur, durch folgende Merkmale gekennzeichnet:'56 • hoher Verankerungsgrad, d n. die kulturellen Muster sind von eii^m Großteil der Mitarbeiter - im ideaifaP von ailen MHA'Peitem • internalisiert, • SystemKompaiibihtät. d.n. die unlernehmenskuiturellen Werte und Normen stehen
in Übereinstimmung mit den Fuhrungsmelhoaen, Führungsstilen und Organisa tionsstrukturen, * hohe Kuhurelie Homogenität, dm. in der Orgciuisatir-n sind keine Subkulturen mit
eigenständigen kulturellen Orientiemngsmustem vorhanden. Die Ursache für die Starke der Organisationskuitur liegt be» den öffentlichen
türkischen Unternehmen vor allem in der ständigen Kontrolle, den erheblichen Sanktionen bei Abweichungen von der Norm sowie der ausgeprägten Hierarchie-
betor.ung. Organisationsmitgliedei. die s.ch nicht kulturkcnform verhalten können
generell nicht in der Bürokratiekultur dieser Unternehmen verbleiben. Audi bei der Händierkuitur privater türkischer Unternehmer* führt ein kuiturwidnges Verhalten zumindest mittelfristig zum Ausschluß aus der Organisation 'wobei die Starke dieser
Untemehmenskultur wesentlich durch die Verbindung von Gründe'- bzw
Eigen-
tümerpersönlichkeit und Tradition, verstanden im Sinne der Ehrfurcht vor dem von der vorherigen Generation übernommenen, detem-iimed wird.
Vg! zum tilgenden Hcmen/Pank [Untemer.mecskulhjr 19971. S Vgl hierzu aber auch Schieyöpc [UnterriehmensHjitur 1933;. S . sowie d'e ocn O'skunerte Lileratu7
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
V5
Der wesentliche Vorteil757 einer starken Unternehmenskultur sind darin zu sehen,
daß sie eine „weitreichende Orientierungsleistung“758 erbringt, indem sie die Vielzahl
möglicher Sichtweisen und Interpretationen der Ereignisse und Situationen deutlich verringert. Damit stellt sie eine eindeutige Basis für das tägliche Handeln bereit. Als
vorteilhaft erweist es sich ferner, daß die Unternehmenskultur eine reibungslose
Kommunikation
ermöglicht
und
die
Entscheidungsfindung
und
-Umsetzung
beschleunigt. Das konsistente Präferenzsystem der Organisationsmitglieder führt zu eindeutigen und schnellen Entscheidungen respektive tragfähigen Kompromissen.
Diese lassen sich aufgrund ihrer breiten Akzeptanz schnell und wirkungsvoll inner halb der Organisation umsetzen. Schließlich trägt eine starke Unternehmenskultur zur Systemstabilisierung im weitesten Sinne bei, da die internalisierten Orien
tierungsmuster Sicherheit vermitteln und für die einzelnen Organisationsmitglieder nur eine sehr geringe Neigung besteht, dieses kohärente System zu verlassen.
Diesen Vorteilen stehen aber auch Nachteile gegenüber.759 Die verinnerlichten Wertesysteme und Orientierungsmuster können leicht derart dominierend werden, daß die Organisation zu einem geschlossenen System wird. Dadurch ist die
Organisation nicht mehr in der Lage, auf Kritik und Warnsignale, aber auch auf neue Anforderungen und Chancen, adäquat zu reagieren. Die Handlungsweisen der
Organisation und ihrer Mitglieder sind dadurch bestimmt, daß bereits Anzeichen, die in diese Richtung gehen, ignoriert werden. Neue Orientierungen, durch die sie die
Unternehmenskultur in ihrer Identität bedroht sehen, werden frühzeitig abgeblockt oder überhaupt nicht registriert. Aber selbst für den Fall, daß neuartige Aspekte in
Vgl. zum folgenden Schreyögg [Unternehmenskultur 1988], S.6ff. Vgl. hierzu auch Bleicher [Unternehmungspolitik 1984], S.495f., Heinen/Dill [Unternehmenskultur 1986], S.204, Demuth [Unternehmen 1990], S.27f., Hobbensiefken [Unternehmenskultur 1990], S.28f., Sackmann [Gestaltung 1990], S.171ff., Scholz/Hofbauer [Organisationskultur 1990], S.15, Bromann/Piwinger [Gestaltung 1992], S.78f., Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.597ff., Beyer et al. [Unternehmenskultur 1994], S.27, Bühner [Organisationslehre 1996], S.7f., Hinterhuber [Führungskräfte 1996], S.48, Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.485f., und Franzpötter [Organisationskultur 1997], S.33.
Schreyögg [Unternehmenskultur 1988], S.6. Vgl. hierzu ausführlich Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.599f. Vgl. auch Freimuth [Organisationskultur 1985], S.91f., Schreyögg [Unternehmenskultur 1988], S.10f., Heinen/Dill [Unternehmenskultur 1990], S.22f., Wever [Unternehmenskultur 1990], S.182f., Schreyögg [Organisationskultur 1992], Sp.1532f., Bea/Haas [Strategisches Management 1997], S.486, und Olfert/Pischulti [Unternehmensführung 1999], S.63.
176____________ Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
den Entscheidungsprozeß Eingang finden, kann die Umsetzung dieser Entschei
dungen nicht immer realisiert werden, da starke Unternehmenskulturen bei einem grundsätzlichen Wandel - etwa in der Unternehmenspolitik - häufig erhebliche
Implementierungsbarrieren aufbauen. „Neue Strategien und Projekte stoßen auf eine
argumentativ kaum zugängliche Bindung an herkömmliche
Prozeduren
und
Vorstellungen."760 Ursächlich für diese Reaktion ist im wesentlichen, daß die bisher
herrschende Sicherheit, die starken Unternehmenskulturen immanent ist, auf
gegeben werden soll, was dann entsprechende Angst- und/oder Abwehrreaktionen der Organisationsmitglieder hervorruft.
Festzuhalten bleibt, daß die beschriebenen Nachteile „Starrheit und mangelnde
Anpassungsfähigkeit"761 hervorrufen. Dies führt zu einem Mangel an unternehme
rischer Flexibilität und kann die Existenz des Unternehmens gefährden, zumal die
Umstellungsfähigkeit vor dem Hintergrund veränderter Unternehmensstrategien zu einem wesentlichen unternehmerischen Erfolgspotential geworden ist.'62
4.2.5 Interdependenzen von Unternehmenskultur und Kostenrechnung in türkischen Unternehmen Zwischen der Unternehmenskultur und dem Stellenwert der Kostenrechnung in
türkischen Unternehmen bestehen vielfältige Interdependenzen. Im folgenden wollen wir die wesentlichen Zusammenhänge herausarbeiten.763 In der Bürokratiekultur öffentlicher türkischer Unternehmen erfolgt die Kosten
rechnung - sofern überhaupt vorhanden - ausschließlich nach den Vorgaben der politischen Entscheidungsträger. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften
ist mit dieser Kultur genauso unvereinbar wie eine Erweiterung der Kostenrechnung
über die politischen Vorgaben hinaus. Ziel der Mitglieder derartiger Organisationen ist es, stets den gegenwärtig aktuellen gesetzlichen bzw. politischen Auftrag zu
Schreyögg [Organisationskultur 1992], Sp.1533. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.600.
Vgl. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.600. Die folgenden Ausführungen zu den Interdependenzen von Unternehmenskultur und Kostenrechung in türkischen Unternehmen basieren auf den zahlreichen Gesprächsergebnissen des Verfassers mit Vertretern aus der unternehmerischen Praxis der Türkei.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
177
erfüllen. Den Ergebnissen der Kostenrechnung an sich kommt dabei lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu. Mithin wird bei der Bürokratiekultur der Durchfüh rungsaspekt deutlich gegenüber dem Ergebnisaspekt der Kostenrechnung betont.
Differenzierter stellt sich die Situation in den privaten türkischen Unternehmen dar, wobei die Händlerkultur derartiger Unternehmen als (organisationsumfassender)
stabiler Kulturtyp im Ansoffschen Sinne zu kennzeichnen ist. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, daß der Führung eine „außergewöhnlich prägende Rolle“764 bei der Entstehung einer Unternehmenskultur zukommt. Der Unternehmensgründer
initiiere gewissermaßen eine Unternehmenskultur, indem er in der Situation des noch nicht Vorhandenseins einer Firmenkultur seine eigenen Visionen, Werte und Normen in das Unternehmen einbringt.765 Eine Fortentwicklung dieser Gründerkultur wie sie im Schrifttum postuliert wird,766 ist aufgrund der Stärke und der Traditions
betonung dieses stabilen Kulturtyps nahezu ausgeschlossen und allenfalls in Ansätzen möglich. Auf den Aspekt der Kostenrechnung bezogen bedeutet dies, daß
der Stellenwert der Kostenrechnung in privaten türkischen Unternehmen unter der
Leitung bzw. dem Einfluß des kulturprägenden Eigentümers - auch im Zeitablauf kaum Änderungen erfährt. Die Eigentümer bzw. die Unternehmensleitung lassen
sich in nicht wenigen Entscheidungsfällen bevorzugt von ihrem Traditionsbewußtsein und den retardierenden Kräften der Unternehmenskultur leiten.
Zusammenfassend können wir festhalten, daß die in türkischen Unternehmen
vorhandene starke Unternehmenskultur einen determinierenden Einfluß auf den Einsatz von Kostenrechnung ausübt.
Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2244.
Vgl. Wever [Unternehmenskultur 1990], S.67f., Bleicher [Unternehmungskultur 1992], Sp.2244, und Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S. 600f. Vgl. hierzu Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.600f.
171
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
4.3 Wettbewerbsstrategien Die von einem Unternehmen verfolgte Wettbewerbsstrategie stellt eine wesentliche
Rahmenbedingung der Kostenrechnung dar. Vor diesem Hintergrund ist im folgenden der Begriff und das Wesen der Wettbewerbsstrategie zu untersuchen,
wobei wir insbesondere den Zusammenhang zur Unternehmenspolitik heraus
arbeiten wollen. Darauf aufbauend werden grundlegende Ansätze von Wettbewerbs strategien vorgestellt, die sich im betriebswirtschaftlichen Schrifttum und der unter nehmerischen Praxis durchgesetzt haben. Zudem zeigen wir die Konsequenzen für die unternehmerische Kostenrechnung auf, die mit der Strategieauswahl verbunden
sind. Abschließend sollen die Besonderheiten in der Türkei analysiert und einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. 4.3.1 Grundlagen und Einordnung Unternehmensstrategie und Unternehmenspolitik stehen in einem engen wechsel
seitigen Zusammenhang. Das Anliegen der Unternehmensstrategie besteht darin, die von der Unternehmenspolitik festgesetzten Zielsetzungen unter optimaler
Verwendung der bereitstehenden Ressourcen767 zu erreichen.768 Demgemäß kenn zeichnet Hinterhuber die Strategie als ein Mittel, um die im Rahmen der Unterneh menspolitik festgelegten Ziele zu erreichen.769 „Während die Unternehmenspolitik
den Zweck der Unternehmung sowie die wesentlichen Ziele und Verhaltensgrund sätze als Rahmen festhält, ist es Aufgabe der strategischen Planung innerhalb
dieses Rahmens die zukünftige Entwicklung der Unternehmung konkret festzu legen.“770 Die Unternehmensführung erfordert sowohl unternehmenspolitisches
768
Wir konzentrieren uns auf die Ansätze des Market-Based-View. Hiervon abzugrenzen sind die ressourcenorientierten Ansätze, die in der Generierung von Ressourcen eine eigenständige Zielgröße sehen. Vgl. hierzu ausführlich Bodenstein/Spiller [Marketing 1988], S.150, Corsten [Wettbewerbsstrategie 1998], S.136ff., und Blecker [Unternehmung 1999], S.191ff. Vgl. hierzu ausführlich Schreyögg [Unternehmensstrategie 1984], S.5, Hinterhuber
[Wettbewerbsstrategie 1990], S.57, Hinterhuber [Unternehmensführung I 1996], S.44. Vgl. auch Al-Ani [Strategieentwicklung 1996], S.13.
769
Vgl. Hinterhuber [Unternehmungsführung I 1996], S.44.
770
Ullrich/Fluri [Management 1988], S.98.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
.179
Handeln als auch eine strategische Ausrichtung771, wobei die Interdependenzen
zwischen diesen beiden Handlungsweisen derart tief sind, „daß keine Strategie ohne Berücksichtigung der unternehmenspolitischen Erfordernisse und keine Unter
nehmenspolitik ohne Kenntnis des strategischen Instrumentariums denkbar ist.“772 Hinterhuber weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, daß die
Verzahnung von Unternehmenspolitik und Strategie allmählich gewachsen ist, sich in Zukunft jedoch noch weiter verstärken wird.773
Innerhalb der Unternehmensstrategien kann mit Corsten und Will zwischen der Gesamtunternehmensstrategie
und
der
Wettbewerbsstrategie
unterschieden
werden.774 Die Gesamtunternehmensstrategie befaßt sich in erster Linie mit der
Bestimmung des unternehmerischen Betätigungsfeldes, d.h. mit de/ Steuerung des Gesamtportfolios775 strategischer Geschäftseinheiten.776 Durch die Unternehmens
strategie wird festgelegt, in welchen Geschäftsfeldern ein Unternehmen zukünftig tätig ist.777 Demgegenüber „bestimmt die Wettbewerbsstrategie die Art und Weise,
mit der die Unternehmung in einzelnen strategischen Geschäftsfeldern in Wett bewerb treten soll. Ziel der Wettbewerbsstrategien ist der Aufbau, strategischer Wettbewerbsvorteile aufgrund eines für den Kunden wichtigen und von diesem auch
tatsächlich wahrgenommenen Leistungsmerkmals, das dauerhaft vor Imitations versuchen der Konkurrenz zu verteidigen ist.“778 Strategische Wettbewerbsvorteile
eines Unternehmens gehen auf Strategische Erfolgsfaktoren779 zurück, hierzu zählen
Grundlage des strategischen Handelns sollte natürlich die strategische Planung sein. Vgl. hierzu beispielweise Kaluza/Ostendorf [Szenario-Technik 1995], S.11ff., und zur exemplarischen Anwendung Kaluza/Ostendorf [Entwicklungsperspektiven 1998], S.5ff. 772
Hinterhuber [Unternehmungsführung I 1996], S.98.
773
Vgl. Hinterhuber [Unternehmungsführung I 1996], S.98.
774
Vgl. Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.185.
775
Vgl. zu den theoretischen Grundlagen Markowitz [Portfolio 1959], und zu einer Übersicht ver
776
schiedener Konzepte Al-Laham [Strategieprozesse 1997], S.141. Vgl. Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.185.
777
Vgl. Steinmann/Schreyögg [Management 1993], S.151, und Corsten [Wettbewerbsstrategie
778
Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.185.
779
Vgl. zur Einteilung der Strategische Erfolgsfaktoren Kaluza [Produktionskonzepte 1995], S.76,
1998], S.8.
und Rösner [Service 1998], S.223.
ISO____________ Ausqewählte Rahmenbedingungen imHinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
zum Beispiel eine im Vergleich zu den Konkurrenzunternehmen überlegene Kosten
position auf den relevanten Märkten oder eine hohe Produkt- und Servicequalität780 Durch die Formulierung einer Wettbewerbsstrategie wird das Unternehmen zu seinem Umfeld in Bezug gesetzt.781 Abbildung 12 gibt einen Überblick über die im
Rahmen einer Unternehmensumweltanalyse zu berücksichtigenden Determinanten, wobei das elementare Ziel einer Wettbewerbsstrategie darin besteht, einen „fit“
zwischen den einzelnen SGF der Unternehmung und der Umwelt zu gewährleisten.
Abb. 12: Wettbewerbsverhalten der etablierten Unternehmen Nachfolgend zeigen wir die Grundlagen der Entwicklung der Wettbewerbsstrategien
anhand ausgewählter Ansätze auf, die in der Theorie intensiv diskutiert werden und
Vgl. Bodenstein [Qualitätspolitik 1992], S.4ff., und Porter [Wettbewerbsvorteile 1999], S.38ff. Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.33.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 181
einen hohen Verbreitungsgrad aufweisen.782 Zielsetzung kann es dabei nicht sein,
ein abschließendes Bild aller existierenden Wettbewerbsstrategien zu vermitteln, sondern vielmehr idealtypische Strategien aufzuzeigen, mit deren Hilfe die Relevanz für die Kostenrechnung aufgezeigt werden kann. 4.3.2 Ansätze von Wettbewerbsstrategien
4.3.2.1 Generische Wettbewerbsstrategien nach Porter Das Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien hat im betriebswirtschaftlichen Schrifttum eine weite Verbreitung gefunden. Nach Porter „gibt es drei erfolgsver
sprechende Typen strategischer Ansätze, um andere Unternehmen in einer Branche
zu übertreffen: 1. Umfassende Kostenführerschaft 2. Differenzierung 3. Konzentration auf Schwerpunkte.“783
Der Grundgedanke dieses Strategiekonzepts besteht darin, daß sich zukünftige Erfolgspositionen entweder über die Kostenposition oder über die Erlösposition
realisieren lassen. Ferner differenziert Porter zwischen solchen Unternehmen, die branchenweit tätig sind und denen, die sich auf ein einzelnes Marktsegment
konzentrieren. Ausgehend von diesen Basisannahmen differenziert Porter branchen weit zwischen der Strategie der umfassenden Kostenführerschaft und der Differen zierungsstrategie, während er im Rahmen der Konzentration auf Schwerpunkte
zwischen den beiden Strategien „cost focus“ und „differentiation focus“ unter
Vgl. Simon [Wettbewerbsstrategien 1993], Sp.4687ff., Zahn [Produktion 1994], S.252, Fleck [Wettbewerbsstrategie 1995], S.13ff., Klenter [Zeit 1995], S.143, Treacy/Wie rsema [Marktführerschaft 1995], S.33f., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.193f„ Will [Wettbewerbsvorteile 1996], S.32ff., Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.448, Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7, Rösner [Service 1998], S.237ff., Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.21ff., und Porter [Wettbewerbsvorteile 1999], S.37ff. 783
Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.71. Vgl. hierzu auch Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.23ff., Klenter [Zeit 1995], S.141ff., Will [Wettbewerbsstrategien 1995], S.1044ff., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.194ff., Blecker [Unternehmung 1999], S.159ff., und Porter [Wettbewerbsvorteile 1999], S.37ff.,
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
122
scheidet. In Abbildung 13 wird das Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien
dargestellt.
Strategischer Vorteil Singularität aus der Sicht des Käufers
Kostenvorsprung
Differenzierung
Umfassende Kostenführerschaft
0) N
Konzentration auf Schwerpunkte I Quelle: Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.75
Abb. 13: Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien
Die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft strebt einen Kostenvorsprung innerhalb einer Branche an, wobei das erklärte Ziel darin besteht, der kosten günstigste Anbieter dieser Branche zu sein. „Bedeutungsvollster strategischer Erfolgsfaktor dieser Wettbewerbsstrategien sind (...) die Kosten.“784 Im Mittelpunkt
dieser Strategie stehen dementsprechend Kostensenkungen durch die konsequente Anwendung des Erfahrungskurvenkonzepts, Kontrollen von variablen Kosten und
Gemeinkosten, Vermeidung von marginalen Kunden etc.785 „Niedrige Kosten, die in Form von niedrigen Preisen an die Kunden weitergegeben werden, stellen den
wesentlichen Erfolgsfaktor bei Verfolgung der Kostenführerschaftsstrategie dar."786
Klenter [Zeit 1995], S.163.
Vgl. hierzu ausführlich Porter [Wettbewerbsstrategien 1999], S.70f. Vgl. auch Cooper [Spitze 1998], S.5.
Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996b], S.5.
Ausgewählte Rahmenbedingunaen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 183
Der Kostenrechnung kommt bei Verfolgung der Kostenführerschaftsstrategie eine
elementare, strategieunterstützende Bedeutung zu. Will ein Unternehmen die Kostenführerschaft im Sinne des Porterschen Strategiekonzepts erreichen, so muß
es in der Lage sein, die Durchschnittskosten und die Grenzkosten seiner Produkte
bzw. Dienstleistungen verursachungsgerecht zu bestimmen und jederzeit kritisch zu
hinterfragen. Darüber hinaus macht die Strategie der umfassenden Kostenführer schaft auch einen dauerhaft optimierten Leistungserstellungsprozeß bzw. Produk
tionsablauf erforderlich. Dementsprechend kommt einer detaillierten kostenstellen bezogenen Planung und Kontrolle eine herausragende Bedeutung zu.
Bei der Differenzierungsstrategie steht die Erlösposition im Zentrum der Betrachtung.
Die Wettbewerbsvorteile werden bei dieser Strategie über kundenseitig wahrge
nommene und entlohnte Produkt- oder Dienstleistungsunterschiede, d.h. über einen höheren Zusatznutzen, eine bessere Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität, einen besseren Service etc. zu erreichen versucht.787 „Jeder dieser Erfolgsfaktoren besitzt ein spezifisches Potential, welches - einzeln eingesetzt oder kombiniert - dem Unter nehmen viele Differenzierungsmöglichkeiten bietet.“788 Das Unternehmen strebt mit
dieser Strategie eine verringerte Preiselastizität der Nachfrage an, mit deren Hilfe ein reaktionsfreier Preisbereich geschaffen werden kann.789 Bei der Differenzierungsstrategie hängt die Bedeutung der Kostenrechnung wesent
lich von der Art der Erfolgsfaktoren ab, deren Differenzierungspotential zur Abgren
zung gegenüber den Konkurrenzunternehmen konsequent ausgenutzt werden soll. Stellt man etwa auf qualitative Produkt- oder Dienstleistungsattribute, wie zum Beispiel das Image eines Produktes oder einer Dienstleistung ab, so kommt zwar
den konkurrenzbezogenen Kostenanalysen auf aggregiertem Niveau eine große Be
deutung zu, die Kosteneffizienz der Leistungserstellung und die detaillierte Kenntnis
der Grenz- und Durchschnittskosten je Produkt bzw. Leistung ist nur von unterge ordneter Bedeutung. Anders verhält es sich jedoch beispielsweise dann, wenn die
Differenzierungsstrategie auf dem Differenzierungspotential des Erfolgsfaktors
Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.73f. Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996b], S.5.
Vgl. Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.186.
184
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Lieferfähigkeit, etwa in Form einer erhöhten Liefergenauigkeit oder einer Verkürzung
der Lieferfristen aufbaut. In diesem Fall ist es für das Unternehmen unumgänglich, detaillierte Kenntnisse über die Kosten dieser Nebenleistung zu gewinnen. Ent
sprechend verlagert sich hier der Schwerpunkt der kostenrechnerischen Aufgaben
aus der orginären Leistungserstellung hinaus in die für die Bereitstellung des Zusatz nutzens verantwortlichen unternehmerischen Leistungsbereiche, wie zum Beispiel
die Logistik. Die vorangegangenen Ausführungen verdeutlichen nachdrücklich, daß es in der unternehmerischen Praxis stets erforderlich ist, sämtliche Kontextfaktoren zu berück sichtigen, um eine zieladäquate Ausgestaltung der Kostenrechnung eines Unterneh
mens zu gewährleisten und die Kostenrechnung zweckorieniert als Instrument der Unternehmensführung im Rahmen der Strategieunterstützung einsetzen zu können. Die Konzentration auf Schwerpunkte stellt den dritten Strategietyp der generischen
Wettbewerbsstrategien dar. Während sich die Strategie der umfassenden Kosten führerschaft und die Differenzierungsstrategie auf eine branchenweite Positionierung beziehen, stellen die verschiedenen Konzentrationsstrategien segmentspezifische
Strategien dar. Die Konzentrationsstrategie bzw. Strategie der Nischenbildung
basiert auf einer konsequenten Konzentration sämtlicher Aktivitäten des Geschäfts bereiches auf ein eng begrenztes Wettbewerbsfeld. Entsprechend ist diese generische Wettbewerbsstrategie darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse einer spezi
fischen Abnehmergruppe, eines regionalen Marktes oder einer engen Produktlinie bestmöglich zu erfüllen und so ein Marktsegment optimal auszuschöpfen. Der
Grundgedanke dieses Strategietyps besteht darin, daß ein Nischenanbieter in der Lage ist, eine strategisch eng definierte Aufgabe effektiver und effizienter zu lösen,
als ein branchenweit tätiges Unternehmen. Innerhalb des gewählten Branchen systems, der Nische, kann die künftige Erfolgsposition des Unternehmens im Wett bewerb wiederum entweder über eine Fokussierung auf die Kostenposition (cost
focus) oder über eine Fokussierung der Erlösposition (differentiation focus) erreicht werden. Entsprechend der gewählten Nischenstrategie muß die Kostenrechnung analog zu
den obigen Ausführungen zur umfassenden Kostenführerschaft und zur Differen
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
185
zierung an den jeweiligen Kontextfaktoren des gewählten Branchensystems ausge
richtet werden.
Porter weist deutlich darauf hin, daß es sich bei den dargestellten Wettbewerbs strategien um alternative Strategien handelt, die sich nicht gleichzeitig verfolgen
lassen.790 Unternehmen, die eine Kombination der beiden grundlegenden Wett bewerbsstrategien umfassende Kostenführerschaft und Differenzierung, sei es
branchenweit oder auch nur in einem Marktsegment, verfolgen, geraten „zwischen
die Stühle“ (stuck in the middle) und sind nicht mehr wettbewerbsfähig. „Es (das Unternehmen, Anm. des Verf.) büßt entweder die großen Mengenabnehmer, die
niedrige Preise fordern, ein oder es muß auf einen Teil seiner Gewinne verzichten. Es verliert aber zugleich die besonders profitablen Aufträge an diejenigen Unter nehmen, die sich auf noch profitablere Objekte spezialisiert oder die sich insgesamt
differenziert haben. Schließlich leidet das Unternehmen zwischen den Stühlen wahrscheinlich auch an einer verschwommenen Unternehmenskultur und an einem
inkonsistenten Organisations- und Motivationssystem.“791 Auch die Risiken, die mit der Verfolgung der einzelnen generischen Wettbewerbs
strategien verbunden sind, werden von Porter deutlich benannt.792 Die Strategie der umfassenden Kostenführerschaft birgt die Risiken in sich, daß
technologische
Veränderungen
Investitionen
und
Lernprozesse
entwerten.793
Weitere Risiken der Kostenführerschaft:
Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.78ff. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.79. Vgl. hierzu und zum folgenden: Porter [Wettbewerbsstrategien 1999], S.82ff. Vgl. hierzu Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien [Marktführerschaft 1995], S.199f.
1994],
S.263,
sowie Treacy/Wiersema
186
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
• Die Kostenführerschaft benötigt hohe Absatzmengen für die Realisierung von
Erfahrungskurvenvorsprüngen.794 Diese erfordern eine konstante Nachfrage, welche angesichts der Marktdynamik nur noch selten anzutreffen ist.795 • Um mit der Kostenführerstrategie erfolgreich zu sein, muß ein nennenswerter
Kostenvorteil gegenüber der Konkurrenz realisiert werden. Dies ist in reifen Märkten schwierig.796 • Bei einer starken Kostenorientierung besteht die Gefahr, die Qualität des
Produktes bzw. der Dienstleistung nur unzureichend zu berücksichtigen. Dies gilt
insbesonders wenn der Branchenstandard steigt.797 Bei der Differenzierungsstrategie kann der Kostenunterschied zwischen den Billig
anbietern und den differenzierenden Unternehmen derart groß werden, daß durch die erforderlichen Preisaufschläge die Markenloyalität nicht mehr gewährleistet
werden kann. Der Kunde verzichtet auf einen Teil der überlegenen Leistungs merkmale zugunsten von signifikanten Kosteneinsparungen.798 Weitere der Differen
zierungsstrategie immanente Risiken bestehen darin, daß der Bedarf der Abnehmer im Hinblick auf die differenzierenden Merkmale sinkt und damit der Besonderheits
charakter verlorengeht oder Imitationen eine erkennbare Differenzierung vermindern.
Die Konzentrationsstrategie ist ebenfalls risikobehaftet. Konkurrenzunternehmen
können innerhalb des strategischen Zielobjektes Untermärkte finden und sich noch gezielter bzw. noch konzentrierter auf eben diese Untermärkte spezialisieren.
Schließlich ist denkbar, daß sich die Unterschiede zwischen den Zielsegmenten
795
Vgl. Kaluza/Kürble [Erfahrungskurve 1986], S.219ff., und Corsten [Wettbewerbsstrategie 1998], S.49ff. Vgl. Pine [Massenfertigung 1994], S.79ff.
796
Vgl. Wingert [Wettbewerbsvorteile 1997], S.30.
797
Vgl. TreacyA/Viersema [Marktführerschaft 1995], S.33f., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.193f., und Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7.
798
Vgl. Kleinaltenkamp [Dynamisierung 1987], S.36f., Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1994],
S.262, und Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7.
Ausgewählte Rahme.nbedingunqen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
1^7
verringern oder die Kostendifferenz zu den branchenweit agierenden Unternehmen derart groß wird, daß die Vorteile der Konzentrationsstrategie verlorengehen.799 Das grundlegende Problem aller Porterschen Wettbewerbsstrategien besteht darin, daß es sich um eine statische Betrachtung und Untersuchung des Problemfelds handelt. Die gestiegene Wettbewerbsintensität auf den Märkten wird auch von Porter
erkannt, dennoch ist er der Auffassung, daß seine Alternativhypothese korrekt sei.800 Diese Frage wird jedoch im Schrifttum auch anders bewertet.801 Kaluza führt hierzu
aus: „An dieser statischen Formulierung von Porter, die meines Erachtens bei den
heutigen dynamischen Umweltbedingungen und dem hohen Flexibilitätspotential der modernen Produktionskonzepte nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, setzt meine Kritik
an. Die Kontraktion der Marktzyklen bei gleichzeitiger Expansion der Entstehungs zyklen führt zu einer immer schnelleren Veralterung der Produkte. Diese zwingt die
Unternehmen zu häufigen Erzeugniswechseln und/oder Anpassungen im Produk tionsprogramm, um die sich im Zeitablauf ändernden Kundenwünsche besser
erfüllen zu können. Zur Lösung dieser Probleme ist es zwingend notwendig, daß die
Unternehmen dynamische Strategien verfolgen.“802 Diese Auffassung teilen wir. Im folgenden sind daher modernere Strategiekonzepte zu untersuchen, die der Dyna
mik der Märkte besser gerecht werden.
Vgl. hierzu ausführlich Wingert [Wettbewerbsvorteile 1997], S.31. Vgl. hierzu Porter [Wettbewerbsstrategie [Wettbewerbsvorteile 1999], S.37ff.
1999],
S.15
und
S.70ff.,
sowie
Porter
Vgl. Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], Zäpfel [Produktions-Management 1989], S.91, Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1994], S.262, Zahn [Produktion 1994], S.252, Fleck [Wettbewerbsstrategie 1995], S.13ff., Klenter [Zeit 1995], S.143, Will [Wettbewerbsvorteile 1996], S.32ff., Hopfenbeck [Managementlehre 1997], S.448, Kaluza/Kemminer [Supply Management 1997], S.7, und Bodenstein/Spiller [Marketing 1998], S.115. Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996b], S.6 und vgl. in diesem Zusammenhang auch die bei Corsten/Will [Wettbewerbsstrategien 1992], S.187ff. dargestellte Unterscheidung und Kritik von Fokussierungs- und Simultanitätshypothese.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Ißß.
4.3.2.2 Ausgewählte Hybride Wettbewerbsstrategien
4.3.2.2.1 Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel Die von Gilbert und Strebel entwickelten „Outpacing Strategies“ untersuchen das Portersche Konzept der Wettbewerbsstrategien unter Beachtung der Dynamik des Wandels.803 Die „Outpacing Strategies" beschäftigen sich daher mit dem Wechsel
zwischen den Konzepten der Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategie im Zeitablauf. Diese Strategien, die auch als „Überhol- oder Spitzenreiterstrategie"804 bezeichnet werden können, fordern, daß ein Produkt dem Kunden zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit langfristig einen hohen Nutzen stiften und zugleich zu einem relativ günstigen Preis angeboten werden muß. Damit stehen sie eindeutig im
Gegensatz zu Porters Strategiekonzept, das für viele Branchen die Ausschließ
lichkeit der Strategiealternativen Kostenführerschaft und Differenzierung postuliert.805
Der Ansatz von Gilbert/Strebel ist als sequentiell hybrider Ansatz zu kennzeichnen. Erst wenn einer der Wettbewerbsparameter günstige Kosten oder Zusatznutzen
realisiert ist, wird damit begonnen, den anderen zu optimieren.806 „Langfristig gesehen sollen hoher Produktnutzen über eine Differenzierungsstrategie
und niedriger Preis mit Hilfe der Strategie Kostenführerschaft keine sich aus schließenden Alternativen darstellen.“807 Abbildung 14 zeigt den dazu notwendigen
Wechsel auf.
Vgl. Gilbert/Strebel [Strategies 1987], S.31ff., und Gilbert/Strebel [Competitive Advantage 1991], S.91ff.
Kleinaltenkamp [Dynamisierung 1987], S.32. Vgl. Porter [Wettbewerbsstrategie 1999], S.78ff.
Vgl. Fleck [Wettbewerbsstrategie 1995], S.62ff., Will [Wettbewerbsstrategien 1995], S.1047f., Kaluza [Produktdifferenzierungsstrategie 1996a], S.196L, und Kaluza et al. [Telekommunikationstechnologien 1996], S.10f. Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], S.60.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 1^
hoch
niedrig Kosten
Quelle: Gilbert/Strebel [Competitive Advantage 1991], S.91 (leicht modifiziert)
Abb. 14: Outpacing Strategies nach Gilbert und Strebel
Nach einer Phase, die neue Produktstandards schafft, muß eine Prozeßstandar
disierung erfolgen, die eine kostengünstigere Produktion ermöglicht, damit der Wechsel von der Differenzierung zur Kostenführerschaft realisierbar wird. Es wird damit vermieden, daß höhere Kosten auf Dauer den höheren Nutzen überkompen sieren oder, daß Folgeunternehmen bei Einhaltung der geschaffenen Standards zu
günstigeren Preisen anbieten können.
Der Wechsel von der Kostenführerschaft zur Differenzierung vollzieht sich durch eine entsprechende Erneuerung der Produkte, die nach einer Phase der Kostenführer schaft erfolgen muß, damit gestiegene Bedürfnisse befriedigt, neue Käuferschichten
erschlossen oder Änderungen der Rahmenbedingungen kompensiert werden
190
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
können. Es kann somit neben einer kostengünstigen Produktion auch der Differen
zierungsvorteil anderer Marktteilnehmer aufgeholt werden.
Diese Strategie bereinigt einen großen Mangel der Porter'schen Wettbewerbs
strategien. Es wird die Dynamik des Umfelds berücksichtigt. Ob und wie ein Wechsel
der verfolgten Strategie im Zeitverlauf möglich ist, muß jedoch in jedem Fall kontext abhängig untersucht werden. Ein Risiko dieses Ansatzes besteht darin, daß die Schwerpunktverlagerung von der Differenzierung hin zur Kostenführerschaft zu
einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der erreichte Kundennutzen noch wesentlich steigerungsfähig ist. Hier besteht die Gefahr, keine Vorteilsdimension voll zu rea
lisieren. Verfolgt das betroffene Unternehmen zuerst die Strategie der Kostenführer schaft, besteht zudem die Gefahr des zu frühen Konzentrationswechsels.
Die Anforderungen, die bei Verfolgung der Outpacing-Strategies an die Kosten rechnung zu stellen sind, sind wesentlich höher als bei Anwendung der beiden
Porter'schen Strategien. So muß sich die Kostenrechnung bei den OutpacingStrategies dem Strategiewandel anpassen, um im Zeitverlauf unterschiedliche
Aufgabenschwerpunkte erfüllen zu können. Zudem ist eine überaus komplexe
Kostenrechnung erforderlich, sofern sich im Unternehmen mehrere Produkte in
unterschiedlichen Outpacing-Stadien befinden. 4.3.2.2.2 Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza Simultan hybride Strategien verfolgen beide Nutzendimensionen gleichzeitig, so daß
sie die potentielle Schwäche der generischen Strategien noch besser als die sequentiell hybriden Vorschläge überwinden. Dem Ansatz von Kaluza gebührt besondere Beachtung, da dieser Autor schon in der zweiten Hälfte der 80er Jahre
sein simultan hybrides Konzept vorstellte.808
Kaluza begründet die Notwendigkeit der Produktdifferenzierung mit folgender Kritik
an Porters Konzept: „Bei den Strategien von Porter wird vernachlässigt, daß sich die Bedürfnisse der Kunden über die Zeit hinweg ändern. Je breiter und tiefer jedoch ein Produktionssortiment ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die
808
Vgl. zu den weiteren Ausführungen ausführlich Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], sowie Kaluza [Erzeugniswechsel 1989].
Ausoewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung____________ 191
Kundenbedürfnisse wechseln. Dabei wird die Änderungsproblematik umso gravie render, je individueller die Problemlösungen sind.809
Durch den Aufbau von Flexibilitätspotentialen mit Hilfe neuer Technologien soll
erreicht werden, daß sogenannte „programmierte“ Erzeugniswechsel kostengünstig durchzuführen sind. Sie unterscheiden sich von ungeplanten oder anderen Formen des Erzeugniswechsels durch die Höhe der dadurch entstehenden Kosten.810 Wenn der Erzeugniswechsel als strategische Maxime aufgefaßt wird und zu dessen programmierter Durchführung die notwendigen Wechselpotentiale gezielt aufgebaut
werden, so handelt es sich um die Strategie der „Dynamischen Produktdifferen
zierung“. Im Zentrum dieser Strategie steht die Fähigkeit zum Wechseln. Das gesamte Potential des Unternehmens ist darauf ausgelegt, die über die Zeit hinweg
wechselnden Bedürfnisse der Kunden optimal befriedigen zu können. Der Unterschied zu der Differenzierungsstrategie von Porter ist die Betrachtung der Zeitkomponente. Die Strategie von Porter kann gegenüber der Dynamischen Produktdifferenzierung als eine statische Differenzierung bezeichnen werden, da sie
darauf ausgerichtet ist, unterschiedliche Kundenbedürfnisse zum gleichen Zeitpunkt zu befriedigen. Die Strategie der „Dynamischen Produktdifferenzierung“ konzentriert
sich hingegen „auf die Durchführung der Erzeugniswechsel und den Aufbau eines optimalen Erzeugniswechselpotentials. Es sind die (...) informations- und kommuni kationstechnologischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Erzeugniswechsel
kostengünstig, schnell und qualitätsgerecht durchführbar sind.“811 Das Unternehmen muß folglich versuchen, durch den Aufbau eines optimalen Er
zeugniswechselpotentials ein hohes akquisitorisches Potential im Sinne Gutenbergs
aufzubauen. Die Folge davon wäre, daß das Unternehmen das Image eines „Change Masters“ erlangt.812
Kaluza [Wettbewerbsstrategien 1990], S.60. Vgl. ausführlich auch Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.29ff. Vgl. ausführlich Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S. 84-110, insbesondere S.IOOf.
Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.60. Vgl. Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.30 und Kaluza [Flexibilität 1995], S.46.
isz
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
Den Anforderungen des heutigen Wettbewerbs wird der vorgestellte simultane An
satz in optimaler Weise gerecht. Dies spiegelt sich auch in der positiven Berücksich tigung im Schrifttum wider.813
hoch
Kosten
niedrig
Quelle: Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.31
Abb. 15: Strategie der Dynamischen Produktdifferenzierung nach Kaluza Abbildung 15 verdeutlicht, daß im Rahmen dieser Strategie „nicht nur eine hohe
Differenzierung, um damit einen hohen Produktnutzen zu erreichen, angestrebt wird,
sondern es wird versucht, auch die Erzeugnisse zu relativ niedrigen Kosten her stellen zu können “814. Die Kostensenkungen sind jedoch nicht durch die Erfahrungs
kurve über die kumulierten Erzeugnismengen zu realisieren, sondern müssen in diesem Fall durch die Erfahrungen im Erzeugniswechsel, also einer Erfahrungs
Vgl. Klenter [Zeit 1995], S.143ff., Will [Wettbewerbsvorteile 1996], S.46f., Pasckert [Wertschöpfungskreisläufe 1997], S.154, Komorek [Produktentwicklung 1998], S.175f., und Rösner [Service 1998], S.243ff. 814
Kaluza [Wettbewerbsstrategien 1990], S.62.
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
193
kurve des „Wechselns"815, realisiert werden. Wegen des Fehlens ausreichend großer
Mengen ist es erforderlich, durch den Einsatz flexibler Mitarbeiter und flexibler Technologien Flexibilitätspotentiale auf- und auszubauen,
die wiederum als
„Instrumentalvariable für die Durchführung der Erzeugniswechsel und für den Aufbau
von Erzeugniswechselpotentialen“816 aufgefaßt werden können. Die Dynamische Produktdifferenzierung stellt höchste Anforderungen an die
Kostenrechnung. So ist für Unternehmen, die diese Strategie umsetzen, eine über aus komplexe Ausgestaltung der Kostenrechnung unabdingbar.
Im folgenden sind die dargestellten idealtypischen theoretischen Strategiekonzepte im Hinblick auf die Situation in der Türkei zu untersuchen und einer kritischen
Würdigung zu unterziehen.
4.3.3 Besonderheiten der Wettbewerbsstrategien in der Türkei An
dieser
Stelle
ist
zunächst
darauf
hinzuweisen,
daß
der
Terminus
„Wettbewerbsstrategie“ in der Türkei bisher keinerlei Eingang in das betriebswirt schaftliche Schrifttum und die akademische Diskussion gefunden hat. Wettbewerbs
strategien werden in der unternehmerischen Praxis der Türkei oftmals nur konklu dent oder ansatzweise verfolgt, ohne daß sich die Verantwortlichen des Inhalts und
der Bedeutung einer Wettbewerbsstrategie sowie der Abgrenzung zur Unterneh mensstrategie und zur Unternehmenspolitik bewußt sind. Das Wettbewerbshandeln der öffentlichen und privaten türkischen Unternehmen ist
weitestgehend
durch
operative,
kurzfristige Anpassungsmaßnahmen
gekenn
zeichnet. Eine bewußt proaktive Gestaltung der Umweltbeziehungen und damit die
Verfolgung einer eindeutigen Wettbewerbsstrategie findet nicht statt. Von Seiten der Unternehmen beschränkt man sich oftmals darauf, die Vorgehens weisen der Konkurrenten unreflektiert zu übernehmen. Ein derart reaktives Handeln
stellt letztlich jegliche Wettbewerbsstrategie in Frage und führt dazu, daß die Unter-
Vgl. Wildemann [Investitionsplanung 1986], S.6ff. Kaluza [Erzeungiswechsel 1989], S.287.
1^4
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
nehmen nicht in ^.ar Lage sind, Gefahren abzuwenden und die sich ergebenden Chancen aktiv zu nutzen.
Mit dieser Vorgehensweise werden die türkischen Unternehmen den Anforderungen des Wettbewerbs in keinster Weise gerecht, denn auch in der Türkei ist eine deutlich zunehmende Wettbewerbsintensität festzustellen.
Insbesondere die türkischen
Industrieunternehmen müssen in der Lage sein, auf eine zunehmend komplexere
und dynamischere Umwelt durch eine adäquate Wettbewerbsstrategie reagieren zu können. Die zunehmende Umweltdynamik ist in den türkischen Unternehmen ins besondere auf die Aufnahme der Türkei in die Europäische Zollunion und die damit
einhergehende gestiegene Wettbewerbsintensität zurückzuführen. Hinzu kommt,
daß sich, bedingt durch die liberalistische wirtschaftspolitische Orientierung der Türkei seit Beginn der achtziger Jahre, auch der Wettbewerb auf dem türkischen Inlandsmarkt verstärkt hat. Aufgrund der damit verbundenen zunehmenden Privati
sierung von öffentlichen Unternehmen sehen sich die jeweiligen Unternehmen auch einer größeren Zahl von Konkurrenzunternehmen gegenüber. Vor diesem Hinter
grund können im zunehmend stärker werdenden Wettbewerb nur solche Unter
nehmen bestehen, die aktiv eine klar definierte Wettbewerbsstrategie verfolgen und
diese an die jeweiligen Umweltveränderungen entsprechend anpassen. Diejenigen türkischen Unternehmen, die sich ausschließlich auf das reaktive Wettbewerbs
handeln beschränken, werden spätestens mittelfristig durch den zunehmenden Wettbewerb aus dem Markt gedrängt, da ihre Produkte entweder gegenüber den
Preisen der Konkurrenzunternehmen zu hoch sind oder die Bedürfnisse der
Konsumenten nicht in ausreichendem Umfang berücksichtigen. Das reaktive Wett bewerbshandeln von vielen türkischen Unternehmen ist sozusagen durch ein time lag gekennzeichnet. Die Unternehmen versuchen gegenwärtig auf eine zeitlich
vorgelagerte Wettbewerbssituation zu reagieren und müssen dadurch zwangsläufig gegenüber solchen Unternehmen, die aktiv und zielgerichtet eine Wettbewerbs strategie verfolgen, in eine nachhaltig schlechtere und möglicherweise sogar
existenzbedrohende Situation geraten. Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist, daß Informationen, die als Grundlage
einer mittel- bis langfristigen Planung dienen könnten, nicht verfügbar sind, weil elementare Instrumente der Informationserhebung und -Verarbeitung einschließlich
Ausgewählte Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung
des
entsprechenden
Hintergrundwissens
nicht vorhanden
sind
195
bzw.
deren
Anwendung als zu kostenintensiv angesehen wird. Beispielhaft sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß nahezu kein türkisches Unternehmen
Marktforschung
betreibt
oder
über
ein
computergestütztes
Informations- und Kommunikationssystem verfügt. Weiterhin ist an dieser Stelle kritisch darauf hinzuweisen, daß der Controlling-Aspekt vernachlässigt wird, obwohl durch ein umfassendes Controlling der Unternehmensleitung eine Vielzahl von Infor
mationen als aussagekräfige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden könnten. Insbesondere türkische Klein- und Mittelunternehmen sehen auch die ökonomische Kosten-ZNutzenrelation für derartige betriebswirtschaftliche Instru
mente als negativ an. Dementsprechend fehlt es in türkischen Unternehmen regel
mäßig an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage zur Erarbeitung einer zielge richteten Wettbewerbsstrategie.
Letztlich besteht die „unternehmenspolitische“ Zielsetzung in vielen türkischen Unter nehmen vorwiegend darin, kurzfristige Gewinne abzuschöpfen, auch wenn hierdurch mittel- bis langfristig die Existenz eines Unternehmens gefährdet wird. Festzuhalten bleibt, daß die definitionsgemäße Verfolgung einer Wettbewerbs
strategie, abgesehen von einigen Ausnahmeunternehmen, in türkischen Unter nehmen nicht stattfindet. Die türkischen Unternehmen reagieren vielmehr regel
mäßig auf die entsprechenden Handlungsweisen der Konkurrenten und entziehen sich damit freiwillig der Möglichkeit, selbst aktiv und gestaltend in den Wettbewerb
eingreifen zu können.
196
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
5 Empirische Untersuchung zum Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen In dem vorangegangenen Teil haben wir ausgewählte Rahmenbedingungen im Hin
blick auf die Einführung und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs
systeme in der Türkei theoretisch beschrieben. Es ist nun unsere Aufgabe, mit Hilfe einer empirischen Untersuchung zu ermitteln, ob in der unternehmerischen Praxis
der Türkei Kostenrechnung eingesetzt wird. Bevor wir die theoretischen Grundlagen unserer Studie erläutern, wollen wir zunächst die wissenschaftliche Zielsetzung der
Untersuchung
darlegen.
Im
Rahmen
der
anschließenden
Darstellung
der
Einzelantworten soll der Ist-Zustand und insbesondere die Ausgestaltung der Kostenrechnung sowie der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen
beschrieben werden.
5.1 Zielsetzung der empirischen Untersuchung Obwohl die Kostenrechnung zu den fundamentalen Instrumenten der Unter nehmensführung gehört, ohne die ein erfolgsorientiertes und ökonomisches Handeln sowie eine dauerhafte Existenzsicherung der Unternehmung kaum denkbar wäre,
existieren in der traditionellen betriebswirtschaftlichen Forschung erhebliche Informa
tionsdefizite hinsichtlich der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme. Diese Gründe sowie die Tatsache, daß die betriebswirtschaftliche Forschung in der
Türkei zu diesem Problembereich keine relevanten Informationen zur Verfügung stellt, haben in der Gegenwart zu einer engeren Zusammenarbeit von Forschung
und Praxis geführt.817 In zunehmendem Maße wird auch auf Kongressen und in
Workshops018 die Bedeutung der Kostenrechnung als Führungsinstrument der Unter nehmensleitung hervorgehoben und die Einführung sowie der Ausbau der Kosten
rechnung diskutiert. Hierdurch wird die Aktualität dieser Thematik verdeutlicht. Aus
Dem Verfasser gegenüber wurden die Forschungsdefizite des internen Rechnungswesens in zahlreichen Einzelgesprächen mit verschiedenen Vertretern betriebswirtschaftlicher Fakultäten türkischer Universitäten und der unternehmerischen Praxis erläutert. 818
Bei den Kongressen und Workshops handelt es sich um jährlich stattfindende Veranstaltungen des türkischen Dachverbandes der Bilanzbuchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (TÜRMOB), die vom Verfasser, der Mitglied dieser Vereinigung ist, besucht worden sind.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen_________________________________ 197
der aktuellen Problemstellung heraus ist es nach unserer Meinung zwangsläufig
notwendig, eine Primärerhebung durchzuführen, um Informationen zum derzeitigen Stand des Einsatzes der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der
Türkei zu gewinnen.
Im Rahmen der folgenden empirischen Untersuchung haben wir uns zum Ziel gesetzt, den Entwicklungsstand der bestehenden Kostenrechnung und der Kosten
rechnungssysteme in türkischen Unternehmen authentisch wiederzugeben und eine fundierte Datenbasis zu schaffen, auf deren Grundlage wir Handlungsempfehlungen zur Einführung, Verbesserung und Weiterentwicklung geben wollen. Dabei liegt es
auch in unserem originären Interesse, die zentralen Gründe für die Nichtexistenz der Kostenrechnung in den einzelnen Unternehmen festzustellen. Des weiteren ist in unserer Analyse der Einsatz von Teilkostenrechnungssystemen
von besonderem Interesse. Diesbezüglich sollen einerseits detaillierte Informationen
hinsichtlich der Verbreitung und Ausgestaltung von Teilkostenrechnungssystemen erhoben und andererseits explizite Gründe für den Verzicht auf eine Teilkosten
rechnung aus Sicht der Befragten ermittelt werden. Darüber hinaus ist neben der Ermittlung des Verbreitungsgrads der Kostenrechnung die Herausarbeitung unter nehmensspezifischer Einflußgrößen auf den Einsatz und die Ausgestaltung der
Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der Türkei für uns ein zentrales Anliegen. Ferner wollen wir den befragten Unternehmen die Möglichkeit geben, die Gegeben heiten in ihrem eigenen Unternehmen mit den Ergebnissen dieser Untersuchung zu
vergleichen und hierdurch den Entwicklungsstand ihrer Kostenrechnung und Kosten rechnungssysteme zu bestimmen. Die Untersuchungsergebnisse sollen wertvolle
Hinweise zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in den Unternehmen liefern. Damit verbinden wir die
Hoffnung, daß sich die Kostenrechnung zu einem wertvollen, den Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben gerecht werdenden Instrument der Unterneh
mensführung entwickelt. Dabei soll die Kostenrechnung die Unternehmensleitung
durch die Bereitstellung qualitativer, quantitativer sowie zeitnaher Informationen bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben umfassend unterstützen. Zudem soll mit
unserer Arbeit für diejenigen türkischen Unternehmen, die bislang noch keine
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
122.
Kostenrechnung eingesetzt haben, ein Anreiz geschaffen werden, einen zukünftigen
Einsatz der Kostenrechnung in ihrem Unternehmen in Erwägung zu ziehen.
5.2 Grundlagen der empirischen Untersuchung In diesem Kapitel wollen wir einige grundlegende Überlegungen zur Planung und Durchführung der vorliegenden empirischen Untersuchung vornehmen. Ausgehend
von den oben erläuterten Untersuchungszielen erfolgt die Planung der wissen schaftlichen Erhebung. Dabei stehen gestaltungsorientierte Fragestellungen hinsicht lich des Fragebogens im Mittelpunkt. Im Anschluß daran wird der Ablauf der empi
rischen Untersuchung skizziert, wobei wir das Augenmerk auf die Repräsentativität der Daten richten. 5.2.1 Planung der empirischen Untersuchung
Im Vorfeld der empirischen Untersuchung wollen wir in diesem Zusammenhang einige zentrale Überlegungen zur konzeptionellen Gestaltung des Fragebogens
vornehmen, die eine methodisch und semantisch einwandfreie Erhebung ermög lichen sowie die Basis für eine hohe Rücklaufquote bilden sollen. Des weiteren
werden wir Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens bestimmen, um anschließend deren Wahrheitsgehalt feststellen zu können.
5.2.1.1 Konzeptionelle Vorüberlegungen Damit wir die Frage beantworten können, inwieweit Kostenrechnung und Kosten
rechnungssysteme in türkischen Unternehmen eingesetzt werden, ist es zweck
mäßig, eine schriftliche Befragung819 in Form eines standardisierten Fragebogens
Prinzipiell können auch andere Erhebungsmethoden der empirischen Sozialforschung angewendet werden. Hierbei wird zwischen den Methoden der Dokumentenanalyse (Sekundäranalyse), Beobachtung, Laborexperiment, Feldexperiment, Befragung und Fallstudie unterschieden. Vgl. hierzu Scheuch [Sozialforschung 1973], S.66ff., König [Beobachtung 1973], S.38ff., Hinterhuber [Innovationsdynamik 1975], S.5ff., Kubicek [Methodik 1975], S.67L, Büning et al. [Operationale Verfahren 1981], S.67f. u. S.119ff., Böhler [Marktforschung 1992], S.36f., Hill et al. [Organisationslehre 1994], S.49, Bortz/Döring [Forschungsmethoden 1995], S.106ff. u. S.216ff., Baumann [Kausalität 1998], S.138f. Auf die weiteren Erhebungsmethoden der empirischen Sozialforschung soll nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu ausführlich Braun [Forschungsmethoden 1993], Sp.1224ff., Atteslander [Methoden 1995], S.257ff., Stier [Forschungsmethoden 1996], S.163ff.
Empirische Untersuchuna m türkischen Unternehmen
199
durchzuführen. Nach genauer Prüfung der verschiedenen Erhebungsmethoden erschien uns die schriftliche Befragung als besonders geeignet, da nach unserer Auffassung nur diese Erhebungsmethode eine hinreichende Analyse der komplexen
Thematik gewährleistet. Auf diese Weise wird eine zeitpunktbezogene Zustands
beschreibung hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnung und der Kostenrech nungssysteme in der Türkei ermöglicht. Darüber hinaus waren auch zeitliche und
räumliche Gründe für die Wahl der schriftlichen Befragung ausschlaggebend.
Bei der Entwicklung des Fragebogens sind wir wie folgt vorgegangen:
• In einem ersten Schritt haben wir im Vorfeld, nach genauer Klärung der Erforder nisse einer schriftlichen Befragung und der im betriebswirtschaftlichen Schrifttum verwendeten Termini, einen Fragebogenentwurf erarbeitet. • Daraufhin wurde der Fragebogen einem Pre-Test unterzogen, bei dem ins
besondere die Verständlichkeit der Formulierung der Fragen und die Bereitschaft
der Unternehmensvertreter, bestimmte Fragen zu beantworten, z.B. hinsichtlich
des Umsatzes des Unternehmens oder der Mitarbeiterzahl, im Mittelpunkt der Betrachtung standen. Hierzu wurde der Fragebogenentwurf an zehn ausgewählte
türkische Unternehmen verschiedener Unternehmensgrößen und Branchen ver schickt. Unter den ausgewählten Unternehmen befanden sich zwei Kleinunternehmen, drei Mittelunternehmen und fünf Großunternehmen. Diese Unternehmen
gehören der Chemischen und Metallverarbeitenden Industrie, dem Maschinenund Anlagenbau sowie dem Dienstleistungsbereich an. Des weiteren wollten wir
feststellen, ob bei den türkischen Unternehmen überhaupt ein Interesse für die
Thematik unserer Untersuchung besteht. An der mit 9O%820 überaus hohen Rücklaufquote des Pre-Tests zeigt sich, daß unser Thema für die Unternehmen besonders interessant ist. • Zusätzlich zu den neun Unternehmen beantworteten vier Hochschullehrer von wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten in der Türkei den Fragebogen und
versahen ihn mit entsprechenden Verbesserungsvorschlägen und sonstigen
Von den zehn angeschriebenen Unternehmen sandten zunächst sieben Unternehmen und nach telefonischer Rücksprache weitere zwei Unternehmen den ausgefüllten und mit Verbesserungsvorscniäcen versehenen Fragebogen zurück.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
2QQ.
Anmerkungen hinsichtlich der in der Türkei gebräuchlichen Termini821 und weiterer Besonderheiten
bezüglich
Verbesserungsvorschläge
der Ausgestaltung
enthielten
der Kostenrechnung.
beispielsweise
Hinweise
zu
Diese
der
Brancheneinteilung. Dabei haben wir festgestellt, daß die in der Türkei
vorgenommene Brancheneinteilung von der in Deutschland üblichen Einteilung abweicht. Beispielsweise wird die Tourismusbranche in der Türkei nicht dem
Dienstleistungssektor zugeordnet, sondern explizit aufgeführt. Die teilweise sehr realitätsnahen Anregungen trugen dazu bei, die Konzentration auf den Kern der
Untersuchung sicherzustellen. Zudem sorgten die Kommentare und Ergänzungen dafür, daß der Fragebogen verständlicher wurde. Im letzten Schritt wurde
aufbauend auf den aus dem Pre-Test gewonnenen Erkenntnissen und den Anregungen der Hochschullehrer die endgültige Fassung des Fragebogens konzipiert.
5.2.1.2 Gestaltung der Fragebogenstruktur Der Fragebogen822 ist grundsätzlich so strukturiert, daß den befragten Unternehmen
in einem Großteil der Fragen standardisierte Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden. Darüber hinaus besteht bei vielen Fragen die Möglichkeit einer Mehrfach nennung bzw. der Angabe sonstiger Antworten.
Der Fragebogen unserer Untersuchung823 umfaßt die drei Teilbereiche A, B und C. Der Teil A enthält grundlegende Fragen zur Kennzeichnung des befragten Unter
nehmens. Es wird eine Zuordnung nach Branchenzugehörigkeit, Rechtsform, Eigen tumsverhältnissen, Unternehmensgröße, Fertigungsverfahren und eine Gewichtung
von Formalzielen vorgenommen. Diese Unterteilung soll bei der Auswertung des
Wie bereits erwähnt, ist das betriebswirtschaftliche Schrifttum in der Türkei im Bereich der Kostenrechnung durch eine uneinheitliche Terminologie gekennzeichnet. 822
Vgl. ausführlich zur Gestaltung eines Fragebogens Holm [Frage 1975], S.32ff., Kirchhofer-
Bozenhardt/Kaplitza [Fragebogen 1975], S.92ff., Hafermalz [Befragung 1976], S.120ff., Schäfer/Knoblich [Marktforschung 1978], S.292L, Lehmeier [Marktforschung 1979], S.91f., Büning et al. [Operationale Verfahren 1981], S.98ff., Sauer [Fragebögen 1992], Sp.584ff., Bortz/Döring [Forschungsmethoden 1995], S.234f., Berndt [Marketing I 1996], S.186f., und Stier [Forschungsmethoden 1996], S.183ff. 823
Der Fragebogen ist im Anhang A vollständig abgedruckt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen____________________________________ 201
Fragebogens eine Zuordnung zu bestimmten Unternehmensgrößenklassen ermög
lichen. Bei der Formulierung des Fragebogens stand für uns die Wahrung der
Anonymität der einzelnen Unternehmen im Vordergrund. Dies schien zur Sicher stellung einer hohen Rücklaufquote und einer gewissenhaften Beantwortung des
Fragebogens notwendig. In Teil B des Fragebogens untersuchen wir die Ausgestaltung des Rechnungs
wesens in den befragten Unternehmen. Dabei soll von den Unternehmen zunächst
angegeben werden, welche Teilbereiche das betriebliche Rechnungswesen in der unternehmerischen Praxis umfaßt. Hier wird zwischen dem externen und internen
Rechnungswesen, der Planungsrechnung, Betriebsstatistik, Material-, Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie der Anlagenrechnung differenziert.
Ein weiterer Fragenkomplex bezieht sich auf die seit dem 01.01.1994 in der Türkei gesetzlich vorgeschriebene Einheitsbuchführung, die detaillierte Vorschriften hin
sichtlich der Erstellung und Gliederung der Bilanz sowie der Gewinn- und
Verlustrechnung enthält. Gleichzeitig wird für den Großteil der Unternehmen824 ein Einheitskontenrahmen
vorgeschrieben.
Durch diese gesetzlichen Vorschriften
werden die unternehmerischen Gestaltungsfreiheiten erheblich eingeschränkt. Mit der in diesem Zusammenhang gestellten Frage wollen wir untersuchen, wie die Einführung des Einheitskontenrahmens aus Sicht der Unternehmen bewertet wird.
Die Fragestellung ist vor allem vor dem Hintergrund der kontroversen Diskussionen
zu betrachten, die schon lange vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geführt wurden. Insbesondere beabsichtigen wir mittels dieser Frage kritisch zu überprüfen, ob die anfangs geäußerten Befürchtungen325, daß mit der Umsetzung des Einheitskonten
rahmens ein erheblicher administrativer Aufwand vor allem bei Klein- und Mittelunter nehmen verbunden sei. bestätigt werden können.
Den inhaltlichen Schwerpunkt unseres Fragebogens bildet der Teil C. In diesem Teil
des Fragebogens sind die Fragen unmittelbar auf die Kostenrechnung und die
Kostenrechnungssysteme in den einzelnen Unternehmen gerichtet. Dabei wird
Sn4
/Ausgenommen sind lediglich Banken und Versicherungsunternehmen
8*^5
Dem Verfasser gegenüber wurden derartige Befürchtungen in Gesprächen mit verschiedenen Vertretern türkischer Unternehmen und Hochschullehrern mitgeteilt.
202
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
zwischen Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs systeme unterschieden. Teil C beginnt mit der grundsätzlichen Frage, ob in dem jeweiligen Unternehmen überhaupt eine Kostenrechnung zum Einsatz kommt. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, zielt die darauf folgende Frage auf die Gründe für den Verzicht des Einsatzes einer Kostenrechnung ab.
Für die Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, soll im folgenden die
Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme dargelegt
werden. Zunächst werden dafür in den nächsten drei Fragen die Rahmen bedingungen der Kostenrechnung abgeklärt. Es soll ermittelt werden, inwieweit die Implementierung der Kostenrechnung bereits fortgeschritten ist. Hierfür werden der
Zeitpunkt ihrer Einführung, die Eigenständigkeit, die Unterstützung durch EDVSysteme sowie der zeitliche Planungshorizont der Kostenrechnung hinterfragt. Gegenstand der siebten Frage sind die Zwecke, die die Unternehmen mit dem
Einsatz der Kostenrechnung verfolgen. In Ergänzung zu den Zwecken der Kosten
rechnung werden die Unternehmen befragt, ob sie eine Kostenkontrolle durchführen.
Auf einen entscheidenden Aspekt der Untersuchung zielt die Fragestellung nach den im Rahmen der Kostenrechnung bearbeiteten Teilbereichen ab. Es ist daher zweckmäßig, detailliertere Fragen zur Kostenartenrechnung, Kostenstellenrechnung
sowie zur Kostenträgerrechnung zu stellen. In bezug auf die Kostenartenrechnung
wird nach der Klassifikation der Kostenarten gefragt. Innerhalb der Kostenstellen rechnung ist von besonderem Interesse, ob eine innerbetriebliche Leistungs verrechnung durchgeführt wird. Bei der Kostenträgerrechnung wird eine Unterteilung in Kostenträgerstück- und Kostenträgerzeitrechnung vorgenommen. Die im Rahmen
der Kostenträgerstückrechnung gestellten Fragen zielen auf die angewandten
Methoden und Formen der Kalkulation ab. Bei der Kostenträgerzeitrechnung interessiert uns der Zeitraum der Durchführung.
Die Kostenrechnungssysteme bilden neben der Gestaltung der Kostenrechnung den Schwerpunkt der empirischen Erhebung. Die Strukturierung dieser Fragen richtet
sich nach dem Sachumfang der zugerechneten Kosten. Daher werden die Unter nehmen nach dem Einsatz von Vollkosten- und/oder Teilkostenrechnungssystemen
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen____________________________________ 203
befragt. Die den Fragen zugeordneten Kostenrechnungssysteme werden hingegen
nach dem Kriterium des zeitlichen Bezugs der Zurechnung differenziert. Die Voll kostenrechnungssysteme werden in Ist-, Normal- und Plankostenrechnung unterteilt. Bei den Teilkostenrechnungssystemen wird zwischen der einstufigen und mehr
stufigen Deckungsbeitragsrechnung sowie der Grenzplankostenrechnung unter schieden. Neben den vorgegebenen Teilkostenrechnungssystemen wird den Unter
nehmen auch die Möglichkeit eingeräumt, weitere Ausprägungen eingesetzter Systeme zu nennen. Für den Fall, daß die Unternehmen keine Teilkostenrechnungssysteme einsetzen,
werden sie nach den Gründen für den Verzicht gefragt. Im Zusammenhang mit den Kostenrechnungssystemen soll auch festgestellt werden, welche Entscheidungs
kriterien bei der Ermittlung der Preisuntergrenzen zugrunde gelegt werden. Ferner werden die Unternehmen im Hinblick darauf, welche Informationen sie aus der
Kostenrechnung als Entscheidungsgrundlage verwenden, befragt. Abschließend werden die Auskunftgebenden um eine kritische Beurteilung und um
Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Durchführung der Kostenrechnung in türkischen Unternehmen gebeten. Da ein möglichst breites Meinungsspektrum gewünscht ist, erfolgt eine offene Fragestellung.
5.2.1.3 Festlegung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens
Im Hinblick auf die Planung der empirischen Untersuchung halten wir es für sinnvoll, vorab Überlegungen bezüglich der Plausibilität der zu erwartenden Antworten anzu stellen. Unser Anliegen ist es, die Aussagekraft der empirischen Ergebnisse auf
diese Weise zu verstärken und/oder unnötige Verzerrungen zu vermeiden. Un stimmigkeiten im Antwortverhalten der Unternehmen können sich vor allem daraus
ergeben, daß die türkischen Unternehmen keine oder nur wenig
Erfahrung im
Umgang mit empirischen Untersuchungen auf dem Gebiet des internen Rechnungs wesens haben.826 Des weiteren vermuten wir, daß insbesondere bei den Klein- und
826
An dieser Stelle ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß es sich bei der von uns durchgeführten empirischen Untersuchung um eine Primärerhebung handelt.
2D4_____________________________________Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Mittelunternehmen ein der Komplexität des Fragebogens angemessenes fundiertes Wissen nicht oder nur ansatzweise gegeben ist.
Die hier beschriebenen Annahmen verdeutlichen die Notwendigkeit der Festlegung von Plausibilitätsregeln. Wir gehen zwar davon aus, daß sowohl die Kostenrechnung als auch die Kostenrechnungssysteme nicht in einer theoretisch idealtypischen Weise implementiert und eingesetzt werden, dennoch beschränken wir uns bei der
Festlegung der Plausibilitätsregeln auf eine rein theoretische Argumentationsweise. Die Grundlage für die Formulierung der Plausibilitätsregeln bilden daher die bereits
dargestellten theoretischen Grundlagen der Kostenrechnung. Das Ergebnis der von
uns in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen wird in den folgenden
Plausibilitätsregeln zum Ausdruck gebracht: • Wenn die Unternehmen Kostenrechnung einsetzen, dann ist es notwendig, daß
diese in eigenständiger, integrierter oder in einer sonstigen Form durchgeführt
wird. • Wenn die Unternehmen Kostenrechnung einsetzen, dann muß ihnen auch der Einsatzzeitraum der Kostenrechnung bekannt sein.
• Wenn die Unternehmen eine innerbetriebliche Leistungsverrechnung durchführen, dann müssen sie auch über eine Kostenstellenrechnung verfügen.
• Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Preiskalkulation verfolgen, dann muß eine Kostenträgerstückrechnung eingesetzt werden.
• Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Bilanzierung verfolgen, dann müssen sie die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträger
stückrechnung einsetzen und gleichzeitig eine Aufteilung in Einzel- und Gemein kosten vornehmen.
• Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Kostenkontrolle verfolgen, dann müssen sie neben einer Istkostenrechnung zumindest über eine
Normalkostenrechnung verfügen. • Wenn die Unternehmen mit der Kostenrechnung den Zweck der Kostenanalyse verfolgen, dann müssen sie über eine Kostenarten- und Kostenstellenrechnung
verfügen.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen____________________________________ 205
• Wenn die Unternehmen eine Vorkalkulation zu Vollkosten durchführen, dann
müssen sie zumindest über eine Normalkostenrechnung verfügen. • Wenn die Unternehmen eine Vorkalkulation zu Teilkosten durchführen, dann
müssen sie zumindest über eine Normalkostenrechnung verfügen und gleichzeitig
eine Kostenspaltung in fixe und variable Bestandteile vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine Nachkalkulation zu Vollkosten einsetzen, dann
müssen sie zumindest über eine Istkostenrechnung verfügen. • Wenn die Unternehmen eine Nachkalkulation zu Teilkosten einsetzen, dann
müssen sie zumindest über eine Istkostenrechnung verfügen und gleichzeitig eine Kostenspaltung in fixe und variable Bestandteile vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine summarische oder differenzierte Zuschlags
kalkulation verwenden, dann müssen sie über eine Kostenarten-, Kostenstellen-
und eine Kostenträgerstückrechnung verfügen sowie eine Kostenspaltung in
Einzel- und Gemeinkosten vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine Kostenträgerzeitrechnung einsetzen, dann müssen
sie gleichzeitig auch Angaben zu der Periodendauer der kurzfristigen Erfolgs
rechnung machen. • Wenn die Unternehmen eine einstufige Deckungsbeitragsrechnung durchführen,
dann müssen sie auch eine Spaltung der Kosten in fixe und variable Kosten
vornehmen. • Wenn die Unternehmen eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung durch
führen, dann müssen sie sowohl eine Spaltung der Kosten in fixe und variable Bestandteile als auch eine Spaltung der fixen Kosten vornehmen.
Diese Plausibilitätsregeln werden wir im Rahmen der Durchführung der empirischen Untersuchung anwenden.827
827
Vgl. hierzu Kap. 5.2.2.3.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
5.2.2 Durchführung der empirischen Untersuchung
Im Rahmen der Schilderung der Durchführung der schriftlichen Befragung gehen wir zunächst auf den Zeitpunkt und den Umfang der empirischen Untersuchung sowie
auf die Anwendung der Plausibilitätsregeln ein. Den Schwerpunkt dieses Abschnitts
bildet die detaillierte Analyse der Repräsentativität der von uns durchgeführten Erhebung.
5.2.2.1 Zeitpunkt und Umfang der empirischen Untersuchung Bevor wir nun im Detail auf den Zeitpunkt und den Umfang der empirischen Untersuchung eingehen, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die endgültige Form
des Fragebogens nahezu vollständig mittels eines unkomplizierten Ankreuzver fahrens ausgefüllt werden konnte. Der Standard-Fragebogen war so strukturiert, daß
bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Zum einen sollten die wesentlichen
Problembereiche umfassend berücksichtigt werden, und zum anderen sollte die Befragung nicht unangemessen viel Zeit in Anspruch nehmen.828 Für uns war auch
wichtig, daß die Beantwortung der Fragen keine allzu detaillierten Unterlagen erforderte und daß trotzdem alle gewünschten Fragenkomplexe abgedeckt wurden.
Der Fragebogen wurde an 800 ausgewählte Klein-, Mittel und Großunternehmen829
verschickt. Die Firmenanschriften stammten aus den gültigen Firmenlisten der
türkischen Industrie- und Handelskammern von Ankara, Istanbul und Izmir sowie von einzelnen Wirtschaftsverbänden830, dem türkischen Wirtschaftsministerium und der
Der Fragebogen wurde so gestaltet, damit er schnell und mühelos ausgefüllt werden konnte, um die Kosten der Befragten so gering wie möglich zu halten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Höhe der Rücklaufquote einer schriftlichen Befragung nach der sozialen Austauschtheorie von der Höhe der Kosten sowie von der Art und dem Umfang der Belohnung abhängt. Vgl. hierzu Unger [Marktforschung 1989], S.82f., Weis/Steinmetz [Marktforschung 1995], S.79f., Berndt [Marketing I 1996], S.179f. Als Belohnung wurde den befragten Unter nehmen zugesagt, ihnen bei Bedarf einen Untersuchungsbericht zuzusenden. Die Tatsache, daß viele Unternehmen Interesse an diesem Bericht zeigten, unterstreicht die Relevanz unserer Überlegungen.
Detailliertere Informationen über die Zusammensetzung der befragten und antwortenden Unternehmen werden in Abschnitt 5.2.2.3 dargestellt. Im einzelnen wurden hier die Verbände TÜRMOB (Türkischer Dachverband der Bilanz buchhalter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer), TÜSIAD (Verband der türkischen Industriellen und Geschäftsleute) und TOSYÖV (Stiftung der türkischen mittelständischen Unternehmen, Selbständigen und Geschäftsführer) genannt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
2Q7
türkischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Neben den Anschriften konnten den Adresslisten auch Informationen über die Unternehmensgröße, die
jeweilige Rechtsform und die Branchenzugehörigkeit entnommen werden. Es
wurden sowohl rechtlich selbständige als auch öffentlich-rechtliche Unternehmen mit einer Beschäftigtengrößenklasse von mehr als zehn Mitarbeitern erfaßt.
Die Durchführung der empirischen Erhebung erstreckte sich auf den Zeitraum von März 1995 bis Dezember 1995. Der ausgefüllte Fragebogen konnte von den
türkischen Unternehmen wahlweise per Post oder per FAX zurückgesandt werden, wodurch die Rücksendegeschwindigkeit erhöht wurde. Im Dezember 1995 haben wir
den Rücklauf beendet. Insgesamt wurden 501 Fragebögen den Anforderungen entsprechend per Post oder FAX zurückgesandt. Der Grund für die hohe Beteiligung an der Fragebogenaktion könnte auf das Interesse der befragten Unternehmen an
den Ergebnissen der empirischen Untersuchung zurückgeführt werden.831 Eine
Nachfaßaktion war aufgrund der hohen Rücklaufquote nicht erforderlich. Das auf
diese Weise erlangte Datenmaterial stellt unseres Erachtens eine zufriedenstellende Ausgangsposition für die sich anschließende statistische Auswertung dar. Die erhaltenen Fragebögen wurden durchnumeriert und auf ihre Vollständigkeit überprüft. Nach der Dateneingabe wurden die Fragebögen nach Städten sortiert ab
geheftet. Die EDV-Auswertung erfolgte am Lehrstuhl für Produktion und Industrie der Gerhard-Mercator-Universität - GH Duisburg. Die 501 Fragebögen wurden computerunterstützt mit Hilfe des Statistik-Software-
Pakets „SPSS“ ausgewertet. Diese Software stellt umfangreiche deskriptive und
induktive statistische Verfahren bereit und ermöglicht somit eine sowohl fundierte als auch einwandfreie Auswertung.
5.2.2.2 Repräsentativität der empirischen Untersuchung
Im Hinblick auf die Beurteilung der Repräsentativität der empirischen Erhebung ist vorab zu berücksichtigen, daß eine Verallgemeinerung der Untersuchungsergeb
nisse auf alle türkischen Klein-, Mittel- und Großunternehmen grundsätzlich nicht
Detaillierte Aufschlüsselungen bezüglich der Rücklaufquote werden in Abschnitt 5.2.2.4 vorge nommen.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
208
möglich ist und von uns auch nicht angestrebt wird. Für uneingeschränkt allgemein gültige Ergebnisse wäre eine Totalerhebung erforderlich gewesen, die aber aus Gründen der Praktikabilität nicht durchführbar ist, da in der Türkei insgesamt 870.072 Unternehmen existieren.832
Für unsere empirische Untersuchung nehmen wir somit eine Einschränkung der
Grundgesamtheit vor, die sich an dem Kriterium der Beschäftigtenzahl orientiert. Dabei schließen wir Kleinunternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten aus der Betrach
tung aus. Die Nichtberücksichtigung basiert auf der Tatsache, daß diese Kategorie der Kleinunternehmen für unsere Erhebung irrelevant ist. Wir gehen hypothetisch
davon aus, daß dieser Anteil der Kleinunternehmen keine Kostenrechnung einsetzt, weil bei diesen Unternehmen bereits Probleme im Rahmen der Erfüllung gesetzlicher Vorschriften (externes Rechnungswesen) auftreten.833 Des weiteren sind wir der
Ansicht, daß diese Unternehmen weder die benötigten finanziellen Mittel noch aus reichende personelle Kapazitäten zur Durchführung einer Kostenrechnung besitzen.
Darüber hinaus enthält die deklarierte Beschäftigtengrößenklasse eine Anzahl von 843.970 Unternehmen. Dies entspricht einem Anteil von 97% an der Grundgesamt heit der in der Türkei existierenden Unternehmen.834 Aus methodischen Über
legungen erscheint es uns nicht sinnvoll, diese Unternehmen mit in die Unter
suchung einzubeziehen, da zur Erreichung eines wirklichkeitsgetreuen Abbildes der Realität ein überproportional hoher Erhebungsaufwand erforderlich wäre, der mit
keinem zusätzlichen Erkenntnisgewinn einhergehen würde.
Vor diesem Hintergrund bilden wir für unsere Untersuchung eine spezifische Grund gesamtheit, in der die erwähnten Unternehmen unberücksichtigt bleiben. Demnach
gehen wir im weiteren Verlauf unserer Arbeit von einer Grundgesamtheit aus, die insgesamt 17.442 türkische Unternehmen umfaßt und in Tabelle 1 aufgeschlüsselt
ist.
Vgl. hierzu Institute of Statistics [Analysis 1994], S.34.
833
Diese Hypothese basiert auf zahlreichen Einzelgesprächen, die der Verfasser mit verschiedenen Vertretern der Praxis und wissenschaftlicher Fakultäten geführt hat.
834
Vgl. dazu Institute of Statistics [Analysis 1994], S.34.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Beschäftigten größenklassen
Grund gesamtheit in % abs.
202
Ausgangs stichprobe in % abs.
tatsächliche Stichprobe in % abs.
10 bis 49
13.332
76,44
386
48,24
216
43,11
50 bis 199
2.899
16,62
231
28,88
130
25,95
200 und mehr
1.211
6,94
183
22,88
155
30,94
Gesamt
17.442
100
800
100
501
100
Tab. 1: Repräsentativität nach Beschäftigtengrößenklassen
Tabelle 1 zeigt die Repräsentativität der Untersuchung nach den verschiedenen Beschäftigtengrößenklassen. Dabei orientiert sich die von uns vorgenommene Abgrenzung der Größenklassen an der Klassifikation der Weltbank.835 Der Schwerpunkt unserer Untersuchung ergibt sich aus der Struktur der Grund
gesamtheit, welche die potentiell zu untersuchenden Unternehmen darstellt. Die Beschäftigtengrößenklasse (10-49 Arbeitnehmer) bildet mit 76,44% den größten
Anteil an der Grundgesamtheit, gefolgt von der Größenklasse (50-199 Beschäftigten)
mit 16,62% und der Beschäftigtengrößenklasse von mindestens 200 Arbeitnehmern mit einem Anteil von 6,94%.
Die Ausgangsstichprobe orientiert sich an der oben vorgenommenen Größen
klasseneinteilung, wobei sich das Augenmerk der vorliegenden Untersuchung aus
der Struktur der Grundgesamtheit ergibt. Die Ausgangsstichprobe besteht aus 800 türkischen Unternehmen des Industrie-
und Dienstleistungssektors und umfaßt im einzelnen 386 Kleinunternehmen (48,24%), 231 Mittelunternehmen (28,88%) und 183 Großunternehmen (22,88%).
Ein erster Vergleich der Anteilswerte von Grundgesamtheit und Ausgangsstichprobe zeigt, daß in den einzelnen Größenklassen deutliche Abweichungen existieren.
In unserer Untersuchung werden die Kleinunternehmen unterproportional berück sichtigt. Demgegenüber sind die Mittel- und Großunternehmen in der Ausgangs
Vgl. ausführlich zu der Größenklasseneinteilung die Ausführungen in Abschnitt 4.2.1.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
211
Stichprobe überproportional repräsentiert. Es sind verschiedene Gründe für die an teilsmäßige Größenklassenabweichung zwischen Grundgesamtheit und Ausgangs
stichprobe zu nennen. Im Mittelpunkt unserer Erhebung steht die Untersuchung sowohl von Mittel- als auch
von Großunternehmen, da wir von der Annahme ausgehen, daß nicht die Kleinunter
nehmen, sondern schwerpunktmäßig die Mittel- und Großunternehmen Kostenrech nung einsetzen.836 Die vorliegende Grundgesamtheit ist allerdings durch einen signifikant hohen Anteil an Kleinunternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von 10-49 Mitarbeiter gekennzeichnet, so daß wir aus methodischen Überlegungen eine
andere Gewichtung der Größenklassen vorgenommen haben. Die von uns vorgenommene Gewichtung erscheint uns im Hinblick auf die Durchfüh
rung der Befragung zweckmäßig und ist zudem zur Erreichung der Untersuchungs ziele zwingend erforderlich. Diese Überlegungen basieren auf der oben getroffenen Annahme. Hierbei gehen wir hypothetisch davon aus, daß der überproportional hohe
Anteil der Kleinunternehmen an der Grundgesamtheit in bezug auf den Einsatz der Kostenrechnung für unsere Untersuchung keine bedeutsamen Erkenntnisse liefert.
Wir gehen davon aus, daß die vorgenommene Gewichtung der Ausgangsstichprobe eine notwendige Voraussetzung dafür ist, hinreichende Informationen über den Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in der unternehme
rischen Praxis in der Türkei zu erhalten. Darüber hinaus stellt die Ausgangsstichprobe eine geeignete Grundlage für ein gehende Analysen und darauf aufbauende Handlungsempfehlungen für die unter nehmerische Praxis in der Türkei dar. Diese Gewichtung ist des weiteren eine notwendige Bedingung, um unsere Ergeb
nisse mit den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen
zweckmäßig vergleichen zu können.
83
Wie wir bereits in Kapitel 5.1 beschrieben haben, handelt es sich bei unserer Untersuchung um eine Primärerhebung. Aufgrund fehlender Vergleichsdaten für den Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen haben wir im Hinblick auf diese Annahme auf bereits in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführte Untersuchungen zurückgegriffen.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
211
In einem weiteren Schritt untersuchen wir die Zusammensetzung der tatsächlichen
Stichprobe. Tabelle 1 zeigt, daß insgesamt 501 der befragten Unternehmen
beantwortete Fragebögen zurückgeschickt haben. Die tatsächliche Stichprobe setzt sich im einzelnen aus 216 Kleinunternehmen (43,11%), 130 Mittelunternehmen
(25,95%) und 155 Großunternehmen (30,94%) zusammen.
Eine Gegenüberstellung der Anteilswerte der Ausgangsstichprobe mit denen der tatsächlichen Stichprobe verdeutlicht, daß bezüglich der Kleinunternehmen und der
Mittelunternehmen eine ähnliche Struktur wie bei der Ausgangsstichprobe vorliegt. Die Großunternehmen sind allerdings aufgrund der hohen Rücklaufquote in der tatsächlichen Stichprobe überrepräsentiert. Als Grund für diesen überdurchschnittlich
hohen Anteil der Großunternehmen darf einerseits die schnellere Abrufbarkeit der
relevanten Daten und andererseits die generelle Neigung zur Beantwortung von Anfragen angenommen werden. Bezogen auf die 501 zurückgesandten Fragebögen ergibt sich eine allgemeine
Rücklaufquote von 62,63%.837 Es ist zweckmäßig, die Rücklaufquote anhand der einzelnen Beschäftigtengrößenklassen weiter zu differenzieren. Von den 386 befragten Kleinunternehmen beantworteten insgesamt 216 den Fragebogen. Dies
entspricht einer Rücklaufquote von 55,69%. Während wir bei den Mittelunternehmen eine Rücklaufquote von 56,28% feststellen, ist bei den Großunternehmen mit 84,70% eine überdurchschnittlich hohe Rücklaufquote zu verzeichnen, wodurch die getroffene Aussage bestätigt wird. Als ein vorläufiges Zwischenergebnis können wir in bezug auf die Repräsentativität
der Erhebung festhalten, daß die Untersuchungsergebnisse besonders für Mittel und Großunternehmen hinreichend repräsentativ sind.
Im Vergleich zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen zeigt sich für unsere Erhebung eine hohe Rücklaufquote. Rücklaufquoten für vergleichbare empirische Erhebungen in der Bundesrepublik Deutschland liegen zwischen 13,2% und 53,3%. Vgl. hierzu Küpper [Rechnungswesen 1993], S.607. Vgl. ausführlich zu den Angaben der Rücklaufquote Becker [Kostenrechnung 1984], S.69, Kind [Rechnungswesen 1986], S.13., Küpper et al. [Planungsverfahren 1990], S.436, und Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.12.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
2121
Ein weiteres Kriterium zur Beurteilung der Repräsentativität unserer Untersuchung stellt der Anteil der Unternehmen aus verschiedenen Branchen dar. Zum einen
wollen wir hierbei der Frage nachgehen, inwieweit sich die Ausgangsstichprobe auf
die einzelnen Wirtschaftszweige verteilt. Zum anderen wollen wir die tatsächliche Zusammensetzung der Stichprobe bezüglich der einzelnen Branchen analysieren. Wie Tabelle 2 zeigt, bildet das Produzierende Gewerbe mit einem Anteil von 50,86% innerhalb der Grundgesamtheit den Branchenschwerpunkt türkischer Unternehmen.
An zweiter Stelle sind die Unternehmen zu nennen, die dem allgemeinen Dienstleistungsbereich angehören. Diese Dienstleistungsunternehmen sind mit
22,26% in der Grundgesamtheit vertreten und stellen somit einen weiteren Schwer punkt dar. Des weiteren folgen die Branchen Tourismus, Verkehr/Nachrichten, Bau gewerbe und Energiewirtschaft/Bergbau.
Die Ausgangsstichprobe orientiert sich analog zur Grundgesamtheit schwerpunkt
mäßig am Produzierenden Gewerbe. Diese Ausrichtung wird dadurch verdeutlicht, daß innerhalb der Ausgangsstichprobe 71,75% der untersuchten türkischen Unter nehmen dieser Branche angehören. Diese überproportionale Berücksichtigung des
Produzierenden Gewerbes im Vergleich zur Grundgesamtheit begründen wir damit, daß der größte Anteil der Mittel- und Großunternehmen dieser Branche zuzuordnen
ist.
Darüber hinaus ist in der Ausgangsstichprobe der Bereich der allgemeinen Dienst leistungen mit 6,87% vertreten. Weiterhin haben wir aus dem sonstigen Dienst leistungssektor die Bereiche Tourismus mit 5,87% und Verkehr/Nachricht mit 3,13%
berücksichtigt. Während diese Bereiche im hohen Maße der Repräsentativität genügen, liegt eine Diskrepanz hinsichtlich des Bereichs der allgemeinen Dienst leistungen vor. Im Vergleich mit der Grundgesamtheit haben wir diese Branche in
der Ausgangsstichprobe lediglich unterproportional berücksichtigt.
Diese Ab
weichung ist darauf zurückzuführen, daß in unserer empirischen Erhebung primär
Industrieunternehmen untersucht werden.838
838
Während die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen überwiegend den Industriesektor zum Gegenstand haben, findet der Dienstleistungssektor kaum Beachtung. Vgl. hierzu ausführlich Währisch [Kostenrechnungpraxis 1998], S.11f. Demgegen über finden in unserer Erhebung beide Branchen Berücksichtigung.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen_____________________________
213
Die übrigen Branchen weisen demgegenüber eine nahezu identische Struktur zur Grundgesamtheit auf. Lediglich im Bereich Verkehr und Nachricht ist eine geringe
Abweichung festzustellen.
Branchen Produzierendes Gewerbe
Grund gesamtheit in % abs. 8.871 50,86
Ausgangs stichprobe in % abs. 574 71,75
tatsächliche Stichprobe abs. in % 344 68,67
Dienstleistungen
3.882
22,26
55
6,87
43
8,58
Tourismus
977
5,60
47
5,87
36
7,19
Verkehr und Nachricht
1.153
6,61
25
3,13
13
2,59
Baugewerbe
1.514
8,68
59
7,38
48
9,58
Energiewirtschaft/Bergbau
1.045
5,99
40
5,00
17
3,39
Gesamt
17.442
100
800
100
501
100
Tab. 2: Repräsentativität der Untersuchung nach Branchen Bei einem Vergleich der prozentualen Anteile der Ausgangsstichprobe mit denen der
tatsächlichen Stichprobe zeigen sich nur geringe Abweichungen. Besonderes Ge wicht haben in der tatsächlichen Stichprobe die Unternehmen des Produzierenden
Gewerbes mit 68,67%. Die Anteilswerte von den Unternehmen der übrigen Bran
chen entsprechen in der Tendenz denen der Ausgangsstichprobe. Die durchschnitt liche Abweichung der tatsächlichen Stichprobe von der Ausgangsstichprobe beträgt
nur 1,74 Prozentpunkte, welches die hohe Repräsentativität der antwortenden Unter nehmen verdeutlicht.
In einem nächsten Schritt wollen wir den Branchenschwerpunkt des Produzierenden Gewerbes bzw. die einzelnen Industriebereiche weiter differenzieren. Die in Tabelle 3 dargestellte Unterteilung dieses Wirtschaftszweiges entspricht der vom Amt für Statistik in der Türkei vorgenommenen Einteilung dieser Branche.839 In
der Grundgesamtheit des Produzierenden Gewerbes sind die verschiedenen
Industriebereiche unterschiedlich stark vertreten. Es ist eine Konzentration hinsicht lich der Grundstoffindustrie zu erkennen. Den Schwerpunkt der türkischen Industrie unternehmen bilden mit 26,30% die Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie sowie
Vgl. zu der Brancheneinteilung auch Teil A Frage 1 des Fragebogens.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
214.
die Nahrungs- und Genußmittelindustrie mit 21,35%. An dritter Stelle steht die Metallverarbeitende Industrie mit 11,92% vor der Chemischen Industrie mit 9,27%. Diese Branchen bilden mit fast 70% der gesamten Wirtschaftsgruppe den Kern unserer Untersuchung.
Die Optikbranche (0,68%) und die sonstigen nicht weiter aufgeschlüsselten
Industriezweige (1,04%)
nehmen
in
der Rangordnung
des
Produzierenden
Gewerbes lediglich eine untergeordnete Stellung ein.
Branchen
Grund gesamtheit
Ausgangs stichprobe
tatsächliche Stichprobe
abs.
in %
abs.
in %
abs.
in %
Textil-/ Bekleidungs-/ und Lederindustrie
2.333
26,30
86
14,98
49
14,24
Nahrungs- und Genußmittelindustrie
1.894
21,35
67
11,67
52
15,12
Metallverarbeitende Industrie
1.057
11,92
93
16,20
61
17,73
Chemische Industrie
822
9,27
97
16,90
58
16,86
Steine und Erden
686
7.73
27
4,70
19
5,52
Maschinen- und Anlagenbau
527
5,94
60
10,45
26
7,56
Elektrotechnik
406
4,58
39
6,80
23
6,69
Papier- und Druckindustrie
341
3,84
51
8,90
25
7,27
Fahrzeugbau
338
3,80
46
8,01
28
8,14
Möbelindustrie
315
3,55
0
0,00
0
0,00
Optik
60
0,68
8
1,39
3
0,87
sonstige Industrie
92
1,04
0
0,00
0
0,00
Gesamt
8.871
100
574
100
344
100
Tab. 3: Repräsentativität der Untersuchung nach Industriegruppen Bei einem Vergleich der Anteilswerte der Ausgangsstichprobe mit denen der Grund
gesamtheit zeigen sich deutliche Unterschiede. Die Zahlenwerte der Ausgangsstich probe und die der tatsächlichen Stichprobe sind in ihrer Struktur weitestgehend identisch.
In der Ausgangsstichprobe haben wir die Unternehmen der Chemischen Industrie, der Metallverarbeitenden Industrie, der Papier- und Druckindustrie, der Textil-,
Bekleidungs- und Lederindustrie, der Nahrungs- und Genußmittelindustrie sowie des Maschinen- und Anlagenbaus überproportional berücksichtigt. Die Gewichtung der Ausgangsstichprobe ist darauf zurückzuführen, daß diese Industriezweige einen überaus hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt der Türkei haben. Zudem erwarten
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
215
wir, daß in diesen Unternehmen eine Kostenrechnung eingesetzt wird.840 Im Gegen satz dazu sind die Unternehmen aus den Bereichen der Optik sowie der Steine und Erden nur unterproportional in der Ausgangsstichprobe vertreten. Im Vergleich zwischen der Ausgangsstichprobe und der Grundgesamtheit stellen wir Abweichungen hinsichtlich der prozentualen Anteile der verschiedenen Wirtschafts
zweige fest. Diese Diskrepanzen sind vornehmlich in den überproportional berück sichtigten Industriebereichen zu erkennen und finden ihre Begründung in der zweck bezogenen Gewichtung der Ausgangsstichprobe.
Zusammenfassend können wir festhalten, daß der Vergleich der tatsächlichen Stich probe mit der von uns gewichteten Ausgangsstichprobe eine nahezu identische
Struktur beider Stichproben ergibt. Dieses Ergebnis impliziert zugleich die für unsere Untersuchung notwendige Repräsentativität. Sie bildet zudem eine zwingende Vor aussetzung für die später durchzuführenden wissenschaftlichen Analysen. Als weiteren Untersuchungspunkt betrachten wir die regionale Verteilung der
befragten Unternehmen. Hierbei ist es für uns ein zentrales Anliegen, nicht nur eine bestimmte Region der Türkei zu untersuchen, sondern eine landesweite Erhebung
vorzunehmen. Wir haben dabei das gesamte Gebiet der Türkischen Republik berücksichtigt.841
Wie Tabelle 4 zeigt, ist die Türkische Republik in sechs Regionen aufgeteilt.842 Die Regionen Marmara und Mittel-Anatolien bilden die Industrie- und
Handels
schwerpunkte. In den Regionen Ägäis und Mittelmeer ist der größte Teil der unter
suchten Unternehmen der Tourismus-Branche zuzuordnen. Demgegenüber haben die Regionen Schwarzes Meer und Ost-Anatolien aus ökonomischer Sichtweise nur
eine geringe Bedeutung.
Vgl. hierzu Institute of Statistics [Analysis 1994], S.42. Vgl. hierzu auch Kapitel 5.1. Diese Einteilung der Türkischen Republik ist gleichzusetzen mit der föderalistischen Unterteilung Deutschlands in einzelne Bundesländer.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
216
In der von uns durchgeführten empirischen Untersuchung haben wir alle Regionen
der Türkei berücksichtigt. Wir wollten damit Informationen über mögliche Gründe für
regionale Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnung erhalten. Somit ergeben sich einerseits Unterschiede beim Einsatz der Kostenrechnung auf grund der verschiedenen Branchen Strukturen der jeweiligen Regionen und anderer
seits hinsichtlich der Unternehmenskulturen. Schwerpunkt unserer Analyse bilden aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die
Wirtschaftsregionen Marmara und Mittel-Anatolien. Dabei wurden von den insgesamt 800 Fragebögen allein 297 Fragebögen (37,13%) in die Region Marmara und 248 Fragebögen (31%) in die Region Mittel-Anatolien verschickt. Die Region Ost-
Anatolien wurde aufgrund ihrer geringen ökonomischen Bedeutung nur mit 20 ver schickten Fragebögen (2,5%) in der empirischen Erhebung unterproportional berück
sichtigt. Als nächstes Untersuchungsmerkmal betrachten wir nun die Rücklaufquote der sechs Regionen. Die Wirtschafts region Marmara mit den zentralen Standorten Istan
bul, Kocaeli, Adapazari und Bursa bildet einen Schwerpunkt der Analyse. Von den 297 in die Region Marmara verschickten Fragebögen wurden insgesamt 193
Exemplare zurückgesandt, woraus sich eine Rücklaufquote von 65% ergibt.
Region
Anzahl der versandten Fragebögen
absoluter Rücklauf
Rücklauf quote in %
Marmara
297
193
64,98
Mittel-Anatolien
248
166
66,94
Ägäis
132
63
47,73
Schwarzes Meer
66
44
66,67
Mittelmeer
37
21
56,76
Ost-Anatolien
20
14
70,00
Gesamt
800
501
62,63
Tab. 4: Anzahl der angeschriebenen und antwortenden Unternehmen nach Regionen An Unternehmen in der Region Mittel-Anatolien mit dem Industrie- und Handels
zentrum Ankara wurden 248 Fragebögen versandt. Die Rücklaufquote der Frage
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
217
bögen aus dieser Region beträgt 66,9%, d.h. wir erhielten 166 Fragebögen ausge
füllt zurückgesandt. In der Region Ägäis wurden an 132 Unternehmen Fragebögen verschickt Es
wurden 63 zurückgesandt, so daß sich für die gesamte Region eine Rücklaufquote
von 47,7% ergibt. Den wirtschaftlichen Schwerpunkt dieser Region bildet die Stadt Izmir, die zugleich den Mittelpunkt unserer Befragung in dieser Region darstellt.
Auf die Region Schwarzes Meer mit dem zentralen wirtschaftlichen Standort Trabzon entfielen 66 Fragebögen. Es wurden 44 Exemplare zurückgesandt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 66,7%. Des weiteren wurden 37 Unternehmen in der Region Mittelmeer angeschrieben. Hier
konzentrierten wir unsere Befragung auf die Städte Antalya und Alanya. Aus dieser Region erhielten wir insgesamt 21 beantwortete Fragebögen. Die Rücklaufquote in dieser Region beträgt somit 56,8%.
In die Region Ost-Anatolien mit den Wirtschaftsschwerpunkten Erzurum und Van haben wir 20 Fragebögen versandt. Von den verschickten Fragebögen erreichten
uns 14 beantwortete Exemplare, woraus sich ein prozentualer Rücklauf von 70%
ergibt. Durch die gezielte Determinierung des Verteilungsschlüssels nach Regionen spiegelt
sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Türkei in unserer Untersuchung wider. Insbesondere die starke Vormachtstellung von Istanbul, Ankara und Izmir gegenüber anderen türkischen Standorten wurde bei der Verteilung der Fragebögen berück sichtigt. Von den 800 Fragebögen verteilten wir 489 in diese Regionen, welches
einem Anteil von 61,13% an der Ausgangsstichprobe entspricht. Zusammenfassend können wir im Hinblick auf die Repräsentativität der empirischen
Untersuchung festhalten, daß die Ausgangsstichprobe mit der tatsächlichen Stich probe in hohem Maße identisch ist. Ein Vergleich der Grundgesamtheit mit der
Ausgangsstichprobe offenbart allerdings einige Verzerrungen. Die Abweichungen ergeben sich aus der Notwendigkeit, eine eigenständige Gewichtung vornehmen zu
müssen, um für unsere Untersuchungszwecke zu fundierten und wissenschaftlich
wertvollen Aussagen zu gelangen. Somit sind die auftretenden Abweichungen nicht
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
218.
auf Zufälligkeiten zurückzuführen, sondern das Ergebnis einer auf die ökonomischen Besonderheiten der Türkei abgestimmten Erhebung.
Grundsätzlich sind wir der Meinung, daß die Ergebnisse der durchgeführten Analyse für unsere weiteren Untersuchungen hinreichend repräsentativ sind und eine fundierte Ausgangsbasis für die nachfolgende Analyse der Untersuchungsergeb nisse bilden.
5.2.2.3 Anwendung der Plausibilitätsregeln zur Prüfung des Antwortverhaltens
Wie wir bereits bei der Repräsentativität der empirischen Untersuchung festgestellt
haben, sind uns 501 beantwortete Fragebögen zurückgesandt worden. Im Rahmen der Planung der empirischen Untersuchung haben wir allerdings darauf hinge wiesen, daß zur Vermeidung von Verzerrungen und zur Gewährleistung der Qualität
unserer Ergebnisse die von uns in Abschnitt 5.2.1.3 aufgestellten Plausibilitätsregeln zu beachten sind. Bei der Überprüfung der Fragebögen anhand der Plausibilitäts
regeln wurden von uns 140 Fragebögen als nicht plausibel identifiziert. Bei einem
großen Teil dieser Unternehmen konnten vor allem Inkonsistenzen bezüglich der
Zwecke der Kostenrechnung und der Teilbereiche der Kostenrechnung sowie der Kostenspaltung festgestellt werden. Zwar verfolgt ein Teil dieser Unternehmen die Preiskalkulation als Zweck der Kostenrechnung, sie verzichten aber auf den Einsatz
der Kostenträgerstückrechnung. Des weiteren sind Unstimmigkeiten bezüglich der
eingesetzten Kostenrechnungssysteme und der dazu erforderlichen Kostenspaltung aufgetreten. So geben einige Unternehmen an, daß sie eine Deckungsbeitragsrech
nung einsetzen, gleichzeitig aber auf eine Spaltung der Kosten in fixe und variable Bestandteile verzichten. Dies wird dadurch verdeutlicht, daß ein Teil der Unterneh
men angibt, eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung durchzuführen ohne aber
die hierzu notwendige stufenweise Spaltung des Fixkostenblockes vorzunehmen. Nach Anwendung der Plausibilitätsregeln verbleiben somit 361 Fragebögen,843 die unseren Anforderungen im Hinblick auf die noch vorzunehmende Analyse des empi
rischen Datenmaterials entsprechen.
843
Dies entspricht einer effektiven Rücklaufquote von 45%.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
219
5.3 Darstellung der Einzelantworten Im folgenden wollen wir die befragten Unternehmen hinsichtlich ihrer Unternehmens struktur und der Ausgestaltung des Rechnungswesens untersuchen. Dabei gehen
wir insbesondere auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der
Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen ein, wobei sowohl die Rahmenbedingungen, Teilbereiche und Zwecke der Kostenrechnung als auch die in den Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssysteme analysiert werden. In
diesem Zusammenhang wollen wir auch einige ausgewählte Aspekte hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen im Hinblick auf
die Kostenrechnung und die Kostenrechnungssysteme eingehen. Unsere Ziel setzung besteht darin, die Daten aus den verschiedenen empirischen Studien mit
unseren Untersuchungsergebnissen zu vergleichen. Die dabei gewonnenen Erkennt
nisse sind Grundlage für die anschließend durchzuführenden Untersuchungen sowie für die abschließenden Handlungsempfehlungen zur Einführung bzw. Ausgestaltung
der Kostenrechnung und Kostenrechnungssyteme in türkischen Unternehmen. 5.3.1 Antworten zum Unternehmen
In einem ersten Schritt werden wir die befragten Unternehmen bezüglich der Branchenzugehörigkeit und der Unternehmensform näher charakterisieren. Zudem
berücksichtigen wir die Unternehmensgröße, den Fertigungstyp und das Zielsystem als weitere Differenzierungsmerkmale. Auf diese Weise wollen wir einen Überblick
über die heterogenen Unternehmensstrukturen der antwortenden türkischen Unter
nehmen geben. 5.3.1.1 Branchenzugehörigkeit Die von uns durchgeführte Befragung richtet sich sowohl an Industrieunternehmen
als auch an Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor.844 Abbildung 16 zeigt die
Verteilung der Unternehmen über die verschiedenen Branchen.
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sich die verschiedenen empirischen Erhebungen des deutschsprachigen Raums im Gegensatz zu der von uns durchgeführten Untersuchung lediglich auf Industrieunternehmen beziehen. Als Beispiele können hier Marner [Rechnungswesen 1980], S.135, Küpper [Kosteninformationen 1983], S.170, Becker [Kostenrechnung 1984], S.59, WiedNebbeling [Preisverhalten 1985], S.8, Kind [Rechnungswesen 1986], S.12, Küpper/Hoffmann
220
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Abb. 16: Verteilung der Unternehmen nach Branchen Es zeigt sich, daß die antwortenden Unternehmen sehr unregelmäßig über die ver
schiedenen Branchen verteilt sind. Der größte Teil der antwortenden Unternehmen ist eindeutig dem industriellen Sektor (81,64%) zuzurechnen. Innerhalb der Unter
nehmen des industriellen Sektors liegt der Schwerpunkt auf der chemischen (14,18%) und metallverarbeitenden Industrie (14,91%). An zweiter Stelle stehen die Industrieunternehmen, die den Branchen Nahrungs- und Genußmittel (12,71%), der
Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie (11,98%) sowie dem Baugewerbe (11,74%)
zuzuordnen sind. Auffallend ist, daß die Unternehmen in den Bereichen Fahr zeugbau (6,85%), Maschinen- und Anlagenbau (6,36%), Papier- und Druckindustrie (6,11%), Steine und Erden (4,65%), Elektrotechnik (5,62%) sowie Energie-
wirtschaft/Bergbau (4,16%) im Verhältnis zu den zuvor genannten Branchen weniger
[Entwicklungstendenzen 1988], S.588, Kosmider [Kostenrechnung 1991], S.22, Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.22, Schehl [Industrieunternehmen 1994], S.22, Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.1, sowie Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.63, angeführt werden. Darüber hinaus sind auch diejenigen empirischen Studien zu nennen, die zwar Dienst leistungsunternehmen berücksichtigen, sich aber schwerpunktmäßig auf Industrieunternehmen konzentrieren. Vgl. hierzu Horväth et al. [Planung 1978], S.7.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
221
stark vertreten sind. Eine deutliche Diskrepanz besteht gegenüber den antwortenden Unternehmen, die der Branche Optik (0,73%) angehören. Diese Unternehmen sind,
bezogen auf die Grundgesamtheit, relativ unbedeutend. Bei den antwortenden Unternehmen, die dem Dienstleistungssektor angehören, werden explizit die Branchen Verkehr/Nachrichten (14,13%), Tourismus845 (39,13%)
und allgemeine Dienstleistungen (46,74%) genannt. Der größte Teil der Unter
nehmen ist dem Bereich der allgemeinen Dienstleistungen zuzuordnen. Bei diesem Bereich handelt es sich um eine Ansammlung nicht weiter spezifizierter Dienst
leistungsunternehmen. Zusammenfassend können wir festhalten, daß die Branchen des industriellen
Sektors mit einem prozentualen Anteil von 81,64% häufiger vertreten sind als die Bereiche des Dienstleistungssektors mit 18,36%.
5.3.1.2 Unternehmensform
Nachdem wir uns mit der Verteilung der Unternehmen auf die einzelnen Branchen beschäftigt haben, wollen wir im folgenden das Kriterium der Unternehmensform näher betrachten. Im Hinblick auf die Unternehmensform unterscheiden wir im allge
meinen zwischen den Eigentumsverhältnissen und der Rechtsform der Unter nehmen.846 Zunächst werden die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen betrachtet, wobei
wir zwei Grundformen gegeneinander abgrenzen. In diesem Zusammenhang wird
zwischen den Privatunternehmen und den öffentlichen Unternehmen differenziert.847
Wie bereits in Kap. 5.2.2.4 erwähnt, werden die Branchen Verkehr/Nachrichten und Tourismus nicht den allgemeinen Dienstleistungen zugeordnet, sondern gesondert erfaßt. Diese Einteilung wird von einem überwiegenden Teil der Autoren im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Türkei vorgenommen. Vgl. hierzu Kiper [Ticaret Sirketleri 1981], S.29, öncel et al. [Vergi Hukuku 1984], S.51f., Canoglu [Vergi Muhasebesi 1985], S.67, Celik/Ipekci [Sirketler Hukuku 1985], S.4, Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.1, und Ucar/Aydemir [Mali Tablolari 1994], S.16.
Im Gegensatz zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Unter suchungen nehmen wir hier bewußt eine Differenzierung bei den Eigentumsverhältnissen in private Unternehmen und öffentliche Unternehmen vor. Die fehlende Unterteilung in deutschen Untersuchungen ist nicht zuletzt auch auf die strukturellen Unterschiede hinsichtlich der Eigen tumsverhältnisse an den Unternehmen zurückzuführen. So nimmt im Zuge der Privatisierung die Anzahl der öffentlichen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland stark ab. Demgegen-
222
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
In der Türkei existieren außerdem sehr viele Mischformen848 mit überwiegend privater oder mit überwiegend staatlicher Beteiligung.
Abb. 17: Verteilung der Unternehmen nach Eigentumsverhältnissen
Abbildung 17 veranschaulicht, daß der größte Teil der antwortenden Unternehmen Privatunternehmen sind. Von den 501 untersuchten Unternehmen befinden sich 467 Unternehmen (93,2%) in ausschließlich privatem Besitz.849 Die öffentlichen Unter
nehmen, die privatwirtschaftlichen Unternehmen mit überwiegend staatlicher Beteili gung und die privatwirtschaftlichen Unternehmen mit überwiegend privater Betei
ligung sind in unserer Untersuchung nur unterdurchschnittlich vertreten.850 Der Anteil dieser Unternehmen an der tatsächlichen Stichprobe beträgt lediglich 6,8%.
über sind die öffentlichen Unternehmen in der Türkei trotz der auch dort einsetzenden Privatisie rungstendenzen sehr viel stärker vertreten. 848
Diese Mischformen sind in der unternehmerischen Praxis besonders häufig bei industriellen Großunternehmen in der Türkei vorzufinden.
849
Hierzu zählen u.a. auch 35 Joint Venture-Unternehmen, die bereits in Abschnitt 4.3.3 dargestellt worden sind.
850
Im Rahmen unserer empirischen Erhebung wurden 64 Fragebögen an rein staatliche Unter nehmen verschickt. Allerdings haben von diesen nur 17 Fragebogen beantwortet. Die geringe Rücklaufquote ist darauf zurückzuführen, daß die öffentlichen Unternehmen Daten über ihre ökonomischen Aktivitäten als streng vertraulich behandeln und daher im allgemeinen nicht zur
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
221
Bei der Rechtsform der privat geführten Unternehmen unterscheiden wir zwischen
Personen- und Kapitalgesellschaften. Die öffentlichen Unternehmen werden aus schließlich als Kapitalgesellschaften geführt. Den Personengesellschaften werden explizit die Einzelunternehmen, die Offene Handelsgesellschaft (OHG)851 und die Kommanditgesellschaft (KG)852 zugeordnet.
Zu den Kapitalgesellschaften zählen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)853 und die Aktiengesellschaft (AG)854.
Verfügung stellen. Vor diesem Hintergrund überrascht es, daß 17 staatliche Unternehmen den Fragebogen beantwortet haben. 851
Die Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) ist die in der Türkei am häufigsten anzutreffende Gesellschaftsform. Die Unterschiede zwischen der deutschen und der türkischen Offenen Handelsgesellschaft bestehen darin, daß in der Türkei eine juristische Person kein Gesellschafter sein kann. Vgl. Erimez/Güreli [Gelir Vergisi 1973], S.11f., Ansay [Tochtergesellschaft 1987], S.100, Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.2, Hirsch/Tekinalp [Ausländische Aktiengesetze 1993], S.66, sowie Kishali [Sirketler Muhasebesi 1994], S.4.
852
Die Rechtsform der Kommanditgesellschaft (KG) ist in der Türkei im Gegensatz zu Deutschland nur vereinzelt anzutreffen. Besonderes Merkmal dieser Gesellschaftsform in der Türkei ist es, daß nur natürliche Personen den Status eines Komplementärs einnehmen können. Somit ist die Existenz einer GmbH & Co. KG grundsätzlich ausgeschlossen. Vgl. Celik/Ipekci [Sirketler Hukuku 1985], S.45, Hamzacebi [Yeniden Degerleme 1985], S.37f., Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.2, und Hirsch/Tekinalp [Ausländische Aktiengesetze 1994], S.69.
853
Bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) besteht der grundlegende Unterschied
zwischen den deutschen und den türkischen Vorschriften darin, daß in der Türkei mindestens zwei Gesellschafter als Gründungsmitglieder für eine GmbH erforderlich sind. Vgl. Özer et al. [Limited Sirketleri 1982], S.31f., Celik/Ipekci [Sirketler Hukuku 1985], S. 46, Ansay [Tochtergesellschaft 1987], S.100, Kremser [Betriebsstätte 1987], S.39, Günege [Financial Accounting 1990], S.7, Altug [Hukuk 1991], S.3, Dogrugöz/Somer [Anonim Sirketler 1992], S.7, Kishali [Sirketler Muhasebesi 1994], S.162, und Kara [Anonim Sirketler 1995], S.3. 854
Zwischen der auf türkischem und deutschem Recht basierenden Form der Aktiengesellschaft sind keine grundlegenden Unterschiede vorhanden.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
224
Rechtsform
Abbildung 18: Verteilung der Unternehmen nach der Rechtsform Abbildung 18 veranschaulicht, daß die meisten der antwortenden Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geführt werden. Bei diesen Gesellschaften dominieren die Aktiengesellschaften mit 304 Unternehmen (60,7%). Die Gesell
schaften mit beschränkter Haftung nehmen mit 167 Unternehmen (33,3%) den zweiten Rang ein. Die Personengesellschaften spielen demgegenüber mit 28 Unternehmen eine nur
untergeordnete Rolle.855 Von diesen 28 Unternehmen werden 17 als Einzelunter nehmen geführt. Dies sind 3,4% aller antwortenden Unternehmen. Dem folgen mit
elf Unternehmen (2,2%) die Offenen Handelsgesellschaften. Weitere Ausprägungen der Personengesellschaften, wie die Kommanditgesellschaft, werden hingegen nicht genannt.
Hier werden Unterschiede zu den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen sichtbar, da die Personengesellschaften in diesen Untersuchungen anteilmäßig wesentlich häufiger vertreten sind. Neuere empirischen Studien belegen jedoch, daß der Anteil der Personengesellschaften abnimmt. Vgl. hierzu Horvath et al. [Planung 1978], S.6, Becker [Kostenrechnung 1984], S. 77, Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.17, Kind [Rechnungswesen 1986], S.25, Kosmider [Controlling 1991], S.33, Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], S.195, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.5.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
225
Bei zwei Unternehmen (0,4%) konnte anhand der Ausführungen im Antwortbogen
nicht festgestellt werden, in welcher Rechtsform sie geführt werden. Wir haben deshalb diese beiden Unternehmen unter dem Bereich „Sonstige“ zusammengefaßt
und ausgewertet. 5.3.1.3 Unternehmensgröße
In einem weiteren Schritt wollen wir auf die Verteilung der antwortenden Unterneh
men auf die verschiedenen Unternehmensgrößenklassen eingehen. Die Beurteilung
der Unternehmensgröße856 haben wir mit Hilfe der Kriterien Beschäftigtenanzahl und Umsatz vorgenommen.857 Die folgende Abbildung stellt zunächst die Häufigkeitsver teilung nach dem Kriterium der Beschäftigtenanzahl dar.
Obwohl sich im betriebswirtschaftlichen Schrifttum eine Vielzahl von Abgrenzungen der Begriffe Unternehmen und Betrieb findet, erscheint es uns im Rahmen dieser Arbeit nicht erforderlich, zwischen den Begriffen Unternehmen und Betrieb zu unterscheiden. Im folgenden verwenden wir diese Begriffe daher synonym. Vgl. zu den Begriffsabgrenzungen im Schrifttum ausführlich Lücke [Unternehmensgröße 1967], S.9ff., Bergmann [Unternehmensgröße 1972], S.15, Busse von Colbe [Unternehmensgröße 1974], Sp.561ff., Jüttner-Kramny [Unternehmensgröße 1975], S.17, Schäfer [Unternehmung 1991], S.80f., Betge [Betriebsgröße 1993], Sp.4272f„ Grochla [Betrieb 1993], Sp.375ff., Macharzina [Unternehmensführung 1993], S.13L, Amann [Unternehmensführung 1995], S.15, Haberstock [Kostenrechnung I 1998], S.1, und Schierenbeck [Betriebswirtschaftslehre 1999], S.24f.
857
Zur Bestimmung der Unternehmensgröße gibt es im betriebswirtschaftlichen Schrifttum vielfältige
Einteilungskriterien. So wird im deutschen Schrifttum zwischen quantitativen, qualitativen und kombinierten Maßgrößen unterschieden. Vgl. hierzu ausführlich Hax [Konzentration 1961], S.62, Peemöller [Unternehmensgröße 1971], S.15ff., Bergmann [Unternehmensgröße 1972], S.15L, Jüttner-Kramny [Unternehmensgröße 1975], S.19, Königs [Unternehmensgrößenverteilung 1989], S.30, Lerchenmüller [Handelsbetriebslehre 1995], S.70f., und Mugler [Klein- und Mittelbetriebe 1995], S.17. Demgegenüber wird zur Bestimmung der Unternehmensgröße im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei primär auf das quantitative Kriterium der Beschäf tigtenzahl zurückgegriffen. Vgl. hierzu ausführlich Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.80. Aus diesem Grund erscheint es uns im Hinblick auf die Vergleichbarkeit und Meßbarkeit der Ergebnisse unserer empirischen Untersuchung sinnvoll, eine Beschränkung auf die quantitativen Merkmale der Beschäftigtenanzahl und des Umsatzes vorzunehmen.
226
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Beschäftigtengrößenklassen
Abb. 19: Verteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Beschäftigten
Im Hinblick auf die Verteilung über die Beschäftigtengrößenklassen zeigt sich, daß
die Anzahl der Unternehmen, die unter 50 Arbeitnehmer beschäftigen,858 über durchschnittlich vertreten sind. Dieser Größenklasse sind 216 Unternehmen (43,1%)
zuzuordnen. Die übrigen Merkmalsausprägungen der folgenden Klassen fallen deut lich geringer aus. Die Beschäftigtengrößenklasse 50-99 Arbeitnehmer umfaßt mit
einem Anteil von 15,2% insgesamt 76 Unternehmen, während der Klasse 100-199 Arbeitnehmer 54 Unternehmen (10,8%) zugeordnet werden. Des weiteren stellen wir
fest, daß nur 7% der antwortenden Unternehmen mehr als 1000 Arbeitnehmer
beschäftigen, wobei der Größenklasse 1000-5000 Arbeitnehmer 29 Unternehmen (5,8%) und der Klasse über 5000 Beschäftigte sechs Unternehmen (1,2%) zuge
ordnet werden können. Bei einer kritischen Betrachtung sämtlicher Größenklassen
ergibt sich, daß im Rahmen unserer Untersuchung diejenigen Unternehmen mit
einer Anzahl von unter 50 Beschäftigten überrepräsentiert sind.
858
Wie bereits in Kap. 5.2.2.4 erwähnt, werden Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten nicht berücksichtigt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Dieses Ergebnis stimmt mit den allgemeinen Erkenntnissen der Größenordnungen türkischer Unternehmen überein.859
Als zweites Kriterium zur Beurteilung der Unternehmensgröße dient im Rahmen unserer empirischen Untersuchung der Jahresumsatz der einzelnen Unternehmen.
Abb. 20: Verteilung der Unternehmen nach Jahresumsatz Bei der Verteilung der antwortenden Unternehmen auf die Jahresumsatzgrößen klassen zeigt sich mit einem Anteil von 30,7% eine Dominanz derjenigen Unter
nehmen, die jährlich mehr als 500 Mrd. Türkische Lira (TL)860 erzielen. Den zweiten Rang nehmen die Unternehmen ein, die der Umsatzgrößenklasse 10 bis 49 Mrd. TL
zuzuordnen sind. Für die Jahresumsatzgrößenklassen zwischen 5 Mrd. TL und 9 Mrd. TL sowie zwischen 50-99 Mrd. TL und 200 bis 499 Mrd. TL stellen wir eine annähernde Gleichverteilung fest. Demgegenüber sind die Klassen 100-149 Mrd. TL
Die Anzahl der türkischen Unternehmen, die der Beschäftigtengrößenklasse 10-49 Arbeitnehmer zuzuordnen sind, entspricht 76,44% der Grundgesamtheit. Vgl. hierzu Kap. 5.2.2.4. Zum Zeitpunkt der empirischen Erhebung entsprach eine Deutsche Mark 32.000 Türkische Lira (TL). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Inflationsrate in der Türkei im Durchschnitt jährlich 100% beträgt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
228
und 150-199 Mrd. TL bei der Betrachtung aller Unternehmen vergleichsweise unter durchschnittlich vertreten.
Wir halten es vor dem Hintergrund einer eindeutigen Zuordnung der Unternehmens größe der antwortenden Unternehmen für zweckmäßig, eine Gegenüberstellung der Beschäftigtengrößenklassen und der Jahresumsatzgrößenklassen vorzunehmen.861
Diese Einteilung dient als Basis für die im folgenden Kapitel durchzuführende
Analyse. Die daraus resultierenden Kombinationen werden in Tabelle 5 dargestellt.
Arbeitnehmer
unter 50
50 bis 99
100 bis 199
200 bis 499
500 bis 999
1000 bis 5000
über 5000
Gesamt
Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer Arbeitnehmer
Umsatz
54
unter 5 Mrd. TL
53
5 bis 9 Mrd. TL
54
4
10 bis 49 Mrd. TL
54
12
4
50 bis 99 Mrd. TL
27
19
5
1
52
100 bis 149 Mrd. TL
11
15
3
2
31
150 bis 199 Mrd. TL
11
12
2
200 bis 499 Mrd. TL
6
12
20
16
1
2
1
20
52
48
27
6
154
76
54
71
49
29
6
501
über 500 Mrd. TL
Gesamt
216
1
58
70
25
I____________ I
I____________ I
I____________ I
Kleinunternehmen
Mittelunternehmen
Großunternehmen
57
Tab. 5: Einteilung der Unternehmen in Unternehmensgrößenklassen Aufbauend auf dieser Einteilung wollen wir im folgenden eine Klassifikation in Klein-,
Mittel- und Großunternehmen vornehmen.
Ein Vergleich mit den im deutschsprachigen Raum durchgeführten Erhebungen zeigt, daß hier ebenfalls sehr häufig die Determinanten Beschäftigtenanzahl und Jahresumsatz zugrundegelegt werden. Auf eine Zusammenfassung dieser Kriterien zu Unternehmensgrößenklassen wird jedoch im Gegensatz zu unserer empirischen Untersuchung verzichtet. Dies kann u.a. damit begründet werden, daß sich ein Großteil der von uns angesprochenen empirischen Studien von vornherein nur auf bestimmte Beschäftigtengrößenklassen konzentrieren. So beschränken sich beispielsweise Becker, Kind und Lange/Schauer bei der Einteilung ihrer Größenklassen auf Unternehmen mit 50-999 Beschäftigten. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.69, Kind [Rechnungswesen 1986], S.24, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.6.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
229
Kleinunternehmen sind nach unserer Klassifizierung dadurch gekennzeichnet, daß
sie weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Jahresumsatz von unter 10
Mrd. TL erreichen.862 Zu den mittleren Unternehmen zählen wir diejenigen Unternehmen, bei denen 50199 Arbeitnehmer beschäftigt sind und/oder die einen Umsatz von 10-199 Mrd. TL
realisieren.863 Großunternehmen sind für uns diejenigen Unternehmen, die 200 und/oder mehr
Beschäftigte haben und einen Jahresumsatz von mindestens 200 Mrd. TL erzielen.864 Die folgende Abbildung 21 zeigt die Verteilung der Unternehmen nach der Unter
nehmensgröße.
Demgegenüber werden in der Türkei von verschiedenen Institutionen andere Einteilungen vorgenommen. So gelten Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten in der amtlichen türkischen Statistik und nach der Klassifikation der Industrie- und Handelskammer als Kleinunternehmen. Dagegen sieht die türkische Nationalbank Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten als Kleinunternehmen an. Vgl. hierzu Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.92.
Wie bei Kleinunternehmen findet sich auch bei Mittelunternehmen keine einheitliche Einteilung. Während nach der amtlichen türkischen Statistik Unternehmen mit einer Beschäftigtenanzahl zwischen 10 und 24 als Mittelunternehmen klassifiziert werden, gelten nach Einteilung der Industrie- und Handelskammer Unternehmen mit 10 - 99 Beschäftigten als Mittelunternehmen. Eine andere Klassifizierung nimmt die Türkische Nationalbank vor, indem sie Betriebe mit 50 - 99 Mitarbeitern als Mittelunternehmen ansieht. Vgl. hierzu Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.93. Im Gegensatz dazu bezeichnet die amtliche Statistik Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten als Großunternehmen. Die Industrie- und Handelskammer sowie die Türkische Nationalbank sprechen bei mehr als 100 Beschäftigten von Großunternehmen. Vgl. hierzu Müftüoglu [Isletmeler 1993], S.93.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
230
Abb. 21: Verteilung der Unternehmen nach der Unternehmensgröße Beim Vergleich der einzelnen Unternehmensgrößen stellen wir fest, daß die Groß
unternehmen überdurchschnittlich stark vertreten sind. Insgesamt können wir 214 Unternehmen als Großunternehmen, 180 als Mittelunternehmen und 107 Unter
nehmen als Kleinunternehmen klassifizieren.
5.3.1.4 Fertigungsverfahren Für unsere Untersuchung erscheint es zweckmäßig, die verschiedenen im betriebs
wirtschaftlichen Schrifttum diskutierten Formen von Fertigungsverfahren zu berück sichtigen. Die Fertigungsverfahren, die die technische Struktur des Produktions prozesses festlegen und in enger Beziehung zu dem Organisationstyp der Fertigung stehen, sind dabei im Zusammenhang mit der Charakterisierung der türkischen
Unternehmen zu sehen.
Die Differenzierung einzelner Fertigungsverfahren orientiert sich an der Menge
gleicher Produktionseinheiten, die im Produktionsprozeß simultan oder unmittelbar
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
231
nacheinander hergestellt werden.865 Dementsprechend kann zwischen der Einzel-,
der Serien- und der Massenfertigung unterschieden werden. Diese grundlegende Einteilung der Fertigungsverfahren haben wir im Rahmen unserer empirischen Untersuchung um das Verfahren der Dienstleistungsproduktion erweitert. Auf diese Weise wollen wir den neueren Entwicklungen im Bereich der Dienstleistungsunter
nehmen in der unternehmerischen Praxis der Türkei Rechnung tragen.
Die Fragestellung bietet die Möglichkeit einer Mehrfachnennung, da in der unterneh merischen Praxis häufig mehrere Verfahren der Fertigung nebeneinander zum
Einsatz kommen.
Abbildung 22 veranschaulicht, daß die Serien- und die Einzelfertigung die verbreitetsten Fertigungsverfahren sind. Insgesamt setzen 68,4% der antwortenden
Unternehmen die Einzel- und/oder die Serienfertigung als Fertigungstyp ein.
865
Vgl. ausführlich zu den Fertigungsverfahren Kortzfleisch [Produktionsmethoden 1986], S.158ff. und zu der Differenzierung mit Hilfe des Merkmals „Menge gleicher Erzeugniseinheiten“ Hahn [Produktionsverfahren 1975], Sp.3160ff., sowie Grosse-Oetringhaus [Fertigungstypologie 1974], S.150ff.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
232
Die Massenfertigung wird nur von 116 der 501 untersuchten Unternehmen (15%)
durchgeführt. Weiterhin sind 128 Unternehmen (16,6%) zu nennen, die Dienst leistungen anbieten. Andere Fertigungsverfahren, wie z.B. die Sortenfertigung, die
unter der Kategorie „Sonstige“ angeführt werden konnten, wurden von den ant wortenden Unternehmen nicht eingesetzt bzw. genannt.
5.3.1.5 Zielsysteme
Im Rahmen der Analyse des Zielsystems der türkischen Unternehmen untersuchen
wir die wichtigsten Formalziele der unternehmerischen Praxis. Dabei konzentrieren
wir uns in der empirischen Erhebung sowohl auf monetäre Ziele als auch auf
Qualitätsziele.866 Hierzu zählen wir: • Umsatzausweitung • Gewinnstreben • Rentabilitätssteigerung
• Liquiditätssicherung • Wirtschaftlichkeit • Erwerb und Sicherung von Marktanteilen • Unternehmenssicherung
• Unternehmenswachstum • Imagepflege • Erhalt und Steigerung der Produktqualität867 Auf die Frage nach den Unternehmenszielen konnte im Fragebogen eine Gewich
tung der obigen formalen Ziele durch die antwortenden Unternehmen vorgenommen
866
Obwohl im betriebswirtschaftlichen Schrifttum noch weitere Formalziele, wie z.B. Zeit- und Flexibilitätsziele sowie ökologische und soziale Ziele existieren, haben sich in zahlreichen Gesprächen mit verschiedenen Vertretern türkischer Unternehmen die obigen Formalziele als zentrale Größen herausgestellt.
867
Den Unternehmen wurde die Möglichkeit eingeräumt, darüber hinaus verfolgte Ziele zu benennen und hinsichtlich ihrer Bedeutung zu gewichten.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen_______________________ _____________225
werden.868 Die Bewertungsskala umfaßt die Dimensionen „völlig unwichtig“, „geringe
Wichtigkeit“, „mittlere Wichtigkeit“, „erhebliche Wichtigkeit“ und „hohe Wichtigkeit“.
Mit dieser Frage wurden die türkischen Unternehmen gebeten, die ihrer Meinung nach zehn wichtigsten Formalziele entsprechend ihrer Bedeutung in eine Rangfolge
zu bringen. In der nachfolgenden Tabelle 6 werden die Häufigkeitsverteilungen der
Formalzielgewichtung der antwortenden Unternehmen dargestellt.
——___
Gewichtung der Ziele
hohe
erhebliche
mittlere
geringe
völlig
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
unwichtig
Umsatzausweitung
339
146
13
1
2
Formalziele
Gewinnstreben
290
187
18
4
2
Rentabilitätssteigerung
244
189
56
6
6
Liquiditätssicherung
224
196
70
7
4
Wirtschaftlichkeit
240
200
57
2
2
Erwerb und Sicherung von Marktanteilen
310
153
31
2
5
Untemehmenssicherung
309
155
32
4
1
Untemehmenswachstum
274
170
46
7
4
Imagepflege
206
168
59
8
6
Erhalt und Steigerung der Produktqualität
367
123
6
1
4
Tab. 6: Gewichtung der Formalziele der Unternehmen Dem Ziel Umsatzausweitung wird von 339 Unternehmen (67,7%) eine hohe Wichtig keit zugeordnet. Weitere 146 Unternehmen (29,1%) geben an, daß dieses Formal ziel von erheblicher Wichtigkeit für ihr Unternehmen ist Lediglich zwei der antwor
tenden Unternehmen (0,4%) stufen die Umsatzausweitung als völlig unwichtig ein. Wie aus Tabelle 6 zu entnehmen ist, wird das Gewinnstreben von 290 Unterneh
men (57,9%) als ein Ziel von hoher Wichtigkeit eingestuft. 187 der befragten Unternehmen (37,3%) sind der Meinung, daß dem Gewinnstreben eine erhebliche
Bedeutung für ihr Unternehmen beizumessen ist. Analog zur Umsatzausweitung befinden nur zwei Unternehmen (0,4%) das Gewinnstreben als völlig unwichtig.
868
Diesbezüglich wurde auf eine weitergehende Untergliederung der Zielsetzungen, beispielsweise in Haupt- und Nebenziele, verzichtet.
234
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Dem Ziel der Rentabilitätssteigerung wird von nahezu 49% der antwortenden Unter nehmen eine hohe Wichtigkeit zugeordnet Weitere 189 Unternehmen (37,7%)
geben an, daß diese Zielsetzung für sie von erheblicher Bedeutung ist. Nur sechs Unternehmen (1,2%) halten die Rentabilitätssteigerung für völlig unwichtig.
Die Sicherung der Liquidität wurde von 224 der antwortenden Unternehmen (44,7%) als sehr wichtig angesehen. 196 Unternehmen (39,1%) sind der Meinung, daß der
Liquiditätssicherung eine erhebliche Bedeutung beizumessen ist. Demgegenüber
halten vier Unternehmen (0,8%) diese Zielsetzung für völlig unwichtig. Als weitere bedeutsame Zielsetzung im Hinblick auf unternehmerische Entschei dungen betrachten wir die Wirtschaftlichkeit. Diesem Formalziel ordnen 240 Unter
nehmen (47,9%) eine hohe Wichtigkeit zu. Weitere 200 Unternehmen (39,9%) halten das Erreichen der Wirtschaftlichkeit für erheblich wichtig. Lediglich zwei Unterneh
men (0,4%) sind der Meinung, daß die Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens als
Zielsetzung für sie völlig unwichtig sei.
Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Erwerb bzw. der Sicherung von Markt anteilen zeigt sich, daß 310 der antwortenden Unternehmen (61,9%) diesem Formal ziel eine hohe Wichtigkeit beimessen. 153 Unternehmen (30,5%) geben an, daß die
Marktanteilssicherung für sie eine erhebliche Bedeutung aufweist. Von den antwor tenden Unternehmen stufen fünf Unternehmen (1%) diese Zielsetzung als völlig
unwichtig sei. Wie Tabelle 6 veranschaulicht, wird der Zielsetzung der Unternehmenssicherung von 309 Unternehmen (61,7%) eine hohe Wichtigkeit beigemessen. Weitere 155 Unter
nehmen (30,9%) ordnen diesem Formalziel eine erhebliche Wichtigkeit zu. Nur ein Unternehmen (0,2%) vertritt die Ansicht, daß die Verfolgung dieser Zielsetzung völlig
unwichtig sei. Dem Ziel Unternehmenswachstum wird von 274 der antwortenden Unternehmen
(54,7%) eine hohe Relevanz zugeordnet. Des weiteren geben 170 Unternehmen (33,9%) an, daß die Verfolgung dieser Zielsetzung für sie eine erhebliche Wichtigkeit
aufweist. Von den antwortenden Unternehmen stufen nur vier Unternehmen (0,8%) das Formalziel des Unternehmenswachstum als völlig unwichtig ein.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
235
Zu den weiteren aus unserer Sicht als bedeutsam einzustufenden Elementen des
Zielsystems gehört auch die Imagepflege. Diese nimmt bei 260 Unternehmen (51,9%) einen hohen Stellenwert ein. 168 Unternehmen (33,5%) halten das Formal
ziel der Imagepflege für erheblich wichtig. Lediglich sechs Unternehmen (1,2%)
stufen diese Zielsetzung als völlig unwichtig ein. Als letztes von uns vorgegebenes Formalziel wurde die Erhalt bzw. die Steigerung
der Produktqualität von 367 der antwortenden Unternehmen (73,3%) als sehr wichtig angesehen. Weitere 123 (24,6%) Unternehmen räumen diesem Formalziel eine erhebliche Bedeutung ein. Als völlig unwichtig wurde diese Zielsetzung von vier Unternehmen (0,8%) eingestuft.
In Abbildung 23 werden die arithmetischen Mittelwerte für die wichtigsten
Formalziele der Unternehmen dargestellt. Der Mittelwertbildung geht eine Formalziel
gewichtung voraus, wobei den Merkmalen folgende Faktorzuordnung zugrunde liegt:
völlig unwichtig
=
Faktor 1
geringe Wchtigkeit
=
Faktor 2
mittlere Wichtigkeit
=
Faktor 3
erhebliche Wchtigkeit
■
Faktor 4
hohe Wichtigkeit
=
Faktor 5
Tab.7: Formalzielgewichtungsfaktoren Die Merkmalsausprägungen der einzelnen Formalziele wurden mit den zuge
wiesenen Faktoren multipliziert und durch die Anzahl der antwortenden Unterneh men dividiert. Die so erhaltenen arithmetischen Mittelwerte werden in Abbildung 23
aufgeführt. Die Abbildung zeigt, daß die meisten der antwortenden türkischen Unternehmen die
Ziele „Erhalt und Steigerung der Produktqualität“ und „Umsatzausweitung“ mit den Mittelwerten von 4,681 und 4,648 für die bedeutendsten Formalziele im Rahmen ihrer unternehmerischen Aktivitäten halten. Als nächstes sind die Ziele Erwerb und
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Sicherung von Marktanteilen (4,551), Unternehmenssicherung (4,548) und Gewinn streben (4,532) zu nennen, die jeweils ähnliche arithmetische Mittelwerte aufweisen.
Abb. 23: Arithmetische Mittelwerte der Formalziele
Weiterhin ist zu erwähnen, daß dem Formalziel Unternehmenswachstum (4,452) im
Vergleich zu den erstgenannten Zielsetzungen nur eine geringe Bedeutung beige messen wird. Ferner werden fast gleichrangig die Ziele „Imagepflege“ (4,399), „Wirtschaftlichkeit“ (4,338) und „Rentabilitätssteigerung“ (4,307) genannt.
Die
„Liquiditätssicherung" (4,230) wird von den Unternehmen als unbedeutendstes
Formalziel in der empirischen Untersuchung angesehen.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Produktqualität eine höhere Bedeutung als den quantitativen Zielsetzungen in der unternehmerischen Praxis beigemessen
wird.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
237
Auffällig erscheint uns die geringe Bedeutung der Wirtschaftlichkeit im Hinblick auf die übrigen Formalziele. Dieses ist ein interessanter Aspekt, auf den wir im Rahmen der Kostenrechnungsanalyse im folgenden Abschnitt noch näher eingehen werden. 5.3.2 Antworten zum Rechnungswesen
Nachdem wir uns zunächst mit einigen allgemeinen Merkmalen der von uns unter suchten Unternehmen beschäftigt haben, wollen wir im folgenden auf die Antworten
zum Rechnungswesen eingehen. Diese Vorgehensweise ermöglicht es uns,
Erkenntnisse über die Bedeutung der Kostenrechnung im Vergleich zu den anderen Instrumenten des Rechnungswesens zu gewinnen. Gleichzeitig ergeben sich Ansatzpunkte im Hinblick auf die Nutzung einer gemeinsamen Informationsbasis und
die hierzu jeweils erforderlichen Modifikationen.
5.3.2.1 Teilbereiche des Rechnungswesens Ausgangspunkt dieses Teils der Untersuchung bildet die Frage nach den Teil
bereichen des Rechnungswesens. Dabei unterscheiden wir zunächst zwischen dem externen und dem internen Rechnungswesen. Des weiteren werden im Rahmen
unserer Untersuchung die Planungsrechnung, die Betriebsstatistik, die Material
rechnung, die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Anlagenrechnung als weitere Teilbereiche des Rechnungswesens betrachtet. Die Ergebnisse der Antworten zu den einzelnen Teilbereichen des Rechnungs wesens werden in Abbildung 24 dargestellt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Abb. 24: Teilbereiche des Rechnungswesens Wir stellen fest, daß lediglich bei insgesamt 490 von 501 Unternehmen ein externes Rechnungswesen existiert, obwohl dies gemäß § 66 Abs. 1 TTK (Türkisches
Handelsgesetzbuch) und Art. 172 Abs. 1 Nr. 1-6 VUK (Türkisches Steuerverfahrens gesetz) für alle Unternehmen zwingend vorgeschrieben ist.869 Erstaunlich ist somit, daß elf Unternehmen angeben, daß sie kein externes Rechnungswesen einsetzen.
Aufgrund fehlender Erhebungsdaten können wir jedoch keine Gründe für die Nicht
existenz des externen Rechnungswesens ermitteln.
Im Unterschied zu dem externen Rechnungswesen ist das interne Rechnungswesen lediglich bei 240 Unternehmen als Teilbereich vorhanden. Die Untersuchung zeigt, daß die Lohn- und Gehaltsabrechnung von 175 Unternehmen und die Material
abrechnung von 139 Unternehmen als Teilbereich des Rechnungswesens unter
869
Im Hinblick auf das externe Rechnungswesen verfolgen das TTK und das VUK unterschiedliche Zielsetzungen. Das Ziel der TTK besteht gemäß § 66 Abs. 1 TTK in der Feststellung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage eines Unternehmens, der Forderungen und Verbindlich keiten sowie des Unternehmensergebnisses. Demgegenüber steht nach Art. 172 Abs. 1 VUK die Ermittlung des Vermögens, des Kapitals und des Unternehmensergebnisses zum Zwecke der Besteuerung im Vordergrund.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
239
stützend zum externen und internen Rechnungswesen eingesetzt wird. Im Vergleich
dazu nehmen die anderen Teilbereiche (Planungsrechnung, Betriebsstatistik und Anlagenrechnung) bei dieser Betrachtung eine nur untergeordnete Rolle ein.
5.3.2.2 Beurteilung des Einheitskontenrahmens
An dieser Stelle sind die Auswirkungen des seit dem 01.01.1994870 verbindlichen
Einheitskontenrahmens auf den Ablauf und die Gestaltung des internen Rechnungs wesens zu untersuchen. Der größte Teil der 501 antwortenden Unternehmen stuft den Einheitskontenrahmen aus Gründen der übersichtlichen Gestaltung und der Ver einfachung als vorwiegend nützlich ein. Insgesamt äußern 188 der antwortenden Unternehmen die Meinung, der Einheitskontenrahmen diene der Übersichtlichkeit.
Von 70 Unternehmen wird die Ansicht vertreten, daß der Einheitskontenrahmen eine
Vereinfachung darstellt. Die Verteilung der einzelnen Nennungen zeigt Abbildung 25.
Abb. 25: Beurteilung des Einheitskontenrahmens
870
Dieses Gesetz wurde am 26.12.1992 mit Wirkung zum 01.01.1994 beschlossen. Vgl. hierzu ausfühlich Akdogan/Sevilengül [Muhasebe Sistemi 1995], S.1ff., und Ülker [Rechnungslegung 1997], S.145.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
24Q.
Weitere 84 der antwortenden Unternehmen geben an, daß sie den Einheitskonten-
rahmen zwar für nützlich halten, dieser jedoch zu kompliziert aufgebaut sei. Ferner sind hier die Unternehmen zu nennen, die den Einheitskontenrahmen als
hinderlich beurteilen. Als Gründe für die Ablehnung des Einheitskontenrahmens wurden neben der Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit dessen Umfang sowie die
fehlende Betriebs- und Praxisnähe genannt. 5.3.3 Antworten zum Einsatz der Kostenrechnung und Kostenrechnungs systeme
Im folgenden beschäftigen wir uns mit den empirisch gewonnenen Informationen über den Einsatz der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in
türkischen Unternehmen. Diesen Informationen kommt im Rahmen unserer Arbeit
eine besondere Bedeutung zu. Ausgehend von der Fragestellung nach der Existenz der Kostenrechnung in den antwortenden Unternehmen untersuchen wir darüber
hinaus auch die Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung, bevor dann die
Rahmenbedingungen der Kostenrechnung spezifiziert werden. Im Anschluß daran erfolgt eine Analyse der verschiedenen Zwecke und Teilbereiche der Kostenrech
nung. Den Untersuchungsschwerpunkt dieses Abschnitts bilden die eingesetzten Voll- und Teilkostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis. Abschließend unter suchen wir die Verwendung der durch die Kostenrechnung bereitgestellten Informa
tionen. An dieser Stelle ist noch einmal darauf hinzuweisen, daß bei der Darstellung der Antworten zur Kostenrechnung von 361 Unternehmen ausgegangen wird. Hierbei
handelt es sich um die nach Anwendung der Plausibilitätsregeln verbleibenden
Unternehmen.871
871
Vgl. ausführlich zu den Plausibilitätsregeln Abschnitt 5.2.1.3.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
241
5.3.3.1 Antworten zum Verzicht auf die Kostenrechnung In einem ersten Schritt ist zunächst zu klären, ob in den befragten Unternehmen
grundsätzlich eine Kostenrechnung eingesetzt wird. Die Beantwortung dieser Frage ist von existenzieller Bedeutung für die weitere Auswertung des Fragebogens, da
sich bei einer Verneinung dieser Frage die Beantwortung der folgenden Fragen zum
größten Teil erübrigt.
Abbildung 26 zeigt, daß mit 28% überraschend wenige der antwortenden Unter nehmen eine Kostenrechnung detailliert oder nur ansatzweise durchführen, während
72% der antwortenden Unternehmen zum Zeitpunkt der Befragung auf den Einsatz einer Kostenrechnung verzichten.872
Im Gegensatz zu unseren empirischen Ergebnissen weisen die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten Untersuchungen in bezug auf den Einsatz der Kostenrechnung deutliche Differenzen auf. So konnte Becker für den Großraum Stuttgart feststellen, daß 80,2% der von ihm untersuchten Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.82. In einer von Kind für den Großraum Niedersachsen durchge führten Untersuchung kommt die Kostenrechnung sogar bei 90,4% der Unternehmen zum Einsatz. Vgl. hierzu Kind [Rechnungswesen 1986], S.29. Dies gilt ebenfalls für die empirische Erhebung von Hauer, nach der 97% der von ihm in den Regierungsbezirken Mittelfranken, Niederbayern, Oberbayern und Oberpfalz berücksichtigten Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.26. Nach einer Untersuchung von Schmitt-Eisleben, die sich auf die westdeutsche Wirtschaft bezieht, setzen sogar 99,06% der Unternehmen eine Kostenrechnung ein. Vgl. hierzu Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], S.37. Weiterhin ist auch die im Großraum Baden-Württemberg durchgeführte empirische Studie von Lange/Schauer zu erwähnen, bei der in 90,8% der Unternehmen eine Kostenrechnung zum Einsatz kommt. Vgl. hierzu Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.7. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch in früheren Untersuchungen. Vgl. hierzu ausführlich Kamp [Managementlücken 1977], S.59f., Wurm [Kostenrechnungssysteme 1978], S.71, IHK Koblenz [Mittelstand 1981], S.64 u. A.188. Grundsätzlich zeigen diese Ergebnisse, daß die Kostenrechnung in deutschen Unternehmen wesentlich stärker verbreitet ist als in türkischen Unternehmen. Es ist an dieser Stelle aber auch darauf hinzuweisen, daß die hier aufgeführten empirischen Erhebungen sich überwiegend auf Mittelunternehmen beschränken. Dadurch ist ein Vergleich nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Dieser Aspekt soll zu einem späteren Zeitpunkt unserer Arbeit weiter vertieft werden.
242.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
In diesem Zusammenhang wollen wir uns mit den Gründen für den Verzicht auf eine Kostenrechnung beschäftigen. Die hieraus ableitbaren Informationen geben ent
scheidende Hinweise zu den Einstellungen der Unternehmen bezüglich der Kosten rechnung und liefern damit wesentliche Erkenntnisse für die später zu erarbeitenden
Handlungsempfehlungen. Die einzelnen Begründungen der Unternehmen für den Verzicht auf eine Kosten
rechnung werden in Abbildung 27 dargestellt. Bei der Anzahl der Nennungen ist zu berücksichtigen, daß Mehrfachnennungen möglich waren.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
243
Abb. 27: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung
Zunächst stellen wir fest, daß mit 166 Nennungen der größte Teil der antwortenden Unternehmen den Verzicht auf die Kostenrechnung mit der ausreichenden Informa
tionsgrundlage der Finanzbuchhaltung begründet. Dies bestätigt unsere Vermutung,
daß der wesentliche Grund für den Nichteinsatz einer Kostenrechnung in einer Über bewertung der von der Finanzbuchhaltung bereitgestellten Daten liegt. Der zweit
häufigste Grund (129 Nennungen) für die Nichtexistenz der Kostenrechnung ist der Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal. Ein weiterer häufig genannter Grund
(100 Nennungen) besteht darin, daß nach Meinung der Unternehmen auch ohne den Einsatz der Kostenrechnung die Überschaubarkeit und Steuerbarkeit gewähr
leistet werden kann. Ferner begründet ein Teil der Unternehmen (87 Nennungen) den Verzicht auf die Kostenrechnung damit, daß das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
244
gering sei. Nur wenige der antwortenden Unternehmen (21 Nennungen) geben an, daß sie eine Einführung der Kostenrechnung beabsichtigen.873 Zusammenfassend können wir festhalten, daß der größte Teil der antwortenden Unternehmen auf den Einsatz einer Kostenrechnung verzichtet. Die hierfür angege
benen Gründe sind vielfältig und unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Teil der ant
wortenden Unternehmen, die keine Kostenrechnung einsetzen, verwenden finanzbuchhalterische Informationen zur Steuerung bzw. sind der Überzeugung, daß das
Unternehmen soweit überschaubar ist, daß eine explizite Kostenrechnung als
Steuerungsinstrument der Unternehmensführung nicht notwendig ist. Weiterhin ist
darauf hinzuweisen, daß ein Mangel an qualifiziertem Fachpersonal in der Türkei
besteht. Positiv ist hervorzuheben, daß 21 Unternehmen die Einführung einer Kostenrechnung planen.
5.3.3.2 Rahmenbedingungen der Kostenrechnung Es ist zweckmäßig, auf die Merkmale einzugehen, die im Zusammenhang mit der
konkreten Gestaltung der Kostenrechnung in der unternehmerischen Praxis stehen. Die ermittelten Antworten sollen Informationen über den Einsatzzeitraum der Kosten
rechnung, den zeitlichen Planungshorizont, die Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen sowie über die Unterstützung durch EDV-Systeme bei der Durch führung der Kostenrechnung liefern.
Abbildung 28 zeigt, daß 62% der 100 antwortenden Unternehmen seit zehn oder mehr Jahren über eine Kostenrechnung verfügen. Die Häufigkeiten der Nennungen über die anderen Zeitdimensionen sind nahezu gleichverteilt. Nur acht der antwor
tenden Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, geben an, daß diese bei ihnen erst vor weniger als zwei Jahren eingeführt worden ist.
Insbesondere bei denjenigen Unternehmen, die eine Kostenrechnung seit zehn oder mehr Jahren verwenden, kann davon ausgegangen werden, daß sie Erfahrungen im
Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bei den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal für die deutschen Unternehmen keinen Grund für den Nichteinsatz einer Kostenrechnung darstellt. Vgl. hierzu ausführlich Becker [Kostenrechnung 1984], S.84, Kind [Rechnungswesen 1986], S.29, und Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.26.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen________________________ _ ___________24$
Umgang mit dem Konzept der Kostenrechnung haben und, im Gegensatz zu anderen Unternehmen, über entsprechend qualifiziertes Personal verfügen. Im Gegensatz dazu gehen wir bei denjenigen Unternehmen, die eine Kostenrechnung
erst seit weniger als zwei Jahren einsetzen, davon aus, daß diese Unternehmen aufgrund der Schwierigkeiten in der Implementierungsphase noch nicht über ent sprechende Erkenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit der Kostenrechnung
verfügen.
Einsatzzeitraum der Kostenrechnung
Abb. 28: Einsatzzeitraum der Kostenrechnung Die Befragung nach dem Planungshorizont ergab, daß der größte Teil (98%) der
antwortenden Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, einen Planungs horizont von einem Monat zugrundelegt. Die zeitlichen Rahmenbedingungen für eine effiziente Durchführung der Kostenrechnung sind bei diesen Unternehmen somit
gegeben. Dieser Aspekt gewinnt vor allem aufgrund der in der Türkei vorherr schenden hohen Inflationsrate an Bedeutung. Lediglich 2% der Unternehmen führen
ihre Kostenrechnung vierteljährlich durch, wie aus Abbildung 29 ersichtlich wird. In
246
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
keinem der antwortenden Unternehmen wird ein Planungshorizont von einem halben oder einem ganzen Jahr zugrunde gelegt.
Abb. 29: Planungshorizont der Kostenrechnung Im Hinblick auf die Integration der Kostenrechnung in die Unternehmen stellen wir
fest, daß 72% der Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, diese im Rah men des externen Rechnungswesens durchführen.
Abb. 30: Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
247
Weiterhin veranschaulicht Abbildung 30, daß nur 28% der Unternehmen die Kosten rechnung in Form einer eigenständigen Betriebsbuchhaltung durchführen. Die Ver
teilung der Antworten über die beiden Merkmale spiegelt die in der Türkei vor allem im betriebswirtschaftlichen Schrifttum vorherrschende monistische Auffassung874
wider.
Eine weitere Rahmenbedingung, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Kostenrechnung steht, ist der Einsatz von EDV-Systemen. Abbildung 31 gibt Aus
kunft über die Inanspruchnahme von elektronischen Datenverarbeitungssystemen bei der Durchführung der Kostenrechnung.
Nahezu alle antwortenden Unternehmen (95%) führen die Kostenrechnung EDV-
gestützt durch.875 Lediglich 5% der Unternehmen, die eine Kostenrechnung ein
Vgl. hierzu Hatipoglu/Gürsoy [Yönetim 1979], S.9, Kaval [Maliyetleme Yöntemleri 1986], S.15, Büyükmirza [Yönetim Muhasebesi 1995], S.14, und Kücüksavas [Muhasebe 1997], S.2f.
Dieses Ergebnis verdeutlicht bestehende Diskrepanzen zu den bisher in der Türkei durchge führten empirischen Erhebungen. Im Rahmen der Untersuchung von Gecikligün konnte fest gestellt werden, daß der Anteil der Unternehmen, die ein EDV-System einsetzen, 18,5% betrug. In einer von Ersoy durchgeführten Erhebung zeigt sich, daß lediglich 30% der Unternehmen EDV-Systeme einsetzen. Die Abweichungen sind unserer Meinung nach vor allem darauf zurück zuführen, daß die Unternehmen im Laufe der Zeit die Vorteile des Einsatzes eines EDVSystemes insbesondere im Hinblick auf eine Entlastung bei der Informationsbereitstellung er kannt haben. An dieser Stelle ist allerdings auch darauf hinzuweisen, daß diese Untersuchungen im Bereich des externen Rechnungswesen, und hier speziell in bezug auf Kontenrahmen, durch geführt worden sind. Vgl. hierzu Gecikligün [Muhasebe 1982], und Ersoy [Maliyet Arastirmasi 1990],
248
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
setzen, verzichten auf den unterstützenden Einsatz von EDV-Systemen. Somit kann festgestellt werden, daß die überwiegende Mehrheit der antwortenden Unter
nehmen die mit dem Einsatz von EDV-Systemen verbundenen Vorteile erkannt hat. So sind diese Unternehmen in der Lage, benötigte Informationen ständig zu
aktualisieren und das Personal von Routineaufgaben zu entlasten. Gleichzeitig ermöglichen es der rasante technische Fortschritt im Bereich der Informations- und
Kommunikationstechnologie und die damit verbundenen geringeren Anschaffungs kosten nicht nur großen, sondern auch kleinen und mittleren Unternehmen, EDV-
Systeme wirtschaftlich zu nutzen.
Die Frage nach der Verwendung von EDV-Systemen liefert jedoch keine Infor mationen darüber, ob dies in Form anspruchsvoller betriebswirtschaftlicher Anwen
dungsprogramme oder durch Nutzung von Standardsoftware erfolgt.
5.3.3.3 Zwecke der Kostenrechnung
Die Bedeutung der Kostenrechnung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum und in der unternehmerischen Praxis wird besonders durch die Einschätzung der von den Unternehmen verfolgten Zwecke ersichtlich. Im Hinblick auf die Frage nach dem
Zweck der Kostenrechnung zeigt sich eine Übereinstimmung in dem hohen Gewicht der Preiskalkulation und der Bestandsbewertung für bilanzielle Zwecke.
Wie Abbildung 32 weiterhin zeigt, wird die Verwendung der Kostenrechnung zur Kostenkontrolle, -analyse und -prognose zwar als bedeutsam angesehen, die einzelnen Kostenrechnungszwecke weisen aber gegenüber der Preiskalkulation und
Bilanzierung eine deutlich geringere Häufigkeit auf. 55 Unternehmen verwenden die
Kostenrechnung u.a. zum Zwecke der Kostenkontrolle, 44 Unternehmen setzen die Kostenrechnung zur Kostenanalyse ein und 42 Unternehmen verfolgen mit dem Einsatz der Kostenrechnung den Zweck der Kostenprognose.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
242
Abb. 32: Zwecke der Kostenrechnung Aus den vorangegangenen Ausführungen bleibt festzuhalten, daß im Rahmen der Kostenrechnungszwecke sowohl der Preiskalkulation als auch der Bilanzierung ein
besonders hoher Stellenwert zukommt.876 In bezug auf diese Fragestellung ist zu berücksichtigen, daß Mehrfachnennungen möglich waren. Ergänzend zu den Zwecken der Kostenrechnung wurden die Unternehmen nach den
Gründen gefragt, die ihrer Meinung nach die Durchführung einer Kostenkontrolle rechtfertigen.
Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurden im Zusammenhang mit Erhebungen bezüglich der Kostenrechnung Fragen zu den Kostenrechnungszwecken gestellt. Diese Ergebisse sind jedoch aufgrund der unterschiedlich vorgegebenen Antwortmöglichkeiten nur begrenzt vergleich bar. Unabhängig von den konkreten Fragestellungen wird aber in nahezu allen Untersuchungen der Preiskalkulation und der Kosten- bzw. Wirtschaftlichkeitskontrolle ein hohes Gewicht beige messen. Vgl. Horväth et al. [Planung 1978], S.20, Küpper [Kosteninformationen 1983], S.172, Becker [Kostenrechnung 1984], S.187, Kind [Rechnungswesen 1986], S.58, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.42. Eine direkte Vergleichbarkeit unserer empirischen Erhebung besteht lediglich mit der Untersuchung von Küpper, der mit der Preiskalkulation, der Kosten kontrolle, der Kostenprognose und der Kostenanalyse allerdings nur vier Kostenrechnungs zwecke berücksichtigt. Als zentrale Kostenrechnungszwecke werden in dieser Untersuchung die Kostenkontrolle (96,35%) und die Preiskalkulation (90,51%) genannt. Die Kostenprognose ist mit 61,31% und die Kostenanalyse mit 78,83% vertreten.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
250
Abb. 33: Gründe für die Durchführung einer Kostenkontrolle Abbildung 33 veranschaulicht, daß die Unternehmen die Kostenkontrolle in erster
Linie zur Ermittlung der Kostenabweichungen und zur Feststellung der Produkt
erfolge einsetzen. Insgesamt führen 50 Unternehmen eine Kostenkontrolle zur Über
wachung der Produkterfolge durch, während 48 Unternehmen mit Hilfe der Kosten kontrolle die Kostenabweichungen zu ermitteln versuchen. Ein weiterer Grund für die Durchführung einer Kostenkontrolle liegt in der Kontrolle einzelner Geschäfts bereiche. Auf diese Begründung stellen 33 Unternehmen ab. Ferner geben 31 Unter
nehmen an, daß sie die Kostenkontrolle zur Erkennung von Prognosefehlern
einsetzen. Von den 100 antwortenden Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen,
verzichten 35 Unternehmen auf die Durchführung einer Kostenkontrolle. 5.3.3.4 Stufen der Kostenrechnung Als Teilbereiche bzw. Stufen der Kostenrechnung werden die Kostenartenrechnung,
die Kostenstellenrechnung und die Kostenträgerrechnung genannt, wobei die
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen___________________________________ 251
Kostenträgerrechnung in die Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) und in die
Kostenträgerzeitrechnung (kurzfristige Erfolgsrechnung) unterteilt wird. Die jeweilige Ausgestaltung dieser Teilbereiche bestimmt die im Unternehmen eingesetzte
Kostenrechnung. In diesem Zusammenhang gilt es, zunächst zu untersuchen, welcher der Teilbereiche in den einzelnen Unternehmen zum Einsatz kommt. Wir
gehen davon aus, daß grundsätzlich sämtliche Unternehmen, die eine Kostenrech
nung einsetzen, auch über eine wie auch immer gestaltete Kostenartenrechnung als Grundlage für die anderen Teilbereiche verfügen.
Abb. 34: Teilbereiche der Kostenrechnung
Abbildung 34 zeigt, daß nahezu alle antwortenden Unternehmen (97%) sowohl eine
Kostenartenrechnung als auch eine Kostenstellenrechnung einsetzen. Eine Kosten trägerstückrechnung kommt ebenfalls bei der überwiegenden Zahl der antwortenden
Unternehmen (96%) zur Anwendung. Hingegen wird die Kostenträgerzeitrechnung
von weitaus weniger Unternehmen (48%) durchgeführt.877 Als Ergebnis dieses Abschnitts bleibt festzuhalten, daß die unternehmerische Praxis die Anforderungen,
In bezug auf den vergleichsweise geringeren Einsatz der Kostenträgerzeitrechnung vermuten wir, daß die kurzfristige Erfolgsrechnung von vielen Unternehmen nicht im internen Rechnungs wesen, sondern vielmehr innerhalb des externen Rechnungswesens durchgeführt wird.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
252_
die an die Ausgestaltung der Kostenrechnung aus theoretischer Sicht gestellt
werden, erfüllt.878
Ein zentraler Aspekt in Verbindung mit der Kostenartenrechnung besteht in der Frage nach der Kostenspaltung.879 Aus Abbildung 35 geht hervor, daß 85 der antwortenden Unternehmen eine Aufspaltung der Kostenarten in Einzel- und Gemeinkosten vornehmen.
Abb. 35: Kostenspaltung
Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen auch aktuelle, im deutschsprachigen Raum durch geführte empirische Studien. So wird nach der Untersuchung von Hauer die Kostenarten rechnung zu 93,16%, die Kostenstellenrechnung zu 97,37% und die Kostentragerstückrechnung zu 89,47% verwendet. Die Kostenträgerzeitrechnung findet jedoch mit 83,68% deutlich mehr Berücksichtigung als in unserer Untersuchung. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.31. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der empirischen Studie von Lange/Schauer. Hier wird die Kostenartenrechnung von 83,2%, die Kostenstellenrechnung von 88,8%, die Kostenträgerstück rechnung von 91,9% und die Kostenträgerzeitrechnung von 73,9% der Unternehmen durchge führt. Vgl. hierzu Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.15ff. 879
Vgl. zu der Problematik der Kostenspaltung ausführlich Abschnitt 2.1.5.1.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
252
Eine weitere wichtige Einteilung der Kostenarten besteht in der Auflösung der Kosten in ihre fixen und variablen Bestandteile. Diese Kostenauflösung wird nur von 43 Unternehmen vorgenommen. Wir stellen fest, daß andere Formen der Klassifikation
von Kostenarten, so wie sie im betriebswirtschaftlichen Schrifttum verlangt werden, z.B. die Einteilung nach betrieblichen Funktionen oder nach der Art der verbrauchten
Produktionsfaktoren, in der betrieblichen Praxis offenbar nicht berücksichtigt werden. So wird in der Türkei eine Klassifikation der Kosten nach dem Kriterium der Art der
Kostenerfassung nicht berücksichtigt.880 Dies ist damit zu begründen, daß weder im
betriebswirtschaftlichen Schrifttum noch in der unternehmerischen Praxis eine Unter scheidung zwischen Aufwand und Kosten vorgenommen wird. Daraus folgt, daß die Zahlen aus der Finanzbuchhaltung mit denen der Kostenartenrechnung überein
stimmen. Auch im Hinblick auf die später zu untersuchende Frage nach dem Einsatz der
mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung interessiert uns, inwieweit eine Aufspaltung des Fixkostenblocks von den Unternehmen vorgenommen wird.
Im Gegensatz zur türkischen Literatur wird im betriebswirtschaftlichen Schrifttum des deutsch sprachigen Raums nach der Art der Kostenerfassung allgemein zwischen kalkulatorischen und aufwandsgleichen Kosten unterschieden. Auch in der unternehmerischen Praxis in der Bundes republik Deutschland konnte durch zahlreiche empirische Studien eine hohe Relevanz der kalkulatorischen Kosten nachgewiesen werden. So berücksichtigen nach einer Untersuchung von Becker 75,1% der Unternehmen kalkulatorische Kosten. Vgl. hierzu ausführlich Becker [Kostenrechung 1984], S.104. Demgegenüber finden die kalkulatorischen Kosten gemäß der Untersuchung von Hauer bei 88,33% der Unternehmen Berücksichtigung. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.32. Vgl. ausführlich zu weiteren Ergebnissen bezüglich der Berücksichtigung kalkulatorischer Kosten IHK Koblenz [Mittelstand 1981], S.66, und A.194, Kind [Rechnungswesen 1986], S.42, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.17. Diese Unterscheidung ist in der Türkei jedoch aus den bereits angesprochenen Gründen nicht relevant.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
254
Abb. 36: Fixkostenspaltung
Hierbei können wir feststellen, daß 47% der Unternehmen eine Fixkostenspaltung
vornehmen und somit in der Lage sind, eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung einzusetzen.
Wie Abbildung 36 weiterhin zeigt, verzichten hingegen 53% der Unternehmen auf
eine Differenzierung der fixen Kosten.881 Aufbauend auf den Ergebnissen der Kostenartenrechnung soll im folgenden der Einsatz der Kostenstellenrechnung untersucht werden. Im Vordergrund steht dabei
die Durchführung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, daß die Angaben bezüglich der Kostenauflösung in fixe und variable Kosten sowie die Angaben hinsichtlich der Aufspaltung des Fixkostenblocks wider sprüchlich sind. Einerseits geben 47 Unternehmen an, daß sie eine Fixkostenspaltung durch führen, andererseits wird die dazu erforderliche Auflösung in variable und fixe Kosten nur von 43 Unternehmen vorgenommen.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
255
Abb. 37: Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen Abbildung 37 veranschaulicht, daß der Großteil der Unternehmen (85%) inner
betriebliche Leistungen verrechnet. Allerdings geben auch 15% der Unternehmen an, daß sie keine innerbetriebliche Leistungsverrechnung durchführen.882
Weiterhin interessieren wir uns im Zusammenhang mit den Teilbereichen der Kostenrechnung insbesondere auch für die Kostenträgerstückrechnung. Im betriebs wirtschaftlichen Schrifttum werden für die Durchführung der Kostenträgerstückrech nung verschiedene Kalkulationsmethoden883 diskutiert. Im folgenden wird zwischen
der Divisions-, der Äquivalenzziffern- und der Zuschlagskalkulation unterschieden. Bei der Zuschlagskalkulation haben wir darüber hinaus die summarische und die
differenzierende
Zuschlagskalkulation
betrachtet.
Außerdem
konnten
die
Unternehmen auch andere Formen der Kalkulationsverfahren nennen. Vor dem Hintergrund,
daß
aufgrund
unterschiedlicher
Fertigungsverfahren
in
einem
Die Abweichung zwischen den Unternehmen, die eine Kostenstellenrechnung durchführen (97%) und den Unternehmen, die innerbetriebliche Leistungen verrechnen (85%), kann damit begründet werden, daß zum einen nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Dienstleistungsunter nehmen Gegenstand unserer Untersuchung sind. Zum anderen besteht nicht bei allen Industrie unternehmen die Notwendigkeit der Verrechnung innerbetrieblicher Leistungen.
Das jeweils anzuwendende Kalkulationsverfahren ist abhängig von den im Unternehmen eingesetzten Produktionsverfahren.
25^
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Industrieunternehmen gleichzeitig mehrere Kalkulationsmethoden zur Anwendung kommen können, wurde den Unternehmen bei dieser Fragestellung die Möglichkeit
der Mehrfachnennung eingeräumt.
Wie Abbildung 38 zeigt, dominiert im praktischen Einsatz der Kalkulationsmethoden
die traditionelle Divisionskalkulation. Insgesamt wird die Divisionskalkulation von 75 Unternehmen durchgeführt.
Die Äquivalenzziffernkalkulation, die eine Sonderform der Divisionskalkulation dar stellt, wird von 13 Unternehmen angewendet.
Die Zuschlagskalkulation wird von insgesamt 22 Unternehmen durchgeführt, wobei 16 Unternehmen eine summarische und sechs Unternehmen eine differenzierende
Zuschlagskalkulation vornehmen. Nur zwei der antwortenden Unternehmen, die über eine Kostenträgerstückrechnung verfügen, haben hinsichtlich der Kalkulationsver fahren keine Angaben gemacht.
Zusammenfassend stellen wir fest, daß die Divisionskalkulation das in türkischen
Unternehmen mit Abstand am häufigsten eingesetzte Kalkulationsverfahren darstellt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
257
Eine weitere Gliederungsmöglichkeit der Kalkulation ist mit Hilfe des Merkmals des Kalkulationszeitpunktes möglich. Es ist dabei zwischen der Vorkalkulation, der Zwischenkalkulation und der Nachkalkulation zu unterscheiden. Diese Kalkulations
formen lassen sich auf der Basis von Voll- oder Teilkosten durchführen. Da es sich
aus theoretischer Sicht empfiehlt, sowohl eine Vorkalkulation als auch eine Nach kalkulation in die Kostenrechnung einzubeziehen, bestand auch hier die Möglichkeit
der Mehrfachnennung.
Kalkulationsformen
Abb. 39: Kalkulationsformen Aus Abbildung 39 wird ersichtlich, daß die Mehrzahl der antwortenden Unter
nehmen eine Nachkalkulation auf Vollkostenbasis durchführt. Insgesamt setzen 71 Unternehmen eine Nachkalkulation zu Vollkosten ein, während nur sechs Unterneh
men die Nachkalkulation auf der Basis von Teilkosten verwenden. Die Vorkalkulation zu Vollkosten wird von 48 Unternehmen eingesetzt. Hingegen
wird die auf den Teilkosten basierende Vorkalkulation lediglich von drei Unterneh men durchgeführt.
258
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Die Zwischenkalkulation, die vor allem bei längeren Fertigungszeiten notwendig ist,
wird von neun Unternehmen angewendet. Auffallend ist in diesem Bereich die deutliche Dominanz der Nachkalkulation zu Vollkosten.
Als weitere Teildisziplin der Kostenrechnung ist im folgenden näher auf die Kosten trägerzeitrechnung einzugehen. Zu den maßgeblichen Bestimmungsfaktoren für die
Aussagefähigkeit der kurzfristigen Erfolgsrechnung gehören vor allem die zeitlichen Abstände ihrer Durchführung. Über die zeitliche Durchführung der kurzfristigen
Erfolgsrechnung gibt Abbildung 40 näheren Aufschluß.
Als Zeitintervalle wurden monatliche, vierteljährliche, halbjährliche und jährliche
Abstände gewählt. Diese Einteilung ist auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum und in der unternehmerischen Praxis üblich. 55 Unternehmen führen die kurzfristige Erfolgsrechnung in monatlichen Abständen durch. Die Anzahl der Unternehmen, die die kurzfristige Erfolgsrechnung vierteljährlich oder halbjährlich durchführen, ist sehr
gering. Nur bei zwei Unternehmen wird für die kurzfristige Erfolgsrechnung ein Zeit abstand von einem Jahr gewählt. Weiterhin geben 33 Unternehmen an, daß sie
keine kurzfristige Erfolgsrechnung durchführen.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen________________________________
259
5.3.3.5 Systeme der Kostenrechnung Die Kostenrechnungssysteme sind neben der Kostenrechnung ein zentraler
Themenbereich im betriebswirtschaftlichen Schrifttum. Unsere Aufgabe ist es deshalb, zu überprüfen, welche Rechnungssysteme von den türkischen Unter
nehmen tatsächlich eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Kostenrechnungssystemen interessiert uns insbesondere die Frage, ob die Unter
nehmen neben den Vollkostenrechnungssystemen auch Teilkostenrechnungs systeme einsetzen. Wichtig erscheint uns auch, die Gründe für den Verzicht auf den
Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems zu ermitteln. Zu berücksichtigen ist hier bei jedoch, daß die Bewertung der Antworten dadurch eingeschränkt wird, daß bei einer Vielzahl von Systembezeichnungen, wie Fixkostendeckungsrechnung und
Plankostenrechnung, ein unterschiedliches terminologisches Verständnis vorliegt.884 Diese Problematik wird insbesondere bei den unterschiedlichen Ausprägungen der
Plankostenrechnung deutlich. Sowohl im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Türkei als auch in der betrieblichen Praxis in türkischen Unternehmen werden
beispielsweise in bezug auf die Plankostenrechnung viele unterschiedliche Termini verwendet.
Im folgenden wollen wir zunächst auf die Systeme der Vollkostenrechnung eingehen. Wie aus Abbildung 41 ersichtlich wird, setzen 99 von 100 Unternehmen, also nahezu alle Unternehmen, die Istkostenrechnung ein.
Daher wurde dieses Problem im Vorfeld der empirischen Erhebung mit namhaften Vertretern wirtschaftswissenschaftlicher Fakultäten wie etwa Prof. Dr. Akdogan, Prof. Dr. Büyükmirza und Prof. Dr. Kaval von der Gazi Universität Ankara sowie Prof. Dr. Bursal und Prof. Dr. Ercan von der Universität Istanbul und Vertretern türkischer Unternehmen diskutiert und bei der Struk turierung des Fragebogens berücksichtigt.
260
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Bei 13 Unternehmen kommt eine Normalkostenrechnung zur Anwendung. Die starre Normalkostenrechnung wird dabei von zehn Unternehmen eingesetzt. Weiter entwickelte Vollkostenrechnungssysteme, wie z.B. die starre und die flexible
Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, sind in den türkischen Unternehmen kaum verbreitet.
In einem weiteren Schritt wollen wir uns mit den Teilkostenrechnungssystemen beschäftigen. Im Vergleich zu den Vollkostenrechnungssystemen werden die Teil
kostenrechnungssysteme von bedeutend weniger Unternehmen eingesetzt. Aus Abbildung 42 geht hervor, daß von den Verfahren der Teilkostenrechnung die Deckungsbeitragsrechnung mit 13 Nennungen einen relativ hohen Anteil erreicht.
Die einstufige Deckungsbeitragsrechnung wird dabei von zwölf Unternehmen und
die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung nur von einem Unternehmen eingesetzt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Wie Abbildung 42 weiterhin zeigt, wird die Grenzplankostenrechnung ebenfalls nur von einem einzigen Unternehmen verwendet. Sonstige Teilkostenrechnungs
systeme, die im Rahmen dieser Fragestellung angeführt werden konnten, wurden von den antwortenden Unternehmen nicht genannt. Hervorzuheben ist jedoch, daß 86 Unternehmen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems verzichten.885
Im Vergleich mit den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Unter suchungen sind hier erhebliche Diskrepanzen feststellbar. Diese Unterschiede sind zum einen darauf zurückzuführen, daß im Rahmen der Vollkostenrechnungssysteme die Plankostenrech nung wesentlich weiter verbreitet ist Zum anderen finden die Teilkostenrechnungssysteme, und hier vor allem die Grenzplankostenrechnung und die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, in der unternehmerischen Praxis der Bundesrepublik Deutschland eine erheblich größere Beachtung. So setzen nach einer Untersuchung von Wurm 66,18% eine Vollkostenrechnung und 16,18% der Unternehmen lediglich eine Teilkostenrechnung ein. Weiterhin verwenden 17,64% der von ihm untersuchten Unternehmen parallel eine Voll- und Teilkostenrechnung. Vgl. hierzu Wurm [Kostenrechnungssysteme 1978], S.70. Nach einer Untersuchung von Marner kommt die Vollkostenrechnung bei 12,5%, die Teilkostenrechnung bei 62,5% und die Kombination von Vollund Teilkostenrechnung bei 25% der Unternehmen zum Einsatz. Vgl. hierzu Marner [Rechnungswesen 1980], S.142. Ein anderes Bild zeigt die Untersuchung von Küpper, nach der 138 von 297 Nennungen (46,46%) auf die Systeme der Vollkostenrechnung, 107 Nennungen (36,03%) auf die Teilkostenrechnungssysteme und 52 Nennungen (17,51%) auf eine
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Bezugnehmend auf diese Feststellung sollen daher im folgenden die Gründe für den Verzicht auf den Einsatz dieser Kostenrechnungssysteme analysiert werden. Diese
Verzichtsgründe geben Aufschluß über die Vorbehalte der Unternehmen gegenüber den Teilkostenrechnungssystemen und weisen auf die von den Unternehmen
erwarteten Schwierigkeiten und Probleme bei der Einführung und Durchführung dieser Kostenrechnungssysteme hin. Aus den Verzichtsgründen können daher wichtige
Erkenntnisse
für
Handlungsempfehlungen
abgeleitet
werden.
Wie
Abbildung 43 veranschaulicht, werden Teilkostenrechnungssysteme von türkischen
Unternehmen weder aus betriebswirtschaftlicher noch aus gesetzlicher Sicht als notwendig angesehen.
Kombination von Voll- und Teilkostenrechnungssystem entfallen. Von besonderem Interesse ist dabei auch die Verteilung der Nennungen auf die einzelnen Ausprägungen der Voll- und Teilkostenrechnungssysteme. Hiernach setzen 71 von 135 Unternehmen (52,59%) die Istkostenrechnung, 23 von 135 Unternehmen (17,04%) die Normalkostenrechnung, 34 von 135 Unternehmen (25,19%) die Standardkostenrechnung, 10 von 135 Unternehmen (7,41%) die Prognosekostenrechnung, 13 von 135 Unternehmen (9,63%) das Direct Costing, 54 von 135 (40%) die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, 24 von 135 Unternehmen (17,78%) die Grenzplankostenrechnung, 16 von 135 Unternehmen (11,85%) die Fixkostendeckungsrechnung und 52 von 135 Unternehmen (38,52%) eine differenzierte Vollkostenrechnung ein. Vgl. hierzu Küpper [Kostenrechnungsinformationen 1983], S.171. Dieses Ergebnis wird auch durch eine weitere Untersuchung von Küpper/Hoffmann bestätigt, bei der die Vollkostenrechnungssysteme mit 51,69% und die Teilkostenrechnungssysteme mit 48,31% vertreten sind. Dabei entfallen 43,7% auf die Istkostenrechnung, 20,2% auf die starre Plankostenrechnung, 36,6% auf die flexible Plankostenrechnung, 11,5% auf das einstufige Direct Costing, 33,9% auf das mehrstufige Direct Costing, 30,1% auf die Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung und 18,6% auf die Grenzplankostenrechnung. Vgl. hierzu ausführlich Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.591. Von großem Interesse sind an dieser Stelle auch neuere Untersuchungen auf dem Gebiet der Kostenrechnung. Hier ist vor allem Hauer zu nennen, nach dessen Untersuchung 166 von 311 Nennungen (53,38%) auf die Vollkostenrechnungssysteme, 87 Nennungen auf die Teilkostenrechnungssysteme (27,97%) und 52 Nennungen (16,72%) auf die kombinierte Form von Voll- und Teilkostenrechnung entfallen. Die Prozeßkostenrechnung als neuere Entwicklung in der Kostenrechnung wird nach dieser Untersuchung von 6 Unternehmen (1,93%) verwendet. Vgl. hierzu ausführlich Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.28. Vgl. ausführlich zu weiteren Ergebnissen empirischer Untersuchungen bezüglich des Einsatzes von Kostenrechnungs systemen Marner [Rechnungswesen 1980], S.142, Frost/Meyer [Kostenrechnungssysteme 1981], S.214, Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.198 (Anhang C), Schehl [Industrieunternehmen 1994], S.258, und Schmitt-Eisleben [Internes Rechnungswesen 1994], S.37 ff.
In diesem Zusammenhang ist allerdings auch auf die beschränkte Vergleichbarkeit dieser Ergebnisse untereinander und in bezug auf unsere Untersuchung hinzuweisen. Als ein zentraler Aspekt ist hier die Anwendung unterschiedlicher Systembezeichnungen zu nennen. Weiterhin ist auch zu berücksichtigen, daß sich einige Untersuchungen nur auf ausgewählte Regionen beziehen. Somit liegt eine räumliche Beschränkung der angesprochenen Untersuchungen vor. Schließlich ist auch mit dem Zeitaspekt eine weitere Beschränkung in die Auswertung einzu beziehen. So kann im Zeitablauf grundsätzlich eine zunehmende Bedeutung der Teilkosten rechnung festgestellt werden.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
263
Abb. 43: Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung Insgesamt halten 55 der antwortenden Unternehmen den Einsatz eines Teilkosten rechnungssystems für nicht notwendig. 40 Unternehmen sind der Meinung, daß es
keine gesetzliche Notwendigkeit gibt, Teilkostenrechnungssysteme einzusetzen. Des
weiteren begründen die Unternehmen den Verzicht mit den Schwierigkeiten bei der
praktischen
Umsetzung der Teilkostenrechnungssysteme.
Dabei werden
die
Systeme der Teilkostenrechnung von 17 Unternehmen als zu kompliziert und von vier Unternehmen als zu aufwendig eingestuft. Weitere zwölf Unternehmen geben an, daß ihnen die Verfahren der Teilkostenrechnung unbekannt sind.
Die nur geringe Verbreitung der Teilkostenrechnungssysteme wird ferner dadurch verdeutlicht, daß nur sehr wenige der antwortenden Unternehmen bei der Ermittlung
der Preisuntergrenzen auf Teilkosten zurückgreifen. Wie Abbildung 44 zeigt,
ermitteln lediglich vier Unternehmen ihre Preisuntergrenzen auf der Basis von Teil kosten.
264
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Demgegenüber stellen 66 Unternehmen bei der Ermittlung der Preisuntergrenzen
auf Vollkosten ab. Diese Zahlenangabe unterstützt ebenfalls die bisher festgestellte Dominanz der Vollkostenrechnung. Des weiteren geben 30 Unternehmen an, daß
sie ihre Preisuntergrenzen kostenunabhängig festlegen. Zusammenfassend stellen wir fest, daß die auf Vollkosten basierenden Kostenrech nungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei weit verbreitet sind. Dabei
ist allerdings eine deutliche Dominanz der mit erheblichen Nachteilen behafteten Ist kostenrechnung festzustellen. Die Plankostenrechnung zu Vollkosten wird hingegen kaum angewendet. Im Vergleich zu den Vollkostenrechnungssystemen stellen wir für
die Teilkostenrechnungssysteme fest, daß diese in den türkischen Unternehmen keine Verbreitung finden. Die am weitesten verbreitete Form der Teilkostenrechnung
stellt dabei die einstufige Deckungsbeitragsrechnung dar. Das modernste Verfahren der Teilkostenrechnung, die Grenzplankostenrechnung, wird trotz seiner Vorteile und seiner Verbreitung im deutschsprachigen Raum in der unternehmerischen Praxis der
Türkei so gut wie nicht eingesetzt. Auch moderne Kostenrechnungssysteme, wie die
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
2S5
Prozeßkostenrechnung, werden von den von uns untersuchten Unternehmen nicht
angewendet.886 5.3.3.6 Informationsverwendung
Die Informationsfunktion ist eine der wesentlichen Funktionen der Kostenrechnung. Die Bereitstellung der Informationen steht in einer engen Beziehung zu den Aufgaben der Kostenrechnung. Dabei kann zwischen Informationen für Planungs-,
Kontroll- und Dokumentationsaufgaben unterschieden werden. Es wird gefordert, daß sich die Informationsbereitstellung sowohl an dem objektiven als auch an dem subjektiven Informationsbedarf innerhalb der Unternehmen orientiert. Die folgende
Abbildung zeigt, wie die Kosteninformationen für verschiedene Kostenrechnungs aufgaben in türkischen Unternehmen verwendet werden. Hierbei ist zu berück
sichtigen, daß bei dieser Fragestellung die Möglichkeit einer Mehrfachnennung gegeben war, da die Kosteninformationen in vielen Unternehmen für die Erfüllung verschiedener Kostenrechnungsaufgaben gleichzeitig benötigt werden.
Abb. 45: Kostenrechnungsinformationen
Dies ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, daß die Prozeßkostenrechnung im betriebs wirtschaftlichen Schrifttum der Türkei bisher wenig Beachtung gefunden hat
266
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Die von der Kostenrechnung bereitgestellten Informationen setzen 89 von 100 Unter
nehmen für Preiskalkulationen ein. Des weiteren legen 47 Unternehmen die ihnen
gelieferten Informationen den „make-or-buy“-Entscheidungen zugrunde. Jeweils 44 Unternehmen verwenden die Informationen der Kostenrechnung für die Ermittlung
von kurzfristigen Preisuntergrenzen bzw. für Investitionsentscheidungen. Ferner
geben 38 Unternehmen an, daß sie die Informationen aus der Kostenrechnung zur Optimierung des Produktionsprogramms benötigen. Eine Planung von Produktions
prozessen mit Hilfe von Informationen aus der Kostenrechnung wird von 16 Unter
nehmen genannt. Insgesamt verzichten sechs Unternehmen auf die Verwendung von Informationen aus der Kostenrechnung. Abschließend ist festzustellen, daß die Informationen aus der Kostenrechnung vor allem im Rahmen der Preiskalkulation verwendet werden. Dies ist ein Indiz für die
von uns bereits festgestellte hohe Relevanz der Preiskalkulation als Zweck der Kostenrechnung.
5.3.3.7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Im Anschluß an die Darstellung der Einzelantworten sollen nun die wichtigsten Ergebnisse aus diesem Abschnitt der Untersuchung zusammengefaßt werden.
In bezug auf die Branchenzugehörigkeit der untersuchten Unternehmen haben wir
festgestellt, daß der größte Teil der antwortenden Unternehmen dem Industriesektor
zuzuordnen ist. Die Unternehmen des Dienstleistungssektors nehmen hingegen nur eine untergeordnete Rolle ein. Bei den Industrieunternehmen kommt den Unter nehmen der metallverarbeitenden und der chemischen Industrie die größte Bedeu
tung zu. Im Rahmen der Unternehmensform zeigt sich hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse
eine deutliche Dominanz der privaten Unternehmen. Öffentliche Unternehmen sowie Mischformen aus staatlicher und privater Beteiligung sind nur unterdurchschnittlich häufig vertreten. Der überwiegende Teil der antwortenden Unternehmen wird dabei in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft geführt.
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
267
Bei der Unternehmensgröße ist im Hinblick auf die Beschäftigtengrößenklassen ein deutliches Übergewicht derjenigen Unternehmen festzustellen, die weniger als 50
Arbeitnehmer beschäftigen. Nach dem Kriterium des Jahresumsatzes sind dem
gegenüber diejenigen Unternehmen überrepräsentiert, die mehr als 500 Mrd. TL er
zielen. Unter Berücksichtigung dieser beiden Kriterien haben wir 214 von 501 Unter nehmen (42,71%) den Groß-, 180 Unternehmen (35,93%) den Mittel- und 107 Unter nehmen (21,36%) den Kleinunternehmen zugeordnet. Bezugnehmend auf die Fragestellungen zum Einsatz der Kostenrechnung konnten wir herausarbeiten, daß von den 361 Unternehmen, die nach Prüfung der Plausi bilitätsregeln verblieben sind, 28% eine Kostenrechnung einsetzen. Die Unterneh men, die hingegen auf eine Kostenrechnung verzichten, führen als wesentliche Gründe an, daß die aus der Finanzbuchhaltung gewonnenen Informationen als
Grundlage für Unternehmensentscheidungen ausreichen würden und/oder es an qualifiziertem Fachpersonal mangele.
Bei den Rahmenbedingungen der Kostenrechnung zeigte sich, daß der größte Teil der Unternehmen, die über eine Kostenrechnung verfügen, diese seit mehr als zehn
Jahren einsetzen. Zudem wird die Kostenrechnung bei den meisten Unternehmen monatlich durchgeführt. Die Erfassung und Verarbeitung der Daten aus der Kosten rechnung erfolgt bei fast allen Unternehmen mit Hilfe von EDV-Systemen. Im
Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen der Kostenrechnung ist jedoch kritisch hervorzuheben, daß nahezu drei Viertel der Unternehmen die Kostenrech nung als Bestandteil der Finanzbuchhaltung ansehen.
In der unternehmerischen Praxis der Türkei dominieren die Kostenrechnungszwecke
der Preiskalkulation und der Bilanzierung. Dagegen werden die Zwecke der Kosten kontrolle, -analyse und -prognose von deutlich weniger Unternehmen verfolgt.
Bei nahezu allen Unternehmen umfaßt die Kostenrechnung die drei Teilbereiche der Kostenarten-, der Kostenstellen- und der Kostenträgerstückrechnung. Die Kosten
trägerzeitrechnung wird hingegen nur bei knapp der Hälfte dieser Unternehmen
angewendet.
268
Empirische Untersuchung in türkischen Unternehmen
Bezüglich der Kalkulationsmethoden wird hauptsächlich die Divisionskalkulation eingesetzt. Erstaunlich ist die verhältnismäßig geringe Verbreitung der Zuschlags kalkulation. Im Hinblick auf die Kalkulationsformen liegt eine Dominanz der Nach kalkulation zu Vollkosten vor. Die Vorkalkulation zu Vollkosten wird demgegenüber nur von etwa der Hälfte der Unternehmen durchgeführt. Die auf Teilkosten basie
renden Kalkulationsformen finden bei den meisten Unternehmen keine Beachtung.
Im Rahmen der Kostenträgerzeitrechnung wird der monatlichen Durchführung der Erfolgsrechnung eine hohe Bedeutung beigemessen. Hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnungssystemen in der unternehmerischen
Praxis der Türkei konnten wir feststeilen, daß hier die Vollkostenrechnung nach wie
vor eine zentrale Funktion einnimmt. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die
überwältigende Dominanz der Istkostenrechnung hinzuweisen. Weitere auf Voll kosten basierende Kostenrechnungssysteme, wie die Normal- oder Plankostenrech
nung, finden bei den türkischen Unternehmen kaum Beachtung. Dies gilt grundsätz lich auch für die Teilkostenrechnungssysteme. Hier sind lediglich die Unternehmen hervorzuheben, die eine einstufige Deckungsbeitragsrechnung einsetzen. Neuere Verfahren der Kostenrechnung, wie die Prozeßkostenrechnung, werden nicht
berücksichtigt.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
269
6 Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung Nachdem wir im vorangegangenen Teil die Zielsetzung und die Grundlagen sowie
die Einzelantworten unserer empirischen Untersuchung dargestellt haben, wollen wir in einem nächsten Schritt auf die Typisierung eingesetzter Kostenrechnung und
Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen eingehen. Aufbauend auf den von uns vorgenommenen Typisierungen sind in einem ersten Schritt die wichtigsten Einflußgrößen auf die Gestaltung der Kostenrechnung und der
Kostenrechnungssysteme zu diskutieren. Dies stellt die zentrale Aufgabe unserer
empirischen Untersuchung dar. Darüber hinaus werden in diesem Zusammenhang
die Interdependenzen zwischen den einzelnen Einflußgrößen auf die Kosten rechnung und die Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen einer einge henden Untersuchung unterzogen.
6.1 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung und der Kosten rechnungssysteme in türkischen Unternehmen Gegenstand der folgenden Ausführungen ist die Typisierung der eingesetzten
Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen.
Die Typologie erscheint uns neben der Klassifikation als geeignete wissenschaftliche Methode887, um den Inhalt und Umfang unserer empirischen Untersuchungsergeb
nisse zu verdichten und somit transparenter zu gestalten. Dabei gehen wir bei der Bildung der verschiedenen Typen von der Reihenfolge einer
aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten abnehmenden Relevanz der Kriterien aus.
Unsere Untersuchungen konzentrieren sich auf die Teilbereiche der Kosten rechnung, die Klassifikationen von Kostenarten, die beobachteten Einsatzformen der
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß eine eindeutige Abgrenzung zwischen den Termini „Typologie“ und „Klassifikation“ im betriebswirtschaftlichen Schrifttum nicht vorgenommen wird. Von einigen Autoren werden diese Begriffe sogar synonym verwendet Für unsere Untersuchung ist es allerdings nicht erforderlich, auf diese Problematik weiter einzugehen. Vgl. hierzu ausführlich Knoblich [Warentypologie 1969], S.24ff., Große-Oetringhaus [Fertigungstypologie 1974], S.46ff., Kaluza [Entscheidungsprozesse 1979], S.36f., und Wyss [Marktforschung 1991], S.391f.
270
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Kalkulation, die eingesetzten Kalkulationsverfahren sowie die verwendeten Kosten
rechnungssysteme. Wichtig erscheint uns hierbei, einige ausgewählte Kombina tionen zwischen den einzelnen Typisierungen herauszuarbeiten. 6.1.1 Teilbereiche der Kostenrechnung
Im folgenden wollen wir die Interdependenzen zwischen den einzelnen Teilbereichen der Kostenrechnung herausarbeiten. Diese Aufgabe erscheint uns im Hinblick auf
die Wirksamkeit der Kostenrechnung von besonderer Bedeutung. Eine Kostenrech nung kann nur dann als geeignet angesehen werden, wenn sie die Aufgaben der einzelnen Kostenrechnungsstufen optimal erfüllt.
Die
traditionelle
Kostenrechnung
wird
in
die
Teilbereiche
Kostenarten-,
Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung unterteilt.888 Die Kostenartenrechnung bildet die erste Stufe der Kostenrechnung. Sie ist somit die
Ausgangsbasis für die weiteren Teilgebiete der Kostenrechnung. Die Kostenstellen rechnung stellt das Bindeglied zwischen der Kostenarten- und der Kostenträger rechnung dar. Als letzte Stufe der Kostenrechnung ist die Kostenträgerrechnung zu nennen. Sie umfaßt die Kostenträgerstückrechnung, häufig auch als Kalkulation
bezeichnet, und die Kostenträgerzeitrechnung, auch kurzfristige Erfolgsrechnung genannt.
Unter Berücksichtigung der Teilbereiche der Kostenrechnung wollen wir nun eine Typenbildung vornehmen. Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß 49 der
antwortenden Unternehmen sämtliche Teilbereiche der Kostenrechnung einsetzen. Wie Tabelle 8 zeigt, werden diese Unternehmen dem Typ Ai zugeordnet. Aus
theoretischer Sicht entspricht der Typ A-j den idealtypischen Vorstellungen im Hin
blick auf einen effektiven und effizienten Einsatz der Kostenrechnung.889
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.1.4. Dabei konnten wir feststellen, daß vier von diesen Unternehmen zwar alle Teilbereiche der Kostenrechnung einsetzen, aber auf die Durchführung einer innerbetrieblichen Leistungs verrechnung verzichten. Der Verzicht auf die Durchführung einer innerbetrieblichen Leistungs verrechnung kann unserer Meinung nach damit begründet werden, daß der Anteil dieser Leistungen am gesamten Güterverzehr so gering ist, daß der durch die Erfassung entstehende Aufwand in keinem ökonomisch sinnvollen Verhältnis zu dem entsprechenden Nutzen steht.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
271
Typen
Ai
Bi
Ci
Kostenartenrechnung
•
•
•
Kostenstellenrechnung
•
•
•
Kostenträgerstückrechnung
•
•
Kostenträgerzeitrechnung
•
Stufen der Kostenrechnung
Anzahl der Nennungen
49
36
12
Tab. 8: Teilbereiche der Kostenrechnung
Als Typ B! bezeichnen wir all diejenigen Unternehmen, die zwar eine Kostenarten-, eine Kostenstellen- und eine Kostenträgerstückrechnung einsetzen, auf eine Kosten
trägerzeitrechnung allerdings verzichten. Der Verzicht auf die Durchführung einer Kostenträgerzeitrechnung kann darauf zurückgeführt werden, daß weder im betriebswirtschaftlichen Schrifttum noch in der unternehmerischen Praxis in der
Türkei kalkulatorische Kosten berücksichtigt werden. Es ist deshalb bereits hier
kritisch die Frage zu stellen, ob die Unternehmen, die zuvor angegeben haben, daß sie eine kurzfristige Erfolgsrechnung durchführen, überhaupt über eine Kostenträger zeitrechnung im traditionellen Sinne verfügen. Wir vermuten, daß die antwortenden
türkischen Unternehmen unter dem Terminus „kurzfristige Erfolgsrechnung“ die Aktivitäten im Rahmen der Finanzbuchhaltung subsumieren. Dabei ist es vorstellbar,
daß die Unternehmen, um dem Kriterium der „Kurzfristigkeit“ gerecht zu werden,
diese finanzbuchhalterischen Aktivitäten nicht nur jährlich, sondern vierteljährlich oder sogar monatlich durchführen.890
Weiterhin zeigt Tabelle 8, daß zwölf Unternehmen zwar über eine Kostenarten- und Kostenstellenrechnung, nicht aber über eine Kostenträgerrechnung verfügen. Diese Unternehmen wollen wir im folgenden unter dem Typ Ci zusammenfassen. Gründe
890
In Abschnitt 2.1.4.3.2 haben wir bereits darauf verwiesen, daß die Unterscheidung zwischen Gesamt- und Umsatzkostenverfahren im türkischen Schrifttum nicht behandelt wird.
2J2.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
für den Verzicht auf eine Kostenträgerrechnung sind nur sehr schwer zu finden, da insbesondere der Kalkulation im Rahmen der Kostenrechnung eine zentrale
Funktion zukommt. Die Informationen über einzelne Kostenarten- und/oder Kosten stellen haben, isoliert betrachtet, nur einen geringen Aussagewert. Nur wenn die auf
die einzelnen Produkte bezogenen Kosten regelmäßig ermittelt werden, können die Informationen aus den beiden vorgelagerten Stufen der Kostenrechnung sinnvoll
genutzt werden.
Im Rahmen der von uns vorgenommenen Typenbildung konnten insgesamt vier Unternehmen nicht berücksichtigt werden, da diese Unternehmen nur einzelne Elemente der Kostenrechnung einsetzen. Aus theoretischer Sicht erscheint uns aber
weder der isolierte Einsatz dieser Elemente noch die Kombinationen zwischen diesen eingesetzten Stufen der Kostenrechnung als plausibel. Als Beispiel sind hier zwei Unternehmen zu nennen, die lediglich eine Kostenträgerstückrechnung
einsetzen, gleichzeitig aber auf den Einsatz von Kostenarten- und Kostenstellen rechnung verzichten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß bei 85% der antwortenden türkischen Unternehmen die drei Teilbereiche der traditionellen Kostenrechnung, wenn auch
mehr oder weniger stark ausgeprägt, Berücksichtigung finden.
6.1.2 Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten
Die Aussagefähigkeit der Kostenartenrechnung ist vor allem von einer zweck mäßigen Einteilung der Kostenarten abhängig. Im Zusammenhang mit der Typisie rung ausgewählter Klassifikationen von Kostenarten beschäftigen wir uns insbeson
dere auch mit der Frage, inwieweit diese Einteilungen den verschiedenen Kosten
rechnungssystemen gerecht werden.
Im Rahmen unserer Erhebung geben 28 der antwortenden Unternehmen an, daß sie sowohl eine Einteilung der Kosten in Einzel- und Gemeinkosten als auch eine
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
273
Einteilung in fixe und variable Kosten vornehmen.891 Wie Tabelle 9 zeigt, werden diese Unternehmen dem Typ A2 zugeordnet.
Typen Ä2
b2
Einzel- und Gemeinkosten
•
•
Fixe und Variable Kosten
•
Anzahl der Unternehmen
28
c2
Kostenspaltung
• 57
15
Tab. 9: Ausgewählte Klassifikationen von Kostenarten
Aus unserer Sicht erfüllen diese türkischen Unternehmen alle Voraussetzungen für
eine fortschrittliche Kostenrechnung892. So besteht bei diesen Unternehmen die Möglichkeit, nicht nur sämtliche Kalkulationsverfahren einzusetzen, sondern gleich
zeitig werden hier auch die Rahmenbedingungen für den Einsatz eines Voll-
und/oder Teilkostenrechnungssystems geschaffen. Als Typ B2 bezeichnen wir die Unternehmen, die eine Gliederung der Kostenarten in
Einzel- und Gemeinkosten vornehmen. Diesem Typ sind 57 der antwortenden Unter
nehmen zuzuordnen.893 Es ist hier kritisch anzumerken, daß es diesen Unternehmen
Von diesen 28 Unternehmen führen 19 Unternehmen zusätzlich eine Spaltung des Fixkosten blocks durch. Die anderen neun Unternehmen geben an, daß sie sowohl eine Differenzierung in Einzel- und Gemeinkosten als auch in fixe und variable Kosten vornehmen. Eine Fixkosten spaltung wird allerdings nicht durchgeführt. Diese Unternehmen können abgesehen von der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung alle in der empirischen Erhebung berücksichtigten Kostenrechnungssysteme einsetzen. Die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung würde zusätz lich eine Aufspaltung des Fixkostenblockes voraussetzen.
Die Formulierung „fortschrittliche Kostenrechnung“ ist in bezug auf die in türkischen Unter nehmen anzutreffenden Kostenrechnungssysteme zu verstehen. Hierbei gelten insbesondere die verschiedenen Ausprägungen der Plankostenrechnung als fortschrittliche Kostenrechnungs systeme. Dabei geben 21 Unternehmen an, daß sie sowohl eine Aufteilung in Einzel- und Gemeinkosten als auch eine Fixkostenspaltung vornehmen, jedoch nicht zwischen fixen und variablen Kosten differenzieren. Wir beurteilen die Klassifikation, so wie sie von den 21 der antwortenden Unter nehmen vorgenommen wird, als wenig plausibel, da eine Fixkostenspaltung eine vorherige Ermittlung der fixen Kosten voraussetzt. Gründe für den Verzicht auf eine Trennung zwischen fixen und variablen Kosten bei gleichzeitiger Fixkostenspaltung sind anhand der vorliegenden Antworten nicht zu ermitteln.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
2Z4
aufgrund der von ihnen vorgenommenen Kostenartenteilung nicht möglich ist, ein Teilkostenrechnungssystem einzusetzen. Tabelle 9 zeigt weiterhin, daß 15 Unternehmen eine Differenzierung der Kosten
arten in fixe und variable Kosten vornehmen. Diese Unternehmen haben wir zum Typ C2 zusammengefaßt.
Ein Verzicht auf eine derartige Differenzierung ist aus kostenrechnerischer Sicht nur dann vertretbar, wenn der Anteil der Gemeinkosten an dem gesamten Kostenblock relativ gering ist. Zusätzlich müßten die Produkte eine völlig homogene Struktur aufweisen und von der Höhe identische Gemeinkosten verursachen. Wir gehen
jedoch davon aus, daß derart einfache Prozeß- und Produktionsstrukturen in den
untersuchten türkischen Unternehmen nicht gegeben sind.
Wir können an dieser Stelle festhalten, daß nur 28 der antwortenden Unternehmen aufgrund der Aufspaltung in fixe und variable Kosten sowie Einzel- und
Gemeinkosten in der Lage sind, ein fortschrittliches Kostenrechnungssystem, wie z.B. die Grenzplankostenrechnung, einzusetzen.
6.1.3 Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation
Bei der Kalkulation ist zunächst nach dem Kalkulationszeitpunkt zwischen der Vor-,
der Zwischen- und der Nachkalkulation zu unterscheiden. Zudem ist mit Hilfe des Merkmals „Umfang der kalkulierten Kosten“ zwischen der Vollkostenkalkulation und
der Teilkostenkalkulation zu trennen.894
894
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Zwischenkalkulation üblicherweise auf Vollkostenbasis durchgeführt wird.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
275
Typen
A3
b3
•
•
•
•
c3
Kalkulationsmethoden
Vorkalkulation zu Vollkosten
und/oder Vorkalkulation zu Teilkosten Zwischenkalkulation zu Vollkosten
Nachkalkulation zu Vollkosten und/oder
•
•
Nachkalkulation zu Teil kosten Anzahl der Unternehmen
23
27
50
Tab. 10: Beobachtete Einsatzformen der Kalkulation
Aus der Kombination dieser Merkmale haben wir drei Typen eingesetzter Kalkulationsformen gebildet. Wie Tabelle 10 zeigt, setzen 23 Unternehmen die Vor
kalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten, die Zwischenkalkulation sowie die Nach
kalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten ein. Diese Unternehmen, die dem Typ A3
zugeordnet werden, können die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen
zunächst für die Zwecke der Angebotskalkulation und/oder Bewertung von unfertigen und fertigen Erzeugnissen nutzen. Eine zusätzliche Berücksichtigung der vor liegenden Teilkosteninformationen bietet diesen Unternehmen die Möglichkeit, die Entwicklung der für sie relevanten Kosten zu überprüfen. Eine Zwischenkalkulation
ist meist nur dann notwendig, wenn eine lange Produktionsdauer, z.B. beim
Anlagenbau, vorausgesetzt werden kann, so daß zwischenzeitliche Gegenüber stellungen zu bilanziellen und dispositiven Zwecken erforderlich werden. Das Erfor
dernis einer Zwischenkalkulation ist in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit der antwortenden Unternehmen zu sehen. Als typische Beispiele für Unternehmen,
die üblicherweise eine Zwischenkalkulation durchführen, sind Maschinen- und
276
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Anlagen-, Schiffs- sowie Flugzeugbauunternehmen zu nennen.895 Die Durchführung
einer Nachkalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten bietet den Unternehmen die Mög lichkeit, eine Gegenüberstellung von Soll- und Istgrößen und damit eine wirksame
Kostenkontrolle vornehmen zu können.
Weiterhin sind die 27 Unternehmen zu nennen, die eine Vorkalkulation zu Vollkosten und/oder eine Vorkalkulation zu Teilkosten und eine Zwischenkalkulation einsetzen.
Diese Unternehmen werden als Typ B3 bezeichnet. Wir vermuten, daß der Grund für den Verzicht auf die Nachkalkulation darin gesehen werden kann, daß die Unter
nehmen vor allem eine Vorkalkulation zum Zwecke der Angebotskalkulation durch
führen, um dem Kunden den voraussichtlichen Preis vor der Auftragserteilung nennen zu können. Die Vorkalkulation zeichnet sich dadurch aus, daß sie zeitlich
gesehen vor dem Prozeß der Leistungserstellung liegt. Zudem ist sie dadurch gekennzeichnet, daß sie die Kosten mit Normal- oder Sollsätzen bewertet und somit
mit geplanten Größen arbeitet. Die Anwendung der Vorkalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten in Verbindung mit einer Zwischenkalkulation ist allerdings für Kontroll
zwecke ungeeignet, da auf die Ermittlung der Istdaten durch die Nachkalkulation und
die sich anschließende Gegenüberstellung von Soll- und Istgrößen verzichtet wird. Des weiteren geben 50 Unternehmen an, daß sie lediglich eine Nachkalkulation zu Voll- und/oder Teilkosten durchführen. Diese Unternehmen werden unter dem Typ
C3 zusammengefaßt. In bezug auf diese Vorgehensweise ist kritisch zu beurteilen, daß nur Istgrößen ermittelt werden können. Aufgrund der Tatsache, daß hierbei
keine Vorkalkulation durchgeführt wurde, kann auch die Einhaltung der Mengen-,
Wert- und Zeitvorgaben nicht überprüft werden. Bei den Unternehmen, die eine Nachkalkulation nur zu Vollkosten durchführen,896 vermuten wir, daß dies zu
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß im Rahmen unserer empirischen Untersuchung Unternehmen aus den Bereichen Schiffs- und Flugzeugbau aufgrund ihrer deutlichen Unter repräsentanz nicht berücksichtigt werden konnten. Auch den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus kommt hierbei nur eine geringe Bedeutung zu. Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.3.1.1.
Hierbei handelt es sich um 47 Unternehmen. Lediglich zwei Unternehmen führen eine Nach kalkulation sowohl zu Voll- als auch zu Teilkosten durch, ein Unternehmen setzt nur die Nach kalkulation zu Teilkosten ein.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
277
bilanziellen Zwecken geschieht. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Bewertung von Halb- und Fertigfabrikaten hinzuweisen. 6.1.4 Eingesetzte Kalkulationsverfahren
Wir haben bereits früher hinsichtlich der traditionellen
Kalkulationsverfahren
zwischen der Divisions-, der Äquivalenz- und der Zuschlagskalkulation unter schieden.897 Die Zuschlagskalkulation ist weiterhin in summarische und differenzie rende Zuschlagskalkulation zu unterteilen.
Im folgenden soll im Zusammenhang mit der Typisierung eingesetzter Kalkula tionsverfahren insbesondere auch auf die Interdependenzen zwischen den verschie
denen Kalkulationsverfahren eingegangen werden.
Wie aus Tabelle 11 hervorgeht, setzen insgesamt sieben Unternehmen sowohl die Divisionskalkulation oder die Äquivalenzziffernkalkulation als auch die summarische oder die differenzierende Zuschlagskalkulation ein. Diese Unternehmen werden
unter dem Typ Ä4 zusammengefaßt.
_
Typen
A4
b4
C4
Kalkulationsverfahren
Divisionskalkulation und/oder
•
•
Äquivalenzziffernkalkulation Summarische Zuschlagskalkulation
und/oder Differenzierende Zuschlagskalkulation
•
•
Anzahl der Unternehmen
7
15
76
Tab.11: Eingesetzte Kalkulationsverfahren
897
Vgl. hierzu ausführlich Kap. 5.3.3.4. Die Kuppelkalkulation haben wir hierbei nicht explizit berücksichtigt, da ihr Stellenwert sowohl in dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum als auch in der unternehmerischen Praxis der Türkei sehr gering ist.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
278
Hinsichtlich des kombinierten Einsatzes von Divisions- und Zuschlagskalkulation liegt
die Vermutung nahe, daß das Produktionsverfahren grundsätzlich an der Massen fertigung ausgerichtet ist, zudem aber auch Produkte aufgrund ihrer unterschied lichen Leistungsstruktur in Form einer Einzel- oder Serienfertigung hergestellt
werden. Während bei der Divisionskalkulation der gesamte Betriebsbereich als
Bezugsobjekt zugrunde gelegt wird, muß bei der Kalkulation der in Einzel- oder Serienfertigung hergestellten Produkte der einzelne Auftrag oder die einzelne Serie berücksichtigt werden. Dies wird durch die Zuschlagskalkulation gewährleistet.
Weiterhin werden dem Typ A4 auch die Unternehmen zugeordnet, die die Äquiva lenzziffernkalkulation und die differenzierende Zuschlagskalkulation in kombinierter Form durchführen. Ein Grund für die gemeinsame Anwendung dieser Kalkulations
verfahren kann darin gesehen werden, daß das Produktionsprogramm zwar einer
seits durch einen mehrstufigen Produktionsablauf gekennzeichnet ist, daß auf der anderen Seite aber einige Produkte aufgrund der Tatsache, daß sie in ihrer Art von den anderen Produkten stark abweichen, nicht über die Äquivalenzziffernkalkulation
verrechnet werden können. Der weitaus größte Teil der antwortenden Unternehmen setzt nur eines der beschriebenen Kalkulationsverfahren ein. Die Unternehmen, die eine summarische
und/oder eine differenzierende Zuschlagskalkulation einsetzen, werden dabei dem
Typ B4 zugeordnet. Hierzu zählen insgesamt 15 Unternehmen. Die Zuschlagskalku lation kommt üblicherweise bei Unternehmen mit Einzel- und/oder Serienfertigung
zur Anwendung. Diese Unternehmen sind also durch einen geringen Grad an Über
einstimmung zwischen den Produkten gekennzeichnet. An dieser Stelle ist allerdings kritisch anzumerken, daß der größte Teil der türkischen Unternehmen angibt, einerseits eine Einzel- und/oder Serienfertigung durchzuführen,898 andererseits aber
nur wenige Unternehmen die hierzu erforderliche summarische oder differenzierende Zuschlagskalkulation anwenden.
Demgegenüber werden die 76 Unternehmen, die jeweils eine Divisions- und/oder
eine Äquivalenzziffernkalkulation durchführen, als Typ C4 bezeichnet. Für die
898
Vgl. ausführlich zu den empirischen Ergebnissen bezüglich der angewandten Kalkulations verfahren Abschnitt 5.3.3.4.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
279
Produkte, die in Massenfertigung hergestellt werden, empfiehlt sich das Verfahren der Divisionskalkulation, während für die im Rahmen der Sortenfertigung herge stellten Produkte die Äquivalenzziffernkalkulation zu empfehlen ist. Darüber hinaus
geben einige Unternehmen an, daß sie sowohl die Divisions- als auch die
Äquivalenzziffernkalkulation einsetzen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, daß
das Produktionsprogramm dieser Unternehmen aus heterogenen Produktions teilbereichen besteht. Das ist dann der Fall, wenn das Unternehmen sowohl
Produkte in Form einer Massenfertigung als auch Produkte in Form einer Sorten fertigung herstellt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß im Zusammenhang mit dieser Antwort das Problem einer begrifflichen Abgrenzung vorliegen könnte, da im
Schrifttum der Äquivalenzziffernkalkulation auch die Divisionskalkulation im weiteren Sinne zugeordnet wird.
Zusammenfassend können wir festhalten, daß die Divisions- und/oder die Äquiva lenzziffernkalkulation, also der Typ C4, in der unternehmerischen Praxis der Türkei am weitesten verbreitet ist. 6.1.5 Typisierung der Ausgestaltungsformen der eingesetzten Kosten rechnung
Ausgehend von der im vorangegangenen Kapitel vorgenommenen Typisierung
wollen wir uns in einem weiteren Schritt mit den Ausgestaltungsformen der Kosten rechnung beschäftigen. Wir konzentrieren uns hierbei auf die eingesetzten
Kombinationen der Teilgebiete, der ausgewählten Kostenarten, der Kalkulations
methoden und der Kalkulationsverfahren der Kostenrechnung. Eine Typisierung
erscheint uns vor allem aufgrund der Vielzahl von Merkmalsausprägungen erforderlich. Wir haben uns deshalb auf bestimmte, aus unserer Sichtweise relevante Merkmale beschränkt. An dieser Stelle soll eine kumulierte Typisierung der zuvor
gebildeten Typen aus den vorangegangenen Kapiteln899 erfolgen und für die
abschließende Herausarbeitung der Interdependenzen zugrundegelegt werden. Dabei haben wir eine Informationsverdichtung vorgenommen, welche die Unter
899
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.1.1 bis 6.1.4.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
280
suchung im weiteren Verlauf transparenter gestalten soll und auch in den folgenden Untersuchungspunkten Eingang findet Bei der Kostenauflösung haben wir zwischen Einzel- und Gemeinkosten sowie fixen und variablen Kosten unterschieden. Im Rahmen der Teilgebiete der Kosten
rechnung richtet sich die Zuordnung zu den einzelnen Typen nach dem Umfang der eingesetzten
Teilgebiete.
Hierbei
unterscheiden
wir zwischen
Kostenarten-,
Kostenstellen-, Kostenträgerstück- und Kostenträgerzeitrechnung. Weiterhin wurde in bezug auf die Kalkulationsmethoden einerseits zwischen der Vorkalkulation zu Vollkosten bzw. zu Teilkosten oder Zwischenkalkulation zu Vollkosten und anderer
seits zwischen der Nachkalkulation zu Vollkosten oder Teilkosten differenziert. Im
Zusammenhang mit den Kalkulationsverfahren wurden von uns die Divisionskalku lation und die Äquivalenzziffernkalkulation sowie die summarische und die differen
zierende Zuschlagskalkulation zu Typisierungsmerkmalen zusammengefaßt. Die einzelnen Typisierungsmerkmale sowie die auf diesen Merkmalen basierenden Typisierungen werden in Tabelle 12 dargestellt.
Tab. 12: Typisierung der Ausgestaltungsform der eingesetzten Kostenrechnung
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Die von uns vorgenommene Typisierung basiert auf theoretischen Überlegungen. Hierbei wird eine Abstufung von einer idealtypischen Ausgestaltung der Kosten
rechnung (Typ A) bis hin zu einer Kostenrechnung, die gerade die Mindestanfor derungskriterien hinsichtlich einer zweckmäßigen Durchführung der Kostenrechnung
erfüllt (Typ C), vorgenommen. Unsere Zielsetzung besteht darin, Interdependenzen zwischen den ausgewählten Typen aufzuzeigen, um auf diese Weise Rückschlüsse auf die Gestaltung der Kostenrechnung in türkischen Unternehmen ziehen zu können. Diese Typen der eingesetzten Kostenrechnung nehmen eine zentrale
Position bei der weiteren Analyse unserer empirischen Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Einflußgrößen der Kostenrechnung, ein.
6.1.6 Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der Typisierung eingesetzter
Kostenrechnungssysteme und bilden einen zentralen Aspekt im Rahmen unserer empirischen Analyse. In diesem Zusammenhang untersuchen wir insbesondere die
simultane Anwendung unterschiedlicher Kostenrechnungssysteme.
Die Einteilung der Kostenrechnungssysteme erfolgt mittels der beiden Kriterien „Sachumfang der verrechneten Kosten“ und „zeitliche Ausrichtung“. Nach dem
Sachumfang der verrechneten Kosten wird zwischen Voll- und Teilkostenrechnungs systemen unterschieden. Mit Hilfe des Gliederungsmerkmals „zeitliche Ausrichtung“ ergibt sich eine Einteilung in Ist-, Normal- und Plankostenrechnung. Für die Unternehmen besteht neben der isolierten Anwendung eines Kostenrech
nungssystems auch die Möglichkeit, verschiedene Kostenrechnungssysteme gleich
zeitig einzusetzen. Es ist nun eine Typisierung der in türkischen Unternehmen eingesetzten Kosten
rechnungssysteme vorzunehmen. Wichtig erscheint uns hierbei, bei der Typisierung auch die Fortschrittlichkeit der Kostenrechnungssysteme zu beachten. Aufbauend auf diesen Merkmalen ergeben sich für uns vier verschiedene Typen eingesetzter
Kostenrechnungssysteme. Diese Typen sind in Tabelle 13 abgebildet.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
282
Typen
a
b
c
d
S
•
81
Kostenrechnungssysteme
Istkostenrechnung
und/oder Starre Normalkostenrechnung
und/oder Flexible Normalkostenrechnung
Istkostenrechnung
und Starre Piankostenrechnung und/oder Flexible Plankostenrechnung Istkostenrechnung und Einstufige Deckungsbeitragsrechnung und/oder Mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung Istkostenrechnung und Grenzplankostenrechnung Anzahl der Unternehmen
5
•
13
•
1
•
1
13
5
81
100
Tab. 13: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme Wie Tabelle 13 zeigt, setzt ein Unternehmen die Istkostenrechnung in Verbindung
mit der Grenzplankostenrechnung ein. Dieses Unternehmen wird dem Typ a zuge
ordnet. Es ist als sehr fortschrittlich einzustufen, da die eingesetzte Kombination dieser Kostenrechnungssysteme unserer Meinung nach eine zufriedenstellende
Lösung aller Aufgaben der Kostenrechnung ermöglicht. Die Grenzplankostenrech nung wird im türkischen Schrifttum als ein sehr fortschrittliches Kostenrechnungs
system bezeichnet.900 Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses
Kostenrechnungssystem trotz seiner Vorteile in der unternehmerischen Praxis der Türkei bisher kaum eingesetzt wird. Weiterhin werden die 13 Unternehmen, die die Istkostenrechnung mit der einstufigen und/oder der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung einsetzen,
als Typ b
bezeichnet. Die Kombination dieser Kostenrechnungssysteme ist im Hinblick auf die Erfolgsanalyse und die Gewinnplanung besonders sinnvoll. Darüber hinaus werden
900
Vgl. hierzu Akdogan [Maliyet Muhasebesi 1990], S.45f., Bursal/Ercan [Maliyet Muhasebesi 1992], S.402, Hatiboglu [Maliyet Muhasebesi 1994], S.176f„ Ipci [Maliyet Muhasebesi 1994], S.371, Kartal [Maliyet Muhasebesi 1997], S.173, und Altug [Maliyet Muhasebesi 1999], S.312.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
283
auch für alle übrigen unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere für die kurzfristigen unternehmerischen Entscheidungen, wichtige Kosteninformationen zur Verfügung gestellt.
Außerdem sind diejenigen Unternehmen zu berücksichtigen, die neben der Istkostenrechnung die starre und/oder die flexible Plankostenrechnung einsetzen. Diese fünf Unternehmen werden dem Typ c zugeordnet. Die Begründung für die
Kombination der Istkostenrechnung mit einem System der Plankostenrechnung kann darin gesehen werden, daß eine reine Istkostenrechnung keine Plangrößen erfaßt
und somit für Planungs- und Kontrollzwecke ungeeignet erscheint. Zwar wird die
Istkostenrechnung im Schrifttum häufig als für die Nachkalkulation geeignet
bezeichnet, in bezug auf die Kontrollzwecke ist allerdings zu bemängeln, daß die alleinige Anwendung der Istkostenrechnung lediglich den Vergleich mit den Istkosten vergangener Perioden ermöglicht. Durch die Kombination der Istkostenrechnung mit einem auf Plangrößen basierenden Kostenrechnungssystem werden für bestimmte
Planungs- und Entscheidungsprobleme relevante Informationen zur Verfügung gestellt. Erst durch den Vergleich der Ist- mit den Sollgrößen wird eine wirkungsvolle Kostenkontrolle ermöglicht.
Der Typ d umfaßt solche Unternehmen, die ausschließlich traditionelle Vollkosten rechnungssysteme einsetzen. Hierzu zählen die Unternehmen, die die Istkosten
rechnung und/oder die starre und/oder flexible Normalkostenrechnung einsetzen. Diesem Typ sind 81 der antwortenden Unternehmen zuzuordnen. Von den 81 Unternehmen setzen 70 Unternehmen nur die Istkostenrechnung ein. Weitere elf
Unternehmen kombinieren die Istkostenrechnung mit der starren und/oder der
flexiblen Normalkostenrechnung. Die kombinierte Anwendung dieser traditionellen Kostenrechnungssysteme führt besonders bei der innerbetrieblichen Leistungs verrechnung zu Vereinfachungen, da nun nicht mehr für jede Abrechnungsperiode neue Istkostensätze ermittelt werden müssen. Vielmehr kann bei der innerbetrieb lichen Leistungsverrechnung auf die Normalkostensätze zurückgegriffen werden, die
meist für einen längeren Zeitraum konstant bleiben. Für die Kostenkontrolle liefert
die zusätzliche Berücksichtigung von Normalkosten aber keine zusätzlichen Informa tionen, da auch die Normalkosten aus Vergangenheitsgrößen resultieren.
254
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Als Ergebnis dieses Abschnitts bleibt festzuhalten, daß die theoretischen Erkennt nisse bezüglich der Vorteilhaftigkeit von Kostenrechnungssystemen in der unterneh
merischen Praxis der Türkei bisher nur von sehr wenigen Unternehmen berück
sichtigt werden. Es ist hervorzuheben, daß 70% der antwortenden Unternehmen nach wie vor - nur die Istkosten rech nung in isolierter Form einsetzen und damit auf
die Vorteile fortschrittlicher Kostenrechnungssysteme verzichten.
6.2 Einflußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kosten rechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen Eine zentrale Aufgabe unserer empirischen Untersuchung ist es, die bedeutendsten
Einflußgrößen der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in türkischen Unternehmen herauszuarbeiten und zu systematisieren. Die Erfüllung dieser Ziel
setzung verlangt eine eingehende Analyse der vorliegenden Rahmenbedingungen,
die über eine reine Deskription empirischer Erscheinungsformen hinausgehen muß. Abbildung 46 soll unsere Vorgehensweise bei den folgenden Ausführungen
verdeutlichen.
Abb. 46: Vorgehensweise zur Analyse der Auswirkungen der Einflußgrößen auf Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
285
In diesem Zusammenhang wollen wir untersuchen, inwieweit der Einsatz und die
Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme von bestimmten Determinanten abhängig sind.901 Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Unter
nehmen und damit auch die in diesen Unternehmen eingesetzte Kostenrechnung
durch eine Vielzahl externer und interner Kontextfaktoren beeinflußt werden. Im Rahmen unserer empirischen Untersuchung haben wir mit der Unternehmensgröße,
der Branchenzugehörigkeit, den Unternehmensformen sowie den Zwecken der Kostenrechnung die aus unserer Sicht relevanten Einflußgrößen herausgearbeitet.902 In einem ersten Schritt wollen wir hierzu den Einfluß dieser Determinanten auf den
Einsatz der Kostenrechnung analysieren. Des weiteren wollen wir auf die wesent lichen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflußgrößen und deren Auswir
kung auf die Ausgestaltung der Kostenrechnung sowie Kostenrechnungssysteme eingehen. Wir gehen dabei von der Annahme aus, daß zwischen den bereits
genannten Einflußgrößen und dem Einsatz sowie der Ausgestaltung der Kosten
rechnung und der Kostenrechnungssysteme ein kausaler Zusammenhang besteht. Dies soll in einem nächsten Schritt näher untersucht werden. 6.2.1 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs systeme in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße Im folgenden wollen wir einen Überblick über den Einsatz und die Ausgestaltung der
Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Unter-
Eine differenzierte Betrachtung der Einflußgrößen auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme wurde auch im betriebswirtschaftlichen Schrifttum in der Bundesrepublik Deutschland bisher weitgehend vernachlässigt. Die hierzu vor liegenden empirischen Untersuchungen beziehen sich überwiegend auf die Unternehmensgröße und/oder die Branche als die wesentlichen Einflußgrößen. Vgl. hierzu ausführlich Küpper [Kosteninformationen 1983], S.169, Becker [Kostenrechnung 1984], S.64f., Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.587, Küpper et al. [Planungsverfahren 1990], S.435, Kosmider [Kostenrechnung 1991], S.22, Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.1f, und Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.63. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß in verschiedenen empirischen Untersuchungen des deutschsprachigen Raumes weitere Einflußgrößen, wie z.B. die Konzernzugehörigkeit und die Organisationsstruktur, genannt werden. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.73, und Kind [Rechnungswesen 1986], S.25. Diese Bestimmungsgrößen konnten von uns im Rahmen der Konzeption des Fragebogens aufgrund hierzu in der Türkei bestehender Informationsdefizite nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus bestand bei diesen Fragen die Gefahr negativer Einflüsse auf die Rücklaufquote.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
2ßß.
nehmensgröße in türkischen Unternehmen geben. Bei der Unternehmensgröße unterscheiden wir zwischen Klein-, Mittel- und Großunternehmen.903
Bevor wir den Einfluß der Unternehmensgröße auf die Gestaltung der Kostenrech nung sowie der Kostenrechnungssysteme herausarbeiten, erscheint es zunächst
sinnvoll, den Verbreitungsgrad der Kostenrechnung in den verschiedenen Unterneh
mensgrößenklassen zu untersuchen. Einsatz der Kostenrechnung
Ja
Nein
z
Kleinunternehm en
2
97
99
Mittelunternehmen
25
113
138
G roßunternehm en
76
48
124
s
103
258
361
Unternehmensgröße
Tab. 14: Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Unternehmensgrößenklassen Wie Tabelle 14 zeigt, setzen lediglich zwei Kleinunternehmen (2,02%) eine Kosten
rechnung ein. Bei den Mittelunternehmen verwenden demgegenüber 25 von 138 Unternehmen (18,12%) eine Kostenrechnung.904 Im Unterschied zu den Klein- und
Vgl. ausführlich zu den Einteilungskriterien hinsichtlich der Unternehmensgröße Abschnitt 5.3.1.3.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Verbreitungsgrad der Kosten rechnung in Mittelunternehmen der Bundesrepublik Deutschland deutlich höher einzustufen ist als bei den betreffenden Mittelunternehmen in der Türkei. Vgl. hierzu ausführlich Becker [Kostenrechnung 1984], S.82, Kind [Rechnungswesen 1986], S.29, Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.26, Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.7. Wir haben jedoch bereits in Abschnitt 5.3.3.1 darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit einer direkten Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, da bei den im deutschsprachigen Raum durchgeführten empirischen Untersuchungen unterschiedliche Klassifizierungskriterien bei der Einteilung der Unternehmen zugrunde gelegt werden. So werden beispielsweise in einer Untersuchung von Frost/Meyer nur die umsatzgrößten Unternehmen in der BRD berücksichtigt. Vgl. hierzu
Interoretation der Eraebnisse der emDirischen Untersuchuna
287
Mittelunternehmen ist bei den Großunternehmen eine wesentlich höhere Verbreitung der Kostenrechnung feststellbar. So setzen bei den Großunternehmen 76 von 124
Unternehmen (61,29%) eine Kostenrechnung ein. Es wird somit ersichtlich, daß die
Einsatzhäufigkeit einer Kostenrechnung mit der Unternehmensgröße tendenziell zunimmt. An dieser Stelle können wir festhalten, daß die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei herrschende Meinung,905 daß primär Großunternehmen Kostenrechnung
einsetzen, durch unsere Untersuchungsergebnisse bestätigt wird. Wichtig erscheint
uns auch in diesem Zusammenhang, die Gründe für den Verzicht für die einzelnen Unternehmensgrößenklassen zu analysieren.
Unternehmensgröße
Verzichtsgründe
Kostenrechnung bringt nur einen geringen Nutzen Kostenrechnung ist überflüssig Kein qualifiziertes Personal
Kleinuntemehmen
Mitteluntemehmen
Groß unternehmen
29
47
11
23
24
8
49
56
25
Tab. 15: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung nach Unternehmensgrößenklassen
ausführlich Frost/Meyer [Kostenrechnungssysteme 1981]. Des weiteren orientieren sich einige Autoren bei der Einteilung der Unternehmen lediglich an den von ihnen gebildeten Beschäftigten größenklassen. Vgl. hierzu Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.14, Kosmider [Controlling 1991], S.91, und Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.2. Selbst bei den empirischen Erhebungen, die, wie in unserer Untersuchung, sowohl die Beschäftigtengrößenklassen als auch die Umsatzgrößenklassen zugrunde legen, treten Diskrepanzen bei der Einteilung dieser Klassen auf. Vgl. hierzu Becker [Kostenrechnung 1984], S.69ff., Kind [Rechnungswesen 1986], S.14f., Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.588, und Währisch [Kostenrechnungspraxis 1998], S.77. 905
Der herrschenden Meinung im betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei schließen sich auch die Vertreter der unternehmerischen Praxis an. Dies wurde dem Verfasser in zahlreichen Einzelgesprächen verdeutlicht.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
2^8
Die Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung sind in Tabelle 15 dargestellt und sollen im folgenden skizziert werden. Dabei fällt auf, daß bei den Klein- und
Mittelunternehmen die mit dem Einsatz der Kostenrechnung verbundenen Kosten
einen möglichen Nutzen überkompensieren. Insbesondere der aus dem Einsatz der Kostenrechnung resultierende Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal stellt für die
Klein- und Mittelunternehmen erhebliche zusätzliche Kosten dar. Dies wird vor allem dadurch bedingt, daß ein Großteil der Kleinunternehmen ihre Buchhaltung unternehmensextem durchführen läßt, so daß grundsätzliche Voraussetzungen für eine Integration der Kostenrechnung in das Unternehmen nicht gegeben sind.
Darüber hinaus betrachten die Klein- und Mittelunternehmen die Kostenrechnung für
die von ihnen verfolgten Zwecke als überflüssig. Diese
Unternehmen sehen
vielmehr die von der Finanzbuchhaltung bereitgestellten Informationen als eine ausreichende Entscheidungsgrundlage an. Von besonderem Interesse ist hierbei,
daß nicht nur die Klein- und Mittelunternehmen, sondern ein noch größerer Anteil der Großunternehmen die Auffassung vertritt, daß die Finanzbuchhaltung als Informa
tionsgrundlage ausreiche. Diesen Unternehmen kann jedoch der Vorwurf einer Überbewertung der finanzbuchhalterischen Daten gemacht werden, da die Gewinn-
und Verlustrechnung aufgrund ihrer retrospektiven Auslegung keine hinreichenden Informationen für unternehmerische Entscheidungen liefert. Hier liegt die Vermutung
nahe, daß sich die Unternehmen mit den von der Finanzbuchhaltung gelieferten Informationen anscheinend zufrieden geben, dabei aber übersehen, daß diese Informationen für eine Vielzahl von zu treffenden Entscheidungen nicht oder nur
begrenzt aussagefähig sind. So liegen die Daten des Jahresabschlusses zumeist erst im folgenden Geschäftsjahr vor, so daß diese keine Grundlage für die Beein
flussung des Unternehmensgeschehens bilden können. Des weiteren liefern die Daten der Finanzbuchhaltung aufgrund ihrer unzureichenden Aktualität und ihrer Orientierung an steuerlichen Gesichtspunkten keine Informationen darüber, inwie
weit einzelne Unternehmensbereiche und/oder Produktgruppen zum Gesamterfolg
des Unternehmens beigetragen haben. Trotz dieser Nachteile, die eine alleinige Berücksichtigung der Finanzbuchhaltung mit sich bringt, sehen viele türkische Klein-
und
Mittelunternehmen
die
Finanzbuchhaltung
als
einziges
Instrument
des
Rechnungswesens an. Daher ist es in türkischen Klein- und Mittelunternehmen
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 289
üblich, die Gewinn- und Verlustrechnung mit der Betriebsergebnisrechnung gleich zusetzen. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß insbesondere die
türkischen Klein- und Mittelunternehmen die Bedeutung der Kostenrechnung als Führungsinstrument der Unternehmung nicht erkennen.
Die Großunternehmen scheinen demgegenüber die mit dem Einsatz der Kosten rechnung verbundenen Chancen und Vorteile erkannt zu haben. Jedoch ist auch bei Großunternehmen der häufigste Verzichtsgrund für den Einsatz der Kosten
rechnung der Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal. Dies ist somit kein auf bestimmte Unternehmensgrößenklassen bezogenes Problem, sondern vielmehr ein in der gesamten unternehmerischen Praxis der Türkei festzustellendes Phänomen.
Hier ist ein Nachholbedarf in allen Unternehmensgrößenklassen vorhanden. Insbesondere liegt in diesem Zusammenhang die Vermutung nahe, daß bei der Ausbildung von Studierenden erhebliche Defizite im Bereich der Kostenrechnung
bestehen. Dies wird vor allem dadurch bestärkt, daß eine kaufmännische Ausbildung im Sinne des dualen Ausbildungssystems in der Bundesrepublik Deutschland in der Türkei nicht besteht. Weiterhin werden Schulungen und Weiterbildungsseminare zur
Kostenrechnung von den Verbänden in der Türkei nur in sehr geringem Umfang angeboten. Besonders kritisch ist hervorzuheben, daß es sich bei den meisten
türkischen Lehrbüchern im Bereich der Kostenrechnung um Übersetzungen aus dem anglo-amerikanischen und dem deutschsprachigen Raum handelt. Die nationalen Gegebenheiten der Türkei finden hierbei keine Berücksichtigung.906 Die Kosten
rechnung stellt zwar auf der einen Seite einen sehr komplexen und auf der anderen
Seite im Hinblick auf die unternehmerische Praxis einen nur schwer realisierbaren Bereich dar.907 Dennoch ist es für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größenklasse erforderlich, das externe Rechnungswesen durch Instrumente des
internen
Rechnungswesens
zu
ergänzen,
um
auf diese
Weise
relevante
Hier ist insbesondere die in der Türkei nach wie vor bestehende hohe Inflationsrate zu nennen. Diese Problematik wurde auch in vielen Gesprächen thematisiert, die im Rahmen unserer empirischen Erhebung mit Vertretern der unternehmerischen Praxis geführt wurden. 907
Diese Meinung wurde von Vertretern namhafter türkischer Unternehmen im Rahmen der vom Verfasser geführten Einzelgespräche mehrfach geäußert.
290
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Informationen für unternehmerische Planungs- und Kontrollentscheidungen liefern zu
können. Aufbauend auf der von uns bereits vorgenommenen Typisierung soll im folgenden
eine Beurteilung der Ausprägung der Kostenrechnung in den einzelnen Unterneh mensgrößenklassen erfolgen.
Kombi nations typ
A
B
C
X
S
2
2
Untemehmensgröße
Kleinunternehmen
Mittelunternehmen
2
1
22
25
Großunternehmen
3
10
9
52
74
E
3
12
10
76
101
Tab. 16: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Unternehmensgröße
Tabelle 16 zeigt die Verteilung der Klein-, Mittel- und Großunternehmen auf die
Typen A, B und C sowie die Anzahl der Unternehmen, die keinem dieser Typen
zugeordnet werden können. Bei den Kleinunternehmen können wir feststellen, daß die zwei Unternehmen, die
eine Kostenrechnung einsetzen, die von den verschiedenen Typen vorausgesetzten Kriterien nicht erfüllen. Hinsichtlich der Gestaltung der Kostenrechnung sind bei den
Kleinunternehmen somit erhebliche Defizite festzustellen. Zwar ist in diesem Zusammenhang positiv hervorzuheben, daß diese zwei Unternehmen eine Kosten
rechnung einsetzen, jedoch ist anzumerken, daß deren Funktionsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist. Gleichzeitig stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie die Kostenrechnung in den Kleinunternehmen ausgestaltet sein sollte. Hierbei ist vor
allem das Kosten-ZNutzenverhältnis einer Kostenrechnung für ein Kleinunternehmen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den Nutzen einer Kostenrechnung liegt die
Vermutung nahe, daß die von der Kostenrechnung bereitgestellten Informationen für
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Kleinunternehmen
teilweise
nur von
geringer
291
Bedeutung
sind.
Dies
kann
beispielsweise dadurch verdeutlicht werden, daß die Kleinunternehmen in der Türkei im wesentlichen die Funktion von Zuliefererunternehmen erfüllen, denen die Preise
von den Großunternehmen vorgegeben werden. Die Durchführung einer Kalkulation wird daher von vielen türkischen Kleinunternehmen als nicht erforderlich eingestuft. Wie Tabelle 16 zeigt, erfüllen in der Klasse der Mittelunternehmen nur zwei
Unternehmen die Kriterien des Typs B und lediglich ein Unternehmen die Kriterien
des Typs C. Eine Kostenrechnung, so wie sie vom Typ A beschrieben wird, findet
von den antwortenden Mittelunternehmen keine Berücksichtigung. Demgegenüber können 22 der antwortenden Mittelunternehmen weder dem Typ A noch den Typen B oder C zugeordnet werden.
In der Klasse der Großunternehmen können drei Unternehmen dem Typ A
zugeordnet werden. Diese Unternehmen entsprechen den aus unserer und auch aus
theoretischer Sicht an eine Kostenrechnung zu stellenden Anforderungen in optimaler Weise. Weiterhin setzen zehn Unternehmen eine Kostenrechnung vom Typ B ein. Die Kriterien des Typs C erfüllen insgesamt neun Unternehmen. Im Hinblick auf die eingesetzten Typen der Kostenrechnung in Klein-, Mittel- und
Großunternehmen ist festzuhalten, daß der derzeitige Stand der Kostenrechnung weit von den Anforderungen entfernt ist, die an ein wirksames Instrument zur Fundierung unternehmerischer Entscheidungen gestellt werden.
Nachdem wir Inhalt und Umfang der eingesetzten Kostenrechnung diskutiert haben, wollen wir uns im folgenden mit den in türkischen Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssystemen unter Berücksichtigung der verschiedenen Unterneh
mensgrößen beschäftigen.
292
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Abb. 47: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kleinunternehmen Abbildung 47 zeigt die jeweils in den Kleinunternehmen eingesetzten Systeme der
Kostenrechnung. Hierbei ist auffällig, daß die zwei Kleinunternehmen, die eine Kostenrechnung verwenden, mit der Istkostenrechnung und der starren Normal
kostenrechnung ausschließlich die wenig fortschrittlichen Vollkostenrechnungs systeme einsetzen. Weiterentwickelte Formen der Vollkostenrechnung, wie bei
spielsweise die starre oder die flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, bleiben hingegen ebenso wie die Teilkostenrechnungssysteme vollkommen unbe
rücksichtigt.908 An dieser Stelle interessiert uns vor allem, ob die Kleinunternehmen den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems grundsätzlich für erforderlich halten.
Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Gründe für den Verzicht der Klein unternehmen auf ein Teilkostenrechnungssystem zu hinterfragen.
Vergleicht man unsere Ergebnisse mit den in der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf Kleinunternehmen durchgeführten Untersuchungen, ergeben sich erhebliche Abweichungen. So zeigt sich in einer empirischen Studie von Wied-Nebbeling, daß von 133 Kleinunternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, 89 Unternehmen (66,9%) ein Vollkostenrechnungssystem, 58 Unternehmen (43,6%) eine Deckungsbeitragsrechnung, 7 Unternehmen (5,3%) eine Plankosten rechnung und 5 Unternehmen (3,8%) eine Grenzplankostenrechnung einsetzen. Vgl. WiedNebbeling [Preisverhalten 1985], S.170. Wir können hier feststellen, daß zwar bei den Klein unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland der Gedanke der Vollkostenrechnung dominiert, aber auch die Teilkostenrechnung in Form der Deckungsbeitragsrechnung im Vergleich zu der Türkei überdurchschnittlich häufig vertreten ist.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
293
Die folgende Tabelle 17 enthält die wesentlichen Gründe für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem unter Berücksichtigung der jeweiligen Unternehmens größe.
Untemehmensgröße
Klein unternehmen
Mitteluntemehmen
Groß unternehmen
nicht notwendig
1
13
43
unbekannt
1
4
7
3
14
Verzichtsgründe
zu kompliziert
4
zu aufwendig keine gesetzliche Notwendigkeit
1
40
Tab. 17: Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße
Wie Tabelle 17 zeigt, gibt ein Kleinunternehmen an, daß es den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystem für nicht notwendig erachtet. Für das andere Kleinunter
nehmen ist die Teilkostenrechnung sogar unbekannt. Grundsätzlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Einsatz eines Teilkostenrechnungs
systems für Kleinunternehmen überhaupt notwendig ist. Dabei sind insbesondere die bereits beschriebenen spezifischen Gegebenheiten in der unternehmerischen Praxis
der Türkei zu berücksichtigen. Hinsichtlich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in Mittelunternehmen ist
ebenfalls eine deutliche Dominanz der Vollkostenrechnungssysteme festzustellen.
294
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Wie Abbildung 48 zeigt, setzen 24 der antwortenden Mittelunternehmen, die eine Kostenrechnung verwenden, eine Istkostenrechnung ein. Weiterhin ist auch die
starre Normalkostenrechnung in Mittelunternehmen relativ häufig anzutreffen. Lediglich ein Unternehmen setzt mit der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung ein
Teilkostenrechnungssystem ein. Der überwiegende Teil der antwortenden Mittel
unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, verzichtet hingegen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems.909 Grundsätzlich ergibt sich für die
In bezug auf die in Mittelunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Kosten rechnungssysteme ergibt sich ein anderes Bild. Die empirische Untersuchung von Marner zeigt, daß von 16 Unternehmen zwei Unternehmen (12,5%) nur eine reine Vollkostenrechnung, zehn Unternehmen (62,5%) eine reine Teilkostenrechnung, vier Unternehmen (25%) eine Kostenrech nung in Form einer kombinierten Voll- und Teilkostenrechnung, zwei Unternehmen (12,5%) ein einstufiges Direct Costing und neun Unternehmen (56,3%) ein mehrstufiges Direct Costing bzw. eine mehrstufige Fixkostendeckungsrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Marner [Rechnungswesen 1980], S.142. Weiterhin ist die empirische Untersuchung von Wied-Nebbeling zu nennen, nach der von 132 Mittelunternehmen 78 Unternehmen (59,1%) über eine Vollkostenrechnung, 77 Unternehmen (58,3%) über eine Deckungsbeitragsrechnung, 14 Unternehmen (10,6%) über eine Plankostenrechnung und 12 Unternehmen (9,1%) über eine Grenzplankostenrechnung verfügen.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 295
türkischen Mittelunternehmen ein ähnliches Bild wie bei den Kleinunternehmen. In
diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, daß zwar die auf Vollkosten basierenden
Informationen
für die
Funktionsfähigkeit
einer
Kostenrechnung
unbedingt erforderlich sind, aber ihre alleinige Berücksichtigung im Hinblick auf die unternehmerischen Planungs- und Kontrollentscheidungen, die mit wachsender
Untemehmensgröße tendenziell an Bedeutung gewinnen, von uns als nicht ausreichend erachtet werden. Angesichts der Tatsache, daß nahezu 96% der Mittel
unternehmen kein Teilkostenrechnungssystem einsetzen, ist es an dieser Stelle
zweckmäßig, sich mit den Verzichtsgründen dieser Unternehmen auseinander setzen. Wie die oben aufgeführte Tabelle 17 zeigt, geben 13 Mittelunternehmen an,
daß eine Teilkostenrechnung aus ihrer Sicht nicht notwendig sei. Bei vier Unter nehmen ist die Teilkostenrechnung unbekannt. Weitere drei Mittelunternehmen stufen die Systeme der Teilkostenrechnung als zu kompliziert ein. Zudem sieht ein
Unternehmen die fehlende gesetzliche Notwendigkeit als wesentlichen Grund für
den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem an. Die angeführten Gründe und die Tatsache, daß nur ein Mittelunternehmen ein Teil
kostenrechnungssystem einsetzt, verdeutlichen, daß die Bedeutung der Teilkosten rechnung von den türkischen Mittelunternehmen nicht richtig eingeschätzt wird.
Vgl. hierzu Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.170. Nach einer empirischen Untersuchung von Hauer verwenden 101 von 190 Mittelunternehmen (53,16%) eine Istkostenrechnung, 65 Unternehmen (34,21%) eine Plankostenrechnung zu Vollkosten, 20 Unternehmen (10,53%) eine Grenzplankostenrechnung, 52 Unternehmen (27,37%) eine Grenzplankostenrechnung mit paralleler Vollkostenrechnung, 67 Unternehmen (35,26%) eine Deckungsbeitragsrechnung und 6 Unternehmen (3,16%) eine Prozeßkostenrechnung. Vgl. hierzu Hauer [Entscheidungsrechnung 1994], S.28. Nach einer Untersuchung von Lange/Schauer setzen insgesamt 99 von 161 Unternehmen (61,5%) eine Deckungsbeitragsrechnung ein, davon 41 Unternehmen (41,4%) das Direct Costing und 58 Unternehmen (58,6%) die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung. Die Plankostenrechnung verwenden 69 von 161 Unternehmen (42,9%). Dabei wird die starre Plankostenrechnung von 21 Unternehmen (30,4%), die flexible Plankostenrechnung zu Voll kosten von 37 Unternehmen (53,6%) und die Grenzplankostenrechnung von 20 Unternehmen (29%) eingesetzt Vgl. hierzu Lange/Schauer [Kostenrechnung 1996], S.37ff.
Die empirischen Ergebnisse der vorgestellten Untersuchungen zeigen, daß auch bei den deutschen Mittelunternehmen die Vollkostenrechnungsverfahren eine zentrale Rolle spielen. Allerdings ist auch hier, im Gegensatz zu den türkischen Mittelunternehmen, eine relativ hohe Verbreitung der Teilkostenrechnungssysteme festzustellen. Darüber hinaus kommt in der unternehmerischen Praxis sogar mit der Prozeßkostenrechnung ein modernes Verfahren der Kostenrechnung zur Anwendung.
296
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Nachdem wir uns mit den Mittelunternehmen und deren Verzichtsgründen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems beschäftigt haben, wollen wir diese Aspekte nun bezogen auf die türkischen Großunternehmen näher untersuchen.
Abbildung 49 zeigt, daß auch bei den Großunternehmen eine Dominanz der
traditionellen Vollkostenrechnung vorliegt.
Abb. 49: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Großunternehmen Der weitaus größte Teil der türkischen Großunternehmen, die eine Kostenrechnung
einsetzen, führt diese in Form einer Istkostenrechnung durch. Des weiteren entfallen auf die starre und die flexible Normalkostenrechnung jeweils zwei Nennungen. Die
starre und die flexible Plankostenrechnung ist mit zwei bzw. drei Unternehmen vertreten. In bezug auf die Plankostenrechnung ist somit festzustellen, daß im
Unterschied zu den Klein- und Mittelunternehmen die verschiedenen Ausprägungen
der Plankostenrechnung bei den Großunternehmen, wenn auch nur in einem
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
297
vergleichsweise geringen Umfang, zur Anwendung kommen.910 Im Vergleich zu den
Klein- und Mittelunternehmen finden die Systeme der Teilkostenrechnung, trotz der
festzustellenden Dominanz der Vollkostenrechnungssysteme, bei den Großunter nehmen eine größere Beachtung. Am weitesten verbreitet ist dabei die einstufige
Deckungsbeitragsrechnung, die von insgesamt elf Großunternehmen eingesetzt
wird. Der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung und der Grenzplankostenrech nung kommen hingegen nur geringe Bedeutung zu. Insgesamt verzichten 63 Groß
unternehmen auf den Einsatz eines Teilkostenrechnungssystems. Erstaunlicher weise vertreten 43 Großunternehmen, wie Tabelle 17 zeigt, die Auffassung, daß eine
Teilkostenrechnung nicht notwendig sei. Ein weiteres wichtiges Argument für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem aus Sicht der Großunternehmen ist
ferner in der fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit zu sehen. Diese Argumentation
ist aus unserer Sicht nicht nachzuvollziehen, da insbesondere die türkischen Groß unternehmen in den letzten Jahren einer zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung ausgesetzt sind. Dies führt zu einem verstärkten Wettbewerbsdruck. Für die Großunternehmen wird es somit immer wichtiger, Informationen über die Erfolgsstruktur von Produkten zu erlangen, um programmbezogene Fehlentschei dungen vermeiden zu können. Diese Informationen vermag nur eine Teilkostenrech
nung zu liefern.
Weiterhin zeigt Tabelle 17, daß 14 Großunternehmen die Teilkostenrechnungs systeme für zu kompliziert halten. Bei sieben türkischen Großunternehmen ist die Teilkostenrechnung unbekannt, und bei vier wird sie als zu aufwendig eingestuft. In bezug auf die Komplexität der Teilkostenrechnung ist hinzuzufügen, daß diese
Beurteilung häufig auf fehlende theoretisch fundierte Kenntnisse zurückzuführen ist.
Als wesentliche Ursache hierfür sind die nur in Ansätzen vorhandenen Darstellungen
Eine Gegenüberstellung mit den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen führt zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen. So ist nach der Untersuchung von Wied-Nebbeling die Vollkostenrechnung mit 61,9%, die Deckungsbeitrags rechnung mit 76,2%, die Plankostenrechnung mit 33,3% und die Grenzplankostenrechnung mit 9,5% vertreten. Vgl. hierzu Wied-Nebbeling [Preisverhalten 1985], S.170. Eine weitere empirische Untersuchung von Küpper/Hoffmann zeigt, daß 43,7% der Unternehmen eine Ist kostenrechnung, 20,2% eine starre Plankostenrechnung, 36,6% eine flexible Plankosten rechnung, 18,6% eine Grenzplankostenrechnung und 45,4% eine Form der Deckungsbeitrags rechnung einsetzen. Vgl hierzu ausführlich Küpper/Hoffmann [Entwicklungstendenzen 1988], S.590f.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
298
in dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum der Türkei zu nennen. Dieses Defizit wird
auch durch die Unternehmen bestätigt, für die die Teilkostenrechnung unbekannt ist Im folgenden beschäftigen wir uns nun mit den Kombinationstypen eingesetzter
Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße. Unser Anliegen ist es hierbei, Interdependenzen zwischen den einzelnen Typen ein
gesetzter Voll- und/oder Teilkostenrechnungssysteme sowie der jeweiligen Unter
nehmensgröße aufzuzeigen. Tabelle 18 beschreibt sämtliche Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnungssysteme so wie sie sich aufgrund der von uns bereits
vorgenommenen Typisierung ergeben haben.911
Kombinationstyp
a
b
c
d
e
2
2
24
25
Unternehmensgröße
Kleinunternehmen 1
Mittelunternehmen
Großunternehmen
1
12
5
58
76
E
1
13
5
84
103
Tab. 18: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von
der Unternehmensgröße Unabhängig von der Unternehmensgröße stellen wir zunächst fest, daß die meisten Unternehmen ein Kostenrechnungssystem vom Typ d einsetzen. Dieser Kombina tionstyp umfaßt die Unternehmen, die entweder nur eine Istkostenrechnung ein
setzen sowie diejenigen Unternehmen, deren Kostenrechnung auf der kombinierten
Anwendung der Istkostenrechnung und der starren und/oder flexiblen Normalkosten rechnung basiert.
911
Vgl. zu der von uns vorgenommenen Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme ausführlich Abschnitt 6.1.6.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 299
Unter Berücksichtigung der Untemehmensgröße sind lediglich zwei Kleinunter nehmen (100%) zu nennen, die dem Typ d zuzuordnen sind. Diese Form der Kombination von Kostenrechnungssystemen ist aus theoretischer Sicht als wenig zweckmäßig zu beurteilen, da auch die Normalkostenrechnung keine zusätzlichen, über die Informationen der Istkostenrechnung hinausgehenden Daten, beispiels weise im Hinblick auf eine effizientere Wirtschaftlichkeitskontrolle, zur Verfügung
stellt. Aus praktischer Sicht stellt sich sogar die Frage, wie sich diese beiden Kosten rechnungssysteme überhaupt abgrenzen lassen. So ist zu berücksichtigen, daß eine
reine Form der Istkostenrechnung in der unternehmerischen Praxis nicht existiert. Vielmehr sind auch in der angewandten Istkostenrechnung - mehr oder minder stark
ausgeprägt - geplante oder zumindest normalisierte Größen enthalten.
Diese Ausführungen gelten auch für die 24 Mittelunternehmen (96%) sowie die 58 Großunternehmen (76,32%), die ebenfalls ein Kostenrechnungssystem vom Typ d
verwenden. Insbesondere hinsichtlich der Großunternehmen ist aus unserer Sicht kritisch anzumerken, daß sowohl der alleinige Einsatz der Istkostenrechnung als auch die kombinierte Anwendung von Istkostenrechnung mit einem ähnlich fehler behafteten Kostenrechnungssystem wie der Normalkostenrechnung im Regelfall
kein zweckmäßiges Instrument der Unternehmensführung darstellen kann.912
Sinnvoller erscheint uns in diesem Zusammenhang eine Kombination der Ist
kostenrechnung mit einer auf Vollkosten basierenden Form der Plankostenrechnung (Typ c). Der Kombinationstyp c wird jedoch lediglich von fünf Großunternehmen
(6,58%) eingesetzt, während er bei den Klein- und Mittelunternehmen keine Beachtung findet. Diese fünf Großunternehmen haben immerhin die Möglichkeit,
Planwerte bzw. Sollwerte zu ermitteln und diese den Istwerten gegenüberzustellen und somit eine mehr oder minder wirksame Kostenkontrolle durchzuführen.
Die bisher beschriebenen Kombinationstypen c und d sind dadurch charakterisiert, daß sie lediglich Kombinationen von Vollkostenrechnungssystemen berücksichtigen.
Diese Kombinationstypen unterschieden sich somit grundlegend von den Typen a
912
Eine Generalisierung verbietet sich an dieser Stelle, da eine grundsätzliche Aussage auch von anderen Einflußgrößen, wie beispielsweise den mit der Kostenrechnung verfolgten Zwecken, abhängig ist. Diese Einflußgrößen werden noch in den folgenden Kapiteln ausführlicher diskutiert.
3QQ.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
und b, die neben dem Einsatz einer Vollkostenrechnung auch die Anwendung einer Teilkostenrechnung einbeziehen. So werden unter dem Typ b die Unternehmen
zusammengefaßt, die eine Kombination der Istkostenrechnung mit der einstufigen oder der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung verwenden. Bei den Mittelunternehmen ist jedoch nur ein Unternehmen zu nennen, das eine
derartige Kombination verwendet. Im Unterschied zu den Mittelunternehmen findet
bei den Großunternehmen diese
Kombination größere Beachtung. Insgesamt
setzen zwölf Großunternehmen (15,79%) eine Kombination vom Typ b ein. Sowohl für die Großunternehmen als auch für die zuvor genannten Mittelunternehmen ergibt
sich die Möglichkeit, nicht nur auf die zumindest teilweise erforderlichen Vollkosten informationen, sondern zusätzlich über aussagefähige Informationen zur Fundierung
unternehmerischer Entscheidungen verfügen zu können. An dieser Stelle sind insbesondere Entscheidungen über Eigen- und Fremdfertigung, Preisuntergrenzen
sowie die Zusammensetzung des Verkaufsprogramms anzuführen. Hervorzuheben ist schließlich noch jenes Großunternehmen, das neben der
Istkostenrechnung die Grenzplankostenrechnung einsetzt und damit aus unserer
Sicht den idealtypischen Vorstellungen entspricht. Es ist aber auch darauf hin
zuweisen, daß ein Kostenrechnungssystem vom Typ a nur bei diesem Großunter nehmen (1,32%) Berücksichtigung findet und somit zumindest für die Großunter nehmen erheblicher Handlungsbedarf festgestellt werden kann. Abschließend wollen wir nochmals betonen, daß von unserem Standpunkt aus nur
eine Kombination eines Vollkostenrechnungssystems mit einem Teilkostenrech nungssystem sinnvoll erscheint, da ausschließlich auf diese Weise Informationen zur Fundierung dispositiver Entscheidungen bereitgestellt werden können.
Die bisher von uns festgestellten und kommentierten Ergebnisse im Hinblick auf den
Zusammenhang zwischen der Untemehmensgröße und dem Einsatz sowie der
Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme sollen im folgenden zusammenfassend gewürdigt werden. Hierbei können wir zunächst eine starke Korrelation zwischen der Unternehmens
größe und dem Einsatz der Kostenrechnung feststellen. So nimmt mit zunehmender
Untemehmensgröße der Einsatz der Kostenrechnung deutlich zu.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
301
Im Hinblick auf die Gestaltung der Kostenrechnung wird ersichtlich, daß bei allen drei Unternehmensgrößenklassen Defizite bestehen. Insbesondere die Klein- und Mittel
unternehmen verfügen nicht über die aus theoretischer Sicht erforderlichen Instru
mente, Methoden und Verfahren zur Durchführung einer wirksamen Kostenrech nung. Aber auch in der Klasse der Großunternehmen sind nur wenige Unternehmen vorhanden, die diesen idealtypischen Vorstellungen entsprechen. An dieser Stelle werden Divergenzen zwischen den theoretischen Konzeptionen und der in der unter nehmerischen Praxis der Türkei tatsächlich eingesetzten Kostenrechnung deutlich. Bezüglich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme konnte für alle Unternehmens
größenklassen eine Dominanz der Vollkostenrechnung festgestellt werden. Hier ist
vor allem die Istkostenrechnung zu nennen. Zu unserem Erstaunen finden die ver
schiedenen Ausprägungen der Plankostenrechnung hingegen nur sehr geringe Beachtung. Insbesondere bei den Klein- und Mittelunternehmen kommen die Teil
kostenrechnungssysteme kaum zur Anwendung. Selbst bei den Großunternehmen ist der Verbreitungsgrad der Teilkostenrechnungssysteme nur sehr gering. Hierbei ist
die einstufige Deckungsbeitragsrechnung das in der unternehmerischen Praxis am häufigsten eingesetzte Teilkostenrechnungssystem. Als wesentliche Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung führen die Unternehmen an, daß sie eine Teil
kostenrechnung für nicht notwendig erachten. Bei den Unternehmen, die grund sätzlich auf den Einsatz einer Kostenrechnung verzichten, ist die aus der monistischen Sichtweise hervorgehende Dominanz der Finanzbuchhaltung aus
schlaggebend. Weiterhin ist der nur geringe Einsatz der Kostenrechnung auf den Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal zurückzuführen.
Wir können hier zusammenfassend feststellen, daß mit zunehmender Unterneh
mensgröße auch die Komplexität der eingesetzten Kostenrechnung steigt. Aus unserer Sicht stellt die Untemehmensgröße daher eine entscheidende Determinante
dar, die nicht nur den Einsatz der Kostenrechnung, sondern vor allem auch die Ausgestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme beeinflußt.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
302
6.2.2 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungs systeme in Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit In diesem Abschnitt wollen wir den branchenspezifischen Einfluß auf die Kosten
rechnung und die Kostenrechnungssysteme türkischer Unternehmen untersuchen. Dabei soll zunächst einen Überblick über den Einsatz der Kostenrechnung in den
einzelnen Wirtschaftszweigen gegeben werden. In diesem Zusammenhang haben
wir die nach der Plausibilitätsanalyse verbliebenen Unternehmen zu den grund legenden Wirtschaftsbereichen Industrie und Dienstleistungen zusammengefaßt und
die Antworten auf dieser Ebene verdichtet.
Einsatz der Kostenrechnung
Ja
Nein
E
Industrieunternehmen
97
185
282
Dienstleistungsunternehmen
5
74
79
102
259
361
Branche
E
Tab. 19: Verbreitungsgrad der Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit
Wie Tabelle 19 zeigt, sind von den insgesamt 361 antwortenden Unternehmen 282 dem industriellen Sektor und 79 dem Dienstleistungssektor zuzuordnen. Auffallend an den dargestellten Ergebnissen ist, daß lediglich fünf (6,33%) Dienstleistungs
unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Im Gegensatz dazu verfügen immer
hin 97 (34,40%) der antwortenden Industrieunternehmen über ein derartiges Informationsinstrument.913 Es wird somit deutlich, daß im Rahmen unserer fort
Im Vergleich zu den türkischen Industrieunternehmen sind in der unternehmerischen Praxis in Deutschland hinsichtlich des Verbreitungsgrades der Kostenrechnung erhebliche Unterschiede festzustellen. Vgl. hierzu die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen, wie beispielsweise Marner [Rechnungswesen 1980], S.135, der einen Ver breitungsgrad der Kostenrechnung in Industrieunternehmen von 53,33% ermittelte. Demgegen über weisen Becker [Kostenrechnung 1984], S.82, einen Verbreitungsgrad der Kostenrechnung von 80,20% und Kind [Rechnungswesen 1986], S.29, eine Einsatzhäufigkeit von 90,40% in deutschen Industrieunternehmen nach. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Hauer
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
303
schreitenden Analyse für die weitere Informationsgewinnung über den Einsatz der
Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme der industrielle Sektor im Vorder grund steht.
Hier stellt sich jedoch die Frage, warum in der unternehmerischen Praxis der Türkei und insbesondere im Dienstleistungssektor kaum Kostenrechnung eingesetzt wird.
Zur Erläuterung dieser Problematik wollen wir Tabelle 20 näher betrachten.
Branche
Industrieunternehmen
Dienstieistirigsunternehmen
118
49
98
31
61
27
73
28
Verzichtsgriride Finanzbuchhaltirig als Informationsgindage
Kostenrechnung bringt mr geringen Nutzen
Ohne Kostenrechnung üterschaiijarer und
steuerbarer
Kein
qualifiziertes Personal
Tab. 20: Gründe für den Verzicht einer Kostenrechnung nach Branchenzugehörigkeit Tabelle 20 zeigt die zentralen Gründe für den Verzicht auf den Einsatz einer Kostenrechnung als Instrument zur Unternehmensführung. Die Gründe haben wir in Reihenfolge abnehmender Häufigkeiten angeordnet, wobei jedoch die Merkmals
ausprägungen der Antworten nicht mit der Anzahl der antwortenden Unternehmen identisch sind, da bei der Beantwortung der Frage Mehrfachnennungen möglich waren.
[Entscheidungsrechnung 1994], S.26, der in seiner Untersuchung einen Anteil von 96,98% fest stellt. Anhand dieser Ergebnisse können wir einen im Zeitablaufzunehmenden Verbreitungsgrad der Kostenrechnung in den deutschen Industrieunternehmen ermitteln. Vergleicht man diese Ent wicklung mit dem Verbreitungsgrad der Kostenrechnung in der industriellen Praxis der Türkei, so können wir festhalten, daß die türkischen Unternehmen hier einen enormen Aufholbedarf aufweisen.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
3M
Der Hauptgrund für einen Verzicht auf den Einsatz der Kostenrechnung liegt darin,
daß 167 (65,23%) der antwortenden Unternehmen die Finanzbuchhaltung als eine ausreichende Informationsgrundlage ansehen. Dabei vertreten sogar 118 (64,48%)
Industrieunternehmen
diese Ansicht,
während
es
bei
den
Dienstleistungs
unternehmen 49 (67,12%) sind. In diesem Zusammenhang ist kritisch anzumerken, daß die Instrumente der Finanzbuchhaltung als Informations- und Führungs
instrument in den meisten Fällen nur beschränkt verwendet werden können. Die hieraus gewonnenen Informationen enthalten oftmals nur globale und vergangen
heitsbezogene Größen. Folglich ist die Erfolgsermittlung durch den Jahresabschluß
als Ergebnis der Finanzbuchhaltung für dispositive Zwecke ungeeignet. Diese Form
der Informationsgewinnung scheint uns gerade in bezug auf die Industrieunterneh men problematisch zu sein, da sie einer zunehmend komplexen und dynamischen
Umwelt gegenüberstehen.914 Diese Entwicklung ist in der unternehmerischen Praxis insbesondere mit der Aufnahme der Türkei in die europäische Zollunion915 sowie der damit verbundenen erhöhten Wettbewerbsintensität zu begründen. Darüber hinaus
hat sich aufgrund der liberalistischen wirtschaftspolitischen Orientierung916 der Türkei
seit den achtziger Jahren auch die Wettbewerbsintensität auf den inländischen Märkten verstärkt. Somit ist u.a. eine zunehmende Privatisierung von öffentlichen Unternehmen zu verzeichnen.917
Diese Tendenz ist im wesentlichen in der Metallverarbeitenden Industrie918 und der
Vgl. hierzu ausführlich Kaluza [Erzeugniswechsel 1987], und Kaluza [Erzeugniswechsel 1989], S.9ff.
Vgl. die Ausführungen in der Problemstellung. Vgl. hierzu ausführlich die Problemstellung. Der Beginn der Privatisierungswelle kann auf das Jahr 1986 datiert werden. Diese Entwicklung findet ihre gesetzliche Verankerung in dem Privatisierungsgesetz, das am 23.11.1994 verab schiedet wurde. Diese Entwicklung vollzieht sich insbesondere in der Eisen- und Stahlindustrie. So hatte der Eisen- und Stahlkonzern „Iskendurun Demir ve Celikfabrikasi“ bis zum Jahr 1990 eine Monopol stellung in diesem Sektor. Im November 1990 erfolgte dann aus wirtschaftspolitischen Interessen die Privatisierung dieses Unternehmens bei gleichzeitiger Deregulierung des Marktes von Seiten der Regierung, womit die Neugründung zahlreicher weiterer Unternehmen verbunden war.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
305
Nahrungs- und Genußmittelindustrie919 sowie der Chemischen Industrie920 zu erkennen.
Die Dienstleistungsunternehmen befinden sich in einer ähnlichen Situation wie die Industrieunternehmen. Allerdings ist die allgemeine Betrachtungsweise der Unter
nehmer im Dienstleistungssektor nachvollziehbar, da der Dienstleistungssektor nicht so ausgeprägt und die Wettbewerbsintensität im Vergleich zum Industriesektor
wesentlich geringer ist.921
Aufgrund der vertretenen Ansichten erklärt sich auch, daß 129 (50,39%) Unter nehmen nur einen geringen zusätzlichen Nutzen durch die Einführung der Kosten
rechnung sehen. Diese Meinung wird von 98 Unternehmen (53,55%) im industriellen
Sektor vertreten, während sich 31 Dienstleistungsunternehmen (42,47%) keinen
Vorteil durch den Einsatz einer Kostenrechnung versprechen. Darüber hinaus begründen insgesamt 88 (34,38%) Unternehmen den Verzicht auf
eine Kostenrechnung damit, daß ihre Unternehmen auch ohne Kostenrechnung überschaubar und steuerbar sind. In diesem Zusammenhang können wir feststellen,
daß insgesamt nur ein kleiner Teil der antwortenden Unternehmen diese Ansicht
vertritt, während ein wesentlich größerer Anteil der Meinung ist, daß die Finanz
buchhaltung als Informationsgrundlage ausreiche und die Kostenrechnung hier keinen zusätzlichen Nutzen bringe. Die vermeindliche Diskrepanz wollen wir an dieser Stelle nicht näher diskutieren. Sie soll uns an dieser Stelle lediglich einen
zusätzlichen Hinweis darauf geben, daß eine derart geringe Anzahl an türkischen Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzt.
Als ein weiteres Beispiel für die allgemeine Deregulierungstendenz ist die Tabak- und Genuß mittelindustrie zu nennen. Bis Anfang der achtziger Jahre war Tekel der einzige Zigaretten- und Spirituosenhersteller in der Türkei, welcher sich mittlerweile vielen ausländischen Konkurrenten, wie z.B. Philip Morris San. A.S. gegenübersieht.
In dieser Branche sind vornehmlich Deregulierungen in den Bereichen der Pharmazeutischen Industrie und der Farbenindustrie zu verzeichnen. In der Pharmazeutischen Industrie z.B. hatte der türkische Chemiekonzern Eczacibasi eine Monopolstellung bei der Produktion von pharma zeutischen Erzeugnissen, die Anfang der achtziger Jahre seitens der Regierung aufgehoben wurde.
Vgl. zu den verschiedenen Ausprägungen des Dienstleistungssektors ausführlich Abschnitt 5.2.2.2.
306_______________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Ein weiterer Grund für den Verzicht auf den Einsatz einer Kostenrechnung besteht in dem Mangel an qualifiziertem Fachpersonal. Diesbezüglich geben 101 (39,45%) Unternehmen an, daß zu wenig qualifiziertes Personal für den Einsatz einer Kosten
rechnung vorhanden sei und die mit einer Weiterbildung oder Personalbeschaffung
verbundenen Kosten den Nutzen des Einsatzes einer Kostenrechnung über kompensierten. In diesem Zusammenhang wollen wir darauf hinweisen, daß den Unternehmern in der Türkei neben den bereits angesprochenen Defiziten in der
Kostenrechnung oftmals auch das betriebswirtschaftliche Grundwissen fehlt.922
Diese Situation wird von uns als sehr bedenklich angesehen, da die Existenz der
türkischen Unternehmen, insbesondere der Industrieunternehmen, im Zuge der fort schreitenden Deregulierung und Privatisierung sowie der damit einhergehenden Zunahme des Wettbewerbs nur mittels betriebswirtschaftlicher Grundsätze gesichert
werden kann. Ferner halten 55 der antwortenden Unternehmen eine Kostenrechnung für gänzlich
überflüssig. Diese Ansicht wird vornehmlich von Dienstleistungsunternehmen geäußert. Dabei vertreten 29 Unternehmen diesen Standpunkt, was einem Anteil
von 39,73% entspricht. Die absolute Anzahl der Industrieunternehmen, die diese Meinung teilen, ist mit 26 Nennungen ähnlich hoch wie im Dienstleistungssektor, allerdings entspricht dies nur einem Anteil von 14,20%. Vor diesem Hintergrund wird
es für uns verständlich, daß zur Zeit nur 19 Industrie- und sogar nur zwei Dienst leistungsunternehmen die Einführung einer Kostenrechnung in Erwägung ziehen.
In einem weiteren Schritt wollen wir eine Typisierung der eingesetzten Kostenrech nung vornehmen. Dabei soll die Typisierung sowohl in Abhängigkeit von der Branche als auch anhand der zugehörigen Wirtschaftszweige erfolgen.
922
Diese Bedenken wurden gegenüber dem Verfasser in zahlreichen Einzelgesprächen mit namhaften Vertretern der unternehmerischen Praxis und verschiedenen Professoren wirtschafts wissenschaftlicher Fakultäten türkischer Universitäten geäußert.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
307
Kombinationstyp
B
C
X
1
1
3
Chemie
4
13
Papier und Druck
1
1
A Wirtschaftszweig
Energiewirtschaft
3
18
Maschinen
1
3
Fahrzeugbau
1
7
Metall
2
2
1
Elektrotechnik
1
Optik
5
2
Textil u. Bekleidung
4
Nahrungs- und Genußmittel
8
5
3
Steine u. Erden
6
Baugewerbe
4
1
Tourismus
Tab. 21: Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der
Branche Die Klassifizierung in Tabelle 21 erfolgt auf der Grundlage der im vorherigen Kapitel
von uns vorgenommenen Typenklassenbildung.923 In diesem Zusammenhang wollen wir festhalten, daß in Tabelle 21 allein die Tourismusbranche aus dem Dienst leistungssektor dargestellt ist, da die allgemeinen Dienstleistungsunternehmen keine
Kostenrechnung einsetzen und somit für unsere weitere Analyse unerheblich sind.
Im Gegensatz dazu werden von uns sämtliche industriellen Wirtschaftszweige bei der Typenklassenzuordnung berücksichtigt, weil in den einzelnen
Industrie
bereichen die Kostenrechnung als zentrales Informationsinstrument verwendet wird.
Folglich liegt das Augenmerk unserer Klassifizierung auf den Industrieunternehmen,
von denen jedoch nur drei Unternehmen dem Typ A zuzuordnen sind. Diese fort schrittliche Gestaltung der Kostenrechnung wird von einem Unternehmen aus der Elektrotechnischen
923
Industrie
und
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.1.6.
von
zwei
Unternehmen
aus
der
Metall-
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
verarbeitenden Industrie eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Wirtschaftszweige
mit einer hohen nationalen Wettbewerbsintensität. Diesbezüglich liegt die Vermutung nahe, daß sich die Unternehmen mit einer idealtypisch ausgestalteten Kostenrech nung als Instrument zur Unternehmensführung einen entscheidenden Wettbewerbs vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen wollen. Eine solche Ausgestaltung der Kostenrechnung ermöglicht es den Unternehmen aus theoretischer Sicht, die Auf
gaben der Kostenrechnung in idealtypischer Weise zu erfüllen.924 Somit bildet die Kostenrechnung vom Typ A eine solide Grundlage für Verfahrenswahlentschei dungen im Fertigungsbereich und/oder Verkaufsentscheidungen im Absatzbereich.
Ferner besteht die Möglichkeit, auf der Grundlage der durch die Kostenrechnung
bereitgestellten Informationen eine Erfolgsplanung sowie eine periodenbezogene Erfolgskontrolle im Rahmen der kurzfristigen Erfolgsrechnung durchzuführen. Neben diesen drei Unternehmen setzen weitere zwölf Unternehmen eine Kosten
rechnung vom Typ B ein, wobei ein Unternehmen der Tourismusbranche und damit
dem Dienstleistungssektor angehört. Auffallend ist, daß weitere drei Unternehmen
der Metallverarbeitenden Industrie eine Kostenrechnung vom Typ B einsetzen.
Darüber hinaus verfügen drei Unternehmen aus dem Industriezweig Steine und Erden sowie zwei Unternehmen aus der Textil- und Bekleidungsindustrie über eine Kostenrechnung vom Typ B. Analog zu der Metallverarbeitenden Industrie unterliegt auch die Branche Steine und Erden einer hohen nationalen Wettbewerbsintensität.
Im Gegensatz dazu ist die Textil- und Bekleidungsindustrie primär exportorientiert. Für die Unternehmen der Textil- und Bekleidungsindustrie ist eine fortschrittliche Kostenrechnung eine zwingende Voraussetzung, um international konkurrenzfähig
zu bleiben, während es bei den Unternehmen aus dem Bereich Steine und Erden im wesentlichen um die Sicherung ihrer nationalen Wettbewerbsposition geht. Die Verteilung der weiteren Merkmalsausprägungen vom Typ B auf die übrigen Wirtschaftszweige können Tabelle 21 entnommen und sollen an dieser Stelle nicht
weiter vertieft werden. Dem Kostenrechnungstyp C sind zehn weitere Unternehmen zuzuordnen, wobei
diese lediglich dem industriellen Sektor angehören. Wie Tabelle 21 zeigt, setzen von
924
Vgl. zu den Zwecken der Kostenrechnung ausführlich Abschnitt 2.1.3.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
309
den insgesamt zehn Unternehmen vier Unternehmen der Chemischen Industrie
sowie vier Unternehmen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie eine Kosten
rechnung vom Typ C ein. Insbesondere die Tatsache, daß gerade einmal vier von 17 Unternehmen der Chemischen Industrie ausschließlich über eine Kostenrechnung
vom Typ C verfügen, ist für uns in Anbetracht der zunehmenden Attraktivität der
Türkei für ausländische Unternehmen und der stetig steigenden Anzahl an Joint Ventures überraschend.925 Darüber hinaus erscheint uns das Ergebnis vor dem Hintergrund der international ausgerichteten Geschäftspolitik der türkischen Chemie
unternehmen umso verwunderlicher und bedarf an dieser Stelle besonderer Erwähnung. Nach unserer Meinung kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit der
türkischen Chemieunternehmen allerdings nur dann langfristig gesichert werden,
wenn Informationen über den aktuellen und zukünftigen Erfolg der betrieblichen Leistungserstellung verfügbar sind. Dieses bedingt eine aussagefähigere Kosten rechnung als sie derzeit in den türkischen Chemieunternehmen eingesetzt wird.
Insgesamt erfüllen 76 Unternehmen weder die Kriterien der Kostenrechnungstypen A und B noch die Kriterien des Kostenrechnungstyps C und sind daher dem Typ X
zuzuordnen. Diese 76 Unternehmen setzen eine Kostenrechnung ein, die aus theoretischer Sicht mangelhaft ist und keine der Aufgaben der Kostenrechnung auch nur annähernd erfüllt. Somit können wir festhalten, daß nur 97 von 282 Industrie
unternehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Von diesen 97 Unternehmen verfügen lediglich 24 Unternehmen über eine gut ausgestaltete Kostenrechnung und mithin über ein fortschrittliches Informations- und Kontrollinstrument. Dies ist für uns ein Beleg für die mangelnde internationale Konkurrenzfähigkeit türkischer Industrie
unternehmen und die Folge der überwiegend nationalen Ausrichtung ihrer Unter nehmenspolitik. Nachdenklich stimmt uns außerdem die Situation im Dienstleistungssektor, in dem
nur ein einziges von insgesamt 79 antwortenden Unternehmen über eine Kosten rechnung verfügt, die mit Abstrichen als fortschrittlich zu bezeichnen ist. Dies kann
Im Zuge der liberalistischen Wirtschaftspolitik der Türkei sowie durch die Aufnahme der Türkei in die europäische Zollunion haben viele internationale und insbesondere deutsche Chemie unternehmen Produktionsstätten in der Türkei errichtet. Als Beispiele in diesem Zusammenhang gelten Bayer Türk AS, Hoechst AS, Türk Henkel AS sowie BASF AS.
310_______________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
u.a. damit begründet werden, daß der Dienstleistungssektor in der Türkei bei weitem
noch nicht so ausgeprägt ist wie in anderen europäischen Ländern und lediglich 23,3% des Bruttoinlandsprodukts beträgt.926 Dementsprechend ist die Wettbewerbs
intensität sowie der Kostendruck in dieser Branche wesentlich geringer als dies im industriellen Sektor der Fall ist. Als Sonderfall ist in diesem Zusammenhang wiederum die Tourismusbranche zu betrachten. Sie ist die einzige Branche des
Dienstleistungssektors, die über Unternehmen verfügt, welche die Vorteile einer Kostenrechnung erkannt haben. Dieser erhöhte Informationsbedarf im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbereichen ist auf die zunehmende Attraktivität der Türkei als
Urlaubsland zurückzuführen. Dadurch bedingt ist es seit Anfang der neunziger Jahre zu einer stetig zunehmenden Anzahl an Neugründungen von Tourismusunter
nehmen gekommen. In einem weiteren Schritt wollen wir uns der Frage widmen, welche Kosten rechnungssysteme im Dienstleistungssektor und im industriellen Sektor eingesetzt werden. Wie wir aus Abbildung 50 entnehmen können, liegt eine Dominanz der
traditionellen Vollkostenrechnungssysteme im Dienstleistungssektor vor.
Abb. 50: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Dienstleistungsunternehmen
926
Vgl. hierzu ausführlich Institute of Statistic [Analysis 1994], S.42.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Danach führen vier Unternehmen eine Istkostenrechnung durch, während zwei Unternehmen eine starre Normalkostenrechnung und ein Unternehmen eine flexible
Normalkostenrechnung einsetzen. Des weiteren stellen wir zu unserem Erstaunen
fest,
daß
insgesamt fünf Unternehmen
auf ein
Teilkostenrechnungssystem
verzichten. Diese Anzahl von Dienstleistungsunternehmen entspricht gleichzeitig
sämtlichen Unternehmen der Tourismusbranche und folglich des Dienstleistungs sektors, die überhaupt eine Kostenrechnung einsetzen.927 Somit haben wir es bei den vorliegenden Kostenrechnungssystemen nicht nur mit einfachen Formen von Kostenrechnungssystemen zu tun, sondern auch mit Kombinationstypen. In diesem
Zusammenhang interessieren uns vor allem die Verzichtsgründe für den Einsatz von Teilkostenrechnungssystemen, die wir jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt eingehend diskutieren wollen.
Weiterhin ist im Rahmen unserer Untersuchung die Ausgestaltung von Kosten
rechnungssystemen im industriellen Sektor von grundlegendem Interesse.
Abb. 51: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Industrieunternehmen
Vgl. zu der Anzahl der Dienstleistungsunternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, auch Tabelle 19.
312_______________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Dabei veranschaulicht Abbildung 51 die Ausgestaltung der eingesetzten Kosten
rechnungssysteme in türkischen Industrieunternehmen.928 Hieraus ist ersichtlich, daß ähnlich wie im Dienstleistungssektor auch im industriellen Sektor der Türkei vermehrt
die traditionellen Vollkostenrechnungssysteme eingesetzt werden. In diesem Zu sammenhang verwenden 95 Industrieunternehmen eine Istkostenrechnung, während acht Unternehmen eine starre Normalkostenrechnung und zwei Unternehmen eine flexible
Normalkostenrechnung
einsetzen.
Zudem
verfügen
zwei
Industrie
unternehmen über eine starre Plankostenrechnung und drei weitere Unternehmen
führen eine flexible Plankostenrechnung zu Vollkosten durch. Neben den verwen
deten traditionellen Vollkostenrechnungssystemen setzen insgesamt 14 Industrie unternehmen Teilkostenrechnungssysteme ein. Abbildung 51 verdeutlicht, daß die einstufige Deckungsbeitragsrechnung am weitesten verbreitet ist und von insgesamt
zwölf Unternehmen eingesetzt wird, während nur ein Unternehmen eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung und ein weiteres Industrieunternehmen eine Grenzplan
kostenrechnung einsetzen. Aufgrund unserer vorherigen Untersuchungsergebnisse verwundert uns die geringe Anzahl eingesetzter Teilkostenrechnungssysteme nicht, denn sie stellt die logische Konsequenz aus der oben vorgenommenen Typenklassenzuordnung dar. Die
Gründe für den Einsatz einer fortschrittlichen Kostenrechnung als Informations- und
Kontrollinstrument zur Unternehmensführung haben wir oben hinreichend diskutiert; sie sollen deshalb an dieser Stelle nicht noch einmal aufgegriffen werden. Vielmehr interessieren uns in diesem Zusammenhang die Gründe für den Verzicht auf
Im Vergleich zu unseren Untersuchungsergebnissen weisen die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnungssysteme in Industrieunternehmen erhebliche Unterschiede auf. So zeigt sich in einer empirischen Studie von Küpper, daß von 137 Industrieunternehmen 71 Unternehmen (52,6%) eine Istkostenrechnung, 23 Unternehmen (17%) eine Normalkostenrechnung, 34 Unternehmen (25%) eine Prognosekostenrechnung, 10 Unternehmen (7%) ein einstufiges Direct Costing, 13 Unternehmen (10%) eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung und 54 Unternehmen (40%) eine Grenzplankostenrechnung einsetzen. Vgl. hierzu Küpper [Kosteninformationen 1983], S.171. Nach einer Untersuchung von Schehl kommt bei 30,7% der Unternehmen eine Istkostenrechnung, bei 27,1% eine Normalkostenrechnung, bei 11,5% eine starre Plankostenrechnung, bei 11,5% eine flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis, bei 19,2% eine Grenzplankostenrechnung und bei 15,4% eine stufenweise Fixkostendeckungs rechnung zum Einsatz. Vgl. hierzu ausführlich Schehl [Industrieunternehmen 1994], S.258. Anhand dieser Ergebnisse können wir feststellen, daß im Gegensatz zu türkischen Industrie unternehmen in deutschen Industrieunternehmen neben der traditionellen Vollkostenrechnung auch Teilkostenrechnungssysteme sehr verbreitet sind.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
313
Teilkostenrechnungssysteme. Dazu wollen wir Tabelle 22 näher betrachten, in der
die Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme in den Branchen Industrie und Dienstleistung dargestellt sind.
Industrie unternehmen
Dienstleistungs unternehmen
nicht notwendig
56
1
unbekannt
12
zu kompliziert
15
2
zu aufwendig
3
1
keine gesetzliche Notwendigkeit
39
2
Branche Verzichtsgründe
Tab. 22: Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Branche
Diesbezüglich sei erwähnt, daß die befragten Unternehmen mehrere Verzichts gründe angeben konnten, so daß die Anzahl der Merkmalsausprägungen in Tabelle 22 nicht mit der Anzahl der Unternehmen übereinstimmt, die zwar eine Kosten rechnung einsetzen, aber nicht über eine Teilkostenrechnung verfügen.
Wie Tabelle 22 zeigt, sehen 56 Industrieunternnehmen keine Notwendigkeit darin, eine Teilkostenrechnung durchzuführen. Des weiteren verweisen 39 Unternehmen
aus dem industriellen Sektor darauf, daß eine Teilkostenrechnung gesetzlich nicht vorgeschrieben sei und somit auch der Grund für einen Einsatz fehle. Darüber
hinaus halten 15 Unternehmen eine Kostenrechnung auf Teilkostenbasis für zu kompliziert, während weiteren 12 Unternehmen die Funktionsweise einer Teilkosten
rechnung unbekannt ist. Ferner vertreten drei Unternehmen die Meinung, daß die Durchführung einer Teilkostenrechnung zu aufwendig sei und in keinem Verhältnis zum Nutzen stehe.
Im Gegensatz zu den Industrieunternehmen werden im Dienstleistungsbereich die wesentlichen Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung in den fehlenden gesetzlichen Vorschriften sowie in der Komplexität gesehen. Somit stufen die Unter
nehmen die Implementierung der Teilkostenrechnung als zu kompliziert und zu auf
314
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
wendig ein, wobei sogar ein Unternehmen die Ansicht vertritt, daß ein Teilkosten
rechnungssystem nicht notwendig sei.
Unter Berücksichtigung von Tabelle 22 wollen wir an dieser Stelle festhalten, daß die Vorteile, welche die Teilkostenrechnung mit sich bringt, weder im industriellen Sektor noch im Dienstleistungssektor richtig erkannt werden. Dabei stellt sich für uns die Frage, wie türkische Industrieunternehmen sowohl national als auch international wettbewerbsfähig bleiben wollen, wenn sie nicht in der Lage sind, fundiert und
zielorientiert zu
planen
bzw.
in
bestimmten
Situationen
problemorientierte
Entscheidungen zu treffen. Nach unserer Meinung ist ein alleiniger Einsatz von tradi tionellen Vollkostenrechnungssystemen, insbesondere der reinen Istkostenrechnung und/oder Normalkostenrechnung, für dispositive Zwecke ungeeignet, da sie keine
entscheidungsrelevanten Informationen für die Unternehmensleitung liefern. Dieses Informationsdefizit erscheint uns vor dem Hintergrund der derzeitigen Wettbewerbs situation und der allgemeinen Wirtschaftslage in der Türkei umso problematischer. Die türkischen Industrieunternehmen sehen sich im allgemeinen einer hohen
Wettbewerbsintensität gegenüber, welche durch eine zunehmende Komplexität und
Dynamik der Umwelt noch verstärkt wird. So haben beispielsweise Bedürfnis
verlagerungen im Rahmen des gesellschaftlichen Wertewandels und die daraus resultierenden Nachfrageverschiebungen bzw. Beschaffungsmarktveränderungen
sowie Produkt- und Verfahrensinnovationen eine unterschiedlich starke Veränderung
der Branchenstruktur zur Folge. Somit bedarf es eines umfangreichen und gut ausgestalteten Führungsinstrumentariums, um frühzeitig mögliche Chancen nutzen und drohende Risiken abwenden zu können. Ferner spielen auch volkswirtschaftliche Aspekte eine bedeutende Rolle. Konjunktur
zyklen und insbesondere Phasen der wirtschaftlichen Stagnation und Rezession stellen ebenfalls hohe Anforderungen an das Führungsinstrumentarium von Industrieunternehmen. Gerade negative Konjunktureinflüsse, wie sie derzeit in der
Türkei vorherrschen, haben einen verschärften Wettbewerb zur Folge, von dem wiederum vornehmlich Unternehmen des industriellen Sektors betroffen sind. Dabei
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
315
sind beispielsweise neben der Schrumpfung der traditionellen Absatzmärkte gleichzeitig Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten zu verzeichnen. Auf
grund der primär nationalen Ausrichtung der Geschäftspolitik türkischer Industrie
unternehmen und der erhöhten inländischen Wettbewerbsintensität durch auslän dische Anbieter besteht für die türkischen Industrieunternehmen nur im Einzelfall die
Möglichkeit, auf ausländische Märkte auszuweichen, d.h. sowohl auf ausländischen Beschaffungsmärkten als auch auf ausländischen Absatzmärkten aktiv zu werden.
Stehen zudem keine entscheidungsrelevanten Informationen, wie z.B. produktbe
zogene Teilkosten, zur Verfügung, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß sich die Unternehmen im Rahmen des aggressiven Preiskampfes aus dem Markt kalkulieren.
Demzufolge ist eine fortschrittliche Kostenrechnung als elementarer Bestandteil des
Führungsinstrumentariums von Industrieunternehmen unabdingbar. Sie muß so aussagekräftig ausgestaltet sein, daß sie zu jeder Zeit entscheidungsrelevante Informationen zur Unterstützung der Unternehmensleitung liefert. Dies kann jedoch nur mit Hilfe einer Teilkostenrechnung erreicht werden.
Ebenso nachdenklich wie die Situation im industriellen Sektor stimmt uns der Istzustand der Kostenrechnung im Dienstleistungsbereich. Die Tatsache, daß kein
einziges Dienstleistungsunternehmen eine Teilkostenrechnung einsetzt, ist aufgrund der geringen nationalen Wettbewerbsintensität und Umweltdynamik nachzuvoll ziehen. Allerdings bedarf es auch in diesem Wirtschaftszweig des Einsatzes von Teilkostenrechnungssystemen, um langfristig die unternehmerische Existenz zu sichern und Wettbewerbsvorteile zu erlangen.
Abschließend wollen wir uns mit den Kombinationstypen eingesetzter Kosten
rechnungssysteme gegliedert nach den einzelnen Wirtschaftszweigen beschäftigen.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
316
Kombinationstyp
a
b
C
d
Wirtschaftszweig
5
Energiewirtschaft Chemie
3
14
Papier und Druck
1
1
Metall
1
2
2
18
4
Maschinen
Fahrzeugbau
1
7
Elektrotechnik
1
2
1
Optik
Textil u. Bekleidung
1
6
Nahrungs- und Genußmittel
4
8
Steine u. Erden
1
7
Baugewerbe
1
5
5
Tourismus
Tab. 23: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die
Branche
Wie Tabelle 23 zeigt, dominieren sowohl im türkischen Industriesektor als auch im türkischen Dienstleistungssektor die auf Vollkostenrechnungssystemen basierenden
Kombinationstypen (Typ c und d). Um uns ein besseres Bild über den derzeitigen Istzustand der Kostenrechnungssysteme in der unternehmerischen Praxis der Türkei
machen zu können, wollen wir zunächst die implementierten Kombinationstypen
angewandter Vollkostenrechnungssysteme näher betrachten. Dabei stellen wir fest, daß der weitaus größte Teil der türkischen Unternehmen eine Kombination aus Istkostenrechnung und/oder starrer oder flexibler Normalkostenrechnung einsetzt (Typ d). Von den 82 Unternehmen, die diesem Kombinationstyp zuzuordnen sind,
gehören 77 Unternehmen dem industriellen Sektor und fünf Unternehmen dem
Dienstleistungssektor an. In diesem Zusammenhang können wir festhalten, daß im industriellen Sektorallein 18 Unternehmen der Metallverarbeitenden Industrie und 14 Unternehmen der Chemischen Industrie eine Kostenrechnung vom Typ d einsetzen.
Dieses Ergebnis geht mit unserer Erkenntnis einher, daß diese Branchen einem hohen Wettbewerbsdruck unterliegen und somit einen höheren Informationsbedarf
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
317
haben als andere Wirtschaftszweige. Allerdings wollen wir an dieser Stelle kritisch
anmerken, daß unserer Meinung nach der Einsatz der Istkostenrechnung bzw. die kombinierte Anwendung von Istkostenrechnung mit einer Ausprägungsform der
Normalkostenrechnung als alleiniges Informationsinstrument nicht ausreicht, um die im Zuge der Existenzsicherung steigenden Informationsbedürfnisse der Unterneh
men zu decken. Für die Dienstleistungsunternehmen zeichnet sich ein noch deut licheres Bild ab. So setzen sämtliche der hier aufgeführten Dienstleistungsunter nehmen eine Kostenrechnung vom Typ d ein. Diese Unternehmen sind ausschließ
lich in der Tourismusbranche tätig. Grundsätzlich können wir davon ausgehen, daß ein auf Istkosten bzw. auf Normalkosten basierendes Kostenrechnungssystem in
diesem Bereich geeignet ist, hinreichende Informationen bereitzustellen. Da aber in
der Tourismusbranche ein wachsender Konkurrenzdruck festzustellen ist, ist es erforderlich, auch in dieser Branche Überlegungen hinsichtlich der zukünftigen
Angemessenheit dieses Kostenrechnungstyps anzustellen. In einem weiteren Schritt wollen wir uns den Unternehmen widmen, die neben der Istkostenrechnung eine Form der Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis einsetzen
(Typ c). Diesem Kombinationstyp sind insgesamt fünf Unternehmen zuzuordnen, welche den Branchen Metallverarbeitung, Fahrzeugbau, Elektrotechnik und Optik angehören. An dieser Stelle ist positiv hervorzuheben, daß es diesen Unternehmen
aufgrund der von ihnen eingesetzten Plankostenrechnung möglich ist, einen wirksamen Soll-Ist-Vergleich durchzuführen. Kritisch ist jedoch entgegenzuhalten,
daß insbesondere in diesen Branchen mit einem hohen Anteil fremdgefertigter
Produktteile gearbeitet wird. Um aber die Vorteilhaftigkeit einer Fremdvergabe gegenüber der Möglichkeit einer Eigenfertigung besser einstufen zu können, bedarf es Teilkosteninformationen, die dieser Kombinationstyp jedoch nicht bereitzustellen
vermag. Des weiteren wollen wir die Unternehmen betrachten, die neben den Vollkosten rechnungssystemen gleichzeitig auch eine Teilkostenrechnung einsetzen.
Diese Unternehmen, die zum einen dem Kombinationstyp a als auch dem Kombina
tionstyp b zugeordnet werden, sind als fortschrittlich einzustufen, da es der Einsatz dieser Kombinationstypen ermöglicht, die modernen Aufgaben der Kostenrechnung zu erfüllen. Anhand der Tabelle 23 können wir erkennen, daß 13 Unternehmen eine
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
318
einstufige oder mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung in Verbindung mit der Ist
kostenrechnung einsetzen, wobei drei Unternehmen der Chemischen Industrie, vier Unternehmen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie und zwei Unternehmen der
Metallverarbeitenden Industrie angehören.929 Weiterhin ist ein Unternehmen zu erwähnen, das eine Grenzplankostenrechnung in Kombinaten mit einer Istkostenrechnung durchführt (Typ a). Dieses Unternehmen
gehört der Metallverarbeitenden Industrie an. An dieser Stelle wollen wir darauf hinweisen, daß die für türkische Verhältnisse als fortschrittlich einzustufenden Teil
kostenrechnungssysteme vornehmlich in der Chemischen Industrie, der Metall verarbeitenden Industrie und der Nahrungs- und Genußmittelindustrie eingesetzt
werden. Demgegenüber stellen wir zu unserem Erstaunen fest, daß die Unterneh
men des Maschinen- und Anlagenbaus, des Fahrzeugbaus und der Elektrotechnik nur über Kombinationen von Vollkostenrechnungssystemen verfügen. Ferner ist
kritisch anzumerken, daß, absolut betrachtet, in den einzelnen Industriezweigen vorwiegend Vollkostenrechnungssysteme zum Einsatz kommen. Darüber hinaus
wird den einzelnen Ausprägungen der Plankostenrechnung bei den Industrieunter nehmen zu wenig Bedeutung beigemessen. Des weiteren werden in der Tourismus branche, stellvertretend für die Dienstleistungsbranche, ausschließlich Vollkosten
rechnungssysteme eingesetzt. Abschließend wollen wir im Rahmen der Analyse der Branche als Einflußgröße auf
den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrechnungssysteme die bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammenfassen. Dabei können wir im Hinblick auf den Einsatz der Kostenrechnung eine starke
Abhängigkeit von der Branchenzugehörigkeit feststellen. So ist die Einsatzhäufigkeit
Von diesen 13 Unternehmen führt ein Unternehmen aus der Nahrungs- und Genußmittelindustrie eine mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung in Kombination mit einer Istkostenrechnung durch. Dieses Unternehmen ist aus unserer Sicht als sehr fortschrittlich einzustufen, da es mittels der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung den Informationsgehalt seiner kurzfristigen Erfolgs rechnung erhöht. Durch den Einsatz der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung ist dieses Unternehmen in der Lage, eine verursachungsgemäße Zuordnung von Fixkostenbeträgen bis hin zu den einzelnen Erzeugnisarten vorzunehmen. Demzufolge bietet sich für das Unternehmen die Möglichkeit, durch eine stufenweise Fixkostendeckungsrechnung zu prüfen, bis zu welcher Produktionstiefe bei den betrieblichen Erzeugnissen Restdeckungsbeiträge vorliegen, um auf Basis dieser Informationen Produktionsprogrammentscheidungen zu treffen.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
319
der Kostenrechnung bei den Industrieunternehmen wesentlich höher als bei den
Dienstleistungsunternehmen. Unabhängig von der Branchenzugehörigkeit bestehen
die wesentlichen Verzichtsgründe für einen Einsatz der Kostenrechnung in der Dominanz der Finanzbuchhaltung und dem Mangel an qualifiziertem Fachpersonal.
Angesichts der Gestaltung der Kostenrechnung können wir in allen Branchen erheb liche Defizite erkennen. Hervorzuheben ist, daß nur wenige Industrieunternehmen
die theoretischen Anforderungen an eine idealtypische Kostenrechnung erfüllen. In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß die im betriebswirtschaftlichen Schrifttum geforderten Kriterien an eine fortschrittliche Kostenrechnung in der unternehme rischen Praxis der Türkei nicht umgesetzt werden.
Bezüglich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme ist in den einzelnen Branchen eine Dominanz der Vollkostenrechnungssysteme zu verzeichnen. Dabei steht die
Istkostenrechnung sowohl im Industrie- als auch im Dienstleistungssektor im Vor
dergrund. Entgegen unserer Erwartung können wir feststellen, daß die Normal kostenrechnung in der unternehmerischen Praxis der Türkei auch heute noch mehr Beachtung findet als die Plankostenrechnung. Zudem ist kritisch anzumerken, daß
die einzelnen Ausprägungen der Plankostenrechnung ausschließlich bei Industrie unternehmen zum Einsatz kommen.
Im Unterschied zu den Vollkostenrechnungssystemen sind die Teilkostenrechnungs systeme in den verschiedenen türkischen Wirtschaftszweigen kaum verbreitet. Von den vorliegenden Teilkostenrechnungssystemen wird die einstufige Deckungs
beitragsrechnung am häufigsten eingesetzt. Ebenso wie die Plankostenrechnung
wird auch die einstufige Deckungsbeitragsrechnung lediglich in Industrieunter nehmen durchgeführt. Demgegenüber werden in der unternehmerischen Praxis der
Türkei über alle Branchen hinweg, und vor allem in den Industriezweigen, die Vorteile der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung und Grenzplankostenrechnung nicht richtig eingeschätzt, so daß diese beiden fortschrittlichen Kostenrechnungs
systeme in türkischen Unternehmen praktisch kaum Anwendung finden. Die zentralen Verzichtsgründe für den Einsatz von Teilkostenrechnungssystemen sind einerseits die fehlenden gesetzlichen Vorschriften, andererseits sehen die meisten Unternehmen eine Teilkostenrechnung für die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben als
nicht notwendig an.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
320
Zusammenfassend können wir festhalten, daß durch die Branchenzugehörigkeit der
Unternehmen der Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und Kostenrech
nungssysteme determiniert wird. Unserer Auffassung nach stellt die Branchen zugehörigkeit somit eine grundlegende Einflußgröße dar. 6.2.3 Einsatz und Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungs systeme in Abhängigkeit von der Unternehmensform
Wir wollen nun die Auswirkungen der Unternehmensform auf die Kostenrechnung und die Kostenrechnungssysteme untersuchen. Hierbei ist es zweckmäßig, sowohl
die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen als auch die Rechtsform der Unter nehmen zu berücksichtigen. Bei den Eigentumsverhältnissen werden öffentliche türkische Unternehmen, rein privatwirtschaftlich geführte türkische Unternehmen und
Joint Ventures unterschieden. Diese werden im Hinblick auf den Einsatz der Kosten
rechnung und der Kostenrechnungssysteme untersucht. Bei der Rechtsform steht
die Differenzierung zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft im Vordergrund unserer Untersuchung.930 In einem ersten Schritt ist der Einfluß der Eigentumsverhältnisse auf den Einsatz der
Kostenrechnung beschriebene
zu
analysieren.
Differenzierung
der
Hierbei
nehmen
Unternehmen
wir
vor.
bewußt
Dadurch
die
bereits
werden
die
strukturellen Besonderheiten hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an türkischen Unternehmen entsprechend gewürdigt.
Insbesondere wird speziell auch die
herausragende Bedeutung von Joint Ventures und öffentlichen Unternehmen in der Türkei beachtet. Damit soll gezeigt werden, daß die Eigentumsverhältnisse eine
bedeutende Einflußgröße für die Kostenrechnung und die Kostenrechnungssysteme darstellen.
Den Zusammenhang zwischen den Eigentumsverhältnissen und dem Einsatz der
Kostenrechnung stellt Tabelle 24 dar.
930
Auf eine weitere Differenzierung, z.B. in verschiedene Formen von Personen- und Kapital gesellschaften, wollen wir an dieser Stelle verzichten, da diese aus unserer Sicht für die Analyse des Einflusses der Rechtsform auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme nicht relevant ist. Vgl. ausführlich zu der von uns vorgenommenen Einteilung mit den entsprechenden Häufigkeitsverteilungen Abschnitt 5.3.1.2.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
321
Einsatz der Kostenrechnung
Ja
Nein
z
Private Unternehmen
78
255
333
Joint Ventures
19
1
20
Öffentliche Unternehmen
6
2
8
s
103
258
361
Eigentumsverhältnisse
Tab. 24: Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentums
verhältnissen Bei den Eigentumsverhältnissen ist festzustellen, daß die meisten antwortenden
türkischen Unternehmen als Privatunternehmen geführt werden. So sind von den
nach den Plausibilitätsregeln931 übrig gebliebenen 361 Unternehmen insgesamt 333
private Unternehmen. Dabei setzen jedoch nur 78 private Unternehmen (23,42%) eine Kostenrechnung ein, während 255 Unternehmen (76,58%) auf ihren Einsatz verzichten. Für die Joint Venture-Unternehmen ergibt sich jedoch ein völlig anderes Bild. Zwar
sind diese Unternehmen anzahlmäßig nicht sehr stark vertreten, allerdings stellen wir hinsichtlich des Einsatzes der Kostenrechnung fest, daß mit 19 von 20 Unternehmen
(95%) fast alle eine Kostenrechnung einsetzen. Lediglich ein Unternehmen (5%)
führt keine Kostenrechnung durch. Bei den Joint Venture-Unternehmen handelt es sich in der überwiegenden Zahl der Fälle auch um private Unternehmen,932 jedoch
nehmen diese Unternehmen im Rahmen unserer empirischen Analyse eine
Vgl. hierzu Abschnitt 5.2.2.3. An dieser Stelle wollen wir aber darauf hinweisen, daß in der unternehmerischen Praxis der Türkei durchaus auch Konstellationen von Joint Venture-Unternehmen existieren, an denen wiederum der Staat beteiligt ist Als Beispiel ist hier die Fluggesellschaft Sun Express zu nennen,
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
322
besondere Stellung ein. Dies ist darauf zurückzuführen, daß an der Gründung und Führung von Joint Venture-Unternehmen in den meisten Fällen mindestens eine multinationale Unternehmung beteiligt ist. Wir haben deshalb vermutet, daß insbesondere die an den Joint Ventures beteiligten westlichen Partnerunternehmen
einen entscheidenden und prägenden Einfluß auf den Einsatz der Kostenrechnung in den Gemeinschaftsunternehmen ausüben.933 Zwar besitzen die türkischen
Partnerunternehmen mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbeteiligung von 51% stets die Stimmenmehrheit am jeweiligen Joint Venture-Unternehmen, sie
verpflichten sich aber häufig vertraglich, für ihr ausländisches Partnerunternehmen erforderliche Informationen, insbesondere auch Kosteninformationen, bereitzu
stellen.
Bei den öffentlichen Unternehmen stellen wir zunächst fest, daß diese ihrer Anzahl nach in unserer Untersuchung nur sehr gering vertreten sind. Dies ist im
wesentlichen auf den stark eingeschränkten Informationsfluß von Seiten der öffentlichen Unternehmen zurückzuführen. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich bei den öffentlichen Unternehmen zumeist um
Großunternehmen handelt, so daß die getroffenen Aussagen bezüglich des Einsatzes der Kostenrechnung relativiert werden müssen. Dennoch erstaunt es uns, daß von den acht öffentlichen Unternehmen sechs Unternehmen (75%) eine
Kostenrechnung einsetzen. Das ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß die
Organisationsstruktur bei den öffentlichen Unternehmen sehr stark politisch geprägt und somit auch politischen Schwankungen ausgesetzt ist.934 So werden die obersten Leitungsebenen ausschließlich von Politikern besetzt, wobei dem türkischen
Ministerpräsidenten die Leitung der öffentlichen Unternehmen obliegt. Mit jedem Regierungswechsel935 ändert sich somit auch die organisatorische Zusammen-
an der zu 51% mit der Türkisch Airlines ein öffentliches türkisches Unternehmen und mit 49% die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa beteiligt ist. 933
Diese Vermutung wurde durch Stellungnahmen von leitenden Vertretern einzelner Joint VentureUnternehmen in Gesprächen mit dem Verfasser bestärkt.
934
Vgl. ausführlich zu den organisatorischen Gegebenheiten in den öffentlichen Unternehmen der Türkei Abschnitt 4.3.1.
935
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sich allein in der Zeit von 1990 bis 1999 zehn Mal ein Wechsel in der türkischen Regierung vollzogen hat.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
223
Setzung in den öffentlichen Unternehmen, wodurch eine Kontinuität in der Unter nehmensführung meist nicht gewährleistet werden kann. Dies könnte einem
optimalen Einsatz der Kostenrechnung aus unserer Sicht entgegenstehen. Als
weitere Gründe können neben organisatorischen Problemen auch Differenzen
gegenüber den privatwirtschaftlich geführten Unternehmen bei den Unternehmens zielen selbst sowie bei der Zielverfolgung angenommen werden. So vermuten wir,
daß bei den öffentlichen Unternehmen, im Unterschied zu den privaten Unter nehmen, weniger die klassischen betriebswirtschaftlichen Ziele wie Gewinnmaxi mierung und/oder Wirtschaftlichkeit als vielmehr politische Interessen im Vorder
grund stehen. Auch ist davon auszugehen, daß die formulierten Ziele aus politischen Gründen nicht entsprechend konsequent verfolgt werden können.
Trotz der von uns bezüglich der Kostenrechnung beschriebenen Problematik bei öffentlichen Unternehmen verzichten insgesamt nur zwei Unternehmen auf deren Durchführung.
Es ist zweckmäßig, die Gründe für einen Verzicht auf den Einsatz der Kosten
rechnung zu untersuchen.
Tabelle 25 zeigt die Verzichtsgründe für den Einsatz einer Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen.
Eigentumsverhältnisse
Private Unternehmen
Joint Ventures
Öffentliche Unternehmen
164
1
2
Verzichtsgründe Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage
Kostenrechnung bringt nur geringen Nutzen Ohne Kostenrechnung überschaubarer und steuerbarer Kein qualifiziertes Personal
88
100
1
128
1
Tab. 25: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
324
Ein besonderes Augenmerk wollen wir hier auf die privaten Unternehmen richten.
Auf die Joint Ventures und die öffentlichen Unternehmen soll hingegen nicht näher
eingegangen werden, weil der größte Teil der nach Anwendung der Plausibilitäts regeln verbleibenden öffentlichen Unternehmen und Joint Ventures eine Kosten rechnung einsetzt. In bezug auf die Verzichtsgründe der Privatunternehmen lassen
sich keine neuen Erkenntnisse ableiten. Grundsätzlich treffen auch hier die bereits für die Einflußgrößen Unternehmensgröße und Branche getroffenen Aussagen zu. Die dominierende Stellung der Finanzbuchhaltung sowie der Mangel an ausreichend
qualifiziertem Fachpersonal stellen auch bei den Eigentumsverhältnissen die
wesentlichen Gründe für den Verzicht auf den Einsatz einer Kostenrechnung dar. An dieser Stelle können wir festhalten, daß der Verbreitungsgrad der Kostenrech nung bei den Privatunternehmen im Vergleich zu den Joint Ventures und den öffent lichen Unternehmen relativ gering ist.
Zusätzlich
zu
den
Eigentumsverhältnissen
interessieren
wir
uns
bei
der
Unternehmensform auch für die Auswirkungen der Rechtsform der Unternehmen auf den Einsatz der Kostenrechnung. Tabelle 26 zeigt eine deutliche Dominanz der
Kapitalgesellschaften gegenüber den Personengesellschaften. Hier ergeben sich deutliche
Diskrepanzen
gegenüber der Struktur der Grundgesamtheit aller
Unternehmen in der Türkei, da dort die Anzahl der Personengesellschaften eindeutig
überwiegt.936 Wir gehen aber davon aus, daß der Kenntnisstand und die Informationsbereitschaft bei den Kapitalgesellschaften wesentlich höher einzustufen
936
Vgl.
hierzu
ausführlich
Institute
of Statistics
[Analysis
1994],
S.39.
Auch wenn
die
Personengesellschaften in der unternehmerischen Praxis der Türkei im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften wesentlich stärker verbreitet sind, so verdeutlicht das vorliegende Zahlenmaterial bezüglich der Anzahl der Personengesellschaften dennoch eine rückläufige Tendenz. Als Gründe hierfür können zum einen das gestiegene Konkursrisiko türkischer Unternehmen sowie die Änderungen der Kreditinstitute in ihrer Haltung gegenüber Kapital gesellschaften in bezug auf die Vergabe von Krediten angeführt werden. Aufgrund dieser Entwicklung kann festgestellt werden, daß der Anreiz zur Bildung von Kapitalgesellschaften tendenziell gestiegen ist.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
325
ist als bei den Personengesellschaften.937 Zudem kann das Übergewicht der Kapitalgesellschaften in unserer empirischen Untersuchung darauf zurückgeführt
werden,
daß wir lediglich
Unternehmen
mit mehr als zehn
Beschäftigten
berücksichtig haben938 und der überwiegende Teil der Unternehmen mit weniger als
zehn Beschäftigten in der Rechtsform der Personengesellschaft geführt wird. Dies kommt jedoch letztlich der Qualität unserer empirischen Analyse entgegen.
Einsatz der Kostenrechnung
Ja
Nein
z
Personengesellschaften
1
25
26
Kapitalgesellschaften
102
232
334
s
103
257
360
Rechtsform
Tab. 26: Einsatz der Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform So setzt von den 26 Personengesellschaften lediglich ein Unternehmen (3,9%) eine Kostenrechnung ein, während 25 Unternehmen (96,2%) auf die Durchführung einer Kostenrechnung verzichten. Dieses Ergebnis überrascht uns deshalb nicht, da die
Personengesellschaften in der unternehmerischen Praxis der Türkei sehr stark durch
die Eigentümer geprägt sind. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß es sich bei diesen Unternehmen zumeist um Familienunternehmen handelt, die von einer Generation auf die nächste übertragen werden. Die Personengesellschaften sind
Die Ursachen hierfür sind weniger auf die Rechtsform als vielmehr auf die Größe des Unternehmens zurückzuführen. So werden gerade große Unternehmen in Form von Kapital gesellschaften geführt. Diese Unternehmen verfügen über die entsprechenden finanziellen und auch personellen Möglichkeiten, sich mit der Kostenrechnung auseinanderzusetzen. 938
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.2.2.
325.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
daher meistens durch ein sehr statisches Traditionsdenken gekennzeichnet.939 Das Erfordernis einer Kostenrechnung ergibt sich aber gerade aus der zunehmenden
Dynamik und Komplexität der Unternehmensumwelt. Dies zu erkennen fällt vielen Unternehmen, insbesondere Unternehmen in Form einer Personengesellschaft,
schwer.
Im Vergleich zum Einsatz bei Personengesellschaften hat die Kostenrechnung bei
Kapitalgesellschaften eine wesentlich größere Bedeutung.940 Insgesamt verwenden 102 von 334 Unternehmen (30,5%) eine Kostenrechnung. Dennoch verzichten zu
unserem Erstaunen immerhin 232 Unternehmen (69,5%), die in Form einer Kapital
gesellschaft geführt werden,
auf den
Einsatz einer Kostenrechnung.
Hier
interessieren uns insbesondere die Verzichtsgründe in Abhängigkeit von der vorlie
genden Rechtsform des Unternehmens. Tabelle 27 zeigt, daß auch bei den Rechts formen, wie bereits bei den Determinanten Untemehmensgröße und Branche, die
wesentlichen Verzichtsgründe in der Dominanz der Finanzbuchhaltung und in dem
Mangel an ausreichend qualifiziertem Fachpersonal zu sehen sind.
Neben der Absicht, das Unternehmen in seiner traditionellen Form fortbestehen zu lassen, ist in der Vermeidung spezieller Vorschriften für die Erstellung des Jahresabschlusses von Kapital gesellschaften ein weiterer Grund für das Festhalten an der Rechtsform der Personen gesellschaft zu sehen. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, daß gerade auch diese Unternehmen nicht gewillt sind, eine Kostenrechnung einzusetzen. Bei den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten empirischen Untersuchungen zeigt sich ein anderes Bild. Hier können grundsätzlich keine Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften hinsichtlich des Einsatzes einer Kostenrechnung festgestellt werden. So liegt nach einer Untersuchung von Becker der Anteil der Personengesellschaften, die eine Kostenrechnung einsetzen, bei 78,0%. Bei den Kapitalgesellschaften ist der Anteil mit 84,1% nur geringfügig höher. An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, daß in der empirischen Untersuchung von Becker, wie wir bereits erwähnt haben, lediglich Mittelunternehmen berück sichtigt werden. Die Rechtsform scheint somit nach dieser Untersuchung keinen Einfluß auf den Einsatz der Kostenrechnung auszuüben. Vgl. ausführlich Becker [Kostenrechnung 1984], S.158.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Rechtsform
327
Personen gesellschaften
Kapital gesellschaften
18
148
2
86
11
90
10
119
Verzichtsgründe Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage Kostenrechnung bringt nur geringen Nutzen Ohne Kostenrechnung überschaubarer und steuerbarer Kein qualifiziertes Personal
Tab. 27: Gründe für den Verzicht auf eine Kostenrechnung in Abhängigkeit von der
Rechtsform
Dies wird dadurch verdeutlicht, daß
148 Kapitalgesellschaften (63,8%) die
Auffassung vertreten, daß die Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage aus
reichend sei. Weiterhin geben 119 Kapitalgesellschaften (51,3%) an, daß es ihnen
zur Implementierung einer Kostenrechnung an entsprechend qualifiziertem Personal mangele. Insbesondere die letzte Begründung ist nur wenig überzeugend, da vor allem die Kapitalgesellschaften, die zum größten Teil den Großunternehmen zuzu
ordnen sind, über entsprechende finanzielle Möglichkeiten verfügen, qualifiziertes Personal auszubilden und/oder weiterzubilden. Zum Argument der Konzentration auf
die Finanzbuchhaltung ist kritisch anzumerken, daß die von der Finanzbuchhaltung bereitgestellten Informationen insbesondere hinsichtlich zu treffender Unterneh mensentscheidungen häufig eben nicht als ausreichend angesehen werden können.941 Auch die fehlende Überschaubarkeit und Steuerbarkeit ohne Einsatz einer Kostenrechnung sowie der nur geringe Nutzen der Kostenrechnung werden
von vielen Kapitalgesellschaften als Grund für den Verzicht angegeben.
941
Aus Sicht deutscher Unternehmen, und hier speziell der Kapitalgesellschaften, die in Form von Aktiengesellschaften geführt werden, ist die alleinige Berücksichtigung der Finanzbuchhaltung als Informationsgrundlage für unternehmenspolitische Entscheidungen unvorstellbar.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
328
In bezug auf die Rechtsform ist somit festzuhalten, daß die Kostenrechnung nur bei Kapitalgesellschaften eine relative Beachtung findet.
In den folgenden Ausführungen wollen wir uns mit der Gestaltung der Kosten
rechnung in den Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung der Eigentums
verhältnisse beschäftigen. Tabelle 28 zeigt diesen Zusammenhang zwischen den Eigentumsverhältnissen und der Ausgestaltung der Kostenrechnung, der sich in den Kombinationstypen A, B und C widerspiegelt. Unter dem Kombinationstyp X fassen
wir jene Unternehmen zusammen, deren Kostenrechnung nicht den Anforderungen an die zuvor genannten Kombinationstypen entspricht.
Kombinationstyp A
B
C
X
z
Private Unternehmen
1
11
7
58
77
Joint Ventures
1
2
16
19
Öffentliche Unternehmen
1
1
1
2
5
E
3
12
10
76
101
Eigentumsverhältnisse
Tab. 28: Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von den
Eigentumsverhältnissen Bei den Privatunternehmen ist festzustellen, daß 58 Unternehmen (75,3%), also der
weitaus größte Teil, eine Kostenrechnung einsetzt, deren Ausgestaltung im Hinblick
auf die Einteilung, Stufen, Methoden und Verfahren der Kostenrechnung so starke
Defizite aufweist, daß sie keinem der von uns festgelegten Kombinationstypen zugeordnet werden kann. Weitere sieben Unternehmen (9,1%) erfüllen nur die aus
unserer Sicht bestehenden Mindestanforderungen. Diese Unternehmen wurden dem Typ C zugeordnet. Die meisten der privaten Unternehmen, die einem der Kombi
nationstypen zugeordnet werden konnten, setzen eine Kostenrechnung vom Typ B
ein. Auffallend ist, daß nur drei Unternehmen eine Kostenrechnung durchführen, die den theoretischen Anforderungen an dieses Instrument gerecht wird. Hinsichtlich der
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
329
Defizite bei der Ausgestaltung der Kostenrechnung, die insbesondere die Unter nehmen aufweisen, die keinem Kombinationstyp zugeordnet werden konnten, vermuten wir, daß die Kostenrechnung nur eine Scheinfunktion erfüllt. Dies ist damit zu begründen, daß eine derartig ausgestaltete Kostenrechnung, die nur aus ein
zelnen, nicht miteinander verbundenen Kostenrechnungselementen besteht, nicht in
der Lage ist, wesentliche an sie aus theoretischer Sicht gestellte Anforderungen zu erfüllen. Wir nehmen deshalb an, daß diese Unternehmen eine Kostenrechnung lediglich aus Prestigegründen betreiben. Weitere Ursachen vermuten wir auch in der
Beeinflussung der Kostenrechnung durch die Unternehmenskultur. So kann ins besondere für die unternehmerische Praxis der Türkei festgestellt werden, daß viele Unternehmen in ihren Handlungsweisen dem Vorbild einiger weniger, zumeist großer
Konkurrenzunternehmen942 folgen. Dies trifft insbesondere auch auf den Einsatz der
Kostenrechnung zu. Für die Joint Ventures zeigt sich zu unserem Erstaunen ein den privaten Unter nehmen vergleichbares Bild. So überwiegt auch bei den Joint Ventures der Teil der
Unternehmen, deren Kostenrechnung noch nicht einmal den Mindestanforderungen
des Typs C entsprechen. Dieses trifft auf 16 Unternehmen (84,2%) zu, die dem
entsprechend dem Typ X zugeordnet werden. Während zwei Unternehmen (10,5%)
eine Kostenrechnung vom Typ C einsetzen, erfüllt lediglich ein Unternehmen (5,3%)
die Anforderungen an eine Kostenrechnung vom Typ A. Zwar konnten wir im Zusammenhang mit dem Einsatz der Kostenrechnung einen positiven Einfluß der an
den Joint Ventures beteiligten ausländischen Unternehmen auf ihre türkischen Partner feststellen, bezüglich der Ausgestaltung der Kostenrechnung kann dies
jedoch nicht bestätigt werden.
Im Hinblick auf die öffentlichen Unternehmen ist es für uns überraschend, daß jeweils ein Unternehmen dem Typ A, B und C zugeordnet werden kann. Demgegen
Als ein erster Wegbereiter und somit als Vorbild für die anderen Unternehmen ist vor allem der Sümerbank-Konzern zu nennen, der in der unternehmerischen Praxis der Türkei ein hohes Ansehen genießt. Besondere Beachtung gebührt auch der Koc-Holding sowie der SabanciHolding, die Mitte der 80er Jahre damit begonnen haben, eine auf das Unternehmen zugeschnittene Kostenrechnung zu konzipieren. Dieses Konzept wurde von einigen türkischen Unternehmen unreflektiert übernommen, so daß diese Unternehmen zwar einerseits über eine Kostenrechnung verfügen, diese aber andererseits aufgrund ihrer betriebsspezifischen Ausrich tung in weiten Teilen nicht den Anforderungen des jeweiligen Unternehmens genügt.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
330.
über erfüllen nur zwei (40%) der insgesamt fünf öffentlichen Unternehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, nicht die Mindestanforderungen des Typs C.
Bei der Analyse des Einflußfaktors der Eigentumsverhältnisse konnten wir, wie
bereits beschrieben, bezüglich des Einsatzes der Kostenrechung eine starke Korre lation feststellen. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Kostenrechnung kann diese
Aussage nicht aufrecht erhalten werden. So zeigt sich bei dem größten Teil der Unternehmen, daß die Kostenrechnung - unabhängig von den Eigentumsverhält
nissen - erhebliche Defizite aufweist. Diese Defizite machen unseres Erachtens
einen effizienten Einsatz der Kostenrechnung unmöglich. Im folgenden wollen wir uns mit der Einflußgröße der Rechtsform und deren
Auswirkung auf die Ausgestaltung der Kostenrechnung auseinandersetzen.
Kombinationstyp
A
B
C
X
s
1
1
Rechtsform
Personengesellschaften Kapitalgesellschaften
3
12
10
75
100
s
3
12
10
76
101
Tab. 29: Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnung in Abhängigkeit von der Rechtsform
Tabelle 29 zeigt, daß bei den Personengesellschaften lediglich ein Unternehmen
eine Kostenrechnung einsetzt, wobei diese Kostenrechnung nicht den Kombinations typen A bis C, sondern nur dem Typ X zugeordnet werden kann. Dieses Ergebnis verstärkt unseren Eindruck, daß die Kostenrechnung bei den Personengesell
schaften nicht nur wenig verbreitet, sondern darüber hinaus in bezug auf die Gestal
tung der Kostenrechnung auch wenig ausgeprägt ist. Bei den Kapitalgesellschaften setzen zwar wesentlich mehr Unternehmen eine Kostenrechnung ein, aber auch hier entspricht die inhaltliche Ausgestaltung der Kostenrechnung nur in seltenen Fällen den an sie zu stellenden Anforderungen. So
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 331
wird bei den Kapitalgesellschaften von 75 Unternehmen (75%) eine Kostenrechnung angewendet, die weder dem Kombinationstyp A noch den Typen B oder C zuge ordnet werden kann. Im Hinblick auf die Einsatzfähigkeit einer derartigen Kosten
rechnung bedeutet dies, daß sie nicht in der Lage ist, für das Unternehmen entscheidungsrelevante Informationen bereitzustellen und somit ihre Wirkung als
Instrument der Unternehmensführung verfehlt. Es können jedoch insgesamt 25 Unternehmen (25%) auf die von uns gebildeten Kombinationstypen aufgeteilt
werden, wobei zehn Unternehmen (10%) auf den Typ C, zwölf Unternehmen (12%) auf den Typ B und lediglich drei Unternehmen (3%) auf den Typ A entfallen. Die im
betriebswirtschaftlichen Schrifttum als unverzichtbar dargestellten Methoden und Verfahren der Kostenrechnung werden nur von den drei Unternehmen (3 %)
angewendet, die dem Typ A angehören. Zwar können auch die Unternehmen, die
eine Kostenrechnung vom Typ B oder C aufweisen, einzelne Methoden und Ver
fahren der Kostenrechnung anwenden, für die Belange einer Kapitalgesellschaft sind diese Ausgestaltungsformen der Kostenrechnung jedoch aus unserer Sicht nicht
ausreichend. Hier bedarf es aus den bereits dargestellten Gründen einer besonders ausgeprägten und umfassenden Form der Kostenrechnung.
In diesem Zusammenhang überrascht uns, daß insbesondere die Kapitalgesell
schaften, denen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung943 für die Türkei zu kommt, nicht über eine entsprechend ausgebaute Kostenrechnung verfügen. Die
Notwendigkeit einer einsatz- und funktionsfähigen Kostenrechnung ergibt sich daraus, daß vor allem Kapitalgesellschaften im Gegensatz zu den überwiegend auf
den nationalen Markt ausgerichteten Personengesellschaften gezwungen sind, sich
dem globalen Wettbewerb und damit auch der internationalen Konkurrenz zu stellen. Dazu bedarf es aber entsprechender Kosteninformationen, um sich ein Bild über das
eigene Unternehmen und über die Konkurrenzunternehmen machen zu können. Vor
allem bei den Kapitalgesellschaften kommt somit der Kostenposition im strate
gischen Wettbewerb eine bedeutende Rolle zu.
Die besondere Stellung der Kapitalgesellschaften ergibt sich aus der Tatsache, daß es sich bei 65,5% der antwortenden Unternehmen, die in Form einer Kapitalgesellschaft geführt werden, um Aktiengesellschaften handelt Insbesondere bei den Aktiengesellschaften kann davon ausge gangen werden, daß diese auf den Weltmarkt ausgerichtet sind. Vgl. hierzu auch die Häufigkeits verteilung in Abschnitt 5.3.1.2.
232.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Nachdem wir uns mit dem Einsatz und der Gestaltung der Kostenrechnung
beschäftigt haben, wollen wir uns nun mit den in Abhängigkeit von der Unterneh mensform verwendeten Kostenrechnungssystemen befassen.
Im folgenden
sollen
die Auswirkungen der
Eigentumsverhältnisse
auf die
verwendeten Kostenrechnungssysteme analysiert werden. Dabei wollen wir zuerst auf die öffentlichen Unternehmen und anschließend auf die Privatunternehmen sowie die Joint Ventures eingehen. Abbildung 52 zeigt die von den öffentlichen Unternehmen eingesetzten Kostenrechnungssysteme.
Abb. 52: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei öffentlichen Unternehmen
Wir können hier erkennen, daß von den sechs öffentlichen Unternehmen, die über eine Kostenrechnung verfügen, insgesamt fünf Unternehmen eine Istkosten
rechnung einsetzen. Ein Unternehmen verwendet mit der starren Normalkosten rechnung ebenfalls ein System der Vollkostenrechnung. Demgegenüber sind die
Teilkostenrechnungssysteme bei den öffentlichen Unternehmen kaum verbreitet. Lediglich ein Unternehmen setzt die einstufige Deckungsbeitragsrechnung ein. Dieses Ergebnis überrascht uns nicht, da die öffentlichen Unternehmen, wie bereits
früher erwähnt wurde, andere Zielsetzungen verfolgen als die privatwirtschaftlich
geführten Unternehmen. So werden Entscheidungen, beispielsweise bei der Wahl zwischen Eigen- oder Fremdfertigung, bei der Zusammensetzung des Verkaufs-
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
333
Programms oder bei der Eliminierung von Verlustartikeln, für die eigentlich Teil
kosteninformationen erforderlich wären, auf der Basis anderer Entscheidungsgrund lagen getroffen, die die Kostenaspekte unter Umständen nicht immer hinreichend berücksichtigen. Hier sind vor allem die politischen Einflüsse auf die öffentlichen Unternehmen hervorzuheben. Diese Aussage wird auch durch die Verzichtsgründe
der öffentlichen Unternehmen auf ein Teilkostenrechnungssystem verdeutlicht.
Tabelle 30 zeigt die Gründe für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen.
Eigentumsverhältnisse
Öffentliche Unternehmen
Private Unternehmen
Joint Ventures
4
44
9
9
3 1
Verzichtsgründe
nicht notwendig unbekannt
zu kompliziert
1
15
zu aufwendig
1
3
keine gesetzliche Notwendigkeit
2
35
4
Tab. 30: Verzichtsgründe für Teilkostenrechnung unter Berücksichtigung von
Eigentumsverhältnissen Die Tabelle 30 zeigt, daß die öffentlichen Unternehmen den Einsatz eines Teil
kostenrechnungssystems im wesentlichen für nicht erforderlich halten. So sind vier Unternehmen der Meinung, daß eine Teilkostenrechnung nicht notwendig sei. Da die
meisten öffentlichen Unternehmen Funktionen im Rahmen der gemeinschaftlichen
Versorgung erfüllen, wird den auf Teilkosten basierenden Informationen eine geringere Bedeutung beigemessen. So werden in vielen öffentlichen Unternehmen die Leistungen teilweise bewußt zu einem nicht kostendeckenden Preis angeboten. Ein weiterer Grund für den Verzicht auf ein Teilkostenrechnungssystem wird in der
fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit gesehen. Dieser Grund wird von zwei Unter
nehmen angegeben. Nur jeweils ein Unternehmen führt die zu hohe Komplexität
334
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
sowie den mit dem Einsatz der Teilkostenrechnung verbundenen Aufwand als Verzichtsgrund an.
Nachdem wir die Anwendung der Kostenrechnungssysteme sowie die Verzichts gründe für eine Teilkostenrechnung bei den öffentlichen Unternehmen untersucht
haben, wollen wir uns im folgenden mit den bei den Privatunternehmen eingesetzten Kostenrechnungssystemen
beschäftigen.
Wie
Abbildung
53
veranschaulicht,
dominieren auch bei den privaten Unternehmen die Systeme der Vollkosten rechnung.
Abb. 53: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Privatunternehmen
Insbesondere die Istkostenrechnung ist mit 75 Unternehmen überproportional häufig vertreten. Auch die Normalkostenrechnung ist bei den Privatunternehmen relativ
stark verbreitet. So setzen insgesamt neun Unternehmen eine starre Normalkosten rechnung ein, während zwei Unternehmen eine flexible Normalkostenrechnung verwenden. Zu unserem Erstaunen findet die Plankostenrechnung kaum Beachtung. So wird die flexible Plankostenrechnung von keinem Unternehmen angewendet.
Lediglich zwei Unternehmen setzen die starre Plankostenrechnung ein. Im Gegen
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
335
satz zu den öffentlichen Unternehmen ist die Teilkostenrechnung bei den privaten
Unternehmen stärker verbreitet Dabei findet die einstufige Deckungsbeitragsrech
nung, die insgesamt von sechs Unternehmen eingesetzt wird, die größte Beachtung. Zudem setzt ein Unternehmen die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung ein. Grundsätzlich überrascht es uns aus den bereits angeführten Gründen nicht, daß der Verbreitungsgrad der Teilkostenrechnungssysteme bei den privaten Unternehmen höher ist als bei den öffentlichen Unternehmen. Dennoch ist auch bei den Privat
unternehmen die Anzahl der Unternehmen, die eine Teilkostenrechnung einsetzen,
aus unserer Sicht keineswegs zufriedenstellend. Dies ist damit zu begründen, daß
sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen bei den privaten Unternehmen grundlegend von denen der öffentlichen Unternehmen unterscheiden. So steht bei den privaten Unternehmen nach wie vor das Ziel der Gewinnmaxi
mierung im Vordergrund. Zur Planung und Kontrolle dieses Ziels bedarf es jedoch in
den meisten Fällen einer Teilkostenrechnung. Somit kommt der Analyse der Ver zichtsgründe für den Einsatz einer Teilkostenrechnung eine besondere Bedeutung zu.
Tabelle 30 veranschaulicht die Gründe der Privatunternehmen für den Verzicht auf
eine Teilkostenrechnung. Danach halten 44 der Privatunternehmen eine Teilkosten rechnung grundsätzlich für nicht notwendig. Weitere 35 Privatunternehmen sehen den wesentlichen Verzichtsgrund in der fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit. Schließlich sind noch jene 15 Unternehmen hervorzuheben, die einen Einsatz der Teilkostenrechnung für zu kompliziert halten.
Zwar existiert keine gesetzliche Notwendigkeit, eine Teilkostenrechnung durchzu
führen, grundsätzlich ergibt sich an dieser Stelle aber die Frage, ob der Einsatz einer Teilkostenrechnung nicht schon allein unter ökonomischen Gesichtspunkten zu
empfehlen ist. Hierbei sind die grundsätzlich von den öffentlichen Unternehmen ab weichenden unternehmensinternen wie auch unternehmensexternen Bestimmungs
faktoren der privaten Unternehmen zu berücksichtigen. In bezug auf die Unter nehmensumwelt ist festzustellen, daß die türkischen Privatunternehmen, wie bereits in den vorherigen Ausführungen verdeutlicht, im Zuge der zunehmenden Internatio
nalisierung einem wachsenden Wettbewerbsdruck und einer steigenden Umwelt dynamik ausgesetzt sind. Um diesen beiden Faktoren standhalten zu können, sind
235.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
die Unternehmen gezwungen, ihre Produkte und Dienstleistungen so zu kalkulieren, daß sie nicht nur auf dem nationalen, sondern vor allem auch auf den internationalen
Märkten wettbewerbsfähig sind. Zwar kann die Wettbewerbsfähigkeit grundsätzlich auch durch andere strategische Erfolgsfaktoren erlangt und/oder gesichert werden, die Kostenposition erscheint aber aus unserer Sicht in der aktuellen Situation der
unternehmerischen Praxis der Privatunternehmen in der Türkei der einzig erfolgsver
sprechende Ansatzpunkt. Diesem Ansatz können die Privatunternehmen nur durch den Einsatz eines entsprechenden Instrumentariums, nämlich der Teilkostenrech
nung, gerecht werden. In einem nächsten Schritt wollen wir auf die Besonderheiten der Joint VentureUnternehmen hinsichtlich des Einsatzes der einzelnen Kostenrechnungssysteme eingehen. Die folgende Abbildung 54 zeigt die von den Joint Venture-Unternehmen
eingesetzten Kostenrechnungssysteme.
Abb. 54: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Joint Venture-Unternehmen
Entgegen unseren Erwartungen zeigt sich bei den Joint Venture-Unternehmen kein
von den bisher betrachteten Unternehmen abweichendes Bild. So wird auch bei den Joint Ventures zu einem überwiegenden Teil mit der Istkostenrechnung ein sehr ein
fach strukturiertes Kostenrechnungssystem eingesetzt. Die Normalkostenrechnung wird lediglich von einem Unternehmen durchgeführt. Positiv hervorzuheben ist, daß
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
337
drei Joint Venture-Unternehmen eine flexible Plankostenrechnung zu Vollkosten
verwenden. Dennoch ist auch bei den Joint Venture-Unternehmen festzustellen, daß insgesamt 13 Unternehmen keine Teilkostenrechnung einsetzen. Besonders auffällig ist hierbei,
daß selbst bei den Joint Venture-Unternehmen die Implementierung einer Teil kostenrechnung als nicht notwendig erachtet wird. Wie Tabelle 30 verdeutlicht, verzichten neun Unternehmen auf eine Teilkostenrechnung, weil sie diese für nicht notwendig halten. Zwar kann bezüglich des Einsatzes der Kostenrechnung ein
positiver Einfluß der an den Joint Ventures beteiligten westlichen Partnerunter
nehmen festgestellt werden, hinsichtlich des Einsatzes eines modernen Kosten
rechnungssystems in Form einer Teilkostenrechnung vermuten wir jedoch, daß sich hier die teilweise starren Ansichten des türkischen Managements durchgesetzt
haben. Darüber hinaus ist bei den Joint Venture-Unternehmen zu beobachten, daß
die türkischen Partner zum Teil nur die wesentlichen Grundfunktionen der Kosten
rechnung durchführen. Dies kann damit begründet werden, daß den westlichen Partnerunternehmen das komplette Zahlenmaterial zur Verfügung gestellt wird, so daß diese für die Aufbereitung und Analyse der Daten zuständig sind. Der Hinter grund für diese Vorgehensweise ist darin zu sehen, daß in den westlichen Partner
unternehmen bessere Möglichkeiten zur Durchführung einer weiterentwickelten Kostenrechnung bestehen. Den türkischen Partnerunternehmen, die eine Teilkosten rechnung als nicht notwendig einschätzen, ist entgegenzuhalten, daß die Durch
führung von Betriebsvergleichen zwischen den einzelnen Unternehmen des Joint Ventures bei einem Verzicht auf ein solches Kostenrechnungssystem erheblich
erschwert wird, insbesondere dann, wenn die Partnerunternehmen eine Teilkosten
rechnung einsetzen. Dies erweist sich insbesondere im Rahmen einer Analyse der Kostenstruktur innerhalb des Joint Ventures, beispielsweise im Hinblick auf die
Bestimmung der Wettbewerbssituation, als problematisch. Die Ausführungen gelten
auch für das Argument der fehlenden gesetzlichen Notwendigkeit, das von vier Unternehmen genannt wird. Hier ist kritisch anzumerken, daß zwar keine gesetz liche Verpflichtung zur Durchführung einer Teilkostenrechnung besteht, dieser Um
stand jedoch kein überzeugendes Argument für den Verzicht auf eine Teilkosten
rechnung ist. Vielmehr ergibt sich die Notwendigkeit einer Teilkostenrechnung aus unternehmenspolitischen Zielsetzungen. Schließlich sind noch die drei Unternehmen
338
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
zu nennen, die nach eigenen Angaben keine Systeme der Teilkostenrechnung
kennen. In bezug auf die Joint Venture-Unternehmen bleibt festzuhalten, daß durchaus ein
positiver, wenn auch schwacher Einfluß der internationalen Partnerunternehmer auf die Joint Venture-Unternehmen vorhanden ist Dies zeigt sich insbesondere in dem Einsatz der flexiblen Plankostenrechnung zu Voll- und Teilkosten sowie in der
einstufigen Deckungsbeitragsrechnung. Dennoch ist auch bei den Joint VentureUnternehmen zu kritisieren, daß hier eine zu starke Fokussierung auf die Vollkosten rechnung und hier speziell auf die Istkostenrechnung erfolgt.
Nachdem wir die Auswirkungen der Eigentumsverhältnisse auf die eingesetzten Kostenrechnungssysteme analysiert haben, wollen wir uns im folgenden mit dem
Einfluß der Rechtsform auf die Kostenrechnungssysteme beschäftigen. Bei den Personengesellschaften konnten wir bereits feststellen, daß nur ein Unter nehmen eine Kostenrechnung einsetzt.944 Diese wird in Form einer Istkostenrech
nung ergänzt um eine starre Normalkostenrechnung durchgeführt. Von eben diesem Unternehmen abgesehen, stimmt die Verteilung bei den Kapital
gesellschaften mit der Häufigkeitsverteilung aller Unternehmen, die eine Kostenrech nung einsetzen, überein. Aufgrund dieser Tatsache ergeben sich auch keine neuen
Erkenntnisse bezüglich der eingesetzten Kostenrechnungssysteme. Aus diesem
Grund wollen wir auch nur kurz auf die wichtigsten Ergebnisse eingehen.
944
Aufgrund der Tatsache, daß hier lediglich ein Unternehmen eine Kostenrechnung einsetzt, wird auf eine Abbildung verzichtet.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
339
Abb. 55: Eingesetzte Kostenrechnungssysteme bei Kapitalgesellschaften Bei Betrachtung der Kapitalgesellschaften zeigt sich das gleiche Bild, das wir bereits
bei den bisher dargestellten Einflußgrößen festgestellt haben.
Wie Abbildung 55 zeigt, setzen nahezu alle Unternehmen, die in Form einer Kapital gesellschaft geführt werden, zumindest als Grundlage die Istkostenrechnung ein.
Somit wird auch hier die starke Verbreitung der Vollkostenrechnung deutlich.
Die Systeme der Teilkostenrechnung finden auch bei den Kapitalgesellschaften kaum Beachtung. Zwar verwenden insgesamt 13 Unternehmen eine Form der Teil
kostenrechnung. In bezug auf die Bedeutung der Kostenrechnung für Kapital gesellschaften, insbesondere hinsichtlich der unternehmerischen Entscheidungen,
ist dieses Ergebnis jedoch nicht zufriedenstellend. Allerdings überrascht uns dieses Resultat nicht, da wir schon im Rahmen der Analyse der Ausgestaltung der Kosten
rechnung feststellen konnten, daß die Kapitalgesellschaften in dieser Hinsicht erheb liche Defizite zeigen. Dies führt dazu, daß die von uns untersuchten Kapitalgesell
schaften überhaupt nicht in der Lage sind, den Ansprüchen der Teilkostenrechnung
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
340
gerecht zu werden. Insbesondere im Hinblick auf unsere Handlungsempfehlungen erscheint es daher sinnvoll, die Verzichtsgründe für eine Teilkostenrechnung vor allem bei Kapitalgesellschaften zu analysieren.
Tabelle 31 zeigt, welche Gründe für den Verzicht auf eine Teilkostenrechnung von
den Unternehmen verschiedener Rechtsformen genannt wurden.
Personen gesellschaften
Rechtsform
Kapital gesellschaften
Verzichtsgründe
57
nicht notwendig
1
unbekannt
11
zu kompliziert
17
zu aufwendig
4
keine gesetzliche Notwendigkeit
41
Tab. 31: Verzichtsgründe für Teilkostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von der Rechtsform
Unsere bisherigen Ausführungen werden dadurch bestätigt, daß 57 Unternehmen,
die in Form einer Kapitalgesellschaft geführt werden, die Teilkostenrechnung als nicht notwendig erachten. An dieser Stelle sind weiterhin diejenigen 41 Unternehmen zu nennen, die die fehlende gesetzliche Notwendigkeit als Grund für den Verzicht
auf eine Teilkostenrechnung angeben. Insbesondere hinsichtlich des letztgenannten
Verzichtsgrunds ist kritisch anzumerken, daß nicht erst eine gesetzliche Vorschrift Grundlage für unternehmerisches Handeln sein sollte. Zwar wäre es durchaus vor
stellbar, den Einsatz einer Kostenrechnung gesetzlich vorzuschreiben. Eine mehr oder minder konkrete gesetzliche Vorgabe der Ausgestaltung der Kostenrechnung
sowie deren Realisierung in Form eines konkreten Kostenrechnungssystems würde
jedoch eindeutig in die Sphäre der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ein greifen. Abgesehen davon liegt es nicht im Interesse des Gesetzgebers, den Unter
nehmen eine Kostenrechnung, geschweige denn ein Kostenrechnungssystem, vor
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 341
zuschreiben.945 Vielmehr sollten die Unternehmen, und hier vor allem die Kapital
gesellschaften, nicht nur auf die gesetzliche Notwendigkeit abstellen, sondern die Vorteilhaftigkeit des Einsatzes einer Teilkostenrechnung und damit eines über die
gesetzlichen Vorschriften hinausgehenden Instruments der Unternehmensführung und -planung berücksichtigen. Auch wenn viele türkische Kapitalgesellschaften die
Bedeutung einer Teilkostenrechnung bisher noch nicht erkannt haben, ist hier aus
unserer Sicht zu berücksichtigen, daß sich die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei, im Vergleich zu den westlichen Industrienationen, noch in einem Vorstadium be findet. Zwar erfordert die derzeitige Situation nicht unbedingt die Anwendung eines Teilkostenrechnungssystems, längerfristig betrachtet wird der Einsatz einer Teil
kostenrechnung, vor allem bei Kapitalgesellschaften, aus unserer Sicht jedoch un verzichtbar sein.946
Bei der Betrachtung der Personengesellschaften sind keine neuen Erkenntnisse be
züglich der Verzichtsgründe auf eine Teilkostenrechnung zu gewinnen, da lediglich ein Unternehmen eine Kostenrechung einsetzt und von diesem Unternehmen ange geben wird, daß die Teilkostenrechnung unbekannt sei.
In einem weiteren Schritt wollen wir nun auf die Kombinationstypen eingesetzter Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von den Eigentumsverhältnissen ein
gehen. Dabei interessieren wir uns für die Unterschiede zwischen den einzelnen
Ausprägungen der Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen im Hinblick auf mögliche Kombinationen von Voll- und/oder Teilkostenrechnungssystemen.
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß die Unternehmen bereits Schwierigkeiten bei der Umsetzung gesetzlicher Vorschriften im Hinblick auf die Erstellung des Jahres abschlusses haben. So treten insbesondere bei der Anwendung des Einheitskontenrahmens, der seit dem 01.01.1994 für alle Unternehmen in der Türkei gesetzlich vorgeschrieben ist, verstärkt Probleme auf. Diese Probleme sind vor allem darauf zurückzuführen, daß der Einheits kontenrahmen nicht die unternehmensspezifischen Besonderheiten berücksichtigt. Es werden weder Differenzierungen zwischen Klein-, Mittel- und Großunternehmen noch zwischen Dienstleistungs- und Industrieunternehmen vorgenommen. Die Tatsache, daß die Unternehmen bereits im Bereich der externen Rechnungslegung Schwierigkeiten haben, verdeutlicht die Problematik, die mit dem Einsatz einer Kostenrechnung und speziell einer Teilkostenrechnung, die auf eine wesentlich betriebsindividuellere Ausgestaltung angewiesen ist, verbunden sein wird. 946
Diese Ausführungen gelten rechtsformunabhängig vor allem für Großunternehmen und verstärkt auch für Industrieunternehmen.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
342.
Tabelle 32 zeigt, daß Kombinationen bestimmter Vollkostenrechnungssysteme über
wiegen.
Kombinationstyp
a
b
c
d
z
7
2
66
75
5
3
10
19
5
6
81
100
Eigentumsverhältnisse
Privatunternehmen Joint Ventures
1
1
Öffentliche Unternehmen
z
1
13
5
Tab. 32: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnungssysteme in bezug auf die Eigentumsverhältnisse
Auffallend ist hierbei, daß der weitaus größte Teil der Unternehmen, nämlich insge
samt 86 Unternehmen, ausschließlich Systeme der Vollkostenrechnung unterein ander kombinieren. Demgegenüber setzen nur 14 Unternehmen neben der Voll
kostenrechnung auch eine Form der Teilkostenrechnung ein. Besonders deutlich
wird diese Tendenz bei den türkischen Privatunternehmen. So verwenden 68 von 75 Privatunternehmen (90,67%) eine Kombination aus verschiedenen Vollkosten
rechnungssystemen. Hierbei sind zunächst die Unternehmen zu nennen, die die Istkostenrechnung mit der starren und/oder der flexiblen Normalkostenrechnung
kombinieren (Typ d). Der Anteil dieser Unternehmen an den Privatunternehmen
beträgt 88%. Weiterhin sind auch die zwei Privatunternehmen (2,67%) zu berück sichtigen, die die Istkostenrechnung mit einer Form der Plankostenrechnung zu
Vollkosten kombinieren (Typ c). Der Typ b, also die Kombination von der Istkosten
rechnung mit der einstufigen und/oder mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung, wird hingegen nur von sieben Unternehmen (9,33%) verwendet. Vor allem vor dem
Hintergrund der Bedeutung der Privatunternehmen für die türkische Wirtschaft kann dieses Ergebnis nicht zufriedenstellen. Zwar konnten wir bereits feststellen, daß die privaten türkischen Unternehmen verstärkt eine Kostenrechnung einsetzen, die
konkrete Ausgestaltung der Kostenrechnung, insbesondere im Hinblick auf die
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung__________________________________ 342
Kombination der Kostenrechnungssysteme, erscheint aus unserer Sicht jedoch wenig sinnvoll. Andere, aus unserer Sicht sinnvoller erscheinende Kombinationen
werden hingegen von den Privatunternehmen kaum gewählt. Hiermit sollen vor allem Kombinationen von Teil- und Vollkostenrechnungssystemen angesprochen werden. Der Grund dafür, daß Privatunternehmen neben den Voll- auch Teilkosten
rechnungssysteme einzusetzen, ist darin zu sehen, daß die Unternehmen zum einen
durch den Einsatz der Teilkostenrechnung die Möglichkeiten einer Kostenrechnung voll ausschöpfen. Zum anderen können aber auch mit Hilfe der auf Vollkosten
basierenden Kostenrechnungssysteme wichtige Informationen für die externe
Rechnungslegung, insbesondere für die Erstellung des Jahresabschlusses947, gewonnen werden.
Bei der Untersuchung des kombinierten Einsatzes von Voll- und Teilkostenrech nungssystemen zeigt sich bei den Joint Ventures ein grundlegend anderes Bild.
Auch wenn bei den Joint Ventures der Anteil derjenigen Unternehmen überwiegt, die
nur Vollkostenrechnungssysteme kombinieren, ist der Anteil der Unternehmen, die eine Vollkostenrechnung und eine Teilkostenrechnung in kombinierter Form durch
führen, wesentlich höher als bei den türkischen Privatunternehmen. So setzen ins
gesamt sechs Unternehmen (31,58%) eine Vollkostenrechnung in Verbindung mit einer Teilkostenrechnung ein. Hier kann ein positiver Einfluß der an dem Joint Venture-Unternehmen beteiligten ausländischen Partnerunternehmen unterstellt
werden.
Im Unterschied zu den Privatunternehmen und den Joint Venture-Unternehmen ist bei den öffentlichen Unternehmen ein kombinierter Einsatz von Voll- und Teilkosten rechnung aus unserer Sicht nicht erforderlich. So sind die Zielsetzungen der
öffentlichen Unternehmen, wie wir bereits ausführlich dargestellt haben, von denen
der Privatunternehmen und der Joint-Ventures zu unterscheiden. Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, daß die öffentlichen Unternehmen bestimmter Branchen
keinem Wettbewerb ausgesetzt sind. Dennoch gibt es ein öffentliches Unternehmen,
947
Als Beispiel ist hier vor allem die Bewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse sowie der selbsterstellten Anlagen zu nennen.
344
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
das dem Typ b zuzuordnen ist, also neben der Istkosten rech nung die einstufige
Deckungsbeitragsrechnung einsetzt. Bei den öffentlichen Unternehmen ist zwar der Einsatz einer Teilkostenrechnung nicht zwingend erforderlich, aus unserer Sicht allerdings durchaus wünschenswert. Dieser Wunsch ist vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Privatisierung
von öffentlichen Unternehmen in der Türkei und der damit einhergehenden verein fachten Möglichkeit der Eingliederung in den Wettbewerb zu sehen.
Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit den Kombinationstypen einge setzter Kostenrechnungssysteme unter Berücksichtigung der Rechtsform des Unter
nehmens. Tabelle 33 veranschaulicht diesen Zusammenhang.
Kombinationstyp
b
a
c
d
S
1
1
Rechtsform
Personengesellschaften Kapitalgesellschaften
s
1
13
5
83
102
1
13
5
84
103
Tab. 33: Typisierung der eingesetzten Kostenrechungssysteme in bezug auf die Rechtsform
Anhand der vorliegenden Tabelle wird deutlich, daß der überwiegende Teil der als Kapitalgesellschaft geführten Unternehmen eine Kombination von Vollkosten
rechnungssystemen einsetzt.
Eine besondere
Bedeutung
kommt dabei
der
Kombination von Istkostenrechnung und/oder Normalkostenrechnung (Typ d) zu, die insgesamt von 83 Unternehmen (81,37%) verwendet wird. Weiterhin sind in diesem
Zusammenhang die fünf Unternehmen (4,90%) zu nennen, die die Istkostenrech nung mit einer Form der Plankostenrechnung zu Vollkosten kombinieren (Typ c).
Die möglichen Kombinationen eines Systems der Vollkostenrechnung und der Teil kostenrechnung sind deutlich seltener vertreten. Besonders hervorzuheben sind
hierbei jene 13 Unternehmen (12,75%), die die Istkostenrechnung zusammen mit
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_______________________________ 245
der einstufigen und/oder mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung (Typ b) einsetzen. Eine Kombination von Istkostenrechnung und Grenzplankostenrechnung (Typ a)
wird hingegen nur von einem Unternehmen (0,98%) verwendet. Den Personengesellschaften kommt eine nur untergeordnete Bedeutung zu, da hier
lediglich ein Unternehmen zu nennen ist, das eine Kombination vom Typ d einsetzt.
In bezug auf die Rechtsform des Unternehmens können wir somit festhalten, daß nur
die Kapitalgesellschaften Voll- und Teilkostenrechnungssysteme miteinander kombi nieren.
Zwischen der Unternehmensform und dem Einsatz sowie der Gestaltung der Kosten rechnung und der Kostenrechnungssysteme können wir somit abschließend einen
deutlichen Zusammenhang feststellen. Hierbei muß jedoch zwischen den Eigen tumsverhältnissen und der Rechtsform differenziert werden.
So haben wir im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse zunächst einmal gezeigt, daß neben den privaten und den Joint Venture-Unternehmen auch öffentliche Unter nehmen eine Kostenrechnung einsetzen. Dennoch sind es die Joint Venture-Unter
nehmen, bei denen die Kostenrechnung am weitesten verbreitet ist. Bezüglich der Gestaltung der Kostenrechnung wird deutlich, daß unabhängig von den Eigentumsverhältnissen erhebliche Defizite bei allen Unternehmen vorhanden
sind. Dies gilt nicht nur für die privaten türkischen Unternehmen, sondern vor allem
auch für die Joint Venture-Unternehmen. Im Zusammenhang mit den verwendeten Kostenrechnungssystemen konnten wir im
Hinblick auf die verschiedenen Ausprägungen der Eigentumsverhältnisse fest
stellen, daß die Vollkostenrechnung am häufigsten zum Einsatz kommt. Teilkosten
rechnungssysteme werden hingegen kaum angewendet. Im Vergleich zu den privaten und den öffentlichen Unternehmen findet die Teilkostenrechnung bei den
Joint Venture-Unternehmen eine stärkere Beachtung.
Bezüglich der Rechtsform der Unternehmen ist hervorzuheben, daß der Kosten rechnung bei Kapitalgesellschaften eine wesentlich größere Bedeutung als bei
Personengesellschaften zukommt. Allerdings sind auch bei den Kapitalgesell
schaften erhebliche Defizite hinsichtlich der Gestaltung der Kostenrechnung und der
346
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Kostenrechnungssysteme vorhanden. Diese beziehen sich sowohl auf die inhaltliche Ausgestaltung der Kostenrechnung an sich als auch auf den mangelnden Einsatz der Teilkostenrechnungssysteme.
Wir können somit zusammenfassend feststellen, daß die Unternehmensform aus unserer Sicht einen deutlichen Einfluß auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme ausübt. Die Unternehmensform
ist daher neben der Untemehmensgröße und der Branche als weitere Einflußgröße einzustufen. 6.2.4 Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungssysteme in Abhängigkeit von den Zwecken der Kostenrechnung
In den vorangegangenen Abschnitten haben wir festgestellt, daß die Unternehmens größe, die Branchenzugehörigkeit und die Unternehmensform einen direkten Einfluß
auf den Einsatz und die Gestaltung der Kostenrechnung und der Kostenrechnungs systeme haben. Es ist nun zu analysieren, inwieweit die von dem Unternehmen verfolgten Zwecke
der Kostenrechnung eine Einflußgröße auf die Gestaltung der Kostenrechnung und
der Kostenrechnungssysteme darstellen. In diesem Zusammenhang sind die Zwecke der Kostenrechnung jedoch nicht als eine Determinante im eigentlichen Sinne zu verstehen. Dies ist insbesondere damit zu begründen, daß die Verfolgung
von Kostenrechnungszwecken an den Einsatz der Kostenrechnung gebunden ist.
Daher muß vorausgesetzt werden, daß eine Kostenrechnung in den jeweiligen Unternehmen vorhanden ist. Somit können die Zwecke der Kostenrechnung keinen
Einfluß auf den Einsatz der Kostenrechnung ausüben. Vielmehr bestimmen sie die Ausgestaltung der Kostenrechnung und den Einsatz von Kostenrechnungssystemen. Zwecke haben pragmatischen Charakter und geben im Hinblick auf die Kostenrech
nung deren Sinn bzw. deren Aufgabe an. Im Mittelpunkt unserer Analyse steht nun
die Frage, zu welchen Zwecken die Unternehmen eine Kostenrechnung durchführen. Es wird vorausgesetzt, daß es bei der Verfolgung bestimmter Zwecke einer ver
schiedenartig ausgestalteten Form der Kostenrechnung bedarf, um die benötigten Informationen in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht zur Verfügung zu stellen. Somit stellt sich für uns die Frage, ob und inwieweit die Ausgestaltung der
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung_____________________________
347
Kostenrechnung und/oder der eingesetzten Kostenrechnungssysteme der jeweiligen
Unternehmen zweckmäßig ist.
Im Rahmen der Weiterentwicklung der Kostenrechnung vom Kalkulationsinstrument zum Informations- und Führungsinstrument der Unternehmensleitung werden auch unterschiedliche Zwecke der Kostenrechnung berücksichtigt. Dies bedeutet, daß die Kostenrechnung neben der Ermittlung von Herstellkosten und/oder Selbstkosten
auch Unwirtschaftlichkeiten aufzeigen sowie die Grundlage für Dispositionen bilden
soll. Aufbauend auf diesen theoretischen Überlegungen haben wir im Rahmen unserer
Untersuchung fünf grundlegende Kostenrechnungszwecke vorgestellt, die nach unserer Ansicht von den türkischen Unternehmen verfolgt werden sollten. Es handelt sich dabei um die Preiskalkulation, die Kostenprognose, die Kostenanalyse, die
Kostenkontrolle und die Wertermittlung für bilanzielle Zwecke.948
In Anbetracht des Bedeutungswandels der Kostenrechnung und der dadurch beding ten Weiterentwicklung der Kostenrechnungssysteme ist es unserer Meinung nach
sinnvoll, eine Unterteilung der Kostenrechnungszwecke in traditionelle und moderne Zwecke vorzunehmen. Dabei ordnen wir die Preiskalkulation und die bilanzielle
Wertermittlung den traditionellen Zwecken zu, während wir die Kostenkontrolle, die Kostenanalyse und die Kostenprognose als moderne Kostenrechnungszwecke be
zeichnen.
Preiskalkulation Bilanzierung
Kostenanalyse Kostenkontrolle
T raditionelle Zwecke
Moderne Zwecke
Kostenprognose Tab. 34: Klassifikation von Kostenrechnungszwecken
948
Vgl. zu den Häufigkeitsverteilungen der einzelnen Kostenrechnungszwecke auch Abschnitt 5.3.3.3.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Nachdem wir eine Klassifikation der Kostenrechnungszwecke vorgenommen haben,
wollen wir in einem ersten Schritt untersuchen, ob und inwieweit die einzelnen Aus
prägungen der Kostenrechnung zur Verfolgung der jeweiligen Zwecke geeignet sind. Hierzu wollen wir zunächst einen Überblick über die Zuordnung derjenigen Unter
nehmen, die eine Kostenrechnung einsetzen, zu den Typen A, B und C geben.
Darüber hinaus sollen auch jene Unternehmen berücksichtigt werden, die keinem dieser Typen zugeordnet werden können (Typ X). Diese Einteilung basiert auf der
bezüglich
der
Ausgestaltung
der
Kostenrechnung
bereits
vorgenommenen
Typisierung.949 Sie ist für unsere weitere Analyse zwingend erforderlich, da die
meisten Unternehmen mit dem Einsatz der Kostenrechnung gleichzeitig mehrere Zwecke verfolgen. Aufgrund dieser Tatsache kommt es in den nachfolgenden
Tabellen zu Mehrfachnennungen, die zu Verständnisproblemen führen können. Aus dieser Überlegung heraus soll anhand der Tabelle 35 eine klare Zuordnung erfolgen,
um mögliche Mißverständnisse auszuschließen.
Kombinationstyp
A
B
C
X
Anzahl der Unternehmen
3
12
10
76
Tab. 35: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung Wie Tabelle 35 zeigt, ist die in drei Unternehmen eingesetzte Kostenrechnung dem
Kombinationstyp A und die von weiteren zwölf Unternehmen dem Typ B zuzurechnen. Zudem ist die Kostenrechnung von zehn Unternehmen dem Typ C
zuzuordnen. Die Ausgestaltung der Kostenrechnung von insgesamt 76 Unternehmen kann keinem der drei Typen A bis C zugeordnet werden. Diese Fälle haben wir mit
dem Typ X charakterisiert.
949
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 6.1.5.
Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
349
Unter Berücksichtigung der hieraus gewonnenen Informationen wollen wir im folgen den die Zweckmäßigkeit der verschiedenen Kostenrechnungstypen analysieren. In
der Tabelle 36 sind die grundlegenden Zwecke der Kostenrechnung, die in der unter
nehmerischen Praxis der Türkei verfolgt werden, den von uns herausgearbeiteten Typen gegenübergestellt. Unser Anliegen ist es dabei, auf die Unterschiede
zwischen den verfolgten Zwecken der Kostenrechnung auf der einen Seite und der
Gestaltung der Kostenrechnung auf der anderen Seite einzugehen. Hierbei stellt sich
für uns die Frage, ob und inwieweit die Ausgestaltung der Kostenrechnung in den einzelnen Unternehmen den mit ihrer Durchführung verbundenen Zwecken aus
theoretischer Sicht gerecht wird.
Kombinationstyp
A
B
c
X
Preiskalkulation
3
12
9
67
Bilanzierung
3
8
9
64
Kostenkontrolle
2
6
9
38
6
8
30
3
7
31
Zwecke
Kostenanalyse Kostenprognose
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Tab. 36: Typisierung der eingesetzten Kostenrechnung in bezug auf die Zwecke Wie Tabelle 36 zeigt, bestehen deutliche Diskrepanzen zwischen der Ausgestaltung der Kostenrechnung in den einzelnen Unternehmen und den mit der Kostenrech
nung verfolgten Zwecken. Bei der Analyse der traditionellen Zwecke der Kosten rechnung zeigt sich, daß alle drei Unternehmen, die dem Typ A angehören, eine Kostenrechnung sowohl zum Zwecke der Preiskalkulation als auch zur Ermittlung
von Werten für die Bilanzierung durchführen. Darüber hinaus setzen zwölf Unter nehmen eine Kostenrechnung vom Typ B zur Preiskalkulation und acht Unterneh
men zu Bilanzierungszwecken ein. Weiterhin verwenden neun der zehn Unterneh
250__________________________________ Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
men, die dem Typ C zuzuordnen sind, ihre Kostenrechnung zur Preisbestimmung und als Grundlage für die Bewertung von Beständen.
In bezug auf die traditionellen Zwecke können wir grundsätzlich erkennen, daß der
weitaus größte Teil der Unternehmen die von den verschiedenen Typen geforderten Kriterien nicht erfüllt. Zwar können die Preiskalkulation und/oder die Ermittlung von
Werten für Bilanzierungszwecke auch mit einer Kostenrechnung durchgeführt werden, die gerade eben die Mindestanforderungen erfüllt, dennoch bedarf es
gewisser Voraussetzungen, die bei diesen Unternehmen nicht gegeben sind. So
bedingt beispielsweise die Preiskalkulation zumindest eine Kostenträgerstückrech
nung. Diese Voraussetzung wird aber bei den Unternehmen, die dem Typ X zuzu
ordnen sind, nicht erfüllt. Zudem sind auch bei den Unternehmen des Typs C Inkonsistenzen hinsichtlich der Zweckverfolgung zu erkennen. So nehmen diese Unternehmen beispielsweise keine
Kostenauflösung in Einzel- und Gemeinkosten vor, sondern klassifizieren ihre
Kosten lediglich in fixe und variable Bestandteile. Aufgrund dieser Form der Kosten auflösung sind die Unternehmen aus unserer Sicht aufgrund der fehlenden Einzel-
und Gemeinkosteninformationen nicht in der Lage, eine Bewertung von Halb- und Fertigerzeugnissen vorzunehmen. Bei den Unternehmen, die dem Typ B zuzuordnen sind, können die angestrebten
Zwecke aufgrund der unzureichenden Ausgestaltung der Kostenrechnung auch nicht
erreicht werden. So führen die Unternehmen vom Typ B beispielsweise keine Nach kalkulation durch. Insbesondere für die Bewertung von unfertigen und fertigen
Erzeugnissen ist eine Nachkalkulation aber zwingend erforderlich. Da diese nicht durchgeführt wird, können keine entsprechenden Daten für Bilanzierungszwecke
bereitgestellt werden. Demgegenüber weist der Typ A, der aus unserer Sicht den idealtypischen Vor stellungen von der Gestaltung einer Kostenrechnung entspricht, bei der Verfolgung
der traditionellen Zwecke der Kostenrechnung keine Defizite auf. Anhand der Tabelle 36 ist zu erkennen, daß die modernen Kostenrechnungszwecke im Vergleich zu den traditionellen Zwecken der Kostenrechnung von erheblich
weniger Unternehmen verfolgt werden. Wie Tabelle 36 zeigt, führen zwei Unter
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