129 33 78MB
German Pages 475 Year 1995
PETER GÖTZ
Key-Account-Management im Zuliefergeschäft
SCHRIFTEN ZUM MARKETING hrsg. von Prof. Dr. Erwin Dichtl, Mannheim Prof. Dr. Franz Böcker t, Regensburg Prof. Dr. Hermann Diller, Nürnberg Prof. Dr. Hans H. Bauer, Mannheim Prof. Dr. Stefan Müller, Dresden Band 39
Key-Account-Management im Zuliefergeschäft Eine theoretische und empirische Untersuchung
Von
Peter Götz
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Götz, Peter: Key-Account-Management im Zuliefergeschäft : eine theoretische und empirische Untersuchung / von Peter Götz. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum Marketing ; Bd. 39) Zugl.: Erlangen-Nlirnberg, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08432-2 NE: GT
η2 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0343-5970 ISBN 3-428-08432-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Vorwort
Im Zuliefergeschäft erfordern neue Beschaffungsstrategien der Großkunden bei zugleich starkem Wettbewerbsdruck unter den Zulieferern mehr Kundennähe und Bereitschaft zur vertikalen Kooperation mit den Kunden. Zur Umsetzung dieser Ziele bedarf es eines Verkaufsmanagements, das zusammen mit dem Kunden eine ganzheitliche Koordination aller Funktionsbereiche des Zulieferunternehmens ermöglicht. Diese strategische und organisatorische Neuorientierung findet im Key-Account-Management Ausdruck. Dabei handelt es sich um ein auf strategisch bedeutsame Kunden ausgerichtetes Managementkonzept, das strategische, funktionale und organisatorische Elemente umfaßt. Im Hinblick auf die Erzielung von Kundennähe und die Kooperation kommt einer wechselseitigen Abstimmung der Elemente große Bedeutung zu. Nur eine der jeweiligen Situation angepaßte Ausprägung des KeyAccount-Managements fuhrt dazu, daß eine Integration mit dem Kunden vollzogen und die Kundenbeziehung stabilisiert wird. Angeregt und in vielfältiger Weise gefördert wurde die Arbeit von meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof Dr. Hermann Diller. Ihm möchte ich an dieser Stelle für die ständige Diskussionsbereitschaft und die Vielzahl an hilfreichen Hinweisen für die Gestaltung der Arbeit herzlich danken. Ebenfalls danke ich Herrn Prof. Dr. Werner Pfeiffer für die Übernahme des Korreferats. Meinen Kollegen am Nürnberger Lehrstuhl für Marketing bin ich für den zugleich freundschaftlichen und kritisch-konstruktiven Gedankenaustausch dankbar. Großer Dank gilt Frau Sigrid D. Aubauer und meiner Mutter für die umfangreiche und zuverlässige Hilfestellung bei den Korrekturarbeiten am Typoskript. Zu den tatkräftigen Helfern im Rahmen der Endbearbeitung gehörte auch Herr Dipl.-Kfm. Nikolaus Poscharsky. Widmen möchte ich meine Arbeit meinen Eltern und Sigrid A. Aubauer, die selbstlos zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben und dabei vieles entbehren mußten.
Nürnberg, Mai 1995
Peter Götz
Inhalt L Kapitel
Eine Einführung in die Untersuchung
17
A. Die Zwecksetzung der Untersuchung
17
B. Die methodologische Position der Untersuchung
19
C. Der Gang der Untersuchung
21
2. Kapitel
Key-Account-Management im Zuliefergeschäft Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung A. Begriffliche Grundlagen
23 23
I. Der Begriff des Zuliefergeschäfts II. Die Begriffe Kundenorientierung und Kundennähe III. Der Begriff der vertikalen Kooperation B. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft I. Das Fallbeispiel Baumann AG - die Bedeutung der Kundennähe und der vertikalen Kooperation II. Die Herausforderungen im Zuliefergeschäft - die Notwendigkeit der Kundennähe und der vertikalen Kooperation C. Die Umsetzung der Kundennähe und der vertikalen Kooperation durch das Key-Account-Management I. Das Key-Account-Management als Steuerungsinstrument für die Kundenbeziehung II. Das Key-Account-Management als Querschnittsfunktion im Unternehmen III. Eine Konzeptionalisierung des Key-Account-Managements
23 25 26 28 29 35
48 48 53 56
5. Kapitel
Ein theoretisch-integrativer Bezugsrahmen für die Untersuchung des Key-Account-Managements A.Die Systemtheorie als Kern des Bezugsrahmens I. Die Systemtheorie als integratives Paradigma II. Eine systemtheoretische Betrachtung des Key-Account-Managements
59 60 61 62
8
Inhalt
Β. Die Begründung des Key-Account-Managements durch die Transaktionskostentheorie I. Das Key-Account-Management als Koordinationsmechanismus im Markt-Hierarchie-Paradigma II. Transaktionskosten und Kontingenzfaktoren als Grundlage einer weiteren Betrachtung III. Eine kritische Betrachtung des Beitrags der Transaktionskostentheorie für den Bezugsrahmen C. Die organisatorische Gestaltung des Key-Account-Managements aus der Sicht der Kontingenzansätze der Organisationstheorie I. Die organisatorische Gestaltung des Key-Account-Managements II. Die Kontingenzfaktoren des Key-Account-Managements III. Eine kritische Betrachtung des Beitrags der Kontingenzansätze für den Bezugsrahmen
66 67 68 70
73 73 74 78
D. Ein Interaktionsansatz zur Strukturierung der Kundenbeziehung Ansatzpunkte für die strategische Gestaltung des Key-Account-Managements
81
I. Eine Strukturbetrachtung der Kundenbeziehung II. Funktionen des Key-Account-Managements für die Kundenbeziehung III. Der Beitrag der Interaktionsbetrachtung für den Bezugsrahmen
81 87 89
E. Die Funktionsweise des Austausches in der Kundenbeziehung - eine austauschtheoretische Betrachtung I. Austauschprozesse in der Kundenbeziehung II. Eine Erweiterung um den Comparison Level III. Die Gestaltung der Austauschprozesse durch das Key-Account-Management F. Ein Kontingenz- und ein Strukturmodell für die weitere Untersuchung
91 91 93 94 95
4. Kapitel
Die Gestaltung des Key-Account-Managements im Zuliefergeschäft A.Grundlagen der empirischen Analyse I. Die Methodik der empirischen Analyse 1. Das empirische Untersuchungsdesign 2. Die Bestimmung der Zulieferbranchen 3. Die Bestimmung der Zuliefer- und Abnehmerunternehmen 4. Der Aufbau der Fragebögen II. Das Zuliefergeschäft in der Stichprobe 1. Die Zulieferbranchen 2. Die Zulieferunternehmen 3. Das Zulieferprodukt 4. Fazit: Die Rahmenbedingungen des Key-Account-Managements in der Stichprobe ...
98 98 99 99 100 102 106 107 107 111 114 116
Inhalt Β. Die Ziele des Key-Account-Managements I. Eine theoretische Bestimmung der Sachziele des Key-Account-Managements 1. Die Kundenbindung als Oberziel 2. Die Erzielung beiderseitiger Erfolgspotentiale als Oberziel 3. Kundennähe und Kooperation als Zwischenziele 4. Die Priorisierung als grundlegendes Ziel II. Eine empirische Analyse der Sachziele des Key-Account-Managements C. Das strategische Key-Account-Management - die Gestaltung der Kundenbeziehung I. Die Gestaltung der sachlichen Dimension - der Ausgangspunkt der Betrachtung 1. Instrumente und Strategien im Zuliefergeschäft a) Die Marketing-Instrumente als Grundlage der Strategien b) Eine empirisch-induktive Bestimmung der Strategien c) Eine Kontingenz- und Erfolgsanalyse der Strategien 2. Gestaltungsvorschläge für die Strategien a) Simultaneous Engineering für die Zukunftsorientierungsstrategie b) Total-Quality-Management für die Spezialisierungsstrategie c) Modularisierung fur die Generalisierungsstrategie d) Target Pricing für die Preis-Mengen-Strategie II. Die Gestaltung der sozialen Dimension - eine Erweiterung der Betrachtung 1. Die Gestaltung der interorganisationalen Kommunikation mit dem Key-Account a) Strategien der Interaktion
116 117 118 122 125 128 130
135 136 137 137 165 172 195 195 199 205 209 214 215 217
aa) Eine theoretische Bestimmung der Interaktionsstrategien
217
bb) Eine empirische Analyse der Interaktionsstrategien
221
b) Die Kommunikation durch den Einsatz von Kommunikationsmedien aa) Der Aufbau von Machtpotentialen und deren Ausübung bb) Der Aufbau von Vertrauenspotentialen und deren Ausübung cc) Die Gestaltung von Verträgen zur Schaffung von Rahmenbedingungen dd) Die Gestaltung von Verhandlungen zur Interessenskoordination 2. Die Gestaltung der interpersonalen Kommunikation
233 233 243 249 253 256
a) Die Organisation interpersonaler Kommunikation b) Inhalts- und Beziehungsaspekte interpersonaler Kommunikation
257 260
aa) Attraktion - Grundlage interpersonaler Kommunikation bb) Affiliation und der Austausch emotionaler Werte cc) Die Verbesserung der Kommunikationseffizienz eine Diskussion der Neurolinguistischen Programmierung
261 266
III. Die Gestaltung der zeitlichen Dimension - eine Betrachtung des Verlaufs der Kundenbeziehung 1. Die Gestaltung des Verlaufs der Kundenbeziehung a) Der Lebenszyklus von Kundenbeziehungen als Denkfigur b) Zeitstrategische Optionen c) Der Zusammenhang zwischen zeitstrategischen Optionen und den Sachstrategien sowie den Strategien der Interaktion
269 273 273 273 281 290
10
Inhalt 2. Gestaltungsoptionen für die Zeitorientierung in einer Kundenbeziehung a) Die Synchronisation der Aktivitäten zwischen Zulieferer und Key-Account b) Die Synchronisation des Zeiterlebens von Zulieferer und Key-Account
D. Das funktionelle Key-Account-Management I. Das Funktionsspektrum des Key-Account-Managements 1. Eine theoretische Skizze des Funktionsspektrums 2. Aufgaben und Selbstverständnis des funktionellen Key-Account-Managements im Zuliefergeschäft 3. Eine empirische Analyse der Funktionen des Key-Account-Managements II. Funktionstypen im Key-Account-Management 1. Die empirisch-induktive Bestimmung von Funktionstypen 2. Eine Kontingenz- und Erfolgsbetrachtung der Funktionstypen E. Das organisatorische Key-Account-Management
291 292 293 295 296 297 300 304 314 314 317 332
I. Die organisatorische Differenzierung des Key-Account-Managements
333
1. Die Einrichtung einer Key-Account-Management-Stelle 2. Key-Account-Management ohne eine eigenständige Stelle 3. Eine empirische Betrachtung der organisatorischen Differenzierung
334 341 344
a) Organisationsstrukturen im Zuliefergeschäft b) Eine Kontingenz- und Erfolgsanalyse der Organisationsstrukturen
344 346
II. Die organisatorische Integration des Key-Account-Managements
365
1. Die Funktionsträger im Key-Account-Management 2. Die Integration der Funktionsträger durch Kommunikation 3. Kommunikationsinstrumente für die Integration
366 369 378
5. Kapitel
Ein Fazit der Untersuchung
382
A. Eine zusammenfassende Betrachtung des Key-Account-Managements im Zuliefergeschäft
382
B.Implikationen fllr das Fallbeispiel Baumann AG
390
Anhang
397
Literatur
447
Tabellen
Tabelle 1 : Versand und Rücklauf der Fragebögen in den Zulieferbranchen
104
Tabelle 2: Versand und Rücklauf der Fragebögen in den Abnehmerbranchen
105
Tabelle 3: Fragebogenerweiterung in den Abnehmerbranchen
105
Tabelle 4: Umsatzanteil der Sub-Branchen
110
Tabelle 5: Die Operational is ierung der Ziele des Key-Account-Managements
130
Tabelle 6: Die Bedeutung der Ziele des Key-Account-Managements
131
Tabelle 7: Eine Betrachtung der Kontingenzzusammenhänge hinsichtlich der Ziele
132
Tabelle 8: Kontingenztafel der Ziele
134
Tabelle 9: Bedeutungsrangfolge der Marketing-Instrumente nach ihrem durchschnittlichen Stellenwert
138
Tabelle 10: Übersicht der strategischen Stoßrichtungen
139
Tabelle 11: Einflußfaktoren auf die strategische Stoßrichtung Qualität
142
Tabelle 12: Einflußfaktoren auf die strategische Stoßrichtung Forschung und Entwicklung
145
Tabelle 13: Einflußfaktoren auf die strategische Stoßrichtung Warenfluß
153
Tabelle 14: Einflußfaktoren auf die strategische Stoßrichtung Technik
157
Tabelle 15: Einflußfaktoren auf die strategische Stoßrichtung Programm
160
Tabelle 16: Einflußfaktoren auf die strategische Stoßrichtung Information
163
Tabelle 17: Situationen in denen die Strategien überwiegend verfolgt werden
180
Tabelle 18: Sachstrategien und "gemeinsame Orientierungen"
184
Tabelle 19: Sachstrategien und "innere Verpflichtung"
186
Tabelle 20: Sachstrategien und "positive Erfahrungen"
187
Tabelle 21: Sachstrategien und die "Gefahr des Lieferantenwechsels"
190
Tabelle 22: Sachstrategien und die "Zuschlagschance beim nächsten Auftrag"
192
Tabelle 23: Sachstrategien und die "Belastbarkeit der Kundenbeziehung"
194
Tabelle 24: Interaktionsstrategien und "positive Erfahrungen"
230
Tabelle 25: Annahmen und Ergebnisgrößen der einzelnen Phasen im idealtypischen Kundenbeziehungszyklus
280
12
Tabellen
Tabelle 26: Vor- und Nachteile der zeitstrategischen Optionen Kundenaufbau vs. Kundenpenetration
283
Tabelle 27: Vor- und Nachteile der zeitstrategischen Optionen Kundenpflege vs. Kundenweiterentwicklung
287
Tabelle 28: Rangfolge der Aufgaben der jeweiligen Managementfunktionen nach ihrem durchschnittlichen Stellenwert
301
Tabelle 29: Empirische Funktionen des Key-Account-Managements
305
Tabelle 30: Einflußfaktoren auf die Koordinationsfunktion
307
Tabelle 31: Einflußfaktoren auf die Sachplanungsfunktion
311
Tabelle 32: Einflußfaktoren auf die Formalplanungsfunktion
312
Tabelle 33: Funktionstypen und die "Gefahr des Lieferantenwechsels"
328
Tabelle 34: Funktionstypen und die "Zuschlagschance beim nächsten Auftrag"
329
Tabelle 35: Funktionstypen und die "Belastbarkeit der Kundenbeziehung"
331
Tabelle 36: Strukturformen der Vertriebsorganisation
345
Tabelle 37: Organisationsstrukturen und die "Gefahr des Lieferantenwechsels"
360
Tabelle 38: Organisationsstrukturen und die "Zuschlagschance beim nächsten Auftrag"
361
Tabelle 39: Organisationsstrukturen und die "Belastbarkeit der Kundenbeziehung"
363
Tabelle 40: Kontakthäufigkeit mit anderen Funktionsträgern im Rahmen des Key-Account-Managements Tabelle 41: Abstimmungsprobleme mit anderen Abteilungen im Rahmen der
370
Schlüsselkundenbetreuung
372
Tabelle 42: Nutzung von Abstimmungsinstrumenten
380
Tabelle 43: Beispielhafte Gestaltungsparameter in der sachlichen Dimension im Fall Baumann AG Tabelle 44: Beispielhafte Gestaltungsoptionen in der sozialen Dimension im Fall Baumann AG Tabelle 45: Beispielhafte Gestaltung der zeitlichen Dimension im Fall Baumann AG
393 395 395
Abbildungen
Abbildung 1 : Aufbau und Gang der Untersuchung Abbildung 2: Trends in der Zulieferindustrie
22 45
Abbildung 3: Beschaffungswirtschaftliche Herausforderungen und absatzwirtschaftliche Implikationen für Zulieferunternehmen
47
Abbildung 4: Diskrete Transaktion vs. Kundenbeziehung
51
Abbildung 5: Steuerungsmodi von Marktbeziehungen
52
Abbildung 6: Key-Account-Management als Querschnittsfunktion im Unternehmen
55
Abbildung 7: Elemente des Key-Account-Managements
58
Abbildung 8: Eine Kontingenzbetrachtung des Key-Account-Managements
64
Abbildung 9: Eine systemstrukturelle Einordnung des Key-Account-Managements
65
Abbildung 10: Eine Strukturbetrachtung der Kundenbeziehung und des Key-Account-Managements Abbildung 11 : Grundmodell der Funktionen des Key-Account-Managements Abbildung 12: Das inhaltlich spezifizierte Kontingenzmodell des Key-Account-Managements Abbildung 13: Eine Strukturbetrachtung der Kundenbeziehung und des Key-Account-Managements
87 89 96 97
Abbildung 14: Ein Positionierungsmodell zur Branchenauswahl
101
Abbildung 15: Verteilung der Branchen in der Stichprobe
107
Abbildung 16: Zulieferunternehmen nach Umsatzgrößenklassen
112
Abbildung 17: Zulieferunternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen
113
Abbildung 18: Die Marktanteile der Zulieferunternehmen
113
Abbildung 19: Die Komplexität der Zulieferprodukte
114
Abbildung 20: Eigenentwicklungsanteil der Zulieferer
115
Abbildung 21: Eine funktionale Hierarchisierung der Key-Account-Management-Ziele
118
Abbildung 22: Übersicht der Kundenbindungsziele
119
Abbildung 23: Übersicht der Ziele beiderseitiger Erfolgspotentiale
123
Abbildung 24: Eine Übersicht der Ziele der Kundennähe und der Kooperation
126
14
Abbildungen
Abbildung 25: Ziele der Priorisierung
129
Abbildung 26: Die strategischen Stoßrichtungen in den Zulieferbranchen
164
Abbildung 27: Strategien im Key-Account-Management
166
Abbildung 28: Die Strategie der Zukunftsorientierung im strategischen Gestaltungsraum
167
Abbildung 29: Die Spezialisierungsstrategie im strategischen Gestaltungsraum
168
Abbildung 30: Die Generalisierungsstrategie im strategischen Gestaltungsraum
169
Abbildung 31: Die Preis-Mengen-Strategie im strategischen Gestaltungsraum
170
Abbildung 32: Der Einfluß der Umweltambiguität auf die Strategiewahl
173
Abbildung 33: Der Einfluß der Abhängigkeit auf die Strategiewahl
176
Abbildung 34: Strategien und Unternehmensgröße nach Mitarbeitern
178
Abbildung 35: Die Realisation von mit der Einführung des Key-Account-Managements verbundenen Zielen in Abhängigkeit der Strategien
181
Abbildung 36: Interaktionsstrategien der Kundenbearbeitung
224
Abbildung 37: Interaktionsstrategien in Abhängigkeit der Umweltambiguität
225
Abbildung 38: Der Zusammenhang zwischen Interaktions- und Sachstrategien
227
Abbildung 39: Machtkonstellationen im Zuliefergeschäft
234
Abbildung 40: Typologie der Machtpotentiale
236
Abbildung 41: Typologie der Vertrauenspotentiale
245
Abbildung 42: Das Steuerungspotential von Verträgen, Vertrauen und Macht in Abhängigkeit der Ambiguität
250
Abbildung 43: Verträge im Rahmen des Zuliefergeschäfts
251
Abbildung 44: Verhandlungsstile im Key-Account-Management
254
Abbildung 45: Einflußfaktoren auf die interpersonale Attraktion
262
Abbildung 46: Idealtypischer Verlauf des Kundenlebenszyklus
275
Abbildung 47: Zeitstrategische Optionen im Kundenlebenszyklus
282
Abbildung 48: Funktionstypen im Funktionsspektrum des Key-Account-Managements
316
Abbildung 49: Funktionstypen in Abhängigkeit der Produktkomplexität
319
Abbildung 50: Funktionstypen nach Sachstrategien
321
.·
Abbildung 51: Abweichung bei der Beurteilung des Stellenwerts von Leistungen zwischen Kunde und Zulieferer Abbildung 52: Die Realisation von mit der Einführung des Key-Account-Managements verbundenen Zielen nach dem Funktionstyp Abbildung 53: Das Key-Account-Management in der Stabsposition
323 325 335
Abbildungen Abbildung 54: Das Key-Account-Management in der Linienfunktion eines nach Key-Accounts ausgerichteten Unternehmens
337
Abbildung 55: Die Einordnung des Key-Account-Managements in einem nach Funktionen ausgerichteten Unternehmen
338
Abbildung 56: Das Key-Account-Management in der Matrixorganisation
339
Abbildung 57: Das Key-Account-Management als Team
340
Abbildung 58: Unternehmen mit und ohne Key-Account-Management in Abhängigkeit der Ambiguität Abbildung 59: Unternehmen mit und ohne Key-Account-Management nach der Umweltabhängigkeit
349 350
Abbildung 60: Unternehmen mit und ohne Key-Account-Management in Abhängigkeit der Unternehmensgröße nach Mitarbeitern
351
Abbildung 61: Unternehmen mit und ohne Key-Account-Management in Abhängigkeit der Produktkomplexität
353
Abbildung 62: Zusammenhang zwischen dem Funktionstyp und der Key-Account-Management-Stelle
354
Abbildung 63: Zusammenhang zwischen dem Kundenbearbeitungscluster und der Key-Account-Management-Stelle
355
Abbildung 64: Abweichung der Beurteilung des Stellenwerts von Leistungen zwischen Key-Account und Zulieferer nach organisatorischer Differenzierung
357
Abbildung 65: Funktionsträger im Key-Account-Management
367
Abbildung 66: Funktionsträger im Key-Account-Management nach Firmen mit und ohne Key-Account-Management-Stelle Abbildung 67: Häufige Kontakte mit anderen Abteilungen in Firmen mit bzw. ohne
368
Key-Account-Management Abbildung 68: Geringe Abstimmungsprobleme und Key-Account-Management Abbildung 69: Mittelwertprofile der Kontakthäufigkeit mit Unternehmensbereichen nach Kommunikationsstrukturen Abbildung 70: Mittelwertprofile der Abstimmungsprobleme und Kommunikationsstrukturen
371 373 375 377
Abbildung 71: Key-Account-Management-Stellen und die Problemlösung in Ad-hoc-Sitzungen
381
Abbildung 72: Wettbewerbsstärke der Vertriebsorganisation nach Unternehmen mit und ohne Key-Account-Management-Stelle
389
Abkürzungen
Abb. BWL CAD CAQ CIM CL CNC EDI EDV EH F&E Hrsg. JiT KAM Kfz LuR η NLP NVKL O.V. OEM OuF ρ PPS QFD RVKL SD SNr. SuZ Tab. TKT TQM VDA VDM VKL Ζ AL
Abbildung Betriebswirtschaftslehre Computer Aided Design Computer Aided Quality Ensurance Computer Integrated Manufacturing Comparison Level Computerized Numerical Control Electronic Data Interchange Elektronische Datenverarbeitung Elektrohausgeräte Forschung und Entwicklung Herausgeber Just-in-Time Key-Account-Management Kraftfahrzeug Luft- und Raumfahrt Stichprobengröße Neurolinguistische Programmierung Nationale Verkaufsleitung Ohne Verfasser Original Equipment Manufacturer Optik und Feinmechanik Irrtumswahrscheinlichkeit Produktionsplanungs- und Steuerungssystem Quality Function Deployment Regionale Verkaufsleitung Standardabweichung Sondernummer Schreib- und Zeichengeräte Tabelle Transaktionskostentheorie Total-Quality-Management Verband der Automobilindustrie e.V. Verband der Deutschen Möbelindustrie e.V. Verkaufsleitung Zentrales Außenlager
1. Kapitel
Eine Einführung in die Untersuchung A. Die Zwecksetzung der Untersuchung Das Zuliefergeschäft steht derzeit im Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Interesses. Grund dafür ist der Anpassungsdruck allgemeiner Marktentwicklungen. Damit steigt in Forschung und Praxis das Interesse an geeigneten Maßnahmen, um diesem Anpassungsdruck zu begegnen. Neben wettbewerbsstrategischen Überlegungen der Produkt- und Prozeßinnovation spielen strukturelle Maßnahmen eine immer größere Rolle.1 Aus unternehmensstrategischer Sicht gewinnt die Ausrichtung auf Key-Accounts zunehmend an Bedeutung. Dabei bedingen tiefgreifende Veränderungen konsequenterweise neue Anforderungen an Zulieferer, die sich verstärkt als Kooperationspartner in das Netzwerk ihrer Key-Accounts mit eigens angepaßten Organisations- und Arbeitssystemen einbringen müssen.2 Diese entwickeln sich bei den KeyAccounts und den Zulieferern zu immer komplexeren Systemen. Dadurch entsteht ein Grad an Spezifität, der aufgrund steigender Abhängigkeit und wachsendem Sicherungsbedürfnis 3 höhere Anforderungen an die Koordination interner und externer Aufgaben stellt. Während es für den Key-Account zu einem größeren Einkaufsrisiko kommt, steht der Zulieferer ständig neuen Entscheidungsstrukturen und Beschaffungsstrategien gegenüber.4 Neben dem Preis als Instrument zur Koordination am Markt müssen mit der Ausdehnung der Leistungsbeziehung auf Querschnittsfunktionen und Knowhow neue Koordinationsinstrumente eingesetzt werden. 5 Das Instrument der zukünftigen Koordination liegt verstärkt in der Kooperation und deren organisatorischer, funktionaler und strategischer Ausgestaltung mit dem Ziel einer
1 2 3 4 5
Vgl. beispielsweise Frese (1985). Vgl. Picot (1991), S. 338f., und Stark (1992), S. 28f. Vgl. Picot (1991), S. 345. Vgl. Picot (1991), S. 342. Vgl. auch Plinke (1989), S. 307-309.
2 Göl/
18
1. Kapitel: Einführung in die Untersuchung
Ertragspartnerschaft, die die Interessen von Zulieferer und Key-Account berücksichtigt. 6 Die Folge ist eine neue Akzentuierung des Marketing-Managements: Zuliefer-Marketing wird in diesem Bereich in besonderem Maße zum Management von Geschäftsbeziehungen. 7 Der Zulieferer muß, um langfristig erfolgreich am Markt zu agieren, eine Synergiebeziehung zu Key-Accounts aufbauen, die sich ganzheitlich über alle Hierarchieebenen, Funktions- und Geschäftseinheiten erstreckt. 8 Um die dabei anfallenden Managementaufgaben erfolgreich zu bewältigen, ist eine Organisationsform notwendig, die in der Unternehmenshierarchie zum einen dort angesiedelt ist, wo beim Key-Account Entscheidungen gefällt werden, und die zum anderen in der Lage ist, im eigenen Unternehmen Schnittstellen, die bei der Kundenbearbeitung auftreten, zu überbrücken. 9 Dies spricht aus praktischer Sicht für die Notwendigkeit einer eigenen Stelle im Unternehmen zur Betreuung dieser Key-Accounts und zur besseren Bewältigung der dynamischen Anforderungen im Zuliefergeschäft. 10 Aufgrund der aufgezeigten Marktveränderungen lassen sich neue Anforderungen für den Verkauf, die Produktion, die Logistik und letztlich für die Unternehmensführung anführen, die einen erhöhten Koordinationsaufwand erfordern und höhere Anforderungen an Kompetenz und Managementqualität stellen. Diesen Anforderungen kann man nur durch ein ganzheitliches, auf alle Funktionsbereiche abgestimmtes Vorgehen gerecht werden. 11 Eine kundenorientierte Segmentierung von Entscheidungskompetenz und Informationsaustausch, institutionalisiert durch eine auf Key-Accounts ausgerichtete Verkaufsorganisation - Key-Account-Management 12 (im folgenden mit K A M abgekürzt) -, gewährleistet eine einheitliche Betrachtung des Marktsegments "KeyAccount" und damit auch die Vermeidung von Redundanzen bei der Kundenbearbeitung im Unternehmen. 13 Dabei stellt sich für Manager in der Zulieferindustrie die pragmatische Frage: Wie soll ein solches K A M ausgestaltet werden, um oben skizzierten Anforderungen Rechnung zu tragen und damit den Unternehmenserfolg zu sichern? Ausgehend von dieser Grundsatzfrage ergeben sich für die weiteren Ausführungen folgende Zwecksetzungen:
6
Vgl. Klöckmann (1992), S. 48f. Vgl. Diller/Kusterer (1988), S. 213, und Plinke (1989), S. 309. 8 Zu diesem Ergebnis kommt eine im Auftrag des Landes Baden-Württemberg durchgeführte Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little; vgl. Layer (1992), S. 40. Vgl. auch Haverbeck (1992), S. 37. 9 Vgl. Myer (1990), S. 112, und Hanser (1992), S. 33. 10 Vgl. Loos (1992), S.64f. 11 Vgl. Laker (1992), S. 59. 12 Vgl. Diller (1991b), S. 160. 13 Vgl. Frese (1985), S. 272. 7
Β. Methodologische Position der Untersuchung
19
• Zunächst muß ein der Problemstellung angemessenes Begriffsverständnis des K A M geschaffen werden. • Darauf baut eine Beschreibung der unterschiedlichen Ausprägungsformen des K A M auf. Dadurch wird die Vielfalt der Ausgestaltungsmöglichkeiten eines K A M deutlich; dem Praktiker werden Ansatzpunkte für die Gestaltung seines K A M aufgezeigt. • Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit des Zuliefergeschäfts sind pauschale, situationsunabhängige Aussagen über die Gestaltung des K A M nicht möglich. Es ist davon auszugehen, daß die Branche, die Unternehmensgröße, die Produktkomplexität etc. die Ausgestaltung eines K A M bzw. die Entscheidung für die Einrichtung eines K A M beeinflussen. Demnach gilt es zu erklären, welche Einflußfaktoren zu welchen Erscheinungsformen des K A M führen. • Die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen erfordert ferner die Erklärung der Erfolgsträchtigkeit unterschiedlicher Ausgestaltungsformen des K A M , denn die unter den jeweiligen Bedingungen gegebenen Formen des K A M müssen nicht zwangsläufig auch erfolgreich sein. Erst die Bestimmung von Erfolgskriterien erlaubt die Überprüfung der Grundsatzfrage, unter welchen Bedingungen welche Formen erfolgreich sind. Ist der Erklärungsgehalt theoretischer Ansätze gering, kann nur eine Exploration der situativen Abhängigkeit und Erfolgsträchtigkeit weiterführen. Doch auch diese kann in Zusammenhang mit einer Beschreibung der Ausprägungsformen des K A M eine Orientierungshilfe für die unternehmerische Entscheidungsfindung geben.
B. Die methodologische Position der Untersuchung Die Erklärungs- und Beschreibungsansätze für das K A M sind vielfältig. Sie erstrecken sich von der volkswirtschaftlichen Neuen Institutionenlehre bis zur Industriesoziologie, von der sozialpsychologischen Austauschtheorie bis zur Marketingtheorie. Allen diesen Ansätzen ist gemein, daß sie im Hinblick auf das K A M nur partiellen Erklärungsgehalt besitzen. Dies erfordert eine Integration von ausgewählten erklärungskräftigen Ansätzen in einem pluralistischen Bezugsrahmen. 14 Den Kern dieses Bezugsrahmens bildet die Systemtheorie. Diese erlaubt aufgrund ihres Abstraktionsgrades und ihrer Interdisziplinarität eine Integration bestehender Ansätze. Darüber hinaus ermöglicht sie eine for-
14
2*
Zum Begriff Bezugsrahmen vgl. Rössl (1990), S. 99, und die dort angegebene Literatur.
20
1. Kapitel: Einfuhrung in die Untersuchung
male Strukturierung des Erkenntnisobjektes K A M . 1 5 Dabei wird davon ausgegangen, daß die Gestalt und Erfolgswirksamkeit des K A M von situativen Faktoren abhängt. Diese werden in einem Bezugsrahmen inhaltlich bestimmt und bilden die Grundlage für die Diskussion der Ausgestaltung und der Erfolgswirksamkeit des KAM. Gegen diese pluralistische Vorgehensweise kann eingewendet werden, daß sie eklektisch ist und somit die Gefahr besteht, daß unvereinbare Erklärungsansätze miteinander kombiniert werden. 16 Ohne auf den wissenschaftlichen Prinzipienstreit zwischen den Vertretern des Eklektizismus und des Theoriemonismus tiefer einzugehen,17 wird an dieser Stelle eine pragmatische Position eingenommen. Zur Lösung unternehmenspraktischer Probleme werden theoretische Unstimmigkeiten bewußt in Kauf genommen.18 Dieser Bezugsrahmen schafft durch die dort vollzogene Strukturierungsleistung die Grundlage für die Ableitung von Gestaltungsmöglichkeiten des K A M . Dazu wird typologisch vorgegangen. 19 Die Gestaltungsmöglichkeiten werden dann im situativen Kontext hinsichtlich ihrer Erfolgswirksamkeit diskutiert. Diese Diskussion liefert dem Praktiker Ansatzpunkte für eine individuelle Konfiguration seines KAM. Grundlage für die Diskussion von Gestaltungsalternativen ist eine empirische Überprüfung des Gehalts der theoretisch abgeleiteten Bedingungs- und Wirkungszusammenhänge. Dazu dienen die Daten aus einer empirischen Studie. Sie erlauben eine Falsifikation der auf Basis des Bezugsrahmens formulierten Hypothesen.20 Bei geringerer Erklärungskraft der theoretischen Ansätze soll der empirischen Analyse eine explorative Funktion zukommen. Sie bietet dann eine induktive Hilfestellung zur theoretischen Erklärung.
15 Vgl. Pampel (1993), S. 66-68. Zur Strukturierungsleistung der Systemtheorie vgl. insbesondere Meffert (1971), S. 178-180, zum integrativen Charakter der Systemtheorie vgl. insbesondere Wuchterl (1987), S. 231-250. 16 Zum Problem der Inkommensurabilität von Erklärungsansätzen vgl. beispielsweise Steinmann/Scherer (1994), insbesondere S. 1-3. 17 Vgl. dazu beispielsweise die Beiträge im Herausgeberband von Lakatos/Musgrave (1970). 18 Vgl. zu dieser Position beispielsweise Kirsch (1991), S. 2-5. 19 Zur typologischen Methode vgl. insbesondere Hempel (1952) und Tietz (1960). 20 Vgl. Popper (1984), S. 84.
C. Gang der Untersuchung
21
C. Der Gang der Untersuchung Abb. 1 zeigt den Gang der Untersuchung. Demnach werden im Anschluß an die Einfuhrung in die Untersuchung im 2. Kapitel die Grundlagen für die Diskussion des K A M gelegt. Dabei werden zunächst die relevanten Begriffe des Zuliefergeschäfts, der Kundenorientierung bzw. -nähe und der vertikalen Kooperation definiert. Darauf folgend wird die Relevanz der Kundennähe und der vertikalen Kooperation im Zuliefergeschäft dargestellt; ein Fallbeispiel und eine Diskussion der Herausforderungen im Zuliefergeschäft unterstreichen die Notwendigkeit einer strategischen Neuorientierung. Für die Umsetzung der strategischen Neuorientierung wird zum Abschluß des Kapitels das K A M konzeptionalisiert. Im 3. Kapitel wird der theoretisch-integrative Bezugsrahmen erarbeitet, der für die weiteren Ausführungen sowohl die Funktion einer Strukturierungsheuristik als auch einer Argumentationsgrundlage für die Diskussion von Ursacheund Wirkungshypothesen hat. Die Forschungsansätze der Transaktionskostentheorie, des organisatorischen Kontingenzansatzes, der Interaktions- und der Austauschtheorie werden in einen systemtheoretischen Rahmen eingearbeitet, wobei die Inhalte der Forschungsansätze skizziert und in ihrem Beitrag für die Ziele des Bezugsrahmens aufgearbeitet werden. Im Mittelpunkt des 4. Kapitels steht die Diskussion der Gestaltung des K A M im Zuliefergeschäft. Das Zuliefergeschäft wird dabei durch eine empirische Erhebung erfaßt; die Methodik der Erhebung wird im ersten Abschnitt erläutert. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit den Zielen des K A M ; sie stellen Abgrenzungskriterien für die Bestimmung der Gestaltungsmöglichkeiten des K A M dar. Die Gestaltungsmöglichkeiten werden im dritten Abschnitt diskutiert. Dabei wird entsprechend der Konzeptionalisierung des K A M zuerst auf die Gestaltung des strategischen K A M eingegangen; Strategien und Instrumente des Beziehungsmanagements zum Key-Account werden in ihrer situativen Abhängigkeit und Erfolgsträchtigkeit betrachtet. Darauf folgt eine Ausarbeitung der Gestaltung des funktionellen K A M ; die Aufgaben der KeyAccount-Manager zur Generierung und Umsetzung der Strategien werden im Hinblick auf ihren Erfolgsbeitrag untersucht. Die Alternativen der organisatorischen Umsetzung des K A M werden in ihrem situativen Kontext und ihrer Erfolgswirkung in einem letzten Abschnitt beleuchtet. Das abschließende 5. Kapitel dient der Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse. Dies geschieht in einem ersten Schritt in allgemeiner Form, bevor in einem zweiten Schritt Gestaltungsvorschläge für das K A M im eingangs der Arbeit dargelegten Fallbeispiel aufgezeigt werden.
22
1. Kapitel: Einführung in die Untersuchung
Key-Account-Management - Grundlagen, Relevanz und Konzept •
Beqriffliehe 1
Grundlagen
•
Kundennähe und vertikale im Zuliefergeschäft
• Das Zuliefergeschäft
. Der Baumann-Fall - die Bedeutung der Kundennähe und der vertikalen Kooperation
^ Kundenorientierung und! " Kundennähe 1
Kooperation
Herausforderungen im Zuliefergeschäft y die Notwendigkeit der Kundennähe I und der vertikalen Kooperation
-X Vertikale Kooperation
Ï Die Umsetzung
der Kundennähe
und der vertikalen
Kooperation
durch
KAM
•
i
KAM zur Steuerung der Kundenbeziehung
L
ι
Konzeptionalisierung des KAM
• KAM als Querschnittsfunktion
L·. Bezugsrahmen des Key-Account-Managements
1
Systemtheorie Funktionsbetrachtung
als integratives
I
*
#| Strukturbetrachtung
Paradigma
Transaktionskostentheorie
•
Kontingenztheorie
Η
Interaktionstheorie
•
Austauschtheorie 1
KAM im Zuliefergeschäft Grundlagen empirischen
•
>
der Analyse
Ziele des \
W Methodik
I
•
I
Zuliefergeschäft
Gestaltung
•
Instrumente
; f »| Sachstrategien
! Stoßrichtungen *
1
1
Kundenbindung
^ '
Erschließung beiderseitiger Erfolgspotentiale
des strategischen
^Gestaltung der sachlichen Dimension
KAM
t
KAM
l j Gestaltung der sozialen Dimension !
•[ Interorganisat.onale Kommunikation , H Strategien Ψ
Konzepte
k Medien
• Interpersonale Kommunikation >1 Gestaltung der zeitlichen Dimension U Kundenbezie; hungszyklus
•I Organisation der Kommunikation!
, kiZeitstrategische j Ί Optionen
• Beziehungsaspekte •i Techniken der Kommunikation
Gestaltung 1
des funktionellen
Aufgaben •ψ
KAM
Gestaltung
d. organisatorischen
, >j Funktionstypen
tj Strukturen mit KAM-Stelle
Funktionen
• Strukturen ohne KAM-Stelle • Organisatorische Integration I •
Kommunikationsstrukturen
• j Instrumente der Integration
Fazit der Untersuchung Verdichtung
KAM
t Organisatorische Differenzierung
>
Falldiskussion
A b b i l d u n g 1 : A u f b a u und Gang der Untersuchung
2. Kapitel
Key-Account-Management im Zuliefergeschäft Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung In diesem Kapitel werden die konzeptionellen Grundlagen für die Untersuchung des K A M im Zuliefergeschäft gelegt. Dabei werden zunächst die Begriffe des Zuliefergeschäfts, der Kundenorientierung und Kundennähe sowie der vertikalen Kooperation bestimmt. Dann wird die Notwendigkeit eines kundennahen bzw. kooperativen Handelns im Zuliefergeschäft dargelegt. Darauf aufbauend wird das K A M im Hinblick auf die geforderte Neuorientierung konzeptionalisiert.
A. Begriffliche Grundlagen I. Der Begriff des Zuliefergeschäfts Der Begriff des Zuliefergeschäfts wird in der Literatur uneinheitlich gebraucht. Um ihn für die zu bearbeitende Themenstellung zweckmäßig zu bestimmen, werden zunächst die beiden grundsätzlich zu unterscheidenden begrifflichen Ansätze in der Literatur beleuchtet. Ein erster Ansatz grenzt den Begriff des Zuliefergeschäfts rein gutsbezogen bzw. produktbezogen ein.1 Dabei werden Zulieferprodukte nach der Art des Verbrauchs, dem Grad der Selbständigkeit der Entwicklung, dem Stand ihrer Bearbeitung und der Marktfähigkeit definiert. 2 So definiert Petzold Zulieferprodukte als "... Einzelteile oder Erzeugnisse die ohne oder mit geringer Weiterverarbeitung regelmäßig in bestimmte Produkte des beziehenden Unternehmens eingehen, nur in dieser bestimmten Verbindung zu verwenden sind und für die Herstellung des (End-)Produkts erforderlich sind."3 Dabei ist der
1
Vgl. Klinger (1959), S. 1229.
2
Vgl. Kolb (1988), S. 11-18, und die dort zu den einzelnen Begriffsbestimmungen angegebene
Literatur. 3 Petzold (1968), S. 18.
24
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
weisungsgebundene Auftrag ein zentrales Definitionskriterium. 4 Standardisierte Produkte, wie z.B. Schrauben, Federn etc., werden damit ausgegrenzt. Eine weiter gefaßte Begriffsbestimmung findet sich bei Engelhardt/Günter, die den Begriff Teile verwenden und diese als Produkte, "...die im Produktionsprozeß des Abnehmers ohne wesentliche weitere Be- oder Verarbeitung in andere Produkte eingebaut bzw. zu solchen zusammengefügt werden und dabei ihre Identität bewahrenQ" bezeichnen.5 Beiden Definitionsansätzen ist die Fokussierung auf produzierende Abnehmer - Original Equipment Manufacturers (im folgenden mit OEM abgekürzt) 6 - gemein.7 Neben diesem produktbezogenen Definitionsansatz kann das Zuliefergeschäft über die wirtschaftliche Beziehung zwischen Zulieferer und Nachfrager bestimmt werden. Konstituierendes Merkmal ist dann die regelmäßige und wiederkehrende Lieferung von einem Produzenten zu seinem Abnehmer. 8 Die Berücksichtigung dieses spezifischen Aspekts des Marktprozesses ist zunächst positiv zu beurteilen. Eine einmalige Markttransaktion bedarf eines anderen Managements als mehrmalig aufeinanderfolgende oder gar dauerhaft kontinuierliche Markttransaktionen. Ferner wird das "...mögliche Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zulieferer und Abnehmer (...), wie es sich bei kontinuierlichen Lieferbeziehungen entwickeln kann ..." bereits in der Definition explizit. 9 Mit diesem Definitionsansatz entstehen jedoch drei Probleme: Erstens werden produktbedingte Unterschiede der Integrativität von Marktprozessen ausgeblendet. So besteht im Falle einer regelmäßigen Lieferung von Lebensmitteln an eine große Einzelhandelsgruppe keine Notwendigkeit der Abstimmung zwischen Lieferant und Kunde in den betrieblichen Funktionen Entwicklung und Produktion, wie sie im Falle einer Lieferung von Einspritzanlagen an ein Automobilunternehmen gegeben ist. Dort ist Integrativität unabdingbarer Gegenstand der Beziehung. Zweitens kommt es zu einer einseitigen Sichtweise der Abhängigkeit. Diese ist in vielen Fällen durch einzigartiges technologisches Know-how der Zulieferer wechselseitig und kann im Einzelfall gar in der anderen Richtung ausgeprägt sein.10 Drittens entsteht ein Operationalisierungspro4
Dies steht ähnlich auch bei Bratschitsch (1972), S. 806, im Vordergrund.
5
Engelhardt/Günter (1981), S. 182. Zulieferprodukte sind damit sogenannte Verbrauchsgüter.
6
Zum Begriff des OEM vgl. beispielsweise Willée (1990), S. 23.
7
Weitere Definitionen, die sich aus produktbezogener Sicht mit dem Zuliefergeschäft auseinandersetzen, finden sich insbesondere bei Brösse (1971), S. 9, Feuerbaum (1956), S. 13, Hutzel (1981), S. 47, Mahrans (1973), S. 13, Pollak (1970), S. 21, Schildbach (1985), S. 13, und Willée (1990), S. 4f. 8
Vgl. z.B. Kunz (1972), S. 6, und Mahrans (1973), S. 12.
9
Kunz (1972), S. 6.
10
Vgl. Fieten (1991), S. 17f. Dies wird z.B. im Falle Shimano, einem Zulieferer der Fahrradindustrie, bestätigt. Pointiert formuliert "Entscheidet der Zulieferer über das Überleben eines Fahrradherstellers. Wird dieser nicht beliefert, so wird er zum Ladenhüter." Bollschweiler (1993), S. 27.
Α. Begriffliche Grundlagen
25
blem. Es stellt sich die Frage nach der Abgrenzung einer wirtschaftlichen Beziehung. Ist diese nach einmaliger, zweimaliger oder erst ab zehnfacher Lieferung gegeben? Die genannten' Kritikpunkte können darüber hinaus als Gestaltungsparameter eines Managements von Kundenbeziehungen interpretiert werden. Dabei stellt sich explizit die Frage nach der Gestaltung der Integrativität von Marktprozessen, der Fristigkeit von Kundenbeziehungen oder nach Möglichkeiten zum Umgang mit Abhängigkeiten bzw. dem Aufbau von Gegenmacht. Daher erscheint es zweckmäßig, in einem ersten Schritt den operationalen gutsbezogenen Ansatz zu wählen und innerhalb des so eingegrenzten Untersuchungsfeldes in einem zweiten Schritt unterschiedliche Marktprozesse, d.h. in unserem Fall unterschiedliche Formen der Trans- bzw. Interaktionen mit dem Kunden, zu unterscheiden. 11 Dabei sollen die Art des Verbrauchs, der Stand der Bearbeitung und die Marktfähigkeit des Produkts zur Begriffsbestimmung herangezogen werden. Der Grad der Selbständigkeit bei der Entwicklung des Produkts stellt wiederum einen Gestaltungsparameter des Kundenbeziehungsmanagements dar und wird deshalb im Begriff Zuliefergeschäft unbestimmt gelassen. Das Zuliefergeschäft bezeichnet damit die von produzierenden Unternehmen vorgenommene Lieferung von Produkten, die ohne oder nur mit geringfügiger Weiterverarbeitung in bestimmte Produkte des Abnehmers eingehen und erst durch den Einbau in bzw. den Anbau an das Hauptprodukt ihre Funktion erfüllen. 12
II. Die Begriffe Kundenorientierung und Kundennähe Die Kundenorientierung ist ein in der Marketingliteratur häufig verwendeter, jedoch unterschiedlich interpretierter Begriff. Kühn, der sich mit diesen unterschiedlichen Begriffsinterpretationen auseinandersetzt, arbeitet als gemeinsames Merkmal aller Begriffe die positive Grundeinstellung zu den Kunden und deren Bedürfnissen heraus. 13 Darauf aufbauend wird Kundenorientierung als Philosophie der Unternehmensführung i.S. eines strategischen Erfolgsfaktors, 14 11 Dies findet seine Begründung in der vielfach Unternehmen obliegenden Ausgestaltung ihrer Marktprozesse. Diese Heterogenität von Interaktionssystemen wird im 3. Kapitel theoretisch aufgearbeitet und im 4. Kapitel unter normativer Perspektive diskutiert. 12 Zulieferprodukte sind damit industrielle Verbrauchsgüter, die sowohl auftragsbezogen als auch eigenständig produziert werden. 13
Vgl. Kühn (1991), S. 98.
14
Vgl. Levitt (1977), S. 107.
26
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
als situative Dimension der Unternehmenskultur 15 und i.S. konkreter Vorgaben fur die Definition unternehmerischer Leistungen interpretiert. 16 Gegen die erste Interpretation als generellem Erfolgsfaktor spricht das Vorhandensein anderer Führungskonzeptionen, wie beispielsweise der Technologieorientierung und deren empirische Erfolgsträchtigkeit. 17 Die situative Öffnung des Begriffs in der zweiten Variante trägt dieser Kritik Rechnung. Auch Kühn folgt der situativen Öffnung, wonach Kundenorientierung "... als variable, situativ zu beurteilende Grundeinstellung der Mitarbeiter einer Unternehmung zu den Kunden und Kundenbedürfnissen aufgefaßt ..." wird. 18 Die Ausprägung der Wettbewerbssituation entscheidet dann über die Notwendigkeit der Kundenorientierung, die inhaltlich noch weitgehend unbestimmt bleibt. Die in der dritten Begriffsinterpretation geforderte inhaltliche Konkretion der Kundenorientierung wird auf einer nachgelagerten Ebene vollzogen. Dazu fuhren Albers/Eggert den Begriff der Kundennähe ein. 19 Diese stellt inhaltlich konkretisierte Vorgaben für die Ausgestaltung unternehmerischer Leistungen dar und wird über die "Meta-Instrumente" differenziertes Leistungsangebot, flexible Reaktion auf Kundenwünsche und reagible Anpassung an Veränderungen der Kundenwünsche im Zeitablauf inhaltlich bestimmt. 20 Die Meta-Instrumente repräsentieren eine Vielzahl konkreter MarketingMaßnahmen; ihre Umsetzung erfolgt also im Marketing-Mix. 21 Damit wirkt die Kundenorientierung über die Kundennähe auf das Marketing-Mix und bestimmt somit in Abhängigkeit von der Wettbewerbssituation den Unternehmenserfolg.
I I I . Der Begriff der vertikalen Kooperation Bleibt bei der Kundenorientierung der Zulieferer und der Kunde noch autonom, wird bei der vertikalen Kooperation diese Autonomie aufgelöst. Dabei ist die vertikale Kooperation eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit 22 von
15
Vgl. Bennett/Cooper (1979), S. 77.
16
Vgl. Samli et al. (1987), S. 46. Zur Darstellung der einzelnen Interpretationen vgl. Kühn (1991), S. 98-100. 17
Vgl. Bennett/Cooper (1979), S. 76.
18
Kühn (1991), S. 99.
19
Vgl. dazu auch Peters/Waterman (1991), S. 157 und Parasuraman et al. (1985).
20
Vgl. Albers/Eggert (1988), S. 11.
21
Vgl. Albers/Eggert (1988), S. 11.
22
Vgl. Knoblich (1969b), S. 503.
Α. Begriffliche Grundlagen
27
Betrieben unterschiedlicher Wirtschaftsstufen. 23 Diese Zusammenarbeit beinhaltet stets eine Arbeitsteilung zwischen Zulieferer und Kunde entlang der Wertschöpfungskette. 24 Dabei muß die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit von der Koordination durch reine Marktprozesse abgegrenzt werden. Entscheidend ist hierbei die Perspektive. Während ex post auch die Koordination durch Marktprozesse als abgestimmtes Verhalten erscheinen kann, 25 ist Kooperation gekennzeichnet durch "... die bewußte, ausdrückliche... ex-ante-Abstimmung durch wechselseitiges Auferlegen ... [von, Anm. d. Verf.] Verhaltensbindungen". 26 Diese bewußte Abstimmung konkretisiert sich in Form von "... Vereinbarungen - gleich welcher formalen Art". 2 7 Das Verständnis von Kooperation als zwischenbetriebliche Beziehung macht es weiterhin erforderlich, ein Kriterium zur Abgrenzung von unternehmensinterner Koordination einzuführen. Daher wird der Kooperationsbegriff weiter auf wirtschaftlich selbständige Unternehmen eingegrenzt. 28 Eine wesentliche Ausprägung der wirtschaftlichen Selbständigkeit ist nach Schneider die "... Autonomie der Entscheidungen über Bei- bzw. Rücktritt...". 29 Die wirtschaftliche Selbständigkeit muß allerdings dahingehend relativiert werden, daß mit Kooperation grundsätzlich eine Einschränkung der "... Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen..." 30einhergeht. 31 Unklarheit herrscht in der Literatur über den Umfang der in die Kooperation einbezogenen betrieblichen Funktionen. Von manchen Autoren wird die Ansicht vertreten, daß lediglich Teil- bzw. Unteraufgaben kooperativ erfüllt werden dürften, 32 andere schließen auch eine "gesamtfunktionelle" 33 Kooperation nicht aus. Gegen eine gesamtfunktionelle Kooperation wird angeführt, daß in diesem Fall die wirtschaftliche Selbständigkeit nicht mehr ausreichend gewähr-
23
Vgl. Steffenhagen (1975), S. 39.
24
Vgl. Pampel (1993), S. 18. Zum Begriff der Wertkette vgl. Porter (1986), S. 62.
25
Vgl. Ahlert (1985), S. 127, Boettcher (1974), S. 22, und Eschenburg (1971), S. 4.
26
Ahlert (1985), S. 127 (Hervorhebungen im Original).
27
Schneider (1973), S. 43 (Hervorhebung im Original). Bezüglich der Vereinbarungen unterscheiden Tietz/Mathieu (1979), S. 10, vertragsfreie und vertragliche Kooperation. 28
Dies entspricht dem Vorgehen in der Literatur. Vgl. Gerth (1971), S. 16, Grochla (1972), S. 3, Schneider (1973), S. 39f, und Thies (1976), S. 50. 29
Schneider (1973), S. 41.
30
Schneider (1973), S. 40.
31 "Wirtschaftliche Selbständigkeit ist nicht gleichbedeutend mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit." Herz (1973), S. 23. Vgl. dazu auch Boettcher (1974), S. 42. 32
Vgl. Schneider (1973), S. 41, Grochla (1972), S. 2, Gerth (1971), S. 16, und Knoblich (1969b), S. 500 u. 507. 33
Thies (1976), S. 51. Vgl. auch Tietz/Mathieu (1979), S. 16f.
28
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
leistet sei.34 Eine explizite Eingrenzung des Kooperationsbereiches auf Teilfunktionen erschwert allerdings die Operationalisierbarkeit der Definition, da situativ entschieden werden müßte, an welchem Punkt nicht mehr nur Teilaufgaben kooperativ erfüllt werden. Wenn tatsächlich die wirtschaftliche Selbständigkeit bei einer Totalkooperation' nicht mehr besteht, so wird diese Kooperationsart schon wegen der fehlenden Selbständigkeit nicht mehr berücksichtigt. Insofern muß der Umfang der einbezogenen betrieblichen Funktionen nicht in die Definition übernommen werden. Der überwiegende Teil der Literatur schließt in die Definition der Kooperation ihre Begründung gleich mit ein: die Erwartung eines gegenüber individueller Aufgabenerfüllung günstigeren Ergebnisses bei kollektiver Durchführung, also eines Nettokooperationsnutzens. 35 Vertikale Kooperation bezeichnet im Zuliefergeschäft demnach die bewußte Übereinkunft und abgestimmte Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Zuliefer- und Abnehmerunternehmen zum Zweck der Verbesserung ihrer Leistungspotentiale und/ oder der Nutzung bestehender Leistungspotentiale, 36
B. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft In diesem Abschnitt wird zunächst an einem Fallbeispiel die Bedeutung der Kundennähe und der vertikalen Kooperation aufgezeigt. Von diesem Fall ausgehend werden grundsätzliche Veränderungen auf Zuliefermärkten, die für das Handeln der Zulieferunternehmen maßgebend sind, dargestellt. Dadurch wird die Relevanz eines kundenorientierten und kooperativen Handelns der Zulieferunternehmen generalisiert.
34
Vgl. Gerth (1971), S. 16, und Schneider (1973), S. 41.
35
Vgl. Schneider (1973), S. 51, Thies (1976), S. 50, Gerth (1971), S. 17, und Steffenhagen (1975), S. 58. Zu Beispielen von Definitionen ohne Zielangabe vgl. Haussier (1977), S. 13, und Grochla (1972), S. 3. 36
Vgl. Pampel (1993), S. 18.
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
29
37
I. Das Fallbeispiel Baumann AG - die Bedeutung der Kundennähe und der vertikalen Kooperation Im folgenden soll ein Fallbeispiel aus dem Büromöbelzuliefergeschäft vorgestellt werden. Dabei werden folgende Ziele verfolgt: • Das Fallbeispiel soll die Bedeutung von Kunden für ein Zulieferunternehmen illustrieren. • Aufbauend darauf soll die Notwendigkeit einer kundenorientierten und kooperativen Unternehmensführung verdeutlicht werden. • Ferner soll gezeigt werden, daß neben dem Produkt und dem Preis auch andere Faktoren für eine erfolgreiche Kundenbeziehung maßgebend sind, und daß diese ganzheitlich auf die Bedürfnisse des Kunden zuzuschneiden sind. • Darüber hinaus wird die Grundlage für eine zum Abschluß der Arbeit angestrebte Projektion der im Laufe der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse auf einen Praxisfall gelegt. Die dort am Beispiel der Baumann AG aufgezeigten Handlungsempfehlungen zeigen den Erkenntnisfortschritt für die Praxis. Das Fallbeispiel beginnt mit einer Darstellung der wettbewerbsstrukturellen Rahmenbedingungen im Büromöbelzuliefergeschäft. Darauf aufbauend wird die Situation eines Zulieferers und eines seiner Kunden dargestellt. Abschließend wird die Beziehung zwischen den beiden Unternehmen betrachtet. Im Anschluß an das Fallbeispiel werden die dort auftretenden Probleme skizziert und als Ausdruck mangelnder Kundenorientierung interpretiert. • Die allgemeinen strategischen Rahmenbedingungen im Büromöbelzuliefergeschäft: Das Büromöbelzuliefergeschäft beinhaltet drei zentrale Produktbereiche: Metallteile, Kunststoff und Holz. Dabei ist in den letzten Jahren ein stetiges Wachstum des Anteils der Metallteile an Büromöbeln zu beobachten. Dafür ist erstens die hohe Funktionalität der Metallteile hinsichtlich Präzision, Form und Dauerhaftigkeit, zweitens die einfache Möglichkeit des Metallrecycling und drittens die modische Aktualität von Metallteilen im Rahmen des Designtrends "High-Tech" maßgebend. Deshalb wird sich nach Aussagen von Branchenvertretern das Wachstum des Metallanteils an Büromöbeln auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Bei den Metallzulieferteilen können vereinfacht drei produktbezogene Marktsegmente nach dem Qualitätsniveau unterschieden werden: ein Segment hoher Qualität 37
Die Namen der Unternehmen und der beteiligten Personen wurden aus Gründen der Anonymität verfälscht. Die Daten stimmen mit der Realität überein.
30
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
mit kundenindividuellen Teilen, ein Segment mittlerer Qualität mit hochwertigen Standardteilen und eines geringer Qualität mit einfachen Standardteilen. Metallzulieferteile besitzen einen relativ geringen Wert, so daß eine Zulieferung großen internationalen Stils aufgrund des dann entstehenden hohen Transportkostenanteils nicht lohnenswert erscheint. Damit ist die Möbelzulieferbranche im wesentlichen eine nationale Branche. Daneben haben einige osteuropäische Länder - Polen, Tschechien und Ungarn - drastische Lohnkostenvorteile, die, bei einer relativ geringen Entfernung zu Deutschland, eine Zulieferung unter sehr wettbewerbsgünstigen Konditionen ermöglichen. Die Entwicklung im Büromöbelzuliefergeschäft ist naturgemäß eng verzahnt mit der Nachfrage nach Büromöbeln. Der Büromöbelmarkt wuchs in den zurückliegenden Jahren insbesondere aufgrund der notwendigen Büroausstattungen in den neuen Bundesländern. Im Jahr 1992 setzte dann eine starke Rezession ein; seit Ende 1993 stagniert der Markt. Der horizontale Wettbewerb im Teilmarkt der Metallzulieferteile wird von sieben Hauptkonkurrenten und einer Vielzahl kleiner Wettbewerber bestritten. Die Baumann A G ist den "Großen Sieben" zuzurechnen. Dabei handelt es sich um mittelständische Unternehmen, wobei jedes rund 100 Mio. D M Umsatz realisiert. Das einsetzende Abflachen im Marktwachstum führt zu einer sich zunehmend verschärfenden Wettbewerbssituation. Eine Möglichkeit, dem Wettbewerb zu entgehen, stellt die Produktdifferenzierung dar, die sich in den Segmenten der hohen und mittleren Produktqualität bietet. Dabei spielen vor allem die Verkettbarkeit und die Möglichkeit der Integration der Büroelektronik eine starke Rolle. Daneben ist die Paßgenauigkeit der Teile von großer Bedeutung. Die kundenindividuelle Ausrichtung der Programme, wie sie z.B. von Baumann verfolgt wird, stellt eine weitere Differenzierungsquelle dar, die zudem zu Umstellungskosten beim Kunden fuhrt. Die Gefahr des Markteintritts anderer metallverarbeitender Unternehmen ist relativ hoch. Der Markteintritt einiger Unternehmen der Automobilzulieferindustrie in jüngster Zeit bestätigt dies. Metallverarbeiter besitzen dazu das Know-how, und Betriebsgrößenersparnisse stellen keine Barriere dar. Ferner ist der zusätzliche Kapitalbedarf gering. Einzig die oben beschriebene Produktdifferenzierung und die Umstellungskosten wirken als Barriere. Ein Druck durch Substitutionsprodukte, wie z.B. Holz und Kunststoff, ist nicht gegeben. Nach Expertenmeinungen ist Metall aufgrund seiner Eigenschaften ein ideales Material für eine Vielzahl von Büromöbelteilen und wird langfristig weitere Kunststoff- und Holzteile ersetzen. Aufgrund der Vielzahl an potentiellen Zulieferern und der Möglichkeit, diese gegeneinander auszuspielen, besitzen die Abnehmer zunächst eine starke Machtgrundlage. Dem steht jedoch entgegen, daß die Konzentration der Abnehmer nicht weit fortgeschritten ist; so hat Baumann z.B. ca. 2000 potentielle Kunden. Die Abnehmermacht wird begrenzt durch die Produktdifferenzierung sowie die Umstellungskosten. Dabei beträgt der Lebenszyklus einer Serie ca. 8-10 Jahre. Investitionen in Werkzeuge binden den Kunden zunächst für ca. 4 Jahre. Ferner tragen die Metallzulieferteile einen Wertschöpfungsanteil von ca. 50 Prozent am Endprodukt. Die Zulie-
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
31
ferer haben damit große Bedeutung für die Qualität des Abnehmerprodukts. Auch sind die Abnehmer reine Holzverarbeitungsunternehmen, die kein Know-how im Bereich der Metallverarbeitung besitzen. Damit besteht eine geringe Gefahr der Rückwärtsintegration.
• Die Wettbewerbssituation der Baumann AG: Das Metallverarbeitungsunternehmen Baumann AG erzielte 1991 einen Umsatz von ca. 100 Mio. DM. Davon entfielen auf das Geschäftsfeld Büromöbelteile ca. 15 Mio. DM. Dabei wurden wiederum mit den drei größten Kunden ca. 40% des Umsatzes gemacht. Die verbleibenden 60% wurden zur einen Hälfte mit einer Vielzahl von wechselnden Kleinkunden, zur anderen Hälfte mit 20 Stammkunden erzielt. Im Geschäftsfeld Büromöbelteile werden zwei Programmlinien verfolgt. Zum einen werden kundenindividuelle Programme hergestellt, zum anderen gibt es eigene Programme. Insgesamt werden ca. 250 Teile gefertigt. Die Preise dafür verstehen sich als reine Nettopreise. Sie gelten frei Haus, wobei der Transport über eine Spedition erfolgt. Zentrale Erfolgsfaktoren für die Baumann AG sind hohe Qualität, Paßgenauigkeit und Verkettbarkeit sowie die Möglichkeit zur Integration von Büroelektronik. Bei diesen Faktoren hat Baumann gegenüber den meisten Wettbewerbern einen Wettbewerbsvorteil. Daneben gilt Baumann als zuverlässig und liefertreu. Dies prägt auch die dem Unternehmen zugeschriebene Kompetenz. Das generelle Image ist mit den Worten Tradition und Qualität zu umschreiben. Die Schwächen liegen neben der im Vergleich zu einigen Wettbewerbern schlechteren Kostensituation, die auf Lohnkostennachteile zurückzufuhren ist, in dem Fehlen einer kurzfristigen Reagibilität gegenüber Kundenwünschen. Daneben wird Baumann eine geringe Initiativkraft für die Entwicklung neuer individueller Produktprogramme zugeschrieben.
• Die Wettbewerbssituation der Firma Bürotec AG: Die Geschäftsentwicklung der Firma Bürotec war in den zurückliegenden fünf Jahren sehr erfolgreich. Im Jahr 1991 wurde dabei ein Umsatz in der Klasse zwischen 100 und 200 Mio. D M realisiert. Er soll weiter steigen. Die Firma Bürotec konzentriert sich einzig auf das Geschäftsfeld Büromöbel. Für den Erfolg der Firma Bürotec gibt es mehrere Gründe. Zum einen konzentriert sich das Unternehmen auf das in den letzten Jahren wachsende Marktsegment der exklusiven, designorientierten Serienmöbel. Nach einer Zeit der rein funktionalen und möglichst billigen Büroausstattung setzte in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren ein Wandel in der Einstellung gegenüber Büromöbeln ein. Zum einen galt es, im Rahmen der Corporate Identity einer Unternehmung, Büros mit repräsentativen, für die Firma individuell zugeschnittenen Möbeln einzurichten - Beispiel Banken -, zum anderen stiegen aufgrund der Humanressourcendiskussion die ergonomischen Anforderungen an Büromöbel. Hinzu kam durch den Personal Computer
32
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
ein Wandel in der Welt des Arbeitsplatzes. Dadurch setzte im Segment der repräsentativen Büromöbel, die zudem noch vielfältigen funktionalen Anforderungen Rechnung tragen müssen, ein Wachstumstrend ein. Diesen konnte Bürotec in den zurückliegenden Jahren voll ausnützen. Es werden jeweils vier Produktlinien angeboten, die in sich einen modularen Aufbau aufweisen und in jeglicher Hinsicht frei miteinander kombiniert werden können. Hier kann individuell auf die Anforderungen der Kunden in puncto Material und Farbe eingegangen werden. Im Hinblick auf die Form bzw. die Größe besteht keine Flexibilität; diese wird quasi durch die Kombinierbarkeit geschaffen. Hinzu kommt eine ausgeprägte Serviceorientierung und systematische Zusammenarbeit mit dem Handel bzw. individuelle Beratung der Großkunden. Die gesamte Ausrichtung des Unternehmens erfolgt am Kunden. Es wird auftragsbezogen gefertigt und jeder Auftrag wird von dem vom Kunden gewünschten Liefertermin ausgehend geplant. Oberstes Ziel ist es, daß der Kunde zu diesem Zeitpunkt das individuell zugeschnittene Programm bekommt. Dadurch gelang es Bürotec in den zurückliegenden Jahren, ein Image der Kompetenz, Qualität und Ästhetik aufzubauen. Damit einher geht eine konsequente Hochpreispolitik. Zur ökonomischen Umsetzung dieser Strategie wird konsequentes Outsourcing betrieben. Die Fertigungstiefe wurde in den letzten fünf Jahren gemessen an einem Ausgangsindex von 100 auf 30 reduziert. Es wurde insbesondere der angestammte Bereich der Holzverarbeitung verkleinert. Ein sich am Markt abzeichnender Zuliefertrend hin zu Holzzulieferern ermöglicht diese Strategie und läßt enorme Kostensenkungen zu. Die Montage und der Materialfluß wurden auf EDV-Basis optimiert und flexibilisiert. Dabei bleibt man jedoch nicht stehen, sondern versucht die Prozesse und damit verbunden auch die Produkte permanent zu verbessern (prozeßtechnologisch induzierte Entwicklung). Vom Kundenauftrag bis zur Materialbeschaffung ist der gesamte Prozeß informatorisch abgebildet. Man blieb dennoch Serienhersteller, was Economies of Scale zuläßt. Ferner wird eine zunehmende Integration mit Lieferanten angestrebt. Elementare Voraussetzung für die Zulieferung ist der individuelle Zuschnitt der Zulieferprodukte auf die Erfordernisse von Bürotec bzw. deren Kunden. Gleiche Produkte dürfen sich aus Differenzierungsgründen nicht bei Konkurrenten finden. Ein weiterer Erfolgsfaktor des Unternehmens ist die Verkaufsorganisation. Sie ermöglicht die optimale Beratung des Kunden und eine individuelle Anpassung an seine Bedürfnisse. Dies ist nicht zuletzt dank des Computereinsatzes der Verkaufsmannschaft möglich, der sowohl die innenarchitektonische Planung unterstützt als auch aktuelle Auskunft über Kapazitäten, Auftragsablauf etc. ermöglicht. Im Falle des Absatzes durch den Handel wird dieser konzeptionell und planerisch gefördert. Ab einem definierten Auftragsvolumen werden Kunden direkt von Bürotec betreut. Der regionale Händler erhält für den Kunden jedoch Provision. In engem Zusammenhang mit dieser strategischen Ausrichtung des Unternehmens steht ein Wandel im gesamten Management. Hier wird versucht, Entscheidungsprozesse zunehmend zu professionalisieren und informatorisch abzustützen und im Rahmen einer flachen Organisationsstruktur die zur Umsetzung der Strategie erfor-
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
33
derliche Flexibilität zu gewährleisten. Dazu war auch eine Vielzahl personeller Veränderungen notwendig.
• Die Kundenbeziehung zwischen der Baumann AG und der Bürotec AG: Bürotec ist seit 8 Jahren Kunde von Baumann. Zum damaligen Zeitpunkt hat man ein erstes, individuell auf Bürotec zugeschnittenes Metallteileprogramm entwickelt. Dabei entfallen ca. 20% des Umsatzes von Baumann auf Bürotec. Aufgrund der eingefahrenen Geschäftsbeziehung ist die Anzahl beiderseitiger Kontakte zurückgegangen. So kontaktiert sowohl Herr Schuster, Mitglied der Geschäftsführung der Baumann AG, als auch Herr Maier, Leiter Fertigung und Vertrieb, die Firma Bürotec je dreimal im Jahr persönlich. Das Klima ist freundlich, wenngleich die Atmosphäre bei Bürotec insgesamt unter dem starken Wachstum leidet. Im vergangenen Jahr kam es in der eingefahrenen Geschäftsbeziehung zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Unternehmen. Herr Huber, Leiter der Materialwirtschaft bei der Bürotec AG, trat dreimal an Herrn Maier heran: • "Sie verfugen nicht über die notwendige Flexibilität. Reaktionen auf kurzfristige Lieferanfragen dauern zu lange. Für die Umsetzung unserer individuellen Wünsche hinsichtlich der Produktgestaltung brauchen Sie zu viel Zeit oder Sie sind erst gar nicht dazu bereit. Wir können das nicht in Kauf nehmen, da wir selbst kundenorientiert sein wollen und damit flexibel reagieren müssen. Dies ist für uns umso unverständlicher, da Sie sich unserer Bedeutung für Ihr Unternehmen bewußt sein müßten." • "Sie sollten in den Bereichen Konstruktion und Entwicklung kooperativer sein. Sie warten ab, bis komplette Konstruktionszeichnungen vorliegen, bevor Sie eigene Aktivitäten entfalten. Dies kostet uns gemeinsam zu viel Zeit. Wir könnten mit der Konstruktion der Werkzeuge bereits sehr viel früher beginnen und dabei unser beiderseitiges Know-how einbringen. Darüber hinaus könnten wir durch gleichzeitige Werkzeugentwicklung die Produktentwicklung positiv beeinflussen. Nachsteuerungen wären dann nicht mehr notwendig." • "Ihre Preise sind zu hoch. Konkurrenten bieten vergleichbare Produkte bis zu 30% günstiger an. Bei unserem Auftragsvolumen müßten Sie uns entgegenkommen." Herr Huber hat zu diesem Zeitpunkt die Haltung der Baumann A G nicht verstanden. Aus seiner Sicht hatte Baumann die notwendige produktionstechnische Flexibilität, um kurzfristig auf Wünsche reagieren zu können. Der Grund für die tatsächliche Inflexibilität lag seiner Meinung nach in der starren Organisationsstruktur: Baumann würde noch sehr hierarchisch und ressortbezogen denken. Ferner geht er davon aus, daß das Verständnis und der Wille, sich aktiv kooperativ zu verhalten, zu diesem Zeitpunkt gefehlt hat. Nachdem Herr Maier auf die Signale von Bürotec nicht in entsprechender Weise reagierte, verschärfte sich die Kritik an Baumann. Herr Huber trat an Herrn Schuster heran. Nach einem sehr intensiven Telefongespräch, in dem obige Kritikpunkte besprochen wurden, wurde der Schlüsselkunde Bürotec zur "Chefsache" erklärt. Herr 3 Götz
34
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
Schuster reiste nach Köln. Herr Huber bekräftigte nochmals obige Problematik und äußerte zudem daß, "... insbesondere der »Mensch Maier« ein Problem sei. Er verfuge zwar über die menschlich durchaus positiven Eigenschaften der Geradlinigkeit und Korrektheit, sei dadurch aber viel zu starr und wenig entgegenkommend. Er sei einfach zu wenig »Verkäufer«!" Herr Schuster reagierte daraufhin mit einer pauschalen Preissenkung gegenüber Bürotec von 10%. Die Firma Bürotec hatte sich jedoch bereits entschlossen, ca. 30% des bisherigen Auftragsvolumens und damit 6% des Gesamtumsatzes von Baumann aufzukündigen und von einem österreichischen Zulieferer zu beziehen. Dies geschah trotz einer vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von vier Monaten mit sofortiger Wirkung. (Dabei besteht Grund zu der Annahme, daß Herr Huber aufgrund seiner kurzen Betriebszugehörigkeit über die Vertragsbedingungen nicht informiert war.) Daneben hat Herr Huber neue Geschäfte mit anderen Teilen in Aussicht gestellt, um den Verlust für Baumann erträglich zu machen.
Der Fall Baumann AG spiegelt mehrere Probleme einer Kundenbeziehung wider. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Bürotec erwartet zunehmende Flexibilität von Baumann. Diese bezieht sich insbesondere auf die Logistikleistungen. Kurzfristigen Lieferwünschen, die für Bürotec eine große Bedeutung im Hinblick auf deren Marketingstrategie besitzen, wird nicht nachgekommen. • Bürotec fordert individuelle Produktmodifikationen. Diese werden von Baumann entweder nicht oder nur zu langsam umgesetzt. Damit kommt wiederum ein Stück Inflexibilität, aber auch ein zu wenig differenziertes Leistungsangebot zum Ausdruck. • Ferner wünscht Bürotec eine verstärkte Kooperation im Bereich der Entwicklung. Durch Simultanentwicklungen erhofft man sich Zeit- und Kostenvorteile. Ferner ist abzusehen, daß Forderungen nach einer Auslagerung von Wertaktivitäten an Baumann herangetragen werden. Auf diese Herausforderungen wird nicht reagiert. Die Zeichen der Zeit, die zugleich Chancen im Sinne von Beziehungspotentialen darstellen, werden wiederum nicht erkannt. Baumann besitzt gegenüber Umweltveränderungen keine Reagibilität. • Im sozialen Bereich kommt es zu Spannungen zwischen den Verantwortlichen beider Unternehmen, die zum einen durch unterschiedliche Unternehmenskulturen, zum anderen durch unterschiedliche Persönlichkeitsprofile bedingt sind. Der Verkaufsleiter Maier besitzt nicht die soziale Kompetenz, die entstehenden Konflikte zu lösen. Alles zusammen führt letztlich zum Verlust von 30% und der Gefährdung weiterer 24% des Umsatzes mit der Bürotec AG. Dieser Verlust von umgerechnet 6% des Gesamtumsatzes von Baumann verdeutlicht die Bedeutung des Key-Accounts Bürotec. Schmerzlich ist der Verlust insbesondere vor dem
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
35
Hintergrund der Kosten der Neukundenakquisition bzw. der Akquisition von neuen Key-Accounts, so es diese überhaupt gibt, und den für die Entwicklung zum Key-Account notwendigen Investitionen. Im Hintergrund der Ursachen des Umsatzverlustes steht eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen von Bürotec und der Leistungsbereitschaft der Baumann AG. Dabei werden Flexibilitäts-, Individualisierungs- und Reagibilitätsdefizite deutlich. Diese Defizite bzw. Eigenschaften sind Ausdruck einer fehlenden Kundennähe. Darüber hinaus entwickeln sich die Kundenbedürfnisse der Bürotec AG zum Wunsch nach einer Zusammenarbeit. Auch hier drückt sich mangelnde Kundennähe und eine fehlende Sensibilität für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch vertikale Kooperation aus. Damit zeigt das Beispiel Baumann die Bedeutung der Kundenorientierung und der vertikalen Kooperation. Um diese erste Stützung der Forderung nach Kundenorientierung und Kooperation zu generalisieren, werden im nächsten Abschnitt ausgewählte Herausforderungen der Wettbewerbssituation auf Zuliefermärkten betrachtet.
II. Die Herausforderungen im Zuliefergeschäft - die Notwendigkeit der Kundennähe und der vertikalen Kooperation Zur Darstellung ausgewählter Herausforderungen der Wettbewerbssituation im Zuliefergeschäft werden zwei Betrachtungen angestellt: Zum einen werden aus Sicht der Zulieferunternehmen absatzwirtschaftliche Veränderungen dargestellt. Dabei wird zunächst die horizontale und dann die vertikale Wettbewerbssituation betrachtet. Zum anderen werden aus der Sicht der Abnehmer deren beschaffungswirtschaftliche Strategien betrachtet. Damit zeigen sich Veränderungen in der Wettbewerbssituation der Zulieferer, die auf die Gestaltung der Zulieferbeziehung wirken und damit absatzwirtschaftliches Handeln prägen. Die Auswirkungen auf das absatzwirtschaftliche Handeln werden in die jeweilige Betrachtung eingearbeitet und abschließend in ihrer Auswirkung auf die Kundenorientierung und vertikale Kooperation zusammengefaßt. Die absatzwirtschaftliche Situation im Zuliefergeschäft ist bei horizontaler Betrachtung derzeit geprägt durch eine Rezession bzw. Stagnation. Betrachtet man beispielsweise die im Verband der Automobilindustrie (im folgenden als VDA abgekürzt) ausgewiesenen Umsatzzahlen für deutsche Zulieferunternehmen, so zeigt sich, daß 1992 die reale Wachstumsrate im Inlandsgeschäft lediglich 2,6% und im Auslandsgeschäft 2,0% beträgt. 38 Damit ist die Wachs38
3*
Vgl. VDA (1993), S. 360.
36
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
tumsrate seit 1984 auf einem Tiefpunkt angelangt, der nach Hochrechnung der Halbjahres werte 1993 nochmals rückläufig sein wird. Für andere Zuliefermärkte werden keine direkten Zulieferdaten ausgewiesen, jedoch läßt sich aufgrund der Stagnation in den nachgelagerten OEM-Märkten - zwischen 1992 und 1993 kam es beispielsweise im Luft- und Raumfahrtmarkt zu einem Umsatzrückgang von 9,8% 39 oder im Möbelmarkt zu einem kleinen Umsatzzuwachs von 4% 4 0 - schließen, daß auch das Zuliefergeschäft für diese Endprodukte rückläufig ist. In diese stagnierenden Zuliefermärkte dringen zusehends ausländische Konkurrenten ein. Im Automobilzuliefergeschäft hat sich beispielsweise die Einfuhr von Kfz-Teilen in den letzten fünf Jahren mit steigenden Wachstumsraten nahezu verdoppelt; allein zwischen 1992 und 1993 nahm sie um 11,2% zu. 41 Dies geht nicht zuletzt auf die Öffnung des EG-Binnenmarktes und der osteuropäischen Märkte sowie auf ein verändertes Beschaffungsverhalten der Abnehmer zurück. Ferner kann sich die Konkurrenzsituation nicht nur durch die Einfuhr von Zulieferprodukten sondern auch durch die Ansiedlung ausländischer Zulieferer vor Ort verschärfen. Dazu gibt es für Deutschland derzeit keine Beispiele; ein europäisches Beispiel stellt der japanische Sitzhersteller Ikeda Hoover dar. Dieser belieferte zunächst Nissan UK, dann Ford sowie andere europäische Autohersteller. 42 Die Situation hinsichtlich der horizontalen Konkurrenz auf den Absatzmärkten verdeutlicht den Wettbewerbsdruck, dem Zulieferer ausgesetzt sind. Ein stagnierender Inlandsmarkt führt bei kaum möglichen Exporten in Verbindung mit dem Markteintritt ausländischer Konkurrenz zwangsläufig zur Verdrängung von Marktpositionen. Diese Aussage wird hinsichtlich der Wahrnehmung des Wettbewerbsdrucks durch die Studie von Schmidt/Richter gestützt. Die Autoren stellen fest, daß 1990 30,6% der Zulieferunternehmen ihren Gesamtumsatz mit Zulieferprodukten realisieren, bei denen ein intensiver Wettbewerb vorherrscht. Bei weiteren 22% der Zulieferer unterliegen mehr als 90% der Produkte einem intensiven Wettbewerbsdruck. Unter diesem horizontalen Wettbewerbsdruck sind Zulieferer gefordert, aktiv nach Wettbewerbsvorteilen zu streben, um ihre Wettbewerbsposition zu sichern. Die Kundenorientierung und die Kooperation stellen dabei zwei strategische Stoßrichtungen zur Erschließung von Wettbewerbsvorteilen dar, die sich über die noch darzustellenden Veränderungen des Beschaffungsverhaltens der Abnehmer inhaltlich konkretisieren.
39
Vgl. Statistisches Bundesamt (1993), S. 22f.
40
V D M (1993).
41
Vgl. V D A (1993), S. 30.
42
Vgl. Fieten( 1991), S.45f.
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
37
Für die vertikale Wettbewerbssituation gegenüber den Abnehmern ist zunächst festzustellen, daß es sich bei Zulieferern zumeist um mittelständische Unternehmen handelt, die häufig Großabnehmern gegenüberstehen.43 In der deutschen Automobilzulieferindustrie herrscht beispielsweise eine solche Situation vor: Über 1000 zumeist mittelständische Zulieferer stehen sieben Pkw-Herstellern und drei großen Nutzfahrzeugherstellern gegenüber. So kommen Schmidt/Richter 1990 bei einer Befragung von 387 deutschen Zulieferunternehmen der Automobilhersteller zu dem Ergebnis, daß 26% der Zulieferer weniger als fünf Kunden der Automobilindustrie beliefern. 44 Für die Umsatzkonzentration kommen die Autoren zu einem vergleichbaren Ergebnis. Auch die Diversifikation der Zulieferer in andere Abnehmerbranchen ist gering. 45 Es ist jedoch darauf zu verweisen, daß es durchaus auch andere vertikale Konstellationen im Zuliefergeschäft gibt. So ist beispielsweise die Möbelbranche auf Abnehmerseite mittelständisch strukturiert. Es gab 1990 über 1000 OEM, wobei die Umsatzkonzentrationsrate der 10 größten Abnehmer 21,9% betrug. 46 Von einer durch Konzentration bedingten Abnehmermacht kann somit hier nicht gesprochen werden. Die zwei Beispiele verdeutlichen, daß keine eindeutige Ausgangssituation im vertikalen Wettbewerb gegeben ist. Betrachtet man die Veränderungen, so wachsen die Abnehmerunternehmen aufgrund der Globalisierung des Wettbewerbs, der Forcierung des Europäischen Binnenmarktes und dem betriebswirtschaftlich motivierten Streben nach Betriebsgrößenvorteilen sowie der Risikodiversifikation. 47 Dieses Wachstum geht mit einem Ausleseprozeß bzw. mit Fusionen und damit mit einer Konzentration der Abnehmerbranchen einher. Dies ist beispielsweise in der Luft- und Raumfahrtbranche mit der Gründung der DASA zu beobachten.48 Fusionen finden sich aber auch in der Elektrohausgeräteindustrie, wie das Beispiel AEGElektrolux zeigt, und in anderen Branchen. Durch den Zusammenschluß von Großabnehmern wird die Umsatzkonzentration zusehends verstärkt; es kann von einer Zunahme der Bedeutung sowie einer Stärkung der Machtposition der Kunden gesprochen werden. Dieser Trend läßt sich zwar auch bei Zulieferunternehmen beobachten (so kam es im Zeitraum zwischen 1987 und 1992 zu 350 Fusionen zwischen Zulieferunternehmen) 49, er führt jedoch unter den derzeitigen Ausgangsbedingungen noch nicht zu einer dem Abnehmermarkt vergleichbaren Konzentration.
43
Vgl. Fielen (1991), S. 17.
44
Vgl. Schmidt/Richter (1991), S. 54-58.
45
Vgl. Schmidt/Richter (1991), S. 59f.
46
Vgl. Monopolkommission (1992), S. 64.
47
Vgl. Diller (1993), S. 9.
48
Vgl. o.V. (1992b), S. 25.
49
Vgl. o.V. (1993c), S. 47.
38
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
In einigen Zulieferbranchen wie z.B. in der Automobil- oder der Luft- und Raumfahrtzulieferbranche fuhrt die Abhängigkeit von den Abnehmern und deren Bedeutung für die Zulieferer zu einem starken vertikalen Wettbewerbsdruck. Dieser findet zum einen in der Forderung nach niedrigen Preisen, zum anderen in zusätzlichen Leistungsansprüchen der Kunden Ausdruck. 50 Hier sind die Zulieferer gefordert, zusätzliche Nutzenelemente durch Kundennähe zu schaffen oder das vertikale Konkurrenzverhältnis in Richtung kooperative Wertschöpfungspartnerschaft zu wenden. In jedem Falle unterstreicht die vertikale Wettbewerbsposition in diesen Branchen den Druck der Beschaffungsforderungen der Abnehmer, die aus Zulieferersicht Chancen für neue Nutzenelemente oder auch Kooperationspotentiale aufzeigen. Aber auch in Zulieferbranchen, in denen der vertikale Wettbewerbsdruck nicht so stark ausgeprägt ist, wie z.B. in der Möbelzulieferbranche, stellen die Beschaffungsstrategien der Abnehmer Chancen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen dar. Innerhalb der beschaffungswirtschaftlichen Strategien der OEM, die auf ihrerseits verschärfte internationale Marktbedingungen zurückgehen 51, lassen sich fünf Herausforderungen für die Zulieferer unterscheiden: 52 • Die Internationalisierung der Beschaffung: Die Erschließung internationaler Zuliefermärkte wird unter dem Begriff des Global Sourcing diskutiert. 53 Dieses bezeichnet eine Beschaffungspolitik unter systematischer Berücksichtigung internationaler Märkte. 54 Die Gründe für ein Global Sourcing sind folgende: 55 Erstens wird ein Ausnutzen der Faktorkostenvorteile bzw. der Preisvorteile internationaler Anbieter angestrebt. Zweitens wird eine einheitliche Belieferung für internationale Standorte der OEM und damit eine Minimierung des internen Koordinationsaufwandes bei gleichzeitigem Ausnutzen von Größenvorteilen verfolgt. Drittens können durch Global Sourcing erst bestimmte anspruchsvolle, vor Ort nicht verfügbare Technologien erschlossen werden. Durch das Global Sourcing versucht der OEM demnach, Wettbewerbsvorteile in der Beschaffung zu realisieren, die aufgrund der starken horizontalen Konkurrenz auf den OEM-Märkten zwingend werden. So strebt beispielsweise Mercedes Benz von 1993 bis 1995 an, den Anteil ausländischer Zulieferer am wertmäßigen Einkaufsvolumen um 14% auf insge-
50
Vgl. o.V. (1992g).
51
Vgl. dazu ausführlich Fieten (1991), S. 36-53.
52
Vgl. dazu beispielsweise Schmidt/Richter (1991), S. 12-27, oder Pampel (1993), S. 20-39.
53
Vgl. beispielsweise Arnold ( 1990), Helfer ( 1981 ) und Werner ( 1991 ).
54
Vgl. Arnold (1990), S. 58.
55
Vgl. Pampel (1993), S. 31, und die dort zu den jeweiligen Zielen angegebene Literatur.
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
39
samt 25% zu erhöhen, um Kosten vorteile zu erschließen. 56 Das Beispiel deutet einen Trend an, der sich auf breiter Basis im bereits bei der absatzwirtschaftlichen Betrachtung dargestellten steigenden Importanteil in der Automobilzulieferbranche ausdrückt. Die Unterhaltungselektronikbranche hat einen solchen Wandel bereits weitgehend hinter sich, der Anteil ausländischer Lieferanten am wertmäßigen Einkaufsvolumen hat sich bis 1991 in den zurückliegenden 10 Jahren um 18% auf 42% erhöht. 57 Hierfür war nicht nur die Erschließung von Kostenvorteilen, sondern auch die nur im Ausland gegebene Verfügbarkeit von technologisch anspruchsvollen Teilen verantwortlich. Die negative Auswirkung des Global Sourcing für die nationale Zulieferindustrie liegt in der Verschärfung der horizontalen Konkurrenz durch ausländische Anbieter. Dadurch verstärkt sich der horizontale und der vertikale Wettbewerbsdruck. Der OEM kann damit drohen, ausländische Zulieferprodukte zu beziehen. Dies unterstreicht nochmals den Zwang, Kundenvorteile, die durch Kundennähe oder vertikale Kooperation erschlossen werden können, aufzubauen. Die positive Auswirkung des Global Sourcing liegt in einer Öffnung der Auslandsmärkte. Bei international tätigen OEM ergibt sich die Möglichkeit, deren ausländische Standorte zu beliefern. Die internationale Beschaffung bringt dann jedoch Koordinationsprobleme mit sich. So müssen beispielsweise unterschiedliche Preisstellungen oder Lieferbedingungen harmonisiert werden. Dazu ist es gegebenenfalls erforderlich, national oder regional agierende Vertriebsgesellschaften intern und die Beziehungen zum Kunden extern zu koordinieren. 58 • Die Reduzierung der Fertigungstiefe: Eine zweite beschaffungswirtschaftliche Herausforderung ist die Reduzierung der Fertigungstiefe der OEM. Sie ist Ausfluß der Überlegung, daß sich Unternehmen auf Wertschöpfungsaktivitäten konzentrieren, bei denen sie gegenüber der Konkurrenz Kosten- oder Differenzierungsvorteile aufweisen. Diese werden als Kernaktivitäten bezeichnet. Unwirtschaftliche Aktivitäten werden anderen Unternehmen und damit auch Zulieferern übertragen. Dies wird als Outsourcing bezeichnet, drückt jedoch nichts anderes aus, als die traditionelle "Make-or-Buy-Entscheidung". Im Vergleich zu dieser hat sich die Betrachtung der Tragweite der Entscheidung erweitert. So geht es nicht mehr nur um einen Kostenvergleich, sondern um eine Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette eines Endproduktes über ein Unternehmen hinweg im Hinblick auf Kosten, Zeit und Qualität. Dahinter steht das Konzept des Lean 56
Vgl. o.V. (1993d), S. 17.
57
Vgl. Fieten (1991), S. 57.
58
Vgl. Diller (1993), S. 9.
40
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
Managements.59 Lean Management bezeichnet dabei "... ein Bündel von Prinzipien und Maßnahmen zur effektiven und effizienten Planung, Gestaltung und Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette industrieller Güter." 60 Aus diesem von Pfeiffer/Weiß konkretisierten Bündel erscheint im Hinblick auf die Zulieferer an dieser Stelle die Konzentration auf Kernaktivitäten und damit die Auslagerung von Wertschöpfungsaktivitäten an Zulieferer von Bedeutung.61 Bevor die Veränderungen der Fertigungstiefe empirisch belegt werden, soll die Betrachtung um das für die Zulieferer maßgebende Prinzip der Vereinfachung der Schnittstelle zum Lieferanten erweitert werden. Dies leitet über zum sogenannten Modular Sourcing. Dabei bezieht der OEM nicht mehr eine Vielzahl von Einzelteilen direkt, vielmehr werden diese von einem Modullieferanten zu ganzen Baugruppen zusammengestellt. Diese werden komplett an den OEM geliefert, was für diesen die Anzahl der Zulieferkontakte reduziert und den Zusammenbau der Einzelteile erübrigt. Auf Zulieferseite entsteht damit eine Hierarchisierung des Zulieferwesens in Modul- und Vorlieferanten. 62 Outsourcing kann in der Empirie als Verringerung der Fertigungstiefe der OEM beobachtet werden. Diese hat sich beispielsweise in der Automobilindustrie laut VDA zwischen 1980 und 1990 um 5% auf 30% verringert. 63 Im Vergleich dazu liegt die Fertigungstiefe japanischer Automobilhersteller, den Promotoren des Lean Managements, bei rund 20%. Nach Bekundung der führenden deutschen Automobilhersteller wird die Fertigungstiefe auch in Zukunft weiter verringert; VW strebt beispielsweise 1994 mit seinem neuen Werk in Mosel eine Fertigungstiefe von 25% an. 64 Mit dieser Verringerung der Fertigungstiefe einhergehend, streben die Hersteller ein Modular Sourcing an. Systemlieferanten wie Bosch, Keiper Recaro, Teves oder VDO sind bereits entstanden. BMW will beispielsweise Ende der neunziger Jahre mit 70 Systemlieferanten und weiteren 150 Kernlieferanten auskommen.65 In einem ersten Schritt bedeutet ein Outsourcing für die Zulieferunternehmen die Chance, Leistungen zu übernehmen und damit beim Kunden Präferenzen zu schaffen. Dazu gilt es, derartige Leistungen mit dem Kunden abzustimmen bzw. in einer Vorstufe aktiv an deren Bestimmung mitzuwirken. Dies setzt eine detaillierte Kenntnis des Kunden voraus. Die Erweiterung in Form des Modular Sourcing stellt die entstehenden Systemzulieferer vor zunehmende Koordina59 Vgl. dazu ausführlich beispielsweise Pfeiffer/Weiß (1992a). Zur Erfolgsträchtigkeit des Konzeptes vgl. ebenda oder die MIT-Studie von Womack et al. (1990). 60
Pfeiffer/Weiß (1992a), S. 43.
61
Vgl. Pfeiffer/Weiß (1992a), S. 70-93.
62
Vgl. Jetter (1990), S. 128.
63
Vgl. o.V. (1993e), S. 19.
64
Vgl. o.V. (1992h), S. 19.
65
Vgl. o.V. (19930, S. 107.
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
41
tionsnotwendigkeiten. So müssen die Systemanbieter einerseits ein umfangreiches Produkt mit dem Kunden abstimmen oder gar entwickeln, andererseits muß eine Koordination zu den Teilelieferanten erfolgen. Der Systemanbieter wird zu einer Art Brückenkopf im Sinne eines "Co-Worker" für den OEM. 6 6 Damit wird der Schritt zur vertikalen Kooperation vollzogen. • Die Reduzierung der Entwicklungstiefe: Die kosten-, zeit- und qualitätsbezogene Optimierung der Wertschöpfungskette leitet über zu einer Reduzierung der Entwicklungstiefe. 67 Dabei wird der Zulieferer aufgefordert, Entwicklungsaktivitäten eigenständig zu übernehmen; er wird aktiv als Know-how-Träger genutzt. Darüber hinaus können aber auch kooperative Entwicklungs- und Versorgungspartnerschaften angestrebt werden. 68 Diese besitzen den Vorteil einer Know-how-Bündelung von Zulieferer und Abnehmer. Simultaneous Engineering im Sinne einer gemeinsamen Entwicklung von Produkt- und Prozeßtechnologie mit Hilfe unternehmensinterner Projektteams, denen soweit als möglich Zulieferer angeschlossen werden, ist ein solcher Weg. 69 Die Promotoren dieser Entwicklung sind wiederum in der Automobilzulieferbranche zu finden. Beschränkte Entwicklungskapazitäten und Know-howDefizite beim Abnehmer in Verbindung mit einer gegebenen Verkürzung der Innovationszyklen70 und immer entwicklungsaufwendigeren Technologien fuhren insbesondere in dieser Branche zu einer Auslagerung der Entwicklungsaktivitäten. 71 In Anlehnung an die Modularisierung der Produkte forderten beispielsweise Ford und BMW bereits Ende der achtziger Jahre je Fahrzeugmodul eine Mitarbeit von System- und Teilezulieferern in Entwicklungsteams.72 Aber auch in "Low-Tech"-Zulieferbranchen wie der Möbelzulieferbranche wird zur Verkürzung der Entwicklungszeiten, die durch eine schnelle Reaktion der OEM auf veränderte Designwünsche der Kunden notwendig wird, zunehmend ein Simultaneous Engineering von den OEM gefordert. Auch bei dieser Forderung zeichnet sich für die Zulieferunternehmen, die sich diesem Anspruch gegenübersehen, ein zunehmender Koordinationsbedarf ab. So müssen Entwicklungsabteilungen in die Koordination mit dem Kunden
66
Vgl. Diller (1993), S. 8.
67
Zur Optimierung der Entwicklungstiefe vgl. insbesondere Männel (1991), S. 40f.
68
Vgl. Niefer (1989), S. 789, und Münzer (1985), S. 251.
69
Zum Konzept des Simultaneous Engineering vgl. Bognar (1990), S. 26, und Mack (1990).
70
Vgl. dazu beispielsweise Weiß (1989), S. 35f.
71
Vgl. Pfeiffer/Weiß (1992b), S. 10.
72
Vgl. o.V. (1993f), S. 111.
42
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
verstärkt miteinbezogen werden. Unspezifizierte Vorgaben erfordern dabei ein Mehr an Koordination. Möglichkeiten zur vertikalen Kooperation werden im Entwicklungsbereich deutlich. Hier bietet sich eine zusätzliche Chance für längerfristige Zusammenarbeit mit dem Kunden. • Die Forderung nach produktionssynchroner Beschaffung: Eng mit dem Lean Management verbunden ist die Optimierung des zwischenbetrieblichen Fertigungsflusses gemäß dem Just-in-Time-Prinzip (im folgenden als JiT abgekürzt). 73 Zur Rationalisierung der zwischenbetrieblichen Integration wird dabei auf eine kostenverursachende Lagerhaltung zugunsten einer produktionssynchronen Beschaffung verzichtet. Darüber hinaus werden Flexibilitätspotentiale bei einer konsequenten Umorganisation und Integration der Fertigung und ihrer Steuerung erschlossen.74 Aus diesen Gründen fordern OEM in Abhängigkeit von gegebenen Kostensenkungs- und Flexibilitätspotentialen bzw. -notwendigkeiten eine produktionssynchrone Anlieferung der Zulieferprodukte. Die Voraussetzungen für eine zunehmende Logistikintegration sind durch die Verfügbarkeit neuer Informations- und Kommunikationstechnologien gegeben, die einen elektronischen Datenaustausch (EDI 7 5 ) ermöglichen.76 Schmidt/Richter kommen 1990 zu dem Ergebnis, daß 56,3% der von ihnen befragten Unternehmen bei ihren umsatzstärksten Zulieferprodukten zumindest teilweise im Sinne eines JiT anliefern. Dabei liegt der Wert bei großen Zulieferunternehmen (>500 Beschäftigte) signifikant höher. Auch ist eine JiT-Anlieferung in der Automobilzulieferbranche mit 82,3% höher als in der Elektrobranche mit 61,2% oder bei den Maschinenbauzulieferern mit 43,8%. Insgesamt kann aufgrund dieser Befunde bereits von einer breiten Umsetzung der JiT-Anlieferung auf Zulieferseite gesprochen werden. Für die Zulieferunternehmen bedeutet dies wiederum eine enge Koordination mit dem Kunden und damit zwangsläufig einen individuellen Zuschnitt der Logistikleistung auf den Kunden. Diese geht in Abhängigkeit der Umsetzung von JiT neben der materialwirtschaftlichen Integration mit einer informationswirtschaftlichen Integration der Produktions- und Programmplanung über elektronischen Datenaustausch einher. Damit steigen zwangsläufig die Anfor-
73
Vgl. dazu insbesondere Wildemann (1988).
74
Vgl. Deiß (1989), S.68f.
75 EDI bezeichnet Electronic Data Interchange; vgl. dazu insbesondere Emmelhainz (1987) und Scheer et al. (1991). 76
Vgl. Meyer (1987), S. 45, Wildemann (1986) und (1991).
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
43
derungen an die Produkt- und Lieferqualität; die Qualitätssicherung wird wichtiger. Hier gilt es, Qualitätsstandards gemeinsam mit dem Kunden zu definieren. • Die Reduzierung der Lieferantenzahl: Vor dem Hintergrund von Rationalisierungsbemühungen der Abnehmer und der bereits angesprochenen Notwendigkeit zur Vereinfachung der Schnittstelle zum Zulieferer verringern die OEM die Anzahl an Zulieferern. Die Verringerung ermöglicht darüber hinaus die Nutzung von Beschaffungsgrößeneffekten; Single Sourcing wird zur strategischen Stoßrichtung. 77 Single Sourcing bezeichnet demnach die Konzentration auf eine Beschaffungsquelle. 78 Damit verringert sich der Kontakt- und Koordinationsaufwand für die Abnehmer. Single Source-Lieferanten haben für die Abnehmer aber auch eine größere Bedeutung, was wiederum zu einer umfassenden Lieferantenbeurteilung führt. Lieferantenbeurteilungssysteme wie die DIN ISO 9000ff fordern vom Zulieferer eine höhere Qualität seiner Produkte, Prozesse und Personen. 79 Homburg 80 kommt 1993 im Rahmen einer empirischen Studie bei 370 Abnehmerunternehmen unterschiedlicher Branchen zu dem Ergebnis, daß Single Sourcing in 9,8% der Fälle anzutreffen ist. Dabei liegen die Häufigkeiten zwischen 15,4% in der Elektro- und Automobilindustrie und 2,4% in der metallverarbeitenden Industrie. Auf der anderen Seite ergibt sich aber auch, daß die durchschnittliche Lieferantenzahl pro Produkt bei 3,5 mit geringer Varianz liegt. In der Vergangenheit hat beispielsweise in der Automobilbranche Ford die Zahl seiner Zulieferer im Zeitraum 1980-1989 um 40% verringert. 81 Für die Zukunft kommt Homburg zu der Voraussage, daß sich die Zahl der Zulieferer pro Produkt in lediglich 10,6% der Fälle stark verringert, während sie in 81,5% in etwa gleich bleibt. 82 Insgesamt kann von einer bereits gegebenen Konzentration auf wenige Lieferanten je Produkt ausgegangen werden, die sich in Zukunft noch leicht verschärft. Dies bedeutet für die Zulieferunternehmen, daß sie ihre Unternehmensqualität optimieren müssen, um den Anforderungen der Lieferantenbewertungssysteme Rechnung zu tragen. Werden sie In-Supplier, so steigt die beiderseitige 77 Zum Konzept des Single Sourcing vgl. Faulhaber/Schmitt (1988), Morgan (1987), Newman (1989), Ramsay (1990) und Treleven (1987). 78
Vgl. Morgan (1987), S. 49.
79
Zur DIN ISO 9000ff vgl. Geiger (1994), S. 27-62, Saatweber (1994), S. 63-92, und Petrick (1994), S. 93-128. 80
Vgl. Homburg (1994), S. 10.
81
Vgl. Böhmer (1989), S. 145.
82
Vgl. Homburg (1994), S. 11.
44
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
Abhängigkeit, was der Kundenorientierung und der Kundennähe einen größeren Stellenwert zukommen läßt. Die systematische Diagnose von Kundenbeziehungen zur Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten anstelle einer reinen Verkaufstätigkeit wird unabdingbar. 83 Für Out-Supplier steigt damit die Notwendigkeit eines systematischen Bemühens um Kunden. Beziehungen von In-Suppliern müssen hinsichtlich ihrer Schwachstellen analysiert, und auf den Kunden bezogene, überlegene Leistungen müssen angeboten werden. • Die Individualisierung der Nachfrage: Die Individualisierung der Nachfrage ist im Zuliefergeschäft zu weiten Teilen eine Folge der bereits dargelegten Herausforderungen. Die kundengerechte Konfiguration von Produktmodulen, die produktionssynchrone Beschaffung oder auch auf den einzelnen Kunden bezogene Entwicklungsleistungen bringen bereits zum Ausdruck, daß die bedeutenden Kunden einen individuellen Zuschnitt der Leistungen fordern. Dieser Trend wird als Individual Sourcing bezeichnet.84 Die Individualisierung der Nachfrage wird durch die bereits aufgezeigten empirischen Belege der genannten Herausforderungen verdeutlicht. Hinzu tritt eine durch die Abnehmer der OEM-Produkte induzierte Individualisierung. Beispiele dafür finden sich in nahezu allen Branchen: So stieg die Vielfalt der angebotenen Varianten in der Automobilbranche, 85 in der Möbel- oder Schreibgeräte- und Zeichengerätebranche. Die Individualisierung dieser Endprodukte erfordert individuell zugeschnittene Komponenten. Für die Zulieferunternehmen bedeutet dies eine Abkehr vom Denken in Marktkategorien wie dem Gesamtmarkt, den Marktsegmenten oder Kundengruppen, hin zu einem Denken in individuellen Kundennutzenkategorien. Die Kundenorientierung setzt am individuellen Kunden und nicht mehr am unterstellten Einheits- bzw. Durchschnittskunden an, was wiederum eine detaillierte Kenntnis dieses Kunden voraussetzt. Die beschaffungswirtschaftlichen Herausforderungen sollen nun zusammenfassend aus der Sicht der Zulieferer betrachtet werden. Damit wird deren Einschätzung hinsichtlich der Herausforderungen ersichtlich. Die Ergebnisse einer Studie von Wildemann 86 mit Führungskräften aus 110 Zulieferunternehmen der Automobilzulieferbranche sind in Abb. 2 dargestellt.
83
Vgl. Diller (1993), S. 9.
84
Vgl. Diller (1993), S. 8.
85
Vgl. Womack et al. (1990), S. 126.
86
Vgl. o.V. (1993f), S. 109.
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
45
100 Ζ u s t Ρ i r m 0 m ζ u e η η g t
90 80 70 • Zunahme
60
BS unverändert
50
• Abnahme
40 30 20
i η
10 0
Global Sourcing
Single Sourcing
Just-in- Simultaneous FertigungsTime Engineering tiefe
Abbildung 2: Trends in der Zulieferindustrie Quelle: O.V. (1993f), S. 109.
Es zeigt sich, daß die befragten Zulieferunternehmen überwiegend mit einer Zunahme der geschilderten Herausforderungen in den kommenden Jahren rechnen. Dies belegt nochmals die dargestellten beschaffungswirtschaftlichen Strategien. Bei der Darstellung der einzelnen Strategien hat sich bereits angedeutet, daß diese in anderen Zulieferbranchen nur begrenzt wiederzufinden sind. In diesen Fällen ist die Notwendigkeit, darauf zu reagieren, geringer, jedoch ist auch dort auf Dauer davon auszugehen, daß der Wettbewerb die dahinterstehenden effizienzverbessernden Strukturveränderungen erzwingen wird. Ein bewußtes Agieren im Sinne einer frühzeitigen Vorwegnahme und eines entsprechenden Angebots darauf ausgerichteter absatzwirtschaftlicher Leistungen schafft auch dort Potentiale für Wettbewerbsvorteile. Der Zulieferer hat hier die Chance, zum aktiven Gestalter der gesamten Wertschöpfungskette zu werden. Dafür zeigen die beschaffungswirtschaftlichen Herausforderungen zwei zentrale Entwicklungslinien auf: Alle Herausforderungen weisen erstens auf eine zunehmende Bedeutung der Individualisierung des gesamten Leistungsangebots hin, die im Individual Sourcing explizit wird. Vor dem Hintergrund einer durch den horizontalen und vertikalen Wettbewerbsdruck gegebenen Notwendigkeit der Kundenorientierung drückt sich die Individualisierung als neue Akzentuierung der Kundennähe aus. Um kundennah zu sein, bedarf es der Fokussierung der Leistung auf einen individuellen Kunden; die Differenzierung wird zur Individualisierung. 87 87
Vgl. Schütze (1992), S. 55. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem Kunden; vgl. Wittek (1988), S. 67.
46
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
Aus dieser Individualisierungsnotwendigkeit ergibt sich, daß auch die Forderung nach Flexibilität gegenüber kurzfristigen Sonderwünschen und Reagibilität gegenüber einer Veränderung der Bedürfnisse auf einen solchen Kunden bezogen werden muß. Gegenüber den Wünschen dieses individuellen Kunden ist flexibel zu reagieren und den individuellen Veränderungen seiner Wünsche im Zeitablauf ist nachzugehen. Die individuell akzentuierte Kundenorientierung erfordert eine interne Umsetzung. Dazu gilt es, alle Leistungserstellungsprozesse von der Entwicklung bis zum Kundendienst auf den individuellen Kunden abzustimmen. Darüber hinaus müssen kundenbezogene Flexibilitätspotentiale geschaffen werden. Die Prozesse müssen derart gestaltet werden, daß schnell auf die Wünsche des Kunden reagiert werden kann. Darüber hinaus können die Leistungen selbst, beispielsweise in Fom einer modularen Zusammensetzung, flexibel gestaltbar sein. 8 8 Die Voraussetzung für den individuellen Zuschnitt der Kundennähe liegt im ständigen Informationsfluß zwischen dem Kunden und dem Zulieferer. Nur wenn der Zulieferer die Beschaffungs-, Nutzungs- und Entsorgungsbedürfnisse des Kunden und deren Wandel genau kennt, kann er sein Handeln darauf ausrichten. Dabei sind die Bedürfnisse des Kunden in vielen Fällen nicht von Anfang an klar definiert, sie müssen vielmehr gemeinsam mit dem Zulieferer spezifiziert werden. Dies leitet direkt über zur zweiten Entwicklungslinie. Die zweite Entwicklungslinie kann als zunehmender Koordinationsbedarf zwischen Zulieferer und Abnehmer bezeichnet werden. Dieser bezieht sich jedoch nicht nur auf die informatorische Abstimmung, wie dies beispielsweise bei der angesprochenen Information bzw. Verständigung über die Kundenbedürfnisse der Fall ist, sondern auch auf eine Abstimmung der auszutauschenden Leistungen. Die gemeinsam definierten Produkteigenschaften gilt es beispielsweise im Sinne einer integralen Produktqualität umzusetzen. Darüber hinaus muß der zwischenbetriebliche Informations- und Materialfluß koordiniert werden. Dafür sind wiederum Investitionen beider Unternehmen in Logistiktechnologien notwendig. Hinter dieser Entwicklung zur zwischenbetrieblichen vertikalen Koordination steht die Integrativität von Wertschöpfungsprozessen. 89 Aufgrund dieser wechselseitigen Ziel- und Mittel-Beziehungen zwischen den Leistungen bzw. der Leistungserstellung der Zulieferer und Abnehmer ergibt sich, daß nur durch eine zwischenbetriebliche Koordination eine wettbewerbsfähige Gesamtleistung erzielt werden kann. Diese Abstimmung kann nicht mehr alleine über den Marktmechanismus erfolgen, vielmehr bedarf es einer vertikalen Kooperation zwischen Zulieferer und Abnehmer. Diese ermöglicht dann, neben einer 88
Zu den unterschiedlichen Elementen der Flexibilität vgl. Meffert (1985), S. 124-126.
89
Vgl. Engelhardt/Freiling (1993), insbesondere S. 53-68.
Β. Kundennähe und vertikale Kooperation im Zuliefergeschäft
47
Absicherung spezifischer Investitionen in den Kunden, die Nutzung von Synergieeffekten und damit die Erschließung von Wettbewerbsvorteilen in puncto Kosten, Zeit und Differenzierung der Gesamtleistung. Abb. 3 stellt die Herausforderungen und Implikationen nochmals graphisch dar. Dabei ergibt sich die Stärke der Implikationen aus dem im jeweiligen Zuliefergeschäft vorherrschenden vertikalen und horizontalen Wettbewerbsdruck. Ist dieser in beiden Richtungen vorhanden, verfügen einerseits die Abnehmer über die Macht zur Durchsetzung ihrer beschaffungswirtschaftlichen Strategien, andererseits begründet der Wettbewerbsdruck unter den Zulieferern die Notwendigkeit zur Umsetzung der Implikationen. Ist dieser nicht gegeben, so stellen die Implikationen mögliche, aber nicht zwingende absatzwirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten dar, die zur Erzielung von Wettbewerbs vorteilen genutzt werden können.
BeschaffungswIrtschaftUche Herausforderungen Outsourcing Modular Sourcing Simultaneous Engineering
Absatzwirtschaftliche Implikationen
iH
Kundenorientierung Kundennähe Individualisierung
Just-in-Time Single Sourcing Individual Sourcing
Absatz wirtschaftliche Situation Vertikaler Wettbewerbsdruck Horizontaler Wettbewerbsdruck
Reagibilität Vertikale
Koordination
Kooperation Marktmechanismus Hierarchie
Abbildung 3: Beschaffungswirtschaftliche Herausforderungen und absatzwirtschaftliche Implikationen für Zulieferunternehmen
48
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
C. Die Umsetzung der Kundennähe und der vertikalen Kooperation durch das Key-Account-Management Im vorangegangenen Abschnitt wurde die zunehmende Notwendigkeit der Kundennähe und der Kooperation mit dem Kunden herausgearbeitet. Aufgabe dieses Abschnitts ist es, K A M zur Umsetzung der Kundennähe und der Kooperation zu erschließen. Gemeinhin wird unter K A M die organisatorische Ausrichtung des Unternehmens auf einen bedeutenden Kunden oder auch Schlüsselkunden verstanden. 90 Diese organisationale Sichtweise wird im folgenden erweitert. Dabei wird K A M aus externer Perspektive als Instrument zur Steuerung von Kundenbeziehungen verstanden. Aus interner Perspektive stellt es dann eine Querschnittsfimktion zur Implementierung der Steuerung im Unternehmen dar, die eine objektorientierte Marketingorganisation umfaßt. Im Anschluß daran wird ein begrifflicher Bezugsrahmen des K A M geschaffen.
I. Das Key-Account-Management als Steuerungsinstrument für die Kundenbeziehung Die erste Begriffskomponente Key-Account bringt die Bedeutung eines Kunden für den Unternehmenserfolg zum Ausdruck. Ein Key-Account oder Schlüsselkunde91 ist folglich ein Kunde, der für das Unternehmen attraktiv ist. 92 Jackson bestimmt diesen Kunden als schwer substituierbar M,...so daß es schmerzt, würde man ihn verlieren, da kein anderer Kunde an seine Stelle gesetzt werden kann" 93 . Dabei ergibt sich die Bedeutung neben der branchenstrukturell bedingten Machtposition des Kunden durch die Häufigkeit, die Dauer und/oder den Umfang der Transaktionen sowie durch die strategische Position des Kunden als Lead-User, Technologieführer etc. 94 Der Key-Account wird aufgrund seiner Bedeutung für den Unternehmenserfolg zum Bezugspunkt unternehmerischen Handelns. Bei individuellen Bedürfnissen eines Key-Accounts wird damit die Marktbearbeitung auf ein "Segment-of-One" 95 konzentriert. Diese Konzentration bedeutet eine konsequente Weiterentwicklung der Grundidee der Marktsegmentierung. Durch die 90
Vgl. z.B. Backhaus (1992a), S. 275. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe "Schlüsselkunde" und "Key-Account" synonym verwendet. 92 Vgl. Götz/Diller (1991), S. 24. 93 Jackson (1985), übersetzt zitiert nach Plinke (1992), S. 843. 94 Vgl. Diller (1992a), S. 530. 95 Pine (1993), S. 11. 91
C. Kundennähe und vertikale Kooperation durch K A M
49
Betrachtung eines ökonomisch tragfahigen Marktsegments Key-Account innerhalb des Gesamtmarktes wird dem Key-Account eine seinen Bedürfnissen möglichst nahekommende Leistung angeboten.96 K A M stellt damit ein Prioritätenkonzept dar. 97 Im Gegensatz zu einer Gleichbehandlung von Kunden werden im K A M die Ressourcen des Zulieferunternehmens auf einen bzw. mehrere Key-Accounts konzentriert. 98 Solche Ressourcen können Fertigungskapazitäten, Know-how, Personen, Finanzmittel etc. sein. Die Konzentration der Ressourcen ist unter der Bedingung gegebener Knappheit Voraussetzung für die Umsetzung der vom Wettbewerb geforderten Kundennähe und vertikalen Kooperation. Die Umsetzung der Kundennähe und der vertikalen Kooperation erfordert Aushandlungsprozesse, die sich von der Spezifikation individueller Problemlösungen bis hin zur Bestimmung von Kooperationsaktivitäten und deren Organisation erstrecken. Derartige Aushandlungsprozesse werden als Interaktion bezeichnet. Eine Interaktion 99 stellt nach Kern eine zeitliche Abfolge von aktiven und reaktiven Handlungen dar, die wechselseitig aufeinander bezogen sind und von mindestens zwei Individuen ausgeführt werden. 100 Der Interaktionsprozeß ist unter der Zielsetzung der Kundennähe und Kooperation nicht auf einen einmaligen Leistungsaustausch ausgelegt, vielmehr strebt der Zulieferer einen mehrmaligen Leistungsaustausch, sprich eine Transaktionsfolge, an. 101 Die aufeinander bezogenen und auf Transaktionsfolgen ausgerichteten Interaktionen konstituieren Geschäfts- und damit auch Kundenbeziehungen.102 Diller versteht unter Geschäftsbeziehungen "... die Gesamtheit der anbieterseitig von ökonomischen Zielen geleiteten und auf mehrmalige Transaktionen ausgerichtete Interaktionsprozesse zwischen einem Güteranbieter und einem Wertschöpfungspartner." 103 Handelt es sich bei dem Wertschöpfungspartner um einen Kunden, soll im folgenden von einer Kundenbeziehung die Rede sein.
96
Zum Grundgedanken der Marktsegmentierung vgl. beispielsweise Kotier (1982), S. 201 f. Vgl. Diller (1993), S. 13. Vgl. dazu tiefergehend Diller (1989), S. 216f. 98 Eine eindimensionale Regel zur Bestimmung der Priorität stellt beispielsweise die ABCAnalyse dar. Eine mehrdimensionale Methode, die den strategischen Anforderungen besser Rechnung trägt, ist die Kundenportfolioanalyse. Vgl. dazu beispielsweise Götz/Diller (1991). 99 Zum Begriff der Interaktion und des auf Homans beruhenden Interaktionsansatzes im Investitionsgütermarketing vgl. insbesondere Kern (1990), S. 3-6. Dort findet sich auch eine ausführliche Übersicht über die einzelnen Ansätze, S. 16-55. 100 Vgl. Kern (1990), S. 9. 101 Zum Begriff der Transaktion im Marketing vgl. insbesondere Kirsch et al. (1980), S. 76, und Gemünden (1985), S. 11. 102 Die Kundenbeziehung stellt eine Klasse der Geschäftsbeziehungen dar. Bei Kundenbeziehungen kauft der vertikal nachgelagerte Geschäftspartner ein Produkt, während im Rahmen horizontaler Geschäftsbeziehungen eine Verhaltensabstimmung Gegenstand der Beziehung ist. 103 Diller (1994a), S. 3. 97
4 Götz
50
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
Plinke dagegen verzichtet bei seiner Definition auf den Interaktionsbegriff und die Berücksichtigung ökonomischer Ziele; er bestimmt eine Geschäftsbeziehung als "... eine Folge von Markttransaktionen zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager, die nicht zufällig ist." 104 Unter nicht zufällig begreift er das Vorliegen von Gründen auf Anbieter- oder auf Nachfragerseite, die "... eine planmäßige Verknüpfung zwischen Markttransaktionen sinnvoll erscheinen lassen oder die de facto zu einer Verknüpfung fuhren." 105 Bei der Definition von Plinke stellt sich die Frage, ob nicht jede "nicht zufallige" Folge von Markttransaktionen ökonomischen Zielen folgt. Definiert man Transaktionen als Austausch von Werten, können die Werte zwar nicht ökonomisch sein, für den Typus der Markttransaktion erscheint jedoch das Vorliegen von ökonomischen Werten maßgebend.106 Demnach suggeriert die Definition von Plinke Offenheit gegenüber sozialen oder wie auch immer bestimmten Zielen, die de facto nicht handlungsleitend sind. 107 Damit erscheint die explizite Berücksichtigung von ökonomischen Zielen in der Definition zur inhaltlichen Präzisierung besser geeignet. Ferner führt der Verzicht auf den Definiens Interaktionsprozeß dazu, daß der Blick auf persönliche Beziehungen zwischen Unternehmensvertretern verstellt wird. Diese sind jedoch, wie noch zu zeigen, ein Charakteristikum der Geschäftsbeziehung. Außerdem wird durch den Begriff Prozeß deutlich, daß eine Geschäftsbeziehung unterschiedliche Phasen durchlaufen und damit unterschiedliche Qualitäten annehmen kann. 108 Eine Kundenbeziehung soll demnach jeden von ökonomischen Zielen geleiteten und auf Transaktionsfolgen ausgerichteten Interaktionsprozeß, der zwischen zwei oder mehr Personen stattfindet, bezeichnen. Sie umfaßt dabei alle direkt an der Interaktion beteiligten Personen der Unternehmen. Als solche grenzt sich die Kundenbeziehung von der einmaligen oder auch diskreten Transaktion ab. 109 Diese ist als einmaliges Tauschereignis ohne Interaktionsprozesse gekennzeichnet. In praxi ist die Reinform der diskreten Transaktion insbesondere im Zuliefergeschäft nicht gegeben, dort herrschen mehrmalige Verhandlungen über die Produktqualität, die Logistik und den Preis vor. 1 1 0 Kirsch et al. führen dafür den Begriff Transaktionsepisode ein. 104
Plinke (1989), S. 307. Plinke (1989), S. 307. 106 Damit wird unterstellt, daß es sich um Märkte im ökonomischen Sinne handelt. Dies begründet sich aus der vollständigen Unbestimmtheit des Begriffs Geschäftsbeziehung bei Zugrundelegung eines anderen Marktverständnisses. 107 Andere Zielsetzungen können von Beteiligten durchaus intendiert sein, sind aber nicht begriffskonstituierend. 108 Zur Prozeßperspektive vgl. Diller (1994a), S. 2. 109 Vgl. Schütze (1992), S. 22. 110 Macneil (1980), S. 10-12, spricht gar von der Fiktion der diskreten Transaktion. 105
C. Kundennähe und vertikale Kooperation durch K A M
51
Dieser erfaßt alle Aktivitäten und Interaktionen, die sich um eine "interessierende Transaktion", also den Austausch von Ware und Geld, drehen. 111 Es erscheint gerechtfertigt, diese Transaktionsepisoden, so sie nicht in einen permanenten Interaktionsprozeß mit Wiederholungskäufen eingebettet sind, als diskrete Transaktionen zu betrachten. In Abb. 4 sind die Unterschiede zwischen der Kundenbeziehung und der diskreten Transaktion graphisch verdeutlicht. Dazu wird die Intensität der Interaktion über die Zeit dargestellt. Der Verlauf der Beziehung ist an dieser Stelle ein fiktiver. Er wird im 4.Kap.C.III. diskutiert. Im Gegensatz zur diskreten Transaktion besteht in der Kundenbeziehung eine Verbindung der Transaktionen über wechselseitige Interaktion; es entsteht eine Transaktionsfolge.
Intensität* der Interaktion
Γ\
^ Λ \ Λ ©ν
\
vy / /
ι
φ Kundenbeziehung
· Θ Kauf
t
Diskrete Transaktion
Abbildung 4: Diskrete Transaktion vs. Kundenbeziehung Quelle: In Anlehnung an Schütze (1992), S. 46.
Das Management einer solchen Transaktionsfolge und damit der Kundenbeziehung ist Gegenstand des Beziehungsmanagements. Dieses bezeichnet die "... aufeinander abgestimmte Gesamtheit der Grundsätze, Leitbilder und Einzelmaßnahmen zur langfristig zielgerichteten Selektion, Anbahnung und Steuerung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen." 112 Richtet sich dieses Beziehungsmanagement auf einen Key-Account, kann von K A M in der externen Perspektive gesprochen werden. Damit kennzeichnet sich K A M in seiner externen Ausrichtung als Transaktionsfolge, die sich auf einen individuellen Kunden bezieht. 111 112
4*
Vgl. Kirschetal. (1980), S. 6. Vgl. Diller/Kusterer (1988), S. 212.
52
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
Plinke unterscheidet bei der Betrachtung von Marktbeziehungen die beiden herausgearbeiteten Charakteristika Transaktionsform und Kunden- bzw. Marktorientierung. 113 Die Ausprägung der Kundenorientierung "Fokus Markt" soll dabei zum Ausdruck bringen, daß die Marktbearbeitung auf eine Mehrzahl an Kunden gerichtet ist. Dies muß nicht der Gesamtmarkt sein; es kann sich auch um ein Marktsegment handeln.
Diskrete Transaktion Transaktionsform
Ι Transaktionsfolge
Key-AccountManagement
Fokus Einzelkunde
1
TransaktionsManagement
ProjektManagement
ι
KundengruppenManagement
BeziehungsManagement
Fokus Markt
Κ undenorientierung
Abbildung 5: Steuerungsmodi von Marktbeziehungen Quelle: In Anlehnung an Plinke (1992), S. 841.
Aus der Perspektive des anbietenden Unternehmens lassen sich dann in einer Vier-Felder-Tafel die in Abb. 5 dargestellten Steuerungsmodi von Marktbeziehungen abgrenzen. Neben dem auf einen individuellen Kunden ausgerichteten K A M stellt das Kundengruppen-Management eine Form des Beziehungsmanagements dar. Dabei werden mehrere in bestimmter Hinsicht ähnliche Kunden, wie z.B. Kunden aus derselben Branche oder mit ähnlichen Serviceforderungen, zusammengefaßt und von einem Kundengruppenmanager betreut. 114 Zusammenfassend ist K A M in seiner externen Perspektive ein Modus für die Steuerung von Transaktionsfolgen, der den einzelnen bedeutenden Kunden fokussiert. Dabei werden Ressourcen des Zulieferers auf diesen Key-Account 113 114
Vgl. Plinke (1992), S. 841. Zum Kundengruppen-Management vgl. Ehrlinger (1979).
C. Kundennähe und vertikale Kooperation durch K A M
53
konzentriert. Dies ermöglicht eine ganzheitliche Kundenbearbeitung im Sinne des Beziehungsmanagements; die Beziehung zum Key-Account wird als langfristiges Investitionsobjekt betrachtet. 115
II. Das Key-Account-Management als Querschnittsfunktion im Unternehmen Das im vorangegangenen Abschnitt dargelegte Beziehungsmanagement zum Kunden muß im Unternehmen umgesetzt werden. Kundenbezogene Einzelmaßnahmen werden in den betrieblichen Sachfunktionen erstellt. Diese sind somit der Ausgangspunkt fur die Individualisierung der Maßnahmen. So kann die Berücksichtigung kundenbezogener Bedürfnisse im Einkauf oder der Vollzug von Produktmodifikationen in der Produktion für die Umsetzung der Individualisierung zwingend sein. Im Falle einer Kooperation, wie z.B. bei einer Synchronisation der Produktion oder bei einem Simultaneous Engineering im F&E-Bereich, wird es notwendig, mit dem Kunden zusammenzuarbeiten. Eine Vielzahl kundenorientierter Einzelmaßnahmen gilt es im Sinne des Beziehungsmanagements intern zu koordinieren und umzusetzen. Davon können alle Funktionalbereiche eines Unternehmens betroffen sein. K A M geht damit über ein Konzept im Rahmen der Sachfunktion Verkauf hinaus. Es überlagert gewissermaßen die betrieblichen Sachfunktionen Beschaffung, Entwicklung, Produktion etc. in prozessualer Hinsicht. Damit rückt neben der Betrachtung der kundengerechten Leistung selbst die Betrachtung der kundengerechten Leistungserstellung im Sinne eines koordinierten Zusammenwirkens der Sachfunktionen zur Umsetzung der Kundenorientierung in den Vordergrund. 116 In diesem Sinne ist K A M als prozessuale Querschnittsfunktion zur internen Koordination konzipiert. 117 Shapiro unterscheidet für die kundenorientierte Koordination der Sachfunktionen drei wichtige Voraussetzungen. 118 Grundvoraussetzungen für das kundenorientierte Handeln aller Sachfunktionen sind erstens das Vorhandensein von Informationen über alle kauf- bzw. kooperationsrelevanten Einflüsse in
115 Zur Problemadäquanz der Investitionsperspektive im Gegensatz zur Kostenbetrachtung vgl. Plinke (1989), S. 306. 116
Zur funktionsübergreifenden Koordination zum Zwecke der Marketingimplementierung vgl. insbesondere Hilker (1993), S. 91-115, und die dort angegebene Literatur. 117
Damit kommt dem K A M die Funktion des Marketings für Key-Accounts zu. Zum Gedanken des Marketings als querschnitts- und prozessorientierte Betriebswirtschaftslehre vgl. Backhaus (1992b), S. 775f. Vgl. auch Narver/Slater (1990), S. 22. 118
Vgl. Shapiro (1988), S. 120-122.
54
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
den einzelnen Abteilungen 119 und zweitens das funktionsübergreifende Treffen von Entscheidungen strategischer und taktischer Art. Die Umsetzung erfolgt drittens durch die verantwortungsvolle Ausführung von operativen Entscheidungen in den einzelnen Sachfunktionen, nachdem diese mit den anderen Sachfunktionen abgestimmt wurden. Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen erhebt K A M den Anspruch einer Führungsfunktion; dies drückt das Begriffselement Management aus. 120 Unter Rückgriff auf das klassische funktionale Managementverständnis von Koontz/O'Donell werden die oben genannten Voraussetzungen durch die Funktionen Planung, Organisation, Personal, Führung und Kontrolle erfüllt. 121 Im Rahmen der Zwillingsfunktionen 122 Planung und Kontrolle werden Informationen über kundenbezogene Maßnahmen aufgearbeitet. Dabei werden sowohl kundenbezogene Ziele, Strategien und Maßnahmen bestimmt und im Anschluß an die Umsetzung kontrolliert. Die Umsetzung selbst erfordert zunächst die Organisation der zugrundeliegenden Arbeitsabläufe. Dazu werden funktionsübergreifende Organisationsstrukturen geschaffen, kundenbezogene Prozesse programmiert und Zuständigkeiten für kundenbezogene Aufgaben in den einzelnen Sachfunktionen festgelegt. Die dabei geschaffenen Stellen werden mit geeignetem Personal besetzt bzw. dieses wird auf einen entsprechenden Vollzug der Aufgaben geschult. Anreizsysteme und Vorgesetzte motivieren bzw. leiten die Mitarbeiter zur kundenbezogenen Aufgabenerfüllung. 123 Der Grad der Wahrnehmung aller fünf kundenbezogenen Funktionen ist fur die Umsetzung des externen Beziehungsmanagements und damit des gesamten K A M maßgebend. Ein derart konzipiertes K A M stellt für Zulieferunternehmen nur ein mögliches Managementkonzept dar. Andere sind beispielsweise das Controlling 124 , das Total-Quality-Management 125 oder das Technologie-Management126. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß diese nicht unabhängig voneinander sind, sondern 119 Dies stellt nicht nur eine Aufgabe der Marktforschung dar, sondern sollte genauso durch andere Abteilungen dezentral ausgeübt werden. 120
Koontz/O'Donell (1984), S. 19, sehen in der Koordination gewissermaßen die Meta-Funktion des Managements. 121
Vgl. Koontz/O'Donell (1984), S. 19.
122
Steinmann/Schreyögg (1990), S. 10.
123
Zur ausführlichen und allgemeinen Diskussion der Managementfunktionen vgl. beispielsweise Steinmann/Schreyögg (1990), S. 9f. bzw. S. 123-678. 124 Zur theoretischen Fundierung des Controlling als Koordinationsfunktion vgl. Horvâth (1991). 125
Zum Konzept des Total-Quality-Management vgl. insbesondere Feigenbaum (1991), Deming (1986), Juran (1988), Schildknecht (1992) und Zink (1989). 126 Zum Konzept des Technologie-Managements vgl. insbesondere Pfeiffer et al. (1982), Specht/Ewald (1991) und Weiß (1989).
C. Kundennähe und vertikale Kooperation durch K A M
55
z.T. gar in konfliktärer Beziehung stehen. So kann es aus Sicht des K A M sinnvoll sein, Finanzmittel in eine Kundenbeziehung zu investieren, während das Technologie-Management es nahe legen würde, knappe Finanzmittel in ein neues Forschungsprojekt zu lenken. Auf die Beziehungen der Querschnittsfunktionen zueinander wird im folgenden nicht näher eingegangen.127 An dieser Stelle soll der Verweis auf die Notwendigkeit der Priorisierung eines Managementkonzeptes, das sich durch die gegebene Wettbewerbssituation begründet, genügen.128
Unternehmensführung
Controlling Technologie-Management Total-QuaUry-Management ZLL Ke>/- Account-Management Π Querschnittsfunktion Beschaffung^ | Entwicklung
Produktion j j Vertrieb
Sachfunktion
Abbildung 6: Key-Account-Management als Querschnittsfunktion im Unternehmen
Abb. 6 verdeutlicht den Charakter des K A M als Querschnittsfunktion graphisch. Neben den Sach- und Querschnittsfunktionen ist dabei die Unternehmensführung abgebildet. Sie hat die Aufgabe, sowohl Sach- als auch Querschnittsfiinktionen übergreifend zu steuern. Dabei kann durchaus eine der dargestellten Querschnittsfunktionen für das Eigenverständnis der Unternehmensführung maßgebend sein. 129
127 Vgl. dazu beispielsweise Meffert (1989). Dem KAM kommt wie dem Technologie- oder Total-Quality-Management die Funktion der Primärkoordination zu. Die Primärkoordination unterscheidet sich z.B. vom Controlling, das eine Form der Sekundärkoordination darstellt. Zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärkoordination vgl. Horvâth (1990), S. 127. 128 Die Relevanz des KAM ergibt sich aus den im 2.Kap.B.II. diskutierten Faktoren. 129 Zur marketingorientierten Konzeption der Unternehmensführung vgl. beispielsweise Meffert (1989), S.384f.
56
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
III. Eine Konzeptionalisierung des Key-Account-Managements Die bisherigen Ausfuhrungen haben verdeutlicht, daß das K A M ein vielschichtiges Konzept ist. Für die weiteren Ausfuhrungen soll es auf drei Dimensionen verdichtet werden. Diese dienen der Strukturierung der Diskussion um die Gestaltung des KAM. Dabei wird auf eine Einteilung von Diller zurückgegriffen, der eine organisatorische, eine funktionale und eine strategische Dimension des K A M unterscheidet. 130 Diese Dimensionen des K A M werden im folgenden inhaltlich bestimmt und in ihrer Eigenständigkeit begründet. In der strategischen Dimension des K A M wird versucht, durch den systematischen und ganzheitlichen Einsatz kundenorientierter Bearbeitungsinstrumente mehr Kundenbindung zu erzeugen, bzw. darüber hinaus durch eine Kooperation mit dem Key-Account beiderseitige Wettbewerbs vorteile zu erschließen. 131 In diesem Sinn kann man darunter in besonderem Maße das "Management von Geschäftsbeziehungen" 132 verstehen. Eine langfristig orientierte Geschäftsbeziehung zu einem Key-Account kann nicht durch die Wahrnehmung operativer Aufgaben allein aufgebaut werden, sondern muß zur Sicherung und Gewährleistung langfristiger Erfolge auch konkrete Zielvorstellungen und eine strategisch ausgerichtete Kundenbearbeitung enthalten.133 Eine solche strategische Kundenbearbeitung beruht ihrerseits auf einer vorgelagerten strategischen Entscheidung über die Priorität des Kunden. Diese wird im Rahmen der Marktselektionsentscheidung getroffen und im folgenden nicht weiter problematisiert. 134 Das strategische K A M bedarf zur internen Umsetzung einer organisatorischen Verankerung. Dabei wird die primäre Organisationsstruktur des Verkaufs durchbrochen. Eine kundenorientierte Struktur überlagert sie in dualer Weise. 135 Insofern kommt der Charakter des K A M als Querschnittsfunktion in der Organisationsstruktur bzw. der Kommunikationsstruktur zum Ausdruck. Die Organisation muß sowohl den kundenbezogenen Informations- als auch den Aktionsfluß nach innen und nach außen fördern. Dabei soll sie die Kommunikation zwischen allen Betroffenen zulassen, um alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Ferner muß die Struktur es ermöglichen, Entscheidungen mit anderen Bereichen im Unternehmen, z.B. mit der F&E oder 130
Vgl. Diller (1989), S. 213-217.
131
Zum Begriff des Wettbewerbsvorteils vgl. insbesondere Simon (1988a), S. 3f.
132
Plinke (1989), S. 309.
133
Vgl. Diller/Gaitanides.(1988), S. 95.
134 Vgl. Diller (1993), S. 13. Zur Kundenportfolioanalyse als Methodik der Marktselektion vgl. Götz/Diller (1991). 135 Vgl. Diller (1991b), S. 159. Daneben ist auch denkbar, daß das Unternehmen nach Kundensparten strukturiert ist. Auf diese Extremform des K A M wird im 4.Kap.E.I.l. eingegangen.
C. Kundennähe und vertikale Kooperation durch K A M
57
der Produktion, zu treffen und sie nach innen umzusetzen, wobei das vorprogrammierte Konfliktpotential durch geeignete Regelungen a priori möglichst klein gehalten und Regelungen zur Konfliktlösung vorgegeben werden sollten. Die Organisation des K A M kann in diesem Sinne als institutionelles K A M interpretiert werden. Hier wird eine Fremdorganisation in dem Sinne geschaffen, daß die Organisationsstruktur die Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben der Mitarbeiter im K A M schafft. 136 Das Funktionsbild des K A M umfaßt die Aufgaben, die ein Key-AccountManager durchfuhren soll. Hier kommt das funktionale Management zum Ausdruck, das unter den Bedingungen der gegebenen Fremdorganisation vollzogen wird. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, daß die Fremdorganisation eine KAM-Struktur bzw. eine KAM-Stelle aufweist. Die Aufgaben können ebenso von anderen Sachfunktionsmanagern oder Geschäftsführern übernommen werden. In diesem Fall ist ein funktionelles K A M ohne institutionelle Verankerung gegeben.137 Das Funktionsbild des K A M umfaßt die Planung und Kontrolle sowie die Durchführung kundenbezogener Entscheidungen. Letztere erfolgt über die Organisation und Führung anderer Mitarbeiter. Da das Ziel des K A M der Verkauf eigener Leistungen an den Kunden ist, tritt neben die Managementfunktionen in praxi häufig die Sachfunktion Verkauf, die in Abhängigkeit der Ausgestaltung des K A M mehr oder weniger realisiert wird. Letztlich ist K A M dem Verkauf entwachsen, da dieser alleine ein Überleben unter den im 2.Kap.B.II. dargestellten Bedingungen nicht mehr gewährleistet, was eine enge Beziehung zwischen K A M und Verkauf zum Ausdruck bringt. Für das K A M erscheint es jedoch nicht notwendig, die Wahrnehmung der Sachfunktion Verkauf als konstituierend anzusehen.138 Der Zusammenhang zwischen den drei Elementen des K A M soll an dieser Stelle als ungerichtet bzw. wechselseitig bestimmt werden. Dabei erscheint die Frage von untergeordneter Bedeutung, ob die Strategie der Struktur und diese wiederum dem Managementverhalten vorausgeht oder umgekehrt. 139 Vielmehr kommt es auf das Zusammenspiel der Elemente an. Damit interessiert im folgenden der Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Ausprägungen der Dimensionen. Es wird angenommen, daß zwischen den Ausprägungen ein er-
136
Zur Rolle der Fremdorganisation vgl. beispielsweise Kieser (1994), S. 218-220.
137
Vgl. Diller (1993), S. 12.
138
Vgl. dazu auch Diller (1991b), S. 162, und Diller (1992a), S. 530f. Eine eher pragmatische Abgrenzung findet sich bei Ebert/Lauer (1988), S. 7, bei denen das K A M durch die Wesensmerkmale der Trennung zwischen Führung und Verkauf, dem Kennen und Anwenden von Management-Instrumenten, dem gewinnorientierten Kundenmanagement sowie der Integration kundenwirksamer Funktionen gekennzeichnet ist. 139
Vgl. dazu Gaitanides (1985).
58
2. Kapitel: K A M - Grundlagen, Relevanz und Konzeptionalisierung
folgswirksamer Zusammenhang besteht. Abb. 7 faßt die Konzeptionalisierung des K A M graphisch zusammen.
Key-Account-Management r11 Strategie tt Organisation 4 *
Funktionsbild
Abbildung 7: Elemente des Key-Account-Managements
Für die weiteren Ausführungen bezeichnet K A M im Zuliefergeschäft die Ausrichtung eines Zulieferunternehmens auf einen im Rahmen der Marktselektion als bedeutend bestimmten Key-Account. Dabei muß sich die Ausrichtung mindestens auf einen der folgenden Bereiche beziehen: • die strategische Ausrichtung der Kundenbearbeitung im Sinne einer aufeinander abgestimmten Gesamtheit der Grundsätze, Leitbilder und Einzelmaßnahmen zur langfristig zielgerichteten Selektion, Anbahnung, Steuerung und Kontrolle von Kundenbeziehungen, die sich durch Kundennähe und/oder durch vertikale Kooperation mit dem Kunden kennzeichnet, • und/oder die organisationsstrukturelle Ausrichtung im Sinne der Einrichtung einer eigenständigen Stelle zur Betreuung des Key-Accounts, • und/oder die Umsetzung der dabei anfallenden Managementfunktionen Planung, Durchfuhrung und Kontrolle kundenbezogener Entscheidungen."0 Damit ist der Begriff des K A M derart bestimmt, daß ein solches nicht in einer einheitlichen Form, sondern vielmehr in unterschiedlichen Ausprägungen vorliegt. Die Ausgestaltung hängt dabei von der jeweiligen Situation des Zulieferers ab. Die Faktoren, die die Situation des Unternehmens charakterisieren und für die Ausgestaltung des K A M verantwortlich sind, werden im nächsten Kapitel dargestellt.
140 Das hier bekundete systemtheoretische Verständnis des KAM lehnt sich an jenes von Diller (1992a), S. 530, an. Es grenzt sich aufgrund des umfassenden Charakters von anderen Definitionen ab.
3. Kapitel
Ein theoretisch-integrativer Bezugsrahmen für die Untersuchung des Key-Account-Managements In diesem Abschnitt wird ein theoretischer Bezugsrahmen für die Bestimmung praxeologischer Aussagen zur Gestaltung des K A M geschaffen. Zu diesem Zweck soll der Bezugsrahmen Aufschluß über folgende Fragen geben:1 • Wie läßt sich die Kundenbeziehung strukturieren, um Ansatzpunkte für die Gestaltung der strategischen Dimension des K A M zu gewinnen? • Welche Mechanismen wirken in der Kundenbeziehung? • Welche Einfluß- und Erfolgsgrößen des K A M gibt es? Die Beantwortung dieser Fragen kann durch Theorieansätze erfolgen, die sich mit zwischenbetrieblichen Beziehungen und deren Steuerung auseinandersetzen. Solche Theorieansätze finden sich in unterschiedlichen Forschungsdisziplinen. Ökonomische Ansätze, wie z.B. die Industrieökonomik 2, der Transaktionskostenansatz3 und der Principal-Agent-Ansatz 4 als Ansätze des Neuen Institutionalismus5 oder die Spieltheorie 6, stehen sozialpsychologischen Ansätzen, wie der Austauschtheorie 7, der Anreiz-Beitrags-Theorie 8 und der Machttheorie 9, gegenüber. Aus der Psychologie stammen Ansätze, die sich mit Verhandlungen im Rahmen der Interaktion beschäftigen. 10 Darüber hinaus finden sich organisationswissenschaftliche Ansätze wie der Kontingenzansatz11 und 1
Zu den dahinterstehenden Untersuchungszielen vgl. l.Kap.A. Vgl. insbesondere Caves (1972), Scherer (1980) und Jacquemin (1987). 3 Vgl. insbesondere Alchian/Demsetz (1972), Coase (1937), Williamson (1975) und (1989). 4 Vgl. insbesondere Alchian/Demsetz (1972), Jarillo/Ricart (1987) und Katz (1989). 5 Zur Einordnung des neuen Institutionalismus in die ökonomische Institutionentheorie vgl. Eisner (1987). 6 Vgl. insbesondere Axelrod (1984), Hippel (1987) und Schauenberg (1991). 7 Vgl. insbesondere Blau (1964), Cook (1977), Cook/Emerson (1984), Emerson (1962), Homans (1961) und Thibaut/Kelley (1959). 8 Vgl. insbesondere Barnard (1938), Cyert/March (1963) und March/Simon (1976). 9 Vgl. insbesondere Brown/Lusch (1983), Emerson (1962) und French/Raven (1959). 10 Vgl. insbesondere Boulding (1962), Pruitt (1981), Rubin/Brown (1975) und Walton/ McKersie (1965). Einen guten Überblick gibt Koch (1987), S. 107-179. 11 Vgl. insbesondere Burns/Stalker (1961), Lawrence/Lorsch (1967), Van de Ven (1976) und Kieser/Kubicek (1983). 2
60
3. Kapitel: Bezugsrahmen für die Untersuchung des K A M
der Ressource-Dependence-Ansatz. 12 Auch die Marketingwissenschaft hat sich im Rahmen kooperationsorientierter Ansätze13 und der Interaktionstheorie 14 mit dem Phänomen zwischenbetrieblicher Beziehungen auseinandergesetzt. Die einzelnen Forschungsansätze unterscheiden sich hinsichtlich der Erkenntnisse über zwischenbetriebliche Beziehungen in ihrem Entdeckungs- und Verwertungszusammenhang. Es erscheint zweckmäßig, diese Heterogenität für die Beantwortung obiger Forschungsfragen zu nutzen. Deshalb wird der Bezugsrahmen eklektisch gestaltet, d.h. mehrere Theorieansätze werden genutzt, um dem Bezugsrahmen einen tieferen Gehalt und eine größere Breite zu geben. Für die Gestaltung des Bezugsrahmens versprechen folgende Theorieansätze einen wichtigen Beitrag: Die Transaktionskostentheorie verspricht eine Begründung des K A M als Koordinationsinstrument und damit Aufschlüsse über dessen Einflußfaktoren. Den Zusammenhang zwischen Einflußfaktoren und Ausgestaltung des K A M , insbesondere in organisatorischer Hinsicht, verspricht der Kontingenzansatz der Organisationstheorie aufzuhellen. Einen Beitrag für die Strukturierung der Kundenbeziehung verspricht der Interaktionsansatz. Die Funktionsweise der Kundenbeziehung erscheint mit der verhaltenswissenschaftlichen Austauschtheorie erklärbar. Damit die ausgewählten Forschungsansätze nicht einfach nebeneinander gestellt werden, soll eine Integration in einem ganzheitlichen Bezugsrahmen erfolgen. Dieser zeichnet sich dann durch eine mehr oder weniger konsistente, nicht abschließende Sammlung von Annahmen, Hypothesen und Leitsätzen aus. Für die Integration bedarf es eines Theoriekerns. 15 Dazu wird auf die Systemtheorie zurückgegriffen, die darüber hinaus im Rahmen des Interaktionsansatzes eine eigenständige Strukturierungsleistung verspricht.
A. Die Systemtheorie als Kern des Bezugsrahmens Im Zentrum des Bezugsrahmens steht die Systemtheorie. Dabei wird zunächst ihre Rolle als integratives Paradigma dargestellt. Darauf aufbauend wird das K A M über eine systemtheoretische Betrachtung strukturiert. Diese verdeutlicht die Schnittstellen zu den anderen Theorieansätzen. 12 Vgl. insbesondere Aldrich (1976), Baker (1990), Pfeffer/Salancik (1978), Pennings (1980) und Van de Ven(1976). 13 Vgl. insbesondere Ahlert (1985), Steffenhagen (1975) und Tietz/Mathieu (1979). 14 Vgl. insbesondere Evans (1963), Hâkansson (1982), Kutschker/Kirsch (1978), Schoch (1969), Turnbull/Valla (1986) und Zaltman/Bonoma (1977). Einen guten Überblick geben Kutschker/Kirsch (1978) und Kern (1990), S. 16-65. 15 Eine zusammenfassende Darstellung und Kritik hinsichtlich der Integration von unterschiedlichen Forschungsansätzen in die BWL findet sich bei Staehle (1989), S. 123-127.
Α. Systemtheorie als Kern des Bezugsrahmens
61
I. Die Systemtheorie als integratives Paradigma Die Integration der verschiedenen Ansätze erfordert für den Bezugsrahmen einen Theoriekern, der sich durch Interdisziplinarität auszeichnet. Er muß offen und kompatibel für die Diskussion der den obigen Ansätzen zugrundeliegenden ökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Aspekte sein. Darüber hinaus muß er diese ganzheitlich erfassen. Eine derartige Integration soll durch eine systemtheoretische Betrachtung des Erkenntnisobjektes K A M bzw. der Kundenbeziehung vollzogen werden. Die Systemtheorie 16 besitzt aufgrund ihres ganzheitlichen Charakters und ihrer Interdisziplinarität großes Integrationspotential 17 und ist durch ihren formalen Charakter sowohl bei wirtschaftlichen als auch bei sozialen Fragestellungen anwendbar. 18 Die Systemtheorie selbst ist keine in sich geschlossene Theorie. 19 Ihre Entwicklung zeigt insbesondere drei maßgebende Paradigmen: Am Anfang der Entwicklung stand die strukturell-funktionale Systemtheorie mit dem GanzheitTeil-Paradigma. 20 Dabei wurde angenommen, daß soziale Systeme notwendigerweise bestimmte Strukturen aufweisen. 21 Die auf das Problem der zwischenbetrieblichen Koordination bezogene Forschungsfrage lautet dann: Welche internen Funktionen muß das K A M erfüllen, um den Fortbestand des K A M bzw. der Kundenbeziehung zu sichern? Dabei bleibt die Frage nach der Gestaltung der Struktur des K A M unhinterfragt; diese wird als gegeben vorausgesetzt.22 Diese offensichtlich verkürzte Betrachtung wurde durch einen Paradigmenwechsel hin zur funktional-strukturellen Systemtheorie erweitert. Insbesondere Luhmann analysiert die externe Funktion von Systemen und stellt damit die Beziehung von Umwelt und System in das Zentrum der Betrachtung. 23 Damit entscheidet bei der hier gegebenen Problemstellung die Umwelt, sprich die Wettbewerbssituation, über die Funktion des K A M , die ihrerseits wiederum unterschiedliche Strukturen und interne Funktionen bedingt. Der dritte Paradigmenwechsel vollzog sich hin zum Paradigma selbstreferentieller Systeme.24 Dabei wird davon ausgegangen, daß nicht mehr Personen, sondern 16
Zur Systemtheorie im allgemeinen vgl. Willke (1991). Zum interdisziplinären und integrativen Charakter der Systemtheorie vgl. insbesondere Wuchterl (1987), S. 231-250. 18 Vgl. Staehle (1989), S. 125. Zur Anwendung vgl. insbesondere Ulrich (1987). Eine Anwendung der Systemtheorie im Falle der Kooperation im Zuliefergeschäft findet sich bei Pampel (1993). 19 Vgl. Kneer/Nassehi (1993), S. 33-56. 20 Vgl. Luhmann (1991), S. 20f. 21 Vgl. Willke (1991), S. 3. 22 Vgl. Willke (1991), S. 3. 23 Vgl. Luhmann (1973), S. 22. 24 Vgl. Willke (1991), S.6f. 17
62
3. Kapitel: Bezugsrahmen für die Untersuchung des K A M
Kommunikationen die Elemente eines sozialen Systems sind. 25 Die auf das K A M bezogene Grundidee liegt darin, daß sich das K A M als "Kommunikationssystem" in seiner Struktur mit Hilfe von Kommunikation permanent erneuert. 26 Damit kommt es zu einer evolutionären Perspektive. Bei der Übertragung auf das Management können derzeit die St. Gallener 27 und die Münchener Schule28 unterschieden werden. Die Übertragbarkeit und Erklärungskraft des Paradigmas selbstreferentieller Systeme auf Problemstellungen des Managements sind umstritten. 29 Darüber hinaus handelt es sich bei der Theorie selbstreferentieller Systeme derzeit um ein im Fluß befindliches Paradigma, so daß für die weitere Untersuchung davon Abstand genommen wird. Im folgenden wird die funktional-strukturelle Systemtheorie als Kern des Bezugsrahmens verwendet. Durch das ihr zugrunde liegende System-UmweltParadigma verweist sie bei der Betrachtung des K A M auf die Beziehung zwischen diesem und der Umwelt. Damit ist eine Integration der Kontingenzansätze der Organisationstheorie, der Industrieökonomik und im weiteren Sinne auch der Transaktionskostentheorie möglich. Durch das Prinzip der funktionalen Analyse ermöglicht die Systemtheorie bei der Betrachtung der Kundenbeziehung eine Integration der Austausch- und Verhandlungsansätze. Darüber hinaus verspricht dieser Theoriekern eine Strukturierung des K A M und der Kundenbeziehung.30 Dadurch wird deren Zusammenhang verdeutlicht. Ferner zwingt die Systemtheorie zu einem Denken in Ganzheiten und verringert durch den Einbezug der Umwelt die Gefahr von Scheinwahrheiten über isolierte Aspekte des K A M . 3 1
II. Eine systemtheoretische Betrachtung des Key-Account-Managements Die Grundlage für die Anwendung der Systemtheorie als Kern des Bezugsrahmens fur das K A M ist die Bestimmung des K A M als System. Darauf aufbauend wird unter funktionaler Betrachtung der Kontingenzzusammenhang des K A M aufgezeigt. Anschließend wird unter struktureller Betrachtung das K A M in den Gesamtkontext zwischenbetrieblicher Koordination eingeordnet. 25
Vgl. Willke (1991), S. 45. Vgl. Luhmann (1991), S. 81. 27 Vgl. insbesondere Malik/Probst (1981) und Probst (1987). 28 Vgl. insbesondere Kirsch (1992) und Kirsch/Knyphausen (1991). 29 Vgl. beispielsweise Kieser (1994). 30 Vgl. Pampel (1993), S. 66-68. Zur Strukturierungsleistung der Systemtheorie vgl. insbesondere Meffert (1971), S. 178-180. 31 Zu diesen Vorteilen vgl. im allgemeinen Ulrich (1971), S. 53. 26
Α. Systemtheorie als Kern des Bezugsrahmens
63
Ein System bezeichnet eine "... geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können." 32 K A M muß damit einen Ordnungszusammenhang, Elemente und Relationen besitzen.33 Der Ordnungszusammenhang liegt in der unternehmerischen Funktion der inner- und zwischenbetrieblichen kundenorientierten Koordination. 34 Damit wird deutlich, daß das K A M ein Steuerungssystem innerhalb des Unternehmens ist. Die Elemente dieses Steuerungssystems sind im wesentlichen Mitarbeiter. Darüber hinaus kommen auch Maschinen, wie EDVSysteme etc., zum Einsatz. Damit kann das K A M als sozio-technisches Steuerungssystem bezeichnet werden. Zwischen den Mitarbeitern bzw. den Maschinen bestehen wechselseitige Relationen, die sich bereits durch die Koordinationsfunktion begründen und über Interaktionen vollzogen werden. Zusammenfassend weist K A M alle drei Bestimmungsmerkmale auf und kann als System klassifiziert werden. Als System grenzt sich K A M von seinen Umsystemen, also dem Unternehmen, dem Kunden oder den Konkurrenten etc., ab. 35 Die Abgrenzung beruht auf seiner Funktion der Koordination kundenorientierter Handlungen im Unternehmen bzw. gegenüber dem Kunden. Diese Funktion drückt die grundsätzliche Handlungsausrichtung des K A M aus und kann damit auch als Strategie des K A M interpretiert werden. Die funktionale Abgrenzung des K A M von seinen Umsystemen verweist auf die Notwendigkeit der Betrachtung der Umweltsituation. 36 K A M erbringt eine Funktion für die Umsysteme, wobei mehrere strukturelle und funktionale Ausgestaltungen des K A M möglich sind. 37 Die Umsysteme bewerten dann die Funktion bzw. die Leistung des K A M und entscheiden damit über dessen Erfolg. Anders formuliert entscheidet der Grad an Anpassung von Strategie, Struktur und Funktion des K A M an die jeweilige Situation über dessen Erfolg. In der funktionalen Betrachtung des System-Umwelt-Paradigmas der Systemtheorie ist damit ein Kontingenzzusammenhang angelegt. Dieser ist in Abb. 8 graphisch dargestellt. Die Ausgestaltung des K A M , also der Dimensionen Strategie, Organisation und Funktionsbild, hängt von der Umwelt ab (1. Kausalrelation). Die Beziehung zwischen den drei Dimensionen bleibt zunächst offen. Sie wird im weiteren Verlauf der Arbeit näher bestimmt. Dabei 32
Vgl. Ulrich (1968), S. 105. Vgl. Luhmann (1991), S. 22. 34 Vgl. 2.Kap.C.III. 35 Zur Abgrenzung eines Systems am Beispiel des Unternehmens vgl. Schreyögg (1991), S. 277. 36 Zur Grenzziehung und zum Zusammenhang zwischen System und Umwelt im allgemeinen vgl. Luhmann (1973), S. 175-179. 37 Zu den allgemeinen Instrumenten der Systembildung vgl. Luhmann (1973), S. 182-187. 33
64
3. Kapitel: Bezugsrahmen fur die Untersuchung des K A M
kann durchaus angenommen werden, daß funktional gleichbedeutende Kombinationen möglich sind.
Umwelt 1. Kausalrelation
»
Key-Account-Management ί
\
L
2. Kausalrelation
Erfolg
Kausalrelation Rückkopplungseffekt
Abbildung 8: Eine Kontingenzbetrachtung des K A M
Die einfache Kontingenzbeziehung zwischen Umwelt und Ausgestaltung erscheint für praxeologische Aussagen nicht hinreichend. Deshalb wird eine zweite Kausalbeziehung eingeführt; die Ausgestaltung des K A M wirkt auf den Erfolg des K A M (2. Kausalrelation). Damit ist das Grundmodell der Kontingenzforschung im funktional-strukturellen Systemansatz angelegt.38 Darüber hinaus soll angenommen werden, daß Rückkopplungseffekte bestehen. Die Ausgestaltung des K A M bzw. deren Erfolg wirkt auf die Umwelt, wie auch der Erfolg der Ausgestaltung auf diese selbst wirkt. 39 So kann durch eine erfolgreiche Ausgestaltung des K A M Macht gegenüber dem Kunden aufgebaut werden oder der Mißerfolg des K A M kann zu einer neuen organisatorischen Lösung fuhren. Neben der systemfunktionalen Betrachtung des K A M leistet die systemstrukturelle Betrachtung einen Beitrag zur Strukturierung der weiteren Schritte. Dabei wird das K A M in den Gesamtzusammenhang zwischenbetrieblicher Koordination eingeordnet. Dazu wird zum einen auf die Systemhierarchisierung zurückgegriffen, zum anderen werden die Systemfunktionen herangezogen. Die Systemhierarchisierung führt zur Unterscheidung von Umsystemen, Systemen, Subsystemen und Elementen.40 Dabei soll an dieser Stelle, dem Unter38
Zum Grundmodell des Kontingenzansatzes vgl. Lehnert (1983), S. 109.
39
Zu den Rückkopplungseffekten im Rahmen der Kontingenzbetrachtung der Industrieökonomik vgl. Böbel (1984), S. 10. 40
Vgl. Ulrich (1968), S. 107f.
Α. Systemtheorie als Kern des Bezugsrahmens
65
suchungszweck der Arbeit folgend, die Systemebene beim K A M angesetzt werden. Das K A M ist dann von den Umsystemen Unternehmen und Markt umgeben. Zur Unterscheidung kann das Unternehmen mit dem Begriff Supersystem bezeichnet werden, da das K A M rechtlich in das Unternehmen eingebunden ist. Das K A M hat seinerseits Subsysteme; die Dimensionen des K A M können im Hinblick auf ihre jeweilige Zwecksetzung als solche interpretiert werden. Zur Unterscheidung der Systemfunktionen bzw. Zwecksetzungen werden die Kategorien Leistungs-, Steuerungs- und Interaktionssystem eingeführt. Leistungssysteme haben die Aufgabe, eine Teilleistung zu erstellen, die in die Gesamtleistung für den Kunden eingeht. Die Koordination der Teilleistungen zu einer ganzheitlichen, auf den Kunden abgestimmten Gesamtleistung ist Aufgabe der Steuerungssysteme. Der Leistungsaustausch mit dem Kunden findet in einem Interaktions- bzw. Zwischensystem statt.41 Dabei wurde das K A M bereits oben als Steuerungssystem klassifiziert. Es dient in der internen Dimension der Steuerung der betrieblichen Leistungssysteme Vertrieb, Produktion, Entwicklung etc., in der externen Dimension dient es der Steuerung der Kundenbeziehung. Diese stellt ein Interaktionssystem dar.
Umsystem Markt
Supersystem Abnehmer
Supersystem Zulieferer Steuerungssystem
Steuerungssystem
KAM
« j
ITT
•
.s |*|ls - i l s
LS H L S «-LS
f
A
, Li
Interaktionssystem Kundenbeziehung
ç]
F
LS = Leistungssystem (Beschaffung, Produktion, Vertrieb etc.) • = gerichtete Austauschbeziehung
Abbildung 9: Eine systemstrukturelle Einordnung des K A M
41
5 Götz
Vgl. Meffert (1971), S. 186.
66
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
Abb. 9 zeigt die Systemstruktur auf. Dazu sind Austauschbeziehungen zwischen den einzelnen Systemen dargestellt. Im Supersystem des Abnehmers finden sich ebenso Steuerungs- und Leistungssysteme. Eine Interaktion mit dem Abnehmer vollzieht sich immer im Interaktionssystem. Die systemtheoretische Betrachtung des K A M hat für die folgenden Ausfuhrungen zwei formale Beschreibungsmodelle erbracht. Das Kontingenzmodell zeigt den Kausalzusammenhang auf, in den die Gestaltung des K A M eingebettet ist. Die einzelnen Elemente, Umweltfaktoren und Erfolgsgrößen, sind im folgenden inhaltlich zu bestimmen. Darüber hinaus sollen die ausgewählten Theorien Hypothesen über die Kausalbeziehungen ermöglichen. Das Strukturmodell systematisiert das Erfahrungsobjekt K A M und zeigt die vom K A M betroffenen Systeme auf. Im folgenden muß insbesondere die Struktur und Funktionsweise der Kundenbeziehung beleuchtet werden, um zu Aussagen hinsichtlich der Ausgestaltungsmöglichkeiten der strategischen Dimension des K A M und deren Erfolgsträchtigkeit zu kommen.
B. Die Begründung des Key-Account-Managements durch die Transaktionskostentheorie Einen wichtigen Beitrag zur Begründung des K A M und damit zur Bestimmung von Kontingenzzusammenhängen verspricht die Transaktionskostentheorie (im folgenden TKT) zu leisten. Dabei wird diese nicht als kostenrechnerisches Entscheidungsmodell, sondern als qualitatives Erklärungsmodell betrachtet. Die TKT ist als volkswirtschaftliche Theorie Teil der "New Institutional Economics" 42 , die wiederum eine Forschungsrichtung innerhalb der ökonomischen Institutionentheorie darstellt. 43 Forschungsobjekt der TKT sind die Koordinationsmechanismen sozioökonomischer Austauschbeziehungen und damit auch das K A M . 4 4 Im folgenden sollen kurz die Grundgedanken der TKT aufgezeigt und auf das K A M bezogen werden.
42
Williamson (1985), S. XI. Vgl. auch Picot/Dietl (1990), S. 178.
43
Vgl. Eisner (1987), S. 5.
44
Vgl. Picot/Dietl (1990), S. 178.
Β. Begründung des K A M durch die Transaktionskostentheorie
67
I. Das Key-Account-Management als Koordinationsmechanismus im Markt-Hierarchie-Paradigma Coase versuchte 1913 die Frage zu beantworten, "... why a firm emerges at all in a specialised exchange economy." 45 Zur Beantwortung dieser Frage ging er von zwei möglichen Koordinationsformen der Ressourcenallokation aus: dem Preismechanismus und der Hierarchie. 46 Die Existenz von Unternehmen ergibt sich aus den Kosten des Preismechanismus. 47'48 Der Grad horizontaler bzw. vertikaler Integration eines Unternehmens bestimmt sich nach marginalanalytischem Prinzip: da ein Teil der "marketing costs"49 durch Organisation von Transaktionen 50 innerhalb eines Unternehmens eingespart werden kann, andererseits aber die zunehmende Zahl von Transaktionen im Unternehmen zu Kosten durch Verschwendung führt, stellt sich ein Punkt ein, "where the loss through the waste of resources is equal to the marketing costs of the exchange transaction in the open market...". 51 Durch die Auflösung der strengen Dichotomie von Markt und Hierarchie öffnet Williamson die TKT für vielfältige Koordinationsmechanismen. 52 Zwischen diesen Extrempunkten kommen "contractual relations" und mit diesen korrespondierende "governance structures" (im folgenden: Abwicklungsstrukturen) zum tragen. 53 Die Abwägung zwischen Markt und Hierarchie wird ersetzt durch folgendes Prinzip: "assign transactions (which differ in their attributes) to governance structures (the adaptive capacities and associated costs of which differ) in a discriminating (mainly transaction cost economizing) way." 5 4 Kundenbeziehungen stellen einen solchen Typus der "contractual relations" dar; die Anwendung der TKT ist damit möglich. 55 K A M ist damit eine "governance structure".
45
Coase (1937), S. 390.
46
Vgl. Coase (1937), S. 388f.
47
Vgl. Coase (1937), S. 390.
48
Vgl. Coase (1937), S.390f.
49
Coase (1937), S. 392.
5 0 11 A transaction may thus be said to occur when a good or service is transferred across a technologically separable interface." Williamson (1981b), S. 1544. 51
Coase (1937), S. 395.
52
Vgl. Böbel (1988), S. 169, Sauter (1985), S. 61f., und Bössmann (1981), S. 673.
53
Vgl. Williamson (1985), S. 52.
54
Williamson (1989), S. 136.
55
Kritisch ist hierbei anzumerken, daß eine vertragliche Basis, die über die vertragliche Fixation einer einmaligen Transaktion hinausgeht, nicht notwendig ist, um eine Kundenbeziehung zu konstituieren. Eine innere Verpflichtung kann anstelle einer vertraglichen Fixation zu einer Beziehung führen.
5*
68
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
Im folgenden Abschnitt gilt es, die für die Entstehung der Kundenbeziehung und des K A M maßgebenden Faktoren herauszuarbeiten.
II. Transaktionskosten und Kontingenzfaktoren als Grundlage einer weiteren Betrachtung Bei der Abwicklung von Transaktionen treten Transaktionskosten auf. 56 Als aktuelle Kategorien von Transaktionskosten können "... costs of planning, adapting, and monitoring task completion... " bzw. "... costs of ex ante and ex post types ..." nämlich zum einen "...cost[s; Anm. d. Verf.] of drafting, negotiating, and safeguarding an agreement" und zum anderen "... the maladaption costs... the haggling costs... the setup and running costs... and... the bonding costs...", unterschieden werden. 57 Ex-ante-Kosten fallen bei den Verhandlungen zum Aufbau einer Geschäftsbeziehung an und sind somit verhältnismäßig leicht eingrenzbar, während Ex-post-Kosten einen weiten Bereich abdecken. Unabhängig von dem Problem der Messung dieser relativ abstrakten Kosten 58 gestalten sich die Überlegungen als sehr fruchtbar, denn "... transaction costs are always assessed in a comparative institutional way" 5 9 ; insofern sei nicht die absolute, sondern die relative Höhe ausschlaggebend. Da die Abwicklung einer Transaktion durch verschiedene Abwicklungsstrukturen - je nach der Ausgestaltung der Dimensionen der Transaktion - mit mehr oder weniger hohen Transaktionskosten verbunden ist, wird also bei mehreren alternativen Abwicklungsstrukturen die Transaktion derjenigen mit den für diesen Fall geringsten Transaktionskosten zugeordnet. 60 Die Dimensionen, die die Transaktionskosten und damit die Abwicklungsstruktur bestimmen, sind: "... (1) the frequency [im folgenden: Häufigkeit, Anm. d. Verf.] with which they recur, (2) the degree and type of uncertainty [im folgenden: Unsicherheit, Anm. d. Verf.] to which they are subject, and (3) the condition of asset specificity [im folgenden: Aktivaspezifität, Anm. d.
56 Vgl. Williamson (1985), S. If. Dies ist die wesentliche Differenz zur Neoklassik, die Transaktionskosten in Höhe Null annimmt, also von einem reibungslosen Ablauf von Austauschbeziehungen ausgeht; vgl. Windsperger (1987), S. 63. 57
Williamson (1985), S. 20f (Hervorhebungen im Original).
58
Vgl. Williamson (1985), S. 22.
59
Williamson (1985), S. 22.
60 Vgl. Williamson (1989), S. 136. Einen Zwischenschritt in der Entwicklung der TKT stellt das Schema des Organisationsversagens dar. Dabei wird herausgearbeitet, daß bestimmte Abwicklungsstrukturen unter bestimmten Umweltfaktoren unwahrscheinlich sind; vgl. Williamson (1975), S. 39.
Β. Begründung des K A M durch die Transaktionskostentheorie
69
Verf.]." 61 Die Häufigkeit einer Transaktion ist unter dem Aspekt der Kostendegression relevant. Je häufiger eine Transaktion durchgeführt wird, desto leichter können die Kosten einer aufwendigen Abwicklungsstruktur aufgefangen werden. 62 Die Bedeutung der Unsicherheit beruht auf zwei Ursachen. Zum einen beruht sie auf der grundsätzlichen Ungewißheit durch "exogenous disturbances", zum anderen existiert eine "behavioral uncertainty", die aus "... strategic nondisclosure, disguise, or distortion of information..." 63 resultiert und insofern eng mit der Opportunismus-Annahme zusammenhängt.64 Die wichtigste Dimension ist die Aktivaspezifität. 65 Williamson versteht hierunter den Anteil potentieller versunkener Kosten 66 bei alternativer Nutzung am Wert einer Investition. 67 Dies ist entscheidungsrelevant, da das mit dem Grad der Aktivaspezifität verbundene Risiko die Wahl der optimalen Abwicklungsstruktur beeinflußt. 68 Den möglichen Ausprägungen der Dimensionen der Transaktion stehen verschiedene Vertragsarten bzw. Abwicklungsstrukturen gegenüber. Williamson unterscheidet die Vertragsformen "... classical, neoclassical and relational..." (im folgenden: klassisch, neoklassisch, relational) und damit zusammenhängend "... market governance,... trilateral governance,... bilateral or unified governance..." (im folgenden: Marktabwicklung, trilaterale Abwicklung, bilaterale Abwicklung, hierarchische Abwicklung). 69 Klassische Verträge werden auf dem Markt geschlossen, die Koordination erfolgt also durch den Preismechanismus.70 Neoklassische Verträge zeichnen sich durch "...third-party assistance in resolving disputes and evaluating performance" aus, was bei langfristigen Vertragsverhältnissen vorteilhaft sein kann; hiermit korrespondiert trilaterale Abwicklung. 71 Relationale Verträge schließlich bezeichnen die als kooperativ
61
Williamson (1989), S. 142.
62
Vgl. Williamson (1985), S. 60.
63
Williamson (1985), S. 57.
64
Dies resultiert aus der Definition von Opportunismus, die arglistiges Verhalten einschließt; vgl. Williamson (1975), S. 26. 65 "... the absence of asset specificity [would; Anm. d. Verf.] vitiate much of transaction cost economics... asset specificity is the big locomotive to which transaction cost economics owes much of its predictive content." Williamson (1985), S. 56. 66
Vgl. Neumann (1987), S.25f.
67
Vgl. Williamson (1985), S. 54f. Williamson unterscheidet weiter vier Typen von Aktivaspezifität: "site specificity; physical asset specificity; human asset specificity; and dedicated assets." Williamson (1985), S. 55. 68
Vgl. Williamson (1985), S. 54.
69
Williamson (1985), S. 69-73.
70
Vgl. Williamson (1985), S. 73f.
71
Vgl. Williamson (1985), S. 70. Vgl. dazu auch Williamson (1985), S. 74f.
70
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
einzustufenden Koordinationsformen "bilaterale Abwicklung" sowie "hierarchische Abwicklung". 72 Bei der Zuordnung von Transaktionen zu Abwicklungsstrukturen läßt Williamson die Dimension Unsicherheit anfangs undifferenziert. 73 Solange Aktivaspezifität nicht oder nur in geringem Maß vorhanden ist, ist die Abwicklung durch den Wettbewerb auf dem Markt optimal. 74 Wenn der Grad der Aktivaspezifität genügend hoch ist, entscheidet die Häufigkeit der Transaktion, da mit zunehmender Häufigkeit die höheren Kosten einer relativ spezialisierteren Abwicklungsstruktur eher tragbar werden. 75 Gelegentliche Transaktionen werden über trilaterale Abwicklung durchgeführt, da mit dieser relativ unspezialisierten Koordinationsform nur geringe Kosten verbunden sind. 76 Steigt die Zahl der Transaktionen, bieten sich bilaterale und hierarchische Abwicklung an, wobei mit zunehmender Aktivaspezifität hierarchische Abwicklung vorteilhaft wird. 77 Bei einer Zunahme der Unsicherheit entscheidet der Grad der Aktivaspezifität. Solange keine Aktivaspezifität vorliegt, ist der Markt weiter optimal; bei hoher Aktivaspezifität wird die Tendenz zur hierarchischen Abwicklung verstärkt. Schwierig ist die Einschätzung bei mittlerer Aktivaspezifität; Williamson erwartet hier eine Polarisierung hin zu den Extrempunkten Markt und Hierarchie. 78
I I I . Eine kritische Betrachtung des Beitrags der Transaktionskostentheorie für den Bezugsrahmen Die TKT bringt eine inhaltliche Spezifikation der Umweltsituation des KAM. Diese kann durch die Kontingenzfaktoren Aktivaspezifität, Häufigkeit und Unsicherheit der Transaktion beschrieben werden. Dabei ergeben sich je Kontingenzfaktor folgende auf das K A M im Zuliefergeschäft bezogene Aussagen: Erfordert die Transaktion zwischen Zulieferer und Kunde spezifische Investitionen, wird der Investor eine dauerhafte Kundenbeziehung anstreben. Dabei können drei Fälle unterschieden werden. Im ersten Fall investiert nur der
72
Vgl. Williamson (1985), S. 78.
73
"It will facilitate the argument.. to assume that uncertainty is present in sufficient degree ..." Williamson (1985), S. 72. 74 Vgl. Williamson (1985), S. 73f. Das Fehlen von Aktivaspezifität entspricht der Grundannahme der Theorie der vollständig bestreitbaren Märkte; vgl. Neumann (1987), S. 28. 75
Vgl. Williamson (1985), S. 75.
76
Vgl. Williamson (1985), S. 74f.
77
Vgl. Williamson (1985), S. 79, Abb. 3-2.
78
Vgl. Williamson (1985), S. 79f.
Β. Begründung des K A M durch die Transaktionskostentheorie
71
Zulieferer in spezifische Aktiva. Ein Beispiel ist die Produktion eines nicht schützbaren kundenindividuellen Produkts, das der Kunde auch von anderen Zulieferern beziehen kann. Im zweiten Fall investieren beide Partner in spezifische Aktiva; dies kann beispielsweise für ein JiT-System zutreffen. Im dritten Fall investiert nur der Kunde in spezifische Aktiva. Dies trifft für den Fall eines Produkts zu, das über Patente geschützt und dessen Einbau für den Kunden eine Investition in spezifische Maschinen erfordert. In den ersten beiden Fällen strebt der Zulieferer eine dauerhafte Beziehung an; Ex-post-Kosten zur Abwicklung und Sicherung der Transaktionen fallen insbesondere für ihn an. Er wird deshalb K A M zur Senkung der Transaktionskosten und dabei insbesondere der Abwicklungs- und Sicherungskosten einsetzen. Darüber hinaus ergibt sich für den ersten Fall die Möglichkeit, spezifische Investitionen beim Kunden zu initiieren, die seinerseits stabilisierend wirken. Im letzten Fall treten insbesondere für den Kunden Transaktionskosten auf; beim Zulieferer ist deshalb der Kostendruck geringer und K A M ist nicht zwingend notwendig. Die Begründung des K A M ergibt sich ferner durch die Häufigkeit der Transaktion. Im Zuliefergeschäft kann aufgrund des zumeist gegebenen kontinuierlichen Produktionsflusses des Kunden von häufigen Transaktionen ausgegangen werden. Diese konstituieren einerseits eine Kundenbeziehung, andererseits bergen sie ein Potential für die Senkung der Transaktionskosten. Deshalb wird bei Wiederholungstransaktionen K A M immer relevant. Die Pflege der Beziehung wirkt stabilisierend und senkt damit Such- und Kontrollkosten. Dies gilt umso mehr, wenn die Transaktionen mit spezifischen Investitionen einhergehen oder unter einer Unsicherheitssituation stattfinden. Ist die Transaktionssituation durch hohe Unsicherheit gekennzeichnet, werden die Partner bei gegebener Aktivaspezifität versuchen, diese zu reduzieren. K A M ist ein Instrument dafür. Dies gilt insbesondere für den Fall einer Unsicherheit, die auf das Verhalten des Partners zurückgeht. Dann kann durch eine systematische Pflege der Beziehung im Rahmen des K A M Vertrauen entstehen oder Macht gegenüber dem Partner aufgebaut werden. Beiderseitiges Vertrauen macht das Verhalten der Partner voraussagbar; Macht erlaubt einen direkten Einfluß gegenüber unerwünschtem Verhalten. Dadurch sinken Informations·, Verhandlungs-, Kontroll- und Absicherungskosten. Auch für den Fall, daß die Unsicherheit durch die Wettbewerbssituation bedingt ist und die Transaktion spezifische Aktiva erfordert, verringern sich im Rahmen einer Kundenbeziehung die Transaktionskosten. Durch gemeinsame Information über den Wettbewerb lassen sich die Informationskosten teilen. Neben den Kontingenzzusammenhängen zeigt die TKT auf, daß durchaus die Möglichkeit besteht, über das K A M die Transaktionssituation zu verändern: Eine Individualisierung der Leistung kann beim Kunden spezifische Investitionen bedingen, die die Beziehung stabilisieren. Ferner kann durch Beziehungs-
72
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
pflege Vertrauen geschaffen werden. Dieses verringert die Unsicherheit und wirkt transaktionskostensenkend. Außerdem kann durch den Aufbau von Macht Verhaltensunsicherheit abgebaut werden. Die TKT weist jedoch auch Kritikpunkte bzw. Defizite im Hinblick auf die Zielsetzung des Bezugsrahmens auf. 79 Zum ersten bleibt die unternehmensbezogene Ausgangsvoraussetzung unbeachtet. So hängt das K A M in seiner organisatorischen Dimension stark von der Unternehmensgröße ab; organisatorische Komplexität bedingt andere Kommunikationsstrukturen und Konfigurationen. Auch bleibt die Abhängigkeit von der Umwelt weitgehend unbeachtet. Ist die Zahl der Abnehmer stark begrenzt, so ist die Abhängigkeit des Kunden groß und die Kundenbeziehung bekommt einen größeren Stellenwert. Diese Nichtbeachtung offensichtlich relevanter Kontingenzfaktoren beruht auf einer Konzentration auf die Effizienzgröße Transaktionskosten; insbesondere Effektivitätsüberlegungen, aber auch Produktionskosten werden dadurch vernachlässigt. Zum zweiten bleiben Fragen der Ausgestaltung von Abwicklungsstrukturen weitgehend offen. Abwicklungsstrukturen werden in der TKT über Vertragsformen operationalisiert. Diese vertragstheoretische Betrachtung erlaubt nur rechtlich-formale Gestaltungsaussagen. Aussagen über die inhaltliche Gestaltung des K A M , wie z.B. über die Organisation des K A M oder über die Gestaltung des Geschäftsverkehrs, sind nicht möglich. Dieses Defizit ergibt sich aus der Makroperspektive der TKT; entscheidungsorientierte einzelwirtschaftliche Aussagen sind damit nur begrenzt möglich. Zum dritten geht die TKT nicht tiefer auf den sozialen Interaktionsprozeß ein. Die Interaktion wird einzig als ökonomisches Kostenkalkül betrachtet. Dabei erscheint es gerade bei den Annahmen der begrenzten Rationalität und des opportunistischen Verhaltens der Akteure kaum möglich, ein derart rationales Kalkül zu vollziehen; 80 soziale Kategorien wie Vertrauen oder auch Macht charakterisieren den Interaktionsprozeß ebenso wie Konflikte zwischen den Akteuren.
79
Diese verstehen sich nicht als umfassende Kritik der TKT, sondern als Kritikpunkte bzw. Defizite, die im Verwertungszusammenhang des Bezugsrahmens relevant erscheinen. Vgl. zu einer umfassenden Darstellung der Kritik der TKT Ebers/Gotsch (1993), S. 234-240. 80
Vgl. Schneider (1985), S. 1241.
C. Organisatorische Gestaltung des K A M aus Sicht der Kontingenzansätze
73
C. Die organisatorische Gestaltung des Key-Account-Managements aus der Sicht der Kontingenzansätze der Organisationstheorie Die Kontingenzansätze der Organisationstheorie versprechen einen Beitrag zur Bestimmung von Kontingenzfaktoren, die auf Effektivitätsüberlegungen beruhen. Ferner versprechen sie Aussagen über den Einfluß der Kontingenzfaktoren auf die Gestaltung und dabei insbesondere auf die Organisation des K A M . Da die Organisation auf den Aufgaben, die in der Organisation zu erfüllen sind, aufbaut, wird das Funktionsbild des K A M implizit mit angesprochen. Die Kontingenzansätze stellen ein Forschungsparadigma innerhalb der Organisationstheorie dar. 81 Dabei steht die Erklärung der Organisationsstruktur durch situative Faktoren im Vordergrund. Dazu wird empirisch vorgegangen; 82 theoretische Begründungsleistungen für empirisch bestätigte Hypothesen werden vielfach erst ex post und auf anderen Theoriehintergründen aufbauend in die Ansätze eingeführt. Andere Theoriehintergründe werden in die folgenden Ausführungen eingebaut, da sie für den Beitrag zum theoretischen Bezugsrahmen maßgebend sind. Die folgenden Ausführungen beziehen sich zuerst auf die oganisationsstrukturellen Gestaltungsmöglichkeiten im Kontingenzzusammenhang, dann wird auf die Kontingenzfaktoren und deren Wirkung auf die organisatorische Gestaltung eingegangen.
I. Die organisatorische Gestaltung des Key-Account-Managements Die Kontingenzansätze basieren auf dem bereits im 3.Kap.A.2. dargestellten Gedanken, daß es keine allgemeingültigen Organisationsprinzipien und damit keine ideale Organisationsstruktur gibt. Vielmehr hängt die Organisationsstruktur und damit die organisatorische Ausgestaltung des K A M von der spezifischen Situation ab.83 Der Erfolg einer Organisation stellt sich dann ein, wenn ihre Strukturausprägungen mit den situativen Gegebenheiten übereinstimmen. 84 Bevor die situativen Gegebenheiten im nächsten Abschnitt bestimmt werden, wird zunächst auf die Strukturausprägungen einer Organisation eingegangen. Diese stecken den organisatorischen Gestaltungsspielraum für das K A M ab.
81
Zur Organisationstheorie und ihren Theorieansätzen vgl. beispielsweise Kieser (1993a).
82
Vgl. Kieser (1993), S. 169.
83
Vgl. Kieser (1993), S. 161.
84 Vgl. Kieser (1993), S. 161. Damit erfolgt ein Wandel vom Anspruch allgemein gültiger Gesetzesaussagen für wirtschaftliche Prozesse hin zu situationsbezogenen Hypothesen.
74
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
Die Kontingenzansätze konzipieren die Organisationsstruktur nach den Dimensionen der klassischen Organisationslehre. Pugh et al. unterscheiden die Dimensionen der Spezialisierung, der Programmierung, der Zentralisierung, der Formalisierung und der Konfiguration. 85 Bezogen auf das K A M bedeutet die Spezialisierung die Abgrenzung von KAM-Aufgaben. Die Vorgehensweise bei der Aufgabenerfüllung wird im Rahmen der Programmierung durch das Vorhandensein von Verfahrensrichtlinien geregelt. Die den Aufgabenträgern zugewiesene Entscheidungskompetenz bringt die Zentralisierung zum Ausdruck. Die Formalisierung bezeichnet das Ausmaß der schriftlichen Fixierung von solchen KAM-Programmen und -Kompetenzen. Die Konfiguration beschreibt die äußere Gestalt der KAM-Struktur, d.h. das Vorhandensein einer KAM-Stelle und deren weisungsbezogene Einbindung in das Organigramm. Kieser/Kubicek führen darüber hinaus die Dimension der Koordination ein. 86 Da es sich beim K A M um ein Steuerungssystem im Unternehmen handelt, kommt gerade dieser Koordination zwischen spezialisierten Einheiten hohe Bedeutung zu. Für die Koordination bieten sich dann die Instrumente persönliche Weisung, Selbstabstimmung und Programmierung an. 87 Die strukturellen Dimensionen des K A M sind dabei als Variablen zu konzipieren. Dies führt dazu, daß sich für die Organisation des K A M eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten ergibt. Betrachtet man die KAM-Funktion der kundenbezogenen Koordination, erscheinen insbesondere die Variablen der Spezialisierung von KAM-Aufgaben, der Konfiguration einer KAM-Struktur und der Koordination mit den anderen Unternehmenseinheiten sowie der dabei gegebenen Kompetenzen zur Umsetzung relevant. II. Die Kontingenzfaktoren des Key-Account-Managements Die Gestaltung des K A M muß sich gemäß der Grundidee der Kontingenzansätze an der Situation orientieren. Während in der ersten Generation der Ansätze jeweils nur ein situativer Faktor betrachtet wurde, 88 führte insbesondere die Aston-Group bei der zweiten Generation die simultane Berücksichtigung mehrerer Situationsfaktoren ein. 89 Dabei werden zum einen interne Unternehmensfaktoren, zum anderen externe Umweltfaktoren betrachtet. 90
85
Vgl. Pugh et al. (1968).
86
Vgl. Kieser/Kubicek (1983), S. 73.
87
Vgl. Kieser/Kubicek (1983), S. 191.
88
Der ersten Generation werden insbesondere die Ansätze von Woodward (1965) und Burns/ Stalker (1961) zugeordnet.
C. Organisatorische Gestaltung des K A M aus Sicht der Kontingenzansätze
75
Die Erfassung der Umwelt läßt sich auf zwei Strukturdimensionen reduzieren: im einen Fall wird die Umwelt als Informationsquelle gesehen, im anderen quasi als Ressourcenquelle. 91 Aus der Informationsperspektive gewinnt der Grad an Unsicherheit, dem eine Organisation bzw. ein System ausgesetzt ist, an Bedeutung. Aus der Perspektive der Ressourcenbeziehung steht der Grad der Ressourcenabhängigkeit der Organisation im Vordergrund der Betrachtung. 92 Sowohl Unsicherheit als auch Abhängigkeit können als Bezugspunkte organisatorischer Strukturierung angesehen werden. Unsicherheit oder auch Ambiguität resultiert einerseits aus der Dynamik der Umwelt. Diese findet Ausdruck in der Häufigkeit, Stärke und Irregularität von Änderungen. Andererseits wird sie durch die Komplexität der Umwelt beschrieben, die sich über die Vielzahl an relevanten Umweltelementen und deren Beziehungen, deren Formalisierungsgrad als auch durch deren Unterschiedlichkeit ergibt. Die Unsicherheit ist umso größer, je häufiger, stärker und irregulärer Änderungen sind. Die Unsicherheit nimmt ebenso mit einer Zunahme an unterschiedlichen Umweltelementen, die nicht formalisiert sind und in Beziehung zur Organisation stehen, zu. 93 Dabei kann die Unsicherheit über unterschiedliche Bereiche einer Organisation variieren. Lawrence und Lorsch zeigten bei Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie, daß die wissenschaftliche Umwelt, die sich auf die F&E-Abteilung bezog, unsicherer war als die Umwelt des Marktes, mit dem die Verkaufsabteilung in Beziehung stand.94 Um großer Unsicherheit der Umwelt gerecht zu werden, müssen Organisationen intern die Fähigkeit zur ständigen Anpassung aufbauen. Dies führt zu immer komplexeren Strukturformen, denn die Ausbildung spezifischer Aufgaben und damit eigenständiger Organisationseinheiten, wie dem K A M , ist eine Möglichkeit, um erhöhte Umweltkomplexität handhabbar zu machen.95 Offene und direkte Kommunikationsstrukturen in der Kundenbeziehung erlauben den frühzeitigen Austausch von Umweltsignalen und deren Interpretation. Dies führt bei Eigenständigkeit der Organisationseinheit zu erhöhter Flexibilität.
89
Vgl. insbesondere Pugh et al. (1969).
90
Die situativen Faktoren werden dabei nicht theoretisch abgeleitet, sie stützen sich vielmehr auf Plausibilitätsüberlegungen; vgl. Kieser (1993), S. 167. 91
Vgl. Aldrich/Mindlin (1978).
92
Zur Ressource-Dependence-Theory vgl. insbesondere Pfeffer/Salancik (1979) und Van de Ven (1976). 93
Vgl. Scott (1986), S. 214.
94
Vgl. Lawrence/Lorsch (1967).
95
Vgl. Schreyögg (1984), S. 250.
(1978), Aldrich
76
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
Insgesamt bedeutet dies aber auch die Erhöhung des Koordinations- und Kontrollaufwands in der Beziehung. Ressourcenabhängigkeit ergibt sich aus dem Knappheits-, dem Konzentrations- und dem Organisationsgrad. Für das K A M bedeutet Knappheit die Verfügbarkeit von Kunden bzw. Lieferanten als Ressource. Die Konzentration der Kunden bestimmt sich über deren Konzentration am Markt bzw. deren Einkaufsanteile bei den Lieferanten. Der Organisationsgrad ist das Ausmaß koordinierten Handelns des Kunden; er drückt sich z.B. darin aus, inwieweit die Beschaffung für unterschiedliche Betriebe eines Kunden zentral oder dezentral erfolgt. Zwischen den beiden strukturellen Determinanten Unsicherheit und Abhängigkeit gibt es in Reaktion auf einen bestimmten Umweltzustand nicht notwendigerweise eine Kovarianz. Das heißt beispielsweise, daß ein hoher Organisationsgrad der Kunden einerseits die Unsicherheit reduzieren, andererseits deren Abhängigkeit steigern kann. Im Rahmen der Ressourcenabhängigkeit wird davon ausgegangen, daß Organisationen versuchen, ihre Autonomie zu bewahren. Da dies im Falle der Abhängigkeit nicht möglich ist, entwickeln sie Strategien, um das Verhalten von Organisationen, von denen sie abhängig sind, zu kontrollieren oder ihrerseits Abhängigkeiten zu schaffen. Ist dies nicht möglich, versuchen sie mit Abhängigkeiten optimal zu leben.96 Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei einer Kundenbeziehung im Zuliefergeschäft um eine wechselseitige Abhängigkeit handelt: der Kunde braucht die Zulieferleistung für sein Produkt und ist damit ebenso vom Zulieferer abhängig. Dabei kommt im konkreten Fall der Machtrelation zwischen den beiden Organisationen eine zentrale Bedeutung zu. 97 Ist nach Pfeffer/Salancik eine vertikale Integration zur Lösung der Abhängigkeitsproblematik nicht möglich, so kommt der Kooperation zwischen den Organisationen großer Stellenwert zu. 98 Aufgrund der aus der jeweiligen Sicht bestehenden Unbestimmtheit des Verhaltens des anderen ist die Abhängigkeit sowohl für den Zulieferer als auch den Abnehmer die Quelle von Unsicherheit. Dies bedeutet, daß das K A M je nach Grad der Abhängigkeit flexibel gestaltet sein muß. Strukturelle Reaktionen auf Abhängigkeit sind immer dann besonders virulent, wenn Abhängigkeit mit Verhaltensdynamik der Partner einhergeht. In diesem Fall wird für das Zulieferunternehmen intern Entscheidungsdezentralisation, Spezialisierung und Professionalisierung, geringe Formalisierung sowie Einsatz von Koordinationsinstrumenten empfohlen. 99 Für das K A M kann festgehalten werden, daß mit 96
Vgl. van Gils (1984), S. 1080.
97
Vgl. Aldrich (1976), S. 262-264.
98
Vgl. Pfeffer/Salancik (1978), S. 143-145.
99
Vgl. Thompson (1967), S. 34f.
C. Organisatorische Gestaltung des K A M aus Sicht der Kontingenzansätze
77
zunehmender Abhängigkeit vielfältige Kommunikationsbeziehungen zum Kunden zur möglichst frühzeitigen Identifizierung von Handlungsänderungen von Bedeutung sind, eine Vielzahl von Koordinationsinstrumenten zur Verfugung stehen sollte und Vertrauen als Gegenpol zur Macht aufgebaut werden sollte, die aus der Abhängigkeit resultiert. Die Betrachtung zeigt, daß die Organisationstheorie zwar ähnliche externe Kontingenzfaktoren wie die TKT identifiziert, nämlich Unsicherheit und Ambiguität sowie Aktivaspezifität/Häufigkeit und Abhängigkeit, diese aber innerhalb der Organisation eine gegenläufige Wirkung zeigen. So postuliert die TKT bei hoher Unsicherheit die Wahl einer starren und hierarchischeren Abwicklungsstruktur, während die Organisationstheorie intern für flexible Strukturen argumentiert. Ebenso wird bei einer großen Abhängigkeit und bei Integrationshemmnissen für flexible, lockere Strukturen argumentiert, während bei den Merkmalen hohe Aktivaspezifität und Häufigkeit der Transaktion, die zwar nicht in jedem Fall mit einer großen Abhängigkeit einhergehen, jedoch i.d.R. kovariieren, starre, hierarchische Strukturen gefordert werden. Der Widerspruch kann über die Organisationsgrenzen aufgelöst werden. Die interne Organisation steht bei der TKT nicht zur Disposition; für sie können die anderen "Gesetze" der Organisationstheorie gelten. Die Kontingenzansätze führen neben den externen bzw. transaktionsbezogenen Einflußfaktoren, die aus der TKT hervorgehen, interne Kontingenzfaktoren für die Ausgestaltung von Organisationen an. Dabei werden in der Literatur die beiden Faktoren Leistungsprogramm bzw. Technologie und Unternehmensgröße unterschieden. 100 Diese thematisieren die Notwendigkeit und Möglichkeit des K A M in organisationaler und funktionaler Hinsicht; sie erweitern damit das Spektrum der Kontingenzfaktoren. Die Unternehmensgröße spielt eine maßgebliche Rolle für die Ausgestaltung von Organisationen. 101 Dies besitzt Plausibilität, da mit zunehmender Größe der Unternehmen mehr Möglichkeiten zur Spezialisierung gegeben sind. Durch neue Stellen wächst die Heterogenität der Stellen, was wiederum auf die Leitungsspanne der Vorgesetzten wirkt. Ferner kommt es zu einem verstärkten Koordinationsbedarf und damit zum Einsatz von Koordinationsinstrumenten. All dies findet Ausdruck in der Konfiguration der Organisation und damit auch in jener der Kundenbeziehungen.102 Je größer die beteiligten Unternehmen, desto mehr Personen sind bei der kundenbezogenen Koordination betroffen.
100
Vgl. Kieser (1993), S. 162.
101
So konnten Child (1972), Blau/Schoenherr (1971) und Pugh et al. (1969) einen signifikanten Einfluß der Unternehmensgröße auf die Spezialisierung und Konfiguration der Organisationsstruktur nachweisen. 102
Vgl. Kieser/Kubicek (1983), S. 263-273.
78
3. Kapitel: Bezugsrahmen flir die Untersuchung des K A M
Dies bedeutet zum einen, daß innerhalb der Unternehmen andere Strukturen zur Koordination kundenbezogener Aktivitäten vorherrschen, zum anderen, daß an der Kundenbeziehung mehr Personen beteiligt sind. Diese müssen sich entsprechend abstimmen. Seit der Pionierarbeit von Woodward wird der Technologie nachhaltiger Einfluß auf die Organisationsstruktur zugeschrieben. 103 Dabei wird insbesondere die Fertigungstechnologie des Unternehmens betrachtet. Für die Gestaltung des K A M kann der Unterscheidung in Werkstatt-, Fließ- oder Prozeßfertigung jedoch, wenn überhaupt, nur eine geringe Bestimmungskraft zugeschrieben werden. Bestimmungskraft besitzt allerdings die Produkttechnologie bzw. das Leistungsprogramm; so zeigt die empirische Untersuchung von Schmalenbach, daß die Branchenzugehörigkeit, definiert über Produkte und damit das Leistungsprogramm, einen Einfluß auf die Organisationsstruktur besitzt. 104 Bei zunehmender technischer Komplexität 105 des Leistungsprogramms nimmt die Intensität der zwischen- und innerbetrieblichen Produktabstimmung zu. Verhandlungen über technische Probleme treten neben kaufmännische Verhandlungsinhalte. Damit sind die Entwicklungs- und Konstruktionsabteilungen von der Koordination betroffen. Die Spezialisierung von Aufgaben und die Notwendigkeit fur deren Koordination nimmt somit zu.
III. Eine kritische Betrachtung des Beitrags der Kontingenzansätze für den Bezugsrahmen Die Betrachtung der Kontingenzansätze der Organisationstheorie zeigt, daß die organisatorische und funktionelle Ausgestaltung des K A M von den Faktoren Ambiguität, Abhängigkeit, Produktkomplexität und Unternehmensgröße abhängig ist. Zwar fuhrt die TKT darüber hinaus den Faktor Häufigkeit der Transaktion an, jedoch handelt es sich bei Zulieferbeziehungen einerseits zumeist um mehrmalige Transaktionen, andererseits wirkt dieser Faktor zusammen mit der Aktivaspezifität als Abhängigkeit von Kunden. Damit kann über kontingenztheoretische Faktoren die Kategorie Umwelt des K A M , die in der Systemtheorie unspezifiziert bleibt, inhaltlich konkretisiert werden. Die vier 103 Vgl. Woodward (1965). Einen umfassenden Überblick der Ansätze gibt Kieser/Kubicek (1983), S. 273-314. Eine Übersicht der wichtigsten empirischen Zusammenhänge findet sich bei Fry (1982). 104 Vgl. Schmalenbach (1959), S. 9. Weitere empirische Untersuchungen wie z.B. jene von Pugh (1969) et al. oder Welge (1975) gehen im Rahmen des Leistungsprogramms vornehmlich auf Fragen der Diversifikation ein. Diese sollen hier nicht interessieren. 105
Mit technischer Komplexität soll an dieser Stelle der Funktionsumfang eines Produktes bezeichnet werden.
C. Organisatorische Gestaltung des K A M aus Sicht der Kontingenzansätze
79
Faktoren sind bei der theoretischen und empirischen Diskussion um die Ausgestaltung des K A M zu berücksichtigen. Darüber hinaus wird die organisatorische Ausgestaltung des K A M vorstrukturiert. So spannen die Dimensionen Spezialisierung und Koordination sowie Konfiguration und Kompetenz den Gestaltungsspielraum auf. Die Zusammenhänge zwischen den Ausprägungen der Kontingenzfaktoren und den Ausprägungen der Gestaltungsdimensionen wurden skizziert. Ferner wurde die Kontingenz des Funktionsbildes des K A M , das die Grundeinheit einer organisatorischen Betrachtung darstellt, aufgezeigt. Auch hier zeigen sich zumindest implizit Zusammenhänge. Im Hinblick auf die Ziele des Bezugsrahmens ergeben sich Kritikpunkte an den Kontingenzansätzen:106 Kritisch anzumerken bleibt ftir die Übertragung auf das Problem der Gestaltung des K A M , daß insbesondere bei den internen Kontingenzfaktoren die theoretische Fundierung bei Plausibilitätsüberlegungen stehen bleibt. Ist es bei den externen Kontingenzfaktoren noch möglich, andere Theoriehintergründe heranzuziehen, greift bei den internen Faktoren der Vorwurf der Theorielosigkeit. Die funktionale Erklärung der Organisationsstruktur enthält dort keinen kausalen Mechanismus, der die Korrelation zwischen Kontingenzfaktor und Ausprägung erklärt. Dies fuhrt auch zum Problem, daß die Liste der Kontingenzfaktoren keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Auch bleibt die Beeinflussung der Kontingenzfaktoren durch die organisatorische Gestaltung unberücksichtigt; der in Abb. 8 modellierte Rückkopplungseffekt wird nicht thematisiert. So kann durch die Einfuhrung einer KAM-Stelle und den Aufbau von Vertrauen zwischen den Unternehmen die in der Beziehung begründete Unsicherheit verringert werden. Insofern kann streng genommen nur für einen ungerichteten Zusammenhang zwischen Kontingenzfaktor und Gestaltungsvariable argumentiert werden. Ferner ist der Kontingenzansatz durch seine empirische Vorgehensweise konservativ. Gestaltungskombinationen, die besser sind als jene, die sich bisher empirisch bewährt haben, werden nicht erfaßt. Innovative Gestaltungskombinationen können durch diese Vorgehensweise nie erkannt werden. Dieser Kritikpunkt trifft insbesondere bei sehr dynamischen Umwelten zu. Dort kommt es durch permanent neue Situationen auf innovative Gestaltungskombinationen an.
106 Zu einer umfassenden Kritik vgl. beispielsweise Kieser (1993), S. 175-184. Die für die Gestaltung des K A M relevanten Kritikpunkte stellen eine "Auswahl" aus der umfassenden Kritik dar.
80
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
Die drei Kritikpunkte fuhren dazu, daß der Anspruch an eine Kontingenzbetrachtung zurückgenommen werden muß. Die Kontingenzbetrachtung erlaubt zunächst das Erkennen von Korrelationen zwischen Kontingenzfaktoren und der organisatorischen Gestaltung des KAM. Damit kann zunächst dafür argumentiert werden, daß organisatorisches Handeln einen Umweltbezug hat. Theoretisch gestützte Hypothesen über die Richtung des Zusammenhangs erlauben dessen Prüfung. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Richtung des Kontingenzeffekts dominiert. Der Rückkopplungseffekt kann empirisch nicht modelliert werden. Es erscheint deshalb angebracht, in einem ersten Schritt die theoretisch formulierte Kausalrelation empirisch zu betrachten und dann in einem zweiten Schritt mögliche Rückkopplungseffekte theoretisch zu beleuchten. Das Konservativismusargument kann ebenso nicht entkräftet werden. Es haftet einer im Sinne der Kontingenzanalyse angelegten empirischen Forschung zwangsläufig an. Dabei erscheint jedoch der Erkenntniszugewinn durch eine derartige Forschung dafür zu stehen, diese Kritik in Kauf zu nehmen. Darüber hinaus müßte die Forderung nach innovativen Elementen theoretisch begründet sein und sich somit in der Formulierung der Hypothesen wiederfinden. Das Konservativismusproblem kann dann nur in Form der Ablehnung einer Hypothese auftreten. An dieser Stelle soll auf die Grenzen der empirischen Prüfung hingewiesen werden. Im Hinblick auf die noch nicht erreichten Ziele des Bezugsrahmens ergeben sich folgende Defizite. Die Kontingenzansätze messen den Erfolg zumeist über die Variablen Produktivität und Rentabilität. 107 Diese erscheinen für die Betrachtung des Organisationsausschnittes K A M als zu global. Ihre Erfüllung hängt von einer Vielzahl unternehmerischer Entscheidungen ab. Deshalb bleiben die Erfolgsvariablen weiterhin unbestimmt. Darüber hinaus problematisieren die Kontingenzansätze der Organisationstheorie die strategische Ausgestaltung des K A M nicht. Neben den Kontingenzansätzen der Organisationstheorie gibt es auch in der Strategieforschung Kontingenzansätze. Insbesondere die Industrial-Organization-Theorie setzt sich im Rahmen des Bain-Mason-Paradigmas mit der Auswirkung von Marktstrukturvariablen, wie z.B. der Marktmacht oder der gegebenen Produktdifferenzierung, auf Unternehmensstrategien auseinander. 108 Dies zeigt, daß der Kontingenzgedanke auf die strategische Gestaltungsdimension ebenso übertragen werden kann. Die Kontingenzfaktoren werden dort über die externen Marktstrukturvariablen bestimmt. Diese gehen in die Unsicherheit oder auch die Abhängigkeit ein, so daß sie auf aggregierter Ebene mit den Kontingenz107
Vgl. Pugh (1981), S. 158.
108
Vgl. dazu insbesondere Westphal (1991), S. 89-124.
D. Ein Interaktionsansatz zur Strukturierung der Kundenbeziehung
81
faktoren der Organisationstheorie erfaßt sind. Deshalb soll die Kontingenzbetrachtung auf die strategische Dimension des K A M übertragen werden. Dort muß dann zusätzlich auf disaggregierter Ebene inhaltlich argumentiert werden.
D. Ein Interaktionsansatz zur Strukturierung der Kundenbeziehung - Ansatzpunkte für die strategische Gestaltung des Key-Account-Managements Die strategische Dimension des K A M hat die ganzheitliche Gestaltung der Kundenbeziehung zur Aufgabe. Die Bestimmung von Strategien und entsprechenden Maßnahmen zur Gestaltung setzt ein Wissen um die Kundenbeziehung und ihre Gestaltungsparameter voraus. Kundenbeziehungen werden im Rahmen der Interaktionsansätze des Marketing schon längere Zeit als Interaktionssysteme betrachtet. 109 Deshalb soll eine systemtheoretische Betrachtung bei der Identifikation der Gestaltungsparameter helfen. Darüber hinaus soll eine systemfunktionale Betrachtung der Kundenbeziehung durchgeführt werden. Aus diesen Funktionen der Kundenbeziehung kann auf den Erfolg des K A M geschlossen werden; erfüllt die Kundenbeziehung ihre Funktionen, hat das K A M seine Steuerungsaufgabe erfolgreich wahrgenommen. Damit werden die bisher noch unbestimmten Erfolgs variablen des Kontingenzmodells des K A M bestimmt.
I. Eine Strukturbetrachtung der Kundenbeziehung In diesem Abschnitt soll die Struktur der Kundenbeziehung näher betrachtet werden. Damit stellt der Abschnitt eine Vertiefung der systemstrukturellen Betrachtung aus dem 3.Kap.A.II. dar. Die Kundenbeziehung ist ein soziales Interaktionssystem. 110 Dabei entstehen in der Kundenbeziehung, wie in jedem sozialen System, drei Grundprobleme: das Problem der Knappheit, des Dissenses und des Bestands.111 Diese entsprechen der sachlichen, sozialen und zeitlichen Dimension eines Systems.112 Die
109
Vgl. Kern (1990), S. 45f., und die dort angegebene Literatur.
110
Zum Begriff des Interaktionssystems vgl. Luhmann (1975), S. 10 und S. 21f.
111
Vgl. Luhmann (1967), S. 622.
112
Vgl. Luhmann (1991), S. 111-113.
6 Götz
82
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
drei Dimensionen lehnen sich an das Schichtenmodell von Diller an. 113 Diller unterscheidet eine sachliche, eine menschlich-emotionale, eine organisatorische und eine Machtebene. Während die sachliche Dimension der sachlichen Austauschebene entspricht, ist die soziale Dimension breiter angelegt, indem sie die Machtebene sowie weitere Kommunikationsmedien und auch Fragen der Organisation des sozialen Austausches integriert. Die Dimensionen werden im folgenden dargestellt. Dabei werden je Dimension weitere Strukturierungsheuristiken für Gestaltungsparameter entwickelt. Die sachliche Dimension entsteht aus dem Problem der Knappheit wirtschaftlicher Leistungen. Diese Knappheit macht es erforderlich, daß in einer Kundenbeziehung die auszutauschenden Leistungen bestimmt, die Transaktionsbedingungen festgelegt und die Leistungserstellungsprozesse darauf ausgerichtet werden müssen. In der sachlichen Dimension wird damit die Ausgestaltung der leistungsbezogenen Transaktionen thematisiert. Die sachliche Dimension läßt sich nach dem Inhalt der Transaktion in Produkt-, Service-, Logistik-, Innovations- und Preisleistungen und die dahinterstehenden Leistungserstellungsprozesse strukturieren. Dabei stellen diese Leistungen Gestaltungsparameter bzw. Marketinginstrumente aus Sicht des Zulieferunternehmens dar. Die Kommunikation ist aufgrund des Beziehungsverhältnisses zum Kunden der sozialen Dimension zuzuordnen. 114 Das Produkt stellt die eigentliche Kernleistung i.S. der Nutzenstiftung für den Kunden dar. Dabei kann zwischen dem formalen Produkt als physische Einheit und dem erweiterten Produkt als Gesamtheit der Nutzenelemente, die mit dem Erwerb des formalen Produkts verbunden sind, unterschieden werden. 115 Im folgenden wird der formale Produktbegriff zugrundegelegt, da die hinter den Nutzenelementen stehenden Zusatzleistungen, die der erweiterte Produktbegriff einschließt, eigenständig gestaltet werden können. Aufgrund dieser Eigenständigkeit werden diese Nutzenelemente dem Service zugeordnet. Der Service tritt dann als Zusatzleistung neben die Produktleistung. Er bezeichnet materielle und immaterielle Zusatzleistungen, die dem Kunden einen Nutzen stiften. 116 Die Transaktion von Produkt und Service setzt eine logistische Verknüpfung in der Kundenbeziehung voraus. Die Überbrückung der räumlichen und zeitlichen Distanz zwischen dem Zulieferer und dem Kunden drückt sich für den
113
Vgl. Diller/Kusterer (1988), S. 214.
114
Zu den Instrumenten im Zuliefermarketing vgl. beispielsweise Kolb (1988), S. 144f.
115
Vgl. Kotler (1982), S. 462, und Meffert (1986), S. 366.
1,6
Frisch (1989), S. 134.
D. Ein Interaktionsansatz zur Strukturierung der Kundenbeziehung
83
Kunden als Logistikleistung aus. 117 Diese kann aber durchaus auch von ihm selbst übernommen werden. Die Logistik stellt demnach eine zwischenbetriebliche Aufgabe dar. Die Entwicklung neuer Produkt-, Service- oder Logistikleistungen ist unter Wettbewerbsbedingungen für den Fortbestand von Kundenbeziehungen maßgebend. Solche Innovationen stellen für den Kunden "neu" empfundene Ergebnisse technischer Lösungspotentiale und/oder wirtschaftlicher Anwendungen dar. 118 Damit begrenzen sich Innovationen nicht nur auf die Leistungen selbst, vielmehr liegen Innovationen auch dann vor, wenn mit bestehenden Leistungen neue Anwendungen erschlossen werden. 119 Die Bestimmung des Grades der Neuigkeit, ab dem von einer Innovation gesprochen wird, stellt ein Operationalisierungsproblem dar. Im folgenden soll aus pragmatischen Gründen jegliche Neuigkeit aus Sicht des Zulieferers und des Kunden als Innovation bezeichnet werden. Der Grad der Neuigkeit ist dann eine nachgelagerte Frage, die insbesondere die intensitätsmäßige Ausgestaltung des Innovationsprozesses betrifft. 120 Für all diese Leistungen erhält der Zulieferer vom Kunden eine monetäre Gegenleistung. Aus der Sicht des Kunden stellt der Quotient dieser Gegenleistung, also des Entgelts zur Leistung, eine Preisleistung dar. 121 Die soziale Dimension entwickelt sich durch die beiden Organisationen bzw. die Personen, die an der Kundenbeziehung teilhaben. 122 Soziale Interaktion vollzieht sich durch Kommunikation. 123 Dabei kommunizieren zum einen Repräsentanten der beiden Organisationen auf organisatorischer Ebene über sachliche Leistungsinhalte der Beziehung, zum anderen tauschen sie auf personaler Ebene emotionale Werte wie Anerkennung oder Zuwendung aus und eine persönliche Beziehung entsteht. Damit kann die soziale Dimension nach den Ebe-
117
Vgl. zu dieser service- bzw. dienstleistungsorientierten Sichtweise Weber/Kummer (1994),
S. 6-8. 118 Vgl. Pfeiffer/Staudt (1976), Sp. 1948. Damit geht eine objektbezogene Fokussierung auf den Bereich technischer Innovationen einher. 119 Die Unterscheidung zwischen Technologie und Anwendung findet sich ebenso bei Gemünden (1985), S. 30. Gemünden spricht dabei von der Nutzungskonzeption, den Nutzungszielen und -möglichkeiten. 120 Vgl. dazu insbesondere Staudt (1985) oder Brockhoff (1972). 121
Zu einer detaillierten begrifflichen Auseinandersetzung mit dem Preis vgl. Diller (1991a), S. 20-25, und Simon (1992), S. 3 und S. 12-19. 122 Zur sozialen Dimension vgl. Dürkheim (1977), S. 306-310, und Luhmann (1967), S. 623. Eine erste marketingtheoretische Betrachtung der sozialen Dimension findet sich bei Stern/Brown (1969), S. 6-8. 123 Vgl. Luhmann (1991), S. 191.
6*
84
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
nen interorganisationale und interpersonale Kommunikation unterschieden werden. 124 Im Rahmen der organisationalen Interaktion wird durch Medien kommuniziert. 125 Medien erlauben eine Verständigung über Probleme der sachlichen, sozialen und zeitlichen Dimension. Die Funktion der Verständigung zwischen Organisationen ermöglicht es, die Kommunikationsmedien der sozialen Dimension zuzuordnen, wenngleich sie über alle Dimensionen hinweg wirken. Neben der Sprache und den auf ihrer Basis entwickelten Verbreitungsmedien 126 sind für die Kundenbeziehung symbolisch generalisierende Medien wichtig. Dabei bringt "symbolisch generalisierend" zum Ausdruck, daß die Medien auf abstrakten Symbolen beruhen und den Repräsentanten verständlich sind. 127 Die Abstraktion wird notwendig, da die Sprache alleine häufig zu umständlich und zeitraubend ist, um Verständigung zu ermöglichen. 128 Symbolisch generalisierende Kommunikationsmedien sind das Ergebnis der Evolution der Gesellschaft; ihre Zusammenstellung kann deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Zum heutigen Zeitpunkt erscheinen für die Kundenbeziehung im Zuliefergeschäft Recht, Macht und Vertrauen von Bedeutung. 129 Recht spielt eine elementare Rolle in Kundenbeziehungen im Zuliefergeschäft. In Verträgen kann das Verhalten von Zulieferer und Key-Account bzw. die Gestaltung der Kundenbeziehung in Teilen verbindlich festgeschrieben werden. 130 Verträge stellen ein vom Sicherheitsstreben der Partner motiviertes, jedoch durch die Unsicherheit der Umwelt begrenztes Instrument zur Verhaltenssteuerung dar. 131 Macht ist ein weiteres Instrument für die Verhaltenssteuerung. Dabei ist Macht als relationales Medium zwischen zwei Unternehmen definiert. 132 In der Beziehung zwischen diesen Unternehmen kann es zu Machtasymmetrien
124
Zur Unterscheidung der Ebenen vgl. beispielsweise Steffenhagen (1975), S. 128.
125
Die allgemeine Theorie symbolisch generalisierender Kommunikationsmedien basiert auf der Annahme, daß soziale Systeme überhaupt erst durch Interaktion entstehen. Dabei kommt es zu Selektionsleistungen der Beteiligten. Kommunikation setzt dann das Verstehen der Selektivität einer Mitteilung voraus. Kommunikationsmedien sind demnach ein Code, der die Übertragung von Selektivität steuert; vgl. Luhmann (1988), S. 7. 126
Zur Funktion der Sprache vgl. beispielsweise Luhmann (1991), S. 367-372.
127
Vgl. Luhmann (1988), S. 31.
128
Vgl. Habermas/Luhmann (1971), S. 343-347. Die Übertragung erfolgt dabei über einen Code, d.h. eine Struktur, die in der Lage ist, für jedes beliebige Item in ihrem Relevanzbereich ein komplementäres anderes zu suchen und ihm zuzuordnen; vgl. Luhmann (1988), S. 22. 129
Vgl. Luhmann (1991), S. 222.
130
Vgl. Luhmann (1991), S. 451.
131
Vgl. Macaulay (1963), S. 56.
132
Vgl. Hutzel (1981), S. 71f. Vertiefend geht darauf Simon (1953) ein.
D. Ein Interaktionsansatz zur Strukturierung der Kundenbeziehung
85
kommen. Der Machtüberlegene kann dann, unabhängig vom Willen und den Erwartungen des Machtunterlegenen, handeln; der Machtunterworfene wird zu einem bestimmbaren Verhalten beeinflußt, das nicht in seinem Interesse liegt. 133 Das kontingente Pendant zur Macht aus der Perspektive des Unterlegenen ist die Abhängigkeit. 134 Demgegenüber stellt Vertrauen ein Medium der harmonischen Interessenkoordination dar. 135 Luhmann betrachtet Vertrauen als "riskante Vorleistung", wobei sich das Risiko aus der Vorwegnahme der Zukunft ergibt. 136 Vertrauen bezeichnet dann "...the reliance upon the communication behavior of another person in order to achieve a desired but uncertain objective in a risky situation." 1 3 7 Insofern steuert Vertrauen die Kommunikation. 138 Dabei wird Vertrauen auch im Sinne eines Glaubens an die Vertrauenswürdigkeit eines Austauschpartners aufgefaßt. 139 Es bezeichnet dann "... die einem anderen entgegengebrachte Konstanzerwartung, daß er sich so verhalte, wie er sich schon immer verhalten hat." 140 Der in den Definitionen angelegte Zukunfts- und Vergangenheitsbezug des Vertrauens verdeutlicht, daß Vertrauen sich selbst voraussetzt und bestätigt.141 Individuen handeln durch Vertrauen, als ob die Zukunft sicher wäre. "Eigentlich ist nicht so viel Information gegeben, wie man braucht, um erfolgssicher handeln zu können. Über die fehlende Information setzt sich der Handelnde willentlich hinweg." 142 Die organisationale Kommunikation findet zwischen Repräsentanten der Unternehmen statt. Dabei treffen Personen mit unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen aufeinander. 143 Zwischen den Personen entwickeln sich persönliche Beziehungen, die ebenso auf die Kundenbeziehung wirken. Dabei werden auf 133
Vgl. Luhmann (1988), S. 11.
134
Vgl. Hutzel (1981), S. 72.
135
Parallel zu Vertrauen kann auch Mißtrauen entstehen; vgl. Luhmann (1991), S. 179.
136
Vgl. Luhmann (1989), S. 23.
137
Giffin (1967), S. 105. Dieses Verständnis findet sich auch bei Deutsch (1958) und Coleman
(1990). 138 Vertrauen stellt einen Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität dar; vgl. Zündorf (1986), S. 40f. Zur weiteren theoretischen Fundierung vgl. Luhmann (1989). 139
Vgl. Anderson/Weitz (1990), Blau (1964), Dwyer/Oh (1987) und Pruitt (1981).
140
Vgl. Narowski (1974), S. 87.
141 Damit wird eine begriffliche Unterscheidung deutlich. Vertrauen wird aus soziologischer Sicht in seiner Handlungsdimension thematisiert. In der philosophisch-anthropologischen und der psychologischen Literatur finden sich Begriffsauslegungen, die Vertrauen in einer kognitiven und emotionalen Dimension als Attribute einer Person bestimmen. Vgl. dazu Narowski (1974), S. 176176, und auch Bierhoff (1983). 142 Luhmann (1989), S. 33. Dieses Verhalten kann theoretisch durchaus rational sein: Übersteigen die Informationskosten die Gewinne bei vollkommener Information, ist dies der Fall. Praktisch ist es Ausdruck des Konzepts der begrenzten Rationalität von Simon (1976), S. 80. 143
Vgl. Schoch (1969), S. 95-101.
86
3. Kapitel: Bezugsrahmen f r die Untersuchung des K A M
interpersonaler Ebene emotionale Werte, wie Anerkennung oder Dankbarkeit, ausgetauscht.144 Die interpersonale Kommunikation kann durch die Auswahl der Personen, der emotionalen Werte und durch kundenbezogenes Verhalten gestaltet werden. Die Kundenbeziehung unterliegt einer Entwicklung im Zeitablauf. 145 Dabei besitzen einerseits vergangene und zukünftige Ereignisse Einfluß auf die Entwicklung der Kundenbeziehung, andererseits entsteht die Notwendigkeit der zeitlichen Abstimmung von Aktivitäten zwischen Zulieferer und Kunde. 146 Es entsteht eine eigenständige zeitliche Dimension der Kundenbeziehung.147 Dadurch verlieren beide Unternehmen ihre Zeitautonomie, Zeit wird zur Planungsgröße der Kundenbeziehung. Im Zeitablauf unterliegt eine Kundenbeziehung unterschiedlichen Phasen: Entstehung, Entwicklung, Reife und Abbau stellen solche Phasen dar. 148 Dabei lassen sich je nach Zeitdauer der Phasen unterschiedliche Verläufe einer Kundenbeziehung unterscheiden; die Zeitverläufe können zum expliziten Gestaltungsgegenstand gemacht werden. Innerhalb der Kundenbeziehung werden Gestaltungsmaßnahmen koordiniert. 149 Dabei können solche sequentiell oder parallel durchgeführt werden. 150 Voraussetzung für die Koordination ist eine gemeinsame Zeitorientierung; Zulieferer und Kunde müssen sich über die Zeitpunkte der Gestaltungsmaßnahmen einig sein. Die dargestellten Dimensionen der Kundenbeziehung und ihre Strukturelemente zeigen Ansatzpunkte für Strategien und Maßnahmen des K A M auf. Das entstehende Beschreibungsmodell ist in Abb. 10 abgebildet. Die Kommunikationsmedien sind dabei aus der sozialen Dimension herausgelöst und in ihrer Koordinationsfunktion für alle Dimensionen dargestellt.
144
Vgl. Diller/Kusterer (1988), S. 215.
145
Zur zeitlichen Dimension vgl. Luhmann (1967), S. 622, und Willke (1991), S. 65-67.
146
Vgl. Kern (1992), S.44f.
147
Vgl. Luhmann (1968).
148
Vgl. Diller et al. (1992). Dabei werden Kundenbeziehungen eines Zulieferunternehmens empirisch untersucht. Es zeigt sich, daß hinsichtlich des Absatzes drei Verlaufstypen unterschieden werden können. Dabei entspricht ein Verlaufstyp dem Idealtypus. Dieser Verlaufstyp findet sich bei 32% der in die Clusterprozedur eingehenden Fälle. In den anderen Fällen liegt das Absatzhoch am Anfang des Lebenszyklus. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die jeweilige Dauer der Kundenbeziehungen wegen der Clusterbildung normiert wurde. Beziehungen, in denen zwar mehrere Transaktionen über einen Zeitraum ab einem Jahr erfolgen, die aber nicht als KeyAccount-Beziehung zu bezeichnen sind, gehen ebenso in die Analyse ein. 149
Vgl. Kern (1992), S. 45.
150
Vgl. beispielsweise Meinig (1994), S. 247.
D. Ein Interaktionsansatz zur Strukturierung der Kundenbeziehung Supersystem Zulieferer
Supersystem Abnehmer
Pf IJ. >> q|£ts,if|iiü
;
1
ι
[
87
|