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German Pages 371 Year 1965
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 21
Korporation und Assoziation Eine Problemgeschichte der Vereinigungsfreiheit im deutschen Vormärz Von
Friedrich Müller
Duncker & Humblot · Berlin
Friedrich
Müller
/
Korporation und Assoziation
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 21
Recht
Korporation und Assoziation E i n e P r o b l e m g e e c h i c h t e der V e r e i n i g u n g e f r e i h e i t im deutschen Vormärz
Von Dr. jur. Friedrich Müller
DUNCKER
& HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1965 Duncker & Humblot, Berlin Gedruckt 1965 bei Albert Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany
Vorwort Diese Arbeit ist die erweiterte Fassung einer Dissertation, die der Rechts- und Staatwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. i m Dezember 1963 vorgelegt wurde. Hinzugefügt ist der Abschnitt der Einleitung, i n dem versucht wird, den dogmatischen Parallelen und den geschichtlichen Zusammenhängen der covenant-Theologie des Neucalvinismus m i t der Entwicklung des Grundrechts der Vereinigungsfreihedt i m anglo-amerikanischen Rechtsraum nachzugehen. Die Vereinsfreiheit ist eine Erscheinung der Moderne. Die Französische Revolution und die deutsche Märzrevolution sind die Daten, zwischen denen sich die entscheidende Diskussion u m die Form von Teilverbänden und zugleich die entscheidende Verschiebung von korporativen zu assoziativen Formen der Vereinigung vollzogen. „Korporation" und „Assoziation" sind dabei Grundtypen des organisierten Zusammenschlusses, die eine theoretische Klärung des vielfältigen historischen Materials erleichtern sollen. Die Darstellung des Schicksals der Vereinsfreiheit i m deutschen Vormärz muß als geschichtlichen Hintergrund die Struktur des mittelalterlichen Einungswesens und die des europäischen Absolutismus ebenso i m Blick behalten wie den anglo-amerikanischen Rechtsbereich. Die Welt des common law unterscheidet sich auch i n dieser Frage auf kennzeichnende A r t von der des kontinentalen Rechts. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der ideengeschichtlichen Untersuchung der Vereinslehren Rousseaus und der Französischen Revolution, Hegels, der Restauration und Romantik, des Frühsozialismus und des Frühliberalismus; doch w i r d hier zugleich versucht, am Beispiel des bedeutsamen Grundrechts der Vereinsfreiheit die Notwendigkeit der Verbindung ideengeschichtlicher, sozialgeschichtlicher und verfassungsgeschichtlicher Sichtweisen zu zeigen. I m Zusammenhang betrachtet, erweist sich die Frage der Vereinsfreiheit als eine der Ausformungen eines umfassenden Problems. Der i m Schlußkapitel ausgesprochene Bezug zwischen einer Typologie der Verbandsformen, der Rechtsbegriffe und der Freiheitsbegriffe versucht, Umfang und Tiefe dieses Problems anzudeuten.
6
Vorwort
Mein verehrter Lehrer, Herr Professor Dr. Konrad Hesse, hat die Arbeit angeregt. I h m und Herrn Professor Dr. Horst Ehmke, dem Zweitgutachter, danke ich für wertvolle sachliche und methodische Hinweise und für klärende K r i t i k . Der Studienstiftung des Deutschen Volkes verdanke ich langjährige Förderung. Fredburg, i m August 1964
Friedrich
Müller
Inhal ts Verzeichnis Einleitung Geschichtliche und methodische Abgrenzung des Themas
15
A. Begriffsbestimmungen
15
I. Korporation, Assoziation, Vereinigungsfreiheit
15
I I . Korporation u n d Verein als rechtsgeschichtliche Typen B. Geschichtliche
Abgrenzung
17
des Themas
18
I. Das Vereinswesen i m Mittelalter
18
I I . Die Vereinsfrage i n der Neuzeit 21 1. Reformatorische Staatslehren u n d Vereinsfreiheit 21 2. Die covenant-Lehre u n d die Vereinsfreiheit i n England u n d Nordamerika vor ihrem rechtlichen u n d geistesgeschichtlichen Hintergrund 24 3. Die E n t w i c k l u n g auf dem Kontinent 34 C. Der Gegenstand
der Arbeit
38
I. Beschränkung auf Grundfragen. Zeitliche Abgrenzung
38
I I . Elemente einer Problemgeschichte
Erstes
39
Kapitel
Rousseau und die Revolution Die Unterdrückung aller Teilverbände A. Einleitung:
Keine
Analogie
von Gesamtverband
B. Exkurs: Die anthropologische und der Rousseauschen Vereinslehre
und
42 Teilverband
staatsphilosophische
I. Z u r Anthropologie 1. Der Naturzustand 2. Der A b f a l l v o m Naturzustand 3. Das Wesen des ,Abfalls' 4. Möglichkeiten der Heilung der menschlichen Natur I I . Staatstheorie 1. Der Gesellschaf tsvertrag 2. Aliénation totale u n d volonté générale
•.
42
Grundlage 44 44 44 46 48 52 54 54 58
8
Inhaltsverzeichnis
C. Rousseaus
Vereinslehre
61
I. Volonté générale, aliénation totale und Vereinslehre 1. Volonté générale u n d Vereinslehre 2. Aliénation totale und Vereinslehre I I . »Statik' u n d ,Dynamik' des Staatsbildes Vereinslehre 1. , Statik' u n d »Dynamik' 2. Sitten u n d Volksmeinung
in
bezug auf
61 61 63 die 65 65
.. · ·
68
I I I . Vereinigungsfreiheit u n d Freiheitsbegriff 1. Z u Rousseaus Freiheitsbegriff 2. Rousseaus Abstand zum Liberalismus: Montesquieu 3. Individualismus u n d Vereinslehre
70 70 72 73
I V . Rousseaus praktische Stellungnahme zu den Vereinigungen . . 1. Praktische Behandlung vorhandener Einzel verbände . . . . . . 2. Keine Analogie zu den corps intermédiaires der Regierung
75 75 78
V. Bewertung von Rousseaus Vereinsfeindlichkeit
··
79
V I . Z u r geschichtlichen W i r k u n g von Rousseaus Vereinslehre bis zur Revolution ·.·•
82
Zweites
·.·
Kapitel
Die Verbandslehre der Romantik und der Restauration A. Grundlagen
der romantischen
86
Verbandslehre
86
I. Politische Position u n d allgemeines Staatsbild der deutschen Romantik i m Hinblick auf die Vereinigungsfreiheit 86 1. Französische Revolution, Liberalismus 87 2. Z u r Machbarkeit von Recht u n d Staat 88 3. Geschichtsbegriff, Die Rolle der Religion, Verhältnis Ganzem u n d Einzelnem ······ 4. Einflüsse auf die deutsche Romantik, Grundlinien ständestaatlichen Konzeption
von 90 der 93
I I . Die Organismus-Lehre i n bezug auf die Vereinigungsfreiheit · . 95 1. K a n t , Fichte, Schelling 95 2. Kosmologische Ableitungen bei Baader und Görres 97 3. K r i t i k an der ungenauen Fassung des Organismus-Begriffs 98 4. Stahl 100 5. Bonté naturelle, Gleichheit · 102 I I I . Weitere Vorbereitung einer vertieften Untersuchung der A n sichten der Romantiker zur Vereinsfreiheit: Romantik, Revolution, Liberalismus i n ihrem Bezug zu einem freien Vereinswesen : 103 1. Wirtschaftspolitik: Zünfte u n d freie Assoziationen
105
Inhaltsverzeichnis 2. A d a m Müllers organisches „Wechselverhältnis" i n bezug auf die T e i l verbände i m Staat 3. Die Lehre von den Staatszwecken i n bezug auf die Vereinigungsfreiheit 4. Die Romantik als Gegner der totalen Gruppenfeindlichkeit der Französischen Revolution 5. Zur K r i t i k am romantischen Staatsdenken B. Romantik
und Assoziationsfreiheit
I I . Romantik, Soziale Frage u n d das Problem der Assoziation . · 1. Novalis u n d Friedrich Schlegel 2. A d a m M ü l l e r 3. Baader 4. Stahl I I I . Die unmittelbare Behandlung der Vereinigungsfreiheit i n der Romantik 1. Friedrich Schlegel 2. Görres u n d Baader 3. A d a m M ü l l e r 4. Stahl 5. Z u r politischen Zeitlage, Geschichte u n d Geschichtlichkeit, Positive Freiheit, Ordo-Denken Exkurs:
108 110 112 114
I. Die vereinsfeindliche Fassung des romantischen und restaurativen Ständestaatsgedankens 1. Z u r Frage der politischen Erziehung 2. Organismus-Lehre u n d Ständelehre 3. Berufsständisches System 4. Keine Assoziationen i m restaura tiven Ständestaat 5. Stahl: Die Korporation als Element der v o m „Staat" unterschiedenen „Gesellschaft"
C. Abschließender
106
Zur Nachfolge
der politischen
Romantik....
114 115 115 117 118 120 122 123 124 125 127 130 131 132 134 136 140 142
I. Die Vereinigungsfreiheit und die deutsche Katholische Soziallehre des 19. Jahrhunderts 142 I I . Die allgemeine Vereinigungsfreiheit als Naturrecht Drittes
143
Kapitel
Die Korporationslehre Hegels A. Methodologische tionslehre
und
systematische
Einleitung
zu Hegels
146
I I . Z u r Stellung der Korporationslehre i n Hegels System Korporationslehre
Korpora146
I. Z u r Methode
B. Die
146
Hegels
153 157
10
Inhaltsverzeichnis I. Die Korporation i n der bürgerlichen Gesellschaft 1. Bürgerliche Gesellschaft, Stände und Korporationen 2. Z u Hegels Terminologie 3. Einzelrechte der Korporationen 4. Staatsaufsicht, Grenzen der korporativen Rechte
157 157 161 162 166
I I . Das Problem einer allgemeinen Assoziationsfreiheit bei Hegel 1. Analogien: Familie, Gewerbefreiheit, Stände 2. Substantielle Freiheit 3. Gegenbild: Humboldts Lehre von den Vereinigungen . . . . 4. Hegels »Korporation': nicht beliebig disponibel 5. Hegel u n d die Vereinigungsfreiheit
168 169 172 174 176 177
I I I . Die Korporation i m System der Sittlichkeit 1. Die sittliche Leistimg der Korporation 2. Die institutionelle Leistung der Korporation 3. Substantialisierung und Konkretisierung
180 180 183 186
IV. Der Übergang zum Staat 1. Die Rolle der Korporation 2. Die Korporation als die „zweite sittliche Wurzel des Staates" 3. Das „Umschlagen des Korporationsgeistes" u n d des Zwecks 4. Die Korporation: nicht isoliert 5. Der „Übergang" i n den Staat: unhistorisch gedacht
187 187 190 192 194 196
V. Die Korporation als Figur der V e r m i t t l u n g 198 1. Weitere Parallelen i n der Philosophie des objektiven Geistes 198 2. Die Korporation als Figur der V e r m i t t l u n g i n Hegels System selbst 203 C. Die geistesgeschichtliche
Stellung
von Hegels Korporationslehre
I. Zur Wertung von Hegels Korporationslehre I I . Hegels Korporationslehre i m Deutschen Idealismus 1. K a n t 2. Fichte 3. Schelling
. . . . 203 203 207 208 210 212
I I I . Rousseau und Hegel: Zur Grundlegung ihrer Vereinslehren ·. 215 Viertes
Kapitel
Die Freiheit der Vereine Erster
Abschnitt
Die Vereinigungsfreiheit als liberales Menschenrecht A. Liberalismus
220
und Vereinigungsfreiheit
220 220
I. Die S t r u k t u r des liberalen Denkens als Parallele zur S t r u k t u r der Vereinsfreiheit 220
Inhaltsverzeichnis 1. Z u m Begriff „Liberalismus" 2. Z u r Abgrenzung des Liberalismus von den Ideen von 1789 u n d v o m Radikalismus 3. Wesensverwandtschaft von Vereinsfreiheit und Liberalismus: Hegel als Gegenbild 4. Liberalismus u n d Vereinigungsfreiheit, Dekorporierung der überkommenen Gesellschaft I I . Z u r genaueren Abgrenzung der frühliberalen Vereinslehre. . •. 1. Die Vereinslehre von Justus Moser 2. Die Vereinslehre bei Maurenbrecher 3. Die individualistische Vereinslehre W i l h e l m von H u m boldts i n den „Ideen" von 1792 B. Anfänge I. I n 1. 2. 3. 4. 5.
223 224 226 226 228 228 231
der Praxis: die preußischen Reformen Negative Vereinigungsfreiheit Der Freiherr v o m Stein Dekorporierende Einzelreformen ab 1806 Hardenberg: negative Vereinigungsfreiheit Die Vereinigungsfreiheit i n den Schriften besonders bei Vincke
231 231 232 233 234 der
Reformer, 235 237
I I . die positive Rechtslage unter dem A L R
239
I I I . Anfänge der Vereinsfreiheit i n der L i t e r a t u r
. 240
Partielle „natürliche" Vereinsfreiheit bei J. J. Moser „Stillschweigende" Bestätigung: Leist und Gönner K l ü b e r : Verzicht auf den Genehmigungsvorbehalt; Aufsicht Ansatz zur rechtlichen Vereinigungsfreiheit: Lötz und Berg
I V . Die Vereinsfreiheit bei A. L. von Schlözer 1. Vereinsfreiheit zwischen „Staat" und „Gesellschaft" 2. Die Vereinsfreiheit als Grundsatz des Staatsrechts C. Kurze
222
der Ver eins freiheit
6. Die Bedeutung der negativen Vereinsfreiheit
1. 2. 3. 4.
221
Verfassungsgeschichte
240 242 243 244 246 246 248
der Ver eins freiheit
250
I. Preußen
250
I I . Die Reaktion i n England und Frankreich
251
I I I . Die Vereinsfreiheit i n der Verfassung von Sachsen-Meiningen von 1829 252 I V . Die Reaktion seit 1832; besonders Baden
253
V. Die soziale Notwendigkeit eines freien Vereinswesens D. Die Vereinigungsfreiheit als Menschenrecht vormärzlichen Liberalismus
in
der Staatslehre
255 des 256
I. Vernunftrechtliche Ableitungen 256 1. Wesen der Menschenrechte i n liberaler Sicht; gemäßigter Individualismus; assoziative Tendenz von Vernunftrecht u n d Liberalismus 256
12
Inhaltsverzeichnis 2. Politische Mitwirkungsrechte; Doppelaspekt der liberalen Staatslehre und der Vereinsfreiheit 258 3. Die Grundrechtsvorstellung bei Rotteck, Bluntschli, Welcker 259 4. A b l e i t u n g der Vereinsfreiheit aus der persönlichen Freiheit 260 5. Weitere Ableitungen der Vereinsfreiheit: Das Staatslexikon 265 6. Rottecks Vereinslehre nach dem „Lehrbuch des Vernunftrechts" 267 7. Die Doppel Wertigkeit der liberalen Vereinslehre 272 I I . Übergang v o m Vernunftrecht zum Grundrechts-Positivismus.. 273 1. Schmid, Reyscher, Henke 2. Jordan u n d M o h l 3. Zoepfl, Schmitthenner, Pölitz
Zweiter
273 275 278
Abschnitt
Die öffentliche Seite der Vereinigungsfreiheit im deutschen Liberalismus des Vormärz A. Vereinigungsfreiheit
und öffentliche
I. Gegenbeispiel Zirkler
zum
282
Meinung
Liberalismus:
Der
282 Freiherr
vom
Stein; 282
I I . Die Frage der Geheimbünde
»
284
I I I . Zoepfl; Welcker B. Vereinigungsfreiheit
und
285 Soziale
Frage
286
I. Die korporativen Lösungsvorschläge
286
I I . Die Vereinsfreiheit i m Frühsozialismus u n d i m Marxismus . . 287 I I I . Vereinigungsfreiheit und Soziale Frage i m Liberalismus C. Die Rolle von Vereinigungsfreiheit Aufbau des Gemeinwesens
und freiem
Vereinswesen
288 beim 292
I. Einführung
292
I I . Ansätze: Schmid; Rotteck; Henke; Jordan
293
I I I . Robert von M o h l
294
IV. Freie Vereine als Stütze der konstitutionellen Monarchie i m besonderen u n d eines freien Gemeinwesens i m allgemeinen . . 1. Reyscher, Zoepfl, Rotteck 2. Welcker 3. Gustav v o n Struve, K . S. Zachariä 4. M o h l : Funktionen politischer Vereine
295 295 298 302 303
D. Die Parteifreiheit
als Sonder fall
der Vereinigungsfreiheit
305
I. Parteibegriff und Vereinigungsfreiheit I I . Verfassungsgeschichte lehren
der Parteifreiheit
305 u n d liberale
Partei306
Inhaltsverzeichnis 1. Gemeines Recht; Französische Revolution; Preußen 2. Die Reaktion i n Gesetzgebung u n d Literatur 3. Beispiel f ü r polizeistaatliches Denken: aus der badischen Gesetzgebung 4. Die Reaktion der 1850er Jahre; Bluntschli 5. Sozialgeschichtlicher Hintergrund der liberalen Parteilehren 6. Die Parteilehren von Robert von Mohl, Schulz, A b t
Dritter
dieser Lehre — Struktur der Vereinsfreiheit
I. Die Doppel Wertigkeit zelnen Grundrechte
der
308 310 311 312
Abschnitt
Die Vereinigungsfreiheit und die Lehre von „Staat und Gesellschaft" A. Struktur Struktur
306 306
der
liberalen
314
Staatstheorie
— 314
Grundrechtskataloge
und
der
ein314
I I . Der Doppelstatus des Einzelnen i n der liberalen Staatslehre; besonders: Albrecht 315 B. Die Doppelwertigkeit
der Vereinsfreiheit
317
I. Beispiel: die politischen Vereine
317
I I . Der Doppelaspekt der Vereinsfreiheit bei von M o h l u n d Ahrens 317 C. Die Struktur der Ver eins freiheit Frühliberalismus
und die Staatslehre
des deutschen 318
I. Praktischer und theoretischer Aspekt I I . Menschenbild Funktion
und
D. Die Vereinigungsfreiheit „Staat und Gesellschaft"
Verbandskonzeption
318 —
Struktur
und 319
als ein
Schlüsselproblem
der
Lehre
von 320
I. Die Problemgeschichte dieser Lehre i n bezug auf die Vereinigungsfreiheit 321 1. Schlözer; Hegel; Herbart; Stahl
321
2. Die Unterscheidung von „Staat" und „Gesellschaft" als Ergebnis der neueren Sozialgeschichte 322 I I . Die Vereinsfreiheit und die theoretische Trennung von „Staat" u n d „Gesellschaft" 323 1. Humboldts „Ideen" von 1792
323
2. Robert von M o h l
323
3. Diskrepanz der Trennungs-Doktrin zur frühliberalen V e r einslehre 325 4. Bezüge zwischen der Trennungs-Doktrin und der f r ü h liberalen Vereinslehre 327 5. Die liberale Vereinslehre und die Wirklichkeit der Märztage 329
14
Inhaltsverzeichnis
Schlußkapitel Α. Zur Reaktion
331
der 1850er Jahre
331
I. Gesetzgebung u n d Schrifttum
331
I I . Die Bedeutung der Normierung Frankfurter Grundrechten B. Kurze
Zusammenfassung
erarbeiteter
der Vereinsfreiheit
in
den 332
Ergebnisse
I. Rousseau u n d der Deutsche Idealismus 1. Rousseau u n d die Revolution 2. K a n t u n d der frühe Fichte; Schelling
333 333 333 333
I I . Restaurative Lehren
334
I I I . Humboldt 1. Die „Ideen" von 1792 2. Humboldt und Rousseau
335 335 335
I V . Hegel
336
V. Der deutsche Frühliberalismus
337
V I . Die Vereinigungsfreiheit i n bezug auf Staat u n d Gesellschaft. · 338 V I I . Die faktische Notwendigkeit eines freien Vereinswesens i m Vormärz 338 V I I I . Die Vereinigungsfreiheit als ein Organisationsprinzip der neuen Klassengesellschaft 340 C. Typologie der Teilverbände. Die Vereinsfreiheit Ausformung eines umfassenden Problems
als eine geschichtliche , . . . . 340
I. Verbandstypen 1. Rousseau u n d die Revolution 2. Der Frühliberalismus I I . Verbandstypen und Tj'pologie der Rechtsentstehung I I I . Verbandstypen u n d Freiheitsbegriff
341 341 341 342 342
I V . Gebundenheit u n d Freiheit i n der Typologie der Verbandsformen 343 1. Rousseau; Der Totalstaat; Der Feudal- und Ständestaat; Der liberale Verfassungsstaat m i t Vereinigungsfreiheit . . . . 343 2. Vereinigungsfreiheit u n d Zwangskorporationen in geschichtstypologischer Sicht 344 V. Relativität der Typisierung bei Konstanz der Fragestellungen 344 1. Zur naturrechtlichen Analogie: Staat — T e i lverbände . . . . 344 2. Die A k t u a l i t ä t der vormärzlichen Vereinslehren 345 Literaturverzeichnis
346
A. Dokumentation
346
B. Quellen
347
C. L i t e r a t u r
357
Personenregister
367
Einleitung
Geschichtliche u n d methodische Abgrenzung des Themas Δ. Begriffsbestimmungen I. K o r p o r a t i o n ,
Assoziation,
Vereinigungsfreiheit
„Korporation" und „Assoziation" sind hier technische Begriffe. I m Anschluß an eine später zu erörternde Stelle in Friedrich Julius Stahls „Rechtsphilosophie" werden darunter grundsätzlich verschiedene Verbandstypen verstanden. I n beiden Fällen handelt es sich u m Teilverbände i m Staat; aber während die Korporation ganz oder tendenziell ganz das Leben ihrer Mitglieder umfassend bestimmt, ist die Assoziation oder der „Verein" i m hier gemeinten Sinn kein umfassender Lebensverband, sondern ein interessenbestimmter Zweckverband, dessen Gründung, Tätigkeit und Auflösung grundsätzlich zur Disposition seiner Mitglieder stehen. Bei der Korporation ist dies nicht der Fall; wo sie i n idealtypisch reiner Form auftritt, ist dem Einzelnen auch die Entscheidung über E i n t r i t t und Austritt nicht oder jedenfalls nicht völlig freigestellt. „Korporation" und „Assoziation" sind dabei als formale Typenbegriffe und nicht als affektgefärbte Wertbegriffe aufzufassen. Besonders der Terminus „Lebensverband" darf nicht i n dieser Richtung mißverstanden werden. Er meint den die ganze Lebenstellung oder einen großen Teil von i h r umfassenden und somit statusbestimmenden Charakter des korporativen Verbandstyps i m Gegensatz zur Assoziation, deren partieller Zweck die Mitglieder entsprechend nur partiell berührt 1 . 1 Vgl. i n etwas anderem Zusammenhang Otto von Gierke, Deutsches Genossenschaftsrecht, I, S. 652 ff.; v o r allem S. 653, 654. „ I m Gebiete der freiwilligen Association aber ist die Möglichkeit gegeben, m i t einem beliebig kleinen Stück der Individualität, . . . dem einen oder dem andern Genossenverbande anzugehören, ohne daß der letztere deshalb seine eigene Persönlichkeit e i n b ü ß t e . . a . a . O . , S. 654. Gierkes Begriff der „Association" ist nicht m i t dem hier gemeinten I n h a l t dieses Begriffs identisch, ebensowenig w i e „Genossenschaft" m i t dem hier gebrauchten Sinn von „Korporation". Vgl. weiter M a x Webers Unterscheidung von Statuskontrakten und Zweckkontrakten i n der „Rechtssoziologie" und die These von Sir Henry Maine über die E n t w i c k l u n g v o m Status zum Vertrag i n „Ancient L a w " , 1930, Kap. V ; m i t den Bemerkungen von Sir Ivor Jennings, a.a.O., S. 171
16
Geschichtliche u n d methodische Abgrenzung des Themas
Auch alle sonst m i t „Korporation" und „Assoziation" verbundenen Bedeutungen scheiden für diese Untersuchung aus; insbesondere der Sinn von „Korporation" i m Gemeinen Recht, das m i t diesem Wort i m Anschluß an das Römische Recht die Rechtssubjektivität eines Verbandes, die Qualität der juristischen Person [bezeichnete; noch i m Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794 ist „Korporation" i n dieser Bedeutung verwendet (ALR I I 6 §§ 25—200); dem folgt auch noch ein großer Teil der juristischen Literatur des 19. Jahrhunderts. Die Frage, wie ein privater Verband rechtliche Persönlichkeit werden kann, ist jedoch begrifflich scharf von der Frage zu unterscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verband überhaupt gebildet werden darf. Diese Frage w i r d als das öffentlich-rechtliche Problem der Vereinigungsfreiheit (oder: „Vereinsfreiheit") hier allein behandelt; jene Frage gehört nach heutigem Verständnis grundsätzlich i n das Privatrecht. Demnach ist auch das hier i m gleichen Sinn wie „Assoziation" gebrauchte Wort „Verein" nicht i m privatrechtlichen Verstand einer Typologie der Personenverbände gebraucht, wonach der Verein sich gegenüber der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft vor allem durch seine vom Wechsel der einzelnen Mitglieder unabhängige körperschaftliche Struktur unterscheidet; „Verein" meint hier vielmehr i m Sinn des Staatsrechts einen Verband, zu dem sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen auf eine gewisse Dauer zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks unter einer Leitung freiwillig zusammengeschlossen hat. Nach einer vorläufigen Bestimmung gehören zur Vereinigungsfreiheit somit die vom Staat nicht dirigierte Möglichkeit freier Bildung, freier Tätigkeit und freier Auflösung des Zusammenschlusses und für die einzelnen Mitglieder die vom Staat unbeschnittene Freiwilligkeit von Eintritt und Austritt. Die Vereinigungsfreiheit w i r d hier also nicht als die Freiheit verstanden, rechtsfähige „Vereine" i m Sinn des bürgerlichen Rechts zu gründen, sondern „Vereine" i m soziologischen Sinn, Vereine als Erscheinungen des sozialen Lebens. Für eine aktuelle Betrachtung des heute geltenden Rechtszustandes wäre es bedenklich, die staatsrechtliche Befugnis so scharf von der Frage zu scheiden, wie der Verein Rechtssubjekt nach bürgerlichem Recht werden kann. Die geschichtliche Untersuchung kann sich darauf beschränken, dem Problem nur i n dem Maß nachzugehen, i n dem die frühliberalen Verfechter der Vereinigungsfreiheit selbst es erkannten.
bis 190, 171. Der Blickpunkt von Weber, Gierke u n d Maine entspricht jeweils nicht genau dem der vorliegenden Arbeit, k a n n diesen aber abgrenzen und verdeutlichen. Von wiederum ganz anderen Voraussetzungen aus betont den formalen Charakter des Vereinsrechts Troxler, Philosophische Rechtslehre, S. 265 ff., bes. 266. — Zur Zitierweise w i r d auf das Literaturverzeichnis verwiesen.
Α. Begriffsbestimmungen
17
Die Freiheit, sich nicht m i t anderen zu vereinigen, oder aus einem Verein kraft freien Entschlusses wieder auszutreten, steht als die herkömmlich so genannte Negative Vereinigungsfreiheit gleichrangig neben der positiven Komponente des Rechtes und kann von i h r nicht getrennt werden. „Korporation" und der vor allem i m Zusammenhang m i t der restaurativen Staatslehre gebrauchte Begriff „Stand" sind nicht identisch. Es gibt aber i m Sinn unserer Wortwahl keine assoziativ, als Vereine gebauten „Stände"; die von der Restauration geforderten Stände entsprechen dem formalen Typus der Korporation. II. K o r p o r a t i o n u n d V e r e i n als rechts g e s c h i c h t l i c h e T y p e n Die auf solche Weise hier gebrauchten Gegenbegriffe von „Korporation" auf der einen, „Assoziation" oder „Verein" auf der anderen Seite sind sehr allgemein und verhältnismäßig formal gehalten. Sie erlauben aber eine inhaltliche Bestimmung dessen, was unter Vereinigungsfreiheit verstanden werden soll; zudem bieten sie die Möglichkeit, die verwirrend große Fülle einzelner Fakten und Formen i m Bereich der Teilverbände sinnvoll und durchgängig zu ordnen. Hier soll es nicht u m die privatrechtlichen Fragen der Ausgestaltung der Teilverbände i m einzelnen gehen, sondern um die Rechtsstellung privater Zusammenschlüsse gegenüber dem Staat; somit auch u m die Behandlung dieser Probleme i m Staatsdenken und i m Staatsrecht; daneben soll auch die Gesetzgebung i n Verbindung mit der Verwaltungspraxis zu Wort kommen, soweit dies die theoretischen Fragestellungen verdeutlichen kann. Unsere Unterscheidung enthält als entscheidendes inhaltliches Moment den Unterschied zwischen dem Lebensverband, der das einzelne Mitglied umgreift und i h m innerhalb seines organisatorischen Zusammenhangs einen bestimmten Freiheitsraum gewährt, und dem Zweckverband, der auf Grund nicht vorgeprägter Entscheidung seiner M i t glieder besteht und der von ihrer interessenbestimmten W i l l k ü r abhängt; somit den Unterschied zwischen korporativer und individueller Freiheit, zwischen der Korporation als der vorherrschenden Verbandsform des Hoch- und Spätmittelalters und eines Teils der Neuzeit und dem Verein als einer sozialen Erscheinung vor allem der Neuesten Zeit; rechtlich ist die Vereinigungsfreiheit i m heutigen Sinn erst ein Produkt des 19. Jahrhunderts. Wegen dieser Fassung des Themas gehört das Staatskirchenrecht nicht zu den Gegenständen dieser Untersuchung. Die Vereinigungsfreiheit i m modernen Sinn hat ganz bestimmte geistesgeschichtliche, sozialgeschichtliche und politische Vor2
Friedrich Müller
18
Geschichtliche und methodische Abgrenzung des Themas
aussetzungen, die es verbieten, allgemeinere Formen von Geselligkeit oder von Zusammenschlüssen schon als Ausdruck der Vereinsfreiheit zu werten. Dieser Ausgangspunkt ist nicht rein theoretisch gewonnen; er bildet die Abstraktion einer geschichtlichen Entwicklung, die gewisse Schwerpunkte und deren Verlagerung erkennen läßt, soweit es sich u m Struktur und Rechtsstellung von Teilverbänden handelt.
B. Geschichtliche Abgrenzung des Themas
I. D a s V e r e i n s w e s e n i m
Mittelalter
Das i m deutschen Mittelalter trotz mancher Unterdrückungsversuche (Auflösung aller städtischen Handwerkerverbände durch Reichsgesetz von 1232, Maßnahmen gegen die Handwerkerbruderschaften i n Dortmund 1346, i n Frankfurt am Main 1443 und 1447) geltende Prinzip der freien Einung ist m i t der Vereinigungsfreiheit i m Sinn der liberalen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts nicht gleichzusetzen. Das Leben des Mittelalters war von Verbänden der mannigfachsten Art geradezu beherrscht; unter ihnen spielten jedoch die assoziativen Zu sammenschlüsse keine wichtige Rolle; die einflußreichen und für die damalige rechtliche und soziale Lage kennzeichnenden Verbände waren korporativ aufgebaut. So waren i m Bereich der Wirtschaft die Gilden, Innungen und Zünfte als Zwangsverbände organisiert und zudem mit dem politischen Leben der städtischen Kommunen so eng verflochten, daß zum Beispiel nur ihren Mitgliedern die Bürgerrechte zustehen konnten. Diese berufsständische Organisation Schloß für weite Bereiche des Lebens die negative Assoziationsfreiheit aus. Die Korporationen waren zugleich eigene Rechtskreise; die rechtliche Autonomie gehörte regelmäßig, wie etwa auch der Zunftzwang, zu den korporativen Privilegien. Gegenüber diesem ganz auf das konkrete Privileg abgestellten Prinzip der freien Einung erscheint die Vereinsfreiheit i m Sinn der modernen Verfassungen als eine Verallgemeinerung und Formalisierung, die gerade hierdurch die Teilverbände nach ihrer Struktur und Tätigkeit dem Privatrecht überläßt, während die Korporationen des Mittelalters i m heutigen Sinn „öffentlich-rechtlich" zu nennen wären; damit soll nur ihr Wesensunterschied zu den modernen Vereinen verdeutlicht und nicht etwa der heutige Begriff des Öffentlichen Rechts schematisch den Gegebenheiten des Mittelalters aufgezwängt werden. Auch i m 19. Jahrhundert wurden die Zünfte i n diesem Sinn bewertet; so bezeichnet sie Eichhorn als Polizeianstalten, Maurenbrecher als vom Staat ausgehende Verbindungen zu 7wecken
Β . Geschichtliche Abgrenzung
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der Gewerbepolizei 2 . M i t diesem Hinweis soll auch nicht dér Staatsbeigriff der Moderne auf das Gemeinwesen des Mittelalters angewandt werden; dieses hatte zwar objektive Verfassungselemente, kannte aber weder dem Begriff noch der Sache nach einen sich als souverän setzenden und zum Beispiel mit dem Monopol der Rechtssetzung ausstattenden „Staat". Die Vereinigungsfreiheit i m Sinn des 19. und des 20. Jahrhunderts setzt außerdem den Gedanken des allgemeinen Staatsbürgertums voraus, der allgemeinen formalen Rechtsgleichheit; noch das Allgemeine Landrecht von 1794 aber definiert Geburts- und Berufsstände i n A L R I 1 § 6 als eigene Rechtskreise. Die Frage der Teilverbände i m Staat ist letztlich von der Frage nach dem Verständnis des Staats i m ganzen nicht ablösbar; es liegt an der Struktur des mittelalterlichen Gemeinwesens, daß jenes Prinzip der freien Einung nicht mit der Vereinsfreiheit i n unserem Sinn übereinstimmt; weder der Feudalstaat mit seinem „Gewaltenpluralismus", seiner Vielzahl autonomer Rechtskreise: allgemein m i t seinen personalstaatlichen Zügen, noch der i h n ungefähr seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ablösende Ständestaat bieten eine Grundlage für die hier zu verfolgende moderne Vereinsfreiheit. Bevor diese sich durchsetzte, mußte erst der moderne Staatsbegriff konsequent ausgebaut werden, wurden erst i m Zuge dieses Vorgangs die Teilverbände vom Staat des Spätmittelalters, vom Polizeistaat des Absolutismus und schließlich von der Gesetzgebung der Französischen Revolution m i t wachsender Schärfe unterdrückt; erst danach, erst i m 19. Jahrhundert setzten die Vesuche ein, vor dem Hintergrund des nun gesicherten Staatsbegriffs und auf der Grundlage rechtlicher und staatsbürgerlicher Gleichheit, der Freiheit privater Zusammenschlüsse neuen Raum zu geben, nunmehr vor allem i n der Form des Vereins 2 a . 2 Maurenbrecher, Privatrecht, I I § 672 = S. 436 m i t Nachweis zu Eichhorn. Z u den Berufsgenossenschaften von 1200 bis 1525 vgl. auch Gierke, Dt. Genossenschaftsrecht, I, S. 439 ff. Aus Gierkes monumentaler Darstellung interessieren hier besonders, I, S. 220 ff., zur Vorgeschichte des Verbandswesens i m Hochmittelalter u n d ferner I, 332 ff.; I, 426 ff.; I, 581 ff. (für 1200 bis 1525); vor allem auch I, S. 652 ff. (Wesen der freien „Association"), I» S. 865 ff.; I, 882 ff., 893 ff., 900 f., 907 ff. zum modernen freien Vereinswesen. Zur Ausprägung der kirchlichen Rechtssubjektivität nach der Reformation I I I , S. 799 ff. Z u m Einfluß des Naturrechts auf Staats-, Korporations- und Verbandstheorie I V , S. 276 ff.; 332 ff.; 378 ff.; 447 ff.; 489 ff. 2a Vgl. Schnabel, a.a.O., I, S. 112; zu Struktur u n d Wesen des m i t t e l alterlichen Staats, a.a.O., I, S. 12 ff.; ebd. 8 ff. zum Ordo-Gedanken der mittelalterlichen Welt. — Z u m Staat des Mittelalters vgl. auch Mitteis, Der Staat, S. 3 ff., 499 ff., 510 if. u n d passim; siehe auch Clemens Bauer, a.a.O., I I I , Sp. 245 ff., und a.a.O., I I I , Sp. 835 ff. — Wie sich die Verhältnisse des Mittelalters für einen der Trennung von „Staat" u n d „Gesellschaft" anhängenden Liberalen des 19. Jahrhunderts darstellen, vgl. bei Robert von Mohl, Geschichte, I, S. 269.
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Geschichtliche und methodische Abgrenzung des Themas
Diese Form war, wie schon angedeutet wurde, auch dem Mittelalter nicht unbekannt; wenn sie auch nicht dessen wichtigste Verbände prägte, so gab es doch freie Handelsgesellschaften und private Assoziationen anderer Art. Wegen der Struktur der feudalstaatlichen und der ständestaatlichen Rechtsordnung aber kann auch i n diesem von den korporativen Zwangsverbänden nicht erfaßten Raum von Vereinigungsfreiheit i m hier gemeinten Sinn nicht gesprochen werden. Die — grundsätzlich der obrigkeitlichen Bestätigung nicht bedürftige — Rechtsbeständigkeit auch der assoziativen Verbindungen zwischen Freien beruhte auf dem Recht „ . . . sich i n allen Dingen nach Rechtsnormen zu richten, welche durch eigene Willkür oder doch unter eigener Mitwürkang entstanden sind", also auf dem Autonomierecht, das grundsätzlich nur religiöse oder feudale Grenzen kannte 213 . Zwar bestand dieses Einungsrecht auf der Grundlage der Autonomie darin, mit anderen Freien zur Erreichung selbstgewählter Zwecke i n Verbindung zu treten, doch waren die möglichen Gesellschaftszwecke wiederum durch die allgemeinen Grenzen der Autonomie beschränkt: durch Gebote göttlichen Rechts und durch besondere persönliche Treueverpflichtungen, die sich aus den Feudalverhältnissen ergaben. Dies bedeutete eine weitgehende Beschränkung freier Vereinigung. Vor allem war die Einungsfreiheit ständisch abgestuft 3 . Der Herrenstand genoß sie i m weitesten Umfang; der Ritterstand war durch seine Lehens- und Dienstpflicht, die Hintersassen waren durch ihre Unterwürfigkeit unter die Vogtei, -und die Bürgerschaften der Städte durch die Rechte des Stadtherren eingeschränkt. Auch außerhalb der korporativen Zwangsverbände kann daher für den Feudalstaat und den Ständestaat von Assoziationsfreiheit i m Sinn der modernen Verfassungen nicht gesprochen werden, obgleich liberale Autoren des 19. Jahrhunderts, von denen hier als Beispiel nur Welcker genannt sei, dies aus naheliegenden politischen Gründen behaupteten 4 . Der Aufbau der mittelalterlichen Gesellschaft i m Sinn des „von oben nach unten" korporativ gegliederten Ganzen, dieses „mittelalterliche System der Mittelbarkeiten" (Gierke), das Prinzip des Standes als einer Totalgemeinschaft, die auf dem „Prinzip der ethischen Solidarität" (Cl. Bauer) ruht, konnten kein freies Vereinswesen i m Sinn unseres auf das 19. Jahrhundert beschränkten Themas zulassen. Darum können die möglichen Bezüge zwischen der modernen, der grundrechtlichen Form der Vereinsfreiheit und den älteren Einungsprinzipien hier nicht verfolgt werden; darum sind die mittelalterlichen Ordnungsmo2b K a r l Friedrich Eichhorn, a.a.O., Aufl. von 1835, 2. Teil, § 346 = S. 622 ff. 3 Eichhorn, a.a.O., S. 623 und S. 626 ff. 4 Vgl. Welcker i m ,Staatslexikon 4 , A r t . Association, I, S. 727 ff.
Β. Geschichtliche Abgrenzung
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delle hier nur insoweit zu untersuchen, als sie i n der Diskussion an und nach der Wende zium 19. Jahrhundert wieder aufgegriffen w u r den, oder insoweit