Konkursordnung mit Einführungsgesetzen: Band 2/Halbband 1 §§ 71 - 206 KO [8. Aufl. Reprint 2013] 9783111337234, 9783110044119


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German Pages 666 [680] Year 1973

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Gesetzesänderungen
Zweites Buch. Konkursverfahren
Vorbemerkung zum zweiten Bach
Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen (§§ 71 — 101)
Zweiter Titel. Eröffnungsverfahren (§§ 102-116)
Dritter Titel. Teilungsmasse (§§ 117—137)
Vierter Titel. Schuldenmasse (§§ 138—148)
Fünfter Titel. Verteilung (§§ 149—172)
Sechster Titel. Zwangsvergleich (§§ 173—201)
Siebenter Titel. Einstellung des Verfahrens (§§ 202—206)
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Konkursordnung mit Einführungsgesetzen: Band 2/Halbband 1 §§ 71 - 206 KO [8. Aufl. Reprint 2013]
 9783111337234, 9783110044119

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Großkommentare der Praxis

W DE

G

Jaeger

Konkursordnung mit Einführungsgesetzen Kommentar begründet von Professor Dr. E r n s t J a e g e r f

Achte Auflage bearbeitet von

Dr. Friedrich Lent

Dr. Friedrich Weber

weil. Professor in München

Professor in Heidelberg

Dr. Ulrich Klug

Dr. Günther Jahr

Staatssekretär, Professor in Köln

Professor in Saarbrücken

ZWEITER

BAND

1. Halbband §§ 71 — 206 KO Bearbeiter: Friedrich Weber

W DE G 19 7 3

WALTER DE G R U Y T E R

- B E R L I N - NEW Y O R K

Erscheinungsdaten der Lieferungen Lieferung 1 (§§ 71—101) Februar 1958 Lieferung 2 (§§ 102—125) Juli 1959 Lieferung 3 (§§ 126—148) Mai 1961 Lieferung 4 (§§ 149—206) Dezember 1963

Zitierweise : Bd. I: J a e g e r - L e n t , KO; Bd. II §§ 72 — 236: Jaeger-Weber, KO / Zusätze Fremde Rechte in Bd II: Jahr bei Jaeger-Weber, KO / §§ 237, 238: J a e g e r J a h r , KO / §§ 239—244: J a e g e r - K l u g , KO

ISBN 311 0044110 © Copyright 1958 /1959 /1961 /1963 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'»che Verlagehandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der VervielfäH igung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmi· gung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: Walter de Gruyter, Berlin.

Vorwort zum zweiten Band Ernst Jaegers Kommentar zur Konkursordnung ist das Lebenswerk eines der großen deutschen Juristen der ersten Jahrhunderthälfte, das auch im Ausland hohes Ansehen genießt. Man kann bei einem Werk dieses Ranges fragen, ob eine Neubearbeitung nach dem Tod des Verfassers überhaupt legitim ist oder ob man es nicht wie etwa v. Tuhrs Allgemeinen Teil oder Hellwigs System des deutschen Zivilprozeßrechts als Markstein rechtswissenschaftlicher Literatur in der letzten Fassung, die ihm sein Begründer gegeben hat, fortbestehen lassen sollte. Indessen hatte Jaeger selbst seinem Werk eine auf die Praxis ausgerichtete Zielsetzung gegeben, nämlich „im Rahmen des gesetzlichen Systems den Stoff wissenschaftlich zu durchdringen und so die erforderlichen Grundlagen für eine zweckmäßige Rechtsanwendung zu gewinnen" (Vorwort zum 1. Band der 6./7. Auflage, 1931). Sollte die enorme geistige Leistung Jaegers für die Konkurspraxis der Gegenwart unvermindert fruchtbar bleiben, so war eine Neubearbeitung des Kommentars unumgänglich. Allerdings legte sie bei einem Werk dieser Größenordnung und der geistigen Bedeutung seines Begründers dem Bearbeiter eine schwere Verantwortung auf. Er mußte einerseits dem Werk seine Eigenart bewahren und es andererseits im Geiste der Zielsetzung seines Begründers fortentwickeln. Die letzte von Jaeger besorgte Auflage des zweiten Bandes seines Kommentars war im Jahre 1936 abgeschlossen worden. In der Zwischenzeit hat zwar die Konkursordnung auch in ihren verfahrensrechtlichen Bestimmungen kaum Änderungen erfahren; aber wichtige Gebiete des materiellen Rechts haben sich tiefgreifend weiterentwickelt, was sich im Konkurs auswirken mußte. Ferner waren in der Zwischenzeit mit dem Kriegsausgleichsverfahren und der richterlichen Vertragshilfe in ihren verschiedenen Ausgestaltungen neue Rechtsinstitute zur Vermeidung oder Bewältigung von Insolvenzen ausgebildet worden, die zwar mit der fortschreitenden Normalisierung des Wirtschaftslebens wieder abgebaut wurden, aber neue und fortwirkende Aspekte für die Insolvenzbereinigung eröffnet hatten. Unter diesen Umständen konnte sich die Neubearbeitung des Kommentars nicht darauf beschränken, Überholtes zu streichen, Ausführungen von inzwischen geminderter Bedeutung zu kürzen und die zwischenzeitlich veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur einzuarbeiten ; vielmehr mußte auch im Konkursverfahrensrecht jede einigermaßen bedeutsame Frage erneut durchdacht und ihre bisherige Darlegung überprüft werden, so wie das Jaeger, solange er sein Werk betreute, unablässig getan hat. Der 1. Halbband umfaßt die vier ersten Lieferungen des zweiten Bandes, also das Verfahrensrecht des Regelkonkurses. Die letzte dieser Lieferungen ist im Jahre 1964 abgeschlossen worden. Die in der Zwischenzeit erfolgten Änderungen des Textes der KO (§§ 125,175), die keine grundsätzliche Bedeutung haben, und die einschlägigen Bestimmungen des Rechtspflegergesetzes vom 5. November 1969/27. Juni 1970 sind hinter dem Inhaltsverzeichnis des 1. Halbbandes abgedruckt; den Bestimmungen des Rechtspflegergesetzes ist ein orientierender Hinweis auf die grundsätzliche Bedeutung der gegenüber dem Gesetz von 1957 neuen Verteilung des Aufgaben des Konkursgerichts auf Richter und Rechtspfleger angefügt. Die 1960 erlassene und seitdem zweimal geänderte Verordnung des Bundesministers der Justiz über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats ist in ihrer letzten Fassung auf S. 1178 ff. im 2. Halbband des zweiten Bandes abgedruckt. Zwischen dem Abschluß der letzten Lieferung des 1. Halbbandes und dem Erscheinen der 5. Lieferung, der ersten des 2. Halbbandes, die insbesondere den Konkurs der Handelsgesellschaften enthält, liegt ein Zeitraum von mehreren Jahren. Diese längere Unterbrechung hat ihren Grund nicht nur in ernsten gesundheitlichen Störungen, die mich zeitweise am vollen Einsatz meiner Arbeitskraft gehindert haben, sondern vor allem darin, daß die Darstellung der Besonderheiten des Gesellschaftskonkurses den Bearbeiter vor eine besonders schwierige Aufgabe stellte. Der Vorauflage lagen noch die aktienrechtlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs zugrunde. Seither hat sich

nicht nur im Recht der Aktiengesellschaft, sondern im gesamten Gesellschaftsrecht eine grundlegende und tiefgreifende Weiterentwicklung vollzogen. Sollte der Kommentar für den in der Praxis wichtigen Gesellschaftskonkurs im Sinne der Zielsetzung Jaegers eine auf wissenschaftlicher Durchdringung des Stoffes beruhende verläßliche Grundlage für die Rechtsanwendung sein, so war es notwendig, alle wichtigeren Gestaltungen und Fragen dieses Rechtsgebietes auf ihre konkursrechtliche Bedeutung zu untersuchen. Hier ist sehr häufig ein auf wenige Zeilen zusammengedrängter Satz das Ergebnis eingehender, mühsamer und entsagungsvoller Vorarbeit. Dieser Teil des Kommentars ist weitgehend neu geschrieben und auch im Umfang auf mehr als das Doppelte der Vorauflage angewachsen. So sehr sich die Darstellung vom Text Jaegers löst, so war ich doch bestrebt, die Umarbeitung im Geiste der Jaeger'schen Zielsetzung zu halten, also der Konkursrechtspraxis nicht nur verläßliche und nach Möglichkeit erschöpfende Hinweise auf die einschlägige Literatur und Rechtsprechung zu geben, sondern auch zu den behandelten Fragen des Gesellschaftsrechts aus konkursrechtlicher Sicht selbständig Stellung zu nehmen und Fragen aufzuspüren, die in Rechtsprechung und Literatur noch nicht behandelt sind, vor die sich die Konkurspraxis aber jederzeit gestellt sehen kann. Auch in meiner in der 6. Lieferung enthaltenen Kommentierung des Nachlaßkonkurses ist vieles gegenüber der Vorauflage geändert. Vor allem sind die Ausführungen zu Fragen, die in gewichtigeren Nachlaßkonkursen praktisch bedeutsam werden können, vertieft und erweitert, wie die Nachlaßzugehörigkeit eines Handelsgeschäfts des Erblassers und die konkursrechtliche Bedeutung der sog. Nachlaßerbenschulden ; ferner wurde aus diesem Grund ein umfangreicher Exkurs über die Auswirkungen eingefügt, die sich im Nachlaßkonkurs aus den verschiedenen Möglichkeiten der Regelung der Nachfolge in den Gesellschaftsanteil eines verstorbenen Gesellschafters ergeben. Die Bestimmungen über den durch das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 geschaffenen besonderen Konkurs über das Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft sind, obwohl hier kaum Literatur und noch keine Rechtsprechung vorliegt, eingehend kommentiert. Mag die praktische Bedeutung dieses neuen besonderen Konkurses auch gering sein, so muß ein Großkommentar doch der Konkurspraxis gerade in juristischem Neuland ein zuverlässiger Ratgeber sein, der die haftungsrechtlichen Zusammenhänge freilegt und aus ihnen Lösungen für möglicherweise in Zukunft auftretende Fragen anbietet. Eine Besonderheit des Werkes von Jaeger, die von seinem Weitblick, seiner Aufgeschlossenheit und seinem umfassenden Wissen zeugte, waren die „Zusätze. Fremde Rechte". Während diese wichtigeren Bestimmungen der KO angefügten rechtsvergleichenden Hinweise im ersten Band unverändert aus der Vorauflage übernommen wurden und daher vielfach überholt sind, wurden sie im zweiten Band überarbeitet und sind weitgehend auch neu gefaßt. Ich bin meinem Freund und Kollegen Professor Jahr sehr dankbar, daß er sich dieser Aufgabe als Rechtsvergleicher unterzogen hat und es damit ermöglicht hat, diese Eigenart des Kommentars beizubehalten. Da die im 2. Halbband behandelten besonderen Konkursarten in enger Verbindung mit dem inländischen materiellen Recht stehen, erschienen hier — im Gegensatz zum 1. Halbband — ins Detail gehende rechtsvergleichende Zusätze nicht angebracht; man konnte sich auf allgemeine Hinweise beschränken, die den Vorbemerkungen zum achten Titel angefügt sind. Darüberhinaus wurde — abweichend von der Vorauflage — eine völlige Neubearbeitung der Kommentierung zu §§ 237, 238 von Professor Jahr mit dem Versuch einer umfassenden Erörterung der Probleme des Internationalen Konkursrechts Deutschlands aufgenommen. Um eine vollständige Erörterung der Konkursordnung vorzulegen, wurden ferner — ebenfalls abweichend von der 6./7. Auflage — die strafrechtlichen Bestimmungen der Konkursordnung von Professor Klug kommentiert. Was die äußere Form der Kommentierung anlangt, so wurde versucht, durch verstärkte und deutlich ersichtlich gemachte Untergliederung der Darstellung die systematischen Zusammenhänge klarer hervortreten zu lassen und eine rasche Orientierung zu ermöglichen. Diesem Ziel dienen auch die reichlich vorgenommenen Verweisungen. Hier ist allerdings ein mit dem Erscheinen in Lieferungen unvermeidbar verbundener Nachteil

anzumerken. Während die Verweisungen „nach vorne" genau überprüft sind, mußten sich die „nach rückwärts" an der Yorauflage orientieren und können daher nicht zutreffen, wenn bei der Bearbeitung der späteren Bestimmungen die Ziffern der Anmerkungen gegenüber der Vorauflage geändert wurden. Der als Kehrseite der unbestreitbaren Vorteile des Erscheinens eines Großkommentars in Lieferungen auftretende Nachteil, daß die einzelnen Teile des Gesamtwerks einen verschiedenen zeitlichen Stand wiedergeben, wird um so größer, je länger sich das Erscheinen hinzieht. Ich bedaure, daß ich den Beziehern des Werks in dieser Hinsicht viel Geduld abverlangt habe. Ich darf jedoch dazu und zu meiner Entlastung wieder aus dem Vorwort Jaegers zum 1. Band der Vorauflage zitieren, der erst 1931 erschien, nachdem die 5. Auflage von 1916 seit zehn Jahren vergriffen war: „Wenn da und dort ein Bezieher der Auflage über ihr langsames Fortschreiten klagt, möchte ich wünschen, daß er in meine Werkstatt blicken könnte. Er würde geduldiger und nachsichtiger sein. Ich bin nun einmal nicht in der Lage, mit Auszügen aus anderen Büchern aufzuwarten. Auch habe ich zuviel Achtung vor der deutschen Praxis, um anzunehmen, ihr könnte damit oder mit kritikloser Unterweisung über den neuesten Stand der Rechtsprechung gedient sein. Daß der Wissenschaft nur selbständige, Eigenes und Fremdes ehrlich sondernde Forscherarbeit frommt, das versteht sich von selbst." Heidelberg, im Oktober 1972

Friedrich Weber

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort zum zweiten Band

V

Gesetzesänderungen nach Erscheinen des 1. Halbbandes des zweiten Bandes

XI

Zweites Buch Konkursverfahren Vorbemerkungen zum zweiten Buch

1

E r s t e r T i t e l . Allgemeine Bestimmungen §§ 71—101

6

Z w e i t e r T i t e l . Eröffnungsverfahren §§ 102—116

125

D r i t t e r T i t e l . Teilungsmasse §§117—137

207

V i e r t e r T i t e l . Schuldenmasse §§ 138—148

303

F ü n f t e r T i t e l . Verteilung §§ 149—172

418

S e c h s t e r T i t e l . Zwangsvergleich §§ 173—201

503

S i e b e n t e r T i t e l . Einstellung des Verfahrens §§ 202—206

652

Geeetzesänderungen nach Erscheinen der Lieferungen des 1. Halbbandes des Zweiten Bandes

I. Konkursordnung 1. § 125 KO ist durch Art. 2 § 6 Nr. 1 des Gesetzes v. 27. Juni 1970 (BGBl. I S. 911) neu gefaßt:

Nach der Anfertigung des Inventars kann der Verwalter oder ein Konkursgläubiger den Gemeinschuldner in eine Sitzung des Amtsgerichts, bei welchem das Konkursverfahren anhängig ist, zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung laden. 2. § 175 Nr. 1 KO ist durch Art. 2 § 6 Nr. 2 des Gesetzes v. 27. Juni 1970 (BGBl. I S. 911) neu gefaßt:

Ein Zwangsvergleich ist unzulässig: 1. solange der Gemeinschuldner flüchtig ist oder die Abgabe der in § 125 bezeichneten eidesstattlichen Versicherung verweigert; 2., 3

II. Wichtigere die KO ergänzende Bestimmungen 1. Rechtspflegergesetz a) Der Kommentierung des 1. Halbbandes des 2. Bandes (vgl. insbes. § 71 Anm. 16a, § 78 Anm. 16) liegt das Rechtspflegergesetz v. 8. Februar 1957 zugrunde. Es ist ersetzt durch das Rechtspflegergesetz v. 5. November 1969 (BGBl. I S. 2065), geändert durch Gesetz v. 27. Juni 1970 (BGBl. I S. 911). Die Bestimmungen für die Übertragung von richterlichen Geschäften im Konkursverfahren an den Rechtspfleger lauten jetzt:

§ 3 Übertragene Geschäfte Dem Rechtspfleger werden folgende Geschäfte übertragen: 1 2. vorbehaltlich der in den §§ 14 bis 19 dieses Gesetzes aufgeführten Ausnahmen die nach den gesetzlichen Vorschriften vom Richter wahrzunehmenden Geschäfte des Amtsgerichts in a)-d) e) Verfahren nach der Konkursordnung, Î) 3., 4 §18 Konkursverfahren (1) Im Verfahren nach der Konkursordnung bleibt dem Richter das Verfahren bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag unter Einschluß dieser Entscheidung und der Ernennung des Konkursverwalters vorbehalten. (2) Der Richter kann sich das Konkursverfahren ganz oder teüweise vorbehalten, wenn er dies für geboten erachtet. Hält er den Vorbehalt nicht mehr für erforderlich, kann er das Verfahren dem Rechtspfleger übertragen. Auch nach der Übertragung kann er das Verfahren wieder an sich ziehen, wenn und solange er dies für erforderlich hält.

Die neue Regelung stellt eine grundlegende Änderung dar. Während bisher nur einzelne richterliche Geschäfte im Konkursverfahren dem Rechtspfleger durch das Gesetz übertragen waren und im übrigen der Richter ermächtigt war, nach Erlassung des Eröffnungsbeschlusses und der Ernennung des Konkursverwalters in geeigneten Fällen das Verfahren dem Rechtspfleger zu übertragen (§21 RPflG 1957; vgl. dazu § 71 Anm. 16a), gehören jetzt die richterlichen Geschäfte im Konkursverfahren zu den Angelegenheiten, die dem Rechtspfleger mit Ausnahme bestimmter dem Richter vorbehaltener Geschäfte übertragen sind. Dabei ist der Vorbehalt des § 18 I zwingend, während § 18 II dem Richter die Möglichkeit gibt, bei der Konkurseröffnung sich auch das weitere Verfahren ganz oder teilweise vorzubehalten (Satz 1), es erst später dem Rechtspfleger zu übertragen (Satz 2) oder es wieder an sich zu ziehen (Satz 3). Macht der Richter von dem Vorbehalt des § 18 II Satz 1 keinen Gebrauch, so nimmt der Rechtspfleger die richterlichen Geschäfte während der Konkursabwicklung wahr. Im Normalfall besteht also jetzt auch im deutschen Recht hinsichtlich der Konkursgerichtlichen Kompetenz eine ähnliche Verfahrensteilung in Eröffnungsverfahren und Konkursdurchführung wie sie auch in vielen ausländischen Rechten besteht (vgl. dazu § 71 Anm. 20). Zu beachten ist allerdings, daß der Rechtspfleger auch im übertragenen Bereich zu gewissen Geschäften nicht befugt ist ζ. B. zur Anordnung und Abnahme von Eiden oder zur Androhung und Anordnung von Freiheitsentziehungen (§4 II RpflG), und gehalten ist, falls er derartige Maßnahmen für geboten hält, die Sache dem Richter zur Entscheidung vorzulegen (§4 111 RpflG). Auch die Vorlagepflicht nach § 5 RpflG gilt im übertragenen Geschäftsbereich. b) Was die Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Rechtspflegers im übertragenen Geschäftsbereich anlangt (vgl. § 73 Anm. 15), so ist jetzt § 11 des neuen RpflG maßgebend, der mit wenigen, für das Konkursverfahren nicht bedeutsamen Änderungen dem § 10 RpflG 1957 entspricht. 2. Vergütung des Eonkursverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses Der Kommentierung liegen in § 85 Anm. 2a (Konkursverwalter) und § 91 Anm. 3 (Gläubigerausschuß) noch die auf Grund der §§ 85 II, 91 II KO erlassenen Richtlinien des früheren RJM v. 22. Febr. 1936 zugrunde. Diese sind ersetzt worden durch die VO des BMindJustiz über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichs Verwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats v. 25. Mai 1960 (BGBl. I S. 329), in der Fassung der VO v. 22. Dez. 1967 (BGBl. I S. 1366) und der 2. ÄnderungsVO v. 19. Juli 1972 (BGBl. I S. 1260). Die VergütungsVO ist in ihrer geltenden Fassung im Anhang zum 2. Halbband des 2. Bandes unter III. (S. 1178) abgedruckt.

Zweites Buch

Konkursverfahren (§§ 71—238)

Vorbemerkung zum zweiten Bach I. Das Konkursverfahrensrecht 1. Während das Gesetz im ersten Buche unter der Überschrift „Konkursrecht" d a s 1 m a t e r i e l l e K o n k u r s r e c h t o d e r K o n k u r s p r i v a t r e c h t behandelt, ordnet es im zweiten Buche „das Konkursverfahren", also d a s f o r m e l l e K o n k u r s r e c h t o d e r K o n k u r s p r o z e ß r e c h t . Diese Einteilung, die schon in früheren Konkursgesetzen, namentlich in der preußischen und österreichischen KO, eingehalten war, bezeichnen die Motive II S. 12 als die „naturgemäße" Trennung des Stoffes. Nicht überall freilich ist sie streng durchführbar. Namentlich finden sich auch im zweiten Buche privatrechtliche Normen. Vgl. z. B. §§ 82, 89 über die persönliche Verantwortlichkeit des Konkursverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses, § 193 über die Wirkungen des gerichtlich bestätigten Zwangsvergleichs für die beteiligten Forderungen und die für sie bestehenden Sicherheiten oder § 192 mit § 6, ferner § 226 mit §§ 3, 63 oder § 224 mit § 59. Die Stellung einer Vorschrift im ersten oder zweiten Buch ist daher für ihre Zugehörigkeit zum Privat- oder Verfahrensrechte nicht schlechthin maßgebend. Bei einer Neuordnung des Konkursrechtes dürfte einer Gliederung des Stoffes nach dem natürlichen Verfahrensfortgang, ähnlich wie in der VglO v. 1935, der Vorzug zu geben sein (vgl. auch Vogels JbAkDR 1937 S. 220). 2. Das K o n k u r s p r o z e ß r e c h t , d. h. die Ordnung des Konkursverfahrens gehört 2 wie das Zivilprozeßrecht überhaupt dem ö f f e n t l i c h e n R e c h t an. Damit ist a b r r nicht gesagt, daß alles Konkursprozeßrecht zwingend wäre. Auch das Prozeßrecht kennt nachgiebige Rechtssätze. Wo das Gesetz die zwingende Wirksamkeit eines Rechtssatzes nicht selbst außer Zweifel stellt (vgl. z. B. § 181 KO), muß auf dessen Z w e c k zurückgegangen werden: will er nur einzelne schützen, so unterliegt er grundsätzlich ihrem Verzicht; dient er aber ausschließlich oder doch vorwiegend der Allgemeinheit, so hat er zwingende Kraft. Die V o r s c h r i f t e n des m a t e r i e l l e n , v o r a l l e m a b e r die des f o r m e l l e n K o n k u r s r e c h t s d i e n e n in d e r R e g e l zum S c h u t z e i n e r u n b e s t i m m t e n V i e l h e i t v o n G l ä u b i g e r n , sie s t e l l e n eine S o n d e r r e g e l u n g zum S c h u t z e e i n e r u n b e s t i m m t e n Z a h l v o n B e t e i l i g t e n bei V e r m ö g e n s v e r f a l l des S c h u l d n e r s d a r u n d s i n d d a h e r g r u n d s ä t z l i c h z w i n g e n d e s R e c h t . Darum können ζ. B. Vorschriften über Befugnisse des Konkursverwalters nicht im voraus durch Verträge des Schuldners mit seinen Gläubigern eingeschränkt werden (RG Bolze 22 Nr. 846). Auch ein Vertrag des Schuldners mit allen Gläubigern könnte nach geltendem Recht zwar eine außerkonkursmäßige Schuldenbereinigung regeln, keineswegs aber das Konkursverfahren als solches verändern, auch nicht im Sinne der Vereinfachung. Zum materiellen Konkursrecht vgl. z. B. § 17 Anm. 40, 55b, 63, § 18 Anm. 26, § 19 Anm. 2, § 21 Anm. 1, § 26 Einl., § 43 Anm. 10, § 54 Anm. 16, § 55 Anm. 2, § 61 Anm. 9. Andrerseits kann ζ. B. ein Gläubiger im voraus auf die Vorteile des § 53 KO mit Wirksamkeit verzichten [§53 Anm. 13]; ebenso auf die Ausübung von Vorrechten [§ 61 Anm. 7, § 139 Anm. 3], auf Ausübung der Anmeldbarkeit und der Konkursantragsbefugnis [§103 Anm. 8]. X

Jaeger, KonkuiBordnung, 8. Aufl. II

1

Yorbem. 3

Vorbemerkung zum zweiten Buch

Π. Begriff und Wesen dee Konkursverfahrens 1. D a s K o n k u r s v e r f a h r e n i s t e i n e b e s o n d e r e A r t des b ü r g e r l i c h e n R e c h t s g a n g e s . Seine Aufgabe besteht darin, die persönliche Haftung eines in Vermögensverfall geratenen Schuldners unter Verlustgemeinschaft der Gläubiger mit Hilfe der Staatsgewalt zu verwirklichen. Reichen die Mittel des Schuldners nicht mehr aus, alle seine Geldverbindlichkeiten ganz zu erfüllen, dann ist es billig und gerecht, daß jeder Gläubiger zu seinem Teile den Ausfall mittrage. Fortab darf weder die Willkür des Schuldners noch das (vielleicht rein zufällige) Zuvorkommen eines Gläubigers für die Schuldenbereinigung maßgebend sein. Einzelzugriffe müssen der gemeinschaftlichen Befriedigung weichen. Das Gericht fordert öffentlich auf, Gläubigerrechte anzumelden (§§ 110,138ff.) ; es unterbreitet die Anmeldungen in einem Termine der Erörterung durch die Beteiligten (§§141 ff.); es beurkundet das Ergebnis der Unbestrittenheit mit dem Erfolge der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit (§§ 145 II, 164 II mit §§ 194, 206 II). D i e s e s V e r f a h r e n i s t j e d o c h kein Erkenntnieverfaliren. Auch die Feststellung der Konkursgläubigerrechte vollzieht das Konkursgericht, soweit diese überhaupt innerhalb des Konkurses stattfindet, nur in beurkundender, nicht — wie etwa beim „Verurteilen" gemäß § 307 ZPO — in erkennender Amtstätigkeit. Diese Feststellung ist nicht Zweck des Konkursverfahrens, sondern nur ein Mittel zur Erreichung seines Zieles. Ist das Konkursteilnahmerecht einer Forderung streitig, so ist die Entscheidung nicht Sache des Konkursgerichts und Teil des Konkursverfahrens, sondern im Prozeßweg zu treffen (§§ 146ff.). D a s K o n k u r s v e r f a h r e n i s t v i e l m e h r ein Vollstreckungeverlahren. Allein auch als solches reiht es sich nicht etwa der „Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen" im Sinne der §§ 803 ff. ZPO ein. Es tritt vielmehr in der gleichzeitigen Erfassung alles beschlagsfähigen Schuldnervermögens zugunsten aller persönlichen Gläubiger und in deren grundsätzlicher Gleichbehandlung (§§ 1, 3, 61 Nr. 6, 181 KO) s e l b s t ä n d i g neben „die Zwangsvollstreckung", die einzelnen Gläubigern in einzelne Zugriffsgegenstände und unter Vorrang des Erstzugriffs eröffnet ist (§ 804 I I I ZPO, § 11 II ZVG). Es gibt eben einen Oberbegriff der zivilprozessualen „Vollstreckung" (Exekution), der sich verzweigt in Zwangsvollstreckung (Einzelvollstreckung) und Konkurs (Gesamtvollstreckung). Das Parteiverhältnis liegt wie bei der Zwangsvollstreckung so beim Konkurs in der Gegnerschaft zwischen Gläubiger und Schuldner. Ein streitiges Verhandeln der Parteien setzt weder das eine noch das andere Vollstreckungsverfahren (übrigens j a auch nicht das zivilprozessuale Mahnverfahren) voraus. Anders als die Zwangsvollstreckung braucht der Konkurs nicht gegen den Willen des Schuldners eingeleitet zu werden: Vollstreckung ist er darum doch, weil der staatliche Zwang für jeden Fall des Widerstandes zur Verfügung steht (§§ 101, 106, 125). Die der Einzelvollstreckung eigentümliche Vorbedingung des vollstreckbaren Titels (§§ 703, 794 ZPO) ist mit zweckentsprechender Gestaltung der Gesamtvollstrekkung unvereinbar. Auch läßt sich im Konkurse der Befriedigungszweck anders als durch Verwertung und Verteilung der Masse erreichen (§ 173) 1 ). Gehört somit das Konkursverfahren seinem Gesamtzwecke nach schon grifflich zur streitigen, n i c h t zur f r e i w i l l i g e n G e r i c h t s b a r k e i t , so hat geltende Reichsrecht für die Gesetzesanwendung jeden Zweifel durch § 72 ausgeschaltet, der zur Ergänzung der verfahrensrechtlichen Regelung der

bedas KO KO

>) Schon das gemeine Recht hat im „ K o n k u r s p r o z e s s e " — processus concursus creditorum oder processus cridae — ein Verfahren der G e n e r a l - o d e r U n i v e r s a l e x e k u t i o n im Gegensatze zur S p e z i a i - o d e r S i n g u l a r e x e k u t i o n erblickt, eine Vorstellung, die für unser Reichsrecht noch vollkommen zutrifft. Siehe v. Savigny System des heut. röm. Rechts V I I I (1849) S. 282ff., Wach Handb. des Deutsch. Zivilprozeßrechts I (1885) S. 44, 46, 543f., v. Schrutka GrünhutsZ Bd. 40 S. 609 („das Vollstreckungsverfahren 1st eine Art des gerichtlichen Befriedigungsverfahrens, ein Begriff, unter den auch das Konkursverfahren fällt"). Ist die Zwangsvollstreckung Zlvilprozeß (was für unser Reichsrecht außer Zweifel steht), dann muß es auch der mit verallgemeinertem Zweck an i h r e S t e l l e tretende Konkurs sein. Die Motive I I S. 9f., 297 bemerken zwar zutreffend, der Konkurs lasse sich nicht in den Rahmen eines Rechtsstreites einzwängen, er habe seinen eignen Inhalt und erfordere eine selbständige Regelung; aber damit wird die Zugehörigkeit des Gesamtverfahrens zum Prozesse im weiteren Sinne und zur Vollstreckung im besonderen nicht ausgeschlossen.

Begriff und Wesen des Konkursverfahrens

Vorbem. 4

die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Zivilprozeßordnung bestimmt. Dieser Grundsatz ergänzender Maßgeblichkeit des Prozeßgesetzes schließt jede — auch nur sinngemäße — Anwendung der Verfahrensvorschriften des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit aus. So ζ. B. für das Beschwerdeverfahren [§ 73 Anm. 7], Die Konkursordnung ist eine „Prozeßordnung" im Sinne des § 27 GVG. Auch für die Rechtshilfe (§ 156 GVG) und für die Gebührenbewertung (§§ 48ff G KG, §§7 2 ff. BGebORA) gilt das Konkursverfahren als „bürgerlicher Rechtsstreit". Dies alles trifft aber nur für das gerichtliche Verfahren zu. Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse vollziehen sich heute nicht mehr durch gerichtliche Amtstätigkeit. Wie die Sammlung obliegt die Versilberung und die Ausschüttung dem Konkursverwalter, der seinerseits obrigkeitlicher Zwangsmacht ermangelt und innenrechtlich im Verein mit anderen Selbstverwaltungsstellen (dem Gläubigerausschuß und der Gläubigerversammlung) zu wirken hat [Anm. 4], Insoweit verbleibt dem Gericht der Hauptsache nach nur die Aufgabe der Bestellung und Überwachung des Sondergutsverwalters, wenn es auch vereinzelt (wie etwa nach § 169) in die Verwaltung selber einzugreifen hat. Verrichtungen solcher Art gehören zwar (wie die entsprechende vormundschaftsgerichtliche Tätigkeit) bestimmungsgemäß zur freiwilligen Rechtspflege, treten aber innerhalb des Gesamtverfahrens ebenfalls in den Formen des Prozesses auf [§ 71 Anm. 16]. Die Auffassung, daß das Konkursverfahren zivilprozessuales Rechtsschutzverfahren, und zwar eine besondere Form der Vollstreckung sei, wird auch von der Praxis (z. B. RG LZ 1911 Sp. 557; LZ 1915 Sp. 359f.; BGH (Strafs.) Bd. 3 311) und überwiegend auch im Schrifttum vertreten. Vgl. besonders A. S. Schultze Konkursrecht S. 140ff., Wach Handbuch §§ 1, 5, 6 (Note 11), Kohler Lehrbuch §§ 1, 81, Seuffert Konkursprozeßrecht § 1, Jaeger Lehrbuch § 25, Rosenberg §171 III 1, Stein-Juncker Grundriß des Zivilprozeßrechts3 §§128 III, 165, Schönke-Baur Zwangsvollstreckungsrecht und Konkursrecht (1956) §51 II, III, Mentzel-Kuhn § 72 Anm. 1, Böhle-Stamschräder § 71 Anm. 1. Gegen die Einordnung des Konkursverfahrens als Vollstreckungsverfahren neuerdings sehr entschieden Münzel ZZP Bd. 66 S. 337f. Ihm gegenüber ist jedoch zu betonen, daß die zutreffende Erkenntnis, daß der Konkurs ein Verfahren der Vermögensliquidation ist (so schon Motive II S. 10, 297 und jetzt Baur bei Schönke-Baur § 51 II), dieser Einordnung nicht entgegensteht; denn die Vermögensliquidation wird hior zum Zwecke der Haftungsverwirklichung im Stadium der Insolvenz des Schuldners durchgeführt. Allerdings ist der Konkurs als Gesamtvollstreckungsverfahren eigenständig gestaltet, weshalb die Bestimmungen der ZPO über die Einzelvollstreckung grundsätzlich von einer entsprechenden Anwendung auf das Konkursverfahren ausgeschlossen sind [§ 72 Anm. 5]. Aus dem Schrifttum des österr. Rechts vgl. Ott GrünhutsZ 30 S. 331 ff., Rintelen Handbuch S. 29f., A. Lehmann ÒsterrKO (1916) I S. 443ff. Abw. Oetker I S. 13ff., Schultzenstein ZZP 43 S. 328ff„ Kleinfeiler LZ 1911 Sp. 251f., ZZP 46 S. 235f., 50 S. 340, Pollak GrünhutsZ 37 S. 499ff., Bartsch-Pollak österr KOa S. 782f. 2. Der K o n k u r s des g e l t e n d e n R e c h t e s e n t w i c k e l t sich u n t e r einer 4 e i g e n a r t i g g e s t a l t e t e n Selbstverwaltung. a) Sammlung, Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse sind Aufgaben nicht des Konkursgerichts, sondern des K o n k u r s v e r w a l t e r s (§ 117), der zwar innenrechtlich gehalten ist, vor wichtigen oder ungewöhnlichen Maßnahmen die Genehmigung eines Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung einzuholen (§§ 133—136), aber keineswegs durch bindende Weisungen des Konkursgerichts geleitet wird. Er ist kein Beamter. Weder als bloßes Werkzeug des Gerichts noch als selbständige Behörde, sondern als Vermögensverwalter ohne eigne obrigkeitliche Macht hat er unter persönlicher Verantwortlichkeit die ihm vom Gesetz anvertraute Aufgabe zu lösen. Setzt er, um einen Widerstand des Schuldners zu brechen, die staatliche Zwangsgewalt in Bewegung (§§ 100, 125) oder macht er Massegegenstände in den Formen der Zwangsverwertung zu Geld (§§ 126, i·

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Vorbemerkungen zum zweiten Buch

127), so übt er natürlich nicht stellvertretend Rechte des Gemeinschuldners aus, sondern Eigenbefugnisse, die ihm das Gesetz zur Förderung seiner Aufgabe und ebendarum auf Kosten der Masse (§ 58 Nr. 2) einräumt. Dieser Gedanke der Selbsthilfe, der in den italischen Stadtrechten des Mittelalters ausgebildet, von der französischen Handelsgesetzgebung übernommen und durch diese in die preuß. KO von 1855 übertragen worden war, bedeutet gegenüber dem unter spanischem Einfluß ausgeprägten System d e r k o n k u r s g e r i c h t l i c h e n A m t s t ä t i g k e i t , das um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch den größten Teil unseres Vaterlandes beherrschte, einen gewaltigen Fortschritt. 5

b) Aus dem die Konkursabwicklung beherrschenden Prinzip der Selbstverwaltung ergibt sich eine wesentliche Einschränkung der Aufgaben des Konkuregerichts. Als dem einzigen Konkursorgan, das hoheitliche Gewalt ausübt [§ 71 Anm. 16] steht ihm zwar die Entscheidung über die Voraussetzungen der Konkurseröffnung (§§ 102ff.) und der Konkursbeendigung (§§ 163, 190, 202, 204) sowie über die Anwendung von Zwangsmitteln (§§ 101 II, 106, 121) zu. Auch ernennt es den Konkursverwalter (§ 78) und eventuell einen vorläufigen Gläubigerausschuß (§ 87). Eine gestaltende Lenkung der Abwicklung des Konkurses ist ihm jedoch grundsätzlich versagt. Hier obliegt ihm regelmäßig nur die Sorge für die äußere Ordnung des Verfahrensablaufs (ζ. B. Bestimmung von Terminen und Fristen, §§ 110, 180, Leitung der Gläubigerversammlungen, §§ 93ff.) und die Überwachung der Gesetzmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Konkursabwicklung durch die Organe der Selbstverwaltung, vor allem den Konkursverwalter (§§ 83, 99). Auch bedarf die Vornahme der Schlußverteilung gerichtlicher Zustimmung (§ 161), eine Nachtragsverteilung gerichtlicher Anordnung (§166), die Vorauszahlung auf festgestellte Vorrechtsansprüche gerichtlicher Ermächtigung (§ 170). Nur Abschlagsverteilungen hat der Verwalter unabhängig vom Willen des Gerichts nach dem Prüfungstermine vorzunehmen, so oft ein die Verteilung lohnender Barbestand flüssig ist (§149, vgl. §150). Abgesehen von der Konkurseröffnung, die einen Antrag eines Gläubigers oder des Gemeinschuldners voraussetzt (§103; Ausnahme für den Anschlußkonkurs §§ 19, 80, 101, 96VVglO), hat das Gericht bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben in der Regel von A m t s w e g e n vorzugehen und ist nur ausnahmsweise von dem Antrag eines Beteiligten abhängig, [vgl. § 72 Anm. 4], Namentlich stellt es die zur Klärung im Konkurs erforderlichen Ermittlungen auch ohne Parteianregung an (§75). c) Endlich obliegen dem Konkursgericht einzelne E n t s c h e i d u n g e n , die entweder unmittelbar das gemeinsame Verfahren betreffen (z. B. §§ 85 I, 91 I, 158, 162, 184) oder „wegen ihres Einflusses auf den Fortgang der Sache mittelbar das Interesse aller berühren und auf den Weg des förmlichen Prozesses nicht verwiesen werden dürfen" (z. B. §§ 95, 96, 176). Dagegen sind R e c h t s s t r e i t i g k e i t e n über Aussonderung, Absonderung, Aufrechnung, Gläubigeranfechtung oder Masseansprüche, ja selbst der Streit um das Konkursgläubigerrecht a u ß e r h a l b des K o n k u r s v e r f a h r e n s nach allgemeinen Regeln auszutragen. Das Konkursgericht hat lediglich die Prüfung der angemeldeten Konkursforderungen zu leiten und das Prüfungsergebnis in der Konkurstabelle zu beurkunden (§ 145). Eine Entscheidung über Bestand und Vorrecht bestrittener Konkursforderungen fällt das Konkursgericht als solches niemals. Nur in der Zuständigkeitsvorschrift des § 146 II, die den Feststellungsprozeß je nach seinem Werte dem Amtsgericht oder dem Landgericht des schwebenden Konkurses zuweist, klingt die gemeinrechtliche A n z i e h u n g s k r a f t des K o n k u r s e s (vis a t t r a c t i v a c o n c u r s u s ) nach. Diesem Prinzip zufolge waren alle mit dem Konkurs im Zusammenhang stehenden und nicht schon anderweit anhängigen Prozesse vom Konkursgericht als s o l c h e m zu schlichten (vgl. v. Schrutka i. d. Festschrift für Franz Klein 1914 S. 99ff.). Die Zulässigkeit allgemeiner Auszahlungen war von der rechtskräftigen Erledigung sämtlicher Streitigkeiten abhängig. Flüssige Massemittel mußten, schlecht oder gar nicht verzinst, bis zur Konkursbeendigung unverteilt bleiben und selbst Gläubigern mit völlig einwandfreien Ansprüchen vorenthalten

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Begriff und Wesen des Konkursverfahrens

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werden. Diese den Verkehrsbedürfnissen hohnsprechenden Grundsätze wurden für den größten Teil Deutschlands durch die preußische KO von 1855 beseitigt, in manchen Gebieten, namentlich in der sächsischen Staatengruppe, der Heimat des gemeinen Konkursprozesses, waren sie jedoch bis zum 1. Oktober 1879 in Geltung. In neuerer Zeit wird allerdings gerade im Interesse der Beschleunigung des Konkurses eine Rückkehr zur vis attractiva in der Form einer einheitlichen Zuständigkeit für alle gerichtlichen Aufgaben des Konkurses bei einer durch einen zweiten Berufsrichter ergänzten Kammer für Handelssachen vertreten, wobei diesem zweiten Berufsrichter die Aufsichtsaufgaben des heutigen Konkursgerichts obliegen sollten (Berges KonkTreuh. 1955 S. 53f. in wesentlicher Erweiterung von Vorschlägen des Verbandes der Vereine Kreditreform aus dem Jahr 1934, mitgeteilt bei Höver DJ 1935 S. 514). Die früheren Erfahrungen mit der vis attractiva mahnen allerdings zur Vorsicht bei Neuregelungen in dieser Richtung. Ausländische Rechte: § 71 Anm. 18, 1. 8. Das K o n k u r s v e r f a h r e n i s t f ü r k a u f m ä n n i s c h e u n d f ü r n i c h t k a u f - 6 m ä n n i s c h e S c h u l d n e r einheitlich g e r e g e l t . Die mitunter schwierige Frage, ob der Schuldner Kaufmann oder Nichtkaufmann, ob er Voll- oder Minderkaufmann ist, hat also auf die Art der Konkursbehandlung keinen Einfluß. Tonangebende italische Stadtrechte, namentlich die Statuten von Florenz und Genua, der Napoleonische Code de commerce und zahlreiche ihm nachgebildete Gesetze haben das Konkursrecht als Teil des Handelsrechts entwickelt, kennen also nur einen Konkurs des Kaufmanns ; anderwärts bestehen Unterschiede zwischen dem kaufmännischen und dem nichtkaufmännischen Konkurse [vgl. Bd. I Einleitung unter III], Die unterschiedslose Zulassung und Behandlung des Konkurses, die schon dem gemeinen Recht entsprach, genügt heute allein den Verkehrsbedürfnissen. Die Konkursstatistik erweist, daß der Konkurs des Nichtkaufmanns eine nicht unerhebliche Rolle spielt. So wenig wie der Kredit ist der Konkurs ein rein kaufmännischer Begriff. Da unsere Zwangsvollstreckung im Unterschiede zum französischen Recht auf dem Grundsatz vom Vorrang des Erstzugreifenden beruht, dieser Grundsatz aber nur bei allgemeiner Möglichkeit des Konkurses und der besonderen Konkursanfechtung (§§ 30, 35) erträglich wird, war die Zulassung des nichtkaufmännischen Konkurses bei uns ein unabweisbares Bedürfnis. Eine zwiespältige Ordnung des kaufmännischen und des gemeinen Konkurses empfiehlt sich nicht. Unterscheidungen, wie sie namentlich hinsichtlich der Zulässigkeit einer Konkurseröffnung von Amts wegen, hinsichtlich des Konkursgrundes, der Vorrechtsordnung, der Statthaftigkeit eines Zwangsvergleichs und der Wiederbefähigung gemacht werden, sind ohne jede innere Rechtfertigung. Vgl. Motive II S. 10 ff. In d e r L a n d w i r t s c h a f t spielte der Konkurs von jeher eine geringe Rolle. 7 Meist ersetzt ihn eine Liegenschaftsvollstreckung. Auch das gerichtliche Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses hat für Landwirte keine Bedeutung erlangt. Die besondere landwirtschaftliche Schuldenregelung auf Grund des Gesetzes ν. 1. 6.1933 (RGBl. I 331) und seiner zahlreichen DurchführungsVOen ist durch das Gesetz z. Abwicklung d. landwirtschaftlichen Entschuldung v. 25. 3.1952 (BGBl. I 203) abgeschlossen. 4. Auch eine verschiedene Gestaltung des Konkursverfahrens je nach dem Umfang der Masse, insbesondere eine verbilligte, vereinfachte und beschleunigte Abwicklung kleinerer Konkurse ist unserem Rechte fremd. Es gestattet lediglich eine Vereinfachung des allgemeinen Konkurses insofern, als bestimmte Einrichtungen nur fakultativ vorgesehen sind (wie der Gläubigerausschuß, § 87), gewisse Termine verbunden werden können (§§ 110, 183) und knappe Fristbemessung möglich ist (§§ 138, 179). In manchen Auslandsrechten werden dagegen geringfügige Sachen als K l e i n k o n k u r s e in einem vereinfachten, verbilligten oder beschleunigten Verfahren abgewickelt, so ζ. B. in Österreich (geringfügige Konkurse, §§169ff. KO), Holland (kostenlose Konkursbehandlung, Art. 16 F.W.), England (summarische Verwaltung kleiner Konkursmassen, §129 B.A., B.R. 298ff.), Italien

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§ 71 Allgemeine Bestimmungen Anm. 1 und der Schweiz (summarisches Konkursverfahren, Art. 155 ff. L.F. und Art. 231 SchKG). In anderen Auslandsrechten erübrigt sich eine besondere Regelung, weil hier jede Einzelvollstreckung zu einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger führen kann (so vor allem das französische Recht). Die Haltung des deutschen Konkursrechts in dieser Frage hat zur Folge, daß Konkurse mit kleinerer Masse häufig wegen des hohen Kostenaufwandes nicht eröffnet werden können (§ 107) bzw. eingestellt werden müssen (§ 202), so daß in diesen Fällen eine gleichmäßige Befriedigung der vorhandenen Gläubiger nicht durchgeführt werden kann, sondern ausschließlich die Prävention der Einzelvollstreckung Platz greift.

E r s t e r Titel Allgemeine Bestimmungen (§§ 71 — 101)

§ 7 1 Für das Konkursverfahren ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei welchem der Gemeinschuldner seine gewerbliche Niederlassung oder in Ermanglung einer solchen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt dasjenige, bei welchem zuerst die Eröffnung des Verfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechteverordnung die Konkurssachen einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte zuzuweisen, sofern die Zusammenfassung für eine sachdienliche Förderung und schnellere Friedigung der Verfahren erforderlich ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. M a t e r i a l i e n zu Abs. I und I I : Motive I Bd.2 S. Iff., Motive II S. 293ff., Protokolle S. 59, 161, Kommissionsbericht S. 17, 18. Abs. I I I eingeführt durch § 29 des Rechtspflegergesetzes vom 8. 2.1957 (BGBl. I S. 18, Berichtigung S. 44). Übersicht I. Zuständigkeit Anm. 1—15a 4. Bestimmung des zust. Gerichts Anm. 13 1. Amtsgericht Anm. 1 bis 15a 2. Orti. Ζ. Anm. 2—9 insbes. Z.-Streit Anm. 14 nsb s ' ®.8 · eewerbl. Niederlassung Anm. 2, 3 n . Aufgaben des Konkursgerl c h t r Anm. 16, 17 Anm " mehrere1- Genchte (Abs. II) Rechtspfleger Anm. 16 a. F.rsTr'eckung der Z. Anm. 8 u. 9 gemeinsames AG (Abs. III) Anm. 11 3. Ausschließl. Z., Verweisung Anm. 12

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· Amtspflichtverletzung Anm. 18 IV. Geschäftsgang Anm. 19 Zusatz: Fremde Rechte Anm. 20

I. Zuständigkeit des Konkursgerichts 1. F ü r das K o n k u r s v e r f a h r e n sind die m i t E i n z e l r i c h t e r n b e s e t z t e n Amtegerichte z u s t ä n d i g (vgl. §22 GVG., §165 ZPO). Wie bei der Einzelvollstreckung bestimmte behördliche Verrichtungen dem Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO), so sind die behördlichen Funktionen in Konkurssachen dem Amtsgericht als Konkursgericht zugeteilt. Das Reichsrecht konnte mit den nach Durchführung des Grundsatzes der Selbstverwaltung und nach Verwerfung der Anziehungskraft [Vorbem. 5 z. 2. Buch] dem Konkursgericht verbleibenden prozessualen Aufgaben [Anm. 16] den E i n z e l r i c h t e r betrauen, da sie den Aufwand einer Krlleginlentscheidunr: nicht rechtfertigen, zudem aber nach der Regel des Gesetzes (§ 73 III) einer Nachprüfung im Beschwerdeverfahren zugänglich sind. Die administrative Tätigkeit des Konkursgerichts eignet sich

Zuständigkeit des Konkursgerichts

§ 71 Anm. 2, 3 überhaupt nicht zur erstinstanzlichen Behandlung durch ein Richterkollegium. Vgl. Motive II S. 293f. Ausländische Rechte: Anm. 20. R i c h t e r a b l e h n u n g : § 72 Anm. 3; E x t e r r i t o r i a l i t ä t : § 109 Anm. 10. 2. Örtlich z u s t ä n d i g ist in erster Linie das Amtsgericht, in dessen Sprengel der 2 Gemeinschuldner seine g e w e r b l i c h e N i e d e r l a s s u n g hat, und nur, wenn er überhaupt oder doch zur Zeit einer solchen ermangelt., das Amtsgericht im allg e m e i n e n Gerichtsstande des Gemeinschuldners. Sonach geht die gewerbliche Niederlassung dem Wohnsitze der natürlichen wie dem Sitze der juristischen Person vor. Bis zur Novelle von 1898 war lediglich der allgemeine Gerichtsstand maßgebend. Die Änderung des Gesetzes beruht auf der Erwägung, den Konkurs bei dem Amtsgericht des Ortes verhängen zu lassen, an welchem der Gemeinschuldner d e n M i t t e l p u n k t s e i n e s w i r t s c h a f t l i c h e n D a s e i n s h a t (vgl. Kommissionsbericht S. 17f.). Hat also ζ. B. ein Kaufmann seinen Wohnsitz im Vorort einer Großstadt, seine gewerbliche Niederlassung im Stadtinnern, so darf den Konkurs nur das Amtsgericht der Niederlassung eröffnen. Denn hier hat der Schuldner den Mittelpunkt seines wirtschaftlichen Daseins, hier wird also auch sein S h