Schriften: Band 8 [Reprint 2013 ed.] 9783111430140, 9783111064697


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German Pages 231 [236] Year 1826

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Inhalt
Ich bin meine Schwester
Die weiß e Rose. 1820
Das Quartettchen im Hause.
Aus Herr Balthasars Leben.
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Schriften: Band 8 [Reprint 2013 ed.]
 9783111430140, 9783111064697

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C» W . C o n t e s s a ' 6

S c h r i f t e n .

Herausgegeben von

E. v o n

H o u w a l d.

Acht er

Band.

Lei pzi g, b e i G e o r g J o a c h i m Göschen 1326.

I n h a l t . I ch b i n mei ne Schwest er . in einem Aufzuge. 1 8 2 0 . D i e wei ße Rose.

Lustspiel S.

1320.

i



45

D a s ß u a v t e t t c h e n i i n H a u s e . Lust­ spiel in einem Aufzuge. 1321 und 1 3 2 2 .



79

A u s H e r r B a l t h a s a r s Leben. bis 1 3 2 3 .

— 181

132 1

Ich

bitt

meine

Schwester.

Lustspiel in einem Auf zuge. 1 8 2 0.

Ccilteff. Schritt. 8. Db.

T

Personen. 9t o f a l t e , I hr O h e i m . T h a l h e i m.

Hochberg. Li f e t t e , RofalienS Kammerjungfer.

Erst e Rosalie.

Scene.

D er Oheim. Lisette.

R o sa ti e, (se h r elegant und im neuesten Geschmack gekleidet.)

S i e wollen nur mein G lück? Wie könnt' ich's anders glauben ? Doch was zum Glück gehört — mein O nkel, S ie erlauben — D as sollte jeder doch am besten s e l b s t verstehn. Oheim. 3 a , könnte jeder nur auch ohne B rille sehn! R o s a l i e. D a wo das Herz spricht, da ist auch die W ahrheit. O h e i m. Gefärbtes G las giebt nicht die beste Klarheit.

4

I ch b i n m e i n e S ch w e st e r. Rosalie.

N u n j a , ich weiß es wohl.

Hochberg ist nicht I h r M ann. S i e tadeln meine W a h l. Doch sprechen S i e jetzt o ffe n : W a r u m d a rf Hochberg nicht a u f I h r e n B eifall hoffen ? O h e i nt.

W eit er dich nim m er glücklich machen kann. D ein Loos steht deutlich m ir a u f seiner S t i r n geschrieben. E r liebt sich selbst zu sehr, um jemand sonst zu lieben. Rosalie.

D a s ist V e r le u m d u n g ! N e i n , er liebt mich treu und w ahr! Doch I h r e s T adels G ru n d ist leichtlich zu ergründen. S i e ziehen Thalheim vor. E s ist m ir langst schon klar, M i t Thalheim wünschen S i e mich zu verbinden — O h e i m. N u n j a , ich laugn ' es nicht! A u f ihn fiel m e i n e W ahl. Doch will ich derne nicht im mindesten beschranken.

2 ch b in m e in e S chw ester.

5

Durch meinen Rath nur dacht' ich sie zu lenken. Du hast gewählt: wohlan! Hochberg sey dein Gemahl. Ich unterwerfe mich, wie das in solchen Fallen Den guten Onkels ziemt. — Nur eins noch bitt' ich dich: Laß mich sie beide noch auf eine Probe stellen! Rosat i e. Auf eine Probe? — W ohl! Erwünscht für ihn und mich! So helfen Sie ihm selbst Ih r Vorurtheil besiegen. Sein Herz wird keiner Probe unterliegen. Doch wie? Ich wüßte kaum------O h e i nt.

N un , eine kleine List. Du weißt, wie ähnlich du der altern Schwester bist. Sie hat, von Kindheit an, im Kloster auferzogen, Sich flüchtend aus des Lebens irren Wogen, Dem stillen Hafen jetzt auf immer sich geweiht. So bist du im Besitz des großen Guts geblieben, Das jenes Testament aus alter Zeit Dem Ae l t e s t e n des Hauses zugeschrieben, Das also eigentlich der Schwester Erbe war. Erdichten wir nun, daß, nachdem beinah das Jahr Der klösterlichen Prüfung i h r verronnen, Sie unerwartet plötzlich sich besonnen,

6

Ic h b in

m e in e S c h w e s te r.

Und in die W elt zurückgekehrt, der sie entflohn, Daß gestern Abend sie hier angekommen, Und daß ins Kloster du heut früh die Flucht ge­ nommen, Bewegt von G ram , Verdruß, unfähig diesem Hohn Des Schicksals still zu stehn, das reich dich machen wollte, D am it dir herber nur die Armuth werden sollte. Wenn ein unmodisch Kleid den schlanken Wuchs ver­ steckt, Den reichen Lockenbau ein schlichtes Häubchen deckt, Kurz aller äußre Schmuck und Glanz sich von dir trennen, So wirst du nun sehr leicht und mit Geschick und Glück Der Schwester Rolle vor den Freiern spielen können. S ie kamen beide heut von der Armee zurück; Fünf Monden sind, daß sie dich nicht gesehn, ver­ flossen; Und oft ja sprach ich schon von eurer Aehnlichkcit — Verglich zwei Rosen euch, die einem Stamm ent­ sprossen, Am Morgen diese, die am Abend sich erschlossen — R o s a l i e. Und meine Krankheit erst vor kurzer Zeit — D ie arme Rose, ach! sie thut mir selber leid,

Ich bi n m e i n e S ch w ester.

7

Wie sie verändert ist! — J a , das scheint wohl -u paffen, D er P l a n w a r 'g u t. Doch e r wird sich nicht tauschen lassen. E in liebend Herz sieht allzu scharf und fein. Wie Aethers Arme rings die E rd' umfaffen, H ü llt es mit geist'gem Ahnen das Geliebte ein, Und stumme Boten gehn unsichtbar hin und wieder. Oheim.

Romanensprache, Kind! das sind die alten Lieder! Versuchen wir's doch n u r ! S ie sind gewiß bald hier. Ich geh', empfange sie, um ihnen erst zu sagen, W a s sich in der Familie zugetragen, D an n bring' ich sie zur weitern P rü fu n g dir. Ro sa lie . Doch ist's ein grausam S p i e t ? Wie wird er es ertragen? Ich sehe seinen Schmerz, ich höre seine Klagen, Ach j a , ich fühle wie das Herz ihm bricht! Ohei m. Ah p a h ! V or Liebe stirbt man hier zu Lande nicht. Jetzt eile nur und laß Rosalien verschwinden, Und zieh Mathilden a n ! D a s andre wird sich finden. ( E r geht ab.)

8

2 ch bin meine Schwester.

Z w e i t e Rosal ie.

Scene. L i se 11 e.

Rosalie. Auch nicht das Heiligste kann seinem Spott entgehn! Wohlan, er soll beschämt vor seinen Zweifeln stehn; lind lehren w ill ich ihn auf wahre Liebe bauen. Li f et t e.

Ach G ott, mir w ill doch fast vor dieser Probe grauen. Die Proben solcher Art sind nicht für diese Welt. Nicht prüfen soll der Mensch sein Glück, nein, ihm vertrauen: Die Probe zeigt gar oft statt Gold nur falsches Geld. Rosal i e. Auch du, du zweifelst? Kannst wohl den Gedanken fassen, Daß er nicht wahr mich liebt, wohl gar sich nur verstellt, Wohl gar sich nur vom Glanz des Goldes leiten lassen?

I ch bi n me i n e S c h we s t e r .

9

E r , der in P r a c h t und A ufw and sich gefällt, D e r in der T h a t Verschwender fast zu nennen, M ein K in d , wie sollte der gemeine Habsucht kennen? Li sette.

Wer Pracht und Aufwand liebt, thut's oft aus Stolz allein.

M a n kann verschwenderisch und doch habsüchtig seyn. R 0 sa l i e. O schweig! D u scheinst m ir m it dem O heim einver­ standen. Umsonst ist eure List! S e i n Herz macht sie zu Schanden!

Dr i t t e Scene. D e r O h e i m. D i e V o r i g e n . O h et m. G eschw ind, R o s a lie ! der Thalheim ist schon da. 3ch lief n u r schnell h e ra u f, eh' er mich etwa sah. M ein Kammerdiener m it wehmüthigem Gesichte, E rz ä h lt ihm unterdeß die trau rig e Geschichte,

io

Ic h b in m e in e Schw ester.

Der Schwester Ankunft und daß du bereits entfloh«. Jetzt eil', und kleide schnell dich um.

RosalLe. Ich eile schon. (S ie geht ab.

Vierte Lheim

Lisette folgt ihr.)

Scene. (a lle in .)

Nun wollen wir doch sehn! die Würfel liegen. Wenn die Verkleidung auch nur wenig sie verstellt, Ich bin gewiß, daß auf die Wahrheit keiner fallt. Je einfacher die List, je sicherer zu siegen. Die Eigenliebe selbst hilft dann uns mit belügen, Weil sie nicht glaubt, daß jemand möglich halt, M it so geringer Kunst uns zu betrügen. D a ist e r ! -------

I ch b in m e i n e S c h w e s t e r .

Fünfte T h a l h e i m.

Scene. D er Oheim.

T h a l h e i m. Was ist d as? Hab' ich denn recht gehört? W ie ? oder hat mich nur ein böser Traum bethört? Es ist nicht wahr! N ein, n e in ! Wie sollt' ich es ertragen! Ich bitte, sprechen S ie ! O h ei m. Was kann ich Ihnen sagen? Mein guter Thalheim, ja , es sieht in meinem Haus S e it gestern Abend sehr verändert aus. S ie finden es nicht mehr, wie S ie's verlassen haben.

Thalheim. Nosalie — ist es wahr — ? — Ohei m.

Rosalie ist fort.

i2

I c h b i n m e i n e S c h w e s t.e r'.

T h a l h e i m , (abgewendet.) S o laß dich armes Herz nur immerhin begraben! Allein wo ist sie h in ? S ie kennen doch den O r t ? O sagen S i e ! O h et nt. E r ist mir unbekannt geblieben. Denn heimlich ist sie fo rt, und hat mir bloß ge­ schrieben, D aß sie ins Kloster eilt. T h a l h e i m. O G o t t , ins Kloster! sie! Und ruhig haben S ie ihr nachgesehen? W ie ? Auf allen S tra ß en nicht ihr schleunig nachgesendet? Nicht selbst sich aufgemacht? I h r väterliches W ort, Gewiß es hätte den Entschluß noch leicht gewendet! Vermuthen S i e nicht wenigstens den O r t ? O schreiben S ie ihr! — S ch n e ll! — Ich werfe mich zu Pferde — O schnell! Ich bin gewiß, daß ich sie finden werde — Oheim.

Mein theurer Freu nd, soll ich es Ih n e n frei gestehn? Unwiederrustich scheint, nothwendig, was geschehn. Gewiß das arme Kind ist schmerzlich zu beklagen, Allein nach alle dem, was sich hier zugetragen,

Scheint der Entschluß, den sie gefaßt, der beste m ir. W as blieb ihr in der W e lt? W as sollte sie noch hier ? Bedenken S ie nur selbst, ob sie hier bleiben konnte, H ie r wo sie fröhlich sich tut G lanz des Reichthums sonnte, H ie r sollte traurig sie, verbleicht, im Schalten stehn? Dem schadenfrohen M itle id , ja dem Hohne Gebeugten Hauptes zahm entgegen gehn? D aß ich nicht helfen kann, ist leichtlich einzusehn. Denn mein Verm ögen, es gehört ja meinem Sohne. T h a l h e i m. Ganz

recht!

Verzeihn

S ie !

Ich vergaß es ganz und gar, Ich T h o r , daß sie nicht Ih r e Tochter w ar. Ich sah sie jede Pflicht der Tochter kindlich üben, D r u m , w ähnt' ich, müßten S ie als V a te r sie auch lieben. D h e t n t.

D as hab' ich, habe sie recht herzlich auch geliebt. A u f iuuner hat ihr Loos das Leben mir getrübt. Doch wer d arf gegen die Nothwendigkeit sich strauben? Ich suche meinen Schmerz zu tauschen, zu betäuben, Ich suche m ir Ersatz für das was einmal hin. Und folgten S ie doch auch nur meinem S i n n ! S ie haben stets in m ir den wahrsten Freund gefunden;

14

Ic h

b in

m e in e S c h w e s te r.

W ie gern hatt' ich mit mir S ie enger noch verbunden. Doch in Rosaliens Brust schlich sich ein Andrer ein. O dürft' ich mich doch jetzt der neuen Hoffnung freu'n, Daß mir Mathildens H erz, noch frei und unbefangen, Nun meinen liebsten Wunsch, mein herzlichstes V e r­ langen, Durch seine kluge W ahl doch endlich noch erfüllt. T h a t h e i m. W ie ? was verlangen S ie? Hier lebt Rosaliens B ild . O h e i m. N un ja , Rosaliens B ild ! Das ist ja waö ich meine. Mathilde ist Rosaliens Conterfey. Zwar fehlt die P o litu r wohl noch dem Edelsteine, D ie nur die W elt ihm giebt; sie ist noch etwas neu; Doch sehn S ie nur sie erst: auch das gefallt zuweilen. Heda, Lisette! (Llsette erscheint.) Geh, und ruf' Mathilden her-. (Lisette geht ab.) T h a l h e i m. Was machen S ie ! Ich soll sie sehen! Nimmermehr! N u r jetzt nicht, jetzt nicht! N e in , die Wunde muß erst heilen —

Ic h b in m e in e S c h w e s te r .

15

I h r Anblick — oder wie? — S o hatten S ie gemeint, Daß nur Rosaliens G o ld ------

Oheim, N ein, nein, mein theurer Freund, Ich kenne S ie zu wohl! —

Daß ich jetzt gehe.

T h a l h e i m. S o wollen S ie ertauben,

O heim. H alt! W as soll M athilde glauben? Von Ihnen ist gewiß doch Meldung schon geschehn, Und für Beleid'gung muß sie's nehmen, wenn S ie gehn. T h a l h e i m. Mein G ott, was aber soll ich feigen, mit ihr sprechen? O h e i m. Der Schwestern Aehnlichkeit wird schon die S traß e brechen.

16

Ich bin m e i n e Schwes t e r.

Sechste Rosalie.

Lisette.

Scene. Die Vorigen.

( Stofalte höchst einfach und sittsam gekleidet.) O h e i m , (vorstellend.)

H ie r, Herr von Thatheim!

M ir als Freund sehr werth und lieb. E r w ar sonst gern bei u n s ; das hast du schon ver­ nommen : S o hoffen w ir , wenn's auch nicht ganz wie sonst hier blieb, E r werde gern gesehn, auch gern wie sonst noch kommen. Mich ru ft jetzt ein Geschäft a u f einen Augenblick. S i e muffen mir verzeihn! Ich kehre gleich zurück — lind meine Nichte wird indeß Gesellschaft leisten. ( Z u Mathilden.) D u mußt zum Umgang nun mit M ännern dich erdreisten. Die W elt, wo du jetzt bist, verlangt das nun einmal. G eh ) unterhalt' ihn hübsch! ( E r geht ab.)

2 ch b i n ni e i n e S c h w e s t e r .

Si e b e n t e Scene. Rosatie.

Thalheim.

Lisette.

T h a l h - i m , (fü r sich.) £) Himm el, welche Qua i ) (Nach einer Pause, laut.) Gewiß, mein Fraulein, nie wär' ich vor Ihnen I n dieser Stimmung des Gemüths erschienen. Doch Ihres Oheims Wunsch gestand so dringend sich, Ih m hab' ich nur gehorcht. Ros alie, (m it einem verlegenen Knix.) O S ie beschämen mich! T h a l h e i m. Jetzt wo mich, Das Ja, Läßt Der

ganz andre Hoffnung führte, Unerwartete so schmerzlich rauh berührte, S ie vergeben m ir, mein Fraulein, sicherlich, meine Zunge, gleich dem schlechten Komödianten, seine Rolle nicht gelernt, mich jetzt im Stich.

Tontess. S c h rift.

den hieher

8-

Do.

2

iS

Ich bin mei ne Schwester.

R o s a l i e , (w ie oben.) S i e sind sehr g ü t i g ! T h a l h e i nt. Ach , wenn S i e die Liebe k a n n te n !

Lisette. E i , H err von T h a lh e im , S i e vergessen sich! I m Kloster wuchs sie auf. S i e werden doch nicht glauben, Ich bitte S i e , daß es im Kloster Liebe g ieb t?

Rosalie. O doch, mein gutes K i n d : ich habe viel geliebt. Ich liebte meinen M o p s , und meine T urteltaub en, Und Schwester U rs u la, und meinen P a p a g e i, E r ist doch artig und so schön und klug dabei. Und meine B l u m e n , o , ja die vor allen D ingen — W a ru m doch ging es nicht, mein Gärtchen m itzu­ bringen ! — J a meine B l u m e n , ach, die hab' ich sehr geliebt. Und wenn der W in ter k am , und alle B l ä tt e r fielen, — G ew iß sie schienen w as ich sprach zu fühlen — Und von den stummen, und doch freundlichen Gespielen, E r m ir die letzte n a h m , wie sehr hat mich's betrübt. Und bis zum F rühling hin konnt' ich sie kaum ver­ gessen.

Ich bin meine Schwester.

19

T h a l h e i m. Ach eine Rose hab' ich auch besessen, Die meinem Leben selbst erst Glanz und Farbe lieh: Der Winter nahm sie fort, und nie vergesst ich sie! R o s a l i e , (schüchtern.) Doch wenn der neue Lenz und neue Blumen kommen? T h a l h e i m, (nach einer tezcn Pause.)

Ein Mahrchen hab' ich einst aus Morgenland ver­ nommen, Von einem Wandrer, den ein Engel in der Nacht Auf einen Berg geführt, und als der Tag erwacht, Sieht er das Paradies zu seinen Füßen liegen, Und Himmelsahnung, nie gekannte Lust, Den ewiggrünen Frühlingsau'n entstiegen, Sie schlagen an sein Herz, sie füllen seine Brust; Da faßt der Engel ihn, und führt in raschem Fluge Ihn weit hinweg und heißt ihn weiter ziehn. Allein wohin er nun auch kommt auf seinem Zuge, Wie lockend um ihn her des Lebens Freuden blühn, Ih n halt kein O rt zurück, kein Reiz mehr fesselt ihn, Die Sehnsucht fühlt er nur nach dem V e r l o r n e n glühn, Und endlich in den nie gestillten Flammen

»o

Ich b in m eine S chw ester.

Bricht das verarmte Herz zu Staub zusammen, Und brechend fühlt ers noch von neuer Sehnsucht glühn. L i s e t t e. Der arme Wandersmann r Ach wie beklag' ich ih n ! (A u f Rosalien deutend.) Hub Augen seh' ich dort, d'rin schimmert's fast wie Thränen. Rosalie, (indem sie verlegen ihre Bewegung zu verbergen sucht.) Was willst du? — N ein! — mein Ko p f — ich war — wie kannst du wahnen? — Meinst du, ich weiß es nicht, was das bedeuten soll? Rosalien haben Sie geliebt, das weiß ich wohl, U n d ------T h a t h e i m. J a , ich liebte sie, wie wenig Männer lieben, M it jeder Kraft des Lebens, wahr und rein. Doch wer, der jemals in dem milden Sonnenschein Von ihrem Reize stand, war' unerwarmt geblieben? Es war ja nicht der Glanz der Schönheit nur allein. Es war der heitre S in n, der alle Launen bannte, Die Anmuth war's, die kaum sich selber kannte, Es war des reichen Geist's ergötzlich Farbenspiei,

Ich bin m e i n e S ch w ester. Und D er D as Und

21

doch dabei das H e r z , d as selbst in dem G ew ü h l großen W e lt so rein und from m geblieben, w a r 's , d a s mußte m an auch w ider Willen lieben« A lles, Alles das., soll nun verloren fci;n!

Rosalia Lisette — N e i n , mein F r e u n d -----( S i e macht hastig eine Bewegung nach ihm hin; er kommt ihr erwartungsvoll entgegen; sie bleibt sich plötz­ lich besinnend und ihre Rolle wieder ergreifend vor ihm stehn, und macht ihm einen K n ir.) S i e werden m ir verzeihn — Ich m e i n t ', es fei; fast hübsch, sich so geliebt zu wissen. Doch mich, mich werden S i e nu n freilich Haffen müssen. T h a l h e i m. Wie könnt' ich hassen, seh' ich diese J ü g e a n ! N e i n , tadeln kann ich nicht e in m a l, w as S i e gethan. S i e schauderten zurück Gelübde auszusprechen, D ie alle B lü th e n von dem Leben brechen, O w er begreift das nicht, w er m ag d as nicht ver­ zeih» ! Doch I h r e n O heim — ich gesteh' es ein — R e i n , den begreif' ich nicht, und kann ihm nicht vergeben.

22

I ch b i n m e i n e S c h w e s t e r .

E r , der mich doch w ohl ken nt, e r , der mich selbst so eben M i t seinem Unglückswort bis a u f den Tod verletzt, F u h rt jetzt m it Ih n e n mich zusam m en, eben jetz t! J a , er v e r l a n g t -----( E r stockt.)

Rosalie. N u n w a s ? W a s will er denn verlan g e n d T h a l h e i m. D a ß ich um I h r e H an d selbst mich bewerben soll. Ro s a l i e .

Ach, das erschreckt mich recht! L h a l h ei m. M ein Herz ist jetzt zu voll. E s h a lt sein rasch G efühl nicht in der B r u s t gefangen: W ie schön, wie liebenswerth S i e sind, ja wie S o sehr Rosalien gleich, doch sind S i e ja nicht s i e , Und n u r an sie allein w ard von den ersten S tu n d e n M ein ganzes Leben unauflöslich fest gebunden. R o s a l i e. Allein R o s alie? Ich hab' es w ohl gehört — Resatie w a r wohl kaum so vieler Liebe werth.

I ch b i n m e i n e Sc h we s t e r .

23

Don andrer Neigung schien ihr Herz ja schon be­ fangen. Thalheim. J a , einem Glücklichern war es schon zugewandt. Ich weiß es. R o s a l i e. Nun ? W ar' sie ins Kloster nicht gegangen, S o reichte sie ja doch dem Andern ihre Hand. Drum was verlieren S ie? T h a l h e i nt. Wenn ich bas Glück nicht fand, So ward es ja doch.ihr! Was durft1 ich noch ver­ langen ? Ein frohes Lächeln nur auf ihrem Angesicht, Erkauft1 ichs freudig denn mit meinem Herzblut nicht? Und kann ich rechnend m e i n e n Vortheil wagen, D a rf ein Gedanke nur an m i ch bei mir sich regen, Wenn sie unglücklich ist? Und ist sie es denn nicht? I m Kloster! S ie ! die Ros1 in öden Leichenhallen! D er Frühling von dem Eis des Winters überfallen! Ach, den Entschluß, der rasch den ersten Schritt gemacht, Ih n führen Schaam und Stolz gewiß auch an das Ende.

»4

Ich bi n meine Schwester.

Ju spät ist das Gespenst der Reue dann erwacht, Es legt der Gram die abgezehrten Hände Katt an das warme Herz und in des Lebens Nacht, Dem kein Gebet den Frieden noch erflehte, Bricht tröstend nur der Tod als bleiche Morgenröthe. So wird ihr trauernd Bild nun immer vor mir stehn, Wird flehend sich in Traum und Wachen an mich ketten, Ich seh' sie sterben, ach! und kann sie doch nicht retten! Vergönnen Sie, mein Fraulein, mir, zu gehn? Denn ich verletze Sie, ich fühl's, mit meinen Klagen. (E r geht schnell ab.) Ro salie, (bleibt in Gedanken stehn; dann nach einer Pause.) Lisette! — Lisette. Ach! -

R o s a l i e. Was kann mir Hochberg nun noch sagen? Lisette. Da ist er! Ja, er ist's, der mit dem Oheim spricht. Geschwind, daß wir noch ihm schnell entlaufen! Der Onkel braucht ja Jeit zum traurigen Bericht.

Ich b in m e in e S c h w e ste r.

25

R 0 sa tie . Ein Lächeln wollt' er mir mit seinem Herzblut kaufen! (B eide ab.)

Acht e D er Oheim

Scene. und Hochberg.

Höchberg.

Auf E h re, dieser Fall — ist einer von den Fallen, Die fast Gespenstern gleich sich i n . den Weg unS stellen. Wie klug man ist, darauf kann man gefaßt nicht seyn. W i e ? diese Schwester fast begraben und vergessen, Trotz allem menschlichen, vernünftigen Ermessen, S te h t plötzlich wieder auf und tr it t ins Leben e in ? ! O h e i m. Nicht anders. J a , so ist's. Hochberg. M ein G k tt — ! — Doch darf ich fragen — : 2st sie denn schön?

26

Ich b i n m e i n e Schwester. O h e i m.

Gewiß schon hörten Sie mich sagen, Wie weit die Aehnlichkeit der beiden Schwestern reicht. H o ch b e r g. O f t , oft! erinnre mich! Wenn sie Rosalien gleicht — Mein G ott, das arme Kind! Mein Herz führ ich zerrissen, Denk' ich an sie! Denn ich — o G ott, Sie selber wissen, Wie sehr ich sie geliebt. So ist es wirklich wahr, Durch diese Rückkehr wird ihr alles fortgenommen? Und alles, alles wird die Schwester nun bekommen? Ich sage: a l l e s ? O h e i m. Ja. Das Testament spricht klar, Dem Aeltestcn allein gehört das ganze Erbe. H o ch b e r g. Und — I h r Vermögen? O h e i m. Hat mein Sohn, sobald ich sterbe. Ihm darf ich nichts entziehn.

I ch b i n m e i n e S c h w e s te r .

27

H 0 ch b e r g. O , freilich! Offenbar! N ein , ich erhole mich noch gar nicht vom E rstau nen ! Die Schwester — ! — H a , das sind recht schwester­ liche Launen! Gestehen S ie mir ein, man kann sich doch fürwahr Auf die Verwandten nicht im mindesten verlaffen, Als bis sie todt sind.

Oheim. W ohl! H 0 ch b e r g. Ich kann's noch gar nicht fassen: W a s hat denn ihren S in n so plötzlich umgekehrt? O h e i nt.

W as man verlieren soll, verdoppelt seinen Werth. Wer weiß, hat man ihr nicht den Reiz der Welt geschildert. Die F an ta sie, allein und ungestört im Haus, Von keiner Wirklichkeit gezügelt und gemildert, M a lt oft ein einzig W o rt zu einem Himmel aus. S ie hat vielleicht das Glück der Schwester rühmen hören,

Lg

Ich b in m eine Schw ester.

Man sprach von Ihnen, und, mein Freund, Eie sind der Mann, Den heiligsten Beruf zum Kloster zu zerstören. H o ch b e r g. Ja? glauben Sie? — Doch wie? wenn ich gut rathen kann, Das hingeworfne Wort scheint mehr noch zu ver­ stecken. Sie haben mir gewiß noch etwas zu entdecken. Sie lächeln? Nun? wie? was? O sagen Eie ge­ schwind, Sie glauben wirklich, daß das gute Kind — Sie glauben, daß sie von mir sprechen hörte? O h e i m. Ich glaube, daß sie bald von Ihrem ganzen Werthe Sich selber überzeugt. — Sieh da! sie ist schon hier!

Ic h b in m e in e S chw ester.

N e u n te

29

Scene.

D e r L h e im. H 0 ch b e r g. R 0 s a l i e. O h e i m. Mein Kind, heut Morgen ja gestandst du mir, I n deinem Kloster war zuweilen wohl die Rede Don den Bewerbern um Rosaliens Hand; Der Name Hochberg ward gewiß zuerst genannt, Und — sieh, dieß ist der Herr! — das Kloster macht so blöde! — Wenn man sein Bild dir treffend dargestellt, So brauch' ich dir ihn ja nicht erst zu nennen, Ein Blick reicht hin, ihn wieder zu erkennen, Den Schmuck, die Seele unsrer großen Welt, Den Liebling — H 0 ch b e r g. O , mein Gott! ich siehe, mich zu schonen! O h e i m. Ich bin gerecht nur.

Dem Verdienste seine Kronen! ( Heimlich.)

Sei Ihrem Anblick ward sie ja ganz roth! Gesehn?

3o

I ch b i n m e i n e S c h w e s t e r .

Hochberg.

O mir zu schmeicheln wag' ich n ic h t-----O h e i m. M a n mit6 gestehn, Au viel Bescheidenheit ist eine Ih r e r Schwachen.

Zehnte Liselte.

Die

Scene. Vorigen.

L i s e 11 e. E s ist da eine F r a u , die wünschte S ie zu sprechen. O h e i m. W ar' von Rosalien vielleicht gar Nachricht d a ? Erlauben S i e ? — H o c h b e r g. 0 in Verzweiflung war' ich ja, S o llt' ich S ie hindern? O h e i m , (z u Rosalien.) Nicht so ängstlich und beklommen!

2 ch b in m eine S chw ester.

31

Kopf in die H öh'! den Muth zusammen jetzt ge­ nommen ! Das ist ein alter Freund von Haus, der Nachsicht hat M it meinen Gänseblümchen in der S tadt! ( E r geht ab.)

Stifte R 0 s a lie .

Scene.

Höchber g.

Li s e t t e .

Hoc hber g. Ah n

Welches B ild ! Wer kann sich so ver­ gehen ! Hat er die weiße Rose nie gesehen, Die aufgeblüht bei Nacht jetzt in den Morgen taucht, Von seinem zarten Roth verklärend angehaucht, Die Morgenröthe selbst in reinem Busen tragend? tlo n c !

Rosalie,

(zu Lisetten.)

O weh, Lisette! das klingt wahrlich niederschlagend! ( Laut.) Eie meinen wohl, ich bin der weißen Rose gleich? Eie sind sehr gütig! 2a, ich bin heut' etwas bleich.

Sa

I ch b i n me i n e Schwest er .

Hoc h be r g, ( fü r sich.) Beim Himmel, sehr naiv! (Laut.) Wo so zwei Sonnen leuchten, War's Wunder, wenn vor Neid die Nachbarn drob erbleichten?

Rosalie. Zwei Sonnen! Gehn Sie doch! das ist so Schmei­ chelei, Man hat mirs wohl gesagt: Sie denken nichts dabei. Nicht wahr, so ist's? Viel sprechen, wenig denken, Soll in der großen W elt, so hört' ich, Mode seyn. Hochber g. Mein Fraulein, ah, das heißt, mich tödtlich kranken, Indeß, seit ich Sie sah, ich raum' es Ihnen ein, Seitdem, ja, freilich denk' ich nichts — als E ie allein. Rosalie, (m it traurigem Kopfschütteln.) Wi e? nichts — ? — Hochberg. JO könnten Sie in meinem Busen lesen!

Ich bi n meine Schwester.

33

Rein, fremd ist mir bis jetzt noch das Gefühl ge­ wesen, Das heut' Ih r erster Anblick mich gelehrt. R 0 sa l i e. So war Rosalie? — Ach, ich habe doch gehört, Daß Sie sie liebten. H 0 chberg. Ja, ich kann nicht hintergehen: Rosaliens Schönheit hat — ich will es laut gestehen — Sie hat stets über mich sehr große Macht geübt. SH0 f al t e. So haben Sie doch wirklich sie geliebt? H 0 chb er g. Sie fragen das mit so lebendigem Feuer — Die Neugier — oh, wie ist sie meinem Herzen theuer! Und dieser Augen Glanz war' ich nicht werth zu schau'n, Vergelt' ich sie nicht mit dem offensten Dertrau'n! Run, hören Sie mich an: Ros at i e, ( traurig.) Ach, ja doch, ja, ich höre Tonteff. Schrift.

8. B d.

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I ch bi n me i n e Schwest er .

Hochberg. Ich weiß, ins Kloster schleicht trotz aller strengen Lehre, Trotz eisernem Verbot sich manch' Romanchen ein; Da wird es Ihnen denn wohl vorgekommen seyn, Wie manchmal sich dem Helden der Geschichte I n einem wunderbaren Traumgesichte Das B ild der künftigen Geliebten stellt: Wie er von ihm erfaßt, vom schönen Wahn befangen, Die heiße Sehnsucht, das unruhige Verlangen Nach schöner Wirklichkeit, das seinen Busen schwellt, Für wahre Liebe zu dem Traumphantome hält, B is endlich nun der Augenblick gekommen, Wo die Geliebte selbst sich seinen Blicken zeigt,. Nun flieht der kurze Wahn, das luft'ge B ild er­ bleicht, Und mit Entzücken hat sein Herz nun erst ver­ nommen, Was wahre Liebe sey, die doch kein Traum er­ reicht. Das ist mein Schicksal. J a , ich fühl's in voller Klarheit: Rosalie war das B i l d , doch hier nur ist die

Wahr hei t ! R o s a l i e , (fü r sich.) Ha, der Verrather!

Ic h b in m e in e S c h w e s te r.

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Hochberg. N e i n , verbergen S i e mir nicht Die holde G lu th , die m ir.d en schönsten Tag ver­ spricht, Nicht diese liebliche V e rw irrun g, dieses B eb en , — O dieser Augenblick weckt mir ein neues Leben! Bei dieser schönen Hand, Mathilde, schwör' ich h i e r ( E r will ihre Hand küssen, die sie ihm hastig entzieht.) R o s a l i e. E s ist g e n u g ! H in w e g ! Höchberg»

Mein G o t t , S i e zürnen m ir? — Rosalie. D er S c h w u r ist doch nur Luft und geht in Luft ver­ loren. Ach, haben S i e nicht auch Rosalien geschworen! H o ch b e r g. J a — d o c h -----Rosalie. Doch — ja — Vielleicht — kann seyn, S ie täuschen mich und sich — einem Schein vielleicht läßt sich I h r Herz belügen:

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I ch bi n mei ne Schwest er .

Rosalien immer noch sehn Sie in meinen Zügen — Rosalien lieben Sie noch immer und — nicht mich. Jst's nicht so? (F ü r sich.) Könnt' ich jetzt in seine Brust doch blicken. H o ch b e r g. Ha, diese Eifersucht erfüllt mich mit Entzücken! Nein, nein, nicht Täuschung! Nein, mein Herz be­ trügt sich nicht. Wie vor des jungen Tages glüh'ndem Licht Des Mondes schwache Strahlen schnell verbleichen, Seh' ich Rosaliens B ild erblassen und entweichen. In dieser Brust ist nicht mehr Raum für sie. Sie ist vergessen. Rosalie, (nach einer kurzen Pause.)

Jst's denn wahr? Jst's wirklich? Wie? Vergessen! — Armes K in d ! Begraben und vergessen! So war ein ganzes Jahr voll Heuchelei und Trug, Des Lebens höchstes Glück, das du besessen! J a , Sie zu lieben, war Rosalie schwach genug, Ich weiß es Ach, sie hat mir's ja gestanden! — Hochber g. Gewiß um alles Gold aus allen deutschen Landen, Würd' ich dieß niemand als der Schwester eingestehn:

Ic h b in meine S ch w este r.

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Sie haben recht; sie schien mich nicht bloß gern -u sehn, Sie liebte mich — und wie! Doch lassen Sie mich schweigen! Kurz diese Leidenschaft war's was mich an sie band. Denn sie war schön — nun ja , doch wohl damit bekannt. Sie mochte gern der Welt in Schmuck und Glanz sich zeigen, War gern die Sonne, die allein a»y Hnnmel stand, Und blendete sehr gern mit Witz und mit Verstand. Doch war das, im Vertraun, nur ein geborgtes Wesen. Man hatte viel gesehn, gehört, auch viel gelesen, Und brachte nun die eingemachten Bröckchen frisch, Als eignen grünen Zuwachs auf den Tisch. Rosalie,

( z u Lisetten.)

Lisette! ha, das ist zu viel! Das Ungeheuer! 'F o rt! ich erliege! fort! ( S i e geht schnell m it Lisetten ab.)

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Ich bi n mei ne Schwester.

Zwölfte

Scene.

Hochberg (allein.) E i, so auf einmal jetzt? Geht sie erzürnt davon, weit ihr die Schwester theuer ? Weil das, was ich von ihr gesprochen, sie verletzt? Pah! Ziererei! Und werd' ich morgen mehr noch wagen: Lacht sie dazu! — Was wir vom Dritten Böses sagen, Halt auch der Beste selbst hal b für sein eignes Lob. Und sie — ? — Als die Natur das Wei b zusam­ men wob, Ward von der S p i n n e n Art was wenigö einge­ schlagen; Weiß nicht ob's Zufall war, ob es mit Fleiß geschah. Wie schön die Weiber drum von ihrer Freundschaft reden, Ist jed' im Stillen doch die Feindin einer jeden, Und gegen ihr Geschlecht stets auf dem Feldetat — Rosalie thut mir leid; ich war ihr sehr gewogen. Sie war ein gutes Kind; das scheint mir diese nicht. Doch di eser ist der Gott des Reichthums zuge­ flogen ;

Ich b i n me i n e Schw ester.

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Armuth ist finstre Nacht, Reichthum ist Sonnenlicht; E s ist die Schuld des Adlers wahrlich nicht, Wenn er hinauf zur S o nne wird gezogen!

Dreizehnte Scene. Hochberg.

D er Oheim.

Rosalie.

Lisette.

(R o sa lie bleibt im Hintergründe des Theaters zurück, und spricht m it Lisetten.)

O h e i m. N u n ? I h r Gespräch w ar l a n g ; wie ist's? Gestehn S i e m ir: S ie find nicht sonderlich erbaut von ihr ? Noch gar zu blöde, nicht? ein wenig link'sches Wesen? D a s Kloster! überall ist's noch heraus zu lesen. J a , freilich wenn man mit Rosalien sie vergleicht — Hochberg. Wie, glauben S ie , daß dieß zum Nachtheil ihr gereicht? R o s a l i e , ( nähert sich.) Ich bin entzückt von ihr. Und darf ich anders hoffen,

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Ich b in meine Schwester.

Daß mein Gefühl auch Mitgefühl getroffen, @o ist mein Leben ganz dem Fraulein nur geweiht. £ hei m. tim diese artige Herzensgeschmeidigkeit Muß ich Sie, theurer Mann, mit Freuden fast be­ neiden ! Doch meiner Nichte kommt es zu, hier zu entscheiden. Wie? Thalheim!

V i e r z e h n t e Scene. D ie V o r i g e n .

Thalheim.

T h a l h ei m. Ja, ich kehre schnell zurück. Rosaliens trauernd Bild weicht nicht vor meinem Blick. Don Reu und Gram verzehrt, von öder Nacht um­ geben, Seh' ich erbleicht, verwelkt, zerknickt das schöne Leben In dumpfer Einsamkeit verlassen untergehn. Und rnüfssg klagend sollt' ich hier von ferne stehn,— Giebt's ein Vielleicht noch irgend, das sie rettet? !

Ich bi n mei ne Schwester.

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Wenn von der alten Neigung einst zu ihr Ein Ueberrest nur leist Ih r Herz noch an sie kettet, O so beschwör' ich Sie, so eilen Sie mit mir, Fort, schnell, sie aufzusuchen, sie zu finden! Wenn Ihre Bitten dann mit meinen sich verbin­ den -----( E r zieht ihn auf die Seite; Rosalie folgt ihnen, und hört voll Bewegung auf seine Worte. Sie dürfen Ihrem Sohne nichts entziehn: Ich achte diesen Grund, ich ehre ihn; Doch keine Pflichten giebt es, die m i ch binden. Rosaliens Rettung nur ist meinem Herzen Pflicht. Es ließ das Schicksal mehr/ als ich bedarf, mich finden, Gab es mir auch die Gunst des Reichthums nicht, Und soviel misst ich leicht, und ohne zu entbehren, Ein unabhängig Loos Rosalien zu gewahren, Wenn ich noch Ihren Freund mit Recht mich nennen kann, So bieten Sie ihr das in I h r e m Namen an. Frei soll sie seyn, kein Gram sich an ihr Leben hangen, Frei in Entschluß und Wahl kein quälend Muß sie drängen, Und weißt sie dann vielleicht auch meine Hand zurück,

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Ich b in m e in e S ch w ester.

S o schwankt mein Wille doch drum keinen Augen­ blick. I h r Glück allein ist mir die Seele alles Strebens, D ie Liebe ja zu ihr der Athem meines Lebens; I h r G ram zerreißt m e i n H e rz, ihr Unglück ist ja me i ns, Und w ie, wenn au f dem Meer der T ag sich will erschließen, D a n n Ftuth und Morgenroth in eins zusammen­ fließen, S o ist mein Himmel auch und ihre Freude e i n s . R o sa l i e. T h alheim , wie so tief beschämt steh' ich vor Ih n e n ! Kann so viel Liebe je Rosalie verdienen? V o n nun an lebt sie in dem Streben nu r allein, S o reiner, edler Liebe werth zu seyn. S o mag M athilde denn nur immerhin verschwinden; Rosalie hochbeglückt reicht Ih n e n ihre Hand. Die kleine List ließ so das treuste Herz mich finden, Durch s i e auch hab' ich das t r e u l o s e s t e erkannt. ( S i e giebt Thalheim ihre H and, indem sie einen ver­ achtenden Blick auf Hochberg wirft.) Rosalie!

T h a l h e i m.

Ich b in m e in e S ch w ester.

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H 0 chberg. W ie ? H a lt ! W a s ? (Z u m Onkel.) W as heißt das hier, mein B ester? Rosal i e. Es heißt: dieß mein G em ahl, und ich bin meine Schwester! T ha lh eim , (abgehend mit ih r .) Rosalie! I s t 's denn w a h r? O wer faßt mein E n t­ zücken !

R o s a lie !

O h e i m , ( z u Hochberg.) N u n , mein F reu n d ? was sich vor Ih re n Blicken Hier zutrug, machen S ie doch zum Gebrauch für's H aus, Und Nutz und Frommen jener armen Wesen, Die gern im Kloster ins Geheim Romane lesen, Ein artiges Geschichtchen schnell daraus. ( E r geht mit einer Verbeugung ab.) Lisette. Und lassen S i e d'rin nicht die Kammerjungfer au s! ( S i e macht ihm einen Knix und geht ab.)

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Ich bin m e i n - Schwester. Hochberg.

Mein Himmel, was ist das?! Wie soll ich das verbinden? (An's Parterre.) Hilft mir denn niemand, mich in die Geschichte finden?

D

i e

w e i ß e

I 8 2 G.

R o s e .

D e r Weinmonat fyatte sein altes Recht gleich bei seiner Ankunft behauptet, über den lang gestreckten Rücken des Hochgebirges in einer Nacht eine glän­ zende Schneedecke gelegt, und der Wind, der von dort herüber strich, gab auch in den fern abgelegenen Thalern deutlichen Bericht davon. I n dem Hause des Oberförsters Wolfgang sam­ melten sich die Hausgenossen nach und nach als der Abend kam, alle um den warmen Ofen in der Wohn­ stube. N ur der Oberförster und sein Sohn waren noch draußen im Forst. »Muhme Tinel," hob Elisabeth, die siebzehnjäh­ rige Tochter des Oberförsters an, indem sie mit Spin­ nen einhielt und die Spindel in die Seite stemmte, » du könntest uns wohl etwas erzählen. Du bist mir ohnedieß noch die Geschichte von der weißen Rose schuldig. Der Wind raschelt draußen schon durch die dürren B lä tte r; da hört sich's gut zu." Muhme Christine lächelte und sah die Hausfrau an.

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D i e wei ße Rose.

» Immerzu! “ sprach Frau Anna. »Vergeht so die Zeit geschwinder, bis der Vater kommt." »Nur nicht von der weißen Rose!" sagte eine tiefe Baßstimme hinter dem Ofen, die dem alten Jager Conrad gehörte. » Ist heut der dritte, Mond­ wechsel, und Freitag obendrein." Christine schaute rückwärts nach der dunkeln Ecke hin. » So wißt Ih r auch etwas von der weißen Rose?" fragte sie verwundert. »Hm, davon ließe sich viel sagen!" brummte jener. »Wenn nur nicht vielleicht eben jetzt einer die Ohren dabei hatte, den ich nicht nennen kann und mag. Denn in Zwielichts blassem Schein Treten sie ins Haus herein."

Elisabeth sprang auf, zündete einen langen Fichtenspahn im Ofen an, und steckte ihn auf den hohen eisernen Leuchter, der an der Wand stand. Frau Anna aber sprach: » Ih r alter Unglücks-Prophet, Ih r könntet einem wohl am Hellen Tage mitten unter den Leuten ein Grausen machen!" »Dann lag's an der Zeit, nicht an m ir!" erwie­ derte er. »Es geht jetzt gar wunderlich her. Der Spuk oben im Gebirge ist lange nicht so toll gewe­ sen. Das hat wieder etwas zu bedeuten. War auch so vor 15 Jahren, da der Preuße zuerst ins Land

D Le wei ße Rose.

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kam. Und ich hab's von guter Hand,« fuhr er nach einer Weile fort, »daß sich der Kaiser drüben ganz in der Stille -um Kriege rüstet. Wem soll das gel­ ten, als unserm Lande?« I n dem Augenblick geschah ein Schlag aus dem Fenster wie mit einer starken Ruthe. Alle fuhren erschrocken zusammen. » Wart du verdammter Stöhrenfried!« rief Conrad, stand auf und ging nach dem Fenster. »Das war niemand anders als der wilde Junker drüben von Liebenwalde, der immer hier ums Haus schleicht. Aber ich bin ihm auf der Fahrte.« Er machte das Fenster auf und schaute hin­ aus. Alles war still. Er warf es unwillig wieder zu, und sprach: »Was mag der Älte nur gesündigt haben, daß Gott ihn mit einem solchen Sohn ge­ straft! Wem Kinder nicht gedeihen, Was hat der auf.der Welt? Was soll den Stamm noch freuen, Dem Blüch' und Frucht abfallt?" »An dem erlebt der alte brave Mann gewiß nockgroßes Herzeleid. Seitdem er Soldat geworden, ist's nun vollends, als hatte der Gott sei bei uns leib­ haftig bei ihm Quartier genommen.« »Ein schöner Mensch ist's aber doch!« sagte Christine. Contess. Schrift, g. Bd.

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D i e w ei ß e Rose.

»Und ist auch lange nicht so schlimm, als ihr ihn macht." » Ach, schweigt mir nur von dem! * unterbrach sie Frau Anna seufzend, und sah halb verstohlen nach ihrer Tochter hin, die mit dunkler Gluth auf den Wangen sich an dem Rocken zu thun machte. ,, Erzählt uns lieber Eure Geschichte, Muhme Tinel, daß wir auf andere Gedanken kommen." Christine legte neuen Flachs auf, setzte sich dann auf ihrem Stuhl zurecht, und nachdem sie noch einen scheuen Blick nach dem Fenster geworfen, hob sie an: »Auf den hohen Bergen im Schweitzerlande, die viel, viel höher seyn sollen, als unsre hier, da wachst, wie sie sagen, eine gar seltene Blume, die wird das Alpenröslein genannt. Diese Blume hat in unserm Gebirge noch keiner aufgefunden; wahr und gewiß ist es aber, daß dagegen bei uns sich jährlich einmal eine andere Rose zeigt, die ihres Gleichen wohl in der ganzen Welt nicht antreffen mag. Wer Muth genug hat, in der Nacht vor Himmelfahrtstag sich auf das hohe Gebirge zu begeben, und dann die rechte Stelle weiß — « Sie wurde hier unterbrochen. Die Thür öffnete sich, und der Oberförster trat mit seinem Sohne, einem Knaben von funfzehen Jahren herein. »Der Vater!« rief Elisabeth freudig aufspringend, und lief

D ie w eiß e Rose.

zi

ihm entgegen. Es kam ihr vor, als sahe er bleich und verstört aus. Er umfaßte das liebliche Kind, schauete ihm lange in die frommen blauen Augen, die so voll Freude, Liebe und Sorge zu ihm auf­ sahen, und küßte es auf die S tirn . »Mein Herzens - Herzensrösel! « sagte er leise mit bewegter Stimme. Dann reichte er seiner Frau die Hand, winkte dem alten Conrad, und begab sich mit diesem und seinem Sohn nach dem Nebengemach, dessen Thür er hinter sich schloß. Seine Frau sah ihnen ängstlich nach. Nach einer Weile traten sie wieder heraus; Conrad nahm seinen H u t, langte eine Büchse von der Wand und verließ das Zimmer, in­ dem er einige Worte für sich hinmurmelte. Elisabeth glaubte etwas von der weißen Rose zu vernehmen. Der Tisch ward gedeckt, die Abendmahlzeit auf­ getragen; Elisabeth sprach das -Gebet, alle setzten sich schweigend. Der Oberförster aß nicht, stand öfters auf, um zum Fenster hinaus zu sehen, und schien sehr unruhig. Da trat endlich der Iagerbursche Franz in die Thür. », Wo kommst du her? ” rief ihm jener -u. .Aus der S tadt, Herr Oberförster, wie Ih r wißt; “ erwiederte er. „ Ich komme über Liebenwalde, da brachten sie eben den Junker todt nach Hause, unserm Forst, hieß es, sey er erschossen worden/' Der Oberförster sprang auf, und starrte ihn an,

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D i e we i ß e Rose.

dann plötzlich griff er nach der Stuhllehne, wie um sich dran zu halten, setzte sich matt und langsam wie­ der hin und schlug die Hände über die Augen. Nach einer langen Weile sprach er leise: »Ich habe es wohl geahnt! Doch Gott ist mein Zeuge," fuhr er mit stärkerer Stimme fo rt, »daß ich es nicht wußte in dem Augenblick, da ich auf ihn schoß." — M it einem tauten Schrei stürzten jetzt Frau und Tochter auf ihn zu. Elisabeth warf sich an dem Stuhle nieder, schlang ihre Arme um den Vater, und schluchzte laut. »Ich bin kein M örder!" rief er, und richtete sich empor. »Es war Nothwehr, so wahr mir Gott gnädig sey! Zweimal schoflen sie nach m ir, und erst, als er zum dritten Schuß auf mich schon angelegt hatte, kam ich ihm zuvor. Du kannst's bezeugen, Karl. Erzähle du's, wie es w a r! " »Vater! " entgegnete der Knabe, »wenn meine Flinte mir nicht versagte, so kamt Ih r wohl gar nicht zum Schuß. J a , seht nur M utter, wir waren oben gewesen auf dem langen Berge, der Vater hatte Holz angeschlagen, und als wir jetzt wieder nach Hause gehen, da finden w i r " »Im schwarzen Grunde bei der großen Buche," fiel der Oberförster ein. »Ja, im schwarzen Grunde bei der großen Buche,

D i e wei ße Rose.

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da finden wir drei Wilddiebe, wie wir dachten; sie halten zerlumpte Kittel an, und die Gesichter ge­ schwärzt. W ir gingen auf sie zu, der Vater rief sie an. Da schrie der eine: Ha bist du's, auf dich hab' ich gewartet! sprang nach seiner Büchse, die am Baume lehnte, und schoß nach uns. Ich war nicht faul: wie du m ir, so ich dir! dachte ich, nahm den Kerl auf's Korn, und drückte los. Die Flinte ver­ sagte. Indem aber schoß auch schon der zweite; ich hörte die Kugel wohl zwischen uns durch pfeifen. Schieß den Hund doch nieder, schrie darauf der erste dem dritten zu, und da dieser zauderte, riß er ihm das Gewehr aus der Hand, und schlug wieder ans den Vater an. Der Vater aber war schneller, als er: die Büchse an den Kopf, und Knall und Fall, das war nur eins! “ n Sei uns gnädig und barmherzig! * schrie Muhme Tinel. » M ir kam ein Grausen an," fuhr der Oberförster fort, «da ich ihn fallen sah. Ich wandte mich schnell ab, und wie mit Ruthen jagte michs von dannen; denn jetzt erst kam mir eine Ahnung, wer es wohl seyn könnte." Seine Frau hob die Hände zum Himmel auf, und rief: >, Gott sei gelobt! So hat er's an dich gebracht, und du bist unschuldig vor Menschen und vor Go t t ! "

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D ie

w e iß e R o se.

» J a , vor G ott ist er's,« sprach Conrad, der eben jetzt wieder ins Zimmer getreten war — »ein andrer hatte wahrlich nicht so zweimal auf sich schießen las­ sen — aber vor Menschen wird er's. schwerlich seyn. Der S tre it mit dem Junker neulich auf dem Jahr­ markt bricht ihm den Hals. M an wird nun doch glauben, daß er es aus Rache gethan.« D er Oberförster sprang a u f, und ging mit großen Schritten die Stube entlang. »Aber die beiden Andern,« rief Frau Anna, »die werden's doch bezeugen « »D as werden sie nicht!«— fiel Conrad ein. »Ich weiß, wer sie waren. Es war der Officier, der jetzt mit dem Junker zum Besuch gekommen ist, und sein Bedienter. Den Officier hat unser Herr bei dem Streite neulich, da er sich d'rein mischte, wohl auch nicht geschonet, und der Bediente ist niemand anders, als der Jager Ludolf, der voriges Jahr bei uns im Dienst stand, und den der Herr fortjagte um seiner Liederlichkeit willen. D er hat sich hoch verschworen, daß er's ihm gedenken wollte, und jetzt laßt sich der schlechte Mensch die Gelegenheit wohl nicht entgehen. D rum ist mein R a th , Herr Oberförster, I h r müßt fo rt, und jetzt gleich; denn sie werden bald zur Stelle seyn, um Euch zu holen.« Gegen diesen Rath aber erklärte sich Wolfgang

Die weiße

Rose.

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jetzt heftig, und bestand darauf, zu bleiben, und sein Schicksal zu erwarten. Die Flucht würde ihn nur erst der Schuld verdächtig machen. »M ein eigenes B l u t / rief e r, »wollt' ich jetzt mit Freuden darum geben, w ar' es nicht geschehen. Ach! ich habe wohl keine ruhige S tunde mehr. Im m e r, immer werd' ich den Knall hören, und werd' ihn fallen sehn! Aber wer an meiner Stelle hatt' es nicht auch gethan? D as darf ich fragen. Ich bin ein Mensch, und meine Richter find auch Menschen. N ein , ich bleibe! * Conrad aber meinte, eben darum , weil seine Rich­ ter auch Menschen w aren, müsse er fort. E r gab ihm zu bedenken, daß der Erschossene preußischer Öfficier gewesen, sein V ater aber ein vornehmer, und bei der neuen Regierung viel geltender M ann sey; er führte ihm den Unterschied der Religion a n , und wie er selbst mit Grund oder Ungrund doch wohl immer noch für einen Anhänger der alten Herrschaft gelten möge, und zeigte ihm , wie beides bei der Beurtheilung seiner T hat gar sehr in Anschlag kom­ men werde. Jetzt tra t auch seine Frau auf Conrads S e ite , und sein Entschluß fing an zu wanken. »Und wenn ich mir denke," sprach Conrad end­ lich, »wie I h r gewohnt seyd, von Jugend an in G ottes freier Luft zu leben, und mit den Bergen braußen zu verkehren, als m it Euren alten Freunden,

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D i e wei ße Rose.

und wie einem ehrlichen Jägerblut der frische Wald­ dust und Vogelfang eben so gut zur Leibes - und Seelen-Nahrung gehören, als Essen und Trinken und Orgelklang am Sonntag, und ich sehe Euch nun so vor mir sitzen im Armensünderstübchen, Monate lang, ja wenn's gut geht, Jahre lang, oder wohl gar bis an Euer Ende, und das schmale Gitterfenster­ lein mißt Euch Gottes Luft und Sonne so schlecht und spärlich zu, wie ein geitziger Armenvogt den Bettlern die Spitalsuppe, und Euer Leben verküm­ mert nun zwischen den feuchten finstern Mauern wie ein angeschossenes W ild, und Ih r dürft niemals, nie­ mals wieder die treue Büchse über die Schulter han­ gen und hinaus ziehn und singen: Frisch auf in den grünen Wald hinein! — H err, wenn ich mir das denke — nein, zum Teufel, ich mag mir's gar nicht denken! Das bricht mir das Herz!« Er wandte sich unwillig ab, und große Thränen rollten ihm über die braunen, faltigen Wangen. Der Oberförster reichte ihm die Hand, warf dann einen Blick nach den stattlichen Gewehren, die in langer Reihe an der Wand hingen, und sagte: » J a , Con­ rad , ich glaube du hast Recht. Ich trüge es nicht lange. Und doch gern möcht' ich noch leben um dieser w illen! (< Er zog Mutter und Kinder an seine Brust.

D i e wei ße Rose.

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» Ih r könnt ja schreiben,« sprach Conrad, „ von drüben, wenn Ih r in Sicherheit seyd, und Euch ver­ theidigen. Und morgen geh' ich zu Eurem alten Freunde, dem Advokat Hübner, in der Stadt. Der wird Euch schon vertreten.« D a richtete sich Wolfgang in die Höhe, und sagte: »Wohlan, ich gehe! Gott gebe, daß ich wiederkom­ men darf.«— Sein Sohn sollte ihn begleiten. Elisa­ beth schlang die Arme um seinen Hals, und flüsterte ihm die Bitte ins O hr, sie mitzunehmen. Doch als er ihr vorstellte, daß sie, zart und der Mühseligkeit ungewohnt wie sie sey, ihm . leicht hinderlich werden könnte, und daß die Mutter ohne sie ja dann ganz verlassen bliebe, stand sie traurig davon ab. »Ach, und wie bitter es ist,« setzte er mit leiser Stimme hinzu, so ganz allein und verlassen seyn, das mag der arme alte Vater drüben jetzt wohl fühlen! Er war immer so freundlich gegen mich! jetzt wird er mich doch immer seines Sohnes Mörder nennen, wenn auch das Recht mich frei spricht!« S till weinend packte die Mutter Wasche, Kleider und Geld zusammen. Christine half. Elisabeth aber saß bleich und stumm, die gefalteten Hände in den Schooß gelegt, und starrte vor sich hin. Doch als der Vater jetzt nach Hut und Büchse griff, sprang sie empor. Alle begleiteten ihn bis auf den Hügel

vor dem Hause, über den der Weg nach Böhmen führte. Hier reichte er schweigend jedem noch einmal die Hand; als er aber zuletzt an seine Tochter kam, da brach ihm das Herz; er umfaßte und küßte sie, und weinte laut. »Es ist die höchste Z eit!" sagte Conrad jetzt. »M ir däucht, ich höre Stimmen durch den Wald. Macht fo rt!" Da riß er sich los, und schritt mit seinem Sohn den Hügel schnell hinab. »Vergiß dein armes Herzensrösel nicht!« rief ihm Elisabeth noch mit matter Stimme nach, und in dumpfem Schweigen führte die Mutter das halb ohn­ mächtige Mädchen ins Haus zurück.

Sechs lange, bange Monate waren jetzt beinah seit jenem traurigen Abend vergangen. Die Unter­ suchung gegen den Abwesenden war indeß fortgeführt worden, und sein Prozeß drohte, trotz der redlichen Verwendung seines alten Freundes, des Advokat Hübner, mit dem schlimmsten Ausgange. Die Ur­ sachen davon hatte Conrad größtentheils richtig vor­ ausgesagt; die Flucht des Oberförsters kam noch hin­ zu, und gab jeder Anschuldigung größeres Gewicht. Seine Stelle war indeß anderweitig besetzt worden. Frau Anne hatte mit ihrer Tochter weichen müssen, und war nach dem benachbarten kleinen Städtchen

D i e we i ß e Rose.

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gezogen. Christine wollte sie nicht verlassen, und auch der alte Conrad war bei ihr geblieben, zu Schutz und Trutz, wie er sagte. Hier lebten sie nun still und eingezogen von ihrer Hände Arbeit; denn auf des Oberförsters Habe war von,Gerichtswegen Beschlag gelegt worden, und sie hatten sich wohl oft kümmerlich behelfen müssen, wenn ihnen nicht einigemal, zu ihrer Verwunderung, von unbekannter Hand eine bedeutende Unterstützung zu­ gekommen wäre. Conrad hegte darüber seine eigenen Gedanken, die er jedoch nicht mittheilen wollte; nur einst, als wieder die Rede darauf fiel, sagte er mit großer Rührung den Vers aus einem alten Liedher: .Vergeben, Mensch, ist dir Gebot, Vergelten Gottes Sache. Dem Feinde wohlthun in der Noth, Das ist des Christen Rache." Don Wolfgang war ihnen nun zweimal bald im Anfang Nachricht zugekommen; jetzt aber harrten sie schon seit langer Zeit vergeblich auf weitere Kunde. Elisabeth, die mit unendlicher Liebe an ihrem Vater hing, härmte sich sichtbar ab; ja fast schien es, als trüge sie außer dem Gram um den Abwesenden, noch sonst ein stilles Weh in ihrem Herzen verborgen. Ihre frühere Heiterkeit und jugendliche Lust am Leben

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D i e wei ße Rose.

war ganz verschwunden; das frische Roth, das sonst auf ihren Wangen blühte, erblaßte mit jedem Tage mehr und mehr. — »Nun wird mich der Vater wohl nicht mehr sein Herzensrösel nennen! “ sagte sie manchmal lächelnd, wenn ihr Blick den Spiegel traf. Das schnitt der Mutter tief ins Herz. Und so batte denn der W inter, der ihnen bei sei­ nem ersten A ntritt den Kummer zugeführt, jetzt bei seinem Abschied den trüben Gast nicht wieder mit sich fortnehmen wollen; dieser schien sich vielmehr täglich breiter im Hause zu machen, und selbst der Früh­ ling, der draußen Berg und That bereits mit seiner Hoffnungsfarbe zu schmücken begann, brachte ihnen nur noch heißere und bangere Sehnsucht nach dem Entfernten dazu. So saßen sie eines Abends wieder still und trau­ rig beisammen. Der alte Conrad war ausgegangen. Fran Anne heftete den sorglichen Blies auf das bleiche Gesicht ihrer Tochter, die in sich gekehrt, auf die Arbeit niedersah, wahrend dann und wann eine Thräne sich unter den gesenkten Wimpern hervor stahl und über ihre Wangen rollte. Das konnte die M ut­ ter endlich nicht langer mit ansehen, sie brach das ängstliche Schweigen, und sagte: »Muhme Tinel, erzählt uns nun einmal wieder etwas. Es ist wohl lange nicht geschehen.*

D ie w eiß e Rose.

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Elisabeth schaute empor. „ J a , von der weißen Rose!" rief sie hastig. »Von der hab' ich diese Nacht einen wunderlichen Traum gehabt. Ich bitte Euch, erzählt!" » M ir ist's recht!" erwiederte Christine. »Ich hatte es immer lieber mit dem Sprechen, als mit dem Schweigen. Sprechen macht frisches B lu t." Und somit hob sie ihr Sprüchlein wiederum also an: Auf den hohen Bergen im Schweitzerlande, die viel, viel höher seyn sollen als unsre hier, da wächst eine gar seltene Blume, die wird das Alpenröslein genannt. Diese Blume hat in unserm Gebirg noch keiner aufgefunden; wahr und gewiß ist es aber, daß dagegen bei uns sich jährlich eine andere Rose zeigt, die ihres Gleichen wohl in der ganzen Welt nicht antreffen mag. Wer Muth genug hat, sich in der Nacht vor Himmelfahrtstag auf das hohe Gebirge zu begeben, und dann die rechte Stelle weiß, der kann die Rose finden, und wer sie gefunden hat, dem srcht ein Wunsch frei, ehe die Sonne aufgeht, und was er gewünscht hat, das wird geschehn noch selbi­ gen Tages oder selbigen Jahres. Auf welche Weise nun aber die Rose entstanden seyn soll, das wird also erzählt. „ Es war einmal ein wunderschönes zartes Fräu­ lein, das lebte an dem Hofe der Königin Libuffa

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D ie

w e iß e

R ose.

von Böhmen; und einmals, da die Königin ins Ge­ birge gezogen w a r, der Jagd wegen, erblickte der Geist, der auf dem Gebirge sein Wesen treibt, die schöne W lasta, und faßte gar heftige Liebe zu ihr. E r nahm alsbald menschliche Gestalt an , zog auch mit zahlreicher Dienerschaft und großem Gepränge in das Hoflager der Königin, um die schöne Wlasta zu freien. Diese aber hatte ihre Liebe schon in der S tille einem jungen tapfern R itter zugewandt, wies daher alle Bewerbung von sich ab , und als dennoch ihre Verwandten, und selbst die Königin ihr immer scharfer zusetzten, daß fie dem stattlichen und über die Maßen reichen Freier ihre Hand geben möchte, ließ sie von dem jungen R itter sich bereden, und wollte heimlich mit ihm entfliehen. Es war in der Nacht vor dem Himmelfahrtstage, die Königin war wie­ derum ins Gebirge gezogen um der Jagd w illen, da hinterging das Fräulein ihre Wächter, entwich aus dem Jagdschloß, wo die Königin mit ihrem Gefolge gerade hausete, und stieg muthig höher hinauf ins Gebirge, bis an den O r t , wo sie den Ritter treffen sollte. Der Geist vom Gebirge aber, der bald von ihrer Flucht und Absicht Kunde erhalten hatte, machte sich a u f, und führte den Ritter durch mancherlei Blendwerk irre, und tief in die Wälder und Sümpfe hinein, und ich weiß nicht zu sagen, ob er sich jemals wieder dort heraus gefunden hat. S o geschah es

Di e weiße Rose.

oz

denn, daß die arme Wlasta an dem bestellten O v U ihr Lieb nicht fand, und nachdem sie lange geharrt und gehofft, und sich dort nicht langer sicher meinte, endlich noch weiter hinauf stieg nach dem Rücken des Gebirges zu; denn von dort her führte den Ritter sein Weg, bis sie an eine Gegend gelangte, die heut zu Tage die Festige heißt, und wo in uralter Zeit die Burg Navor gestanden haben soll, die dem Ariovist, dem König der Deutschen gehörte. Da konnt« sie vor Müdigkeit und Angst nicht fürder, setzte sich auf einen S te in , und weinte bitterlich; und da sie sich nun auch nicht weiter vorwärts traute in der grausen Einöde, blieb sie zur Stelle sitzen, schaut« immer hinaus nach der Gegend, von wo ihr Ritter und Retter kommen sollte und lauschte, und der Nacht» wind spielte ungestüm mit ihrem langen gelben Haar, und von einem Augenblick zum andern hoffte sie im­ mer : jetzt wird er kommen., und verzweifelte dann wieder, und weinte und klagte, bis endlich der Mor­ gen kam, und da die Sonne aufging, und ihr Lieb sich noch immer nirgend zeigen wollte, da brach ihr das Herz vor übergroßem Leid. Jur selben Stund« aber kam auch der Geist vom Gebirge zur Stelle, und meinte, jetzt nach solcher ausgestandener Angst und Noth werde sie ihm als ihrem Retter willig fol­ gen. Sie hatte ja aber ihren Retter schon gefunden, und brauchte keinen andern mehr. Und als er sie

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nun bleich und kalt, und doch immer noch schön, so vor sich liegen sah, da kam der Schmerz und die Reue gewaltsam über ihn, und er konnte das Tages­ licht nicht mehr ertragen, sondern es trieb ihn hin­ unter auf lange Jahre in sein dunkles Reich tief unter seinen Bergen. Doch eh' er ging, begrub er den Leichnam der armen Wlasta da, wo er ihn ge­ funden, und ließ aus dem Grabe eine weiße Rose sprießen, die sollte jährlich an diesem Tage vor Son­ nenaufgang wieder blühen, und schwur dabei, wo einer sie fände, und trüge etwa auch recht heiße Sehnsucht oder schweres Leid in seinem Herzen, und spräche dann auf dieser Stelle seinen liebsten Wunsch aus, dem solle er in Erfüllung gehen. Und so ist die weiße Rose entstanden.* Der alte Conrad, der während der Erzählung in das Zimmer tra t, und sich still in seinen Winkel ge­ setzt hatte, sagte jetzt, da sie zu Ende war und alle schwiegen: „ J a , so ist's. Und mancher ist seit jener Zeit wohl hinauf gegangen, um die weiße Rose zu finden, und hat sie nicht gefunden, und ist auch nicht wieder heimgekehrt. Denn die Geschichte hat ihr Aber, und der Geist vom Gebirge laßt nicht von seiner Art. Trug und Tücke im Genicke, Im Gesichte Freundlichkeit."

Die

weiße

es

Ro s e .

Elisabeth drang sehr hastig in ihn, er sollte sprechen, wenn er mehr davon zu sagen wüßte; allein es war nichts weiter aus ihm zu bringen. ÄWenn ich hier w ar," brummte er, »so erzählte Euch die Muhme die Geschichte gar nicht. Ich habe einen Widerwillen dagegen, und weiß recht gut war­ um, und w ir alle wissen ja auch, auf welche trau­ rige Weise sie uns schon einmal unterbrochen wurde." Elisabeth schwieg; aber von diesem Abend an zeigte sich eine merkliche Veränderung in ihrem gan­ zen Wesen. S ie ward allmahlig wieder heiterer und gesprächiger, ja sie tröstete die M u tter o ft, daß nun ihr trübes Schicksal sich bald wenden werde, und dabei leuchteten ihre Augen von einem ungewohn­ ten Feuer. Als der M a i gekommen w a r, und sich gleich in feinen ersten Tagen so mild und freundlich wies, daß selbst der höchste Rücken des Gebirges schon, wider seine Gewohnheit, das weiße Winterkleid ablegte, da trat Elisabeth eines Tages vor die M u tte r, und sprach ein wenig schüchtern und mit niedergeschlage­ nen Blicken, wie das Wetter so schön sei, und wie sie wohl Lust hatte, wieder einmal nach dem einige Meilen entfernten Frauenkloster zu gehen, um dort die Schwester B arbara, ihre Verwandte und Pathe zu besuchen. Dazu gab nun die M utter gern ihre Contess. Schrift.

3- B d.

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Einwilligung, der alte Conrad aber bot sich auf der Stelle zur Begleitung an; das schien Elisabeth eben gewünscht zu haben, und so machten sich denn beide schon des andern Morgens auf den Weg. Allein sie waren kaum eine Stunde weit vom Haus, da kam Elisabeth an einen O rt, wo tye Straße sich theilte, plötzlich stehn, und sprach: ihr Weg führe nun zur Linken, denn ihre Absicht sei fei«? neswegcs, die Schwester Barbara im Frauenkloster zu besuchen. «Morgen ist Himmelfahrtstag," fuhr sie fort, „da w ill ich diese Nacht auf dem Gebirge seyn: vielleicht daß mir die weiße Rose beschieden i( V Conrad erschrak heftig über diese Worte, und gab sich ängstlich alle Mühe, ihr das Vorhaben auszu­ reden: die ganze Geschichte sei doch nur ein einfäl­ tiges Mährchen, an welches kein vernünftiger Mensch im Ernste glauben, noch viel weniger aber darum wohl gar Leib und Leben auf's Spiel setzen werde. Doch vergebens. „Daß du es selber für kein einfäl­ tiges Mährchen hältst," sagte sie, „das weiß ich gar wohl, und noch neulich erst hast du versichert, daß es damit seine Richtigkeit hat. Auch ist mir im Traum nun schon zum drittenmal verheißen, daß ich die Rose finden soll, mir auch der O rt, wo sie steht, deutlich gezeigt worden. Ich gehe." Und als er ihr nun vorstellte, welche Gefahr zu jetziger früher Ia h-

D i e wei ße Rose.

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re^zeit eine Nacht auf dem Gebirge ihr bringen könne, wie mancher nach der Rose gegangen, der niemals wieder zurück gekehrt sei, ja als er ihr endlich gestand, daß er selbst in seiner Jugend den Gang gewagt um eines Mädchens willen, das er gar lieb gehabt; was ihm aber dort widerfahren sei, nie über seine Lippen kommen werde, und daß er nur wie durch ein Wunder das Leben davon getragen, da erwiederte sie ruhig; » So oder so! Ich kann nicht ohne den Vater seyn, ich kann die Mutter nicht lan­ ger weinen sehen, mein Leben geht doch dabei zu Grunde, das fühl' ich wohl. Drum muß ich's ver­ suchen, und wird mir die Rose zu Theil, so wünsche ich, daß der Vater bald wiederkehrt und wieder zu Glück und Ehren kommt; dann hat alle Noth ein Ende, und ginge es mir auch dabei ans Leben, nun so bin ich für den Vater gestorben: das ist ein schö­ ner Tod! " Conrad sah ihr eine Weile schweigend in die leuchtenden Augen, dann faßte er leise ihre Hand, und sprach : s Den Vater also wollt Ih r Euch wün­ schen ?" «Wie kannst du noch fragen!" rief sie. Was für einen andern Wunsch hatte ich denn noch auf Erden ? Sonst freilich hatt' ich auch noch andre thörichte Wün­ sche in meinem Herzen: der Himmel hat sie mit der Wurzel ausgerottet. Doch ich muß fort. Leb' wohl, tvenn du mich nicht begleiten willst! Ich dachte frei-

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lich, du würdest mir beistehn auf diesem Gange, doch * »Elisabeth!« unterbrach er sie, »denkt I h r so schlecht von dem alten Conrad? Es war mir ja nur um Euch. Das alte mürbe Endchen Lebensfaden ist hier ja nicht der Rede werth. I n Gottes Namen denn. Es g ilt den V a te r!" — Und damit schritt er auf dem Wege zur Linken rasch voran, und Elisabeth folgte ihm. So waren sie um Mittag dem hohen Gebirge ganz nah gekommen. Der Weg hatte ihr kurz gebäucht, denn Conrad erzählte im Gehen manche Geschichte aus alter Zeit, sang auch dazwischen wohl ein schönes Lied, wie er deren eine große Menge wußte. Nachmittags ließ sich am Abhang des Gebirgs ein kleines weißes Wölkchen blicken, das allmählig immer größer ward. Bald stiegen an andern Stellen noch mehrere empor. Conrad blieb stehen, schüttelte bedenklich den Kopf, und meinte, das sei ein gar schlimmes Zeichen; es bedeute ein großes Unwetter auf die Nacht. Elisabeth sagte: »das ist freilich übel, doch steht es nicht zu ändern," und schritt immer vorwärts. I n dem letzten Dorfe, das schon hoch hinauf am Gebirge liegt, drang Conrad darauf, noch einen Führer mitzunehmen; doch es wollte sich erst niemand dazu willig finden lassen, jeder sah den harten Strauß vorher, der diese Nacht bevorstand, und rieth ihnen ernstlich bis morgen zu

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verweilen. »Dann ist's zu spät! “ rief Elisabeth. » So oder so, Conrad! Ich muß fo rt!* — Da zeigte sich endlich einer gegen ansehnlichen Lohn be­ reit, sie zu führen. Aber die Wetter -Prophezeiung bewahrte bald ihre Richtigkeit. Die weiße Wolkenmaffe, die sich aus dem kleinen Wölkchen gebildet, und in Gestalt eines langen Wulstes auf den Rücken des Gebirges gelagert hatte, senkte sich immer weiter herab, und nicht lange nach Sonnen - Untergang brach der Sturm daraus hervor. Die Wandrer sahen sich bald in Wolken eingehüllt. Der Sturm ward immer wüthender, die Kalte immer schneidender, je höher hinauf sie kamen; endlich gesellte sich auch noch heftiges Schneegestöber hinzu, das ihnen fast Gesicht und Athem nahm. Keiner konnte mehr nur einen Schritt weit um sich sehen. Der Führer flüchtete sich hinter einen Felsen; Conrad rief nach Elisabeth, die er eben erst noch dicht vor sich erblickt hatte: seine Stimme hatte in dem Schneegestöber allen Klang verloren, und er erhielt keine Antwort. I n großer Angst eilte er immer rufend vorwärts; noch konnte er deutlich Elisabeths Fußtapfen auf dem frischge­ fallenen Schnee unterscheiden, von einem Augen­ blick zum andern hoffte er sie einzuholen. Plötzlich verschwand die Spur am Rande einer Schlucht; er hörte unten Waffer rauschen; über seinem ängstlichen Hin - und Hersuchen brach die Nacht vollends herein.

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Der zurück gebliebene Führer trug die Laterne. Con­ rad hielt für das Klügste, diesen erst herbei zu holen; der Felsen, wo er ihn zurück gelaffen hatte, formte kaum zwei hundert Schritte entfernt seyn. Allein in der Finsterniß verfehlte er selbst den Weg, und wohl erst nach Verlauf einer Stunde gelang es ihm, den Felsen zu erreichen, wo er auch noch den Führer fand. Das Unwetter fing jetzt an sich zu legen; sie zündeten das Licht in der Laterne an, und machten sich eilig wieder auf. Conrad jauchzte laut, und brach in Freudenthranen aus, als sie an der Schlucht und jenseits des Waffers Elisabeths Fuß­ tapfen wieder fanden; denn bis hierher war die ge­ heime Furcht mit ihm gegangen, daß sie wohl gar hier verunglückt seyn möchte. Sie folgten nun der Spur mit frischen Kräften, und wenn sie auch dann und wann von neuem verloren ging, so gelang es ihnen doch jederzeit, sie wieder aufzufinden. Dar­ über verstrich aber doch die Nacht größtentheils, und als sie den Rücken des Gebirgs erreicht hatten, und sich auf der andern Seite Hinabwarts wenden woll­ ten, nach der Festige zu, fing der Morgen bereits an zu dämmern. Da wurden auf einmal vor ihnen mehrere Stimmen laut, und bald darauf erkannten sie drei Mannsgestatten, die ihnen entgegen kamen. Anruf und Gegenruf erfolgte von beiden Seiten. Conrad erschrak über die bekannten Stimmen. Rasch

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eilte er a u f die drei W anderer zu — es war der Oberförster Wolfgang mit seinem S o h n und einem Führer. Erstaunen, Schreck, Freude und Schmerz drangen zu gleicher Zeit so mächtig an Conrads B r u s t, daß er keines W ortes mächtig w a r , und lange Zeit stumm und versteinert stand bei allen Fragen. Endlich rief er sich ermannend und Wolfgangs Arm ergreifend: »Rückw ärts, V a te r , rückwärts! Schau da die S p u r im Schnee, das sind die Fußtapfen deines Kindes. D a s müssen wir erst wiederfinden!" Und so zog er jenen mit sich fort. I m Gehen aber hob er a n , ihm dm ganzen Zusammenhang zu erzäh­ len. M ein K ind," rief Wolfgang in schmerzlicher Angst, »mein armes K in d ! W o bist du Y Ach, das w ar es also," fuhr er f o rt, » w a s in der letzten Herberge mir keine Ruhe ließ, und mich mitten in der Nacht zum Aufbruch trie b ! M ein armes Kind allein in dieser Einöde, in dieser furchtbaren N a c h t!" — Jetzt waren sie indeß, nach der Erklärung der Führer, an den O r t gekommen, der die Festige heißt. D er S t u r m schien hier am heftigsten gehaußt zu hab en , und hatte jede S p u r verweht. S o fanden sie für gut sich zu theilen, und verabredeten einen Sammelplatz. Conrad a b er, nachdem er eine Weile zwischen bcti Felsblöcken um hergeirrt, schritt gerade auf den einzeln gelegenen B erg z u , auf welchem der S a g e nach des Berggeists Schloß und Wohnsitz, oder

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wie Andre meinen, die alte Burg Navor gestanden haben soll. Eine Felsengruppe erhebt sich auf dem Gipfel; sie wird der Festigstein genannt. Dicht über ihr schwebte ein Steinadler. — Am Abhang fand Conrad die verlorne Spur wieder. M it bang klopfen­ dem Herzen eilte er hinan. Oben stieß er auf W olf­ gang, der von einer andern Seite her gleichfalls den Berg erstiegen hatte. Athemlos und schweigend zeigte er diesem die Spur. Sie führte sie nach einem ein­ zeln liegenden Granitblock. Auf dem blatten Rande desselben lief eine Schneelerche hin und her, blieb öfters stehen, und drehte das Köpfchen, als schaute sie neugierig nach etwas auf der andern Seite hin­ unter. Jetzt traten sie um die Ecke, und siehe! da saß Elisabeth, den Kopf an den Stein gelehnt, bleich und mit geschlossenen Augen, als ob sie schlummere, die blassen Lippen aber lächelten freund­ lich, wie von einem schönen Traum bewegt; der Wind spielte leise mit ihrem losgegangnen, langen gelben Haar; in ihrem Schooß lagen abgepflückte Krauter und Blumen. Wolfgang und Conrad stan­ den beide eine Weile starr und festgewurzelt in den Boden: es w ar, als wagte keiner einen Fuß weiter vorwärts zu setzen, damit er nicht dem nächsten Augenblick begegne, der ihm vielleicht ein entsetz­ liches Wort zu sagen hatte, von jedem doch schon geahnet in der zitternden Brust. l)nd kein Laut

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regte sich ringsum; hoch über ihnen zog der Adter langsam seine Kreise; im Osten stieg der dunkelrothe Rand der Sonne über die Berge herauf. — Da trat Wolfgang endlich hinzu, kniete neben seine Tochter nieder. »Elisabeth,« sprach er mit schwankender Stimme, »mein Kind, mein Herzens-Rösel! - und faßte leise ihre Hand. Schnell aber ließ er sie wie­ der fahren, starrte ihr einen Augenblick in das bleiche Gesicht, schlug dann die Hände über seine Augen, und sank mit einem dumpfen Schrei auf ihre Brust. Als Conrad dieß sah, sprang er herbei, und legte feine Hand auf Elisabeths S tirn . Die eisige Kalte, die ihm bei der Berührung ins Herz zuckte, sprach das schon lange gefürchtete Wort deutlich aus. SeinArme sanken herab, sein Kopf neigte sich, seine Knie schwankten, er lehnte sich an den Felsen, um nicht zu fallen. »Ich wußte es ja,« sagte er leise, »ach, ich wußte es ja gleich vom Anfang an, daß es so kommen würde.« Und nun war es wieder todtenstill ringsum. Und nach einer langen Weile richtete sich Wolfgang empor, schauete auf das bleiche Engelsbild hin, und sein Auge fand Thränen, und er sprach, Herz und Stimme in herbem Weh ge­ brochen: »Sieh, Conrad, Ih r seyd ausgegangen, die weiße Rose zu suchen, aber i c h habe sie gefun­ den !« Doch jetzt fielen die ersten rothen Strahlen der

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D i e we i ße Rose.

Sonne auf Elisabeths Gesicht, und vom freudigen Schreck durchschauert sprang Wolfgang empor, safte Conrads Arm , und rief: „Um Gottes willen, Con­ rad, sieh, sie ist nicht todt; schafft H ülfe! Ich habe das Auge deutlich zucken sehn. Sie lebt!« Und warf sich wieder neben ihr auf die Knie, und legte forschend die zitternde Hand auf ihre Brust. Con­ rad hob Augen und Hände zum Himmel: „M ein Leben für dieses da!« sprach er leise. „Doch wenn noch Hülfe ist,« fuhr er fo rt, „so ist sie hier nicht zu finden. Laßt uns daran denken, sie eilig hinab zu schaffen!« Er sprang fo rt, und rief mit gellen­ dem Jagerruf die Geführten. Und aus abgehauenen Aesten ward eilig eine Tragbahre zusammengefloch­ ten, und so trugen sie das Mädchen über das Ge­ birge hinab. Wolfgang hatte seinen Sohn vorweg gesandt, daß er vom nächsten Dorfe gleich nach einem Arzt oder Wund - Arzt aussenden möchte. Als sie daher dort anlangten, fanden sie schon einen geschick­ ten Arzt aus der Stadt zugegen, der eben in der Nachbarschaft beschäftigt gewesen, und herbei geholt worden war. Doch vergebens boten Kunst, Mitleid und Eifer alles auf, was sie vermochten. Das Leben und die Liebe des jugendlichen Herzens, sie hatten seinen letzten heißen Wunsch selbst hinauf getragen zu dem Vater, von dem sie stammten, und kehrten nicht wieder zurück in die verödete Brust.

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So setzte der traurige Zug nach einigen Stunden auf Wolfgangs Geheiß sich von neuem in Bewegung weiter nach der Ebene hinab. Wolfgang war jetzt seines Schmerzes Herr ge­ worden; er hatte mit der Hoffnung abgeschloffen für diese W elt; sein Blick aber war ihr gefolgt, wie sie sich empor schwang, und ihre Hand die dunkle Wolke theilte, die auf der Erde lastet, von den Menschen Tod genannt, und ein Strahl des Jenseits war in die Nacht gefallen, die ihn umgab. So zogen sie langsam schweigend hin. Die Sonne neigte sich schon zum Untergange- als ihnen ein stattlicher, reichgekleideter Mann zu Pferde begeg­ nete, der von zwei Dienern begleitet war. Er hielt die Träger an, die mit der Leiche voraus waren, und nach einigen Fragen an sie, sahen Conrad und Wolfgang, wie er plötzlich vom Pferde sprang, an die Bahre eilte, und das darüber gedeckte Tuch zu­ rückschlug. Conrad erkannte jetzt den alten Frei­ herrn, dem Wolfgang den Sohn erschossen hatte. M it festem Schritte ging Wolfgang auf ihn zu, und stellte sich ihm gegenüber. Der Freiherr schauete erst auf die Leiche nieder, und als er jetzt aufblickte, und jenen wahrnahm, trat er einen Schritt zurück, und rief in großer Bewegung: „W olfgang! W olf­ gang ! “ —

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D ie w e iß e Rose.

» J a , ich bin's!« erwiederte dieser. »Ich gebe mich in Eure Hand. Laßt mich nur erst mein Kind zur Ruhe bringen, dann halt' ich Euch still.« Conrad erzählte nun dem Freiherrn alles: wie Elisabeth mit ihm auf das Gebirge gegangen sei, um die weiße Rose zu finden und sich den Vater zurück zu wünschen, wie das grauliche Unwetter sie überfallen in voriger Nacht und sie getrennt, wie Wolfgang von der' Sehnsucht nach Weib und Kind verzehrt, und auf dem Wege sie zu besuchen, es ent­ stehe auch daraus, was da wolle, in der letzten Her­ berge nicht Ruhe gehabt, sondern mitten in dersel­ ben Nacht fortgetrieben worden sey, und wie er am Morgen endlich sein weißes Röslein gefunden. Auf dem Gesicht des Freiherrn wechselte der Aus­ druck der verschiedensten Empfindungen. Er kämpfte gegen die Rührung, die ihn übermannen wollte, und schaute immerfort schweigend zur Erde. Endlich hob Wolfgang an: »Seht, H err, es ist mir nicht um mein Glück oder Leben r das g ilt mir in diesem Augenblick gar wenig, aber wohl um Eure Meinung von m ir, drum lege ich meine Hand auf die kalte Brust meines theuren Kindes, und wiederhole es Euch: ich kannte Euren Sohn nicht, da ich auf ihn schoß, und nur, da er zum dritten M al auf mich abdrücken wollte, kam ich ihm zuvor. Ich denke, heut werdet Ih r mir glaubend Da reichte ihm der

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Freiherr tief erschüttert rasch die Hand hinüber, und rief: » W o lfg a n g , ich glaube d i r , du armer D ater, und ich verzeihe d i r ! “ Wolfgang ergriff die dargebotne H a n d , und beide schauten sich schweigend an, und Thränen brachen aus ihren Augen. Und der Freiherr gelobte feierlich, seine erste B itte an den neuen Landesherrn solle seyn, daß W olfgangs P r o ­ zeß niedergeschlagen, und er selbst wieder in seine Stelle gesetzt werde. »Ach, W olfgang,* fuhr er dann fo rt, »wenn I h r damals a u f dem M arkt meinen S o h n nicht so hart und schnöde zurück wieset, als er von E urer Tochter zu sprechen begann, w er w eiß, es wandte sich dann vielleicht alles zum Besten. E r liebte sie mit großer Leidenschaft, das ist mir klar geworden; er hatte sie öfter gesehn, auch zweimal m it ihr ge­ sprochen. Und wenn mich nicht alles tr ü g t, so w a r auch sie ihm nicht abgeneigt.* — Hier nickte Conrad bedeutsam mit dem Kopfe. — »Diese Liebe,* fuhr jener fo rt, » hatte vielleicht die Wildheit des jungen Menschen gezügelt, und mich zum glücklichen D ater gemacht. W olfgang, ich kannte E ure Tochter w ohl; ich habe sie lange im Stillen beobachtet, ich hatte sie lieb wie mein eigen K ind, und auch jetzt, da I h r abwesend w a r t , habe ich mein Auge nicht von ihr gewendet.* »Ich weiß es wohl,* rief Conrad, »ich habe

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Euch errathen, H e rr!" faßte hastig seine Hand, und küßte sie. Er winkle ihm zu schweigen, und sprach: »Gott hat es anders gewollt! Laßt uns jetzt mit einander den sauren Gang vollenden, und der armen Mutter ihr Kind bringen. Ich begleite Euch." So zogen sie weiter, und brachten der armen Mutter das trau­ rige Wiedersehn, die größte Freude und das herbste Leid, Leben und Tod zugleich ins Haus. Der Freiherr hielt Wort. Wolfgang ward in seine Stelle wieder eingesetzt; und Christine konnte sich nicht erwehren zu bemerken, daß die weiße Rose doch also auf eine oder die andere Art ihre Kraft bewahrt haben möge. Wolfgang freute sich seines Glücks nur um seiner Frau und seines Sohnes willen. Das Schicksal hatte die Blüthe abgestreift von seinem Leben, und keine rechte Freude wollte ihm mehr zur Reife kommen. Der alte Conrad aber schlich von der Zeit an still und trübsinnig im Hause umher. Er konnte flch's doch nicht recht vergeben, daß er auf dem Gebirge auch nur einen Augenblick von Elisabeths Seite ge­ wichen war, und als der weiße Rosenstock auf ihrem Grabe die erste Rose tru g , bereiteten sie auch dem alten, treuen Freunde seine letzte Ruhestatt an ihrer Seite.

Das Quartettchen im Hause. Lustspiel in einem Aufjuge. I 821

UNd

IZ22.

Personen. H- of r a t ' h W u n d e r . F r a n z i s k a , seine Schwester. C ä c i l i e , ihre Nichte. C o m m e r z i e n r a t h Adam, F e r d i n a n d , dessen Neffe. D a n i e l , des Hofraths Bedienter.

Gin S a a l mit M ittel - und Settenthüren,

Er s t e r A u f t r i t t .

Da n i e l . ( E r trag t einen Violinkasten und eine Bratsche herein, die er auf einen Lisch leg t; bann nimmt er zwei Violi­ nen aus dem Kasten, und holt ein Violoncell und einen B aß herbei.) ( 0 o ! — V i o lin o priino : M am sell C äc ilie! — V io li.iio s e c o n d o : der H e rr H o f r a t h ! — V i o l a : D ie M a d a m Franziska ! — Basso oder V io lo n c e llo : H e rr D a n ie l! — wenn nicht der fremde H e r r , der H err A d a m , etw a das Cello spielt. E i , du P a r a d i e s ! das w ar eine F reude, als der gestern ankam , und der H err H o fra th nach so vielen J a h r e n seinen alten Freund wieder sah. ( E r geht hinaus, und tragt nach­ einander vier Notenpulte herein, die er zählend zur Seite an die Wand stellt.) Und die liebe Mamsell Cäcilie, unsere Nichte — ei, du mein D a n ie l! das ist ein feines Kind. — N u m m er e i n s ! — Und wie der H o f­ ra th sa g t, spielt sie eine kostbare V ioline. — N um m er Contess. Schrift, g. Bd. 6

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D a s O u a r t e t t c h e n im H a u s e .

zwei — N a , so haben wir doch nun gleich das Q u a r ­ tettes) en tut Hause. — N u m m e r d r e i ! — D a s soll ein Leben w e r d e n ! M i t dem Takt wird's w o h l ein wenig hapern — j a , j a , — Kcn nim us n o s ! J u gen d hat keine T u g e n d , das heißt: keinen T a k t; und nun obendrein ein F r a u e n z im m e r ! Aber der B a ß weiß seinOuartettchen schon in O rd nun g zu halten. R im m ! 9t o nt n t ! 9t um tu! ( E r macht mit dem Notenpulte die P an tom im e des B a ß sp iclen s.) N u m m e r v ier! — W o l ­ len S i e schon in die Zucht nehm en! A u f den B a ß kommt doch eigentlich alles a n , A l l e s , mein D a n i e l!

Zweiter Auftritt. Hofrath Wunder.

Daniel.

Hofrath, ( d e r bei den letztern Worten schnell hereingetreten: er hat eine dicke Partitur und einige Notenblätter in der H an d.) A u f den B a ß ? w i e ? — H m ! G ew isserm aßen, j a ! W enn jemand den B a ß das moralische Prinzip in der Musik nennen w o llte , man würde darüber lächeln, aber es läge etw a s in der S a c h e . W ie Y — E in s,

D a s Q u a r t e t t c h en i m H a u s e .

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z w e i, drei, v i e r — Noch ein N o t e n p u lt , D a n ie l! — D a n i e l , ich habe die halbe N acht geschrieben; ich habe da einige Stücke au s meiner O p e r als O u a r te tt oder Q u in te tt a r r a n g i r t — ist z w a r sonst meine Sache nicht! — hier sind die S tim m e n . D a n i e l , es ist heut ein wichtiger T a g für un s. W i e ? ( E r schlägt ein Notenblatt auf, und brummt einige Stellen daraus.) Ic h möchte doch diese S telle erst einm al probiren — D a n i e l , gehe er zu meiner S chw ester, ich lasse bit­ t e n , n u r a u f einen Augenblick herüber zu kommen, dringend bitten.

Daniel . B i tt e n — S e h r w ohl! Auch die M am sell Cäcilie ttw a ? Hofrath. N e i n , n e i n ! Noch nicht. D a s fallt ihr hernach plötzlich, u n e rw a r te t, vom H im m el a u f das N o te n ­ p u l t , und wenn sie m ir das fo vom B l a tt e weg­ s p ie lt N a , w o r a u f w artet er noch? Allons, f o r t , marsch, Öuickmarsch, zwei Achteltakt, presto, prestissimo! Ic h habe heut keine Zeit zu verlieren. Dani e l . Zeit zu verlieren — S e h r w o h l ! ( 2 lb .) ( D e r Hofrath dreht ihn u m , und schiebt ihn nach der T h ü re.

In d e m tritt Adam herein.)

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D a s Q u a r t e t t e n im Hau se.

Dritter

Auftritt.

Co mme r z Len r a t h Ad a m.

Hofrath.

Adam, (trä g t einen Mops auf dem Arm.)

Ei, guten Morgen, Herr Bruder! Wohin denn schon so früh mit dem Fuhrwerk? H ofrath. Bloß ein kleines Speditionsgeschäft, Herr B ru ­ der. Guten Morgen! Die Menschen bringen mich hier um mit ihrer Langsamkeit. A d a m. Wer ist denn die drollige Figur eigentlich? Dein Haushofmeister, Kammerdiener, oder------Hofrath. Haushofmeister, Kammerdiener, Musikdirektor — was du willst! Vor allen Dingen ein tüchtiger Esel; sonst aber ein kapitaler Kerl, treu wie Gold, und im höchsten Grade passionirt für die Musik. Wenn

D a s Q u a r te ttc h e n ittt S p a u f e.

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er erst einmal hinter seinem Baffe in die Begeistrung kommt, so halt's schwer, ihn wieder zum Schweigen zu bringen. Er hört nicht gern eher auf, als bis er seine letzte Note über die Klinge hat springen laffen. — Aber wie hast du geschlafen unter meinem Dachet Ich heiße dich noch einmal von ganzem Herzen w ill­ kommen. W ie? — Alter Freund, ich muß dir sagen, ich freue mich wie ein Kind über den großen Pfeffer­ kuchenmann am Weihnachtsabend, wenn ich dich so wieder vor mir stehen sehe------A da m. Sehr verbunden für den Vergleich! H ofrath. Frisch, munter, glatt, die Glieder alle beisam­ men, und wenn ich einige Hühnerpfötchen da an den Augen, und die Nase ausnehme, die freilich mit eini­ ger Ausgelassenheit die Schamröthe affektirt, so ist's ganz noch das alte Gesicht, wie vor zehn Jahren. An dem haben weder Kummer, noch Sorgen, noch Leidenschaft ihr Intaglio versucht. Du bist ein glück­ licher Mensch; das zeigt sich dem ersten Blick. Ich brauche gar nicht weiter danach zu fragen. Das ist abgemacht. W ie'? Adam.

M it nichten, wie du meinst, Herr Bruder!

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D a s O u a r t e t t c h e n i m Hause. H o f r a th.

Abgemacht, Herr Bruder, rein abgemacht, sage ich dir. Ada m. Und ich sage d ir : nein! — mit deiner Erlaubniß. Ich habe meinen Kummer und Sorgen so gut wie andre Leute. 5p o f r ( i t h . Zum Beispiel, wenn die Köchin die Kramsvögel hat verbrennen laffen. A d a m. Is t auch verdrießlich! Aber was sagst du denn dazu, wenn man vielleicht ein Gedicht macht, und zu dem göttlichsten Gedanken den Reim tagelang ver­ gebens suchen muß? Oder man hat etwas drucken laffen, und wird von einem boshaften Recensenten auf eine huronische Weise m altraitirt? — Doch der Kummer, der mich jetzt in diesem Augenblicke druckt, ach! er ist wahrlich nur zu ernstlich. Hör' mich an! — Du sollst mir rathen. Du weißt, daß ich den Sohn meines verstorbenen Stiefbruders zu mir nahm, und in meinem 5pause erzog. Er sollte ein­ mal mein einziger Erbe seyn.

D a s Q u a r t e t t c h e n i m Hause.

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H ofrath. Weiß ich alles! Si v o lt i subito I N ur weiter! A d a m. Das weißt du aber nicht, daß ich den Jungen liebte, wie meinen eignen Sohn, daß ich mein ganzes Herz an ihn gehangen hatte — ich brauche nun ein­ mal etwas, das ich lieb haben kann; etwas lieb haben ist das' Athemholen meines Herzens! — H o fr a th. Gut gesagt, alte Seele!

Adam. N un, stehst du, er war im Begriff von der Uni­ versität abzugehn; ich hatte ihm ein Mädchen aus­ gesucht, jung, schön, geistreich, und eine Dichterin obendrein; er sollte mir nun die angenehme Schwie­ gertochter ins Haus führen: da schrieb er mir ganz trocken bloß, er wolle lieber arfuß durch die Wüste Sahara und Kobr wandern, als eine Dichterin zur Frau nehmen. Hofrath. Das war klug von ihm! A da nt. N ein, Pestilenz! — M it deiner Erlaubniß — Nein,

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D a s 2 u arteL tchen

i m H a u se.

e s w a r d u m m , es w a r abs che ul ic h v o n i h m , d a ß er m i r n i c h t s w e i t e r schrieb a l s d a s ! M i r , s e i n e m a l t e n t r e u e n F r e u n d e , sollte u n d m u ß t e e r n i c ht v e r s c h w e i ­ ge!^, d a ß e r schon ei n a n d r e s M ä d c h e n l i e b t e , w i e ich d a s n a c h h e r e r f a h r e n . — U n d w a s sa gs t d u d a 51t ? W e n i g e T a g e , n a c h d e m e r m i r j e n e n B r i e f g e ­ s c h r i e b e n , v e r l a ß t er h e i ml i c h d i e U n i v e r s i t ä t , u n d s e i t d e m ist er v e r s c h w u n d e n , v e r s c h o l l e n ; ich w e i ß n i c h t c t n u u n , ob e r noch l e b t . K u r z , ich b i n e i n s e h r u n g l ü c k l i c h e r M a n n ! Al l ' m e i n e n W u t z e n h a b ' ich i n d e n F l u ß g e s ä t ; al l ' m e i n e Li ebe a n e i n e n l e i c h t h e r ­ zigen, u n d a n k b a re n Menschen verschwendet. D u aber, H e r r B r u d e r , bist d e r G l ü c k l i c h e v-on u n s be i d e n , denn deine liebensw ürdige Nichte brin g t dir gewiß n u r Freude und S e g e n ins H a u s .

Hofrath. A in si s o i t - i l ! A l s o m e i n C a c i l c h e n g e f a l l t d i r ? W i e ? — I c h h a b e d i r noch n i c ht g e d a n k t , d a ß d u m i r z u L i eb e d e n b e d e u t e n d e n U m w e g g e m a c h t , u m sie a u s i h r e r P e n s i o n a b z u h o l e n , u n d m i r u n t e r d e i ­ nem Schutze mitzubringen. — D a s M ädchen gefällt dir a l s o ? W i e ? A d a ul.

D o n G e f a l l e n ist h i e r di e R e d e n i c h t : d a s M ä d ­ chen ist e i n E n g e l !

D a s Qu a r t e t t c h e n i m Hause.

89

H o f r a t h. Nun, ich laß es gelten, und verbitte mir für die Zukunft blos die Flügel. Adam.

Die schönsten Hände, die ich je gesehen habe! H o f r a t h , (lachend.) Commerzienrath Apollo, du bist noch der Alte! — Und was wirst du erst sagen, wenn das Mädchen vor dir steht, und mit den schönen Händen Violine spielt? Ada m. Was? Violine spielt? Hofrath. Ja, mein altes Zuckerchen, sie hat nur in der Pension die Violine lernen muffen. Ich will nun einmal das Luartettchen gleich im Hause haben. A d a m. Hm! Violine! das gefällt mir nicht. Hat keinen rechten Anstand. Meine Frau darf nicht Violine spielen. Hofrath.

Habe nichts dawider.

Meine Nichte aber spielt

90

D a s Q u a r t e t t c h e n - m Ha us e .

sie nun einmal, und meine Frau auch. Wie? Für mich giebt es keinen pikantern Anblick, als ein hüb­ sches Mädchen, das Violine spielt. Ada m. Pikant? Ja. Ungefähr in der A rt, wie eine geschiedene Frau für die meisten Männer etwas Pikan­ tes hat. Hof r at h. Posten! — du sollst das Mädchen heut noch hören. Ich habe für dich ein Ouartettchen arrangirt. Und was werden wir dir vortragen? Wie? — (E r holt die Partitur vom Tisch, und schlägt sie auf.) Da, da! Was ist das? Wie? Adam, (lesend.) Der Liebhaber nach dem Tode, O per Ei, was? Herr Bruder! Das ist ja unsere Oper, meine Oper! H o f r a t h. Der Liebhaber nach dem Tode, Oper in drei Akten, von Adam, in Musik gesetzt von E. A. Wunder!

Adam. Wirklich fertig?

D a s Quartettchen

i m H a u se.

91

Hofrath. Fix und fertig ! M it Degen und Haarbeutel! Ja, was noch mehr ist, schon vor geraumer Zeit an das Theater in der Residenz gesendet, und von demselben zur Aufführung angenommen.

Adam. Nun endlich, endlich ! Liebes Brüderchen, du machst mir eine große Freude. Und aufgeführt soll sie wer­ den? S o wirklich, was man sagt, aufgeführt, auf der Bühne, auf dem großen Theater? H ofrath. W ie mir mein Correspondent aus der Residenz schon vor vier Wochen schrieb, wurde sie einstudirt, und ich erwarte nun posttagtich die Nachricht von ihrer Aufführung. A d a m. Und unsere Namen werden auf dem Komödien, zettel stehen? H ofrath. Allerdings. A d a m. E i , du Hrmmelchen, du Himmelchen! wer hätte daS gedacht! Ich will dirs nur gestehen, mein Schatz:

92

D a s Q u a r t e t t c ^ e « i m Hause.

nächst dem Verlangen, dich einmal wieder zu sehen, war diese Oper die Ursach meiner Reise hieher. Es sind nun beinah fünf Jahre, daß ich sie dir zuge­ sendet habe! H ofrath. Nun so bitte nur den Himmel, daß unser Werk die erste Aufführung glücklich übersteht, und daß ihm dann die Recensenten gnädig seyn mögen! A d a m. Ach, G ott, ja , die Recensenten! das sind Kanibalen!

D a s L u a r t e t t c h e n im Hause.

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Vierter Auftritt. Franziska.

Die Vorigen.

Hofrath. N u n , da kommt jemand, der uns mit bitten hilft. Denn im Fall unsere Oper nicht mißfallt, habe ich ihr eine Reise nach der Residenz versprochen.

Adam, ( i h r die Hand küssend.) Ich lege Ih n e n meinen guten Morgen zu Füßen, meine theure Freundin. Franziska. G uten Morgen, lieber Commerzienrath ! Ich würde sehr glücklich seyn, wenn S i e die erste Nacht in in unserm Hause recht sanft geschlummert hatten. Ho f r a t h .

O , er hat so sanft geschlummert, daß ich ihn durch zwei Thüren durch babe schnarchen hören. Wie

-4

D a s O u a r t e t t c h e n im H a u s e .

A d a m. Ah pfui doch! — Gewiß würde ich göttlich ge­ schlafen haben, wenn nicht die Freude des Wieder­ sehns noch in meinen Nerven oscillirt hatte. Ich trank zwar noch zwei Glaser Waffer — ein G las Wasser vor Schlafengehn darf ich Ih n e n überhaupt als ein treffliches M ittel em pfehlen -----Hofra1h, (h a t indeß seiner Schwester einen S tu h l geholt, und schiebt jetzt einen zweiten dem Commerzienrath in die Kniekehlen, so daß er gezwungen ist , sich zu setzen.) Vergiß deine Rede nicht! Schwester Franzel liebt nicht so lange zu stehen, und die Geschichte mit dem Wasser könnte am Ende ins Weite führen. W ie ? Z n den O c ea n , zum Beispiel, oder gar in die Poesie. Franziska. D u bist ein ungezogner Mensch,

m on freie

I

Ho frath. W ir sprachen eben von unserer O p e r , Franzel. Ich habe da einige Stücke d a r a u s -----Franziska. Ach, so erlauben S ie m ir, lieberCommerzienrath,

St at Qu a v t e t t d j e n im Hause.

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Ihnen zu dieser Arbeit von ganzem Herzen Glück zu wünschen. H o f r at h. Ich habe da einige Stücke daraus-----A da m. Sie sind allzugütig, meine theure Freundin. Wenn sie I h n e n gefallen hat — H 0 f r (ith. Ich habe da einige Stücke daraus-----Franziska. Ich habe sie durchaus mit großem Vergnügen gelesen, und vieles hat mich wahrhaft entzückt. Hofrath. Ich ließ dich deßhalb bitten, herüber zu kommen, denn ich habe einige Stücke daraus-----Ada m. Meine verehrte, gütige Freundin, Ih r Lob ist mir vor allem werth und theuer-----Hof rat h. Aber zum Henker, ich------

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Das Luartettchen imHause.

Adam. J a, weil wir eben von der Oper sprechen, Herr Bruder, da ist mir eingefallen, ich wünschte doch nicht, daß mein rechter Name auf dem Komödien­ zettel stünde. H ofrath. Warum nicht? Was? Kanonenfieber? Wie?

Adam. Nein, stehst du, ich habe einiges unter dem Namen Angelo Mauro drucken laffen, und darf mir schmeicheln, daß dieser Name der Welt nicht ganz unbekannt geblieben sei —

H o f r fit H. Angelo M auro! Mohrenengel! Gott bewahre! Franziska. Angelo Mauro! Jst's möglich? das find Sie? So war das zarte Gedicht neulich in der Abendzei­ tung von Ihnen? Angelo Mauro! Ach, wem wäre der Name nicht bekannt und werth! H o frath. O rührendes Sicherkennen schöner Seelen! Hier, theurer Angelo, fitzt vor dir die gleichfalls pseudonyme

D a s Ä u a r t e t t c h e n i m Spa n s e.

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und berühmte Dichterin, die unter dem Namen Fiona in Zeitungen und Taschenbüchern spuken geht. A d a m.

Fiona? Wie? Fiona! welche Ueberraschung! die edle Sängerin, die ich so lange schon bewundert und verehrt -------

Hof r at h. Sitzt hier verkörpert als Schwester Franzel vor dir. Richtig!

A da in. Ach, könnte ich Ihnen doch sagen, wie mich erst kürzlich noch das treffliche Gedicht erquickt, hat — Hofrath.

B on! Ih r seyd nun auf dem rechten Wege. Das Iiergartlein der anmuthigsten Unterhaltung liegt ge­ öffnet vor euch; allein------A da m. Wie heißt das schöne Gedicht doch

-

Hof r at h. Allein für jetzt, meine verehrten Kinder, schließ' ich euch das Gärtlern noch vor der Nase zu. Conteff. Schrift.

Z. Vv.

7

98

D a s Ou a r t e t t c h e n i m Hanse.

Ada m. Das schöne Gedicht im Taschenbuch der Lieb' und Freundschaft-----Fr anzi ska. Sie sind zu gütig — doch vermuthlich meinen Sie die Sestinen — es war nur ein Versuch-----Hofrath, ( schiebt schnell einen Stuhl zwischen beide, und setzt sich darauf.)

Halt! Thüre zu! Schlagbaum vor! Alles das ein andermal! Ich habe heut keine Zeit zu verlieren. Franzel, ich habe da einige Stücke aus unsrer Oper vierstimmig arrangirt, und ließ dich herüber bitten, um vorher noch den einen Satz ganz flüchtig durch­ zuspielen; — er hat einige Schwierigkeiten im Takt. Wie? Ich muß dich daher ersuchen, alter Freund, dich nur auf zehn Minuten dort in mein Arbeits­ zimmer zu verfügen. Ada m. Wie denn? Was denn? ich sott — Hofrath, (ihn vom Stuhl aufhebend.) Aufsiehn, gehen, dort hineingehn in mein Kabinet,

$ aß Q u a r t e t t c h e n i m H a u s e.

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aber nicht böse seyn, Herzensseete, — Noch kennt kein Gebot! In zehn Minuten bist du wieder hier. A d a nt.

Nun, Sie sehen wohl, theure Freundin, man muß dem Dschingiskhan schon gehorchen. Nachher aber werden Sie mir erlauben-----Ho f r a t h . Nachher ist alles erlaubt, Alles. Um indeß in der Vegeistrung zu bleiben: du wirst auf meinem Schreibtisch ein Bändchen Gedichte und Erzählungen von meiner Schwester finden, unter dem Titel: Gän­ seblümchen, na, oder Wiesenblümchen — sie hat mir es voriges Jahr zum Geburtstag geschenkt — blau Maroquin mit goldncm Schnitt — die Blätter wer­ den noch ein wenig zusammenkleben — ( Er hat jenen während der letzten Worte unter den Arm gefaßt, und nach der Seitenthür geführt.) Ad a m. Ach, da steht gewiß die rührende Erzählung darin-----Hofrath. Ungcmcin rührend, Herr Bruder! und wenn du

ioo

D a s Q u a r t e t t c h e n i m Hause.

sie schon gelesen hast, wirst du sie mit Vergnügen noch einmal lesen. ( Er schiebt ihn zur Thür hinein, und macht sie zu.) Daniel! Daniel i

Fünfter Franziska.

Auftritt.

Hofrath.

Daniel.

Franziska. Das muß man gestehn, Herr Bruder, du hast eine Manier mit deinen Freunden umzugehen — Hofrath. Sey nicht böse, mein Franzelchen! du bist eine vortreffliche Dichterin, aber ein noch weit vortreff­ licheres Frauenzimmer, das ich von ganzem Herzen liebe, und für die alte Seele, die ich da ins Kabinct gesperrt habe, last' ich Hals und Kragen; bei der Unterhaltung aber konnte ich euch nicht lassen! Das war die Ochsenhaut der D ido, aus der ihr mir viel tausend Ellen Riemchen geschnitten hattet: der ganze Vormittag wäre mir verloren gewesen! Und ich habc

D as

2 uartettchen Lin Hause,

101

heut keine Minute zu verlieren. — He, Daniel! Daniel! (D aniel tritt ein.)

(Zu Franziska:) Wenn du wüßtest, was für ein entscheidender Tag für mich ist, — Daniel, geschwind die Pulte herbei — Violine, ^Bratsche, Cello! — Wenn du wüßtest, wie sich Furcht und Hoffnung gleich dem Satz und Gegensatz einer Fuge in mir herumstreiten — Franzi ska. Du machst mich sehr neugierig! (D e r Hofrath holt sich eine Violine. Daniel, nachdem er die Notenpulte, eins vor Franziska, aufgestellt, nimmt die Bratsche, nimmt sie, und überreicht sie Franziska; der Hofrath nimmt die Notenblätter vom Lisch, und legt die Stimmen auf. Das Gespräch geht während dessen weiter.)

Hofrath.

Du sollst alles noch heut erfahren. Du weißt, ich unternehme nichts, ohne deinen klugen Rath zu hören. Wie? Franzi ska. Ja, um in der Regel nachher das Gegentheil zu thun.

102

Q u a r t e t t e s ; cn im 5? a u s e .

H o fra th . W a s ? ich armer W urm , bei* sich von D ir um den Finger wickeln laßt? — G ! G ! Daniel! das G ist zu tief! — B in ich nicht ein Muster von Nach­ giebigkeit, Gefälligkeit, Demuth, Gelassenheit, Ge­ duld, kurz ein wahres Paternosterwerk von lauter Ehestandstugenden? W ie? D a n ie l. S oll ich Cello oder Basso? H o f r d t H. Cello, Cello, vor der Hand! Dani el . Cello vor der Hand — sehr w ohl1. Ho f r a t h.

Franzel, ich sage dir, Franzel, du würdest deine Freude daran haben, mich als Ehemann zu sehen! Franziska. N u n , an mir und meinem Rathe hat es nicht gelegen, daß ich diese Freude nicht schon langst ge­ habt habe.

Das

2 uar tet tchen im Hause.

103

H ofrath. Franzel, wir sind beide noch jung; wir können noch viel erleben. Das Gute kommt nie zu spat. Wie's gränzet/ wie war' es denn — Doch halt! basta! Silentium! Alles das hernach! Fangen wir an! Fangen wir an! ( Er stellt sich an fein Pult.) Nummer zwei, wenn es dir gefällig ist, allegro spirituoso, B dm ! — Nein, halt! basta! Lassen wir's gut seyn! Es wird sich alles finden. Ich kann jetzt nicht probiren; ich habe keine Ruhe; ich stehe mit den Füßen in einem Ameishaufen. (Zu Daniel, der noch immer strcichfertig harrend dasitzt.) Es ist gut! Wir spielen jetzt nicht. (Daniel hört nicht; der Hof­ rath läuft hin, und nimmt ihm den Vogen aus der Hand.) Nicht spielen jetzt, theurer Jüngling! Ge­ liebter Kabliau! Nicht spielen! — Ja, liebes Fran­ zelchen, da wir einmal darauf gekommen sind, so sollst du mein Geheimniß auf der Stelle erfahren. Es laßt mir keine Ruhe mehr; es muß heraus. Daniel. Heraus. So wollen also der der nicht-----Hofrath.

H e rr

Hofrath.jetzun­

Wollen nicht.! nein! jetzunder nicht! Ich habe jetzt mit meiner Schwester zu sprechen.

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D a s L u a r l e t t c h e n im H a u s e . Dani el . Sprechen. S e h r wohl! ~

( E r nimmt Franziska die Bratsche ab, und stellt die P u lte w eg. D er Hofrath geht hastig hin und her. An der Thür kehrt D aniel wieder u m .)

Befehlen der Herr H ofrath, daß ich draußen war­ ten soll's Hofrath. N ein, nein, guter Belial! Nicht warten! Zum Teufel gehn! W ie? Dani el .

Zum Teufet gehn — wie — S e h r wohl! ( E r geht ab.)

D a s H u a r t e t t c h e n i m /pause,

Sechster Franziska.

105

Auftritt. Der Hof rat h.

Hofrath, (bleibt nach einer Weile plötzlich vor ihr stehen.) Franzel, hör' mich an l Merk' wohl auf 1 Franzi ska. Nun, ich bin ganz Ohr und Erwartung. Hofrath, ( sieht ihr ein paar Sekunden ganz nahe ins Gesicht, läuft dann wieder einige Schritte hin und her, endlich:) Franzel — ich werde heirathen! Franziska. Heirathen! E i, ei! Das ist ja ganz etwas Neues! H 0frath. Ach was! Heirathen ist eine alte Gewohnheit. Franziska. Aber dein Entschluß dazu ist doch sehr jung.

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D a s Qu a r t e t t c h e n i m Haus e .

Hofrath. Keineswegs. I s t gleichfalls eine alte Sache, ein abgelegener Wein. Den hab' ich schon lange im Keller. F r a n z i s k a , (lächelnd.) E s kommt mir doch v o r, als wäre noch einige S a u r e zu spüren. Hofrath. D u bist nur noch nüchtern, mein Kind, W ie ? Ich hoffe, meiner künftigen F rau soll er besser m un­ den. Franziska. N u n , wer ist denn aber die Auserwahlte! Hofrath. Franzel, gesteh' es nur aufrichtig, dir graut vor der neuen Frau im Hause. W ie ? — Sichst d u , auch darauf hab' ich bei meiner W ahl Rücksicht genommen, so daß in unserm alten Verhältnisse durch die neue F rau gar nichts geändert wird. W ie ? N u n erräthst du doch ------

Franziska. Keine S y l b e ! Oder, — oder hättest du etwa deine Augen a u f unsre hübsche N achbarin, das Fräulein Haidekraut geworfen?

D a S H u a r t e t t c h en i m 5? a u s e .

107

H 0 frath . D u nreinst, weil sie dumm ist? O h , ein-e dumme hat ihre Nicken so g u t, als eine andere, und der Himmel bewahre jeden Mann vor einer dummen Frau ! M ag er sich sträuben, wie er will, er wird am Enhe selbst mit dünnn. Franziska.

Oder hat vielleicht die verwittwete Legationsräthin, mit der du dich neulich so lange unterhieltest----H 0 frath . P a h , die pretiöse N ä rrin ! Wo denkst du h in? Erst Habergrütztränkchen, nun spanische Fliegen! Franziska. O der, ja , da fällt mir's ein — ~ Hofrath. Ich bitte dich, behalte deine Oders in der Tasche! du stellst dich wieder einmal einfältig, Kind, bloß um mich zu quälen. Du weißt recht gut , daß hier von niemand die Rede seyn kann, als von — als, — als von, — zum Henker! als von — Cäcilien! Franziska..

Don Cäcilien? Don unsrer Nichte?

io8

D a s Q u a r t e t t c h e n i m Ha u s e .

Hofrath. M ein H im m el, schrei' doch n u r nicht so l

Franziska. C ä c ilie ! C i , Cäcilie'.

Hofrath. Cäcilie! S i e t h u t , als hörte sie den N am en zum erstenmal in ihrem Leben.

Franziska. C ä c ilie ! das K i n d ! Hof rat h. I h r W eiber habt eine eigne A rt zu rechnen, so­ bald ihr über die D reißig hinaus seyd. E in Kind von achtzehn J a h r e n , dacht' ich, w äre a lt genug zum H eirathen.

Franziska. W enigstens wenn ihr am Alter noch etwas fehlen sollte, so kannst du au sh elfe n , lieber B r u d e r .

Hofrath. B o n ! S e y du n u r immer witzig a u f meine K osten! Ich greife allenfalls im B a ß die D o m inante d az u ; denn im V ertra u e n gesagt, ich komme m ir manchmal selbst etw as spaßhaft vor als E h e m a n n ; allein es

D as

2 u a rte ttc h e n im H ause.

109

bleibt doch bei meinem Entschluß. Ich habe ihn Jahre lang gehegt und gepflegt. Franzel, warum hatte ich dir denn so lange zugesetzt, bis du endlich mir zu Liebe die Bratsche spielen lerntest? Warum hatte mir denn die Cäcilie in der Pension die Violine ler­ nen muffen? Wie? Mein Ouartettchen wollt' ich im Hause haben, in der Familie! Franzel, denke dir doch die Wonne, wenn wir nun den alten Schul­ meister drüben aus Staarleben nicht mehr brauchen, und uns alle Abend, ja zu jeder Stunde des Tages unser Üuartettchen im Hause blüht! Franziska. Recht schön! Aber weißt du denn, ob Cäcilie auch Lust hat ------Hofrath. Ob sie Lust hat, die erste Violine zu spielen? F r a n z i s k a , (lachend.) Nun ja ! das heißt, ob sie auch Lust hat dich zu heirathen? H ofrath. Ja so! Warum nicht? Cäcilie ist ein gutes Kind; sie hat muh lieb, das weiß ich, und bei mir soll sie den Himmel auf Erden bauen.

iio

D a s Q u a r t e t t c h e n i m H a u se.

F r a n z i s ka. Lieber B r u d e r, ein Mädchen von ig Ja hren menblirt ihren Himmel mit ga r besondern: Hausgeräth. Hast du sie denn schon gefragt? Hof rat h.

G e f r a g t? Nein. — Cäcilie ist ein gutes liebens­ würdiges M ädchen, das jeden M ann glücklich machen w ürd e ; m ir kann das aber noch alles nichts helfen, sobald sie nicht auch einer ersten Violine m it Ehren vorzustehen weiß. O b sie das nun verm ag, werden wir diesen M orgen noch hören. Besteht sie im Exa­ m en, so biete ich ihr ohne weitres meine Hand. Franzel, das Mädchen müßte gar keinen S i n n für Musik haben, wenn sie nicht einwilligte! Ich bin auch wohl trotz meiner 50 J a h r e noch ein ganz leid­ licher Kerl. W ie ? — Die Aussicht, eine reiche Frau zu w erden, thut nebenher auch noch das ihrige, und wenn du nun mich bei der Sache noch das deinjge t h u s t — lache nicht! Franzel, a u f dich kommt hier viel a n ! S e h r viel! D a s weis; ich wohl! — N un , ku rz ! morgen ist mein Geburtstag — wir werden einige Gäste haben, — bei Tische Tafelmusik, nach Tische Conzert — Große Sym phonie von Beethoven, C m o l l , — j a , da fallt mir eben ein: mir ist ein köstlicher ostindischcr S h a w l angeboten worden, ich habe ihn für dich gekauft; ich schicke jetzt gleich nach

D a s Qu a r t e t t c h e n im Haus e .

in

der S t a d t , dann hast du ihn heut Abend, und kannst morgen d am it erscheinen; — ich muß jetzt f o r t ; du weißt jetzt alles — m ir ist ein S t e i n vom Herzen — j a , das wollt' ich noch s a g e n , — morgen bei Tische, wenn die Musik und der C ham p agner die Gaste in einige Begeisterung gesetzt h a b e n , stehe ich a u f und mache meine V erlobung bekannt; die G laser klingen, T rom peten und Pauken fallen e in , es w ird ein gö tt­ licher S p e k ta k e l, und ich habe eine F r a u und mein fiuartettch en im H a u s e ! — N u n , A d ie u , Franzcl, ich habe keinen Augenblick mehr zu verlieren — ich w ollte, ich hatte sechs H a n d e l — ( E r läuft einige Schritte nach der Schur, und kehrt wieder u m .) Adieu, F ran ze l! Leb wohl, F ran ze l! G o t t behüt' dich, F r a n -el! ( E r wiederholt die vorige Bew egung.) Franzel, forsche doch indeß Cäcilien ein wenig a u s , — bereite sie v o r — etcatera ! W ie ? du verstehst mich. — (W ie-der wie vorher.) F ra n z e l, du bist das vortrefflichste F rau en zim m er, das ich je gek an n t, und wenn mich der liebe G o t t nicht zu deinem B r u d e r gemacht hatte, so heirathete ich dich und keine andere! W i e ? ( E r läuft zur T h ü r hinaus.) A dieu! ich habe keinen Augen­ blick mehr zu v erlieren!

11 2

D a s Q u a r t e t t c h e n i m Ha u s e .

S i e b e n t e r Auftritt. F r a n z i s k a (allein.) (H in te r ihm her lachend.) E s gehört doch unter die sehr possirlichen Dinge in der W ett, wenn ein alter M a n n ein junges Mädchen heirathen will! Diese inn're Schaam und V erlegenheit— diese S cheu, den N am en des Mädchens auszusprechen und zu hören — und wie er mich sogar bestechen wollte. Kann aber nichts werden, Herr B ru d e r! Ich habe seit 15 J a h ­ ren hier das Hausregim ent geführt, es wird wohl am besten seyn, wenn alles hübsch Ln der alten O rdnung bleibt. — Aber jetzt vor allen Dingen muß ich wohl den armen Commerzienrath erlösen. Am Ende ist er wohl gar über meinen Gedichten ein­ geschlafen. ( S i e öffnet die Thür des Kabinets.) E r steht am Fenster, er hat ein Buch in der Hand und scheint in tiefen Gedanken. — Lieber Commerzien­ rath , unser Dschingiskhan hat das Feld geräumt — S i e dürfen nun wieder herauskommen. Kommen S i c !

D a s - t z u a r t e t t c h e n i»i H a u s e .

1X 3

Achter Au f t r i t t . Adanu

Daniel.

(Adam kommt hastig aus dem Kabinet. E r scheint im* ruhig und zerstreut. Franziska setzt sich; er setzt sich ihr gegenüber.) Franziska. N u n , nicht w ah r, S ie kannten wohl mein Büch­ lein schon frü her? A d a m. I u B efehl! — W ie sagten S ie ? — Ob ich sie schon früher gekannt? N ein , erst au f dieser Reise hab' ich ----Franziska. A h, S ie meinen die E rzählung? S ie haben sie also au f der Reise gelesen? Wie gefällt sie I h n e n ? A d a m. . Ach, nur zu gut, meine theure Freundin, um sie leinals wieder vergessen zu können! Tontest. Schrift. Z. B d.

R

ii4

D a s Q u a r t e t t c h e n im H a u s e . F ra n z isk a . S e h r schmeichelhaft-für mich!

A d a m. J a , so g u t, so gut — n u n , es muß doch einmal herau s! — so g u t, daß ich — daß ich sie heirathen will. Franziska. W as denn? Meine E rzählu ng? A d a m. Ach nein, — Cäcilien! — mit I h r e r Erlaubniß. F ra n z isk a . Ach! so! Cäcilie! ( F ü r sich.) Nummer zwei ^ das ist lustig! (L aut.) N u n , ich will es Ihnen gern erlauben; aber haben S ie diese Erlaubniß schon von ih r, haben S i e schon mit ihr gesprochen? A d a m. N e in , noch nicht. Ich meinte e b e n -----Franziska. Ich meine vor allen D ing en, daß zum Heirathen zwei Personen gehören, und bitte S ie, diese wichtige W ahrheit wohl zu erw ägen!

D a s ü u a r t e t t c h e n i m H a u s e.

115

Ada m. Du lieber Himmel, ich bin ja von dieser Wahr­ heit ganz durchdrungen, mit Ihrer gütigen Erlaub­ niß, wie Sie sehen. F ranziska. lind haben Sie denn wirklich die Hoffnung, daß Cäcilie ja sagen wird.

Adam. Ich w ill es nicht laugnen, ich wage es einige in aller Bescheidenheit, doch ziemlich grüne, bei mir zu hegen.

Fr anzi ska. Und worauf gründet sich diese ziemlich grüne? A d a m. Nun erstens doch wohl auf das ansehnliche Ver­ mögen , das ich Cäcilien bieten kann. F ranziska. G u t, das ist etwas, und wenn Cäcilie nur sechs Jahr alter wäre, würde es sogar viel seyn. Nun, aber zweitens? A da m. Zweitens, mit Ihrer gütigen Erlaubniß, gründet

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D a s . Q u a r t e t t c h e n i m Hause.

sich meine Hoffnung ein wenig auf mich selber. Ich meine, wenn man mich erst naher kennen lernt, ich bin so übel nicht, und wenn Cäcilie sieht, wie lieb ich jemand haben kann, nun so denke ich, es wird ihr nicht schwer fallen, mich auch ein wenig lieb zu haben, ja ich denke sogar, — und das ist mein drit­ ter Grund, — ich denke sogar, sie hat mich schon ein wenig lieb.

Fr anzi ska. E i wirklich? Denken Sie das? Und worauf, muß ich abermals fragen, gründet sich dieser Gedanke? A da m. Verehrter Herr Kriminatrath, wenn sich nur das Alles so sagen und beschreiben ließe! Wenn ich diese Freundlichkeit, dieses Lächeln, diese Güte, diese Sorge für mich nur gleich in Steindruck hier mit beilegen könnte! Theure Freundin, hat sie nicht meinen alten M ops, das arme Vieh, den ganzen Weg über auf ihrem Schooße gehabt? Franziska. Viel Freundschaft fü r S ie , oder für den Mops! A d a m. Hat sie sich nicht alle Morgen an ihrem Schlafe abgedarbt, um mir den Kaffee selbst zu bereiten?

D a s H u a r t e t t c h en i m H a u s e .

ii7

denn ich und mein J o h a n n , wir hatten die Kaffee­ maschine vergessen. Ach, es w ar überhaupt an nichts gedacht a u f dieser £Kctfe! Nicht das geringste von Lebensmitteln und Erfrischungen hatte ich mitgenom­ men. I n den Dorfschenken unterwegs w ar nichts zu haben, oder ich konnte vor Ekel nichts genießen, und ich ward am Ende vor Hunger ganz hinfällig — sehen S i e , da holt das gute Kind einen herrlichen Kuchen hervor, den ihr eine Freundin auf die Reise mitgegeben — es war ein sublimer Kuchen und mein Hunger überschwenglich — ich kann ihren B itten nicht widerstehen, ich lange z u ; sie erzählt mir indeß e tw a s ; ich sehe ihr in die schönen Augen, auf den freundlichen M u n d , ich horche au f den W ohllaut ihrer S tim m e , und esse; mein ganzes Wesen ist bloß Auge, O h r und Z unge; ich bin in hoher Begeiste­ rung ! — endlich fallt ein Blick zufällig auf die Kuchenschachtel: — sie ist leer! — theure Freundin, ich habe den ganzen Kuchen aufgespeist! — Auch nicht ein Stückchen hat das arme Kuid davon genossen! F r a n z i s k a. B r a v ! S i e konnten ihr die Begeisterung für sie nicht augenscheinlicher beweisen. W as thaten S ie aber mm i A d a in. N u n , ich schämte mich entsetzlich; sie aber lachte

ii8

D a e Q u a r t e t t chen im 5? a u s e .

to n Herzen über meinen Appetit, und stäubte mir die Knchenkrümelchen von der Nock'klappe. — Ach, das Mädchen ist ein E n g el! Und gewiß keine andere würde mich so glücklich machen, als grade fie. Frei­ lich würde ich manche von meinen alten Gewohnhei­ ten ablegen oder doch beschränken muffen als Ehe­ mann -----Franziska. J a , freilich, das würden S i e , mein Theurer. Adam. D a s meinen S i e auch? Nicht w ahr? Wenn man 50 Jahr ohne Frau gelebt h a t ------

Franziska. Fünfzig Jahr ist eine hübsche Zeit, und neue Kleider sind unbequem. A llerdings! A d a m. Cäcilie ist freilich sehr j u n g -----Franzi s ka. S e h r j u n g ! sehr j u n g , mein Freund ! A d a m. Freilich, freilich! — Aber ich habe einmal den Entschluß gefaßt — mein undankbarer Pflegesohn —

Das Ouartettchen

im Hause.

119

j a , sehn S i e , eigentlich i h m zum Trotz wollt' ich mich verheirathen. Franzi s ka.

Zum Trotz verheirathen? Theurer Freund, das heißt in die falsche Applikatur eingesetzt. S i e wer­ fen mitten in der Passage um. A d a m. Aber zu dem Trotz kam nun hinterdrein noch die Leidenschaft. Franziska. J a so; Adam.

G e n u g , ich bin fest entschlossen — ich lege mein Glück in I h r e H ände: — sprechen S ie mit ihr — oder-, wollt' ich sagen, forschen S i e sie ein wenig aus — so ganz von weitem, mein' i c h -----Franzi ska.

O mit Vergnügen — jetzt gleich! A d a in. Jetzt gleich? — O d e r, wissen S i e w a s ? — nein, thun S i e es noch nicht — was meinen S i e ? — ich dachte, morgen.

i 2ö

D a s L u a r t e t t c h e n i m H a u s e.

Franziska. M o rg e n , morgen ist ein kleines W o r t, und der Mensch spricht es gar leichtsinnig a n s , und doch was liegt nicht alles vielleicht in diesem M o rg e n s Wer weiß, lieber Com m erzienrath-----A d a m. S i e erschrecken mich! — Aber S i e haben recht. Dieses M o rg e n , M o rg e n , um was hat es mich im Leben nicht schon gebracht! — D a s alte Sprichw ort sagt: wenn der liebe G o tt spricht: heute, so spricht der T eufel: morgen. — N e in , ich will — S i e sol­ len — heut noch — doch ertauben S ie m ir, daß ich erst noch einen Spazierganz im Garten mache, und noch einmal alles überlege. Wenn man an der Schwelle einer solchen Entscheidung s te h t----Franzi ska.

V on der Leben oder Tod abhangt, mein Freund! A d a m. S i e haben Recht, — gewissermaßen — Leben oder Tod — freilich, freilich! Leben oder T e d ! — Aber ich gehe jetzt. Wenn ich zurückkomme, steht mein Entschluß wie ein Felsen, mit I h r e r gütigen E rlaub­ niß — Leben oder Tod — freilich, freilich! ( E r geht ab.)

D a s L u a r t e t t c h e n i m H ^ u se.

121

Franziska. D er Himmel erleuchte S i e !

Neunter Auftritt. Franziska.

Dann D a n i e l .

Franziska. H a , h a , ha! M ein H err Commerzienrath, mit I h r e r gütigen E rlaubniß, ich möchte S ie gern einen allen N a rren nennen, wenn es der Anstand erlaubte. Aber daß G o tt erbarm! zwei solche alte H eirathskandidaten a uf e in m a l! Ich sehe nächstens noch den alten D aniel kommen, und mir seine Herzensnoth klagen. G o tt bewahre! das Mädchen muß mir je tfh.er je lieber wieder aus dem H ause, oder unter die Haube. — Aber das ist doch w a h r, wenn heut zu Tage ein M a n n Methusalems Atter erreichte, so würd' er doch nur ein achtzehnjähriges Mädchen heirathen wollen! (Daniel guckt zur Thür herein.) N u n , w as giebt's? W as will E r , D a n ie l? Dani el . D aniel — Ich reite nur ein wenig rekognosciren, ob die Luft rein ist.

nt

D a s Q u a r t e t t c h e n im H a u s e . Franzi ska. Wie so ? W as soll das heißen?

D a n i e l , (lächelnd.) Heißen — I n u n , ich wollte sehen, ob der Herr Hofrath sowohl, als der H err Commerzienrath sich in erwünschter Absenz befänden. F r a n z isk a . W er wünscht denn diese Absenz? Dani el . Absenz — J a darüber kann ich so eigentlich und gründlich nicht berichten, da ich den fremden M en­ schen nicht kenne, der draußen steht. Franziska. Ein fremder Mensch? W as will e r ? Daniel.

Will er — j a , deswegen komm' ich eben zweitens: er will mit Ih n e n sprechen, aber blos mit Ih nen . Franziska. B lo s m it m ir? W as ist das für ein Mensch? Wie sieht er a u s ?

D as

Q u a rle ttc h e n

im

H ause.

123

Daniel . A us — N u n , wie unsere jungen Leute meist heut zu T ag e a u s s e h e n : wunderlich genug. S o n s t aber ein feiner M ensch, ein höflicher M ensch, ein braver M en sch ; n u r scheint er kein recht gutes Gewissen zu h a b e n : er ist ein wenig ängstlich, und fra g t sehr viel, und vor dem H errn Com m crzienrath besonders h a t er große Scheu. Franziska. H a , fast errath' ic h ! — F ü h r' er ihn geschwind h e re in !

Daniel. H erein — S e h r w ohl! — Ic h werd' ein wenig a u f der S e n tin elle bleiben. — D a ist er schon.

124

Das

2 "artettchen

i m H a u fe.

Zehnter Auftritt. Franziska.

Ferdi nand.

Ferdinand. Verehrte F r a u , vergeben S i e meine Zudringlich­ keit! Dem Bedrängten erlaubt die Zeit nicht viele W o rte ; ich muß kurz und geradezu seyn. Ich bin I h n e n u nb e k an n t-----Franziska. Das thut mir leid.

Ferdinand. S i e aber sind mir keine Unbekannte. Ich kenne und schätze nicht allein die geistreiche Dichterin Fiona, ich kenne und verehre auch die edle mütterliche Freun­ din eines Mädchens, das über mein Schicksal ent­ schieden hat. Ich liebe I h r e Nichte Cäcilie. Franzi ska.

Cäcilien! S o ? ( F ü r sich.) D a haben w ir 'S ! N u m ­ mer D re i!

D a s Q u a r t e t t c h e n i m H a u se.

125

Ferdinand. Ich fühle, daß ich ohne sie nicht glücklich seyn, ja daß ich ohne sie nicht leben k a n n -----Franziska. Versteht sich! F e r d i n a nd . Und komme jetzt h i e h e r -----F ranziska. Um sie zu heirathen. F erdinand. S i e sprechen meinen höchsten Wunsch kürzer aus, als ich es gewagt haben würde.

Franziska. N u n , das ist recht schön! S o wäre ja di eSache ganz in der Kürze abgemacht. N u r einige große Kleinigkeiten würden etwa noch in Betracht kommen. S o z. B . würden die Angehörigen der Erwählten doch vielleicht neugierig genug seyn, etwas weniges von I h r e m werthen Na men und übrigen Verhältnis­ sen wissen zu wollen. Ferdinand. Vergebung'. D a m i t hatte ich freilich anfangen

i26

D as O u a r t e t t c h e n im H ause.

sollen. M ein Name ist Ferdinand W a lte r, und ich bin der Neffe und Pfiegesohn des Commerzienraths Adam , der jetzt eben als Gast in I h re m Hause ist. Franziska. Ach! das hab' ich bald errathen. N u n , S i e sind mir willkommen. Ich habe G utes von Ih n en gehört. O b sie aber Ih re m Oheim sowohl, als meinem B r u ­ der eben so willkommen seyn werden, d a s , aufrich­ tig gesagt, bezweifle ich fast. Ferdinand. S o ist es also wirklich w a h r ? — Mein Onkel zürnt a u f mich, und nicht mit Unrecht, doch mit I h r e r Vermittlung hoffe ich ihn zu versöhnen; allein was S i e mir eben von I h re m H errn B ru d er sagen, daS kann mir nur eine Bestätigung von dem seyn, was ich gehört, und w as mich eigentlich hieher ge­ trieben hat. Franziska. N u n , und was haben S i e denn gehört? Ferdi nand.

Das; I h r Herr B ru der selbst Cäcilien zu seiner F rau bestimmt hat.

Q u a r t e t t e s ) eti i m H a u s e .

127

Franziska. Haben S i e das wirklich? Ferdinand. S i e können denken — doch nein, S i e können es nicht denken, wie diese Nachricht mich zu Boden schlug! Ich hatte keinen ruhigen Augenblick mehr, und noch derselbe T ag fand mich a uf dem Wege, um mein Urtheil aus Cäciliens eignen M unde zu hören. Ich vernahm , daß sie m it meinem Onkel abgereist, daß sie hi eh er gereist sey. Ohne mich zu besinnen, folgte ich ih r , und stehe nun vor I h n e n , S i e um I h r M itleid , I h re Hülfe anzuflehen. Ich habe das unbeschrankteste Vertrauen zu Ih re m Herzen, wie zu I h re m Verstände. Und wenn Ih n e n auch m e i n Schicksal gleichgültig seyn könnte, so weiß ich doch, wie sehr S i e I h r e Nichte lieben, und daß S i e nie­ mals in i h r Unglück willigen werden. Franziska. E i junger H e rr, S ie glauben also, daß eine Verbindung mit meinem B ru der Cäcilien unglücklich machen w urde? Ferdi nand.

An sich vielleicht nicht; allein da ich Cäciliens Gesinnung k en ne------

128

D a s Q u a r t e t t c h e n im H a u s e .

F ra n z is k a . D a s soll doch wohl heißen, da S i e von ihrer Gegenliebe überzeugt find ? Ferdinand. Ich d a rf wenigstens hoffen, ihr nicht gleichgültig zu fet;n. Franziska. Bescheiden genug für heutzutage? — N u n , mein junger F re u n d , ich muß Ih n e n sagen — ( Daniel guckt zur Thür herein, und ruft: » E s beliebt jemand die Treppe herauf zu kommen.") W ir werden gestört. Gehen S i e indeß in dieses Zimmer. E s wird sich von I h r e r Angelegenheit wei­ ter sprechen laffen. — Noch e i n s ! Spielen S ie viel­ leicht V io lin e ?

Ja.

Ferdinand.

Franzi ska. M it einiger Fertigkeit?

Ferdinand. Ich glaube, ja.

D a s 2 u a r t e t t c h e n im H a u s e.

129

Franziska.

N u n , das ist gut. Gehn S ie geschwind, und verhalten S ie sich still. S ie sollen bald wieder von mir boren. ( Ferdinand geht ab.')

Ei l fter

Auf t r i t t .

Franziska. Cäcilie. C äcilie. Ach, liebe Tante, liebe T ante! Franziska. N u n , was willst du? Cäcilie. Was soll ich nun anfangen? Wenn S ic mir jetzt nicht rathen und helfen-----Franzi ska.

Schon wieder rathen und helfen! — D u willst doch nicht auch etwa heirathen? Conteff. Schrift.

8. B d .

9

i 3o

D a s QuarteLtchen i m H a u s e .

Cäcilie. Helrathen? Liebe T a n te, wie konnnen S i e jetzt d arauf? Franziska. J a , es ist eine gefährliche Lust hier im Hause. Aber das W ort scheint dich recht erschreckt zu haben. D u bist ganz blaß geworden — sieh! und nun schlagt dir wieder die helle Gluth übers Gesicht! Cäcilie. Ach, liebe T a n te, ich mag gar nicht heirathen. Fr a n z i s k a .

H m , das ist Schade — eben jetzt — Cäcil i e.

Wie so denn eben jetzt? Franzi s ka.

E s bieten sich dir eben jetzt einige sehr annehm­ liche Partien. Cäci l i e.

E in ig e? Allerdings.

Franziska. D u hast die W ahl.

Fürs erste prä-

D a s ü u a r te ttc h e n im H ause.

131

fenttre ich dir zwei angenehme, interessante Männer von ansehnlichem Vermögen und Ln den besten Jahren. Cäcilie.

Das heißt?

Fr anzi ska. N un, beide nicht über fünfzig Jahr. Cä c i l i e . Ach, beste Tante, wie gesagt, ich mag jetzt noch gar nicht heirathen. Fa- a n z i s k a. O , wenn es dir unangenehm ist, kein Wort mehr davon! — Freilich wäre es auch meine Pflicht gewe­ sen, dir den dritten Freier vorzuführen------Cäcilie. Wahrscheinlich auch so in den besten Jahren?

Fr anzi ska. O nein, was das betrifft, dieser ist ein junger hübscher Mann von höchstens etwa dreiundzwanzig Jahren. Cäci l i e. So!

i32

Das

2 u ar t et t c he n im Hause. F r a nz i s k a .

E r behauptet auch, seyn.

dir bereits wohl bekannt zu

Cäcilie. S o ? wirklich? — in der T h a t — ich wüßte doch nicht — beste T a n t e -------Franziska. Ich muß d ir gestehen, er hat m ir ganz wohl ge­ fallen. Aber kein W o rt mehr d avon! D u hörst nicht gern davon sprechen. Es ist dir unangenehm. Cäcilie. O , sprechen S ie nur im m er, liebe Tante. höre es schon m it an.

Ic h

Fr anzi ska. D u gutes K in d ! Aus bloßer Gefälligkeit gegen mich willst du hören, was du nicht gern hörst! Aber nein, die Sache ist abgemacht. Keine Sylb e mehr von den drei Freiern ! Sprechen w ir von was anderm. D u hattest m ir ja etwas zu sagen, als du eintratst; ich sollte dir rathen und helfen.

Cäcilie. Ach,

freilich,

freilich!

Ich

bin

in der größter.

Das

Ouartettchen

imHause.

133

Verlegenheit. Denn sehen S i e , der Onkel ver­ langt Aber ich bitte S i e , er sagte wirklich, daß er m ir wohl bekannt sey? Franziska. W e r? D er Onkel? Cäcilie. Ach nein, ich m e in e -----Franziska. Ach, du meinst unsern dritten Freier! N un aller­ dings sagte er das. Aber du sprachst ja von dem O n k e l! W as verlangt denn der Onkel? Cäcilie.

Ach j a , stellen S ie sich n u r v o r, der Onkel ver­ langt Aber seinen Namen könnten S i e mir doch wenigstens nennen! Franzi ska. D es Onkels N am en ? Cäcilie. Ach n e in ! ich m e in e -----Franzi s ka.

Ah so, du meinst! N e in , seinen Namen kann ich

i 34

D a s O u a r t e t t c h en im H a u s e .

dir nicht nennen. E r hat sich bloß nu r anvertraut , und da du ihn versc hmähs t-----Cäcilie. N u n , das ist doch so ausgemacht noch nicht! F ranziska. S o ? Ich glaub te, weil du vorhin deine Abnei­ gung gegen das Heirathen e r k l ä r t e s t -----Cäci l i e. H a b ' ich da s wirklich g e t h a n ? Franzi s ka. Aber ich begreife nicht, wie kommen wi r denn immer wieder a u f die unbequemen Freier zurück? Und darüber habe ich immer noch nicht erfahren, was denn der Onkel von dir verlangt. N u n ? Cäc i l i e.

Ach, liebe T a n t e , er ve r l a ngt , daß ich heut V i o ­ line spielen soll.

Franziska. N u n j a , er will h ö r e n , w as du gelernt hast. Dabe i seh' ich kein Unglück.

D a s i Z u a r t e t t c h e n im H a u s e .

135

Cäci l i e.

J a , es ist nur ein sehr übler Umstand dabei. Franzi ska. Und welcher denn? W ie ? C äcilie. Ach! — daß ich nicht Violine spielen kann. Franzi ska. W i e ? Cäcilie! D u kannst nicht? Wie ist das zu verstehen?

Cäcilie. Buchstäblich. Ich kann nicht Violine spielen, weil ich es nicht gelernt habe. Franziska. D u hast es nicht gelernt? Cäcilie! Gegen den ausdrücklichen Willen des Onkels? Cäci l i e.

Ach, liebe gute Tant e, zürnen S i e mir nicht! Ich habe mir , dem Onkel zu Liebe, in der T h a t recht viel Mühe damit gegeben, ich habe mich ein ganzes J a h r gequält. Aber es ging nicht. Die ent­ setzlichen T ön e, die ich aus dem Instrumente lockte,

136

D a s O u a r t e t t c h e n in: Ha u s e .

machten der ganzen Pension Kopfschmerzen, und krach­ ten mich zur Verzweiflung; mein Lehrer seufzte, und meine Mitschülerinnen lachten mich a u s ; da riß mir endlich an einem schönen Wintermorgen die Geduld: ich steckte ganz sachte meine V iolin e in den Ofen, erklärte meinem versteinerten Lehrer, daß ich nie wie­ der eine in die Hand nehmen würde, und da er und — noch jemand mich oft versichert halten, daß ich eine recht hübsche S tim m e besäße, so nahm ich dafür au f der S telle bei ihm Unterricht im S i n g e n . " Franzi s ka. E i , ei, Cäcilie! W as wird nun aber der Onkel sagen? Cä c i l i e .

J a , davor fürchte ich mich freilich sehr! Allein; meine liebe, gütige Tante wird mir schon beistehen, und hat er mich nur erst einmal singen geh ört----Franziska. E i , wirklich so viel Selbstvertrauen? Cäci l i e. J a , mein Lehrer sagt und auch — noch jemand, der auch ein tüchtiger Musiker i s t Aber beste T a n te , das könnten S i e mir doch wenigstens sagen, ob er blondes Haar oder schwarzes hat, und ob er —

D a s O u a rte ttc h e n

i n t Spa t is e .

*67

Franziska. D e r N och jem a n d ? C ä c ilie . Ach n e in , ich meine —

Franziska. J a so! du meinst! — Aber ich meine fa st, mein K in d , dieser N o c h je m a n d H attest du nicht viel­ leicht den W u n sc h , daß der Nochjemand und unser d ritter Freier ein und dieselbe P erso n seyn m öchten? Cäci l i e. «0 n e i n , ich bin — ich habe — ich weiß — W ie kommen S i e d a r a u f , liebe T a n t e ? I n der T h a t ich wüßte wirklich n i c h t -----Franzi s ka. S o '? Wirklich nicht? — Aber w ir verplaudern die Z e it, und der Onkel wird gewiß gleich hier seyn, um sein Ouartettchen anzuordnen.

Cäcilie. Ach, beste theuerste T a n t e , w a s soll ich denn nun thun ? w as soll ich denn nun sagen?

i 38

D a s O u a r t e t t c h e n iin Hause. Franziska.

J a , der Onkel wird allerdings sehr böse seyn, und mit Recht; — es wird schwer seyn — doch mir fallt etwas ein, — ja das giebt einen Spaß! — Es hat sich ein junger Virtuose bei mir gemeldet, der des Onkels Protektion sucht — wenn dieser uns bei­ stehen könnte — wir wollen ihn doch gleich befra­ gen. (S ie öffnet die Seitenthür:) Treten Sie doch einen Augenblick heraus!

Zwölfter Franziska.

Auftritt.

Cäcilie.

Ferdinand.

Ferdinand. Cäcilie! Cäc i l i e. Ferdinand! — Herr Ferdinand — Herr Walter wollt' ich sagen------Franziska. E i, schon?

ei,

du kennst also den Herrn Ferdinand

D a s Q u a r t e t t chen i m H a u s e .

139

C ä c ilie , ( i h r die Hand küssend.) M eine th eu re, meine gütigste T a n te ! Fe r di na nd, ( F r a n z is k a s andre Hand ergreifend und küssend.) M eine theuerste, meine gütigste T a n te !

Franzi ska. S a c h t e , sachte, mein H err F e r d i n a n d , auch Noch­ jemand g e n a n n t! S o weit sind w ir noch nicht. Z w a r kenne ich S i e gen au er, als S i e w ohl g laub en, und w äre nicht abgeneigt, mich für S i e zu verwenden, aber an die kleine Heuchlerin da hab' ich doch noch erst ein p a a r ernste F rag en zu thun. Doch jetzt d r a n g t die Z e it, und zu dem bevorstehenden V iolinexamen will ich dir doch ntm ten B eistand nicht versagen. Ich habe m ir einen Scherz ausgedacht m it den beiden alten H erren. Allein hier sind w ir nicht langer sicher. K o m m ! A u f meinem Zimmer will ich dich un terrichten, w as du zu thun hast. — (A lle ab durch die S eitenthür.)

140

D a s Q u a r t e t t c h e n im Ha u s e .

Dreizehnter Auftritt. Da ni e l , ( t r i t t hastig herein. ) Ich wollte b e rich ten H m ! — S o ! — haben sich schon r e tin r t. Haben den jungen Menschen m it­ genom m en, wie es scheint. — H m ! — Wollen ein wenig Versteckens spielen m it den alten H e r rn ! — W e r m ag denn das junge T ausendgüldenkraut eigent­ lich se y n ? — W crden's wohl bald e r fa h re n ! W enn Versteckens gespielt werden soll im H a u s e , da w ird m an das Danielchen wohl ins Geheimniß ziehen m üs­ sen; denn a u f den B a ß , wie g esagt, kommt doch eigentlich alles a n , alle s, h e , h e , he!

D a s ü u a r t e t t c h e n im Hause.

141

Vierzehnter Auftritt. C om m erzienrath Adam.

Der Hofrath.

Dani e l .

Hofrath. Reden-arten! Strohdrescherei! Journatw eisheit! Lirum, Larum ! — ( Z u Daniel.) Aber was steht er denn hier und verliert die Z eit? Geschwind Noten­ pulte, Instrum ente! und hol' E r die Flasche und die Glaser aus meinem Zimmer. W ir trinken hier noch ein G las Wein zur Musik. Da n i e l .

Musik. S e h r w o h l! ( E r thut das Verlangte.) A d a m. Aber mit deiner gütigen E r la u b n i ß ----H 0frath. Aber mit deiner gütigen E rlaubniß, von einem Unterordnen der Poesie und der Musik muß gar nicht

142

D a s Q u a r t e t t chen i m H a u s e .

die Rede seyn. Auf der Himmelsleiter stehen beide, das erkennen w ir, G o tt sey D a n k , und so wollen wir uns weiter nicht darum bekümmern, ob die eine etwa ein paar S tu fe n höher steht, als die andre. Aber ihr Leute. — T rin k , H err B r u d e r, ich bitte dich! — ihr Leute gebt euch nicht zufrieden, bis ihr nicht ausgemittelt ha b t, ob die Musik Frau Rathin schlechtweg, die Poesie aber etwa Frau Geheimerathin zu tituliren sey, und ihr gabt den kleinen Finger d ru m , zu wissen, welche von beiden sich wohl am meisten zum rothen Adlerorden dritter Klasse quältfaire. A d a m. D a s sind nun wieder von deinen Redensarten! — Aber der Wein ist köstlich! Welches Bouquet! Welche stille G lu th ! Hofrath. J a , der Wein ist gut. Harmonikaton. Geht einem durch M ark und B ein. A d a nt .

Dieser Wein ist eine vom Himmel au f die Erde herabgefallene Ode in Burgunderform . H err Bruder, die Poesie soll leben! H ofrath. Und die Musik daneben! — S to ß a n , alte Seele!

D a s Q u a r t e t t c h e n i in H a u se.

143

Denn wenn du das daneben nicht gelten lassen willst, so ziehst du, recht besehen, am Ende wahrlich den Kürzern, und ich tanze dir in aller Bescheiden­ heit auf dem Kopfe herum mit sammt deiner Poesie. Ada m. Mein Kind, das ist doch wohl dein Ernst nicht, das kann nicht dein Ernst seyn! Vor der edelsten und erhabensten aller Künste streicht wohl die sinn­ lichste ohne Widerrede die Segel. H 0frath. Was ? Segelstreichen? Die Musik? Arme Seele! Segelstreichen? Nun wenn's denn einmal Krieg seyn soll, so sage ich d ir: nein, im Gegentheil', sie greift, ohne sich zu besinnen, deine buntgemalte Fregatte an* giebt ihr etwa mit Pergoleses Stab at m ate r die erste Lage — rasch gewendet: Don Juan, zweite Lage! Die Fregatte schwankt, w ill sinken — wir entern — niedergehauen was sich widersetzt! — Alles andre in Ketten und Banden! — Und nun nehmen wir die ganze Poesie ins Schlepptau, und bringen sie im nächsten Hafen als gute Prise auf. A da m. Trink, trink einmal, mein Brüderchen! Du hast dich bei dem Gleichniß ganz erhitzt.

144

D a s Q u a r t e t t c h e n im H ause.

Hofrath. Eben weil die Musik die sinnlichste Kunst ist, drum ist sie auch die gewaltigste. Keine andre trifft so un m ittelbar die Seele. — D a s sehn w ir ja bei unsern O p ern . Nach der Poesie fragt kein Mensch bei einer O p e r. S i e ist n u r der schlechte F a d e n , a u f den die kostbaren P e rle n der Musik aufgereiht w er­ den. A u f die Musik allein w ird g e h ö rt, a u f die Musik allein kommt alles an . Adam. J a , das fei; dem H im m el geklagt, daß es so kst! Und I h r Komponisten Ln eurem D ü n k e l -----H o frath. I s t ganz natürlich, daß es so ist; ganz in der Regel. E s ist beinah so, als w enn ein a lte r, w enn auch sonst verständiger M a n n ein ju n g e s , feurigeMädchen heirath et: der steht m it all' seinem V e r ­ stand doch immer n u r im G enitivo.

Adam. S o ? H m ! Ich dachte, mein V ere h rte r, dieseGleichniß — wie kommst du a u f das G leichniß? E s ist ein schlechtes Gleichniß!

D a s Q u a r te ttc h e n im H au se.

145

H 0 f r a t h , ( laut lachend.) 3ttm Henker? ia, im hast recht, ein schlechtes Gleichniß, ein albernes Gleichniß! Bombenelement! wie bin ich auf das dumme Gleichniß gekommen? Anm Teufel, du bereifst gar nicht, Herr Bruder, wie dumm, wie rasend dumm! A d a rn. E i, ei! Du hast dich doch nicht etwa mit dieser Fliegenktatsche selbst auf den Mund geschlagen?

H 0 fr a t h. Und wohl am Ende dich m it auf die Nafe ge­ troffen ? Wie? Was? Du gestandest mir vorhin, daß du gleichfalls Vust zum Heirathen hattest — Aber wer ist die Auserwahlte? W ie? Heraus damit! Her­ aus! Ich hatte Lust, dich ein bischen auszulachen. Ada m. Hm! Ich bin zu schuldiger Erwiederung bereit. Aber du hast mir ja die Auserwahlte auch noch nicht genannt. H o fr a t h . Is t vor der Hand noch ein Geheimniß. (fönte(f. Schrift.

Z. V d .

j

146

Das

2 uartettchen

i m H a u s e.

A da m. Der gleiche Fall bei m ir! Noch nennen sie meine Lippen nicht. H o f r a t h. Nun, so wollen wir sie beide indeß leben lassen unbekannter Weise. Stoß an ! Die Auserwählten! Hoch! A d a m. Die Auserwählten, hoch! (Beide lachen.)

Fünfzehnter Ca e ile .

Auftritt.

D ie V o r i g e n . H ofrath.

Ad)! Sieh da, Cäcilie! Eben recht! Du mußt unsre Gesundheit mittrinken. Nothwendig, Eugelcheu ! ( E r reicht ihr ein Glas.) Adam, (ft'ir sich.) H>n: Warf)er Gedanke fahrt mir da durch den

D a s 2 u a r t e t t c h e n i m H a u s e.

147

Kopf! W ie , wenn der Alte selbst das Mädchen heiralhen wollte ? H 0 fratH.

S t o ß a n! Wir lasten die Auserwählten leben. S t o ß an. Cäcili e.

Die Auserwählten? I m Hi m me l ? H c f r a t H. N e i n , vor der Haut) noch a uf der Erde. Himmel kommt erst später dran.

Der

A d a m. Ertauben S i e mir, mit I h n e n anzustoßen? Cäci l i e.

Ich verstehe zwar die Gesundheit n i c h t -----H 0 f r a t h. Schadet nichts! De r Mensch versteht stlten recht, was er thut. Wer versteht denn z. B . eigentlich, was L e b e n Heist, und doch lebt jeder. S t o ß nur a n ! Sollst sie bald verstehen. A d a m. pugletch sey mir erlaubt, meiner theuern Reise-

143

D a s Q u a r t e t t chen i m H a u s e.

gefährtin auf's herzlichste einen guten Morgen zu wünschen. ( E r küßt ihr die H a n d .)

Hof r at h.

N u n , D a n i el , hurtig Or dnung gemacht! Noten­ pulte aufgestellt! Instrumente herbei! Cä c i l i e .

I s t I h n e n unsere Reise gut bekommen? A d a m. Trefflich! S i e hat mich um 20 Ja h r e verjüngt. H o f r a t h , ( f ü r sich.) Kommt mir fast selber so vor. ( D a n i e l überreicht dem Hosrath eine V io lin e , die dieser während des Folgenden nachstimmt.)

Cäcilie.

S i e sprachen im Anfang der Reise von einem leich­ ten Anfall von P o d a g r a , den S i e kurz vorher ge­ habt — A d a m. S o ? J a — ich habe — ich hatte — aber das ist

D a s O u a r t e t t c h e n i in H a u s e .

149

alles, wie leichte Wolken vor der aufgehenden S onne, vor dem S t r a h l ihrer Augen verschwunden. ( E r küßt wieder ihre Hand.) H o f r a t h , ( f ü r sich.) P u h ! der Mensch glanzt ja von purer Zärtlichkeit, als wenn er gefirnißt wäre! Cäci l i e.

S i e sind heut sehr scherzhaft, sehr bei guter Laune, H err Commerzienrath, und wenn man gute Laune für ein Zeichen von Gesundheit halten darf — A d a m. B ei guter Laune, j a , das bin ich; aber ich scherze nicht. Ich möchte d a s, was ich. fühle, eine gute Laune des Herzens, des Gemüthes nennen, eine S e lig ­ keit, eine Ueberschwänglichkeit-----(H ofrath plötzlich zwischen beide tretend.) W ie ? Cä c i l i e .

Ach, w ir sprachen vom P o d a g r a , lieber Onkel. H ofrath. S o , so! die Ueberschwänglichkeit hat sich dir a u f s P ed a l geworfen, Herr B r u d e r ? Condolire! M ehr

i5o

Q u a r t e t t cf) c n i m H a u s e .

D i ä t ! Keine G em üchsbew egungen! W i e ? Pelzstie­ feln! Keinen R heinw ein! — Aber jetzt ist nicht Zeit, an das P o d a g r a zu denken. V erspare dir das a u f die nächste Liebeserklärung. — D a n ie l! (D a n ie l über­ reicht Cäcilien eine Violine.) W enn es dir gefällig ist, mein K i n d , so machen w ir nun unser Q uartettchen. C ä c i l i e , (verlegen zögernd.) S e h r g e rn , lieber O nkel, a l l e i n -----Ho f r a t h.

O d er willst du lieber a u f dieser V ioline spielen? Versuch e in m a l, welche dir bester zur H an d ist. Cä c i l i e .

Ach, lieber O nkel, das ist m ir ganz gleich. H o f r a t h. E s ist ein treffliches In s tru m e n t. S ie h es dir nur a n ! Daniel. E in e veritable A m a t i ! ein w ahrer S i l b e r t o n ! W enn D ero Fingerchen einmal versuchen wollten — nu r ein einziges T o u c h e « -----Hof rat h. G eh E r , Tönchen, geh E r ,

und r u f1 E r die

D a s 2 u a r t e t t c h e n i m H a n s e.

151

Schwester Franzel her! W ir haben heut keine Jeit mit Worten zu verlieren.

Daniel . Verlieren.

S e h r wohl! ( E r geht ab.)

Cäcilie. Ach, lieber Onkel — ! — H o frath. N u n ? W ie weiter? Cäcilie. Werden S i e auch nicht böse au f mich seyn?

Adam. Welcher Tiger könnte d a s ! H 0 frath. D u wirst dich doch nicht zieren, Herzchen? W ie ?

Cäcilie. Ach n e in , ich will gern spielen; aber unter einer Bedingung. H 0 frath. N u r heraus d a m it! Lange Präludien taugen nichts.

152

Das Äuartettchen

i m H a u s e.

Cäcilie. Nun denken Sie nur selbst, lieber''Onkel: noch nie hat ein Mensch mich Violine spielen sehen, als mein alter Lehrer und etwa einige von meinen M it­ schülerinnen, die mich zuweilen belauschten, um mich auszulachen; nun soll ich auf einmal aus meinem stillen Kämmerlein hervor gewissermaßen öffentlich auftreten, ich soll mich so frank und frei daher stel­ len, und mich nicht allein hören, sondern auch sehen lassen — ach! lieber Onkel, das kann ich nicht! Ich fühle mich von einer unsäglichen Bangigkeit und Scheu, ja , fast möcht' ich sagen, Scham ergriffen — H o f r a t h. Bah! Kinderpossen! Ziererei! A d a nt.

Nein; sie hat recht, sie hat meinen ganzen Beifall!

Cäc i l i e . Ich würde in meiner Befangenheit und Angst gewiß nur sehr schlecht spielen, ja, ich fühle es, in­ dem ich daran denke, ich würde kaum die Noten lesen können; drum, bester O nkel------N un?

H o f r a th.

D a S Ü u a r t e t t c h e u im H a u s e .

153

Cäcilie. Lasten S ie einen Schirm dahin stellen und mich dahinter treten, dann spiel' ich ruhig und ohne Scheu. Hofrath. Einen Schirm ! Ich bitte dich, Herr B ru d er, sie will hinter dem Schirme spielen! Adam. Himmlisches Zartgefühl! H 0frath. Aber -um Henker, dann ginge mir ja die Hälfte des Vergnügens verloren, wenn ich dich nicht auch spielen s ä h e !

Adam. Lheures K ind, ich verliere wahrlich am meisten dabei, aber ich trete ganz auf Ih re Seite. — D as Mädchen ist ein Engel: Laß gleich den Schirm holen, Herr B ruder! Cäci l i e.

E s soll ja nur heut, nur das erstemal so sepn. Künftig will ich ja g e r n -----Hofrath. H öre, E ngel, ich muß dir sagen — steh mich nicht so a n ! — ich kann den blauen Augen da nicht- ab-

154

D a s O u a r t e t t c h e n im H a u s e .

schlagen, und heut am allerwenigsten. W i e ? — Ich will m ir den Schirm gefallen lasten. — He, D a n ie l! — Aber n u r für h eu t/ das sag' ich dir.

Ca c i l i a G ew iß n u r h e u t, lieber O n k e l! H o fr a 1 h , ( z u D a n iel, der eben wieder ein tritt.)

D a n i e l , den S c h ir m , die spanische W a nd da au s dem V orzim m er hier h e r e in ! S i e soll hier aufgestellt werden. Daniel.

Gestellt werden.

S e h r w o h l!

( E r tragt mit Hülfe eines Bedienten die spanische W and herein, und stellt sie so au f, daß dadurch die Seitenthür zu Franziska's Zimmer auch für die Zuschauer verdeckt w ird .) Hofrath, ( l e g t die Stim m en auf die P u lte .)

E he w ir unsere O p e r vornehm en, wollen w ir das Conzert doch erst m it einem kleinen Q u a r te tt concertan te eröffnen. D ie erste V ioline hat hier bessere Gelegenheit sich zu zeigen. — D a sieh, sie hat etw as zu thun darin. W i e ? ( Er überreicht Cäcilien die S tim m e .)

D a s Q u a r t e t t c h e n i m H a u s e,

155

C ä c i l i e , (zu Daniel.) Hieher, lieber Daniel! Daniel, (ih r heimlich zuwinkend.) Daniel — Habe schon Connaissance davon! ( E r trägt ein Notenpult hinter den Schirm.) Hofrath. Kennst du das Quartett schon? Cäcilie.

Nein — nein — es ist mir gänzlich unbekannt. Hofrath. Also p r i m a v f s t a ! He, he! Nun du brauchst dich nicht zu fürchten. Die erste Violine hat zwar sehr brillante Satze, aber es liegt alles in den Fin­ gern.

156

D a s ü u a r t e t t c h e n im H a u s e .

Sechzehnter Auftritt. Franziska. Di e V o r i g e n . Dann F e r d i n a n d . Franzi s ka.

N u n , alles schon bereit? E s fehlt wohl nur an m ir? H o f r a t h. H e , he, Franzel, bemerkst du die Ehrenpforte gar nicht, die deinen E in tritt verherrlicht? W ie? das Mädchen will hinter der spanischen W and spielen. Franzi ska. J a , das arme Kind war so in Verlegenheit und Angst; da hab' ich es ihr gerathen. H ofrath. Also aus deiner Fabrik ist diese spanische — Con­ stitution ? H ä tt' es denken können! Franziska. N u r fo rt, an deinen P o sten , Cäcilie!

Das Huartettchen

im H a u s e .

157

Cäcilie. Ach, liebe T a n t e , wie w ird das ablaufen! ( S i e geht hinter den S ckirm , die andern setzen sich, außer D a n iel.)

Daniel. S o l l ich Cello oder V a f f o ? H ofrath. N eh m ' E r den B a ß ! Vorzüglich hernach in der O p e r füllt er besser aus. — N u n gieb erst noch ein­ m al A a n , C ä c ilie ! ( H in te r dem Schirm giebt die Violine A a n , nach welchem die Andern stimmen; dann streicht sie stimmend alle S a ite n a n .) W e tter! hörst d u ? das ist ein kräftiger S trich . — N u n , w enn's beliebt! — ( M a n hört hinter dem Schirm mit dem Bogen auf das Notenpult klopfen■: das Q u arte tt beginnt. Nach einer Weile ruft der H o fra th : ) B r a v a ! A d a m. B ravtfsim a 1 ( E r giebt während des Spiels sein Entzücken durch seine Bewegungen zu erkennen:) H e r r­ lich ! — H im m lisch! — G ö ttlic h ! — das ist A u s­ druck ! — das ist S eele! Hofrath. F ra n z e l! das Mädchen spielt wie ein Engel.

i58

D a s Q u a rte ttc h e n

im H a u s e.

A d a m. Wie ein Serap h ! H o f r a 1 h. Frauzel! Die Sache ist richtig. —- Vravissima! — W etter! das war ein Stakkato. — Franzel, ich heirathe sie ! — Eccelleniissima !

,

Ada m (steht auf. Für sich.) Ich muß sie sehen ! ( E r schleicht sich auf den Zehen nach dem hintern Ende des Schirms, um Cäcilien zu belauschen, fährt aber plötzlich erschrecken .zurück, und bleibt so eine Weile wie versteinert stehen; dann ruft er O Alle T e u fe l! was ist das? H o fr a t h,

(sich unwillig umsehend.) S t ! Stille doch! A d a m. Ferdinand! ( D ie Violine hinterm Schirm verstummt. — Der Hosrath springt vom S tu h l, und läuft nach dem vordem Ende des Schirms, das er zurückzieht, so daß Ferdinand, die Violine in der Hand, neben ihm Cäcilie, den Zu­ schauern sichtbar werden. Daniel läßt sich von alle dem nicht stören, sondern spielt während des Folgenden rubig weiter.'_)

Das 2 uartettchen

im Hause.

159

H o fra lh . W a s ? H ölle! P est! Cäcilie! W a s soll das heißen? W i e ? — H e r r , wer sind S i c ? w as machen S i e hier ? w as wollen S i e h ier? — Cäcilie! Franziska!

Franzi ska. Lieber B r u d e r , ich w o l l t e -----Hofrath. Feines Com plottchen, mich zum N a r re n zu m achen! D a r u m also den Schirm und die Angst und die B e ­ klom m enheit? Und am Ende kann die beklommene Unschuld w ohl g ar nicht einm al V ioline spielen? W i e ? — Aber wer ist der M usikant d a ? W a s soll d as m it dem M u sik a n te n ? W e r hat den M usikanten in mein H a u s gebracht? — H e r r , wer sind S i e ? w as wollen S i e ? sprechen S i e ! Ich will wissen — Franzi s ka. M ein H im m el, es ist ja der Pflegesohn des Comm erzienraths. A d a m. Aber in aller W e tt , sag' E r m ir , undankbarer M ensch, B ösew icht, Landstreicher — — H v f r a t h. Väterliche B e g r ü ß u n g !

i6o

D a s Q u a r t e t t chen im Hause.

Adam. Wie kommt Er hierher? H ofrath. Ja, wie kommen Sie hinter die spanische Wand?

Fer di nand. Vergeben Sie m ir, Herr Hofrath! N ur das aus­ drückliche Verlangen Ih re r Frau Schwester konnte mich bewegen, auf diesen Scherz einzugehen. H o fr a th . Scherz! Hol' der Teufel den Scherz! Ada nt. Aber wie kommt Er hierher? Warum ist Er heim­ lich fortgegangen? Warum hat Er das Vertrauen seines alten Freundes, der Ih n lieb gehabt wie sich selbst, mehr als sich selbst Mensch! Er ist es nicht werth, einen solchen Freund zu haben!

Ferdi nand. Lieber, theurer Vater, ich hoffe, Sie werden nicht langer auf mich zürnen, wenn Sie hören, was mich hierher zog. — Herr Hosrath, ich liebe Ihre N ichte-------

D as Üuartettchen

i in H a u s e .

161

H o fra th . W as?! A da m. Wie? !

Fer di nand. Und, wenn S ie, lieber V ater, nichts dagegen haben, so komme ich, Herr Hofrath, Sie um Cäci­ liens Hand zu bitten. H o f r d t ln H err, S ie sind nicht gescheidt! Ferdinand.

lieber V ater, Sie versagen mir Ihre Einwilli­ gung nicht? A d a m. Mein Freund, Er ist ein N a rr! Hofrath. Und um die Geschichte mit zwei Worten abzu­ machen, junger Herr, so sage ich Ihnen: Cäcilie ist nicht für S ie , weil sie für mich ist. Cäcilie ist meine Braut. Ich heirathe das Mädchen. Cäcilie. Ums Himmels willen, liebe Tante, was ist das? Lontess. Schrift,

g, V d

ii

iö2

Da s Ou a r t e t t c h e n i m Hause. Fr a n z i s k a . Aber, lieber Bruder, du weißt nicht-----Hofrath.

Was? Cäcilie hat mich lieb, das weiß ich. Wie? Sprich selbst, Cäcilie.'

Cäcilie. £>

ja, von ganzem Herzen, lieber Onkel, aber — Hofrath.

Nun, da hört ihr's! Cäcilie ist ein vernünftiges Kind. Sie macht sich nichts aus Ihnen, gar nichts. Sie kennt Sie wohl gar nicht einmal. Wie? Franziska. Doch, lieber Bruder------Adam, ( führt den Hofrath bei Seite.) M it deiner Erlaubniß, wenn von Cäciliens Heirath die Rede ist, glaube ich auch ein Wörtchen mit sprechen zu dürfen, Herr Bruder. Denn willigt Cäcilie ein, so heirathe ich sie! Hofrath. Daß Gott erbarm! Der auch

DaS 2 uartettchen L>I n einer Nacht erschien ein starker Haufe fran­ zösischer Reiterei; der General verlangte einen sichern

i 96

AuS B a l t h a s a r ö Leben.

M a n n -u m F ü h r e r , der sowohl der G e g e n d , alS der französischen S p rache kundig se y .. D a ich bei meinen Streifereien schon öfter in dem S tä d tc h en gewesen, so kannten mich die Leute w o h l, und w u ß te n , daß B eid es bei m ir z u tr a f ; d e sh a lb , und weil sie wohl auch die E h re einem Fremden lieber gönnen mochten, a ls einem Heimischen, w ard ich in Vorschlag gebracht und herbei geholt. Ich setzte mich m it H änden und Füßen d a g e g e n ; allein der G e n e ra l machte dem S t r e i t a u f die kürzeste Weise ein Ende. A u f seinen W ink saßen einige von seinen D ra g o n e rn a b ; einer faHte mich unversehens von hinten um den Leib, zwei andere bei den B e in e n , ein vierter hatte indeß schnell ein lediges P fe r d herbei geführt. I m H andum drehen p ra n g te ich a u f einmal im Schlafrock und Nachtmütze hoch zu R o ß ; die D r a g o n e r lachten, M a g is tr a t und B ürg erschaft schrieen: Adjes H e r r B a l th a s a r ! Kommenö bald w ieder! Und so gin g's im starken T r o t t zum T h o r h in a u s. Ich besann mich bald. Rebns juigtistis anim osus atquc sortis apparc , sagte ich halb« l a u t zu m ir selbst, steckte die Füße in die B ü g e l, und zeigte f ü r '6 erste den R e i t e r n , daß ich auch rei­ ten konnte. S o ritten w ir die N acht durch. Als der M o rg e n d ä m m e rte , fingen vor u ns die Kanonen a n zu grollen. B a l d d a r a u f zankte auch das K lein­ gewehrfeuer dazwischen h in e in , und ein blutrother Feuerschein, dem w ir entgegen r i t t e n , stieg am M o r-

A u s B a l t h a s a r s Leben.

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genhimmel em por, als wollt' er den anbrechenden T ag in der G eburt verschlingen. D a s w ar aber die rechte Morgenröthe für den blutigen T a g , der kommen sollte. E s w ar der T ag des Treffens bei Ebersberg. W ir trabten rasch vorwärts. Als w ir eine Anhöhe erreicht h atten , lag vor u n s , im T h a l, ein brennen­ des D o r f ; drüber hinaus zur Rechten und Linken in der Ebene zuckten Geschützblitze durch den Nebel. D er General befahl mir n u n , sie seitwärts durch die B erge nach einem O rte zu führen, den er mir nannte, wahrscheinlich um von dort a u s den retirirenden Oestreichern in die S eite oder in den Rücken zu fal­ len. W ir mußten in das brennende D orf. Es schien von allen Einwohnern verlassen; todte Pferde und zerbrochene Wagen und M unitions - Karren lagen um­ her; kein Laut regte sich, als das Prasseln des Feuers, und es sah sich wunderlich a n , daß die Hauser so in tiefer S tille und Ruhe forrbrannten, wie die Kerzen in der Frühmette. Als wir uns einem stattlichen Hause näherten , glaubte ich endlich von dort eine menschliche S tim m e zu vernehmen. Ich hatte mich nicht geirrt. Aus einem Gicbelfenster lehnte sich ein kleines Mädchen heraus, und schrie händeringend in einem fo rt: Met M u t t e r l ! ach, mei Mutterl-! D e r hintere Theil des Hauses brannte schon lichter­ loh , und die Flamme schlug eben über das Dach hin. Fauvre e u fan t! pauvre enfant, riefsN die Ofsiziere hin-

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A u s B a l t h a s a r s Leben.

ter ihm , und trabten vorüber. Ich wrrßte eigentlich nicht recht, was ich that — ich fühlte bloß lebhaft den Grim m über das p.™vre e .> 5 . . , und die Unmög­ lichkeit, das Kind verbrennen zu lasten — ich hatte aber in dem Augenblick schon meinen G aul herum geworfen, setzte über den niedrigen Hecken - Zaun, und sprengte au f das H aus zu. Hinter mir-entstand ein gräulicher T um ult. H a lt! h alt! schrien hundert S t i m m e n ; mehrere Schüsse fielen; ich hörte dieKugeln pfeifen. Schießt nur, ihr Narren., ihr pam res c n fa n ts ! rief ich, ich habe jetzt keine Z eit, mich um euch zu küm m ern! Ich sprang vom P f e r d e , und lief in das brennende H aus. E s w ar voll Rauch. I n meiner Bosheit aber drang ich muthig hinein; die Treppe w ar zum Glück nicht weit von der T h ü r ; oben ward die Luft freier. Ich fand das K ind, ein Mädchen von vier bis fünf J a h r e n , in einer Kammer unter umhergeflreutrn Kleidungsstücken, offnen Koffern und M antel sacken; im ganzen Hause sonst regte sich kein lebendiges Wesen. Ich versprach dem Mädchen, es zu seiner M utter zu bring en, nahm es auf den Arm, wickelte es in meinen Schlafrock,' und eilte nach der T h ür. Meine Frau Liesel., schluchzte das K ind, in­ dem es a u f eine große P u ppe zeigte, die am Boden lag. Ich raffte die Frau Liesel gleichfalls a u f , und sprang nun die Treppe hinunter. Unterwegs fuhr mir der Gedanke durch den K opf, daß hier wohl

A u s B a l t h a s a r s Leben.

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vielleicht die Gelegenheit sei-, den Franzosen zu ent­ wischen, und so mich von der verhaßten Frohne zu befreien, die Feinde meines Vaterlandes zum Verder­ ben meiner Landsleute anzuführen; ich wandte mich daher am Ende der Treppe nicht rechts nach der H austhür, obgte'ch die helle Flamme bereits in den Hausflur hinein züngelte, sondern auf gut Glück zur linken H and, in der Hoffnung, dort einen andern Ausweg zu finden. Ich stieß auf eine Thüre, die ich mit einem Fußtritt öffnete; sie führte mich in die Küche; eine zweite brachte mich in den Garten. So war ich im Freien; aber drum noch nicht geborgen, denn ich hörte die Stimmen der Franzosen, die mich im Garten suchten. Der Nebel jedoch, der immer dichter fiel, rettete mich: ich entwich glücklich über den Gartenzaun, w arf meinen versengten Schtafrock ab, der mich im Fortkommen hinderte, und lie f nach einem Gehölz, das ich vor m ir erblickte. Ich mochte aber ein paar hundert Schritte darin vorgedrungen seyn, da sah ich mich schon wieder im Freien und auf der großen Straße, und als ich mich erschrocken zurückwandte, vernahm ich Pferdegetrapp ganz in der Nähe. Ich hatte kaum Z eit, mich hinter einem Strauch nieder zu werfen. »Sey still," flüsterte ich dem Kinde zu, »die Franzosen kommen! * Es schlang ängstlich seine Amtichen um meinen Hals. Dev ganze Schwarm Reiterei, der General an der Spitze, zog

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A u s B a l t h a s a r s Leben.

wenige Schritte vor mir vorüber. Jetzt erst kam mir die Angst. Das Herz hämmerte mir so heftig in der Brust, daß die Frau Liefet, die aus meiner Weste hervor schaute, darüber in eine seltsam nickende Bewe­ gung gerieth; und ich will's Euch gern gestehen, ich ertappte mich selbst darüber, daß ich in meiner Angst das Vater-Unser r ü c k w ä r t s zu beten angefangen hatte, wie dieß in alten Geisterbeschwörungsgeschich­ ten zu geschehen pflegt, wenn man die bösen Geister wieder entfernen w i l l . " -------» V o r w ä r t s wäre bester gewesen!" sagte Frau Rebekka, indem sie ihren M ann mit einem besondern Lächeln ansah. — »N u n es half auch so!" fuhr dieser fort. » D ie Franzosen zogen vorüber, ohne mich zu bemerken, und nach einer kurzen Rast und Ueberlegung schlug ich den Weg nach dem Gebirge ein; denn nach dem Städtchen zurück zu kehren, welches ich diese Nacht wider W illen verlassen hatte, durste ich nicht wagen; in den Bergen aber war wenigstens vor der Hand noch Freiheit und Sicherheit, und ich hatte dort Freunde. W ie ich nun mit Hunger und Kummer, Gefahr und N oth, mich bis dahin durchgeschlagen, das erzähle ich vielleicht ein andermal. Genug, ich fand endlich Aufnahme bei einem wackern Landmanne, der vor Kurzem erst mein Begleiter auf einer Reise in's Salzburgische gewesen war. T r aab mir meh-

A u s B a l t h a s a r s Leben.

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rere Wochen lange Kost und Wohnung, versah mich mit Kleidung z denn ich war ja von Allem entblößt, und half mir sogar mit eigner Gefahr wieder zu meinen Sachen, die ich in jenem Städtchen zurück gelaffen hatte, bis ich endlich, nach der Schlacht bei W ag ram , Gelegenheit zur Rückkehr fand, und mei­ ner Frau das Mädchen sammt der Frau Liefet über­ bringen konnte. — »Und S ie erfuhren nichts von den Aeltern des Kindes?« fragte Bertram. — J a , ich erfuhr auf mein Nachforschen in dem D o rfe , wo ich es gefunden, daß es wahrscheinlich einem Wachtmei­ ster des Regiments angehörte, welches in jener Nacht dort von den Franzosen überfallen worden, und des­ sen Uniform man mir beschrieb. Als' ich mich, da­ durch geleitet, an das Regiment selbst wandte, fand sich, daß Alles zutraf; allein ich erhielt auch zugleich die Nachricht, daß jener Wachtmeister, mit Namen Masquard, und von Geburt ein Niederländer, in dem Gefecht an jenem Morgen geblieben, von seiner Frau aber seit dieser Zeit nichts weiter gehört worden sey. M ein wiederholter. Aufruf in den Zeitungen war ohne Erfolg. — »Wenn ich das Mädchen wieder von mir hätte lassen müssen! a rief Frau Rebekka., — H err Balthasar reichte ihr die H and , und sprach: »W enn der Mensch durch Liebe und Sorge sich etwa- aneig­ nen, und zu dem Seinigen machen kann, so dürfen w ir das Mädchen wohl unsere Tochter nennen.* —

2oa

A us B a l t h a s a r s Leben.

„@te haben sich ein schönes Recht darauf erwor­ ben ,« — nahm B ertram daß W ort. „M einen herz­ lichen Dank für I h r e E rz ä h lu n g ! — Um so mehr,« fuhr er lächelnd fo rt, „ d a sie uns in der T h a t einen trefflichen Beweis gegen I h r e Behauptung von vor­ hin an die Hand gegeben hat.« — „A ch, Possen, Possen!« rief jener. „ D a r u m wollte auch die d a, daß ich erzählen sollte. Aber hofft nur nicht, meine Eitelkeit zu Eurem Alliirten -u machen. Ich weiß nur zu g u t , wie wenig ich mir a u f diese schöne T h at einzubilden habe. Ohne das pauvre. cnsaut der Franzosen hatte ich das Kind eben auch verbrennen lassen, das glaubt mir. Aber ich ärgerte mich darüber , eben weil es Franzosen waren. E i n : „arm es K in d ! " aus deutschem M u n d e , hatte mich bei weitem nicht so grimmig gemacht, als das pauvre enfant. N u n wollte ich sie beschämen, ich, der Deutsche, die Franzosen; ich wollte mich ein wenig bewundern, ich wollte mich ein wenig sehen lassen; daß ich mit meinem Pferde dabei über die Hecke setzen konnte, w ar auch nicht übel, u. s. w. Und wenn das Kind nicht so hübsch w a r , wer w eiß, ob ich nicht, von H ung er, Anstrengung und Angst erschöpft, wie ich w a r , im ersten besten Dorfe es wieder hinter den Zaun gesetzt hätte? Und wenn das Mädchen nicht so schön w ä re , wer weiß, ob wir es auch so lieb­ te n ? Doch n ein , K la r a , n ein, mein gutes Kind,"« —

Aus B a l t h a s a r s L e b e n .

303

fuhr er fo r t, denn Klara trat jetzt eben wieder in's Zimmer, und blieb an der Thür stehen — » fomm her zu mir ! Dich hatt' ich lieb, auch wenn du häß­ lich war st! “ Klara näherte sich ihm mit zögernden Schritten, und schien geweint zu haben. S ie blieb vor ihm stehen, und sagte mit ängstlicher, stockender S tim m e : »Lieber V a te r, ich wollte dir nur sagen, die Schau­ spielerin — -es steht jetzt immer so viel von ihr in den Zeitungen da — du sagtest neulich, daß du fte wohl sehen mochtest — » die Schröder “ — »Die Schröder! “ rief Herr Balthasar — » N un? rote? w a s ? S ie ist doch nicht h ier? a — » N e in , nein, lieber Vater , das nicht, aber sie w ird, sie ist“ — Ihre Stimme wurde immer weiner­ licher^ — . W as ist sie denn? ist sie todt ? “ — » Nein — nein — aber sie kommt nach Berlin.“— » W ie ? nach B e rlin ? E i ! Woher weißt d» das, Mädchen? “ — Doch jetzt brachen die Thränen unaufhaltsam aus ihren Augen; sie eilte 31t der M utter, kniete vor ihr nieder, und verbarg schluchzend den Kopf in ihren Schooß. — „ K l a r a ! “ rief diese erschrocken, »w as ist d ir? was ist geschehn? “ —

Herr Balthasar rückte ungeduldig auf seinem

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AuS B a l t h a s a r - Leben.

Stuhle hin und her. »Ich verstehe das Mädchen nicht! Was meint sie denn? Is t denn das ein Un­ glück, daß die Frau nach Berlin kommt? Oder möch­ test du gern hin, K lara? Möchtest du sie gern sehen? Sprich! Rede! Ich habe es zwar verschworen, je wieder in's Theater zu gehen, und mag von allen Schauspielern und Schauspielerinnen auf dieser Welt nichts mehr wissen, aber sieh, mein Kind « ------Klara sprang schnell empor, eilte zu ihm, und warf sich an seine Brust. Ach, lieber, lieber Vater," rief sie, » nur dießmal noch erbarme dich! die arme Frau ist so gut und so brav! “ — .G u t und brav ? « sagte Herr Balthasar ein wenig verwundert — » N u n , mag seyn! Man lobt sie ja von allen Seiten.« — »Und so arm!« fuhr trank!« — Er faßte das Mädchen starrte ihr in's Gesicht. K la ra ! und krank? Wie sie denn? e

Klara fort — »Und so an beiden Schultern, und »Arm? Ich bitte dich, denn? wer denn? wo ist

» In der Schenke!« erwiederte Klara leise. — E r sprang vom Stuhle empor. » In der Gott sey bei uns! I n der Schenke? Die Schröder in der Schenke? ” — » R ein , nein, lieber Vater,« schluchzte sie, »nicht

AuS

B a lth a s a r s Leben.

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die Schröder! nur eine arme Schauspielerin — stkonnte nicht mehr fort — ach/ sie muß gewiß sterben, wenn du dich nicht erbarmst, wenn du nicht hilfst. Der Wirth will sie nicht langer behalten ohne deine Erlaubniß; der Richter verlangt einen Paß, von mir will sie selber nichts mehr nehmen, wenn du nicht drum weißt — ach, und die armen Kinder!" — Sie sprang nach der Thür, öffnete sie, und führte ein Mädchen von etwa vierzehn Jahren herein, die mit demüthig vor der Brust gefalteten Handen an der Thür stehen blieb. Sie strich ihr die dunkeln Haare aus der S tirn , küßte sie auf die bleichen Wan« gen, und sprach ihr leise Muth ein. „ Sieh nur, Vater," sagte sie zu diesem, »das arme Kind, nrit bleich, wie hager!« Und indem sie sich mit halblau­ ter Stimme zur Mutter wandte: »ich habe ihr das Kleid, gegeben; du bist nicht böse, liebe Mutter. Ach, ich wollte auch meine goldne Kette verkaufen (affen in der Stadt, ich wollte einen Arzt aus der Stadt holen lasten und Arznei, aber ich durfte ja nicht." — »Wozu aber dieses Verheimlichen, Klara?" sagte Frau Rebekka ernst. — »Ach du liebe Mutter," rief sie, und ihre Thrar nen brachen auf's Neue hervor, „ich hatte ja den Vater so oft so viel Böses von den Schauspielern sagen hören — und er wurde immer so zornig dabei - r

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A u s B a l t h a s a r s Leben.

ach, ich fürchtete mich, ich wagte ja nicht, es ihm zu sagen; ich glaubte, er würde die arme Frau fort­ weisen loftetV — »Das glaubst du von m ir, K la ra ? * fragte Herr Balthasar im Tone des Donvurfs. — »Nicht wahr? nicht wahr? Das war sehr ein­ fältig von mir! Schelte mich, strafe mich, lieber D a te r!* r - sie küßte freudig seine Hand — »wie konnte ich denn auch glauben, daß du dich der armen kranken Frau nicht erbarmen würdest! Sich, Lydia — sie lief auf das Mädchen zu, und zog sie mit sich fort — steh, ich sagte dir es wohl, mein Vater ist gut, er wird uns helfen! Nicht? V ater, nicht? Du guter, guter Vater!" »Nun ja doch, ja ,“ rief dieser, »der Frau sott geholfen werden. Ich will gleich selbst zu ihr gehen. Aber sage mir, woher weißt du, daß die Schröder ».Das wird dir Lydiens Mutter selbst erzählen. Ich habe es von ihr. Und die arme Lydie“ — sie sprach ihm leise in's Ohr — » Das arme Kind be­ hältst du hier; nicht wahr? Die bleibt bei uns, Vater. Das sott dir gar nichts kosten. Kleider erhält sie von m ir; ich habe ja so viele, viele, und fleh-nur, sie ist fast so groß als ich, und was sie sonst noch braucht — Lieber Vater, von heut' an giebst du mir kein Taschen­ geld — ich nehme keins mehr, V a te r *

A u s B a l t h a s a r s Leben.

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* N un, n u n ,“ unterbrach er sie lächelnd, »wir wol­ len sehn! Sprich nur mit der Mutter. Und ” fuhr er fo r t, sie beim Arm zurückhaltend — »nach B erlin möchtest du auch gern, du Schelm, nicht w a h r ? " Doch Klara antwortete ihm nicht darauf, sondern zog Lydien mit sich fort zur M utter, und als diese nach einigen Fragen, die sie an Lydien th at, von Klärens Liebkosungen bestürmt, ihre Einwilligung nicht versagte, kannte das Mädchen ihrer Freude keine Gränzen mehr. S ie tief von einem zum andern, umarmte die M utter, umarmte den V ater, umschlang dann wieder die Kniee der M u tter, herzte und küßte Lydien, ja sie war im Begriff, auch den Pastor zu umarmen, als sie plötzlich sich besann, daß er ja ein Fremder sey, und nun mit weit offenen Ariwrt hoch erröthend und verlegen vor ihm stehen blieb. Here Balthasar aber umfaßte das liebliche Kind, küßte es auf die S t i r n , und rief, indem er dem Pastor die Hand reichte: » Such is the King dom of Heaven! —• Und künftige Woche reisen wir nach Berlin l *

ao&

Aus B a lth a s a r s Leben.

Zweites

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Blatt.

Schlosse zu Wahlheim zeigte sich seit Kurzem überall große Thätigkeit. In den obern Dachstuben war ein Frauenschneider mit zwei Gehülfen niederge­ setzt worden; im zweiten Stock schienen eine Putz­ macherin und eine Nähterin sich in Frau Rebekka's Zimmer häuslich niedergelassen zu haben, und im untern Geschoß trieb Herr Balthasar theils in seiner Bibliothek, theils auf dem Hofe sein höchst geschäf­ tiges Wesen. Es war ihm nämlich gelungen, die stille Oppo­ sition seiner Frau gegen die Berliner Reise, nicht ohne Anwendung manches kleinen Kunstgriffs, auf den sich seine Menschenkenntniß etwas zu Gute that, endlich und zwar so vollständig zu überwinden, daß Frau Rebekka, trotz ihrem Hange zur Ruhe und Be­ quemlichkeit, sich sogar entschlossen hatte, mit zu rei­ sen ; ja sie war bei den dazu erforderlichen Zurüstun­ gen, und besonders bei den nothwendig befundenen Ergänzungen und Verbesserungen von ihrer, und Klärchens Garderobe , allmählig in eine Art von Begeiste-

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rung gekommen, die oft selbst Herr Balthasars stille Verwunderung erregte, obgleich die Vorbereitungen zur Reise auch sein Leben in ungewöhnlich rasche Schwingungen gesetzt hatten. Seine Geschäfte waren in diesen Tagen sehr manmchfaltig gewesen. Es hatte ein neuer Reisewagen ausgewählt und gekauft werden muffen; denn da Herr Balthasar sich für einen erklärten Feind des Engesitzens im Wagen, wie bei Tische, bekannte, überdieß auch Pastor Bertram, der ihm bereits unent­ behrlich geworden, die Reise mitmachen sollte, so waren zwei Wagen dazu erforderlich. Als der neue aber ankarrd, fanden sich noch mancherlei Abänderun­ gen und Verbesserungen, besonders noch verschiedene Taschen und Behältnisse daran anzubringen. »Denn viele Taschen," pflegte Herr Balthasar zu sagen, »gehören eben so zu einem guten Reisewagen, wie bei den Katholiken die guten Werke zur Seligkeit." Der alte Wagen verlangte nun gleichfalls Reparatur und neuen Aufputz, so wie der Residenz zu Ehren Kutscher und Bediente neue Livree erhalten mußten, und end­ lich überraschte Herrn Balthasar sogar die klare Ueber­ zeugung, daß die Anschaffung eines neuen Postzugs nicht zu umgehen sey. Dieß Alles nun hatte man­ cherlei Ueberlegungen und Verhandlungen, ja hin und wieder wohl eine kleine Zeichnung nothwendig gemacht, Conteff. Schrift, g. Bd. 14

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u n d dabei w a r viel Zeit vergangen. Noch m ehr Zeit a b e r , als diese materiellen I u r ü stu n g e n zur Reise, nahm en die geistigen hinweg. H e rr B a lth a s a r hatte in dieser Hinsicht a n fa n g s g e g la u b t, mit Reichards P assagier, N ic o la i's Beschrei­ bung von B e r lin und P o t s d a m , und etwa P tü m ik e 's Theatergeschichte von B e r lin vollkommen a u sla n g e n zu können; allein b a ld hatten ihn die in diesen Büchern enthaltenen Beschreibungen von Kunstwerken und die historischen Angaben unvermerkt weiter ge­ f ü h r t ; a u f der einen S e ite durch K ö n ig s Geschichte der Residenz B e r lin zu den Werken Friedrichs [ f . , Pöllnitz M e m o ir e n , u. s. w . bis zu P uffe nd orfs Res g c sla e und Küsters B ib lio th eca histo r. B ra n d en b u rg, h i n a u f ; a u f der andern S e i te zu M a n g e r s B a u g e ­ schichte von P o ts d a m und Stieglitz B a u k . der Alten, B e g e rs T h esa u ru s B ra n d en b u rg icu s , und Köhlers MÜnzbelustig un gen , und endlich durch Levezows Fam ilie Lvkbmedes zu S u l z e r , W in k e lm a n n , Lessing, G öthe, F e r n o w , C icognara und immer weiter. D ie Bücher thürm ten sich rings um seinen Schreibtisch m it jedem T a g e höher e m p o r; alle Tische, alle S t ü h l e lagen v o ll; und da sich ihm bei jedem Buche immer wieder neue Beziehungen und Betrachtungen a u f d r ä n g t e n : so schien diesem S t u d i u m noch gar kein E nd e abzu­ sehen.

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A u f diese Weise waren die acht T ag e , die er sich und den ©einigen zu den Reisevorbereitungen bewil­ ligt h a tte , langst verflossen, und die Abreise ward noch immer von einem zum andern aufgeschoben, bis ihm endlich ein B rie f aus Berlin die Nachricht brachte, daß die Schröder nur noch in einer kleinen Anzahl von Rollen auftreten werde, und durchaus kein Augen­ blick zu verlieren sey, wenn er sie noch in einigen ihrer trefflichsten bewundern wolle. I m ersten Augenblick überraschte ihn diese Nach­ richt, wie ein Blitz aus heiterm Himmel. Seine H ä n d e, die den offenen B rie f hielten, sanken lang­ sam herab, und er starrte sprachlos eine lange Weile seinen vor ihm stehenden D avid a n , der ihm den B rie f gebracht hatte, u n d, ohne eine Miene zu verziehen, au s den grauen, weit vorstehenden runden Augen ihn wieder anstarrte. D a n n schritt er heftig ein paar M a l im Zimmer au f und nieder. » I s t die F rau bei S i n n e n ? “ rief er. ,, Wie kann ich denn jetzt schon reisen? — Und doch “ — fuhr er nach einer Weile f o r t — »a n t, a u t ! — D a v id , zum Henker! steh E r nicht wie ein S to c k ! rühr' er die Glieder! N u n gilts. E s ist kein Augenblick zu verlieren. Uebermorgen mit dem frühsten, morgen, wenn's seyn kann , reisen w i r , oder die ganze Reise ist umsonst." D a vid zog lächelnd den großen M und bis an die

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Ohren. — »Nun was grinst er? was hat er? was w ill er? " rief Herr Balthasar. .D e r Mensch denkt, Gott lenkt!" sagte David gelassen. »Uebermorgen wird's wohl noch nicht mög­ lich seyn." . Es muß aber möglich seyn, sag' ich ihm! War­ um soll's nicht möglich seyn? Was? Es muß mög­ lich seyn! * »Muß ist eine harte N uß,” lächelte David wie­ der — »und die gnad'ge Frau — « — Er stockte. .N u n ? nun? N ur weiter, nur heraus damit? * ,>N un , ich meine nur, es hat sich mancher die Zahne daran ausgebissen, und die gnad'ge Frau" — »Nun zum Henker! was ist mit der gnad'gen Frau? W i e ? " »Hut, ich meine nur, sie klagt ja immer über Zahnschmerzen, u nd “ . Er ist ein N a r r ! " rief Herr Balthasar halb ärgerlich, halb lachend, indem er seine Wanderung im Zimmer von Neuem begann. »Der Schneidermeister oben," fuhr David fort, »der Schneidermeister meinte heut', ich wäre keiner, weil ich gesagt hatte, unter acht Tagen könnte er mit all' der Arbeit nicht fertig werden. Mosje David,

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sagte e r, S ie sind ein verständiger M an n ; S ie wis. sen, was zur Kunst gehört." H err B althasar -lieb eine Weile mitten im Zim­ mer stehn. — „ V a ! * rief er endlich. „V oque la G a U rc! Es bleibt keine W ahl. — Und recht besehen, ist es mir lieb, daß der B rief da mit einem M ale all' den Vorbereitungen ein Ende macht. D er Kopf fing mir fast an zu schwindeln. Eine gelinde Nothwen­ digkeit ist für den Menschen in der Regel eine Wohl­ that." David nickte mit dem K opf, und sagte halb für sich: »M anchmal der P rü g el, manchmal der R iegel5 S ie thun dem Menschen beide Noth.* » Ih m aber, scheint mir, ganz vorzüglich der erste! * rief H err B althasar lächelnd, und ging, um sich zum Abendessen zu begeben, zur T hür hinaus, mit abge­ messenem S chritt und aufgerichtetem H aupte; denn das G efühl, jetzt so zu sagen als das Schicksal selbst, das hehre, unerbittliche, seiner Frau in die Kreise ihrer Geschäftigkeit zu treten, gab ihm eine gewisse feierliche W ürde, und streckte ihn um einen guten Zoll über seine gewöhnliche S ta tu r. E r fand Frau Rebekka vor einem Tische, au f welchem eine große Menge Jeugproben ausgebreitet la g , eben mit der wichtigen Angelegenheit der AuS-

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wähl eines Stoffes zum Kleide ernstlich beschäftigt. D ie beisitzenden Räthe waren K l a r a , die Putzmache­ r i n , Lydie, und ihre M u tt e r , die fremde Schauspie­ lerin, von welcher im vorigen'Abschnitt die Rede ge­ wesen. M adam e B elloni, wie sie sich n annte, w ar nämlich von der mitleidigen Rebekka aufgenommen und in ihrer Krankheit gepflegt w orden, und hatte sich während ihrer Genesung, klug und gew andt, die Gunst der H ausfrau in so hohem M aaße zu erwerben gewußt, daß diese ihrem M a n n vorschlug, die ange­ nehme Person als Gesellschafterin in ihrer ländlichen Einsamkeit ganz bei sich zu behalten; w orauf H err B a lth a sa r auch sogleich mit einer Willfährigkeit ein­ gegangen w a r , die außer seiner natürlichen G utm üthigkeit noch einen andern geheimen G rund zu haben schien, wie wir bald sehen werden. y Ach, liebes Väterchen,« rief K la ra , als er jetzt in's Zimmer t r a t , und sprang ihm entgegen, » d as ist g u t, daß du kommst! D u sollst für mich wählen. Ich bin in der größten Verlegenheit.«- S ie zog ihn zum Tisch. » S i e h , dieses Zeug gefällt mir sehr, auch dieß, und dieß, und dieses hier ist doch auch wunderschön — ich möchte sie eigentlich alle haben. Aber wenn ich nun wählen soll, wähle ich mir gewiß von allen das schlechteste.« »Da s ist in der Regel!« lächelte Herr Balthasar.

A u s B a lth a s a r s Leben. »Ja," sagte Frau Rebekka, »es ist doch allzeit ein verdrießlicher, ja mehr oder weniger peinlicher Zustand für den Menschen, wenn er mit sich selbst über etwas nicht in's Reine kommen kann. Das zeigt sich sogar bei dieser Kleinigkeit." »Run dann," erwiederte er, und erhob seine Stimme, » dann verdiene ich mir ja wohl den größ­ ten Dank, wenn ich Euch mit einem Male die ganze Wahl und Qual erspare. Denn, Kinder, übermor­ gen init dem frühsten reisen wir. Ein lauter Ausruf des Staunens, Schreckens, ja des Unwillens drängte sich aus allen fünf weiblichen Kehlen. »Uebermorgen abreisen!" rief Klara. »Liebes Väterchen, wo denkst du hin? " »Er scherzt," sprach Frau Rebekka, »das siehst du doch wohl! An eine Abreise übermorgen kann im Ernst ja gar kein Gedanke seyn. Das ist so unmög­ lich ------ " » Als eine allgemeine Türkenbekehrung! * fiel Ma­ dam Belloni ein. „R u n ,“ rief Herr Balthasar, »so werden wir auch einmal das Vergnügen haben, das Unmögliche zu thun, wie die Franzosen, die es alle Tage

A u - B a l t h a s a r - Leben. thun. * ) Da lies nur diesen Brief, mein Schatz! — Und, Kind," — er wandte sich an die Belloni — »von wegen der Türkenbekehrung — hm! es ist noch nicht aller Tage Abend. Kind, ich sage Ihnen, die Türken « »Ach Türken! was helfen mir hier all« Türken!" rief Frau Rebekka ärgerlich, doch ohne von dem Briefe, in dem sie las, aufzublicken. Herr Balthasar fuhr fort: , J a , Kind, ich sage Ihnen, die Türken — wir stehen an der Schwelle großer Ereignisse — wenn Sie wüßten, was ich weiß — ” » Nun, ich weiß mir so viel« — rief Frau Rebekka abermals, .daß es ein wahrhaft türkisches Ansinnen ist und bleibt, eine Abreise übermorgen früh zu ver­ langen." Die vier andern Stimmen wurden nun auch laut, und suchten ihm alle durch einander die Unmöglich­ keit der Sache zu beweisen, so daß Herr Balthasar endlich, verwirrt und betäubt, nur um einen Augen­ blick Gehör und seine Frau um die Gefälligkeit bat, * ) Herr Balthasar hat hl« wahrscheinlich bi« gew»hnllch« Vie»en-art der Franzosen Im Sinne: ii a fait l’imposcible, Je fcrai Vijnpossible etc.

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ihm einzeln und in der Kürze die Hindernisse anzu­ geben, die sich der Abreise nach ihrer Meinung ent­ gegenstellten. Nachdem er ihre etwas weitläufige Auseinander­ setzung des wichtigen Textes, sammt den beigefügten Noten und Erläuterungen der Uebrigen gelassen an­ gehört, gab er seine ungemeine Freude darüber zu erkennen , daß diese Hindernisse, wie er gleich ver­ muthet, eigentlich gar keine waren. »So? Gar keine?« rief Frau Rebekka hitzig. »Vermuthlich auf dieselbe A rt, wie du mir neulich beweisen wolltest, daß des Verwalters große Nase an sich eigentlich keine große Nase sey!« »Und ich bleibe noch bei meiner Behauptung!• erwiederte er mit großer Lebhaftigkeit. »Die Nase an sich, mein Schatz, die Na.se an sich « ,, Die absolute Nase!« sagte die Belloni lächelnd. — Er fuhr fort: »Du hast mich nur damals gar nicht verstanden, wie das gewöhnlich mein Schicksal ist, und wir wurden unterbrochen. Aber die Sache ist leicht zu beweisen. Ich meinte nämliche und be­ hauptete ------- « »Ach, Väterchen, bitte,« rief Klara, »sprich nicht von der abscheulichen Nase. Ls ist genug, daß ich sie alle Tage schon muß.«

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- J a , " sagte Frau Rebekka, »du hast recht. Man kriegt den Schnupfen, wenn man nur an sie denkt. Jetzt sprechen wir von den Hindernissen, die ich an­ geführt, und ich wünschte wohl zu wissen, warum sie denn gar keine seyn sollen.“ »Hm — “ erwiederte er zögernd — »weil ich sie fast alle, mit einem Worte, aus den; Wege raumen kann. D enn “ — Seine Augen hafteten mit einer gewissen Unruhe auf der Putzmacherin; die Belloni aber, als erriethe sie seine Gedanken, sagte dieser etwas ins O hr, vermuthlich einen Auftrag, denn sie nickte mit dem Kopfe und verließ sogleich das Zimmer. »Denn ich muß dir sagen,“ fuhr er nun mit freie­ rer Stimme fort, »alle diese Dinge, die du zu unserm A u ftritt in der Residenz für nothwendig hältst, können, wenn wir nur einmal dort sind, gar leicht binnen 2 4 Stunden herbeigeschafft werden, und hof­ fentlich besser und geschmackvoller als hier. Ich be­ rufe mich auf die Erfahrung unserer Freundin.“ Die Schauspielerin bestätigte und bekräftigte, seine Behauptung auf's vollkommenste. Frau Rebekka schwieg und sah sie starr an, und es war ihr deutlich anzu­ merken, daß sich ein neuer Jdeengang in ihrem Kopfe zu entwickeln anfing. Dennoch fuhr sie nach einer

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W eite nicht n u r f o r t , sich der schnellen Abreise h a r t ­ näckig entgegen zu setzen, sondern führte auch noch neue G r ü n d e gegen die Möglichkeit derselben i n s Feld. » I u T ische! zu Tische!« unterbrach sie endlich H e r r B a l t h a s a r ungeduldig. »M ich hungert, und w ah rend w ir u n s hier im S t r e i t erhitzen, wird die S u p p e kalt, und guter R a th kommt nicht allein über N a c h t, son­ dern auch oft über M a hlz e it. D a s wußten unsre V o r fa h re n . D e r hungrige Mensch ist specifisch ein ganz a n d re s T h ie r , als der s a tte , und wie viele der wichtigsten Begebenheiten, die un s die Geschichte mel­ d e t, mögen sich danach gestaltet haben, ob die Helden gegessen hatten oder nicht, ja sogar nach d e m , w a s sie gegessen hatten. U n d , K l a r a / ' fuhr er f o r t , sich setzend, »geh doch hinüber in die B ib lio th e k , u n d bring m ir den B r i e f a u s W ie n , der a u f meinem Arbeitstische liegt — weil w ir von den Türken spra­ chen “ — er w andte sich zu B e lloni — u ich weiß, S i e haben ein Interesse für solche D in g e — und bring die K arte von Griechenland m i t , die dabei lie g t! Ä Lydie erbot sich zur B eg le itu n g . F r a u Rebekka sah ihren M a n n kopfschüttelnd an, und rief den M ä d ­ chen nach: » S o nehmt wenigstens Licht m it! ES ist jetzt schon finster a u f dem K orridor."

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Dieser Korridor stand bei dem größten Theile der Hausgenoffenschaft in übetmRufe; hauptsächlich wohl wegen des darin in die Wand gemauerten schwarzen Kreuzes, und weil er nach dem alten, unbewohnten und baufälligen Theile des Schlosses führte, von welchem man sich wunderliche Dinge ins Ohr raunte. Die Bibliothek stieß unmittelbar an diesen, und zwar an den sogenannten Rittersaal, eine große gewölbte Halle mit bunten Fenstern, in welcher allerlei S el­ tenheiten, eine Menge alter Waffen der verschieden­ sten Art und eine Reihe von Familienbildern der vori­ gen Besitzer aufbewahrt wurden. So war es denn natürlich, daß die beiden jungen Frauenzimmer jetzt im Zwielicht nicht ohne eine kleine Anwandlung von Furcht und Grauen ihre Wanderung durch den verrufenen langen Gang antraten. Beson­ ders blickte Lydie scheu in alle Winkel, und schloß sich immer dichter an K lara, je näher sie dem schwar­ zen Kreuze kamen, wo einst, nach der Sage, ein ehemaliger Besitzer des Schlosses von seinem Bruder im Zweikampf erstochen ward. Klara versuchte ihre Freundin auszulachen; aber dennoch wurden ihre Schritte immer länger, und als sie das schwarze Kreuz im Rücken hatte, fing sie unter öfte'rm Zurück­ sehen an, überlaut zu singen. Beim Eintritt in die Bibliothek begrüßte sie durch

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das Fenster gegenüber der Vollmond, der eben aus dem dunkeln Fichtenwalde hinter dem Garten empor stieg. „Ach sieh, wie prächtig!« rief Klara, und eilte das Fenster zu offnem Indem erhoben sich die leisen klagenden Töne einer Flöte aus dem nahen Gebüsch, und schienen auf den Strahlen des Mon­ des, als auf ihrem Elemente, zu ihnen herüber zu schwimmen. „Hörst du, Lydie, hörst d u?" flüsterte Klara mit zurückgehaltenem Athem. „D a ist der Flö­ tenspieler wieder." — Ein bis jetzt noch nicht gekann­ tes Gefühl schien in ihr zu erwachen, und hob die jugendliche Brust. Sie lehnte den Kopf an Lydiens Schulter; Lydie schlang den Arm um ihren Nacken. „Ach, Lydie," sagte sie leise, „wie ist mir denn? M ir ist so wohl und doch auch so weh — ich bin so glücklich und doch könnt" ich weinen! * „D u Himmelskind," erwiederte Lydie, »kennst du denn die Wonne der Wehmuth noch nicht? Hast du das herrliche Sonnett von Schlegel nicht gelesen?" Sie fing langsam und mit halblauter Stimme an, das Gedicht herzusagen. I n diesem Augenblicke aber ließ sich in dem anstoßenden Rittersaals ein furcht­ bares Getöse und Gepolter vernehmen, als ob alle die alten Rüstungen und Waffen mit einem M al von den Wanden herab stürzten. — „ Jesus M a ria ! * schrie Lydie, »waS ist das? « — Nun war alles still. Contess. Schrift. 8. Dd.

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Aus

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Doch bald erhob sich ein leises Geräusch wie von K etten , die a u f dem Boden hinschleiften, und schien sich der T h ü r zu nähern. — » Scp uns gnädig und barm herzig!" kreischte Ludie, »der R itte r m it den Basiliskenaugen! D e r B rud erm ö rd er! " — S ie faßte Klärens A rm , und indem sie die noch halb trä u ­ mende m it sich fo rtriß , ergriff sie das auf dem Tische stehende Licht, stolperte aber dabei über einen a u f der Erde liegenden F o lianten, das Licht entfiel ihrer H a n d , und rollte brennend a u f dem Boden hin. K la ra wollte es wieder aufheben; doch indem sie sich dabei w andte, kam es ihr v o r, als ob in der T h a t die T h ü r zum Rittersaal sich leise knarrend offne, und vom heftigsten Entsetzen e rfa ß t, stürzten nun beide aus dem Zim m er; bleich und athemlos stürzten sie in den Speisesaat. » K la r a ! mein K in d ! " rie f Frau Rebekka auf­ springend, und eilte ihnen entgegen. » W a s ist ge­ schehn? mein goldnes K in d ! was hast du? sprich, was ist dir w iderfah ren ?" — K la ra w a rf sich an ihre B ru s t; sie vermochte nicht zu sprechen. »Siehst du ! stehst d u ! * fuhr jene fort m it einem vorw urfs­ vollen Blick' auf ihren M a n n , der gleichfalls erschrckken herbeigeeilt w a r, und die beiden Mädchen, von einer zur andern laufend , m it seinen Fragen be­ stürmte. — »Siehst du! ich dachte es w o h l! Jetzt

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im Zwielicht die armen Kinder dorthin zu schicken! Deine verwünschten Türken!" Es dauerte lange, bis die armen Kinder im Stande waren, zu erzählen, was ihnen begegnet sey. „ Kinderpoffen!