Kompendium der Wohnungswirtschaft [3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Reprint 2018] 9783486788365, 9783486233001


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German Pages 815 [816] Year 1996

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Herausgebers zur dritten Auflage
Vorwort der Herausgebers zur ersten und zweiten Auflage
I. Einführung
II. Wohnungswirtschaftspolitik
III. Elemente der Wohnungswirtschaft
IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes
V. Städtebau
VI. Betriebswirtschaft
VII. Die Neuordnung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft
Verzeichnis der Autoren
Stichwortverzeichis
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Kompendium der Wohnungswirtschaft [3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Reprint 2018]
 9783486788365, 9783486233001

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Kompendium der Wohnungswirtschaft Herausgegeben von

Prof. Dr. Helmut W Jenkis unter Mitarbeit von Prof. Dr. Hartmut Dieterich, Dr. Angelika Eichhorn, Dr. HansJoachim Haertler, Dr. Hartwig Hamm, RA Dr. Uwe Hannig, Prof. Dr. Jürgen H. B. Heuer, Dipl.-Pol. Wolfgang Jaedicke, Dr. Stefan Jokl, Prof. Dr. Thilo Köpfler, Dr. Rolf Kornemann, Prof. Dr. Lidwina Kühne-Büning, Prof. Dipl.-Ing. Gerhart Laage, Prof. Dr. Heinrich Freiherr von Lersner, Dipl.-Volksw. Klaus Lobbe, Dr. Volker Nordalm, Prof. Dr. Alois Oberhauser, Prof. Dr. Karl Oettle, Klemens Philipp, Stb/WP Dipl.-Betrw. Herbert Reiß, Stb/WP Alfons Röder, Prof. Dr. Günther Rohde, Dipl.-Volksw. Erwin Sailer, Dr. Thomas Siebe, Prof. Dr. Friedrich Spengelin, Prof. Dr. Erika Spiegel, Prof. Dr. Gerhard Stiens, Dr. Rudi Ulbrich, Andreas J. Zehnder Dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kompendium der Wohnungswirtschaft / hrsg. von Helmut W. Jenkis unter Mitarb. von Hartmut Dieterich ... - 3., Überarb. und erw. Aufl. - München ; Wien : Oldenbourg, 1996 ISBN 3-486-23300-9 NE: Jenkis, Helmut W. [Hrsg.]; Dieterich, Hartmut

© 1996 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3 - 4 8 6 - 2 3 3 0 0 - 9

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur 3. Auflage Vorwort zur 1. und 2. Auflage

I.

Einführung 1. Oettle: Wohnungswirtschaft - in den deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vernachlässigt 2. Heuer/Nordalm: Die Wohnungsmärkte im gesamtwirtschaftlichen G e f ü g e 3. Spiegel: Wohnen und Wohnung als soziologische Kategorie

II.

23 42

65 123 144 159 184

Elemente der Wohnungswirtschaft 9. Jenkis: Die Wohnung: Ein Wirtschafts- oder Sozialgut? 10. Kühne-Büning: Wohnungswirtschaft und Konjunktur 11. Löbbe/Siebe: Die Bau- und Wohnungswirtschaft als Konjunkturlokomotive? 12. Stiens: Bevölkerungsentwicklung und Wohnungswirtschaft 13. von Lersner: Wohnumwelt

IV.

3

Wohnungswirtschaftspolitik 4. Jenkis: Einführung in die Wohnungswirtschaftspolitik 5. Kornemann: Die wohnungspolitischen Zielsetzungen in den Regierungserklärungen 6. H a m m : Der ordnungspolitische R a h m e n für die Wohnungswirtschaft 7. Eichhorn: Zieladäquanz wohnungspolitischer Instrumente der öffentlichen Hand 8. Jaedicke: Wirkungen wohnungspolitischer Instrumente

III.

VII VIII

213 252 267 297 312

Angebot und Nachfrage 14. 15. 16. 17. 18.

Ulbrich: Die Bauherren als Anbieter Jenkis: Das Schwabe'sche Gesetz und die Lütge'sche Regel Jokl/Zehnder: Wohneigentumsbildung Oberhauser: Familienorientierte Wohneigentumsförderung Sailer: Immobilienmakler

327 361 392 419 439

VI V.

Inhaltsverzeichnis Städtebau 19. Laage: Stadt- und Wohnungsbaupolitik 20. Spengelin: Stadtentwicklung und Stadtreparatur 21. Dieterich: Bodenordnung und Bodenpolitik

VI.

459 479 516

Betriebswirtschaft 22. Haertler: Wohnungswirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre 23. Röder: Wohnungswirtschaftliche Steuerlehre 24. Reiß: Der wohnungswirtschaftliche Jahresabschluß nach Handelsund Steuerrecht 25. Köpfler: Die Wohnungsbaufinanzierung 26. Philipp: Rationelles und kostengünstiges Bauen

545 570 598 627 648

VII. Die Neuordnung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft 27. Jenkis: Überführung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft 28. Rohde: Die Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken in den neuen Bundesländern 29. Hannig: Das Altschuldenhilfe-Gesetz

673 734 772

Verzeichnis der Autoren

801

Stichwortverzeichnis

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Vorwort des Herausgebers zur dritten Auflage Das Kompendium der Wohnungswirtschaft hat eine positive Aufnahme gefunden, so daß die dritte Auflage vorgelegt werden kann. Diese hat eine gründliche Überarbeitung und zum Teil eine Neugestaltung erfahren: Der bewährte Aufbau der ersten Auflagen wurde beibehalten, ein Teil der ursprünglichen Beiträge wurde lediglich aktualisiert, andere hingegen wurden durch neue Abhandlungen ersetzt. Dieses gilt insbesondere für das letzte Kapitel, das sich nunmehr ausschließlich mit der Neuordnung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft beschäftigt; ein Thema, das nach der Wiedervereinigung Deutschlands an Aktualität gewonnen hat und noch lange Zeit die Politik und vor allen die Bürger in den neuen Bundesländern beschäftigen wird. Das Kompendium ist bemüht, nicht nur grundlegende Themen und Probleme zu behandeln, sondern auch zeitnah zu sein. Diesen Bestrebungen sind sowohl zeitlich als auch vom Volumen her Grenzen gesetzt. So zum Beispiel hat die von der Bundesregierung eingesetzte .Expertenkommission Wohnungspolitik' im Oktober 1994 den Bericht ,Wohnungspolitik auf dem Prüfstand' und den Zusatzbericht ,Wohnungspolitik für die neuen Länder' (mit insgesamt rund 800 Seiten) vorgelegt. Beide Gutachtenbände enthalten eine umfangreiche Analyse der gegenwärtigen wohnungswirtschaftlichen Lage und machen Vorschläge zur Fortentwicklung des wohnungspolitischen Instrumentariums. Allein der Umfang machte es unmöglich, diese Gutachten in das Kompendium einzubeziehen. Dieses Kompendium wird durch das von mir gleichfalls im R. Oldenbourg Verlag herausgegebene Kompendium ,Raumordnung und Raumordnungspolitik' ergänzt. Beide Kompendien hat Herr Diplom-Volkswirt Martin Weigert in gewohnter Weise betreut, wofür ihm auch an dieser Stelle gedankt sei. Der Herausgeber und die Autoren hoffen und wünschen, daß auch diese Auflage eine positive Aufnahme findet. Helmut Jenkis

Vorwort der Herausgebers zur ersten und zweiten Auflage Zum ersten Mal wird ein ,Kompendium der Wohnungswirtschaft' vorgelegt. Dieser erste Versuch bedarf der Begründung und der Erläuterung: Die Wohnungswirtschaft gehört zu den Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft, der Technik sowie anderer Disziplinen, die von einem Spezialisten weder theoretisch noch praktisch abgedeckt werden kann; denn die Ausstrahlungen der Wohnungswirtschaft auf andere Sektoren sowie deren Einflüsse auf diesen sind zu intensiv und umfangreich. Aus diesem Grunde wurde die Form eines Kompendiums gewählt, das zwischen einem traditionellen Lehrbuch und einem lexikalisch aufgebauten Wörterbuch liegt, d.h., sein Inhalt beruht auf in sich abgeschlossenen Beiträgen. Hand- und Lehrbücher der Wohnungswirtschaft hat es bereits gegeben, jedoch noch nicht ein Kompendium: Rudolf Eberstadt hat erstmalig 1909 das ,Handbuch des Wohnungswesens' herausgegeben (die letzte und vierte Auflage ist 1920 in Jena erschienen). Dieses Handbuch kann als ein Vorläufer dieses Kompendiums angesehen werden, da es Fragen des Städtebaues, der Bodenpolitik, der Wohnungswirtschaft, des ländlichen Siedlungswesens usw. behandelte. Das im Auftrage des Deutschen Vereins für Wohnungsreform e.V. herausgegebene ,Handwörterbuch des Wohnungswesens' (Jena 1930) knüpft an Eberstadt an, ist aber lexikalisch aufgebaut, d.h., zu jedem Stichwort - von .Altersheim' bis zum ,Zwischenkredit' - werden von zahlreichen Autoren kürzere oder längere Ausführungen gemacht. Otto Kämpers ,Wohnungswirtschaft und Grundkredit (Berlin 1938) ist für den ökonomisch interessierten Leser auch heute noch interessant; dieses gilt auch für die kleine Schrift von Joachim Fischer-Dieskau ,Einführung in Wohnungs- und Siedlungspolitik' (Berlin/Leipzig 1938). Das .Wörterbuch der Wohnungs- und Siedlungswirtschaft' (Stuttgart/Berlin 1938) wurde in der Nachkriegszeit durch das vom früheren Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnungsbau, Hermann Wandersieb, herausgegebene ,Handwörterbuch des Städtebaues, Wohnungs- und Siedlungswesens' (drei Bände, Stuttgart 1959) ersetzt; auch hierbei handelt es sich um ein lexikalisches Werk, das aber durch die Entwicklung in den letzten dreißig Jahren zum größten Teil überholt ist. Friedrich Lütges ,Wohnungswirtschaft' (2. Auflage, Stuttgart 1949) ist immer noch eine Fundgrube für denjenigen, der sich insbesondere für volkswirtschaftliche und historische Fragen interessiert. Lütges Darstellungsansatz hat Jürgen H. B. Heuer mit seinen Mitarbeitern mit dem .Lehrbuch der Wohnungswirtschaft' (erste Auflage Frankfurt 1979, zweite Auflage 1985) fortgesetzt und sich insbesondere um eine sozio-ökonomische Durchdringung dieser komplexen Materie bemüht. Anläßlich des 25jährigen Bestehens des Institutes für Siedlungs- und Wohnungswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster/Westf. erschien eine Festschrift unter dem Titel ,Deutsche Siedlungs- und Wohnungspolitik' (Köln-Braunsfeld 1956). Sie enthält zahlreiche Einzelbeiträge und kommt diesem Kompendium nahe. Neben diesen Hand- und Lehrbüchern gibt es zahlreiche Monographien. In diesem Zusammenhang sind besonders die ,Beiträge zum Siedlungs- und Woh-

Vorwort

IX

nungswesen und zur Raumplanung' des Instituts für Siedlungs- und Wohnungswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster/Westf., die von Jürgen H. B. Heuer und Hans H. Nachtkamp herausgegebenen ,Schriften zur Sozialökologie' sowie die Veröffentlichungen der A k a d e m i e für Raumforschung und Landesplanung' in Hannover zu nennen, bei der allerdings Probleme der Raumordnung und Strukturpolitik im Vordergrund stehen. D i e Spitzenverbände der Bau-, Wohnungs- und Kreditwirtschaft geben Schriftenreihen oder Publikationen heraus, die sich gleichfalls mit dem Bereich Wohnungswirtschaft befassen, dieses gilt auch für zahlreiche wissenschaftliche oder praxisorientierte Einzeluntersuchungen. A b e r weder für den Studenten, Wissenschaftler noch Praktiker liegt bisher ein Kompendium vor, das den Versuch unternimmt, einen möglichst vollkommenen Überblick über diesen Sektor zu geben. Ein solcher Versuch bleibt allerdings ein Wagnis, das nicht allen Wünschen und Anforderungen gerecht werden kann: Zahlreiche Autoren aus der Wissenschaft und der wohnungspolitischen Praxis haben weite Bereich der Volks- und Betriebswirtschaft, der Soziologie, Demographie, Technik bis hin zu den weltweiten Problemen des Wohnens abgedeckt. Die jüngsten Umwälzungen in der D D R ließen es geboten erscheinen, die in der Bundesrepublik Deutschland weitestgehend unbekannte Wohnungswirtschaft und -politik im anderen Teil Deutschlands einzubeziehen. Mit besonderer Genugtuung stellt der Herausgeber fest, daß es ihm kurzfristig gelungen ist, zwei Beiträge aus der D D R in dieses Kompendium aufzunehmen. D e n n o c h war es nicht möglich, das gesamte Gebiet der Wohnungswirtschaft umfassend darzustellen. Diese Unvollkommenheit muß auch deshalb in K a u f genommen werden, weil jeder Veröffentlichung Grenzen gesetzt sind. Es liegt in der Natur eines Kompendiums, an dem zahlreiche Autoren mitgearbeitet haben, daß die Verfasser ihren eigenen Stil und ihre Darstellungsform haben. Diese Individualität konnte und sollte nicht vermieden werden, dagegen wurde hinsichtlich des Umfanges, des Aufbaues und der Darstellungsform eine Vereinheitlichung angestrebt. A u f die in wissenschaftlichen Arbeiten üblichen Zitate und Fußnoten wurde weitestgehend verzichtet, dagegen am Ende eines jeden Beitrages die weiterführende Literatur genannt, die eine Vertiefung in das Thema ermöglicht. Ein solches Kompendium wäre nicht ohne bereitwillige Kooperation der Autoren und die Betreuung durch den Verlag realisiert worden. Mein Dank gilt daher allen Autoren, aber auch Herrn Diplom-Volkswirt Weigert vom Oldenbourg Verlag, der diese Veröffentlichung verständnisvoll betreute. Trotz aller Unvollkommenheiten möge dieses erste Kompendium der Wohnungswirtschaft dazu beitragen, das Verständnis und das Wissen um diesen so wichtigen und komplexen Bereich zu vertiefen. Kritische Anregungen sind willkommen, um - wenn dieses Werk eine positive A u f n a h m e finden sollte - künftig Verbesserungen vorzunehmen. Helmut Jenkis

I. Einführung

1. Wohnungswirtschaft - in den deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vernachlässigt 1.0 Wohnungswirtschaft als Ausschnitt aus einem Bedürfnisfeld Die funktionale Arbeitsteilung ist in der Technik und in der Wirtschaft wie in der Wissenschaft eine Triebkraft der Fortentwicklung. Hier wie dort soll sie zu größerer Produktivität der aufgewandten Arbeit führen. Die Wirkungsweise, die solches herbeiführen kann, ist jedoch grundverschieden. In der Technik und in der Wirtschaft dient die funktionale Arbeitsteilung allein dazu, die Ausführung von Arbeit zu vereinfachen, damit sich Routinierungsvorteile ergeben. In der Wissenschaft ist sie darüber hinaus erforderlich, wenn neue Erkenntnisse statt durch Verbreiterung des Gegenstandsfeldes erzielt werden sollen, indem Gegenstände vertieft betrachtet werden. Dies erfordert, da das menschliche Erkenntnisvermögen begrenzt ist, das Blickfeld durch Abstrahieren zu verengen. Das heißt, Wirklichkeitszusammenhänge werden gedanklich zerschnitten, um ausgewählte Einzelsachverhalte vertieft analysieren zu können. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse dürfen rationalerweise nur gewürdigt werden, indem beachtet wird, wie das Untersuchungsfeld gedanklich zusammengeschnitten wurde. Anders ausgedrückt, müssen die Erkenntnisse eigentlich in die größeren Zusammenhänge eingefügt werden, zu denen das reduzierte Betrachtungsfeld gehört. In dem Maße, in dem das mißlingt oder gar unterbleibt, ergeben sich Beurteilungsfehler. Sie bestehen darin, daß der Wert der fraglichen Erkenntnisse überschätzt wird. Je nach dem Grad der Vernachlässigung des fraglichen Gesamtzusammenhanges wird in mehr oder weniger starkem Maße der logische Fehler begangen, von einem Teil auf ein Ganzes zu schließen oder, anders gesagt, aus einer Teilerkenntnis eine Erkenntnis von größerer Tragweite zu machen. Gegenstände der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind Wirklichkeitszusammenhänge, die Lebenszusammenhänge, insbesondere solche des menschlichen Lebens betreffen. Dabei ist unterstellt, daß mit der Wirklichkeit nicht nur die gewesene und die gegenwärtige, sondern auch die künftig für möglich Gehaltene gemeint sei. Wirklichkeitszusammenhänge stellen, mit Alfred Amonn gesprochen, Erfahrungsobjekte von Wissenschaften dar [1911, S. 16ff.]. Aus ihnen arbeitsteilig herausgelöste Analysefelder hingegen sind in seiner Sprachweise Erkenntnisobjekte, und zwar für wissenschaftliche Disziplinen von höherem und für Einzelvorhaben einzelner Disziplinen von geringerem Abstraktionsgrad. Rechnet man die Wirtschaftswissenschaften - wie hier - zu den Sozialwissenschaften, so haben diese ein Erkenntnisobjekt von geringerem und jene ein solches von höherem Abstraktionsgrad. Als Erkenntnisobjekt der Sozialwissenschaften sei das menschliche Leben bezeichnet, insoweit es menschliches Zusammenleben ist. Genau genommen, reicht das Erkenntnisobjekt der Wirtschaftswissenschaften insofern über das der Gesellschaftswissenschaften hinaus, als sie nicht nur Sozialökonomik, sondern auch.

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I. Einführung

Individualökonomik ist. Die praktische Bedeutung dieser Differenz in den Gegenstandsbreiten der „Oberdisziplin" und ihrer wirtschaftlichen „Unterdisziplin" erscheint jedoch gering, da die Volkswirtschaft ausschließlich Gesellschaftswirtschaft ist [Hans Peter 1950, S. 19ff.] und die Einzelwirtschaften betriebliche Gebilde sind, in denen zumeist Menschen zusammenleben und -arbeiten und die auch dort, wo dies nicht der Fall ist, in der Regel existentiell in arbeitsteiligen Beziehungen zu anderen Einzelwirtschaften stehen. Das individuelle (personale) wie das soziale menschliche Leben umfaßt eine Vielzahl von Bedürfnisfeldern. Als besonders wichtige seien der Glaube, die Ernährung, das Wohnen, die Sorge um die Gesundheit, die Sorge um die Freiheit, die Bildung, die Ausbildung, die Arbeit, die Erholung und die Unterhaltung genannt. Wie immer sie gegliedert werden, bilden derartige Bedürfnisfelder Erfahrungsobjekte verschiedenster Wissenschaften, unter anderem auch der Sozial- und der Wirtschaftswissenschaften. So ist etwa das Wohnen, dessen wirtschaftlicher Seite das vorliegende Kompendium gewidmet ist, nicht nur Erfahrungsobjekt von Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, sondern insbesondere auch von Individualpsychologie, Außenund Innenarchitektur, Bautechnik, Versorgungs- und Entsorgungstechnik. Die Sozialwissenschaften betrachten das Wohnen insoweit, als es Fragen des menschlichen Zusammenlebens stellt. Diese können groß- oder kleingesellschaftlicher Natur sein, wobei erstere Gemeinwesen und letztere die Mitglieder von Betrieben einschließlich der privaten Haushalte betreffen. Ein Teil der sozialwissenschaftlichen Fragen des Wohnens sind wirtschaftlicher Natur. Die Wirtschaftswissenschaften betrachten Gemeinwesen oder Betriebe wie die verschiedenen Bedürfnisfelder, insoweit in ihnen bzw. für sie gewirtschaftet wird. Wohnungswirtschaft ist demnach im weitesten Verstände jenes Wirtschaften von Gemeinwesen und von Betrieben, das dem Wohnen gilt. Wirtschaften umfaßt zweierlei, das Haushalten und das Erwerben. Beide wirtschaftliche Tätigkeiten hängen insofern zusammen, als einerseits mit Erworbenem hausgehalten wird und andererseits vermehrtes Erwerben das Haushalten erleichtern mag. Haushalten besteht darin, knappe und zugleich beherrschbare und damit bewirtschaftungsfähige Güter (wirtschaftliche Güter) auf die um sie konkurrierenden Bedürfnisse zu verteilen. Haushalten wird dann als wirtschaftlich angesehen, wenn es den beiden Gossenschen Gesetzen vom sinkenden Grenznutzen der zunehmenden Bedürfnisbefriedigung und vom Ausgleich der Grenznutzen folgt [1927, S. 4f„ S. 12], Erwerben besteht darin, Bestände an wirtschaftlichen Gütern zu mehren. Sieht man von Raub, in der Wohnungswirtschaft etwa von der Hausbesetzung, ab, so lassen sich wirtschaftliche Güter im marktlichen Wettbewerb oder durch Zuteilung erwerben, welch letztere auf haushälterischen Entscheidungen oder auf Anordnungen beruht und in Gemeinwesen zumeist Belastungen Dritter voraussetzt (Abgaben, Dienstbarkeiten). Wirtschaftlicher Erwerb kann zweierlei bedeuten. Z u m einen ist mit ihm nur solcher Erwerb gemeint, der im marktlichen Wettbewerb entsteht (Verteilung wirtschaftlicher Güter nach gezeigter Wettbewerbsfähigkeit bei funktionierender oder durch Ausnützen von Wettbewerbsbeschränkungen bei nicht funktionierender marktlicher Konkurrenz). Zum anderen kann der marktliche wie der Zuteilungserwerb in dem Sinn wirtschaftlich sein, daß bei ihm rational vorgegangen wird, indem für ihn nicht mehr wirtschaftliche Güter

1. Wohnungswirtschaft

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verwendet werden, als nötig ist, also indem keinerlei Verschwendung betrieben wird. Die Wohnungswirtschaft umfaßt wie die wirtschaftliche Seite der meisten Lebensgebiete beiderlei Wirtschaftsweisen, das Haushalten und das Erwerben. In all den gemeinten Lebensgebieten spielt das Wirtschaften insofern eine dienende Rolle, als der Gegenstand, um dessentwillen hausgehalten oder für den erworben wird, nicht-wirtschaftlicher Natur ist. Will man gedanklich ein besonderes Bedürfnisfeld Wirtschaft etablieren, muß man sich wegen des nicht-wirtschaftlichen Charakters der meisten Bedürfnisse, die mit wirtschaftlichen Gütern befriedigt werden können, eng fassen. Als rein wirtschaftliche Bedürfnisse lassen sich, im Grunde genommen, nur die solcher Einkommenserzielung erkennen, die auf die Bildung von Erwerbsvermögen gerichtet ist. Sie dient gewissermaßen der Sorge für künftig wirtschaftliche Freiheiten. Ihr kann auf all jenen Lebensgebieten Rechnung getragen werden, auf denen die Bedürfnisdeckung gänzlich oder teilweise dem marktlichen Wettbewerb überlassen bleibt. Dazu gehört im derzeitigen bundesdeutschen System der Sozialen Marktwirtschaft auch die Wohnungswirtschaft.

2.0 Wohnungswirtschaft im engeren und im weiteren Sinn Die Wohnungswirtschaft läßt sich nach verschiedenen Gesichtspunkten im engeren und im weiteren Sinn auffassen. Als solche Gesichtspunkte seien hier unterschieden: (1) der Umfang des Bedürfnisfeldes Wohnen, (2) die Art und Weise des Verteilens von Wohnmöglichkeiten und (3) die Zahl der einbezogenen Kategorien von Akteuren. Wie die näheren Ausführungen zu den sich ergebenden Gliederungen zeigen, sind sie aufeinander bezogen, betreffen aber nichtsdestoweniger gleichsam jeweils eine eigene Dimension der Wohnungswirtschaft. (1) Nach dem Umfang des Bedürfnisfeldes Wohnen betrifft die Wohnungswirtschaft im engsten Sinn nur Wohnungen, Wohnhäuser und Grundstücke für solche. In einem weniger engen Sinn schließt sie die Wohnungseinrichtungen mit ein. Im weiteren Sinn umfaßt sie auch die Anschlüsse und Dienste zur Versorgung und Entsorgung. Im weitesten Sinn erstreckt sie sich auch auf die gesamte für das Wohnen nutzbare Infrastruktur sowie auf die Gestaltung des sozialen und ökonomischen Wohnumfeldes. Die Erweiterungsstufen des Begriffes der Wohnungswirtschaft lassen sich damit erklären, daß ihr im engsten Sinn aufgefaßter Gegenstand nach Maßgabe der genannten Ergänzungen nutzbar ist und rationalerweise bewertet wird. Was die erste Erweiterungsstufe angeht, so beschränkt sich der marktwirksame Bewertungseinfluß der Wohnungseinrichtung allerdings auf möblierte Zimmer und Wohnungen. (2) Nach der Art und Weise des Verteilens von Wohnmöglichkeiten kann die Wohnungswirtschaft, eng gefaßt, auf marktliche Strukturen und Vorgänge beschränkt werden. Weit gefaßt, bezieht sie außer der marktlichen Verteilung von Wohnmöglichkeiten auch ihre Zuteilung (Rationierung) ein. Die Verteilungsweise beeinflußt die Stimulation der Produktion und der Erhaltung von Wohnmöglichkeiten.

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I. E i n f ü h r u n g

Bei marktlicher Verteilung ergeben sich die Stimuli für Anbieter von Wohnmöglichkeiten aus Erwerbschancen und für wohnungswirtschaftliche Selbstversorger aus Haushaltsentscheidungen, die sich bezüglich ihrer ökonomischen Seite an marktlichen Alternativen der Fremdversorgung orientieren. Marktliche Verteilung sowie marktliche Produktion und Erhaltung von Wohnmöglichkeiten bilden zusammen die marktliche Wohnungswirtschaft (Wohnungsmarktwirtschaft). Der Zuteilung von Wohnmöglichkeiten auf der großgesellschaftlichen Ebene liegen Haushaltsentscheidungen öffentlicher, frei-gemeinnütziger oder genossenschaftlicher Anbieter zugrunde. Derartige Entscheidungen bestimmen auch die etwaige eigene Produktion und die Erhaltung von Wohnmöglichkeiten für Zuteilungen sowie die etwaige Beschaffung solcher auf marktlichem Weg. Mit Haushaltsentscheidungen von Gemeinwesen und frei-gemeinnützigen Verbänden wird die Verteilung von Wohnmöglichkeiten fremd-, mit solchen Entscheidungen von Genossenschaften selbstverwaltungswirtschaftlich gesteuert. Gemeinwesen können die Verteilung von Wohnmöglichkeiten außer durch Haushaltsentscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen, so bei Notständen, auch durch Eingriffsentscheidungen zu Lasten von Eigentum Dritter steuern. Außer der großgesellschaftlichen Zuteilung von Wohnmöglichkeiten gibt es die kleingesellschaftliche, etwa die familiale, die wohngemeinschaftliche oder für Mitarbeiter die produktivbetriebliche. Die Zuteilung von Wohnmöglichkeiten sowie deren außermarktliche Beschaffung und Erhaltung für Zuteilungszwecke bilden die verwaltende Wohnungswirtschaft (Wohnungsverwaltungswirtschaft). (3) Nach der einbezogenen Zahl der Kategorien von Akteuren beschränkt sich die Wohnungswirtschaft im engsten Sinn auf jene marktlichen Anbieter von Wohnmöglichkeiten, die Unternehmungen sind (unternehmerische Wohnungswirtschaft). In einem etwas weniger engen Verstand schließt sie auch die privathaushaltswirtschaftlichen Anbieter ein. Im einen wie im anderen Fall wird sie nur produktivbetrieblich gesehen (produktivbetriebliche Wohnungsmarktwirtschaft). Ein gleichsam mittlerer Begriff der Wohnungswirtschaft beschränkt sich auch noch auf Einzelwirtschaften, bezieht jedoch mit den privaten Haushalten, insoweit sie Wohnmöglichkeiten nutzen, die Konsumtivbetriebe (die Wohnungsnutzungswirtschaft), mit ein. Im weiteren Sinn gehören auch jene Verwaltungsbetriebe und Genossenschaften mit zur Wohnungswirtschaft, die Wohnmöglichkeiten auf Grund von Haushaltsentscheidungen beschaffen, erhalten und zuteilen (produktivbetriebliche Wohnungsverwaltungswirtschaft). Im weitesten Sinn rechnen schließlich selbst jene Regierungsbetriebe zur Wohnungswirtschaft, die sich mit der Gestaltung des Systems von Wohnungsmärkten und der etwaigen wohnungsmarktlichen Regulierung (mit der öffentlichen Wohnungspolitik), möglicherweise auch mit Zuteilungen zu Lasten des Eigentums Dritter (der Wohnungszwangswirtschaft) befassen.

1. Wohnungswirtschaft

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3.0 Symptome der Vernachlässigung der Wohnungswirtschaft in den deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Das Wohnen ist ein existentielles Bedürfnisfeld. Wie bei anderen existentiellen Bedürfnisfeldern auch, etwa bei der Ernährung, geht die soziale und die ökonomische Bedeutung insbesondere in Wohlstandsgesellschaften wie der bundesdeutschen weit über die Deckung lebensnotwendiger Bedürfnisse hinaus. So spielen das Wohnen und die Ernährung in sozialer Hinsicht für die Geselligkeit und oft auch für das Bemühen um Ansehen eine große Rolle, was in erheblichem Maße dazu beiträgt, daß für sie mehr aufgewendet wird, als zum bloßen Lebenserhalt notwendig wäre. Das ökonomische Gewicht des Wohnens läßt sich mittels seiner Anteile an den Ausgaben ausgewählter privater Haushalte andeuten. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes [1988, S. 462f.] liegen die Anteile der Wohnungsmieten für die drei vor allem nach der sozialen und ökonomischen Lebenslage unterschiedenen Familientypen („Haushaltstypen") in den fünf Jahren von 1982 bis 1986 zwischen 15,8 und 24,4%, wobei Wohnungsnebenkosten und Mietwerte der Eigentümerwohnungen eingeschlossen sind. Die Anteile der Ausgaben für Energie (ohne Kraftstoffe) schwanken zwischen 5,4 und 10,0%, die zusammengefaßten Anteile von Wohnungsmieten und Energie zwischen 21,5 und 34,4%. Die Anteile für Möbel, Haushaltsgeräte und andere Güter für die Haushaltsführung, die das Wohnen teils in erster, teils nur in zweiter Linie betreffen, bewegen sich zwischen 6,4 und 9,2%. Die zusammengefaßten Anteile für Wohnungsmiete und Energie fallen mit dem Ansteigen des Wohlstandsniveaus der Haushaltstypen erheblich, die Unterschiede der Anteile für Möbel und Haushaltsgeräte sind weniger ausgeprägt. Grob zusammenfassend kann gesagt werden, daß nach den zitierten repräsentativen Erhebungen ungefähr zwischen 30 und 40% der konsumtivbetrieblichen Ausgaben auf das Wohnen (weite Auffassung des Bedürfnisfeldes!) entfallen. Das große konsumtivbetriebliche (privathaushaltswirtschaftliche), produktivbetriebliche und sozialökonomische Wertgewicht des Wohnens in unserer Wohlstandsgesellschaft steht in einem merkwürdigen Gegensatz zu der zurückhaltenden Aufmerksamkeit, welche die deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Wohnungswirtschaft derzeit schenken. Die Aufmerksamkeitsgrade sind allerdings zwischen den Teildisziplinen verschieden. Am ehesten werden gesamtwirtschaftliche Fragen des Gegenstandsgebiets aufgegriffen. Seine einzelwirtschaftlichen Fragen werden vor allem von der Haushaltswissenschaft und von der Genossenschaftslehre berücksichtigt, die freilich nur die ihnen zugehörigen Ausschnitte behandeln, nämlich den konsumtivbetrieblichen und jenen produktivbetrieblichen, der auf genossenschaftliche Weise wahrgenommen wird. Am wenigsten nimmt sich die Betriebswirtschaftslehre der Wohnungswirtschaft an, die den ganzen Rest ihrer einzelwirtschaftlichen Seite abzudecken hätte, soweit man nicht die beiden genannten Teildisziplinen ihr zurechnet, worüber kein allgemeines Einverständnis besteht. In diesem kurzen Beitrag kann weder eine umfassende Übersicht über die wissenschaftliche wohnungswirtschaftliche Literatur gegeben noch die Verbreitung wohnungswirtschaftlicher Lehrveranstaltungen an den wissenschaftlichen Hochschulen skizziert und daraus mit Hilfe von Bedarfsvorstellungen ein Katalog der

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I. Einführung

Desiderata erarbeitet werden. Es sei vielmehr versucht, die wissenschaftliche Berücksichtigung der Wohnungswirtschaft an Hand einfacher Symptome zu kennzeichnen. Als ein solches bietet sich die Aufnahme wohnungswirtschaftlicher Artikel in die großen Handwörterbücher von Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre an. In den letzten 70 Jahren sind drei große deutschsprachige Handwörterbücher der Volkswirtschaftslehre und angrenzenden Gebiete erschienen. Der Vergleich der Gegenstände ihrer Beiträge zur Wohungswirtschaft kann einen gewissen ersten Eindruck davon vermitteln, wie sich das nationalökonomische Interesse an ihr gewandelt hat. Das aus den zwanziger Jahren stammende letzte „Handwörterbuch der Staatswissenschaften" enthält unter dem Titel „Wohnungsfrage und Wohnungswesen" einen umfänglichen, gleichsam monographischen Artikel, in dem die allgemeine Wohnungsfrage als eine städtische und die besondere als eine „Arbeiterwohnungsfrage" gekennzeichnet wird. Die geschichtliche Entwicklung des Wohnungswesens wie der Wohnungsfrage und deren sozialpolitische Seite sowie die Bekämpfung der Bodenspekulation spielen eine besondere Rolle. Ein zweiter nationalökonomischer Beitrag gilt den Baugenossenschaften, ein dritter der Grundrente und ein vierter der Bodenbesitzreform. Des weiteren gibt es drei Abhandlungen über den Grundbesitz, von denen sich der bodenrechtliche und der statistische auch mit dem wohnungswirtschaftlich genutzten Boden befassen. Das in den fünfziger Jahren herausgegebene „Handwörterbuch der Sozialwissenschaften" bringt einen knappen Artikel „Wohnungswirtschaft" sowie je einen Kurzbeitrag über die Baugenossenschaften und den Boden. Außerdem gibt es je einen Abriß über Wohnungs- und Mietrecht sowie über Grundstücksrecht. Die zentrale wohnungswirtschaftliche Abhandlung stellt im Kern (marktliche) Grundlagen der Wohnungswirtschaft und ordnungspolitische, darunter auch sozialpolitische Fragen der Wohnungspolitik, wie deren Zweige (Wohnungsbau- und Wohnungsbestandspolitik) nebeneinander. Das Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre erschienene „Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften" bringt unter dem gemeinsamen Obertitel „Wohnungspolitik" je einen knappen Beitrag über (I) Wohnungsbau und (II) Wohnungsversorgung sowie einen Kurzbeitrag über (III) Statistik, des weiteren einen knappen Artikel über Bodenpolitik und schließlich unter dem Obertitel „Faktorpreisbildung III" eine etwas ausführlichere Abhandlung über Rente und Bodenpreise. Die Behandlung der zentralen wohnungswirtschaftlichen Themen „Wohnungsbau" und „Wohnungsversorgung" betont deren zeitgeschichtliche Ausprägungen und die nach der „wohnungspolitischen Konsolidierung" durch das „wohnungspolitische Wiederaufbau-Programm" nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik verbliebenen wohnungspolitischen Aufgaben des Staates. In den zurückliegenden sieben Jahrzehnten sind fünf Auflagen des „Handwörterbuchs der Betriebswirtschaft" herausgekommen. Ihre Durchsicht zeigt, daß die Wohnungswirtschaft im Gegensatz zu den großen volkswirtschaftlichen Handwörterbüchern durchweg eindeutig vernachlässigt worden ist: Die erste Auflage des Handwörterbuches der Betriebswirtschaft aus den zwanziger Jahren enthält einen Kurzbeitrag über „Bau- und Siedlungsgenossenschaft" und einen Stichwortverweis „Wohnungsbau" auf einen Artikel über den „BauIndustriebetrieb". In der zweiten Auflage aus den dreißiger Jahren gibt es gar kei-

1. Wohnungswirtschaft

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nen wohnungswirtschaftlichen Artikel, sondern nur einen Stichwortverweis „Wohnungswesen" auf die Abhandlung über „Gemeindewirtschaft", die dem kommunalen Wohnungswesen wenige Zeilen widmet. Die dritte Auflage, aus der zweiten Hälfte der fünfziger und den frühen sechziger Jahren ist wohnungswirtschaftlich etwas reichhaltiger. Ihr fehlt zwar wiederum ein zentraler wohnungswirtschaftlicher Artikel, aber sie bringt immerhin Kurzbeiträge über „Wohnungsbaufinanzierung", „Wohnungseigentum" und „Wohnungsgenossenschaften". Die vierte Auflage des Handwörterbuches der Betriebswirtschaft aus den siebziger Jahren und die fünfte aus den neunziger Jahren unterscheiden sich von ihren Vorgängerinnen dadurch, daß sie als Grundstock einer „Betriebswirtschaftlichen Enzyklopädie" konzipiert sind, die zusätzlich eine offenbar noch nicht abgeschlossene Reihe ergänzender Bände umfaßt. Diese sind - bis auf die beiden zuletzt erschienen (Öffentliche Betriebswirtschaft; Export und Internationale Unternehmung) - je einem betrieblichen Funktionsgebiet gewidmet. Wie in der ersten und zweiten Auflage gibt es auch in der vierten und fünften des (nunmehrigen) Basiswerkes keinen wohnungswirtschaftlichen Artikel, sondern nur einen über „Bausparkassen" sowie im Register einige Stichwörter, die auf Beiträge wie „Bankgeschäfte" (4. Aufl.), „Genossenschaften", „Sozialpolitik, betriebliche" oder „Wirtschaftsordnung und Unternehmung" (5. Aufl.) verweisen. Von den bisher vorliegenden neun funktionsbezogenen Ergänzungsbänden geben nur zwei einer wohnungswirtschaftlichen Abhandlung Raum, nämlich das „Handwörterbuch der Finanzwirtschaft" für „Wohnungsbaufinanzierung" und das „Handwörterbuch der Revision" für „Gemeinnützige Wohnungsunternehmen, Prüfung". Das „Handwörterbuch der öffentlichen Betriebswirtschaft" enthält einen Beitrag über „Wohnungsbauunternehmen"; im Register steht ein weiteres wohnungswirtschaftliches Stichwort. Das „Handwörterbuch der Absatzwirtschaft" bringt zwei derartige Verweise, und zwar auf Artikel, die jeweils einen funktionsbezogenen Gegenstand in allgemeiner und nicht etwa in wohnungswirtschaftsbezogener Weise erörtern.

4.0 Ursachen der Vernachlässigung der Wohungswirtschaft in den deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Die Ursachen des angedeuteten Zustandes der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit wohnungswirtschaftlichen Fragen lassen sich teils auf Eigenschaften des Gegenstandes, teils auf Eigenschaften der angesprochenen wissenschaftlichen Disziplinen zurückführen. Zwischen den Eigenschaften des einen und denen der anderen besteht ein gravierender Unterschied: Die fraglichen Eigenschaften der Wohnungswirtschaft sind ihre verschiedenen Dimensionen. Diese sind ihr gleichsam inhärent; es handelt sich um Eigenschaftsstellen, die unabhängig von den Zeitläufen existieren, wohl aber im Laufe der Zeit wechselnd besetzt (ausgeprägt) sein können. Die fraglichen Eigenschaften der Wissenschaftszweige sind hingegen zeitbedingt. Sie ergeben sich zum einen aus den dort jeweils vorherrschenden Strömungen, die ihrerseits auf individuellen Entscheidungen von Wissenschaftern über die Gegenstände beruhen, die sie in Forschung und Lehre behandeln. Zum andern spielt die unterschiedliche Geschichte der Teildisziplinen insbesondere insofern eine Rolle, als die Volkswirtschaftslehre dank ihrer wesentlich längeren Geschichte einen größeren Grad der Bemächtigung ihrer Er-

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I. E i n f ü h r u n g

fahrungsobjekte erreicht hat als die knapp ein Jahrhundert alte Betriebswirtschaftslehre. Da die Vieldimensionalität der Wohnungswirtschaft eingangs (in Kapitel 1.0 und insbesondere in Kapitel 2.0) dargestellt worden ist, möge es genügen, diese bei ihr selbst liegende Ursache in nur einem der folgenden Punkte darzustellen. Den bei den Wissenschaftszweigen liegenden Ursachen seien hingegen die drei weiteren Punkte dieses Kapitels gewidmet. Das Verhältnis, in dem beiderlei Arten von Ursachen zueinander stehen, sei vorab kurz so charakterisiert: Die Vieldimensionalität der Wohnungswirtschaft erschwert gleichsam „natürlicherweise" deren wissenschaftliche Durchdringung. Die in den zuständigen Zweigen der Wirtschaftsund Sozialwissenschaften derzeit vorherrschenden Strömungen ihrerseits sind wenig geeignet, die im Gegenstand liegenden Hemmnisse zu überwinden. Von dem „Bemächtigungsrückstand" der Betriebswirtschaftslehre darf erwartet werden, daß er sich mit ihrer Fortentwicklung abbaut, was jedoch derzeit die besagten Strömungen bremsen.

4.1 Vieldimensionalität der Wohnungswirtschaft Das Wohnen gehört wie die anderen Erfahrungsobjekte der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften den verschiedenen Lebensgebieten an, nämlich denen der Natur und Technik, der Personalität und Gesellschaft, der Wirtschaft, des Rechtes und der Moral. Wirtschaftlich gesehen, reicht das Wohnen jedoch in mehr Dimensionen hinein als die meisten anderen Erfahrungsobjekte. Dies sei auf der Grundlage dessen dargelegt, was (in Kapitel 1.0) über die Wohnungswirtschaft als Ausschnitt aus einem Bedürfnisfeld sowie (in Kapitel 2.0) über Wohnungswirtschaft im engeren und im weiteren Sinn ausgeführt wurde. Im Wohnungswesen wird teils nach dem Erwerbsprinzip, teils nach dem Prinzip des Haushaltens mit gegebenen Mitteln und damit nach konträren Grundsätzen gewirtschaftet. Zur Wohnungswirtschaft gehören sowohl die Produktion von Leistungen für das Wohnen als auch deren Nutzung. Die produktivbetriebliche Wohnungswirtschaft ist jedoch nicht mit der erwerbswirtschaftlichen identisch, weil nicht nur die privaten Haushalte, soweit sie Konsumtivbetriebe sind und Wohnungen nutzen, haushaltswirtschaftlich geführt werden, sondern auch frei-gemeinnützige und öffentliche, möglicherweise auch genossenschaftliche Produktivbetriebe des Wirtschaftszweiges. Die Wohnungswirtschaft beschränkt sich nicht auf konsumtive und produktive Einzelwirtschaften, sondern bezieht auch Gemeinwesen und andere großgesellschaftliche (etwa frei-gemeinnützige) Verbände ein. Gemeinwesen und großgesellschaftliche Verbände betreiben wohnungswirtschaftliche Leistungspolitik, das heißt, sie bieten mit Hilfe produktivbetrieblicher Instrumente wohnungswirtschaftliche Leistungen an. Gemeinwesen betreiben darüber hinaus wohnungswirtschaftliche Ordnungspolitik, indem sie marktwirtschaftliche, verwaltungswirtschaftliche oder gemischte Systeme der Produktion und Verteilung wohnungswirtschaftlicher Leistungen gestalten und im Rahmen solcher Systeme wohnungswirtschaftliche Regulierungspolitik betreiben, etwa monopolistische Angebotskonzentrationen verhindern, in Flächennutzungsund Bebauungsplänen Wohngrundstücke ausweisen oder sozialen Wohnungsbau fördern. Das zweitgenannte, verwaltungswirtschaftliche Beispiel der Grundstücksausweisung läßt erkennen, daß dort, wo wie in vielen Siedlungsgebieten Westeuropas schon wegen der Besiedlungsdichte öffentliche Raumplanung er-

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forderlich ist, rein marktwirtschaftliche Systeme der Wohnungswirtschaft nicht vorkommen. Mischsysteme verlangen wie das Nebeneinander von Erwerbswirtschaft und Haushaltswirtschaft zweigleisiges, womöglich sogar mehrgleisiges Denken wissenschaftlicher Betrachter und Ratgeber, so bei Vorhandensein von mehr als zwei oberzielbezogenen Betriebstypen, wie etwa in der Wohnungswirtschaft. Zwei- oder mehrgleisiges wirtschaftliches Denken wird jedoch von den gegenwärtig in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschenden Tendenzen nicht gefördert. Diese seien bezeichnet als Ökonomismus und unzulängliche Differenzierungsbereitschaft. Wie in den beiden folgenden Punkten dargetan wird, hängen beide Erscheinungen zusammen, sind aber nicht identisch.

4.2 Ökonomistische Tendenzen in Gesellschaft und Wissenschaft Soweit der Verfasser sieht, geht die Rede vom „Ökonomismus" auf Gerhard Weisser zurück [1934, S. 49ff.]. Es handelt sich bei dieser Erscheinung um einen Trugschluß. Ihm unterliegt, wer meint, die „unentbehrlichen Axiome einer wissenschaftlichen Lehre von der Wirtschaftspolitik" [1978, S. 591] könnten aus der Wirtschaftswissenschaft selbst gewonnen werden. Der Irrtum des Ökonomismus' steht in einer Reihe mit analogen Fehlern in anderen Wissenschaften, zum Beispiel gibt es auch „Pädagogismus, Technizismus, Biologismus, Politismus" [1978, S. 591]. Hans Peter kennzeichnet den Irrtum so: „Die ,Ismen'... versagen nicht deshalb, weil ihnen überhaupt kein vernünftiger Sinn innewohnt; sie beruhen vielmehr sämtlich auf durchaus klaren Einsichten. Der Fehler besteht immer nur darin, daß die Tragweite der zugrundeliegenden Erkenntnis oder Wertung überschätzt wird" [1963, S. 327]. Im Falle des Ökonomismus' wird nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der betrieblichen und insbesondere in der politischen Praxis der wirtschaftlichen Seite des Lebens eine dominierende Rolle zugewiesen, die ihr nicht zusteht, da der Mensch nicht lebt, um zu wirtschaften, sondern wirtschaftet, um (besser) leben zu können. Praktiziert wird ökonomistisches Denken in Einzelwirtschaften und in Gemeinwesen oder anderen großen gesellschaftlichen Verbänden. Wenig Ansatzpunkte hat der praktische Ökonomismus, insoweit private, verbandliche oder öffentliche Haushaltswirtschaft getrieben wird. Diese besteht ja zumindest in der Hauptsache gerade darin, wirtschaftliche Güter auf jene Bedürfnisse aufzuteilen, die, aus anderen Lebensgebieten stammend, um sie konkurrieren. Wenn man Gerhard Weisser nicht darin folgt, daß es lediglich solche mittelbaren ökonomischen Interessen (Bedürfnisse) gäbe, so bleibt doch das Feld der unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen, wie (in Kapitel 1.0) dargelegt, sehr klein. Es umfaßt nur das Interesse an wirtschaftlicher Freiheit, das heißt an künftigen wirtschaftlichen Handlungsspielräumen, welche sich durch Sparen ohne schon bestimmte Absichten späteren Verzehrs, insbesondere durch die Bildung von Erwerbsvermögen und dessen erfolgreichen Einsatz, gewinnen lassen. Wirtschaftliche Freiheitsbedürfnisse können beim Haushalten durchaus berücksichtigt werden. Die geborenen Instrumente ihrer Befriedigung sind die Erwerbsunternehmungen, an denen sich Haushalte beteiligen können. Je stärker beide voneinander getrennt geführt werden, um so eher ist ökonomistisches Denken, das in ersteren praktiziert wird, verständlich; denn desto stärker wird das Erwerben ge-

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trennt vom Haushalten mit Erworbenem betrieben. Dessenungeachtet produzieren auch Erwerbsunternehmungen Leistungen, die zumeist direkt oder indirekt dazu bestimmt sind, nicht-wirtschaftliche Bedürfnisse wie etwa solche des Wohnens zu befriedigen. Des weiteren schließt das hier als rein wirtschaftlich angesehene Bedürfnis nach wirtschaftlichen Freiheiten Möglichkeiten der Wahl zwischen Sparen und Verbrauchen ein. Kaum verständlich ist praktiziertes ökonomistisches Denken in der Wirtschaftspolitik, ist dieser doch in marktwirtschaftlichen und in sozialmarktwirtschaftlichen Systemen aufgegeben, die marktliche Konkurrenz zwischen Einzelwirtschaften funktionsfähig zu erhalten und durch verwaltungswirtschaftlich gesteuerte Produktion und Verteilung dort zu ergänzen, wo deren marktliche Steuerung nach den politisch maßgeblichen Wertvorstellungen untunlich erscheint. Bleibt dahingestellt, ob oder inwieweit die Ordnung marktlichen Wettbewerbs eine rein ökonomische Aufgabe ist, so ist doch unbestreitbar, daß verwaltungswirtschaftliche Entscheidungen rationalerweise Maßstäben folgen, die nicht der Wirtschaft selbst entstammen, sondern, so im Wohnungswesen, etwa der Sozialpolitik, der Gesundheitspolitik oder der Siedlungs- und Städtebaupolitik. Noch weniger verständlich als in der praktischen Wirtschaftspolitik ist ökonomistisches Denken in der Wissenschaft. Gerhard Weisser hat grobe und verfeinerte Formen seines Auftretens unterschieden. Er meinte (1953!), erstere begegneten uns „eigentlich nur noch bei den Praktikern, die nach einem bekannten Wort meist die Theorie von vorgestern vertreten" [1978, S. 574], Die groben Formen trügen „den Stempel des logisch Unvollkommenen an der Stirn" [1978, S. 575], Die verfeinerten Formen seien mannigfaltig und kämen „selbst noch in der Wissenschaft" [1978, S. 575] vor. Gerhard Weisser beschrieb eine ganze Reihe von Spielarten des verfeinerten Ökonomismus' und die ihnen jeweils zugrunde liegenden Denkfehler [1978, S. 575ff.]. Mehr als 35 Jahre später sind sie freilich, wie er wohl gehofft haben dürfte, keineswegs aus der Wissenschaft verschwunden. Vielmehr sind sie nach wie vor weit verbreitet und sind neue hinzugekommen. Hierfür seien einige Beispiele genannt. Wohl wurde im Anschluß an K. William Kapp [1950] in zunehmendem Maß die zuvor weithin ignorierte Tatsache zur Kenntnis genommen, daß betriebliches Wirtschaften außer betrieblichen Kosten auch von Kapp so genannte „volkswirtschaftliche Kosten" in Gestalt unentgeltlicher Belastungen einzelner Dritter und von kleineren oder größeren Allgemeinheiten verursacht. Leider wird dieser Abbau ökonomistischen Denkens mit einer neuen Form desselben verkoppelt, wenn etwa in „Nutzen-Kosten-Untersuchungen für Verkehrssicherheitsmaßnahmen" unter dem Titel „Ein Optimum an Sicherheit" die „Wohlfahrtsverluste je Verkehrstoten" auf der Wertbasis 1973 mit DM 405 410 veranschlagt und (unter Verwendung solcher und ähnlicher Geldziffern) eine „Rentabilitätsschwelle" einzelner Sicherheitsmaßnahmen errechnet wird [Rainer Willeke, Wilhelm Jäger, KarlHeinz Lindenlaub 1978, insbes. S. 62, siehe auch S. 105], Hierbei handelt es sich um eine monetäre Ökonomisierung menschlichen Lebens und menschlicher Lebenschancen! Geoffrey Brennan und James M. Buchanan entwickelten [1980] eine „ökonomische Theorie der Verfassung". Sie stellt die wirtschaftliche Rolle des Staates auf den Kopf, indem sie ihn wie ein erwerbswirtschaftliches Unternehmen betrachtet, und zwar als „Steuerertragsmaximierer". Ein solcher Staat verfehlt seine Aufgabe, im übergeordneten Interesse wirtschaftspolitisch zu handeln, wo die marktli-

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che Konkurrenz zwischen Einzelwirtschaftern oder deren Funktionsstörung gesellschaftlich unerwünschte Ergebnisse zeitigt. Er gebärdet sich als ein Monopolist, der seine Marktmacht voll ausspielt, was seine Wettbewerbspolitik im privaten Sektor gerade verhindern soll. Diese Theorie greift zwar durchaus immer wieder zu beobachtendes finanzpolitisches Fehlverhalten auf, unterstellt es jedoch als Regelfall [Oettle, 1987, S. 66f.]. Eine solche Vorgehensweise kann als eine unter mehreren anderen durchaus sinnvoll sein, wenn ein komplexes Fragengebiet gleichsam von mehreren Seiten her eingekreist werden soll. Es handelt sich jedoch um extremen, ja groben Ökonomismus, wenn aus ihr politische Empfehlungen abgeleitet werden wie folgende: „Wenn Einnahmenmaximierung als eine unumgängliche Nebenerscheinung des staatlichen Handelns akzeptiert werden muß, so ist es besser, die Möglichkeiten der staatlichen Einnahmenbeschaffung" in der Verfassung „zu limitieren, als darauf zu vertrauen, daß diese nur mäßig ausgeschöpft werden" [Charles B. Blankart 1987, S. 65], Als drittes Beispiel ökonomistischer Tendenzen sei die in der derzeitigen bundesdeutschen Gesellschaft und in der Europäischen Gemeinschaft stark spürbare Strömung der Entstaatlichung genannt („Deregulierung" von Märkten und Privatisierung öffentlicher Betriebe). Diese Bewegung wird von den vorherrschenden angelsächsischen und deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Lehren geistig unterstützt. Vorhandene verwaltungswirtschaftliche Steuerung soll möglichst weitgehend durch marktwirtschaftliche ersetzt werden. Dabei wird nicht oder nicht hinlänglich berücksichtigt, daß vielerlei marktliche Vorgänge in der hochkünstlichen, modernen wohlstandsgesellschaftlichen Zivilisation vorausgegangenes verwaltungswirtschaftliches und nicht-wirtschaftliches öffentliches Handeln voraussetzen. Das läßt sich etwa an der Verkehrswirtschaft und an der Wohnungswirtschaft illustrieren. Der marktliche Wettbewerb von Anbietern, die Selbstbedienung und die Substitutionskonkurrenz zwischen Anbietern und Selbstbedienern setzen in beiden Wirtschaftszweigen unter vielem anderem Verkehrs-, raumwirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungen über die Höhe von Ausgaben für die öffentliche Verkehrsinfrastruktur sowie ihre Verteilung auf die um sie konkurrierenden Verkehrszweige und Orte voraus. Mit Entscheidungen über die Ausgaben für die verkehrliche Infrastruktur im ganzen werden die Möglichkeiten der Erzeugung marktlicher und außermarktlicher (eigenverkehrlicher) Verkehrsleistungen maßgeblich beeinflußt. Mit der Verteilung der Mittel wird entscheidend in den marktlichen Wettbewerb zwischen Verkehrszweigen und in die teils marktliche, teils politische Konkurrenz zwischen Gemeinwesen um die räumliche Verteilung von Menschen wie von (anderen) wirtschaftlichen Kräften eingegriffen. Außerdem wirkt sie sich auf die Verkehrsgunst von gewerblichen wie von Wohnsiedlungen aus und erzeugt oder schafft Voraussetzungen für verkehrliche Belastungen der dort tätigen oder lebenden Menschen. Beides beeinflußt Grundstückspreise, Pachten und Mieten. Außer haushaltswirtschaftlichen Entscheidungen spielen nicht-finanzielle verwaltungswirtschaftliche und nichtwirtschaftliche öffentliche Entscheidungen für Verkehrs- und Wohnungswirtschaft eine große Rolle. Es sei nur an die landes- und die gemeindeentwicklungsplanerischen Entscheidungen über Flächennutzung und Bebaubarkeit von Flächen erinnert! Mit erfolgreicher Einflußnahme auf derartige wie auf infrastrukturelle Entscheidungen können von ihnen tangierte marktliche Wettbewerber geldwerte Vorteile erlangen oder geldwerte Belastungen hintanhalten. Neben der marktlichen Konkurrenz um Verdienst existiert nämlich zwischen Einzelwirtschaftern oft auch eine politische um Einfluß auf die öffentliche Mitgestaltung marktlicher Verdienstmöglichkeiten.

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Für finanzielle wie für nicht-finanzielle verwaltungswirtschaftliche Entscheidungen gibt es keine theoretisch so elegant handhabbaren und politisch so einfach verwertbaren allgemeinen Grundprinzipien wie die Erwerbsorientierung unternehmerischer Entscheidungen und die Steuerung gesamtwirtschaftlicher Vorgänge durch marktlichen Wettbewerb zwischen Einzelwirtschaftern. Die politisch festgelegten Ziele, die als Maßstäbe dienen, sind zahlreich und teilweise konkurrierend und stimmen häufig weder zwischen benachbarten noch zwischen oberund untergeordneten Gemeinwesen überein. Lassen sich die allgemeinen marktwirtschaftlichen Grundprinzipien auf die verschiedensten Wirtschaftszweige anwenden, so erfordern Wirtschaftszweige und Bedürfnisfelder jeweils spezifische verwaltungswirtschaftliche Ziele. Diese werden zweckmäßigerweise nicht festgelegt, ohne die Eigenarten von Wirtschaftszweigen oder Bedürfnisfeldern wie der mit ihnen konkurrierenden oder zu ihnen komplementären G e b i e t e zu beachten. Rationales verwaltungswirtschaftliches Handeln beruht also auf Differenzierungen. In dem Maße, in dem wirkliche wirtschaftliche Zusammenhänge durch Außerachtlassen verwaltungswirtschaftlicher Ergänzungsbedürfnisse marktwirtschaftlicher Tätigkeit ökonomistisch verkürzt werden, kommt der Ökonomismus mithin der unzulänglichen wirtschaftswissenschaftlichen Differenzierungsbereitschaft entgegen, soweit er sie nicht selbst veranlaßt.

4.3 Mangelhafte wissenschaftliche Diffenzierungsbereitschaft Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften dienen letztlich Anwendungszwecken; denn auch das mit der bloßen Erklärung von Zusammenhängen bezweckte bessere Verständnis derselben soll ein besseres Zurechtfinden des Belehrten in der sozialen und ökonomischen Realität, also etwas Praktisches, gestatten. A m deutlichsten sichtbar wird die Anwendungsorientierung in Techniken, etwa in solchen des R e c h n e n s oder Organisierens, und in jenen Theorien, die der rationalen Fundierung von Entscheidungen dienen. Solche Theorien müssen zunächst j e n e realen Probleme konturieren, zu deren Bewältigung sie beitragen wollen. Hierbei wie bei der Unterstützung der Wahl von Handlungsweisen (Mitteln) ist die Differenzierung unentbehrlich. Sie betrifft zweierlei: Erstens die Gegenstände des Theoretisierens, nämlich Probleme sowie Ziele und Mittel ihrer Bewältigung, wie sie sich aus der Realität oder aus Realitätserwartungen in größter Vielfalt ergeben; zweitens die für die gestellte Aufgabe wesentlichen Gegenstandselemente, die wegen der Begrenztheit des menschlichen Denkvermögens, das auf Abstraktionen von der vollen Wirklichkeit verwiesen ist, von den jeweils unwesentlichen zu scheiden sind. Bei beiderlei Differenzierung besteht die Gefahr, daß sie unzulänglich bleibt und Denkergebnisse insofern fehlerhaft angewandt werden, als das behandelte Problem nicht dem realen kongruent ist oder die gestellte Frage wohl genau angesprochen, aber nicht in all ihren wesentlichen Elementen erörtert und so ein Teilergebnis als ein volles genommen wird. Die Gefahr der unzulänglichen Differenzierung realisiert sich unter anderem im ökonomistischen Denken, das j a darin besteht, die Tragweite von Erkenntnissen zu überschätzen. Eine andere Erscheinungsform unzulänglicher Differenzierung besteht in Volks- und Betriebswirtschaftslehre darin, daß das Vorhandensein praktisch bedeutsamer Eigenarten von Wirtschaftszweigen und zweckverschiedener Betriebstypen nur unzureichend berücksichtigt oder gar geleugnet wird. Beiderlei Eigenarten überschneiden sich insofern, als die Zusammensetzung der Angehörigen eines Wirtschaftszweiges aus verschiedenen zweckbezogenen B e -

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triebstypen zu einer seiner wesentlichen Eigenarten gehört (Beispiele: Wohnungs-, Verkehrs- und Bankwirtschaft). Die mangelhafte wissenschaftliche Differenzierungsbereitschaft kommt in der Betriebswirtschaftslehre vor allem in drei Bezügen zum Ausdruck: (1) Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre wird gegenwärtig weithin mit einer kaum noch so benannten viel engeren Betriebswirtschaftslehre für Erwerbsunternehmungen gleichgesetzt. Das war in vergangenen Entwicklungsstufen des Faches, soweit der Verfasser sieht, nicht so ausgeprägt wie heute. Dafür seien einige Lehrbuchbeispiele genannt, nämlich Friedrich Leitners „Privatwirtschaftslehre der Unternehmung" [1922], Ernst Walbs „Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre" [1922], Wilhelm Riegers „Einführung in die Privatwirtschaftslehre" [1928], Alexander Hoffmanns „Wirtschaftslehre der Kaufmännischen Unternehmung (Betriebswirtschaftslehre)" [1932], Alfred Walthers „Einführung in die Wirtschaftslehre der Unternehmung" [1947/1953], Die gegenwärtige Situation sei daran exemplifiziert, wie einer der beiden Herausgeber des „Handwörterbuchs der Öffentlichen Betriebswirtschaft", Klaus Chmielewicz, die zweckbedingten Eigenarten öffentlicher Dienstunternehmen berücksichtigt wissen will. Er sagt, daß „die öffentlichen Unternehmungen baukastenartig aus den funktionellen Bausteinen der privaten Unternehmung (z.B. Beschaffung, Finanzierung und Rechnungswesen) zu erklären und diese Bausteine bei Bedarf abzuwandeln" seien, „um sie an die Besonderheiten der öffentlichen Unternehmungen anzupassen" [1987, S. 20f.]. So ließen sich die Abkoppelung von der Lehre privater Unternehmungen und der indiskutable Adamismus vermeiden, der darin bestehe, die spezielle Lehre „von Adam und Eva ausgehend" neu aufzubauen. Diese Auffassung dürfte repräsentativ für die vieler Fachvertreter sein. Dem steht die auch vom Verfasser vertretene sicher minderheitliche Auffassung gegenüber, daß die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre ihren Namen erst dann zu Recht trägt, wenn sie eine Aussagengrundlage für alle möglichen Arten von Betrieben schafft, auf der dann beispielsweise differenzierende Aussagen insbesondere für Unternehmungen und Haushalte, für Erwerbsunternehmungen, ständische Unternehmungen, Genossenschaften, frei-gemeinnützige Unternehmungen, öffentliche Haushalte, Haushalte großgesellschaftlicher Verbände, Vereinshaushalte und private Haushalte aufbauen könnten [Oettle 1989, S. 87ff.]. Die Schnittstelle der Differenzierung liegt hier wesentlich tiefer als bei Chmielewicz, was erforderlich erscheint, weil die spezifischen Betriebszwecke nur insoweit gezielt erfüllbar sind, als das funktionsgebietliche Denken, Rechnen und Verhalten auf sie gerichtet ist. (2) Die Spezialisierung hat sich in der Betriebswirtschaftslehre zuerst an wirtschaftszweiglichen Verschiedenheiten von Unternehmungen orientiert, indem insbesondere die Betriebswirtschaftslehren der Industrie, des Handels, der Banken, der Versicherungen und des Verkehrs entstanden. Dieser ersten Spezialisierungsstufe folgte eine zweite, die sich den verschiedensten betrieblichen Funktionsgebieten zuwandte, so den unter (1) beispielhaft erwähnten. Stellen die Branchenlehren wegen des Einbezugs wir'tschaftszweiglicher Eigenarten eine Erweiterung dessen dar, was die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre erörtert, so handelt es sich bei den Funktionslehren um Vertiefungen dessen, was in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre über die Funktionsgebiete ausgesagt wird, die von ihr keinesfalls gänzlich ausgeblendet und speziellen Lehren überlassen bleiben können, weil sich sonst der Aufbau von und die Abläufe in Betrieben gar nicht erklären ließen. Was das Verhältnis zwischen Wirtschaftszweig- und Funktionslehren angeht, so stehen sich zwei Auffassungen gegenüber. Die eine, mehr

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und mehr zurückgedrängte, sieht diese (und andere) Spezialisierungsrichtungen als gegenseitige Ergänzungen an, die andere will die Wirtschaftszweiglehren durch die Funktionslehren ersetzen. Daß sich diese Substitution erheblichenteils durchgesetzt hat, spiegelt sich darin wider, daß, wie in Kapitel 3.0 erwähnt, neun der bisher vorliegenden elf Spezialhandwörterbücher der Betriebswirtschaftlichen Enzyklopädie Funktionslehren gewidmet sind. Wenn diese die Wirtschaftszweiglehren verdrängen, so muß dem rationalerweise die Überzeugung zugrunde liegen, die wirtschaftszweiglichen Eigenarten von Betrieben trügen nicht weit, weil sie die Probleme der Betriebsführung gar nicht oder nur wenig beeinflußten. (3) Eine Betriebswirtschaftslehre des Wohnungswesens ist in der ersten Spezialisierungsphase des Faches trotz der dafür günstigen Bedingungen der Wirtschaftszweigorientierung nicht entstanden, was darauf zurückzuführen sein dürfte, daß das Fach damals nur Produktivbetriebe und weithin sogar nur die erwerbswirtschaftlichen (kaufmännischen) Unternehmungen unter diesen als ihre Erfahrungsobjekte betrachtete. Die Vorstellung, daß alle einzelwirtschaftlichen Gebilde, so auch die Haushalte verschiedenster Zweckbestimmung, Betriebe seien, kam erst recht spät auf [Walter Mahlberg 1927, S. lff.] und wird bis heute wohl nur von einer Minderheit der Fachvertreter geteilt. Für die Wohnungswirtschaft sind hilfsgenossenschaftliche und frei-gemeinnützige Unternehmen sowie öffentliche und private Haushalte von ähnlicher Bedeutung wie erwerbswirtschaftliche oder ständische Produzenten zugehöriger Leistungen. Während nicht-erwerbswirtschaftliche Produktivbetriebe aufgezählter Typen auch in manchen anderen Wirtschaftszweigen vorkommen, spielen die privaten Haushalte insofern eine so große Rolle wie in kaum einem anderen Wirtschaftszweig, als der Selbstversorgungsgrad sehr hoch ist und außerdem viele private Haushalte als Eigentümer von Mehrfamilienhäusern oder mehreren Wohnhäusern sowie als Untervermieter Wohnungsanbieter sind. Was die Fremdversorgung betrifft, so gleicht sie keinem anderen Wirtschaftszweig, bezüglich der Selbstversorgung steht sie allein mit dem Verkehr und der Gastronomie in einer Reihe. Angesichts der zunächst durchweg und später weithin bestehenden Enge ihres Erfahrungsobjektes hat die Betriebswirtschaftslehre die Wohnungswirtschaft nur partiell berücksichtigt, so die Bauindustrie in der Industrie- und die Wohnungsbaufinanzierung in der Bankbetriebslehre. Wie (in Kapital 3.0) skizziert, hat die Volkswirtschaftslehre die Wohnungswirtschaft stärker berücksichtigt als die Betriebswirtschaftslehre. Gegenwärtig läßt sich jedoch hinsichtlich der Differenzierungsbereitschaft eine gewisse Konvergenz zwischen den in den beiden Disziplinen jeweils vorherrschenden Auffassungen beobachten. Ähnlich wie in der Betriebswirtschaftslehre die Wirtschaftszweiglehren, werden in der Volkswirtschaftslehre die wirtschaftszweigbezogenen Lehren der Wirtschaftspolitik zurückgedrängt. Wie dort eine zunehmende Funktionsorientierung kann hier eine voranschreitende Instrumentenorientierung festgestellt werden. Der rationale Grund müßte analog zu dem, was für die Betriebswirtschaftslehre gesagt wurde, darin bestehen, daß die Eigenarten von Wirtschaftszweigen für die Probleme der wirtschaftspolitischen Systemgestaltung und Regulierung nicht mehr als wesentlich angesehen werden oder daß es wirtschaftspolitisch berücksichtigungswürdige derartige Eigenarten gegenüber früheren Auffassungen gar nicht gäbe [vgl. für das Beispiel der Verkehrspolitik etwa Walter Hamm 1964, S. 77ff. und 1980, S. 249f.]. Eine weitere Annäherung zwischen Auffassungen, die in beiden Fächern jeweils zu dominieren scheinen, betrifft die Beachtung der Eigenarten zweckverschiedener Betriebstypen. Hier

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könnten die Gründe allerdings verschieden sein. Die als Beispiel zitierte Überzeugung von Klaus Chmielewicz ist methodologischen Charakters. Daß in der Volkswirtschaftslehre die öffentlichen und auch viele frei-gemeinnützige Unternehmen mehr und mehr wie die erwerbswirtschaftlichen gesehen werden, dürfte hingegen pragmatisch begründet sein; denn viele Vertreter der Volkswirtschaftslehre halten die derzeitige Tendenz zur Privatisierung bisheriger öffentlicher Dienste für richtig [so etwa Carl Christian von Weizsäcker 1987, S. 89f.].

4.4 Rückstände der Einzelwirtschaftslehren bei der Bemächtigung ihrer Erfahrungsobj ekte Wie (in Kapitel 3.0) exemplarisch dargelegt, scheint das wohnungswirtschaftliche Engagement der Volkswirtschaftslehre stärker zu sein als das der Betriebswirtschaftslehre. Wie des weiteren (in beiden vorangegangenen Punkten) beschrieben, dürften dessenungeachtet die in beiden Disziplinen gegenwärtig anscheinend dominierenden Tendenzen ökonomistischer Verkürzungen und unzulänglicher Differenzierungsbereitschaft einem solchen Engagement zuwiderlaufen. In Wissenschaften vorherrschende Strömungen lösen einander ab. Wohl ist die Frequenz, wie sich beobachten läßt, vermutlich wegen der Generationenbezogenheit von Grundhaltungen eine viel geringere als etwa bei „profanen" Modeerscheinungen. Immerhin darf deshalb damit gerechnet werden, daß dieser Zustand nicht das Ergebnis letzter Einsichten ist und eines Tages gebessert wird, wofür es (wie in Kapitel 5.0 angedeutet) auch schon Anzeichen gibt. Unabhängig von methodologischen Tendenzen bestehen in der Betriebswirtschaftslehre (wie im letzten Punkt schon angesprochen) infolge ihrer viel jüngeren Geschichte als der der Volkswirtschaftslehre erhebliche Rückstände bei der Bemächtigung ihrer Erfahrungsobjekte. Dies hat Anlaß dazu gegeben, daß ohne oder nur in loser Verbindung mit ihren gedanklichen Systemen der Unternehmungswirtschaft andere Einzelwirtschaftslehren entstanden sind, so die landwirtschaftliche und die forstwirtschaftliche Betriebslehre, die Genossenschaftslehre und die Wirtschaftslehre privater Haushalte. Auf diesen Feldern kam es gleichsam zu Ersatzvornahmen, da die Betriebswirtschaftslehre sie, von den wesentlich auf industrie- und handelskammerliche Aktivitäten zurückgehenden Handelshochschulen her kommend, wenigstens ursprünglich nicht im Blickfeld hatte. Sind die landwirtschaftliche und die forstwirtschaftliche Betriebslehre wohlausgebaut, so kann dies für die beiden anderen genannten Einzelwirtschaftslehren, die starke wohnungswirtschaftliche Bezüge haben, allenfalls für die Genossenschaftslehre, nicht aber für die wesentlich jüngere Wirtschaftslehre privater Haushalte gelten. Beide Lehren haben die Wohnungswirtschaft nach dem Urteil des Verfassers, gemessen an ihrem geringen Alter, zwar gebührend berücksichtigt. Sie bieten jedoch weder Platz für die erwerbsunternehmerische und ständisch-unternehmerische Wohnungswirtschaft noch für eine umfassende Erörterung von Grundstücks- und Wohnungsmärkten wie von Wohnungs- und Siedlungspolitik. Mithin ergibt sich das Bild, daß die wirtschaftswissenschaftliche Behandlung des Wohnungswesens, abgesehen von methodologisch begründeten Verkürzungen und Beschränkungen, aus wissenschaftsgeschichtlichen Gründen von der Aufteilung der Erfahrungsgegenstände her zerstückelt ist. Wie verstehbar auch die verschiedenerlei Gründe für die skizzierte Lage sein mögen, so ist sie für die wohnungswirtschaftliche Praxis höchst unbefriedigend; denn

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wie andere Wirtschaftszweige möchte wohl auch sie wissenschaftliche Möglichkeiten rationaler Fundierung von Entscheidungen nutzen.

5.0 Symptome einer Wandlung Ersatzvornahme seitens Dritter ist nicht nur gegenüber der Betriebswirtschaftslehre bezüglich ihrer unzulänglichen Bemächtigung der einzelwirtschaftlichen Gegenstände geübt worden, sondern auch - und zwar von Politologen - gegenüber jener sehr abstrakt gewordenen Volkswirtschaftslehre, welche im Gegensatz zu einer Sozialökonomik oder Politischen Ökonomik die staatspolitisch gesetzten Rahmenbedingungen sowie die geschichtlichen und die gesellschaftlichen Zusammenhänge des Wirtschaftens zu wenig berücksichtigt [siehe etwa Gert von Eynern 1968; als Beispiel für eine in der Ausführung, aber nicht im Ansatz sehr abstrakte Volkswirtschaftslehre: Hans Peter 1950]. Gegenwärtig gehen bemerkenswerte Anstöße zu einem Unternehmens- wie wirtschaftspolitischen Umdenken von der Soziologie aus, und zwar von verschiedenen Ausgangspunkten und mit unterschiedlichen Handlungsvorschlägen, aber mit der durchgängigen Aufforderung an die Handelnden und an ihre wissenschaftlichen Berater, der zunehmenden Komplexität der Lebensverhältnisse und ihrer wirtschaftlichen Grundlagen Rechnung zu tragen [genannt seien: Walter Ludwig Bühl 1981; Ulrich Beck 1986; Helmut Klages 1988]. Es darf angenommen werden, daß sich die Wirtschaftswissenschafter dem wenigstens auf längere Sicht in größerer Zahl als noch im Augenblick nicht verschließen werden, um dabei zu helfen, die gewiß gewaltigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Fragen zu bewältigen, die in unserer Zeit unter zu kurzen zeitlichen und zu engen sachlichen Entscheidungshorizonten für die weitere Zukunft aufgetürmt worden sind. Das käme auch der komplexen Wohnungswirtschaft zugute. Die Symptome der sich abzeichnenden Wandlungen kommen auch darin zum Ausdruck, daß sowohl in der Ausbildung als auch der Fachliteratur die Wohnungswirtschaft in jüngster Zeit an Konturen gewinnt: Die vormals gemeinnützige Wohnungswirtschaft hat das Ausbildungswerk der Wohnungswirtschaft in Hösel (bei Düsseldorf) geschaffen: Es handelt sich um eine staatlich anerkannte private Berufsschule, dann um die Private Fachschule der Wirtschaft, das Institut der Wohnungsunternehmen für Fernunterricht und um die Akademie für Wohnungswirtschaft. Dieses Ausbildungswerk wird zum E u ropäischen Bildungs-, Forschungs- und Informationszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft' erweitert, der auch die FWI Führungsakademie der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft angegliedert ist; dieses Ausbildungswerk wird nach Bochum verlagert. Auch im Hochschulbereich tritt die Wohnungswirtschaft deutlicher hervor: Das Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen an der Universität Münster hat eine lange Tradition und verfügt über eine umfangreiche Fachbibliothek. Wohnungswirtschaft wird für Volks- und Betriebswirte als Wahlfach an den Universitäten Münster, Köln, Bochum und Mannheim gelehrt. Der erste Lehrstuhl G r u n d stücks- und Wohnungswirtschaft' wurde als Stiftungslehrstuhl an der Universität Leipzig gegründet; Grundstücks- und Wohnungswirtschaft ist ein Wahlpflichtfach für Volks- und Betriebswirte. Auch einge Fachhochschulen haben die Wohnungswirtschaft in ihr Lehrprogramm aufgenommen.

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Insbesondere nach der Wiedervereinigung Deutschlands hat die Wohnungswirtschaft nicht nur aus politischer und ökonomischer, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht an Bedeutung zugenommen.

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I. Einführung

Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, hrsg. von Bruno Tietz, Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre IV, Stuttgart 1974. Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, hrsg. von Hans E. Büschgen, Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre VI, Stuttgart 1976; hierin: Laux, Hans: Wohnungsbaufinanzierung, Sp. 1862-1868. Lehmann, Werner: Bausparkassen, Sp. 122-128. Handwörterbuch der Revision, hrsg. von Adolf G. Coenenberg und Klaus v. Wysocki, Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre VIII, Stuttgart 1983; hierin: Röder, Alfons: Gemeinnützige Wohnungsunternehmen, Prüfung, Sp. 449-454. Handwörterbuch der Öffentlichen Betriebswirtschaft, hrsg. von Klaus Chmielewicz und Peter Eichhorn, Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre XI, Stuttgart 1989; hierin: Jenkis, Helmut W.: Wohnungsbauunternehmen, Sp. 1838-1842.

B) Sonstige verwendete und ausgewählte Literatur Amonn, Alfred: Objekt und Grundbegriffe der Theoretischen Nationalökonomie; Wiener Staatswissenschaftliche Studien 10/1, hrsg. von Edmund Bernatzik und Eugen von Philippovich, Wien, Leipzig 1911. Beck, Ulrich: Risikogesellschaft - Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986. Blankart, Chales B.: Ordnungspolitische Rahmenbedingungen und öffentliche Unternehmertätigkeit: Soll der Staat industrielles Beteiligungskapital halten?, in: Öffentliche Unternehmen und ökonomische Theorie, hrsg. von Theo Thiemeyer, Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft 28, Baden-Baden 1987, S. 5365. Brennan, Geoffrey/Buchanan, James M.: The Power to Tax, Analytical Foundations of a Fiscal Constitution, Cambridge 1980. Bühl, Walter Ludwig: Ökologische Knappheit - Gesellschaftliche und technologische Bedingungen ihrer Bewältigung, Göttingen 1981. Chmielewicz, Klaus: Diskussionsbeitrag auf dem Kolloquium des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft am 2. und 3. Oktober 1986 in der Universität Mannheim, in: Öffentliche Unternehmen und ökonomische Theorie, hrsg. von Theo Thiemeyer, Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft 28, Baden-Baden 1987, S. 207-212 (ausführlich auch in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 41. Jahrgang (1971), S. 583-610). Dubberke, Hans-Achim: Betriebswirtschaftliche Theorie des privaten Haushalts, Wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen 7, Berlin 1958. Egner, Erich: Der Haushalt - Eine Darstellung in volkswirtschaftlicher Gestalt, 2. umgearbeitete Auflage, Berlin 1976 (erste Auflage Berlin 1952). Eynern, Gert von: Grundriß der politischen Wirtschaftslehre, Köln, Opladen 1968, 2. Auflage, Opladen 1972. Gossen, Hermann Heinrich: Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln, Braunschweig 1854, 3. Auflage, Berlin 1927. Hamm, Walter: Preise als verkehrspolitisches Ordnungsinstrument, Heidelberg 1964. Hamm Walter: Verkehr IV, in: HdWW, 8. Band, Stuttgart 1980, S. 249-257. Heuer, Jürgen H.B./Kühne-Büning, Lidwina/Nordalm, Volker; Drevermann, Marlies: Lehrbuch der Wohnungswirtschaft, Frankfurt am Main 1979. Hoffmann, Alexander: Wirtschaftslehre der kaufmännischen Unternehmung (Betriebswirtschaftslehre), Leipzig 1932. Jenkis, Helmut W.: Ursprung und Entwicklung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, Schriftenreihe des Instituts für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen 24, Bonn-Hamburg 1973. Kapp, K. William: Volkswirtschaftliche Kosten der Privatwirtschaft, Tübingen, Zürich 1958, Original: The Social Costs of Private Enterprise, Cambridge 1950.

1. Wohnungswirtschaft

21

Klages, Helmut: Wertedynamik - über die Wandelbarkeit des Selbstverständlichen, Osnabrück 1988. Komossa, Dietrich: Die Entwicklung von Wohnungsbaugenossenschaften, Diss. Münster 1976. Kühne-Büning, Lidwina/Heuer, Jürgen H. B.: Grundlagen der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vormals Lehrbuch der Wohnungswirtschaft), 3. Aufl., Frankfurt-Hamburg 1994 ((bisher unter Heuer, Jürgen H. B. zitiert) Leitner, Friedrich: Privatwirtschaftslehre der Unternehmung, 4. Auflage, Berlin, Leipzig 1922. Lowinski, Leonhard: Grundlagen, Zielsetzungen und Methoden der Wohnungspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft, Köln-Braunsfeld 1964. Lütge, Friedrich: Wohnungswirtschaft - Eine systematische Darstellung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Wohnungswirtschaft, 2. völlig überarbeitete und stark erweiterte Auflage, Stuttgart 1949,1. Auflage Jena 1940. Mahlberg, Walter: Der Betriebsbegriff und das System der Betriebswirtschaftslehre, in: Grundriß der Betriebswirtschaftslehre 2, Leipzig 1927, S. 1-67. Murfeld, Egon (hrsg.): Spezielle Betriebswirtschaftslehre der Grundstücks- und Immobilienwirtschaft, Hamburg 1995 Oettle, Karl (Hrsg.): Öffentliche Güter und öffentliche Unternehmen, Beiträge zur Relevanz der Theorie der öffentlichen Güter für die öffentlichen Unternehmen, Gisbert Rittig zum achtzigsten Geburtstag gewidmet, Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft 25, Baden-Baden 1984. Oettle, Karl: Diskussionsbeitrag zu: Charles B. Blankart: Ordnungspolitische Rahmenbedingungen und öffentliche Unternehmertätigkeit: Soll der Staat industrielles Beteiligungskapital halten?, in: Öffentliche Unternehmen und ökonomische Theorie, hrsg. von Theo Thiemeyer, Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft 28, Baden-Baden 1987, S. 66-67. Oettle, Karl: Wirtschaftszweigorientierung versus Funktionsorientierung in der Speziellen Betriebswirtschaftslehre, in: Die Betriebswirtschaftslehre im Spannungsfeld zwischen Generalisierung und Spezialisierung, Festschrift zum 70. Geburtstag von Edmund Heinen, hrsg. von Werner Kirsch und Arnold Picot, Wiesbaden 1989, S. 81-95. Oettle, Karl: Die Wohnung als wirtschaftliches Gut, in: Gesellschaft, Wirtschaft, Wohnungswirtschaft, Festschrift für Helmut Jenkis, hrsg. von Werner W. Engelhardt und Theo Thiemeyer, Schriften zum Genossenschaftswesen und zur öffentlichen Wirtschaft 18, Berlin 1987, S. 235-259. Peter, Hans (posthum hrsg. von Woldemar Koch unter Mitarbeit von Ursula Schleehauf): Strukturlehre der Volkswirtschaft, Göttingen 1963. Peter, Hans: Einführung in die politische Ökonomie, Stuttgart, Köln 1950. Rieger, Wilhelm: Einführung in die Privatwirtschaftslehre, Nürnberg 1928, 2. Auflage, Erlangen 1959, 3. Auflage, Erlangen 1964. Schmidt, Kurt: Der wohnungswirtschaftliche Betrieb, Betriebswirtschaftliche Schriften 2, Berlin 1958. Schneider, Hans K./Kornemann, Rolf: Soziale Wohnungsmarktwirtschaft, Studien zur Kommunalpolitik 20, Bonn 1977. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1988, Stuttgart, Mainz 1988. Tschammer-Osten, Bernd: Haushaltswissenschaft - Einführung in die Betriebswirtschaftslehre des privaten Haushalts, Stuttgart - New York 1979. Walb, Ernst: Kaufmännische Betriebswirtschaftslehre, in: Rothschilds Taschenbuch für Kaufleute II, ab 59. Auflage, Leipzig 1922, selbständige Veröffentlichung, Leipzig 1938. Walther, Alfred: Einführung in die Wirtschaftslehre der Unternehmung, Band I Zürich 1947, Band II Zürich 1953. Weisser, Gerhard: Die Überwindung des Ökonomismus in der Wirtschaftswissenschaft, in: Grundsatzfragen der Wirtschaftsordnung, hrsg. von Erich Kosiol und Andreas Paulsen, Wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen 2, Berlin 1954; wiederabgedruckt in: Gerhard, Weisser: Beiträge zur Gesellschaftspolitik, Göttingen 1978, S. 573-601 (hiernach auch die Kurzzitierungen im Text).

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I. Einführung

Weisser, Gerhard: Wirtschaftspolitik als Wissenschaft, Stuttgart 1934. Weizsäcker, Carl Christian v.: Öffentliche Bindung - Deregulierung - Privatisierung, in: Öffentliche Unternehmen und ökonomische Theorie, hrsg. von Theo Thiemeyer, Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft 28, BadenBaden 1987, S. 89-94. Willeke, Rainer/Jäger, Wilhelm/Lindenlaub, Karl-Heinz: Ein Optimum an Sicherheit, Schriftenreihe des Verbandes der Automobilindustrie e.V. (VDA) 25, Frankfurt am Main 1978. Wölling, Angelika: Zur Frage der Ziel- und Situationsadäquanz wohnungspolitischer Instrumente der öffentlichen Hand in der Bundesrepublik Deutschland, Münchner Diss. 1986.

2. Die Wohnungsmärkte im gesamtwirtschaftlichen Gefüge 1. Der Wohnungsmarkt als Markt für Wohnnutzung Will man die Abläufe in der Wohnungswirtschaft, insbesondere das Zusammenwirken aller Beteiligten an Wohnungsproduktion und Wohnungsnutzung erkennen und in ihren kausalen Bezügen verstehen, ist der Wohnungsmarkt als (gedachter) Ort des Austausches von Angebot und Nachfrage thematisiert. Dieser Beitrag befaßt sich mit der Wohnungswirtschaft als einem dynamischen und komplexen System und versucht, die Wohnungszusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen aufzuzeigen.

1.1 Zur Natur des Gutes Hierbei stößt man sofort an die Problematik des zu untersuchenden Sachverhalts, wenn die Frage nach der Natur des gehandelten Gutes gestellt wird. „Wohnen" ist ein so komplexes Gefüge, daß hier eine Isolation von handelbaren Größen, die das Gesamte abdecken, nicht gelingen kann. Wohnen ist ein Organisationsprozeß der individuellen Lebensvollzüge, in dessen Ablauf spezifische Bedürfnisse der Handelnden befriedigt werden 1 . Die Wohnung, von der in diesem Kompendium die Rede ist, bildet den physischen Rahmen dieses Prozesses. Sie befriedigt das menschliche Grundbedürfnis nach räumlicher Geborgenheit und „... besteht aus einer Anzahl funktional differenzierter Räume, die zu einer Einheit zusammengefaßt sind und gemeinsam der Aufgabe dienen, physische, psychische und soziale Bedürfnisse ihrer Bewohner zu befriedigen." 2 Aus der Sicht der Nachfrage ist es jedoch nicht so sehr der physische Rahmen, der Gegenstand der Marktaktion ist, vielmehr ist die Nutzungsmöglichkeit der ökonomisch bewertete Nutzen. Dabei sind einige Besonderheiten des Gutes Wohnung zu beachten, die seine Funktion als Marktobjekt determinieren: 1. Heterogenität (hoher Komplexitätsgrad) Heterogene Güter sind solche, die in ihren Eigenschaften nicht gleichartig sind, aber dennoch, da sie in gewissem Grade substituierbar sind, konkurrieren. Die Heterogenität von Wohnungen ist höher als bei anderen Konsumgütern. Der Nutzen einer Wohnung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, so z.B. von der

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vgl. hierzu: Nordalm, Volker: Ansätze zu einer Konsumtheorie des Wohnens, Bochum 1986 Heuer, Jürgen HB: Lehrbuch der Wohnungswirtschaft, 2. Auflage, Frankfurt 1985, S. 30 Ders., Wohnungswirtschaft, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Band 12, Göttingen 1965

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I. Einführung

Wohnungsgröße, der Zimmerzahl, der Wohnungsausstattung, dem Gebäudetyp, der Lage der Wohnung usw. Aus der Sicht der Nachfrage kommen noch Faktoren wie Lage zum Arbeitsplatz und Sozialprestige der Wohngegend hinzu. Die Gesamtheit der hier angesprochenen objektiven wie subjektiven Kategorien zur Beurteilung des einzelnen Gutes macht deutlich, daß eine Identität zwischen zwei angebotenen Wohnungen nicht zu erreichen sein wird, im strengen Sinne also jede Wohnung als gesondertes Gut betrachtet werden muß. Aus der Heterogenität ergibt sich die Notwendigkeit einer sektoralen Strukturierung der Wohnungsmärkte. 2. Standortgebundenheit (Immobilität) Wohnungen sind immobil. Dies hat für den Marktprozeß entscheidende Bedeutung, da das Wohnungsangebot hierdurch nicht nur eine räumliche Zuordnung, sondern auch eine räumliche Abgrenzung erfährt. Wohnungen sind weiterhin bodengebunden. Immobilität bedingt Bindung an einen festen Standort. „Wohnungsbau ist nicht an jeder beliebigen Stelle möglich, sondern nur dort, wo geeignetes Bauland zur Verfügung steht". 3 Boden ist komplementäres Gut für die Wohnungsproduktion. Die Probleme der Verteilung des Bodens und der Preisprozesse auf dem Bodenmarkt sind somit eng verbunden mit denen der Wohnversorgung. 3. Unteilbarkeit des Konsums einer Wohnung Wohnungen sind nicht oder nur bedingt teilbar. Die Unteilbarkeit der Wohnungsnachfrage hat zur Folge, daß der nachfragende Haushalt auf Preisveränderungen, die eine gewisse, von dem Haushalt individuell festgesetzte Obergrenze übersteigen, nur reagieren kann, indem er zwischen 2 Wohnungstypen springt. Das impliziert, daß die konventionellen Konzepte der Preis- und Einkommenselastizität der Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt kaum anwendbar sind. 4. Dauerhaftigkeit (Langlebigkeit der Wohnung) Die Wohnung ist das langlebigste aller lebensnotwendigen Konsumgüter und wird von mehreren Haushalten hintereinander genutzt. Entsprechend der technischen Qualität des erstellten Baukörpers wird eine bis zu 100jährige Nutzungsdauer unterstellt, die oft noch überschritten wird (und bei entsprechender Instandhaltung des Gebäudes auch gesteigert werden kann). Für den Vermarktungsprozeß ergeben sich hieraus drei wesentliche Aspekte: a) Wohnungen sind lange potentiell marktwirksam. Nutzerwechsel (mehrfaches Angebot) und die Existenz von Gebrauchsmärkten resultieren aus dieser langdauernden Marktpräsenz. b) Zu- und Abgänge einer Periode verändern den Gesamtbestand nur gering. Daraus resultiert auch, daß sicher der Gesamtbestand nur zögernd an Änderungen der Nachfrage anpassen kann, quantitativ wie qualitativ.

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Kornemann, Rolf: Fehlsubventionierungen im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau, Bonn 1973, S. 15

2. Wohnungsmärkte im gesamtwirtschaftlichen Gefüge

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c) Lange Nutzungsdauer und hohe Produktionskosten bedingen das Problem eines geringen Kapitalumschlags. Das in Relation zum Kapitaleinsatz niedrige Nutzungsentgelt erhöht das Investitionsrisiko und verlangsamt zusätzlich mögliche Marktreaktionen. d) Die lange Marktpräsenz macht bei sich im Zeitablauf ändernden Nachfragemustern Anpassungen des Produkts notwendig, um die Vermietbarkeit zu sichern. 5. Lange Produktionsdauer Der Herstellungsprozeß von Wohnungen ist langwierig: zwischen Investitionsentscheidung und Fertigstellung des Objektes vergehen in der Regel zwei Jahre 4 . Witterungsabhängigkeit des Bauprozesses und die lohnintensive Produktionsweise setzen einem Bemühen zur Reduzierung dieser Frist durch Rationalisierung enge Grenzen. Damit wird aber die Anpassung an unterschiedliche Marktlagen erschwert. 6. Verkauf und Vermietung Die Wohnung ist ein Gut, das gekauft oder gemietet werden kann. Daraus ergibt sich die Aufsplittung in einen Markt für Wohneigentum und einen Mietwohnungsmarkt. A m Markt für Wohneigentum kann der Selbstversorger die Wohnung bzw. das Haus als Fertigprodukt von einem Träger erwerben oder selbst, meistens unter Einschaltung eines Architekten, bauen. 7. Siedlungsbildung Es ist „für die Wohnung charakteristisch, daß sie nicht isoliert für sich gelegen ist, sondern in (mehr oder weniger enger) Gemeinschaft mit anderen Wohnungen steht" 5 . Aus dieser Verbindung zu anderen Wohnungen resultieren siedlungsstrukturelle Zusammenhänge, die ihrerseits der Abstützung durch infrastrukturelle Ausstattung bedürfen. Hieraus ergeben sich die Verbindungspunkte zwischen Wohnversorgung und den Bereichen der Städteplanung, Landesplanung und Raumordnung. 1.2. Teilmarktprobleme, Marktprozeß Die Besonderheiten des Gutes bedingen entsprechende Besonderheiten des Marktprozesses, die gemeinhin als „Teilmarktprobleme" bezeichnet werden. Das Wohnungsmarktgeschehen ist ein kontinuierlicher Prozeß von Umzügen und Wohnungsbestandsveränderungen, wobei die Informations- und Transaktionskosten sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfragerseite eine wichtige Rolle spielen 6 .

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vgl. Kornemann, 1973, a.a.O., S. 17 Lütge, Friedrich: Wohnungswirtschaft, Stuttgart 1949, S. 37 B M B a u (Hrsg.): Wohnungsmarkt Simulationsmodelle, Bonn 1981, S. 15f.

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I. Einführung

1. Räumliche Teilmärkte Der Wohnungsmarkt als gedachte Summe aller Kauf- und Verkaufsakte in bezug auf das Gut Wohnnutzung ist ein Abstraktum. In der Realität besteht er aus einer Anzahl von Teilmärkten, die nur bedingt in Zusammenhang miteinander stehen. Aus der Standortgebundenheit von Wohn- und Arbeitsstätte resultiert eine Untergliederung in eine Vielzahl regionaler Teilmärkte. Die Bindung erwerbstätiger Haushaltsmitglieder an einen Arbeitsplatz erzwingt eine räumliche Zuordnung der Wohnung im Sinne einer optimalen Erreichbarkeit. Der Faktor Erreichbarkeit wird so zum Abgrenzungskriterium für einen regionalen Wohnungsteilmarkt. 2. Sachliche Teilmärkte Eine weitere Differenzierung des Wohnungsmarktes kann nach sachlichen Kriterien geschehen. Die Heterogenität des Gutes bedingt die Herausbildung einer Vielzahl sachlicher Teilmärkte: a) Die möglichen Eigentumsformen teilen den Gesamtmarkt in einen Mietwohnungsmarkt und einen Markt für Eigentumsmaßnahmen (Häuser und Wohnungen). Als wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Teilmärkten ist die rechtliche Beziehung des Nutzers zum physischen Gut Wohnung anzuführen. Während im Falle des Wohnens zur Miete als nachgefragtes Gut Wohnnutzung für eine bestimmte Zeit gehandelt wird, geht am Markt für Eigentumsmaßnahmen die erstellte Wohnung in das Eigentum des Nachfragers über. b) Die Vielfalt der Möglichkeiten zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses findet ihren Ausdruck in der Variationsbreite angebotener Gebäude- und Wohnungstypen. Eine Differenzierung der Wohnungen kann erfolgen nach Größe, Qualität (Ausstattung und funktionale Aufteilung), Lage im Gebäude und Alter. Aus dieser Aufsplitterung des Wohnungsmarktes ergeben sich weitere Effekte, die einen störungsfreien Marktprozeß behindern. Es sind im wesentlichen Informationsprobleme (fehlende Markttransparenz) und Produktionsprobleme (geringe Elastizität der Anpassung an Marktänderungen), aus denen sich suboptimale Marktverläufe entwickeln: 1. Fehlende Markttransparenz Sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Nachfragerseite muß aufgrund des Mangels an Informationen bzw. aufgrund der Schwierigkeiten, die mit ihrer Erlangung verbunden sind, von einer fehlenden Markttransparenz und damit von einer erschwerten Kommunikation zwischen den einzelnen Teilmärkten ausgegangen werden. Dies verhindert letztlich das Zustandekommen eines globalen Marktausgleichs. Marktgerechtes Verhalten aller Akteure am Wohnungsmarkt hätte zur Voraussetzung, daß ein Überblick über Angebot und Nachfrage am Gesamtmarkt vorhanden ist. Angebotserstellung wie auch Vermarktung des erstellten Gutes sind am Wohnungsmarkt deshalb aufgrund mangelnder Transparenz mehr noch als an anderen Märkten Entscheidungssituationen unter Unsicherheit. Dem Anbieter sind im Investitionszeitpunkt weder die Planungsentscheidungen der konkurrierenden Anbieter bekannt noch die Intentionen der Nachfrager in quantitativer und

2. Wohnungsmärkte im gesamtwirtschaftlichen Gefüge

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qualitativer Sicht. Für den Nachfrager führt die fehlende Markttransparenz dazu, daß er im Entscheidungsprozeß über die Annahme eines bestimmten Angebotes nicht notwendigerweise sein individuelles Optimum verwirklichen kann. Der unzureichende Informationsstand der Marktpartner hat seine Auswirkungen auch auf den Preisbildungsprozeß. So kann sich fehlende Markttransparenz dahingehend auswirken, daß für qualitativ gleiche Güter unterschiedliche Preise erzielt werden. Ebenso muß das Ergebnis des Preisbildungsprozesses, der sich vor dem Hintergrund der Marktvorstellungen von Anbietern und Nachfragern abspielt, nicht notwendigerweise der tatsächlichen Marktlage entsprechen. 2. Geringe Elastizität der Anpassung an Marktänderungen Der Wohnungsmarkt als ein Markt für langlebige Gebrauchsgüter unterscheidet sich in seinen Anpassungsvorgängen grundlegend von anderen Konsumgütermärkten. Vereinfachend dargestellt versteht man in der Theorie unter Anpassungsvorgängen des Marktes das Streben des Marktes nach einem Gleichgewichtszustand. Dieser ist erreicht, wenn Angebot und Nachfrage sich entsprechen. Dem Preis kommt hierbei die Funktion eines Regulators zu. Für Wohnungen typisch ist jedoch ihre lange Marktpräsenz. Da langfristig Nutzung abgegeben wird und nicht, wie bei anderen Konsumgütern, ein unmittelbarer Wertverzehr erfolgt, sind Wohnungen stets potentiell marktwirksam und real mehrfach in ihrer Lebensdauer marktpräsent. Begrenzt wird die potentielle Marktwirksamkeit nur durch die technische und wirtschaftliche Lebensdauer des Gutes. Damit setzt sich das Angebot am Wohnungsmarkt zusammen aus Nutzungsangeboten gebrauchter und neuerstellter Wohnungen. Das Neuangebot stellt immer nur einen kleinen Teil des Gesamtbestandes dar. Im Marktablauf ergeben sich daher spezifische Anpassungsprobleme, die beispielhaft erläutert werden sollen: a) Angebots- oder Nachfrageiiberhang Im Falle eines Nachfrageüberhangs am Wohnungsmarkt wirkt sich die lange Produktionsdauer des Gutes erschwerend auf die Erzielung des Marktausgleichs aus. Das Marktgleichgewicht ist nicht unmittelbar, sondern nur mit zeitlicher Verzögerung (im allgemeinen zwei Jahre) zu erreichen. Die spezifischen Produktionsbedingungen des Gutes verhindern selbst bei starken Preissteigerungen einen relativ kurzfristigen Marktausgleich. Auch ist bei Vorliegen eines Angebotsüberhangs ein Marktausgleich nicht zeitnah zu erreichen. Die Langfristigkeit der Nutzung des angebotenen Gutes führt dazu, daß ein einmal erstelltes Angebot am Markt verbleibt. Ein Marktgleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ist bei Angebotsüberhang theoretisch zu erreichen über eine Mengen- oder eine Preisreduzierung: Eine Reduzierung der angebotenen Menge an Wohnraum ist nur langfristig durch die „natürlichen" Abgänge im Gesamtbestand möglich. Eine singulare Preisreduzierung, die aufgrund der engen Preis-Kosten-Relationen nur begrenzt möglich ist, kann schon aus Gründen der fehlenden Markttransparenz nicht zu den notwendigen Mengeneffekten führen. Schließlich wirkt sich auch bei Angebotsüberhang erschwerend die lange Produktionsdauer des Gutes aus. Ein Rückgang im Wachstum des Angebotes ist

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I. Einführung immer nur mit zeitlicher Verzögerung möglich, da zum Zeitpunkt des Eintretens des Marktungleichgewichts noch in Produktion befindliche Wohnungen zunächst noch eine Ausweitung bewirken.

b) Wirkung der Teilmärkte Die globale Betrachtung des Angebots- oder Nachfrageüberhangs ist zu differenzieren anhand weiterer Besonderheiten des Gutes: Die Bodengebundenheit hat zur Folge, daß Wohnungen nicht transportabel sind. Daraus folgt, daß Marktgleichgewicht immer nur auf regionalen Teilmärkten realisiert werden kann. Auch bei global ausgeglichener (statistisch) Versorgungslage kann daher ein Nebeneinander von ausgeglichenen und nicht ausgeglichenen regionalen Teilmärkten existieren. Gleiches gilt, wenn die Heterogenität des Gutes in die Betrachtung einbezogen wird, für die sachlichen Wohnungsteilmärkte. Ein Mangel an Dreiraumwohnungen wird nicht durch das Überangebot an Einraumwohnungen ausgeglichen werden können. Ebenso ist die Nachfrage nach Eigenheimen nicht durch eine entsprechende Ausweitung des Mietwohnungsangebotes zu kompensieren. Allgemein können infolge der Heterogenität des Gutes auf einem regionalen Teilmarkt Disparitäten auftreten, die nicht in der globalen Versorgungslage ihren Ursprung haben. 2. Aspekte des Angebots Anbieter am Wohnungsmarkt ist der Vertreiber von Wohnnutzung. Dieser ist zu unterscheiden vom Produzenten von Wohnraum (Anbieter von Bauleistung) wie auch von Anbietern von sonstigen vorgelagerten Märkten wie etwa Bauland oder Finanzierungsmittel. Diese Differenzierung zeigt sich auch in der Praxis, wenngleich die Grenzen fließend sind und auch Anbieter marktpräsent sind, die neben der Leistungsvermittlung auch Stufen der Leistungserstellung abdecken. Der Anbieter von Wohnnutzung ist i.d.R. selbst erst als Nachfrager nach Kapital, Boden und Bauleistung tätig und in seinem Preisverhalten von diesen vorgelagerten Marktprozessen abhängig (vgl. unten 4.). Es lassen sich im wesentlichen vier Anbietergruppen unterscheiden, die sich wesentlich hinsichtlich ihrer Motivation unterscheiden: a) Private Haushalte Im Eigentum privater Haushalte befinden sich rd. drei Viertel des Wohnungsbestandes. Hier ist in der Überzahl der Fälle das Eigentum an Wohnraum mit dem Motiv der Selbstversorgung verbunden. Diese Objekte werden also nicht mit Erwerbsabsicht am Mietwohnungsmarkt abgesetzt. Entsprechend befinden sich Wohnungen in Häusern mit 1 oder 2 Wohnungen zu weit über 90% im Besitz von Privathaushalten. Aber auch der Mietwohnungsbestand ist zum überwiegenden Teil im Besitz dieser Angebotsgruppe. Hier sind Alterssicherungs- und Kapitalanlagemotive vorhanden. In der aktuellen Bautätigkeit bleiben die privaten Haushalte gegenüber ihren Bestandsanteilen meist zurück, sie haben sich seit dem Zweiten Weltkrieg aus dem Geschoßwohnungsbau deutlich zurückgezogen: bei Wohngebäuden mit 1-2 Wohnungen liegt ihr Anteil bei den Nachkriegsobjekten mit 97 Prozent sogar noch etwas höher als bei den Altbauten, während er bei den Wohngebäuden mit drei und

2. Wohnungsmärkte im gesamtwirtschaftlichen Gefüge

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mehr Wohnungen, die nach dem Krieg erstellt worden sind, auf 48 Prozent gegenüber 74 Prozent bei Altbauten zurückgegangen ist7. Das Motiv der Kapitalanlage und der Alterssicherung bauinvestitionen der privaten Haushalte gegenüber dem deutlich zurückgegangen. Dadurch ist die Bautätigkeit auch wesentlich weniger konjunkturabhängig als die der

ist bei den WohnungsSelbstversorgungsmotiv dieser Anbietergruppe anderen.

b) Ehemals gemeinnützige Wohnungsunternehmen Die größte geschlossene Anbietergruppe am Mietwohnungsmarkt bilden die Unternehmen der ehemals gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Weit über 3 Mio. Wohnungen in Westdeutschland sind im Besitz der rd. 1800 Unternehmen. „Die Leistung der (ehemals; d. Autoren) gemeinnützigen Wohnungswirtschaft wird von unterschiedlichen Unternehmenstypen erbracht. Drei große Gruppen lassen sich unterscheiden: - die Genossenschaften und Vereine - die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften in den Rechtsformen der G m b H und der AG, einschließlich der Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts - die als Betreuungsunternehmen fungierenden Heimstätten und Landesentwicklungsgesellschaften. Der Unterschied zwischen den einzelnen Unternehmensgruppen drückt sich nicht nur in der Rechtsform aus, er liegt ebenso in der historischen Entwicklung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft begründet" 8 . Rd. 1100 Unternehmen zählen zu den Genossenschaften, während die restlichen ca. 700 Kapitalgesellschaften sind. Die (ehemals) gemeinnützigen Wohnungsunternehmen werden von verschiedenen Gruppen getragen: Gemeinden, gewerbliche Wirtschaft, natürliche und juristische Personen, Gewerkschaften, Bund, Kirchen. Die Kapitalbeteiligung der Gemeinden ist erheblich. Ihre Aufgabe besteht in der Unterstützung der sie tragenden Kommunen bei der Bereitstellung von Wohnraum für besondere Bedarfsgruppen, die am übrigen Markt keine Zugangschancen haben, sei es aufgrund von ökonomischen oder sozialen Defiziten. Die Wohnungsunternehmen mit Beteiligung von Bund und Ländern sowie Bundesbahn und Bundespost stellen ihre Leistungen ausschließlich ihren Bediensteten zur Verfügung, treten also insoweit nicht generell als Anbieter auf dem Markt auf. Ähnliches gilt für Wohnungsgesellschaften mit überwiegender oder ausschließlicher Beteiligung von Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Diese Unternehmen wurden sowohl aus Fürsorge für die eigenen Mitarbeiter als auch aus betriebsnotwendigen Gründen, die aus der rasch wachsenden Zahl der benötigten Arbeitskräfte resultierten, gegründet. Die Unternehmen befinden sich derzeit im Umstrukturierungsprozeß. Für diejenigen Unternehmen, die sich nicht in der Rechtsform der Genossenschaft befinden und sich des weiteren ausschließlich auf die Vermietung von Wohnungen konzentrieren, wurde mit Beginn des Jahres 1990 das W G G aufgehoben. Damit

7 8

Statistisches Bundesamt: Das Wohnen in der B R D 1981, Wiesbaden 1981, S. 26 Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen e.V. 1983, S. 22

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I. Einführung

entfallen für diese Unternehmen die bisher ihre Geschäftstätigkeit einschränkenden Bedingungen. Dafür unterliegen sie in vollem Umfang der Steuerpflicht. c) Freie Wohnungsunternehmen Der Unternehmenszweck umfaßt alle wohnungswirtschaftlichen Leistungen und ist keinen gesetzlichen Beschränkungen - außer im öffentlich geförderten Wohnungsbau - unterworfen. Die Aufgabe der freien Wohnungsunternehmen: Das Tätigwerden dieser Gruppe ist alleiniges Resultat der Reaktion auf Marktsignale und auf die Bedarfsdeckung gerichtet. Lange Zeit waren die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den gemeinnützigen und freien Wohnungsunternehmen klar abgegrenzt: „Während die Aufgabe der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ausschließlich darin bestand, für den Wohnbedarf der Einkommensschwachen zu sorgen und damit einen sozialen Auftrag zu erfüllen, blieb für die freien Wohnungsunternehmen in erster Linie die Deckung des Wohnbedarfs gehobener Schichten, aber auch die Beschaffung freien Eigentums" 9 . Daneben gewann insbesondere nach dem 2. Weltkrieg der Wohnungsbau für einkommensschwächere Schichten an Bedeutung, während andererseits das Betätigungsfeld der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen erheblich erweitert wurde. Insoweit agieren beide Anbietergruppen nicht mehr auf unterschiedlichen Teilmärkten. Die Beschaffung identischer Ausgangspositionen für das Unternehmenshandeln durch Aufhebung des W G G ist von daher eine Konsequenz dieser zunehmenden Durchmischung der Tätigkeitsfelder. d) Sonstige Anbieter - Sonstige Unternehmen Die Anbietergruppe „Unternehmen" (ohne Wohnungsunternehmen) umfaßt solche erwerbswirtschaftlich tätigen Unternehmen, die Wohnungsbauleistungen erbringen, diese jedoch nicht ausschließlich als alleinigen Unternehmenszweck betreiben oder nur mittelbar zur Kapitalanlage für Dritte (z.B. Immobilienfonds). Eine besondere Rolle spielen in dieser Gruppe die Versicherungen. - Öffentliche Bauherren Diese Anbietergruppe ist fast ausschließlich auf die Selbstversorgung ihrer Bediensteten gerichtet und tritt daher als Anbieter von Wohnnutzung auf den Wohnungsmärkten generell nicht auf. Dies trifft sowohl für die Neubauleistungen als auch für den vorhandenen Bestand zu. 3. Nachfrage am Wohnungsmarkt Konsument im Bereich der Wohnungswirtschaft ist in der Regel kein Individuum, sondern eine Gruppe, die als Konsumtionseinheit zu kennzeichnen ist. Entsprechend besteht die Nutzung einer Wohnung nicht nur aus individuellen, sondern ebenso aus einer Anzahl gemeinsamer Konsumakte (z.B. Nahrungsaufnahme).

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Arras, Hartmut, Huebschk, Jörg: Wohnungspolitik und Stadtentwicklung 2, Basel 1978

2. Wohnungsmärkte im gesamtwirtschaftlichen Gefüge

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Die Entwicklung der Nachfrage ist somit grundsätzlich abhängig von der Entwicklung der Zahl der Haushalte und ihrer Struktur. In aktueller Sicht ist diese Aussage in zweierlei Hinsicht zu relativieren: - Aufgrund der demografischen Trends (Überalterung) wie auch als Resultat des Wertewandels (Single-Haushalte) treten zunehmend auch Einzelpersonen als Nachfrager auf, wobei ein deutlicher Anstieg der Bedeutung dieser Gruppe zu erwarten ist. - Nach Abdeckung der Grundbedarfe ist für die Nachfrageentwicklung stärker als der demografische Effekt das Einkommenswachstum entscheidend, zumindest für den Bereich der Nachfrage, der über entsprechende Kaufkraft verfügt. Wenn von Wohnungsnachfrage gesprochen wird, ist i.d.R. der konkrete Akt der Wohnungssuche gemeint. Dieser ist ein punktuelles Ereignis und zu unterscheiden von der permanenten Wohnungsnachfrage, die dem Prozeß der Wohnungsnutzung entspricht. Allgemein lassen sich zwei Hauptkomplexe möglicher Ursachen für die Entwicklung von Nachfrage nach Wohnungsnutzung im Sinn der Wohnungssuche unterscheiden, die ihrerseits weiter zu untergliedern sind: 1. Haushaltsinterne Gründe a) Haushaltsbildung und -auflösung Im einzelnen lassen sich folgende Faktoren der Haushaltsentwicklung unterscheiden, die Einfluß auf Nachfrage nehmen: Haushaltsgründungen lassen sich als das Neuentstehen einer Konsumtionseinheit definieren. Dies geschieht durch Eheschließungen, aber auch die Bildung von Wohngemeinschaften und die wachsende Zahl von Ein-Personen-Haushalten Lediger, die das Elternhaus und damit den Haushaltsverband verlassen, fallen unter diese Kategorie. Auch infolge von Scheidungen kommt es, wenn beide Teile ihre Haushaltsführung selbständig übernehmen, zu Haushaltsgründungen. Haushaltsauflösungen bedingen zumeist Wohnungsfreisetzungen. Diese entstehen durch Sterbefälle oder durch Ehescheidungen. Ob und in welcher Form ein derartiger Vorgang marktwirksam wird, ist abhängig von der Situation des Haushaltes vorher und seiner Reaktion auf das Ereignis. b) Familienzyklus Für die Entwicklung der globalen Nachfrage ist die Änderung der Haushalte nach Zahl und Struktur ein wesentliches Bestimmungsmoment. Diese Effekte ergeben sich aus familienzyklischen Vorgängen. Neben der Familiengründung wirken die Progressions- und Degressionsphase einer Familie auf die Nachfrage nach Wohnraum. Die Progressionsphase ist gekennzeichnet durch Wachstum der Familie. Kinder werden geboren und erzogen. Entsprechend entwickeln sich die Ansprüche an die Wohnnutzung, an den für den Familienvollzug benötigten Raum. In der Degressionsphase der Familie, wenn die Kinder den Haushalt verlassen, Haushalte sich trennen und schließlich nach dem Tod eines Ehepartners ein Ein-PersonenHaushalt zurückbleibt, entwickeln sich die Ansprüche an die Wohnnutzung entsprechend rückläufig.

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I. Einführung

Die Anpassung der Wohnnutzung an die jeweiligen Bedürfnisse der Familie kann über Nachfrage am Wohnungsmarkt erfolgen. Ebenso sind allerdings Effekte denkbar, daß umgekehrt eine Anpassung des Familienvollzuges an die gegebene Wohnung vorgenommen wird. Dieses Verhalten in der Progressionsphase kann bei unzureichendem Wohnflächenkonsum zu sozial problematischen Wohnverhältnissen führen. c) Mobilität Der Vollzug einer jeden Nachfrage am Wohnungsmarkt ist mit Mobilität, d.h. mit einer räumlichen Veränderung verbunden. Insofern zieht sich Mobilität als Querschnittsaspekt durch die gesamte Wohnnungsnachfrage. Gesondert zu vermerken ist jedoch der Fall, wenn durch das Erfordernis, Mobilität zu entwickeln, Nachfrage am Wohnungsmarkt induziert wird. In der Regel ist dies dann der Fall, wenn ein Arbeitsplatzwechsel durch ein Haushaltsmitglied vorgenommen wird. Horizontale (räumliche) und vertikale (berufliche) Mobilität korrelieren daher häufigWährend die rein wohnungsbedingte Mobilität (unter Beibehaltung des Arbeitsplatzes) innerhalb desselben regionalen Wohnungsmarktes stattfindet, wird bei beruflich bedingter Mobilität in der Regel die Nachfrage auf einen anderen räumlichen Wohnungsmarkt verlagert. Das Erfordernis, Mobilität zu entwickeln, kann auch von haushaltsexternen Effekten ausgelöst werden (vgl. unten). d) Wohnkosten Motive für eine Nachfrage nach Wohnraum können sich weiterhin aus der Belastung des Haushaltsbudgets durch Ausgaben für Wohnkonsum ergeben. Der erste mögliche Fall ist, daß die Wohnkostenbelastung für einen Haushalt zu stark angestiegen ist, sei es, weil sich das Haushaltseinkommen vermindert hat (etwa durch Ausscheiden eines Haushaltsmitgliedes aus dem Verbund), sei es, daß die Wohnkosten im Verhältnis zum Einkommen überproportional gestiegen sind. Denkbar ist ebenso der Fall, daß sich im Haushaltsbudget Verschiebungen ergeben (Belastung durch Ratenkäufe), die eine Aufrechterhaltung des Wohnkonsums nicht gestatten. Ein weiterer, unter diesem Motivationskomplex abzuhandelnder Fall ist, daß ein Haushalt durch Einkommenserhöhung die absolute Höhe seiner Ausgaben für Wohnkonsum steigern kann und dies auch tut. In Zeiten permanenter Realeinkommenssteigerungen macht sich dieser Effekt in einer kontinuierlichen Ausweitung des Wohnflächenkonsums pro Kopf der Bevölkerung bemerkbar 9 . e) Wohnwert Ein subjektiv als unzureichend empfundener Wohnwert ist ebenfalls geeignet, Nachfrage am Wohnungsmarkt auszulösen. Hierbei sind verschiedene Ursachen denkbar, die zu einer Divergenz im Verhältnis zwischen zu zahlendem Preis und individueller Nutzenschätzung führen. Neben subjektiven wie objektiven Kriterien der Wohnqualität der Wohnung oder des Hauses können es ebenso Elemente

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Arras, Hartmut, Huebschk, Jörg: Wohnungspolitik und Stadtentwicklung 2, Basel 1978

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des Wohnumfeldes, der Lage, des Infrastrukturangebots aber auch soziale Faktoren sein. 2. Haushaltsexterne Gründe Die Strukturierung der haushaltsexternen Gründe zeigt keine übergreifenden Aspekte auf. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß infolge der für das Geschehen am Wohnungsmarkt bestehenden Rahmenbedingungen nur noch bestimmte Umstände, die gesetzlich normiert sind, Mobilität erzwingen können. a) Aufgabe der Wohnnutzung Ein Haushalt wird in jedem Falle Nachfrage entwickeln müssen, wenn die von ihm genutzte Wohnung infolge der Aufgabe ihrer Zweckbestimmung aus dem Markt genommen wird. Dies ist extern der Fall, wenn ein Abbruch erfolgen soll. Eine weitere Möglichkeit des Ausscheidens einer Wohnung aus dem Markt besteht darin, daß sie eine neue Funktionszuweisung erhält, etwa für gewerbliche Nutzungen. Derartige Umwidmungen finden insbesondere in citynahen Quartieren statt, wo der tertiäre Sektor (Rechtsanwälte, Ärzte usw.) die Wohnnutzung verdrängt. b) Schuldhaftes Verhalten Wohnt ein Haushalt in einer Mietwohnung, so steht ihm aufgrund der geltenden Gesetze ein Wohnrecht zu; der Vermieter hat nur aus bestimmten gesetzlich normierten Gründen das Recht, die Räumung einer vermieteten Wohnung zu verlangen. Zu den Gründen, die eine Kündigung rechtfertigen, zählt schuldhaftes Verhalten des Mieters. Dieses ist dann gegeben, wenn etwa massiv gegen den Hausfrieden verstoßen wird, der Mieter das angemietete Objekt vertragswidrig gebraucht oder aber Mietrückstände über einen längeren Zeitraum aufgetreten sind. c) Eigenbedarf eines Vermieters Ebenso kann eine Mietwohnung dann gekündigt werden, wenn der Vermieter Eigenbedarf geltend machen kann, er selbst oder ein Mitglied seiner Familie berechtigtes Interesse an der Übernahme der Wohnung hat. Auch dieser Kündigungsgrund ist gesetzlich normiert und durch Rechtssprechung interpretiert worden. Ist das Entstehen von Nachfrage an die Änderungen von Nutzenschätzungen, Rahmendaten des Haushalts oder auch Entzug des Angebots gebunden, steht deren Reduzierung sowohl unter ökonomischen wie sozialen Restriktionen. Ökonomisch ist die Zahlungsfähigkeit des nachfragenden Haushalts, die über die Umsetzung des Nachfragewunsches entscheidet. Je nach vorhandenen ökonomischen Möglichkeiten - ist Eigentumsbildung durchführbar, - kann Nachfrage am freifinanzierten Markt entwickelt werden, - ist ein öffentlich gefördertes Angebot notwendig. d) Eigentumsbildung Die Entscheidung eines Haushalts über den Erwerb von Wohnungseigentum orientiert sich an den aus dem Kaufakt resultierenden periodischen Belastungen

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durch Kapitaldienst (Verzinsung und Tilgung aufgenommener Kredite) und den laufenden Kosten des Unterhalts. Die Gegenüberstellung dieser Belastungen, die insofern wie eine Miete zu kalkulieren sind, mit dem langfristig zu erzielenden Haushaltseinkommen entscheidet über die Realisierungsmöglichkeiten einer Nachfrageabsicht. Im öffentlich geförderten Wohnungsbau kann dabei der Fördereffekt als Transferleistung dem Einkommen hinzugezählt werden. D a der Eigentümer im Zeitablauf für Wohnnutzung grundsätzlich nur den „Kostenpreis" zahlt, d.h., der Preis für das Wohnen in der Begleichung der periodisch aus dem Wohneigentum anfallenden Kosten besteht, ist die Entstehung der Gesamtkosten die entscheidende Variable bei der Umsetzung von Nachfrage nach Wohneigentum. e) Mietpreis am freifinanzierten Markt Freifinanziert ist der Wohnungsbau, der nicht mit öffentlichen Mitteln subventioniert, also „frei" von öffentlichen Baudarlehen finanziert wird. Das heißt nicht, daß der Staat nicht je nach konjunktureller und wohnungsversorgungspolitischer Lage fördernd eingreift (z.B. Steuervergünstigungen), nur sind damit keine Mietpreisbindungen verknüpft. Die Grundlage für das Mietrecht legen das Bürgerliche Gesetzbuch und das Miethöhegesetz (MHG): Im Gegensatz zur Miete im öffentlich geförderten Wohnungsbau (s.u.) ist die Miete im freifinanzierten Wohnungsbau als Reaktion auf die Marktverhältnisse und nicht als direktes Ergebnis der Wohnungsbaukosten anzusehen. Bei Vertragsabschluß ist die Preisbildung frei. Für laufende Mietverhältnisse richtet sich die Preisbildung nach dem System der ortsüblichen Vergleichsmiete, in die die Vermietungsakte der letzten drei Jahre einfließen. Vereinbart werden können auch sog. Staffelmieten, hier wird eine feste Mietentwicklung von vorneherein festgelegt. f) Öffentlich geförderter Sektor Im Gegensatz zum freifinanzierten Wohnungsteilmarkt gilt für öffentlich geförderte Wohnungen per Gesetzesdefinition die Kostenmiete. Die Zweite Berechnungsverordnung (II. BV) regelt, wie diese Miete zu berechnen ist. Sie setzt sich zusammen aus - Kapitalkosten (begrenzte Verzinsung des Eigenkapitals plus Hypothekenzinsen), - Bewirtschaftungskosten = -

Abschreibung Verwaltungskosten Betriebskosten Instandhaltungskosten Mietausfallwagnis

Staatliche Subventionen bewirken am öffentlich geförderten Markt eine Senkung der Kostenmiete durchfzinsgünstige Baudarlehen oder eine Verminderung der laufenden Aufwendungen durch Aufwandssubventionen. Die Fähigkeit bzw. Bereitschaft, einen bestimmten Preis für das Wohnen zu zahlen, ist nicht allein maßgeblich für die Versorgungschancen am Wohnungsmarkt. Aufgrund weiterer sozialer Merkmale läßt sich für eine Reihe von Nachfragegruppen ein erschwerter Zugang zum Wohnungsmarkt feststellen, der sich in einem entsprechend niedrigeren Versorgungsniveau äußert.

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Das II. Wohnungsbaugesetz enthält in § 26, Absatz 2 Nr. 2 eine Aufzählung solcher Gruppen und fordert für sie eine vordringliche Förderung: kinderreiche Familien, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern (sogenannte „unvollständige Familien", ältere Menschen und Schwerbehinderte. Soziale Barrieren bestehen darüber hinaus bei einkommensschwachen Haushalten und Ausländern. Staatliche Interventionen am Wohnungsmarkt gewinnen ihre Berechtigung neben der Sicherung der ökonomischen Leistungsfähigkeit von Haushalten daher auch aus der Sicherung des Marktzugangs für bestimmte Bevölkerungsgruppen. 4. Verbundene Märkte Wohnen als komplexer Prozeß steht sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite in engem Bezug zu anderen Märkten. 4.1 Angebotsseite Die mit der Erstellung eines Baukörpers verbundenen Kosten entstehen bei der Inanspruchnahme von Leistungen verschiedener vorgelagerter Märkte. Es sind im einzelnen der Bodenmarkt, der Baumarkt und der Kapitalmarkt. a) Bodenmarkt Die Wohnung als bodengebundenes und damit immobiles Gut ist zur Erfüllung ihrer Zweckbestimmung auf einen (festen) Standort angewiesen, der sich in der Verfügungsgewalt des Wohnungseigentümers befindet. Für das Erlangen der Verfügungsgewalt hat der Wohnungsbauinvestor einen Preis zu entrichten, der sich entweder auf den Erwerb dieses Grundstückes oder auf die Überlassung der Nutzung für eine bestimmte Zeit bezieht. Im ersten Fall wird der Preis mit Vollzug des Kaufaktes zu entrichten, im zweiten als Pacht periodisiert und kontinuierlich zu zahlen sein. Die Entwicklung der Preise für Bodennutzung ist für das Wohnungsangebot insofern bedeutsam, als der Bodenpreis mit einem Anteil von ca. 10-15% in die Gesamtkosten einfließt (bei Eigentumsmaßnahmen können sich auch höhere Prozentsätze ergeben). Aber auch die Verfügbarkeit von Boden ist für die Steuerung und das Zustandekommen des Angebots bedeutsam. Die Steuerungsfunktion obliegt hier den Gemeinden, die durch Vergabe entsprechender Zweckzuweisungen in den Flächennutzungsplänen die konkrete Nutzung des Bodens regeln. Der weitaus größte Teil der Veräußerer und Erwerber von Bauland in der Bundesrepublik sind natürliche Personen. Betrachtet man die Grundstücksverkäufe nach der Grundstücksgröße, so wird deutlich, daß die überwiegende Zahl der Verkäufe sich auf baureifes Land für Ein- und Zweifamilienhäuser (bis 1000 qm) bezieht, das in der Regel von natürlichen Personen erworben wird. Eine marktbeherrschende Position einzelner Gruppen, etwa Gemeinden oder Wohnungsgesellschaften, auf dem Bodenmarkt ist statistisch nicht verifizierbar. Auf dem Baulandsektor bilden die privaten Marktteilnehmer die größte Gruppe,

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demgegenüber sind auf dem Markt für Rohbauland und für Bauerwartungsland Gemeinden und Wohnungsbaugesellschaften erheblich stärker vertreten. b) Baumarkt Ist das Vorhandensein eines Grundstückes und damit die Nachfrage am Bodenmarkt Voraussetzung für die Realisierung einer Investitionsabsicht im Wohnungsbau, so ist in einem nächsten Schritt durch den Investor Nachfrage auf dem Markt für Bauleistungen zu entwickeln, durch den die Erstellung des Angebotes bewerkstelligt wird. Die Baukosten besitzen im Rahmen der Gesamterstellungskosten eines Bauwerks das höchste Gewicht. Die nachzufragende Bauleistung ist nur ein Teilbereich der Bauwirtschaft. Diese umfaßt drei Marktbereiche: den Markt für Planungsleistungen, den Markt für Herstellungsleistungen und den Markt für Bauleistungen bzw. den Baumarkt. Auf dem Markt für Planungsleistungen werden „geistige Prozesse" gehandelt, „deren Durchführung und deren Nutzung einen engen Kontakt zwischen Leistungsgeber (Planer) und Leistungsnehmer (Bauherr) bedingen" 10 . Der Markt für Herstellungsleistungen ist dadurch gekennzeichnet, daß hier Planungs- und Bauleistungen als Einheit verkauft werden. Das typische Beispiel dafür ist der Fertighausmarkt. Der Baumarkt umfaßt die Summe aller regionalen und sektoralen Märkte, auf denen sich Anbieter und Nachfrager nach Bauleistungen verschiedener Art treffen. Zentrale für die Preisbildung auf dem Baumarkt sind Baukosten, Baunutzungskosten und Baupreise. Die Preise für Bauleistungen müssen aus zwei Blickwinkeln gesehen werden: Aus der Sicht der bauausführenden Wirtschaft stellen sie Verkaufs- oder Absatzpreise dar, aus der Sicht der Bauherren handelt es sich um Einkaufs- oder Beschaffungspreise für Bauleistungen. Auch der Baumarkt „gehört (wie der Bodenmarkt) zum Typ des sogenannten unvollkommenen Marktes, der sich dadurch auszeichnet, daß die Angebots- und Nachfragebeziehungen durch sachliche und regionale Einflüsse und Präferenzen nicht zu einer einheitlichen Preisbildung tendieren. Das liegt darin begründet, daß sowohl eine Homogenität der Leistung nicht gegeben ist, als auch von einer völligen Markttransparenz oder absoluten Konkurrenzsituation der Anbieter und Nachfrager nicht gesprochen werden kann" 11 . c) Kapitalmarkt Der Kapitalmarkt übt auf wohnungswirtschaftliche Investitionen den größten Einfluß aus. Durch die hohe Fremdkapitalfinanzierung wohnungswirtschaftlicher Investitionen hat der Zins als Kostenfaktor entscheidende Bedeutung. Wie in kaum einem anderen Wirtschaftszweig, vom Schiffsbau- und Energiesektor abgesehen, sind im Wohnungsbau daher die Voraussetzungen für eine Zinsabhängigkeit vorhanden: - durch die relativ hohen Investitionskosten ist der Wohnungsbau auf eine Kreditfinanzierung angewiesen;

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vgl. Pfarr, Karlheinz: Grundlagen der Bauwirtschaft, Essen 1984, S. 228 Heuer, Jürgen HB: Preisbildung auf dem Baumarkt, Münster 1967, S. 26

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- die lange Lebensdauer einer einmal erstellten Wohnung bindet das investierte Kapital langfristig; - die Kapitalumschlagsgeschwindigkeit ist gering, da das investierte Kapital nur allmählich in Form von Mieten aus der Investition herausgelöst werden kann. - Die Zinskosten haben einen relativ hohen Anteil an den gesamten laufenden Aufwendungen, so daß die Zinshöhe bei gegebener Preissituation den erzielbaren Ertrag determiniert. - Im Bereich der Eigentumsmaßnahmen bildet die aus dem Kapitaldienst resultierende monatliche Belastung im Vergleich zum tatsächlichen oder erwarteten Einkommen die Grenze der Realisierbarkeit einer Investition. Langfristig sind die Kapitalmarktbedingungen aber die entscheidende Größe für den Umfang der Wohnungsbautätigkeit. Der Zusammenhang zwischen Zins und Bautätigkeit läßt sich unmittelbar an den Darlehenszusagen und Auftragseingängen im Wohnungsbau nachvollziehen. Entscheidenden Anteil an der Finanzierung von Wohnungsbauinvestitionen haben die Finanzierungsinstitute: Bei diesen handelt es sich nicht um eine einheitliche Gruppe von Anbietern. Insbesondere durch die Struktur und Herkunft ihrer Refinanzierungsmittel, aber auch durch ihre eigentliche Zweckbestimmung ergeben sich Unterschiede. Heute befassen sich im wesentlichen folgende Anbietergruppen mit der Finanzierung von Wohnungsbauinvestitionen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute Private Hypothekenbanken Universalbanken ((Kreditbanken, Genossenschaftsbanken, Sparkassen) Versicherungs- und Sozialversicherungsträger Bausparkassen Finanzierungsverbände - öffentlich-rechtlicher Sektor - Genossenschaftssektor - Großbankensektor

4.2 Nachfrageseite Mit der Nachfrage direkt verbunden sind Märkte, die Produkte der Ausgestaltung und Organisation des Wohnvollzugs bereitstellen. Neu- und Ersatzbeschaffungen werden von Haushalten bevorzugt zu Zeitpunkten vorgenommen, in denen sie Wohnungswechsel vornehmen. Aber auch ansonsten besteht insbesondere durch Wohnungseigentümer rege Nachfrage an verbundenen Märkten: An erster Stelle steht in diesem Zusammenhang sicherlich die Möbelbranche. Wohnbezogen sind darüber hinaus die Märkte für Haushaltselektrogeräte, für Unterhaltungselektronik wie für Do-it-yourself-Artikel. Neben diesen direkten Beziehungen bestehen aber auch indirekte Wirkungen auf andere Märkte, die aus der speziellen Situation der Preisbildung in der B R D resultieren: Die Reglementierung des Preisbildungsprozesses in der Nachkriegszeit erfolgte mit dem Ziel, die Belastung der Haushaltsbudgets in tragbaren Grenzen zu halten. Effekt dieser Maßnahmen war es aber auch, daß global die Mieten unterhalb der tatsächlichen Kostenniveaus rangierten. Bei marktmäßiger Preisbildung hätten sich unter Berücksichtigung der Knappheitsverhältnisse höhere Preise für Wohnnutzung entwickeln müssen.

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Die Nachfrageseite am Mietwohnungsmarkt bezog und bezieht so permanent eine Rente, die aus der Differenz zwischen reglementierter Miete und Marktmiete bei freier Preisbildung resultiert. Die Renten haben auch den Lebensstandard finanzieren helfen, der gegenwärtig als selbstverständlicher Besitzstand angesehen wird. Das Niveau der Versorgung mit Automobilen, die Selbstverständlichkeit aufwendiger Urlaubsreisen, der Ausstattungsstandard mit Unterhaltungselektronik; diese Beispiele verdeutlichen, welcher Standard bei einer freien Mietpreisbildung und einem größeren Gewicht der Wohnkosten in den privaten Haushaltsbudgets in dem realisierten Maße nicht erreichbar gewesen wäre. Dies verdeutlicht aber auch, warum eine völlige Liberalisierung des Wohnungsmarktes politisch nicht durchsetzbar ist. Die Konzentration der Nachfrage auf andere Märkte verengt die Chancen einer Normalisierung am Wohnungsmarkt.

5. Zur Rolle des Staates Die den Industriegesellschaften westlicher Prägung eigene Organisationsform der Güterverteilung wird als „Marktwirtschaft" bezeichnet. Typisch für diese ist die Möglichkeit der einzelnen Marktteilnehmer, ihre individuellen Dispositionen frei vornehmen zu können. Hieraus entstehen eine Vielzahl dezentraler Produktions- und Versorgungspläne, deren Koordination auf den Märkten für die einzelnen Güter mit Hilfe des Preismechanismus erfolgt. Der Preis ist Indikator für die Knappheitsverhältnisse am jeweiligen Markt. In der Realität des Wohnungsmarktes zeigen sich jedoch die Grenzen eines derartigen theoretischen Konzeptes: a) Das System benötigt zu seinem Funktionieren eine atomisierte Angebotsstruktur (vollständige Konkurrenz). Diese ist nicht an allen Märkten gegeben, so daß sich einzeilig Marktmacht aufbauen kann. b) Der Preismechanismus erfordert, um friktionslos funktionieren zu können, eine hohe Flexibilität der Marktreaktionen. Diese ist am Wohnungsmarkt weder der Angebotsseite (lange Produktionsdauer, Langlebigkeit des Gutes), noch der Nachfrageseite (keine stufenlose Mengenanpassung) möglich. c) Die reine Marktwirtschaft besitzt keine Steuerungspotentiale zur Bewältigung sozialer Probleme. Eine angemessene Grundversorgung ist in derartigen Situationen nur über Subsidien sicherzustellen. Diese Aufgabe fällt in einem sozial verpflichteten Gemeinwesen wie der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20, Abs. 1 GG überwiegend dem Staate zu (insbesondere bei der Versorgung mit Gütern zur Befriedigung (nicht substituierbarer) menschlicher Grundbedürfnisse). In der Diskussion um die ordnungspolitische Ausrichtung einer Volkswirtschaft ist grundsätzliche Übereinstimmung dahingehend festzustellen, daß Korrektive unerwünschter sozialer Nebenwirkungen der freien Marktwirtschaft notwendig sind. Allerdings divergieren die Ansichten darüber beträchtlich, wie und mit welcher Intensität derartige Eingriffe vonstatten gehen sollen. Während etwa das von Müller-Armack geprägte Konzept der „sozialen Marktwirtschaft" nur Eingriffe in das Marktgeschehen für zulässig erachtet, die den Wettbewerb sichern, die Leistungsmotivation des einzelnen erhalten und „marktkonform" in dem Sinne sind, daß nicht direkt in den Marktprozeß eingegriffen wird, existieren ebenso Lehrmeinungen,

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die das völlige Außerkraftsetzen des Marktmechanismus zur Sicherung sozialer Belange zumindest temporär für legitim erachten. Der Einfluß des Staates auf den Wohnungsmarkt konzentriert sich vornehmlich auf vier Bereiche: a) Die Mietvertragsparteien sind in der Preisvereinbarung grundsätzlich frei (mit Ausnahme des preisgebundenen öffentlich geförderten Wohnungsbaus), das M H G schränkt jedoch Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen auf die ortsübliche Vergleichsmiete ein. Darüber hinaus wird Mietern im Grundsatz ein Dauerwohnrecht zugestanden, das nur (vgl. oben) in Fällen von Vertragsuntreue des Mieters oder dringendem und berechtigtem Interesse des Vermieters gekündigt werden kann. b) Der Wohnungsbau wird durch eine Reihe von Steuervergünstigungen gestützt, die sich z.T. auf selbstgenutzten Wohnraum beschränken und damit direkt der Eigentumsförderung dienen (lOe EStG) oder aber dem gesamten Wohnungsbau zugute kommen (Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7 Abs. 5 EStG). c) Durch die Förderung des Wohnungsbaus mit öffentlichen Mitteln (Objektförderung) wird ein Angebot zu einem Preis (Bewilligungsmiete) erzeugt, zu dem sonst keines am Markt zustande käme, da entstehende Kosten erheblich unterschritten werden. Als Gegenleistung muß der Vermieter eine Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit hinnehmen, er muß eine Mietpreisbindung einhalten und darf nur an Haushalte innerhalb bestimmter Einkommensgrenzen vermieten. Dadurch entsteht ein Teilmarkt ohne freie Preisbildung und mit Zugangsbeschränkungen für die Wohnungsnachfrager. Subventionstechnisch bedingte Mietverzerrungen und der Verbleib vieler Mieter auch nach Überschreitung der Einkommensgrenzen in den Sozialwohnungen (Fehlbelegung) sind Probleme der Objektförderung. d) Das Wohngeld ist eine direkte Transferzahlung des Staates an die privaten Haushalte in Abhängigkeit von Einkommens- und Miethöhe (Subjektförderung). Die Fehlsubventionierungsprobleme der Objektförderung werden hierdurch vermieden. Es ist jedoch fraglich, ob das Wohngeld eine tatsächliche Angebotsausweitung durch die Stärkung der Nachfragerkaufkraft bewirkt und wieweit der Subventionseffekt nicht durch Preiserhöhungen auf der Anbieterseite wieder aufgesogen wird. Um die Frage, in welcher Form sich der Staat zukünftig an den Wohnungsmärkten engagieren soll, wird derzeit eine breite Diskussion geführt. Nachdem Mitte der 80er Jahre diese Aufgabenstellung für Wohnungspolitik nicht mehr gegeben schien, zeichnen sich nunmehr wiederum partielle Marktengen ab, die ihre Ursachen in Zuwanderungen in die BRD, anhaltenden Haushaltsneugründungen sowie Nachfrageausweitungen aufgrund von Einkommenszuwächsen haben. Marktorientierte Lösungsvorschläge, die einen Rückzug des Staates aus der preisverzerrenden Objektförderung vorsehen und über Wohngeld den Markt sozial absichern wollen, konkurrieren mit Ansätzen, die durch Kapital- und Aufwandssubventionen direkt Angebot induzieren und darüber hinaus auch den Bestandsmarkt durch einen verschärften Mieterschutz zusätzlich reglementieren möchten. Dieser ordnungspolitische Prinzipienstreit verdeckt die eigentliche Grundfrage nach dem bestmöglichen Weg, Investoren zur Kapitalanlage im Wohnungsbau zu

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bewegen. Unbestritten ist, daß noch für eine bestimmte Zeit Wohnungsneubauproduktion durch staatliche Maßnahmen induziert werden muß, um Engpässe zu beseitigen. Die Akteure der Wohnungspolitik sollten daher, statt um ordnungspolitische Prinzipien zu streiten, die eher akademischen Charakter tragen, sich darum bemühen, die Interessenlagen der potentiellen Investoren über geeignete Förderungen optimal mit der politischen Interessenlage zu verbinden. Denn während sich ein privater Kapitalanleger seine Investition im Wohnungsbau steuerlich optimieren kann und deshalb direkte Fördermaßnahmen bei ihm lediglich Mitnahmeeffekte auslösen würden, sind institutionelle Anleger in ihren steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten eingegrenzt und daher bei vorgegebenem Preisniveau (in unterschiedlichem Maße) auf direkte Förderungsmittel angewiesen. Staatliche Intervention an den Wohnungsmärkten wird daher in Zukunft flexibler agieren müssen. Nicht flächendeckende Förderungsprogramme, sondern die individuelle Vereinbarung mit Investoren zur Durchführung einer konkreten Maßnahme an einem bestimmten Standort werden die optimale Strategie sein. Im Übergang zur Liberalisierung des Wohnungsmarktes und damit dem sukzessiven Abbau staatlicher Interventionen sind differenziertere Instrumente erforderlich, als sie zum Abbau großer Marktdefizite in der Nachkriegszeit benötigt wurden.

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2. Wohnungsmärkte im gesamtwirtschaftlichen Gefüge

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3. Wohnen und Wohnung als Soziologische Kategorie 1.0 Begriffe und Begriffsbestimmungen Wohnen und Wohnung sind eng verwandte, nach Inhalt, Umfang und Bedeutung jedoch deutlich voneinander abzugrenzende Begriffe. Gemeinsam ist dem Wohnen und der Wohnung, daß sie an einen Ort gebunden sind. Der Ort ist dem Wohnen und der Wohnung nicht äußerlich, er ist für sie konstitutiv. Wohnen heißt, „an einem bestimmten Ort zu Hause sein, in ihm verwurzelt sein und an ihn hingehören" (Bollnow 1963). Wohnen als elementare Erscheinungs- und Ausdrucksform menschlichen Seins umfaßt daher alle die Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfinden. Von daher ist ein engerer und ein weiterer Wohnbegriff zu unterscheiden: Der weitere Wohnbegriff umfaßt alle die Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die üblicherweise am Wohnort stattfinden und schließt Arbeiten und Lernen, Sichversorgen und Sicherholen mit ein. Der engere Wohnbegriff konzentriert sich auf die Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die üblicherweise in einer Wohnung stattfinden. Der engere Wohnbegriff erfährt noch eine weitere Einschränkung, wenn er lediglich auf die Tätigkeiten und Verhaltensweisen angewandt wird, die üblicherweise in einem Wohnzimmer stattfinden. Die Grenzen zwischen den drei Wohnbegriffen sind fließend und können genau nur in einer gegebenen geographischen, historischen, kulturellen und sozialen Situation gezogen werden. Auch wenn sich, wie hier, das Interesse auf das Wohnen in einer Wohnung konzentriert, muß daher jeweils mit in Betracht gezogen werden, ob, wie und wo auch die ebenso ortsgebundenen Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die heute üblicherweise nicht in einer Wohnung stattfinden, ausgeübt werden. Die Wohnung ist das materielle Substrat des Wohnens. Nur die Materialität der Wohnung: das Dach über dem Kopf, die vier Wände als Grenze, die Tür als Übergang zwischen Innen und Außen, sichern, daß Wohnen dauerhaft stattfinden kann. Nur die Materialität der Wohnung befriedigt auch alle jene biologischen, sozialpsychologischen und sozialen Bedürfnisse, deren Erfüllung Voraussetzung des Wohnens ist: sie bietet Schutz vor den Unbilden der Witterung und vor äußeren Feinden, sie bietet Vertrautheit und Geborgenheit gegenüber dem Ansturm einer fremden und fordernden Welt, und sie bildet die Mitte, von der her und auf die hin Gesellschaft gelebt und erfahren werden kann. Die Materialität der Wohnung hat aber auch zur Folge, daß weitere technologische, ästhetische und institutionelle Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Wohnen möglich wird: der Bau einer Wohnung erfordert Baustoffe und Verfahren, die die Wohnung fest und beständig werden lassen; er erfordert Form Vorstellungen, die in die Ausgestaltung und den Schmuck der Wohnung eingehen, und er erfordert Normen und Regeln, nach denen die am Bau Beteiligten zusammenwirken und die Bewohner in ihren Eigentums- oder Nutzungsrechten gesichert werden können. Die Art und Weise, wie gewohnt wird und wie die Wohnung beschaffen ist, ist nie eindeutig vorgegeben. Sie weist eine erhebliche geographische, historische, kulturelle und soziale Spielbreite auf. Auch unter ähnlichen geographischen Bedin-

3. Wohnen und Wohnung als soziologische Kategorie

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gungen kann völlig unterschiedlich gewohnt werden, etwa in Japan oder auf den Britischen Inseln. Auch innerhalb des gleichen Kulturraums ändert sich die Wohnform im Ablauf der Geschichte und beim Übergang zwischen den Schichten, etwa im Ablauf der Industrialisierung und beim Übergang von einer bäuerlichen zur Arbeiterschicht. Die Variationsbreite und Wandelbarkeit des Wohnens steht in einem Spannungsverhältnis zur Materialität der Wohnung, die auf Dauerhaftigkeit angelegt ist. Dies Spannungsverhältnis ist umso größer, je genauer die Wohnung auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten ist, je beständiger das Material ist, aus dem sie gebaut ist, und je weiter der Bauherr und der Bewohner historisch, kulturell und sozial voneinander entfernt sind. Nur in Ausnahmefällen wird daher eine Wohnung genau die Wohnbedürfnisse der Bewohner widerspiegeln. Das Wohnen in einer bestimmten Wohnung ist in der Regel das Ergebnis eines Kompromisses, und das heißt: eines wechselseitigen Anpassungsprozesses, der die Wohnbedürfnisse der Bewohner mit den Wohnmöglichkeiten, die die Wohnung bietet, in Übereinstimmung zu bringen versucht. Dieser Kompromiß muß umso ungleicher ausfallen, je weniger der Bewohner in der Lage ist, die Wohnung nach seinen Bedürfnissen und Vorstellungen auszuwählen, umzugestalten, die Ausstattung zu ändern. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Wohnen und der Wohnung ist daher dort am größten, wo die Wohnung nur gemietet und die Anpassung an die Wohnbedürfnisse auf die Verteilung der Räume, die Einrichtung und den Schmuck der Wohnung beschränkt ist. Insofern können Wohnbedürfnisse auch nicht oder nur begrenzt an der tatsächlichen Nutzung einer Wohnung abgelesen werden. Sie erschließen sich am ehesten dort, wo eine Wohnung für den eigenen Gebrauch neu gebaut oder umgebaut wird, weniger eindeutig auch dort, wo Räume oder Raumteile ihrem bisherigen Zweck entfremdet, „umfunktioniert" werden. Das Spannungsverhältnis zwischen Wohnen und Wohnung kann aber auch dadurch vermindert werden, daß die Wohnung so neutral gebaut wird, daß sie eine möglichst große Zahl unterschiedlicher Wohnbedürfnisse befriedigt, wechselnde Wohnformen erlaubt.

2.0 Sozialgeschichtliche Aspekte des Wohnens Die Vielfalt der Wohnbedürfnisse und die außerordentliche Variationsbreite der Wohnformen haben dazu geführt, daß es eine eindimensionale geschichtliche Entwicklung des Wohnens nicht gegeben hat. Schon die Hochkulturen des Altertums kannten eine hochgradige Differenzierung und Verfeinerung der Wohnbedürfnisse und Wohnmöglichkeiten, wie sie in der Neuzeit allenfalls in den Stadtpalästen, den „hötels" des französischen Adels wieder erreicht wurde. Dies galt jedoch nur für die Ober- und die wohlhabenden Teile der Mittelschicht. Die Unterschicht war, sofern sie überhaupt über gesonderte Wohnstätten verfügte, in der Regel auf einen einzigen Raum angewiesen, der allerdings meist durch einen offenen Hofraum ergänzt wurde. Und es galt nur für den südeuropäischen und vorderasiatischen Raum. In Mittel- und Nordeuropa, insbesondere bei den germanischen Völkern, herrschte bei allen Schichten das Einraumhaus vor, das neben den engeren Wohnbedürfnissen auch noch als Arbeitsstätte zu dienen hatte. Erst später wurden Schlafkammern und Wirt-

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schaftsräume abgetrennt, noch später und nur bei vermögenden Stadtbürgern auch Empfangs- und Festräume. Gemeinsam ist allen vorindustriellen Wohnformen jedoch, daß sie nicht auf die Familie, sondern auf den Haushalt bezogen waren, und zwar auf den Haushalt als Wohn- und Produktionsgemeinschaft. Dieser Haushalt, das sogenannte „Ganze Haus", bildete die soziale Einheit, auf deren Bedürfnisse und Aufgaben die Wohnung zugeschnitten war. Dies bedeutete nicht nur, daß Wohnen und Arbeiten, in welcher Form auch immer, unter einem Dach stattfanden, sondern auch, daß neben der oft um verwitwetete Großelternteile oder ledig gebliebene Geschwister erweiterten Kernfamilie auch das unverheiratete Gesinde, Knechte, Mägde, Lehrlinge, Gesellen mit im Hause des Dienstherren wohnten und am gemeinsamen Tisch aßen. Waren sie verheiratet, so wohnten sie jedoch getrennt und äußerst beengt, als Häusler, Kätner oder besitzlose Tagelöhner. Obwohl sich das „Ganze Haus" auf dem Lande und im städtischen Handwerk noch wesentlich länger gehalten hat, bahnen sich entscheidende Veränderungen bereits im 18. Jahrhundert an, zunächst im gehobenen städtischen Bürgertum. Familie und Haushalt lösen sich aus der unmittelbaren Verbindung mit dem Produktionsprozeß und schaffen sich einen eigenen privaten Bereich, ein Vorgang, der seinen räumlichen Niederschlag in der Trennung von Wohnung und Arbeitsstätte und in der Entstehung einer „Privatwohnung" findet. Diese Privatwohnung wird zum Mittelpunkt einer spezifisch bürgerlichen Wohnkultur, die zunehmend um das bürgerliche „Familienleben" kreist. Voraussetzung sowohl des bürgerlichen Familienlebens als auch der bürgerlichen Wohnkultur ist, daß die Strukturen und Beziehungen innerhalb der Familie und des Haushalts nicht mehr durch den Produktionsprozeß vorgegeben sind und sich daher zu personenbezogenen Gefühlsbeziehungen entwickeln können. Liebe zwischen den Ehepartnern und zwischen Eltern und Kindern wird damit zur entscheidenden Kraft, die den Zusammenhalt und die Stabilität der Familie garantiert. Auch wenn und wo nach wie vor weitere Familienmitglieder und Dienstboten mit im Haushalt leben, ist das häusliche Leben jetzt durch die Intimbeziehungen innerhalb der Kernfamilie geprägt. Dies stark auf die Wohnung als Privatbereich der Familie bezogene bürgerliche Familienleben, das in Romantik und Biedermeier seine endgültige Ausprägung und einen ersten Höhepunkt erfährt, wird so beispielhaft für die folgenden anderthalb Jahrhunderte, daß es lange Zeit als selbstverständlich, wenn nicht „natürlich" angesehen wird, die historischen Voraussetzungen, auf denen es beruhte - insbesondere die Freisetzung der Frau von der täglichen Erwerbsarbeit - , nicht mehr als solche erkannt wurden. Bevorzugter Ort und Sinnbild dieses Familienlebens ist das Wohnzimmer, in dem gelesen und vorgelesen, gemalt und musiziert, gelernt, gespielt und Besuch empfangen wird. Erst später und nur in großbürgerlichen Verhältnissen werden hierfür gesonderte Räume vorgesehen: das Studierzimmer und das Musikzimmer, das Spielzimmer und der Salon. Es privatisierte sich jedoch nicht nur die Familie, auch die einzelnen Familienmitglieder begannen, gegenüber der Familie einen privaten Bereich abzugrenzen. Aus Familienmitgliedern wurden Individuen. Bildung und Erziehung waren am Ideal einer Persönlichkeit ausgerichtet, deren individuelle Anlagen und Fähigkeiten in ihrer Besonderheit und Einmaligkeit voll entwickelt und in einem tätigen Leben zur Wirksamkeit gebracht waren. Ein großer Teil des Familienlebens und der Erziehung der Kinder waren diesem Ideal verpflichtet. Es konnte nicht

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lange dauern, bis sich die wachsende Individualisierung auch im Grundriß der Wohnung widerspiegelt. U m die Mitte des 19. Jahrhunderts entstehen gesonderte Kinderzimmer; Herrenzimmer und Damenzimmer kommen hinzu. Fast gleichzeitig mit der Entfaltung der bürgerlichen erfolgte jedoch eine Schrumpfung der vor- und unterbürgerlichen Wohnkultur. Die ländlichen und städtischen Unterschichten hatten zwar immer außerordentlich dürftig gewohnt, die Dürftigkeit der Wohnung wurde aber in der Regel durch Hof und Garten gemildert. Die städtischen Mietwohnungen für die neue Industriearbeiterschaft, die jetzt in großer Eile und Dichte gebaut werden, kennen eine solche Ergänzung nicht. Sie bestehen meist nur aus Stube und Kammer, in denen geschlafen und gekocht, gewaschen und genäht, gelernt und gespielt, oft noch ein Schlafgänger aufgenommen und Heimarbeit verrichtet werden muß. Auch wenn die Wohnungen bessergestellter Arbeiter, mit „guter Stube" und gesondertem Schlafzimmer für die Eltern und kleineren Kinder, schon bald bürgerlichen Vorbildern folgten, für ein entsprechendes Familienleben war unter solchen Voraussetzungen weder Platz noch Zeit, noch weniger für Individualbereiche einzelner Familienmitglieder. Als Reaktion auf die physische und psychische Verelendung, die die Wohnverhältnisse der Arbeiterschaft zur Folge hatten, setzten bereits früh Reformbestrebungen ein, die sich jedoch erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer eigentlichen „Bewegung" verdichteten. Die Wohnungsreformbewegung orientierte sich zunächst an vorindustriellen Leitbildern. Auch der städtische Industriearbeiter sollte über Haus, Hofraum und Garten verfügen. Fast immer sahen die so entstehenden Arbeitersiedlungen auch Gemeinschaftseinrichtungen vor, die sich ebenfalls an dörfliche Vorbilder anlehnten. Erst nach dem Ersten Weltkrieg brach sich die Erkenntnis Bahn, daß es unmöglich sein würde, die gesamte städtische Industriearbeiterschaft in gartenstädtischen Siedlungen unterzubringen. Wohnungsreform bedeutet jetzt mehr und mehr Reform auch des Geschoßwohnungsbaus. Die Mustersiedlungen, Musterhäuser, Musterwohnungen, Musterküchen, auf deren Entwurf und Gestaltung sich vor allem die Vertreter des „Neuen Bauens" konzentrieren, waren aber nicht nur als Gegenmodelle gegen die elende Mietwohnung des 19. Jahrhunderts gedacht; sie waren ebenso Gegenmodelle gegen das bürgerliche Wohnen, dessen Hang und Zwang zur Repräsentation im Mittelpunkt der Kritik standen. Das neue Wohnen sollte ein „befreites Wohnen" sein, ein Wohnen, das nicht nur Licht, Luft, Bewegung, Öffnung, Berührung mit Himmel und Erde versprach, sondern auch, und dies vor allem für die Frau, Befreiung von aller überflüssigen Hausarbeit, Befreiung für schöpferische Tätigkeit. Effektivere Grundrisse, funktionellere Möbel, rationellere Arbeitsabläufe dienten zunächst und zuvörderst diesem Ziel. Auch wenn später der aus öffentlicher Not geborene Zwang, auch die Reformwohnung auf das Existenzminimum zu beschränken, in den Vordergrund trat, die Rationalisierung und Funktionalisierung der Wohnung auf ein möglichst zweckhaftes Wohnen hin hat hier ihren Ursprung, ebenso allerdings auch schon eine Kritik, die vor der „diktatorischen Methode" warnte, mit der der Mensch zum „abstrakten Wohnwesen" gemacht wird, dem seine „Wohndiät" genau vorgeschrieben ist (Behne 1930).

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I. Einführung

3.0 Wohnen und Wohnung im Lebensablauf Schon seit längerem ist bekannt, daß entscheidende Veränderungen der familiären Situation, insbesondere Heirat, Geburt von Kindern, Scheidung, der Tod eines Ehepartners, in modernen Industriegesellschaften fast regelmäßig zu einem Wechsel der Wohnung führen (Rossi 1955), ein Indiz sowohl dafür, daß sich die Wohnbedürfnisse im Ablauf der familialen Biographie ändern, als auch dafür, daß derartige Änderungen im allgemeinen nicht mehr durch Erweiterung oder Umbau der bisherigen Wohnung aufgefangen werden können. Inzwischen wird zunehmend deutlich, daß ähnliche Zusammenhänge auch mit der individuellen Biographie bestehen. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen haben sich die Lebensläufe individualisiert, die Familienbildung ist nicht mehr selbstverständlich. Zum anderen werden mit zunehmender Individualisierung die nach Alter und Lebenslage unterschiedlichen Wohnbedürfnisse deutlicher wahrgenommen und in konkrete Wünsche und Ansprüche übersetzt. Schließlich können mit wachsendem Wohlstand diese Wünsche und Ansprüche eher realisiert, das heißt: in eine marktfähige Nachfrage umgesetzt werden. Mehr als zuvor sind daher die einzelnen Phasen auch des individuellen Lebenslaufs zum bestimmenden Faktor der Haushaltsbildung und der Wohnungsnachfrage geworden. Hinzu kommt, daß sich, aus sozio-ökonomischen wie aus sozio-kulturellen Gründen, Eintritt und Dauer der einzelnen Lebensphasen verschoben haben, neue Lebensphasen hinzugekommen sind. Obwohl die Kindheit als eigenständiger Lebensabschnitt erst relativ spät entdeckt, noch später die kindlichen Bedürfnisse gesellschaftlich anerkannt und in gesellschaftliche Normen und Institutionen umgesetzt wurden, ist die kindliche Entwicklungspsychologie inzwischen zu einer der am weitesten fortgeschrittenen und auch keineswegs nur theoretisch wirksamen Wissenschaften geworden. Sieht man vom Säuglingsalter ab, in dem, abgesehen von ausreichender Belüftung und Besonnung, noch kaum gesonderte Ansprüche an die Wohnung gestellt werden, so lassen sich vier Phasen der Kindheit unterscheiden, die durch eine zunehmende „Eroberung" der räumlichen Umwelt gekennzeichnet sind: Das Kleinkindalter mit einer ersten Phase, die etwa bis zum dritten Lebensjahr reicht und in der das Kind im wesentlichen auf die Wohnung und das engere Umfeld der Wohnung, auf Hof, Garten oder Spielplatz, beschränkt ist, und einer zweiten Phase, die bis zum sechsten Lebensjahr dauert und in der sich, mit dem Eintritt in den Kindergarten, sowohl der räumliche wie der soziale Aktionsbereich erheblich erweitern, gleichzeitig aber auch die Raumansprüche innerhalb der Wohnung größer werden. Das Schulkindalter, auch dies mit einer ersten Phase, die etwa bis zum zehnten Lebensjahr dauert und in der das Kind, trotz wachsender Selbständigkeit im Umgang mit der räumlichen und sozialen Umwelt, immer noch überwiegend auf die Familie und den häuslichen Bereich bezogen bleibt, und einer zweiten Phase, bis zum 14. Lebensjahr, in der Freundschaften mit Gleichaltrigen („peers") und gemeinsame Aktivitäten in außerhäuslichen „Revieren" und „Streifräumen" an Bedeutung gewinnen, ebenso aber auch die Möglichkeit, sich mit den Freunden in einen eigenen Bereich innerhalb der elterlichen Wohnung zurückzuziehen, wobei die selbständige Ausgestaltung dieses Bereichs wesentlich zur Identitätsfindung und Persönlichkeitswerdung beiträgt.

3. Wohnen und Wohnung als soziologische Kategorie

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Beides gilt auch noch für die Jugend, die allerdings nach Art und D a u e r weit mehr von schichtspezifischen Kriterien abhängig ist als die Kindheit. Schon früh wurde daher zwischen einer „bevorzugten Jugend", die überwiegend in jugendspezifischen Einrichtungen, insbesondere in weiterführenden Schulen, verbracht wird, und einer „benachteiligten Jugend" unterschieden (Neidhardt 1966), die auch bei Eintritt in eine Lehre, erst recht bei A u f n a h m e einer ungelernten Tätigkeit sehr schnell in die Erwachsenenwelt führt. Junge Arbeiter hatten immer eine kürzere Jugend als Oberschüler und Studenten. Inzwischen haben sich, mit vermehrten Übergängen in weiterführende Schulen, diese Unterschiede zwar generell vermindert. Für die Jugendlichen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht in das erweiterte Bildungssystem übergehen, sind sie damit aber doppelt gravierend. Umso wichtiger werden jugendspezifische Einrichtungen im unmittelbaren Umfeld der Wohnung, die kompensatorische Funktionen übernehmen können: Jugendzentren, Freizeitheime, Sportstätten, auch Kulturfabriken und „Werkstätten" aller Art, sofern sie nur jugendspezifische Programme anbieten. Umso wichtiger bleibt aber auch der eigene Bereich innerhalb der elterlichen Wohnung, sowohl als individueller Rückzugs- und Gestaltungsraum wie als Begegnungsraum mit Freunden. Ist dieser nicht vorhanden oder wird er vorenthalten, so macht sich sehr schnell der Wunsch nach einer eigenen Wohnung bemerkbar. Traditionell endete die Jugend und begann das Erwachsenenalter mit d e m A b schluß der Ausbildung und dem Eintritt in das Berufsleben, auf die relativ bald die Heirat und Familienbildung folgten. Je nach Art und D a u e r der Ausbildung endete die Jugend damit oft bereits mit dem 18., spätestens mit dem 23. oder 24. Lebensjahr. Inzwischen haben sich die Schul- und Ausbildungszeiten verlängert, wobei oft an eine erste noch eine zweite, weiterführende Ausbildung angeschlossen wird. Außerdem haben sich die Suchzeiten zwischen dem Abschluß der Ausbildung und dem Beginn einer der Ausbildung entsprechenden und auf D a u e r angelegten Tätigkeit ausgedehnt. Zwischen Jugend und Erwachsensein hat sich damit eine neue Lebensphase eingeschoben, die häufig als Nach-Jugend oder Postadoleszenz bezeichnet wird. Diese Nach-Jugend ist in fast allen Bereichen durch Ungewißheiten und Vorläufigkeiten gekennzeichnet: Im ökonomischen Bereich dadurch, daß der Lebensunterhalt in der Regel durch Transferzahlungen, sei es von Seiten der Eltern, sei es von Seiten des Staates bestritten wird, zusätzlich oder ersatzweise auch durch „Jobben"; im sozialen Bereich dadurch, daß m a n der traditionellen Schüler-, Lehrlings- oder Studentenrolle entwachsen, eine Berufsrolle aber noch nicht gefunden ist; im persönlichen Bereich dadurch, daß angesichts der Ungewißheiten und Vorläufigkeiten im ökonomischen und sozialen Bereich dauerhafte Bindungen und Verpflichtungen noch nicht eingegangen werden können. Gewiß ist nur, daß ein erhebliches Bedürfnis nach Autonomie und Selbständigkeit besteht und daß in diesem R a h m e n dem „selbstbestimmten Wohnen" ein hoher Stellenwert zukommt, und das heißt: dem Wohnen in einer eigenen Wohnung. O b diese eigene Wohnung allein, zusammen mit einem Partner oder mit Freunden bewohnt wird, ist dabei von sekundärer Bedeutung und oft weniger von ideellen Motiven bestimmt als von den finanziellen Möglichkeiten. Traditionell war mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter die Familienbildung verbunden. Obwohl sich mit dem Entstehen einer Nach-Jugend der Beginn des Erwachsenenalters oft bis jenseits des 25. Lebensjahres verschoben hat, ist auch

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dies nicht mehr selbstverständlich. Es gibt eine wachsende Zahl von Personen, die entweder überhaupt nicht heiraten oder, wenn sie heiraten oder unverheiratet mit e i n e m Partner zusammenleben, auf Kinder verzichten. D i e Heiratshäufigkeit ist in den letzten Jahrzehnten erheblich zurückgegangen, in manchen Altersjahrgängen auf weniger als die Hälfte; Zahl und Anteil der freiwillig kinderlosen Paare haben sich laufend erhöht (Tab. 1). Sie werden heute auf etwa 15 bis 20% aller Paare geschätzt. D i e Wohnbedürfnisse und Wohnansprüche einer zunehm e n d e n Zahl von Erwachsenen richten sich daher eher nach d e m Ablauf ihrer individuellen als nach dem Ablauf einer wie auch immer gearteten familialen Biographie. Tabelle 1 Demographische Strukturdaten 1960-19901

Lebendgeborene je 1000 Einwohner

1960

1970

1980

1990

17,4

13,4

10,1

11,5

Nichtehelich Lebendgeborene je 100 Lebendgeborene

6,3

5,5

7,6

10,2

Eheschließungen je 1000 Einwohner

9,4

7,3

5,9

6,6

Ehescheidungen je 10000 bestehende Ehen

35,7

50,9

61,3

81,0

Eheschließungen je 1000 ledige Männer im Alter von 25 Jahren 30 Jahren 34 Jahren

2121 1871 1331

181 123 68

107 79 44

70 93 63

Eheschließungen je 1000 ledige Frauen im Alter von 25 Jahren 30 Jahren 34 Jahren

2381 1071 551

217 105 57

126 75 38

118 96 56

Durchschnittliches Heiratsalter der erstmals Heiratenden Männer Frauen

25,9 23,7

25,6 23,0

26,1 23,4

28,4 25,9

Ehepaare mit... ledigen Kindern in der Familie in % aller Ehepaare2 0 Kinder 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 und mehr Kinder

34,33 30,43 21,53 8,73 5,23

35,9 27,2 22,0 9,3 5,6

38,8 26,2 23,1 8,3 3,7

43,24 26,54 22,24 6,14 1,94

Durchschnittliche Lebenserwartung in Jahren Männer Frauen

1960/62 66,9 72,4

1970/72 67,4 73,8

1980/82 70,2 76,9

1990/92 72,9 79,3

1 2 3 4

alte Bundesländer nur Kinder, die noch mit ihren Eltern zusammenleben 1961 1991

Quelle: Statistisches Jahrbuch 1993 für die Bundesrepublik Deutschland; Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 3: Haushalte und Familien 1992; Wirtschaft und Statistik, Heft 3/1993.

3. Wohnen und Wohnung als soziologische Kategorie

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Aber auch bei denen, die heiraten und Kinder haben, haben sich Eintritt und Dauer der elterlichen Phase verschoben. Das durchschnittliche Heiratsalter der erstmals Heiratenden, das über die vorangegangenen 50 Jahre hinweg stetig gesunken war, ist seit 1970 wieder deutlich gestiegen. Es lag 1993 bei Männern bereits bei 29,2 Jahren, bei Frauen bei 26,8 Jahren, in den Großstädten noch um ein bis zwei Jahre höher. 1 Und auch wenn eine Heirat erfolgt ist, wird länger mit Kindern gewartet. Die durchschnittliche Ehedauer der Eltern bei der Geburt des ersten Kindes hat sich in den gleichen Jahren um nahezu ein Jahr erhöht. Das zweite Kind folgt in der Regel nach zwei bis drei Jahren; daß dritte und weitere Kinder geboren werden, gehört mehr und mehr zu den Ausnahmen. Der Zeitraum, innerhalb dessen sich die Familie noch vergrößert, hat sich damit auf fünf bis sechs Jahre vermindert. Auch wenn die meisten Kinder das Elternhaus heute kaum eher verlassen als früher - das durchschnittliche Auszugsalter liegt zur Zeit bei etwa 21 Jahren - , hat sich die elterliche Phase damit insgesamt verkürzt. Der Ablauf der elterlichen Phase ist zum einen durch den Ablauf der Entwicklungsphasen der Kinder bestimmt, zum anderen durch das Ausmaß der Erwerbstätigkeit der Mütter. Von daher ergibt sich eine Zweiteilung in eine erste Phase, in der die Kinder noch weitgehend auf eine stetige Betreuung durch die Mutter oder eine gleichrangige Bezugsperson angewiesen sind, und eine zweite Phase, in der sie langsam selbständiger werden. Wenn die Frauen ihre Erwerbstätigkeit nicht bei der Geburt des ersten, häufiger noch bei der Geburt des zweiten Kindes ganz aufgeben, versuchen sie, dem zunächst durch eine Reduzierung, später wieder durch eine Erhöhung der Arbeitszeit Rechnung zu tragen. Dies gilt für vollständige wie für unvollständige Familien, wenngleich alleinstehende Mütter und Väter häufiger darauf angewiesen sind, voll erwerbstätig zu bleiben. Die Wohnbedürfnisse in der elterlichen Phase richten sich in erster Linie nach dem wachsenden Raumanspruch der Kinder, zunehmend aber auch nach dem Wunsch gerade erwerbstätiger Eltern nach privaten Rückzugsräumen innerhalb der Wohnung. Unerläßlich sind darüber hinaus familienspezifische Einrichtungen der sozialen Infrastruktur, vor allem Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder, im unmittelbaren Umfeld der Wohnung. Hier gilt in besonderem Maße, daß Wohnen (im weiteren Sinne) nicht nur innerhalb der Wohnung stattfindet. Es gibt Wohnfolgeeinrichtungen, die besser als Wohnvoraussetzungseinrichtungen bezeichnet würden. Die Entstehung einer Nach-Jugend bei den Kindern bedeutet für die Eltern, daß sich die Übergänge zwischen der elterlichen und der nachelterlichen Phase verwischt und verlängert haben. Die Kinder sind zwar aus dem Haus, die Unsicherheit ihrer Lebenssituation veranlaßt aber viele Eltern, ihnen ihren Platz innerhalb der Wohnung noch relativ lange freizuhalten. Trotzdem tritt in dieser Phase eine spürbare Entlastung der Eltern ein, insbesondere dann, wenn beide Eltern wieder erwerbstätig und keine auswärtigen Ausbildungen zu bezahlen sind. Die Eltern haben, oft zum ersten Mal während ihrer Ehe, finanzielle Spielräume, die zumindest überall dort, wo zwei Renteneinkommen zur Verfügung stehen, auch durch den Übergang in den Ruhestand nicht mehr gravierend eingeschränkt wer-

1

Diese und alle folgenden Zahlenwerte beziehen sich auf die alten Bundesländer. Auch wo sie inzwischen vorliegen, hätten Angaben für die Bundesrepublik insgesamt Trendaussagen unmöglich gemacht, Kontinuitäten auf der einen, Brüche auf der anderen Seite verdeckt.

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I. Einführung

den. Insofern besteht auch von daher kein Anlaß, die Familienwohnung gegen eine kleinere Wohnung zu vertauschen. Das oder die Kinderzimmer werden zum Fernsehzimmer, zum Arbeitszimmer oder zum Gästezimmer, manche Eltern leisten sich jetzt auch getrennte Schlafzimmer, die als Individualräume ausgestaltet werden. In ihren späteren Jahren überschneidet sich die nachelterliche Phase zunehmend mit dem Alter. Allerdings ist es immer weniger möglich, von dem Alter zu sprechen. Ähnlich wie die Jugend hat auch das Alter in den letzten Jahrzehnten sowohl seine Dauer wie seine Erscheinungsformen erheblich verändert. Obwohl der biologische Alterungsprozeß kontinuierlich und außerdem individuell sehr unterschiedlich verläuft, wird der Beginn des Alters in den meisten Industriegesellschaften mit dem Eintritt in den Ruhestand gleichgesetzt. Solange dieser mit 65 Jahren erfolgte und, wie noch 1960/62, die weitere Lebenserwartung der Männer in diesem Alter bei 12 Jahren, die der Frauen bei 15 Jahren lag, war das Alter kurz, ein Lebensrest, der im wesentlichen von der vorangegangenen Berufs- und Familienphase zehrte und keine eigene Zukunft hatte. Seitdem der Eintritt in den Ruhestand zunehmend mit dem 60. Lebensjahr erfolgt - 1992 waren nur noch 34,8% der 60- bis 65jährigen Männer erwerbstätig - und die weitere Lebenserwartung in diesem Alter 18 bzw. 22,4 Jahre beträgt, dauert das Alter weit länger und ist in den ersten Jahren biologisch kaum noch vom späten Erwachsenenalter zu unterscheiden. Vor allem hat es auch eine eigene Zukunft gewonnen. Behält man das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben als entscheidende Zäsur bei, so lassen sich daher heute drei Altersphasen unterscheiden: Das , junge Alter", das bei entsprechender Gesundheit bis zum 70. Lebensjahr dauern kann und in dem die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit noch kaum eingeschränkt ist; das mittlere Alter, das mit erhöhter gesundheitlicher Labilität und langsamer Verminderung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit verbunden ist, und das hohe Alter, jenseits des 80. Lebensjahres, in dem zumindest temporär eine gewisse Betreuung, wenn nicht Pflege erforderlich wird. Modellrechnungen haben ergeben, daß sich die Zahl der über 80jährigen von 2,2 Mio. im Jahr 1992 auf etwa 3,8 Mio. im Jahr 2020 erhöhen wird und daß der größte Teil dieser über 80jährigen alleinstehen wird. Man kann davon ausgehen, daß in allen drei Altersphasen der dringende Wunsch besteht, die eigene, und das bedeutet bis jetzt meist auch: die vorhandene Wohnung beizubehalten. Allenfalls wird ein bisheriger Zweitwohnsitz zum Hauptwohnsitz erklärt. Der Umzug in eine „Seniorenresidenz", die ohne Einschränkung der Selbständigkeit und der verfügbaren Wohnfläche zusätzlich altersspezifische Dienstleistungen anbietet, ist schon aus Kostengründen noch einer Minderheit vorbehalten. Umso wichtiger wird ein ausreichendes Angebot an öffentlichen und privaten Hilfs- und Pflegediensten im unmittelbaren Umfeld der Wohnung, wenn nicht in der Wohnung selbst, auf die sich der Aktionsraum vor allem im hohen Alter zunehmend konzentriert. Ob, wenn nicht schwere und dauerhafte Pflegebedürftigkeit gegeben ist, für die nach wie vor nur Heime in Frage kommen, Einsamkeit und gesundheitliche Labilität durch Altenwohngemeinschaften aufgefangen werden können, ist zur Zeit noch schwer zu übersehen. Immerhin werden mit der Zeit auch solche Personengruppen in das höhere Alter hineinwachsen, die diese Wohnform in ihrer Jugend kennengelernt und sich im Umgang mit ihr geübt haben.

3. Wohnen und Wohnung als soziologische Kategorie

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4.0 Haushalt und Wohnung Mehr als in den 150 Jahren zuvor ist heute wieder der Haushalt, nicht die Familie, die für die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt entscheidende soziale Einheit. In engem Zusammenhang mit der Individualisierung und Differenzierung der Lebensläufe und der abnehmenden Bedeutung der Familienphase mußte sich daher auch das relative Gewicht der einzelnen Haushaltstypen verschieben, neue Haushaltstypen mußten hinzukommen. Dies betrifft zunächst das relative Gewicht der Familienhaushalte (Tab. 2). Zwar lebt immer noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Familienhaushalten, als Wohn- und Wirtschaftseinheit hat der Familienhaushalt seine dominierende Stellung jedoch eingebüßt. Haushalte, in denen Eltern oder Elternteile mit ihren Kindern zusammenleben, machten 1992 nur noch 36,2% aller Haushalte aus, Dreigenerationenhaushalte nur noch 1,1%, beides mit abnehmender Tendenz. Zugenommen haben nur Zahl und Anteil der alleinerziehenden Elternteile, die inzwischen nahezu 17% aller Familienhaushalte stellen. Auch sind die Familienhaushalte kleiner geworden. In 51,1% der Haushalte, in denen überhaupt Kinder lebten, lebte 1991 nur noch ein Kind, in 36,1% zwei Kinder, nur in 9,7% der Haushalte gab es drei, nur in 3% vier und mehr Kinder. Für die Wohnungsversorgung der Familienhaushalte ist von entscheidender Bedeutung, daß, trotz Kinderfreibeträgen und Kindergeld, der Lebensstandard einer Familie mit jedem weiteren Kind deutlich sinkt. Schon bei zwei Kindern reduziert sich das Pro-Kopf-Einkommen eines Haushalts - gegenüber dem ProKopf-Einkommen eines kinderlosen Ehepaares - um mehr als ein Drittel, bei drei Kindern um mehr als die Hälfte (Tab. 3). Die Gründe liegen auf der Hand: Es stehen nicht mehr zwei, sondern allenfalls anderthalb, oft nur noch ein Erwerbseinkommen zur Verfügung, gleichzeitig müssen mehr Personen von diesem Einkommen leben. Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß vor allem kleinere Kinder weniger kosten, ist die Schlechterstellung der Familienhaushalte nicht zu übersehen. Entsprechend schwach ist ihre Stellung auf dem Wohnungsmarkt, entsprechend bescheiden die Ausstattung mit Wohnfläche pro Person. Reine Erwachsenenhaushalte stellen heute, mit einem Anteil von mehr als 60%, die Mehrheit aller Privathaushalte. Dabei ist die Zunahme der Erwachsenenhaushalte nur zum geringeren Teil der Zunahme der in der Tat kinderlosen Paare zuzuschreiben. Stärker fällt ins Gewicht, daß sich im Rahmen des Familienzyklus die elterliche Phase im Vergleich zur vorelterlichen, vor allem aber zur nachelterlichen Phase verkürzt hat. Die „Ehepaare ohne Kinder", die die Statistik ausweist, sind also zum größeren Teil ältere Paare, deren Kinder das Elternhaus bereits verlassen haben. Ihre Wohnungsversorgung ist im allgemeinen gut, der Wohnungsstandard hoch. Von größerem Einfluß auf die Zunahme der Erwachsenenhaushalte als die Zunahme der Ehepaare ohne Kinder ist die Zunahme der Einpersonenhaushalte, die inzwischen 35% aller Haushalte stellen, in Großstädten sogar mehr als 44%. Auch wenn die Zahl der Einpersonenhaushalte nicht mit der Zahl der Personen identisch ist, die allein eine Wohnung bewohnen - auch Untermieter und Mitglieder von Wohngemeinschaften, die angeben, allein zu wirtschaften, werden als Einpersonenhaushalte gezählt - , kommt hierin die wachsende Bedeutung dieses Haushaltstyps zum Ausdruck.

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I. Einführung

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98

II. Wohnungswirtschaftspolitik

Mit dieser Umgestaltung der steuerlichen Förderung kann man davon ausgehen, daß vorerst die häufigen steuerrechtlichen Änderungen - die kompliziert waren und zur Unübersichtlichkeit führten - zu einem Abschluß gelangt sind.

5.0 Interdependenzen auf den Teilmärkten Der Wohnungsmarkt ist nicht nur unvollkommen, sondern er ist auch dadurch gekennzeichnet, daß Teilmärkte vorhanden sind und daß Interdependenzen bestehen. Drei Ansätze beschreiben diese Interdependenzen: (1) Filtering-Theorie: Ansatzpunkt ist die Qualität der Wohnungen im .Lebenslauf' eines Objektes. (2) Sickerprozesse: Wohnungen sind durch Umzugsketten miteinander verbunden. (3) Arbitrage-Modell: Bei diesem Modell werden die sozio-kulturellen unterschiedlichen Nachbarschaften berücksichtigt. Für die Filtering-Theorie ist die Qualität des Wohnungsangebotes das entscheidende Merkmal: Auf Grund der langen Nutzungsdauer des Gutes Wohnung treten im Laufe der Zeit Alterungs- und Abnutzungserscheinungen auf. Sofern dieser Prozeß nicht durch Instandhaltungen und Modernisierungen aufgehalten oder kompensiert wird, sinkt die Qualität des Althausbestandes, gleichzeitig steigt die Neubauqualität. Einkommensstarke Wohnungsnachfrager wenden sich von diesen Wohnungen ab und den höherwertigen Neubauten zu. Die nachlassende Nachfrage führt zu sinkenden Preisen; diese Wohnungen werden nunmehr für einkommensschwächere Nachfrager erschwinglich. Dieser ,Filtering-downProzeß' endet dann, wenn die Wohnung technisch unbrauchbar geworden ist und aus dem Markt genommen werden muß. Dieser Prozeß kann durch umfassende Instandhaltungen und Modernisierungen umgekehrt werden, d.h., daß dann ein ,Filtering-up-Prozeß' entsteht. Diese Prozesse führen zu einer Segregation unter der Wohnbevölkerung innerhalb eines Wohnbezirkes, so daß auch soziologisch unterschiedliche Stadtstrukturen entstehen. Der Sicker-Prozeß geht von einem anderen Ansatzpunkt aus: Diese Theorie geht davon aus, daß Haushalte neugebaute - in der Regel höherwertige - Wohungen beziehen und die bisher genutzten Wohnungen freimachen, in die dann einkommensschwächere Mieter einziehen. Diese Umzugskette setzt sich so lange fort, bis ein neu gegründeter Haushalt eine frei gewordene Wohnung bezieht und der ,Resthaushalt' in seiner Wohnung verbleibt. Empirische Untersuchungen haben ergeben, daß durch den Eigenheimbau die längsten Umzugsketten ausgelöst werden, daher wird wohnungspolitisch gefordert, den Eigenheimbau steuerlich zu begünstigen (Bausparförderung). Da die Eigenheimbewerber eine hohe Sparfähigkeit haben, entlasten sie die staatliche Wohnungsbauförderung. Über die Umzugsketten werden auch einkommenschwächere Haushalte erreicht. Von den Kritikern wird die Wirkung des Sicker-Prozesses nicht im Prinzip, aber hinsichtlich seiner Wirkung bestritten. Im Arbitrage-Modell wird die sozial bedingte Spaltung der Wohnungsmärkte aufgegriffen: Unter Arbitrage' wird ein Geschäft verstanden, das Preisunterschiede für homogene Güter auf verschiedenen Märkten zum Gegenstand der Gewinnerzielung hat. Amerikanische Untersuchungen zeigen, daß Nachbar-

4. Einführung in die Wohnungswirtschaftspolitik

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Schäften einen natürlichen' Lebenszyklus haben, der nicht nur von der Bausubstanz, sondern auch von der in der Nachbarschaft lebenden sozialen Gruppe und deren Einkommensniveau beeinflußt wird. Das bedeutet, daß das Wohnen sich nicht nur in der Wohnung, sondern gleichfalls im Wohnumfeld, im Wohnquartier und in der Nachbarschaft vollzieht. Diese Faktoren beeinflussen für sonst gleichwertige Wohnungen die Preise, so daß sich für zwei qualitativ gleichwertige Wohnungen zwei Teilmärkte ergeben. Für Wohnungen mit einer ,positiven' Nachbarschaft wird ein Aufpreis, für solche in einer ,negativen' Umgebung ein Abschlag gezahlt. Zwischen diese beiden Teilmärkte schiebt sich eine ,Zwischenmarktzone', in der Bewohnergruppen mit unterschiedlicher sozialer Schichtung gemeinsam leben. Änderungen in der sozio-ökonomischen Struktur einer Nachbarschaft beeinflussen die Bewohnerstruktur und führen zu Preisänderungen. Das Arbitrage-Modell ist somit ein Ansatz zur Erklärung sozial-räumlicher Prozesse des Absinkens oder der Aufwertung (oder ,Gentrification') von Wohnquartieren. Diese Interdependenzen auf den Wohnungs-(teil-)märkten vollziehen sich im städtischen Raum. Je nach den Wertvorstellungen wird die Raumordnungspolitik in diese Prozesse eingreifen oder sie der marktwirtschaftlich orientierten Entwicklung überlassen

6.0 Die Überführung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft Die wohnungspolitische Entwicklung in West- und Ostdeutschland vollzog sich nach 1945 (Kriegsende) bzw. 1948 (Währungsreform) nach unterschiedlichen Leitbildern: In Westdeutschland wurde die Kriegs-(Zwangs-)-wirtschaft mit dem Ziel übernommen, diese schrittweise abzubauen und zur marktwirtschaftlichen Ordnung allerdings sozial abgesichert - zurückzukehren; in Ostdeutschland wurde auch und gerade die Wohnungswirtschaft in eine sozialistische umgestaltet, in der das Gut Wohnung aus dem Marktprozeß (Ware-Geld-Beziehung) herausgenommen wurde. Die Wohnraumversorgung erfolgte aus einem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds'. Die Miete verlor ihre Regulierungsfunktion; denn die Mieten wurden auf dem Niveau von 1936 eingefroren. Das Privateigentum am Miethaus wurde einmal durch die mangelnde Rentabilität und zum anderen durch administrative (willkürliche) Maßnahmen zurückgedrängt. 1989 belief sich der Wohnungsbestand in der ehemaligen D D R auf 7.002,5 Mill. WE, davon entfielen 2.889,4 Mill. (= 41,2%) auf den staatlichen Sektor, 1.230,4 Mill. (= 17,6%) auf die Wohnungsbaugenossenschaften und 2.882,7 Mill. W E (= 41,2%) auf den privaten Sektor. Statistisch erwecken diese Werte den Eindruck, daß der private Anteil noch hoch war, tatsächlich war dieses aber nicht der Fall, denn auf Grund der staatlichen Reglementierungen - neben der Mietpreisbindung war der gesamte Wohnungsbestand erfaßt und die Wohnungen wurden administrativ zugewiesen handelte es sich um ökonomisch enteignetes Vermögen, das Pflichten, aber nur wenige Rechte hatte. In der Bundesrepublik lebende Alteigentümer oder deren Erben haben daher häufig auf das Eigentum bzw. auf die Erbschaft verzichtet. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands entstanden zahlreiche Probleme bei der (Rück-) Überführung in die soziale Marktwirtschaft, die nur in sehr begrenz-

100

II. Wohnungswirtschaftspolitik

tem Umfang mit der Entwicklung der westdeutschen Wohnungswirtschaft nach 1949 verglichen werden kann: In rechtlicher Hinsicht handelt es sich darum, das kommunalisierte Vermögen an Grund und Boden zu reprivatisieren. Die Anlage III zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 beinhaltet eine ,Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990'. In dieser Gemeinsamen Erklärung wurde der Grundsatz aufgestellt, daß enteignetes Grundvermögen den ehemaligen Eigentümern bzw. deren Erben zurückzugeben sei (Rückerstattungsgrundsatz). Hiervon sind die besatzungsrechtlichen Enteignungen zwischen 1945-1949 ausgenommen, im übrigen soll die Rückerstattung sozialverträglich gestaltet werden. Gemäß Art. 22 Abs. 4 Einigungsvertrag ging das der Wohnungsversorgung dienende volkseigene Vermögen unter gleichzeitiger Übernahme anteiliger Schulden in das Eigentum der Kommunen über. ,Die Kommunen überführen ihren Wohnungsbestand unter Berücksichtigung sozialer Belange schrittweise in eine marktwirtschaftliche Wohnungswirtschaft. Dabei soll die Privatisierung auch zur Förderung der Bildung individuellen Wohneigentums beschleunigt durchgeführt werden' (so Art. 22, Abs. 4 Einigungsvertrag). Diese Bestimmungen des Einigungsvertrages können als das Leitbild der Wohnungswirtschaftspolitik für die ehemalige D D R angesehen werden. In der umfangreichen Gesetzgebung zur Rechtsangleichung ist das Vermögensgesetz (Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen in der Fassung vom 3. August 1992) von besonderer Bedeutung, da es in § 3 den Grundsatz der Rückübertragung von Vermögenswerten regelt. Die Rückübertragung (Restitution) wird durch die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen verwaltungstechnisch bearbeitet. Das Vermögenszuordnungsgesetz (Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen in der Fassung 24. März 1994), das Investitionsvorranggesetz (Gesetz über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz vom 14. Juli 1992) und weitere Gesetze - die häufig Änderungen unterliegen - deuten an, daß es sich um eine komplizierte und zugleich sensible Materie handelt. Neben der Rechtsangleichung spielt der schlechte technische Zustand der ostdeutschen Wohnungswirtschaft eine besondere Rolle: Auf Grund der unrealistischen Mietpreisbindung auf dem Niveau von 1936 lag keine Kostendeckung, geschweige denn eine Rentabilität vor, so daß die privaten Hauseigentümer aus finanziellen und auch aus technischen Gründen - Mangel an Baumaterial - selbst die unerläßlichen Instandhaltungen nicht durchführen konnten. Auch die öffentliche Hand konnte trotz erheblicher Bemühungen den Verfall der Bausubstanz weder finanziell noch materiell aufhalten. Die quantitative Wohnraumversorgung war in der ehemaligen D D R günstig, denn auf 1.000 Einwohner entfielen 1989 = 429 WE, in Westdeutschland dagegen nur 415 WE, die durchschnittliche Fläche je WE betrug im Osten 65 qm, im Westen 85 qm und je Einwohner entfielen 29 qm in Ostdeutschland, aber 35 qm Wohnfläche in Westdeutschland. Die folgende Tabelle macht deutlich, daß in Ostdeutschland die Kleinwohnungen, dagegen in Westdeutschland die größeren Wohnungen dominieren:

101

4. Einführung in die Wohnungswirtschaftspolitik

Wohnungsversorgung

Land

Einwohner

Wohnfläche ifi Einwohner

Wohnfläche

Anteil der Wohnungen mit

Wohnung

1 und 2 5 und mehr Räumen1) Räumen1)

m2

m2

Preise für baureifes Land

1991 1000 E

v. H.

v.H.

v.H.

Alte Länder

62 320

364

87,3

7,8

42,8

125

Schleswig-Holstein Hamburg Niedersachsen Bremen Nordrhein-Westfalen Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern Saarland

2 649 1669 7 476 684 17 510 5 837 3 831 10 002 11 596 1 007

37,0 32,6 37,8 35,7 34,6 37,3 39,5 36,6 37,4 39,6

84,7 70,3 92,0 75,2 82,2 89,5 95,3 89,5 90,1 95,5

7,4 9,8 5,9 7,9 8,3 7,5 6,0 7,4 9,3 6,1

41,8 24,2 48,1 30,7 36,8 43,8 51,7 46,1 45,7 52,2

107 314 66 110 135 159 98 210 170 88

Neue Länder

17 955

29,1

65,3

11,4

23,3

-

3 446 2 543

33,6 27,8

67,5 65,7

16,9 10,0

16,2 25,5

-

1892 4 679 2 823 2 572

25,3 28,6 28,3 28,7

64,1 62,2 65,4 68,1

10,0 11,3 8,1 9,0

26,1 21,4 26,3 30,9

-

80 275

34,8

82,1

8,6

38,2

-

Berlin 2 ) Brandenburg MecklenburgVorpommern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen

Bundesgebiet

-

-

-

') einschließlich Küche 2 ) einschließlich Berlin (Westteil) Quelle: Laufende Raumbeobachtung der BfLR

Der entscheidende Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland besteht in der Wohnungsqualität: D e r Anteil der vor 1919 gebauten W E betrug im Osten = 37%, im Westen dagegen nur 19%; nach 1949 wurden im Osten nur 48%, im Westen aber 67% gebaut; in der ehemaligen D D R hatten nur 73%, in der Bundesrepublik aber 98% eine Innentoilette usw. U n d schließlich ist man in der ehemaligen D D R zur industriellen Plattenbauweise übergegangen, die - abgesehen von der Ästhetik - zahlreiche Mängel aufweist. Empirische Erhebungen und erste praktische Erfahrungen belegen, daß die Modernisierung der ostdeutschen Wohnungen bei rund 60 qm Wohnfläche durchschnittlich 80.000,- D M oder rund 1 . 3 0 0 - D M je qm Wohnfläche kostet. Die Finanzierung der Modernisierung müssen entweder die Eigentümer aus Eigenmitteln aufbringen - dieses setzt eine Rentabilität des Hausbesitzes voraus - oder muß durch die öffentliche H a n d subventioniert werden. Beide Wege werden beschritten, d.h., daß insbesondere der Bund über die Kreditanstalt für Wiederaufbau zinsgünstige Mittel bereitstellt. Diese Subventionierung dient nicht nur der Verbesserung des Wohnungsbestandes, sondern ist auch zugleich ein wesentliches Element der Konjunktur- und Beschäftigungspolitik, da die Bauwirtschaft einen hohen Einkommens- und Beschäftigungsmultiplikator aufweist.

102

II. Wohnungswirtschaftspolitik

Um die Wohnungswirtschaft in die Lage zu versetzen, aus eigenen Mitteln zu investieren, wird eine doppelte Strategie verfolgt: Einmal werden schrittweise die Mieten erhöht, um die Rentabilität herzustellen, zum anderen wurden insbesondere die Wohnungsunternehmen durch das Altschuldenhilfegesetz finanziell entlastet. Die Mietanhebung erfogt in mehreren Schritten: Die seit 1936 eingefrorenen Mieten wurden durch die Erste Grundmietenverordnung (Erste Verordnung über die Erhöhung der Grundmieten vom 17. Juni 1991) ab 1. Oktober 1991 um durchschnittlich 1 D M je qm Wohnfläche erhöht; zugleich wurden alle Betriebskosten - bei Begrenzung der umlagefähigen Heiz- und Warmwasserkosten auf 3 , - D M je qm Fläche - auf die Mieter umgelegt. Die Wohnwertunterschiede wurden durch Zu- und Abschläge berücksichtigt. Mit der Zweiten Grundmietenverordnung (Zweite Verordnung über die Erhöhung der Grundmieten vom 27. Juni 1992) wurden die Mieten in Abhängigkeit vom Wohnwert um den Sockelbetrag von bis 1,20 D M je qm Wohnfläche erhöht. Der Wohnwert findet dadurch seinen Ausdruck, daß Zu- oder Abschläge vorgenommen werden müssen (Beschaffenheitszuschläge). Im übrigen kamen die Bauminister überein, daß Mitte 1995 der Übergang zum Vergleichsmietensystem erfolgen soll; Anfang 1995 wurde der Termin auf 1997 verschoben. Die Wohnungseigentümer - insbesondere die kommunalen Wohnungsunternehmen und die Baugenossenschaften - wurden durch die Altschulden belastet: Die Schulden der ehemaligen D D R wurden 2 : 1 umgestellt. Da die Wohnungswirtschaft den Kapitaldienst für diese Altschulden nicht zahlen konnte, wurde ein Moratorium bis Ende 1993 gewährt, d.h., daß sich die Restschuld erhöhte. Im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKP-Programm) trat am 27. Juni 1993 das Altschuldenhilfegesetz (Gesetz über Altschuldenhilfe für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiete vom 23. Juni 1993) in Kraft: Zur Verbesserung der angemessenen Bewirtschaftung des Wohnungsbestandes, insbesondere zur Verbesserung der Kredit- und Investitionsfähigkeit, wird auf Antrag eine Altschuldenhilfe gewährt. Die Altverbindlichkeiten der ostdeutschen Wohnungswirtschaft beliefen sich Ende 1993 auf etwa 59 Mrd. DM; der Bund und die neuen Länder übernehmen für den Zeitraum 1. Januar 1994 bis 30. Juni 1995 die zu zahlenden Zinsen in Höhe von rund 7 Mrd. DM. Außerdem übernimmt der vom Bund eingerichtete Erblastentilgungsfonds Altverbindlichkeiten in Höhe von rund 31 Mrd. DM, so daß nach dieser Teilentlastung Altschulden von 150 DM je qm Wohnfläche verbleiben. Diese Restschuld ist ab 1. Juli 1995 zu bedienen, die Kapitalkosten werden etwa 1 D M je qm monatlich betragen. Als Gegenleistung' für die Teilentlastung müssen die Wohnungsunternehmen mindestens 15% ihres Wohnungsbestandes in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2003 privatisieren. Das Wohnungsunternehmen hat aus der Veräußerung Erlösanteile an den Erblastentilgungsfonds abzuführen. Bis Ende 1994 beläuft sich der Abführungsbetrag auf 20% und steigt auf 90% für den Zeitraum 2001 bis 2003. Nach der Wiedervereinigung brach der Neubau in der ehemaligen D D R nahezu restlos zusammen, dagegen traten die Instandhaltung, die Modernisierung und Sanierung des vom Verfall bedrohten Wohnungsbestandes in den Vordergrund. In Ermangelung von Rentabilität ist der Mietwohnungsbau noch nicht angesprungen, dagegen ist beim Eigenheimbau eine Belebung zu verzeichnen.

4. Einführung in die Wohnungswirtschaftspolitik

103

Die Angleichung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft in rechtlicher, wirtschaftlicher und insbesondere in technischer Hinsicht wird mindestens noch ein Jahrzehnt dauern. Dieser Anpassungsprozeß wird nicht ohne Probleme erfolgen, denn die Hauseigentümer werden auf eine Kostendeckung und Rentabilität, die Mieter auf eine sozialverträgliche Wohnungswirtschaftspolitik drängen. Es ist der Konflikt zwischen dem Wirtschafts- und Sozialgut.

7.0 Der wohnungswirtschaftliche Versorgungsgrad Auf Grund der Kriegszerstörungen und des Zustromes von Flüchtlingen und Vertriebenen nach Westdeutschland entstand eine quantitative und qualitative Wohnungsnot in einem bis dahin nicht bekannten Ausmaß. Die Bevölkerung im Bundesgebiet und West-Berlin stieg von 42,1 Mill. Einwohner (Mai 1939) auf 49,2 Mill. im Herbst 1950. Im gleichen Zeitraum ging der Wohnungsbestand von 11,6 Mill. W E auf 10,7 Mill. W E zurück, denn während des Zweiten Weltkrieges wurden rund 2,7 Mill. WE zerstört. Im Herbst 1950 betrug die Wohnungsdichte 202 WE, 1978 bereits 403 je 1.000 Einwohner, 1990 waren es 415 (die Zahlenangaben schwanken, weil z.B. West-Berlin unterschiedlich zugeordnet wird). Diese quantitative Verbesserung des Versorgungsgrades - in der das qualitative Element nicht zum Ausdruck kommt - ist auch und gerade die Folge einer aktiven Wohnungswirtschaftspolitik. Verläßliche Zahlen liegen lediglich für das frühere Bundesgebiet (einschl. WestBerlin) vor. Die Zahl der genehmigten und fertiggestellten Wohnungen hat sich wie folgt entwickelt (s. Tabelle 5). Mit rund 714.000 fertiggestellten WE im Jahre 1974 wurde die größte Neubauleistung erbracht, der Tiefpunkt wurde 1988 mit 208.621 W E erreicht. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und auf Grund des Bevölkerungszustromes aus den Drittländern entstand ein neuer Wohnungsmangel, der zu einer Reaktivierung der staatlichen Wohnungswirtschaftspolitik führte. Zwischen den Baugenehmigungen und den Baufertigstellungen besteht ein enger Zusammenhang, obgleich nicht jede Genehmigung realisiert wird. Mit einer Zeitverzögerung von ein bis zwei Jahren folgen die Fertigstellungen. Auf Grund der hohen Genehmigungszahl für 1994 ist für 1995 und 1996 mit einer hohen Fertigstellungsrate zu rechnen. Die aktive Wohnungswirtschaftspolitik hat - wie bereits angemerkt - zu einer Verbesserung der Wohnungsversorgung geführt, was jedoch nicht ausschließt, daß in einigen Regionen und für bestimmte Bevölkerungs- und Einkommensgruppen Schwierigkeiten bestehen, eine angemessene Wohnraumversorgung zu finden (s. Tabelle 6). In der Bundesrepublik wird beklagt und gefordert, den Anteil des Wohneigentums am Gesamtwohnungsbestand zu erhöhen, da West- und Ostdeutschland im Vergleich zu den übrigen EU-Ländern am unteren Ende der Skala liegen (s. Abb. 2). Abgesehen davon, daß die Angaben für Ostdeutschland schwanken, ist festzuhalten, daß die vom Krieg verschonte und wohlhabende Schweiz eine niedrigere Wohneigentumsquote als Westdeutschland hat. Bei der Bewertung der westdeutschen Situation sind nicht nur die Kriegsereignisse - Zerstörung und Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen - , sondern auch das Baualter und die Bauqua-

104

II. Wohnungswirtschaftspolitik

Tabelle 5 Genehmigte und fertiggestellte Wohnungen in der Bundesrepublik Deutschland (Früheres Bundesgebiet) Jahr 1949/51 1952 1953 1954 1955 1956 19571 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 19682 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1 2

Genehmigungen

Fertigstellungen

ca. 1.300.000 495.324 574.911 607.439 612.606 554.542 543.229 592.908 624.388 635.777 648.766 648.101 575.677 601.021 622.772 581.549 532.752 536.840 560.218 609.356 705.417 768.636 658.918 417.783 368.718 380.352 352.055 425.751 383.638 380.609 355.981 335.007 419.655 336.080 252.248 219.205 190.696 214.252 276.042 391.430 400.607 458.840 524.083

ca. 1.000.200 451.000 534.000 561.300 562.600 579.900 560.700 517.700 589.800 574.400 562.200 573.000 570.000 623.000 591.916 604.799 572.301 519.854 499.696 478.050 554.987 660.636 714.226 604.387 436.829 392.380 409.012 368.145 357.751 388.904 365.462 347.002 340.781 398.373 312.053 251.940 217.343 208.621 238.617 256.488 314.508 374.575 431.892

A b 1957 einschließlich Saarland und West-Berlin. A b 1988 sind die Zahlen mit denen der Vorjahre wegen methodischer Änderung des Aufbereitungsverfahrens nur eingeschränkt vergleichbar.

Quelle: Bundesministerium für Raumordnung und Städtebau

4. Einführung in die Wohnungswirtschaftspolitik

105

Tabelle 6 Wohnungsbestand in der Bundesrepublik Deutschland (Früheres Bundesgebiet) Jahr 1939 1945 1950 1960 1962 1964 1966 19671 1968 1970 1972 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 19871 19882 1989 1990 1991 1992

Zahl der Wohnungen in Mill.

Bevölkerung in Mill.

Einwohner je Wohnung

10,3 8,1 9,4 16,1 17,4 18,5 19,6 19,4 19,9 20,8 22,0 23,2 23,6 24,0 24,4 24,7 25,0 25,4 25,7 26,1 26,4 26,8 27,1 27,3 26,3 26,4 26,6 26,8 27,1 27,5

39,2 43,6 47,7 55,4 56,9 58,3 59,6 59,9 60,5 61,0 61,8 62,0 61,6 61,4 61,3 61,3 61,4 61,6 61,7 61,5 61,3 61,0 61,0 61,1 61,1 61,4 62,1 63,7 64,5 64,9

3,8 5,4 5,0 3,4 3,2 3,1 3,1 3,1 3,0 2,9 2,8 2,7 2,6 2,6 2,5 2,5 2,5 2,4 2,4 2,4 2,3 2,3 2,3 2,2 2,3 2,3 2,3 2,4 2,4 2,4

' Neue Basis der Fortschreibung. Ab 1988 ohne Wohnheime.

2

Quelle: Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau

106

II. Wohnungswirtschaftspolitik

Abb. 2

Wohneigentum: Deutschland bleibt zurück Irland

80 78

Spanien Italien

72

Griechenland

70

Großbritannien

68 65

Belgien Luxemburg

59

Dänemark

52

Deutschland West Deutschland Ost ~ r

0

Abb. 3

20

40

60

Wege zum Eigentum Erbschaft, Schenkung Kauf vom Vorbesitzer

Neubau, Neukauf

Ein- und Zweifamilienhäuser

Eigentumswohnungen

Mehrfamilienhäuser

80

4. Einführung in die Wohnungswirtschaftspolitik

107

lität zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung dieser Elemente schneidet die ,alte' Bundesrepublik keineswegs ungünstig ab. Bemerkenswert ist, daß der Weg zum Wohneigentum sehr unterschiedlich verläuft (s. Abb. 3). Die folgende Übersicht macht deutlich, daß in Westdeutschland die Zahl der genehmigten und fertiggestellten Wohnungen seit 1990 gestiegen ist. Es wird allerdings prognostiziert, daß die Zahl der 1995 genehmigten Wohnungen erstmals rückläufig sein wird, dagegen werden die Fertigstellungen noch zunehmen. Der Wohnungsbau in Ostdeutschland bewegt sich langsam aus der Talsohle nach der Wiedervereinigung heraus: Die Meinungen darüber, ob sich der Neubauboom abschwächen wird, gehen auseinander: Die Zahl Baugenehmigungen ist ein Indikator für die Fertigstellungen der kommenden ein bis zwei Jahre. Allerdings werden nicht in allen Fällen die genehmigten Bauvorhaben realisiert, insbesondere dann, wenn sich eine Nachfrageschwäche abzeichnet. Auf Grund der sinkenden Realeinkommen sowie der Finanzenge bei den öffentlichen Händen wird vermutet, daß die kaufkräftige Nachfrage sinkt. Dieses könnte wieder zu einem Abschwung in der Neubautätigkeit führen, obgleich die Bevölkerung und die Zahl der Haushalte - insbesondere durch die Einwanderung - zunehmen werden. Während die einkommensstarken ,Altbürger' über eine gute Wohnraumversorgung verfügen, werden die ,Neubürger' und einkommensschwachen Haushalte Wohnungsprobleme haben. Aufgabe der Wohnungswirtschaftspolitik wird es sein, trotz knapper Finanzmittel einen sozialverträglichen Ausgleich herbeizuführen, wobei der Sanierung des ostdeutschen Wohnungsbestandes weiterhin eine Priorität zukommt.

108

II. Wohnungswirtschaftspolitik

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V o XI"> Ebenda, S. 142. 120 Ebenda, S. 142 (Hervorhebung erfolgte durch uns, Jk.).

244

III. Elemente der Wohnungswirtschaft

seiner bisherigen Wohnung, die Wohnungssuche und der Umzug mit Belastungen verbunden sind, die seinen engeren persönlichen Lebenskreis treffen. Der Vertragstreue Mieter verdient Schutz davor, daß ihm diese Folgen auferlegt werden, ohne daß dies durch berechtigte Interessen des Vermieters begründet wäre." Angesichts der sozialen Bedeutung der Wohnung genießt diese besonderen Schutz. Die Verwertung (Vermietung) soll dem Eigentümer ermöglichen, sein Leben nach eigenem, selbstverantwortlich entwickelten Vorstellungen zu gestalten. Die grundgesetzliche Eigentumsverbürgung enthält somit Elemente der Handlungsfreiheit, hierzu gehören sowohl die Veräußerung als auch aus der Vermietung Ertrag zu ziehen bzw. die Wohnung selbst zu nutzen. Aber der Entschluß des Vermieters, seine Wohnung selbst zu nutzen, ist nicht unbeschränkt zulässig, d.h., der Mieter ist nicht schutzlos; denn vorgeschobene Kündigungsgründe des Vermieters verdienen keinen Schutz. Auch weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes beinhalten eine Abgrenzung zwischen dem ökonomischen und Sozialgut: Durch den Beschluß vom 26. Mai 1993 (1 BvR 208/93) hat das Bundesverfassungsgericht im ersten Leitsatz festgestellt: ,Das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG'. 121 Dieser Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zu Grunde: Eine Hauseigentümerin klagte auf Eigenbedarf, dieser Klage entsprach das Amtsgericht, der Mieter widersprach der Räumungsklage, auch das Landgericht entsprach der Räumungsklage. Der Mieter als Beschwerdeführer rügte vor dem Verfassungsgericht, daß er als Mieter in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt sei. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: ,Die Wohnung ist für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz. Der einzelne ist auf ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen. Der Großteil der Bevölkerung kann zur Deckung seines Wohnbedarfs jedoch nicht auf Eigentum zurückgreifen, sondern ist gezwungen, Wohnraum zu mieten. Das Besitzrecht des Mieters erfüllt unter diesen Umständen Funktionen, wie sie typischerweise dem Sacheigentum zukommen. Diese Bedeutung der Wohnung hat der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung des Besitzrechts Rechnung getragen. Es stellt eine privatrechtliche Rechtsposition dar, die dem Mieter wie Sacheigentum zugeordnet ist. Die rechtliche Zuordnung findet ihren Ausdruck unter anderem in den gegen jedermann wirkenden Schutzrechten, die dem Mieter eingeräumt sind.' 122 Zu den abweichenden Urteilen der Vorinstanzen bemerkt das Bundesverfassungsgericht: ,Der Eigentumsschutz des Mieters steht also gerichtlichen Entscheidungen entgegen, die Bedeutung und Tragweite von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 G G für das Besitzrecht verkennen. Auch insoweit unterscheidet der Eigentumsschutz des Mieters sich in seiner Struktur nicht von demjenigen des Vermieters.' 123 Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes hat bei den Hauseigentümern erheblichen Widerspruch gefunden, da aus deren Sicht dem Mieter eine Rechtsposition eingeräumt wird, die über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinausgeht. Andererseits ist aber auch darauf hingewiesen worden, daß sich in der Praxis an der

121

D a s Urteil ist abgedruckt in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht, Heft 7 (1993), S. 377380. '22 Ebenda, S. 378. '23 Ebenda, S. 379.

9. D i e Wohnung: Ein Wirtschafts- oder Sozialgut?

245

Stellung des Mieters nichts ändere, weil bereits sowohl die Gesetzgebung als auch die Rechtsprechung - insbesondere bei Eigenbedarfskündigungen - dem Mieter eine dem Vermieter ebenbürtige Position eingeräumt hat. Dagegen ist von Bedeutung, daß nunmehr Mieter, die bei Streitigkeiten vor ordentlichen Gerichten unterlegen sind, das höchste Gericht mit einer Verfassungsbeschwerde anrufen können. In einem weiteren Beschluß vom 22. November 1994 (1 BvR 351/91) befaßte sich das Bundesverfassungsgericht mit der schrittweisen Mietanhebung in den neuen Bundesländern:124 Beschwerdeführerin war eine ehemalige AWG (Arbeitwohnungsgenossenschaft), die sich dagegen wandte, daß nach der Wiedervereinigung Deutschlands weiterhin die Miethöhe begrenzt bleibt. Hierzu stellte das Bundesverfassungsgericht im ersten Leitsatz fest: ,Die befristete Fortgeltung der Mietpreisbindung in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin ist mit der Eigentumsgewährleistung vereinbar.' Dieser Leitsatz wurde wie folgt begründet: Der Gesetzgeber ,muß die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (vgl. BVerfGE 87, 114 (138)). ... Mietpreisbindungen schränken die freie Verfügung über das Eigentum und dessen Nutzung ein. Preisrechtliche Vorschriften, die durch sozialpolitische Ziele legitimiert werden, sind aber verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 87,114 (146) m. w. N ) . Die Eigentumsgarantie gewährleistet nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums. Gerade im Bereich der Wohnungsmiete verlangt die Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG einen gemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern, den der Gesetzgeber vorzunehmen hat (vgl. BVerfGE 37, 132, (141); 89 1 (8)).... Die von Art. 14 Abs. 1 G G gezogenen Grenzen wären aber jedenfalls dann überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden (vgl. BVerfGE 71, 230 (250)). Diese Grenzen hat der Gesetzgeber bei Berücksichtigung aller Umstände nicht verletzt.' 125 Auch die jüngsten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes machen deutlich, daß das höchste Gericht um einen Ausgleich zwischen den berechtigten ökonomischen Interessen der Vermieter und den sozialen Belangen der Mieter bemüht ist. O b dieses in allen Fällen gelungen ist, unterliegt der normativen Beurteilung und wird wahrscheinlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Unabhängig von dieser Beurteilungsfrage wird man aber feststellen, daß im Zentrum dieser Entscheide das Problem steht, ob die Wohnung ein Wirtschafts- oder ein Sozialgut ist. Das in den Art. 20 und 28 G G verwendete Wort ,sozial' ist somit kein schmückendes Beiwort ohne normative Kraft, sondern ein grundlegender Verfassungsbegriff. „Der Sozialstaatsgedanke ist ein Gerechtigkeitsprinzip". Aber: Zugleich soll „eine klare Grenze gegen eine von den leninistischen Auffassungen des Sozialismus bestimmte Art des sozialen Gedankens" gezogen werden. 126 Auf einen einfachen Nenner gebracht bedeutet dieses, daß der soziale Rechtsstaat nicht mit dem marxistisch-leninistischen Sozialismus identisch ist.

124

D a s Urteil ist abgedruckt in: Zeitschrift für Miet- und Raumrecht, Heft 3 (1995), S. 108114. >25 Ebenda, S. 111. >26 Gerber, S. 408.

246

III. Elemente der Wohnungswirtschaft

Dieser Unterschied wird deutlich, wenn wir zum Vergleich die DDR-Verfassung und andere Gesetzesbestimmungen im anderen Teil Deutschland heranziehen. 4.3 Die DDR-Verfassung Wir haben gesehen, daß die Weimarer Verfassung weitergehende Bestimmungen hinsichtlich der sozialen Gestaltung der Nutzung des Gutes Wohnung enthält als das Bonner Grundgesetz. Die Abgrenzung zwischen dem ökonomischen und sozialen Element hat der Gesetzgeber vorgenommen, das Bundesverfassungsgericht hat diese Gesetzgebung im wesentlichen bestätigt. Ganz anders die D D R Verfassung und das ZGB (Zivilgesetzbuch), das das BGB ersetzt hatte: Die DDR hat sich am 7. Oktober 1949 ihre erste Verfassung gegeben 127 , die sich in ihren Formulierungen vielfach an die Weimarer Verfassung von 1919 anlehnte, weil sie ursprünglich für ganz Deutschland konzipiert war.128 Diese wurde durch eine neue Verfassung vom 6. April 1968 abgelöst, die am 9. April 1968 in Kraft trat. 129 Der damalige Staatsratsvorsitzende, Walter Ulbricht, erklärte am 1. Dezember 1967: „Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 hat ihre Aufgabe erfüllt" 130 . Da inzwischen die gesellschaftliche Entwicklung ein Stadium erreicht hat, in dem der entfaltete Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung zur Hauptaufgabe geworden ist, „ist es nunmehr unsere Aufgabe, das entwickelte gesellschaftliche System des Sozialismus zu gestalten." 131 Diese sozialistische Gesellschaft sollte durch die neue Verfassung ein neues staatsrechtliches Fundament erhalten. Die DDR-Verfassung vom 6. April 1968 wurde durch das ,Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik' vom 7. Oktober 1974 auf den endgültigen Stand gebracht 132 . Der geänderte Verfassungstext beinhaltete einerseits eine starre Abgrenzung gegenüber dem Westen und postuliert andererseits in Art. 6 ,für immer und unwiderruflich' die Verbindung mit der Sowjetunion, wodurch ,das weitere Voranschreiten auf dem Wege des Sozialismus und des Friedens' garantiert wurde. Und ferner: „Die Deutsche Demokratische Republik ist untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Staatengemeinschaft" (so Art. 6 III DDR-Verfassung 1974). Für die Behandlung unseres Themas soll lediglich die DDR-Verfassung von 1974 herangezogen werden:

127

Siehe hierzu aus westdeutscher Sicht: Siegfried Mampel: Die Verfassung der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands - Text und Kommentar, 2. Aufl., Frankfurt-Berlin 1966. 128 Die neue Verfassung der D D R , mit einem einleitenden Kommentar von Dietrich Müller-Römer, Köln 1974, S. 10. 12 i í oa íX) 1 Í "O c Î3 '. co J2

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280

III. Elemente der Wohungswirtschaft

Damit ist das statisch-offene Input-Output-Modell beschrieben, nach dem die Nachfrage nach einem Gut bei gegebener Technologie nur noch von der gegebenen Endnachfrage abhängt. Bei Vorgabe des Endnachfragevektors kann mit Hilfe dieser Zusammenhänge die dazu notwendige Produktion aller Sektoren ermittelt werden. Darüber hinaus entsteht durch jede Produktionsausweitung eine Einkommenserhöhung. Die zusätzlichen Einkommen fließen nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie eines Sparanteils in den privaten Konsum. Die erhöhte Konsumnachfrage induziert ihrerseits eine Produktionsausweitung und eine Einkommenssteigerung. Das Ausgangsmodell wird also um einen Einkommenskreislauf erweitert - man erhält das sogenannte teilgeschlossene Input-Output-Modell.

3.2.2 Disaggregierte ökonometrische Modelle Abweichend von diesem Zeitpunktkonzept stellen ökonometrische Modelle auf eine dynamische Betrachtung der ökonomischen Zusammenhänge ab. Die entsprechenden Modellparameter ergeben sich nicht aus Punktschätzungen, sondern aus den beobachtbaren Zusammenhängen über einen Zeitraum. In diesem Zusammenhang ist das Strukturmodell des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung als ein disaggregiertes ökonometrisches Prognose- und Simulationssystem anzusprechen, das den teilgeschlossenen Modellansatz um weitere Aspekte ergänzt 8 . Aufbauend auf einer Zeitreihe von Verflechtungstabellen wird die Endnachfrage nach Komponenten und Gütergruppen voll endogenisiert. Ferner werden Teilsysteme für die sektorale Sachkapitalbildung mit einer entsprechenden Potentialrechnung, eine nach Branchen differenzierte Arbeitsnachfrage und ein Einkommensverteilungs- und -umverteilungssystem angekoppelt. Über diesen nachfragebezogenen Rahmen gehen außerdem angebotsseitige Elemente ein, die die Modellierung der Kostenstrukturen und der Güterpreisbildung betreffen. Insgesamt besteht das RWI-Strukturmodell aus gut 3 800 Gleichungen und endogenen Variablen. Es kann in einem vorab zu lösenden rekursiven Block, einen interdependenten Block von 2400 Gleichungen und einen weiteren rekursiven Block zerlegt werden. Wichtigste exogene Modellvariablen sind demographische Faktoren (Wohnbevölkerung nach Altersgruppen, Anzahl der Haushalte, Erwerbsquote), die Ergebnisse von Tarifabschlüssen (Lohnsätze, Arbeitszeiten), wirtschafts- und finanzpolitische Rahmenbedingungen (Steuersätze, Sozialversicherungstarif, staatliche Investitionsausgaben, öffentlich Beschäftigte) sowie die weltwirtschaftliche Entwicklung (Weltimporte, Wechselkurse, Importpreise, Auslandspreise).

8

Vgl. R. Rettig: Ein disaggregiertes Prognosesystem für die Bundesrepublik Deutschland. (RWI-Papiere, Nr. 14.) Essen 1982 bzw. B. Hillebrand, M. Kiy und R. Neuhaus: Das RWI-Strukturmodell - Konzeption, Hypothesen und Wirkungsanalysen. (RWI-Papiere, Nr. 19.) Essen 1989.

11. D i e Bau- und Wohnungswirtschaft als Konjunkturlokomotive?

281

3.3 Partialanalysen 3.3.1 Die Kostenstruktur nach Bauarten Die gesamtwirtschaftliche und sektorale Bedeutung der Bauwirtschaft hängt nicht nur von der Entwicklung und der Struktur der Baunachfrage, sondern auch von der Art der Leistungserstellung in den verschiedenen Bauarten (Wohnungsbau, gewerblicher Bau, öffentlicher Bau usw.) bzw. Bausparten (Hoch -und Tiefbau, Ausbaugewerbe usw.) ab. Um die Bauwirtschaft geeignet in das Input-Output-System einzupassen, sind eine Reihe weiterer Berechnungen nötig, mit deren Hilfe diese Kostenstrukturen abgeschätzt werden sollen. Anknüpfend an die Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes 9 basieren diese Berechnungen überwiegend auf der Bauvolumensrechnung des DIW 10 . Weitere statistische Informationen über die bauarten- und bauspartenspezifischen Inputstrukturen, also den jeweiligen Arbeitsund Kapitaleinsatz, die im einzelnen benötigten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie die fremdbezogenen (Dienst-)Leistungen sind außerordentlich lückenhaft: Die derzeit aktuellste Kostenstrukturstatistik im Baugewerbe stammt aus dem Jahre 199111, eine Material- und Wareneingangserhebung fand im Baugewerbe seit 1982 nicht mehr statt 12 . Daten über die Verflechtung der Bauwirtschaft mit den einzelnen Wirtschaftszweigen (Input-Output-Tabellen) hat das Statistische Bundesamt bislang nur bis zum Jahre 1990 veröffentlicht. Sämtliche Daten werden deshalb nur für Westdeutschland ausgewertet. Die Ergebnisse des Versuches, die genannten Informationen über die Inputstrukturen der westdeutschen Bauwirtschaft, gegliedert nach vier Bausparten sowie nach 58 Lieferbereichen und vier primären Input-Kategorien zusammenzustellen, sind in Tabelle 1 wiedergegeben. Danach betrug die Bauproduktion in der Abgrenzung der Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes im Jahre 1990 etwa 260 Mrd. DM. Davon entfielen etwa 83 Mrd. DM auf den Neu- und Ausbau von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie jeweils knapp 40 bzw. 60 Mrd. DM auf die Errichtung von Mehrfamilienhäusern bzw. Gewerbeobjekten. Der Rest enthält u.a. den Straßenbau und den übrigen öffentlichen Bau. Bedeutsamste Kostenkomponente ist in allen Bausparten das Entgelt für den Faktor Arbeit. Dabei erweist sich die Errichtung von Ein- und Zweifamilienhäusern als beson-

9

10

11

12

Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Ergebnisse der Input-Output-Rechnung 1970 bis 1986. (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe S. 12). Stuttgart und Mainz 1989; Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Input-Output-Tabellen 1985 bis 1988. (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe 2). Stuttgart und Mainz 1990 bzw. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Input-Output-Tabellen 1986, 1988, 1990. (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe 2). Stuttgart und Mainz 1994. Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.): Konjunkturelle Entwicklung in der Bauwirtschaft. (Bearbeiter: J. A. Hübener und J. Pfeiffer). Berlin 1992. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Kostenstruktur der Unternehmen im Baugewerbe 1991. (Fachserie 4: Produzierendes Gewerbe, Reihe 5.3.) Stuttgart und Mainz 1993. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Material- und Wareneingang im Baugewerbe 1982. (Fachserie 4: Produzierendes Gewerbe, Reihe S. 6) Stuttgart und Mainz 1984.

282

III. Elemente der Wohungswirtschaft

ders arbeitsintensiv, während der gewerbliche und der übrige B a u vergleichsweise kapital- und materialintensiv sind. U n t e r den Vorleistungsbezügen sind naturg e m ä ß der Einsatz v o n Steinen und Erden s o w i e sonstigen Baustoffen, gefolgt v o n d e n sonstigen marktbestimmten Dienstleistungen ( d e n Honoraren und G e b ü h r e n für Architekten, Statiker und Sachverständige u.a.) und d e n Leistungen des G r o ß h a n d e l s v o n b e s o n d e r e r Bedeutung.

Tabelle 1 Inputstrukturen des Baugewerbes 1990 in v H Baugewerbe insgesamt

Einf./ Zweif.häuser

Mehrf.häuser

51,22

49,04

52,75

53,47

51,04

1,71 0,93 2,05 11,53 0,82 0,34 1,09 0,36 0,46 1,25 1,67 1,29 2,54 1,96 1,37 2,37 1,61 3,20 0,74 1,41 0,49 9,03 0,42 2,45

1,95 0,72 2,12 10,38 1,31 0,40 0,99 0,47 0,46 1,12 1,73 1,09 1,70 1,63 1,72 2,97 1,27 2,95 0,68 1,30 0,45 8,77 0,39 2,36

1,87 0,70 2,42 11,98 1,33 0,42 1,15 0,41 0,46 1,27 1,71 1,12 2,26 1,61 1,61 2,79 1,56 3,20 0,74 1,41 0,49 9,19 0,42 2,51

1,73 0,66 3,33 10,08 0,88 0,60 1,06 0,41 0,51 1,23 1,81 1,29 2,88 1,84 1,80 3,11 1,41 3,14 0,73 1,38 0,48 10,05 0,41 2,53

1,36 1,49 0,81 13,63 0,00 0,05 1,20 0,18 0,43 1,39 1,49 1,59 3,31 2,60 0,54 0,93 2,16 3,50 0,81 1,55 0,54 8,42 0,46 2,48

Bruttowertschöpfung zu M P 48,77 davon: Abschreibungen 2,09 Produktionssteuern abz. Subv. 0,90 Einkommen a. unselbst. Arbeit 33,37 Einkommen a. Untern, u. Verm.12,40

50,96

47,25

46,53

48,96

1,80 0,90 35,00 13,25

2,12 0,87 33,25 11,00

2,16 0,86 32,50 11,00

2,33 0,94 32,38 13,29

100,00

100,00

100,00

100,00

Vorleistungen davon: Chemische Erzeugnisse Mineralölerzeugnisse Kunststofferzeugnisse Steine u. Erden, Baustoffe Feinkeramische Erzeugn. Glas u. Glaswaren Eisen u. Stahl NE-Metalle u. -halbzeug Gießereierzeugn. Erz. d. Ziehereien Stahl- u. Leichtmetallerz. Maschinenbauerzeugnisse Elektrotechn. Erzeugnisse EBM-Waren Holz Holzwaren Hoch- u. Tiefbauleistungen Dienstl.d.Großhandels Dienstl.d.Post- u. Fmeldew. Dienstl.d.sonst. Verkehrs Dienstld. Versicherungen Sonst, marktbest. Dienstl. Dienstl.d.Gebietskörpersch. Übrige Inputs

Produktionswert

100,00

nachrichtlich: in Mrd. DM

260

Eigene Berechnungen

83

40

Gewerbl. Übrige Bau Bauarten (inkl. Straßen)

60

77 RWI

11. D i e Bau- und Wohnungswirtschaft als Konjunkturlokomotive?

283

3.2.2 Kurzfristige Effekte einer hypothetischen Veränderung des Bauvolumens Veränderungen der Baunachfrage wirken sich nicht nur auf die Bauwirtschaft selbst aus, sie strahlen vielmehr auf alle Sektoren der Volkswirtschaft aus. Im ersten Schritt soll daher untersucht werden, in welcher Weise eine Erhöhung der Baunachfrage die Vorleistungsnachfrage der Bauwirtschaft beeinflußt und welche Wirkungen von den dadurch induzierten Einkommen auf die Konsumausgaben einschließlich der dazu notwendigen Vorleistungsproduktion ausgehen. Alle anderen oben beschriebenen Wirkungsketten werden zunächst vernachlässigt. Dieses Vorgehen ist gerechtfertigt, solange die von der Nachfrageveränderung betroffenen Sektoren über hinreichend freie Produktionskapazitäten verfügen und in geringem Ausmaß außenwirtschaftlich verflochten sind. Ferner sollten die exogenen Störungen gering und der Analysehorizont kurz sein. Ausgangspunkt der Berechnungen ist eine hypothetische Veränderung der Baunachfrage: Um Unterschiede zwischen der Wohnungsbaunachfrage und der übrigen Baunachfrage zu ermitteln, wird eine Veränderung des Bauvolumens im Einund Zweifamilienhausbau, im Mehrfamilienhausbau, im gewerblichen sowie in öffentlichen Bau jeweils um 4 Mrd. DM unterstellt. Die direkten und indirekten Nachfrageeffekte dieser Erhöhung der Bauinvestitionen lassen sich mit Hilfe der Input-Output-Analyse abschätzen. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in zwei Schritten. Um die reinen vorleistungsinduzierten Wirkungen einer Erhöhung der Baunachfrage von den simultan anfallenden Folgeeffekten einer Einkommensänderung zu trennen, wird im ersten Schritt eine unveränderte Konsumnachfrage unterstellt. Erst anschließend werden die Nachfrage- und Beschäftigungswirkungen beider Mechanismen zusammen dargestellt. Unter Vernachlässigung der induzierten Einkommens-/Konsumeffekte führt die Erhöhung des Bauvolumens um 4 Mrd. DM insgesamt zu Nachfragesteigerungen von jeweils etwa 7,6 Mrd. DM. Dies erklärt sich durch die zur Bereitstellung der zusätzlichen Endnachfrage notwendigen Vorleistungen. Tabelle 2 zeigt, daß unabhängig von der jeweiligen Bausparte kaum mehr als der exogene Anstoß bei der Bauwirtschaft ankommt. Im Gegensatz zu anderen Branchen sind die intrasektoralen Lieferbeziehungen offenbar von untergeordneter Bedeutung. Trotzdem kommt der Bauwirtschaft in allen vier Fällen mehr als die Hälfte des Nachfrageeffektes zugute. Wie schon Tabelle 1 andeutete, profitieren darüber hinaus Teile des Dienstleistungsgewerbes, die Baustofferzeuger, die Holzwirtschaft sowie die Chemische Industrie in besonderem Ausmaß. Zwischen den einzelnen Bausparten gibt es in dieser Hinsicht nur geringe Unterschiede. So setzt der öffentliche Bau in geringerem Maße Holz ein, umgekehrt ist hier der Effekt im Baustoff- und Stahlbereich am größten. Bei gleichem Bauvolumen ist der reine Vorleistungseffekt im Einund Zweifamilienhausbau erwartungsgemäß am geringsten - die Einkommenseffekte sind entsprechend höher als in den übrigen Bausparten. Bezieht man die konsumstimulierenden Einkommenseffekte mit ein, dann sind höhere Multiplikationswirkungen zu erwarten. Allerdings gehen die Berechnungen aufgrund des transitorischen Charakters der Zusatzeinkommen von einer nur geringen Konsumneigung aus. Ferner wurde postuliert, daß die Struktur dieser marginalen Haushaltsausgaben der durchschnittlichen Konsumstruktur entspricht. Aus einer Veränderung des Bauvolumens von 4 Mrd. DM im Ein- und

284

III. Elemente der Wohungswirtschaft

Tabelle 2 Sektorale Nachfrageeffekte einer Veränderung des Bauvolumens um 4 Mrd. DM Statisches Input-Output Modell 1990 ohne Berücksichtigung von Einkommenseffekten

Insgesamt (Mrd. DM)

Einf./ Zweif.häuser

Mehrf.häuser

Gewerbl. Bau

Übriger Bau

7,6

7,9

7,9

7,7

2,7 0,9 1,6 6,5 1,1 1,9 1,0 1,1

2,7 0,9 1,7 7,3 1,0

2,7 0,9 2,2 6,1 0,9

2,1 1,3 0,8 8,4 0,2

2,1 1,0 1,1

2,3 1,2 1,0

1,1 1,5 1,2 3,0 53,6

1,1 1,8 1,1 2,7 52,0

2,0 1,0 1,1 1,2 2,2 1,3 3,0 51,6

1,0 53,1

2,7 1,5 8,6

2,8 1,6 8,8

2,8 1,6 9,2

3,0 1,7 8,5

darunter (in vH): Chemische Erzeugnisse Mineralölerzeugnisse Kunststofferzeugnisse Steine u. Erden, Baustoffe Feinkeram. u. Glas Eisen u. Stahl Erz.d.Ziehereien Stahl- u. Leichmetallerz. Maschinenbauerzeugnnisse Elektrotechn. Erzeugnisse EBM-Waren Holz Bau Dienstl.d.Großhandels Dienstl.d.sonst. Verkehrs Sonst, marktbest. Dienstl. Eigene Berechnungen

1,4 2,5 1,6

RWI

Zweifamilienhausbau resultiert dann eine Veränderung des gesamtwirtschaftlichen G ü t e r a u f k o m m e n s von etwa 9,5 Mrd. D M . Außerhalb der Bauwirtschaft ist also ein Produktionsvolumen von 5,5 Mrd. D M erforderlich, um die von der Bauwirtschaft nachgefragten Vorleistungen sowie die von den Erwerbstätigen der betroffenen Bereiche gekauften Konsumgüter einschließlich der dazu jeweils erforderlichen Vorleistungsgüter zu erstellen. Die Tabelle 3 zeigt, daß im teilgeschlossenen Input-Output-Modell neben den wichtigen Zulieferbereichen des Baugewerbes n u n m e h r auch konsumnahe Sektoren wie die Nahrungsmittelindustrie und die Wohnungsvermietung betroffen sind. 3.4 Totalanalyse Die eingangs geführte Diskussion der potentiellen Wirkungen von Bauinvestitionen zeigte, daß die bisher erfaßten Wirkungen nur in der kurzen Frist wirksam werden. Ferner wurde deutlich, daß eine exakte Quantifizierung der resultierenden Wirkungen bei Änderungen der Bauinvestitionen aufgrund der zahlreichen gegenläufigen Wirkungsmechanismen kaum möglich ist. Einige Anhaltspunkte geben jedoch Simulationsrechnungen mit makroökonometrischen Modellen. Die im folgenden skizzierten Simulationsergebnisse erlauben zunächst einen Eindruck von möglichen Anpassungsprozessen und lassen so eine grobe Einschät-

11. Die Bau- und Wohnungswirtschaft als Konjunkturlokomotive?

285

Tabelle 3 Sektorale Nachfrageeffekte einer Veränderung des Bauvolumens um 4 Mrd. DM Statisches Input-Output Modell 1990 mit Berücksichtigung von Einkommenseffekten Einf./Zweif.häuser

Mehrf.häuser

Gewcrbl. Bau

Übriger Bau

9,5

9,8

9,8

9,6

Chemische Erzeugnisse Mineralölerzeugnisse Kunststofferzeugnisse Steine u. Erden, Baustoffe Feinkeram. u. Glas

2,8 1,3 1,4 5,3 0,9

2,8 1,3 1,6 5,9 0,9

2,8 1,2 2,0 5,0 0,8

2,3 1,6 0,8 6,8 0,2

Eisen u. Stahl Erz.d.Ziehereien Stahl- u. Leichtmetallerz.

1,7 0,8 0,9

1,8 0,9 0,9

1,8 0,9 0,9

1,9 1,0 0,8

1,0 1,7 1,1 2,7 43,1

1,0 1,9 1,0

1,1 2,2 1,2

1,2 2,4 1,5

2,5 42,1

2,7 41,8

1,2 42,8

Dienstl.d.Großhandels Dienstl.d.sonst. Verkehrs Sonst, marktbest. Dienstl.

3,0 1,8 8,6

3,1 1,9 8,8

3,1 1,8 9,1

3,3 1,9 8,5

Kraftfahrzeuge Nahrungsmittel Einzelhandel Wohnungsvermietung

1,2 1,7 1,6 3,1

1,2 1,7 1,6 3,0

1,2 1,7 1,6 3,0

1,2 1,7 1,6 3,1

Insgesamt (Mrd. DM) darunter (in vH):

Maschinenbauerzeugnnisse Elektrotechn. Erzeugnisse EBM-Waren Holz Bau

Eigene Berechnungen

RWI

zung der zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen und sektoralen Ergebnisse zu. Anschließend wird näher auf die mit einem größeren Simulationssystem generierten Effekte eingegangen.

3.4.1 Simulationsrechnungen mit ökonometrischen Modellen Von den ausgewählten Simulationssystemen sind zwei aggregierte Modelle: Es handelt sich zum einen um das 84 Gleichungen umfassende Modell von Dieckheuer 1 3 , das vor allem zur Analyse der güterwirtschaftlichen, monetären und außenwirtschaftlichen Implikationen der staatlichen Verschuldung konstruiert wurde und daher über eine umfassende Modellierung der monetären Sphäre verfügt. D e r Stütz- und der Simulationszeitraum dieses Modells weicht allerdings

13

G. Dieckheuer: Staatsverschuldung und wirtschaftliche Stabilisierung. Eine theoretische Analyse und eine ökonometrische Studie für die Bundesrepublik Deutschland, BadenBaden, 1978.

286

III. Elemente der Wohungswirtschaft

stark von dem der übrigen Modelle ab. Z u m anderen wurde das RWI-Konjunkturmodell als typisches kurzfristiges Analyseinstrument ausgewählt. Dieses etwas umfassendere System legt ein besonderes Gewicht auf die konsistente Abbildung makroökonomischer Zusammenhänge in bezug auf die Einkommensentstehung, -Verwendung und -Verteilung 14 . Die verbleibenden zwei Modelle unterscheiden einzelne Branchen. Dabei kann das Sysifo-Modell mit sieben Produktionsbereichen als schwach disaggregiertes System angesehen werden, weil insbesondere im Verarbeitenden Gewerbe keine weiteren sektoralen Unterscheidungen vorgenommen werden. Dieses hier wenig wünschenswerte Konstruktionsmerkmal hängt damit zusammen, daß es sich um ein Vierteljahresmodell handelt 15 . Demgegenüber basiert das MSM-Modell auf Jahresdaten. Es ist mit 435 Gleichungen als mittelgroßes Simulationssystem zu charakterisieren. In sektoraler Disaggregation unterscheidet es ebenfalls sieben Sektoren, wobei innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes allerdings drei Gütergruppen und Wirtschaftsbereiche unterschieden werden. Besondere Kennzeichen dieses Modells ist ein disaggregiertes Flow-Subsystem zur Erklärung der Finanzierungsvorgänge und die weitgehende Bestimmung der Güterpreise und der Zinssätze durch Gleichgewichtsbedingungen 16 . Die Simulationseigenschaften dieser Modelle sind in der Literatur recht gut dokumentiert. Das betrifft u.a. auch Simulationsexperimente zu den Anpassungen an eine dauerhafte Erhöhung der Bauinvestitionen. Die in der folgenden Tabelle 4 aufgeführten Änderungen ökonomischer Kenngrößen erlauben daher einen Überblick über die sich ergebenden Modellanpassungen an eine dauerhafte Erhöhung der Bauinvestitionen um 4 Mrd. DM pro Jahr 17 . Die Übersicht zeigt, daß die Modelle trotz unterschiedlicher Anwendungsbereiche und der sich daraus ergebenden abweichenden Konstruktionsmerkmale relativ homogen auf den dauerhaften exogenen Schock reagieren. Alle Modelle generieren erwartungsgemäß einen gesamtwirtschaftlichen Produktionsanstieg. Bei den disaggregierten Modellen ist außerdem ein Struktureffekt zugunsten der Bauwirtschaft zu beobachten. Allein der Multiplikator der öffentlichen Bauinvestitionen im Modell von Dieckheuer scheint recht hoch zu sein. Dies mag u.a. daran liegen, daß der Stütz-

14

15

16

17

Die Simulationsergebnisse stammen aus: U. Heilemann; H. J. Münch: Einige Bemerkungen zum RWI-Konjunkturmodell, in: H. G. Langer, J. Martiensen und H. Quinke (Hrsg.): Simulationsexperimente mit ökonometrischen Makromodeilen, München 1984, S. 355ff. Eine detaillierte Modellbeschreibung geben G. Hansen und U. Westphal: Sysifo - ein ökonometrisches Konjunkturmodell für die Bundesrepublik Deutschland. Die folgenden Simulationsergebnisse sind entnommen aus: J. Kröger, U. Sander und U. Westphal: Simulationsexperimente mit dem Sysifo-Modell, in: H.G. Langer und J. Martiensen, H. Quinke (Hrsg.): Simulationsexperimente mit ökonometrischen Makromodeilen, München 1984, S. 387ff. B. Meyer; G. Ewerhart und T. Siebe: Dollarkurs und Beschäftigung. Eine empirische Analyse für die Bundesrepublik Deutschland (Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 402). Berlin, 1990. Ein einheitlicher Interventionsumfang von 4 Mrd. DM hat sich bei Vergleichen verschiedener Modellergebnisse als Standard herauskristallisiert. Diese Größenordnung ergibt sich aus periodischen Erhöhungen der Bauausgaben in Quartalsmodellen um 1 Mrd. DM. Allerdings ist zu bedenken, daß im Vergleich zu den obigen Berechnungen für das Jahr 1990 diese 4 Mrd. D M zu den früheren Simulationszeiträumen einen anderen Stellenwert haben.

11. Die Bau- und Wohnungswirtschaft als Konjunkturlokomotive?

287

Tabelle 4 Die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen von Bauinvestitionen Simulationsergebnisse mit makroökonometrischen Modellen für die Bundesrepublik Relative bzw. absolute Abweichungen zur jeweiligen Basislösung bei einer Erhöhung der Baunachfrage um 4 Mrd. DM pro Jahr (1) Produktion: Gesamtwirtschaft Baugewerbe

vH vH

l,4 a

Preise: Aggregiert Bauten

vH vH

0,3"

Einkommen und Konsum: Priv Konsum (real) Ausrüstungen (real)

vH vH

Sonstiges: Langfr. Nominalzins Beschäftigung Aussenbeitrag

Punkte Tsd Mrd. DM

(2) 0,5a

(3) 0,3a -

-

0,5 0,0 -4,2

0,4b

0,5b

(4) 0,3 1,5

-

0,4 0,0

0,3 0,3

0,6 0,6

0,2 0,3

0,3 27c -0,9

0,0

0,1 40 -3,1

-

-5,1

(1) Dieckheuer-Modell (G. Dieckheuer, a.o.O. S. 240f.): Durchschnittliche Änderungen im sechsten Simulationsjahr (2) RWI-Konjunkturmodell (U. Heilemann; H. J. Münch, a.o.O., S. 375): Änderungen im vierten Simulationsjahr (3) Sysifo-Modell (J. Kröger; U. Sander; U. Westphal, a.o.O., S. 425f.): Durchschnittliche Änderungen zur historischen Entwicklung im vierten Simulationsjahr (4) MSM-Modell (B. Meyer; G. Ewerhart; Th. Siebe, a.o.O., S. 128ff.): Änderungen im vierten Simulationsjahr a Reales Bruttosozialprodukt Preisindex der Lebenshaltungskosten b c Verminderung der Arbeitslosenzahl RWI

und der Simulationszeitraum dieses Modells (1968-1973) deutlich von denjenigen der übrigen Modelle abweicht, so daß hier offenbar nur bedingt vergleichbare Ergebnisse vorliegen. Bei den gesamtwirtschaftlichen Preisänderungen liegen die Ergebnisse ebenfalls in einem relativ engen Spektrum. D i e Baupreise im MSM-Modell reagieren allerdings überhaupt nicht. D i e Ursache hierfür ist ein Überinvestitionsphänomen: Durch eine rasche Anpassung der Produktionskapazitäten steigen die Baupreise trotz anziehender Vorleistungspreise nicht. In Bezug auf Änderungen der privaten Konsumnachfrage weicht der mit dem Sysifo-Modell generierte Zeitpfad stark von den Ergebnissen der übrigen Modelle ab. E s ist daher zu vermuten, daß dieses Modell die Effekte im Bereich der Einkommensentstehung tendenziell überzeichnet. Für die übrigen Modelle sind die relativen Änderungen der Konsumnachfrage kleiner als die des Sozialprodukts. Somit findet eine Reallokation der Güternachfrage zugunsten investiver Verwendungen statt: Wegen fast unveränderter Nominalzinsen legen die privaten Ausrü-

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III. Elemente der Wohungswirtschaft

stungsinvestitionen aufgrund der induzierten Produktionssteigerungen deutlich zu. Das RWI-Konjunkturmodell bildet hier die Ausnahme: Bei kräftigeren Zinsänderungen scheint eine Verdrängung der übrigen Investitionen nicht ausgeschlossen zu sein. Die Beschäftigung hängt in allen ausgewählten Simulationssystemen von der Produktionsentwicklung und vom Reallohn ab. Der relative Beschäftigungsanstieg ist bei leichten Produktivitätszuwächsen im allgemeinen etwas kleiner als der Produktionseffekt. Schließlich führen die gesamtwirtschaftlichen und sektoralen Variablenänderungen über den Außenbeitrag zu einem unterschiedlich starken Abfluß der Nachfrage ins Ausland. Sieht man einmal von den Ergebnissen des RWI-Konjunkturmodells ab, dann ist von kräftigen Abflüssen der Nachfrage ins Ausland auszugehen. Hier spielen die Preisreagibilität der Exporte sowie die Preis- und Einkommenselastizitäten der Importe die entscheidende Rolle. Die Exportwerte ändern sich bei einer sinkenden Exportnachfrage und steigenden Exportpreisen zumeist kaum. Somit beruhen die Änderungen des Handelsbilanzsaldos also weitgehend auf einer steigenden Importnachfrage, die sich an die steigenden Inlandsproduktion und an die veränderten Preisrelationen zum Ausland anpaßt. 3.4.2 Mittelfristige Anpassungsprozesse Um die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte zu ergänzen, werden abschließend die Ergebnisse einer Simulation mit dem RWI-Strukturmodell diskutiert. Zu diesem Zweck wird ein über sechs Jahre währendes Wohnungsbauprogramm mit einem Volumen von mehr als 20 Mrd. DM (Preisbasis 1985) unterstellt. Auf eine Periode bezogen entspricht dies etwa dem bei der Kurzfristanalyse unterstellten nominalen Umfang von 4 Mrd. D M - im Vergleich zu den gerade vorgestellten Berechnungen ist der exogene Impuls etwas kleiner. Außerdem endet der Simulationszeitraum hier mit dem Jahr 1990, während sich die übrigen Modellrechnungen auf die frühen achtziger Jahre bezogen. Trotz dieser Unterschiede weichen die Ergebnisse dieser Simulationsrechnung nicht grundsätzlich von den bisher diskutierten Resultaten ab. Sie dienen deshalb als ergänzende Abschätzung der geschilderten Zusammenhänge und geben vor allem einen Eindruck von begleitenden, z.T. unerwünschen Effekten in der mittleren Frist. Dies betrifft vor allem die Verlaufseffekte in einer Situation relativ ausgelasteter Kapazitäten: In diesem Fall induziert das zusätzliche Wohnungsbauvolumen allgemeine Baupreiserhöhungen. Aufgrund der nachgelagerten expansiven Impulse auf die Vorleistungsnachfrage und die Einkommen sind darüber hinaus inflationäre Tendenzen auf den übrigen Märkten zu erwarten. Diese Wirkungen werden mittelfristig durch den intersektoralen Preiszusammenhang und durch entsprechende Lohnanpassungen unterstützt. A m Ende des Simulationszeitraums liegt der Preisindex der gesamtwirtschaftlichen Bruttoproduktion um einen viertel vH-Punkt über der Referenzlösung. Während die Deflatoren der Konsum- und der Exportnachfrage deutlich schwächer steigen, sind es erwartungsgemäß vor allem die Baupreise, die infolge des simulierten Nachfrageanstiegs deutlich über dem Referenzniveau ohne diese Störung liegen (gut 1 vH ab der dritten Periode). Da das Modell die Finanzierungsvorgänge im Zusammenhang mit dem Nachfrageimpuls nicht abbildet, wird ein inflationsbedingter Anstieg des langfristigen Nominalzinses um bis zu 0,2 vH-Punkten unterstellt.

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Das dynamische Muster der direkten und indirekten Nachfragewirkungen ist vor allem durch die Einflüsse kontraktiver Nebenwirkungen gekennzeichnet. Weil der öffentliche Bau annahmegemäß nicht und der gewerbliche Bau kaum angeregt werden, steigen die realen Bauinvestitionen mit 3,7 Mrd. DM pro Jahr kaum stärker als das preisbereinigte Volumen des unterstellten Wohnungsbauprogramms. Die übrigen induzierten Nachfrageeffekte gehen dagegen im Zeitablauf zurück (vgl. Schaubild 5). Zum einen verteuert sich die Lebenshaltung - mit der Konsequenz, daß der Zeitpfad des privaten Konsums durch rückläufige Realeinkommenszuwächse bestimmt wird. Andererseits steigen die Exportpreise bei annahmegemäß unveränderten Wechselkursen im Zuge des allgemeinen Inflationsimpulses, so daß die darauf z.T. verzögert reagierende Auslandsnachfrage gegenüber der Referenzlösung zurückfällt. Die zusätzlichen Ausrüstungsinvestitionen, die sich bei normaler Kapazitätsauslastung deutlich kräftiger als der Produktionsanstieg entwickeln, werden mittelfristig durch anziehende Zinsen leicht gedämpft. Schließlich wird ein Teil der zusätzlichen Nachfrage nicht produktionswirksam, sondern fließt über die Importnachfrage ans Ausland ab. Aufgrund der Kapazitätssituation und der sich veränderten Preisverhältnisse zum Ausland, steigt die Importnachfrage dem Muster der Inlandsproduktion folgend etwas stärker. Aufgrund der generell geringen Importneigung des Baugewerbes dürfte dieser Effekt im Falle des unterstellten exogenen Impulses im Vergleich zu direkten Nachfrageimpulsen auf Märkten für handelbare Güter allerdings noch gering ausfallen. Insgesamt erreicht das reale Bruttoinlandsprodukt in der zweiten Simulationsperiode mit 4,5 Mrd. DM (0,23 vH) seine maximale Abweichung von der Referenzlösung - im sechsten Jahr liegt es nur noch 3 Mrd. DM (0,15 vH) über dem Vergleichswert ohne den hypothetischen Nachfrageimpuls. Nimmt man die induzierte Vorleistungsnachfrage mit ins Bild, dann steigt die gesamtwirtschaftliche Bruttoproduktion zunächst um 10,5 Mrd. DM (0,27 vH). Schaubild 5 Die Wirkungen verstärkter Wohnungsbauinvestitionen auf die Verwendungskomponenten Relative A b w e i c h u n g in vH

|

j

Simulationsperiode 2

Simulationsperiode 4

Simulationsperiode 6

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III. Elemente der Wohungswirtschaft

Dem dargestellten Verlaufsmuster folgend schwächen sich diese Wirkungen bis zur sechsten Simulationsperiode auf 8 Mrd. DM (0,18 vH) ab. Im Vergleich zu den Ergebnissen mit dem teilgeschlossenen statischen Input-Output-Modell ohne Kapazitätsengpässe fallen die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen also zunächst höher aus, während in der mittleren Frist etwa das Ergebnis mit dem offenen Input-Output-Modell erreicht wird. Kurzfristig sorgen damit die anziehenden Ausrüstungsinvestitionen für eine weitere Belebung der Wirtschaftstätigkeit - mittelfristig ist jedoch davon auszugehen, daß sinkende Exporte und steigende Importe die induzierten Konsum- und Ausrüstungswirkungen teilweise kompensieren. Die Veränderungen der Produktionsstruktur entsprechen weitgehend denen im einfachen Input-Output-Modell. Dies liegt daran, daß der exogene Bauimpuls über die Perioden konstant bleibt und daß die induzierten Nachfragewirkungen im Zeitablauf abnehmen. Das Schaubild 6 zeigt, daß vor allem die Bauwirtschaft und ihre Zulieferer von dem unterstellten Nachfrageanstieg überdurchschnittlich profitieren - für die übrigen Sektoren sind die Produktionszuwächse, gemessen am gesamtwirtschaftlichen Effekt, unterdurchschnittlich 18 . Die beiden Bausparten profitieren erwartungsgemäß kräftig, gefolgt von den wichtigsten Bauzuieferern im Grundstoffbereich und einigen eng verbundenen Dienstleistungssektoren (vgl. Abschnitt 3.4.1). Schaubild 6 Die Wirkungen verstärkter Wohnungsbauinvestitionen auf die Produktionsstruktur Relative A b w e i c h u n g in v H

Hoch-/ Tieibau

j

18

Ausbaugr werbe

j Simulationsperiode 2

Steine/ Erden

Stahl- u n d Leichtmetallbau

Ziehereien

Sintulationsperiode 4

Sonstige Wohnungsmarktbestimmte W i r t s c h a f t Dienstleistungen

Großhandel

Sim u l a t i o n s p e r i o d e 6

Einige kleinere Zulieferbereiche wie die Feinkeramische Industrie, die Glasindustrie und die Holzverarbeitung sind in der Abbildung nicht aufgeführt, obwohl sie - gemessen an ihrem geringem Ausgangsniveau - ebenfalls überdurchschnittlich am Wohnungsbauprogramm partizipieren.

11. Die Bau- und Wohnungswirtschaft als Konjunkturlokomotive?

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Die sektorale Struktur der Beschäftigungswirkungen entspricht weitgehend der der Produktionseffekte. Wie dies bei Berechnungen dieser Art üblich ist, wird hier unterstellt, daß die benötigte Arbeitsnachfrage nach Sektoren und Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt auch zur Verfügung steht; Arbeitsmarktfriktionen werden also ausgeschlossen. Unter diesen Bedingungen erreicht der gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffekt mit 80 000 Personen in der zweiten Simulationsperiode das Maximum - in der sechsten Periode bindet das unterstellte Wohnungsbauprogramm einschließlich aller Folgeeffekte immerhin noch 60000 Arbeitsplätze. Die Hälfte dieses Beschäftigungseffektes fällt im Bausektor selbst an, der Hoch- und Tiefbau partizipiert davon zur Hälfte - die restlichen Arbeitsplätze entstehen im Ausbaugewerbe. Weitere gut 20 000 Arbeitsplätze werden in den baunahmen Bereichen (Sonstige marktbestimmte Dienstleistunten, Steine und Erden, Ziehereien bzw. Stahl- und Leichtmetallbau, Handel sowie Finanzierungsmediäre) gebunden, so daß auf alle übrigen Bereiche weniger als 10000 zusätzliche Beschäftigte entfallen. Der Außenbeitrag verringert sich, und zwar ausschließlich als Folge eines Importanstiegs um 2 Mrd. D M - der Rückgang der Exportmengen wird durch einen Anstieg der Exportpreise gerade kompensiert. Das Budget des Staates wird dagegen auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite tangiert: Bei real unverändertem Staatsverbrauch und konstanten Investitionen verursachen Preis- und Lohnerhöhungen zusätzliche Transformationsausgaben von etwa 1,5 Mrd DM. Ähnlich hohe Entlastungen sind bei den Transfers der Gebietskörperschaften und der Sozialversicherungen zu erwarten, obwohl die Effekte der verminderten Arbeitslosigkeit z.T. durch steigende Nettoeinkommen, nach denen sich etwa die Rentenzahlungen bemessen, kompensiert werden. Auf der Einnahmenseite fallen zusätzliche Steuern in Höhe von gut 2 Mrd. D M an; zum überwiegenden Teil handelt es sich dabei um indirekte Steuern. Sollten diese Mittel nicht zur Rückführung des Defizits verwendet werden, müßten die Zinszahlungen des Staates bei unverändertem Schuldenstand aufgrund steigender Langfristzinsen leicht zunehmen. In diesem Falle stünden etwa 1,5 Mrd. DM zur Mobilisierung der zusätzlichen Bauausgaben zur Verfügung. Weil nicht nur der geförderte Bau, sondern die gesamte Bautätigkeit teurer würde, müßten somit etwa drei Viertel der zusätzlichen privaten Bauausgaben auf anderem Weg als durch staatliche Förderung aufgebracht werden. Die in Schaubild 6 aufgeführten zusätzlichen Umsätze der Wohnungswirtschaft beruhen überwiegend auf Einkommenswirkungen. Wohnen hat einen überragenden Stellenwert im Warenkorb der Privaten Haushalte und gilt als superiores Gut: Die Ausgaben für Wohnen nehmen nach den vorliegenden Berechnungen etwa 1,5 mal stärker zu als die Einkommen. Als Hinweis auf einen Konsumstruktureffekt kann daher gedeutet werden, daß die zusätzliche Wohnungsnachfrage am Ende des Simulationszeitraums knapp 35 vH der zusätzlichen Einkommen verbraucht. Da die Einkommensmultiplikatoren unmittelbar wirksam werden und dem aufgrund der Bestandsträgheit erst nach etwa vier Jahren Kapazitäten in entsprechender Größenordnung gegenüberstehen, dürfte die unterstellte Wohnungsbaumaßnahme die Mieten paradoxerweise zunächst steigern. Neben den Kapazitätserweiterungen in der Wohnungswirtschaft, die vier Fünftel des induzierten gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks ausmachen, fallen vom verbleibenden Kapitalbestandszuwachs fast 40 vH in der Bauwirtschaft selbst und weitere 35 vH in baunahen Bereichen an. Die Kapazitätseffekte außerhalb des Baubereichs dürften damit vernachlässigbar sein, so daß eine fühlbare Auswei-

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tung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials auch in den hier angenommenen Größenordnungen und Zeiträumen kaum zu erwarten ist. Wohnungsbauinvestitionen sind deshalb in der kurzen Frist in hohem Maße einkommens- und beschäftigungswirksam, während ihre langfristigen Wirkungen eher gering sein dürften. Wie stets bei Simulationsrechnungen, die eine vorübergehende oder auch dauerhafte Veränderung einer bestimmten Nachfrage unterstellen, ist aber auch zu fragen, welche Verwendungsalternativen es gegeben hätte, m.a.W. für welche Zwecke die eingesetzten Mittel sonst verwendet worden wären. Auf diese Frage können in einer (annähernd) vollbeschäftigten Wirtschaft nur weitere Simulationsrechnungen eine zufriedenstellende Antwort geben.

4. Zusammenfassung (1) Seit Beginn der neunziger Jahre hat sich die Bautätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland deutlich belebt. Nach langen Jahren der Stagnation, in denen die Bauwirtschaft die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eher gebremst als gefördert hatte, hat sie in den Jahren 1988/94 wieder die Rolle einer „Konjunkturlokomotive" zu übernommen. Ob dies auf eine nachhaltige Trendwende hindeutet, so daß auch in Zukunft von der Baunachfrage positive Wachstumssignale ausgehen, bleibt abzuwarten. (2) D e r vorliegende Beitrag versucht, die Auswirkungen einer hypothetischen Veränderung der Baunachfrage auf Wachstum und Struktur der westdeutschen Wirtschaft zu Beginn der neunziger Jahre zu quantifizieren. Er verwendet hierzu Modelle, die als simplifizierte Abbilder tatsächlicher Vorgänge eine Analyse komplexer ökonomischer Phänomene erlauben. Ihre Ergebnisse sind allerdings räumlich oder zeitlich nicht übertragbar, da sich ihre Parameter auf einen bestimmten Datensatz beziehen. Außerdem werden Simulationssysteme überfordert, wenn Parameterkonstanz in Simulationsrechnungen sinnvollerweise nicht unterstellt werden kann. (3) Trotz der im Detail abweichenden Abbildung einzelner Transmissionsmechanismen induzieren dauerhafte Erhöhungen der Bauinvestitionen in allen ausgewerteten Simulationsrechnungen einen unmittelbaren Produktions- und Beschäftigungsanstieg: Den Berechnungen zufolge impliziert ein dauerhafter Anstieg der Bauausgaben um 4 Mrd. DM kurzfristig einen nominalen gesamtwirtschaftlichen Produktionszuwachs von mehr als 10 Mrd. DM. Ursächlich für diesen Multiplikatoreffekt sind vor allem eine steigende Nachfrage nach Vorleistungsgütern und die einkommensbedingte Erhöhung des privaten Verbrauchs; induzierte Investitionen sind in nennenswertem Umfang allenfalls in den baunahen Bereichen anzutreffen. Die Kapazitätseffekte der Wohnungsbauinvestitionen - und damit die langfristigen Wachstumswirkungen - fallen vergleichsweise bescheiden aus. (4) Im Zeitablauf werden verstärkt auch unerwünschte Nebenwirkungen sichtbar, die die positiven Effekte zumindest teilweise zurückdrängen: - Ein beschleunigter Anstieg des Reallohns mindert die vom Produktionsanstieg ausgehenden Beschäftigungswirkungen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein stetig wachsender Teil der Nachfrage in steigenden Preisen verpufft, so daß auch die anfänglichen Zuwächse der Konsumnachfrage mittelfristig zurückge-

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hen und sich schließlich überwiegend auf die Wohnungswirtschaft konzentrieren. - Ein nicht unbeachtlicher Teil der entstehenden (Vorleistungs-)Nachfrage wird durch Importe gedeckt. Gleichzeitig verschlechtert sich die Konkurrenzfähigkeit der Exportwirtschaft nach Maßgabe der sich ergebenden Preisniveau- und -Struktureffekte. - Mittelfristig anziehende Inflationserwartungen und eine stärkere Inanspruchnahme der Kreditmärkte führen zu steigen Zinsen. Weitere Zinserhöhungen könnten sich unter den g e g e b e n e n geldpolitischen Rahmenbedingungen als Reaktion auf die Preissteigerung ergeben. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Effekte kräftig genug sind, um die Sachkapitalbildung in anderen Sektoren zurückzudrängen. Unter den Voraussetzungen einer (annähernd) vollbeschäftigten Wirtschaft wäre überdies zu fragen, welche Verwendungsalternativen es gegeben hätte, d.h. was an die Stelle der hier simulierten zusätzlichen Bauausgaben getreten wäre.

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III. Elemente der Wohungswirtschaft

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12. Bevölkerungsentwicklung und Wohnungswirtschaft 1.0 Einleitung Vom Generalthema des Kompendiums her soll die „und"-Verbindung zwischen „Bevölkerungsentwicklung" und „Wohnungswirtschaft" hauptsächlich als ein auf den zweitgenannten Bereich gerichteter Wirkungspfeil gelesen werden. Gewiß gibt es, schon die Plausibilität spricht dafür, auch die umgekehrte Wirkungsrichtung, das heißt, daß Einflüsse aus dem wohnungswirtschaftlichen Bereich auf Seiten der Bevölkerungsentwicklung wirksam werden können, z.B. in Form der Beeinflussung des generativen Verhaltens (der Zahl und der Zeitpunkte der Geburten) oder in Form des Auslösens bzw. der Veränderung von räumlichen Bevölkerungsbewegungen. Diese Wirkungsrichtung steht aber, wie gesagt, im folgenden nicht im Vordergrund. Vorwegzunehmen ist weiterhin, daß der Terminus „Bevölkerungsentwicklung" umfassender angewandt wird, d.h., daß die Behandlung der Bevölkerungsentwicklung - als einer Rahmenbedingung wohnungswirtschaftlichen Handelns sich nicht nur auf Zahl, Struktur und Mobilität der Bevölkerung bezieht, sondern als Teilobjekt auch die privaten Haushalte einschließt. Dies gebieten ohnehin die Vorgaben der bevölkerungswissenschaftlichen Disziplinen: Familienbildung, Haushaltsbildung oder das Phänomen der Familienzyklen etc. sind originäre Objekte demographischer Forschung und Lehre. Wohnungswirtschaft auf der anderen Seite ist als ein dynamisches und komplexes System der allgemeinen Wohnungsproduktion und -nutzung zu sehen, als ein Zusammenwirken zahlreicher Elemente bzw. beteiligter Gruppen und Interessen. Damit wird von vornherein nahegelegt, die Bedingungsbeziehungen zwischen quantitativer Bevölkerungsentwicklung und Wohnungswirtschaft nicht so eng und direkt zu sehen, wie der Anschein nahelegen könnte. Wenn man einmal von Ausnahmesituationen, z.B. von Umbrüchen in der Bevölkerungsentwicklung absieht, können etwa von Veränderungen im Bereich der wohnungsbezogenen „Bedürfnisse" (z.B. mit Blick auf das Wohnflächenwachstum) oder von neuen politischen Festsetzungen, was den „Wohnbedarf" anbetrifft, gegebenenfalls viel gewichtigere Einflüsse auf den wohnungswirtschaftlichen Bereich ausgehen. Will man, wie in einem wohnungswirtschaftlichen Kontext angebracht, eine ökonomische Definition des Gutes Wohnung zugrundelegen, ist allerdings festzustellen, daß die sich mit wohnungswirtschaftlichen Fragestellungen beschäftigende Literatur keine allgemein akzeptierte Begriffsbestimmung hergibt (J. Heuer, 1985, S. 28). Konsens scheint zumindest insoweit zu herrschen, daß die Wohnung als ein Gut anzusehen ist, das funktional auf die Befriedigung eines Grundbedürfnisses abgestellt ist und das in einer Wohnungsmarktwirtschaft am Markt gehandelt wird.

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

2.0 Wohnungswirtschaftlich bedeutsame Komponenten der Bevölkerungsentwicklung Da der Nutzung - aber auch schon der funktionsgerechten Produktion - des Gutes Wohnung mindestens das Merkmal der Mittelfristigkeit zu eigen ist, sollte im Kontext wohnungswirtschaftlicher Fragestellungen die Bevölkerungsentwicklung stets auch im „Längsschnitt", als Prozeß, betrachtet und ins Kalkül gezogen werden. Argumentative Bestätigung hierfür findet sich schon in einer für jedermann zugänglichen Quelle, und zwar in den sog. Bevölkerungsberichten der Bundesregierung, in denen auf zahlreiche Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland eingegangen wird. Seit dem Erscheinen der Bevölkerungsberichte der Bundesregierung (BMI, 1980 u. 1984) sind allerdings keine Regierungsberichte zur Bevölkerungsentwicklung auf Bundesebene mehr erschienen, in denen ausführlicher auch Beziehungen zwischen der Bevölkerungsentwicklung und dem Wohnungsmarkt hergestellt wurden. Wenn auch z.T. verstreut, sind in diesen Berichten doch schon die meisten der unter wohnungwirtschaftlichen Aspekten belangvoll erscheinenden Komponenten der Bevölkerungsentwicklung angesprochen worden: a) Bevölkerungszahl; b die Komponenten der natürlichen Bevölkerungsbewegung (Geburten; Sterbefälle); c) Altersstruktur der Bevölkerung; d) Zahl der Haushalte; e) Strukturen der Familien und Haushalte; f) räumliche Bewegungen von Bevölkerung und Haushalten nach ihrer Richtung' und Distanz; g) Strukturen der Wanderungs- und Umzugsströme.

2.1 Bevölkerungszahl Die rein zahlenmäßige Veränderung einer nationalen oder regionalen Bevölkerung ist wohnungswirtschaftlich in der Regel weniger bedeutungsvoll als andere demographische Faktoren. Sie erscheint immer nur dann von besonderem Belang zu sein, wenn sie als relativ schnelle Veränderung mit beträchtlichem Ausmaß vor sich geht. Nur in solchen Fällen sind hierzulande bisher Situationen tatsächlich umfassender Wohnungsnot entstanden (zu denen allerdings auch dann noch immer anderweitige problemverstärkende Faktoren hinzutreten mußten). Derartige Determinationen durch reine Anzahl waren beispielsweise: Im vorigen Jahrhundert der rapide Anstieg der Bevölkerungszahl dadurch, daß nun jedermann seine Heiratsund Fortpflanzungschancen wahrnehmen konnte (bei gleichzeitigen regionalen Problemverstärkungen durch räumliche Bevölkerungskonzentration) oder, in diesem Jahrhundert, die Aufnahme des - viele Millionen Menschen umfassenden - Zustroms von Flüchtlingen (Problemverstärkung hier: die vorausgegangene Wohnungsvernichtung). Entgegengesetzte Probleme, d.h. solche, infolge starken Rückgangs nationaler und regionaler Bevölkerungszahlen, waren in der jüngeren deutschen Geschichte noch nicht zu verzeichnen. Langfristig, etwa in den ersten Dezennien des nächsten Jahrhunderts, könnten sich allerdings - unter bestimm-

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ten Voraussetzungen - derartige entgegengesetzte Problemstellungen ergeben (darüber mehr unter 4). Die solchen Entwicklungen primär zugrunde liegende natürliche Bevölkserungsbewegung ist bekanntlich Resultat aus Geburten oder Fruchtbarkeit (Fertilität) und Sterbefällen (Mortalität). Die Fruchtbarkeit - gemessen durch die ,Nettoreproduktionsrate' - ist in den letzten 100 Jahren auf ein sehr niedriges Niveau abgesunken. Allerdings ist sie nun, seit Mitte der 70er Jahre, relativ stabil. Sie liegt - mit leichten Schwankungen - bei etwa zwei Drittel des zur Bestandserhaltung nötigen Niveaus. Dahinter verbergen sich in der jüngsten Zeit auch Altersstrukturverschiebungen der Fertilität: Die Tendenz zur späteren Geburt; d.h. Abnahme der Fruchtbarkeit bei jüngeren Frauen (bis 25 Jahren) und Zunahme der Fruchtbarkeit bei Frauen zwischen 30 und 40 Jahren. Diese Tendenz wird mittelfristig vermutlich weiter anhalten. Mit einer Zunahme der Gesamtfertilität ist derzeit kaum zu rechnen. Die Mortalität weist demgegenüber einen stabileren zeitlichen Verlauf auf. Die Lebenserwartung ist kontinuierlich weiter angestiegen. Internationale Vergleiche mit Ländern ähnlicher Sozialstruktur geben Anlaß zu der Vermutung, daß diese Entwicklung anhalten wird. (Ein Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung bis zum Jahr 2000 um ca. zwei Jahre - auf dann 80 Jahre bei den Frauen und 73 bis 74 Jahre bei den Männern - erscheint durchaus realistisch.) Die Differenz zwischen der Lebenserwartung von Frauen und Männern könnte sich wieder etwas verringern, da sie derzeit einigen Sondereinflüssen unterliegt, die auf Spätfolgen des Weltkrieges II beruhen (H. Bucher u. H. Osenberg, 1988).

2.2 Zahl der privaten Haushalte Wenn es um wohnungswirtschaftliche Aspekte - beziehungsweise um Wohnung als Gebrauchs- bzw. Konsumgut - geht, ist die Zahl der privaten Haushalte von größerem Belang als die Bevölkerungszahl. Die meisten Konsumentscheidungen für langfristige Gebrauchsgüter werden eher auf der Basis von Haushalts- als von Individualentscheidungen getroffen. Als erklärende Variable mit Blick auf Vorgänge im wohnungswirtschaftlichen Bereich werden Haushalte als genauso wichtig erachtet wie das Einkommen, haben Veränderungen bei den Haushaltszahlen den gleichen Einfluß auf die Konsumgüternachfrage wie Einkommensänderungen. Kurzfristige Schwingungen der Konsumgüternachfrage werden eher durch das Einkommen, langfristig dagegen mehr durch die Veränderung der Haushaltszahlen erklärt (P. Pflaumer, 1986, S. 185 u. 200).

2.3 Bevölkerungsstruktur Unter wohnungswirtschaftlichen Aspekten ebenfalls entscheidender als die Veränderung der reinen Bevölkerungszahl ist die Veränderung der Zusammensetzung der Bevölkerung, der Wandel der Bevölkerungsstruktur, wie er in Phasen der quantitativen Stagnation stattfindet, d.h. in Phasen des Übergangs vom Bevölkerungswachstum zum Bevölkerungsrückgang, verursacht durch den vorauslaufenden rapiden Geburtenrückgang, wie er zuerst in der Bundesrepublik

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

Deutschland, dann in vielen anderen Staaten Europas auftrat. In solchen Phasen nehmen die Strukturveränderungen gravierende Ausmaße an: Starkem Ansteigen des Anteils bestimmter Altersgruppen der Bevölkerung (insbesondere fortgeschrittenen Alters) steht in anderen Altersgruppen (z.B. bei den Kindern und Jugendlichen) starkes Anteilsschrumpfen gegenüber. Auf die Auswirkungen auf wohnwirtschaftlichem Sektor wird weiter unten noch eingegangen. Unter wohnungswirtschaftlichen Aspekten ist zu beachten, daß von den bevölkerungsstrukturellen Veränderungen starke Auswirkungen auf die Zahl und die Zusammensetzungen der privaten Haushalte ausgehen.

2.4 Strukturen privater Haushalte Altersstrukturelle Veränderungen der Bevölkerung sind schon mit Blick nur auf die reine Zahl der Haushalte als eine der wesentlichsten Bestimmungsgrößen anzusehen; z.B. verantwortlich für den - trotz Bevölkerungsrückgangs insgesamt mittelfristig weiteren Anstieg der Haushaltszahl hierzulande. (Eine der Hauptursachen ist, daß die „geburtenstarken Jahrgänge" der 60er Jahre jetzt in die Phase der Familiengründung kommen.) Aber es sind nicht die altersstrukturellen Veränderungen der Bevölkerung allein, die die Zunahme der Haushaltszahlen bewirkten und weiter bewirken. Weitere Ursachen, mit denen zugleich eine Verschiebung in der Haushaltsgrößenstruktur einhergeht, sind eine frühzeitige Lösung von Jugenlichen vom Elternhaus, die wachsende Scheidungsbereitschaft, die Zunahme der Einelternfamilien und die Isolierung alleinstehender älterer Menschen in Einpersonenhaushalten (verstärkt durch die auseinanderdriftende Lebenserwartung von Männern und Frauen). Mit dem Wachstum der Zahl der Haushalte ist also, wie gesagt, zugleich eine Verlagerung der Haushaltsgrößenstruktur in Richtung auf kleinere Haushalte verbunden. Besonders zu beachten unter wohnungswirtschaftlichen Aspekten ist auch das Alter der Haushalte bzw. das Alter der Haushaltsvorstände. Unter den verschiedenen Bestimmungsgründen für die Wohnstandortswohl bzw. für den Auszug aus einer Wohnung und für die Auswahl einer zu beziehenden Wohnung hat sich dieser Altersfaktor als der wesentlichste herausgestellt, weit vor den Einflußfaktoren Einkommen, Wohnkosten oder Kinderzahl rangierend (K. Behring et al., 1988, S. 15f.). Somit wird die vom Alter determinierte Vorliebe für ganz bestimmte Wohnungstypen alle anderen - z.T. auch gegenläufige Tendenzen - überkompensieren. Wesentlich ist der Altersstruktureffekt auch unter dem Gesichtspunkt, daß mit zunehmendem Alter die Umzugshäufigkeit rapide abnimmt; wesentlich vor allem deshalb, weil langfristig der Anteil älterer und alter Menschen sehr stark zunehmen wird.

2.5 Familienstrukturen und -zyklen Die Entwicklung von Haushaltszahlen und -strukturen steht in einem sehr engen Zusammenhang mit den jeweiligen Gegebenheiten und Determinanten der Familienbildung, mit den jeweils vorherrschenden Familienstrukturen und -zyklen.

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Diese haben sich im historischen Ablauf stark verändert. So ist den Ausführungen des Bevölkerungsberichts (BMI, 1980) zuzustimmen, daß ein anderweitiger, bisher noch nicht behandelter demographischer Faktor in besonderem Maße zur Veränderung der Familien- und Wohnstruktur, vor allem zur Ausbildung der Kleinfamilie beigetragen habe. Es handelte sich um den Faktor der räumlichen Mobilität, speziell um die mit der Industriealisierung einsetzenden interregionalen Wanderungsprozesse. Aus disziplinar anderweitiger Sicht betrachtet, ging hier eine Mobilisierung' des Produktionsfaktors Arbeit vor sich: Die Schaffung der großen Industriezentren war nur möglich durch erhebliche Wanderungen von Arbeitnehmern aus den ländlichen Gebieten in die neuen industriewirtschaftlichen Zentren. In der Zeit vor der Industrialisierung wohnten Familien sehr lange im gleichen örtlichen Bezugsrahmen. Es gab vielfältige intensive Beziehungen zu nahebei wohnenden Verwandten sowie zu Nachbarn; häufig waren die Familien, die in einem Hause oder zumindest in einer Wirtschaftsgemeinschaft wohnten, größer und umfaßten drei Generationen und auch Verwandte in der Seitenlinie sowie Gehilfen und Dienstpersonal. Im Rahmen solcher Familien- und Nachbarschaftsstrukturen war es leichter, die Kinder arbeitsteilig zu betreuen. Die neuen Wohnbedingungen in den Städten waren, maximal gesehen, auf Familiengrößen wie die heutigen Kernfamilien, zugeschnitten. Mit der zunehmenden Mobilität, mit den Wanderungen in die industriellen Zentren, mußte sich zwangsläufig die aus zwei Generationen - den Eltern und ihren nicht erwachsenen Kindern - bestehende moderne Kernfamilie herausschälen. Die Erziehungs- und Aufsichtsfunktion gegenüber den Kindern konzentrierte sich dabei - mehr oder weniger bis heute auf die Ehefrau. Überdies weist der moderne Familienhaushalt einen spezifischen Entwicklungsrhythmus auf (C. Höhn, 1982 oder L. Lowinski, 1979): Er beginnt mit dem Zusammenziehen des erwachsenen Paares, weitet sich mit der Geburt des Kindes/der Kinder zur Familie im eigentlichen Sinne aus und schrumpft anschließend, mit dem Auszug der erwachsenen Kinder, wieder auf das Anfangsmaß des Ehegattenpaares. Dementsprechend wandeln sich die Wohnanforderungen. Vielfach sind diese nur durch Wohnungswechsel zu erfüllen, auch und gerade dann, wenn das Wohnumfeld mit in das Kalkül einbezogen wird. Vor allem die sich aus Nahwanderungen und Umzügen (vgl. unten) ergebenden Haushaltsneugründungen sind in der Hauptsache von den vielfältigen subjektiven Komponenten bestimmt, die aus dem Entwicklungsrhythmus der Familienhaushalte resultieren.

2.6 Bevölkerungsbewegungen im Raum Wie sich voranstehend bei der Behandlung des Familien- und Haushaltswandels schon andeutete, sind nicht nur Determinanten „vor Ort" von Belang für zahlenmäßige und strukturelle Veränderungen demographischer Größen, sondern auch die Bevölkerungsbewegungen im Raum. Hierbei wären Umzüge von Wanderungen zu unterscheiden, wobei Kriterium für die zweitgenannte Mobilität ist, daß sie Kommunalgrenzen überschreitet. (Als Distanzkriterium ist dies allerdings recht unzulänglich, da bei Umzügen ggf. größere Distanzen zu überwinden sind als bei der sog. Nahwanderung.)

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

Verschiedene Merkmale räumlicher Bevölkerungsumverteilungen sind unter wohnungswirtschaftlichen Aspekten von Interesse, z.B. Einkommen oder Alter der wandernden Personen bzw. Größe, Einkommen oder Struktur der umziehenden oder wandernden Haushalte. Aus wohnungswirtschaftlicher Sicht verdienen solche qualitativen Aspekte räumlicher Bevölkerungsumverteilungen in der Tendenz mehr Beachtung als die rein quantitativen. Diese quantitativen Aspekte bestehen darin, daß sogenannte Abwanderungsgebiete Teile ihrer Bevölkerung an Zuwanderungsgebiete verlieren. Dieser quantitative Aspekt der Umverteilung ist heute insoweit von größerem Belang, daß bei stagnierenden oder rückläufigen nationalen Bevölkerungszahlen - regionale Bevölkerungsgewinne nur noch durch Zuwanderung, d.h. auf Kosten anderer Regionen und Gebiete erreicht werden können. Der qualitative Aspekt demgegenüber ergibt sich in der Hauptsache durch die Verschiebung der Bevölkerungszusammensetzung in den Wegzugs- bzw. Zuzugsgebieten. Wanderungen oder intraregionale Umzüge zwischen Gebieten oder Stadtteilen führen zu solchen sozial- oder altersstrukturellen Verschiebungen in den regionalen/gebietlichen Bevölkerungen dann, wenn sich die wandernden Personen vom Durchschnitt der jeweiligen Wohnbevölkerung der Herkunftsoder Zielgebiete unterscheiden. Derartige Wanderungsströme, die nicht mit den jeweiligen Wohnbevölkerungen identisch sind, werden als „selektiv" bezeichnet (H.-P. Gatzweiler, 1975 oder F. Koch, 1983). Sie können letztlich zur räumlichen Segregation z.B. von sozial- oder einkommensstrukturell zu unterscheidenden Bevölkerungsgruppen oder Haushaltstypen führen. Diese Prozesse wären als ein Hauptobjekt laufender kommunaler Wohnungsmarktbeobachtungen zu betrachten (vgl. dazu Ausführungen unter 3.). Was die Erforschung dieser Zusammenhänge anbetrifft, lassen sich unterschiedliche Ansätze wählen: Die Wanderungsstromanalyse, die Analysen des Wohnstandortverhaltens und der Ansatz der Wanderungsmotivforschung. Die Forschungsstrategie der Wanderungsstromanalyse gehört zu der erhebungstechnisch einfachsten Art, da sie Wanderungsströme zwischen Teilräumen anhand von Aggregatdaten, wie sie im Rahmen der Tätigkeit der kommunalen statistischen Ämter anfallen, analysiert. Die weit aufwendigere Technik ist die Befragung von Wanderern im Rahmen der Wanderungsmotivforschung. Es wird davon ausgegangen, daß die geäußerten Motive Indikatoren für die Wanderungsgründe sind. Bei den Analysen des Wohnstandortverhaltens schließlich ist nicht nur der faktische Wohnungswechsler von Interesse. Wechsel wird nur als eine Verhaltensalternative unter anderen betrachtet. Es werden auch die verschiedenen Formen der Seßhaftigkeit untersucht, auch z.B. vergebliche Suchbemühungen, andauernde Mobilitätsbereitschaft bzw. Wohnungsunzufriedenheit oder Reduktion der Wohnansprüche als Reaktion auf Verschlechterungen (z.B. F. Koch, 1983).

3.0 Fragen wohnungsmarktbezogener Beobachtung der Bevölkerungsentwicklung Informationen über die Veränderung der demographischen Rahmenbedingungen, und zwar in Form laufender Gewinnung,werden sowohl von der Wohnungs-

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Wirtschaft im weiteren Sinne benötigt als auch von der Wohnungsbaupolitik auf den verschiedenen administrativen Ebenen. Für letztere - vor allem auf kommunaler Ebene - ist es ein Erfordernis, frühzeitig zu erkennen, wann und wo Neubauförderung, Stadterneuerung, Modernisierung und Erhaltung eines preisgünstigen Wohnungsbestandes notwendig sind, um rechtzeitig entsprechende Handlungsstrategien entwickeln zu können. Hierfür sind Informationen darüber erforderlich, wie sich beispielsweise Sterbefallüberschuß, Ausländerfortzug oder die Abwanderung ins Umland gebietsspezifisch auswirken; welche Bevölkerungsgruppen aus bestimmten Wohnlagen abwandern oder welche Haushaltstypen schließlich in freiwerdende Bestände, in modernisierte und neu errichtete Wohnungen einziehen. Für übergeordnete Wohnungspolitik - vor allem auch im Zusammenhang mit städtebaulichen Aufgabenstellungen oder dem Ausbau von Infrastruktur - ist erforderlich zu wissen beispielsweise, wie sich die Wanderungsbewegungen zwischen Raumkategorien mit unterschiedlichen Siedlungsstrukturen verändern, wie sich Haushaltszahlen und -strukturen im allgemeinen, in größeren Teilbereichen des nationalen Territoriums oder in den Einheiten administrativer Raumraster verändern. Die Wohnungswirtschaft ist auf ähnlich strukturierte Informationen angewiesen. Und dies betrifft vor allem den wohnungswirtschaftlichen Bereich der Bereitstellung von Wohnnutzung zur Versorgung anderer, also den Prozeß der auf Renditensicherung orientierten unternehmerischen Vermögensverwertung. Wie für diese Investoren am Wohnungsmarkt, gälte jenes Informationserfordernis aber auch für „vorgelagerte" Märkte, für den Kapital-, den Boden- und den Baumarkt, wollten sich diese nicht „blind" durch den Wohnungsmarkt koordinieren lassen.

3.1 Zum demographischen Bereich systematischer Wohnungsmarktbeobachtung Der oben skizzierte Informationsbedarf der Wohnungswirtschaft über die demographischen Determinanten der Wohnungsnachfrage läßt sich nur sehr unzulänglich durch sporadische ad-hoc-Studien, wie sie bisher die Regel sind, sicherstellen. Den Erfordernissen besser gerecht wird eine laufende und zugleich auch räumlich differenzierende Entwicklungsbeobachtung. Doch reichen die heute verfügbaren Daten der Bundes- und Landesstatistik für laufende und aktuelle überörtlich vergleichbare Informationen nicht aus (F. von Klitzing, 1985). Solche Informationen können nur aus einer ständig aktualisierten Datenbasis vor Ort auf kommunaler Ebene gewonnen werden. Mit Blick auf die potentiellen Wohnungsnachfrager stehen als Datenquelle auf kommunaler Ebene die Dateien der Einwohnerstatistik zur Verfügung, und zwar in Form der Einwohnerbestandsdaten, der Einwohnerbewegungsdaten sowie beide Datenarten in der besonderen Form personen- und zeitbezogener Ereignisketten (F. von Klitzing, 1985, S. 5). Auf dieser Basis lassen sich auf bestimmte Beobachtungsziele bezogene Indikatoren definieren, die sich wiederum auf ein möglichst flexibles Raster räumlicher Beobachtungseinheiten oder Lagetypen beziehen lassen sollten. Die Zusammengehörigkeit von Personen und Haushalten kann aus den Angaben des Meldewesens zwar nicht genau, aber doch angenähert erschlossen werden. Die nur angenähert ermittelbare Zahl und Struktur der Haushalte reichen aber für Ent-

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Wicklungsvergleiche zwischen verschiedenen Gebieten, Lagetypen und Zeitpunkten aus.

3.1.1 Beobachtungen von Strukturen Wie schon ausgeführt, ist für die Nachfrage nach Wohnungen nicht die reine Zahl der Personen entscheidend, sondern die Zahl und Struktur der Haushalte, in denen die Personen zusammenleben. Während die Wohnbevölkerung bereits in vielen Gemeinden sinkt, ist mittelfristig durchweg mit einem weiteren Ansteigen der Haushaltszahlen zu rechnen, wobei dies jedoch nicht für jedes Wohnquartier und jeden Stadtteil zu jeder Zeit gilt. Die einzelnen Wohngebiete zeigen jeweils typische Haushaltsstrukturen und Haushaltsstrukturentwicklungen, die wiederum einen engen Bezug zur dortigen Bausubstanz haben können. Abgesehen von diesen und den Unterschieden in den demographischen Grundkomponenten gibt es viele lokal und regional auf die Wohnungsmärkte wirkende Besonderheiten der Besiedlung, des Wohnverhaltens, der Sozialstruktur usw., welche in den Haushaltsstrukturen und deren zu erwartenden Entwicklungen ebenfalls ihren Niederschlag finden. Ohne Beobachtung solcher strukturellen Veränderungen kann nicht abgeschätzt werden, ob aktuelle örtliche bzw. regionale Wohnungsleerstände oder Versorgungsengpässe vorübergehende Erscheinungen sein werden oder einen längerfristigen Trend signalisieren. Aus statistischen Einwohner- und Gebäudedateien können die wohnungsmarktrelevanten Eigenschaften aller Haushalte weitgehend abgeleitet werden. Insbesondere können die typischen Phasen im Lebenszyklus von Familien und das Zusammenleben von Personen in gradliniger Verwandtschaft in der Struktur der durch Ableitung gebildeten Haushalte wiedergegeben werden. Eine interne Differenzierung dieser Haushalte kann unter Benutzung von Merkmalen, wie Zahl der Erwachsenen, Zahl der Kinder, Zahl der Ausländer, Zahl der Erwerbstätigen, Alter der jüngsten Person usw. erfolgen. Die Beobachtung der Haushaltsstrukturen liefert Zeitreihen, die - in Verbindung mit Kenntnissen über die örtliche Situation insgesamt - die Extrapolationen in die Zukunft zulassen. Differenziertere DV-gestützte Haushaltsprognoseverfahren benötigen Haushaltsstrukturen als Eingabedaten zum Startzeitpunkt der Prognose. Solche Eingabedaten können in der erforderlichen räumlichen und demographischen Differenzierung auf keinem anderen Wege gewonnen werden (außer in einer Volkszählung für einen einmaligen Zeitpunkt). Derartige Beobachtung der Haushaltsstrukturen liefert mithin zugleich die notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz von Haushaltsprognoseverfahren, mögen diese auf einem Haushaltsvorstandsquotenmodell oder auf einer Mikrosimulation beruhen (H. Bucher u. H. Osenberg, 1987).

3.1.2 Beobachtung von Bewegungen Schon die voranstehend beschriebene laufende Beobachtung von Gebietsstrukturen bezieht sich auf Veränderungen. Durch komparativ-statische Vergleiche einer Folge von Querschnitten können Veränderungen in Form von Salden und im zeitlichen Vergleich - als Zeitreihen von Bestandsänderungen wahrgenommen werden. Veränderungen unterschiedlichen Ursprungs gleichen sich in der

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Summe vielfach aus, z.B. wenn es sowohl Zu- als auch Fortzüge von Bewohnern oder Haushalten gibt. So sind kleine Bestandsänderungen häufig das Ergebnis sehr umfangreicher Veränderungsprozesse. Mit der Saldierung wird Strukturveränderungen vielfach der Anschein des Unveränderten zugeordnet. Die gezielte Beobachtung von Bewegungen (Bruttoströmen) kann zusätzliche Erkenntnisse liefern, so - als Beispiele - nicht nur, ob ein bestimmter Wanderungssaldo durch viele oder nur durch wenige wohnungsmarktrelevante Bewegungen bewirkt wurde, sondern z.B. auch, in welchem Maße Veränderungen der Wohnungsversorgung auf Wohnungwechsel oder auf Haushaltsveränderungen ohne Umzug zurückzuführen sind oder in welchem Maße z.B. Bevölkerungsrückgang in einem Gebiet auf allgemeine Abwanderung oder auf „Umschichtung" von Haushalten nach Größenklassen rückführbar ist. Derartige Beobachtung von Bewegungen kann der Früherkennung von Veränderungen wohnungsmarktrelevanter Verhaltensweisen dienen, indem diese bereits wahrgenommen werden bevor sie auf die Strukturen „durchschlagen". Im Gegensatz zu Indikatoren zur Beobachtung von Strukturen, die sich jeweils auf einen Stichtag beziehen, beschreiben Indikatoren für Bewegungen am Wohnungsmarkt, wie geschildert, Arten und Häufigkeiten von Ereignissen in einer Beobachtungsperiode.

3.2 Bevölkerung«- und Haushaltsentwicklung als Bestandteil von Wohnungsmarktprognosen 3.2.1 Prognosetypen Bei einem Überblick über die bisher erstellten Prognosen zur Entwicklung des Wohnungsmarktes fällt die große inhaltliche und methodische Vielfalt auf. Sie ist nicht zuletzt auch durch die Komplexität dieses Wirtschaftssektors, seine Zersplitterung in sachliche und räumliche Teilmärkte, seine enge Verflechtung mit vorgelagerten Märkten (Bau, Boden, Kapital) und seine große Politikabhängigkeit bedingt. (Diese Vielfalt kann hier nicht systematisiert abgehandelt werden.) Jeder der verschiedenen Akteure auf dem Wohnungsmarkt stellt andere, seinem spezifischen Tätigkeitsprofil entsprechende Fragen an eine Wohnungsprognose, und keine der in der Bundesrepublik erstellten Prognosen erhebt den Anspruch, alle diese Fragen zugleich beantworten zu können. Hier sollen derartige Prognosen lediglich danach unterschieden werden, ob sie auf die Wohnungsnachfrage oder den Wohnungsbedarf zielen. Während Nachfrageprognosen primär auf die individuellen Konsumentscheidungen der Wohnungsnachfrager abheben und dazu die Funktionsweise von Marktprozessen und ihre Determinanten (Einkommen, Preise) berücksichtigen, bestimmt sich der Wohnungsbedarf hauptsächlich anhand der Versorgungsnormen, die sich an gesellschafts- und wohnungspolitischen Wertvorstellungen ausrichten (R. Thoss, 1974). Die Interessenten für Bedarfspognosen sind in erster Linie die Träger von Wohnungs- und Sozialpolitik. Diese Prognosen bieten an, die nötigen Entscheidungshilfen für Ausmaß und Zeitpunkt wohnungspolitischer Maßnahmen zu liefern. Nachfrageprognosen berücksichtigen - zusätzlich zu den auch in Bedarfsprognosen verwendeten demographischen Determinanten - in besonderem Maße die

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ökonomischen Einflußgrößen der Nachfrageseite: Einkommen, wohnungsbezogene Einkommensübertragungen und die Konsumeignung hinsichtlich des Gutes Wohnen. Wichtigste Problemstellung ist neben der Prognose der Einkommensentwicklung die Einschätzung von Verhaltensänderungen auf der Seite der Wohnungsnachfrager. Prognoseergebnisse bestehen i.d.R. in der möglichst nach Eigentumsform, G r ö ß e und weiteren Merkmalen, wie Ausstattung und Preisniveau, differenzierte Zahl der nachgefragten Wohnungen. Interessenten für diese Art Wohnungsprognose sind vor allem U n t e r n e h m e n der Wohnungswirtschaft, sei es als Vermieter oder als Bauträger von Wohneigentumsmaßnahmen.

3.2.2 D i e spezifischen Schwierigkeiten Marktprozesse im Wohnungsbereich sind schwer prognostizierbar, da schon rein deskriptiv schwer nachvollziehbar. Dies rührt daher, daß Angebots- und Nachfrageseite sich gegenseitig beeinflussen. Wichtigste Ursache dafür ist der U m stand, daß Wohnen ein Grundbedürfnis darstellt. Durch dessen Notwendigkeit wird die Konsumentensouveränität des Nachfragers teilweise eingeschränkt. Einem Nachfrager, der keine Wohnung hat und eine mit bestimmten Merkmalen sucht, bleibt die Alternative des Konsumverzichts verschlossen. Er muß stattdessen notgedrungen sein Nachfrageverhalten der jeweiligen Angebotssituation anpassen, sei es, daß er eine zweitbeste Alternative ergreift, sei es, daß er seine Existenz als selbständig wohnende Einheit aufgibt. Rückkoppelungsprozesse dieser A r t zwischen den verschiedenen Seiten des Marktes erschweren eine zeitpunktbezogene Bestandsaufnahme im Sinne einer ,sauberen' Bilanzierung des Marktergebnisses. Sie erschweren aber auch eine Modellierung des Wohnungsmarktes, weil als exogene Faktoren behandelte Bestimmungsgrößen bei genauerem Hinsehen so exogen gar nicht sind. Die Entwicklung der Nachfrage nach Wohnungen wird z u d e m nicht nur bestimmt durch die Zahl der Nachfrager, sondern auch durch deren Nachfrageverhalten. Letzteres wird stärkt beeinflußt von der jeweiligen oder erwarteten ökonomischen Situation. Die wichtigsten Determinanten der Wohnungsnachfrage sind daher neben den demographischen die der ökonomischen Entwicklung sowie die Präferenzstruktur bei den Nachfragern. Obwohl, wie schon gesagt, das Nachfragepotential nicht von Individuen, sondern von G r u p p e n (Familien, privaten Haushalten) dargestellt wird, ist die Bevölkerung - nach Zahl und Altersstruktur sowie nach ihren Wanderungs- und Umzugsbewegungen im Raum und deren Strukturen - gleichwohl eine wichtige Basisvariable in solchen Prognosen. Besondere Schwierigkeiten hierbei liegen in der zumeist erforderlichen räumlichen Differenzierung bei der Voraussage von Bevölkerungsentwicklungen, wobei die Abschätzung der regionalen Unterschiede in der natürlichen Bevölkerungsbewegung (Geburten; Sterbefälle) noch die geringste Mühe bereitet. Weit risikoreicher ist die Voraussage des Umfangs und der Struktur von interregionalen bzw. zwischengebietlichen Wanderungsströmen der Binnenwanderung und deren Auswirkungen auf die Bevölkerungsstrukturen in den Herkunfts- und Zuzugsgebieten. Das größte Unsicherheitspotential liegt allerdings derzeit auf Seiten der Wanderungsverflechtungen mit dem Ausland. Die Schwierigkeiten bei der Wohnungsnachfrageprognose zusammenfassend betrachtet, könnte man zur Schlußfolgerung gelangen (J. Heuer, 1985, S. 170f. oder H. W. Jenkis, 1985, S. 549f.), daß eine noch so gut gesicherte Nachfrageprojektion bestenfalls für den Zeitpunkt ihrer Erstellung Anspruch auf „Gültigkeit" erhe-

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ben dürfte. Dies wird nicht nur auf einen mangelhaften Stand der Methodik diesbezüglich spezialisierter Zukunftsforschung zurückgeführt, sondern hauptsächlich auch auf Mangel an einschlägigen Daten allein schon über die Ausgangssituation. Daher ist inzwischen eine stärkere Hinwendung zur Verbesserung der Datenbasis mit Bezug auf die gegenwärtigen, aktuellen wohnungsmarktrelevanten Prozesse zu beobachten, bei gleichzeitiger Reduzierung früherer Intensität wohnungsmarktbezogener Zukunftsforschung.

4.0 Beispiele für demographisch bedingte Problemstellungen für die Wohnungswirtschaft Was die Rahmenbedingung des rein demographischen Wandels anbetrifft, sollen zum Abschluß dennoch einige Entwicklungen über die Gegenwart hinaus aufgeführt werden, die für die Wohnungswirtschaft von Bedeutung sein könnten. Unter deren Aspekten ist besonders bedeutungsvoll die langfristige Zunahme der Bevölkerung in Deutschland insgesamt. Gemäß der räumlich differenzierenden Bevölkerungsprognose der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (vgl. Bucher et al. 1994) wächst die Bevölkerung von 1992 und 2010 mit einiger Wahrscheinlichkeit zwischen 5 und 6 Mio. Personen auf dann knapp 86 Mio. Einwohner. Die natürliche Bevölkerungsbewegungen (Geburten und Sterbefälle) würden einer abnehmenden Bevölkerungszahl bewirken. Doch die starken positiven Salden der Außenwanderungen drehen diesen Trend um. Gravierende Entwicklungsunterschiede wird es zwischen Ost- und Westdeutschland geben: Für den besagten Zeitraum wird für die neuen Bundesländer eine Bevölkerungsabnahme von gut 2% prognostiziert, für die alten Länder dagegen eine Zunahme von gut 9%. In den alten Bundesländern werden die großen Agglomerationen zudem eine Zunahme von weit über 2 Mio. Einwohnern zu verzeichnen haben, vor allem infolge hoher Außenwanderungsgewinne. Die Zahl der privaten Haushalte wird zwischen 1990 und 2010 um knapp 4 Mio. auf dann 39 Mio. Haushalte zunehmen (vgl. Bucher/Kocks 1994). Der Prozeß der Alterung der Bevölkerung, die starke Zunahme der Zahl der über 60jährigen, ist und bleibt für lange Zeit ein stabiler Trend. Besonders problematisch ist der Trend, wenn gleichzeitig die Zahl der Jüngeren, der unter 20jährigen, stark abnimmt, wie dies bis 2010 in den neuen Ländern in geradezu dramatischer Weise der Fall sein wird. Der historisch beispiellosse Geburtenrückgang dort nach 1989 und die Ost/West-Wanderung jüngerer Altersgruppen werden in den neuen Bundesländern zu einer gravierenden Abnahme der Zahl der unter 20jährigen führen, und zwar bis 2010 um fast 40% gegenüber 1992. Auch im folgenden wird deutlich werden, wie wichtig es gerade unter wohnungswirtschaftlichen Aspekten ist, Bevölkerungsentwicklung wirklich als Prozeß zu betrachten, und dies vor allem in der Langfristperspektive.

4.1 Indirekte neben den direkten Wirkungen Vorab sei darauf hingewiesen, daß - neben den direkten demographischen Effekten auf die Zahl und Struktur der Haushalte - unter wohnungswirtschaftlichen

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

Aspekten auch indirekte Auswirkungen des demographischen Wandels von Interesse sein können; dafür ein Beispiel: Indirekte Effekte ergeben sich wahrscheinlich mit den demographisch, also durch das .Altern' der Bevölkerung bedingten Zukunftsproblemen auf dem Sektor der Rentenversicherung, und zwar als Folge rentenpolitischer Sanierungsstrategien. Im Zusammenhang mit der Größenordnung der nach dem Jahr 2000 entstehenden und später weiter ansteigenden Finanzierungsdefizite kann mit Rückwirkungen auf die Mietzahlungsfahigkeit und die Mietzahlungsbereitschaft gerechnet werden (vgl. J. Frerich, 1986, S. 40): Auf Seiten der Erwerbstätigen u.a. infolge einer steigenden Sozialabgabenquote, die den Anstieg der verfügbaren Einkommen deutlich bremst; auf seiten der Rentner infolge der Bremsung des Rentenanstiegs. Im Vergleich zu den Einkommen aller Haushalte würden sich dann vor allem die verfügbaren Einkommen der Mieterhaushalte unterdurchschnittlich entwickeln. Künftig müßte daher der Kostenaspekt verstärkt Berücksichtigung finden. Die Absehbarkeit eines relativen Rückgangs der Realeinkommen und einer durchschnittlichen Verkleinerung der Haushalte müßte die Wohnungswirtschaft veranlassen, verstärkt auf die Bereitstellung sowohl kleinerer als auch preiswerterer Wohnungen überzugehen. Soweit größere Wohnungen gebaut werden, sollte prinzipiell deren leichte Teilbarkeit möglich sein.

4.2 Künftige Auswirkungen des Suburbanisierungspozesses An der Suburbanisierung, also dem Prozeß der Dekonzentration von Bevölkerung, Arbeitsplätzen und Infrastruktureinrichtungen in den verdichteten Regionen mit großstädtischen Kernen, sind unter wohnungswirtschaftlichen Aspekten vor allem wiederum die demographischen Komponenten von Interesse: Zwischen Bevölkerungssuburbanisierung und Wohnungssuburbanisierung besteht ein sehr enger Zusammenhang. Von besonderem Interesse sind die Veränderungen oder Schwankungen im Ablauf des Suburbanisierungsprozess. Dieser Prozeß, der vorwiegend von Familienwanderungen (Altersjahrgängen der 30- bis 50jährigen mit den dazugehörigen Kindern), d.h. von größeren Haushalten, getragen wurde und wird, hatte in den 60er bis 70er Jahren seine Höhepunkte, mit starken Wanderungsverlusten der Kernstädte und hohen Wanderungsgewinnen sowohl des nahen als auch des ferneren, ländlichen Umlands. Mitte der 70er Jahre nahm die Intensität diese Prozesses erheblich ab. In den 80er Jahren verringerten sich die positiven Salden im Umland insgesamt noch weiter, dies vor allem im weiteren ländlichen Umland, während das hochverdichtete Umland wieder stabilere Wanderungsgewinne verzeichnen konnte. Folgt man den Ergebnissen verschiedener Modellrechnungen zur künftigen Entwicklung der Suburbanisierung, so wird die Bedeutung des hochverdichteten Umlands als Wohnstandort weiter zunehmen (aber mit wohnungswirtschaftlich eher „negativ" interessanten Auswirkungen). Diese Tendenz zum relativen Bedeutungszuwachs wird unterstützt werden durch die Freisetzung von Eigenheimen bzw. den Eigentümerwechsel (Folge der Alterung der einst in den Boomzeiten der Bevölkerungs- und Wohnungssuburbanisierung zugewanderten Familienhaushalte). So wäre letztlich auch bei weiter stattfindender Bevölkerungssuburbanisierung ein Stillstand der Wohnungssuburbanisierung möglich: Einzug größerer Haushalte aus den Kernstädten in die zuvor (durch Haushaltsalterung und -Verkleinerung) unterbelegten Wohnungsbestände.

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Als Auswirkung von räumlichen Unterschieden beim ,Altern' der Bevölkerung der Bundesrepublik werden es die Regionen mit großen Verdichtungsräumen mit dem Phänomen der konzentrischen - sich von innen nach außen ausbreitenden „Wellen" typischer Problemstellungen zu tun bekommen. Ursprünglicher Auslöser ist die von einem bestimmten Haushaltstyp getragene boomartige Suburbanisierung in den 60er und 70er Jahren und die dadurch bedingte Herausbildung alters-, haushalts- und einkommensmäßig sowie auch wohn- und siedlungsstrukturell einseitig geprägter Zonen. Sowohl alle in solchen Entwicklungszusammenhängen angesprochenen fachpolitischen Bereiche als auch die Wohnungswirtschaft haben sich somit auf das Erfordernis einer künftig auch intraregional stärkeren zonalen Differenzierung des Handelns im Zeitablauf einzustellen.

4.3 Auswirkungen der Zunahme alter Menschen Mit der ,Alterung' der Bevölkerung werden sich auch die Wohnverhältnisse beträchtlich verändern. Vorausgesagt wird, daß bis zum Jahr 2010 ca. jeder vierte Einwohner dieses Landes über 60 Jahre alt sein wird. Wobei zu differenzieren ist: Es nimmt vor allem die Zahl der „jungen Alten" unter 70 zu, während die Zahl der tatsächlich alten Menschen vorerst, über das Jahr 2000 hinaus, in etwa stagniert. Der Prozeß des Alterns der Bevölkerung schlägt sich auch in den Familien- und Haushaltsstrukturen nieder. Am stärksten ist die Zunahme bei den Zweipersonenhaushalten mit männlicher Bezugspersonen, also der Gruppe der Rentnerehepaare. Gleichwohl bleiben bei dieser Altesgruppe der Bevölkerung die Einpersonenhaushalte mit einem Anteil von dann über 40% die bedeutendste Haushaltsgrößenklasse. Gegenüber solchen Insgesamtaussagen sollte aber mehr Berücksichtigung finden, daß dieser Alterungsprozeß regional sehr unterschiedlich verlaufen wird, was Ausmaß und Auswirkungen anbetrifft. Regionaler Schwerpunkt des gesellschaftlichen Alterungsprozesses wird, wie schon gesagt, das Umland der großen Städte sein. Gleichzeitig ist zu bedenken, daß das Wohnumfeld im suburbanen Raum zwar als familienfreundlich ist anzusehen, nicht aber in gleichem Maße als altengerecht, z.B. mit Blick auf die Erreichbarkeit von (u.a. sozialer) Infrastruktur oder die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. 4.4 Fazit Wie die aufgführten Beispiele kommender demographischer Entwicklungen und ihrer regionaldemographischen Ausprägungen und Wirkungen verdeutlichen können, wäre es wohnungsbaubezogen äußerst riskant, sich nur auf die heutigen alters- und regionalstrukturellen Gegebenheiten als Entscheidungsgrundlage zu beziehen. Gerade in demographisch und insbesondere regionaldemographisch unübersichtlicher werdenden Phasen der Bevölkerungsentwicklung, wie sie künftig hierzulande (und, phasenverschoben, im übrigen Europa) vor sich gehen werden, dürfte - trotz weiterhin bestehender methodischer Unzulänglichkeiten - eine systematische Beschäftigung mit der Zunkunft sowohl für die Wohnungsbaupolitik als auch für den Bereich der Wohnungswirtschaft weiterhin nötig sein.

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13. Wohnumwelt 1.0 Vorbemerkungen Das was wir heute Umweltschutz nennen, wurde seit dem Altertum in und vor menschlichen Wohnungen betrieben, wenn man Fäkalien und sonstige Abfälle entsorgte, Lärmschutzverordnungen erließ oder sich um die Sauberkeit des Trinkwassers bemühte. Umweltschutz begann zu Hause, im Hause und am Hause. Erst mit der zunehmenden Industrialisierung und der Verteilung von immer mehr und immer neuen chemischen Stoffen in Boden, Wasser und Luft, aber auch mit dem sprunghaften Anwachsen der Bevölkerung wurde das, was in den Städten begann, zu einer der vordringlichen Aufgaben ganzer Regionen, Staaten und auch der globalen Völkergemeinschaft. Aber selbst die globalen Umweltbedrohungen wie Treibhauseffekt und Wüstenausbreitung haben Ursachen in der Art, wie die Menschen wohnen. Die Maßnahmen, die Völker zur Abwehr solcher globalen Umweltgefahren ergreifen, wirken sich auch auf den Wohnungsbau in den Industriestaaten aus. Deshalb sollen im folgenden einige Bereiche aufgezeigt werden, in denen die lokale, nationale, europäische und globale Umweltpolitik den Wohnungsbau auch hierzulande beeinflussen und verändern werden oder verändern sollten. Zuvor sei jedoch noch auf zwei ordnungspolitische Faktoren hingewiesen, die die Instrumente bestimmen, mit deren Hilfe wir auf solche zusätzlichen Anforderungen an den Wohnungsbau reagieren: Es ist nicht zu verkennen, daß die Umweltpolitik - sei sie nun lokal, national oder international - , den Einfluß des Staates auf die Entscheidungen der Bauherren, Vermieter und Mieter erheblich verstärkt. Dieser unvermeidlich illiberalen Tendenz moderner Umweltpolitik steht die Erfahrung gegenüber, daß marktwirtschaftlich verfaßte Staaten den Anforderungen des Umweltschutzes bisher schneller und effektiver zu begegnen in der Lage waren als staatlich gelenkte Wirtschaftssysteme. Dieser Vorteil freiheitlicher Verfassungen kann gegenüber der Regelungstendenz der Umweltpolitik nur dann erhalten werden, wenn die am Wohnungsmarkt Beteiligten von sich aus ein ökologisches Optimum zu erreichen versuchen. Deshalb sollte auch bei der Lösung der im folgenden aufgezeigten Umweltanforderungen an den Wohnungsbau jeweils das marktwirtschaftlich adäquate Instrument Vorzug verdienen, falls es in der gebotenen Zeit zum gewünschten Ergebnis führt.

2.0 Zur Raumordnung und Bauleitplanung Raumordnung und Landesplanung sind einst entstanden, um kollidierende Nutzungsansprüche an den Raum im Interesse einer dem Gemeinwohl dienenden Entwicklung zu ordnen. Mit der zunehmenden Erkenntnis von der Bedeutung ökologischer Anforderungen ist eine zunehmende Konvergenz von Raumord-

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nung und Umweltschutz festzustellen. 1 Die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft über die Umweltverträglichkeitsprüfung von 19852 geht von dem Gedanken aus, daß bei allen technischen Planungs- und Entscheidungsprozessen die Auswirkungen auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt werden sollen. Demzufolge heißt es im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), 3 daß bereits im Raumordnungsverfahren die raumbedeutsamen Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umweltgüter ermittelt, beschrieben und bewertet werden können. Entsprechend sieht das Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) 4 vor, daß im Raumordnungsverfahren die raumbedeutsamen Auswirkungen einer Planung oder Maßnahme auch auf die Belange des Umweltschutzes unter überörtlichen Gesichtspunkten zu prüfen sind. Für den Wohnungsbau wichtiger ist die Einbeziehung ökologischer Belange in die Bauleitplanung. Schon das Bundesbaugesetz von 1976 hat die Belange des Umweltschutzes als gleichrangig in die Liste der zu berücksichtigenden Ziele der Bauleitplanung eingeführt. Das Baugesetzbuch von 1986 hob den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (nicht nur des Menschen!) neben der Sicherung einer menschenwürdigen Umwelt zum Oberziel der Bauleitplanung und fügte das freilich etwas schwach formulierte Gebot des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden in die Planungsgrundsätze ein. Letzterem Ziel dient auch die Möglichkeit, Höchstmaße für Baugrundstücke im Bebauungsplan festzulegen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 BauGB). Mit umweltgefährdenden Stoffen belastete Böden sollen sowohl in den Flächennutzungsplänen als auch in den Bauleitplänen gekennzeichnet werden. So sehr diese Verbesserungen des Baurechts zu begrüßen sind, so ist andererseits nicht zu verkennen, daß sich die Konflikte um die Nutzung des Bodens vor allem durch die Gebote des sparsamen Umgangs mit dem Boden und des Schutzes auch der nicht dem Menschen dienenden natürlichen Lebensgrundlagen bei gleichzeitig noch weiter steigendem Bedarf an Wohnungen verschärfen werden. Die Nachkriegszeit war noch gesprägt vom vielzitierten Geist der Charta von Athen: Diese 1933 unter dem Einfluß von Le Corbusier formulierten Grundsätze betonten die Notwendigkeit der städtebaulichen Trennung der Lebensfunktionen Wohnen, Arbeiten, Einkaufen etc. Dies war damals ein durchaus soziales Anliegen. Man wollte den Arbeiter vom Schutz und Lärm der Fabrik befreien und ihm wenigstens am Feiertag Grün und Ruhe bieten. Inzwischen haben wir gemerkt, daß dadurch die Umweltprobleme nur verlagert wurden. Die Folge war erzwungener Individualverkehr mit Lärm, Abgasen, Energie- und Flächenverbrauch. Inzwischen sind die Belastungen der Wohnungen durch den Lärm des Straßenverkehrs um ein Vielfaches höher als die durch Gewerbebetriebe. Vor allem einkommensschwache Haushalte und auch weniger mobile ältere Menschen sind davon besonders betroffen. Die Auswirkungen des Verkehrslärms auf Immobilienpreise und Mieten sind offenkundig. 5 1 2 3 4 5

H. v. Lersner, UPR 1984, S. 177. Richtlinie 85/337/EWG vom 27.6.1985, Amtsbl. L 175/40. § 16 Abs. 1 UVP-Gesetz vom 12.2.1990, (BGBl. I S. 205, zuletzt geändert durch G. v. 23.11.1994, BGBIIS. 3486). § 6a Abs. 6 ROG i.d.F. der Bekanntmachung vom 28.4.1993 (BGBl. I S. 630), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.11.1994 (BGBl. I S. 3486). G. Penn-Bressel: Informationsdienst VHW 19/1988, S. 145.

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Ziel auch der Bauleitplanung muß es deshalb sein, die Wohngebiete vom Straßenverkehr zu entlasten, ohne daß dies zu einer Verdrängung einkommensschwacher Haushalte führt. Die Verkehrsberuhigung, auf die noch einzugehen ist, muß selbstverständlich sein und sollte nicht mietsteigernd wirken, wenn sie zum Regelfall wird. Heute gilt in der Umweltpolitik die Prioritätenfolge, wonach Vermeidung einer Umweltbelastung im Zweifel ihrer Minderung an der Quelle und diese wiederum Maßnahmen des Passivschutzes vorzuziehen ist. Das bedeutet für die Stadtplanung, daß man zunächst danach trachten muß, die Fabrik so leise und sauber wie technisch möglich zu betreiben, damit der Arbeiter wieder in ihrer Nähe wohnen kann und sie vielleicht sogar zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht. Nicht zuletzt aus diesem Grunde bedarf auch die Baunutzungsverordnung einer Weiterentwicklung, denn sie atmet noch zu sehr den Geist der Charta von Athen. Trotz einer Erhöhung der Flexibilität und einer Stärkung der Differenzierungsmöglichkeiten durch die letzten Novellierungen sind die Möglichkeiten, unter Umweltschutzgesichtspunkten differenzierte Nutzungsfestsetzungen zu treffen, weiterhin begrenzt. Als ein erster Schritt in die richtige Richtung sind die Änderungen beim reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) durch die Novelle von 1990 zu begrüßen. Durch Änderung der Zweckbestimmung (Verzicht auf den Begriff „ausschließlich" dem Wohnen dienend) und durch Einbeziehung baugebietsbezogener Infrastruktureinrichtungen wurde das reine Wohngebiet dem allgemeinen Wohngebiet angenähert, bleibt jedoch zu diesem (es dient „vorwiegend" dem Wohnen) weiterhin abgegrenzt. Äusnahmsweise zugelassen werden können nunmehr auch: „Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kindliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke" (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO). Grenzen für die Zulässigkeit derartiger infrastruktureller Einrichtungen ergeben sich aus der Zweckbestimmung des reinen Wohngebiets und des daraus folgenden zulässigen Störgrads, der Baustruktur und dem Versorgungsbezug zum Baugebiet selbst. Darüber hinaus sind gesetzliche Vorgaben (z.B. TA Lärm, 18. BImSchV) einzuhalten. In allgemeinen Wohngebieten sind nunmehr die Anlagen für sportliche Zwecke - unter Gleichstellung mit den übrigen Infrastruktureinrichtungen - in die allgemeine Zulässigkeit aufgenommen. Beurteilungsmaßstab ist auch hier der Schutz der Wohnnutzung vor unzumutbaren Störungen, wobei das öffentliche Interesse an Sportanlagen in der Nähe der Wohnung und die durch eine Verlagerung verursachten Verkehrsbelastungen zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der Störwirkung auf die Nachbarschaft sind dabei an Sportanlagen ebenso strenge Anforderungen zu stellen wie an Gewerbebetriebe. Geht man auch in Zukunft bei noch steigender Einwohnerzahl und vor allem wegen der Zunahme der Haushalte von steigendem Wohnraumbedarf aus und will dennoch die fortschreitende Inanspruchnahme der freien Landschaft für Siedlungszwecke beschränken, so ergeben sich zwei Konsequenzen: 1. Verdichtung der vorhandenen Siedlungsbereiche, 2. stärkere Mischung der städtebaulichen Nutzungen, insbesondere von Wohnen und Gewerbe. Daraus resultiert eine neue Wertschätzung von Gemengelagen, der vor allem auch die Baunutzungsverordnung Rechnung tragen muß. Zu befürworten ist die

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Einführung von Regelungen, die den Kommunen verbesserte Möglichkeiten zur situationsgerechten (Über-)Planung von Mischnutzungen eröffnen. Denkbar sind beispielsweise eine flexiblere Handhabung der BauNVO-Typologie oder die Einführung zusätzlicher Mischgebietstypen. Zu überlegen ist auch die Einführung einer Verpflichtung der Kommunen zur Festsetzung von Untergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung. Die Frage nach dem geeigneten Entwicklungspfad eines Siedlungsraumes im Hinblick auf den sparsamen Umgang mit Land und Boden ist allerdings nicht generell zu beantworten. So ist die Entscheidung „Innen- vor Außenentwicklung" abhängig von den jeweils vorhandenen siedlungsstrukturellen und stadtökologischen Ausgangsbedingungen, dem Entwicklungspfad und den Entwicklungschancen. Die Vermeidung und Verminderung des Siedlungsflächenzuwachses einschließlich der damit verbundenen Reduzierung des Verkehrsbedarfs haben folglich dort ihre Grenzen, wo die Freiraumqualität im Siedlungsbereich in ihrer ökologischen Leistungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt wird. Insofern ist im konkreten Fall immer eine umweltplanerische Abwägung vorzunehmen. Obwohl das planerische Abwägungsgebot von der grundsätzlichen Gleichrangigkeit aller raumbedeutsamen Belange auszugehen hat, wurde in jüngster Zeit über sog. Planungsvereinfachungs- und -erleichterungsgesetze den Belangen des Wohnens, der gewerblichen Nutzung und des Verkehrs im Planungsrecht in besonderem Maße Rechnung getragen. So wurden 1990 das Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz mit dem BauGB-MaßnahmenG 6 und 1993 das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz 7 u.a. mit dem „Baurechtskompromiß" zur Eingriffsregelung im Städtebau verabschiedet. Verfahrensrechtliche Sonder- und Vorzugsregelungen dürfen aus Umweltsicht jedoch nicht dazu führen, daß an materiell-inhaltlichen Maßstäben zur Freiraumsicherung und zur Eindämmung landschaftsverbrauchender Wohn- und Gewerbenutzungen Abstriche gemacht werden. Insbesondere im Hinblick auf die geplante Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB) ist daher eingehend zu prüfen, - ob die neuen Regelungen in der Planungspraxis zu der gewünschten Planungsbeschleunigung überhaupt führen, - in welchem Maße sich dies nachhaltig zu Lasten von Umwelt- und Freiraumbelangen auswirkt, - ob der Wegfall systematisch aufbereiteter Bewertungskriterien des Umweltschutzes nicht letztlich eine Planungsverzögerung bedeutet.

3.0 Zum ökologischen Bauen 3.1 Vom Einzelprojekt zum integrierten Konzept Die Erhaltung und Vermehrung von innerörtlichen Grünflächen, der Einsatz möglichst umweltfreundlicher Baustoffe oder die Schonung der Wasservorkommen durch den Einsatz wassersparender Technologien sind Teilziele dessen, was in den letzten Jahren unter dem Stichwort „ökologisches Bauen" nicht nur hier6 7

Gesetz vom 17.5.1990 (BGBl. IS. 926); Neubekanntmachung vom 28.04.1993 (BGBl. I S. 622). Gesetz vom 22.4.1993 (BGBl. I S. 466).

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zulande diskutiert wird. Die experimentelle Phase dessen, was man hierunter versteht, dürften wir inzwischen hinter uns gelassen haben. Der Begriff „ökologisches Bauen", der sich hierzulande nicht zuletzt dank des weit verbreiteten Buches von P. und M. Krusche, Althaus und Gabriel 8 eingebürgert hat, umfaßt eine Vielzahl von zum Teil schon älteren bautechnischen und bauwirtschaftlichen Bestrebungen, die von ihren Vertretern Bauökologie, alternatives Bauen, Biotektur, Bionik, Baubiologie u.ä. bezeichnet werden. Er vereint das hergebrachte Ziel des nutzergerechten Bauens mit den auch nur zum Teil neuartigen Zielen der Resourcenschonung, der Gewinnung und Verwertung erneuerbarer Energien und sonstiger Umweltschonung sowohl hinsichtlich der Baumaterialien als auch hinsichtlich der Benutzung und Erhaltung des Baues. Während anfangs nur einzelne Elemente des ökologisch orientierten Bauens, wie Wintergärten, Begrünungen und verschiedene Energiesparmaßnahmen genutzt wurden, gibt es mittlerweile eine große Zahl von Projekten des Einfamilienhausbaus, des Geschoßwohnungsbaus, ganz neu entstehender Siedlungen und auch im Bereich des Industrie- und Gewerbebaus, die eine umfassende integrierte Konzeption verfolgen. Die einseitige Berücksichtigung weniger, populärer Aspekte ökologisch orientierter Planung und Architektur führt oft zu Lösungen, die weder ökologisch noch ökonomisch viel bringen, wie zahlreiche Beispiele der Ausführung und Nutzung von Wintergärten zeigen. Es kann auch nicht darum gehen, nur einige ökologische Inseln in der Baulandschaft zu schaffen. Es gilt vielmehr, den allgemeinen Standard der Planungs- und Baupraxis auf breiter Ebene umweltgerecht zu entwickeln. Ökologisch orientiertes Bauen ist also als ein Element einer umweltgerechten Stadtplanung zu begreifen. Dabei wird es sicher auch in Zukunft notwendig sein, viele einzelne, möglichst beispielhafte „gebaute Utopien" zu schaffen. Diese können Lehrstücke sein und machen Mut, dem Herkömmlichen zu entwachsen. Auch extreme Experimente können darin ihren Sinn finden, wenn sie helfen, die allgemeine Baupraxis umweltfreundlicher zu entwickeln. Wir brauchen allerdings Ergebnisse, die für die Mehrheit der Menschen akzeptabel sind und ihnen die Wohn- und Lebensweisen ermöglichen, die sie wünschen. Um den Siedlungsdruck auf das Umland zu verringern, muß vor allem durch ökologisches und menschengerechtes Bauen die Wohnqualität in der Stadt erhöht werden. Noch erfordern ökologisch orientierte Projekte bisweilen einen erhöhten Aufwand an Planungs-, Koordinations- und Erstellungskosten, der häufig nur durch öffentliche Zuschüsse zu decken ist. Die Mehrkosten für Bauten mit ökologisch orientierten Sondermaßnahmen können aber nicht generell angegeben werden. Für die Investitionskosten (Planungs- und Baukosten) ergeben sich bezogen auf Einzelmaßnahmen in der Regel deutliche Mehrkosten, die allerdings durch deutliche Einsparungen auf der Seite der Betriebskosten zum Teil sogar überkompensiert werden können. Dies trifft in besonderem Maße für die Bereiche Wasser- und Energieeinsparung zu, zumal gerade hier die Kosten der Ver- und Entsorgung in Zukunft deutlich steigen werden. Weitere Ersparnisse, die dem Gemeinwesen durch geringere Ver- oder Entsorgungsleistungen und durch geringere Umweltbelastungen entstehen, sind dabei noch nicht hinreichend bilanziert.

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P. Krusche/D. Althaus/I. Gabriel/M. Weig-Krusche: Ökologisches Bauen, hrsg. vom Umweltbundesamt, Wiesbaden 1982.

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Es gibt aber auch schon Beispiele von privatfinanzierten Mietwohnsiedlungen, die zeigen, daß sich ökologisch orientiertes Bauen unter bestimmten Bedingungen heute schon finanziell auszahlt. Man kann jedoch davon ausgehen, daß sich mittelfristig die investiven Mehrkosten für ökologisch orientierte Bauweisen reduzieren werden, bis sie schließlich kaum mehr spürbar sind. Große Einsparungen sind möglich, wenn in „autofreien" (Wohn-)Gebieten Gebäude ohne Garagen oder Stellplätze gebaut werden. Hierbei ist allerdings auf eine gute Fahrrad-/ ÖPNV-Infrastruktur zu achten und eine geringe Anzahl von Stellplätzen für Behindertenfahrzeuge und Car-Sharing vorzusehen. Insbesondere energiesparende Bauweisen werden sich bei mittelfristig mit Sicherheit überproportional steigenden Kosten für fossile Energieträger künftig auch wirtschaftlich besser lohnen. Dazu weiteres im folgenden Abschnitt. 3.2 Energiesparende Bauwesen Bekanntlich ist der Anteil der Raumwärme am Energiebedarf - etwa 40% - das größte noch zu nutzende Einsparpotential unseres nationalen Energiehaushalts. Die Parameter-Studie von Prognos und Fichtner 9 schätzte 1983, daß etwa 40 bis 45% des Wärmebedarfs in erneuerungsbedürftigen Wohnungen durch Maßnahmen der Wärmedämmung eingespart werden könnten. Der politische Druck und auch staatliche Anreize für weitere Maßnahmen der Energieeinsparung werden nach den Erkenntnissen über den nicht zuletzt durch die Verschwendung fossiler Energien ausgelösten Treibhauseffekt und die daraus erwachsenden internationalen Verpflichtungen sicher zunehmen, nachdem die Motivation nach dem Sinken der Ölpreise zu sehr nachgelassen hat. Davon dürfte insbesondere auch die Fernheizung profitieren. Das beste Mittel zur Reduzierung des häuslichen Bedarfs an Wärme ist die bessere Wärmedämmung der Häuser und Wohnungen. Mit der novellierten Wärmeschutzverordnung10, die am 1. Januar 1995 in Kraft trat und die Wärmeschutzverordnung von 1982 ablöste, wird durch Verschärfung der Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz bei Neubauten der Energieverbrauch um ca. 30% verringert. U.a. werden erstmals maximale Werte des Jahresheizwärmebedarfs für Neubauten festgelegt. Die rechnerischen Nachweise für den Jahresheizwärmebedarf und für andere Kennwerte sind in einem sogenannten Wärmebedarfsausweis zusammenzustellen. Auch beim Wärmeschutz bestätigt sich die Erfahrung mit den Emissionen industrieller Anlagen, daß die größten Potentiale zur Reduzierung der Umweltbelastung im Bereich der bestehenden Anlagen, hier also des vorhandenen Gebäudebestandes, liegen. Realisierbarkeit und Wirkung von Wärmeschutzmaßnahmen hängen in hohem Maße von Art und Zustand der einzelnen Gebäude ab. Die Angabe von exakten Minderungspotentialen kann daher nur auf Grund ei-

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Fichtner/Prognos: Parameter-Studie örtliche und regionale Versorgungskonzepte für Niedertemperaturwärme, Stuttgart 1983, Bd. 2 S. 350ff. Vgl. dazu auch Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre", Band 1,1990 S. 107, nach der der Heizenergieeinsatz in allen Endenergiesektoren bis 2005 um bis zu 40% zu mindern ist. Verordnung vom 16.8.1994 (Bundesanzeiger vom 2.9.1994, S. 11).

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

ner differenzierten Bestandserfassung erfolgen. Die zitierte Studie von Fichtner und Prognos 9 gibt dafür Anhaltswerte wieder: a) Die erneuerungsbedürftige Altbausubstanz lag damals bei 10 Millionen Wohneinheiten. b) Das mittlere Einsparpotential durch wirtschaftlich optimale Dämmung lag zwischen 53% bei verdichteter Flachbebauung aus der Zeit vor 1914 und unter 10% bei gleichem Bebauungstyp aus den Jahren zwischen 1960 und 1975. Die bestehenden Hemmnisse für eine verstärkte Wärmedämmung in Wohngebäuden resultieren sowohl aus Finanzierungsengpässen und Investitionsprioritäten als auch aus Informationsdefiziten über Möglichkeiten, Kosten und Nutzen der Maßnahmen. Um diese Hemmnisse zu überwinden, sind eine Reihe von Maßnahmen denkbar, deren einige hier beispielsweise genannt werden sollen: a) Fortschreibung der Wärmeschutzverordnung für Neubauten in gewissen Zeitabständen; b) Erweiterung der Vorschriften für Altbauten; c) Überprüfung der Rahmenbedingungen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau, insbesondere die Zweite Berechnungsverordnung; d) Förderung eines qualifizierten, ausreichend differenzierten und anwenderspezifischen Beratungsangebots; e) Kennzeichnung des wärmetechnischen Zustandes von Gebäuden und Wohnungen zur Beeinflussung des Wettbewerbs bei Vermietung oder Verkauf; f) Festlegung einer oberen Grenze für den umlagefähigen Wärmeverbrauch pro m 2 beheizbarer Fläche im Mietwohnungsbereich in Abhängigkeit vom Gebäudetyp; g) staatliche Förderung von Einsparmaßnahmen im Gebäudebereich, sei es durch Subventionen oder durch erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten.

4.0 Schallschutz 4.1 Schallschutz im Hochbau Um so mehr wir Erfolge bei der weiteren Reduzierung der Lärmemissionen von Kraftfahrzeugen und Industrie haben, desto höher steigt relativ der Grad der Belästigung der Menschen durch Schallübertragung innerhalb der Häuser. Durch elektroakustische und haustechnische Anlagen, die vermehrt in Wohnungen und Häusern betrieben werden, nehmen die Belästigungen weiter zu. Hier ist vor allem die DIN 4109 angesprochen, die Grenzwerte und Richtwerte für den Schallschutz im Hochbau setzen soll. Die Neuausgabe dieser Norm von 1989 führte zu einer Verbesserung der Anforderungen an Decken und Wänden. Im zuständigen Normenausschuß bestehen aber auch weiterhin Meinungsunterschiede zwischen Vertretern der Bauwirtschaft, der Baubehörden und denen der Umweltbehörden. Strittig sind noch immer die Anforderungen an die Höhe der Geräuschpegel von Abwasser- und sonstigen Sanitärinstallationen. Hierzu hat das Umweltbundesamt schon 1990 einen Änderungsantrag beim DIN gestellt, über den noch nicht entschieden wurde. Aufgrund befürchteter Baukostensteigerungen hat sich die Wohnungswirtschaft bisher einer Verbesserung in diesem Bereich widersetzt. Bei allem Verständnis für die Anliegen der Bauwirtschaft, den Anstieg der Wohnungsbaukosten zu

13. Wohnumwelt

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bremsen, muß doch dem Schutz der Bewohner vor Lärm stärker Rechnung getragen werden als bisher. Es ist deshalb zu begrüßen, daß der Normenausschuß Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS) im DIN und VDI eine Richtlinie VDI 4100 „Schallschutz von Wohnungen-Kriterien für Planung und Beurteilung" 11 herausgegeben hat, die über die öffentlich-rechtlichen Mindestanforderungen hinausgehende Qualitätsstandards formuliert. Diese Richtlinie soll die Betroffenen in die Lage versetzen, selbst über das Maß des gewünschten Schallschutzes entscheiden zu können und damit auch den Wohnungsmarkt beeinflussen. Sie setzt Zeichen für eine neue Wohnqualität und fördert Rechtssicherheit und Markttransparenz auf dem Wohnungsmarkt.

4.2 Verkehrsberuhigung Dem Lärmschutz und der Verbesserung des Wohnumfeldes dienen auch Maßnahmen der flächenhaften Verkehrsberuhigung und der städtebaulichen Integration von Hauptverkehrsstraßen, wie sie von drei Bundesoberbehörden anhand einiger Demonstrationsvorhaben erfolgreich erprobt wurden. Inzwischen liegen auch aus anderen Städten und Gemeinden genügend Erfahrungen über die angemessenen Mittel der Verkehrsberuhigung vor. Die Beispiele zeigten, daß Geschwindigkeitsbeschränkungen, wie z.B. Tempo 30 in nicht bevorrechtigten Straßen durchaus wirksam sind. Noch besser ist es jedoch, wenn die Gestaltung des Straßenraums moderate Fahrgeschwindigkeiten nahelegt. Voraussetzung für gelungene Verkehrsberuhigung ist aber immer ein gut ausgebautes attraktives Netz von öffentlichen Nahverkehrsmitteln, verbunden mit auch gegenüber den Fußgängern ausreichend sicheren Radwegen. Inzwischen werden zunehmend gesamtstädtische Verkehrskonzepte (Verkehrsentwicklungspläne) in Verbindung mit Lärmminderungsplänen und zum Teil auch mit Plänen zur Verbesserung der Luftqualität erstellt.

5.0 Innenraumhygiene Innenräume stellen einen wesentlichen Teil der Umwelt des Menschen dar. Die Ermittlung von Quellen für Luftverunreinigungen in Innenräumen ist daher von großer Bedeutung. Die „Konzeption der Bundesregierung zur Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen" 12 von 1992, befaßt sich u.a. mit möglichen Quellen von Innenraumluftverunreinigungen und enthält darüber hinaus konkrete Maßnahmenvorschläge zur Minderung dieser Belastungen. Als wichtigstes Ziel der Konzeption werden Maßnahmen zur Beseitigung von Schadstoffquellen oder wenigstens zu deren nachhaltiger Reduzierung gefordert. Dieses Ziel läßt sich nur mit Vorsorgemaßnahmen verwirklichen. Dabei kommt produktbezogenen Anforderungen, die meist einer praktikablen rechtlichen Regelung zugänglich sind, besondere Bedeutung zu. 11 12

Richtlinie VDI 4100 vom September 1994, ICS 91.120.20, Düsseldorf 1994. Hrsg.: Bundesumweltministerium, Bonn 1992.

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

So sind in der Chemikalienverbotsverordnung 13 Anforderungen zum Formaldehydgehalt von Holzwerkstoffen, die zum Innenausbau bzw. für Möbel verwendet werden, enthalten, gleiches gilt für PCB-enthaltende Stoffe und Erzeugnisse. Als wirksames Instrument zur Reduzierung von innenraumrelevanten Emissionen haben sich auch private Regelungen, z.B. im Rahmen von Umweltzeichen für Produkte erwiesen. So konnte zum Beispiel der Anteil schadstoffarmer Produkte an den gesamten Bautenlacken mit Hilfe des Umweltzeichens „Schadstoffarme Lacke" von 1980 bis 1992 von 1% auf etwa 30% gesteigert werden. Das in Umsetzung der EG-Richtlinie 89/106/EWG in Deutschland 1992 verabschiedete Bauproduktengesetz 14 , das das Inverkehrbringen von Bauprodukten regelt, fordert ebenfalls die Berücksichtigung von Anforderungen hinsichtlich Hygiene, Gesundheitsschutz und Umweltschutz bei Bauprodukten. Diese Anforderungen sind über entsprechende technische Normen zu konkretisieren. Darüber hinaus wurden in verschiedenen deutschen Ländern Forderungen zur Verwendung emissionsarmer und umweltverträglicher Baustoffe im Rahmen von Wohnungsbauförderrichtlinien festgelegt.

6.0 Wasserversorgung Zur hoheitlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge für die Menschen in einer dichtlebenden Industriegesellschaft gehören auch die Versorgung mit trinkbarem Wasser. Die Wasserversorgung hat hierzulande in der Regel keine Schwierigkeiten, die gewünschten Mengen an Trinkwasser zu liefern. Der begrenzende Faktor ist die Qualität. Vor allem die schlechte Qualität der Oberflächengewässer führte in der Vergangenheit dazu, das bessere Grundwasser zu nutzen. Einschließlich Uferfiltration und Grundwasseranreicherung werden rd. 80% der öffentlichen Wasserversorgung aus dem Grundwasser entnommen. Andererseits sind unsere Grundwasservorkommen durch Gebrauch und Ablagerung von Chemikalien und anderen wassergefährdenden Stoffen ständig gefährdet, so daß schon aus diesem Grund das Gebot des sparsamen Umgangs mit Trinkwasser unmweltpolitisch zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die mit dem steigenden Aufwand der Wasseraufbereitung steigenden Wasserpreise erhöhen das Interesse an wassersparenden Techniken. Sie werden auch für die Wohnungswirtschaft von Bedeutung sein. Als Beispiel sei nur die Reduzierung des Wasserverbrauchs der Toiletten genannt. Immerhin rauscht etwa ein Drittel des Wasserverbrauchs eines deutschen Durchschnittshaushalts durch das Klo, bei Verwaltungsgebäuden sind es fast zwei Drittel. Hier lassen sich durch technische Umrüstung beziehungsweise Neueinbau von Geräten der wassersparenden Bauart (Zweihebeltoilette; Druckminderer, Näherungselektronik) ganz erhebliche Mengen Wasser einsparen. Weitere Möglichkeiten der Reduzierung des Wasserverbauchs im Haushalt ohne Reduzierung der Hygiene und sonstigen Lebensqualität liegen in der Nutzung von Regenwasser, insbesondere im Garten und als Ergänzung zum Autowaschen. » Verordnung vom 14.10.1993 (BGBl. I S. 1720). Bauproduktengesetz vom 10.8.1992 (BGBl. I S. 1495).

14

13. Wohnumwelt

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Ein Problem kam auf die Eigentümer von Altbauten vor allem in norddeutschen Städten zu, nämlich das des Austausches von Bleirohren durch andere Materialien. Die durch eine EG-Richtlinie 15 begrenzten Blei-Höchstgehalte unseres Trinkwassers sind nämlich bei Bleirohren nicht immer einzuhalten.

7.0 Abfallentsorgung Auch die Entwicklung von der hergebrachten Abfallbeseitigung zu einer auf Vermeidung und Verwertung von Rückständen ausgerichteten Abfallwirtschaft hat Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft. Zwar haben sich die vor zehn Jahren vor allem von Schweden aus propagierten pneumatischen Abfallbeseitigungssysteme auf dem Markt nicht durchsetzen können. Dafür werden die Anforderungen an Vorkehrungen zur getrennten Sammlung in der Wohnung und an den Standplätzen für die Müllgefäße sicher zunehmen. Der Druck auf Erhöhung der Recyclingraten bei Hausmüll wird durch die Schwierigkeiten der Ausweisung neuer Entsorgungskapazitäten noch erhöht. So sehr unter Fachleuten Einigkeit darüber besteht, daß die Kapazitäten an Abfallverbrennungsanlagen in den nächsten Jahren erweitert und neue Deponien den Anforderungen der TA Siedlungsabfall entsprechend gebaut werden müssen, so sehr besteht auch Einigkeit darüber, daß neue Anlagen gegenüber dem wachsenden Widerstand von Nachbarn und auch um die Umwelt besorgten Gruppen nur dann durchzusetzen, wenn Staat und Gemeinden zeigen können, daß sie alles in ihrer Befugnis stehende getan haben, um Rückstände zu vermeiden oder der Verwertung zuzuführen. Das wird auch nicht ohne Auswirkungen auf den Wohnungsbau bleiben. Die aus ökologischen Gründen forcierte Verwertung von gewerblichen, häuslichen sowie bei Bauaktivitäten anfallenden Abfällen führt freilich auch dazu, daß ein immer größerer Teil der Rohstoffe zur Erzeugung von Baustoffen nicht mehr allein aus der Natur entnommen wird (Primärrohstoffe) sondern aus Abfällen (Sekundärrohstoffe). So wird seit jeher z.B. Schlacke aus Steinkohlekraftwerken (Schmelzkammergranulat) sogar im Wasserbau verwendet. Mit der Einführung der Abgasentschwefelung in unseren fossilen Kraftwerken werden bereits 3,2 Millionen t des z.Z. jährlich anfallender Entschwefelungsgips zur Erzeugung von Baustoffen verwertet. Diese Menge wird nach der Betriebsaufnahme aller Abgasentschwefelungsanlagen in den neuen Bundesländern bis zum Jahr 2000 auf über 5 Millionen steigen. Der Entschwefelungsgips ersetzt den sonst notwendigen Abbau von natürlichen Gips und Anhydrit, was zur Entlastung der Landschaft führt, aber auch zu Strukturverschiebungen im beteiligten Gewerbe. Auch die Zementerzeugung bietet sich zur Verwertung von Abfällen an, die Komponenten der Zementrohstoffe und energiereiche Anteile enthalten, deren thermische Nutzung zur Reduzierung des Primärenergiebedarfes des Brennprozesses führen. Selbst Ziegelsteine, die unter Verwendung von Hausmüll hergestellt wurden, haben bereits eine Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik. 15

Richtlinie vom 15.7.1980 (80778/EWG). Amtsbl. Nr. L 229 vom 30.8.1980, S. 11; § 2 Abs. 1 Trinkwasserverordnung vom 5.12.1990 (BGBl. I S. 2612,1991, 227).

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

Man wird darauf achten müssen, daß nicht nur die statischen und hygienischen Anforderungen an Baustoffe unter dem Druck der in die Verwertung drängenden Abfälle nicht vernachlässigt werden, sondern daß auch für unter Verwendung von Abfällen erzeugte Baustoffe nach deren Gebrauchsdauerablauf eine erneute Verwertung auf hohem technischem Niveau möglich ist. Bei entsprechender Vorsicht bei der Auswahl der zur Baustofferzeugung einzusetzenden Abfälle ist aber durchaus noch manche wirtschaftlich sinnvolle Substitution realisierbar.

8.0 Altlasten In Zusammenhang mit der Abfallwirtschaft steht die sich in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Umweltthema entwickelte Problematik der Altlasten. Unter Altlasten werden Altablagerungen und Altstandorte verstanden, von denen Umweltgefahren ausgehen. Altlasten sind demnach nicht nur alte Müllkippen, von denen im Laufe der Zeit schädliche Stoffe an die Umwelt, insbesondere an Boden und Grundwasser abgegeben werden, sondern auch Grundstücke, die in der Vergangenheit industriell genutzt und dadurch verunreinigt wurden. Grundsätzlich unterscheidet man Standorte, bei denen aufgrund der früheren Nutzung ein Verdacht auf Vorliegen einer Altlast besteht (Altlastverdachtsflächen), und nach Durchführung einer detaillierten Gefährdungsabschätzung nachgewiesene Altlasten. Der gegenwärtige Erfassungsstand läßt sich auf 143252 Standorte beziffern (August 1994). Davon sind 85 939 altlastverdächtige Altablagerungen und 57313 altlastverdächtige Altstandorte. Altstandorte stellen gerade in den neuen Bundesländern im Zuge des dort stattfindenden wirtschaftlichen Strukturwandels ein erhebliches Investitionshemmnis dar. Aus diesem Grunde haben die Bundesregierung und die Regierungen der neuen Bundesländer ein spezielles Abkommen zur Finanzierung der Sanierung von Altlasten in den neuen Bundesländern mit einem Etat von 15 Mrd. DM für die nächsten 10 Jahre getroffen. Insgesamt läßt sich der Sanierungsaufwand für die Bundesrepublik nur schwer abschätzen. Vorliegende Schätzungen schwanken zwischen 50 und 450 Mrd. DM. Primär sind für die Sanierung Betreiber und Grundstückseigentümer oder sonstige Verursacher haftbar, erst sekundär springen Länder oder Gemeinden - je nach Landesrecht - ein. Es fehlen allerdings noch Gütestandards für Böden mit entsprechenden Grenzwerten. Erst wenn diese formuliert sind, kann der Verkäufer eines Grundstücks eine bestimmte Qualität garantieren und auch versichern lassen. Im Rahmen eines Bundes-Bodenschutzgesetzes, das zur Zeit vorbereitet wird, ist vorgesehen, solche Werte zu setzen.

9.0 Schluß Dieser Überblick über einige bauwirtschaftlich interessante Aspekte des Umweltschutzes sollte zeigen, daß die Auswirkungen umweltpolitischer Maßnahmen auch auf dem Bausektor ambivalent sind. Sie wirken sich mal hemmend, mal fördernd auf diesen Wirtschaftszweig aus. Diejenigen, deren Planungen und Kalku-

13. Wohnumwelt

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lationen von solchen umweltpolitischen Einflüssen betroffen sind, tun gut daran, diese Marktfaktoren zu beobachten und sich rechtzeitig darauf einzustellen.

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III. Elemente der Wohnungswirtschaft

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IY. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

14. Die Bauherren als Anbieter 1.0 Die Bauherren im Wohnungsbau 1.1 Bauherrengruppen In der Bundesrepublik (Gebiet der alten Bundesländer; zu einem kurzen Überblick über die Wohnungsbautätigkeit den neuen Bundesländern vgl. Abschnitt 1.2.4) sind bis heute (1994 eingeschlossen) rd. 21 Millionen Wohnungen gebaut worden. Fast 10 Millionen dieser Wohnungen wurden im Geschoßwohnungsbau errichtet, gut 9 Millionen in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der Rest (ziemlich genau 2 Millionen) waren in bereits bestehenden Wohngebäuden zugebaute Wohnungen oder Wohnungen in Nichtwohnbauten. Anbieter von Wohnungen - wenn man darunter die Vermieter von Wohnraum versteht (s.u.) - sind in erster Linie unter den Bauherren von Mehrfamilienhäusern zu suchen: Diesen Bauherren soll deshalb besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Doch werden durchaus auch Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern in nicht geringer Zahl vermietet. 1987 machten diese Wohnungen immerhin annähernd ein Viertel des gesamten Mietwohnungsbestandes aus. Über die Bauherren der Wohnungen informiert die amtliche Statistik in ihren periodischen Veröffentlichungen zur Bautätigkeit (Statistisches Bundesamt a, b). Darüber hinaus wird nur noch von der Gruppe der ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen eine ausführliche Bautätigkeitsstatistik geführt (Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen 1987, Gesamtverband der Wohnungswirtschaft 1994). Die amtliche Statistik unterscheidet zwischen der öffentlichen Hand (einschl. Organisationen ohne Erwerbszweck), privaten Haushalten und Unternehmen als Bauherren, wobei letztere noch weiter unterteilt werden in gemeinnützige und ländliche Siedlungsunternehmen, sonstige (freie) Wohnungsunternehmen (seit 1991 in einer Gruppe zusammengefaßt) und die übrigen Unternehmen, die nicht Wohnungsunternehmen sind (Statistisches Bundesamt 1987, S. 48). Obwohl die Gliederung im wesentlichen nach institutionellen Gesichtspunkten erfolgt, spiegelt sie doch auch die unterschiedlichen Investitionsmotivationen der Anbieter am Wohnungsmarkt wider (Heuer u.a. 1985, S. 70). Von privaten Haushalten wird angenommen, daß ihre Bautätigkeit in erster Linie der Selbstversorgung dient. Wohnungsbau wird von privaten Haushalten aber auch aus Gründen der Kapitalanlage und der Alterssicherung betrieben (Pohl 1983, S. 4; Deutscher Verband 1989, S. 13), wobei seit Mitte der 70er Jahre Steuerersparnismöglichkeiten in bestimmten Wohnungsbaukonstruktionen (z.B. Bauherrenmodell) zusätzliche Anreize gegeben haben (Wissenschaftlicher Beirat 1982, S. 24). Insbesondere Haushalten von Selbstständigen wird diese Motivation für ihre Bautätigkeit unterstellt. Je nach dem Umfang, in dem private Haushalte als Vermieter ihres Haus- und Wohnungsbesitzes tätig werden, kann unterschieden werden zwischen (Kühne-Büning/Heuer 1994, S. 82f.): a) klassischen „Amateuranbietern", die ein einzelnes Haus oder wenige Wohnungen besitzen und diese selbst verwalten,

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IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

b) nicht mehr selbst verwaltenden privaten Anbietern, die über einen kleineren Wohnungsbesitz verfügen und die Bewirtschaftung einer Hausverwaltung oder einem Makler übertragen haben, c) professionellen privaten Anbietern, die meist größere Wohnungsbestände in eigener Regie verwalten und sich auf die Bewirtschaftung von Wohnraum spezialisiert haben. Die Grenze zu freien Wohnungsunternehmen (s.u.) wird hier fließend. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen waren bis zur Aufhebung der gesetzlichen Grundlage durch das Steuerreformgesetz 1990 im Wohnungsbau und in der Wohnungsvermietung tätige Kapitalgesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften, die sich in ihren Aktivitäten den Beschränkungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes unterworfen hatten und als gemeinnützig im Rechtssinne anerkannt waren (Brecht 1959, S. 1764). Sie sollten einer sozialen Verpflichtung zur Wohnungsversorgung breiter, einkommensschwächerer Schichten der Bevölkerung nachkommen. Verzicht auf erwerbswirtschaftliches Gewinnstreben, Vermietung und Veräußerung von Wohnungen zu „angemessenen", d.h. kostendeckenden Mieten und Preisen (Kostendeckungsprinzip), Streben nach bestmöglicher Wohnungsversorgung der angesprochenen Bevölkerungsgruppen (Bedarfsdeckungsprinzip) sind dabei als wichtigste Maxime ihres Verhaltens anzuführen gewesen (Duwendag 1970, S. 3829). Als Gegenleistung für die eingegangenen Bindungen waren die Unternehmen steuerbefreit. 1985 wurden von mehr als 1800 gemeinnützigen Wohnungsunternehmen fast 1200 als Genossenschaften und rund 600 als Kapitalgesellschaften geführt. In der amtlichen Statistik wird keine Unterscheidung nach der Rechtsform vorgenommen. Durch die Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes im Jahr 1990 sind die Kapitalgesellschaften steuerpflichtig und damit formal zu freien Wohnungsunternehmen ohne gesetzlich verordnete Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit geworden. Genossenschaften können weiterhin als gemeinnützig anerkannt bleiben, sofern sie sich in ihrem Geschäftskreis im wesentlichen auf den Bau und die Bewirtschaftung der eigenen Wohnungen für ihre Mitglieder beschränken (sog. gemeinnützige Vermietungsgenossenschaften). Die meisten ehemaligen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, die im Gesamtverband der Gemeinnützigen Wohnungsunternehmen organisiert waren, haben sich der Nachfolgeorganisation, dem Gesamtverband der Wohnungswirtschaft angeschlossen, der nunmehr eine ähnlich große Zahl an Mitgliedern betreut wie vorher. Die ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen bleiben dadurch als Bauherren- und Anbietergruppe am Wohnungsmarkt weiterhin identifizierbar und können in ihrem Verhalten gesondert analysiert werden (Galonska/Kühne-Büning 1994, S. 85ff.; Kornemann 1993, S. 671ff.). Viele der ehemals Gemeinnützigen, insbesondere die kommunalen und kirchlichen Wohnungsunternehmen sowie die kleineren Genossenschaften sind nach ihren Satzungen weiterhin den ursprünglichen Versorgungszielen verpflichtet. Industrieverbundene Wohnungsunternehmen sind vor allem aus dem Werkswohnungsbau hervorgegangen und dürften auch künftig hier ihr Hauptbetätigungsfeld sehen. Nur wenige der ehemals gemeinnützigen Unternehmen haben ihre Aktivitäten so weit verlagert, daß Wohnungsbau und Wohnungsbewirtschaftung nur ein Geschäftsbereich unter anderen geblieben ist, wie z.B. Gewerbebau, Stadtentwicklung, Wohnungsverwaltung für Dritte, Bau von Wohnungen zur Veräußerung. Wohnungsunternehmen, die nicht als gemeinnützig anerkannt sind, werden als freie Wohnungsunternehmen (in der Statistik als sonstige Wohnungsunterneh-

14. Die Bauherren als Anbieter

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men) bezeichnet. Ihnen wird als wesentliches Motiv ihrer Tätigkeit Gewinnerzielung unterstellt. Freie Wohnungsunternehmen unterliegen keinen spezifischen Verhaltens- und Vermögensbindungen, auch in der Rechtsformwahl sind sie frei, werden gleichwohl aber oft in der Form juristischer Personen geführt (Selchert/Lück 1985, S. 21). Ihr Aufgabenkreis soll sich vornehmlich auf die Wohnungsversorgung gehobener Einkommensgruppen der Bevölkerung erstrecken, hier auch auf die Durchführung von Betreuungsleistungen und die Veräußerung von wohnungswirtschaftlichem Einzeleigentum (Duwendag 1970, S. 3830). Der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit der freien Wohnungsunternehmen liegt demnach eher bei der Wohnungsproduktion für Dritte als bei der Errichtung von Wohnungen für den eigenen Bestand (Kivelip 1994, S 93). Von den Wohnungsunternehmen sind die sonstigen Unternehmen zu unterscheiden, die auch im Wohnungsbereich tätig sind, deren Hauptbetätigungsfeld aber woanders liegt. Es handelt sich hier um eine heterogene Gruppe. Einerseits gehören dazu etwa Produktionsunternehmen, die durch ihre Bautätigkeit die Wohnungsversorgung für Betriebsangehörige sichern wollen, andererseits werden aber auch Versicherungen als eine in der wohnungspolitischen Diskussion sehr beachtete Bauherrengruppe und Kreditinstitute dieser Gruppe zugeordnet, für die der Wohnungsbau als Kapitalanlage dient. Seit 1983 sind in der Statistik der Wohnungsbaufertigstellungen hieraus die Immobilienfonds als gesonderte Bauherrengruppe ausgegliedert worden. Schließlich wird auch die öffentliche Hand als Bauherr tätig, wobei zumindest in der Vergangenheit die Versorgung der Bediensteten mit Wohnraum eine wichtige Rolle gespielt hat. Darüber hinaus erfordern besondere Bedarfssituationen am Wohnungsmarkt das Tätigwerden der öffentlichen Hand z.B. die Errichtung von Wohnheimen für Studenten oder zur Unterbringung pflegebedürftiger älterer Menschen.

1.2 Die Bautätigkeit verschiedener Bauherrengruppen 1.2.1 Wohnungsbau insgesamt Für 12,3 Millionen seit 1949 gebaute Wohnungen sind private Haushalte als Bauherren registriert worden. Das entspricht einem Anteil von 60% an den 20,6 Millionen Wohnungen, die in Wohnbauten erstellt worden sind (vgl. Tabelle 1). Die unternehmerischen Bauherren brachten es dagegen zusammen nur auf 7,7 Millionen Wohnungen (= 38%). Hiervon wurde wiederum der größere Teil (4,2 Millionen = 21%) von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen gebaut. Auf die freien Wohnungsunternehmen und die Nichtwohnungsunternehmen entfielen 2,4 Millionen bzw. 1,1 Millionen Wohnungen (= 12% bzw. 5,5% der gesamten Wohnungsproduktion seit Kriegsende). Fast bedeutungslos war im Vergleich dazu die Bautätigkeit der öffentlichen Hand (weniger als 3% = 500000 Wohnungen). Der Anteil der verschiedenen Bauherren an den Wohnungsbaufertigstellungen variierte im Zeitablauf durchaus beträchtlich: Eine Ausnahme stellen die privaten Haushalte als Bauherren dar. Ihr Anteil bewegte sich zwar mit Abweichungen nach oben oder unten in einzelnen Jahren stets um die 60% (vgl. auch Abbildung 1). Die Zahl der von privaten Haushalten errichteten Wohnungen hat sich dennoch (gleichgerichtet mit der allgemeinen

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IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

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14. Die Bauherren als Anbieter Anteil verschiedener Bauherren an den Wohnungsbaufertigstellungen. Bauherrengruppen: (von oben nach unten)

• Private Haushalte S Gemeinnützige Wohnungsunternehmen DU Freie Wohnungsunternehmen 0 Sonstige Unternehmen @ Öffentliche Bauherren

1960

1970

1976

Jahr

1980

Bauentwicklung) im Zeitablauf deutlich reduziert, z.B. von rd. 360 000 Wohnungen jährlich in der ersten Hälfte der 60er Jahre auf weniger als 130000 Wohnungen im Jahr 1988. Erst zuletzt ist wieder ein sehr deutlicher Anstiege bis auf 300000 Fertigstellungen im Jahr 1994 zu verzeichnen gewesen. Ganz anders entwickelte sich der Anteil der (ehemals) gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Sie hatten ihr höchstes Gewicht als Bauherren in den 50er Jahren, als sie jährlich im Durchschnitt 160000 Wohnungen bauten und zu fast einem Drittel an den Fertigstellungen im Wohnungsbau beteiligt waren. Im Schnitt der 80er Jahre belief sich ihre Bautätigkeit nur noch auf 25 000 Wohnungen jährlich (1988: 12000), womit sie lediglich 8,5% (1988: 6%) des nunmehr sehr viel niedrigeren Fertigstellungsergebnisses erreichten. Inzwischen werden von ihnen ebenfalls wieder mehr Wohnungen gebaut (Gesamtverband der Wohnungswirtschaft 1994, S. 15). Auch die öffentlichen Bauherren hatten ihre größte Bedeutung - freilich auf einem sehr viel niedrigeren Niveau als die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen - in den 50er Jahren. Damals errichteten sie 4,3% der Wohnungen, in den 80er Jahren dagegen nur noch 1,4%, und auch in den letzten Jahren blieb ihr Anteil an den Fertigstellungen stets unter 2%. In dem Maße, in dem die Bedeutung dieser beiden Bauherrengruppen rückläufig war, nahm das Gewicht der freien Wohnungsunternehmen zu. Sie sind auch die einzigen, die trotz der gegenüber den 50er Jahren mehr als halbierten gesamten Bautätigkeit in den 80er Jahren wesentlich mehr Wohnungen bauten als damals: Immerhin fast 70000 p.a. gegenüber lediglich 20000 jährlich im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Bundesrepublik und zuletzt sogar mehr als 100000. Ihr Anteil an den Baufertigstellungen hat sich dadurch ganz drastisch von 4% auf mehr als ein Viertel erhöht (vgl. auch Abbildung 1). Die sonstigen Unternehmen haben ihren Wohnungsbauanteil von knapp 4% in den 50er Jahren bis heute nur geringfügig gesteigert. Ihre Blütezeit hatten sie in den 70er Jahren, als sie mehr als 8% der neugebauten Wohnungen errichteten. In der ersten Hälfte der 70er Jahre lag ihr Anteil kurze Zeit sogar bei 9-10%.

332

IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

Einige interessante Aspekte ergeben sich, wenn man die Bautätigkeit der einzelnen Bauherrengruppen im Verlauf der Jahre verfolgt. Das gilt insbesondere für die Wohnungsbaufertigstellungen der Unternehmen: So wird aus Abbildung 2 erkennbar, daß die Bautätigkeit der Gemeinnützigen in der ersten Hälfte der 60er Jahre noch auf einem sehr hohen Niveau verblieb und um ein Vielfaches höher war als die der übrigen im Wohnungsbereich tätigen Unternehmen. Von da ab setzte dann allerdings ein kontinuierlicher Abschwung ein. 1970 bauten die Gemeinnützigen fast nur noch halb so viele Wohnungen wie um die Mitte der 60er Jahre. Die freien Wohnungsunternehmen und die Nichtwohnungsunternehmen starteten mit verhältnismäßig niedrigen Fertigstellungsziffern von je 20-25000 in die 60er Jahre. Von Jahr zu Jahr steigerten sie dann fast parallel ihre Bauaktivitäten, so daß sie zu Beginn der zweiten Hälfte des Jahrzehnts schon auf 35-40 000 Fertigstellungen kamen. Während die sonstigen Unternehmen für einige Jahre auf diesem Niveau verharrten, setzten die freien Wohnungsunternehmen ihren Aufschwung weiter fort. Abbildung 2 zeigt deutlich, wie sich die Schere zwischen den beiden Bauherrengruppen in diesen Jahren öffnete. Der Beginn des Baubooms Anfang der 70er Jahre ließ für alle Beteiligten die Zahl der gebauten Wohnungen nach oben schnellen. Die freien Wohnungsunternehmen konnten von 1970 bis 1973 ihre Fertigstellungen mehr als verdoppeln, die sonstigen Unternehmen annähernd verzweifachen. Der Niveauunterschied zwischen den beiden Gruppen blieb dadurch erhalten und vergrößerte sich gemessen an der absoluten Zahl der errichteten Wohnungen sogar noch. Die Gemeinnützigen steigerten in diesem Zeitraum die Zahl ihrer Wohnungsbaufertigstellungen zwar ebenfalls, aber nur um 35%. 1973 wurden darum von den freien Wohnungsunternehmen schon fast genau so viele Wohnungen gebaut wie von den Gemeinnützigen.

Abb. 2 Wohnungsbaufertigstellungen unternehmerischer Bauherren.

Jahr

14. Die Bauherren als Anbieter

333

Der folgende Konjunktureinbruch führte bei allen Bauherren mit Ausnahme der öffentlichen Hand zu einem Verfall der Bautätigkeit, bei den unternehmerischen Bauherren (relativ) noch ausgeprägter als bei den privaten Haushalten. Die unternehmerischen Anbieter reduzierten in diesen Jahren die Zahl der von ihnen gebauten Wohnungen fast parallel (vgl. Abbildung 2) auf weniger als die Hälfte. Diese Phase dauerte bis 1976; danach fallen die Entwicklungslinien wieder auseinander. Während die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und die sonstigen Unternehmen ihren Abschwung mit Schwankungen von Jahr zu Jahr und zumTeil abgeschwächt fortsetzten, erhöhte sich die Bautätigkeit der freien Wohnungsunternehmen zumindest bis 1984 sehr deutlich und nahm erst danach wieder ab. Insgesamt sind von den freien Wohnungsunternehmen im Verlauf der 80er Jahre nur unwesentlich weniger Wohnungen gebaut worden als in den 70er Jahren. Bei den Gemeinnützigen und den Nichtwohnungsunternehmen machte die Wohnungsproduktion der 80er Jahre dagegen nur noch rund ein Drittel des vorherigen Niveaus aus (vgl. Tabelle 1). Das Jahr 1988 markiert den Tiefpunkt der Wohnungsbauproduktion für alle Bauherrengruppen. Seitdem sind die Fertigstellungen von Jahr zu Jahr steil angestiegen. Die Nichtwohnungsunternehmen haben bis 1994 ihre Bauleistungen verdoppelt, realisieren damit im Vergleich zu früher aber immer noch ein recht bescheidenes Niveau. Die Wohnungsunternehmen haben ihre Bautätigkeit dagegen fast verdreifacht. Die freien Wohnungsunternehmen haben dadurch ihren früheren Spitzenwert aus dem Jahr 1973 sogar schon übertroffen. Die ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sind an diesem Aufschwung gut beteiligt, da ihre Bautätigkeit bis Ende der 80er Jahre aber so stark abgefallen war, sind sie noch sehr weit von ihrer früheren Bedeutung als Bauherrengruppe entfernt.

1.2.2 Geschoßwohnungsbau Differenziert man nach Gebäudearten, dann verschieben sich die Relationen zwischen den Bauherrengruppen beträchtlich: So sind Ein- und Zweifamilienhäuser vor allem von privaten Haushalten gebaut worden. Ihr Anteil beträgt hier über 80% und war im Zeitablauf nur sehr geringen Schwankungen unterworfen. Außer von den privaten Haushalten wurden bis Anfang der 70er Jahre nur noch von den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen in namhaftem Umfang Gebäude mit einer oder zwei Wohnungen errichtet. Seit Ende der 70er Jahre haben die freien Wohnungsunternehmen deren Part übernommen. Die Tatsache, daß die privaten Haushalte im Eigenheimbau so überragende Bedeutung haben, beweist, daß sie vor allem zum Zweck der Eigenversorgung mit Wohnraum als Bauherren tätig werden. Ihre Bautätigkeit ist deshalb weniger konjunkturabhängig als die der übrigen Bauherren (Heuer u.a. 1985, S. 73). Aus Abbildung 1 läßt sich erkennen, wie in Zeiten allgemein lebhafter Bautätigkeit (z.B. Anfang der 70er Jahre, aber auch zu Beginn der 90er Jahre) der Anteil privater Haushalte absinkt und bei rückläufiger Baukonjunktur wieder ansteigt (z.B. in der zweiten Hälfte der 70er Jahre). Das eigentliche Betätigungsfeld der unternehmerischen Wohnungswirtschaft ist der Bau von Mehrfamilienhäusern. Seit 1960 (entsprechende Informationen über die 50er Jahre gibt die Statistik nicht her) belief sich ihr Anteil hier auf 60%. Im Vergleich dazu waren die privaten Haushalte in 36% der Fälle Bauherren von Mehrfamilienhäusern. Die öffentliche Hand kam nur auf einen Anteil von 3,5%.

334

IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

Im Zeitablauf konnte die unternehmerische Wohnungswirtschaft ihren Anteil im Geschoßwohnungsbau noch steigern, während private Haushalte und öffentliche Hand entsprechend verloren (vgl. Tabelle 1 und Abbildung 3). Zwischen den einzelnen Bauherrengruppen innerhalb der unternehmerischen Wohnungswirtschaft sind im Zeitablauf abermals erhebliche Anteilsverschiebungen zu konstatieren. Während anfangs die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen dominierten und in den 60er Jahren mehr als doppelt so viele Geschoßwohnungen bauten wie die freien Wohnungsunternehmen und die sonstigen Unternehmen zusammen, ist in den 80er Jahren - bei einem freilich erheblich reduzierten Niveau der Wohnungbaufertigstellungen - die Marktführerschaft in diesem Bereich eindeutig auf die freien Wohnungsunternehmen übergegangen. Gegenüber damals hat sich der Anteil der Gemeinnützigen an den Fertigstellungen von Mehrfamilienhäusern mehr als halbiert, der Anteil der freien Wohnungsunternehmen dagegen mehr als vervierfacht. Trotz des enormen Rückgangs des Geschoßwohnungsbaus von fast 2,8 Millionen Fertigstellungen in den 60er Jahren auf nur noch 1,1 Millionen Wohneinheiten in den 80er Jahren, konnten die freien Wohnungsunternehmen entgegen dem Trend ihre Bautätigkeit noch ausdehnen von weniger als 260000 gebauten Wohnungen in den 60er Jahren auf 420000 Fertigstellungen in den 80er Jahren. Sie sind damit im Geschoßwohnungsbau die größte Bauherrengruppe von den privaten Haushalten geworden und haben diese Position auch in den 90er Jahren halten können. Die Gemeinnützigen haben dagegen in dem vergleichbaren Zeitraum ihre Fertigstellungen von 1,1 Millionen auf nur noch 200000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern reduziert. Inzwischen bauen die ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen wieder viel mehr; gleichwohl haben sie ihren Anteil in diesem Bereich nicht steigern können, weil der Aufschwung im Wohnungsbau bisher ebenfalls weit überwiegend in den Geschoßwohnungsbau gegangen ist. Der hohe Anteil der freien Wohnungsunternehmen beim Bau von Mehrfamilienhäusern besagt nun nicht, daß diese überwiegend Mietwohnungen gebaut haben.

Abb. 3

Anteil verschiedener Bauherren an den Fertigstellungen von Mehrfamilienhäusern.

100%

Bauherrengruppen:

90%

(von oben nach unten)

80%



70% 60%

Private Haushalte

S Gemeinnützige Wohnungsunternehmen

50%

DD Freie Wohnungsunternehmen

40%

^ Sonstige Unternehmen

30% 20%

B Öffentliche Bauherren

10% 1975 Jahr

1980

335

14. Die Bauherren als Anbieter

Im Verlauf der 70er und 80er Jahre haben im Geschoßwohnungsbau ganz anders die Eigentumswohnungen gegenüber den Mietwohnungen ständig an Bedeutung gewonnen, und die freien Wohnungsunternehmen sind mit ihrer Bautätigkeit dieser Entwicklung durchaus gefolgt. Die Zahl der fertiggestellten Eigentumswohnungen wird in der Bautätigkeitsstatistik erst ab 1983 ausgewiesen. Von 1983 bis 1993 sind 710000 Eigentumswohnungen in neuen Wohngebäuden gebaut worden (vgl. Tabelle 2). Wenn man davon ausgeht, daß diese Wohnungen fast alle im Geschoßwohnungsbau errichtet worden sind, dann entspricht das 53% der Fertigstellungen in Mehrfamilienhäusern von insgesamt 1,35 Millionen. Die freien Wohnungsunternehmen haben in diesem Zeitraum mehr als 440000 Eigentumswohnungen gebaut und damit 61% der Gesamtzahl. Gut ein Viertel der Bauherren von Eigentumswohnungen waren private Haushalte, wobei ihr Anteil 1984 noch 38% betragen hatte, gegen Ende des Jahrzehnts dagegen nur 21%. War der Bau von Eigentumswohnungen in diesen Jahren schon stark rückläufig (von 102 000 Fertigstellungen auf 33 000 im Jahr 1988), so haben private Haushalte vermutlich als Folge der Einschränkungen in der steuerlichen Attraktivität der Bauherrenmodelle sogar überreagiert. Die Anteile, die sie verloren, haben die freien Wohnungsunternehmen übernommen, so daß 1989 und in den folgenden Jahren bereits zwei Drittel der Eigentumswohnungen von ihnen erstellt worden sind. Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen waren damals lediglich mit etwa 7% am Bau von Eigentumswohnungen beteiligt und haben sich auch seit der Aufhebung der Bindungen aus der Wohnungsgemeinnützigkeit noch nicht verstärkt dieser Bausparte zugewandt. Zusammengefaßt ergibt sich, daß von 1983 bis 1993 mehr als die Hälfte der von freien Wohnungsunternehmen insgesamt errichteten Wohnungen Eigentumswohnungen waren und drei Viertel ihrer Fertigstellungen im Geschoßwohnungsbau. Vergleicht man mit den Gemeinnützigen, dann machten Eigentumswohnungen nur 19% ihrer Fertigstellungen insgesamt und auch nur 23% ihrer Fertigstellungen in Mehrfamilienhäusern aus. Ahnliche Relationen hat der Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen auch schon für die 70er Jahre geschätzt (Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen 1985, S. 46). Zieht man von den Gesamtfertigstellungen in Mehrfamilienhäusern der Jahre 1983 bis 1993 die Eigentumswohnungen ab, erhält man eher einen Eindruck von Tabelle 2 Von verschiedenen Bauherrengruppen fertiggestellte Miet- und Eigentumswohnungen 1983-1993. Bauherrengruppe

Private Haushalte

In Wohngebäuden

In Wohngebäuden mit

insgesamt

3 und mehr Wohnungen

Eigentumswohnungen

"Mietwohnungen" 1

Anzahl

Anteil

Anzahl

Anteil

Anzahl

Anteil

Anzahl

Anteil

in 1000

In %

In 1000

in %

in 1000

in %

In 1000

in %

1977

60,8

465

34,4

194

27,2

271

42,3

Freie Wohnungsunternehmen 2

837

25,7

571

42,2

438

61.4

134

20,9

Gemelnn. Wohnungsuntern.

271

8,3

222

16,4

51

7,2

171

26,7

Sonstige Unternehmen

117

3.6

65

4,8

)

52

1,6

29

2.1

)

30

4,2

64

10,0

3254

100,0

1352

100,0

713

100,0

640

100,0

Offentl. Bauherren insgesamt

1

Differenz zwischen Wohnungen in Wohngebäuden mit 3 und mehr Wohnungen und Eigentumswohnungen. 2 hier einschließlich Immobilienfonds Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 5, Bautätigkeit und Wohnungen

336

IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

der Zahl der in diesem Zeitraum gebauten Mietwohnungen im Geschoßwohnungsbau. Für insgesamt 640000 Wohnungen waren in 42% der Fälle private Haushalte die Bauherren, zu einem Anteil von 27% waren (ehemals) gemeinnützige Wohnungsunternehmen als Bauherren eingetragen und zu einem vergleichsweise niedrigen Anteil von 21% freie Wohnungsunternehmen (vgl. Tabelle 2).

1.2.3 Sozialer Mietwohnungsbau Die D o m ä n e der Gemeinnützigen war der Bau von Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau: Von 1960 bis 1989 haben sie mehr als 1,3 Millionen im 1. Förderungsweg des sozialen Wohnungsbaus geförderte Mietwohnungen gebaut (vgl. Tabelle 1). Das entspricht 55% ihrer gesamten Wohnungsbautätigkeit in diesem Zeitraum. Bei den privaten Haushalten, die seit 1960 gut eine halbe Million Sozialwohnungen errichtet haben, waren es nur 6% der in diesem Zeitraum insgesamt von ihnen gebauten Wohnungen, bei den freien Wohnungsunternehmen mit 200000 Sozialmietwohnungen auch nur 12%. Der Anteil der Gemeinnützigen an den Fertigstellungen von Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau (1. Förderungsweg) machte in den betrachteten drei Jahrzehnten 58% aus. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre erreichten sie sogar einen Anteil bis 65% (vgl. Abbildung 4), in den 80er Jahren wurden allerdings nur noch 50% der Sozialmietwohnungen von Gemeinnützigen errichtet. D e r Anteil der privaten Haushalte im Sozialwohnungsbau hat sich ebenfalls verringert von 25% im Durchschnitt der 60er Jahre auf 21 % in den 80er Jahren, nachdem er in den 70er Jahren allerdings noch niedriger war. Inzwischen ist ihr Anteil wieder auf mehr als ein Viertel angestiegen. Umgekehrt haben in den 70er Jahren und 80er Jahren die übrigen Bauherrengruppen ihr Engagement im sozialen Mietwohnungsbau gesteigert, besonders die öffentlichen Bauherren und die freien Wohnungsunternehmen, weniger die sonstigen U n t e r n e h m e n . Trotzdem blieben ihre Anteile jeweils noch unter oder nur etwas

Abb. 4

Anteil verschiedener Bauherren im sozialen Mietwohnungsbau.

100%

Bauherrengruppen:

90%

(von o b e n n a c h unten)

80%



70%

B Wohnungsunternehmen darunter: s Gemeinnützige Wohnungsunternehmen im Freie Wohnungsunternehmen ^ Sonstige Unternehmen M Öffentliche Bauherren

60% 50% 40% 30%

20%

10% 0% 1960

Private Haushalte

1965

1970

1975

1980

1985

1990

14. Die Bauherren als Anbieter

337

über 10%, und sie sind Anfang der 90er Jahre auch wieder deutlich zurückgegangen. Es muß beachtet werden, daß ein hoher Anteil am Sozialwohnungsbau in den 80er Jahren nicht mehr mit einer großen Zahl an gebauten Wohnungen gleichzusetzen war. Im vorigen Jahrzehnt ist nur ein Fünftel der Sozialmietwohnungen gebaut worden (weniger als 280000), die die 60er Jahre hervorgebracht hatten. Noch drastischer fällt der Vergleich zwischen einzelnen Jahren aus. Wurden 1960 noch 160000 Sozialmietwohnungen als fertiggestellt gemeldet, so sind es 1988 und 1989 nur gut 12000 Wohnungen gewesen. Mit dem dramatischen Rückgang des sozialen Wohnungsbaus, in dem die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen besonders engagiert waren, kann zum großen Teil deren schwindende Bedeutung als Bauherrengruppe erklärt werden (Gustafsson 1983, S. 15). Umgekehrt ist das Anwachsen der freien Wohnungsunternehmen sicherlich ebenfalls eine Reaktion auf die Abkehr von der direkten Wohnungsbauförderung und die zunehmende Bedeutung steuerlicher Gesichtspunkte in der Wohnungsproduktion gewesen. In den 90er Jahren hat auch der soziale Wohnungsbau wieder Fahrt aufgenommen. Vom neuen Schwung hat freilich der klassische 1. Förderungsweg nicht so stark profitiert. Bei lediglich mäßig erhöhten Fertigstellungszahlen haben besonders private Haushalte als Bauherren und etwas weniger auch die Wohnungsunternehmen ihre Anteile zu Lasten der sonstigen Unternehmen und der öffentlichen Hand steigern können. In welchem Umfang die ehemals Gemeinnützigen beteiligt waren, läßt sich zwar nicht exakt feststellen, weil die Verbandsstatistik, die allein noch Auskunft darüber geben könnte, andere Erhebungsverfahren anwendet als die amtliche Statistik und auch unterschiedliche Abgrenzungen vornimmt. Als Tendenzaussage läßt sich aber ableiten, daß die ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ihren Anteil im 1. Förderungsweg zumindest gehalten haben. Nun ist der eigentliche Aufschwung im sozialen Mietwohnungsbau allerdings am 1. Förderungsweg vorbeigegangen. Viel größeres Gewicht hat inzwischen die vereinbarte Förderung (3. Förderungsweg) erlangt, und hier dominieren als Bauherren die privaten Haushalte. Von den insgesamt 300 000 fertiggestellten Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau seit 1990 (davon nur 130000 im 1. Förderungsweg) sind annähernd 44% von privaten Haushalten gebaut worden, fast so viele wie von den Wohnungsunternehmen (47% gegenüber 64% im 1. Förderungsweg). Das bedeutet zugleich, daß in der Betrachtung des gesamten Sozialwohnungsbaus den ehemals Gemeinnützigen zuletzt erhebliche Anteile verloren gegangen sind. 1.2.4 Wohnungsbautätigkeit in den östlichen Bundesländern Über die Wohnungsbautätigkeit in den östlichen Bundesländern gibt es erst seit zwei Jahren vollständige Statistiken (vgl. Tabelle 3). 1993/94 sind von insgesamt 88000 fertiggestellten Wohnungen in Wohngebäuden 58% von privaten Haushalten gebaut worden. Deren Anteil an den gesamten Baufertigstellungen war damit ähnlich hoch wie in den alten Bundesländern. Die Bautätigkeit der Wohnungsunternehmen hatte dagegen geringeres Gewicht, wohl weil die Instandsetzung und Modernisierung der Wohnungsbestände zunächst noch Vorrang vor dem Neubau von Wohnungen hat. Bemerkenswert ist das Engagement der Immobilienfonds (die zu den sonstigen Unternehmen gezählt worden sind) im Osten Deutschland.

338

IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

Tabelle 3 Anteile verschiedener Bauherrengruppen im Wohnungsbau in den östlichen Bundesländern. Zeitraum

Fertiggestellte Wohnungen Anzahl

gebaut von... Privaten

Wohnungs-

Sonstigen

Haushalten

untemehmen

Unternehmen

Anzahl

Prozent

Anzahl

von Sp.1 1993/94

88019

50968

57,9

Prozent

Anzahl

von Sp.1 22468

25,5

Prozent

Öffentlichen Bauherren1 Anzahl

von Sp.1 11558

13,1

3025

Prozent von Sp.1 3,4

1

einschl. Organisationen ohne Erwerbszweck Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 5, Bautätigkeit und Wohnungen 1994 bauten sie hier kaum weniger Wohnungen als im Westen; ihr Anteil an den Bauferigstellungen war mit über 6% fast siebenmal so groß wie in den alten Bundesländern. Öffentliche Bauherren hatten in den neuen Bundesländern zwar einen höheren Anteil an der Bautätigkeit als im früheren Bundesgebiet, gleichwohl war auch hier ihre Bedeutung als Bauherrengruppe vergleichsweise gering.

2. Die Wohnungsanbieter 2.1 Die Eigentümerstruktur im Wohnungsbestand Anbieter können die Bauherren als Verkäufer der von ihnen gebauten Wohnungen oder als Vermieter sein. Über Käufe und Verkäufe von Wohnungen und die Beteiligten auf diesem Markt gibt es keine repräsentativen Statistiken. Nach Angaben der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sind von ihnen von 1950 bis 1986 über 900000 in eigener Bauherrschaft gebaute Wohnungen zur Veräußerung erstellt worden (Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehm e n 1987, S. 66). Für weitere rund 1 Million Wohnungen wurde die Baubetreuung ü b e r n o m m e n . Im Vergleich dazu sind in dem gleichen Zeitraum 2,8 Millionen Mietwohnungen fertiggestellt worden. Tatsächlich an Dritte veräußert hatten die Gemeinnützigen bis 1986 mehr als 1,1 Millionen Wohnungen (Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen 1987, S. 161). Auch seit 1990 haben die ehemals Gemeinnützigen erheblich mehr Wohnungen gebaut (und erworben) als veräußert (vgl. Gesamtverband der Wohnungswirtschaft 1994, S. 25f.). Die freien Wohnungsunternehmen sehen den Schwerpunkt ihrer Unternehmenstätigkeit im Unterschied zur gemeinnützigen Konkurrenz eindeutig bei der Wohnungsproduktion (Kivelip 1984, S. 608). Die Verwaltung des eigenen Wohnungsangebots hat dagegen weniger Bedeutung. Daraus folgt, daß ein großer Teil der von freien Wohnungsunternehmen gebauten Wohnungen zur Veräußerung bestimmt ist. Statistische Unterlagen über den U m f a n g der Veräußerungstätigkeit der freien Wohnungsunternehmen sind nicht verfügbar. Hinweise darauf können aber aus dem Vergleich zwischen ihrer Bautätigkeit und dem Bestand der von Ihnen vermieteten Wohnungen abgeleitet werden. Ü b e r die Anbieter von Wohnungen als Vermieter gibt es in der amtlichen Statistik detailliertere Informationen (Statistisches Bundesamt c, Fachserie 5; Holder 1991, S. 107ff.; Bundesministerium f ü r Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 1994, S. 29).

14. Die Bauherren als Anbieter

339

Tabelle 4 zeigt zunächst die Eigentümerstrukturen im Wohnungsbestand: 1987 gehörten fast 80% aller Wohnungen in der Bundesrepublik privaten Haushalten, wenn man die Erbengemeinschaften hinzuzählt und annimmt, daß die Eigentümer von Eigentumswohnungen in den allermeisten Fällen wohl ebenfalls private Haushalte sein werden. Die Gemeinnützigen hatten einen Anteil am Wohnungsbestand von 14%, alle übrigen Eigentümergruppen zusammen nur von 7%. Gegenüber 1972 hat sich der Anteil der privaten Haushalte am Wohnungseigentum noch um drei Prozentpunkte erhöht. Zurückzuführen ist das vor allem auf den Zuwachs an Eigentumswohnungen,deren Zahl sich bis 1987 weit mehr als vervierfacht hat. Während die Gemeinnützigen ihren Anteil im Zeitverlauf halten konnten, nahm die ohnehin schon nicht herausragende Bedeutung der übrigen Eigentümergruppen noch weiter ab. Auch der vermietete Wohnungsbestand gehörte immerhin zu 66% privaten Haushalten. Auch hier ist im Zeitablauf eine leichte Anteilserhöhung festzustellen, die abermals auf die überproportional gestiegene Zahl an Eigentumswohnungen zurückgeführt werden kann. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen waren zu knapp einem Viertel beteiligt, die übrigen Eigentümergruppen erreichten einen Anteil von 12% (1972 noch 15%). Aufschlußreich sind Umfang und Entwicklung der Wohnungsbestände vor allem der unternehmerischen Eigentümer: Die Gemeinnützigen hatten auf Basis der Wohnungsstichprobe 1972 einen Wohnungsbestand von knapp 3 Millionen Einheiten. Ihre eigene Statistik weist den Wohnungsbestand für Ende 1971 mit 2,98 Millionen Einheiten aus (Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen 1987, S. 162). Die Ergebnisse decken sich also weitgehend. Gut 2,3 Millionen dieser Wohnungen sind nach dem Krieg errichtet worden. Gebaut haben die Gemeinnützigen bis Ende 1971 fast 3,3 Millionen Wohnungen. Berücksichtigt man noch die physischen Abgänge im Wohnungsbestand durch Abrisse, Wohnungszusammenlegungen usw., dann bestätigt dieser Vergleich, daß die Gemeinnützigen mit ihrer Bautätigkeit überwiegend ihren eigenen Wohnungsbestand ausgeweitet haben und nur in weit geringerem Ausmaß auch Wohnungen zum Zweck des Verkaufs errichteten. Diese Feststellung läßt sich auch für den weiteren Verlauf der 70er Jahre und die 80er Jahre treffen. Bis 1987 weiteten die Gemeinnützigen nach dem Ergebnis der Gebäude- und Wohnungszählung ihren Wohnungsbestand nochmals um 650 000 Wohneinheiten auf 3,6 Millionen aus. (Nach der Verbandsstatistik belief sich ihr Wohnungsbestand freilich nur auf 3,4 Millionen Einheiten, vgl. Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen 1987, S. 161). Gebaut haben sie in dem Zeitraum etwa eine gleiche Zahl an Wohnungen, d.h. soweit überhaupt Wohnungen verkauft worden sind, sind die Bestandsverluste weitgehend durch Zukäufe wieder kompensiert worden. Ganz andere Schlüsse ergeben sich aus der Gegenüberstellung der entsprechenden Zahlen für die freien Wohnungsunternehmen: 1972 belief sich ihr Wohnungsbestand nur auf gut 370000 Einheiten (vgl. Tabelle 4), davon noch nicht einmal 300 000 Nachkriegswohnungen. Gebaut hatten sie bis dahin aber fast 700000 Wohnungen. Bis 1978 hat sich der Wohnungsbestand der freien Wohnungsunternehmen trotz erheblicher Bautätigkeit (über 450000 Wohnungen) nicht nur nicht vergrößert, sondern sogar verringert (auf 330000 Wohnungen). Für 1987 konnte der Wohnungsbestand dieser Unternehmensgruppe zwar deutlich höher mit 490000 Einheiten angegeben werden, doch steht der Bestandsausweitung um 160000 eine Bautätigkeit von mehr als 600000 Wohnungen gegenüber. Die Bedeutung der freien Wohnungsunternehmen als Vermietergruppe bleibt damit noch immer sehr weit hinter ihrer Position als Bauherren-

3

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e «

E

.a

.. nicht gefördert

.. öffentlich gefördert

davon vermietet

Wohnungen Insgesamt

.. nicht gefördert

.. öffentlich gefördert

s

davon vermietet

•C o

Wohnungen insgesamt

SC C S

davon vermietet

Eigentums-

1,24

0,61

0,09

0,52

1,83

1,00

14,27

3,97

10,30

26,38

15,52

0,17

13,55

23,77

0,41

wohnungen

21,21

11,49

4,04

v

Gebäude mit

JO WJ

Wohnungen Insgesamt

¡3

Insgesamt

5

Wohnungsart Einzel-

6,52

0,97

7,49

15,47

14,25

haushalt

9,30

19,05

8,37

0,92

0,17

1,09

1,67

1,52

ziges Woh-

Freies

3,47

3,61

0,96

2,31

3,27

3,39

2,94

2,96

1987

1978

1972

0,48

0,49

0,19

0,12

0,32

0,33

0,37

0,37

untemehmen

Wohnungs-

Anzahl In Mill.

nehmen

nungsunter-

Gemeinnüt-

Erbengemeinschaft

Darunter:

0,04

0,03

0,07

0,08

0,02

fonds

Immobilien-

Gebäudeeigentümer Ist...

0,18

0,03

0,21

0,22

nehmen

1,28

1,39

1,69

0,78

0,39

0,11

0,51

0,55

o. Versicherungsunter-

Sonstiges Unternehmen

Kreditinstitut

0,57

0,13

0,71

0,83

0,89

Hand

Öffentliche

| |

340 IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

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1987

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100,0

CO

in

05

Wohnungen insgesamt

24,5

in"

100,0

05 o"

in co"

Hand

Öffentliche

co"

.. nicht gefördert

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Sonstiges Unternehmen

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1978

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rungsunter-

o. Versiche-

Kreditinstitut

CO

o in"

.. öffentlich gefördert

65,1 52,5

CM_

100,0

CM

100,0

cm" 21,7

13,9

1972

Anteil in Prozent

nehmen

fonds

untemehmen

Immobillen-

Freies Wohnungs-

CO

in co"

davon vermietet

61,8

ziges Wohnungsunter-

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IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

Beim Wohnungsbestand der privaten Haushalte ist zwischen den Einzelhaushalten als Anbietern, den Erbengemeinschaften und vermieteten Eigentumswohnungen zu unterscheiden. Die von Erbengemeinschaften vermieteten Wohnungen sind hinsichtlich ihrer räumlichen Struktur am besten mit dem unternehmerischen Wohnungsbestand zu vergleichen. Eigentumswohnungen sind zunächst fast wie die Mietwohnungen in ihrer Gesamtheit räumlich verteilt, dann aber in den Umlandgemeinden der Großstädte (Gemeindetyp C) doch überrepräsentiert und dafür in den ländlichen Gebieten (Gemeindetyp E) sogar deutlich unterrepräsentiert. Letztlich bleibt nur der Mietwohnungsbestand der Einzelhaushalte, dessen räumliche Struktur zugunsten der ländlichen Gebiete verschoben war. Er ähnelt hierin in bemerkenswerter Weise am meisten dem Wohnungsbestand der öffentlichen Hand. Selbst bei diesen beiden Anbietergruppen lag aber dennoch fast die Hälfte des Mietwohnungsbestandes ebenfalls in Großstädten.

2.2.4 Baualter Trotz der überaus regen Nachkriegsbautätigkeit betrug der Anteil der Altbauten unter den Mietwohnungen 1978 immer noch 37%. Inzwischen dürfte er nach dem Ergebnis der Gebäude- und Wohnungszählung 1993 aber auf weniger als 30% abgesunken sein. Ein hohes Baualter wiesen insbesondere die Mietwohnungen der privaten Haushalte und hier namentlich der Erbengemeinschaften auf. Nicht weniger als 53% der von dieser Anbietergruppe vermieteten Wohnungen waren in Vorkriegsbauten errichtet worden. Ähnlich alt war mit einem Anteil von fast 50% an Vorkriegswohnungen nur noch der Mietwohnungsbestand der öffentlichen Anbieter. Im Mietwohnungsbestand der Einzelhaushalte belief sich der Altbauanteil auf 45%. Heuer u.a. (1985, S. 73) folgern aus diesem Altersaufbau der von privaten Haushalten angebotenen Wohnungen, daß für deren Wohnungsbauinvestitionen früher das Motiv der Kapitalanlage und der Alterssicherung größere Bedeutung hatte als in der Nachkriegszeit. Bei allen unternehmerischen Anbietern war der Anteil der Altbauwohnungen unterdurchschnittlich, gut 30% erreichte er bei den sonstigen Unternehmen, nur 20% bei den (freien und gemeinnützigen) Wohnungsunternehmen. Gemeinnützige hatten einen anteilsmäßig besonders kleinen Bestand von vor dem ersten Weltkrieg gebauten Wohnungen. Dagegen war ihr Bestand an Zwischenkriegswohnungen bedeutsamer und zeugt von der ersten Blüte des gemeinnützigen Wohnungsbaus in den 20er Jahren. Was den Neubaubestand angeht, so hatten die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und die öffentliche Hand die vergleichsweise ältesten Wohnungen in ihrem Besitz. Die meisten ihrer Nachkriegswohnungen sind in den 50er bis frühen 60er Jahren errichtet worden. Dieses Resultat entspricht dem Verlauf ihrer zuvor dargestellten Bauherrenaktivitäten. Eine ähnliche Abnahme der Wohnungsbestände mit steigendem Baujahr ist für Erbengemeinschaften festzustellen. Dagegen sind die von Einzelhaushalten und den übrigen unternehmerischen Anbietern offerierten Wohnungen gleichmäßiger über die Baualtersklassen gestreut. (Eine unerklärlich niedrige Zahl an Wohnungen ergibt sich allerdings für freie Wohnungsunternehmen in der Baualtersklasse von 1964 bis 1971. Möglicherweise ist das Ergebnis durch einen Stichprobenfehler beeinflußt worden.)

14. D i e Bauherren als Anbieter

349

Eine von allen anderen Anbietern völlig abweichende Baualtersstruktur weisen die vermieteten Eigentumswohnungen a u f : Ihre Zahl wird immer größer, je später sie gebaut worden sind; 45% waren 1978 noch keine 7 Jahre alt. Von der Gesamtheit der Mietwohnungen sind nur 11% dieser Altersklasse zuzurechnen gewesen. Zählt man die Eigentumswohnungen den von privaten Haushalten angebotenen Wohnungen hinzu, dann waren diese an den Vermietungen im Wohnungsbestand der 70er Jahre zu einem Anteil von zwei Drittel beteiligt und damit nicht geringer als im Bestand der Zwischenkriegswohnungen.

2.2.5 Wohnungsgröße Gemessen an der Durchschnittsfläche hatten die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen die kleinsten Wohnungen (vgl. Tabelle 6b). Mit 62 m 2 war deren Wohnfläche im Schnitt um 5 m 2 niedriger als für die Mietwohnungen insgesamt (67 m 2 ). Auch die Wohnungen der freien Wohnungsunternehmen waren mit 65 m 2 verhältnismäßig klein. Die größten Wohnungen hatten mit einer Durchschnittsfläche von 71 m 2 die öffentlichen Anbieter, während sich die Wohnungsgrößen der übrigen Anbieter mit 67-69 m 2 nur wenig voneinander unterschieden. Hinter den Durchschnitten stehen allerdings erhebliche Streuungen in den Wohnungsgrößen. So hatten gemeinnützige Wohnungsunternehmen keineswegs den höchsten Anteil sehr kleiner Wohnungen, wenn man darunter Wohnungen mit einer Fläche von weniger als 40 m 2 versteht. Sie boten diese Kategorie sogar am wenigsten von allen Anbietergruppen an. Weitaus häufiger hatten Eigentumswohnungen nur eine kleine Wohnfläche, gefolgt - wie auf Grund der Durchschnittsfläche nicht unbedingt zu erwarten ist - von den Wohnungen, die die öffentliche Hand anbot. Bei den Gemeinnützigen wie auch bei den freien Wohnungsunternehmen waren die Wohnungen mit einer Fläche zwischen 40 und 70 m 2 deutlich in der Überzahl. Größere Wohnungen konnten sie im Vergleich zu den übrigen Vermietergruppen nur zu viel geringeren Anteilen anbieten. Speziell bei den Gemeinnützigen waren nur 2% der Wohnungen größer als 100 m 2 . Im gesamten Mietwohnungsbestand machten diese Wohnungen immerhin 10% aus, bei öffentlichen Anbietern sogar 16% und im Mietwohnungsbestand der Einzelhaushalte wiesen auch noch 13% eine Fläche von 100 m 2 oder mehr auf.

2.2.6 Wohnungsausstattung Die Ergebnisse über die Wohnungsausstattung reflektieren zum Teil die Baualtersstrukturen in den Wohnungsbeständen der verschiedenen Anbieter. Es überrascht deshalb nicht, daß die Wohnungen der öffentlichen Hand und nach ihnen die von Erbengemeinschaften angebotenen Wohnungen die schlechteste Qualität boten. Auch die Wohnungen der Gemeinnützigen waren zumindest bezüglich des Kriteriums der Vollausstattung mit Bad, WC und Sammelheizung (leicht) unterdurchschnittlich ausgewiesen. Andererseits gab es bei ihnen (wie auch bei den freien Wohnungsunternehmen) anteilsmäßig nur sehr wenige Wohnnungen - weniger als bei den meisten anderen Anbietern - , die nicht mit Bad und W C ausgestattet waren. In Anbetracht der lebhaften Modernisierungstätigkeit gemeinnüt-

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IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

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IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

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14. D i e Bauherren als Anbieter

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tiert, in letzteren die Ehepaare ohne Kinder noch mehr als die mit Kindern, in ersteren umgekehrt. Ein gänzlich anderes Resultat stellt sich allerdings ein, wenn man die jungen Ehepaare betrachtet. Diese hatten nämlich gerade in Eigentumswohnungen und dann in Wohnungen, die Einzelhaushalten gehörten, überproportionale Anteile, wobei die Ehepaare ohne Kinder in Eigentumswohnungen, solche mit Kindern aber bei Einzelhaushalten am häufigsten wohnten. Umgekehrt waren junge Familien in der Mieterschaft der öffentlichen Anbieter und der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen viel seltener vertreten. Dagegen erfüllten diese beiden Anbietergruppen bei der Unterbringung einer anderen Problemgruppe am Wohnungsmarkt eine wichtige Funktion: Alleinerziehende (unvollständige Familien mit Kindern), die oft nur mit Schwierigkeiten eine Wohnung bekommen können, waren in ihren Wohnungsbeständen zu deutlich höheren Anteilen untergebracht als bei anderen Anbietern. Das gilt in diesem Fall auch für junge Haushalte. Unterrepräsentiert war diese Haushaltsgruppe vor allem bei Einzelhaushalten. Bleiben schließlich die sonstigen Haushalte zu betrachten, die wieder in Eigentumswohnungen verhältnismäßig oft zu finden waren. Vielfach handelte es sich dabei um sog. neue Haushaltstypen (Spiegel 1986) wie Wohnungsgemeinschaften oder unverheiratet zusammenlebende Paare und damit zumeist auch um junge Haushalte. Gemeinnützige betrieben da wohl eher - bedingt nicht zuletzt durch staatliche Vorschriften, insbesondere Familien eine Bleibe zu verschaffen - eine traditionelle Belegungspolitik, weshalb diese Lebensformen bei ihnen - damals noch - stark unterrepräsentiert waren.

2.3.4 Ausländerhaushalte Ausländerhaushalte hatten den höchsten Anteil unter den Mietern sonstiger Unternehmen, danach auch unter den Mietern von Erbengemeinschaften. Bei den sonstigen Unternehmen erklärt sich das Ergebnis wohl vor allem dadurch, daß Produktionsunternehmen ausländische Arbeitnehmer in ihrem Werkswohnungsbestand untergebracht hatten. Die Erbengemeinschaften andererseits verfügten über einen relativ großen Althausbestand, in dem 1978 die Ausländer bevorzugt wohnten. Im gemeinnützigen Wohnungsbestand waren Ausländerhaushalte generell am stärksten unterrepräseniert, je nach Haushaltsgröße aber unterschiedlich. Ausländer ohne Kinder wohnten nur sehr selten in gemeinnützigen Wohnungen, mit zunehmender Kinderzahl waren auch ausländische Haushalte aber häufiger im gemeinnützigen Wohnungsbestand untergebracht.

2.3.5 Einkommensverhältnisse Für insgesamt 16% der Mieterhaushalte sind die Einkommen als niedrig apostrophiert worden (vgl. Tabelle 7). Niedrig sollten die Einkommen dann sein, wenn sie nicht mehr als das Zweifache der Sozialhilfesätze erreichten. Haushalte mit hohem Einkommen waren dagegen solche, die über mehr als das 6-fache der Sozialhilfesätze verfügen konnten (= 9% der Haushalte).

358

IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

Wenig verdienende Haushalte wohnten weit überproportional nur bei öffentlichen Anbietern (Anteil 21%), in Wohnungen von Einzelhaushalten waren sie leicht überrepräsentiert. Bei allen anderen Anbietern waren einkommensschwache Haushalte nur zu unterproportionalen Anteilen zu finden (auch bei gemeinnützigen Wohnungsunternehmen leicht unterdurchschnittlich). Den absolut niedrigsten Anteil an Haushalten mit geringem Einkommen hatten dabei die Vermieter von Eigentumswohnungen (weniger als 10%). Auf der anderen Seite waren dann Haushalte mit hohem Einkommen bei ihnen sehr stark überrepräsentiert (Anteil 20%). Auch bei sonstigen Unternehmen wohnten noch relativ häufig Haushalte mit höherem Einkommen. Unterrepräsentiert waren dagegen obere Einkommensschichten (mit einem Anteil von nur 5%) vor allem in den Wohnungen der Gemeinnützigen. Damit ergibt sich bei dieser Anbietergruppe die am stärksten zugunsten der mittleren Einkommensschichten ausgeprägte Belegungsstruktur. Freie Wohnungsunternehmen, von denen oft angenommen wird, daß ihre Aktivitäten in erster Linie der Deckung des Wohnungsbedarfs gehobener Schichten dienten, hatten zwar einen verhältnismäßig kleinen Anteil einkommenschwächerer Haushalte in ihrem Wohnungsbestand, aber Haushalte mit höherem Einkommen waren durchaus nicht häufiger als im Durschnitt aller Anbieter vertreten. Insgesamt zeigen die Belebungsstrukturen keine allzu bedeutsamen Unterschiede zwischen den verschiedenen Anbietergruppen. Zumindest in der hier vorgenommenen Differenzierung läßt sich nicht sagen, daß irgend ein Anbieter einseitig bestimmte Haushaltstypen bevorzugt, andere eindeutig diskriminiert hätte. (Für aktualisierte Ergebnisse auf Basis der Gebäude- und Wohnungszählung 1993 wird auf die zu erwartenden Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes in der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik" und in der Fachserie 5, Bautätigkeit und Wohnungen, hingewiesen.)

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14. Die Bauherren als Anbieter

359

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360

IV. Angebots- und nachfrageseitige Aspekte des Wohnungsmarktes

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15. Das Schwabe'sche Gesetz und die Lütge'sche Regel - Über das Ausgabeverhalten der Mieter Die staatliche Wohnungsbauförderung soll schrittweise auf die einkommensorientierte Miete umgestellt werden, d.h., die gesetzlich festgelegten Haushalte sollen nur einen bestimmten Anteil (Prozentsatz) ihres Einkommens für das Wohnen als Miete ausgeben. Durch das Wohnungsbauförderungsgesetz 1994 vom 6. Juni 1994 wurde § 88e in das II. WoBauG eingefügt, der zwischen der Grundförderung - zum Zwecke des Erwerbs von Belegungsrechten - und der Zusatzförderung unterscheidet. Die ,Zusatzförderung (wird) zum Zwecke einer einkommensorientierten Wohnkostenbelastung des jeweiligen Mieters und der dementsprechenden Sicherstellung der durch die Förderzusage fesgelegten Mietzahlung gewährt. Die Förderzusage kann durch Vereinbarung oder Bewilligung erfolgen.' Auf Grund dieser (einkommensorientierten) Förderung verpflichtet sich der Bauherr und sein Nachfolger,,keinen höheren als den festgelegten Mietzins zu verlangen'. Johann Eekhoff (Ministerialdirektor im Bundesbauministerium und später Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium) hat die einkommensorienterte Miete wie folgt begründet: 1 ,Der Mieter soll eine einkommensabhängige Sozialmiete zahlen. Dadurch soll das Fehlsubventionierungsproblem ausgeschlossen werden. Technisch gesprochen wird damit die Fehlbelegungsabgabe von vorneherein in das Fördersystem eingebaut. Das ist sicher ein erheblicher Fortschritt innerhalb des Systems, aber es ist noch kein Weg, die entscheidenden Mängel des sozialen Wohnungsbaus zu beheben.' Dieser Vorschlag, die Mietbelastung am Einkommen zu orientieren, ist keineswegs neu: Vor etwa drei Jahrzehnten hat der damalige Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und spätere Präsident des Deutschen Mieterbundes, Paul Nevermann, ähnliche Überlegungen angestellt. (Auf Grund dieses Vorschlages wurde Nevermann auch ,Lohntüten-Paule' genannt.) Während Eekhoff in der einkommensabhängigen Miete eine Vermeidung der Fehlsubventionierung sieht, sah Nevermann darin eine sozialgerechte Mietbelastung. Hinter seinem Vorschlag steht der Wunsch, sowohl das Schwabe'sche Gesetz als auch die Lütge'sche Regel aufzuheben. Bevor aber diese dargestellt werden, soll der Frage nachgegangen werden, ob es in den Sozialwissenschaften überhaupt,Gesetze' gibt.

1.0 Gesetze und Erfahrungsregeln in der Nationalökonomie2 Wenn in der Nationalökonomie von ,Gesetzen' gesprochen wird, dann handelt es sich nicht um solche im Sinne von Rechtsnormen, sondern um Naturgesetze. Diese sind dadurch gekennzeichnet, daß eine Kausalität besteht, d.h., daß jedes Ge1 2

Johann Eekhoff: Wohnungspolitik, Tübingen 1993, S. 77 Heinz Haller: Typus und Gesetz in der Nationalökonomie - Versuch einer Klärung einiger Methodenfragen der Wirtschaftswissenschaften, Stuttgart-Köln 1950, S. 38ff.

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IV. Angebot und Nachfrage

schehen zwingend erfolgt und daß keine Veränderung eines Zustandes eintreten kann, ohne daß diese durch eine Ursache bewirkt wird. D a man in der Wissenschaft nicht an Wunder glaubt, sondern annimmt, daß jede Veränderung eine bestimmte Ursache hat, liegt jeder wissenschaftlichen Erkenntnis die Annahme zu Grunde, daß das Geschehen kausal verläuft. Weil sich aber diese Kausalität auf den gesamten Geschehnisablauf bezieht, hat sie nur eine geringe Aussagekraft für die einzelne Wissenschaft. Die wissenschaftliche Erkenntnis ist aber bestrebt, über die Einzelfälle hinaus zu ,Regeln' kausaler Verknüpfungen zu gelangen. ,Es ist ihr im allgemeinen weder um die Kausalität in ihrer generellen Form, noch wesentlich um die individuelle Kausalbeziehung zu tun, sondern um das zwischen beiden liegende Gesetz.' 3 Haller unterscheidet zwei Arten von Gesetzen: 4 (1) Reine Gesetze: Diese werden aus bestimmten Grundannahmen mit Hilfe logisch-mathematischer Operationen deduziert. So zum Beispiel: ,Wenn das Angebot sinkt, dann steigen die Preise'. Mit diesem Satz wird nicht die Behauptung aufgestellt, daß das Angebot sinkt, sondern nur, daß eine Reduzierung des Angebots zur Preissteigerung führt, d.h., daß in jedem Urteil, in dem Urteil A gilt (Angebotssenkung), auch das Urteil B (Preiserhöhung) gilt. Die Wahrheit des Satzes A impliziert die Wahrheit des Satzes B. (2) Erfahrungsregeln: Diese werden durch Induktionen aus den Gegebenheiten der Erfahrung gewonnen, d.h., durch eine fortgesetzte Beobachtung und ständigen Vergleich wird festgestellt, daß auf einen Vorgang bestimmter Art stets ein anderer Vorgang bestimmter Art in immer gleicher Weise folgt. Man kann diese Verbundenheit auch auf quantitative Verbundenheiten ausdehnen. ,Man mag die Zahl der beobachteten Fälle noch so sehr steigern, so wird man doch nie von der Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit gelangen. Man wird nie behaupten können, daß die beiden stets in ihrer Aufeinanderfolge beobachteten Vorgänge notwendig miteinander verknüpft seien.' 5 Es ist zwischen der .strengen' und der ,unstrengen' Erfahrungsregel auszugehen: So zum Beispiel, daß die Menschen sterblich sind, ist eine strenge, daß ein sinkendes Angebot zu steigenden Preisen führt, eine unstrenge Erfahrungsregel. Mit dieser Unterscheidung hat Haller eine scharfe Trennungslinie zwischen den reinen Gesetzen und den Erfahrungsregeln gezogen: Reine Gesetze sind gedanklich konstruierte notwendige Abhängigkeiten, die durch Deduktion aus gewissen Axiomen gewonnen werden; Erfahrungsregeln stellen dagegen nur empirische Regelmäßigkeiten dar, denen keinerlei Notwendigkeit innewohnt und für die jede logische Begründung fehlt. Vereinfachend kann man davon ausgehen, daß in der Nationalökonomie und in den Sozialwissenschaften die reinen Gesetze die Ausnahme bilden und die Erfahrungsregeln dominieren. Da sich aber in gewissen Fällen der Begriff ,Gesetz' eingebürgert hat - so zum Beispiel das ,Schwabe'sche Gesetz' - soll diese nicht ganz exakte Bezeichnung aus Gründen der Vereinfachung beibehalten werden.

3 4 5

Ebenda, S. 41 Ebenda, S. 41 ff. Ebenda, S. 43

15. Das Schwabe'sche Gesetz und die Lütge'sche Regel

363

2.0 Das Schwabe'sche Gesetz Die Einkommensabhängigkeit der Deckung verschiedener Arten von Bedarfen gehört zu den am frühesten empirisch untersuchten Erscheinungen: 6 Für das Königreich Sachsen stellte der Statistiker Ernst Engel (1821-1896, nicht zu verwechseln mit Friedrich Engels) 1857 fest, daß bei steigendem Einkommen die Nahrungsmittelausgaben eines Haushaltes weniger stark zunehmen als das Einkommen, sogar als die Ausgaben insgesamt; die Einkommenselastizität ist 1. Die Gültigkeit dieses partiellen Bedürfnissättigungsgesetzes konnte so regelmäßig nachgewiesen werden, daß es nahelag, die Entwicklung auch anderer Bedarfsgattungen in ihrer Abhängigkeit von der Entwicklung des Einkommens bzw. der gesamten Haushaltsausgaben zu untersuchen.' Dieses hat für das Gut Wohnung der Statistiker Hermann Schwabe unternommen.

2.1 Das Verhältnis von Miete und Einkommen 1867 in Berlin Der Statistiker Hermann Schwabe hat Berliner Erhebungen, die 1867 durchgeführt wurden, ausgewertet: Das Statistische Büro hatte einmal die Gehälter der Staats- und Kommunal-Beamten herangezogen, die weniger als 1000 Taler Gehalt hatten (4281 Fälle), sodann die Einkommen der einkommensteuerpflichtigen Bürger (9741 Fälle). In der ersten Tabelle wird das Verhältnis von Miete und Einkommen für die Beamtengehälter bis 1000 Taler und in der zweiten Tabelle dieses Verhältnis für Gehälter über 1000 Taler dargestellt. Aus beiden Tabellen geht hervor, daß mit zunehmendem Einkommen der Anteil der Ausgaben für die Miete (prozentual) sinkt. Schwabe faßt das Ergebnis in dem Satz zusammen: ,Je ärmer Jemand ist, desto größer ist die Summe, welche er im Verhältnis zu seinem Einkommen für Wohnung vorausgaben muß.' Dieses ist das Schwabe'sche Gesetz. Mit Rücksicht darauf, daß diese Untersuchung von Schwabe häufig zitiert wird, vollinhaltlich kaum noch bekannt ist, wird diese Abhandlung als Anhang zu diesem Beitrag abgedruckt. 2.2 Die Relativierung des Schwabe'schen Gesetzes Als Schwabe dieses ,Gesetz' aufstellte - es handelt sich um eine unstrenge Erfahrungsregel - , herrschte die entgegengesetzte Auffassung vor:7 Engel war der Meinung, daß in den unteren, mittleren und oberen Einkommen (Klassen) der Mietaufwand die gleiche Quote = 12% des Einkommens beansprucht. Wilhelm Roscher vertrat sogar die Ansicht, daß mit der Höhe des Einkommens auch die Ausgaben für die Wohnung, Bedienung und Geselligkeit zunehmen. Die Arbeiten von Schwabe gaben die Anregung zu einer Reihe weiterer Untersuchungen in verschiedenen Städten, so zum Beispiel in Breslau.

6

7

Monika Streißler: Theorie des Haushalts, Uni-Taschenbücher 369, Stuttgart 1974, S. 134138, zitiert S. 134 Rudolf Eberstadt: Handbuch des Wohnungswesens und der Wohnungsfrage, 4. Aufl., Jena 1920, S. 193-198

364

IV. Angebot und Nachfrage

Einkommen und Miete. Breslau 1880 und 1900.8

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

/ e_ c1 cC5

Zahl der Fälle

M.

M.

M.

M.

15571 824 6800 3126 2004 1132 1543 1170 724 693 375 513 187 83 39 41 33 10 18 5

379 537 605 1039 1326 1633 2099 2701 3304 4155 5350 7393 10488 13446 16550 21105 26631 33443 41015 51980

110 137 130 218 264 339 400 532 655 762 979 1196 1434 1677 1723 1978 2269 2310 2552 1850

28,9 25,6 21,5 21,0 19,9 20,8 19,1 19,7 19,8 18,3 18,3 16,2 13,7 12,5 10,4 9,4 8,5 6,9 6,2 3,6

6134 7301 10809 7248 3474 2072 2800 2086 1341 1667 988 1333 644 337 212 232 149 82 110 46

329 567 788 1055 1347 1654 2104 2706 3 352 4155 5 346 7344 10366 12892 16384 20685 27231 33001 41 499 55305

105 151 211 269 327 423 505 567 653 801 973 1169 1315 1506 1615 1747 1824 2171 2465

31,8 26,6 22,4 20,0 20,0 19,7 20,1 18,7 16,9 15,7 15,0 13,3 11,3 10,2 9,2 7,8 6,4 5,5 5,2 4,5

6

89941

3050

3,4

101

99208

2586

2,6

M. bis 420 420 - 600 600 - 900 9 0 0 - 1200 1 2 0 0 - 1500 1 5 0 0 - 1800 1 8 0 0 - 2400 2 4 0 0 - 3000 3 0 0 0 - 3600 3 6 0 0 - 4800 4 8 0 0 - 6000 6 0 0 0 - 9000 9000-12000 12000-15000 15000-18000 18000-24000 24000-30000 30000 -36000 36000-48000 48000 -60000 60000 über 100000

1900 Durchschnittl. Einkommen

«4H Einkommen C/3

_ i i/J e c c

Durchschnittl. Einkommen

1880

* a ü S-3.S

D » C5/

5 Ä

e j mo

Zahl der Fälle

•à S a

.2 t) E

Ä J o Q -SS 5

Yll

Eberstadt faßt die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen wie folgt zusammen: 9 ,Die vielseitigen Untersuchungen und Erörterungen haben die Richtigkeit des Schwabeschen Gesetzes in der von der Wissenschaft vertretenen Form bestätigt. Doch wird man in unserem Lehrsatz - und dieser Schluß ist gerade für die deutschen Wohnverhältnisse besonders unerfreulich - nicht, oder jedenfalls nicht in der in Deutschland wahrnehmbaren Schärfe, ein naturnotwendiges Gesetz erblicken dürfen.' Gegenüber dieser Bestätigung des Schwabe'schen Gesetzes hat Ludwig Pohle 10 darauf aufmerksam gemacht, daß das Ansteigen des relativen Anteiles des Mietaufwandes keineswegs beunruhigend sei, da gleichzeitig eine (qualitative) Verbesserung der Wohnverhältnisse eintritt. ,Auf gewissen Einkommensstufen wird sogar anscheinend das Bedürfnis, sich in der Wohnweise zu verbessern, im Falle einer Einkommenserhöhung so stark empfunden, das nach der Einkommenserhöhung nicht nur absolut, sondern auch relativ mehr für die Miete ausgegeben wird, als vorher.' 11 Ohne es zum Ausdruck zu bringen meint Pohle offen-

8 9 10 11

Ebenda, S. 195 Ebenda, S. 195 Ludwig Pohle: Die Wohnungsfrage II - Die städtische Wohnungs- und Bodenpolitik, Sammlung Göschen, Bd. 496, Leipzig 1910, S. 156-163 Ebenda, S. 158

15. D a s Schwabe'sche Gesetz und die Lütge'sche Regel

365

sichtlich die ,Aufsteiger-Haushalte', für die früher (vielleicht auch heute noch, allerdings nicht in dieser ausgeprägten Form) der Satz galt: ,Man ißt unter seinen Verhältnissen, man kleidet sich nach seinen Verhältnissen und man wohnt über seinen Verhältnissen.' Für den Aufsteiger und dessen Kinder war es wichtig, eine ,gute Adresse' zuhaben, das war die Visitenkarte'; was man zu Hause aß, war für die Außenstehenden nicht erkennbar. Pohle relativiert das Schwabe'sche Gesetz, wenn er feststellt: ,Diese Regel gilt aber erst von einer gewissen, gar nicht so niedrigen Einkommenshöhe ab. Auf den mittleren Einkommensstufen bleibt der Anteil, den die Miete von den Gesamtausgaben erfordert, längere Zeit ziemlich konstant, oder er geht, wenn man von der alleruntersten Einkommensklasse absieht, sogar zunächst in die Höhe. Schon die Berliner Zahlen, aus denen Schwabe 1867 sein Gesetz abgeleitet hatte, ließen das, wenigstens teilweise, erkennen.' 12 Pohle verweist sowohl auf deutsche als auch auf amerikanische Untersuchungen, die diese Tendenzen erkennen lassen. Er wendet sich auch dagegen, das relative Anwachsen des Mietaufwandes als negativ zu betrachten, da die höheren Mietausgaben auch die Folge einer qualitativ besseren Wohnungsversorgung sein können. Sodann verweist Pohle darauf, daß nicht in allen Schichten der Bevölkerung das Verständnis für den Wert einer ausreichenden Befriedigung der Wohnbedürfnisse ausreichend entwickelt sei. So fand das Berliner Statistische Amt 1904 heraus, daß einem Gesamtmietaufwand von 260000 Mark Ausgaben für Bier, Spirituosen, Tabak, Vergnügen, Vereinsbeiträgen, Zeitungen und Büchern von 200000 Mark gegenüberstanden,,Sicher könnten von den letzteren Ausgaben ein beträchtlicher Teil ohne Schaden eine Einschränkung im Interesse einer besseren Befriedigung des Wohnbedürfnisses vertragen.' 13 Auch Spiethoff 14 weist nicht nur auf die Einkommensgröße, sondern auch auf die Einkommensverwendung hin und merkt kritisch an: ,Unmöglich, über den dunkelsten Punkt, den Alkoholverbrauch, zu schweigen. ... In der Tat hätten die ärgsten Erscheinungen der Wohnungsknappheit, insbesondere das Schlafgängertum, sich vermeiden lassen, wäre eine Verbesserung der Wohnungsverhältnisse höher bewertet worden. Allem Anschein nach bestehen in dieser Beziehung zwischen den verschiedenen Landschaften und ihren Teilgebieten nicht unerhebliche Unterschiede, die bisher unzureichend erfaßt sind.' Diese Hinweise machen bereits deutlich, daß das Verhältnis von Miete zum Einkommen keineswegs isoliert betrachtet werden kann. Den entscheidenden Schritt zur Erweiterung des Schwabe'schen Gesetzes hat aber Friedrich Lütge vollzogen.

12 13 14

Ebenda, S. 159 Ebenda, S. 161 Arthur Spiethoff: Boden und Wohnung in der Marktwirtschaft, insbesondere im Rheinland, Bonner Staatswissenschaftliche Untersuchungen, Heft 20, Jena 1934, S. 90

366

IV. Angebot und Nachfrage

3.0 Die Lütge'sche Regel Lütge 15 (1901-68) weist darauf hin, daß der Anteil, den der Einzelne für die Wohnung ausgibt, nicht nur in den einzelnen Ländern, sondern auch im Zeitablauf unterschiedlich ist. Es handelt sich nicht um ein Naturgesetz, vielmehr werden die Lebensgewohnheiten durch das Klima, die Sitte und die (Wohn-) Kultur mitbestimmt. Selbst innerhalb eines Volkes bestehen Unterschiede. ,Nicht zuletzt in der Aufteilung seines Einkommens und also auch in der Höhe des Prozentsatzes, den er für die Wohnung auswirft, äußert sich ja der Lebensstil des Einzelnen. Es stehen also soziale, wirtschaftliche und kulturelle Tatbestände nebeneinander, die zu entsprechenden Differenzierungen führen.' 16

3.1 Mietausgaben und gesamter Wohnungsaufwand 1927/28 Das von Friedrich Lütge entwickelte ,Gesetz des sozial bedingten Wohnungsaufwandes' basiert auf der folgenden Unterscheidung: (1) Mietausgaben: Diese bilden nur einen Teil des gesamten Wohnungsaufwandes. Modern würde man zwischen der Kalt- und der Warmmiete unterscheiden. Unter ,Mietausgaben' würde man gegenwärtig die Kaltmiete verstehen. (2) Gesamter Wohnungsaufwand: In diesem Begriff werden neben der Kaltmiete auch die Aufwendungen für die Einrichtung, die Instandhaltung sowie für die Heizung und Beleuchtung einbezogen. Dieser Begriff ist somit umfassender als der der Warmmiete. Wird der so definierte Begriff ,gesamter Wohnungsaufwand' in Beziehung zum Einkommen gesetzt, dann zeigt sich durchgehend, ,daß das Schwabe'sche Gesetz bei den Ausgaben für Einrichtung und Instandhaltung nicht zutrifft: hier nehmen die Ausgaben bei wachsendem Einkommen prozentual nicht ab, sondern zu, ohne jedoch damit das Schwabe'sche Gesetz für die gesamten Wohnungsausgaben umstoßen zu können, zumal die Ausgaben für Heizung und Beleuchtung gleichfalls die Tendenz des Schwabe'schen Gesetzes aufweisen.' 17 Lütge hat aus der Erhebung des Statistischen Reichamtes 1927/28 die folgende Auswertung vorgenommen: Er hat für die Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenhaushalte die Ausgaben für die Wohnungsmiete, für die Einrichtung und Instandhaltung sowie für die Heizung und Beleuchtung den einzelnen Einkommensstufen gegenübergestellt und schließlich den gesamten Wohnungsaufwand jeweils in absoluten und in relativen Werten - ermittelt. 18

15 16 17 18

Friedrich Lütge: Wohnungswirtschaft - Eine systematische Darstellung unter Berücksichtigung der deutschen Wohnungswirtschaft, 2. Aufl., Stuttgart 1949, S. 424ff. Ebenda, S. 424 Ebenda, S. 425f. Ebenda, S. 426f.

15. Das Schwabe'sche Gesetz und die Lütge'sche Regel

367

Tabelle 1 Mietausgaben und gesamter Wohnungsaufwand für Arbeiterhaushalte: Einkommensstufe (Jahreseinkomm.) in RM

Ausgaben für Wohnungsmiete

Ausgaben für Einrichtung und Instandhaltung

Ausgaben für Heizung und Beleuchtung

Gesamte Wohnungsausgaben

RM

%

RM

%

RM

%

RM

%

bis unter 2500 2500-3000 3000-3600 3600-4300 4300 u. mehr

270,31 292,07 335,83 367,21 440,37

11,9 10,6 10,2 9,4 8,8

69,29 87,02 118,94 162,22 266,34

3,1 3,2 3,6 4,1 5,3

97,69 111,10 120,13 135,18 142,08

4,3 4,0 3,7 3,5 2,8

437,29 490,19 574,90 665,41 848,79

19,3 17,8 17,5 17,0 16,9

Im Gesamtdurchschnitt

333,12

10,0

127,50

3,9

120,61

3,6

581,23

17,5

D i e Tabelle 1 zeigt, daß die Ausgaben für die (Kalt-) Miete mit steigendem Eink o m m e n von 11,9% auf 8,8% sinken und im Durchschnitt 10% betragen. D i e Ausgaben für die Einrichtung und Instandhaltung verlaufen entgegengesetzt, d.h., sie nehmen mit steigendem E i n k o m m e n zu und die Ausgaben für Heizung und Beleuchtung weisen wiederum eine sinkende Tendenz auf. D e r gesamte Wohnungsaufwand sinkt von 19,3% auf 16,9% und beläuft sich im Durchschnitt auf 17,5%. Im Anschluß an diese Ergebnisse wirft Lütge die Frage auf, ob das Schwabe'sche Gesetz durchgehend für alle Berufe und Stände gilt. U m diese Frage zu beantworten, stellt er die Mietausgaben und den gesamten Wohnungsaufwand für die Angestellten und die Beamten dar (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2 Mietausgaben und gesamter Wohnungsaufwand für Angestellte: Einkommensstufe (Jahreseinkomm.) in RM

Ausgaben für Wohnungsmiete

Ausgaben für Einrichtung und Instandhaltung

Ausgaben für Heizung und Beleuchtung

Gesamte Wohnungsausgaben

bis unter 3000

RM 384,85

% 14,4

RM 92,82

% 3,5

RM 116,03

% 4,3

RM 593,70

% 22,2

3000-3600 3600-4300 4300-5100 5100-6100 6100 u. mehr

389,22 466,02 536,84 630,93 848,94

11,9 11,8 11,5 11,3 11,0

146,06 182,96 246,69 356,64 520,87

4,5 4,6 5,3 6,4 6,7

131,70 147,10 167,32 188,05 239,44

4,0 666,98 3,7 796,08 3,6 950,85 3,4 1175,62 3,1 1609,25

20,4 20,1 20,4 21,1 20,8

Im Gesamtdurchschnitt

543,78

11,5

259,87

5,5

166,53

3,5

20,5

970,18

Für die Angestellten gilt das Schwabe'sche Gesetz für die Mietausgaben sowie für die Heizung und Beleuchtung, d.h., daß deren Anteil mit steigendem Eink o m m e n sinkt. D a g e g e n nehmen die Ausgaben für die Einrichtung und Instandhaltung zu, so daß für den gesamten Wohnungsaufwand des Schwabe'sche Gesetz nur noch in abgeschwächter Form gilt (siehe Tabelle 3).

368

IV. Angebot und Nachfrage

Tabelle 3 Mietausgaben und gesamter Wohnungsaufwand für Beamte: Einkommensstufe (Jahreseinkomm.) in R M

Ausgaben für Wohnungsmiete

%

RM

%

RM

bis unter 3000 3000-3600 3600-4300 4300-5100 5100-6100 6100-7300 7300 u. mehr

359,00 426,68 475,35 528,82 698,51 712,26 1212,36

13,0 12,9 12,1 11,3 12,5 10,9 12,4

120,71 168,62 218,65 250,74 388,58 482,40 671,03

4,4 5,1 5,6 5,4 7,0 7,3 6,9

114,19 148,86 148,06 167,40 210,93 233,11 341,34

640,93

12,0

340,06

6,4

198,36

RM

Im Gesamtdurchschnitt

Ausgaben für Einrichtung und Instandhaltung

Ausgaben für Heizung und Beleuchtung

%

Gesamte Wohnungsausgaben RM

%

4,1 4,5 3,8 3,6 3,8 3,6 3,5

593,90 744,16 842,06 946,96 1298,02 1427,77 2224,73

21,5 22,5 21,5 20,3 23,3 21,8 22,8

3,7

1179,35

22,1

Bei den Beamten ist das Schwabe'sche Gesetz weitestgehend aufgehoben: Für die Mietausgaben sowie für die Heizung und Beleuchtung gilt es für die unteren Einkommensgruppen noch in geringem Ausmaß, bei den Ausgaben für die Einrichtung und Instandhaltung liegt eine steigende Tendenz vor und schließlich gilt es für den gesamten Wohnungsaufwand überhaupt nicht mehr. Lütge kommentiert dieses Ergebnis wie folgt: 19 ,Und das ist nicht etwa eine einmalige und damit vielleicht zufällige Erscheinung, sondern das deckt sich ganz mit den Beobachtungen, die man für den gleichen Berufsstand bereits bei der Reichserhebung von 1907 gemacht hatte.' Sodann setzt Lütge die verschiedenen Berufsgruppen nebeneinander, um festzustellen, wie hoch der Wohnungsaufwand bei jedem von ihnen in einer bestimmten Einkommensstufe ist. Auch hierbei handelt es sich um eine Überprüfung des Schwabe'schen Gesetzes, denn nach Schwabe müßten die Prozentzahlen mit gleichem Einkommen unabhängig von ihrer Berufszugehörigkeit im Durschnitt ungefähr gleich sein. Tabelle 4 Mietausgaben und gesamter Wohnungsaufwand 20 - Durchschnittlich, in % des Einkommens Berufsgruppe Landarbeiter Städtische Arbeiter Angestellte Beamte

Mietausgaben

Gesamter Wohnungsaufwand

6,16 10,0 11,5 12,0

15,0 17,5 20,5 22,1

Der Anteil des Einkommens, der für die Wohnung ausgegeben wird, steigt sowohl für die Mietausgaben als auch für den gesamten Wohnungsaufwand. Dieser Vergleich belegt, daß das Schwabe'sche Gesetz offensichtlich auf Grund der so19 20

Ebenda, S. 428 Ebenda, S. 428

15. Das Schwabe'sche Gesetz und die Lütge'sche Regel

369

ziologischen Struktur der Mieter durchbrochen wird. Als nächsten Schritt stellte Lütge Haushaltungen mit gleicher Einkommenshöhe nebeneinander (Tabelle Diese nach der Einkommenshöhe vorgenommene Gruppierung belegt die bisherigen Feststellungen: Innerhalb derselben Einkommensgruppe gibt der städtische Arbeiter mehr als der Landarbeiter, der Angestellte mehr als der städtische Arbeiter und schließlich der Beamte mehr als der Angestellte sowohl an reiner Miete als auch für den gesamten Wohnungsaufwand aus. ,Es besteht also deutlich ein ,soziales Gefälle' hinsichtlich des Wohnungsaufwandes unter den angeführten Berufsgruppen, und man könnte so dem Schwabe'schen Gesetz eine andere Regel gegenüberstellen, die man wohl zweckmäßigerweise als,Gesetz des sozial bedingten Wohnungsaufwandes' bezeichnen kann.,Gegenüber dem von ihm aufgestellten ,Gesetz' merkt aber Lütge an gleicher Stelle kritisch an: ,Auch diese Regel gilt nicht bedingungslos und unbeschränkt; sie würde wohl z.B. schon nicht mehr für die sich in der sozialen Stufenfolge nach oben anschließenden Gruppen gelten, wie etwa höhere Beamte, Universitätslehrer, Ärzte usw., wie sich aus Erhebungen über den Mietaufwand schließen läßt. Hier würde sich dann also das ,Schwabe'sche Gesetz' doch wieder durchsetzen.' 22 Abgesehen davon, daß Lütge begrifflich einmal den Ausdruck ,Gesetz' und zum anderen den der ,Regel' gebraucht - im Sinne von Haller wird man wohl von einer ,unstrengen Erfahrungsregel' sprechen können - , weist er darauf hin, daß diese Regel sehr stark von den Standesgewohnheiten geprägt wird. Das aber bedeutet, daß mit einer zunehmenden Nivellierung hinsichtlich der Einkommen sowie der gesellschaftlichen Prozesse - der Soziologe Helmut Schelsky hat von der ,nivellierten Mittelstandsgesellschaft' gesprochen - auch das soziale Gefälle des Wohnungsaufwandes abnehmen wird. Die staatliche Förderung des sozialen Wohnungsbaues trägt gleichfalls zur Nivellierung bei. Die eingangs genannte einkommensorientierte Miete ist der letzte Schritt in diese Richtung. Uber diese Nivellierungstendenzen können aus normativer und ökonomischer Sicht unterschiedliche Urteile gefällt werden. Außerdem muß man mit Lütge auch darauf aufmerksam machen, daß die statistischen Berechnungen die Einkommenshöhe mit der Miethöhe in Beziehung setzen, aber keine Aussagen über den objektiven Wohnwert - Lage, Wohnungsgröße, Wohnungsqualität - machen. So ist es durchaus denkbar, daß ein Beamter - insbesondere Aufsteiger - aus Prestigegründen in einer ,vornehmen' und daher teuren Wohngegend wohnen (Snob-Effekt), so daß sie hinsichtlich der Wohnungsgröße und deren Qualität Nachteile in Kauf nehmen, während der Angestellte im preiswerten Vorort wohnt und sich eine größere sowie besser ausgestattete Wohnung leisten kann. Trotz dieser Vorbehalte und Einschränkungen sind die Untersuchungsergebnisse von Lütge von bemerkenswertem Interesse, da sie das Schwabe'sche Gesetz durch die ,Lütge'sche Regel' ergänzen und zum Teil sogar ersetzen. Bevor zeitnahe Daten herangezogen werden, soll auf die Einkommens- und Preiselastizität sowie den Ratchet-Effekt eingegangen werden.

21 22

Ebenda, S. 430f. Ebenda, S. 429



o

£

:0

W 848.94

536,84

466,02

389,22

384,85

630.93

16.9

17,0

17,5

17.8

19,3

6100-7300

848,79

665,41

574,90

490,19

RM

%

1609,25

1175,62

950,85

796,08

666,98

593,70

RM

528,82 698,51 712,26

21,1 20,8

475,35

426,68

359,00

RM

Mietausgaben

20,4

20,1

20,4

22,2

%

Gesamte Wohnungsausgaben

Angestellte Mietausgaben

5100-6100

14,96 8,8

473,17 440,37

5,54

4300-5100

10,6

292,07

437,29

11,9

270,31

9,4

13,57

15,00

10,2

181,35

3000-3600

330,22

305,62

%

RM

%

RM

367,21

119,49

2500-3000

%

3600-4300

5,92

4,91

120,50

2000-2500

RM

Gesamte Wohnungsausgaben

335,83

%

a

RM

S

Mietausgaben

O

Gesamte Wohnungsausgaben

•O

Mietausgaben

£

Einkommensstufe in RM

CS DE

Städtische Arbeiter

•Q

Landarbeiter

%

1427,77

1298,02

946,96

842,06

744,16

593,90

RM

%

Gesamte Wohnungsausgaben

Beamte

370 IV. Angebot und Nachfrage

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384

IV. Angebot und Nachfrage

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Os' 8

POs O PO c5

Zufriedenheitsskala von 0 bis 10: „eher zufrieden" = 6 bis 10; „eher unzufrieden" = 0 bis 4 2 > Fallzahl zu gering Quelle: Statistisches Bundesamt, Datenreport 1994.

Für drei von vier Bundesbürgern ist das Einfamilienhaus die bevorzugte Wohnform. Lediglich 22% wollen in einem Mehrfamilienhaus wohnen, darunter allein 11%, die sich für einen „Zwitter" aus Einfamilienhaus und Mehrfamilienhaus entschieden haben, das „Terrassenhaus mit Dachgarten für j e d e Wohnung". Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Emnid-Instituts, Bielefeld, in den alten Bundesländern. Dabei ging es nicht um ein fiktives „Traumhaus", sondern um die gewünschte Wohnform unter Berücksichtigung der „geldlichen Möglichkeiten". Ein Vergleich mit den vorausgegangenen Befragungen zeigt, daß das Einfamilienhaus in den vergangenen 20 Jahren noch deutlich an Beliebtheit gewonnen hat. Waren es 1969 „nur" 64%, die sich für diese Wohnform entschieden haben, so ist dieser Anteil bis 1989 auf 75% gestiegen. Bei den verschiedenen Formen des Einfamilienhauses steht das freistehende Einfamilienhaus mit 32% unangefochten an erster Stelle, wenngleich der Anteil 1989 etwas niedriger als bei den Befragungen zuvor ausgefallen war. Gleichzeitig hat sich der Anteil derjenigen, die sich für einen Bungalow „mit großem Garten" oder „mit Innengarten" entschieden haben, mehr als verdoppelt. Mit 11% ist das Reihenhaus offensichtlich nicht mehr ganz so beliebt wie vor 20 Jahren (15%) (Tabelle 8). Steigender Beliebtheit erfreut sich dagegen das Terrassenhaus. Für diese Wohnform votieren 11% der Befragten gegenüber 4% im Jahr 1969. Sowohl das Hochhaus als auch der drei- bis viergeschossige Wohnblock sind dagegen nicht mehr gefragt: D e r Anteil der Bundesbürger, die in einem drei- bis viergeschossigen Wohnblock wohnen möchten, hat sich von 20% (1969) auf 10% halbiert. Der A n teil des Hochhauses ging sogar von 8 % (1969) über 6 % (1974) auf jetzt nur noch 1% zurück. Die negativen Erfahrungen mit den „Wohnmaschinen" dürften ausschlaggebend für diesen drastischen Rückgang gewesen sein. 3.4 Sickereffekte der Wohneigentumsbildung Die Bildung von Wohneigentum ist aber nicht nur für den unmittelbar Betroffenen mit entscheidenden Vorteilen verbunden; sie leistet darüber hinaus auch unmittelbar einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit Mietwohnungen; denn der Neubau von Eigentumswohnungen führt dazu, daß die „Verstopfung" vieler

405

16. Wohneigentumsbildung

Tabelle 8 Bevorzugte Wohnformen 1969,1974 und 1989 in den alten Bundesländern (Anteile in %). Bevorzugte Wohnformen Wohnung in einem freistehenden Einfamilienhaus Wohnung in einem Bungalow mit großem Garten Wohnung in einem Bungalow mit Innengarten (Atriumhaus) Wohnung in einem Einfamilienhaus mit etwa 200 m 2 Garten Wohnung in einem Einfamilienhaus insgesamt Terrassenhaus mit Dachgarten für jede Wohnung Wohnung in einem drei- bis viergeschossigen Wohnblock Wohnung im Hochhaus Sonstiges Keine Angabe Summe: *)

Befragungsjahr 1969

1974

1989

34 10

36 18

32 21

5

7

11

15

10

11

64 5

71 6

75 11

20 8 3 2

14 6 2 2

10 1 3 2

101

101

102

*) Abweichung von 100 durch Mehrfachnennung Quelle: Emnid-Institut, Bielefeld.

Marktsegmente verringert wird und die Wohnungsmärkte wieder in Bewegung kommen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die sog. Sickereffekte: Darunter versteht man Umzugsketten, die durch den Wechsel eines Haushaltes in eine neu gebaute Wohnung ausgelöst werden. In die frei gewordene Wohnung zieht eine andere Familie, deren Wohnung dann für einen weiteren Haushalt zur Verfügung steht. Dadurch wirken die indirekten Effekte des Neubaus auch auf Nachfragegruppen, die eine Wohnung im Bestand suchen. Diese Sickerketten werden durch alle Formen des Neubaus ausgelöst Dabei unterscheiden sich die Sickerketten jedoch zwischen den einzelnen Formen des Neubaus sowohl in ihrer Länge als auch hinsichtlich des betroffenen Wohnungsmarktsegmentes. Empirische Untersuchungen belegen, daß -

die Sickerketten bei der Eigentumsförderung wesentlich länger sind als im sozialen Mietwohnungsbau, die Förderung der Eigentumsbildung wegen der starken Differenzierung der von den Sickereffekten tangierten Marktsegmente zu einer insgesamt besseren Allokation aller Wohnungen führt, die Förderung der Eigentumsbildung mit einem sehr viel geringeren Einsatz öffentlicher Finanzmittel verbunden ist als der soziale Mietwohnungsbau, besonders durch die Eigentumsförderung sehr viel privates Kapital aktiviert werden kann und daß die Eigentumsförderung für eine Ravitalisierung der Marktkräfte sorgt.

Speziell in den Ballungsgebieten läßt sich seit einigen Jahren folgendes Phänomen beobachten: Einkommensschwächere Haushalte sind gezwungen, vor die Stadtgrenzen zu ziehen, weil nur hier überhaupt noch eine Chance besteht, preiswerten Wohnraum mieten bzw. Wohneigentum erwerben zu können. Gleichzeitig

406

IV. Angebot und Nachfrage

ziehen kleine, meist einkommensstarke Ein- und Zweipersonenhaushalte in die Stadt und beanspruchen relativ viel (Miet-)Wohnraum, weil sie über eine entsprechende Kaufkraft verfügen. Es kommt zu Verdrängungseffekten im Mietwohnungsbestand, die in den meisten Fällen zu Lasten dieser einkommensschwächeren Haushalte, meist mit mehreren Kindern, gehen. Die Sickereffekte funktionieren nicht mehr. Hier ist in den vergangenen Jahren eine Fehlentwicklung eingetreten, die nicht zuletzt auch auf die starke Abschreibungsförderung im Mietwohnungsbau zurückzuführen ist. Es muß wieder erreicht werden, daß Haushalte mit höherem Einkommen in selbstgenutztes Wohneigentum investieren und somit den Mietwohnungsmarkt entlasten. Nur so können auch einkommensschwächere Haushalte zu für sie bezahlbarem Wohnraum kommen.

4.0 Wohneigentumspolitik und staatliche Förderung 4.1 Zielsetzung Bereits unmittelbar nach dem Krieg am 10. Oktober 1945 stellte Fritz Schumacher, einer der bedeutendsten Stadtplaner der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in einer Rede zum Wiederaufbau Hamburgs fest: „Es sind die Voraussetzungen gegeben, um vom hohen Mietshaus zum Flachbau überzugehen. Diesen einzigen Vorteil, den die Zerstörung unserer Städte mit sich gebracht hat, sollte man nicht ungenützt lassen;... Wo neu in größeren Zusammenhängen gebaut wird, muß das Einzelhaus in Form des ein- und zweigeschossigen Reihenhauses mit bescheidenem Garten nicht die Ausnahme, sondern die Regel werden." In § 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, dem „Grundgesetz" für die staatliche Wohnungspolitik und die Wohnungsbauförderung, heißt es: „Die Förderung des Wohnungsbaues soll überwiegend der Bildung von Einzeleigentum (Familienheimen und eigengenutzten Eigentumswohnungen) dienen. Zur Schaffung von Einzeleigentum sollen Sparwille und Bereitschaft zur Selbsthilfe angeregt werden." Diese Norm wird in § 26 Abs. 1 nochmals aufgenommen und ausdrücklich auch für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau gefordert. Weder der Forderung des II. Wohnungsbaugesetzes, noch der Forderung von Fritz Schumacher „Flachbau/Einzelhaus statt hohes Mietshaus" ist nach dem Krieg konsequent Rechnung getragen worden. Der Schwerpunkt der Förderung lag überwiegend auf dem Mietwohnungsbau. Die Förderung der Eigentumsbildung war zudem immer eng mit anderen Zielen, Zielen der Vermögenspolitik und der Förderung der Familie verbunden. Nach dem Krieg richtete sich die Förderung zunächst auf den Neubau von Wohnraum. Erst ab Mitte der 60er Jahre wurde auch der Erwerb von Wohnungen aus dem Bestand unterstützt.

4.2 Maßnahmen Die Förderung des Erwerbs von Wohneigentum erstreckt sich auf verschiedene Ebenen, und zwar erfolgt sie über - die direkte Förderung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus im ersten und zweiten Förderweg, - die indirekte Förderung durch Steuervorteile bei der Einkommensteuer,

16. Wohneigentumsbildung

407

Tabelle 9 Entwicklung der Wohneigentumsförderung nach dem Krieg. Jahr

Maßnahme

Inhalte

1952

Reform der Einkommensteuer

§ 7b EStG: 2 Jahre 10%, dann 10 Jahre 3%; Bemessungsgrundlage: Baukosten ohne Grund und Boden

1956

2. Wohnungsbaugesetz

Fördervorrang für die Eigentumsförderung im Sozialen Wohnungsbau: höhere Fördersätze als für Förderung von Mietwohnungen

1960

Steueränderungsgesetz

Senkung der Abschreibungssätze bei der § 7b-Abschreibung als Konjunkturbremse (7,5% für 2 Jahre, 4% für 8 Jahre)

1963

Steueränderungsgesetz

Aussetzung des § 7b EStG als Konjunktursteuerungsmaßnahme

1964

Steueränderungsgesetz

Novellierung des § 7b EStG: Sonderabschreibung in den ersten 8 Jahren 5%, dann 1,5% des Rest wertes

1965

Wohnungsbauänderungsgesetz

Verstärkung der Eigentumsförderung, Förderung durch Annuitätenzuschüsse (Grundlagen für Umsetzung des Zweiten Förderweges)

1967

Änderung des 2. Wohnungsbaugesetzes

Einführung neuer Förderrangfolgen; kein formeller Vorrang mehr für die Eigentumsförderung im Sozialen Wohnungsbau

1973

Steueränderungsgesetz

Streichung des Sonderausgabenabzuges für Schuldzinsen

1975

Bewertungsgesetz

Reform der Einheitswertbesteuerung, Einheitswert 1974 = Werte 1964 + 40%

1976

Änderung EStDV

Abschreibungserleichterungen für Modernisierungs- und Energiesparmaßnahmen (Sonder-AfA in Höhe von 10% p.a.)

Wohnungsbauänderungsgesetz

Gezielte Eigentumsförderung für Haushalte mit niedrigem und mittleren Einkommen (Verwendung von mindestens 50% der Fördermittel für die Eigentumsbildung)

1977

Steueränderungsgesetz

Neufassung § 7b EStG: Ausdehnung der Förderung auf Erwerb von Bestandsobjekten; Einführung von Grunderwerbsteuervergünstigungen für Bestandsobjekte

1983

neues Grunderwerbsteuerrecht

Verringerung des Steuersatzes auf 2%, Abbau von Befreiungstatbeständen

Steueränderungsgesetz

Zeitlich befristeter Schuldzinsenabzug (3 Jahre) für neu erstellte Wohnungen zur Konjunkturankurbelung

Quelle: Gewos, Wohnungspolitik nach dem 2. Weltkrieg, Schriftenreihe „Forschung" des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn 1990.

408

IV. Angebot und Nachfrage

- die Förderung durch Vorteile bei anderen Steuerarten (Grundsteuer, Vermögensteuer, Erbschaftsteuer) durch niedrige Steuerwerte und besondere Befriedigungstatbestände und - die Förderung der Eigenkapitalbildung im Rahmen der Bausparförderung. Dabei haben die einzelnen Instrumente in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche Gewichtung und zahlreiche Veränderungen erfahren (vgl. Tabelle 9). Speziell in den letzten zehn Jahren ist die Förderung der Bildung von Wohneigentum mehrfach geändert bzw. verbessert worden. Allerdings konzentrierten sich diese Maßnahmen fast ausschließlich auf die Finanzierungsphase, also die Phase nach dem Wohnungserwerb, während die Vorsparphase, die Bildung von Eigenkapital vor dem Erwerb, immer weniger staatliche Unterstützung fand. So wurde das bereits 1982 eingeführte sogenannte „Baukindergeld" 1990 zunächst von 600 DM auf 750 DM und ein Jahr später auf 1000 DM je Kind angehoben. Mit dem Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums vom 15.5.1986 wurde die Nutzungswertbesteuerung abgeschafft (Umstellung des § 7b auf den § lOe EStG) und der Höchstbetrag für die steuerliche Berücksichtigung der Anschaffungs- und Herstellungskosten - einschließlich der hälftigen Bodenkosten - von 200000 DM für Ein-Familienhäuser und Eigentumswohnungen bzw. 250 000 D M für Zwei-Familienhäuser auf einheitlich 300 000 DM angehoben. Dieser Höchstbetrag wurde dann noch einmal im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 1991 ab 1.1.1991 auf 330000 DM erhöht. Mit dem Steueränderungsgesetz 1992 erfolgte eine weitere Verbesserung der steuerlichen Eigenheimförderung: Die Absetzungsbeträge wurden für die ersten vier Jahre der Förderung von 5% auf 6% angehoben und - mit der Begründung, den Eigenheimbau trotz des gestiegenen Kapitalmarktzinsniveaus ankurbeln zu wollen - wurde gleichzeitig ein auf drei Jahre befristeter Schuldzinsenabzug für neu gebaute Wohnungen bis zu einem Höchstbetrag von 12000 DM pro Jahr eingeführt. Allerdings wurde die steuerliche Eigentumsförderung mit dem gleichen Gesetz erstmals bezüglich der Einkommen der begünstigten Haushalte beschränkt. Seit 1.1.1992 können die Förderung nach § lOe EStG nur noch Haushalte mit einem Einkommen von maximal 120000 DM (Alleinstehende) bzw. 240000 DM (Verheiratete) in Anspruch nehmen. Um den Neubau relativ besserzustellen, ist die Höchstbemessungsgrenze für den Erwerb gebrauchter Wohnungen außerdem mit Beginn des Jahres 1994 von 330000 DM auf 150000 DM abgesenkt worden. Alle aufgeführten Maßnahmen setzen ausschließlich in der Finanzierungsphase an, d.h. nur derjenige erhält die - verbesserte - Förderung, der die Hürde zum Erwerb der eigenen vier Wände bereits überwunden hat. Und diese Hürde ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten zweifelsohne höher geworden, und zwar nicht nur wegen der gestiegenen Bau- und Grundstückskosten - hier hat die Einkommensentwicklung speziell in den 80er Jahren gut mitgehalten - , sondern weil die staatlichen Hilfen zur Bildung des notwendigen Eigenkapitals in dieser Zeit drastisch abgebaut worden sind. So ist die 1952 als Pendant zur steuerlichen Bausparförderung nach § 10 EStG eingeführte Wohnungsbauprämie von ursprünglich 25% wiederholt abgesenkt worden: -

zunächst 1975 auf 23%, dann bereits ein Jahr später auf 18%, im Jahr 1982 auf 14% und zuletzt 1989 auf nur noch 10%.

16. Wohneigentumsbildung

409

Parallel dazu wurden die Zusatzprämien für Geringverdienende in Höhe von 30% und für Kinder in Höhe von 2% je Kind abgeschafft. Auch die im Rahmen des Vermögensbildungsgesetzes gewährte Förderung der Eigenkapitalbildung zum Erwerb von Wohneigentum ist im gleichen Zeitraum mehrfach eingeschränkt worden. Die Arbeitnehmer-Sparzulage für vermögenswirksame Leistungen wurde - 1982 von 30% auf 23% und - 1990 weiter auf 10% abgesenkt. Die zusätzliche Sparzulage für kinderreiche Familien in Höhe von 10% wurde ebenfalls gestrichen. Immerhin ist in diesem Bereich der begünstigte Höchstbetrag für das Bausparen seit 1990 von 624 DM auf 936 DM erhöht worden. Darüber hinaus hat es in den vergangenen zwei Jahrzehnten zahlreiche weitere Einschnitte im Bereich der Förderung der Eigenkapitalbildung gegeben: - Die sog. Doppelförderung durch Prämie und Arbeitnehmer-Sparzulage wurde 1982 abgeschafft. - Die kindbedingte Erhöhung der Einkommensgrenzen in Höhe von 1 800 D M je Kind wurde 1990 gestrichen. - Die steuerliche Berücksichtigung von Bausparbeiträgen im Rahmen des Sonderausgabenabzuges nach § 10 Einkommensteuergesetz wurde ebenfalls 1990 halbiert. - Die Auszahlung der Wohnungsbauprämie ist seit 1992 auf den Zeitpunkt der Zuteilung oder den Ablauf der Bindungsfrist verschoben worden. - Gleiches gilt seit Beginn des Jahres 1994 auch für die Arbeitnehmer-SparzulageDie mit der deutschen Vereinigung eingeführte Zusatzförderung für die neuen Bundesländer - auf 15% erhöhte Prämie und auf 2000 DM/4000 DM ausgeweitete begünstigte Sparbeträge - war zwar außerordentlich wirksam; sie wurde jedoch nur für einen relativ kurzen Zeitraum gewährt (1991 bis 1993) und dann nicht weiter verlängert. Neben der Einschränkung der Förderinstrumente selbst ist die Förderung der Eigenkapitalbildung in ganz erheblichem Umfange zusätzlich „ausgehöhlt" worden: Die für die Gewährung von Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmer-Sparzulage 1975 eingeführten Einkommensgrenzen in Höhe von 24000 DM/48000 DM für Ledige/Verheiratete sind in den zurückliegenden fast zwanzig Jahren nur ein einziges Mal, und zwar 1990, um gut 10% auf 27000 DM/54000 DM angehoben worden. Damit wurde allerdings der Einkommensentwicklung nicht annähernd Rechnung getragen. Nur noch Berufsanfänger kommen heute noch in den Genuß der staatlichen Hilfen. Die mit Wohnungsbauprämie geförderten Höchstbeträge - 800 DM/1600 DM - wurden seit Einführung des Wohnungsbauprämiengesetzes zum 1.1.1952 nicht verändert. 4.3 Auswirkungen auf die Finanzierungsstruktur der Erwerber Typisch für die Finanzierung von Wohneigentum in Deutschland ist - im Unterschied zu anderen Ländern - ein relativ hoher Eigenkapitalanteil, der sich aus angesparten Bausparguthaben, Guthaben auf anderen Sparkonten, Bargeld, Schenkungen, Erbschaften und kapitalisierten Selbsthilfeleistungen zusammensetzt.

410

IV. Angebot und Nachfrage

Bei Bausparern ist der Eigenkapitalanteil in der Regel höher als bei Erwerbern von Wohneigentum, die ohne Bausparmittel finanzieren. Untersuchungen aus dem Bereich der Hypothekenbanken zeigen, daß Wohneigentumserwerber hier einen um mehr als 10 Prozentpunkte niedrigeren Eigenkapitalanteil aufweisen. Zu dem höheren Eigenkapitalanteil kommt bei Bausparern das niedrig- und konstantverzinsliche Bauspardarlehen hinzu. Der Anteil dieser von der Entwicklung der Kapitalmarktzinsen unabhängigen Finanzierungsmittel lag zu Beginn der 80er Jahre bei deutlich über 60%. So ist es zu erklären, daß selbst in Zeiten hoher Kapitalmarktzinsen, wie z.B. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre, in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 200000 Eigenheimwohnungen neu gebaut worden sind, während in anderen Ländern die Wohnungsbauleistungen bei ähnlich hohen Kapitalmarktzinsen drastisch zurückgingen. So ist auch die - in Deutschland ohnehin relativ niedrige - Zahl der Zwangsversteigerungen bei Nicht-Bausparern um ein Mehrfaches höher als bei Bausparern. Der relativ hohe Anteil des Eigenkapitals ist nicht zuletzt auch Resultat der staatlichen Förderung. Der Abbau der Förderung ist allerding nicht ohne Auswirkungen auf die Finanzierungsstruktur geblieben. Die Eigenkapitalbildung ist in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen, mit der Konsequenz, daß der Anteil der vom Kapitalmarktzins abhängigen Finanzierungsmittel zugenommen hat. Anhand mehrerer, zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführten empirischen Untersuchungen der Bildung von Wohneigentum in den 80er Jahren läßt sich dies eindeutig belegen: a) Danach ist der Eigenkapitalanteil der Erwerber von Wohneigentum (neu oder gebraucht) von fast 50% in den 70er Jahren auf 38% Ende der 80er Jahre gesunken. Der Anteil der Ersparnisse im engeren Sinne, also der laufend erbrachten Sparleistungen (ohne die ebenfalls zum Eigenkapital zählenden Schwenkungen, Erbschaften, Erlöse aus Verkäufen und Eigenleistungen), ging von 23% zu Beginn der 80er Jahre auf 18% zurück. b) Die absoluten monatlichen Sparleistungen der Erwerber von Wohneigentum haben im gleichen Zeitraum lediglich um knapp 10% von etwa 660 DM auf 730 D M zugenommen. Da der Zeitraum, in dem diese regelmäßigen Sparleistungen erbracht wurden, mit rd. acht Jahren nahezu unverändert geblieben ist, andererseits aber die Erwerbskosten im Durchschnitt um knapp 30% zugenommen haben, resultiert daraus ein Rückgang des durch Sparleistungen erbrachten Eigenkapitalanteils. Berücksichtigt man, daß die Nettoeinkommen der privaten Haushalte in den 80er Jahren um über 40% gestiegen sind, haben die Erwerber von Wohneigentum im Zeitablauf deutlich weniger gespart. c) Der Anteil derjenigen Erwerber von Wohneigentum, die regelmäßig vorgespart haben, ist von über 80% auf nur noch knapp 60% gesunken. Gleichzeitig hat der Anteil der sog. Spontanerwerber, also der Erwerber, die nicht vorgespart haben, entsprechend zugenommen. d) Als Folge dieser Entwicklung ist der Anteil der Finanzierungsmittel, die von der Entwicklung der Kapitalmarktzinsen abhängig sind, also die Hypotheken von Banken, Sparkassen und Lebensversicherungen, an der Gesamtfinanzierung von 30% zu Beginn der 80er Jahre auf 37% Ende der 80er Jahre gestiegen. e) Fast im gleichen Maße wie der Anteil der kapitalmarktabhängigen Finanzierungsmittel zugenommen hat, ist der Anteil der Bausparmittel an der Gesamtfinanzierungssumme von rd. 30% auf knapp 20% gesunken. Absolut sind die

16. Wohneigentumsbildung

411

Bausparmittel im Zeitablauf in etwa konstant geblieben; insoweit ergibt sich hier eine Parallelität zu den nur wenig gestiegenen absoluten Sparleistungen. f) Das Durchschnittsalter der Erwerber von Wohneigentum ist mit 38 Jahren unverändert hoch. Mit den Einschränkungen der Bausparförderung hat ganz offensichtlich der Anreiz, Eigenkapital zu bilden, erheblich nachgelassen. Parallel dazu hat die Tendenz - insbesondere bei sinkenden Zinsen - , Kapitalmarktmittel in Anspruch zu nehmen, notgedrungen deutlich zugenommen.

4.4 Konsequenzen Für die öffentliche Hand sind die Verschiebungen in der Finanzierungsstruktur der Erwerber von Wohneigentum sehr teuer geworden: Zwar sind die Aufwendungen für die Vorsparförderung als Folge der zahlreichen Einschränkungen deutlich gesunken, gleichzeitig sind aber immer höhere staatliche Zuschüsse in der Finanzierungsphase erforderlich geworden, um die wegen des niedrigeren Eigenkapitalanteils gestiegenen finanziellen Belastungen der Wohneigentumserwerber im tragbaren Grenzen zu halten. Das, was der Staat glaubte, vorher bei der Förderung der Eigenkapitalbildung einsparen zu können, mußte er nachher in mehrfacher Höhe zur Senkung der finanziellen Belastung aus der Fremdkapitalaufnahme aufwenden. Von 1975 bis 1994 gingen die Aufwendungen für die Förderung der Eigenkapitalbildung von 4,8 Mrd. DM auf nur noch ein Viertel und absolut 1,2 Mrd. D M zurück. Die Finanzierungsförderung wurde dagegen im gleichen Zeitraum von 2,2 Mrd. DM auf über 10 Mrd. DM erhöht und damit nahezu verfünffacht. Hier ist eine Umkehr in der Förderpolitik erforderlich. Nicht das Schuldenmachen sollte immer stärker „belohnt" werden, sondern die eigenverantwortliche, rechtzeitige Vorsorge in Form einer ausreichenden Eigenkapitalbildung. Verschiedentlich ist in den vergangenen Jahren vorgeschlagen worden, die steuerliche Absetzbarkeit der mit dem Wohneigentumserwerb verbundenen Schuldzinsen generell, also nicht nur als zeitlich befristete Konjunkturmaßnahme, wie von 1982 bis 1985 und von 1992 bis 1995, einzuführen. Ein solcher steuerlicher Schuldzinsenabzug zielt aber genau in die falsche Richtung. Dadurch wird das Schuldenmachen bei der Finanzierung der eigenen vier Wände noch stärker begünstigt und gleichzeitig die Finanzierung mit Eigenkapital diskriminiert. Die bereits vorhandene Schieflage in der Finanzierungsstruktur würde zu Lasten des Ansparkapitals verstärkt, mit der Folge einer erhöhten Zinsanfälligkeit und zunehmender Unsicherheit in der Finanzierung. Die Erfahrungen im Ausland, insbesondere in England und in Skandinavien, haben deutlich gemacht, wohin eine solche Förderung führt: Es kommt zu Umschichtungsprozessen innerhalb der Finanzierungsbausteine, um die Förderung möglichst vollständig ausschöpfen zu können. Die Folge sind 100%-Fremdfinanzierungen, wie es sie bereits zu Anfang der 80er Jahre in Deutschland gegeben hat. Ein erheblicher Teil dieser risikoreichen Finanzierung scheiterte: Die Zahl der Zwangsversteigerungen schnellte einige Jahre später - meist dann, wenn eine fünfjährige Zinsbindung abgelaufen war - drastisch nach oben; zahlreiche Haushalte standen vor dem finanziellen Ruin.

412

IV. Angebot und Nachfrage

Der Staat nimmt durch seine Förderpolitik massiv Einfluß auf das Investitionsund Konsumverhalten der Bundesbürger. Dies gilt nicht nur für den Bereich des Wohneigentums, sondern in noch stärkerem Maße für den Mietwohnungsbau. Und dies ist nicht nur für den Einzelnen mit erheblichen Konsequenzen verbunden, sondner auch für die Volkswirtschaft insgesamt. Es geht um die Grundeinstellung der Politik. Die enorme Kapitalbildung, die mit dem Wohnungsbau verbunden ist, muß wieder als Aufgabe der individuellen Haushalte selbst begriffen und gefördert werden. Nicht der Staat soll (und kann) dieses Kapital bilden, der einzelne Bürger ist gefordert, und dies setzt Willen und Fähigkeit zur Schaffung von Eigentum voraus - und gegebenenfalls Hilfe zur Selbsthilfe. Der Bedeutung des Vorsparens für die Kapitalbildung kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Wer einmal Kapital für den Erwerb von Wohneigentum gebildet hat, der hat gleichzeitig gelernt, selbstverantwortlich zu handeln und sich gegen die wirtschaftlichen Wechselfälle des Alltags abzusichern.

5.0 Gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Wohneigentums Innerhalb der gesamten Vermögensbildung der privaten Haushalte kommt dem Wohneigentum fundamentale Bedeutung zu. Mehr als die Hälfte des Immobilienvermögens (in Form von Wohnungen, gewerblichen Immobilien, Grundstücken), in Höhe von schätzungsweise 7000 Mrd. DM allein in den alten Bundesländern, entfällt auf (selbstgenutztes) Wohneigentum, also ein Betrag von gut 3 500 Mrd. DM. Damit liegt der Besitz an den eigenen vier Wänden vom Volumen her in einer ähnlichen Größenordnung wie das gesamte Geldvermögen der privaten Haushalte bei Banken, Sparkassen und Lebensversicherungen. Allerdings ist dieses Vermögen bisher relativ ungleich verteilt: Während z.B. der Anteil der Haushalte, die über Wohneigentum verfügen, bei den oberen Einkommensschichten durchweg bei deutlich über 60% liegt, sind es in den unteren Einkommensschichten nur 30% und weniger, die in den eigenen vier Wänden wohnen. Bereits vor fast 20 Jahren hatten Mierheim/Wicke in einer Untersuchung der personellen Vermögensverteilung in Deutschland festgestellt, daß das Haus- und Grundvermögen überdurchschnittlich hoch „konzentriert" sei. Außerdem stellten sie fest, daß Haushalte mit Haus- und Grundbesitz mehr als das lOfache des Vermögens der Haushalte ohne Haus- und Grundvermögen besaßen. An dieser überragenden Stellung des Wohneigentums hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert. Neben dem fundamentalen Beitrag des Wohneigentums zur Vermögensbildung kommt den eigenen vier Wänden speziell unter konjunktur- und arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten erhebliche Bedeutung zu: Infolge seiner - z.B. im Vergleich zum Mietwohnungsbau - geringeren Zinsabhängigkeit und infolge seiner relativ hohen Arbeitsintentsität trägt der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern wesentlich zur Verstetigung der Wohnungsbaukonjunktur und zur Entlastung der Arbeitsmärkte bei. Nach einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen, ist die Bedeutung des Produktionsfaktors Arbeit im Ein- und Zweifamilienhausbau höher als in den meisten anderen Baubereichen: Im Vergleich zum Maschinenbau beispielsweise ist der Beschäftigungseffekt um rd. 30% größer, im Vergleich zum Mehrfamilienhaus fast doppelt so hoch. Veränderungen im Eigen-

16. Wohneigentumsbildung

413

heimbau wirken sich dabei nicht nur auf die Bauwirtschaft selbst aus, sondern machen sich in erheblichem Maße auch in anderen Wirtschaftsbereichen bemerkbar. So verursacht eine Änderung der Baunachfrage im Eigenheimbau eine 2,4 mal so große Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Bei einer Beschäftigung von zehn Arbeitskräften im Ein- und Zweifamilienhausbau sind zugleich im Durschnitt eine fast gleich hohe Zahl weiterer Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftsbereichen gesichert. Eine Steigerung der jährlichen Fertigstellungen um z.B. 10000 Wohnungen schafft im Eigenheimbau zusätzlich fast 75000 Arbeitsplätze, im Mehrfamilienhausbau dagegen lediglich 40000 Arbeitsplätze. Diese Effekte sind außerdem auch mit entsprechenden Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden, denn die Produktion von Gütern und Dienstleistungen sowie die Entstehung und Verwendung von Einkommen wird vom Staat in mannigfacher Weise besteuert. So ist z.B. der Bau von 10000 Wohnungen im Eigenheimbereich mit staatlichen Finanzhilfen in Höhe von rund 0,5 Mrd. D M verbunden; zugleich werden die öffentlichen Haushalte aber um 2 Mrd. DM entlastet. Diese Entlastung resultiert aus einer Erhöhung der Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsabgaben einerseits und einer Senkung der Ausgaben, z.B. für die Arbeitslosenunterstützung, andererseits. Im Mehrfamilienhausbau wäre die gleiche Zahl von Wohnungen mit zusätzlichen Steuerausfällen in Höhe von knapp 1 Mrd. DM verbunden, die Mehreinnahmen beliefen sich aber nur auf etwas mehr als 1 Mrd. DM. Ein Anstieg des Ein- und Zweifamilienhausbaus entlastet den Staatshaushalt also per Saldo erheblich, während ein entsprechender Anstieg im Mietwohnungsbau in der Regel eine Nettobelastung für den Staat bedeutet, bestenfalls ein Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben.

6.0 Wohneigentum als Bestandteil der Altersvorsorge Alle Bevölkerungsprognosen für die Bundesrepublik stimmen darin überein, daß die Gesamtbevölkerungszahl langfristig sinken wird; strittig ist lediglich, in welchem Umfang. Ebenfalls keine Meinungsverschiedenheiten gibt es darüber, daß es zu erheblichen Verschiebungen in der Altersstruktur kommen wird. Bis zum Jahr 2000 wird der Anteil der über 60jährigen von derzeit etwa 21 % auf über 24% steigen, bis zum Jahr 2030 sogar auf 38%. Bei einem gleichzeitigen Absinken des Anteils der jüngeren Generationen sind hiermit soziostrukturelle Wirkungen von erheblicher Tragweite verbunden. Durch die Verschiebungen der Relationen zwischen der Zahl der Rentner und derjenigen der aktiven Bevölkerung wird die gesetzliche Rentenversicherung erheblich belastet werden. Der privaten Altersvorsorge wird daher wachsende Bedeutung zukommen. Das „Alter" als dritte Lebensphase umfaßt heute mit rd. 20 bis 30 Jahren einen relativ langen Zeitraum. Die durchschnittliche Lebenserwartung der 60jährigen liegt derzeit für Männer bei 18 Jahren, für Frauen sogar bei über 22 Jahren. Diese Phase, die künftig noch länger werden wird, gilt es sorgfältig zu planen. Der Ausgestaltung der Wohnung kommt dabei entscheidende Bedeutung zu, denn die Intensität, mit der die Wohnung in dieser Phase genutzt wird, nimmt erheblich zu: zum einem aufgrund des Ausscheidens aus dem Berufsleben, zum anderen aufgrund nachlassender Beweglichkeit, die den älteren Menschen stärker als vorher an seine Wohnung bindet. Die weitaus überwiegende Mehrheit der älteren Menschen möchte so lange wie möglich einen eigenen Haushalt führen und in der gewohnten Umgebung verbleiben. So erklärt sich, daß das durchschnittliche Ein-

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IV. Angebot und Nachfrage

trittsalter in Altenheimen bei über 80 Jahren liegt. Die Wohnungsversorgung der derzeitigen Rentnergeneration ist allerding sehr unterschiedlich. Vor allem die älteren Rentner verfügen vielfach über Wohnungen, die den heute üblichen Anforderungen an den Wohnungsstandard nicht entsprechen. Eine entsprechende Ausstattung dieser Wohnungen im Hinblick auf altersspezifische Anforderungen fehlt ohnehin. Nach einer Umfrage sehen 88% der 60-64jährigen im Wohneigentum eine sichere Geldanlage. Ein ähnlich hoher Prozentsatz, nämlich 85,4%, der gleichen Altersgruppe halten die eigenen vier Wände als Altersvorsorge für wichtig, weil sie dadurch vor Mieterhöhungen und Kündigungen geschützt sind. Diese Einschätzungen kommen nicht von ungefähr. Es lassen sich zahlreiche Gründe anführen, weshalb das Wohneigentum für ältere Menschen gegenüber der Mietwohnung mit erheblichen Vorteilen verbunden ist und den Anforderungen an eine altersgerechte Wohnung am ehesten entspricht. Der entscheidende Vorteil des Wohneigentums besteht im miet- und lastenfreien Wohnen. Die eingesparte Miete trägt nicht unerheblich zur Entlastung des Haushaltsbudgets der Rentner bei. Derjenige, der - aus welchen Gründen auch immer - die eigene Wohnung im Alter nicht selbst nutzen kann oder will, hat die Möglichkeit, das Eigentum zu vermieten oder zu verkaufen - gegebenenfalls auch auf Rentenbasis. In beiden Fällen stellen die Erträge eine wesentliche zusätzliche Einnahme dar. Eine weitere Möglichkeit besteht in dem „Austausch" zweier Immobilien: Ein größeres Haus wird verkauft und mit dem Erlös wird ein kleines haus oder eine Eigentumswohnung gekauft. Dies dürfte ein in der Realität nicht selten anzutreffender Fall sein. Der Vorteil des mietfreien Wohnens bleibt erhalten; außerdem wird meist noch ein Differenzbetrag aus Verkauf und Kauf vorhanden sein, der eine zusätzliche Einnahme darstellt und mit dem sich beispielsweise verschiedene altersspezifische Einrichtungen in der neuen Wohnung finanzieren lassen. Neben den finanziellen Vorteilen, die Wohneigentum bietet, gibt es eine Reihe von weiteren Aspekten, die diese Wohnform gegenüber Mietwohnungen auszeichnet: Die Umgestaltung der Wohnung in eine „altersgerechte" Wohnung bedeutet für den Wohnungseigentümer eine Investition in das eigene Vermögen. Für den Mieter stellen sich hier in der Regel deutliche Hemmschwellen, wenn er eigene Mittel „in fremdes Eigentum" investieren soll. Die Bildung von Wohneigentum hat gegenüber allen anderen Formen der Altersvorsorge den Vorteil, daß sie unmittelbar, d.h. ohne direkte oder indirekte Mitwirkung oder Belastung der aktiven Generation, die Abdeckung eines Teils der Grundbedürfnisse im Alter ermöglicht. Alle anderen Vorsorgeformen - gesetzliche Rentenversicherung, Lebensversicherung, Wertpapiere, Geldanlagen usw. - setzen dagegen zumindest eine indirekte Mitwirkung der aktiven Generation voraus.

7.0 Der Beitrag des Bausparens zur Wohneigentumsbildung Nur sehr wenige Bauherren sind in der glücklichen Lage, den Kaufpreis für die eigenen vier Wände bar bezahlen zu können. Die weitaus überwiegende Mehrheit ist auf die Aufnahme von Darlehen angewiesen. Voraussetzung für den Erwerb von Wohneigentum ist allerdings ausreichendes Eigenkapital. Denn ohne eigene Vorsorge des zukünftigen Bauherrn durch Ansparen der notwendigen finanziel-

16. Wohneigentumsbildung

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len Mittel wird in den meisten Fällen eine Baufinanzierung zu akzeptablen, die Leistungsfähigkeit der Familie nicht übersteigenden Bedingungen nicht möglich sein. Die Höhe der Eigenmittel ist von entscheidender Bedeutung dafür, welche Investitionssumme überhaupt verkraftbar ist. Ausreichendes Eigenkapital bedeutet gleichzeitig Schutz vor den Risiken eines schwankenden Kapitalmarktzinses. Je höher der Eigenkapitalanteil, desto geringer die Gefahr, sich finanziell zu übernehmen. Je niedriger das Einkommen, desto höher der notwendige Eigenkapitalanteil. Eine der gebräuchlichsten Möglichkeiten, Eigenkapital anzusparen, ist das Bausparen. Das Bausparen hat sich in Deutschland zu einer der Säulen der Wohnungsbaußnanzierung entwickelt: Die Bausparkassen haben allein seit Kriegsende rd. 12 Millionen Wohnungen mitfinanziert. Sie haben für die Wohnungsfinanzierung insgesamt mehr als 1000 Milliarden DM zur Verfügung gestellt. Allein 1994 wurden über 62 Mrd. D M ausgezahlt. Die 35 Bausparkassen, darunter 22 private Bausparkassen, verwalten heute fast 31 Millionen Bausparverträge mit einer Bausparsumme von 1100 Mrd. DM. Fast 20 Mio. Bausparer in den neuen und alten Bundesländern verfügen heute über einen oder mehrere Bausparverträge. Mit einem Marktanteil von 21% sind die Bausparkassen die drittstärkste Institutsgruppe am Wohnungsfinanzierungsmarkt, nach dem Sparkassensektor und der zusammengefaßten Gruppe der Geschäfts- und Genossenschaftsbanken, die ihre Marktanteile in den letzten Jahren deutlich ausweiten konnten. Von den 21% entfallen rd. zwei Drittel auf die privaten Bausparkassen. Das Bausparen existiert in Deutschland inzwischen seit über 70 Jahren. 1924 wurde die erste deutsche Bausparkasse, die Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot, gegründet. Ihr folgten zahlreiche weitere Institute nach. Zum damaligen Zeitpunkt war das institutionelle Bausparen schon über weite Teile der Erde mit Schwerpunkt in England und den USA verbreitet. Dabei hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß es kein Bausparsystem von globaler Gültigkeit gibt, sondern daß die Eignung dieses oder jenes Bausparsystems - kollektiv oder offen für ein bestimmtes Land von den jeweiligen demografischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten abhängt. Das Bausparen deutscher Prägung beruht auf einem geschlossenen Finanzierungssystem. Durch den Zusammenschluß einer Vielzahl von Sparern zu einer Selbsthilfegemeinschaft bietet dieses System Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt und dessen Zinsschwankungen. In aller Regel ist die Bausparfinanzierung keine Vollfinanzierung, d.h. mit einem Bausparvertrag wird nicht der gesamte Betrag der Haus- und Wohnungskosten finanziert. Vielmehr machen die Bausparmittel etwa ein Drittel der Gesamtkosten aus. Der Bausparer schließt mit der Bausparkasse einen Vertrag über eine bestimmte Summe ab. Er verpflichtet sich zum planmäßigen Sparen in eine gemeinsame Kasse. Aus dieser Kasse erhält er später nach einer bestimmten Reihenfolge die von vornherein festgelegte Bausparsumme - bestehend aus Bausparguthaben und Bauspardarlehen - ausgezahlt (Zuteilung). Bereits bei Abschluß des Vertrages erwirbt der Bausparer einen unkündbaren Rechtsanspruch auf das Darlehen. Der Zinssatz für dieses Darlehen liegt über die gesamte Laufzeit fest zwischen 4,5% und 6%, je nach Tarif, und ist völlig unabhängig von der Entwicklung am Kapitalmarkt. Während der Sparphase werden die Guthaben mit einem Zinssatz

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IV. Angebot und Nachfrage

vergütet, der entsprechend den Zinsen in der Darlehensphase zwischen 2,5% und 4% liegt. Die Darlehensgewährung ist prinzipiell auf sog. wohnungswirtschaftliche Verwendungen festgelegt. Es gibt nahezu 100 unterschiedliche Verwendungszwecke. Auch Mieter können ihre Wohnungen mit einem Bausparvertrag modernisieren. Der Zeitpunkt, zu dem der Bausparer das Darlehen in Anspruch nehmen kann, ist abhängig von der Sparzeit und dem Umfang der Ansparleistung. Im Rahmen dieses nach dem Zeit-x-Geld-System funktionierenden Zuteilungsverfahrens wird die vereinbarte Bausparsumme ausgezahlt. Nach der Zuteilung wird das Darlehen von dem Bausparer innerhalb einer festgelegten Frist getilgt. Die deutschen Bausparkassen bieten inzwischen eine Vielzahl von verschiedenen Tarifen an, die sich durch unterschiedliche Zinssätze nach Anspar- und Tilgungsraten unterscheiden. Der Bausparer hat die Möglichkeit, den Bausparvertrag nach seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen. So gibt es z.B. auch sog. Schnellspartarife, die sich durch deutlich kürzere Sparzeiten und Tilgungszeiten auszeichnen. Das kollektive Prinzip ist speziell auch für Entwicklungsländer besonders geeignet, weil der Zweckspargedanke in diesen Ländern Chancen hat, die Bevölkerung zum Konsumverzicht und zur Kapitalbildung zu ermutigen, und weil gerade die Dynamik des Ansparprozesses im kollektiven System besonders geeignet ist, das erforderliche schnelle Wachstum des Wohnungsbaus und der Wohnungsbaufinanzierung in diesen Ländern sicherzustellen. Insoweit stellt das Finanzierungsinstrument des Bausparens auch und gerade für die osteuropäischen Länder eine gute Chance dar, das so dringend benötigte private Kapital zu mobilisieren. Entscheidendes Hindernis für das Bausparen mit kollektiver Ausrichtung ist allerdings die Inflation. In Ländern mit hohen Preissteigerungsraten war diesem Finanzierungssystem in der Vergangenheit daher auch nur relativ begrenzter Erfolg beschieden. D a ß sich inzwischen auch Länder mit anderen Finanzierungssystemen, darunter auch Länder mit dem Bausparen in seiner „offenen" Form, für das kollektive Bausparsystem interessieren, zeigen nicht nur Anfragen aus Schweden und Italien, sondern insbesondere auch die jüngste Gründung einer deutschen Bausparkasse als Tochter einer englischen Building Society. Die Bedeutung der privaten Ersparnisbildung für die Wohnungseigentumsfinanzierung wird in zunehmendem Maße auch in anderen Ländern erkannt. Die Deutsche Bundesbank hat auf die deutlich höhere Verschuldung der privaten Haushalte im Ausland hingewiesen: „Im Ausland ist die Verschuldung der privaten Haushalte teilweise so hoch wie, oder sogar noch höher als ihr jährliches Einkommen. Dies gilt insbesondere für die angelsächsischen Länder, aber auch für Japan und Schweden, wo das Verhältnis zwischen Verschuldung und Einkommen in der vergangenen Dekade stark zugenommen hat.... Angesichts der bisher vergleichsweise niedrigen Verschuldungsquote haben solche Probleme in Deutschland keine Rolle gespielt. Dies wird auch an der noch immer recht niedrigen Belastung der privaten Haushalte aus Zinszahlungen deutlich." Das ist nicht zuletzt auch ein Verdienst des Bausparens als fundamentalem Baustein für die Bildung von Wohneigentum.

16. Wohneigentumsbildung

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IV. Angebot und Nachfrage

Mehring, Hubertus: Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik, Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Band 147, Münster 1992. Mierheim, Horst; Wicke, Lutz: D i e personelle Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1978. Peters, Karl-Heinz: Wohnungspolitik am Scheideweg, Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 343, Berlin 1984. Schäfer, Otto: Eigentum kontra Miete - ein Konflikt und seine Lösung, in: Der Langfristige Kredit, Heft 24/1994, S. 812 bis 818. Schneider, Hans K.; Deichmann, Werner: D e r Weg zur sozialen Wohnungsmarktwirtschaft, Forschungsbericht 36, St. Augustin 1984. Schneider, Hans K.; Kornemann, Rolf: Soziale Wohnungsmarktwirtschaft, Studien zur Kommunalpolitik, Band 20, Bonn 1977. Verband der Privaten Bausparkassen, Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen (Hrsg.): Mit Wohneigentum gegen Wohnungsprobleme, Bonn 1993. Zehnder, Andreas J.: Bausparen - die Wohneigentumsfinanzierung für Europa, in: D e r Langfristige Kredit, Ausgabe 1/1993.

Addendum: Nach Abfassung des Kapitels haben sich einige wesentliche Änderungen der staatlichen Förderung ergeben. Mit Beginn des Jahres 1996 ist eine grundlegende Reform der steuerlichen Wohneigentumsförderung vorgenommen worden. Die bis dahin einkommensbzw. progressionsabhängige Förderung wurde mit dem Gesetz zur Neuregelung der steuerlichen Wohneigentumsförderung auf eine einheitliche Eigenheimzulage umgestellt; der § lOe EStG wurde abgeschafft. Seit 1.1.1996 wird eine Eigenheimzulage in Höhe von 5%, maximal 5.000 DM, für Neubauten bzw. von 2,5%, maximal 2.500 DM, für Gebrauchterwerbe, jeweils pro Jahr für acht Jahre, gewährt. Das Baukindergeld wurde auf 1.500 DM je Kind erhöht. Zusätzlich wurden sog. Öko-Zulagen eingeführt, wonach beim Bau eines Niedrigenergiehauses weitere 400 DM pro Jahr und beim Einbau von Energiesparvorrichtungen in Neu- und Altbauten 2%, maximal 500 DM, pro Jahr, jeweils für acht Jahre in Anspruch genommen werden können. Der sog. steuerliche Vorkostenabzug wurde gesplittet in eine Finanzierungskostenpauschale in Höhe von 3.500 DM sowie einen Höchstbetrag von 22.500 DM für Erhaltungsaufwendungen. Außerdem hat der Gesetzgeber den Bedenken hinsichtlich der Verlagerung der Eigentumsförderung von der Vorspar- in die Finanzierungsphase und dem drastischen Abbau bzw. der „Aushöhlung" der Förderung des Vorsparens Rechnung getragen und die Bausparförderung zum 1.1.1996 wieder verbessert: Mit dem Wohneigentumsförderungsgesetz 1996 wurden erstmals seit Einführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes im Jahre 1952 die begünstigten Höchstbeträge von 800 DM/1.600 DM auf 1.000 DM/2.000 DM angehoben. Ferner wurden die 1975 eingeführten und seitdem nur ein Mal (1990) von 24.000 DM/18.000 DM (Ledige/Verheiratete) auf 27.000 DM/54.000 D M verbesserten Einkommensgrenzen für die Gewährung der Wohnungsbauprämie von 27.000 DM/54.000 DM auf 50.000 DM/100.000 DM erhöht. Damit wurde der Einkommensentwicklung in den vergangenen Jahren weitgehend Rechnung getragen.

17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung* Modell einer zielgerichteten Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums Einleitung Eine familienorientierte Förderung des Wohnungsbaus und des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums wird seit Jahrzehnten von fast allen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen bejaht. Die Versorgung der Familien mit geeignetem Wohnraum besitzt einen hohen Stellenwert in der Rangordnung der Ziele. Die staatlichen Maßnahmen sind seit der steuerlichen Freistellung der Mietwerte selbstgenutzten Wohnraums und der Schaffung des § lOe EstG noch stärker als früher nicht nur auf neu erbauten Wohnraum, sondern auch auf den Erwerb aus dem Bestand bezogen. Familienpolitische Argumente dienten als Begründung. Analysiert man jedoch die entsprechenden wohnungspolitischen Maßnahmen etwas näher, so kommt man zu dem Ergebnis, daß sie nicht auf die Mehrheit der Familien ausgerichtet sind. Gemessen an den Zielvorgaben und Begründungen stellen sie sogar eine weitgehende Zielverfehlung und zugleich eine Verschwendung öffentlicher Mittel dar. Die folgenden Überlegungen sollen zunächst diesen massiven Vorwurf gegen die Wohnungspolitik begründen. Im zweiten Abschnitt soll dann gezeigt werden, wie der Staat mit einem gleichen oder sogar geringeren fiskalischen Aufwand eine weit bessere Familienorientierung erreichen könnte 1 . In einem dritten Abschnitt wird ergänzend auf die Möglichkeiten eingegangen, die vorgeschlagenen Instrumente auf die Privatisierung und den Wohnungsbau in den neuen Bundesländern anzuwenden.

* Dieser Beitrag wurde bereits in den Materialien zum 5. Familienbericht, Bd. 1 (Verlag Deutsches Jugendinstitut, München 1994) veröffentlicht. Durch das Eigenheimzulagengesetz ist mit Wirkung ab 1. Januar 1996 die Regelung des § 10 e EStG durch die Gewährung von Zulagen ersetzt worden. Dadurch entfällt jedoch nur ein Teil der bisherigen Einwände; denn es fehlt eine degressive Gestaltung der Subventionen als Anpassung an die steigenden Nominaleinkommen und vor allen Dingen eine Subjektorientierung der Massnahmen für die Bezieher niedriger Einkommen. Daher können die vorgeschlagenen familienorientierten Förderungsmaßnahmen nach wie vor Leitlinien für eine Wohnungspolitik sein, die einen Anstieg der Quote des selbstgenutzten Wohneigentums anstrebt. 1 Der Verfasser hat zusammen mit Mitarbeitern in zwei früheren Publikationen die im folgenden diskutierte Konzeption näher entwickelt. Aus der zuerst genannten Schrift werden die Schaubilder und Tabellen entnommen: A. Oberhauser und Ch. Rüsch: Wohnungspolitik für Familien. Familienbund der Deutschen Katholiken (Hrsg.), Grafschaft 1992. A. Oberhauser, B. Kaufmann, M. Scheuer: Eigentumsbildung im Wohnungsbau, Lübeck 1982. Das Manuskript zu diesem Beitrag wurde im Dezember 1992 abgeschlossen.

420

IV. Angebot und Nachfrage

1.0 Ziele familienorientierter Wohneigentumspolitik Die Eignung wohnungspolitischer Maßnahmen kann nur im Hinblick auf die verfolgten Ziele und unter Berücksichtigung der auftretenden Wirkungen beurteilt werden. Infolgedessen ist zunächst zu fragen, welche Ziele eine familienorientierte Wohneigentumspolitik verfolgt. Es entspricht dem Auftrag des Grundgesetzes, daß der Staat die Familien fördern soll2. Dazu gehört auch die Wohnungsversorgung. Familien können sich im allgemeinen besser entfalten, wenn sie in eigenen Häusern oder auch Eigentumswohnungen leben. Die Förderung selbstgenutzten Wohneigentums gehört mithin zu den vorrangigen Aufgaben des Staates. Es war insoweit konsequent, daß dieser nach der Behebung der stärksten Wohnungsnot die Förderungsmaßnahmen nicht mehr nur auf den Wohnungsneubau beschränkt, sondern sie auf den Erwerb aus dem Wohnungsbestand ausgedehnt hat. Inzwischen hat sich die Wohnungssituation gegenüber den 70er und 80er Jahren wieder verschlechtert. Es erscheint daher angebracht, den Neubau von (selbstgenutzten) Häusern und Wohnungen stärker als den Erwerb aus dem Bestand zu begünstigen. Zwei Ziele müssen daher gleichzeitig verfolgt werden. Es hängt dann von der Gewichtung der beiden Ziele ab, in welchem Umfang die Förderung abgestuft werden sollte. Familienpolitisch wäre es jedoch verfehlt, die staatliche Förderung nur auf neu erstelltes Wohneigentum zu beschränken. Familien aus den unteren und mittleren Einkommensschichten sind vielfach nicht in der Lage, die relativ höheren Belastungen für Neubauwohnungen auf sich zu nehmen. Eigentumserwerb aus dem Bestand ist meist zu niedrigeren Preisen möglich. Es entspricht dem Ziel der Familienförderung, daß die Familien nicht irgendwann im Laufe ihres Lebens zu Wohneigentum gelangen, sondern möglichst in jungen Jahren, solange ihre Kinder noch klein sind. Es muß daher versucht werden, die Ansparperioden kurz zu halten. Das Schwergewicht der staatlichen Maßnahmen darf daher nicht nur auf der Ansparförderung liegen, so wichtig diese auch für den Einstieg ist. Die Maßnahmen müssen auf die Erleichterung der Belastungen nach dem Erwerb von Wohneigentum konzentriert werden. Es ist davon auszugehen, daß die Mehrzahl insbesondere der jungen Familien nicht zu den oberen Einkommensschichten gehört. Dies gilt vor allem dann, wenn Mütter wegen ihrer Kinder auf eine eigene Erwerbstätigkeit verzichten. Familien können in den meisten Fällen nur dann Wohneigentum in jungen Jahren erwerben, wenn ihnen in besonderem Maße geholfen wird. Der Umfang der staatlichen Förderung für Familien mit Kindern sollte daher in den unteren und mittleren Einkommensschichten eher höher, auf keinen Fall aber niedriger als in den oberen sein. Wie noch gezeigt wird, wirkt das derzeitige Förderungssystem gerade umgekehrt. Es begünstigt vor allem die Bezieher höherer Einkommen. Damit wird gegen ein grundlegendes Ziel, die Subventionsgerechtigkeit, verstoßen. Dieses Ziel ist genauso zu beachten wie die Steuergerechtigkeit. Generell gilt: Wenn der Staat, um soziale und gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen, Subventionen gewährt, so

2

Unter Familien wird im folgenden verstanden, daß Eltern oder Alleinstehende mit noch nicht selbständigen Kindern zusammenleben.

17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung

421

sollten diese den Geförderten - bezogen auf eine relevante Bemessungsgrundlage - gleichmäßig zugute kommen. Auf keinen Fall ist eine Begünstigung zu rechtfertigen, die mit dem Einkommen steigt. Staatliche Wohnungspolitik wird mit Hilfe von Subventionen betrieben - und zwar unabhängig davon, ob diese Subventionen direkt gewährt werden oder ob sie indirekt in Form von Vergünstigungen in die Besteuerung eingebaut sind. Die Subventionsempfänger sollen zum Bau oder Erwerb von Wohnungen veranlaßt werden. Die dabei verfolgten Ziele haben nichts, aber auch gar nichts mit dem allgemeinen Ziel der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu tun. Es ist daher verfehlt, wenn nahezu alle steuerlichen Maßnahmen der Wohnungsförderungspolitik darauf hinauslaufen, daß die Vergünstigungen umso höher sind, je höher der Grenzsteuersatz, das heißt je höher das Einkommen der Geförderten und damit - aufgrund der steuerlichen Progression - deren Grenzsteuersätze sind. Das Ziel der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist auf eine gerechte Verteilung der Abgaben an den Staat zur Finanzierung der staatlichen Leistungen bezogen. Es ist eine Verkennung dieses Zieles, wenn bei Maßnahmen, die ganz anderen Zwecken dienen, unterstellt wird, die steuerliche Leistungsfähigkeit würde dadurch berührt. Die Begünstigungen, die wegen anderer Ziele gewährt werden, dürfen daher nicht von der Progression der Einkommensteuer abhängig sein. Dies gilt in besonderer Weise für die steuerlichen Maßnahmen der Wohnungspolitik. Andernfalls verletzt der Gesetzgeber die Subventionsgerechtigkeit und den Gleichheitsgrundsatz. Dies geschieht durch das derzeitige wohnungspolitische Förderungsinstrumentarium in hohem Maße.

2.0 Mangelnde Familienorientierung der derzeitigen Wohneigentumsförderung Seit 1987 wird der Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums vor allem durch die Maßnahmen des § lOe EStG und das Baukindergeld nach § 34f EStG gefördert. Zugleich werden seit diesem Zeitpunkt die Mietwerte selbstgenutzten Wohneigentums durch den Übergang zur sogenannten Konsumgutlösung von der Besteuerung ausgenommen. Bezieher niedriger Einkommen können darüber hinaus Finanzierungserleichterungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erhalten; der soziale Wohnungsbau ist jedoch im wesentlichen auf den Neubau von Wohnungen konzentriert. Da nach dem Übergang zur Konsumgutlösung Abschreibungsvergünstigungen beim Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums nicht mehr in Betracht kommen, hat der Gesetzgeber neue Instrumente geschaffen, die im § lOe EStG geregelt sind. Daneben gewährt er das sogenannte Baukindergeld. Es handelt sich vor allem um die folgenden Vergünstigungen: - In den ersten vier Jahren dürfen 6% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Sonderausgaben von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden (§ lOe Abs. 1). Berücksichtigt werden jedoch nur Aufwendungen bis zu 330000 D M , wobei die Ausgaben für das Grundstück zur Hälfte angerechnet werden. D a s Sonderausgabenabzug beträgt daher maximal 19800 D M im Jahr. - In den folgenden vier Jahren vermindert er sich auf 5%, das heißt 16500 D M im Jahr. - Zusätzlich dürfen Familien acht Jahre lang jährlich 1000 D M je Kind als Baukindergeld von der Steuerschuld abziehen (§ 34f. EStG).

422

IV. Angebot und Nachfrage

- Diese Förderungsmaßnahmen können nur von Einkommensbeziehern mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen unter 120000 D M bei Ledigen und 240000 D M bei Verheirateten in Anspruch genommen werden (§ 10c Abs. 5a). - Die Erwerber von neu geschaffenem selbstgenutztem Wohnraum dürfen in den ersten drei Jahren unabhängig von der Höhe ihres Einkommens (zusätzlich) Schuldzinsen bis maximal 12000 D M pro Jahr als Sonderausgaben abziehen (§ lOe Abs. 6a).

Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um endgültige Subventionen im Umfang der steuerlichen Entlastungen. Nachholwirkungen wie bei Abschreibungsvergünstigungen sind damit nicht verbunden. Da die Förderungsmaßnahmen nach § lOe so gestaltet sind, daß ein Abzug in Form von Sonderausgaben von der steuerlichen Bemessungsgrundlage erfolgt, ergeben sich Entlastungseffekte, die aufgrund der Steuerprogression von den individuellen Grenzsteuersätzen abhängen. Das Baukindergeld wird zwar von der Steuerschuld abgezogen. Reicht diese jedoch nicht aus, so werden die negativen Beträge nicht ausgezahlt. Infolgedessen haben diejenigen, die aufgrund der steuerlichen Freibeträge und nach Abzug der (erhöhten) Sonderausgaben nach § lOe keine Steuern mehr zu zahlen haben, auch keine Vorteile durch das Baukindergeld. Die eintretenden Entlastungen hängen also von der Familiengröße, der Einkommenshöhe und den individuellen Grenzsteuersätzen ab. Es ergeben sich ganz unterschiedliche Entlastungsverläufe: Addiert man beispielsweise die Entlastungsbeträge (Zeitwerte) für Zwei-Kinder-Familien für einen Zeitraum von zehn Jahren - unter der Voraussetzung, daß die Höchstbeträge für die Aufwendungen von 330000 DM in Ansatz gebracht werden können und daß es sich um neu geschaffenen Wohnraum handelt - ergibt sich, daß in den unteren Einkommensschichten überhaupt keine Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können, die Steuervorteile dann aber mit steigendem Einkommen bis auf 106500 DM zuSchaubild 1 Kumulierte Entlastungseffekte durch § lOe F.StG und Baukindergeld für den Gesamtzeitraum von 10 Jahren für eine Familie mit 2 Kindern (Zeitwerte).

iahreslohneinkommen in TDM

423

17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung

nehmen (Schaubild 1). Ab einem steuerpflichtigen Einkommen über 240000 D M gehen dann die Entlastungswirkungen wegen der Einkommensgrenzen abrupt auf 19080 DM zurück, die aufgrund des erlaubten Abzugs von Schuldzinsen verbleiben. Bei Familien mit einer anderen Familienstruktur sind die Entlastungsverläufe in der Tendenz ähnlich. Vergleicht man jedoch die Entlastungswirkungen für Familien mit unterschiedlicher Kinderzahl miteinander (Schaubild 2), so ergibt sich ein paradoxes Ergebnis: In den Einkommensschichten, zu denen der überwiegende Teil der Familien gehört, erhalten die Familien mit mehr Kindern wesentlich geringere Steuervorteile als die Familien mit weniger Kindern. In den unteren Einkommensschichten sind Familien mit mehreren Kindern sogar von den Vergünstigungen völlig ausgeschlossen. In diesen Berechnungen ist das Baukindergeld bereits berücksichtigt. Betrachtet man es allein, scheint es auf den ersten Blick nicht die Nachteile des Sonderausgabenabzugs zu haben, da es nicht von den Grenzsteuersätzen abhängt; es kann von der Steuerschuld abgezogen werden. Da dies, wie gesagt, jedoch nur für diejenigen Familien gilt, die noch in entsprechendem Umfang Einkommensteuern zu zahlen haben, ergibt sich der widersprüchliche Effekt, daß insbesondere kinderreiche Familien nicht mehr in den Genuß des Baukindergeldes kommen. U m das Baukindergeld voll ausschöpfen zu können, benötigt beispielsweise eine EinKind-Familie ein Jahreslohneinkommen von 56000 DM, eine Fünf-Kinder-Familie dagegen von 92000 DM (vgl. Tabelle 1). In bestimmten Einkommensbereichen bedeutet die Geburt eines zusätzlichen Kindes sogar, daß das Baukindergeld für die anderen Kinder teilweise entfällt.

Schaubild 2 Kumulierte Entlastungseffekte durch § lOe ESTG und Baukindergeld für den Gesamtzeitraum von 10 Jahren für Familien ohne Kinder, mit 2 und 4 Kindern (Zeitwerte).

0

20

40

60

Jahreslohiteinkonmien in TDM

80

100

424

IV. Angebot und Nachfrage

Tabelle 1 Entlastungseffekte durch das Baukindergeld in Abhängigkeit vom Jahreslohneinkommen und von der Familiengröße.

Jahreseinkommen 48000 50000 52000 54000 56000 58000 60000 62000 64000 66000 68000 70000 72000 74000 76000 78000 80000 82000 84000 86000 88000 90000 92000

1

2

0 269 630 991 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000

0 0 0 211 572 933 1316 1705 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000

Anzahl der Kinder 3 0 0 0 0 0 153 533 913 1296 1684 2079 2480 2887 3 000 3000 3 000 3 000 3000 3000 3000 3000 3000 3000

4

5

0 0 0 0 0 0 0 133 513 893 1276 1664 2058 2459 2865 3278 3697 4000 4000 4000 4000 4000 4000

0 0 0 0 0 0 0 0 0 114 494 874 1256 1644 2038 2438 2844 3256 3 675 4099 4530 4966 5000

3. bis 8. Förderjahr. Gleichverteilung der Sonderausgabenabzüge nach § 10e EStG über den gesamten Förderzeitraum. Diese einseitigen und familienpolitisch verfehlten Verteilungswirkungen werden auch nicht dadurch ausgeglichen, daß nach der neuerdings geltenden Konsumgutlösung die Mietwerte der selbstgenutzten Wohnungen nicht mehr zum steuerpflichtigen Einkommen gehören. Im Gegenteil: von dieser Regelung werden die Neuerwerber von Wohneigentum benachteiligt, wenn sie sich, was im allgemeinen der Fall ist, verschulden müssen. Die Konsumgutlösung begünstigt lediglich die Altbesitzer. Deren Vorteile sind umso höher, je geringer ihre Restverschuldung, je aufwendiger ihr Wohneigentum und je höher ihre Grenzsteuersätze sind. Für drei verschiedene Objektwerte und unter der Voraussetzung einer unterstellten relativ geringen Kapitalverzinsung von 4,5% wird dies in Schaubild 3 gezeigt. Neben den steuerlichen Maßnahmen zur Förderung selbstgenutzten Wohneigentums muß allerdings noch der soziale Wohnungsbau berücksichtigt werden: Ein geringer Teil der dafür aufgewandten Mittel wird für die Eigentumsförderung im selbstgenutzten Wohnungsbau eingesetzt. Ein Erwerb von Wohneigentum aus dem Bestand wird jedoch so gut wie nicht begünstigt, obwohl gerade Familien aus den unteren Einkommensschichten darauf angewiesen sind. Die hohe Subventionierung im sozialen Wohnungsbau - insbesondere im Mietwohnungsbau - läuft auf eine starke Fehlsubventionierung hinaus, da nur auf die soziale Situation der Bauherren bzw. Mieter im Zeitpunkt des Baus des Wohnobjektes abgestellt wird. Die Gestaltung der Förderungsinstrumente im sozialen Wohnungsbau ist in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden. Die eingesetzten Instrumente sind

425

17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung

Schaubild 3 Jährlicher Steuervorteil der Konsumgutlösung (Splittingtarif ohne Kinderfreibeträge) bei unterschiedlicher Höhe des schuldenfreien Wohneigentums (unterstellte Kapitalverzinsung 4,5 vH). 25.000

T

20.000

Objektwert

300.000

Objektwerl

500.000

-23850

• Objektwert

1.000.000

15.000 - -



11.925

o 10.000 -•7.155 5.000 - -

I I I II I I I I H I I II I I I I I I I I I I I I I I I 0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

Zu versteuerndes Jahreseinkommen

kaum aufeinander abgestimmt. Ein Rechtsanspruch auf Förderung besteht nicht. Da die Mittel zudem quantitativ begrenzt sind, kommen längst nicht alle Antragsteller zum Zuge. Außerdem fehlt nahezu jegliche Verzahnung mit den steuerlichen Instrumenten, die im Prinzip zusätzlich in Anspruch genommen werden können. Zusammenfassend läßt sich daher aufgrund der familienpolitischen Ziele die derzeitige Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums folgendermaßen beurteilen: - Die Vergünstigungen des § lOe EStG laufen durch die Abhängigkeit der Entlastungseffekte von den individuellen Grenzsteuersätzen darauf hinaus, daß vor allem die Beziehter höherer Einkommen begünstigt werden. Ein großer Teil der Familien in den unteren Einkommensschichten ist von ihnen ausgeschlossen oder erhält nur relativ wenig. Bei gleichem Einkommen sinken die Entlastungen mit steigender Kinderzahl. - Das Baukindergeld ist nur scheinbar für alle Kinder gleich. In den Einkommensschichten, zu denen der größte Teil der Familien gehört, können Familien das Baukindergeld umso weniger in Anspruch nehmen, je mehr Kinder sie haben. - Die Wohneigentumsförderung im sozialen Wohnungsbau stellt keinen Ausgleich dar. Sie erstreckt sich nicht auf den Erwerb von Wohneigentum aus dem Bestand. Die Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus sind zudem nicht mit den steuerlichen Vergünstigungen abgestimmt. - Die Konsumgutlösung wirkt sich im Vergleich zur Investitionsgutlösung negativ für die Neuerwerber von Wohneigentum aus.

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IV. Angebot und Nachfrage

- Die derzeitigen Maßnahmen zur Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums sind daher nicht familienorientiert. Sie laufen auf eine weitgehende Zielverfehlung hinaus. Eine auf die Familie gerichtete Wohnungspolitik darf nicht darin bestehen, daß sie vornehmlich Familien mit einem überdurchschnittlichen Einkommen zugute kommt. - Das Instrumentarium der Wohneigentumsförderung stellt mithin einen massiven Verstoß gegen die Subventionsgerechtigkeit und den Gleichheitsgrundsatz dar. Es ist eine totale Verkennung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wenn daraus eine Abhängigkeit der Entlastungseffekte von der Einkommenshöhe für die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus abgeleitet wird.

3.0 Vorschlag für eine familienorientierte Gestaltung der Wohneigentumsförderung 3.1 Aufgaben einer Reform des Förderinstrumentariums Die weitgehende Verfehlung der Ziele einer familienorientierten Wohneigentumspolitik fordert zu Überlegungen heraus, wie das Förderungsinstrumentarium besser gestaltet werden könnte. Dabei ist darauf zu achten, daß es in der derzeitigen finanzwirtschaftlichen Situation dem Staat nicht möglich ist, das Subventionsvolumen insgesamt auszuweiten. Vielmehr geht es darum, mit dem gleichen oder sogar geringeren Einsatz öffentlicher Mittel die angestrebten Ziele besser zu erreichen. Die Beurteilung ist im wesentlichen davon abhängig, welche Ziele in den Vordergrund gestellt werden: - Die Hauptaufgabe einer familienorientierten Wohneigentumsförderung wird im folgenden darin gesehen, den Familien mit Kindern bereits in relativ jungen Jahren zu selbstgenutztem Wohneigentum zu verhelfen. - Eine Abstufung der Förderung nach der Kinderzahl und auch eine relativ stärkere Förderung von Neubauten gegenüber dem Erwerb von Wohneigentum aus dem Bestand sind als zieladäquat anzusehen. - Verstöße gegen die Subventionsgerechtigkeit sind zu vermeiden. Eine prozentual höhere Begünstigung der Familien in den unteren Einkommensschichten läßt sich aus sozialpolitischen Gründen rechtfertigen. Akzeptiert man diese Ziele, so kann die Aufgabe der Subventionsgestaltung mit Hilfe von Schaubild 4 dargestellt werden. Ausgehend von den in Schaubild 1 aufgezeigten Subventionswirkungen von § lOe EStG und Baukindergeld - in Abhängigkeit von der Einkommenshöhe - bringt die gestrichelte Linie zum Ausdruck, daß bei gleicher Objektsumme gleich hohe Entlastungsbeträge unabhängig von der Einkommenshöhe gewährt werden. Die später zu diskutierenden steuerlichen Finanzierungshilfen sind daraufhin konstruiert. Möchte man aus sozial- und familienpolitischen Gründen die Familien mit niedrigem Einkommen stärker fördern, wie dies die punktierte Linie zum Ausdruck bringen soll, bedarf es einer einkommensbezogenen Subventionierung in diesen Einkommensbereichen. Die Annuitätshilfen das zweite vorgeschlagene Instrument, sind darauf ausgerichtet.

17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung

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Schaubild 4 Schematische Entlastungswirkungen nach § lOe EStG, bei Finanzierungshilfen und bei Annuitätshilfen.

Zu verteuerndes Jahreseinkommen in TDM

In der Literatur und der wohnungspolitischen Diskussion gibt es eine Reihe von Vorschlägen, die in unterschiedlichem Maße den genannten Kriterien entsprechen. Sie wollen punktuell oder auch konzeptionell das heutige Instrumentarium verbessern, ohne dieses aber meist grundsätzlich in Frage zu stellen. Einige dieser Vorschläge vermeiden zumindest die Verstöße gegen die Subventionsgerechtigkeit. Das im folgenden zu diskutierende Modell zur Förderung selbstgenutzten Wohneigentums läuft auf den kombinierten Einsatz von zwei Maßnahmen hinaus, die Finanzierungshilfen und Annuitätshilfen genannt werden. Es unterscheidet sich von den Vorschlägen in der Literatur vor allem in drei Punkten: - Die Maßnahmen sind im Hinblick auf die Annahme gestaltet, daß die Nominaleinkommen auch in Zukunft weiter steigen. - Um höhere Anfangsentlastungen bei gleichen fiskalischem Aufwand gewähren zu können, werden die staatlichen Förderungsmaßnahmen nicht als verlorene Zuschüsse, sondern als zinslose Darlehen gewährt. - Bei den Annuitätshilfen wird ferner eine konsequente Subjektorientierung über die Zeit hin vorgenommen, so daß im Gegensatz zum sozialen Wohnungsbau Fehlsubventionierungen unterbleiben. Die Zunahme des Nominaleinkommens bedeutet, daß der Schuldendienst für die aufgenommenen Kredite, der im allgemeinen bis zur endgültigen Schuldentilgung weitgehend konstant bleibt, im Verhältnis zum Einkommen an Bedeutung verliert. So führt ein nomineller Einkommensanstieg von beispielsweise 5% jährlich zu einer Verdoppelung des Einkommens in knapp 15 Jahren. Der Schuldendienst halbiert sich also im Verhältnis zum Einkommen in dieser Zeit. Schema-

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IV. Angebot und Nachfrage

Schaubild 5 Einkommensentwicklung und Schuldendienst bei einer jährlichen nominellen Wachstumsrate des Einkommens von 5 vH.

tisch läßt sich dies anhand der Schaubilder 5 und 6 zeigen. Schaubild 5 bringt den Einkommensanstieg bei konstantem Schuldendienst zum Ausdruck (die Höhe des Schuldendienstes wird dabei mit 50% des Anfangseinkommens angenommen). Schaubild 6 erläutert denselben Sachverhalt, nur daß hier der Schuldendienst als Anteil am Einkommen wiedergegeben wird. Bei gegebenem jährlichen Schuldendienst ist der Rückgang der Schuldendienstquote lediglich von der Wachstumsrate des Einkommens abhängig, die allerdings bei den einzelnen Einkommensbeziehern unterschiedlich ausfällt. Da im allgemeinen zumindest von einem laufenden Anstieg der Nominaleinkommen ausgegangen werden kann, erscheint es angebracht, die wohnungspolitischen Förderungsmaßnahmen degressiv zu gestalten, das heißt die Familien in den ersten Jahren stärker als in den folgenden zu entlasten. Der Umfang der Entlastungen und die Länge des Förderungszeitraumes ist davon abhängig, welchen fiskalischen Aufwand der Staat zu übernehmen bereit ist. Bei gleicher fiskalischer Belastung des Staates kann nun die Anfangsentlastung sehr viel höher ausfallen, wenn keine verlorenen Zuschüsse gegeben werden, sondern lediglich ein zinsloser Kredit. Je nach den Bedingungen im einzelnen kann die Anfangsentlastung dann das Doppelte bis Dreifache betragen. Allerdings muß der Erwerber von Wohneigentum später die erhaltenen zinslosen Kredite tilgen, doch tut er dies aus dem gestiegenen Einkommen. Die Rückzahlung ist entsprechend progressiv zu gestalten. Schematisiert ist der Vorgang in Schaubild 7 dargestellt. Die beiden im folgenden vorgeschlagenen Instrumente sind nach diesem Grundgedanken konstruiert. Schaubild 6 Relative Einkommensbelastung bei gleichbleibendem Schuldendienst und ei' ner jährlichen nominellen Wachstumsrate des Einkommens von 5 vH.

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17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung

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Schaubild 7 Schematische Einkommensbelastung durch Schuldendienst bei Gewährung

Jahre

3.2 Steuerliche Finanzierungshilfen Aufbauend auf den genannten Kriterien wird vorgeschlagen, degressiv gestaltete rückzahlungspflichtige Hilfen des Staates als zentrales Instrument der Wohnungspolitik einzusetzen. Sie werden als steuerliche Finanzierungshilfen bezeichnet. Sie können sowohl zur Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums als auch zur Unterstützung des Mietwohnungsbaus eingesetzt werden. Auf letzteres wird in diesem Zusammenhang jedoch nicht eingegangen. Die Vorteile der Finanzierungshilfen im Verhältnis zum derzeitigen Instrumentarium bestehen darin, daß bezogen auf die begünstigungsfähige Objektsumme prozentual gleiche Subventionen gewährt werden. Die Subventionsgerechtigkeit ist folglich gewahrt. Durch eine degressive Gestaltung können die Finanzierungshilfen in etwa an den durchschnittlichen Anstieg der Nominaleinkommen angepaßt werden. Durch ihre Ausgestaltung als zinslose Darlehen bringen sie eine weit höhere Entlastung der Anfangsjahre als bisher, ohne daß die Erwerber von Wohneigentum in den Jahren der Rückzahlung unzumutbar belastet werden, da ihr Einkommen - von Ausnahmefällen abgesehen - zumindest nominell steigt. Der fiskalische Aufwand des Staates erhöht sich nicht; im Gegenteil, er kann durch den Abbau der derzeitigen überzogenen Subventionen für die höheren Einkommensschichten sogar verringert werden. Die Finanzierungshilfen können unterschiedlich gestaltet werden - je nachdem, von welcher Anfangsentlastung man ausgeht und wie stark die Degression angesetzt wird. Hieraus ergibt sich die Länge der Periode der Gewährung der Finanzierungshilfen und zugleich auch die Länge der Rückzahlungsperiode. Zieladä-

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IV. Angebot und Nachfrage

quat ist es, den Degressionsgrad in etwa mit dem erwarteten durchschnittlichen nominellen Einkommensanstieg abzustimmen. Der folgende Vorschlag versucht, diese Kriterien zu berücksichtigen. Er ist als Denkanstoß gedacht. Dem Vorschlag liegt ein 4,5%iger jährlicher Anstieg des Nominaleinkommens zugrunde. Außerdem sollte ein rekurrenter Anschluß an die derzeitigen Regelungen gewahrt werden: - Erwerber neu erstellten selbstgenutzten Wohneigentums erhalten eine Finanzierungshilfe als rückzahlungspflichtigen zinslosen Kredit. Diese beträgt im ersten Jahr 2,5% der Objektsumme, wobei maximal 400000 DM berücksichtigt werden. Die Grundstückskosten können darin ganz oder zum Teil (wie bisher) eingeschlossen werden. Im ersten Jahr macht dann die Finanzierungshilfe (bei maximaler Objektsumme) 10000 DM aus. Sie vermindert sich in den folgenden Jahren jeweils um 1250 D M und läuft mit dem achten Jahr aus. Bis zu diesem Jahr beträgt die Summe der erhaltenen Finanzierungshilfen 45000 DM. Das neunte Jahr bleibt frei. A b dem zehnten Jahr ist dann die Finanzierungshilfe beginnend mit 1250 DM und jährlich um diesen Betrag steigend zurückzuzahlen. Die Tilgung endet mit dem 17. Jahr. Die Finanzierungshilfen werden in der Weise gewährt, daß sie von der Steuerschuld abgezogen werden - bei Auszahlung negativer Beträge. In der Tilgungsperiode erhöht sich die Steuerschuld entsprechend. Wie auch bei den meisten anderen wohnungspolitischen Maßnahmen erfolgt die Abwicklung im Rahmen der Besteuerung. - Beim Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums aus dem Wohnungsbestand wird die Finanzierungshilfe niedriger angesetzt, um den Neubau von Wohnungen stärker zu fördern. Sie kann beispielsweise auf 2% der Objektsumme für das erste Jahr festgelegt werden - mit einer entsprechend degressiven Staffelung in den Folgejahren. Bei der maximalen Objektsumme von 400000 DM beträgt die Finanzierungshilfe dann im ersten Jahr 8000 DM. - Während diese Regelungen generell gelten, sollten die Familien mit Kindern dadurch zusätzlich gefördert werden, daß sie, wie bisher, acht Jahre lang ein Baukindergeld erhalten. Dieses wird von der Steuerschuld abgezogen. Ergibt sich eine negative Steuerschuld, sind die entsprechenden Beträge auszuzahlen. Soll die fiskalische Gesamtbelastung durch das Baukindergeld nicht steigen, so muß der Betrag je Kind gegenüber heute etwas gesenkt werden, beispielsweise auf 800 DM jährlich. Ohne das Baukindergeld laufen die Finanzierungshilfen darauf hinaus, daß die einzelnen Erwerber bei neu erstelltem Wohneigentum und bei einem Zinssatz von 8% Zinsvorteile in Höhe von 40800 DM neben dem Baukindergeld erhalten. Dies entspricht in etwa den Zeitwerten der Vergünstigungen nach § lOe EStG (ohne Baukindergeld) bei einem zu versteuernden Einkommen von rund 51000 DM. Gemessen an den Barwerten kommt auf den Staat sogar nur eine gut halb so hohe Belastung zu. Durch die Tilgungsverpflichtungen ergibt sich für den Staat, daß sich nach einer Einführungsperiode von etwa 9 Jahren die neu gewährten Kredite (Finanzierungshilfen) und die Tilgungen in der Tendenz ausgleichen, so daß eine Art revolvierender Fonds entsteht. Selbstverständlich könnte der Staat die Förderungsmaßnahmen auch großzügiger gestalten. Im Vergleich zu den derzeitigen Regelungen besitzt der Vorschlag einige Vorteile: Alle Erwerber von Wohneigentum werden bei gleicher Objektsumme gleich behandelt. Die Subventionsgerechtigkeit ist gewahrt. Die Entlastungswirkungen sind in den unteren und mittleren Einkommensschichten, zu denen der größte

17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung

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Teil der Familien mit Kindern gehört, höher als derzeit, während sich die Erwerber in den oberen Einkommensschichten schlechter stellen. Der Staat wird fiskalisch entlastet. Dadurch stehen mehr Mittel zur Finanzierung des zweiten Instrumentes, den Annuitätshilfen, zur Verfügung.

3.3 Annuitätshilfen Die Finanzierungshilfen sind gedacht als Ersatz der Vergünstigungen nach § lOe EStG. Sie reichen jedoch nicht aus, um auch die Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus voll zu ersetzen. Die erwähnten Unzulänglichkeiten dieser Förderung legen es nahe, nach einer besseren Gestaltung zu suchen. Die subjektorientierten Annuitätshilfen sind ein solches zieladäquates Mittel. Den Ausgangspunkt bildet das Anliegen, möglichst vielen jungen Familien mit Kindern zu selbstgenutztem Wohneigentum zu verhelfen. Diese müssen allerdings willens sein, auch langfristig einen wesentlichen Teil ihres Einkommens zum Wohneigentumserwerb einzusetzen. Die meisten dieser Familien verfügen noch nicht über ausreichendes Eigenkapital, es sei denn, sie können auf Erbschaften oder die Hilfe von Eltern und Verwandten zurückgreifen. Sie müssen sich daher beim Erwerb von Wohneigentum hoch verschulden. Der Schuldendienst für Verzinsung und Tilgung ist anfänglich im Verhältnis zu ihrem Einkommen sehr hoch, selbst wenn man die vorgeschlagenen Finanzierungshilfen in Anspruch nehmen könnte. Außerdem haben viele Familien Angst, eine so starke Verschuldung einzugehen, da die zukünftige Entwicklung ihres individuellen Einkommens ungewiß ist: ihr beruflicher Lebensweg ist unsicher; Arbeitslosigkeit und Krankheit können zu Einkommensminderungen führen; Kinder können Anlaß sein, daß die Mütter weitgehend auf Erwerbsarbeit verzichten müssen. Diesen individuellen Unsicherheiten steht auf der anderen Seite die Erfahrung gegenüber, daß, wie dargelegt, aufgrund des Anstiegs der Nominaleinkommen die Belastungen durch den Schuldendienst fast immer relativ rasch zurückgehen. Dennoch muß die Zurückhaltung vieler Familien ernstgenommen werden. Möchte man ihnen helfen, Wohneigentum zu erwerben, so bedarf es daher eines Instrumentes, das über die Finanzierungshilfen hinausgeht und das als Annuitätshilfen bezeichnet werden soll. Die Annuitätshilfen sollten lediglich Familien mit Kindern angeboten werden und für diese an die Stelle der Finanzierungshilfen treten. Aufgrund ihrer Gestaltung bieten sie nur Familien aus den unteren und dem unteren Bereich der mittleren Einkommensschichten Vorteile gegenüber den Finanzierungshilfen. Im Gegensatz zu den Finanzierungshilfen wird bei den Annuitätshilfen nicht auf den allgemeinen Anstieg der Einkommen, sondern auf die individuelle Einkommensentwicklung der geförderten Familien abgestellt. Des weiteren wird vorausgesetzt, daß der Staat aus familienpolitischen Gründen bereit ist, für Familien mit Kindern in den betreffenden Einkommensschichten höhere Subventionsbeträge einzusetzen, um ihnen den Weg zu einem bescheidenen selbstgenutzten Wohneigentum zu ermöglichen. Die Aufgabe besteht dann darin, den Familien in den ersten Jahren nach dem Erwerb von Wohneigentum den Teil der Zins- und Tilgungsverpflichtungen (Annuität) abzunehmen, den sie nicht aus einer zumutbaren Belastung ihres Einkommens selbst tragen können. Schematisch ist dies durch die längsgestrichelte Fläche in Schaubild 8 dargestellt. Das Schaubild ist

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IV. Angebot und Nachfrage

Schaubild 8 Schematische Darstellung der Einsatzmöglichkeiten von Annuitätshilfen bei wachsendem Einkommen.

ähnlich a u f g e b a u t wie Schaubild 5; allerdings wird nicht auf d a s G e s a m t e i n k o m m e n , s o n d e r n auf d e n z u m u t b a r e n E i n k o m m e n s a n t e i l abgestellt, der v o n d e r Familie selbst f ü r Z i n s u n d Tilungsleistungen a u f g e b r a c h t w e r d e n k a n n . D e r individuelle B e d a r f a n A n n u i t ä t s h i l f e n geht mit s t e i g e n d e m ( N o m i n a l - ) E i n k o m m e n im Z e i t a b l a u f z u r ü c k . A b d e m Z e i t p u n k t T 1 ist die Familie in der Lage, bei gleicher p r o z e n t u a l e r Belastung ihres E i n k o m m e n s nicht nur den S c h u l d e n dienst aus d e r A n f a n g s v e r s c h u l d u n g selbst zu tragen, s o n d e r n auch die e r h a l t e n e n A n n u i t ä t s h i l f e n sukzessive zurückzuzahlen. D i e A n n u i t ä t s h i l f e n w e r d e n bis z u m Z e i t p u n k t T 1 - e v e n t u e l l auch d a r ü b e r hinaus - als zinsloses D a r l e h e n gew ä h r t . A b d e m Z e i t p u n k t T 2 ist der ursprüngliche Kredit getilgt; im Z e i t p u n k t T 3 auch d a s A n n u i t ä t s d a r l e h e n zurückgezahlt ( q u e r g e s t r i c h e l t e Fläche). Bis zu diesem Z e i t p u n k t ist die p r o z e n t u a l e B e l a s t u n g des F a m i l i e n e i n k o m m e n s - u n a b hängig von d e m u n t e r s c h i e d l i c h e n W a c h s t u m und den S c h w a n k u n g e n in den einzelnen Jahren - konstant. W a n n die einzelnen Familien die Z e i t p u n k t e T l , T 2 u n d T3 erreichen, ist von d e r E n t w i c k l u n g ihres individuellen E i n k o m m e n s , d e r H ö h e d e r A n f a n g s v e r s c h u l d u n g u n d d e n K r e d i t k o n d i t i o n e n abhängig. D u r c h die K o n s t r u k t i o n der A n nuitätshilfen ist es möglich, in vollem U m f a n g die individuellen Verhältnisse d e r e i n z e l n e n Familien zu berücksichtigen. Es ergibt sich eine konsequente Subjektorientierung. Im G e g e n s a t z z u m heutigen sozialen W o h n u n g s b a u entfallen jegliche Fehlsubventionen. D a s M o d e l l d e r A n n u i t ä t s h i l f e n enthält einige G e s t a l t u n g s p a r a m e t e r , die zielgerichtet, a b e r auch u n t e r Berücksichtigung d e r fiskalischen B e l a s t u n g e n des Staates v a r i i e r b a r sind. D a z u g e h ö r t zunächst die z u m u t b a r e E i g e n b e l a s t u n g d e r Familien als P r o z e n t s a t z ihres jeweiligen E i n k o m m e n s . Sie m ü s s e n diese B e l a s t u n g

17. Familienorientierte Wohneigentumsförderung

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für einen Zeitraum von meist zwei bis drei Jahrzehnten akzeptieren. Man könnte die Belastung beispielsweise auf 35% festlegen. Für Familien mit mehreren Kindern wäre ein Abschlag von ein bis zwei Prozentpunkten je Kind vorzunehmen, da mit zunehmender Kinderzahl die erforderlichen Ausgaben wachsen. Eine Alternative dazu, die nach Ansicht des Verfassers vorzuziehen wäre, bestände darin, auch in diesen Fällen Baukindergeld zu gewähren. Die Höhe des Schuldendienstes und damit der Annuitätshilfen wird vor allem durch die Anfangsverschuldung, ferner aber auch durch das Niveau der zu zahlenden Zinsen bestimmt. Infolgedessen ist es erforderlich, die Anfangsverschuldung, die die geförderten Familien eingehen dürfen, und damit auch den Schuldendienst nach oben zu begrenzen. Es ist nicht möglich, den Familien in den unteren Einkommensschichten den Erwerb aufwendiger Einfamilienhäuser zu finanzieren. Als Maßstab kann dienen, daß die Annuität am Anfang nicht höher sein sollte, als der doppelte Betrag der zumutbaren Einkommensbelastung, das heißt rund 70% des anfänglichen Jahreseinkommens. Tabelle 2 bringt zum Ausdruck, welche Anfangsverschuldung dann bei unterschiedlicher Höhe des Familieneinkommens in Betracht kommt. Zugleich enthält die Tabelle Angaben darüber, wie hoch die fiskalische Belastung des Staates - gemessen in Zeit und an Barwerten - ist. Bei gleicher Anfangsverschuldung ergeben sich in Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens und der Einkommensentwicklung starke Unterschiede im Bedarf an Annuitätshilfen und in der Länge der Tilgungsperiode. Beispielhaft wird dies für eine Anfangsverschuldung von 300000 DM und ein anfängliches Jahreseinkommen von 35 000 DM bzw. 45 000 DM in Schaubild 9 gezeigt. Dabei wird eine Einkommenswachstumsrate von 5% und ein Zinssatz von 8% unterstellt. Schaubild 9 Relative Einkommensbelastung bei einem Anfangseinkommen von 35 000 bzw. 45000 DM und einer Anfangsverschuldung von 300000 DM (Einkommenswachstumsrate 5 vH).

Jahre

IV. Angebot und Nachfrage

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