Kommunikationspsychologie in der Wirtschaftspraxis 9783486599237, 9783486577006

Da der größte Teil der Arbeitszeit mit Kommunikation verbracht wird, ist es besonders wichtig das eigene Bewusstsein für

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German Pages 246 [244] Year 2004

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Kommunikationspsychologie in der Wirtschaftspraxis
 9783486599237, 9783486577006

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Kommunikationspsychologie in der

Wirtschaftspraxis Von

Prof. Dr. Frank Görgen

R.Oldenbourg Verlag München Wien

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2005 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0

www.oldenbourg-verlag.de

Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-57700-X

Vorwort und Verkäufer verbringen den weitaus größten Anteil ihrer Arbeitszeit mit Kommunikation. Werbegestalter versuchen ihre Zielgruppe durch originelle Botschaften zu aktivieren, zu überzeugen und emotional abzuholen. Geschäftsreisende müssen sich in fremden Kulturen mit ihren Gesprächspartnern erfolgreich verständigen können.

Führungskräfte

Dieses Lehrbuch richtet sich vor allem an Studierende der Wirtschaftspsychologie, der Wirtschaftswissenschaften sowie an Praktiker, die Einblicke in grundlegende theoretische Modelle sowie zentrale Anwendungsfelder der Kommunikationspsychologie in der Wirtschaft erhalten möchten. Das Buch kann wegen der Komplexität der menschlichen Kommunikation keine Patentrezepte liefern, jedoch das Bewusstsein für kommunikationspsychologische Fragestellungen

erhöhen. Nur selten ist es sinnvoll, die Anwendung bestimmter Kommunikationstechniken oder -regeln zu empfehlen, da die Kommunikation stets in einen bestimmten situativen Kontext eingebunden ist. Gerade in der heutigen Zeit vielfach austauschbarer Produkte und Dienstleistungen versuchen die Akteure im Wirtschaftsleben verbal und nonverbal so „perfekt" wie möglich zu kommunizieren, um einen guten Eindruck bei Kollegen und Marktpartnern zu hinterlassen. Dabei stoßen die Wirtschaftspraktiker sehr schnell an psychische Grenzen. Wahrnehmungsverzerrungen, Emotionen, verfestigte Denkschemen und Einstellungen steuern zumindest unbewusst einen großen Teil der Kommunikation. Allerdings wäre eine rein rationale Kommunikation unabhängig von ihrer praktischen Realisierungschance sicher nicht erstrebenswert, da dies bedeuten würde, auf viele angenehme psychische Begleiterscheinungen der Kommunikation verzichten zu müssen. So wären die zwischenmenschliche Zusammenarbeit ohne Freude, Freundlichkeit, Lächeln, Vertrauen und Zufriedenheit wohl kaum ertragbar und große Erfolge im Geschäftsleben sehr unwahrscheinlich. Mit der Entwicklung und Verbreitung neuer Medien wie Internet, Intranet, E-Mail und Mobilfunk, die zweifelsohne einen enormen und begrüßenswerten Beitrag zur Rationalisierung von Kommunikationsprozessen leisten, gerät die Frage nach der Emotionalität der Kommunikation auf den ersten Blick in den Hintergrund. Bei näherer Betrachtung erscheinen viele der althergebrachten Kommunikationsmodelle jedoch auch im „New Age" nicht weniger relevant und die praktischen Kommunikationsprobleme nicht weniger groß zu sein. Meist beherrschen wir die technische Bedienung dieser modernen Errungenschaften sehr viel schneller als uns ihre speziellen kommunikationspsychologischen Probleme bewusst sind. Zu Recht diskutieren heute Wissenschaftler und Kommunikationstrainer, inwiefern die neuen Medien das Erleben und Verhalten in der zwischenmenschlichen Kommunikation verändern und welche Handlungsempfehlungen im „Soft-Skills"-Bereich die technischen Bedienungsanleitungen ergänzen sollten. -

-

VI

Bei der Entstehung dieses Buches lieferten viele Studierende an der Fachhochschule Wiesbaden durch ihre aktive Beteiligung und Präsentationen während meiner Vorlesungen sowie durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten wertvolle Anregungen. Mein besonderer Dank gilt meinen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, Frau Susanne Kubny und Frau Sonja Miklar, die mich bei der sehr zeitintensiven und interdisziplinären Literaturrecherche sowie beim Redigieren des Rohentwurfs unterstützt haben. Zu danken habe ich auch Herrn Rudolf Görgen und Frau Stefanie Rahmede, die das Lektorat des Buches übernommen haben. Einen wesentlichen Beitrag zur Anschaulichkeit des Buches lieferten einige Unternehmen und Werbeagenturen, die den Abdruck von Werbeanzeigen genehmigten bzw. Bildvorlagen zur Verfügung stellten. Herrn Thomas Weigert vom Oldenbourg Verlag habe ich für die tes und die freundliche Kooperation zu danken.

Förderung des Buchprojek-

Gewidmet sei dieses Buch meiner Frau Heike Gänsbauer-Görgen, die mit mir über die Inhalte vieler Kapitel diskutierte und auf Unternehmungen an etlichen Wochenenden verständnisvoll verzichtete.

Wiesbaden und Heidesheim

Frank Görgen

am

Rhein

Inhalt Grundlagen der Kommunikationspsychologie

1

Theoretische

1.1

Gegenstand, Prozess und Ziele der Kommunikation.1 Relevanz der Kommunikationspsychologie in der Wirtschaftspraxis.6

1.2

1

1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4

Verbale Kommunikation.7 Sprechen als Verständigungssystem.7

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6

Nonverbale Kommunikation.18 Rolle des zweiten Verständigungssystems.18

1.5

Vokale Kommunikation.24

1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3

Wahrnehmungstheoretische Ansätze.26 Vorgang und Funktionsweise der Wahrnehmung.26 Aufmerksamkeitssteuerung durch Kommunikation.29 Unterschwellige Wahrnehmung und Unterschiedsschwelle.30

1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3

Emotionstheoretische Ansätze.31

1.8 1.8.1 1.8.2

1.9 1.9.1 1.9.2 1.9.3

Syntax.12 Semantik.13

Pragmatik.15 Blickverhalten.19 Mimik.20 Gestik.21

Objektkommunikation.22 Distanzverhalten und räumliche Lokalisation.22

Erklärungsversuche zur Entstehung von Emotionen.31

Klassifikation von Emotionen.34 Verbaler und nonverbaler Emotionsausdruck.39 Lerntheoretische Ansätze.41 Klassische Konditionierung.41

Operante Konditionierung.45 Einstellungstheoretische Ansätze.47 Historischer Abriss der Einstellungsforschung.47 Wege der Einstellungsänderung: Das Elaboration-Likelihood-Modell.49 Einstellungsbildung durch die verbale, nonverbale und vokale Kommunikation.53

Inhalt

VIII 1.10 1.10.1 1.10.2

Persönlichkeitsorientierte Ansätze.54

1.11 1.11.1 1.11.2 1.11.3

Kommunikationsstörungen.67 Kognitive Dissonanz.67 Reaktanz- und Bumerangeffekte.69 Stereotypisierung und Vorurteilsbildung.71

2

Werbepsychologie

2.1

Umfeld der medialen Kommunikation.73

2.2

Aktivierungstechniken.76 Emotionale Appelle.79 Gestaltung eines Erlebnisprofils.79 Techniken der emotionalen Konditionierung.82 Testimonialwerbung.84 Furchtinduzierende Werbung.86 Schockwerbung.88

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5

3 3.1

Transaktionsanalyse.54 Neurolinguistische Programmierung.62

73

Humor.88 Rationale Appelle.91 Ein- versus zweiseitige Argumentation.91

Vergleichende Werbung.92 Pragmatische Empfehlungen für die Werbepraxis.95 97 Verkaufspsychologie Umfeld des persönlichen Verkaufs.97

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3

Gesprächseröffnung.103 Gespräch über das Angebot.106 Präsentation und Argumentation.106 Geschäftsverhandlungen.108 Behandlung von Kundeneinwänden.112

3.4

Geschäftsabschlüsse.114

3.5 3.5.1 3.5.2

Besondere Verkaufssituationen.116 Kundenreklamation und -beschwerden.116

3.2

3.6

Kundenrückgewinnung.118 Pragmatische Empfehlungen für die Verkaufspraxis.120

4

Führungspsychologie

4.1

Umfeld der betriebsinternen Kommunikation.123

4.2 4.2.1

Individualführung.125 Problemlösungsgespräche und Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder.125

123

Inhalt 4.2.2 4.2.3

4.3 4.3.1 4.3.2

IX

Beurteilungsgespräche.132 Selbstdarstellung und Impression Management.137 Gruppenführung.144 Entstehung von Gruppen und Bindung von Gruppenmitgliedern.144 Macht und Mikropolitik.146

4.4 4.4.1 4.4.2

Besondere Kommunikationssituationen.150

4.5

Pragmatische Empfehlungen für die Führungspraxis.156

5

B\l=u"\rsenpsychologie

5.1

Umfeld der Kommunikation innerhalb der Financial

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5

Psychologische Merkmale der Akteure.164

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3

Gestaltung von Investor Relations.176 Aktienmarketing etablierter Gesellschaften.176 Hauptversammlungen.177 Ad-hoc-Publizität.177

5.4 5.4.1 5.4.2

Besondere Kommunikationssituationen.178

5.5

6 6.1 6.2

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.4

Unternehmensgründung.150

Fusionen und Übernahmen.152

159

Community.159

Private Anleger: Klein-, Großaktionäre und Insider.164 Institutionelle Anleger: Banken, Versicherungen und Investmentfonds.166 Multiplikatoren: Fondsmanager, Finanzanalysten und Finanzjournalisten.167 Stufen der Verarbeitung börsenrelevanter Informationen.169 Verhalten der Akteure in den einzelnen Marktphasen.172

Equity Story.178 Analystenkonferenzen.178 Pragmatische Empfehlungen für die Börsenpraxis.179 183 Psychologie in der interkulturellen Kommunikation Kulturverständnis und Kulturwirkungen.183 Kulturelle Programmierung der Akteure im Wirtschaftsleben.185

Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen.191 Ursachen für Probleme in der interkulturellen Begegnung.191

Anpassungsprobleme.194 Rückkehrprobleme.201 Interkulturelle Kommunikationskompetenz.202 Auswirkungen von Auslandsaufenthalten auf die kommunikative Kompetenz.204 Kulturübergreifende Werbekommunikation.206

Inhalt

X

7

Ausblick

7.1

Kommunikationspsychologie im Zeitalter des Kabel- und Satellitenfernsehens....209 Kommunikationspsychologie im Zeitalter von Internet und Mobilfunk.212

7.2

209

Literaturverzeichnis

221

Stichwortverzeichnis

235

1

Theoretische Grundlagen der

Kommunikationspsychologie 1.1

Gegenstand, Prozess und Ziele der Kommunikation

In der heutigen Gesellschaft, die durch vielfältige Formen neuer Kommunikationstechnologien wie Internet, E-Mail und Mobilfunk geprägt ist, fällt es schwer, das Kommunikationsphänomen begrifflich angemessen zu erfassen. Dennoch betonen Wissenschaftler ebenso wie Praktiker die nach wie vor hohe Bedeutung der persönlichen Kommunikation, der Körpersprache und des Emotionsausdrucks in der heutigen Zeit. Trotz aller technischer Errungenschaften mit praktisch permanenter Erreichbarkeit und trotz flacher Organisationshierarchien kommt es zu nicht weniger Missverständnissen beim Austausch von Informationen als in der

kommunikativen „Steinzeit". Bei der ganzen Dynamik der Entwicklung gerät die Herkunft des Kommunikationsbegriffs leicht in Vergessenheit. Etymologisch stammt er vom lateinischen Wort „communis", das soviel wie gemeinsam bedeutet. Auch heute hat die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Kommunikation" einen tiefen Sinn. Gemeinsamkeiten im Hinblick auf das Thema und die Person der Kommunizierenden sind gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kommunikation. Ähnliche Kenntnisse, Erfahrungen, Bewertungen, Erwartungen und Absichten führen häufig zu einem angenehmen Gesprächsklima. Die menschliche Kommunikation zielt allerdings gerade in der Wirtschaftspraxis nicht nur darauf ab, eine gemeinsame Gesprächsbasis aufzubauen und sich gut zu verständigen. Menschen sind auch Initiatoren gezielter Beeinflussungsversuche, die sich sogar gelegentlich außerhalb des Rahmens der rechtlichen Zulässigkeit bewegen können (Schulz 2000, S. 140). Das breite Forschungsspektrum der Kommunikation wurde bereits 1948 von dem amerikanischen Politikwissenschaftler und Experten für Probleme der Massenkommunikation Harold Dwight Lasswell prägnant mit einer Frage umrissen: „Wer sagt was über welches Medium zu wem mit welcher Absicht mit welcher Wirkung?" (Bierhoff/Herner 2002, S. 120). Kommunikation enthält nach dieser so genannten Lasswell-Formel eine ganze Reihe einzelner Forschungsfelder: Die Erforschung der an der Kommunikation Beteiligten, die Analyse der Botschaft, die Medienkunde sowie die Erforschung der Kommunikationswirkungen. Oft sind

1 Theoretische

2

Grundlagen der Kommunikationspsychologie

der Kommunikation Beteiligten weder die der Kommunikation bewusst.

den

an

Rahmenbedingungen

noch die

Wirkung

Die zahlreichen Theorien und Modelle mit kommunikationspsychologischer Relevanz lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Neben Psychologen der verschiedensten Schulen selbst befassten sich Anthropologen, Biologen, Mathematiker, Linguisten, Philosophen, Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler mit kommunikationspsychologischen Fragestellungen. Das Bild der Forschungsergebnisse ist dementsprechend bunt. Im Folgenden sollen einige dieser Modelle kurz angesprochen werden.

Obgleich Kommunikationsprozesse seit Beginn der Menschheitsgeschichte von großer Bedeutung sind, lieferte der Fortschritt in der technischen Entwicklung einen besonderen Anreiz für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der menschlichen Kommunikation. So zeigt beispielsweise das von dem Mathematiker und Ingenieur Claude E. Shannon und dem Telekommunikationsspezialisten Warren Weaver in den 40er Jahren entwickelte Modell eine starke technische Ausrichtung. Hiernach ist Kommunikation um so wahrscheinlicher, je besser es gelingt, die betreffenden Kommunikationswege durchlässig zu gestalten. Shannon und Weaver beschreiben den Kommunikationsvorgang in ihrem linearen Kommunikationsmodell analog zum Ablauf der Übermittlung eines Telefongesprächs. Am Anfang des Kommunikationsvorgangs wandelt der Sender seine beabsichtigte Mitteilung in eine Kombination von Zeichen (d.h. in Signale) um, die durch ein bestimmtes Medium übertragbar sind. Die durch das Medium übertragene Botschaft muss jedoch auch vom Empfänger verstanden

werden. Um effizient zu kommunizieren, muss der Sender alle Gedanken, Informationen und Absichten, die er dem Empfänger mitteilen will, in vernehmbare Zeichen übersetzen. Diese Übersetzungstätigkeit wird als Kodierung bezeichnet. Mit der Übermittlung der Zeichen erfolgt jedoch kein „Versand" der Bedeutungen, die der Sender mit den Zeichen verbindet. Der Empfänger kann mit den übermittelten Zeichen nur etwas anfangen, wenn er selbst diesen Zeichen eine Bedeutung entnehmen kann. Diese „Empfangsleistung" wird als Dekodierung bezeichnet. Während des Kommunikationsprozesses kann es allerdings zu Störungen kommen, die Techniker meist als „Rauschen" bezeichnen. „Rauschen" ist in diesem Zusammenhang jede Veränderung einer Mitteilung, die den Gehalt der Information verzerrt. Möglicherweise ist der Empfänger durch eine Ablenkung, zum Beispiel eine starke Lärmquelle, nicht in der Lage, die Botschaft störungsfrei zu erfassen und im Sinne der vom Sender beabsichtigten Wirkung zu verstehen. Zudem müssen Sender und Empfänger über identische Codes verfügen, damit Information ungestört fließen und verarbeitet werden kann (Schulz von Thun 2004, S. 61; Frindte 2001, S. 33; Schulz, 2000, S. 145). Shannon und Weaver waren für die amerikanische Telefongesellschaft Bell tätig. Ihr Hauptaugenmerk galt der Vermeidung bzw. Verminderung von Störeinflüssen in der technischen Übertragung der verbalen Kommunikation. Obgleich das Modell in der Vergangenheit gerne von Kommunikationswissenschaftlern und Linguisten zur Erläuterung von Kommunikationsprozessen herangezogen wurde, ist seine Übertragung auf kommunikationspsychologische Anwendungsbereiche kritisch zu beurteilen.

1.1

Gegenstand, Prozess und Ziele der Kommunikation

3

Informationsquelle

^

Botschaft

Sender

Signal Störungsquelle

Rauschen

empfangenes Signal Empfänger I

Botschaft

Adressat

Abb. 1.1 Lineares Kommunikalionsmodell;

Quelle: Schulz 2000, S.

145

Peter Winterhoff-Spurck, Professor für Organisations- und Medienpsychologie an der Universität des Saarlandes, spricht einige kommunikationspsychologische Probleme an, die in dem Modell von Shannon und Weaver keine angemessene Berücksichtigung finden. Zunächst ist im Grunde jede zwischenmenschliche Kommunikation in einen bestimmten Kontext eingebettet. Es existieren Meinungen und Assoziationen gegenüber dem Kommunikationspartner und der Situation. Der Verlauf eines Gespräches selbst wird wiederum zum festen Bestandteil eines Wissensfundus, auf den die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt zurückgreifen. Eine weitere Restriktion des Modells liegt in seiner Beschränkung auf die verbale Kommunikation. Häufig ist die nonverbale Kommunikation (z.B. der Gesichtsausdruck) sehr stark an der Kommunikationswirkung beteiligt. Ein dritter Einwand bezieht sich auf die stillschweigende Annahme des Modells, Sprecher und Hörer würden über einen identischen Zeichenvorrat verfügen. Selbst Kommunizierende, die im gleichen Kulturkreis leben, verbinden mit bestimmten Wörtern oder körpersprachlichen Signalen nicht immer die gleichen Gefühle und Gedanken. Es kann also auch bei einer technisch gesehen völlig störungsfrei übermittelten Nachricht in der menschlichen Kommunikation zu erheblichen Missverständnissen kommen. Der vierte Einwand bezieht sich auf die fehlende Berücksichti-

-

1 Theoretische

4

gung der gegenseitigen 1999, S. 9-11).

Grundlagen der Kommunikationspsychologie

Beeinflussungsabsicht beider Interaktionspartner (Winterhoff-Spurk

Große Beachtung vor dem Hintergrund einer zutreffenden Beschreibung der menschlichen Kommunikation fanden zwei der von dem österreichischen Wissenschaftler und Psychotherapeuten Paul Watzlawick postulierten Axiome der Kommunikation. Das erste Axiom „man kann nicht nicht kommunizieren" unterstreicht die generelle Bedeutung von Kommunikationsprozessen. Über die Körpersprache vermitteln selbst Schweigende Informationen, die von anderen Personen wahrgenommen und interpretiert werden können. Das zweite Axiom „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt" deutet auf die emotionale Qualität des Informationsaustauschs sowie eine bestimmte Vorgeschichte im Dialog zwischen dem Sender und dem Empfänger einer Nachricht hin (Watzlawick/Beavin/Jackson 1982, S. 50-70). Der

Hamburger Psychologieprofessor und Experte für zwischenmenschliche Kommunikationsbeziehungen Friedemann Schulz von Thun führt Watzlawicks Axiome in seinem sehr bekannten Kommunikationsmodell weiter (Schulz von Thun 2004, S. 13f, 26-30; Schulz von Thun/Ruppel/Stratmann 2003, S. 33-41). Jede Nachricht hat nach diesem Modell vier Seiten: Den reinen Sachinhalt, den Beziehungsaspekt zwischen Sender und Empfänger, die Selbstoffenbarung des Senders sowie einen Appell an den Empfänger, sich in bestimmter Weise

zu

verhalten.

Der Sachinhalt ist in der Regel eine direkt ausgesprochene Äußerung. Er ist explizit und sollte die Hauptrolle in der Wirtschaftskommunikation spielen. Sachlichkeit ist stets geboten, auch wenn sich die Beteiligten nicht besonders mögen. Gespräche auf der sachlichen Ebene lassen sich durch die Kriterien wahr unwahr, relevant nicht relevant sowie hinreichende nicht hinreichende Informationen charakterisieren. Der Gesprächspartner kann den Wahrheitsgehalt der Aussage bestätigen oder bezweifeln, die Wichtigkeit des Themas aus seiner Sicht bewerten oder eine kontroverse Diskussion über die Vollständigkeit der Argumente -

-

-

beginnen.

Die zwischenmenschliche Kommunikation enthält stets auch einen Beziehungsaspekt, der sprichwörtlich „zwischen den Zeilen" zum Beispiel in der Form eines bestimmten Gesichtsausdrucks oder Tonfalls versteckt sein kann. Gerade auf diese Seite der Nachricht reagieren Menschen in der Regel sehr empfindlich. Leicht kann sich der Gesprächspartner nicht ernst genommen oder sogar herabgesetzt fühlen. Ist die Kommunikationsbeziehung insgesamt angespannt oder unklar, können schon leichte Missdeutungen von Tonfall oder Mimik zu größeren Kommunikationsstörungen führen. Bei einer guten Vorgeschichte der Kommunikationsbeziehungen dagegen legen die Beteiligten nicht jedes Wort auf die Gold-

-

waage.

Mit jeder verbalen und nonverbalen Äußerung kommt es zu einer Selbstoffenbarung des Kommunizierenden. Jede Nachricht stellt eine kleine Kostprobe der Persönlichkeit des Senders dar. Das Konzept der Selbstoffenbarung bezieht sich sowohl auf die vom Sender bewusst eingesetzte Selbstdarstellung als auch auf die von ihm nicht beabsichtigte Selbstenthüllung. Bedingt durch die Erziehung entwickeln Menschen schon in der frühen Kindheit eine Selbstoffenbarungsangst. Kinder kommen unter Umständen zu dem Minder-

1.1

Gegenstand, Prozess und Ziele der Kommunikation

5

Wertigkeitsgefühl, so wie sie sind, nicht vorzeigbar zu sein. Folgerichtig versuchen sie, Techniken der Selbstaufwertung zu entwickeln und einzusetzen. Realistisch betrachtet ist wohl fast jedes Gespräch und jede sonstige Form der Kommunika-

tion, die von Menschen initiiert ist, nicht zuletzt mit einem Appell verbunden. Gerade in der Wirtschaftskommunikation ist der Versuch, auf andere Einfluss zu nehmen, offensichtlich. Der Empfänger einer Nachricht soll dazu bewegt werden, bestimmte Gedanken und Gefühle entwickeln. Führungskräfte sind darauf angewiesen, Mitarbeiter zu leiten und zu motivieren. Werber sprechen Emotionen und Argumente an, um Sympathie zu vermitteln, Images für Marken und Produkte aufzubauen und Präferenzen zu schaffen. zu

Sachinhalt

verbale

Signale

nonverbale

Signale

Beziehungsaspekt Abb. 1.2

Das

Kommunikationsquadrat nach Friedemann Schulz von Thun; Quelle: Schulz von

Thun 2004. S. 30

Jede Nachricht verlangt nicht nur vom Sprecher, sondern auch vom Zuhörer größere Anstrengungen. So könnte ein Zuhörer anstatt auf allen vier Ohren nur auf einem Ohr die Nachricht empfangen. Die freie Auswahl, bestimmte Ohren ein- bzw. auszuschalten (d.h. umgangssprachlich „nur mit halbem Ohr hinzuhören"), hat unter Umständen gravierende Auswirkungen auf den weiteren Kommunikationsverlauf. So reagieren Menschen, die eine Nachricht nur über das Beziehungsohr hören, häufig unangemessen empfindlich auf an sich beziehungsneutrale Nachrichten, indem sie einen Bezug zu ihrer Person in diese Nachricht interpretieren, d.h. die Nachricht „persönlich" nehmen. Der Sender versteht häufig nicht, warum sich entsprechende Empfänger angegriffen fühlen. Die Kommunikation mit diesen

auf „Beziehungslauer" liegenden Zeitgenossen kann extrem schwierig sein. Ein Lakann chen als Auslachen, ein Blick als Musterung und ein abgewandter Blick als Ablehnung wirken. Analog sind Zuhörer schlecht beraten, lediglich auf dem Selbstoffenbarungs- oder Appellohr Nachrichten zu empfangen. Im Grunde genommen ist die Begabung eines aktiven Zuhörers, aus der Selbstoffenbarung des Sprechers auf dessen psychische Verfassung schließen zu können, sehr wertvoll. Verkäufer könnten so tiefe Einblicke in die Persönlichkeit ihrer Kunden erlangen. Führungskräfte könnten so manche Fehlleistung ihrer Mitarbeiter

ständig

6

1 Theoretische

Grundlagen der Kommunikationspsychologie

besser verstehen. Jedoch ersparen sich Zuhörer, die eine Nachricht nur auf dem Selbstoffenbarungsohr empfangen, im Extremfall jegliche persönliche Betroffenheit. Sie bescheinigen Menschen, die anderer Meinung sind, gerne krankhafte Gedanken und Gefühle. Der Gesprächspartner fühlt sich dabei in letzter Konsequenz zu einem zu diagnostizierenden Objekt herabgewürdigt. Ebenso ist der ausschließliche Empfang auf dem Appellohr alles andere als nützlich für eine gute zwischenmenschliche Kommunikation. Menschen mit dieser Tendenz wollen es allen recht machen, indem sie permanent versuchen, ihren Mitmenschen jeden Wunsch von den Lippen abzulesen bzw. vorauseilenden Gehorsam zu zeigen. Die eigenen Bedürfnisse und Gefühle geraten dabei völlig in Vergessenheit (Schulz von Thun 2004, S.

47-60).

Auch wenn in einzelnen Kommunikationssituationen eine bestimmte Dimension der Nachricht (z.B. der Beziehungsaspekt) in den Vordergrund rücken kann, sind alle Dimensionen im Grunde genommen gleich wichtig. Folgerichtig können Störungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation nur durch eine Kommunikation über die Kommunikation, d.h. durch eine Metakommunikation, beseitigt werden. Diese sehr wichtige kommunikationspsychologische Erkenntnis ist in der Praxis nicht einfach umzusetzen. Menschen im Allgemeinen und Akteure in der Wirtschaftspraxis im Besonderen scheuen sich davor, explizit mit ihren Gesprächspartnern über die Art und Weise der Kommunikation selbst zu sprechen (Schulz von Thun 2004, S. 15f., 18).

1.2

Relevanz der Kommunikationspsychologie in der

Wirtschaftspraxis Innerhalb der psychologischen Disziplinen ist die Kommunikationspsychologie wenn sie nicht als eigene Disziplin aufgefasst wird vor allem mit der Sozialpsychologie verwandt. Die Kommunikationspsychologie als eigenständige Wissenschaft gehört zu den jüngsten Forschungsrichtungen der Psychologie. Kommunikationspsychologen beschäftigen sich nach Ansicht des Jenaer Professors für Kommunikationspsychologie Wolfgang Frindte damit, „zu untersuchen und zu erklären, wie sich Menschen in unterschiedlichen sozialen Systemen wechselseitig zur Konstruktion von Wirklichkeit anregen. Das kann der verbale und nonverbale Austausch in einer Zweierbeziehung, in Gruppen oder Organisationen sein, aber auch Prozesse und Folgen massenmedialer Anregungen oder interkultureller Beziehungen betreffen" (Frindte 2001, S. 22). -

-

Diese inhaltliche Beschreibung des Arbeitsfeldes der Kommunikationspsychologie ist für die in diesem Buch dargestellten Anwendungen der Kommunikationspsychologie in der Wirtschaftspraxis sehr treffend. Die Akteure im Wirtschaftsleben gestalten Kommunikationsprozesse häufig im Sinne einer Wirklichkeit, die unternehmerischen Zielen dienlich ist, den Wettbewerb fördert und zu einer Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstandes führt. Jedoch können die gleichen Akteure auch eine Wirklichkeit konstruieren, die mit erheblichen Problemen verbunden ist. So verursachen unlautere Verkaufs- und Werbepraktiken, Fälle von innerer Kündigung oder Mobbing an Arbeitsplätzen sehr hohe gesamtwirtschaftliche

1.3 Verbale Kommunikation

7

Kosten. Oft ließe sich das Ergebnis der Kommunikation mit geringem Aufwand verbessern (Fisher/Brown 1992, S. 105-111). Ein typisches Missverständnis beginnt schon mit dem alltäglichen Irrtum, besser nicht zu kommunizieren, weil dies scheinbar unnötig sei. Die Wahrscheinlichkeit, eine Mitteilung des Gesprächspartners doch anders zu verstehen als sie gemeint war, wird regelmäßig unterschätzt. Die eigene Fähigkeit, sich klar und unmissverständlich auszudrücken, wird dagegen überschätzt. Dies kann sich in Werbeauftritten und Verkaufsargumenten zeigen, die beim Kunden nicht oder anders als beabsichtigt ankommen. Häufig berücksichtigen Kommunizierende nicht angemessen die (psychologischen) Bedürfnisse ihrer Interaktionspartner. Es kommt zu Verständnisschwierigkeiten, weil sie die verbalen und nonverbalen Signale ihrer Gesprächspartner nicht beachten. Nicht alle kommunikationspsychologischen Phänomene sind jedoch von den Beteiligten leicht zu durchschauen. Noch schwieriger ist die Veränderung des eigenen Kommunikationsverhaltens. Reaktionsweisen, wie z.B. beleidigende verbale Entgleisungen im Arbeitsalltag, sind für Außenstehende ohne die Kenntnis der Wirklichkeit der Betroffenen nicht nachvollziehbar, da sie weit von einem rationalen Verhalten entfernt sind. Nicht nur einzelne Personen, sondern auch Arbeitsgruppen in Wirtschaftsorganisationen oder eine große Masse von Millionen Menschen in einer gesamten Volkswirtschaft können sich bei der gegenseitigen Anregung zur Konstruktion der Wirklichkeit in eine emotional-irrationale Richtung bewegen. Der hohe Einfluss der Kommunikation beispielsweise in Form von „Stimmungen" und „Herdenverhalten" auf das Erleben und Verhalten der Akteure an den Börsen belegt dies eindrucksvoll.

1.3

Verbale Kommunikation

1.3.1

Sprechen als Verständigungssystem

ist ein faszinierender Vorgang. Sowohl das Sprechen als auch das Verstehen verbaler Äußerungen ist dem Menschen nur zu einem geringen Teil bewusst. Sprechende benutzen Wörter und bewegen ihre Zunge und Lippen automatisch, ähnlich wie sie beim Aufrechtgehen alle hierfür erforderlichen psychischen Vorgänge routiniert ausführen. Bis heute ist es nicht gelungen, dieses komplexe kognitive und motorische System durch Automaten überzeugend zu simulieren (Dietrich 2002, S. 117).

Sprache

interdisziplinäre Betrachtung linguistischer und psychologischer Aspekte war lange Zeit wenig populär. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte die strukturalistische Linguistik, die Beiträge aus psychologischer Sicht zum Thema Sprache weitgehend ignorierte. Wie andere Formen des Lernens wurde der Spracherwerb mit Hilfe des behavioristischen Modells erklärt, d.h. als ein Wechselspiel von beobachtbaren Reizen und Reaktionen. Leonhard Bloomfield (1887-1949) und seine Schüler schlössen alle inneren Vorgänge des menschlichen Bewusstseins bei sprachwissenschaftlichen Betrachtungen aus. Eine Beschäftigung mit Wörtern wie Liebe oder Hass kam für die strukturalistische Linguistik nicht in Frage, da hierbei individuelle und nicht beobachtbare Besonderheiten hätten berücksichtigt Eine

1 Theoretische

8

Grundlagen der Kommunikationspsychologie

werden müssen (Linke/Nussbaumer/Portmann 2001, S. 327; Pelz 2001, S. 53f., 67, 181 f.). Einen wichtigen Einfluss auf die verstärkte Beachtung psycholinguistischer Fragestellungen hatten die Überlegungen des amerikanischen Professors am Massachusetts Institute of Technology Noam Chomsky. Nach seinem als Nativismus bezeichneten Ansatz erlernen Kinder eine Sprache auch ohne besondere Förderung durch ihre Eltern. Unterschiedliche Bedingungen des Spracherwerbs vermochten nicht, den recht einheitlichen Verlauf des Spracherwerbs bei Kindern zu beeinflussen (Vater 2002, S. 197-227).

endgültigen Durchbruch erlebte die Psycholinguistik mit der so genannten kognitiven Wende in der Sozialpsychologie in den 70er Jahren. Gemeinsamer Gegenstand der kognitiven Psychologie und der kognitiven Linguistik ist die menschliche Kognition, d.h. die Gesamtheit aller Aktivitäten des Menschen im Bereich des Wissens. Die Sprache zeichnet sich durch eine Vielzahl kognitiver Prozesse aus, die sich von der Sprachrepräsentation über den Spracherwerb und die Sprachproduktion bis hin zum Sprachverlust erstrecken. Das kognitive System der Sprache soll im Folgenden kurz und stark vereinfacht dargestellt werden. Den

Ausgangspunkt für die Benutzung der Sprache ist die Sprachrepräsentation. Das zur Sprachrepräsentation gehörende mentale Lexikon ist Teil des Langzeitgedächtnisses und speichert wenn es nicht durch eine Gehirnschädigung gestört ist den gesamten Wortschatz einer Sprache. Er umfasst für Englischsprechende 50.000 bis 250.000 Wörter. Die große Differenz ergibt sich aus der Problematik der Wortdefinition. So existieren viele Homonyme, die dem gleichen Wort eine andere Bedeutung zuweisen (z.B. in der deutschen Sprache das Wort „Bank" für Kreditinstitut oder Möbelstück). -

-

Theorien der Sprachproduktion befassen sich mit der Art und Weise wie Kommunizierende mentale Repräsentationen in schriftliche oder mündliche Sprachstrukturen übersetzen. Nach neueren Forschungserkenntnissen sind an der Sprachproduktion mehrere Komponenten in einem Informationsverarbeitungssystem beteiligt (siehe Abb. 1.3). Am Anfang der Sprachproduktion stehen zunächst präverbale Botschaften, die ein Sprecher auszudrücken beabsichtigt. Menschen können ihre Absichten und Vorstellungen offenbar nicht direkt in Form von Schallwellen umsetzen. Das Ergebnis der kommunikativen Planung muss in Formate überführt werden, die durch Vorgänge der Versprachlichung zu bearbeiten sind. Der Forschungsstand über dieses Konzeptualisieren ist nach Ansicht des Berliner Professors für Psycholinguistik Rainer Dietrich derzeit noch unbefriedigend (Dietrich 2002, S. 131).

sprachlichen Formulierungsvorgangs übersetzt der Kommunizierende die konzeptionelle Struktur, die sich als Ergebnis des Konzeptualisierens ergibt, in eine sprachliche Struktur. Dies geschieht durch Anwendung zweier Kodierungsverfahren. Bei dem ersten Verfahren, der grammatikalischen Kodierung, ruft der Sprachverwender Wissenseinheiten Während des

Lexikon ab und erzeugt grammatikalische Relationen. Zusätzlich erfolgt eine phonologische Kodierung, die als „inneres Sprechen" erlebt wird. Das innere Sprechen eilt der konkreten Artikulation voraus. Im Zuge einer Artikulation erfolgt dann die Umsetzung des phonetischen Plans durch die Muskulatur des Atmungssystems und der Organe in der Rachen- und Mundhöhle. Ein Sprachverständnissystem erlaubt dem Sprechenden seine Äußerungen wahrzunehmen und zu korrigieren (Vater 2002, S. 210-213).

vom

1.3 Verbale Kommunikation

9

Kommunikative Aufgabe

(1) Konzeptualisierung präverbale Botschaft

(2) Formulator (2a) syntaktische Kodierung I

Lexikon

I

(2b) phonologische Kodierung phonetischer Plan

(3) Artikulation

(5) Sprachverständnis Abb. 1.3 Modell der Sprachproduktion Vater 2002, S. 211

(stark vereinfacht); Quelle: in Anlehnung an Dietrich 2002, S.

124 und

Die Entwicklung der Sprache kann durch neuronale Schäden und Sprachentwicklungsprobleme auf komplexe Art und Weise gestört sein. Letztere äußern sich beispielsweise in einer anhaltenden Verwendung reduzierter Wortformen, großen Lücken in der lexikalischen Entwicklung und im grammatikalischen Wissen, Störungen in der Verwendung von Funktions-

1 Theoretische

10

Grundlagen der Kommunikationspsychologie

Wörtern, im Lesen sowie in der Rechtschreibung. Die Betroffenen zeigen deutlich weniger Gesprächsinitiative als Personen mit guter Sprachfähigkeit und reagieren häufig nervös, wenn sie angesprochen werden (Dietrich 2002, S. 241-243). Diese Phänomene sind auch für die Wirtschaftskommunikation von erheblicher Bedeutung. Verantwortliche in Werbung, Verkauf und Führung stehen noch mehr als bisher vor der Herausforderung, Informationen in

Zielgruppe verständlichen Form zu vermitteln. Obgleich die Leistungsfähigkeit im schriftlichen Ausdruck bei Erwachsenen als relativ stabil angesehen wird, sind die Hiobsbotschaften über den Stand bzw. Verfall des Sprachverständnisses alarmierend. Auch wenn sich die Quote der Analphabeten in den Ländern der ersten Welt auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt, bestehen selbst in „reichen" westlichen Ineiner für ihre

dustrienationen noch immer erhebliche Defizite im tieferen Verstehen von Texten. So verfügten nach der aufwändigen Studie des National Center For Education Statistics 1992, an der ca. 26.000 US-Amerikaner teilnahmen, schätzungsweise 21 % oder 40 Millionen Erwachsene lediglich über rudimentäre Kenntnisse des Lesens und Schreibens. Diese so genannte Level 1- Literacy beschränkt sich auf die Lokalisation identischer Wörter und wichtiger Sachverhalte innerhalb eines Zeitungsartikels. Jedoch wären Erwachsene mit diesem Niveau der Sprachkenntnis nicht in der Lage, einen Brief zu schreiben, um einen Fehler in ihrer Kreditkartenabrechnung zu erläutern. Mehr als ein Drittel dieser Gruppe verfügte über einen High-School-Abschluss. Etwa 25 % der erwachsenen US-Amerikaner konnten Informationen zur Berechnung der Gesamtkosten eines Kaufs korrekt aufschlüsseln (Level 2- Literacy). Es fiel ihnen aber schwer, verschiedene Fakten eines längeren Schriftstücks zu integrieren und zu einer Sinneinheit zusammenzufügen. Nach ihrer Selbsteinschätzung glaubten jedoch 70 % der Level 1- und 95 % der Level 2- Kandidaten über gute oder sehr gute Sprachkenntnisse zu verfügen. Über das höchste Niveau der sprachlichen Leistungsfähigkeit, d.h. die Entwicklung neuer Informationen und die Gewinnung von Einsichten durch Kombination textlicher Inhalte mit dem bestehenden Wissen, verfügten nur etwa 4 % der erwachsenen US-Amerikaner.

Sprachverständnis sind komplex. Die Antwort auf das geschilderte Problem besteht nicht einfach in der Forderung nach einer besseren Bildung. Kommunikationspsychologische Aspekte haben einen erheblichen Einfluss auf das Sprachverständnis. Sprachpsychologie findet nicht nur in schulischen Bildungseinrichtungen, sondern auch am Arbeitsplatz und zu Hause statt. In den meisten Fällen gehören das Lesen und Erstellen von Schriftstücken zum Alltag der arbeitenden Bevölkerung. Auch US-Amerikaner in traditionell einfachen Berufen berichteten beispielsweise über die Notwendigkeit, regelmäßig Memos und Reports lesen oder selbst schreiben zu müssen. In der Studie gehörten vor allem diejenigen Teilnehmer zu den Problemfällen, die weder an ihrem Arbeitsplatz noch zu Hause die Gelegenheit zum Lesen hatten bzw. diese nicht wahrnahmen. Während die Teilnehmer das grundlegende Sprachverständnis in schulischen Bildungseinrichtungen erworben haben, bedingte die Kommunikation mit Vorgesetzten und Kollegen am Arbeitsplatz oft die Notwendigkeit, Praktiken zur Erstellung und Aufbereitung von Dokumenten zu verbessern. Die junge und die ältere Bevölkerung profitierte noch nicht bzw. nicht mehr so sehr von den gruppendynamischen „Zwängen" in dieser „lernenden Gesellschaft". Das Sprachverständnis der jüngeren und der älteren US-Amerikaner war daher tendenziell geringer als das ihrer 30 50-jährigen Mitbürger (National Center OfEducation Statistics 2003). Untersuchungen

-

zum

11

1.3 Verbale Kommunikation Tab. 1.1

Sprachverständnis der US-amerikanischen Bevölkerung in Abhängigkeit von soziodemographischen

Merkmalen; Quelle: National Center of Education Statistics 2003, S. 77; die Daten beziehen sich auf eine Veröffentlichung der 1992 durchgeführten Studie „National Adult Literacy Survey" des U.S. Department of Education & National Center for Education Statistics

Sozio-demo-

Be-

graphische

fragte

Merkmale

Bildung High School College Arbeit Vollzeit Teilzeit Arbeitslos Rentner Alter 16-18 J. 19-24 J. 25-39 J. 40-54 J. 55-64 J. >65 J.

Einwohner in Mio.

Sprachverständnis in % (maximal 500 Punkte) Level 1

Level 2

Level 3

Level 4

Level 5

.

Führungsebene

Würstchen", die sich unter Druck

gesetzt fühlen und Karriereängste haben Abb. 4.3

Kommunikationspsychologischer Teufelskreis im mittleren Management; Quelle: Schulz von Thun/Ruppel/Stratmann 2003, S. 22

Das Phänomen des Schweigens ist auch bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterer Hierarchieebenen zu beobachten. Schlechte Nachrichten werden offenbar generell gegenüber den hierarchisch höhergestellten Organisationsmitgliedern nicht gerne überbracht. In letzter Konsequenz wird der Anteil schlechter Nachrichten auf dem Weg der Informationen

4.2

Individualführung

131

geringer. Eine solche gefährliche Filterwirkung findet häufig in der geringen Empfänglichkeit und Ansprechbarkeit der Führungskräfte auf Bedenken und Vorschläge hierarchisch untergeordneter Organisationsmitglieder ihren Nährboden. Frances J.

nach „oben" zunehmend

Milliken, Elizabeth W. Morrison und Patricia F. Hewlin, Experten für Management und Organisationsverhalten an der Stern School of Business, arbeiteten in einer empirischen Studie einige weitere Gründe für das Schweigen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heraus. Zunächst ist bemerkenswert, dass 85 % der Befragten mit der völlig offenen Kommunikation erhebliche Probleme hatten. Etwa ein Viertel der Befragten gab an, im Allgemeinen keinesfalls mit dem jeweiligen Vorgesetzten über Probleme oder Streitfragen sprechen zu können. Ein weiteres Viertel war hierzu nur bei bestimmten Gesprächspartnern bereit. 30 % der Interviewten fürchteten vor allem, bei einem offenen Gespräch mit ihren Vorgesetzten über innerbetriebliche Probleme als Pessimisten, „Schwarzseher" oder als nicht teamfähig" abgestempelt zu werden. Ähnlich problematisch war die Angst, Beziehungen zu gefährden und künftig nicht mehr die notwendige kollegiale Unterstützung zur Erledigung der eigenen Arbeit zu erhalten. Spürbar schlug zudem ein Resignationseffekt zu Buche. Etwa ein Viertel der Befragten glaubte, dass die kritischen Anmerkungen im Verhältnis zur wahrscheinlichen Wirkung ein zu hohes Risiko mit sich bringen würden. Nicht zuletzt befürchteten einige Befragte, bestraft zu werden und durch ihre Äußerungen andere Organisationsmitglieder zu beleidigen (Milliken/Morrison/Ffewlin 2003, S. 1453-1463). Wenn sich alle der obersten Führungsebene hierarchisch nachgeordneten Organisationsmitglieder bei der Ansprache innerbetrieblicher Probleme zurückhalten, kann sich daraus eine Stimmung von gegenseitigem Misstrauen entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit der Fehlerkorrektur sinkt und die falscher Entscheidungen erhöht sich. Natürlich ist das Phänomen des Schweigens als innerbetriebliche Kommunikationsstörung zu sehen, die mit modernen Managementkonzepten wie die Lernende Organisation oder gar professionelles Wissensmanagement nicht vereinbar ist. Francis J. Milliken et al. erwähnen in diesem Zusammenhang das schillernde Beispiel des inzwischen insolventen US-Konzerns Enron. Aus Augenzeugenberichten und Aufzeichnungen ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Versorgungsgiganten geht hervor, dass es etliche Bedenken hinsichtlich der Geschäftspraktiken gab, die wegen einer perfiden Kultur der Einschüchterung nicht offen geäußert wurden. Auch die Situation der „Shaky Finances" war sehr vielen Organisationsmitgliedern bekannt. Allerdings wurde über die Situation nicht offen gesprochen. Daher wirkte sich die Schweigespirale auf das Betriebsklima aus wie leises Gift. Häufig erleben die Organisationsmitglieder in einer solchen Situation (Dis-)Stress, Zynismus und Unzufriedenheit mit ihrer Arbeit. Nur in wenigen Ausnahmefällen kommt es zu Offenbarungen, wie der spektakuläre Fall von Cynthia Cooper illustrierte. Die Mitarbeiterin der internen Aufsicht der Telekommunikationsfirma WorldCom entlarvte die seinerzeit größte Bilanzfälschung in Höhe von 3,8 Mrd. USDollar. Sie ließ sich nicht von der Empfehlung ihrer mächtigen Vorgesetzen zum Schweigen über den Vorfall anstiften und prüfte die Bücher der Gesellschaft sehr gewissenhaft (Milliken/Morrison/Hewlin 2003, S. 1473; Ripley 2002). Diese Beispiele zeigen, dass Führungskräfte der höheren Ebene die kritischen Anmerkungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst nehmen sollten. Kritischen Organisationsmitgliedern ein negatives Denken zu bescheinigen oder sie gar als Schwarzseher abzustempeln kann

4

132

fatale Auswirkungen haben. Vielmehr sollten Kritik ermutigen.

Führungspsychologie

Führungskräfte sie zu Courage und konstrukti-

ver

Die Diskussion über betriebsinterne Gespräche konzentriert sich häufig nur auf die „ernsten" Gespräche. Allerdings können auch die oberflächlich gesehen wenig ernsthaften Konversationen wie das Erzählen von Witzen sehr ernsthafte Botschaften kommunizieren. In Anbetracht des beschriebenen Umfeldes der Arbeitswelt, die durch hohe Arbeitslosigkeit und Ressourcenknappheit geprägt ist, erscheint eine solche Praxis auf den ersten Blick nicht angemessen. Ebenso wie im Alltagsleben versprechen sich Unternehmen durch Humor in der innerbetrieblichen Kommunikation jedoch Revitalisierungspotenziale einer durch Reorganisationsmaßnahmen geschwächten Gruppenkohäsion (siehe hierzu Kap. 4.3.1). Humor im Arbeitsleben ist im Vergleich zu seiner Verwendung im privaten Alltagsleben von ambivalenter Bedeutung. Er wirkt sich häufig günstig auf die Arbeitsproduktivität aus und stärkt das Gefühl der Mitarbeiter, zu etwas Wichtigem zu gehören. Künstlicher Humor von Managern wirkt nicht weniger unglaubwürdig als in der Werbung. Im Organisationsleben ist die Verwendung von Witzen anders als in der Alltagskommunikation in einen hierarchischen Zusammenhang eingebettet. Statushöhere Organisationsmitglieder verwenden Witze mitunter, um ihre Position und die Machtverhältnisse zum Ausdruck zu bringen. Verbreitet sind auch Witze, die einzelne Gruppen von Organisationsmitgliedern herabsetzen (z.B. Frauen, Auszubildende und neue Mitarbeiter). Witze können zudem einen autoritären Sachinhalt der Botschaft maskieren. Statusniedrigere Organisationsmitglieder tendieren dazu, sich in Anwesenheit statushöherer Kolleginnen und Kollegen mit dem Erzählen von Witzen zurückzuhalten oder lediglich „harmlose" Varianten zu verwenden. Die Verwendung von Humor ist aus organisationspsychologischer Perspektive ein zweischneidiges Schwert. Humor kann als kreatives Instrument die innerbetriebliche Kommunikation in einem sehr positiven Sinne fördern und das Arbeitsklima verbessern, jedoch ebenso Konflikte und Gefühle von Unwohlsein hervorrufen (Collinson 2002, S. 270-274, 278, 283). -

-

-

-

Insgesamt betrachtet findet die betriebsinterne Kommunikation stets in einem bestimmten Klima statt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in einem Betriebsklima wirken können, das Initiative zulässt und psychologische Sicherheit bietet, sind häufig innovativer und flexibler als solche, die in einem anderen Klima arbeiten (Baehr/Frese 2003, S. 47-63). Die

beschriebenen kontraproduktiven Auswirkungen des Schweigens zu innerbetrieblichen Problemen sowie schlechte Beurteilungspraktiken oder unpassender Humor sind häufig „hausgemacht".

4.2.2

Beurteilungsgespräche

Von besonderer Bedeutung für die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sind Beurteilungen. Grundsätzlich sind drei verschiedene Wege möglich: Zunächst können Vorgesetzte ihre disziplinarisch untergeordneten Mitarbeiter beurteilen. Denkbar ist neben diesem klassischen Beurteilungsansatz auch die umgekehrte Beurteilungsrichtung, d.h. die Beurteilung des Vorgesetzten durch die ihm unterstellten Mitarbeiter. Sie wird auch als so genannte Aufwärtsbeurteilung bezeichnet. Nicht zuletzt existiert die in Deutschland kaum verwendete Beurteilung durch hierarchisch Gleichgestellte (Scholz 1994, S. 636).

4.2

Individualführung

133

Im Rahmen aller Beurteilungen sind einige kommunikationspsychologische Besonderheiten zu beachten. Wegen ihrer dominierenden Rolle in den Unternehmen soll im Folgenden vor allem die Beurteilung der Mitarbeiter durch Vorgesetzte (d.h. die Abwärtsbeurteilung) angesprochen werden. Etliche Mitarbeiter klagen in der Praxis über negative Erfahrungen, da Beurteilungsgespräche zum Beispiel verharmlost wurden, schlechter verliefen als erwartet oder keine Handlungen nach sich zogen. Nicht zuletzt erleben die beurteilten Mitarbeiter den Umstand unangenehm, dass die erörterten Leistungs- und Verhaltensdefizite alleine ihnen angelastet werden. Der unangenehme psychologische Zustand gewinnt auch deshalb an Brisanz, weil Beurteilungsbögen in Personalakten abgelegt werden und der in vielen Fällen begründete Verdacht entsteht, dem äußeren Bild einer Beurteilung würde eine stärkere Bedeutung beigemessen als dem realen Entwicklungsverlauf. Ängste, eine wenig vorteilhafte Beurteilung zu erhalten, blockieren die Bereitschaft der Betroffenen für ein offenes Feedbackgespräch. Beurteilungen können sogar die Energie von Mitarbeitern in eine falsche Richtung lenken. Anstatt eigenverantwortlich und selbstbewusst die übertragenen Aufgaben zu erledigen, konzentrieren sich die Aktivitäten stark auf die Vermittlung eines „guten Eindrucks". Allerdings bietet nicht das „gespielte" Verhalten, sondern das offene Gespräch die beste Voraussetzung dafür, Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen (Wildenmann 1996, S.

12f). Auch aus Sicht der Führungskräfte sind Beurteilungen in mancher Hinsicht unangenehm. Gerade sehr gewissenhafte und erfahrene Fühlungskräfte beschleicht das beängstigende Gefühl, aufgrund typischer und teilweise pathologisch bedingter Fehler in der Personenwahrnehmung zu einer nicht zutreffenden Beurteilung zu gelangen. Zu solchen Fehlern gehören vor allem (Kinzel 2002, S. 57-67; Flügge 1994, S. 263-267; Zimbardo 1992, S. 412; Kets de Vries/Miller 1986, S. 266-279): •

Vorurteilsbildung. Vorgesetzte ordnen beurteilungsrelevante Informationen häufig in subjektive Bezugssysteme ein. Sie kommen dann im Ergebnis zu generalisierten positiven oder negativen Aussagen über ihre Mitarbeiter. So werden hierarchisch höhere Mitarbeiter tendenziell besser beurteilt als ihre Kollegen in einfachen Positionen. Mitarbeiter, die seit längerer Zeit die gleiche Tätigkeit wahrnehmen, laufen Gefahr, in ihren Leistungen und ihrem Verhalten unterbewertet zu werden (Klebereffekt), während Mitarbeitern, die ohnehin auffallend schnell aufgestiegen sind, „automatisch" relativ positive Bewertungen erfahren (Überfliegereffekt). Weit verbreitet sind alters-, geschlechtsund nationalitätsbedingte Stereotype. Jüngeren Mitarbeitern werden Eigenschaften wie Leistungsfähigkeit und geistige Beweglichkeit einerseits sowie Ungeduld, Aktionismus und Unerfahrenheit andererseits zugeschrieben. Älteren Mitarbeitern attestieren Beurteiler dagegen Erfahrung, Zuverlässigkeit und Sorgfalt, aber auch Rückständigkeit, Unbeweglichkeit und geringe Belastbarkeit.

bestimmte



Eindrucksbildung. Verzerrungen von Beurteilungen können durch dominierende Einzeleindrücke während des Beurteilungszeitraums entstehen. Wie clevere Verkäufer und Werber verwenden Beurteilte den ersten und letzten Eindruck vor dem Beurteilungsgespräch taktisch. Manche Mitarbeiter spekulieren auch auf den so genannten Halo-Effekt, d.h. ein hervorstehendes positives Merkmal wie „Glänzen" durch Expertenwissen auf einem Sachgebiet, um etwaige Leistungs- und Verhaltensdefizite in anderen Bereichen zu

134

4

Führungspsychologie

überstrahlen. Das sehr breite Spektrum der von Organisationsmitgliedern zur Eindrucksbildung eingesetzten Taktiken wird in Kap. 4.2.3 ausführlich dargestellt. •

Abwehrmechanismen. In der Praxis beobachten Psychoanalytiker bei ihren Klienten gelegentlich Abwehrformen, die dem Schutz vor inneren Konflikten dienen sollen. Einige Vorgesetzte nutzen dabei relativ „reife" Abwehrmechanismen. Sie zeigen Humor oder bringen konflikthafte Belastungen zum Vorteil für sich selbst und andere zum Ausdruck. Problematischer sind die typischen Erscheinungen einer neurotischen Abwehr. So könnte ein Vorgesetzter die Missbilligung eigener Unzulänglichkeiten auf seine Untergebenen übertragen (Projektion). Andere Vorgesetzte „reagieren sich ab" (so genanntes „ausagieren"), indem sie verbal und nonverbal sehr impulsiv wirken.



Wahnvorstellungen (Fantasies).

Aus psychoanalytischer Sicht können Störungen im kommunikativen Bereich auf frühkindlichen Erlebnissen beruhen. Der niederländische Wirtschaftswissenschaftler, Psychologe und Führungsexperte Manfred F.R. Kets de Vries stellte fünf neurotische Verhaltensweisen bei US-amerikanischen Topmanagern fest. Einem Teil dieser Manager diagnostizierte er einen so genannten Verfolgungswahn, der auf einem unangemessen hohen Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern beruht und sich in einer starken Übererregung und Überempfindlichkeit zeigt. Andere Manager waren vom Hilflosigkeitswahn betroffen und neigten dazu, sich ihren Gesprächspartner vorbehaltlos oberflächlich betrachtet anzupassen. Die von einem Großartigkeitswahn betroffenen sehr charmant wirkenden Manager versuchten permanent, ihre Mitarbeiter zu beeindrucken, indem sie ihre eigene Leistungsfähigkeit besonders herausstellten. Jedoch schenkten sie den Leistungen anderer keine Aufmerksamkeit. Manager, die extrem genau, pedantisch und perfektionistisch auftraten, verhielten sich zwanghaft neurotisch im Sinne eines Kontrollwahns. Sie zeigten eine panische Angst vor Fehlern und kommunizierten weder Spontaneität noch Spaß bei der Arbeit. Nicht zuletzt waren Manager in der Praxis anzutreffen, die unter einem Abkopplungswahn litten, und persönliche Kontakte zu vermeiden suchten. Obgleich diese Klassifizierungen recht pauschal wirken, dürften sie in der Praxis des Managements einige Persönlichkeiten zum Nachdenken anregen. Bei der Identifizierung von Wahnvorstellungen kann z.B. die geschilderte Transaktionsanalyse Anwendung finden. Häufig gehen solche Wahnvorstellungen auf extreme Varianten der im Rahmen des Kap. 1.10.1 beschriebenen „Antreiber" zurück. -

-

Obgleich

die Kritik an Beurteilungen teilweise sehr scharf ausfällt (z.B. Beurteilungen als Instrument zur Absicherung bestehender Machtstrukturen), sind sie eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz und die Entwicklung des Personals (Bisani 1995, S. 382). Mögliche Fehlerquellen einer Beurteilung sind vielfach falsche oder fehlende Beurteilungsgrundsätze. Gute Führungskräfte sind sich der kommunikationspsychologischen Wirkungen und Probleme von Beurteilungsgesprächen bewusst. Sie achten auf folgende Grundsätze (Gebert/Rosenstiel 2002, S. 169-171; Neuberger 2001, S. 200-224; Bisani 1995, S. 382; Flügge 1994, S. 255-259; Säbel 1993, S. 113-116):

4.2

Individualführung



Gegenseitiges



135

Verständnis und positiver Kontakt. Beurteilende sollten den Fokus nicht so sehr auf die Bewertung, sondern auf das Verstehen des Verhaltens richten. Bei der Analyse des Kommunikationsverhaltens kann wiederum die Transaktionsanalyse wertvolle Dienste leisten: Vorgesetzte, die im fürsorglichen Eltern-Ich kommunizieren, sind um ihre Mitarbeiter menschlich besorgt. Sie hören deren Ausführungen geduldig zu, fuhren verständnisvolle Gespräche und verteidigen ihre Kollegen. Dagegen zeichnen sich Mitarbeitergespräche von Führungskräften, die aus dem kritischen Eltern-Ich kommunizieren, häufig durch einen Befehlston aus. Sie tadeln ihre Mitarbeiter und vermitteln deutlich ihre überlegene Rolle als Vorgesetzte. Idealerweise kommunizieren Vorgesetzte aus dem Erwachsenen-Ich in sehr sachlicher und ruhiger Art. Vorgesetzte sollten hin und wieder auch Spaß an der Arbeit vermitteln und einen positiven Beitrag zur Zusammenarbeit in ihrem Unternehmen leisten. Sie sollten sich selbst ebenso wie ihren Mitarbeitern gelegentlich die freie Äußerung von Kind-Wünschen und -gefühlen zugestehen. Die so häufig empfohlene Vorbild-Funktion von Vorgesetzten sollte mit spontaner Begeisterung vereinbar sein.

Anleitung zur Selbstbeurteilung. Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeiter zur Selbstbeurteilung anleiten, um die Verständigung zu verbessern. Allerdings ist eine Aufforderung zur Selbstkritik dann schwierig, wenn die Leistungs- bzw. Verhaltensbeurteilung sehr klar ist, wenig Diskussionsbedarf auslöst und der betroffene Mitarbeiter sich nicht so gewandt ausdrücken kann. Wie gute Verkäufer sollten gute Fühlungskräfte ihre Gesprächspartner zu

der

Äußerungen

Vorgesetzte

anregen und selbst die Zuhörerrolle übernehmen. Hierdurch verbessert seinen Informationsstand und die Wahrscheinlichkeit, am Ende zu einem

objektiven Urteil zu kommen. •

Ausdrücklichkeit, Differenziertheit und Angemessenheit. Etliche Vorgesetzte halten

Äußerung von

Lob und Anerkennung zurück. Weit verbreitet ist die Tenim Falle schlechter Leistungen und bei Verhaltensproblemen ausdrücklich anzusprechen. Hinter diesem Kommunikationsstil steckt die Annahme, Lob würde sich ungünstig auf die Selbstzufriedenheit der Mitarbeiter auswirken und deren Ansprüche zu sehr steigern. Jedoch verspielen Vorgesetzte auf diese Weise eine große Chance, die Orientierung und Lernerfolge ihrer Mitarbeiter zu verbessern. Lob und Anerkennung sollte sich auf alle relevanten und eindeutigen Leistungs- und Verhaltensmerkmale konzentrieren. Vorgesetzte, die sich mit der ganz individuellen Leistung beschäftigen, nicht zu geizig und auch nicht überschwänglich bewerten, verbessern die Orientierung und den Lernerfolg ihrer Mitarbeiter. Keinesfalls sollten Vorgesetzte durch ein „schematisches" Vorgehen den Eindruck erwecken, Lob und Anerkennung nur als bloße Methode für die Entstehung einer guten Stimmung einzusetzen. sich bei der

denz, Mitarbeiter



nur

Offenlegung von Beurteilungsinhalten und -methoden. In Einzelfällen werden Führungskräfte auch mit dem Problem konfrontiert, Abweichungen von der Selbstbeurteilung eines Mitarbeiters und ihrer eigenen zu begründen. Vorgesetzte sind auf eine solche Situation häufig nicht angemessen vorbereitet. Beurteilungsgespräche verkümmern so unter Umständen zu einem Ritual. Über die Ergebnisse der Beurteilung sollten Vorgesetze offen mit dem Mitarbeiter sprechen, da eine Geheimhaltung der Beurteilungsergebnisse ein

4

136

Gefühl der •

Führungspsychologie

Unsicherheit verstärken könnte. Mitarbeiter sollten zudem über die Methode Urteilsbildung im Bilde sein, um eine realistische Erwartungsbildung zu fördern. von

Vier-Augen-Prinzip. Anders als bei vielen Kommunikationssituationen ist öffentlich geäußerte Anerkennung und Kritik im Mitarbeitergespräch sehr riskant. Möglicherweise sehen Kollegen des betroffenen Mitarbeiters dessen Lob durch den Vorgesetzten als eine Kritik am eigenen Verhalten. Neid und Intrigen könnten im ungünstigen Fall die Folgen sein. Öffentliches Lob findet daher nicht unbedingt die Zustimmung des Mitarbeiters. Öffentliche Kritik kann zu einer starken Verhärtung von Fronten führen, bei der eine Partei in der Regel das Gesicht verlieren muss.

Kerngedanke

der Aufwärtsbeurteilung, d.h. der Beurteilung des Vorgesetzten durch die ihm unterstellten Mitarbeiter, ist der Vergleich des Selbstbildes mit dem Fremdbild, also die Einschätzung der Führungsqualität des Vorgesetzten durch den Mitarbeiter. In der Praxis fällt das Selbstbild des Vorgesetzten meist besser aus als die Beurteilung durch die Mitarbeiter. Bei Aufwärtsbeurteilungen ist eine Reihe von situativen Faktoren zu beachten. So können Aufwärtsbeurteilungen nur dann unverfälscht sein, wenn sie nicht zur Auswahl des Vorgesetzten Verwendung finden und die Ergebnisse der Beurteilung nicht in die Hände anderer Kollegen fallen. In solchen Fällen würden Mitarbeiter Vorgesetzte, die sie aus welchen Motiven auch immer für besonders sympathisch halten, übertrieben positiv bzw. umgekehrt übertrieben negativ beurteilen. Um wechselseitige Fehleinschätzungen zu vermeiden, müssten die Vorgesetzten die Beurteilungsergebnisse mit den Mitarbeitern besprechen. Allerdings ist es schwierig, in einer wenig anonymen Situation ehrliche Antworten der Mitarbeiter zu erhalten. Vorgesetzte, die jedoch mit ihrer Beurteilung alleine gelassen werden, könnten deren Ergebnisse verdrängen, frustriert oder hilflos reagieren (Scholz 1994, S. -

-

631, 635).

die Aufwärtsbeurteilung für eine Verbesserung der Vorgesetzten-MitarbeiterKommunikation von Nutzen ist, sieht die Kommunikationspraxis auch heute noch deutlich anders aus. Eine Hauptursache hierfür liegt in der unterschiedlichen psychologischen Qualität der beiden Kommunikationsformen begründet. Die Aufwärtskommunikation ist nicht einfach die Umkehrung der Abwärtskommunikation. Ein wichtiger Unterschied ergibt sich aus dem Status der kommunizierenden Parteien. Aufwärtskommunikation findet wesentlich weniger als Abwärtskommunikation statt. So bemühten sich in einer Studie etwa 70 % der Fließbandmitarbeiter weniger als einmal im Monat mit ihrem Vorgesetzten zu kommunizieren. Auch Vorgesetzte waren zurückhaltend, wenn es um die Kommunikation mit ihren eigenen Vorgesetzten ging. Nur 15 % ihrer Kommunikation insgesamt war an Vorgesetzte gerichtet. Wenn die aufwärtsgerichtete Kommunikation stattfand, verlief sie sehr viel kürzer als Konversationen mit hierarchisch gleichgestellten Kollegen. Noch kritischer ist der Inhalt der aufwärtsgerichteten Kommunikation. Häufig wurden von hierarchisch untergeordneten Mitarbeitern eigene Verdienste unangemessen hervorgehoben und Fehlleistungen heruntergespielt (Greenberg/Baron 2000, S. 306). In vielen Betrieben müssten zunächst günstige unternehmenskulturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Vorgesetzten wie Mitarbeitern muss die Problematik der zweifelhaften „taktischen Kommunikation" bewusst sein.

Obgleich

4.2

137

Individualführung

4.2.3

Selbstdarstellung und Impression Management

gehört das Bemühen um einen vorteilhaften Eindruck heute noch Alltag als in früheren Jahren. Nach dem Ansatz des Impression Management neigen Organisationsmitglieder dazu, Eindrücke, die sie anderen Organisationsmitgliedern vermitteln, zu kontrollieren und zu steuern, um selbst in einem besseren Licht zu erscheinen. Häufig tun sie dies unbewusst (Mummendey/Bolten 1985, S. 57-59). Das Spektrum der Kommunikationsstile, deren sich Organisationsmitglieder bedienen, um vor allem Vorgesetzten gegenüber den gewünschten Eindruck zu hinterlassen, ist bei genauerer Betrachtung äußerst breit. Die US-amerikanischen Wissenschaftler für Psychologie bzw. Business Ethics Paul Rosenfeld, Robert A. Giacalone und Catherine A. Riordan erläutern dezidiert zahlreiche dieser Kommunikationstaktiken (siehe Tab. 4.1). Grundsätzlich sind zwei Arten von Techniken zu unterscheiden: akquisitorische und protektionistische Impression-Management-Techniken. Während die Verwender des akquisitorischen Impression Management aktiv einen vorteilhaften Eindruck beim Interaktionspartner zu erzeugen versuchen, sind die protektionistischen Varianten defensive Taktiken, mit denen der vermeintlichen Entstehung eines nicht erwünschten Eindrucks vorgebeugt werden soll (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 29).

Wie bereits geschildert stärker zum beruflichen

Tab. 4.1

Verbreitete Techniken des

feld/Giacalone/Riordan 2002. S.

Impression Management in Betrieben; Quelle: in Anlehnung an Rosen-

28-108

akquisitorisches Impression Management

protektionistisches Impression Management

sich beliebt machen/schmeicheln

Heilungen Entschuldigungen Rechtfertigungen

hilfsbedürftig erscheinen Werbung in eigener Sache sich

beispielhaft,moralisch,integer darstellen Absicherungen offenes Geständnis

Einschüchterung

wichtigsten akquisitorischen Impression-Management-Taktiken gehört das Bemühen, innerhalb einer Organisation Beliebtheit (Ingratiation) zu erlangen. Lange Zeit wurde die Bedeutung entsprechender Kommunikationsstile deutlich unterschätzt. Als der ursprünglich menschenscheue und unter Minderwertigkeitskomplexen leidende Sohn aus einer armen Bauernfamilie namens Dale Carnegie im Jahre 1936 ein Buch mit dem Titel „How to win Friends and Influence People" veröffentlichen wollte, dachte weder er noch sein Verleger an einen größeren Markterfolg. Die erste Auflage betrug nur 5.000 Exemplare. Zur Überraschung aller wurde dieser Buchtitel einer der meistverkauften Longseiler der Welt. Bis zum Zeitpunkt von Carnegies Tod im Jahre 1955 wurden fünf Millionen ExemplaZu den

re

verkauft. Im Jahre 1987

waren es

etwa

dreimal

so

viel und das Buch wurde in über 35

138

4

Führungspsychologie

Sprachen übersetzt. Beliebtheit erscheint sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeiter in einfachen Positionen verlockend. Mitarbeiter, die sich mögen, sind eher zur Teamarbeit bereit und unter Umständen erheblich produktiver. Beliebte Mitarbeiter erhalten im Durchschnitt ein um vier bis fünf Prozent höheres Gehalt als ihre Kollegen mit vergleichbarer Arbeitsleistung. Beliebtheit scheint vor allem dann als Kommunikationsziel wichtig zu sein, wenn Ressourcen knapp sind, Mitarbeiter sich in starken gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnissen befinden, Arbeitsplatzbeschreibungen und Beurteilungen sehr subjektiv sind. Viele dieser Merkmale sind typisch für Organisationen des 21. Jahrhunderts (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 29, 33-35).

Beliebtheit ist auf vielen Wegen erreichbar. Eine naheliegende Taktik zielt auf die gezielte Äußerung von Meinungen, Einstellungen und Werten ab, mit denen der Interaktionspartner übereinstimmt. Impression Manager können sprichwörtlich zu „sozialen Chamäleons" mutieren, die sich in der zwischenmenschlichen Kommunikation bei der Änderung ihrer eigenen Position extrem „verbiegen" können, um hierdurch attraktiver zu wirken. Wie zahlreiche empirische Befunde zeigen, ist ein solcher Kommunikationsstil vor allem dann anzutreffen, wenn der Machtabstand zwischen den Kommunikationspartnern groß ist. Typische Situationen sind beispielsweise die beschriebene Beurteilung von Mitarbeitern durch Vorgesetzte oder Vorstellungsgespräche. Die „Chamäleon-Taktik" ist jedoch nicht in jedem Falle Erfolg versprechend. Eine triviale schmeichlerische Äußerung wirkt häufig unglaubwürdig. Geschickte Impression Manager wenden einige Tricks an, die auf den ersten Blick für den Kommunikationspartner nicht einfach zu durchschauen sind. Relativ geläufig und bekannt ist in diesem Zusammenhang die bereits erwähnte zweiseitige Argumentation. Hierbei ergänzt der Impression Manager die mit dem Gesprächspartner übereinstimmenden Äußerungen durch einige kritische, aber weniger bedeutsame Anmerkungen. Verbreitet ist zudem die Taktik, eine ursprünglich kritische Haltung einzunehmen und diese im Zeitablauf in eine übereinstimmende Haltung zum Gesprächspartner zu überführen. Diese Taktik dient ebenfalls dazu, den Eindruck von Glaubwürdigkeit zu vermitteln, da permanente „Ja-Sager" bei ihren Gesprächspartnern schwach und rückratlos erscheinen würden. Wenn die Meinung jedoch von einer kritischen Haltung allmählich in eine Zustimmung „mutiert", kann der Eindruck entstehen, der Impression Manager sei durch die Weisheit und Argumentation seines Gesprächspartners überzeugt worden. Das lässt ihn sympathisch erscheinen und er steigt in der Beleibtheit. Nicht zuletzt erledigen Impression Manager gerne Gefälligkeiten und äußern die Wertschätzung des Gesprächspartners, um sich beliebt zu machen. Ehrlich gemeintes Lob und die Ansprache des Gesprächspartners mit seinem Namen sind die Basis für den Ausdruck der Wertschätzung. Die Risiken der meisten beschriebenen Formen zur Erreichung von Beliebtheit sind hoch. Entlarvt der Gesprächspartner die entsprechenden Taktiken, stellt sich ein deutlicher Bumerangeffekt ein. Die Beliebtheit des Impression Managers schlägt dann bei seinen Kommunikationspartnern in Unbeliebtheit um (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 36^47). Zu einer zweiten Gruppe von Taktiken der akquisitorischen Eindrucksvermittlung gehören sämtliche Formen der Werbung in eigener Sache (Seif Promotion). Der Seif Promoter möchte andere zunächst auf seine Kompetenz aufmerksam machen. Eine solche Taktik ist beispielsweise bei Bewerbungen um gut dotierte Stellenausschreibungen anzutreffen. Bewerber für solche Positionen haben einer empirischen Studie zufolge doppelt so oft fingierte

4.2

Individualfuhrung

Qualifikationen im Bewerbungsverfahren eingesetzt (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 54-56).

139 als Bewerber für Junior-Positionen

Eine dritte Taktik besteht in der Einschüchterung (Intimidation). Einschüchterer erzeugen bei ihren Interaktionspartnern den Eindruck, sie hätten ein hohes Machtpotenzial und letztendlich die Möglichkeit, anderen Unannehmlichkeiten oder gar psychische Qualen zuzufügen. Die Einschüchterungstaktik ist in der Regel um so wirksamer, je größer der Machtabstand der Interaktionspartner ist. Eine solche Situation liegt z.B. vor, wenn Vorgesetzte erheblichen Einfluss auf die Vergütung und Aufstiegsmöglichkeiten ihrer untergebenen Mitarbeiter haben. Ein kurzes und intensives Anstarren der unterlegenen durch die mächtigere Person mag in einem solchen Fall genügen, um die Person mit geringerer Macht in der Häufigkeit und Richtung ihrer Argumente während einer Diskussion erheblich zu steuern (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 58f). Die Wirkung der Einschüchterungstaktik unterliegt in hohem Maße rollenspezifischen Einflüssen. Frauen, die bestimmt, fordernd oder auch ein wenig aggressiv im Job auftreten, betreiben ein Impression Management, das gegen Stereotype in der westlichen Welt verstößt. In empirischen Untersuchungen machten sich Frauen mit einem „harten" Auftreten daher bei ihren Kollegen unbeliebter als Männer. Männer, die in dieser Weise auftraten, würde Leistungsstärke zugeschrieben, während dies den Frauen bei ähnlichem Verhalten abgesprochen wurde. Frauen tendieren dazu, ihre Fähigkeiten zu niedrig zu bewerten, um ihre Visibilität zu verringern und eine potentielle Rache männlicher Mitarbeiter im Vorfeld zu verhindern (Bolino/Turnley 2003, S. 237-245; Bernardez 1983, S. 44 zitiert nach Kinzel 2002, S. 400; Kinzel 2002, S. 395). Eine vierte gerade in angespannten Konjunkturlagen häufig zu beobachtende Taktik ist die Vermittlung des Eindrucks von beispielhaftem Verhalten, Integrität und Moral (Exemplification). Die von Rosenfeld et al. als Exemplifier bezeichneten Taktiker sind permanent damit beschäftigt, „vorbildliche Handlungen" vor den Augen ihrer Arbeitskollegen überdeutlich zu kommunizieren. Typischerweise beginnen diese Zeitgenossen demonstrativ früh zu arbeiten, verlassen den Betrieb zu späten Tageszeiten, nehmen sich häufig Arbeitsunterlagen mit nach Hause und verschieben ihren Urlaub. Auch für schwierigste Herausforderungen stehen sie stets zur Verfügung. Sie tun weit mehr als ihre Pflicht und leiden scheinbar, um anderen zu helfen. Aus der Sicht des Impression-Management-Ansatzes handelt es sich bei dem „vorbildlichen Verhalten" um eine höchst kalkulierte „Selbstbeweihräucherungstaktik". Der Exemplifier versucht, seine Kollegen durch das Aufdrängen von Schuldgefühlen und tugendhaftem Verhalten in seinem Sinne zu beeinflussen. Er möchte andere wissen lassen, wie hart er arbeitet. Auch diese Taktik ist im beruflichen Alltag riskant. Da der Exemplifier recht auffällig Werbung in eigener Sache betreiben muss, um in der Masse „aufzufallen", könnten die ohnehin schon etwas verstimmten Kollegen die Scheinheiligkeit dahinter bemerken. Stellen sich keine der auffälligen Eigenwerbung angemessenen Arbeitsergebnisse ein, wirkt der Exemplifier heuchlerisch im Gegensatz zu Kollegen, die weniger Eigenwerbung betreiben (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 60). -

-

Sollten alle genannten Taktiken nicht anwendbar sein, besteht noch eine letzte Option: Mitglieder in Organisationen können auch dann einen taktisch motivierten Eindruck vermitteln, wenn sie ihre eigenen Schwächen besonders herausstellen oder noch extremer sich dümmer geben als sie wirklich sind. Typische Ausprägungen einer solchen Taktik des Hilferufs -

-

140

4

Führungspsychologie

(Supplification) sind eine bewusst inszenierte nachlassende Leistung, eine Drückeberger-

mentalität oder eine negative Einstellung. Hinter diesen Praktiken steckt eine Verhandlungstaktik. Wirkungsvoll sind Hilferufe dann, wenn der Interaktionspartner sie mit einem Prinzip der gegenseitigen Unterstützung assoziiert. Auch sollte die von anderen erwartete Gefälligkeit und Unterstützung nur kurzfristig angelegt sein. Impression Manager, die sehr oft auf diese Taktik vertrauen, werden von ihren Kollegen nicht mehr ernst genommen und laufen Gefahr, den Eindruck von Simulanten und Trittbrettfahrern zu erwecken. Die Bedeutung des taktisch eingesetzten Eindrucks von Hilferufen hat in Anbetracht einschneidender Strukturveränderungen in den Betrieben deutlich zugenommen. Neue Managementkonzepte und starker Personalabbau führen zu vermehrtem Arbeitsanfall für den Einzelnen und mithin zu Stresserleben bzw. Burnout-Symptomen (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 61-64).

häufig verbreitet wie die genannten akquisitorischen Taktiken des Impression Management sind im betrieblichen Alltag die protektionistischen Taktiken. Diese sollen helfen, einen bereits entstandenen negativen Eindruck abzuwenden oder seine Entstehung im Vorfeld zu verhindern. Das Negativimage ist die Folge eines Vorfalls, der einen „schmutzigen" Schatten auf den Charakter, die Fähigkeiten und die Motive seines Verursachers wirft. Genauso

Solche Vorfälle können Taten sein, die nicht erwünscht sind, oder solche, die nicht in der gewünschten Art und Weise umgesetzt wurden. Beispiele hierfür lassen sich beliebig konstruieren. So kommt es in Betrieben täglich zu falschen Buchungen, Verspätungen, Nichteinhaltung versprochener Leistungen, einer unzureichenden Qualität der Arbeitsleistung oder einer Verletzung von Informationspflichten.

Alltag stets Fehler passieren, ergeben sich häufig Situationen, in denen die Betroffenen versuchen, ihr eigenes Image wiederherzustellen. Solche Heilungen (Remedial Tactics) stellen Versuche dar, eine plausible und glaubwürdige Erklärung zu liefern, um sich selbst oder den Vorfall aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Häufig kann der Verursacher des Vorfalls durch eine rein „verbale Heilung" den Eindruck bei seinem Gesprächspartner in einem positiven Sinne korrigieren, indem er seine Beweggründe erläutert oder sein Verhalten durch eine positive Wortwahl neutralisiert. Eine typische Taktik ist das Spielen auf Zeit. Um sich zunächst einmal aus der „Schusslinie" zu bringen, vertrösten Impression Manager ihre Ansprechpartner gerne darauf, dass die Probleme nur vorübergehend sind und sich in Zukunft die Situation positiv darstellt. So verweisen Unternehmensberater, deren Strategieempfehlungen nicht von kurz- oder mittelfristigem Erfolg gekrönt sind, gerne auf extrem schlechte ökonomische Rahmenbedingungen und einen gewissen Zeitbedarf, der für die notwendige Kulturveränderung und Lernprozesse im Unternehmen einzukalkulieren ist (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 75-78). Da im betrieblichen

Ist der

Zusammenhang zwischen der Fehlleistung und dem Ergebnis nicht so leicht zu kaschieren, greifen Impression Manager gerne auf die Möglichkeit von Entschuldigungen (Excuses) zurück. Typische Varianten solcher Entschuldigungen sind Erklärungen, dass es sich um einen Unfall oder eine schlechte Informationslage handelte. In beiden Fällen versucht sich der Impression Manager aus der Verantwortung für das unerwünschte Ergebnis seiner Fehlleistung zu ziehen und ein positives Bild von sich selbst zu vermitteln. Obgleich der Impression Manager mit seiner Entschuldigung versucht, seine Verantwortung zu reduzieren, verpflichtet er sich implizit, in Zukunft an einer Verbesserung des Mangelzustandes

4.2

Individualführung

141

arbeiten. Entschuldigungen sind im betrieblichen Alltag in der Regel nur dann für die Reparatur des beschädigten positiven Eindrucks geeignet, wenn sie nicht allzu oft benutzt, in Bezug auf die Situation adäquat eingesetzt und ernsthaft vorgetragen werden.

zu

Rechtfertigungen (Justifications) gehen über Entschuldigungen hinaus. Sie beinhalten nicht das für Entschuldigungen typische Versprechen, sich künftig zu bessern. Ziel der Rechtfertigung ist es stattdessen, dem Kommunikationspartner eine Korrektheit der Tat zu suggerieren. Im betrieblichen Alltag riskieren Mitarbeiter, die Rechtfertigungen einsetzen, daher, dass ihre Gesprächspartner dieses Werturteil die Tat betreffend nicht teilen und somit zu einem negativen Eindruck von der Person des Täters gelangen. Wenn die Tat offensichtlich Missbilligung erfährt, ist eine Entschuldigung aus Sicht des Täters in der Regel eher geeignet, Schaden vom Eindruck der eigenen Person abzuwenden als eine Rechtfertigung (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 76-92). Häufig ahnen Organisationsmitglieder bereits im Vorfeld einer Tat, welche Probleme auf sie zukommen könnten. Sie schätzen den Erfolg ihrer geplanten Aktivitäten ab und befürchten, die Erwartungen anderer Organisationsmitglieder nicht in dem gewünschten Maße erfüllen zu können. Um einer Enttäuschung dieser Erwartungen und einer Beeinträchtigung des eigenen Images vorzubeugen, verwenden Impression Manager häufig die Taktik der Absicherung (Disclaimer). Sie schließen eine Art Versicherung vor Eintritt eines möglichen Imageschadens an der eigenen Person ab, indem sie bestimmte „Ausschlüsse" für die eigene Verantwortlichkeit formulieren. Beispielsweise beginnen Organisationsmitglieder, die von ihrem Vorgesetzten darum gebeten werden, sich der Bewältigung einer besonderen Herausforderung anzunehmen, ihre Antwort gelegentlich mit den einleitenden Worten „Ich bin zwar kein Experte auf dem Gebiet..., will aber die Aufgabe gerne annehmen". Gelegentlich begeben sich Organisationsmitglieder wegen der Gefahr einer Verletzung geltender Regeln oder impliziter Grundsätze in schwieriges Fahrwasser. Daher ist die Nutzung eines Ermessensspielraums gefordert, der das Risiko einer späteren Missbilligung in sich birgt. Gegen den hieraus resultierenden Imageschaden an der eigenen Person sichern sich routinierte Impression Manager im Vorfeld gerne durch vorherige Einwilligung zu ihrem geplanten „sündhaften" Verhalten (Sin License) ab (z.B.: „Ich weiß, dass...gegen die Unternehmensgrundsätze verstößt, habe jedoch einen erfolgversprechenden Vorschlag für..."). Um außerdem die bekannte Gefahr einer schnellen und automatischen Aktivierung starker Emotionen bei „vorbelasteten" Themen zu verhindern, stellen die „Absicherer" gerne verbal der Sachaussage eine Vorankündigung des Emotionsausbruchs voran (Beispiel: „Damit Sie sich nicht unnötig große Sorgen um den Verlust Ihres Arbeitsplatzes machen, möchte ich die wesentlichen Punkte der geplanten Reorganisation genauer erläutern..."). Nicht immer besteht die Möglichkeit, durch eine Entschuldigung, Rechtfertigung oder Absicherung einen drohenden Imageschaden an der eigenen Person abzuwenden. Solche Taktiken des Impression Management versagen regelmäßig dann, wenn der eingetretene Vorfall eindeutig und unmissverständlich auf das Fehlverhalten einer verantwortlichen Person zurückzuführen und dazu noch äußerst folgenschwer ist (z.B. gehäufte Fälle von Verkehrsunfällen mit einem Kraftfahrzeug durch mangelhafte Konstruktion eines Bremssystems). Sinnvoll ist hier nur ein offenes Geständnis (Apology) des Verantwortlichen ohne jegliche Veränderung der „Optik" der Fehlleistung oder ihres Verursachers. Diesem aus ethischer Sicht einzig

4

142

Führungspsychologie

vertretbaren Verhalten steht dennoch ein taktisches Motiv des Impression Managers gegenüber. Er versucht, andere davon zu überzeugen, die schlechte Tat vom guten Täter zu trennen. Auch im oben genannten Beispiel der gehäuften Verkehrsunfälle infolge des mangelhaften Bremssystems ist diese Wirkung nachvollziehbar. Mit einem offenen Geständnis würde der verantwortliche Autohersteller eher den Eindruck von Verantwortungs- und Qualitätsbewusstsein vermitteln als bei einem Versuch der Rechtfertigung. Es ist daher nicht überraschend, dass es in der Automobilbranche relativ häufig zu Rückrufaktionen kommt (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S. 93-102).

Ausführungen zum Impression Management liefern plausible Erklärungen für die Qualität einer stark von Selbstdarstellungsmotiven geprägten Kommunikation in Wirtschaftsorganisationen. Einige der beschriebenen Taktiken sind aus Sicht der Unternehmensführung durchaus begrüßenswert. Vor allem wenn das Verhalten der Impression Manager durch Aufrichtigkeit, Einfühlungsvermögen, Respekt vor anderen Organisationsmitgliedern und einer Zurückhaltung im Einsatz der Taktiken geprägt ist, führt es häufig zu guten zwischenmenschlichen Beziehungen. Unternehmerische Ziele und Entscheidungen sind leichter und Die

schneller durchsetzbar. In vielen Fällen sind die Wirkungen eines solchen Kommunikationsverhaltens aus Sicht der betrieblichen Führung allerdings keinesfalls erstrebenswert. Vom Blickwinkel der Maxime des in Kap. 1.3.4 beschriebenen Diskurses im Sinne von Habermas und Luhmann aus dürfte es alle oben genannten Taktiken nicht geben. Realistisch betrachtet, müssen Organisationen mit der Existenz auch der zweifelhaften Impression-Management-Taktiken leben. Jedoch ist ein bestimmtes Ausmaß der Anwendung dieser Taktiken ganz abgesehen von deren ethischer Problematik aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr tolerierbar. Einige der oben beschriebenen Taktiken erschweren eine faire Kommunikation und letztlich ein faires Verhalten innerhalb der Organisation. Führungskräfte und Personalverantwortliche sollten beispielsweise die tatsächliche Qualität der Arbeitsleistung möglichst klar von Image und Außenwirkung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterscheiden können, um ihrer personalentwicklungsbezogenen Aufgabe gerecht werden zu können. Lassen sich Führungskräfte zu sehr von den genannten Impression-Management-Taktiken blenden und zur Belohnung der Taktiker verleiten, sinkt langfristig die Motivation einer großen Anzahl von Mitarbeitern, die bisher ihre Arbeit sehr gewissenhaft, aber ohne Begleitung von spektakulären Selbstdarstellungstechniken erledigten. Führungskräfte und verantwortliche Personalabteilungen sind in besonderer Weise gefordert, einerseits die „üblen" Taktiken zu erkennen und zu verstehen und andererseits sich selbst kritisch zu fragen, ob nicht das betriebliche Umfeld oder das eigene Impression Management einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung und Förderung dieser Taktiken leistet. Zweifelsohne stehen wirkungsvolle Instrumente der Personalarbeit zur Verfügung, um zumindest extreme Auswüchse des Taktierens im Keim zu ersticken. Psychologisch geschulte Personalverantwortliche können bei Einstellungsinterviews die Art und Weise des Einsatzes von Impression-Management-Taktiken der Bewerberinnen und Bewerber beobachten. Rosenfeld, Giacalone und Riordan empfehlen, Bewerber, die auf solche Taktiken zurückgreifen, nicht grundsätzlich als negativ einzustufen, da sich hinter diesen Taktiken häufig Schlüsselqualifikationen verbergen, die zur Aufgabenerfullung in vakanten Position von Interesse sein könnten. Dennoch lässt sich das Ausmaß der „Ablenkungseffekte" der durch das Impression Management bewirkten Kommunikation mit Hilfe -

-

4.2

Individualführung

143

strukturierter Einstellungsinterviews bzw. Assessment Centern vermindern. Das Abgangsinterview bietet in der Regel eine wenig valide Informationsqualität, da kontroverse, persönliche oder interne Probleme, die auf Auswüchse eines aus Unternehmenssicht abträglichen Impression Management hinweisen, meistens nicht offen und ehrlich gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber geäußert werden. In der Regel befürchten Bewerberinnen und Bewerber, dass ihnen hierdurch ein Wiedereinstieg zu einem späteren Zeitpunkt erschwert werden würde. Das von ausgeschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgeteilte Feedback ist daher häufig eher positiv und allenfalls neutral. Ein für das betroffene Unternehmen großes Problem besteht nach Ansicht von Rosenfeld, Giacalone und Riordan heute im Einsatz des Impression Managements im Dienste einer stark karrieristischen Orientierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Jedoch ist diese karrieristische Orientierung differenziert zu betrachten. Nur bei einem Teil dieser Karrieristen wird es sich um selbstsüchtige und rücksichtslose Personen handeln, die Impression-Management-Taktiken für ihre beruflichen Aufstiegsziele bewusst zum Schaden des Unternehmens und ihrer Kollegen einsetzen. Ein sicher größerer Teil von Organisationsmitgliedern wird in den Taktiken eher eine Art Selbstschutz sehen. Häufig sind sich Unternehmen in der Praxis der zum Teil beträchtlichen arbeitsplatzbezogenen Ängste ihrer Mitarbeiter nicht bewusst. Hierarchisch niedriger angesiedelte Mitarbeiter haben vor allem Angst, inkompetent zu wirken, während Führungskräfte Ängste beschäftigen, wie unfair behandelt zu werden, indem ihnen z.B. zuviel Arbeit aufgeladen oder unterstellt wird, nicht die Wahrheit zu sagen oder eine berechtigte Anfrage abzuweisen (Fitness 2000, S. 152f). Um negative Auswüchse des karrieristischen Impression Management einzudämmen, sollte die Unternehmensleitung bei Entscheidungen, die den Karrierepfad der Organisationsmitglieder betreffen, nicht zu sehr auf interpretationsbedürftige Beurteilungskriterien vertrauen, sondern auf eine Einschätzung möglichst präzise definierter Arbeitsergebnisse. Weiterhin sollte die ausschließliche Verwendung individueller Beurteilungspraktiken, d.h. die Beurteilung eines Mitarbeiters durch einen einzigen Vorgesetzten, überdacht werden. Karrieristisches Impression Management in einem für das Unternehmenswohl abträglichen Sinne ist erheblich schwieriger für den Karrieristen zu realisieren, wenn eine Beurteilung durch mehrere Personen erfolgt und/oder das Ergebnis eines Arbeitsteams insgesamt in das Beurteilungssystem aufgenommen wird. Zweifelhafte Impression-Management-Taktiken auf gruppenbezogener Ebene unterliegen einer stärkeren Kontrolle durch die Teammitglieder und werden für Führungskräfte deutlich sichtbar (Rosenfeld/Giacalone/Riordan 2002, S.

142-157; 172f). Nicht zuletzt werfen die gesundheitlichen Folgen des Impression Management ein zweifelhaftes Licht auf die Bedingungen des heutigen Arbeitslebens. Der übertriebene Einsatz von Selbstdarstellungstechniken führt in der Regel zu schwerwiegenden seelischen Erkrankungen. Die Organisationsmitglieder geben sich nach außen hin ständig anders als ihnen innerlich zumute ist. Sie empfinden die stets präsente Angst vor Entlarvung sowie die dauernde innere Spannung als unangenehm. Auf lange Sicht nimmt z.B. das Herzinfarktrisiko zu. Auf der Basis einer langjährigen Trainingserfahrung empfiehlt Schulz von Thun den Betroffenen, nach dem Konzept der Stimmigkeit zu handeln. Grundsätzlich sollten Kommunizierende in Übereinstimmung mit der Wahrheit handeln. Nicht nur große Depressionen, Lebenskrisen und Krankheiten, sondern auch kleine Verstimmungen enthalten letztenendes Botschaften

4

144

Führungspsychologie

der Sendezentrale der unbewussten Weisheit. Diese Botschaften stellen gleichzeitig ernst zu nehmende Appelle an eine Kurskorrektur dar. Die Kommunikation ist nur dann stimmig, wenn sie sich mit existenziellen Anliegen im Einklang befindet. Gerade in der innerbetrieblichen Kommunikation verzichten Menschen oft darauf, Gefühlsregungen zu offenbaren, um möglichen Konflikten und Misserfolgen aus dem Weg zu gehen. Zudem halten sich die Organisationsmitglieder mit dem Ausdruck ihrer „wahren" Gefühle und Gedanken zurück, da sie befürchten, keine Wirkung hiermit zu erzielen. Nach dem Konzept der Stimmigkeit ist die gewünschte Wirkung zwar nicht unwichtig, jedoch gegenüber dem Ausdruck zweitrangig. Stimmige Kommunikation bedeutet, Gefühlen und Gedanken Raum zu geben bzw. Dinge anzusprechen, die „in der Luft" liegen. Der gesunde Umgang mit der Selbstdarstellung ist erlernbar. Erfolgversprechend sind ganzheitlich orientierte Trainingsansätze, die an der seelischen Gesundheit der Organisationsmitglieder ansetzen. Die Betroffenen sollten lernen, von einem Perfektheitsideal abzukommen und ihre Schattenseiten akzeptieren. Ein Weg, mehr Mut für eine wahrhaftige Kommunikation zu entwickeln, stellen Selbsterfahrungsgruppen (Encountergroups) dar. Die Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen innerhalb der Mitglieder dieser Gruppen wirkt sich nach einer gewissen Zeit positiv auf die Courage aus, auch Meinungen zu äußern, die nicht dem Mainstream entsprechen (Schulz von Thun 2004, S. aus

115-125). Die Situation im therapeutischen Gespräch ist zweifelsohne eine andere als in der betriebsinternen Kommunikation. In der betrieblichen Praxis geraten Mitarbeiter, die sich in schonungsloser oder unvorsichtiger Unverblümtheit über kritische Sachverhalte äußern, in nicht weniger große Schwierigkeiten als ihre Kollegen, die es mit den Techniken des Impression Management übertreiben. Die schonungslose Offenheit lässt Takt vermissen und erzeugt das bekannte Bild des Elefanten in einem Porzelanladen. Der fehlende Takt in Form verbaler Ausrutscher und Entgleisungen macht den betreffenden Mitarbeiter unnötigerweise verwundbar. Eine wahrhaftige Kommunikation, die durch Authenzität, Ehrlichkeit, Offenheit und Echtheit geprägt ist, darf nicht zu einer naiven Unverblümtheit verkommen. Techniken des Impression Management sollten nicht in der Gestalt einer rein manipulativen Fassadentechnik mit einer völligen Selbstentfremdung einhergehen. Anbieter von Kommunikationstrainings formulieren daher Lernziele wie „Kritisieren ohne zu verletzen" (Schulz von Thun 2003, S. 45).

4.3

Gmppenmhning

4.3.1

Entstehung von Gruppen und Bindung von Gruppenmitgliedern

mehrere Personen über einen längeren Zeitraum miteinander und kommt es einer gewissen Rollendifferenzierung und Herausbildung gemeinsamer Normen, sprechen Organisationspsychologen von einer Gruppe (Gebert/Rosenstiel 2002, S. 141). Gerade in der Wirtschaftspraxis ist die Gruppenarbeit zumindest wenn die Verwendung

Interagieren dabei

zu

-

4.3

Gruppenführung

145

des Teambegriffs als Indikator hierfür herangezogen wird sehr beliebt. Es existieren spezielle Teams für Kunden, Produkte und Verkaufsgebiete. Verbreitet sind sowohl Teams mit sehr breit angelegter Ausrichtung wie „Cross-Functional Teams" als auch Teams für spezielle Aufgabenstellungen wie die Neuproduktentwicklung und Kostensenkung. -

Der Begriff „Teamarbeit" ist in der Wirtschaftspraxis positiv besetzt. Gelegentlich ist sogar eine euphorische Bewertung anzutreffen. Diese kann sich im Extremfall allerdings zu einer gefährlichen „Groupomania" entwickeln, die dazu verleitet, der Gruppenarbeit quasi mystische Qualitäten zuzusprechen. In der Praxis sind die gleichen Mitglieder einer Gruppe, welche ihre individuellen Fähigkeiten und Werte zum Wohl der gesamten Gruppe einbringen, natürlich nicht frei von „Egotrips" und Eigennutz (Locke et al. 2001, S. 502f.).

Einzelne Mitglieder fühlen sich 2002, S. 119): • • • •

um so

eher

an

eine

Gruppe gebunden, je (Bierhoff/Herner

kleiner und exklusiver die Gruppe ist, höher die Erfolgserwartungen der Gruppe sind, mehr Zeit gemeinsam in der Gruppe verbracht wird und eher eine gemeinsame und gleichzeitig starke äußere Bedrohung

vorliegt.

Bindung an die Gruppe wird auch als Gruppenkohäsion bezeichnet. Eine hohe Gruppenkohäsion verspricht in der Regel ein gutes Gruppenklima mit reibungslosen Interaktionen (Herkner 2001, S. 443). Sie wirkt sich positiv auf die Freude an der Gruppenzugehörigkeit aus und fördert den häufigen kommunikativen Austausch. Jedoch entsteht bei sehr hoher Kohäsion die Gefahr von Begleiterscheinungen, die sich für die Wirtschaftskommunikation nachteilig auswirken können. Es entwickelt sich eventuell eine Illusion der Unverwundbarkeit. Gute Ideen des Einzelnen könnten aus Angst vor einer Missbilligung durch die Gruppe unterdrückt werden. Letztenendes kann das so genannte Gruppendenken zu einer stark verzerrten Wahrnehmung, einer deutlichen Verkennung der Realität oder sogar zu Dogmatismus fuhren (Bierhoff/Herner 2002, S. 92f; Kinzel 2002, S. 62). Eine hohe

Stimmen die Verhaltensweisen, Einstellungen und Meinungen der Gruppenmitglieder zu einem großen Teil überein, wird von Konformität gesprochen. Ohne Konformität würde eine Gruppe kaum zielgerichtet agieren oder dauerhaft bestehen können. Obgleich die in einer Gruppe gültigen Normen die Orientierung und Regulation der Interaktionen zwischen den Gruppenmitgliedern erleichtem, wird die Gruppe bis zu einem gewissen Ausmaß Abweichungen von Normen tolerieren. Offensichtliche Ursache für die Entstehung von Konformität sind Belohnungen und Bestrafungen, die das einzelne Gruppenmitglied durch die Gruppe erhält (Herkner 2001, S. 454).

Gruppenarbeit kann durch einen effizienten Wissenstransfer das Ergebnis von Kommunikationsprozessen verbessern. Im Idealfall tragen die unterschiedlichen Wahrnehmungen, Sichtweisen, Emotionen, Erfahrungen und Einstellungen der einzelnen Gruppenmitglieder zu einer differenzierteren Problemsicht bei. Die Kommunikation in einer Arbeitsgruppe kann als soziale Unterstützung für einzelne Organisationsmitglieder dienen und deren Leistungswille und -fähigkeit beträchtlich steigern. Trotz teamorientierter Organisationsstrukturen schöpfen auch heute noch die wenigsten Unternehmen das Potenzial von Gruppen für eine

4

146

Führungspsychologie

effiziente Kommunikation voll aus. Fest vorgegebene Kommunikationskanäle limitieren Unternehmen in ihren Möglichkeiten. Unternehmen, die eine Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg nicht besonders pflegen, erleiden Nachteile im Hinblick auf ihre Innovationsfähigkeit. Häufig sind in der Praxis sogar solche Unternehmen besonders erfolgreich, die eine Kommunikation einzelner Fach- und Führungskräfte über die Unternehmensgrenzen hinweg mit den Wettbewerbern dauerhaft pflegten. Der kommunikative Erfolg dieser Gruppenarbeit beruhte auf dem sensiblen Gespür der Beteiligten für Fairness und Gerechtigkeit. Man gab nur so viel Wissen wie die Gegenseite preis (Gebert/Rosenstiel 2002, S. 154-156).

Gruppen sind in der Unternehmenspraxis in der Regel keine Phänomene, die frei von Statusdenken agieren. Um von einer Gruppe akzeptiert zu werden, bedienen sich neue Gruppenmitglieder vielfach den bereits im Zusammenhang mit dem Impression-ManagementAnsatz erläuterten Methoden zur Erreichung von Beliebtheit. Sind neue Gruppenmitglieder erst einmal erfolgreich in die Gruppe integriert, erleben sie häufig eine Aufwertung ihres Status. Dennoch ist der erreichte Status zu Beginn der Gruppenmitgliedschaft durch Manipulationen sehr verwundbar. Neue Gruppenmitglieder sind sich dieser Gefahr bewusst und kommunizieren daher in der Regel zunächst häufiger mit Gruppenmitgliedern, die über einen vergleichbaren Status verfügen. Auch etablierte und statushöhere Gruppenmitglieder versuchen sich gelegentlich beliebt machen, um einer Verschlechterung der Gruppenkohäsion entgegenzuwirken (Owens/Sutton 2001, S. 304f).

Gruppenbildung in Organisationen erfolgt nicht notwendigerweise formell durch aufbauorganisatorische Strukturen oder innerbetriebliche Entscheidungen. In jeder Organisation existieren informelle Gruppen, die durch ein „inoffizielles" Kommunikationsnetzwerk der Organisationsmitglieder untereinander entstehen. Generell tendieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu, mit solchen Kolleginnen und Kollegen zu kommunizieren, die ihnen in Alter, Betriebszugehörigkeit oder in sonstiger Hinsicht ähnlich sind. Über die Jahre entsteht dann ein „Old Boys Network", das eine besondere Stellung in der Steuerung des Informationsflusses einnimmt. Äußerst problematisch kann aus Sicht eines Arbeitgebers das durch informelle Kommunikationsprozesse gewachsene Netzwerk sein, wenn es zur Kündigung eines Netzwerk-Mitglieds kommt. Häufig zieht eine solche Kündigung eine Kettenreaktion von Kündigungen nach sich. Arbeitgeber, die eine Kündigungswelle verhindern möchten, Die

müssen daher die informellen Kommunikationsstrukturen in ihrem Unternehmen kennen

(Greenberg/Baron 2000, S. 307).

4.3.2

Macht und Mikropolitik

Kommunikation ist in der Wirtschaftspraxis nicht immer von rein sachlogischen Überlegungen und Notwendigkeiten geprägt. Menschen in Organisationen sind selten völlig selbstlose Wesen, die Ziele ohne Berücksichtigung eigener Interessen (Eigennutz) verfolgen und entsprechend handeln. Kommunizierende versuchen gerade im Wirtschaftsleben, eigene Machtpotenziale aufzubauen und exklusiv zu nutzen. Die menschliche Kommunikation hat nicht nur einen Sach-, sondern auch einen Machtaspekt, der in bestimmten Situationen deutlich dominieren kann. Macht ist hierbei keinesfalls deckungsgleich mit der hierarchischen Position eines Organisationsmitglieds. Macht in Organisationen äußert sich in vielen Facetten

4.3

Gruppenführung

147

außerhalb der durch Legitimität festgelegten Kommunikations- und Entscheidungswege. Beispielsweise ist das Wissen über beteiligte Personen an Abstimmungsprozessen sowie deren Interessen eine typische Machtausprägung. Zudem kann Macht auf sehr gute persönliche Beziehungen zu einzelnen Organisationsmitgliedern zurückgehen (Thompson/Fox 2001,

S.238).

Organisationsmitglieds wie auch immer sie geartet sein mögen werden kommuniziert, Machtpositionen dauerhaft abzusichern und die Bedingungen hierfür unter Kontrolle zu halten. Organisationspsychologen sprechen in diesem Zusammenhang von Mikropolitik. Das Ausmaß der „politischen Kommunikation" ist von UnternehEigene

Interessen eines

-

-

um

Unternehmen verschieden. Manchmal sind die Bedingungen hierfür besonders günstig. Ein starker Nährboden für die politische Kommunikation zeichnet sich durch eine unglückliche Kombination von Gegebenheiten aus, wie sie in Abb. 4.4 illustriert sind (Neuberger 2002, S. 680f.; Furnham 1997, S. 370; Säbel 1993, S. 122). men zu

Organisationsaufbau •

Legitimität, Ordnungsrahmen

Sender-/Empfänger-Relation •

gegenseitige Abhängigkeit



Machtdifferenz, Hierarchien



Stakeholder-Netzwerke



knappe Ressourcen



Interessendivergenz

situative •

Aspekte

häufige Veränderungen

Botschaft •



Zeitdruck





Gelegenheiten (z.B. Meetings)



Abb. 4.4

große Spielräume Mehrdeutigkeit Informationsabhängigkeit

Mikropolitisches Kommunikationssystem; Quelle: in Anlehnung an Neuberger 2002,

S. 696-712

148

4

Führungspsychologie

politische Kommunikationssystem ist zunächst vor dem Hintergrund seines aufbauorganisatorischen Rahmens zu sehen. Politische Taktiken können beispielsweise in der Ausbeutung von Legitimität und Ordnung unter dem Aspekt des Eigennutzes angewendet werden. Zu den häufig praktizierten Taktiken der Mikropolitiker gehört es, die Verletzung von Organisationsregeln an Vorgesetzte, Controlling-Instanzen oder Pressestellen zu kommunizieren. Auch kommunikative Aktivitäten zur Vermittlung und Wahrung von BesitzDas

ständen sind verbreitet.

Eine weitere Gruppe von Faktoren der politischen Kommunikation geht direkt auf die Qualität der Beziehung einzelner Mitarbeiter in ihrer Funktion als Sender bzw. Empfänger im innerbetrieblichen Kommunikationsprozess zurück. Es bestehen Interdependenzen oder gegenseitige Abhängigkeiten von Organisationsmitgliedern, die in einem Beziehungsnetzwerk Unterstützung und Vertrauen einsetzen (sog. Stakeholder). Auf der Basis solcher Beziehungsgeflechte versuchen die politischen Akteure, darauf hin zu arbeiten, die SenderEmpfänger Beziehung zu verbessern und zu festigen. Typische Taktiken sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Freundlichkeit und ein gewinnender Umgangsstil, das Umgarnen von Chefsekretärinnen, Vorstandssekretariaten und anderer wichtiger Schaltstellen der Information, die Kontaktpflege zu Mentoren und Sponsoren, Doppelzüngigkeit („es allen recht machen"), Imponiergehabe, Selbstinszenierung und andere Fassadentechniken. Offerten und Vorschläge von Win-Win-Strategien sowie Appelle an höhere Werte werden bei diesen Taktikern meist nur vordergründig gemacht, da sie nur zum Zweck des Eigennutzes das Verbindende über das Trennende stellen. Gegenseitige Abhängigkeiten werden teilweise durch unmoralische Taktiken abgesichert. Hierzu gehören z.B. andere zum Sündenbock zu machen, um sich selbst aus der Gefahrenzone zu bringen, nach dem Prinzip „eine Hand wäscht die andere" zu kommunizieren sowie Bestechungs- und Korruptionsversuche (Neuberger 2002, S. 697-704). Eine dritte

Gruppe von Faktoren bezieht sich auf die Gestaltung politischer Botschaften. Anwendung solcher Taktiken ist vor allem dann möglich, wenn größere Spielräume, Mehrdeutigkeiten und starke Informationsabhängigkeiten vorliegen. Beliebte Schachzüge sind das „Verschleiern" von Wahrheiten, die Täuschung des Gesprächspartners durch Vorlage scheinbar objektiver Fakten und Zahlen sowie die bewusste Verbreitung von Halbwahrheiten und Gerüchten (Neuberger 2002, S. 705-706). Zur letzten Gruppe von Faktoren im mikropolitischen Kommunikationssystem gehört die Einflussnahme auf situative Bedingungen, unter denen Sender und Empfänger Botschaften kommunizieren. Mikropolitiker kommunizieren (zu ihrem persönlichen Vorteil), dass die Dinge (z.B. Entscheidungen) Zeit benötigen, geprüft werden müssen etc. Typische Taktiken sind einerseits das Verzögern, Vertrösten und die sog. Wiedervorlage. Andererseits präsentieren sich Mikropolitiker gerne als zeitlich sehr flexibel, um das eigene Image zu fördern (Neuberger 2002, S. 707f). Gut erforscht und erfahrenen Managern aus der betrieblichen Praxis bestens bekannt sind Sitzungen oder Meetings als Gelegenheiten einer Demonstration von Macht und Status. Durch Anwendung oftmals sehr subtiler Kommunikationspraktiken versuchen Mikropolitiker die Kontrolle über andere Gruppenmitglieder zu gewinnen bzw. diese in ihrem Sinne zu beeinflussen. Eine offensichtliche und von Berufspolitikern häufig praktizierte Taktik ist die verbale Unterbrechung der Kommunikation anderer GruppenmitDie

4.3

Gruppenführung

149

glieder mit dem Ziel, die Richtung und den Inhalt der Konversation zu steuern. Typisch für die Wirtschaftskommunikation ist der taktische Einsatz von Verspätungen bzw. das vorzeitige Verlassen des Raumes während eines Meetings, das zuvor klar terminlich festgelegt worden war. Eine etwas verspätete Teilnahme eröffnet dem „Eindringling" die Gelegenheit, Aufmerksamkeit zu erregen und einen Bericht über den bisherigen Sachstand einzufordern. Der Mikropolitiker steht plötzlich im Mittelpunkt der Kommunikation und kann diese Position nutzen, um den bisherigen Verlauf der Diskussion zu kritisieren und ihm neue Impulse zu geben. Hierdurch vermittelt der zu spät kommende Eindringling einen höheren Status. Gruppenmitglieder, die ein Meeting vorzeitig verlassen, suggerieren unter Umständen anderen Gruppenmitgliedern den Eindruck, anderweitig sehr beschäftigt zu sein und wichtigeren Verpflichtungen nachkommen zu müssen. Hierdurch entsteht wiederum ein Bild einer Permit hohem Status. Darüber hinaus dienen verschiedene Artefakte dazu, einen hohen Status zu vermitteln. High-Tech-Managerutensilien wie elektronische Terminplaner, Notebooks und Mobilfunkgeräte suggerieren auf den ersten Blick den Eindruck, dass die Unternehmensleitung keine Kosten und Mühen gescheut hat, die betreffende Person mit effizienzsteigernden Arbeitshilfsmitteln auszustatten (Owens/Sutton 2001, S. 309-312). son

Dynamik erhält das mikropolitische Kommunikationssystem aus revolutionären technischen Entwicklungen in der Bürokommunikation wie Internet, E-Mail, Intranet-Lösungen, die den Aufbau „politischer Netzwerke" sogar ohne persönliche Kontakte über LandesgrenNeue

zen

hinweg ermöglichen.

Nicht sämtliche, jedoch viele gruppendynamische Prozesse und mikropolitische Taktiken sollten im Interesse eines guten Betriebsklimas und eines dauerhaften Unternehmenserfolges kommunikationspsychologisch gesteuert werden. Als „Ohren an der Basis" sollten Befragungen von Mitarbeitern vor allem Schwachstellen im Unternehmen aufzeigen sowie einen positiven Einfluss auf die Stimmung, Motivation und Zufriedenheit der Belegschaft haben. Etliche Unternehmen haben Angst vor solchen Befragungen. Führungskräfte argumentieren, die Befragung könnte Erwartungen der Mitarbeiter an Veränderungen schüren, die sich später nicht erfüllen ließen. Verbreitet sind zudem „vorsorgliche" kritische Äußerungen von Top-Managern zur Methode der Befragung. Sie unterstellen gerne, dass die Befragung nicht repräsentativ sei (z.B. überwiegend kritische Zeitgenossen geantwortet hätten) oder deutlichen Antworttendenzen unterliege (z.B. dass sie aus dem Kalkül heraus deshalb negativ antworten würden, um etwas für sich persönlich herausholen zu können). Jedoch liegt diesen Argumenten das Modell des Mitarbeiters als Kind zu Grunde, d.h. das Bild des Mitarbeiters, der nicht in der Lage ist einzusehen, dass nicht alle seine Wünsche praktisch realisierbar sind. Mitarbeiterbefragungen bieten jedoch zumindest eine Chance, eine Diskussion über das Machbare und Nicht-Machbare anzustoßen (Borg 1995, S. 7, 32).

Möglicherweise offenbaren Befragungsergebnisse sogar erste Hinweise auf ernsthafte Konflikte und Feindseligkeiten am Arbeitsplatz, die durchaus zu großen psychischen Problemen und erheblichen Kosten für den Betrieb führen können. Zwar wird die konkrete Beseitigung des Mobbingphänomens bei einer anonymen Befragung erschwert, jedoch lassen sich auch auf anonymer gruppenbezogener Ebene die wirksamen Kommunikationstechniken zur Vermeidung des Mobbingphänomens ansprechen. Betroffene sollten bestimme Kommunikationsempfehlungen beachten: Sie sollten vor allem nicht mehr auf Eskalationsangebote

4

150

Führungspsychologie

eingehen und das Spiel des Angreifers mitspielen, d.h. sie sollten sich nicht für angeblich begangene Fehler rechtfertigen. Die Angriffe sollten öffentlich gemacht werden und Gespräche mit dem Angreifer nur in Anwesenheit von Zeugen geführt werden. Im fortgeschrittenen Stadium der Eskalation sollten Betroffene unabhängige Beratungsstellen aufsuchen, die bei der Reflexion der Situation behilflich sein können (Frieling/Sonntag 1999, S. 227f).

4.4

Besondere Kommunikationssituationen

4.4.1

Untemehmensgründung

Gründungsphase eines Unternehmens ist für die Gründer aus kommunikationspsychologischer Sicht eine besondere Situation. Wie empirische Untersuchungen zeigen, startet die Mehrheit von Unternehmensgründern mit einer positiven Grundstimmung, die von dem Wunsch nach Selbstbestimmung und Eigenverantwortung durch Selbstständigkeit geprägt ist. Psychologische Faktoren spielen insgesamt für die Entscheidung zur Selbstständigkeit eine weitaus größere Rolle als finanzielle oder prestigebezogene Überlegungen. Nach einer Studie der Münchener Unternehmensberatung Maisberger und Partner 1998 waren für mehr als 70 % der Befragten Freude und Erfolgserlebnisse Auslöser für den Schritt in die Selbständigkeit. Nur 28, 2 % sahen ein höheres Einkommen als wichtigen Bestimmungsgrund und sogar nur 5,8 % das gesellschaftliche Ansehen (Maisberger 1998, S. 26-28). Der Prototyp des Unternehmensgründers strotzt vor Optimismus und Begeisterung, ist von der technischen „Machbarkeit" seiner Pläne überzeugt und fühlt sich in einer Situation sozialer Abhängigkeit unwohl. Außerdem überlässt er die Realisierung der Pläne ungern anderen. Das typische Kommunikationsverhalten des Unternehmensgründers ist im Grunde genommen eine Folge der genannten Persönlichkeitseigenschaften. Es zeichnet sich aus durch (Frese/Rauch 1998, S. 18; Kirschbaum 1990, S. 82f): Die











eine hohe Selbstsicherheit im Auftreten

aufgrund der überdurchschnittlichen Risikobereitschaft, optimistischen Grundeinstellung und geringen Angstneigung, einen starken Willen, andere Menschen zu überzeugen (wegen des hohen Commitments für die Geschäftsidee, Vision und die „eigene Sache"), eine auffallend hohe Fähigkeit, andere zu überzeugen, die u.a. auf eine überdurchschnittliche Ausbildung zurückgeht, eine bevorzugte Kommunikation mit Personen gleichen Rangs aufgrund des ausgeprägten Unabhängigkeitsstrebens, eine am Anfang noch deutlich erkennbare Tendenz zur selektiven Wahrnehmung durch die Besessenheit



ein

von

der „Geschäftsidee" und

Ignorieren von Misserfolgen

in

Folge der kognitiven Dissonanz.

4.4 Besondere Kommunikationssituationen

151

Es handelt sich bei dem so beschriebenen Unternehmer um den erfolgreichen Unternehmertyp, der wenn man die Insolvenzstatistik betrachtet je nach Branche meist in einem Umfeld überwiegend erfolgloser Mitbewerber agiert. -

-

Das Kommunikationsverhalten des durchschnittlichen Unternehmensgründers wird maßgeblich auch von weniger freudigen Emotionen, d.h. vor allem mit einigen durch die neue Existenz verbundenen Ängsten, bestimmt. Die weitaus größten Ängste beziehen sich offenbar auf die Finanzierung des Unternehmens, die Akzeptanz des Angebotes, die korrekte Markteinschätzung und die erfolgreiche Markteinführung sowie nicht zuletzt auf die Stimmigkeit des unternehmerischen Konzepts (Maisberger 1998, S. 33).

Mit der Entwicklung vom Unternehmensgründer zum etablierten Unternehmer verändert sich das Kommunikationsverhalten spürbar. „Erwachsen" gewordene Unternehmer legen den Fokus nicht mehr so sehr auf das technisch Machbare einer Idee, sondern auf den wirtschaftlichen Erfolg von Ideen (Kirschbaum 1990, S. 82f.). Ängste und Unsicherheiten in der Kommunikation beispielsweise mit Banken weichen einer zielgerichteten Vorgehensweise aufgrund der umfangreichen Routine.

Äußerst interessant sind die empirischen Ergebnisse der beiden Professoren für Gewerbefor-

und J. Hanns Pichler an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie untersuchten 1.135 mittelständische Unternehmen in Mittel- und Nord-Europa im Hinblick auf die Mitarbeiterkommunikation. Erfolgreiche Unternehmen im Mittelstand bemühten sich in der Studie allenfalls genauso, vielfach sogar weniger als die erfolglosen Wettbewerber um die Motivation ihrer Mitarbeiter durch individuelle Anreize. Eine nennenswerte Beteiligung von Mitarbeitern an der Entscheidungsfindung fand in den meisten Ländern nicht statt. Erfolgreiche Unternehmen setzten stärker auf klare hierarchische Beziehungen mit klaren Anordnungsbefugnissen. Diese Zusammenhänge scheinen den Empfehlungen des zeitgenössischen Führungsverständnisses zu widersprechen. Jedoch ist die Qualität der Kooperation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern schon wegen der überschaubaren Unternehmensgröße unproblematischer als in größeren Unternehmen (Fröhlich/Pichler 1988, S. 5, 150-156).

schung Erwin Fröhlich

Neben der Persönlichkeit des Gründers selbst und der betriebsinternen Kommunikation zeichnet sich auch die externe Kommunikation durch Besonderheiten aus. Neu gegründete Unternehmen stehen vor der Herausforderung, nicht oder nicht in nennenswertem Umfang auf bestehende Kundenbeziehungen zurückgreifen zu können. Aus diesem Grund kommunizieren sie anders mit ihren Kunden als etablierte Gesellschaften. Wegen der geringen Bekanntheit des Unternehmens und der kaum vorhandenen Erinnerungen und Assoziationen an Marken steht die Kommunikation erst am Anfang des Vertrauensaufbaus. Unabhängig von der Kostenfrage sind klassische Medien der Werbung deshalb nicht unbedingt für einen Vertrauensaufbau und eine Überzeugung potentieller Kunden geeignet, da die Streuverluste zu hoch sind, d.h. zu viele Kundengruppen außerhalb der Zielgruppe erreicht werden. Besser eignen sich Werbeanzeigen in Fachzeitschriften und zielgruppenbezogenen Medien (Special-Interest-Medien). Da neu gegründete Unternehmen in der Regel Inhalte über innovative Produkte und Verfahren glaubwürdig kommunizieren können, liegen redaktionelle Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und Fachzeitschriften sowie

4

152

Führungspsychologie

wissenschaftliche Vorträge nahe. In der Verkaufspsychologie spielt der Einsatz von Empfehlungen, insbesondere Referenzen, eine sehr wichtige Rolle (Gonschior/Roth 1990, S. 63,

69f.).

4.4.2

Fusionen und Übernahmen

Fusionen oder Übernahmen von Unternehoder Unternehmensbereichen ebenso wie aus unternehmensstrategischer und finanzwirtschaftlicher Sicht besondere Situationen. Die Mitglieder der beteiligten Organisationen stehen vor der Herausforderung, Situationen bewältigen zu müssen, mit denen sie bisher keine Bekanntschaft gemacht haben. Häufig wird die kommunikationspsychologische Dimension von den Initiatoren der Fusionen und Übernahmen unterschätzt. Experten führen die sehr hohe Quote des Scheiterns von Fusionen und Übernahmen in den ersten fünf Jahren hauptsächlich auf bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter und Führungskräfte in den beteiligten Unternehmen zurück. Top-Manager schätzen, dass Personalprobleme einen größeren Einfluss auf den Erfolg von Akquisitionen haben als finanzielle Probleme (Hubbard 1999, S. 16).

Aus

kommunikationspsychologischer Sicht sind

men

Auf allen in

Kap.

1 beschriebenen Ebenen des Erlebens und Verhaltens sind Fusionen und

Übernahmen besondere Ereignisse für die betroffenen Organisationsmitglieder. Die spezielle

psychologische Qualität beginnt bereits auf der Wahrnehmungsebene. Vor der Transaktion könnten die Entscheidungsträger wegen der hohen Komplexität des Umfeldes dem Phänomen der selektiven Wahrnehmung unterliegen. Die Qualität der Kommunikation ist in der heißen Phase von Fusionsverhandlungen in der Regel nicht ausschließlich von Sachlichkeit, Rationalität und analytischer Präzision geprägt. Häufig hat die Kommunikation stattdessen eine emotionale Qualität. Individuelle Aspirationen und Größenphantasien einerseits sowie Ängste und Risikovermeidung andererseits sind typische Begleiterscheinungen. Zudem erfährt der emotionale Charakter der Kommunikation während der Transaktion durch eine gruppendynamische Torschlusspanik weitere Nahrung (z.B. „Raus aus dem Mobilfunkgeschäft"). Offensichtlich große Kommunikationsprobleme ergeben sich in der Regel während der Phase der Integration der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das

neue

Unternehmen nach Abschluss der

genannten Post-Merger-Integration. Schon

Transaktion, d.h. in der Phase der

so

Beginn klafft die emotionale Dynamik von Führern und Geführten deutlich auseinander. Die Führungskräfte des Unternehmens sind zunächst sehr stark in die kommunikative Aufgabe eingebunden, den „Deal" einem kritischen Publikum von Medienvertretern und Analysten vorzustellen. Ist diese Hürde erst einmal erfolgreich genommen, wechselt die Stimmung in eine Feierlaune. Dabei übersehen die zu

extrem wichtige Kommunikationsaufgabe erst nach diesem ZeitDie betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Unternehpunkt beginnt. men befassen sich in der Regel erst jetzt mit dem „Deal". Die Nachricht über die konkrete Einleitung von Schritten zur Umsetzung des Akquisitions- bzw. Fusionsplans schlägt bei ihnen wie eine Bombe ein. Alle wichtigen Inhalte und sonstigen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit erscheinen vom Moment dieser Nachricht an ungewiss. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Hierarchieebenen mit Ausnahme der „Dealmaker" erleben einen Verlust der

Top-Manager, dass eine

4.4 Besondere Kommunikationssituationen

Kontrolle über die Situation

infolge

153

ihrer dramatisierenden

Wahrnehmung (Berner 2002,

S.

12f.). Während der einzelnen Etappen des Akquisitions- bzw. Fusionsprozesses lassen sich aus den Erfahrungen des Psychologen und Unternehmensberaters Winfried Berner typische Wirkungen der von den „Dealmakern" ausgehenden Kommunikation auf die emotionale Befindlichkeit der übrigen Belegschaft ableiten (siehe Tab. 4.2). Wichtig ist, dass die aktienrechtliche und organisatorische Umsetzung der Fusion bzw. Übernahme selbst bei großen Unternehmen in der Regel sehr schnell abläuft und auch ablaufen muss. Bei professionellem Management erfolgt auch die Information und Kommunikation innerhalb der beteiligten Unternehmen zügig. Dies verleitet Konzemlenker zu der oft verfrühten Äußerung, die ersten „100-Tage" seien erfolgreich verlaufen. Allerdings halten die emotionalen Reaktionen der Betroffenen meist erheblich länger an. Tab. 4.2 Kommunikationsaktivitäten der Führungskräfte und emotionale Reaktionen der Geführten in charakteristischen Phasen von Akquisitionen bzw. Fusionen; Quelle: in Anlehnung an Berner (2002), S. 14

Phase der Fusion bzw. Akquisition

typische Kommunikation typische emotionale Reaktionen der « Dealmaker » der Belegschaft

Deal-Ankündigung

kurze, knappe Information

Genehmigung

Visionen, strategische Ziele Verdrängung/Verleugnung

Start der Umsetzung

Strategieimplementierung

Zukunftsängste/Ungewissheit

Umsetzungszeit

operative Entscheidungen

Gefühl

späte Umsetzungszeit

stellenbezogene Neuerung

Anpassung/Kampf/Rückzug

übliche Kommunikation

keine emotionale

Entscheidungskorrekturen

erneute

erste

neue

Normalität

Nachbeben

Aufregung, Geflüster

von

Sicherheit entsteht

Auffälligkeit

Zukunftsängste

Die Kommunikation der Dealmaker lässt einer empirischen Studie der Arbeits- und Organisationspsychologin Ingela Jons zufolge stark zu wünschen übrig. Obgleich die Dealmaker von den umfangreichen Erfahrungen ihrer Vorgänger in den vergangenen Jahren hätten profitieren können, zeigt die zwischen Mitte 2001 und Anfang 2002 mit Unterstützung der Universität Mannheim und der Union der Leitenden Angestellten durchgeführte Befragung von 608 Mitarbeitern und Führungskräften ernüchternde Befunde (siehe Tab. 4.3). Der Führungsstil nahm nach der Fusion bzw. Akquisition stärkere hierarchische Züge an. Konflikte wurden weniger offen angesprochen. Es kam häufig zu Schuldzuweisungen bei Fehlern und Mitarbeiter beanstandeten, weniger gut informiert zu sein (Jons 2002, S. 24). Besonders

4

154

Führungspsychologie

auffällig war ein deutlicher Rückgang des Vertrauens, zu dem der gestiegene Problemdruck im Kommunikationsbereich sicher erheblich beigetragen hat. Das Ergebnis dieser empirischen Untersuchung zeigt typische Auswirkungen von Stresserleben auf den Umgang mit Problemen. Gestresste Menschen sind in ihrer Informationssuche eingeschränkt, neigen zu Verallgemeinerungen anstatt zu differenzierten Betrachtungen und vertrauen auf bewährte Vorgehensweisen (Hornung 1998, S. 219). Das gesunkene Vertrauen und das Stresserleben hat sowohl auf der Seite der Führungskräfte als auch auf derjenigen der Mitarbeiter maßgeblichen Einfluss auf die Abwanderung eines signifikanten Anteils der Belegschaft. Empirischen Studien zufolge reagieren vor allem leitende Angestellte sehr schnell mit der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. So verließen bis zu 50 % der leitenden Angestellten der übernommenen Gesellschaft im Übernahmejahr und weitere 25 % innerhalb der nächsten zwei Jahre das Unternehmen. Das Top-Management steht in der Regel vor der sehr schwierigen Aufgabe, die angespannte personelle Situation durch geeignete Kommunikationsmaßnahmen wieder zu beruhigen. Tab. 4.3 Kommunikationsprobleme bei Fusionen/Übernahmen (Anmerkung: Das Veränderungsprofil ist siebenstubei der Studie sind die Chemiebranche und ein großer Konzern überrepräsentiert); Quelle: Jons 2002, S. 24f.

fig,

Kommunikationsaspekt

der Fusion nach der Fusion bzw. Akquisition bzw. Akquisition

vor

Differenz in %

4,0

5,3

+32,5

bürokratischer Stil

3,8

5,4

+42,1

Nichtansprache von Konflikten Schuldige bei Fehlern geringe Mitarbeiter-Information geringes Vertrauen in Führungskräfte geringes Vertrauen in Mitarbeiter

3,5

4,6

+31,4

3,4

4,2

+23,5

3,3

4,1

+24,2

3,4

5,0

+47,1

3,0

4,0

+33,3

hierarchische

Organisation

Fusionen und Übernahmen sind nicht immer und für alle Mitarbeiter gleich mit Stresserleben und anderen unangenehmen psychologischen Zuständen verbunden. Sie bieten zweifelsohne große Chancen für veränderungsbereite, kreative und optimistisch eingestellte Mitarbeiter (Hornung 1998, S. 176). Jedoch hat die Art und Weise der Kommunikation entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung dieser Chancen. Unternehmen, die wie in Tab. 4.3 dargestellt, nach der Fusion oder Übernahme in der Wahrnehmung der Mitarbeiter bürokratischer, hierarchischer und konfliktscheuer erscheinen als zuvor, werden wohl kaum flexible und nach Chancennutzung strebende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begeistern können. TopManager sollten sich stattdessen an folgenden Kommunikationsmaximen orientieren, die untereinander in einem engen Zusammenhang stehen (Bergmann 1991, S. 144-147; Bressmer/Moder/Sertl 1989, S. 190f):

4.4 Besondere Kommunikationssituationen

155

klarer Visionen und strategischer Ziele. Etliche Werte, Normen und andere Kulturelemente, die sich die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen eventuell über viele Jahre oder Jahrzehnte teilten, verlieren ihre Gültigkeit. Zumindest vorübergehend entsteht bei den Betroffenen häufig eine starke Identifikationskrise. Bei fehlendem unternehmenspolitischem Grundkonsens fehlt Mitarbeitern zudem eine Orientierung. Eine solche Situation ist der ideale Nährboden für Unsicherheit, Demotivation und Widerstand. Auf lange Sicht überträgt sich diese Unsicherheit auch auf Kunden und andere Unternehmenspartner. Häufig sind Unternehmenslenker geneigt, als neue Vision ohne weitere Erläuterung das Argument des harten Wettbewerbs oder noch dramatischer den „Kampf ums Überleben" zu bemühen. Jedoch kann eine solche stark negativ anmutende und wenig klare Kommunikation zu einem dauerhaften Stresserleben bei den Mitarbeitern führen, die dann aufgrund von Erschöpfungsreaktionen in der notwenigen Energieentfaltung blockiert sind (Berner 2002, S. 18). Die obersten Führungskräfte der beteiligten Unternehmen sollten stattdessen unmittelbar nach der Transaktion eine gemeinsame Herausforderung mit Meilensteincharakter formulieren, die zu intensiver Zusammenarbeit zwingt (z.B. klare Marktstellungsziele in bestimmten Marktsegmenten, deutliche Verkürzung von Durchlaufzeiten, erhebliche Qualitätsverbesserungen).



Vermittlung



Offene und vertrauensvolle Kommunikation. Die betroffenen Mitarbeiter sind in der Mehrzahl meist gegenüber nicht genau fassbaren Veränderungen in ihrem Umfeld skeptisch eingestellt. Der Überzeugungsprozess zur Beeinflussung dieser Einstellung verspricht nur dann Erfolg, wenn die Kommunikation und Verhaltensweise des TopManagements selbst von der Belegschaft als konstruktiv und integer erlebt wird. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich ein „Überraschungseffekt" durch die Fusions- und Übernahmeankündigung nicht vermeiden, da aus Diskretionsgründen zunächst nur wenige Experten in die Vorbereitungen des Deals involviert waren. Die von der Mitteilung überraschte Belegschaft befürchtet für die Zukunft eine ähnliche Informationspolitik und bringt weiteren Statements der Dealmaker in den darauffolgenden Monaten zunächst mehr Misstrauen als Vertrauen entgegen. Je größer die „Überraschung" von den Betroffenen als solche empfunden wird, um so schwieriger wird der anschließende Versuch, das Vertrauen der Mitarbeiter zurückzugewinnen. Die Vertrauenslage gerät weiter in Schieflage, wenn unerwartete Aktivitäten des Top-Managements hinzukommen. Vor allem in den USA griffen Top-Manager in der Vergangenheit auf Argumentationstechniken wie die Erstellung attraktiv aussehender Profitprognosen, die Aufwertung von Aktiva oder die Beeinflussung des börsennotierten Aktienkurses zurück, die an der Grenze zur rechtlichen Unzulässigkeit lagen. Da sich die Top-Manager des persönlichen Arbeitsplatzrisikos im Falle einer Übernahme bewusst waren, erfolgten häufig bereits im Vorfeld entsprechender Übernahmeverhandlungen Schritte, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht äußerst zweifelhaft erscheinen. Typisch waren beispielsweise Änderungen von Satzungen betreffend die Stimmrechtsverhältnisse und qualifizierte Mehrheiten (sog. „Shark Repellent" oder „Hai-Abwehr") sowie der vergoldete Fallschirm („Golden Parachute"), d.h. die Einführung hoher Abfindungssummen, die im Fall einer Übernahme an das Top-Management gezahlt wurden. Auch waren sog. Giftpillen („Poisson Pills") üblich, d.h. die Ausgabe von Wertpapieren und Rechten, die bisherigen Aktionären im Falle einer Einflussnahme von außen einen Umtausch in höher gehandelte Aktien ermöglichten (Bress-

4

156

Führungspsychologie

mer/Moser/Sertl 1989, S. 180f). Derartige ethisch sicher zu verurteilende Praktiken werden von den Massenmedien gerne aufgegriffen. Die Wirkung der weiteren Kommunikation des Unternehmens mit den einzelnen Stakeholdern, d.h. insbesondere den Mitarbeitern, Kunden und Aktionären dürfte in einem solchen Fall stark von Voreingenommenheit und geringer Glaubwürdigkeit geprägt sein. Eine zurückhaltende oder auf Täuschung beruhende Kommunikationstaktik verleitet Organisationsmitglieder aller Führungsebenen dazu, Gerüchten und Spekulationen zu vertrauen. Die Wirkungen der sich zwangsläufig entfaltenden Eigendynamik des Informationsflusses bewirkt letztenendes ein viel größeres Stresserleben als klare Aussagen zur Lage, selbst wenn diese Information negativ für die Betroffenen sein sollten (Hornung 1998, S. 181). •

Machtbalance. Ideal wäre es für die beteiligten Unternehmen, schnell einen Grundkonsens zu verwirklichen. Gelingt dies nicht, kommt es zu einem Machtvakuum, das seinerseits Lethargie und Inaktivität gerade in einer Phase hervorruft, in der hoher Handlungsbedarf besteht. Notwendige Kommunikationsprozesse sowie hierauf aufbauende Entscheidungen könnten durch ein solches Machtvakuum blockiert werden. Eine schnelle Kommunikation baut der stressinduzierenden Befürchtung vieler Mitarbeiter vor, durch die vollzogene Fusion bzw. Übernahme an Macht und Einfluss zu verlieren. Solche Verluste können sich beispielsweise auf die Neuaufteilung disziplinarischer und fachlicher Zuständigkeiten, die Neuzuordnung von künden-, produkt- und regionenbezogenen Zuständigkeiten sowie die Abschaffung offizieller und inoffizieller Privilegien beziehen (Hornung 1998, S. 181).

Schaffung einer

4.5

Pragmatische Empfehlungen für die Führungspraxis

Sinnvolle und allgemeingültige Kommunikationsempfehlungen für Führungskräfte und Geführte zu geben ist schon deshalb extrem schwierig, weil das Konstrukt der menschlichen Persönlichkeit, von welchem die Führer-Geführten-Beziehung in hohem Maße abhängt, die wohl komplexeste intervenierende Variable des menschlichen Verhaltens darstellt. Zudem haben die Organisationsmitglieder aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen verschiedene Erlebens- und Verhaltensweisen entwickelt. Solche Kommunikationsempfehlungen können zudem nicht wertfrei sein. Sinnvoll ist sicher, Verhaltensweisen in der Kommunikation einzudämmen, die aus der Sicht des Unternehmens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu kontraproduktiven Wirkungen führen. Genauso sind Verhaltensweisen abzulehnen, die zu Lasten der Gesundheit der Organisationsmitglieder, d.h. zu medizinischen und psychosomatischen Erkrankungen führen. Eine offene und faire Kommunikation ohne persönliche Eigeninteressen und karrieristische Hintergedanken ist leicht postuliert, im betrieblichen Alltag aber schwer umsetzbar. Teilweise geschehen die problematischen Verhaltensweisen unbewusst, so dass Unternehmen selbst bei guten Grundsätzen der Organisationsmitglieder für die zwischenmenschliche Kommunikation von einem natürlichen Konfliktpotential ausgehen sollten. Die

4.5

Pragmatische Empfehlungen für die Führungspraxis

157

greift lediglich einige bekannte Kommunikationsprobleme in der Führer-GeführtenBeziehung auf.

Tab. 4.4

Tab. 4.4

Ausgewählte pragmatische Empfehlungen für die Führungspraxis

Kommunikative Absicht

DOS

alle Gesprächssituationen



faire Kritik und

DONT's

aufrichtige



kendes Lob

Anerkennung •

Anerkennung im Einzelgespräch mit dem Be-

Lob und



troffenen artikulieren

Problemlösungsgespräche

Entartete

Feedback, neuen Herausforderungen (z.B. Fusionen)

Bei

Feedback, neuen Heraus-

forderungen und Krisensituati-

und Krisensituationen klar

onen

ausdrücken, „Farbe bekennen",

reden", nicht greifbar sein und dadurch Unsicherheit schüren,

„um den heißen Brei

unglaubwürdig werden.

Bei

wichtigen, komplexen Entscheidungen etwas Zeit lassen, mit sich selbst einig werden.

sich zu anstehenden Problemen mit größerer Tragweite sofort und verbindlich äußern

sachliche Kritik üben, Courage zeigen (Mitarbeiter) bzw. Courage fordern (Führungskräfte)

nur

sachliche Auseinandersetzung mit den Leistungen des Mitarbeiters, Fokus auf Verstehen

positive Nachrichten an die hierarchisch höhere Führungsebene berichten •

differenzierte Urteilsbildung auf der Basis mehrerer Eindrücke

Einordnung beurteilungsreleInformationen in vorhandene Bezugssysteme vanter

des Verhaltens •

„Tugenden" pflegen:

Fried-höfliche Pseudoharmonie oder harter Konfrontationskurs

greifbar/angreifbar und damit vertrauenswürdig werden.



Lob und Anerkennung in der betrieblichen Öffentlichkeit artikulieren

Streitkultur entwickeln: Wahrhaftige und mit Gefühlen stimmige Kommunikation Bei

Beurteilungsgespräche

heftige Kritik, nicht ernst wir-

(Vorurteile, Stereotype) •

sich bei Gesamturteil

von

ein-

maligen „Glanzleistungen" blenden lassen

4

158





Fähigkeit zum Einsatz von Selbstdarstellungstaktiken

Teamarbeit









von

Selbstdarstellungstechniken stehenden Schlüsselqualifikationen prinzipiell ignorieren

eher auf objektivierbare Beur-

stark

Gestaltung von Anreizsystemen auch Ergebnis eines Arbeitsteams berücksichtigen.

Bei der Gestaltung von An-

offene Kommunikationskanäle auf Basis einer fairen und effizienten Verständigung nutzen

starre

offene

Informationsweitergabe, gleiche Informationsstände aller beteiligten Organisationsmitglieder

Missbrauch der Informations-

klare Verhaltensregeln, Prinzipien für effiziente Gesprächs-

unklare Verhaltensregeln, eitle Selbstdarstellungen, Machtkämpfe in Gesprächsführung

Bei der

führung •

Die hinter dem Einsatz

durch strukturierte Interviews, Assessment Center ergründen

teilungskriterien vertrauen •

Führungspsychologie

interpretationsabhängige Beurteilungskriterien benutzen reizsystemen nur die individuelle Leistung berücksichtigen.

Kommunikationswege

nach Maßgabe von Abteilungsgrenze, Dienstweg, u.Ä.

weitergabepraxis zu persönlichem

MachterhaltZ-ausbau,

ungleiche Informationsstände

Offenheit in der Ansprache von Zielen und Ressourcen

Täuschung, bewusste Kaschie-

durch Mitarbeiterbefragung Teamklima und Kommunikati-

Mitarbeiterbefragungen als methodisch unzuverlässiges und für Eigennutz missbrauch-

onsqualität prüfen

rung von

Zielen, Ressourcen

tes Instrument abtun

5

Börsenpsychologie

5.1

Umfeld der Kommunikation innerhalb der Financial Community

In der

Vergangenheit lehnten viele Wissenschaftler die Berücksichtigung psychologischer Aspekte bei der Betrachtung von Finanzmärkten ab. Volkswirte gingen davon aus, dass sich solche verhaltensbezogenen Einflüsse auf der Investorenseite letztlich kaum gesamtwirtschaftlich auswirken würden. Sowohl Wirtschaftswissenschaftler als auch Sozialpsychologen sehen heute den Aktienkurs nicht mehr als eine völlig „seelenlose" objektive Zahl, sondern als eine Art aggregierter Meinung bzw. eine Bewertung der erwarteten Entwicklung des Unternehmens (Frey/Stahlberg 1990, S. 103). Trotz aller Bemühungen in der technischen Analyse (d.h. der Interpretation von Aktiencharts mit mathematisch-statistischen Methoden auf der Basis von Vergangenheitswerten; siehe Schulz 2002) und in der Fundamentalanalyse (d.h. der Untersuchung kausaler Rahmenbedingungen in der Entwicklung eines Börsenkurses zur Bestimmung des „wahren" Unternehmenswertes; siehe Loistl/Casey 2002) lebt die Börse von ihrer Unbestimmtheit. Selbst „Börsengurus" sind nicht in der Lage, nur den Kursverlauf für den nächsten Tag zutreffend vorherzusagen. Neue Impulse für eine realitätsnahe Erfassung von Finanzmärkten sowie für eine Aktienkursprognose könnten künftig von der chaostheoretischen Analyse ausgehen, die sich bereits in vielen anderen Problembereichen der realen Welt, beispielsweise in der Physik und in der Medizin, bewährt hat. Nach Einschätzung des Finanzmarktexperten Hans Uhlig könnte die chaostheoretische Analyse konventionelle Methoden der Aktienkursprognose wie die Technische Analyse sogar vollständig ersetzen (Uhlig 1999, S. 190f.). Das Interesse von Praktikern an der Börsenpsychologie scheint seit geraumer Zeit sehr groß zu sein. Jedoch neigen die psychologischen Konzepte der Praktiker zu einem Rezeptcharakter und vernachlässigen eine angemessene Differenzierung der Aussagen. So taucht der Begriff „Stimmung" einerseits als Beschreibung der aktuellen Marktlage und andererseits als Erklärungsversuch derselben auf (Fischer/Koop/Müller-Peters 2002, S. 204). Häufig werden zur Erläuterung steigender und fallender Kurse die gleichen Begründungen herangezogen. So wurde z.B. der Anstieg der Arbeitslosenquote einerseits als Indikator für einen konjunkturellen Abschwung und fallende Börsenkurse gesehen. Andererseits galt eine hohe Arbeitslosenquote als Indikator für eine geringe Inflationsgefahr („Überhitzung") und daher als Indiz für steigende Börsenkurse (Frey/Stahlberg 1990, S. 112).

160

5

Börsenpsychologie

Diese auf den ersten Blick schizophren erscheinende Kommunikationspraxis veranlasste einst den populären und oft als „Altmeister der deutschen Börse" gepriesenen Andre Kostolany zu der Äußerung eines öfters zitierten Aphorismus: „Die Kurse machen die Neuigkeiten" (und nicht die Neuigkeiten die Kurse). Kostolany brachte eine magisch anmutende Gleichung in die Diskussion. Nach seiner Ansicht hängt die Tendenz an einer Börse von zwei Faktoren ab: Dem Verhältnis zwischen der Geldmenge und neuen Wertpapieremissionen sowie einem psychologischen Moment. Die „Psychologie" macht nach Kostolanys Einschätzung etwa 90 % der Tendenz an der Börse aus (Kostolany 1991, S. 20).

Erfahrungen und Schätzungen Kostolanys passen zu den neueren Ansätzen in der Finanzmarktforschung. In den USA entwickelte sich eine neue Denkschule, die von psychiDie

schen, mentalen und neuronalen Restriktionen in der Kommunikation zwischen den Akteuren im

Börsengeschehen ausgeht. Diese als Behavioral Finance bezeichnete Forschungsrichtung stellt die von klassischen Kapitalmarktforschern postulierte rationale Orientierung der Anleger stark in Frage. Vorreiter dieses Ansatzes waren die Psychologen Daniel

Kahneman und Arnos Tversky, die in den 70er Jahren zahlreiche Annahmen wie die rationale Erwartungsbildung durch Experimente widerlegen konnten. Ihre Versuchspersonen verhielten sich in vielen Fällen irrational. Sie orientierten sich beispielsweise stark an der Art und Weise der Darbietung von Informationen und ließen sich bei Entscheidungen von einem unangemessenen Vertrauen in die eigene Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten leiten (DeBondt/Thaler 1995, S. 386). Nach Ansicht der verhaltenswissenschaftlich orientierten Kapitalmarktforscher folgt die Auswahl, Aufnahme und Verarbeitung entscheidungsrelevanter Informationen sowie die Erwartungsbildung an der Börse durchaus dem Muster kommunikationspsychologischer Modelle. Die moderne Kapitalmarkttheorie leugnet aus diesem Grund die Existenz psychologischer Nebenbedingungen nicht mehr (Müller 2003, S. 94; Rapp 2000, S. 93).

Insgesamt betrachtet,

erscheint der Forschungsstand und die Anwendung psychologischer Ansätze in der Praxis noch in den Kinderschuhen zu stecken. So resümiert der erfahrene Finanzanalyst und Asset Manager Hartmut Kiehling im Vorwort zu seinem Buch „Börsen-

und Behavioral Finance": „Bücher zur Börsenpsychologie sind rar auf dem deutschen Büchermarkt. Das gilt nicht so sehr für die Ratgeberliteratur, die unter dieser Flagge segeln, als vielmehr für solche wissenschaftliche oder wenigstens populärwissenschaftliche Werke. Daran konnte auch die teilweise Neuorientierung der Kapitalmarkttheorie kaum etwas ändern" (Kiehling 2001, S. VII).

psychologie

Um den Einfluss

von

am

zu

Kommunikationsprozessen auf das Erleben und Verhalten der Akteure Kapitalmarkt verstehen, erscheint es sinnvoll, die Rahmenbedingungen der heutigen Kapitalmarktkommunikation zu betrachten (siehe Abb. 5.1). Das Umfeld der Kapitalmarktkommunikation hat sich in den letzten Jahren auch in Deutschland tief greifend verändert. Eine Reihe von Faktoren bedingt die wachsende Bedeutung der Beziehungspflege zu der Financial Community. Zu den einschneidendsten Entwicklungen gehört die globale Orientierung des Kapitalmarktes. Eine steigende Zahl von Anlegern investiert heute jenseits des Heimatmarktes. Im Sinne einer wertorientierten Unternehmensführung steht das Top-Management vor dem Kernproblem, die Wertgenerierung im Unternehmen für private und institutionelle Anleger

5.1 Umfeld der Kommunikation innerhalb der Financial

Community

161

sowie Multiplikatoren glaubwürdig zu kommunizieren. Anleger durchleuchten zunehmend die Profitabilität der Unternehmen einer Branche im internationalen Vergleich (Kirchhoff 2001, S. 38). In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Gesetzen, die Einfluss auf die Kapitalmarktkommunikation haben, neu geregelt bzw. erst geschaffen worden. Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) erweitert den Bereich der Pflichtinstrumente in der Kommunikation mit den Investoren. Zudem unterstützt der Gesetzgeber in Deutschland die Internationalisierung der Eigenkapitalfinanzierung durch mehrere Finanzmarktförderungsgesetze. Inzwischen können Unternehmen globale Aktien ausgeben, die sowohl an in- als auch ausländischen Börsen in den Handel aufgenommen werden können. Ebenfalls von großer Bedeutung für die Kapitalmarktkommunikation ist die neue Eigenkapitalvereinbarung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel II). Banken müssen hiernach abhängig vom Risiko des Unternehmens ihre Kredite mit Eigenkapital unterlegen. Um gute Kreditkonditionen zu erhalten, werden die Unternehmen versuchen, relevante Informationen an die Kapitalgeber möglichst transparent zu vermitteln (Giesel 2002, S. 5, 11 f.). Neben der Internationalisierung der Kapitalmärkte hat sich auch die Verfügbarkeit von börsenrelevanten Informationen in der breiten Öffentlichkeit stark verändert. Mit der Einführung des ersten neuen TV-Nachrichtensenders, des Cable News Network (CNN), im Jahre 1980 gewöhnten sich viele US-Amerikaner schnell daran, Wirtschaftsnachrichten zu jeder Tages- und Nachtzeit einschalten zu können, anstatt nur einmal nach dem Abendessen. In den Folgejahren wurde das CNN-Konzept von vielen Femsehkanälen aufgegriffen. Nicht nur der Umfang, sondern auch die Qualität der verfugbaren Informationen veränderte sich. Die bisher nur den Wertpapierprofis zugänglichen Berichte mit Ertragsprognosen und Analystenmeinungen zu der künftigen Entwicklung des Unternehmenswertes von Aktiengesellschaften stehen heute einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung (Shiller 2000, S. 45f).

Obgleich

die Informationsmöglichkeiten für private Investoren erheblich besser sind als in früheren Jahren, zeichnet sich ein klarer Trend zur Professionalisierung der Investoren ab. Die Bedeutung des Aktienbesitzes von privaten Haushalten hat in der Bundesrepublik kontinuierlich abgenommen. 1960 waren noch etwa 30 % aller Aktien in privater Hand. 1996 waren es nur noch 15 %. Professionelle Anleger wie in- und ausländische Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften haben heute einen deutlich höheren Anteil an bundesdeutschen Aktien (Staute 1998, S. 23-26). Ihre Bedeutung hat in Deutschland insbesondere in den 80er und 90er Jahren zugenommen (Kirchhoff 2001, S. 40). In den Vereinigten Staaten bewirkten intensive Werbeaufwendungen und gesetzliche Förderprogramme zur privaten Altersvorsorge einen enormen Zuwachs des Investmentsparens in der breiten Bevölkerung. Während Anfang der 80er Jahre noch etwa 6 Millionen oder 10 % der Haushalte in den USA Fondsanteile besaßen, waren es 1998 fast 120 Millionen US-Bürger oder zwei Depots pro Familie (Shiller 2000, S. 52). Diese Entwicklung führte fraglos zu einem gigantischen Wachstum des verwalteten Vermögens der Fondsgesellschaften. Die verwalteten Fondsvermögen erreichen inzwischen ein solches Volumen, dass Käufe und Verkäufe von Fondsgesellschaften maßgeblichen Einfluss auf unternehmensstrategische Entscheidungen (z.B. auf die Planung einer Fusion oder Akquisition) haben können (Deter 2002, S. 76f).

5

162

Börsenpsychologie

Letztendlich entscheidend für die Qualität der Kommunikation zwischen den Investoren und den Aktiengesellschaften ist der Einfluss von Aktionären auf die Unternehmensführung. In Deutschland konnten private Anleger traditionell gegenüber den Aktiengesellschaften wenig wirkungsvoll kommunizieren. Noch bis Ende der 70er Jahre schreibt der Finanzjournalist und Kenner der internationalen Finanzmarktszene Andreas Nölting war die starke Machtposition von Banken in der Kapitalmarktkommunikation deutlich spürbar. Banken verinnerlichten lange Zeit die von dem ehemaligen Berliner Bankier Carl Fürstenberg (1850-1933) aus heutiger Sicht provokativ anmutende Einstellung gegenüber Aktionären. Fürstenberg sagte: „Aktionäre sind dumm und frech. Dumm, weil sie ihr Geld blindlings einem Unternehmen anvertrauen, ohne eine ausreichende Kontrolle über die Verwendung ihrer Mittel zu haben. Und frech, weil sie für diese Dummheit auch noch eine Belohnung in Form einer Dividende erwarten" (Nölting 2000, S. 40). In vielen anderen westlichen Industrienationen und vor allem in den Vereinigten Staaten war die Beziehung zwischen Banken und privaten Anlegern deutlich weniger von einem derartigen Verständnisproblem gekennzeichnet. Die Äußerung Fürstenbergs wäre dort auf sehr heftige Kritik in der Financial Community gestoßen, da die Aktiengesellschaften schon seit einiger Zeit die Interessen ihrer Anteilseigner sehr viel stärker als deutsche Gesellschaften berücksichtigen. Einige Unternehmen wurden sogar aufgrund von Aktionärsinteressen umstrukturiert (Giesel 2002, S. 4). -

-

Auch deutsche Unternehmen wollen bzw. müssen sich stärker als bisher am Kapitalmarkt orientieren. Althergebrachte Strukturen und Kulmren sind zunehmend seltener anzutreffen. So stellt Nölting zu der neuen Praxis fest: „Alle Macht den Aktionären Shareholder Value heißt die neue Weltmacht. Die neuen Herren orientieren sich vor allem an der Aktienrendite, sie wollen ihr eingesetztes Kapital ordentlich verzinst sehen. Gewachsene Strukturen, soziales Gewissen und die gewohnten Rituale des rheinischen Kapitalismus, all das zählt in der digitalen Finanzwelt nicht viel" (Nölting 2000, S. 16). Der Würzburger Wirtschaftsprofessor und Experte für Unternehmensfinanzierung, Bank- und Kreditwirtschaft Ekkehard Wenger sieht jedoch erhebliche praktische Probleme für die Mehrzahl von Aktionären, das TopManagement der großen Publikumsgesellschaften zu disziplinieren. Die Mehrheit der Aktien werde von anderen Unternehmen und institutionellen Investoren gehalten, die nicht das „eigene Kapital" investieren. Eigennützige Interessen des Managements könnten den Vorrang gegenüber der Steigerung des Unternehmenswertes also dem primären Interesse der Anteilseigner haben oder in einem Zielkonflikt hierzu stehen (Wenger/Knoll 2002, S. 720). -

-

-

Zumindest wegen des Einflusses der Medien und Multiplikatoren stellt die Beziehungspflege zu Investoren (Investor Relations) eine wichtige Aufgabe für die Aktiengesellschaften dar. Die von den Gesellschaften ausgehende Qualität der Kommunikation mit dem Kapitalmarkt ist für potenzielle Investoren zu einem zentralen Kriterium bei der Anlageentschei-

dung geworden. Vor allem für noch junge Wachstumsunternehmen der New Economy ist eine glaubwürdige Kommunikation wegen des noch geringen Bekanntheitsgrades besonders

kritisch. Etablierte börsennotierte Gesellschaften versuchen mit Hilfe professioneller Methoden der Kapitalmarktkommunikation den Börsenkurs zu stabilisieren oder auch feindliche Übernahmen abzuwenden. Zentrales Ziel der Investor-Relations-Bemühungen ist es, das Vertrauen der Investoren zu gewinnen. Die Kommunikationsaktivitäten der Kapitalgesellschaften dienen zudem der Bindung bereits engagierter Investoren und Multiplikatoren sowie

5.1 Umfeld der Kommunikation innerhalb der Financial

Community

163

Gewinnung neuer Kapitalgeber. Anfang der 80er Jahre war der Begriff Investor Relations zumindest in Deutschland noch weitgehend unbekannt (Giesel 2002, S. 3). der

Umfeld der

Kapitalmarkt-Kommunikation

näheres Umfeld,

weiteres Umfeld. z.B.

v.a.

Marktteilnehmer

ökonomisch

rechtlich

technisch

Professionalisierung

globale Kapitalmarktorientierung

Regeln zur Erhöhung der

jederzeitige Verfügbarkeit

transparenz

Börsendaten

der Investoren

Markt-

von

T intensivere Kommunikation innerhalb der Financial Private Investoren

Community

Institutionelle Investoren

-

Multiplikatoren (Fondsmanager, Analysten, Journalisten) -

wachsende

Bedeutung der Investor Relations

gezielte Pflege der Beziehungen zu einzelnen Gruppen Community durch die Aktiengesellschaften

der Financial

Abb. 5.1

Umfeld der Kapitalmarktkommunikation seit Anfang der 90er Jahre

164

5

Börsenpsychologie

5.2

Psychologische Merkmale der Akteure

5.2.1

Private Anleger:

Klein-, Großaktionäre und Insider

Private Anleger sind alles andere als eine homogene Gruppe. Kleinaktionäre unterscheiden sich aufgrund des Informationsstandes und Anlageverhaltens grundlegend von der Gruppe der Großaktionäre und Insider. In den USA sprechen die Wertpapieraufsicht und die einzelnen Wertpapierbörsen von Insidern, wenn leitende Angestellte oder Großaktionäre eine Beteiligung von mindestens 10 % an einer Aktiengesellschaft halten. Im Gegensatz zu Kleinaktionären kaufen Insider Aktien häufig nicht an den Wertpapierbörsen, sondern direkt von der Gesellschaft. Insider kennen ihre Unternehmen in der Regel besser als Kleinaktionäre. Sie sind meist gründlich informiert und eher in der Lage, das Timing des Marktes abzusehen. Es leuchtet ein, dass Art und Inhalt der von den Insidern ausgehenden Kommunikation auf den Aktienbörsen besondere Beachtung findet (Davis 2000, S. 211 f.). Um die Psychologie der Kleinaktionäre zu verstehen, ist es nahe liegend, sich mit deren Situation und Anlagemotivation auseinander zu setzen. Typische Merkmale der Kleinaktionäre sind (Kirchhoff 2001, S. 38; Faltz 1999, S. 58): • •



• •



eine heterogene und zahlenmäßig große Gruppe von Investoren, ein geringes Anlagepotenzial des einzelnen Investors (meist weniger als 100 Aktien pro

Transaktion), eine wenig detaillierte Analyse und Auswertung von Informationen, ein starkes Vertrauen auf Empfehlungen von Banken bei Investitionsentscheidungen, ein eher langfristiger Anlagehorizont (loyale Anleger, die dem Unternehmen auch bei gewissen Kursschwankungen längere Zeit treu bleiben; Aktiendepots stellen einen Bestandteil der Altersvorsorge dar) und eine aufgrund geringer Investitionssummen für die Anleger nur eingeschränkte Möglichkeit zur Diversifizierung des Aktienportfolios

Kleinaktionäre sind aufgrund dieser Merkmale grundsätzlich sehr empfänglich für den Kauf von Investmentzertifikaten. Vor allem die Banken können deshalb durch Anlageempfehlungen größere Volumina bestimmter Wertpapiere platzieren. Bisher neigten die Geldhäuser dazu, in Beratungsgesprächen kleinen privaten Vermögensanlegern Investmentzertifikate ihrer Tochtergesellschaften zu empfehlen (Fischer 2003, 79f). Allerdings wird nach Einschätzung von Experten in Zukunft der Drittvertrieb von Investmentanteilen, d.h. die Aufnahme konzernfremder Produkte in das Beratungsprogramm der Kundenbetreuer im Privatkundengeschäft, erheblich an Bedeutung gewinnen. Zudem bewirken die aufgezeigten Veränderungen der Rahmenbedingungen der Kapitalmarktkommunikation eine Veränderung des psychologischen Profils von Kleinaktionären. Auch Kleinaktionäre im deutschsprachigen Raum sind zunehmend besser informiert, kritischer und anspruchsvoller.

5.2

Psychologische Merkmale der Akteure

165

Aus der Sicht des börsennotierten Unternehmens ist eine effiziente Ansprache des einzelnen Aktionärs schwierig, da dieser von den börsennotierten Unternehmen nicht in jedem Fall identifizierbar ist und die Abstimmung der Kommunikation auf jeden einzelnen Aktionär mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre (Schwarz 2001, S. 348). Je breiter die Zielgruppe ist, umso eher neigen die Aktiengesellschaften dazu, statt Sachargumente Emotionen und Personalisierungen in ihrer Kommunikation mit den Investoren zu verwenden. Kleinaktionäre erreicht eine Aktiengesellschaft in der Regel über eine zweistufige Kommunikation, d.h. über eine Kommunikation, die zunächst an Banken sowie die Finanzund Wirtschaftspresse gerichtet ist. Seltener in Einzelfällen jedoch durchaus erfolgreich ist eine Ansprache von potenziellen Aktionären auf dem Wege der Direktwerbung (Kle-

wes/Güttler 2001, S. 197,

-

202).

Typische Kleinaktionäre liegen nach Ansicht von Experten mit ihren Anlageentscheidungen meist falsch. Konservative Kleinaktionäre sind oft erfolgreicher. Jedoch ist die Einschätzung aller Aktionärsgruppen dann unzutreffend, wenn es zu Extrembewegungen auf dem Markt kommt (Davis 2000, S. 215f). Eine börsenpsychologisch interessante Frage ist in diesem Zusammenhang zunächst, wie sich emotionale Stimmungen auf das Anlageverhalten privater Kleinaktionäre auswirken. Die Kölner Wirtschaftspsychologen Lorenz Fischer et al. befragten 237 Besucher der Aktionärsmesse in Düsseldorf nach ihrem Gefühl bei der Beschäftigung mit Aktien und gleichzeitig nach ihrem allgemeinen Lebensgefühl. Nur 13 % der Befragten assoziierten starke und mäßig unangenehme Empfindungen mit Aktien, während fast 60 % positive oder sehr positive Gefühle mit dieser Anlageform in Verbindung brachten. Die eigene Fähigkeit, mit Aktien umzugehen, schätzten die Befragten durchschnittlich ein. Die Tendenz zur Angabe mittlerer Ausprägungen als Antwort deutet allerdings auf eine hohe Unsicherheit in der Beurteilung des Themas hin. Interessant ist, dass die an sich positiven Assoziationen in Bezug auf Aktien im Vergleich mit der Bewertung des eigenen Lebens deutlich schlechter waren. Die Beschäftigung mit Aktien erschien einem großen Teil der Befragten dennoch erstrebenswert, da Aktien einen gewissen Anregungswert hätten, der als Bereicherung erlebt würde. Die Gefühlslage privater Aktionäre war in den Untersuchungen der Wissenschaftler signifikant von der Erfahrung mit Vermögensanlagen abhängig. Angehende Aktionäre haben im Gegensatz zu erfahrenen Aktionären bei Gewinnerwartungen deutlich angenehmere Gefühle. Diese Gewinnchancen verlieren mit fortschreitender Erfahrung für die Anfänger an Bedeutung, während der erlebte Kompetenzgewinn und die Freizeitgestaltung in den Vordergrund rücken (Fischer/Koop/Müller-Peters 2002, S. 209-217).

Neben den mit dem Thema Aktien und Börse verbundenen Emotionen und Motiven spielen die Umstände der Verbreitung von anlagerelevanten Informationen eine wichtige Rolle. Die in älteren volkswirtschaftlichen Modellen vielfach noch unterstellte Annahme des vollkommenen Kapitalmarktes, d.h. insbesondere der Verfügbarkeit vollständiger Informationen für alle Marktteilnehmer, ist trotz aller Fortschritte in der Informationstechnologie auch heute noch nicht erfüllt. Informationen an der Börse verbreiten sich nach wie vor auf dem Wege einer so genannten graduellen Diffusion: Sie sickern von gut informierten und professionellen Investorenkreisen allmählich zu den Kleinaktionären durch.

5

166

Börsenpsychologie

Der bessere Informationsstand der Profis beruht auf einer größeren Nähe zu entscheidungsrelevanten Quellen für eine Vermögensanlage in Aktien. Kleinaktionäre verfügen zudem nicht über ein besonderes börsenspezifisches Fachwissen und nur selten über hinreichende Erfahrungen. Wenn eigene Erfahrungen weitgehend fehlen, spielen zwangsläufig Fremderfahrungen eine größere Rolle bei der Erwartungsbildung. Solche Fremderfahrungen stammen von Experten wie Brokern, Effektenberatern und Finanzjournalisten (Frey/Stahlberg 1990, S. 107). Häufig beschränken Kleinaktionäre ihre Tätigkeit auch darauf, das vorherrschende Marktverhalten einfach zu kopieren. Eine breite Masse von Aktionären verfügt daher über ähnliche Erwartungen. Die Entscheidungen der Kleinaktionäre beruhen wegen der graduellen Informationsdiffusion in der Regel nicht auf aktuellen Informationen, sondern auf Informationen von geringerer Qualität (auf so genannter „Noise" im Sinne eines auffälligen Geräuschs, das unverkennbar in der jeweiligen Marktlage gut zu vernehmen ist). Die für die „naiven" Investoren verfügbaren Informationen sind zum Zeitpunkt ihrer Wahrnehmung längst in den Marktpreisen enthalten. Typische Kleinaktionäre sind aufgrund dieser relativen Informationsnachteile prädestiniert, zu falschen Zeitpunkten Aktien zu kaufen bzw. zu verkaufen (Rapp 2000, S. 100).

5.2.2

Institutionelle Anleger: Investmentfonds

Banken, Versicherungen und

Zu den institutionellen Anlegern zählen meist professionelle Großanleger wie Banken, Versicherungen und Investmentfonds. Ein einzelner institutioneller Anleger kann sehr hohe Stückzahlen bewegen und hierdurch sogar eine Art Kettenreaktion an der Börse auslösen, d.h. andere Investoren auf seine Investitionsentscheidung aufmerksam machen. Institutionelle Investoren arbeiten meist mit so genannten Stop-Loss-Orders, die beim Erreichen eines bestimmten Börsenkurses automatisch den Verkauf von Anteilen auslösen. Der Einfluss dieser Kettenreaktion ist umso offensichtlicher, je enger der Markt für die Aktie einer Gesellschaft

ist.

Typische Merkmale institutioneller Anleger sind: • • •

• • •





ein hohes Anlagepotenzial des einzelnen Investors, meist Anlageentscheidungen im Team,

Entscheidungen unter Berücksichtigung gesetzlicher Regelungen und unternehmenseigener Anlagerichtlinien, eine hohe Performanceorientierung, eine sehr detaillierte Analyse und Verarbeitung relevanter Informationen, häufig eine starke Orientierung an rational nachvollziehbaren Bewertungskriterien, weniger an Stimmungen und Emotionen, ein eher kurzfristiger Anlagehorizont und exzellente Möglichkeiten der Diversifizierung des Aktienportfolios aufgrund höchster Investitionssummen.

Bei der Betrachtung dieser Merkmale entsteht zwangsläufig der Eindruck, institutionelle Investoren würden bei ihren Anlageentscheidungen nicht oder geringen kommunikations-

5.2

Psychologische Merkmale der Akteure

167

psychologischen Einflüssen unterliegen. Wie bei allen Entscheidungen stehen auch hinter institutionellen Investoren Menschen. Ein offensichtliches Risiko stellen die gruppendynamischen Effekte dar. Professionelle Investoren treffen ihre Anlageentscheidungen meistens innerhalb einer Gruppe. Doch Gruppenmeinungen verführen zu der Annahme, die gemein-

getroffenen Entscheidungen seien richtig. Erhebliche Risiken einer bestimmten Aktienanlage könnten auf diese Weise durch kollektive Fehleinschätzung verharmlost werden (so genannter „Risky Shift"). Das an der Börse vielfach sinnvolle antizyklische Vorgehen, d.h. die genaue Wahrnehmung von Informationen, die der Mehrheitsmeinung und dem aktuellen Trend widersprechen, werden durch gruppendynamische Einflüsse oft verdrängt (Kiehling 2001, S. 66-69). sam

Ein weiteres Problem mit kommunikationspsychologischer Relevanz liegt in einem branchenüblichen rigiden Reporting- und Überwachungssystem begründet. Die Leistungsmessung von Fondsmanagern erfolgt im Allgemeinen äußerst transparent in Form eines Indexvergleichs. In guten wie in schlechten Börsenzeiten lastet so ein erheblicher Erfolgsdruck auf den Managern. Entscheidungen finden unter hohem Zeitdruck statt, um zu den geplanten Zeitpunkten Erfolgsmeldungen kommunizieren zu können. In Bankenkreisen gilt das Arbeitsklima im Investmentgeschäft als äußerst hart. Es zählt zu den Bereichen mit der höchsten Fluktuation von Mitarbeitern innerhalb der Bankenszene. Anders als private Investoren neigen Fondsmanager zur Erreichung der unternehmensintern festgesetzten Ziele dazu, Aktien schnell zu kaufen bzw. zu verkaufen (Nölting 2000, S. 36f). Der psychologische Druck, der auf den professionellen Händlern an den Börsen sowie den Banken und Investmentgesellschaften lastet, hat in den USA zu der Entwicklung spezieller Trainingsmethoden geführt. Hierbei werden Erkennmisse der Kapitalmarktforschung, der Spieltheorie und der praktischen Börsenerfahrung mit psychologischen Trainingsmethoden kombiniert. Ziel des Trainings ist es, den Teilnehmern eine Analyse der eigenen Emotionen, Absichten und Verhaltensweisen zu ermöglichen, sie in der Beherrschung emotionaler Disziplinen gezielt zu schulen sowie die Entwicklung eines angemessenen Selbstbildes zu fördern. In der Praxis sind tatsächlich solche Trader überdurchschnittlich erfolgreich, die ein System der eigenen emotionalen Disziplinierung konsequent anwenden (Jünemann 2002, S.

153f).

5.2.3

Multiplikatoren: Fondsmanager, Finanzanalysten und Finanzjournalisten

Multiplikatoren haben eine wichtige Funktion in der Kommunikation innerhalb der Financial Community. Sie verfugen meist über eine große Sachkenntnis und beeinflussen durch ihre Bewertungen bzw. Kommentare insbesondere die Anlageentscheidung der weniger gut informierten privaten Anleger. Auch sie stehen aufgrund ihrer Meinungsführerrolle im Zentrum der Investor-Relations-Bemühungen der Aktiengesellschaften (Kirchhoff 2001, S. 41). Fondsmanager treffen einerseits als Funktionsträger in der Organisation der institutionellen Anleger Entscheidungen und sind andererseits unabhängige Mittler. Beide Typen bewerten die Leistung des Management der Aktiengesellschaften und die Risiken einer möglichen

168

5

Börsenpsychologie

Investition. Durch ein professionelles Portfoliomanagement auf Basis detaillierter Informativersuchen sie, eine gute Performance zu erzielen (Kirchhoff 2001, S. 41). Für Fondsmanager bankunabhängiger Gesellschaften gelten grundsätzlich die bereits beschriebenen

onen

psychologischen Merkmale ihrer Bankkollegen.

Finanzanalysten präsentieren der Financial Community Untemehmensinformationen höchsQualität. Sie empfehlen den Kauf bzw. Verkauf von Wertpapieren auf der Basis einer Analyse von Fundamentaldaten. Die Empfehlung wird in der Regel direkt nach kursrelevanten Ereignissen wie der Bekanntgabe von Quartalszahlen oder der Ankündigung einer Fusion veröffentlicht. Diese Informationen sind vor allem für Großanleger und Fondsmanager eine wichtige Entscheidungsbasis (Kirchhoff 2001, S. 41 f.). Die Unabhängigkeit der Analysten wird teilweise angezweifelt. Kritiker äußern den Verdacht, Analysten übten wegen geschäftlicher Interessenkonflikte Zurückhaltung bei negativen Bewertungen bestimmter Aktienwerte. So würden die Analysten bei Verkaufsempfehlungen mögliche Verstimmungen in der Kommunikation mit den betroffenen Aktiengesellschaften befürchten, da letztere sich künftigen Gesprächen und Informationsveranstaltungen verweigern könnten. Die für eine Erstellung künftiger Gewinnprognosen von den Analysten benötigten Informationen würden dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Arbeiten Analysten für Investmentbanken, die zugleich neue Börsengänge betreuen, ist der Interessenkonflikt besonders offensichtlich, da derartige Geschäfte als äußerst lukrativ gelten. Robert J. Shiller, Wirtschaftsprofessor an der Yale University und Behavioral Finance Experte, bezieht sich auf beeindruckende empirische Belege für die Problematik des Aussagewertes von Analystenempfehlungen. Analysten, deren Arbeitgeber Konsortialmitglieder oder gar Konsortialführer sind, würden auffallend häufiger günstige Empfehlungen aussprechen als ihre weniger eng mit den zu bewertenden Aktiengesellschaften verbundenen Kollegen. Zunehmend stünde die Wertpapieranalyse im Dienste der Absatzförderung und anderer Instrumente der persuasiven Kommunikation. Insider jedoch weniger Kleinaktionäre interpretierten eine Empfehlung „Halten" meist als „Verkaufsempfehlung". Vor allem die langfristigen Prognosen der Ertragskraft von Aktiengesellschaften seien häufig zu optimistisch (Shiller 2000, S. 46—48). Plausible Erklärungen für das bessere Abschneiden der Firmenkunden liefern die Bankanalysten in der Regel nicht. Die betroffenen Häuser weisen beispielsweise darauf hin, dass sie primär mit Qualitätsunternehmen Geschäftsbeziehungen unterhalten wollen und diese daher in der Liste positiver Empfehlungen überrepräsentiert seien (Fischer 2003, S. 81). Trotz aller Mängel in der Bewertung von Aktiengesellschaften haben bestimmte Analysten so die Einschätzung von Nölting den Status von Gurus erreicht. Die oft im Alter von Mitte dreißig vergleichsweise jungen Finanzexperten verdienten zweistellige Millionengehälter und würden viele Marktteilnehmer zum Kauf oder Verkauf von Aktien entsprechend ihrer Empfehlung bewegen können. Nach außen hin geben sich die Finanzprofis hingegen verschwiegen und versuchen, öffentliche oder gar kontroverse Diskussionen über ihre Machtstellung tunlichst zu vermeiden (Nölting 2000, S. 38f). ter

-

-

-

-

Finanzjournalisten beeinflussen durch ihre Publikationen und Artikel im Wirtschafts- und Tageszeitung (z. B. Börsen-Zeitung, Die Welt, Financial Times, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung), eines Wirtschaftsmagazins (z.B. Capital, DM, Impulse, Manager Magazin, Wirtschaftswoche) oder einer speziellen Kapitalanlegerzeitschrift (z.B. Börse Online, Der Aktionär, Der Platow Brief, Der Effecten-Spiegel, Finanzteil einer

5.2

Psychologische Merkmale der Akteure

169

EURO am Sonntag, Finanzen, Focus Money) die Mitglieder der Financial Community. Eine zentrale Rolle spielen auch spezielle Fernsehsender wie Bloomberg-TV, CNN und n-tv sowie nicht zuletzt Nachrichtendienste wie Bloomberg und Reuters, deren Meldungen häufig von der regionalen Tagespresse aufgegriffen werden. Der Einfluss der Medien liegt neben der Beeinflussung aktueller und potenzieller Investoren durch den Inhalt der Beiträge in der auffälligen Schwankungsbreite der Anzahl dieser Beiträge in Abhängigkeit von der jeweili-

-

gen

Marktphase begründet.

Das Interesse der Presse am Finanzmarkt ist alleine deshalb sehr groß, weil die Börse täglich Nachrichten produziert. Zusammen mit der Rubrik Sport entfallen auf den Wirtschafts- und Finanzteil vieler Zeitungen mehr als die Hälfte des redaktionellen Platzbedarfs. Häufig befinden sich die beiden Zeitungsteile auch noch von ihrer Platzierung in unmittelbarer Nachbarschaft. In den Phasen stark steigender und stark fallender Aktienkurse wird auffallend intensiver berichtet als in Marktphasen mit geringem Handelsvolumen. Der „Readers Guide to Periodical Literature" wies im Jahre 1982, als die US-Börsen die Talsohle erreichten, 242 oder 0,194 % aller Beiträge aus. 1987, im Jahr des Börsenkrachs, waren es hingegen 592 oder 0,364 % aller Beiträge (Shiller 2000, S. 74f). Ganz ähnliche Entwicklungen sind auch auf dem deutschen Aktienmarkt zu beobachten. Die Entwicklung der Verkaufszahlen von Anlegermagazinen und des Aktienindex NEMAX All Share für den so genannten Neuen Markt waren mit einem Wert von 0,93 im Berichtszeitraum 1999 bis 2000 hochkorreliert (Müller 2003, S. 138).

Obgleich Finanzjournalisten ebenso wie Analysten sich nicht mit einer Rolle als „Chronisten" zufrieden geben sowie ihren Lesern tiefere Einblicke in die strategischen und finanziellen Pläne von Aktiengesellschaften geben möchten, verfügen sie meist nicht über einen vergleichbar fundierten Kenntnisstand. Dies liegt zum einen in der breiten Orientierung des journalistischen Beitrags (Konzentration auf mehrere Unternehmen und Branchen statt auf einzelne Gesellschaften) und zum anderen in der allgemeineren Ausbildung der Journalisten begründet. Meist absolvieren Finanzjoumalisten ein wirtschaftswissenschaftliches Studium. Nur in seltenen Fällen verfugen sie über eine weiter gehende Qualifikation in der Wertpapier- oder Portfolioanalyse, d.h. z.B. als DVFA-Analyst (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung e.V.). Finanzanalysten konzentrieren sich in der Regel auf eine aktuelle Berichterstattung, während Analysten zukunftsorientierte Aspekte in den Vordergrund rücken (Deter 2002, S. 86; Schwarz 2001, S. 352).

5.2.4

Stufen der Verarbeitung börsenrelevanter Informationen

Die

Verarbeitung von Informationen wird in allen Phasen von der ersten Beschäftigung bis letztendlichen Entscheidung im Bereich der Aktienanlage von psychologischen Einflussfaktoren begleitet (siehe Tab. 5.1).

zur

Die

Wahrnehmung börsenrelevanter Informationen erfolgt zumindest bei privaten Investoren zunächst unter Verwendung von einfachen Heuristiken. Die Investoren haben in der Regel nicht auf alle relevanten Quellen, die zur Entscheidungsfindung nötig sind, -

-

170

Zugriff.

5

Börsenpsychologie

Sie informieren sich daher bevorzugt aus gut zugänglichen Quellen. Die Zugänglichkeit zu Informationen hängt zudem wesentlich von der Art der Präsentation ab. Besonders anschauliche Informationen sind besser wahrnehmbar (Müller 2003, S. 117). Die Erkenntnisse der erläuterten neurolinguistischen Programmierung sind auch in der Börsenpsychologie von Bedeutung. Ebenso wie clevere Verkäufer und Werber verwenden beispielsweise professionelle Investmentbanker die Technik des Framings bzw. Reframings. Sie wechseln den Bezugsrahmen des zu kommunizierenden Sachverhalts, damit dieser in einem günstigen Licht erscheint. Sicher wird dem Leser entsprechender Broschüren und Geschäftsberichte dieses Phänomen vertraut vorkommen. Anstatt einer Aussage „Unser Portfolio hat im vergangenen Jahr 30 % an Wert verloren" klingt die Feststellung „Wir lagen 10 % besser als der deutsche Aktienindex DAX" erheblich positiver (Kiehling 2001, S. 77). Die Wahrnehmung der Investoren unterliegt zudem nicht unerheblichen Verzerrungstendenzen. Die amerikanischen Kapitalmarktforscher Werner F. M. DeBondt und Richard H. Thaler haben Mitte der 80er Jahre eine heftige Diskussion ausgelöst, da sie eine interessante Anomalie an den großen Börsenplätzen der Welt empirisch belegen konnten. Der durchschnittliche Investor schätzt den Informationsgehalt neuer Daten tendenziell zu hoch und den älterer Nachrichten eher zu gering ein. Es zeigte sich, dass Aktien mit hohen Renditen in den vergangenen fünf Jahren (Winner-Aktien) in den darauf folgenden fünf Jahren deutlich höhere Renditen erzielten als Titel mit einer unterdurchschnittlichen Rendite in den vergangenen fünf Jahren (Loser-Aktien). Jedoch stellt sich dieser Winner-Loser-Effekt nicht bei der Betrachtung sehr kurzer Zeiträume von etwa einem Jahr ein (Sattler 1999, S. 90-94). Auch die Wirkung von Aktiensplittings unterliegt wohl dem Effekt der Wahrnehmungsverzerrung. Gesellschaften, die Aktiensplittings durchführten, entwickelten sich in der Regel besser als Titel anderer Gesellschaften mit einer vergleichbaren Börsenkapitalisierung. Dies ist aus rationaler Sicht nicht nachvollziehbar, da die Aufteilung einer Aktie in zwei Aktien an sich kein fundamentales Ereignis ist. Bei einem 2:1 Aktiensplitt wird der Wert einer einzigen Altaktie lediglich durch zwei neue Aktien zum halben Wert und in doppelter Anzahl ersetzt. Häufig argumentieren Marktkenner, der private Anleger habe eine Präferenz für Aktien mit niedrigen Kursen, d.h. Kursen z.B. unter 50 US-Dollar (Sattler 1999, S. 94f). Offenbar gelten auch für Börsenkurse die aus der bereits geschilderten Verkaufsgesprächsführung bekannten psychologischen Wirkungen der optischen Preisverkleinerung (siehe Kap. 3.3). Nicht zuletzt tragen Stimmungen erheblich zur verzerrten Wahrnehmung bei. Die Akteure an der Börse sprechen von euphorischer, zuversichtlicher, lustloser oder panikartiger Stimmung. Eine gute Stimmung erhöht die Risikobereitschaft, geht mit einer eher unkritischen Haltung einher und begünstigt bei einer Anlageentscheidung die Orientierung nach vereinfachten Regeln. Eine schlechte Stimmung veranlasst die potenziellen Investoren dagegen zu einer differenzierten Analyse der Situation. Riskante Anlagen und Entscheidungen nach Daumenregeln werden eher vermieden. Im Bärenmarkt ist also das Verhalten der Marktteilnehmer eher rational, d.h. von einem so genannten depressiven Realismus geprägt. Unsicherheit und Zeitdruck verleiten Investoren häufig dazu, Gerüchten bzw. der Einschätzung des Wahrheitsgehalts dieser Gerüchte durch die Marktteilnehmer eine besondere Beachtung zu schenken. Obgleich nicht alle Gerüchte zu heftigen Kursbewegungen führen, stellt jedes Gerücht ein hohes Risiko für Image und Kursentwicklung der betroffenen Aktiengesellschaft dar (Piwinger 2001, S. 14). Insgesamt betrachtet sind sich die Investoren ihren tatsächlichen Wahrnehmungsleistungen nicht bewusst. Sie entwickeln meist ein so genanntes Übervertrau-

5.2

Psychologische Merkmale der Akteure

171

Würde ein Investor gebeten, den Bereich zu schätzen, in dem sich eine Aktie oder ein Index mit einer 98-prozentigen Wahrscheinlichkeit im nächsten Monat bewegen wird, werden die Grenzen viel zu eng angesetzt. Tatsächlich schwanken die Kurse im Laufe eines Monats wesentlich stärker (Sattler 1999, S. 219).

en.

Der

Wahrnehmungsvorgang endet in einer Kategorisierung. Neben der augenblicklichen Stimmung hat die stimmungskongruente Erinnerung Einfluss auf das Verhalten von Aktienanlegern. Hierzu gehören beispielsweise angenehme Erinnerungen eines Investors an hohe Kursgewinne mit einer bestimmten Aktie in der Vergangenheit (Kiehling 2001, S. 38f.). Innere Bilder und Prototypen von Aktienkursverläufen könnten dabei als willkommene Erleichterungen des gedanklichen Aufwands fungieren. Anleger versuchen häufig, den unangenehmen Spannungszustand einer eventuell falschen Anlageentscheidung zu reduzieren, indem sie Argumente sammeln, die es ihnen erleichtern, die bisherige Anlageentscheidung beizubehalten. Beispielsweise tendieren Aktienbesitzer dazu, selektiv nur solche Informationen aufzunehmen, die sich auf die erworbenen Aktien beziehen (Kiehling 2001, S. 58; Rapp 2000, S. 96f). Gerade wenig erfahrene Aktionäre sind Opfer einer solchen Taktik der Dissonanzreduzierung. Sie neigen dazu, einerseits Verluste zu stark anwachsen zu lassen (verkaufen zu spät) und Gewinne unnötig zu begrenzen (verkaufen zu früh). Von besonderer Bedeutung auf der Ebene der Informationsspeicherung sind Anker. Vor allem in unklaren Entscheidungssituationen orientieren sich Menschen an prägnanten Anhaltspunkten. Im Börsengeschehen sind solche Anker häufig Kurse, die zuletzt erreicht wur-

den, Meilensteine in einem Aktienindex oder die nächste runde Zahl im Börsenkurs. Anker können sich als recht widerstandsfähig erweisen (Müller 2003, S. 119; Schiller 2000, S. 161). Ebenso wie auf den Ebenen der Wahrnehmung, Kategorisierung und Speicherung ist das Erleben und Verhalten vieler Investoren in der Entscheidungsphase häufig irrational. Selbst erfahrene Anleger an der Aktienbörse können Opfer von Illusionen sein. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die so genannte Kontrollillusion. Sie baut sich sukzessive auf, wenn ein Anleger anhaltenden Erfolg an der Börse erlebt. Dieser Anleger schreibt Erfolge dann überwiegend den eigenen Investmentfähigkeiten und einer intensiven Beobachtung von Tagesereignissen zu. Er glaubt an eine beliebige Fortsetzung des Erfolges. Je länger der Erfolg anhält, umso stärker unterliegt der Anleger der Illusion, diesen „kontrollieren" zu können. Kontrollillusion bedeutet letztendlich, Kontrollmöglichkeiten wahrzunehmen, die es objektiv betrachtet gar nicht gibt. Nur ein Großaktionär, der ein extrem großes Paket von Aktien einer Gesellschaft hält, kann tatsächlich Kontrolle überzeugend ausüben. In der Regel hat der einzelne Aktionär einen äußerst geringen Einfluss auf die Entwicklung des Aktienkurses einer Gesellschaft (Kiehling 2001, S. 61). Kommt es nicht zu einer dauerhaften Erfolgsstory, sondern zu Unterbrechungen des Erfolgs, reagiert der Anleger meist nicht sofort, sondern zeitlich verzögert. Er ist in der Vergangenheit resistent gegenüber negativen Entwicklungen geworden. Der Anleger verdrängt die fehlerhafte Entscheidung und hofft, dass die Börsenkurse wieder steigen. Die Problematik ist dann besonders kritisch, wenn der angelegte Geldbetrag aufgrund seiner Höhe eine wichtige Entscheidung für den Anleger darstellt. Durch die Wichtigkeit der Entscheidung entsteht eine starke emotionale Bindung (auch Commitment genannt), die es dem Anleger erschwert, die

172

einst

5

getroffene Anlageentscheidung

kritisch

zu

hinterfragen.

Börsenpsychologie

Ein weiterer

wichtiger

Um-

stand, der diese Bindung begünstigt, ist die Freiwilligkeit der Anlageentscheidung. Ein gele-

deutlich zu beobachtendes Verhalten von Investoren ist nicht zuletzt das Herding oder die Nachahmung von Verhaltensweisen anderer Investoren. Je schlechter die Verfügbarkeit relevanter Informationen und je unsicherer eine Entscheidungssituation ist, umso eher sind Menschen auf eine Orientierung durch andere angewiesen. Offensichtlich sind dies im Börsengeschehen Medien, besondere Vorbilder („Gurus") und Bezugspersonen in der Umgebung des Anlegers, die den gut informierten Kreisen nahe stehen (so genannte „Peers").

gentlich

Tab. 5.1 Kommunikationspsychologische Einflüsse auf die Entwicklung von Börsenkursen; Müller 2003, S. 114-131; Rapp 2000, S. 98; Sattler 1999, S. 90-104. 219-221

Quelle: in Anlehnung

an

Psychische Ebene Wahrnehmung

zu

beobachtende

Erscheinung auf Börsen

Verfügbarkeitsheuristik Winner-Loser-Effekt

Präsentationseffekte/Framing Stimmung Mund-zu-Mund-Kommunikation Gerüchte

Über-Vertrauen

Kategorisierung Speicherung Bewertung Entscheidung

Wahrnehmung stimmungskongruente Erinnerungen kognitive Dissonanz Ankerbildung Konditionierung selektive

Verlustaversion

Kontrollillusion emotionale Bindung Harmoniebedürfnis

Nachahmung/Herdentrieb

5.2.5

Verhalten der Akteure in den einzelnen

Marktphasen

Einzelne Phasen mit kurz- und langfristigen Kursbewegungen nach oben oder unten sind für die Aktienkursentwicklungen an der Börse. Die Marktphase, in der seit längeren Perioden die Aktienkurse stiegen, wird als Bullenmarkt oder Hausse bezeichnet. Sind die Aktienkurse in der jüngeren Vergangenheit ständig gefallen, sprechen Börsianer vom Bärenmarkt oder einer Baisse.

typisch

5.2

Psychologische Merkmale der Akteure

173

An der

Entstehung dieser Marktphasen sind die im vorausgegangenen Kapitel beschriebenen kommunikationspsychologischen Faktoren beteiligt. Die Entwicklung der Aktienkurse verläuft in vielen Fällen nach einem durch bestimmte charakteristische Phasen gekennzeichnet ist. •

typischen Muster, das

Phase der sozialen Infektion. Der Aufwärtstrend beginnt in der Regel mit der Meldung positiver Wirtschafts- und Unternehmensnachrichten. Noch überwiegen professionelle Investoren auf der Käufer- und Verkäuferseite. Sobald sich die positiven Berichte häufen und die Medien Anlageempfehlungen kommunizieren, strömen zusätzlich vorwiegend unerfahrene Investoren in den Markt. Im Laufe dieser so genannten Phase der sozialen Infektion ist das psychologische Profil des Marktes durch eine wachsende Gier nach weiteren Kursgewinnen gekennzeichnet. Die Handelsumsätze steigen. Vor allem die neuen und meist noch unerfahrenen Marktteilnehmer ignorieren erste aufkommende schlechte realwirtschaftliche Daten (Rapp 2000, S. 101 f.). erster



Phase der Distribution. In dieser Phase wechseln viele „überbewertete" Aktien ihre Besitzer. Die kühl kalkulierenden Investoren verkaufen und die neu in den Markt strömende, euphorische Masse der Kleinaktionäre kauft diese Aktien. Jedoch halten selbst Investmentfonds trotz professionellen Management nach Ansicht von Ned Davis, Gründer eines weltweit agierenden Instituts für Investmentanalysen, am Höhepunkt zu wenige Barreserven (Davis 2000, S. 206f).



Phase des labilen Marktgleichgewichts. Nach Ende des Haussemarktes stellt sich eine Phase des labilen Marktgleichgewichts ein. Trotz unverändert schlechter Fundamentaldaten erfolgt eine angemessene Korrektur der Börsenkurse erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Noch herrschen bei vielen Aktionären die Phänomene Überoptimismus, Kontrollillusion und selektive Wahrnehmung vor. Die Umsätze sind in dieser Phase relativ moderat. Häufig interpretieren Anleger diese schwierige Marktphase fälschlicherweise als gute Kaufgelegenheit. Die letzten der „naiven" Investoren (d.h. die so genannten „Dienstmädchen") wollen noch auf den Zug aufspringen. Sie ahnen nicht, dass sie in eine so genannte „Bullenfalle" getreten sind und bald in den Sog einer unvermeidlichen Korrektur geraten werden. Verstärken sich die negativen Wirtschafts- und Unternehmensnachrichten, wird die Verschlechterung der fundamentalen Daten von der Mehrheit der Marktteilnehmer nicht mehr ignoriert. Der Haussemarkt geht in eine Baisse über. Tritt die erwartete Erholung an den Aktienmärkten nicht ein, kommt es allmählich zu einer Zerstörung der zuvor aufgebauten Kontrollillusion. Die zunehmend unsicher werdenden Anleger reagieren auf einzelne positive Nachrichten mit plötzlichen Käufen, die jedoch nur

kurzfristige Kursbewegungen nach oben auslösen (so genannte „technische Reaktionen"). Oft initiieren Börseninformationsdienste und Finanzjournalisten durch ihre Kommentare gerade in diesen flauen Börsenzeiten Sonderbewegungen, da die von ihnen ausgehenden Empfehlungen homogene Entscheidungen der Investoren bewirken. Hinzu kommt, dass Banken derartige Empfehlungen im Beratungsgespräch mit Kleinaktionären aufgreifen (Frey/Stahlberg 1990, S. 111).

174 •

5

Phase der

Börsenpsychologie

„Ausverkaufsstimmung". Im weiteren Verlauf der Baisse weicht das einstige

Überlegenheitsgefühl mehr und mehr einem Angst- und Panikverhalten. Viele Investoren entschließen sich dazu, ihre Aktien zu verkaufen, um entweder Gewinne zu realisieren oder den erwarteten weiteren Kursverlusten vorzubeugen. Sie glauben, dass aufgrund irgendwelcher negativen Sachverhalte die Kurse weiter sinken werden. Durch ihre Verkäufe fallen dann die Kurse tatsächlich. Bisher mit Verkäufen zurückhaltende Anleger werden ebenfalls zu Baissiers. Sie lassen sich von der Panikstimmung ähnlich wie in der Phase der sozialen Infektion anstecken und bedauern ihre zögerliche Haltung. Sie ermahnen sich selbst: „Hätte ich doch gestern schon verkauft!" (Frey/Stahlberg 1990, S. 129). Es kommt erneut zu hohen Umsätzen an den Wertpapierbörsen. Allerdings sind viele Titel als Folge der Ausverkaufsstimmung „unterbewertet". -

-



Übergangsphase.

In der Übergangsphase hat die Mehrzahl der Marktteilnehmer keine klare Meinung. Neue Informationen gehen in dieser instabilen und volatilen Marktsituation mit den typischen „Schaukelbörsen" einher, die sich durchaus über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken können (Rapp 2000, S. 101-108).

Die dargestellten kommunikationspsychologischen Wirkungen im Börsengeschehen sollen nicht den Eindruck erwecken, Kleinanleger würden blind der Masse folgen. Wie die empirischen Untersuchungen von Fischer et al. bereits zeigten, sind Aktiengeschäfte für die Mehrzahl der Anleger keine besonders emotionsgeladenen Ereignisse. Vor allem Kleinaktionäre beschäftigen im Alltag andere Themen, d.h. überwiegend private und berufliche Probleme. Jedoch zeigen Märkte ohne Zweifel Verhaltensmuster, die mit einer ausschließlich rationalen Erklärung wohl keinesfalls zu verstehen sind. Diese Verhaltensmuster sind nicht als menschliche Dummheit, sondern als beschränkte menschliche Fähigkeit und Reaktionsweise in Situationen zu interpretieren, in denen es keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Entwicklung gibt (Shiller 2000, S. 159f.). Extreme kommunikationspsychologische Einflüsse und die mit ihnen einher gehenden Anomalien im Anlegerverhalten sind vor allem in außergewöhnlichen Situationen wie zur Zeit der Entwicklung des Neuen Marktes in Deutschland von Herbst 1999 bis Herbst 2000 anzutreffen. Die Irrationalität dieser Zeit wurde durch etliche Sonderfaktoren begünstigt: Eine unüberschaubare Flut von Informationen, eine enorme Zahl von neuen Produkten und Märkten sowie unsichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die Entfernung der Kursentwicklung von Fundamentaldaten vergrößerte sich in einem extremen Ausmaß, so dass die „Spekulationsblase" platzen musste (Müller 2003, S. 157). -

-

5.2

175

Psychologische Merkmale der Akteure

Trendwende

kohärenter Trend Trendakzeleration

Trendlose Volatilität

Phase der sozialen Infektion

Phase der

-» „Gier" -» Zulauf von Kleinaktionären

-> „kognitive Dissonanz" -» Profis verkaufen verkaufe

Distribution

Phase des labilen Markt-

Phase der Ausverkaufs-

gleichgewichts

Stimmung

-> „technische

->

Reaktionen", „Sonderbewe-

Furcht, „Panik"

gungen"

„Dienstmäd„Dienstm -

Angst,

Phase des

Übergangs -> „Schaukelbörse" -> unklare

Meinung am

Markt

chen" kaufen Typischer Einfluss von Psychologie in unterschiedlichen Marktphasen. Die Kursnotierungen (durchgezogene Linie) der Aktien verlaufen in der Regel nicht parallel zu der Entwicklungfundamentaler Daten (gepunktete Linie). Typisch am Markt sind so genannte Überreaktionen "; Quelle: in Anlehnung an Rapp 2000, S. 110 Abb. 5.2



176

5

5.3

Gestaltung von Investor Relations

5.3.1

Aktienmarketing etablierter Gesellschaften

Börsenpsychologie

Vor und während der Planung des Börsengangs ist eine Gesellschaft vor vielen der beschriebenen problematischen kommunikationspsychologischen Effekte geschützt. Der Börsengang bedeutet eine klare Hinwendung zur Öffentlichkeit. „Going Public" ist nicht einfach, aber eher ein überschaubarer und planbarer Vorgang. Dagegen stellt „Being Public" Unternehmen vor eine neuartige Situation. Die Kommunikation mit der Financial Community ist nun keine einmalige Aufgabe mehr, sondern eine dauerhafte Pflichtübung (Nix 2001, S. 282).

Etablierte und sogar fundamental gesunde Unternehmen sind nicht vor kommunikationspsychologischen Problemen im Dialog mit Analysten, Fondsmanagern und Großaktionären gefeit. So geriet der DaimlerChrysler-Konzern in eine heftige Welle von Kritik bei diesem anspruchsvollen Teil der Financial Community, während junge Gesellschaften des Neuen Marktes mit tiefroten Geschäftsergebnissen lange Zeit „Börsenlieblinge" waren. Trotz hoher Gewinne, erreichter Marktanteilsziele und fokussierter Marktbearbeitungsstrategie wurde dem Weltkonzern unterstellt, er me zu wenig, um den eigenen Aktienkurs zu pflegen. Für den Unmut sorgte ein Aktienoptionsplan, den sich der Vorstand im Rahmen der Hauptversammlung im April 2000 genehmigen ließ. Nicht die Befürchtung, der Aktienoptionsplan würde das Topmanagement bereichern, rief die Skepsis der Finanzprofis hervor. Die Kritik setzte an der Höhe des Referenzkurses von 62,30 Euro an, der um nur 20 % überschritten werden sollte, damit die Optionen realisiert werden konnten. Aus Sicht der Analysten wäre hingegen eine Orientierung an einem Branchenindex ideal gewesen, den DaimlerChrysler hätte übertreffen müssen (Nölting 2000, S. 43f). Wenn Medien und andere

nicht mehr die guten Geschäftsergebnisse der Aktiengesellschaften wahrnehmen, rücken weiche Faktoren in den Vordergrund. Zu ihnen gehören Visionen, Geschichten und Persönlichkeiten. Als Vorreiter wirkungsvoller Kommunikation zur Vermarktung von Aktien gelten US-Unternehmen. Besonders originelle Beispiele sind vor allem an der US-Technologiebörse NASDAQ zu finden. So tritt Robert F. Young, Gründer des Linux Softwarehauses Red Hat bei allen offiziellen Anlässen mit einem roten Hut auf. Diese vergleichsweise kostengünstige Maßnahme soll das junge Unternehmen zu einem der fünf bekanntesten Marken mit besonderem Profil gemacht haben. Selbst für institutionelle Investoren und Analysten ist die Selbstdarstellung der Aktiengesellschaften ein wichtiges K.-O.-Kriterium bei Anlageentscheidungen. Die Kommunikationsexperten Hartmut Knüppel und Christian Lindner zitieren interessante Untersuchungen aus den Vereinigten Staaten: 56 % der Analysten empfahlen die zur Diskussion stehende Aktie nicht weiter und 48 % der institutionellen Investoren sahen von einem Aktienkauf ab, wenn die Selbstdarstellung des betreffenden Unternehmens nicht professionell war. Hinter dieser Reaktion steckt die vielfach berechtigte Vermutung, dass Gesellschaften, die nicht angemessen mit Investoren und Analysten kommunizieren, auch bei ihren Kunden diesbezüglich negativ auffallen (Knüppel/Lindner 2001, S. 260f).

Multiplikatoren

5.3

5.3.2 Die

177

Gestaltung von Investor Relations

Hauptversammlungen

kommunikationspsychologische Bedeutung der Hauptversammlung ergibt

sich schon

den aktienrechtlichen Regelungen. Aktionäre haben ein Stimm-, Informations- und Rederecht in Bezug auf die Tagesordnungspunkte. Kleinanleger nutzen die Hauptversammlung, um über diese Agenda hinaus ihre Einstellung gegenüber dem Unternehmen zum Ausdruck zu bringen. Die Unternehmen möchten ihrerseits im Rahmen der Hauptversammlung bestimmte Zielgruppen ansprechen sowie Vertrauen und Image aufbauen (Achleitner/Bassen 2001, S. 40). aus

Hauptversammlungen sind aufgrund der geringen Frequenz und Teilnahmequoten zwar nicht unproblematisch (Achleitner/Bassen/Pietzsch 2001, S. 23), doch sind kommunikationspsychologische Misserfolge zu einem großen Teil auch von den Aktiengesellschaften selbst verschuldet. Hauptversammlungen deutscher Unternehmen folgen in der Regel einem genau festgelegten Verlauf. Häufig füllen endlose Selbstdarstellungen einzelner Vorstandsmitglieder und eher ausweichende Antworten des Management auf die Fragen der Aktionäre große Teile des Programms dieser wichtigen Veranstaltung. Dies ist auch deshalb problematisch, weil die Hauptversammlung eine, wenn nicht sogar die einzige Gelegenheit für Kleinaktionäre darstellt, direkt mit Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtsrates zu kommunizieren. Viele Aktiengesellschaften wären gut beraten, wenn sie die Emotionen, Einstellungen und Erwartungen aller Investoren und Multiplikatoren angemessen ernst nehmen würden. Auch

viele Informationen über Geschäftsberichte und ähnliche Publikationen schriftlich oder via Internet vermittelt werden können, besteht kein Grund, eine Veranstaltung, die ohnehin zu den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtinstrumenten der Investor Relations gehört, nicht professionell zu planen und durchzuführen. Auf einige Fragen der Aktionäre kann und sollte sich jeder Vorstand gut vorbereiten. Aktionäre interessiert grundsätzlich (Faltz 1999, S. wenn

76f), •







welcher Wert für sie tatsächlich geschaffen wurde (..Shareholder Value"), ob sie ihr Kapital in die Aktien der richtigen Gesellschaft investiert haben, d.h. wie sich der Kurs der Aktien im Vergleich zu Markt- und Branchenindizes entwickelt hat, welche Faktoren den Aktienkurs beeinflusst haben und wie sich Dividenden künftig und im Vergleich zum Markt voraussichtlich entwickeln werden.

5.3.3

Ad-hoc-Publizität

Die Ad-hoc-Publizität ist aus der Insiderproblematik abgeleitet. Im Kern geht es hierbei darum, über jede neue Tatsache, die im Aktionsfeld des Emittenten eingetreten und der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, unverzüglich dann zu berichten, wenn diese Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens hat. Sie ist für den Vertrauensaufbau bei aktuellen und potenziellen Investoren äußerst wichtig und schließt auch die Kommunikation schlechter Nachrichten ein. Selbst die negativen Meldungen können mit einer Verbesserung des Vertrauensverhältnisses einhergehen. Etwa 65 % der Ad-hoc-Mitteilungen sind von positiven Kursreaktionen begleitet (Achleitner/Bassen 2001, S. 42). Unternehmen sollten allerdings nicht wie in der Vergangenheit am so genannten Neuen Markt üblich die Ad-

-

178

5

Börsenpsychologie

hoc-Publizität im Sinne einer Vermittlung von Werbebotschaften missbrauchen. Dies ist deshalb wenig sinnvoll, weil die Investoren eine andere Qualität von Mitteilungen erwarten und „echte" Werbebotschaften durch professionelle Gestaltungs- und Verstärkungstechniken in der Regel eine größere Aktivierungs-, Beeinflussungs- und Gedächtniswirkung haben. Ein sicheres Indiz für die missbräuchliche Verwendung von Ad-hoc-Mitteilungen ist ihre exponentiell steigende Anzahl, die sich in der Phase des Bullenmarktes an deutschen Börsen von etwa 1.000 im Jahre 1997 auf über 5.500 im Jahre 2000 erhöhte (Achleitner/Bassen 2001, S.

22f.).

5.4

Besondere Kommunikationssituationen

5.4.1

Equity Story

Equity Story ist die Dokumentation der zentralen Idee des Unternehmens zum Zwecke Kapitalbeschaffung. Sie muss bei Unternehmensgründungen und Emissionsverfahren ausgearbeitet werden, damit die potenziellen Eigenkapitalgeber ein möglichst zutreffendes Bild über die aktuelle und künftige Lage des Unternehmens gewinnen können. Es genügt hierbei nicht, glatte Managertypen vorzustellen (Piwinger 2001, S. 22). Stattdessen sind entscheidende Erfolgsfaktoren darzustellen, die das Potenzial des Unternehmens für Wachstum, Ertragsstärke und relative Wettbewerbsvorteile klar erkennen lassen. Die Inhalte dieser „Story" müssen realistisch und für die Financial Community nachvollziehbar sein. Ähnlich wie in der Phase des Ersteindrucks in einer Verkäufer-Käufer Beziehung sollten Unternehmen in der frühen Phase der Equity-Story im Zweifel von einer skeptischen Haltung der Financial Community ausgehen. Anfangs wird sich auch eine gut vorbereitete und sehr überzeugend präsentierte Equity-Story kaum in höheren Börsenkursen widerspiegeln. Erst wenn es dem Unternehmen gelingt, Analysten und andere Meinungsbildner zu gewinnen, kann sich die Equity-Story erfolgreich am Kapitalmarkt etablieren. Sämtliche späteren Kommunikationsmaßnahmen sind in gewisser Weise durch diese Equity-Story vorprogrammiert. Da die Meinungsbildner für eine Verbreitung der Story sorgen, würden widersprüchliche Kommunikationsmaßnahmen unter Umständen zu erheblichen Glaubwürdigkeitsproblemen führen und die Vertrauensbasis nachhaltig beeinträchtigen (Nix 2001, S. 289f). Die der

5.4.2

Analystenkonferenzen

Analystenkonferenzen sind Präsentationen für einen Kreis von ca. 20 bis 150 Analysten und Journalisten. Meist kommentieren der Chief Executive Officer (CEO) oder der Chief Financial Officer (CFO) oder Vertreter der Investor-Relations-Abteilung Sachverhalte, die für die Financial Community zur Bewertung der Gesellschaft wichtig sind. Neben neuen Unternehmensergebnissen geht es hierbei vor allem um die Diskussion von strategischen Ausrichtungen sowie um die Klärung von Fragen aus dem Kreis der Teilnehmer. Die Dauer des

5.5

Pragmatische Empfehlungen für die Börsenpraxis

Meetings liegt 2001, S. 178).

in der

Regel

zwischen einer und zwei Stunden

179

(Achleitner/Bassen/Pietzsch

Jedes Unternehmen führt mindestens zwei Analystenkonferenzen durch. Die erste Konferenz richtet sich an die Analysten der Konsortialbanken, die mit der Erstellung der Emissionsstudien betraut sind. Die betroffene Gesellschaft sollte die Banken mit umfassenden Informationen versorgen. Falsche, unvollständige und widersprüchliche Angaben können zu Fehlinterpretationen führen. Dies kann für den weiteren Verlauf der Kapitalmarktkommunikation deshalb fatale Auswirkungen haben, weil die Emissionsstudien von vielen Investoren noch weit nach dem Börsengang eine Grundlage für Investitionsentscheidungen darstellen. Sollte das Unternehmen deutlich hinter den Prognosen dieser Studien zurückbleiben, entsteht bei Investoren unter Umständen der Verdacht, die Studien wären geschönt worden, um gegenüber den Konsortialbanken besser dazustehen. Es kann dann zu spürbaren Kurskorrekturen an der Börse kommen, die sich häufig ergeben, wenn die Erwartungen der Investoren nicht erfüllt werden (Lange 2001, S. 274). „Börsenlieblinge" sind dagegen häufig solche Gesellschaften, die der Financial Community kontinuierlich angemessene quantitative und qualitative Informationen zur Verfügung stellen sowie die prognostizierten Ziele übertreffen (Nix 2001, S. 283).

empirischen Studie zufolge sind Analystenkonferenzen zu 78 % die wichtigste Informationsquelle für Finanzanalysten, gefolgt von persönlichen Gesprächen (so genannten Oneto-Ones) mit obersten Führungskräften des Unternehmens (d.h. CEOs und CFOs) zu 75 % Einer

und Telefonkonferenzen

zu

72 %.

Analystenkonferenzen bieten in der Regel relativ zeitnahe und umfassende Informationen ohne Streuverluste. Kommunikationspsychologisch sind sie deshalb sehr interessant, weil die vermittelten Informationen von Meinungsmultiplikatoren aktiv verarbeitet und direkt an Banken, Investmentfonds oder sogar die Öffentlichkeit weitergegeben werden. In vielen Fällen haben derartige Konferenzen Einfluss auf den Bekanntheitsgrad der entsprechenden Gesellschaften, die Einstellungen der aktuellen und potenziellen Aktionäre sowie nicht zuletzt den Aktienkurs (Achleitner/Bassen/Pietzsch 2001, S. 24, 129f).

5.5

Pragmatische Empfehlungen für die Börsenpraxis

Börsengeschäfte unterliegen in höchstem Maße dem Einfluss nicht vorhersehbarer Entwicklungen des wirtschaftlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen und technischen Umfeldes. Pragmatische Empfehlungen aus kommunikationspsychologischer Sicht kommen daher eher dem Charakter allgemeiner Lebensempfehlungen gleich. Etliche Probleme der Börsenpsychologie betreffen Phänomene, die aus der Sozialpsychologie bekannt sind. So unterliegen einzelne Investoren wie im Alltagsleben den Verhaltensweisen der selektiven Wahrnehmung, der Wirkung starker Emotionen wie Angst oder gar Panik und der kognitiven Disso-

nanz.

-

5

180

Börsenpsychologie

In der professionellen Welt der institutionellen Investoren spielen kommunikationspsychologische Verhaltensmuster auf der Ebene der Gruppe eine wichtige Rolle. Die Tab. 5.2 stellt für die einzelnen Akteure an der Börse bewährte Empfehlungen im Umgang mit Informationen den weniger vorteilhaften Verhaltensweisen gegenüber. Auch hier bestätigen die Ausnahmen natürlich die Regel. Nicht empfohlene Verhaltensweisen können im Einzelfall durchaus erfolgreich sein. Die Trennung der kommunikationspsychologischen Phänomenbereiche nach Gruppen von Akteuren an der Börse ist zwangsläufig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da innerhalb der Gruppen große individuelle Unterschiede im Erleben und Verhalten existieren.

Tab. 5.2

Ausgewählte pragmatische Empfehlungen für die Börsenpraxis

Akteure Kleinaktionäre

DONT's

DOS Die Qualität der Anlageinformationen realistisch sehen, d.h. als zeitlich etwas überholt und u.U. ein wenig geschönt.

Die Qualität der Anlageinformationen unkritisch für „bare Münze" nehmen und die Empfehlungen immer umsetzen.

Den Informationsgehalt älterer Nachrichten nicht völlig ignorieren oder gegenüber neueren Daten stark untergewichten.

Bei älteren Nachrichten grundsätzlich einen schwachen Informationsgehalt annehmen und diese völlig ignorieren.

Mit gewissem statistischen Sachverstand die Optik der Kurs-/Chartdarstellungen der Profis betrachten, mit Fundamentaldaten vergleichen.

gierenden Optik blenden lassen, im Kopf verankern und die Bezugsgrößen sowie Fundamentaldaten ignorieren.

Kritisch

Der

gegenüber der eigenen Wahmehmungsleistung sein. Im Zweifel von größeren Aufs und Abs an der Börse ausgehen als unter den ten

zu

verfügbaren Da-

vermuten ist.

Erinnerungen an vergangene Erfolge und Misserfolge mit einem gewissen Abstand betrachten, die Sinnhaftigkeit eiInvestments auf die Zukunft neu prüfen. nes

Sich

von

der „Wachstum" sug-

eigenen Wahrnehmungsleistung im Wesentlichen vertrauen sowie die Einschätzung von Ober- und Untergrenzen ausschließlich auf Vergangenheitswerte stützen.

ausgehen, dass die Entwicklungen an der Börse einem durchschaubaren Muster folgen und mit den ehemaligen „WinDavon

ner-Aktien" auch in Zukunft gute Renditen zu erzielen sind.

5.5

Pragmatische Empfehlungen für die Börsenpraxis •

181

Getroffene Entscheidungen keinen Preis revidieren, die

Bisherige Anlageentscheidungen mit Blick auf die veränderte Datenlage prüfen, auch einmal Papiere „abstoßen".



institutionelle



Anleger



gative Kursentwicklung

Sich von hohen Handelsumsätzen und einer extremen Euphorie nicht beeindrucken lassen, wenn realwirtschaftliche Daten schlechter werden.

Hohe Umsätze grundsätzlich als Kaufsignal interpretieren, sich nicht weiter mit Unternehmensdaten befassen, der

Sich der höheren Risikobereitschaft und Verharmlosungstendenz bei Gruppenentscheidungen bewusst sein.

Der Gruppenmeinung immer vertrauen, die getroffenen An-

Versagensängste infolge des oftmals rigiden Reporting- und

Wegen Erfolgs- und Zeitdruck

Mehrheitsmeinung folgen.

lageentscheidungen vorbehaltlos umsetzen.

sehr kurzfristig Gewinne realisieren (anstatt diese „laufen zu

lassen"), um Erfolgsmeldungen produzieren.

System der eigenen emotionalen Disziplinierung erlernen und trainieren. en, ein



ne-

immer

aussitzen.

Überwachungssystems abbau-

Finanzanalysten

um

Nachvollziehbare und

objektive Bewertung von Aktienge-

sellschaften auf der Basis von Fundamentaldaten und den auf Analystenkonferenzen erhaltenen Informationen.

zu



Verletzung des Unabhängigkeitsgrundsatzes bei Bewertungen von Aktiengesellschaften durch Zurückhaltung bei Verkaufsempfehlungen aus eigenen Geschäftsinteressen.

5

182

Investor Relations

Börsenpsychologie

bewerbsvorteile verdeutlichen.

Kommunikation mit Finanzanalysten/-journalisten nur auf harte Fakten (betriebswirtschaftliche Ergebnisse) beschränken oder lediglich ManagerPersönlichkeiten vorstellen.



Bei Hauptversammlung Ergebnisse sachlich präsentieren und auf Erwartungen, Emotionen, Einstellungen der Investoren und Multiplikatoren eingehen.

Bei Hauptversammlung Kommunikation mit Investoren auf Präsentationen der Vorstandsmitglieder mit Selbstdarstellungscharakter beschränken.



Wichtige positive und negative Ereignisse, die Einfluss auf die Vermögens- und Finanzlage

In hoher Anzahl



Professionelle Selbstdarstellung der Finanzergebnisse,

Strategien, Ziele, Pläne und Erfolgsfaktoren, die Potenziale für Wachstum, Ertrag, Wett-

haben, via Ad-hoc-Mitteilungen im Markt kommunizieren.

positive Adhoc-Mitteilungen mit Werbecharakter vermitteln und über

negative Ereignisse schweigen.

6

Psychologie in der

interkulturellen Kommunikation

6.1

Kulturverständnis und Kulturwirkungen

Das Wort Kultur ist lateinischen Ursprungs und bedeutete ursprünglich das Bestellen des Bodens. Heute assoziieren Menschen mit dem Kulturbegriff die Verfeinerung des Geistes in der Form von Bildung, Kunst und Literatur. Wissenschaftler differenzieren unterschiedliche Ebenen der Kultur. Der niederländische Professor für Organisationsanthropologie und internationales Management Geert Hofstede schlägt einen sehr viel weiteren Kulturbegriff vor. Nach seinem Kulturverständnis zeigt sich Kultur nicht nur in Betätigungsfeldern, die den Geist verfeinern helfen, sondern in ganz gewöhnlichen Dingen des Alltagslebens. So sind beispielsweise Essenszeiten und Körpersprache von Kultur zu Kultur verschieden. Die Mitglieder einer Kultur zeichnen sich durch einzigartige im Lernprozess erworbene Denk-, Fühlund Verhaltensmuster aus. Vom Kulturbegriff ist der Naturbegriff einerseits und der Persönlichkeitsbegriff andererseits abzugrenzen. Natürliche Phänomene wie die Fähigkeit, Angst, Trauer und Freude zu empfinden, entstehen im Gegensatz zur Kultur nicht im Sozialisationsprozess, sondern durch Vererbung. Jedoch unterliegt die Darstellung der Emotionen stark kulturellen Einflüssen. Die Persönlichkeit eines Menschen enthält sowohl vererbte als auch erlernte Verhaltensweisen, welche in ihrer Kombination einzigartig sind und nur für einen bestimmten Menschen zutreffen (Hofstede 2001, S. 3-6).

die Manifestationen von Kultur nach ihren Tiefenebenen (siehe Abb. 6.1). Die oberste Schicht des Kulturphänomens besteht aus Symbolen wie Worten, Gesten und Bilder. Auf der nächsten Ebene befinden sich Helden als kulturelle Artefakte. Es kann sich bei Helden um lebende oder bereits verstorbene Personen handeln. Neben echten sind auch fiktive Helden wie Fantasie- oder Comicfiguren (z.B. Batman in den USA) denkbar. Rituale sind als kollektive Verhaltensweisen ebenfalls gut zu beobachten, die wiederum weiter innen im Kulturkreis liegen. Ihre Existenz ist meist nicht (mehr) nötig, um eine bestimmte Aufgabe zu erledigen, jedoch gelten sie in der Kultur als sozial notwendig. Obgleich Symbole, Helden und Rituale für Außenstehende anderer Kulmren sichtbar sind, erkennen sie ihre Bedeutung nicht. Den Kern der Kultur bilden Werte. Sie wurden bereits im Kindesalter unbewusst erlernt (Hofstede 2001, S. 8-10).

Hofstede klassifiziert

184

Abb. 6.1

6

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

Tiefenebenen einer Kultur; Quelle: Hofstede 2001, S.

9

Wenn Menschen verschiedener Kulturen einander begegnen, vergessen sie natürlich ihre bisherigen Erfahrungen, Einsichten und Werte nicht. Diese Kulturstandards bleiben zunächst wichtige Eckpfeiler des kulturellen Orientierungssystems. Sobald ein Ereignis unter Berücksichtigung einer gewissen Toleranzzone von diesen Standards abweicht, wird es als fremd empfunden. Kulturstandards sind erforderlich, um eine gewisse Konformität in der Kommunikation und letztlich ein geordnetes Zusammenleben in der Gemeinschaft zu erreichen. Dennoch ist dieser Standard nicht völlig unbeweglich. Gelegentlich verändern sich Kulturstandards infolge des gesellschaftlichen Wertewandels (Lösche 2003, S. 16-25). Kulturen verändern sich im Regelfall allerdings nur langsam. Schnelle Veränderungen sind als Ausnahmen anzusehen, die auf einen starken äußeren Druck z.B. durch Entscheidungen politischer Akteure entstehen. Als beispielsweise der Schah von Persien gestürzt wurde und religiöse Führer die Regierungskontrolle übernahmen, erlebte der Iran einen relativ schnellen Wandel von einer in Ansätzen vorhandenen westlichen Kultur hin zu einer fundamentalislamischen Ausrichtung. Der Versuch, verschiedene Kulturen zu analysieren und miteinander zu vergleichen, entpuppt sich als recht schwierig. Es genügt häufig nicht, nach Regelmäßigkeiten in einzelnen kulturellen Bereichen zu suchen, da etliche kulturelle Merkmale nur wenig oder gar nicht bewusst sind. Nur oberflächlich kann eine andersartige Kultur von Außenstehenden wahrgenommen werden (Albaum/Strandskov/Duerr 2001, S. 93-95).

6.2 Kulturelle

Programmierung der Akteure im Wirtschaftsleben

6.2

Kulturelle Programmierung der Akteure im Wirtschaftsleben

185

In der Wirtschaftspraxis ist die große Bedeutung der internationalen Beziehungen nicht zu übersehen. Viele Unternehmen unterhalten im Ausland nicht nur einzelne Büros, Zweigstellen und Niederlassungen, sondern mitunter rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften. In Großkonzernen können Außenstehende das Heimatland des Unternehmens kaum noch erkennen. Als Folge dieser Entwicklung ergeben sich eine wachsende Zahl von Geschäftsreisen ins Ausland und eine Vielzahl von interkulturellen Kontakten und Begegnungen. Daher untersuchen Kommunikationswissenschaftler mittlerweile auch die Qualität der Verständigung zwischen Menschen verschiedener Kulmren (Maletzke 1996, S. 11, 19f., 37).

Obgleich Unternehmen eine eigene Kultur aufweisen, prägt die Landeskultur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr stark. Richtungsweisend bei der Erforschung typischer kultureller Wertunterschiede waren in diesem Zusammenhang die empirischen Untersuchungen von Hofstede, der insgesamt 117.000 IBM-Mitarbeiter in zwei Erhebungswellen (1967 und 1973) befragte. Die Studie wurde zuletzt auf 53 Länder ausgedehnt (Neubauer 2003, S. 35). Im betrieblichen Kommunikationsalltag unterschieden sich die Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder von Land zu Land teilweise auffällig hinsichtlich ihres Verhältnisses zu Autoritäten, ihrer Einstellung zur Teamarbeit sowie in ihrer Art und Weise, mit Aggressionen und Emotionen umzugehen. Auch die Tatsache, Mann oder Frau zu sein, hatte für die Organisationsmitglieder in den einzelnen Ländern unterschiedliche Auswirkungen. Um die kulturellen Unterschiede herauszuarbeiten, ermittelte Hofstede mit Hilfe von Faktorenanalysen die Position eines Landes in Bezug auf die vier Dimensionen Machtdistanz, Individualismus, Maskulinität versus Feminität und Unsicherheitsvermeidung durch eine vergleichende Betrachtung, indem er Indizes einführte (Hofstede 2001, S. 17f). Dieser Forschungsansatz soll im Folgenden in Grundzügen erläutert werden. Die Machtdistanz ist als emotionale Distanz zwischen den Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten zu verstehen. Hofstede ermittelte Punktwerte für die einzelnen Ländervertretungen, indem er die fest vorgegebenen Antworten für die gleichen Erhebungsfragen bei IBMMitarbeitern in vergleichbaren Positionen auswertete. Um den Machtdistanzindex zu ermitteln, sprach er bei nichtleitenden Angestellten drei Fragestellungen an: Die Angst, eine andere Meinung als Vorgesetzte zu zeigen, die Einschätzung des tatsächlichen Führungsstils sowie die persönliche Meinung zu dem idealen Führungsstil. In Ländern mit einer hohen Machtdistanz widersprechen die Organisationsmitglieder ihren Vorgesetzten nur selten und ungern. Die Beziehung zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern ist häufig stark emotional geprägt. Ein patriarchalischer Führungsstil herrscht im betrieblichen Alltag vor. Das relativ hierarchische System sowie die „ungeschriebenen" Privilegien der Vorgesetzten werden nicht in Frage gestellt. Der ideale Chef ist ein wohlwollender Autokrat, der zwar bei schlechten Erfahrungen innerlich abgelehnt, aber in der Kommunikation nach außen nicht kritisiert wird. In Ländern mit einer geringen Machtdistanz äußern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufiger eine andere Meinung als ihre Vorgesetzten. Der Führungsstil ist konsultativ. Machtinsignien wie unterschiedliche Kantinen oder Toiletten für verschiedene hierar-

186

6

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

chische Ebenen sind nicht erwünscht. Statussymbole werden misstrauisch beäugt. Die ideale Führungskraft trägt demokratische Züge. Sie sollte die Geführten vor der Entscheidungsfindung um ihre Meinung fragen. Die geschilderten Extremfälle in den unterschiedlichen Machtdistanzen haben ohne Zweifel kulturelle Wurzeln. In Ländern mit großer Machtdistanz sind Eltern und auch ältere Geschwister Autoritätspersonen. Eltern und Großeltern erfahren selbst dann noch eine sehr respektvolle Behandlung, wenn das Kulturmitglied sein Leben selbstständig fuhrt. Zu einem recht großen Teil lassen sich die Machtdistanzunterschiede historisch erklären. Vor allem Personen aus den romanischen Ländern zeigen überdurchschnittlich hohe Indexwerte, während Bewohner des germanischen und nordischen Sprachraums tendenziell geringe Machtdistanzwerte aufweisen. Eine Ursache liegt in der zentralistischen Orientierung des römischen Kulturerbes (Hofstede 2001, S. 45-57). Tab. 6.1 Machtdistanzwerte

(MDI-Punktwerte) für ausgewählte Industrienationen und Schwellenländer

Land

MDI-Punktwert

Land

MDI-Punktwert

Philippinen

95 81 gl gg

Südafrika USA Niederlande Deutschland Großbritannien Schweiz Schweden Israel

49 40 38 35 35 34 31 13

Österreich

11

Mexico Venezuela Frankreich Türkei Griechenland

Spanien Japan Italien

57 54 5Q

Ein zweiter zentraler Unterschied zwischen Landeskulturen liegt in der Rolle des Einzelnen bzw. der Gruppe, d.h. dem Grad des Individualismus, begründet. Wenn die Anzahl der Menschen als Indikator für die Mehrheit in der Welt dient, leben die meisten Menschen in einer kollektivistischen Gesellschaft. Das Interesse des Einzelnen wird dann den Gruppeninteressen untergeordnet. Typischerweise wachsen Kinder in einer kollektivistischen Kultur in starker räumlicher Nähe nicht nur von ihren Eltern, sondern auch von allen Großeltern, der übrigen Verwandtschaft und anderen Mitbewohnern auf. Dieser Großfamilie schuldet das Kulturmitglied häufig lebenslange Loyalität. Es entsteht u.a. ein psychisches Abhängigkeitsverhältnis. Im Arbeitsleben setzt sich diese Haltung fort. Die individuellen Interessen weichen den gruppenbezogenen Interessen. Häufig werden Verwandte des Arbeitgebers oder sonstige Bekannte vorzugsweise eingestellt. In formellen Gesprächssituationen wie Beurteilungen ist eine harte und offene Ansprache von Problemen daher brisant. Sie würde wegen der familiären oder freundschaftlichen Verbundenheit in den persönlichen Beziehungen einen Gesichtsverlust bedeuten. Ist es dennoch notwendig, einem Mitarbeiter ein weniger gutes Feedback zu übermitteln, geschieht dies über subtilere Alternativen als dem direkten Gespräch. Verbreitet ist die Überbringung der schlechten Nachricht über „Mittelsmänner". Die beschriebene Transaktionsanalyse wird in solchen Kulturen auf eine geringere Akzeptanz stoßen als in den USA, dem Land mit dem stärksten Individualitätsstreben. Mitglieder

6.2 Kulturelle

Programmierung der Akteure im Wirtschaftsleben

187

der kollektivistischen Kulturen betrachten zwischenmenschliche Transaktionen nicht unter dem Gesichtspunkt von „Egotrips", sondern unter moralischen Gesichtspunkten. Auch die Anwendung des beschriebenen Verfahrens der neurolinguistischen Programmierung würde in solchen Kulmren tendenziell an der hohen Bedeutung von Moral scheitern. Menschen werden in Kommunikationssituationen in der Regel nicht wertfrei als Individuen mit einer eigenen „Landkarte" akzeptiert. Vielmehr besteht eine Tendenz, den Einzelnen in einer Gruppe „einzunorden". Obgleich eine zahlenmäßige Minderheit von Menschen in Gesellschaften lebt, die dem Interesse des Individuums gegenüber Gruppeninteressen grundsätzlich den Vorrang einräumen, sind gerade die aus ökonomischer Sicht mächtigsten Länder der Welt durch eine solche individualistische Wertorientierung geprägt. Kinder wachsen weitgehend in Kernfamilien bei ihren Eltern oder gar nur einem Elternteil auf. Kontakte zu anderen Verwandten, die häufig in einer anderen Region wohnen, finden nicht täglich oder regelmäßig, sondern selten statt. Anstellungsverträge für Verwandte oder Bekannte sind in der Regel nicht erwünscht und haben den unangenehmen Beigeschmack von Vetternwirtschaft. In individualistischen Kulmren steht die Bewältigung von Aufgaben und nicht die persönliche Beziehung im Vordergrund. Hierin unterscheiden sich individualistische Kulmren deutlich von kollektivistischen Kulmren. Verkäufer, die der westlichen Kultur angehören, müssen häufig lernen, dass in einer kollektivistischen Kultur fehlende persönliche Beziehungen den Abschluss schneller Geschäfte regelmäßig ausschließen. Das „Standing" einer unpersönlichen Rechtskörperschaft bedeutet in diesen Kulmren (z.B. in Saudi-Arabien) nicht allzu viel. Um den Grad an Individualismus in den verschiedenen Kulmren zu vergleichen, sprach Hofstede jeweils drei Fragestellungen an, die für Menschen in individualistischen und kollektivistischen Kulmren typisch sind. Die Individualisten interessierten vor allem die Fragen, ob die Arbeit genug Zeit für das Privatleben lässt, die Tätigkeiten nach eigenen Vorstellungen gestaltbar sind und ob die Aufgaben Herausforderungen darstellen, die mit Stolz und Kompetenzerleben einhergehen. Berufstätige in kollektivistischen Kulmren richteten ihr Interesse dagegen auf Fortbildungsangebote, das Arbeitsumfeld sowie die Anwendung von Fertigkeiten und Fähigkeiten bei der Arbeit. Beim Wertevergleich des Individualismusindex fällt auf, dass die Länder, die hohe Werte beim Machtabstandsindex erreichten, eher kollektivistisch orientiert sind (Hofstede 2001, S. 63-91). -

-

Der Kommunikationsstil einer individualistischen Kultur ist vor allem auf die Wirkungen des Wohlstands zurückzuführen. Der wirtschaftliche Wohlstand in einer Kultur stellt ihren Mitgliedern viele Ressourcen zur Verfügung, die es dem Einzelnen ermöglichen, eigene Wege zu gehen. So ersetzt der Fernseher den Erzähler auf dem Marktplatz in einem Dorf. Typische Güter der westlichen Welt wie Automobile, Handys, Autotelefone und Navigationssysteme, Notebooks sowie das Internet erhöhen die Mobilität und in letzter Konsequenz auch die Individualität. Kommunikation kennt keine Grenzen mehr, wird jedoch in mancher Hinsicht anonymer. Wachsender wirtschaftlicher Wohlstand führte in Ländern mit ehemals stark kollektivistischer Prägung wie Japan zu einer Verschiebung der Werte in Richtung Individualismus. Japanische Zeitungen berichteten regelmäßig über die Verletzung und den sukzessiven Verfall der traditionell stark familienorientierten Kultur. Dennoch werden auch in Zukunft etliche Kommunikationsstile im Wirtschaftsleben der Japaner kulturell überformt bleiben (Hofstede 2001, S. 102-108).

6

188 Tab. 6.2 Individualismus und Kollektivismus

ländern.; Quelle: Hofstede 2001, S. 7Of.

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

(IDV-Punktwerte) in ausgewählten Industrienationen und Schwellen-

Land

IDV-Punktwert

Land

IDV-Punktwert

USA Großbritannien Niederlande Italien Schweden Frankreich Schweiz Deutschland Südafrika

91 89 80 76 71 71 68 67 65

Österreich

55 54 51 46 37 35 32

Israel

Spanien Japan Türkei Griechenland

Philippinen Mexico Venezuela

30 12

Die dritte Dimension in den empirischen Untersuchungen von Hofstede betraf das Kriterium Maskulinität versus Feminität einer nationalen Kultur. Während bei einer stark maskulinen Orientierung das „Jagen und Kämpfen", der Wettbewerb und die materielle Leistung einen hohen Stellenwert einnehmen, ist für Mitglieder in Kulturen mit einer femininen Orientierung die emotionale Kompetenz und die soziale Einstellung von zentraler Wichtigkeit. Hofstede analysierte die Orientierung der einzelnen Länder anhand der Aussagen der Befragten zu jeweils vier Fragestellungen für die Maskulinität bzw. Femininität. Die maskuline Orientierung war stark ausgeprägt, wenn die Einkommenshöhe, Anerkennung, Beförderung und die Herausforderung der Aufgabe eine besondere Rolle für die Organisationsmitglieder spielten. Für eine feminine Orientierung sprachen dagegen Antworten, die ein gutes Arbeitsverhältnis mit dem Vorgesetzten, eine kollegiale Zusammenarbeit, ein gutes Betriebsklima und einen sicheren Arbeitsplatz betonten. In Ländern mit einer starken maskulinen Orientierung erzielten Männer sehr hohe und Frauen recht hohe Indexwerte. Zugleich war die Kluft zwischen den Werten der Männer und Frauen in solchen Ländern größer als in anderen Ländern (Hofstede 2001, S. 113-115). In maskulin orientierten Länderkulturen werden sich Besucher fremder Kulturen auf Wettbewerb und Machtkämpfe einstellen müssen. Geschäftsverhandlungen und Besprechungen sind stärker von Durchsetzung in einem fairen Kampf („Let the best Man win") und Imponiergehabe geprägt. Die Mitglieder dieser Kultur haben eine Erziehung genossen, die Ehrgeiz, Wetteifer und selbstsicheres Auftreten forderte. In femininen Kulturen spielen Harmonie und gute menschliche Beziehungen eine wichtige Rolle. Mitglieder femininer Kulturen werden bei Geschäftsverhandlungen und innerbetrieblichen Gesprächen tendenziell eher zu Kompromissen bereit sein, um eine Lösung auszuloten, die beiden Interessen möglichtst nahe kommt. Die Ursache für die Unterschiede zwischen den einzelnen Länderkulturen ist im Gegensatz zum Individualitätsindex nicht über Wohlstandsunterschiede zu erklären. Sehr reiche Länder wie Japan und die Schweiz stehen an der Spitze des Maskulinitäts-Index, während gleichzeitig wohlhabende Länder wie Schweden und die Niederlande am unteren Ende der Skala stehen. In einigen Ländern begünstigt das kulturelle Erbe stärkere

6.2 Kulturelle

Programmierung der Akteure im Wirtschaftsleben

189

maskuliner oder femininer Züge der heutigen nationalen Kulturen. So sind sicher die stark unterschiedlichen Werte in lateinamerikanischen Ländern auf die Einflüsse der über mehrere Jahrtausende vorherrschenden Kulturen der Indios, Azteken und Mayas zurückzuführen. Die Kultur der Azteken betonte maskulines Verhalten, die der Mayas galt als sehr feinfühlig. Die skandinavischen Länder blicken auf das Kulturerbe der Wikinger zurück. Dieses ansonsten sehr „roh" wirkende Seevolk übertrug den Frauen die Verantwortung für das Leben in den Dörfern. Auch die hanseatische Tradition, die maßgeblichen Einfluss auf die kulturelle Orientierung in den Niederlanden und auf die Seestädte Norddeutschlands hatte, vermittelte feminine Werte, da diese das System aufrecht hielten (Hofstede 2001, S. 129-149).

Ausprägungen

Tab. 6.3 Maskulinitätswerte(MAS-Punktwert) für ausgewählte Industrienationen und Schwellenländer; Quelle: Hofstede 2001. S. I17f.

Land

MAS-Punktwert

Land

MAS-Punktwert

Japan Österreich

95 79 73 70 70 69 66 66 64

Südafrika USA Griechenland Israel Türkei Frankreich

63 62 57 47 45 43 42 14 5

Venezuela Italien Schweiz Mexiko Großbritannien Deutschland

Philippinen

Spanien Niederlande Schweden

Die vierte Dimension einer nationalen Kultur besteht in der Vermeidung von Unsicherheit. Hofstede verwendet diesen Begriff im Sinne der von amerikanischen Organisationssoziologen geprägten Sichtweise. Der Unsicherheitsvermeidungsindex ist eine Folge diverser Ängste der Organisationsmitglieder. Er ist hoch, wenn es zu Stressempfindungen am Arbeitsplatz kommt und sich die Mitarbeiter aus Angst vor unbekannten Situationen streng an schriftlich fixierte oder auch ungeschriebene betriebliche Regeln und Vereinbarungen halten. Der Wunsch, Unsicherheit über Regeln zu verringern, führt häufig zu Regeln, die Mitgliedern einer Kultur mit geringer Unsicherheitsvermeidungstendenz bei oberflächlicher Betrachtung ineffizient vorkommen. Jedoch ist nur das Bedürfnis nach Regeln und deren strikte Einhaltung stark, weniger der Inhalt dieser Regeln. Offensichtlich sind Menschen bestimmter Kulturen ängstlicher als andere. Menschen in diesen Unsicherheitsvermeidenden Kulturen neigen dazu, Mehrdeutigkeiten zu reduzieren. Sie drücken ihre Emotionen stärker in der nonverbalen Kommunikation aus, indem sie beispielsweise mehr Gesten verwenden, auch einmal sehr laut sprechen und auf den Tisch schlagen. In Ländern mit schwacher Unsicherheitsvermeidung existieren andere Ventile. Menschen in diesen Kulturen sollen eher an Erkrankungen der Herzkranzgefäße sterben. Es scheint also gesünder zu sein, ausdrucksstark zu kommunizieren als die Probleme in sich „hineinzufressen", um sie vor anderen Kulturmitgliedern zu verstecken und einer sozialen Missbilligung zu entgehen. Organisationsmitglieder in Ländern mit schwacher Unsicherheitsvermeidung verhalten sich in Gesprächssituationen weni-

6

190 ger emotional und wirken tolerant (Hofstede 2001, S. 153-173).

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

gegenüber

abweichenden und innovativen Gedanken

Tab. 6.4 Unsicherheitsvermeidungsindex (UV!) in ausgewählten Industrienationen und Schwellenländern; Quelle: Hofstede 2001, S. I59f.

Land

UVI-Punktwerte

Land

UVI-Punktwerte

Griechenland

Österreich

Spanien

112 92 86 86

Türkei Mexico Israel Venezuela Italien

85 82 81 76 75

70 65 58 53 49 46 44 35 29

Japan

Frankreich

Deutschland Schweiz Niederlande Südafrika USA

Philippinen Großbritannien Schweden

fuhrt als mögliche Ursache für eine hohe Unsicherheitsvermeidung wiederum das Kulturerbe des Römischen Reiches an. Dort gab es im Gegensatz zu germanischen Ländern schon früh ein System kodifizierter Gesetze, das relativ viele Lebensbereiche erfasste (Hofstede 2001, S. 194).

Hofstede

Insgesamt betrachtet haben die empirischen Untersuchungen Hofstedes eine Reihe interessanter Ergebnisse hervorgebracht. Sie konnten zum Beispiel die bis dahin verbreitete Meinung widerlegen, dass benachbarte Länder mit der gleichen Sprache keine besonderen kulturellen Unterschiede aufweisen. Auch in neueren kulturvergleichenden Studien kam es zu ähnlichen Befunden (Neubauer 2003, S. 37f). Die Analyse stellt eine wertvolle Datenbasis dar, die hilft, Führungskräfte auf Entsendungen und Tätigkeiten im Ausland vorzubereiten. So bieten sich z.B. regelmäßige Teamsitzungen in Kulmren mit einer hohen Tendenz zur Unsicherheitsvermeidung an. Organisationsmitglieder in maskulinen und individualistischen Länderkulturen könnten ihre Emotionsausbrüche bzw. Egotrips beispielsweise in Ad-hocTreffen ausleben. Stark integrative Kommunikationsbeziehungen, wie sie im Rahmen von Task Forces und Projekten üblich sind, werden eher in „demokratischeren" Kulmren, d.h. in Ländern mit einer geringen Machtabstandsdistanz funktionieren. Die vergleichende Analyse von Länderkulturen kann zudem erste Orientierungen für eine Gegenüberstellung von Landes- und Unternehmenskulmren liefern. Es ist jedoch nur möglich, einen weiten Korridor der Übereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung von Landes- und Unternehmenskultur zu

bestimmen. Ebenso wie in einer Landes- existieren auch in der Unternehmenskultur zahlreiche Subkulturen. Probleme entstehen naturgemäß vor allem dann, wenn Unternehmen eine bestimmte Kultur ohne Kompromisse in ein Land exportieren wollen, das sich in wesentlichen Grundwerten durch eine gegenläufige Orientierung auszeichnet. Viele Unternehmen haben ein solches Konzept der Monokultur inzwischen aufgegeben und entscheiden sich bewusst für eine multikulturelle Strategie, die den Tochtergesellschaften und Niederlassungen im Ausland die notwendigen Freiräume lässt, um sich der eigenen Landeskultur anzu-

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

191

passen. Denkbar ist schließlich auch eine Mischkultur, die mit einem gegenseitigen Kulturtransfer der Unternehmensvertretungen in allen Ländern einhergeht. Jedoch ist es wichtig, die spezifischen kulturellen Merkmale nicht allzu vereinfacht darzustellen und stets darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um grobe Tendenzen handelt. Eine pragmatische Präsentation von „typischen Merkmalen" als Hilfestellung für die zu entsendenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würde zu einer Bildung von Stereotypen führen. Die Aussagen über kulturelle Unterschiede sind stattdessen angemessen relativiert zu erläutern. Sie sollen zunächst nur das Bewusstsein für kulturelle Unterschiede stärken (Scholz 1994, S. 790, 801—

807, 858).

6.3

Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

6.3.1

Ursachen für Probleme in der interkulturellen

Begegnung Sobald sich Personen verschiedener Kulturen miteinander austauschen, findet interkulturelle Kommunikation statt. Es kann sich dabei um eine Kommunikation zwischen verschiedenen Nationen oder ethnischen Gruppen handeln. Bis Ende der 50er Jahre vertraten Sozialanthropologen die These, dass sämtliche Gesellschaften mit den gleichen Grundproblemen konfrontiert seien. Diese Probleme betreffen das Verhältnis zu Autoritäten, die Beziehung des Einzelnen zur Gesellschaft, die Rolle der Geschlechter sowie die Art und Weise, mit Konflikten umzugehen. Erste systematische Forschungen auf dem Gebiet der interkulturellen Kommunikation gehen auf Arbeiten des Anthropologen Edward T. Hall und des Soziologen Everett M. Rogers in den 60er Jahren zurück (Kartari 1997, S. 9-12). Die Wissenschaftler konnten einige tiefgehende Ursachen für die Probleme in der Begegnung von Menschen unterschiedlicher Kulturen ausfindig machen. Die Ursachen für Probleme in der interkulturellen Begegnung sind nach bisherigem Forschungsstand äußerst vielfältig. Auf der Ebene aller kommunikationspsychologischen Konstrukte kann es zu Missverständnissen, Fehlverhalten und Reibungen kommen. Im Bereich der Wahrnehmung ergeben sich beispielsweise Verständnisschwierigkeiten, weil die wahrgenommenen Objekte für die Gesprächspartner anderer Kulturen eine andere Bedeutung oder Symbolik haben. So ist die weiße Farbe in China ein Symbol für Trauer. Strenge Gerüche von Lebensmitteln gehören in Indien und Südfrankreich zu einem angenehmen Ambiente, während US-Amerikaner eine geruchsneutrale oder mit Parfüm maskierte Geruchswelt bevorzugen. Auch im taktilen Bereich gibt es große Abweichungen kulturüblicher Gepflogenheiten. Asiaten meiden enge Körperkontakte, während diese in mediterranen, arabischen und südamerikanischen Kulturkreisen als angenehm empfunden werden (Maletzke 1996, S. 136f).

192

6

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

Offensichtliche Probleme in der interkulturellen Verständigung ergeben sich aus der andersartigen verbalen Kommunikation. Häufig genügt es nicht, das Vokabular einer Sprache zu kennen. Der Kommunikationsvorgang kann nur dann erfolgreich sein, wenn der Angesprochene den Inhalt, den der Aussagende ausdrücken wollte, auch richtig interpretiert. Eine solche Feststellung klingt zunächst trivial. Jedoch stehen einem erfolgreichen interkulturellen Sprachverständnis häufig unterschiedliche Begriffssysteme im Weg. Ganz abgesehen von einer abweichenden lexikalischen Bedeutung des Begriffs können sich auch die mit dem Begriff verbundenen Assoziationen und Emotionen von Kultur zu Kultur stark unterscheiden (Maletzke 1996, S. 141). Ein Vergleich zwischen den in Deutschland und in Finnland üblichen Anredeform mag dieses Phänomen verdeutlichen. Sowohl im Finnischen als auch im Deutschen existieren die beiden Anredeformen „Sie" und „Du". Da die Finnen häufiger die „Du-Form" benutzen, entsteht bei Deutschen ohne Kenntnis des weiteren Kontextes der Sprachverwendung zwangsläufig der Eindruck, Finnen seien demokratischer und informeller als Deutsche. Jedoch entspricht weder das deutsche „Sie" noch das „Du" vom sachlichemotionalen Gehalt den oberflächlich betrachtet gleichen Wörtern im Finnischen. Dort wird die „Sie-Form" viel beschränkter verwendet. Die „Du-Form" hat hingegen in Finnland eine weit weniger intime Bedeutung als in Deutschland (Tiittula 1999, S. 179). Interessant ist auch die Bedeutung der Eloquenz insgesamt. So empfinden Japaner Schweigen deutlich angenehmer als Europäer und Nordamerikaner. Vor allem die nonverbale Kommunikation ist besonders deutlich kulturspezifisch überformt. In westlichen Ländern gilt der Blickkontakt mit dem Gesprächspartner als höflich. Ein Gesprächspartner, der den Blickkontakt zum Beispiel im Verkaufsgespräch vermeidet, würde Unsicherheit, Unglaubwürdigkeit oder Verlegenheit ausdrücken. Im vorderen Orient darf eine Frau nur ihrem eigenen Mann direkt in die Augen schauen (Maletzke 1996, S. 148).

Eine interkulturelle Besonderheit stellen zudem unterschiedliche Raumkonzepte dar. Eine wichtige Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Interaktionsabstand zwischen zwei Gesprächspartnern zu. Hall fand heraus, dass die Größe des persönlichen Raumes und des so genannten Herrschaftsbereichs sich zum Teil durch starke interkulturelle Unterschiede auszeichnen. Das Gebiet beginnt dabei innen mit dem engeren persönlichen Raum und endet außen mit der Grenze des Herrschaftsbereichs. In westlichen Kulmren sind beide Räume ausgedehnter als in östlichen Kulmren (Hall/Hall 1990, S. 10). Interessant für die Qualität der Kommunikationsbeziehungen ist außerdem der „Schutz" des Raumes. Als nordamerikanische Manager mit deutschen Führungskräften zusammenarbeiteten, entstand auf beiden Seiten Unbehagen aufgrund der unterschiedlichen Praxis, Türen in Büros offen bzw. geschlossen zu halten. Die meist geschlossenen Türen der deutschen Führungskräfte erzeugten bei den amerikanischen Managern den Eindruck, gegen sie sei eine Verschwörung im Gange. Die deutschen Manager fühlten sich durch die offenen Türen im amerikanischen Büroalltag stark beobachtet und ungeschützt (Maletzke 1996, S. 139f). Türkische Mitarbeiter erwarteten nach einer Befragung des Turkologen und Sozialpsychologen Asker Kartari im Münchener Betrieb der Bayerischen Motorenwerke von ihrem Vorgesetzten, dass dieser sich unaufgefordert nach deren Problemen zumindest gelegentlich erkundigt. Sie fühlten sich sicherer und wohler, wenn sich der Vorgesetzte in ihrer Nähe befand. In der Türkei selbst besuchen höhere Vorgesetzte ihre Mitarbeiter häufig, um nach der geleisteten Arbeit, nach Gesundheit, Familie, Kindern und Problemen zu fragen. Dies ist eine logische Konsequenz

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

193

Raumkonzeption in der mediterranen Kultur. Wenn Vorgesetzte sich nicht aus der Nähe zeigten, tendierten türkische Kulturangehörige dazu, sich zurückzuziehen und sich einer weiteren Kommunikation zu verschließen. Der deutsche Vorgesetzte erwartete hingegen nach seinem Raumkonzept, dass die türkischen Betriebsangehörigen mit ihren Anliegen zu ihm kommen sollten. Er interpretierte das Fembleiben der türkischen Mitarbeiter fälschlicherweise als Indiz dafür, dass alles O.K. sei. Das unterschiedliche Raumkonzept hinterließ klare Spuren im Vergleich des Selbst- und Fremdbildes die Qualität von Beziehungen deutscher Vorgesetzter zu türkischen Mitarbeitern betreffend. In der Befragung von Kartari schätzten 36 % der türkischen Mitarbeiter die Beziehungen zu ihren Vorgesetzten als ausreichend und 8 % sogar als schlecht ein. Die deutschen Vorgesetzten gaben der Beziehungsqualität jedoch ausschließlich sehr gute bis befriedigende Noten (Kartari 1997, S. 55-58). Ebenso wie Raumkonzepte unterliegen auch Zeitkonzepte einer starken kulturellen Prägung. Nach Ansicht von Hall ist die kulturell überformte Zeit das Hauptorganisationssystem der menschlichen Kommunikation, da die Menschen dadurch ihre Emotionen und die Wichtigkeit ihres Handelns zum Ausdruck bringen. Während in christlich-abendländischen Kulturen zukunftsbezogene Aktivitäten systematisch geplant und organisiert werden, lehnen dies gläubige Muslime ab, da die Zukunftsplanung nur Allah zusteht. Die unterschiedlichen, mit Pünktlichkeit verbundenen Vorstellungen führten, bei manch einem Treffen von Geschäftspartnern aus unterschiedlichen Kulturen zu heftigen Verstimmungen. So waren Europäer und Nordamerikaner sehr überrascht, als man sie trotz offiziellem Besuch in einigen Ländern Südamerikas eine Stunde und noch länger warten ließ. Als die betroffenen Besucher empört den Rückzug antraten, fühlten sich die einheimischen Gastgeber häufig beleidigt (Maletzke 1996, S. 139f). Kritisch für den Erfolg der interkulturellen Kommunikation ist dabei die Fähigkeit der Kommunizierenden, der Verlockung zu widerstehen, das eigene Zeitsystem für allgemeingültig zu halten. Bei der Kommunikation sollte jedoch die Zeitauffassung der anderen Kultur berücksichtigt werden. Probleme in der Zeitwahrnehmung tauchen dann auf, wenn ein Kommunizierender eine monochrone und sein Gesprächspartner aus der fremden Kultur eine polychrone Zeitauffassung hat. In der Regel haben Deutsche eine monochrone Zeitauffassung. Sie tendieren dazu, Handlungen innerhalb einer bestimmten Zeitverpflichtung hintereinander abzuarbeiten, pünktlich zu sein und pflegen eher kurzfristige Beziehungen. Die polychrone Zeitauffassung ist dagegen für Länder des mediterranen Kulturraums typisch. Zeit ist in dieser Vorstellung kein linearer Weg, sondern nur ein Punkt. Angehörige mediterraner Kulturen tendieren dazu, mehrere Dinge gleichzeitig im vorgegebenen Zeitder

auszuführen. Sie sind zeitlich flexibler, unterbrechen ihre Arbeit schon einmal, wechseln öfters ihre Pläne, nehmen die Einhaltung von Terminen nicht so ernst und schenken menschlichen Beziehungen eine besondere Beachtung. Die sich aus den unterschiedlichen Zeitauffassungen ergebenden Probleme wurden in der bereits erwähnten von Kartari durchgeführten Befragung türkischer Mitarbeiter und ihrer deutschen Vorgesetzten beim Autohersteller BMW deutlich. Während 56 % der deutschen Vorgesetzten mit der Zeit für gegenseitige Interaktionen zufrieden waren, waren dies nur 27 % ihrer türkischen Kollegen (Kartari 1997, S. 16f.,78f).

raum

Bedeutung für das Verständnis einer fremden Kultur ist es, den Sinn der kulturellen Kontextfaktoren richtig einzuschätzen (siehe Tab. 6.5). In stark kontextorientierten Kulturen haben Wörter an sich wenig Bedeutung. So achten Japaner, Araber und

Von weitreichender

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

6

194

Lateinamerikaner stärker auf Assoziationen und Grundwerte im Hintergrund der verbal formulierten Inhalte. Im Gegensatz hierzu haben einzelne Wörter in wenig kontextorientierten Kulturen durchaus eine hohe Bedeutung. Wörter sind explizit und vermitteln den größten Teil des Informationsgehaltes während eines Kommunikationsvorgangs. Dem Beziehungsaspekt und Hintergründen der Kommunikation schenken Mitglieder einer Low-ContextCulture weit weniger Beachtung als Angehörige einer High-Context-Culture. Schriftlich fixierte Aussagen und Zahlen haben dagegen eine hohe Bedeutung. Typische Beispiele für diese Kultur sind Deutschland, die Schweiz und die USA (Keegan/Schlegelmilch 2001, S.

20).

Tab. 6.5

Unterschiede in der Kommunikationstendenz zwischen S. 82

gan/Schlegelmilch 2001, Dimension

High- und Low-Context-Kulturen; Quelle: Kee-

High-Context-Culture

Low-Context-Culture

(z.B. Mittelmeerländer, Asien, Lateinamerika)

(z.B. USA, Nordeuropa, Deutschland, Schweiz)

Gültigkeit verbaler Aussagen

hat Garantiecharakter

nur

Raumkonzept (Distanz)

gering

Hoch

Zeitkonzept

locker

Vorgehen bei Verhandlungen

langsam

(polychronisch)

auf Schriftform ist Verlass

Zeit ist Geld

(monochronisch)

schnell

Probleme der interkulturellen Begegnung ergeben sich nicht zuletzt aufgrund vorhandener Einstellungen der Kommunikationspartner. Häufig sind bestimmte länder- und kulturbezogene Images, Einstellungen, Stereotype und Vorurteile vorhanden (Maletzke 1996, S. 158).

6.3.2 In der

Anpassungsprobleme Regel

stimmt der erste Eindruck

Kultur nicht mit den Erwartungen In der neuen psychischen Umgelassen sich die Denkmuster und Einstellungen nicht eins-zubung bisherigen Erfahrungen, eins übertragen. Die Kommunikation der Menschen im Gastland erscheint merkwürdig und häufig unverständlich. Wie Tab. 6.6 zeigt, gilt dies in hohem Maße auch fur die Geschäftsvon

einer

neuen

überein, die der Besucher der fremden Kultur vorher hatte.

welt.

195

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen Tab. 6.6 Kommunikationsstile in ausgewählten Kulturen; 1998. S. 246-250

Land

China

Deutschland

Frankreich

Bedeutung von

Quelle: Marx 1999, S. 106-126; Köglmayr/Wupperfeld

Tonalität der

Ablauf von

Formalien

Geschäftssprache Meetings

relativ formell

indirekter Ton

formell, rang-

ernster, sehr di-

gleiche Gesprächspartner bevorzugt

rekter Ton, Gefühle im

relativ formell

intellektuell, indirekt, subtil

Hintergrund

Üblicher

Kleidungsstil

klare Tagesordnung, indirekte

Ansprache klare Tagesord-

relativ formell

relativ formell

nung, die formell

und

pünktlich abgehandelt wird lange Diskussi-

formell,

on, Brainstor-

elegant, relativ

ming, eher

modisch

magere Vorberei-

tung, pünktlich Großbritannien relativ informell, indirekter Ton, Humor ist wichbevorzugen ranggleichen tig, Ruhe und Gesprächspartner Gelassenheit

USA

relativ informell

sachlicher, direkter Ton

strukturiert, gute

formell (auf die Verar-

Vorbereitung, Zurückhaltung, pünktlich

beitung von Anzügen wird geachtet)

Small Talk,

mit Ausnahme klare Tagesordnung, ausgedehn- von Meetings

lässig

ter

Schriftverkehr, „Showeffekte" Wie unterschiedlich Kommunikationsstile von Kultur zu Kultur sein können, zeigt beispielsweise der Vergleich zwischen Deutschen und Amerikanern. In der Regel tendieren Deutsche dazu, Sachverhalte detailliert und analytisch sauber darzustellen. Sie neigen zu komplizierten Formulierungen, wirken emsthaft, förmlich und reserviert. Amerikaner tendieren dagegen zu knappen Präsentationen, einfachen Formulierungen, Humor und Übertreibungen. Im Gegensatz zu Deutschen genieren sich Amerikaner nicht, auf einer Abendparty offen zu gähnen, wenn sie sich müde fühlen. Sie schauen auf die Uhr, wenn ein Treffen zu lange dauert. Diese Direktheit überrascht viele Deutsche (Schmidt 2000, S. 90). Trotz der offensichtlichen

Kommunikationsprobleme infolge

von

Kulturdivergenzen

wäre

die These falsch, die Aufnahme der Geschäftstätigkeit nur dann zu befürworten, wenn die Distanz zwischen der fremden Kultur zur heimischen Kultur gering ist. Zahlreiche empiri-

196

6

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

sehe Untersuchungen neueren Datums zeigen, dass geringe Kulturdistanzen nicht automatisch gute wirtschaftliche Ergebnisse fördern (Mitra/Golder 2002, S. 362). es dem Besucher einer fremden Kultur gelingen, sich an die ihm wenig vertraute Kultur schnell anzupassen und ohne Probleme mit Gesprächspartnern in dieser fremden Kultur zu kommunizieren. Typisch ist eher ein Anpassungsprozess, der im Wesentlichen in vier Phasen verläuft (Neubauer 2003, S. 131; Hofstede 2001, S. 294-298; Marx 1999, S. 24-29; Maletzke 1996, S. 161-167; Müller 1991, S. 43, 154f).

In den seltensten Fällen dürfte

Beginn des Auslandsaufenthalts erlebt der Besucher die fremde Kultur wegen der Neuheit der wahrgenommenen Reize meist als äußerst aufregend und interessant. In dieser Phase der Euphorie gelangt er spontan zu einer sehr positiven Bewertung („Honeymoon"). Nicht nur privat Verreisende, sondern auch im Auftrag ihrer Gesellschaft tätige Managerinnen und Manager befinden sich zunächst in einem emotionalen Zustand des Überschwangs. Anfangs zeigen sie gegenüber der fremden Kultur eine große Offenheit und Neugier, die mit der Bereitschaft einhergeht, fast alle Ereignisse zu akzeptieren, die auf sie zukommen. Das Urteilsvermögen der betreffenden Person ist zu diesem Zeitpunkt ohne Zweifel recht stark eingeschränkt und im Wesentlichen von oberflächlichen Kommunikationsbeziehungen zu den Gastgebern geprägt. Ebenso wie Touristen genießen Geschäftsreisende zunächst die Annehmlichkeiten der fremden Kultur, z.B. das fremde Erscheinungsbild von Menschen, Natur und Gebäuden sowie die fremde Esskultur. Vorfälle, die zu einer Störung der als sehr angenehm empfundenen Stimmung fuhren könnten, werden deswegen häufig ignoriert. Die anfängliche Begeisterung ist aber meistens nur von kurzer Dauer. Allerdings ist diese bisher angenommene erste Euphorie seit Ende der 70er Jahre ohnehin zu relativieren. Während noch Ende der 60er Jahre viele Bewerber einem Arbeitsplatz den Vorzug einräumten, der zumindest mit einem gelegentlichen Auslandseinsatz verbunden war, ist seit einigen Jahrzehnten eine gewisse „Auslandsmüdigkeit" unter Geschäftsreisenden festzustellen. Der hohe Lebensstandard, Massentourismus und großzügige Urlaubsregelungen ermöglichen es vor allem vielen Europäern, fremde Länder auf bequeme Weise zu erkunden. Nur die Chance auf eine nachhaltige Verbesserung der eigenen Karrierechancen kann viele der Weltgereisten, die schon zu ihrer Jugend- und Studentenzeit oder in den ersten Berufsjahren etliche Fernreisen unternahmen, noch motivieren, die Koffer zu packen. Zu

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

197

Abb. 6.2 Phasen der kulturellen Anpassung. Die alternativen Kurvenverläufe a. b und c zeigen wahrscheinliche Gefühlsregungen nach Abschluss der Akkulturationsphase, die sich einerseits in die Richtung der anfänglichen Euphorie (Kurve a) und andererseits in die Richtung der Ernüchterungsphase (Kurve c) bewegen können. In der Regel werden jedoch die „Extremgefühle" in der „Honeymoon-Stimmung" und in der Situation des „Kulturschocks" nicht mehr erlebt; Quelle: Hofstede 2001, S. 295

Nach einer ernsthaften Beschäftigung mit der fremden Kultur erfährt die gute anfängliche Stimmung und positive Bewertung des Gastlandes einen drastischen Richtungswechsel. Mit einer Phase der Ernüchterung beginnt der Alltag in der neuen Umgebung. Der Fremde nimmt erste Unstimmigkeiten wahr. Meistens schleicht sich das Gefühl ein, „nicht genau zu wissen, was läuft". An diesem unangenehmen Gefühlszustand sind Störungen im Kommunikationsprozess maßgeblich beteiligt. Der wenig erfahrene Fremde wird sich häufig sehr bemühen, die Wahl der passenden Worte und den landesüblichen Gruß zu erlernen und Hintergrundinformationen über Symbole und Rituale in Erfahrung zu bringen. Dennoch bleiben ihm die Werte der fremden Kultur vorerst verborgen. Der Besucher wird wie Hofstede sehr treffend beschreibt wieder mental in seine Kindheit zurückversetzt. Er muss die einfachsten Dinge erst erlernen. Auch wenn sich der Fremde den Umgang mit den Symbolen und Ritualen in der neuen Umgebung sukzessive aneignet, hat er Probleme, die Menschen wirklich zu verstehen. Alle vier Seiten der Mitteilung im Sinne des erläuterten Kommunikationsmodells von Schulz von Thun stellen den Fremden vor größere Herausforderungen. Die Probleme beginnen bereits mit dem Beziehungsaspekt einer Mitteilung. Sicher -

-

198

6

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

ohne gemeinsame Kultur und wegen fehlenden gemeinsamen Erfahrungen in einer völlig fremden Welt schwierig, eine vertrauensvolle Gesprächsbasis aufzubauen. Häufig fuhren Missverständnisse in der verbalen und nonverbalen Kommunikation dazu, einen bestimmten Sachinhalt nicht richtig zu verstehen und auszudrücken. Auch die Selbstoffenbarung des Fremden als Sprecher geht oft mit Schwierigkeiten einher. Angeborene Emotionen, die kulturübergreifend wirken, werden auf eine bestimmte kulturspezifische Art maskiert. Mit anderen Worten: Nur für den Kenner der Kultur erschließt sich die tatsächlich empfundene Qualität der emotionalen Befindlichkeit des Gesprächspartners. Wie die geschilderten Studien von Ekman zeigten, überdecken Mitglieder einer bestimmten Kultur eine angeborene Emotion häufig mit einem bestimmten Gesichtsausdruck und mit Körperbewegungen, die in einer anderen Kultur eine andere Bedeutung vermitteln. So wird in diesem Zusammenhang immer wieder das Lächeln von Asiaten genannt. Nicht zuletzt versteht in der interkulturellen Kommunikation der Gesprächspartner aus der anderen Kultur den mit der Botschaft verbundenen Appell nicht oder nicht zutreffend. Gewisse Frustrationserlebnisse sind also vorprogrammiert. Der Besucher distanziert sich daher nach der anfänglichen Begeisterung häufig wieder von der Gastkultur. Unter Umständen hegt er sogar feindliche Gefühle. Gerade bei nur kurzfristigen Aufenthalten im Ausland sucht er gleichzeitig den Kontakt zu der „Kolonie" der ebenfalls verunsicherten Neuangekommenen oder zu Landsleuten, die in der fremden Kultur leben.

ist

es

Bildung „ethnischer Kolonien" ist eine typische Begleiterscheinung bei so genannten Migrationsprozessen, d.h. bei einer dauerhaften Auswanderung in ein kulturell fremdes Land. Die „Kolonie" bietet einerseits Schutz vor Diskriminierungen und Vorurteilen der Die

aufnehmenden Kultur und andererseits ein soziales Kommunikationsnetz, das die Basis für die Fortsetzung dieser Wanderungsvorgänge bildet. Es fällt den Einwanderern durch solche Netzwerke sehr viel leichter, mit Behörden im fremden Land zu kommunizieren sowie schnell eine Wohnung und einen Arbeitsplatz zu finden. Daher verläuft die Geschichte der Entstehung einer Kolonie im Einwanderungsland oft spiegelbildlich zur Geschichte der Abwanderungsbewegung in einem ausländischen Gebiet. Als Folge einer „Kettenreaktion" wanderten ganze Dörfer aus. Die Dorfbewohner trafen sich dann während der Anfangsjahre in der gleichen fremden Stadt und sogar in bestimmten Straßenzügen wieder. Obgleich die eingewanderten Menschen zweifelsohne eine ähnliche Phase der Ernüchterung erleben wie Geschäftsreisende, die nach einigen Jahren wieder planmäßig in ihre Heimat zurückkehren, führt eine bereits mehrfach erwähnte psychologische Reaktion häufig zu einer Verstärkung der „Kettenreaktion". Es fällt den Einwanderern schwer, gegenüber den Verwandten und Bekannten in ihrer Heimat zuzugeben, keinen wirtschaftlichen oder sonstigen Erfolg mit der Abwanderung verbucht zu haben. Meist wurden mit der Abwanderung zu Beginn hohe Erwartungen verknüpft. Durch die Diskrepanz dieser Erwartungen mit der tatsächlich erlebten Situation entsteht ein unangenehmer Spannungszustand. Eine Möglichkeit, die kognitive Dissonanz abzubauen, besteht darin, die positiven Aspekte der neuen Kultur gegenüber den Bezugspersonen in der alten Heimat besonders hervorzuheben. Um den Erfolg glaubhaft zu kommunizieren sowie ihre Familien und Freunde zu beeindrucken, mieteten Gastarbeiter Luxusautos. Durch die geschönten Erlebnisberichte und Übertreibungen kann eine regelrechte „Goldgräberstimmung" entstehen, die weitere Menschen zu der Auswanderung bewegt (Rittersberger-Tilic, S. 51-53).

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

199

In der dritten Phase beginnt sich der Besucher erfolgreich in der fremden Kultur zu orientieEr kann seine Kenntnisse über die verbale und nonverbale Kommunikation im Gastland verbessern. Im Verlauf dieser Phase der Akkulturation versteht der Besucher die Menschen der fremden Kultur zunehmend besser. Er wächst in die Kultur hinein, wird sicherer in der Kommunikation und beginnt, die in der zweiten Phase entwickelten negativen Einstellungen aufzugeben. Unter diesen Voraussetzungen gelingt es dem Besucher, einige Werte der fremden Kultur anzunehmen und sich in das neue soziale Netzwerk einzufügen. Je länger der Auslandsaufenthalt dauert, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit einer widerspruchsfreien Kommunikation, d.h. um so größer ist die Chance, den Sachinhalt, den emotionalen Gehalt und den Appell einer Botschaft korrekt zu verstehen und auszudrücken sowie eine vertrauensvolle Gesprächsbasis mit Fremden aufzubauen.

ren.

Irgendwann fühlt sich der ehemalige Gast fast „wie zu Hause". Diese vierte Phase bezeichnet Hofstede als Stabilität. Jedoch kann sich Stabilität auf unterschiedlichem Niveau einpen-

deln. Fühlt sich der Besucher weiterhin etwas fremd, werden seine Gefühle zwar wesentlich positiver sein als in der Phase der Ernüchterung, jedoch bleiben sie insgesamt eher reserviert. Möglich ist auch eine bikulturelle Anpassung des Besuchers mit insgesamt neutraler Gefühlswelt: Denkbar sind beispielsweise anhaltend positive Gefühle in Bezug auf die ursprünglich fremde Kultur, die sich in die Richtung der anfänglich großen Euphorie bewegen.

Länge des Zyklus ist variabel und passt sich offenbar der Dauer des Auslandsaufenthalts Geschäftsreisende, die sich nur für eine kurze Dauer von bis zu drei Monaten in der fremden Kultur aufhielten, erlebten innerhalb dieses Zeitraums sämtliche der beschriebenen Phasen. Menschen, die mehrere Jahre im Ausland wohnten, berichteten über eine Phase des kulturellen Schocks von der Dauer eines vollen Jahres (Hofstede 2001, S. 296). Die an.

Die kommunikativen Anstrengungen und Anforderungen an die Lernfähigkeit sind in der ersten Phase des Anpassungsprozesses am größten. Gelegentlich scheitern Fremde in der neuen Kultur bei dem Versuch, ihre anfänglichen Kommunikationsprobleme zu überwinden. Im Zuge ihrer dauerhaften Frustrationserlebnisse kann sich ein „Kulturschock" einstellen, der zu einer Fluchtreaktion in Form einer sofortigen Heimkehr führt. Geschäftsreisende erlebten nach einer Befragung der Psychologin und Personalberaterin Elisabeth Marx während der Auslandstätigkeit häufig Gefühle der Isolation, Ängste und Sorgen, eine Verminderung der Arbeitsleistung sowie Hilflosigkeit. Die Symptome des Kulturschocks dauerten bei der großen Mehrheit der Befragten etwa sieben Wochen an (Marx 1999, S. 23f). Kulturschocks lassen sich auch gut an bestimmten Verhaltensweisen der Gäste erkennen. Mit der fremden Kultur noch nicht vertraute Menschen zeigen z.B. ein übertriebenes Sauberkeitsbedürfnis, eine auffällige Zurückhaltung beim Verzehr von Speisen und Getränken sowie eine Überempfindlichkeit bei nur leichten Erkrankungen. In einigen Fällen kommt es zu Übelkeit, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Durchfall, Schlafstörungen und Magenbeschwerden. In Extremfällen wurde sogar eine Paranoia beobachtet, d.h. eine zwanghafte Vorstellung, alle Einheimischen würden Fremde generell nicht akzeptieren und ihnen Schwierigkeiten bereiten wollen (Maletzke 1996, S. 164-166). Kulturschocks sind nicht unbedingt als eine Schwäche oder ein Indiz für wahrscheinliche künftige Misserfolge in der Kommunikation mit Angehörigen der fremden Kultur zu werten. Sie sind ein völlig normales Phänomen und typische Begleiterscheinung eines erfolgreichen Eingewöhnungsprozesses. Häufig erleben

200

6

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

solche Menschen, die ein ausgeprägtes Bewusstsein für sich selbst und ihre Gefühle haben, einen intensiven Kulturschock. Jedoch ist die Fähigkeit, Unterschiede besonders deutlich zu erfahren, eine wichtige Voraussetzung für die Eingewöhnung. Die Stärke des Kulturschocks hängt davon ab, wie groß der Kulturunterschied zwischen dem Heimatland und der fremden Kultur ist und wie sehr der Fremde Unterstützung durch soziale Netzwerke in der ungewohnten Kultur erfährt. In der Realität verläuft das oben skizzierte Phasenmodell in Form eines sich wiederholenden Zyklus von positiven und negativen Stimmungen. Es stellt sich ein positiver Trend ein, der ähnlich wie Aktienkurse an der Börse von gelegentlichen „Korrekturen" durch erneut eintretende Kulturschocks immer wieder kurzfristig eine Seitwärtsbewegung erfährt. Irgendwann kommt es dann nach dem Durchleben mehrerer negativer Stimmungsphasen zu einer Überwindung des Kulturschocks (Marx 1999, S. 22, 27f). Bemerkenswert ist die deutliche Wahrnehmungsverzerrung, der die Besucher eines fremden Landes bei der Einschätzung der Fremdartigkeit unterliegen. Die subjektive Wahrnehmung der Distanz kann dabei beachtlich von der objektiven Entfernung zweier Länder abweichen. Korrelationsrechnungen verdeutlichen, dass nur ein mäßiger Zusammenhang zwischen beiden Entfernungen besteht (siehe Tab. 6.7). Kaum überraschend ist die deutliche Überschätzung der Entfernung zum Land Libyen durch Deutsche und Österreicher. Die psychische Distanz reflektiert die sehr unterschiedlichen religiösen und familienbezogenen Orientierungen. Interessant und ad-hoc nicht sofort erklärbar ist die relativ große psychische Distanz der beiden Mitteleuropäer zu dem objektiv gesehen nicht so sehr weit entfernten Griechenland, das zudem zum europäischen Binnenmarkt gehört. Würde die tatsächliche Entfernung die subjektiv wahrgenommene Entfernung widerspiegeln, so müsste aus Sicht deutscher Manager die griechische Hauptstadt Athen in den Steinwüsten des Jemen liegen. Aus den Berechnungen der Tabelle lassen sich, selbst wenn die subjektiven Einschätzungen im Einzelfall nicht überzeugend erklärbar sind, Aussagen über kulturelle Affinitätszonen treffen. So besteht zwischen den Einschätzungen der deutschen und österreichischen Manager eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung (Müller 1991, S. 170-172). -

-

-

-

Tab. 6.7 Abweichungen der subjektiven von der objektiven Distanz zu ausländischen Märkten in Prozent; Quelle: Müller (1991). S. 170; Legende: Die subjektive Distanz deutscher Manager zu Libyen entspricht 584,7 % der objektiven Entfernung zwischen beiden Ländern

Auslandsmarkt Deutschland

Libyen Griechenland Iran

Brasilien Südafrika

Hongkong Japan USA

585 263 227 97 95 82 77 43

Österreich

Finnland

638 480 350

358 274 310 100

44

102 72 48

124 0 28

109 107 104 75

Japan 1 13 102 140

-

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

201

Insgesamt betrachtet sind Auslandsreisende Kommunikationsproblemen nicht hilflos ausgeObgleich die individuellen Unterschiede mit Kommunikationspartnern aus fremden Kulmren groß sind, lassen sich etliche Probleme durch eine gute Gesprächsvorbereitung und die Beachtung einiger Empfehlungen vermeiden. Besucher sollten vor allem am Anfang

setzt.

ihres Auslandsaufenthalts über sich selbst reden und den Fremden als gleichberechtigten Gesprächspartner achten. In der Regel muss der Besucher selbst die Initiative ergreifen, da die Gesprächspartner in der fremden Kultur häufig darauf warten, angesprochen zu werden. Nicht zuletzt sollten sich Besucher fremder Kulmren nicht auf Gespräche über ihren Auftrag beschränken, sondern auch anderweitig soziale Kontakte mit der fremden Bevölkerung suchen und pflegen (Maletzke 1996, S. 165f.).

6.3.3

Rückkehrprobleme

Trotz guter Vorbereitung kann die Rückkehr eines Besuchers von einem fremden Kulturkreis in die Heimat zu größeren Problemen fuhren. Bei oberflächlicher Betrachtung erscheint eine Rückkehr einfach zu sein, da die Kultur des Heimatlandes dem Besucher im Gegensatz zur fremden Kultur ja bestens bekannt ist. Probleme erwartet auch deshalb niemand, weil in der Regel die Kontakte zu wichtigen Bezugspersonen wie der Familie, Freunden und Arbeitskollegen nicht vorübergehend stillgelegt, sondern regelmäßig gepflegt wurden. Zahlreiche Erfahrungsberichte zeigen jedoch, dass zumindest eine längere Abwesenheit mit einer Entfremdung verbunden ist. Während des Aufenthalts in der fremden Kultur baute sich sukzessive eine psychische Distanz auf, die dem Betreffenden erst bei seiner Rückkehr in vollem Ausmaß bewusst wird. Erfahrene Auslandsreisende lesen regelmäßig Zeitungen und Zeitschriften ihres Heimatlandes und pflegen über gelegentliche Heimaturlaube ihre sozialen Kontakte zu Hause. Dennoch sind auch routinierte Experten nicht vor Überraschungen nach ihrem Auslandsaufenthalt gefeit. Häufig ergeben sich in der Heimat während des Auslandsaufenthalts feinere Veränderungen, die vom Ausland aus und einer gelegentlichen Korrespondenz mit den Bezugspersonen in der Heimat, nicht nachvollziehbar sind.

Die erste Phase des psychischen Erlebens eines Rückkehrproblems beginnt bereits in den letzten Monaten des Auslandseinsatzes. Ähnlich wie im Falle einer geplanten Kündigung eines Arbeitsverhältnisses denkt der Betreffende plötzlich in andere Richtungen. Es kommt zu einer Wanderung von Gedanken, die sich zunehmend in Richtung des neuen Aufenthaltsortes bewegen. Die eigentlichen Umstellungsprobleme beginnen interessanterweise nicht in den letzten Monaten des Auslandsaufenthalts, sondern in den ersten Wochen nach der Rückkehr. Zunächst werden Besucher einer fremden Kultur in der Regel so viele interessante Eindrücke aus Gesprächen mitgenommen haben, dass sie ihren Bezugspersonen im Heimatland ausführlich hierüber berichten wollen. Häufig sind Auslandsreisende enttäuscht, wenn die Daheimgebliebenen sich nicht besonders für die Inhalte der Kommunikation mit Angehörigen der fremden Kultur und die Qualität der aufgebauten Beziehungen interessieren. Manchmal müssen Geschäftsreisende, die vom Ausland in ihre Heimat zurückkehren, sich in der Qualität der Kommunikation deutlich umorientieren. Zum Beispiel verfugen Geschäftsreisende in Entwicklungsländern oft über einen sehr hohen Status und eine entsprechend große Macht, die in bestimmten Insignien wie in einer stattlichen Wohn- und Dienstvilla mit vielen Angestellten zum Ausdruck kommt. Ähnlich wie in der ersten Phase der Anpassung

6

202

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

nach der Auslandsreise kann sich ein tiefer Schock nach der Rückkehr in die Heimat einstellen. Bei schwierigen Einsätzen im Ausland, die zum Beispiel von militärischen Auseinandersetzungen begleitet sind, gelingt den Heimkehrern die Rückanpassung in vielen Fällen nicht aus eigener Kraft (Maletzke 1996, S. 168).

Stefan Müller analysierte im Rahmen seiner Dissertation, welche Hoffnungen und Ängste Manager im internationalen Vergleich mit einem längeren Auslandsaufenthalt verbinden.

Etwa 70 % der deutschen Manager befürchteten vor allem, dass nach ihrer Rückkehr der frühere Arbeitsplatz nicht mehr zur Verfügung steht. Im Vergleich hierzu unterlagen nur etwa 18 % der japanischen und etwa ein Viertel der finnischen Manager diesem Trauma. Für 85 % der Japaner, die in der Regel nur sehr schweren Herzens vertraute soziale Beziehungen aufzugeben bereit sind, war vor allem die befürchtete Beeinträchtigung des Familienlebens besonders ausgeprägt. Insgesamt stimmten allerdings mehr als 80 % bis zu über 95 % der etwa 400 befragten deutschen, japanischen, österreichischen, finnischen und südafrikanischen Manager der These zu, dass die mit einem Auslandsaufenthalt verbundenen Schwierigkeiten durch das intensive Erleben eines anderen Kulturkreises und die Vertiefüng von Fremdsprachenkenntnissen mehr als wettgemacht würden (Müller 1991, S. 114f, 158-160).

Die

Rückkehrprobleme von Gastarbeitern sind spezieller Natur und wurden von Helga Rittersberger-Tilic im Rahmen ihrer Dissertation anhand des Beispiels einer Rückkehrergemeinschaft in einer türkischen Kleinstadt sehr aufschlussreich dargestellt. Der längere Aufenthalt in der fremden Kultur verwies die Rückkehrer in die Kategorie „Fremde". Im kleinstädtischen Umfeld blieb die Fremdheit wegen enger sozialer Beziehungen kaum unbemerkt. Die aus Deutschland zurückgekehrten Gastarbeiter erführen die Stigmatisierung „Almanci" mit einem signifikant negativen Beigeschmack eines „verdorbenen Charakters".

Viele Rückkehrer fühlten sich entfremdet und auf der Suche nach einer Identität zwischen zwei Kulturen. Obgleich sich fast alle ehemaligen türkischen Gastarbeiter durch den Erwerb eines gut ausgestatteten Eigenheims nach der Rückkehr aus ökonomischer Sicht deutlich verbesserten, zeichneten sich die kommunikativen Aktivitäten der Reimigranten durch eine auffallende Zurückhaltung aus. Häufig blieben soziale Kontakte auf die direkte Nachbarschaft beschränkt, die selbst Reimigranten waren und in einem „Almanci"-Ortsteil wohnten. Eine Beschränkung der Sozialkontakte auf die direkte Nachbarschaft ist für deutsche Verhältnisse durchaus typisch, jedoch in der Türkei (einer typischen High-Context-Culture mit starker kollektivistischer Orientierung im Sinne Hofstedes) nicht üblich. Insbesondere Rückkehrerinnen erführen eine soziale Missbilligung und wurden von etlichen Aktivitäten der „Daheim-Gebliebenen" ausgeschlossen. Die Kategorisierung als „Almanci" kam einer gesellschaftlichen Degradierung gleich. Die Betroffenen wurden weder als Türken noch als Deutsche, sondern als „Deutschler" gesehen (Rittersberger-Tilic 1997, S. 239-246).

6.3.4

Interkulturelle

Kommunikationskompetenz

Aufgrund der hohen Bedeutung, die das internationale Geschäft in vielen Branchen inzwischen erlangt hat, liegt es nahe, der Frage nachzugehen, welche zentralen Faktoren die interkulturelle Kommunikationsfähigkeit bestimmen. Nach einigen erfolglosen Versuchen in den 70er Jahren, interkulturelle Kommunikationskompetenz durch Modelle und theoretische

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

203

zur Identifizierung von Persönlichkeitsmerkmalen zu beschreiben, liegen inzwischen zahlreiche faktoranalytische Untersuchungen vor. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen beschränken sich im Wesentlichen auf kommunikative Fähigkeiten wie die Bewältigung

Ansätze

Depressionen, Frustrationen, Angst- und Einsamkeitsgefühlen, Einfühlungsvermögen und einen vorurteilsfreien Kommunikationsstil. Diese Faktoren sind jedoch obgleich ihre Berücksichtigung sicher für die Kommunikation mit der fremden Kultur hilfreich sein können im Grunde genommen Voraussetzung für jede Art sozialer Kompetenz.

von

-

-

Hofstede empfiehlt zum Erlernen interkulmreller Kommunikationskompetenz ein dreistufiges Vorgehen. Interkulturelle Kommunikationskompetenz beginnt damit, einerseits zu erkennen, selbst mit einer kulturspezifischen „mentalen Software" ausgestattet zu sein, und andererseits zu akzeptieren, dass die in der fremden Kultur aufgewachsenen Menschen aus den gleichen guten Gründen mit einer anderen mentalen Software „programmiert" sind. Diese Erkenntnis ist alles andere als trivial und leicht zu beherzigen. Häufig existieren gerade als Ergebnis starker kultureller Prägung Vorurteile und Stereotype gegenüber fremden Kulmren. Nur Menschen, die der Entwicklung eines interkulturellen Kommunikationsbewusstseins aufgeschlossen gegenüber stehen, können bei einem Besuch im fremden Kulturraum abschätzen, inwieweit ihr eigener Kommunikationsstil durch kulturelle Merkmale geprägt ist und Konfliktpotenzial aufweist. Das Bewusstsein der eigenen kulturellen Prägung erleichtert es dem Besucher der fremden Kultur, wesentliche Unterschiede in den Kommunikationsstilen zwischen der eige-

und der fremden Kultur zu erkennen und sich in Kommunikationssituationen entsprechend zu verhalten. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Viele Deutsche finden es unmoralisch, wenn sie auf einer Geschäftsreise in China davon erfahren, dass ihnen Fleisch eines Berner Sennenhundes serviert wird, d.h. eines der geliebten Haustiere im deutschen Kulturkreis. Jedoch könnten sich Chinesen die gleiche Frage bei den in Deutschland auf den Speisekarten aufgeführten Hühnergerichten stellen, da deutsche Hühner in der Regel unter unwürdigen Bedingungen in kleinen Käfigen leben müssen (Seelbacher-Holzmann 2002, S. 61). Menschen, die ein Bewusstsein für die eigene kulturelle Prägung nicht entwickeln, wirken ohne dies unter Umständen zu wollen möglicherweise arrogant auf ihre Gesprächspartner. Sie sind zwangsläufig blind und taub gegenüber den Kommunikationssignalen ihrer Gesprächspartner in der fremden Kultur (Hofstede 2001, S. 329).

nen

-

-

Recht gut erlernbar ist ein angemessenes kulturspezifisches Wissen über Raum- und Zeitkonzepte, die Bedeutung von Hierarchien, Rollen und Status, sowie Grundzüge der Sprache und sprachlicher Spielregeln (Lösche 2003, S. 85f). Obgleich Fremde die hinter den Symbolen, Helden und Ritualen stehenden Werte wahrscheinlich nicht so schnell ergründen bzw. teilen, können sie doch versuchen, Wertunterschiede zu verstehen (Hofstede 2001, S. 329). Im Bemühen um ein angemessenes Kulturverständnis und eine Verbesserung der kommunikativen Kompetenz im interkulturellen Bereich sollten Fremde den Anspruch nicht zu hoch setzen. Trotzdem ist auf der Basis des Bewusstseins und Wissens über kulturelle Unterschiede die Entwicklung einiger interkultureller Fertigkeiten sicher relativ leicht umsetzbar. Hierzu gehören vor allem Kennmisse über Methoden zur Identifikation von Unterschieden im kommunikativen Stil, der Anwendung einer Kommunikation mit beschränkten Mitteln (z.B. das berühmt-berüchtigte Reden mit Händen und Füßen) sowie der Identifizierung,

6

204

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

Vermeidung und Beseitigung von Missverständnissen (Knapp 1999, S. 20). Um das gegenseitige Verständnis zu verbessern, sollten Kommunizierende aus verschiedenen Kulturen (Hofstede 2001, S. 239f.; Allison 1999, S. 102): Aspekte, die mit Zweifeln verbunden sind, besonders betonen, Ideen einzeln ansprechen, wo immer möglich, bildliche Hilfsmittel einsetzen, spezielles Vokabular eines Fachgebiets (z.B. Technik oder Wirtschaft) vermeiden und Symbole und Rituale der fremden Kultur anwenden bzw. praktizieren. •





• •

Die Verwendung derartiger sprachlicher „Krücken" ist in der interkulturellen Kommunikation selten zu vermeiden. Aufgrund diverser Ursachen sprachlicher Missverständnisse sind sie häufig die einzige Möglichkeit der wirkungsvollen Verständigung. Missverständnisse entstehen zunächst, weil der Besucher der fremden Kultur das Vokabular der relevanten Sprache nur unzureichend oder lückenhaft beherrscht. Es kommt zu einer starken Vereinfachung von Sachverhalten und letztlich in vielen Gesprächssituationen zu einer Tendenz, Bedeutungen zu reduzieren. Die sprachliche Unsicherheit mag den Besucher weiterhin dazu bewegen, bestimmte Themen auszusparen oder sich insgesamt in Gesprächen zurückzuhalten. Die oben genannte Empfehlung, auf die Verwendung speziellen Vokabulars zu verzichten, vermeidet beim Gesprächspartner der fremden Kultur den falschen Eindruck, die Beherrschung der Fachsprache sei ein Maßstab für die Sprachkenntnisse insgesamt. Häufig bestehen in anderen Lebensbereichen jedoch nicht annähernd gleichwertige Sprachkenntnisse. Geschäftsleute erliegen ebenso wie Touristen dem Charme der leider irreführenden Annahme, eine Konversation in einer für beide Seiten fremden Sprache (d.h. meist die Weltsprache Englisch) würde das Kommunikationsergebnis verbessern. Jedoch benutzen dann beide Seiten die gemeinsame fremde Sprache mit ihrem jeweils verschiedenen kulturellen Hintergrund und Sprachverständnis. Die Orientierung kann hierdurch noch komplizierter werden (Lösche 2003, S. 49). In Anbetracht der zahlreichen

Qualifikationen und mentalen Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche interkulturelle Kommunikation vorliegen müssen, überrascht das Ergebnis von Umfragen, dass die Mehrheit von Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins kalte Wasser werfen, anstatt sie gezielt auf den Auslandsaufenthalt vorzubereiten (Seelbacher-Holzmann

6.3.5

2002, S. 61).

Auswirkungen von Auslandsaufenthalten auf die

kommunikative

Kompetenz

Längere Auslandsaufenthalte in einer fremden kulturellen Umgebung begünstigen unter bestimmten Voraussetzungen die Entwicklung kommunikativer Kompetenz. Zunächst kehren Menschen, die sich längere Zeit in einer fremden Kultur bewegt haben, mit einem gefestigten Selbstwertgefühl und einer gestärkten persönlichen Identität in die Heimat zurück. Im kommunikativen Austausch mit einer anderen Kultur lernt der Besucher auch sich selbst gut kennen. Der Auslandsaufenthalt erfordert meist ein hohes Maß an Eigeninitia-

6.3 Interaktionen zwischen Menschen verschiedener Kulturen

205

tive und ein starkes Vertrauen in die eigene innere Kontrolle, da Hilfestellungen von außen in der Regel nicht so schnell und leicht verfugbar sind wie in der heimischen Kultur. Sofern der Betroffene das Ergebnis dieser „Prüfungen" positiv erlebt, wächst die Motivation und das Vertrauen in die eigenen kommunikativen Fähigkeiten (Maletzke 1996, S. 170). Eine zweite positive Wirkung auf die kommunikative Kompetenz ergibt sich aus der Notwenigkeit für die Besucher fremder Kulmren, offen für neue und ungewohnte Gegebenheiten zu sein. Diese Offenheit kann auch für Kommunikationssituationen im heimatlichen Kulturkreis nützlich sein, um gute Beziehungen zu Gesprächspartnern aufzubauen, flexibel auf den Gesprächspartner einzugehen und über innovative Lösungen nachzudenken (Maletzke 1996, S. 170).

Eine naheliegende Bereicherung für die kommunikative Kompetenz sind zudem das im Zuge des Auslandsaufenthalts erworbene Wissen und die Erweiterung des Betrachtungswinkels bei künftigen Gesprächsthemen. Der erweiterte Wissens- und Erfahrungsschatz kommt häufig in differenzierteren Aussagen in Bezug auf kulturrelevante Themen zum Ausdruck. Zudem werden nationalistisch geprägte Einstellungen relativiert (Maletzke 1996, S. 170f.). Offensichtlich ist die Erweiterung des Bewusstseinsgrades die eigene Kultur betreffend. Menschen neigen in der Regel dazu, ihre eigene Kultur und die hiermit zusammenhängenden Wertorientierungen, Einstellungen und Denkweisen sehr verzerrt, d.h. eindeutig positiv oder auch negativ wahrzunehmen. Kenner verschiedener Kulmren haben hingegen die Möglichkeit direkt vergleichen zu können und sind nicht auf die keinesfalls stets objektiven Informationen aus den Medien angewiesen (Maletzke 1996, S. 171). Die

Frage, ob Auslandsaufenthalte helfen, bestehende Einstellungen, Vorurteile und Stereotypisierungen abzubauen, wird kontrovers diskutiert. Nach heutigem Forschungsstand ist die „Intimität" der interkulturellen Begegnung dabei von entscheidender Bedeutung. Besucher eines fremden Kulturkreises, die nur flüchtige und oberflächliche Kontakte herstellen

und pflegen, ändern ihre Einstellungen entweder gar nicht oder festigen ihre bereits vorhandenen Vorurteile und Stereotypisierungen. Engere Begegnungen ermöglichen dagegen, die Mitglieder der fremden Kultur differenziert zu verstehen. Im Zuge dieses Verstehens scheitern meistens die Versuche, Menschen fremder Kulmren in bestehende Schemata einzufügen. Das Bild von der fremden Kultur zeichnet sich klarer ab als im Falle einer nur oberflächlichen Kommunikation im Gastland. Selbst bei längeren Aufenthalten in einer fremden Kultur kann es zu einer weiteren Kultivierung von Vorurteilen kommen. Neben einer nur flüchtigen Kommunikation mit den Angehörigen der fremden Kultur begünstigen weitere Faktoren die Pflege von Vorurteilen, wie beispielsweise sich stark widersprechende moralische und ethische Grundorientierungen der Kommunizierenden aus den verschiedenen Kulmren (Maletzke 1996, S. 173).

6

206

6.4

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

Kulmrübergreifende Werbekommunikation

Viele Erkenntnisse über die Wirkung von Aktivierungstechniken und Gestaltungsstrategien in der Werbung gelten inzwischen als gesichert. Jedoch erfolgte die empirische Überprüfung meist nur in den westlich orientierten Kulturen. Ob sich diese kulturübergreifend verallgemeinern lassen, ist noch weitgehend ein Rätsel. Bis heute existieren drei verschiedene Ansichten zu der Möglichkeit einer Übertragbarkeit der Werbung auf andere Kulturen. Die Vertreter der Standardisierbarkeitsthese sehen eine zunehmende Homogenisierung des Konsumentenverhaltens infolge der Angleichung von Medien, Technologien und Bildungssystemen sowie zunehmenden Reisetätigkeiten. Hierdurch scheint auf den ersten Blick die Verbreitung eines standardisierten Werbeauftritts künftig in greifbare Nähe zu rücken. Nicht weniger beliebt ist die gegenläufige These, die Konsumenten würden sich unabhängig davon, ob sie sich durch gemeinsame Werte und Wünsche auszeichnen, in ihren Verhaltensweisen zunehmend stärker unterscheiden. Vor allem in westlich orientierten Kulturkreisen falle es zunehmend schwerer, noch gemeinsame Werte, Normen und Verhaltensweisen der Kulturmitglieder zu finden. Ebenso plausibel ist die Ansicht, dass eine Standardisierung des Werbeauftritts von Fall zu Fall auf ihre Angemessenheit überprüft werden müsse, d.h. je nach der Art des beworbenen Produktes, des Kundentyps und der umfeldbezogenen Faktoren (Onkvisit/Shaw 1999, S. 19). Insgesamt steckt die Werbewirkungsforschung im interkulturellen Bereich noch in den Kinderschuhen. Nur wenige Erkenntnisse ließen sich bisher in der Werbepraxis verwerten. Wissenschaftler konzentrierten sich in der Vergangenheit häufig auf die Beschreibung von Werbeinhalten, ohne tiefere Hintergründe zu analysieren. Auch die Werbepraxis trägt sicher zu dieser Wissenslücke bei. Meist schenken die Werbetreibenden der Wirkungskontrolle internationaler Werbekampagnen zu wenig Beachtung (Taylor 2002, S. 48f.). -

geschilderten unterschiedlichen Ansichten über die Erfolgsaussichten kulturübergreifender Werbung sind pauschale und pragmatische Antworten wenig sinnvoll. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit werbepsychologischen Fragestellungen im kulturübergreifenden Zusammenhang ist sowohl aus ökonomischen als auch gesellschaftspolitischen und ethischen Gründen naheliegend. Ein unsensibler Umgang mit fremden Kulturen in der Werbung kann nicht nur zu Bumerangeffekten für die Werbetreibenden führen, sondern zu einer Beeinträchtigung von Länderimages. Von besonderem werbepsychologischen Interesse ist im interkulturellen Bereich dabei sowohl die Gestaltung des Namens der beworbenen Marke als auch des in der Anzeige bzw. im TV-/Rundfünk-Spot verwendeten Appells. Wie zahlreiche Negativbeispiele aus der Praxis eindrucksvoll belegen, kann schon die Wahl In Anbetracht der

des Marken- oder Produktnamens zu Fehlassoziationen bei den Werbeadressaten in der fremden Kultur führen. Selbst auf den ersten Blick völlig unverfängliche Namen können in fremden Kulturen zu überraschenden Assoziationen führen. Zum Beispiel exportierte General Motors in Lateinamerika ein Auto mit dem Namen „Nova". Jedoch bedeutet „no va" in spanischer Sprache „läuft nicht" (Allison 1999, S. 105). Es liegt auf den ersten Blick nahe, entweder den Namen der Marke einfach in die fremde Sprache zu übersetzen oder einen für den Kulturkreis speziellen Markennamen zu schaffen, der bei der Zielgruppe die beabsichtigten Assoziationen hervorruft. Jedoch gestaltetet sich dies in der Praxis sehr komplex, wenn

6.4

Kulturübergreifende Werbekommunikation

207

Sprachsysteme beider Kulmren grundsätzlich verschieden sind. Es sind dann verschiedeÜbersetzungsmöglichkeiten denkbar, die jeweils besondere psycholinguistische Wirkungen zeigen, d.h. maßgeblichen Einfluss darauf haben, wie die Werbeadressaten die Marke wahrnehmen und bewerten. Die US-amerikanischen Professoren an der University of California, Los Angeles bzw. Columbia Business School Shi Zhang und Bernd H. Schmitt untersuchten die Wirkung von drei möglichen Übersetzungsvarianten von amerikanischen Markennamen für den chinesischen Kulturraum. Während die englische Sprache zu den phonographischen Schriftsystemen gehört, die auf einer überschaubaren Anzahl von Lautkomponenten der gesprochenen Sprache aufbauen, handelt es sich bei der chinesischen Sprache um ein logographisches Schriftsystem, das Wörtern und Konzepten bestimmte Zeichensymbole zuweist. Um einen Markennamen wie Coca-Cola oder Microsoft von seinem phonographischen Ursprungssystem in ein Logographisches System zu übersetzen, wäre zunächst eine Übersetzung nach der Aussprache möglich. Eine solche phonologische Übersetzung besteht in der Auswahl sprachlicher Zeichen der fremden Sprache, die in ausgesprochener Form möglichst gut zu der phonetischen Struktur des Original-Markennamens in englischer Sprache passen. Der Markenname klingt zwar dann wie in der Originalsprache, hat jedoch keine Bedeutung in der fremden Sprache (z.B. „Mou-tuo-luo-la" für „Motorola"). Weniger verbreitet ist die zweite Möglichkeit, die so genannte semantische Übersetzung. Die reine semantische Übersetzung besteht in der Wahl eines Wortes in der fremden Sprache, das die Bedeutung des Markennamens in englischer Sprache möglichst gut trifft, unabhängig davon, ob der Name wie in der Originalsprache klingt oder nicht (z.B. „Wie-ruan" für „Microsoft"). Denkbar ist schließlich eine dritte Übersetzungsvariante, in der sowohl die Aussprache als auch die Bedeutung des fremden Namens in einem sehr engen Zusammenhang mit dem Original stehen. Diese Wortschöpfung ist Coca-Cola gelungen. Die chinesische Übersetzung „Ke-kou-ke-le" klingt ähnlich wie Coca-Cola und bedeutet so viel wie „tastes good and makes you happy". Bei der Verarbeitung chinesischer Markennamen schenkten die Probanden semantischen Hinweisen eine größere Beachtung. Englische Markennamen wurden dagegen in der Regel phonologisch verarbeitet. Die qualitativen Unterschiede zwischen beiden Schriftsystemen in der Verarbeitung von Markennamen hat darüber hinaus einen signifikanten Einfluss auf die Erinnerung an die Marke und markenbezogene Einstellungen (Zhang/Schmitt 2001, S. 313-325). Die Wirkung von Werbeappellen, die offensichtliche gesellschaftliche Tabus in der fremden Kultur betreffen, sind Werbetreibenden in der Regel gut bekannt. Sehr viel schwieriger fällt die Beschäftigung mit grundlegenden Orientierungen in der fremden Kultur. So lassen die Grundorientierungen „Individualismus" versus „Kollektivismus" vermuten, dass die Übertragbarkeit von Werbeappellen auf eine fremde Kultur mit erheblichen Problemen verbunden sein könnte. Mitglieder einer stark individualistischen Kultur (z.B. Nordamerikaner und Australier) legen auf eine Hervorhebung der Besonderheit des Einzelnen großen Wert. Im Gegensatz hierzu spielt für die Mitglieder stark kollektivistischer Kulmren wie Chinesen,

die ne

Japaner und Taiwanesen auch der soziale Kontext und soziale Beziehungen eine entschei-

dende Rolle. Differenzierung und Alleinstellung als Maximen werblicher Gestaltungsstrategien sind in westlichen Kulmren meist erfolgversprechender als in den kollektivistischen Kulmren. Chinesen und Japaner orientieren sich stärker an Werten, Normen und Verhal-

6

208

Psychologie in der interkulturellen Kommunikation

tensweisen von wichtigen Bezugspersonen und Aaker/Maheswaran 1997, S. 315f., 326).

geschlossenen Gruppen (Yin 1999,

S.

32f.;

Jedoch ist dieser kulturelle Unterschied bei der Wirkung von Emotionen kaum deutlich. Da Emotionen wie mehrfach geschildert von der Qualität ihres Erlebens kulturübergreifend sehr ähnlich sind, müsste die Beeinflussung von Werbeadressaten durch emotionale Appelle, auch über die Grenzen eines bestimmten Kulturkreises hinweg, Wirkung zeigen. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturkreis müsste auf der anderen Seite Einfluss auf die Darstellung des Emotionsausdrucks haben. Interessant und auf den ersten Blick unerwartet, wirkten emotionale Appelle in Werbeanzeigen jedoch anders als es die individualistische bzw. kollektivistische Orientierung einer Kultur vermuten ließ. Studierenden aus den USA und China, die sich jeweils kurz vor Abschluss ihres Examens befanden, wurden zwei Anzeigen eines Bierherstellers gezeigt. Eine Anzeige stellte den unermüdlichen Kampf und die verdiente Anerkennung für den Einzelnen heraus. Die zweite Anzeige hob das Gemeinschaftsgefühl und die Freude mit alten Freunden, der Familie und die sich an die harte Examenszeit anschließenden Ferien hervor. Überraschenderweise bewerteten die Studierenden aus dem kollektivistisch orientierten Kulturkreis die Anzeige und die Marke im Falle der ego-orientierten Anzeige positiver als die auf das Gemeinschaftsgefühl abzielende Variante. Umgekehrt kam die letztgenannte Anzeige bei den US-amerikanischen Studierenden besser an (Aaker/Williams 1998, S. 241-258). -

-

7

Ausblick

7.1

Kommunikationspsychologie im Zeitalter des Kabel- und Satellitenfernsehens

Die Wirkung der Kommunikation stellt sich nicht isoliert vom Medienumfeld ein. Spätestens seit der Verbreitung des Kabel- und Satellitenfernsehens können Menschen in der westlichen Welt bis zu 50 Programme empfangen. Kinder und Jugendliche wachsen heute mit einer breiten Palette von Fernsehsendern auf. Im Jahre 2002 waren 52 % der deutschen Haushalte verkabelt und 43 % in der Lage, Fernsehprogramme über eine Satellitenanlage zu empfangen. Demnach leben nur noch 5 % der Deutschen in so genannten terrestischen Haushalten, die „nur" bis zu neun Fernsehprogramme über eine Antenne nutzen können (Feierabend/Klingler 2003, S. 168). Die neue Medienlandschaft hat erhebliche mittelbare und unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaftskommunikation. Zu den unmittelbaren Auswirkungen zählen tiefgreifende Veränderungen in der Werbelandschaft und im Mediennutzungsverhalten von Konsumenten. Die mittelbaren Auswirkungen betreffen die Entwicklung des Sprachverständnisses einzelner gesellschaftlicher Gruppen, hinter denen sich zwangsläufig die Zielgruppen der Wirtschaftskommunikation verbergen.

Seit Mitte der 90er Jahre hat sich das Mediennutzungsverhalten in Deutschland stark verändert. Allein der zeitliche Umfang der Mediennutzung ist im Zeitraum von 1995 bis 2000 um mehr als 150 Minuten auf rund achteinhalb Stunden oder 502 Minuten pro Tag gestiegen. 41 % oder 206 Minuten dieser Zeit entfällt auf den Hörfunk und 37 % oder 185 Minuten auf das Fernsehen. Die nicht-elektronischen Medien werden zeitlich weniger intensiv genutzt. So verbrachten die Bundesbürger eine halbe Stunde oder 6 % pro Tag mit dem Lesen von Tageszeitungen und nur 18 Minuten oder 4 % der Tageszeit mit dem Lesen von Büchern (Gerhards/Klingler 2003, S. 115f.). Medienwissenschaftler und -praktiker analysieren verhaltensbezogene Trends von Fernsehzuschauern seit Jahren. Das Ergebnis vieler Auswertungen stützt die Hypothese, dass Fernsehverhalten weitgehend erlernt wird und Kinder sich stark an den Fernsehzeiten, Senderund Programmvorlieben ihrer Eltern orientieren. Zunächst wirkt sich die technische Ausstattung des Haushalts mit Fernsehgeräten auf die Nutzungsgewohnheiten aus. Während Kinder aus den terrestischen Haushalten im Jahre 2002 täglich 52 Minuten fern sahen, waren es bei Kindern aus Kabelhaushalten 97 Minuten und bei Kindern aus Satelliten-Haushalten sogar 102 Minuten. Besonders deutlich fiel der Anstieg der Fernsehnutzungsdauer bei den Kindern

210

7 Ausblick

ab 14 Jahren aus. Hierzu hat nicht nur die ständige Verfügbarkeit, sondern auch der persönliche Besitz eines Fernsehgerätes beigetragen. Einem Drittel der sechs bis 13-jährigen Kinder stand nach Angaben ihrer Mütter ein Fernsehgerät im Kinderzimmer zur Verfügung (Feier-

abend/Klingler 2003, S. 167f). Bei differenzierter Betrachtung der Sehdauer nach den Herkunftsmilieus der Kinder zeigten sich in einer im November 2000 durchgeführten Auswertung der AGF/GfK-Fernsehforschung auffällige Abhängigkeiten. Vor allem Kinder aus dem traditionell bürgerlichen Milieu, dem Arbeitermilieu und dem konsummaterialistischen Milieu saßen ebenso wie ihre Eltern überdurchschnittlich lange vor dem Bildschirm. Deutlich weniger Zeit mit dem Fernsehen verbrachten Eltern und Kinder aus dem intellektuellen und postmodernen Milieu. Nicht nur die Femsehdauer an sich, sondern auch die Wahl des bevorzugten Programms unterschied sich von Milieu zu Milieu. Bundesbürger aus dem intellektuellen und traditionell-bürgerlichen Milieu nutzen die öffentlichrechtlichen Programme überdurchschnittlich oft. Für Eltern und Kinder aus den modernen Milieus waren die Programme von ARD und ZDF offenbar wenig attraktiv (Kuchenbach 2003, S. 5-11). Jugendliche unterliegen noch dem Einfluss des elterlichen Mediennutzungsverhaltens. Wichtig erscheint beispielsweise der Besitz einer Tageszeitung im jeweiligen Haushalt. In einer im Jahre 2001 vom Institut für Journalistik der Universität Dortmund durchgeführten Befragung von 278 Schülern lasen immerhin 55 % der Schüler aus Zeitungshaushalten mindestens zwei- bis dreimal in der Woche. Kauften die Eltern nur gelegentlich eine Zeitung, taten dies nur 15 % der Schüler. Kündigt die Familie das Abonnement, verliert die entsprechende Tageszeitung nicht nur die erwachsenen Kunden, sondern kann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die nächste Generation nicht so schnell für das Medium gewinnen. Besonders wichtig für das Mediennutzungsverhalten Jugendlicher sind Cliquen Gleichaltriger (Peer Groups). Nichtleser von Tageszeitungen sind in der Regel auch Mitglieder von Gruppen, die ihre Informationen im Rahmen von Gesprächen über aktuelle Themen aus Fernsehsendungen entnehmen. Lehrer haben dagegen keinen besonderen Einfluss auf das Mediennutzungsverhalten Jugendlicher (Rager 2003, S. 180-183). Wegen der sehr hohen Werbeaufwendungen, die anteilsmäßig in westlichen Industrienatioauf das Fernsehen entfallen, stoßen die genannten Auswertungen von Mediendaten und

nen

empirischen Untersuchungen regelmäßig auf ein besonderes Interesse. Im Zusammenhang mit dem Mediennutzungsverhalten interessieren sich Werbegestalter ebenso wie Manager von Fernsehsendern des weiteren für die Phase des Einschaltens als auch des Dabeibleibens und Abschaltens von Fernsehprogrammen. Zunächst erscheint die Frage nahe liegend, wie viele Programme Fernsehzuschauer bei dem heute zur Verfügung stehenden umfangreichen Angebot an Fernsehkanälen durchschnittlich nutzen. Ergebnisse aus der allgemeinen psychologischen Entscheidungsforschung lassen vermuten, dass sich Fernsehzuschauer bei der Auswahl von Programmen wie kognitive Geizhälse verhalten. Sie versuchen, den Informationsverarbeitungsaufwand zu reduzieren und einfache Entscheidungsregeln zu finden. Mit einer steigenden Anzahl von Kanälen sinkt die Zahl der tatsächlich genutzten Kanäle deutlich, obgleich die Zahl der insgesamt genutzten Kanäle etwas größer ist als zu Zeiten einer noch stark limitierten Programmvielfalt. Bei einem Angebot von vier TV-Kanälen nutzten deutsche Fernseh-Konsumenten im Durchschnitt fast alle vier Programme, während sie sich bei einem Angebot von 28 Programmen nur noch etwa sieben Programme ansehen. Dieser empirische Befund hat erhebliche Auswirkungen für die Werbewirtschaft. Die Effizienz der

7.1

Kommunikationspsychologie im Zeitalter des Kabel- und Satellitenfernsehens

211

ausgegebenen Geldeinheit für eine Spotsekunde muss bei der Schaltung eines Spots in allen Kanälen unter sonst gleichen Bedingungen zwangsläufig sinken. Werbegestalter stehen vor der Herausforderung, Spots möglichst in solchen TV-Kanälen zu platzieren, die von der betreffenden Zielgruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit genutzt werden. Die Entscheidung ist in der Praxis sehr komplex, da im Gegensatz zu Printanzeigen der Fernsehkonsum starken „Gruppeneinflüssen" unterliegt. Die Entscheidungsfindung in der Familie führt häufig zu Kanalwechseln und zu Kompromissen. TV-Konsumenten berichteten, dass sie gelegentlich Programme sahen, die von anderen Familienmitgliedern ausgewählt wurden und nicht mit der eigenen Präferenz übereinstimmten (Winterhoff-Spurk 1999, S. 41-45). Entwicklung des Kabel- und Satellitenfernsehens veränderten sich nicht nur die Nutzungsdauer des Mediums Fernsehen und die Präferenz der Zuschauer für einzelne Programme, sondern auch die Programminhalte. Die Emotionalisierung der Inhalte nimmt gegenüber früheren Jahren zu und erreicht sogar skurrile Formen. So treten in so genannten Affekt-Talks Alltagsmenschen auf, um über persönliche oder gar intime Probleme unter der Leitung von Talkmastern bzw. Talkmasterinnen zu diskutieren. In „Beziehungsshows" kommt es zu Inszenierungen von Flirts und Versöhnungen bei zerrütteten Freundschaften. Dazu kommt das Reality-TV, das Verhaltensweisen und Unglücksfälle einschließlich deren Bewältigung mit nachgespielten oder inszenierten Szenen darstellt. Eine mögliche Erklärung für den doch beträchtlichen Erfolg derartiger Unterhaltungssendungen könnte in dem Versuch der Zuschauer liegen, aus den eigenen unbefriedigenden Lebensverhältnissen emotional auszusteigen. Die auf diese Weise erlebten Welten sind erfahrbar, ohne selbst Schaden erleiden zu müssen oder zur Verantwortung gezogen zu werden. Die lange Zeit sehr populäre Vermutung, nur ältere, ungebildete und ärmere Fernsehzuschauer würden eine solche Form der Unterhaltung schätzen, erwies sich als zu voreilig. Neueren Forschungsergebnissen zufolge konsumieren Personen aus nahezu allen gesellschaftlichen Schichten eine solche Form der Unterhaltung (Schwab 2001, S. 63). Bereits seit längerem sind Spiele-Shows mit der Möglichkeit, materielle Gewinne zu erzielen, und so genannte Konfro-Talks, in deren Rahmen überwiegend prominente Gäste auf sehr emotionale Art und Weise über Themen von besonderem Interesse für die Öffentlichkeit streiten, üblich (Winterhoff-Spurk 1999, S. 59). Studien zufolge aktivieren Naturfilme die Zuschauer meist nur im geringen Ausmaß, während Filme, die sehr gewalttätige Szenen aufweisen, mit einem hohen Aktivierungsgrad verbunden werden. Action-Filme, Komödien und Spiele-Shows lösen einen mittleren Aktivierungsgrad aus. Der starken Aktivierung können unangenehme Emotionen wie Angst und Stresserleben folgen. Auf den ersten Blick überrascht die Beobachtung, dass sich viele Fernsehzuschauer gerne angstauslösende Szenen ansehen. Im Normalfall reagiert der Mensch auf angstauslösende Reize mit einer Flucht- oder Vermeidungsreaktion. Die psychologische Erklärung hierfür ist das bei diesen Zuschauern existierende Motiv der so genannten Angstlust (Thrill). Die lustvolle Beschäftigung mit einem angstauslösenden Film geschieht im Grunde in der Hoffnung, reale äußere Gefahren doch noch zu überwinden und wieder unverletzt in die sichere Umgebung zurückkehren zu können (Winterhoff-Spurk 1999, S. 59-67). Werber bevorzugen für Spots jedoch eher ein Programmumfeld, das ein mittleres Erregungsniveau auslöst. Durch ein zu geringes Erregungspotenzial kann dagegen Langeweile und durch zu hohes Erregungspotenzial Überforderung entstehen (Schwab 2001, S. 64). Mit der

7 Ausblick

212

7.2

Kommunikationspsychologie im Zeitalter von Internet und Mobilfunk

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien wie das Internet und der Mobilfunk erweitern die Möglichkeiten der Gestaltung von Informations- und Kommunikationsbeziehungen. Gleichzeitig können sich allerdings auch die Verständigungsprobleme verschärfen. Die neuen Technologien haben in allen beschriebenen Bereichen der Wirtschaftskommunikation inzwischen eine große Verbreitung erfahren. Das gilt sowohl für die unternehmensexterne als auch für die unternehmensinterne Kommunikation (Picot/Reichwald/Wigand 2001, S. 79f). Wie sehr die Entwicklung beispielsweise im Mobilfunk-Bereich gerade in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen hat, ist heute sicher vielen Kommunizierenden im New Age nicht mehr bewusst. Anfang der 70er Jahre stand in der Bundesrepublik nur das so genannte A-Netz mit 11.000 Teilnehmern zur Verfügung. Selbst viele Jahre später, d.h. mit dem Endausbau des B-Netzes im Jahre 1986, wurden nur 26.000 Teilnehmer erreicht. Mit der Einführung des D-Netzes vollzog sich ein Sprung in das digitale Zeitalter und gleichzeitig zu einer Technologie, die von Millionen Bundesbürgern genutzt wurde (Mettler-von Meibom 1994, S. 164f.). Noch rasanter verlief die Verbreitung des Kommunikationsmediums Internet. Während das Radio erst 40 Jahre und das Fernsehen 16 Jahre nach seiner Erfindung weltweit 50 Millionen Nutzer erreichte, gelang dies dem Internet in weniger als fünf Jahren (Ridder 2002, S. 121). Inzwischen würden mehr als 40 % der Gesamtbevölkerung und etwa 60 % der 14 bis 19-jährigen das Medium Internet vermissen, wenn es durch technische Umstände oder einen Streik nicht mehr verfügbar wäre. Für eine zunehmende Zahl von Bundesbürgern entwickelt sich das Internet zu einem wichtigen Informationsmedium in Ergänzung oder sogar in direkter Konkurrenz zu Hörfunk, Femsehen und Tageszeitung (Gerhards/Klingler 2003, S. 120). Während das Kabel- und Satellitenfernsehen im Wesentlichen die Werbewirtschaft betrifft, strahlen Internet- und Mobilfunktechnologien auf alle Felder der Wirtschaftskommunikation aus.

Die Frage, ob die neuen technischen Errungenschaften aus kommunikationspsychologischer Sicht begrüßenswert oder eher kritisch zu beurteilen ist, entpuppt sich bei näherer Betrachtung schnell als sehr kontroverse Diskussion. So sehen Optimisten bisher ungeahnte neue

Möglichkeiten, • •

• • •



Informationen schnell, weltweit und kostengünstig auszutauschen, Informationen durch multimediale Techniken wie Hyperlinks, Bild-, Audio- und VideoElemente zu vernetzen, aktuelles Wissen aus allen Lebensbereichen per Knopfdruck verfügbar zu machen, „immer" erreichbar zu sein, kreativ zu kommunizieren und teamorientiertes Lernen zu fördern.

Kritische Zeitgenossen sehen dagegen in den Kommunikationsmöglichkeiten des New Age seit einiger Zeit eine Bedrohung. Ihrer Ansicht nach könnte die zwischenmenschliche Kom-

7.2

213

Kommunikationspsychologie im Zeitalter von Internet und Mobilfunk

munikation zunehmend an Inhalt verlieren und oberflächlich werden und sogar Vereinsamung der Menschen führen.

zu

einer

die Nutzer ohne Zweifel mit dem Internet auf eine Vielfalt von Informationen höchster Aktualität kostengünstig zugreifen können, bewerten nicht alle gesellschaftlichen Gruppen das Internet als glaubwürdige Informationsquelle. Erwachsene Nutzer, die zu ernsthaften Themen über das Internet recherchieren, sind häufig nicht so sehr vom OnlineInformationsangebot überzeugt. Sie beklagen die offenen oder verdeckten Werbeabsichten, die zweifelhafte Urheberschaft und nicht zuletzt die mangelhafte inhaltliche Qualität von Informationen. So schätzten in der empirischen Studie der Münsteraner Psychologen Jörg Wittmer, Rainer Bromme und Regina Jucks 126 Studierende die Glaubwürdigkeit einer Zeitschrift bei medizinischen Fachinformationen höher ein als die des Internets (Wittmer/Bromme/Jucks 2004, S. 48-54).

Obgleich

Kommunikationspsychologisch noch problematischer als die Beurteilung des Sachinhalts dürfte der durch die neuen Medien betroffene Beziehungsaspekt der Kommunikation sein. Im Zuge der Entwicklung einer modernen Mediengesellschaft treten an die Stelle von realen zunehmend künstliche Nachbarschaften. Durch die Möglichkeit, neben Worten auch Bilder zu übertragen, kann bei den Nutzern der medialen Errungenschaften unterschwellig der Eindruck entstehen, persönlich zu kommunizieren. Allerdings wird die personale Interaktion auf den zweiten Blick durch den Einfluss der neuen Medien wohl eher verringert als gefördert. Der aus ökonomischer Sicht häufig erwähnte Zeitvorteil ist aus sozialwissenschaftlicher Sicht zu relativieren. Während die Befürworter der neuen Medien mit dem Faktor Zeit gedanklich einen „Zeitgewinn" verbinden, interpretieren die Kritiker den Zeitfaktor als „Entzug von Zeit". Mit der Interpretation des Zeitfaktors als „Entzug" geht die Befürchtung einher, die Lebendigkeit in der zwischenmenschlichen Kommunikation könnte leiden. Das Phänomen lässt sich mit dem aus der Filmbranche bekannten Zeitraffer-Effekt vergleichen: Menschen, die im Zeitraffer fotografiert werden, wirken wie seelenlose Puppen. Die emotionale Qualität des menschlichen Gesichts kommt erst dann zum Vorschein, wenn die Kamera langsam läuft und daher mehr Zeit für die Verarbeitung von Informationen zur Verfügung steht (Mettler-von Meibom 1994, S. 60-62, 72f). liegen zahlreiche praktische Erfahrungen und Forschungsbefunde vor, die klar dass sich der Alltag in der Wirtschaftskommunikation aus psychologischer Sicht aufzeigen, durch das Internet und den Mobilfunk deutlich verändert. Inzwischen

Der Wunsch, permanent erreichbar zu sein, hat nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine sozialpsychologische Seite. Die moderne Medientechnik ermöglicht ihren Benutzern eine Erreichbarkeit, ohne sich mit Körper, Geist und Seele bewegen zu müssen. Die Nutzer der Technologie können die ihnen häufig unbekannten Ereignisse in Form von Tönen und Bildern von zu Hause oder vom vertrauten Arbeitsplatz aus rezipieren (Mettler-von Meibom 1994, S. 168f). Für die innerbetriebliche Kommunikation brachte vor allem die elektronische Post (E-Mail) eine neue Qualität des Informationsaustauschs. Die E-Mail-Kommunikation ist in der Regel informeller als das übliche persönliche Gespräch und die schriftliche Korrespondenz auf dem nicht-elektronischen Wege. Dies ist einerseits begrüßenswert, da die Vorteile fortschrittli-

214

7 Ausblick

eher Organisationsmodelle mit flachen Hierarchien durch die flexiblen und schnellen Medien besser nutzbar erscheinen. Neben Textinformationen können ganze Dokumente und auch Bilder problemlos z.B. mit Kunden ausgetauscht werden. Die Organisationsmitglieder auf unteren Hierarchieebenen können wichtige Informationen von der Geschäftsführung z.B. über neue Unternehmensstrategien, Produkte, Finanzergebnisse und tagesaktuelle interne Stellenausschreibungen erhalten, die zu Zeiten der konventionellen Briefpost teilweise aus zeitlichen und kostenbezogenen Gründen nicht weitergegeben werden konnten. Unternehmen, die von den verbesserten Möglichkeiten des Information Sharings systematisch Gebrauch machen, können die Identifikation und Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöhen. Problematisch sind andererseits dagegen solche Informationen, die aus dem Inhalts- oder Beziehungsaspekt heraus via E-Mail beim Empfänger anders ankommen als Botschaften, die über persönliche zwischenmenschliche Kommunikationsformen vermittelt werden. Die Gefahr, den Kommunikationspartner nicht richtig zu verstehen und seine Ausführungen fälschlicherweise als beleidigend oder feindselig zu interpretieren, ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Der übliche Verzicht auf Höflichkeitsfloskeln und der telegrammartige Schreibstil können solchen Interpretationsmöglichkeiten Raum geben. Die E-MailKommunikation könnte natürlich auch einen speziellen Appell-Aspekt im Sinne des Kommunikationsmodells von Schulz von Thun haben. Praktiker kennen die mit der E-MailKommunikation erhöhte Gefahr, kontraproduktive Selbstdarstellungstechniken einzusetzen. In der heutigen Berufswelt ist offensichtlich der Versand von E-Mails zu später oder auch besonders früher Stunde beliebt, um den vermeintlich überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz terminlich zu dokumentieren. Gebräuchlich ist zudem die Förderung einer gewissen „Absicherungsmentalität". So lassen sich Organisationsmitglieder im New Age gerne solche Sachverhalte via E-Mail vom Adressaten ausdrücklich oder über das technische Feature der Empfangsbestätigung (Return Receipt) quittieren, die ihnen für die Einholung einer Bestätigung auf dem Wege des konventionellen Schriftverkehrs zu unwichtig erscheinen. Sie nutzen die Chance, über das neue Medium die Unsicherheiten des gesprochenen Wortes ihrer Kolleginnen und Kollegen bzw. externen Marktpartner zu verringern. Die Tendenz zu solchen Formen der expliziten Absicherung könnte künftig das Entstehen der für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit wichtigen psychologischen Verträge erschweren. Möglicherweise sichern sich die Nutzer des E-Mail-Systems auch deshalb auf diese Weise ab, weil sie Gewissheit darüber erhalten möchten, ob der Adressat ihre wichtige E-Mail-Nachricht überhaupt gelesen hat oder nicht. Noch mehr als in der persönlichen Wirtschaftskommunikation ist im E-Mail-Verkehr die Unsitte verbreitet, auch ziemlich belanglose Sachverhalte an alle vermeintlich Beteiligten bzw. Werbe-E-Mails wahllos weiterzuleiten. Die Problematik solcher so genannten Junk Mails bewirkt in Extremfällen ein Stresserleben, dem Hersteller von E-Mail-Software zur Zeit verstärkt durch die (Weiter-) Entwicklung technischer Filtersysteme zu begegnen versuchen. Nicht zuletzt bergen E-Mails das Risiko, aus dem Affekt heraus schnell eine Rückantwort zu geben, die noch einen hohen Anteil der emotionalen Ladung enthält. Oft kommt es dann zu Prozessen der Wissensdiffusion, die das emotionale Klima in eine ungünstige Richtung beeinflussen (Hermann 1998, S. 267, 273; Scherer 1998, S. 278). Auch auf der

Gruppenebene verändert sich technologien ermöglichen bzw. verstärken

das Kommunikationsverhalten stark. Internetdie abteilungsübergreifende Kommunikation.

7.2

Kommunikationspsychologie im Zeitalter von Internet und Mobilfunk

215

Bestimmte Formen der Gruppenarbeit wie die Projektarbeit über Heimarbeitsplätze sind mit der Einführung solcher Technologien überhaupt erst praktisch umsetzbar geworden. Ohne Zweifel ist die Einführung von Internettechnologien eine sehr vorteilhafte Entwicklung für die Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in internationalen Unternehmen. Nur durch eine regelmäßige und zeitnahe Kommunikation lassen sich die Netzwerkvorteile dieser Unternehmen in vollem Umfang nutzen. Internet und E-Mail haben nicht nur Einfluss auf die Formen der Arbeitsorganisation, sondern auch auf das Ergebnis einer Arbeitsgruppe. Die computerunterstützte Kommunikation kann allerdings die für die Gruppenarbeit so typische Tendenz zum „Risky Shift" noch weiter verstärken. In Experimenten neigten Arbeitsgruppen, die computerunterstützt Informationen austauschen, eher zu extremen, unkonventionellen und riskanten Entscheidungen als „Face-to-Face-Gruppen" (Frindte 2001, S. 206f.). Zudem haben die neuen Informationstechnologien Einfluss auf Statusaspekte innerhalb einer Unternehmung. Althergebrachte innerorganisatorische Strukturen, Autoritätsund Machtpositionen werden in Frage gestellt. Informelle Strukturen gewinnen an Bedeutung. Die Machtverhältnisse zwischen den Organisationsmitgliedern werden nun maßgeblich vom Zugang zu Online-Informationen, E-Mail-Verteilern und der „Visibility" im unternehmenseigenen E-Mail-Verkehr beeinflusst (Gephardt 2002, S. 334).

Aufgrund seiner technischen Eigenschaften kann das Internet für die geschilderte Politik im Unternehmen missbraucht werden. Schnell und einfach lassen sich nahezu beliebig viele

weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verteiler der elektronischen Post mit aufnehmen. Kolleginnen und Kollegen, die sonst schwer erreichbar sind (z.B. weil sie im fernen Ausland ihren Arbeitsplatz haben), können in Koalitionsbildungen „mitspielen". In der pervertierten Variante des E-Mail-Systems erreichen die betriebsinternen Informationen sogar als „Blind Copies" Empfänger, die dem explizit benannten Adressaten unbekannt bleiben.

Aufgrund der handfesten ökonomischen Vorteile wäre es sicher unrealistisch, die Einschränkung des Gebrauchs moderner Medien wie Internet, E-Mail oder Mobilfunk zu fordern. Dies gilt vor allem für den Anwendungsbereich der Wirtschaftskommunikation. Dennoch sind die Gefahren von kommunikationspsychologisch abträglichen Wirkungen groß. Selbst wenn sich die Organisationsmitglieder sehr kollegial und wenig eigennützig verhalten, können Wahrnehmungen durch den Gebrauch dieser Medien verzerrt werden. Verständnisprobleme bei sachinhaltlichen und emotionalen Aspekten einer Mitteilung können auftreten. Die Benutzer der neuen Medien sollten sich solcher Gefahren bewusst sein und beim Umgang mit diesen Medien bestimmte Empfehlungen beherzigen. Sie sollten beim Gebrauch aller neuen technischen Errungenschaften im Zweifel auf ihre natürlichen Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten vertrauen und sich kritisch fragen, ob der Mediengebrauch dem zwischenmenschlichen Dialog und dem inneren Gleichgewicht zuträglich ist. Sie sollten ebenso sehr gute Antennen dafür entwickeln, wie die Art des Gebrauchs der neuen Medien auf die persönlichen Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen wirkt. Häufig unterschätzen Menschen in Wirtschaftsorganisationen die Bedeutung ihrer inneren Stimme, und nehmen sich nicht hinreichend Raum und Zeit für deren Wahrnehmung. Diese Tendenz wird mit der Verbreitung der neuen Medien noch weiter verstärkt (Mettler-von Meibom 1994, S. 184). Wenn sich die Betroffenen entsprechend dieser Empfehlungen verhalten, können nachteilige Auswirkungen für das Erleben und Verhalten in der menschlichen Kommunikation zumindest verringert werden.

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nonverbales104f.

3f, 18ff., 39ff, 53,

Regeln s. Display Rules unklares- 128

verbales-59f., 100 vokales- 24f. Auswahlkonflikt 115

Authenzität91, 118, 130, 152

139, 185

Akkulturation 197ff. Aktionäre 31, 156, 162ff. Aktionismus 116, 133

Baisse 172ff. Basel II 161

Aktivierung 19, 61, 70, 74, 76ff., 87, 92,

70ff., 78ff., 89ff, 108f., 139ff.

99, 104, 108, 141,206,211 Alternativtechnik 115 Altruismus 37, 69

Behavioral Finance 168 Beliebtheit 53, 84,137ff., 146

Belohnung 45, 99, 129, 142, 145,

Analystenkonferenz 178f. Anerkennung 45, 99f., 116, 135f., 188 Angebotspräsentation 18, 29, 102, 106ff.,

114f., 170, 178, 195 Angst 4, 17, 19f.,33ff.,41,47, 54, 57,71, 80f, 101, 106, 110f., 124ff, 129ff, 143ff, 149f., 174, 179, 183ff., 189, 203, 211

Anreiz 99, 102, 151 Antreiber 54, 60, 134

162

Beschwerde

Management 37,116ff. -Stimulierung 117 -Zufriedenheit 117

Beurteilung Abwärts- 132ff. Aufwärts- 132, 136 Fehler 133f., 138

Personenwahrnehmung 19, 35,

133 Praktiken 132, 135f., 143, 186 Selbst- 135 Bezugspersonen 172, 198, 201, 208 Bilder, innere 80f., 171

Argumentation einseitige- 56, 9Iff. plausible-107

Bildung 10f., 50, 75f., 150, 183, 206 Blickverhalten 5, 18,19f., 63, 104, 108,

Preis- 120 rationale- 107

zweiseitige-9 Iff.,

Beeinflussung 1,4, 24, 47, 50ff., 66,

112ff.

138

Aufmerksamkeit 13, 29f., 36f., 44, 47, 53,

74ff., 92, 104, 107, 114, 134,

149

Ausdrucksverhalten

Emotionales-32, 144, 208

Börsengang 176, 179

Börsenpsychologie 159ff. Bumerangeffekt 49, 66, 69ff., 76, 83, 91ff., 113ff, 138

Stichwortverzeichnis

232 Burnout

Equity Story

124, 140

Chaostheorie 159

Cognitive-Response-Ansatz 49 Comics 88f. Commitment 68, 150, 171

Dekodierung 2,

19

Denotation 14

Depression 143, 170, 203 Display Rules 33f. Distanz 22f, 185, 194ff.,200f. Door-in-the-Face-Technik 115

Drei-Komponenten-Ansatz 48 Einschüchterung 131, 139 Einstellung 16, 18, 24, 29, 44, 47ff., 53, 59, 66ff., 70ff., 75, 78, 88, 101, 138ff., 145, 150, 152, 155, 162, 177, 185, 188, 194, 199, 205,207

Einwandbehandlung

113f.

Ekel 35ff., 38, 47, 88

Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) 49ff. Eltern-Ich 54ff., 135 E-Mail 1,36, 56, 149, 213ff. Embleme 21 Emotionale Intelligenz 18f., 109 Emotionen Ausdruck 2, 18ff., 25, 32ff., 39ff., 189

Auslösung 34f., 39, 51,53,211 Begriff 3 Iff. Börse 7, 165ff., 171 ff. E-Mail 214f. Entstehung 31 ff. Fernsehen 211

Führung 23, 141, 145, 151f., 185 Gespräch 57, 60f. Klassifikation 34ff. Kulturvergleichende Studien 32ff, 185ff„ 189ff, 196ff. Verkauf lOOff, 108ff, 117ff. Werbung 5, 74ff, 79ff, 88ff. Empathie 99 Entschuldigungen 59, 120, 140f.

178 Ersteindruck 103, 178 Erwachsenen-Ich 55ff., 135 Extinktion 42, 44f. Fassadentechnik 126, 144, 148 Feedback lOOff, 125, 129, 133, 143, 186 Femsehen 33, 72f, 209ff. Finanzanalysten 167ff, 179 Finanzjoumalisten 166ff., 173 Finanzmarktförderungsgesetze 161 Fluchtreaktion 40ff., 199, 211 Fondsmanager167ff, 176 Foot-in-the-Door-Technik 115 Forced Compliance 68 Framingeffekt 170, 172 Frau

Diskriminierung 70, 76, 83, Führungs verhalten 139

132

Kulturunterschiede 185, 188f., 192 nonverbales Verhalten 19ff. Stereotype 72,76, 139 Freude 10, 34, 36ff., 79, 97, 99, 115, 150, 183

Führung Individual- 5, 35,125ff. Gruppen- 144ff.

Kommunikationspraxis 37, 54f, 58, 65, 125 ff, 133ff, 142ff, 153f, 192f. nonverbal 23, 29 Führungsstil 16f, 102, 127f, 185f. Furchtinduzierende Werbung 35, 86ff. Gedächtnis 8, 12ff., 44, 50, 66, 80 Generationenkonflikt 17 Gerüchte

Führung 148, 456 Börse 170, 172

Verhandlungstaktik

110

Geschäftsabschluss 114f.

Geschäftsverhandlungen 22, 58, 71, 108ff. im Ausland 188 Geschenke 22, 116

Gespräch Beurteilungs- 132ff, 143,

186

Stichwortverzeichnis

233

Eröffnungs- 103ff.,

Interkulturelle

108

16f.,92, 112, 129, 131, 133f., 141f, 155f., 186, 192

offenes

Kommunikationskompe-

tenz 202ff.

Geständnis 141 f. Gestik 21f., 103, 108

Internet 1, 149, 177, 187, 212ff. Intonation 24 Investor Relations 162ff., 176ff. Involvement 86 Irritation 76

Glaubwürdigkeit Führung 138, 140,

Kabelfernsehen 209ff.

Preis-

108, 112

Problemlösungs-

125ff.

156 Investor Relations 162, 178 neue Medien 213 nonverbale Kommunikation 20, 192 vokale Kommunikation 24 Verkauf 113 Werbung 46, 75, 84, 92f. Großfamilie 186 Gruppe 10, 22f, 41, 71 f., 125,144ff. Gruppenkohäsion 132, 145

Halo-Effekt 133 Harmonie 57, 63, 104, 111,126f., 188 Hauptversammlung 177ff. Hausse 172f. Hedonismus 74 Helden 183, 203 Hierarchie 1, 14, 16f.,23, 111, 127,

129ff., 136, 143, 185,203,214 Humor 88f., 93, 114, 132, 134, 195 Hybrider Konsument 73f.

Illustratoren 21

Kernfamilie 187 Kindchenschema 14, 78 Kind-Ich 55ff., 135

Kinesiologie s. Körpersprache

Klassifikation 26

Kleidungsstil 22, 64, 70, 103, Kodierung 2, 8

-transfer 84

Werbung 73, 75, 83, 88, 93 Immunisierung 92 Imponiergehabe 40, 148, 188 Impression Management 15, 124, 137ff. Individualismus 73, 185ff., 190, 207 Inferenzs. Wahrnehmung

Informationsverarbeitung 8, 13, 24, 50ff., 89,210

195

Körpersprache 1, 3f, 40f., 66, 112, 183 Kognitive Dissonanz 67ff., 91, 113, 150, 171f,179, 198 Kollektivismus 186ff., 202, 207f. Kommunikation Axiome 4 Meta- 6 nonverbale- 6f, 18ff., 39ff, 53, 55ff,

63ff, 77, 99f, 103f, 107f., 112ff, 134, 189, 192, 198f. partnerorientierte- 100 verbale- 1, 3, 7ff, 18, 21, 24, 82, 107

Kompensationsmethode Konditionierung

Image -Probleme 92, 140f.

113

emotionale- 42ff., 82 klassische- 4 Iff. operante- 45ff. Konformität 145, 184 Konnotation 14 KonTraG 161 Kontrollillusion 171 ff.

Kooperation 17, 23, 127f.,

151

Kritik

-angst 35, 129, 131

Informationsverarbeitungssystem Institutionelle

Käufertypen 100 Kategorisierung 13f., 59, 171f., 202

8

Anleger 162, 166ff., 176ff.

Beurteilungsgespräch 136 -fähigkeit 59, 129, 131, 149 Führung 17, 128ff.

Stichwortverzeichnis

234

Verkaufsgespräch 107, 113,

Mimik 4, 20f., 32, 53, 64, 89, 103

116

Kultur

Anpassungsprobleme Begriff 183ff.

191 ff., 194f.

-formen 184ff. Länder- 3, 21, 28, 32ff., 37,183ff. Misstrauens- 17 -schock 197,199f. Streit- 126f. Unternehmens- 131, 136, 140, 155 Werbung 75, 82, 84 Kundenabwanderung 118 ff. Kundenrückgewinnung 120 Lasswell-Formel lf. Lernen 7f., 10, 14, 33, 43ff., 60, 63, 76, 102 Lernende Organisation 10, 131 Lerntheorien 43 ff. Lexikon 8f.

66,

Linguistik Kognitive- 8 Neuro- 62ff.

Psycho-8 Strukturalische- 7 Lob 45,99, 135f., 138 Macht Banken 162

Finanzanalysten 168 Führung 132, 134, 138f, 146ff., Geschäftsverhandlungen 110 -kämpfe 188,215

156

Machtdistanz 185ff. Marken -aufbau 5, 13, 43f., 69f., 74, 78ff. -Wechsel 118 Maskulinität 185, 188ff. Massenkommunikation 1, 11, 47, 72, 156 Mediennutzungsverhalten 209f. Meeting 148f., 195 Metakommunikation 6 Migration 198 Mikropolitik 124,146ff., 215

Minderwertigkeitskomplex 5, 59, Mobbing 6, 123, 149

137

Mobilfunk 1, 149, 212ff. Morpheme 12 Multiplikatoren 167ff.

Mund-zu-Mund-Kommunikation 119, 172

Nativismus 8

Neurolinguistische Programmierung (NLP) 62ff., 111, 170, 187 Pacing 63f. Persönlichkeit Begriff 183 Emotionen 35, 39 Führung 124 nonverbale Kommunikation 19ff. Unternehmer- 150 Verkäufer- 5, 65f., 101, 109ff. vokale Kommunikation 24f. Persönlichkeitsstörungen 67 Phoneme 12 Polarisierung von Einstellungen 88 Politik in Organisationen s. Mikropolitik Positionierung 14, 80f., 91f, 94 Pragmatik 15 f. Pragmatische Universalien 16 Projektion 59, 134 Psychoanalyse 54, 67, 71, 134 Psychophysik 30f.

Rapport 64

Raumkonzept

192 ff. Rauschen 2 Reaktanz 66, 69ff., 93, 107, 114

Rechtfertigungen 69, 91, 137, Reframing 64, 170

141 f.

Reiz

konditionierter-4Iff, 82, 172 mehrdeutiger-77, 103, 148, 189 neutraler- 41ff, 82

-generalisation 42 -schwelle 30

Stichwortverzeichnis

235

-Wörter 107

Sprachverständnis 8ff., 10ff., 192, 204,

überraschender- 37, 77 unkonditionierter- 44, 82

209 Status 18, 20, 22, 35, 41, 81,

-Überflutung 46, 65, 73, 76, 79, 42

146, 148f, 201,203,215

Schlüssel-5Iff., 78 Referenzmethode 113 Reklamation 116ff. Ressentiments 92 Risky Shift 167,215 Rituale 135, 183, 197,203 Rolle Führungs- 23, 102, 135

Geschlechter-72, 139, 191 Konflikt 98, 110 Sprecher- 15f., 20 Stereotype 72, 74 Zuhörer- 18, 20, 105, 135

Rollendifferenzierung 144 Rückkehrprobleme 201 ff. Satellitenfernsehen 209ff. Schema s. Schemata Schemata 14, 77f., 88, 135, 205 Schlüsselbild 78 Schockwerbung 88 Schweigen 4, 130ff., 192 Schweigespirale 130f. Schwellenangst 103f., 120

Selbstdarstellung 4, 16, 19, 49, 124, 137ff, 176f.,214

Selbstmotivation 99

Selbstoffenbarungsangst 4 Selbstwertgefühl 71, 86, 97, 101, 106, 204 Semantik 13ff. Shareholder Value

162, 177 104 23f., 64, Sitzposition

Slice-of-Life-Technik 84 Sozialisation 14, 19, 32, 41, 55, 71, 81 Soziale Infektion 173f.

Sprache 7ff., 24, 107, 112, 190, 202ff, 206f.

Sprachproduktion 8ff. Sprachrepräsentation 8

132, 136,

Statussymbole 186 Stereotyp 15, 24f., 65, 67, 71ff., 85, 133, 139, 157, 191, 194, 203,205 Stimme 24, 53, 63f., 103, 108, 114, 215 Stimmigkeit 143f., 151, 197 Stimmung Begriff 32, 159 Wirkung im Beeinflussungsprozess 50 Börsen-

7, 159, 165f., 168, 170ff. Führung 127, 131, 135, 149, 152 Interkulturelle Kommunikation 193,

196ff. Verkauf 104, 106, 115, 117 Werbung 82f. Streitkultur 126f. Stress 37, 59, 66, 124, 131, 140, 154ff.,

189,211,214 Symbole 29,35,42,47, 116, 183, 186, 191, 197

Sympathie 138 Sender 5, 20, 23f., 51,66 Verkauf 104, 108, 112, 119 Werbung 73,81,88, 89, 93 Syntax 7ff.

Führung 136,

Technische Analyse 159 Territorialverhalten 40 Testimonialwerbung 84ff. Todesangst 35

Transaktionsanalyse 54ff., 134f., 186 Transformationsgrammatik, generative Transformationsmethode 113 Trauer 33,

34f., 38,40, 81,88, 183, 191

Überraschung 34, 36, 38, 88,

137, 155,

201

Unsicherheitsvermeidung 185,

189f.

13

Stichwortverzeichnis

236

Verkaufspsychologie 30f., 35f., 42, 47, 61f.,65,97ff.

Winner-Loser-Effekt 170

Verkäufer

Witze 88, 132

-labilität 101 -motivation 99ff.

Verkaufsgesprächsführung 42ff, 47, 49, 65ff, 103ff. Verkaufsstil 100 Verstärker Begriff 45 materielle- 45 primäre- 45 sekundäre- 45 soziale- 45 -pläne 45 Vertrauen Börse 160,

107, 127, 145, 148, 155,183f, 194, 197, 199, 203,206f.

Werte 49,

162, 164, 177f.

Führung 123, 128f., 144, 151ff, 205

Interkulturelle Kommunikation 198f., 205

Verkauf 107, 110, 113f, 117

Werbung 73, 84, 92 Vision 150, 153, 155

Voreingenommenheit 50, 54, 65, 73f, 76, 156

Vorurteile 67, 71ff., 133, 194, 198, 203, 205

Vorwarnung 50

Wahnvorstellungen Wahrnehmung Begriff 26ff.

134

Inferenz 28 interkulturelle- 191 Personen- 133 ff. Preis- 109

selektive-27ff, 150, 152, 173, 179 unterschwellige- 30f. verzerrte 82, 145, 153, 166, 169f., 200,215 Zeit- 193

Werbepsychologie 70ff. Werbung 73 ff. Werbungsverhalten 40

Zeitkonzept 193f., 203

Zufriedenheit Arbeits- 124, 131, 149, 214 Begriff 37 Beschwerde- 117 Kunden- 97, 116f. Selbst- 101, 135 Verkäufer- 97 Zuhören, aktives 100, 104, 110