Kommunikationsmittel Fachsprache: Eine Einführung [3., durchgesehene Auflage, Reprint 2021] 9783112573129, 9783112573112


193 67 83MB

German Pages 308 [309] Year 1987

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Kommunikationsmittel Fachsprache: Eine Einführung [3., durchgesehene Auflage, Reprint 2021]
 9783112573129, 9783112573112

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

HOFFMANN KOMMUNIKATIONSMITTEL FACHSPRACHE

SAMMLUNG AKADEMIE-VERLAG 44

SPRACHE

LOTHAR HOFFMANN

KOMMUNIKATIONSMITTEL FACHSPRACHE EINE EINFÜHRUNG 3., durchgesehene Auflage

AKADEMIE-VERLAG 1987

BERLIN

ISBN" 3-05-000 417-7 I S S N 0138-550X Erschienen i m A k a d e m i e - V e r l a g Berlin, Leipziger Str. 3—4, D D R - 1086 Berlin © A k a d e m i e - V e r l a g 1984 L i z e n z n u m m e r : 202* 100/100/87 P r i n t e d in t h e German Democratic R e p u b l i c Gesamtherstellung: IV/2/14 V E B Druckerei „Gottfried Wilhelm Leibniz", 4450 Gräfenhainichen • 6685 B e s t e l l n u m m e r : 754 329 9 (7544) • L S V 0805 02400

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur zweiten, überarbeiteten Auflage

11

0.

Einleitung

15

1.

Das Wesen der Fachsprachen

21

1.1. 1.1.1. 1.1.1.1. 1.1.1.2. 1.1.1.3. 1.1.1.4. 1.1.1.4.1. 1.1.1.4.2. 1.1.1.4.3. 1.1.1.4.4. 1.1.1.5. 1.1.2. 1.1.2.1. 1.1.2.2. 1.1.2.3. 1.1.2.4. 1.1.2.5. 1.1.3. 1.1.3.1. 1.1.3.2. 1.1.3.3. 1.1.4. 1.1.4.1. 1.1.4.2. 1.1.4.3. 1.1.4.4. 1.1.5. 1.1.6. 1.1.7. 1.1.7.1. 1.1.7.2.

Die Grundströmungen in der Fachsprachenforschung Die lexikologisch-terminologische Richtung Die Untersuchung der Wort-bzw. Terminusbildung Die Bestimmung der Herkunft des Fachwortschatzes Die Suche nach einer Theorie Die Terminologiearbeit Die Terminologie und das Begriffssystem Die Terminologienormung Die internationale Terminologiearbeit Die allgemeine Theorie der Terminologie Das Wesen der Fachsprachen in lexikologisch-terminologischer Sicht . Die funktionalsprachliche Betrachtung Die funktionale Differenzierung der Sprache(n) Die Kriterien für die Klassifizierung von Fachtexten Die Fachsprachen als Erscheinungsform der Sprache Die Fachsprachen als eingeschränkter Sprachgebrauch Die Fachsprachen zwischen Kommunikationsprozeß und Zeichensystem Die Wirtschaftslinguistik Die diachronische Wirtschaftslinguistik Die synchronisch-funktionale Wirtschaftslinguistik Die Fortführung der Wirtschaftslinguistik Die funktionale Stilistik Die stilistische Differenziertheit der Sprache(n) Die klassische Funktionalstilistik ' Die Stilstatistik Die angewandte Funktionalstilistik Die naturwissenschaftlich-philosophische Sicht Die übersetzungswissenschaftliche Orientierung Die Lehre von den Subsprachen Der Kommunikationsinhalt als Hauptkriterium Die Gesamtsprache und die Subsprachen

21 21 22 22 23 24 24 25 27 28 30 31 31 32 34 35 36 37 37 38 39 40 40 41 42 43 44 45 47 47 48

5

1.1.7.3. 1.1.7.3.1. 1.1.7.3.2. 1.1.7.4. 1.1.7.5. 1.1.7.6. 1.1.7.7.

Die Definition der Fachsprache Die Gesamtheit sprachlicher Mittel Der Kommunikationsbereich Die horizontale Gliederung der Fachsprachen Die „allgemeine wissenschaftliche Fachsprache" Die vertikale Schichtung der Fachsprachen Die Fachsprache als differenzierte Ganzheit

2.

Die spezifischen Merkmale der Fachsprachen auf den einzelnen sprachlichen Ebenen und Zwischenebenen -

72

2.1.

Die unterschiedliche Ausprägung der fachsprachlichen Spezifik

72

2.2.

Die Ebene der Grapheme und Phoneme

2.2.1.

Die Grapheme und Phoneme als ITntersuchungsgegenstand der angewandten Sprachwissenschaft Die Häufigkeit der Grapheme und Phoneme in einzelnen Sprachen . . Die Häufigkeit der Grapheme und Phoneme in unterschiedlichen Stilen und Subsprachen Die Bedeutung der Graphem- und Phonemdistribution für die fachsprachliche Forschung und Lehre

2.2.2. 2.2.3. 2.2.4.

.

. . .

2.3.

Die Ebene der Morpheme und grammatischen Kategorien

2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.3.3.1. 2.3.3.1.1. 2.3.3.1.2. 2.3.3.1.3. 2.3.3.1.4. 2.3.3.1.5. 2.3.3.2. 2.3.3.3. 2.3.3.3.1. 2.3.3.3.2. 2.3.3.3.3. 2.3.3.4. 2.3.3.4.1. 2.3.3.4.2. 2.3.3.5. 2.3.4. 2.3.4.1. 2.3.4.2. 2.3.4.3.

Die Formenbildung und die Wortbildung Die Formenbildung Die grammatischen Kategorien Das Verb Das Tempus Die Person Das Passiv Die Deverbalisierung Das Adverbialpartizip bzw. Gerundium Das Prädikativum Das Adjektiv Die Langform und die Kurzform Die Steigerungsstufen Die Substantivierung Das Substantiv Der Numerus Der Kasus Die anderen Kategorien Die Wortbildung Die Derivation Die Komposition Die Bedeutung der Wortbildung für die fachsprachliche Lehre und Forschung

6

53 53 53 58 62 64 71

79 79 82 84 95 96 96 97 103 105 105 105 106 107 107 108 108 109 110 111 112 112 113 114 115 115 121 122

2.4.

Die Ebene der Lexeme und Wortformen

. . .

124

2.4.1. 2.4.2. 2.4.3. 2.4.4. 2.4.4.1. 2.4.4.2. 2.4.5. 2.4.5.1. 2.4.5.2. 2.4.5.3. 2.4.6. 2.4.7. 2.4.7.1. 2.4.7.2. 2.4.7.3. 2.4.7.4. 2.4.7.5. 2.4.7.5.1. 2.4.7.5.2. 2.4.7.6. 2.4.8.

Das Wort als Benennung von Gegenständen und Begriffen Der Wortschatz der Fachsprachen Die Methoden zur Ermittlung des Fachwortschatzes Die allgemeinen Merkmale des Wortschatzes der Fachsprachen . . . Die Wortlänge Die Häufigkeit der Wortarten Der lexikalische Bestand der Sub-und Fachsprachen . . . . . . . Der Vergleich der Wortschätze Der Umfang der Wortschätze Die Spezifik der Wortschätze Die Herkunft der Wortschätze Die Terminologie und der Terminus Die Definition von Terminologie und Terminus Das Verhältnis von Terminologie und Nomenklatur Die Gütemerkmale des Terminus Die Zuordnung von Benennungen (Termini) und Begriffen Die sprachliche Form der Termini Die Mehrworttermini Die Tendenz zur Kürzung Die Zugehörigkeit der Termini zu den Wortarten Das Fachwort als Schlüsselwort und Deskriptor

124 126 129 132 135 136 141 141 147 150 153 158 158 162 163 165 169 170 173 176 177

2.5.

Die Ebene der Syntagmen, Phrasen und Sätze

183

2.5.1. 2.5.2. 2.5.2.1. 2.5.2.2. 2.5.2.3. 2.5.2.4. 2.5.3. 2.5.3.1. 2.5.3.2. 2.5.3.2.1. 2.5.3.2.2. 2.5.3.2.3. 2.5.3.2.4. 2.5.4. 2.5.4.1. 2.5.4.2. 2.5.4.3. 2.5.4.3.1. 2.5.4.3.2. 2.5.4.4. 2.5.4.4.1. 2.5.4.4.2.

Die Mehrworttermini und die freien Wortverbindungen Die Syntagmen Die Substantivgruppen Die Verbgruppen Die Beziehungen zwischen den Konstituenten Die Bedeutung der Syntagmen für den Spracherwerb Die Phrasen Die Phrasenlänge Die Konstituenten in Subjekt- und Prädikatsphrase Die Subjektphrasen Die Prädikatsphrasen Die adverbiellen Ergänzungen Die Objektergänzungen Die Sätze Die Satzlänge Die Satztypen Die Funktionalität der Sätze Die Funktion und ihre formale syntaktische Realisierung Von der Funktion zur Bedeutung des Satzes und seiner Konstituenten Die aktuelle Satzgliederung Die Grundpositionen Die Typen der aktuellen Satzgliederung

183 184 185 187 188 191 192 194 195 195 198 202 203 204 204 206 209 209 214 216 216 219

7

2.5.4.4.3. 2.5.4.4.4. 2.5.4.5. 2.5.4.5.1. 2.5.4.5.2.

220 223 224 224

2.5.4.6.

Die Typen der aktuellen Satzgliederung im Fachtext Die Spezifik der Fachsprachen in der aktuellen Satzgliederung . . . . Der valenztheoretische Ansatz Das Verb und seine Umgebung Die Valenz, die syntaktische und die semantische Umgebung, die Verbbedeutung Die Analyse spezieller syntaktischer Erscheinungen der Fachsprachen

2.6.

Die Ebene der Texte

230

2.6.1. 2.6.2. 2.6.3. 2.6.4.

230 231 232

2.6.4.1. 2.6.4.2. 2.6.5. 2.6.6.

Die Kohärenz im Fachtext Der Stil des Fachtextes Der Fachtext im Kommunikationsmodell Der Fachtext als strukturierte und funktionale (linguistische) Einheit höherer Ordnung Die Makrostrukturen (Textbaupläne) Die Kohärenz Die kumulative Analyse von Fachtexten Die Fachtextsorten

234 235 236 237 240

3.

Methoden zur Ermittlung der Spezifik der Fachsprachen

243

3.1.

Die besondere Bedeutung quantitativer Methoden für die Fachsprachenforschung

243

3.2.

Die Materialerfassung

244

3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4. 3.2.5. 3.2.6. 3.2.7.

Die Auswahl des Korpus Die Begrenzung des Korpus Die Portionierung des Korpus Die Stichprobenplanung Die Wichtung Die Identifizierung der sprachlichen Einheiten Die Struktur der sprachlichen Einheiten

244 246 248 249 249 250 253

3.3.

Die Auswertung

255

3.3.1. 3.3.2. 3.3.3. 3.3.4.

Die Ordnung der sprachlichen Einheiten Die Wertung der sprachlichen Einheiten Die Zuverlässigkeit der Wertung . . .' Der Vergleich von Inventaren sprachlicher Einheiten

255 258 260 263

Literatur

225 229

272

Personenregister

295

Sachregister

301

8

Eine lediglich poetische Literatur, ohne wissenschaftliches Schrifttum, ist geschriebener Dialekt, keine vollwertige Literatur. (Karl Voßler)

Vorwort zur zweiten, überarbeiteten Auflage

Seit dem ersten Erscheinen von „Kommunikationsmittel Fachsprache" ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Das Interesse an den Fachsprachen hat in diesem Zeitraum ständig zugenommen und zu einer wahren Blüte der Fachsprachenforschung geführt. Davon zeugen unter anderem vier Europäische Fachsprachensymposien (Wien 1977, Bielefeld 1979, Kopenhagen 1981, Bordeaux 1983), die letzten Kongresse der AILA, der MAPRJaL, der F I P L V und des IDY sowie zahlreiche andere internationale und nationale Veranstaltungen, die Arbeit der Commission on L S P der AILA, das Wirken des Fagsprogligt Center an der Handelshochschule Kopenhagen, das das UNESCO ALSED L S P Network aufgebaut hat und den UNESCO ALSED L S P Newsletter herausgibt , die Aktivitäten von Infoterm beim Österreichischen Normungsinstitut, mitsamt der Infoterm Series und Termnet News, die Tätigkeit von G I R S T E R M und des OLF, die Gründung einer Internationalen Zeitschrift für Fachsprachenforschung, -didaktik und Terminologie mit dem Namen „Fachsprache" in Wien, die Erweiterung der fachsprachlichen Ausbildung in vielen Ländern der Welt und nicht zuletzt die Veröffentlichung einer stattlichen Zahl von Monographien, Sammelbänden, Zeitschriftenaufsätzen und Lehrmaterialien (z. B. Arntz/Picht 1981; Bausch/ Schewe/Spiegel 1976; Bausch/Bliesner/Christ/Schröder/Weisbrod 1978; Beier 1980; Bungarten 1981; Ciliberti 1981; Danilenko 1977; Drozd/Seibicke 1973; Felber/Lang/Wersig 1979; Fluck 1976; 1978; Gläser 1979; Gnutzmann/ Turner 1980; Gorosch 1978; v. Hahn 1981; Hoedt/Turner 1981; 1981 a ; Hoedt/ Lundquist/Picht/Quistgaard 1982; Hoff mann 1975 b ; 1978 b; 1982; Hoff mann/ Piotrowski 1979; Kalverkämper 1980; Kandelaki 1977; Klute 1975; Kocourek 1982; Lariochina 1979; Mackensen 1981; Mitrofanova 1976; Möhn 1977; Neubert 1981; Rall/Schepping/Schleyer 1976; Razinkina 1978; Reinhardt 1975; Rondeau 1981; Sager/Dungworth/McDonald 1980; Scheie 1975; Wüster 1979). Es war ein schwieriges Unterfangen, von einer solchen Fülle neuer Entwicklungen und Erkenntnisse wenigstens einen Teil in die zweite Auflage dieses Buches aufzunehmen, ohne sein Hauptanliegen und seine Grundpositionen anzutasten. Wenn der Versuch dennoch unternommen wurde, dann auch, weil sich die Einsichten des Verfassers selbst in Wesen und Erscheinung der Fachsprachen fortgebildet haben. Die Aufnahme der ersten Auflage durch Leser und Rezensenten war eine weitere Ermutigung. 11

Bei der Überarbeitung haben sich vor allem folgende Veränderungen ergeben: Die Überlegungen zum Inhalt, zum Umfang und zu den Mitteln der sprachlichen Kommunikation sind weggefallen, weil die Bedeutung der Fachsprachen nicht mehr nachgewiesen werden muß. Im Abschnitt über das Wesen der Fachsprachen (1.) werden einzelne Standpunkte zu Grundströmungen zusammengefaßt. Dadurch wird einerseits eine Straffung, anderseits eine Ausweitung auf früher vernachlässigte (Wirtschaftslinguistik) oder noch nicht manifeste (Lehre von den Subsprachen) Strömungen der Fachsprachenforschung erreicht. Die ehemals ausgedehnte, zum Teil polemische Auseinandersetzung mit bestimmten Autoren und ihren Publikationen ist infolgedessen weggefallen. Sie ist unter anderem auch deshalb gegenstandslos geworden, weil ein Teil der Zitierten neue Positionen bezogen hat; ein anderer hat keinen Einfluß mehr auf die Entwicklung, und auf alle neuen Auffassungen gesondert einzugehen, ist wegen ihrer großen Zahl einfach unmöglich. Die Darstellung der spezifischen Merkmale der Fachsprachen auf den einzelnen sprachlichen Ebenen und Zwischenebenen (2.) geht jetzt über dieformale Struktur und Andeutungen zur Funktion des Satzes hinaus, um die Bedeutung des Satzes und seiner Konstituenten besser zu erfassen (2.5.4.3.2.). Erhöhte Aufmerksamkeit wird der aktuellen Satzgliederung (2.5.4.4.) und dem valenztheoretischen Ansatz (2.5.4.5.) geschenkt. Völlig neu sind die textlinguistischen Betrachtungen (2.6.). Die ursprünglich gehegte Absicht, den Teil über Methoden zur Ermittlung der Spezifik der Fachsprachen (3.) durch Beispiele für strukturelle, semantische, funktionale und komparative Verfahren zu bereichern, ließ sich aus Raumgründen nicht verwirklichen. So bleibt der für Leipziger fachsprachliche Forschungsvorhaben lange Zeit typische statistische Grundansatz erhalten. Daß die Entwicklung dabei nicht stehengeblieben ist, lassen die neuen Partien des Buches und andere Publikationen des Autors und seiner Mitarbeiter unschwer erkennen. Die Kleine Bibliographie fachsprachlicher Untersuchungen, zu der in jedem J a h r eine hektographierte Fortsetzung erschienen ist, ließ sich wegen ihres inzwischen erreichten Umfanges nicht mehr in der überarbeiteten Auflage unterbringen. Teile daraus werden regelmäßig in der Zeitschrift „Fachsprache" abgedruckt. Durch die Herausnahme der Verweise aus den Fußnöten ist ein Literaturverzeichnis entstanden, das mit gewissen Einschränkungen als Schlüsselbibliographie verwendet werden kann. Die im Text in Klammern stehenden Literaturhinweise belegen nicht in jedem Falle Zitate oder frei übernommene Standpunkte; sie dienen oft der Aktualisierung oder Weiterweisung, besonders dort, wo zu den in der ersten Auflage dargestellten Sachverhalten neue Veröffentlichungen erschienen sind. Vollständigkeit wurde dabei nicht angestrebt. Die stärkere Durchgliederung mit Hilfe der Dejzimalklassifikation und einer größeren Zahl von Zwischentiteln soll die Benutzung des Buches als Nach12

Schlagewerk erleichtern. Demselben Zweck dienen die Erweiterung des Sachund die Aufnahme eines Personenregisters. Wie in den Schlußbemerkungen zur ersten Auflage, so muß auch nach so vielen Jahren betont werden, daß das Bild von den Fachsprachen, das hier entworfen wird, immer noch lückenhaft bleibt, weil viele von ihnen bisher nicht analysiert worden sind. Es kam uns in erster Linie darauf an, ihm einen Rahmen zu geben und die großen Umrisse zu zeichnen. Weitere Einzeluntersuchungen werden es in allen Details und Farben vor uns erstehen lassen. Zurück- und vorausblickend sei all j enen Dank'gesagt, die durch Lob und Tadel, vor allem aber durch sachliche Hinweise bei der Überarbeitung des Buches mitgeholfen und darüber hinaus schon zu neuem Nachdenken über die Fachsprachen angeregt haben.

0.

Einleitung

Im Titel des vorliegenden Buches kommt zweierlei zum Ausdruck: das, wovon die Rede sein wird, und das, was nicht zur Betrachtung steht. Geschrieben werden soll von der Sprache als Kommunikationsmittel, nicht über das Verhältnis Sprache — Denken. Dabei gebrauchen wir den Begriff der Kommunikation in seinem weiteren Sinne und meinen nicht die kommunikative Funktion der Sprache, wie sie zum Beispiel die Prager Schule gefaßt hat. Dargestellt werden soll ein Teilbereich der Verwendung von Sprache(n), nicht die Sprache oder eine Sprache als Ganzes. Es mag seltsam erscheinen, daß wir gerade bei der Untersuchung von Fachsprachen die kognitive Funktion der Sprache(n) in den Hintergrund drängen wollen, und vollständig wird uns das auch nicht gelingen; denn hier, wo vor allem davon die Rede ist, wie sich der Mensch mit Natur und Gesellschaft auseinandersetzt, wo die Dialektik des Erkenntnisprozesses — die Widerspiegelung der objektiven Wirklichkeit im Bewußtsein und das produktivtätige, schöpferische Einwirken des Menschen auf seine Umwelt — unmittelbar und deutlicher als in anderen Anwendungsbereichen der Sprache zum Ausdruck kommt, lassen sich zum Verhältnis Sprache — Denken sehr aufschlußreiche Beobachtungen anstellen, in erster Linie an den Korrelaten Benennung (besonders Terminus) — Begriff — Gegenstand der objektiven Realität und Satz — Aussage — Sachverhalt der objektiven Egalität, ganz im Sinne der marxistischleninistischen Erkenntnistheorie. Es gibt jedoch einleuchtende Gründe für diese Einschränkung: Will man nicht bei den sattsam bekannten Allgemeinplätzen stehenbleiben, die einige Sprachwissenschaftler nun schon seit Jahrzehnten der Erkenntnistheorie entlehnen, oder andererseits das menschliche Denken in das Prokrustesbett kybernetischer und anderer Modelle pressen, dann sind zunächst einmal gründliche und repräsentative Materialuntersuchungen nötig. Die bisherigen Ergebnisse unserer fachsprachlichen Forschung reichen dazu noch nicht aus. Auch f ü h r t bei dieser schwierigen Fragestellung ein linguistischer Alleingang — womöglich noch auf die Fachsprachen beschränkt — schwerlich zum Ziel. Hier eröffnet sich nicht nur die Möglichkeit, hier stehen wir vor der Notwendigkeit zur Kooperation mit Philosophen, Psychologen, Hirnphysiologen und Vertretern anderer Disziplinen, die sich mit dem menschlichen Denken, seinen Grundlagen und seinen 15

Gesetzmäßigkeiten, beschäftigen. Auch diese Zusammenarbeit ist noch ungenügend entwickelt. So mangelt es nicht an Hypothesen, wohl aber an Theorien, die ihre Gültigkeit bereits in der Praxis erwiesen hätten, und auch an einer systematischen Übersicht bzw. Analyse einfacher, der Beobachtung zugänglicher Fakten. Selbst wenn die Dinge anders lägen, wäre eine getrennte Behandlung der beiden Hauptfunktionen der Sprache in Spezialuntersuchungen gerechtfertigt, übrigens auch vom jeweiligen Ziel und vom Umfang der Arbeit her, wenn dabei nicht in Vergessenheit gerät, daß kommunikative und kognitive Funktion nur zwei Aspekte ein und derselben Sache — eben der Sprache — sind. Weniger überraschend mag die zweite Einschränkung sein. Nachdem sich Sprachwissenschaft und Einzelphilologien in der Vergangenheit fast ausschließlich mit der Sprache der künstlerischen Literatur und der Publizistik beschäftigt und dabei tiefe Einsichten auch in das allgemeine Wesen der Sprache erzielt haben, verlangen nun die Fachsprachen oder besser: die verschiedenen Spielarten des Sprachgebrauchs in bestimmten spezialisierten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, nach näherer Untersuchung und Darstellung. Die Ursachen dafür liegen außerhalb der Sprache und sind auch unabhängig vom Willen und von den Wünschen der Sprachwissenschaftler. Sicher haben schon früher einige — besonders lexikalische — Besonderheiten gewisser sozialer und beruflicher Gruppen (Argot) bei den Philologen Interesse gefunden, so z. B. der Wortschatz der Handwerker und der Jäger, die Gaunersprache (Rotwelsch), der Slang von Schülern und Studenten usw. Doch wurden diese mehr als Kuriositäten denn als Produkt der sozialen Wirklichkeit betrachtet und ihre Wurzeln nur selten in den Widersprüchen der Klassengesellschaft gesucht. Durch einen gewaltigen Aufschwung in Wissenschaft, Technik, Kultur und Bildung hat die Sprache als „das praktische . ... Bewußtsein" (Marx/Engels 1962, 30) des Menschen helfen müssen, viele neue Bereiche von Natur und Gesellschaft zu erschließen. Das hat zu ihrer Gesamtentwicklung beigetragen; das hat aber auch zu einer gewissen Verzweigung und Spezialisierung geführt, die einer ebensolchen Verzweigung und Spezialisierung der Kenntnisse und der Fälligkeiten des Menschen entspricht. Dabei sind neue sprachliche Elemente — vor allem im Wortschatz — entstanden; es haben sich aber auch feste Gewohnheiten in der Wahl und in der Verwendung vorhandener sprachlicher Mittel entwickelt. Der Romanist K. Voßler hat diese Entwicklung, was den Einfluß der Naturwissenschaften auf die Sprache betrifft, schon 1925 so gekennzeichnet: „Durch die Arbeit der modernen Naturwissenschaften ist seit Ende des Mittelalters den europäischen Sprachen eine beispiellose Vermehrung des Wortschatzes zuteil geworden und zugleich eine grammatische Stählung und Zucht, zwar nicht unmittelbar geschenkt, aber, was mehr ist, mit unabweislichem Nachdruck von ihnen verlangt, ihnen zugemutet und auferlegt worden. Die Anforderungen, die in Zukunft von der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung an 16

unsere Kultursprachen gestellt werden, dürften sich eher steigern als verringern" (Voßler 1925, 226). Da der berufliche Umgang mit Sprache heute vielfach schon einen breiteren Raum einnimmt als die übrige sprachliche Betätigung, da der Anteil der Fachpublikationen schon jetzt sowohl in der Produktion als auch in der Konsumtion den der übrigen Literatur bei weitem überwiegt, da Berichte über Fragen der Produktion und über die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik neben dem politischen, dem unterhaltenden und dem Sportteil in der Presse und den übrigen Massenmedien immer mehr Verbreitung finden, da schließlich der gesamte Bildungsweg von der Grundstufe über die Oberstufe der allgemeinbildenden Schule, die Berufsschule, die Fachschule sowie die Hochschule oder Universität in erster Linie mit fachlichem Wissen gepflastert ist, wird der Einfluß der Fachsprachen immer mächtiger. Das gilt bezeichnenderweise nicht nur für das Lesen und Schreiben, sondern auch für das Sprechen. Während nun die Beachtung der fachsprachlichen Spezifik, der mehr oder weniger konsequente Gebrauch der fachsprachlichen Mittel, in der beruflichen Kommunikation eine entscheidende Voraussetzung für das gegenseitige Verstehen und damit f ü r den ordnungsgemäßen Ablauf der Arbeits prozesse ist, könnten andere Kommunikationsbereiche bequem ohne diese auskommen, wenn nicht Wissenschaft und Technik immer stürmischer in fast alle Sphären unseres Lebens eindrängen. Die unausweichliche Konsequenz ist ein Prozeß der Integration, dessen Ursachen eigentlich in der Differenzierung liegen — ein echt dialektischer Prozeß also. Ebenfalls auf einen Grundzug der Dialektik läßt sich der Umstand zurückführen, daß die ständige Zunahme des Fachlichen in Leben und Sprache schließlich auch zu qualitativen Veränderungen, d. h. zu Veränderungen in den Normen des allgemeinen Sprachgebrauchs führt. Es gibt also mindestens zwei Gründe, weshalb uns die Fachsprachen interessieren sollten: erstens, ihre Bedeutung für das Funktionieren und darüber hinaus die möglichst effektive Gestaltung der sprachlichen Kommunikation in lebenswichtigen Bezirken der menschlichen Gesellschaft; zweitens, ihr Einfluß auf die allgemeine Entwicklung der Sprache (n) als Instrument des Denkens und als Mittel zur Weitergabe gewonnener Erkenntnisse, d. h. als „unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens" (Marx/Engels 1962, 432). Aus einem weiteren Grunde noch mußte dieses Buch geschrieben werden: Seit mehr als dreißig Jahren existiert an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen der D D R eine fachsprachliche Ausbildung, die aus dem 1951 eingeführten obligatorischen Fremdsprachenunterricht hervorgegangen ist. Mehrere internationale Tagungen* haben gezeigt, wie groß das Interesse an dieser neuen Ausbildungsform ist. Um sie auf eine exakte Grundlage zu stellen, * ¡Berlin 1965, Leipzig 1968, Dresden 1971, Karl-Marx-Stadt 1974, Berlin 1977, Rostock 1982. 2

Fachsprache

17

wurden zahlreiche Untersuchungen an wissenschaftlichen und technischen Texten durchgeführt. Die Ergebnisse sind bereits in der Praxis wirksam, wurden aber nur zum Teil veröffentlicht, einige von ihnen in Publikationsorganen mit geringem Verbreitungsgrad. Außerdem haben sich die Verfasser unterschiedlicher Methoden bedient und oft ganz spezielle Einzelfragen behandelt. Wir halten deshalb den Zeitpunkt f ü r gekommen, ein paar grundsätzliche Fragen aufzuwerfen, einen allgemeinen Überblick über den Fragenkomplex Fachsprachen zugeben und die Wirksamkeit einiger Untersuchungsmethoden zu analysieren. Dabei handelt es sich durchaus nicht um eine abgeschlossene und auch nicht um eine rein linguistische Arbeit, sondern mehr um eine Einführung, die den Forschungsstand in groben Zügen andeutet und auf Probleme hinweist, die noch der Lösung harren. Sie will denjenigen Anregungen und methodische Fingerzeige geben, die in irgendeiner Form mit Fachsprachen zu tun haben oder auf diesem Gebiet weiterarbeiten wollen. Dabei berücksichtigt sie internationale Erfahrungen, besonders Erkenntnisse, die von Wissenschaftlern in der Sowjetunion gewonnen wurden, und eigene Forschungsergebnisse. Auf die Frage, wo fachsprachliche Untersuchungen innerhalb der Sprachwissenschaft anzusiedeln sind, sollte man antworten: Es handelt sich um ein Stück angewandte Sprachwissenschaft. Ihre Ergebnisse können Eingang finden: a) in den muttersprachlichen Unterricht, die Sprachpflege, die Sprachberatung, die Sprachnormung, insbesondere die Terminologienormung; b) in den Fremdsprachenunterricht, vor allem bei der Auswahl des zu vermittelnden Sprachmaterials und dessen Einschränkung in Gestalt von Minim a ; c) in die Sprachmittlung, besonders in die Translation; d) in die maschinelle Informationsverarbeitung und Übersetzung und in die Vorbereitungen zur Anlage von Sprachdatenbänken; e) in die Sprachpragmatik, d. h. in die Bemühungen um die Wirksamkeit der Sprache (Hoffmann 1971, 1210). Sie erhebt aber keinen Anspruch darauf, deren Aufgaben zu lösen. Deshalb beschränken wir uns fast überall in diesem Buch auf die Erfassung und Darstellung fachsprachlicher Phänomene, enthalten uns aber jeder Wertung im Sinne der Stilistik oder der Sprachpflege. Wenn es in der fachsprachlichen Forschung irgendwelche Berührungspunkte mit der Stilistik, besonders mit der Lehre von den Funktionalstilen geben sollte, dann nicht in dem Sinne, daß die Fachsprachen insgesamt ein Funktipnalstil sind oder einem Funktionalstil angehören. Es gibt vielmehr innerhalb der Fachsprachen eine starke stilistische Differenzierung, die in erster Linie vom Zweck und vom Inhalt der Mitteilung und auch von der Darstellungsart bestimmt wird. Es kann also nicht unsere Hauptaufgabe sein', die Fachsprachen daraufhin zu untersuchen, ob in ihnen diese oder jene stilistischen Mittel vorhanden sind oder fehlen, die uns aus der künstlerischen Literatur oder anderen Genres bekannt sind. Der richtige Weg f ü h r t vielmehr über die Analyse eines repräsentativen Korpus fachsprachlicher Texte 18

(gedruckter wie gesprochener) zu Registern der in ihnen verwendeten sprachlichen Mittel, die dann einen Vergleich mit anderen sprachlichen Korpora gestatten. Da aber die Erfassung und Darstellung der Gesamtheit aller relevanten sprachlichen Mittel eines Textes noch keine ausreichende stilistische Charakteristik liefert, zumindest nicht im Sinne der literarischen Stilistik, kann und will die fachsprachliche Forschung mit ihrer stark praxisbezogenen Zielstellung und Arbeitsweise keine Disziplin der Stilistik sein, wohl aber gewisse Gemeinsamkeiten mit ihr pflegen. Das vorliegende Buch ist aus einem Zyklus von Vorlesungen — vorwiegend f ü r Studenten der Erwachsenenbildung der Fachkombination Russisch/Englisch, die einmal an Universitäten, Hoch- und Fachschulen unterrichten werden — entstanden. Das Russische und das Englische stehen also im Vordergrund der Betrachtung. Damit wird auch der speziellen Situation der D D R im Hinblick auf die Auswertung fremdsprachiger Fachliteratur und die Pflege internationaler Verbindungen bis hin zur unmittelbaren Zusammenarbeit Rechnung getragen. Darüber hinaus sind aber auch fachsprachliche Eigentümlichkeiten des Französischen und Deutschen berücksichtigt. Aus der Vielzahl der Fachsprachen wurden vor allem die der Wissenschaft und Technik ausgewählt, und auch hier konnten die Beispiele immer nur bestimmten Disziplinen entlehnt werden. Wir haben uns dabei allerdings bemüht, diejenigen zu treffen, die Verallgemeinerungen zulassen; denn es kommt uns vor allem darauf an, Grundzüge und -tendenzen zu erfassen. Neben dem Gemeinsamen tritt aber auch so manches Besondere hervor, was die einzelnen Fachsprachen voneinander trennt. Deshalb werden wir zu einer horizontalen und zu einer vertikalen Anordnung bzw. Gliederung gelangen, die uns zu einem besseren Überblick verhilft. Was den Forschungsstand betrifft, so haben wir uns mit Zitaten und Literaturhinweisen auf die Haupttendenzen beschränkt. Wir sind der Auffassung, daß das Buch dadurch leichter lesbar wird; denn wir wenden uns damit nicht nur an Sprachwissenschaftler bzw. Philologen, sondern vor allem an Lehrkräfte in der fachsprachlichen Ausbildung der Universitäten, Hoch- und Fachschulen, an Studenten der Erwachsenenbildung, an Fachübersetzer, Teilnehmer an der Sprachkundigenausbildung, Autorenkollektive oder Einzelautoren Von Sprachlehrbüchern, Terminologienormer, Informatiker sowie an Vertreter aller möglichen wissenschaftlichen und technischen Disziplinen, die ihre Fachliteratur im Original lesen und ihre Fachsprachen selbst — inPublikationen, bei Vorträgen und anderswo — bewußt und wirkungsvoll handhaben wollen, und hier besonders an den wissenschaftlichen Nachwuchs. Wir konnten auch nicht alle Meinungsäußerungen zu Einzelfragen berücksichtigen, geschweige denn uns mit ihnen auseinandersetzen, wo wir anderer Auffassung sind. Das ist kein Ausdruck der Unterschätzung, sondern notwendige Selbstbeschränkung zugunsten einer klaren Linienführung. Bei der Untersuchung und Darstellung der Fachsprachen überwiegt — nicht 2*

19

nur in diesem Buch — die synchrone Sicht. Die angewandte Sprachwissenschaft im oben angedeuteten Sinne interessiert sich in erster Linie für das Funktionieren der sprachlichen Kommunikation auf ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand. Und dennoch erschließt die fachsprachliche Forschung so manchen Einblick in die Gesetzmäßigkeiten der Sprachentwicklung, um nicht zu sagen der Sprachgeschichte. Wie in anderen Bezirken von, N a t u r und Gesellschaft der gegenwärtige Zustand die Keime des Künftigen in sich birgt, so läßt auch der gegenwärtige Sprachzustand Entwicklungstendenzen erkennen. Das gilt nicht nur im Hinblick auf den bereits erwähnten starken Einfluß, den die Fachsprachen auf die Entwicklung der Sprache insgesamt ausüben; das gilt auch innerhalb der Fachsprachen selbst. Wir werden das am Beispiel konkurrierender Formen und Strukturen in der Terminologie veranschaulichen können. Wenn der Verfasser dieses Buch schreiben konnte, dann nur, weil viele andere mit und neben ihm seit mehr als dreißig Jahren unermüdlich der gemeinsamen Sache der fachsprachlichen Ausbildung und Forschung gedient haben. Ihnen allen, den vielen Lehrern im Hochschuldienst und Lektoren, den Assistenten und Oberassistenten, den technischen Mitarbeitern, den Dozenten und Professoren und nicht zuletzt den zuständigen Mitarbeitern im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der Deutschen Demokratischen Republik, soll an dieser Stelle Dank gesagt werden.

20

1.

Das Wesen der Fachsprachen

1.1.

Die Grundströmungen in der Fachsprachenforschung

Das Interesse an Fachsprachen reicht weit zurück, in der europäischen Sprachwissenschaft vereinzelt bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (Drozd/Seibicke 1973, 4—6). Wir beschränken uns hier auf eine Übersichtsdarstellung der neueren Entwicklungsrichtungen in der Fachsprachenforschung, die den gegenwärtigen Stand in mehr oder weniger starkem Maße prägen. Das sind: 1. die lexikologisch-terminologische Richtung; 2. die funktionalsprachliche Betrachtung; 3. die Wirtschaftslinguistik; 4. die funktionale Stilistik; 5. die naturwissenschaftlich-philosophische Sicht; 6. die übersetzungswissenschaftliche Orientierung; 7. die Lehre von den Subsprachen. 1.1.1.

Die lexikölogi&ch-terminölogische Richtung

Die Besonderheiten der Fachsprachen wurden sowohl von Philologen als auch von Fachleuten zuerst in ihrem Wortschatz erkannt, und auch heute noch ist die Terminologiearbeit eines der wichtigsten Gebiete der Fachsprachenforschung. Die starke Betonung des lexikalischen Aspekts hat dazu geführt, daß das Wesen der Fachsprachen lange Zeit fast ausschließlich in ihrem Benennungsbestand, insbesondere in ihren Terminologien, gesucht wurde; die Begriffe,Fachsprache' und .Fachwortschatz' oder,Sondersprache' und ,Sonderwortschatz' wurden gewissermaßen als Synonyme verwendet. Diese Betrachtungsweise, mag sie aus heutiger Sicht auch als einseitig erscheinen, hätte und hat zweifellos ihre Berechtigung, wenn man von ihrem eigentlichen Anliegen ausgeht. Dieses Anliegen ist nicht so sehr der Wunsch der Sprachwissenschaftler, bestimmten beruflichen oder sozialen Varianten der Sprachverwendung (Jägersprache, Wortschatz der Fischer; Rotwelsch, Argot, Slang), etymologischen Entwicklungen einzelner Wörter und ganzer Wortfelder (Stuhl, Anker, Raum, Prozeß, Atom) oder stilistischen Phänomenen (Nominalisierung; Metaphorik, Metonymie u. a.) nachzugehen, als vielmehr die Befriedigung des ständig wachsenden Bedarfs der Fachleute an Begriffen und Benennungen für neue Erkenntnisse und Erfindungen in Wissenschaft und Technik, der „größten Auftraggeber" der Sprache der Gegenwart (Mackensen 1959, 295). 21

1.1.1.1.

Die Untersuchung der Wort- bzw.

Terminusbildung

Aus diesem Blickwinkel kommt den Potenzen des Sprachsystems zur Bildung neuer lexikalischer Einheiten besondere Bedeutung zu. Deshalb hat sich die lexikalisch-terminologische Richtung zunächst vor allem auf Fragen der Wortbildung in ganz bestimmten Sprachen konzentriert. Dabei ist deutlich geworden, daß die in natürlichen Sprachen vorhandenen Mittel und Verfahren der Wortbildung im wesentlichen dazu ausreichen, den Benennungsbedarf von Wissenschaft und Technik zu befriedigen. Absolute Neuschöpfungen sind die Ausnahme. Die Wortbildung in den Fachsprachen bedient sich also — ebenso wie in anderen Subsprachen, z. B. in denen der künstlerischen Prosa oder Presse — solcher Methoden wie der Derivation, der Komposition, der Konversion, der Kürzung oder der Bildung von terminologischen Wortverbindungen (Mehrworttermini). Allerdings schöpft sie deren Möglichkeiten in ganz unterschiedlichem Maße aus, so daß man am Fachwortschatz insgesamt und an den Terminologien einzelner wissenschaftlicher und technischer Disziplinen spezifische Produktivitätsverhältnisse beobachten kann. In der Technik kommt es häufiger auch zur Bildung von anderswo nicht gebräuchlichen Benennungen. Die Untersuchung dieser quantitativen und qualitativen Besonderheiten der Fachlexik und ihrer in der wissenschaftlich-technischen Kommunikation begründeten Ursachen steht im Mittelpunkt vieler Arbeiten der ersten Richtung, die dabei oft nicht nur den jeweils erreichten Stand festhalten, sondern auch Empfehlungen für die weitere Entwicklung geben wollen (Auger 1979; Danilenko 1977; Drozd/Seibicke 1973; Faulseit 1975; Heller 1970; Phal 1968; Reinhardt 1975; Sager/Dungworth 1977; Savory 1953; Wüster 1931). 1.1.1.2.

Die Bestimmung der Herkunft des Fachwortschatzes

Hand in Hand mit Untersuchungen zur Wortbildung geht oft die Bestimmung der Herkunft von Fachwörtern. Dabei wird im wesentlichen zwischen folgenden Prozessen unterschieden: Bedeutungs- bzw. Funktionswandel (Terminologisierung) vorhandenen nationalsprachlichen Wortgutes, Rückgriff auf internationale Termini und Terminuselemente lateinischer und griechischer Provenienz, Entlehnung und Lehnübersetzung aus anderen Sprachen. Sie spielen neben der Wortbildung eine ganz entscheidende Rolle beim systematischen Aufbau und bei der Auffüllung terminologischer Systeme. Die lexikologisch-terminologische Fachsprachenforschung bemüht sich hier, Möglichkeiten und Grenzen dieser oft komplementären Prozesse zu fixieren. Das geschieht überwiegend durch die Beschreibung von Phänomenen wie Bedeutungseinengung, Bedeutungserweiterung, metaphorischer Gebrauch und definitorische Festlegung bei nationalsprachlichen Benennungen. Die 22

Verwendung von Wörtern und Wortbildungsmitteln aus den alten Sprachen wurde früher zuweilen einer puristischen Kritik unterzogen; die Entwicklung kommunikativer Bedürfnisse über Ländergrenzen hinweg hat jedoch zur weitgehenden Überwindung dieses Standpunktes geführt. Damit ist der Weg zur Analyse von Eingliederungs- und Assimilationsvorgängen freigeworden. Auch die Berechtigung zur Entlehnung aus anderen lebenden Sprachen wird im Zeitalter der internationalen Terminologiearbeit kaum noch in Frage gestellt. I n den Vordergrund sind hier Äquivalenzprobleme gerückt (Akulenko 1972; 1980; Danilenko 1977; Drozd/Seibicke 1973; Faulseit 1975; Heller 1966; Reinhardt 1975; Savory 1953; Wüster 1931).

1.1.1.3.

Die Suche nach einer Theorie

Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die lexikologisch-terminologische Betrachtung und mit ihr die weitgehende Gleichsetzung von Fachsprache und Fachwortschatz auf eine theoretische Grundlage zu stellen. Aus heutiger Sicht ist es fast verständlich, daß in den 50er Jahren viele Vertreter dieser Richtung die Weisgerbersche Formel vom „Worten der Welt", hinter der seine idealistische Konzeption von der „sprachlichen Erschließung der Welt" (Weisgerber 1954) stand, mehr oder weniger deutlich aufgegriffen haben (Buchmann 1960; Gremminger 1954; Mackensen 1956; 1959; Müller-Tochtermann 1959; Seibicke 1959; Ule 1960). Mit ähnlichen Anschauungen trugen auch andere Sprachwissenschaftler dazu bei, daß das Wesen der Fachsprachen vor allem in ihrer Lexik gesucht wurde (Porzig 1957; Stroh 1952). Die philosophischen Positionen L. Weisgerbers und seiner Anhänger sowie ihre linguistischen Konsequenzen sind inzwischen vom Standpunkt der marxistisch-leninistischen Sprachwissenschaft einer gründlichen Kritik unterzogen worden (Heibig 1961; 1963; 1973, 119-145; Hoffmann 1976a, 86-110; Neumann 1976, 319—323). Wir können uns deshalb hier mit der Feststellung begnügen, daß diese sprachwissenschaftliche Schule die Fachsprachenforschung in einem wichtigen Teilbereich nicht nur durch Einzelerkenntnisse vorangebracht, sondern auch durch eine im wesentlichen dialektische Theorie bereichert hat, die nur — im Engelsschen Sinne — dadurch vom Kopf auf die Füße gestellt werden muß (Engels 1962, 293), daß das Verhältnis von Realität, Bewußtsein und Sprache korrigiert und damit die Überhöhung der Sprache abgebaut wird (Lorenz/Wotjak 1977; Neumann 1976, 262—423; Wotjak 1977). Im übrigen hat sie außerhalb der Germanistik kaum Beachtung gefunden, ist in der Terminologiearbeit aufgegangen oder von soziolinguistischen (Fluck 1976; Möhn 1968; 1975; 1976; 1977), kommunikativen (Bausch/Sehewe/Spiegel 1976; v . H a h n 1980; Hüllen 1981a; Pelka 1971; Spiegel 1970), semantischen (Weidmann 1975), textlinguistischen (Kalverkämper 1980) und didaktischen (Bausch/Bliesener/Christ/Schröder/Weisbrod 23

1978; Fluck 1977; 1978; Hüllen 1 9 8 1 b ; Klute 1975; Ladnar/v. Plottnitz 1976; Rall/Schepping/Schleyer 1976; Sprissler 1972ff.) Konzeptionen verdrängt worden. D a sich auf Sonderwortschätzen allein schwerlich eine Theorie der Fachsprachen aufbauen läßt, haben sich die meisten lexikologisch-terminologischen Untersuchungen, sofern sie sprachwissenschaftlich orientiert waren, in die allgemeine Lexikologie eingereiht: Der Fachwortschatz wurde auf Grund einer Differenzierung der Gebrauchssphären als Teil- oder Subsystem des lexikalischen Gesamtsystems betrachtet und auf seine Spezifik hin untersucht (Danilenko 1971; 1977; Denisov 1965; Kapanadze 1965; Reformatskij 1968; Tolikina 1970; Sanskij 1972). Selbstverständlich haben der Fachwortschat z bzw. die Terminologie auch ihren festen Platz in der funktionalsprachlichen, wirtschaftslinguistischen, funktionalstilistischen, naturwissenschaftlich-philosophischen und übersetzungswissenschaftlichen Darstellung sowie in der Lehre von den Subsprachen, allerdings nicht mehr als einziges signifikantes Merkmal der Fachsprachen. Konsequent wird die ausschließlich lexikologisch-terminologische Sicht nur in der Terminologiearbeit fortgeführt.

1.1.1.4. 1.1.1.4.1.

Die Terminologiearbeit Die Terminologie und das

Begriffssystem

I m Gegensatz zu den bisher skizzierten Ansätzen lag und liegt die Terminologiearbeit vor allem in den Händen von Technikern und Naturwissenschaftlern. Linguisten sind mit wenigen Ausnahmen erst später hinzugekommen. Der Fachmann sieht seine Terminologie naturgemäß nicht in erster Linie von der Systematik der Wortbildung her. F ü r ihn stehen die Objekte der Wirklichkeit (Denotate) und besonders deren Abbilder im Bewußtsein (Designate) im Vordergrund. E r geht deshalb gewöhnlich vom Begriffssystem seiner Wissenschaft bzw. seines Arbeitsgebietes aus und entwickelt als Pendant dazu ein geeignetes Benennungssystem. So strebt die Terminologiearbeit zunächst einmal nach Klarheit über das Wesen der Begriffe, nach der Abgrenzung von Begriffsinhalt und Begriffsumfang sowie nach einer grundsätzlichen Bestimmung des Verhältnisses von Begriff und sprachlichem Zeichen. Große Aufmerksamkeit schenkt sie dann den Beziehungen zwischen den Begriffen in den einzelnen Begriffssystemen. Einen besonderen Platz nehmen dabei die hierarchischen Beziehungen (Abstraktions- und Bestandsbeziehungen) ein. Aber auch andere Arten von B e griffsbeziehungen werden berücksichtigt, z. B . genetische, funktionelle, kausale, instrumentelle usw. Ein weiteres wichtiges Anliegen der Terminologiearbeit ist die Bestimmung, Einteilung und Anordnung der wesentlichen Begriffsmerkmale, die später auch bei der Definition der Begriffe eine ent-

24

scheidende Rolle spielen. Das sind vor allem Beschaffenheitsmerkmale (Form, Stoff, Farbe, Lage u. a.), Relationsmerkmale (Herkunft, Gebrauch u. a.) und Funktionsmerkmale (Leistung, Verwendungszweck u. a.) mit ihren unterschiedlichen Äquivalenzgraden. Die Definition des Begriffes bildet den Abschluß dieser Hauptphase der Terminologiearbeit. In Betracht kommen hier Inhalts-, Umfangs- und Relationsdefinitionen oder auch Begriffsverknüpfungen, an die hohe Anforderungen in bezug auf Genauigkeit und gegenseitige Abstimmung gestellt werden. Mag sich auch die Arbeit an Begriffen und Begriffssystemen nie vollends von der sprachlichen Materie lösen können, die sprachliche Realisierung im eigentlichen Sinne tritt mit Nachdruck erst bei der Formulierung der Definitionen wieder auf den Plan, und zwar sowohl im Hinblick auf die Benennungen für die zu definierenden Begriffe selbst als auch bei der Wahl der sprachlichen Mittel zur Charakterisierung ihrer Merkmale. Hier greift die terminologische Benennungslehre auf die im sprachlichen System insbesondere für die Wortbildung (vgl. 1.1.1.1.) angelegten Möglichkeiten zurück. Doch tut sie das nicht willkürlich, sondern in dem Bestreben, zu möglichst strengen Regeln bei der Zuordnung von Terminologien und Begriffssystemen zu gelangen (Auger 1981; Beling/Schewe/Spiegel/Wersig 1979; DIN 2330; Drozd/Roudny 1980; Fleischer 1973; Kandelaki 1977; Lotte 1961; Möhn 1977; Pelka/Dubrulle/Schnegelsberg/Blechschmidt/Fugmann/Beling/Wersig 1977; Rondeau 1981; Wersig 1976; Zimmermann 1977). 1.1.1.4.2.

Die Terminologienormung

Das Bestreben, regulierend in die Beziehungen zwischen begrifflichen und terminologischen Systemen einzugreifen und die Terminologien bewußt zu gestalten, äußert sich am deutlichsten in der Terminologienormung. „Sprachnormung ist ein Teil der Rationalisierung des technischen Hauptwerkzeuges: des Menschen; sie ist Ersparung menschlicher Arbeitskraft" (Wüster 1970, 3). „Sie beschränkt sich nicht auf Vereinheitlichung der vorhandenen Ausdrücke, sondern schafft systematisch neue Benennungen und neue Begriffsabgrenzungen. Auch die Sachnormung ist ja nicht nur Vereinheitlichung, sondern zugleich Verbesserung, also überhaupt Rationalisierung" (Wüster 1970, 2). Setzen wir Sprachnormung gleich Terminologienormung, dann heißt das mit anderen Worten: „Die Absicht der Terminologienormung ist, die Kommunikation zu verbessern, Mißverständnisse auszuschalten und dadurch eine größere Sicherheit im Verkehr zwischen den Partnern herzustellen" (Ischreyt 1965, 48f.). Dieser Absicht geht sie durch drei Tätigkeiten nach: Sprachgestaltung, Vereinheitlichung und Durchsetzung. „Die ,Wörter' werden umgewandelt in .Termini', das heißt sie sollen alleinstehend für das Verständnis so viel leisten 25

wie die in einem Kontext eingebetteten Wörter der Gemeinsprache. Dabei müssen sie weitgehend auf die Unterstützung durch syntaktische Mittel und die Sprechsituation verzichten. Statt der .sprachlichen Inhalte' gibt es nun ,Begriffee' . . .". „Während sich die sprachlichen Inhalte' durch Definitionsversuche kaum erschließen, werden die Begriffsinhalte durch Definition festgelegt" (Beier 1961, 195). Sinn der Definition ist es, Begriffe und Benennungen in eine eindeutige Relation zueinander zu setzen. Die Terminologienormung bemüht sich auf diese Weise, Erscheinungen der Homonymie, Synonymie, Quasi-Synonymie und Polysemie auszumerzen. Träger der Terminologienormung sind nationale Normenvereinigungen und -ausschüsse sowie staatliche Institutionen, z. B. GOSSTANDART (Gosudarstvennyj standart) und VNIIKI (Vsesojuznyj Nauöno-Issledovatel'skij Institut Techniöeskoj Informacii, Klassifikacii i Kodirovanija) in der UdSSR, AS A (American Standards Association) in den USA, B E S A (British Engineering Standards Association) in Großbritannien, AFNOR (Association Française de Normalisation) in Frankreich, DIN (Deutsches Institut für Normung e. V.) und VDI (Verein Deutscher Ingenieure) in der B R D , GfS (Gesellschaft für Standardisierung) und ASMW (Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung) in der DDR. Zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen arbeiten sie mit Normen (Standards), Richtlinien und Empfehlungen, die im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung von Wissenschaft und Technik und auf Grund von Anregungen der Anwender in regelmäßigen Abständen überarbeitet und so ständig vervollkommnet werden. Die genormten Terminologien selbst erscheinen in einer besonderen Art von Wörterbüchern (Normwörterbücher), begrifflich oder/und alphabetisch geordnet, definiert, zum Teil durch Abbildungen illustriert und mit den wichtigsten fremdsprachigen Äquivalenten (russisch, englisch, französisch, deutsch) (z. B. Belachov/PopovÖerkasov 1970; Manu 1979; Wüster 1955). Die Grenzen der Terminologienormung sind erkannt und mehrfach genannt worden (Beier 1960; 1961; Ischreyt 1965; Wersig 1976 u. a.). Sie liegen vor allem darin, daß die natürlichen Sprachen historisch gewachsene Organismen sind, die von der Sprachgemeinschaft auf ganz bestimmte Weise gebraucht werden, so daß sie sich künstlichen Eingriffen weitgehend widersetzen. Die Terminologienormung muß also den bestehenden Sprachgebrauch berücksichtigen. Außerdem ist es „die praktische Verwendbarkeit, die der von der Technik angestrebten Systematik ihre Grenzen setzt" (Beier 1961,203). Nachteilig wirkt sich schließlich aus, daß größere kommunikative Zusammenhänge unbeachtet bleiben. Aus den angeführten Gründen wird die Terminologienormung neuerlich wieder in den größeren Rahmen der Terminologiearbeit gestellt, die zwir sehen „der deskriptiven Feststellung des Sprachgebrauchs durch die Lexikographie und der praxisorientierten normativen Festlegung" (Wersig 1976, 26

44f.) vermittelt und die folgenden Probleme zu lösen sucht: Feststellung des bestehenden Sprachgebrauchs (lexikographische Übersicht); Ermittlung des Entwicklungsstandes und der Entwicklungstendenzen im Fach; Nutzung der angewandten Sprachwissenschaft; Korrektur des bestehenden Sprachgebrauchs; Herstellung des Zusammenhanges zwischen Einzelbegriffen und Begriffsfeldern; Orientierung an den Bedürfnissen der Praxis; Begriffsfestlegung (Definition) mit sprachlichen Mitteln. „Das Ergebnis der Terminologiearbeit sind Begriffssysteme, d. h. nach den Begriffsbeziehungen geordnete definierte Begriffe mit diese Begriffe möglichst zweifelsfrei kennzeichnenden Benennungen" (Wersig 1976, 49).

1.1.1.4.3.

Die internationale

Terminologiearbeit

Terminologiearbeit wird nicht nur in einzelstäatlichem oder nationalsprachlichem Rahmen geleistet. Wenn zuweilen von ihren drei Hauptformen die Rede ist, dann wird neben der Standardisierung existierender und der Schaffung neuer nationaler Terminologien auch auf ihre Angleichung untereinander, d. h. auf die .internationale Terminologiearbeit hingewiesen (Suchov 1961, 73). Ihr theoretisches Fundament entstand nach früheren Ansätzen 1931 durch E. Wüsters Buch „Internationale Sprachnormung in der Technik" (Wüster 1970). Der Verwirklichung der darin vorgetragenen Ideen nahm sich seit 1936 der auf Antrag der UdSSR beim Weltbund der nationalen Normenausschüsse eingesetzte Ausschuß ISA 37 „Terminologie" an, dessen Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg von ISO/TC 37 „Terminologie (Grundsätze und Koordination)" fortgesetzt wurde (Felber 1979).* Die Arbeitsgruppen von TC 37 konzentrieren sich in erster Linie auf die Abfassung prinzipieller Festlegungen unter Überschriften wie „Benennungsgrundsätze", „Gestaltung von Wörterbüchern", „Rechnerunterstützte Terminologie und Lexikographie". Ihre Vorstellungen haben sie in sechs ISOEmpfehlungen der Öffentlichkeit unterbreitet, von denen hier ISO/R 704 „Naming principles", ISO/R 860 „International unification of concepts and terms", ISO/R 1087 „Vocabulary of terminology", ISO/R 919 „Guide för the preparation of classified vocabularies" und ISO/R 1149 „Layout of multilingual classified vocabularies" erwähnt werden sollen. Die Entwürfe dafür stammten fast ausnahmslos von E. Wüster. Seit 1974 ist die Überarbeitung dieser Empfehlungen zum Zweck ihrer Umwandlung in ISO-Normen im Gange. Ein Teil von ihnen ist aber bereits durch nationale Normenvereinigungen übernommen worden. Die internationale Angleichung von Begriffen und Termini (ISO/R 860) ist * ISA = International Federation of the National Standardizing Associations; ISO = International Organization for Standardization; TC = Technical Committee.

27

wohl das anschaulichste Beispiel für die übereinzelsprachliche Terminologiearbeit. Es geht dabei um die Überwindung von Unterschieden, die zwischen nationalen Terminologien in fünffacher Hinsicht auftreten können: 1. Inkongruenzen im Bereich der Begriffe und Begriffssysteme; 2. Divergenzen in der Beschreibung der Begriffe durch Definitionen oder Bilder; 3. Abweichungen in der äußeren Form der Benennungen (Termini), besonders im Schriftbild; 4. Verschiedenheiten der inneren Form, d. h. der wörtlichen Bedeutung von Wortverbindungen und übertragenen Benennungen; 5. Verwendung unterschiedlicher Schriftzeichen. Die Beseitigung oder zumindest die Reduzierung dieser Unterschiede soll dazu führen, daß termini technici von all ihren Benutzern auf dieselbe Weise verstanden werden. Das wäre ein wichtiger Beitrag zu einer wirklich effektiven Zusammenarbeit und eindeutigen Kommunikation zwischen Fachleuten, der in erster Linie über mehrsprachige Begriffswörterbücher verwirklicht werden könnte (ISO/R 1149). Für terminologische Wörterbücher dieser Art, deren Einheiten nicht alphabetisch, sondern nach Begriffsklassen angeordnet sind, werden mindestens folgende Angaben zum Stichwort gefordert: 1. Definition und — wenn möglich — Abbildung zur Erklärung des Begriffs; 2. Klassifikationssymbol (DK) zur Einordnung des Begriffs in das Begriffssystem; 3. Benennungen für den Begriff in mehreren Sprachen; 4. Angaben zum Gültigkeitsbereich des Terminus (Sprachen, Länder, Einrichtungen); 5. fortlaufende Nummer als Verweis auf den alphabetischen Index. In den 70er Jahren ist die Entwicklung auf diesem Gebiet vom traditionellen Fachwörterbuch zur rechnergestützten Terminologie-(Daten-)Bank fortgeschritten (Galinski 1981; Neubert 1981; Rondeau 1981).

1.1.1.4.4.

Die allgemeine Theorie der Terminologie

Hatte schon die nationale Terminologienormung eine ganze Reihe prinzipieller Fragen aufgeworfen, so förderte die internationale Terminologiearbeit in noch stärkerem Maße die Entstehung einer allgemeinen Theorie der Terminologie oder Terminologielehre (Auger/Rousseau 1978; Drozd/Seibicke 1973; Felber 1979a; 1980; Rondeau 1981; Wüster 1974; 1979). Zu ihr gelangt man, „wenn man aus den speziellen Terminologielehren für viele Fachgebiete und Sprachen gemeinsame Gesetzmäßigkeiten abstrahiert. Das Ergebnis ist die .Allgemeine Terminologielehre'. Darunter ist also nicht etwa nur eine SUMME von speziellen Terminologielehren zu verstehen. Die Allgemeine Terminologielehre verhält sich vielmehr zu den speziellen Terminologielehren ungefähr ebenso wie die Allgemeine Sprachwissenschaft zu den Wissenschaften von den einzelnen Sprachen. Statt ,Allgemeine Terminologielehre' kann man auch sagen terminologische Grundsatzlehre'" (Wüster 28

1974, 63). Die allgemeine Terminologielehre ist auch als „Grenzgebiet zwischen Sprachwissenschaft, Logik, Ontologie, Informatik und Sachwissenschaften" (Wüster 1974, 61) charakterisiert worden. Hauptgegenstände einer allgemeinen Theorie der Terminologie sind: das Wesen der Begriffe und die Begriffsbildung; die Merkmale der Begriffe; die Relationen zwischen den Begriffen in Begriffssystemen ; die Beschreibung der Begriffe (durch Definitionen) ; die Zuordnung von Terminus und Begriff bzw. Begriff und Terminus; das Wesen der Termini und ihre Bildung (Felber 1979, 20). Im Laufe ihrer Bearbeitung haben sich ganze terminologische Schulen herausgebildet, die eine enge Zusammenarbeit pflegen. Die bekanntesten davon sind die von E. Wüster (1898—1977) gegründete Wiener Schule und die auf D. S. Lotte (1898—1950) zurückgehende Moskauer Schule. Aber auch anderswo wurde auf dem Gebiet der allgemeinen Terminologielehre Bedeutendes geleistet, so z. B. in der ÖSSR (Akademie der Wissenschaften), in der B R D (VDI und DIN) und neuerdings auch in Kanada (OLF)* sowie in Skandinavien (Nordterm). Wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche internationale Kooperation bei der Terminologiearbeit ist eine funktionstüchtige, zentralisierte Information und Dokumentation. Sie liegt seit 1971 in den Händen von Infoterm** beim Österreichischen Normungsinstitut (Felber/Krommer-Benz 1979; Termnet News 1980ff. ; Wüster 1974) und wird im Rahmen des UNISIST*** der UNESCO systematisch ausgebaut. Das Informationszentrum hat die terminologischen Aktivitäten in der ganzen Welt zu koordinieren und dabei folgende spezielle Aufgaben zu erfüllen: Sammlung von Publikationen zur Terminologie, insbesondere von Standards und Prinzipien sowie von Fachwörterbüchern; Information über terminologische Bibliotheken und ihre Bestände; Verbreitung von Informationen über existierende und in Vorbereitung befindliche Publikationen zur Terminologie; Information über Terminologiekurse; Beratung von Institutionen, besonders in Entwicklungsländern; Koordinierung von Terminologiebanken; Planung der internationalen Terminologiearbeit; Verbreitung des Wissens über die Anwendung terminologischer Grundsätze und Methoden ; Organisierung von Gemeinschaf tsprojekten (internationale Bibliographien u. ä.) ; Organisierung von Tagungen, Symposien und Seminaren zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Terminologie (Felber/Krommer-Benz 1979, 80f. ; Krommer-Benz 1981; Wüster 1974, 143f.). * OLP = Office de la Langue Française. ** Infoterm = International Information Centre for Terminology. *** UNISIST = United Nations Information System in Science and, Technology.

29

1.1.1.5.

Das Wesen der Fachsprachen in lexikologisch-terminologischer

Sicht

Aus lexikologisch-terminologischer Sicht erscheinen Fachsprachen als „Zwecksprachen" (Buchmann 1960, 296; Gremminger 1954, 203; Kandier 1956, 265; Porzig 1957, 258; Wüster 1970, 1), die ihre Aufgabe, „bloß Mittel der Mitteilung . . . für Wahrheiten und Tatsachen" (Wüster 1970, 1) zu sein, vorwiegend über den Fachwortschatz bzw. die Terminologie realisieren. Das Ideal wird „in einer völligen Übereinstimmung zwischen Wortfeld und Sachbereich" (Weisgerber 1954, 95f.) gesehen. Die Wortwahl im Fachtext wird durch das Streben nach Klarheit und Eindeutigkeit bestimmt. Sie prägt den Stil des Technikers, des Naturwissenschaftlers und des Geisteswissenschaftlers (Gremminger 1954). Anderseits errichtet sie aber auch Barrieren für die Verständigung zwischen Fachleuten und Laien; die Letztgenannten „verstehen einfach die entscheidenden Wörter nicht" (Porzig 1957, 219). Eigene syntaktische Mittel werden den Fachsprachen gewöhnlich ganz abgesprochen (Buchmann 1960, 292; Seibicke 1959, 75); gelegentlich werden eine spezifische statistische Distribution der grammatischen Muster (Halliday 1969, 31) oder eine besondere Auswahl bzw. Beschränkung der syntaktischen Mittel (Phal 1968, 8) für möglich gehalten. Nur ganz ausnahmsweise ist einmal von der Gesamtheit der sprachlichen Mittel die Rede, die „Fachleute für die Verständigung auf ihrem Sondergebiet ausgebildet haben, weil dabei ganz besondere Leistungen von der Sprache verlangt werden" (Porzig 1957, 258); aber auch in dieser Gesamtheit steht die Lexik an erster Stelle. Beruhte die Betonung des Fachwortschatzes bis zum Ende der 60er Jahre darauf, daß zuverlässige Untersuchungsergebnisse auf den anderen Ebenen des sprachlichen Systems fehlten und auch eine umfassende Theorie der Fachsprachen nicht zur Verfügung stand, so haben wir es bei der modernen Terminologiearbeit mit der bewußten Beschränkung auf einen Teilbereich der Fachsprachenforschung zu tun, die aus den Anforderungen der wissenschaftlich-technischen Entwicklung resultiert. Daß dabei zugleich eine Teiltheorie — die allgemeine Terminologielehre — entstanden ist, kann als wichtiger Schritt bei der Aufhellung des Wesens der Fachsprachen gewertet werden. In engem Zusammenhang mit der Konzentration auf die Benennungsfunktion der Fachsprachen steht auch die Neigung der lexikologisch-terminologischen Richtung, soziolinguistische und pragmatische Aspekte zugunsten einer semantischen bzw. logischen und sigmatischen bzw. ontologischen Betrachtungsweise auszuklammern: „Im Unterschied von den Sondersprachen ist aber die Fachsprache von der Sache her und nicht vom Personenkreis bestimmt" (Porzig 1957, 219). Besonders deutlich wird das in der folgenden Formulierung: „Im Schwerpunkt ihres Begriffs steht nicht eine Sprachgemeinschaft, sondern die (gegenständliche) Welt. Fachsprachen erfassen sach30

lieh Neues. Sie erschließen bestimmte Sachgebiete, neue Weltausschnitte. I n ihnen liegt die Sprache vor Ort. I n ihnen vor allem vollzieht sich der sprachliche Fortschritt. Von hier gehen die großen Umwälzungen aus, die aufs Sprachganze zurückwirken. Ihr Wortschatz verdoppelt den gemeinsprachlichen nicht, er erweitert ihn vielmehr in einem Teilgebiet. Die Fachsprachen werden immer selbständiger und wichtiger mit der zunehmenden geistigen Zergliederung der Welt" (Stroh 1952, 335f.).

1.1.2. 1.1.2.1.

Die funktionalsprachliche Betrachtung Die funktionale Differenzierung der Sprache(n)

Die funktionale Betrachtung der Fachsprachen hat ihren Ausgang von der Prager linguistischen Schule (Cercle linguistique de Prague) genommen (Beneä/Vachek 1971; Kondrasov 1967; Scharnhorst/Ising 1976; Vachek 1960; 1964; Weise 1978). Es führt ein ziemlich direkter Weg von den 1929 erschienenen Thesen des Prager Linguistenkreises, insbesondere von These 1, wo die Sprache aus funktionaler Sicht als System von Ausdrucksmitteln charakterisiert wird, das einem bestimmten Ziel dient (Kondrasov .1967, 17), über die funktionale Differenzierung der Schriftsprache (Gavranek 1967) zur Typologie der Stilgattungen der wissenschaftlichen Prosa (Benes 1969). Für die Fachsprachenforschung sind vor allem B. Havräneks Gedanken über die funktionalen Unterschiede in der Schrift- bzw. Literatursprache anregend. Der Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung: „. . . die Auswahl der sprachlichen Mittel in konkreten sprachlichen Aussagen hängt vom Ziel der Aussage a b : sie ist auf die Funktion der Aussage gerichtet" (Gavranek 1967a, 346). Diese Feststellung erfährt jedoch eine wichtige Ergänzung: „Aber wie vielfältig die Mittel der funktionalen und stilistischen Differenzierung, vor allem die syntaktischen und lexikalischen, auch sein mögen, von Bedeutung sind nicht nur der Bestand an unterschiedlichen Wörtern und grammatischen Formen, sondern auch die verschiedenen Verwendungsweisen der sprachlichen Mittel oder ihre spezielle Anpassung an unterschiedliche Aufgaben der Literatursprache" (Gavranek 1967a, 349). Schon hier wird deutlich, daß die funktionalsprachliche Betrachtung über die lexikalischen Mittel der Fachsprachen hinausgeht. Havranek unterscheidet vier Funktionen der Literatursprache: 1. die kommunikative; 2. die praktisch spezielle; 3. die theoretisch spezielle; 4. die ästhetische. Die ersten drei faßt er als Sprache der Mitteilung zusammen, während die vierte eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Den vier Funktionen sind vier „funktionale Sprachen" zugeordnet: 1. die Alltagssprache; 2. die Sachsprache; 3. die wissenschaftliche Sprache; 4. die poetische Sprache (Gavranek 1967 a, 365). Stimmt man dieser Einteilung zu, dann hat es die Fachsprachenforschung 31

vor allem mit der Sachsprache (2.) und der wissenschaftlichen Sprache (3.) zu tun. In der funktionalen Stilistik entsprächen ihnen die Kategorien .praktischer Sachstil' und wissenschaftlicher Sachstil' (Benes 1969, 227ff.).

1.1.2.2.

Die Kriterien für die Klassifizierung von Fachtexten

Wenngleich der folgende Klassifizierungsvorschlag aus einer Typologie der Stilgattungen (Benes 1969) stammt, so steht er doch der Lehre von den Funktionalsprachen näher als dem Konzept der funktionalen Stilistik (1.1.4.). E . Benes unterscheidet aus der Sicht der Prager Schule vier Kriterien zur Charakterisierung von Fachtexten: 1. Kommunikationsbereich und Themenkreis; 2. Fachlichkeitsgrad; 3. Medium der Mitteilung; 4. Art der Stoffbehandlung. Hinter jedem dieser Kriterien steht eine Gruppe von Merkmalen, die eine typologische Einordnung und zugleich eine verbale Beschreibung jedes Textes möglich machen (Benes 1969, 227ff.): Abb. 1 1.

Kommunikationsbereiche: Dichtung

wissenschaftlicher Sachstil

praktischer Sachstil

Kunstkritik Kunstwissenschaft Geschichtswissenschaft andere Gesellschaftswissenschaften: Philosophie, Soziologie, Ökonomik, Rechtswissenschaft, Sprachwissenschaft, Psychologie Logik Naturwissenschaften: Biologie, Geologie, Chemie Physik, Mathematik Zoologie, Botanik, physikalische Geographie Astronomie Angewandte Naturwissenschaften: Medizin, Landwirtschaft technische Wissenschaften militärische Wissenschaften Wirtschaft, Technik, Militär Handwerk u. a. praktische Tätigkeiten, Sport, verschiedene Liebhabereien Konversation

32

2. Fachlichkeitsgrad: Einstellung zum Empfänger: Forscherstil (Monographien, Zeitschriftenaufsätze, die tiefe Fachkenntnis voraussetzen) Belehrender Stil (Einführungen, Zusammenfassung der Ergebnisse) Stil der Lehrbücher (Kompendien, Aufrisse, Grundrisse) Lexikonstil Nachschlagebücher und Wegweiser (Übergang zum praktischen Sachstil) Populärwissenschaftlicher Stil. Essayistik Randzone der Sachprosa ist der Stil der Publizistik. 3. Medium der Mitteilung: Sachstil vorwiegend graphisch. Kompositionsgliederung durch Absätze, Titel, Zwischentitel, Marginalien (Anmerkungen, Randbemerkungen), Numerierung, Ausdrucksökonomie durch Ziffern, Abkürzungen, Zeichen. Unterscheidung der Textwichtigkeit durch verschiedene Schrifttypen; Parenthesen, Fußnoten, Hinweise und Erläuterungen. Tabellen, Graphen, Illustrationen. Sonderform der geschriebenen Sachprosa ist der offizielle Briefstil. Diese drei Kriterien erfassen die stilbildenden Faktoren (Ziele, Bedingungen, Anwendungsgebiet) der individuellen Stile, zu denen auch die funktionalen Redestile gehören. 4. Art der Stoffbehandlung (Stilverfahren, Darstellungsarten): Bericht (Laborbericht, Kontrollbericht, Untersuchungsbericht, Versuchsprogramm, Arbeitsplan, Wettervorhersage) (Aktennotiz, Rezension) (Referat, Thesen, Zusammenfassung, Konspekt) Erzählung (Memoiren; einmalige Geschehnisse, Entdeckungen usw.) Beschreibung (Gegenstände, Vorgänge, Charakteristika) (Befunde, Gutachten) Erörterung (Untersuchung oder Darlegung gesetzmäßiger Beziehungen) Betrachtung (Beweisführung, Wertung) (Forschungsbericht, historischer Überblick, Stellungnahme, Kritik). Aus der K o m b i n a t i o n dieser Kriterien ergibt sich für jeden F a c h t e x t eine vierfache Markierung, z. B . populärwissenschaftliche (2) Beschreibung (4) einer technischen (1) Erfindung in schriftlicher (3) Form. Diese Klassifizierung mag, v o m gegenwärtigen S t a n d der fachsprachlichen Forschung betrachtet, in bezug auf Kommunikationsbereich u n d T h e m e n kreise noch zu grob sein und auch der Untergliederung jeder einzelnen Disziplin i n einen mehr theoretischen u n d einen mehr praktischen Bereich nicht genügend gerecht werden. Mit d e n beiden ersten Kriterien aber m a c h t sie auf die Notwendigkeit aufmerksam, die horizontale Gliederung u n d die vertikale Schichtung der Fachsprachen zu berücksichtigen ( H o f f m a n n 1974, 1 0 7 - 1 1 2 ; Ischreyt 1965, 3 9 f . ; Mackensen 1959, 295).

3

Fachsprache

33

1.1.2.3. Die Fachsprachen

als Erscheinungsform

der Sprache

Die funktionsorientierte Sprachbetrachtung der Prager Schule hat einen nachhaltigen Einiluß auf die Fachsprachenforschung in vielen Ländern der Welt ausgeübt und dabei eine Weiterentwicklung in verschiedenen Richtungen erlebt. Eine dieser Richtungen ersetzt den Begriff der funktionalen Sprachen durch den der Erscheinungsformen der Sprache (Schmidt 1969; Schmidt/Scherzberg 1968). W. Schmidt geht davon aus, daß die Abgrenzung der Erscheinungsformen der Sprache untereinander nach dem Träger, dem Geltungsbereich und der Art der Äußerung erfolgen kann (Schmidt 1968, 65). Er unterscheidet grundsätzlich Gruppensprachen und Fachsprachen; die ersten sind sozial bedingt, die letzteren von der Sprache, d. h. vom Thema her. Gruppensprachen sind nach Schmidt „. . . die sondersprachlichen Formen, . . ., die innerhalb bestimmter sozialer Gruppen mit gemeinsamen Lebensbedingungen entstehen und deren Gebrauch den Sprecher als Angehörigen der betreffenden Gruppe ausweist" (Schmidt/Scherzberg 1968, 66). Das betrifft z. B. Seeleute, Jäger, Schüler, Studenten, Gangster u. a. Die Fachsprachen dagegen sind nicht der Ausdruck des Strebens einzelner sozialer Gruppen nach Absonderung. Ihr Entstehen ist von der Sache her bedingt. Schmidt definiert die Fachsprachen vorläufig als „. . . Erscheinungsformen der Sprache, die der sachgebundenen Kommunikation unter Fachleuten in den verschiedenen Bereichen von Wissenschaft und Technik, Wirtschaft, Politik und Kultur dienen. Die speziellen Mittel der Fachsprachen . . . dienen dem fachgerechten Ausdruck, der genauen und differenzierten Bezeichnung der Sachverhalte in den genannten Fachbereichen" (Schmidt/Scherzberg 1968, 66). Bei den speziellen Mitteln der Fachsprachen steht zwar für W. Schmidt auch die Terminologie im Vordergrund. Er akzeptiert aber auch als ein Merkmal der Fachsprachen die „spezifische Auswahl und Verwendungsweise der grammatischen — und auch der nichtterminologischen lexikalischen — Mittel" (Schmidt/Scherzberg 1968, 67). W. Reinhardt hat die Schmidtsche Grundvorstellung, gestützt auf eigene Untersuchungen zur deutschen Sprache der Technik, in das Schema Abb. 2 gebracht (Reinhardt 1969). Ihm entspricht im wesentlichen auch die spätere Definition Schmidts: Fachsprache ist danach „. . . das Mittel einer optimalen Verständigung über ein Fachgebiet unter Fachleuten. Sie ist gekennzeichnet durch einen spezifischen Fachwortschatz und spezielle Normen für die Auswahl, Verwendung und Frequenz gemeinsprachlicher lexikalischer und grammatischer Mittel; sie existiert nicht als selbständige Erscheinungsform der Sprache, sondern wird in Fachtexten aktualisiert, die außer der fachsprachlichen Schicht immer gemeinsprachliche Elemente enthalten" (Schmidt 1969, 17). Mit der letzten Feststellung rückt Schmidt zwar von seiner ursprünglichen Position — Fachsprachen als Erscheinungsformen der Sprache — ab; wichtiger ist jedoch 34

Abb. 2 Fachproblem

I

Fachsprache (spezielle syntaktische Mittel)

Normen und Tendenzen in der Auswahl, spezifische Verwendungsweisen allgemeine syntaktische Mittel

spezielle lexikalische Mittel

allgemeine lexikalische Mittel

der kommunikative Ansatz, der sich hier mit dem funktionalsprachlichen verbindet und später in das Konzept der kommunikativ-funktionalen Sprachbetrachtung eingeht, das auch in der Fachsprachenforschung nachhaltig wirkt (Beier 1980; Boeck 1978; 1981; Bock 1976; Gerbert 1976; Mattusch 1981; Schmidt 1981; Troebes 1972; Weise 1980). Mit der Untersuchung fachsprachlicher Kommunikationsverfahren — Explizieren, Argumentieren, Informieren u. a. — hat die funktionalsprachliche Richtung die einseitige Betonung der Lexik und vereinzelter grammatischer Phänomene überwunden, aber gleichzeitig den Systembezug hintenan gestellt. Sie wirkt jedoch nicht nur nach dieser Seite, sondern bleibt zuweilen auch der Tradition stärker verhaftet (Gnutzmann 1980).

1.1.2.4. Die Fachsprachen als eingeschränkter Sprachgebrauch Der funktionalen Sprachbetrachtung sehr nahe stehen die Anschauungen einer ganzen Reihe weiterer Autoren, die in den Fachsprachen nichts anderes sehen als einen besonderen oder eingeschränkten Gebrauch der Gemeinsprache (Halliday 1969; Phal 1968). Das ist beispielsweise an dem Schema Abb. 3 zu erkennen (Phal 1968, 8). A. Phal weist zudem auf die starke Differenziertheit innerhalb der Fachsprachen hin. F ü r die Sprache von Wissenschaft und Technik unterscheidet er als Verwendungsbereiche einmal die Grundlagenwissenschaften von der angewandten Technik, dann die Mutterwissenschaften von ihren Abzweigungen und schließlich die echte Wissenschaft von ihrer Popularisierung. Unterschiede sieht er — vor allem im Wortschatz — zwischen den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen. E r weist aber auch auf ihre wechselseitige Durchdringung hin. So gelangt Phal zu zwei Arten von Kennzeichen f ü r die Wissenschaftssprache: 1. denjenigen, die den einzelnen Wissenschaftsdisziplinen eigen sind und sie voneinander unterscheiden; sie spielen eine statische Rolle in der Sprache, 3»

35

Abb. 3 Sprache

Gemeinsprache

allgemeinwissenschaftliche Sprache

Fachsprache

Lexik

allgemeiner Wortschatz (aW)

allgemeinwissenschaftlicher Wortschatz — dem allgemeinen Wortschatz entlehnt, aber stärker eingeengt (awW .

.

Die Punkte in der Skala sollen andeuten, daß zwischen die untersuchten Fachsprachen andere, noch nicht untersuchte treten können, so daß sich der Überblick allmählich vervollständigt. Das wird durch die fachsprachliche Forschung in den nächsten Jahren laufend geschehen. Schon jetzt bietet sich auch die Möglichkeit, die Forschungsergebnisse anderer Einrichtungen in die Skala einzuarbeiten, so etwa die Fachsprache des Militärwesens (Kolguskin 1970), die von der sowjetischen Forschungsgruppe „Statistika refii" untersuchten Subsprachen, die zwischen den Fachsprachen der Technik und der Naturwissenschaften einzuordnen sind (Piotrovskij 1968; 1971; 1973; 1974; 1980), die Fachsprache des Schlosserhandwerks als eine der seltenen Vertreterinnen der Kommunikationsbereiche der materiellen Produktion (Zasorina/Zubkova/Kaplinskaja 1966) u. a. Größere Sicherheit muß noch f ü r die technischen Wissenschaften erzielt werden, und auch die Lücke für die materielle Produktion ist noch zu schließen. Durch Untersuchungen zur Syntax wird das Bild nicht wesentlich verändert. Aus den wenigen bereits vorliegenden geht zumindest schon hervor, daß die Syntax der Gesellschaftswissenschaften der der künstlerischen Prosa am nächsten steht; in weiterer Entfernung finden wir dann die der angewandten Wissenschaften und der Technik; den größten Abstand hält die Syntax der Naturwissenschaften. Auch hier liegen zu den Fachsprachen der materiellen Produktion noch keine Angaben vor. Für die Syntax des mündlichen Sprachgebrauchs gilt eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der Umgangssprache und der angewandt-praktischen Schicht der Fachsprachen und eine starke Angleichung des mündlichen Sprachgebrauchs der theoretischen Wissenschaften an den schriftlichen. Es gibt allerdings interessante Spezifika in einigen Fachsprachen, z. B. den Fachsprachen des Militärwesens, des Sports u. a. (Schütze 1978; Riedel 1975). Die Skala der horizontalen Gliederung ergibt sich aus dem Vergleich der sprachlichen Mittel der einzelnen Fachsprachen untereinander oder mit denen einer anderen Subsprache, f ü r die wir der Einfachheit halber wieder die künstlerische Prosa setzen. Dieser Vergleich kann auf allen sprachlichen Ebenen gezogen werden. Der Grad der Unterschiede ist dabei, wie wir noch sehen werden, nicht nur von Subsprache zu Subsprache insgesamt, sondern auch auf jeder sprachlichen Ebene unterschiedlich. Immer aber läßt sich das Verhältnis der Vergleichspartner zueinander in einer allgemeinen Darstellung veranschaulichen. Da es sich bei den sprachlichen Mitteln jeder Sub- bzw. Fachsprache um Mengen handelt, liefert uns die Mengentheorie eine einfache Handhabe dazu. Aus dieser Sicht gibt es theoretisch vier grundsätzliche Möglichkeiten f ü r die Relation, in der Mengen von Elementen zueinander stehen können: 1. zwei Mengen und M^ können keinerlei gemeinsame Elemente haben (Mt U M 2 ); 2. zwei Mengen M( und M2 können alle Elemente gemeinsam haben (M1 = M 2 ); 3. eine kleinere Menge M2 kann Teil (Submenge) einer größeren Menge M^ 59

sein (Mj DM 2 ); 4. zwei Mengen M[ und M2 können einen Teil ihrer Elemente gemeinsam haben (M4 f | M2). Graphisch läßt sich das so darstellen: Abb. 8 1.

2.

M, U M 2

M, = M 2

3.

MPM

4.

2

M,NM2

(Wir haben bewußt Kreisflächen unterschiedlicher Größe gewählt, weil die Zahl — die Menge — der ^Elemente bei jeder Subsprache unterschiedlich sein kann.) Schon eine oberflächliche Betrachtung zeigt, daß f ü r das Verhältnis zwischen den Subsprachen bzw. Fachsprachen, wie wir sie definiert haben, nur die vierte Relation zutrifft. Dabei kann der Anteil an gemeinsamen sprachlichen Mitteln (Überschneidung, Durchschnitt) unterschiedlich groß sein. E r läßt sich, zur Gesamtmenge der Fachsprachen in Beziehung gesetzt, in Prozenten ausdrücken. Da sich da.bei f ü r verschieden große Mengen jeweils zwei unterschiedliche Prozentzahlen ergeben (700 Wörter, die sowohl in der Fachsprache! als auch in der Fachsprache 2 auftreten, können 7 % der Fachsprache^ ausmachen, wenn diese insgesamt 10000 Wörter hat, und 14 °/0 der Fachsprache 2 , wenn diese über nur 5000 lexikalische Einheiten verfügt), empfiehlt es sich, nur die jeweils häufigsten 1200, 2000 oder höchstens 2400 Einheiten beider Fachsprachen miteinander zu vergleichen. Auf diese Weise erhält man f ü r jedes verglichene Paar einen Identitätsprozentsatz, den man auch in einen Korrelationskoeffizienten umrechnen kann. J e nach der Größe dieses Prozentsatzes oder Koeffizienten kann man von jeder Fachsprache aus die Entfernung zu den übrigen bestimmen, z. B. Fachsprache Physik — Fachsprache Philosophie 46,0 % Fachsprache Medizin 46,5 % Fachsprache Chemie 54,2 % Fachsprache Mathematik 55,5 % Künstlerische Prosa 26,4 % oder: 60

Fachsprache Philosophie — Fachsprache Chemie 40,8 % Fachsprache Medizin 40,1 % Fachsprache Physik 39,7 % Künstlerische Prosa 37,5 % Das ergäbe dann folgende Anordnung: Abb. 9 Physik

Mathematik

Philosophie

Chemie

Chemie

Medizin

Philosophie

Medizin

Physik

Künstl. Prosa

Künstl. Prosa

Für eine Gesamtübersicht eignet sich als Bezugsgröße am ehesten die künstlerische Prosa, so wie das Abb. 7 zeigt. Die Position der einzelnen Fachsprachen ergibt sich dann aus ihrem Identitätsgrad mit einer ihnen ferner liegenden Subsprache. Dadurch bleibt genügend Raum für eine große Zahl von Fachsprachen. In Zweifelsfällen kann der zusätzliche Vergleich zwischen den einzelnen Fachsprachen den Ausschlag geben. Noch genauer und aussagekräftiger würden diese Skalen, wenn man ihnen nicht nur den Identitätsprozentsatz, sondern den Rangkorrelationskoeffizienten zu Grunde legte. Für Mengen mit einer großen Zahl von Elementen, wie z. B. die Lexik, erfordert das jedoch aufwendige Berechnungen, die nicht mehr im Verhältnis zum praktischen Nutzen unserer Untersuchungen stehen. Die geschilderten Vergleichsmethoden basieren auf einfachen statistischen Verfahren. Sie lassen sich nicht nur auf die Lexik anwenden, die wir bei unseren bisherigen Erörterungen vorwiegend im Auge hatten, sondern ebenso auf die anderen sprachlichen Ebenen. Es gibt also zwischen den einzelnen Subsprachen auch unterschiedliche Entfernungen in bezug auf die Verwendung von Phonemen bzw. Graphemen, Morphemen, Syntagmen, Phrasen, Sätzen u. a. Elementen bis zum Auftreten von Symbolen, Formeln, graphischen Darstellungen usw. Erst sie alle zusammengenommen ergeben ein endgültiges Bild von dem, was die Subsprachen voneinander trennt und was sie vereint. Das Bemühen, alle Fachsprachen an gewissen einheitlichen Kriterien zu messen, um so zu einer in sich geschlossenen Darstellung zu kommen, schließt Vergleiche anderer Art nicht aus. Es ist also durchaus möglich, Fachsprachen einander im Hinblick auf den Umfang ihres Inventars (die Zahl der Elemente der Menge) gegenüberzustellen. Von großer Bedeutung sind auch vergleichende 61

semantische Analysen, aus denen hervorgeht, mit welch unterschiedlicher Bedeutung formal gleichartige sprachliche Mittel in den verschiedenen Fachsprachen verwendet werden.

1.1.7.5.

Die „allgemeine wissenschaftliche

Fachsprache"

I m Zusammenhang mit der horizontalen Gliederung der Fachsprachen ist die Frage berechtigt, ob es nicht so etwas gibt wie eine allgemeine wissenschaftliche, eine — wie H . Ischreyt es formuliert — „einheitliche naturwissenschaftlich-technische Fachsprache" (Ischreyt 1958, 65) oder etwas Ähnliches f ü r die Produktion. W e n n wir bei unserer Vorstellung von den Fachsprachen als Verständigungsmittel in relativ klar voneinander abgegrenzten K o m m u n i k a tionsbereichen und der Gemeinsprache als Gesamtheit aller sprachlichen Mittel bleiben, d a n n m ü ß t e eine solche allgemein-wissenschaftliche bzw. allgemein-technische Sprache oder eine allgemeine Sprache der Produktion zwischen ihnen liegen. Da wir die Gesamtsprache als Abstraktion und n u r die einzelnen Subsprachen als konkrete Realisierungen ansehen, ist zu entscheiden, ob die „allgemeine Fachsprache" ein wirkliches Kommunikationsmittel oder ebenfalls eine Abstraktion ist. Wäre das erste der Fall d a n n h ä t t e n wir es mit einer Art allgemeinem Kommunikationsmittel f ü r fachliche Belange zu tun, aus dem die einzelnen Fachsprachen f ü r speziellere Zwecke herauswachsen. Im zweiten Fäll handelte es sich um nichts weiter als die Gesamtheit der sprachlichen Mittel, die in allen Fachsprachen auftreten. Möglich wäre noch eine dritte Variante, bei der überhaupt alle Mittel der Fachsprachen zu einem Komplex zusammengefaßt würden. Die erste Deutung k o m m t u. E. nicht in Betracht. Die Bindung der Fachsprachen an bestimmte Kommunikations- und damit auch Tätigkeitsbereiche gestattet es, jeden Kommunikationsakt zusammen mit der Situation, in der er a u f t r i t t , konkret einzuordnen. E s bleibt also f ü r eine allgemeine fachliche Kommunikation nichts übrig. Auch Äußerungen zu grundsätzlichen Problemen, die alle Fachgebiete betreffen, z. B. zur Entwicklung der Produktivk r ä f t e und darunter auch der Wissenschaft und Technik oder zu wissenschaftspolitischen Fragen, lassen sich ohne weiteres in den einzelnen Fachsprachen unterbringen. Populärwissenschaftliche Darstellungen können mit dieser ersten Deutung ebenfalls nicht gemeint sein, da auch sie meistens ein bestimmtes Fach zum Gegenstand haben. Die dritte Variante wäre zwar denkbar, h ä t t e aber n u r Sinn, wenn sie die K o n f r o n t a t i o n aller fachsprachlichen Mittel mit den Mitteln anderer Gruppen von Subsprachen zum Ziele hätte. Man könnte sich vorstellen, d a ß die künstlerische Prosa, die Poesie und die D r a m a t i k — sofern m a n sie als Subsprachen betrachten darf — zu einer Gruppe zusammengefaßt würden. Solche Komplexbildungen aus mehreren Subsprachen sind jedoch n u r dann zweckmäßig, 62

wenn dadurch nicht zu große und undifferenzierte Mengen sprachlicher Elemente entstehen, die schon sehr nahe an der Gesamtsprache liegen. Bei den Fachsprachen wäre eine Zusammenfassung zu bestimmten Komplexen denkbar: Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Technische Wissenschaften, Materielle Produktion usw. Aber die Stärke fachsprachlicher Untersuchungen liegt nicht in der Vereinigung der Subsprachen zu Gruppen, sondern in ihrer immer weiter fortschreitenden Differenzierung, die der zunehmenden Spezialisierung der menschlichen Tätigkeiten direkt entspricht. Bleibt also die zweite Lösung: die Gesamtheit der Mittel, die in allen Fachsprachen auftreten. Von ihr gehen fast alle Untersuchungen aus, die zur Erfassung des „allgemeinwissenschaftlichen Wortschatzes" führen sollen. Wichtige Ergebnisse liegen hier schon für die russische und die französische Sprache vor. Wir verdanken sie vor allem I. Schilling (1965), E. M. Stepanova (1970), P. N. Denisov, V. V. Morkovkin, J u . A. Saf'jan (1978) und A. Phal (1971). Sie repräsentieren allerdings verschiedene methodische Richtungen. E. M. Stepanova und P. N. Denisov stützen sich auf eine statistische Analyse. Das Hauptkriterium ist für sie die Häufigkeit der Wörter im Text. Ihr Wörterbuch enthält also die häufigsten lexikalischen Einheiten einer Reihe wissenschaftlicher Disziplinen. I. Schilling zählt nicht, wie oft das einzelne Wort in Fachtexten auftritt; sie stellt fest, in wievielen Fachrichtungen es anzutreffen ist. Ihr Kriterium ist also — statistisch ausgedrückt — der „ränge". Ihre Wortzusammenstellung enthält die lexikalischen Einheiten, die „in wissenschaftlichen Publikationen aus verschiedensten Wissensgebieten" (Schilling 1965, VI) — insgesamt wurden wohl 13 berücksichtigt — gleichermaßen anzutreffen sind. Beide Kriterien lassen sich sehr gut miteinander vereinigen, wie wir das bei der statistischen Analyse von Fachwortschätzen praktiziert haben (Hoffmann 1970; 1970a; 1973; 1976; 1976a; 1978), um ein höheres Maß an Gewißheit zu erlangen, und wie das auch bei A. Phal geschehen ist. Versuche dieser Art sind bisher wohl nur auf der Ebene der Lexik unternommen worden; sie haben große Bedeutung für die fachsprachliche Ausbildung als Grundlage für ein lexikalisches Minimum. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß der Begriff „allgemeinwissenschaftlich" hier nicht wörtlich zu nehmen ist. A l l e Wissenschaften sind bisher in keinem Fall berücksichtigt worden und konnten es aus vielen Gründen auch nicht werden. I. Schilling hat immerhin eine Reihe von Gesellschaftswissenschaften mit einbezogen. Oft wird aber nur die Sprache der Naturwissenschaften berücksichtigt; so auch bei E. M. Stepanova, deren Quellen der Biologie, der Medizin, der Chemie, der Geologie, der Mathematik und der Physik entstammen. Es läßt sich gegenwärtig noch nicht entscheiden, ob hier wirklich auf Vollständigkeit gedrängt werden sollte. Die Bedenken, die schon bei der dritten Variante angemeldet wurden, gelten auch hier: Eine zu weit getriebene Integration der Fachsprachen verwischt die Erkenntnisse, die sich aus ihrer Differen63

zierung ergeben. Auch bei der Lösung praktischer Aufgaben — z. B . für den Fremdsprachenunterricht — sollte die Zusammenfassung nicht zu weit gehen, wobei es Subsprachen gibt, die sich jeder Vereinigung mit anderen widersetzen; wir denken dabei an die des Militärwesens, des Sports und vieler Spezialgebiete der Technik und der materiellen Produktion. Allerdings sollte man bei rein lexikalischen Untersuchungen nicht stehenbleiben. Auch auf den Ebenen der Morphologie, der Syntax und des Textes gibt es eine ganze Reihe von Erscheinungen, die die einzelnen Fachsprachen miteinander verbinden. Wäre es anders, so hätte die Lehre von den Funktionalstilen schwerlich entstehen können. Was allerdings die Syntax angeht, so wird sich diese nicht nur und nicht in erster Linie in der horizontalen Trennung oder Zusammenfassung der Fachsprachen erschließen, sondern eher in ihrer vertikalen Schichtung, von der jetzt die Rede sein soll.

1.1.7.6. Die vertikale Schichtung der Fachsprachen Wenn wir von v e r t i k a l e r S c h i c h t u n g der Fachsprachen sprechen, dann denken wir dabei weder an eine soziale Stratifikation der Sprachträger noch an eine Wertung der einzelnen Schichten. Wir wollen vielmehr versuchen, die zunehmende Präzisierung zu verfolgen, die die Sprache in der fachlichen Kommunikation erfährt, je weiter diese im Zusammenhang mit ihrer ständigen Vervollkommnung als Erkenntnis- und Kommunikationsinstrument vom Konkreten zum Abstrakten, vom Besonderen zum Allgemeinen, von der Erscheinung zum Wesen vordringt. Es gibt dazu in der Literatur verschiedene Ansatzpunkte. Einer davon wäre die große Zweiteilung in wissenschaftlichen Und praktischen Sachstil. Auch die Grenze zwischen natürlicher und künstlicher Sprache, an die wir in einigen Wissenschaften gelangen, sobald ein bestimmter Abstraktionsgrad erreicht ist, könnte eine Trennlinie zwischen zwei Schichten der Fachsprachen abgeben. Eine weitere Differenzierung ist mehrfach aus dem „Stromkreis" L. Mackensens (1959, 295) abgeleitet worden: Fachsprache — Werkstättensprache — Verbrauchersprache bzw. Verkäufersprache (Schmidt 1969, 18; Ischreyt 1965, 39). Die Wahl dieser Termini ist deshalb nicht sehr glücklich, weil sie nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten getroffen worden ist: „Fachsprache" orientiert sich am Inhalt, „Werkstättensprache" am Ort und „Verbraucher-" bzw. „Verkäufersprache" am Träger der Kommunikation. Natürlich ist es auch hier — ebenso wie bei der horizontalen Gliederung — schwer, eine klare Abgrenzung zu treffen. In der Literatur finden sich bisher keine Hinweise auf Methoden, die in dieser Hinsicht zum Ziele führen könnten (Ischreyt 1965, 39). Zu den Fachsprachen der Technik schreibt H. Ischreyt: „In der Tat hat sich die Sprache der Technik als Folge der Spezialisierung mehr noch als etwa die Sprache des Rechts, die Sprache der 64

Medizin usw. in den letzten Jahrzehnten aufgespalten. Das scheint alle Schichten zu betreffen, so daß es sich wirklich um eine Gliederung handelt, die durch alle Schichten hindurchgeht. Die Werkstättensprachen z. B. im Bereich elektronischer Rechenanlagen, in einem Kernreaktor, in einer Werkzeugmaschinenfabrik und in einem Werk der Kunststoffindustrie unterscheiden sich zwar in anderer Weise, aber mindestens ebenso erheblich wie die wissenschaftlichen und die Verkäufersprachen in denselben Betrieben" (Ischreyt 1965, 39-40). I n diesem Zitat kommt deutlich zum Ausdruck, wie sehr horizontale Gliederung und vertikale Schichtung ineinander übergehen. Wir wollen dennoch versuchen, zu einer akzeptablen Lösung zu gelangen, indem wir als Kriterien die Abstraktionsstufe, die äußere Sprachform, das Milieu und die Teilnehmer an der Kommunikation wählen. Das einfachste wäre es, die einzelnen Schichten nicht mit Namen zu belegen, sondern sie nur durch Symbole zu bezeichnen. Man könnte dann von den Schichten A, B, C, D, E oder I, II, I I I , IV, V usw. sprechen. Da diese Symbole an sich aber nichts aussagen, müßte man jedem von ihnen eine Erläuterung hinzufügen. Diese könnte zunächst allgemein gehalten sein, vielleicht so: (1) A = höchste Abstraktionsstufe B = sehr hohe Abstraktionsstufe C = hohe Abstraktionsstufe D = niedrige Abstraktionsstufe E = sehr niedrige Abstraktionsstufe Daraus ließe sich immer noch wenig entnehmen. Wahrscheinlich kommen wir nicht um eine Charakterisierung der äußeren Sprachform herum, bei der sich folgende Schichtung vorstellen ließe: (2) A = künstliche Symbole f ü r Elemente und Relationen B = künstliche Symbole f ü r Elemente; natürliche Sprache f ü r Relationen (Syntax) C —natürliche Sprache mit einem sehr hohen Anteil an Fachterminologie und einer streng determinierten Syntax D — natürliche Sprache mit einem hohen Anteil an Fachterminologie und einer relativ ungebundenen Syntax E = natürliche Sprache mit einigen Fachtermini und ungebundener Syntax Ergänzen wir, noch das Milieu, in dem diese Sprachschichten gebraucht werden, dann ergibt das: (3) A = theoretische Grundlagenwissenschaften B = experimentelle Wissenschaften C=angewandte Wissenschaften und Technik D=materielle Produktion E = Konsumtion 5

Fachsprache

65

Berücksichtigen wir darüber hinaus die Kommunikationsträger oder -teilnehm er, so erhalten wir: (4) A — Wissenschaftler -«-Konsum enten«-

lO

CO 00

Ol ei

oo

00

2 «I 60 t a W»

IM 00

o"

CD 00

»o CO

© CD

CO CO"

t> gl sä

00



a CS SO

a

P

•P ©

m

p< § & 8 tS a GQ 00 -S 81

der sprachlichen Verständigung, bedingt ist, nicht etwa aus irgendwelcher sprachlicher Weitschweifigkeit. Der niedrige Informationswert, d. h. die niedrige Entropie, kommt dadurch zustande, daß der Fachmann, wenn er einen Fachtext liest, sehr oft nach ein paar Buchstaben oder Wörtern weiß, wie es nur weitergehen kann. Das hat nichts mit der Information über neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder technische Lösungen zu tun. Aus den Erkenntnissen der Informationstheorie über Entropie und Redundanz in den Fachsprachen lassen sich psychologische und didaktisch-methodische Schlußfolgerungen für die Lektüre von Texten in der fachsprachlichen Ausbildung ziehen (Kalinin 1968; Frumkina 1971), die von den Möglichkeiten einer wahrscheinlichkeitstheoretischen Voraussage (Prädiktabilität) ausgehen (Frumkina 1971a). Vor allem aber haben sie Bedeutung für die Schaffung optimaler Kodes zur Nachrichtenübermittlung sowie zur Speicherung Und Verarbeitung von Informationen in traditionellen Einrichtungen und in Maschinen, u. a. im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Dokumentation. Beim Aufbau künstlicher Sprachen und bei der Auswahl ihrer Symbole können sie ebenfalls von Nutzen sein. 2.2.2.

Die Häufigkeit der Grapheme und Phoneme in einzelnen

Sprachen

Doch kehren wir zunächst zu einigen einfachen Beobachtungen zurück. F ü r viele Sprachen liegen gegenwärtig exakte Angaben über die Häufigkeit der Grapheme bzw. Phoneme vor. Sie beruhen zum größten Teil auf der statistischen Analyse von Texten der künstlerischen Prosa und der Presse; zuweilen wurden Ausschnitte aus der Sachprosa, nur selten Fachpublikationen berücksichtigt. Sie sind deshalb nur bedingt repräsentativ für die Gesamtsprache, genügen uns aber für den Vergleich mit den Resultaten fachsprachlicher Untersuchungen, selbst wenn wir sie als Parameter einer anderen Subsprache werten, die nicht zu den Fachsprachen zählt. Wir lassen deshalb hier die Zahlen für das Russische, Englische, Französische und Deutsche folgen: Tab. 2 Englisch.

Russisch a 6 b r n e jk

0,062 0,014 0,038 0,013 0,025 0,072 0,007

3 0,016 H 0,062 fi

82

0,010

p p c T

0,040 0,045 0,053

y 0,021 $ 0,002

x

n

i

0,009

0,004

0,012

in 0,006

m 0,003

a 0,067 b 0,012 c 0,023 d 0,031 e 0,107 f 0,024 g 0,016 h 0,043 i 0,052 j 0,001

n o p q r s t u v w

0,068 0,065 0,016 0,001 0,056 0,050 0,086 0,020 0,008 0,012

Englisch

Russisch K ji M H o n

0,028 0,035 0,026 0,053 0,090 0,023

t» 0,000

h b 8 JO h

0,016 0,014 0,003 0,006 0,018

k 0,004 1 0,028 m 0,021

x y z

0,001 0,012 0,001

Französisch a b c d e f g h i j k 1 m n

0,073 0,007 0,026 0,026 0,133 0,009 0,007 0,007 0,067 0,008 0,000 0,044 0,020 0,056

(0,069) (0,007) (0,033) (0,033) (0,145) (0,012) (0,011) (0,007) (0,068) (0,003) (0,000) (0,032) (0,029) (0,066)

o 0,041 (0,048) p 0,023 (0,024) q 0,010 (0,004) r 0,052 (0,074) s 0,065 (0,060) t 0,062 (0,059) u 0,054 (0,038) v 0,015 (0,012) w (0,000 (0,000) x 0,003 (0,003) y 0,001 (0,002) z 0,001 (0,001) Lücken 0,190 (0,160)

Deutsch a b c d e f

0,044 0,016 0,023 0,048 0,141 0,015 g 0,027 h 0,035 i 0,065 j 0,003 k 0,014 1 0,032 m 0,022

n o P q r s t u V w X y z

0,083 0,022 0,008 0,000 0,067 0,055 0,055 0,035 0,007 0,013 0,0004 0,0003 0,010

ä 0,004 ü 0,006 ß 0,002 ö 0,002 Lücken 0,121 K o m m a 0,008 P u n k t 0,0064 Bindestrich 0,001 Klammer 0,000 Anführungsstriche 0,001 Semikolon 0,0001 Doppelpunkt 0,0004 Gedankenstrich 0,0002 Fragezeichen 0,0002 Ausrufungszeichen 0,0002

(N. D. Andreev, Statistiko-kombinatornye metody v teoretiöeskom i prikladnom jazykovedenii, Leningrad 1967, S. 226,231,232.) 6«

83

Alle Tabellen dieser Art weichen innerhalb bestimmter Grenzen voneinander ab. Die Ursachen dafür liegenvor allem im Quellenmaterial. Schon daraus läßt sich erkennen, daß die statistische Distribution der Grapheme in verschiedenen Texten unterschiedlich ist. Das gilt dann auch für die verschiedenen Subsprachen insgesamt. Bei den hier angeführten Übersichten sind außerdem zwei grundverschiedene Methoden angewendet worden. Die Untersuchungen zur Informationstheorie zählen die Lücken mit, in anderen geschieht das nicht. Dadurch entstehen natürlich verschiedene Bezugsgrößen (100% bzw. 1,00), so daß man beim Vergleich die Prozentwerte umrechnen muß. Noch größere Diskrepanzen ergeben sich, wenn die Laute des mündlichen Sprachgebrauchs zum statistischen Element erhoben werden (Zipf 1929; Dewey 1923). Ahnliche Zählungen lassen sich nicht nur an einzelnen Buchstaben, sondern an zwei-, drei- und mehrstelligen Buchstabenverbindungen (Clusters) vornehmen (Piotrovskij 1968). Darauf können wir hier nicht näher eingehen. Es kam uns lediglich darauf an, die Grundpositionen für fachsprachliche Untersuchungen auf dieser Ebene zu klären. 2.2.3.

Die Häufigkeit der Grapheme und Phoneme in Stilen und Subsprachen

unterschiedlichen

Die unterschiedliche Häufigkeit der Phoneme und ihrer Kombinationen in den einzelnen „Stilen" ist schon N. S. Trubeckoj, dem Begründer der modernen Phonologie, aufgefallen (Trubetzkoy 1958). Ihm verdanken wir auch den Hinweis, daß es einmal darauf ankommt, die Häufigkeit bestimmter phonologischer Elemente (Phoneme, Phonemverbindungen, bestimmte Wort- und Morphemtypen) festzustellen, zum anderen aber auch ihre Funktion zu ermitteln; Zählungen der ersten Art sind an zusammenhängenden Texten durchzuführen, Analysen mit dem zweiten Ziel am Wortschatz. Für die fachsprachliche Forschung haben beide Methoden Bedeutung. Trubeckoj hat ein Experiment durchgeführt, das zeigen sollte, wie stark die Häufigkeit phonologischer Erscheinungen von der Auswahl des Textes abhängt, und das deshalb auch für uns von Interesse ist. Er hat K . Bühlers „Sprachtheorie" (Bühler 1934) auf gut Glück aufgeschlagen und auf Seite 23 in einer Stichprobe von 200 Wörtern mit 248 „betonungsfähigen" Morphemen folgende Einheiten gezählt: 204 einsilbige, 37 zweisilbige und 7 dreisilbige. Dann hat er das gleiche Verfahren an einem arideren Buch erprobt, und zwar an den von A. Dirr ausgewählten und übersetzten „Kaukasischen Märchen" (Dirr 1920). In einer Stichprobe gleichen Umfangs fand er nur 220 „betonungsfähige" Morpheme und von diesen 210 einsilbige, 10 zweisilbige und nicht ein dreisilbiges. Unterschiedlich war auch die Wortlänge in beiden Werken: Bei Bühler fand Trubeckoj Wörter verschiedener Länge — von einer 84

bis zu neun Silben; bei Dirr gab es nur Wörter mit ein, zwei und drei Silben, wobei die Masse nur eine Silbe hatte. Im einzelnen ergab sieh folgende prozentuale Verteilung: Tab. 3 Wörter

K. Bühler

A. Dirr

1-silbige

47,5 %

6 7 , 0 o/ 0

2-

"

28,5

28,0

o/o

3-

"

13,5%

5,0

o/o

4-

"

3,5

o/o

-

ö-

"

3 , 0 o/ 0

-

6-

"

3,0

o/o

-

7-

"

0,5

o/o

8-

"



9-

"

0,5

100,0

o/o

-

o/o

o/ 0

-

100,0

o/o

Die Gesamtzahl der Silben in den Stichproben beläuft sich bei Bühler auf 400, bei Dirr auf 276. So beträgt die mittlere Wortlänge bei Bühler 2 Silben, bei Dirr 1,4 Silben. Was nun die Einzelphoneme angeht, so finden sich bei Bühler 400 Vokale und 636 Konsonanten, bei Dirr 276 Vokale und 429 Konsonanten. Jedes Wort bei Bühler enthält im Durchschnitt 3,2 Konsonanten, bei Dirr 2,1 Konsonanten. Das Verhältnis von Konsonanten und Vokalen zueinander ist in beiden Texten etwa dasselbe (61 % z u 39 %). Aber die Gesamtzahl der Phoneme in der Stichprobe aus Bühlers Buch beträgt 1036, in Dirrs Märchen 705; das ergibt ein Verhältnis von annähernd 3 : 2. Trubeckoj erwartet auch von Stichproben größeren Umfangs keine anderen Resultate. Die Ursachen für die Unterschiede sieht er — ein Vertreter der Prager Schule — in der Verschiedenheit der Stile. Das führt ihn zu der Schlußfolgerung, daß die „intellektualisierte gelehrte Rede", die sich an einen Hörer mit ziemlich hohem intellektuellem Niveau wendet, lange, die einfache Erzählung kürzere Wörter bevorzugt. Eine weitere Besonderheit des „wissenschaftlichen Stils" im Deutschen sieht Trubeckoj in der Häufigkeit von Konsonantenverbindungen. Bei Dirr finden sich lediglich 55 davon mit 116 Phonemen, d. h. 27 % aller Konsonanten; bei Bühler sind es dagegen 127 mit 281 Phonemen, also 44 % aller Konsonanten. Aufschlußreich sind auch Trubeckoj s Beobachtungen darüber, wo diese Konsonanten innerhalb des Wortes oder des Morphems auftreten. Ein großer Teil der Verbindungen steht in beiden Texten an der „Morphemfuge" (Bühler 85

42 o/o, Dirr 40 % ) oder am Morphemausgang (Bühler 32 % , Dirr 33 % ) . E i n unterschiedliches JBild ergibt sich aber wieder für den Morpherrianiaufc und -inlaut. Bei Dirr entfallen 2 2 % aller Konsonantenverbindungen-auf den Anlaut und 5 % auf den Inlaut, bei Bühler dagegen 12 % auf den Anlaut und 14 % auf den Inlaut. Die größere Häufigkeit von Konsonantenverbindungen im Morpheminlaut weist auf ein weiteres spezifisches Merkmal des „wissenschaftlichen Stils" im Deutschen hin: die Verwendung einer großen Zahl von Fremdwörtern (Plasma, Ni/rat, Dioptrie, intravenös usw.). F ü r Trubeckoj sind die beiden charakteristischen Stile — die „intellektualisierte gelehrte R e d e " und die „absichtlich schlichte . . . erzählende R e d e " — zwei Pole, zwischen denen irgendwo die anderen Stile hegen. Dieses B i l d paßt sehr gut zu unserer Vorstellung von der Skala der Subsprachen. Während Trubeckoj die Länge der sprachlichen Einheiten und die Häufigkeit der Konsonantenverbindungen als Merkmale der einzelnen Stile anerkennt, mißt er der Häufigkeit der einzelnen Phoneme in dieser Hinsicht keine Bedeutung bei. E r belegt seine Meinung allerdings nur mit den Vokalen und Diphthongen des Deutschen, deren Auftreten in den beiden von ihm analysierten Stichproben tatsächlich keine signifikanten Unterschiede aufweist. Wir werden später sehen, daß sich auch für die einzelnen Phoneme in verschiedenen Texten Unterschiede in der Vorkommenshäufigkeit nachweisen lassen. Doch informieren wir uns vorher noch über die Ergebnisse, zu denen der zweite Weg — die phonologische Statistik des Wortschatzes — führt. Ausgängspunkt ist hier das Verhältnis zwischen dem theoretisch möglichen und dem tatsächlichen Auftreten der Phoneme und ihrer Verbindungen im Wort. Daraus ergibt sich übrigens auch die „natürliche Redundanz" der Sprache; denn von den möglichen Kombinationen werden in den natürlichen Sprachen — im Gegensatz zu der Kombinatorik der Zahlen — bei weitem nicht alle realisiert, um daraus sprachliche Zeichen zu bilden. Vor allem ergeben sich hier Unterschiede zwischen typologisch verschiedenen Sprachen, a n die die modernen statistisch-kombinatorischen Methoden anknüpfen (Andreev 1965; 1967). Schon Trubeckoj operiert mit folgendem Beispiel: I m Deutschen können im Wortanlaut 18 (b, p, m, d, t, n, k, g, c, z, s, f, o, p, h, r, 1, j) und im Wortauslaut 14 Konsonanten (p, m, t, n, k, q, x, c, s, p, f, s, r, 1) stehen; außerdem können alle zehn betonten Vokale diese beiden Positionen einnehmen. D a neun Verbindungen, die wir hier nicht aufzählen wollen, nicht möglich sind, könnte es also theoretisch im Deutschen (18 mal 10) —1 = 179 Wörter vom T y p „Konsonant + V o k a l " und (14 mal 1 0 ) - 8 = 132 Wörter vom T y p „ V o k a l + K o n s o n a n t " geben. Tatsächlich aber ist der erste Typ nur durch 57 W ö r t e r vertreten (du, K u h , wo, roh, B a u , nie, Vieh, sei, geh usw.), der zweite durch 37 (Uhr, ob, aus, im, er, ein, aß usw.). I m Französischen können am W o r t a n fang entsprechend 15, am Wortende 18 Konsonanten auftreten; Vokale sind in geschlossenen Silben 12, in offenen 13 möglich. 24 Verbindungen von Nasalen mit anderen Konsonanten sind nicht zulässig. Also gäbe es für den W o r t -

86

typ „Konsonant + Vokal" 15 mal 1 3 = 1 9 5 theoretische Möglichkeiten, für den Typ „Vokal + Konsonant" (12 mal 1 8 ) - ( 4 mal 6) = 192. Iü Wirklichkeit gibt es nur 142 Wörter vom ersten und, 50 vom zweiten Typ. Mit anderen Worten: Im Deutschen werden vom ersten Typ nur 31,8 % , im Französischen dagegen 73 % der möglichen Kombinationen realisiert. Beim zweiten Typ gibt es kaum einen Unterschied zwischen den beiden Sprachen (Deutsch 28 % , Französisch 26 % ) . Aber im Deutschen machen die Wörter dieses Typs 40 % aller einsilbigen Wörter aus zwei Phonemen aus, im Französischen nur 26 % . Das von Trubeckoj übernommene Beispiel ist einer von vielen Ansätzen. Schließlich kann man nicht nur die Möglichkeiten von Kombinationen aus zwei Phonemen berechnen und ihre Realisierung in der Sprache überprüfen. Die Masse der Elemente des Wortschatzes besteht j a aus mehr Phonemen bzw. Graphemen. So läßt sieh für jede Sprache feststellen, in welchem Maße sie ihre kombinatorischen Potenzen ausschöpft. Ob sich dabei auch signifikante Unterschiede zwischen den Subsprachen der einzelnen Sprachen und damit für die Fachsprachen ergeben, ist ungewiß; zumindest sind uns keine eindeutigen Angaben darüber bekannt. Wir sind so ausführlich auf Trubeckojs phonologische Statistik eingegangen, weil hier auf eine sehr einfache Art — ohne großen statistischen Apparat — die methodologischen Ansätze angedeutet sind, die auch in der fachsprachlichen Forschung fruchtbar werden können. Dabei haben wir über einige Ungenauigkeiten in den Beispielen hinweggesehen. Auf ein Problem müssen wir jedoch noch aufmerksam machen, und zwar auf die Art, wie der Umfang der beiden Stichproben festgelegt worden ist. Vom Standpunkt der zu zählenden Einheiten — der Phoneme — hatten die Stichproben nicht den gleichen Umfang. Wie Trubeckoj selbst festgestellt hat, sind 200 Wörter im einen Fall 1036, im anderen 705 Phoneme. Um zu einem exakten Vergleich zwischen der Häufigkeit der Phoneme oder Grapheme in verschiedenen Texten zu gelangen, müßte man eigentlich von einem Stichprobenumfang ausgehen, dessen Einheitlichkeit durch die gleiche Zahl der zu zählenden Elemente bestimmt ist. Bei einem gedruckten Text kann dieser Umfang in Buchstaben ausgedrückt sein (Text A = 5000 Druckzeichen, Text B = 5000 Druckzeichen). Diese Art von Vergleich hält die zu untersuchende sprachliche Ebene ein, ist also ein „reiner" Vergleich. Seine Ergebnisse unterscheiden sich von denen Trubeckojs: Sie machen auch die unterschiedliche Häufigkeit der einzelnen Grapheme und Phoneme in den Subsprachen sichtbar, wie uns die Untersuchungen von V. S. Perebijnis zeigen werden. Dennoch ist Trubötekojs Ansatz mit vermischten sprachlichen Ebenen (Phonem, Morphem, Wort) legitim, weil ja das Auftreten der Grapheme und Phoneme durch die Verwendung der Einheiten höherer Ordnung im Text bedingt und im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung kein „zufälliges Ereignis" ist. Resultate, die dem „reinen Vergleich" von Stichproben gleichen Umfangs aus

87

verschiedenen „Stilen" (Subsprachen) entstammen, finden wir für das Ukrainische bei V. S. Perebijnis (1967), die mit sehr exakten statistischen Methoden arbeitet. Wir haben sie, um eine gewisse Einheitlichkeit unserer Darstellung zu wahren, in Prozentwerte umgerechnet und in mancher Hinsicht neu gruppiert : Tab. 4 Stil (Subsprache) Dramatik Prosa Poesie Polit. Literatur Wiss.-techn. Literatur Null-Stil

Vokale

Konsonanten

Lücken

0,350 0,352 0,339 0,359

0,475 0,483 0,481 0,503

0,175 0,165 0,180 0,138

0,360 0,376

0,504 0,522

0,136 0,lp2

(x = mittlere Häufigkeit)

Aus diesen Zahlen wird deutlich, daß die Unterschiede zwischen den Subsprachen bei einer so groben Klassifizierung nicht sehr groß sind. Sie überschreiten in keinem Falle den Wert von 3,7 bei den Vokalen, von 4,7 bei den Konsonanten und von 7,8 bei den Lücken. Die hohe Zahl von Lücken in Poesiö, Dramatik und künstlerischer Prosa einerseits und ihre geringe Häufigkeit im Null-Stil, in der wissenschaftlich-technischen und in der politischen Literatur läßt auf die unterschiedliche Wortlänge (kurze Wörter in der ersten Gruppe, längere in der zweiten) schließen. Bei den Konsonanten liegt der Anteil in der zweiten Gruppe tatsächlich höher als in der ersten, aber nicht in dem Maße, wie man das nach den Angaben von Trubecköj erwartet hätte. Hier kann es natürlich auch beträchtliche Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Ukrainischen geben. Daß gerade die Poesie in bezug auf den Anteil der Vokale die untere Grenze hält, ist überraschend, steht aber hier nicht zur Erörterung. V. S. Perebijnis hat darüber hinaus, angeregt durch eine Bemerkung A. M. PeSkovskijs, die Häufigkeit des „musikalischen Tons" untersucht. Sie faßt unter diesem Begriff Vokale, Sonore und stimmhafte Konsonanten zusammen und stellt sie den stimmlosen Konsonanten gegenüber (Tab. 5). Diese Tabelle sagt für die fachsprachliche Forschung nich'ts aus. Der in der Poesie und zu einem gewissen Grade auch in der Dramatik erwartete höhere Prozentsatz ist ausgeblieben. Hier wird besonders deutlich, daß sich aus den großen Phonemklassen kaum brauchbare Aussagen ableiten lassen. Berechnet man mit Hilfe des Kriteriums von Student (Clauß/Ebner 1967,338) 88

Tab. 5 Stil (Subsprache) Dramatik Prosa Poesie Polit. Literatur Wiss.-techn. Literatur Null-Stil

Vokale + Sonore + Btimmh. Kons. 0,779 0,793 0,789 0,787 0,791 0,798

den Abstandskoeffizienten zwischen den untersuchten Subsprachen, so stellt sich heraus, daß die Subsprachen von Naturwissenschaft und Technik sich auf der Phonemebene von der Subsprache der politischen Literatur überhaupt nicht unterscheiden (0,000); zu den anderen Subsprachen ergeben sich folgende mittlere Abstände: künstlerische Prosa 0,6363, Poesie 0,642, NullStil 0,644, Dramatik 0,696. Dieses Ergebnis ist einigermaßen überraschend. Leider ist aus den Quellenangaben (Perebijnis, 1967, 240—241) nicht zu ersehen, woher die Zahlen für den „Null-Stil" stammen. Man wäre ursprünglich geneigt gewesen, ihn zu den Fachsprachen zu rechnen. Der weite Abstand von der naturwissenschaftlich-technischen Literatur stellt diese Absicht jedoch in Zweifel. Die „Identität" mit der Sprache der politischen Literatur läßt den Wert der gesamten Aussage über die phonologische Ebene fragwürdig erscheinen. Diese Beobachtung trifft auf keiner anderen Ebene zu. Dabei entstammen die Quellen für die wissenschaftlich-technischen Subsprachen ausschließlich den Naturwissenschaften und der Technik (Mechanik, Graphik, Radiotechnik, Maschinenbau) und keiner einzigen Gesellschaftswissenschaft. Von statistischen Untersuchungen zu den Phonemklassen sind also offenbar doch keine eindeutigen Kriterien zur Unterscheidung der Subsprachen zu erwarten. Das Bild könnte sich allerdings ändern, wenn wir über exakte Angaben zu jedem einzelnen Phonem verfügten. Im Buch von V. S. Perebijnis sind diese nicht enthalten. Aus anderen Untersuchungen ist jedoch bekannt, daß z. B. der Buchstabe fl> in mathematischen Texten des Russischen weit häufiger ist als in anderen. Das erklärt sich natürlich aus der großen Zahl von Fremdwörtern, die ursprünglich ein /, (h oder ph enthalten ($yHKijhh, apH$MeTHKa, aoita usw.). Wenn also fachsprachliche Untersuchungen zu diesem Gegenstand angestellt werden, dann sollten sie sich auf die einzelnen Grapheme oder Phoneme konzentrieren, nicht auf ganze Klassen, auch nicht auf Palatale und Nicht-Palatale, Stimmhafte und Stimmlose oder ähnliche. Eine solche Analyse der Fachsprache der Radioelektronik 89

im Russischen, Englischen, Französischen und Deutschen hat z. B. zu folgenden Ergebnissen geführt: Tab. 6 Russisch a 6 B r H e jk 3

h ft K ji M H o n p

0,060 0,0102 0,036 0,0092 0,0245 0,0765 0,0057 0,014 0,074 0,0108 0,027 0,0355 0,027 0,0605 0,0955 0,0275 0,0445

Englisch c 0,044 T 0,061 y 0,020 $ 0,0047 x 0,0112 i; 0,0044 h 0,0145 in 0,0050 nj 0,0037 T» 0,000 H 0,0175 b 0,0106 3 0,0054 K 0,0094 H 0,019 Komma 0,0093 Punkt 0,0063 Lücken 0,109

90

0,062 0,012 0,033 0,028 0,106 0,022 0,016 0,038 0,074 0,001 0,003 0,032 0,020 0,059 0,059

p q r s t u v w x

0,019 0,003 0,054 0,054 0,085 0,024 0,009 0,010 0,002 y 0,010 z 0,001 Lücke 0,147 Komma 0,009 Punkt 0,007 Gedankenstrich 0,002 Apostroph 0,000

Deutsch

Französisch a 0,060 b 0,007 c 0,034 d 0,0345 e 0,117 f 0,009 g 0,008 h 0,0035 i 0,059 j 0,0009 k 0,000 1 0,043 m 0,023 n 0,068 o 0,043 p 0,026 q 0,008 r 0,058 s 0,073 t 0,068

a b c d e f g h i i k 1 m n 0

u 0,044 v 0,007 w 0,0001 x 0,003 y 0,0008 z 0,0003 e 0,025 ä 0,004 e 0,003 e 0,0007 i 0,0004 ü 0,0003 § 0,0003 o 0,0001 Lücke 0,129 Apostroph 0,008 Komma 0,008 Punkt 0,0061 Klammer 0,003 Semikolon 0,0015

a 0,042 b 0,0155 c 0,0205 d 0,048 e 0,143 f 0,0109 g 0,0335 h 0,031 i 0,069 j 0,0006 k 0,014 1 0,033 m 0,0215 n 0,0935 o 0,022 p 0,0093 q 0,0013 r 0,0695

s 0,056 t 0,0565 u 0,034 y 0,0068 w 0,0109 x 0,0002 y 0,0003 z 0,0092 ä 0,0066 ü 0,0041 ß 0,0035 ö 0,0029 Lücke 0,116 Komma 0,0070 Punkt 0,0071 Gedankenstrich 0,0006 Klammer 0,0005 Anführungsstriche 0,0004 Semikolon 0,0003

Französisch ü 0,0001 1 0,0001 oe 0,000 ä 0,000

Gedankenstrich 0,0015 Bindestrich 0,0012 Doppelpunkt 0,0007 Anführungsstriche 0,0005

(N. D. Andreev, Statistiko-kombinatornye metody v teoretiöeskom i prikladnom jazykovedenii, Leningrad 1967, S. 226f., 231 f., 233f.)

Für die Sprache der Wissensehaft im allgemeinen ergeben sich folgende Zahlen: Tab. 7 Russisch a

0,059

M

6

0,011

H

0,033 0,060

B

0,038

0

r 0,011 H 0,023 e 0,080

in

0,005

m

0,005

0,094

•b

0,000

n 0,027 P 0,045 c 0,047

bi

0,019

h

0,014

3

0,005

JK 3

0,007

T

0,058

K)

0,006

0,014

y

0,019

H

0,018

H

0,068

0,004

it K JI

0,012

X

0,025

Ii 0 , 0 0 5

Lücke 0,110 Komma 0 , 0 0 9 3 Punkt 0,0063

0,037

$ H

0,010 0,013

(N. D. Andreev, Statistiko-kombinatornye metody v teoreticeskom i prikladnom jazykovedenii, Leningrad 1967, S. 226 f. Für andere Sprachen liegen uns keine zusammenfassenden Angaben zur Sprache der Wissenschaft vor.)]

Die Zahlen der vorstehenden Tabellen lassen zwar Unterschiede für die Subsprachen erkennen, z. B. für die Grapheme h, t , h, m, k>, r, jk, 3, m im Russischen, i, n, c, q, k im Englischen, n, z, ä, ü, ß, ö, q, j, x im Deutschen und a, i, u, v, h, y, z im Französischen, aber eine sinnvolle Interpretation derselben ist nicht möglich. Entscheidend für die Häufigkeit der Grapheme und Phoneme ist die Verwendung bestimmter lexikalischer Einheiten in den einzelnen Subsprachen. Es ist der Versuch unternommen worden, positionsbedingte Unterschiede ausfindig zu machen. So war z. B. die Verteilung der Anfangsbuchstaben der Wörter auf das Alphabet ein beliebter Untersuchungsgegenstand zur Aufhellung lauthistorischer Prozesse (Zipf 1929) oder zur Erklärung bestimmter Tendenzen der Wortentlehnung (Guiraud 1959). Daß in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen den Sprachen auftreten, ist verständlich und sowohl im Wörterbuch als auch am Text zu beobachten. Auf die Subsprachen trifft 91

das aber so gut wie nicht zu, wenn auch einige Abweichungen beobachtet worden sein mögen (Schneider 1971, 52, Täb. 20). Anders wird das Bild, sobald wir das Einzelgraphem verlassen und die Korrelationen zwischen den Graphemen in bestimmten Positionen für verschiedene Subsprachen berechnen (Andreev 1967, 261 ff.): Tab. 8 Russisch (Wortbeginn plus 1. Position von links) Graphem

Künstl. Literatur

Publiz. Literatur

Verschiedenes

Allgem. wiss.-techn. Literatur

Radioelektronik

n c

5,6 3,4

4,8 2,2

B

1,9 NW 1,3 NW NW

6,7 2,0 2,1 1,4 NW NW 0,5

5,7 2,5 NW NW NW NW NW

5,7 2,6 NW NW NW NW NW

H H

0 a

1,9 NW NW 1,1 NW

(NW=Niedrige Werte unter 0,5)

Um nur eine Interpretationsmöglichkeit herauszugreifen: Wörter, in denen n und auch bis zu einem gewissen Grade c als zweiter Buchstabe auftritt, sind in der wissenschaftlichen Literatur häufiger als Wörter mit B, H, H, o, a in der gleichen Position, weil es sich dabei oft um Fachtermini ( a n n a p a T , onepaTop, onTHKa; acnupaHT, acneKT, OCMOC USW.) handelt. Werfen wir noch einen Blick auf die Verhältnisse im Englischen und Deutschen, für die uns nur je zwei Subsprachen zum Vergleich zur Verfügung stehen. Tab. 9 Englisch Graphem

Künstl. Literatur

Radioelektronik

w b c f s t

4,9 4,9 2,9 3,2 1,9 1,5

NW NW 3,8 NW 1,6 1,2

Hier fallen die generell niedrigen Werte bei der Radioelektronik auf, die wiederum nur aus der Ungebräuchlichkeit von Wörtern mit den zwei ip Frage stehenden Anfangsbuchstaben zu erklären sind. 92

Tab. 10 Deutsch Graphem

Publizistik

Radioelektronik

P w b k

6,0 5,5 4,8 4,0 2,8 1,8 1,7 1,1 0,5

NW 5,7 4,6 4,5 2,6 1,6 1,6 1,4 0,8

g a s

d e

Aus diesen Korrelationen sind keine eindeutigen Aussagen abzulesen. Die aufgeführten Korrelationen lassen sich weiter von links nach rechts ausdehnen (Andreev 1967, 263ff.). Man kann aber auch jeden beliebigen Text von links nach rechts so segmentieren, daß dabei sogenannte Triaden entstehen. Diese Methode hat die Arbeitsgruppe „Statistika reöi" in der Sowjetunion z. T. angewandt (Novak 1968, 228), woraus sich dann Kombinationen wie z. B. Ade, deA, ntr, din usw. ergeben, die z. T. willkürliche Aneinanderreihungen, z. T. in der betreffenden Sprache übliche morphologische Gebilde darstellen. Nur unter dem zweiten Aspekt sind solche Analysen für uns von Interesse; denn sie bilden eine Quelle zur Ermittlung der Häufigkeit der formenbildenden Morpheme, wenn auch eine redundante und nicht immer eindeutige (poit kann p im Stammauslaut + Adjektivendung oder Suffix des Imperativs, ebensogut aber auch Bestandteil des Stammes sein: KOTopofi, OTKpOÖ,

KpoÖKa).

Doch wenden wir uns erst jener nächstgrößeren Einheit zu, die meist nach der Anzahl ihrer Grapheme gemessen wird — der Silbe. Was ergibt die Analyse der Silbenlänge ? Zunächst gilt für die Sprache allgeTab. 11 Häufigkeit der Silben verschiedener Längen in °/ 0

1 2 3 4 5 6

Phonem Phoneme Phoneme Phoneme Phoneme Phoneme

Dramatik

Prosa

Poesie

Polit. Lit.

Nat.-wiss.techn. Lit.

NullStil

4,47 62,30 29,29 3,69 0,25

4,93 60,16 30,36 4,22 0,25 0,08

5,24 56,56 33,03 4,78 0,39 0,05

5,01 58,00 30,31 6,06 0,58 0,05

5,15 58,00 30,21 6,06 0,58 0,05

3,25 61,38 29,42 5,29 0,65 0,01



93

mein, daß die überwiegende Mehrheit der Silben aus zwei und ein relativ großer Teil aus drei Phonemen besteht. Das bestätigen auch die Untersuchungen von V. S. Perebijnis zum Ukrainischen (Tab. 11). Aus dieser Übersicht lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Subsprachen ablesen. Noch weniger ist das bei einem Vergleich der mittleren (durchschnittlichen) Silbenlänge der Fall: Tab. 12 Stil

X

2,34 ' Dramatik 2,35 Prosa Poesie 2,39 Polit. Literatur 2,39 Wiss.-techn. Literatur 2,40 Null-Stil 2,39 (V. S. Perebijnis, Statisticni parametri stiHv, Kiiv 1967, S. 73) E r s t bei einer stärkeren Differenzierung der Silben nach ihrem Bestand an Vokalen und Konsonanten werden gewisse Unterschiede erkennbar: Tab. 13 Silbentyp

Dramatik

V 4,46 61,41 IV VI 0,88 2V 14,61 1V1 14,67 V2 0,03 3V 0,69 2,62 2V1 1V2 0,39 V3 4V 0,02 3V1 0,16 2V2 0,07 — 1V3 — 4V1 — 3V2 2V3 1V4 (V = Vokal, 1—4 = Zahl der

94

Künstl. Prosa

Poesie

Polit. Lit.

Wiss.-techn. Literatur

NullStil

4,92 59,44 0,72 14,57 15,81

5,23 55,94 0,58 14,91 18,12 0,06 0,78 3,65 0,34 0,11 0,03 0,20 0,15 0,02 0,01

5,00 57,31 0,66 16,36 13,94 0,06 1,56 3,93 0,57

5,14 55,41 0,5218^39*+ 15,08

3,2460,57 0,81 15,48 13,940,01 1,36 3,42 0,51

-

0,87 3,08 0,28 -

0,02 0,18 0,05 —

0,01 0,01 0,01

— -

-

0,12 0,32 0,13 0,01 0,02 —



1,71 + 2,94 0,35 — -

0,31 0,11 0,02 —

0,02 —

0,03 Konsonanten vor oder nach dem Vokal) -

-



0,11 + 0,35 + 049 + —

0,01 — — -

Die wissenschaftlich-technische Literatur zeichnet sich in dieser Tabelle durch negative Werte besonders beim Typ VI und 4V, durch positive beim Typ 2V und 3V aus. Die Massierung der Konsonanten tritt also vor allem vor dem Vokal auf, überschreitet aber die Zahl 4 nicht. In allen Stilen steht der Typ IV an erster Stelle; den zweiten Platz belegen die Typen 2V und 1V1. Der Null-Stil, den wir bedingt zu den Fachsprachen zählen wollen, hebt sich positiv bei »Jen Typen 4V (mit Ausnahme der politischen Literatur), 3V1 und 2V2, negativ bei V und 1V1 ab.

2.2.4.

Die Bedeutung der Graphem- und Phonemdistribution fachsprachliche Forschung und Lehre

für

die

Fassen wir die vorläufigen Ergebnisse der Untersuchung der Subsprachen auf der Ebene der Grapheme und Phoneme zusammen, so sehen wir, daß die statistische Distribution der einzelnen Elemente zwar gewisse quantitative Besonderheiten der Fachsprachen aufweist, diese sich aber nicht sinnvoll interpretieren lassen. Konsonantenhäufungen — besonders bei Fachwörtern — lassen eher Schlüsse auf die Spezifik der Fachsprache zu. Auf jeden Fall zeichnen sich die Fachsprachen gegenüber anderen Subsprachen durch einen größeren Anteil von Konsonanten aus. Besonders auffällig ist das Auftreten von Konsonantengruppen im Wortinneren. Diese Tatsache gilt für alle vier der untersuchten Sprachen. Für die fachsprachliche Ausbildung lassen sich aus der statistischen Analyse der Fachsprachen auf der Ebene der Grapheme bzw. Phoneme keine direkten Schlußfolgerungen ziehen. Ziel der fachsprachlichen Forschung ist es ja, einen Beitrag zur Schaffung sogenannter Minima zu leisten. Ein phonetisches Minimum kann sich aber — im Gegensatz zum lexikalischen — nicht aus statistischen Parametern ergeben, d. h., die geringe Häufigkeit eines Graphems oder Phonems kann nicht zum Ausschluß aus dem Minimum führen. Das phonetische Minimum wird vielmehr durch die Zahl der zu beachtenden artikulatorischen Merkmale jedes einzelnen Lautes bestimmt (Reformatskij 1961). Und dennoch sind fachsprachliche Untersuchungen auf dieser Ebene nicht ohne Nutzen. Wir haben bereits auf die Möglichkeiten hingewiesen, die sich daraus f ü r die Informationsverdichtung im Rahmen von Information und Dokumentation ergeben. Es gibt aber weit einfachere Aspekte, die auch der fachsprachlichen Ausbildung zugute kommen können. Wir werden diese hier nur andeuten. Internationalismen (Fremdwörter) bereiten demjenigen, in dessen Muttersprache sie aufgenommen worden sind, unter Umständen Schwierigkeiten in der Aussprache, weil sie Laute oder Lautkombinationen enthalten, die ihm ungewohnt sind. Anderseits erleichtern gerade diese Fremdwörter dem Aus95

länder das Verständnis fremdsprachiger Texte, wenn sie aus seiner eigenen Sprache stammen oder aus Elementen gebildet sind, die in vielen Sprachen auf Grund ihrer „klassischen Herkunft" (Griechisch, Latein) gleichermaßen verwendet werden. Verwechslungen kommen zuweilen durch Mißachtung der Reihenfolge der Grapheme zustande: furchtbar — fruchtbar, orpammeHHHfi — opraHiiiecKHü, MapKa — p a M K a , usw. Auch Ähnlichkeiten in der Phonem- oder Graphemfolge führen zu Mißverständnissen: FLEPEBHH — FLEPEBBH, ÜHTHÜ—IIHTHO usw. Durch die Interferenz von Muttersprache und Fremdsprache werden falsche Assoziationen h e r v o r g e r u f e n : HaijHH —Nazi, MeTO^HCT — M e t h o d i s t , KOJiHiecT-

BeHHHfi— qualitativ, KOCMHHecKHü — kosmetisch usw.

Konsonantenkombinationen sind in der einen Sprache üblich, in der anderen nicht (oder nur an der Silbengrenze): Hp russisch HpaBCTBeHHBiä, deutsch an-rennen.

2.3.

Die Ebene der Morpheme und grammatischen Kategorien

2.3.1.

Die Formenbildung und die Wortbildung

In der Morphologie der Sprachen generell und auch in der Morphologie der Subsprachen finden zwei Komponenten ihren Ausdruck: die Formenbildung, d. h. die formale Repräsentation bestimmter grammatischer Kategorien, und die Wortbildung. Das Morphem als morphologische Einheit kann also sowohl grammatische Merkmale zum Ausdruck bringen als auch zur Erweiterung des Wortschatzes beitragen, was besonders in den Fachsprachen mit ihrem ständig wachsenden terminologischen Bedarf eine große Rolle spielt. In seiner grammatischen Funktion läßt es die Beziehung zwischen den einzelnen Gliedern im Satz erkennen. Als lexikalisches Phänomen dient es der Ableitung (Derivation) neuer Einheiten von vorhandenen Elementen des Wortschatzes. Im ersten Fall bezeichnet man das Morphem als Endung, im zweiten als Affix (Präfix, Infix, Suffix). Das Morphem ist also die kleinste (unteilbare) und nach den Modellen der j eweiligen Sprache immer wieder anwendbare Einheit zum Ausdruck bestimmter grammatischer und semantischer Kategorien (Achmanova 1966, 240f.) und damit sprachliches Zeichen. Die einzelnen Sprachen sind, je nach ihrem typologischen Charakter, reicher oder ärmer an morphologischen Mitteln. Bei den Sprachen, mit denen wir es in der fachsprachlichen Forschung und Ausbildung vorwiegend zu tun haben (Russisch, Englisch, Französisch, Deutsch), lohnt sich in grammatischer Hinsicht am ehesten eine Analyse des Russischen. Sie zeigt, daß zum Ausdruck bestimmter fachlicher Sachverhalte auch bestimmte sprachliche Mittel verwendet werden, und zwar mit einer bestimmten Häufigkeit. 96

Internationalismen, der f ü n f t e die Substantive und der sechste Deskriptoren f ü r den Thesaurus eines Informationssystems heraus, und jeder von ihnen findet wenigstens einen Teil dessen, was er sucht. E r fände ihn nicht, wenn wir von vornherein selektiv vorgingen, wenn wir nicht den W o r t s c h a t z d e r F a c h s p r a c h e n , sondern den Fachwortschatz erfaßten.

2.4.3.

Die Methoden zur Ermittlung des Fachwortschatzes

Dieser Standpunkt erfährt eine weitere Bekräftigung, wenn man die Methoden betrachtet, mit denen die Ermittlung des Fachwortschatzes betrieben wird. Wir deuten diese hier nur an und behandeln sie ausführlicher im Zusammenhang mit einem Überblick über die Methoden der fachsprachlichen Forschung überhaupt. Die meisten lexikologischen und lexikographischen Arbeiten dieser Art gehen rein empirisch-induktiv vor. Solange es darum geht, die Materialbasis zu schaffen, ist das vollauf gerechtfertigt, und auch erste Verallgemeinerungen sind auf diesem Wege möglich. Über spätere semantische Untersuchungen des Fachwortschatzes, bei denen m a n ruhig einmal versuchen soll, die Methoden der strukturellen Semantik zu erproben, sprechen wir hier nicht (Enke 1980, 87—159). Für ein empirisch-induktives Vorgehen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. a) Die rein empirische Sammlung dominiert bisher bei der Schaffung einund mehrsprachiger Fachwörterbücher. Sie besteht nach einer ersten Zusammenstellung in der ständigen Erweiterung und Vervollkommnung der Sammlung, die ihren Niederschlag in den Neuauflagen der Wörterbücher findet. Als Grundlage dafür dient vor allem die neueste Zeitschriftenliteratur. Für manchen Wörterbuchautor ist diese Sammeltätigkeit ein Lebenswerk, für manchen eine Nebenbeschäftigung; in modernen Einrichtungen arbeiten ganze Kollektive an der Schaffung von Fachwörterbüchern. Das ist eine außerordentlich verdienstvolle und wichtige, aber auch mühselige Tätigkeit; es ist allerdings abzusehen, daß sie in nicht allzu ferner Zukunft durch die Schaffung von Sprachdatenbänken wesentlich erleichtert wird. Beim gegenwärtigen Stand kommt man um die Feststellung nicht herum, daß die Kriterien für die Aufnahme einer lexikalischen Einheit in ein Fachwörterbuch und die Prinzipien für dessen Anlage noch recht unterschiedlich sind. Dabei gibt es f ü r die Gestaltung von mehrsprachigen Fachwörterbüchern bereits Empfehlungen, die von einem Komitee der ISO (International Organization for Standardization) — ISO/TC 37 „Terminologie (Grundsätze und Koordination)" — auf der Grundlage früherer Arbeiten des ISA 37 (International Federation of National Standardizing Associations) mit Hilfe der UNESCO herausgegeben worden sind. Diese Empfehlungen stellen folgende Anforderungen: 1. Jeder Begriff soll definiert werden. 2. Jeder Begriff 9

Fachsprache

129

soll womöglich durch ein Bild veranschaulicht werden. 3. Die Fachwörterbücher sollen nach Begriffen und nicht nach dem Alphabet geordnet werden. 4. Jedem Begriff soll eine DK (Dezimal-Klassifikations)-Nr. beigegeben werden, damit der Stammbaum der Begriffe ersichtlich ist. 5. Jede Wortstelle soll verzettelbar sein (Format A 7; 8 Wortstellen zusammen ergeben das Format A 4 = 2 1 0 mm mal 297 mm) (Wüster 1955; ISO 1969). Sie werden aber bisher nur selten eingehalten. Noch unklarer oder zumindest uneinheitlicher sind die Kriterien für die Aufnahme in ein Fachwörterbuch. Die Schwierigkeiten beginnen hier bei der Abgrenzung des Fachgebietes und der Entscheidung, welche Wortarten berücksichtigt werden sollen, und enden beim Einzelwort. Es ist mehr oder weniger dem Gutdünken der Verfasser überlassen, was sie berücksichtigen und was nicht. Die Lösungen liegen zwischen zwei Extremen: der Beschränkung auf die ganz spezifische Lexik einerseits und der Einbeziehung aller möglicher allgemeinwissenschaftlicher, polytechnischer und sogar allgemeinsprachlicher Lexeme. Trotz der Unvollkommenheit dieser Methode wird man in absehbarer Zeit nicht auf solche Arbeiten verzichten können. Im Gegenteil: Die Anforderungen der Praxis haben einen gewaltigen Aufschwung der Wörterbuchproduktion mit sich gebracht. Wie so oft auch in anderer Hinsicht kann die Praxis nicht warten, bis zwischen den Theoretikern völlige Einigung erzielt worden ist, zumal ein solcher Zustand wahrscheinlich nie eintreten wird. Sicher lassen sich auf dem soliden Fundament einer fleißigen und gewissenhaften Materialsammlung Übereinkünfte für eine einheitlichere Fassung späterer Ausgaben leichter erzielen. b) Auch die systematische Erfassung des Fachwortschatzes geht im wesentlichen den empirisch-induktiven Weg. Sie gibt die horizontale Einteilung und die vertikal-hierarchische Gliederung des Fachgebietes vor und füllt diesen Rahmen mehr oder weniger vollständig mit den notwendigen lexikalischen Einheiten. Ein Musterbeispiel für diese Art des Vorgehens ist das von G. Fischer entwickelte Verfahren der „thematischen Einengung", das zu einem Minimum für die fachliche Ausbildung führen soll. Es geht von folgenden. Hypothesen aus: Die Systematik des technischen Wissensgebietes muß die Grundlage für die Erfassung des Sprachmaterials sein; es ist möglich, einen systematisch erfaßten Grundwortschatz der Fachsprachen tauglich klein zu halten, um die Grundzusammenhänge des Wissensgebietes in einem Minimum von Texten darstellen zu können, die zur Lektüre und — falls gefordert — zur Herübersetzung der betreffenden Fachliteratur befähigen (Fischer 1964; 1972). Die thematische Einengung besteht in der vergleichenden Analyse systematisch ausgewählter Kurzdarstellungen der wesentlichen Zusammenhänge des Fachgebietes und liefert das „grundlegende Sprachmaterial" bzw. den „grundlegenden Wortschatz" für die fachsprachliche Ausbildung, in diesem Fall auf dem Gebiet der Polygraphie. 130

Systematisch geht auch die Terminologienormung vor (vgl. 1.1.1.4.2.). Nur ist ihr Ausgangsmaterial nicht der Text und ihr Ziel nicht das Stoffminimum für den Fremdsprachenunterricht; sie erfaßt nicht nur Vorhandenes, sondern greift aktiv in den Prozeß der Neubildung ein. Dennoch gehört sie ihrem Wesen nach hierher; denn auch sie geht von der Gliederung des Fachgebietes aus. Das Fachgebiet wird für sie aber nicht durch Texte repräsentiert, sondern durch ein Gerüst von Begriffen oder ein Begriffssystem mit vielen Teilsystemen, in denen jeder Begriff seinen festen Platz hat. Die linguistische Seite der Terminologienormung besteht dann darin, für alle diese Begriffe die geeignetsten sprachlichen Zeichen zu finden, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der natürlichen Sprache als historisch gewachsenen Gebildes, aber auch durch begrenzte künstliche Eingriffe. E. Wüster hat das einmal folgendermaßen formuliert: „Für den Terminologen ist die Sprache ein System von Benennungen (etwas Wahrnehmbares), durch welches ein System von Begriffen (etwas nur Gedachtes) symbolisiert wird" (Wüster 1955, 54). Eine gewisse Systematik liegt auch der Erfassung der Lexik nach Themenkreisen zu Grunde. Ihr fehlt jedoch die Strenge der beiden eben geschilderten Methoden. Bisher vorgelegte thematische Wörterverzeichnisse spiegeln in starkem Maße die subjektiven Ansichten ihrer Verfasser wider. Sie könnten an Aussagekraft gewinnen, wenn sie sich an den Methoden der Terminologienormung und der thematischen Einengung orientierten. Auch die statistische Ermittlung der sogenannten „mots disponibles", wie sie für das Französische mit Erfolg angewendet worden ist (Michea 1953; Gougenheim 1956), geht in diese Richtung. c) Kennzeichnend für die dritte Variante des empirisch-induktiven Herangehens an den Fachwortschatz ist die Anwendung statistischer Methoden (Hoffmann 1966; 1975a; Heckel 1971; Schneider 1971; Eder 1974; Krug 1975; Buchholz 1975; Alekseev 1975; Lehmann 1978; Spitzner 1980). Wie schon bei der thematischen Einengung so ist auch hier der sprachliche Text die Ausgangsbasis. Nur werden die für die Analyse bestimmten Texte nicht ausschließlich und nicht in erster Linie nach systematischen Gesichtspunkten ausgewählt, sondern mit Hilfe des Stichprobenverfahrens (Hoffmann 1975a). Das Stichprobenverfahren verfolgt die Absicht, durch die exakte Analyse einer begrenzten Anzahl von Texten aus einer Fachsprache Schlüsse auf die Fachsprache insgesamt zu ermöglichen, da es praktisch unmöglich ist, eine Subsprache in ihrer Totalität zu erfassen. Soll dieses Vorhaben gelingen,dann müssen die Stichproben repräsentativ für das Ganze sein. Dazu ist erstens ein bestimmter Mindestumfang der Gesamtstichprobe erforderlich; zweitens muß das Textkorpus von seiner Thematik her den kommunikativen Inhalt der zu untersuchenden Disziplin insgesamt und proportional richtig wiedergeben, d. h., es muß das gesamte Fachgebiet erfaßt und in seinen Teilen pro9'

131

zentual richtig vertreten sein; drittens dürfen die Teilstichproben nicht zu groß und nicht zu klein sein; viertens ist eine möglichst günstige Verteilung der Teilstichproben über das ganze Textkorpus anzustreben. Sind alle diese Voraussetzungen gegeben, d a n n werden die Stichproben zu Miniaturbildern der Fachsprache. Das Ergebnis solcher Untersuchungen k a n n bei der Lexik kein vollständiges Fachwörterbuch sein. Das ist auch gar nicht beabsichtigt. Der Gewinn besteht vielmehr darin, daß nicht n u r festgestellt wird, welche Lexeme in einer Fachsprache überhaupt auftreten, sondern darüber hinaus, welche Rolle sie darin spielen. Am E n d e der statistischen Analyse steht ein Verzeichnis der häufigsten Lexeme der betreffenden Fachsprache, die darin nach dem Prinzip der abnehmenden Häufigkeit angeordnet sind. E n t h ä l t es tatsächlich die 1100 bis 1200 häufigsten lexikalischen Einheiten, d a n n machen diese durchschnittlich 80—90 % eines jeden Textes aus, bilden also eine Art Grundwortschatz der betreffenden Fachsprache mit außerordentlich hoher Effektivität. Der Nutzen einer solchen Häufigkeitsliste f ü r die fachsprachliche Ausbildung (Hoffmann 1969; Hoffmann/Piotrowski 1979, 174—185), f ü r die Informatik und f ü r andere Anwendungsgebiete liegt auf der H a n d . Uns interessieren hier mehr die Möglichkeiten, die sich d a r a u s f ü r die Beschreibung der Lexik einer Fachsprache und f ü r den Vergleich zwischen mehreren Sub- bzw. Fachsprachen ergeben. Bei statistischen Untersuchungen dieser Art m u ß m a n nicht in jedem Fall die genauen Häufigkeiten ermitteln. Manchmal genügt eine gröbere Rangverteilung. U n d d a n n gibt es noch einen ganz anderen Weg, nämlich die E r m i t t lung der Zahl der Quellen, d. h. der Teilstichproben oder der Gesamtstichproben, in denen ein Lexem a u f t r i t t , des sogenannten „ränge". Der „ränge" ist ein Maß f ü r die Verbreitung des Lexems innerhalb einer Fachsprache oder über mehrere Fachsprachen, das z. B. bei der Zusammenstellung des allgemeinwissenschaftlichen Wortschatzes angewendet wird. Bei unseren Häufigkeitsuntersuchungen wurde er als sekundäres Kriterium, gewissermaßen als Kontrollwert verwendet, um zufällige thematische Konzentrationen auszuschalten.

2.4.4.

Die allgemeinen Merkmale des Wortschatzes der Fachsprachen

Bevor wir uns konkreten Vergleichen zuwenden, wollen wir noch einige allgemeine Merkmale und P a r a m e t e r betrachten, die die Lexik der Fachsprachen von der Lexik anderer Subsprachen unterscheiden.

132

Tab. 26 Russisch Wortlänge in Buchstaben

Künstl. Prosa

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 uhd mehr

0,114 0,104 0,1 I S 0,095 6,114 0,111 0,106 0,081 0,060 0,036 0,022 0,017 0,012 0,006 0,002 0,001 0,002 0,001 0,001 0,001 0,001

Publizistik -

0,009 0,054 0,049 0,096 0,116 0,110 0,128 0,117 0,079 0,071 0,061 0,033 0,040 0,016 0,014 0,007 0,001 0,002 0,001 0,001

Allgem. Radiowiss.-techn. elektronik Texte

Philosophie

0,083 0,064 0,063 0,063 0,099 0,088 0,122 0,098 0,083 0,077 0,047 0,043 0,028 0,015 0,008 0,006 0,005 0,004 0,003 0,001 0,001

0,113 0,038 0,066 0,075 0,085 0,085 0,095 0,097 0,089 0,067 0,055 0,052 0,027 0,017 0,010 0,017 0,010 0,005 0,007

0,104 0,059 0,073 0,059 0,095 0,081 0,105 0,098 0,087 0,073 0,058 0,040 0,028 0,018 0,009 0,004 0,006 0,002 0,001 0,001 0,001

— -

Englisch Wortlänge

Radioelektronik

Künstl. Prosa

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 und mehr

0,046 0,190 0,186 0,114 0,092 0,062 0,093 0,056 0,067 0,036 0,022 0,013 0,012 0,005 0,002 0,002

0,04 0,18 0,23 0,19 0,10 0,08 0,06 0,02 0,05 0,02 0,01 0,01 — — — —

133

Französisch Wortlänge

Radioelektronik

Wortlänge

Radioelektronik

1

0,080

2 3 4 5 6 7 8 9

0,238 0,117 0,100

10 11 12 13 14 15 16 17

0,043 0,025 0,022 0,011 0,008 0,008 0,001

0,065 0,063 0,083 0,074 0,059

-

Deutsch Wortlänge 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 und mehr

134

Publizistik

0,060

Radioelektronik

0,059

0,294

0,27»

0,092

0,099 0,083 0,076 0,060 0,057 0,059 0,050 0,040 0,033 0,028 0,020 0,012 0,013 0,007 0,007 0,003 0,007 0,003 0,001 0,002 0,002

0,102 0,080 0,063 0,062 0,049 0,047 0,044 0,031 0,019 0,013 0,016 0,009 0,007 0,004 0,002 0,004 0,001 0,001 0,002 0,001

2.4.4.1.

Die Worflänge

Beginnen wir mit einem rein quantitativen Merkmal: der Wortlänge (Andreev 1967, 240ff.). Die durchschnittliche Wortlänge in den vier Sprachen und in den erfaßten Subsprachen beträgt: Tab. 27

Russisch Englisch Französisch Deutsch

Künstl. Prosa

Publizistik

Allgem. wiss.-techn. Texte

Radioelektronik

5,0 4,5 — -

4,7 — — 6,2

6,9 — — -

6,7 5,1 5,1 6,6

Philosophie

6,98 — — -

Aus der letzten Übersicht lassen sich zwei einfache Tatsachen ablesen: a) Die mittlere Wortlänge ist in den untersuchten Fachsprachen größer als in den Subsprachen der künstlerischen Prosa und der Publizistik; b) die Unterschiede sind im Russischen wesentlich auffälliger als im Englischen und Deutschen. (Für das Französische liegen leider keine Vergleichswerte vor.) Wie einige Stichproben aus anderen Fachsprachen zeigen, kann man diese Feststellungen getrost verallgemeinern. Sie werden auch durch die Untersuchung der Wortlänge nach der Silbenzahl, wie sie N. S. Trubeckoj durchgeführt hat, bestätigt (vgl. 2.2.3.). Die mittlere Wortlänge ist aber nur ein sehr allgemeines Maß. Es lohnt sich, die vorangehenden Tabellen einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Dabei stellt sich folgendes heraus: Für die künstlerische Prosa des Russischen gilt tatsächlich im wesentlichen die Funktion, die G. K. Zipf einmal für das Verhältnis zwischen Wortlänge und Worthäufigkeit aufgestellt hat, um sein Prinzip des geringsten Kraftaufwandes (principle of least effort), das wir heute als „Sprachökonomie" bezeichnen würden, zu begründen: Die Häufigkeit nimmt mit zunehmender Wortlänge ab (Zipf 1946; 1949). In der Fachsprache der Radioelektronik des Englischen und Französischen gilt das von den Zwei-Buchstaben-Wörtern an, da beide Sprachen nur sehr wenige Wörter mit einem Buchstaben kennen. In der künstlerischen Prosa des Englischen sind Wörter mit drei Buchstaben am häufigsten. Das erklärt sich z. T. aus der fehlenden Flexion. Auch im Deutschen liegt der Gipfel der Kurve bei den Drei-Buchstaben-Wörtern, und zwar sowohl in der Publizistik als auch in der Fachsprache der Radioelektronik. Die russische Sprache der Publizistik widersetzt sich ganz entschieden diesem „Gesetz" der umgekehrten Proportionalität von Länge und Häufigkeit. 135

Sie erreicht ihren Gipfel erst bei den Wörtern mit acht Buchstaben; ihre häufigsten Wörter (Wortformen) haben sechs, sieben, acht und neun Grapheme. Ausgesprochen unregelmäßig sind die Häufigkeiten in den untersuchten Fachsprachen des Russischen, besonders in der Radioelektronik, bei den Einsbis-sieben-Buchstaben-Wörtern verteilt. Erst die Wörter mit acht und mehr Buchstaben weisen einen stetigen Rückgang der Häufigkeiten auf. Betrachtet m a n schließlich die Zone der langen Wörter (etwa von acht Buchstaben im Russischen und von sieben im Englischen), dann stellt m a n fest, daß im Russischen und Englischen alle fachsprachlichen Positionen stärker besetzt sind als in der künstlerischen Prosa. Lediglich die russischsprachige Publizistik steht den Fachsprachen in der Wortlänge um nichts nach, und auch im Deutschen sind kaum Unterschiede zwischen der Sprache der Publizistik und der Fachsprache der Radioelektronik zu beobachten.

2.4.4.2.

Die Häufigkeit der Wortarten

Allgemeineren Charakter trägt auch noch die Häufigkeit der Wortarten in den einzelnen Subsprachen. Sie ist übrigens ein eindeutiges Kriterium f ü r die Spezifik der Fachsprachen. Das zeigt uns der folgende Überblick über den Anteil der einzelnen Wortarten an russischsprachigen Texten (s. S. 137). Die großen Unterschiede in den Angaben von Stejnfel'dt und Josselson erschweren uns den Vergleich zwischen den Fachsprachen und den anderen Subsprachen sehr. Wir nehmen deshalb lieber die Zahlen Markovs als Kennziffern der Subsprache der künstlerischen Prosa, zumal sie nahe bei denen von Stejnfel'dt liegen. Schon aus der Verteilung der Wortarten in den wenigen hier aufgeführten Fachsprachen lassen sich einige grundsätzliche Schlußfolgerungen ziehen, die etwa so lauten k ö n n t e n : Die Fachsprachen zeichnen sich gegenüber anderen Subsprachen, in sbesondere der künstlerischen Prosa, durch einen sehr hohen Anteil an Substantiven aus (bis zu 44 % gegenüber 28 %). Die Ursachen d a f ü r liegen in der Fülle der Erscheinungen der objektiven Realität u n d ihrer Abbilder im Bewußtsein, mit denen sich der Mensch auseinanderzusetzen h a t und über die er sich mitteilen muß. Sie liegen aber auch in deren Komplexität, die selten mit einem W o r t zu erfassen ist; sie liegen in der ständigen Vervollkommnung des Erkenntnisprozesses, der zur präzisen sprachlichen Äußerung drängt. Diese Präzision wird, wie schon an anderer Stelle erwähnt, durch Attribuierung erreicht, u n d ein Teil der Attribute besteht, wie wir wissen, aus Substantiven, im Russischen aus Substantiven im Genitiv oder mit einer Präposition (aHKep TpeHHH, CTepjKeHt pemeTKH, CBOA ycmieHiiH, Mo^yju> noBepxHOCTH KOHCTpyKijHii, nporoH c mapHHpaMH, 6OJIT c yiimoM, NJIHTA ßJIH nepeKpuTHH, CKOÖa RJm npHKpenneHHH, n0,nr0T0BKa HB pacTBopa, Kpmiia B BH^e

136

CBOfla-oßonoiKHUsw.) (Starke 1970, 166ff.). I m Englischen, Französischen und Deutschen liegt der Prozentsatz der Substantive in Fachtexten aus den gleichen Gründen außerordentlich hoch. Eine Folge des Strebens nach Präzision und Sachlichkeit ist auch die verstärkte Verwendung von Verbalsubstantiven an Stelle von Verben, die ganz wesentlich zur Erhöhung des Anteils der Substantive beiträgt (nojiyHemie, oßpasoBaHHe, npHMeHeHHe; finding, growing, filtering; Observation, absorption, reaction; das Beschicken, die Verteilung, das Einstechschleifen). An zweiter Stelle stehen die Adjektive (bis zu 16,22 % gegenüber 9,6 %). Von ihrer Rolle als Attribut ist schon im Zusammenhang mit der großen Häufigkeit der Langform die Rede gewesen (onopHHH ßpyCOK, 3ByK0H30JIHiyiohhhü MaTepnaji, ^yH^aMeHTh h h ÖJIOK ; eflHHan MOflyjibHaii CHCTeMa, BHCfliafl CTepjKHeBaa CHCTeMa, ßpyciaTa« ABepHa« KopoÖKa, rjiyxa« CTponnjibHan Hora; rB03,nb c iuhpoKoii rojioBKoii, KHpnni c BeHTHJIHi;HOHHHMH

KaHa-

jiaMH, CTeHa H3 cyxoü KJiaflKH usw.) (Starke 1970,166ff.). In englischen und .französischen Fachtexten nimmt das Adjektiv ebenfalls eine wichtige Stellung als Attribut ein (englisch Polarographie wave, ne-

c8 c 1 8 £

S> « § £ 2 S ¡3 3

in a »H » «o © os" si "

i-l «5 o" C-" S P4

Ö -p O 43 "S • J 3 o * 'S ü (8 fe a a .2 Js ® I 8 :ça8 g Sfr'S S- *_ JQ es t, EH Ö .2

«ö S •s -s 'S & s ^ 'B :e3 ^ ta

137

gligible damping, suppressive effect; diffusion current, hydrogen phosphate, stability sequence ; französisch matière vivante, métabolisme cellulaire, maillons élémentaires, urne profonde, sections épidémiques). I m Englischen steht dabei das „adjektivierte S u b s t a n t i v " an erster Stelle. (Wer f ü r diese K o n struktion lieber von einem „ a t t r i b u t i v gebrauchten S u b s t a n t i v " sprechen möchte, k a n n sie dem ersten Nominalkomplex zuweisen ; das ändert an der Grundtatsache der Attribuierung nichts.) I m Französischen fällt die Bevorzugung der Postposition des Adjektivs auf. D a m i t berühren wir aber schon eine Frage der Syntax. I n deutschsprachigen F a c h t e x t e n t r i t t das A d j e k t i v aus den gleichen Gründen nicht so deutlich hervor wie das Substantiv i m Genitiv: Beide gehen oft als K o n s t i t u e n t e n in ein K o m p o s i t u m ein u n d werden deshalb nicht besonders gezählt. Die fachsprachliche Forschung sollte d a r u m den deutschenKomposita besondere Aufmerksamkeit schenken. Substantive u n d Adjektive zusammen machen in vielen Texten bis zu 60 % des Wortschatzes aus. Nimmt m a n die Pronomen noch hinzu, d a n n werden es unter U m s t ä n d e n sogar 65 % . Von dieser Tatsache gehen all die aus, die den Stil der Fachsprachen als „Nominalstil" kennzeichnen. Tatsächlich ist diese „Nominalität" eines der hervorstechenden Kennzeichen der Fachsprachen. Weit seltener als z. B. in der Subsprache der künstlerischen Prosa sind in den Fachsprachen die Adverbien (maximal 4,1 % gegenüber 7,6 %). Auch d a f ü r gibt es eine einfache Erklärung: Die Fachsprachen kommen zur Beschreibung der komplizierten Sachverhalte, mit denen es besonders diewissenschaftlichen und die technischen Disziplinen zu t u n haben, mit einfachen Adverbien nicht aus. Sie sind auf komplexe Adverbialbestimmungen und auf adverbielle Nebensätze bzw. Adverbialpartizip- und Gerundialkonstruktionen angewiesen. H a n H c a H H a H B t n u e n p o r p a M M a H OHa îKe B 3 a K 0 f l H p 0 B a H n 0 M BHFLE n n m y T C H H a 0flH0M ÖJiaHKe.

no aiiajioriiH co cjiyiaeM flßyx HPHSBÖCTHBIX noHHTne onopHoä HJIOCMHororpaHHHKy, M05KH0 c-

nicht

TOKa

nacTOTH

HaKajiHBaHiiH

nofl HaBaeHHeM

nojin

nepeiueHHoro

bhcokoü

paAHopejieitHa«

JiaMna

ra30Han0JiHeHHHft K0HHeHcaT0p

reHepaTop

-»•

npoMejKy.-

yrojiBHan

jiaMna,

raaoHanojiHeHHiiii

HanpHJKeHHOCTb



neib

koh-

npo6on,

Kpy-

TH3Ha lacTOTHOÄ 3aBHCHM0CTH 3 a T y x a H H H — K p y T H 3 H a 3 a T y x a H H H . B e i d i e s e r Art

der

Kürzung

setzen

SSg, immer wieder Kürzungen

sich

die produktivsten Modelle, vor allem A S

ergeben sich a u c h aus der V e r ä n d e r u n g

tionen zwischen den Konstituenten, rungen

führen:

IipHeMHHK CHJIH



Ha

und

durch.

die auch

KOMaH^a Ha p e r y j m p o B a i m e TpaH3HCTOpaX



CHJIOBOft y C H J I H T e j I B ,

der syntaktischen

zu morphologischen —

KOMaHjja

TpaH3HCT0pHHH

TOJIOBKa

CTHpaHHH

peryjmpoBaHHH,

npHeMHHK,

yCHJIHTejIB

-* CTWpaiomaH

TOJIOBKa,

nacTOTa H3o6paHteHHH

Ka^poBan

TpoHHan

Wie wir an den letzten Beispielen sehen, k o m m t

npoBOjiHMOCTt.

bei dieser A r t Weiglassung

np0B0ÄHM0CTb fi-THna

von Umgestaltung sogar z u m Austausch ganzer und

Veränderung

HHnojibHoro THna mh

lacTOTa,

Rela-

Verände-

gehen

flHnojiBHan

zuweilen

H a n d

in

Hand:

Auf

Weglassungeh,

die

durch

ein,

weil der

cncTe-

KOHTypHaH

BHCOKOHaCTOTHHÖ TOK.

die ständige Wiederholung

ein u n d

desselben

im T e x t möglich u n d aus stilistischen G r ü n d e n praktiziert

(TpexijiaBHHfi acHHXpOHHHfi näher

aHTeHHa

peryjiHpoBaHHH

— p e r y j i n p y e M H Ö oßieKT, K a T y n m a KOJieSaTejibiioro KOHTypa K a T y i H K a , TOK B H C O K O Ö l a C T O T H

es

Lexeme.

aHTeHHa, aivmepMeTp HH^yKi^HOHHofi

— HHHyKi^noHHHH aMnepMeTp, o ß i e K T aBTOMaTHHecKoro

Terminus

ajien-

flBHraTejib

werden

— RBHraTejib h . a.) g e h e n w i r h i e r n i c h t

T e r m i n u s als E l e m e n t des terminologischen S y s t e m s

un-

a b h ä n g i g v o m K o n t e x t zu b e t r a c h t e n ist. Gehen

wir

in

der Kürzung noch

Mehrwortterminus

zum

anderen bezeichnet m a n er v o r allem

einen

Schritt

Einwortterminus.

Den

als Univerbierung.

weiter, so gelangen wir Übergang

vom

In der Fachterminologie

die Strukturen AS, A A S u n d ASSg, die zu Substantiven

MHJiBHO-TpenajiBHaH MamriHa

-*- M H J i n a , c y m m i b H H Ö

annapaT

-•

C O p T H p O B O I H a H M a m H H a - • C O p T H p O B K a , MOJIOTHJIbHaH M a i ü H H a KapTo^ejieKonajibHaH MauiHHa

M a m m a



KapT0$ejieK0najiKa,

— CHonoBHaajiKa, jKMHXOflpoßHjibHaH l a m H H a

OBiieBOAnecKaH $ e p M a



CBeKJIOCOBXOS,

flHHaMHieCKHÖ

paflHOTexHHiecKaH

KepaMHKa

yseji

174

pa^HOKepaMHKa,

pa^Hoyaeji, panHoaKTHBHHe

werden:

cyninjina,

MOJIOTHJIKa,

HtMuxonpoÖHJiKa, —

irrHije-

r p O M K O r O B O p H T e j I B -»- H H H a M H K , K O M -

-HOe

ijeHTpa.ibHoft 06Häpy}KHJIH yoesiiTejibHo

He3aBHCHM0CTi> nojiHyio

CKopocra

CBeTa Abb. 26

Hier bilden die Kern- oder Stützwörter den Gipfel. Durch die binäre Verzweigung können die größere oder geringere Nähe zwischen den Konstituenten bzw. ihre Abhängigkeits- oder Subordinationsbeziehungen übersichtlicher erfaßt werden. Dabei gelten die Attribuierungen links und rechts vom Kern der Substantivgruppe wie auch die adverbiellen Bestimmungen und Objektergänzungen in der Verbgruppe zunächst einmal als gleichberechtigt. Bei ihrer weiteren Hierarchisierung können bestimmte Positionen unbesetzt bleiben (0), die in anderen Syntagmen belegt sind. In der Zahl der Verzweigungen und ihrer Belegung kommt die Spezifik der Fachsprachen auf dieser Ebene zum Ausdruck; denn theoretisch läßt sich natürlich in den Knoten eine sehr weitgehende Verzweigung vorstellen, die folgenden abstrakten Ausdruck finden könnte und für alle Subsprachen möglich wäre (s. Abb. 27). Allerdings gibt es in allen natürlichen Sprachen schon generelle Beschränkungen in bezug auf die Realisierung dieses Schemas, die sich in Erwartungswerten (Wahrscheinlichkeiten)-für die Besetzung der einzelnen Positionen ausdrücken lassen. Wenn diese Werte für die jeweilige Einzelsprache =t=0 sind, dann liegen sie für die Fachsprachen im allgemeinen höher als für andere Subsprachen. 189

K Er El

Er

El

Er

usw. (K = Kern, El = Erweiterung links, Er = Erweiterung rechts) Abb. 27

Man könnte bei der Suche nach speziellen fachsprachlichen Syntagmen auch von der Funktion der betreffenden Wortgruppen im Satz ausgehen. Dafür gibt es einzelne Beispiele. Vor allem die adverbiellen Bestimmungen haben in diesem Zusammenhang die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. So geht N. M. Lariochina (1965) von deren traditioneller Einteilung aus, wenn sie die folgenden Gruppen unterscheidet und mit Beispielen belegt: Raum (pacnojiaraTBCH) B Ljempe, HA NOBEPXHOCTH; Zeit und Bedingung (oßoramaTbCii) n p n HarpeßaHHH, (npoHcxo^IITT) aa BpeMH; p r o p o r t i o n a l e A b h ä n g i g -

keit (pacnojiaraTLCH) no Mepe soBaTB)

HJIH

YBEJINNEHHH,

c yBejniieHMeivi; Ziel

ii3MepeHHH, (pacxosoBaTb) Ha HarpeBaHne, (BHÖHpaTb)

(HCIIOJIBB

I^ejinx;

Ursache und Folge ( B 0 3 H H K A T B ) BCJIE^CTBHE NORJIOMEHHH, B PE3YJITTATE pacmiipeHHH; Art und Weise (n3MepHTb) npH noMomn BOJitTMeTpa, c noMombio aMnepMeTpa, (nojiyiaTb) nyTeM pa3JiojKeHHH.

I. Schilling (1965) legt ihrer Gliederung den Gegenstand der Aussage zu Grunde. Sie gruppiert die einzelnen lexikalischen Einheiten und die Syntagmen, in denen sie auftreten, unter kommunikativem Aspekt wie folgt: (cflejiaTb cooßmeHHe) o peayjibTaTax paöoTH, o npoBe^eHHOM ceMHHape, (H3JIO>KHTB) CBOIO TOHKy 3peHHH Ha 3TOT Bonpoc, HeoßxöjjHMBie $aKTH, (ynecTB) c n e q n -

^»HHecKH>e ycjioBHH, ypoBeHb npoH3BoscTBa, nepcneKTHBH flajibHefiniero p a 3 B H T H H USW.

Auf diese Weise wird eine Fülle wertvoller Erkenntnisse über die Fügungspotenzen des Wortschatzes und die Beschaffenheit der Syntagmen in Fachtexten zutage gefördert und vor allem ein reiches Material für Übungen im Fremdsprachenunterricht bereitgestellt. Eine Systematisierung und syntagmatische Interpretation bleibt bei diesen und ähnlichen Verfahren jedoch schwierig, weil sie von der Anlage her gar nicht beabsichtigt ist. Wichtige Angaben über typische Syntagmen im technischen Englisch finden sich bei M. Gerbert (1970) und Sager/Dungworth/McDonald (1980) neben der Darstellung bevorzugter eingliedriger Formen, zusammengefaßt zum Nominal- und Verbalkomplex. Bei den adverbiellen Bestimmungen halten wir eine gesonderte Behandlung als Syntagmen neben den Substantiv- und Verbgruppen nicht für zweckmäßig, weil, erstens, ein großer Teil von ihnen formal mit Substantivgruppen identisch ist (B TeieHne BpeineHH, TaKHM 0Öpa30M; for thispurpose, vrithin the field 190

of exploration; dans ce cas, par extraction; unter Verwendung, in der Epoche) und damit im Hinblick auf das principium divisionis eine Uneinheitlichkeit in die Gliederung käme, zweitens, weil in dieser Kategorie strukturell sehr unterschiedliche Elemente vertreten wären, wenn man die Adverbien mit hineinnehmen wollte, was bei einer funktionalen Ordnung konsequent wäre, drittens, weil die adverbielle Bestimmung ebenso wie das als Substantivgruppe klassifizierte Objekt (mit und ohne Präposition) Teil der Prädikatsgruppe ist und seine Funktion aus dieser nächst höheren syntaktischen Einheit herleitet. Wir werden die entsprechenden Strukturen deshalb ausführlicher behandeln, wenn von den Phrasen und ihren Konstituenten die Rede ist. 2.5.2.4.

Die Bedeutung der Syntagmen für den

Spracherwerb

Wenn wir auch hier wieder nach dem Zweck der gesonderten Analyse der Syntagmen in der fachsprachlichen Kommunikation, besonders in schriftlichen Texten fragen, dann lautet die Antwort ähnlich wie bei den früher behandelten sprachlichen Phänomenen: Verzeichnisse der auf dem geschilderten Weg ermittelten häufigsten Substantiv- und Verbgruppen für die einzelnen Fachsprachen erleichtern bzw. verkürzen die Analyse und Synthese fachsprachlicher Texte, weil sie die im System der Sprache generell angelegten Möglichkeiten auf eine begrenzte Zahl verschieden wahrscheinlicher Realisierungen reduzieren. Das wird vor allem bei der Belegung der abstrakten Strukturen mit konkreter Lexik klar. Spätestens auf der Ebene der Syntagmen zeigt sich, daß die formal richtige Verknüpfung der Konstituenten eine wichtige Grundlage für die Kommunikation, keinesfalls aber die ganze sprachliche Kompetenz verkörpert. Viel wichtiger als eine geringe Anzahl leicht formalisierbarer Verknüpfungsregeln, wie wir sie für die Substantivgruppe, insbesondere für die Mehrworttermini, und für die Verbgruppe in den Ansätzen gezeigt haben, ist die echte semantische Kompetenz, die sich in der faehsprachlichen Kommunikation sowohl auf die Beherrschung der Sprache als auch besonders auf die Kenntnis der Sache stützt. Den Zugang zu ihr findet man am ehesten über die Verzeichnisse der in den einzelnen Fachsprachen häufigen Syntagmen im Sinne von Kollokationen; vervollkommnet wird sie durch Angaben zu den möglichen, semantisch richtigen, üblichen, von der Sprachgemeinschaft — hier speziell den Fachleuten — akzeptierten Fügungen und zu den falschen oder unüblichen Bildungen. Im übrigen begegnen wir in den Syntagmen schon jenen Relationen, die dann auch die Einheiten höherer Ordnung — Phrase und Satz — determinieren. Im Syntagma liegt aber nicht nur der Übergang von der einzelnen lexikalischen Einheit zum Satz, sondern zugleich der Keim der Aussage 191

über die Dinge, die von der einzelnen lexikalischen Einheit benannt oder bezeichnet werden. Bei den großen Schwierigkeiten, die sich in der fachsprachlichen Kommunikation, besonders bei der Verwendung fremder Sprachen, aus dçm Unvermögen ergeben, von der Benennung einzelner Phänomene zur abgerundeten Aussage zu gelangen, verdient das Syntagma deshalb besondere Aufmerksamkeit auf jeder Aneignungs- und Anwendungsstufe. 2.5.3.

Die Phrasen

Von den Syntagmen zu den Phrasen ist es nur noch ein kleiner Schritt, wenn wir bedenken, daß eine ganze Reihe von Syntagmen — auch Mehrworttermini — die Rolle von Phrasen übernehmen kann, ohne dabei einer Veränderung im Bestand der Konstituenten oder in deren Relationen zueinander unterzogen zu werden: Die Substantivgruppen AßCOJIIOTHHÖ H3rn6aioiunii MOMCHT; end shield screw; connexion électrique des rails; die Eigenbewegung der Fixsterne können als Nominalphrasen in der Funktion der Subjektgruppe oder der Objektergänzung in der Prädikatsphrase auftreten. Die Verbgruppen HSMepHTb CHJiy ajieKTpHneCKoro TOKa ; in some cases observed low values; peut donner une fréquence significativement élevée; untersuchte das Wasser des Flusses sind vollwertige Verbal- bzw. Prädikatsphrasen. Ebensogut können die Syntagmen in der Phrase eine Erweiterung erfahren. Der wesentliche Unterschied zwischen Syntagma und Phrase liegt in der syntaktischen Sicht und der sich daraus ergebenden Segmentierung der Einheiten. Bei der Herauslösung des Syntagmas spielt, wie wir schon festgestellt haben, dessen Verhältnis zu den übrigen Syntagmen in der Phrase oder im Satz keine Rolle. Die Phrase dagegen ist eine „selbständige Einheit der Rede, eine aktualisierte Einheit der Mitteilung" (Achmanova 1966, 502), die durch die Segmentierung des Satzes entsteht, wenn dieser als grundsätzlich zweigliedrig aufgefaßt wird. Mit anderen Worten : Die Phrase gehört der in der sprachlichen Hierarchie auf das Syntagma folgenden höheren Ebene an. Das Syntagma könnte man, von dieser Ebene herabblickend, einfach als Phrasotmem (Maslov 1968) ansehen. Aus der fachsprachlichen Forschung und auch aus den Erfahrungen der spezialsprachlichen Ausbildung hat sich ergeben, daß eine funktional orientierte Phrasenstrukturgrammatik (Hoffmann 1971) am besten geeignet ist, die syntaktische Spezifik der Fachsprachen aufzudecken und die Herausbildung sprachlicher Fertigkeiten und Fähigkeiten zu fördern. Diese Auffassung wird auch durch die vorangegangenen Betrachtungen zu den Syntagmen bestätigt. Wenn auch der Satz die entscheidende sprachliche Einheit ist, in der sich die Aussage realisiert, so ist er doch als Ganzheit 192

zu wenig differenziert, um daraus Unterschiede zwischen den Subsprachen herleiten zu können, auch wenn wir mit der traditionellen Grammatik zwischen einfachen (erweiterten) Sätzen, Satzverbindungen und Satzgefügen unterscheiden und deren verschiedene Arten weiter untersuchen. Die Zerlegung des Satzes wie der Aussage in zwei Grundkonstituenten — Nominalphrase und Verbalphrase, Thema und Rhema, Bekanntes und Neues usw. — führt zu deren gründlicherem Verständnis. Dabei ist es zweckmäßig, Nominalphrase und Verbalphrase gleichzeitig in ihrer Funktion innerhalb des Satzes (S) zu erfassen und so zu einer feineren Zergliederung in Subjektphrase (SP) einerseits und Prädikatsphrase (PP) mit Kern (K), adverbieller Ergänzung (AE) und Objektergänzung (OE) andererseits zu gelangen. S

AE

K

OE

Abb. 28

JJaHHHe onHTa (SP) Bnojrae (AE) noflTBepjKflaioT (K) npnmjmiH OTHOCHTejibHOCTH ( O E ) .

Aus diesen Grundeinheiten besteht im Prinzip jeder Satz, sei er auch noch so lang und kompliziert. Sind sie einmal auf ihren Bestand an Konstituenten und auf die Beziehungen zwischen diesen, d. h. als Phrasen, untersucht, dann bleibt eigentlich nur die Frage ihrer Verknüpfung zum Satz übrig. Unter funktional orientierter Phrasenstrukturgrammatik verstehen wir aber noch etwas mehr, nämlich die Herstellung von Zuordnungen zwischen sprachlichen Strukturen und Teilen der durch ihren fachlichen Zweck determinierten Aussage. So ist, wie wir später sehen werden, zur Beschreibung bestimmter, für ein oder mehrere Fachgebiete spezifischer Vorgänge eine sehr exakte Darstellung der Bedingungen durch adverbielle Bestimmungen nötig. Den hohen Anforderungen an eine fast zeichnerische Genauigkeit in den Fachsprachen werden aber einfache Adverbien nur selten gerecht. Deshalb treten hier ganze Substantivgruppen immer stärker in den Vordergrund. Zu ihrer Klassifizierung reicht die alte Einteilung in Modal-, Temporal-, Lokal-, Kausalbestimmungen usw. kaum noch aus. Die fachsprachliche Forschung strebt hier nach einer weiteren Differenzierung, die über die allgemeine Ortsbestimmung hinaus die Lage von Organen im menschlichen Körper (Medizin), die Bewegung von Körpern im R a u m (Physik), die Position eines Elements in einem System (Kybernetik), den Weg des Ernteguts durch den Mähdrescher (Landtechnik) und anderes mehr erfaßt. 13 Fachsprache

193

Ähnliches gut f ü r die differenzierte Erfassung der Gegenstände der sprachlichen Kommunikation, die als Subjekt oder Objekt des Satzes zuweilen in sprachlich sehr komplexer Form auftreten, oder der zuweilen recht komplizierten Operationen, in die diese Gegenstände einbezogen werden und die in der Prädikatsphrase ausgedrückt werden müssen. 2.5.3.1.

Die Phrasenlänge

Als äußeres, rein quantitatives Merkmal der Phrasen in fachsprachlichen Texten wird immer wieder ihre Länge hervorgehoben. So ergibt ein Vergleich von Texten der Radioelektronik mit allgemeinen Angaben über die russische Sprache, der von N. D. Andreev (1967, 248) auf der Basis der Buchstabenbzw. Phonemzahl durchgeführt worden ist, daß in den Fachsprachen Längen von 8 bis 22 Buchstaben den höchsten prozentualen Anteil (0,033—0,045, d. h. insgesamt 0,582 oder 58 %) ausmachen, während dieser in anderen Subsprachen bei Längen von 3 bis 15 liegt (0,566 oder 57 %). Phrasen von 23 bis 34 Buchstaben sind in den Fachsprachen immer noch häufig (0,028—0,009). Die gleiche Häufigkeit wird in den übrigen Subsprachen nur bis zu 24 Buchstaben Länge erreicht. Dagegen haben dort die geringen Längen von 2 bis 7 Buchstaben durchweg eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit, z. B. 4 Buchstaben 0,043 gegenüber nur 0,011. Für das Englische ergibt die Gegenüberstellung von Radioelektronik und künstlerischer Prosa ein ähnliches Bild. Am stärksten vertreten sind in fachsprachlichen Texten Phrasenlängen von 12 bis 30, in der künstlerischen Literatur von 2 bis 24. Die Angaben zur Radioelektronik im Französischen, für die Vergleichsdaten fehlen, weisen für die großen Längen ebenfalls hohe Häufigkeiten aus. F ü r die deutschsprachigen Stichproben der Radioelektronik und der Publizistik ergeben sich dagegen kaum signifikante Abweichungen. Die hier in Buchstaben und Phonemen ausgedrückte größere Phrasenlänge in den Fachsprachen ergibt sich direkt aus der größeren Zahl der Konstituenten (lexikalischen Einheiten). Berechnungen auf dieser Grundlage (Anzahl der Autosemantika) stellt G. A. Lesskis für den russischen Satz an (Lesskis 1963). E r gelangt dabei zu folgenden Ergebnissen: Tab. 33 Subjektgruppe Phrasenlänge {Zahl der Autosemantika)

0 1 2 3 4

194

Wissenschaftliche Prosa

Künstlerische Prosa

11,4 27.3 24,1 12.4 8,4 16,4

3,8 73,7 13,9 4,3 1,7 2,6

Abgesehen von der größeren Häufigkeit der Nullphrasen in der Subjektgruppe, die sich funktional ohne weiteres interpretieren läßt, bestätigt sich hier, was bei der Ermittlung der Phrasenlänge nach Buchstaben bzw. Phonemen schon deutlich geworden ist: die Tendenz der Fachsprachen zu Tab. 34 Prädikatsgruppe Phrasenlänge (Zahl der Autosemantika) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Sil

Wissenschaftliche Prosa

Künstlerische Prosa

0,1 3,1 8,7 12,7 14,5 13,5 10,9 8,2 7,5 5,9 4,6 10,3

0,2 16,4 25,9 22,6 13,8 8,7 4,5 2,8 1,9 0,9 0,7 1,6

größerer Phrasenlänge, die bei den Subjektphrasen schon von der zweigliedrigen, bei den Prädikatsphrasen von der viergliedrigen an sichtbar wird. 2.5.3.2.

Die Konstituenten

in Subjekt- und

Prädikatsphrase

Wichtiger als die Zahl der Konstituenten der Phrase in den Fachsprachen ist deren Beschaffenheit, d. h., uns interessieren die sprachlichen Elemente und ihre Verknüpfung in der Phrase. Obwohl wir hier eine weitgehende Übereinstimmung mit den bereits untersuchten Syntagmen antreffen, ergeben sich aus einer gesonderten Betrachtung der Phrasen doch neue Aspekte im Hinblick auf die vollständige Erfassung der fachsprachlichen Syntax. Interessantes Material dafür bietet eine vergleichende Analyse, die S. Robaschik (1977, 103—112) an russischsprachigen Texten der Medizin und der künstlerischen Literatur durchgeführt hat. Wir stellen die Ergebnisse in der Reihenfolge der abnehmenden Häufigkeit nebeneinander. 2.5.3.2.1.

Die

Svhjektphrasen

Schon der Vergleich dieser einfachen Symbolketten, die noch einer Hierarchisierung zugeführt werden könnten, läßt eine Reihe von Unterschieden bzw. Besonderheiten bei den Fachsprachen erkennen. Da ist zunächst die größere 13»

195

Tab. 35 Subjektphrasen In medizinischen Fachtexten

relative Häufigkeit

In der künstlerischen Prosa

relative Häufigkeit

1. Nullphrasen 2. S 3. Pr 4. AS 5. SSg 6. PrS 7. SAgSg 8. ASSg 9. SCS 10. SSgSg 11. SPrg 12. ASAgSg 13. AAS 14. PrAS 15. PartS 16. SS 17. SPrgSg 18. SSgAgSg 19. SgN 20. PrSSg 21. SSgSgSg 22. SSg Präp Sp 23. SAgSgSg 24. A 25. ACAS 26. Part AS 27. SPr 28. S Präp Si

0,151888 0,130953 0,085796 0,062808 0,061477 0,027504 0,016831 0,013957 0,008621 0,007800 0,006569 0,006158 0,005747 0,005747 0,004516 0,004516 0,004106 0,003695 0,003695 0,003285 0,002464 0,002464 0,002464 0,002464 0,002464 0,002464 0,002054 0,002054

1. Nullphrasen 2/Pr 3. S 4. AS 5. SSg 6. PrS 7. SS 8. AAS 9. SAgSg 10. PrPr 11. ASSg 12. Pr Partikel 13. PrgS 14. A 15. SCS 16. PrAS 17. S Partikel 18. Partikel Pr

0,282913 0,273459 0,203782 0,029412 0,025449 0,017507 0,017157 0,005252 0,003621 0,003502 0,003152 0,003152 0,002802 0,002802 0,002451 0,002101 0,001751 0,001751

(S — Substantiv, Pr — Pronomen, A — Adjektiv, C — Konjunktion, Präp — Präposition, N — Numerale, Part — Partizip, g -• Genitiv, d — Dativ, i — Instrumental, p — Präposition)

Vielfalt der Strukturen (28 gegenüber 18) und dann die größere Anzahl der Konstituenten (ohne Konjunktionen und Präpositionen 4mal 4, lOmal 3, 8mal 2, 4mal 1, lmal 0 gegenüber Omal 4, 4mal 3, lOmal 2, 3mal 1, lmal 0), so etwa die ausgesprochene Bevorzugung dreigliedriger Subjektphrasen in den Fachsprachen und zweigliedriger in der künstlerischen Literatur. Einige Strukturen sind nur in einer der beiden Subsprachen vertreten, z. B. die viergliedrigen ASAgSg, SSgAgSg, SSgSgSg, SAgSgSg mit ihrer starken attributiven Erweiterung, die Genitivketten SSgSgSg und SSgSg, die Konstruktionen mit Substantiven im Präpositiv und Instrumental SSgPräpSp, SPräpSi, die Phrasen mit Partizipien PartS und PartAS, die konjunktionale Verbindung der Attribute in ACAS und einige Gruppen mit pronominalen Konstituenten nur in der Fachsprache der Medizin, bestimmte Phrasen 196

mit Partikeln und Pronomen nur in der künstlerischen Literatur. Andere nehmen der Häufigkeit ihres Auftretens nach verschiedene Positionen in der Rangliste ein. So steht das Pronomen als Subjekt in der künstlerischen Literatur an der Spitze, in wissenschaftlichen Texten folgt es erst nach dem Substantiv. Die Phrase SAgSg steht in der Fachsprache der Medizin an siebenter, in der künstlerischen Literatur erst an neunter Stelle. Bei ASSg haben wir eine Entfernung von drei Rängen (8—11). Umgekehrt liegen AAS und SS in der künstlerischen Literatur wesentlich weiter vorn (8—13 bzw. 7-16). Die Rangposition allein läßt jedoch die unterschiedliche Wertigkeit der Phrasenstrukturen noch nicht in vollem Umfang erkennen, da die Abstände zwischen den Rängen größer oder kleiner sein können. Wir müssen deshalb auch die Häufigkeiten der einzelnen Symbolketten direkt miteinander vergleichen. Dabei zeigt sich z. B., daß die Nullphrase, d. h. der subjektlose Satz, zwar in beiden Listen den ersten Platz einnimmt, aber mit sehr unterschiedlichen Häufigkeiten (0,15—0,28). Damit wird übrigens die Behauptung, der „wissenschaftliche Stil" sei abstrakt und unpersönlich, von dieser Seite her nicht gestützt. Die Subjektphrase enthält in den Fachsprachen mehr konkrete und auch ausführlichere Angaben als in anderen Subsprachen. Das wird auch durch das Verhältnis zwischen den Häufigkeiten der Substantive und Pronomen bestätigt. Die Pronomen stehen in künstlerischen Texten in 27 von 100, in wissenschaftlichen Texten nur in 8 von 100 Fällen als Subjekt. Das Bild ändert sich auch dann nicht, wenn wir berücksichtigen, daß das Subjekt in der künstlerischen Literatur für 20 % und in der wissenschaftlichen Prosa nur für 13 % der Phrasen von einem Substantiv repräsentiert wird; denn bei dieser Gegenüberstellung erscheint ja nur das einzelne Substantiv im Blickfeld. Weit größeres Gewicht hat in der fachsprachlichen Kommunikation jedoch das Substantiv als Kern einer mehrgliedrigen Subjektphrase. Hier überwiegt es in den entscheidenden Strukturen gegenüber dem Substantiv im künstlerischen Sprachgebrauch. Das wird indirekt auch daraus deutlich, daß die drei ersten (eingliedrigen) Strukturen — Nullphrase, Pr, S —zusammen allein schon 76 % der Subjektphrasen in der schöngeistigen Literatur ausmachen; in den medizinischen Texten sind es nur knapp 37 % . Schauen wir uns noch ein paar Beispiele für fachsprachliche Subjektphrasen mit den geschilderten Strukturen an: 1.

PEKOMEHFLYETCH

B03«EPHIHBATBCH

OT

ynoTpeöjieHHH

B

numy Macna

(Nullphrase). 2.

^ H e T a HOJiJKHa 6 H T B M e x a m i q e c K H h x n M i i n e c K i i m a n n m e f i ( S ) .

3.

3 T O OÖlHCHHeTCH OTCyTCTBHeM y HHX H M M y H H T e T a ( P r ) .

4. B c j i y i a e B H n a j j e H H H n p H M O f l KHUIKH n p H M e H H e T C H xnpyprHHecicoe aeHeHHe (AS). 5. ^HarnocTHKa MyK0BHcqn^03a CTaHOBMTCH oieBHHHofi . . . (SSg). 6. 3 T H BEJIHIHHM KOJIEßJNOTCH . . . (PrS). 197

7. y

IIHTH

ÖOJItHHX

fleKOMneHcan;HH 8.

ßlJJIH

OTieTJIHBO

BHpaHieHH

HBaCHHH

Cep^eHHOÖ

(SAgSg).

K n H H H i e c K H e noHBJieHHJi s a ß o a e B a H H H o Ö H a p y j K e H t i . . .

(ASSg).

9. OflHaKO BajibTep H EacoB He oijeHHjra Bcero a H a i e H H « . . . ( S C S ) . 10.

. . .

HsyieHHe

HHTepec

npoßjieMH

MyK0BHCiptfl03a

.. .

npeflCTaBjuieT

11.

OTcyTCTBHC e r o npe^oTBpamaeT 6epeMeHHOCTb.. . ( S P r g ) .

12.

H o B B i f i 3 T a n p y c c i c o ä H3H0Ji0rHH H a i H H a e T c a p a ö o T a M H . . .

13.

K0MaT03HaH Hcxony

14.

3TH

(«CBepxHOCTHas»)

$opMa

IAME

npnBOflirr

K

(ASAgSg).

JIETAJIBHOMY

(AAS).

OKHC.LHTCJII.HI.ie

HLixaHHe 15.

öojibmofi

(SSgSg).

peaKH^HH

OÖOBHaiaiOTCH

TepMHHOM

TKaHeBOe

(PrAS).

I I p H B e ^ e H H b i e B o n p o c H HACT0JIBK0 BAJKHH, HTO . . . ( P a r t S ) .

16.

^ H a r H 0 3 « r e n a T 0 X 0 a e c T H i ; H T » oßbi^HO T p e ö y e T y T o i H e H H H ( S S ) .

17.

Pe3yjibTaTW JleßeAeBa

18.

. . . B 3TO atejie3bi

Hanrax

Hccne^oBanHÖ

BnojiHe

coBna^aioT

c

¿jaHHtiMii

(SPrgSg). BPEMH

HAßJIIOFLAETCH

yMeHbmeHHe

ceicpeijHH no^atejiynoHHofi

(SSgAgSg).

19.

M y j K i H H 6HJIO 1 0 . . . ( S g N ) .

20.

B C A K H Ö n p n e M N N N ^ N BH3BIBAET N O B H M E H H E o ö i v i e H a BEMECTB ( P r S S g ) .

21.

3anacb

ÖHOTHKOB

rpa$HH

(SSgSgSg).

nopti

M03ra

nojiyimia

Ha3BaHne

22.

H e i n ß o j i t m e c o ^ e p a c a H H e r e M o r j i o Ö H H a B KPOBH, T e M . . .

23.

METO,n

XPOHH^ECKHX

OHBITOB

ÜABJIOBA

yiHT

ajieKTposHqe^ajio-

(SSgPräpSp).

Bpaia

noHHMaTb

. .

.

(SAgSgSg). 24.

.. .

napacHMnaTHiecKHfi

pa3,neji

yBejiHiHBaeT

KpoBeHanojiHeHHe,

a

C H M n a T H i e c K H Ü , H a n p o T H B , e r o CHiiHtaeT ( A ) . 25.

. . . p e i ; e i r r o p H , c KOTOPHX B o s H H K a i o T ycJiOBHbie H 6 e 3 y c n o B H b i e cw .. .

pe^aeK-

(ACAS).

26.

. . . BtipaaceHHMH a T p o $ H i e c K H ä r a c T p H T y 3 ß o j i b H H x . . .

27.

K H C T A 3TA OÖHHHO K p y r j i o ö < J » o p M H , . . .

28.

ECJIH n p n STOM ß y i i a J E K a c KHCJIOTOS H e y n a n e T , . . .

(PartAS).

(SPr). (SPräpSi).

M ö g l i c h e r w e i s e ist n o c h nicht j e d e s der Beispiele eindeutig in d e r

Zuordnung

z u d e n S t r u k t u r e n . S o k ö n n t e m a n z . B . 2 6 a u c h z u 13 z ä h l e n o d e r d i e E i g e n n a m e n aus der K a t e g o r i e der Substantive herauslösen. Diese

Veränderungen

h ä t t e n a b e r keinen wesentlichen E i n f l u ß auf unsere prinzipiellen Feststellungen.

2.5.3.2.2. Ehe

wir

Die uns

Prädikatsphrasen die

unterschiedlichen

ansehen, müssen einige W o r t e die spezifischen Eigenheiten

198

Strukturen

der

Prädikatsphrase

zu deren Grobgliederung gesagt

näher

werden.

der Fachsprachen in dieser syntaktischen

U m Ein-

heit genauer zu erfassen, sollte man hier eine Dreiteilung in Kern (K), adverbielle Ergänzung (AE) und Objektergänzung (OE) vornehmen (Hoffmann 1972a; Reinecke 1974). Schon im Prädikatskern treten zwei Besonderheiten der Fachsprachen sehr deutlich hervor: a) der wesentlich höhere Anteil nominaler Elemente und die damit verbundene Zurückdrängung des Verbs sowie b) die Desemantisierung des Verbs. An Stelle des in anderen Subsprachen, besonders in der künstlerischen und publizistischen Literatur vorherrschenden Verbs begegnen wir sehr häufig Adjektiven, Partizipien und ganzen Substantivgruppen mit und ohne Kopula bzw. Hilfsverb. E C J I H nojiHHö 3apH« paBCH Hyjiio, TO nepBHü LAEN Hcie3aeT. TeopeTHiecKan paßoTa JlemiHa ÖBiJia HeoTfle.iHiua OT ero npaKTHiecKoft peBOJIKmHOHHOH aeHTeJIbHOCTH. IloHBjieHHe BOBpacTaroiHHx HjxeHOB B peniemm CBFLSAHO c pa3Jio»eHHeM THna . . . 3TO — HCKOMtie 3H$$epeHi(HajibHwe ypaBnenna. BejiHiHHa A . . . ecTb i^HmiHiecKas lacTOTa spanjenna iacTHn,I.i B IIJIOCKOCTH. MapKCH3M aBJiaeTca sparoM BCHKoro ^orMaTH3Ma. Nothing is more conducive to international misunderstandings than deceptive cognates. The distribution of an element will be understood as the sum of all its environments. The thing is too well known to need illustration. A technical jargon is an unescapable necessity in every field research. C'est pour cette raison qu'il est important . . . de recourir à un principe de généralisation particulier. Chaque division menée à son terme est présupposée par d'autres divisions. Une classe de classes sera appelée hiérarchie. La catalyse est la condition nécessaire de l'analyse. Im August 1937 war das Meer um Spitzbergen völlig eisfrei. Die Wasseruhr war im Altertum in verschiedenen, z. T. sehr kunstvollen Konstruktionen weitverbreitet. Die spezifische Wärme eines Stoffes wird gemessen durch die Wärmemenge, die nötig ist, um die Temperatur von einem Kilogramm dieses Stoffes um 1°C zu erhöhen. Die auffallendste Klimawandlung in der letzten Zeit ist die Erwärmung der Arktis. Eine starke Desemantisierung erfährt das Verb in Sätzen wie: H&ßjiioflaeMoe MHoroo6pa3He HBJIEHHFI B npapone npeflCTasaaeT coöoä pa3JIHHHHe $OpMEt HBHJKymeÜCH MâTepHH. MaTeMaTHiecKHe Mero^H 0Ka3MBai0TC» ecTecTBeHHoü 6a3oü KiiGepHeTiiKii. Boo6me HeTHpexMepHHM BeKTopoM . . . HaatiBaeTCfl coBOKyimocTb leTupex BejraiHH A0, A 1 , A 2 , A 3 . . . 199

We just happen not to care what the denotation is. This seems to be a misinterpretation. Les grandeurs inventoriées à chaque étape de l'analyse seront appelées éléments. Ce groupement doit se faire sans tenir compte des paradigmes que composent les sons. Hier hat die Entwicklung einen Sprung gemacht. Verdunstung heißt der Übergang eines flüssigen Stoffes in den gasförmigen Zustand. Wenn schon die nominalen Elemente im Kern der fachsprachlichen Prädikatsphrase auffällig stark vertreten sind, so nimmt das Verb doch auch hier seine Hauptfunktion wahr. Eine Vorstellung vom Verhältnis zwischen verbalem und nominalem Prädikat geben die Untersuchungen von G. A. Lesskis (196?, 9) zum russischen Satz, deren Ergebnisse sich in unseren eigenen Arbeiten bestätigt haben. Danach sind in wissenschaftlichen Texten 37,5 % der Prädikate nominal und 62,5 % verbal. In der künstlerischen Literatur steht das Verb für 87 % der Prädikate, und nur 13 % haben nominalen Charakter. Ebenso wie bei den Subjektphrasen kann man die Struktur der Prädikatsphrasen in Symbolketten erfassen. Die Klassifizierung, die sich auf . diese Weise ergibt, führt über die erwähnten fünf Typen hinaus und gestattet eine präzisere Darstellung der fachsprachlichen Spezifika. Bei der Analyse russischsprachiger Texte der Medizin hat sich die folgende Rangordnung für Prädikatsphrasen ergeben : Tab. 36 Prädikatsphrasen

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

In medizinischen fexten

relative Häufigkeit

Vintrans Vtrans DVintrans Akf Partkf DAkf Vaux Vintrans/trans VtransAaSa VauxPräpNSg AaSaVtrans VtransSa

0,026146 0,015003 0,009037 0,005144 0,005144 0,003429 0,002572 0,002572 0,002572 0,002143 0,002143

(V - Verb, D - Adverb, A - Adjektiv, Part — Partizip, S — Substantiv, N — Numerale, intrans — intransitiv, trans — transitiv, kf — Kurzform, Vaux — Hilfsverb, a — Akkusativ, g — Genitiv)

Veranschaulichen wir uns die häufigsten Strukturen noch an einigen Beispielen : 1. OÖHapyjKHBaeTCH S H a w r e j i t H o e CHÜTKGHHG i n c j i a oßteaia M H T O X O H H P H Ö . . . . HJIH OHO HcnesaiOT (Vintrans).

200

2. B. B. EajiflaeBa yicasbiBaeT, ITO . . . (Vtrans). 3. O Ö B I I H O H M E E T C A pe3KaH a^HHaMUH H o6mne trans). 4. Mx HapyjKHHö KOHTyp nojimjHKJiHieH (Akf).

THÜHHHUG

HBJieHHH (DVin-

5. OTMe^eHO ÖJiaronpHHTHoe BJiHHHiie 3Toro npenapaTa Ha . . . ( P a r t k f ) . 6. BTa T E O P H H nacTOJibKO HSBecTHa, HTO . . . (DAkf). 7. OcTpoTa npoijecca MoaceT BapbnpoBaTb (VauxVintrans/trans).

8. TeieHHe peaKijHH HMeeT $a3HBifi xapaKTep (Vtrans AaSa). 9. He,nocTaToiHocTb KpoBooöpameHHH 1—2 CTeneHH öbua y 24 ßoabHbix . . . (VauxPräpNSg). 10. B O ^ B M O E 3 H A H E M I E HMCJIO BHjjejieHiie B caMocroHTejibHyio cnei;naai>H O C T B HeöpoxHpyprjm (AaSa Vtrans). 11. U p e ^ C T A B A A E T HHTepec T P Y J J O B A H AßAIRRAIIHH Ö O J I B H H X rnnepTpo^neft (VtransSa). Vergleicht man dieses Verzeichnis der häufigsten Prädikatsphrasenstrukturen mit einem anderen für die der künstlerischen Literatur, so fallen vor allem folgende Besonderheiten auf: der hohe Anteil intransitiver, z. T. passiver Verbformen mit und ohne adverbielle Ergänzung; die große Zahl von Adjektiven und Partizipien mit und ohne Hilfsverb bzw. Kopula; die große Häufigkeit von Prädikatsphrasen ohne Objektergänzung mit und ohne Präposition; das Auftreten von (erweiterten) Objektergänzungen vor dem Verb (Inversion). Fast kein Unterschied besteht in der Verwendung der häufigen Struktur Vaux Vintrans/trans, d. h. in der Vorkommenshäufigkeit modaler Modifikatoren. Diese Aussagen über die Prädikatsphrase sind weniger zuverlässig als die über die Subjektphrase. Während die bei beiden verwendete Untersuchungsmethode dort zu einer überschaubaren Zahl relativ häufiger Strukturen geführt hat, ergibt sie hier nur niedrige Häufigkeiten für eine große Zahl in ihrem Bestand unterschiedlicher Konstruktionen, die durch die größere Länge und Komplexität der Prädikatsphrase bedingt ist. Was für die untersuchten Fachtexte der Medizin typisch ist, muß durchaus nicht auf alle oder viele andere Wissenschaftsdisziplinen und schon gar nicht auf die Sprache der materiellen Produktion zutreffen. Wenn wir auch früher geneigt waren, eine weitgehende Einheitlichkeit des „wissenschaftlichen Stils" auf der syntaktischen Ebene anzuerkennen, so sind uns doch bei der genaueren Untersuchung der Phrasenstrukturen und speziell der Prädikatsphrasen Zweifel daran gekommen, daß sich hier keine Unterschiede zwischen den Fachsprachen feststellen lassen sollten. Auffällig ist z. B . die differenzierte Verwendung des Adverbs in der Fachsprache der Medizin (Wüsteneck 1971), der in anderen Fachsprachen ein ausgiebiger Gebrauch adverbieller Bestimmungen in Gestalt von Substantivgruppen gegenübersteht. Auch im Hinblick auf Häufigkeiten und Umfang der Objektergänzungen nach transitiven Verben bestehen zwischen den einzelnen Fachspra201

chen beträchtliche Unterschiede. Stichproben aus der Technik und aus den Gesellschaftswissenschaften haben zu ganz anderen Ergebnissen geführt, als wir sie in unserem Verzeichnis für die Medizin vorgelegt haben. Und auch für das Englische, Französische und Deutsche, wo repräsentative Untersuchungen zur Prädikatsphrase in fachsprachlichen Texten noch nicht vorliegen, sind durchaus neue Erkenntnisse zu erwarten. Deshalb führt hier eine genauere Analyse der adverbieilen Ergänzungen und Objekterweiterungen zu tieferen Einsichten in das Wesen der Fachsprachen. 2.5.3.2.3.

Die adverbiellen Ergänzungen

Nähere Angaben zur adverbiellen Ergänzung in russischsprachigen Texten der Naturwissenschaften finden sich bei I. F. Vinogradova und E . P. Goljarkina (1965). Danach verteilen sich die adverbiellen Ergänzungen in der Prädikatsphrase auf die traditionellen funktionalen Kategorien wie folgt: modale 30,5 % , lokale 30,5 % , konditionale bzw. konditional-temporale 14 % , temporale 9 % , graduelle 6,5 % , finale 6 % , kausale 3,5 % . Aus einer strengeren Formalisierung der bei Vinogradova und Goljarkina aufgeführten 37 Typen ergibt sich eine Rangliste mit 14 Strukturen: VD PACTBOPHTBCH nerKO — modal, naxop,nTbCH BHyTpn, OTKJIOHHTLCH BJI6BO — JJ VD—

lokal pa3BHBaTLCH nOBOJItHO ßbICTpO, 0Ka3HBaTbCH HOCTaTOHHO CJIOJKHHM — graduell DV OTOOßa CJiejjyeT, BHTeKaeT — lokal, 3aTeM onpeaejineTCH — temporal, CHUbHO H3MeHneTCH — graduell, n03T0Mynp0H3BeneM—kausal VSi nonyiaTb BpameHHeM — modal VAiSi nojiynaTb npocTHM MOTO^OM — modal VPräpSg BpamaTb BOKpyr OCH — modal, HAXOßHTH H3 PABGHCTBA — lokal, oßpaaoBaTbCH nocne HarpeBa — temporal, npiiMeHHTb(cn) rjih nojiyieHHH — final VPräpSd BHTOCnHTb no $opMyne — modal, nepeceKaxb no jmaroHaJM — modal, G noRxoAHTb K noBepxHoeTH — lokal VPräp—a noHHHTbcn Ha BticoTy h, yBeJiHHHTbcn Ha 150 % — graduell, pa3ÖHBaTb Ha HHTepBajiw, Bupa3HTb nepe3 cnopocTb — modal, npoTeKaTb lepes TpyÖKy, BBOAHTb B pacTBop — lokal VPräpAaSa Hcn0nb30BaTb B HacTOHmee BpeMH, H3M6HHTBCH 3a KopoTKiitt nepnofl — temporal VPräpSi B03pacTaTb c TeMnepaTypofi, AßiiraTbCH co CKopocTbio V — modal VPräpAiSi p;eitCTBOBaTb c HeoflHHaKOBHMii CHJMMH — modal VPräpSp OKHCJiHTbCH B pacTBope, pacnonaraTbCH Ha noBepxHoeTH — lokal, Bhi^ejiHTbCH npH peaKi;HH — konditional-temporal VPräpApSp onpeAßJiHTb B np0THBH0M CJiyiae — konditional-temporal VLSg

oßHapyjKHTb

npn

noMomii

BblHHCJieHHÜ — m o d a l ,

( c n o M o m b i o ) MHKpocKona, HaxoflHTb

oßtflCHHTb H a OCHOBaHHH OnHTa,

nyTeM

BCTpeiaTbCH

B BH«e napoB — modal, HapyiuaTbcn BCJieRCTBiie TpeHH«, npeBpamaTbCH B pe3yjibTaTe aKCnepHMeHTa — kauaal, KpiicTaJiJiH30BaTbCH no Mepe oxjiaHtneHHH — graduell

202

(V — Verb, D — Adverb, A — Adjektiv, S — Substantiv, Präp — Präposition, N — Numerale, L — lexikalische Einheit, g — Genitiv, d — Dativ, a — Akkusativ, i — Instrumental, p — Präpositiv)

Vergleicht man dieses Verzeichnis mit einem entsprechenden der künstlerischen Literatur, dann fällt dort die große Häufigkeit der einfachen Adverbien vor und nach dem Verb auf. In den Fachsprachen dominieren eindeutig die Substantive und Substantivgruppen mit Präposition. Dabei werden alle Kasus ausgeschöpft. Ohne Präposition treten Substantive nur im Instrumental auf. In diesem Kasus und auch im Präpositiv haben sie die stärkste Tendenz zur Erweiterung durch ein Adjektiv. Im übrigen lassen die aufgeführten Strukturen eine Reihe von Modifikationen und Erweiterungen zu. So können Adjektive durch Partizipien oder Pronomen, Substantive selbstverständlich durch Pronomen ersetzt werden. Erweiterungen ergeben sich durch das Hinzutreten von gleichartigen Elementen, Zahlen, Buchstabensymbolen, ganzen Formeln usw. Präpositional regierte Substantive als typische Konstituenten der adverbiellen Ergänzung werden nicht nur im Russischen immer häufiger. So führt M. Gerbert (1970, 51 f.) unter der Überschrift „Merkmallose Adverbien (Fiat-Adverbs)" die Beispiele with accuracy, with the greatest ease neben anderen Gruppen wie the hard way, the easy way, are easy to weld usw. an, die sich für die verschiedenen Arten der adverbiellen Bestimmungen noch beträchtlich ergänzen ließen ( f o r special purposes — final, for the first time — temporal, under these conditions — konditional usw.). Dieselbe Tendenz läßt sich für das Französische zeigen : avec quel sain scrupuleux, sans discrimination et sans nécessité — modal, sur la terre — lokal, sous ce but — final usw. Und auch im Deutschen begegnen wir immer häufiger Konstruktionen wie : zu diesem Zweck — final, unter der Bedingung — konditional, beim Anlassen — temporal, mit Hilfe der modernen Technik, unter Nutzung spezieller Methoden — modal u. a. 2.5.3.2.4.

Die Objektergänzungen

Zur Objektergänzung bleibt uns nur noch wenig zu sagen, nachdem wir an anderer Stelle schon darauf hingewiesen haben, daß deren Struktur in den Grundzügen mit der des Mehrwortterminus oder der Subjektphrase übereinstimmt, handelt es sich doch aus syntaktischer Sicht bei ihnen allen um mehr oder weniger stark erweiterte Substantivgruppen. Wir begegnen also auch hier in erster Linie Konstruktionen mit Links- oder/und Rechtserweiterung eines Substantivs durch Adjektive und Substantive, wobei die Substantive im Russischen ohne Präposition vor allem im Genitiv, zuweilen auch im Instrumental und Genitiv stehen. Im Englischen, Französischen und Deut203

sehen spielt eine solche Unterscheidung in bezug auf die Kasus keine große Rolle. Geringer als b,ei Subjektphrasen und Mehrworttermini ist im allgemeinen der Umfang der Objektergänzung, d. h. die Zahl ihrer Konstituenten. „Überlange" S u b s t a n t i v g r u p p e n wie z. B. BtmyKJiaH KpyroBan cTpeana c HByMBH 3aKpenjieHHHMH B npoTHBonojiojKHHe cropoHH t r e t e n f a s t n u r in der

Subjektphrase auf, gegebenenfalls unter Benutzung einer Passivkonstruktion. Ist in bezug auf das Objekt Ausführlichkeit vonnöten, so bedienen sich die Fachsprachen gern ganzer Objektsätze, die von den entsprechenden Konjunktionen eingeleitet werden: M H BHJ;CJIH, HTO, NOTEIMNAJIM nojia onpe^ejicom He 0^H0BHaHH0. We say that a chain generates a terminal string. Nous pouvons voir ainsi que les chaînes . •. ont un facteur commun: . . . Wir nehmen an, daß der Prozeß langsam abläuft. Der Objektsatz ist aber nicht mehr im Zusammenhang mit der Objekterweiterung als Bestandteil der Prädikatsphrase zu behandeln. Ähnlich wie innerhalb der Objektergänzung liegen die Dinge auch an ihrer Nahtstelle zum Prädikatskern. Möglich ist der Übergang mit oder ohne Präposition. Die bisherigen Untersuchungen deuten auf eine weitaus größere Häufigkeit des direkten Objekts ohne Präposition. Auffällig ist im Russischen und Deutschen auch die Tendenz zur Inversion, die bis zum Vordringen des Objekts aus seiner überwiegenden Schlußstellung an den Satzanfang führen kann (OCOÔHH HHTepec NPEPCTABJINET . . . Eine neue Methode hat B. eingeführt). Sie tritt zwar nur in 5,8 % der Satzanfänge zutage (gegenüber 37,8 %, die die Subjektgruppe belegt) (Nagorr 1973), ist damit aber stärker als in der künstlerischen Literatur und in der Presse. Mit der Anfangsstellung wird eine besondere Form der aktuellen Satzgliederung erreicht, die im Englischen und Französischen auch in den Fachsprachen auf andere Weise verwirklicht werden muß (It was H. who applied this method first. C'est le domaine des sciences et des techniques où l'on peut écrire bien, où l'on doit écrire très bien). 2.5.4.

Die Sätze

2.5.4.1.

Die

Satzlängen

Wenn von der Spezifik der Fachsprachen auf der Ebene der Sätze die Rede ist, dann wird gewöhnlich zuerst-das rein quantitative Kriterium der Satzlänge erwähnt. So hat G. A. Lesskis (1963) für den russischen Satz in vier verschiedenen Genres (Subsprachen) folgende Durchschnittslängen ermittelt: wörtliche Rede der handelnden Personen in Romanen — 8,1; Rede des Autors in Romanen — 17,2; wissenschaftliche Arbeiten — 28,5; Briefe von Schriftstellern und Gelehrten — 14,2 Wörter. Diese immerhin beträchtlichen 204

Unterschiede erklärt er mit den „Unterschieden im Grad der Konkretheit der Beschreibung außersprachlicher Situationen" (1963, 8). Dem Konkreten entspricht bei ihm der kurze Satz; abstrakt sind die Analyse und die Wertung, die sich in lange Sätze kleiden. Diese Interpretation ähnelt den Anschauungen der funktionalen Stilistik. Die unterschiedlichen kommunikativen Absichten in der wissenschaftlichen und in der künstlerischen Prosa äußern sich auch im Verhältnis der einfachen Sätze zu den Satzgefügen und -Verbindungen: 26,2 zu 73,8 % und 49,3 zu 50,7 % , d. h., die Satzverbindungen und besonders die Satzgefüge spielen in den Fachsprachen eine viel größere Rolle als anderswo, und für die einfachen Sätze ist entsprechend weniger Raum. Die oben als Gesamtdurchschnitt angegebenen Unterschiede in der Satzlänge treten auch bei einer gesonderten Betrachtung der einfachen Sätze einerseits und der Satzgefüge und -Verbindungen andererseits zutage. So hat der einfache Satz eine mittlere Länge von 10,2 in der künstlerischen und von 15,9 in der wissenschaftlichen Literatur. Für Satzgefüge und Satzverbindungen liegen die entsprechenden Werte bei 23,9 und 33,5. Hinter diesen Zahlen steht eine Fülle unterschiedlicher Konstruktionen, die in den einzelnen Subsprachen mit stark divergierenden Häufigkeiten auftreten. Auf der Ebene der Phrasen haben wir einfach die Tatsache ignoriert, daß mehrere Subjekt- und/oder Prädikatsphrasen innerhalb eines Satzes nebeneinander auftreten können. Auf der Ebene der Sätze haben wir diesem Umstand Rechnung zu tragen. Unterschiede zwischen fachsprachlichen Texten und literarischen Werken treten hier besonders in bezug auf die Prädikatsphrasen auf. So weist G. A. Lesskis darauf hin, daß in Stichproben von je 700 einfachen Sätzen aus wissenschaftlichen Publikationen zwischen 752 und 808, in der gleichen Anzahl von Sätzen aus der künstlerischen Literatur dagegen 987 bis 1005 Prädikatsgruppen enthalten waren (Lesskis 1963, 8). Eine Erklärung dafür sieht er in der Tatsache, daß das Yerbum in wissenschaftlichen Texten zweimal, seine finiten Formen sogar dreimal seltener sind als in literarischen. Wenn aber in einem Satz mehrere Prädikatsphrasen auftreten, dann sind es meist Yerbgruppen. Ähnliche Angaben finden sich für die Satzlänge im Ukrainischen in den statistischen Untersuchungen von V. S. Perebijnis (1967, 150ff.), die ihrer Analyse Stichproben von je 25000 Wörtern Länge aus fünf Stilen zu Grunde gelegt hat. Die folgende Tabellé faßt die Ergebnisse zusammen: Tab. 37

Zahl der Sätze Durchschnittliche Satzlänge

Dramatik Prosa

Poesie

Gesellsch.- Wissensch. polit. Lit. techn. Lit.

4999

2005

2411

1104

1653

4,53

12,43

10,53

17,57

15,17

205

Auffällig ist hier die Spitzenposition der gesellschaftspolitischen Texte noch vor der wissenschaftlich-technischen Literatur. Sie kann in der Darstellung der Fachsprachen der Gesellschaftswissenschaften Berücksichtigung finden. Gliedert man die Sätze nach ihrer Wortzahl in Gruppen auf, so gelangt man zu der folgenden Übersicht über deren Anteil (%) an der Gesamtheit der untersuchten Sätze: Tab. 38 Dramatik Prosa Satzlänge (Zahl der Wörter)

Poesie

Gesellsch.polit. Lit.

Wissensch. techn. Lit.

1- 3 4- 6 7- 9 10-12 13-15 16-18 19-21 22-24 25-27 28-30 31-33 34-36 37-39 40-42 43-45 usw. mehr als 60

8,78 18,60 18,65 16,01 12,17 7,83 5,19 3,74 2,79 1,64 1,25 0,80 0,75 0,25 0,25

11,74 18,78 23,02 18,33 8,79 7,26 5,06 2,45 1,70 0,95 0,46 0,50 0,17 0,12 0,12

3,26 7,07 11,78 13,95 14,58 13,04 8,51 7,43 4,98 4,80 3,26 2,08 1,18 1,18 0,82

5,02 9,80 14,70 16,21 14,76. 11,01 8,71 6,35 4,36 2,72 1,94 1,33 0,67 0,42 0,54

0,50

0,17

0,90

0,18

49,73 29,07 12,14 5,20 1,86 1,10 0,44 0,28 0,08 0,02 0,02 0,04 — — -



Aus dieser Tabelle läßt sich sehr gut ablesen, welche Satzlängen in den verschiedenen Stilen dominieren. Für die Fachsprachen ist — wie nicht anders zu erwarten — die geringe Zahl kurzer und die Häufung langer Sätze, besonders im Bereich zwischen 7 und 21 Wörtern, auf den ersten Blick zu erkennen. An den sehr langen Sätzen von 34 und mehr Wörtern haben überhaupt nur sie einen nennenswerten Anteil. Die längsten Sätze sind in der wissenschaftlich-technischen Literatur anzutreffen. Für das Englische, Französische und Deutsche gibt es Untersuchungen zur Satzlänge allgemein (Yule 1939). Genauere Angaben zu den Fachsprachen, die wir mit denen von G. A. Lesskis und V. S. Perebijnis vergleichen könnten, stehen jedoch noch aus. 2.5.4.2.

Die Satztypen

Wir haben schon in anderem Zusammenhang angedeutet, daß Untersuchungen zur Wort-, Phrasen- und Satzlänge für die angewandte Sprachwissenschaft nur begrenzten Wert besitzen. Wie könnten wir nun zu weiteren An206

g a b e n über die Spezifik des fachsprachlichen S a t z e s g e l a n g e n ? Wir h a b e n d a s über eine einfache S a t z t y p o l o g i e durch die E r m i t t l u n g der V o r k o m m e n s häufigkeit der einzelnen T y p e n in russischsprachigen T e x t e n der Medizin u n d in Werken der künstlerischen L i t e r a t u r versucht. D a b e i sind f o l g e n d e s y n t a k tische K o n s t r u k t i o n e n berücksichtigt worden ( R o b a s c h i k 1977, 76—84): ES EES SY SVV SVG SG SGN SGU SGNU a d i f r svj suj svn sun kvj kuj kvn kun

— einfacher Satz — einfacher erweiterter Satz — Satzverbindung aus zwei Gliedsätzen — Satzverbindung aus mehr als zwei Gliedsätzen — Satzverbindung mit Gefüge — Satzgefüge aus zwei Gliedsätzen — Satzgefüge mit mehreren nebengeordneten Nebensätzen — Satzgefüge mit mehreren einander untergeordneten Nebensätzen — Satzgefüge mit Neben- und Unterordnung — Aussagesatz — direkter Fragesatz — indirekter Fragesatz — Aufforderungssatz — Ausrufesatz — selbständige direkte Rede, vollständig, bejahend — selbständige direkte Rede, unvollständig, bejahend — selbständige direkte Rede, vollständig, verneinend — selbständige direkte Rede, unvollständig, verneinend — keine selbständige direkte Rede, vollständig, bejahend — keine selbständige direkte Rede, unvollständig, bejahend — keine selbständige direkte Rede, vo llständig, verneinend — keine selbständige direkte Rede, unvollständig, verneinend

Von diesen S a t z t y p e n treten in medizinischen F a c h t e x t e n die f o l g e n d e n besonders häufig a u f : Tab. 39 1. E E S a kvj 0,427994 a kvj 2. SG 0,195077 3. SV a kvj 0,093130 4. SGU a kvj 0,036738 5. SGN a kvj 0,035268 a kvn 0,033284 6. SG a kvn 7. E E S 0,032880 a kvj 8. SVV 0,031962 a kvj 9. SVG 0,027186 a kvn 10. SGN 0,018369 a kvn 0,011205 11. SV a kvj 12. SGNU 0,011021 a kvn 13. SVG 0,007531 a kvn 14. SGU 0,007348 a kuj 0,006613 15. E E S 0,975606 207

der Vergleich mit einer entsprechenden Rangliste der künstlerischen Literatur läßt eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten, aber auch gewisse BesonDerheiten der Fachsprachen erkennen: Die drei ersten Positionen werden in beiden Subsprachen von den Konstruktionen E E S a kvj, SG a kvj und SV a kvj belegt. Der Anteil dieser drei Strukturen an der Gesamtheit der Sätze in fachsprachlichen Texten liegt allerdings mit 71,6 % wesentlich höher als in der künstlerischen Prosa, wo er nur 28,3 % ausmacht.. Der Typ SGU a kvj ist in der Fachsprache der Medizin etwa viermal so häufig wie in der künstlerischen Literatur. SG a kvn ist in der Gegenliste gar nicht vertreten. SGN a kvn ist in Texten der Medizin fast viermal so häufig. Auch SGN a kvj liegt noch um ein Drittel höher, ebenso E E S a kvn. Mit SVG a kvn und E E S a kuj liegen die Fachsprachen jedoch niedriger als die künstlerische Literatur. Den 15 häufigen Satztypen medizinischer Texte, deren untere Grenze bei 0,006613 liegt, stehen in der gleichen Häufigkeitszone 39 Typen der künstlerischen Prosa gegenüber. Viele der dort ausgewiesenen Strukturen sind den untersuchten wissenschaftlichen Arbeiten völlig fremd. Das gilt vor allem für direkte Fragesätze, aber auch für die Masse der Sätze mit selbständiger direkter Rede, gleich ob vollständig oder unvollständig. Auch unvollständige Sätze kommen in fachsprachlichen Texten kaum vor. Anders formuliert heißt das, daß in der fachsprachlichen Stichprobe nur bejahende und verneinende Aussagesätze vertreten waren, die nicht als selbständige direkte (wörtliche) Rede aufzufassen sind. Betrachtet man die Zu- und Unterordnungsverhältnisse etwas näher, so fällt vor allem auf, daß die Satzgefüge in den Fachsprachen weit stärker vertreten sind als in der künstlerischen Prosa. Bei den Satzverbindungen stehen die Dinge umgekehrt. Untergeordnete Nebensätze in den Satzgefügen sind vor allem Relativsätze, die der Attribuierung dann dienen, wenn einfache Attribute in Gestalt von Adjektiven, Partizipien oder Substantiven nicht mehr ausreichen, und adverbielle Nebensätze, die über den Rahmen des einfachen Adverbs und der in die Phrase integrierten adverbiellen Bestimmung hinausgehen. So spiegelt sich in der Struktur des Satzes die verstärkte Tendenz der Fachsprachen zur Erweiterung und Ergänzung im Sinne der Vollständigkeit und Präzision der Aussage wider, die schon bei der Phrasenstruktur zu beobachten war. Der Vergleich mit literarischen Werken hat gezeigt, daß die Fachsprachen bei weitem nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen, die ihnen auf der Satzebene zur Verfügung stehen. Daraus lassen sich direkte Schlußfolgerungen für die spezialsprachliche Ausbildung ziehen. Sie bestehen vor allem in der Beschränkung auf die oben erwähnten 15 Satztypen, die 97,56 % aller fachsprachlichen Sätze repräsentieren und damit ein echtes syntaktisches Minimum bilden. Nimmt man noch den einfachen Satz (ES) hinzu, der übrigens auch in der künstlerischen Literatur eine geringe Wahrscheinlichkeit besitzt, 208

so verfügt der Lernende damit über die wesentlichen syntaktischen Mittel für die fachsprachliche Kommunikation. Die Restriktion der fachsprachlichen Syntax auf die erwähnten 15 Satzmodelle hat aber auch f ü r andere Bereiche der angewandten Sprachwissenschaft Bedeutung, z. B. f ü r die maschinelle Übersetzung und Informationsverarbeitung, f ü r die Informationsverdichtung, Nachrichtenübermittlung usw. Die Ergebnisse unserer Untersuchung befinden sich in vollem Einklang mit der Vorstellung, daß die Sprache als Bezeichnendes das Wesen des Bezeichneten in ihrer Struktur widerspiegelt. Die Aussage in Gestalt des einfachen erweiterten Satzes und des Satzgefüges wird den darin wissenschaftlich erfaßten Sachverhalten der objektiven Realität am ehesten gerecht. Ein Vergleich der für das Russische erzielten Ergebnisse mit Stichproben aus englischen, französischen und deutschen Fachtexten der verschiedensten Disziplinen bestätigt deren Gültigkeit für die vier untersuchten Sprachen. Die starke Übereinstimmung auf der Ebene der Satztypen, die sich in den Phrasenstrukturen bereits angedeutet hat, auf den unteren Ebenen der sprachlichen Hierarchie (Lexik, Morphologie) aber weniger spürbar ist, legt den Gedanken nahe, daß die typologischen Unterschiede zwischen den Sprachen in aufsteigender Richtung von Ebene zu Ebene abnehmen. Der Unterschied zwischen den Fachsprachen und den übrigen Subsprachen aber läßt sich auch auf der syntaktischen Ebene quantitativ recht gut erfassen und ermöglicht auch eine qualitative Interpretation. 2.5.4.3. 2.5.4.3.1.

Die Funktionalität der Sätze Die Funktion und ihre formale syntaktische

Realisierung

Schauen wir uns zunächst ein paar Beobachtungen am fachsprachlichen Satz an, die S. I. K a u f m a n (1966, 34—45) aus funktionaler Sicht gemacht hat. E r untersucht für das Englische, Französische, Deutsche und Tschechische, mit welchen sprachlichen Mitteln 1. logische Folgerichtigkeit, 2. Unpersönlichkeit, 3. Exaktheit und 4. Kürze der Aussage, die f ü r ihn die Wesensmerkmale technischer Texte sind, erzielt werden, und wendet dabei statistische Methoden an. Logische Folgerichtigkeit sucjifc und findet K a u f m a n vor allem in den Konstruktionen, die kausale Beziehungen zum Ausdruck bringen. Ohne seine Gliederung streng einzuhalten, führen wir hier einfach ein paar Beispiele an. 1. Ursache-Wirkung-Sätze (Ursache im Nebensatz oder in der adverbi eilen Bestimmung) l a . Eine Möglichkeit besteht in der Verwendung von adverbiellen Nebensätzen oder adverbiellen Bestimmungen des Grundes : Since thls arrangement enables . . . . the cycle to bc quicMy set, the machine can be used to advantage. Le relais est désexcité, car le courant est petit. 14

Fachsprache

209

Da diese Vorraussetzungen nicht möglich sind, wird man einen anderen Weg beschreiten müssen. Ib. Der Satz kann ein Adverb enthalten, das ihm einen resultativen Charakter gibt: englisch so, thus; französisch donc, par conséquent; deutsch deshalb, dadurch, so. lc. Der Satz bringt eine quantitative Abhängigkeit zwischen Ursache und Wirkung durch korrespondierende Konjunktionen oder auch ohne diese zum Ausdruck : The slower the cooling, the more complete the removal of carbon. Le danger est d'autant plus grand, que le cycle d'injection est long. Je höher der Druck im Kessel steigt, desto (um so) weiter dreht sich der Anzeiger. Id. Im Nebensatz oder in der adverbiellen Bestimmung kann die Art der Handlung zum Ausdruck kommen; der Hauptsatz oder der Satzkern enthalten dann ihre Folgen : Simplification can be obtained by reducing the number of details. L'hydroxyde cuivrique avait été préparé par addition d'une quantité d'hydroxyde de sodium. Dann kann man durch Öffnen einer Trennlasche das Gesamtnetz in zwei Maschennetze aufspalten. le. Die Ursache wird durch einen Nebensatz oder eine adverbielle Bestimmung der Zeit oder der Bedingung zum Ausdruck gebracht : If the handle is raised, the clutches are disengaged. Si la piste n'est pas remplie, le piston contourne la chicane. Als die erste der Brücken eingebaut wurde, dauerte die Montage nur fünf Tage. l f . Ein Nebensatz mit adverbieller Bestimmung des Ortes enthält die Bedingungen, der Hauptsatz die Folgen: Where such a course was followed, it would be important to ensure . . . (Ein französisches Beispiel ist bei Kaufman nicht belegt.) Wo diese Bedingungen gegeben sind, reicht die genannte Sicherheit aus. 2. Wirkung-Ursache-Sätze (Ursache im Hauptsatz oder Satzkern) 2a. Der Hauptsatz gibt nur die allgemeine Ursache an : The space is set so, that blanks cannot pass. Les conditions de moulage sont telles, que la cristallisation soit favorisée. Die Anordnung ist so zu treffen, daß niemals zwei Stationen an dem gleichen 10 kv-Strang liegen. 2b. Der Hauptsatz gibt die Ursache vollständig an. 2bl. Der Nebensatz ist ein Konsekutivsatz: They upset buckets and benches, so that he might break his shins over them. 11 pleuvait dehors, de sorte qu'il prit son paraplui. Die Verdichteranlagen werden dreischichtig betrieben, so daß ein wesentlicher Arbeitskräfteaufwand besteht. 210

2b2. Der Nebensatz ist ein Relativsatz : Patterns can be changed and the same flask used, which eliminates the necessity of much flask changing. La méthode n'exige qu'un montage simple, ce qui évite le risque de formation de poches. Die Schaltung ist als Cowan-Modulator ausgeführt, was eine gute Trägerunterdrückung garantiert. 2b3. Der Nebensatz ist ein Objektsatz: Tests revealed t h a t it would transmit 1300 lb./ft. Les résultats des essais montrent, que la céramique est capable de battre les records. Die Messungen ergaben, daß in jeder Masche ein Transformator ausfallen kann. 2c. Der Satz drückt eine momentane Kausalität aus: The resin is sufficiently resilient to withstand. Les propriétés mécaniques peuvent se trouver tellement diminuées, que la paroi se laisse déchirer. Hier ist die Winkeldrehung so groß, daß sie nicht mehr vernachlässigt werden kann. 3. Subjekt-Objekt-Sätze (Ursache im Subjekt) 3a. Das Verb hat keine modale Bedeutung: Further movement causes this brake to be released. Les poussières provoquent le mauvais fonctionnement du mécanisme. Engere Vermaschung führt zu Kurzschlußströmen von 40 und mehr kA. 3b. Das Verb enthält die Modalität der Möglichkeit: This is devided in two parts, enabling the item to be removed from the mould. Le système permet de diminuer le frottement. Diese Netzmodelle ermöglichen eine exakte Netzoptimierung. 3c. Das Verb enthält die Modalität der Notwendigkeit : Cutting involves three operations. La réduction exige une surtension. Das Verfahren erfordert keine besonderen Fertigkeiten. Kaufman hat die Vorkommenshäufigkeit dieser Konstruktionen in der technischen Literatur und in der künstlerischen anderseits miteinander verglichen und stellt die Ergebnisse in Tabelle 40 dar. In allen untersuchten Sprachen fällt die für technische Texte signifikante Häufigkeit der folgenden Konstruktionen auf: l b , l d , 2a, 2bl, 2b3, 3a, 3b, 3c. Dagegen ist die Konstruktion 2c in der künstlerischen Literatur weit häufiger als in der technischen. Bei den anderen Konstruktionen (la, le, 2b2) treten keine signifikanten Unterschiede auf, wenn man von 2b2 im Französischen absieht. Als Hauptmittel zur Gewährleistung einer möglichst großen Genauigkeit 14»

211

M ao

oo io too » ® •h « H

05 05 •rt OS 00 OS O . 00

ce o o •oran

I I

-H 00 00

s

* ®

«O o M TíO CO C -rt rtCO

00 O -í IN 00 »O

£ M ^ • T IIHTHKPELTHHM KOJIMHCCTBOM B O A H .

HanHcaTb npc>H3B0flHyi0 yHKn;HK). HaöjiiofleHHe 3a N J I A B J I E H H E M B E M E C T B A YAOÖHEE BECTH I E P E 3 p y m y i o M O H O KyjiHpHyio a y n y . JljjIH OHHCTKH BemecTBa B03r0HK0Ü HeoßxOflHMO IipHrOTOBHTb $ap$opoByio qaiiiKy H KOHHqecKyK BopoHKy. I I . Thema ist eine adverbielle Bestimmung, R h e m a der ganze übrige Satz: ripHfljiHTejibHOMcTOHHHH/npoHcxoAHT nojmoe paccjiaHBamie opraHH^ecKoro BemecTBa H BOABI. B HiypHajie/npHHHMajin ynacTHe KpynHbie ropucTu H H C T O P H K H . ü o 3T0My B 90-X r o n a x / N P O H B H J I H C B ycjiOBHH fljiH B P E M E H H O R O corjiameHHH peBOJIK)I(HOHHHX MapKCHCTOB C JierajIbHHMH MapKCHCTaMH. I I I . Thema ist das grammatische Subjekt oder das grammatische Objekt, R h e m a der ganze übrige S a t z : OöpaTHan HMiuiHKaijHH/He HaöjiioaaeTCH. ,5H6eH30Hji0BHHHaH KHCJioTa/coönpaeTCH Ha ^ne K O J I Ö H . BTO oTHomeHHe/ — anajior OTHOineHHH paBHoqjieHHOCTH MHOJKecTBa. IV. Thema sind adverbielle Bestimmung und grammatisches S u b j e k t , R h e m a ist der übrige S a t z : 219

B Ha3BaHHoft CTaTte Heiaeß/ccHJiaeTCH Ha „MaHH$ecT KoMMyHHCTHiecKoft napTHH".

ÜHoraa npno3BeÄeHHH/neiaTajiHCb B HCKajKeHHOM Büße. ,IJo KOHU;a n p o n i j i o r o crojieTHH HeMGi^Kan corjHaji-HeMOKpaTHH/ötnia peBOJIIOIJHOHHOH napTHeÖ. V. Thema sind das grammatische Prädikat und alle anderen möglichen Satzglieder; Rhema können alle Satzglieder sein, die eine präzisierende Funktion haben: IIpoHcxoAHT/KaTajiHTHHecKoe oTmenjieHHe Bo^opona. OCHOBHHM COTpyflHHKOM ÖHJl/caM HSflaTejIb. 8TJT p o j l b

BHnOJIHHIOT/jiaÖOpaTOpHHe aBTOTpaHC^OpMaTOpH.

KpH3HC Haiajicn/BecHoS 1890 ro^a. VI. Thema sind das grammatische Subjekt und das grammatische Objekt; Rhema ist das grammatische Prädikat zwischen ihnen, unter Umständen mit einer adverbiellen Bestimmung zusammen: }Kn3Hb/n0CTeneHH0 pa3pyinajia/ATH HaHBHue npejjCTaBJieHHH. Ojie^HHH/TaKJKe jierno npHcoeHHHHMT/rajioHHOBOAopoflH. 9jieiweHT IC/NPE^MECTBYET B MHOHtecTBe A/ajieiweHTy y. Mag diese Klassifizierung auch einige Fragen offenlassen, so bildet sie doch eine geeignete Grundlage für Untersuchungen am Text, auch am Fachtext. Ihr Vorzug liegt darin, daß sich alle erweiterten einfachen Sätze ziemlich leicht einem der Typen zuordnen lassen. 2.5.4.4.3.

Die Typen der aktuellen Satzgliederung

im

Fachtext

Wenden wir uns nun, nachdem die wichtigsten Grundpositionen abgesteckt sind, der Frage zu, welche Rolle die einzelnen Typen der aktuellen Satzgliederung im wissenschaftlichen Fachtext spielen. Um sie beantworten zu können, haben wir ein hinreichend repräsentatives Textkorpus untersucht und dabei Wert darauf gelegt, daß wir nicht nur Mittelwerte für das Ganze erhalten, sondern auch Aussagen über seine Teile, vor allem über einzelne wissenschaftliche Disziplinen und unterschiedliche Genres bzw. Darstellungsarten, machen können (Hoffmann 1978a, 87—90). Die Gesamtstichprobe von N = 5 000 Sätzen, untergliedert in 100 Teilstichproben von n—50 Sätzen, wurde zu gleichen Anteilen Publikationen der Mathematik, der Physik, der Chemie, der Philosophie und der Geschichtswissenschaft entnommen, also 1000 Sätze aus jeder wissenschaftlichen Disziplin. Innerhalb der genannten Wissenschaften wurden zunächst provisorisch vier Darstellungsarten (mit je 250, also insgesamt 1250 Sätzen für alle füjaf Disziplinen zusammen) unterschieden: die Darstellung in Nachschlagewerken, Lehrbüchern, Zeitschriftenaufsätzen und Anwendungsschriften. Daß gerade die zuletzt genannte Unterteilung problematisch ist und 220

zumindest für die Naturwissenschaften und die Gesellschaftswissenschaften kein einheitliches oder direkt vergleichbares Bild ergibt, ist uns klar. Anderseits kann auch eine undifferenzierte Analyse der wissenschaftlichen Disziplinen nicht befriedigen. Die Ergebnisse werden zeigen, ob unser Ansatz sinnvoll war. Die Ergebnisse der ersten Auswertung lassen sich der folgenden Ubersicht entnehmen. Tab. 43 I

II

III

IV

V

VI

Insgesamt

10,9

10,6

38,8

11,8

15,3

12,6

100

Physik

5,0

11,0

34,0

20,0

19,0

11,0

100

Chemie

22,8

10,6

35,1

11,3

12,6

7,6

100

Philosophie

1,5

8,5

38,3

13,3

16,6

21,8

100

Geschichte

2,5

16,5

30,2

10,8

16,6

23,4

100

Insgesamt

8,54

11,44

35,28

13,44

16,02

15,28

100

Mathematik

Aus dieser Tabelle ist auf den ersten Blick zu ersehen, daß die sechs Typen in den untersuchten Fachsprachen insgesamt eine sehr unterschiedliche Bolle spielen. Typ III ist mit Abstand der häufigste; die übrigen folgen in der Rangordnung V, VI, IV, II, I. Man kann das mit Hilfe eines Signifikanztests {•/}) exakter ausdrücken: Die Nullhypothese, daß alle sechs Typen in wissenschaftlichen Texten die gleiche Wahrscheinlichkeit bzw. die gleiche relative Häufigkeit haben, ist falsch, da der Wert für y?— 29,2 über dem kritischen Wert von 11,1 bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,05 liegt. Die Unterschiede in den Häufigkeiten sind also signifikant. Für die einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen ergibt eich ein sehr differenziertes Bild. Nur bei der Mathematik weichen die Pr-ozentwerte aller sechs Typen nicht zu weit von denen der Gesamtheit ab. In den anderen Wissenschaftszweigen entsprechen nur einzelne Typen etwa dem Durchschnitt, z. B.Physik: II, III, V; Chemie: II, III, IV; Philosophie: III, IV, V; Geschichtswissenschaft: IV, V. Geht man von den Typen aus, dann ergibt sich die relativ größte Übereinstimmung für alle Disziplinen bei den Typen II, III und V, die geringste bei I, IV, VI. In jeder der fünf Einzel Wissenschaften treten die Typen — ebenso wie in der Gesamtheit — mit signifikanten Unterschieden auf, wobei deren Größe beträchtlich variiert. Eine Erklärung für diese ausgeprägte Unterschiedlichkeit in der Verwendung 221

der Typen der aktuellen Satzgliederung findet sich erst bei näherer B e t r a c h tung einiger für die wissenschaftliche Prosa typischer Darstellungsarten. Wir begnügen uns zunächst mit einer Grobgliederung und unterscheiden lediglich vier Kategorien: Nachschlagewerke, Hochschullehrbücher, F a c h zeitschriften, Anwendungen (z. B . chemische Praktika, Übungssammlungen u. ä.). Korreliert man die vier genannten Darstellungsarten mit den sechs Typen der aktuellen Satzgliederung, so ergeben sich für die untersuchten fünf Wissenschaftsdisziplinen die in der folgenden Tabelle genannten Daten. Tab. 44 I

II

III

IV

V

VI

Insgesamt

Nachschi.

5,76

8,48

50,88

10,32

10,32

14,24

100

Lehrb.

0,56

13,60

30,16

17,04

21,76

16,88

100

Ztschr.

0,96

13.84

29,68

16,96

22,16

16,40

100

26,88

9,84

30,40

9,44

9,84

13,60

100

8,54

11,44

35,28

13,44

16,02

15,28

100

Anw. Insgesamt

Die Verteilung der sechs Typen der aktuellen Satzgliederung auf die vier untersuchten Darstellungsarten ergibt ein weitaus klareres Bild als die Verteilung auf die Wissenschaftsdisziplinen, bei der nur die Gesamtwerte für jeden Typ ohne Berücksichtigung der Textart erfaßt wurden. Keine signifikanten Unterschiede treten zwischen den Darstellungsarten ,Lehrbuch' und ,Fachzeitschrift' auf. Erhebliche Abweichungen sind dagegen sowohl bei den ,Nachschlagewerken' als auch bei den ,Anwendungen' zu beobachten. Ins Auge springen vor allem die relativ großen Häufigkeiten des Typs I in den Anwendungen'. Hinter ihnen verbirgt sich eine sprachliche Kategorie bzw. ein Stilmerkmal, das nicht etwa für eine der analysierten Fachsprachen insgesamt und schon gar nicht für den „wissenschaftlichen S t i l " generell, sondern eben nur für bestimmte Darstellungs- oder Textarten charakteristisch ist: der subjektlose Satz, der uns in chemischen Praktika sowie in Übungsbüchern der Mathematik und Physik so massiert entgegentritt wie nirgendwo sonst (Hoffmann 1978a, 89f.). I m Grunde genommen verschleiern auch die Werte in der Tabelle für die Darstellungsarten das Bild noch immer, weil sie die Häufigkeit zwar nach Darstellungsarten insgesamt, nicht aber für die fünf untersuchten Disziplinen wiedergeben. So liegt der Anteil des Typs I bei den ,Anwendungen' in Chemie (210), Mathematik (84) und Physik (30) beträchtlich höher als bei Philosophie (6) und Geschichtswissenschaft (6), weil Anwendungsschriften in den Naturwissenschaften einerseits und in den Gesellschaftswissenschaften 222

anderseits ganz unterschiedliche Ziele und Aufgaben haben. Aber auch in Nachschlagewerken m u ß nicht immer der T y p I I I dominieren. Wir haben in einem Fall festgestellt, d a ß u n t e r bestimmten Bedingungen auch die Typen I I und V vorherrschen können.

2.5.4.4.4.

Die Spezifik der Fachsprachen in der aktuellen

Satzgliederung

Nachdem die Verhältnisse in den Fachsprachen a n einigen Beispielen sichtbar geworden sind, wäre ein Vergleich mit der „Gemeinsprache", der Gesamtsprache oder anderen Subsprachen wünschenswert, um die Spezifik der Fachsprachen noch deutlicher hervortreten zu lassen. Leider liegen dazu in der Literatur keine exakten Angaben vor. Wir begnügen uns deshalb vorerst damit, einige allgemeine Äußerungen über die aktuelle Satzgliederung in wissenschaftlichen Texten und die Häufigkeit der einzelnen T y p e n ü b e r h a u p t auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Wenn behauptet wird (Raspopov 1961), die Masse der zweigliedrigen Sätze vertrete den T y p I I I , so können wir dem auch f ü r die untersuchten Fachsprachen zustimmen, müssen aber darauf aufmerksam machen, d a ß die Bedeutung der Typen V und VI dabei unterschätzt wird; und auch dem f u n k tional bedingten, gehäuften Auftreten einzelner Typen in gewissen Wissenschaftszweigen und Darstellungsarten (z. B. T y p I I in der Geschichtswissenschaft, Typ I in Anwendungsschriften usw.) wird eine so allgemeine Angabe nicht gerecht. Die Auffassung, „in der objektivsten Sphäre der Sprache", z. B. in der wissenschaftlichen Sprache, sei eine weitgehende Übereinstimmung von grammatischer und aktueller Satzgliederung zu beobachten (Raspopov 1961, 13), bedarf offensichtlich der Modifizierung. Ähnliches gilt f ü r die Feststellung, der wissenschaftliche Stil unterliege der Aktualisierung f a s t nicht (Lapteva 1976, 216; 1972, 44) oder die Zugehörigkeit zu den F u n k tionalstilen spiele eine geringe Rolle in bezug auf die Wortfolge (Sirotinina 1965, 7). Ganz andere Verhältnisse in der Thema-Rhema-Gliederung wissenschaftlicher Publikationen lassen dagegen neuere Untersuchungen vermuten, die auf einem Vergleich der Wortfolge in Sätzen der englischen wissenschaftlichtechnischen Literatur mit den entsprechenden russischen Übersetzungsäquivalenten beruhen (Pumpjanskij 1974). Zwar finden, wir auch dort keine genauen Angaben über die Häufigkeit der Gliederungstypen; aus der Fülle der Beispiele f ü r die Satzgliedfolge ,grammatisches P r ä d i k a t — grammatisches S u b j e k t ' im Russischen, besonders in den „logisch-grammatischen Formeln" V u n d V I (Pumpjanskij 1974, 153—203), wo das grammatische Subjekt die Funktion des R h e m a s übernimmt, geht jedoch ziemlich deutlich hervor, daß die aktuelle Satzgliederung f ü r wissenschaftliche F a c h t e x t e 223

große Bedeutung hat. Pumpjanskij begründet gerade darauf seine These von der „dritten Wortfolge" (1974, 59f.) und weist die Möglichkeit der Postposition des grammatischen Subjekts sogar für das Englische mit seiner wenig permutationsfreudigen Satzgliedfolge nach. Ähnliche Hinweise hat es schon früher gegeben (Rejman 1965, 56f.; Sevjakova 1965, 65—94). Unsere Untersuchungen haben die Bedeutung der aktuellen Satzgliederung für den wissenschaftlichen Fachtext quantitativ nachgewiesen. Ihre Ergebnisse stimmen mit denen einer ähnlich gerichteten Arbeit überein, in der 18000 deutsche und 18000 russische Sätze aus Dramatik, künstlerischer Prosa, gesellschaftspolitischer Literatur und wissenschaftlich-technischen Texten auf ihre Wortfolge untersucht worden sind (Miller 1975). Die Analyse der aktuellen Satzgliederung in wissenschaftlichen Texten bedarf jedoch einer weiteren Vervollkommnung, die vor allem auf folgende Aspekte gerichtet sein sollte: Zahl und Abgrenzung der Typen der aktuellen Satzgliederung; Erweiterung der Untersuchungen auf andere Fachsprachen und Darstellungsarten bzw. Genres oder Textsorten; Spezifizierung des Prädikats; engere Korrelierung von Satzglied- und Wortartenfolge; Sprengung der Dichotomie von Thema und Rhema zugunsten einer differenzierteren Gliederung der Aussage; Ausdehnung der Untersuchungen auf das Satzgefüge; Überschreitung der Satzgrenzen im Sinne der thematischen Progression oder der Textlinguistik überhaupt (Roth 1980, 216—225).

2.5.4.5. 2.5.4.5.1.

Der valenztheoretische Ansatz Das Verb und seine Umgebung

Die Hinwendung der Fachsprachenforschung zum Verb hat sich schon bei der Betrachtung der grammatischen Kategorien (2.3.3.), der Syntagmen (2.5.2.) und der Phrasen (2.5.3.) angedeutet. Doch standen auf diesen Ebenen immer die Nomina und Nominalkomplexe — Substantivgruppen, Subjektphrasen, Adverbial- und Objektergänzungen — im Vordergrund, und auch beim Satz konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf dessen nominale Konstituenten. In den wenigen Fällen, in denen die Umgebung des Verbs in die Beobachtungen einbezogen wurde, geschah das mehr der Vollständigkeit halber und im Sinne einer Bestandserfassung (Links- und Rechtserweiterungen). Zwei ganz unterschiedliche Entwicklungen in der Sprachwissenschaft haben der Fachsprachenforschung geholfen, diesen Zustand zu überwinden: das wachsende Interesse an den semantisch und grammatisch determinierten Fügungspotenzen lexikalischer Einheiten (Kotelova 1975; Krämer 1973; Spitzner 1980), das zur Erarbeitung allgemeiner und fachbezogener Fügungswörterbücher (Denisov/Morkovkin 1978; Dmitrieva 1968; Eiselt 1981; Krasnych 1973; Troebes 1975) führte, und die Fortschritte auf dem Gebiet der Valenz224

theorie (Bondzio 1976; 1978; Heibig 1971; Helbig/Schenkel 1978; Kade 1975; Schenkel 1976; Sommerfeld/Schreiber 1977; Stepanova/Helbig 1978). Im Rahmen einer fachsprachlichen Syntax dürften wir eigentlich nur die zweite berücksichtigen ; doch werden beide in konkreten Materialuntersuchungen nur selten streng voneinander getrennt, unter anderem deshalb, weil die erste anwendungsfreundlicher ist. Dabei gerät zuweilen sogar das Grundprinzip der Valenztheorie in Vergessenheit, nach dem das Verb das strukturelle, organisierende Zentrum des ganzen Satzes ist, und übrig bleiben wieder verbale Wortverbindungen, bei denen allerdings die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen dem Verb und seinen Mitspielern exakter erfaßt sind. 2.5.4.5.2.

Die Valenz, die syntaktische und die semantische Umgebung, die Verbbedeutung

Die vorliegenden Untersuchungen zu Valenz und Distribution der Verben in Fachtexten (Christmann 1975; Einert 1976; Gerlach 1977; K u n a t h 1984; Meyer 1978; Schütze 1978; Seile 1977; Wenzel 1981) gehen fast ohne Ausnahme von dem für das deutsche Verb entworfenen Drei-Stufen-Modell (Helbig/Schenkel 1978) aus. Sie ermitteln zunächst die Zahl der obligatorischen und fakultativen Mitspieler, halten dann die syntaktische Umgebung fest und spüren schließlich den Bedeutungen der Aktanten nach. Das folgende Beispiel mag das verdeutlichen (Seile 1977, 90): appeler I. appeler 2 + (l) = 3 (VI engager à agir) II. appeler—N t , p Inf/p N (N2) I I I . N t - 1 . Hum (Ind) 2. Hum (Koll) 3. Hum (Koll)(inst pol) 4. -Anim (Abstr)(commun) 5. -Anim (Konkr) (doc script) p= à p Inf-«- (act) 1. . . . M. Kohl . . . a appelé ses amis à „s'occuper moins d'eux-mêmes que de la situation du pays". 2. Le XVII e Congrès appelle tous les partisans de la paix . . . à tout faire pour que cette possibilité . . . de paix . . . devienne réalité. 3. Le Parti communiste portugais a . . . appelé à l'union de tous les antifascistes . . . 4. Sur les murs de Santiago . . . les mots d'ordre appelant le peuple à défendre le gouvernement du peuple résument l'enjeu de la bataille actuelle. 5. La Déclaration franco-soviétique appelle au respect de la non-ingérence dans les affaires intérieures . . . 15 Fachsprache

225

Die größten Divergenzen ergeben sich dabei auf der dritten Stufe, weil es außerordentlich schwierig ist, eine hinreichend große Zahl allgemeingültiger Bedeutungsklassen zu benennen. In einer neueren Arbeit (Wenzel 1981) wird unter Berufung auf die Kasusgrammatik (Fillmore 1969; 1971) versucht, durch die Analyse der Kasus- und Verbbedeutungen auf einer zusätzlichen vierten Stufe näher an den semantischen Kern der Valenz heranzukommen. Dabei kommt es zu der folgenden Darstellung: oöyrjiHBaTb HecoB./coB. ( o ö y r j i H T i )

I. 2 (oÖJKHraTb, npeBpaman B yrojib noBepxHOCTb, Kpan) I L Sn Sa I I I . Sn — 1. Hum Mh oßyrjmjiH 6yMary. 2. -Anim (Substanz) CejieHOBan KHCJiOTa oöyrjiHBaeT opraHHiecKHe BemecTBa. Sa —

- A n i m ( S u b s t a n z ) HaflcepHan KHCJiOTa oöyrjiHBaeT napa$HH.

IV. Ag labor ± therm parv opt (tenebr) Pat (Substanz) (fest) verkohlen (Wenzel 1981, I I , 79). Die Auswahl der zu untersuchenden Verben erfolgt gewöhnlich nach dem Häufigkeitsprinzip oder mit Hilfe eines Stichprobenverfahrens. Überprüft wird nicht ihre virtuelle, sondern ihre aktuelle Valenz, Distribution und Bedeutung. Das geschieht im Vergleich mit allgemeinen (Valenz-)Wörterbüchern. So gelangt die Fachsprachenforschung zu Verzeichnissen der wichtigsten Verben einzelner Subsprachen, die die in den Beispielen angeführten Angaben enthalten, oder auch zu fachsprachlichen Valenzwörterbüchern und zu Registern von Kernsätzen. Sie sind besonders für die Praxis der fachsprachlichen Ausbildung von unschätzbarem Wert, weil neben der Aneignung der relevanten Einzelelemente ihre Fügungspotenzen bei der Herausbildung sprachlicher Fähigkeiten eine besonders große Rolle spielen. Gleichzeitig sind diese Valenzverzeichnisse jedoch die Grundlage für weitere theoretische Untersuchungen, die vor allem folgenden Fragen nachgehen: Führt die Verwendung der Verben in' Fachtexten zu Einschränkungen in ihrer Valenz und Distribution? Reduziert der fachliche Kontext die Polysemie der Verben; bewirkt er vielleicht gar so etwas wie eine terminologische Monosemierung? Haben unterschiedliche Sememe unterschiedliche syntaktische Distributionen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Polysemie der Verben und ihrer Häufigkeit? Ergeben sich aus der Gleichartigkeit der syntaktischen und semantischen Umgebungen Hinweise auf Synonymie? Läßt sich mit Hilfe von Valenz und Distribution eine semantische Klassifizierung der Verben und ihrer Mitspieler im Fachtext bewerkstelligen? Welches sind die für Fachtexte typischen Kasusrollen und Verbbedeutungen? Die Fachsprachenforschung ist schon jetzt in der Lage, diese Fragen grundsätzlich zu beantworten. Ihre Aussagen müssen jedoch durch weitere Untersuchungen an einzelnen Fachsprachen erhärtet und konkretisiert werden. 226

Ehst dann wird sie den richtigen Eindruck von der unterschiedlichen syntaktischen und semantischen Aktualisierung bestimmter (Klassen von) Verben in unterschiedlichen Subsprachen vermitteln können. Immerhin sind die folgenden Feststellungen gerechtfertigt: Die Verwendung der Verben in Fachtexten führt häufig zu Einschränkungen in ihrer semantischen Distribution. So tritt in russischsprachigen Texten der Chemie das zweiwertige Verb BJIHHTB — ,einwirken', wie viele andere auch ( B 0 3 Ö y ? K , n a T B — ,aktivieren', B p a i q a T i > — ,drehen', B C T y n a T t — ,eintreten'), regelmäßig mit einem unbelebten Subjekt (Sn/-Anim) auf, während das Subjekt in anderen Subsprachen ohne weiteres ein menschliches Wesen (Hum) sein kann. Das gewöhnlich dreiwertige flaBaTb — ,geben' ist in der Bedeutung ,ergeben, führen zu', also zweiwertig, wesentlich häufiger. 3anojiHHTB — ,füllen, einnehmen' ist mit Sn/Hum dreiwertig, aber mit Snl-Anim zweiwertig usw. Der fachliche Kontext reduziert die Polysemie der Verben, allerdings nicht in dem Maße, wie das zuweilen erwartet wird, und nicht in allen Fachsprachen gleich stark. So begegnet in einem chemischen Fachtext oTBeiaTb so gut wie nicht als,antworten', sondern als ,entsprechen', O T K p t i B a T b nicht als,öffnen', sondern als ,entdecken', nepeBO/jHTb nicht als ,übersetzen', sondern als ,überführen', Ha3HaiaTb nicht als ,bestimmen', ,ernennen' oder ,anordnen', sondern als ,ansetzen', oroBopHTb nicht als ,ausbedingen' oder ,bezichtigen', sondern als ,verweisen, erwähnen' usw. Ein großer Teil der Verben ist monosem und steht der Terminologie nahe, z. B. aynanpoBaTtcfl ,acylieren', B3ÖajiTHBaTb ,schütteln', B3roHHTbCH ,sublimieren', ReKaHTHpoBaTb dekantieren', A H a 3 0 T H p 0 B a T b ,diazotieren', o ß y r j i H B a T b ,verkohlen', OKHCJIHTL, ,oxydieren', O T M H B a T b ,(aus)waschen', y n a p H B a T b ,verdampfen' U 6 W . Unterschiedliche Sememe können unterschiedliche syntaktische Distributionen haben, z. B. BKJiioHaTb einschalten' (Sn Sa), aber BKJiiOHaTb ,anschließen' (Sn Sä pS); BHnejiHTb ,ausscheiden' (Sn Sa Sp), aber bli^ojihtb ,hervorheben' (Sn Sa Si); ¡naBaTb ,geben' (Sn Sa Sd), aber RaBaTb ,zeigen' (Sn Sa); OKa3HBaTbCH ,sich erweisen als' (Sn Si), aber 0Ka3HBaTbca ,auftreten' (Sn Sp); OTBOFLHTB ,ableiten' (Sn Sa Sp), aber OTBO^HTB ,zuweisen' (Sn Sa Sd); naBaTb ,fallen' (Sn), aber naflaib ,entfallen auf' (Sn Sp) usw. Zwischen der Polysemie der Verben und ihrer Häufigkeit besteht, wie schon für die Sprache insgesamt vermutet worden ist (Zipf 1946), eine direkte Abhängigkeit, d. h., je häufiger ein Verb, desto stärker ist seine Neigung zur Vieldeutigkeit oder auch zur Bedeutungsverwischung, und seltene Verben haben meist nur eine Bedeutung. Exakter wäre die Formulierung: Unter den häufigen Verben finden sich wesentlich mehr polyseme und auch desemantisierte als unter den seltenen. Solche häufigen Verben sind z. B. in Fachtexten des Militärwesens H M e T b , n p 0 H 3 B 0 R H T b , o n p e f l e j i H T b , y c T a H a B J i H B a T b , HBJIHTbCH, o ß e C l i e i H B a T b , HCnOJIBSOBaTb, B H n O J I H H T b , n p O B O R H T b , Becra, npHHHMaTb,

15*

RaBaTb

npHMeHHTb,

(Schütze 1978, II, 50). 227

Die Gleichartigkeit der syntaktischen und semantischen Umgebungen kann bei Verben mit mindestens einem gemeinsamen Sem neben der Komponentenanalyse als zusätzliches Kriterium zur Beurteilung der Synonymie heran-

gezogen werden. Das gilt z. B . für onpeRejiHTb, ycTaHaBJiHBaTt, yKa3HBaTi>,

npnKa8LiBaTb in militärischen Dokumenten. Mit Hilfe von Valenz und Distribution lassen sich die Verben und ihre Aktanten in semantischen Klassen zusammenführen, insbesondere wenn dabei gleichzeitig eine Komponentenanalyse (Hüllen 1981) der Verben unter Berücksichtigung der Prozessoren und Definitoren sowie eine Zuordnung zu den Tiefenkasus erfolgt. Die Klassifizierung wird von einer ersten groben Einteilung nach allgemeineren Merkmalen ausgehen. Bei den Mitspielern können das die üblichen semantischen Kategorien (Hum — menschliches Wesen, -Anirn — unbelebtes Wesen, Act — Handlung, Abstr — Abstraktum, Konkr — Konkretum, Dir — Richtungsbestimmung, Loc — Ortsbestimmung, Mod — Artbestimmung, Temp — Zeitbestimmung, Fin — Zweckbestimmung usw.) oder die semantischen Kasus (Ag — Agens, Pat — Patiens, Instr — Instrument, Res — Resultat, Adr — Adressat u. a.) sein (Wenzel 1981, I I , 34f.). Für die Verben in Pachtexten haben Prozessoren wie labor — A wirkt auf B ein, mov — A bewegt sich, chang — A ändert sich, produc — A stellt B her, adesse — A i3t vorhanden, constat — A stellt B fest, sign — A ist ein Merkmal von B, declar — A äußert sich (Wenzel 1981, I, 44f.) und Definitoren wie ehern — Prozeß ist chemisch, median — Prozeß ist mechanisch, therm — Prozeß ist thermisch, experim — Prozeß schließt Experimente ein, cognosc — Prozeß schließt eine Erkenntnis ein u. a. (Wenzel 1981,1,53ff.) große Bedeutung. Am Ende der semantischen Analyse stehen Merkmalbündel für einzelne Elemente und Formeln für ganze Konstruktionen, z. B. Ag (Hum) labor graph Pat für ÄBTOpH npoiiHflimiipoBajiii JIHHJIM noponiKorpaMM oder Ag (Hum) caus [Pat chang qual Ees] für Mh nepepaSoTajm 3Ty cxeMy (Wenzel 1981, II, 64, 92). Elemente mit den gleichen Merkmalbündeln und Konstruktionen mit den gleichen Formeln gehören ein und derselben Klasse an. Diese Art der semantischen Analyse ist intuitiven Klassifizierungsversuchen an Exaktheit überlegen, bei denen Gruppen wie ,Verben der Bewegung', , Verben der Veränderung', , Verben der Mitteilung', ,Verben der Wahrnehmung' u. ä. entstehen. Nicht zu übersehen ist jedoch die Gefahr einer für praktische Zwecke zu komplizierten Darstellung. Die für Fachtexte typischen Kasusrollen und Verbbedeutungen lassen sich gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit nennen. Wenn allgemeine Aussagen darüber überhaupt möglich sind, dann erst nach der Analyse einer größeren Zahl von Fachsprachen ganz unterschiedlicher Bereiche und nach dem Vergleich der dabei gewonnenen Ergebnisse. Aus den eingangs erwähnten und anderen Untersuchungen (Christmann 1975; Einert 1976; Gerlach 1977; Hoffmann 1970; 1970a; 1973; 1976; 1976a; 1978; Kunath 1984; Schütze 1978; Seile 1977; Wenzel 1981) ist zu erkennen, daß die Übereinstimmungen 228

im Verbbestand selbst gering sind, besonders wenn man beim Vergleich die Häufigkeitsverteilungen berücksichtigt. Sie beschränken sich auf einen Teil der oberen Häufigkeitszone mit Verben wie russisch n o j i y i a T b , HBJiHTbcn, mohb, HMeTb(cn), npHBOflHTt, npeflÇTaBJiHTb, onpejtejiHTb, npHMeHHTb, npoB O f l H T b , p a C C M a T p H B a T b , n p O H C X O f l H T b , H 3 y n a T b , HCnOJIbSOBaTb,

cocTaBJiHTb, HaßjiioaaTb, HaxoflHTb(cH), paKTepH30BaTbCH,

HCCJieAOBaTb,

Ha3HBaTb(cH),

OÖpaSOBaTb,

ycTaHaBJiHBaTb, xa-

O K a 3 H B a T b C f l , CTaHOBHTbCH,

CymeCTBOBaTb,

BHnojiHHTb, cjie,noBaTb, noKa3HBaTb, ciHTaTb(cH), coaepHtaTb, ynasHBaTb, H a B a T b , o Ö H a p y H t H B a T b , C B H 3 H B a T b ; englisch be, have, let, can, use, show, define, give, obtain, exist, find, consider, follow, dénoté, contain, assume, prove, imply, determine, state, suppose, take, yield, represent, describe, establish, consist (of), study, become, produce, indicate, occur, make, observe, increase, apply; französisch être, avoir, pouvoir, tendre (vers), exister, obtenir, définir, donner, dire, appeler, considérer, poser, supposer, voir, montrer, contenir, utiliser, désigner, résulter, faire, prendre, appliquer, trouver, déterminer, aller, falloir, devoir, représenter, permettre, former, effectuer, connaître, observer, indiquer, mettre, étudier, présenter, conduire, chercher, constituer, produire, constater, augmenter, savoir und einige mehr. Die seltenen Verben, die zur Monosemierung und Terminologisierung neigen, sind zum größten Teil subsprachenspezifisch. Als wenig ergiebig erweist sich für unser Anliegen auch die Zusammenfassung der Verben mit gleicher syntaktischer Distribution, weil diese im Gesamtsystem der Sprache angelegt und die Zahl der Möglichkeiten zu gering ist, als daß sich daran spezifische Strukturen für bestimmte Subsprachen zeigen ließen. Unterschiede ergeben sich höchstens in bezug auf die Vorkommenshäufigkeit einzelner Valenzmodelle, die aber auch von der Vorkommenshäufigkeit bestimmter Verben abhängig ist. Die Erfassung der syntaktischen Umgebung ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die semantische Analyse der' Verben und ihrer Mitspieler. Diese semantische Analyse hat dann auch die besten Aussichten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Subsprachen und Fachsprachen aufzudecken. 2.5.4.6.

Die Analyse spezieller syntaktischer Erscheinungen der Fachsprachen

Wir haben uns im Sinne einer strengen Systematik bemüht, die Spezifik der Fachsprachen in der Syntax auf drei Ebenen zu erfassen : der Ebene der Syntagmen, der Ebene der Phrasen und der Ebene der Sätze. Deshalb war es uns nicht möglich, alle vorliegenden Erkenntnisse in unsere Betrachtungen einzubeziehen. Wichtige Einsichten in die fachsprachliche Syntax vermitteln aber auch Arbeiten, die Einzelphänomene untersuchen oder sich bei komplexer Darstellung weniger streng an die sprachliche Hierarchie halten (Beier 1980, 53-81; Gerbert 1970; Hofmann 1972; Huddieston 1971; Janke/Land-

229

herr/Schattenberg 1969; Krug 1975; Lapteva 1966; Mattusch 1969; Möslein 1974; Ortmann/Wüsteneck 1978; Reinecke 1968; Sager/Dungworth/McDonald 1977; 1980, 1 8 2 - 2 2 9 ; Satzger 1977; Schäfler 1977; Scheie 1975; Seifert 1976; Trillhaase 1966; 1980; Troebes 1969; 1972a; Weise 1980; Wilss 1981; Wüsteneck 1971 u. a.). Sie geben Auskunft über eine Vielzahl von Konstruktionen, die im Rahmen einer konfrontativen Grammatik außerordentlich interessant sind und deshalb für den fachbezogenen Fremdsprachenunterricht Bedeutung haben.

2.6.

Die Ebene der Texte

2.6.1.

Die Kohärenz im Fachtext

So notwendig und wichtig die Analyse der Fachsprachen auf den Ebenen der Grapheme und Phoneme, der Morpheme und grammatischen Kategorien, der Lexeme und Wortformen sowie der Syntagmen, Phrasen und Sätze für die Fachsprachenforschung ist, ein tieferes Verständnis und eine einigermaßen vollständige Beschreibung ergeben sich erst aus der integrativen Betrachtung komplexer Einheiten höherer Ordnung als strukturierte und funktionale Ganzheiten, mit denen es der Fachmann in der sprachlichen Kommunikation eigentlich zu tun hat. Die Fachsprachenforschung kommt also — wie die Sprachwissenschaft überhaupt — am Phänomen des Textes nicht vorbei. Diese Erkenntnis spiegelt sich schon in einer Reihe früherer Arbeiten wider, die der Kohärenz im Fachtext nachspüren und dabei auf ganz unterschiedliche Mittel zu deren Realisierung stoßen (Kalverkämper 1981,178—180). Zu erwähnen sind hier vor allem Untersuchungen, in denen das Spannungsfeld zwischen dem Schluß des jeweils vorhergehenden und dem Anfang des folgenden Satzes einer genaueren Analyse unterzogen wird (Nagorr 1973; Seifert 1976; Troebes 1969; 1969a). Bei dieser Betrachtungsweise werden Sätze zu Konstituenten des Absatzes bzw. Teiltextes als übergeordneter sprachlicher Einheit. Die große Häufigkeit anaphorischer Elemente am Beginn der untersuchten Sätze erscheint deshalb als Ausdruck der besonders engen Verflechtung dieser Konstituenten in Fachtexten. Sie läßt sich funktional als Mittel der Ableitung des Neuen aus Bekanntem interpretieren, so daß man an eine Übertragung der Thema-Rhema-Gliederung vom Satz auf den Absatz denken könnte. Auch die Besonderheiten in der Anordnung der Satzglieder, deren Ursachen vom Einzelsatz her nicht vollständig einzusehen sind, erfahren hier eine Erklärung aus größeren Sinnzusammenhängen, so z. B . die Frontstellung präpositionaler Objekte und ganzer Objektgruppen sowie die Initialposition des Prädikats, die in Fachtexten wesentlich öfter zu beobachten ist als in Stichproben aus anderen Subsprachen. Möglicherweise läßt sich aus diesen und ähnlichen Beobachtungen eine besondere Hierarchie

230

der Sätze im Absatz herleiten, wie sie für Phrasen und Satzglieder im Satz bereits vorliegt. Satzgrenzenüberschreitende allgemeine Merkmale des Textes sind wohl auch die .Gebundenheit', ,Präzisiertheit' und ,Gegliedertheit' der Rede im sogenannten wissenschaftlichen Stil, für die Koeffizienten errechnet werden, indem man die Zahl der Präpositionen und Konjunktionen durch die Zahl der selbständigen Sätze, die Zahl der sekundären Satzglieder durch die Zahl der primären und die Zahl der isolierten, gleichartigen und parenthetischen Satzglieder durch die Zahl der einfachen Sätze dividiert (Golovin 1971,145—148). Einen Schritt weiter f ü h r t die Analyse der Übergangsbeziehungen (Topiks) zwischen Sätzen im Absatz (Reitzenstein/Wolf 1977), weil dabei semantische Zusammenhänge deutlicher neben die formalen treten. Relationen wie ,Wortwiederholüng', ,Synonymie', »Paraphrase'; ,Pronominalisierung', ,Adverbialisierung'; .Transformation', ,Subordination'; ,Konnex', .Kontrast' sind zweifellos dazu geeignet, die Struktur von Teiltexten und Texten zu erhellen. 2.6.2.

Der Stil des

Fachtextes

In neuerer Zeit hat sich auch die Funktionalstilistik im Verein mit der kommunikativ-funktionalen Sprachbetrachtung des Fachtextes angenommen (Baumann 1981; Gal'perin 1981; Gläser 1979; 1982; Schotte 1978; Troebes 1981; Weber 1972; 1979; Weise 1979; 1980a; 1981; 1981a). Sie definiert ihn als „eine auf eine gesellschaftliche Tätigkeitssphäre bezogene, zusammenhängende sprachliche Äußerung, die mit allgemeinen und spezifischen sprachlichen Mitteln einen fachspezifischen Sachverhalt behandelt und durch nichtverbale Informationsträger (Symbole, Formeln, Graphika) ergänzt sein kann" (Gläser 1979, 25f.), und erfaßt eine mehr oder weniger große Zahl der spezifischen Mittel, um über sie den Stil des Fachtextes bzw. Fachstil zu charakterisieren, worunter sie „die f ü r die Gestaltung eines Fachtextes charakteristische Auswahl und Anordnung sprachlicher Mittel, die in einem Gesamtzusammenhang von Absicht, Inhalt, Form und Wirkung der Aussage fungieren" (Gläser 1979, 26), versteht. Am Ende einer weiterführenden Differenzierung steht dann der Textsortenstil. Fachstil und Textsortenstil werden als ein Komplex am Fachtext auftretender Stilmerkmale beschrieben, zü denen die folgenden gehören können: Textbauplan, Darstellungsart, Kommunikationsverfahren; Satztyp; Phraseologismus; Fachwort (Terminus) — Polysemie, Synonymie, Metaphorik — Nomenklaturzeichen, Professionalismus, rhetorische Figur; Modus, Genus, Tempus der Verben usw. Diese Beschreibung verliert sich zuweilen in der Aufzählung konkreter Beispiele aus Morphologie, Lexik und Syntax. Dem wirkt wiederum die Bündelung von Merkmalen zu Stilzügen entgegen, z. B. ,Sachlichkeit', ,Genauigkeit', (Folgerichtigkeit', ,Kürze', in denen die klassische Funktionalstilistik wiederzuerkennen ist. 231

Bei der Unterscheidung von Textsorten(stilen) finden die Kommunikationsverfahren als Differenzierungskriterien zunehmende Berücksichtigung (Baumann 1981; Gläser 1979; 1982; Troebes 1981; Weise 1979; 1981-; 1981a). Für wissenschaftliche Abhandlungen z. B. sind ,Definieren', ,Vergleichen', E x plizieren', .Klassifizieren' als Spezifizierungen des Beschreibens oder (Beweisen', ,Begründen', .Schlußfolgern', ,Widerlegen' als Arten des Erörterns durchaus relevant. Wichtiger jedoch für die komplexe Betrachtung des Textes ist der Umstand, daß über die Kommunikationsverfahren, diese „geistigsprachlichen Operationen" (Schmidt 1981, 30), die Brücke zu seinem Erzeuger, dessen kommunikativen Intentionen und Strategien, und indirekt auch seinem Abnehmer geschlagen wird. Mit diesen rückt der Text in das größere Umfeld der Kommunikationsbedingungen (Schmidt 1981, 20f.).

2.6.3.

Der Fachtext im

Kommunikationsmodell

Das Verhältnis von Fachtext und Kommunikationsbedingungen im engeren Sinne läßt sich in Anlehnung an ein bekanntes, allgemeineres Modell (Gülich/ jRaible 1977, 25) vereinfacht so fassen:

Abb. 29 232

Dieses Schema soll folgende Zusammenhänge zeigen: Ein Fachmann erzeugt einen Fachtext für einen Fachmann (seltener Nicht-Fachmann) oder f ü r mehrere Fachleute (seltener Nicht-Fachleute), die diesem mit einer bestimmten Erwartungshaltung entgegentreten und gegebenenfalls auch darauf reagieren. E r verfolgt damit eine bestimmte Absicht (Intention) und versucht diese mit Hilfe einer bestimmten Strategie zu erreichen. Den Bezugsrahmen f ü r die Kommunikationspartner bildet ein bestimmtes Fachgebiet. Innerhalb dieses Bezugsrahmens oder neben ihm ist der Text geprägt von einer bestimmten, durch die fachliche Tätigkeit bedingten Situation, in der er entstanden ist und an der Produzent und Perzipient(en) teilhaben. Bei der Realisierung von Intention und Strategie, d. h. bei der Erzeugung des Textes, wählt der Schreiber/Sprecher die seinem Zweck dienlichen Mittel aus dem Gesamtbestand des sprachlichen Systems bzw. des fachsprachlichen Subsystems aus und fügt sie zu einem strukturellen und funktionalen Ganzen — eben dem Text — zusammen. Der Leser/Hörer entschlüsselt den Text mit Hilfe seiner Kenntnis desselben Zeichen(sub)systems. All diese Beziehungen sind eingebettet in das weite Feld der sozialen Kommunikationsbedingungen. Man kann das eben skizzierte Schema aus der Sicht der Psycholinguistik, der Sprechakttheorie oder der funktionalen Sprachbetrachtung interpretieren, wenn es um die Erzeugung des Textes einerseits und seine Perzeption anderseits, also um sprachliche T ä t i g k e i t s p r o z e s s e geht (dynamischer Aspekt) (Gläser 1979; 1982; Weise 1979), aber natürlich auch vom Standpunkt der Linguistik im engeren Sinne, f ü r die der Text als sprachlich strukturiertes E r g e b n i s solcher Prozesse im Vordergrund steht (stationärer Aspekt). Wir wählen im weiteren den zweiten Ansatz, d. h. die linguistische Analyse einer Vielzahl unterschiedlicher Texte, weil er die Gewähr dafür bietet, daß die Fachsprachenforschung zu Ergebnissen gelangt, die sowohl Hypothesen über das Wesen der sprachlichen Kommunikation stützen als auch die bessere Befriedigung praktischer Kommunikationsbedürfnisse sichern helfen. Solche Ergebnisse sind z. B. Rückschlüsse auf Kommunikationssituationen, -partner, -verfahren, -kanäle u . a . , einerseits, Empfehlungen f ü r die Informationserschließung, die Textklassifizierung, den zweckmäßigen bzw. normengerechten Aufbau von Texten, die Wahl geeigneter sprachlicher Mittel usw., anderseits. Den dialektischen Zusammenhang zwischen dynamischem und stationärem Aspekt berücksichtigt die folgende, aus unterschiedlichen Darstellungen (Agricola 1979, 32; Isenberg 1977, 119ff.; Viehweger 1977, 107) synthetisierte D e f i n i t i o n : Der Fachtext ist Instrument und Resultat der im Zusammenhang mit einer spezialisierten gesellschaftlich-produktiven Tätigkeit ausgeübten sprachlich-kommunikativen Tätigkeit; er besteht aus einer endlichen, geordneten Menge logisch, semantisch und syntaktisch kohärenter Sätze (Texteme) oder satzwertiger Einheiten, die als komplexe sprachliche 233

Zeichen komplexen Propositionen im Bewußtsein des Menschen und komplexen Sachverhalten in der objektiven Realität entsprechen. Aus dieser Definition wird zugleich deutlich, daß die Fachsprachenforschung mit ihrer Hinwendung zum Text nicht in erster Linie eine Vervollkommnung des hierarchischen Systems der sprachlichen Ebenen oder die Erklärung syntaktischer Erscheinungen aus größeren Zusammenhängen anstrebt. Sie geht vielmehr davon aus, daß die linguistische Analyse von größeren kommunikativen Einheiten zu ihren Konstituenten und damit in der Hierarchie der sprachlichen Ebenen von oben nach unten fortschreiten sollte, weil das kommunikative Gesamtanliegen die Wahl der einzelnen sprachlichen Mittel motiviert.

2.6.4.

Der Fachtext als strukturierte Einheit höherer Ordnung

und funktionale

(linguistische)

Betrachtet man den Fachtext, der im Kommunikationsmodell noch undifferenzierte Entität war, als strukturierte Ganzheit, dann steht man vor der Frage nach seinen Elementen, nach deren Zuordnung zu bestimmten Ebenen der sprachlichen Hierarchie und nach den Relationen zwischen Elementen und Ebenen im Text. Nachdem die Fachsprachenforschung die Ebenen der Grapheme und Phoneme, der Morpheme und grammatischen Kategorien, der Lexeme und Wortformen sowie der Syntagmen, Phrasen und Sätze mitsamt ihren sprachlichen Elementen im Sinne der Koexistenz schon relativ exakt erfaßt hat, bietet ihr die Öffnung gegenüber der Textlinguistik die Möglichkeit, ihre bisherigen, zum Teil atomistischen Erkenntnisse aus der Sicht hypersyntaktischer Relationen neu zu ordnen und in größere — eben textlinguistische — Zusammenhänge zu stellen. Voraussetzungen dafür sind vor allem die Ermittlung der Kohärenzbeziehungen zwischen den bereits bekannten Elementen und die Zuordnung kohärenter sprachlicher Elementarverbindungen zu bestimmten Makrostrukturen. Wir haben also Veranlassung, unser Modell der Fachsprachenanalyse (Hoffmann 1979) im oberen Teil — Text (Texteme) — weiter auszubauen und gewisse Prioritäten zu setzen. Unabhängig von den Untersuchungsmethoden präsentiert sich der Untersuchungsgegenstand ,Fachtext' ungefähr so wie in Abbildung 30. E s besteht ein enger Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion des Fachtextes, d. h. sein kommunikativer Zweck bestimmt nicht nur die Wahl der einzelnen sprachlichen Mittel, sondern auch ihre Anordnung und Verbindung zum Textganzen, und nicht jede Textstruktur erfüllt jeden beliebigen kommunikativen Zweck. Hier liegen die Ursachen für die Entstehung bzw. Existenz strukturell unterschiedlicher Texte, die zugleich aber auch gewisse

234

Makrostruktur/Textbauplan Kohärenz/Topiks Syntax/Sätze, Phrasen, Syntagmen Lexik/Wörter, Wortbildungstypen Morphologie/Wortformen Phonologie/Phoneme, Grapheme Nicht-sprachliche Zeichen/Symbole, Formeln, Abbildungen u. ä. Abb. 30

Möglichkeiten zu ihrer Klassifizierung in sich bergen. Dabei ist — wie bei den meisten funktionalen Ansätzen in der Sprachwissenschaft — nicht an eine eineindeutige Zuordnung von Funktionen und Komplexen sprachlicher Mittel zu denken. Immerhin sind Aussagen darüber möglich, wie ein Fachtext sprachlich beschaffen ist, wenn er eine bestimmte Funktion zu erfüllen hat (2.6.5.).

2.6.4.1.

Die Makrostrukturen

(Textbaupläne)

In bezug auf ihre Makrostruktur unterscheiden sich Fachtexte deutlich von Texten anderer Subsprachen und auch untereinander. Mag für das fünfaktige Drama die Gliederung gültig sein: 1. Anlage (Exposition), 2. Schürzung, 3. Höhepunkt, 4. Umschwung (Peripetie) und 5. Lösung (Katastrophe) ; Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften weisen dagegen die folgende Gliederung auf: a) Zusammenfassung, b) Sachwörter, c) Methode, d) Ergebnisse, e) Diskussion, f) Literatur (Zeitschrift für ärztliche Fortbildung) oder a) résumé, b) introduction, c) techniques expérimentales et matériels utilisés, d) résultats, e) discussion et conclusion, f) titre et résumé (englisch), g) remerciements, h) références bibliographiques (Annales de Zootechnique). Ein Geschäftsbrief besteht aus a) Anrede, b) (positive) Darstellung des Produkts, c) Herkunft der Ingredienzen des Produkts, d) Importbedingungen/ Gewinnchancen, e) Verweis auf Preisangebot, f) Lieferbedingungen und g) Grußformel. Der Textbauplan einer (nordamerikanischen) Patentschrift enthält in der Regel folgende Teile : a) Titel der Erfindung/Name des Erfinders/verwaltungstechnische Daten, b) Patentreferat, c) verwandte Patentanmeldungen, d) Ausgangssituation der Erfindung, e) zusammenfassende 235

Beschreibung der Erfindung, f) kurze Beschreibung der Zeichnungen, g) Beschreibung der bevorzugten Ausführungsform(en), h) Patentansprüche, i) Zeichnungen (Gläser 1979, 112).

2.6.4.2.

Die Kohärenz

Makrostrukturen entstehen durch die Herstellung von Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den Teilen und Elementen des Textes. Diese Abhängigkeits- oder Kohärenzbeziehungen werden zum einen Teil implizit (logisch), zum anderen explizit (sprachlich und logisch) realisiert. Implizite Kohärenz (Konnex) besteht z. B., wenn von zwei formal selbständigen Sätzen der eine die Ursache und der andere die Wirkung bzw. Folge, der eine den Zeitpunkt und der andere eine (gewohnheitsmäßige) Handlung, der eine die Voraussetzung und der andere die Nutzung oder der eine die Beobachtung und der andere die Schlußfolgerung zum Ausdruck bringt: Das Präparat wird durch die Leier ausgeschieden und in der Gallenblase angereichert. Nach etwa 12 Stunden wird der Kontrastschatten deutlich sichtbar. — Schwierigkeiten bei der vorläufigen Wundversorgung entstehen gewöhnlich' durch eine heftige arterielle Blutung. Im allgemeinen sind Laienkräfte viel zu leicht geneigt, Abschnürmaßnahmen zu treffen. — Die Diagnose der Lepra wird durch die Anamnese (. . .) und die Inspektion gestellt. In Zweifelsfällen bringt eine Probeexzision die Klärung. Weit häufiger ist in Fachtexten die explizite, aus bestimmten sprachlichen Elementen ablesbare Kohärenz, die nicht nur den eben exemplarisch genannten Beziehungen zwischen Textemen, sondern praktisch allen Arten der Vertextung gerecht werden kann. Explizit wird die Kohärenz sichtbar in der thematischen Progression (Die Kranken klagen über diffus ausstrahlende reißende, stechende Schmerzen in den verletzten Gliedmaßen, . . . Der Schmerz tritt nicht anfallsweise auf, . . .), in der syntaktischen Subordination (An äußerlich gut zugänglichen Stellen kann die Tamponade mit einem gewissen Druck der blutenden Fläche angepreßt werden . . . , was den blutstillenden Effekt erhöht und beschleunigt. — Natürlich hat man sowohl beim Menschen wie im Tierexperiment diese Fragen zu klären versucht. Dabei muß man in bezug auf die Auswertung solcher Tierversuche f ü r die Humanpathologie große Zurückhaltung walten lassen, . . .) bzw. Koordination (Ferner breitet sich der Krebs nicht selten in der H a u t aus, . . . , oder er führt zu ausgedehnten Exulzerationen), in der Wortwiederholung, der Hyperonymie, der Hyponymie, der Synonymie, der Paraphrase (Die Chondrome kennzeichnen sich als durch eine gefäßhaltige Bindegewebskapsel abgegrenzte kugelige oder knollige Knorpelneubildung. Histologisch haben die Chondrome meist Ähnlichkeit mit normalem Knorpelgewebe. — Man bezeichnet sie auch als Halluzinogene. Weniger spezifisch,. . . , wirken zahlreiche andere bekannte Pharmaka. — Plasma- und Serumkon236

serven sind jahrelang haltbar. Einen weiteren Fortschritt in der Plasma- und Serumanwendung bedeutet die Herstellung von agglutininfreiem menschlichem Trockenplasma und -serum, . . . — Die Hauptvertreter dieser Gruppe sind einige Phenylalkylamine. Man nennt sie auch Weckamine oder Amphetamine. — Besonders eignet sich das experimentell ausgelöste UV-Erythem zur Auswertung und Beurteilung von Lichtschutzmitteln. Von hochwertigen Präparaten dieser Art ist zu fordern, . . .), in der Pronominalisierung (Penicillin ist auch in Dosen, die hundertfach über der zur Bakteriostase notwendigen liegen, nicht toxisch; es stört weder Leuko- noch Erythropoese. — Während des Körperdurchganges wird die elektrische Energie in Wäime . . . umgewandelt und setzt Verbrennungen. Das Ausmaß dieser elektrischen Verbrennungen reicht von Rötung und Blasenbildung über Nekrosen bis zur völligen Verkohlung von Gliedmaßen und Körperabschnitten.), in der Adverbialisierung (Als Saprophyten leben sie auf der Haut und imDarmder Menschen und Tiere. Von dort gelangen sie mit dem Dung auf die Felder.), in der Verwendung von Konjunktionen (Für die plastische Chirurgie spielt die Lyophylisation besonders eine Rolle zur Gewinnung stets verwendungsbereiter homoplastischer Gefäßtransplantate, . . . Auch zur Konservierung von Knochenspänen . . . gewinnt das noch junge Verfahren zunehmend an Bedeutung.) und Schaltwörtern (Beim Trocknen von organischen Stoffen in gefrorenem Zustand macht man sich den einfachen physikalischen Vorgang zunutze, daß der zu Eis erstarrte Wassergehalt des Gewebes im hohen Vakuum zum Verdampfen (Sublimierung) gebracht werden kann. Lediglich Mikroorganismen werden dadurch in ihrer Vitalität nicht beeinträchtigt, . . .) und in vielen anderen sprachlichen Mitteln bis hin zur Interpunktion, die sich nicht immer eindeutig nur einer Ebene der Hierarchie der sprachlichen Zeichen zuordnen lassen oder auch gemeinsam auftreten. Sie möglichst vollständig zu erfassen, ist das Ziel der kumulativen Textanalyse, die in Anlehnung an die Partiturvorstellung (Weinrich 1976, 145—162) danach strebt, neben den den linearen (horizontalen) Zusammenhang bestimmenden Faktoren auch die für den Text und für bestimmte Textsorten charakteristischen Merkmale auf den einzelnen Ebenen der (vertikalen) Hierarchie zu erfassen. 2.6.5.

Die kumulative Analyse von Fachtexten

Unter kumulativer Textanalyse (Hoffmann 1981) verstehen wir die Integration aller wichtigen Merkmale der einzelnen sprachlichen Ebenen in absteigender Richtung von den Makrostrukturen und Vertextungsmitteln" über die Syntax und Lexik bis zu den grammatischen Kategorien und den sie repräsentierenden Morphemen. Das Ergebnis ist eine umfassende linguistische Beschreibung der Relationen und Elemente in Fachtexten, die sich in Matrizenform ausdrücken läßt, wie das folgende Beispiel im Ansatz zeigt: 237

Makrostruktur

Kohärenz

Syntax

Problem +

Prämissen +

Methode +

Lösung +

Anrede

Darstellung

Herkunft

Bedingung

Wiederholung + Pronomen +

Synonymie

Metapher

Paraphrase

Proform . . . Thematische Progression (Typ) I II III IV + -

Funktionale Satzperspektive (Typ)

i ii 111 iv v vi + -

+

-

Satztyp einfach -

+

-

Grammat. Kategorien

+

+

subordin. +

MVS +

Hybride -

Simplex +

Kompositum -

Derivativum +

Verb Indikativ +

Konjunktiv -

Aktiv

Passiv +

Präsens +

Präteritum -

Futur -

1 . Person -

2. Person -

3. Person +

+

koordin. -

AAS

Lehnwort +

+

238

komplex +

Genuin -

Substantiv Singular Plural 4Nomin. Gen. Dat.

Abb. 31

-

erweitert +

Nominalphrase S SSg AS + + Verbalphrase V MV DV Lexik

Anwendung +

Akk.

Instr.

Wortgruppe . . .

Präp.

+

Diese Matrix für ein Kapitel aus einem Handbuch der Mathematik, die auf allen Ebenen f ü r laufende Ergänzungen aus der Untersuchung anderer Texte offen bleibt, läßt sich wie folgt verbalisieren bzw. interpretieren: — typische Makrostruktur: nach der Nennung des Gegenstandes in der Überschrift — Problemstellung, Prämissen, Methode, Lösung, Anwendung; — Kohärenz vor allem durch Wortwiederholung, in geringerem Maße durch (anaphorische) Pronominalisierung und Subordination; direkte thematische Progression; — Überwiegen der funktionalen Satzperspektive Typ I, I I I und V; — große Zahl von einfachen erweiterten Sätzen und Satzgefügen mit untergeordneten Nebensätzen; Dominanz von konditionalen Nebensätzen; — meist Nominalphrasen aus ein bis zwei Konstituenten, z. B. S, AS u. ä.; entsprechend Yerbalphrasen aus zwei bis drei Konstituenten, z. B. M V, DV, MVS; — große Häufigkeit von Lehnwörtern griechischer und lateinischer H e r k u n f t ; beim originalsprachlichen Wortschatz Simplizia und Derivativa; — herausragende Holle von Indikativ, Präsens, 3. Person, Passiv bei Verben, Singular und Genitiv bei Substantiven; — ausgiebiger Gebrauch von Symbolen, Ziffern und Formeln usw. usf. Wertungen wie ,typisch', ,häufig', .überwiegend', ,vor allem', ,meist' erfahren, so wie die Entscheidung f ü r das Plus oder Minus in der Matrix, eine möglichst exakte quantitative Bestimmung im Sinne der echten Dominanz über die anderen Möglichkeiten. Das geschieht ganz einfach durch die Ermittlung der Häufigkeiten f ü r die bei der Vertextung miteinander konkurrierenden sprachlichen Phänomene und die Berechnung ihres Anteils an der Gesamtzahl der potentiellen Okkurrenzen in Gestalt eines Koeffizienten, den m a n als Topikalitätskoeffizienten bezeichnen könnte. Schwerer fällt es, den Grenzwert zu fixieren, bei dem der Bereich der Dominanz beginnt. Hier ist auf alle Fälle die Zahl der Konkurrenten zu berücksichtigen. Sind es nur zwei, z. B. Subordination und Koordination, dann bedeutet 0,51 Dominanz. Bei drei Konkurrenten, z. B. Präsens, Präteritum und Futur, beginnt die Dominanz mit 0,34, bei vier, z. B. Wortwiederholung, Synonymie, Metapher, Paraphrase, mit 0,26 usw. Von echter Dominanz kann in diesen Fällen jedoch nicht die Rede sein, besonders wenn alle komplementären Werte dicht darunter liegen. Die bisherigen Analysen haben bei den meisten Parametern ein ausgesprochen differenziertes Bild der statistischen Struktur von Fachtexten ergeben und damit die theoretische Vorausbestimmung von Grenzwerten überflüssig gemacht. Topikalitätskoeffizienten von 0,73 bei zwei, von 0,58 bei drei oder von 0,52 bei vier konkurrierenden Erscheinungen können ohne weiteres als Dominanz gewertet werden. Nicht ungewöhnlich ist auch die Dominanz von zwei Konkurrenten über zwei oder mehr andere. I n solchen Fällen erscheinen im gleichen Feld der Matrix zwei Pluszeichen. 239

Die positiven und/oder negativen Markierungen in den Matrizen einer größeren Zahl von Fachtexten mit den dazugehörigen Topikalitätskoeffizienten ihre Übereinstimmung bzw. Nichtübereinstimmung, bilden eine zuverlässige Grundlage für Fortschritte in der Textsortenproblematik bis hin zur Bildung von Klassen mit signifikanten Unterschieden.

2.6.6.

Die Fachtextsorten

Ein Katalog und später eine systematische Darstellung der vor allem durch ihren jeweiligen Verwendungszweck geprägten unterschiedlichen Arten von Texten mit den für sie wesentlichen Kennzeichen kann sowohl dem gründlicheren Verständnis als auch — und vor allem — der angemesseneren Abfassung sprachlicher Äußerungen über fachlich determinierte Sachverhalte dienen und damit wesentlich zum effektiveren Verlauf der ein- oder mehrsprachigen Kommunikation beitragen. Die Fixierung von Textsorten auf der Grundlage einer Typologie der Intentionen, der Textfunktionen, der Kommunikationsverfahren, der Darstellungsarten oder der komplexen Handlungsmuster (Pfütze/Blei 1977, 185ff.; Schmidt 1981, 42ff.; Stempel 1975, 178; Troebes 1981; Viehweger 1977, 106 u. a.), die in einigen Fällen auch schon an Fachtexten erprobt worden ist (Baumann 1981