Kommentar über das zweite Sendschreiben des Apostel Paulus an die Gemeinde zu Korinth 9783111488479, 9783111121918


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German Pages 559 [560] Year 1874

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Table of contents :
Vorwort
Berichtigungen
Einleitung
Kapitel I.
Kapitel II.
Kapitel III.
Kapitel IV.
Kapitel V.
Kapitel VI.
Kapitel VII.
Kapitel VIII.
Kapitel IX.
Kapitel X.
Kapitel XI.
Kapitel XII.
Kapitel XIII.
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Kommentar über das zweite Sendschreiben des Apostel Paulus an die Gemeinde zu Korinth
 9783111488479, 9783111121918

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Lommrntar

das zweite Sendschreiben de-

Apostel Paulus an

die Gemeinde zu Korinth.

Lic. th. M. Mpper.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer.

Vorwort. £Jtx Verfasser des nachstehenden Kommentars hat

sich über die Dunkelheiten und Schwierigkeiten, welche von dem Erklärer des zweiten Korintherbriefes des Apostel Paulus aufzuhellen und zu überwinden sind, und welche ihm eine auf neuen Grundlagen sich aufbauende Interpre­ tation desselben als wünschenswerth erscheinen ließen, schon in seiner früheren, auf Seite 1 citirten Schrift näher aus­ zusprechen, Gelegenheit gehabt. Er wüßte dem dort Er­ örterten jetzt kaum etwas Anderes hinzuzufügen, als daß er nunmehr seinem damals gegebenen Versprechen nach­ kommt, welches eine umfaffendere Darlegung seiner über das betreffende apostolische Sendschreiben gemachten Stu­ dien in Aussicht stellte. War es mit der beschränkten Aufgabe, die der Verfaffer sich für jenes Mal gesetzt hatte, von selbst verbunden, daß nur auf einzelne, allerdings hervorragende Partten jenes paulinischen Briefes etwas ausgedehntere neue Streiflichter geworfen wurden, mußte manches Wichttge nur obenhin berührt, noch weit Mehreres gänzlich unerörtert bleiben: so macht die jetzige Schrift den Versuch, jene Segmente zu einem wenn auch kleinen, aber doch in sich abgeschlossenen Kreise zu ergänzen. Wenn der Verfasser erheblich später, als er einst zu hoffen

wagte, die neue Arbeit zum Abschluß gebracht hat, so is der Grund hievon zum nicht geringsten Theile das die Forschung begleitende Bewußtsein von der Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe gewesen. Ob oder in wie weiit mit dieser Veröffentlichung seiner mehrjährigen Studiem der Verfasser den Gegenstand derselben einer Wissenschaft lichen Lösung näher gebracht habe, werden auf dem be ­ treffenden Gebiete orientirte Sachverständige zu entscheidern haben. Nur auf eine Frage glaubt der Verfasser ttodb eine kurze Auskunft geben zu müssen. Da es ihm vorr Allem darauf ankam, die Worte des Apostel Paulus aurs dessen eigenthümlichen Jdeenkreis heraus abzuleiten und zu deuten: so ist es von Wichtigkeit zu wissen, welche Schrifter desselben von seinem Kommentator als echte und direkt e Originalquellen des apostolischen Bewußtseins angesehen, und in zweifelhaften Fällen als allein den entscheidenden Ausschlag gebende benutzt worden seien. Der Verfasser glaubte von der Zahl der herkömmlich dem Apostel bei gelegten dreizehn Briefe nur die sogenannten Pastoral briefe und den Brief an die Epheser ausschließen zu müssen . Eine Begründung der Berechtigung dieses seines Verfahrens, ist selbstverständlich an diesem Orte eine Unmöglichkeit . Doch hofft der Verfasser bald Gelegenheit zu finden, in der Debatte über gewisse paulinische Antilegomena auch nach seinem bescheidenen Theil ein Wort kritischer Ver ­ ständigung miteinlegen zu dürfen. Während des Druckes dieses Werkes sind einige, die paulinische Theologie überhaupt, oder einzelne Seiten der­ selben erörternde Schriften, — es seien hier nur Pfleiderer , Paulinismus, Holsten, zur Erklärung von 2. Kor. 11, 4—6 in der Zeitschr. f. w. Th. 1874. Heft 1 genannt, —

veröffentlicht worden. Dieselben konnten, da der Verfasser sein Manuscript nicht mehr in Händen hatte, und den ohnehin sich schon länger hinziehenden Druck seiner Schrift nicht noch mehr verzögern wollte, hier nicht mehr ver­ werthet werden. Der Verfasser muß sich daher vorbe­ halten, an einem anderen Orte auf die Ansichten dieser um die Klarlegung des päulinischen Lehrbegriffes verdienten Gelehrten zurückzukommen, da mit ein paar beiläufigen, der nöthigen Begründung entbehrenden Bemerkungen, so gut wie nichts genützt sein dürfte. Königsberg i. Pr. den 28. April 1874.

Berichtigungen'). S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. 5. 6. S.

10, Z. 10 v. u. lieS: früheres statt spateres. 16, Z. 16 v. o. lies: anschließenden statt entwickelnden. 23, Z. 10 v. o. lies: Gerede statt Gewebe. 27, Z. 14 v o. lies: Parcellen statt Parcelen. 36, Z. 6 v. u lies: aufgeblähten statt aufgeblähen. 38, Z. 2 v. o. lies: dem statt den. 38, Z. 16 v. o. ist „einen" vor „theoretischen" zu tilgen. 49, 3- 3 v. o. lieS: Lesern statt Leser. 66, Z. 4 v. o. lieS: der statt des. 69, Z. 8 v. o. lieS: Bekehrung statt Belehrung. 92, Z. 13 v o. lies: beschnittener statt beschnittenes. 96, Z. 15 v. o. lieS: Unverständiges statt Unanständiges. 106, Z. 14 v. o. lieö: statt £ij(o. 112, Z. 15 v. o lieS: und statt rnd.— eine statt einen. 117, Ueberschrift. lieS: Abfassung-zeit statt AbfaffungSbries. 206, Z 2 fehlt nicht vor ererben. 207 ist die Note 1 an Herrschergewalt Z. 14 v. o. anzuschließen. 209, Z. 11 v. o. lieö: vor statt von. 211, Z. 14 v. o. lieö: xttio7iTtQ(&odai statt xaroTtTQfCtir. 289, Z. 12 v. o. lieS: steiften statt streiften. 325, Z 14 v. o. lieS: epexegetische statt exegetische. 380, Z. 7 v. ii. lieö: Hoffnung erweckenden statt Hoffnungerweckungen 457, Z. 3 v. u. lieS: Gnaden-Tvangelium statt Gn.-EvangeliumS. 518, Z. 17 v. o. lieö: unverwandtes statt unerwartetes.

!) In dem nachfolgenden Druckfehlerverzeichniß find nur die eigentlich stillt/ entstellenden Versehen ausgenommen. Kleinere betreffs der Accentation griech. Wötter, der Interpunktion u. a. möge der verehrte Leser dem Vers., der wäh­ rend der Torrektur mit einem hartneckigen Augenleiden behaftet war, gütigst verzeihen. Auch würde hie und da eine kleine stilistische Härte bei der Torrektur abgeschliffen worden sein, wenn der Vers. den gedruckten Text sorgfältiger hätte überlesen dürfen.

Einleitung. (Sitte Einleitnug in den zweiten Brief deS Apostel PauluS an die Korinther wird denjenigen Standpunkt zu ermitteln haben, von dem der Ueberblick über die in diesem Sendschreiben entgegentreten­ den Gegenstände und Verhältnisse im Voran- erleichtert wird.

6ßoe, tQÖfiog), was sich ja längst ver­ loren haben mußte, und wa-, selbst wenn e- ihm noch anhaftete, nicht sein augenblickliche- Hinkommen, sondern sein Hinkommen überhaupt in Frage gestellt haben würde. Denn daß die Zustände in Korinth sich besserten, der Apostel also von disciplinarischen Maß­ regeln absehen konnte, durfte er hoffen. Schwerlich aber (fall- die­ ser Punkt 2 Cor. 1, 23 bi- 2, 2 überhaupt in Frage kam), daß Befangenheit beim xtaayyiXAeiv to ftafytvQiov tov Seov (2 Cor. 2,1) in Korinth sich je verlieren werde, wenn die» nicht schon wäh­ rend de- langen ersten Aufenthalte- geschehen war. Auch 2 Cor. 12, 14: tdov xqitov xovro erotfiog e%ta kX&elv tcqos vfiäs, glaubt Hilgenfeld nur so erklären zn brauchen: zum dritten Mal bin ich bereit zu kommen. Allein ist e- bei der engen Verbundenheit de» Paulus mit der korinthischen Gemeinde, bei dem lebhaften und gespannten Intereffe, mit welchem er alle ihre Verhältniffe auf da» genaueste verfolgt, sie auf Schritt und Tritt in Gedanken begleitet, an sich schon sehr wenig angemeffen, denselben seine Bereitschaft zu den Lesern zu kommen, numeriren zu las­ sen: so ist die» außerdem an unserer Stelle unmöglich gemacht. Denn wenn Paulu» mit seiner Bereitschaft die Leser zu besuchen die bestimmte Versicherung verbindet, er werde ihnen nicht durch Beanspruchung von Unterhalt-mitteln zur Last fallen (xai ov xazavafxtjau Ifiäv), so hat diese» angekündigte Verhalten mit seiner dritten Bereitschaft zu kommen, nicht den mindesten inneren Zusammen­ hang. Dieser wird erst dadurch hergestellt, wenn sein vorausge­ setzte» vollkommen uneigennützige- Verhalten seine Voraussetzung darin hat, daß er zum dritten Mal zu ihnen zu kommen, in Bereitschaft steht. Offenbar nemlich ist e», wie der Zusammenhang an die Hand giebt, der Zweck de- Apostel-, seine Maxime der

Einleitung.

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kostenfreien Verkündigung des Evangeliums in Korinth als eine ihm von Anfang an unabänderlich und für immer feststehende erscheinen zu lassen.

Dieser Zweck

aber wurde nur

dadurch erreicht,

wenn

sich Paulus den Lesern gegenüber darauf berufen konnte, nicht, daß er früher schon zwei Male in Bereitschaft gestanden ihnen zu kommen, sondern bereits

zwei Mal faktisch

habe, zu in ihrer

Mitte verkehrt habe, ohne ihnen zur Last gefallen zu sein. Denn nur in diesem letzteren Falle, wo die Leser bereits zweimal die thatsächliche Erfahrung von seiner vollkommenen Unei­ gennützigkeit gemacht hatten, hatte eö einen Sinn, wenn der Apostel die Gemeinde gewissermaßen

dazu provociren

konnte,

sein

Verhalten bei der bevorstehenden dritten Anwesenheit, zu welcher er sich bereit macht, von Neuen

zu

beobachten.

den hier in Rede stehenden Ausspruch

Wenn

also Paulus

thut: so kann derselbe der

Sache nach gar keinen anderen Sinn haben, als diesen: Siehe, ich gebe el.ch bei meiner dritten Hinkunft zu euch, zu welcher

ich mich

anschicke, die Gelegenheit, mein Verfahren zu controliren,

und

ich

werde euch jetzt so wenig, wie die beiden früheren Male, wo ich bei euch war, Kosten verursachen. Nicht anders als hier liegt giebt Paulus

die Sache 2 Cor. 12, 21.

Hier

der Befürchtung Ausdruck /tu? näXiv iXthivzog fiov

aneiviiaei sie b &eog x. r. X. Hilgenfeld meint freilich, das solle nur heißen „bei meiner Wiederkunft". Allein eS muß doch die Annahme für durchaus

willkürlich erklärt werden,

daß daS nctXiv hier ganz

müssig und ohne alle pragmatische Beziehung hingestellt sei,

waS

der Fall wäre, wenn man es nur auf iX&övzog (.iov beziehen würde. Construirt man eS dagegen

zu dem ganzen Satz:

der Apostel die Besorgniß aus, daß ihm abermals

so spricht

hier

bei seiner Hin­

kunft eine Demüthigung Setten- Gottes beschieden sei, die nur da­ rin bestanden haben kann, daß er die Leser in dem

nemlichen von

ihrer früheren sittlichen Berfasftmg abweichenden abnormen Zustände antreffen werde, wie da-

letzte Mal,

da er, wie wir vollkommen

deutlich aus 2, 1 sehen, h Xvnt) bei ihnen war. Daß die Lage der Dinge eine derartige war, stellt endlich 2 Cor. 13, 1 ff. außer allem Zweifel. Wenn hier nemlich Paulus sagt:

xqixov zovzo eq%ofiai nqdg vfiag, so kann dies schon dem Wort-

Zweite Anwesenheit des Paulus in Korinth.

33

laute nach noch weit weniger natürlich, wie da- xqixov xovxo holfttog i%to i. n. v. (12, 14), so gedeutet werden, al- stelle der Apostel seine Hinkunft zum dritten Male in Aussicht. Vielmehr wenn er schreibt: „die- ist da- dritte Mal, wo ich auf dem Punkte stehe, zu euch zu kommen", so stellt er sich den Lesern al- einen solchen dar, der nächsten» zum dritten Male bei ihnen einkehrt. Die Gesetzes­ stelle nemlich, die er sofort anführt, nach welcher auf Grund von zwei bis drei Zeugen jede Sache (die unter die Kategorie der 12, 21 erwähnten groben heidnischen Vergehungen fällt) constatirt wer­ den solle, hat ja nicht da» mindeste mit der unfehlbaren, der Aus­ führung gewissen dritten Ankündigung zu thun, sondern enthält ja die proceßualische Methode, nach welcher Paulu» sein Di-ciplinarverfahren in Korinth auszuführen, die Absicht hat. Und wenn Hilgenfeld sich für seine Erklärung auf 13, 2 beruft, so durfte er auf diese Stelle nicht einfach verweisen, sondern e» fragt sich eben, wie dieselbe zu verstehen sei. Hier sagt nemlich der Apostel: nQoeiqrjxa xai UQoXeyio wg naquv xd devxeqov xai ctno v viv ... ort idv e'Xfho eig xd näXiv ov tpelooficu. Man sieht, Pau­ lus beruft sich mit dem rtqoelqtjxa auf eine früher gethane Aeuße­ rung. Diese könnte, rein in abstracto die Sache betrachtet, entwe­ der eine mündliche oder schriftliche gewesen sein. Setzen wir zunächst den letzteren Fall, so würde der Apostel die betreffende schriftlich ausgesprochene Drohung gegenwärtig wiederholen in der Eigenschaft eine» solchen, der gleichsam zum zweiten Male in Korinth anwe­ send wäre, obgleich er thatsächlich abwesend ist. D. h. Paulus würde seine früher brieflich gethane Drohung jetzt noch einmal brieflich aussprechen, diese letztere wolle er aber trotzdem so angese­ hen wissen, als thäte er sie in der Eigenschaft eine» zum zweiten Male in Korinth persönlich anwesenden, wobei denn die Voraussetzung ist, daß er re vera zum zweiten Mal nicht in Korinth war. — Allein in diesem Falle begreift man gar nicht, wie der Apostel dazu komme, seine jetzige Drohung in ein solche- Licht zu stellen, wie wenn er zum zweiten Mal unter den Lesern persönlich anwesend sei, ohne eS in Wirklichkeit gewesen zu sein. Denn da- erste Mal, wie er in Korinth war, hatte er doch gewiß eine solche Drohung, wie sie hier vorliegt (ov (ptioofiat), noch nicht ausgesprochen. Welchen Klopp«, . V.iviil«, 3

34

Einleitung.

Grund konnte er also haben, Qiit betn u g naQtov zo devzeqov auf diese erste Anwesenheit zurückzuweisen? Ganz anders liegt die Sache, wenn wir den Apostel mit TtqoelQTjxa auf eine früher mündlich gesprochene Drohung sich znrückbeziehen lassen. Diese -wiederholt hier Paulus in dem gegenwärtigen Momente. Wenn er aber bemerklich macht, daß er die betreffende Drohung als ein sol­ cher thue, der das zweite Mal (persönlich) anwesend sei, obgleich jetzt abwesend, so will er seine jetzige schriftliche Drohung von den Lesern eben so angesehen wissen wie seine früher bei seiner zweiten Anwesenheit faktisch gethane mündliche. Nur diese Erklärung giebt den Worten des Apostels eine wirkliche pragmatische Bedeusamkeit. Erschien nemlich den Lesern die gegenwärtige schriftliche Drohung als eine solche, die den nemlichen Tenor, dasselbe Gewicht, denselben eindringlichen Ernst besaß, wie die frühere re vera bei seiner zweiten Anwesenheit mündlich ausgesprochene: so waren die betreffenden Gemeindeglieder zwei Mal in der nachdrücklichsten Form verwarnt, und sie durften sich nicht beklagen, wenn, im Falle daß auch diese letzte der ersteren mündlichen Berwarnnng völ­ lig äquivalente überhört wurde, der Apostel seine Drohung wahr machte, und mit einem DiSciplinarproceß gegen unverbesser­ liche Sünder vorging. War nun aber, wie eine Reihe sich gegenseitig unterstützender Stellen des zweiten Korintherbriefeö nnwidersprechlich beweist, Pau­ lus nach seiner ersten grundlegenden Wirksamkeit noch einmal per­ sönlich in Korinth anwesend: so fragt sich im Weiteren: wann ist er dort gewesen, und welcher Art waren seine damaligen Er­ fahrnisse. Daß Paulus nicht in dem Zeitraum zwischen der Abfassung de- ersten und de- zweiten kanonischen Korintherbriefe» in der Hauptstadt Achaja- .war, ergiebt sich mit solcher Deutlichkeit an» dem letzteren Briefe, daß e» nur eint» Hinweise- auf Cap. 1, 15 — 16. 23 bedarf, um jene Vorstellung als eine unmögliche erschei­ nen zu lassen. Denn wenn der Apostel in diesen Stellen eine Rechtfertigung liefert, weshalb er seine längst angekündigte und un­ geduldig erwartete Reise nach Korinth noch nicht ausgeführt habe, so kann er schlechterdings nicht ganz vor Kurzem erst dort gewesen sein.

Zeit der zweiten Anwesenheit.

35

Hatte Paulus, wir er zuletzt in Korinth war, gewissen Gemeindegliedern

vorausgesagt,

daß er bei seiner Wiederkunft ebrndahin

keine Schonung üben werde (ov g>eioopcu 2 Cor. 13, 2), und motivirt er andrerseits, daß er noch nicht in Korinth erschienen sei, damit, daß er aus Schonung gegen die Leser noch nicht nach Ko­ rinth

gekommen sei (ott yetdoftevog vfiäv ovxhi rjX&ov eig

KoqivSov), so ist ja vhneWeitere» klar, daß er diese Worte nicht geschrie­ ben haben kann, wenn er erst eben dort gewesen war. Die zweite An­ wesenheit des Paulus muß also nothwendig vor der Abfassung des ersten kanonischen Briefes stattgefunden haben.

Allein, erhebt sich

bei dieser Annahme nicht das Bedenken, daß im ersten Korlntherbriefe diese seine zweite Anwesenheit erwähnt sein müßte?

Nun

glaubt aber Hilgen seid nicht bloß auf das Fehlen einer solchen No­ tiz in diesem Briefe aufmerksam machen zu dürfen,

sondern sogar

Stellen in demselben aufzeigen zu können, welche einer solchen nicht lange vorher stattgefundenen (also zweiten) Anwesenheit de- Apostel» im Wege ständen. So weist un» Hilgenfeld auf 1 Cor. 2, 1 hin, wo Paulus, die Art und Weise seiner evangelischen Verkündigung in Korinth schildernd, unter Voraussetzung einer zweiten Anwesen­ heit nothwendig hätte sagen müssen: statt xayta iX&tbv nqog vpäg —

xaya eX9tüv nqoxeqov n. v.

bestimmung bedurfte eS gar nicht. der Annahme, daß Paulus sich bei

Allein einer solchen Näher-

Nichts nöthigt un» nemlich zu seiner zweiten Anwesenheit in

Korinth überhaupt, oder wenigsten» in irgend welcher nennenSwerthen Weise mit der Verkündigung des Evangelium» befaßt habe.

Fand

nemlich der Apostel, der, wie wir oben sehen, seinen jüngsten Au­ fenthalt in Korinth unter den Gesichtspunkt

einer ihm von Gott

widerfahrenen Demüthigung stellt (2 Cor. 12, 21), so traurig ver­ worrene Zustände daselbst vor, daß sich sein an und für sich wohl nur sehr kurzer Aufenthalt daselbst durchweg oder doch

zuin Min­

desten principiell zu einem it> Xvnrt verlaufenden gestaltete (2 Cor. 2, 1): so wird den Paulus naturgemäß auch nur der Versuch diese innergemeindlichen Schäden

zu bessern

beschäftigt haben

und,

da

ihm die» nicht gelang, er in keiner Weise in der Stimmung gewe­ sen sein, sich der Predigt de» Evangelium» zu widmen.

Man vgl.

die analoge Situation 2 Cor. 2, 12f., wo der Apostel ebenfalls von

Einleitung

36

Sorgen und Befürchtungen niedergebeugt, für die so günstig sich dar­ bietende Gelegenheit zur Missionspredigt in TroaS sich nicht gei­ stig diSponirt fühlt (ovx

cax1?*“ avsaiv rcjJ nvevftan), sondern

nach Makedonien forteilt.

Demgemäß mußte jedes korinthische Ge­

meindeglied, wenn eS 1 Cor. 2, 1 Erinnerung, bei dem xdyio

laS, ohne jede

weitere

nähere

ik&iov n. v., an deS Apostels erste

grundlegende Anwesenheit denken, bei der allein eS sich um ein „Verkünden des Zeugnisses Gottes" gehandelt hatte. — Doch Hil­ genfeld verweist uns im Weiteren auch auf 1

Cor. 4,

18 wg (irj

eqyonivov di (u>v ngog vfiag eq>votw&r]odv xiveg. daß Paulus nicht kommen

werde, hätte ja gar

Diese Rede

nicht

auskommen

können, wenn er eben erst dagewesen wäre. — Auch diesen Einwand können wir für zutreffend nicht erachten. Im Gegentheil die Aufblähung gewisser

Genicindeglieder

unter VoranSsetzung,

daß Paulus

kommen werde, ist ja nur zu begreiflich, wenn wir unS

nicht

auch hier

wiederum vergegenwärtigen, welcher Art seine jüngste kurze Anwe­ senheit in Korinth gewesen war.

Der Apostel, obgleich Grund ge­

nug zu einem schärferen Anstreten vorhanden war, fand dennoch in Folge einer somatisch-psychischen Depression (vrgl. zu 2 Cor. 10, 1 ff) nicht denjenigen Grad von kraftvoller Entschiedenheit, um schon da­ mals eine an und für sich nothwendig

gewordene Purifikation

der

Gemeinde vorzunehmen, sondern mußte eS bei auf die Zukunft be­ züglichen Drohungen

bewenden

lasse».

WaS Wunder,

wenn

die

ntqivoitüftivoi diese Ankündigung eines schonungsloseren Auftretens für seine Wiederkunft, für eine leere Drehung hielten!

Wenn sie

auS dem jüngsten Verhalten des Apostels, der ja xmä ngoaiono

laneivog (10, 1) gewesen war, den so nahe liegenden Schluß zie­ hen zu dürfen glaubten, Paulus werde nach den zuletzt gemachten trüben Erfahrungen nicht wieder kommen, sie selber

dürsten

sich

also für die Folgezeit, unbehelligt von lästiger Controlle, ihrem auf» geblahen Gebühren überlassen. Sprechen, wie nachgewiesen, die angeführten Stellen des ersten Korintherbriefes in

keiner Weife gegen

eine zweite Anwesenheit

deS Apostels in Korinth, so kann man doch noch fragen: wie kommt e», daß dieser in jenem Schreiben nicht näher Bezug auf seine dort kürzlich gemachten Erfahrungen nimmt? Auch diese Frage beantwor-

Erfahrungen btt bet zweiten Anwesenheit.

37

tet sich nicht schwer. Wir wollen hier nicht geltend machen, daß e» für den Paulus nicht eben einladend war, Über ein Begegniß mit der Gemeinde sich näher auSjulaflen, da- er später selber al- eine ihm von Gott wiederfahrene „Demüthigung" charakterisirt (2 Cor. 12, 21). Im Gegentheil sind wir überzeugt, er werde auf diesetrübe Ereigniß näher Bezug genommen haben. Aber nicht in un­ serem ersten kanonischen Korintherbriefe, sondern in dem Schreiben, welche- 1 Cor. 5, 9 erwähnt ist. E- steht nemlich gar nicht- im Wege, daß wir diesen (verloren gegangenen) Brief unmittelbar auf die zweite Anwesenheit de- Apostel- in Korinth folgen lassen. Hatte er ja in demselben der Gemeinde die Anweisung gegeben fti] awaulyvvoScu noqvoig. Man sieht also, da- einzig bekannte Argument diese- Schreiben- stimmt genau mit der Materie überein, welche die letzte Anwesenheit de- Pauln- zn einer so unerquicklichen machte, und welche ihm die oft erwähnte Drohung bei seinem Abschiede in den Mund legte. Kennen wir nun auch den weiteren Inhalt die­ se- verloren gegangenen Briefe- nicht, so liegt e» doch ungemein nahe, anzunehmen, daß der Apostel, indem er die eine bekannte, eben citirte Warnung vor Umgang mit Unzüchtigen näher erläuterte und begründete, sich hierbei auf seine zunächst gemachten Erfahrun­ gen in Korinth zurückbezogen haben werde. Würde schon dieser Um­ stand allein eS genügend erklären, warum der Apostel in seinem ersten kanonischen Korintherbriefe nicht näher mehr auf seine jüng­ sten persönlichen Erfahrungen einging, so kommt noch hinzu, daß Paulus unmittelbar vor der Abfassung de- letztzedachten Briefe- so viele und wichtige Nachrichten durch Andere über die korinthischen Zustände empfangen hat'), daß diese neusten Posten ihm hinreichen­ de- Material boten, sich auf Grund diese- mit der Gemeinde au-einanderzusehen, ohne daß er nöthig gehabt hätte, auf seine zweite Anwesenheit und seine persönliche Beobachtungen, die jetzt ja durch inzwischen neu aufgetretene Erscheinungen in den Hintergrund ge­ drängt waren, zurückzukommen. Wenn dagegen eine nähere Bezug­ nahme auf die Erlebnisse deS Apostels bei seinem zweiten Besuch in Korinth, noch in dem späteren, zweiten kanonischen Korintherbriefe ') 1 Lor. 1,11; 16,17.

Einleitung.

38 hervortritt,

so

erklärt sich diese zunächst

auffallende Erscheinung

hinreichend daran-, daß inzwischen den PauluS jene hämischen Ver­ dächtigungen betreffs seiner persönlichen Feigheit und damit in Contrast gestellten Bravour im Briefschreiben (2 Cor. 10, 10. 1) zu Ohren gekommen waren, jetzt wiederum

auf

zu deren Entkräftung er seine

Lesern zurückzukommen. hinzuweisen, nischen

Zum Schluß

daß möglicher Weise

Korintherbriefe

sich

zweiten Besuch in Korinth 16, 7 sagt: ov

nicht

umhin konnte,

letzte persönliche Begegnung mit den mag

auch

e- erlaubt sein darauf schon im

ersten

kano­

eine Rückbeziehung auf de- Apostels findet.

Wenn

nemlich Paulus 1 Cor.

yaq v(.iag agsii lv naQody löelv: so könnte

zwar derselbe diese Unlust, die Leser augenblicklich

im Vorbeigehen

zu sehen auch geäußert haben, wenn er mir erst einmal in Korinth gewesen wäre.

Allein klarer wird unS

diese Abneigung

vor einer

flüchtigen Berührung mit der Gemeinde doch erst dann, wenn der Apostel hier nicht an- der au-

einen

theoretischen Reflexion,

sondern

der praktisch gemachten Erfahrung herausschreibt,

problematisch und wahrscheinlich unersprießlich kurze Spanne

ein

wie

solches auf die

eines Zeitmomentes gestelltes gegenseitiges Wieder­

sehen unter den obwaltenden Verhältnissen fei.

Steht nun aber die zweite Anwesenheit de- Apostel«

in Ko­

rinth fest, und war sie eine derartige, wie wir sie haben charakterisiren müssen: so ist schon in den Verhältnissen, unter denen derselbe dort war, die Bedingung enthalten,

daß sein Sinn dahin gerichtet

sein mußte, alöbald ebendahin in einer besseren Stimmung, unter geregelteren Verhältnissen der Gemeinde, in Aussicht auf reichhaltige Erfolge zurückzukehren.

Wir

werden

uns

daher

nicht

wunder»

dürfen, wenn uns die Absicht de- Apostels zur Rückkehr nach Ko­ rinth in mehrfachen der Gemeinde mitgetheilten Reiseprojekten, die ja nach den objektiven dem Paulus kund werdenden Zuständen der Leser eine Modifikation und einen Aufschub erfahren, entgegen­ treten wird.

Wir finden

Apostels 2 Cor. 1, 15—16.

nun

den

Daß

ursprünglichen Reiseplan deö

nemlich

nicht 1 Cor. 16, 5—8

da- Reisevorhaben enthält, welches Paulus ursprünglich der Ge«

Reistprojrlte.

39

tneinbe mitgetheilt hat, folgt ohne Weitere- daran-, daß, wie der Apostel den zweiten kanonischen Korintherbrief schrieb, er in in der Au-führung de- im ersten kanonischen KorintherbriefeS gegebenen Projekte- begriffen ist, EphefuS »erlassen hat, über Troa- nach Ma­ kedonien gelangt ist (2 Cor. 2, 12—13), somit auf dem Landwege sich Achaja nähert, und er trotzdem sich dagegen zu vertheidigen für nöthig findet, daß er sein Wort in der Reiseangelegenheit nicht ge­ halten habe (2 Cor. 1, 13). Um diesen Borwurf zu entkräften, theilt er im Zusammenhang hiermit seinen ursprünglichen Reiseplan (2 Cor. 1, 15—16) mit, und giebt als Grund der Abänderung deffelben hiefür den Umstand an, daß er jene- Projekt in dem guten Vertrauen zu der entgegenkommenden Gesinnung der Leser gegen ihn gefaßt (2 Cor. 1, 14. 15), in welchem Vertrauen er fich aber, wie au- 2 Cor. 1, 23 bis 2, 2 erhellt, getäuscht gesehen habe. Welche- war nun aber da- ursprüngliche Reisevorhaben de» Apostels? Er hatte die Absicht, die Leser zweimal zu besuchen, einmal, auf dem Seewege zu ihnen gelangend und Korinth nur als Durchgang-station nach Makedonien benutzend, auf kurze Zeit (ftgog iftag il&etv nqoxeqov 1, 15. xat dl vfiüv Siek&etv elg Maxedoviav 1, 16); dann von Makedonien nach Korinth zurück­ kehrend, um nach einem gewiß doch wohl längeren Aufenthalt da­ selbst von den Lesern da- Geleit nach Judäa zu bekommen (sw* devrigav %äqiv ex*]*6) 15. xat nctliv and Maxfdoviag ildelv nQOS vfiäg xat vtp vfidiv nQonen firj evQStv sie Tixov xbv adeXtpov stov, alXa . . i£iji.&ov elg Maxedoviav vgl. mit 7,5: xai il&ovxtov TjfttSv elg Maxedoviav, ovöefiiav fffjpjxe aveotv j) adgi y/ttöv x. r. Ä.). Und was ist der Grund dieser Unruhe und Befürchtungen des niedergebeugten (xanetvois 7, 6) Mannes? Wir ersehen eS auS dem Folgenden. Der Apostel hatte da» Ge­ gentheil von dem befürchtet, was faktisch eingetroffen ist, und worüber ihm TituS voll Freude über seine erfolgreiche Mission Mittheilung machen kann. Vergegenwärtigen wir uns zunächst die günstigen Nachrichten, welche TituS dem Apostel au» Korinth ganz gegen daS Erwarten und zum freudigen Staunen desselben mitbringt, um daraus einen Rückschluß machen zu können auf den Inhalt der Besorgnisse (eota&ev tpößot 7, 5) des Paulus und die näheren Umstände, unter denen TitnS »ach Korinth gesendet sein muß.

ZweiterIverloreo gegangener Brief.

49

Wir sehen, der Apostel erkennt e» mit lebhaftem Dank gegen Gott, den Tröster der Niedekhebeugten an, daß Titu» selber Trost bei den (oder über die) Leser empfing (naqexlrftq lq> vfüv 7, 7). Paulus wird zu diesem Troste hiezu mit hoher Freude erfüllt über die Freude, die Titu- unter den Lesern erfahren hatte, daß nemlich sein Geist Seiten- ihrer Aller beruhigt worden ist (7, 13 dti dvaninavxai td nvevfta avzov and nävtiov vfitöv). Und welche Umstände waren e-, die sowohl bei dem Apostel al» bei Titu- jenen Wechsel der Stimmung hervorbrachten? E- ist die umgewandelte Gesinnung der Gemeinde, welche anfänglich auf Anlaß eine- Briefe- (7, 8. 12) zunächst in Betrübniß versetzt worden war, die sich aber alsobald zu einer Gott wohlgefälligen Sinnes­ änderung verklärte (7, 8—10). Und als Beweise dieser letzteren sind hervorgetreten eine Reihe von Kundgebungen der Leser, in den sie, au- ihrer bisherigen indifferenten Indolenz erwacht und aufgerüttelt, ihren Eifer für die Sache de- Apostel- in entschiedener und positiver Parteiergreifung an den Tag gelegt haben (onovdyv, dlld dnoloyiav, alleI dyavaxtrjoiv, älld knino&rjoev, dlld £,rjlo>, all' ixdixTjoiv, 7, 11), durch welche- Alles sich die

Leser al- solche erwiesen haben, welche in Betreff einer gewissen Sache eine keusche Haltung bewahrten (iv navtl ovzeotijoare eavtoig dyvovg circa xcjJ nqdyftati). Dieser ganze so erfreuliche Umschwung der Gesinnung der Leser war, wie gesagt, der Effekt eine- Briefe-; und mit Rücksicht auf den Erfolg seine- Schreiben-, der sich so eben unter den Augen de- Titu- (denn nur ein Augen­ zeuge konnt« eine so lebhaft drastische Schilderung dieser gemeldeten Vorgänge liefern) vollzogen hatte, kann der Apostel als da- Motiv seine- Briefes das geltend machen: er habe nicht wegen eine- ge­ wissen Unrechtthäters, noch wegen eines gewiffen, dem Unrecht zu­ gefügt sei, so (hart) geschrieben, sondern auf daß der Eifer, den er, der Apostel, für die Leser habe, gegen Letztere Angesicht- Gotte» zur Erscheinung gebracht werde (aqa ci xai eyqatpa v/üv, ov% etvexev tov adixrjoaviog, dvde eitexcv zov ddixrj&ivxog, all eivexev tov esaveqeo&ijvai tijv önovdrjv tjfnSv zrjv vniq vfteiiv nqog vftag hvutmov tov &eov 7, 10).

1

Waren dies die unerwartet günstigen Erfolge, welche Titu- als 4

.R 1' V V < i , cW'CUtr .Ri'iilllfirrl'tits.

50

Einleitung.

neueste Nachrichten so eben von Korinth dem Apostel mittheilen konnte, und welche die Unruhe desselben verscheuchten und seinen Schmerz in Freude verwandelten, welchen Inhalt müssen die Be­ fürchtungen des Paulus gehabt haben, als er den TituS absendete, welchen die Besorgnisse, unter denen dieser abreiste und anfangs in Korinth anlangte? Offenbar doch den, daß auf Seiten der Leser statt Eifer für, und Berlangen nach dem Apostel, Entfremdung, Kaltsinn, widerspenstige Gesinnung gegen ihn vorhanden sein müsse. Daß sein Brief, dessen Abfassung vor dem Bekanntwerden seines Effektes ja den Apostel gereute (7, 8), lediglich Betrübniß, wie die Welt sie zu haben pflegt, und welche den Tod zu Wege bringt, (B. 10) bewirken werde. Und daß dem entsprechend voraussicht­ licher Weise die Leser nicht dem Geschicke entgehen würden, von Seiten des Apostels wegen ihrer Unbußfertigkeit mit Strafe heim­ gesucht zu werden (vgl. !'»« iv ftydevi Ctjftno&qze f^fuZv B. 9). Paulus mußte sich darauf gefaßt machen, daß wenn er dem TituS gegenüber die vorthcilhafteren, zu weiterer Hoffnung berechtigenden Seiten der Gemeinde zur Geltung brachte — (und nichts weiteres bedeuten die so vorsichtig abgewogenen Worte des AposteS: a it ovr ff. repräsentirt ist. Paulus berücksichtigt

hier (12, 20 ff) die nicht zur Sinnes­

änderung gelangten ethnisirenden Gemeindemitglieder mit Rücksicht auf judaistifche Verunglimpfungen feines jüngsten Verhaltens. dem ihm

nun

diese

verschiedenartigen

In­

widerstrebenden Elemente

vor Augen stehen, und er die Agitationen dieser nur fanatischer ge­ wordenen Minorität der Gemeinde sich vergegenwärtigt: begreifen wir vollkommen, wie trotz der im Vorigen erwähnten günstigen Wendung der Situation im Großen nnd Ganzen, der Apostel sich auch jetzt noch nicht ein allseitig mit den

Lesern

versprechen

befriedigendes Wiederzufammentrcffen durfte,

sondern

auf

unruhige und

tumultuarische Scenen sich vollkommen gefaßt machte (12, 20 f.). Doch wir haben bis jetzt einen Faktor, der das Verhältniß deS Paulus

zu den Korinthern

sich gestalten ließ,

nicht zu einem abschließend günstigen

sondern im Gegentheil alles daran fetzte, die

Gemeinde aus der Verbindung mit ihrem Stifter loszulösen und sich selber dienstbar zu machen, nur erst ganz im Vorbeigehen ge­ streift, noch nicht nach feinem würdigt.

gewichtigen Einflüsse eingehend ge­

Der Umstand, daß der Apostel ihm in beiden Haupt-

theilen feines Sendschreibens die bei weitem ausführlichste Berück­ sichtigung zu Theil werden lässt: wird auch uns bestimmen müssen, die Partei dcö in Korinth auftretenden Judaismus näher im* ihrem

Wesen,

darzustellen, da

ihren

Intentionen

und

ihrer OpcrationSmcthode

ohne eine genauere Einsicht in diese Dinge

der

größere Theil deS Briefes selbst so gut wie unverständlich bleiben würde.')

') Man »fl!

zum ßofflcnbcn die Exeg krit. Unters, dcö Vers. 0. 31 ff.

Hilgenfeld in der Zeitfchr. f. w. Thcol. XIV. S. 110 ff. — Beyschlag in d. Theol. Studien und Krit. XI,IV. S. 635 ff. f. w. Th. XV. S. 200 ff

Hilgenscld in der Zeitschrift

Tic Einwendungen beider wird man theils hier theils

zu den einschlaflenden Stellen unseres Briefes indirekt oder direkt berücksichtigt finden. Die Kritik der eigenen Ansichten Beyschlags über die Christus Leute hat dem BerfasierH il g en f et b in der an zweiter Stellegenannten Abhandlung seiner Zeitschrift, schon vorweg genommen. — Der Vers, braucht kaum zu erinnern, daß er in der folgenden Ansführiing die Posten, die sich ihm in der untenfolgenden Erklärung der

Da» korinthische Judenchristenthum.

69

Daß die korinthische Gemeinde vom Beginn ihrer Gründung an, wie gewiß alle Paulinischen Gemeinden, einen judenchristlichen Bestandtheil enthielt, berichtet unS die Apostelgeschichte ausdrücklich (18, 4 ff.)

Daß derselbe, so lange Paulus selbst in Korinth da-

erste Mal, ein und ein halbes Jahr, anwesend war, der Einigkeit der Gemeinde Eintrag

gethan habe,

wird man nicht annehmen

können, da ja diese ersten korinthischen Judeuchristen dem PauluS selbst ihre Belehrung verdankten, und in ihren berechtigten Eigen­ thümlichkeiten geschont wurden (1 Cor. 9, 20—22.)

Anders wird

die Sachlage geworden sein, wie die Gemeinde der persönlichen Auf­ sicht und Einwirkung ihres Stifters entbehrend, anderweitigen Ein­ flüssen zugänglich zu werden anfing.

Daß die unverhältnißmäßig

überwiegenden heidenchristlichen Bestandtheile sich mehr und mehr in ihrer gesammten Lebensweise zu emanicipiren suchten, und allmählig für diese Bethätigung

ihrer Freiheit auch eine theoretische

Begründung und Rechtfertigung herauszubilden sich bemühten, haben wir bereits an verschieden Orten constatiren müssen.

Nicht mit

gleicher Klarheit, wie wir die ethnisirende Richtung der Gemeinde durch ihre verschiedenen Stadien schrittweise zu verfolgen vermochten, können wir das allmählige Wachsthum der Heineren judenchristlichen Abtheilung beobachten.

Trotzdem werden wir eS als mit der Natur

der Sache gegeben ansehen dürfen,

wenn das korinthische Juden­

christenthum genau in demselben Maaße sich enger in sich abschloß und ebendamit

der heidenchristlichen Mehrheit entgegensetzte,

als

letztere in bedenklicher Weise die Grenzlinien christlicher Sitte, Zucht und Ordnung, die schon von vornherein dem Geiste des Stifters der Gemeinde gemäß, nicht engherzig aber doch mit wohlerwogener Be­ sonnenheit gezogen sein werden, weit zu überschreiten und unter dem Namen der Adiaphora eine Anzahl von heidnischen anstößigen Ge­ bräuchen nächst

und Unsitten sich zu gestatten begann.

die verschiedenartigen

Werden sich zu­

Elemente der Gemeinde zu

Gruppenbildungen zusammengeschlossen

und sich

loseren

gelegentlich

ein­

betreffenden Hauptstellen als Resultate ergeben haben,

nur kurz summirt; die

Rechnung

Diese Einleitung ist nach

selbst ist in der Specialexegese

geliefert.

Bollendung des EommentarS im engeren Sinne, niedergeschrieben.

70

Einlei »iiii.

ander im Streite gegenübergestellt haben: so wird raö Unwesen von Parteikämpfen nicht ab- sondern eher »och zugenommen haben, nachdem, i» Abwesenheit des Paulus, Apollo eine Einflußreiche Wirksamkeit in der Gemeinde entfaltet hatte. Richt als ob dieser frühere alexandrinische Jude selbst die Separationen befördert oder ihnen Vorschub geleistet hätte, — dies wird durch die durchaus anerkennende Beurtheilung seiner Thätigkeit Seitens des Paulus (1 Cor. 3, 5 ff.; 4, G; IG, 12) schlechterdings ausge­ schlossen. Allein die Fähigkeit, eine Gemeinde, die den Keim der Zer­ setzung in Partien in sich trug, durch eine Allen in gleicher Weise Genüge thuende Predigt und durch eine allen gleichmäßig imponirende Haltung zusammenzuhalten, und zu einer fester in sich ge­ schlossenen Einheit zu gestalten, scheint ihm nicht, auch nur in ent­ fernt annähernder Weise wie dem Paulus gegeben gewesen zu sein. Vielmehr, indem mit auf Veranlassung der Wirksamkeit des Apollo eine gewisse theoretisirende und rhetorisirendc Richtung in der korinthischen Gemeinde in Schwung kam. Alles Gegenstand lebhafter und leidenschaftlicher Diskussion wurde, wird das Parteiergreifen für und gegen einzelne Dinge und Personen nur zugenommen und dem Apollo, dem diese bedenklichen Shmptome nicht entgehen konnten, den Aufenthalt in Korinth derartig verleidet haben, daß er sich später trotz inständiger Zurede des Paulus nicht mehr entschließen konnte dahin zurückzukehren, wo er sich eine fernere ersprießliche Thätigkeit kaum mehr versprechen durfte (1 Cor. IG, 12). So war denn die korinthische Gemeinde nach dem Weggang deS Apollo ohne eine gegenwärtig anwesende Persönlichkeit von hervorragender Bedeutung und Auctorität, zu der auch nur ein größerer Theil der Gemeinde sich wie zu seinem sichtbaren Haupte hätte in Abhängig­ keit stellen können. Kein Wunder wenn in der somit hauptlos gewordenen Ge­ meinde, bisher sich nur alS Strömungen oder Richtungen geltend gemachte Gegensätze zu eigentlichen Separationen und Parteien verfesteten. In diesem Stadium der Entwicklung treffen wir die korinthische Gemeinde im ersten kan. Briefe des Paulus an dieselbe an, wo wir erfahren (1, 12), daß bereits vier Parteiparolen von verschiedenen a%ia^aia (33. 11) ausgegeben wurden. Während

Da» Judtnchrifttnthum

71

zwei derselben sich als Anhänger der zwei bedeutendsten Männer, welche in der Gemeinde eine theil- grundlegende (Paulu-), theilda- Wachsthum fördernde (Apollo) persönliche Wirksamkeit entfaltet hatten: nennen sich zwei andere nach Persönlichkeiten, die jedenfalls nicht in persönlich sichtbarer Weise auf achajischem Boden thätig ge­ wesen waren (KephaS; Christus). Es liegt hier unserm Zwecke fern, die allerdings für das Verständniß des ersten KoritherbriefeS nicht unwichtige Frage nach den Unterschieden der Paulus- und der Apollo-Partei, näher zu erörtern. Wir halten uns jetzt lediglich an die beiden von Paulus an letzter Stelle genannten. Daß zunächst „die Anhänger des KephaS * eine judenchristliche Fraktion der Ge­ meinde repräsentiren, steht außer allem Zweifel. Ueber die Art ihrer Entstehung und Bildung dagegen, können nur Muthmaßungen aufgestellt werden. Am wenigsten möchte eS gerathen sein, dem Petrus einen direkten Antheil an dem Zustandekommen einer nach ihm sich nennenden Partei in Korinth zuzuschreiben, da dies immer­ hin auf eine Animosität desselben gegen den von Paulus vertretenen Thpu» des Evangeliums führen würde, die im Widerspruch stehen würde mit seinem gemäßigten Standpunkte (Act. 8, 15 ff.; 10, 28. 43 ff.; 15, 7 ff. Gal. 1,18. 23; 2, 7 ff.), bei dem er wohl gelegent­ lich einer Pression Seitens einer schrofferen, judaistischen Richtung nachgiebt (Gal. 2, 11 ff.), allein schwerlich je zu spontaner Aggression gegen den Paulus und seine Gemeinde fortgeschritten ist. Wir werden deßhalb darauf hingewiesen, uns den Zusammenhang der korinthischen KephaSanhänger mit dem Apostel Petrus als einen auf indirektem Wege zu Stande gekommenen vorstellig zu machen. Gelegenheit hiezu gab der rege Wechselverkehr, der wie er zwischen allen Juden in der Diaspora mit Jerusalem statt fand, so nament­ lich zwischen den Juden der so günstig gelegenen Seestadt AchajaS mit dem Mutterlande und anderen größeren jüdischen Kolonien ge­ flogen sein wird. So konnten jüdische von Korinth nach Jerusalem gelangte Festpilger mit Petrus und seiner Predigt des Evangeliums bekannt geworden, sich, in ihre Heimath zurückgekehrt, den dortigen Judenchristen angeschlossen haben, so wie umgekehrt Schüler oder Anhänger des Petrus aus Palästina nach Achaja übergesiedelt, die Glieder der dortigen Judenchristen verstärkt haben. In dem Maaße

72

Einleitung.

als fremte Bestandtheile numerisch und dynamisch der judenchristlichcn Seite in Korinth sich beimischten, wird dieselbe allerdings an relativer Selbständigkeit und Abgeschlossenheit zugenommen, aber damit nicht geradezu schon eine gegen den Paulus und seine ur­ sprüngliche evangelische Berkündigung und Lebensordnung feind­ selige Haltung eingenommen haben. Wir können dies mit voller Sicherheit aus der Stellung schließen, die sich Paulus in seinem ersten Korintherbricfe dem Kephas unv seinen Angehörigen gegen­ über giebt. Da, wo er die Parteiverhältnisse der Gemeinde ein­ gehend behandelt (Cap. 1—4), fehlt jedes polemische Eingehen aus judcnchristliche Axiome und Prätensionen; dagegen wird an der einzigen Stelle, an der des KephaS, außer 1, 12, Erwähnung ge­ schieht, Cap. .4, 22, seiner in der wohlwollendsten Weise gedacht. Wenn hier der Apostel den Grundsatz, daß (nicht bloß Einiges in seiner Bercinzelung sondern) Alles de» Vcfmt angehöre (nävta ydg i/fiäv ioiiv B. 21), im Weiteren dahin cxemplificirt: eite TlavXog ct'is lAnoXXiog el're K ä c ... ndvia vftüv ioiiv: so ist ja klar, daß Paulus auch dem Petrus und dessen evangelischem ThpuS innerhalb der korinthischen Gemeinde eine gleiche Berechti­ gung mit dem (einigen und dem deü Apollo zuerkennt, wenn nur Alle gleichzeitig, und unbeschadet der Aneignung deS Individuellen, Menschlicke», zu Christus im Pcrhältniß unbedingter Abhängig­ keit verharren (B. 23). Und gewiß hatte Paulus im gegenwärtigen Augenblick und unter den konkreten Verhältnisse» mehr Grund als je, ein gemäßigtes, vor dem wüsten AntinomiSmuS excentrischer Heidcnchristen zurückgescheuchtcs, und sich zu gebundeneren und besonnereren LebenSordnungen im Anschluß an die petrinischen Lehrnormen im Ge­ wissen gedrungenfühlendeSJudenchristenthum zu respectiren, dasselbe als heilsames Gegengewicht gegen eine indifferenzirende Auflösung alles specifisch-christlich Sittlichen anzusehen, und gegen Vergewaltigungen der „Starken" und „Aufgeblähten" zu schützen, (l Cor. 8, 7—13; 10, 14—33; 13, 1 ff.) welche bereits als Mitglieder deö messianischen Zukunftsreiches (1 Cor. 4, 8), mit einer gewisse», mitleidigen Geringschätzung auf den Paulus als einen zurückgebliebenen der höheren Erkenntniß entbehrenden „Schwachen" hinzublicken angefangen «r v/uTv nag^a^ov jov Tivtv^taiog ötogtug. alXo ia mit sich bringenden Geist des Herrn, der selber der Geist ist, wirkt: ist so selbstver­ ständlich, daß Cap. 11, 4 nur da- ausdrücklich referirt, wa- wir im ersten Theile des Briefes auS den unzweifelhaftesten indirekten Aus­ führungen des Apostels entnehmen mußten. Nicht mehr kann uns auffallen, wenn wir erfahren, daß Paulu- die Gedanken der­ jenigen Leser, welche durch diese „Diener de- Satan" bethört sind, unter den Gehorsam seines Christus zurückzubringen, für feine Auf­ gabe hält, dem sie sich, bestochen durch die fleischlichen Vernunftschlüsse der Gegner entzogen haben, und für den „anderen Jesu-" bereit- mehr oder weniger gewonnen sind (10, 5). So wie, daß der Apostel bei seiner demnächstigen Hinkunst, jedweden Ungehorsam der Leser, die von den judaistischen Agitatoren bethört sind, zu „rächen" (exdixtfoai) in Aussicht nimmt, nach dem der Gehorsam deKerneS der Gemeinde sich vollendet haben werde (10, 6). Also auch hier ein für die judaisirte und renitent bleibende Minorität der Gemeinde angedrohtes Strafgericht, parallel dem oft von un- er­ wähnten an lasterhaften Hcidenchristen zu vollzieheyden (12, 21 ff). Mit dem herausgehobenen religiös-dogmatischen Standpunkt hängt denn nun aufs engste das praktische Verfahren und Auf­ treten der judaistischen Agitatoren zusammen. Dem trüben Halb­ dunkel ihres Bewußtseins entsprechend ist jenes nicht ein klares, offene-, freimüthiges sich an daS innere Gewissen der Menschen wendendes: sondern eS bewegt sich überall auf krummen Wegen, zieht List und Trug als Beihülfe heran, um etwa- wa- in sich nicht mehr das Recht dcS Bestehens hat, zur Geltung zu bringen, schreckt vor keinem Mittel zurück, um vor Allem den ihnen ver­ haßten Träger des neuen Prinzipes, den Paulu-, in seinem ge­ summten öffentlichen Leben als einen unlauteren Character der Ge« 7*

100

Einleitung.

mtinbe zu denunciren und so sein apostolische- Ansehen moralisch zu untergraben. Trat diese Seite der Betreffenden schon unzwei­ deutig au- vorhin herausgehobenen Aeußerungen de- Apostels im ersteren Theile seine- Briefes hervor: so noch etwa- deutlicher im zweiten, wo namentlich die Beschuldigung habsüchtiger Ausnutzung seine- Amte-, — die wir allerdings schon 7, 1; 8, 19 ff. an­ trafen, — von Paulus eingehender berücksichtigt wird, und wir zu­ gleich erfahren, wie sich dessen Gegner selber thatsächlich de- nam­ haft gemachten Vergehen- in schnöder Weise schuldig machten, und dabei doch den Schein der Uneigennützigkeit zu bewahren wußten (11, 20. 12), so daß Paulus zunächst mit Rücksicht auf diese- ihr Benehmen sie als Pseudoapostel, Organe de- Satan, die sich, wie dieser in einen Engel de- Lichte-, so ihrerseits in Diener der Ge­ rechtigkeit verwandeln (11, 13—15) kennzeichnet; Prädikate, die allerdings noch eine weitere Tragweite haben, als worauf der nächste Anlaß (11, 12) hinzudeuten scheint (vgl. 11, 3—4; 4, 4). Ebenso ist der Vorwurf der Schwäche und Feigheit, den sie gegen den Paulus mit Rücksicht auf die vermeintliche unlautere Connivenz gegen heidnische Unsitten und Laster in der Gemeinde erhoben, ebensowohl 4, 1. 16; 6, 3. 6. 7. als 10, 1 f. 10 f.; 13, 4. 10 erkennbar. Was ferner die bisher erreichten Erfolge dieser judaistischen Irr­ lehrer anlangt, so ist auch hier in eine Gradation in der zweiten Hälfte unsere- Briefe- keineswegs wahrzunehmen. Daß nemlich in dem größeren Abschnitte (1—9) der Glauben-stand der Leser ein vom Judai-mu- weniger alterirter sei als in dem kleineren (10, 13), kann man in keiner Weise durch Gegeneinanderüberstellung von 1, 24 zfj yaQ nietet eozqxctte und 13, 5 eavroi/g netqa^eze, ei late iv zfj nietet erweisen. Denn einmal steht bei dem ersteren Ausspruche dem Apostel der intakt gebliebene oder sich ihm wieder zuwendende Kern der Gemeinde vor Augen. Der letztere bezieht sich auf die ihm noch widerstrebende Minorität, und außerdem nöthigt der Zusammenhang, bei der nioztg der Betreffenden nicht lediglich an ihr durch judaistische Einflüffe geschädigte- Glaubens­ bewußtsein, sondern zugleich an ihre in sittlicher Hinsicht mangelhafte Glauben-energie zu denken, so daß sich auch von diesem Gesicht--

punkte au- die beiderseitigen Stellen nicht al- einfache Gegensätze gegenüberstellen lassen. Daß nun an Stellen wie 10, 5. 6. 15; 11, 3—4. 15 der Glaube der Leser im eigentlichen dogmatischen Sinne von judaistischer Seite stark bedroht erscheint, ist allerdings unverkennbar. Allein erwägen wir, daß in dem zweiten Theile seine- Briefe- der Apostel sich ausgesprochener Maßen zu einem Feldzuge gegen die Jrrlehrer anschickt, um diejenigen Gemeinde­ glieder, die bereit- unter dem verderblichen Einflüsse derselben stan­ den, ihnen zu entreißen, daß er dagegen im ersteren Theile vorzug-weise die Gesammtgemeinde vor Augen hat, mit der er Cap. 7 Frieden abschließen will, die er also in ihrer Totalität nicht zuvor durch zu starke Au-sälle verletzen durfte: so ist auch hieraus einen Schluß auf eine der Zeit nach vorangegangene ungünstigere Situa­ tion in Cap. 10—13 zu ziehen, völlig unstatthaft, und die Unter­ scheidung von „würdigeren Repräsentanten de- Iudenchristenthum-" und „prahlerischen Hetzern" eine völlig delusorische. Zum Schluß haben wir noch einen Punkt in- Auge zu fasten, den wir bisher au-drücklich noch nicht erörtert' haben, ob etwa die in dem gestimmten Briefe berücksichtigten judaistifchen Agitatoren sammt den von ihnen gewonnenen korinthischen Gemeindegliedern sich mit derjenigen Partei decken möchten, die 1 Cor. 1, 12 die Parole au-gab; eyw de Xqiotov? ES wird kaum noch eine- sehr ausführlichen Beweise- bedürfen, daß nicht weniger als Alle- für die Bejahung dieser Frage spricht. CS ist nicht bloß die eine Stelle, Cap. 10, 7, durch welche wir fteilich mit unverkennbarer Deutlichkeit auf die im ersten Korintherbrief namhaft gemachten Christiner hingewiesen werden. Sondern die Hauptsache ist, daß wir durch den ganzen zweiten Korintherbries hindurch auf einen christologischen Gegensatz, der den Paulus von seinen Gegnern trennt, hingewiesen werden. Auf der einen Seite ein Christus, bei dem besten Verkündiger eine ganze Reihe von göttlichen Verheißungen als m ihm verwirklichten, unterschlagen haben (yai xai ov), der lediglich unter der Kategorie der sap§ aufgefaßt wird, und dem entsprechend ein äußerliche-, fleischliche- Zugehörigkeit-verhältniß zu ihm; auf der anderen Seite ein Christus als Inbegriff aller göttlichen Verheißungen, als (nicht bloß national-theokratischer son-

102

Einleitung.

betn) universell-metaphysischer Gottes - Sohn, als zo nvcvfta xot’ i^ox^v, als „zur Sünde gemachter", als gottebenbilblicher Abglanz unvergänglicher eiaofiatu in Aussicht zu stellen 13, 2. dilti avveqyoi ioftev tfjg yaqäg ifitSv. Al- den eigentlichen Gründer und Schöpfer einer christlichen Gemeinde sieht Paulu- Gott selber an (vgl. 1 Kor. 3, 9 9eov yeiöqytov, &eov ol'xvdofirj iate. Ebend. 1, 30 i| avrov — ec. &sov — di vficig iate iv X.'/.). Zu der produktiv-schöpferischen Wirksam­ keit Gotte- tritt die vermittelnde Thätigkeit menschlicher Subjekte mitwirkend hinzu. Deßhalb sind PaulüS und Apollo &eov ovvcqyoi (Ebend. 3, 9); diäxovoi dl wv iniotevoate (Ebend. 3, 5). Stammt nicht bloß die subjektive Grundlage deS Heils, der Glaube, sondern auch der ganze erneuerte Leben-zustand der Gläubigen ix 9eov (2 Kor. 5, 18): so schreibt sich andererseits der Apostel alS Botschafter für Christ»- ein oweqyeir mit Gott zu (Ebend. 5, 20 vgl. mit 6, 1). In wie fern ist aber PauluS ein Mitwirker (avveqyot) der Freude der Leser? Die Freude der Christen ist

Paulu« Miltwirter der Freude der Leser.

151

sammt dem Frieden die unmittelbare Frucht der mittelst de» Glauben» erlangten gnadenvoll bewirkten Rechtfertigung. (RSm. 5, 2). Die psychologische Sti-lmung über ein unverdient empfangene» Geschenk kann nur mit seligem Gefühl verbunden sein (RSm. 4, 7 ff.). Diese Empfindung erfährt eine Steigerung durch den Ausblick aus die für Gotte» Kinder bestimmte messianische Erbschaft (Gal. 4,1 f. 4,6—7). Al» Frucht de» empfangenen KindschastSgeiste» nennt Paulu» an zweiter Stelle %aqi (Ebend. 5, 22 vgl. RSm. 15, 13; Phil. 1, 25). Hat der Gläubige an dem heiligen Geiste eine ideale Anticipation der eSchatologisch-meffianifchen Herrlichkeit, deren subjektiver Reflex im Bewußtsein der daran Antheilnehmen« den Freude ist (vgl. Matth. 25, 21. 23): so kann Paulu», wenn er die Grundbestimmtheiten de» diesseitigen Reiche» Gotte-, de» geistig präsormirten Vorbilde» de- zukünftigen namhaft macht, die %aqä i* fivevfiau ayi

Xint] iX9. n. ist. oder: xo ftrj näXtv iv Xvn. n. ist. 1X9. Die Lesart der Rec., welche naXiv 1X9. iv Xtmtrj n. ist. giebt, ist vielleicht von der Voraus­ setzung au- entstanden, Paulus fei bisher nur einmal in Korinth gewesen. Aber selbst nach ihr würde man die W.W. am natürlichlichsten so deuten müssen, daß der Apostel nach seinem ersten Aufent­ halt in Korinth, wo er den Grund der Gemeinde legte, schon in­ zwischen wieder noch einmal und zwar iv Xvtcij dort gewesen sei. Nach den besseren Lesarten folgt dies noch unzweifelhafter, f. d. Ein­ leitung. — iftavuf dat. comm. für mich, in meinem eigenen In­ teresse. Daß iv XvriT] in dem Sinne: mit Traurigkeit versehen, Betrübniß mitbringend aktivisch von der Bewirkung von Traurig­ keit unter den Lesern durch ein strafendes Auftreten de» Apostels zu verstehen sei, geht allerdings aus dem Zusammenhange, — vgl. •fetdoftevog iftiuv 1, 23 und ei yaq iyto Xvntü vftäg 2, 2 — hervor. Indessen folgt hieraus nicht, daß Paulus in dieser Eigen­ schaft bei seiner zweiten Anwesenheit in Korinth faktisch wirksam war, sondern nur da», daß er sich in der Lage befand, wo er eigentlich hätte strafen sollen. Auch so erklärt sich, warum er jetzt den Weg brieflicher Rüge (V. 3) vorzieht. Denn er handelt dann auf Grund einer schon früher von ihm gemachten betrüben­ den Erfahrung, nicht nach einer lediglich felbstgebildeten reflexions­ mäßigen Voraussetzung (f. d. Ein!.).

V. 2. Auf iyai liegt ein Nachdruck: „ich für meine Person." Ueber xai im Nachsatze von FragewSrtem f. ©inet S. 406, Buttmann, N. T. Gram. 311. — efiov, etwas verschieden von tind ifiov. Ersteres entspricht mehr der hier obwaltenden zart schonenden Sprache der Apostels, insofern er da- XvneioSai der Leser nicht al» ein direkt von ihm selbst bewirkte«, sondern nur al« ein indirekt von ihm veranlaßtes, aus seinem Auftreten resulti» rendeS darstellen will. B. 3. Kai knüpft an B. 1 an. Anstatt des persönlichen iv XvTtfl Kommen- hat Paulus den ©eg brieflichen Verkehrs gewählt. Worauf bezieht sich zovzo ovro? Daß eS für öia zovzo aizo stehe, ist gegen den paulinischen Sprachgebrauch. Tovzo avzd ist sicher Objekt zu iyqaxpa, und mit jenem kann nur auf etwa- grade hier in Rede stehende- hingewiesen sein. Die- ist aber nicht- andere« al« „etwa- Betrübniß Verursachende-". Daß die« in dem verloren gegangenen Briefe gestanden habe, ist in der Einleitung gezeigt. ?y und 16 umfaßt, ein so weiter, daß, waS sich jüngst in Korinth begeben hatte, in Form eines allgemeineren ThpuS zur Darstellung gebracht ist. Kai nqog xavxa x Lg ixavog; fragt der Apostel. Tavxa bezieht sich auf die eben geschilderte, Christum in seiner ganzen lauteren Segen-fülle zu erfolgreicher Darstellung bringende, und eben dadurch einen so gewaltigen kritischen Entscheidungsproceß her­ beiführende Thätigkeit. — Eine Antwort auf diese nachdrucksvoll aufgeworfene Frage giebt der Apostel nicht. Wohl aber zeigt die Begründung der nicht gegebenen, aber von den Lesern als selbst­ verständlich erwartete» Antwort (vgl. yäg B. 17), daß Paulus sich selber diese Fähigkeit zuerkannt wissen will. V. 17. Der Grund derselben liegt darin, daß er nicht das­ selbe Geschäft mit dem Worte GotteS treibt, wie „die Vielen." Zieht man den lexikalischen Gebrauch deS xanrjXeveiv xi in Be­ tracht, so kann xanrjX. xov Xoyov xov &eoi bedeuten: daS Wort Gottes auS schnöder Gewinnsucht verkünden, oder: eine Corruption, Adnlteration mit demselben vornehmen (Vgl. Khpke, Observ. sacr. II, 221), oder es lassen sich auch, da bei den Weinschenken (xant]Xoi, caupones) oft genug die Verfälschung deS Materials die Vor­ aussetzung ihres wucherischen betrüglichen Geschäfte- war, beide Be­ deutungen mit einander verbinden. Daß der Gegensatz (wg ex &eov), die eigentliche Fälschung deS Wortes GotteS allein, oder wenigstenin Verbindung mit der wucherischen Betreibung desselben an die Hand gebe, ist schon in der Einleitung hervorgehoben worden, wie die- auch auS 4, 2 (doXoivieg xov Xoyov xov öeov) deutlich er-

Paulus und die Verfälscher des Wortes Gottes.

177

hellt, und wie wir das im Verlauf des Brieses der Sache nach noch näher zu belegen haben werden. Was nun ferner diejenigen anlangt, welche Paulus ol nolloL nennt, so kann er darunter selbstverständlich nicht die Mehrzahl der christlichen Leser, wie sie zu seiner Zeit in der Kirche auftreten, verstanden haben. Vielmehr denkt er hiebei vorzugsweise an seine judaistischen Gegner in Korinth, die er nicht deßhalb so nennt, weil es grade numerisch so viele waren, sondern weil er sie in einem gewissen despectirlichen Sinne zu der vulgären Klasse von Leuten rechnet, bei denen man sich etwas derartiges (xamfieveiv) versehen könne. — all’ wg sed tamquam tales, qui loquuntur —, loquimur. S. Winer S. 573. «IhxQivsiag, vgl. 1, 12. ix &eov, vgl. 3, 5; 6, 20. — xarevccvTi &eov vgl. das bei 1, 12 zu dem ersten „9eov“ Gesagte; 12, 19. — iv Xqiot($ = iv t§ Xqioti£ V. 14; iv xvqioj 'V. 12. — Im Gegensatz zu seinen Widersachern, ist sich also der Apostel bewußt, als ein Solcher das Wort Gottes zu ver­ kündigen, der dies aus voller Gemüthslauterkeit, aus unmittelbar göttlichem Impulse und gottempfangener Offenbarung heraus, mit dem unbedingten Bewußtsein strenger Rechenschaftsablegung vor Gott, in der durch Christum ihm angewiesenen Sphäre vollbringt.

178

Kap. III, 1.2

Lapitel HL V. 1. Indem der Apostel int Vorangehenden (2, 14—17) durch die Hervorhebung der überall sicggekrönten Erfolge seiner apostolischen Thätigkeit überhaupt, und die scharfe Betonung der unbedingten Lauterkeit seiner Predigtweise im Gegensatz zh der­ jenigen anderer aus unreinen Motiven das Evangelium unter die Leute bringenden Verkündiger desselben (V. 17) speciell seine eigene Person in ein bedeutungsvolles Licht gestellt hatte, so mußte er fürchten, daß ihm das von seinen Gegnern so ausgelegt würde, als mache er den Anfang, wiederum, wie dies seine Gewohnheit sei, sich selber zu empfehlen. Diesem vorausgesehenen Vorwurfe kommt er daher selbst entgegen durch die erste in diesem V. aufgeworfene Frage. DaS näXiv läßt erkennen, daß die Gegner dem Apostel seine Selbstempfehlung als con staute Gewohnheit seiner brieflichen Auslassungen, wofür sie schon in dem ersten (kanonischen), noch mehr aber gewiß in dem letzten, verloren gegangenen, Briefe genügende Beläge in Händen zu haben meinten, müssen vorgerückt haben. DaS fetwaig owtordveiv, im Sinne seiner Widersacher genommen, ist nach der Schätzung deS Apostels etwas durchaus Verwerfliches, da eS Gott den ihm allein gebührenden Ruhm entzieht (10,17 — 18); er weist daher dasselbe als ein ihm schlechthin fremdes zurück (5, 12 vgl. 12, 1). Rur in einem ganz anderen Sinne kann er das eavTovs ovviax auch für sich in Anspruch nehmen (4, 2). rj ft rj, so GrieSb. Lachm. Tischend, nach de» besten Handschr. auch Sin. Die ree. et fttj führt zu einer geschraubten Ironie: sein Selbstrühmen würde lediglich in dem Falle etwas Zulässiges sein, wenn —

deine Selbstempfehlung und Empfehlungsbriefe-

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er wie seine Gegner der Empfehlungsbriefe bedürftig wäre. Weit natürlicher: oder bedürfen wir nicht, um uns überhaupt zur Geltung und Anerkennung zu bringe» u. f. w. ws n»«s. sind natürlich der Kategorie nach die nemlichen, die Paulus 2, 17 als ol noXXoi xan. v. X. t. 9. charakterisirt hat. Diese Judaisten erschienen in Korinth, um wie wir später sehen werden (Kap. 11) durch ein ge­ fälschte- Wort Gottes (4, 2) ähnlich wie ihre in Galatien wirk­ samen Gesinnungsgenossen, da- Evangelium von Christ»-, wie es Paulus verkündet hatte, umzukehren, und die Gemeinde unter die Knechtschaft de- Gesetze- wieder zurückzubringen (Gal. 1, 7; vgl. 2, 4; 2 Kor. 11, 3 ff. 20). Um die- in einer von Paulus ge­ gründeten und vorzugsweise von seinen geistesverwandten Genoffen (Apollo) weiter geförderten, überwiegend heidenchristlichen Gemeinde mit einiger Aussicht auf Erfolg unternehmen zu können, kamen diese tivig (vgl. Gal. 2, 12) mit Empfehlungsbriefen versehen, die, wenn sie von irgend welcher Wirkung sein sollten, nur in der Muttergemeinde in Jerusalem ausgestellt sein konnten. Ebenso werden sie sich, um etwa auch in anderen paulinischen Gemeinden dasselbe Geschäft betreiben zu können, in Korinth solche JntroduktionSschreiben haben ansstellen lassen, wenngleich hier wohl nur ein engerer Kreis von specifischen Gesinnungsgenossen sich zur Anferti­ gung solcher bereit gefunden haben wird. So erklärt sich danqos vfiäg und ifuSv. — Wenn nun Paulus die Selbstempfchlung von sich als seiner unwürdig ablehnte: so schien ihm (vom Gesichtspunkt seiner Gegner aus) nur die andere Alternative als Mittel, seine Person zu wirksamer Geltung zu bringen, übrig ge­ laffen zu sein, nemlich sich von auswärts her empfehlende Doku­ mente, um sich bei den Lesern einen ihm willfährig gestatteten Zu­ gang, und von diesen, um sich bei anderen Gemeinden ungehemm­ ten Zutritt zu verschaffen, ausstellen zu lassen. Weshalb Paulus auf diese Methode seiner Gegner resigniren könne, zeigt er in den folgenden B.B. (Zur Entstehung christlicher Empfehlungsbriefe vgl. Röm. 16,1—2; 1 Kor. 16, 10—11; 2 Kor. 8, 22—24; 2 Joh. 10; Act. 15, 23—29; Tertull. de praescr. 20). V. 2. Das Bedürfniß eine- Empfehlungsbriefe- entsteht für Jemanden nur in dem Falle, wenn dieser den Personen, bei denen 12*

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Sap. III, 2. 3.

er offenen Zutritt und günstige Aufnahme wünscht, fremd, und nach denjenigen Eigenschaften unbekannt ist, die ihm einen guten Empfang sichern würden. Dieser Fall aber trifft für den Paulu- nicht zu, weder in feinem Verhältniß zur korinthischen Gemeinde, noch in Beziehung zu anderen Gemeinden und Menschen. Denn was daerstere anlangt, so hatte der Apostel die Gemeinde in Korinth ge­ pflanzt (iyw i(fi>T£vaa 1 Kor. 3, 6), er hatte sie in Christo wie ein Vater durch das Evangelium erzeugt (syw vfiäg iyivrqoa Ehend. 4; 15); wenn er für Andere nicht Apostel war, so war eS doch wenigstens für sie; sie war das feinem apostolischen LegationSdocument aufgedrückte Bestätigungssiegel (Ebend. 9, 2). Auf dieses engste PietätSverhältuiß, wie eS zwischen einem Vater und seinen Kindern besteht, braucht daher Paulus auch hier nur hinzuweisen, um die Leser fühlen zu lassen, wie unangemessen eS fein würde, wenn Andere als sie selber daS BermittelungSgeschäft der Empfeh­ lung deS Apostels au sie selbst, die Schöpfung seiner zärtlichsten Liebe, übernehmen würden. Sei» Empfehlungsbrief an die Korin­ ther find diese selbst, und dieser Brief steht eingeschrieben in seinem Herzen, d. h. däS Bewußtsein des eben entwickelten Verhältnisses steht so fest und unerschütterlich in seinem Innern, daß eS durch nicht-, durch kein Bedenken, Zweifel, Befürchtungen wankend ge­ macht werden kann. Aber auch, waS das andere anlangt, feine Beziehung zu ande­ ren Gemeinden und Menschen: so bedarf PauluS, auch um sich bei ihnen Zugang zu verschaffen, keiner von Auswärts her aus­ gefertigter JntroduktioiiSschreibeu. Denn auch für jene kann sich derselbe der Leser alS eine- ihn empfehlenden Briese» bedienen. Wird ja dieser Brief erkannt (ytvwaxofiivt], alS von Paulus geschriebe­ ner recognoscirt) und gelesen (ävaytvwoxoftevr], seinem Inhalte nach näher percipirt) von allen Menschen, von anderen durch den Apo­ stel gestifteten Gemeinden, überhaupt christlichen Gemeinden, — selbst die in Jerusalem nicht ausgeschlossen vgl. Gal. 2, 7. 9, — endlich auch von Nichtchristen (vgl. 1 Thess. 1, 8 f; 2, 19). — In­ wiefern sind aber die Korinther ein Empfehlungsbrief de» Paulus, welcher, (als commendatio realis wie ihn Seniler paffend nennt), ein so große-, umfassendes Lesepublikum hat?

Die Leser selbst der Empfehlungsbrief de« Apostel«.

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V. 3. Weil e» offenkundig wird, daß ihr u. f. w. (tpaxeqovpevoi schließt sich grammatisch an vpsig B. 2 an). Die korinthi­ sche Gemeinde trägt gewiffe characteristische Züge an sich, die sie unverkennbar vor aller Welt al- eine solche dokumentiren, daß Pau­ lus durch den Hinweis auf sie sich überall al- wahren Apostel Christi legittmiren, und sich al» solcher Zutritt verschaffen kann. Und diese Merkzeichen sind folgende. Die Leser sind eine bwnoXrj Xqiotoi (gen. subj. nicht obj.), ein Brief, dessen primäre, origi­ nale Autorschaft auf Christus zurückzuführen ist. Wenn auch nicht wie der Stamm der jerusalemitifchen Gemeinde durch Jesu« «äh­ rend deffen irdischen Leben- gegründet, ist sie doch durch den ver­ herrlichten Christus, al- ihren eigentlichen Urheber, in» Dasein ge­ rufen worden, (vgl. iv yaq Xqtarw ’ltjoov .... vftag iybrvtjaa 1 Kor. 1,15) Sie ist ferner ein Brief 8iaxovrj9eiaa vq> ftfttSy; der in dem Apostel lebende Herr hat sich seiner al- eine» dienenden Vermittlerorganes bedient, um den Brief zu concipiren (vgl. 1 Kor. 3, 5 iiaxovoi 8i wv imotevoats. 4, 1. wg vnrjqhag Xqioxov xai oixovoftovg fivaujqmv 9eov). Da- Mate­ rial, mit welchem dieser Brief geschrieben ist, ist nicht Tinte, son­ dern da- nvevfta 9eov t,wvrog (vgl. 35.6; 1 Kor. 2,4 f.; Joel3,1. Czech. 11,19; 36,26 LXX. nvsvfia xaivov). Da- Material end­ lich, auf welchem jener eingeschrieben steht, sind nicht steinerne Tafeln (Exod.. 31,18) sondern fleischerne (oaqxivatg ©Inet, S. 93) Herzen--Tafeln (Prov. 3, 3; 7, 3. LXX. ini nkaxog xaqdiag. 3er. 31, 33 enl xaqdiag. Czech. II. cc. LXX. xai btanaata rrjv

xaqdiav trjp Xi9ivrjv ix ifjg oaqxdg aviwv, xai dtoato avrdig xaqdiav aaqxinjv). C- ist klar in dem letzten Gliede unsere» Derse» ist in da» Bild eine Jnconcinnität eingetreten, der Brief, der ursprünglich die Leser selbst sind, ist in ihre Herzen geschrieben. Trotzdem erkennt man, wa- der Apostel hiemit sagen will. ES ist ihm von Bedeutung, in den beidm letzthervorgehobenen Merkzeichen die Gemeinde al» eine schlechthin den erhabensten prophetisch-messtanischen Verheißungen Gotte» entsprechende, dieselben absolut ver­ wirklichende darzustellen. Sie ist al- eine solche gestiftet worden, an der Jedermann die Charakterzüge de- verheißenen ’loqarjl %ov 9eoü oder xatd nvevfia (Gal. 6,16; vgl. 1 Kor. 10,18) wieder-

Kap. III. 3. 4. 5.

182 erkennt.

Denn

unlebendige,

das ihr mitgetheilte

Princip ist nicht die alte

todbringende Satzung (ypa/i/ia), sondern

lebenschaffende Geist des lebendigen Gottes.

der neue

Und diese- Princip

ist auch in einer seinem eigenen Wesen entsprechenden neuen Weise subjektiv angeeignet worden.

Kam für die Gemeinde de- alten

J-racl das Gesetz nur in der starren Aeußerlichkeit steinerner Aus­ prägung zur Erscheinung:

so hat der Geist des lebendigen Gottes

in der genuin-mrssianischen Gemeinde zu Korinth in dem innersten Centrum der ihr angehörigen Glieder Wohnung gemacht, sich un­ zertrennlich mit ihrem Bewußtsein als leitendes und herrschendes Agens

verbunden (Rom. 10, 5—10).

Wie also durch die ver­

mittelnde Dienstleistung des Paulus alle göttlichen Verheißungen in der Person Christi, wie er ihn verkündigt, ihre Erfüllung ge­ funden haben (1, 20): so sind auch auf Anlaß jener Verkündigung in der Korinthischen Gemeinde diejenigen verheißenden Weissagungen GotteS rcalisirt

worden,

welche

sich

auf die Ausgießung eines

neuen Geistes und dessen unmittelbaren Zusammenschluß mit den Herzen der Gläubigen der messianischen Zeit beziehen.

Und eben deß­

halb weil die Gemeinde der Leser jene charakteristischen Merkmale einer echten Christusgemeinde in voller Reinheit, Bestimmtheit und Schärfe ausgeprägt an sich trägt, und sich eben hiedurch von dem alten Israel

xatä octQxa in ihrer durchweg eigenartigen Natur unterscheidet: kann alle Welt diesen von Christus geschriebenen Brief erkennen, und zugleich auch auS ihm den Namen und die Oualification des­ jenigen ablesen und abschätzen, dessen der Herr sich alS eines hülfcleistenden Schriftführers bedient hat.

In dieser Weise nun dienen

die Leser dem Apostel als Empfehlungsbrief, sowohl an sie selbst, wenn sie sich auf den ihnen ursprünglich aufgeprägten Character besinnen, von allen Täuschungskünsten, die ihnen die Lauterkeit des­ selben zu verdächtigen suchen, bleiben,

wozu sie durch

unbeirrt

dessen eingedenk sind und

die Predigt des

Paulus berufen, mit

welchen specifischen Heilsgütern sie von Anfang an ausgestattet sind; als auch an alle Menschen, denen sich das Bewußtsein aufdringe» muß, wie vollkommen in dieser von dem Apostel gestifteten Ge­ meinde die aus die

messianische Zeit

hinzielenden

Verheißungen

GotteS o h n c V c r k ü m in c r u n g u n d T r ü b u n g rcalisirt worden sind.

Die ursprünglichen Lharacterjüge diese« Briefe«. Zuverficht.

ItzZ

und welch' eine durchaus neue, sich so Vortheilhast von dem alten Gesellschaft-zustande abhÄeude, geistlich-sittliche Lebe»Sordnung dort in» Dasein getreten sei. Eine thatsächliche, lautredende Empfeh­ lung für den Paulu», welche gerade denjenigen mangelt, welche den Lesern aufzureden beflissen sind, er bedürfe schriftlicher Empfeh­ lungsbriefe, um sich al» Diener Christi legitimiren zu können, und welche ihrerseits solche Surrogate nöthig haben, um damit (zu un­ lauteren Zwecken, die wir später kennen lernen werden) von Außen her da» zu ersetzen, und zu ergänzen, was ihnen an innerem Werthe und eigener originaler Leistungsfähigkeit abgeht. (10, 12. 16). B. 4. Indem der Apostel in den beiden vorangehenden Versen die Korinthische Gemeinde als einen ihm überallhin Eingang ver­ schaffenden Empfehlungsbrief für sich in Anspruch genommen hatte, und dies insofern, als. jene ihre sie auszeichnende Charactereigenthümlichkeit durch seine mitwirkende Dienstleistung erhalten habe: war sich derselbe bewußt, nicht ohne Hochgefühl von sich und seiner apostolischen Thätigkeit geredet zu haben. ES kam deßhalb für ihn darauf an, um auch bier die Mißdeutung einer * Selbstempfehlung" fern zu halten, darauf hinzuweisen, woher ihm eine solche Zuversicht komme, und welche Richtung sie habe. Da» zuversichtliche Bewußt­ sein von der Bedeutsamkeit und Lauterkeit seiner in Korinth er­ zielten Erfolge, geht nicht hervor aus eitler Selbstüberschätzung, ruhmsüchtiger Einbildung, sondern ist vermittelt durch Christum (nenoiihjoiv di rotavttjv e%nfiEv dia %ov Xqiaxov). Derselbe Christus, der den Apostel als dienendes Organ gebraucht hat, um jene Resultate zu erzielen, ist e» auch, durch den er da» zweifellose Zeugniß ausgestellt erhält über seinen Antheil an dem Zustande­ kommen derselben. Und diese so durch einen höheren untrüglichen Zeugen vermittelte subjektive Gewißheit hat Paulus n$6e xov 9eov, in der Richtung auf Gott hin, den nicht die Person ansehenden, sondern da- Verborgene der Menschen beurtheilenden Richter (vgl. Röm. 2, 11. 16; Gal. 2,6; Rom. 4, 2; 15,17). S3. 5. oix oft = 1, 24; vgl. Win. 589. Bei dieser Zu­ versicht nicht die Meinung hegend. Nach der reo. steht atpeavtaiv hinter ixavoi ioftev. Lachmann und Tischendorf ed. 7. haben eS jedoch

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Kap. III, 5. 6.

nach den meisten Handschriften hinter Xoyioao9ai gesetzt'). Obgleich Xoyl£to9al xi mit aq>eavxi3r zu verbinden, (wie 10, 7 zeigt), an sich statthast wäre: so macht doch der Hinblick auf den Gegen­ satz (17 ixavoztjs fifi. bt &eov) rathsam, atpkavtwv sowohl als dessen nähere Bestimmung %\. 1 Kor. 2, 4). WaS versteht aber Paulus unter diesen gegensätzlichen Be­ griffen? rqäftfia ist der vöftog als iyyeyqaftftevog iv nAal-i Ai9lvai$, daS Gesetz in seiner schriftlich fixirten außer und über dem Menschen stehenden Objektivität, als äußere, Furcht und Knecht­ sinn hervorrufende starre Satzung (vgl. Röm. 7, 6; 2, 27. 29). slvevfta dagegen das an sich göttlich-transcendente heilige Princip, welche- aber dem Menschen von Oben mitgetheilt für ihn ein trei­ bende-, leitende- AgenS (Rkm. 8, 14 ayovzai Gal. 5, 18 dyea&t). eine energisch sich beweisende Kraft (1 Kor. 12,11. 10. 6 ivtqyel, evegyijuara), eine herzerwärmende, daö Feuer der Liebe und de» PflichteiferS entzündende (Röm. 5, 5; 12,11), und da- intellektuelle Bewußtsein mit lichter Klarheit erfüllende (2 Kor. 3, 17. 18; 4, 6; 1 Kor. 2, 10 ff) Potenz wird. (Vgl. Holsten zum Ev. d. Petrus und Paulus, S. 381 f.). re ydq yQaftfia dnoxzeivei, to de nvevfia notel. In wie fern ist die Aussage eine Begründung (yd?) für da- Vorangehende? Paulus hatte mit Nachdruck betont, daß Gott

Satzung und Geist.

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ihn befähigt habe, Diener nicht de- yqdftfia sondern de- nvev/ta zu sein. Der Grund hiefür liegt in so fern in der entgegengesetzte« Wirkung dieser beiden Potenzen, al» die erstere (da- anoxieiruv) unmöglich Zweck de- neuen Bundes sein darf, wogegen die andere (da- £