Komma und Kathedrale: Tradition, Bedeutung und Herausforderung der Leibniz-Edition 9783050060897, 9783050060071

„Es hat wohl kein Mensch soviel gelesen und studiert, mehr nachgedacht und geschrieben als Leibniz. Und dennoch gibt es

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German Pages 320 [324] Year 2012

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort des Herausgebers
Grußwort des Präsidenten der Leibniz Universität Hannover
Grußwort des Präsidenten der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft
Grußwort des Vorsitzenden der interakademischen Leibniz-Kommission
Einführung
LEIBNIZ-EDITION – EINE TRADITION, EINE INSTITUTION
Die Frühphase der Leibniz-Edition
In der Grauzone des Kulturgutraubs – Die Leibniz-Edition und die Akquise von Leibnitiana im Zweiten Weltkrieg
„Was machen wir eigentlich mit unserem ganzen Briefwechsel?“ – Sechs Briefe an Gerda Utermöhlen
Die Leibniz-Edition im Akademienprogramm
Das Korrespondenzverzeichnis der Akademie-Ausgabe – Hilfsmittel oder Forschungsinstrument?
Anmerkungen zu den Reihen VII und VIII der Leibniz-Edition
„Herzblut“ – Gespräche über die Leibniz-Edition
LEIBNIZ-EDITION INTERNATIONAL
Leibniz en France : éditer, traduire, interpréter
Leibniz in English: A Brief and Biased History
Leibniz auf Spanisch – Ziele, Schwierigkeiten, Perspektiven
When Leibniz Edited Leibniz – The Case of the Collected Essays for Eugene of Savoy
Leibniz in Russian
„… Aliorum diligentiae relinquo“
„ÜBERHANGMANDATE“ – EDITORISCHE FORSCHUNG
„Nostra Mens phaenomenon facit, divina Rem“ – Bemerkungen zu einem bislang wenig beachteten Leibniztext (LH IV 8 Bl. 56–57)
The Medical Writings of Leibniz – Short Notes and Scribal Hands
Diplomat in der Gelehrtenrepublik – Leibniz’ politische Fähigkeiten im Dienste der Mathematik
Auskünfte für und von Leibniz über Zar Peter I. und die große russische Gesandtschaft (1697–1698)
Neuigkeiten – Netzwerke – Nachlässe: Claude Nicaise und Leibniz
Personenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
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Komma und Kathedrale: Tradition, Bedeutung und Herausforderung der Leibniz-Edition
 9783050060897, 9783050060071

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KOMMA UND KATHEDRALE

Wenchao Li (Hg.)

KOMMA UND KATHEDRALE Tradition, Bedeutung und Herausforderung der Leibniz-Edition

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Leibniz-Stiftungsprofessur der Leibniz Universität Hannover und der Landeshauptstadt Hannover

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2012 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Einbandkonzept: hauser lacour Einbandgestaltung: pro:design, Berlin, unter Verwendung einer Abbildung der LeibnizHandschrift LH XL Bl. 132r der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover Druckvorlage: Simona Noreik, Hannover & Peter Rotkehl, Berlin Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-05-006007-1 e-book: ISBN 978-3-05-006089-7

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Erich Barke (Hannover) Grußwort des Präsidenten der Leibniz Universität Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Rolf Wernstedt (Hannover) Grußwort des Präsidenten der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft . . . . 11 Wolfgang Künne (Göttingen/Hamburg) Grußwort des Vorsitzenden der interakademischen Leibniz-Kommission ... 13 Wenchao Li (Hannover/Potsdam) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 LEIBNIZ-EDITION – EINE TRADITION, EINE INSTITUTION Hans Poser (Berlin) Die Frühphase der Leibniz-Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Jens Thiel (Berlin/Halle) In der Grauzone des Kulturgutraubs – Die Leibniz-Edition und die Akquise von Leibnitiana im Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Margot Faak (Berlin) „Was machen wir eigentlich mit unserem ganzen Briefwechsel?“ – Sechs Briefe an Gerda Utermöhlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Herbert Breger (Hannover) Die Leibniz-Edition im Akademienprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Nora Gädeke (Hannover) Das Korrespondenzverzeichnis der Akademie-Ausgabe – Hilfsmittel oder Forschungsinstrument? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Eberhard Knobloch (Berlin) Anmerkungen zu den Reihen VII und VIII der Leibniz-Edition . . . . . . . . . . . . . . . 95 Heinrich Schepers (Münster) / Wenchao Li (Hannover/Potsdam) „Herzblut“ – Gespräche über die Leibniz-Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

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Inhaltsverzeichnis

LEIBNIZ-EDITION INTERNATIONAL Michel Fichant (Paris/Strasbourg) Leibniz en France : éditer, traduire, interpréter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Daniel Garber (Princeton, NJ) Leibniz in English: A Brief and Biased History . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Juan A. Nicolás (Granada) Leibniz auf Spanisch – Ziele, Schwierigkeiten, Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Antonio Lamarra (Rome) When Leibniz Edited Leibniz – The Case of the Collected Essays for Eugene of Savoy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Dimitri A. Bayuk (Moscow) / Olga B. Fedorova (Moscow) Leibniz in Russian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Roberto Palaia (Rom), Luca Fonnesu (Pavia), Maria Rosa Antognazza (London), Giovanna Varani (Porto), Margherita Palumbo (Rom), Enrico Pasini (Turin) „… aliorum diligentiae relinquo“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 „ÜBERHANGMANDATE“ – EDITORISCHE FORSCHUNG Stefan Jenschke (Münster) „Nostra Mens phaenomenon facit, divina Rem“ – Bemerkungen zu einem bislang wenig beachteten Leibniztext (LH IV 8 Bl. 56–57) . . . . . . . . . . 237 Sebastian W. Stork (Berlin) The Medical Writings of Leibniz – Short Notes and Scribal Hands . . . . . . . . 253 Charlotte Wahl (Hannover) Diplomat in der Gelehrtenrepublik – Leibniz’ politische Fähigkeiten im Dienste der Mathematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Stefan Luckscheiter (Potsdam) Auskünfte für und von Leibniz über Zar Peter I. und die große russische Gesandtschaft (1697–1698) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Herma Kliege-Biller (Münster) Neuigkeiten – Netzwerke – Nachlässe: Claude Nicaise und Leibniz . . . . . . . 301

Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

VORWORT Historisch-kritische Editionen bilden die Grundlagen (nicht nur) geisteswissenschaftlicher Forschung, indem sie ihr die notwendigen Arbeitsvoraussetzungen kritisch gesichtet, zuverlässig historisch eingeordnet und kommentierend erschlossen verfügbar machen. Die Erarbeitung historisch-kritischer Ausgaben ist einer der wenigen Bereiche, in denen die Wissenschaft in Deutschland exzellente Leistungen erbringt und weltweit Maßstäbe setzt. Gottfried Wilhelm Leibniz’ Nachlass ist einer der größten und wertvollsten Gelehrtennachlässe. Diesen Nachlass durch historisch-kritische Editionsarbeit gänzlich zu erschließen ist das Ziel der Edition Gottfried Wilhelm Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe. Dieses auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgehende und nach wechselvoller Geschichte nach der deutschen Wiedervereinigung von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen getragene Projekt zählt zu den traditionsreichsten und wissenschaftlich bedeutendsten Editionsvorhaben. Der vorliegende Band dokumentiert eine internationale Konferenz, die spezifisch der Tradition, Bedeutung und Herausforderung der Leibniz-Edition gewidmet war. Die Tagung fand am 9./10. Dezember 2011 im Hauptsitz der VGH Versicherungen in Hannover statt. Die Veranstalter waren die Leibniz-Stiftungsprofessur der Leibniz Universität Hannover und die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft. Heinrich Schepers (Münster) hatte seinen Vortrag frei gehalten. Eine Reihe von Detailfragen brachte den Herausgeber und Organisator der Tagung auf die Idee, ihn zu interviewen. Aus dem beabsichtigen Interview sind intensive Gespräche (nicht nur zweier verantwortlicher Editoren) geworden. Diese Gespräche werden hier aufgenommen. Nach der Tagung haben Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland auf unterschiedliche Weise den Wunsch zum Ausdruck gebracht, aus ihren wertvollen Erfahrungen mit der Leibniz-Edition und den Editoren berichten zu dürfen. Nur einer kleinen Gruppe hat der Herausgeber diesen Wunsch allerdings erfüllen können. Der Sammelbeitrag „… aliorum diligentiae relinquo“ ist also ein erfreulicher Nachtrag. Eine wertvolle Nachlese sind auch die Sechs Briefe an Gerda Utermöhlen von Margot Faak (Berlin). Aus gut nachvollziehbaren Gründen wird Kiyoshi Sakai (Tokio) seinen Bericht über die Leibnizforschung in Japan und die japanische Leibniz-Ausgabe erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt fertigstellen können. Eine Publikation seines Beitrages ist dennoch geplant. Der von

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Vorwort

Ludwig Siep auf der Tagung gehaltene öffentliche Abendvortrag ist bereits in den Heften der Leibniz-Stiftungsprofessur erschienen.1 Für die großzügige logistische Unterstützung und die Gastfreundlichkeit sei den VGH Versicherungen gedankt. In den Dank eingeschlossen sind die Leibniz Universität Hannover und deren Präsident Prof. Dr.-Ing. Erich Barke, die Gottfried-WilhelmLeibniz-Gesellschaft und deren Präsident Prof. Rolf Wernstedt, die interakademische Leibniz-Kommission der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und deren Vorsitzender Prof. Dr. Wolfgang Künne (Göttingen/Hamburg). Für die Genehmigung zum Abdruck der Handschriften aus ihren Beständen sei der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek gedankt. Stellvertretend für alle mitwirkenden Kolleginnen und Kollegen danken die Veranstalter namentlich Herbert Breger, Nora Gädeke (beide Hannover), Herma KliegeBiller (Münster) und Stephan Waldhoff (Potsdam). Es ist dem Herausgeber ein Bedürfnis, seiner hannoverschen Frauenmannschaft einen besonderen Dank zu sagen. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und – die Gelegenheit nutzend – für die langjährige Betreuung der Leibniz-Ausgabe sei Peter Heyl, dem Lektor des Akademie Verlages, gedankt. Hannover, den 1. Juli 2012

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Der Herausgeber

L. Siep: Wie eurozentrisch ist die praktische Philosophie der Neuzeit? (= Hefte der LeibnizStiftungsprofessur 16), Hannover 2012.

Prof. Dr.-Ing. Erich Barke Präsident der Leibniz Universität Hannover

GRUSSWORT Sehr geehrter Herr Wernstedt, sehr geehrter Herr Künne, lieber Herr Li, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Namen des Präsidiums der Leibniz Universität Hannover begrüße ich Sie herzlich zu der zweitägigen internationalen Tagung zur Leibniz-Edition „Komma und Kathedrale“ in Hannover. Es freut mich, dass Sie bei der Eröffnung dieser Veranstaltung an mich gedacht haben, obwohl ich heute nicht der Hausherr bin. Dafür begrüße ich Sie als Präsident der Universität in Hannover, die seit nunmehr fünf Jahren den Namen „Gottfried Wilhelm Leibniz Universität“ trägt und im vergangenen Jahr eine neu geschaffene Leibniz-Stiftungsprofessur an unserer Universität erfolgreich besetzen konnte. Herrn Professor Li ist es unter anderem zu verdanken, dass wir uns heute diesem spannenden Thema widmen können. Als Leiter der Potsdamer Leibniz-Editionsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sind Sie, lieber Herr Li, verantwortlich für die historisch-kritische Edition der Politischen Schriften des Universalgelehrten. Wie wir wissen, hat sich Gottfried Wilhelm Leibniz jedoch nicht ausschließlich auf dieses Wissensgebiet konzentriert. In seinem ca. 200.000 Blatt umfassenden Nachlass behandelte er Fragen aus den verschiedensten Wissensbereichen seiner Zeit. Die Leibniz-Edition stellt sich der Aufgabe, diesen wertvollen Fundus systematisch zu erschließen und der gegenwärtigen Forschung weltweit zugänglich zu machen. 52 Bände mit durchschnittlich 870 Seiten sind bis heute veröffentlicht worden – das sind ca. 45.240 Seiten – ein beeindruckendes Ergebnis, wenn Sie mich fragen. In Bezug auf den Titel der Tagung vermute ich, dass wir erfreulicherweise noch viel mehr erwarten dürfen. Kathedralen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind besonders groß und aufwändig gestaltete Bauten – so auch das Gedanken- und Schrifttum von Leibniz. Nicht wenige Kathedralen, wie z. B. der Kölner Dom, der Veitsdom in Prag oder auch der Nidarosdom in Trondheim blieben nach Ende der Gotik unvollendet stehen und wurden erst viel später, im 19. Jahrhundert, fertiggestellt. Das Erbe von Gottfried Wilhelm Leibniz dürfte im übertragenen Sinn für

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Erich Barke

alle Beteiligten eine ähnliche Herausforderung, wie der Bau einer Kathedrale, sein. Der vielversprechende Anfang ist gemacht. Beeindruckt bin ich auch von der Liste der Vortragenden an den kommenden zwei Tagen. Das Programm zeugt von Interdisziplinarität und weltweiten Netzwerken – Ideale, die Leibniz lebte und die auch im aktuellen Leitbild der Leibniz Universität ihren festen Platz haben. Das Präsidium der Leibniz Universität begrüßt die Tagung der Leibniz-Edition nachdrücklich, ist sie doch eine der Möglichkeiten, die besondere Verbundenheit von Universität und Stadt Hannover mit dem Leben und Werk von Gottfried Wilhelm Leibniz durch wissenschaftliche Arbeiten und Öffentlichkeitswirksamkeit angemessen zum Ausdruck zu bringen. Für uns als Universität ist es wichtig, den Kontakt mit dem regionalen, nationalen und internationalen Umfeld zu suchen, und so freue ich mich besonders über alle, die heute bei uns in Hannover zu Gast sind und die Tagung bereichern. Ich wünsche mir, dass in den nächsten Jahren noch weitere Projekte folgen werden, die – wie diese Tagung – dazu beitragen, das Leben und Werk von Leibniz öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Es sollte zahlreiche Gelegenheiten des Wiedersehens, Diskutierens und vor allem der interdisziplinären Kooperation geben, damit wir mit gutem Gewissen sagen können: „Theoria cum praxi – was das Leben bewegt, bewegt uns“. Ich wünsche der Veranstaltung im Namen des Präsidiums der Leibniz Universität Hannover viel Erfolg und Ihnen, meine Damen und Herren, eine interessante intellektuelle Auseinandersetzung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Prof. Rolf Wernstedt Präsident der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft

GRUSSWORT Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Gemeinplatz, dass das Leibniz’sche Œuvre quantitativ unermesslich und qualitativ unvergleichlich vielfältig und anspruchsvoll ist. Das bewirkt verständlicherweise große Bewunderung, hinter der häufig Unsicherheit und Distanz stecken. Denn wie nähert man sich dem geistigen und argumentativen Erbe eines von allen als genial und universal gepriesenen Menschen? Das kann bei nachdenklichen Menschen nur Vorsicht erzeugen und führt bei solchen, deren Kenntnisse für eine Party-Plauderei ausreichen, notwendig zu Allgemeinplätzen. Was den Einen Vergnügen bereitet, nämlich ein bisschen Eindruck zu schinden, ist den Kennern ein Graus. Und den heute hier Versammelten tut man wohl nicht Unrecht, wenn man sie als den Kern der Leibniz-Forschung und Leibniz-Kenntnis bezeichnet. Sie zu begrüßen ist daher eine besondere Freude und weckt Neugier. Die Satzung der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft bezeichnet es als ihre Absicht, die Leibnizforschung durch Kongresse, Publikationen und Vorträge zu fördern und die Publizierung des handschriftlichen Nachlasses zu begleiten. Das tut sie seit 1966 beständig und nachlesbar. Der IX. Internationale Leibniz-Kongress unter dem Thema Natur und Subjekt ist im September 2011 erfolgreich zu Ende gegangen. Der Leiter des hannoverschen Leibniz-Archivs, Prof. Dr. Herbert Breger, hat für die inhaltlich und organisatorisch professionelle Vorbereitung viel Lob erhalten. Mir scheint es ein guter Einfall zu sein, dass Herr Prof. Dr. Wenchao Li, unser erster Leibniz-Professor an der Leibniz Universität Hannover, diese Konferenz organisiert hat, die nach langer Zeit einen Überblick darüber geben soll, wie weit die Leibniz-Edition gediehen ist und an welchen Projekten und Vorhaben die einzelnen Editionsstellen zur Zeit arbeiten. Wenn man sich die Geschichte der Leibniz-Edition seit über hundert Jahren vergegenwärtigt, ist es ja auch gut, dies einmal übersichtlich und seriös zu dokumentieren. Das schließt auch die Erinnerung an die Hindernisse ein, die die Geschichte einer kontinuierlichen Arbeit in den Weg gelegt hat: die Weltkriege, die Zeit der NaziDiktatur und die Teilung Deutschlands.

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Rolf Wernstedt

Als Altphilologe und Historiker weiß ich, wie schwer die Edition von Texten ist, deren Entstehung, Datierung, Zweck und Inhalt nicht eindeutig oder gar gänzlich unbekannt sind. Die Edition antiker Handschriften ist ja der Beginn der exakten philologischen Wissenschaft. Die Unsicherheit der Überlieferung antiker Texte, die Fälschung territorialer und eigentumsrechtlicher Titel im gesamten Mittelalter, die puzzleartige Zusammensetzung alter Originale zu einem verstehbaren Text sind komplizierte, exakte und intuitive geistige Arbeit. Bei den Leibniz’schen unveröffentlichten Manuskripten handelt es sich um einen Typus, bei dem alle Methoden philologischer und manchmal auch kriminalistischer Observanz eingesetzt werden müssen. Diese ungemein komplexe und viel Geduld erfordernde Arbeit ins nachvollziehbare Licht der interessierten Öffentlichkeit und Forschung zu bringen, ist auch eine Aufgabe dieser Konferenz. Denn nur bei Kenntnis dieser Arbeitsumstände ist auch die jahrzehntelange Perspektive dieser Arbeit zu rechtfertigen und zu sichern. Es ist für die Menschheit wichtig, das Leibniz’sche Denken in wissenschaftlich gründlicher Edition zu präsentieren. Das ist der Anspruch dieser Arbeiten. Dies ist von historischem Interesse und hilft uns, die beginnende Neuzeit zu begreifen. Das ist aber auch von Wichtigkeit, wenn man die Grundlagen, Methoden und die Art und Weise europäischen Denkens verstehen will, aus dem letztlich sich ja auch unser Selbstverständnis und unsere geistige Rolle in der Welt speisen. Das ist in einer globalisierten Welt kultur-überlebens-wichtig. Es geht daher um ein kulturelles Erbe, das zu sichern eigentlich selbstverständlich sein sollte. Ausdruck dieser Bedeutung ist zweifellos auch die Tatsache, dass Teile des Leibniz-Briefwechsels zum Welt-Dokumentenerbe erklärt worden sind. Allerdings ist es bedauerlich, dass dies nur für einen Teil gelten soll. Leibniz war ja kein schwatzhafter Schreiber, sondern war mit seinem gesamten Netz der Korrespondenzen ein signifikanter Vertreter seiner Zeit. Seine Schriften sind durchweg auf der Höhe des zeitgenössischen Denkens, und vielfach darüber hinaus. Manches scheint zeitlos aktuell. Schließlich hat er selbst bedauert, dass ihm eigentlich immer mehr einfiele als er niederschreiben könne. Und das, was ihm einfiel, war in der Regel neu oder zumindest interessant. Da noch längst nicht alles ediert ist, erscheint der Umfang des Dokumentenerbes mindestens unvollständig. Aber in Zeiten, in denen alles nur der fiskalischen Logik unterworfen zu sein scheint, ist es eine Frage der Selbstbehauptung, die Grundlagenforschung – und das ist die Leibniz-Edition – abzusichern und auszustellen. Ich wünsche den Vorträgen viel Gehalt, den Diskussionen viel Erkenntnis und der Lust am Fragen neuen Mut.

Prof. Dr. Wolfgang Künne Vorsitzender der interakademischen Leibniz-Kommission der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen

GRUSSWORT Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste aus dem In- und Ausland, es wird niemanden überraschen, dass ich mich sehr darüber freue, dass die LeibnizStiftungsprofessur der Leibniz Universität Hannover und die in Hannover ansässige Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft die Initiative ergriffen haben, dieses internationale Treffen zu organisieren. Damit stellen diese beiden Institutionen eindrucksvoll unter Beweis, dass sie in der Förderung der Leibniz-Edition eine ihrer zentralen Aufgaben sehen. Dafür möchte ich Herrn Li, dem Inhaber der LeibnizStiftungsprofessur, und Herrn Prof. Wernstedt, dem Präsidenten der Leibniz-Gesellschaft, meinen herzlichen Dank aussprechen. Der Leibniz-Nachlass ist bekanntlich einer der umfangreichsten Gelehrtennachlässe überhaupt: Tausende von Briefen an mehr als tausend Adressaten, Zigtausende von Abhandlungen und Skizzen – in sieben verschiedenen Sprachen – über Themen, die an unseren Universitäten auf mindestens ein Dutzend (aller Interdisziplinaritätsrhetorik zum Trotz) weitgehend gegeneinander abgeschotteter Disziplinen verteilt sind: – das alles durch eine kritisch-historische Edition zu sichern und aufzuschlüsseln und so für die internationale Forschung zugänglich zu machen, ist die furchterregend anspruchsvolle Aufgabe der Leibniz-Edition. Die Initialzündung zu dieser Edition war ein Beschluss der Internationalen Assoziation der Akademien im Jahre 1901, der die Académie des sciences, die Académie des sciences morales et politiques und die Preußische Akademie der Wissenschaften mit der Durchführung des gigantischen Projekts beauftragte. Mit dem Ersten Weltkrieg endete die deutsch-französische Kooperation. Nach 19 Jahren war noch kein einziger Band erschienen. Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, der Zweite Weltkrieg, die Teilung Europas, Deutschlands und Berlins – von den Gefährdungen der Edition in stockfinsteren und trüb-grauen Zeiten werden Sie in etlichen Vorträgen Genaueres erfahren. Acht Jahrzehnte nach dem Startschuss für das Editionsprojekt war die Zwischenbilanz jedenfalls nicht gerade triumphal: Bis dahin waren erst 19 Bände fertiggestellt worden.

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Wolfgang Künne

Im Jahr 1985 kam es dann durch die Aufnahme des Editionsprojekts in das Akademienprogramm des Bundes und der Länder zu einer Wende, zu einem Neubeginn der Leibniz-Edition. Seitdem, also in weniger als drei Jahrzehnten, sind 33 weitere Bände mit einem Umfang von jeweils ca. 900 Seiten erschienen, zum großen Teil parallel in Buchform und im Internet. 27 dieser Bände sind an den Editionsstellen der Göttinger Akademie in Münster und Hannover erarbeitet worden, sechs an den beiden Editionsstellen der Berlin-Brandenburgischen Akademie in Potsdam und (seit 2001) in Berlin. Von den seit 1985 erschienenen Bänden sind allein in diesem Jahr drei fertiggestellt worden: – – –

der hier in Hannover bearbeitete Band 22 der Ersten Reihe, die den Allgemeinen, politischen und historischen Briefwechsel enthält, der ebenfalls in Hannover betreute Band 7 der Dritten Reihe mit dem Mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Briefwechsel und Band 7 der in Potsdam bearbeiteten Vierten Reihe der Politischen Schriften.

Die Auslieferung dieser neuesten Bände an Fortsetzungsbezieher und an den Handel erfolgt – so hat mich der Verlag wissen lassen – seit vorgestern. Die Leitungskommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ist über diese Entwicklung, die man in diesem Jahr nachgerade rasant nennen kann, hocherfreut, und ich ergreife die Gelegenheit, im Namen dieser Kommission allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das gewaltige Pensum an editorischer Arbeit zu danken, das in Berlin, Potsdam, Hannover und Münster von wahrlich nicht allzu vielen Schultern gestemmt worden ist. In diesen Dank schließe ich ausdrücklich auch die nominell „ehemaligen“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, denen es zur Ehre gereicht, dass sie realiter nie aufgehört haben, das Fortschreiten der Edition tatkräftig zu fördern. Auf welch hohem Niveau und in welcher sachlichen Breite Leibniz-Forschung heutzutage weltweit betrieben wird, hat der IX. Internationale Leibniz-Kongress jüngst wieder eindrucksvoll vorgeführt. Die Editionsstellen der beiden Akademien waren und sind immer auch Anlaufstellen für diese Forschung. Leibniz-Ausgaben in vielen Sprachen sind auf der Grundlage der Akademie-Edition entstanden, und weitere sind im Entstehen begriffen. Kolleginnen und Kollegen aus Spanien, Italien und Frankreich, aus Russland, Japan und den USA werden im Verlauf dieser Tagung von ihrer Arbeit berichten. Sie möchte ich an dieser Stelle besonders herzlich begrüßen. Ihnen wie allen anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wünsche ich eine rundum erfolgreiche Tagung.

Wenchao Li (Hannover/Potsdam)

EINFÜHRUNG „Komma und Kathedrale“ ist eine schöne Metapher, sie geht auf einen kleinen Wettbewerb unter den Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld der Vorbereitung der Tagung zurück. Auf diese Formulierung muss man erst kommen, denn hinter dem nun im Nachhinein simpel und wohl klingenden Titel stecken lebenslange Erfahrungen, Leid und Freude, kriminalistischer Spürsinn und plötzliche Erleuchtung. Editionsphilologie, um die Deutschland beneidet wird und die in der heutigen, schnelllebigen Zeit leicht ein Ärgernis sein kann, ist nur ein harmloses akademisches Kürzel für all das Leid und all die Freude. Noch mehr: Hinter der Metapher „Komma und Kathedrale“ steht eine an Religiosität, zumindest Leidenschaft grenzende Überzeugung von der Sache, ein an missionarischen Eifer grenzendes Sendungsbewusstsein, eine gehörige Portion an Selbstüberschätzung, aber mindestens genauso viel Selbstlosigkeit und Bereitschaft zum Selbstopfer. Es geht um Kleinigkeiten, die es im Job eines Editors nicht gibt und nicht geben darf. Denn es geht nicht um das Komma, sondern um die Kathedrale, die auf Kommata gebaut ist und aus ihnen besteht. Dass „Kathedrale“ eine mehrdeutige Metapher ist, war der Erfinderin wie den Veranstaltern durchaus bewusst. Man denke an den Kölner Dom; wie lange die Bauzeit gedauert hat, interessiert doch niemanden mehr; was bleibt, ist die Unvorstellbarkeit von einer Stadt am Rhein ohne den Dom; man kann aber auch an Barcelona denken, die Sagrada Familia ist immer noch nicht fertig, und andererseits dennoch mehr als eine Ruine! Verwiesen sei schon hier, der Metapher wegen, auf den Beitrag von Juan A. Nicolás (Granada) im vorliegenden Band. Gottfried Wilhelm Leibniz’ umfangreicher Nachlass hat keineswegs nur biographische Bedeutung; dass es sich um eine Truhe unschätzbaren geistigen wie kulturellen Reichtums handelt, ist nicht unbekannt geblieben. Leibnizens Zeitgenossen und Gelehrte folgender Jahrhunderte haben einzelne, kleine und größere Schriften und Briefe veröffentlicht, die nach ihrer Zeit- und Interessenlage ausgewählt und nach dem methodischen Stand der Zeit wiedergegeben wurden. Größere Projekte waren entweder Auswahlausgaben oder mussten abgebrochen werden. Die Vielfalt der im Leibniz-Nachlass beinhalteten Themen und das reichhaltige Material lassen die Erschließung dieses Schatzes zu einer Unternehmung werden, der kein Einzelner gerecht werden kann. So war es nicht nur zu begrüßen, sondern geradezu folgerichtig, dass die Internationale Assoziation der Akademien in ihrer Generalversammlung 1901 die Initiative zur historisch-kritischen Gesamtausgabe G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, ergriff und die damalige Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin sowie die Académie des sciences und die Académie des sciences

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Wenchao Li

morales et politiques (beide Paris) mit diesem Vorhaben betraute. Die Katalogisierung des Nachlasses begann 1901. Zwei Weltkriege, die erzwungene Emigration eines jüdischen Mitarbeiters 1933 und weitere personelle Folgen der nationalsozialistischen Herrschaft, die gravierenden Schwierigkeiten infolge der deutschen Teilung und andere Faktoren haben den Fortgang der Edition erheblich behindert. Kaum ein anderes Editionsvorhaben ist mit der wechselhaften Geschichte Europas und nicht zuletzt Deutschlands in den letzten hundert Jahren bis zur deutschen Wiedervereinigung so eng verflochten wie die Leibniz-Edition. Auf die Frühphase dieser Geschichte geht Hans Poser (Berlin) in seinem den Band eröffnenden Beitrag ein. Dennoch ist sein Aufsatz mehr als eine Dokumentation vergangener Zeiten. Die von Poser herausgearbeiteten Charakteristika des Leibniz-Nachlasses (von der Materialfülle über die thematische Vielfalt bis zur Überlieferungsform) unterstreichen nicht nur auf beeindruckende Weise nochmals den Wert und die Bedeutung der Akademie-Ausgabe, sie mögen auch die daraus resultierenden Probleme, Schwierigkeiten, Herausforderungen und gar Alleinstellungsmerkmale der Leibniz-Edition erklären. So stellt die Datierung immer noch ein alltägliches Problem dar, besonders in den Schriftenreihen; die Überlieferungsform, z. B. die Existenz von mehreren Textzeugen, ermöglicht dem Benutzer, anhand der dargebotenen Varianten bis zu einem gewissen Grad Leibniz beim Denken zuzusehen und seinen Gedankengang nachzuvollziehen. Die Edition unterscheidet sich von vielen anderen Editionsvorhaben auch dadurch, dass die von ihr edierten Texte zum großen Teil (in manchen Bänden überwiegend) nicht in älteren Ausgaben oder auch nur zeitgenössischen Drucken, sondern bisher nur handschriftlich im Leibniz-Nachlass und anderen Archiven und Bibliotheken vorliegen. Spezifisch auf die Leibniz-Edition in der Zeit des Nationalsozialismus richtet Jens Thiel (Berlin/Halle) seine Untersuchung. Nachdem der Autor vor kurzem die von der damaligen Preußischen Akademie in der NSZeit veranstalteten Leibniz-Aktivitäten1 kritisch beleuchtet hat, nimmt er die Akquise von Leibnitiana im Zweiten Weltkrieg kritisch in den Blick. Über die Rekonstruktion geschichtlicher Vorgänge hinaus stellt sich hier exemplarisch nochmals die Frage nach dem Verhältnis von Wissenschaft und Politik im „Dritten Reich“.2 Trotz einiger Bemühungen konnte keine „ostdeutsche“ Perspektive, etwa in einem Beitrag zur Bedeutung der Akademie der Wissenschaften der DDR wie überhaupt der deutschen Teilung für die Leibniz-Edition, speziell im Blick auf die ostdeutsche Situation, gewonnen werden. Bei dem Abdruck der sechs Briefe von Margot Faak an Gerda Utermöhlen (1929–1997) handelt es sich um einen recht späten Einfall des Herausgebers bei der nochmaligen Durchsicht der ihm von Margot Faak anvertrauten wertvollen privaten Unterlagen. Die Briefe lassen nicht nur die schwierigen Arbeitsbedingungen erkennen, die die ostdeutschen Mitarbei1

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Siehe J. Thiel: „Leibniz-Tag, Leibniz-Medaille, Leibniz-Kommission, Leibniz-Ausgabe. Die Preußische Akademie der Wissenschaften und ihr Ahnherr im ‚Dritten Reich‘“, in: „Leibniz“ in der Zeit des Nationalsozialismus (= Studia Leibnitiana, Sonderhefte 42), hrsg. von W. Li und H. Rudolph, Stuttgart 2012, S. 41–73. Siehe C. Klingemann: „Leibniz-Forschung und die Preußische Akademie der Wissenschaften im Kontext der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Ein wissenschaftssoziologisches Modell“, in: Ebd., S. 15–39.

Einführung

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terinnen und Mitarbeiter hatten, sie sind auch Zeugnisse für das unermüdliche persönliche Engagement zweier verdienstvoller Mitarbeiterinnen und für die herzliche Freundschaft zwischen ihnen. Auf eine Aufnahme der Gegenbriefe und weiterer Dokumente wurde bewusst verzichtet. So möge Faaks Frage an Utermöhlen, „Was machen wir eigentlich mit unserem ganzen Briefwechsel?“, ein Desiderat der Konferenz benennen und die Forschung an eine Aufarbeitung der Geschichte der Leibniz-Edition in der Zeit deutscher Teilung erinnern. Zwei in der jüngsten Geschichte der Leibniz-Edition wirkungsreiche positive Ereignisse dürften die im Jahre 1985 mit ostdeutscher Unterstützung vollzogene Aufnahme der beiden westdeutschen Arbeitsstellen – der Leibniz-Forschungsstelle der Wilhelms-Universität Münster und des Leibniz-Archives der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover – ins von Bund und Ländern gemeinsam getragene Akademienprogramm und die nach der deutschen Wiedervereinigung erfolgte positive, diesmal mit westdeutscher Unterstützung vollzogene Evaluierung der damaligen Berliner (jetzt Potsdamer) Arbeitsstelle bzw. deren Aufnahme ebenfalls ins Akademienprogramm sein. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften stellte sich bei ihrer Neukonstituierung bewusst in die Tradition der Leibniz’schen Idee, wie sie in der Generalinstruktion für die Berliner Societät der Wissenschaften vom 11. Juli 1700 festgelegt wurde, und erklärte die Betreuung und Durchführung der Langzeitvorhaben zum unverzichtbaren Grundbestand ihrer kulturwissenschaftlichen und geistesgeschichtlichen Forschung. Von den inzwischen nun vorliegenden 53 Bänden von durchschnittlich 870 Seiten sind 34 Bände3 nach der Aufnahme ins Akademienprogramm erschienen, so dass die Leibniz-Edition geradezu als ein Paradebeispiel für den Erfolg des Akademienprogramms gelten kann. Denn wäre von Anfang an in dem Tempo an der Leibniz-Ausgabe gearbeitet worden, wie das jetzt geschieht, wäre die Ausgabe schon vor etwa vierzig Jahren abgeschlossen gewesen. Seit dem Tod Albert Heinekamps am 20. November 1991 leitete Herbert Breger (Hannover) bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres – knapp zwei Monate vor dieser Tagung – die hannoversche Arbeitsstelle zwanzig Jahre lang (davor lag von 1977 an die Arbeit an der Reihe III Mathematischer, naturwissenschaftlicher und technischer Briefwechsel – zwischenzeitlich auch in der Nachfolge von Gerda Utermöhlen ab dem 1. Dezember 1991 die Übernahme der Reihe I Allgemeiner, historischer und politischer Briefwechsel, die mit seiner offiziellen Bestallung zum Leiter des Leibniz-Archivs im Frühjahr 1993 an Wolfgang Bungies überging). So hat Herbert Breger wie kaum ein anderer die Leibniz-Edition seit dem Anfang der 1990er Jahre miterlebt und -geprägt. In seinem Beitrag blickt der Autor auf diese jüngste Geschichte zurück. Zur von Herbert Breger attestierten Effizienzsteigerung hat auch der Einsatz der EDV in der Editionsarbeit beigetragen. Mehr noch, der Computer ist längst vom Editionswerkzeug zum Präsentationsmedium geworden. Dass die rasante technische Entwicklung Editionsprojekten wie der Leibniz-Edition nicht nur neue Möglichkeiten bringt, sondern zugleich neue Herausforderungen bedeutet, liegt auf der Hand, hatten die Begründer des Vorhabens doch von ganz anderen arbeitstechnischen Voraus3

Band 21 der I. Reihe erschien nach der Konferenz im April 2012.

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setzungen ausgehen müssen. Hinzu kommt noch, dass die Ausgangslage der vier Arbeitsstellen jeweils historisch bedingt war und dass bei der Edition von Schriften so unterschiedlicher Disziplinen unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen, denen man bei der Auswahl der einzusetzenden Technik Rechnung zu tragen hat. Die Leibniz-Edition hat insgesamt die Herausforderung angenommen und bewältigt. Die erschienenen Bände stehen der Forschung zum großen Teil vollständig online zur Verfügung, und zwar seiten- und nahezu zeilenumbruchgenau der Druckausgabe entsprechend in PDF-Dateien. Quasi zunächst als Nebenprodukt der Edition im Laufe der Zeit entwickelte interne Arbeitsinstrumente wie die Indices personarum, scripturarum und rerum sowie das kumulierte Bibelverzeichnis als Ergänzung des Index rerum sind inzwischen als „Hilfsmittel“ recycelt und bieten dem Benutzer weitere leicht handhabbare Erschließungsmöglichkeiten.4 Anhand des digitalen Korrespondenzverzeichnisses der Akademie-Ausgabe beschreibt Nora Gädeke (Hannover) die Entwicklung dieses Instrumentariums von internen Verzeichnissen zu Datenbanken mit Abfragemöglichkeiten sowohl für die Edition als auch für die Forschung. Dass sich diese ganzen Entwicklungen arbeitsbegleitend ergeben haben, sei hier nur en passant bemerkt. Als die jüngste im digitalen Zeitalter versucht die Berliner Arbeitsstelle (seit 2001) neue Wege zu gehen, indem sie die Reihe VIII (Naturwissenschaftliche, medizinische und technische Schriften) von Beginn an als HybridEdition konzipiert und sowohl beim Aufbau der Infrastruktur als auch in der Ergebnispräsentation von den neuen digitalen Möglichkeiten Gebrauch macht. Nicht zuletzt dank der neuen Medien konnte bei dieser Reihe ein neuer Anlauf internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Editionsarbeiten genommen werden. Eberhard Knobloch (Berlin), der bereits zuvor die Reihe VII (Mathematische Schriften) 32 Jahre lang (bis 2008) geleitet hat, geht in seinem Beitrag auf die Entstehungsgeschichte dieser zwei von ihm maßgeblich geprägten Reihen ein. Exemplarisch wird wieder einmal die Bedeutung persönlichen Engagements und Könnens für die Realisierung eines Langzeitvorhabens wie der Leibniz-Edition deutlich. Heinrich Schepers (Münster) ist einer der dienstältesten und verdienstvollsten verantwortlichen Editoren. Die Gespräche mit ihm sind aus einem vom Herausgeber beabsichtigten Interview erwachsen. Als Initiator und Organisator der Tagung empfand es der Herausgeber, wie oben bereits angedeutet, bedauerlich, dass eine genuin „ostdeutsche“ Perspektive auf der Tagung fehlte; als Leiter der Potsdamer Stelle, die ja bekanntlich direkt aus der eigentlichen, in Berlin ansässigen Arbeitsstelle der Leibniz-Kommission hervorging, versuchte er, ersatzweise diese Perspektive bewusst einzunehmen. Für die bereitwillig erteilten zahlreichen Informationen in Gesprächen und für die Bereitstellung persönlicher Unterlagen ist er den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ehemaligen Leibniz-Edition am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und seinem Vorgänger Hartmut Rudolph zu Dank verpflichtet. Namentlich seien hier Rosemarie Caspar, Margot Faak und Rüdiger Otto genannt. Wertvolle Informationen von der „westdeutschen“ 4

Siehe das unter der Schirmherrschaft der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft von den vier Arbeitsstellen gemeinsam getragene Internetportal www.leibniz-edition.de.

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Seite erfuhr er nicht minder dankenswerterweise von Herbert Breger. Die Gespräche gehen freilich weit über die deutsch-deutsche Zusammenarbeit – eine Formulierung, die aus ostdeutscher Perspektive möglichst zu vermeiden gewesen wäre – hinaus. Der Herausgeber hat die Gelegenheit genutzt, Heinrich Schepers über dessen Erfahrungen und über einige grundsätzliche Fragen der Leibniz-Edition, von der Editionstiefe über das Vollständigkeitsprinzip bis zur Textkonstituierung zu befragen. Beide Gesprächspartner sind sich der Subjektivität ihrer Ansichten bewusst. Kaum ein anderes Editionsvorhaben in Deutschland ist von Anfang an so interdisziplinär, international, transkulturell ausgerichtet gewesen wie die Leibniz-Edition. Durch ihre Arbeit stellen die Editionsstellen Textgrundlagen für Leibniz-Übersetzungen in den jeweiligen Nationalsprachen zur Verfügung; enge Zusammenarbeit von der Textauswahl bis zur Textkommentierung bildet einen unverzichtbaren Bestandteil bei der Realisierung nationaler Leibniz-Ausgaben. Daniel Garber (Princeton, NJ) gibt in seinem Beitrag einen interessanten Überblick über die Geschichte der nicht nur in der englischsprachigen Leibniz-Forschung einflussreichen Yale Leibniz-Ausgabe; die u. a. von Juan A. Nicolás (Granada) energisch vorangetriebene, aus mehreren „Säulen“ bestehende spanische Leibniz-Ausgabe zeichnet sich nicht weniger durch Effizienz und enge Zusammenarbeit mit den Editionsstellen in Deutschland aus. Der Autor scheut sich vor einem offenen Vergleich mit Kathedralen nicht und verschweigt ebenso wenig die Schwierigkeiten bei deren Bau. Der Beitrag von Dimitri A. Bayuk und Olga B. Fedorova (beide Moskau) ermöglicht einen tiefen, wechselvollen Einblick in die bisher von der Fachwelt wenig beachtete Geschichte der russischen Leibniz-Ausgaben. Inspiriert durch Leibniz’ Umgang mit eigenen Texten während seines letzten Wien-Aufenthalts konzipiert Antonio Lamarra (Rom) über den verdienstvollen dreibändigen Faksimiledruck von Leibniz’ Beiträgen in Gelehrtenzeitschriften5 hinaus eine kritische Edition der für Prinz Eugen bestimmten Schriftstücke; zudem sollen digitale Versionen von Leibniz’ philosophischen Hauptschriften in das von A. Lamarra gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen betreute Internetportal Daphnet (= Digital Archive of Philosophical Texts on the Net) integriert werden. Eine Sonderrolle scheint die französische Leibniz-Edition zu spielen, die Leibniz nicht ohne Grund schon immer als einen französischen Denker gewürdigt und große editorische Leistungen erbracht hat und erbringt, wie der Beitrag von Michel Fichant (Paris/Straßburg) überzeugend dokumentiert. Eine Glanzleistung der internationalen Leibniz-Übersetzungen und -Editionen dürfte die aus 10 Bänden bestehende japanische Ausgabe sein. Umso mehr ist es zu bedauern, dass Kiyoshi Sakai (Tokio) aus gut verständlichen Gründen seinen Beitrag erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt wird anfertigen können. Die Editionsstellen sind zugleich Anlaufstellen internationaler Leibniz-Forschung, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Editionsstellen, allen voran deren jeweilige Leiter, sind oft Ansprechpartner für Gäste aus vielen verschiedenen Ländern, von Argentinien, Italien, Spanien über die USA und Israel bis nach China und Japan. So hat der Herausgeber, wie bereits im Vorwort an5

A. Lamarra (Hrsg.): Essais scientifiques et philosophiques. Les articles publiés dans les journaux savants. Gottfried Wilhelm Leibniz, Hildesheim u. a. 2005.

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gedeutet, gern Roberto Palaia (Rom), Luca Fonnesu (Pavia), Maria Rosa Antognazza (London), Giovanna Varani (Porto), Margherita Palumbo (Rom) und Enrico Pasini (Turin) den Wunsch erfüllt, im vorliegenden Band über ihre Erfahrungen mit der Leibniz-Edition, mit der hannoverschen Arbeitsstelle und zwei von deren ehemaligen Leitern, Albert Heinekamp und Herbert Breger, zu berichten. Es ist dem Herausgeber wichtig zu betonen, dass Gleiches oder zumindest Ähnliches ebenso gut über die anderen Editionsstellen und deren ehemalige und jetzige Verantwortliche berichtet werden könnte. Es ist ihm nicht weniger wichtig darauf hinzuweisen, dass selbst, wenn nicht gerade, im Zeitalter der digitalen Vernetzung persönliche Kontakte und persönliche Betreuung nach wie vor unverzichtbar sind. Editoren forschen, das ist weder neu noch verboten. Der hierzulande leider geläufig gewordene Sprachgebrauch der Trennung von Edition und Forschung beruht auf Vorurteilen und Unkenntnis der Editionsarbeit, welche zu einem nicht unerheblichen Teil aus Recherchen besteht. Die im letzten Abschnitt versammelten Beiträge von Stefan Jenschke (Münster), Sebastian W. Stork (Berlin), Charlotte Wahl (Hannover), Stefan Luckscheiter (Potsdam) und Herma Kliege-Biller (Münster) sind alle thematisch aus dem Editionsalltag entstanden und in der dienstfreien Zeit fertiggestellt worden. Die von Selbstironie nicht ganz freie Bezeichnung „Überhangmandat“ geht auf eine dort vertretene Autorin zurück. Es war dem Organisator und Herausgeber wichtig, bei der Wahl der Referentinnen und Referenten für diese Sektion die jüngeren Kolleginnen und Kollegen vorzuziehen.

LEIBNIZ-EDITION – EINE TRADITION, EINE INSTITUTION

Hans Poser (Berlin)

DIE FRÜHPHASE DER LEIBNIZ-EDITION 1. DAS AUSSERGEWÖHNLICHE DES LEIBNIZ-NACHLASSES1 Kein Geringerer als Denis Diderot, Mitglied der Berliner Akademie, klagt in seiner Encyclopédie ein halbes Jahrhundert nach Leibnizens Tod: „Es hat wohl kein Mensch soviel gelesen und studiert, mehr nachgedacht und geschrieben als Leibniz. Und dennoch gibt es keine Gesamtausgabe seiner Werke. Es ist schon unerhört, dass Deutschland, dem dieser Mensch allein mehr Ehre eingebracht hat als Platon, Aristoteles und Archimedes zusammen Griechenland einbringen konnten, es noch nicht fertig gebracht hat, das zu sammeln, was aus seiner Feder geflossen ist. Was er über die Welt, über Gott, über die Natur und die Seele geschrieben hat, drückt die sublimste Eloquenz aus. Wenn diese Ideen mit dem Kolorit eines Platon exponiert worden wären, würde der Philosoph aus Leipzig in nichts dem Philosophen aus Athen nachstehen.“2

Dabei konnte Diderot, hätte er alles gelesen, was bis dahin der Öffentlichkeit an Leibniz’schen Schriften und Briefen zugänglich war, allenfalls 15 % dessen zu Gesicht bekommen, was der Nachlass vor allem in Hannover bewahrt3 – der wohl außergewöhnlichste Nachlass, den es in der geistigen Welt überhaupt zu verzeichnen gibt und der mehr als verständlich macht, was Leibniz in einem Brief notiert hatte: „Wer mich nur aus meinen Publikationen kennt, der kennt mich nicht.“ 4 Diese Außergewöhnlichkeit ist es zugleich, die jedes Editionsvorhaben so überaus erschwert. Das gilt es einleitend zu verdeutlichen. Das Außergewöhnliche beginnt mit den Umständen, die zu diesem Nachlass führten: 1

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Dem ehemaligen Leiter des Leibniz-Archivs Hannover, Herrn Prof. Dr. Herbert Breger, danke ich für seine Unterstützung bei der Zusammenstellung der Materialien für diesen Beitrag. Die detaillierten Informationen zum Ritter-Katalog verdanke ich Dr. Stephan Waldhoff, LeibnizEditionsstelle Potsdam. – In weiten Teilen übernimmt dieser Beitrag das von mir Entwickelte in „Langzeitvorhaben in der Akademie. Geschichte der Leibniz-Edition zwischen Kaiserreich und geteiltem Deutschland“, in: W. Fischer (Hrsg.): Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914–1945, Berlin 2000, S. 375–389. D. Diderot: „Leibnitzianisme ou Philosophie de Leibnitz“, in: Ders.: Encyclopédie, t. XIX, éd. 1777, S. 807, zit. in der Übersetzung von H. Schepers: „Zur Geschichte und Situation der Akademie-Ausgabe von Gottfried Wilhelm Leibniz“, in: K. Nowak/H. Poser (Hrsg.): Wissenschaft und Weltgestaltung. Gottfried Wilhelm Leibniz zum 350. Geburtstag. Internationales Leibniz-Symposion Leipzig, 9.–11. April 1996, Hildesheim 1999, S. 291–298, hier S. 292. Die Angabe entstammt A. Heinekamp: „L’état actuel de la recherche Leibnizienne“, in: Les Études Philosophiques 2 (1989), S. 139–160, hier S. 140. „Qui me non nisi editis novit, non novit.“ An Vincent Placcius, 21. Febr. 1696; Dutens VI, 1, 65.

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Leibniz hat offenbar so gut wie nichts von seinen Notizen weggeworfen, sondern alle Aufzeichnungen – vielfach auch die auf seinen Reisen – aufbewahrt, hoffte er doch, dies alles einmal zu der von ihm von Jugend an verfolgten Scientia generalis zusammentragen zu können. Kaum etwas hiervon war den Zeitgenossen bekannt, weil Leibniz nicht wollte, dass zur Unzeit Stücke dessen an die Öffentlichkeit dringen, woran er arbeitete. Zu negativ waren die Erfahrungen völligen Unverständnisses, als er beispielsweise seine Analysis situs keinem Geringeren als Christiaan Huygens vorlegte. Statt wie fast alle Nachlässe in alle Winde verstreut zu werden, ist uns dieser überkommen, weil das Haus Hannover den kompletten Nachlass nach Leibniz’ Tod beschlagnahmte: Man befürchtete, seine Aufzeichnungen enthielten Secreta domus; schließlich war Leibniz wie kein anderer mit den Vorgängen am Hannover’schen, Braunschweig-Wolfenbüttel’schen und zum Teil am Berliner Hof von juristischen und genealogischen Fragen über diplomatische Aufgaben bis hin zu Interna der Familie bestens vertraut.

Aus all dem erklärt sich ein weiteres Außergewöhnliches des Nachlasses, nämlich der alle Üblichkeiten sprengende Umfang: In ihm finden sich – – –

über 15.000 Briefe an mehr als 1.100 Adressaten, 50.000 Abhandlungen, Skizzen und Exposés auf bis zu 200.000 Blättern und etwa hundert Bände mit Annotationen.

Was vor uns liegt, ist das gesamte Schaffen eines universellen Genies! Doch damit endet das Außergewöhnliche nicht, denn mehr als ungewöhnlich ist der Inhalt: –







Die behandelten Fragen betreffen das gesamte Wissens- und Wissenschaftsspektrum der zweiten Hälfte des 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts, Philosophie, Mathematik und Logik, Jura, Physik, Technik, Geologie, Geschichte, Sprachwissenschaft und Theologie: Sie alle spiegeln auf höchster Ebene sowohl den Wissensstand einer Epoche als auch die Genialität der Neuansätze Leibnizens. Der Inhalt der Briefe und vieler wissenschaftlicher Abhandlungen dokumentiert das weit gefächerte wissenschaftliche Gespräch eines halben Jahrhunderts, das offen vor uns liegt. Dasselbe gilt für eine außerordentlich globale Perspektive in politischer Hinsicht, eine Perspektive, die von der Stellungnahme zur polnischen Königswahl über die Rechtsgutachten zur Hannover’schen Kurwürde und der Thronfolge in England, über die Reunion der Konfessionen und die geistige Einheit Europas einschließlich Russlands bis zur intensiven Auseinandersetzung mit China und der ihm gegenüber einzuschlagenden Politik reicht. Nicht nur der geistige, auch der irdische Globus wird in diesem Nachlass umspannt. Eine weitere Besonderheit aller Leibniz’schen Schriften ist, dass wir in ihnen den Denkweg eines Genies zu verfolgen vermögen: Er hat offenbar nur schreibend gedacht und im Denken schon Geschriebenes korrigiert; an den unzähligen

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Korrekturen, Ergänzungen, Streichungen und Umstellungen lässt sich die klärende Genese seiner Gedanken ablesen. Wenn irgendwo die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben zu beobachten ist, dann im Leibniz’schen Nachlass! Diese außergewöhnliche Ausgangslage schließt zugleich die editorischen Probleme in sich, die es bis heute zu bewältigen gilt: –







Wegen der disziplinären Weite von den Formalwissenschaften über die Naturwissenschaften bis in die Theologie, von handfesten politischen Problemen über wissenschaftsorganisatorische Anliegen bis hin zu höfischen Gedichten stellen sich den Editoren Verstehensprobleme fachwissenschaftlicher Art, von denen sich gezeigt hat, dass sie nur durch disziplinär geschulte Bearbeiter arbeitsteilig zu lösen sind. Anders als bei Nachlässen, die in wesentlichen Teilen in gedruckten Ausgaben vorliegen, entsteht bei der Vielzahl der Leibniz’schen Texte mit ihrer Unzahl von Korrekturen und Streichungen ein außerordentliches Entzifferungsproblem, ganz zu schweigen von den erforderlichen Sprachkenntnissen und vom Problem des Nachrechnens mathematischer und logischer Beweise: Dies alles setzt eine langjährige Erfahrung voraus, um zu einem gesicherten Textbestand gelangen zu können. Nur wenige der Handschriften sind datiert, sodass einer chronologischen Ausgabe handfeste Datierungsprobleme entgegenstehen; keineswegs sind für alle 2.500 Wasserzeichen, die sich auf den Papieren des Nachlasses finden, auch datierte Stücke vorhanden, die eine zweifelsfreie Einordnung ermöglichen würden. Die Datierung erfordert darum eine Kenntnis der Namen und Werktitel einschließlich ihrer Umschreibungen sowie einen Überblick auch über Texte, die scheinbar einem ganz anderen disziplinären Bereich angehören, weil für das Leibniz’sche Werk gilt, was er in der Monadenlehre metaphysisch entfaltet: Alles hängt mit allem zusammen! Schließlich stellt sich ein Auswahlproblem, denn in vielen Fällen trachtet Leibniz in immer neuen Anläufen und in immer neuen Varianten einer Fragestellung auf befriedigende Weise nahezukommen. Was ist hiervon in den Variantenapparat aufzunehmen, was kann (und muss) um einer Begrenzung der Edition willen ausgelassen werden?

Auf dem eben skizzierten Hintergrund mag verständlich werden, wieso die Editionsgeschichte des Leibniz’schen Werkes so überaus langwierig und vielschichtig ist, warum mehr als eine Edition an unüberwindlichen fachlichen Grenzen scheiterte und warum gerade eine Leibniz-Edition stärker als andere bis in jüngste Zeit von politischen Rahmenbedingungen abhängig gewesen ist. Dies sei an der Vorgeschichte der Akademie-Ausgabe bis zum Ersten Weltkrieg verdeutlicht.

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2. VOM EINZELEDITOR ZUM AKADEMIEVORHABEN Diderot stand mit seinem Anliegen nicht allein; doch neben Einzelausgaben aus dem Nachlass – so eine von Leibniz bereits vorbereitete Sammlung sprachwissenschaftlicher Texte, die Collectanea etymologica durch Johann Georg Eckhart (1717), so die Herausgabe der Monadologie durch Heinrich Köhler (1720) und der Nouveaux Essais mit einigen weiteren Schriften durch Rudolf Erich Raspe (1765), ergänzt von einer vierbändigen Briefausgabe durch Christian Kortholt (1734–42) – kam es erst 1768 zu einer Werkausgabe durch Louis Dutens, in der er alle ihm erreichbaren publizierten Texte Leibnizens zusammentrug.5 Das aber war alles weit entfernt von einer Sichtung und Aufbereitung des Nachlasses, über den wohl Leibniz selbst schon die Übersicht verloren hatte. So galten diesem Nachlass die editorischen Bemühungen des 19. Jahrhunderts, beginnend mit der Ausgabe von Johann E. Erdmann (1839/40). Doch diese fand in Gottschalk E. Guhrauer, Leibniz-Biograph und Editor zweier Bände Deutsche Schriften (1838–40), selbst Mitglied der Preußischen Akademie, sehr schnell einen Kritiker. Am 21. Juni 1840 schreibt Leopold von Ranke an Heinrich Ritter: „Guhrauer ist mit der Erdmannschen Ausgabe Leibnitzischer Werke unzufrieden und beabsichtigt eine neue monumentale Ausgabe – denn so drückt er sich aus – selbst zu veranstalten. Monumental soll heißen: zugleich kritisch, vollständig und splendid. […] Seine Meinung ist eigentlich, von der Akademie empfohlen zu werden. […] Die Akademie kann ihre Theilnahme an einem solchen Unternehmen natürlich nicht verweigern […]. Doch ist noch nichts beschlossen, ja sogar noch kein eigentlicher Antrag geschehen.“6

Guhrauer selbst hatte den Vorschlag am 2. April 1840 in einer Generalsitzung der Preußischen Akademie vorgelegt, aber seine Anregung blieb folgenlos; der Historiker Günther Scheel vermutet, die Forderung nach einer Leibniz-Gesamtausgabe „hatte keine Chance, verwirklicht zu werden, da Hannover der Berliner Akademie aus politischen Gründen kaum den Nachlaß zur Verfügung gestellt hätte“7. Bei der von Onno Klopp geplanten Ausgabe geschah gerade das Umgekehrte; nach dem 11. Band der Reihe I (Briefe) verweigerte der preußische Staat, dem nun das Königreich Hannover 5

6 7

Für eine (fast) vollständige Bibliographie der Leibniz-Editionen bis ca. 1935 vgl. É. Ravier: Bibliographie des œuvres de Leibniz, Paris 1937, Nachdr. Hildesheim 1966. – Zu einigen der hier genannten Editionen vgl. die Beiträge in: A. Heinekamp (Hrsg.): Beiträge zur Wirkungsund Rezeptionsgeschichte von G. W. Leibniz (= Studia Leibnitiana, Supplementa 26), Stuttgart 1986, insbesondere A. Heinekamp: „Louis Dutens und seine Ausgabe der Opera omnia von Leibniz“ (S. 1–28); H.-J. Hess: „Karl Immanuel Gerhardt. Ein großer Leibniz-Editor“ (S. 29–64), G. Utermöhlen: „Leibniz’ Schriften im politischen Spannungsfeld von Reichsgründung und Kulturkampf: die Edition Onno Klopps“ (S. 65–78). – Eine materialreiche Untersuchung, die auch geplante, aber nie erschienene Ausgaben berücksichtigt, ist vorgelegt worden von D. Döring: „Leibniz-Editionen in Leipzig. Der Druck der Schriften und Briefe von G. W. Leibniz in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts“, in: Leipziger Kalender 1998, hrsg. von der Stadt Leipzig. Der Oberbürgermeister. Stadtarchiv, Leipzig 1998, S. 69–95. L. von Ranke: Zur eigenen Lebensgeschichte, hrsg. von A. Dove, Leipzig 1890, S. 313. G. Scheel: „Die Anfänge und das Wirken der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft“, in: 25 Jahre Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft, Hannover 1992, S. 11–24, hier S. 14.

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zugehörte, den weiteren Zugang zu den Manuskripten!8 Als der Historiker Georg Heinrich Pertz, später auch ein Mitglied der Preußischen Akademie, als Bibliothekar in Hannover 1843 eine eigene Ausgabe in Angriff nahm, scheiterte dieses Unternehmen nach 4 Bänden an der ungeordneten Stofffülle. Dennoch kam es zu Editionen, die heute noch in Ermangelung von Besserem herangezogen werden, so die je 7 Bände umfassenden Œuvres (1859–75) von Louis A. Foucher de Careil, die Mathematischen Schriften (1849–63) durch Carl Immanuel Gerhardt, sowie die Philosophischen Schriften (1875–80) ebenfalls durch Gerhardt – auch er korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie, welche die Ausgabe lobend erwähnt.9 Wie einseitig indes diese Werkausgaben in ihrer Auswahl waren und wie unzureichend in philologischer Hinsicht, wurde spätestens 1903 klar, als Louis Couturat eine Sammlung logischer Schriften als Opuscules et fragments inédits vorlegte und damit ein gegenüber der metaphysischen Deutung des 19. Jahrhunderts völlig neues Leibnizbild untermauerte, wie es gleichzeitig von Bertrand Russell und Ernst Cassirer entworfen worden war. Etwas später – 1906 – gab Ernst Gerland Schriften zur Physik und Technik heraus; und früher schon hatte Carl Haas (1860) Texte zur Theologie ediert. Damit war an der Schwelle zum 20. Jahrhundert dreierlei deutlich geworden: – – –

Es bedurfte einer philologisch-kritischen Ausgabe. Diese Ausgabe verlangte Fachwissenschaftler, denn allein sie würden in der Lage sein, die nachgelassenen Texte überhaupt zu verstehen. Eine umfassende chronologische Ausgabe erforderte aber vorab einen Gesamtüberblick über alle noch verfügbaren Leibniz-Handschriften, nicht nur bezogen auf Hannover, wo Eduard Bodemann 1895 einen systematischen Aufriss vorgelegt hatte. 3. ERSTE PLÄNE EINER AKADEMIE-AUSGABE: PARIS UND BERLIN

So kommt es 1901 auf der ersten Sitzung der neugegründeten Association Internationale des Académies zu einem förmlichen Antrag, eine chronologische und philologisch-historisch befriedigende Leibniz-Ausgabe in Angriff zu nehmen. Heinrich Schepers kennzeichnet das Anliegen treffend so: „Man stellte sich 1907, im Zuge des Historismus, die Aufgabe, das Lebenswerk von Leibniz entwicklungsgeschichtlich zu präsentieren und hätte es am liebsten zu einem einheitlichen, streng chronologisch angeordneten Ganzen zusammengefasst.“10

8 G. Utermöhlen: „La correspondance de Leibniz et son édition dans les ‚Sämtliche Schriften und Briefe‘“, in: Revue de Synthèse 97 (1976), S. 95–106, hier S. 101. 9 Öffentliche Sitzung 3. Juli 1890, Bericht E. Zeller, in: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, XXXIX, Berlin 1890, S. 774 f. 10 H. Schepers: „Die Leibniz-Ausgabe“, in: W. Jaeschke u. a. (Hrsg.): Buchstabe und Geist. Zur Überlieferung und Edition philosophischer Texte, Hamburg 1987, S. 71–81, hier S. 73 f.

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Mit der Vorbereitung einer solchen wissenschaftlich fundierten und vollständigen Edition wurden die Académie des sciences, die Académie des sciences morales et politiques und die Preußische Akademie der Wissenschaften beauftragt. Erstes Ziel sollte es hierbei sein, europaweit eine Erhebung durchzuführen, um einen Überblick über die Handschriftenbestände zu gewinnen. Die Pariser Seite betraute als Direktoren Henri Poincaré und Émile Boutroux hiermit, die Preußische Akademie setzte eine Kommission ein, der u. a. Hermann Diels, Wilhelm Dilthey, Adolf von Harnack und Max Planck angehörten.11 Diese Namen sprechen für sich, sollten sie doch den wissenschaftlichen Standard und die herausragende Bedeutung der geplanten Ausgabe unterstreichen. Aufgrund der Umfrage entstand allein bis 1903 ein handgeschriebener Katalog von „75000 Zettel[n] in Folio“, der heute als „Ritter-Katalog“ bezeichnet wird. Er sollte die aufgefundenen Bestände in eine erste chronologische Abfolge bringen, um nachfolgend eine systematische Ordnung zu ermöglichen.12 Von dem Plan, den Katalog in 10 Bänden zu je etwa 1.000 Seiten zu publizieren, wurde aus Kostengründen Abstand genommen; nur zwei Faszikel erschienen in kleiner Auflage, einer termingerecht 1908 in Berlin als Lithographie der handschriftlichen Aufzeichnungen Paul Ritters, ein zweiter, von Albert Rivaud herausgegeben und um der besseren Lesbarkeit willen typengesetzt, mit erheblicher Verzögerung 1924 in Poitiers.13 Wegen der Bedeutung, die dem Ritter-Katalog immer noch und in Zukunft für die Editionsarbeit zukommt, sei auf ihn näher eingegangen. Bis heute wird er anhand von Kopien weitergeführt und ergänzt; damit bildet er nach wie vor die Grundlage der Editionsarbeit. Ritter war so vorgegangen, dass er zunächst einen FundorteKatalog erstellte, der für die Manuskripte in Hannover der Bodemann’schen Einteilung in thematische Gruppen von Faszikeln und Blattnummern folgt. Ein Text, der sich näher bestimmen ließ – etwa in der zeitlichen Einordnung, im Inhalt und/oder in Bezug auf einen anderen Autor – erhielt eine Nummer, heute als „Ritter-Nummer“ bezeichnet. Ein Beispiel zeigt Abb. 1 auf der folgenden Seite. Zugleich wurden für diese nummerierten Texte je eine Einzelkarte für den eigentlichen „Ritter-Katalog“ angefertigt; diese Karte gibt nähere Auskunft über das Manuskript; vielfach werden auch vermutete Bezüge benannt (vgl. Abb. 2). Damit ist eine geradezu gigantische und bewundernswerte Erschließungsarbeit geleistet. Doch Ritter weiß zugleich um den vielfach hypothetischen Charakter der Datierungen, vermuteten Bezüge und Textzusammenhänge, weil manche Manuskriptteile auseinandergerissen, andere wieder unzutreffend als zusammengehörig abgelegt worden waren. Er hat darum eine Arbeitsanweisung für die Editoren verfasst, die sowohl den Anspruch als auch die Grenzen dieses Werkzeugs deutlich vor Augen führt: 11 Öffentliche Sitzung vom 3. Juli 1907, Bericht von W. v. Waldeyer, in: Sitzungsberichte 1907, XXXIII, S. 619. Zur vorausgegangenen Phase vgl. auch: É. Boutroux: „Projet d’un édition integrale des Oeuvres de Leibniz“, in: Journal des Savants NS 1, 3 (1903), S. 172–179. 12 Sitzungsberichte 1907, XXXIII, S. 620 f. 13 P. Ritter u. a.: Kritischer Katalog der Leibniz-Handschriften, H. 1, Berlin 1908; sowie A. Rivaud: Catalogue critique des manuscrits de Leibniz, fasc. II, mars 1672 – novembre 1676, Poitiers 1924.

Abb. 1: Fundorte-Katalog (Foto: Stephan Waldhoff). Erläuterung: Oben und linke Spalte: Bibliothekssignatur. Zweite Spalte: Ritter-Nummer (von Ritter selbst vergeben die Nummern zu Bl. 281–283 und 289–290 mit inhaltlichen Angaben in der dritten Spalte; die anderen Nummern sind spätere Ergänzungen).

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Abb. 2: Ritter-Katalog: Ritter-Nr. K 7088 (nicht von Ritter vergeben) (Foto: Stephan Waldhoff). Typische Eintragungen: vorläufige Datierung, Handschrift (Leibniz), Kurzinhalt (Auszug aus Laur. Valla), Form (Konzept, Zettel, 1 Seite, eigenhändig), Text-Anfang, Bibliothekssignatur, bisherige Druckorte. – Anmerkung: Gedruckt in A VI, 4 N. 433 mit der Datierung „Herbst 1677 bis Sommer 1680 (?)“, also in der Edition 20 Jahre früher angesetzt als im Ritter-Katalog vermutet.

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„§ 3. Als Grundlage für die Fertigstellung der einzelnen Stücke, die ein Mitarbeiter zu untersuchen hat, d. h. für die Ermittlung ihres Bestandes, ihrer Fundorte, ihrer Verfasser, Adressen, Daten und Beziehungen, dient der kritische Katalog der Leibniz-Handschriften, der in den Jahren 1903–04 von den Herren Ritter und Kabitz für die allgemeinen, politischen, historischen und philosophischen Schriften und Briefe hergestellt, und dann, nach dem Ausscheiden der französischen Akademien, von den Herren Ritter und Hochstetter auch für die mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Briefe nachgeholt worden ist. […] Indessen kann nach dem Zweck und der Entstehung eines solchen Kataloges von etwa 60 000 Zetteln nicht erwartet werden, daß seine Angaben überall vollständig, richtig und genau seien. In dieser Hinsicht hat vielmehr jeder Mitarbeiter alle ihn angehenden Angaben sorgfältig zu prüfen, zu ergänzen und zu berichtigen, und er bleibt auch für diesen Teil seiner Arbeit schließlich allein verantwortlich.“14

Diese Anweisung gilt bis heute, auch wenn die Edition an vier Stellen – in Berlin, Potsdam, Münster und Hannover – weitergeführt wird (was nicht garantiert, dass Ergänzungen tatsächlich in allen drei Katalog-Kopien ihren Platz finden). Darüber hinaus ist der Katalog digitalisiert, doch nicht alle hypothetischen Notizen finden sich dort wieder; vor allem seine Vorläufigkeit kommt darin nicht zum Ausdruck. Der Ritter-Katalog ist deshalb als unverzichtbares Editionswerkzeug zu verstehen, das jedoch nur bedingt der allgemeinen Leibniz-Forschung dient. Zurück in die Frühzeit der Editionsplanung: Immerhin führten die Vorarbeiten 1907 zu einem Beschluss der Association, die beteiligten Akademien mit der Edition zu beauftragen. Im Bericht über die Öffentliche Sitzung der Preußischen Akademie vom 4. Juli 1907 heißt es: „Die drei Akademien werden nun als sogenannte autonome Kommissionen der Assoziation der Akademien selbständig weiter arbeiten und haben sich schon über folgenden Arbeitsplan geeinigt: Die beiden Pariser Akademien übernehmen die Leitung für die Herausgabe der mathematischen, erkenntnistheoretischen, logischen, naturwissenschaftlichen, medizinischen, juristischen und naturrechtlichen Schriften. Die Berliner Akademie besorgt die Herausgabe der politischen, staats- und volkswirtschaftlichen, der historischen und philologischen Schriften einschließlich der ethnologisch-geologischen Protogaea, sowie der Schriften, welche sich auf die Organisation der wissenschaftlichen Arbeit in gelehrten Gesellschaften und anderen Anstalten beziehen, endlich die der gesamten Briefe und Denkschriften. Eine Bestimmung über die Herausgabe der metaphysischen und theologischen Schriften wird später getroffen und bekanntgegeben werden. Ungeachtet dieser Trennung bleibt die Arbeit eine gemeinsame, so dass unter französischer Leitung deutsche, unter deutscher französische Arbeiter mitwirken werden. […] Mit der speziellen Leitung sind betraut worden französischerseits Hr. RIVAUD, deutscherseits Hr. RITTER. Man hofft, bis 1911 die drei ersten Bände und in 30 bis 40 Jahren das ganze Werk fertigzustellen.“15

Schon 1906 hatte die Berliner Akademie den französischen Akademien zu Händen von Boutroux „Vorschläge“ für die Gesamtausgabe übersandt, die den historischen Leitgedanken für den Gesamtplan betonen: „Diejenigen Gebiete des Schaffens und Lebens von Leibniz, die innere Einheit bilden, dürfen nicht getrennt werden“. Hochstetter deutet dies als eine eindeutige Absage an die rein chronologische Anordnung

14 P. Ritter: „Einteilung und Einrichtung der Ausgabe“, § 3. 15 Sitzungsberichte 1907, XXXIII, S. 622.

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der Schriftedition zugunsten inhaltlicher Zusammenhänge.16 So war es nicht das historische Leitbild, sondern ein durch Couturat beeinflusstes Werturteil, dass, wie Hochstetter betont, „die erkenntnistheoretischen und logischen Schriften die wichtigsten sind. In ihrem eigentümlichen Zusammenhang untereinander und mit den mathematischen von Leibniz stellen sie das aktuelle unserer Unternehmung dar“. Mit diesen Problemen hatte die Ausgabe von nun an stets zu kämpfen, denn wenn auch Benno Erdmann 1922 den für Leibniz völlig fremden Begriff der „erkenntnistheoretischen“ Schriften ausmerzte, so bedeutet doch jede Gliederung nach Sachgesichtspunkten die Auflösung einer Einheit, die Leibniz in all seinem Wirken stets gesehen hat, während ein Verzicht auf eine solche Gliederung zu einer derart undurchdringlichen Masse geführt hätte, dass gerade dieser Zusammenhang verschüttet worden wäre. Zwei Jahre nach den Strukturierungsplänen heißt es im Bericht über die LeibnizAusgabe in der Öffentlichen Sitzung vom 23. Januar 1908, das Werk werde rund 50 Quartbände umfassen.17 Dabei wurde, um überhaupt Bände vorlegen zu können, wohl entgegen der ursprünglichen Intention auf einen philologisch-kritischen Apparat zu Gunsten eines bloßen Personenverzeichnisses verzichtet. Dennoch bedeuteten die Zahlenangaben reinen Zweckoptimismus; im Sitzungsbericht von 1915 liest man über die „Interakademische LEIBNIZ-Ausgabe“: „Der erste Band der Briefe und Denkschriften sollte Ende 1914 erscheinen. Aber der Ausbruch des Krieges hat es unmöglich gemacht, die Korrektur des bereits vollständig gesetzten Brieftextes und die Redaktion des kritischen Apparates zu Ende zu führen.“18

Dieser Band wurde nie veröffentlicht. 4. NACH DEM ERSTEN WELTKRIEG: DIE LEIBNIZ-EDITION ALS EINE DEUTSCHE AUFGABE War der Plan einer deutsch-französischen Leibniz-Edition ein Politikum, so galt dies auf andere Weise für den Neubeginn nach dem Ersten Weltkrieg. Lothar Berthold, der als Leiter des Verlages der Akademie der Wissenschaften der DDR wesentlich für den Druck der Leibniz-Ausgabe zuständig war, verweist in diesem Zusammenhang auf ein „Material vom 28. März 1919, das mit dem Satz beginnt: ‚Für die Friedensverhandlungen erlaubt sich die Pr. Akademie der Wissenschaften auf folgende Punkte aufmerksam zu machen‘“. In ihm lesen wir: „2.) Was die in Gemeinschaft mit der Pariser Akademie begonnene Leibniz-Ausgabe betrifft, so legen wir ein besonderes Gutachten bei und bemerken, daß es an sich erwünscht erscheint, wenn die Leibniz-Ausgabe nicht mehr mit der Pariser Akademie zusammen erarbeitet zu werden braucht, da dies zu Schwierigkeiten und zu einer für die Preußische Akademie unvorteilhaften Verteilung des Arbeitspensums geführt hat. Unsere Akademie ist entschlossen, auf 16 E. Hochstetter: „Zur Geschichte der Leibniz-Ausgabe“, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 20 (1966), S. 651–658, hier S. 652. 17 Bericht von M. Lenz, „Interakademische Leibniz-Ausgabe“, in: Sitzungsberichte 1908, S. 93. 18 Bericht von B. Erdmann, in: Sitzungsberichte 1915, 2. Halbband, S. 91.

Die Frühphase der Leibniz-Edition

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alle Fälle die Leibniz-Ausgabe zustande zu bringen, und wird, selbst wenn die Französischen Akademien uns nichts von ihrem Material abtreten, doch imstande sein, falls ihr die Mittel dazu von der Regierung weiter bewilligt werden, eine monumentale und würdige Ausgabe des Werkes ihres Stifters herzustellen.“19

Die damit sichtbar werdende Auffassung sollte sich durchsetzen: Trotz eines Verweises auf die beiden Sitzungsberichte von 1907 und 1908 erfährt der ursprüngliche Plan im Bericht vom 27. Januar 1921 in der Generalversammlung der Preußischen Akademie eine ganz und gar negative Deutung.20 Es wird zum Ausdruck gebracht, –







dass die deutsche Seite feste Verlagsverträge vor dem Kriege abgeschlossen hatte – während (was nicht eigens gesagt wird) die französische Seite dieser vertraglichen Vereinbarung nicht nachgekommen war; dass die französische Seite bei der Umfrage in Europa sich mit dem negativen Bescheid Italiens zufrieden gegeben habe, obwohl dort sicherlich eine Durchforschung einen ähnlichen Erfolg zeigen würde wie jene, die die Preußische Akademie in Österreich, Dänemark und Schweden vorzuweisen habe; dass die von deutscher Seite „vorgenommene Ermittlung der Papiersorten, die Leibniz benützt hat, sowie die seiner von uns festgestellten Schreib- und Hilfskräfte zu wertvollen Ergebnissen“ geführt hätten21 – womit implizit gesagt ist, dass die Franzosen es an vergleichbarer Gründlichkeit haben fehlen lassen, denn schon 1902 hätten die französischen Akademien die Vorschläge der Preußischen Akademie „nur mit wesentlichen Einschränkungen angenommen“, weshalb „daraufhin bis 1904 viel Unzulängliches und Unzweckmäßiges versucht“ worden sei,22 dass die deutsche Seite den von ihr zu verantwortenden ersten Katalogteil „auf französischen Wunsch bereits 1908“ habe erscheinen lassen – im Gegensatz zum französischen Pendant: „So haben auch wir“, resümiert Erdmann, „die zeitraubende, kostspielige und schwerlich notwendige Veröffentlichung des Katalogs eingestellt“.23

Die einschneidendste Kritik aber gilt der alten Konzeption der Ausgabe in nur zwei Abteilungen, nämlich – wie erwähnt – Briefe und Denkschriften auf der einen, Werke in sieben Gruppen auf der anderen Seite, wobei seinerzeit schon „schwere Bedenken“ hinsichtlich der fehlenden Zuordnung der theologischen und metaphysischen Schriften erhoben worden seien. All dies führt nun, da „die Fäden der wissen-

19 L. Berthold: „Zur Verlagsgeschichte der historisch-kritischen Leibniz-Gesamtausgabe“, in: Leibniz – Tradition und Aktualität. V. Internationaler Leibniz-Kongreß, Vorträge, Bd. 2, Hannover 1988, S. 71–87, hier S. 76 f. 20 Bericht von B. Erdmann, in: Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1921, 1. Halbband, S. 116–123. 21 Ebd., S. 118. 22 Ebd., S. 119. 23 Ebd., S. 120.

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schaftlichen Zusammenarbeit […] auch für dieses Unternehmen zerrissen“ seien,24 zu einer völligen Neukonzeption: „Unsere Arbeit an der Ausgabe ist nur 1 ½ Jahre durch die Einberufung von Hrn. RITTER zum Heeresdienst unterbrochen worden. Auch der Druck des ersten Briefwechselbandes, dessen Text bereits gesetzt war, musste stillgelegt werden. Aber nach der Rückkehr Hrn. RITTERS und insbesondere seit dem uns aufgezwungenen Friedensschluß ist die Arbeit an der Ausgabe mit allen erreichbaren Kräften und der Assistenz des Hrn. HOCHSTETTER weiter gefördert worden. Damit war eine Entscheidung in die Wege geleitet, welche die Not der Zeit uns aufnötigte, sollte nicht die ganze 20jährige Arbeit um nichts geschehen sein, die Aufgabe nicht aufs Neue auf unabsehbare Zeit vertagt und dann noch einmal von vorn begonnen werden müsse. Nach wiederholten Besprechungen des Vorsitzenden der Kommission mit Hrn. RITTER und daraufhin einstimmig gefaßtem Kommissionsbeschluß soll die gesamte LeibnizAusgabe nunmehr ausschließlich von unserer Akademie durchgeführt werden. Innere Gründe bereiten diesem Unternehmen keine Hindernisse. Die bisher von den französischen Akademien geleistete Arbeit besteht der Hauptsache nach in der für den Zettelkatalog der LeibnizHandschriften aufgenommenen Beschreibung der juristischen, logischen, mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Bestandstücke des LEIBNIZ-Nachlasses, die zu einem erheblichen Teil im Laufe der letzten Jahre auch von uns aufgenommen werden mußten. Der immerhin beträchtliche Rest kann ebenfalls von uns aufgenommen werden, sobald es wiederum angeht, daß wir längere Zeit in Hannover arbeiten können. Und er muß von uns zu Kontrollzwecken in jedem Falle aufgenommen werden. An unveröffentlichten und bisher, weil in Hannover nicht vertreten, unbekannten LEIBNIZ-Briefen sind nur ein Dutzend in Frankreich und 19 in England zu suchen. Ihr Fehlen würde jedoch, falls es keine Mittel geben sollte, Abschriften von ihnen zu erlangen, aller Voraussicht nach die sachliche Vollständigkeit der Ausgabe nicht berühren. Nur in Italien erwarten wir trotz des negativen Ergebnisses der französischen Umfrage noch manches zu finden, und wir hoffen, dass hier die Sperre für Untersuchungen an Ort und Stelle in absehbarer Zeit aufgehoben werden wird.“25

Nach der Behandlung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, vor der sich die Ausgabe gestellt sieht, schließt der Bericht: „Die Arbeit nicht in dieser Weise fortführen, hieße an uns selbst verzweifeln. Dazu aber hat in diesen schwersten Zeiten unseres Volkes die Wissenschaft am wenigsten ein Recht. [… Wir] dürfen an dieser akademischen Aufgabe, einer Ehrenschuld nicht nur an dem Gründer unserer Akademie, sondern an dem geistigen Leben unseres Volkes überhaupt, nicht irre werden. Und wir werden nicht irre werden, es komme, was da wolle.“26

Wolfgang Schlicker fasst dies 1975 in seinem Bericht über die Arbeit der Berliner Akademie der Wissenschaften lapidar zusammen: „Die Akademie nahm die wissenschaftspolitischen Konsequenzen des Versailler Systems [!] und den Wissenschaftsboykott zum Anlaß, um die Weiterführung der Leibniz-Ausgabe von diesem Jahre an in ihre alleinige Regie zu nehmen.“27

Die Leibniz-Ausgabe wird damit zu einem Anliegen deutscher Identitätsfindung nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches. Obgleich immer noch große Namen der 24 25 26 27

Ebd., S. 120 f. Ebd., S. 121. Ebd., S. 123. Die Berliner Akademie der Wissenschaften in der Zeit des Imperialismus, Teil II, verfaßt von W. Schlicker, Berlin 1975, S. 184.

Die Frühphase der Leibniz-Edition

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Leibniz-Kommission Gewicht verleihen, sind es doch nun die Editoren Paul Ritter und Erich Hochstetter, die in den Vordergrund treten. Die bloß zwei Abteilungen der ursprünglich geplanten Edition erfahren eine Differenzierung in Reihen, die unter Hinzufügung von Reihe VIII bis heute maßgeblich geblieben ist: – – – – – – – –

I: Allgemeiner, historischer und politischer Briefwechsel II: Philosophischer Briefwechsel III: Mathematischer, naturwissenschaftlicher und technischer Briefwechsel IV: Politische Schriften V: Historische Schriften inklusive Sprachwissenschaften VI: Philosophische Schriften VII: Mathematische Schriften VIII: Naturwissenschaftliche, medizinische und technische Schriften

In einem Punkte allerdings hielt man beim Neubeginn nach dem Ersten Weltkrieg an der alten Konzeption fest, nämlich am Verzicht auf einen kritischen Apparat, um schneller zu vorzeigbaren Resultaten gelangen zu können. So wurde der Akademie schon 1923 der erste Band in der neuen Konzeption vorgelegt; aus wirtschaftlichen Gründen musste allerdings die Publikation bis 1924, bis zum Ende der Inflation, verschoben werden.28 Bis 1938 sollten auf diese Weise insgesamt 6 Bände erscheinen.29 Dass es überhaupt möglich war, trotz einer neuen Gliederung in so kurzer Zeit einen ersten Band vorzulegen, war dank der Vorarbeiten Ritters in Gestalt des RitterKatalogs möglich. So wirken die in der Frühphase der Edition gesetzten Meilensteine und Wegmarken fruchtbar bis heute fort, dem Jahr der Veröffentlichung des fünfzigsten Bandes jener Ausgabe, deren Fehlen Diderot so bitter beklagt und Deutschland zum Vorwurf gemacht hatte. Doch immer noch stehen etwa 70 Bände aus – es bedarf weiter des Engagements der alle Hochachtung verdienenden Editoren. Doch ebenso braucht es die nachdrückliche Unterstützung durch die Akademien und die ihnen vorgeordneten Kommissionen, denn: „Es hat wohl kein Mensch soviel gelesen und studiert, mehr nachgedacht und geschrieben als Leibniz. […] Es ist schon unerhört, dass Deutschland, dem dieser Mensch allein mehr Ehre eingebracht hat als Platon, Aristoteles und Archimedes zusammen Griechenland einbringen konnten, es noch nicht fertig gebracht hat, das zu publizieren, was aus seiner Feder geflossen ist.“

28 Bericht von H. Maier, in: Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1924, Philosophisch-historische Klasse, S. LXIII. 29 Von 1924 bis 1932 erschienen 5 Bände beim Otto Reichl Verlag Darmstadt, 1938 ein weiterer im Verlag F. A. Köhler in Leipzig, der den Reichl Verlag ersteigert hatte. Auf die besonderen Schwierigkeiten mit dem Verlag und auf den Verlagswechsel soll hier nicht eingegangen werden, obgleich jeder Wechsel solcher Art immer mit organisatorischen Schwierigkeiten und zeitlichen Verzögerungen im Druck verbunden ist. Vgl. hierzu Berthold, S. 78–83.

Jens Thiel (Berlin)

IN DER GRAUZONE DES KULTURGUTRAUBS – DIE LEIBNIZ-EDITION UND DIE AKQUISE VON LEIBNITIANA IM ZWEITEN WELTKRIEG 1. VORBEMERKUNGEN „In Belgien und Frankreich erstreckten sich meine Nachforschungen auf die Register und Kataloge, sowie die Bestände der Handschriftenabteilungen der einzelnen Bibliotheken. Ich arbeitete vor allem an der Brüsseler Bibliothèque Nationale Royale sowie an der Pariser Bibliothèque nationale. In Belgien waren Leibniz-Materialien außerhalb von Brüssel nicht festzustellen; in Frankreich wurden die gesamten in Frage stehenden Leibniz-Materialien in Paris bearbeitet. Ich wurde den leitenden belgischen und französischen Beamten durch Vermittlung des Archivschutzes und des Bibliotheksschutzes vorgestellt und fand bei meinen Arbeiten von Seiten der belgischen und französischen Behörden überall das größtmögliche Entgegenkommen. […] Besonderes Entgegenkommen fand ich bei all meinen Nachsuchungen bei dem kommissarischen Generaladministrator der Pariser Bibliothèque nationale, Herr Professor Faÿ. Durch diesen wurde ich auf das Vorhandensein der einzigartigen Sammlung der Auktionskataloge von Autographen aus dem Besitz des Herrn Seymour de Ricci hingewiesen, die den Zeitraum seit 1820 für das deutsche, französische, englisch-amerikanische und italienische Sprachgebiet fast lückenlos umfasst. Herr Seymour ist Jude; er wollte seine Sammlung der Bibliothèque nationale schenken, erlitt aber im letzten Jahr, kurz vor Vollzug der Übereignung einen Nervenzusammenbruch und befindet sich heute in einer Heilanstalt. Sein Vermögen befindet sich unter Sequester. Wie ich von Herrn Faÿ höre, wird die Bibliothèque nationale die Katalogsammlung alsbald als Eigentum erhalten und nach einigen Monaten in ihren Räumen aufstellen. Es ist von größter Wichtigkeit, daß diese Sammlung zu einem geeigneten späteren Zeitpunkt sorgfältig durchgearbeitet wird.“1

Diese Sätze stammen aus einem längeren Bericht, den Joseph Ehrenfried Hofmann, Mathematikhistoriker und seit Oktober 1939 Leiter der Leibniz-Ausgabe,2 am 1

2

Leibniz-Kommission, Leiter der Ausgabe (J. E. Hofmann) an den Präsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Th. Vahlen): Tätigkeitsbericht Professor Hofmann über die Dienstreisen nach Brüssel und Paris (25.11.–18.12.1940, 15.1.–1.3.1941), 4.3.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 189, unpag. Zur Biographie Hofmanns: Joseph Ehrenfried Hofmann zum 70. Geburtstag, hrsg. vom Mathematischen Seminar der Universität Gießen, Gießen 1971; M. Folkerts: „Joseph Ehrenfried Hofmann †“, in: Sudhoffs Archiv 57, 3 (1973), S. 227–230, sowie dessen Erinnerungen: J. E. Hofmann: „Vier Jahrzehnte im Ringen um mathematikgeschichtliche Zusammenhänge“, in: B. Sticker/K. Vogel (Hrsg.): Wege zur Wissenschaftsgeschichte. Lebenserinnerungen von Franz Hammer, Joseph E. Hofmann, Adolf Meyer-Abich, Martin Plessner, Hans Schimank, Johannes Steudel und Kurt Vogel, Wiesbaden 1969, S. 25–37.

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Jens Thiel

4. März 1941 an Theodor Vahlen schrieb, den 1939 kommissarisch eingesetzten Präsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Vahlen hatte seit 1939 auch den Vorsitz der Leibniz-Kommission übernommen und die Leibniz-Ausgabe zur Chefsache gemacht.3 Was Hofmann Vahlen hier in nüchterner Diktion berichtete, berührt einen durchaus brisanten Themenkomplex. Angesprochen ist der nationalsozialistische Kulturgutraub, mit dem Hofmann und andere Mitarbeiter der Leibniz-Edition im ‚Dritten Reich‘, besonders aber in den Jahren des Zweiten Weltkrieges, in direkte Berührung kamen. Sie bewegten sich dabei in einer Grauzone, in der die Übergänge von einer normalen, auch zu Friedenszeiten und unter nicht-diktatorischen Bedingungen üblichen Akquise benötigter Dokumente und Materialien zum Kulturgutraub der Nationalsozialisten in seinen verschiedenen Ausformungen fließend geworden waren. Lassen sich die Aktivitäten der Leibniz-Edition im Zweiten Weltkrieg aber tatsächlich, um die Frage zuzuspitzen, in einem Atemzug mit dem Kunst- und Kulturgutraub der Nationalsozialisten nennen? Um diese Frage zu beantworten und die dabei aufscheinenden Ambivalenzen differenziert auszuleuchten, wird zunächst die Suche nach Leibnitiana vor Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 skizziert. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen jedoch die Aktivitäten der Mitarbeiter der Leibniz-Edition der Preußischen Akademie der Wissenschaften zur Beschaffung von Leibniz-Materialien nach 1939, also unter den Bedingungen von Krieg und nationalsozialistischer Besatzungsherrschaft. Dabei wird der Akquise von Leibnitiana im besetzten europäischen Ausland, insbesondere in Frankreich, Belgien und in den Niederlanden sowie in Polen, im Baltikum und in der Sowjetunion besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich wird im Fazit noch einmal zur Ausgangsfrage zurückgekehrt, also danach gefragt, ob und in welchem Maße die Leibniz-Edition und die für sie Verantwortlichen in den nationalsozialistischen Kulturgutraub einbezogen waren.4 Die Ausführungen stützen sich auf die Auswertung der umfangreichen Überlieferung der Leibniz-Kommission und der Leibniz-Ausgabe im Archiv der BerlinBrandenburgischen Wissenschaften, auf die gedruckten Berichte über ihre Tätigkeit in den Sitzungsberichten und Jahrbüchern der damaligen Preußischen Akademie der Wissenschaften, auf Unterlagen in anderen Archiven sowie auf die inzwischen reichhaltige Literatur zum Kunst- und Kulturgutraub im Nationalsozialismus und zur Besatzungspolitik der von den Nationalsozialisten besetzten Länder und Gebiete im Zweiten Weltkrieg.5 3 4

5

Siehe etwa den deutlichen Hinweis in: Th. Vahlen: „Bericht über den augenblicklichen Stand der Arbeiten in der Leibniz-Ausgabe (für die erste Sitzung der neuen Leibniz-Kommission am 18.1.1940)“, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 188, unpag. Vgl. dazu auch die Ausführungen in J. Thiel: „Leibniz-Tag, Leibniz-Medaille, Leibniz-Kommission, Leibniz-Ausgabe. Die Preußische Akademie der Wissenschaften und ihr Ahnherr im ,Dritten Reich‘“, in: W. Li/H. Rudolph (Hrsg.): „Leibniz“ in der Zeit des Nationalsozialismus (= Studia Leibnitiana, Sonderhefte 42), Stuttgart 2012, S. 41–73. Vgl. aus der inzwischen umfangreichen Literatur zu diesem Thema, vor allem mit Blick auf die hier besonders interessierenden Aktivitäten in Frankreich, Polen und der Sowjetunion, etwa: A. Heuss: Kunst- und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000; R. Ray: Annäherung an Frankreich im

In der Grauzone des Kulturgutraubs

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2. DIE SUCHE NACH LEIBNITIANA VOR 1939 Im Jahre 1901 hatte die kurz zuvor gegründete Internationale Assoziation der Akademien die Preußische Akademie der Wissenschaften und zwei französische Akademien – die Académie des sciences und die Académie des sciences morales et politiques in Paris mit der historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke von Gottfried Wilhelm Leibniz beauftragt. Das Großunternehmen sollte, allen bestehenden nationalen Unterschieden und Konkurrenzen zum Trotz, Teil einer kooperierenden internationalen Gelehrtenrepublik sein. Dieses Ideal scheiterte bekanntlich spätestens im Ersten Weltkrieg. Auch in den Jahrzehnten danach erfüllte der internationale und bilaterale Wissenschaftsbetrieb zwischen Deutschland und Frankreich diesen Anspruch nur in einem geringen Maße. Die gemeinsame LeibnizAusgabe wurde ein Opfer des ‚Kriegs der Geister‘ zwischen 1914 und 1918. Nach Kriegsende entschloss sich die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin, die Gesamtausgabe ihres Ahnherrn und ersten Präses im Alleingang zu bewerkstelligen.6

6

Dienste Hitlers. Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930–1942, München 2000, S. 340–374; M. Kröger/R. Thimme: „Das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes im Zweiten Weltkrieg“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 47, 2 (1999), S. 243–264, bes. S. 246– 250; U. Pfeil: „Archivraub und historische Deutungsmacht. Ein anderer Blick in die deutsche Besatzungspolitik in Frankreich“, in: Francia 33 (2006), S. 163–194; E. Conze u. a. (Hrsg.): Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 42010, bes. S. 214–220, sowie W. Treue: „Zum nationalsozialistischen Kunstraub in Frankreich. Der ‚Bargatzky-Bericht‘. Eine Dokumentation“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 13, 3 (1965), S. 285–337. Zur Geschichte der Leibniz-Edition vgl. etwa: E. Hochstetter: „Zur Geschichte der LeibnizAusgabe“, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 20, 3/4 (1966), S. 651–658; E. Knobloch: „Leibniz und die Herausgabe seines wissenschaftlichen Nachlasses“, in: Jahrbuch. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1988, Berlin – New York 1989, S. 475–483; ders.: „Die Kunst, Leibniz herauszugeben“, in: Spektrum der Wissenschaft 9 (2011), S. 48–57, H. Schepers: „Zur Geschichte und Situation der Akademie-Ausgabe von Gottfried Wilhelm Leibniz“, in: K. Nowak/H. Poser (Hrsg.): Wissenschaft und Weltgestaltung. Internationales Symposium zum 350. Geburtstag von Gottfried Wilhelm Leibniz vom 9. bis 11. April 1996 in Leipzig, Hildesheim u. a. 1999, S. 291–298; H. Poser: „Langzeitvorhaben der Akademie. Die Geschichte der Leibniz-Edition zwischen Kaiserreich und geteiltem Deutschland“, in: W. Fischer u. a. (Hrsg.): Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914–1945, Berlin 2000, S. 375–389; S. Lorenz: „‚Auferstehung eines Leibes, dessen Glieder wunderbahrlich herum verstreuet sind‘. Leibniz-Renaissancen und ihre editorischen Reflexe“, in: A. Sell (Hrsg.): Editionen. Wandel und Wirkung, Tübingen 2007, S. 65–92; M. Folkerts: „Die Leibniz-Edition zwischen Wissenschaft und Politik. Zur Geschichte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Reihen“, in: H. Hecht u. a. (Hrsg.): Kosmos und Zahl. Beiträge zur Mathematik- und Astronomiegeschichte, zu Alexander von Humboldt und Leibniz, Stuttgart 2008, S. 23–45; sowie als unveröffentlichtes Manuskript: P. Ritter: „Gedanken zur Geschichte der Leibniz-Ausgabe 1901– 1939“, 7.12.1939, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, Leibniz-Kommission, 6, Bl. 6–13. Zur Editionsgeschichte und den verlegerischen Verwerfungen im Zusammenhang mit der Leibniz-Ausgabe siehe auch: T. Seng: Weltanschauung als verlegerische Aufgabe. Der Otto Reichl Verlag 1909–1954. Mit einer Bibliographie der Verlage von Otto Reichl und der Deutschen

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Die systematische Erfassung, Erschließung und Katalogisierung von Nachlässen, Korrespondenzen, Manuskripten und anderen mit Leibniz in direktem Zusammenhang stehenden Materialien und Dokumenten in öffentlichen und privaten Archiven, Bibliotheken und Sammlungen gehörten naturgemäß zu den ersten und vordringlichsten Aufgaben für die Mitarbeiter der Leibniz-Ausgabe. In den Anfangsjahren war es vor allem Paul Ritter, der erste und langjährige Leiter der Edition, der mit einem enormen Kraft- und Zeitaufwand das über Kataloge zugängliche und in Frage kommende Material nachwies und erschloss. Nach und nach übernahmen diese Arbeiten Hilfskräfte vor Ort, Bandbearbeiter oder speziell dafür beauftragte Wissenschaftler, die sich im Ausland aufhielten. Das in der Berliner Arbeitsstelle vorliegende Material aus dem In- und Ausland – vor allem Fotokopien, Abschriften und nur in seltenen Ausnahmefällen zeitweise auch Originale – war 1939, zum Zeitpunkt, als Joseph Ehrenfried Hofmann die Leitung der Leibniz-Ausgabe übernahm, keineswegs vollständig erfasst oder vorhanden. Lediglich aus Italien und teilweise aus England, so jedenfalls bilanzierte Hofmann den bisherigen Stand, war das betreffende Material – in Fotokopie – „hereingeholt“ oder „sichergestellt“ worden.7 Vor allem für die nun mit Nachdruck in Angriff genommene Edition der naturwissenschaftlich-mathematischen Reihen der Edition benötigten die Herausgeber und Mitarbeiter jedoch dringend die dafür notwendigen Dokumente. Ihre Bearbeitung war unter Hofmann und Vahlen ausdrücklich zur vordringlichsten Aufgabe erklärt worden. Diese Neuorientierung hatte verschiedene Gründe, von denen schließlich zwei den Ausschlag gaben: Zum einen war die Edition der naturwissenschaftlich-mathematischen Schriften und Briefe im Vergleich zu den anderen Reihen bislang tatsächlich vernachlässigt worden. Zum anderen hatte die Hinwendung insbesondere zu den mathematischen Schriften Leibnizens einen dezidiert politischen und wissenschaftspolitischen Hintergrund. Ihre möglichst rasche Veröffentlichung sollte eine lang diskutierte Frage klären. Ganz im Sinne der nationalsozialistischen Wissenschaftspropaganda sollte die Edition einschlägiger Dokumente, so die mehrfach erklärte Absicht, die Beweislage im Prioritätenstreit – die Frage also, ob Newton oder Leibniz der Ruhm zukäme, die Infinitesimalrechnung entwickelt zu haben – entscheidend zugunsten des Letzteren verbessern und damit den seit langem schwelenden Streit entscheiden.8 Eine solche Wendung im Prioritätenstreit wäre, so die Annahme, einem Prestigegewinn des nationalsozialistischen Deutschlands insbesondere gegenüber England gleichgekommen, der weit über den engeren mathematikhistorischen Zusammenhang hinaus von Bedeutung gewesen wäre. Eine entsprechende Veröffentlichung hätte entscheidend dazu beitragen können, die

7 8

Bibliothek, St. Goar 1994, S. 277–328; sowie G. Leaman: „Continuities/Discontinuities in the Work on the Leibniz-Ausgabe before and after 1933“, in: Li/Rudolph, S. 75–86. J. E. Hofmann: „Bericht über den gegenwärtigen Stand und die geplante Weiterführung der Leibniz-Ausgabe“, 18.3.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 188, unpag. Vgl. Thiel: „Leibniz-Tag“, S. 61. Zum Prioritätenstreit: J. O. Fleckenstein: Der Prioritätenstreit zwischen Leibniz und Newton, Basel – Stuttgart 1956; J. E. Hofmann: Leibniz in Paris. His Growth to Mathematical Maturity, London 1974; A. R. Hall: Philosophers at War. The Querel between Newton and Leibniz, Cambridge 1981.

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inzwischen verblasste „Weltgeltung“ der deutschen Wissenschaft9 mit (wissenschafts-)historischen Argumenten erneut unter Beweis zu stellen. Den in Frankreich vermuteten und aufbewahrten Dokumenten aus Leibnizens Pariser Zeit fiel daher eine besondere Rolle zu. Ihre Auffindung, Auswertung und möglichst rasche und offensive Ausstellung hatten also – um im Bilde zu bleiben – für die weitere Arbeit an der Leibniz-Ausgabe oberste Priorität. Von Anfang an also war Frankreich das Land, in dessen Archiven und Bibliotheken die Mitarbeiter der Edition bevorzugt nach Leibnitiana suchten oder suchen ließen. Schon Mitte der 1920er hatte die Preußische Akademie Bernhard Groethuysen, der bereits für ihre Dilthey-Ausgabe gearbeitet hatte, regelmäßig damit beauftragt, in französischen Bibliotheken, Archiven und Sammlungen gezielt nach Leibnitiana zu suchen. Insbesondere nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933, der zu einer Verschlechterung des deutsch-französischen Verhältnisses führte, erwies sich die Mitarbeit dieses vielseitigen Intellektuellen – eines Grenzgängers und Vermittlers zwischen deutscher und französischer Kultur par excellence10 – als ausgesprochen hilfreich. Groethuysen recherchierte bis Kriegsbeginn 1939 auch in belgischen und englischen Archiven und Bibliotheken, etwa in Brüssel, London, Cambridge oder Oxford. Gerade in England, wo er auch die Royal Society aufsuchte,11 begegnete man deutschen Forschern inzwischen mit besonders großem Misstrauen. Groethuysen, diesen Schluss lassen jedenfalls seine regelmäßigen Berichte an die Leibniz-Kommission erkennen, hat durch seine persönliche Integrität hier manches zu Gunsten der Leibniz-Edition ausrichten können, was Forschern mit einem anderen Hintergrund und politischer Nähe zum Nationalsozialismus nicht möglich gewesen wäre.12 Die Suche nach Leibnitiana im faschistischen Italien oblag ab 1937 im Wesentlichen Anneliese Maier, der Tochter des Philosophen Heinrich Maier, der die 9 Zum Topos der ‚Weltgeltung der deutschen Wissenschaft‘ siehe etwa den Abschnitt I: „Von der Weltgeltung zur Not der deutschen Wissenschaft, 1900–1930?“ (mit Beiträgen von J. John, S. Paletschek, S. Flachowsky und G. Metzler), in: M. Grüttner u. a. (Hrsg.): Gebrochene Wissenschaftskulturen. Universität und Politik im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010, S. 20–140. 10 Zu Biographie und Werk Groethuysens vgl. etwa: H.-M. Lohmann: „Geschichte und Geschichten. Zu Bernhard Groethuysens ideologiehistorischen Frankreich-Studien“, in: J. Sieß (Hrsg.): Vermittler. H. Mann, Benjamin, Groethuysen, Kojève, Szondi, Heidegger in Frankreich, Goldmann, Sieburg, Frankfurt a. M. 1981, S. 59–74; ders.: „Der Philosoph bei den Dichtern. Bernhard Groethuysens Fragmente einer literarischen Anthropologie“, in: Ebd., S. 75– 104; K. Große Kracht: Zwischen Berlin und Paris: Bernhard Groethuysen (1880–1946). Eine intellektuelle Biographie, Tübingen 2002 (insbes. S. 136–148), sowie zusätzlich zur Exilzeit: M. Staub: „Bürgerlichkeit im Exil. Bernhard Groethuysen und Hans Baron“, in: H. Lehmann/ G. Oexle (Hrsg.): Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, Bd. 2: Leitbegriffe – Deutungsmuster – Paradigmenkämpfe, Göttingen 2004, S. 351–374. 11 B. Groethuysen an P. Ritter, 17.3.1933, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 58, Bl. 137 f. 12 Zu Groethuysens Recherchetätigkeit für die Leibniz-Ausgabe siehe die Hinweise in den editorischen Bemerkungen in: A II, 1, XXXVII bzw. XLV, sowie in den Akten von LeibnizKommission und Leibniz-Ausgabe, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 38, 58, 59, sowie ebd., II-VIII, 176, 177, 185 und 186.

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Leibniz-Kommission der Akademie bis zu seinem Tode 1933 geleitet hatte. Seit 1936 hatte Anneliese Maier, die Philosophie, Physik und Mathematik studiert hatte, als „wissenschaftliche Hilfsarbeiterin“ in der Berliner Arbeitsstelle der LeibnizAusgabe gearbeitet, war dann aber dauerhaft nach Rom gewechselt, wo sie als DFGStipendiatin am Kaiser-Wilhelm-Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften – der vormaligen Bibliotheca Hertziana – wirkte. Als Beauftragte der Akademie durchforstete sie die in Frage kommenden Bestände der einschlägigen Bibliotheken und Archive in fast allen wichtigen italienischen Universitätsstädten und im Vatikan.13 Bei auftretenden technisch-organisatorischen Problemen schaltete die Berliner Akademie sogar gelegentlich den italienischen Kultusminister Giuseppe Bottai ein, zu dem die Akademie gute Beziehungen unterhielt.14 Bis zum Sturz Mussolinis und der Besetzung Italiens durch deutsche Truppen 1943 traten bei den Recherchen Anneliese Maiers keine größeren Probleme auf; danach wurden sie kriegs- und umständebedingt eingestellt. Als weitgehend normal, auch während des Zweiten Weltkrieges, lässt sich die Suche nach Dokumenten für die Leibniz-Ausgabe in den neutralen Ländern, also in Schweden und Finnland, sowie – zumindest bis zur Besetzung des Landes im April 1940 – in Dänemark bezeichnen. Hier beschränkten sich die Aktivitäten für die Leibniz-Ausgabe allerdings ohnehin in der Regel nur auf Anfragen und Bitten, einzelne Schriftstücke fotokopieren zu lassen. Auch hier traten keine erkennbaren Schwierigkeiten auf.15 3. DIE BESCHAFFUNG VON LEIBNITIANA NACH 1939 Das mit Abstand wichtigste Land für die Erfassung – oder, wie es in der Korrespondenz schon bald in schöner Regelmäßigkeit und militärisch knapper Diktion hei13 Vgl. vor allem die Unterlagen und Hinweise in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 39, 65 und 72, sowie in: Ebd., PAW, II-VIII, 178 und 179. Zu Biographie und Werk von Anneliese Maier siehe: A. Vogt: „Von Berlin nach Rom – Anneliese Maier (1905–1971)“, in: M. Schalenberg/P. Th. Walther (Hrsg.): „… immer im Forschen bleiben“. Rüdiger vom Bruch zum 60. Geburtstag, Stuttgart 2004, S. 391–414; dies.: „Anneliese Maier and her contribution to the history of science“, in: M. Kokowski (Hrsg.): The Global and the Local. The History of Science and the Cultural Integration of Europe (Proceedings of the 2nd ICESHS, Cracow, Poland, September 6–9, 2006), online: http://www.2iceshs.cyfronet.pl/2ICESHS_Proceedings/ Chapter_18/R-10_Vogt.pdf (01.04.2012), S. 567–571; dies.: „Anneliese Maier und Liselotte Richter. Zwei Wissenschaftlerinnen in der Leibniz-Edition der Preußischen Akademie der Wissenschaften“, in: Li/Rudolph, S. 87–104. Siehe auch den Hinweis auf eine mögliche Zuwahl Bottais zum Korrespondierenden Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften in: P. Th. Walther: „‚Arisierung‘, Nazifizierung und Militarisierung. Die Akademie im ‚Dritten Reich‘“, in: Fischer u. a., S. 87–118, hier S. 99. 14 Siehe etwa die Hinweise in der Korrespondenz zwischen A. Maier und H. Scheel zwischen November 1940 und Januar 1941, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 179, unpag. 15 Zu den Aktivitäten im Zusammenhang mit Recherchen für die Leibniz-Ausgabe in Finnland, Dänemark und Schweden siehe die Hinweise in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, sowie in: Ebd., PAW, II-VIII, 178 und 179.

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ßen sollte – das „Hereinholen“16 von Leibnitiana blieb auch nach 1939 Frankreich. Nachdem Bernhard Groethuysen seine Recherchen für die Leibniz-Ausgabe Ende der 1930er Jahre eingestellt hatte – 1938 hatte ihm das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) die Lehrbefugnis entzogen und den Professorentitel aberkannt – war die Suche vorübergehend unterbrochen gewesen. Zur zeitweiligen Einstellung der Recherchen in Frankreich hatte aber neben dem Ausfall Groethuysens auch die Neuorganisation der Arbeiten an der Leibniz-Ausgabe 1939/40 beigetragen. Erst nach dem deutschen Sieg über Frankreich im Juni 1940 rückten die dortigen Leibnitiana, von denen man in Berlin wusste oder zumindest vermutete, dass sie sich dort befanden, wieder in den Fokus der Planungen von Vahlen und Hofmann. Mit der Besetzung Frankreichs bot sich ihnen die fast sprichwörtlich „günstige Gelegenheit“,17 direkt auf die französischen Archive, Bibliotheken und Sammlungen, in deren Beständen sich Leibniz-Dokumente befanden, zugreifen zu können. Vor dem Hintergrund der bereits geschilderten Auseinandersetzungen im Prioritätenstreit hatte diese Suche weiterhin Priorität, ging es doch um nichts weniger als um politische und wissenschaftspolitische Deutungshoheiten. Im Oktober 1940 etablierten die deutschen Besatzer eine Militärverwaltung, die Dienststellen des sog. ‚Militärbefehlshabers Frankreich‘ (MBF), in dessen Befehlsbereich das gesamte besetzte Land – mit Ausnahme zweier nordfranzösischer Departements – fiel. Der unbesetzte Teil – das sog. ‚Vichy-Frankreich‘ stand zwar auch unter direktem deutschem Einfluss, war jedoch der administrativen Zuständigkeit des MBF weitgehend entzogen. Das sollte die spätere Suche nach Leibnitiana erschweren, aber nicht unmöglich machen. Doch schon vor Bildung des MBF im Herbst 1940 war die Preußische Akademie in Sachen Leibnitiana in Frankreich aktiv geworden – und hatte sich fürs Erste blamiert. Als die Preußische Staatsbibliothek im August 1940 in einem Rundschreiben die einschlägigen Institutionen aufforderte, Vorschläge zu unterbreiten, welche Dokumente auf eine zu erstellende „Rückforderungsliste“ an Frankreich gesetzt werden sollten, witterte sie eine Chance, an begehrtes Leibniz-Material aus Frankreich zu gelangen. Der Orientalist und Akademiedirektor Hellmuth Scheel, der die Geschäfte der Akademie führte und bald auch immer größeren Einfluss auf ihre wissenschaftlichen Aktivitäten zu erlangen suchte, meldete umgehend den Briefwechsel zwischen Leibniz und dem katholischen Theologen Bartholomäus des Bosses als mögliches ‚Rückführungsgut‘ an. Scheel glaubte, dass diese Korrespondenz ein Opfer des

16 Siehe etwa: J. E. Hofmann an den Präsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Th. Vahlen), 6.1.1941, in: Ebd., 179, unpag.; J. E. Hofmann an K. Müller, 27.6.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, Bl. 41/20; J. E. Hofmann an den Präsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Th. Vahlen), 23.7.1941, in: Ebd., Leibniz-Kommission, 74, unpag. (weiteres Exemplar auch in: Ebd., PAW, II-VIII, 188, unpag.). 17 Zur Diskussion der „günstigen Gelegenheit“ in Kriegszeiten: C. Roolf: „Eine ‚günstige Gelegenheit‘? Deutsche Wissenschaftler im besetzten Belgien während des Ersten Weltkrieges (1914–1918)“, in: M. Berg/J. Thiel/P. Th. Walther (Hrsg.): Mit Feder und Schwert. Militär und Wissenschaft – Wissenschaftler und Krieg, Stuttgart 2009, S. 137–154.

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napoleonischen Kunstraubs geworden sei.18 Obwohl die in Frage kommenden Briefe der Leibniz-Kommission in Berlin als Fotokopie vorlagen und eine Einsicht in die Originale nicht mehr zwingend notwendig gewesen wäre, empfahl Scheel die „Besitzverhältnisse sehr genau zu prüfen“ und herauszufinden, auf welchem Wege die Dokumente nach Paris gekommen seien.19 Sollte sich herausstellen, so Scheel, dass es sich „um ursprünglich deutschen Besitz“ handeln würde, sollten die Originale zurück nach Deutschland transferiert werden, am „zweckmäßigsten“, so sein Vorschlag, in die Kölner Stadtbibliothek.20 Schon nach allerersten Recherchen und einem „zufällig[em]“ (sic!) Fund im Vorwort der ‚Dutens‘-Ausgabe von 1768 musste die Akademie einige Monate später jedoch kleinlaut einräumen, dass die Korrespondenz bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ganz legal aus der Kölner Jesuitenbibliothek nach Frankreich gelangt sei, so dass es keine Veranlassung gab, an dem lange zurückliegenden Transfer der Dokumente nach Frankreich irgendetwas zu beanstanden.21 Joseph Ehrenfried Hofmann, der Leiter der Leibniz-Edition, nahm die LeibnizRecherche in Frankreich ab Sommer 1940 als eine zentrale Aufgabe der Edition selbst in die Hand. Unter keinen Umständen wollte er die vermutlich nicht wiederkehrende Chance des exklusiven Zugriffs auf die französischen Leibnitiana ungenutzt verstreichen lassen. In den überlieferten Berichten und Schriftwechseln ist genau das ein regelmäßig wiederkehrendes Thema. Mahnungen, alles zu tun, um die Suche möglichst zu beschleunigen und abzuschließen, da man nicht wisse, wie lange diese günstigen Voraussetzungen noch andauern würden, finden sich in vielen der Briefe zwischen der Akademie, den Editionsmitarbeitern und den verantwortlichen Besatzungsbehörden in Frankreich.22 Es käme darauf an, den „Kessel im Kochen“ zu halten, so lange die Bedingungen so günstig waren.23 Ebenso 18 Zum napoleonischen Kunstraub: B. Savoy: Kunstraub: Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen. Mit einem Katalog der Kunstwerke aus deutschen Sammlungen im Musée Napoléon, Wien u. a. 2011; zur „Rückführung der Napoleonischen Beute“ auch den entsprechenden Abschnitt in Heuss: Kunst- und Kulturgutraub, S. 251–283. 19 Entwurf eines Schreibens für H. Scheel zum Rundschreiben des Generaldirektors der Preußischen Staatsbibliothek, undatiert (August 1940), in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 59, unpag. 20 H. Scheel an den Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, 12.8.1940, in: Ebd., PAW, II-VIII, 178, unpag. Vgl. auch die weiteren Hinweise in: Ebd., 178 und 189. Eine Edition der Korrespondenz zwischen Leibniz und Des Bosses liegt inzwischen vor: G. W. Leibniz: Der Briefwechsel mit Bartholomäus des Bosses, übers., hrsg. und mit einer Einleitung, Anmerkungen und Register vers. von C. Zehetner, Hamburg 2007. 21 H. Scheel an den Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek, 12.8.1940 (zum Rundschreiben vom 10.7.1940), in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 178, unpag.; sowie: H. Scheel: „Ergänzung zum Rundschreiben des Generaldirektors der Preußischen Staatsbibliothek“, 2.11.1940, in: Ebd., Leibniz-Kommission, 59, unpag. (mit dem Hinweis auf Dutens 1, XVIII; hier auch das Zitat). 22 Siehe aus den verschiedenen Belegstellen in den Korrespondenzen zwischen den an der Leibniz-Edition Beteiligten und den Dienststellen in Frankreich etwa: G. Schnath an J. E. Hofmann, 10.3.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 189, unpag. 23 Ebd.

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deutlich wie salopp sprachen die Beteiligten in diesem Zusammenhang intern sogar vom „einheimsen“.24 Entsprechende Wunschlisten mit Prioritäten, welche der Dokumente zuerst und vordringlich benötigt würden, wurden aufgestellt und versucht, diese gleich vor Ort abzuarbeiten. Hofmann selbst behielt sich vor, persönlich nach Paris und Brüssel zu reisen. Zweimal weilte er für mehrere Wochen in der französischen Hauptstadt. Intensiv arbeitete er sich dort – in erster Linie in der Pariser Nationalbibliothek und im Nationalarchiv – durch die ihm zur Verfügung gestellten Kataloge und Buchbestände. Er fertigte selbst eine Reihe von Abschriften an, ließ aber vor allem mehrere hundert Fotokopien der Dokumente herstellen. Über seine beiden Reisen im November/Dezember 1940 und im Januar/Februar 1941 liegen mehrere detaillierte Berichte, Briefe, Listen und andere Aufzeichnungen vor.25 Hofmanns Hauptansprechpartner in der Dienststelle des ‚Militärbefehlshabers Frankreich‘ war der Hannoveraner Staatsarchivdirektor und Landeshistoriker Georg Schnath, der Leiter der dortigen ‚Gruppe Archivschutz‘.26 Aus Sicht Hofmanns und der Akademie war diese personelle Konstellation ein Glücksfall, denn Schnath, mit dem er intensiv korrespondierte, hatte in der Angelegenheit selbst Blut geleckt; sich aus landeshistorischem Interesse heraus auch schon zuvor für Leibniz interes-

24 G. Schnath an J. E. Hofmann, 29.8.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, Bl. 41/29. 25 Vgl. die Unterlagen vor allem in: Ebd., 42, 59 und 65 (Frankreich), sowie verstreute Hinweise in anderen Akten der Leibniz-Kommission und der Leibniz-Ausgabe, etwa in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 178, 185 und 189. Siehe auch die Hinweise auf die Aktivitäten zur Suche nach Leibnitiana in: C. Grau/W. Schlicker/L. Zeil: Die Berliner Akademie der Wissenschaften in der Zeit des Imperialismus, Teil III: Die Jahre der faschistischen Diktatur 1933 bis 1945, Berlin 1979, S. 288–291, bes. S. 291. 26 Biographisch zu Schnath: W. R. Röhrbein: „Schnath, Georg“, in: D. Böttcher u. a. (Hrsg.): Hannoversches biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart, Hannover 2002, S. 319; T. Vogtherr: „Beobachtungen zur Biographie von Georg Schnath (1898–1989)“, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 81 (2009), S. 405–424 sowie die Hinweise auf Schnath in: M. Martens: Erfundene Tradition? Die Gründung des Instituts für Historische Landesforschung an der Universität Göttingen, Bielefeld 2008. Zur Tätigkeit von G. Schnath und der Pariser Gruppe Archivschutz der Aktenkontrollkommission Jagow ausführlich: Pfeil, bes. S. 173–187. Die Ergebnisse der Archivarbeiten Schnaths im besetzten Frankreich flossen wesentlich – bittere Ironie der Geschichte – in ein erst 1986 vom Bundesarchiv veröffentlichtes, umfangreiches und bis heute genutztes Quelleninventar ein: Inventar von Quellen zur deutschen Geschichte in Pariser Archiven und Bibliotheken, bearb. von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von G. Schnath, hrsg. von W. H. Stein, Koblenz 1986 (darin bes.: G. Schnath: „Zur Entstehungsgeschichte des Pariser Inventars. Persönliche Bemerkungen und Erinnerungen“, in: Ebd., S. XIX–XXV; sowie: W. H. Stein: „Die Inventarisierung von Quellen zur deutschen Geschichte. Eine Aufgabe der deutschen Archivverwaltung in den besetzten europäischen Ländern im Zweiten Weltkrieg“, in: Ebd., S. XXVII–LXVII). Bereits im Juni 1941 hatte Schnath übrigens Hofmann gegenüber prophezeit: „Unser Inventarwerk, welches ja ganz unabhängig von der großen Rückforderungsliste einen sicher bleibenden Ertrag unseres Einsatzes darstellt, gedeiht prächtig und wird sicher der deutschen Forschung in französischen Archiven noch einmal gute Dienste leisten“ (G. Schnath an J. E. Hofmann, 17.6. 1941, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, Bl. 41/17).

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siert.27 Schnath machte sich daher nach seiner Dienstzeit und ohne ein Honorar dafür zu verlangen selbst auf die Suche nach Leibnitiana in den Pariser Bibliotheken und Sammlungen. Bis mindestens Mitte 1943 suchte er auf Bitten von Hofmann und aus eigener Initiative heraus gezielt nach entsprechenden Dokumenten. Regelmäßig berichtete er Hofmann von seinen Erfolgen oder Misserfolgen. Schnath informierte Hofmann aber auch über dienstliche Interna, die für die Recherchen von Belang waren, so vor allem über Veränderungen bei den Zugriffsmöglichkeiten auf französische Archive und Bibliotheken. Und er half zudem, was angesichts der zum Teil unübersichtlichen Zuständigkeiten nicht unwichtig war, bei der Vermittlung von Kontakten zu anderen deutschen Dienststellen, die in Sachen Kunst- und Kulturgutschutz oder -raub in Paris und Frankreich aktiv waren. Das waren zum Beispiel das Sonderkommando Künsberg und die Aktenkontrollkommission Jagow, die im Auftrag des Auswärtigen Amtes solche französischen Akten sicherstellen und anschließend nach Berlin verbringen sollten, die im Zusammenhang mit dem Versailler Friedensvertrag und der sog. Kriegsschulddebatte um den Ausbruch des Ersten Weltkrieges standen.28 Bei diesen Einrichtungen handelte es sich – sehr viel deutlicher als bei der Dienststelle von Schnath – um Institutionen, die eindeutig dem Bereich Kulturgutraub zuzuordnen sind. Hofmanns Bemühungen, persönlichen Zugang zu den für die Leibniz-Edition relevanten Beständen im Archiv des französischen Außenministeriums am Quai d’Orsay zu bekommen, blieben trotz wiederholter Anfragen lange erfolglos. Als das Auswärtige Amt die zwischenzeitlich ausgelagerten und inzwischen ins französische Außenministerium zurückverlagerten Aktenbestände ab 10. Juli 1941 „deutschen Forschern“ zugänglich machte,29 kam diese Entscheidung für Hofmanns Suche schon zu spät. Obwohl er plante, möglichst bald wieder in Paris zu recherchieren,30 sollte Hofmann während der Kriegszeit nicht mehr nach Frankreich zurückkehren. Besonders wichtige Suchaufträge in Paris übernahm Schnath; andere, insbesondere außerhalb der Hauptstadt, wurden mit dessen Hilfe auf, wie es hieß, „innerfranzösischem Wege“ für Hofmann und die Leibniz-Edition beschafft.31 Besonders brisant waren Hofmanns Aktivitäten im besetzten Frankreich mit Blick auf den gewünschten Zugriff auf Leibnitiana, die sich im Besitz jüdischer 27 Schnath pflegte schon mit Hofmanns Vorgänger Paul Ritter brieflichen Kontakt, etwa über Leibnizens Pariser Zeit. Siehe die verstreuten Briefe in: Ebd., 42 (etwa: G. Schnath an P. Ritter, 24.11.1937, in: Ebd., Bl. 37/43). 28 Siehe dazu: Heuss: Kunst- und Kulturgutraub, S. 285–293; Pfeil; Kröger/Thimme, sowie: Conze u. a., S. 214–220. Zur Kriegsschulddebatte der Zwischenkriegszeit siehe etwa: W. Jäger: Historische Forschung und politische Kultur in Deutschland. Die Debatte 1914–1980 über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, Göttingen 1984. 29 G. Schnath an J. E. Hofmann, 17.6.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, Bl. 41/17. 30 Siehe etwa: J. E. Hofmann an E. Wermke, 31.5.1941, in: Ebd., Bl. 41/10. 31 Vgl. die Berichte Hofmanns über seine Tätigkeit in Paris, v. a.: J. E. Hofmann an den Präsidenten der PAW (Th. Vahlen), 20.12.1940 (Tätigkeitsbericht über die Dienstreise nach Paris, 25.11. bis 18.12.1940); sowie: J. E. Hofmann an den MBF, Verwaltungsstab, Gruppe 4, 28.2. 1941 (Tätigkeitsbericht Hofmann, 25.11.–17.12.1940, 20.1.–28.2.1941), in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 189, unpag.

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Eigentümer befanden. Es handelte sich konkret um Leibniz-Dokumente in den berühmten Sammlungen des Barons Henri de Rothschild und des Kunsthistorikers Seymour Montefiore Robert Rosso de Ricci. Zu beiden Privatkollektionen hatte die deutsche Militärverwaltung in Paris keinen direkten Zugriff. Jüdisches Vermögen stand generell unter der Kontrolle und Aufsicht der zuständigen SS-Dienststellen. Hofmann musste sich in dieser Angelegenheit zunächst – und er tat dies auch ohne zu zögern – direkt mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) in Verbindung setzen, der berüchtigsten unter den nationalsozialistischen Kunst- und Kulturrauborganisationen. Vom ERR erfuhr Hofmann, dass die unter anderem gesuchten Briefe Leibnizens an den französischen Bischof und Theologen Jacques-Bénigne Bossuet, die er in der ‚Collection‘ Henri de Rothschilds vermutete, tatsächlich noch Bestandteil dieser Sammlung waren. Die gesamte Sammlung Rothschild befände sich aber, so die Auskunft des ERR, unter dem Schutz der amerikanischen Botschaft. Sie sei versiegelt und somit den deutschen Dienststellen nicht zugänglich. Auf eine erneute Nachfrage erfuhr Hofmann, dass sich die „Collection Bossuet aus der Rotschild’schen Schenkung“ inzwischen zwar im Besitz der Pariser Bibliothèque nationale befände, aber noch nicht in die dortigen Kataloge eingearbeitet sei. Da die Sammlung aber ins Schloss Castelnau, also ins unbesetzte Südfrankreich – das gleichwohl unter deutschem Einfluss stand – verbracht worden sei und „infolge von Transportschwierigkeiten“ zunächst auch dort verbleiben müsse, blieb sie für Hofmann unzugänglich.32 Erst nach Kriegsende stand die Sammlung Rothschild, inzwischen katalogisiert,33 deutschen Leibnizforschern zur Verfügung.34 Auch der Zugriff auf Leibniz-Korrespondenz in der berühmten Autographensammlung von Seymour de Ricci blieb Hofmann in Paris verwehrt. Die reichhaltige Sammlung des Kunstsammlers und -historikers befand sich zum Zeitpunkt von Hofmanns Paris-Aufenthalten offenbar noch in dessen Privatwohnung35 und ging erst kurz vor oder kurz nach Seymours Tod 1942 in den Bestand der Bibliothèque nationale über.36 Hofmann hatte während seiner zweiten Paris-Reise Anfang 1941 aber immerhin Gelegenheit, einen ersten Blick in die Sammlung zu werfen und einige Auktionskataloge stichprobenartig durchsehen zu können. Für eine detaillierte Suche blieb ihm jedoch keine Zeit.37 32 Ebd. 33 Erste Verhandlungen zur Übernahme der Sammlung und Bibliothek durch die Pariser Nationalbibliothek hatten bereits 1933 stattgefunden. Sie waren aber bis zur deutschen Besetzung Frankreichs 1940 nicht zu einem Ende gekommen. Vgl. auch: J. Cain: „Préface“, in: J. Porcher: La Bibliothèque Henri de Rothschild. Livres précieux, manuscrits, dessins legués à la Bibliothèque Nationale, Paris 1949, S. I–IV. Zur Geschichte der Bibliothek siehe: Ebd., S. 11–22. 34 Vgl. etwa den Quellenverweis auf die ‚Collection Henri de Rothschild‘ in der Pariser Bibliothèque nationale in: A, I, 17 Nr. 408, 692. 35 Siehe den Hinweis in: Militärbefehlshaber Frankreich, Abt. V (E. Wermke) an Hofmann, 4.9. 1941, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, Bl. 41/40. 36 Ein anderer Teil der Sammlung seiner Dokumente, die Seymour de Ricci für seine „Bibliotheca Britannica Manuscripta“ zusammengestellt hatte und die später nach London gelangten, sind online abrufbar: http://sceti.library.upenn.edu/dericci/ (01.04.2012). 37 J. E. Hofmann an den MBF, Verwaltungsstab, Gruppe 4, 28.2.1941 (Tätigkeitsbericht Hofmann, 25.11.–17.12.1940, 20.1.–28.2.1941), in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 189, unpag.

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Die exklusive Vorabsichtung war Hofmann im Übrigen von Bernhard Faÿ ermöglicht worden, der im August 1940 auf Druck der deutschen Besatzungsbehörden von der Pétain-Regierung als ‚Administrateur générale‘ der Bibliothèque nationale eingesetzt worden war. Sein Vorgänger – und Nachfolger – als Direktor bzw. Generaladministrator der Pariser Nationalbibliothek, Julien Cain, der jüdischer Abstammung war, wurde im Februar 1941 verhaftet. Nach Aufenthalten in verschiedenen französischen Gefängnissen kam Cain Anfang 1944 schließlich in das Konzentrationslager Buchenwald, wo er im Frühjahr 1945 befreit wurde und nach Paris zurückkehrte.38 Bernhard Faÿ gehörte sicher zu den schillerndsten Figuren der französischen Kollaboration. Der renommierte französische Historiker am Collège de France war bis zum Zweiten Weltkrieg vor allem mit Veröffentlichungen zur amerikanischen Geschichte hervorgetreten, war aber auch über die mit ihm befreundete Gertrude Stein zu einem Kenner und Förderer der Avantegardekunst geworden. Neben seiner Tätigkeit als Direktor der Nationalbibliothek leitete der bekennende Antisemit Faÿ das ‚Centre d’action et de documentation‘, die Anti-Freimaurer-Behörde des VichyRegimes, für deren Dokumentationszwecke er unter anderem die Bestände der Nationalbibliothek gezielt auswertete. Aufgrund seiner Denunziationen und Zuarbeit für die französische Polizei und den Sicherheitsdienst (SD) der SS in Frankreich wurden zahlreiche französische Freimaurer verhaftet und in die deutschen Konzentrationslager deportiert. Nach der Befreiung von Paris im Sommer 1944 wurde Faÿ seines Amtes enthoben und 1946 wegen Kollaboration mit den deutschen Besatzungsbehörden zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. 1951 gelang ihm die Flucht in die Schweiz. Er fand zunächst in Lausanne Zuflucht, ehe er in Fribourg eine Professur für Geschichte der Landeskunde erhielt, die er jedoch aufgrund von studentischen Protesten wieder aufgeben musste. Erst nach seiner Begnadigung im Jahre 1959 kehrte Faÿ nach Frankreich zurück.39 Andere französische Wissenschaftler weigerten sich hingegen, Hofmann bei der Suche nach Leibnitiana in französischen Bibliotheken und Archiven zu unterstützen oder auf andere Weise behilflich zu sein. Zu ihnen gehörte vor allem der Pariser Philosoph Albert Rivaud, Mitglied der Académie des sciences morales et politiques und für kurze Zeit Bildungsminister in der ersten Pétain-Regierung.40 Auf 38 Zur Biographie von Cain siehe etwa: T. Kleindienst: „Julien Cain“, in: H.-J. Martin (Hrsg.): Histoire de l’édition française, Bd. 4, Paris 1986, S. 550 f. 39 Zu Biographie, Kollaboration und Flucht von Faÿ siehe: A. Compagnon: Les cas Bernhard Faÿ. Du Collège de France à l’indignité nationale, Paris 2009; sowie: B. Will: Unlikely Collaboration. Gertrude Stein, Bernhard Faÿ, and the Vichy Dilemma, New York 2011. 40 Vgl. J. E. Hofmann an die Deutsche Botschaft in Paris (K. Epting), 4.2.1941; REM (H. W. Frey) an Th. Vahlen (mit Abschriften des Schriftverkehrs mit dem Auswärtigen Amt, der Deutschen Botschaft in Paris, dem Deutschen Institut in Paris, dem französischen Außenministerium und einer Abschrift des Schreibens Rivauds vom 15.3.1941), in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 189, unpag.; sowie die Hinweise in der Korrespondenz und in den Tätigkeitsberichten Hofmanns 1940/41 in: Ebd. Zu Rivauds Rolle und Wirken während der deutschen Besatzung in Frankreich vgl. etwa die Hinweise in: L. Raphael: „Die Pariser Universität unter deutscher Besatzung 1940–1944“, in: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), S. 507–534. Zur Bedeutung Karl Eptings, dem Direktor des vom Auswärtigen Amt getragenen Deutschen Instituts in

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Rivauds Kooperationsbereitschaft hatte Hofmann besonderen Wert gelegt. Rivaud hatte sich nicht nur als Philosoph und Philosophiehistoriker einen Namen gemacht, einige Veröffentlichungen zur deutschen Philosophiegeschichte sowie zu Kultur und Gesellschaft des Nachbarlandes vorgelegt,41 sondern auch einschlägig zu Leibniz und zur Editionsgeschichte publiziert.42 Wichtig war für Hofmann aber vor allem, dass Rivaud vor dem Ersten Weltkrieg neben Maurice Halbwachs und Louis Devaillé zu denjenigen französischen Gelehrten gehört hatte, die im Zusammenhang mit dem gescheiterten Projekt einer gemeinsamen Leibniz-Edition der Akademien in Paris und Berlin mit der Katalogisierung und Registrierung von Leibniz-Dokumenten in Frankreich begonnen hatten. Rivauds Arbeitsergebnisse flossen in den ersten Band des geplanten Gesamtkatalogs, den „Ritter-Katalog“, ein; ein zweiter Band des Katalogs, der „Catalogue critique de manuscrits de Leibniz“, erschien später in Frankreich allein unter Rivauds Namen.43 Hofmann ging „nach deutscher Rechtsauffassung“ davon aus, dass die Leibniz-Materialien, die er bei Rivaud vermutete, insbesondere solche aus dem Institute de France, „nicht Eigentum des Bearbeiters, sondern Eigentum des Auftraggebers“ – also der beteiligten Akademien – seien. Dagegen stünde jedoch, wie er einräumte, „nach französischer Rechtsgewohnheit“ die Auffassung, dass die Bearbeitungen „mehr oder minder Eigentum des Bearbeiters“ seien.44 Auch deshalb sollte und konnte in dieser Sache nichts weiter unternommen werden. Aber auch mit Blick auf eine spätere Zusammenarbeit war Hofmann daran interessiert, dass „das Material gutwillig herausgegeben wird; denn wir sind mit Gewissheit zu einem späteren Zeitpunkt wiederum auf das Entgegenkommen der französischen Bibliotheken und Archive angewiesen“, wie es in einer Stellungnahme für die deutsche Botschaft in Paris hieß. Im Interesse einer späteren „wissen-

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Paris, für die deutsche Kulturpolitik im besetzten Frankreich, vor allem die in Paris, siehe die zahlreichen Hinweise in: E. Michels: Das Deutsche Institut in Paris 1940–1944. Ein Beitrag zu den deutsch-französischen Kulturbeziehungen und zur auswärtigen Kulturpolitik des Dritten Reiches, Stuttgart 1993; F.-R. Hausmann: „Auch im Krieg schweigen die Musen nicht“. Die Deutschen Wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg, Göttingen 2001, S. 100– 131; sowie: K. Engel: Deutsche Kulturpolitik im besetzten Paris 1940–1944, München 2003. Siehe neben kleineren Beiträgen und Vorworten etwa: A. Rivaud: Les Crises Allemandes, Paris 1932; ders.: Le Relèvement de l’Allemagne 1918–1938, Paris 1938 (31939). Siehe auch die Hinweise in: O. Argard: „Die Resonanz der deutschen zeitgenössischen Philosophie in den französischen philosophischen Zeitschriften zwischen 1933 und 1945, in: M. Heinz/G. Gretić (Hrsg.): Philosophischer Zeitgeist im Nationalsozialismus, Nürnberg 2006, S. 23–44, bes. S. 41. Etwa: A. Rivaud: „Textes inédits de Leibniz. Publiés de M. Ivan Jagodinsky“, in: Revue de Métaphysique et de Morale 22, 1 (1914), S. 94–120. Kritischer Katalog der Leibniz-Handschriften. Zur Vorbereitung der interakademischen LeibnizAusgabe. Unternommen von der Académie des sciences zu Paris, der Académie des sciences morales et politiques zu Paris und der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Im Verein mit Willy Kabitz, Albert Rivaud und Jules Sire bearbeitet von Paul Ritter, H. 1, Berlin 1908 [Manuskript], bzw. A. Rivaud: Catalogue critiques de manuscrits de Leibniz, fasc. II, mars 1672–novembre 1676, Paris 1924. Siehe dazu auch Poser, S. 379, und Lorenz, S. 84 f. J. E. Hofmann an die Deutsche Botschaft in Paris (K. Epting), in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 189, unpag.

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schaftlichen Zusammenarbeit“ sollte daher vermieden werden, „die Franzosen in der Leibniz-Sache vor den Kopf zu stoßen“.45 Trotz der insgesamt höchst ambivalenten Situation im besetzten Frankreich ist es wenig später in einem Falle doch noch zu einer bemerkenswerten Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der Preußischen Akademie und der Académie des sciences gekommen: Im September 1942 übersandte die französische Akademie der LeibnizKommission immerhin „vier photographische Plattenaufnahmen“ von Leibnitiana aus dem dortigen Akademiearchiv, darunter die eines Briefes von Leibniz aus dem Jahre 1700, in dem dieser sich für die Aufnahme in die Pariser Akademie bedankte.46 Im besetzten Belgien, das unter Verwaltung des Militärbefehlshabers Belgien und Nordfrankreich stand, suchte Hofmann im Januar 1941 ebenfalls nach Leibnitiana, hauptsächlich in den von ihm als „völlig unzureichend“ beschriebenen Katalogen der Brüsseler Bibliothèque Royale.47 In den seit Mai 1940 von deutschen Truppen besetzten Niederlanden begab sich 1941/42 der Germanist und Editionsmitarbeiter Kurt Müller – nach 1945 Leiter der Berliner Arbeitsstelle der Leibniz-Ausgabe und ab 1962 Leiter des Leibniz-Archivs in Hannover – auf die Suche nach LeibnizMaterialien. Müller arbeitete vor allem in der Universitätsbibliothek von Amsterdam und in der in ‚Nationalbibliothek‘ umbenannten früheren Koninklijken Bibliotheek in Den Haag, aber auch in kleineren Archiven und Bibliotheken sowie im Nachlass von Christiaan Huygens in Leiden. In Leiden half ihm der Herausgeber der HuygensAusgabe Johan Adriaan Vollgraff bei der Suche. Der angesehene Mathematik- und Wissenschaftshistoriker galt als besonders deutschfreundlich. Er hatte bereits im Ersten Weltkrieg an der von den Deutschen im besetzten Belgien zur ‚Flämischen Hochschule‘ umgewandelten Universität Gent gewirkt und war dafür in Abwesenheit in Belgien zu zwölf Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden.48 Ob die von Hofmann ebenfalls gewünschte Zusammenarbeit mit dem niederländischen Huygens-Spezialisten Eduard Jan Dijksterhuis zustande kam, über dessen politische Einstellung man sich in Berlin nicht im Klaren war, lässt sich aus den überlieferten Quellen nicht belegen.49 Insgesamt hatte Müller einige Probleme, geeignetes Personal zu finden, das ihm bei der Recherche und bei der Anfertigung der Fotokopien zur Hand ging. 45 E. Hofmann an die Deutsche Botschaft in Paris (K. Epting), 4.2.1941, in: Ebd. 46 Vgl. die Korrespondenz zwischen J. E. Hofmann und der Académie des sciences vom September 1942 in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, bes. Bl. 42/22-26. 47 Vgl. v. a. die Unterlagen in: Ebd., 60, 65 u. 74, sowie in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, IIVIII, 178, 179, 188 u. 189. 48 Siehe u. a.: W. Thys (Hrsg.): André Jolles (1874–1946), „gebildeter Vagant“. Briefe und Dokumente, Leipzig 2000, S. 400. Zur Biographie Vollgraafs siehe zudem: A. Wittop-Koning: „Johann Adriaan Vollgraff (1877–1965), in: Revue d’Histoire des sciences et de leurs applications 19, 3 (1966), S. 270; sowie: H. A. M. Snelders: „Vollgraaf, Johan Adriaan“, in: Biografisch Woordenboek van Nederland, T. 2, Den Haag 1985 (online: http://www.inghist.nl/Onderzoek/Projecten/BWN/lemmata/bwn/2/vollgraaf, 01.04.2012). 49 J. E. Hofmann an K. Müller, 31.5.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, Bl. 41/11. Der renommierte Leidener Mathematik- und Wissenschaftshistoriker Dijksterhuis war neben seinen Huygens-Studien bis dahin auch mit Arbeiten über Archimedes, Euklid, Simon Stevin, René Descartes und Blaise Pascal hervorgetreten. Siehe biographisch: K. van Berkel: Dijksterhuis, Amsterdam 1996.

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Die Kollaborationsbereitschaft der Niederländer hielt sich also insgesamt, folgt man den erhaltenen Berichten Müllers über seine Arbeit in den besetzten Niederlanden, in Grenzen.50 Aber nicht nur in den besetzten Gebieten des Westens, sondern auch in den eroberten Gebieten im Osten – in Polen, im Baltikum und in der Sowjetunion – wurde die Suche nach Leibnitiana mit Kriegsbeginn intensiviert.51 Aus Polen hatten sich die Mitglieder der Leibniz-Ausgabe schon vor 1933 ein über dreihundertseitiges Faszikel von Leibniz-Handschriften aus der Warschauer Nationalbibliothek ausgeliehen und fotokopiert. Während seines Pariser Exils hatte Paul Schrecker, der 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft als Mitarbeiter der Leibniz-Ausgabe entlassen worden war,52 auf der Grundlage dieser Briefe und Fragmente eine kleine eigene Edition herausgebracht – was zu erheblichen Verstimmungen an seiner alten Arbeitsstelle in der Berliner Akademie führte.53 Nach der Eroberung Polens im September 1939 und der Errichtung des Generalgouvernements dort kam Hofmann aber erneut auf den entsprechenden Warschauer Faszikelband zurück. Obwohl die Fotokopien und Abschriften in der Arbeitsstelle in der Akademie vorlagen, ließ er über Akademiedirektor Scheel bei der Kulturabteilung des Generalgouverneurs anfragen, ob eine erneute Ausleihe nach Berlin möglich sei. In seinem Schreiben nach Warschau musste Scheel einige Formulierungen aus Hofmanns Entwurf abmildern, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen. In Hofmanns Briefentwurf hatte es geheißen: „Aus grundsätzlichen Überlegungen heraus wäre es […] wünschenswert, daß dieser Band – zumindest [Hervorhebung JT] als Leihgabe – in Deutschland verwahrt würde. Hierfür wäre wohl die Handschriftenabteilung der Preußischen Staatsbibliothek der gegebene Ort. Ich bitte dies veranlassen zu wollen, wenn es irgend geht.“54

Die Abwicklungsstelle des polnischen Kulturministeriums – eine nachgeordnete Dienststelle der deutschen Verwaltung des Generalgouvernements – genehmigte auf Antrag Scheels die Ausleihe der Dokumente zunächst für vier Monate und schickte den Faszikel per Kurier an die Berliner Akademie. Sie musste allerdings 50 Vgl. v. a. die Tätigkeitsberichte Kurt Müllers über seine Bibliotheks- und Archivrecherchen in den besetzten Niederlanden 1941/42, in: BBAW, Akademiearchiv, II-VIII, 188, unpag., oder den expliziten Hinweis in: K. Müller an die Leibniz-Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 4.7.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 65, Bl. 41/23. Weitere Hinweise zur Recherche in den besetzten Niederlanden in: Ebd., 65, sowie in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 179 und 188. 51 Vgl. vor allem die Unterlagen in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 63, sowie die Hinweise in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 178, 188 und 189. 52 Vgl. Thiel: „Leibniz-Tag“, S. 57–58. 53 G. W. Leibniz: Lettres et fragments inédits sur les problèmes philosophiques, théologiques, politiques de la reconciliation des doctrines protestantes (1669–1704), publ. avec une introduction historiques et des notes par Paul Schrecker, Paris 1934. Bereits 1932 hatte die LeibnizKommission einen 37-seitigen „Bericht über die Leibniz-Handschriften der Nationalbibliothek in Warschau“ erstellt. Vgl. BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 63, unpag. 54 J. E. Hofmann an H. Scheel, 23.2.1940, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, II-VIII, 178, unpag. Siehe auch die vergleichbare Formulierung in der Aktennotiz J. E. Hofmanns vom 22.2.1940 zu einem Schreiben von K. Schreinert (Tartu) an Th. Vahlen, 8.2.1940, in: Ebd.

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mehrfach mahnen, die Leihgabe wieder zurück zu bekommen. Zur Begründung hieß es seitens der Akademie, dass der zuständige Mitarbeiter mit der Kollationierung in Verzug gekommen sei. Noch im November 1941, also über anderthalb Jahre später, befand sich der Faszikel noch immer in Berlin. Daraufhin forderte der kommissarische Leiter der früheren Nationalbibliothek in Warschau, Wilhelm Witte – nach 1945 unter anderem Stellvertretender Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek55 – die Akademie letztmalig und dringlich dazu auf, den entliehenen Band endlich zurückzugeben.56 Die frühere Nationalbibliothek in Warschau firmierte nach der deutschen Okkupation und dem Zusammenschluss der wissenschaftlichen Bibliotheken der polnischen Hauptstadt als ‚Deutsche Staatsbibliothek‘ und umfasste neben der Nationalbibliothek unter anderem auch die Warschauer Universitätsbibliothek.57 Über die Umwandlung der Warschauer Nationalbibliothek und der Krakauer Jagiellonen-Bibliothek in ‚deutsche Staatsbibliotheken‘ waren Hofmann und Scheel bereits im Oktober 1940 von der zuständigen Hauptverwaltung der Bibliotheken in der Regierung des Generalgouvernements in Krakau informiert worden. Der Leiter der Hauptverwaltung, Gustav Abb, hatte beide schon damals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der noch in Berlin befindliche Faszikel „deshalb“ nunmehr als deutscher Besitz anzusehen sei und daher in jedem Falle nur als „Leihgabe“ behandelt werden dürfe. Nach seiner Benutzung müsse der Band deshalb umgehend nach Warschau zurückgegeben werden.58 Hatten Hofmann oder Scheel angenommen, eine Rückgabe an die Warschauer Bibliothek hätte sich erübrigt, weil es sich um einen Band handelte, der aus polnischem Besitz stammte? Die Antwort auf diese Frage muss offen bleiben, aber die von Hofmann gewählte Formulierung lässt durchaus die Schlussfolgerung zu, dass ihm ein solcher Gedanke nicht ganz fremd gewesen war. 55 Zur Biographie Wittes: I. Leder: „Wilhelm Witte zum 90. Geburtstag“, in: Mitteilungen der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, N.F. 2, 3 (1993), S. 225–226; Zur deutschen Bibliotheksverwaltung im Generalgouvernement: F. Görner: „Dr. Wilhelm Witte (1903–1997)“, in: Ebd., S. 309 f. 56 W. Witte an PAW, 13.11.1941, BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Ausgabe, 178, unpag. 57 Zu den entsprechenden Plänen und ihrer Realisierung sowie zur Struktur der deutschen Bibliotheken im besetzten Polen: A. Mężyński: „Wissenschaftliche Bibliotheken im Generalgouvernement. Fakten und Mythen“, in: A. Jammers (Hrsg.): Die Beziehungen der Berliner Staatsbibliothek nach Polen. Reflexionen zur Zeit- und Bestandsgeschichte, Berlin 1997, S. 47–80; sowie: „Zur deutschen Bibliotheksverwaltung im Generalgouvernement. Tonbandgespräch mit Wilhelm Witte“, in: Ebd., S. 81–109. 58 G. Abb an J. E. Hofmann, 25.10.1940, in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Ausgabe, 178, unpag. Der Historiker und Bibliothekar Gustav Abb hatte nach jahrelanger Tätigkeit in der Preußischen Staatsbibliothek 1935 die Leitung der Berliner Universitätsbibliothek übernommen. Seit 1937 amtierte er als Vorsitzender des Vereins Deutscher Bibliothekare. Die Leitung der Hauptverwaltung der Bibliotheken im Generalgouvernement hatte er im Sommer 1940 übernommen; seit 1941 war Abb, NSDAP-Mitglied und SS-Sturmbannführer, außerdem als „Kommissar für die Sicherung der Bibliotheken und Betreuung des Buchgutes im östlichen Operationsgebiet“ des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg für den Bücherraub in der besetzten Sowjetunion zuständig. Siehe außer den Verweisen in Heuss: Kunst- und Kulturgutraub, S. 161–174, vor allem: Mężyński, bes. S. 59–66.

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Unklar bleibt auch, wie sich Hofmann die systematische „Durcharbeitung“ der öffentlichen und vor allem privaten Sammlungen im Generalgouvernement – also im besetzten Polen – und im „Protektorat“ – gemeint waren die tschechischen Gebiete der zerschlagenen Tschechoslowakei – „an Ort und Stelle“ vorstellte, die er im März 1941 als Aufgabe für die zukünftige Arbeit der Editionsmitarbeiter formuliert hatte. Zu entsprechenden Aktivitäten ist es angesichts der Kriegsentwicklungen und der Einschränkungen an der Arbeit der Leibniz-Edition nicht mehr gekommen.59 Wie stark der Wille Hofmanns und Vahlens ausgeprägt war, die günstige, so schnell nicht wiederkehrende Gelegenheit des Eroberungskrieges nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, zeigen auch ihre Bemühungen, alle verfügbaren Leibnitiana aus der Sowjetunion zu erfassen und nach Möglichkeit hereinzuholen. Die Verantwortlichen der Leibniz-Edition gingen in ihren Planungen wie selbstverständlich davon aus, dass der Krieg im Osten für das nationalsozialistische Deutschland erfolgreich verlaufen würde und dass die eroberten Gebiete deutschen Interessen dauerhaft zur Verfügung ständen. Ein erster Versuch, vermutete Leibnitiana in Moskau und Leningrad einzusehen, unternahmen die Verantwortlichen für die Leibniz-Ausgabe bereits in der kurzen Entspannungszeit zwischen dem Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes im Sommer 1939 und der deutschen Invasion im Juni 1941. Über den Inhalt und den Umfang der in der UdSSR befindlichen Leibnitiana war man sich bei der Leibniz-Edition jedoch offenbar nicht im Klaren. Deshalb sollte Ottokar Menzel, stellvertretender Leiter der Leibniz-Ausgabe und Bearbeiter der politischen Schriften und Briefe Leibnizens, der über Russischkenntnisse verfügte, vor Ort die einschlägigen Kataloge durchsehen und nach Möglichkeit bereits einzelne Fundstücke abfotografieren. Die sowjetischen Behörden verweigerten Menzel jedoch die Einreise.60 Nach dem Überfall auf die Sowjetunion erstellte Hofmann sofort eine dreiseitige Wunschliste mit den gesuchten Leibniz-Dokumenten. Er verschickte sie umgehend an die für den Kunst- und Kulturgutraub im Osten verantwortlichen NS-Dienststellen, dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg sowie der für ‚Archiv- und Bibliotheksschutz‘ zuständigen Abteilung des Auswärtigen Amtes.61 Insbesondere mit der

59 J. E. Hofmann: Bericht über den gegenwärtigen Stand und die geplante Weiterführung der Leibniz-Ausgabe, 18.3.1941, in: BBAW, Akademiearchiv, PAW, PAW, II-VIII, 188, unpag. 60 Siehe etwa: Ebd.; oder: Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Th. Vahlen) an Auswärtiges Amt, 6.10.1941 (Berichterstatter: H. Scheel), 6.10.1941, bzw.: Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Th. Vahlen) an das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, 30.10.1941, beide in: Ebd., 189., unpag. 61 Zu den Kulturgutraubaktivitäten des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg in der Sowjetunion vgl. neben Heuss: Kunst- und Kulturgutraub, S. 161–204, etwa auch: P. M. Manasse: Verschleppte Archive und Bibliotheken. Die Tätigkeit des Einsatzstabes Rosenberg während des Zweiten Weltkrieges, St. Ingbert 1997; P. Kennedy Grimsted: „Roads to Ratibor. Library and Archival Plunder by the Einsatzstab Rosenberg“, in: Holocaust and Genozide Studies 19, 3 (2005), S. 390–458; oder S. Lehr: Ein fast vergessener ‚Osteinsatz‘. Deutsche Archivare im Generalgouvernement und im Reichskommissariat Ukraine, Düsseldorf 2007. Zur Beteiligung des Auswärtigen Amtes am nationalsozialistischen Kunst- und Kulturgutraub im Osten: Conze u. a., bes. S. 200–220 und S. 337 f., sowie: A. Heuss: „Die ‚Beuteorganisation‘ des

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Zusammenarbeit mit Rosenbergs Dienststelle – die nach der „Übergabe der Gebiete von Petersburg und Moskau“ allein „für die Betreuung der ‚dortigen Bibliotheken und Archive‘“ zuständig sein sollte62 – zeigte sich Hofmann ausgesprochen zufrieden. Nachdem Hofmann vom ERR eine entsprechende Zusammenstellung aller vor Ort befindlichen Leibnitiana erhalten hatte, bedankte er sich im Dezember 1941 persönlich bei Hans-Wolfgang Ebeling, dem Stellvertreter des Stabsführers des ERR für die besetzten Ostgebiete, der gemeinsam mit seinem Vorgesetzten Gerhard Utikal alle für den Kunst- und Kulturgutraub in der Sowjetunion gebildeten ‚Einsatzstäbe‘ leitete und koordinierte: „Ich bin glücklich über Ihre liebenswürdige Mithilfe bei der Klärung der Fundorte für unsere Leibniz-Ausgabe und hoffe, daß es seinerzeit möglich sein wird, die Nachforschungen im engen Zusammenarbeiten mit den örtlichen Kräften des Einsatzstabes zu vollenden.“ 63

Die Pläne, gezielt nach Leibnitiana in der Sowjetunion suchen zu können, erwiesen sich jedoch als voreilig. Das Ende des deutschen Vormarsches und das Ausbleiben des auch von Hofmann erhofften Endsieges verhinderte den erwünschten Zugriff auf Leibnitiana in den Bibliotheken in Leningrad und Moskau oder in anderen sowjetischen Städten. Die entscheidenden Informationen für die von Hofmann erstellte Liste der gewünschten Leibniz-Materialien in der Sowjetunion fand Hofmann bei der Auswertung von Bibliotheksfindmitteln der Universitätsbibliothek im estnischen Dorpat, dem heutigen Tartu.64 Im Sommer 1940 hatte eine ‚Deutsche Kulturkommission‘, die in Estland und Lettland mit Archiv- und mit Erfassungsarbeiten in den dortigen Bibliotheken befasst war, im Auftrag der Leibniz-Kommission erste gezielte Sichtungen in Dorpat durchgeführt. Der kurz danach erfolgte sowjetische Einmarsch beendete diese Aktivitäten jedoch fürs Erste. Nach der deutschen Besetzung des Baltikums im Sommer 1941 gestaltete sich die Lage im neu gebildeten ‚Reichskommissariat Ostland‘ anfangs unübersichtlich. Aber schon im Herbst 1941 versuchten Hofmann und Scheel zu ermitteln, wo sich die damals gesuchten Leibnitiana aus dem Bestand der Dorpater Universitätsbibliothek inzwischen befanden und ob diese bereits abfotografiert worden waren oder nicht. Nach längeren Nachforschungen und Verhandlungen, in die das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und verschiedene zivile und militärische Dienststellen im ‚Reichs-

Auswärtigen Amtes. Das Sonderkommando Künsberg und der Kulturgutraub in der Sowjetunion“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45, 4 (1997), S. 535–556. 62 Aktennotiz J. E. Hofmanns betr. „Erfassung der Leibniz-Materialien in Russland“ zu einem Schreiben des Einsatzstabes Rosenberg (H.-W. Ebeling) an den Präsidenten der Preußischen Akademie der Wissenschaften vom 14.11.1941 (nach einem Telefonat mit Ebeling am 28.11.1941), undatiert (verm. 28.11.1941), in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 63, unpag. 63 J. E. Hofmann an H.-W. Ebeling, 16.12.1941, in: Ebd. Zur Tätigkeit Utikals, Ebelings und des ERR siehe etwa die verschiedenen Verweise in: Heuss: Kunst- und Kulturgutraub, bes. S. 161–174 64 Vgl. dazu vor allem die Unterlagen in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission 63; sowie BBAW, Akademiearchiv, PAW, 188 und 189.

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kommissariat‘ eingebunden waren,65 brachte Hofmann schließlich in Erfahrung, dass die „Schätze der Dorpater Bibliothek und Archive unversehrt in die Hände unserer Truppen gefallen sind“.66 Die wieder eingesetzte ‚Kulturkommission‘ habe die „beschlagnahmten Kisten“ wieder vorgefunden; die für die Leibniz-Ausgabe in Frage kommenden Materialien seien jedoch angesichts der Kriegslage und des Abbruchs der Kopier- und Verfilmungsarbeiten im Jahr zuvor noch nicht mehr verfilmt worden.67 Im Juni 1942 wurden die für die Leibniz-Edition in Frage kommenden Stücke erneut verfilmt und nach Berlin verschickt. Bis zur Abholung durch die Mitarbeiter der Leibniz-Edition wurden die Filme in den Räumlichkeiten der ‚Publikationsstelle Berlin-Dahlem‘ (PuSte) im Preußischen Staatsarchiv aufbewahrt, jener Dienststelle, die für die sog. ‚Ostforschung‘ zentrale Bedeutung besaß und dabei eng mit dem Rosenberg’schen ‚Ostministerium‘ und der SS zusammenarbeitete.68 4. FAZIT Lassen sich die Aktivitäten der Leibniz-Edition im Zweiten Weltkrieg in einem Atemzug mit dem Kunst- und Kulturgutraub der Nationalsozialisten nennen? Steht die verdienstvolle Leibniz-Edition in diesem Zusammenhang also ebenso im Zwielicht wie zahlreiche andere Museen, Bibliotheken, Archive oder wissenschaftliche Einrichtungen, die im ,Dritten Reich‘ zum Teil aktiv am nationalsozialistischen Kunst- und Kulturgutraub beteiligt waren oder doch in einem erheblichen Maße davon profitierten? Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Aber einige Aspekte sollen hier abschließend noch einmal herausgestellt werden, um zu verdeutlichen, wie ambivalent sich die Suche nach Leibnitiana unter den Bedingungen von Krieg und nationalsozialistischer Besatzungsherrschaft gestaltete. 65 Vgl. die umfangreiche Korrespondenz in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 63. 66 J. E. Hofmann an W. A. Mommsen (Riga), 4.12.1941, in: Ebd. Der Archivar Wolfgang A. Mommsen war als Angehöriger der ‚Deutschen Archivkommission‘ im Baltikum und später auch in anderen Gebieten der besetzten Sowjetunion an leitender Stelle im sog. „Archivschutz“ eingesetzt. Vgl. dazu die Hinweise in: Heuss: Kunst- und Kulturgutraub, bes. S. 166 f. und S. 325; Lehr, bes. S. 161; biographisch zudem: H. Booms: „Mommsen, Wolfgang“, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 18, Berlin 1997, S. 29; P. Köpf: „‚Noch einige schöne Köpfe abzuschneiden‘. Wolfgang A. Mommsen“, in: Ders.: Die Mommsens. Von 1848 bis heute – die Geschichte einer Familie ist die Geschichte der Deutschen, Hamburg u. a. 2004, S. 213–235; sowie: S. Rebenich: „Die Mommsens“, in: V. Reinhardt/T. Lau (Hrsg.): Deutsche Familien. Historische Portraits von Bismarck zu Weizsäcker, München 2005, S. 147–179, bes. S. 172–175. 67 Aktennotiz von J. E. Hofmann, 29.11.1941 (nach einem Telefonat mit Heinrich Harmjanz, dem zuständigen Referenten im Amt Wissenschaft des REM), in: BBAW, Akademiearchiv, Leibniz-Kommission, 63, unpag. 68 Vgl. die entsprechende Korrespondenz in: Ebd. Zur ‚Publikationsstelle Ost‘ und ihrer Mitwirkung am nationalsozialistischen Völkermord und am Holocaust siehe neben den Hinweisen in der inzwischen umfangreichen Literatur zur nationalsozialistischen ‚Ostforschung‘ und ‚Volkstumspolitik‘ als Überblick: J. Landau: „Publikationsstelle Ost / Sammlung Georg Leibbrandt“, in: I. Haar/M. Fahlbusch (Hrsg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen – Institutionen – Forschungsprogramme – Stiftungen, München 2008, S. 486–496.

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Von zentraler Bedeutung für die historische Einordnung der Akquise von Leibnitiana im Zweiten Weltkrieg ist zunächst die oft in apologetischer Absicht vernachlässigte oder ganz unterschlagene Tatsache, dass sie unter den Bedingungen von völkerrechtswidrigen Angriffskriegen stattfand, eines Krieges, der im Osten zudem noch den Charakter eines Vernichtungskrieges trug. Aufgabe der in den besetzten Gebieten errichteten deutschen Besatzungsregimes – im Westen etwas moderater, im Osten offen brutal – war die Errichtung und Absicherung des nationalsozialistischen Machtanspruchs in Europa. Verbrecherische Mittel waren dabei keine notwendigen Übel, sondern – in Frankreich, Belgien und in den Niederlanden ebenso wie in der Sowjetunion, in Polen, im Baltikum und im sog. ‚Protektorat Böhmen und Mähren‘ – konstitutive Mittel zur Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes und zur Ausplünderung der besetzten Gebiete. Krieg und Besatzung setzten also die Rahmenbedingungen für alle Aktivitäten die dort getätigt wurden, also auch für die der LeibnizEdition. Es waren also genau diese Rahmenbedingungen der Besatzungsherrschaft, die den Verantwortlichen der Leibniz-Ausgabe die günstige Gelegenheit boten, an die gewünschten Leibnitiana zu gelangen, die unter anderen Umständen nicht oder nur schwer zugänglich gewesen wären. Hofmann, Vahlen und Scheel, die drei Hauptverantwortlichen für die Leibniz-Edition nach 1939, haben die sich ihnen bietenden Chancen aus eigener Initiative heraus weidlich genutzt oder zu nutzen versucht. Hinzu kommt – Stichwort Prioritätenstreit –, dass die Aktivitäten der Leibniz-Edition v. a. in Frankreich politischen Ambitionen und Zielsetzungen nationalsozialistischer Wissenschafts-, Kultur- und Außenpolitik geschuldet waren, die von Hofmann, Vahlen und Scheel geteilt wurden. Institutionelle Voraussetzung für die Beschaffung von Leibnitiana im besetzten Europa war die Infrastruktur der von den deutschen Besatzern installierten Einrichtungen des ‚Kunst- und Bibliotheksschutzes‘. Deren Übergänge zum Kunst- und Kulturgutraub – das ist in den letzten Jahren wiederholt durch detaillierte Untersuchungen eindrucksvoll bestätigt worden – waren dabei fließend. Archivschutz und Archivraub waren, das hat etwa Ulrich Pfeil für das besetzte Frankreich klar herausgearbeitet, untrennbar miteinander verbunden. Als wichtige Instrumente der deutschen Besatzungspolitik und Herrschaftssicherung spielten sie aber auch, so Pfeil, eine zentrale Rolle in den Auseinandersetzungen um die historische Deutungshoheit.69 Genau dieser Punkt ist auch im Zusammenhang mit der hier behandelten Beschaffung von Leibnitiana von entscheidender Bedeutung. Gewiss traten beispielsweise Schnath und Hofmann, wie sie immer wieder betonten, korrekt und höflich gegenüber ihren französischen und belgischen Kollegen, die ihren Dienst weiter versahen, auf. Vielleicht nahmen sie sogar ernsthaft an, dass sie von der Gegenseite in erster Linie als Partner und Kollegen wahrgenommen wurden und nicht als das, was sie realiter waren: die Vertreter einer zumindest nicht beliebten, von vielen sogar gehassten Besatzungsmacht. Ihr Verhalten lässt darauf schließen, dass sie sich ihrer Rolle als offizielle Vertreter der Besatzungsmacht durchaus bewusst waren und dass sie ihre Privilegien – etwa den exklusiven Zugang zu bestimmten Dokumenten – ausnutzten und solche auch immer wieder einforder69 Pfeil, hier bes. S. 180.

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ten.70 Um es deutlich auszusprechen: In der erzwungenen Zusammenarbeit mit den im Amt verbliebenen und nach der Besetzung neu eingesetzten Kollegen in den Bibliotheken und Archiven der besetzten Länder waren die Macht der Sieger und die Demütigung der Besiegten die beiden Seiten ein und derselben Medaille. Dass die Protagonisten der Leibniz-Edition bei ihrer Suche nach Leibniz-Dokumenten von etwaigen Skrupeln geplagt gewesen wären, lässt sich weder aus ihrem Handeln noch aus Überlieferungen ablesen; auch nicht da, wo es sich um Leibnitiana aus jüdischem Besitz handelte. Das zeigen die Vorstöße von Hofmann im Zusammenhang mit den Sammlungen von Henri de Rothschild oder Seymour de Ricci. Sicher, es ging Hofmann & Co. in der Regel nicht darum, die für die LeibnizAusgabe benötigten Dokumente dauerhaft in den Besitz oder in das Eigentum der Preußischen Akademie der Wissenschaften – als Trägerin der Edition – zu überführen. Insofern kann also ausdrücklich nicht von Kulturgutraub gesprochen werden, der per definitionem mit einem erzwungenen Eigentums- oder Besitzwechsel verbunden gewesen wäre. Das wäre für die Zwecke der Leibniz-Ausgabe – wie in vergleichbaren Fällen anderer Editionsprojekte – ohnehin nicht notwendig gewesen. Für die Arbeit der Edition reichten normalerweise zuverlässige Abschriften oder Fotokopien, im Einzelfall auch eine zeitweise Überlassung von Dokumenten als Leihgabe vollkommen aus. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass man in der Berliner Akademie zumindest daran dachte, Leibnitiana im Einzelfall sogar zu beschlagnahmen. Ein Beispiel dafür ist die nur zögerliche Rückgabe eines Leibniz-Konvoluts aus der Warschauer Nationalbibliothek, bei der seitens der Akademie in Erwägung gezogen wurde, es als Eigentum oder Besitz in die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek einzuverleiben. Damit war die Dimension des Kulturgutraubs angesprochen. Ein solches Szenario scheint zumindest auch für Fundstücke aus sowjetischen Archiven und Bibliotheken oder aus privaten Sammlungen im besetzten Polen und im ‚Protektorat Böhmen und Mähren‘, die für die Leibniz-Ausgabe später noch erschlossen werden sollten, möglich. In diesen Fällen wäre eine enge Kooperation mit NS-Dienststellen wie dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, die nicht nur die gewaltsame Plünderung und Beschlagnahmung von Kunst- und Kulturgütern im Osten im großen Stil betrieben, sondern auch direkt an der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gegenüber der jüdischen Bevölkerung eingebunden waren, zwingend notwendig gewesen. Ob sich Hofmann, Vahlen und Scheel, die mit ihnen bereits in Paris und in Sachen Leibnitiana aus sowjetischer Provenienz einvernehmlich zusammengearbeitet hatten, dagegen gesträubt hätten, scheint nach der Auswertung der entsprechenden Quellen nicht sehr wahrscheinlich. Auch wenn es am Ende nicht zu einer Beschlagnahmung von Leibnitiana gekommen ist, bleibt abschließend festzuhalten, dass sich die Suche nach Leibniz-Material im Zweiten Weltkrieg in einer bedenklichen Grauzone bewegte, in der die Übergänge zwischen einer normalen Akquise, dem Hereinholen von Dokumenten unter den günstigen Kriegs- und Besatzungsbedingungen und dem Kulturgutraub fließend waren.

70 Vgl. die ähnlichen Beobachtungen für den Umgang deutscher mit polnischen Bibliothekaren im Generalgouvernement bei Mężyński, S. 74–77.

Margot Faak (Berlin)

„WAS MACHEN WIR EIGENTLICH MIT UNSEREM GANZEN BRIEFWECHSEL?“ – SECHS BRIEFE AN GERDA UTERMÖHLEN1 I. Berlin, den 1. Mai 1985 Meine liebe Gerda, wie ich dir in meinem letzten Brief schon angekündigt hatte, muß ich doch noch zum Text2 einige von mir bisher vernachlässigte Fragen stellen. S. 640 Z. 23 f. Es ist von einer Frau die Rede, die mit allen Kindern „gleiche Erben seyn und bleiben solle“. Ich weiß von meiner ersten Durchsicht her noch, dass wirklich Erben dasteht. Aber was ist mit dem ganzen Satz? Entweder ist sie allein gemeint, dann müsste es Erbin heißen, oder sie und die Kinder sind gemeint, dann müsste es „sollen“ heißen. Wie würdest Du Dich entscheiden? 642,4 Hier liegt der gleiche Fall vor. Es heißt, daß sie „mit denen … erzeigenden Kindern zu gleich Erben seyn soll“. Man müsste vielleicht mit einem Germanisten sprechen. Da habe ich keine Schwierigkeit, da mir Dr. Wiese, der Leiter des Brandenburg-Berlinischen Wörterbuchs, immer sehr freundlich hilft. Zu S. 681 Z. 21 muß ich meinen vorigen Brief stark korrigieren. Ich hatte zuletzt nur noch sehr flüchtig auf den Text gesehen. Es ist tatsächlich so, daß Leibniz hier besonders auf die Geringfügigkeit des Diebesguts Bezug nimmt. Es ist von beidem die Rede, von „quantitas“, der Häufigkeit, und „qualitas“, dem Wert des Gestohlenen. Nach der Carolina ist das Limit 5 Dukaten. (Z. 18 f.) Das Merkwürdige ist nur, daß in Artikel 162, den Leibniz zitiert, nicht von der „qualitas“ die Rede ist, sondern von der Wiederholung, einmal, zweimal, dreimal. Er schreibt ja auch selbst: „in Crim[inali] ord[inatione] art. 162 pro tertio furto poena laquei decerni“. Aber sein „sed et valorem art. ibi in fin. vers. wo aber solche zwerge diebstalle“ konnte ich nicht finden. In articuli fine steht „wo aber solche zweene diebstahle“ und es ist, wie gesagt, nur von der Häufigkeit die Rede. Wenn ich das Stück zu bearbeiten gehabt hätte, hätte ich in einer Erläuterung darauf aufmerk1 2

Die hier abgedruckten Briefe sind vom Herausgeber des Bandes aus den ihm von Margot Faak anvertrauten privaten Unterlagen ausgewählt. Vom ihm sind auch die wenigen kurzen Anmerkungen sowie einige Auflösungen im Text. – Das Zitat wurde dem letzten Brief entnommen. Druckvorlage des Bandes A IV, 3.

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sam gemacht. Da Leibniz aber selbst von „valore“ spricht, und Du [die] Lesung bestätigt hast (höchstens „zweye“ könne man herauslesen, ich hatte damals „zwerge“ auch nicht beanstandet), lasse ich die Stelle wie sie ist. In den umliegenden Paragraphen habe ich auch nichts von „zwerge diebstallen“ gefunden. S. 729 Z. 8 haben wir 3 ⅔, in der Lesart Z. 34: 3 ⅓. Was ist richtig? S. 739 Z. 4 hatte ich „mahl“ gelesen und die [ie] ergänzt. Das erscheint mir jetzt auch sehr fraglich. Frau Knabe hatte „meist“ gelesen. Und so steht es auch noch in der Lesart. Der Sinn ist in beiden Lesungen der gleiche. Was liest Du? Ich möchte Deine Entscheidung dann übernehmen. S. 740 Z. 4 sich an „geldern“ befunden oder an „gelde“? S. 768 Z. 17 „hirinnen“ oder „hierinnen“? S. 781 Z. 4 und 26 ist ein bestimmt schwer zu lösendes Problem aufgetaucht. Es steht jetzt dreimal die Form „sentet“ da. Frau Walter3 hatte darauf aufmerksam gemacht. Im Text ist „sentet“ aus „senteat“ verbessert worden. Eine Einsicht in die Durchzeichnung Ritters ist zur Zeit nicht möglich, da Frau Knabe kaum Zeit dafür finden wird. Wir haben sie gebeten, jetzt das Personenverzeichnis in Ordnung zu bringen, damit ich es abschreiben kann. Ich muß auch noch in meinen Aufzeichnungen nachsehen, ob ich an der Veränderung im Text schuld bin (ich habe meine Aufzeichnungen zur Zeit in der Akademie, wegen des Umzugs und weil ich doch jetzt durch die Freistellung4 dort tagsüber arbeiten kann). Heute ist aber bei mir „Posttag“ (s. IV, 3 S. 906 Z. 1–14). Der Konjunktiv müsste „sentiat“ heißen, das Futurum „sentiet“. Ich glaube, dass das Praesens „sentit“ gemeint ist: die Konjunktion „si“ erfordert doch auch keinen Konjunktiv. „e“ und „i“ kann man leicht verlesen. Nur das dreimalige „sentet“ macht mich stutzig. Ich werde auch noch mal unsere Mittellateinerin (Dr. Pape) fragen. S. 852 Z. 2 „se“ Frau Walter ist der Ansicht, dass das „se“ nicht an diese Stelle passt. Ich habe festgestellt, daß ich es mit „se“ auch nicht übersetzen kann. Ich will aber auch nochmal Frau Pape fragen. S. 918, 7 „peu“? Müßte es nicht „pu“ heißen? Ebd. Z. 22 „les prince’ “? Ob das nicht ein Tippfehler ist? Ich habe eben die neu getippten Stücke nicht noch einmal durchsehen können und hatte immer im Auge, dann bei der Korrektur wieder gründlich auf den Text zu achten. Nur bin ich jetzt eben hilflos, da ich keine Fotos habe. Unser Schriftenverzeichnis ist indessen schon beim Verlag. Es fällt nun auch nur eine einzige Nummer aus. Den einen fehlerhaften Titel konnte ich nun doch noch durch einen richtigen ersetzen. Versehentlich war statt einer Ordonnanz Ludwigs XIII. eine von Ludwig XIV. drin. Da aber an der betreffenden Stelle eine in allem zutreffende Erläuterung von Frau K[nabe] steht, habe ich nach gründlicherer Lektüre auch die entsprechende Ordonnanz im Catalogue général gefunden, so dass nun alles in Ordnung ist. Es war nur vorher soviel zu tun an dem Schriftenverz., daß ich an dieser Stelle die Waffen gestreckt hatte.

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Rosemarie Caspar. Freistellung von der Mitarbeit an der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle.

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Gestern haben wir auch die Korrekturen bis Bogen 52 besprochen. Wir brauchen also nur noch eine Sitzung, dann könnte auch die zweite Hälfte der Korrekturen in den Verlag. Aber nun muß erst das Personenverzeichnis dazwischen geschoben werden. Ich werde, bis ich es erhalte, inzwischen schon die Seitenzahlen in mein Verzeichnis eintragen, dann habe ich sie beim Abschreiben schon parat. Meine Freistellung läuft am 31. Mai aus. Von da an muß wieder alles abends erledigt werden. Am meisten dürften allerdings die Seitenzahlen aufhalten. Denn das sind nicht wenige. Meine elektrische Schreibmaschine im Dienst erleichtert die Sache ja auch sehr. Für das Sachverzeichnis werde ich meine Abende dann wohl in der Akademie verbringen müssen. Gleich anschließend an meinen Brief beginne ich jetzt mit dem Fundstellenverzeichnis. Das kann ich sehr gut zu Hause machen, da ich meine beiden Nachdrucke und die Korrekturbogen von IV, 3 zu Hause habe. II. Berlin, den 5. Mai 1985 Meine liebe Gerda, meine Briefe kommen jetzt in rascher Folge, so daß Du unentwegt nur für mich tätig sein mußt. Es ist furchtbar. Ich wollte nur mitteilen, daß ich jetzt für alle drei Bände das Fundstellenverzeichnis fertig habe. Probleme gibt es nur bei IV, 1. Vorausschicken muß ich, daß ich die drei Verzeichnisse nicht zusammenlegen kann, wie Prof. Schepers, da die Stücke ja nicht von einem Band zum andern durchzählen. Ich müßte sonst hinter jede Nummer in eckige Klammern die Bandzahl setzen, und das würde ziemlich scheußlich aussehen. (Runde Klammern sind nicht möglich, da Prof. Ritter in einem Fall N. 5 und N. (5) getrennt hat.) Für Band IV, 1 muß ich ohnehin eine Sonderregelung treffen. Da ich in den Untersuchungen noch drei zum Thema gehörige Stücke nachträglich bringen mußte, die im Text von IV, 1 nicht stehen, da im „Anhang“ Auszüge oder Regesten mit Angabe der Signaturen, aber ohne Nummer gedruckt sind, da in IV, 1 dritte Aufl. ein Stück zusätzlich enthalten ist, habe ich mich entschieden, vor die N. 52 (nur in der 3. Aufl.) eine hochgestellte 3, in allen übrigen Fällen Seitenzahlen und ebenfalls eine hochgestellte 3 bzw. 1 zu setzen. Dazu muß ich eine entsprechende Vorbemerkung schreiben. Ich schreibe nicht „Kriegsverluste“ statt der Signatur, wie Prof. Schepers. Den Caesarinus hat Herr Scheel ja auch später noch gefunden. Ich schreibe auch nicht vol, sondern nur die Zahlen. Wir haben ohnehin einen Mammutband. Er hat 214 Seiten mehr als I, 9. Ich müßte eigentlich versuchen, Platz zu sparen. Bei den Kriegsverlusten fällt mir ein, Dir zu sagen, daß ich mich wegen des „sentet“ und „se ablegavere“ bei den Mittellateinern erkundigt habe. „Sentet“ kann es auch im Mittellatein nicht geben. Es wird schlichtweg „sentit“ gemeint sein.

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Das paßt dem Sinn nach am besten. Außerdem schreibt Leibniz oft so ein eckiges „e“, so daß man oft nicht weiß, ob es sich um ein solches „e“ oder um ein „i“ mit etwas längerem i-Punkt handelt. In diesem Zweifel war ich mehrmals. „Se ablegavere“ kann es nicht geben, und es gehört auch kein „se“ dahin, wenn man es richtig übersetzt. Wenn es doch so dasteht, kann es auch etwas Stehengebliebenes oder ein Irrtum sein. Dann wollte ich nochmal fragen, ob Ihr in Fällen, in denen Leibniz „Brandenburg“ sagt, etwa Brandenburg hat sich entschieden, das u. das zu tun, auch den Kurf[ürsten] ins Personenverzeichnis nehmt oder ins Sachverzeichnis. Siehe die Einleitung zu IV, 1 Pers.-Verz. von Prof. Ritter. Er nimmt auch „la France“ in solchen Fällen ins Pers.-Verz. unter Ludwig XIV. Aber mir reichen die Seitenzahlen im Pers.-Verz. schon. Gestern habe ich von 9.00 bis abends 8.00 Uhr mit eintragen zugebracht und bin nun heute bis S. 321 gekommen. Ich hoffe allerdings, daß nun der Teil, der vor Personennamen überquillt, erledigt ist. In IV, 1 gibt es auf S. 581 (3. Aufl.) zu N.1 die Signatur München Geh. Staatsarchiv, Kasten blau N. …, zu N. (5) (3. Aufl. S. 593) Wien Haus-, Hof- u. Staatsarchiv (jetzt natürlich Österr. Staatsarchiv) die Signatur Karton 30 (alt: Fasz. 26 Nr. 65). Ich könnte mir denken, daß sich diese Signaturen indessen geändert haben. Aber ich müßte wohl auf jeden Fall die alten angeben. III. Berlin, den 17. 5. 1985 Meine liebe Gerda, mit großer Erleichterung und herzlichem Dank erhielt ich vorgestern Deinen Brief vom 8. Mai 1985, mit Erleichterung deswegen, weil die Zeit allmählich drängt bis zur Abgabe der letzten 28 Bogen. Hab vor allem Dank für die Arbeit, die Du Dir damit gemacht hast, besonders auch für die zusätzlichen Korrekturen, die Du angegeben hast, und die ich bis auf eine berücksichtigt habe. In der Hoffnung, dass ich Dir damit nicht allzu sehr zur Last falle, möchte ich noch kurz auf einige Fragen eingehen. Zu S. 829 habe ich Deine Vorschläge für die Änderung von zwei Lesarten übernommen, mit denen ich voll einverstanden bin. Nur das „Monseigneur“ kann ich nicht mehr vor die Lesart setzen. Der gesamte Absatz würde sich dadurch verschieben. Da wir schon soviel Korrekturen haben, bringe ich das einfach nicht mehr fertig, diese Änderung zu verlangen. Schade, da doch das „Monseigneur“ am besten auf den Brief(konzept)charakter unserer Lesart hinweist. Hinsichtlich des Gedichtes von Ferdinand von Fürstenberg bin ich so verfahren, wie Du vorgeschlagen hast. Vielen Dank für die Zusendung der Fotokopie. Die eckigen Klammern von Leibniz müssen wir noch in Form von runden (da nun einmal so angefangen) ergänzen. Im übrigen war ich froh, für diesen mathematischen Text, von dem ich

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nichts verstehe, das Foto zu haben, um zu wissen, daß alles so seine Ordnung hat, wie es dasteht. Bei S. 865,23 hatte ich (diesmal) geschlafen, ich hatte übersehen, daß das „causa“ vor „quarum“ einfach „wegen“ heißt u. natürlich „experimenta“ das Subjekt ist. Welches Glück, daß wir auf S. 910 Z. 29 nun noch „ganz“ in „gegen“ ändern können, vor allem aber, daß S. 852 Z. 2 das „se“ in „si“ geändert werden kann. So erhält der Satz erst einen neuen, ich würde sagen, tiefen Sinn, vorher besagte er in seiner zweiten Hälfte schlichtweg nichts. Das verdanken wir diesmal Frau Walther. Etwas aufgeregt habe ich bei der Lesung auf S. 739 Z. 4. Bei der letzten Korrekturbesprechung war ich bereits viel zu flüchtig, so daß ich glaubte, „meist“ und „iemal“ gäben den gleichen Sinn. Wenn man den Kontext liest, sieht man natürlich, daß sie gerade entgegensetzte Bedeutung haben. Der arme Pächter Hizeman ist von dem Grundbesitzer Amtmann Hennings ganz schön übers Ohr gehauen worden und klagt ja deswegen auch. Leibniz steht immer auf seiner Seite. Unter anderem hatte sich Hennings zu guter Letzt erlaubt, in einem Jahr, als die Ernte einmal gegen alle Gewohnheit sehr gut ausgefallen war, in das Pachtgrundstück ohne die gesetzmäßige Kündigungsfrist abzuwarten einzudringen, und „Haus und Hof“ mit Beschlag zu belegen. Durch Deine Lesung „mühl“, die meine fast bestätigte, etwas verzweifelt, da sie auch keinen Sinn ergab, habe ich endlich mein Gedächtnis angestrengt, da ich mich dunkel erinnerte, daß von der Angelegenheit gleich zu Anfang des Stückes die Rede war. Und da steht denn Gott sei Dank auch fast derselbe Satz, und zwar mit „iemal“, so dass ich meine Konjektur bestätigt fand. (S. 728 Z. 19). Dass ich, statt diese Überlegung gleich anzustellen, erst Dich damit behelligt habe, ist leider auf die menschliche Trägheit meinerseits zurückzuführen. Meinen Brief vom 5. Mai wirst Du inzwischen erhalten haben. Für heute habe ich, wie könnte es anders sein, ein paar neue Probleme. Frau Knabe schreibt in ihrer Einleitung über die Auszüge, die wir ausgeschieden haben. Da heißt es am Anfang: „Marginalien zu Thevenot, Relation d’un voyage fait au Levant, Paris 1665, im Exemplar der Niedersächs. Landesbibl. Leibn. Marg. 36, 1, vormals in M. Fagels Bibliothek, später in Leibniz’ Besitz, nach 1678“. Ich nehme die in der Einleitung besprochenen, ausgeschiedenen, von Leibniz ausgezogenen Schriften ins Schriftenverzeichnis, sonst wäre sie für diesen Band ja nicht zu erfassen. Ebenso nehme ich in diesem Zusammenhang erwähnte Personen ins Personenverzeichnis. Meine Frage ist nun, um wen es sich bei „M. Fagel“ handelt, zumal das „M.“ auch „Monsieur“ heißen könnte. Es ist sicher möglich, das mit Euren Mitteln festzustellen. Eine andere Frage habe ich noch zum Text auf S. 769 Z. 15. Dort steht „Ms Gudii“. Es ist nichts dazu erläutert, Frau Kn[abe] hat auch versäumt, die in diesen kurzen Notizen erwähnten Personen ins Personenverzeichnis zu nehmen, da sie so viele Hinweise auf das SV., vor allem aber auf das SV. von I, 5 hat. Da geht einen eben einmal etwas durch die Lappen. Dieser Gudius ist mir schon immer verdächtig vorgekommen. Was will Leibniz mit seinen Manuskripten? Ich dachte, es müßte sich in diesem Fall doch um einen Verstorbenen handeln. Nun war ja mein eige-

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nes Personenverz. noch nicht zu allen Ermittlungen gelangt. Da ich in dem jetzt übernommenen von Frau Kn[abe], das ich gerade redigiere, nichts fand, mußte ich mich selbst bemühen, und stellte nun fest, daß Marquard Gude, auf den sich die Stelle doch wohl (??) bezieht, erst 1689 gestorben ist, und daß Leibniz sich tatsächlich (nach Prof. Müllers Chronologie) um seine Manuskripte bemüht hat, aber im Jahre 1704! So bin ich nun etwas betreten, jetzt mit meinen Leibnizforschungen zu Band IV, 3 beginnend! Samuel, hilf! Vielleicht ist das Stück erst von 1704!? Oder könnte Leibniz auf keinen Fall mehr in diesem Jahr das Papier mit dem beschriebenen Wasserzeichen benutzt haben? Einen anderen kapitalen Fehler haben wir sicher mit der Aufnahme von N. 126 gemacht. Ich bin fest überzeugt, dass dieses Gedicht nicht von Leibniz ist. Ich habe es früher noch gesagt, aber es war zu spät. Frau K[nabe] wollte sich nicht mehr davon trennen. Im übrigen bin ich der Ansicht, dass die fragliche Nummer 141 sicher von Leibniz ist, da es in allem seine Argumentationsweise enthält. Du kannst ganz sicher sein, dass von mir nun keine K Fragen mehr zu den Texten kommen. Mit dem Redigieren des Personenverzeichnisses bin ich jetzt bis zur Hälfte gekommen (heute muß K fertig werden), ich schreibe es übrigens auch selbst in die Maschine (die Form der Einrückungen habe ich jetzt fest im Griff) und hoffe, dass es so gleich in die Druckerei gehen kann. So werde ich wohl auch den nächsten Termin halten können und bin dann über den Berg. Es bleibt nur noch eine größere Arbeit, das Sachverzeichnis. Aber in der Zeit der Freistellung schaffe ich das nicht mehr. IV. Berlin, den 30. 5. 1985 Meine liebe Gerda, hoffentlich hast du meinen Brief vom 17. Mai erhalten trotz des beklebten Briefumschlags. Ich hatte keinen anderen mehr bei mir. Indessen kann ich nun das Schriftenverzeichnis und das Personenverzeichnis als fertig ansehen. Frau Knabe hat es bereits zur Durchsicht. Zum Schriftenverzeichnis habe ich noch eine Frage: Frau Knabe hatte ermittelt, daß Leibniz ebenso wie H. Valesius (den Leibn. zitiert) das Carmen panegyricum de laudibus Berengarii e Adalberonis Ep. Laudunensis ad Robertum Regem Francorum bearbeitet und daß Muratori es 1723 ediert hat. Da sie keine Band- u. Seitenangaben gemacht hatte, wollte ich diese nach dem Muratori in unserem Histor. Seminar ergänzen, konnte aber Leibniz nicht finden. Dann entdeckte ich, daß die Angabe sicher aus dem alten Katalog der DSB stammt, wo folgende Daten genannt werden: Muratori, SRI, T. 2, p. 1, Mediolani 1723, S. 371–415. Meine nochmalige Suche im Hist. Sem. zeigte, daß der betreffende Band nicht dort ist. Könntest du vielleicht so liebenswürdig sein, die Angabe noch einmal zu überprüfen? Für mich wäre der Zeitaufwand wesentlich größer, zumal ich nicht weiß, ob eine der Bibliotheken den Band hat.

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Meine ergänzenden Ermittlungen zum Pers.-Verz. habe ich jetzt abgeschlossen. Eine offene Frage wäre eventuell bei Euch noch zu klären: von Schenk von Winterstadt, dem Hofmeister Johann Friedrichs, haben wir kein Todesdatum. Ebenso geht es mir mit Konrad Wilhelm v. Lenthe, Kammerherr d. Kurfürstin von Brandenburg, den Frau Kn[abe] zusätzlich zitiert. Wann gestorben? Ich glaube, daß es von Kneschke außer dem Deutschen auch ein preußisches Adelslexicon gibt, aber es ist nicht mehr im Seminar. Das Buch zu bestellen kostet viel Zeit. Ich bin ab nächste Woche ja nun wieder auf meine Freizeit angewiesen. Sollte er bei Kneschke nicht vorkommen, ist die Ermittlung nicht weiter von großem Belang. Das Fundstellenverzeichnis habe ich nun doch für alle drei Bände zusammengefaßt, indem ich immer vor die Nummer eine arabische 1, 2 oder 3 setze. In Fällen von Auszügen u. Regesten in den Untersuchungen zu Bd. 1 schreibe ich „ohne Nummer“ und gebe die Seitenzahlen an. Dazu sage ich im Vorspann, daß eine hochgestellte kleine 1 oder 3 auf die 1. bzw. 3. Auflage hinweist. Einen Zweifel habe ich noch wegen des Georgius Ulicovius Lithuanus (IV, 1 N. 1). Leibniz’ Korrekturen in seinem Handexemplar sind als Anmerkungen von Ritter gedruckt worden. Diese haben die Signatur „Leibn. 232“. Wie soll ich diese nun bezeichnen? Gehört die 232 auch zu den Marginaliennummern? Eigentlich ist es doch Leibniz Korr[ekturen]? Ich wäre Dir dankbar, wenn Du mir die richtige Bezeichnung nennen könntest. Im übrigen hoffe ich nun, Anfang Juni die zweite Hälfte unserer Korrekturen übergeben zu können. Von den ersten 30 Bogen haben wir die ersten 4 bereits als zweite Korrektur erhalten. Es ist alles in der gewohnten Exaktheit durchgeführt worden und sieht tadellos aus. Ich bin wirklich sehr beeindruckt davon. Und wie Du siehst, rücken wir allmählich vor. V. Berlin, den 2. Juni 1985 Meine liebe Gerda, nun muss ich dir doch schon wieder schreiben. Ein Gespräch mit Herrn Dr. Brather hat mir gezeigt, dass ich die Münchener Signaturen zu N. 1 in Bd. IV, 1 unmöglich so beibehalten kann, wie sie in der Überlieferung stehen. Ich habe sie damals so aus dem mir übergebenen Material von Prof. Ritter übernommen. Ich hätte aber damals schon eine Anfrage an das dortige Archiv richten müssen. Soviel ich gehört habe, ist Geh. Staatsarchiv nicht einmal mehr die generelle Bezeichnung, sondern München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Dann müßte doch irgend eine Abteilung folgen. Daß ich nach dem Archiv gleich mit der Signatur fortgefahren bin, ist geradezu irre. Ich wäre Dir unendlich dankbar, wenn du wegen der beiden Signaturen dort noch einmal anfragen könntest.

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Die korrigierten letzten 28 Bogen werde ich nächste Woche abgeben können. Entgegen meiner sonstigen Geschwätzigkeit kann ich heute aus Zeitmangel nichts weiter sagen. P. S. Die Bezeichnung Wiesentheid, Gräfl. Schönbornsches Archiv wird ja hoffentlich noch stimmen?! Meinen augenblicklichen Geisteszustand kannst du daran erkennen, daß ich vergessen hatte, mich für Deinen Brief zu bedanken vom 23. Mai, den ich am Freitag erhielt. Wegen der Manuscripta Gudii bin ich wirklich sehr erleichtert. Bei Martin Fogel fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich kenne ihn noch aus Gesprächen zwischen Müller u. [Erik] Amburger. Bei dem „Fraglichen Stück“ N. 141 hat Frau Knabe wohl doch genügend zum Ausdruck gebracht, daß Leibniz als Verfasser sehr nahe liegt (sie sagt, Müller hätte mal mit uns ein Seminar darüber veranstaltet, was ich vergessen habe). Bei dem Gedicht (N. 126) ist beim besten Willen kein Platz mehr für eine Bemerkung. (Übrigens sind die Bogen, die Du jetzt hast, durch unsere Korrekturen restlos überholt.) – Den „Monseigneur“ bei dem Brief Johann Friedrichs in den Lesarten konnten wir nun doch noch unterbringen. Die „mühl-mähl“-Stelle will ich mir nochmal ansehen. VI. Berlin, den 24. 10. 1985 Meine liebe Gerda, wenn ich daran denke, in welchem Zustand ich den letzten Brief mit der Schreibmaschine an Dich geschrieben habe, und in welchem diesen, kann ich mich zu den Leuten zählen, die zu Humboldts Ärger ständig die Naturgesetze durchbrochen sahen und an Wunder glaubten. Aus dieser Bemerkung meinerseits siehst Du auch schon, daß hinsichtlich Leibnizens eine vollständige Verdrängung bei mir stattgefunden hat. Der langen Rede Sinn: Ich sitze in einer ferngeheizten Wohnung, habe einen schönen Schreibtisch neben mir, auf dem alles Briefmaterial ausgebreitet ist, und als ich eben verzweifelt nach dem Schreibpapier suchte, fiel mir ein, daß ich ja dafür Spezialfächer unter der Schreibtischplatte habe. Alles ist so bequem. (Bisher konnte ich immer nur kurze Nachrichten mit der Hand schreiben.) Um den Wohnungsbericht gleich noch ein bisschen zu vervollständigen: meine Atemwege bessern sich unwahrscheinlich in der guten Luft hier draußen. Zur Zeit wird ja noch gebaut, in einiger Entfernung entstehen neue Häuserblocks, und dadurch wird die Luft tagsüber noch belastet. Aber in der Nacht bei offenem Fenster zu schlafen, ist ganz herrlich. Ich fühle mich wie neugeboren. Unsere Register zu IV, 3 sind nun endgültig alle abgegeben. Ich hoffe, daß ich noch von allen eine Revision bekomme. Herr Brather hat intensiv mitgearbeitet zum Schluß. Vor allem hat er die Zusammenarbeit mit Frau Knabe gemacht, hat ihr

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beim Sachverzeichnis geholfen. Sie hätte es allein natürlich nicht mehr geschafft, die Seitenzahlen einzutragen. Aber ich war nach Schriften- und Personenverzeichnis und den Korrekturbesprechungen des Textes total erschöpft. Seit 1979 dürfte ich ja jährlich so an die 20 Mal in Potsdam gewesen sein. Herr B[rather] hat auch sonst dem Sachverzeichnis noch ein bisschen Schliff gegeben; aber das habe ich Dir schon geschrieben. Hoffentlich wird der Band noch in diesem Jahr erscheinen. Da ich mich nun indessen auch in die Korrekturen für meinen eigenen Humboldt-Band5 stürzen musste, die ich am kommenden Montag der Lektorin abgeben will, und mich der Umzug mit allen Vorbereitungen und folgender Neueinrichtung einer größeren Wohnung entsprechend viel Zeit gekostet hat, konnte ich einfach nicht daran denken, Dir für Deine letzten Ermittlungen zu danken und Dir zu antworten. Das muss ich nun nachholen, nachdem „der Zug abgefahren ist“: Sub specie des Bandes IV, 3 pressierte es ja auch nicht mehr so. Ich will versuchen, eine chronologische Reihenfolge einzuhalten. Das Protokoll der Redaktionssitzung vom März6 ist sehr interessant, die Diskussion mancher Probleme scheint mir sehr verheißungsvoll. Es ist gut, über alles zu sprechen und besser, als wenn jeder für sich allein sich herumquält. Es gibt so vieles, was nicht in die allgemeinen Regeln paßt. Ich werde das Protokoll nochmals gründlich durchlesen. So vom sichern Port kann einen nichts mehr aufregen. Ich bin neugierig, ob etwas mehr Einheitlichkeit zustandekommt. (Wir kämpfen bei Humboldt auch immer noch um feste Prinzipien. Ich hatte auch zwei Vorbilder, eines lag vor meiner Zeit, eines entstand während meiner Arbeit. Da keiner mit mir darüber sprach, bin ich meinen eigenen Weg gegangen, der den anderen jetzt als etwas zu rigoros erscheint. Ich bin aber sehr zufrieden damit.) Hab vielen Dank, daß Du nach Frankfurt a. M. geschrieben hast wegen des „Neuen Informationsmemorials“. Die Antwort des Archivs ist verständlich. Ich habe erst bei der Redigierung des SV. bemerkt, daß eigentlich weder aus S. 43 noch S. 45 von IV, 3 hervorgeht, ob das Informationsmemorial eine Handschrift, oder ob es gedruckt ist. Man hätte im ersten Fall im SV. „Ms.“ hinzufügen müssen. Aber Frau Kn[abe] war von der vielen Arbeit doch sehr angegriffen. Ich habe nicht mehr gewagt, anzurufen. Nun muß das eben auf sich beruhen. (Ich selbst war übrigens auch ziemlich am Ende mit meiner Kraft.) Vielen Dank für die Mitteilung der Namen der bayerischen Archive. Ich habe mich doch entschlossen, weitgehend das im Fundstellenverzeichnis zu verzeichnen, was im jeweiligen Text steht. Nur bei der Leibniz-Marginalie habe ich die neue Nummer neben der alten Signatur in Klammern (wie Du sehen wirst), und bei Schwerin mußte ich auch den heutigen Namen in Klammern dazusetzen. Vielen Dank für deinen Brief vom 5. Juni. Mit L[eibnizens] Carmen Panegyricum konnte ich Gott sei Dank noch alles in Ordnung bringen wenigstens im Register. Sogar, daß es sich bei Muratori nur noch um den Abdruck von L[eibniz’] 5 6

Alexander von Humboldt: Reise auf dem Río Magdalena, durch die Anden und Mexico. Teil I: Texte. Aus seinen Reisetagebüchern zusammengestellt und erläutert von M. Faak (= Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung 8), Berlin 1986. Das fünfte Treffen der Leibniz-Editoren fand 1985 in Münster statt.

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Fußnoten handelt, konnte ich noch mitaufnehmen. Auch Schenck von Winterstedt und Lenthe sind nun durch Deine Hilfe richtig identifiziert. Lampe kannte ich nicht. Ich habe mich bei Frau Knabes Zetteln entsprechend immer gewundert über die Vermerke „Lampe, S. …“. Vielen Dank! Nun muss ich auch wieder etwas schreiben, was Dich nicht sehr freuen wird (so hattest Du Dich ausgedrückt bei der Mitteilung, daß zwei Fotos vertauscht worden waren!). Es handelt sich um die beiden strittigen Lesungen „mühl-mähl“ und „ut proinde“. Wegen „mähl“ war ich beim Leiter des Brandenburg-Berlinischen Wörterbuchs, der ein renommierter Sprachwissenschaftler ist. Er hat lange auch mit Rechtswörterbüchern herumlaboriert und alles hin- und hergedreht, ist aber zu dem Schluß gekommen, daß er meine Konjektur beibehalten würde. (Es ist Dr. Wiese, den ich auch im Vorwort erwähnt habe. Er findet schneller durch den Grimm und weiß auch sonst schneller eine Deutung, auf die andere bei weitem nicht so rasch kommen.) Er hat auch an eine Eigenbedeutung von „mahl, mähl“ gedacht. Die andere Stelle ist noch schlimmer. Ich habe nämlich das „ut proinde“ gestrichen. Eine Lesart konnte ich ja leider nicht mehr machen. Sie hätte gezeigt, daß der Satz noch weitergehen sollte. Leibniz muß dann aber gemerkt haben, daß es schon ein Bandwurm war. Deine Übersetzung „so halt“ kann ich nicht ganz akzeptieren. „ut“ heißt ja nicht „so“, sondern entweder „wie“ oder „daß, damit“. In meinem Schul-Georges steht als Übersetzung “ebenso wie“. Das würde man doch auch im Deutschen nicht am Schluß eines Satzes sagen können. Die ganze Stelle gehört übrigens zu denen, die Leibniz von einem Stück in ein anderes (religionspolitisches) übernommen hat, wie Frau Kn[abe] dankenswerterweise festgestellt hat. Auf S. 272. Z. 2 endet dieser Satz mit „regitur“. Das „proinde ut“ fehlt hier. (Es gehört außerdem zu der Stelle, an der die Fotos vertauscht waren.) Bitte sei nicht ungehalten deswegen. Ich weiß, daß Du das irgendwie nicht billigst. Der erwähnte Dr. Wiese hat übrigens in seiner Institutsbibliothek ein berlinisches Wörterbuch entdeckt, indem eine handschriftliche Eintragung besagt, daß das Buch Herrn Prof. Paul Ritter gehört habe. Die Initialen der Schreiberin deuten einwandfrei auf S(iegrid) v(on) d(er) S(chulenburg). Er hatte mir das Buch gezeigt und meine Erklärung gleich hineingeschrieben. Du kannst es Dir gern ansehen. Herzlich Dank für deine Postkarte vom 6. August. Natürlich habe ich Leibniz „compendifaciamus“ zugestanden. Das Latein ist ja überhaupt weitergebildet worden bis zu Leibniz’ Zeit. Mir waren noch mehrere Neubildungen aufgefallen, wofür ich sogar ein oder zweimal selbst eine Erklärung gefunden habe, die mir Frau Dr. Pape vom Mittellateinischen Wörterbuch bestätigt hat. Herzlichen Dank auch für das Zeitmagazin mit der Abbildung von Pfarrer Welge. Ich habe ihn vor einiger Zeit mal angerufen und habe ihm dabei erzählt, daß ich das Bild kenne. Es sieht sehr eindrucksvoll aus. Bruno Gloger (er will wohl auch über die Hugenotten etwas schreiben) hat jetzt sein Buch über den Großen Kurfürsten veröffentlicht.7 Sicher hast Du es auch schon erhalten. Ich muß mir in meiner Wohnung erst noch eine Leseecke suchen. Wie lange habe ich kein Buch mehr gelesen! Das einzige ist Garcilaso 7

Bruno Gloger: Friedrich Wilhelm Kurfürst von Brandenburg. Biographie, Berlin 1985.

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de la Vegas Buch über die Inkas,8 aber das auch nur im Krankenhaus u. beim Haartrocknen, (Prof. Biermann, der es mir geliehen hat, sagt, sie müßten mich dann eben öfter ins Krankenhaus schicken.) Vor einiger Zeit war ich im Schauspielhaus im großen Konzertsaal, zum ersten Mal. Ich habe lebhaft an Dich gedacht. Das Konzert war herrlich. Es gibt die 3. Sinfonie von Bruckner u. von Mozart Fantasie f-Moll. auf der Orgel. Bei den ersten Tönen der Fantasie von Mozart war ich wie elektrisiert. Ich kenne sie nämlich in- und auswendig und wollte sie mir immer als Schallplatte kaufen, ahnte aber nicht, dass das Stück von Mozart ist. Dieses Orgelwerk spielte Prof. Heitmann jeden Sonntag nach dem Gottesdienst, wenn sich die Gemeinde langsam aus den Türen schob. Und wir waren jeden Sonntag dort! Ich habe jetzt das Abonnement meiner Freundin, mit der ich von Kind auf ununterbrochen zusammen gewesen bin (jetzt natürlich in zeitlichen Abständen) und die im Februar ganz rasch an Krebs verstorben ist. Ich besuche die Konzerte mit ihrer 87jährigen Mutter. Wenn Ihr nach Berlin kommt, hoffe ich sehr, daß Du bei mir wohnen wirst. Ich fahre doch morgens auch nach Berlin; das wäre zu schön. Schließlich sind 25.– M weniger als 140.– !!! (Und der Likör ist bei mir auch billiger.) Was machen wir eigentlich mit unserem ganzen Briefwechsel? Eigentlich ist er archivwürdig. Findest du nicht?

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Garcilaso de la Vega: Wahrhaftige Kommentare zum Reich der Inka, dt. von Wilhelm Plackmeyer, Berlin 1983.

Herbert Breger (Hannover)

DIE LEIBNIZ-EDITION IM AKADEMIENPROGRAMM Meine Ausführungen1 umfassen drei Punkte: Institutionelles, elektronische Datenverarbeitung, Effizienz. 1. INSTITUTIONELLES Die Übernahme der ersten Stellen der Leibniz-Edition in das Akademienprogramm wurde 1985 beschlossen. Es begann mit dem Leibniz-Archiv in Hannover. Zuvor hatte eine Forschungsstrukturkommission ihr deutliches Erstaunen darüber zum Ausdruck gebracht, dass ein solches wissenschaftliches Groß-Projekt (in Hannover) bei einer Bibliothek angesiedelt sei. Die Übernahme ins Akademienprogramm bedeutete keineswegs etwas wie eine Neugründung, sondern eben nur die Zuordnung einer sehr gut funktionierenden Arbeitsstelle zur Göttinger Akademie. Die durchaus selbstbewusste und leistungsfähige Mitarbeiterschaft war von dieser organisatorischen Änderung nicht erfreut. Der Arbeitsstellenleiter Albert Heinekamp vermittelte daher den Besuch des zuständigen Abteilungsleiters im Ministerium, Christian Hodler, der den Mitarbeitern versicherte, es gehe bei der Maßnahme lediglich um Fragen der Finanzierung (Niedersachsen würde künftig im Akademienprogramm die Hälfte der Kosten vom Bund erhalten); insofern diene die Maßnahme letztlich vor allem der Sicherung der Arbeitsplätze. Tatsächlich änderte sich an der wissenschaftlichen Arbeit der Editionsstellen durch die Aufnahme ins Akademienprogramm für lange Zeit nichts. Die Göttinger Akademie wollte die Personalakten der Mitarbeiter und damit die Verwaltung der Arbeitsstelle sofort übernehmen; die Bibliothek sträubte sich. Als Kompromiss wurde eine Kompetenzverteilung festgelegt: In wissenschaftlichen Fragen (einschließlich der Besetzung der Wissenschaftler-Stellen) liegt die alleinige Befugnis bei der Akademie, in dienstrechtlichen Fragen bei der Bibliothek. Durch diesen Kompromiss behielt die Bibliothek sozusagen den Fuß in der Tür, was so lange nicht störte, wie die editorischen Belange nicht durch auf Entertainment zielende Interessen beeinträchtigt wurden. Die Evaluationskommission des Jahres 2007 stieß sich an dieser nicht aus sachlichen Erfordernissen herrührenden Konstruktion und schlug mit Unterstützung des Vorsitzenden der Leitungskommission eine Änderung vor. Die Arbeitsstelle Münster wurde unmittelbar nach der hannoverschen Arbeitsstelle ins Akademienprogramm übernommen; dort wurden die Arbeitsverträge im 1

Für Anregungen und Diskussionen danke ich Wolfgang Bungies und Nora Gädeke.

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Laufe der Zeit Schritt um Schritt in Arbeitsverträge mit der Akademie überführt. Die Bindung zur Universität besteht heute nur noch in finanzieller Hinsicht (Räume etc.); da die Universität Münster zu einem anderen Bundesland gehört als die Göttinger Akademie, wäre diese traditionelle Bindung auch weniger leicht zu lösen. Die zunächst in Berlin bestehende und dann vollständig nach Potsdam verlagerte Arbeitsstelle wurde ungefähr zwei Jahre nach der Wiedervereinigung von der Berlin-Brandenburgischen Akademie übernommen. Die jetzige Berliner Arbeitsstelle (Reihe VIII) wurde später gleich bei ihrer Gründung ins Akademienprogramm aufgenommen. In den 1980er Jahren wurden jährliche Editorentagungen aller drei Arbeitsstellen durchgeführt. Auf diese Weise konnte ein Kontakt zu den Editoren in Berlin aufgebaut werden, die sonst wohl keine Ausreisegenehmigung erhalten hätten. Der Briefwechsel zwischen Margot Faak und Gerda Utermöhlen im Archiv der BerlinBrandenburgischen Akademie zeigt, dass dies in der Tat zum Vorteil des Bandes A IV, 3 gelang.2 Das offizielle Ziel war die Debatte über editorische Fragen, ein durchaus nützliches Unterfangen. Die von Hans-Stephan Brather für diese Treffen vorgelegten Teile einer Editionstechnik wurden nur teilweise gebilligt, teilweise nicht einmal diskutiert. Mit dem Ende der DDR hörte diese Form der Editorentreffen dann auf. Die Eingliederung im Akademienprogramm zeigte eine unerwartet problematische Seite, als um die Jahrtausendwende ein Präsident einer der beiden Akademien sich in öffentlicher Kritik am Akademienprogramm gefiel. Ein Chef eines großen Industrieunternehmens, der lieber in Pressekonferenzen öffentlich die Ineffizienz seines Unternehmens beklagt als sich intern der Effizienzsteigerung zu widmen, wäre wohl nicht vorstellbar. In der Öffentlichkeit wurde die Leibniz-Edition wegen des großen Umfangs des Leibniz-Nachlasses zum Standard-Beispiel für ausufernde Akademieprojekte. Auf einer Tagung in München wurde dabei pressewirksam mit grob falschen Zahlen gearbeitet – nicht aus Böswilligkeit, sondern weil man nicht in seine Unterlagen geschaut hatte. Die „300 Jahre“ geisterten im Folgenden eine Zeit lang durch die deutsche Presselandschaft. Die Arbeitsstellen antworteten darauf im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit; dabei erwies sich ein Vortrag beim Leibniz-Kongress 2001 als am wirksamsten. Selbstverständlich ist eine institutionalisierte Kontrolle der Ergebnisse der finanziellen Mittel für die geisteswissenschaftlichen Langzeit-Vorhaben unerlässlich. Es gab und gibt jedoch auch Probleme (das vor wenigen Jahren geänderte Titelblatt der hannoverschen Reihen gehört dazu), aber warum sollte es den Editoren der Leibniz-Ausgabe anders gehen als Leibniz, der 1703 schrieb: „Allein große Herren sind nicht allemahl völlig berichtet, und man will oder kan nicht wohl allemahl ihnen die Erheblichkeiten beyzubringen sich unternehmen; daraus entstehen dann allerhand übele Folgen, so nicht so fort hernach wieder zu recht zu bringen, und wird also an der Thür-Schwelle angestossen.“3

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Siehe auch die im vorliegenden Band abgedruckten Briefe von M. Faak an G. Utermöhlen. A I, 22, 742.

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2. EDV, DRUCKKOSTENZUSCHÜSSE Bis zum Fall der Mauer wurden die Bände der Leibniz-Ausgabe im Bleisatz und ohne Druckkostenzuschuss gesetzt. Die Setzer arbeiteten sehr gut und ließen sich auch auf fünf Korrekturgänge ein. Freilich konnte es auch im Bleisatz passieren, dass an sich richtiger Text in der Setzerei aus dem Rahmen rutschte, so dass der gedruckte Band einen Fehler enthielt, der beim letzten Korrekturgang nicht erkennbar gewesen war. So etwas war jedoch die Ausnahme. Ende 1991 verlangte der nun privatisierte Akademie-Verlag hohe fünfstellige und zum Teil sogar sechsstellige DM-Beträge als Druckkostenzuschuss. Da die DFG sich für unzuständig erklärte und im Akademienprogramm solche Summen nicht vorgesehen waren, wurde in Hannover das Satzsystem TEX eingeführt (in Münster wurde bereits mit TUSTEP gearbeitet; in Potsdam wurde mit TUSTEP begonnen). Dadurch sollten die Druckkostenzuschüsse künftig mindestens reduziert werden. In dieser Phase gab es bei einem hannoverschen Band einen Konflikt mit dem Verlag, der einen ungewöhnlich hohen Druckkostenzuschuss forderte. Es wurden Kostenvoranschläge von anderen Verlagen eingeholt. Im Ergebnis gewährte schließlich der Verlag Druckkostenzuschussfreiheit für alle Bände der Leibniz-Edition. Als im Frühjahr 2001 zum ersten Mal durch einen Bericht der Evaluationskommission bekannt wurde, dass die Veröffentlichung von Teilergebnissen und fertigen Bänden im Internet gewünscht sei, stellten Hannover und Potsdam binnen vier Wochen die ersten Teilergebnisse und dann im Herbst auch die ersten fertigen Bände ins Internet; Münster und Berlin folgten etwas später. Mit der InternetPräsentation hätte schon vorher begonnen werden können, wenn die Leitungskommission diesen Wunsch geäußert hätte. Bei drei der Arbeitsstellen hat sich die PDF-Datei als Standard durchgesetzt: Es spart Zeit und Konvertierungsfehler, wenn für den Verlag und für die Internet-Präsentation dieselbe Datei verwendet wird. Ein weiterer Vorteil ist die leichte Zitierbarkeit, die sich daraus ergibt, dass die Internet-Präsentation und der gedruckte Band seitenidentisch sind. Andere Fragen im Zusammenhang mit dem EDV-Einsatz (wie z. B. Datenbanken) lasse ich hier weg. 3. EFFIZIENZ In Anbetracht der vergleichsweise hohen Beträge, die für die Leibniz-Edition jedes Jahr erforderlich sind, gebührt der Rechenschaft über die erschienenen Bände (deren Qualität selbstverständlich sein sollte) besondere Aufmerksamkeit (Abb. 1). Bis zum Jahr 1945 waren gerade einmal sechs Bände (noch dazu ohne Erläuterungen, Datierungsbegründungen, kritischen Apparat und nur teilweise mit Registern) erschienen. Die Personalsituation war für den Umfang des Leibniz-Nachlasses völlig unzureichend. Bis 1984, also bis zur Aufnahme ins Akademienprogramm, waren dann insgesamt 19 Bände erschienen, das sind für den Zeitraum von 1910 bis 1985 also 0,26 Bände pro Jahr. Seitdem (in 26 Jahren) sind 33 weitere Bände erschienen, 1,27 Bände pro Jahr. Die Produktion hat sich also verfünffacht.

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Die Statistik wird noch aussagekräftiger, wenn wir die letzten 26 Jahre in zwei Phasen zerlegen. Die 16 Bände, die von 1985 bis 2000 erschienen sind, ergeben einen Durchschnitt von 1,07 Bänden pro Jahr. Die 17 Bände von 2001 bis 2011 ergeben einen Durchschnitt von 1,7 Bänden pro Jahr. Im letztgenannten Zeitraum sind die 2. Auflage von II, 1 und der eigentlich fertige Band I, 21 nicht mitgerechnet; die Statistik wäre sonst noch besser. Nach Arbeitsstellen aufgeschlüsselt ergibt sich dasselbe Bild: Die Arbeitsstelle Hannover hat im Zeitraum 1985 bis 2000 ebenso 11 Bände veröffentlicht wie in dem deutlich kürzeren Zeitraum von 2001 bis 2011. Die Arbeitsstellen Münster und Potsdam haben von 1985 bis 2000 fünf Bände veröffentlicht und in dem deutlich kürzeren Zeitraum 2001 bis 2011 zusammen mit Berlin sechs Bände. In allen Arbeitsstellen ist die Effizienz also deutlich gesteigert worden. Es sind mithin drei Phasen zu unterscheiden: Beim Übergang von der ersten (1910–1984) zur zweiten (1985–2000) Phase hat sich die Anzahl der pro Jahr erschienenen Bände vervierfacht, beim Übergang von der zweiten zur dritten Phase (2001–2011) hat sich die Anzahl pro Jahr erneut um 70 Prozent gesteigert. Man kann sich die Entwicklung auch an der folgenden Abbildung verdeutlichen, die zeigt, wieviele Jahre für die Veröffentlichung der jeweils letzten zehn Bände gebraucht wurden (Abb. 2): Während 1970 noch 39 Jahre für die letzten zehn Bände gebraucht worden waren, sank diese Zahl kontinuierlich bis auf 6 Jahre im Jahr 2011. Was sind die Gründe dafür? Selbstverständlich ist zunächst die deutsche Geschichte zu nennen, die zwei Weltkriege mit sich brachte, das Ausscheiden eines jüdischen Mitarbeiters 1933, einen erneuten Personalwechsel in den 1940er Jahren, schließlich ein besonders im Zeitraum von 1963 bis 1986 geringes Interesse an der Leibniz-Edition in der DDR (das auch durch Margot Faaks unermüdliche Tätigkeit nicht ausgeglichen werden konnte). Die Gründung der Leibniz-Forschungsstelle Münster 1956 und des Leibniz-Archivs Hannover 1962 konnte erst allmählich eine Verbesserung der Situation bringen, insbesondere weil in Hannover der jetzige Stand an Wissenschaftler-Stellen ja erst 1986 erreicht wurde, während in Münster das Personal immer weiter gekürzt wurde. Dieses allmähliche Anwachsen des hannoverschen Personalstandes (und nicht die rein formale Übernahme ins Akademienprogramm als solche) war ein wichtiger Faktor dafür, dass die Anzahl der fertigen Bände ab Ende der 1970er Jahre wuchs. In der Statistik der veröffentlichten Bände wirkte sich dies nur mit Verzögerung und daher irreführend aus: Die fertigen Bände lagen oft zwei bis drei Jahre in der Setzerei, weil in der DDR Papierknappheit herrschte und die Leibniz-Ausgabe nun einmal nicht die erste Priorität hatte. Auch nach Beginn des Satzes und nach der Lieferung der ersten Fahnenumbrüche durch den Verlag dauerte es noch lange bis zum Erscheinen des Bandes, da drei Korrekturgänge (insgesamt etwa ein Jahr) normal waren. Wenn die Editoren die Umbrüche vom Verlag erhielten, arbeiteten sie also schon eine Zeit lang am folgenden Band und hatten daher zusätzliche Kenntnisse gewonnen, die nun in den Korrekturgängen des eigentlich fertigen Bandes nachträglich eingearbeitet wurden, was vom Verlag mit erstaunlichem Gleichmut akzeptiert wurde.

Abb. 1: Erschienene Bände der Leibniz-Akademieausgabe.

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Abb. 2: Anzahl der Jahre, die für die letzten zehn Bände benötigt wurden.

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Durch den Einsatz der Satzsysteme TEX und TUSTEP entfällt das mehrmalige Lesen der Verlagskorrekturen, da jetzt eine druckfertige Datei abgegeben wird; dies dürfte eine Effizienzsteigerung von etwa 10 Prozent ausmachen. Dafür ist die Arbeit (in Hannover für die Sachbearbeiterinnen, vor allem in der Mathematik) schwieriger geworden, weil nicht nur reiner Text, sondern Satzbefehle in den Computer eingegeben werden müssen. Ferner braucht man EDV-Betreuung, denn die EDV ist ein Teufelchen, das einen immer irgendwo zwackt und piesackt. Da gleichzeitig die Druckkostenzuschüsse in der Größenordnung des Jahresgehalts einer Sachbearbeiterin entfielen, war die Einführung der Satzsysteme in jedem Falle von Vorteil. Schließlich ist die Anzahl der erschienenen Bände natürlich insbesondere durch neue Stellen gesteigert worden. Vom Ende der 1970er bis zum Ende der 1980er Jahre sind in Hannover vier neue Stellen hinzugekommen; das dürfte eine Steigerung der Anzahl erschienener Bände von etwa 30 Prozent entsprechen. Schwer fassbar, aber sicherlich vorhanden dürfte auch eine gewisse Steigerung durch eine „Effizienzkultur“ in der jeweiligen Arbeitsstelle sein. Natürlich stellt sich bei solchen Überlegungen immer auch die Frage, ob es weitere Möglichkeiten der Beschleunigung gibt. Dazu nur einige kurze Bemerkungen, die sicher weiterer Diskussion bedürfen. Eine kleine Beschleunigung wäre wohl möglich, wenn man einiges noch einmal durchdenkt bzw. sich an das ursprünglich Vorgesehene erinnert. Bei den Sacherläuterungen könnte man sich zum Beispiel auf das unbedingt Erforderliche konzentrieren. So ist das ja auch in der Editionstechnik von Kurt Müller ausdrücklich vorgesehen, aber tatsächlich gab und gibt es eine gewisse Neigung, die Erläuterungen (und die Register) immer ausführlicher und besser zu gestalten. Bei einem im Text vorkommenden Begriff wie „Monotheletismus“ macht es nicht viel Sinn, wenn der Editor diesen ihm vorher unbekannten Begriff mehr schlecht als recht zu erläutern versucht, während der theologische Fachmann den Begriff ohnehin kennt und andere Leser mit Medienkompetenz (d. h. der Fähigkeit, die Unmassen von Schrott im Internet von den soliden Seiten zu unterscheiden) sich innerhalb von 30 Sekunden mehr und bessere Informationen zu diesem Begriff auf den Bildschirm holen können, als die Erläuterung in der Ausgabe bringen könnte. In einigen Reihen wird die Wiedergabe der Varianten offenkundig übertrieben. Sicher wird man in den Reihen VI und II etwas mehr Varianten brauchen. In den anderen Reihen sollte man sich auf eine eng begrenzte Auswahl konzentrieren, wie es in der Müller-Technik heißt, statt eine Quasi-Vollständigkeit anzustreben, als handele es sich um poetische Texte. Die Schriftenverzeichnisse könnte man vielleicht sogar streichen, zumindest mit deutlich weniger Aufwand erstellen. Früher galt die Regel, dass das Schriftenverzeichnis so ausführlich sein soll, dass man auf dieser Grundlage eine Fernleih-Bestellung aufgeben kann. Tatsächlich wurden aber auch die Schriftenverzeichnisse im Laufe der Zeit immer perfekter. Heute sind Fernleih-Bestellungen (bzw. bibliographisch eindeutige Identifizierungen der Titel) wegen der Bibliothekskataloge im Internet gar kein Problem mehr (wenngleich auch sehr viel weniger oder überhaupt keine alten Bücher mehr an andere Bibliotheken verliehen werden).

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Schließlich sind auch die Einleitungen im Laufe der Zeit immer umfangreicher geworden. Teilweise fangen sie an, so umfangreich zu werden, dass sie ihre Funktion, dem Leser Lust auf die Lektüre von gewissen thematischen Zusammenhängen zu machen, geradezu verfehlen. Wenn ich mich nicht irre, hat man neuerdings sogar begonnen, das Gegenlesen und die Schlussredaktion einzusparen. Das würde ich für keinen guten Weg halten, denn damit ist unvermeidlich ein ernster Qualitätsverlust verbunden. Beide Arbeitsgänge gehören wesentlich zum editorischen Handwerk. Etwas anderes ist freilich die organisatorische Umsetzung des Gegenlesens. Martin Schneider hat in Münster für höhere Effizienz gesorgt, indem er die so genannte Zweitbearbeitung völlig zu Recht strich und durch ein gründliches Gegenlesen durch den Arbeitsstellenleiter ersetzte, der in diesem Arbeitsgang die unvermeidlichen Fehler des Bearbeiters korrigierte. Erst recht gehört die philologische Durchdringung der zu edierenden Texte, insbesondere die Datierungsbegründungen, zu den unerlässlichen Bestandteilen des editorischen Handwerks, an denen unter keinen Umständen gekürzt werden darf. Beispiele aus den letzten Jahren (es mag andere Beispiele geben; ich beziehe mich hier auf die, die mir gut bekannt sind) sind die Entdeckungen der bisher unbekannten Wien-Reise durch Sabine Sellschopp und die Entschlüsselung der „l’affaire de M. Kortholt“ durch Nora Gädeke. Da Leibniz bewusst irreführende Tarnworte und falsche Namen verwendet, sind philologische Durchdringung und kritische Hinterfragung scheinbar „kleiner“ Unstimmigkeiten von essentieller Bedeutung. Bei diesen Arbeitsgängen kann nichts eingespart werden ohne einen gravierenden Qualitätsverlust. Zu den Selbstverständlichkeiten, über die man nicht diskutieren muss, sollte eigentlich auch gehören, dass derselbe handschriftliche Befund vom selben Mitarbeiterteam in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Bänden derselben Reihe in gleicher Weise wiedergegeben wird. Die letzten Jahre haben es auch immer deutlicher werden lassen, dass man sich von der Vorstellung verabschieden muss, eines Tages werde der Editionskatalog vervollständigt werden müssen, um dann erst die unkatalogisierten Teile des Nachlasses edieren zu können. Die Vervollständigung des Katalogs könnte nur von gut eingearbeiteten Editoren durchgeführt werden und würde ein zeitaufwendiges größeres Projekt sein, das die Arbeit an der Edition spürbar verzögern würde. Das dürfte nicht praktikabel sein. Es gibt jedoch durchaus Möglichkeiten, ohne die Katalogisierung des gesamten Nachlasses und ohne Qualitätsverlust bei der Edition im vorgesehenen Zeitplan zu bleiben. Es sind bis jetzt 52 Bände erschienen; nach den letzten mir bekannten Mitteilungen der einzelnen Reihen sind jetzt noch 56 weitere Bände zu erwarten. Wenn man das Tempo der letzten zehn Jahre hochrechnet, dann werden noch 33 Jahre gebraucht, um diese 56 Bände zu veröffentlichen. Nach dieser Rechnung wäre die Leibniz-Edition also bereits 2044 fertig und nicht 2048 (wie bisher angegeben) oder 2055 (wie immer noch bei der Union der Akademien notiert). Voraussetzung ist selbstverständlich der bisherige Bestand an Stellen. Hochrechnungen über mehr als dreißig Jahre haben gewiss ihre Haken und Ösen. Aber wie schon ausgeführt, ist das Tempo der letzten zehn Jahre noch ein wenig steigerbar (wie gesagt: A I, 21 und

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die 2. Auflage von A II, 1 wurden ja nicht berücksichtigt). Und personelle Fluktuationen hat es auch im letzten Jahrzehnt gegeben, beispielsweise beim Band A III, 7. Es ist nicht meine Sache, eine Hochrechnung für die zweite Hälfte der LeibnizAusgabe vorzulegen. Wenn es aber Leute geben sollte, die meinen, dass man der Leibniz-Edition mal auf die Finger gucken müsste, dann möchte ich sagen: Die Leibniz-Edition braucht es nicht zu scheuen, dass man ihr auf die Finger guckt.

Nora Gädeke (Hannover)

DAS KORRESPONDENZVERZEICHNIS DER AKADEMIE-AUSGABE – HILFSMITTEL ODER FORSCHUNGSINSTRUMENT?1 Wer an der Leibniz-Edition arbeitet, steht immer auf den Schultern vieler Vorgänger. Im Falle des Hilfsmittels, über das ich referieren werde, sind es aus der näheren Vergangenheit vor allem: (in alphabetischer Folge) Herbert Breger, Manfred Breger, Isolde Hein, Heinz-Jürgen Heß, Manuela Mirasch-Müller und Nicola von Wechgeln – davor wären andere Personen zu nennen, deren Wirken bereits dem tiefen Brunnen der Geschichte angehört. Aber eine der Personen, die ganz am Anfang stehen, ist unter uns: Margot Faak; sie hat mir vor kurzem einen ausführlichen Bericht über die ersten Anfänge des Korrespondentenverzeichnisses übersandt; im Auftrag Kurt Müllers war sie direkt daran beteiligt.2 Die Akademie-Ausgabe, wie sie sich seit etwa 10 Jahren im Internet präsentiert,3 hat sich weit hinausentwickelt über ihre ersten Bände. Zumindest gegenüber 1

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Der Vortragstext wurde weitgehend beibehalten, mit Ausnahme von Aktualisierungen (insbesondere durch die Abfragemöglichkeit der Biogramme und die graphische Darstellung von Korrespondenzverläufen), die von Manfred Breger in der Zwischenzeit vorgenommen wurden. Neben diesen von ihm initiierten Weiterentwicklungen (zu denen auch die Einführung von Korrektiv-Elementen bei material- oder editionsbedingten nicht-eindeutigen Angaben gehört) ist ihm für die gesamte Konzeptions- und Erprobungsphase für die Umsetzung unzähliger Wünsche zu danken. Dass aus Überlegungen und Ideen in zum Teil mühsamer Detailarbeit Ergebnisse wurden, trotz vieler materialbedingter Widerstände, ist vor allem Herbert Breger zu verdanken. – Der im April 2012 erschienene Band A I, 21 konnte nicht mehr berücksichtigt werden. Brief vom 8. Oktober 2011. Das Korrespondentenverzeichnis war den Bänden seit A I, 5 beigegeben. Erreichbar über das gemeinsame Portal der vier Editionsstellen (www.leibniz-edition.de) sind hier neben der Präsentation der erschienenen Bände (ab I, 17; II, 1; III, 5; IV, 1; VI, 4; VII, 3; VIII, 1), der Vorausedition und den Transkriptionen zu späteren Bänden vor allem die „Hilfsmittel“ zu nennen: Kumuliertes Sach-, Korrespondenz-, Personen- und Schriftenverzeichnis; Kumuliertes Bibelstellenverzeichnis; Konkordanzen zu Gerhardt, Foucher de Careil, Grua, Couturat, Klopp, Feller. Vgl. dazu H. Breger: „Bericht über die Arbeit des Leibniz-Archivs Hannover“, in: H. Poser u. a. (Hrsg.): VII. Internationaler Leibniz-Kongreß. Nihil sine ratione. Mensch, Natur und Technik im Wirken von G. W. Leibniz, Nachtragsband, Hannover 2002, S. 65–72, hier S. 70 f.; M. Schneider: „Bericht über die Editionsarbeit Leibniz-Forschungsstelle der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster“, in: Ebd., S. 85–88, hier S. 87 f. Auf die entsprechenden Berichte zu den Arbeitsstellen in: H. Breger u. a. (Hrsg.): VIII. Internationaler Leibniz-Kongress. Einheit in der Vielheit, Nachtragsband, Hannover 2006, S. 251–270 (H. Rudolph, H. Hecht, H. Breger, M. Schneider) bzw. in: Dies. (Hrsg.): IX. Internationaler

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denjenigen, die nach dem 1938 dekretierten, 1954 zu Tage tretenden tiefen Einschnitt erschienen sind,4 bedeutet das aber nicht so sehr Veränderung an der Substanz der Edition als vielmehr Erweiterung, noch ist es das Ergebnis einer grundlegenden Konzeptionsänderung, vielmehr das einer längerfristigen Entwicklung, die weniger von Planung bestimmt war als von arbeitstechnischen Verbesserungen, Praktikabilitätsüberlegungen und der Mitnahme von Seiteneffekten. Dies gilt für die Bände: Abgesehen von Reihe VIII waren sie nicht als Hybridedition konzipiert,5 die digitale Edition ergab sich vielmehr nach der Entscheidung für die Herstellung der Druckvorlagen ‚im Haus‘ quasi per Recycling des hier anfallenden Datenmaterials.6 Es gilt auch für die Hilfsmittel, insbesondere die Registerkumulationen (Korrespondenzen, Personen, Schriften, Sachen). Es sind diese Verzeichnisse, die die einzelnen Bände kontextualisieren, indem sie die jeweiligen Registerdaten zusammenführen. In ihnen manifestiert sich die Einheit der in Bände und Reihen zersplitterten Edition, durch die Präsentation im Internet in einer flexibel dem jeweils aktuellen Editionsstand angepassten Form, der Kontingenz der Bandgrenzen, der Vorläufigkeit des Editionsstandes mit einem Medium der Vorläufigkeit begegnend: Bei einer NeuKonzeption der Edition heute, am grünen Tisch, müssten genau diese Elemente zu den Basics gehören. Jedoch: Die meisten Verzeichnisse wurden nicht für das Portal der Akademie-Ausgabe geschaffen, sondern bestanden längst davor, wenn auch weitgehend editionsintern: als Arbeitsinstrumente. Am Anfang stand kein Konzept, sondern ein praktisches Problem. So jedenfalls hat es mir derjenige unter den Editoren, der wohl Spiritus rector dieser Kumulationen war, berichtet: Heinz-Jürgen Heß.7 In den einzelnen Arbeitsräumen des Leibniz-Archivs lagen die Briefbände nicht komplett vor; Orientierung über parallel laufende Briefwechsel der anderen Reihen war nur über die Handbibliothek, also zeitaufwendiger als vom eigenen Schreibtisch aus, zu erreichen. Deshalb erging an die Sachbearbeiterinnen der Auftrag, die Daten einzelner Register – zunächst zu den

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Leibniz-Kongress. Natur und Subjekt, Nachtragsband, Hannover 2012, S. 306–325 (H. Hecht, W. Li, N. Gädeke, St. Meier-Oeser), sei nur noch zusammenfassend hingewiesen. Zur grundlegenden Änderung in der Präsentation der Leibniz-Edition aufgrund der Vorgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften von 1938, den Texten künftig auch Erschließungselemente beizugeben, die ursprünglich für spätere, gesonderte Bände vorgesehen waren (Überlieferung, Datierungsbegründung, textkritischer Apparat, Erläuterungen) vgl. A. Heinekamp: „Kurt Müller * 14. Mai 1907 – † 27. November 1983“, in: Studia Leibnitiana 16 (1984), S. 129–142, hier S. 133. Ich danke Margot Faak für diesen Hinweis. Vgl. auch K. Müller: „Vorwort“, in: A I, 5, XXIII–XXV (in diesem Band wurden diese Vorgaben erstmalig umgesetzt) sowie E. Hochstetter: „Vorwort“, in: A VI, 6, XI–XIII. Zu Reihe VIII vgl. etwa H. Hecht/E. Knobloch/S. Rieger: „Reihe VIII: Naturwissenschaftlich-medizinische-technische Schriften. Ein neues Projekt im Rahmen der Akademie-Ausgabe“, in: Poser, S. 73–81. Vgl. N. Gädeke: „Ein Dinosaurier im Internet – die historisch-kritische Leibnizedition. Vom Nutzen der neuen Medien für ein editorisches Langzeitunternehmen“, in: B. Merta u. a. (Hrsg.): Vom Nutzen des Edierens. Akten des internationalen Kongresses zum 150jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien, 3.–5. Juni 2004, Wien – München 2005, S. 183–196, hier S. 194. E-Mail vom 11. Oktober 2011.

Das Korrespondenzverzeichnis der Akademie-Ausgabe

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Personen und den Korrespondenten – bandübergreifend aufzulisten und, von Zeit zu Zeit aktualisiert, den Editoren zur Verfügung zu stellen.8 Bereits in den späten 1980er Jahren geschah dies elektronisch; verteilt wurden die Registerkumulationen aber in Papierform. Längere Zeit lagen diese Verzeichnisse – für die die Zuständigkeiten bald aufgeteilt waren (Hannover: Personen, Korrespondenten; Münster: Schriften; Potsdam: Sachen) – nur editionsintern vor, mit einer Ausnahme: dem Korrespondentenverzeichnis. Es wurde als jeweils auf den aktuellen Editionsstand gebrachtes Faszikel mehreren Bänden der Reihe III beigelegt9 (wobei in Kauf zu nehmen war, dass mit dem Erscheinen eines neuen Bandes die früheren Faszikel obsolet wurden). In das Internetportal der Leibniz-Edition fanden peu à peu auch die Registerkumulationen Eingang, unter dem Link „Hilfsmittel“. In der Form von Datenbanken stehen sie seitdem der Öffentlichkeit zur Verfügung, allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie nicht systematisch aufgebaut wurden, dass es sich hier vielmehr um ‚Abfallprodukte‘ der Edition handelt. Im Folgenden werde ich mich auf eine dieser Datenbanken konzentrieren, die ebenfalls ihre Herkunft aus der Edition nicht verleugnen kann, aber in einigen Aspekten darüber hinausweist: das Korrespondenzverzeichnis. Mit einer kleinen Namensänderung handelt es sich hier um eine längst bekannte Kumulation: das, wie eben gesagt, bereits seit Jahrzehnten in Papierform veröffentlichte Korrespondentenverzeichnis. Alphabetisch aufgebaut, listete es unter den Korrespondentennamen (mit dem Todesjahr als weiterer Spezifizierung) die jeweiligen Stücke sämtlicher vorliegender Briefbände chronologisch auf, mit Angabe von Datum, Band und Stücknummer. Dergestalt wurde es unter die „Hilfsmittel“ des Portals aufgenommen: zunächst nicht als Datenbank, sondern als Liste im PDFFormat, mit flexibler Erweiterung dem aktuellen Editionsstand entsprechend. Mit der Zeit erwies sich diese Darstellungsform als unpraktisch in mehr als einer Hinsicht. Zum einen wurde die Liste allmählich zu umfangreich für eine komfortable Suche. Zum anderen gab sie mit ihrer Wiedergabe sämtlicher Stücke, die einem Leibniz-Briefpartner zugeordnet waren (also auch indirekter Korrespondenz), ein mitunter auf den ersten Blick etwas schiefes Bild eines Korrespondenzverlaufs, das nach einer Differenzierung verlangte. Hinzu kam der Eindruck, dieses Verzeichnis der Korrespondenten und Briefe müsse verborgene Tiefen, nämlich Nutzungsmöglichkeiten haben, die in dieser Form nicht zum Vorschein kommen konnten; über die Registerfunktion hinaus könne es vielleicht auch für weitere Zwecke einsetzbar sein. Was ist damit gemeint? Hierzu ein kleiner Exkurs. Es ist klar, dass Leibniz’ Korrespondenz, umfangreich, weit ausgedehnt, außerordentlich gut erhalten, Spiegel eines lebenslang systematisch aufgebauten und gepflegten Korrespondentennetzes, ein hervorragendes Feld für Netzwerkstudien sein müsste, also für statistische Fragestellungen. Hierzu gibt es auch bereits Untersuchungen. An erster Stelle ist die allseits

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Ein zunächst ebenfalls in Hannover begonnenes kumuliertes Schriftenverzeichnis wurde laut Heinz-Jürgen Heß zurückgestellt und von der Arbeitsstelle Münster ausgeführt. A III, 1; III, 2; III, 4.

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bekannte Arbeit von Georg Gerber (auch er ein Mitarbeiter der Akademie-Ausgabe)10 zu nennen, in der die Leibnizkorrespondenz in ihrer chronologischen Entwicklung, ihrer geographischen Ausdehnung und unter weiteren Aspekten (z. B. Sprache, soziale Stratigraphie der Korrespondenten) behandelt wird.11 1966 erschienen, ist diese Arbeit auch nach fast 50 Jahren keinesfalls überholt: Niemand hat Leibniz’ Korrespondenz seitdem erneut derart fundamental und umfassend behandelt; Aussagen über die Korrespondenzentwicklung stützen sich eigentlich immer – direkt oder indirekt – auf Gerber. Aber so unverzichtbar und bewunderungswürdig diese Arbeit ist: Auch sie muss kritisch hinterfragt werden. So ist zum Beispiel nicht klar, auf welcher Basis diese Statistiken beruhen. Natürlich stand Gerber der Ritter-Katalog zur Verfügung, den er selbst aber nicht nennt: er beruft sich explizit nur auf „Bodemann und weitere Ermittlungen“.12 Und vor allem unterliegen bekanntlich sowohl Bodemanns Angaben als auch die des Ritter-Katalogs einer ständigen Korrektur, in Bezug auf Absender/Adressaten wie auf die Datierung der Briefe, mitunter sogar den Absendeort.13 1966 waren von den jetzt vorliegenden 31 Briefbänden gerade einmal acht erschienen,14 also etwa ein Viertel. Bereits das lässt vermuten, dass mit Gerbers Arbeitsgrundlagen auch seine Ergebnisse revisionsbedürftig sein könnten; im Übrigen sind sie in seiner Präsentation alles andere als transparent. Hier sollten andere Instrumentarien ins Spiel kommen, angesichts des umfangreichen Materials möglichst in elektronischer Form, also am ehesten eine Datenbank. Es böte sich natürlich der digitale Ritter-Katalog an: Er umfasst (zumindest ideell) das gesamte Material, er ermöglicht Abfragen z. B. zu Korrespondenten, zu Absendeorten, zu Zeiträumen. Wer sich damit ans Werk macht, wird aber bald eines anderen belehrt. Als ich mir zum Beispiel vor einigen Jahren einen Überblick über Leibniz’ frequenzreichste Korrespondenzen verschaffen wollte, fand ich mich alsbald beim Auszählen ‚von Hand‘ wieder.15 Das liegt daran, dass der Ritter-Katalog ein ‚bibliothekarischer‘ Katalog ist: Er listet jede Überlieferung eines Stücks als eigenen Datensatz auf, d. h. bei Mehrfachüberlieferung werden aus einem Brief mehrere Datensätze – für jede Fragestellung, die sich auf das abstrakte Stück und nicht dessen Überlieferung konzentriert, wird das Bild damit verzerrt; für Netzwerkstudien und andere quantifizierende Fragestellungen nicht geeignet. Vonnöten wäre also eine Datenbank, die auf den Stücken der Edition (d. h. der Briefreihen) basiert. 10 An Reihe I; sein Name steht auf den Bänden A I, 7 und A I, 8. 11 G. Gerber: „Leibniz und seine Korrespondenz“, in: W. Totok/C. Haase (Hrsg.): Leibniz. Sein Leben – sein Wirken – seine Welt, Hannover 1966, S. 141–171. 12 Ebd., S. 145. Unklar bleibt auch, ob Gerber allein die direkte Korrespondenz, oder auch Drittund Fürstücke oder Beilagen etc. miteinbezogen hat. 13 So ergab ein Materialabgleich mit dem Ritter-Katalog für A I, 22: den ca. 450 Stücken des Bandes stehen ca. 180 Stücke gegenüber, die umzuadressieren oder (erheblich) umzudatieren waren oder sich als Teile anderer Stücke erwiesen. 14 A I, 1–7 sowie II, 1 (dieser Band zudem in der ersten Auflage, die inzwischen grundlegend neu bearbeitet und erweitert wurde). 15 Vgl. N. Gädeke: „Leibniz lässt sich informieren – Asymmetrien in seinen Korrespondenzbeziehungen“, in: K.-D. Herbst/St. Kratochwil (Hrsg.): Kommunikation in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. 2009, S. 25–46, hier v. a. Tabelle S. 32 mit Anm. 34.

Das Korrespondenzverzeichnis der Akademie-Ausgabe

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Hierzu könnte das Korrespondenzverzeichnis Material liefern – peu à peu, stückweise, so weit die Edition eben reicht, aber immerhin bereits für einen größeren Zeitraum: den durch die Gesamtheit der Briefreihen abgedeckten Zeitbereich von den Anfängen 1663 bis Ende 1694; nach dem Erscheinen von A II, 3 (bis Ende 1700) wird sich die obere Grenze demnächst bis Ende 1698 (d. h. bis zum derzeitigen Abschluss von Reihe III) verschieben.16 Das waren Wünsche, die die Umwandlung der Korrespondentenliste im PDFFormat in eine Datenbank flankiert haben. Im Vordergrund standen dabei aber praktische Überlegungen: eine Datenbank konnte Registeranfragen komfortabler, differenzierter und umfassender ermöglichen als bisher. Die Umsetzung, d. h. die Datenbank-Architektur, erfolgte durch Manfred Breger. Es wurden alle Daten aus der PDF, also Korrespondentenname mit Todesjahr, Briefe mit Datum und Druckort übernommen; hinzugekommen sind jetzt weitere Metadaten aus den Bänden, die vorwiegend durch Praktikantinnen (betreut durch Herbert Breger) eingegeben wurden, sowie die Korrespondenten-Biogramme, die bisher nur in den gedruckten Bänden zu finden waren. Bevor ich zu den Details komme, noch ein Wort zu der leichten Namensänderung in Korrespondenz- statt Korrespondentenverzeichnis: Dies deshalb, weil es nicht die Korrespondenzpartner, sondern die Briefe sind, die hier im Mittelpunkt stehen; ihnen gelten die Abfragemöglichkeiten vor allem.17 Zu den Details jetzt ein paar Demonstrationen. Beginnen wir mit dem ganz Elementaren, der Gesamtheit der Briefe. Beim Abschicken einer eigentlich nicht vorgesehenen, nämlich ‚leeren‘ Anfrage, ohne jede weitere Angabe, erhält man in der Intranet-Version des Leibniz-Archivs ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis sämtlicher in der Akademie-Ausgabe edierter Briefe.18 Es entspricht der früheren Liste/ PDF, enthält aber zusätzlich zu Korrespondentennamen (mit Lebensdaten), Datum und Druckort einige Neuerungen: ein Biogramm, den Absendeort (beides sofern in den Bänden vorliegend)19 und eine Spezifizierung nach dem Brieftyp. Außerdem wird angezeigt, dass die Datenbank 12.905 Datensätze umfasst; das entspricht in etwa der Zahl der in der Akademie-Ausgabe edierten Briefe.20 Diese Zahl hätte man auch einfacher haben können: durch eine erneute ‚leere‘ Anfrage, bei der die Funktion „nur zählen“ aktiviert wird. Wieder erhält man 12.905 Briefe, zudem die Zahl 16 Hinzukommen werden zu einem späteren Zeitpunkt Nachtragsstücke zu Reihe I, die jedoch zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallen dürften. 17 Eine auf die Korrespondenten (und ihre – über die jetzigen Biogramme hinaus erweiterten und normierten – biographischen Daten) konzentrierte Datenbank wäre möglich und ließe sich mit der Korrespondenzdatenbank so verlinken, dass kombinierte Anfragen zu beiden Bereichen möglich wären (z. B.: wie viele Briefe erhielt Leibniz 1698/99 von Helmstedter Theologen, oder: von Refugiés in Holland, oder: vor 1700 von späteren Mitgliedern der Berliner Sozietät). Das muss vorerst Zukunftsmusik bleiben; inzwischen hat Manfred Breger jedoch bereits erste Abfragemöglichkeiten innerhalb der bestehenden Biogramme eingerichtet. 18 In der Internet-Version erhält man aus (EDV-)kapazitätstechnischen Gründen derzeit zwar die Zahl der Datensätze, d. h. der edierten Briefe, diese selbst aber nur schrittweise. 19 Dazu unten mit Anm. 39. 20 Die tatsächliche Zahl der Briefe reduziert sich leicht aufgrund einiger weniger Fälle, in denen zwei Absender oder Adressaten auftreten.

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der Korrespondenten: es sind bis jetzt 997.21 Entsprechend könnte man die Anzahl der Leibniz- oder der Korrespondentenbriefe (oder ihre Summe, d. h. die Zahl der aus dem direkten Dialog überlieferten Briefe) separat abfragen. Damit liefert die Datenbank etwas, was bisher nur durch mühsames Auszählen ‚von Hand‘ zu erreichen gewesen wäre: einigermaßen genaue Zahlen zum Editionsstand. Darüber hinaus eröffnet sich eine neue Perspektive auf die Gesamtkorrespondenz. Knapp 13.000 Briefe – knapp 1000 Korrespondenten: Wenn die derzeit im Druck bzw. in Arbeit befindlichen Briefbände (I, 21, I, 23–25, II, 3, III, 8) erschienen sein werden, sollten die bisher gern zitierten Zahlen 15.000 (Briefe) bzw. 1.100 (Korrespondenten) überschritten sein: Wir können uns also in Richtung 20.000 bzw. 1.200 (hier vermutlich sogar noch darüber hinaus) orientieren.22 Nehmen wir die einzelnen Abfragemöglichkeiten in den Blick; schauen wir zunächst auf das Gewohnte. Wie bisher lassen sich einzelne Korrespondenzen betrachten. Unter „Schmidt“ z. B. werden zwei Personen (Gustav Daniel und Johann Andreas) aufgeführt; bei zusätzlicher Aktivierung der „Nicht“-Funktion und der Eingabe von „Daniel“ erhielten wir nur Johann Andreas. Unter diesem Namen werden nun alle bisher edierten Briefe aus der Korrespondenz mit dem Helmstedter Theologen mit Angabe des Druckortes aufgelistet; die Datenbank lässt sich also, wie die frühere Liste, gezielt als bandübergreifendes Register für einzelne Korrespondenzen nutzen. Will man sie nicht registermäßig, sondern für statistische Fragestellungen einsetzen, erweist es sich hier und bei anderen Anfragen öfters als sinnvoll, die Funktion „nur zählen“ zu aktivieren. Hier kann weiter differenziert werden: Zum Beispiel kann allein nach Leibniz- oder nach Korrespondentenbriefen oder ihrer Summe (Siglen L, K oder L+K)23 gefragt werden (in der Intranet-Version des Leibniz-Archivs ist hierzu auch eine graphische Darstellung möglich, wie das Beispiel der Korrespondenz mit Johann Daniel Crafft in Abb. 1 und 2 zeigt). Hinzu kommen weitere Spezifizierungen, vor allem hinsichtlich des Brieftyps (F = Für-Stück, D = Dritt-Stück, G = Gesprächsaufzeichnung, A = Als-Stück, E = Erschlossenes Stück, S = Sonstiges). Diese Differenzierung ist eine Erweiterung gegenüber früher und ermöglicht nicht nur, den überlieferten Anteil von Leibniz bzw. seines Briefpartners an der jeweiligen Korrespondenz zu erfassen, sondern trägt auch der Tatsache Rechnung, dass die von uns edierten Briefe nicht immer eine dialogische Zweierbeziehung spiegeln, dass vielmehr auch weitere Personen einbezogen sein können, und dass es sich bei unserem Material nicht immer um eigentliche Briefe (vielmehr mitunter auch um Beilagen) handelt.

21 Auf diesem Wege derzeit nur in der Intranet-Fassung; im Internet erhält man die Gesamtzahl der Korrespondenten auf dem Umweg über „Weitere Anfragemöglichkeiten zu den Korrespondenten“, danach „Zerlegung der Korrespondenteneinträge nach Lebensdaten“. 22 Dem tut es nur wenig Abbruch, dass sich in dieser Gesamtzahl auch einige erschlossene Stücke verbergen: Ohne sie reduziert sich die Zahl der Korrespondenten auf 992, die der Briefe auf 12.630. 23 Eine Anfrage nach L + K empfiehlt sich insbesondere dann, wenn nur nach der direkten Korrespondenz, ohne Dritt- oder Fürstücke etc., gefragt werden soll.

Abb. 2: Briefe von Johann Daniel Crafft an Leibniz.

Abb. 1: Briefe von Leibniz an Johann Daniel Crafft.

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Abb. 4: Briefaufkommen (getrennt nach L+K; andere Siglen) bis Ende 1694.

Abb. 3: Korrespondenzentwicklung bis Ende 1694.

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Um das an zwei Beispielen zu demonstrieren: es ist bekannt, dass Leibniz mit Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans erst nach dem Tod der Kurfürstin Sophie, nämlich erst ab 1715, korrespondiert hat.24 Es sollte also noch einige Bände dauern, bis sie unter den Korrespondenten vertreten ist. Tatsächlich ist sie es längst, und zwar mit neun Stücken (darunter dem berühmten „philosophischen Rundgespräch“ in Folge der Herrenhäuser Gespräche zwischen Kurfürstin Sophie, Franciscus Mercurius van Helmont und Leibniz vom Sommer 1696)25: aber eben unter Siglen, die indirekte Korrespondenz bezeichnen, nämlich D oder F. Das zweite Beispiel: Bekanntlich hatte Leibniz kaum direkte Korrespondenz mit Isaac Newton. Fragen wir nach diesem, so erhalten wir für den Zeitraum bis Ende 1698 aber immerhin acht Briefe! Allerdings tragen auch diese vornehmlich die Sigle D oder F, nur jeweils ein Brief ist mit L bzw. K bezeichnet, gehört also zur direkten Korrespondenz: Diese war tatsächlich minimal, auch wenn der erste Anschein dagegen spricht. Dieses Beispiel zeigt gleichzeitig, wie wichtig die Erweiterung über L und K hinaus sein kann: denn unter den hier subsumierten Dritt- bzw. Fürstücken befinden sich auch die epistola prior und die epistola posterior.26 War eine systematische Registerauskunft bisher auf die einzelnen Korrespondenzen beschränkt, so kann jetzt auch gezielt nach Zeiträumen (bis hin zu einzelnen Tagen) gefragt werden. Das dürfte der Editionsarbeit zugutekommen: Für die Reihen II und III wird damit auch unter Umgehung des Ritter-Katalogs, auf dem neuesten Stand, die Suche nach Briefdaten aus Reihe I ermöglicht. Aber der Blick auf weitere Zeiträume, z. B. einzelne Jahre, liefert auch Aufschluss für Fragen nach der Entwicklung und Dynamik der Korrespondenz: Bis einschließlich 1694 können wir hiermit der Graphik Gerbers27 unser eigenes, revidiertes Bild gegenüberstellen (vgl. Abb. 3). Laut Gerber nahm die Korrespondenz folgende Entwicklung: Beginn während des Studiums; erster Anstieg während der Mainzer Zeit auf knapp 40 Korrespondenten/Jahr; nach einem Rückgang in den ersten Pariser Jahren auf etwa 20 erneuter, stärkerer Anstieg in Hannover bis 1680 auf ca. 75; ein moderater Rückgang mit kleineren Schwankungen bis zur Italienreise auf ca. 60; von da an ein steiler Anstieg, die eigentliche Ausweitung auf etwa 200, mit kleinen zwischenzeitlichen Rückgängen anhaltend bis 1704; ab jetzt kontinuierlicher Rückgang (aber selbst in Leibniz’ Todesjahr mit ca. 120 Korrespondenten). In den großen Linien erfährt dieses Bild nun Bestätigung, in Details aber zum Teil nicht unerhebliche Korrekturen. So zeigt sich uns bereits für die Mainzer Zeit eine sprunghafte Ausweitung der Korrespondenz mit weitaus höherem Korrespondenten-Aufkommen,28 Ähnliches für die Abschwächung der Pariser Zeit29 und die kräftige Zunahme der ersten Jahre in 24 Vgl. G. Utermöhlen: „Der Briefwechsel des Gottfried Wilhelm Leibniz – die umfangreichste Korrespondenz des 17. Jahrhunderts und der ‚République des Lettres‘“, in: W. Frühwald u. a. (Hrsg.): Probleme der Brief-Edition. Kolloquium der Deutschen Forschungsgemeinschaft Schloß Tutzing am Starnberger See 8.–11. September 1975, Boppard 1977, S. 87–103, hier S. 87 f. 25 Vgl. Einleitung: A I, 13, XXXIV–XXXVIII, hier S. XXXIV. 26 A III, 1 N. 88,5 bzw. A III, 2 N. 38. 27 Gerber, S. 142. 28 1668: 8; 1669: 15; 1670: 23; 1671: 55. 29 1672: 39, 1673: 32; 1674: 28; 1675: 27; 1676: 42.

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Hannover30; dann aber für die Jahre nach dem Tode Johann Friedrichs nicht einen moderaten Abschwung, sondern eine deutliche Reduktion um mehr als ein Drittel,31 die ihren Tiefpunkt (unter dem Mainzer Niveau) nicht vor, sondern erst während der Italienreise hat,32 danach aber umschlägt mit einem deutlich stärkeren Anstieg der Korrespondenz ab 1689 als von Gerber konstatiert.33 Hier liegt also ein sich mit jedem neuen Briefband erweiterndes Potential zu einer revidierten Darstellung der Korrespondenzentwicklung vor. Gerbers Graphik der Entwicklung der Korrespondentenkontakte (d. h. der jährlichen Korrespondentenzahl) bzw. unserer revidierten Fassung könnte man jetzt auch eine Darstellung der Entwicklung des jährlich überlieferten Briefaufkommens zur Seite stellen, ebenfalls bis Ende 1694 (Abb. 4),34 statt der aufgrund der asymmetrischen Überlieferung zu erwartenden Diskrepanzen zeigt sich hier, mit kleinen Verschiebungen, ein der Korrespondenzentwicklung weitgehend entsprechender Verlauf. Eine eigene Anfrage, deren Antwort in Form einer Liste ausgegeben wird, bezieht sich auf den Beginn bzw. das Ende von Korrespondenzen. Für den Korrespondenzbeginn lassen sich daraus bereits inhaltliche Aussagen gewinnen: z. B. über die Dynamik der Korrespondenzentwicklung.35 Für das Korrespondenzende ist der wissenschaftliche Einsatz dieser Funktion freilich noch eine Option für die Zukunft. Denn hier ist natürlich noch vieles vorläufig: häufig ist das Korrespondenzende formal vom Editionsstand bestimmt, kann sich also noch verschieben. Vorerst lässt sich diese Anfrage, die prinzipiell gleichermaßen Aussagen zur Dynamik der Korrespondenz (z. B. zu vorzeitigen Abbrüchen, zu kurzfristigen Briefwechseln) liefern könnte, also nur registermäßig einsetzen. So lange die Briefreihen nicht abgeschlossen sein werden, sind die Todesjahre (die nicht nur in dieser Liste erscheinen, sondern auch durch eine eigene Anfrage abrufbar sind) das einzige sichere Kriterium, dass eine Korrespondenz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet ist.36 In der Liste/PDF stellten die Todesjahre der Korrespondenten die einzige Angabe zur Biographie dar; für die Biogramme waren Leser bisher auf die Bände angewie-

30 31 32 33

1677: 65; 1678: 77; 1679: 83. 1680: 89; 1681: 75; 1681: 75; 1682: 66; 1683: 61; 1684: 64; 1685: 62; 1686: 59. 1687: 57; 1688: 51; 1689: 62. 1690: 96; 1691: 112; 1692: 139; 1693: 164; 1694: 166. So liegt der Wert für 1695 bei Gerber unter 160; nach der Datenbank ergibt sich bereits jetzt, vor dem Vorliegen von II, 3, ein Wert von 166, zusammen mit von dort zu erwartenden Korrespondenten werden es also mindestens 175 sein. Andererseits hat es den Anschein, als konzentriere sich der – bei Gerber gleichmäßig auf die Jahre 1686/87–1695 verteilte – starke Anstieg auf 1690–1693. 34 Die graphischen Darstellungsmöglichkeiten beschränken sich bisher weitgehend auf die Intranet-Fassung des Leibniz-Archivs. 35 Aussagen hierzu bereits bei N. Gädeke: „Gottfried Wilhelm Leibniz“, in: Chr. Berkvens-Stevelinck u. a. (Hrsg.): Les grands intermédiaires de la République des Lettres. Études de résaux de correspondances du XVIe au XVIIIe siècles, Paris 2005, S. 255–306, hier S. 274–282. 36 Hier könnte man einwenden, dass in unseren Zu N. bereits gegebenenfalls Angaben über ein Korrespondenzende zu finden sind. Dies beruht jedoch auf dem Ritter-Katalog, dessen Adressatenzuordnungen und Datierungen gelegentlich korrekturbedürftig sind.

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sen. Mit ihrer Bereitstellung in der Datenbank37 ist diese Diskrepanz beseitigt. Zudem sind inzwischen erste Abfragemöglichkeiten vorhanden; z. B. nach Geburts-, Sterbeoder Wirkungsort oder nach Ämtern und Funktionen.38 Eine wirkliche Erweiterung gegenüber früher stellen auch die Absendeorte dar. Allerdings basierend auf den Metadaten der Stücke – das heißt: sie werden soweit angegeben, als die Datumszeilen der Edition sie verzeichnen. Da die ersten Bände (I, 1–4 sowie III, 1) darauf verzichtet hatten, liegen die Absendeorte für deren Stücke nur rudimentär vor (dass es wenigstens einige sind, wird den Doppeldrucken in II, 1 und II, 2 verdankt). Erst ab Herbst 1687 ist also mit kompletten Absendeorten zu rechnen. Für Registeranfragen sind die Absendeorte auch in diesem unvollständigen Zustand nützlich. Für den Einsatz der Datenbank als Forschungsinstrument stellen sie im Moment noch eine Schwachstelle dar: Eine Abfrage nach ihnen muss notgedrungen zu unvollständigen und damit vorerst verzerrten Ergebnissen führen. Denn eine Betrachtung der räumlichen Verteilung der Korrespondenz und ihren Schwerpunkten, wie sie Gerber vorgeführt hat,39 verlangt, dass die Absendeorte komplett, dass also alle Korrespondenzen ediert vorliegen. Das heißt: bis zum Abschluss der Briefreihen werden wir nicht in der Lage sein, ein Gerbers Liste entsprechendes Bild zu liefern. Und vorerst auch nicht für den Teil-Zeitraum bis Ende 1694: Hier macht sich der Ausfall von I, 1–4 sowie III, 1 bemerkbar. Mit den bis Herbst 1687 und dann wieder ab 1695 nur teilweise abrufbaren Absendeorten sind belastbare Aussagen nicht zu erzielen. Etwas kann allerdings jetzt schon sicher gesagt werden: Gerbers Zahlen bedürfen auch hier der Korrektur, und damit auch das von ihm entworfene Bild der Korrespondenz hinsichtlich ihrer örtlichen Verteilung. Denn wenn auch die Zahl der von einem Ort abgesandten Korrespondentenbriefe noch einige Zeit lang nach oben offen sein wird: nach unten ist sie es nicht. Tatsächlich finden wir nicht wenige Absendeorte, bei denen die Korrespondentenzahl bereits jetzt, da die Edition noch work in progress ist, die Gerber’schen Zahlen überschreitet: das können nur noch mehr werden. Ein Abgleich der Orte im Deutschen Reich ergab hier für den derzeitigen Editionsstand ziemlich genau 20 %. Ein noch höherer Prozentsatz lässt sich für Holland feststellen.40 An einzelnen Beispielen demonstriert: Am deutlichsten ist es bei Hannover (96 statt 80), Wolfenbüttel (44 statt 40), Celle (28 statt 20) und Braunschweig (22 statt 13). Dass Herrenhausen oder Salzdahlum bei Gerber gar nicht auftreten, mag man ihrer Subsumierung unter Hannover oder Wolfenbüttel zuschreiben. Aber die braunschweig-lüneburgischen Residenzen sind bereits jetzt stärker vertreten, als nach Gerber zu erwarten, und das gilt (wenn auch nicht ausschließlich) für diese Ter-

37 Zudem werden die Biogramme auf dem neuesten Stand präsentiert; inzwischen angefallene Korrekturen oder Ergänzungen sind eingearbeitet. Die Intranet-Fassung des Leibniz-Archivs geht in den Abfragemöglichkeiten über die der Internet-Fassung etwas hinaus. 38 Bei derartigen Anfragen ist zu bedenken, dass die Biogramme, vor allem in den frühen Bänden, bis auf die Angabe der elementaren Lebensdaten wenig normiert sind. 39 Gerber, S. 146–148. 40 Von den zehn bei Gerber aufgeführten niederländischen Orten werden für vier bereits jetzt seine Zahlen überschritten, am deutlichsten für Amsterdam (25 statt 14) und Den Haag (26 statt 21).

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ritorien insgesamt.41 Das entspricht übrigens einem Bild, das sich auch in einer anderen Studie bei der Betrachtung von Leibniz’ intensivsten Korrespondenzen ergeben hat42: Es könnte also sein, dass Leibniz künftig für uns etwas ‚braunschweig-lüneburgischer‘, etwas weniger ‚europäisch‘ wird – was keinesfalls heißt: weniger gelehrt, wohl aber vermutlich: etwas höfischer. Auch wenn die Datenbank noch weit davon entfernt ist, zu belastbaren Ergebnissen zu führen: Sie lässt bereits eine Tendenz aufscheinen. Die meisten Abfragemöglichkeiten sind hiermit vorgestellt. Ich hoffe, damit auch klar gemacht zu haben, dass dieses Datenmaterial ein Potential beinhaltet, das über differenzierte Registeranfragen hinaus für eine Nutzung in der Forschung, speziell für statistische Untersuchungen zu Leibniz’ Korrespondenz, bereitstehen könnte. Gänzliche Verwirklichung wird das freilich erst finden können, wenn die Daten komplett vorliegen, d. h., wenn die Edition der Briefreihen abgeschlossen sein wird. Bis dahin können nur Teilergebnisse erzielt werden. Bereits jetzt zeigt sich aber, dass sich das Bild von Leibniz’ Korrespondenzentwicklung ändern wird. Zum Abschluss möchte ich ein paar Überlegungen äußern zu möglichen Erweiterungen der Datenbank über das jetzt vorliegende Material und die jetzt vorliegenden Felder hinaus. Ich sehe diese Gedanken an als so etwas wie Luftballons, die leicht beim Zusammenstoß mit praktischen Überlegungen zerplatzen; es folgt jetzt also keinesfalls eine Agenda-Liste. 1. Ergänzung der Absendeorte für die Bände I, 1–4 und III, 1. Das wäre wünschenswert und auch für die Edition eine Bereicherung. Die Frage ist aber: auf welcher Basis? Natürlich ließen sich die Bände rasch durchgehen und die in den Stücken zu findenden Absendeorte eintragen. Damit begäbe man sich aber auf gefährliches Terrain. Wir alle wissen: nicht immer halten die Angaben der Briefüberlieferung der Kritik stand. Die Metadaten unserer edierten Stücke, ob es sich um den Korrespondentennamen, das Datum oder den Absendeort handelt, sind immer Ergebnis einer kritischen Bearbeitung. Eine unkritische Übernahme von Absendeorten aus der Überlieferung würde dieses Grundprinzip der Edition in Frage stellen. So schön es wäre: ohne kritische Nachbearbeitung sollte auf die Ergänzung der Absendeorte dieses Zeitbereichs besser verzichtet werden. 2. Die Erweiterung der Datenbank um zwei Felder: territoriale Zugehörigkeit der Korrespondenten und (nur im Falle von Leibnizbriefen) Adressatenort. Beides würde die Abfragemöglichkeiten differenzieren. Mit der Angabe der territorialen Zugehörigkeit ließen sich Verzerrungen, die das Kriterium „Absendeort“ mit sich bringen kann,43 korrigieren. Beispiele: Wenn Kurfürstin Sophie an Leibniz aus Berlin schreibt, wird dieser Brief unter „Berlin“ subsumiert – und damit wird der dahinter stehende braunschweig-lüneburgische Kontext verschleiert.44 Ähnliches 41 Besonders deutlich für Clausthal bzw. Zellerfeld (29 u. 30 statt der von Gerber zusammengefassten Zahl 15), Loccum (4 statt 1) und Osterode (12 statt 3). 42 Gädeke: „Leibniz lässt sich informieren“, hier v. a. S. 31–34. 43 Dass dieses für die Herkunft von Informationen und die Ausdehnung von Leibniz’ Korrespondenz aufschlussreiche Kriterium durchaus seinen Sinn hat, sei damit nicht bestritten. 44 Gleiches gilt für Venedig-Aufenthalte des hannoverschen Hofes.

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gilt für die Briefe General Flemmings (oder seines kurzzeitigen Sekretärs, Leibniz’ Amanuensis Eckhart) aus Berlin, die eigentlich in das Umfeld des kursächsisch-polnischen Hofes gehören, für die Briefe Königin Sophie Charlottes aus Hannover; etliche weitere Beispiele ließen sich hier anführen. Was die Adressatenorte angeht, die z. B. für den Briefwechsel Lodovico Antonio Muratoris45 vorliegen: mit ihnen ließe sich – für die zur Verfügung stehenden Zeiträume – über die Korrespondentenbriefe hinaus Leibniz’ Korrespondenz mit einem Ort insgesamt abfragen; bisher muss das für die Leibnizbriefe selbst noch teilweise heuristisch und ‚von Hand‘ geschehen. Die Angabe des Adressatenorts gehört freilich nicht zu den Metadaten unserer Edition, deren Rahmen damit überschritten würde; Ähnliches gilt für die Angabe der territorialen Zugehörigkeit: Durch beides erhielte die Datenbank ein Eigenleben, das sie von der Edition etwas entfernte. Abgesehen davon wäre die Erarbeitung dieser zusätzlichen Daten eine Aufgabe, die bereits vom Arbeitsaufwand her das Gewicht der Datenbank beträchtlich vergrößern würde. 3. Schließlich noch zu einer Erweiterungsmöglichkeit innerhalb des Rahmens der vorgegebenen Felder: Ein lang umstrittenes Thema der Briefreihen war die Frage, wie man es mit erschlossenen Stücken halten solle: ob ihnen eine eigene Nummer zukomme oder ob sie nur im Zu N. zu erwähnen seien. Diese Frage hat einst unterschiedliche Lösungen gefunden; längst ist die Entscheidung gegen die Aufnahme gefallen.46 Die Datenbank böte hier die Möglichkeit eines Ausgleichs: mit der Aufnahme von erschlossenen Stücken aus den Zu N. als eigene Datensätze auch ohne Zuordnung zu einem Band. Dies würde eine Verzerrung ausgleichen, die der Überlieferungszustand dem Bild mancher Korrespondenzen auferlegt – wider unser besseres, im Zu N. dokumentiertes Wissen. Die flexiblen Korrekturmöglichkeiten in der Datenbank würden auch das größte Problem der erschlossenen Stücke, die Unsicherheit ihrer Rekonstruktion, entschärfen: Anders als aus einem gedruckten Band wären sie bei neuen Erkenntnissen leicht wieder zu eliminieren. Und mit der Dokumentation im Zu N. haben die erschlossenen Stücke bereits die editorische Kritik hinter sich. Diese eine Erweiterung erschiene mir damit am ehesten umsetzbar. Die Hauptfunktion des Korrespondenzverzeichnisses bleibt, für die bisher edierten Briefe als Register, mit erweiterten Abfragemöglichkeiten, zu dienen. Für eine Nutzung als Forschungsinstrument gibt es Ansätze und Perspektiven, aber vor allem offene Fragen. Wie eingangs bemerkt, haben in der Leibniz-Edition aber immer wieder Arbeitsinstrumente ein Eigenleben entwickelt: Wer weiß, was dem Korrespondenzverzeichnis noch alles bevorsteht.

45 Vgl. F. Marri/M. Lieber: Lodovico Antonio Muratori und Deutschland. Studien zur Kulturund Geistesgeschichte der Frühaufklärung (= Italien in Geschichte und Gegenwart 8), Frankfurt a. M. u. a. 1997, S. 10. 46 Zur Beseitigung der durch die teilweise Aufnahme von E-Stücken entstandenen Schieflage gibt es die Möglichkeit, diese bei Anfragen auszuschließen.

Eberhard Knobloch (Berlin)

ANMERKUNGEN ZU DEN REIHEN VII UND VIII DER LEIBNIZ-EDITION EINLEITUNG Am 28. September 2009 veröffentlichte die Berliner Zeitung Der Tagesspiegel den folgenden Werbetext für ein neues Buch von Hazel Rosenstrauch: „Alexander von Humboldts Persönlichkeit ist nicht denkbar ohne seine Frau, Caroline von Dacheröden, Mutter seiner fünf Kinder. Eine Partnerin, die ihm an Weltneugier, Bildung, Kunstsinn und an tätiger Humanität ebenbürtig war.“1

Diese Seite von Alexander von Humboldt war bisher durchaus unbekannt. Haben wir vielleicht bisher ein falsches Humboldt-Bild gepflegt? Dieselbe Zeitung brachte am 27. November 2011 eine weitere Nachricht über den preußischen Kammerherrn: „Als der Naturforscher 1859 in Berlin starb, hatte er Schulden in Höhe von genau 1211 Reichstalern und 4 Silbergroschen, was damals fast fünf Jahresgehältern eines Schreiners entsprach. Die Summe beglich Humboldts langjähriger Gönner, König Friedrich Wilhelm VI.“2

Von diesem preußischen König war bisher eigentlich nur bekannt, dass es ihn nicht gegeben hat. Was lehren uns diese beiden Beispiele? Dass diese Welt gemäß der Leibniz’schen Lehre eben nur die bestmögliche aller Welten ist, nicht die beste; dass sie unvollkommen ist; dass ihre Vollkommenheit gerade darin besteht, vervollkommnet werden zu können. Da es also ideale Bedingungen für ein Vorhaben zu keinem Zeitpunkt gibt, wird man sich an die alte, pragmatische Weisheit halten müssen: Wenn man etwas will, dann findet man einen Weg, wenn man etwas nicht will, dann findet man Gründe. Gemäß dieser Devise möchte ich im Folgenden darlegen, warum und wie es trotz aller Schwierigkeiten zur Begründung der Reihen VII und VIII der LeibnizEdition kam. Im ersten Fall ging es um einen persönlichen Wunsch, im zweiten Fall um einen Auftrag.

1 2

Der Tagesspiegel vom 28.9.2009, S. 29 zu: H. Rosenstrauch: Wahlverwandt und ebenbürtig, Caroline und Wilhelm von Humboldt, Frankfurt a. M. 2009. Der Tagesspiegel vom 27.11.2011, S. S7.

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1. REIHE VII: DER WUNSCH Um zu verstehen, warum es 1976 zur Begründung der Reihe VII der LeibnizAusgabe kam, muss man sich die historische Situation im Jahre 1975 vergegenwärtigen. Damals gab es weder die Reihe III Mathematischer, naturwissenschaftlicher und technischer Briefwechsel, noch die Reihe VII Mathematische, naturwissenschaftliche und technische Schriften in der ursprünglichen Konzeption. Dietrich Mahnke hatte 1939 etwa vierzig Prozent des Bandes III, 1 fertig gestellt, als er an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstarb. Seine Arbeit führte der neue Leiter der Leibniz-Edition in Berlin, Joseph Ehrenfried Hofmann fort.3 Als auch er 34 Jahre später 1973 aufgrund eines Verkehrsunfalls starb, waren die Arbeiten an dem Band so gut wie abgeschlossen. Aber die mühevolle und undankbare Endredaktion vor der Veröffentlichung im Jahre 1976 musste Heinz-Jürgen Heß übertragen werden. Die Arbeiten an Reihe VII waren über vorbereitende Arbeiten, das heißt Transkriptionen durch Conrad Müller in Hannover, nicht hinausgekommen. Diese Situation erschien mir im höchsten Maße unbefriedigend. Ich stand mit Hofmann durch die Arbeit für meine Promotion in persönlichem Kontakt. Er war es, der mir das Thema meiner Dissertation vorgeschlagen hatte: Die mathematischen Studien von G. W. Leibniz zur Kombinatorik. Die Arbeit war 1973 als Monographie erschienen.4 Zwei weitere Bände waren im Druck, der zugehörige Textband und die zweisprachige Edition des Dialoges zur Einführung in die Arithmetik und Algebra.5 Ein vierter Band mit den Hauptschriften von Leibniz zur Eliminations- und Determinantentheorie war in Arbeit. Er sollte in Jahre 1980 erscheinen.6

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M. Folkerts: „Die Leibniz-Edition zwischen Wissenschaft und Politik“, in: H. Hecht u. a. (Hrsg.): Kosmos und Zahl. Beiträge zur Mathematik- und Astronomiegeschichte, zu Alexander von Humboldt und Leibniz (= Boethius 58), Stuttgart 2008, S. 23–45, hier S. 30–36. E. Knobloch: Die mathematischen Studien von G. W. Leibniz zur Kombinatorik. Auf Grund fast ausschließlich handschriftlicher Aufzeichnungen dargelegt und kommentiert (= Studia Leibnitiana, Supplementa 11), Wiesbaden 1973. E. Knobloch: Die mathematischen Studien von G. W. Leibniz zur Kombinatorik. Textband, im Anschluss an den gleichnamigen Abhandlungsband zum ersten Mal nach den Originalhandschriften herausgegeben (= Studia Leibnitiana, Supplementa 16), Wiesbaden 1976; G. W. Leibniz: Ein Dialog zur Einführung in die Arithmetik und Algebra, nach der Originalhandschrift herausgegeben, übersetzt und kommentiert, Stuttgart-Bad Cannstatt 1976. E. Knobloch: Der Beginn der Determinantentheorie, Leibnizens nachgelassene Studien zum Determinantenkalkül. Textband (= arbor scientiarum: Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Reihe B: Texte, Bd. II), Hildesheim 1980.

Anmerkungen zu den Reihen VII und VIII

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Aufgrund meiner Ausbildung zum Mathematiker und Klassischen Philologen und der Erfahrungen, die ich mit der Edition Leibniz’scher Handschriften gemacht hatte, hielt ich mich für hinreichend vorgebildet, um die geschilderte Situation zu ändern. Zunächst galt es, das Recht zu erhalten, Bände der Reihe VII zu edieren. Diese Rechte lagen bei der 1956 gegründeten Leibniz-Forschungsstelle in Münster, vertreten durch deren Leiter Heinrich Schepers.7 Angesichts der übergroßen Fülle an Handschriften, die wesentlich mit dazu beigetragen hatte, dass die Reihe bis dahin nicht erfolgreich in Angriff genommen worden war, kamen Schepers und ich 1975 überein, die Reihe VII neu zu konzipieren: Die Reihe VII sollte ‚nur noch‘ die etwa dreißig Bände mit den mathematischen Schriften umfassen. In einer neu zu schaffenden Reihe VIII sollten die naturwissenschaftlichen, medizinischen und technischen Schriften veröffentlicht werden. Um die Arbeit an den Originalhandschriften vor Ort in Hannover zu gewährleisten, wurde mir das Recht, die ersten beiden Bände der Reihe VII zu bearbeiten, in einem noch abzuschließenden Vertrag unter der Voraussetzung eingeräumt, dass ein Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hannover eingestellt würde. Deshalb hatte ich Gespräche mit dem Direktor der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover, Wilhelm Totok, zu führen. Der Arbeitsplatz des zu findenden Mitarbeiters sollte ja wie die anderen Arbeitsplätze des Leibniz-Archivs in der dortigen Bibliothek eingerichtet werden. Totok kam mit mir überein, dass die Dienstaufsicht über diesen Mitarbeiter beim Direktor der Bibliothek liegen sollte, die Fachaufsicht bei mir. Für diese kooperative Haltung möchte ich Wilhelm Totok herzlich danken. Er sorgte in den kommenden Jahren durch Eingaben beim zuständigen Niedersächsischen Ministerium dafür, dass die aus Drittmitteln bezahlte Mitarbeiterstelle schließlich etatisiert und in eine reguläre Mitarbeiterstelle des Leibniz-Archivs überführt wurde. Der nächste Schritt war, in einem Antrag an die Volkswagen Stiftung die Finanzierung der ersten vier Jahre eines solchen Mitarbeiters sicherzustellen. Der von Christoph J. Scriba zur Unterstützung mit unterschriebene Antrag wurde 1976 positiv entschieden. Ein fünftes Jahr wurde später aus Lotto-Mitteln bezahlt, bevor die Etatisierung der Arbeitsstelle gelang. Inzwischen hatte Heinrich Schepers – vorbehaltlich der Zustimmung des Ministers für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen – einen zweieinhalbseitigen Vertrag aufgesetzt, dessen Sinn war, mir die Rechte zur Bearbeitung der Bände VII, 1 und VII, 2 für maximal neunzehn Jahre einzuräumen. Von den zwölf Paragraphen seien hier nur die fünf wichtigsten aufgeführt:

7

E. Knobloch: „Die Kunst, Leibniz herauszugeben“, in: Spektrum der Wissenschaft 9 (2011), S. 48–57.

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Eberhard Knobloch

„1. Die Leibniz-Forschungsstelle überträgt Herrn Knobloch die Bearbeitung der ersten beiden Bände der Reihe VII, mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Schriften der Sämtlichen Schriften und Briefe von Leibniz, deren Herausgeberrechte sie von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin übernommen hat. Diese Übertragung wird befristet für den ersten Band auf zehn Jahre, für den zweiten Band auf weitere fünf Jahre. Eine Verlängerung dieser Frist ist einzuräumen, falls die Arbeiten nach Ablauf des genannten Zeitraumes noch nicht abgeschlossen sind, jedoch erkennbar in einer zusätzlichen Zeitspanne von jeweils zwei Jahren abgeschlossen werden können. […] 3. Zur Abstimmung über den Inhalt und die Bearbeitungsweise der beiden Bände legt Herr Knobloch innerhalb eines Jahres nach Einstellung des wissenschaftlichen Mitarbeiters in Hannover (s. 11) eine Aufstellung der für beide Bände vorgesehenen Stücke vor und berichtet in Abständen von zwei Jahren über den Stand seiner Bearbeitung. […] 6. Die beiden Bände erscheinen mit doppeltem Titelblatt. Das allgemeine Titelblatt ist so gefaßt, daß es heißt: ‚Herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften der DDR‘, das spezielle dagegen: ‚Herausgegeben von der Leibniz-Forschungsstelle der Universität Münster‘. […] 9. Der Direktor der Leibniz-Forschungsstelle behält sich vor, den Bänden ein Vorwort vorauszuschicken, und bestätigt als Träger des Herausgaberechtes die endgültige Druckreife der Druckvorlage. […] 11. Herrn Knobloch stehen das Material und die Kataloge der Leibniz-Edition zur Einsichtnahme in Münster oder Hannover zur Verfügung. Er arbeitet seinerseits – unterstützt durch einen in Hannover anzustellenden wissenschaftlichen Mitarbeiter – fortlaufend die Ergebnisse seiner Arbeiten analog in die Kataloge ein. […] Der Vertrag tritt vorbehaltlich der Zustimmung des Ministers für Wissenschaft und Forschung NW in Kraft.“

Für das Vertrauen, das mir damals Heinrich Schepers schenkte, möchte ich ihm herzlich danken. Zwar kam in positiver Weise aufgrund der politischen Entwicklung manches anders, als es damals vertraglich vorgesehen war, aber das Kernziel wurde erreicht: Neunzehn Jahre nach Aufnahme der Arbeiten an der Reihe VII lagen die beiden ersten Bände gedruckt vor. Darauf wird zurückzukommen sein. Das Jahr 1976 brachte eine Reihe wichtiger Ereignisse. An demselben Tag, an dem Schepers unseren Vertrag unterschrieb, schloss ich an der Technischen Universität Berlin mein Habilitationsverfahren für das Fachgebiet Geschichte der Mathematik und der exakten Naturwissenschaften ab. Der Dekan, der die Habilitationsurkunde unterschrieb, war der Leibniz-Forscher Hans Poser. Ich sah dieses zeitliche Zusammentreffen als gutes Omen für die vor mir liegenden Aufgaben an. Tatsächlich nahm am 1. September 1976 der ausgewählte wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Walter S. Contro seine Arbeit in Hannover auf.

Anmerkungen zu den Reihen VII und VIII

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Wenig später, am 23. Oktober 1976, verfasste Heinrich Schepers den erwarteten Brief, in dem er mir mitteilte, der Minister stimme unserem Vertrag zu: „Lieber Herr Knobloch, ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen keine Bedenken gegen unsere Vereinbarung vom 8./12. Jan. 1976 geäußert hat – die damit also rechtskräftig wird […]. Mit Herrn Contro habe ich kurz telephonisch Bekanntschaft gemacht. Die erbetenen Probeseiten für die EDV-Textherstellung gehen Ihnen in den nächsten Tagen zu. Mit freundlichen Grüßen Ihr Heinrich Schepers“

Nun galt es, gemäß dem Paragraphen 3 des Münsteraner Vertrages eine Übersicht über Leibnizens mathematische Schriften der Pariser Zeit zu gewinnen. Über meine Ergebnisse trug ich auf dem Symposium Leibniz à Paris (1672–1676) vor, das vom 14. bis zum 18. November 1976 in Chantilly bei Paris stattfand: Übersicht über die unveröffentlichten mathematischen Arbeiten von Leibniz (1672–1676). Die gehaltenen Vorträge erschienen zwei Jahre später.8 Eine vorsichtige Hochrechnung ergab, dass mit voraussichtlich acht Bänden der Leibniz-Edition für die Pariser Zeit zu rechnen war. Das aber bedeutete, dass die mathematische Produktion eines halben Jahres einen Band füllen würde. Da die weitaus meisten Handschriften nicht datiert sind und eine auf ein halbes Jahr genaue, erschlossene Datierung in der Regel nicht möglich ist, war klar, dass eine streng chronologische Anordnung der Handschriften nicht zu verwirklichen war. Die Lösung bestand in einer Kombination aus thematischer Gruppenbildung über den gesamten Pariser Zeitraum und einer chronologischen Anordnung innerhalb der Gruppen. Im Falle von Band VII, 1 wurden es die Gruppen Geometrie, Zahlentheorie, Algebra. Das Vollständigkeitsprinzip der Leibniz-Edition hatte zur Folge, dass für die ersten beiden Bände nicht auf die im Leibniz-Archiv aufbewahrten Transkriptionen Conrad Müllers zurückgegriffen werden konnte. Die Leibniz’schen Studien zum calculus, denen sich der Mathematiker Müller vorrangig zugewandt hatte, standen nicht am Anfang der Pariser mathematischen Untersuchungen – eine zusätzliche Erschwernis bei der Herstellung des ersten Bandes. Ende 1981 wurde Contros Beschäftigungsposition nach fünf langen, aus Drittmitteln bezahlten Jahren etatisiert. Am 1. Dezember 1988 kam eine zweite Wissenschaftler-Stelle für die Reihe VII hinzu und wurde mit Frau Dr. Nora Gädeke besetzt. Die Reihe war – wenn auch auf minimalem Niveau – institutionell abgesichert. Von da an arbeitete ich mit zwei Mitarbeitern an zwei Bänden gleichzeitig. Der erste Band war im Druck. Die Herstellung gestaltete sich jedoch überaus langwierig und schwierig, da die Altenburger Druckerei ihn im Bleisatz setzte.

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E. Knobloch: „Übersicht über die unveröffentlichten mathematischen Arbeiten von Leibniz (1672–1676) mit einem Anhang über die ersten Ansätze zur algebraischen Indexbezeichnung während der Pariser Zeit“, in: Leibniz à Paris (1672–1676), Symposion de la G. W. LeibnizGesellschaft (Hannover) et du Centre National de la Recherche Scientifique (Paris) à Chantilly (France) du 14 au 18 novembre 1976, T. I: Les sciences (= Studia Leibnitiana, Supplementa 17), Wiesbaden 1978, S. 3–43.

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Eberhard Knobloch

Inzwischen war 1985 das Akademien-Programm für die Forschungs- und Editionsvorhaben der Akademien der Wissenschaften der Bundesrepublik Deutschland geschaffen worden. Angesichts der politischen Situation des geteilten Deutschland übernahm die Akademie der Wissenschaften in Göttingen die Betreuung der beiden Leibniz-Editionsstellen in Münster und Hannover. Dies hatte für die Reihe VII einige wichtige Konsequenzen: Die Reihe wurde endgültig an Niedersachsen, das heißt an das Leibniz-Archiv in Hannover abgegeben. Die doppelten Titelblätter der Bände VII, 1 und VII, 2 führten nicht die Leibniz-Forschungsstelle der Universität Münster an, wie im Vertrag (§ 6) aus dem Jahre 1976 vorgesehen, sondern das Leibniz-Archiv der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. Nicht der Direktor der Münsteraner Forschungsstelle, Schepers, schrieb das Vorwort, sondern der Leiter des Leibniz-Archivs in Hannover, Albert Heinekamp. Das Vorwort hebt mit den Worten an: „Daß mit diesem Bande die Edition von Leibniz’ mathematischen Schriften eröffnet werden kann, ist vor allem das Verdienst von Eberhard Knobloch.“9

Der 1990 mitten in den Wirren der deutschen Wiedervereinigung erschienene Band wurde noch von der Akademie der Wissenschaften der DDR herausgegeben, wie es auf der ersten Titelseite heißt; „Unter Aufsicht der Akademie der Wissenschaften in Göttingen“, wie es auf der zweiten Titelseite heißt. Der überaus mühsame Anfang war gemacht. Die Bearbeiter werden auf S. IV genannt: E. Knobloch, Walter S. Contro. Als Nora Gädeke am 1. April 1995 von der Reihe VII zur Reihe I wechselte, wurde als zweiter hauptamtlicher Mitarbeiter für die Reihe VII Siegmund Probst eingestellt. Es gehört zu den besonders schönen Erfahrungen meines Lebens, dass alle drei Mitarbeiter mit mir über viele, im Falle von Walter Contro zweiunddreißig Jahre lang eine stets ungetrübte, gute Zusammenarbeit pflegten. Dafür möchte ich den drei Wissenschaftlern von Herzen danken. Die weiteren Bände erschienen in deutlich kürzeren Abständen als der Zeitraum von 1976 bis 1990 währte: Band VII, 2 erschien 1996 (Bearbeiter: Knobloch, Contro, unter Mitarbeit von Gädeke), VII, 3 2003 (Bearbeiter: Probst, Knobloch, Gädeke), VII, 4 2008 (Bearbeiter: Contro, Knobloch), VII, 5 (Bearbeiter: Uwe Mayer, Probst, Heike Sefrin-Weis). Mit dem Erscheinen des vierten Bandes gab ich die Leitung der Reihe VII angesichts allzu vieler anderer Aufgaben nach 32 Jahren ab, davon 23 im Dienste der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Inzwischen hatte ich insbesondere die Reihe VIII begründet. Aber auch die neuen Mitarbeiter an der Reihe VII, mit denen ich nicht mehr zusammenarbeiten konnte, waren mir nicht unbekannt: Ich war einer der Gutachter der Hallenser Dissertation von Uwe Mayer über Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Auch Heike SefrinWeis hatte ich im Rahmen meiner Tätigkeit als Gutachter kennengelernt.

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A VII, 1, XIX.

Anmerkungen zu den Reihen VII und VIII

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2. REIHE VIII: DER AUFTRAG Der erste, erfolglose Versuch, die Reihe VIII zu begründen, geht auf das Jahr 1987 zurück. Am 10. Oktober dieses Jahres fand im Plenarsaal des Reichstages in Berlin (West) ein Festakt zur Gründung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin statt.10 Deren Präsident Horst Albach sagte in seiner Ansprache: „Das Besondere ist natürlich nicht in den Editionsvorhaben zu sehen, so sehr die Herausgabe der naturwissenschaftlich-technischen Schriften von Leibniz gerade dieser Akademie gemäß ist.“ 11

Gründungsmitglied der Akademie war Jürgen Mittelstraß. Er lud mich 1988 ein, vor der Plenarversammlung der Akademiemitglieder über die Herausgabe der Reihe VIII, genauer über Leibniz und die Herausgabe seines wissenschaftlichen Nachlasses zu sprechen. Der Text des Vortrages wurde ein Jahr später veröffentlicht.12 Ich sprach über folgende sechs Punkte: Struktur und Stand der Akademieausgabe; Übersicht über die naturwissenschaftlich-technischen Handschriften; Vorhandene Arbeitsmittel für die Edition; Praktische Editionsprobleme; Der Solist der Wissenschafts- und Technikgeschichte als Leibniz-Herausgeber; Der Experte fürs Allgemeine: Die Leibniz-Edition als Herausforderung. Das Plenum der Akademie stimmte zu, die Veröffentlichung der Reihe VIII unter ihre Arbeitsvorhaben aufzunehmen. Dann geschah jedoch etwas Unerwartetes: Der neue, aus SPD und Alternativer Liste gebildete Senat von Berlin beschloss, die Akademie zum 31. Dezember 1990 wieder aufzulösen. So geschah es. Der erste Versuch, Reihe VIII zu begründen, war aus politischen Gründen gescheitert. Es sollte sechs Jahre dauern, bis 1996 ein neuer Versuch gewagt wurde. In diesem Jahr feierte die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig ihr 150jähriges Bestehen, das sie der Idee nach auf Leibniz zurückführte. Deshalb richtete die SAW im Jubiläumsjahr ein Internationales Symposion zum 350. Geburtstag von G. W. Leibniz vom 9. bis 11. April 1996 in Leipzig aus. Als korrespondierendes Mitglied dieser Akademie gehörte ich dem Vorbereitungskomitee für das Symposion an. Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Vorträge wurden drei Jahre später veröffentlicht.13 Zu den Rednern gehörte Heinrich Schepers, der über die Leibniz-Edition sprach. Seine Worte hatten programmatische Bedeutung für die künftige Konzeption und Verwirklichung der Reihe VIII. Er sagte unter anderem: 10 Akademie der Wissenschaften zu Berlin, The Academy of Sciences and Technology in Berlin Jahrbuch / Yearbook 1987, Berlin – New York 1988, S. 129 f. 11 H. Albach: „Die Akademie der Wissenschaften zu Berlin – Ein Experte fürs Allgemeine“, in: Akademie der Wissenschaften zu Berlin, The Academy of Sciences and Technology in Berlin Jahrbuch / Yearbook 1987, Berlin – New York 1988, S. 135–145, hier S. 141. 12 E. Knobloch: „Leibniz und die Herausgabe seines wissenschaftlichen Nachlasses“, in: Akademie der Wissenschaften zu Berlin, The Academy of Sciences and Technology in Berlin Jahrbuch / Yearbook 1988, Berlin – New York 1989, S. 475–483. 13 K. Nowak/H. Poser (Hrsg.): Wissenschaft und Weltgestaltung. Internationales Symposion zum 350. Geburtstag von Gottfried Wilhelm Leibniz vom 9. bis 11. April 1996 in Leipzig, Hildesheim – Zürich – New York 1999.

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Eberhard Knobloch „Aber insbesondere geht es doch kaum an, dass für die Bearbeitung von etwa 30 starken Bänden der Reihe VII der Mathematischen Schriften […] ganze zwei Stellen eingerichtet werden konnten, und für die sechs bis acht Bände der in die neue Reihe VIII ausgegliederten naturwissenschaftlichen, medizinischen und technischen Schriften nicht einmal eine. Man wird sich besonders hier entschließen müssen, in verstärktem Maße auswärtige Mitarbeiter, die bereit sind, die Mühe des Edierens auf sich zu nehmen, anzuwerben. Die Schwierigkeiten, die das Arbeiten an verschiedenen Orten und Institutionen bieten, dürften im Zeitalter der Information mit den wachsenden Möglichkeiten, vernetzt an denselben Daten und an Hand derselben Kataloge zu arbeiten, behebbar sein.“14

Schepers hatte Recht, auch wenn bis heute trotz vorhandener technischer Möglichkeiten diese noch nicht in befriedigendem Maße zwischen den vier LeibnizArbeitsstellen genutzt werden. Die jüngste Entwicklung seit 2012 lässt immerhin auf eine Änderung dieser Situation hoffen. Unter den Zuhörern saß der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Dieter Simon. Die weiteren Ereignisse des Jahres 1996 dürften mit Sicherheit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Tatsache stehen. Im Laufe des Jahres 1996 wurde ich zum ordentlichen Mitglied der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Am 29. August 1996 rief mich Dieter Simon an und beauftragte mich, die Reihe VIII zu begründen, und zwar einschließlich einer Wiederbelebung der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Für das in mich gesetzte Vertrauen möchte ich ihm herzlich danken. Damals war ich entschlossen, es nicht zu enttäuschen, auch wenn dies eine mühevolle, mehrere Jahre währende Vorbereitungsphase bedeutete. Am 16. Januar 1998 rief er mich erneut an und plädierte für eine Einbeziehung Russlands. Wir hatten wohl beide noch Schepers’ Worte im Ohr. Von vornherein war damit klar, dass ich eine dezentrale Arbeitsorganisation schaffen musste. Zunächst galt es, die internationale Zusammenarbeit zu begründen. Dazu fand am 30. September 1997 in Paris im Gebäude der Académie des sciences ein Gespräch auf der Ebene der Vizepräsidenten Guy Ourisson, Académie des sciences, und Manfred Bierwisch, BBAW, statt. Es nahmen darüber hinaus auf französischer Seite u. a. der Wissenschaftsphilosoph und -historiker Claude Debru, auf deutscher Seite der Sekretar der Geisteswissenschaftlichen Klasse der BBAW, Jürgen Trabant, und ich teil. Debru und ich wurden Partner und beauftragt, eine deutsch-französische Zusammenarbeit zu organisieren. Zu einer institutionellen Vereinbarung darüber hinaus kam es nicht, ein Nachteil, der sich bis heute auswirkt. Anders entwickelten sich die Dinge in Russland. Nach meinem ersten Besuch am 4. Juli 1998 in der St. Petersburger Filiale des Moskauer Instituts für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik gab es am 20. November 1998 in Moskau ein Treffen auf der Ebene der Präsidenten Yurii Sergeevich Osipov, Russische Akademie der Wissenschaften, und Dieter Simon, BBAW. Auf deutscher Seite nahmen darüber hinaus der Mathematiker Martin Grötschel, von der Administration der BBAW Hans Schilar, und ich teil. Der von beiden Präsidenten unterzeichnete Kooperationsvertrag gilt bis heute. Ansprechpartner für den Vertrag 14 H. Schepers: „Zur Geschichte und Situation der Akademie-Ausgabe von Gottfried Wilhelm Leibniz“, in: Ebd., S. 291–298, hier S. 296.

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wurde mein späterer Kollege und Mitarbeiter Vladimir Kirsanov auf russischer, ich auf deutscher Seite. Ein zweites Erfordernis war die Schaffung der notwendigen Infrastruktur für eine solche internationale Zusammenarbeit. Um die Handschriften auch im Ausland verfügbar zu machen, mussten diese digitalisiert werden. Dazu bedurfte es des Einverständnisses des Bibliotheksdirektors Wolfgang Dittrich bzw. dessen Nachfolgers Georg Ruppelt. Beide Direktoren haben mein Anliegen von Anbeginn tatkräftig unterstützt. Dafür möchte ich ihnen herzlich danken. Der Vorteil eines solchen Vorgehens auch aus der Sicht der Verfügungsberechtigten lag auf der Hand: Nur noch im Sonderfall mussten die kostbaren Originalhandschriften von den Leibniz-Editoren in die Hand genommen und eingesehen werden. Am 26. August 1999 stellten zunächst Peter Cassiers, Simone Rieger und ich in Hannover etwa 75 Probedigitalisierungen von Leibniz-Handschriften zur Medizin, Optik und Mechanik her. Die beiden Informatik-Experten berieten Dittrich bei der Abfassung des Antrages an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, aus deren Programm Retrospektive Digitalisierung von Bibliotheksbeständen die nötigen finanziellen Mittel für die Digitalisierung aller etwa viertausend handschriftlichen Blätter zu bewilligen, die im Rahmen der Reihe VIII zu edieren waren. Der Bewilligungsbescheid der DFG stammte vom 28. November 2000. Die Digitalisierungsarbeiten wurden in den folgenden, ungefähr anderthalb Jahren durchgeführt. Die Konzeption der Datenbank wurde von Simone Rieger und Peter Cassiers ausgearbeitet. Die je drei Bilder jeder Seite und Durchsichtaufnahmen für das Wasserzeichen in drei Auflösungen sind weltweit ohne Passwort unter der Internet-Adresse http://ritter.bbaw.de abrufbar. Das auf der folgenden Seite wiedergegebene Beispiel (Abb. 1) betrifft die Mechanik und Leibnizens Auseinandersetzung mit Galileis Lösung des Problems, das unter dem Namen aristotelisches Rad bekannt wurde. Der dritte Schritt betraf das Finden geeigneter Mitarbeiter im Ausland und das Einwerben finanzieller Mittel zu deren Ausstattung mit einem Computer und Honorierung sowie für notwendige Reisen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligte mir am 19. Januar 2000 entsprechende Mittel für fünf Jahre, um in Moskau und St. Petersburg entsprechende Werkverträge abschließen zu können. Danach übernahm die BBAW diese finanzielle Verpflichtung. Im Falle Russlands erwies sich die Existenz einer offiziellen, vertraglichen Regelung als hilfreich. Am 1. Mai 2000 nahmen Vladimir Kirsanov und die von ihm einbezogene Latinistin Olga Fedorova die Arbeit auf, am 1. Juni 2000 Alena Kuznetsova und später auch die von ihr einbezogene Latinistin Ekaterina Basargina in St. Petersburg. Durch den Tod von Kuznetsova (am 25. September 2005) und Kirsanov (am 12. Mai 2007) kam diese sich zunehmend fruchtbar entwickelnde Zusammenarbeit für längere Zeit zum Erliegen. Seit dem 29. Dezember 2009 war es dank Sergei Demidov vom Institut für Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik möglich, im Dezember 2009 einen neuen Mitarbeiter wenigstens in Moskau zu finden: Dimitri Bayuk, der sich erneut der philologischen Mitarbeit von Olga Fedorova versicherte.

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Abb. 1: Leibniz-Handschrift LH XXXVII 5 Bl. 9 .

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In Frankreich gestaltete sich die Suche in unerwarteter Weise schwieriger als in Russland. Claude Debru und ich sprachen bei verschiedenen Institutionen vor, etwa der Ecole des hautes études en sciences sociales und dem Centre national de la recherche scientifique, nachdem feststand, dass die Académie des sciences weder über die Mittel noch das Personal verfügte, um eine entsprechende Zusammenarbeit zu ermöglichen. Ein erster Versuch bewährte sich nicht. Seit dem 30. Oktober 2005 ist Anne-Lise Rey von der Université Lille I bereit, mitzuarbeiten, ist dazu aber freilich aufgrund anderer Verpflichtungen nur in einem sehr eingeschränkten Maße in der Lage. Noch fehlte die institutionelle Absicherung an der BBAW selbst, das heißt die Einrichtung einer kleinen Arbeitsstelle, die sich ganz der Edition der Reihe VIII und der Betreuung der ausländischen Mitarbeiter widmen konnte. Darüber stimmten am 16. März 2000 die Akademiemitglieder der BBAW im Plenum ab: Von den 97 anwesenden ordentlichen Mitgliedern stimmten 96 mit „Ja“, es gab eine Enthaltung. Es war das beste Ergebnis unter den acht zur Abstimmung stehenden Positionen. Die neue Arbeitsstelle wurde in Berlin zum 1. Januar 2001 eingerichtet, zunächst noch ohne wissenschaftliche Infrastruktur, das heißt ohne Handbibliothek, Kataloge, elektronischen Zugang zu den Handschriften. Die Hermann und Elise geborene Heckmann Wentzel-Stiftung der BBAW hatte mir aber am 28. Juni 1999 die Mittel bewilligt, um Kopien der betroffenen Mikrofilme und Rückvergrößerungen der Aufnahmen anfertigen zu lassen. Es stand eine Wissenschaftlerstelle zur Verfügung, die der Physiker und Philosoph Hartmut Hecht erhielt, sowie eine halbe Sekretariatsstelle, die in einen 12-Wochenstunden-Arbeitsvertrag für Simone Rieger umgewandelt wurde. Sie verließ die Arbeitsstelle bereits nach einem Jahr. Es war der Beginn von mehreren Mitarbeiterwechseln, die dem Projekt sehr abträglich waren. Erst Jahre später gelang dank dem Einsatz von Jürgen Mittelstraß, eine zweite volle Mitarbeiterstelle zu schaffen, die seit dem 1. November 2006 der Chemiker und Theologe Sebastian Stork bereits als dritter Nachfolger von Frau Rieger innehat. Über den damaligen Stand der Dinge hielt ich am 16. Februar 2001 im Plenum der BBAW einen Vortrag. Ich nahm darin zu sechs Aspekten Stellung: Zur inhaltlichen Struktur der Reihe VIII: transdisziplinär, transklassisch; Zur Finanzierung; Vom Wollen und Können 1. Teil: Internationale Zusammenarbeit; Vom Wollen und Können 2. Teil: Die Stunde der Wahrheit; Zum Anspruchsniveau: Inhaltliche Einblicke; Zur elektronischen Arbeitsumgebung. Über den siebten Aspekt – Digitalisierung und Internet-Edition – sprach Simone Rieger als neue Mitarbeiterin. In dieser schwierigen Anfangsphase des Projektes gab es einen wichtigen Sponsor, der das Vorhaben großzügig unterstützte: Die Landschaftliche Brandkasse Versicherungsgruppe Hannover (VGH). Wie kam es zu dieser Unterstützung? Im Jahre 2000 feierte dieses Unternehmen sein 250-jähriges Bestehen. Es fühlt sich dem Grundgedanken einer Solidaritätsgemeinschaft verpflichtet, wie ihn Leibniz vertreten hatte, um zu seiner Zeit die Gründung von Versicherungsgesellschaften etwa gegen Feuer- und Wasserschäden zu erreichen. Aus diesem Grund hing lange

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Zeit ein übergroßes Porträt von Leibniz im Hauptgebäude des Unternehmens und machte so den Anfang der Galerie von Porträts von dessen Vorstandsvorsitzenden. Der damalige Vorstandsvorsitzende Günter Schmidt beauftragte mich Ende der 90er Jahre, die Hauptschriften von Leibniz zur Versicherungs- und Finanzmathematik erstmalig zu sammeln und zweisprachig, das heißt mit einer Übersetzung, herauszugeben, unterstützt von J.-Matthias Graf von der Schulenburg. Der Band erschien wie verabredet pünktlich zur Jubiläumsfeier zur größten Zufriedenheit des Auftraggebers.15 Vierundzwanzig der zweiundfünfzig Stücke erschienen so überhaupt zum ersten Mal. Die neu gegründete VGH-Stiftung bewilligte mir daraufhin am 29. August 2001 einen hohen, auf vier Jahre verteilten Betrag, sozusagen einen Feuerwehrfonds, der über viele Jahre insbesondere dazu diente, Hilfskräfte und den Serverbetreuer Peter Cassiers in Berlin zu bezahlen, der auch die Digitalisate ins Netz stellte. Dies war möglich, da diese eingeworbenen Drittmittel keine Haushaltsmittel waren, die innerhalb von Haushaltsjahren ausgegeben werden mussten, eine wichtige Voraussetzung für eine sparsame und zweckgebundene Verwendung der Mittel. Der Band hatte darüber hinaus eine für die Leibniz-Edition erwünschte Nebenwirkung. Die meisten der von mir ermittelten Handschriften hätten aus chronologischen Gründen bereits im 1986 erschienenen Band 3 (1677–1689) der Reihe IV Politische Schriften herausgegeben werden müssen. Daher stellte ich meine Materialien und Transkriptionen der Potsdamer Leibniz-Editionsstelle zur Verfügung, damit diese Schriften als Supplement des in Arbeit befindlichen Bandes 4 berücksichtigt werden konnten. 213 Seiten oder 25,5 % des Bandes IV, 4 (1680–1692), der dortige Abschnitt VII Statistik, Lebensversicherungen, Renten, stützen sich auf diese Weise auf den VGH-finanzierten Jubiläumsband. Die VGH war großzügigerweise mit diesem Vorgehen einverstanden, da der Band IV, 4 erst 2001, also nach dem Jubiläumsband erschien. Den Flyer (2011) der Potsdamer Arbeitsstelle ziert sogar das Faksimile einer Leibniz-Handschrift, die im VGH-Band erstmalig ediert und faksimiliert wurde.16 Auch die Reihe VII zieht Vorteil aus den Arbeiten an der Reihe VIII. Da eine Aufteilung der Handschriften auf die beiden Reihen aus inhaltlichen Gründen nicht ohne Weiteres möglich ist, wurden mehrere hundert Handschriftenseiten mit der Signatur LH XXXV digitalisiert, die vermutlich in Reihe VII zu veröffentlichen sein werden. Bis auf die digitalisierten Handschriften hatte die neue Arbeitsstelle in Berlin keine nennenswerte Infrastruktur, insbesondere keinen Zugang zu den an den anderen Arbeitsstellen vorhandenen Katalogen. Nun wurde in Potsdam daran gearbeitet, aus dem dortigen Ritter-Katalog der Leibniz-Handschriften eine ACCESS-Datenbank herzustellen. Deshalb beantragte ich im Juni 2002 bei der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung einen hohen Betrag, der es ermöglichen sollte, diese 15 G. W. Leibniz: Hauptschriften zur Versicherungs- und Finanzmathematik, hrsg. von E. Knobloch und J.-M. Graf von der Schulenburg mit Kommentaren von E. Knobloch, I. Schneider, E. Neuburger, W. Karten und K. Luig, Berlin 2000. 16 Ebd., S. 121.

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Arbeiten erfolgreich zu beenden. Dem Antrag wurde stattgegeben. Die GottfriedWilhelm-Leibniz-Bibliothek in Hannover erhielt eine Kopie dieser Datenbank. Die im Frühjahr 2012 einsetzende Entwicklung der Leibniz-Edition berechtigt zu der Hoffnung, dass dieses zentrale Arbeitsinstrument allen vier Arbeitsstellen in geeigneter Form zugänglich gemacht wird. Ein Charakteristikum der neuen Reihe VIII ist, dass sicher mehr als neunzig Prozent der einschlägigen Handschriften noch nie ediert worden sind. Aber einige wenige Versuche, solche Handschriften zu edieren, gab es doch. Freilich zeigen die Ergebnisse eine dramatische Diskrepanz zwischen Können und Wollen. Dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden. 1906 veröffentlichte der Physiker und Elektrotechniker Ernst Gerland 134 Schriften physikalischen, mechanischen und technischen Inhalts.17 Die Schwierigkeiten bei der Edition lateinischer Texte des 17. und 18. Jahrhunderts hat er dramatisch unterschätzt: Seine Texte wimmeln von schweren Lesefehlern, sehr oft hat er den Text überhaupt nicht entziffern können, wie Abb. 2 belegt. So enthält die abgebildete Seite 90 z. B. 26 Lesefehler. Der gesamte Text wurde von der Berliner Arbeitsstelle lückenlos und fehlerfrei neu transkribiert. Man kann Gerland nur zugutehalten, dass er Naturwissenschaftler und Techniker war, kein Philologe. Abb. 2: Nachgelassene Schriften, S. 90.

Noch schlimmer steht es mit der missglückten Edition der Erstfassung des Leibniz’schen Specimen dynamicum durch den Klassischen Philologen Glenn Most.18

17 Leibnizens nachgelassene Schriften physikalischen, mechanischen und technischen Inhalts, hrsg. von E. Gerland, Leipzig 1906 (ND Hildesheim 1995). 18 G. W. Leibniz: Specimen dynamicum, hrsg. und übers. von H. G. Dosch, G. W. Most und E. Rudolph, Lateinisch-Deutsch, Hamburg 1982.

Abb. 3: G. W. Leibniz: Specimen dynamicum, hrsg. von H. G. Dosch, G. W. Most und E. Rudolph, Hamburg 1982, S. 84 f.

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Da ich mich dazu bereits in einer Rezension ausführlich geäußert habe,19 mögen hier ein paar Bemerkungen genügen: Diese Edition enthält zahlreiche sinnentstellende, falsche Lesungen, wie z. B. Abb. 3 zeigt: Z. 304 fehlt „in“, Z. 306 steht „communi“ statt richtig „compositis“, Z. 307 „fit“ statt „sit“, Z. 308 „distatur“ statt „sistitur“, Z. 310 „per naturam data“ statt „qua natura utitur“ usf. Die „Übersetzung“ verrät, dass der Sinn des Textes oft auch nicht ansatzweise erfasst wurde. So wird aus der „Methode von in der Tat erstaunlicher Leistungsfähigkeit, die sich auch an irrationalen Größen nicht stößt“ – gemeint ist der Differentialkalkül – eine Methode, „die freilich das Irrationale einer wunderbaren Fähigkeit nicht beachtet“. Most hat die Aufgabe dramatisch unterschätzt, einen lateinisch verfassten physikalischen Text zu edieren. Bei der Reihe VIII ist zu bedenken, dass sie weitergehende Anforderungen stellt, da sie ja nicht nur die physikalischen, sondern allgemein alle naturwissenschaftlichen, medizinischen und technischen Leibniz-Texte enthalten wird. Leibnizens Wahlspruch war Theoria cum praxi. Am 2. März 1691 schrieb er an Huygens: „Ich ziehe einen Leeuwenhoek, der mir sagt, was er sieht, einem Cartesianer vor, der mir sagt, was er denkt. Gleichwohl ist es nötig, die Überlegung mit den Beobachtungen zu verbinden.“20

An vier nichttrivialen Beispielen möchte ich vorführen, wie Leibniz dementsprechend in Naturwissenschaft und Technik vorgegangen ist. 2.1 Pneumatik Das erste Beispiel betrifft ein Handschriftenkonvolut, mit dem sich Hartmut Hecht auseinandergesetzt hat. Leibniz erörtert 1673 die berühmten barometrischen Versuche Torricellis und die Versuche zum Vakuum von Otto von Guericke: „Celeberrimus Gerickius noster“, „Unser hochberühmter Guericke“, wie Leibniz sagt. Guericke hatte 1672 über seine Versuche zum Vakuum seine Monographie veröffentlicht. Leibniz suchte nach Erklärungen für das beobachtete Verhalten von Wasser, Quecksilber und Luft in einer Glasröhre. Die Handschriften geben einen typischen Einblick in Leibnizens Weise zu denken und zu schreiben.21 Ungezählte Male wird der Text geändert, gestrichen und ergänzt. Der von Herrn Hecht erstellte kritische Apparat rekonstruiert diesen Entstehungsprozess mit Hilfe eines Regelwerkes von Formalismen, die Simone Rieger und Peter Cassiers zusammen mit mir entwickelt haben.

19 Rezension von E. Knobloch: „G. W. Leibniz: Specimen dynamicum. Hrsg. und übersetzt von H. G. Dosch, G. W. Most und E. Rudolph. Lateinisch-Deutsch. Hamburg 1982“, in: Annals of Science 40 (1983), S. 501–504. 20 A III, 5, 62 f. 21 A VIII, 1, 243–543.

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2.2 Das Mariotte-Leibniz’sche Pendel22 Wir gehen davon aus, dass zwei miteinander verbundene Pendelgeräte bh, bc in vertikaler bzw. horizontaler Lage im Gleichgewicht sind. Gesucht ist die Bewegung des gekoppelten Pendelsystems, wenn das Pendel bh bei Fixierung der Horizontallage bac ausgelenkt und das System insgesamt sich überlassen wird. Bezeichnet man mit ϕ den Auslenkungswinkel des Pendels bh, mit l dessen Länge, mit λ1, λ2 die Längen der Waagen, ψ den Auslenkungswinkel der hinteren Waage aus λ2, so erhält man ein gekoppeltes System nicht linearer Differentialgleichungen zweiter Ord- Abb. 4: Mariotte-Leibniz’sches Pendel. nung in diesen Größen. Geschlossene Lösungen des Systems können nicht angegeben werden. Näherungslösungen werden nach dem Runge-Kutta-Verfahren ermittelt. Für Leibniz und Mariotte war das Problem nicht lösbar.23 Der Modellversuch zeigt: Bei kleinem ϕ führt die Waage eine Schwingungsbewegung durch. Bei größerem ϕ wird das Pendelgewicht in die Höhe gehoben. 2.3 Bremsvorrichtung zur Vertikalkunst (Drehzahlregelung vom März 1686)24 Das geregelte Abbremsen der Flügelachse zur Vermeidung schädlicher Überbeanspruchung der Getriebeteile durch eine selbsttätige Regelvorrichtung sollte folgendermaßen gelöst werden: Das Prinzip der Selbstregelung besteht darin, dass bei zunehmender Umlaufgeschwindigkeit der Hauptantriebswelle die Fallgeschwindigkeit eines Gewichtes in der angehängten Regelanordnung negativ und dadurch das Gewicht hochgezogen wird.

Abb. 5: Bremsvorrichtung.

22 Abb. 4: Das Mariotte-Leibniz’sche Pendel, aus: K. Holzemer/I Szabó: „Über das MariotteLeibnizsche Pendelproblem“, in: Humanismus und Technik 22 (1978), S. 29. 23 K. Holzemer/I Szabó: „Über das Mariotte-Leibnizsche Pendelproblem“, in: Humanismus und Technik 22 (1978), S. 23–36. 24 Abb. 5: Bremsvorrichtung zur Horizontalwindkunst, aus: J. Gottschalk: „Technische Verbesserungsvorschläge im Oberharzer Bergbau“, in: K. Popp/E. Stein (Hrsg.): Gottfried Wilhelm Leibniz. Das Wirken des großen Universalgelehrten als Philosoph, Mathematiker, Physiker, Techniker, Hannover 2000, S. 130.

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Dadurch verlangsamt ein Bremsmechanismus die Umlaufgeschwindigkeit der Hauptantriebswelle so lange, bis die Fallgeschwindigkeit des Gewichtes wieder überwiegt und die Bremse lockert. Die übliche Bewertung erfolgt nach den technischen Kriterien Erprobung, Bewährung, Weiterentwicklung. Seit 1990 gibt es ein Modell dieser Vorrichtung. Es wurde zusammen mit anderen technischen Modellen im Lichthof der TU Berlin anlässlich des VII. Internationalen Leibniz-Kongresses vom 10. bis zum 14. September 2001 gezeigt. 2.4 Die Horizontalwindkunst25 Vertikalwindkünste wurden mit schwerfällig zu bewegenden Pumpengestängen verbunden. 1684 entwickelte Leibniz Pläne für eine Windmaschine, eine Horizontalwindkunst, die Wasserförderschnecken antreiben sollte. Die Handschrift LH XXXVIII Bl. 313r enthält Entwurfs- und Konstruktionsskizzen dazu, sogar Ansätze, die Kräfte zu berechnen, die auf die waagerecht umlaufenden Flügel wirken. Leibniz denkt an einen waagerecht umlaufenden vierflügeligen Rotor, der von acht feststehenden, großflächigen Leitschirmen überdacht und umstellt ist. Die Windmaschine sollte eine ummantelte, vermutlich dreigängige und 45 schuch lange Wasserförderschnecke in ständiger Umdrehung halten.26

Abb. 6: Horizontalwindkunst.

Heinrich Schepers hatte 1996 auf dem Symposion in Leipzig eine weitere für die Reihe VIII überaus wichtige Bemerkung gemacht: „Wenn auch nicht daran zu rütteln ist, dass die Akademie-Ausgabe bis zum letzten Band als Buch zu publizieren ist, so kann das für die Edition nicht bedeuten, sich der Möglichkeiten weiterer Medien zu enthalten, die geeignet sind, die in ihr geleistete Arbeit der Forschung zugänglich zu machen.“ 27

Das Internet ist ein solches Medium. Die Konzeption der Reihe VIII brachte es mit sich, dass sich diese mehr als bis dahin üblich ohnehin auf eine elektronische Arbeitsumgebung stützen musste. Zeitgleich mit der Gründung der Berliner Arbeitsstelle rief Martin Grötschel an der BBAW am 19. Dezember 2000 eine Arbeitsgruppe Elektronisches Publizieren (TELOTA) ins Leben. Im Bericht vom 22. Januar 2001 an den Vorstand der BBAW hieß es: 25 Abb. 6: Ebd., S. 110 f. 26 Ebd., S. 109–137, hier S. 111. 27 Schepers, S. 297.

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Eberhard Knobloch „Die modernen Methoden der Informationstechnik […] unterstützen die Zusammenarbeit international verteilter Arbeitsgruppen auf effektive Weise und bieten vorzügliche Kommunikations- und Präsentationsplattformen […] Jedes wissenschaftliche Vorhaben entwickelt eine an den fachspezifischen Gepflogenheiten ausgerichtete eigene Strategie zur elektronischen […] Publikation und Präsentation.“

Mit ausdrücklicher Unterstützung des Präsidenten Simon wurde daher beschlossen, Reihe VIII in Buchform und als Internet-Edition, also nicht nur zusätzlich als ins Netz gestellte PDF-Datei zu veröffentlichen. Das TELOTA-Team der BBAW, insbesondere Markus Schnöpf, wurde ein wichtiger Ansprechpartner an der BBAW. Die Internet-Edition des Bandes VIII, 1 orientiert sich an den digitalisierten Handschriften und bietet animierte Zeichnungen, die den Entstehungsprozess der Zeichnungen in einer Weise nachvollziehen, wie es im Druck nicht möglich ist. Die Rekonstruktion der Textgenese ist durch verschiedenfarbige layer verwirklicht. Die Texte sind unter der Anschrift http://leibnizviii.bbaw.de einzusehen. Das Vorhaben wurde u. a. auf dem VII. Internationalen Leibniz-Kongress, der vom 10. bis 14. September 2001 in Berlin stattfand, vorgestellt28 und fand so das Interesse des damaligen stellvertretenden Direktors der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Ulrich Johannes Schneider. Am 28. Mai 2002 teilte er uns mit, dass er im Rahmen einer von der DFG geförderten Digitalisierung ausgewählter Bestände der Bibliothek vorrangig die von der Berliner Arbeitsstelle ausgewählten Bücher digitalisieren lassen werde. Tatsächlich ist die Internet-Edition im Falle von Anspielungen und Zitaten entsprechender Literatur mit dem Server der Wolfenbütteler Bibliothek verlinkt. Die Berliner Arbeitsstelle stand und steht mit ähnlich konzipierten Editionen in engem Kontakt, die ebenfalls eine Veröffentlichung in Buchform und als InternetEdition anstreben: 1. Die edizione nationale der Werke von Francesco Maurolico, die unter der Leitung von Pier Daniele Napolitani in Pisa erscheint. Ich gehöre dem comitato direttivo an. 2. Die in deutsch-französisch-polnischer Zusammenarbeit geplante Edition des Briefwechsels des Danziger Astronomen Johannes Hevelius, die unter der Schirmherrschaft der Académie internationale d’histoire des sciences erscheinen wird. Als Präsident dieser Académie habe ich den Vorsitz des Leitungskomitees inne.

28 H. Hecht/E. Knobloch/S. Rieger: „Reihe VIII: Naturwissenschaftlich-medizinisch-technische Schriften. Ein neues Projekt im Rahmen der Akademie-Ausgabe“, in: VII. Internationaler Leibniz-Kongreß. Nihil sine ratione. Mensch, Natur und Technik im Wirken von G. W. Leibniz, Nachtragsband, hrsg. von H. Poser in Verbindung mit Chr. Asmuth, U. Goldenbaum und W. Li, Hannover 2002, S. 73–81.

Anmerkungen zu den Reihen VII und VIII

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Der erste Band der Reihe VIII erschien 2009. Die Bearbeiter waren Hartmut Hecht, Eberhard Knobloch, Alena Kuznetsova (†), Sebastian Stork unter Mitarbeit von Vladimir Kirsanov (†) und Anne-Lise Rey. Eine Buchpräsentation fand nicht statt. Der Band wurde überaus positiv besprochen. In der Rezension von Andreas Kleinert heißt es: „So konnte sich auch der Rezensent anhand zahlreicher Stichproben davon überzeugen, dass die Herausgeber mit einer kaum zu übertreffenden Sorgfalt gearbeitet haben und auch für schwer leserliche Stellen eine überzeugende Transkription bieten. Vor allem dieser Teil der Arbeit verdient höchste Anerkennung, und dies um so mehr, als in dem Band fünf Sprachen vertreten sind.“29

Allen Schwierigkeiten zum Trotz berechtigt daher der erreichte Stand der Arbeit zu der Aussage, dass die Reihe VIII auf einem gutem Wege ist, zumal die 2007 erfolgte Evaluierung aller vier Leibniz-Editionsstellen speziell für die kleine Berliner Arbeitsstelle zu einer sehr positiven Stellungnahme der Wissenschaftlichen Kommission der acht Akademien der Wissenschaften in Deutschland geführt hat. EPILOG Vergil hatte in der Äneis gedichtet (Vers I, 33): „Tantae molis erat Romanam condere gentem.“ „So großer Mühe bedurfte es, das römische Volk zu begründen.“

Ich möchte das Zitat ein wenig ändern: Tantae molis erat series septimam et octavam condere Leibnitianae editionis. So großer Mühe bedurfte es, die siebte und achte Reihe der Leibniz-Edition zu begründen.

29 Rezension von A. Kleinert: „G. W. Leibniz: Naturwissenschaftliche, medizinische und technische Schriften. Erster Band 1668–1676. (Sämtliche Schriften und Briefe, Achte Reihe; 1. Band). Hrsg. von der Leibniz-Editionsstelle Berlin der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Bearbeitet von Hartmut Hecht, Eberhard Knobloch, Alena Kuznetsova (†) und Sebastian Stork. Unter Mitarbeit von Vladimir Kirsanov (†) und Anne-Lise Rey. Berlin 2009“, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 33 (2010), S. 329–330.

Heinrich Schepers (Münster) / Wenchao Li (Hannover/Potsdam)

„HERZBLUT“ – GESPRÄCHE ÜBER DIE LEIBNIZ-EDITION1 W. Li: Lieber Herr Schepers, nach Ihrem Vortrag in Hannover auf unserer Tagung sagten Sie mir, Sie hätten einen wichtigen Punkt zu erwähnen vergessen. Jetzt können Sie das nachholen. H. Schepers: Die Kathedrale, übrigens eine schöne Metapher, muss von Menschen gebaut werden. Eine Kathedrale ist nicht von selbst da, es bedarf eines Baumeisters und Arbeiter, die die Kathedrale errichten. Übertragen auf die Leibniz-Edition wäre dieser Baumeister der Leiter der jeweiligen Arbeitsstelle, die Arbeiter an der Kathedrale sind folglich die Mitarbeiter der Arbeitsstellen. W. Li: Und die Mitarbeiterinnen! Kommen wir auf Ihren Vortrag bzw. auf dessen Titel zurück: „Stützende Pfeiler beiderseits“. Auch eine schöne Metapher? H. Schepers: Die Formulierung „stützende Pfeiler beiderseits“ bezieht sich in der Tat auf die Pfeiler auf beiden Seiten der Deutschland damals trennenden Mauer, auf denen die Edition ruhte. Bis zur Wiedervereinigung wurde die Leibniz-Ausgabe zuletzt allein herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften (AdW) der Deutschen Demokratischen Republik in Zusammenarbeit mit den beiden westdeutschen Arbeitsstellen, der Leibniz-Forschungsstelle der Universität Münster und dem Leibniz-Archiv der Niedersächsischen Landesbibliothek in Hannover. W. Li: Wie war die Zusammenarbeit? H. Schepers: Die Zusammenarbeit in Bezug auf die Reihe VI gestaltete sich insofern problemlos, als ich für eine „Vorausedition“, nachdem das Wissenschaftsministerium in Düsseldorf die Finanzierung zugesichert hatte, zum Druck und zu deren internationaler Verteilung die Zustimmung der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin einholen konnte. Die Ideologie spielte nie eine Rolle. Eine der Maßnahmen zur Sicherung der Federführung der Akademie der Wissenschaften der 1

Der auf der hannoverschen Tagung frei gehaltene Vortrag von H. Schepers mit einer Reihe von interessanten Detailfragen brachte W. Li auf die Idee, Herrn Schepers zu interviewen. Aus dem beabsichtigten Interview sind intensive Gespräche geworden; diese fanden am 19. März und am 18. April 2012 in Münster statt. Protokoll und Verschriftlichung lagen in den Händen von Simona Noreik.

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Heinrich Schepers / Wenchao Li

DDR bei der Leibniz-Edition bestand darin, dass die abgeschlossenen Editionsarbeiten ausschließlich in Ost-Berlin beim Akademie-Verlag gedruckt wurden – ein Vorgang, der pro Band wegen der Abwanderung der Setzer über drei Jahre dauern konnte. Aber auch mit dem Verlag gab es keine Animositäten. Herr Thomas Egel, der für die Leibniz-Ausgabe zuständige Lektor des Akademie-Verlags und Vorgänger von Peter Heyl, verhielt sich immer sehr hilfsbereit und zuvorkommend. W. Li: Wollen wir noch eine Weile bei der Geschichte bleiben und uns die Zusammenarbeit etwas genauer anschauen? Bereits im Juni 1956 hat die damalige Leibniz-Kommission der Deutschen Akademie der Wissenschaften (DAW) mit Ihrer Forschungsstelle eine Vereinbarung abgeschlossen, im März 1962 erfolgte ein Zusatzvertrag – auf diesen Vorgang komme ich noch zurück. Dennoch war ohne Zweifel der Mauerbau 1961 eine Zäsur, die direkt zur Gründung des Leibniz-Archivs an der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover geführt hat. Oder anders formuliert und umgekehrt betrachtet: Die der Leibniz-Kommission direkt unterstellte Berliner Stelle, aus der die jetzige, inzwischen von mir geleitete Potsdamer Editionsstelle hervorgegangen ist, war doch besonders hart betroffen durch den Mauerbau: Drei von den insgesamt fünf hauptamtlichen Mitarbeitern, die in West-Berlin wohnten, waren gezwungen, ihre Mitarbeit einzustellen, da ihr Gehalt nicht mehr in Westgeld umgetauscht wurde. Die Editionsarbeit kam fast vollständig zum Erliegen. Denn zurückgeblieben waren die zwei Mitarbeiterinnen, Dr. Lotte Knabe und Margot Faak. Frau Knabe war nach langjährigen, zeitweise leitenden Archivtätigkeiten in Magdeburg, Merseburg und zuletzt Potsdam am 1. Oktober 1953 an die DAW gekommen und arbeitete bis zu ihrer Emeritierung am 31. Januar 1967 und darüber hinaus an der Leibniz-Edition, Frau Faak war damals noch nicht promoviert. Aber wir wollen den Blick vorerst noch nach Westen richten. Kurt Müller, der Leiter der Berliner Stelle, hat nach dem Mauerbau seine Arbeit in Hannover begonnen. H. Schepers: Kurt Müller hatte nach dem Bau der Mauer seine Bindung an die Akademie im Ostteil Berlins verloren und war gezwungen, nach Ost-Berlin umzusiedeln oder sich etwas Neues zu suchen. Müller trat 1962 mit Erich Hochstetter in Verbindung und fragte an, ob er nach Münster kommen könne. Hochstetter war allerdings der Meinung, Münster „verkrafte“ das nicht, es sei sinnvoller, wenn Müller nach Hannover ginge, wo die Handschriften liegen. Müller bewarb sich dort mit Erfolg, und infolgedessen wurde das Leibniz-Archiv eingerichtet. Müller wurde dort Leiter der Reihe I und bekam dann auch Reihe III, beginnend mit dem Band von Joseph Ehrenfried Hofmann. Reihe VII kam später ebenfalls nach Hannover, als Eberhard Knobloch in kleinem Kreis mit Wilhelm Totok und Albert Heinekamp vortrug, er habe Material dafür gesammelt und könne zwei Bände mathematischer Schriften der Pariser Zeit innerhalb von vier Jahren herausgeben. Diese Aussage geht auf seine erste Planung einer Auswahl von Leibnizens mathematischen Handschriften zurück. Daraus wurde bekanntlich erheblich mehr an Text und Zeit. Herr Knobloch wurde zuerst über uns honoriert und mit den in Münster lagernden Materialien versorgt.

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W. Li: Über Herrn Hochstetter und Herrn Hofmann müssen wir uns näher unterhalten, aber später. Auswärtige Mitarbeiter – heute wird in Form von Werkverträgen diese Form des Edierens gepflegt, es ist allerdings in Zeiten knapper Kassen auch zunehmend eine Finanzierungsfrage – waren schon immer wichtig gewesen. H. Schepers: Ja, zu ihnen zählten damals neben Herrn Knobloch schon vor dem Krieg noch z. B. Conrad Müller und Dietrich Mahnke. Mahnke starb leider viel zu früh – wie später auch Hofmann – durch einen Verkehrsunfall. Auswärtige Mitarbeiter wurden an Münster oder Hannover gebunden, auch um eine weitere Dezentralisierung zu verhindern. W. Li: Fast alle Reihen waren erst nach Münster gekommen. Wie hatte man das geschafft? H. Schepers: Außer der Berliner Stelle gab es vor 1956 keine weitere als die Forschungsstelle in Münster. Erich Hochstetter hatte es im Vertrag so festlegen lassen, dass, wenn die Akademie in Ost-Berlin Reihen abgebe, diese erst nach Münster kommen sollten, wo dann bestimmt werde, wo sie weiter hingingen. Bei uns lagen also auch die Rechte an den mathematischen Reihen und dem dazugehörigen Material – was wir dann ohne Extravertrag nach Hannover gegeben haben. W. Li: Herr Müller, der einen Passierschein besaß, soll vor seinem Wechsel nach Hannover in „Nacht- und Nebelaktionen“ Materialien mitgenommen haben. Eine Legende? H. Schepers: Eher abenteuerlich, keine Legende. Denn Müller hat in der Tat regelrecht jeden Abend seine Aktentasche mit Zetteln gefüllt und diese zur Anfertigung von Kopien nach Münster geschickt und uns damit überhaupt erst in die Lage versetzt, die Arbeit aufnehmen zu können, bildete doch der Katalog das Herzstück der Edition. Zum Kopieren waren wir damals im Jahre 1957 auf Geräte angewiesen, die nur so genannte Nasskopien herstellen konnten, weswegen die Blätter unseres Katalogs sich unvermeidlich krümmten und so den Umgang mit ihnen nicht leichter machten. W. Li: Das wäre doch nicht nötig gewesen. In der Vereinbarung zwischen der Deutschen Akademie der Wissenschaften und der Forschungsstelle Münster vom 21. Juni 1956 wurde doch unter Ziffer 2 geregelt, dass der Forschungsstelle Münster „leihweise“ das gesamte Manuskriptmaterial einschließlich des Arbeitsmaterials der von dieser zu übernehmenden Reihen zur Verfügung gestellt werden sollen, solange es für deren Bearbeitung erforderlich ist. Hannover hätte demnach die Materialien auch so bekommen. H. Schepers: Offizielle Materiallieferungen fanden erst später statt: Der kritische Katalog wurde mit besonderer Genehmigung des Generalsekretärs der DAW Münster zur Anfertigung einer Fotokopie zur Verfügung gestellt. Von den Zettel-

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Katalogen war darin keine Rede. Erst 1962 wurden sie kurzfristig Hannover zur Anfertigung einer Kopie überlassen. Abschriften von Handschriften, also Transkriptionen aus den 20er und 30er Jahren, für die Reihen II und III wurden ab etwa 1960 nach Münster geschickt, da diese Reihen zuerst vertraglich alle der LeibnizForschungsstelle in Münster übertragen wurden. – Aus diesem Grund hat Erich Hochstetter, der damalige Direktor der Leibniz-Forschungsstelle, J. E. Hofmann gedrängt, den Band III, 1, den dieser seit 1940 bearbeitete, herauszugeben. Das Leibniz-Archiv wurde zwischen 1963 und 1965 mit den an der Berliner Arbeitsstelle befindlichen Katalogen der Leibniz-Kommission gegen Leihscheine und per Einschreiben versorgt. Dazu gehörten der so genannte Weiße Katalog in mehr als hundert Paketen, der Rote Katalog in etwa 16 Paketen, Katalog der Drucke, Katalog der Siegel, Fundortkatalog, Namenweiser, das Korrespondenzverzeichnis sowie Technik der Ausgabe (etwa Richtlinien der Verzeichnisse), Wasserzeichen etc. Die Kataloge wurden Zettel für Zettel kopiert und anschließend zurückgesandt. Die Münsteraner Kataloge verdanken ihre Existenz, wie oben berichtet, den frühen Aktionen von Kurt Müller. Später, ich glaube 1965, erfolgte der Versand, ebenfalls leihweise, von zum Druck vorbereiteten Materialien nach Hannover, z. B. zu Reihe III und Reihe I. W. Li: 1969, als die Arbeiten an der Ausgabe der Politischen Schriften (Reihe IV), der einzigen Reihe, die der Akademie erhalten blieb, im Zug einer Akademiereform „stillgelegt“ – darauf kommen wir noch zurück – und die Arbeitsstelle aufgelöst wurde, wurden die Unterlagen, Materialien einschließlich der Handbibliothek an das Archiv der damaligen Deutschen Akademie der Wissenschaften übergeben. Was die Leihgaben in den Jahren 1964 und 1965 an Hannover und Münster betrifft, wurde das Archiv darauf hingewiesen, dass mit dem Erscheinen der betreffenden Bände die Leihfrist erlösche. Die Mitarbeiter der Arbeitsstelle waren der Ansicht, dass im Hinblick auf diese Ausleihe großzügig verfahren werden solle. H. Schepers: Das war die Zeit, als Berlin noch den Anspruch stellen konnte, die Leitung der Ausgabe zu haben. W. Li: Nun wollen wir nicht streiten, ob die Wertsachen – die Bände sind ja zum großen Teil erschienen – nach Potsdam als Nachfolgerin der Berliner Stelle zurückgeführt werden sollen und müssen. Ohne Zweifel waren die „Leihgaben“ lebenswichtige Unterstützungen für die beiden westdeutschen Arbeitsstellen. Damit war die Leibniz-Edition wohl ganz nach Westdeutschland übergegangen, während durch den Weggang gleich dreier Mitarbeiter (einschließlich der Leitung) die Berliner Stelle wohl auch nur bedingt arbeitsfähig geworden war. Die Folgen sollte man noch Jahrzehnte später spüren. Mir scheint, Kurt Müller hat noch jahrelang mit seiner Berliner Stelle korrespondiert, Katalogkorrekturen und -ergänzungen ausgetauscht. Im Kopf der Mitarbeiter hat es eine Mauer nicht gegeben. Aus den Briefwechseln zwischen Berlin und Westdeutschland kann man entnehmen, dass der Informationsaustausch gut funktionierte, es gab sogar klare Regelungen, wie die Zettel aus der jeweiligen Partnerstelle zu kennzeichnen seien (z. B. Stempel auf der Rückseite). In einem mir vorliegenden Entwurf habe ich sinngemäß aber

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Folgendes lesen können: Der Austausch zwischen Berlin und Münster wurde infolge von Unstimmigkeiten bald wieder abgebrochen. Was waren diese „Unstimmigkeiten“ zwischen Münster und Berlin? H. Schepers: Die Einstellung des Austausches geht nicht auf Unstimmigkeiten zurück, sondern auf den Umstand, dass wir nicht über die benötigte Arbeitskraft verfügten, um die Berichtigungen konsequent einzutragen. Wohl wurden neu angelegte Katalogzettel nach Hannover und Berlin geschickt, aber die neuen Drucke und Übersetzungen haben wir, vor allem Gustav Nils Öffenberger, in der Tat das letzte Mal 1982 nachgetragen. Die Zeit unserer drei Mitarbeiter war dafür später einfach zu kostbar. Kurt Müller hat sich natürlich, was die Vervollständigung der Kataloge in den ersten Jahren betrifft, sehr verdient gemacht – er konnte dies aber nur in dem geschehenen Umfang tun, da in dieser Zeit keine neuen Handschriften dazugekommen sind. Um Doppelarbeit überflüssig zu machen, habe ich einen Schlüssel für den „Weißen Katalog“ angelegt. Dieser Schlüssel war verbunden mit der Aufforderung, dort zu ergänzen, wo den Arbeitsstellenleitern jeweils neue Informationen vorlagen. Angelegt wurde er von mir auf dBase IV, ein für die wissenschaftliche Arbeit sehr geeignetes Programm, das noch durch kein anderes ersetzt werden konnte. Aus den in dBase IV eingegebenen Daten zu jeder einzelnen der zu edierenden Handschriften konnten automatisch die Köpfe für die Briefreihen erstellt werden. Versuche, diese Funktion auf andere Programme, z. B. ACCESS und TUSTEP, zu übertragen, sind bisher erfolglos geblieben. W. Li: Was den Katalog betrifft, kann ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Sie werden es kaum glauben. 1968, im Zuge der Stilllegung der Editionsarbeiten in Berlin, wurden gleichzeitig Überlegungen angestellt, sozusagen als Ersatz für die Editionsarbeiten, den Kritischen Katalog der Leibniz-Handschriften – alle drei: den Katalog der Leibniz-Handschriften, erstes Heft (1646–1672); den Catalogue critique des manuscrits de Leibniz, fascicule II (Mars 1672–Novembre 1676); und den handschriftlichen Zettelkatalog für die Jahre 1676–1716 – zu drucken. Man war sich hinsichtlich dessen mangelnder Zuverlässigkeit – er ist einerseits unvollständig, andererseits durch die bearbeiteten Briefe und Schriften bereits überholt – sehr bewusst. Die Anzahl der zu druckenden Katalogzettel wurde mit 52.634 berechnet, es sollten im Höchstfall 9 bis 10 Bände in 8o werden. Für die Abschrift des Ganzen würden von einer Person rund 4 Jahre benötigt (pro Jahr 12.500, pro Tag 50 Zettel), die unvermeidbare Überprüfung ab und zu, Register und Korrekturfahnen könnten weitere 2 Jahre in Anspruch nehmen. Daraus wurde nichts, aber immerhin, von der Absicht her war es ein schönes Projekt. H. Schepers: Es hätte auch nicht umgesetzt werden können. Der Katalog war von Anfang an für die Edition gedacht und auf sie zugeschnitten. Er enthält viele Fehler, ist lückenhaft und weicht inzwischen oft von der erschienenen Textausgabe ab – auch aus diesem Grund halte ich es für falsch und irreführend, dass der Katalog online zugänglich gemacht wurde; dasselbe gilt für den Online-Wasserzeichenkatalog. Aber das ist ein anderes Thema. Zu der projektierten Drucklegung: Stellen

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Sie sich vor, die mehr als 50.000 handgeschriebenen Zettel mit richtigen und mit falschen Angaben zu Titel, Incipit, Fundort, Überlieferung, Bezug, Format, Datierung etc. richtig abzuschreiben! Da kann man gleich beginnen zu edieren. W. Li: Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es, wie Sie in einem Aufsatz aus dem Jahre 1978 bereits schrieben, zu einer Dezentralisierung der Leibniz-Edition. Ich habe andernorts auch von „Zersplitterung“ gelesen. H. Schepers: Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tat keine zentrale Leitung mehr, was ich im Übrigen sehr bedauere: Die eine Ausgabenleitung wurde durch die Leitungen der drei, inzwischen vier Arbeitsstellen abgelöst. Hochstetter weigerte sich bereits nach Gründung der Forschungsstelle Münster, Kurt Müller (als er noch in Berlin war) als Leiter der Ausgabe anzuerkennen. Es wäre gut, eine Leitung zu haben, damit wir mit einer Stimme bei allen möglichen Institutionen auftreten könnten. Nun haben wir nur die einzelnen Stimmen der Arbeitsstellenleiter, die ja insofern „entmachtet“ sind, als sie noch Leute über sich haben. W. Li: War es früher anders? Mir scheint, durch die Aufnahme in das durch Bund und Länder geförderte Akademienprogramm wurde erstmals die Grundlage für eine langfristige Planung geschaffen, womit naturgemäß auch eine Erhöhung der öffentlichen Aufmerksamkeit (bzw. des Druckes) verbunden ist. Wir werden doch mit Steuergeldern finanziert. H. Schepers: Die Leibniz-Edition wurde schon immer mit öffentlichen Geldern oder, um es polemisch zu sagen, „Steuergeldern“ finanziert, jetzt wie zur Zeit der deutschen Teilung in West wie in Ost. W. Li: Hat die Dezentralisierung mit zu den Uneinheitlichkeiten in den Textbänden geführt? H. Schepers: Dazu muss eines gesagt werden. Hofmann hat die Beschlüsse von 1936 realisieren wollen, als er 1940 zur Leibniz-Edition kam. Theodor Vahlen hatte ihn anstelle von Hochstetter eingesetzt, der in Berlin als der „Kronprinz“ galt. Hofmann sah seine Aufgabe u. a. darin, eine Methode zur Verzeichnung von Lesarten zu entwickeln – ein Klammersystem, welches sich meiner Einschätzung nach als unzulänglich und unübersichtlich erwies. Nach dem Krieg – Hofmann war 1945 wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP entlassen worden – hat er den von ihm bearbeiteten Band III, 1 mitgenommen. Hochstetter wusste das und forderte ihn auf, diesen an unsere Arbeitsstelle zurückzugeben oder aber diesen selbst so zu bearbeiten, wie die Ausgabe mittlerweile gemacht wurde, nämlich nach dem Prinzip der Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe, welches Kurt Müller eingeführt hatte. Mit dieser Auflage war Hofmann nicht einverstanden und ließ das Honorar, das er von Münster für seine weitere Bearbeitung bekommen hatte, zurückgehen. Da die Arbeit an der Reihe III aber unbedingt weitergehen sollte, hat sich Müller im Endeffekt auf die Bedingungen Hofmanns eingelassen. Der Band erschien nach Bearbeitung durch

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Heinz-Jürgen Heß in Verantwortung des Leibniz-Archivs in Hannover. – Das ist der Grund, weshalb dieser Band mit seinen Eigenarten letztendlich so außerhalb der Reihen steht. W. Li: Nachdem Hofmann die Nachfolge von Paul Ritter angetreten hatte, kam es zu einer Auseinandersetzung bezüglich des maßgeblich von Ritter erstellten Katalogs, den Hofmann als unvollständig bezeichnete. Wusste Herr Hofmann nicht, dass der Katalog lückenhaft ist? H. Schepers: Zu diesen Animositäten zwischen Vorgänger und Nachfolger kann man sachlich sagen, dass die Mathematik bis dahin im Katalog – wie schon von Bodemann – am wenigsten berücksichtigt worden war. Aus diesem Grund konnte Hofmann den „Weißen Katalog“ als unvollständig bezeichnen. Übrigens besteht dieses Desiderat immer noch. W. Li: Nun möchte ich noch etwas über die Geschichte Ihrer Forschungsstelle wissen. Was war der Hintergrund für die Entstehung dieser wichtigen Forschungsstelle, warum gerade in Münster? H. Schepers: Ausschlaggebend war, dass Hochstetter, der von 1914 bis 1940 Mitarbeiter der Leibniz-Edition in der Preußischen Akademie war, seit Anfang der 50er Jahre einen Lehrauftrag am Philosophischen Seminar in Münster innehatte. Er war der einzige, außer Kurt Müller, der überhaupt in der Lage war, die Kenntnisse der Editionstechnik zu vermitteln. Dafür wurden ihm zwei Mitarbeiter unterstellt und damit begann auch meine Arbeit an der Edition. Man muss aber auch Joachim Ritter und Otto Most erwähnen, denn es waren diese beiden, die für die Einrichtung der Leibniz-Forschungsstelle Münster beim Wissenschaftsminister in Düsseldorf vorstellig wurden. Most war mit Hochstetter im Zweiten Weltkrieg bei der Wehrmachtspsychologie gewesen und holte ihn aus Göttingen, wo er sich nach dem Kriege aufhielt. Für eine „richtige“ Anstellung war Hochstetter allerdings schon zu alt, bei der Eröffnung der Leibniz-Forschungsstelle 1956 betrug sein Alter 68 Jahre, so dass er nur eine Aufwandsentschädigung erhalten konnte. W. Li: Die Stelle soll einmal von der Düsseldorfer Akademie betreut worden sein. Aus welchem Grund ist die Düsseldorfer Akademie nicht mehr mit „im Boot“? H. Schepers: Das Wissenschaftsministerium in Düsseldorf hat die Leibniz-Forschungsstelle seit ihrer Gründung immer großzügig finanziert. Die Leibniz-Edition war das größte wissenschaftliche Unternehmen des Landes, welches mit mehr als 30 % des für Forschungsförderung vorgesehenen Etats bedacht wurde. Dem Land lag daran, diese finanzielle Belastung abzustoßen. Auf Betreiben des Ministeriums wurde für ein halbes Jahr die Förderung von der DFG übernommen, die uns über ihre ‚blaue Liste‘ auf Antrag der Akademie in Göttingen in die Bund-LänderFörderung (Akademienprogramm) brachte. Die Akademie des Landes Nordrhein-

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Westfalen, der die wissenschaftliche Betreuung der Edition oblag, übertrug diese Aufgabe sinnvollerweise der Akademie in Göttingen. Düsseldorf leistet aber noch weiter seinen Sitzland-Anteil an der Bund-Länder-Förderung. W. Li: Seitdem stehen die zwei Arbeitsstellen unter der Obhut der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Die Sache konnte freilich nur mit Zustimmung der Ostseite geschehen, da ja bis dahin die Akademie der Wissenschaften der DDR die alleinige Herausgeberschaft innehatte. Betroffen war nicht zuletzt die Form der Titelgestaltung der Ausgabe auf den beiden Titelblättern. Nach dem, was ich darüber bisher in Erfahrung bringen konnte, waren die Akademie und die LeibnizStelle am Zentralinstitut anfangs durchaus unterschiedlicher Meinung: Während das Präsidium eher auf juristischen Positionen bestand, scheinen die Kollegen der Edition, z. B. Herr Werner Schuffenhauer – verantwortlich für den Bereich Editionen im Zentralinstitut für Philosophie, er verstarb vor kurzem mit 81 Jahren –, von Anfang an darin gewisse Schritte zur Zentralisierung und langfristigen personellen, finanziellen und materialtechnischen Absicherung international bedeutender Editionsunternehmen gesehen zu haben. Es wurde durchaus nüchtern erkannt, dass die neue Zuordnung der Arbeitsstellen in Hannover und in Münster hingenommen werden müsse, eine Ablehnung hätte auch unmittelbare, aktuelle praktische Folgen für die Mitarbeiter dieser Arbeitsstellen gehabt, denn es galt auch, deren Weiterbeschäftigung finanziell abzusichern. Dennoch wurde erst Anfang 1983 die offizielle Zustimmung mitgeteilt. So haben wir z. B. in dem 1987 erschienenen 2. Band der III. Reihe zum ersten Mal die neue Titelgestaltung: Auf dem ersten Titelblatt die Akademie der Wissenschaften der DDR als alleiniger Herausgeber der Ausgabe, auf dem 2. Titelblatt die Angabe: „Unter Aufsicht der Akademie der Wissenschaften in Göttingen herausgegeben vom Leibniz-Archiv der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover“. Eine „Leibniz-Renaissance“, auch für die Leibniz-Edition, hat bereits die Gründung der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft 1966 in Hannover eingeleitet. Als konkrete Aufgaben bestimmt die Satzung der Gesellschaft die Förderung der Edition von Leibniz’ Schriften (und den Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Leibniz-Hauses). H. Schepers: Wilhelm Totok hat sich um die Gründung der Gottfried-WilhelmLeibniz-Gesellschaft in Hannover verdient gemacht. Bei der Gründungssitzung war ich damals dabei, weil ich Hochstetter an diesem Tag nach Hannover chauffiert habe. W. Li: Wenn Sie von Herrn Totok sprechen: Ich habe von einem Transport mit Polizeieskorte gehört ... H. Schepers: Totok war sehr ambitioniert und hatte noch weitergehende Pläne: Aus einer meiner Bemerkungen glaubte er, heraushören zu können, dass man die LeibnizEditionsstelle komplett nach Hannover verschieben sollte, und er hat alles getan, um das zu fördern. 1965, vor dem ersten Leibniz-Kongress, ließ Totok die Hand-

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schriften in Münster von einer Polizeieskorte abholen – der Wert der Handschriften berechtigte natürlich zu diesem Vorgehen – und nach Hannover bringen, da er dachte, dass diese ohnehin dort hingehörten. Er hatte angedacht, Münster zu einer bloßen Zweigstelle des Leibniz-Archivs umzufunktionieren. Erst nachdem das Wissenschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen – mein Freund Hermann Lübbe war damals dort Staatssekretär – mit dem ebenfalls von der SPD geführten niedersächsischen Ministerium eine Regelung getroffen hatte, wurden wieder Leibniz-Handschriften nach Münster ausgeliehen. W. Li: Aber das hat die Zusammenarbeit nicht so sehr gestört? H. Schepers: Nun ja, insofern wurde sie gestört, als wir bis 1970 nicht mit den Handschriften, die seit 1956 bei uns gelegen hatten, arbeiten konnten. Die Berliner waren ja gewohnt, dass sie – schon der politischen Lage wegen – keine Handschriften ausgeliehen bekamen, wir aber waren und sind sehr auf die direkte Einsicht in die Handschriften angewiesen. W. Li: Woher hatten Sie die Handschriften? Wir hatten ja, wie sie eben sagten, keine. H. Schepers: Sie haben ja auch nie welche gekriegt, wir haben sie von Anfang an gehabt. Wir sind in Hannover vorstellig geworden und haben von allen Direktoren der Bibliothek die Zusicherung bekommen, dass wir nach wie vor Handschriften ausgeliehen bekommen, die wir mit Zwei-Personen-Kurier her und hin befördert haben. W. Li: Vielleicht dachte Herr Totok, irgendwann müssen die Handschriften auch zurück. Aber kommen wir auf die Leibniz-Gesellschaft zurück. Mit ihren Aktivitäten, vor allem den in Hannover stattgefundenen erfolgreichen internationalen Kongressen, den internationalen Symposien (in Chantilly, Seillac etc.) und der Zeitschrift Studia Leibnitiana sowie den Schriftenreihen Supplementa und Sonderhefte hat sich die Leibniz-Gesellschaft schnell – mir liegt ein Schriftstück aus dem Jahre 1978 vor – „als zunehmend international angesehene Organisation der Entwicklung und Förderung der Leibniz-Forschung und -Edition“ etabliert und übte einen „sehr starken öffentlichen Einfluss auch auf die Erörterung von Fragen der Gestaltung und Entwicklung der [Leibniz-]Akademieausgabe“. H. Schepers: Einen solchen Einfluss hat die Leibniz-Gesellschaft nie gehabt. W. Li: Das mag sein. Ich kann aber eine Wirkung jenseits der Mauer belegen. Im Jahre 1978, also in Anschluss an den III. Internationalen Leibniz-Kongress, wurden Versuche unternommen, die Leibniz-Ausgabe aus dem Bereich des Vizepräsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR für Plenum und Klassen in den Bereich Editionen des Zentralinstituts für Philosophie einzugliedern. Man sah wohl die Gefahr, wegen der Aktivitäten der Leibniz-Gesellschaft in eine Außenseiterrolle gedrängt zu werden und langfristig die Alleinherausgeberschaft der Leibniz-Ausgabe

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zu verlieren. Aber schon vorher wurde eine Wiederbelebung der Editionsarbeiten versucht. Ende 1974 wurde z. B. über die Bildung einer Leibniz-Arbeitsgruppe bei der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle (AvH-Forschungsstelle) beraten. Die Bearbeitung der letzten drei Bände (sic!) der Reihe IV sollte vorangetrieben werden. Die Gruppe nahm unter der Leitung von Herrn Kurt-Reinhard Biermann, der auch die Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle leitete, die Arbeit auf, die zwei Mitarbeiter waren die Herren Bruno Gloger und Klaus Steiner; kurz darauf wurde die Forschungsstelle, wie gesagt, dem Vizepräsidenten für Plenum und Klassen zugeordnet, unter der Leitung von Herrn Werner Schuffenhauer. – 1977 wurde die Handbibliothek der Arbeitsstelle wieder ausgehändigt. H. Schepers: Die Leibniz-Ausgabe war zuletzt am Zentralinstitut für Philosophie der AdW der DDR angesiedelt. Als Georg Klaus nach parteioffizieller Kritik in Ungnade fiel, hatte Manfred Buhr das Amt des Institutsdirektors 1969 übernommen, das er bis zum Mai 1990 innehatte. Er hatte meines Erachtens wenig Verständnis für die eigentliche Editionsarbeit. Seinem Verdienst ist es allerdings zuzurechnen, dass die geheimen Überlegungen bezüglich einer Auflösung der Berliner Arbeitsstelle Ende der 70er Jahre nicht weiterverfolgt wurden. W. Li: Meines Wissens hat Herr Buhr über lange Zeit das Image des Zentralinstituts (vor allem gegenüber dem westlichen Ausland) als Hort freier Forschung gepflegt, es jedoch zugleich intern zu einem „Bollwerk“ gegen „feindliche ideologische Tendenzen in der Philosophiegeschichte“ ausgebaut – was inzwischen in diversen Darstellungen zur Geschichte der „Kaderphilosophie“ in der DDR beschrieben worden ist. Aber Sie sprachen von „geheimen Überlegungen“ (im Zuge der so genannten Akademiereform). In der Tat konnte, als man etwa im Oktober 1975 eine LeibnizArbeitsgruppe an der AvH-Forschungsstelle der AdW neu gründete, in den Akten der Leibniz-Kommission kein schriftlicher Beschluss über eine Auflösung der Leibniz-Arbeitsstelle im Jahre 1969 gefunden werden. Zur Fortführung des Bandes IV, 3 hat es ja auch alljährlich Honorarverträge mit Frau Knabe gegeben. H. Schepers: Danach wurden Maßnahmen ergriffen, um die federführende Rolle der AdW der DDR bei der Herausgabe der Leibniz-Ausgabe und zur Weiterführung der der AdW der DDR obliegenden Editionsaufgaben zu sichern. Der Leiter des Bereiches „Edition“ im Zentralinstitut, Werner Schuffenhauer, wurde damals – wie Sie bereits sagten – auch Leiter der Arbeiten an der Reihe IV (die ja seit 2007 in Ihrem Verantwortungsbereich liegt). Die Arbeiten von Frau Knabe hat schließlich Margot Faak verdienstvoll neben ihrer Tätigkeit an der HumboldtAusgabe weitergeführt. Der Verlag hat seinerseits die wissenschaftliche Bearbeitung und Redaktion durch großzügige Honorarverträge unterstützt. W. Li: Ein Anliegen von Herrn Buhr war es auch, dass das von ihm geleitete Zentralinstitut für Philosophie eine kooperative Mitgliedschaft in der Leibniz-Gesellschaft erlangen sollte. Über eine solche Mitgliedschaft liegt, laut einer Auskunft der Ge-

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schäftsstelle der Leibniz-Gesellschaft, jedoch nichts vor; Herr Buhr selbst wurde 1984 kooptiert, war seit 1990 dann Mitglied der Leibniz-Gesellschaft und saß auch im wissenschaftlichen Beirat der Gesellschaft. Es ist wohl richtig, dass das Zentralinstitut seit 1984 informell als Mitglied behandelt wurde und die üblichen Informationen auch postalisch über Herrn Buhr erhielt – dies nur als Ergänzung. Zu den Maßnahmen, die unter der Leitung von Herrn Buhr ergriffen werden sollten, zählten unter anderem die Konstituierung einer Leibniz-Forschungsstelle, die Berufung eines international zusammengesetzten Redaktionskollegiums der Leibniz-Ausgabe unter Vorsitz eines Vertreters der AdW der DDR sowie eine Reihe konkreter Editions- und Forschungsprojekte. Die bevorstehenden Gedenktage wurden dafür gern zum Anlass genommen – der 275. Todestag von Leibniz im Jahre 1991, sein 350. Geburtstag im Jahr 1996 und das Jahr 2000 mit dem 300. Jahrestag der Leibniz’schen Akademiegründung. Natürlich spielte die deutsch-deutsche Konkurrenz eine wichtige Rolle, schließlich galt es, die eindeutig starke Position der westdeutschen Arbeitsstellen in Münster und in Hannover durch solche Aktivitäten auszugleichen; die Berufung eines internationalen Fachkollegiums sollte auch dazu dienen, die notwendige Zusammenarbeit mit den westdeutschen Arbeitsstellen nicht als „innerdeutsche“ Kooperation erscheinen zu lassen. Es sollte noch Jahre dauern, bis einige der Maßnahmen greifen konnten – einige davon sind erst nach der deutschen Wiedervereinigung zum Ertrag gekommen. Man denke an den Leibniz-Clarke Briefwechsel von Volkmar Schüller (1991), an Leibnizens Philosophische Schriften und Briefe 1683–1687 von Ursula Goldenbaum (1992; Teilband einer leider nicht fortgeführten fünfbändigen Ausgabe), an Hans-Stephan Brathers Leibniz und seine Akademie (1993) und an Gottscheds Edition der Leibniz’schen Theodicee von Hubert Horstmann (1996; alle im Akademie Verlag). Was die Leibniz-Edition im eigentlichen Sinne, die Bearbeitung der Bände der Reihe IV betrifft, habe ich den Eindruck, dass der Verlust von erfahrenen Mitarbeitern Anfang der 60er Jahre immer noch nicht kompensiert werden konnte und es an kompetentem Personal mangelte. „Über die dafür verantwortlichen Ursachen lange zu reflektieren, ist überflüssig“, las ich in einem Papier vom April 1984. Frau Faak wurde in diesem Jahr umgehend von der AvH-Forschungsstelle in die Leibniz-Arbeitsstelle versetzt. Im gleichen Jahr erfolgte die meines Wissens schon zwei Jahre zuvor (1982) geplante Übergabe (Rückführung) der 1969 von der Leibniz-Edition an das Zentralarchiv übergebenen Kataloge und Forschungsunterlagen vom Zentralarchiv an die Leibniz-Arbeitsstelle. – Frau Faak erzählte mir, unter den 1969 an das Zentralarchiv übergebenen Wertsachen sei ein großer Karton gewesen mit Gipsabgüssen des Schädels und der Gebeine von Leibniz als Anschauungsmaterial. Sie habe den Karton mit dem teilbeschädigten Inhalt „entsorgt“, natürlich im Auftrag. Aber auch dies sei nur nebenbei erwähnt. Wir wollen Frau Faaks Verdienste für die Fertigstellung des 3. Bandes der Reihe IV würdigen. Der zwei Jahre später (1986) erschienene Band der von der Berliner Stelle betreuten Politischen Schriften wird später, nach der Wendezeit, für das Schicksal der Editionsstelle eine nicht unwichtige Rolle spielen. Vielleicht kommen wir noch darauf zurück. Jetzt bleiben wir noch eine Weile in den 80er Jahren des ver-

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gangenen Jahrhunderts. Seit 1980 fanden jährlich Treffen der Leibniz-Editoren statt, zwischen den Editionsstellen alternierend. Die Zusammenkünfte haben sicherlich nicht nur den Zusammenhalt des Gesamtunternehmens gefördert. Was hat man gemacht? Wozu dienten solche Tagungen? Editionswissenschaft und Editionstreffen scheinen in den 80er Jahren ja regelrecht „in Mode“ gewesen zu sein? H. Schepers: Siegfried Scheibe (vom Zentralinstitut für Literaturgeschichte der AdW, Arbeitsgruppe „Textologie“) organisierte in den 80er Jahren regelmäßig editorische Tagungen, später Editionsgespräche. Anfang der 90er Jahren organisierte Hans-Gert Roloff (Freie Universität Berlin) einen Berliner Arbeitskreis für Editionswesen. W. Li: Das erste von Herrn Roloff organisierte Treffen fand im Juli 1990 statt – ich studierte damals an der FU Berlin – und hieß noch „Gesamtberliner Editorentreffen“. An dem zweiten Treffen im gleichen Jahr war sogar ein Vertreter des Berliner Senats anwesend. Hans-Stephan Brather, der Leiter der Leibniz-Edition seit 1983 (mein Vorvorgänger), nahm regelmäßig an den von Siegfried Scheibe organisierten Editorengesprächen teil. Meines Wissens hat ihn Herr Siegfried Scheibe nach der Wende auf die Initiative von Hans-Gert Roloff aufmerksam gemacht. Herr Brather war daraufhin auch oft an der FU in der Rostlaube gewesen. H. Schepers: Ich habe auf Einladung von Roloff über die Leibniz-Edition berichtet. Die Arbeitsgemeinschaft philosophischer Editionen der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland hatte ihren Anfang hingegen schon 1972 in München genommen, im Anschluss daran hat Winfried Woesler eine germanistische Arbeitsgemeinschaft gegründet und nach seiner Berufung nach Osnabrück dort einen Studiengang „Editionsphilologie“ etabliert. Herma Kliege-Biller hat bei ihm studiert. Aber zurück zu den Treffen der Leibniz-Editoren. Man kam zusammen, einerseits um sich über Probleme bei der Editionsarbeit auszutauschen, da ja oft Abweichungen bestanden in der Auffassung darüber, wie etwas technisch gehandhabt werden sollte, andererseits aber natürlich auch, um sich gegenseitig kennenzulernen. Diese Treffen fanden statt in Hannover (1981), Münster (1982), Berlin/Ost (1983), Hannover (1984), Münster (1985), Erfurt (1986), Goslar (1987), Münster (1988) und Köthen (1989). Heute stellen sie ein finanzielles Problem dar, damals wurden sie von den Sitzländern der Arbeitsstellen getragen. W. Li: Bedauerlicherweise. Was wurde bei den Treffen diskutiert? H. Schepers: Offizieller Vorwand war hierbei die Dokumentation der Editionstechnik, bei deren Verschriftlichung sich Brather sehr verdient gemacht hat, so dass die Ergebnisse jeweils beim nächsten Treffen diskutiert werden konnten. An sich stand ich der Festschreibung der Editionsprinzipien oder -richtlinien eher skeptisch gegenüber: Durch eine stets aufs Neue notwendige Anpassung an die unterschiedlichen Textzeugen und immer andersartige Konstellationen mit neuen Schwierigkeiten erscheint mir eine bindende Festlegung weder möglich noch sinnvoll.

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W. Li: Hinzu kommen noch die Vielfalt der Themen, die Eigenarten der einzelnen Reihen und nun nach 100 Jahren die Geschichte der Edition mit Entscheidungen und Praxis der Vorgänger. Immerhin liegen mehr als 50 dicke Bände vor. Solange ein Usus nicht eindeutig falsch ist, sollten wir ihn nicht unnötig ändern. H. Schepers: Weiterhin ging es bei den Treffen um die Zuweisung der jeweiligen Stücke zu den verschiedenen Reihen der Akademie-Ausgabe. Als Beispiel sei hier das Systema theologicum genannt, das ursprünglich Bestandteil der Reihe IV – unter der Bearbeitung von Frau Knabe – war, dann aber in der Reihe VI in Münster weiter bearbeitet und gedruckt wurde. Ursula Franke, die noch bis 1990 an der Edition mitgewirkt hat, übernahm bei der nun bei uns stattfindenden Bearbeitung nicht nur die Vorarbeiten von Lotte Knabe, sondern betrieb selbst noch erheblichen Aufwand. Mit dieser Zuteilung war ich allerdings auch nicht besonders glücklich, da man bei Leibniz zwischen zwei Arten der Theologie differenzieren muss, nämlich der akademisch orientierten Theologie, die eher der Metaphysik zuzurechnen ist, sowie der kontroverstheologischen Ausrichtung. Das Systema theologicum ist hierbei eindeutig von Leibniz mit kontroverstheologischer Intention verfasst worden. W. Li: Meines Wissens war die damalige Berliner Stelle bzw. ihre Leitung, Herr Brather, ebenfalls nicht besonders glücklich, die Arbeit an Sie bzw. Frau Franke abzugeben. Aber man hat es getan, vielleicht auch als Zeichen der Gutwilligkeit. H. Schepers: Thematisch könnte man natürlich bei einzelnen Fällen immer noch streiten, ob in Reihe IV publizierte Stücke nicht doch besser in Reihe VI aufgehoben gewesen wären, aber wie es so schön heißt: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ W. Li: Ich weiß, welche Schriften Sie meinen. Dennoch stimmt das nicht – auf jeden Fall nicht ganz – und gilt nicht für heute. Die schöne Meditation sur la notion commune de la justice von 1704 ist durchaus „politisch“ im Sinne von Paul Ritter, dem ersten Leiter unserer Ausgabe, und würde gut zu Reihe IV passen, dennoch habe ich mich nach Diskussionen mit Herrn Martin Schneider von ihr getrennt. Die Zuweisung der in Joachim Friedrich Fellers Otium Hanoveranum überlieferten Stücke erfolgte in Abstimmung unter allen vier Arbeitsstellen. Es geht schon. H. Schepers: Zusammenfassend kann man sagen, dass die inhaltliche Abgrenzung von Reihe IV und Reihe VI sich doch oftmals als nicht ganz einfach erwies. Generell ist bezüglich Reihe IV anzumerken, dass ich sowohl die ausdauernde Arbeitsweise begrüße als auch die großen Fortschritte, die dadurch erzielt werden. Ebenso ist hier die durchgängig angestrebte Einheitlichkeit der Bearbeitung mit Reihe VI, die wie Reihe IV eine Reihe von Schriften ist, zu betonen. Als Gegenbeispiel kann hier Reihe VIII dienen, die sich leider von der Vorgehensweise in Reihe IV und VI losgesagt hat. Abgesehen davon wurde auch übersehen, dass man auf die Zusammenarbeit mit anderen Stellen und deren Arbeitsinstrumente ange-

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wiesen ist. Ich habe am Rande eines Empfangs in Berlin versucht, den damaligen Präsidenten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Dieter Simon, den ich noch aus seiner Münsteraner Zeit kenne, davon abzubringen. Ohne Erfolg. Ein in jedem Fall inakzeptabler Umstand ist es allerdings, dass seit 1999, also seit insgesamt 13 Jahren, nicht mehr aktiv an Reihe VI, an der Bearbeitung der Philosophischen Schriften nach 1690, gearbeitet wird. W. Li: Sie waren doch zwischen 1968 und 1997 Leiter der Forschungsstelle Münster und als solcher (zumindest mit-)verantwortlich für diesen „inakzeptablen Umstand“. Was war schief gelaufen? Oder worauf führen Sie diesen Umstand zurück? H. Schepers: Die erste der drei von sechs Mitarbeiterstellen verloren wir durch Weggang eines inkompetenten Mitarbeiters an das Philosophische Seminar. Die zweite Stelle verloren wir auch an das Philosophische Seminar, da sich ihr Inhaber nicht in der Lage sah, neben der Editionsarbeit sein Lehrdeputat zu erfüllen. Die dritte Stelle wurde nicht zur Wiederbesetzung frei, da die Universitätsverwaltung Martin Schneider von der Liste der Bewerber um meine Nachfolge strich und Thomas Leinkauf, der berufen wurde, sich weigerte, an der Edition mitzuarbeiten, so dass Martin Schneider die Leitung der Edition übertragen wurde. W. Li: Nun eine Frage, eher beiläufig: Was sagen Sie zum „Fall“ Doppeldruck? Nicht wenige (philosophische) Briefe, die in der Reihe I ediert worden sind, wurden in der Reihe II nochmals gedruckt. Diese Praxis wurde bemängelt. H. Schepers: Doppeldrucke im Rahmen der Leibniz-Edition kamen insofern zustande, als die Ausgabe als Ganzes abonnierbar war, die philosophischen Schriften jedoch separat bestellt werden können, so dass aus den anderen Reihen philosophisch interessante Stücke nochmals in den Philosophischen Reihen VI und II zum Abdruck kommen sollten, um sie auch den Lesern zugänglich zu machen, die über die restlichen Reihen nicht verfügen. In diesem Sinne bin ich mit der jetzigen Reglung nicht glücklich. Andererseits hat sich die Zeit geändert, heute können die Bibliotheken kaufen oder abonnieren, was sie wollen. W. Li: Nun möchte ich nochmals kurz auf die traditionelle enge Beziehung zwischen Ihrer Forschungsstelle und der damaligen Berliner und jetzigen Potsdamer Editionsstelle oder „meiner“ Reihe IV zurückkommen. Herr Rüdiger Otto, der jetzt in Leipzig bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften an der Gottsched-Ausgabe arbeitet, kam nach seiner Promotion im Fach Theologie im September 1989 an die DDR-Akademie (zwei Monate vor dem Beginn ihrer Auflösung). Er erzählte mir, er habe viele Stunden neben Ihnen das Wunder der Programmdurchläufe betrachtet, bis 1989 hatte er so etwas noch nicht mal gesehen. Von Herrn Gerhard Biller und später auch von Frau Herma Kliege-Biller habe er viel praktische Hilfe erfahren.

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H. Schepers: Die Berliner Arbeitsstelle war natürlich sehr rückständig, soweit es die Technik betraf. Andererseits war es zu jenem Zeitpunkt bereits klar, dass man sich nun in irgendeiner Form auf Computerbearbeitung einzustellen haben würde. Nachdem feststand, dass die Evaluierung zugunsten der Editionsstelle ausfallen würde, hatte Brather als Leiter die Empfehlung oder Entscheidung getroffen, dass Rüdiger Otto die erforderlichen Kenntnisse erwerben sollte. Er kam im Frühjahr 1991 einige Mal nach Münster, um die Editionstechnik und auch den Umgang mit TUSTEP zu erlernen, dem Programm, das, in Münster bereits seit 1975, noch immer erfolgreich in den Arbeitsstellen Münster und Potsdam zur Aufbereitung von Leibnizens Schriften verwendet wird. Otto war auch bei einem TUSTEP-Treffen in Tübingen. Hartmut Rudolph, Ihr Vorgänger, war nach Übernahme der Arbeitsstellenleitung 1993 oft in Münster bei mir, um sich über das TUSTEP-Programm zu informieren. Eine Zeit lang hatte er auch WORDPERFECT zusätzlich eingeführt. Später entschied er sich zu meiner Freude, nur bei TUSTEP zu bleiben und sich von WORDPERFECT zu trennen. W. Li: Bei meinem Amtsantritt im Juli 2007 habe ich noch in seinem und seitdem meinem Rechner Unmengen von WORDPERFECT-Dateien und -Dokumenten vorfinden können, aber die Diskussion über das TUSTEP-Programm möchte ich noch ein bisschen verschieben. Ich möchte noch eine Weile bei der Zeit der deutschen Wiedervereinigung bleiben. Denn die Zeit, das heißt die Ungewissheit, wohin es geht, muss für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwierig gewesen sein: Nochmals Angaben machen, die Tätigkeiten an der Berlin/Potsdamer Arbeitsstelle zusammenfassen, eine formalisierte Beurteilung über sich ergehen lassen, nur um das bis dahin sichere Arbeitsverhältnis für beendet erklärt zu bekommen, vom Projektleiter über wissenschaftliche Mitarbeiter bis zu wissenschaftlich-technischen Assistentinnen (so sah nämlich die Personalstruktur der Arbeitsstelle aus). Alle wurden freilich wieder eingestellt. Wie viel haben Sie davon mitbekommen? H. Schepers: Von den Auswirkungen der Wiedervereinigung auf die Berliner Arbeitsstelle und der während der Evaluierung unruhigen Zeit für die dortigen Mitarbeiter haben wir in Münster eher weniger mitbekommen. Man kann sich aber vorstellen, dass die Situation für die Mitarbeiter nicht einfach war. W. Li: Und nicht die westdeutschen Mitarbeiter hatten sich neu zu orientieren, sondern die ostdeutschen. Wie schwierig die Situation war, zeigt schon die schnelle Wandlung der Bedeutung des Kürzels KAI in der Zeit zwischen der Auflösung der AdW der DDR und der Neukonstituierung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Ende 1993 – der Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg trat am 1. April 1992 in Kraft, die BBAW wurde am 2. Dezember 1993 in die Konferenz der deutschen Akademien aufgenommen – von Kai-AdW (Koordinierungs- und Abwicklungsstelle der Institute und Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR) über KAI e.V. (Koordinierungsund Aufbau-Initiative für die Forschung in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V.) zu

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KAI i. L. (Koordinierungs- und Aufbau-Initiative für die Forschung in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V. in Liquidation). Die Zukunft der Editionsstelle als solche war alles andere als gewiss. Die Situation wechselte nahezu täglich, kehrte oft zu früheren Ausgangspositionen zurück. Nach einem Begutachtungs- und Beratungsverfahren durch den Wissenschaftsrat (Herbst 1990) und die Konferenz der deutschen Akademien (1990/1991) wurde die Editionsstelle, bei gleichzeitiger Auflösung der Forschungsstelle, aus dem Zentralinstitut für Philosophie herausgelöst und komplett in das Akademienprogramm übernommen – sicherlich dank der eminenten wissenschaftlichen Bedeutung der Edition insgesamt und den geleisteten Arbeiten einschließlich der oben erwähnten Fertigstellung des Bandes IV, 3: „mit internationaler Anerkennung auf höchstem editorischen Niveau“. Meines Wissens hat sich vor allem Herr Heinekamp Anfang 1991 für eine Beibehaltung der Berliner Arbeitsstelle als selbstständige Editionsstelle eingesetzt, gegen eine Auflösung, was ja nicht unmöglich gewesen wäre, und somit auch gegen eine Zusammenlegung mit einer der westdeutschen Stellen. Argumente gab es ja genug: Verbindung zur Berliner Akademie, Zugang zu Katalogen und Arbeitsmaterialien der Arbeitsstelle, zu den Beständen der Berliner Archive, Gewinnung eines weiteren Bundeslandes, internationales großes Interesse auch an Leibniz’ politischen Schriften, Effizienz gerade kleinerer Arbeitsgruppen etc. Die Weiterführung der Editionsstelle schien trotz aller Ungewissheiten nicht ernsthaft in Gefahr gewesen zu sein. Herr Erhard Scheibe vom Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg war damals Vorsitzender der (seit 1993 interakademischen) Leibniz-Kommission. H. Schepers: Scheibe hat sich für eine Beibehaltung der Berliner (also der jetzigen Potsdamer) Stelle eingesetzt. Während die Leibniz-Forschungsstelle am Zentralinstitut für Philosophie der AdW der DDR aufgelöst wurde, wurde die LeibnizEditionsstelle Anfang der 90er Jahre dem Land Brandenburg zugewiesen und stand eine Zeit lang unter der Aufsicht der Göttinger Akademie. Leider hat auch er nicht alles erreichen können. W. Li: Zum Beispiel war er nicht besonders glücklich darüber, dass die Arbeitsstelle nach dem Sitzlandprinzip nach Potsdam umziehen musste, wo wir heute sind. Herr Brather, der selber ja ein Potsdamer war und ist, soll deswegen gar zurückgetreten sein – er könne den Umzug der Stelle nach Potsdam nicht verantworten, wegen der Entfernung der Arbeitsstelle von den Berliner Bibliotheks- und Archivbeständen, auf die die tägliche Editionsarbeit in der Tat oft angewiesen ist. Die Leitung der Stelle blieb monatelang vakant, die laufenden Geschäfte wurden kommissarisch von Frau Rosemarie Caspar (seit 1979 bei der Leibniz-Edition) und Herrn Otto geführt, die unter anderem den Umzug vorbereitet und unsere bis heute nützlichen Büromöbel, die Regale und die Computer ausgesucht und angeschafft haben. Den Amtsantritt von Herrn Hartmut Rudolph am 1. April 1993, noch vom KAI e.V. eingestellt, kann man durchaus als eine Zäsur bezeichnen, er bedeutete nicht nur ein Ende des unsicheren Zustandes in der Wendezeit, sondern

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auch den Beginn einer neuen Ära. Auch der Fortschritt der Editionsarbeit kann sich seitdem sehen lassen. 2001 erschien der 4. Band, es folgten 2004 der Band 5, 2008 der Band 6, der 7. Band erschien 2011. Und aus einer Nische an der DDRAkademie ist eine international vernetzte Editionsstelle geworden. Die gesamte Geschichte der Leibniz-Edition ist durch die Wechselfälle der deutschen und europäischen Geschichte gekennzeichnet. Die jeweilige Wissenschaftspolitik hat anscheinend schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Lassen wir die Nazis beiseite. Die von Kurt Müller zusammengestellte Leibniz-Bibliographie verzeichnet für das Jahr 1946 allein in Deutschland knapp 20 Gedenkreden anlässlich des 300. Geburtstags von Leibniz. Zumindest die Veröffentlichung der Festreden 1946 und 1947 muss von den jeweiligen Besatzungsmächten genehmigt worden sein, Paul Schlechtas Leibniz als Lehrer und Erzieher erschien in Mainz, 1946 (Französische Zone), Wilhelm Treues Leibniz und das allgemeine Beste erschien in Würzburg, 1946 (Amerikanische Zone). Die Eröffnung der Deutschen Akademie der Wissenschaften am 1. August 1946, die die Leibniz-Edition in der Nachfolge der Preußischen Akademie betreute, kam durch einen Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) ausgerechnet vom 1. Juli 1946 – dem 300. Geburtstag von Leibniz – zustande. H. Schepers: Wenn man das bewerten darf, war diese Rolle nicht immer unbedingt positiv. Die Leibniz-Edition hat meiner Meinung nach nicht von politischen Veränderungen profitiert, sie stand immer am Rande. Der erste Anlass dazu bei der Vereinigung der Akademien 1901 hat die Akademien in Berlin und Paris zusammengebracht, um sie zum Motor einer Gesamtausgabe von Leibnizens Werk zu machen. Das Konzept dafür war nicht vorgegeben, was sich im Nachhinein als unzureichend erwiesen hat, denn der Ansatz vor dem Ersten Weltkrieg war katastrophal. Es liegen noch Druckfahnen für den ersten Band vor – mit siebzig Seiten Kommentar. Wenn man so hätte weitermachen wollen, dann müsste es wohl tausend Bände geben. Man hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Begriff davon, was editionsreif ist und wie man vorgehen sollte. Die Franzosen hatten ganz andere Vorstellungen als Paul Ritter, und sie haben sich trotz der mangelnden Vorstellung von „editionswert“ durchsetzen können. Das Ergebnis war dann, dass die Metaphysik komplett ausgeklammert wurde, Briefe und Schriften sollten zusammen in einem Band erscheinen. Die Publikation von Bänden in verschiedenen Reihen wurde erst nach dem Krieg von der Berliner Akademie beschlossen. W. Li: Aber die Leibniz-Edition war doch immer wieder ein Prestigeobjekt. Betrachtet man die Zeit der deutschen Teilung, kann man schon den Eindruck gewinnen, dass zumindest dem Staat DDR die Leibniz-Edition als ein das Ansehen der DDR förderndes Prestigeobjekt galt. H. Schepers: Das denken Sie – wenn man nach dem Ersten Weltkrieg freiwillig die Edition einem Verlag wie dem Otto Reichl Verlag übergibt, der nur auf Profit aus ist und dementsprechend katastrophal vorgeht, bleibt von einem Prestigeobjekt nicht viel übrig. Hätte sich die Akademie stärker einbringen können, hätte

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es in erster Linie mehr Mitarbeiter gegeben und ohnehin ein weniger auf bloßen Profit orientiertes Konzept. Das galt auch für die DDR. Denn was nützte das, wenn auch dort nicht genügend Mitarbeiter vorhanden waren? Es ist traurig, dass Leibniz einen so großen Namen hat, der es wert ist, dass Institutionen und Preise nach ihm benannt und finanziell gefördert werden, für die Leibniz-Edition jedoch kein Geld übrig ist. Dabei ermöglicht doch erst die Edition die Produktion und Verwertung des Namens Leibniz. W. Li: Die Hoffnung wollen wir nicht aufgeben. Könnte man Leibniz’ Nachlass noch als „nationales Erbe“ bezeichnen? H. Schepers: Leibnizens Nachlass als „nationales Erbe“? Ja, das würde ich ohne weiteres unterschreiben – und Deutschland ist verpflichtet, dieses Erbe zu hüten, zu bewahren und durch die Edition zu erschließen. Als Vorbild kann hier Holland dienen: In einem Kraftakt von 50 Jahren hat man die Huygens-Ausgabe fertiggestellt! W. Li: Dennoch bleibt die aus dem deutschen Historismus entstandene Editionsphilologie eine Glanzleistung geisteswissenschaftlicher Grundlagenforschung in Deutschland, die weltweit Achtung hervorruft und zum guten Ruf Deutschlands im Ausland beiträgt – ich denke da z. B. an die großartige, vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung geförderte Präsentationsreise 2009 in China, vertreten waren dabei, unter der Leitung von Herrn Volker Gerhardt, die Kant-, Hegel-, Nietzsche- und Leibniz-Editionen sowie die Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). Ein Exportschlager wird die Editionsphilologie allerdings nicht werden. H. Schepers: Der deutsche Historismus, der Ende des 19. Jahrhunderts beginnt, hat den Boden geschaffen für das Interesse an solchen Editionen, als Beispiel ist hier auch die Luther-Edition zu nennen. Gleichartige Bestrebungen finden sich dagegen in England, den USA oder Frankreich in der Tat nicht. Nach wie vor ist es so, dass kritische Editionen in anderen Ländern nicht gemacht werden. In Amerika wäre es zum Beispiel notwendig, die Werke von Charles Peirce vollständig und kritisch zu edieren. Man arbeitet zwar an einer Peirce-Ausgabe nach wie vor weiter, diese ist aber keine historisch-kritische Ausgabe. Anscheinend wurde die Arbeit daran nach wenigen Bänden abgebrochen – ich weiß den Stand im Augenblick nicht. In England hat man, weil die Erben das so wollten, Wittgenstein edieren wollen – die Ausgabe war aber nur eine schöne Auswahl der Schriften, die man am leichtesten hat zusammenstellen können. Dann hat ein Deutscher, der auch erst mit uns hier gearbeitet hat, Michael Nedo, diese Arbeit übernommen. Er war den Engländern aber zu langsam, so dass er nach seinem Rauswurf in Wien bei Springer mehrere Wittgenstein-Bände erscheinen ließ, die meines Erachtens besser als die in England publizierten sind. Die Norweger arbeiteten an einer Ausgabe im Netz und konnten diese inzwischen abschließen, haben aber nicht die Absicht, sie gedruckt zu publizieren. Es ist jedoch vor allem die Leibniz-Edition, die nach wie vor in der Welt als beispielhaft für die deutsche Editionsphilologie gelten muss.

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W. Li: Das mag sein. Unbestritten ist, die Leibniz-Edition ist eines der bekanntesten Langzeitvorhaben – es gibt andere, nicht so wohlwollende Bezeichnungen, und wir leben in einer schnelllebigen Zeit, was ja eine Gefahr für die Langzeitsachen bedeutet. In einem Interview habe ich mal frech behauptet, dass die lange Dauer auch für ein Projekt sprechen kann. H. Schepers: Geschichtlich gesehen war die Leibniz-Edition nie wegen ihrer langen Dauer ein Problem. Man war eher stolz auf sie und optimistisch, sie zum Abschluss zu bringen. Gut. Dass die Leibniz-Edition heutzutage aufgrund der langen Laufzeit des Projekts ins Gerede gekommen ist, ist meiner Meinung nach zumindest an sich ungerechtfertigt, man muss ein derartiges Langzeitvorhaben schon differenziert betrachten. Ich habe bereits 1972 in der Arbeitsgemeinschaft der philosophischen Editionen einen Vortrag zum Thema der Bewertung der Effizienz einer Edition gehalten – den veröffentlichen Text habe ich Ihnen in Hannover geschenkt –, bei dem ich zu dem Ergebnis kam, dass eine Edition im Idealfall in einer Generation und nicht erst nach hundert Jahren fertiggestellt werden müsste. Nachteilig sei in letzterem Fall nämlich, dass sich sowohl die Verhältnisse als auch die Beziehung zu den Quellen ändern, und auch der Geist einer „verschworenen Gemeinschaft“, die über 30 oder 40 Jahre gemeinsam an einer Edition arbeitet, geht natürlich verloren. Datiert man den Abschluss eines Vorhabens erst auf das Jahr 2050, besteht die Gefahr, dass irgendwann die Luft raus ist und man die Arbeit schleifen lässt. W. Li: Ich muss Ihnen in diesem Punkt allerdings widersprechen, aber indem ich Ihnen nun versichere, dass dies nicht der Fall ist. Nach mehr als einem Jahrhundert stehen wir mitten im Leben, denn die Chance, dieses Jahrhundertprojekt zum Abschluss zu bringen, war nie so real wie heute. Mit der Bearbeitung jedes Schriftstückes und Fertigstellung jedes Bandes, immerhin durchschnittlich 850 Seiten stark, kommen wir dem Ziel konstant näher. Der Umfang der erstmalig (und damit ohne die Hilfe von Druckvorlagen) zu edierenden Texte ist immer noch beträchtlich. Natürlich wäre es schön, wenn die Arbeit innerhalb, sagen wir mal, meiner Generation abgeschlossen werden könnte, aber dann müssen wir eben erheblich mehr Personal haben. Nun eine eher „gemeine“, aber mir in diesem Zusammenhang spontan eingefallene Frage: „Erschließungstiefe“! Können Sie mit dem Wort etwas anfangen? Nie gehört? H. Schepers (nach längerem Nachdenken): Es handelt sich hierbei um einen polemischen Begriff, mit dem einige, die selber nicht an Editionen arbeiten, meinen, die Arbeit an der Leibniz-Ausgabe beschleunigen zu können. Ein Vorwurf, dem sich die Edition häufig ausgesetzt sieht, ist der, dass sie zu viele Lesarten biete, zu viel kommentiere oder zu viele Personen nachweise und sich diesbezüglich mehr Zurückhaltung auferlegen könne. Was dabei aus den Augen verloren wird, ist allerdings die Tatsache, dass gerade die Leibniz-Edition im Vergleich zu anderen Editionen sogar eher sparsam kommentiert: Es findet keine inhaltliche Kommentierung statt, lediglich Anspielungen werden verifiziert.

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W. Li: Unsere Konstituierung des Editionstextes und die Arbeitsweise, eher sparsam zu kommentieren, nur die Lesevarianten auszuwerfen und die in den Texten direkt oder indirekt angesprochenen Werke bibliographisch nachzuweisen, finden in der Forschung ein sehr positives Echo und werden als gangbare Wege der Effizienzsteigerung gewürdigt. Es war aber nicht von Anfang an so, denken Sie doch an die ersten Bände. Die Bände erschienen als reine Textbände, lediglich ergänzt durch Einleitung, Personenverzeichnis und Verzeichnis der Fundstellen. Immerhin wurden aber das bei der Textbearbeitung für Untersuchungen und Erläuterungen sowie den Gesamtindex erarbeitete Material, dazu die Unmasse weiterer Vorbereitungsarbeiten (Ersttranskriptionen und Untersuchungen) zu den weiteren Bänden, in der Arbeitsstelle sorgsam aufbewahrt. Davon profitieren wir oft heute noch. H. Schepers: Es waren wiederum die Mitarbeiter, die die Ausgabe vor diesen anfänglichen Missständen bewahrt haben. Sie mussten mit den widrigsten Umständen fertig werden, begonnen bei dem schwierigen Verhältnis von Deutschland und Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg als auch den darauf folgenden wirtschaftlichen Verhältnissen in Deutschland. Das Geschick der Edition lag in den Händen eines unfähigen Verlags, der über Vorgehens- und Arbeitsweise der Edition bestimmen durfte und der, was das größte Problem darstellte, in erster Linie aus finanziellem Interesse an der umgehenden Publikation von Ergebnissen interessiert war. So kam es, dass die ohnehin nur selektive Edition Anfang des 20. Jahrhunderts ohne wissenschaftlichen Apparat erschien. Erst 1936 gelangte die Akademie zu der Erkenntnis, dass das bisherige Vorgehen nicht weiter tragbar sei, jedoch konnten die neuen Beschlüsse wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nicht verwirklicht werden. Hier ist es wieder dem verdienstvollen Wirken Kurt Müllers zuzuschreiben, dass die Beschlüsse der Akademie nach dem Krieg doch noch Anwendung finden konnten: Die kritischen Apparate erstellte er im Gegensatz zu J. E. Hofmann im Rückgriff auf die Technik der Hölderlin-Ausgabe und garantierte so einen zuvor nicht dagewesenen Qualitätsstandard. Ohne den wissenschaftlichen Apparat wäre die Akademie-Ausgabe keine kritische Ausgabe, sondern nur eine unter vielen. Es ist der Apparat, der ein exaktes Bild der Textlage in einer Handschrift, mit allen Streichungen und Ergänzungen, wiedergeben soll und der dafür sorgt, dass das Heranziehen der Originalhandschriften für den Nutzer überflüssig wird. Der Editor ist ein Grundlagenforscher. Es geht folglich nicht darum, wo etwas, sondern was dort steht, und darum, dieses so in eine lesbare Form zu bringen, dass man der Genese des Gedankens von Leibniz folgen kann. Die von manchen Editionen verfolgte Pseudoakribie, die auflistet, dass etwas am Rand, oben oder unten steht, lässt sich nicht auf die Leibniz-Edition übertragen, da Leibniz einfach dort schrieb, wo Platz war, und derartige Informationen somit irrelevant sind. Es waren, nochmals gesagt, die Mitarbeiter, die oben beschriebene „verschworene Gemeinschaft“, die die Edition gerettet haben, und keine Institution oder Kommission. Gerade die damalige Leibniz-Kommission erwies sich in vielerlei Hinsicht eher als hinderlich, indem sie vor 1936 mit unmöglichen Beschlüssen, wie z. B. der Bestimmung, dass alle deutschen Texte in Fraktur gesetzt werden und

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latinisierte Wörter über einen Anfang in Fraktur und ein romanisches Ende verfügen sollten, die Arbeit an der Edition erschwerte. Bei der heutigen Kommission sieht das natürlich anders aus. W. Li: Von Anfang an stand aber fest, es soll eine Ausgabe „Sämtlicher Schriften und Briefe“ werden. Anders gesagt, man ahnte schon die Bedeutung des Nachlasses und wusste, dass wir es mit einem ungeheuren geistigen Reichtum zu tun haben, auch wenn man nicht mal schätzungsweise wusste, wie viele Schätze da zu bergen sind. Bis zu den 40er Jahren gingen Editoren und Verlag (ab 1938 der K. F. Koehler Verlag in Leipzig) von sieben Reihen in 40–45 Bänden aus, Ende der 70er Jahren lauteten die Prognosen auf über 60 Bände; ein Bericht unter anderem über Ihre Arbeit in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 11. September 1978 trägt den Titel „Achtzig Bände in hundertsechzig Jahren“. In einem Prospekt des Akademie Verlags aus dem Jahr 1991 können wir etwa lesen: Es handele sich um eine kritische Ausgabe, in den Schriftenreihen werden neben dem endgültigen Text frühere Fassungen ediert, in den Briefreihen neben Leibniz’ Briefen auch die der Korrespondenten. „Auf diese Weise erschließt die Gesamtausgabe, die nach ihrer Fertigstellung etwa 90 Bände umfassen wird, dem Forscher eine Fülle wichtiger Dokumente zur Kultur- und Geistesgeschichte des 17. Jahrhunderts.“ Wie Sie oben sagten, man sei in der Vergangenheit eher stolz darauf gewesen, frühere Prognosen zu übertreffen, zeigt die große Anzahl der Bände doch irgendwie auch die Bedeutung der Sache. H. Schepers: Leibniz ist schon einer, der beeindruckt. Der Kern des Problems ist, die Bedeutung dieser Schatztruhe können wir nur kennen und schätzen, indem wir den Gesamtnachlass Stück für Stück vollständig erschließen. Aber gerade in dieser Unüberschaubarkeit besteht wohl auch der Reiz der Leibniz-Ausgabe. Kein anderer Gelehrter bietet eine derartige Fülle an handschriftlichem Material und gewährleistet damit eine Nachvollziehbarkeit der Genese seiner Gedanken wie Leibniz. W. Li: Dennoch hätten wir, die später dran sind, uns über einen einigermaßen vollständigen Katalog gefreut. Der erste Schritt einer Edition ist doch die Katalogisierung. H. Schepers: Sie dürfen die vorhandenen Kataloge nicht unterschätzen und die Arbeiten dafür. Wir haben es mit einem Nachlass zu tun, den durchzulesen ein Mann 20 Jahre brauchen würde. Paul Ritter hat hierbei Pionierarbeit geleistet, und der Katalog trägt zu Recht seinen Namen. Im Vertrag, der 1901 mit Frankreich bezüglich der Leibniz-Edition geschlossen worden war, wurde festgelegt, dass auch von französischer Seite ein entsprechender Katalog angelegt werden sollte. Albert Rivaud hat diesen Teil – Leibniz’ Aufenthalt in Paris (1672–1676) –, nachdem er kriegsbedingt 1914 die Arbeit beendet hatte, dann 1924 publizieren lassen. Die Edition von Leibniz’schen Texten im Otto Reichl Verlag jedenfalls war nicht in Paul Ritters Sinne.

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W. Li: Otto Reichl war wahrscheinlich der einzige Verleger, der ohne Druckkostenzuschuss die Leibniz-Bände verlegen wollte. Als Unternehmer (vielleicht auch Spekulant) glaubte er, eine Marktlücke entdeckt zu haben, und investierte auch viel Geld. Er soll allerdings Verträge geschlossen haben, die für ihn sehr ungünstig waren. Die Edition ging nicht voran, die Wirtschaftskrise kam, Reichl versuchte, bei den Nazis – er wandte sich schriftlich an Hitler in der Sache – Unterstützung für sein Leibniz-Projekt zu bekommen. Alles hat nichts genutzt. Reichl musste alle Rechte, einschließlich die an der Leibniz-Ausgabe, an den K. F. Koehler Verlag verpfänden, so ging der Druck der Ausgabe 1938 nach Leipzig. Noch im gleichen Jahr erschien dort der 3. Band der I. Reihe. 1946 wurde der am Ende des Zweiten Weltkrieges durch Bomben zerstörte Verlag enteignet. Die Leibniz-Ausgabe ging an den neu gegründeten Akademie-Verlag. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde dieser mehrmals „verkauft“. Die Leibniz-Edition und die deutsche Verlagsgeschichte, das wäre schon ein Forschungsprojekt wert, und berührt eine Nebenseite, die bisher von der Forschung noch nicht in den Blick genommen worden ist. Aber kommen wir wieder auf die Editionsarbeit zurück. Es ist eine Unmenge von undatierten Stücken vorhanden, natürlich besonders in den Schriftenreihen. Haben Sie einen Rat für mich? H. Schepers: Aufgrund von inhaltlichen Bezügen können viele Stücke auch ohne konkrete Datumsangabe oder Wasserzeichen datiert werden – es finden sich Zeitbezüge im Text, Bezüge von Leibniz auf eigene Publikationen usw. Präzise Datierungen werden in vielen Fällen allerdings nicht möglich sein. Einen Terminus ante quem für sie haben wir immerhin: Leibniz’ Todestag. W. Li: Diese Schriften inhaltlich in Gruppen oder Module zu teilen und zu edieren, wäre sicherlich ein gangbarer Weg, wie die mathematische Reihe dies teilweise bereits tut. Das Prinzip der durchgängigen chronologischen Ordnung ist allerdings dann aufgehoben, wird aber in den Abteilungen bewahrt. H. Schepers: Auch wenn die Katalogisierung bis heute keinen Abschluss gefunden hat, ist es jedoch nicht sinnvoll, die Editionsarbeit zu stoppen und dort weiterzumachen, wo Ritter aufgehört hat: Die Edition ist heutzutage inzwischen so in Gang gekommen, dass sie diese Aufgabe mit sich mitschleppen muss und kann; dies war bereits damals eine bewusste Entscheidung. Das Gros der Texte ist im Katalog vorhanden, übersehene Stücke müssen dann eben nachgeliefert werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es wichtig ist, an dem grundsätzlichen Vorhaben der Edition wirklich aller Schriften und Briefe festzuhalten. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die noch nicht begonnene Arbeit an den Schriften zur Sprachforschung zu richten. Bereits in den 80er Jahren hat die Arbeitsstelle in Münster diesbezüglich einen Antrag an die VW-Stiftung gestellt, der leider mit der wahnwitzigen Begründung zurückgewiesen wurde, dass das Arbeitsvorhaben zu „editionslastig“ sei.

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W. Li: Die Reihe IV der Leibniz-Edition bearbeitet eine Vielfalt an Themen. Ein Gedanke, der immer wieder laut wird, ist, dass man die Laufzeit verkürzen könnte, indem man nicht alles ediert, was Leibniz geschrieben hat. Was halten Sie davon? H. Schepers: Man muss wirklich alles, was uns vorliegt, edieren. Leibniz selbst hat bereits aussortiert und damit ausgesucht, was der Nachwelt erhalten bleiben soll: Unter seinen Manuskripten findet man nichts wie z. B. Rechnungen oder Anweisungen an Sekretäre – sein Nachlass besteht nur aus Inhaltsvollem, der Sache Dienlichem. Da wir wenig Gedrucktes von ihm haben, erlauben die Handschriften wegen ihrer Vollständigkeit eine Einsicht in die Werkstatt seines Denkens. Im Übrigen würde sich auch die Frage stellen, wer oder welche Kommission entscheiden soll, was relevant und was nicht relevant ist. W. Li: Was ich neulich gelernt habe, ist das Wort „Sphragistik“ – Siegelkunde, und was mir in Bezug auf Leibnizens Schriften noch einfällt, ist die Panegyrik. H. Schepers: Ja, die sind ja sinnvoll – man ediert Gedichte von irgendwelchen Leuten, warum also nicht auch Lobreden, die Leibniz gehalten hat. Das sind ja nicht viele. W. Li: Das stimmt, aber diese wenigen sind schwierig. Das Problem ist nämlich, dass wir sozusagen „Fachkräftemangel“ haben. Es gibt zu wenige Leute, die sich zum Beispiel mit Sphragistik auskennen. Ein häufig diskutiertes Problem in diesem Zusammenhang sind auch Leibnizens Exzerpte. H. Schepers: Für uns sind die philosophischen Exzerpte, die wir veröffentlichen, von großer Wichtigkeit. Zum Beispiel hat Leibniz sehr ausführliche Exzerpte zu Joachim Jungius angefertigt. Das Exzerpieren als solches dient, wie man aus eigener Erfahrung weiß, nicht unbedingt dem Aneignen von Kenntnissen; die Aufmerksamkeit ist auf den Text, den man abschreibt, und nicht so sehr auf den Inhalt gerichtet. Aber trotzdem darf man annehmen, dass Leibniz nur dort exzerpiert hat, wo ein persönliches, inhaltliches Interesse bestand. W. Li: Und die Marginalien? H. Schepers: Marginalien sind ebenfalls von großem Wert, denn sie zeugen davon, wie Leibniz direkt beim Lesen fremder Texte reagiert hat. Er hat sie nicht gemacht, um seine Kenntnis da hineinzubringen. Als der Band VI, 6 schon längst im Druck war, habe ich in Hannover im Band der Locke-Übersetzung von Pierre Coste interessante Bleistifteintragungen gefunden, die kaum noch zu entziffern waren – diese konnten dann noch nachträglich in Band VI, 6 aufgenommen werden. Marginalien sind Reaktionen, die von der Forschung viel zu wenig beachtet werden. Wie bei dem gerade genannten Beispiel mit VI, 6 kann es aber passieren, dass diese Eintragungen irgendwann verschwinden, so dass auf sie meiner Meinung nach ein besonderes Augenmerk gerichtet werden sollte.

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W. Li: Leibniz hat ja nicht nur Aufzeichnungen im Rahmen seines wissenschaftlichen Interesses gemacht, sondern es finden sich auch Notizen zu Skandalen in der Gelehrtenrepublik oder regelrechter „Gelehrtenklatsch“. H. Schepers: Natürlich, und das ist auch wichtig, um unsere Kenntnisse über die Gelehrtenrepublik zu erweitern. Der Beitrag, den Frau Kliege-Biller zu Nicaise geleistet hat, betrifft ja diesen Sektor. Nicaise war der Klatscher Nummer eins; er hat Leibniz mit allen möglichen Nachrichten aus Paris versorgt – inhaltlich natürlich recht belanglose Dinge, an denen Leibniz allerdings dennoch interessiert war. Auch solche Sachen müssen in der Edition bleiben, egal, wie belanglos sie manchen vielleicht erscheinen mögen. Wenn man erst einmal anfängt auszuwählen, wird es kritisch: Es kommen Fragen danach auf, was stehenbleiben darf und was eliminiert werden soll – und wie will man das vernünftig entscheiden? Die Diskussion kam schon damals auf, als Eberhard Knobloch die Reihe VII übernahm: Da in der Mathematik vieles auch wieder von Leibniz verworfen wurde, war seine Frage, ob man nicht besser eine Auswahl treffen solle. Ich bestand aber auf dem Druck von allem, denn auch im Irren ist Leibniz groß. W. Li: Das ist eine klare Aussage. Die Leibniz-Edition als Generationsprojekt – dieser Gedanke bringt mich ins Grübeln. Inwieweit kann ich Entscheidungen für meine Nachfolger treffen? H. Schepers: So darf man das nicht artikulieren. Man trifft Entscheidungen für das, was ist, wo es richtig und notwendig ist, so zu entscheiden. Unsere Nachfolger stehen eventuell vor neuen Problemen, wo es notwendig wird, dass sie eigene Entscheidungen treffen – bis dahin müssen sie sich an das halten, was gut gemacht wurde. W. Li: Dann sprechen wir wieder über das Vergangene, aus dem wir gekommen sind. Die internationale Kooperation wird stark gefordert. Wie kam Ihre Zusammenarbeit, z. B. mit Herrn André Robinet zustande? H. Schepers: Das fing damit an, dass Müller auch philosophische Texte berücksichtigen musste. So hatte er schon, bevor die Leibniz-Forschungsstelle in Münster aufgemacht worden war, mit Gaston Grua verhandelt. Grua hat 1947 seine Edition unedierter Texte publiziert – eine sehr verdienstvolle Arbeit, trotz aller Fehler, die stehen geblieben sind, aber das ist eine andere Frage. Dann starb Grua, bevor diese Arbeiten in Angriff genommen waren, und André Robinet hat es irgendwie geschafft, im Gespräch mit Müller die Herausgabe der Nouveaux Essais an sich zu ziehen. Die kritische Arbeit wurde aber in Münster geleistet, hier lagen schließlich die von ihm nicht berücksichtigten Handschriften, ohne die eine kritische Edition nicht möglich ist. W. Li: Sie gelten auch als ein Pionier der computergesteuerten Edition. Früh, schon 1975, hat die Leibniz-Forschungsstelle Münster unter Ihrer Leitung die Bearbei-

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tung der Bände vom Handsatz freigemacht und vollständig auf das an der Universität Tübingen entwickelte TUSTEP-Programm umgestellt. Noch heute arbeiten Sie fast täglich daran. H. Schepers: Was TUSTEP betrifft, profitieren wir davon, dass Wilhelm Ott an der Universität Tübingen immer dahingehend eingewirkt hat, dass das Programm auch heute noch mit sämtlichen alten Dateiversionen umgehen kann und es keinerlei Kompatibilitätsprobleme hinsichtlich früherer Versionen gibt, wie das bei den meisten kommerziellen Programmen die Regel ist. TUSTEP wurde ursprünglich für Großcomputer entwickelt. Damals wurden allen Universitäten vom Wissenschaftsministerium bestimmte Großcomputer oktroyiert. Im Laufe der Zeit wurden die Rechner besser, und das Programm wurde immer weiter von Rechner zu Rechner übertragen, bis es dann auch irgendwann auf dem Rechner im Rechenzentrum der Universität in Münster lief. Die Kapazitäten waren damals unglaublich beschränkt. Ich habe nächtelang im Rechenzentrum arbeiten müssen, weil tagsüber kein Speicherplatz frei war. Heute bekommt man einen KWIC (Key word in context) von 10.000 Seiten in wenigen Minuten, damals brauchten wir für wenige Seiten mehrere Stunden. W. Li: Am Anfang muss es doch viel langsamer gewesen sein. H. Schepers: Die Texte mussten zuerst mit OCR-Schreibmaschinen geschrieben werden; diese OCR-Typoskripte mussten dann im Rechenzentrum der Universität Ulm auf Magnetbänder eingelesen werden, so dass diese Bänder Grundlage werden konnten für den Computer-Satz im Tübinger Zentrum für Datenverarbeitung. Die Ausdrucke auf Endlospapier wurden dann auf dem Postweg nach Münster geschickt und dort korrigiert, dann gingen sie wieder zurück usw. Um diesen Prozess zu beschleunigen, war ich zweimal zur Korrektur vor Ort in Ulm und in Tübingen. Später hatten wir dann eine direkte elektronische Verbindung mit Tübingen, so dass wir in Münster mit dem dort installierten Programm arbeiten und bei uns ausdrucken konnten. Nach einiger Zeit gab es dann Arbeitsplatzrechner, das waren noch keine PCs, sie hatten aber schon eine Festplatte mit 450 KB Speicher. Den ersten PC bekamen wir 1985, aber in den zehn Jahren von 1975 bis 1985 war der Prozess, bis es zum Druck kam, dermaßen umständlich wie eben angedeutet. W. Li: Warum war Hannover nicht beteiligt? H. Schepers: Bei dem Versuch, TUSTEP in Hannover einzuführen, war Heinz-Jürgen Heß bei den Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft in Tübingen dabei. Dort hat er dann Bedenken geäußert, die teils gerechtfertigt, teils ungerechtfertigt waren. TUSTEP konnte zu diesem Zeitpunkt z. B. keinen guten Formelsatz liefern, bei entsprechendem Einsatz von Heß hätte TUSTEP aber auch das meines Erachtens leisten können.

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W. Li: Meines Wissens hat Herr Heß in Hannover TUSTEP und OCR in Reihe III für einige Monate eingeführt, das Experiment wurde schnell als unpraktikabel verworfen. Herr Breger sagte mir, für die Edition der mathematischen Schriften und Briefe von Leibniz sei TEX konkurrenzlos gut. H. Schepers: Wir haben aber auch mit TUSTEP eine gute Lösung finden können: Band VI, 3 wurde noch auf die alte Weise gemacht, das Register wurde für die weiteren Bände aber so bearbeitet, dass es als numerischer Pool funktionierte und man nur noch Zahlen in den Text eingeben musste, um die Register automatisch herzustellen. Ein weiterer Vorteil ist eben auch, dass TUSTEP schon während der Bearbeitung saubere Ausdrucke nicht allein der Texte mit ihren wissenschaftlichen Apparaten, sondern auch aller Verzeichnisse ermöglicht. W. Li: Über die Effizienzsteigerung, die Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsstellen, besonders zwischen Münster und dem dasselbe Programm benutzenden Potsdam hinaus hat diese Umstellung auch das Verhältnis mit dem Verlag nachhaltig beeinflusst. Der damalige Akademie-Verlag soll darin zunächst ein größeres finanzielles Problem gesehen haben. Da Sie fertige Vorlagen für den Fotosatz im Offset-Verfahren lieferten, der Verlag aber vereinbarungsgemäß deren Herstellkosten zu übernehmen hatte, war eine Verminderung des Deckungsbeitrages für den Verlag die Folge. Aber das soll jetzt nicht unser Thema sein, zumal wir durch die Verbesserung der Satzprogramme heutzutage Druckvorlagen liefern, die keine nennenswerten Zusatzkosten erzeugen sollten. – Jetzt haben wir es mit einer neuen Situation zu tun. Online-Edition und Open Access sind nur zwei von vielen Stichworten hierfür. H. Schepers: Der Trend geht heute dazu, dem Nutzer alles Mögliche online bereitzustellen. Auch die Editionen bilden hiervon keine Ausnahme. Meine Meinung bezüglich Online-Editionen ist allerdings, dass man im Hinterkopf behalten sollte, dass die eine Sache hierbei das Edieren ist, die andere das (weltweite) Bekanntmachen. Online-Editionen dienen in erster Linie und vor allem letzterem Punkt, und es ist positiv zu bewerten, dass die Ergebnisse der Editionsarbeit nicht nur auf Papier erscheinen. Dennoch bleibt die Printausgabe für die Forschung essentiell; von einer ausschließlichen Publikation im Netz sollte tunlichst abgesehen werden. W. Li: Nun eine „einfache“ Frage: Was zeichnet eine gute Edition aus? H. Schepers: Eine gute Edition zeichnet sich meiner Meinung nach dadurch aus, dass sie dem Leser Arbeit abnimmt. Eine Edition dagegen, die den Text nur aufbereitet und es dem Leser überlässt, eine Auswahl aus der Fülle an Materialien zu treffen oder Nachweise zu erbringen, nur weil man heutzutage vielleicht meint, alles im Internet finden zu können, ist keine gute Edition. W. Li: Was zeichnet einen guten Editor aus?

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H. Schepers: Er sollte erstens definitiv über Kenntnisse in den Sprachen verfügen, in denen die von ihm zu bearbeitenden Texte verfasst sind. Zweitens sollte er sehr sorgfältig im Hinsehen sein und nicht über noch so kleine Details hinweggehen, nur weil sie sich ihm beim ersten Mal nicht erschließen. Bei rund 80 % der in der Leibniz-Ausgabe veröffentlichten Texte handelt es sich um eine Publikation aus Originalmanuskripten, diese Zahl beläuft sich bei Reihe VI, Band 4 sogar auf etwa 95 %. Auch wenn es vielleicht etwas dramatisch klingen mag, aber zum Edieren muss man veranlagt sein – hierbei handelt es sich um keinen Durchgangsberuf, den man mal eben so zwischendurch machen kann (auch wenn dies in Bezug auf die Edition der Hegel’schen Werke zutreffen mag, da diese ohnehin fast vollständig in gedruckter Form vorliegen). Die Leibniz-Ausgabe braucht Editoren, die vier bis fünf Jahre in den Arbeitsstellen angelernt werden müssen und die dann auch dabei bleiben sollen. Unsere Nachwuchssorgen rühren neben dem allgemeinen Problem der Stelleneinsparungen vor allem daher, dass die heutzutage in der Wissenschaft gängigen Zeitverträge eine in diesen Rahmen eingepasste Lebensplanung leider fast unmöglich machen. Als ich weiter oben über die Langlebigkeit der Edition sprach und die Rolle der Mitarbeiter dafür betonte, schloss ich natürlich auch die Editoren mit ein: Die Langlebigkeit der Edition besteht ebenfalls in dem Herzblut der Editoren. Hier ist insbesondere an Paul Ritter zu denken, der die Edition zu seinem Geschäft gemacht, bis zu seiner Pensionierung 1940 durchgezogen hat und auch danach noch weiterhin zur Verfügung stand: Kurt Müller hat nach dem Krieg noch mit Paul Ritter ausführliche Gespräche geführt, um dessen Arbeit weiterzuführen. Ritter hat dieses auch auf Hochstetter übertragen, der seit 1914 in gleichem Maße ein ‚Leibniz-Mann‘ durch und durch gewesen ist. Umso größer war die Enttäuschung, als er 1940 in der Nachfolge von Ritter durch J. E. Hofmann verdrängt wurde. Editoren wie diese sind es, die die Edition tragen. W. Li: Sie haben Ihre akademische Karriere bei einem anderen Ritter angefangen. H. Schepers: Mein Lehrer in Münster war Joachim Ritter. Er war maßgeblich an der Hegel-Edition beteiligt: Er hat Wert darauf gelegt, dass seine Habilitanden das Edieren erlernen müssen – dies geschah dann innerhalb der 5 Jahre dauernden Habilitation bei Hegel, wodurch die Habilitanden erstens ihre Habilitation finanzieren konnten und zweitens die Fähigkeiten erlangten, um im Anschluss im Editionswesen arbeiten zu können – aber das hier nur als Nachtrag zur Hegel-Edition. 1948 bat mich Joachim Ritter, nachdem sich sein Assistent – heute würden wir sagen: „wissenschaftliche Hilfskraft“ – wegbeworben hatte, dessen Stelle zu übernehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand die Bibliothek des Philosophischen Seminars Münster nur noch aus einem kleinen Rest an Büchern, die sich im Arbeitszimmer von Gerhard Krüger befanden, das später für zwei Jahre meine „Wohnung“ werden sollte. Ich war derjenige, der von Ritter für die Beschaffung neuer Bücher zum Wiederaufbau der Bibliothek zuständig gemacht wurde. Infolgedessen unternahm ich mehrere Reisen in die Niederlande und in die DDR. Meine Kollegin, Gerda Freiin von Bredow, die von Nicolai Hartmann kam, hatte dagegen hauptsächlich ihre eigene Habilitation im Sinn. Als ich 1956 zur Leibniz-Forschungs-

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stelle wechselte, kam es dann so, dass zwei wissenschaftliche Assistenten eingestellt werden mussten, die die Arbeit machen sollten, die ich alleine erledigt hatte – es handelte sich hierbei übrigens um Odo Marquard und Karlfried Gründer. Durch den hohen zeitlichen Aufwand, den ich in diesen Jahren betrieb, ist meine eigene Promotion erst viel später möglich gewesen. W. Li: Haben Sie nicht manchmal bereut, „nur“ ein, wenn auch ein guter, LeibnizEditor zu sein? Was wäre, wenn …? H. Schepers: Auch ich habe alles andere ausgeschlagen, nur um „Leibniz machen“ zu können, habe mich nirgendwo anders hin beworben. Es gibt in der Tat Stimmen, die sehr bedauern, dass ich mich hundertprozentig in den Dienst der Edition gestellt habe. Sicherlich hätte ich mehr geschrieben, wenn ich Leibniz nicht ediert hätte; ich übte jedoch als Einziger neben der Leitung der Arbeitsstelle einen vollen akademischen Beruf aus, der mich zu Vorlesungen und Seminaren verpflichtete, eine Stundenreduzierung wurde nicht gestattet, so dass ich dann, ehemals auch Mediävist, komplett bei Leibniz geblieben bin. Es war mir immer bewusst, dass es, wenn ich den Prozess nicht vorantreibe, nicht so läuft, wie es bei einem solchen Unterfangen laufen muss. Das lässt sich auch auf die Übernahme von TUSTEP übertragen, von dem die Mitarbeiter anfangs selbstverständlich wenig begeistert waren, aber es war nun einmal meine Aufgabe, sie zu überzeugen und ihnen die Sache mundgerecht zu machen. W. Li: Dennoch, das heißt, trotz unseres Fortschrittes der Edition, sieht die Leibniz-Forschung hierzulande nicht mehr so gut aus. Und es sind, so meine bescheidene Beobachtung, wieder die Editoren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leibniz-Edition, die auch die Leibniz-Forschung in Deutschland vertreten. H. Schepers: Neben den Nachwuchssorgen plagt die Ausgabe ebenfalls der Umstand, dass Deutschland in Bezug auf Forschung und Edition international nicht mehr wahrgenommen wird. England und Frankreich bleiben weitestgehend unter sich, auch die Amerikaner scheinen sich in erster Linie gegenseitig zu zitieren. Die Yale-Ausgabe exzerpiert die Leibniz-Edition und publiziert so die Texte der Akademie-Ausgabe. Dennoch gehen deutsche Forscher häufig in die Vereinigten Staaten oder nach Kanada, da in Deutschland einfach keine Stellen vorhanden sind. W. Li: In der Tat haben wir in Deutschland derzeit wenige Kollegen, die sich mehr oder weniger schwerpunktmäßig der Leibniz-Forschung widmen. Ansprechpartner und Anlaufstellen sind für die internationale Leibniz-Forschung nicht (mehr) die Universitäten, sondern Editoren und Editionsstellen. Wobei ich allerdings auf einen wichtigen Punkt hinweisen möchte: Die Leibniz-Forschung in Deutschland ist viel breiter aufgestellt.

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H. Schepers: Ein Grund hierfür mag sein, dass, je umfangreicher die AkademieAusgabe wird, die Leute eine immer größere Scheu angesichts der immensen Materialfülle entwickeln und, anstatt sich überhaupt mit Leibniz auseinanderzusetzen, lieber einen Bogen um ihn machen, obwohl die Edition mehr als andere Ausgaben Erschließungsinstrumente bietet, Instrumente, die sich andere nur wünschen können. Durch Leibnizens Vielseitigkeit, verteilt auf die verschiedensten Wissenschaften, scheint sich niemand zuständig zu fühlen oder fühlen zu wollen. Ein weiteres Hindernis ist die Sprache, da der Großteil der Texte in Latein oder altem Französisch abgefasst wurde. W. Li: Bei der oben von mir erwähnten Konstituierung einer Leibniz-Forschungsstelle am Zentralinstitut für Philosophie der AdW der DDR wurde unter anderem die Überlegung angestellt, eine Studientextausgabe von „wichtigen“ LeibnizSchriften in deutscher Sprache zu erarbeiten, da ja, ich zitiere aus einem Entwurf aus dem Jahr 1984, der Leibniz-Ausgabe „in der DDR und international“ „hoher Stellenwert“ zukomme. Geplant waren Bände in der damals vom Zentralinstitut im Akademie-Verlag herausgegebenen Reihe Philosophiehistorische Texte. H. Schepers: Allerdings ist es nicht die Aufgabe der Edition, für eine Übersetzung der selbigen zu sorgen. Wie sollte auch eine zweisprachige Ausgabe zeitlich zu schaffen sein, wo noch nicht einmal genug Mitarbeiter für die eigentliche Edition zur Verfügung stehen? Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung der LeibnizStiftungsprofessur an der Leibniz Universität Hannover ein von mir sehr begrüßter Schritt in die richtige Richtung, auch mit dem Ansatz, Leibniz wieder mehr unter das Volk zu bringen. W. Li: Das ermutigt uns zu weiteren Anstrengungen. Frau Noreik und ich bedanken uns für die interessanten und fruchtbaren Gespräche.

LEIBNIZ-EDITION INTERNATIONAL

Michel Fichant (Paris/Strasbourg)

LEIBNIZ EN FRANCE : EDITER, TRADUIRE, INTERPRETER A la mémoire d’Yvon Belaval La bibliographie que l’on trouvera ci-après présente l’état de l’édition des œuvres de Leibniz en France depuis ce qui peut être considéré comme son commencement proprement « national » jusqu’à aujourd’hui. Jusqu’à l’année 1934, le recensement est largement fondé sur les informations données dans l’indispensable Bibliographie des œuvres de Leibniz d’Emile Ravier, Paris 1937 (2. Nachdruck, Hildesheim 1997)1. Pour la suite, j’ai recouru à mes propres ressources. Sauf quelques exceptions, le critère de choix a été de sélectionner les publications parues en France et (parfois seulement ou) sous la responsabilité éditoriale de français. Le tableau ainsi proposé comporte sans doute des lacunes, même si je crois pouvoir assurer qu’il ne s’agirait pas de cas importants.2 Cet ensemble est surtout très disparate. Il comporte des éléments qui représentent encore des moments capitaux dans l’histoire de l’édition (Couturat, Lestienne, Grua, etc.) et d’autres qui sont la simple reproduction à usage scolaire ou universitaire d’éditions antérieures sans apport original. Il a semblé cependant utile de mentionner des Studienausgaben qui ont eu ou ont encore une diffusion notable, parce qu’elles sont représentatives de l’intérêt porté à Leibniz dans les études d’histoire de la philosophie ou d’histoire des sciences. Ce tableau permet aussi d’établir quelques observations sur les caractères de la réception de l’œuvre de Leibniz dans l’édition française.

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La consultation de cet instrument de travail doit être complétée par les corrections et adjonctions données par P. Schrecker : « Une bibliographie de Leibniz », dans : Revue philosophique de la France et de l’étranger CXXVI (1938), pp. 324–346. En particulier ont été omises toutes les éditions séparées récentes d’opuscules ou de fragments destinés à l’enseignement de la philosophie au lycée. De même, les traductions de courts textes parues dans des revues n’ont pas été retenues.

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1. AU 19EME SIECLE 1.1 Un Leibniz religieux La première période, jusqu’à la fin du 19ème siècle, fait apparaître une donnée historique majeure : Leibniz a d’abord été en France un philosophe dont la pensée était centrée sur la religion. Cet aspect est établi par deux séries de publications. La première est celle des éditions des œuvres de Bossuet. A la suite de l’édition d’Amsterdam (1753), la France a vu se multiplier sur son sol de nombreuses éditions des œuvres de l’Evêque de Meaux, considéré comme une gloire de la pensée et de l’écriture classiques françaises. Or toutes ces éditions comportent, à des degrés divers d’extension et de précision, et à partir des seuls documents conservés dans les archives de Bossuet, la publication de sa correspondance et de ses échanges avec Leibniz (et d’autres intervenants) sur la question de la Réunion des Eglises. Elles y ajoutent des opuscules philosophiques transmis par Leibniz à son correspondant, tels le Si l’essence des corps réside dans l’étendue ou le Sur l’avancement de la métaphysique réelle (paraphrase en français du De philosophiae primae emendatione). Le point d’orgue a été ici apporté par la reprise étendue du même corpus dans une édition des œuvres de Leibniz cette fois collationnée sur les manuscrits de Hanovre : il s’agit des deux premiers volumes des Œuvres publiées par Foucher de Careil, parus respectivement 1859 et 1860, et réédités respectivement en 1867 et 1869 (voir ci-dessous). Une seconde série a été ouverte par la première publication proprement française de textes leibniziens, celle que l’on doit à l’abbé Jacques-André Emery (1732– 1811). Sous le titre Esprit de Leibnitz ou Recueil de pensées choisies sur la Religion, la Morale, l’Histoire, la Philosophie, etc. Extraites de toutes ses Œuvres latines et françoises (1772), ces deux volumes offrent des extraits généralement assez courts, empruntés aux éditions de Dutens, Feder, aux Nouveaux Essais édités par Raspe, etc., répartis par thèmes et ordonnés par mots-clés, comme dans une sorte de lexique. Emery commente ainsi son travail : « Ce n’est point un corps organisé dont nous avons enlevé de distance en distance quelques parcelles que nous présentons ensuite, détachées les unes des autres ; ce sont au contraire des parcelles isolées dès leur naissance que nous réunissons ; ce sont des membres épars et dispersés que nous rassemblons, et dont nous formons une espèce de corps. Car nous ne devons pas différer d’instruire le Lecteur de la fin que nous nous sommes principalement proposée dans notre travail ; c’est de réunir ce que Leibnitz a dit sur la Religion et les objets qui s’y rapportent, de plus instructif et de plus curieux. Il nous a paru que la Religion en tireroit quelqu’avantage, et que le nom de Leibnitz pourroit en imposer à un grand nombre de ses ennemis. » (Préface, pp. IX–X)

Le premier volume contient ainsi un certain nombre de notices sur des points de religion, allant d’« Athéisme » (un extrait d’une lettre du 10/20 février 1670 à Théophile Spizel, dans Dutens V, 344) à « Sentimens des Chinois sur l’immortalité de l’âme, les peines et les récompenses après l’autre vie » (en fait le § LXV dans la Section troisième de la « Lettre sur la Philosophie chinoise à M. de Remond », dans Dutens VI, 205–206). Suivent des articles regroupés sous le titre de « Morale ». Au second volume, les titres des sections sont : « Clergé, Pape, Religieux, etc. »,

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« Education », « Logique », « Psicologie [sic] », « Langues », « Physique », « Médecine », « Histoire et Politique », « Littérature et Poésie », « Jugemens et Anecdotes littéraires ». Tout à la fin, est donnée, sous le titre de « Principes de la Philosophie de Leibnitz », une traduction française de ce qui ne s’appelle pas encore « La Monadologie », mais les « Principia Philosophiae, seu Theses in gratiam Principis Eugenii », d’après le texte latin des Acta eruditorum (reproduit en Dutens II, 20 sq.). Après une traduction allemande en quatre volumes (Wittenberg, 1775–1777), une seconde édition modifiée paraît en 1803, d’où sont éliminées les rubriques autres que de religion et de morale, et qui pour cette raison reçoit le nouveau titre de Pensées de Leibniz sur la Religion et la Morale (voir ci-dessous dans la Bibliographie le précis des modifications apportées). L’ouvrage d’Emery sera repris à partir de ses archives et remanié par l’abbé Garnier en 1819. Dans ce nouveau livre figure d’abord la première publication du texte latin avec sa traduction française en regard du « Systema theologicum » (aujourd’hui A VI, 4 N. 420). A sa suite, l’anthologie des « Pensées de Leibnits sur la Religion et la Morale » est entièrement recomposée (détail ci-dessous dans la Bibliographie). On notera que le « Systema » reparaîtra, sous divers états, en 1845, 1846 et 1870. Ce Leibniz-là, tel qu’il fut tout d’abord reçu en France, suscitait l’attention, surtout à l’époque de la Restauration, parce qu’il était vu comme un défenseur de la vérité de la religion chrétienne, mais aussi en raison du point de vue qui avait été le sien dans le projet de réunion des catholiques et des protestants. Dans ce contexte, il fut en quelque sorte annexé par l’apolégétique catholique, ce que pouvait autoriser jusqu’à un certain point la lecture du Systema theologicum, si on le considérait comme une expression directe et complète de la pensée propre de Leibniz et non pour ce qu’il est en réalité, un document de négociation écrit du point de vue de l’autre partie. Ainsi l’abbé Garnier pouvait-il écrire en 1819 : « Le but que nous nous sommes proposé dans notre ce travail […] c’est de faire connoître de plus en plus, combien sincère, constante et profonde étoit la religion de Leibnitz, et par-là de fortifier un témoignage en faveur de la religion aussi précieux et aussi imposant aux yeux de nos incrédules modernes que celui de ce grand philosophe. » (Préface, pp. VII–VIII)

Sous de tout autres formes, et en abandonnant heureusement le ton de l’apologétique, l’intérêt porté à la pensée religieuse de Leibniz se prolongera dans l’œuvre de Jean Baruzi (1907, 1909), mais selon une inspiration spirituelle toute différente ; en un sens il soutiendra encore l’œuvre de Gaston Grua, dont les travaux, bien que discrètement soutenus par une conviction thomiste, relèvent tout-à-fait d’une histoire précise, érudite et objective (1948 pour l’édition de Textes inédits, et le grand livre Jurisprudence universelle et Théodicée selon Leibniz, Paris 1953). 1.2 Leibniz à l’Université Le 19ème siècle a aussi été celui du développement en France de l’enseignement de la philosophie à l’Université et, sous le contrôle étroit de l’Université, dans la

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dernière classe des lycées (et l’enseignement universitaire devait former les enseignants des lycées et leur fournir des modèles doctrinaux). Leibniz joue ici, après ou aux côtés de Descartes, un rôle central. De là les publications qui se présentent d’abord comme des éditions à usage premièrement académique, et où les Nouveaux Essais et la Théodicée occupent le premier plan. L’importance reconnue à Leibniz dans ce contexte venait de ce que l’on cherchait en lui un argumentaire contre le sensualisme et contre le matérialisme, et en faveur de l’alliance de la métaphysique et de la théodicée, traitée comme une théologie philosophique indépendante des confessions religieuses. L’édition des Nouveaux Essais par Raspe (1765) suggérait assez naturellement, dans le contexte institutionnel marqué par l’influence dominante de la doctrine de Victor Cousin, le parallèle entre Leibniz et Locke sur la doctrine de l’origine des idées. La première publication d’envergure, celle de Thurot (1839) est construite comme un ouvrage pour nous bizarrement composite, où l’Essai de Locke est encadré par des textes de Leibniz (et des citations des Nouveaux Essais sont données en notes de bas de page), et suivi de la Théodicée. Mais c’est en 1842 qu’est apporté l’outil de travail que son éditeur, Amédée Jacques, inscrit explicitement dans le cadre idéologique de la réforme cousinienne de l’enseignement officiel de la philosophie. Dans la longue Introduction de ses deux gros volumes de textes, il n’hésite pas à annexer Leibniz sous un autre rapport, comme auteur véritablement français : « La gloire de Leibnitz est pour nous presque une gloire nationale. C’est en français qu’il a écrit ses plus importants ouvrages, la Théodicée et les Nouveaux Essais, et, par un privilège assez rare, cette langue, qui n’est pas la sienne, se plie docilement entre ses mains à tous les caprices de son ingénieuse pensée. […] Mais c'est à des titres plus solides encore que Leibniz appartient à la France ; c'est comme philosophe, comme cartésien, comme disciple d'une école née et grandie sur notre sol, comme représentant et réformateur à la fois de la philosophie la plus nationale dont nous puissions nous relever. » (p. III)

Selon ce point de vue, on replacera d’abord Leibniz dans la continuité d’une histoire cartésienne, ordonnée par le fil conducteur de la « méthode » : « Une école en philosophie n’est pas autre chose qu’une méthode ; ce qui la fonde, c’est l’avènement de cette méthode ; ce qui la maintient, c’est la transmission de cette méthode du maître aux disciples les plus éloignés […] Une méthode […] c’est un certain procédé de l’esprit, élevé à la conscience nette de lui-même, et volontairement employé à l’explication des choses. Cela étant, il faut et il suffit, pour que Leibniz soit justement revendiqué par nous, qu’il se rattache à Descartes par la méthode ; que son système diffère ensuite, et très-natablement, de la doctrine de Descartes […], peu importe, pourvu qu’il procède du même esprit, c’està-dire de la même méthode. » (p. IV)

Or, la méthode de Descartes, c’est « la méthode rationnelle et a priori ». L’opposition centrale dans l’histoire sera donc celle de la « philosophie de la raison » et de la « philosophie de l’expérience », de l’empirisme et du rationalisme : d’un côté Descartes, et ceux qui le suivent, de l’autre, Bacon, Locke, Reid. Et si les « vrais disciples » de Descartes sont Malebranche et Spinoza, Leibniz a sur eux, dans l’emploi de la même faculté de l’esprit humain, « un avantage […] : c’est le spectacle de leurs erreurs, nées d’une application trop étroite du procédé commun,

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et partant une plus complète intelligence de ses véritables ressources » (p. IX). Partant d’un résumé cursif de la typologie des notions établies dans les Meditationes de cognitione, veritate et ideis, et interprétée comme attestant la primauté de l’intuition (intellectuelle) sur les idées sensibles, Jacques entreprend une sommaire mais complète reconstruction d’un système de Leibniz, où la question de l’origine des idées sert d’entrée à toute la métaphysique. Face à la critique des idées innées par Locke, Leibniz « démêlant l’équivoque des termes dont l’ambiguïté entretenait la querelle, leur restitue leur véritable sens, approuve Platon en l’interprétant, explique Malebranche en le rectifiant, et enfin fait toute la lumière dans ces ténèbres et termine tout ce long débat » (p. XVI). C’est à partir de là, que, retournant contre Descartes l’esprit même de la méthode, Leibniz montre son originalité et « va jouer son rôle propre dans les destinées de la philosophie moderne ». Cette originalité s’atteste d’abord dans la critique de la conception cartésienne de la substance corporelle, qui conduit à la notion de force, laquelle sera « le nouveau principe d’un système aussi nouveau que lui » (p. XXIII) : A la définition cartésienne de la substance corporelle, une autre définition doit être maintenant substituée ; le signe caractéristique de la substance, ce sera la force ; la force et la substance sont une même chose, et cela est si vrai, que l’on peut permuter ces deux termes l’un dans l’autre ; ce qui est vrai de la substance est vrai de la force, et réciproquement ; il n’y a pas de substance qui ne soit force et pas de force qui ne soit substance. Et cette définition est la ruine du spinosisme : désormais il y a des êtres véritables, des substances réelles, qui sont par Dieu, mais non en Dieu, qui sont ses créatures persistantes et non ses modes ; il y a des êtres individuels et durables autant que de monades (p. XXV). D’où une science nouvelle, la dynamique, science « idéale, a priori », qui « marche au flambeau de la raison » : « Au lieu de demander à de lentes et souvent trompeuses expériences les lois du mouvement, elle les tire par la puissance du calcul, de la nature de la force, abstraitement conçue et définie plutôt que décrite : ce qu’elle envisage, c’est le possible et non le réel ; une force ou un système de forces étant supposé, elle détermine les conditions du repos ou de l’équilibre, et, s’il doit y avoir mouvement, la direction, la quantité, la loi de ce mouvement. Puis, s’appliquant et comme s’imposant d’en haut à l’expérience, elle convertit ses hypothèses en vérités ; les phénomènes reçoivent des règles leur explication, et les règles conçues dans l’entendement se vérifient et se réalisent, pour ainsi dire, dans les phénomènes observés. » (p. XXVI)

Jacques montre ensuite de façon détaillée comment du principe de la force se tirent les thèses capitales de la monadologie et de la théodicée : spontanéité de l’âme, liberté de l’homme, harmonie préétablie, justice de Dieu. En conclusion, l’auteur remarque que la doctrine de Leibniz « a fait, en France, peu de prosélytes » (p. LIV). On y restait fidèle à Descartes, avant que le cartésianisme ne doive « céder la place à une doctrine étrangère », où l’on reconnaît l’empirisme et le sensualisme, dont Condillac assura le succès, en même temps que les « railleries de Voltaire » abattaient « l’optimisme », en un temps où « la société française, à l’approche d’une crise, commençait à ressentir de croissantes inquiétudes et un étrange malaise » : quand « tout allait mal », et quand « les hommes s’apprêtaient à refaire eux-mêmes leurs institutions, leurs lois et leur culte », « les doctrines de

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Leibniz n’eurent point d’écho, et ce fut le tort des temps qui appelaient une philosophie, moins vraie peut-être, mais mieux appropriée à la disposition des esprits ». — Mais justement, les temps ont changé. Voici qu’à l’époque de la monarchie orléaniste, Victor Cousin a renoué la tradition française par un retour à Descartes. « Mais il reste beaucoup à faire pour Leibniz, à qui nous devons beaucoup ». De sorte que ce serait même à la France de prendre en charge l’édition complète de Leibniz ! : « Et cependant c’est M. Cousin qui l’a dit lui-même, Leibniz est le fondateur et le plus grand praticien de l’éclectisme; il est !e disciple de notre plus ancien maître, de Descartes : il est le maître de nos maîtres nouveaux. La France doit donc encore à Leibniz une édition complète de ses œuvres ; et la France seule peut l’entreprendre. Espérons qu’il se rencontrera bientôt une âme assez courageuse et assez dévouée à la philosophie, un esprit assez intelligent et assez étendu pour une tache aussi difficile et aussi belle. » (p. LV)

Dans les lignes immédiatement précédentes, Amédée Jacques mentionne « un écrit de M. de Biran, très profond, mais couvert d’obscurité ». Il désignait ainsi, sous une appréciation passablement équivoque, L’Exposition de la doctrine philosophique de Leibniz due à Maine de Biran, parue en 1819 dans le tome XXIII de la Biographie universelle ancienne et moderne dirigée par Michaud (où elle fait suite à une biographie de Leibniz par Stapfer et une exposition des travaux mathématiques par Biot). Le sous-préfet de Bergerac, le philosophe précis et austère qui trouvait dans le sentiment interne de l’effort le fondement de toute certitude métaphysique, et qui fut aussi l’un des premiers en France à s’intéresser à la philosophie allemande, interprétait la monadologie dans le sens d’un spiritualisme psychologique fondé sur l’attestation de la réalité de la force dans la conscience immédiate que le moi prend de lui-même. Son étude se conclut ainsi : « Dans le point de vue de l’immortel auteur de la monadologie, la science des principes n’est autre que celle des forces ; or la science des forces comprend tout ce qui est, et tout ce qui peut être conçu par l’esprit de l’homme, à partir du moi, force donnée immédiatement dans le fait primitif de conscience, jusqu’à la force absolue, telle qu’elle est en soi aux yeux de Dieu ; telle qu’elle peut être en Dieu même […] Comme Descartes il est vrai, Leibniz a manqué de distinguer [le point de vue du moi et le point de vue de Dieu] et d’exprimer le lien qui les unit ; mais Descartes avait rompu ce lien, et Leibniz a donné le seul moyen propre à le renouer [à savoir « ce même principe de la force qui avait entièrement échappé à Descartes »] : aussi est-ce à sa doctrine que viendront se rattacher les progrès ultérieurs de la vraie philosophie de l’esprit humain. »3

1.3 Foucher de Careil Du seul point de vue d’abord quantitatif de l’édition, cette même période a été dominée par la figure singulière du responsable du plus grand nombre de publications : le comte Louis Alexandre Foucher de Careil (1826–1891), grand propriétaire, érudit infatigable et homme politique, a consacré une grande part d’une vie bien 3

M. de Biran : Œuvres, publiées sous la direction de Fr. Azouvi, Tome XI, 1 : Commentaire et Marginalia : Dix-septième siècle, éd. par Ch. Frémont, Paris 1990, p. 170.

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remplie à éditer Leibniz4 ; il est surtout le premier français à l’avoir fait en se rendant à plusieurs reprises à Hanovre puiser à la source des manuscrits.5 La Bibliographie de Ravier comporte à son nom dix-huit contributions, d’étendue variée, mais dont plus de la moitié sont d’importance majeure. D’emblée, Foucher de Careil se place hors du champ académique. Dans la Préface des Lettres et Opuscules (1854), où il présente aimablement Victor Cousin comme « grand amateur d’autographes » et « illustre bibliomane », il constate l’indifférence qui entoure désormais en France la philosophie de Locke. Il ajoute : « Il n’en est pas de même de Leibniz ; on le dit du moins. En effet, il n’y a pas de futur docteur qui ne consacre quelques heures à le lire dans la pauvre et mince édition qu’un agrégé, M. Jacques, a donné pour les besoins de l’école. » (p. ij)

Les Lettres et Opuscules (1854) suivis par les Nouvelles Lettres et Opuscules (1857), puis des sept volumes des Œuvres (1859–1875), ont constitué durablement en France l’accès le plus étendu que l’on pouvait avoir à Leibniz, sous un point de vue qui accordait une importance prépondérante à la réunion des Eglises, à l’histoire et à la politique, ainsi qu’à une forme d’ésotérisme (voir par exemple Leibniz, la Philosophie juive et la Cabbale, 1861). Mais, si précieux qu’ils aient pu être en leur temps, les deux premiers recueils semblent composés au hasard, même si Foucher de Careil, dans leurs Introductions, tente de reconstruire une cohérence interprétative, qui présente Leibniz comme le philosophe d’une « orthodoxie » religieuse justifiée par une inspiration platonisante qui s’exerce à l’encontre des conséquences matérialistes de la doctrine de Locke et du panthéisme de Spinoza. Pour l’essentiel, la contribution majeure de Foucher de Careil aura été de fournir la première édition puisée aux sources qui restitue presque complétement l’ensemble des échanges avec Bossuet, Pellisson, Spinola et bien d’autres sur la question de la réconciliation religieuse. Les quelque cent pages de l’Introduction historique au Tome premier des Œuvres (1859) restent une synthèse équilibrée dont la lecture est encore utile. Sa conclusion, qui met en parallèle l’attitude de Leibniz et celle de Bossuet, mérite donc d’être citée : « Leibniz, esprit plus moderne, plus progressiste, et comme agité de pressentiments nouveaux, veut, à peu près comme Schelling, une religion des philosophes, qui n’est autre que celle du Christ élargissant ses cadres, et présentant dans une belle concorde les principaux dogmes de la religion naturelle et de la révélée. Ce qui paraissait à Bossuet une monstrueuse prétention et un impur alliage, était pour Leibniz une loi de l’histoire et de la philosophie. Ces conciliations impossibles ou prétendues telles, il consacrait résoument sa vie à les entreprendre, et, à force de labeur et de génie, il était parvenu déjà à les réaliser sur plus d’un point. Il ne désespérait pas de la plus difficile de toutes, de celle qu’il exprimait ainsi : la nature et la grâce, la raison et la foi, la philosophie et la théologie. » (pp. CXXI–CXXII)

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Outre ses travaux leibniziens, Foucher de Careil est l’auteur, entre autres, d’un Hegel et Schopenhauer (1862) et d’un Goethe et son œuvre (1865). Opposant au Second Empire, il fut élu sénateur en 1876 et siégea jusqu’à sa mort au centre-gauche. Il fut aussi ambassadeur de France en Autriche-Hongrie de 1883 à 1886. Il y aurait même, dit-on, un peu trop librement puisé, puisque certains documents publiés par lui, et dont l’authenticité n’est pas contestable, ont disparu des dossiers des archives.

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2. VERS L’EDITION CRITIQUE ET SCIENTIFIQUE Foucher de Careil ne s’embarrassait pas d’un grand souci philologique et critique dans l’établissement des textes. Il lisait dans les manuscrits ce qu’il pouvait lire, soucieux d’abord de fournir à ses lecteurs une phrase aussi lisse que possible, sans aucun apparat d’érudition textuelle. Les choses ont changé quand, le premier, Emile Boutroux (1845–1921), professeur à la Sorbonne, a fait le voyage de Hanovre pour y comparer les différents manuscrits de la Monadologie et produire ainsi une édition fondée sur l’examen critique de toutes les sources authentiques du texte (1886). Son édition est aussi célèbre par la Note finale d’Henri Poincaré sur les principes de la mécanique chez Descartes et Leibniz. Elle est encore utilisée comme édition d’étude. Le même Boutroux sera lors du Congrès international de philosophie de Paris en 1900 un des initiateurs du projet d’édition intégrale qui devait être porté par les académies de Prusse et de France.6 Et c’est dans l’élan de cette annonce de collaboration franco-allemande que trois français ont effectué, dans les premières années du 20e siècle, un travail considérable fondé sur une étude approfondie des manuscrits de Hanovre. Il s’agit de : 1903 – Louis Couturat (1868–1914), Opuscules et fragments inédits de Leibniz. Extraits des Manuscrits de la Bibliothèque Royale de Hanovre. 1907 – Jean Baruzi (1991–1953), Leibniz et l’organisation religieuse de la terre. L’ouvrage contient la transcription de plusieurs inédits, dont le fragment sur les deux infinis de Pascal, « La place d’autrui est le vrai point de perspective en politique aussi bien qu’en morale », et le « Parallèle entre la raison originale ou la loi de nature, le paganisme […], la loi de Moïse […], et le christianisme […] », faussement reçu comme entièrement de Leibniz (cf. la mise au point de Grua, 46, N. 174). 1909 – Louis Davillé (1871–1933), Leibniz historien. Ce travail d’ampleur considérable est entièrement basé sur les manuscrits inédits, auxquels de nombreuses références sont faites dans le corps du texte et les notes de bas de page. Je m’arrêterai sur la publication de Couturat puisque c’est elle, avec le livre sur La Logique de Leibniz d’après des documents inédits, précédemment paru en 1901, qui a eu une influence durable, d’ailleurs positive comme négative, au travers de la thèse selon laquelle toute la métaphysique de Leibniz pourrait se construire à partir de la logique du praedicatum inest subjecto (« La monade, c’est le sujet logique érigé en substance » !7). Ce n’est pas sur cette thèse que je veux insister ici, mais plutôt sur les nouveaux principes d’édition avancés par Couturat. Il a en effet été le premier éditeur qui a intégré typographiquement dans la transcription 6 7

Voir dans ce volume la contribution de Hans Poser. « Sur la métaphysique de Leibniz », dans : Revue de métaphysique et de morale X (1902), p. 15.

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des textes ce que nous appelons aujourd’hui les variantes génétiques : restitution des mots ou passages raturés, désignation des mots ou passages ajoutés en interligne ou dans la marge. La justification qu’il donne de ce procédé alors inédit est particulièrement intéressante et il n’y a rien à y changer aujourd’hui, alors même que la technique éditoriale mise en œuvre par l’édition académique depuis 1950 est beaucoup plus rigoureuse et complète que ce que faisait Couturat. Il convient de citer ici assez longuement ces lignes annonciatrices : « En général, nous nous sommes efforcé de reproduire le plus exactement possible le texte avec sa physionomie : non seulement nous avons respecté l’orthographe dans toutes ses bizarreries, mais nous avons noté la pagination, et marqué par des signes spéciaux les passages ajoutés et les passages effacés. Cette dernière précaution nous paraît très importante : elle a été constamment négligée par les éditeurs antérieurs, aussi nous permettons-nous de la recommander aux éditeurs futurs. Pour en comprendre l’utilité, il faut savoir comment travaillait Leibniz. Il écrivait le plus souvent sur des pages in-folio […] pliées en deux dans la largeur. Le brouillon occupait une des deux colonnes ainsi marquées ; il s’augmentait successivement d’additions et de notes marginales inscrites dans l’autre colonne ; et il n’est pas rare que celle-ci soit aussi pleine que celle-là. Parfois, c’est dans le blanc réservé en tête, autour du titre, que l’on trouve des notes marginales d’une certaine étendue, comme celle qui figure au début du Tentamen Anagogicum. On conçoit aisément que ces additions, souvent surchargées elles-mêmes d’additions ultérieures, compliquent et dénaturent le texte primitif et donnent lieu à des périodes d’une longueur insolite, qu’on ne s’explique pas quand on n’en connaît pas la formation progressive. Comme le disait un de nos maîtres, la phrase de Leibniz se développe par intussusception, ou plutôt à la façon d’une monade qui déroule ses replis. Il est extrêmement intéressant d’assister à ce développement de la pensée du philosophe, et c’est ce que nos signes critiques permettront au lecteur de faire comme s’il avait le manuscrit sous les yeux. Les ratures de Leibniz ne sont pas moins instructives : car elles trahissent souvent sa pensée intime, elles répondent au premier mouvement de son esprit, qu’il corrige ensuite pour des raisons de prudence, de politique ou de diplomatie. Nous n’avons reproduit, parmi les innombrables ratures des manuscrits, que celles qui offraient quelque intérêt théorique, en montrant les tâtonnements de la pensée de l’auteur. Comme presque tous ces manuscrits ne sont que des brouillons, on assiste à l’éclosion de cette pensée, on suit pas à pas ses recherches, ses tentatives, ses insuccès, ses retours, et ce spectacle passionnant, parfois presque dramatique, est autrement intéressant que la lecture d’un texte définitif et fixé. On pénètre ainsi dans l’intimité de ce grand esprit ; on s’initie non seulement à sa méthode de travail, mais à ses plus secrètes pensées, à ses habitudes inconscientes et à ses tendances fondamentales. C’est de cet avantage que nous avons tâché de faire profiter autant que possible le lecteur. » (Préface, p. iv–v)

Certes la technique par laquelle Couturat a cherché à procurer cet « avantage » incontestable reste assez rudimentaire et peut donner lieu à des méprises. Les textes sont reproduits de façon linéaire, et c’est dans la suite continue des énoncés qu’interviennent les signalements : pour l’essentiel, les mots ou phrases supprimés sont mis entre crochets droits […], les mots ou phrases ajoutés entre crochets obliques , les notes ou additions marginales entre accolades {…}. Mais la description précise faite par Couturat du mode de pensée et d’écriture de Leibniz, comme la justification philosophique de l’intérêt à restituer leur « formation progressive » d’après l’analyse du manuscrit restent d’une parfaite pertinence : tout ce qui s’est fait dans le travail ultérieur d’édition y trouve son fondement.

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Dans la suite de la même Préface, on pourra lire avec intérêt la discussion du projet d’édition intégrale qui venait d’être lancé par l’Association internationale des Académies : Couturat écarte vigoureusement toute idée d’un choix dans les textes, et se prononce pour une édition absolument intégrale comprenant tous les documents, — une édition aussi totalement chronologique, — et enfin une édition globale sans distinction en séries thématiques, dont la division serait arbitraire. On sait que l’édition effective n’a pu se réaliser en fait qu’en abandonnant sur ce dernier point la position extrême défendue par Couturat et entre recourant à la double séparation entre les correspondances et les écrits d’une part, et entre des séries thématiques. Mais on peut rêver aujourd’hui à ce que les moyens informatiques pourraient permettre un jour, quand l’édition intégrale sera achevée et entièrement accessible sur support numérique : la possibilité serait donnée à un lecteur de recomposer à sa convenance de manière transversale l’intégralité des pièces disponibles pour une période choisie, dans l’ordonnancement chronologique le plus plausible autour des pièces certainement datées. L’idée d’une édition intégrant le plus complètement possible les variantes génétiques a été reprise et appliquée avec une plus grande précision, pour un texte unique, par l’abbé Henri Lestienne (1870–1915) : Discours de Métaphysique par G. W. Leibniz. Nouvelle édition collationnée pour la première fois avec le texte autographe de l’auteur. Introduction et Notes par H. Lestienne, Paris 1907. Alors que tous les éditeurs, Grotefend, Foucher de Careil, Gerhardt, avaient reproduit la seule source qu’ils connaissaient, c’est-à-dire la copie corrigée de la main de Leibniz (le l2 de A VI, 4 N. 306), l’abbé Lestienne a eu la chance de retrouver le manuscrit autographe originel, que Bodemann, qui ne l’avait pas reconnu, avait classé dans le dossier Théologie, sous le faux titre de Traité sur les perfections de Dieu (L2 de A). C’est ce texte que Lestienne a pu prendre pour base tout en procédant à une comparaison complète avec la copie intégrale revue par Leibniz (base unique de toutes les éditions antérieures) et les deux copies partielles. Voici ce qu’en écrit Lestienne, à la fin de son Introduction8 : « La présente édition a pour objet d’en donner une reproduction intégrale. Le lecteur y trouvera : 1° le texte définitif, tel que le fournit la copie B [Lestienne désigne ainsi le l2 de A], sauf quelques erreurs matérielles (omissions ou fautes de lecture) que Leibniz n’avait pas remarquées dans le travail de son secrétaire et que les éditeurs précédents ont naturellement reproduites ; 2° sous forme de notes, les nombreuses et quelquefois très suggestives ou très importantes variantes que ce texte a remplacées et que nous avons pu déchiffrer à peu près toutes, sous les ratures ; 3° l’indication dans le texte lui-même, grâce à sa composition typographique, de l’origine des divers éléments qui le composent dans sa teneur définitive : rédaction primitive, additions ou 8

Malheureusement la teneur du reste de cette Introduction intitulée « Hortus conclusus » a été écartée dans les rééditions récentes.

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rectifications soit interlinéaires, soit marginales, ces dernières provenant de plusieurs révisions successives (α, β, γ, etc.), assez faciles à distinguer les unes des autres dans le manuscrit ;

4° les sommaires des articles, tels qu’ils se lisent sur le même document. » (pp. 15–16)

Par leur complexité les conventions typographiques adoptées peuvent rendre la lecture de cette édition un peu malaisée, mais elles ont le mérite de figurer très exactement toutes les étapes de la formation du texte. Aussi peut-on dire qu’il s’agit là proprement de l’acte de naissance des éditions intégrant de façon exhaustive la génétique textuelle. Il faut reconnaître à l’abbé Lestienne le mérite d’en avoir été, de France, le véritable initiateur. Et c’est par là, qu’à un siècle de distance, il reste un des inspirateurs de la vision que nous avons aujourd’hui de l’œuvre de Leibniz dans son ensemble architectonique, sa « cathédrale ». Tout se passe ensuite cependant comme si l’élan des premières années du vingtième siècle était retombé. Après l’engagement d’Albert Rivaud dans les travaux préparatoires de l’édition des académies (et dont témoigne encore la publication tardive en 1924 de sa part prise au catalogue des manuscrits), la première guerre mondiale brisera la coopération de la France et de l’Allemagne dans l’entreprise commune. Il faudra attendre 1934 pour accueillir en France la publication d’une apport éditorial original, avec l’édition préparée par un émigré venu d’Allemagne, Paul Schrecker (1889–1963), qui avait dû quitter, parce que juif, sa place à Berlin dans l’édition académique.9 Le premier français à reprendre le chemin de Hanovre sera Gaston Grua (1903– 1955), qui y réunira, en 1937–1938, les matériaux de sa grande thèse sur Jurisprudence universelle et Théodicée selon Leibniz, et l’édition corrélative de ses Textes inédits. La seconde guerre retardera la publication de ces derniers jusqu’en 1948. Le travail commencé par Gaston Grua en vue d’une édition critique de la Théodicée restera sans suite, du fait de sa mort prématurée. Au lendemain de la guerre, André Robinet sera à son tour le premier à renouer le lien, pour une longue carrière de présence assidue à Hanovre, soutenant une production éditoriale étendue et bien connue. Viendront ensuite Yvon Belaval (1908– 1988), Pierre Costabel (1912–1989), et le signataire de cet article. Et c’est pour moi un certain sujet de fierté que d’avoir pu orienter dans cette direction quelques jeunes chercheurs aujourd’hui en pleine activité.10

9 Cf. le bel hommage qui lui a été rendu par Patrick Riley, dans son compte-rendu de A IV, 7, dans : The Leibniz Review 21 (2011), pp. 119–151. 10 Je mentionnerai les thèses de doctorat récemment soutenues (2009) par Claire Rösler : Negotium Irenicum. Les tentatives d'union des Eglises protestantes de G. W. Leibniz et de D. E. Jablonski, et par Arnaud Pelletier : L’ordre des choses. Catégories et définitions chez Leibniz. Ces travaux vont donner lieu à des publications prochaines.

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3. « KOMMA UND KATHEDRALE » ? Pour conclure par une remarque plus générale, je voudrais illustrer le titre heureusement choisi qui a été donné au travail commun dont le présent volume rassemble les contributions : la rencontre de la virgule et de la cathédrale. En un certain sens, on pourrait soutenir que le dessein du programme ainsi formulé a été esquissé par Foucher de Careil. Nous lisons en effet dans l’Introduction de son édition des Nouvelles Lettres et Opuscules inédits (1857) ces lignes qui peuvent encore bien caractériser le sens et la portée proprement philosophiques d’un travail d’édition : « La découverte de nouveaux manuscrits de Leibniz nous impose une tâche que nous essaierons de remplir […] Les manuscrits inédits d’un grand philosophe sont les ossements fossiles de sa philosophie. Longtemps enfouis dans la poussière, ils paraissent tout à coup : la curiosité les recherche, l’érudition s’en empare, mais la science philosophique peut seule leur assigner leur véritable place et les faire servir en les classant à la connaissance du système dont il font partie. Il ne suffit pas, en effet, de livrer à l’impression ces lambeaux de philosophie échappés à l’analyse de nos devanciers, il faut en étudier les rapports, leur assigner un but, une fonction dans l’ensemble, et tirer les enseignements qu’ils nous donnent. Il faut surtout, quand ils viennent s’ajouter à d’autres écrits déjà connus du même philosophe, s’élever, par la comparaison des documents nouveaux avec les documents anciens, à des résultats plus féconds pour la critique et pour l’histoire. » (pp. I–II)

Quels seraient ces résultats aujourd’hui, alors que l’édition a connu depuis Foucher de Careil des développements dont il ne pouvait qu’à peine pressentir l’extension ? L’histoire de l’édition, par ses vagues successives d’inégale amplitude, a eu un effet déterminant sur la perception que chaque époque a pu avoir de la philosophie de Leibniz (mais aussi de ses mathématiques ou de sa dynamique ou de ses idées religieuses), et donc aussi un effet sur les interprétations qui en étaient concevables en fonction de l’accès aux textes rendus disponibles par les éditions : ce que l’on pourrait appeler aussi l’ouverture et la profondeur du champ de prise de vue ainsi défini, sur un arrière-plan encore virtuel (la masse encore inédite). Les exemples en sont nombreux. On peut citer celui de la publication du second volume des Philosophische Schriften de Gerhardt, contenant la correspondance avec De Volder, où la définition de la substance par une loi de série a eu un effet déterminant sur l’interprétation néokantienne de Natorp et de Cassirer. Il y a aussi des exemples inverses, où c’est une hypothèse d’interprétation qui a orienté la sélection de textes jusqu’alors inédits : c’est parce que Couturat avait une idée précise de ce qu’on appelait en son temps l’algèbre de la logique puis la logistique qu’il a pu trouver de l’intérêt et du sens à des manuscrits que d’autres avant lui avaient parcouru sans y rien comprendre. Il relate lui-même ces circonstances au début de la Préface des Opuscules et fragments inédits.11 11 Couturat raconte que la rencontre, au Congrès international de philosophie de 1900, de Giovanni Vacca, collaborateur du Formulaire de Mathématiques de Peano lui « révéla l’importance des œuvres inédites de Leibniz, et [lui] inspira le désir de les consulter à son tour » (p. I). Mais cette rencontre n’avait de sens que parce que déjà, après sa thèse De l’Infini mathématique (1896), Couturat avait pris connaissance de la logique mathématique de Peano, de la définition logique du

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On pourrait penser que l’effet d’une publication intégrale, quand elle sera enfin définitivement disponible, sera de mettre fin aux déplacements historiques de cette sorte de circularité qui unit état de l’édition et interprétation. Mais tant qu’il est encore une œuvre en cours, le travail d’édition produit aussi à sa manière des effets de sens, du fait même de ses propres choix méthodologiques. Comme on le sait, les plus significatifs ont été au nombre de deux. Le premier choix méthodologique, le plus important pour l’édition de l’Académie, a été celui en vertu duquel, après un inventaire exhaustif de toutes les pièces, leur publication dans chaque Série suivrait l’ordre chronologique de rédaction le plus certain, ou du moins étayé sur les motifs de datation les plus probables. Ce choix procédait d’une supposition dont toute la portée n’a pu être constatée que par les effets, lorsque l’édition a été assez avancée, notamment dans la série des Ecrits philosophiques : c’est que la pratique d’écriture inchoative et fragmentaire de Leibniz implique que les textes prennent leur sens les uns par rapport aux autres dans leur succession diachronique, plutôt que dans une coprésence idéalement synchronique. Ils sont moins les éléments coordonnés d’un système que les moments d’une expérience d’écriture pensante toujours relancée (qu’on pourrait comparer peut-être avec ce que révèlent les notes et les manuscrits de Husserl). Ce choix a été renforcé et radicalisé par la seconde décision, prise lors de la relance du travail éditorial après la seconde guerre mondiale, de présenter désormais systématiquement tous les textes, quelles qu’en soient l’ampleur, la forme et le sujet, en reproduisant l’ensemble des variantes génétiques du ou des manuscrits d’un même opus : mots ou passages raturés, substitutions, adjonctions, ainsi remis sous les yeux du lecteur, lui fournissent en principe la possibilité de reconstituer les états de l’écriture depuis le premier jet jusqu’aux effets ultimes du contrôle exercée par le scripteur, comme l’avait anticipé Couturat. Ainsi était généralisée l’intention dont la fécondité avait, s’agissant de textes essentiels, été prouvée par l’admirable édition Lestienne du Discours de métaphysique (1907), puis par les éditions de Clara Strack en Allemagne (1917) et ensuite d’André Robinet en France (1954) de la Monadologie et des Principes de la Nature et de la Grâce. S’il est un texte de Leibniz pour lequel la restitution de la genèse de l’écriture s’est avérée d’une signification capitale, c’est le Discours de métaphysique. La séquence des états d’écriture, du brouillon autographie aux copies corrigées, met en évidence le balancement entre, d’une part, la pensée du corps comme réalité substantielle et, d’autre part, l’hypothèse de la réduction du corps à un simple phénomène. Ce constat révèle la racine de ce qu’André Robinet a pu caractériser comme une « disjonction » structurant l’architectonique des expressions systématiques de la philosophie de Leibniz.12 Il est à l’amorce de tout le débat des ces dernières années sur l’« idéalisme » de Leibniz. De même, la publication désormais nombre par Dedekind, de l’algèbre universelle de Whitehead (sujets auxquels il consacre des articles dans la Revue de métaphysique et de morale des années 1899 et 1900) et ainsi orienté ses intérêts vers ce qu’il allait découvrir des les manuscrits de Leibniz. 12 Voir Architectonique disjonctive, automates systémiques et idéalités transcendantale dans l’œuvre de G. W. Leibniz, Paris 1986, pp. 14–16.

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achevée des lettres à Arnauld en A II, 2, permet de distinguer les corrections et adjonctions ultérieures que Leibniz a introduites dans ses brouillons quand il les a relus à des dates beaucoup plus tardives que celle de l’envoi des lettres.13 Du coup, la pensée de Leibniz et les moyens par lesquels elle se formule, nous paraît beaucoup plus complexe, et surtout constamment traversée par un souci de rectification, qui se traduit par des changements réels. Par une sorte d’effet en retour des règles reconnues les plus sûres de l’édition — la précision de la virgule, sur la vision de l’opus édité — l’exposition de la cathédrale, Leibniz, penseur systématique par la recherche de cohérence et la volonté d’aller au plus loin dans l’analyse des idées et la justification des propositions, n’est plus pour nous l’auteur d’un système, si l’on entend par là un corps de vérités connexes qui auraient trouvé un jour, et une fois pour toutes, leur formulation canonique définitive. Tel que le travail de l’édition nous a appris à en comprendre de l’intérieur la genèse, le corpus des écrits leibniziens est essentiellement le laboratoire d’un work in progress. Et tant que l’édition en cours sera elle-même ordonnée à ce rythme, il en sera ainsi.

13 Et ainsi d’éviter les méprises qui gâtent l’annotation, par ailleurs très utile, de l’édition de Georges Le Roy (1957) : Le Roy croit que les différences entre le texte des minutes de Hanovre éditées de façon non-critique par GP II et celui des lettres reçues par Arnauld éditées par Geneviève Lewis (1952) résultent de remaniements apportés par Leibniz à son brouillon « au moment de l’envoi ». Par exemple : « Leibniz avait d’abord écrit ‹ entéléchie › au lieu de ‹ forme substantielle › » (éd. cit., p. 311). En réalité, la substitution d’un terme à l’autre a été faite des années plus tard, suivant les transformations conceptuelles et lexicales auxquelles nous sommes désormais attentifs.

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ANNEXE LEIBNIZ EN FRANCE (1753–2010) BIBLIOGRAPHIE COMMENTEE 1753 Abbé Leroy : Œuvres posthumes de Bossuet […] Contenant toutes les pièces qui concernent le Projet de Réunion des Eglises […], Amsterdam 1753. [Ravier mentionne la publication de la correspondance de Leibniz conservée dans les manuscrits de Bossuet dans d’autres éditions ultérieures des œuvres de l’Evêque de Meaux : Deforis (Paris 1772–1788, voir ci-dessous 1777), Hémey d’Aurive et Caron (Paris 1815–1819. — au Tome XXVI, correspondance sur la Réunion des Eglises, et au Tome XXXVII des lettres relatives à la métaphysique) ; Bancé-Russand (Paris 1825–1828. — aux Tomes XXXVIII et XXXIX, correspondance sur la Réunion des Eglises, et au Tome LII des lettres relatives à la métaphysique) ; Lefèvre (Paris 1836. — au Tome VII, correspondance sur la Réunion des Eglises, et au Tome XI des lettres relatives à la métaphysique) ; Lachat (Paris 1862–1866, voir ci-dessous 1864). — Comme l’observe Schrecker, Ravier a omis ce qui était la meilleure édition de la Correspondance de Bossuet, celle d’Urbain et Lévesque (Paris 1909–1925).]

1772 J. A. Emery : Esprit de Leibnitz ou Recueil de pensées choisies sur la Religion, la Morale, l’Histoire, la Philosophie, etc. Extraites de toutes ses Œuvres latines et françoises, 2 vol., Lyon 1772. [Extraits organisés par thèmes et empruntés aux éditions de Dutens, Feder, aux Nouveaux Essais, etc. (voir description ci-dessus). — Traduction allemande en 1775, à Wittenberg. — Seconde édition modifiée en 1803, éliminant les rubriques autres que de religion et de morale, et pour cela publiée sous le nouveau titre de Pensées de Leibniz sur la Religion et la Morale. Les rubriques figurant dans l’édition précédente à la suite du titre « Clergé, Pape, Religieux » sont abandonnés. A la fin, le titre « Principes métaphysiques et religieux de la philosophie de Leibniz » comprend maintenant trois éléments : avant la reproduction de la traduction des « Principes […] rédigés pour le Prince Eugène », prennent place un « Exposé de ses principes envoyé par Leibniz lui-même à M. Arnaud [sic] » (le passage central de la lettre du 23 mars 1690, Dutens II, 46) et une « Exposition faite par M. Leibniz à M. Bossuet, des Principes de sa philosophie » (un extrait d’une lettre à Bossuet du 8 avril 1692, Dutens I, 530).]

1776 Lettres de Messire Antoine Arnauld, Tome quatrième, Paris 1776. [Ne comporte que des extraits réduits de lettres de L. à Arnauld et au landgrave de HessenRheinfels trouvées dans les manuscrits d’Arnauld. Faute de posséder les réponses d’Arnauld, l’éditeur renonçait à en donner une publication intégrale, et ne retenait que les passages concernant « la personne ou les écrits de M. Arnauld ». Il ajoute : « Nous en avons retranché les discussions métaphysiques qui nous ont paru trop subtiles et trop alambiquées pour être agréables à nos Lecteurs, et peut-être même trop dangereuses dès-là que nous ne pouvions pas y joindre les répliques de M. Arnauld. »]

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1778 Œuvres de Bossuet […], Tome dixième, Paris 1778. [Contient Sur l’essence des corps (1693), Sur l’avancement de la métaphysique réelle (version française du De primae philosohiae emendatione), Réponses aux objections faites contre l’explication de la nature du corps par la notion de la force, Sur les avantages de la Dynamique.]

Œuvres de Bossuet […], Tome onzième, Paris, 1778. [Publication complétée de la correspondance sur la Réunion des Eglises.]

1814 L.-Fr. De Bausset (Cardinal) : Histoire de J. B. Bossuet, Evêque de Meaux, composée sur les manuscrits originaux, 4 vols., Versailles 1814. [Le vol. 4 contient une partie de la correspondance avec L. L’ouvrage a été plusieurs fois réimprimé.]

1819 A. Garnier/J. A. Emery : Exposition de la doctrine de Leibnitz sur la Religion (Ouvrage latin inédit et traduit en françois). Avec un nouveau choix de pensées sur la Religion et la Morale extraites des ouvrages du même auteur, Paris 1819. [Reprise par l’Abbé Garnier, et d’après les archives laissées par l’Abbé Emery, de l’ouvrage de 1772 puis de 1803, augmenté du texte latin et de la traduction française du « Systema theologicum ». L’anthologie est complétement recomposée, les textes étant classés selon leur source éditoriale en « Extraits de la collection de Dutens », « Extraits de la collection de Feder » et « Extraits des lettres inédites de Leibnitz à M. Arnaud [sic] ». Cette dernière rubrique comprend en fait la traduction d’extraits de la première lettre latine de Leibniz à Arnauld du début novembre 1671,14 suivie d’une citation de la lettre du 23 mars 1690, d’une autre citation « Doctrine des sociniens indignes de Dieu » d’une lettre de 1691 au landgrave de HessenRheinfels, de quelques lignes sur sainte Thérèse tirées d’une lettre à Morell de 1696, enfin de la lettre à Toland du 30 avril 1709.]

1820 D. de Lançon : Lettres au P. Malebranche et au P. Lelong, Paris 1820. [Edition bibliophilique en 30 exemplaires. 1 lettre à Malebranche et 15 lettres à Lelong.]

1830 G. L. Maurin : Méthode nouvelle pour apprendre et enseigner la jurisprudence, traduite de Leibnitz, Nîmes – Paris 1830. [Reste à ce jour, en attente de la parution de travaux en cours, la seule traduction française de la Nova methodus discendae docendaeque Iurisprudentiae.] 14 Selon les éditeurs de A II, 12, 274, « nach einer weiteren – verschollenen – Abschrift des Konzepts, mit Zitaten des Originaltextes ».

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1836 Th. Foisset : Lettres inédites de Leibniz, Dijon 1836. [18 lettres à Nicaise.]

1838 V. Cousin : Fragments philosophiques, Paris 31838. [Le T. 2 contient dix lettres à Nicaise, huit lettres à Toinard, un texte sur Fénelon et le pur amour.]

1839 Fr. Thurot : Œuvres de Locke et de Leibnitz, contenant l’Essai sur l’entendement humain, revu, corrigé et accompagné de notes, […] L’Eloge de Leibnitz par Fontenelle, Le Discours sur la conformité de la foi et de la raison, l’Essai sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal [= la Théodicée], La controverse réduite à des arguments en forme, Paris 1839. [Cet ouvrage composite comprend dans une première partie une édition de l’Essai de Locke (traduction Coste révisée par Thurot) qui lui ajoute l’Avant-Propos de Leibnitz à l’occasion des Remarques qu’il a faites sur le livre de Locke [= la Préface des Nouveaux Essais], et accompagne le texte de citations des Nouveaux Essais en notes de bas de page (d’après l’édition Raspe). Suivent en appendice : les Principes de la Nature et de la grâce, « De la connexion qui existe entre les mots et les choses » [traduit du latin d’après Raspe 1765], et les Remarques sur le sentiment du P. Malebranche, que nous voyons tout en Dieu, concernant l’examen que M. Locke en a fait. Dans une seconde partie du volume, après l’Eloge de Fontenelle, figure la Théodicée et son Abrégé.]

1842 Abbé Dassange: Le Saint Concile de Trente […], Paris 1842. [Contient 24 lettres échangées entre L., Bossuet, Mme de Brinon, Pellisson.]

J. Amédée : Œuvres de Leibnitz, nouvelle édition, collationnée sur les meilleurs textes, 2 vol., Paris 1842. [Le vol. 1 contient les Nouveaux Essais, suivis de : Lettre à Arnauld (= celle de 1671) ; Si l’essence des corps consiste dans l’étendue ; Extrait d’une lettre pour soutenir [l’article précédent] ; Sur une réforme de la philosophie première ; De la Nature en elle-même ; Système nouveau […], suivi de deux Eclaircissements — Au vol. 2 la Théodicée, suivie de la Monadologie ; Principes de la nature et de la grâce fondés en raison ; Recueil de lettres entre Leibniz et Clarke […]. — L’ouvrage sera réédité en 1844 et 1847.]

V. de Viriville : Mémoire sur la conquête de l’Egypte, écrit en latin par G. G. de Leibnitz, traduit en français. [Extrait de la Revue indépendante du 18 mars 1842.]

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1844 J.-B. Bossuet : Histoire des variations des Eglises protestantes. Suivie de la défense de cette Histoire et de la correspondance entre Bossuet et Leibnitz sur un projet de réunion entre les Catholiques et les Protestants, T. 2, Paris 1844. V. Cousin : Correspondance inédite de Malebranche et de Leibnitz. [Journal des Savants, numéros de juillet, août, septembre et octobre 1844. 14 lettres d’après des copies envoyées par la Bibliothèque de Hanovre. — Sera reproduite dans les Fragments de philosophie cartésienne, Paris 1845.]

1845 Abbé P. Lacroix : Systema theologicum ; edente nunc primum ex ipsissimo Auctoris Autographo, Paris 1845. [La même année, le texte paraît aussi à Louvain sous le titre Système de théologie ou Exposition de la doctrine de Leibniz sur la Religion, publié pour la première fois d’après le texte original. Cette édition reprend en la corrigeant la traduction française de la publication de 1819. — En 1846, nouvelle édition, avec une nouvelle traduction, sous le titre Système religieux de Leibniz publié d’après le manuscrit original […] traduit par Albert de Broglie. — En 1870, Albert de Broglie rééditera les Pensées de Leibniz sur la Religion et la Morale éditées par Emery avec sa propre traduction du « Système théologique ».]

1850 F.-Z. Collombet : Lettres inédites de Leibniz à l’Abbé Nicaise (1693–1699) et de Galileo Galilei au P. Clavius et à Cassiano dal Pozzo, publiées avec des notes, Lyon 1850. [Selon la postface, les lettres figurent dans un Ms de la bibliothèque de Lyon, sous le titre Lettres de diverses personnes à M. L’abbé Nicaise, venant de la collection du président Bouhier, avec l’indication de date 1737. Ce fonds a été transféré à la Bibliothèque Nationale de France.]

1854 L. A. Foucher de Careil : Réfutation inédite de Spinoza, Paris 1854. [Texte latin avec traduction française en regard des Animadversiones ad Joh. Georg. Wachteri librum de recondita Hebrœorum philosophia.]

L. A. Foucher de Careil : Lettres et Opuscules inédits de Leibnitz, Paris 1854. [La Préface donne un intéressant compte-rendu de l’état de l’édition et de la réception de l’œuvre de L. en France et en Allemagne.]

1856 J.-B. Biot/F. Lefort : Commercium Epistolicum J. Collins et aliorum de Analysi promota, etc., ou Correspondance de J. Collins et d’autres savants célèbres du XVIIe

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siècle, relative à l’analyse supérieure, réimprimée sur l’édition originale de 1712 avec l’indication des variantes de l’édition de 1722, complétée par une collection de pièces justificatives et de documents, Paris 1856. 1857 L. A. Foucher de Careil : Nouvelles Lettres et Opuscules inédits de Leibnitz, Paris 1857. [Publie pour la première fois, entre autres, les résumés par L. (avec leur traduction française) du Phédon et du Théétète de Platon, le fameux « De Libertate » (désormais A VI, 4, N. 326. — Donne partiellement les lettres de L. à Arnauld, d’après une copie retrouvée à Caen dans les archives de l’abbé Colignon et le Discours de métaphysique, d’après l’édition de Grotefend.]

1859 B. de Saint-Germain Guillaume Scipion : Protogée ou de la formation et des révolutions du globe par Leibniz. Ouvrage traduit pour la première fois avec une introduction et des notes, Paris 1859. L. A. Foucher de Careil : Œuvres de Leibniz, publiées pour la première fois d’après les manuscrits originaux […], T. I : Lettres de Leibniz, Bossuet, Pellisson, Molanus et Spinola, pour la réunion des Protestants et des Catholiques, Paris 1859. [Seconde édition en 1867.]

1860 L. A. Foucher de Careil : Œuvres de Leibniz, publiées pour la première fois d’après les manuscrits originaux […], T. II : Lettres de Leibniz, Bossuet, Ulrich, la duchesse Sophie, Mme de Brinon, pour la réunion des Protestants et des Catholiques, Paris 1860. [Seconde édition en 1869.]

1861 Abbé Blampignon : Etude sur Malebranche d’après les documents manuscrits. [Une lettre à Malebranche du 1er janvier 1701 et cinq lettres échangées entre L. et le P. Lelong de 1704 à 1708.]

L. A. Foucher de Careil : Leibniz, la Philosophie juive et la Cabbale. [2 textes de L. : Observationes ad Rabbi Mosis Maimonidis librum […]. — Remarques inédites sur le Seder Olam.]

L. A. Foucher de Careil : Œuvres de Leibniz, publiées pour la première fois d’après les manuscrits originaux […], T. III : Histoire et politique, Paris 1861.

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1862 L. A. Foucher de Careil : Leibniz, Descartes et Spinoza, Paris 1862. [Contient la traduction française, sans l’original, de la « Réfutation inédite de Spinoza » parue en 1854 ainsi que des notes de L. sur l’Ethique et des morceaux de la Correspondance de Spinoza annotés par L.]

L. A. Foucher de Careil : Œuvres de Leibniz, publiées pour la première fois d’après les manuscrits originaux […], T. IV : Histoire et politique, Paris 1862. 1863 Fr. Bonifas : Etude sur la Théodicée de Leibniz, Paris 1863. [D’après Schrecker, contient des fragments inédits de Leibniz.]

1864 L. A. Foucher de Careil : Œuvres de Leibniz, publiées pour la première fois d’après les manuscrits originaux […], T. V : Projet d’expédition d’Egypte, Paris 1864. Fr. Lachat : Bossuet. Œuvres complètes publiées d’après les Imprimés et les Manuscrits originaux, purgées des interpolations et rendues à leur intégrité […]. T. XVIII, Paris 1864. [Documents et correspondances concernant la Réunion des Eglises.]

— Tome XXVI, Paris 1864. [Lettres métaphysiques, « Sur l’essence du corps », Sur l’avancement de la métaphysique réelle.]

1865 L. A. Foucher de Careil : Œuvres de Leibniz, publiées pour la première fois d’après les manuscrits originaux […], T. VI : Petits Traités politiques, Paris 1865. 1866 V. Cousin : Fragments philosophiques pour servir à l’histoire de la philosophie, T. IV [Philosophie moderne, 2e Partie], Paris 51866. J. Paul : Œuvres philosophiques de Leibniz, 2. vol., Paris 1866. [Contient au vol. 1 les Réflexions sur l’Essai de Locke, les Nouveaux Essais et la Correspondance avec Arnauld (d’après Grotefend) ; au vol. 2 la Théodicée et un large choix de textes repris d’après Erdmann, dont des traductions des Meditationes de Cognitione, du De primae philosophiae emandatione, du De rerum originatione radicali et du De Ipsa natura. — Deuxième édition, revue et augmentée en 1900.] [Ravier signale aussi les multiples éditions classiques d’extraits de la Théodicée publiées dans les années 1870.]

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1875 L. A. Foucher de Careil : Œuvres de Leibniz, publiées pour la première fois d’après les manuscrits originaux […], T. VII : Leibniz et les académies, Leibniz et Pierre le Grand, Paris 1875. 1881 E. Boutroux : La Monadologie, publiée d’après les manuscrits de la Bibliothèque de Hanovre, avec introduction, notes et suppléments, Paris 1881. [« La Monadologie n’a encore été publiée qu’une fois d’après les manuscrits. Cette publication a été faite par Erdmann, dans son édition des œuvres philosophiques, 1840. Les fautes évidentes que contient le texte de Erdmann nous ont décidé à aller consulter les documents originaux ». — Première édition d’un texte de L. fondée sur l’exploitation méthodique de toutes les sources manuscrites, brouillon autographe et copies. Elle sera constamment rééditée jusqu’à aujourd’hui.]

1884 H. de Beaucaire : Eléonore Desmier d’Olbreuze, Duchesse de Zell (1665–1725), Paris 1884. [Contient des lettres de L. à la duchesse de Zell.]

1885 E. Caillemer : Lettres de divers savants à l’abbé Claude Nicaise, Lyon 1885. [Contient les lettres de L., 1693–1699. Selon Schrecker, l’édition préférable de ces lettres au moment de son article.]

1886 E. Boutroux : Leibnitz. Nouveaux Essais sur l’entendement humain (Avant-propos et Livre premier), Paris 1886. J. Lachelier : Leibniz. Nouveaux Essais sur l’entendement humain (Avant-propos et Livre premier), Paris 1886. [Sic : deux publications similaires paraissent en même temps, preuve du large usage fait de ces textes dans l’enseignement des lycées. L’édition Boutroux sera rééditée en 1899. Celle de Lachelier connaîtra quatre éditions jusqu’en 1915.]

1902 L. Couturat : « Sur la métaphysique de Leibniz », dans : Revue de Métaphysique et de Morale 10 (1902). [Reproduit dans la même Revue, 100 (1995), avec une présentation de Michel Fichant. — L’article publie l’inédit longtemps cité sous le faux titre de « Primae veritates », désormais A VI, 4 N. 324.]

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1903 L. Couturat : Opuscules et fragments inédits de Leibniz. Extraits des Manuscrits de la Bibliothèque Royale de Hanovre, Paris 1903. [Publication du matériau utilisé pour la rédaction du livre sur La Logique de Leibniz, Paris 1901. Première tentative d’une intégration partielle des variantes génétiques.]

1905 J. Baruzi : « Trois dialogues mystiques inédits de Leibniz », dans : Revue de Métaphysique et de Morale 13, 1 (1905), pp. 1–38. [Désormais A VI, 4 N. 398, N. 399, N. 400.]

L.-A. Foucher de Careil : Mémoire sur la Philosophie de Leibniz, Paris, 1905 [Cette publication posthume donne en Appendice du Tome 1 le Pacidius Philalethi, dont Couturat 1903 fournit une meilleure version.]

1907 J. Baruzi : Leibniz et l’organisation religieuse de la terre, Paris 1907. [Plusieurs inédits, dont le fragment sur les deux infinis de Pascal, « La place d’autrui est le vrai point de perspective en politique aussi bien qu’en morale », et le Parallèle entre la raison originale ou la loi de nature, le paganisme […], la loi de Moïse […], et le christianisme […], faussement reçu comme entièrement de L. (cf. la mise au point de Grua, 46 N. 174.]

H. Lestienne : Discours de Métaphysique par G. W. Leibniz. Nouvelle édition collationnée pour la première fois avec le texte autographe de l’auteur. Introduction et Notes par H. Lestienne, Paris 1907. [L’acte de naissance des éditions intégrant complètement la génétique textuelle. Alors que tous les éditeurs, Grotefend, Foucher de Careil, Gerhardt, avaient reproduit la copie corrigée de la main de Leibniz, l’abbé Lestienne a eu la chance de retrouver le manuscrit autographe originel, que Bodemann, qui ne l’avait pas reconnu, avait classé dans le dossier Théologie, sous le faux titre de Traité sur les perfections de Dieu. — On lit dans la Préface de A. Penjon, professeur à la Faculté des Lettres de Lille : « Au moyen d’une notation toute personnelle, il [Lestienne] reproduit, soit dans le texte même, soit au bas des pages, avec une rigoureuse exactitude, toutes les variantes, et en indique l’origine et la nature. Il nous fait donc assister, sinon à la création de la pensée, du moins à tous les tâtonnements d’une expression qui se cherchez ou qui se corrige, et, par là, à la manière de travailler et aux scrupules d’un grand esprit. Après un peu de surprise, peut-être, causée au premier abord par la diversité des caractères et des signes employés, o ne tarde pas à se passionner, à cause de cette diversité même, pour une lecture qui donne vraiment l’impression qu’on entre en quelque sorte dans l’intimité du génie ». — Edition constamment rééditée, de 1929 à aujourd’hui à la Librairie Vrin, Paris. A partir de la réédition de 1974, l’Introduction de Lestienne est réduite à la description des sources et remplacée par un texte d’André Robinet.]

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1909 J. Baruzi : Leibniz. Avec de nombreux textes inédits, Paris 1909. [Riche anthologie dans la seconde partie, principalement sur les questions théologiques et morales.]

L. Davillé : Leibniz historien, Paris 1909. [Travail entièrement basé sur les manuscrits inédits, auxquels de nombreuses références sont faites dans les notes de bas de page.]

1909–1923 Ch. Urbain/E. Levesque : Correspondance de Bossuet, 15 vol., Paris 1909–1923. [Comme le note Schrecker, contenait avant A la seule édition complète et critique de la correspondance de L. avec Bossuet.]

1910 E. Thouverez : Discours de métaphysique et analyse détaillée des Lettres à Arnauld, avec introduction, notes et extraits, Paris 1910. [Seconde édition en 1926.]

1924 A. Rivaud : Catalogue critique des manuscrits de Leibniz Mars 1672–Novembre 1676, Fascicule II, Poitiers 1924. [Publication retardée d’un vestige de la participation française aux travaux préparatoires à l’édition intégrale projetée en 1900 comme une coopération franco-allemande.]

1934 P. Schrecker : G. W. Leibniz. Lettres et fragments inédits concernant les problèmes philosophiques, théologiques, politiques de la réconciliation des doctrines protestantes (1669–1704), Paris 1934. [Contient notamment les lettres échangées par Leibniz et Molanus, 1698–1904.]

1939 P. Schrecker : Opuscula philosophica selecta, Paris 1939. [Edition classique reproduisant des textes fondamentaux (Meditationes de cognitione, Animadversiones in Cartesium, De Ipsa Natura, De rerum originatione rzadicali, Causa Dei) d’après GP. — Schrecker publiera en 1954 la traduction française du même recueil sous le titre Opuscules philosophiques choisis. — Les deux publications sont désormais réunies en un seul volume bilingue, Paris : Vrin 2001.]

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L. Prenant : Leibniz. Œuvres choisies. Préface, notes, table par questions et table des noms propres, Paris s. d. [1940]. [Textes français ou traduits du latin d’après GP et A II, 1. — Nouvelle édition corrigée et augmentée, Paris 1972, avec seulement les textes, le volume annoncé de notes n’étant jamais paru.]

1948 G. Grua : G. W. Leibniz. Textes inédits d’après les manuscrits de la Bibliothèque provinciale de Hanovre, 2 vol., Paris 1948 (21998). [« Né d’une mission à Hanovre, en 1937–1938, ce recueil devait anticiper, sur l’édition complète de l’Académie prussienne, la publication de textes sur la justice divine et humaine […] Pour la présentation du texte, l’excellente méthode de Couturat peut être encore améliorée, en datant plus de documents. […] Cette publication ne prétend pas bouleverser l’interprétation de la pensée de Leibniz, dont les principaux aspects ont été soulignés par les grands travaux du début du siècle et récemment précisés. On y trouvera surtout la préparation de la Théodicée depuis la jeunesse, avec sa portée religieuse et ecclésiastique, et l’application au droit de la logique combinatoire. Sur quantité de points, les notes privées, qui abondent ici, confirment par leur accord avec les pièces ostensibles la sincérité de Leibniz. Atténuées, adaptées souvent à la tradition ou à l’état d’esprit de ses correspondants, soit pour les flatter, soit pour combattre leurs exagérations, les déclarations de Leibniz peuvent réserver quelque chose de sa pensée, elles ne la trahissent pas, ne dressent pas une doctrine exotérique contre le système secret. Généralement, les textes les plus discrets ou les plus superficiellement mondains d’apparence recèlent une trace, parfois même hardie ou inopportune, de sa pensée totale », pp. v–vi. — Cette édition constitue en elle-même une œuvre originale. Les textes sont classés en chapitres thématiques, et ordonnés chronologiquement dans chaque chapitre. Des variantes sont introduites selon les procédés typographiques introduits par Couturat. Malheureusement, Grua a dû mettre la dernière main à son édition à partir de ses propres transcriptions et sans pouvoir revoir les manuscrits. On trouvera une liste utile de corrections dans le compte-rendu d’Erich Hochstetter : Philosophische Studien I (1950), pp. 209 sq.]

1952 G. Lewis : Lettres de Leibniz à Arnauld d’après un manuscrit inédit, Paris 1952. [Edition intégrale d’après la copie des lettres reçues par Arnauld très partiellement utilisée par les éditeurs de ses œuvres en 1776.]

1954 A. Robinet : Leibniz. Principes de la nature et de la grâce fondés en raison – Principes de la philosophie ou Monadologie. Publiés intégralement d’après les manuscrits d’Hanovre, Vienne et Paris, Paris 1954 (31986). [« En revoyant ces méditations dans leurs versions originaires successives, on se laisse entraîner, en suivant les lignes de renforcement de cette pensée géniale, à remonter vers le premier jet. Une bonne édition ne peut se satisfaire des règles de l’édition classique : elle exige qu’on recoure à une présentation dynamique, susceptible de monter, quasi cinématographiquement, les stades successifs de cette genèse, afin de mieux participer à l’effort de la pensée créatrice en suivant le pas à pas du génie à l’œuvre. […] Qui voudra consentir une fois à suivre ces hésitations, ces ratures, ces reprises, s’émerveillera d’aboutir à une formule dont on ne saurait changer un accent sans en rompre l’équilibre. Il pénétrera dans l’intimité de la pensée leibnizienne, mieux qu’il ne le ferait, s’il le pouvait, par la lecture des œuvres complètes […] », p. 3.]

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1955 A. Robinet : Malebranche et Leibniz. Relations personnelles. Présentées avec les textes complets des auteurs et de leurs correspondants, revus, corrigés, et inédits, Paris 1955. 1957 A. Robinet : Correspondance Leibniz – Clarke présentée d’après les manuscrits originaux des bibliothèques de Hanovre et de Londres, Paris 1957. G. Le Roy : Leibniz. Discours de métaphysique et Correspondance avec Arnauld. Introduction, texte et commentaire, Paris 1957. [Edition d’étude constamment rééditée.]

1960 P. Costabel : Leibniz et la dynamique. Les textes de 1692, Paris 1960. [En 1981, reproduction légèrement corrigée, augmentée de la « Contribution à l’étude de l’offensive de Leibniz contre la philosophie cartésienne en 1691–1692 », parue dans la Revue internationale de philosophie (1966).]

1961 Y. Belaval : Confessio philosophi, La profession de foi du philosophe. Texte, traduction et notes, Paris 1961. [Edition revue et corrigée (d’après l’édition Saame) en 1970.]

1962 J. Jalabert : Essais de Théodicée. Sur la bonté de Dieu, la liberté l’homme et l’origine du mal. Suivi de la Monadologie. Préface et notes, Paris 1962. [Textes d’après GP.]

1964 Y. Belaval : « Les premières Animadversions sur les ‹ Principes › de Descartes », dans : Mélanges Alexandre Koyré, Paris 1964. [Première publication du texte désormais en A VI, 3 N. 15. — Version corrigée dans Y. Belaval : Etudes leibniziennes, Paris 1976.]

1966 J. Brunschwig : Gottfried Wilhelm Leibniz. Nouveaux Essais sur l’entendement humain. Chronologie, bibliographie, introduction et notes, Paris 1966. [Reproduit le texte de GP 5. — Nouvelle édition en 1990 tenant compte de A VI, 6.]

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1969 J. Brunschwig : Gottfried Wilhelm Leibniz. Essais de Théodicée. Chronologie et introduction, Paris 1969. [Texte de GP 6.]

1973 E. A. Fellmann : G. W. Leibniz. Marginalia in Newtoni Principia mathematica. Editio prima ab E. A. Fellmann, Paris 1973. [Préface et notes en allemand et français.]

1974 A. Robinet (sous la direction de) : « Monado 74 ». G. W. Leibniz. Discours de métaphysique et Monadologie. Texte définitif [sic] avec indexation automatisée – Tableau alphabétique des formes lexicales – Tableau fréquentiel – Concordances – Tableau des co-occurrences – Philogrammes, Paris 1974. 1981 Ch. Frémont : L’Être et la relation, avec trente-cinq lettres de Leibniz au R. P. Des Bosses. Traduites du latin et annotées, Paris 1981. [Traduction, sans les lettres de Des Bosses, du texte de GP. Deuxième édition revue et corrigée, 1999.]

1986 A. Robinet : Architectonique disjonctive, automates systémiques et idéalités transcendantale dans l’œuvre de G. W. Leibniz. Nombreux textes inédits, Paris 1986. [Présentation et analyse de nombreux fragments inédits, ou de textes déjà connus restitués à partir des sources manuscrites.]

1987 Ch. Frémont : G. W. Leibniz. Discours sur la théologie naturelle des Chinois plus quelques écrits sur la question religieuse de Chine. Présentés, traduits et annotés, Paris 1987. 1988 A. Robinet : G. W. Leibniz Iter Italicum (Mars 1689–Mars 1690). La dynamique de la République des Lettres. Nombreux textes inédits, Florence 1988. 1989 M. Parmentier : G. W. Leibniz. La naissance du calcul différentiel. 26 articles des Acta eruditorum. Introduction, traduction et notes, Paris 1989.

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1991 M. Fichant : G. W. Leibniz. De l’Horizon de la Doctrine humaine et Apocatastasis pantôn (La Restitution universelle), textes édités, traduits et annotés, Paris 1991. A. Robinet : G. W. Leibniz. Phoranomus seu de potentia et legibus naturae. Physis, Florence 1991. 1992 P. Bailhache : Leibniz et la théorie de la musique, Paris 1992 [Publie l’échange Leibniz–Henfling et les lettres à Des Vignoles d’après R. Haase : Der Briefwechsel zwischen Leibniz und Conrad Henfling, Frankfurt a. M. 1982.]

1993 R. Bodéüs : Leibniz – Thomasius. Correspondance 1663–1672. Texte établi, introduit, traduit, annoté et commenté, Paris 1993. [Suit le texte de A II, 1.]

J.-M. Barrande : Leibniz. Protogaea. Texte latin et traduction de Bertrand de Saint-Germain. Edition, introduction et notes, Toulouse 1993. [Le texte latin publié est celui de l’édition des Leibniz Werke, 1. Bd.: Protogaea, éd. par W. E. Peuckert, trad. par W. v. Engelhardt, Stuttgart 1949, et les variantes par rapport au texte publié par Dutens et utilisé en 1859 par B. de Saint-Germain sont données en notes.]

J.-B. Rauzy : Discours de métaphysique. Sur la liberté, le destin, la grâce de Dieu. Correspondance avec Arnauld. Introduction et notes, Paris 1993. [Le texte De libertate, fato, gratia Dei est traduit d’après Grua.]

1994 M. Fichant : G. W. Leibniz. La Réforme de la Dynamique. De Corporum concursu (1678), et autres textes inédits. Edition, présentation, traductions et commentaires, Paris 1994. [Le De corporum concursu, atteste que Leibniz a adopté en janvier 1678 la formule mv2 comme mesure de la force et invariant d’un principe général de conservation, évinçant le principe de conservation de la quantité de mouvement dans son acception cartésienne. Le De corporum concursu est publié dans cette édition pour la première fois, avec d’autres documents inédits qui en éclairent les antécédents et les suites. Un Commentaire suivi comporte la traduction de larges extraits.]

Ch. Frémont : G. W. Leibniz. Système nouveau de la nature et de la communication des substances, et autres textes 1690–1703. Présentation et note, Paris 1994. [Premier volet d’une anthologie en trois volumes (cf. 1996 et 2001), donnant 16 textes avec notice et notes.]

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Michel Fichant

R. Sève : Gottfried Wilhelm Leibniz. Le droit de la raison. Textes réunis et présentés, Paris 1994. [Anthologie d’extraits de lettres et d’écrits français ou traduits du latin en français sur la critique du droit naturel, la définition de la justice, l’organisation doctrinale du droit, la politique de la science.]

1995 A. Robinet : Correspondance Leibniz – Castel de Saint Pierre. Editée intégralement selon les manuscrits inédits des bibliothèques d’Hanovre et de Göttingen, Caen 1995. M. Parmentier : G. W. Leibniz. L’Estime des apparences. 21 manuscrits de Leibniz sur les probabilités, la théorie des jeux, l’espérance de vie. Texte établi, traduit et annoté, Paris 1995. J. Echeverria : G. W. Leibniz. La Caractéristique géométrique. Texte établi, introduit et annoté, Paris 1995. 1996 Ch. Frémont : G. W. Leibniz. Principes de la nature et de la grâce, Monadologie, et autres textes 1703–1716. Présentation et notes, Paris 1996. [Second volet d’une anthologie en trois volumes (cf. 1994 et 2001), donnant 17 textes, y compris traduits du latin, avec notice et notes.]

1998 P. Boucher : G. W. Leibniz. Doctrina Conditionum. Texte intégral présenté, traduit et annoté, Paris 1998. J.-B. Rauzy : G. W. Leibniz. Recherches générales sur l’analyse des notions et des vérités – 24 thèses métaphysiques et autres textes logiques et métaphysiques. Introductions et notes, Paris 1998. [Textes établis d’après GP et A (y compris VE), traduits du latin par six traducteurs. — « On peut donc prédire au ‹ Rauzy › une longue carrière d’instrument de travail et d’ouvrage de référence, où il restera durablement comme un témoignage de la vitalité des études leibniziennes en langue française, et une incitation à leur renouvellement », M. Fichant : « Préface ».]

1999 M. De Gaudemar : Gottfried Wilhelm Leibniz. Réfutation inédite de Spinoza : remarques critique de Leibniz sur un livre de J. G. Wachter à propos de la philosophie cachée des hébreux ; d’après le manuscrit original de la Bibliothèque Royale de Hanovre, Arles 1999. [Reproduit, avec une nouvelle présentation, l’édition Foucher de Careil, 1854.]

Leibniz en France

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2000 M. Crépon : G. W. Leibniz. L’harmonie des langues. Présenté, traduit et commenté, Paris 2000. [Edition bilingue allemand-français des Unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache, traductions seules de l’Ermahnung an die Deutschen ihren Verstand besser zu üben et de la Brevis designatio meditationum de originis gentium ductis potissimum ex indicio linguarum.]

2001 Ch. Frémont : G. W. Leibniz. Discours de métaphysique, et autres textes 1663– 1689. Présentation et notes, Paris 2001. [Troisième volet d’une anthologie en trois volumes (cf. 1994 et 1996), donnant 18 textes, y compris traduits du latin, avec notice et notes.]

2002 P. Boucher : G. W. Leibniz. Des Conditions. De Conditionibus. Introduction, traduction et notes, Paris 2002. [Edition bilingue, reproduit le texte de A VI, 1.]

2004 M. Fichant : Discours de métaphysique suivi de Monadologie et autres textes. Edition établie, présentée et annotée, Paris 2004. [Donne en Appendices Autour du Discours de métaphysiques et Autour de la Monadologie un choix de textes en français ou traduits du latin, d’après A, GP et Dutens.]

S. Carvallo : La controverse entre Stahl et Leibniz sur la vie, l’organisme et le mixte. Doutes concernant la Vraie Théorie médicale du célèbre Stahl, avec les Répliques de Leibniz aux observations stahliennes, Texte introduit, traduit et annoté, Paris 2004. [Donne le texte latin d’après Dutens et la traduction française des Animadversiones circa Assertiones aliquas Theoriae medicae et des Responsiones.]

E. Knobloch/M. Parmentier : G. W. Leibniz. Quadrature arithmétique du cercle, de l’ellipse et de l’hyperbole et la trigonométrie sans tables qui en est le corollaire. Introduction, traduction et notes de Marc Parmentier. Texte latin édité par Eberhard Knobloch, Paris 2004. 2009 P. Boucher : G. W. Leibniz. Des cas perplexes en droit (De casibus perplexis in jure). Introduction, traduction et notes, Paris 2009. [Edition bilingue, reproduit le texte de A VI, 1.]

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Michel Fichant

2010 Fr. Duchesneau : Leibniz, le vivant et l’organisme, Paris 2010. [En Appendice donne la traduction française de trois textes leibniziens sur la machine animale, à partir de l’édition fournie par E. Pasini : Corpo e funzione cognitive in Leibniz, Milano 1996.]

Daniel Garber (Princeton, NJ)

LEIBNIZ IN ENGLISH: A BRIEF AND BIASED HISTORY I was asked to discuss the Yale Leibniz series that I edit with Robert Sleigh. And I will. But I would like to begin by reflecting on the history of Leibniz’s texts published in English. English was one of the very first languages into which Leibniz’s texts were translated. I am speaking of course of the Leibniz-Clarke correspondence. Within a year after Leibniz died in November 1716, Clarke had published their correspondence, English and French on facing pages, with Leibniz’s French translated into English, and Clarke’s English translated into French1. Appended to the letters were twenty-five pages of brief excerpts from Leibniz’s writings, “A collection of passages out of Mr. Leibnitz’s printed works, which may give light to many parts of the fore-going papers”. These were excerpted from a variety of published sources, including both the Essais de Théodicée and articles published in learned journals. The excerpts were published with Leibniz’s original Latin and French on facing pages with Clarke’s English translations. This, of course, is a seminal work, reprinted numerous times over the coming years. In fact, Clarke’s translation of Leibniz’s letters is still the standard translation into English, and is still widely available. But after such a promising beginning, it is strange that there are almost no translations of Leibniz’s writings into English for more than 170 years. Leibniz’s memoir addressed to Louis XIV on the conquest of Egypt gets a translation in 1803, and again in 1850. The so-called Systema Theologicum or System of Theology (now renamed the Examen Religionis Christianae in series 6 volume 4 of the Akademie Edition of Leibniz’s writings) was published in English in 1850. Leibniz’s comments on Wachter’s Elucidarius Cabalisticus, discovered and published by Foucher de Careil as Réfutation inédite de Spinoza par Leibniz in 1854 appeared quickly in English as A Refutation Recently Discovered of Spinoza by Leibnitz, translated by one Reverend Octavius Freire Owen and published in Edinburgh in 1855. But none of these could give the English reader anything like a balanced view of Leibniz’s thought. This does not change until the 1890s, roughly 170 years after Leibniz’s death. Between 1890 and 1902 there appear two major collections of Leibniz’s shorter writings, as well as a full translation of the Nouveaux essais and a full translation of the Discours de métaphysique, the “Monadologie” and the correspondence with 1

Full bibliographical information for this and all of the other books to which I refer here can be found in a selected bibliography appended to this essay.

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Arnauld. In addition, in 1900 appeared Bertrand Russell’s A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz, which contained roughly 100 pages of translations from Leibniz’s writings, though entirely in short excerpts. The first in this series is George Martin Duncan’s Philosophical Works of Leibnitz, published in 1890 in New Haven, home of Yale University, by Tuttle, Morehouse and Taylor Publishers, a private firm that seems to have served as the de facto printers to Yale. (Yale University Press wasn’t founded until 1908.) The translator was a young man (in his early 30s at the time) named George Martin Duncan, listed on the title page as an instructor in mental and moral philosophy at Yale. He was eventually to become the Professor of Logic and Metaphysics at Yale, but so far as I can tell, never did anything else noteworthy. In his introduction to this volume, George Trumbull Ladd, a distinguished senior colleague at Yale, the Clark Professor of Metaphysics and Moral Philosophy, wrote: “This translation of the more important philosophical works of Leibnitz furnishes much needed assistance to all teachers of philosophy and its history, in this country or in England. Until recently no collection, at once complete and trustworthy, of the writings of this great and versatile thinker has ever been made. […] It certainly fills—and, I believe, it well fills— an important gap in our philosophical literature.”

In his introduction, Ladd notes that “the magnificent edition of Gerhardt”, which completed publication in 1890, the same year as Duncan’s collection, “has now rendered it possible for the translator to select […] the most satisfactory survey of his system of thinking.” Duncan’s volume contained 36 selections in roughly 300 pages of text, all in English without original language texts. Included are many familiar pieces, the “Meditationes de cognitione, veritate, et ideis”, the “Système nouveau”, “De ipsa natura”, the “Principes de la nature et de la grâce”, the letters to Clarke (though not Clarke’s letters to Leibniz) and, of course, the “Monadologie”. In addition there were brief excerpts from the Essais de Théodicée and the Nouveaux essais. Interestingly enough, the Discours de métaphysique, later to become an essential pedagogical text, was not included. Also, there are no letters, except for brief excerpts, labeled not as letters but as if they were essays on particular themes. Duncan’s edition was a fair success, and went through a couple of editions, the last one being in 1908. But even more successful was the collection edited by Robert Latta, The Monadology and Other Philosophical Writings, published in 1898 by Oxford University Press, which kept it in print until 1971. (Garland then reprinted it in 1985.) At the time he published this volume, Latta was also in his early 30s, and a lecturer in Logic and Metaphysics at the University of St. Andrews in Scotland. While he went on to have a successful career as the Regius Professor of Moral Philosophy at the University of Aberdeen, this book of translations seems to have been his main scholarly accomplishment. The book makes no mention of Duncan’s volume; it seems quite possible that earlier collection hadn’t yet made its way from the wilds of New Haven to St. Andrews. Latta begins his introduction with a lament about the state of Leibniz studies in the Englishspeaking world: “In this country [Scotland? The U.K.?] Leibniz has received less attention than any other of the great philosophers”. His aim, then, is to provide an

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introduction to Leibniz, not only texts but commentary. The focus of his attention is the “Monadologie”: “The endeavour of this book is to make the Monadology clear to students”. The volume opens with a 200 page essay on Leibniz’s philosophy, followed by 200 pages of texts, beginning with a translation of the “Monadologie”. Included among the texts are the “Système nouveau” and some of its explanations, the “Principes de la nature et de la grâce”, the introduction to the Nouveaux essais, and the “De rerum originatione radicali”, but again not the Discours de métaphysique. In all, Latta gave considerably fewer texts than did Duncan. Even so, as I noted earlier, Latta seems to have been much more successful than Duncan. These are the main collections of texts that were published in this remarkable decade of Leibnizian activity in the English-speaking world. I will be briefer with two other translations that came out in the same era. First, in 1896 was Alfred G. Langley’s translation of the Nouveaux essais, the New Essays concerning Human Understanding. (Langley seems to have been an amateur scholar and music teacher who lived in Providence, R.I. at that time.) Even though it was a disastrously bad rendering of the French, it seems to have made an impact, and remained in print until 1949, more than 50 years, and was still in wide use until replaced by Jonathan Bennett’s and Peter Remnant’s much superior Cambridge University Press translation, which appeared in 1981. Langley also included as an appendix a selection of other writings by Leibniz, including the “Specimen Dynamicum”, the “Essai de dynamique”, “De modo distinguendi phaenomena realia ab imaginariis”, the important letter to Jacob Thomasius from December 1669, and the important essay on Cartesianism from 1702 that, following Gerhardt, is listed as an appendix to a letter to Honoratus Fabri. But probably more important than Langley’s New Essays is the Discourse on Metaphysics, Correspondence with Arnauld, and Monadology, translated by George R. Montgomery, then an instructor at Yale, and published by Open Court in Chicago in 1902. This volume collected together the texts that would become central for the study of Leibniz in the 20th century. So far as I can tell, this title is still available. Furthermore, since coming out of copyright, it has gained a new life on the internet, where Montgomery’s now dated translations of these central texts are still widely available. And then, of course, there was Bertrand Russell’s 1900 book. With the flourish of activity on Leibniz in this decade, and Russell’s book, the study of Leibniz in the English-speaking world became very lively. In addition to numerous books and journal articles, there were, of course, numerous new translations later in the twentieth century. In 1916 there was an edition of The Early Mathematical Manuscripts of Leibniz, translated by James M. Child. There was Mary Morris’s important collection, Philosophical Writings of Leibniz, first published in 1934, and later revised and expanded by G. H. R. Parkinson in 1973. There was Philip P. Weiner’s Leibniz Selections which were published in 1951. Perhaps the most important collection of Leibniz texts published in the 20th century was Leroy Loemker’s Philosophical Papers and Letters, first published in 1956, with a major revision and expansion in 1969. Though somewhat dated now, Loemker’s excellent collection is still the largest single collection of Leibniz texts available in

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one volume in English. There were many others too, including collections of texts edited and translated by myself and Roger Ariew (Philosophical Essays [1989]) and by Roger Woolhouse and Richard Franks (Philosophical Texts and Leibniz’s New System and Associated Contemporary Texts [1998]). In addition to the collection of shorter pieces, there were new translations of individual works, including the diplomatic edition of the Discours de métaphysique by Lucas and Grint in 1953, the correspondence with Arnauld by Mason in 1967, the Essais de Théodicée, by Huggard in 1951, and the Nouveaux essais (1981), by Bennett and Remnant, as mentioned above. By the end of the 20th century the study of Leibniz in Englishspeaking countries was quite lively. There were lots of materials available for the classroom, and to facilitate the serious study of Leibniz’s thought, particularly his philosophical thought. And there was a lively stream of books and articles about Leibniz appearing in English. It is in this context that I would like to situate the Yale Leibniz. The Yale Leibniz was created when Yale University Press approached Robert Sleigh and me in the mid-1980s. There were considerable royalties coming to a trust, run by the Yale University Press from the sales of books by Ernst Cassirer, the Ernst Cassirer Publications Fund. The trustees were looking for an appropriate way to spend those monies. One project they had in mind was a series of volumes of the writings of Leibniz, a thinker on whom Cassirer had written a classic work, Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen, published in 1902. This was an excellent moment to do something new in English-language scholarship on Leibniz and, more generally, in the history of philosophy. Anglophone scholarship had come a long way since the 1890s and the rather rudimentary editions of Duncan and Latta, Langley and Montgomery. With a general collection like that of Loemker, and good translations/editions of individual works like the correspondence with Arnauld and the Nouveaux essais, one could begin to do serious scholarship on Leibniz in English. One could begin to do serious scholarship, but even so, there were limits. The translations were good enough, but English-speaking scholars were largely dependent on them, and their scholarly world was largely limited by them. This was not entirely true: there were excellent scholars whose work met international standards, but not that many. But when I was in graduate school in the early 1970s, we were never encouraged even to open the great 19th-century edition of Gerhardt, not to mention the large black books coming out of the Akademie Edition. Much scholarship was done in translation, and in translation alone. In addition, there was little encouragement to read secondary literature in languages other than English. We were taught that what was important was the arguments and the arguments alone, and those you could get by reading the texts in translation, and the secondary literature in English. The message that we were given was that we could trust the editors and translators to choose the important and representative texts, and to translate them in such a way that the arguments would be preserved. Students and scholars believed that anything important was available to us in English translation Robert Sleigh and I were determined to use this opportunity to undermine some of these assumptions, and to help bring English-language scholarship up to

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the standards of the international community. The two of us visited Germany in spring 1986, stopping in Hannover and Münster, visiting the centers to meet people and talk about our ideas for the new series. From the beginning, our idea was to work in partnership with the Akademie Edition project, to learn from you and to try to bring the level of scholarship that you had attained to English-speaking audiences. In talking with people in Germany, and with our colleagues at home, we arrived at a conception of the series. Here are some excerpts from the series description that appears at the beginning of each volume: “The Yale Leibniz is a series of books containing texts and translations of the works of G. W. Leibniz. Each volume contains both the original language text and an English translation on facing pages. The original language text is up to the highest standard of modern textual scholarship. Some texts will be reprinted from the Sämtliche Schriften und Briefe […]; others are taken from editions that meet the high standards of that edition. Some texts will be edited or re-edited from the manuscripts and early printed sources, with the cooperation of the editors of the Akademie Edition. The translations are newly commissioned with the aim of making the texts more easily available to both students and scholars. The series is intended to produce neither a complete edition of Leibniz’s writings nor a comprehensive selected works edition. Although there will be uniform standards of editing and translation, each volume is intended to be independent, a collection of texts that constitute a natural unit. The focus of the series is Leibniz’s philosophical thought, but this is interpreted broadly enough to include not only his metaphysics and epistemology but also his theology, his physics, and even aspects of his mathematics.”

Earlier English translations and editions basically had the student in mind; ours is primarily aimed at the Anglophone scholar. Now, it is common for French, German and Italian editions of philosophical texts to include the original language on facing pages. With the exception of texts in ancient Greek and Latin philosophy, this is almost never done in English-language editions. An important feature of our edition is precisely the inclusion of the original language text. This is central to the conception of the series: we want Anglophone scholars to understand that translation is not enough, and that they must be acquainted with the original text. Some of our texts are taken from published volumes of the Akademie Edition. But some of our editors have produced texts directly from manuscript and earlier printed sources. In these cases we seek not only to make the texts better available to serious Anglophone scholars, but to make new texts available to the international community of scholars by publishing texts that the Akademie Edition may not publish for many years to come. As to the choice of texts to publish in the series, our goal is not to publish a series of texts that is complete or representative. For Leibniz at the moment, a complete edition is not possible, and I think that we can all agree that for Leibniz it is not clear what it means to publish a “representative” collection of texts; to know Leibniz is to know the wide variety of his interests and his writings. Our goal is only to publish volumes that either make certain important texts more widely available to the Anglophone community or that give certain selected new or much improved texts to the larger international community of scholars. Let me illustrate these principles by discussing briefly some of the volumes that we have published. Our first volume was the De summa rerum, the Paris

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notes, edited and translated by G. H. R. Parkinson, and published in 1992, almost exactly a century after Duncan’s first Yale volume. The Latin text was based on the Akademie Edition’s text from A VI, 3, used with their kind permission. But Parkinson added an introduction and, of course, a translation. It is fair to say that that has opened that text up to English-speaking scholars, and drawn them into the study of this seminal period in Leibniz’s career. Another text from Leibniz’s early years that appears in the series is the volume centered around the Confessio Philosophi, translated and edited by Bob Sleigh, with contributions from Brandon Look and James Stam. This, too, is based on Akademie Edition texts, again with English translation and commentary. This volume, as well, has drawn people into Leibniz’s early thought. The volume edited by Richard Arthur is somewhat different. That volume, entitled The Labyrinth of the Continuum is a collection of shorter pieces, mostly from the mid-1670s to the mid- and late-1680s, and is largely drawn from series 6 volumes 3 and especially 4 of the Akademie Edition. This is not a teaching anthology, like Duncan or Latta. Instead it is a judicious selection of texts from these Akademie Edition volumes, focused around the theme of the composition of the continuum and Leibniz’s theory of body, and directed at the serious scholar. The corresponding volumes of the Akademie Edition can be terrifying to the inexperienced scholar: there are thousands of pages of mostly Latin notes, on all subjects. Richard Arthur makes the texts approachable by showing a tractable path through them. In making the material tractable, it draws the less experienced scholar into the foreboding and seemingly impenetrable large black volumes of the Akademie Edition, and shows him how to navigate his way through. In that way, I suspect, rather than a substitute for the Akademie Edition, Arthur’s volume draws those scholars in, and leads them away from the student editions and to the threshold of the currently best scholarly editions available. The volumes I have discussed all involve using texts that have already been edited and published by the Akademie Edition. But this isn’t true of all of the volumes. In 2007 the series published an edition of the correspondence between Leibniz and Des Bosses. This volume, edited by Brandon Look and Donald Rutherford, presents a new Latin text, based on the manuscripts, including some letters and drafts never before published. The English translation is, of course, directed at an Anglophone audience. However, the Latin text is better than any currently available, and we expect that it will be the international standard until the Akademie Edition produces its own sometime in the future. I am happy to announce that we have a parallel edition of the Leibniz correspondence with de Volder finished and currently in production, edited by Paul Lodge. And finally there is a volume that just appeared in February 2011, the Dissertation on Predestination and Grace, edited and translated by Michael Murray, with help from George Wright. This, too, is based on manuscript work, but in this case it is a manuscript that has never been published in any form, a consideration of theological issues relevant to the reconciliation of the Lutheran and Calvinist churches. This, too, makes available to the international scholarly community an important text that may not appear in the Akademie Edition for years to come.

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The series is not yet finished. Among volumes under preparation now are these: a volume on the Leibniz/Stahl exchange; a new edition of some of the political and ethical writings; and new editions of the Leibniz-Arnauld correspondence and the Leibniz-Clarke exchange. The Yale Leibniz can in no way replace the Akademie Edition, nor does it aim to. In fact, as I have emphasized, in many ways it depends on the work of the Akademie Edition for its own, in just the way that the editions of Duncan and Latta, Langley and Montgomery depended on the superior scholarship of Gerhardt. It is, rather, a tool and a supplement to the Akademie Edition. It is a tool insofar as it is a stepping stone for Anglophone scholars from the sheltered and narrow world as defined by student anthologies and into the larger world of international scholarship as defined by the magnificent Akademie Edition. It is a training tool for bringing the scholar into that larger world. And it is a supplement to the Akademie Edition insofar as it helps to make available new and important Leibnizian texts before the Akademie Edition has gotten to publish them. In this way it provides a service to the larger international community. In barely more than 100 years since the Anglophone Leibniz revival of the 1890s, scholarship in the English-speaking world has come a long way.

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APPENDIX LEIBNIZ IN ENGLISH: A SELECTED BIBLIOGRAPHY Before 1890 A Collection of Papers Which passed between the late Learned Mr. Leibnitz, and Dr. Clarke, In the years 1715 and 1716. Relating to the Principles of Natural Philosophy and Religion. With an Appendix, by S. Clarke, D. D., London 1717. A summary account of Leibnitz’s memoir, addressed to Lewis XIV, recommending to that monarch the conquest of Egypt, as conducive to the establishing a supreme authority of Europe, London 1803. A System of Theology, ed. and trans. Ch. W. Russell, London 1850. An Account of the “Consilium Ægyptiacum”, written by Leibnitz, under the auspices of the Elector of Maynce, and Presented to Louis XIV, ed. and trans. T. L. Stoddart, London 1850. [This contains Leibniz’s Latin text and an English translation as an appendix to a long essay about the historical context of the text.] A Refutation Recently Discovered of Spinoza by Leibnitz, trans. Rev. O. Freire Owen, Edinburgh 1855. 1890 to 1902 The Philosophical works of Leibnitz, ed. and trans. G. M. Duncan, New Haven 1890. New Essays concerning Human Understanding, ed. and trans. A. G. Langley, New York – London 1896. The Monadology and Other Philosophical Writings, ed. and trans. R. Latta, Oxford 1898. B. Russell: A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz with an Appendix of Leading Passages, Cambridge 1900. Discourse on Metaphysics, Correspondence with Arnauld, and Monadology, ed. and trans. G. R. Montgomery, Chicago 1902.

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After 1902 The Logical Work of Leibniz, ed. and trans. Ph. E. B. Jourdain, Chicago 1916. The Early Mathematical Manuscripts of Leibniz, ed. and trans. J. M. Child, Chicago 1920. Philosophical Writings of Leibniz, ed. and trans. M. Morris, London and New York 1934 [2nd ed., with G. H. R. Parkinson, London 1973]. Leibniz Selections, ed. and trans. P. P. Weiner, New York 1951. Theodicy, ed. and trans. E. M. Huggard, London 1951. Discourse on Metaphysics, ed. and trans. P. Lucas and L. Grint, Manchester 1953. Philosophical Papers and Letters, 2 vols., ed. and trans. L. Loemker, Chicago 1956 [2nd ed., Dordrecht 1969]. Logical Papers, ed. and trans. G. H. R. Parkinson, Oxford 1966. Leibniz-Arnauld Correspondence, ed. and trans. H. T. Mason, Manchester 1967. New Essays concerning Human Understanding, ed. and trans. J. Bennett and P. Remnant, Cambridge 1981. Philosophical Essays, ed. and trans. R. Ariew and D. Garber, Indianapolis 1989. Leibniz’s New System and Associated Contemporary Texts, ed. and trans. R. Woolhouse and R. Francks, New York 1997. Philosophical Texts, ed. and trans. R. Woolhouse and R. Francks, New York 1998. The Yale Leibniz De Summa Rerum: Metaphysical Papers, 1675–1676, ed. and trans. G. H. R. Parkinson, New Haven 1992. The Labyrinth of the Continuum: Writings on the Continuum Problem, 1672– 1686, ed. and trans. R. T. W. Arthur, New Haven 2002. Confessio Philosophi: Papers Concerning the Problem of Evil, 1671–1678, ed. and trans. R. C. Sleigh, Jr., with contributions by B. Look and J. Stam, New Haven 2005. The Leibniz-Des Bosses Correspondence, ed. and trans. B. C. Look and D. Rutherford, New Haven 2007. Dissertation on Predestination and Grace, ed. and trans. M. Murray with contributions by G. Wright, New Haven 2011.

Juan Antonio Nicolás (Granada)

LEIBNIZ AUF SPANISCH – ZIELE, SCHWIERIGKEITEN, PERSPEKTIVEN 1. AUSGANGSSITUATION: ZUR VERFÜGUNG STEHENDE MITTEL Eine Edition der Schriften Leibniz’ ist schon mehrfach versucht worden (C. I. Gerhardt, J. E. Erdmann, L. Dutens, Foucher de Careil, O. Klopp, L. Couturat, G. Grua, A. Robinet sowie von den Herausgebern der Ausgabe der Akademie der Wissenschaften zu Berlin), doch auch fast 300 Jahre nach dessen Tod konnte dieses Vorhaben noch immer nicht in seiner Ganzheit verwirklicht werden. Auch Übersetzungen in andere Sprachen hat es eine Vielzahl gegeben, darunter verschiedene Projekte mit unterschiedlichen Erfolgen. Übersetzungen der Texte von Leibniz lassen sich seit vielen Jahrzehnten in Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Englisch, Portugiesisch, Russisch, Japanisch, Chinesisch und vielen anderen Sprachen finden. Aber alle diese Editionen in anderen Sprachen sind, trotz der vorbildlichen Arbeit vieler Übersetzer und Herausgeber, jeweils nur sehr unvollständig. Diese Unvollständigkeit hat sich teilweise in den sich häufig ähnelnden Deutungen des Leibniz’schen Denkens gezeigt. Die Publikation der sämtlichen Schriften von Leibniz ist ein Gipfel, der noch nicht erklommen worden ist und kommt dem Erbauen einer Kathedrale gleich, einer großen Kathedrale, welche sich noch im Bau befindet – um es, wie die Organisatoren dieser Tagung, metaphorisch auszudrücken. Gleichzeitig ist die systematische Deutung des Leibniz’schen Denkens noch immer ein weit entferntes Ziel. Dasselbe gilt für die vollständige Edition seines Werkes. Innerhalb dieses Bauvorhabens, das durch unterschiedliche Bestrebungen gekennzeichnet ist, wird von der spanischen Leibniz-Gesellschaft (Sociedad española Leibniz, SEL) das Projekt „Leibniz auf Spanisch“ (www.leibniz.es) angegangen, das einen bescheidenen Beitrag zur Verbreitung und zum Studium des Leibniz’schen Werkes im spanischen, portugiesischen und lateinamerikanischen Kulturraum leisten soll. Die Ausgangssituation stellt sich folgendermaßen dar: Die zur Verfügung stehenden Mitarbeiter und das zur Verfügung stehende Material sind nicht gerade üppig, aber dennoch ausreichend, um ein Projekt mit guten Aussichten auf Erfolg umzusetzen. Bezüglich des Materials stehen verschiedene Ergebnisse in anderen Sprachen zur Verfügung, die dem Anliegen des Projekts „Leibniz auf Spanisch“ gleichen, ebenso Übersetzungen von einzelnen Schriften sowie eine Auswahl von Texten unterschiedlicher Bedeutung. Des Weiteren verfügen die Organisatoren des Projektes „Leibniz auf Spanisch“ seit dessen Beginn über eine finanzielle Unterstüt-

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zung durch das spanische Ministerium für Wissenschaft und Innovation, die Regionalregierung Andalusiens, die Universität Granada und den Verlag Comares, der sich darüber hinaus dazu verpflichtet hat, alle Bände der Serie zu veröffentlichen. Bezüglich der Mitarbeiter hat sich in den letzten Jahren eine gewisse Anzahl von Professoren und Forschern zusammengefunden, die über Erfahrungen im Bereich der Übersetzung und der Edition verfügen, die an nationalen sowie internationalen Kongressen teilgenommen, Vorträge auf Konferenzen in verschiedenen Ländern gehalten sowie Bücher und Artikel veröffentlicht haben; so hat sich in Spanien und Lateinamerika eine kritische Basis entwickelt, die ausreicht, um dieses Projekt angemessen in Angriff zu nehmen. Insgesamt arbeiten bei „Leibniz auf Spanisch“ fünfzig Forscher aus Spanien, Portugal und Lateinamerika, die an dreißig Universitäten tätig sind. Sie werden von zwei Hilfstechnikern unterstützt. Außerdem wurden bisher sieben Stipendiaten ausgebildet, die entweder gerade dabei sind, ihre Dissertation zu schreiben oder diese bereits abgeschlossen haben. Von Anfang an arbeitete die Forschungsgruppe von „Leibniz auf Spanisch“ mit dem Leibniz-Archiv Hannover zusammen und erfreute sich der überaus engagierten Hilfe des dortigen Direktors, Herbert Berger, sowie der weiteren Institute, die an der Leibniz-Edition in Münster, Potsdam und Berlin arbeiten. Nicht nur gab es von dort für den Entwurf des Projektes Rat und wertvolle Hilfe; auch die Bereitstellung von Editionen, Datierungen, Manuskripten, Bibliographieangaben, Kopien von Texten, per Computer erfassten Daten etc. waren und sind eine unersetzliche Hilfe. Darüber hinaus haben einige Stipendiaten Forschungsaufenthalte in verschiedenen Leibniz-Instituten absolvieren können, in einigen Fällen sogar über mehrere Jahre hinweg. Sie haben sowohl eine philosophische als auch bibliographische und verlegerische Ausbildung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau erhalten und haben so zur spanischen Edition einen erheblichen Beitrag leisten können. Auf der Grundlage dieser Ausgangssituation stellte sich das Forscherteam von „Leibniz auf Spanisch“ im Jahre 2003 einer gewaltigen Herausforderung, die zunächst unmöglich erschien und kaum Garantie auf Erfolg bot. Nach aktueller Berechnung wird das Projekt im Jahre 2027 abgeschlossen sein. 2. BAUPLÄNE UND PLÄNE: DIE GROSSE KATHEDRALE ALS ZIEL 2.1 Nach den im Jahr 2002 und 2003 entworfenen Plänen ist es das fundamentale Ziel dieses Projektes, die Edition Obras filosóficas y científicas (OFC) (Philosophische und wissenschaftliche Werke) von G. W. Leibniz in zwanzig Bänden fertigzustellen. Dies ist die Basisstruktur, welche das komplette Gebäude, die große Kathedrale sozusagen, trägt. Diese zwanzig Bände gleichen den zwanzig großen Säulen, auf denen das gesamte Gebäude steht. Wie im Löwenhof der Alhambra gleicht auch in dieser Kathedrale keine Säule der anderen. Jeder Band hat verschiedene Charakteristika und Inhalte, die wiederum nur eine minimale Widerspiegelung der unglaublichen Multidimensionalität der Leibniz’schen Schriften sind.

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Es gibt eine Säule der Metaphysik, der Erkenntnis, der Logik, der Characteristica universalis, der Mathematik, der Wissenschaften, der Theologie und der Religion, der Medizin, der Theodizee, der Ethik und der Politik und der Rechtswissenschaft. Außerdem gibt es spezielle Säulen, die etwa das Resultat der Verknüpfung, des Austausches oder der Diskussion zwischen Leibniz und einigen seiner Gesprächspartner bilden. Aufgrund der Verwicklungen diverser Gedanken und deren Verknüpfung kann gesagt werden, dass es sich bei den zuletzt genannten um „gewundene Säulen“ handelt: Es sind die „Säulen-Bände“, die von der Korrespondenz Leibniz’ handeln. Hier finden sich die Korrespondenzen mit A. Arnauld, B. des Bosses, N. Malebranche, Ch. Wolff, G. Wagner, Th. Hobbes, B. Spinoza, P. Bayle, S. Foucher, J. Bernoulli, B. de Volder, Stahl, Huygens, Lady Masham, S. Clarke, Prinzessin Caroline von Brandenburg-Ansbach, S. Pufendorf, Bossuet, Rémond, Eckhart, Molanus, Pellisson, Alberti, Spinola, Mme. de Brinon und St. Pierre. Gruppiert entsprechen sie sechs Säulen der Kathedrale. Bis heute sind fünf dieser großen Säulen fertig. Jede dieser Säulen wurde Stück für Stück erbaut, wobei die Qualität der Konstruktion von besonders großem Wert ist, weil von ihr die gesamte Statik des Gebäudes abhängt. Die Säulen der Metaphysik, der wissenschaftlichen Schriften und der Korrespondenz mit A. Arnauld, mit B. des Bosses, mit J. Bernoulli und mit B. de Volder sind bereits veröffentlicht worden. Die Säulen der Theodizee, der Logik und der Characteristica universalis stehen kurz davor ihre endgültige Höhe zu erreichen. Für alle restlichen Säulen ist bereits ein Grundstein gelegt. 2.2 Die Gesamtheit der Säulen erhält ihre Harmonie und Einheit durch das obere Gewölbe. Dieses Gewölbe könnte der 20. Band darstellen; dieser enthält die „Verzeichnisse“. Dieser 20. Band gleicht einem Fachwerkbau, der es erlaubt, alle anderen „Säulen-Bände“ untereinander zu verbinden. Er ermöglicht, in allen Bänden nach Zitaten eines Autors, nach bestimmten Konzepten oder konkreten Texten zu suchen. So sollen die vielen verschiedenen philosophischen Bereiche, welche das Leibniz’sche Denken ausmachen, miteinander verbunden und gegenübergestellt werden. Anhand dieser Bauweise kann man zum Beispiel nachprüfen, wie ein und dieselbe Vorstellung in sehr verschiedenen Problemen und Kontexten verwendet wird. Dieser 20. Band ist daher unerlässlich, und in diesem Sinne dient er sozusagen als Fundament und mithin als Rechtfertigung jeder Systematisierung, sei es für das komplette Werk, sei es bloß für Teile dessen. Dieser 20. Band vereinheitlicht die gesamte Diversität von vielen verschiedenen Komponenten in einer einzigen Sache – wie das Gewölbe einer großen Kathedrale. Obwohl es der letzte Band des Sammelwerkes ist, wurde die Arbeit hier schon begonnen. Es gibt zwei grundlegende Aspekte: die Gestaltung des Inhalts und die informatische Infrastruktur.

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2.2.1 Die Gestaltung des Inhalts ist äußerst kompliziert, da es eine enorme Anzahl von verschiedenen Verzeichnissen gibt. Hier einige Beispiele: Band 20 (Verzeichnisse) 1. Verzeichnis der Texte der OFC (spanisch) 1.1. Reihenfolge der Bände 1.2. alphabetische Reihenfolge (spanisch) 1.3. alphabetische Reihenfolge (Originaltitel) 1.4. chronologische Reihenfolge

5. Verzeichnis der Konzepte (spanisch)

2. Verzeichnis der Korrespondenz Leibniz’ 2.1. Reihenfolge der Bände 2.2. alphabetische Reihenfolge der Briefe 2.3. chronologische Reihenfolge der Briefe

7. Verzeichnis der zitierten Werke anderer Autoren 7.1. Titelverzeichnis 7.2. Autorenverzeichnis

3. Konkordanz der Editionen 3.1. OFC – andere Editionen 3.2. andere Editionen – OFC 4. Verzeichnis der bibliographischen Angaben der Manuskripte 4.1. Reihenfolge der Bände 4.2. Reihenfolge des Leibniz-Archivs

6. Verzeichnis der Namen 6.1. Personennamen 6.2. Ortsnamen

8. Verzeichnis der Bibelzitate 9. Verzeichnis der Abkürzungen 10. Verzeichnis der Herausgeber und Übersetzer 10.1. Reihenfolge der Bände 10.2. alphabetische Reihenfolge

Dies ist nur eine erste Annäherung. Die Gestaltung der Verzeichnisse verkompliziert sich, wie wir weiter unten sehen werden, durch die Tatsache, dass verschiedene Sprachen untergebracht werden müssen und damit Unklarheit bei den Titeln der Originale bzw. der Übersetzungen entsteht. 2.2.2 Hinsichtlich der Informatikprogramme werden im Augenblick verschiedene ausprobiert. Eine Alternative wäre ein professioneller Informatiker, der für die Entwicklung eines Programmes, welches den Bedürfnissen des Projekts entspräche, verantwortlich wäre. Aber dafür müssten diese Bedürfnisse zuerst exakt definiert werden. In jedem Fall ist der Band der „Verzeichnisse“ von großer Bedeutung, da von ihm in großem Maße der Erfolg und der Nutzen des Sammelwerkes abhängen. Deshalb kann man sagen, dass der 20. Band einen Fachwerkbau darstellt, der wie ein Gewölbe das gesamte Gebäude sichert. Er ist ein eigenes und spezielles Kapitel im gesamten Projekt.

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2.3 Die große Struktur, welche die Säulen und die große Kuppel bilden, benötigt eine Anzahl von Elementen, die diese komplementieren. Das Projekt „Leibniz auf Spanisch“ schafft in seinem Umfeld eine Reihe von „Unterprojekten“, welche Ergebnisse und Erweiterungen sind und dazu beitragen, das Gebäude fertigzustellen. Drei Komponenten besonderer Art gehören ebenso zur Architektur einer Kathedrale: die Hauptfassade, das Querschiff und der große Altaraufsatz in der Apsis. Diese drei Elemente entsprechen der „Biblioteca Hispánica Leibniz“ (die hispanische Bibliothek Leibniz), dem „Red Iberoamericana Leibniz“ (das iberoamerikanische Netz Leibniz’) und der Reihe „Nova Leibniz“.1 2.3.1 Die Hauptfassade, die „Biblioteca Hispánica Leibniz“,2 ist das Vorzeigeprojekt, weil es seit Jahrzehnten die Arbeit an den Leibniz’schen Schriften im spanischsprachigen Raum zusammenträgt. Dieses Projekt verfolgt das Ziel, all das zusammenzustellen, was von Leibniz ins Spanische übersetzt und was auf Spanisch über Leibniz publiziert wurde, von der Edition Patricio de Azcárates gegen 1900 bis in die Gegenwart. Von Leibniz werden in einer großen Datenbank Übersetzungen seiner Bücher, Artikel und vereinzelte Texte gesammelt. Über Leibniz werden Artikel, Buchkapitel, Bücher und Dissertationen gesammelt. Des Weiteren werden auch Veröffentlichungen von Autoren anderer Länder auf Spanisch eingeschlossen. Das Projekt entwickelt sich in zwei Phasen: In der ersten Phase werden die Bibliographieangaben gesammelt, in der zweiten Phase die kompletten Texte. All dies wurde noch nie auf so eine gründliche Art zusammengetragen. Diese Arbeit hat zweierlei Nutzen: Zum einen wird das Wissen über die durchgeführten Arbeiten in diesem Kulturbereich der internationalen Gemeinschaft (sowohl der spanischen und lateinamerikanischen als auch in anderen Ländern und Sprachen) zur Verfügung gestellt; zum anderen werden der internationalen Gemeinschaft auch die Ergebnisse dieser Arbeit bereitgestellt, im Besonderen in Bezug auf Deutungen, Kritiken, Entwicklungen und Rekonstruktionen des Leibniz’schen Denkens. All dies soll ohne Beschränkung im Internet zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Art wird den Forschern der Universitäten auf grundlegende Weise der Zugang zu all diesen Information erleichtert, denn ein Großteil der Ergebnisse ist noch nicht digital oder im Internet verfügbar. Dieser Teil des Projektes, obwohl er sich noch in der Planungsphase befindet, wird die große Präsentation der seit Jahrzehnten durchgeführten Arbeit sein. Er stellt das Portal der Kathedrale dar, die selbstverständlich nie beendet sein, sondern

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http://www.leibniz.es/nova-leibniz.htm (22.06.2012). http://www.leibniz.es/bibliotecahispanicaleibniz.htm (22.06.2012).

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konstant erweitert wird. Der philosophische und textuelle Markstein, der diese Ergebnisse liefert, ist die Infrastruktur des Gebäudes. 2.3.2 Das zweite entscheidende Element der Kathedrale ist das Querschiff unter der Hauptkuppel, wo sich das Mittelschiff mit dem Querhaus kreuzt und so ein lateinisches Kreuz bildet. Ein besonders wichtiger Punkt, da hier eine Art Verteilerpunkt besteht; von diesem kann man in alle Teile der Kathedrale gelangen, und alle Teile der Kathedrale führen zu diesem Punkt. Der Weg von einem Bereich in einen anderen führt immer an diesem Punkt vorbei. Innerhalb von „Leibniz auf Spanisch“ fällt diese Rolle dem „Red Iberoamericana Leibniz“ zu3, einer Organisation, die versucht, zwischen den am Denken Leibniz’ Interessierten Kontakte herzustellen und neue Forscher zu gewinnen. Sie soll eine Plattform für Kommunikation, für Impulse und Entwicklungen von Beziehungen zwischen den Forschern darstellen – ein Treffpunkt sozusagen. In diesem Sinne fällt diesem „Unterprojekt“ die Rolle des Querschiffes in einer großen Kathedrale zu. Dieses Netz wird von der iberoamerikanischen Universitätsvereinigung für Aufbaustudien (Asociación Universitaria Iberoamericana de Posgrado, AUIP) unterstützt und verfügt über Mitglieder in Spanien, Portugal und vielen Ländern Lateinamerikas. Die Koordination zwischen der großen Zahl der Mitglieder dieses Netzes (ca. hundert) verbessert mit Sicherheit die Forschung über das Leibniz’sche Denken und lässt die Ergebnisse an Visibilität und Einfluss gewinnen. Sie wird ein hispanischer Beitrag zur internationalen leibnizschen Gemeinschaft sein. 2.3.3 Das dritte entscheidende Element in einer großen Kathedrale ist ein großer Altaraufsatz in der Apsis. Dieser ist meist das Juwel, welches mit dem größten Aufwand angefertigt wird – das wertvollste Stück der ganzen Kathedrale. Manchmal besteht dieser Altaraufsatz aus einem großen Bild oder einer außergewöhnlichen Skulptur; manchmal besteht er aber auch aus einer ganzen Reihe von Bildern, welche alle zusammen eine Geschichte erzählen. Dieses Element, welches mit der größten Mühe angefertigt wurde und das Ergebnis einer großen Menge von Untersuchungen und dem Lesen vieler Texte, Diskussionen und Überlegungen ist, ist die „Nova Leibniz“. Es handelt sich um eine Sammlung von Büchern kleineren Umfangs, jedoch von hohem wissenschaftlichem Niveau. Hier werden ausschließlich neue Forschungsergebnisse über Leibniz und seine philosophischen Überlegungen veröffentlicht. Diese Sammlung richtet sich an „Leibniz-Spezialisten“ und wird in den Hauptsprachen der internationalen Gemeinschaft veröffentlicht. „Nova Leibniz“ besteht aus einer Serie von qualitativ hoch3

http://www.leibniz.es/auipprincipal.htm (22.06.2012).

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wertigen Arbeiten, die neue Aspekte (Deutungen, Texte sowie Kritiken) präsentieren und diese in Beziehung mit den Ergebnissen setzen, welche historisch Stück für Stück durch das Lesen und die Diskussion des Leibniz’schen Werkes erzielt worden sind. Im Ganzen soll „Nova Leibniz“ ein Beitrag zu dem Bild sein, welches „Leibniz heute“ genannt werden könnte. Inzwischen sind die ersten drei Stücke des „Altaraufsatzes“ bereits erschienen und für alle interessierten Forscher zugänglich. 2.4 Letztendlich benötigt eine große Kathedrale allerdings nicht nur spektakuläre Elemente von großem architektonischem, malerischem, kulturellem oder historischem Wert. Damit sie als Einheit harmonisch und ausgewogen ist und damit das Außergewöhnliche auch als solches hervortritt, ist es erforderlich, dass ebenfalls kleine Seitenkapellen, Skulpturen, Altäre, Türen bis hin zu kleinen Ziegelsteinen eingearbeitet werden. All dies trägt in verschiedenen Graden dazu bei, das Gebäude fertigzustellen und eine harmonische, wertvolle und funktionelle Einheit zu schaffen. So gibt es im Projekt „Leibniz auf Spanisch“ eine Vielzahl von Komponenten, welche diese komplementäre Funktion erfüllen, die aber zugleich auch wesentlich für die Entwicklung des Geplanten, für den Entwurf neuer Initiativen und für die Beschreibung eines konstruktiven, neuen und nützlichen Weges sind. In den vergangenen acht Jahren, seit dem Beginn des Projekts, hat es vergebliche Initiativen, unerfüllte Erwartungen und unvorhersehbare Ereignisse gegeben. Aber es wurden auch kleine Ziele erreicht, neue Ideen und Vorschläge gemacht sowie erfolgreiche Versuche gestartet. Alle diese für das Hauptziel komplementären Elemente sind unerlässlich dafür, dass sich das Projekt weiterentwickeln kann. In diesem Sinne können die folgenden „kleinen Seitenkapellen und Altäre“ genannt werden: –



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hispano-portugiesische Zusammenarbeit (Acción Integrada Hispano-Portuguesa)4. Es handelt sich hier um eine Zusammenarbeit zwischen einem portugiesischen und einem spanischen Team mit dem Thema „Das Aufkommen der neuen Wissenschaften: G. W. Leibniz“. Seit drei Jahren besteht diese Zusammenarbeit und erweist sich als sehr nützlich, auch dafür, dass die Mitglieder beider Teams über die vorläufigen Schriften diskutieren können und sich in dem dichten Wald des Leibniz’schen Denkens zurechtfinden. Über die Zusammenarbeit hinsichtlich der Erstellung verschiedener Bände der Werke Leibniz’ auf Spanisch hinaus wird auch ein gemeinschaftlicher Band erscheinen. Weitere Ziegelsteine des Bauwerkes, die zu dem Bau der Kathedrale beitragen, sind die Kongresse, Tagungen und Versammlungen, die im Rahmen dieses Projektes organisiert wurden. Hier sind vor allem die in Sevilla (2002) und Granada (2007) organisierten Veranstaltungen zu nennen, sowie die Kongresse, die im Juli 2012 in Costa Rica und im Jahr 2012/13 in San Sebastián geplant sind. http://www.leibniz.es/granada-lisboa.htm (22.06.2012).

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Im Bereich der Forschung gibt es weitere Beiträge, die bereits durchgeführt wurden oder noch durchgeführt werden. Diese betreffen die Dissertationen, die im Rahmen dieses Projektes geschrieben werden. Diesbezüglich gibt es Forschungen dieser Art hinsichtlich der Beziehung zwischen der Biologie und der Metaphysik im Denken Leibniz’, über die Vorstellung der „Funktion“ in der Philosophie Leibniz’, über die Vorstellung des Atoms in Bezug auf die Beziehung zwischen Leibniz und Gassendi, über die Idee der „vis primitiva“ als Quelle der ästhetischen Erfahrung im deutschen Idealismus bis Kant und über die Vorstellung der Kraft als zentrales Element der Leibniz’schen Ontologie.

All diese Elemente sind vielleicht nicht gerade „große Kapellen“, aber sie sind zumindest „kleine Altäre“, welche zweifellos zu der Bereicherung des Gesamtbildes beitragen, also philosophisches Leben und eine intellektuelle Gemeinschaft schaffen. 3. WIE GESAGT, SO GETAN: SCHWIERIGKEITEN BEI DER DURCHFÜHRUNG Gehen wir nun zu den Schwierigkeiten über, welche sich bei der Durchführung dieses großen Bauprojektes über die Jahre hinweg ergeben haben. Diese sind verschiedener Art. 3.1 Bezüglich des Werkes Leibniz’ Die erste Schwierigkeit bezüglich des Projektentwurfs ist die Inexistenz einer kompletten, definitiven und kritischen Edition der Werke Leibniz’. Im Falle anderer Philosophen wurden ähnliche Aufgaben angegangen, aber diese konnten von einer kanonischen Edition ihres Werkes ausgehen. Dies spart viel Zeit und Arbeit, aber im Falle Leibniz gilt es zuerst, jeden einzelnen Band zu „erbauen“. Angesichts der Edition der Akademie und anderer Editionen, welche mehr oder weniger zugänglich und verlässlich sind, musste man eine sehr große Anzahl von Texten, je nach Thematik, konsultieren (oder ggf. viele Korrespondenzen), um die Menge von Texten auszuwählen, die jeden einzelnen Band bilden. Bei einigen Bänden ergab sich sogar die Situation, dass man mehrere Jahre benötigte, um mit dem Übersetzen beginnen zu können. Dieses Problem kann nicht während der Durchführung des Projektes gelöst werden; somit gibt es Bände, die Texte einer einzigen Edition beinhalten, während die meisten Bände Texte von verschiedenen Editionen beinhalten. Dies führt zwangsweise zu einer enormen bibliographischen Arbeit, die Aufschluss darüber geben muss, woher jeder einzelne der ausgewählten Texte stammt. Deswegen wird jeder Text von einer Identifikationskarte begleitet, welche vor dem Text zu finden ist und auf welcher alle bibliographischen Angaben vermerkt sind, von den Angaben des Leibniz-Archivs bis hin zu den Originalausgaben.

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Eine wichtige Entscheidung für das Projekt „Leibniz auf Spanisch“ war es, alle unveröffentlichten Texte zurückzuweisen. Es ist schier unmöglich, die Manuskripte eigens zu transkribieren, da dies einen zu großen Aufwand bedeuten würde. Deswegen stützt sich die spanische Edition auf die Gesamtheit der Texte aller Editionen, die es seit dem Tode Leibniz’ gegeben hat. Sofern die entsprechende Version verfügbar ist, erhält dabei die Edition der Akademie der Wissenschaften zu Berlin den Vorrang. Die zweite Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass die Schriften Leibniz’ sehr zerstreut sind. Es gibt kein Hauptwerk, in dem Leibniz seine Ideen festgehalten hat, stattdessen, wie allgemein bekannt ist, gibt es eine Unmenge kleiner Schriften, Kommentare, Überlegungen, Kritiken, Aufsätze etc. Dieser Umstand gleichwie die Tatsache, dass nicht alle Texte veröffentlicht wurden, zwingt zu unvollständigen Rekonstruktionen, die häufig riskant und immer mit einem hohen Grad an Ungewissheit verbunden sind. Man wird diese Tatsache leider nicht ändern können, denn sie ist selektiver und partieller Art. Trotz der tiefgehenden Deutung seiner Texte bleibt doch immer der Zweifel, ob wiederum Texte existieren, in denen Leibniz das in anderen Texten Bestätigte nuanciert oder überdenkt. Sein langer intellektueller Weg (mehr als fünfzig Jahre) und die thematische Vielfalt tragen dazu bei, dass jegliche Deutung seines Denkens bedingter und partieller Art ist. Dies führt unter anderem zu der Situation, dass das Leibniz’sche Werk bis heute noch nicht vollständig erschlossen werden konnte. Die dritte Schwierigkeit ist die spektakuläre Vielfalt der behandelten Problematiken, Wissenschaften und Ideen und die überaus kreative, innovative und gewagte Art, die Leibniz mit seinen Schriften vorgelegt hat. Historisch situiert er sich in die Tradition des cartesianischen Denkens, das er aufnimmt und ausführlich kritisiert. Gleichzeitig kennt, diskutiert und erweitert er den größten Teil der Wissenschaften, sowohl die etablierten als auch die in diesem Moment neu auftauchenden. Des Weiteren bindet er Traditionen vielfältig ein, beispielsweise den Aristotelismus, den Neuplatonismus, die Kabbala oder gewisse Aspekte der mittelalterlichen Philosophie. Mit all diesem schafft Leibniz eine neue Philosophie, die mit der Tradition verbunden und zugleich unglaublich innovativ ist; diese ist so verzweigt, dass man sagen kann, dass das, was Kant in der Tradition der modernen Aufklärung aus dem Leibniz’schen Denken nutzte, nur ein kleiner Teil von dem ist, was das Leibniz’sche Denken tatsächlich umfasst. Von Leibniz ausgehend wäre vielleicht sogar eine andere Moderne möglich gewesen. In jedem Falle ist diese Vielfalt von Themen, Wissen, Diskussionen, Aufsätzen, Kritiken, Vorschlägen etc. eine Herausforderung, der nur in einem kleinen Teil nachgekommen werden kann.

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3.2 Bezüglich des Entwurfs des Projekts Ein zweiter Bereich an Schwierigkeiten rührt aus dem Projektentwurf an sich her. Ein erstes Problem bezüglich dieses Aspektes, welches sich sowohl aus der quantitativen als auch qualitativen Mannigfaltigkeit des Leibniz’schen Werkes ergibt, ist, die Themen und die Korrespondenzen eines jeden Bandes aus der großen Menge des Materials auszuwählen. Letztendlich hat man sich an einigen der Hauptbereiche der Philosophie und Wissenschaft orientiert, die Leibniz besonders beeinflusst hat. Durch die gegenseitige Beziehung, welche Leibniz zwischen diversen Wissensgebieten und Ebenen des Wissens herstellt, hätten viele der ausgewählten Texte in verschiedene Bände mit aufgenommen werden können. Bezüglich der Korrespondenz sind zunächst die Texte ausgewählt worden, welche den meisten nachträglichen Einfluss hatten, sei es durch ihre Erarbeitung, ihre Entwicklung oder durch ihre Relevanz des Gesprächspartners; außerdem wurden diese in den Bänden nach thematischen Kriterien geordnet. Das Endergebnis wird im Folgenden präsentiert. Insgesamt repräsentiert die geplante spanische Edition einen minimalen Teil, wenn auch zu hoffen ist, dass dieser von Bedeutung für die philosophische Produktion ist. Plan de Edición – – – – – – – – – – – –

Volumen 1: Filosofía del conocimiento Editores: Juan A. Nicolás – Quintín Racionero Volumen 2: Metafísica Editor: Angel Luis González Volumen 3: Ciencia general Editores: Quintín Racionero – Bernardino Orio Volumen 4: Enciclopedia Editores: Quintín Racionero – Bernardino Orio Volumen 5: Lengua universal, Característica y Lógica Editores: Julián Velarde – Alejandro Herrera – Leticia Cabañas Volumen 6: Nuevos ensayos sobre el entendimiento humano Editor: Javier Echeverría Volumen 7: Escritos matemáticos Editor: Marisol de Mora Volumen 8: Escritos científicos Editor: Juan Arana Volumen 9: Escritos médico-filosóficos Editor: Adelino Cardoso Volumen 10: Teodicea Editor: Tomás Guillén Vera Volumen 11: Escritos teológicos y religiosos Editores: Agustín Andreu – Socorro Fernández – Ildelfonso Murillo Volumen 12: Escritos éticos, políticos y jurídicos I Editores: Jaime de Salas – José Atencia – Concha Roldán – Txetxu Ausín

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Volumen 13: Escritos éticos, políticos y jurídicos II Editores: Concha Roldán – Txetxu Ausín – Jaime de Salas – José Atencia Volumen 14: Correspondencia I: A. Arnauld, Des Bosses Editores: Juan A. Nicolás – María Ramón Cubells Volumen 15: Correspondencia II: N. Malebranche, Ch. Wolff, G. Wagner, Th. Hobbes, B. Spinoza, P. Bayle, S. Foucher Editores: Juan A. Nicolás – Rogelio Rovira Volumen 16: Correspondencia III: J. Bernoulli, B. de Volder Editor: Bernardino Orio Volumen 17: Correspondencia IV: Papin, Stahl, Bourguet, Huygens, Lady Masham Editores: Juan A. Nicolás – G. Ranea Volumen 18: Correspondencia V: S. Clarke, P. Carolina, H. Conring, Pape, E. Hessen-Rheinfels, S. Pufendorf Editores: Juan A. Nicolás – Eloy Rada Volumen 19: Correspondencia VI: Bossuet, Rémond, Eckhart, Molanus, Pellisson, Alberti, Spinola, Mme. De Brinon, St. Pierre Editores: Juan A. Nicolás – M. Mendonça Volumen 20: Indices Editores: Juan A. Nicolás – Manuel Sánchezs

Das zweite Problem hinsichtlich des Entwurfs des Projektes hat mit den linguistischen Anforderungen zu tun. Bekanntlich ist der größte Teil des Leibniz’schen Werkes in Latein verfasst. Allerdings lernen die Studenten der Philosophie heute in Spanien und auch größtenteils in den Ländern und Universitäten Lateinamerikas kein Latein mehr. Das bedeutet, dass es schwierig ist, Forscher zu finden, welche der lateinischen Sprache sowie dem Französisch des 17. Jahrhunderts gewachsen sind, die die moderne Philosophie und im Besonderen die Leibniz’sche kennen und die daran interessiert sind, an einem Übersetzungsprojekt dieser Art teilzunehmen. Deshalb ist man gezwungen, sich an Wissenschaftler zu wenden, die Latein gelernt haben, zumeist an Forscher des theologischen Bereiches, wo Latein noch immer Bestandteil der Ausbildung ist, oder auch an junge Forscher, deren Grundausbildung die klassische Philologie (Latein) einschließt, die sowohl Interesse als auch eine fundierte philosophische Ausbildung genossen haben. Insgesamt nehmen an dem Projekt mehr als fünfzig Forscher teil. An dritter Stelle stellt die Koordination eines solchen Projekts, bei dem so viele Personen unterschiedlicher wissenschaftlicher (respektive philosophischer) und geographischer Herkunft teilnehmen, eine Schwierigkeit dar. Nicht immer stimmen die philosophischen Interessen, die Motivation der Teilnahme, die zur Verfügung stehende Zeit, die Arbeitsrhythmen, die Sprachkenntnisse, die berufliche Stabilität, die Erfahrung in der Übersetzung von Texten oder die Teilnahme an Forschungsprojekten überein. Alle diese verschiedenen Situationen und Interessen in Einklang zu bringen, stellt eine der größten Herausforderungen dar. Auseinandersetzungen zu vermeiden, Interessen zu koordinieren, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der verschieden großen Teams zu erreichen, dies alles sind die

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schwer zu bewältigenden Aufgaben innerhalb des täglichen Ablaufs des Projektes. Im Augenblick verursacht dieser Prozess einige Schwierigkeiten, aber trotz allem soll ein Band pro Jahr veröffentlicht werden, was bis heute auch geschafft wurde und was auch für die nächsten Jahre garantiert ist. Aber auf die gesamte Laufzeit des Projektes gesehen stellt dies die größte Unsicherheit dar. Immer wenn ein Forscher oder eine Forschergruppe seine bzw. ihre Arbeit an einem Band beendet hat, ist die „Aufgabe“ erfüllt. Das bedeutet, dass er bzw. sie nicht immer dazu bereit ist, an neuen Bänden mitzuwirken. Dadurch verändert sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Forscher stetig. Schließlich, an vierter Stelle, gibt es auch finanzielle Schwierigkeiten. Bis jetzt konnte man sich – wie oben bereits erwähnt – auf die Finanzierung verschiedener spanischer öffentlicher und privater Einrichtungen verlassen. Aber die Finanzierung ist nur begrenzt garantiert, und die aktuelle wirtschaftliche Krise gibt Grund zur Besorgnis, auch hinsichtlich der Fertigstellung des Projekts. Die Hauptausgaben, die das Projekt bis heute verbucht hat, bilden Versammlungen, das technische Hilfspersonal sowie die Publikation der Bände. Alle Herausgeber der Bände, Übersetzer, Revisoren und Koordinatoren des Projektes stellen ihre Arbeit großzügig, ohne persönliches Interesse und kostenlos bereit. Bis heute ist es bedauerlicherweise nicht möglich, weder Übersetzer noch Koordinatoren zu bezahlen; zudem ist es unwahrscheinlich, dass diese Situation in Zukunft verbessert werden kann. Dieser Punkt ist besonders hervorzuheben, denn ohne diese Unterstützung könnte sich das Projekt kaum oder gar nicht weiterentwickeln. Diesbezüglich soll jedoch betont werden, dass bis jetzt die zur Verfügung stehenden Mittel genutzt werden und dass der finanzielle Aspekt nicht das Hauptproblem für die Umsetzung des Projektes darstellt. 3.3 Bezüglich der Durchführung des Projektes Die Durchführung des Projektes verursacht seit dessen Beginn Probleme verschiedener Art. Daraus resultiert, dass eine große Anpassungsfähigkeit hinsichtlich der „anfänglichen“ Pläne an die Umstände, die sich manchmal unvorhersehbar bei der Durchführung des Projektes ergeben, gefordert ist. Die erste Schwierigkeit, die bereits weiter oben genannt wurde, ist der Mangel an Mitarbeitern. Ein Projekt wie das einer großen Kathedrale, welches hier beschrieben wurde, benötigt viele Mitarbeiter mit den unterschiedlichsten Qualifikationen. Manchmal gibt es genügend Spezialisten für eine Aufgabe, aber das ist nicht der Regelfall. Das Projekt entwickelt sich zwar im Rahmen eines angemessenen Tempos, nämlich mit einem Band pro Jahr, die Schwierigkeit allerdings besteht darin, diesen Rhythmus fortzuführen, wofür die Eingliederung neuer Mitarbeiter nötig sein wird. Eine zweite Schwierigkeit ist die sich stets verändernde Quellenlage. Zum Beispiel die Übersetzung der Korrespondenz Leibniz – Arnauld: Als mit dieser Übersetzung begonnen wurde, war die zuverlässigste und vollständigste Edition die von Reinhard Finster aus dem Jahre 1997. Von dieser ausgehend hatte man eine eigene Übersetzung angefertigt. Schon einige Monate nach der Veröffent-

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lichung des entsprechenden Bandes, der diese Korrespondenz enthielt, erschien ein Band der Akademie mit ebendieser Korrespondenz. Die Unterschiede waren bedeutend. Ähnliche Probleme gab es mit anderen Texten. Das zeigt, dass eine gute Beziehung zwischen den Instituten, die diese Edition der Akademie erarbeiteten, fundamental ist. Außerdem ist es sehr nützlich, dass die Texte, die transkribiert werden, auf der Webseite der Leibniz-Edition zugänglich sind. Die dritte Schwierigkeit bei der Durchführung des Projektes stellt schließlich der 20. Band dar, der die „Verzeichnisse“ der kompletten Edition enthält. Hier kommt es zu Problemen beim Entwurf dieses Bandes, wie sie bereits aufgezeigt wurden, und außerdem zeigt sich der technische Aspekt für die Gestaltung aller nötigen Verzeichnisse als äußerst schwierig. Die Originaltitel und ihre Übersetzungen müssen in Einklang gebracht werden. Es muss eine Lösung dafür gefunden werden, dass manchmal ein und derselbe Text verschiedene Titel in verschiedenen Editionen hat. Des Weiteren gibt es auch unterschiedliche Texte mit dem gleichen Titel. Darüber hinaus muss auch eine Lösung dafür gefunden werden, welche Verzeichnisse wirklich relevant sind, sowie auch für die Schwierigkeiten bei den ungewissen oder ungenauen Datierungen vieler Texte, hinsichtlich der chronologischen Reihenfolge, der verschiedenen Schreibweisen von Namen und Orten. Es muss eine detaillierte und präzise Korrespondenz zwischen den verschiedenen verwendeten Editionen gefunden werden, eine detaillierte Aufstellung von Namen, Personen, Orten, Konzepten, etc. All dies ist eine mühselige Arbeit und die korrekte technische Handhabung dieser Schwierigkeiten erweist sich als überaus kompliziert. Aber diese Schwierigkeit wird Schritt für Schritt gemeistert, bis man einen Band mit präzisen, detaillierten und effizienten Verzeichnissen in den Händen halten kann. 4. PERSPEKTIVEN: EINE GROSSE KATHEDRALE DES 21. JAHRHUNDERTS 4.1 Aus chronologischer Sicht sollte das Editionsprojekt im Jahr 2027 seine Ziele erreicht haben. Das bedeutet, dass der augenblickliche Arbeits- und Publikationsrhythmus beibehalten werden muss, was sehr schwierig ist. Über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg können viele verschiedene Störungen oder Umstände (finanzieller, textueller, personeller oder verlegerischer Art) auftreten, die das Projekt verlangsamen oder gar zum Stillstand bringen können. 4.2 Aus verlegerischer Sicht ist diese Edition eine der größten Unternehmungen, die je geleistet wurden. Zwar gibt es gute Ansätze (Patricio de Azcárate, Ezequiel de Olaso, Agustín Andreu), doch eine umfangreiche Übertragung der Schriften von Leibniz ins Spanische ist bisher nicht gelungen.

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Innerhalb der spanischen Kultur ist dieses Projekt, wenn man es in seiner Gesamtheit betrachtet, ein wichtiger Meilenstein und kann als bedeutender Präzedenzfall gesehen werden, der für ähnliche Aufgaben als Beispiel dienen kann. Die Herausforderung besteht darin, eine effiziente Zusammenarbeit zwischen vielen Forschern über viele Jahre hinweg zu erreichen. 4.3 Aus philosophischer Sicht besteht die Aussicht darauf, dass diese massive Arbeit des Lesens, der Übersetzung und der Publikation von hunderten von Texten in der internationalen Gemeinschaft bedeutenden Anklang findet. Es können mindestens drei problematische Punkte aufgezeigt werden, auf die diese Edition Einfluss im Hinblick auf die Transformation oder Rekonstruktion des Leibniz’schen Denkens hat. 4.3.1 In erster Linie soll die geplante spanische Edition zur Erweiterung des Studiums der philosophischen Quellen beitragen. Über die unmittelbaren Quellen der cartesianischen Tradition hinaus wurde viel über den Einfluss der kabbalistischen, alchemistischen, vitalistischen und neuplatonischen Tradition der Renaissance erarbeitet und veröffentlicht. Ebenso wurde die Wichtigkeit dieser Tradition zum Ausdruck gebracht, um so Leibniz in seiner Gesamtheit zu verstehen. Eine besondere Herausforderung besteht darin, die aristotelische Tradition in ihren vielen verschiedenen Versionen mit demselben historischen Detailreichtum zu rekonstruieren. 4.3.2 Außerdem wurde eine Serie von Forschungen in Gang gesetzt, die sich der Architektonik des Leibniz’schen Denkens widmen. In diesem Forschungskreis kann das Überdenken der Rolle der Logik und ihrer Beziehung zur Metaphysik hervorgehoben werden, denn es geht über die reduktionistischen Deutungen hinaus und schlägt eine Brücke zum logischen Rationalismus des 20. Jahrhunderts. Es geht auch darum, die Rollen der Endlichkeit der Vernunft, der Erfahrung und der Körperlichkeit als Aspekte dieser Endlichkeit einzugliedern, und der „Vorherrschaft der Struktur“ (Systematizität) einen angenommenen monadologischen Atomismus gegenüberzustellen. Auch gehören zu dieser Forschungslinie die Versuche der Systematisierung der Leibniz’schen Ontologie ausgehend von der Vorstellung der Kontinuität und der symbolischen Vernunft gleichwie ausgehend von der Vorstellung der Ordnung und der systemischen Individualität sowie der Rekonstruktion einer modalen Ontologie.

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4.3.3 Schließlich wird gerade eine Forschungslinie im Hinblick auf die nachträgliche Leistung der Leibniz’schen Philosophie entwickelt. Über den Schatten Kants und den Einfluss auf den Atomismus und den logischen Neopositivismus hinaus versucht man die Rolle Leibniz’ in dem Moment der Krise der Moderne zu entschlüsseln. Dafür wird sein Einfluss in den so unterschiedlichen Bereichen wie der Geschichte der Wissenschaft, dem Idealismus Hegels, der Hermeneutik Nietzsches oder Leibniz’ eigener Beitrag zur Konstruktion der Idee Europas als kulturelle Einheit rekonstruiert. Damit möchte man die Kapazität des Leibniz’schen Denkens ausloten, um darauf aufbauend Alternativen zum modernen aufgeklärten Denken vorschlagen zu können. In einem Moment, in welchem die Tradition der Aufklärung eines experimentellen Defizits der Erfahrung und der Systematizität angeklagt wird, präsentiert Leibniz einen einheitlichen Vorschlag der Vernunft gegenüber einer gespaltenen modernen Vernunft. Dieses vielseitige Panorama des Projektes „Leibniz auf Spanisch“ strebt danach, einen bescheidenen Beitrag zum Wissen, zur Diskussion und zur Nutzung des Leibniz’schen Denkens zu leisten. Somit hat es zum Ziel, an der Konstruktion einer großen Kathedrale des 21. Jahrhunderts mitzuwirken, die helfen soll, eine menschlichere Welt zu schaffen, das heißt, eine gerechtere, aufgeklärtere und friedlichere, ganz so, wie es Leibniz vor Augen hatte.

Antonio Lamarra (Rome)

WHEN LEIBNIZ EDITED LEIBNIZ – THE CASE OF THE COLLECTED ESSAYS FOR EUGENE OF SAVOY As is well known, Leibniz published only a minor part of his philosophical papers: in the end, fewer than thirty short articles, which were disseminated among various learned journals and his Theodicy. Considering the astonishing size of his manuscript legacy, one might say that thinking and writing were so intimately linked for him that these were almost like two sides of the same coin, whereas the limited number of his published contributions suggests that, once he had written a paper, the intention to publish it did not flow spontaneously from his mind. Writing belonged to a private sphere that did not beseech – or rather beseeched really good reasons – to be disclosed to the public. Accordingly, the meticulous care with which he often amended various copies of his manuscripts must also be regarded as guided by the desire to achieve clarity of personal thought, rather than to improve public understanding. As a consequence, this learned and pioneering scholar, who was able to collect and edit hundreds of pages of ancient documents of historical importance was, at the same time, one of the philosophers of the Early Modern Age who took care of editing his own papers less than others. Nevertheless, at least once, he was considerably involved in the preparation of a selected collection of his writings, which opened with the Principes de la nature et de la grâce. Albeit the intended recipient of this collection of manuscripts was a single person, it was organised in analogy with a project of a larger collection of writings that was indeed destined to publication. This project had been repeatedly discussed in the correspondence between Leibniz and Nicolas Rémond starting from 1713, but between spring and summer of 1714 he personally supervised the preparation of a small collection of texts he had carefully edited and which he finally presented to Prince Eugene of Savoy. When I accepted the invitation to contribute a paper to this meeting dedicated to reflect on the tradition, meaning and challenges of the Leibniz editions, I chose to focus on the case of the collected essays for Eugene of Savoy, not simply because of the uniqueness and importance of the event, but also because that episode and a number of related circumstances were in many ways at the origin of the editorial initiatives in which I was directly involved. The intensive study that, from the late of 1990s, I dedicated to the final decades of Leibniz’s intellectual biography and to the Vienna period in particular,1 is deeply related to the very idea of collecting Leibniz’s 1

As a matter of fact, the only text I had ever edited before (a two-page letter by Leibniz to A. L. Königsmann) belonged to the same Vienna years. See: A. Lamarra: “Théologie, métaphysi-

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contributions to the learned journals (which I shared with R. Palaia). It also played into my decision to edit the codex of manuscripts that Leibniz offered to Prince Eugene (which is currently under preparation), as well as in the development of the project to set up an online platform that includes digital editions of the main philosophical works and articles by Leibniz (which is part of an ongoing collaborative project I share with R. Palaia and C. Marras). In this light, let me briefly recall some aspects and events of the late part of Leibniz’s stay in Vienna, insofar they are relevant to this paper. 1. PERSONAL RELATIONS WITH EUGENE OF SAVOY AND WITH NICOLAS REMOND: AN EXAMPLE OF CROSSED DESTINIES Those who are familiar with the remarkable novels written by Italo Calvino2 will easily understand why I would use the expression ‘crossed destinies’ to refer to some of the effects of Leibniz’s personal relations with prince Eugene of Savoy and of his correspondence with Nicolas Rémond. These two series of events did indeed cross paths at certain moments and interfered with each other by producing effects that had not originally been planned. Let me briefly summarise. During the spring and the summer of 1714 (most probably between April and August) Leibniz first wrote the Principes de la nature et de la grâce for Eugene and then started writing the so-called Monadology to satisfy Rémond’s request for some clarifications about his doctrine of the monads. Before leaving Vienna at the beginning of September, he had managed to finish the text of the Principes, a manuscript copy of which he offered to Eugene, whereas the text of Monadology was completed only later, once Leibniz was back in Hanover. However, he never sent a copy of Monadology to his Parisian admirer, who quite unexpectedly received another manuscript copy of the Principes, the text Leibniz had written for Eugene in Vienna. On the other hand, since June 1713, the plan of collecting Leibniz’s contributions to the journals, which would be relevant in clarifying his philosophical views, was repeatedly discussed in the correspondence between the philosopher and Rémond. The latter would have liked to publish a two-volume edition including Theodicy and the collected articles, in order to offer to the public a large insight into the Leibnizian thought.3 Leibniz seemed seriously interested in such an initiative, with the only condition being that the collection of his articles be opened by the short text he had just written for Prince Eugene, the Principes de la nature et de la

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que, science générale: une lettre inédite de Leibniz à A. L. Königsmann”, in: Studia Leibnitiana 14, 2 (1992), pp. 133–144. One of the major Italian writers of the second half of the 20th century, Italo Calvino (1923– 1985) was rather fascinated by the idea of literature as a combinatorial play. The work in which he best expressed his interest for combinatorics was the novel The Castle of Crossed Destinies (I. Calvino: Il castello dei destini incrociati, Torino 1973). Just starting from the first letter he addressed to Leibniz, Rémond encouraged him to bring together the contributions he had, until then, dispersed and to classify them according to the various disciplines; see Rémond to Leibniz, June 2, 1713 (GP III, 604).

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grâce.4 Unfortunately, Leibniz never sent the list of articles to be collected to Paris and, as a consequence, the Rémond edition of Leibniz’s philosophical writings never saw the light of day. However, a collection of texts, much shorter than that planned in Paris, and yet constructed with exactly the same structural plan and animated by the same purpose, was produced in the form of a codex of manuscripts that was presented to Eugene, but not to Rémond. In other words, Rémond solicited Monadology from Leibniz, but instead received a copy of the Principes, originally written for Eugene. Meanwhile, Eugene received as a gift a codex of manuscript texts that had been collected following, on a small scale, an editorial plan originally discussed with Rémond. In this way, two parallel philosophical relationships Leibniz had during his stay in Vienna crossed and produced mutual effects unbeknownst to each other. 2. LEIBNIZ’S CONTRIBUTIONS TO THE LEARNED JOURNALS Leibniz once described himself as an abstract and acroamatic philosopher.5 When he defined his philosophical style as abstract, one can think he was referring to the metaphysical foundations of his own philosophy, as well as to the overall image of the reality it offered, since it grants almost nothing to imagination. By claiming that his style was acroamatic, he surely meant that his philosophy was not popular and was likely hinting at his great parsimony in making public his own thoughts. In fact, for his contemporaries to know in depth his philosophy must have been a quite difficult task; the great majority of his writings remained unpublished, and the very few he published were scattered among many different journals. He was clearly aware that, in spite of appearances, his philosophy was not at all esoteric, when he replied to Placcius that those who only knew him through what he had published simply did not know him.6 Be this the result of a deliberate choice or just the outcome of factual circumstances, the desire to see his articles assembled at least was rather common among his correspondents. As a matter of fact, Rémond was not the first to suggest to Leibniz the idea of collecting his philosophical articles, in the absence of a systematic work. We know that, for instance, Leibniz had discussed the same subject with Philippe Naudé at least twelve years earlier.7 4 5

6 7

See Leibniz to Rémond, August 26, 1714 (GP III, 624); cf. below note 18. See Nouveaux essais sur l’entendement humain, Préface; A VI, 6, 47–48: “En effet, quoique l’Auteur de l’Essay, dise mille belles choses où j’applaudis, nos systèmes different beaucoup. Le sien a plus de rapport à Aristote et le mien à Platon, quoique nous nous eloignions en bien des choses l’un et l’autre de la doctrine de ces deux anciens. Il est plus populaire, et moi je suis forcé quelque fois d’etre un peu plus acroamatique et plus abstrait, ce qui n’est pas un avantage pour moi, sourtout écrivant dans une langue vivante.” Leibniz to Placcius, February 21, 1696: “Unde satis intellexi, me ipsi [i.e. to E. Weigel] exotericum videri: scilicet qui me non nisi editis novit, non novit” (Dutens VI, 1, 65). Leibniz to Naudé, January 15, 1701: “Je penseray à faire mettre ensemble mes petits pensées détachées et dispersées par plusieurs journaux et autres livres; puisque vous croyez que cela pourroit être utile” (E. Bodemann: Der Briefwechsel des G. W. Leibniz, Hannover 1895, p. 202).

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Many contemporaries understood that Leibniz’s philosophy was dispersed in a myriad of fragments like in an anamorphosis. On the other hand, Leibniz himself was aware that Theodicy, the only book he published, was not at all sufficient to provide a complete overview of his philosophy. Therefore, in the last years of his life, he began to agree that some collection of the articles he had published in the journals could supplement the doctrines he had only partly developed (or had completely left aside) in the Theodicy, at least regarding the principles of his philosophy.8 Of course, at the end of the 1990s, when Roberto Palaia and I started collecting the philosophical and scientific contributions Leibniz published in the learned journals, our primary purpose was not to make a belated tribute to one of the philosopher’s several unrealized projects. Rather, we wanted to provide a useful research tool for scholars who wished to consider Leibniz’s presence and role in the European cultural debate between the 17th and 18th centuries from an historical perspective. These articles had never been assembled by the editors of Leibniz before, nor was it likely that they ever would be. With our efforts, a facsimile edition of Leibniz’s articles in the learned journals was eventually published in 2005, in three volumes of about 1,300 total pages, and an additional volume including all of Leibniz’s anonymous book reviews in the journals is now planned.9 The main challenge in this work was the lack of a truly complete and reliable catalogue of Leibniz’s contributions, despite the availability of the admirable Bibliographie des Œuvres de Leibniz, edited by Émile Ravier in 1937, and the supplementary information provided by Paul Schrecker the year after.10 Only by returning to the original journals and through archival research at the Leibniz-Bibliothek and especially at the Leibniz-Archiv was it possible to revise Ravier’s bibliography and establish a more complete and accurate list of Leibniz’s articles.11 The three volumes include 188 separate items that we distinguished into two categories: (a) the articles whose authorship was definitely or at least sufficiently clear, and (b) other contributions that, properly speaking, could not be considered articles or that, although they could, were nonetheless anonymous (twenty-three in total). According to this classification, the largest part of Leibniz’s contributions were grouped under the title Les articles de Leibniz dans le journaux

8 See Leibniz to Rémond, Vienna, July 1714 (GP III, 618): “Il est vray que ma Théodicée ne suffit pas pour donner un corps entier de mon Système, mais en y joignant ce que j’ay mis en divers Journaux, c’est à dire, de Leipzig, de Paris, de M. Bayle, et de M. Basnage, il en manquera pas beaucoup, au moins quant aux principes.” 9 G. W. Leibniz: Essais scientifiques et philosophiques. Les articles publiés dans les journaux savants, 3 vols., ed. by A. Lamarra and R. Palaia, Preface by H. Schepers, Hildesheim – Zürich – New York 2005 (below I will quote this edition as “Leibniz 2005”). By adding a volume that included Leibniz’s anonymous book reviews, we would collect all of Leibniz’s contributions to the journals. 10 E. Ravier: Bibliographie des œuvres de Leibniz, Paris 1937; P. Schrecker: “Une bibliographie de Leibniz”, in: Revue philosophique de la France et de l’étranger 63 (1938), pp. 324–345. 11 Also, on behalf of R. Palaia, I wish to thank once again both the library and the archive for their support. Moreover, I feel especially indebted to Herbert Breger, whose help was really precious, and to Heinrich Schepers, who kindly accepted to write the preface to the volumes of the facsimile edition.

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savants, which includes those contributions (145 different items) that can properly be considered articles whose authorship is evident or can easily be detected; the remaining forty-three items, which are anonymous short editorial notes, authored book reviews, or text and document editions, have been included in an appendix. As regards the first group, it must be noted that the actual number of the authored Leibniz’s articles is not 145 but 136, because three of them were published in two separate parts, two were republished in a different journal, and four were republished in translation. The third volume contains different kinds of indexes: in addition to the separate indexes of the articles and of the contributions in the appendix, there is also a general chronological index, an index of all contributions grouped by journal, and a thematic index. Although Leibniz’s articles in the learned journals certainly represent only a small fraction of the texts he produced over his fifty years of extraordinary scientific and philosophical activity, they nevertheless disclose a fairly unitary picture of the theoretical landscape of an entire lifetime, illustrating Leibniz’s rational creativity, as well as the encyclopedic amplitude of his boundless intellectual curiosity. In the meantime, they convey to us a somewhat unusual profile of his genius, which was that one he wanted to offer to his contemporaries. It might seem that philosophy occupies too small a place within it, but this fits well within a line of thought according to which, as was the case for Leibniz, philosophical reflection accompanies developments in science and feeds on their progress. 3. DE LA NATURE ET DE LA GRÂCE: THE EDITION OF THE CODEX One may regret that neither Leibniz nor any of his correspondents and admirers could realise the project of bringing together in one edition the various contributions he had scattered in about twenty journals over the years. However, we should also ask why the only case in which Leibniz collected at least some of his texts with the specific intent of clarifying his metaphysical views has been completely ignored by scholars. As is well known, the confusion that occurred for a very long time between the Principes de la nature et de la grâce and Monadology not only overshadowed the text of the Principes,12 but it also darkened the circumstances of its drafting and its author’s motivations. Among other things, for more than two centuries, scholars have completely ignored the fact that Leibniz offered Eugene not only a copy of the Principes, but also a little codex of manuscripts combining six texts, three of which were unpublished at that time. Clearly, Leibniz’s aim when preparing the ‘collected essays’ for Eugene was to provide the prince with a selection of texts that was, albeit small, a fair summary of hies thought, as he explained to Bonneval a few months later in a letter published by 12 On this subject, let me return to my essay, “Le traduzioni settecentesche della Monadologie. Christian Wolff e la prima ricezione di Leibniz”, in: A. Lamarra/R. Palaia/P. Pimpinella: Le prime traduzioni della Monadologie di Leibniz (1720–1721). Introduzione storico-critica, sinossi dei testi, concordanze contrastive, Florence 2001, pp. 1–117.

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A. Robinet in 1954.13 The codex of manuscripts presented to Eugene, which I am used to call De la nature et de la grâce because of the words engraved on the back of the binding, belongs to the Vienna National Library and includes: – – – – – – –

[table of contents (f. 1r)], Principes de la raison et de grâce (ff. 7–39), Système nouveau (ff. 42–83), Eclaircissement du nouveau système de la communication des substances (ff. 84– 102), Eclaircissement de l’harmonie préétablie entre l’âme et le corps (ff. 104–107), Lettre sur les changements du globe de la terre (ff. 108–127), Objections de M. Bayle avec les réponses de l’auteur du système (ff. 128–206).14

It is worth noting that both the Principes and the last text, the Objections de M. Bayle avec les réponses de l’auteur du système, had been expressly written in Vienna for the benefit of Prince Eugene. Gerhardt published this text under the title Extrait du Dictionnaire de M. Bayle article Rorarius p. 2599 sqq. de l’Edition de l’an 1702 avec mes remarques,15 but he incorrectly dated it to the year 1702, as if it contained excerpts from Bayle’s Dictionary, which alternated with lecture notes written by Leibniz immediately after its publication. Instead, an examination of the Hanover manuscript obliges us to move the date of this text to the years of Leibniz’s stay in Vienna, on the basis of the characteristics of the paper, as was already noted by C. Strack at the beginning of the past century.16 Even more interesting, the fifth text on the list, i.e. the Lettre sur les changemens du globe de la terre, is still unpublished. It summarises many themes developed by Leibniz in his theories regarding 13 Leibniz to Bonneval, end 1714: “Mais pour faire un petit volume, j’y ay joint [to the Principes] des reponses aux objections de M. Bayle et d’autres habiles gens. Ces reponses sont imprimées excepté la dernière, et la plus ample, par laquelle j’ay taché de satisfaire aux repliques de M. Bayle qui sont dans son dictionnaire. J’ay composé cela exprès à Vienne, afin que rien ne manquât en ce genre à S. A. S” (G. W. Leibniz: Principes de la raison et de la grâce fondés en raison. Principes de la philosophie ou Monadologie, publ. by A. Robinet, Paris 1954, 3 1986, p. 17). 14 Austrian National Library, Cod. 10.588. The copies of the Système nouveau as well as those of the two Eclaircissement (the so-called First and Third Explanation of the New System), were based on the original texts published by the Journal des savants respectively, on June 27, and July 4, 1695 (pp. 294–306), April 2 and 9, 1696 (pp. 166–171), November 19, 1696 (pp. 451–455). Cf. Leibniz 2005, n. 71 and n. 72, pp. 373–385 (GP IV, 477–487); n. 78 and n. 79, pp. 407–412 (GP IV, 493–498); and n. 82, pp. 433–437 (GP IV, 500–501). The Principes and the other two texts were unpublished. 15 See GP IV, 524–554. 16 See C. Strack: Ursprung und sachliches Verhältnis von Leibnizens sogenannter Monadologie und den Principes de la nature et de la grâce, Inaugural-Dissertation, Berlin 1915, pp. 31–33. I wish to thank H. Breger for having examined the Hanover manuscript upon my request to check once again the results of Strack’s work. A comparison of the text published by Gerhardt with that included within the Vienna codex suggests that Leibniz kept for himself a copy of the text whose original version had been included in the codex for Eugene, and this copy is what he brought to Hanover.

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the physical changes in the Earth over time and can be identified as the reply to a letter sent to Leibniz on April 14, 1714 from Louis Bourguet. The main reason that this very interesting letter is still unpublished is that it is – as to say – hidden within this codex, because – by mistake – it was neither listed in the autograph summary nor, as a consequence, mentioned in the library catalogue. Evidently, no one had ever really skimmed through the sheets of that codex in the past. Three different scripts can easily be distinguished, one of which likely belongs to the secretary Leibniz hired in Vienna, another to an occasional scribe, and the third one to Leibniz himself. The occasional scribe was later identified by C. Strack as Heinrich Köhler, a young scholar who had studied with Chr. Wolff in Halle.17 Leibniz personally wrote the table of contents and the last twenty sheets of the codex. The first and the sixth manuscripts include several autograph corrections and changes. The circumstances and the motivations that characterise the preparation of the codex De la nature et de la grâce (not to mention its content) strongly justify a critical edition. I do not think, however, that it would make much sense to imagine such an edition as the sum of the critical editions of the individual manuscripts that compose the codex since, for many reasons, such a methodology would lead to paradoxical results by proposing a collection of texts that, in fact, never existed: the copy of the Principes the codex includes, for instance, is not the final one, although it reflects a very advanced stage of the writing of the text, whereas the copy of the Système nouveau reproduces the printed version (1695), discarding variants and corrections made by Leibniz after his contribution had already been published. Since the codex is interesting in itself, it is therefore preferable to edit it as a whole, as it was prepared and edited by Leibniz himself in a single original. A double transcription of the codex – one linear, one diplomatic – can be usefully envisaged. The former would make it easier to read and study the texts, while the latter would enable a more precise knowledge of each manuscript and its place in the process of generation of the text. A diplomatic transcription of the manuscripts is the most suitable, indeed, in order to save any kind of information concerning the various phases of composition of each individual text, as well as the stratification of corrections, erasures, and additions to the texts made personally by Leibniz. In this way, it will be possible to study in depth the genesis and structure of the codex, while simultaneously offering transcriptions of the various manuscripts that could be extremely useful for the critical editions of the individual texts it includes, which would be done in the future. The Principes play a key role in this collection of text, as they should have done in the two-volume edition planned by Rémond: they open the codex De la nature et de la grâce and introduce the Système nouveau, the manifesto of Leibniz’s philosophy, which was specifically addressed to Cartesian philosophical circles. 17 Ibid., pp. 26–28. Köhler was the first translator (and editor) of Leibniz’s Monadology. His presence in the study of Leibniz in Vienna helps to clarify the circumstances that later enabled him to edit and translate some of Leibniz’s texts and, at the same time, to introduce into the history of Leibniz’s reception a long lasting confusion between Monadology and Principes de la nature et de la grâce. On this issue, I refer back to the essay I quoted in note 12.

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Along with the last text of the collection, a reply to Bayle’s remarks on the philosophy of pre-established harmony, the Principes had the task of offering a hermeneutical key to the philosophical essays Leibniz had intended for the public. As he wrote to Rémond, indeed, he hoped that the short text written for Prince Eugene, read in connection with the articles he had published in the European journals, would improve the understanding of his philosophy. The reasons for this expectation are of very high interest. Indeed, Leibniz reveals to his correspondent the clever and deliberate rhetorical strategy he had followed in preparing the texts for submission to the various journals, which largely consisted in adopting the language and the style of the readers of the journals: the language of the scholars in the articles for the Acta eruditorum, and that of the Cartesians in the other journals. When writing the Principes, on the contrary, he had endeavored to be understood by those who were not yet too accustomed to the style of one or the other.18 In the light of such an admission by Leibniz, we should probably re-read the philosophical articles he published with a new critical approach, which takes full account of his rhetorical and persuasive strategy, while acknowledging a specific hermeneutic value to the Principes. I think that the critical edition of the Vienna codex should be useful for the specialists of the Leibniz editions and I hope that the availability of the small collection of texts included in this codex would be interesting to all of those who wish to deepen their knowledge of Leibniz’s thought. 4. THE LEIBNIZ DIGITAL EDITION IN THE DAPHNET PORTAL The availability of texts in digital format, especially if they are enriched with metatextual information, is a perfect precondition for research in the field of the history of texts and ideas, as well as for the history of philosophical and scientific terminology. The collection of Leibniz’s philosophical articles, together with Theodicy and the collected essays for Eugene, De la nature et de la grâce, will provide the basis for a digital platform dedicated to Leibnizian texts, which will be included in a wider portal, called Daphnet. The Digital Archive of Philosophical Texts on the Net is a portal that has been set up at the ILIESI-CNR over the last five years and gives access to digital platforms dedicated to relevant authors and collections of texts belonging to the history of philosophic and scientific thought, from the PreSocratics to Kant.19 The platforms included within Daphnet are based on opensource software and standard encoding (such as HTML or XML) and are characterised by some common aspects: they aim mainly at making primary sources available, possibly complemented by secondary sources and critical instruments, 18 Leibniz to Rémond, August 26, 1714: “J’ay esperé que ce petit papier [i.e. the Principes] contribueroit à mieux faire entendre mes meditations, en y joignant ce que j’ay mis dans les Journaux de Leipzig, de Paris, et de Hollande. Dans ceux de Leipzig je m’accomode assés au langage de l’Ecole, dans les autres je m’accomode davantage au style des Cartesiens, et dans cette derniere piéce je tache de m’exprimer d’une maniere qui puisse être entendue de ceux qui ne sont pas encore trop accoutumés au style des uns et des autres” (GP III, 624). 19 See: http://www.daphnet.org.

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and include facsimiles or transcriptions of manuscripts, as well as printed texts. Moreover, the Daphnet platforms are interoperable, open to collaboration with the scholarly community, and can be semantically enriched. Permanent boards of reviewers certify the scholarly quality of platforms and texts.20 A research infrastructure like Daphnet requires long-term planning and adequate financial resources. The launching of this initiative was made possible thanks to a project funded by the European Commission under the eContentplus programme called Discovery. Digital Semantic Corpora for Virtual Research in Philosophy. Presently it is supported by another EU-funded project, Agora. Scholarly Open Access Research in European Philosophy, which is financed under the ICT Policy Support Programme.21 In this framework, the construction of a specific collection of texts dedicated to the works of Leibniz is envisioned. This will contain, among other elements, both a selection of the articles he published in the journals and a diplomatic edition of the Vienna codex De la nature et de la grâce. According to the Agora project plan, by the end of 2013, a collection of texts by Leibniz will be established within the Daphnet portal (in the ‘Modern Philosophy’ platform),22 which should include: – – –

a selection of the articles published in the learned journals, Essais de Théodicée, Principes, as well as the complete collected essays De la nature et dela grâce,

and, in addition, – – –

Monadologie, together with its 18th century Latin and German translations, Nouveaux essais, together with Locke’s Essay and the French translation by Coste, correspondence with Samuel Clarke.

20 Over the last five years, about eighty major philosophical texts, which belong to two large historical periods, the Greek antiquity (Ancient Philosophy) and the Early Modern Age (Modern Philosophy), have been included in the portal. At the present time, the Ancient Philosophy platform includes the following texts or collections: Presocratics, the famous collection of Pre-Socratic thinkers edited by H. Diels and W. Kranz, together with the parallel Italian translation edited by G. Giannantoni; Socratics, the collection of testimonies about Socrates and Socratics (Socratis et Socraticorum reliquiae), edited by G. Giannantoni; and Laertius, the Lives and Opinions of Eminent Philosophers in ten books, a collation of the editions of R. D. Hicks, H. S. Long, and M. Marcovich, together with the Italian translation by M. Gigante with parallel Greek text restored based of his philological notes. The complete works of Sextus Empiricus should be added by the end of the current year. The Modern Philosophy platform includes: all the major works by Bruno, Descartes, and Spinoza, Vico’s complete works, Baumgarten’s Meditationes ad poemata pertinentibus, Kant’s Latin dissertations and, regarding Leibniz, a dozen articles from the learned journals, Principes de la nature et de la grâce, Monadologie, together with its Latin (1720) and German translations (1721), Causa Dei. 21 For further information concerning these projects, see respectively the following www-sites: http:// www.discovery-project.eu/home.html, http://www.project-agora.eu/, http://ec.europa.eu/ information_society/apps/projects/factsheet/index.cfm?project_ref=270904. 22 I share the Leibniz platform project with R. Palaia and C. Marras.

212

Antonio Lamarra

On this basis, in the following years, it will be possible to envisage developments of the Leibniz collection in different directions, still maintaining the objective of providing a research tool that would meet scholars’ expectations in terms of rendering quality and philological reliability. The characteristics of the Daphnet portal will allow research to be performed at different scales, from the individual text to the collection of which it is an element, to the entire platform. As a consequence, users will be enabled to consult Leibniz’s texts at different levels, moving upward, to place them in the context of the entire Early Modern Philosophy platform. In addition, since this portal is not a static database but a set of interrelated platforms, all documents it contains will be connected by means of textual, structural and semantic links, taking full advantage of the opportunities offered by semantic web technologies. Moreover, it is worth noting that the Daphnet portal is based on the idea of fostering collaborative work; therefore, its platforms (including, of course, the one dedicated to Leibniz’s writings) are open to contributions, in terms of primary as well as secondary sources, from scholars outside the editorial team of the portal.23 *** In conclusion, taking inspiration from the editorial choices made or suggested by Leibniz himself at the end of his stay in Vienna, at least two editions of texts have been designed: the facsimile edition of his contributions in the learned journals, as well as the critical edition of the collected essays for Eugene of Savoy. The former collection was expected in vain by Leibniz’s contemporaries, who wished to draw a coherent portrait from the innumerable facets of his genius, he had scattered among the debates and the controversies of his age. After three centuries, the latter will bring to light a preliminary example of this collection, which may seem small and incomplete, but has been prepared and edited by Leibniz himself. Both of these collections will find a place in the wider scenario of the planned digital edition of the philosopher’s works, which will include philosophical writings he had printed during his lifetime, as well as posthumous editions. The incessant editing of the unpublished Leibniz, which began immediately after his death, enables us to continuously improve the knowledge of a thought otherwise inaccessible, like his contemporaries knew. However, the case of the collected essays for Prince Eugene reminds us that the distinction between private and public papers was not meaningless for Leibniz and that, as a consequence, scholars should always take it into account, when interpreting his writings.

23 The editorial team of the portal, indeed, strongly wishes to have the chance to benefit from the active participation, suggestions and comments from the community of Leibniz scholars and especially from the editors of Leibniz’s legacy, in order to offer an ever richer and more reliable online resource.

Dimitri A. Bayuk (Moscow) / Olga B. Fedorova (Moscow)

LEIBNIZ IN RUSSIAN The four volumes of selected works by Leibniz that appeared at the very end of the Soviet period in Russian history can probably be considered the most important achievement of Russian Leibnitiana.1 The first volume of this edition went to press in 1982 and the fourth – in 1989. Two volumes were devoted almost completely to two vast Leibniz treatises – Nouveaux essais sur l’entendement humain par l’auteur du système de l’harmonie préétablie (2nd volume)2 and Essais de théodicée sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal (4th volume)3. On reading the texts, one soon discovers that both have been published in fairly old translations. The first text reproduces that of Pavel Yushkevich,4 which was published for the first time in 1936, together with Lenin’s compendium of Feuerbach’s Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnizschen Philosophie.5 Fragments of Yushkevich’s translation were being published at approximately the same time in the Bolshevik party’s leading theoretical magazine, Pod znamenem marksizma [Under the Banner of Marxism].6 Essais de théodicée had appeared even earlier: in 1887–92 in the Khar’kov Ecclesiastical Seminary’s magazine, Vera i Razum [Faith and Reason].7 1

2 3 4 5 6 7

G. V. Lejbnic: Sočineniâ v četyreh tomah (= Filosofskoe nasledie 92), Moskva 1982–1989. Here and below the transliteration of the Cyrillic is given in the footnotes according to the ISO transliteration table. The letter-to-letter correspondence is the great advantage of this system, hence its use in the footnotes. But this is not the case in the main text: the Library of Congress system gives a more exact idea of how words should sound, and this system has been used there. Finally, the reform of 1918 excluded some letters from the Russian alphabet that had been rather common before. For the sake of simplicity all titles are given in the new orthography. Id.: “Novye opyty o čelovečeskom razumenii avtora sistemy predustanovlennoj harmonii”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 2, pp. 47–545. Id.: “Opyty teodicei o blagosti Božiej, svobode čeloveka i načale zla”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 4, pp. 49–413. Pavel Solomonovič Ûškevič (1873–1945) was a positivist philosopher and writer often criticised by Lenin. From 1965 to 1974 his son, Adol’f-Andrej Pavlovič Ûškevič (1906–1993), was the president of the International Academy of History of Science. G. V. Lejbnic: Novye opyty o čelovečeskom razume, Gosudarstvennoe social’no-èkonomičeskoe izdatel’stvo, Moskva 1936. Pod znamenem marksizma, 1935, no. 6, 1936, no. 5. Vera i Razum, 1887, no. 13, pp. 19–59; no. 15, pp. 128–149; no. 16, pp. 189–212; no. 17, pp. 242–266; no. 18, pp. 304–322; 1888, no. 3, pp. 112–136; 1889, no. 1, pp. 1–15; no. 2, pp. 57– 69; no. 8, pp. 322–446; no. 14, pp. 51–78; no. 15, pp. 106–133; 1890, no. 12, pp. 505–530; no. 14, pp. 57–90; no. 19, pp. 275–290; no. 22, pp. 427–440; 1891, no. 1, pp. 35–48; no. 5, pp. 213–234; no. 6, pp. 255–278; no. 13, pp. 27–46; no. 14, pp. 69–94; no. 18, pp. 281–306;

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Dimitri A. Bayuk / Olga B. Fedorova

Both periods mentioned (the late 19th century and the 1920–30s) demonstrated remarkable progress in elaborating the intellectual and cultural heritage of the past. That both principal texts were originally translated and first published in these periods engenders special interest in the question of when all the minor translations published between 1982 and 1989 originated. Let us start with the first volume, which shows a wide range of themes and translation dates. Its contents can be divided into four subsections, although one needs to appreciate how relative and conventional such a division is. Nevertheless, to a certain extent it represents the structure of the volume. 1890s Philosophy

1920–30s

1950–60s

6 (87)

10 (74)

Politics and history Theology Mathematics and natural sciences

the end of Soviet era 1 (40)

6 (91)

2 (3) 2 (12)

10 (100)

8 (115)

The first number in the fields of the above table indicates the number of titles, whilst that in brackets states the total number of pages devoted to each subject. One should also add that without exception all translations shown in the first three columns had been published previously, before being chosen by the authors of the new edition. I stress this because some unpublished translations also exist, and they could have been known at the time when the four volumes in question were being compiled, but these translations were not only not included, they are not even mentioned in the editorial notes and commentaries. As far as the last chronological group is concerned, all texts here were translated in the course of the project or a little before, but one cannot rule out that a few of them were initially intended for earlier projects that were not realized. Another peculiarity that also immediately attracts attention in this table is the shift of interest over the years. The majority of the older texts, edited before the revolution of 1917, deal with the divine in one form or another. This interest declined after the revolution, but returned later, in the 1980s, and it can be perceived in the growth in the relative importance of abstract philosophical or metaphysical subjects. Between these two extremes lay the work on the manuscripts relating to mathematics and natural science. This is no surprise, for history has played a negative role in the appreciation of Leibniz’s legacy in Russia and has created a biased view of his thinking. Many philosophers are now convinced that the four volumes of the 1982–89 edition no. 21, pp. 391–416; no. 23, pp. 485–512; 1892, vol. 2, pp. 66–80, 147–162, 217–244, 261– 284, 430–462. For more details on this edition see below.

Leibniz in Russian

215

represent the scope of Leibniz’s interests exhaustively, which is not the case at all. Even his writings relating to mathematics and physics are completely absent from all four volumes, not to mention his medical, chemical and mining papers. Only one part of the third volume was made with the special aim of giving a more objective view, all other translations having been prepared at very different times and for special and very different purposes. The shifts over the years were not a matter of chance. They reflect the questions that the intelligentsia of the time were addressing to the philosophical heritage. The number of questions grew, as the future became more uncertain and was awaited with apprehension, when many were in doubt as to what to work and strive for. One can see similar shifts throughout the 19th century. One might call this period in Russian history Russian humanism. To be sure, the use of the term is only metaphoric – something like the Northern Renaissance. The typical features of the humanism in Italy of the 14th–15th centuries were alien to 19th-century Russia. There were neither the lively ties with Antiquity, to whose cultural legacy it might pretend, nor the scholastic learning that it would have denounced. Nonetheless, pretensions to an affinity for a universal cultural development appeared very fruitful for Russian intellectual life. Hence the analogy: if Italian humanists derived their plan of national cultural development from the idea of the genetic proximity of the Italians to the ancient Romans, in Russia a similar plan had its starting point in the idea of the Russians’ genetic proximity to the Europeans. The initial impulse to cultivate Europe’s cultural achievements, with all their scientific and technological components, goes back to Peter the Great, but only by the 19th century had it reached wide sectors of the Russian dilettanti. 1. EARLY YEARS Among the different impulses that pushed representatives of the more well-to-do classes in search of knowledge, one of the strongest was both philanthropic and pragmatic: that of improving the quality of life of the lower class by means of education. It was probably this intention that initially directed them towards Leibniz, who had often pursued a similar goal with his own scholarly studies. However, it was not only this; his synthesis of rationalism and deeply religious sentiments were also viewed very favourably by the Russian philosophers of the 19th century, who understood that the origins of the people’s serfdom were not only attributable to the economic and political principles of social organization. For the contemporary Russian intelligentsia, the question of ontological ends, of the final causes of being, was no less important, and it was not possible to answer it without revisiting Christianity. Leibniz contributed many of the most important ideas in this field, and these attracted a number of the first Russian translators. The translators were mostly from the Kazan school, starting with the academician Petr Pekarskii (1827–1872). In his Science and Literature in the Russia of Peter

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Dimitri A. Bayuk / Olga B. Fedorova

the Great 8 (1862), he confines himself to describing Leibniz’s correspondence with the Russian Czar’s courtiers. Altogether 10 pages of the book are devoted to Leibniz without any direct quotations – these only appeared two years later, in the paper titled “Leibniz’s correspondence with different persons concerning Slavonic dialects and antiquities (relating to his letter to Peter the Great of January 22th, 1715).”9 In the next nine years the topic of Leibniz’s relations with Peter the Great and his court was further explored in a book by the Moscow University professor Vladimir Ivanovich Guerrier (1837–1919), Leibniz in his Relationships to Russia and Peter the Great,10 which was the second part of Guerrier’s doctoral thesis and appeared as the second volume of his Leibniz and his time11. In this work there are long quotations both from Leibniz’s inedited letters and papers written by others from his archives. Simultaneously, in a separate volume Guerrier edited Leibniz’s letters and some other material relating to his connections with Peter the Great12. The book includes 244 letters and notes in the original versions. However, the dominance of the Kazan school continued for a long time: in 1905 Professor Bobrov’s Studies in Leibniz’s Methaphysics13 appeared, in 1913 Professor Yagodinskii’s Leibniz’s Works: Elements of Arcane Philosophy on Assembly of Things14, in 1914 – Philosophy of Leibniz: Process of System Formation: First Period. 1659–167215, and in 1915 – Leibniz’s Inedited Work “Philosopher’s

8 P. P. Pekarskij: Nauka i literatura v Rossii pri Petre Velikom, v 2 t., Sanktpeterburg 1862 [edited in Saint-Petersburg by “Common good”]. 9 Id.: “Perepiska Lejbnica s raznymi licami o slavânskih narečiâh i drevnostâh (po povodu pis’ma Lejbnica k Petru Velikomu, 22 ânvarâ 1715 goda)”, in: Zapiski Imperatorskoj Akademii Nauk 4 (1864), pp. 1–19. 10 The book appeared first in Russian as: V. I. Ger’e: Otnošeniâ Lejbnica k Rossii i Petru Velikomu: Po neizdannym bumagam Lejbnica v Gannoverskoj biblioteke, Sanktpeterburg 1871, and then in German as: W. Guerrier: Leibniz in seinen Beziehungen zu Russland und Peter dem Grossen: Eine geschichtliche Darstellung dieses Verhältnisses nebst den darauf bezüglichen Briefen und Denkschriften, St. Petersburg – Leipzig 1873. 11 The first volume was published as: V. I. Ger’e: Lejbnic i ego vek, Sanktpeterburg 1868. 12 Id.: (ed.): Sbornik pisem i memorialov Lejbnica, otnosâŝihsâ k Rossii i Petru Velikomu, Sanktpeterburg 1873. 13 E. A. Bobrov: Ètûdy po metafizike Lejbnica, Varšava 1905. This book was edited by Bobrov himself and issued in Warsaw where the author had soon to move to in order to take up a position at Warsaw University. His professorship at Kazan University was not of long duration: he moved there after obtaining a doctoral degree at Yuryev University (now called Tartu) in 1895, where he was a student of Gustav Teichmüller. In Yuryev (Tartu) Bobrov wrote another book on Leibniz, Novaâ rekonstrukciâ monadologii Lejbnica [New reconstruction of Leibniz’s Monadology], which appeared in 1896. 14 Sočineniâ Lejbnica : Èlementy sokrovennoj filosofii o sovokupnosti veŝej = Leibnitiana : Elementa philosophiae arcanae de summa rerum, Kazan’ 1913. The edition is bilingual and contains parallel Latin and Russian texts. 15 Filosofiâ Lejbnica. Process obrazovaniâ sistemy. Pervyj period. 1659–1672, Kazan’ 1914. The frontispiece bears also the title in German: “Ivan Jagodinsky, Professor an der Universität Kazan, Leibniz’ Philosophie. Der Process der Bildung. Erste Periode”.

Leibniz in Russian

217

confession”16; then, in the same year, Yagodinskii’s student Ivan Sretenskii published his study of Leibniz and Descartes17. But one can say in general that Leibniz has played an important role in the Russian philosophical tradition and his presence was evident in many other universities as well. At first, the only way to give a Russian audience insight into Leibniz’s works and letters was to cite them in papers and books devoted to him. This ceased to be true by the end of 1887, when the magazine Vera i razum [Faith and Reason], edited in Kharkov, started to print a full translation of the Theodicee by K. Istomin, and before the series of publications ended, a professor of Moscow University, V. P. Preobražhenskij18, had edited the first collection of Leibniz’s short works19. All these translations were made by members of the Moscow Psychological Society, founded by Preobražhenskij, and the majority of them were to be included in the 1982 edition. The contents of the Preobražhenskij edition are as follows: – –

– –

Confession of Nature against Atheists (Confessio naturae contra atheistas, translated by Preobražhenskij)20; Letter of the 20–30 April 1669 to Jacob Thomasius, starting with the words “Tuum illud historiae philosophicae γευμα dici non potest, quam omnibus salivam moverit”, in which Leibniz argues that “the reformed philosophy can be reconciled with Aristotle’s and does not conflict with it” (Reformatorum sententia mihi non solum verior, sed et Aristoteli magis consentanea videtur, de utroque breviter dicam, translated by Nikolai Basistov)21; Meditations on knowledge, truth, and ideas (Meditationes de cognitione, veritate et ideis, translated by Ernst Radlov)22; Discourse on Metaphysics (Discours de metaphysique, translated by Preobražhenskij)23;

16 Neizdannoe sočinenie Lejbnica “Ispoved’ filosofa”, Kazan’ 1915. The frontispiece bears also the title in French and Latin: “Ivan Jagodinsky, Professeur à l’Université de Kazan, Leibnitiana inedita. Confessio philosophi”. 17 I. Sretenskii: Lejbnic i Dekart (kritika Lejbnicem obŝih načal filosofii Dekarta), Kazan’ 1915. 18 Vasilij Petrovič Preobraženskij (1864–1900). In spite of his very short life, he was successful as a philosopher, man of letters and psychologist. Among many other things he founded the first philosophical journal in Russian and the Moscow Psychological Society. 19 G. V. Lejbnic: Izbrannye filosofskie sočineniâ, Redakciâ i vstupitel’naâ stat’â V. P. Preobraženskogo, perevod členov Moskovskogo Psihologičeskogo Obŝestva (= Trudy Moskovskogo Psihologičeskogo Obŝestva), Moskva 1890. 20 Cf. G. V. Lejbnic: “Svidetel’stvo prirody protiv ateistov”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 78–84. 21 Cf. id.: “Pis’mo k Âkobu Tomaziû o vozmožnosti primirit’ Aristotelâ s novoj filosofiej”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 85–102. 22 Cf. id.: “Razmyšleniâ o poznanii, istine i ideâh”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 3, pp. 101–107. 23 Cf. id.: “Rassuždenie o metafizike”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 125– 163.

218 –

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Dimitri A. Bayuk / Olga B. Fedorova

New System of Nature and the Communication of Substances (Système nouveau de la nature et de la communication des substances, aussi bien que de l’union qu’il y a entre l’âme et le corps, translated by Nikolai Ivantsov)24; The Radical Origin of Things (De rerum originatione radicali, translated by Preobraženskij)25; On Nature itself, or the Innate Force (De ipsa natura, sive de vi insita, actionibusque Creaturarum; pro dynamicis suis confirmandis illustrandisque, translated by Preobražhenskij)26; The letter to Sophie Charlotte of Hanover of 1702 about things that are independent of senses and matter (translated by Preobražhenkij)27; Introduction to the New Essays on Human Understanding (Nouveaux Essais sur l’Entendement humain. Préface, translated by Basistov)28; Considerations of the Doctrine of a Unique Universal Spirit (Considérations sur la doctrine d’un Esprit Universel Unique, translated by Nikolai Grot)29; Considerations on the Principles of Life and on Plastic Natures (Considérations sur les principes de vie, et sur les natures plastiques, par l’auteur du système de l’harmonie préétablie, translated by Grot)30; Appendix to Theodicee (Causa Dei Asserta per Iustitiam Eius: Cum caeteris eius Perfectionibus, Cunctisque Actionibus Conciliatam, translated by Smirnov)31; Entretien de Philarète et d’Ariste, suite du premier entretien d’Ariste et de Théodore (translated by Yurii Bartenev)32;

24 Cf. id.: “Novaâ sistema prirody i obŝeniâ meždu substanciâmi, a takže o svâzi, suŝestvuûŝej meždu dušoû i telom”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 271–281. 25 Cf. id.: “O glubinnom proishoždenii veŝej”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 282–290. 26 Cf. id.: “O samoj prirode, ili prirodnoj sile i deâtel’nosti tvorenij”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 291–306. 27 Cf. id.: “Perepiska s korolevoj Prussii Sofiej-Šarlottoj i kurfûrstinoj Sofiej”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 3, pp. 371–394. In this edition of the letter translated by Professor Preobražhenskij for the 1890 edition, four more letters are added. The added letters were translated by one of two editors of the volume, Gennadii Mayorov. 28 This translation is absent from the later edition. There, the introduction to the Nouveaux Essais is the same version as the whole body of the book and follows the translation of Pavel Yushkevich (Pavel Ûškevič). 29 Cf. G. V. Lejbnic: “Razmyšleniâ otnositel’no učeniâ o edinom vseobŝem duhe”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 359–369. In the table of contents of the 1982 edition, the translator of this text is erroneously shown as Professor Preobražhenkij, even though the mistake is corrected in the notes at the end of the book. 30 Cf. id.: “Razmyšleniâ o žiznennyh načalah i o plastičeskih naturah”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 370–377. 31 Cf. id.: “Opravdanie Boga na osnovanii ego spravedlivosti, soglasovannoj s pročimi ego soveršenstvami i vsemi ego dejstviâmi”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 4, pp. 467–497. 32 Cf. id.: “Kritika osnovopoloženij prepodobnogo otca Mal'branša”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 388–403.

Leibniz in Russian – –

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Principes de la nature et de la grâce fondé en raison (translated by Ivantsov)33; Monadologie (translated by E. A. Bobrov)34.

One can easily see that all the works collected here deal in one way or another with the divine or the spiritual. In the following period quite different topics and works attracted the attention of editors and translators. The beginning of the 1890s marks the heyday of Russian Leibnitiana: some of Leibniz’s works even appeared in two independent translations. This was true firstly of the Monadology. 2. FAITH AND RATIO In contrast to almost all other early Leibniz translators or commentators, Konstantin Evgrafovich Istomin (1836–1916?) has now been completely forgotten. Even though his translation of the Théodicée took up almost the entire fourth volume of the 1982 edition, nothing is said there about its author. The only possible explanation that presents itself is linked to the specific nature of Istomin’s social position: he came from the theological rather than the philosophical camp. After graduating at the Ecclesiastical Seminaries of Volyn (1851) and Kiev (1855), Istomin took up a position at the Khar’kov Ecclesiastical Seminary, where he stayed until 1916. Since there is no information regarding his further career, this year might also mark the end of his life. Like many other schools of the epoch, the Khar’kov Ecclesiastical Seminary survived considerable changes in its status during its history. During the second half of the 18th century, under the title of Khar’kov Collegium, it was the most important higher school not only for Khar’kov, but also for the whole region. The number of students sometimes reached 800, and not only ecclesiastical disciplines were taught there, but also mathematics, physics, natural history, medicine, architecture, and agriculture. The school’s role dropped significantly with the foundation of Khar’kov University in 1805.35 However, in 1840 the Collegium obtained the status of an ecclesiastical seminary, a school of theology, and only priests were able to enroll there. In this new form the school was again able to regain some of its former importance and fame. Nevertheless, it is evident that its scholars’ activities did not correspond to the generally atheist and anti-religious mood of the philosophical community. Importantly, all of Istomin’s efforts became forgotten. Secondly, the way Vera i Razum was organized is unusual viewed from today’s perspective, rendering the magazine very difficult to use. Each issue has three different sections: the ecclesiastical and philosophical sections, and the newsletters of the Khar’kov eparchy. Each of them has its own pagination, which was com33 Cf. id.: “Načala prirody i blagodati, osnovannye na razume”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 404–412. 34 Cf. id.: “Monadologiâ”, in: Id.: Sočineniâ v četyreh tomah, op. cit., vol. 1, pp. 413–429. 35 It may appear more logical to regard Khar’kov Collegium as the starting point for the future university; the reasons for deciding otherwise will be discussed elsewhere.

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pletely independent of the pagination of the neighboring sections and which continued from the same section’s page numbers in the previous issue. According to the Orthodox Encyclopaedia of Kharkivshchina, Istomin had been the informal editor of Vera i Razum since 1883, and in 1902 he was formally appointed editor, too.36 He first addressed the topic of Leibniz in 1887 and revealed at once his theological interests, the title of his long paper being “Biographical essays about the philosopher Leibniz in relation to his theological activity.”37 Later, in 1892, he wrote a review of Eduard Dillmann’s book Eine neue Darstellung der Leibnizischen Monadenlehre auf Grund der Quellen 38 and submitted his translation of Monadologie 39, Principes de la nature et de la grâce fondé en raison 40 as well as the introduction to the Nouveaux essais sur l’entendement humain 41. 3. BURNED MANUSCRIPTS In Russia itself, not to mention other countries, it is not widely known that the first years after the Revolution of October 1917 saw a rising wave of editorial activity that is rather difficult to explain and that remained unique in its interest in scientific literature. It was in the 1920s and 30s that many works by Aristotle, Archimedes, Newton, Leonardo da Vinci, Galilei and many others were published in Russian for the first time. Many Western philosophers were translated and published as well: Hegel, Mach, Feuerbach and others. The same was true of architects – Vitruvius, Alberti, Palladio and Vignola for example. It is worth noting that some translations were the first of their kind in the whole world: for example, Alberti’s Descriptio urbis Romae and Daniele Barbaro’s commentaries on Vitruvius – the translations of these works into Russian were earlier than in all other languages. Among these, scientific writings had a special place. These include works by Darwin, Huygens and Stevin. Then came the works written by the famous historians of science of that time – Leonard Olschki, Hieronymus Georg Zeuthen and Ferdinand Rosenberger. The ideological significance of all these editorial projects is evident: a scientifically organized society, the first of its kind even, expected its members to be acquainted with its scientific foundations. The end of this short period was as inevitable and natural as its beginning. Many of those who had worked upon new translations were imprisoned or exe36 Pravoslavnaâ ènciklopediâ Har’kovŝiny, Khar’kov 2009, pp. 228–230. 37 Vera i Razum 9 (May) (1887), pp. 420–444 and no. 10, pp. 465–488. 38 K. Istomin: “Novoe ponimanie filosofii Lejbnica v sovremennoj literature”, in: Vera i Razum 2 (1892), part II, pp. 193–232 (in this year the magazine was not published in 24 issues; the two volumes were each divided into two parts, but the strange pagination system was retained). One should add that Bobrov’s paper, New reconstruction of Leibniz’s Monadology, published in 1896 in Yuryev, was also the review of the same book written for an Yuryev university periodical. 39 “Monadologiâ”, in: Ibid., pp. 341–370. 40 “Na razume osnovannye principy prirody i blagodati”, in: Ibid., pp. 443–462. 41 “Novyj opyt o čelovečeskom razume”, in: Ibid., pp. 540–574.

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cuted. There are almost anecdotal instances of what happened when some classic opus that had been translated and published had to go to press in a new edition, solely because the translators of the previous edition had been oppressed. The previous edition had to be removed from all libraries, and the new one was almost identical to the old, the only difference being that the translator was not named. This was only possible if the first edition had appeared before the translator was arrested. It was more often the case that the arrest came first, and so the book, which was awaiting publication, landed in the wastepaper basket. This, for example, was the fate of the second Russian translation of Newton’s Principia, which had been completed by an unknown author and was supposed to appear at the end of 1930s. Happily, the translation has survived, though as yet it has not been published.42 The fate of the Russian version of Leibniz’s Dynamica de potentia et legibus naturae corporae was similar.43 The translation was completed during the second half of 1930s, even the proofs were ready. The book was planned to appear in 1938, but in that very year the director of the publishing house was arrested, charged with espionage and presumably executed. Fortunately, the proofs survived, but they remained unpublished. Several years ago Professor Vladimir Kirsanov wrote: “In comparison with Leibniz’s philosophical works, his writings on theology and logic, his scientific papers have fared badly in Russia: with the rare exception of some smaller works, not a single investigation by Leibniz in the field of physics or mathematics has been translated. This is why the planned edition was of very special value – the evolution of Leibniz’s ideas – those that brought him to create a new science of force and action – is presented in the book quite clearly.”44

Soon after the end of the WW II, in 1948 Pavel Yushkevich prepared a collection of passages devoted to the new methods of calculus taken mainly from 5th volume of Leibnizens mathematischen Schriften for the journal of the Moscow Mathematical Society, Uspekhi Mathematicheskikh Nauk [Russian Mathematical Surveys].45 This was prefaced by his long essay on Leibniz’s invention of mathematical analysis.46 Unfortunately, this interesting work was ignored in compiling the 1982 edition. It is still not clear why no translation from the unrealized 1938 edition was used by those working on the four-volume 1982 edition. There are several possibilities, one being simply that its authors did not know about the destroyed book. On other occasions they did publish works of two oppressed translators. 42 Cf. V. S. Kirsanov: “Uničtožennye knigi: èho stalinskogo terrora v sovetskoj istorii nauki [Books Destroyed: Echoes of Stalinist Terror in Soviet History of Science]”, in: Voprosy istorii estestvoznaniâ i tehniki (= Studies in History of Science and Technology) 26, 4 (2005), pp. 105–124. In 2009 the St. Petersburg editorial house “Amphora” intended to publish this translation, but, being on the brink of bankruptcy, had to abandon the project. 43 Published by C. I. Gerhardt in GM (Leibnizens mathematische Schriften, vol. VI, Halle 1860). 44 Kirsanov, op. cit., p. 115. 45 Leibnizens mathematische Schriften, vol. I, ed. by C. I. Gerhardt, Halle 1858. 46 A. P. Ûškevič: Lejbnic i osnovanie isčisleniâ beskonečno malyh, in: Uspehi Matematičeskih Nauk 3 (1948), pp. 150–164. The essay is followed by the collection on pp. 165–204.

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Dimitri A. Bayuk / Olga B. Fedorova

These were Alexei Voden (1870–1937) and Grigorii Bazhbeuk-Melikov (1900– 193?), better known under the pen-name of Bammel. Both used to be quite active in philosophical enlightenment after the October Revolution. Both were closely connected with A. Deborin some time before his appointment as the director of the Moscow Institute of Philosophy.47 In 1924 Deborin edited the first volume of Reading Books in Philosophy,48 for which Voden translated the short passage on continuity starting with the words “Principium quoddam generale non in mathematicis tantum sed in physicis utile”, and Bammel prepared a fragment of Leibniz’s letter to Varignon devoted to the same subject. As a genre, the Reading books became very widespread in Russia of the 1920s, because it was assumed that together with the likbez, the campaign for the eradication of illiteracy in the proper sense of the term, “philosophical likbez” for people on different levels of society was equally necessary. In particular, for a better understanding of Marxism, educated people needed to eliminate any gaps in their education concerning world philosophy. This tendency soon waned, and by the end of the 30s reading Kant or Hegel or even Darwin was felt to be more or less a sign of being politically unreliable. One was expected to study the history of philosophy by means of popular booklets written by propagandists of a Communist academy rather than via the masterpieces of great philosophers. This remained so until at least the end of 1950s, and one should be grateful that Pavel Yushkevich finished his translation of the Nouveaux Essais sur l’Entendement humain par l’auteur du système de l’harmonie préétablie early enough. In the 1930s, his son Adolph Yushkevich was affiliated, as its senior editor, with the same publishing house (GONTI NKTP) that was going to have the translations of both Leibniz’s Dynamica and Newton’s Principia printed. He worked with the manuscript of the Dynamica, and one copy of it is conserved in his archives.49 The same fragment on continuity that had been translated by Voden earlier was also contained in this volume as one of the “smaller works”. Of course it was no longer possible to mention the name of Voden, and for the 1938 edition the fragment was translated again by Sergey Kondratiev. The fact that the names of Voden and Bammel are mentioned in the 1982 edition shows that times had changed. Nevertheless, the names of Kondratiev, Gochmann, the assumed translator of the Dynamica, and Arschon, the oppressed director of the publishing house, are absent in the 1982 edition, condemned to oblivion. Leibniz’s “small work” Brevis demonstratio erroris memorabilis Cartesii, presumably translated for the 1938 edition by Kondratiev, was retranslated by Borovskii.50 47 About Abraham M. Deborin (1881–1963) cf. R. Ahlberg: A. M. Deborin, Wiesbaden 1959. 48 A. M. Deborin: Kniga dlâ čteniâ po istorii filosofii, v 2 t., Moskva 1924–25. 49 Nevertheless the fate of this copy is unknown. According to Sergei Demidov, who replaced Ûškevič as the director of the Department of the History of Mathematics at the Institute for the History of Science and Technology, Kirsanov took the page proofs and was unable to return them before his death in 2007. However, they have not been found in Kirsanov’s archives either. 50 Âkov Markovič Borovskij (1896–1994) was a translator from Leningrad / St. Petersburg, one of the most prominent among latinists of the new wave.

Leibniz in Russian

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4. LEIBNIZ AND DISSIDENTS As our approximate statistical analysis shows, if the year 1936 – the milestone of the victory of socialism in Russia “in principle” and the eve of the climax of political oppression – is taken as the historical turning point, it divides the whole number of translations in the four volumes of the 1982 edition into equal parts. It is true that the unpublished book of 1938, had it appeared before 1936, would have upset the balance, but two years later it was no longer possible to publish it. By the end of the socialist period in Russian history, ideological ways of thinking were becoming less rigid. We can judge this from the presence of both the name and the translations of Gennadii Faibussowitsch, better known outside Russia as Boris Khazanov (Chasanow), in the first volume, and of his unnamed translations in the fourth. The creativity of Faibussowitsch as a man of letters did not sufficiently correspond to the ideological norms generally accepted at the time. His works were published illegally or abroad. Eventually, in 1982, i.e. simultaneously with the issue of the first volume, he obtained a visa and emigrated to Germany. This could not have been unknown a year earlier, and in the 1930s, under similar circumstances the book would never have been published. In the 1980s this circumstance in no way influenced the contents of the first volume, though admittedly, Faibussowitsch’s name, as was just mentioned, disappeared from the fourth. To sum up: we have seen that the four-volume edition of selected works by Leibniz translated into Russian and supplied with bibliographic apparatus, notes and commentaries was a consolidated result of a whole century of effort. The first volume largely reproduced the structure of Professor Preobražhenkij’s 1890 edition. The second brought together the publications in the magazine Faith and Reason of 1889–92. The third was a repeat of the Yushkevich 1936 edition. Only the fourth was basically new; the absence in it of translations from the projected book of 1938 was clearly unavoidable, though a very regrettable flaw. However, as we have tried to show, the national publishing business always reflects a nation’s history, and as ideological regulators changed during Soviet Russian history, they too are evident in the editions’ defects. Finally, we would like to make a general remark. The changing intellectual climate of society has influenced many similar projects, and many translations made fifty or a hundred years ago now seem obsolete. Many important classical works have not yet been translated, as is the case with Kepler’s works, even though his archives have been housed in Russia since the time of Peter the Great. The situation with Leibniz’s works is much better, but to a certain extent its advantages are illusory, because many translations made a century ago and only superficially revisited thirty years ago cannot be considered satisfactory from a modern point of view. At the same time, some areas of his creativity relating to physical, chemical or technological problems, especially those discovered in the last few decades, remain inaccessible to a broad Russian audience, and even slow progress towards a new edition of Leibniz’s works in Russian would be highly desirable.

Roberto Palaia (Rom), Luca Fonnesu (Pavia), Maria Rosa Antognazza (London), Giovanna Varani (Porto), Margherita Palumbo (Rom), Enrico Pasini (Turin)

„… ALIORUM DILIGENTIAE RELINQUO“ ROBERTO PALAIA (ROM) In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Niedersächsische Landesbibliothek in Hannover ein Anziehungspunkt für junge ausländische Forscher – das war kein Zufall. Die Frage der deutschen Einheit schwelte, das westdeutsche Bildungssystem war großzügiger Weise bereit, junge Forscher anderer europäischer Länder aufzunehmen, während es gleichzeitig in Italien an Investitionen für die Forschung fehlte. Dadurch wurde der Studienaufenthalt in Deutschland eine privilegierte Übergangsphase für eine ganze Generation von Studenten der Philosophie (aber nicht nur dieses Fachs) italienischer Universitäten. Dazu kam, dass der Austausch zwischen den deutschen und italienischen Universitätskulturen bereits auf eine lange Tradition zurückblicken konnte. Er hatte die kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern reich befruchtet. Der wichtigste Grund schließlich, weshalb die Verbindung zwischen den beiden Ländern bestehen blieb, war die in diesen Jahren stattfindende Wiederaufnahme der der klassischen deutschen Philosophie vorangehenden Studien ab der Aufklärung, über deren Quellen und speziell der leibnizschen Philosophie. Für einen daran interessierten Forscher bedeutete das Bibliothekendreieck Hannover, Wolfenbüttel und Göttingen eine außerordentliche Dichte an Büchern und damit Ressourcen von großem Nutzen, um die europäische Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts zu untersuchen. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass es zu dieser Zeit noch nicht möglich war, die Bände oder Kataloge der Handschriften- und Druckbestände im Internet zu recherchieren. Im Jahr 1984 kam ich das erste Mal nach Hannover auf dem Weg zu einer Tagung in Wolfenbüttel über die Aufklärung. Ich hatte meine Dissertation über das deutsche späte 18. Jahrhundert bereits geschrieben und musste nun entscheiden, wie ich meine Forschungen weiter gestalten wollte. Der Besuch des LeibnizArchivs und der Niedersächsischen Landesbibliothek (heute Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek) war für mich eine Reise in ein Kaleidoskop aus unveröffentlichten Schriften und Manuskripten, von denen ich den Eindruck hatte, dass sie alle noch zu erforschen waren und dass sie reichlich Stoff und Potential für Veröffentlichungen enthielten – ich hatte einen Schatz gefunden, der seinesgleichen sucht. Diese Überlegungen brachten mich zwei Jahre später – dank eines DAADStipendiums – dazu, die hannoverschen Buchbestände häufig aufzusuchen und die

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Roberto Palaia

Arbeitsmethoden zu vergleichen, welche dort und welche in Rom am Centro di Studio del Consiglio Nazionale delle Ricerche „Lessico Intellettuale Europeo“ (das jetzige ILIESI-Institut) angewandt wurden; dort hatte ich bereits während meiner Dissertation begonnen mitzuarbeiten. Ende der 80er Jahre erfolgte die digitale Wende mit dem Ziel, die Herausgabe der Werke deutscher Philosophen unter der Schirmherrschaft von verschiedenen Institutionen auf Länderebene zu beschleunigen. In Italien hingegen und in Rom, insbesondere im ILIESI, wurden seit mehreren Jahren die Fortschritte in der Informatik dazu genutzt, Indices und Konkordanzen philosophischer Texte zu erstellen. Trotz der unterschiedlichen Zwecke stimmten die beiden Forschungsansätze darin überein, den Text als das Hauptelement der Untersuchung anzusehen; in Italien entwickelte sich dieser Forschungsansatz als Antwort auf die traditionelle, idealistische Geschichtsschreibung, die Schritt für Schritt den vom Autor geschriebenen Text an den Rand der Geschichtsforschung gedrängt und sich auf eine standardisierte Vorstellung der verschiedenen philosophischen Strömungen festgelegt hatte; in Deutschland verfolgte die textzentrierte Forschung das Ziel, die große historische und philologische Tradition wieder aufzugreifen, Werke deutscher Philosophen zu veröffentlichen. Der Herausgabe der Leibniz-Edition ging eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts angegangene, heftige Diskussion über die Methodologie voraus. Trotz der beiden Weltkriege und der deutschen Teilung ging die Arbeit an den Veröffentlichungen stetig weiter; in diesem Zeitraum, dem Ende der 80er und dem Anfang der 90er Jahre, war auch der Grundstein für den erheblichen Anstieg an Publikationen gelegt worden, den wir in den letzten 20 Jahren miterleben konnten. Zu dieser außerordentlichen Arbeit, die der Veröffentlichung der Werke gewidmet war, gesellte sich die Sammlung der gesamten leibnizschen Sekundärliteratur; für diesen Katalog steht der wertvolle hellblaue Band der Leibniz-Bibliographie, Ergebnis der mühevollen Kleinstarbeit des außergewöhnlichen Leibniz-Forschers und Leiters des Leibniz-Archivs Albert Heinekamp. Die Lektüre dieses lückenlosen und sehr ausführlichen Katalogs, der alles berücksichtigt, was je über das Leibniz’sche Schaffen geschrieben worden war, vermittelte tatsächlich den Eindruck, das Gedankengut des deutschen Denkers aus unendlich vielen Blickwinkeln betrachten zu können. Die intensive Forschungsarbeit, die in Hannover mit Hilfe all der den interessierten Wissenschaftlern großzügig zur Verfügung gestellten Hilfsmittel möglich war, erlaubte es, der intellektuellen Neugier zu folgen, ohne unmittelbare spezifische Ziele zu verfolgen, so konnte auf gepflügtem Feld gesät werden. Dieses hat in den Folgejahren viele Früchte gebracht, und zwar in Form der zahlreichen Arbeiten von Forschern, die ihre Analysen und Forschungsarbeiten zur leibnizschen Philosophie gemeinsam diskutiert haben. Ein solcher Intellektuellentreffpunkt wäre ohne den damaligen Direktor des Leibniz-Archivs undenkbar gewesen: Dieser vereinte in seiner Person wissenschaftlichen Anspruch und eine Wärme und edle Freundlichkeit, die das Archiv abends in ein fast familiär-vertrautes Ambiente verwandelten. Seine Liebe zur antiken klassischen Kultur, gepaart mit seiner umfassenden Kenntnis des modernen Denkens und der modernen Philosophie, haben uns bewusst gemacht, wie ähnlich die kulturelle Tradition ist und wie eng das Schicksal der europäischen Länder ineinander verflochten ist.

„… aliorum diligentiae relinquo“

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LUCA FONNESU (PAVIA) Am 1. Oktober 1990 kam ich in Hannover an als Stipendiat des DAAD. Ich erinnere mich genau daran: Albert Heinekamp ging mit Forschern und Mitarbeitern des Leibniz-Archivs in der Nähe der Bibliothek auf der Straße. Sie alle kamen nach dem Mittagessen aus der Kantine. Mit ihnen war eine Freundin von mir, Sonia Carboncini, die wie ich in Florenz studiert hatte und mein eigentlicher ‚Kontakt‘ zum Archiv war. Sonia war damals in der Leibniz-Forschungsstelle in Münster tätig und hatte mir ein Einladungsschreiben von Heinekamp (der es freundlicherweise verfasste) beschafft. Sonia stellte mich vor, und so fing ich an, das Leibniz-Archiv täglich zu besuchen, was unvermeidlich bedeutete, auch Albert Heinekamp fast täglich zu sehen, bis zum Tag seines Todes. Der Anfang der relativ langen Zeit in Hannover (bis zum Juli 1992) war für mich nicht leicht. Ich war zum ersten Mal in einer solchen Einrichtung, in der editorische Fragen und Details heftig diskutiert wurden (etwas, das ich noch nicht erlebt hatte); außerdem war ich kein Leibniz-Forscher, und ich erinnere mich an meine ersten Kontakte mit den Archiv-Leuten: Die Vorstellung war in der Regel von dem etwas misstrauischen Satz „Er kommt aus dem Idealismus“ begleitet, der mir gewissermaßen wie ein Defekt klang. Ich war – kurz gesagt – ein bisschen ein ‚Fremder‘. Wenigstens hielt ich mich anfangs für einen solchen, obwohl die meisten Mitarbeiter des Archivs zu mir sehr freundlich waren. Doch erhielt ich viel Hilfe allgemein; geduldig wurde mir die Entzifferung der Handschriften erklärt. Bald war ich nicht mehr ,fremd‘, obwohl ich mit absoluter Sicherheit kein Leibniz-Spezialist geworden bin. Ich war gewohnt, nachts zu arbeiten, und diese Gewohnheit hat großen Einfluss auf meine Beziehung zu Heinekamp ausgeübt. Da auch er abends im Archiv blieb, gab diese gemeinsame Einstellung Anlass, mit ihm ziemlich oft allein im Archiv zu sein und während und nach der Arbeitszeit mit ihm zu sprechen. Heinekamp war nicht nur der Leiter des Leibniz-Archivs, er war das Archiv. Seine Identifizierung mit dieser wichtigen Institution war beeindruckend, und auch aus diesem Grund war er das Zentrum eines Netzes von Beziehungen, deren Ausdehnung ich erst mit der Zeit verstehen sollte. Er kannte persönlich die Leibniz-Forscher aus der ganzen Welt und war über den Stand ihrer wissenschaftlichen Arbeit gut informiert. Alle diese Leute hatte er im Archiv empfangen, unterstützt, ihnen geholfen. Nur um eine Idee zu geben: Von den Personen, die ich in Hannover getroffen habe, kann ich vor allem die Italiener erwähnen: Maria Rosa Antognazza, Antonella Balestra, Fabio Bosinelli, Antonio Lamarra, Roberto Palaia, Margherita Palumbo, Enrico Pasini, Giovanna Varani. Und weiter, aus Spanien, Frankreich, den USA, Japan: Concha Roldán, Jean-Baptiste Rauzy, Michel Fichant, George Gale, Kiyoshi Sakai und viele andere. Dass Heinekamp eine tiefe, gründliche Kenntnis der Leibniz’schen Texte hatte, versteht sich von selbst. Seine Kenntnis der Geschichte der Philosophie war aber viel umfangreicher als die Leibniz’sche Welt. Er erklärte, seine Lieblingsphilosophie sei – mit der Ausnahme von Leibniz, vermute ich – die der Antike. Aber nicht nur das. Im Sommersemester 1991 sollte er eine Reihe von Vorlesungen an der Universität

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Luca Fonnesu / Maria Rosa Antognazza

Hannover halten, und als Thema wählte er die Cartesianischen Meditationen von Husserl: Ich war so beeindruckt, dass ich mich entschied, als Zuhörer teilzunehmen, obwohl er mir mit seiner gewohnten Bescheidenheit sagte, ich solle meine Zeit nicht vergeuden und vielmehr an meinen Forschungen arbeiten. Ich konnte nicht immer anwesend sein, ich habe immer gedacht, dass er, sicherlich ein Lehrer für viele ArchivMitarbeiter, auch außerhalb des Archivs einen höchst bedeutenden Beitrag leisten konnte. Ich will mit einer letzten persönlichen Erinnerung abschließen, die mit dem italienischen Restaurant „Mario“ in Hannover zu tun hat. Die uneingeschränkte Liebe Heinekamps zu Italien ist bekannt, so wie auch seine Liebe zu diesem Restaurant, obwohl er – soweit ich mich erinnere – immer nur einen Cappuccino bestellte. Die von der Leibniz-Gesellschaft, d. h. von Heinekamp organisierten Vorträge endeten immer bei „Mario“, wo wir Italiener eine italienische Küche erlebten, die uns sonderbar erschien. Dort bei „Mario“, nach einem Vortrag, waren ein paar Leute mit mir und Heinekamp zugegen. Ein Professor aus Hannover – den Namen habe ich vergessen – kritisierte mit Nachdruck die italienische Philosophie und widmete seine Aufmerksamkeit nur dem damals erfolgreichen und à la mode von Heidegger und Nietzsche inspirierten ,schwachen Denken‘. Ich erinnere mich sehr gut an Heinekamps entschiedene Reaktion: Er verteidigte den Wert der italienischen Philosophiegeschichte und sogar der Philosophien von Croce und Gentile, die er offensichtlich nicht nur oberflächlich kannte (mit Sicherheit besser als ich). Der Gesprächspartner hatte davon keine Ahnung. Heinekamp war wirklich besorgt, dass ich das negative Urteil über die italienische Philosophie als eine Form von ‚Beleidigung‘ verstehen könnte. Bevor wir uns trennten, wollte er mich noch einmal trösten: „Kommen Sie gut nach Hause, und nehmen Sie es ihm nicht übel … Er kann nicht einmal Italienisch …“ MARIA ROSA ANTOGNAZZA (LONDON) Im Sommer 1990 kam ich das erste Mal nach Hannover. Ich hatte wenige Monate zuvor meine Doktorarbeit über die philosophischen Implikationen der Dreifaltigkeitstheorien im 17. Jahrhundert begonnen. Auf Leibniz war ich per Zufall gestoßen. Beim Durchblättern von bekannteren und unbekannteren Autoren auf der Suche nach einem Fixpunkt, an dem ich meine Arbeit ausrichten konnte, war ich an eine Defensio Trinitatis von Leibniz geraten, und es schien, dass sie bis dahin noch keiner genauer untersucht hatte. Ein schneller Blick in die damals verfügbaren Buchbände der Sämtlichen Schriften und Briefe zeigte mir auch andere Texte, in denen Leibniz die Dreifaltigkeitslehre verteidigte. Die Tatsache erwies sich als überraschend und interessant zugleich. Im Monat August, wenn in Mailand die Stille herrscht und alle am Meer sind, fuhr ich mit dem Zug nach Deutschland; ohne großes Aufheben zu machen wurde ich von meinem Doktorvater dorthin entsandt, um das Leibniz-Archiv zu durchstöbern: „Gehen Sie dorthin und schauen Sie mal, was es dort gibt“. Von Leibniz wusste ich das Wenige, was in den Handbüchern über ihn steht und was ich verstanden hatte, nachdem ich die Theodizee und ein paar andere

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Schriften gelesen hatte. Noch weniger wusste ich über Bibliotheken mit alten Buchbeständen Bescheid. Von Archiven rein gar nichts. Zu früher Stunde klopfte ich eines Montagmorgens an die Tür von Heinekamp, ahnungslos wie jemand, der einfach drauflosgeht, ohne zu wissen, wohin. Heinekamp war in Eile: Er hatte eine Verpflichtung an der Universität Hannover und wir konnten nur ein paar Worte wechseln. Besser so, dachte ich, da ich auch nicht mehr als ein paar Worte auf Deutsch konnte. Ich trat den Rückzug an und begab mich in den Katalogsaal der damaligen Niedersächsischen Landesbibliothek. Das war es, das Ende meines Kontakts mit dem erhabenen Archivdirektor, so nahm ich an. Äußerst erstaunt war ich daher, als er mich am Tag darauf im Katalogsaal aufsuchte. Heinekamp führte mich durch die gesamte Bibliothek: Er stellte mich den Bibliothekaren als „Frau Antognazza vom Leibniz-Archiv“ vor, er zeigte mir die Sammlungen, er sagte, wo ich anzufangen hatte und er erklärte mir, wie ich im Katalog nachschlagen, alte sowie moderne Bücher bestellen und Zugang zu Mikrofilmen, Marginalien und Manuskripten von Leibniz haben konnte. Mit ein bisschen Französisch und ein bisschen Italienisch verstanden wir uns prächtig. Nach dem Bibliotheksrundgang führte er mich in den vierten Stock und weihte mich in die Sancta Sanctorum des Leibniz-Archivs ein. Er zeigte mir die für mich brauchbaren Hilfsmittel für die Recherche und lud mich ein, nach den Schließungszeiten der Bibliothek mit anderen, damals dort anwesenden Forschern und Doktoranden in der Ruhe des Leibniz-Archivs weiterzuarbeiten; er ermutigte mich vor allem ohne den Anflug eines Zweifels an meinem Forschungsprojekt – ein Forschungsprojekt, von dem ich wusste, dass es exzentrisch war im Vergleich zu den kanonischen Themen der Leibnizforschung. „Ein sehr interessantes Thema“, sagte er mir, „ich hatte schon lange gehofft, dass es endlich jemand angeht.“ Kurzum, Heinekamp behandelte mich wie eine Respektsperson. Wäre ich eine Leibniz-Koryphäe gewesen, hätte er mir nicht mehr Respekt entgegenbringen können für das damals noch in den Kinderschuhen steckende intellektuelle Abenteuer, das er aber schon in meinem Enthusiasmus voraussah. In den folgenden Monaten lernte ich, dass dies Heinekamp war. Heinekamp schätzte junge Forscher, er begleitete sie mit Herzlichkeit und Sympathie, er half ihnen mit einer Diskretion und einer intellektuellen Bescheidenheit, die ich nur selten in anderen angetroffen habe. Heinekamp liebte die ‚Fleißigen‘, diejenigen, die im Hochsommer zur Recherche ins Archiv kamen, die zahllose Stunden in der Bibliothek verbrachten, die sich in den Abenden in der Stille der Handbibliothek nach der offiziellen Öffnungszeit über die Bücher gebeugt Gesellschaft leisteten. Er klopfte leise an, bevor er eintrat, als ob er unsere Erlaubnis nötig gehabt hätte, um einen Raum seines Archivs zu betreten, ein halbes Lächeln auf den Lippen und das unverkennbare „Lassen Sie sich nicht stören“. Während die Monate verstrichen, besserte sich mein Deutsch und wir diskutierten oft über den Fortschritt meiner Arbeit. Heinekamp schien dafür immer Zeit zu haben und erwies eine außergewöhnliche intellektuelle Großzügigkeit, indem er einen schiefen Ansatz unauffällig gerade rückte und den jungen Forschenden mit Höflichkeit wieder auf den rechten Weg brachte. Er hatte eine genuine Neugier nach unseren Forschungsprojekten und danach, was sie Neues über Leibniz ans Licht brachten:

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Maria Rosa Antognazza / Giovanni Varani

„Ich bin sehr neugierig zu sehen, wie weit Sie gekommen sind“, schrieb er mir in seinem letzten Brief. 1991, nachdem ich noch den ganzen Sommer im Archiv verbracht hatte, fuhr ich gegen Ende September nach Mailand zurück. Heinekamp begleitete mich zum Bahnhof und mit einer leicht melancholischen Note verabschiedete er sich von mir: „Jetzt gehen Sie weg, jetzt kommt der Winter.“ Im November, im gleichen Monat wie der von ihm so geschätzte Leibniz, verstarb Heinekamp plötzlich in Hannover. Neben vielem anderen ließ er eine Schar an Forschern zurück, die ihm vor allem durch seine Unterstützung in den Jahren ihrer Ausbildung viel zu verdanken haben. In der Schule Heinekamps lernte man, vom Studenten zum Forscher zu werden. GIOVANNA VARANI (PORTO) „Touto exetoun.“ Gerade ihn suchte ich. In der besonderen Atmosphäre der deutschen Wendezeit kam ich zum ersten Mal ins Leibniz-Archiv und lernte Professor Albert Heinekamp persönlich kennen. Es wurde eine wissenschaftliche große Liebe auf den ersten Blick, die eine innere Wende bei mir auslöste und mir die Geborgenheit einer ersehnten geistigen Heimat schenkte. Leider hat mir dieser Fixstern nur noch bis zum Sommerende 1991 geleuchtet. Die tiefe Prägung durch Heinekamp ist mir aber nachhaltig geblieben, so dass ich immer länger und seit 1998 definitiv jedes Jahr für sechs Monate meine wissenschaftlichen Forschungen beständig am Leibniz-Archiv durchgeführt habe. In der Tat konnte ich da die wesentliche, ideale Kontinuität zwischen Albert Heinekamps und Herbert Bregers Leitung erleben und schätzen. „Non pallium video, sed homines philosophos.“ Ein erstaunliches Merkmal Heinekamps und ‚seines‘ Archivs, nämlich eine bei aller professionellen Kompetenz extreme, spontane Bescheidenheit im Auftreten und in der äußeren Erscheinung, gegen die üblichen akademischen Sitten, fiel mir sofort auf. Sie ist auch später – fast als ethischer Leitimperativ – im Leibniz-Archiv bewahrt worden und konnte so nicht nur ein Zug des Individuums Heinekamp sein. Vielmehr spiegelte sie ein präzises Forschungsverständnis wider, d. h. einerseits das Bewusstsein der innigsten Bedeutung der Philosophie als menschliches Verfehlen der Wahrheit und gleichzeitiges Streben nach ihr, andererseits die Ablehnung der leeren Macht der Erscheinung und des Ehrgeizes zugunsten des reinen, absoluten Versinkens in der Arbeitsmühe im exklusiven Dienst an der Wissenschaft ohne Hintergedanken. Zuletzt wies sie die Vorliebe für die konkrete Perspektive, und statt abstrakter Spekulationen suchte sie, Wohltaten zu schaffen, wo es nottat, zu helfen. Die kulturpolitischen und pädagogischen Folgen davon sind deutlich … Das Bemühen um den Nachwuchs der wissenschaftlichen Forschung und um die ausländischen Gäste standen im Mittelpunkt von Heinekamps und Bregers Interesse. „Ein Text ist ein Text.“ Die Begegnung mit Heinekamps Leibniz-Archiv hat mich zur Philologie und zu der minutiösen historischen Analyse von Problemen auf der Basis der systematischen Überprüfung der Belege ‚konvertiert‘ und einige vage, schon bei meiner Dissertation in mir wirkende Ahnungen entfaltet, bestärkt

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und radikalisiert. Insbesondere verdanke ich ihm die Aufnahme einer strengen Methode für die Hermeneutik der Texte, die die Rekonstruktion der ‚mens autoris‘ mit Respekt vor Milieu, Sprache und den historischen Umständen erzielt. Darüber hinaus kam von Heinekamp die Anregung, außer Acht gelassene Aspekte von Leibniz’ Denken (z. B. die Mystik) zu recherchieren, um die Unzulänglichkeit der einseitigen, stereotypen, interpretativen Gemeinplätze zu überwinden in Namen der Erweiterung der Horizonte zwecks einer zuverlässigeren Gesamtexegese. Die Leitthemen der letzten Leibniz-Kongresse sind deutlich einer solchen ergiebigen Richtung in Übereinstimmung mit Heinekamps Unterweisung gefolgt. „Junctae selectiorum ingeniorum vires operi immenso … ad scientiam augendam.“ Ich kann meine flüchtigen Bemerkungen nicht schließen, ohne eine große Danksagung für die Leibniz-Ausgabe, die das Leibniz-Archiv und die anderen Arbeitsstätten in Potsdam, Münster und Berlin sorgfältig mit erneuerter Energie seit Heinekamps Zeiten und immer fruchtbringender ausführen, zum Ausdruck zu bringen. Meine Worte zielen auf keine Panegyrik und kommen aus keinem idyllischen Bild des Leibniz-Archivs als einer heiteren Insel der Glückseligen. Vielmehr handelt es sich um die realistische Feststellung, dass ein großes Werk im Dienst der Menschheit allmählich vollbracht wird, mit großer Mühe und manchmal lebhaften Auseinandersetzungen. Um jeden Preis geht die Arbeit weiter, die innere Dialektik selbst kann nur zu diesem glänzenden Endzweck positiv beitragen, weil die Unterschiede selbst einen tieferen Sinn der Einheit aufscheinen lassen können. Das Leibniz-Archiv hat mir eine solche Vision der „Einheit in der Vielheit“ des kollektiven Werkes trotz Meinungsverschiedenheiten und über sie vermittelt. Deswegen lege ich dankbar dieses Bekenntnis anlässlich seines 50. Jubiläums als persönlichen, anspruchslosen Beitrag im Blick auf seine weitere Wirkungsgeschichte, die es verdient, ab. MARGHERITA PALUMBO (ROM) Es war im Mai 1984, als ich zum ersten Mal ins Leibniz-Archiv kam. Ich nahm teil an einer italienisch-deutschen Tagung über Aufklärung in der Herzog August Bibliothek. Für die Teilnehmer sah das Wolfenbütteler Programm den Besuch zweier weiterer Institutionen Niedersachsens vor: der Landesbibliothek in Hannover und der Universität Göttingen. In Hannover wurden wir vom damaligen Direktor Wilhelm Totok mit besonderer Freude empfangen. Wir warfen einen Blick auf den so genannten Tresor-Raum mit einigen Leibniz-Handschriften und der Rechenmaschine. Dann betraten wir, im vierten Stock des Gebäudes an der Waterloostraße, die kleine Handbibliothek des Leibniz-Archivs, mit seinen alten und neuen Büchern – darunter den schon damals zahlreichen schwarzen Leinenbänden – und hunderten von Karteikästen, Mikrofilmspulen, Mappen und Aktenordnern: das Handwerkszeug, die Arkana der Akademie-Ausgabe. In diesem Szenario stand Albert Heinekamp, der uns in die Editionstätigkeit der von ihm geleiteten Arbeitsstelle mit einer gewissermaßen tiefgründigen Prätentionslosigkeit einführte, eine Gabe und Kennzeichnung, deren eigentliche und vielsagende Bedeutung ich im Laufe der

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Margherita Palumbo

folgenden Jahren erkennen und schätzen lernte. Nach diesem passageren und dennoch in meinem Gedächtnis noch so lebendigen Treffen begannen meine regelmäßigen und oft langen Aufenthalte in Hannover – Jahre, die für mich eine veritable Lehrzeit unter Briefwechseln, Handschriften, Büchern, Marginalien und Bibliotheksakten dargestellt haben; dank der warmherzigen wissenschaftlichen Betreuung durch Heinekamp, unterstützt in seiner ‚pädagogischen‘ Neigung (geradezu einer Verpflichtung) von seinen Mitarbeitern, an erster Stelle Gerda Utermöhlen. Ich war nicht der einzige Lehrling in Heinekamps Zeit. Die Gesellschaft der hauptsächlich italienischen Kollegen jener gemeinsamen Lehrzeit – tagsüber in den Lesesälen der Bibliothek, abends in der anheimelnden und liberalen Atmosphäre der Räume des Leibniz-Archivs – ist noch in der Erinnerung vieler von uns präsent, mitsamt dem anregenden und bereichernden Austausch von Interessen, Anregungen und Erwartungen. Ein Austausch nicht nur in unserem Kreis, in der Cafeteria oder rund um den Tisch der Handbibliothek in der vierten Etage, sondern auch mit unserem generösen Gastgeber, dessen Tür für uns, unsere Wissbegierde und unsere Zweifel und Schwierigkeiten, immer geöffnet war. Seine Kenntnis des in Hannover aufbewahrten Nachlasses war in der Tat so gründlich, seine Beherrschung des so vielschichtigen Werkes von Leibniz so souverän, dass die Gespräche, die er unermüdlich und am liebsten abends mit uns führte (und manchmal sogar in der von ihm so geliebten italienischen Sprache), entscheidend gewesen sind, um neue, noch ungedachte Forschungswege zu entdecken und zu beschreiten. In einer Epoche, in der die Kommunikation noch über Papier und Briefmarken lief und die Sendung von Handschriften, Briefen und Büchern durch einen Mausklick noch zu einer Welt der Phantasie gehörte, war das Leibniz-Archiv ein echter Kreuzungspunkt von Forschern aus der ganzen Leibniz-Welt, sowie von den Editoren der anderen Forschungsstellen, wie Heinrich Schepers und Hans-Stephan Brather. Zu nennen ist auch eine andere Säule in der Geschichte der Leibniz-Edition, der unvergessene Günther Scheel, einer der besten Freunde Heinekamps. Unter diesen so günstigen Umständen konnte ich nicht nur eine genaue Einführung in die Kunst des Edierens und die sachgemäße Benutzung und Anwendung des Instrumentariums erhalten – die ‚Hannoveraner Schule‘ hat in breiterem Sinne mein Forschen, auch in anderen Gebieten, stark geprägt –, sondern auch fortdauernde Kontakte knüpfen, Bekanntschaften und Freundschaften schließen. Im Laufe der Tagung „Komma und Kathedrale“ hatten verschiedene Generationen aus der langjährigen Geschichte der Leibniz-Edition die Gelegenheit, sich wieder zu treffen, um die Vergangenheit zu evozieren, die Gegenwart darzustellen und in die Zukunft zu blicken; im Zeichen nicht eines einfachen ‚Memorialaktes‘, sondern der Kontinuität – menschlich wie wissenschaftlich – in der Veränderung. Mit viel geringerem Anspruch und aus einer rein subjektiven, unvermeidbar autobiographischen Perspektive möchte auch ich diese Kontinuität hervorheben. Denn die wissenschaftliche und warmherzige Betreuung wurde von Herbert Breger, dem 1991 plötzlich der Stab als Leiter übergeben wurde, zwanzig Jahre lang fortgesetzt; und das Leibniz-Archiv sowie die Forschungsstellen in Münster und in Potsdam sind auch heutzutage internationaler Kreuzungspunkt von Forschern, auch wenn es oft eine virtuelle Kreuzung ist, dank der nicht neuen, aber aus dem Arkan-Bereich

„… aliorum diligentiae relinquo“

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der Arbeitsstellen der Öffentlichkeit in den letzten Jahren neu zur Verfügung gestellten Rechercheinstrumente. Der Ritter-Katalog ist jetzt im Netz, wo es auch möglich ist, die Vorausedition von in Arbeit befindlichen Bänden der Akademie-Ausgabe und die letzten veröffentlichten Bände herunterzuladen und die Registerkumulationen online zu konsultieren. Das kumulierte Korrespondentenverzeichnis hat sich in der aktuellen und erfolgreich ausgebauten Korrespondenz-Datenbank neu definiert; sogar die Transkriptionen werden nach und nach der Forschung online angeboten. Die Veränderung des Handwerkszeugs, und daher der Recherche und ihrer jetzt noch fruchtbaren Ergebnisse, ist selbstverständlich radikal gewesen, aber stand immer im Zeichen der Zugänglichkeit und der Mit-Teilung, die bereits unsere Lehrzeit unter Karteikästen, Mikrofilmspulen, Mappen und Aktenordnern und zugleich eine bestimmte Epoche in der Geschichte der Leibniz-Edition gekennzeichnet und geprägt haben. Daher: Keine bloße nostalgische Darstellung der ‚guten alten Zeit‘ des LeibnizArchivs, auch wenn sie unzweifelhaft ‚gut‘ gewesen ist. ENRICO PASINI (TURIN) „Et in Arcadia ego.“ Als ich Albert Heinekamp 1986 kennengelernt habe, ist, so muss ich jetzt gestehen, nichts Besonderes passiert: für mich war es wunderbar, und dieses Wunder koloriert noch heute meine Erinnerung, aber alles war in Wirklichkeit auch völlig normal im Heinekamp-Erlebnis junger Leibniz-Leute. Wir alle haben dieselbe Erfahrung gemacht: wie er behilflich und unterstützend war, wie er sich für die Arbeit der jungen Forscher interessierte; und später, wie er immer ein gutes Wort für jeden jungen Kollegen hatte, oder ein kurzes Diktum und rasche Hilfestellung bei den tagtäglichen Schwierigkeiten in der Bibliothek, einen Vorschlag für neue Studien, ein Scherzwort über die Selbstgefälligkeit eines Veteranen, die Erklärung einer schwierigen Stelle, usw.; und wie er immer die Zeit fand, einem Neuling den Katalog verständlich zu machen oder den anderen Kollegen vorzustellen; wie er sich freute, dass so viele junge Forscher aus Italien und Frankreich in jenen Jahren nach Hannover kommen würden, oder dass diese jungen Forscher bis zehn Uhr oder zwölf Uhr nachts mit ihm im Archiv bleiben würden, um mit Handschriften zu arbeiten und auch mit ihm zu plaudern. Das war nichts Besonderes, doch in der Tat seine nachhaltige Besonderheit: diese allgemeine Generosität. Als einmal eine Ausstellung über Leibniz in der Bibliothek abgebaut wurde, schenkte er mir ein Plakat mit der Reproduktion einer Seite, der Schlussseite der Annales Imperii, wo geschrieben steht: „… aliorum diligentiae relinquo“. „Diese alii“, sagte er, „sind jetzt Sie alle, die hier über Leibniz arbeiten.“ Er gehörte zu den bedeutenden Herausgebern der Edition, und aus seiner charakteristischen Anspruchslosigkeit und auch wahrhaften Höflichkeit heraus sagte er jenes Mal nicht einmal „wir“: Das bewegte mich tief und machte mir das Plakat noch teurer. Deswegen teile ich jetzt gerne diese Privaterinnerung.

„ÜBERHANGMANDATE“ – EDITORISCHE FORSCHUNG

Stefan Jenschke (Münster)

„NOSTRA MENS PHAENOMENON FACIT, DIVINA REM“ – BEMERKUNGEN ZU EINEM BISLANG WENIG BEACHTETEN LEIBNIZTEXT (LH IV 8 BL. 56–57) Zu Beginn der Sektion „Überhangmandate“ – Editorische Forschung möchte ich Ihnen eine bemerkenswerte Skizze von Leibniz vorstellen, die im Rahmen der Leibniz-Akademieausgabe noch nicht ediert worden ist und – wohl auch aus diesem Grund – bisher wenig Beachtung in der Leibnizforschung gefunden hat. Aufgrund der erschlossenen Datierung auf „um 1710“ wird dieses Stück – da die Philosophischen Reihen II und VI der Akademieausgabe nicht parallel bearbeitet werden können und durch die derzeitige Arbeit an der Philosophischen Korrespondenz von Leibniz die Reihe VI der Philosophischen Schriften im Moment ruhen muss – auch erst in einigen Jahren erscheinen können; voraussichtlich mit Band 7 der Philosophischen Schriften. Diese Skizze von Leibniz ist insofern interessant, als Leibniz hier in Stichpunkten – quasi als Inhaltsverzeichnis oder Gliederung einer möglicherweise geplanten Schrift oder einer umfangreicheren Ausarbeitung – fundamentale Aspekte seiner reifen Metaphysik nennt und, zum Teil, in sehr fragmentarischer Form erläutert. Trotz einer Edition dieses Stückes bei Couturat1 und verschiedener, darauf beruhender Übersetzungen (dazu später ausführlicher) blieb diese Skizze in der Leibnizliteratur meines Wissens, mit einer Ausnahme bei Heinrich Schepers,2 bisher unberücksichtigt. Mag sich das mit dem Erscheinen dieses Stückes in der Reihe VI der Philosophischen Schriften der Akademieausgabe zukünftig ändern, bietet diese Skizze doch beachtenswerte Notizen für eines der vielen Diskussionsfelder der aktuellen philosophischen Leibnizforschung, deren Autoren u. a. darum ringen, das reife metaphysische System von Leibniz als ein einheitliches darzustellen.3 Im Rahmen dieser Kontroverse wird ausführlich auch darüber diskutiert,4 ob die 1 2 3 4

C, S. 524–529. H. Schepers: „Schwierigkeiten mit dem Körper. Leibniz’ Weg zu den Phänomenen“, in: VII. Internationaler Leibniz-Kongreß. Nihil sine ratione, Nachtragsband, hrsg. von H. Poser, Hannover 2002, S. 99–110. Diese komplexe und nuancenreich geführte Diskussion kann hier nicht ausgebreitet werden; im Folgenden soll ein Aspekt dieser Diskussion, die in der Literatur gerne bemühte Gegenüberstellung des Realisten oder Idealisten Leibniz, vor dem Hintergrund unserer Skizze umrissen werden. Einige zentrale Veröffentlichungen dazu sind: C. Wilson: Leibniz’s Metaphysics: A Historical and Comparative Study, Princeton 1989; R. M. Adams: Leibniz: Determinist, Theist, Idealist, New York 1994; G. A. Hartz/C. Wilson: „Ideas and Animals: The Hard Problem of Leibnizian Metaphysics“, in: Studia Leibnitiana 37, 1 (2005), S. 1–19; P. Phemister: Leibniz and

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Leibniz’sche Metaphysik in ihrem Kern als eine realistische oder idealistische Position zu identifizieren sei,5 wobei wir diese philosophische Einordnung aus einer speziellen Perspektive zu verstehen hätten, die gleich kurz beschrieben werden soll. Glenn Hartz gibt in seiner 2007 erschienenen Untersuchung zu Leibniz’s Final System ein schönes Beispiel für den Versuch dieser begrifflichen Einordnung von Leibniz’ Metaphysik: „On my interpretation, Leibniz is an Idealist facing Realist worries, and a Realist facing Idealist misgivings. […] Leibniz is different from these ‚consistent‘ theorists in that he adopts Realism yet tries to address Idealist concerns, and also adopts Idealism while yet confronting the full fury of Realist concerns.“6

Leibniz’ Metaphysik sei, so Hartz, demnach die eines Theorie-Pluralisten.7 Dass sich die angesprochene Diskussion durch die Einbeziehung dieser knappen Skizze natürlich nicht einfach auflösen wird, ist selbstverständlich, doch umreißt dieser Text einige der im Fokus der Argumentation stehenden Problembereiche und erscheint dazu inhaltlich aussagekräftig genug, innerhalb dieser Kontroverse Beachtung finden und einen argumentativen Platz darin einnehmen zu können. Unabhängig von der Frage, wie angemessen und sinnvoll eine solche Etikettierung der Leibniz’schen Metaphysik überhaupt sein kann, sollen im Rahmen der nun folgenden Ausführungen die vorzustellenden Gliederungspunkte des Textes vor diesem Hintergrund beleuchtet werden. Bevor wir uns der Leibnizskizze selber zuwenden und dabei einige Veränderungen gegenüber ihrer Edition bei Couturat vorschlagen, zunächst ein summarischer Überblick über die Diskussion. 1. ZUR AKTUELLEN DISKUSSION Wie Leibniz in einem Brief an Kurfürstin Sophie, zur Weiterleitung an die Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans, im November 1696 selber formuliert, kreist sein philosophisches Wirken in besonderem Maße um zwei Dinge, um die Einheit und die Vielheit.8 Während Leibniz mit der Monade die fundamentale metaphysische Einheit, die durch ihr Perzipieren die Vielheit in sich selber repräsentiert,9 gefun-

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the Natural World: Activity, Passivity, and Corporeal Substances in Leibniz’s Philosophy (= The New Synthese Historical Library 58), Dordrecht 2005; G. Hartz: Leibniz’s Final System: Monads, Matter and Animals, London – New York 2007; D. Rutherford: „Leibniz as Idealist“, in: Oxford Studies in Early Modern Philosophy 4 (2008), S. 141–190; D. Garber: Leibniz: Body, Substance, Monad, New York 2009. Diese Gegenüberstellung des Realisten oder Idealisten Leibniz ist, schon allein aus begriffsgeschichtlichen Gründen, problematisch. Darauf weist auch Garber (wie Anm. 4), S. 387 hin. Hartz (wie Anm. 4), S. 7. Ebd., S. 15. Leibniz an Kurfürstin Sophie für Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans: „Mes Meditations fondamentales roulent sur deux choses, scavoir sur l’unité, et sur l’infini“ (A I, 13 N. 59, 90). „L’état passager qui enveloppe et représente une multitude dans l’unité, ou dans la substance simple, n’est autre chose que ce qu’on appelle la Perception […]“ (Mon. § 14); in Korrekturen

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den zu haben scheint, bleiben – wenn wir die Veröffentlichungen der letzten 25 Jahre zum reifen metaphysischen System von Leibniz betrachten10 – Fragen nach der inneren Struktur der Monade und ihrem Verhältnis zur phänomenalen Vielheit der Welt der Körper im umfangreichen Nachlass von Leibniz weniger eindeutig beantwortet.11 Die Interpretationsbreite der meist aus dem englischsprachigen Raum stammenden Veröffentlichungen verwundert umso mehr, als wir von einem so systematischen Denker wie Leibniz doch eher ein geschlossen ausgearbeitetes metaphysisches System erwarten. Ist die Vielfältigkeit der Themen innerhalb der Leibnizforschung natürlich immens, nehmen innerhalb dieser lebhaften Diskussion der Gegenüberstellung des Realisten oder Idealisten Leibniz vor allem seine Substanzlehre, seine Überlegungen zu den fundamentalen, alles weitere Seiende begründenden metaphysischen letzten Einheiten eine exponierte Stellung ein. Gibt es, so die Gretchenfrage, metaphysisch betrachtet, nur Monaden (unausgedehnte, immaterielle, geistige Kraftzentren), oder sind es körperliche Substanzen (ausgedehnte, materielle, organische Einheiten), die tatsächlich ein unum per se bilden und unsere Welt im Letzten konstituieren?12 Verkürzt dargestellt ist das System von Leibniz insofern das eines Idealisten, als er für eine Metaphysik argumentiere, in der es – außer Gott natürlich – nichts in der Welt neben den Monaden und ihren durch den Appetitus geregelten Perzeptionsfolgen gebe und demnach alles andere, was existiere, von diesem Standpunkt aus nur als ein Phänomen zu gelten habe, das aus dem Tun dieser Monaden resultiere. So formuliert Leibniz etwa in seinem Todesjahr an Pierre Dangicourt am 11. September 1716: „Les véritables substances ne sont que les substances simples, ou ce que j’apelle Monades. Et je crois qu’il n’y a que des monades dans la nature, le reste n’étant que les phénomènes qui en résultent.“13

Und in einem wiederholt durchgearbeiteten und verbesserten Schreiben an Nicolas Rémond vom Juli 1714 schreibt Leibniz unter anderem:

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zur Neuauflage der Nova methodus discendae docendaeque jurisprudentiae (1695–1709): „Perceptio est expressio multorum in vere uno seu in substantia simplice […]“ (A VI, 1 N. 10, 286). Eine Übersicht wichtiger Beiträge liefert Garber (wie Anm. 4), S. 382–388. So finden wir auch in der Einleitung des Yale-Leibniz der Leibniz-Des Bosses-Korrespondenz im letzten und bezeichnenderweise mit Leibniz’s Final Metaphysics: Idealism or Realism? überschriebenen elften Kapitel die resignative Einschätzung, dass ebenso die umfangreiche und in besonderem Maße die Frage der substantiellen Einheit behandelnde Korrespondenz mit dem Jesuiten Bartholomäus des Bosses kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich der genannten Frage liefern könne (The Leibniz-Des Bosses Correspondence [= The Yale Leibniz], übers., ed. und mit einer Einleitung von B. C. Look und D. Rutherford, New Haven – London 2007, S. LXXII). Der Gehalt dieser Debatte ist damit natürlich nicht vollständig wiedergegeben, doch darf die Gegenüberstellung von immateriellen Geistmonaden oder materiellen körperlichen Substanzen als fundamentale Bausteine alles Seienden als zentraler Aspekt dieser Diskussion angesehen werden. Leibniz an Dangicourt, 11. September 1716 (Dutens III, 499).

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Stefan Jenschke „Je crois que tout l’univers des Creatures ne consiste qu’en substances simples ou Monades, et en leur Assemblages. Ces substances simples sont ce qu’on appele Esprit […] Les Assemblages sont ce que nous appelons corps. […] Cependant tous ces corps et tout ce qu’on leur attribue, ne sont point des substances, mais seulement des phenomenes bien fondés, ou le fondement des apparences […].“14

Interessanterweise sandte Leibniz dieses sehr pointierte und, wie man im Leibniz’schen Sinne vielleicht sagen darf, mit metaphysischer Strenge formulierte Konzept nicht ab, sondern eine entschärfte Version.15 In detaillierter Weise wird im Rahmen der Debatte aber auch darauf verwiesen, dass es ebenso Belege für den Realisten Leibniz hinsichtlich der Körperwelt gebe, nach denen die gesuchten fundamentalen Einheiten zusammengesetzte körperliche Substanzen seien: „Monadem completam seu substantiam singularem voco non tam animam, quam ipsum animal aut analogum, anima vel forma et corpore organico praeditum“,16

so Leibniz an Johann Bernoulli am 30. September 1698. Und in einem Brief an Friedrich Wilhelm Bierling vom 12. August 1711 schreibt Leibniz: „Corpus autem est vel substantia corporea, vel massa ex substantiis corporeis collecta. Substantiam corpoream voco, quae in substantia simplice seu monade (id est anima vel Animae analogo) et unito ei corpore organico consistit.“17

Die uneinheitlichen Aussagen im Leibniz’schen Nachlass zur Substanzlehre sind weniger der Frage geschuldet, welche Attribute einer singulären Substanz zuzusprechen sind als vielmehr, welchen Entitäten die essentiellen Eigenschaften von Substanzen in vollem Umfang zukommen. Gilt es als opinio communis, dass Leibniz mit seinem Discours de metaphysique,18 spätestens aber mit Beginn der 1690er Jahre, zentrale Aspekte seines metaphysischen Systems, darunter auch die der individuellen Substanz, ausgearbeitet hat,19 kann von einer solch eindeutigen Bestimmung hinsichtlich des ontologischen Status von zusammengesetzten körperlichen Substanzen in Leibniz’ metaphysischen Schriften – in den Augen vieler Leibnizinterpreten – nicht gesprochen werden. Zwar können wir die nun vorzustellende Skizze nicht als Leibniz’ Bekenntnis hinsichtlich der aufgeworfenen Frage verstehen, doch behandelt er dort, wenn auch nur in äußerster Kürze, in diesem Kontext verortete Aspekte seines metaphysischen Systems.

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Leibniz an Rémond, Juli 1714 (GP III, 622). Ebd., 618–621. Leibniz an Bernoulli, 30. September 1698 (A III, 7 N. 233, 909). Leibniz an Bierling, 12. August 1711 (GP VII, 501). A VI, 4 N. 306. So bestimmt Leibniz – um zentrale Eigenschaften zu nennen – die substantia singularis als ein ens per se, ens concretum, ens completum, ens vere unum und ens sponte agens.

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2. ZUM TEXT Louis Couturat edierte den Foliobogen mit der Signatur LH IV 8 Bl. 56–57, aus dem das Zitat für diesen Beitrag stammt, im Jahre 1903. Darüber hinaus erschienen eine slowakische Übersetzung von Ján Šebestík 1956,20 eine deutsche Teilübersetzung von Franz Schmidt aus dem Jahre 196021 sowie eine jüngere spanische Übersetzung von Agustín Andreu,22 die 2001 erschienen ist. Der weder mit einem Titel versehene noch datierte Foliobogen wird von Couturat entsprechend auch ohne Titel ediert und auf „nach 1696“ datiert, wobei er sich dabei auf die Leibniz’sche Verwendung des Begriffs „Monas“ stützt, den Leibniz auf Blatt 56v und 57v insgesamt zweimal auf diesem Bogen verwendet.23 Die slowakische und die spanische Übersetzung beruhen auf der Edition von Couturat, Schmidt gibt im Vorwort seiner Fragmente zur Logik an,24 neben der Edition von Couturat auch Kopien der Handschriften berücksichtigt zu haben, doch folgt er bei unserem Text ganz seiner Editionsvorlage, so dass der bisher zugänglich edierte Textbestand dieses Bogens mit der Edition von Couturat erschöpft ist. Entsprechend finden wir bei den Übersetzungen, und dort auch nur partiell, die Leibniz’schen Streichungen und Ergänzungen im Text, die bereits bei Couturat vorliegen. Auch hinsichtlich der Datierung auf „nach 1696“ folgen die Übersetzungen ihrer Vorlage. Hinsichtlich des Entstehungszeitraumes des Textes kann aufgrund eines Wasserzeichens eine präzisere Datierung vorgenommen werden: Auf dem Papierbogen findet sich das Wasserzeichen 1833ae, das wir auch auf einem datierten Brief von Leibniz nachweisen können. Leibniz’ Abfertigung dieses Briefes an seinen früheren Sekretär und späteren Professor der Mathematik und Physik in Helmstedt, Rudolph Christian Wagner, trägt ebenso dieses Wasserzeichen und ist auf den 15. April 1710 datiert,25 wodurch wir zu unserer Datierung auf „um 1710“ gelangen. Die deutsche Übersetzung von Schmidt und die slowakische von Šebestík überschreiben das Stück mit Einteilung der Philosophie bzw. Rozdelenie filozofie, und auch der Ritter-Katalog zeichnet diesen Text mit dem erschlossenen Titel Gliederung der Philosophie aus. Diese Titel sind insofern treffend, als Leibniz direkt zu Beginn des Bogens auf Blatt 56r, nachdem er die Philosophie als eine Verknüpfung der Lehren vom Allgemeinen bestimmt, im Gegensatz zur Historie, welche von Einzeldingen handle, zwischen der theoretischen und der praktischen Philosophie unterscheidet und diese Unterteilung mit weiteren Subunterscheidungen bis zum Ende von Blatt 57r fortführt. Dabei unterteilt Leibniz etwa die theoretische Philosophie in eine rationale und eine empirische, indem er ausführt, dass die 20 J. Šebestík (Hrsg.): G. W. Leibniz, O reforme vied, Bratislava 1956, S. 35–38. 21 G. W. Leibniz: Fragmente zur Logik, ausgewählt, übersetzt und erläutert von F. Schmidt, Berlin 1960, S. 79–83. 22 A. Andreu (Hrsg.): Ética o Política (= Methodus Vita [Escritos de Leibniz] III, 1), Valencia 2001, S. 134–138. 23 Leibniz verwendet wohl zum ersten Mal den Begriff „Monas“ in seinem Brief an Guillaume François de l’Hospital vom 22. Juli 1695 (A III, 6 N. 149, 451). 24 Leibniz: Fragmente (wie Anm. 21), S. XIX. 25 Leibniz an Wagner, 15. April 1710 (Halle ULB Yg 23 8° A 88).

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rationale theoretische Philosophie von den Prädikaten und den Substanzen oder Gegenständen handle und demgegenüber die empirische Philosophie von den Qualitäten der Eigenschaften und der Stoffe. Die praktische Philosophie, so Leibniz ab Blatt 57r, handle vom Guten und Bösen oder vom Zweck und von den Mitteln und spreche dabei etwa von der Glückseligkeit und der Vollkommenheit des Geistes. Blicken wir auf Blatt 57v, sieht es zunächst wie die Fortführung seines Gedankenganges und der Abschluss dieser Einteilung der Philosophie aus. Doch scheint es sich bei dem Text auf der Rückseite auch um eine eigenständige, vom Text der drei vorhergehenden Seiten unabhängige Skizze von Leibniz handeln zu können: So wird zunächst einmal der Untersuchungsgegenstand der drei vorhergehenden Seiten, die Unterscheidung von theoretischer und praktischer Philosophie, auf Blatt 57v nicht mehr aufgegriffen oder weitergeführt. Vielmehr beginnt Leibniz auf der Rückseite von Blatt 57 mit einer Aufzählung von fundamentalen Prinzipien, wie dem Prinzip vom Widerspruch und dem Satz vom Grunde. Darüber hinaus scheint Leibniz am Ende der Vorderseite von Blatt 57 hinsichtlich des behandelten Themas resümierend zum Abschluss gekommen zu sein. Die auf der Rückseite des Blattes folgenden Gliederungspunkte lassen nicht auf eine Weiterführung der vorangehenden Ausführungen schließen, so dass die Zusammengehörigkeit der ersten drei Seiten und Blatt 57v in Frage gestellt werden kann. Der Leibniz’schen Abfassung dieser Skizze dürfte ein anderes Motiv zugrunde gelegen haben. Während die Einteilung der Philosophie ihren Untersuchungsgegenstand eingehend erörtert, scheint es sich bei dem Text auf Blatt 57v eher um eine Arbeitsskizze oder eine Gliederungsvorlage für eine mögliche geplante Schrift oder Ausarbeitung handeln zu können. Bezeichnenderweise übersetzt auch Schmidt in seiner Teilübersetzung der Gliederung der Philosophie lediglich bis Ende von Blatt 57r, die Rückseite lässt er im Rahmen seiner Übersetzung komplett aus und verweist durch Auslassungspunkte auf den noch folgenden Text. Darüber hinaus gibt auch Bodemann in den Leibniz-Handschriften zu LH IV 8, Blatt 56–57 als Textende dieses Papierbogens den Text von Blatt 57r unten an und lässt den Text der Rückseite völlig unberücksichtigt. 26 Insofern scheint es, entgegen Couturat und den darauf beruhenden Übersetzungen, durchaus zweifelhaft, ob es sich bei dem Foliobogen tatsächlich um eine zusammenhängende Schrift und nicht vielmehr um zwei verschiedene Stücke von Leibniz handelt – eine Frage, die bis zur Beendigung von Band VI, 7 mit größerer Sicherheit beantwortet werden kann. Im Folgenden sollen nun exemplarisch einige Zeilen dieser Skizze vorgestellt werden, zuvor aber ein kurzer Überblick über die von Leibniz notierten Gliederungspunkte: Leibniz beginnt dieses Arbeitspapier mit Principia veritatum und der folgenden Aufzählung von verschiedenen Prinzipen: So nennt er das Widerspruchsprinzip und den Satz vom Grunde. Dann, wie er schreibt, die aus diesen beiden genannten ableitbaren Prinzipien der Kongruenz und der Ähnlichkeit, schließlich das Gesetz der Kontinuität und das der Konvenienz bzw. des Besseren, aus dem die Gesetze der Natur, die der Körperbewegung und die der Neigung des Willens hervorgehen. 26 E. Bodemann: Die Leibniz-Handschriften der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Hannover, Hannover 1889, S. 112 f.

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Als weitere zu behandelnde Aspekte gibt Leibniz die Grade von Begriffen an und die einfachen Positionen unter Einbeziehung der Arithmetik und Algebra, schließlich die Kombinatorik. Danach will er von Wirkungen und Veränderungen sprechen, streicht dieses aber und notiert: Die reflexiv erörterten consequentiae reichen bis zu den contingentia (die in den Dingen das Unendliche Einschließende). Leibniz kommt zurück auf gerade Gestrichenes und will von Veränderungen (mutationes) handeln: Ursache und Wirkung kommen dort zum Vorschein, wo die reflexive Betrachtung der Konsequenzen anschließt. Im Folgenden spricht Leibniz von Gott und notiert: Deus Fons rerum. Danach wendet er sich der substantiierenden Monade zu, der Perzeption und dem Appetitus und handelt, wo diese distinkt sind, von der Vernunft und dem Willen. Anschließend geht Leibniz auf das Compositum und das Commercium zwischen den einfachen Substanzen ein, auf Raum und Zeit (ordo existendi). Im Folgenden spricht er von der Unio und von dem, was – außer den Monaden – real im Compositum ist. Er schließt die Frage an: Unde nobis phaenomenon?, streicht sie aber und fragt ersetzend: Woher die Realisation der Relationen? und antwortet: Nostra Mens phaenomenon facit, divina Rem. Er fährt fort: Die Praesentia ist die Immediatio in der Ordnung des Koexistierens. Abschließend spricht Leibniz von der ratio mutationis und stellt heraus, dass das göttliche Denken bewirkt, dass das, was in den Ideen der Grund ist für die Veränderung im anderen, in diesem anderen selber agiert. Und zwar so, dass die Handlung des einen in das andere (actio unius in alio) der Zustand ist, der die Einheit beinhaltet und den distinkt zu verstehenden Grund der Veränderung in einem Subjekt aus einem anderen Subjekt. Jede einzelne dieser Zeilen thematisiert Grundlegendes der Philosophie von Leibniz und könnte Gegenstand eines längeren Vortrages sein. Im Folgenden sollen nun die Zeilen 17 bis 24 unseres Stückes in einer – gegenüber der Edition bei Couturat leicht veränderten Fassung – vorgestellt werden: Couturat beginnt unsere Textpassage folgendermaßen: „“27

– angegeben in spitzen Klammern und somit gekennzeichnet als eine Ergänzung von Leibniz. Dass die gesamte Zeile von Fons bis Monas von Leibniz in seinem Manuskript ergänzt worden ist, hat Couturat völlig zu Recht angenommen, nur scheinen sowohl substantiatoriae als auch Monas nicht zu Fons rerum zu gehören. Grammatikalisch passt substantiatoriae nicht an die von Couturat vorgesehene Stelle und gehört vielmehr zu dem im Manuskript in der Zeile darunter stehenden substantiae. Auch das von Leibniz ergänzte Monas gehört nicht zu Fons rerum, sondern ebenso zu der darunter liegenden Zeile. Vielmehr scheint das rechts oberhalb der ergänzten Zeile stehende Deus zu Fons rerum zu gehören, also zu lesen als Deus Fons rerum, und ist nicht in Zeile 16 hinter primitiva zu edieren, wie 27 C, S. 528.

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Couturat es tut. Betrachten wir die Variante zu Zeile 22, sehen wir die gestrichene Passage Fons rerum Deus, so dass wir von der Zusammengehörigkeit von Deus und Fons rerum auch zu Beginn unserer Passage ausgehen dürfen. Dass Leibniz Deus in der darüber liegenden Zeile ergänzt hat, wird daran gelegen haben, dass er Deus Fons rerum wohl nach den anderen Ergänzungen der Zeile 18, nämlich substantiatoriae simplicis und Monas, zugefügt hat und, da er wohl, wie in der gestrichenen Passage in Zeile 22, zunächst Fons rerum Deus ergänzen wollte, hinter rerum aufgrund des langen Aufstrichs von seu und der von ihm zugefügten Ergänzung substantiatoriae simplicis aber keinen Platz mehr für Deus in derselben Zeile hatte und das Wort somit in der Handschrift an das Ende der darüber liegenden Zeile versetzte. Insofern liegt es nahe, dass Leibniz, nachdem er einige Zeilen weiter unten zunächst Fons rerum Deus formuliert hatte, dieses zu einem späteren Zeitpunkt doch vor den Absatz über die Monade und, nach der Streichung in Zeile 22, als Ergänzung weiter oben einfügte. Auch dürfen wir davon ausgehen, dass Leibniz hinter primitiva im Zuge der Ergänzung von Deus Fons rerum deswegen ein Komma setzte, um seine Ergänzung optisch abzutrennen. Der nächste Satz in der Edition von Couturat lautet: „Subjectum seu substantiae natura, ubi de perceptione et appetitu, et (ubi distincta sunt) ratione et voluntate, consideratur hic aliquid in mutatione permanere“.

Wie schon erwähnt, stellen nach der hier vorgeschlagenen alternativen Lesung substantiatoriae simplicis und Monas als zwei Ergänzungen Bestandteile dieses Satzes dar, so dass wir „Monas Subjectum seu substantiae substantiatoriae simplicis natura, ubi de perceptione et appetitu; et (ubi distincta sunt) ratione et voluntate, consideratur hic aliquid in mutatione permanere“

edieren. Wie wir in der Variante zu Zeile 18 sehen, wird die Ergänzung substantiatoriae simplicis als eine Ergänzung angegeben, obwohl es aufgrund des graphischen Befundes anzunehmen ist, dass Leibniz zunächst simplicis mit einem Einfügungsstrich ergänzt hatte und erst zu einem späteren Zeitpunkt substantiatoriae auch noch hinzufügte, doch wird dieser zeitliche Aspekt innerhalb unserer Ausgabe nicht weiter berücksichtigt. Dass substantiatoriae später ergänzt worden ist, deutet sich durch die kleine Kringelstreichung vor simplicis an, in die hinein Leibniz substantiatoriae geschrieben hat. Diese Streichung legt nahe, dass Leibniz eine nicht mehr nachvollziehbare Ergänzung, die er wohl mit dem ersten Buchstaben abgebrochen hatte, gestrichen hat und anschließend simplicis ergänzte. Bisher konnte nicht ermittelt werden, welcher Buchstabe hier gestrichen worden ist, doch ist diese Streichung zu vernachlässigen, ebenso wie die Frage, ob sie ursprünglich in Verbindung mit dem folgenden simplicis gedacht war. Dieses gilt im Übrigen auch für die kleine Streichung, die wir in derselben Zeile der Handschrift ein wenig weiter links bei rerum und item sehen können – auch hier ist nicht genau festzustellen, was Leibniz beabsichtigte, aber auch diese Streichung besitzt in dieser Form wohl keine weitere Bedeutung für die Genese seiner Gedanken und somit auch für uns keine editorische Relevanz und kann aus diesem Grund vernachlässigt werden.

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Die letzte Ergänzung in dieser Zeile der Handschrift, nämlich Monas, wurde von Leibniz, wie wir sehen können, ohne einen Einfügungsstrich hinzugefügt. Wie in der darüber liegenden Zeile bei Deus ist zu vermuten, dass Leibniz Monas vor Subjectum ergänzen wollte und aus Platzgründen auf die darüber liegende Zeile ausweichen musste, so dass wir Monas Subjectum usw. edieren. Nachdem Leibniz also Gott als Fons rerum bestimmt, notiert er – frei übersetzt: „Als Subjekt oder als Natur der substantiierenden einfachen Substanzen ist das zu untersuchen, das in der Veränderung [es selbst] bleibt: die Monade. Und [in Bezug auf diese ist zu handeln] von der Perzeption und dem Appetitus; und wo diese distinkt sind, von der Vernunft und dem Willen.“

Den nächsten, in Zeile 21 beginnenden Abschnitt ediert Couturat: „Compositum, ubi de connexio substantiarum simplicium; et ordine coexistendi, spatio, tempore“.

Couturat scheint hier ein Lapsus unterlaufen zu sein, indem er nicht commercio substantiarum, sondern connexio substantiarum ediert. Leibniz will also nun über das Compositum sprechen und vom commercium zwischen den einfachen Substanzen (Monaden) und (was aus diesem commercium resultiert) vom ordo existendi, vom Raum und der Zeit. Zu Beginn des nächsten Abschnitts (Zeile 23) streicht Leibniz zunächst Unio, um schließlich doch mit Unio diesen Abschnitt zu beginnen. In der Zeile darunter formuliert er nach ingredientia zunächst unde nobis phaenomenon, fährt dann aber ersetzend mit seu realisatio relationum (oder der Realisierung der Relationen) fort. Im letzten Satz des Textausschnittes (Zeile 24) ersetzt Leibniz hinter facit das zunächst begonnene Deus durch divina, um zuerst mit der Unterstufe dat Unionem fortzufahren, die durch Rem ersetzt wird, so dass „Unio, seu quid realitatis in composito praeter ingredientia seu realisatio relationum, nostra Mens phaenomenon facit, divina Rem.“

zu lesen ist. Leibniz fragt hier nach der Einheit des Compositums und was an Realität im Compositum außer der von den zugrunde liegenden Ingredientien (Monaden) vorhanden ist. Stellt er zunächst die Frage nach der Herkunft der Phänomene, fragt er ersetzend nach der Realisation der Relationen und antwortet: nostra Mens phaenomenon facit, divina Rem. Schließlich finden wir am rechten Rand des Blattes folgende Notiz: In Temmik philosophiam ancillantem. Diese Notiz scheint nicht Leibniz’ Hand zuzuschreiben zu sein, vielmehr handelt es sich wohl um einen frühen Bibliotheksvermerk von unbekannter Hand, der allerdings einen interessanten Hinweis für unsere Fragestellung liefert: Unter LH IV 8 Bl. 60–61 finden wir Notationes quaedam ad Aloysii Temmik Philosophiam,28 die zum großen Teil auf Marginalien und Anstreichungen zurückgehen, die Leibniz in sein Handexemplar des unter dem Pseudonym Aloysius Temmik 1706 erschienenen Buches Philosophia vera eines 1705 in Aschaf-

28 VE N. 242.

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fenburg gestorbenen Jesuiten eingetragen hat.29 Diese Notationes werden in der Vorausedition von Band VI, 4 auf 1715–1716 datiert und handeln in besonderem Maße von Relationen. Dort finden sich aufschlussreiche Gedanken, die sowohl genau zu der hier von Leibniz als auch zu der in der Literatur besprochenen Fragestellung passen: Bilden die substantiierten zusammengesetzten körperlichen Substanzen ein unum per se oder besitzen, streng genommen, nur Monaden eine wirkliche substantielle Einheit?30 3. ABSCHLUSS Hätte Leibniz diese Skizze als Inhaltsverzeichnis oder Grundlage für eine zusammenhängende Darlegung seiner Metaphysik verwendet, würde diese innerhalb der Leibnizforschung sicherlich große Beachtung finden. Und hätte Leibniz dabei – entgegen seiner Gewohnheit – auf diplomatische Entschärfungen verzichtet und seine reifen metaphysischen Überzeugungen offen formuliert, wären besonders die vier Kapitel unserer Textpassage zu Gott, der Monade, dem Kompositum und dessen Einheit vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte interessant. Wir fingieren: Kapitel 1: Deus Dass Leibniz Gott als Ursprung der Dinge begreift, ist zunächst nicht weiter überraschend. In diesem Kapitel würden sich auch Leibniz’ modallogische Überlegungen antreffen lassen, deren Berücksichtigung für ein angemessenes Verständnis seiner Metaphysik unabdingbar ist,31 wie etwa die Theorie der möglichen Welten und der vor der Schöpfung in mente Dei geschaute Prozess der Selbstkonstitution der Monaden.32 Die Monaden der besten aller möglichen Welten werden von Gott zur Existenz gebracht, und sie bleiben als Subjekt oder Natur der substantiierenden einfachen Substanzen in der Veränderung sie selber. Kapitel 2: Monas Das zweite Kapitel erörtert also das Herzstück der Leibniz’schen Metaphysik, seine Lehre von den Monaden. Die durch den Appetitus geregelte Perzeptionsfolge,

29 A. Temmik: Philosophia vera Theologiae et Medicinae Ministra, in Theatrum Mundi dijudicanda, Köln 1706. 30 „Rectius hoc assererent de unione quae ex pluribus substantiis facit novam substantiam vere unam, seu unum per se, quam unionem statuere necesse est, si corpus est substantia“ (VE N. 242, 1086). 31 H. Poser: Zur Theorie der Modalbegriffe bei Leibniz (= Studia Leibnitiana, Supplementa 6), Wiesbaden 1969, S. 9; F. Mondadori: „‚Quid sit creaturae, priusquam a Deo producatur‘: Leibniz’s Views“, in: A. Lamarra/R. Palaia (Hrsg.): Unità e molteplicità nel pensiero filosofico e scientifico di Leibniz (= Lessico Intellettuale Europeo LXXXIV), Florenz 2000, S. 185–223. 32 Vgl. A VI, 4 N. 312, 1618; Grua, 371.

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genauer, das Perzipieren, ist die Handlung (actio) der Monade,33 und Leibniz definiert das Perzipieren, so etwa in einem Brief an den schon genannten Rudolph Christian Wagner vom 4. Juni 1710, als „[…] Repräsentation des Äußeren im Inneren, als Repräsentation des Zusammengesetzten im Einfachen und als Repräsentation der Vielheit im Einen.“34

Da die Monaden bekanntermaßen keine Fenster haben, vollzieht sich diese Repräsentation der äußeren Vielheit „innerhalb“ der Monade, und der Grund für diese der Monade begegnenden Phänomene kann, denken wir an den vollständigen Begriff und die Spontaneität – natürlich auch aufgrund ihrer Compossibilität mit den Perzeptionen aller anderen Monaden der entsprechenden möglichen Welt –, nur in der Monade selber und nicht in einem externen Objekt liegen. So schreibt Leibniz, dass die Monaden selber die Quelle ihrer Phänomene sind.35 Die Fensterlosigkeit ist ebenso auch Metapher dafür, dass die repräsentierte äußere Vielheit in der Monade verbleibt. „Begegnet“ der Monade also nur dasjenige, was sie durch ihre Perzeptionen selber und in prästabilierter Harmonie mit allen anderen Monaden ihrer möglichen Welt entwirft, wird verständlich, was Leibniz damit meint, wenn er sagt: „Es ist wahr, dass das, was in der Seele vorgeht, mit dem übereinstimmen muss, was außerhalb der Seele geschieht; aber dazu reicht es aus, dass die Vorgänge in einer Seele sowohl einander entsprechen, als auch dem, was in einer beliebigen anderen Seele geschieht; und es braucht nichts außerhalb aller Seelen oder Monaden angesetzt zu werden.“36

Hinsichtlich des Substantiierens der einfachen Substanzen haben wir an das Ergebnis, an das Resultat dieser Perzeptionsleistung zu denken: an die substantiata, die Leibniz verschiedentlich als die zusammengesetzten oder körperlichen Substanzen begreift. So unterscheidet Leibniz in einer zum Teil gestrichenen Passage seines Briefes an Des Bosses vom 20. September 1712 die einfachen Substanzen oder Monaden von den substantiata und differenziert dort zwischen substantiata per se (das sind körperliche oder zusammengesetzte Substanzen) und substantiata per accidens (Aggregate).37

33 Leibniz an Des Bosses, 30. April 1709: „Operatio autem animae propria est perceptio, et unitatem percipientis facit perceptionum nexus, secundum quem sequentes ex praecedentibus derivantur“ (GP II, 372). 34 Leibniz an Wagner, 4. Juni 1710: „Isque corresponsus interni et externi seu repraesentatio externi in interno, compositi in simplice, multitudinis in unitate, revera perceptionem constituit“ (GP VII, 529). 35 Leibniz an De Volder, 23. Juni 1699: „In anima est idea materiae adaequata, attamen anima mihi non est ipsa materiae idea, sed fons idearum ipsi in ipsa ex natura sua nascentium […]“ (GP II, 184). 36 Leibniz an Des Bosses, 16. Juni 1712: „Verum est, consentire debere, quae fiunt in anima, cum iis quae extra animam geruntur; sed ad hoc sufficit, ut quae geruntur in una anima respondeant tum inter se, tum iis quae geruntur in quavis alia anima; nec opus est poni aliquid extra omnes Animas vel Monades […]“ (Ebd., 451). 37 Leibniz an Des Bosses, 20. September 1712: „Porro substantialia divido in substantias simplices, ut Deus, Angelus, anima, et substantiata; substantiatum in unum per se seu substantiam compositam, et unum per accidens seu aggregatum“ (Ebd., 459).

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Kapitel 3: Compositum Die Composita verstehen sich durch das Commercium der einfachen Substanzen, wodurch auch Raum und Zeit konstituiert werden: Wieder nenne ich Heinrich Schepers, der Grundlegendes zum Raum-Zeit-Problem bei Leibniz geschrieben hat und Raum und Zeit auch als Perzeptionsleistung bestimmt.38 So konstituiert sich nach Leibniz die Zeit durch den Übergang von einer Perzeption zur nächsten von Moment zu Moment und der Raum durch das geordnete Nebeneinander der Monaden,39 die von ihrer jeweils individuellen Perspektive aus die Welt perzipieren. Obwohl Leibniz sie als substantiata per se bestimmt, sind körperliche Substanzen als substantiierte Entitäten den substantiierenden Monaden nachgeordnet und als Resultat der handelnden monadischen Einheiten her zu deuten.40 Darüber hinaus scheinen zusammengesetzte Substanzen, qua Composita, obwohl Leibniz ihnen durch ein intern wirkendes Prinzip Einheit zuspricht, nicht im gleichen ursprünglichen Sinn Eines sein zu können wie ihre konstituierenden Elemente, da sie Teile haben und vergänglich sind.41 Kapitel 4: Unio Somit schließt sich das Problem der Einheit von zusammengesetzten Substanzen an, und Leibniz fragt, welche Realität im Compositum außer der von den Monaden besteht. An bekannter Stelle stellt er in seinem Brief vom 30. April 1687 gegenüber Antoine Arnauld deutlich heraus, dass es keine Vielheit ohne wahre Einheiten geben könne und formuliert: „[…] dass nämlich, was nicht wahrhaft ein Seiendes ist, auch nicht wahrhaft ein Seiendes ist“.42 Gerade diese strikte Forderung stellt die Leibnizforschung, und offensichtlich auch Leibniz selber, vor große Herausforderungen. In diesem Kontext der Einheit zusammengesetzter Substanzen finden wir im Nachlass von Leibniz verschiedene Annäherungen zur Komposition körperlicher Substanzen. Etwa die schon recht früh formulierte Bestimmung von körperlichen Substanzen, wonach die Seele, die substantielle Form, organische Maschinen zu 38 H. Schepers: „Neues über Zeit und Raum bei Leibniz“, in: Studia Leibnitiana 38/39, 1 (2006/2007), S. 3–18. 39 Leibniz an Des Bosses, 16. Juni 1712: „Explicationem phaenomenorum omnium per solas Monadum perceptiones inter se conspirantes, seposita substantia corporea, utilem censeo ad fundamentalem rerum inspectionem. Et hoc exponendi modo spatium fit ordo coexistentium phaenomenorum, ut tempus successivorum […] In hac etiam consideratione nulla occurrit extensio aut compositio continui […]“ (GP II, 450–451). 40 Leibniz an Des Bosses, 20. September 1712: „Porro substantiam compositam, seu rem illam quae facit vinculum Monadum, cum non sit mera modificatio monadum […] statuerem dependere a monadibus […]“ (Ebd., 458). 41 Ebd., S. 459: „Ego vero putem, id medium esse ipsum unum per se substantiatum, seu substantiam compositam; ea enim media est inter substantiam simplicem (quae praecipue nomen substantiae meretur) et modificationem. Substantia simplex est perpetua; substantiatum nasci et interire potest, et mutari […]“. 42 Leibniz an Arnauld, 30. April 1687: „Pour trancher court, je tiens pour un axiome cette proposition identique, qui n’est diversifiée que par l’accent: savoir que ce qui n’est pas veritablement UN estre, n’est pas non plus veritablement un ESTRE“ (A II, 2 N. 42, 186).

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echten Einheiten transformiert,43 oder die, wonach diese Einheit stiftende Funktion der dominierenden Monade zukommt, die ein Aggregat subordinierter Monaden zu einer echten substantiellen Einheit macht.44 Weiterhin findet sich in dem aktuell vielbeachteten umfangreichen Briefwechsel zwischen Leibniz und dem Jesuiten Bartholomäus des Bosses die Deutung eines vinculum substantiale, welches für die substantielle Einheit zusammengesetzter körperlicher Substanzen nötig ist, da eine solche Einheit auf allein monadischer Ebene nicht begründet werden kann.45 Hinsichtlich der Begründbarkeit substantieller Einheit zusammengesetzter Substanzen ist es schließlich für Leibniz auch wiederholt die Scientia Visionis Dei, welche – wir kommen zum Ende unserer Textpassage – die Relationen realisiert und als Fundament der Phänomene ihre Realität begründet: „Darüber hinaus betrachtet Gott nicht nur einzelne Monaden und die Modifikationen jeder beliebigen Monade, sondern er sieht auch ihre Relationen, und darin besteht die Realität der Relationen und Wahrheiten […] Aber über diese realen Beziehungen hinaus kann eine vollkommenere aufgefasst werden, durch welche eine neue Substanz aus mehreren Substanzen entsteht. Und dieses wird nicht ein simples Resultat sein, oder nicht einfach nur in wahren oder realen Relationen bestehen, sondern darüber hinaus wird es eine neue Substantialität oder ein substantielles Band hinzufügen, und dieses wird nicht nur ein Effekt des göttlichen Verstandes, sondern auch des göttlichen Willens sein.“46

Und in einer Skizze aus dem Jahre 1712 betont Leibniz ebenso: „Und wie durch unser Denken Phänomene aus Substanzen entspringen, so entstehen durch das göttliche Denken aus einfachen Substanzen Composita, und es ist festgesetzt, dass bei Gott zum Intellekt der Wille hinzutritt, so dass aus Vielem Eines gemacht wird.“47

Schließlich stellt Leibniz auch in den eben angesprochenen Notationes zur Philosophie von Aloysius Temmik heraus, dass die göttliche mens Relationen realisiert und durch seinen hinzukommenden Willen eine neue Entität (novum entitatem) entsteht, 43 Leibniz an Arnauld, 9. Oktober 1687: „[…] l’homme … est un estre doué d’une veritable unité, que son ame luy donne, non obstant que la masse de son corps est divisée en organs, vases, humeurs, esprits; et que ces parties sont pleines sans doute d’une infinité d’autres substances corporelles douées de leurs propres formes“ (A II, 2 N. 57, 251). 44 Leibniz an Dangicourt, September 1716: „Chaque monade est un miroir de l’univers selon son point de vue, accompagnée d’une multitude d’autres monades qui composent son corps organique dont elle est la monade dominante“ (Dutens III, 499–500). 45 Leibniz an Des Bosses, 26. Mai 1712: „Si id quod Monadibus superadditur ad faciendam Unionem substantiale esse negas, jam corpus substantia dici non potest; ita enim merum erit Monadum aggregatum, et vereor ne in mera corporum phaenomena recidas“ (GP II, 444). 46 Leibniz an Des Bosses, 15. Februar 1712: „Porro Deus non tantum singulas monades et cujuscunque Monadis modificationes spectat, sed etiam videt earum relationes, et in hoc consistit relationum ac veritatum realitas […] Sed praeter has relationes reales concipi una potest perfectior, per quam ex pluribus substantiis oritur una nova. Et hoc non erit simplex resultatum, seu non constabit ex solis relationibus veris sive realibus, sed praeterea addet aliquam novam substantialitatem seu vinculum substantiale, nec solius divini intellectus, sed etiam voluntatis effectus erit“ (Ebd., 438). 47 „Uti per nostram cogitationem phaenomena ex substantiis oriuntur, ita per Divinam Cogitationem oriuntur ex substantiis simplicibus composita, posito in Deo praeter intellectum accedere voluntatem, ut fiat ex multis unum […]“ (LH IV 1,1a Bl. 7).

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damit aus einer körperlichen Masse wahre seiende Dinge (vera Entia) werden.48 So fasst Leibniz in den Zeilen 24 und 25 unserer Skizze zusammen: „Nostra Mens phaenomenon facit, divina Rem“. Schlägt sich diese angedeutete Pluralität von Argumentationsansätzen zum Einheitsproblem zusammengesetzter körperlicher Substanzen in den verschiedenen Auslegungen der Metaphysik von Leibniz nieder, wird es durch den weiteren editorischen Fortgang sicherlich gelingen, ein schärferes Bild seiner reifen Metaphysik zeichnen zu können. Selbstverständlich lässt sich auch aufgrund unserer Skizze kein abschließendes Urteil fällen, sie stellt aber zumindest in wenigen Zeilen elementare Facetten unserer Fragestellung kompakt dar und bietet meines Erachtens – aufgrund des Gedankenganges vom Schöpfergott, über die substantiierenden Monaden bis hin zum Einheitsproblem zusammengesetzter Substanzen – Anhaltspunkte, die gesuchte metaphysische Einheit ursprünglich in der Monade und weniger in dem durch sie Substantiierten zu suchen, um sich somit Leibniz’ wiederholter Aussage, dass es in der Natur nur Monaden, und in ihnen Perzeption und Appetitus gebe, annähern zu können – nur hätte es uns Leibniz natürlich ein wenig einfacher machen können, unter anderem auch damit, indem er sich etwa des gerade vorgestellten Stückes noch einmal angenommen und es ausführlich ausgearbeitet hätte.

48 „Si dantur Uniones reales, quae ex simplici positione Unitorum non resultant, eae non existunt per solum divinum intellectum, ut relationes nudae, sed praeterea per ejus voluntatem, quae novam entitatem producit. Tales Uniones necessariae sunt, ut massae corporales sint vera Entia […]“ (VE N. 242, 1083).

Sebastian W. Stork (Berlin)

THE MEDICAL WRITINGS OF LEIBNIZ – SHORT NOTES AND SCRIBAL HANDS 1. INTRODUCTION The medical writings of Leibniz belong to the less researched parts of his works. The list of texts or Stücke that have been transcribed and published consists of less than a dozen entries.1 This number is small compared to the quantity of autographs concerned with medical topics. It is particularly small compared to the efforts that other parts of Leibniz’ writings have already received by edition and interpretation. In this article, at the beginning of the work on the medical writings a few observations are reported and their implications discussed. 2. THE CORPUS AND TWO OF ITS CHARACTERISTICS The corpus of the medical writings by Leibniz is preliminarily defined as those autographs that were collected by Bodemann into the volume III of his catalogue.2 During the work of editing from this corpus those autographs that can be dated before the end of Leibniz’ stay in Paris, some additions in other Bodemann volumes have been detected.3 Most sheets within this corpus are folio sheets, densely filled with writing by Leibniz in the most frequently observed one- or two-column arrangements.4 This is not different from the majority of Leibniz’ autographs. Nevertheless, possible differences are indicated by two observations. The first observation 1

2 3 4

Fr. Hartmann/M. Krüger: “Directiones ad rem Medicam pertinentes”, in: Studia Leibnitiana 8, 1 (1976), pp. 40–68: LH III 1,3 ff. 1–9 (English translation in J. E. H. Smith: Divine Machines. Leibniz and the Sciences of Life, Princeton NJ 2011); M. Mahrenholtz: G. W. Leibniz’ Literaturquellen zu einigen frühen Manuskripten medizinischen Inhalts, Diss. masch. Hannover 1987: LH III 1,1 ff. 1–3; LH III 1,2 ff. 1–2; E. Pasini: Corpo e Funzione Cognitive in Leibniz, Milano 1996: LH III 1,1 ff. 1–3; LH III 1,2 ff. 1–2; LH III 5 f. 12; LH III 5 ff. 111– 112; J. E. H. Smith: “The Body-Machine in Leibniz’s Early Physiological and Medical Writings. A Selection of Texts with Commentary”, in: The Leibniz Review 17 (2007), pp. 141– 179: LH III 1,2 ff. 1–2; LH III 5 f. 56; LH III 5 f. 219; equaling a total of 19 sheets published. E. Bodemann: Die Leibniz-Handschriften der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Hannover, ND Hildesheim 1966, pp. 41–48. Additional autographs: LH IV 1,4b ff. 3–14; LH XXXVII 3 f. 89; LH XLI 2 f. 9; there are also marginal notes by Leibniz in a so far unknown number of medical books. E. g. LH III 1,4 f. 2v; LH III 3,2 f. 1r.

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is the large portion of short notes, which consist out of a small piece of paper with a few sentences or words.5 The contrast between the verbose folio-sheets and the described short notes of paper is marked. That causes the question, whether such notes are worthwhile contributions to the writings of Leibniz and their edition.6 The answer is discussed by examining LH III 5 f. 128 as an example of such short notes. The second observation characterising Leibniz’ medical writings is the large portion of manuscripts that are not written by Leibniz himself, but by other hands. To examine this phenomenon and its implications, the exact composition of the manuscripts in terms of scribal hands is determined, and the interaction of autographs by Leibniz with manuscripts by other hands is analysed. 3. THE EXAMPLE OF LH III 5 F. 128 The dimensions7 of the sheet containing this note are 8.7×22.7 cm. It does not include a watermark. The marks caused by the grid during production of the sheet are parallel to the shorter edge. Only one of the longer edges is worn out, the other three edges exhibit the clearly defined rims produced by cuts. These observations suggest that this piece of paper was produced while cutting off several notes along the shorter side of a folio-sheet. The distance between the grid marks is 232 mm. Such a small distance points at a French manufacturer of this paper.8 The text consists of two parts. The upper three quarters of the paper are written in a scribal hand S other than L, and a note by Leibniz himself covers the bottommost tenth part of the paper. A legible transcription of the text is given in fig. 1. 3.1 The text by S The text by scribal hand S begins with the ‘Recipe’ sign indicating the start of a pharmaceutical recipe. The first line of the recipe refers to a substance named ung[uen]t[um] de Ceruss[a]9 Camphor[atum]. This substance has been widely used and its preparation is well documented. In a typical preparation, first unguentum simplex is produced by melting together 4 parts of pig fat with 1 part white cera/wax, into which after cooling 5

6 7 8 9

To state a significant difference between different parts of Leibniz’ writings require exact statistics on paper sizes and their distribution are required. Such statistics do not exist. The qualitative approach has to suffice, citing the observation, that the description as Zettelchen/scraps (Bodemann, pp. 327–331) is unique within the Bodemann catalogue. Bodemann intends to negate, since he does not concede any information besides their existence of not less than 175 or 102 consecutive sheets (Bodemann, p. 48). Taken from the digitised version. The paper from a French source came into the possession of Leibniz almost exclusively during his stay at Paris. This exception is noteworthy. The genetive either by the Latin form Cerussae or by the combination of the French article and the unflected form Cerussa.

The Medical Writings of Leibniz

Rec: ungt.de Ceruss Camphor [1.5 lb] Rob Sambuc. Theriaca venet veter aa [2 unc] Spirit vin Camph flor.Sambuc.aa [2.5 unc] Camphor [1 scr] contus cum flor Sambuc [1 unc] m f l a ungt. J

pour monsieur le Consseiller privé de leipnitz

26e. 8bre ´708

à cause d’un Erysipele au pied gauche, en dedans, au bas de la jambe Fig. 1: LH III 5 f. 128.

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1 part water is stirred.10 2 parts of this plain salve are then combined11 with 1 part cerussa, producing unguentum Cerussae12. Cerussa or lead white is in present day terms a compound consisting out of lead-II cations, carbonate- and hydroxide-anions in a ratio of 3 : 2 : 2, or (PbCO3)2.Pb(OH)2. Different compositions are given as carbonate and one sixth acetate of lead oxide or lead acetate Pb(OAc)2.13 The preparation of cerussa was achieved by burying lead next to an open container of vinegar under a pile of manure and/or spent tanner’s bark. Chemically, this brings elemental lead Pb into the presence of gaseous acetic acid CH3COOH, abbreviated as AcOH, and water H2O evaporating from the vinegar, and also carbon dioxide CO2 diffusing down from the putrefation processes in the manure and bark. In this system three reactions occur. Elemental lead Pb is oxidised by acetic acid, Pb + 2 HOAc ⇌ Pb(OAc)2 + H2↑. The lead acetate Pb(OAc)2 reacts with water H2O to lead hydroxide and acetic acid, Pb(OAc)2 + 2 H2O ⇌ Pb(OH)2 + 2 HOAc, or with carbon dioxide and water to lead carbonate PbCO3, Pb(OAc)2 + CO2 + H2O ⇌ Pb(CO3) + 2 HOAc. The exact progress of these reactions depends on numerous factors, such as temperature, particular state of the pile of manure and its production of gases, air moisture, and also on size and shape of the supplied lead flakes. Thus, the exact composition of cerussa varies between different preparations and even different batches taken from one preparation. Different estimations of the composition thus are consistent with the reality of lead white and the products derived from it.14 In the third and last step preparing unguentum Cerussae camphoratum, 1 part camphor is added to 24 parts of the unguentum Cerussae15 and again stirred to homogeneity. Since, as described, the exact composition of the cerussa varies the exact composition of the unguentum Cerussae Camphoratum can also only be approximated. 10 Unguentum simplex, Schweinefett 4 mit weissem Wachs 1 geschmolzen u. nach dem Erkalten 1 Wasser dazu gerührt (Ph. Phoebus: Handbuch der Arzneiverordnungslehre, Bd. 2, Berlin 1836, p. 523). 11 Since lead white is insoluble in hydrophilic media such as fat and wax, this combining is a mechanical mixing of both components until a suspension homogeneous to the eye is achieved. 12 Unguentum Cerussae, Ceruss. 1, Ungt. simpl. 2, Phoebus 1836, 516; sechs Lot Bleiessig und drei Pfund Fett (G. Fr. Most: Enzyklopädie der Volksmedizin, Leipzig 1843). 13 Kohlensaures und sechstel essigsaures Bleioxyd (Phoebus, p. 113; T. H. Croker/Th. Williams/ S. Clarke: Dictionary of Arts and Sciences, London 1764). 14 The best known employments of lead white are painting navy vessels against water and worms Teredo navalis, more correctly described as bivalve mollusc, cf. most recent lit. in P. Paalvast/G. van der Velde: “New threats of an old enemy: The distribution of the shipworm Teredo navalis L. (Bivalvia: Teredinidae) related to climate change in the Port of Rotterdam area, the Netherlands”, in: Marine Pollution Bulletin 62, 8 (2011), pp. 1822–1829, or as a white pigment for pictures, cf. lit. in J. P. Lucas: “A history of French regulation of the use of white lead and other lead compounds in paints”, in: Environnement Risques & Sante 10, 4 (2011), pp. 316–322, E. Welcomme/P. Walter/P. Bleuet/J. L. Hodeau/E. Dooryhee/ P. Martinetto/M. Menu: “Classification of lead white pigments using synchrotron radiation micro X-ray diffraction”, in: Applied Physics A 89, 4 (2007), pp. 825–832. While for these purposes the approximate knowledge may suffice, for an ingredient in medical remedies the exact composition and its consequences are desirable. The lack of such accuracy is a first indicator of the available therapeutic competence at the time of Leibniz. 15 Unguentum Cerussae Camphoratum, Ungt. Ceruss. 24, Campher 1 (Phoebus, p. 517).

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Nevertheless, the completed unguentum Cerussae Camphoratum can be identified as a mix of fat, wax, water, lead and camphor, with a ratio of fat at 42.7 %, wax and water 10.7 % each, lead approx. 25.6 % and camphor at 4 %.16 The next component of this recipe is Rob Sambuci. Rob, also Roob or Rhob, is a word derived from Persian Arabic that may be translated as mush, and refers to a juice thickened to gelatinous consistency by moderate heat.17 Sambucus is a genus of plants whose most common member is Sambucus nigra, commonly called black elder. Rob Sambuci is produced by thickening the juice or pulp from the plant’s berries evaporating the water by moderate heat. The plant is native to Europe and is one of the most frequent and constant ingredients in folk medicine, often as diaphoreticum helping to cure colds. At the time of Leibniz different parts and preparations of the plant were employed in a wide variety of medical usages.18 The third ingredient is given as Theriaca venet[iana] veter[is]. Theriaca19 is a remedy known since antiquity. During the long history of its preparation and application it has experienced many changes in composition, indications of application, and theories of its therapeutical activity. At the beginning it was designed as an antidote against the bite of a wild animal θηρίον by the flesh of a wild animal, namely a viper. To this were added numerous components, mostly of plant and herbal origin, but also from animal and mineral sources. At the time of Leibniz there were several partially20 defined variations, among them the here prescribed theriaca Venetiana veteris.21 The ingredients are said to number 64, and include the viper-flesh, opium, two kinds of cinnamon-preparations and other plant products as different as Crocus sativus to lineseed oil. Noteworthy are also a copper containing mineral and bitumen from the Dead Sea. As matrix keeping these ingredients together honey is employed.22 Theriac was considered a cure for all illnesses and ailments,23 but the 16 Proportion of fat: .667×.667×.96 = 42,7%; cera: .167×.667×.96 = 10.7%; water: .167×.667×.96 = 10.7%; proportion of Pb: assuming a composition of lead white as (PbCO3)2. Pb(OH)2 or C2H2O8Pb3, Pb contributes 3×207.1 g/mol = 621.3 g/mol to a molecular mass of 775.6 g/mol = 80.1%, the lead white takes 33.3% of the ungt Ceruss, and the ungt Ceruss 96% of the completed ungt Ceruss Camphor, or 0.96×0.333×0.80 = 25.6%; camphor: 1 part camphor/25 parts ungt Ceruss Camph = 4%. All % are mass-proportions. 17 D. Johann: Jacob Woyts’ Gazophylacium Medico-Physicum, oder Schatz=Kammer Medicinisch= und natürlicher Dinge, Leipzig 131751, pp. 1847–1881; Ch. Fr. S. Hahnemann: Apothekerlexikon, Leipzig 1793; S. Hahnemann: Apothekerlexikon, 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, p. 175 f. 18 Hausmittel in fast allen […] Krankheiten (ibid.). 19 W. E. Gerabek et al. (eds.): Enzyklopädie Medizingeschichte, Berlin 2005, pp. 1393–1394; Jacob, p. 2115. 20 Theriaca Venetiana veteris and theriaca Andromachis senioris are reported as two names for the same remedy as often as two different variations; the English translation Venice treacle was used for this particular theriac as well as for all theriacae in general. 21 Jacob, p. 2115; J. G. Krünitz: Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der StaatsStadt- Haus- und Landwirthschaft, Berlin 1773 ff., pp. 244–246. 22 A mixture using a sweetener as matrix is called electuary. The inferences from the use of such an expensive matrix concerning the taste of the ingredients are left to the reader. 23 L. Winkler: Galens Schrift „De Antidotis“. Ein Beitr. zur Geschichte von Antidot u. Theriak, Univ. Diss. Marburg 1980, Th. Holste: Der Theriakkrämer. Ein Beitrag zur Frühgeschichte

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steep price and the certain lack of therapeutic success must have caused a far more complex attitude of demand and disappointment towards theriac. Spirit[us] vin[i] Camph[oratus] is the next ingredient. Spiritus vini is the liquid isolated by distillation of wine. Today it is known to consist out of mostly ethanol with impurities of remaining water and acetic acid. Camphor is a substance produced by two kinds of trees that today are named Cinnamomum camphora, resp. Dryobalanops aromatica. Their main area of growth is Indochina, southern China and southern Japan. At the time of Leibniz the most important source of camphor were wild trees on Borneo. From there, the raw camphor was imported and refined by sublimation or recrystallisation.24 Spiritus vini camphoratus was then produced by dissolving camphor in rectified spiritus vini and by carefully rectifying this solution.25 Since the exact composition of this remedy was not standardised,26 the recipe gives a further description.27 The use of camphor answers to a range of indications acting as sudorificum, antidote, anti-pyreticum, anti-plague remedy, and others. This extensive variety of applications is not due to many observed pharmaceutical potencies of camphor. It does result from different declarations of camphor as of hot or cold nature. Still prevailing as medical paradigm at the time of Leibniz was humoral pathology. This describes the body and health of the patient in terms of four liquids, humores, that are associated with different characteristics, such as hot and cold, or dry and moist. A well balanced mixture of these humores equalled health, a

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der Arzneimittelwerbung (= Würzburger medizinhistorische Forschungen 5), Diss. Würzburg 1976 (Pattensen/Han. 1976); more recent Fr. Chast: “La theriaque a l’epoque moderne Chronique d’une fin annoncee du XVIe au XIXe siecle”, in: Revue d’histoire de la pharmacie 58, 368 (2011), pp. 493–510, B. Bonnemain: “La theriaque a l’epoque moderne (XVIIe au XXe siecle)”, in: Revue d’histoire de la pharmacie 58, 367 (2010), pp. 301–310, C. Nappi: “Bolatu’s pharmacy theriac in early modern China”, in: Early science and medicine 14, 6 (2010), pp. 737–764, F. C. Nockels: “Treating medieval plague: the wonderful virtues of theriac”, in: Early science and medicine 12, 3 (2007), pp. 247–283. Jacob, pp. 335–336. Sandbad, lindes Feuer, Luftausschluss, Helm (C. Kunrath: Edelstes Kleinod Menschlicher Gesundheit, Franckfurt u. a. 1680, p. 407); Destillieren über den Helm (J. H. Zedler: Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Bd. V, Halle – Leipzig 1733, p. 475). Cf. Pharmacopoea universalis, Bd. 1, 2., bearb. und verm. Ausgabe, Weimar 1832, p. 399. This description is ambiguous. A correct description of spiritus vini camphoratus requires statement of mass camphor per volume ethanol, two numbers and two units of measurement. But only one number is given, and although the rather illegible letters offer a range of possible interpretations, none of them denotes any standard-unit of mass or volume (standard are the denotations listed in C. Priesner/K. Figala (eds.): Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft, München 1998, W. Schneider: Lexikon alchemistische-pharmazeutischer Symbole, Weinheim 1980, and M. Charas: Pharmacopée Royale Galénique et Chymique, Paris 1676, Appendix Fig. 6 for variations in France). Thus an interpretation as a description of one of the educts is more likely. It probably refers to the spiritus vini, since it is written next to Spirit vin, and for that purpose appears on the left side in contrast to all other quantities listed on the right side. The interpretation suggested here is to read the mark as 8½ and as a specification of the quality of the spiritus vini used. Since the description of ethanol by density or coefficient of optical refraction became common practice only a century later, this interpretation stands to be corrected.

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disbalanced mixture caused illness. Therapy was guided by bringing the disbalanced mixture back to equilibrium. This could be achieved by removing the humor in excess from the body, as from a patient with fever the humor blood, associated with heat, was removed by bloodletting. Or the lacking humor was supplied by administering a hot substance to a shivering patient. Under this paradigm a substance of either cold or hot nature was assumed to benefit almost every patient and diagnosis, resulting in a frequent application of camphor. The use of spiritus vini camphoratus is less well described. From the available descriptions, it can be concluded, that the alcoholic solution served mostly the same indications as solid camphor itself, but was used for a more finely dispersed or oral delivery of the active agent. The Campher=Oel/campher-oil is stated explicitly as a remedy against Beinfraß 28/necrosis at the leg. The following ingredient is flor[es] Sambuc[i]. That is another preparation employing parts of the Sambucus nigra. The plants of the genus Sambucus are shrubs, most of their parts are indigestible to humans. Thus flores Sambuci refers to the flowers of the elderbush, not the whole plant. For preservation and concentration of active ingredients the flowers were dried before further use. As the Rob Sambuci the Flores Sambuci were a well-established component of professional and folk medicine with an equally large range of indications. The last ingredient is written as Camphor contus cum Flor[es] Sambuc[i]. Camphor has already been mentioned in this recipe twice and the identity of this ingredient established. It has already been introduced with the component constituting the main body of the salve, and in another addition in form of an alcoholic solution. It is thus already present in sufficient amounts and in different matrices ensuring delivery into the body of the patient. Another addition of this substance is repeatedly redundant. Additionally, the specification contus is used almost exclusively with plants. Thus, the notation Camphor here is to be read as abbreviation for Camphoratae herba29 and refers to the plant herb Camphorata Monspeliensium or hirsuta 30. The other constituent of this ingredient is again the flores Sambuci. The quantities31 in which these ingredients are employed by the recipe are 1.5 lb (= 18 unc) unguentum cerussae camphoratum, for the Rob Sambuci and Theriaca 2 unc each,32 spiritus vini camphoratus and flores Sambuci 2.5 unc each, Campho28 Zedler, p. 475. 29 J. B. Trommsdorff: Handbuch der pharmaceutischen Waarenkunde, Erfurt 1806, p. 231. 30 Camphorata monspeliensis (ibid.); Camphorata hirsuta (N. Lemery: Vollständiges Materialien-Lexicon, Leipzig 1721, pp. 215–216). As another Camphorata herb Artemisia Abrotanum is listed (Zedler, p. 476). The two plants produce a similar aroma, although the Artemisiaplant in significantly lower quantities, but today they are classified as plants from two different genera. For a modern description of plants and their geography see R. A. Donkin: Dragon’s Brain perfume. An Historical Geography of Camphor, Leiden 1999. 31 The apothecaries’ system of mass units operated with relative ratios, 1 pound = 12 ounces = 96 drachmas = 288 scrupel = 5760 gran. As the solid ingredients the liquids spiritus vini camphoratus and Rob Sambuci were measured by mass that was common practice at the time of Leibniz. 32 The abbreviation āā or ana reads as same quantity (J. B. Trommsdorff: Die Apothekerkunst in ihrem ganzen Umfange nach alphabetischer Ordnung, Bd. 1, Erfurt 1805, p. 214).

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ratae herba 1 scr, and flores Sambuci 1 unc. This adds up to a total weight of the product at 28 unc 1 scr, and the proportions33 are unguentum cerussae camphoratum 64 %, Rob Sambuci and Theriaca 7 % each, spiritus vini camphoratus and flores Sambuci 9 % each, the Camphoratae herba at less than 0.2 %, and again flores Sambuci with another 3.5 % of the total mass. The procedure transforming the list of ingredients to the final product is given by m[isce] f[iat] l[ege] a[rtis] ungt. This is rather straightforward. But during the time of Leibniz all instruments for preparation were simple and to be worked by manual labour. To pestle the plant ingredients to a powder that is sufficiently fine to allow the preparation of a homogeneous salve is difficult to achieve. Pulverisation of the theriaca components is an even more challenging task. At the time of Leibniz the simple procedure betrays a far more tedious process in preparing this salve. There are several noteworthy particularities of this recipe. Firstly, the first line might be read as the name of the final product or as first entry in the list of ingredients. The interpretation as headline is sustained by two observations, namely absence of any indication of composition, although it states a tripartite mixture, and repetition of one of the substances (camphor) within the list of ingredients. The interpretation as first ingredient is sustained by the norm that the sign meaning Recipe opens the list of ingredients, by this line as the only addition of the cerussa, and by the fact of another ingredient added repeatedly34 too. Whatever is denoted by the first line, the scheme of notation35 for a recipe has not been observed. Secondly, one of the components is an ethanolic solution. The addition of this liquid in the indicated amount36 results first in a product with a degree of viscosity that is not sufficient for a salve. Additionally, ethanol is a volatile compound, it will evaporate if not during the procedure of preparation within some time after finishing the preparation.37 The evaporation of the ethanol changes the composition of the mixture substantially, and thus its physical and medical properties. It may also cause a transient or remaining de-homogenisation of the prepared salve. The ethanolic solution is employed to ensure good dispersion of the active agent camphor, but that is already achieved by the homogenisation during the preparation of the first and by quantity main component, unguentum cerussae camphoratum. There is no benefit to counterbalance the disadvantages of adding ethanol during the preparation. Thirdly, the identification of one of the ingredients is ambiguous, the notation Camphor is 33 Since 1 scr is only 0.043 unc, for the proportions the total mass 28.043 unc is approximated at 28 unc. The % are mass ratios. 34 Flores Sambuci by itself and in mixture with Camphoratae herbs, lines 6 and 8. 35 The scheme requires the four parts Inscriptio, Invocatio, Ordinatio or Praescriptio, and Subscriptio with Compositio (Schmitz II, 217). Here the inscriptio is missing, and the compositio is given at the beginning of the praescriptio and in the subscriptio. 36 Approximating the density of the spritus vini camphoratus with that of ethanol (0.79 g/ml) a volume of 75 g/0.79 g/ml = 95 ml is added, sufficient to produce the described phenomena. 37 The disadvantages of the addition of ethanol are pronounced by the unknown progress of these changes. Controlled evaporation by warming the intermediate or final product was required to minimize or at least to monitor the described effects. The absence of this piece of apothecary’s proper handicraft is a considerable deficiency of this recipe.

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used indiscriminately for the compound camphor as for the plant Camphoratae herba. Fourthly, two of the ingredients, camphor and flores Sambuci, are added repeatedly without any discernible reason or benefit.38 Fifthly, Rob Sambuci and theriaca are almost exclusively used for inner application, their use as parts of a salve is unusual. This is the more conspicuous for such an expensive therapeuticum as theriac. Also noteworthy is the absence of albumen. This marks a contrast to other collections of recipes for unguenta Cerussae or Camphorata.39 The contrast is noteworthy, since the proteins after denaturation by drying exhibit strong adhesive forces, resulting in a matrix that keeps the active agents in close and lasting contact to the skin of the patient. They provide such capabilities better than the fat and wax used for the same purpose in this recipe. In summary, the recipe fails to reach the required scheme for a non-ambiguous declaration of ingredients, the list of ingredients is more complex than required for the final formulation, and the prepared formulation has several pharmaceutical flaws. After establishing the identity of the ingredients and the remedy, some illustrating remarks are possible. The unguentum cerussae carries a large amount of lead to act as the active ingredient in a remedy. This is in stark contrast to the presently established notion which associates heavy metals with physical harm and death. During the time of Leibniz the use of metals for therapeutically purposes in large amounts and on many indications was common practice. This practice was based on several motivations. Some applications were founded in observations. That is the case for the use of unguentum Cerussae. Such a lead preparation has been observed to dry the wound.40 Such observations might include cautions concerning side effects or problems caused by the use of a metal containing remedy.41 Usages of metals as remedies were also founded in analogies as in the case of applications of antimony. This metal was used in the purification process of gold, and in analogy it was assumed to help cleaning42 the human body too. Analogies relate different 38 A possible explanation for a repeated addition of the same ingredient were prepared stockmixtures available for a more efficient production within the apothecary’s shop, and containing those ingredients. Such standardised stock mixtures were unknown at the time of Leibniz, due to limitations in the technology of transportation and conservation. Since the recipe states exact specifications of the composition for two of the three composite additions, the writer obviously does not assume the existence of any pre-fabricated components. 39 M. Tiling: Lilium curiosum, Frankfurt 1683, p. 534; J.-J. Manget: Bibliotheca Medico-Practica Sive Rerum Medicarum Thesaurus, T. 1, Genf 1695, p. 851. 40 Austrocknen der Wunde (Phoebus, p. 113). 41 Only external and cautious use, especially if administered to children (ibid.); a warning against unguentum cerussae, and recommendation of unguentum camphoratum (E. Horn: Handbuch der praktischen Arzneimittellehre für Aerzte und Wundärzte, Berlin 21805, pp. 928–929); a case of lead poisoning by this salve (Jahrbücher der in- und ausländischen gesammten Medicin 16 [1837], p. 275); events of lead poisoning in history, R. P. Wedeen: Poison in the pot, Carbondale, IL 1984). 42 Cleaning the body as therapeutic strategy indicates a new medical paradigm that describes the body not as a mix of four humores but as composed from many different substances. This paradigm was first formulated by Paracelsus. It is a decisive step towards the present paradigm describing the body as a complex arrangement of complex molecules. But the new paradigm by

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paradigms, the transfer of quantifications between different paradigms is uncertain. Thus analogies are less inclined towards a limitation, and the patient may receive a harmful portion of the metal. A third motivation for the use of metals is the transfer of a property from metal to patient. In this context the patient supposedly benefits most from a maximum of metal and its desired property, so any limitation is unlikely. At the time of Leibniz a visit to the doctor was not without risks.43 The ingredient theriaca is specified by the attributes of Venetiana veteris. These attributes do not only specify the particular variation of the theriaca to be added. The attribute Venetiana derives from the place of fabrication and commerce of this pharmaceutical. The merchants in Venice did keep the composition of theriaca a secret. By this exclusivity of their knowledge they could establish an artificial monopole that allowed them to manipulate the price of an already extremely expensive remedy according to their wishes. To end this exclusivity and make this remedy available to the general and economically less potent public, substitutes were developed. The arguably44 best known effort was done by the French apothecary Moyse Charas. He published45 the recipe for theriac, so that the search for cheaper sources than the Venetian monopolists or for more economical variations of the original formulation became possible. The attribute veteris distinguishes the former, more expensive but either by expectation or by reality more valuable product from the latter substitutes. The explicit prescription of the original some 30 years later shows that the search for such substitutes had produced some results, but either the reduction in price, or their quality as remedy was not sufficient to remove the expensive original from the market. Generic products and their possibilities as their shortcomings were reality already before the introduction of intellectual property protection by patents. Finally looking at this recipe with the pharmaceutical knowledge of today, it accumulates a mixture of fat (239.1 g),46 ethanol (75 g/95 ml), wax (57.8 g), and

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Paracelsus did not result in an improvement of therapeutic competence. In fact, it triggered the reintroduction of antimony, at best a vicious laxative or emetic and at worst a deadly poison, and its ascension towards the status of a paragon drug (Leitarzneimittel, R. Schmitz: Geschichte der Pharmazie, Bd. 2, unter Mitarbeit von Ch. Friedrich und W.-D. Müller-Jahncke, Eschborn 2005, p. 327). While the sociological discussion about the dissemination of new paradigms is extent, investigations into the consequences of new paradigms are missing. Caricature on heroic medicine, G. Dillemann/H. Bonnemain: A Boucherie, La pharmacie française. Ses origines, son histoire, son évolution, Paris 2008, p. 52. A comprehensive history of theriac and its substitutes seems to be a desideratum. As a demonstration for another effort towards a more affordable theriac, and the accompagnying, strong public attention, e.g. S. Dach: Auff die Zubereitung Der Theriack Andromachi Und des Mithridats Damocratis Durch den Ehrnvesten/ Achtbarn und Kunstreichen Herrn Michael Wilden/ etc. Zu Königsberg in Preussen 1652. 9. Hornung geschehen, Königsberg [1652]. Charas: Theriaca Andromachi senioris, pp. 275–285, Theriaca Reformata, pp. 285–301, Theriaca Diatesseron, pp. 301–302. The absolute value of the mass units used by apothecaries did vary with time and place. Here the so called reformed Prussian value, 12 unc = 360 g, is used, cf. lit. in C. Meyer-Stoll: Die Maß- und Gewichtsreformen in Deutschland im 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Rolle Carl August Steinheils und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 2010.

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water (57.8 g), containing lead (138.2 g), pulverised flowers of elderberry (105 g), elderberry syrup (60 g), camphor (27.4 g),47 pulverised Camphoratae herbs (1.25 g), and a most imprecisely defined mix of 64 most imprecisely defined substances (60 g). Before analysing the components, the complete product induces one comment. The quantity of almost 850 g indicates that the treatment was expected to proceed through a long time. Assuming that even a generous application does not spend more than 5 grams of the salve, and a routine of two applications per day, the amount of salve prepared lasts 85 days or almost three months. Since the salve was prepared under non-sterile conditions, it contains some bacteria from the time of preparation. The mix of fat and carbohydrates is an excellent growing medium for bacteria of any kind, the lead and essential oils do not exert enough antibiotic capacity to inhibit this growth. Thus, after a few days a substantial bacterial population has grown within the salve, and while most of it was still to be used, this salve has turned into a source of multiple infections, certainly not a health sustaining effect. An estimation of the therapeutic potency of this concoction begins with the observation that a cross-linking component in the matrix is missing. The molecules of fat as of wax consist mostly out of long alkyl chains, which produce only weak interactions between molecules. The heat from the body is sufficient to break these interactions, upon which the matrix of this salve melts and all the ingredients leak away. The flowers of elderberry are built from carbohydrates, cross-linked molecules and far more heat-resistant, but their amount is probably too small to prohibit the described dissolution of the salve’s matrix. The inadequate formulation in this recipe is the more incomprehensible, since already Roman unctores did produce more suitable matrices, by a better balanced mixture of carbohydrates and fat, and by preparing better defined ingredients.48 Concerning the ingredients, since the time of Leibniz lead together with all heavy metals has been detected as a strongly poisonous substance. The metals act by upsetting the redox-equilibrium of the cell and by forming strong bonds with the sulphur-atoms in biological molecules, thereby rendering them inactive and burden the body with a difficult to remove precipitation. The only reason why the treatments with metals did not kill all patients also has become known. The survival of the patients is due to the low resorption of heavy metals through the skin or from the intestinal tract.49 The lead has some antibacte-

47 Added in solid form into the unguentum cerussae camphoratum 21.6 g; assuming a composition of 1 unc camphor and 1 lb spiritus vini, and no change of composition during distillation, 2.5 unc of the spiritus vini camphoratus contain (1c/13svc)×2.5 unc×30 g/unc = 5.8 g camphor; totalling 27.4 g camphor. 48 R. P. Evershed et al.: “Archaeology: Formulation of a Roman cosmetic”, in: Nature 432 (2004), pp. 35–36. In distinction to this recipe the Roman salve analyzed has a matrix of carbohydrates to fat in a 1 : 1 ratio, and the fat was heated to remove all volatile components. 49 The catastrophic events by which the poisonous properties of heavy metals were learned and which resulted in the cautious approach today occurred after combining heavy metals with organic ligands, rendering compounds that are readily absorbed into the human body, cf. Minamata-Krankheit, G. J. Myers/P. W. Davidson/B. Weiss: “Methyl mercury exposure and poison-

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rial potency, but certainly does not cause any revitalisation of necrotic tissue. The next ingredient, camphor, today is predominantly known not as a product of exotic trees. Its composition and structure have been determined, and also a synthetic procedure on large scale from a readily available source has been developed,50 thus the limitations (limited amounts, high transportation costs) of supply from the natural source only are abolished. Chemically camphor is a cyclic hydrocarbon with only one hetero-atom in a ketone functional group.51 Biochemical camphor belongs to a group of substances named terpenoids. Physiologically these substances act as a building block for steroid-hormones.52 Any disturbance of the meta- or catabolic pathways of these substances therefore disbalances many processes in the body. Additionally, camphor has epileptogenic and hepatotoxic properties. Since camphor is readily absorbed through the skin, its application needs to be carefully controlled. With less than 30 g out of almost 850 g total mass the recipe does observe this caution, but from the camphor there is no other benefit than that of a slightly increased blood flow.53 Of Sambucus nigra the berries and the flowers contain vitamin C, some essential oils, and anthocyan.54 These substances provide some

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ing at Niigata, Japan”, in: SMJD. Seychelles Medical and Dental Journal 7 (2004), pp. 132– 133, and lit. therein. Early history of camphor: G. Hammer: Geschichte der ätherischen Öle und Terpene bis 1881 unter Berücksichtigung des industriellen Einsatzes, München 2000, Donkin; Composition/structure: Hammer, pp. 116–117, pp. 130–242, J. Bredt/M. v. Rosenberg: Justus Liebieg’s Annalen der Chemie 289 (1896), pp. 1–14; synthesis: G. Komppa: “Die vollständige Synthese der Camphersäure und Dehydrocamphersäure”, in: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 36, 4 (1903), pp. 4332–4335, G. Komppa: “Über die Totalsynthese des Camphers”, in: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 41, 4 (1908), pp. 4470–4474; production: Pond 1907, Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry, Weinheim 62002; see also K. C. Nicolaou/T. Montagnon: Molecules That Changed the World. A Brief History of the Art and Science of Synthesis and Its Impact on Society, Weinheim 2006, pp. 29–32. Systematic name: 1,7,7-Trimethyl-bicyclo-[2.2.1]-heptan-2-one. Terpenoids: E. Breitmaier: Terpene. Aromen, Düfte, Pharmaka, Pheromone, Weinheim 22005; steroid hormones: B. Schäfer: Naturstoffe der chemischen Industrie, München 2007, pp. 343–365. Camphor: general lit in I. M. Paul et al.: “Vapor Rub, Petrolatum, and No Treatment for Children With Nocturnal Cough and Cold Symptoms. Pediatrics 126, 6 (2010), pp. 1092–1099, absorption D. Martin/J. Valdez/J. Boren/M. Mayersohn: “Dermal Absorption of Camphor, Menthol, and Methyl Salicylate in Humans”, in: J Clin Pharmacol 44, 10 (2004), pp. 1151–1157, epileptogenic J. M. S. Pearce/L. Auenbrugger: “Camphor-Induced Epilepsy. Remedy for Manic Psychosis”, in: European Neurology 59 (2008), pp. 105–107, hepatotoxicity A. Uc/W. P. Bishop/ K. D. Sanders: “Camphor hepatotoxicity”, South Med J 93, 6 (2000), pp. 596–598. The literature on substances in Sambucus nigra is vast, some recent publications as first access into that corpus: L. Barros et al.: “Characterization of phenolic compounds in flowers of wild medicinal plants from Northeastern Portugal”, in: Food Toxicol 50, 5 (2012), pp. 1576– 1582, id.: “Chemical, biochemical and electrochemical assays to evaluate phytochemicals and antioxidant activity of wild plants”, in: Food Chem 127, 4 (2011), pp. 1600–1608, J. M. Ferreras et al.: “Occurrence and new procedure of preparation of nigrin, an antiribosomal lectin present in elderberry bark”, in: Food Research International 44, 9 (2011), pp. 2798–2805, M. Yang et al.: “Food Matrix Affecting Anthocyanin Bioavailability. Review”, in: Curr Medicinal Chem 18, 2 (2011), pp. 291–300, P. L. Byers/A. L. Thomas: “Bob Gordon Elderberry”, in: J Amer Pomological Soc 65, 2 (2011), pp. 52–55.

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benefits to the human body,55 of these the most visible is the inhibitory activity against influenza viruses.56 The fact that flavonoids from elderberry are capable of preventing the infection with the influenza A virus H1N157 demonstrates that remedies at the time of Leibniz did contain pharmaceutically potent substances. But due to the rather limited knowledge concerning identity and purification of these substances, they appeared within mixtures of active substances of unknown composition strongly changing58 with climate, microclimate, soil, preparation, and history of storage of a particular batch. Remedies prepared under such circumstances cause many and at best partially controlled consequences in the patient. Thus, in spite of pharmaceutically active agents being available, the physicians or apothecaries at the time of Leibniz could not provide any specific and efficient therapy.59 These realities are particularly true for the theriaca. It is a mix from many different substances, none of them well defined. Thus its pharmaceutical activities are manifold and the factors affecting their ramifications multiply the possible consequences of this remedy in the patient. All of them are beyond the knowledge and control of the physician or apothecary. Any estimation of the consequences of theriaca on the health of the patient remains vague and speculative. While the bitumen from the Dead Sea and the copper certainly produce adverse effects on the health of the patient, the essential oils probably cause some general, but rather unpronounced benefits. In summary, the salve formulated by this recipe has not a healing effect on the body of the patient. The lead may produce an antibiotic effect, but it will also stall the responses of the body to the affection. The other substances remain of low to no consequence to the health of the patient. 55 The literature on this topic is equally vast, for initial access: J. Grbic et al.: “A phase II trial of a transmucosal herbal patch for the treatment of gingivitis”, in: J Amer Dental Assoc 142, 10 (2011), pp. 1168–1175, P. Cybulska et al.: “Extracts of Canadian First Nations Medicinal Plants, Used as Natural Products, Inhibit Neisseria gonorrhoeae Isolates With Different Antibiotic Resistance Profiles”, in: Sexually Transmitted Diseases 38, 7 (2011), pp. 667–671, R. Y. Cavero et al.: “Pharmaceutical ethnobotany in Northern Navarra (Iberian Peninsula)”, in: J Ethnopharmacol 133, 1 (2011), pp. 138–146. 56 C. Krawitz et al.: “Inhibitory activity of a standardized elderberry liquid extract against clinically-relevant human respiratory bacterial pathogens and influenza A and B viruses”, in: Complementary and Alternative Medicine 11, 16 (2011), doi: 10.1186/1472-6882-11-16, Z. Zakay-Rones et al.: “Randomized Study of the Efficacy and Safety of Oral Elderberry Extract in the Treatment of Influenza A and B Virus Infections”, in: The Journal of International Medical Research 32 (2004), pp. 132–140. 57 B. Roschek jr. et al.: “Elderberry flavonoids bind to and prevent H1N1 infection in vitro”, in: Phytochemistry 70, 10 (2009), pp. 1255–1261. 58 G. Skrede et al.: “Variation in quality parameters between and within 14 Nordic tree fruit and berry species”, in: Acta Agriculturae Scandinavica B 26 62, 3 (2012), pp. 193–208. 59 As an indication of the distance between Leibniz’ physicians and controlled therapies with specific pharmaceuticals: 1880s proof of specific microorganisms as causes of specific illnesses by Koch and Pasteur, 1910 first pharmaceutical (named Salvarsan) developed against a specific microorganism by Ehrlich and Sata, 1930s first synthetic antibiotic (sulfonamides, Prontosil) by Hörlein and Domagk, 1930s detection and testing of Penicillin by Fleming et al, available to general public after 1945; i.e. efficient and controlled pharmaceutical therapies began about 200 years after Leibniz.

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The writer of the recipe is unknown60. But the combination of French language, French paper, and the provisional piece of paper points at a French physician travelling through Hanover. The spelling Leipnitz also indicates at a rather short acquaintance with Leibniz and the pronunciation of German words. Latin names for the ingredients and the use of abbreviations reveal a university-trained, professional physician. Professional doctors with a university education were only one group among many available to people looking for medical services. The other groups included barber or barber-surgeons, physicians by experience without schooling,61 monks of charitable orders performing medical services, physicians in the military (Feldscher), teeth puller (Zähnetrecker), midwives, Steinstecher, Starstecher,62 confectioners.63 By number, ubiquity and low costs the strongest group were elder women with experiences in herbal remedies accumulated during a long lifetime in gardening and cooking.64 Since these women were observing the effects of their herbs or herbal preparation in patients, and were thus relating cause and consequence, their medical practice was scientifically better founded than that mixture of dogmatics and deductions of the university trained physicians.65 Distinguishing competence from quacks at the time of Leibniz was anything but trivial. The formal criteria to recognise a professional physician was a university education. But that distinction was completely devalued by the fact that their rate of success in therapy was not better than that of any other group in the health market. The difference to people without education was further levelled by the fact that many professional physicians marketed useless but popular preparations for profit. Under the material criterion of diagnostic and therapeutic competence all these groups did compete freely with each other. Due to the conditions of rudimentary diagnostic as therapeutical technology, the capability of salutogenesis of all these groups was equally marginal. In spite of this reality, university trained doctors charged their patients 60 Most prospective source to learn the identity of that physician is the general correspondence, which yet is not available for that time. 61 They were awarded the status as physicians in spite of no formal education after some success in healing by the state authorities. Leibniz had contact to Cardilucius, a member of this group, cf. A I, 1, 225, 230, 414; A I, 2, 344, 390; A I, 12, 468, 518; A III, 2, 390, 499; A III, 3, 556. On Cardilucius cf. N. Marxer: Praxis statt Theorie! Leben und Werk des Nürnberger Arztes, Alchemikers und Fachschriftstellers Johann Hiskia Cardilucius (1630–1697) (= Studien und Quellen zur Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 1), Heidelberg 2000. 62 A. Henning: “Augenärzte in Berlin zur Zeit Friedrichs II. und ihre Vorgänger”, in: E. Donnert (ed.): Europa in der Frühen Neuzeit, Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 7: Unbekannte Quellen, Aufsätze, Personenregister, Köln 2008. pp. 347–386. 63 Schmitz, p. 228. This is only a small portion of the colorful mix, for more professionals and quacks cf. ibid., pp. 225–229; A. Helmstädter/J. Hermann/E. Wolf: Leitfaden Pharmaziegeschichte, Eschborn 2001, p. 27. These lists do not include intentional defrauders. 64 About medicine as offspring from the kitchen cf. G. Beisswanger: Frauen in der Pharmazie. Die Geschichte eines Frauenberufes, Stuttgart 2001, pp. 6–8. In this context cf. Charas, p. 275, who regards opiates, electuaires et confections as constituting one kind of medicaments. 65 The adherents of the humoralpathological paradigm called the uneducated physicians and also their opponents from the Paracelsian school empirici (Schmitz, pp. 225–226), an insult that is more derogatory for the insulting people than for the insulted.

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fees that were completely out of proportion. Some efforts to describe these disparate phenomena by examining the doctors and their behaviour have shown a carefully staged presentation of the medical doctor and his professional attributes to the actual and possible patients.66 The number of attributes available to a travelling physician is limited, and the more than necessary complex formulation of the recipe may be part of this strategy of self-representation accommodated to circumstances. A similar intention can be seen in the utilisation of theriac. The use of theriac as a remedy must have been founded more on its aura than on any therapeutic success. The addition of this expensive and almost exclusively orally applied preparation to this salve is probably based on the purpose to add some lacklustre to an otherwise rather inconspicuous mixture. The patient who received the recipe is known. Therefore this note within Leibniz’ medical writings allows to examine the phenomenon of overpriced medical services by characterising the patient. Some characteristics of this patient are being male, university educated, experienced in different countries and societies by travelling, used to communicate in written form as in foreign languages, employed at courts of some importance, and also being financially secure. These features are the same for doctor and patient. The search for medical help is more strongly influenced by social similarity than by proven therapeutic competence and economic factors. To prefer a passing French doctor over local67 doctors causes the search for reasons of such preference. In Hanover and Brunswick university-trained physicians were available. While it is difficult to ascertain their competence, they were certainly capable to outline a therapy whose results were equal to this recipe with its flaws and limited to absent therapeutic effect. Leibniz’ choice of a non-local physician is probably another effort to find a cure in a medical surrounding that despite of its manifold and colourful participants because of technological limitations was not able to provide competent help in any serious health problem, and had thus caused an on-going sequence of disappointments by ineffective therapies. 3.2 Leibniz’ Note Leibniz’ note at the bottom of this piece of paper reports the occasion on which the recipe was furnished. He states an erysipelas on his left foot and on the inner side of the lower leg. This information explicates the recipe and its implications further.

66 W. Tilmann: “Ärztehaushalte im 16. Jahrhundert. Einkünfte, Status und Praktiken der Repräsentation”, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 27 (2008), pp. 31–73, M. Stolberg: “Formen und Strategien der Autorisierung in der frühneuzeitlichen Medizin”, in: W. Oesterreicher/ G. Regn/W. Schulze (eds.): Autorität der Form – Autorisierung – Institutionelle Autorität (= Pluralisierung & Autorität 1), Münster 2003, pp. 205–218. 67 According to Leben und Werk von G. W. Leibniz. Eine Chronik (= Veröffentlichungen des Leibniz-Archivs 2), bearb. von K. Müller und G. Krönert, Frankfurt a. M. 1969, p. 210, on the date of the recipe the encounter between Leibniz and the doctor may have occurred at Hanover or Brunswick.

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The first is a re-evaluation of the recipe. Today the aetiology of an erysipelas is stated as an inflammation caused by an infection of lymphatics and the upper dermis with Streptococcus bacteria. A perforation of the dermis is one of the factors that make the infection by the Streptococcus bacteria possible. The resulting therapeutical strategy is intravenous or oral application of antibiotics. Beginning in 1702 Leibniz refers repeatedly in his letters to a problem with an open leg,68 certainly an interruption of the dermis through which the bacteria can infiltrate the body, which also explains the rather large area of infection in Leibniz’ foot and leg. The salve prescribed to Leibniz was no help in this situation. It does not provide any antibiotic therapy, and acts averse to a closing of the perforation in the dermis. In fact, the major ingredient lead is adverse to the revitalisation of necrotic tissue. Untreated erysipels show recidivism in one out of three patients, more frequently for erysipelas located at the lower extremities. That results in the obstruction of the flow of lymph-fluid in the infected lymphatics, causing lymphedema and/or necrotising fasciitis. Leibniz did not escape the risk that came with a visit to a doctor in his time. The medical biography of Leibniz so far consists out of some limited and selected pieces of information.69 This note to and by Leibniz is so far the most detailed piece of information towards a medical biography. According to the chronicle70 of Leibniz’ life during the 2–3 months, the time this salve was supposed to last and be applied, following the date of this recipe he was preparing and doing a journey to Vienna. Of this journey no favourite opinion is known, but several facts indicate disappointment for Leibniz and his surroundings. In Vienna Leibniz was not able to establish contact to his desired partners for dialogue, and after Leibniz’ return to Hanover the electoral Georg Ludwig demanded an explanation for Leibniz’ absence. The fact that Leibniz was not able to use his left foot or complete leg properly, was certainly not a help in travelling or in diplomacing, and is so far the best explanation for this lack of fortune. 3.3 Summary This small piece of paper of seemingly inferior relevance unveils upon some inspection substantial information about Leibniz’ biography and his thoughts on medicine. It also reveals information about Leibniz’ surroundings, especially the medical competence of the health care system and its diverse participants, and is thus a source for the medical and pharmaceutical history of Leibniz’ time. Since several of the substances mentioned in this note are from far distant countries it also acts as an 68 Cf. A I, 22 N. 31, 95, 167, 200, 219. 69 A few key words: Gicht, offene Wunden an Händen und Füßen, Steinleiden; R. Finster/G. van den Heuvel: Gottfried Wilhelm Leibniz mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (= rororo Monographie), Reinbek 1990, pp. 50, 53; health problems only a few weeks before Leibniz’ death, Müller/Krönert, pp. 261–262; both reports without indication of sources. 70 Ibid., pp. 210–212.

The Medical Writings of Leibniz

269

introduction to the history of trade and exchange.71 The piece LH III 5 f. 128 demonstrates that the short notes are a most valuable part within the manuscripts of Leibniz. 4. SCRIBAL HANDS The second observation concerning Leibniz’ medical writings is the large portion of manuscripts that are not written by Leibniz himself, but other hands. To substantiate and evaluate this impression, a more detailed description of the medical writings in terms of scribal hands is compiled, and the implications of the acquired observations are discussed. As the first number the total number of sheets is calculated, by adding together the sheet counts given in the Bodemann catalogue. This gives the total number of sheets in LH III as 1274 sheets. The accuracy of this number suffers only marginally from possible accounting errors.72 Less trivial are two circumstances. The first is the presence of duplicates. For example, the piece/Stück LH III 1,5d is tradited in two copies 5d and 5d2. Since the history of generation of these two copies is unknown, it cannot be decided whether for appropriate compilation of information these copies should be treated as independent pieces, or only one copy should be taken into account. Since the first comprises 39 and the other 40 sheets, every copy of this piece attributes more than 3 % to the total number of sheets within LH III, and may thus cause significant changes in overall composition. The other cause for inaccuracy is that sheets with writing and empty sheets are treated without any difference. In spite of these inaccuracies all sheets are counted, since at the present knowledge about the writings within LH III only formal criteria are non-ambiguous, but all material distinctions are arbitrary and obstruct discussion about the obtained results. The autographs are classified into three groups. Those written by Leibniz himself are marked L, those written by other scribes with later additions by Leibniz are marked S+L, and autographs from other scribes without any writing by Leibniz are marked S.73 The first approach towards a description of LH III in terms of scribal hands is again to refer to the information given in the Bodemann catalogue. This gives the distribution into the three groups as 408 sheets by L alone, 590 by S+L, and 276 by S, and the ratio of Leibniz’ own writings to other hands on piece/Stück level as 32 : 46.5 : 21.5 %. This observed distribution of hands shows that only a minority of the medical writings are by Leibniz himself, but two out of three pieces are written by others. 71 Of goods, medical paradigms, and doctors. 72 Correct statistics: no. of counts 4, results 1272, 1273, 1274, 1274, resulting in a mean value μ = 1273.25, a standard deviation σ = 0.75, and a correct presentation of the total number of sheets as 1273 ± 0.75; but counting in natural numbers the more appropriate presentation is 1274 sheets. 73 Typical examples are for L: LH III 1,4 f. 2v; for S+L: LH III 1,5e f. 11r; for S: LH III 1,5e2 f. 11r.

270

Sebastian W. Stork

The implications of this observation are less clear. The small portion of pieces by L may indicate that Leibniz did employ writers for accumulation of information, and added only some marks and notes during reading. But this pattern is also consistent with copies by S for proofreading in an advanced version with minor corrections by L. In addition to the two inaccuracies mentioned above, it is necessary to recognise some parts within the LH III volume that so far have not been invaded by any catalogue. The largest of these are the sheets LH III 5 ff. 60–224 and LH III 6 ff. 1–102,74 making up no less than 266 sheets or 21 % of LH III. Additionally, the Ms III, 289 contributes with 345 sheets 27.1 % to LH III, and is paraphrased by indication of topics, but the information on scribal hands is insufficient.75 Altogether, the available information in the Bodemann catalogue is rather inaccurate and incomplete. That is also true for the Ritter-catalogue.76 Thus, as a step to a better description of the LH III corpus in terms of scribal hands, every sheet within the Bodemann LH III volume was inspected for its scribal hand and classified again into groups L, S+L, and S.77 Table 1: Distribution by different countings Counted by

total

Piece Sheet

1274 1274

L ff. 408 415

S+L % 32 32.5

ff. 590 128

% 46.5 10

S ff. 276 732

% 21.5 57.5

On sheet level the distribution into the three groups is 415 L, 128 S+L, 732 S, or a ratio of 32.5 : 10 : 57.5 %. Compared to the distribution at piece/Stück level, the contribution of L increases by a non-significant number, but there is a strong shift from the S+L into the S-group. The large majority78 of S+L sheets are in fact sheets 74 Bodemann, p. 48. 75 Ibid. In the first count these three parts have been classified as S+L in accordance to the catalogue information. 76 A sample of randomly chosen 30 LH-signatures from the indicated parts were searched in the Ritter-catalogue. For no signature in this sample an entry was found. Only using the name of a scribe, Bouquet, as a probe resulted in 4 entries (LH III 5 ff. 102.93–94.123.134–137). While Bodemann at least acknowledges the existence of these sheets, they do not appear at all in the Ritter catalogue. 77 This leaves still some inaccuracy. A distinction between L and S is not always trivial (cf. LH III 5 f. 227v, where different alphabets may or may not be interfering with a change of hands). Thus, errors in classification cannot be excluded. System-immanent inaccuracies are caused by differences within group S+L. Some sheets carry only a short mark ( ₰ ) for further attention (e.g. LH III 6 f. 4v) or a few letters (e.g. LH III 4,2b f. 6v) by L among extensive writing by S, some sheets show a larger contribution up to 1/3 of the total text by L, (e.g. LH III 4,2a f. 7v). Subcategories in this group are a desideratum, but left to further study. 78 732/860 = 85.1 %, or 17 out of 20 sheets by S do not show marks by L.

271

The Medical Writings of Leibniz

without L. The sheet-based count unveils, that the impact of L on the medical writings is far less than the distribution on piece/Stück did indicate. A larger body of proofreading copies is a greater contrast to the complete absence of publications. Thus, this newly found, most low impact suggests more pronouncedly that Leibniz did use the sheets by S as compilation of information, but there is no positive proof for this interpretation. The low impact of L is consistent with excerpts for reception, as well as with preparation for publication. Only the appearance of different versions of one text or the evaluation of the remarks by L will elucidate the purpose of the sheets by S. Table 2: Distribution in different parts of Leibniz’ writings Corpus

total

L

Medica LH III Chymica LH XXXVII 6

1274 71

ff. 415 31

Technica LH XXXVIII

376

314

S+L

S

% 32.5 44

ff. 128 0

% 10 0

ff. 732 40

% 57.5 56

84

25

7

35

9

The particularities of the medical writings become better visible by comparison with other parts of the writings. For this comparison, the manuscripts in Chemistry and Alchemy (defined as Bodemann volume LH XXXVII 6), and the manuscripts for engineering (LH XXXVIII) are described in terms of scribal hands on sheet basis like the medical writings. The observed distribution is summarised in table 2. If quantity is an indication of interest, the number of sheets (1274 >> 376 >> 71) on each topic suggests that Leibniz was far more interested in medicine than in engineering and even more than in chemistry. There is an equally strong distinction by the proportion of contribution by L to the manuscripts on a topic (84 % >> 44 % ≈ 32.5 %) with his own contributions in engineering twice as large as the proportion in the other two fields. Engineering was a personal affair of Leibniz, while medicine and chemistry were outsourced. These numbers suggest that medicine was treated by Leibniz as a field for data collection, engineering as an area of new contributions by himself. Leibniz’ interest and activity in engineering projects is well documented,79 while similar activities in chemistry and medicine are missing.80 There is a 79 A I, Supplementband Harzbergbau. 80 Since Leibniz’ activities in the natural sciences and in medicine are not well known, this precondition remains to be proven. A counter indication is Leibniz’ involvement in the isolation of phosphorus (G. Schwedt: “Leibniz und seine Beziehungen zur Chemie”, in: Nihil sine ratione, Teil 3, Hannover 2001, pp. 1185–1190; H. Breger: “Notiz zur Biographie des Phosphor-Entdeckers Henning Brand”, in: Studia Leibnitiana 19, 1 [1987], pp. 68–73). Similarly in medicine, among the few transcribed texts by Leibniz on medicine is a collection of thoughts (LH III 1,3 ff. 1–8, Hartmann), that include detailed ideas about the formation of a health care system. Leibniz’ activities concerning science and medicine or their absence are still to be discovered.

272

Sebastian W. Stork

significant correlation to the portion of manuscripts by Leibniz himself on a topic and his documented interests in that topic. This observation enables to re-evaluate the undecided impasse of the two possible interpretations of the low impact of L on the medical writings. The strong correlation between proportion of manuscripts by L and documented activities together with the absence of known activities of Leibniz as an actor in medical or health care issues, reveals the medical writings as an effort in reception. The efficiency of this effort can be assessed by comparing the portions of sheets written by S as far larger than the portion of S+L manuscripts for the medical and chemical writings, 57.5 % >> 10 %, and 56 % >> 0 %. Less than one out of six sheets written by S have received comments by L. The effort to gather information by employing scribes produced seemingly a collection of cursorily read manuscripts. Leibniz had time to read only what he wrote himself. 5. COMMA AND CATHEDRAL Commas were used as a means towards a first distinction and assignment of scribal hands. The provisionally achieved identifications of scribes show congruence with the available information in the existing catalogues of scribal hands. The cathedral of the medical writings is not the complete edition built from single volumes. It is also not Leibniz’ nor any of the philosophical or other Weltgebäude81 of the 17th century. It is furthermore none of the cathedrals built from stones that were under construction or completed at the time of Leibniz. Since medicine is concerned with health, the cathedral of the medical writings is described by Paul (1 Co 6,19–20): “Do you not know that your body is a cathedral of God’s Spirit? Praise God through your body.” 82

81 Sample: J. Franck: Pilgerschaftslied (Du, o schönes Weltgebäude/ magst gefallen, wem du willst), 1653; J. Paul: Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei, Frankfurt a. M. 1796; J. P. Hebel: Allgemeine Betrachtungen über das Weltgebäude, 1803– 11; S. Arrhenius: Die Vorstellung vom Weltgebäude im Wandel der Zeiten, Leipzig 1908. 82 Text according to 27NA: ἢ οὐκ οἴδατε ὅτι τὸ σῶμα ὐμῶν ναὸς τοῦ […] ἁγιου πνεύματος […] δοξάσατε δὴ τὸν θεὸν ἐν τῷ σώματι ὑμῶν; translation by author.

Charlotte Wahl (Hannover)

DIPLOMAT IN DER GELEHRTENREPUBLIK – LEIBNIZ’ POLITISCHE FÄHIGKEITEN IM DIENSTE DER MATHEMATIK Dass das Taktieren und Verstellen zu Leibniz’ Handwerkszeug gehörten und von ihm gekonnt und erfolgreich angewandt wurden, ist bekannt. Eindrucksvolle Beispiele sind die geheime Wienreise im Frühjahr 1701 oder die Tarnung als Monsieur Kortholt – eine raffinierte Tarnung, denn einen Monsieur Kortholt gab es wirklich.1 Im Folgenden soll es darum gehen, inwiefern Leibniz sein diplomatisches und taktisches Geschick in seiner Tätigkeit als Mathematiker anwandte. Dies betrifft vor allem seine Publikationspolitik sowie sein Verhalten in mathematisch motivierten Konflikten. Leibniz’ politische Tätigkeit wirkte sich auch auf andere Weise auf seine mathematische aus. Man könnte zum Beispiel studieren, wie er seinen politischen Einfluss für die Mathematik nutzte. Hier kann man sein Werben an europäischen Höfen für eine Förderung der Kryptographie anführen.2 Genausowenig soll diskutiert werden, inwieweit sein politisches Denken seine Mathematik inhaltlich beeinflusste. Auch hierfür lassen sich Beispiele finden, wie seinen Begriff der „justitia analytica“ für (heute so genannte) symmetrische algebraische Gleichungen, den er so erklärt: „wenn gleichwie in der justiz gegen Menschen keine acceptio personarum, also hier die literae auff gleichen fuß tractirt werden“3.

1

2

3

Vgl. S. Sellschopp: „‚Eine kleine Tour nach Hamburg inkognito‘: zu Leibniz’ Bemühungen von 1701 um die Position eines Reichhofrats“, in: Studia Leibnitiana 37, 1 (2005), S. 68–82, zur geheimen Wienreise sowie N. Gädeke: „L’affaire de Monsieur Kortholt oder: Leibniz undercover – Eine Miszelle aus der Praxis der Leibnizedition“, in: Studia Leibnitiana 41, 2 (2009), S. 233–247. Vgl. H. Breger: „Zwischen Philosophie, Mathematik und Politik: Leibniz und die Kryptographie“, in: H. Breger/J. Herbst/S. Erdner (Hrsg.): Einheit in der Vielheit. VIII. Internationaler Leibniz-Kongress, Hannover 2006, Bd. 1, S. 101–105; Ph. Beeley: „‚Un de mes amis‘. On Leibniz’s relation to the English mathematician and theologian John Wallis“, in: P. Phemister/ St. Brown (Hrsg.): Leibniz and the English-Speaking World (= The New Synthese Historical Library 62), Dordrecht 2007, S. 63–81. A III, 7, 250. Leibniz spricht auch vom „lex justitiae“. Vgl. dazu z. B. H. Breger: „Symmetry in Leibnizean physics“, in: The Leibniz Renaissance, hrsg. vom Centro fiorentino di storia e filosofia della scienza, Florenz 1989, S. 23–42, hier S. 27.

274

Charlotte Wahl

PUBLIKATIONSPOLITIK Täuschungs- und andere taktische Manöver waren in der Mathematik der Frühen Neuzeit üblich, vor allem anonymes Publizieren, das Zurückhalten von Methoden und das Herausfordern von Konkurrenten mit Aufgaben, deren Lösung der Aufgabensteller schon kannte. Dabei wurde auch Macht austariert, nicht politische Macht natürlich, sondern Macht, die in der wissenschaftlichen Autorität begründet lag. Das lässt sich am Wettbewerb um das Brachistochronenproblem, das 1696 von Johann Bernoulli gestellt worden war, gut nachvollziehen.4 Das Brachistochronenproblem fragt nach der Bahn zwischen zwei gegebenen Punkten, für deren Durchlauf eine Kugel unter Einfluss der Schwerkraft eine möglichst kurze Zeit benötigt. Seine mathematikhistorische Bedeutung erhält es durch die Tatsache, dass es eine intensive Beschäftigung von Leibniz und vor allem den Brüdern Jacob und Johann Bernoulli mit einer Klasse von Problemen initiierte, aus der sich in der Folge die Variationsrechnung entwickelte.5 Tschirnhaus platzierte einen zweideutigen Artikel in das Heft der Acta eruditorum vom Mai 1697, in dem die Lösungen des Problems erschienen.6 Dort begründete er erst, dass er nicht gern von anderen gestellte Aufgaben löse, denn oft sei der Aufgabensteller durch Zufall auf ein Resultat gekommen, das bewusst zu verfolgen große Mühe bereiten würde. Dann benannte er die Lösung des Brachistochronenproblems und merkte an, sie könne leicht mit den von Huygens entwickelten Methoden hergeleitet werden. Ohne es explizit zu behaupten, suggerierte er damit, das Problem gelöst zu haben. Leibniz und Johann Bernoulli mutmaßten – vermutlich korrekt –, dass Tschirnhaus vom Herausgeber Mencke über den Inhalt der eingegangenen Lösungen informiert worden war, während er die Leipziger Ostermesse besucht hatte.7 Newton löste das Problem, drückte aber gleichzeitig seine Herablassung aus, indem er sich nicht an die Regeln des Wettbewerbs hielt: Er veröffentlichte seine Lösung vorzeitig anonym in den Philosophical Transactions.8 Leibniz revanchierte sich, indem er Newtons Beitrag in seiner Besprechung der Lösungen9 nicht berücksichtigte. Er hatte diese zwar schon an Mencke abgeschickt, als er Newtons

4 5 6 7 8 9

Das Problem und der Wettbewerb sind in der Forschungsliteratur vielfach behandelt worden; hier sei nur auf die Einführung A III, 7, XXV–XXX, verwiesen. Vgl. H. H. Goldstine: A history of the calculus of variations (= Studies in the History of Mathematics and Physical Sciences 5), New York u. a. 1980. – Im Folgenden ist immer Johann Bernoulli gemeint, wenn der Vorname nicht explizit genannt wird. E. W. v. Tschirnhaus: „De methodo universalia theoremata eruendi, quae curvarum naturas simplicissime exprimunt; de problemate item Bernoulliano“, in: Acta eruditorum, Mai 1697, S. 220–223. Vgl. A III, 7, 446, 602. I. Newton (anon.): „Epistola […] in qua solvuntur duo problemata mathematica a Johanne Barnoullo mathematico celeberrimo proposita“, in: Philosophical Transactions, Jan. 1697, S. 384–389. G. W. Leibniz: „Communicatio suae pariter, duarumque alienarum ad edendum sibi primum a Dn. Jo. Bernoullio, deinde a Dn. Marchione Hospitalio communicatarum solutionum problematis curvae celerrimi descensus“, in: Acta eruditorum, Mai 1697, S. 201–205.

Diplomat in der Gelehrtenrepublik

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Beitrag erhielt, hatte aber kurz darüber nachgedacht, sie zu überarbeiten.10 Die Reaktionen von Tschirnhaus und Newton spiegeln ihre unterschiedlichen Positionen in der Gelehrtenrepublik wider: Tschirnhaus, ein Gegner des Differentialkalküls, musste darum kämpfen, von den Leibnitianern als Mathematiker weiter ernst genommen zu werden, nachdem er schon das Kettenlinienproblem nicht gelöst hatte. Newtons Stellung als herausragender Wissenschaftler hingegen war unangefochten.11 Seine Lösung wurde sofort auf dem Kontinent bekannt: Basnage de Beauval schickte sie Bernoulli zu, der den Autor aufgrund äußerer Umstände erriet.12 Außerdem wies Thomas Burnett of Kemney Leibniz auf Newtons Lösung (unter Nennung des Autors) hin.13 Von David Gregorys Lösung hingegen, auch vorzeitig anonym in den Philosophical Transactions veröffentlicht, erfuhr Leibniz erst 1699 durch Wallis.14 Auch Leibniz präsentierte sich als über den Dingen stehend, indem er keine eigene Lösung veröffentlichte, sondern in seinem Beitrag den Wettbewerb und die anderen Lösungen reflektierte. Dass er seine Lösungsmethode zurückhielt, hatte allerdings einen weiteren Grund: Wie er auch in seinem Beitrag beschrieb,15 sah er das Brachistochronenproblem als Beispiel einer Klasse von Problemen, für die sein Infinitesimalkalkül noch keine allgemeine Lösungsmethode bereitstellte. Diese heute so genannten Variationsprobleme waren ungleich anspruchsvoller als die Extremalprobleme, für die sein Kalkül einen Algorithmus lieferte. Bei Letzteren war eine Kurve gegeben, deren Maximum oder Minimum bestimmt werden sollte. Bei Ersteren war nur eine Extremalbedingung gegeben (z. B. kürzeste Zeit, größter Flächeninhalt, geringster Widerstand) sowie vielleicht Nebenbedingungen (z. B. festgelegte Länge, festgelegte Anfangs- und Endpunkte), die Kurve hingegen gesucht. Leibniz sah in dem seiner Lösungsmethode zugrunde liegenden Prinzip, dass die Extremalbedingung auch im Infinitesimalen erfüllt sein müsse, den Schlüssel zu diesen Problemen,16 den er noch nicht preisgeben wollte. 10 Vgl. A III, 7, 379. Dort rechtfertigt Leibniz sein Vorgehen explizit mit dem Verhalten der Engländer (d. h. Newton). 11 Vgl. z. B. die Lobrede auf Newton in Joh. Bernoulli: „Lettre […] à l’auteur“, in: Histoire des ouvrages des savans, Juni 1697, S. 452–467, hier S. 455. Daraus geht hervor, dass Bernoulli Leibniz und Newton als gleichermaßen herausragend ansah: „[D]ès le moment que ce problême me vint en pensée, ces deux excellens Maîtres, savoir Mr. Leibnits et Newton, se presenterent les premiers à mon esprit, comme capables de denouer le noeud, quand personne autre ne le seroit“. 12 Vgl. Der Briefwechsel von Johann Bernoulli (im Folgenden: BJoB), hrsg. von der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Basel 1955 ff., Bd. 1, S. 429–430. 13 Vgl. A I, 14, 181–182. 14 Vgl. GM IV, 72, und D. Gregory (anon.): „De ratione temporis quo grave labitur per rectam data duo puncta conjungentem, ad tempus brevissimum quo, vi gravitatis, transit ab horum uno ad alterum per arcum cycloidis“, in: Philosophical Transactions, Feb. 1697, S. 424–425. Die Lösung wurde lange Newton zugerechnet, vgl. D. T. Whiteside (Hrsg.): The Mathematical Papers of Isaac Newton 8, Cambridge 1981, S. 5–6, Anm. 11. 15 Vgl. Leibniz: „Communicatio“, S. 204. 16 Vgl. A III, 7, 457: „[T]ota enim clavis hujus methodi inveniendae Formae maximum praestantis, in eo consistit, ut maximum non solum in toto sed et in parte praestetur, licet indefinite parva“; ebd., 507: „methodus mea pro maximis et minimis […], quae in eo consistit ut lex minimi vel maximi et in particula locum habeat“. Leibniz sprach bei seiner daraus folgenden

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Leibniz versuchte über seinen Briefwechsel, auch die Publikationspraxis der Brüder Bernoulli zu steuern. Nachdem Johann Bernoulli ihm sein Manuskript mit der Lösung übersandt hatte, holte Leibniz die Erlaubnis ein, einen der Lösungswege, in dem Leibniz Potential sah, zu streichen. Zunächst argumentierte Leibniz, die Spannung solle erhalten bleiben, damit andere nach alternativen Wegen suchen und so die Wissenschaft bereichern würden.17 Bernoulli widersprach: Die Lösungen würden ja nicht sofort veröffentlicht, sondern erst zum festgesetzten Termin. Eine Veröffentlichung würde außerdem andere zu weiterführenden Untersuchungen befähigen, die die Extremalmethoden voranbrächten.18 Leibniz jedoch sah gerade darin eine Gefahr: „Jene zweite Methode würde ich noch etwas aufschieben, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, auch deshalb, weil sie weiter reicht, damit nämlich die Quellen nicht gleich jenen angezeigt werden, die später die angezeigten [Quellen] unterdrücken oder in ihre Bäche umlenken.“19

Diesem Argument schloss sich Johann Bernoulli an, entzog sich der Konsequenz aber teilweise: Er stimmte zwar der Streichung seiner zweiten Lösung zu, bot jedoch öffentlich an, seine Methode jedem Interessierten brieflich mitzuteilen.20 Mit ähnlichen Argumenten forderte Leibniz auch Johanns Bruder Jacob auf, seinen (Leibniz noch nicht bekannten) Lösungsweg geheim zu halten: „Ich sehe nämlich, dass viele wenig ernsthaft handeln und, was sie aus unseren Methoden gelernt haben, soweit sie können, mit einem anderen Gewand bekleidet, als das ihre verkaufen.“21

Wie aus dem Brief an Jacob Bernoulli weiter hervorgeht, waren Leibniz’ Befürchtungen eine Reaktion auf Nieuwentijt, der 1695 in seiner Analysis infinitorum aufbauend auf Barrows Tangentenregel einen alternativen Infinitesimalkalkül entwickelt hatte und dabei behauptet hatte, die Regeln von Leibniz’ Kalkül ließen sich

17 18

19

20 21

Methode von „Methodo directa pro lineis maximum praestantibus“ (ebd., 796, ähnlich 861: „Methodo mea generali directa, formarum Maximum minimumve praestantium“). Zu den Problemen, die Leibniz damit zu behandeln gedachte, gehören isoperimetrische Probleme, das Problem des geringsten Strömungswiderstands, das Kettenlinienproblem (tiefster Schwerpunkt), vgl. GM III, 294–295; verallgemeinert auch das Problem der kürzesten Linien auf einer Fläche, vgl. A III, 7, 861. Zur Methode vgl. auch die einführende Diskussion ebd., XLIII. Vgl. ebd., 72. Vgl. ebd., 100. Leibniz’ und Bernoullis unterschiedliche Auffassungen in dieser Frage werden auch diskutiert in H. Sefrin-Weis: „Leibniz and the Brachystochrone“, in: Breger/Herbst/Erdner, Bd. 2, S. 964–971. Dort werden Thesen zur Motivation hinter Leibniz’ Publikationspolitik aufgestellt, die am hier versammelten Material überprüft werden können. A III, 7, 110: „Methodum illam posteriorem distulissem adhuc nonnihil si Tuo essem loco vel ideo quia latius patet, ne scilicet statim fontes illis indicentur, qui postea supprimunt indicatos, aut in rivos suos avertunt.“ Warum Leibniz auch Joh. Bernoullis synthetische Lösung strich (vgl. die eckigen Klammern ebd., N. 15), geht aus dem Briefwechsel nicht hervor. Wie die eckigen Klammern ebd., 67–68, belegen, hatte Leibniz offenbar auch Joh. Bernoullis Ausführungen zur Synchrone zur Kürzung vorgesehen. Diese wurden dann doch veröffentlicht. Vgl. ebd., 125, sowie Joh. Bernoulli: „Lettre“, S. 458. A III, 7, 359: „Video enim multos parum sincere agere, et quae didicere ex nostris quantum possunt alio habitu larvata pro suis venditare, cujus animi Dn. Nieuwentiit sese suspectum reddit […].“

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leicht daraus herleiten.22 Bei Jacob kam Leibniz’ Aufforderung allerdings zu spät, er hatte seinen Lösungsweg schon an Mencke zur Veröffentlichung geschickt.23 Später beklagte sich Leibniz bei Johann, dass Jacob seinen Plan der Geheimhaltung durchkreuzt habe, denn Jacobs Lösung beruhte auf demselben allgemeinen Prinzip.24 Kurz darauf löste Johann Bernoulli Jacobs isoperimetrisches Problem mit einer ähnlichen Methode. Leibniz riet wieder, die Lösung zurückzuhalten.25 Auch Leibniz’ und Johann Bernoullis Lösungswege des zusammen mit dem Brachistochronenproblem gestellten „Problema alterum pure geometricum“ wurden auf Leibniz’ Rat hin nicht veröffentlicht. Sie schienen ihm ein neues Feld zu eröffnen, das er erst noch explorieren wollte.26 Ähnlich verhielt es sich mit Leibniz’ Entdeckung der Vertauschbarkeit von Differentiation nach einem Parameter und Integration, mit der ein Problem über Orthogonaltrajektorien gelöst werden konnte, an dem Johann Bernoulli gescheitert war.27 Auch in dieser Methode sah Leibniz großes Potential, auch hier drängte er auf Geheimhaltung. Johann Bernoulli wurde angehalten, keine öffentlichen Aufgaben zu stellen, die andere auf die Fährte bringen könnten. Leibniz schlug ihm auch vor, seinen Bruder mit anderen Aufgaben abzulenken, damit dieser nicht zufällig selbst auf die Methode stoße und mit ihr, wie schon beim Brachistochronenproblem, an die Öffentlichkeit gehe. Leibniz und Johann diskutierten, wieviel ihrem gemeinsamen Briefpartner L’Hospital verraten werden könne. Die Methode wurde schließlich zur geheimen Waffe im Prioritätsstreit mit Newton: Leibniz

22 Vgl. B. Nieuwentijt: Analysis infinitorum, Amsterdam 1695; zum Vergleich mit Leibniz’ Kalkül inbes. Cap. VIII. Nieuwentijts Kalkül und sein Verhältnis zum Differentialkalkül sowie die Frage der Unabhängigkeit sind analysiert in R. H. Vermij: „Bernhard Nieuwentijt and the Leibnizian Calculus“, in: Studia Leibnitiana 21, 1 (1989), S. 69–86. 23 Vgl. A III, 7, 277 Erl. 24 Vgl. ebd., 795–796. 25 Vgl. ebd., 871. Dass die Lösung (ebd., N. 206) erst 1707 veröffentlicht wurde, lag allerdings vor allem am Streit der Brüder Bernoulli. – Neben Fehlern, die schon Johann Bernoulli feststellte und später korrigierte, erkannten Lagrange und an ihn anknüpfend Carathéodory Bernoullis Ansatz als ungeeignet; vgl. „Basel und der Beginn der Variationsrechnung“ in: C. Carathéodory: Gesammelte mathematische Schriften 2, hrsg. im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 1955, S. 108–128, hier S. 115. Auf den folgenden Seiten bespricht Carathéodory Bernoullis Lösung ausführlich. 26 Vgl. A III, 7, 346: „Ubi vides novum plane campum aperiri analyseos localis generalissimae […] Nondum autem necesse puto, ut hanc methodum publicemus, itaque hactenus eam Tibi soli significare constitui.“ Zu dem Problem vgl. R. Krömer: „Johann Bernoullis problema alterum von 1697 und die Lösungen von Leibniz, Newton und anderen“, in: Breger/Herbst/Erdner, Bd. 1, S. 398–405. 27 Vgl. zu diesem Abschnitt S. B. Engelsman: Families of curves and the origins of partial differentiation (= North-Holland Mathematics Studies 93), Amsterdam u. a. 1984, Ch. 3; S. B. Engelsman: „Orthogonaltrajektorien im Prioritätsstreit zwischen Leibniz und Newton“, in: A. Heinekamp (Hrsg.): 300 Jahre „Nova methodus“ von G. W. Leibniz (= Studia Leibnitiana, Sonderhefte 14), Stuttgart 1986, S. 144–156, sowie A III, 7, XLV–XLVI.

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forderte mit Orthogonaltrajektorien 1700 Fatio de Duillier heraus28 und 1715, auf der Höhe des Prioritätsstreits, die englischen Analytiker. Leibniz betrieb also eine sehr bewusste Publikationspolitik, bei der innovative Methoden zurückgehalten wurden. In der Befürchtung, seine Methoden könnten von anderen kopiert und als ihre eigenen ausgegeben werden, sah er sich vielfach bestätigt: Neben Nieuwentijt gab auch Fatio de Duillier 1699 an, 1687 unabhängig ähnliche Methoden wie Leibniz und Newton gefunden zu haben. Außerdem veröffentlichte David Gregory 1696 Resultate, die Leibniz seinen Publikationen entnommen glaubte.29 Die Beispiele machen das Dilemma deutlich, dem Leibniz’ Publikationspolitik entsprang: Die langsame Verbreitung wissenschaftlicher Bücher und Zeitschriften in der Frühen Neuzeit ließ auch Jahre nach der Publikation eines Ergebnisses seine unabhängige Neuentdeckung glaubhaft erscheinen.30 So konnte gerade eine Veröffentlichung dazu führen, den Erfinderruhm teilen zu müssen. Als Versuch, die mathematische Entwicklung zu kontrollieren, schlug Leibniz’ Publikationspolitik fehl: Es war Jacob Bernoullis technisch ausgereifterer Lösungsweg zum Brachistochronenproblem und mehr noch zum isoperimetrischen Problem, der zukunftsweisend für die Variationsrechnung war. Das Feld, das Leibniz durch seine und Johann Bernoullis Lösungen zum „Problema alterum“ eröffnet sah, wurde von beiden nie beackert. Zudem hatte Newton zu diesem Problem eine ähnliche Methode veröffentlicht. Den ihnen gestellten Problemen zu Orthogonaltrajektorien schließlich waren die Engländer auch ohne Leibniz’ Methode gewachsen.31 Das große Potential, das Leibniz ihr zumaß, verwirklichte sich nicht.

28 Vgl. G. W. Leibniz: „Responsio ad Dn. Nic. Fatii Duillerii imputationes“, in: Acta eruditorum, Mai 1700, S. 198–208, hier S. 204. 29 Zu Fatio de Duillier und Gregory s. u. 30 Gerade Leibniz machte sich dieses Tatsache zunutze, als er 1689 die Unabhängigkeit seiner Artikel zur Himmelsmechanik und Dynamik von I. Newtons Principia mathematica, London 1687, behauptete. Vgl. dazu D. Bertoloni Meli: Equivalence and Priority. Newton versus Leibniz, Oxford 1993. Leibniz und viele seiner Zeitgenossen hielten das Plagiat an schon veröffentlichen Schriften wohl für verbreiteter, als es war. So hielt Leibniz es für wahrscheinlich, dass Descartes schon vor der Veröffentlichung seiner eigenen entsprechenden Resultate sowohl Harriots als auch Viètes Schriften gekannt hatte, während Descartes (zu Recht, wie heute angenommen wird) das Gegenteil behauptet hatte. Vgl. dazu Ph. Beeley/Ch. J. Scriba: „Wallis, Leibniz und der Fall von Harriot und Descartes. Zur Geschichte eines vermeintlichen Plagiats im 17. Jahrhundert“, in: S. Splinter/S. Gerstengarbe/H. Remane/B. Parthier (Hrsg.): Physica et historia. Festschrift für Andreas Kleinert zum 65. Geburtstag (= Acta Historica Leopoldina 45), Stuttgart 2005, S. 115–129, insbes. § III. Leibniz nahm selbst oft Publikationen erst verspätet zur Kenntnis, z. B. I. Barrows Lectiones geometricae, London 1670, sowie Resultate Mengolis von 1650 über Summen reziproker figurierter Zahlen (vgl. dazu A III, 1, XXVII– XXVIII, L–LI). Leibniz’ Misstrauen liegt wohl auch in zahlreichen negativen Erfahrungen mit dem (üblicheren) Plagiat an noch unveröffentlichten Ergebnissen begründet, vgl. dazu z. B. A III, 4, XXIV–XXV; ebd., 7, XXXII, 729, 734–736. 31 Vgl. Engelsman: Families of curves, §§ 3.8–10; Engelsman: „Orthogonaltrajektorien“.

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KONFLIKTMANAGEMENT I: LEIBNIZ ALS PARTEI Während die erwähnten Beispiele Leibniz als Wissenschaftspolitiker zeigen, der versucht, seine ihm gewogene Umgebung zu beeinflussen, war sein diplomatisches Geschick bei vielen Konflikten gefordert. Ein Beispiel ist die schon kurz erwähnte Auseinandersetzung mit Nicolas Fatio de Duillier. Fatio de Duillier war Schweizer, der einige Jahre in England lebte und in den frühen 1690ern zum engsten Zirkel um Newton gehört hatte.32 Er griff in seiner Schrift Lineae brevissimi descensus investigatio geometrica duplex,33 in der er 1699 verspätet das Brachistochronenproblem löste, Leibniz mehrfach an: Gleich auf den ersten Seiten der Schrift zeigte sich Fatio gekränkt darüber, dass Leibniz ihn nicht unter denen erwähnt hatte, denen er die Lösung des Brachistochronenproblems zugetraut hatte. Außerdem beklagte Fatio, dass Newton provoziert worden sei, denn Johann Bernoulli hatte ihm das Brachistochronenproblem zugeschickt. Dann erklärte er mit ähnlichen Argumenten wie Tschirnhaus, aber schärfer, warum er das öffentliche Aufgabenstellen im Kreis um Leibniz ablehnte, das er als einen Versuch, sich das Prinzipat unter Mathematikern anzueignen, deutete. Im hinteren Teil der kurzen Schrift34 warf Fatio Leibniz vor, quasi von einem mathematischen Thron herab Rang und Namen zu verteilen. Dort findet sich auch der Plagiatsvorwurf: Newton habe den Kalkül viele Jahre vor Leibniz gefunden; das Urteil darüber, ob Leibniz etwas entlehnt habe, überlasse er denen, die Newtons Briefe und Manuskripte gesehen hätten. Damit bezog sich Fatio auch auf den (indirekten) Briefwechsel zwischen Newton und Leibniz, der im selben Jahr vom Oxforder Mathematikprofessor John Wallis veröffentlicht wurde.35 Auch hier ging es Fatio de Duillier allerdings vor allem darum, seine eigenen Verdienste ins rechte Licht zu rücken: Er habe 1687 unabhängig von Leibniz und Newton ähnliche Methoden entwickelt. Fatio sandte sein Buch persönlich an L’Hospital, von dem Leibniz es erhielt. Im Begleitbrief informierte L’Hospital Leibniz auch über Wallis’ Briefedition und schloss: „Il me paroist que les Anglois cherchent en toute maniere d’attribuer la gloire de cette invention [=des Infinitesimalkalküls] à leur nation“.36 Johann Bernoullis

32 Zur engen Beziehung zwischen Fatio de Duillier und Newton, die 1693 abrupt endete – zeitgleich mit Newtons gesundheitlichem Zusammenbruch, was bei Wissenschaftshistorikern Anlass zu Spekulationen gab –, vgl. A. R. Hall: Philosophers at War. The Quarrel between Newton and Leibniz, Cambridge 1980, S. 102–104. Zur Auseinandersetzung zwischen Fatio de Duillier und Leibniz vgl. ebd., S. 100–101 sowie S. 118–128. Halls Diskussion stützt sich nur auf publizierte Quellen. Relevante, bisher noch nicht ausgewertete Informationen finden sich z. B. auch im Briefwechsel zwischen Leibniz und Sloane (LBr 871) sowie im Austausch zwischen Leibniz und Fatio de Duillier (LBr 221). Diese werden in A III, 8 erscheinen. Hofmanns knappe Darstellung in A III, 1, XL–XLI, bringt auch einige zusätzliche Details. 33 London 1699. 34 S. 18–19. 35 Vgl. „Epistolarum quarundam collectio“, in: J. Wallis: Opera mathematica 3, Oxford 1699, S. 617–708. 36 Vgl. GM II, 336. L’Hospital informierte auch Varignon, vgl. BJoB 2, S. 229.

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Briefpartner Pierre Varignon bekam das Buch von einem englischen Freund zugesandt. Auch Varignon hob gegenüber Bernoulli den Plagiatsvorwurf und den Zusammenhang mit Wallis’ Edition hervor.37 Ein Brief von Leibniz an den englischen Gesandten James Cressett zeigt, dass Leibniz fürchtete, Fatios Angriff könne sich negativ auf seine weitreichenden Beziehungen auswirken, und illustriert seine Verteidigungsstrategie.38 Cressett hatte Leibniz zuvor angeboten, ihm William Wotton als Korrespondenzpartner zu vermitteln. Leibniz verwies auf Fatios Angriff als kleine Affäre, die es erst noch zu klären gelte, damit Wotton nicht in Verlegenheit gebracht werde. Für Leibniz war es vor allem ein Problem, dass die Schrift das Imprimatur der Royal Society, deren Mitglied sowohl er als auch Fatio de Duillier waren, trug und daher von ihr sanktioniert schien. Im Brief an Cressett verschwieg Leibniz den Plagiatsvorwurf. Er stellte die übrigen Vorwürfe Fatios als absurd dar und sich als Opfer einer Art Scherbengericht.39 Leibniz hatte zu der Zeit keine offiziellen Kontakte mehr zur Royal Society wie noch zur Zeit ihres Sekretärs Oldenburg. Er wandte sich daher an Wallis, mit dem er seit 1696 korrespondierte und der auch Mitglied der Royal Society war, um eine Stellungnahme der Royal Society zu erreichen.40 Das Vorgehen war riskant, hatte doch Wallis den Briefwechsel zwischen Leibniz und Newton tatsächlich mit dem Ziel herausgegeben, Newtons Fluxionsrechnung zu ihrem Recht zu verhelfen. Diese Motivation hatte Leibniz, den Wallis für die geplante Edition um Hilfe gebeten hatte, aber offenbar nicht durchschaut.41 Leibniz investierte viel Mühe in den Brief an Wallis. Immer wieder ließ er die jeweils vorige Version abschreiben, um sie zu überarbeiten.42 Wie im Brief an Cressett wird der Plagiatsvorwurf nicht erwähnt. Leibniz verband zudem seine Rechtfertigung mit einer Eloge auf Wallis: Er, Leibniz, habe nicht alle anführen wollen, die das Brachistochronenproblem hätten lösen können, denn natürlich hätte dann auch Wallis selbst auf seiner Liste gestanden. Leibniz drückte die Vermutung aus, Fatio habe sich das Imprimatur erschlichen. Er ermöglichte so der Royal Society, sich zu distanzieren, ohne eigene Fehler einzugestehen und ohne auf den Inhalt des Buches einzugehen. Leibniz’ Strategie war erfolgreich. Wallis selbst hatte das Buch nicht gelesen und offenbar keine Kenntnis vom Plagiatsvorwurf.43 Ihn verband wenig mit Fatio de Duillier, der in England isoliert zu sein schien: 37 Vgl. ebd., S. 229–231. Auch Bernoulli informierte Leibniz, vgl. GM III, 596. 38 A I, 17 N. 248. 39 Vgl. ebd., 405: „Il m’accuse plaisamment d’affecter une espece de superiorité dans les mathemathiques à peu pres comme on se servoit de l’Ostracisme dans l’ancienne Grece contre ceux qui mettoient en danger la liberté du gouvernement populaire. Et la preuve qu’il en apporte est, que je distribue des prix tanquam ex solio à ce qu’il dit. Comme s’il ne m’estoit pas permis de louer ce que je trouve louable“ (Hervorhebung ebd.). 40 Vgl. GM IV, 68–71. 41 Vgl. dazu A III, 7, XXXV–XXXVI. 42 Drei überarbeitete Abschriften finden sich in LBr 974 Bl. 40–50. Das Ausgangskonzept und die Abfertigung wurden nicht gefunden. Insgesamt muss Leibniz also mindestens fünf Versionen angefertigt haben. 43 Vgl. zum Folgenden Wallis’ Antwort (GM IV, 71–72).

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„[Sein] Ansehen ist jedoch bei uns nicht so groß (um nichts Schlimmeres zu sagen), dass er verdient, Ihnen vorgezogen zu werden […] Was Ihre Sache angeht, ist dieser Fatio, über den Sie sich beschweren, dass er Sie verletzt habe, nicht Engländer, sondern Deutscher aus der Schweiz, der einige Zeit bei uns geblieben ist und neulich (wie ich höre) von hier in sein, ich weiß nicht, Vaterland oder anderswohin zurückgekehrt ist.“44

Wallis verdächtigte Fatio sogar, seinen Kollegen David Gregory angegriffen zu haben mit einer anonym in den Acta eruditorum erschienenen Kritik45 an dessen Lösung des Kettenlinienproblems. Er konnte nicht wissen, dass Leibniz der Autor war. Leibniz gab im folgenden Brief an Wallis eine fingierte Antwort Menckes auf seine angeblichen Erkundigungen nach dem Autor der Kritik wieder: Wenn eine anonyme Kritik maßvoll und sachlich sei, verlange man nicht den Namen des Autors.46 Wallis erhielt Leibniz’ Beschwerde gegen Fatio am 31. August 1699 47 und leitete sie schon am 1. September an den Sekretär der Royal Society Hans Sloane weiter. In seinem Begleitschreiben48 bezog Wallis zwar keine Position, allerdings hob er Leibniz’ Verdienste vor allem in der Mathematik hervor. Wenn Wallis’ Höflichkeit gegenüber Leibniz manchmal doppelbödig erscheint,49 so strebte er hier offensichtlich eine schnelle Klärung zugunsten von Leibniz an. Dementsprechend eindeutig fiel Sloanes respektvolle Antwort vom 5. September aus, die Wallis am 7. erhielt und am 8. an Leibniz weitersandte.50 Sloane war über die Schrift nicht informiert und die Royal Society im Urlaub. Trotzdem konnte 44 Ebd.: „Non tantae tamen est (ne quid gravius dicam) apud nos existimationis, ut Tibi anteponi mereatur […] Rem Tuam quod spectat, Fatius hic, a quo Te laesum quereris, non Anglus est, sed Germanus ex Helvetia, qui apud nos aliquamdiu moratus, nuper (quod audio) hinc recessit in suam nescio patriam, an alio“. 45 G. W. Leibniz (anon.): „Animadversio ad Davidis Gregorii schediasma de catenaria”, in: Acta eruditorum, Februar 1699, S. 87–91. Cantor hält Wallis’ Spekulation für nur „scheinbar unbefangen“ und suggeriert damit, Wallis könnte eine Autorschaft von Leibniz in Betracht gezogen haben (M. Cantor: Vorlesungen über Geschichte der Mathematik 3, Leipzig 1901, S. 289). Dies ist nicht ganz abwegig, denn Leibniz und Wallis hatten ein ähnliches Versteckspiel um Leibniz’ anonyme Rezension von J. Wallis: Opera mathematica 1–2, Oxford 1693–1695, in: Acta eruditorum, Juni 1696, S. 249–259, gespielt. Allerdings ging es dabei nur um die höfliche Ausräumung einiger Missverständnisse. Wallis’ Reaktion auf die Kritik an Gregorys Lösung hingegen ist sehr abwertend. Er hätte damit eine Provokation von Leibniz bewusst in Kauf genommen, was nicht zum versöhnlichen Ton des übrigen Briefwechsels passt. 46 Vgl. GM IV, 73–75. 47 Alle Daten im Folgenden sind in den Gregorianischen Kalender umgerechnet. 48 London, The Royal Society, EL W2 83. Dort schreibt er, Leibniz’ Brief am Vortag erhalten zu haben. Im Brief an Leibniz (GM IV, 71–73) gibt er um einen Tag verschobene Daten an. 49 Dies betrifft vor allem die erwähnte Edition der Briefe von Leibniz und Newton. Zum LeibnizWallis-Briefwechsel vgl. neben den schon angeführten Referenzen auch J. E. Hofmann: „Leibniz und Wallis“, in: Studia Leibnitiana 5, 2 (1973), S. 245–281; Hofmanns Ausführungen in A III, 1, XXXVI–XL; Hall, S. 98–99 („All was peace and amity“). Wallis zeigte sich auch als geschickter Diplomat in seinem Umgang mit Leibniz’ Interesse an der Kryptographie (vgl. Beeley, S. 75). 50 Die Abfertigung wurde nicht gefunden, der an Leibniz weitergesandte Auszug ist LBr 974 Bl. 53. Die Datierung sowie das Datum des Erhalts durch Wallis ergeben sich aus Wallis’ Antwort an Sloane (London, The Royal Society, EL W2 84). Wallis’ Brief an Leibniz, mit dem er die Antwort weiterleitete, ist GM IV, 71–73.

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er Leibniz beruhigen: Die Royal Society würde nichts billigen, was gegen Leibniz gerichtet sei. Bücher würden das Imprimatur häufig ohne genauere Prüfung erhalten. Man habe das Buch wohl für ein reines Geometriebuch gehalten.51 Sloane freute sich, mit Leibniz in Kontakt zu kommen, nachdem seine Vorgänger den Briefwechsel fallengelassen hatten, und bot ihm an, ihm die Philosophical Transactions zu übersenden, die Leibniz bisher nur sporadisch erhalten hatte. So ging die Auseinandersetzung mit Fatio de Duillier sowohl für Leibniz als auch für die Royal Society positiv aus. Vielleicht bestärkte dieser Ausgang Leibniz darin, sich 10 Jahre später auf Keills Plagiatsvorwürfe hin wieder an die Royal Society zu wenden – mit dem bekannten negativen Ergebnis: Die Royal Society unter dem amtierenden Präsidenten Newton erklärte Leibniz offiziell des Plagiats für schuldig. Die inhaltliche Gegenwehr gegen Fatio de Duillier fand nun öffentlich statt. Leibniz bereitete den Herausgeber der Acta eruditorum, Otto Mencke, auf die Notwendigkeit einer Erwiderung vor.52 Obwohl dieser generell versuchte, Auseinandersetzungen aus seiner Zeitschrift herauszuhalten, sicherte er die Veröffentlichung zu: „Was mein Hochgeehrtester Patron wieder ihn publiciren wil, wollen wir hertzlich gern, wen es nur nicht gar zu groß, denen Actis inseriren. Es wird aber nötig seyn, daß des Hn Fatio buch, damit wir nicht anstoßen, zugleich, aber doch priore loco gantz unparteyisch recensiret werde.“53

Mencke schlug vor, Leibniz möge sich wegen der Rezension an (wohl Johann) Bernoulli wenden. Leibniz schickte einige Tage später Fatios Buch und einen Entwurf für eine Erwiderung an Johann Bernoulli zur Durchsicht. Er fügte hinzu: „Ich habe Fatio lieber milde rügen wollen als hart anfassen, wie er es verdiente, denn ich halte es für ein lächerliches Spektakel, wenn gelehrte Männer, die ja vor [allen] anderen Kultiviertheit versprechen, sich wie Weiber untereinander ankeifen.“54

Bernoulli hatte eine Reihe zuspitzender Änderungsvorschläge.55 Außerdem berichtete er, er habe von einem Durchreisenden namens Manneville erfahren, dass Fatio zunächst Tag und Nacht an dem Problem gearbeitet habe und gescheitert sei, bevor er es anderthalb Jahre später erneut versucht habe. Dann gab Bernoulli eine neue Lösung des Problems des Rotationskörpers mit geringstem Strömungswider51 In der Forschungsliteratur wird Fatio vorgeworfen, das Imprimatur durch „trickery“ (Hall, S. 121) bzw. „zweifelhafte Manipulation“ (Hofmann, S. 271) erhalten zu haben. Damit folgt sie Leibniz’ gegenüber Bernoulli geäußertem Urteil (GM III, 617). Man kann Fatio allerdings kaum die laxen Kontrollen der Royal Society anlasten. 52 A I, 17 N. 226. 53 Ebd., 381. Zu Menckes Herausgeberpolitik vgl. H. Laeven: The „Acta eruditorum“ under the editorship of Otto Mencke, Amsterdam – Maarssen 1990, § IV.1; zur Auseinandersetzung mit Fatio de Duillier aus Menckes Sicht ebd., S. 80–82. 54 Vgl. GM III, 597: „Malui leniter castigare hominem, quam dure accipere, ut merebatur, nam ridiculum esse spectaculum puto, si Viri Eruditi, qui prae caeteris cultum profitentur, dicteriis inter se certent instar muliercularum“. Bei dem Entwurf, den Leibniz in zwei Etappen schickte (vgl. auch ebd., 602), handelt es sich wohl um LBr 221 Bl. 18–21. 55 Vgl. GM III, 602–609.

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stand, das von Fatio auch gelöst worden war. Er fügte an, dies alles könne in den Acta eruditorum veröffentlicht werden. In seiner Antwort informierte Leibniz Bernoulli über sein geplantes Vorgehen.56 Mencke wünsche eine unparteiische Rezension, für die er sorgen werde, an diese werde er seine eigene Erwiderung anhängen und Auszüge aus Bernoullis Brief, nämlich die Lösung und anderes, darunter vor allem den Bericht des Durchreisenden. Als Bernoulli mit einigen Monaten Verspätung das entsprechende Heft der Acta eruditorum erhielt, war er allerdings entsetzt, denn er fand seinen Brief, wenn auch gekürzt und leicht abgemildert, direkt nach der Rezension abgedruckt vor, aber keine Erwiderung von Leibniz.57 Er beklagte sich bei Leibniz, er habe nur seine Lösung zum Druck freigeben wollen, während die anderen Informationen zur Einarbeitung in Leibniz’ Erwiderung bestimmt gewesen seien. Bernoulli hatte Angst, der ganze Zorn von Fatio würde sich nun auf ihn konzentrieren, und forderte, Leibniz möge seine Erwiderung auch veröffentlichen. Leibniz rechtfertigte sich,58 Bernoulli habe die mathematischen Ergebnisse seiner Erwiderung offenbar nicht geschätzt, da er sie nicht kommentiert habe, und Mencke habe eine einfache Apologie nicht drucken wollen. Der überlieferte Briefwechsel mit Mencke59 legt allerdings nahe, dass Leibniz seine Entgegnung, deren Druck Mencke ja schon im Voraus zugestimmt hatte, nie eingesandt hatte. Dementsprechend endet die von Leibniz abgefasste Rezension60 mit der Ankündigung von Bernoullis Auszug. Eine Erwiderung von Leibniz wird nicht erwähnt. Auch inhaltlich ist die Rezension auf den Auszug zugeschnitten: Den Plagiatsvorwurf erwähnt Leibniz nicht, dafür zitiert er ausführlich Fatios Ablehnung der mathematischen Wettbewerbe aus dem Kreis um Leibniz, die Leibniz als Angriff auf die Acta eruditorum, dem Forum der Wettbewerbe, und ihre Zuträger darstellt. Über Leibniz’ Erwiderung wäre Mencke sicher glücklicher gewesen als über Bernoullis Brief, den er diffamierend fand, als er ihn in der von Leibniz vorbereiteten Fassung erhielt: „Warumb wird der Vir fide dignus [= Manneville] nicht genant? Es pflegen auch hubsche leute einem wol zu flattiren, undt darf man also nicht alles fluchs glauben, viel weniger in die weld hinein schreiben. Wan Fatio nun sagte, es hätte es ihm ein ander nachgeredet? So weiß ich auch nicht, ob es nicht hart genuch klinget, es weren des Fatio calculi horribiliter perplexi; undt was dergleichen mehr. Ob einer eine solution im bette erfunden oder nach reifer medita-

56 Vgl. ebd., 610. 57 Vgl. ebd., 627–628. Die von Leibniz verfasste Rezension ist abgedruckt in Acta eruditorum, November 1699, S. 510–513, die Auszüge als „Excerpta ex literis Dn. Joh. Bernoullii“, ebd., S. 513–516. 58 GM III, 631–632. Vgl. auch GM III, 621. 59 Für den hier relevanten Zeitraum gedruckt in A I, 17. 60 Vgl. Anm. 57. Leibniz’ Konzept zur Rezension (LBr 221 Bl. 14) stimmt mit dieser im Wesentlichen überein. Sie ist also nicht von Pfautz revidiert worden, wie in Hofmann, S. 271, Anm. 145, behauptet wird. In Laeven, S. 80, wird die Rezension Jacob Bernoulli zugeschrieben. Laeven stützt sich dabei auf Exemplare der Acta eruditorum, in denen die Beiträger teilweise von Mencke selbst als Marginalien vermerkt sind (vgl. ebd., S. 129–136). Vielleicht hatte Leibniz gegenüber Mencke Jacob Bernoulli als Autor angegeben.

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Charlotte Wahl tion, heißet bei mir nichts. [… D]aß die Acta der tummelplatz seyn sollen, darauff gelehrte leute Kugeln wechseln, wil sich nicht schicken.“61

Leibniz’ Antwort auf Menckes Einwände ist trotz Überarbeitung – sein erstes vierseitiges Konzept konzentrierte er schließlich auf zwei Seiten – ein emotionaler Rundumschlag. Um seine Argumentation abzustützen, berief er sich auf die Reaktion der Royal Society62: „Den Fatio belangend ist sein verfahren so grob und vermeßen, daß mans in Societate Regia höchlich improbiret, und ich fast nicht sehe wie müglich ihm gelinder zu begegnen als geschehen.“

Außerdem warf er Mencke Inkonsequenz vor, indem er ihn an sein Verhalten in einem Konflikt zwischen Tschirnhaus und dem schottischen Mathematiker John Craig erinnerte: Mencke hatte 1686 eine scharfe Verteidigungsschrift von Tschirnhaus gegen Angriffe von Craig abdrucken lassen. Damit hatte Mencke gegen seine eigenen Grundsätze, die er nun gegenüber Leibniz geltend machte, verstoßen, zumal er Craigs Antwort nicht in die Acta eruditorum aufgenommen hatte.63 Mencke gab Leibniz nach und ließ Bernoullis Briefauszug mit einigen kleinen, von Leibniz entgegenkommend vorgeschlagenen Änderungen abdrucken. Sowohl der Auszug als auch die Rezension erwähnen den Plagiatsvorwurf nicht. In Leibniz’ auf Bernoullis Drängen dann doch veröffentlichter Erwiderung wird er übergangen: „[D]a er [= Fatio] gleichsam auch die Interessen des hervorragenden Geometers Isaac Newton und anderer gegen mich vertritt, wird er mir nachsehen, wenn ich [so lange] nicht auf alles antworte, bis er sein Vertretungsmandat, sei es für die anderen, sei es insbesondere für Herrn Newton vorweist, zu dem mein Verhältnis nicht gespannt war.“ 64

61 Vgl. A I, 17, 627 (Hervorhebung ebd.). 62 Vgl. ebd., N. 381, insbes. 645. 63 E. W. v. Tschirnhaus: „Excerptum ex litteris […] Lipsiam missis, d. 20. Febr. anno 1686“, in: Acta eruditorum, März 1686, S. 169–176. Craigs Antwort erschien u. d. T. „Responsio ad literas Domini D. T. Lipsiam missas Feb. 20. 1686“ in J. Craig: Tractatus mathematicus de figurarum curvilinearum quadraturis et locis geometricis, London 1693, S. 55–61. Vgl. dazu U. Mayer: Zwischen Brennpunkt und Peripherie. Der sächsische Mathematiker, Techniker und Philosoph Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651–1708), Diss. Univ. Halle 2001, Kap. 4.3.3. Interessanterweise orientierte sich Leibniz bei der Inszenierung von Bernoullis Briefauszug am Vorgehen der Herausgeber der Acta eruditorum im Fall Craig: Einer anonymen (sehr knappen) Rezension der inkriminierenden Schrift Craigs folgte als eigener Artikel der Briefauszug von Tschirnhaus, der in der Rezension schon angekündigt war. Mayer beschreibt das Vorgehen der Herausgeber als „Spagat“ (S. 166) zwischen Distanzwahrung und Unterstützung von Tschirnhaus. Dementsprechend suggeriert auch die wohlwollende Ankündigung von Bernoullis Briefauszug in Leibniz’ (anonymer) Rezension eine Unterstützung durch die Herausgeber. 64 Zitiert nach H.-J. Heß/M.-L. Babin (Hrsg.): Gottfried Wilhelm Leibniz. Die mathematischen Zeitschriftenartikel, Hildesheim u. a. 2011, S. 335. Vgl. Leibniz: „Responsio“, S. 203: „[C]um eminentis Geometrae Isaaci Nevvtoni aliorumque etiam causam, tanquam contra me suscipit; ignoscet mihi, si non ad omnia respondeo, donec mandatum procuratorium tum a caeteris tum maxime a Domino Nevvtono ostendat, cum quo nulla mihi simultas fuit.“

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Vermutlich wollte Leibniz nicht nur verhindern, dass das von gegenseitigem Respekt geprägte Verhältnis zu Newton unnötig belastet wurde – in der Hoffnung, dass Newton Fatios Vorgehen ablehnte65 –, sondern auch, dass der Vorwurf weitere Aufmerksamkeit erhielt: Die Verbreitung kleiner Schriften wie Fatios war oft gering, die Acta eruditorum aber wurden europaweit gelesen. Indem Leibniz in seiner Erwiderung darstellte, wie er von Newtons Kalkül erfahren hatte, gelang es ihm, sich trotzdem implizit gegen den Plagiatsvorwurf zu verteidigen und gleichzeitig Newton als unabhängigem Erfinder des Infinitesimalkalküls seine Reverenz zu erweisen. Außerdem nutzte Leibniz seinen Beitrag gleich am Anfang für ein Plädoyer zur Mäßigung: „Bei dieser sich bietenden Gelegenheit möchte ich die Gelehrten auch ermahnen, jene unschickliche Sitte, sich gegenseitig mit bissigen Worten anzugreifen, welche Wissenschaften und Wissenschaftler in üblen Ruf bringt, allmählich abzulegen.“66

Mencke erhielt von Fatio je eine Antwort auf Bernoullis Briefauszug und Leibniz’ Erwiderung, die er diesen weitersandte.67 Bernoulli stimmte einem Abdruck der für ihn bestimmten Antwort ohne Änderungen (die vorzunehmen Fatio erlaubt hatte) zu. Leibniz ließ sich diese Antwort trotzdem und ohne Bernoulli darüber zu informieren von Mencke zusenden. Auch auf Menckes Wunsch hin kürzte und überarbeitete Leibniz sie. Auffällig ist die Umwandlung der Fluxionsnotation in die des Differentialkalküls. In seiner Antwort an Leibniz gab Fatio zu, dass Newton sein Vorgehen abgelehnt habe. Dies bestätigte Leibniz darin, die öffentliche Auseinandersetzung für beendet zu erklären. Nur Fatios Antwort an Bernoulli wurde in den Acta eruditorum abgedruckt, worüber sich Fatio gegenüber seinem kurzzeitigen Verbündeten Jacob Bernoulli bitter beklagte68: „On ne parle point de Mr Leibnitz […] On ne dit rien aussi de ce que j’assure touchant la Priorité des Decouvertes de Mr Newton.“

Zudem seien seine Ausführungen durch die Überarbeitung verstellt und ins Lächerliche gezogen worden: 65 Von Bernoulli hatte Leibniz zuvor erfahren, dass es zum Streit zwischen Fatio und Newton gekommen war, vgl. GM III, 612. 66 Zitiert nach Heß/Babin, S. 328. Vgl. Leibniz: „Responsio“, S. 198: „Occasione etiam oblata admonendos putavi viros doctos, ut pravus ille mos sese invicem impetendi dictis mordacibus, qui literas literarumque cultores infamat, paulatim antiquetur“. 67 Fatios Antwort an Johann Bernoulli ist LBr 221 Bl. 16–17; die an Leibniz LBr 221 Bl. 22–23. Vgl. zum Folgenden auch A I, 19 N. 158, 168, 236. (Die Darstellung in Hofmann, S. 271, Anm. 145, ist fehlerhaft; besser in A III, 1, XL–XLI, wo allerdings die beiden Antworten Fatios miteinander identifiziert werden.) Zu Bernoullis Reaktion auf Fatios Antwort vgl. auch GM III, 646–647. 68 Der Briefwechsel von Jacob Bernoulli, ed. von D. Speiser, Basel 1993, S. 191. In Laeven, S. 81, wird der Anfang der veröffentlichten Version von Fatios Antwort („Excerpta ex responsione Dn. Nic. Fatii Duillierii ad excerpta ex literis Dn. Joh. Bernoullii“, in: Acta eruditorum, März 1701, S. 134–136), in dem die Ablehnung der Acta eruditorum gegenüber persönlichen Angriffen dargestellt wird, offenbar aufgrund des Inhalts Mencke zugeschrieben. Naheliegender ist allerdings, dass auch dieser von Leibniz selbst stammt.

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Tatsächlich hatte Leibniz die Argumente, mit denen sich Fatio gegen die von Bernoulli verbreiteten Gerüchte zur Wehr setzte, weggelassen und den prahlerischen Eindruck, den Fatios Aufzählung angeblich erlangter, aber nicht veröffentlichter Ergebnisse erwecken konnte, durch Verkürzung zugespitzt. Leibniz hatte also in der Öffentlichkeit Bernoulli die Hauptrolle bei der Gegenwehr gegen Fatio de Duillier zugespielt. Trotzdem hatte er diese umfassend kontrolliert und organisiert.69 Ein weiterer Widerspruch zwischen Leibniz’ Vorgehen und dessen Darstellung ergibt sich daraus, dass er gegen Menckes Widerstand, Bernoulli über sein Vorhaben irreführend, den Abdruck von Bernoullis diffamierendem Briefauszug anstelle seiner eigenen gemäßigten Erwiderung durchsetzte, obwohl er sich gleichzeitig öffentlich und privat gegen Polemik aussprach. Auch bei anderen Gelegenheiten versuchte Leibniz, an Bernoulli zu delegieren, was seinem Bild als maßvoller und ausgleichender Gelehrter geschadet hätte: Sowohl in seinem schon erwähnten Brief an Wallis als auch in seiner öffentlichen Erwiderung70 distanzierte sich Leibniz davon, dass Bernoulli Newton das Brachistochronenproblem zugeschickt hatte. Leibniz hatte allerdings kurz vorher Bernoulli aufgefordert, Newton weitere Aufgaben zukommen zu lassen,71 worauf Bernoulli aber nicht einging. 1696 schrieb Leibniz in sein Tagebuch: „Werde einmahl durch ihn [= Bernoulli] in Actis erwehnen lassen, was Hr. Gregorius in Catoptrico-dioptricis gethan, sey auff meine Inventionem gebauet.“72

Bernoulli erklärte sich dazu bereit, hatte jedoch David Gregorys Catoptricae et dioptricae sphaericae elementa73 noch nicht gesehen. Eine andere Möglichkeit, den Festlegungen einer Rolle zu entgehen, war die Anonymität. Leibniz veröffentlichte viele seiner tagespolitischen Schriften anonym. Ein seltenes mathematisches Beispiel (neben den Rezensionen) ist Leibniz’ schon erwähnte Kritik an Gregorys Lösung des Kettenlinienproblems.74 Ihr war ein Täuschungsmanöver vorausgegangen, dessen Motivation hier nur vermutet werden kann. Leibniz hatte nämlich zunächst eine Abschrift seiner Kritik an Johann Bernoulli 69 Dies steht im Einklang mit seinem schon 1691 in einem Konzept eines Briefes an Pfautz geäußerten Wunsch, dass alles, was bei den Acta eruditorum eingereicht werde und ihn beträfe, ihm vor der Veröffentlichung vorgelegt werde; vgl. A III, 5, 67. Der zweite Textzeuge lässt allerdings vermuten, dass der Wunsch nicht in die Abfertigung einging. 70 GM IV, 70; Leibniz: „Responsio“, S. 204. An Thomas Burnett of Kemney schrieb Leibniz 1697 in Bezug auf das Brachistochronenproblem (A I, 14, 220): „Je ne voudrois pas qu’on crût dans le monde que je sois homme de proposer à Mons. Newton des problemes d’une simple curiosité. Si je luy en voulois proposer j’en choisirois des plus utiles.“ 71 Vgl. A III, 7, 947. 72 Leibnizens gesammelte Werke, Bd. 4, hrsg. von G. H. Pertz, Hannover 1847, S. 203. Zu Leibniz’ Vorwurf vgl. auch A I, 17, 621–622. 73 Oxford 1695. Zu Leibniz’ indirekter Bitte vgl. A III, 7, 113, zu Bernoullis Antwort ebd., 126. 74 Leibniz, „Animadversio“.

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geschickt mit der Bitte, sie ohne Angabe des Autors an Mencke weiterzuleiten.75 Bernoulli wies darauf hin, dass Mencke den Urheber leicht an Leibniz’ eigenhändigen Korrekturen erkennen würde.76 So war es auch, denn Mencke wandte sich direkt an Leibniz, um zu erfahren, wer als Autor anzugeben sei: „Wie dan ja bißher zu wenigsten durch die ersten buchstaben des vor- und zunahmens geschehen. Sonsten könte es scheinen, ob were diese censura der Collectorum Actorum selbst.“77

Leibniz antwortete Mencke nicht. Warum hatte er den Umweg über Bernoulli gewählt? Hatte er sich absichtlich durch seine Korrekturen als Autor zu erkennen gegeben oder dies nur nachlässig in Kauf genommen? Vielleicht wollte Leibniz Mencke nicht vor den Kopf stoßen, denn dieser druckte nicht gern Artikel ab, deren einziger Inhalt das Zerpflücken wissenschaftlicher Ergebnisse anderer war. Andererseits verlieh Leibniz seiner Kritik Autorität und Nachdruck, indem er sich indirekt bei Mencke als Autor zu erkennen gab. Mencke beklagte sich zwar bei Leibniz, veröffentlichte die Kritik aber. Darüber, dass Gregory sich gekränkt fühlte, wie Mencke kurz darauf von Leibniz erfuhr, war er dann allerdings unglücklich, hatte doch Gregory Menckes Sohn auf dessen Englandreise sehr zuvorkommend behandelt.78 KONFLIKTMANAGEMENT II: LEIBNIZ ALS MITTLER In einigen Konflikten gehörte Leibniz nicht zu einer der Parteien, sondern fand sich zwischen den Fronten wieder. Ein prominentes Beispiel ist der Streit der Brüder Jacob und Johann Bernoulli miteinander,79 die beide seine Briefpartner waren. Manchmal lief die Kommunikation über ihn, so z. B. bei einer Auseinandersetzung zwischen Johann Bernoulli und Tschirnhaus im Jahr 1698.80 Wie er den damit verbundenen Einfluss auf den Verlauf des Konflikts nutzte, soll im Folgenden an den Spannungen zwischen Johann Bernoulli und Mencke in den Jahren 1700–1703, die eng mit dem Streit der Brüder Bernoulli zusammenhängen, illustriert werden. Die Konflikte mit Fatio de Duillier und David Gregory und der schon lange währende und in der Folge des isoperimetrischen Problems eskalierende Streit der Brüder Bernoulli ließen die Jahre um 1700 zu einer Belastungsprobe für das enge Verhältnis zwischen den Acta eruditorum und dem Mathematikerkreis um Leibniz werden. Dieses war für beide Seiten lange gewinnbringend gewesen: Mencke hatte 75 76 77 78 79

Vgl. A III, 7, 943. Vgl. ebd., 955–956. A I, 16, 558. Vgl. ebd., 17, 626–627. Zum Streit der Brüder Bernoulli vgl. J. Peiffer: „Jacob Bernoulli, teacher and rival of his brother Johann“, in: Electronic Journal for History of Probability and Statistics 2, 1b (2006); R. Thiele: „Das Zerwürfnis Johann Bernoullis mit seinem Bruder Jakob“, in: H. Beck u. a. (Hrsg.): Natur, Mathematik und Geschichte. Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung und zur Mathematikhistoriographie (= Acta Historica Leopoldina 27), Leipzig 1997, S. 257– 276; Die Streitschriften von Jacob und Johann Bernoulli, ed. von D. Speiser, Basel 1991. 80 Vgl. A III, 7, XXXII–XXXIII.

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erkannt, dass die Publikation mathematischer Artikel seine Zeitschrift auch für das Ausland interessant machte. Vor allem in der Anfangsphase bat er daher Leibniz immer wieder um Beiträge.81 Andererseits boten die Acta eruditorum Leibniz und den Brüdern Bernoulli eine bequeme Publikationsmöglichkeit mit europäischer Reichweite. Die Kooperation trug wesentlich zur Verbreitung und damit zum Erfolg des Differential- und Integralkalküls bei, der sich in der Aufnahme von Leibniz und den Brüdern Bernoulli in die Académie des sciences Anfang 1699 widerspiegelt. Auch die Acta eruditorum waren um 1700 längst etabliert. Es war gerade der Erfolg auf beiden Seiten, der die Abhängigkeit der Acta eruditorum und des Kreises um Leibniz voneinander lockerte und zu einer unnachgiebigeren Haltung bei Meinungsverschiedenheiten führte. Mencke stellte im Juni 1700 fest: „Es wundert mich, daß da die beyden Hen brüder sich in dem Parisischen Journal des Sçavans A. 1698 so tapfer exerciret, in dem Journal de a. 1699 hingegen sich nichts von ihnen befindet. Also wenden Sie sich nunmehr zu unsern Actis wieder.“ 82

Grund für die Verlagerung des Streits der Brüder Bernoulli von dem der Académie des sciences nahestehenden Journal des sçavans in die Acta eruditorum war ihre Aufnahme in die Akademie, die eigentlich die Beilegung des Streits zur Bedingung gehabt hatte.83 Allein 1698 waren sieben Pamphlete der Brüder zum isoperimetrischen Problem, mit dem Jacob seinen Bruder 1697 herausgefordert hatte, im Journal des sçavans erschienen.84 Dabei hatten beide ihre Lösungswege noch nicht offenbart. Johann hatte seine Lösung bei Leibniz deponiert.85 Während Leibniz mit Johann in ständigem Austausch stand, war der Briefwechsel mit Jacob unterbrochen, denn Jacob sah ihn auf der Seite seines Bruders.86 Leibniz jedoch versuchte, Neutralität zu wahren, und war auch bereit, eine Schiedsrichterrolle zu übernehmen. 1700 ließ Jacob in Basel einen öffentlichen Brief 87 drucken, in dem er seine Version des Streits schilderte; 1701 veröffentlichte er seinen Lösungsweg, den Mencke in den Acta eruditorum nachdrucken ließ.88 Neben Johann provozierte Jacob in dem öffentlichen Brief auch Leibniz: Obwohl sein Bruder sich immer auf Leibniz beriefe, habe dieser bisher weder seine Meinung äußern noch Johann unterstützen wollen.89 Leibniz sicherte Johann zu, er sei bereit, die Wahrheit zu bezeugen.90 Von Leibniz’

81 Vgl. Laeven, S. 52–55, zur Bedeutung der exakten Wissenschaften für die Acta eruditorum. 82 A I, 18, 709. 83 Dies war Johann Bernoulli von L’Hospital und von Varignon mitgeteilt worden, vgl. BJoB 1, S. 366–367; BJoB 2, S. 217, 220–221. 84 Nachgedruckt in Streitschriften, S. 317, 318–321, 354, 355, 356–362, 375, 376–382. 85 Vgl. zur Rolle von Leibniz im Streit um das isoperimetrische Problem A III, 7, XXX–XXXI, sowie Leibniz’ eigene Schilderung in A I, 17, 643–645. 86 Dies führte dazu, dass sich Jacob Bernoulli, wie schon erwähnt, mit Fatio de Duillier solidarisierte. 87 Jac. Bernoulli: Ad fratrem [...] epistola, Basel 1700 (= Streitschriften, S. 470–484). 88 Ders.: „Analysis magni problematis isoperimetrici“, in: Acta eruditorum, Mai 1701, S. 213– 228 (= Streitschriften, S. 485–504). 89 Streitschriften, S. 477. 90 GM III, 644.

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Declaratio91, die in den Acta eruditorum erschien, war Johann Bernoulli allerdings enttäuscht92: Leibniz schrieb dort zwar, Johann habe ihm seinen Lösungsweg pünktlich übersandt, aber fügte hinzu, er habe ihn noch nicht aufmerksam gelesen. Auch sonst versuchte er, jeden Eindruck der Parteilichkeit zu vermeiden. So hatte sich Johann gewünscht, dass Leibniz die Gründe, aus denen Johann seinen Lösungsweg noch nicht publizieren wollte, anführte. Leibniz jedoch berief sich auf seine Neutralität und forderte Johann auf, sie selbst zu veröffentlichen93; Johanns Einwand, Mencke würde eine Erklärung von ihm nicht drucken, verwarf er94. Johann sandte eine entsprechende Erklärung, der er auch eine Antwort auf Fatio de Duillier anfügte, über Leibniz, um sich dessen Autorität bei Mencke zunutze zu machen.95 Er hatte allerdings Mencke richtig eingeschätzt, denn dieser lehnte sie ab: „Wir haben die feste resolution gefaßet, von denen bißher streitigen Sachen nicht eine Zeile weiter in die Acta zu bringen. Hn. Joh. Bernoulli haben wir satisfaction gegeben, in dem wir meines hochgeehrtesten Patrons attestat dem Aprili Actorum inseriret, dadurch dem Hn. Jac. Bern. nicht geringer tort geschehen. Dem Hn. Jacobo haben wir damit satisfaction gegeben, daß wir seine solution in den Majum gebracht, welches dem Hn. Johanni nicht recht seyn wird. Nunmehr haben wir das Faß zugeschlagen, und wirdt nicht ein blad in die Acta kommen, darin der bißherigen Streitigkeiten zwischen denen Hnn. Bernoulliis, oder mit dem Hn. Fatio die geringste Erwehnung geschiehet.“96

Leibniz setzte sich in seiner Antwort an Mencke,97 die er in Kopie auch an Johann Bernoulli schickte, nochmal für den Abdruck ein; Mencke ging allerdings nicht darauf ein.98 Johann sah sich ungerecht behandelt und bat Leibniz, auf Mencke einzuwirken, sonst würde er öffentlich protestieren.99 Das Nachhaken bei Mencke und dessen erneute ablehnende Antwort, von denen Leibniz im folgenden Brief an Johann berichtete,100 waren offenbar vorgetäuscht: Der überlieferte Briefwechsel mit Mencke legt nahe, dass Leibniz den Streit der Brüder Bernoulli gegenüber Mencke nicht mehr thematisierte. Als Bernoulli nicht nachließ und drohte, nicht mehr in den Acta eruditorum zu publizieren,101 berichtete Leibniz von einer Apoplexie Menckes.102 Leibniz hatte jedoch schon Monate zuvor nicht nur von Menckes Anfall erfahren, sondern auch, dass seine Gesundheit völlig wiederhergestellt war.103 Dies verschwieg er gegenüber Johann und drückte nur die Hoffnung aus, Mencke sei genesen. Auch 91 G. W. Leibniz: „Declaratio, occasione epistolae a Dn. Jac. Bernoullio ad Dn. Johannem fratrem scriptae“, in: Acta eruditorum, April 1701, S. 190–191. 92 GM III, 671–672. 93 Ebd., 673–674. 94 Zum Einwand vgl. ebd., 675, zu Leibniz’ Antwort 678. 95 Ebd., 682. 96 A I, 20, 415. 97 Ebd. N. 273. 98 Vgl. seine Antwort ebd. N. 294. 99 GM III, 684. 100 Ebd., 689. 101 Ebd., 691. 102 Ebd., 693: „Intellexi non sine dolore, Dn. Menkenium, Symptomate aliquo gravi nervosum genus invadente, paralytico nescio an apoplectico laborasse […].“ 103 Vgl. A I, 20 N. 344.

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diese List befreite ihn nicht von Johanns Insistieren104: Die Nachricht von Menckes Krankheit ignorierend, drängte er Leibniz erneut, Mencke zur Veröffentlichung zu bewegen, und wiederholte seine Androhung von Konsequenzen. Leibniz versprach wieder, Mencke zu schreiben, auch wenn dieser sich das vorige Mal taub gestellt habe.105 Vermutlich ist Leibniz auch diesem Versprechen nicht nachgekommen.106 Kurz darauf, im August 1702, berichtete Bernoulli, er erhalte die Acta eruditorum nicht mehr und sein Briefwechsel mit Mencke sei abgebrochen.107 Er vermutete die Auseinandersetzung als Grund. Dass Mencke tatsächlich nicht gut auf die Brüder Bernoulli zu sprechen war, geht aus einem Brief an Leibniz vom Januar 1703 hervor. In ihm informierte Mencke Leibniz über die Ablehnung eines Artikels, den der Schüler Jacob Bernoullis, Jacob Hermann, eingereicht hatte, und fügte hinzu: „Es wird dem Hn. [Jacob] Bernoulli verdrüßen. allein Er ist ohne dem so wol, alß sein H. bruder zu Gröningen, mein feind worden, weil ihre Schediasmata ligitiosa in die Acta gebracht worden, undt also müssen wir uns hüten, daß wir unß nicht an andern von neuen verbrennen.“108

Auch eine Abhandlung, die Johann Bernoulli über Leibniz eingereicht hatte,109 wollte Mencke ungern abdrucken. Darin entwickelte Bernoulli eine neue Integrationsmethode, zu deren Illustration er auch ein Problem seines Bruders verallgemeinert löste – und die Gelegenheit nutzte, einige Seitenhiebe gegen diesen einzustreuen. Ein Teil des Manuskripts befindet sich noch in Leibniz’ Nachlass.110 Die gesamte, drei Seiten lange Lösung von Jacobs Problem ist von Leibniz gestrichen und mit der Bemerkung versehen worden: „Alles was ich hier strich, habe ich in der nach Leipzig an die Acta gesandten Fassung weggelassen, damit die Brüder nicht erneut aufeinanderprallen.“111 Leibniz teilte Johann das Erscheinen mit: Nur das, was seinen Bruder kränken könnte, sei auf Menckes und seinen Wunsch hin fortgelassen worden.112 Als Johann den beschnittenen Artikel in den Acta eruditorum sah,113 war er jedoch empört. Er fühlte sich von Mencke systematisch zurückge-

104 Vgl. GM III, 694. 105 Die entsprechende Stelle fehlt in GM III; vgl. P. Merian: Die Mathematiker Bernoulli, Basel 1860, S. 59. Auch zahlreiche weitere hier relevante Stellen aus dem Briefwechsel zwischen Leibniz und Johann Bernoulli, die in GM III fehlen, finden sich dort. 106 Im fraglichen Zeitraum (Ende April/Mai 1702) ist kein Brief im Briefwechsel zwischen Leibniz und Mencke nachgewiesen; ein Brief von Leibniz vom 24. Juni ist verloren; in Menckes Antwort (A I, 21 N. 237) wird die Angelegenheit nicht angesprochen. 107 Vgl. GM III, 708–710. 108 A I, 22, 144. 109 Vgl. GM III, 709. 110 LBr. 57,2 Bl. 256–257. 111 Ebd. Bl. 257: „Omnia quae hic delevi, omisi in Lipsiam transmissis ad Acta, nec domini fratres denuo collidantur.“ 112 In GM III, 721, fehlt der entsprechende Satz. Es muss heißen (Basel, Universitätsbibliothek, L I a 19,2 Bl. 203): „Schediasma Tuum de quadraturis per resolutiones fractionum insertum est actis Eruditorum. Tantum omissa sunt quaedam, quibus Dn. frater Tuus pungi videbatur quod ne fiat Dn. Menkenius mecum optat.“ 113 Joh. Bernoulli: „Problema exhibitum“, in: Acta eruditorum, Januar 1703, S. 26–31. Zu Joh. Bernoullis Reaktion vgl. GM III, 723.

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setzt114 und drohte Leibniz gegenüber wieder, seine Publikationen in den Acta eruditorum einzuschränken. Leibniz reagierte nicht mehr. Anders als Leibniz ging Varignon vor. Johann hatte ihm dieselbe Abhandlung zur Vorstellung vor der Académie des sciences, deren Mitglied Varignon war, zugesandt.115 Auch Varignon stieß sich an dem Beispiel, das sich auf ein Problem Jacobs bezog,116 und bat es auszutauschen. Seine Gründe – Respekt vor der Académie des sciences und der Wunsch, den Streit der Brüder nicht zu schüren – legte er Johann ausführlich da. Johanns Reaktion ist nicht überliefert, allerdings erschien die Abhandlung in den Mémoires de mathématique et de physique der Akademie vollständig mit nur minimalen Änderungen.117 Hinweise auf Jacob Bernoulli wurden oberflächlich eliminiert, stichelnde Bemerkungen gestrichen. So wird zwar auf einen Artikel von Jacob Bezug genommen, aber nur die Referenz und nicht der Autor genannt. Varignon hatte also nachgegeben, obwohl er sich nicht ganz wohl dabei fühlte, wie der Kommentar, mit dem er Bernoulli das Erscheinen ankündigte, zeigt: „Vous y trouverez vôtre Methode d’intégrer les differentielles en fractions rationelles, dont il y a des corollaires qui pouront bien ralumer encore la bile de M. votre frere contre moy.“118

Der unterschiedliche Umgang von Leibniz und Varignon mit Johann Bernoullis Abhandlung spiegelt die Verbindlichkeiten der Akteure sowie ihre unterschiedliche Stellung in der Gelehrtenrepublik wider: Varignon war als Mathematiker auf Bernoulli angewiesen, denn er profitierte von dessen brieflichen Erklärungen. Bernoulli war zwar längst mathematisch produktiver als Leibniz, aber abhängig von Leibniz’ Macht, die in seinem Einfluss in der Gelehrtenrepublik durch seine vielfältigen Beziehungen, nicht zuletzt zu Mencke, sowie in seinem Status als Erfinder des Differentialkalküls begründet lag. Andererseits waren Varignon und Leibniz in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt durch die Richtlinien der Académie des sciences bzw. durch Menckes Herausgeberprinzipien. Während aus Bernoullis Sicht die Beschneidung seiner Abhandlung in den Acta eruditorum ein Affront war, kann daher Leibniz’ Vorgehen auch als Kompromissversuch gesehen werden: Mencke hätte den Artikel in voller Länge wohl abgelehnt. Leibniz’ Verhalten in Konflikten sowie seine Publikationspolitik zeigen, dass er wie in der Politik auch in seinem mathematischen Tätigkeitsbereich bewusst und oft taktisch mit Informationen umging. Dass es ihm so mitunter gelang, Konflikte zwischen seinen Briefpartnern zu entschärfen, ist vielleicht ein Schlüssel zum Erfolg seines dichten Korrespondentennetzes.

114 Bernoulli war sich allerdings offenbar im Klaren darüber, dass Leibniz die Kürzungen vorgenommen hatte, vgl. BJoB 3, S. 94–95. 115 Vgl. ebd. 2, S. 321 N° 671. 116 Vgl. ebd., S. 322–324. 117 Joh. Bernoulli: „Solution d’un probleme concernant le calcul intégral“, in: Mémoires de mathématique et de physique 1702 (1704), S. 289–297. Zur vor der Académie des sciences vorgestellten Version vgl. Paris, Archives de l’Académie des sciences, Procès-verbaux T. 21, 1702, Bl. 463–489 (13. Dezember 1702). 118 Vgl. BJoB 3, S. 118.

Stefan Luckscheiter (Potsdam)

AUSKÜNFTE FÜR UND VON LEIBNIZ ÜBER ZAR PETER I. UND DIE GROSSE RUSSISCHE GESANDTSCHAFT (1697–1698)1 Leibniz hatte sich schon vor der Ankunft Peters I. und seiner Gesandtschaft in Westeuropa für Russland interessiert: Er hatte es als möglichen Landweg nach China in den Blick genommen2 und sich Aufschlüsse über die Genealogie der Zaren sowie die Geographie Russlands und Sibiriens zu verschaffen gesucht3; vor allem aber hatte sein Interesse den verschiedenen Völkern dieses weiten Landes gegolten.4 Die große russische Gesandtschaft sollte seinen Blick auf das Reich des Zaren gründlich verändern. Der russischen Politik, für die Leibniz bis dahin kein erkennbares Interesse gezeigt hatte, galt von nun an seine rege Aufmerksamkeit. Am 17. oder 18. Mai 1697 erreichte Peter I., der inkognito und mit kleinem Gefolge über See anreiste, Königsberg. Seine drei Gesandten befanden sich noch mit großem Tross auf dem Landweg dorthin. Die ersten zwei Relationen von dem sich zu der Zeit in Königsberg aufhaltenden kurbrandenburgischen Hof, die Leibniz einsehen konnte, datieren vom 21. Mai und erreichten Hannover einige Tage später. Sie berichten, wie das Schiff, mit dem der Zar reiste, beim Lusthaus Friedrichshof am Pregel, wohin der Kurfürst ihm entgegengegangen war, mit Salutschüssen begrüßt wurde; wie der Zar sich anfänglich verleugnen ließ; wie er sich, weil die Russen so gut aufgenommen und bewirtet wurden, doch zu erkennen gab und wie er schließlich den Kurfürsten auf dem Schloss besuchte. Über diesen Besuch heißt es in einer jener Relationen: „[…] der Zaar embrassirte … S. C[hur]f[ürstliche] d[urc]h[laucht] und nach abgelegten kurtzen complimenten setzten sie sich beyde auff 2. chaises à dos gegen einander über, und discurirten über 1 ½ stunden miteinander, dan der Zaar zimlich gut Holländisch redet, Sie truncken unter den discours eine bouteille Ungerischen Wein, und gaben S. Churfurst. dh. dem Zaaren den Titul von Ihrer Zaarischen Mäy[e]st[ät] der hingegen S. Churfürst. dh. auch mit dem titul von Zaar titulirete, die umbstehende blieben von ferne, und der OberPraesidente meslirte sich

1

2 3 4

Dieser Aufsatz ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung der Einleitung in: St. Luckscheiter: Die erste Europa-Reise Peters des Großen im Spiegel des Leibniz-Nachlasses (1697–1698) (= Hefte der Leibniz-Stiftungsprofessur 9), Hannover 2012. Dort sind auch die hier erwähnten Berichte über die Gesandtschaft abgedruckt. Vgl. A I, 12, 159, 236, 411. Vgl. A I, 13, 344, 539. Vgl. A I, 12, 122, 215, 218, 411, 450, 632; A I, 13, 340, 342, 510, 613, 617.

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Stefan Luckscheiter dan und wann in den discours; gegen 11. Uhren nahm der Zaar seinen Abschied, embrassirte abermahln S. Churfürst. dh. und retirirte sich wieder ohne die geringste cermonie […].“5

Leibniz gab die Information, dass Peter I. den Kurfürsten mit dem Titel eines Zaren angesprochen habe, am 31. Mai 1697 an den kurbrandenburgischen Geheimen Kabinettsarchivar Johann J. J. Chuno weiter und bemerkte: „[…] la visite du Czar me paroist estre de consequence. Car c’est un grand Monarque, dont les bonnes intentions peuvent avoir un grand poids.“ 6

Zwar hatte Leibniz also schon erkannt, dass die große Gesandtschaft „von Bedeutung“ sei, worin diese Bedeutung aber bestehen werde, konnte er noch nicht sagen. Noch wusste er schlicht zu wenig von den Absichten des Zaren, um mehr als vage Erwartungen hegen zu können. Nicht einmal das Ziel der Reise war bekannt.7 Am 28. Mai 1697 traf die Gesandtschaft in Königsberg ein, und es gelangten wieder zwei Berichte in Leibniz’ Hände. Beide datieren vom 31. Mai, der eine stammt von einem nicht identifizierten Autor, bei dem anderen handelt es sich um ein Schreiben des kurbrandenburgischen Geheimen Rats Paul von Fuchs für Sophie Charlotte. Kurz nachdem er diese Berichte erhalten hatte, am 10. Juni, entwarf Leibniz, indem er sich auf diese beiden Relationen stützte, für Lorenz Hertel kurze Charakteristiken des Zaren und seines ersten Gesandten.8 Über François Lefort, den ersten Gesandten, schreibt der Autor der einen Relation, der der Gesandtschaft entgegen gefahren war und sie in seinem Haus einige Meilen vor Königsberg bewirtet hatte, Folgendes: „[…] undt ob sie woll zu bezeugung ihres Contentem[ent]es meiner Frauen mit ein Paar zobeln undt 2. Stücker Seyden zeug von Türckischer Arbeit beschencket, so hat eß mich doch gar zu viell gekostet, in dem ich mit Mons[ieu]r La Fort, welcher fast infatigabel … undt unter dem Toback viell wein undt zu weilen Brandtwein trunkete, … biß an den Morgen sitzen müste, da ich dann so viell bekommen, daß eß Mir kaum unmüglich gewesen, die Gäste am wagen zu begleiten, den ich die Tage meines lebens einen so starcken Rausch nicht gehabt! Mons.r La Fort träget sich sonst galant undt zimblich magnificq in kleidung, welche Er sich woll vielleicht wirdt haben auß Franckreich bringen laßen, nur verunziehren ihn die viellfältigen Ringe auff den fingern mit kleinen Steinen, undt eine große krempe auff den Huht [(]von Schmarogden) sonst ist er höfflich genug […].“9

Und Paul von Fuchs schrieb: „[…] je ne sçaurois rien dire de ses qualités interieures, il faut pourtant qu’il en est, puisqu’il est le favory du Czar; Mais ce qui paroit exterieurément, c’est qu’il aime extrémement à boire, et qu’il ne quitte le verre ny la pipe que deux ou trois heures aprés le soleil levé; Cecy n’est pas hyperbole, Madame, mais la pure verité, et je crains qu’il ne fasse encore crever quelques uns de nos gens […].“10 5 Die erste Europa-Reise Peters des Großen, S. 31. 6 A I, 14, 239. 7 In der genannten Relation heißt es, der Zar habe „noch nicht declarirt, wie weit und wohin“ er seine Reise fortsetzen werde (Die erste Europa-Reise Peters des Großen, S. 31). 8 A I, 14 N. 7. 9 Die erste Europa-Reise Peters des Großen, S. 40. 10 Ebd., S. 36.

Auskünfte für und von Leibniz über Zar Peter I.

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Leibniz nun informierte Hertel, indem er einige dieser Wendungen fast wörtlich übernahm, über die Liebe des ersten Gesandten zu Luxus, Wein und Tabak.11 Er erwähnte aber auch eine Eigenschaft Leforts, die der Leser der beiden Relationen bei diesem nicht vermuten würde: Lefort sei „ein Mann von großem Geist“.12 Woher hat Leibniz diese Information? In den Relationen und auch in den (edierten) Briefen an ihn gibt es keine Stelle, der er diese Information direkt entnommen haben könnte. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Interpretation folgender Auskunft: „Er hatt eß in der Moscau dahin gebracht, daß die Männer wieder ihre Ahrt, mit großer mortification, sich die bärte abscheren laßen, undt die Frauens fantanschen tragen müßen, geschweige andern großen Staats verenderungen die Er in Reich veruhrsachet.“13

Lefort wird hier also als derjenige präsentiert, der den Russen die westeuropäische Mode aufzwang, den Frauen Kopfbedeckungen von neuestem französischem Chic (Fontangen) verordnete und den Männern ihre von der orthodoxen Kirche vorgeschriebenen Bärte abschneiden ließ. Von dem zwangsweisen Bartscheren hatte Leibniz schon früher erfahren (ich komme darauf zurück), und diese Nachricht hatte ihm damals Hoffnung auf die Annäherung Russlands an die westeuropäische Zivilisation eingeflößt. Damals musste er diese Neuerung allein Peter zuschreiben und er machte sich von diesem eine so vorteilhafte Vorstellung, wie er sie nun von Lefort gewann. Über den Zaren berichtete Leibniz Hertel, den Bericht des Paul von Fuchs referierend, er pflege mit den Angehörigen des kurbrandenburgischen Hofes einen vertraulichen Umgang und verstehe, etwas Fagott zu spielen.14 In einem der früheren Berichte schon hieß es, dass der Zar sich „curios in allen dingen bezeuget“.15 Auch diese Information gab Leibniz unverändert weiter. In den beiden Berichten finden sich aber keineswegs nur positive Auskünfte über Peter I. Bei Paul von Fuchs heißt es etwa: „Il est vray, que ses manieres de vivre, sur tout à table, sentent encore un peu le barbare, car s’il m’est permis de rapporter tout en fidelle Historien, il se mouche encore le nés avec les doigts, et l’habit du Marggrave Albert, qui estoit à son costé, en porte des marques.“16

Paul von Fuchs und der anonyme Berichterstatter zeigen durchaus auch Befremden angesichts der zarischen Gewohnheiten – Leibniz nicht. Bei dem anonymen Autor heißt es: „Ehe der Czar auß den Reiche gegangen, ist daselbst eine rebellion entstanden, welche er damit gestillet, daß er einigen die köpffe hat herunter hauen laßen, sonsten soll er zu der Tyranney sehr geneigt sein […].“17

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A I, 14, 11. Ebd. Die erste Europa-Reise Peters des Großen, S. 45. A I, 14, 10. Die erste Europa-Reise Peters des Großen, S. 31. Ebd., S. 38. Ebd., S. 45.

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Stefan Luckscheiter

Auch für diese Mitteilung fand Leibniz in seinem Bericht für Hertel keine Verwendung. Folgende Information des Paul von Fuchs dagegen gab er an Hertel weiter: „Tant que j’ay pû remarquer dans 5. à 6. heures, qu’on fût ensemble, le Czar a les inclinations douces, condamnant méme à tout propos les maniéres barbares de son pays, et sur tout les cruautés, dont on s’y sert dans les supplices […].“18

Leibniz war offensichtlich geneigt, Hertel mit positiven Nachrichten über den Zaren zu versorgen. Am deutlichsten zeigt sich Leibniz’ gute Meinung von Peter in der Bemerkung, der Zar wolle „sein Land entbarbarisieren“ („débarbariser“)19. Diese Ansicht hat Leibniz nicht den genannten Relationen entnommen. Er hegte sie vielmehr schon einige Jahre vor Ankunft der Gesandtschaft, und sie wird dazu beigetragen haben, dass er die Berichte über den Zaren in so wohlwollender Weise aufnahm. Schon am 3. März 1695 (also zwei Jahre vor Ankunft der Gesandtschaft in Königsberg, zu einer Zeit, als Peter I. noch kaum ein halbes Dutzend Mal in Leibniz’ Briefwechsel vorgekommen war) hatte er an Chuno geschrieben: „On m’a mandé autres fois, que l’un des Czars a beaucoup d’inclination à débarbariser son pais.“20

Wer sich unter den Schriften über Russland, die Leibniz kannte, nach einer möglichen Quellen für diese Ansicht umsieht, stößt eigentlich nur auf eine Handschrift des Gesandten Foy de la Neuvilles, die dieser 1691 auf der Rückreise aus Russland in Hannover hinterlassen hatte21 und die Leibniz für eine wichtige Quelle über Russland hielt.22 In der gedruckten Fassung, die 1698 unter dem Titel Relation curieuse et nouvelle de Moscovie in Paris erschien, heißt es: „[…] il se divertit à faire tirer ses favoris, les uns contre les autres, et le plus souvent, ils s’assomment à l’envy, pour faire leur Cour; l’hyver, il fait faire de grands trous sur la glace, et oblige les plus gros Seigneurs, de passer dessus en trâineaux, où ils tombent, et se naïent souvent, par la foiblesse de la nouvelle glace. Il se plaît aussi à faire sonner la grosse cloche; sa passion dominante est de voir brûler des maisons: ce qui est fort commun à Moscou; car on ne se donne pas la peine d’éteindre le feu, qu’il n’y en ait 4. ou 500. de brûlées.“23

Seine gute Meinung von Peter kann Leibniz aus dieser Schrift nicht gewonnen haben. Woher hat er sie dann? Die einzige Stelle, die unter den edierten Briefen an Leibniz als Quelle in Frage kommt, ist folgende kurze Nachricht Adam A. Kochańskis vom 18. Januar 1692: „Spem tamen ejus rei magnam concipit ab indole Ducis Petri, qui Patriarchae sui monita spernit, et contra sensum illius, barbam more Gallico radit, vestibus itidem Gallicis saepe induitur, et si quem Bojarum insigniter barbatum conspicit, eam accessito barbitonsore in sua praesentia 18 19 20 21

Ebd., S. 37. A I, 14, 11; vgl. 40, 340. A I, 11, 303. Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächs. Landesbibliothek Hannover Ms XXXIII 1750, Abschrift ebd. 1750a. 22 Vgl. A I, 14, 769 und ebd., 7, 76. 23 Relation curieuse et nouvelle de Moscovie, Paris 1698, S. 188 f.

Auskünfte für und von Leibniz über Zar Peter I.

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accidi jubet: Quin et dixisse perhibetur, curaturum se advocari Jesuitas, ut cum suis Popis de Processione S. Spiritus, coram se disputent.“24

Ob Leibniz tatsächlich (nur) an diesen Hinweis dachte, als er Chuno von Peters Absicht, sein Land zu entbarbarisieren, berichtete, lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit entscheiden. Dass er aus ihm aber durchaus weitreichende Hoffnung schöpfte, zeigt seine Antwort an Kochański vom 21. März 1692: „Jucunda sunt quae de Czare Moscorum Petro narras et spem faciunt Cultus humanioris etiam ad illam gentem penetraturi.“25

Leibniz hegte die Ansicht, Peter und Lefort wollten Russland „entbarbarisieren“, offenbar deshalb, weil sie den Russen Barbiere schickten. Er wusste zu dieser Zeit erst sehr wenig über Russland: Er wusste von dem Zwang zum Bartscheren, dass Peter nach Westeuropa gekommen sei, um sich über den Schiffsbau kundig zu machen,26 und dass er mit dem Kaiser ein Abkommen zum weiteren Vorgehen im Türkenkrieg schließen wolle.27 Verglichen mit dem, was er über andere europäische Staaten wusste, ist das so gut wie nichts. Das lag auch daran, dass seine wenigen Quellen nicht die besten waren. Die Berichte aus Königsberg bieten zwar sehr ausführliche Beschreibungen dessen, was den Westeuropäern an ihren Gästen aus dem fernen und fremden Land Eigentümliches und Merkwürdiges auffiel, sie unterrichten aber nicht über die politischen Verhandlungen Kurbrandenburgs mit den Russen. Tatsächlich nämlich versuchte Kurfürst Friedrich III., den Zaren für ein Bündnis gegen Schweden zu gewinnen, für die brandenburg-preußischen Kaufleute freien Zugang zu den Märkten Russlands und freien Durchzug nach Persien, Astrachan und China zu erhalten und zu erreichen, dass die kurfürstlichen Gesandten in Russland gleich behandelt würden, wie die eines Königs.28

24 A I, 7, 534. 25 A I, 7, 615. 26 In einem der beiden Berichte vom 21. Mai heißt es, „daß weiln er der Czaar ein großer liebhaber allezeit von der Schiffart gewesen, er aber biß dato nicht höher gebracht, das großere Schiffe bey ihn verhanden währen als von etzlichen 30. Stücken als wolte er sich deßhalb in andern beruhmten ländern sich desfals umbsehen“ (Die erste Europa-Reise Peters des Großen, S. 34). 27 In einem Bericht vom 4. Juni heißt es, ein russischer Gesandter habe Friedrich III. von Brandenburg vorgetragen, „weilen Ihre Czarische May[es]t[ä]t in einem kriege wieder den Feindt des Christlichen Nahmens den Türcken engagiret wehren, so hätte die Gesandtschafft in Commissis deshalb, und wie der krieg weiter zu führen mit Ihrer Rom[ischen] kayserl[ichen] Maytt. es zu überlegen wolten doch aber noch zuvor mit S[eine]r Churf[ürstlichen] d[urc]h [laucht] alles Communiciren und bathen Ihr Churf. dh. wolten Sie in Ihren Dessein bey Ihr. kayserl. Maytt. assistiren“ (ebd., S. 48). 28 Vgl. F. F. Martens (Hrsg.): Recueil des traités et conventions conclus par la Russie avec les puissances étrangères, T. 5, St. Petersburg 1880, Nr. 181, S. 45–50. Leibniz scheint erst einige Jahre später (möglicherweise zuerst durch Daniel Ernst Jablonskis Schreiben vom 13. [23.] Februar 1700; A I, 18, 421, Z. 10–14) vom Inhalt des als Ergebnis dieser Verhandlungen geschlossenen Königsberger Freundschaftsvertrages erfahren zu haben.

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Stefan Luckscheiter

Nachdem sie am 18. Juni aus Königsberg abgereist war, erreichte die Gesandtschaft am 8. August Coppenbrügge, wo der Zar und seine Gesandten mit den beiden Kurfürstinnen Sophie von Braunschweig-Lüneburg und ihrer Tochter Sophie Charlotte von Brandenburg sowie ausgewählten Personen des braunschweig-lüneburgischen Hofes zusammentrafen. Leibniz durfte an diesem Treffen nicht teilnehmen, aber die beiden Kurfürstinnen berichteten ihm ausführlich,29 und seine Hochachtung für Peter I. erfuhr dadurch eine bedeutende Steigerung. Über Peter sagte er kurz nach dem Treffen: „Mesdames les Electrices rapportent à l’envy l’une de l’autre les rispostes et Apophtegmes dignes d’un Heros qu’elles ont entendues: où il avoit esté aisé de reconnoitre l’amour de la justice à l’egard des voisins et estrangers, et la clemence envers les sujets.“30

Falls Leibniz je gezweifelt haben sollte, ob nicht vielleicht doch jener anonyme Berichterstatter aus Königsberg Recht habe, der zu berichten wusste, dass der Zar zur Tyrannei sehr geneigt sei – spätestens jetzt hielt er diese Mitteilung für widerlegt. Sein Bild von Peter I. war relativ gefestigt – und auch negative Nachrichten, die bald eintreffen sollten, veranlassten Leibniz nicht, es zu ändern. Die Gesandtschaft reiste am Morgen nach der Begegnung aus Coppenbrügge weiter in die Niederlande, wo sie sich, von Januar bis April 1698 unterbrochen durch einen Aufenthalt Peters in England, bis Mitte Mai 1698 aufhielt, um dann über Leipzig nach Wien zu ziehen.31 Im Juli 1698 erreichte Peter I. dort die Nachricht von Unruhen in seinem Land, woraufhin er nach Moskau zurückeilte, wo er einen Monat später, am 25. August eintraf. Darüber, wie er die aufständischen Strelitzen niederschlagen ließ, setzte der kaiserliche Resident in Moskau, wahrscheinlich Ignatius Christophorus von Guarient und Raal, außerordentlicher Gesandter Leopolds I., am 7. November 1698 einen Bericht auf, der auch zu Leibniz gelangte. In diesem Bericht heißt es unter anderem: „[…] daß verwichene wochen durch 3 verschiedene täge 760. der revoltirten Strelitzen anwiederumb offentlich executiret und andere 130 derselben an die rings umb dies Closter [Neovirginis] (allwo die Princessin Sophia eingesperret) neuerbaute Hochgerichter geführt, undt hingerich29 Guerrier und Foucher de Careil druckten einen kurzen Bericht über diese Begegnung ab (W. Guerrier: Leibniz in seinen Beziehungen zu Rußland und zu Peter dem Großen, Leipzig 1873, Dokumententeil, S. 12–13; A. Foucher de Careil: Oeuvres de Leibniz, Bd. 7, Paris 1875, S. 426–429; vgl. auch E. Bodemann: Die Leibniz-Handschriften, Hannover und Leipzig 1895, S. 255). Ihre Vermutung, dieser Text sei von Leibniz, vermögen allerdings die wenigen Änderungen von Leibniz’ Hand in einer der beiden überlieferten Fassungen nicht zu belegen (Hannover NLB Ms XXXIII 1749 Bl. 6–7). Es handelt sich dabei nur um Korrekturen offensichtlicher Schreiberversehen. 30 A I, 14, 386. 31 Zu Diplomatenberichten aus diesen Ländern scheint Leibniz keinen Zugang besessen zu haben. Nachrichten aus den Niederlanden erhielt Leibniz von seinen Korrespondenten, etwa von Nicolaas Witsen, dem Amsterdamer Bürgermeister, der in Kontakt mit dem Zaren stand. Für Nachrichten aus England scheint er auf allgemein zugängliche Quellen angewiesen gewesen zu sein, denn er stellte ein Reisejournal aus verschiedenen Nachrichten zusammen, die er offenbar Zeitungen entnahm (A IV, 7 N. 106). Zu Leibniz’ Versuchen, in dieser Zeit Kontakt zu der Gesandtschaft und Einfluss auf die russische Politik zu erlangen vgl. A I, 14, XL–XLIII.

Auskünfte für und von Leibniz über Zar Peter I.

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tet worden. … Die … 2 Cammer Jungfern Tiera und Sesukowa, haben auch einem abscheu [lich]en Tod ausgestanden, und wurck[lich] in die Erden biß an den halß lebendig vergraben worden. … Nachfolgenden Tag … seynd vor dem Czaar[ischen] Schloß Kremelin 2 lebendig auf das Rad geleget, und auch die beede schon vorhin in meinem unterth[äni]gen angezogne geist[liche] oder Poppen mit der lebens Straff belegt worden, … Nichts abscheulichers in diesen vielfältigen hinrichten war zusehen, als 4. der meiststraffmäßigsten anführern, welche nach abgestoßenen euser[lichen] gliedern, lebendig auff das rad geleget worden, also zwar, das eingefolgten Tag noch alle bey leben, und mit jedermans großem abscheuen umb der Endigung erbärm[lich] geschrien.“32

Peter I. ließ den Aufstand der Strelitzen grausam niederschlagen. Leibniz reagierte auf diesen Bericht, indem er am 24. März 1699 schrieb: „Le Tzar est sans doute un grand Prince, et c’est un malheur tres grand, que les desordres domestiques l’ont forcé depuis peu à venir à tant d’executions terribles. On mande que des pincipaux Seigneurs tant Ecclesiastiques que Seculiers, ont esté obligés de mettre la main à l’execution de quelques criminels. C’est une coûtume qui tient encor en peu du Scythe, et je m’étonne, que cela ne rend point les Ecclesiastiques irreguliers dans ce pais là. Mais cela n’importe gueres: ce que je crains est que tant de supplices, bien loin d’etouffer les animosités ne les aigrissent, par une maniere de contagion. Les enfans, parens, amis des executés ont l’esprit ulceré. Et cette maxime qui dit: oderint dum metuant est dangereuse. Je souhaitte fort que Dieu conserve ce prince, et que son heritier acheve ce qu’il a commencé, c’est à dire de civiliser la nation. Cela se peut esperer s’il est bien élevé.“33

Leibniz unterließ es nicht nur, die blutigen Details des ihm vorliegenden Berichts an seinen Adressaten weiterzugeben, er enthielt sich auch eines moralischen Urteils über den Zaren. Dass Peter I. seine vorgehabten Reformen auf so grausame Weise durchzusetzen bereit war, trübte Leibniz’ Bild von ihm nicht; es veranlasste Leibniz auch nicht, Peters Pläne in Zweifel zu ziehen. Keinen Moment scheint er in Erwägung gezogen zu haben, ob nicht die Grausamkeit dem Versuch, mit dem Alten radikal zu brechen, anzurechnen sei. Leibniz fürchtete vielmehr, der Zar könnte, indem er sich der so unzivilisierten wie möglicherweise kontraproduktiven „skythischen“ Methoden bediente, Opfer des alten Russland werden, dem den Bart abzuschneiden er angetreten sei.

32 Die erste Europa-Reise Peters des Großen, S. 63. 33 A I, 16, 654 f.; vgl. auch A I, 17, 477.

Herma Kliege-Biller (Münster)

NEUIGKEITEN – NETZWERKE – NACHLÄSSE CLAUDE NICAISE UND LEIBNIZ Die République des lettres zur Leibnizzeit lebte vom Austausch von Informationen, von mündlicher und schriftlicher Kommunikation, von kommunikativen Netzwerken, von einem beständigen do, ut des zwischen den einzelnen Beteiligten. Wissenschaftler und Gelehrte Europas vereinigten sich hier zu einer großen respublica literaria, einer Gelehrtenrepublik, die unabhängig von konfessionellen und politischen Gegensätzen in einem beständigen Gedankenaustausch stand. Männer wie Nicolas Malebranche, Antoine Arnauld, Gottfried Wilhelm Leibniz, Pierre-Daniel Huet oder Jacques-Bénigne Bossuet waren durch ihre zahlreichen, weit verbreiteten Publikationen und ausgedehnten Korrespondenzen allgegenwärtig. Sie standen im Lichte der Öffentlichkeit in der vorderen Reihe, ähnlich wie ein Kapitän und seine Offiziere in schmucker Uniform im Steuerstand eines Schiffes. Der Maschinist dagegen, der dafür sorgt, dass die Maschinen reibungslos laufen und das Schiff seinen Kurs halten kann, agiert im Hintergrund in der zweiten Reihe. Eher selten tritt er in das Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit und bleibt oft unverdient nur eine Randfigur der Forschung. Ein solcher Maschinist war für die französische République des lettres bis zu seinem Tod im Jahre 1701 der Dijoner Abbé Claude Nicaise. Sein zehnjähriger Briefwechsel mit Leibniz seit dem Jahre 1692 wird zurzeit in der Akademie-Ausgabe (A II, 2–II, 4) ediert, wodurch erstmalig auch ein Einblick in seine eigene Korrespondenz und nicht nur die seines berühmten Korrespondenten geleistet werden kann.1 Claude Nicaise2 wurde 1623 in Dijon geboren und erhielt seine Schulausbildung bei den Jesuiten am dortigen Collège des Godrans ebenso wie der vier Jahre jüngere Bossuet, mit dem er später am Pariser Collège de Navarre Theologie und

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Die Korrespondenz zwischen Leibniz und Nicaise bis Ende 1694 liegt bereits gedruckt in A II, 2 vor, ab 1695 ist sie bis auf wenige abschließende Briefe des Jahres 1701 vollständig in einer Vorausedition über die Homepage der Leibniz-Forschungsstelle in Münster abrufbar (www.uni-muenster.de/Leibniz; auch www.leibniz-edition.de). Zu Nicaise und seinem Umfeld vgl. F. Choiset: „L’abbé Claude Nicaise 1623–1701“, in: Bulletin d’histoire et d’archéologie religieuses du diocese de Dijon 14 (1896), S. 1–31; A. Jaquet: La vie littéraire dans une ville de province sous Louis XIV. Étude sur la societé Dijonnaise pendant la seconde moitié du XVIIe siècle d’après les documents inédits, Paris 1886, S. 139–163; H. Kliege-Biller: „Nova Literaria aus Paris: Zum Briefwechsel zwischen Leibniz und Nicaise (1692–1701)“, in: H. Breger/J. Herbst/S. Erdner (Hrsg.): Natur und Subjekt (= IX. Internationaler Leibniz-Kongress), Vorträge 2. Teil, Hannover 2011, S. 536–543.

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Philosophie studierte und dem er sich zeitlebens verbunden fühlte.3 Auf einer ersten Romreise – Nicaise war inzwischen Subdiakon – erfolgte 1655 seine Priesterweihe, und hier wie auf der anschließenden Reise durch Italien schloss er viele Freundschaften, die er mithilfe seiner umfangreichen Korrespondenz teilweise lebenslang pflegte. Zurück in Dijon, wurde er Kanonikus an der dortigen SainteChapelle du Roi, ein Amt, das er bis 1685 innehatte, nur unterbrochen durch eine zweite Romreise in den Jahren 1665/66, auf der er Armand-Jean le Bouthillier de Rancé, den Abbé de la Trappe, kennenlernte. In den Jahren 1685–92 musste er sich wegen eines Prozesses gegen die Jesuiten größtenteils in Paris aufhalten. Dies bedeutete für ihn allerdings auch den so begehrten ungehinderten Zugang zu den Bibliotheken, Archiven und den gelehrten Kreisen der Hauptstadt. Nach seiner Rückkehr nach Dijon nahm er aus Altersgründen sein kirchliches Amt nicht länger wahr und verbrachte seinen Lebensabend in Burgund zwischen Dijon und seinem Landsitz in Villey-sur-Tille. Ebenso wie in Paris pflegte er in Dijon enge Verbindungen zu den gelehrten Kreisen seiner Heimatstadt. Er kümmerte sich in Villey-sur-Tille um die Restauration einer den Heiligen Hermes und Augustinus geweihten Kapelle und übernahm dort zeitweilig in den Jahren 1693/94 noch die geistlichen Aufgaben eines Pfarrers. Seine letzten Lebensjahre waren von Krankheiten gezeichnet, er litt stark unter Rheuma. Wohl am 19. Oktober 1701 starb er an den Folgen eines Nierensteines und wurde am 20. Oktober beigesetzt. Einen seiner letzten bekannten Briefe richtete er am 11. Juli 1701 an Leibniz. Nicaise hat sich im Laufe seines Lebens ein fein gesponnenes Netzwerk geschaffen, durch das er in einem intensiven Gedankenaustausch mit zahlreichen Korrespondenten vorwiegend aus Frankreich, Italien, den Niederlanden und Deutschland zu allen möglichen literarischen und wissenschaftlichen Fragen stand. Er sammelte und vermittelte in erster Linie Informationen, und oft finden sich in den Briefen an Leibniz lange Passagen aus Briefen Dritter zitiert. Er vermittelte den Druck von Artikeln an Louis Cousin für dessen Journal des Sçavans, und wie selbstverständlich sandte man ihm die neuesten Bücher und Zeitschriften zu. Adrien Baillet drückte es um 1692 in einem Brief an Nicaise so aus: „[…] j’ai pris la liberté de l’adresser à vous, comme à l’agent général de la republique des lettres“.4 Zu seinen Korrespondenten und Freunden zählten herausragende Namen in der gelehrten Welt, so etwa Antoine Arnauld, Adrien Auzout, Adrien Baillet, Pierre Bayle, die Brüder Jean-Baptiste und Jean-Jacques Boisot, Guillaume Bonjour, Jacques-Bénigne Bossuet, Louis Cousin, Gijsbert Cuper, Nicolas Fatio de Duillier, Simon Foucher, Johann Georg Graevius, Pierre-Daniel Huet, Jean Mabillon, Gilles Ménage, Andreas Morell, Enrico Noris, Paul Pezron, François Pinsson, ArmandJean le Bouthillier de Rancé, der Abbé de la Trappe, Madeleine de Scudéry oder Ezechiel Spanheim. 3 4

„[…] municeps noster, studiorum socius et amicus singularis“, schrieb er am 17. Juli 1690 an Enrico Noris (L.-G. Pélissier: „Lettres de l’Abbé Nicaise au Cardinal Noris (1686–1701)“, in: Le Bibliographe moderne 7 (1903), S. 177–214, hier S. 203. V. Cousin: Fragments de philosophie moderne. […] Correspondance inédite de Leibniz, Paris 1847, S. 108; Fragments philosophiques, Paris 1866, S. 110.

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Die oben angeführten Namen, die nur etwa 17 % der erschlossenen Korrespondenten verzeichnen, zeigen vor allem die zahlreichen Überschneidungen der Korrespondentennetze von Leibniz und Nicaise. Eine Auflistung zumindestens der in der Pariser Bibliothèque nationale aufbewahrten Korrespondenz an Nicaise nach Briefpartnern und Fundort lieferte Exupère Caillemer5; eine tiefergehende Erschließung des Nachlasses ist dagegen als Desiderat zu betrachten. Viele seiner Briefpartner waren auch für Leibniz von größter Bedeutung, da er selbst mit ihnen korrespondierte, an anderen war er in höchstem Maße interessiert. Im Falle von Huet etwa wurde der Briefwechsel nach 1695 nur noch indirekt über Nicaise geführt, während Leibniz in den Jahren 1673–79 direkt mit ihm korrespondiert hatte und 1695 noch einmal versucht hatte, den Kontakt wiederaufzunehmen.6 In seiner üblichen Art flocht Nicaise lange Passagen aus Leibniz’ Briefen in seine Briefe an Huet ein, der diese mit entsprechenden Passagen für Leibniz beantwortete, die Nicaise dann umgehend weitergab.7 So wird etwa die Diskussion um die Herkunft des Wortes „Germanen“ 1697 auf diese Weise geführt. Erst nach dem Tod von Nicaise nahm Leibniz am 27. Februar 1702 noch einmal direkten Kontakt zu Huet auf. Im Falle von Spanheim korrespondierten Leibniz und Nicaise unabhängig mit ihm,8 doch fungierte Leibniz als Vermittler für die Briefe an ihn und an Morell, die Nicaise ihm offen und zur Einsichtnahme sandte, so dass er sich regelmäßig Auszüge anfertigen konnte. Spanheims Briefe befinden sich im Pariser Nachlass und wurden 1889 von Émile du Boys9 ediert, Nicaises Briefe liegen wenigstens in Teilen über die von Leibniz gefertigten Auszüge fragmentarisch vor. Bei Morell dagegen lassen sich zusätzlich zu den Auszügen von Leibniz noch Nicaisebriefe in der Forschungsbibliothek Gotha10 nachweisen, so dass man hier nicht nur die gegenseitige Korrespondenz vorliegen hat, sondern auch sehen kann, was aus diesem Material für Leibniz so interessant war, dass er es einer Aufzeichnung für wert hielt. Über Enrico Noris und Guillaume Bonjour ließ sich Leibniz von Nicaise berichten, richtete Grüße aus, stellte Anfragen zu geplanten Publikationen, nahm Anteil an ihrem Schicksal, aber anders als bei Huet kam es nicht zu einer indirekten Korrespondenz. Auch hier sind – trotz einiger Lücken – Nicaises Briefe erhalten, ein seltener Glücksfall.11

5 E. Caillemer: Lettres de divers savants à l’abbé Claude Nicaise (= Mémoires de l’Académie des sciences, belles-lettres et arts de Lyon. Classe des lettres 21), Lyon 1885, S. 265–273. 6 10 Belege in A II, 1, III, 1 und II, 3 (im Druck). 7 Vgl. dazu die zahlreichen Belege bei L.-G. Pélissier: Lettres inédites de Claude Nicaise à Huet et à G. Bonjour tirées des Bibliothèques italiennes, Dijon 1889, und Huets Antwortbriefe (Paris, Bibliothèque nationale, Nouvelles acquisitions françaises, no. 9359). 8 Zum Briefwechsel Spanheim – Nicaise vgl. S. Externbrink: „Diplomatie und République des lettres. Ezechiel Spanheim (1629–1710)“, in: Francia – Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 34, 2 (2007), S. 27–59. 9 É. du Boys: Les correspondants de l’Abbé Nicaise. I. Ézéchiel Spanheim, Paris 1889. 10 Gotha, Forschungsbibliothek, Chart. B 1730, Bl. 39r–69v. Für diese Informationen danke ich dort Cornelia Hopf und Dr. Wolfgang Runschke sowie Prof. Dr. Martin Mulsow in Erfurt. 11 Vgl. die Editionen von Pélissier (wie Anm. 3 und 7).

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Nicaises eigene Interessen galten vornehmlich der Archäologie, der Numismatik und Epigraphik. Neben einigen wenigen Briefen im Journal des Sçavans oder in Henri Basnage de Beauvals Histoire des ouvrages des savans, neben einigen Elogen und Epitaphen auf Petrus Petit, den Maler Nicolas Poussin, den Dichter Jean-Baptiste de Santeuil, Jean-Baptiste Boisot, Abbé aus Besançon, oder den Dijoner Parlamentsrat Jean Baptiste Lantin hat er nur wenige Werke publiziert, keines mehr als 80 Seiten stark und alle in seiner Pariser Zeit verfasst: – – –

über eine antike Grabinschrift aus Guienne (Aquitanien): Explication d’un ancien monument trouvé en Guienne, dans le diocese d’Ausch (Paris 1689), über eine Münze Kaiser Hadrians: De nummo Pantheo Hadriani imperatoris, ad illmum Spanhemium dissertatio (Lyon 1690), sowie eine Abhandlung über die antiken Sirenen, sein bekanntestes Werk: Les Sirènes ou discours sur leur forme et figure (Paris 1691).

Seine Dissertatio de Minerva Arnalia una cum Mercurio illius ΣΥΜΒΩΜΩ ara singularis et ad hanc diem ignota eminentissimo Cardinali de Noris consecrata12 von 1697 blieb ebenso Manuskript wie seine französische Übersetzung von Giovanni Pietro Belloris Schrift über Raphaels vatikanische Fresken Descrizzione delle imagini dipinte da Raffaelo d’Urbino nelle Camere del Palazzo Apostolico Vaticano (Rom 1695), unter dem Titel Dissertation et explication française, tirée de l’italien de M. Bellori, des deux plus beaux et plus agréables tableaux de Raphaël d’Urbin, peints au Vatican, l’Échole d’Athènes et le Parnasse.13 Umso umfangreicher ist sein Nachlass in Briefform, der im Rahmen der Zentralisierung im Verlauf des 19. Jahrhunderts aus der Lyoner Bibliothèque municipale an die Pariser Bibliothèque nationale kam. Er befindet sich heute größtenteils in den Konvoluten Nouvelles acquisitions françaises no. 9359–9362, no. 4368,14 ferner no. 4507 und no. 4218. 12 weitere Briefe befinden sich in der Bibliothèque municipale, no. 406 in Dijon,15 33 Briefe von Noris in Kopie in Paris16. Somit ergeben sich in einem ersten Überblick 135 Korrespondenzen mit einem Gesamtumfang von 1188 erhaltenen Briefen an Nicaise und 103 von ihm verfassten Briefen sowie 21 von Leibniz angefertigten Auszügen aus Briefen an Spanheim und Morell. Dass die Korrespondenz noch wesentlich umfangreicher gewesen sein muss, lässt sich allein schon aus dem Briefwechsel mit Leibniz erschließen, wo Nicaise vielfach auf Briefe hinweist oder aus ihnen zitiert, die sich heute nicht mehr auffinden lassen. Im Falle von Bossuet, dem sich Nicaise lebenslang eng verbunden fühlte, sind nur 12 Dijon, Bibliothèque municipale, ancien fonds, no. 676 u. 677; vgl. zum Nachlass in Dijon (zumeist Abhandlungen) den Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France, Départements, Tome V: Dijon, Paris 1889, S. 196–198 (ancien fonds no. 673–677). 13 Beaune, Bibliothèque municipale, Ms. 180. 14 Das Konvolut no. 4368 hat Caillemer (wie Anm. 5) vollständig ediert. 15 Drei Briefe dieses Konvoluts edierte P. A. Lejay in der Revue critique d’histoire 44 (1885), S. 333–339. 16 Nouvelles acquisitions latines, no. 291.

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noch zwei Bossuetbriefe im Pariser Nachlass nachzuweisen,17 drei Briefe konnte F. Lachat in seiner Bossuetausgabe edieren,18 auf vier weitere, nicht mehr auffindbare Briefe weist die Revue Bossuet hin19. Von Nicaises Antworten fehlt – wie häufig – jede Spur: Nicht nur in diesem Fall dürfte das ursprüngliche Ausmaß der Korrespondenz wesentlich umfangreicher gewesen sein. Anders als Leibniz behielt Nicaise keine Konzepte, Abschriften oder Auszüge aus seinen eigenen Briefen zurück, so dass die Überlieferungslage hier leider nur sehr spärlich ist.20 Gedruckt zugänglich sind – – – – – – – –

5 Briefe an Pierre Bayle21, 16 Briefe an Jean-Alphonse Turretin22, 13 Briefe an den Kardinal Enrico Noris23, 1 Brief an den Dichter Jean-Baptiste de Santeuil (bezüglich seiner Dissertatio de Minerva Arnalia)24, 17 Briefe an Pierre-Daniel Huet, 12 Briefe an Guillaume Bonjour, 1 Brief an Nicolas-Joseph Foucault25 sowie einige kleinere Fragmente oder Zitate.

In den Nachlässen seiner zahlreichen Korrespondenten, die in den wenigsten Fällen aufgearbeitet oder gar ediert worden sind, in den meisten Fällen jedoch in zahlreichen Bibliotheken verstreut liegen, dürften sich weitere Nicaisiana finden. So lassen sich etwa vier Briefe in den Handschriften der Korrespondenz des Kirchenhistorikers Étienne Baluze nachweisen.26 17 Paris, Bibliothèque nationale, Nouvelles acquisitions françaises, no. 9359, Briefe vom 7. Oktober 1686 (N. 82, Bl. 130) und vom 27. Juli 1694 (N. 81, Bl. 129). 18 F. Lachat: Oeuvres complètes de Bossuet, Bd. 26, Paris 1879, Briefe vom 9. Februar 1679, 8. Juli 1681, 7. Oktober 1686 (nur dieser letzte im Pariser Nachlass). 19 Revue Bossuet 1 (1900), S. 250, Briefe mit Datum vom 11. Juli 1685, 7. September 1686, 22. Juli 1694 (oder ist vielleicht der oben angeführte Brief vom 27. Juli 1694 gemeint?) und 5. Februar 1695. 20 Die folgende, im Rahmen der Edition des Briefwechsels zwischen Leibniz und Nicaise erfolgte Zusammenstellung ist nur als Ausgangspunkt für weitere Forschungen anzusehen und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. 21 É. Gigas: Choix de la correspondance inédite de Pierre Bayle 1670–1706, Kopenhagen 1890; vgl. ferner E. Labrousse: Inventaire critique de la correspondance de Pierre Bayle, Paris 1961, S. 37 f. u. 387 zu Überlieferungslage und Bestand der Korrespondenz Bayle – Nicaise. 22 E. de Budé: „Lettres inédites de l’abbé Claude Nicaise à J. A. Turretin“, in: Bulletin d’histoire et d’archéologie religieuses du Diocèse de Dijon 4 (1886), S. 85–101 u. 141–164. 23 Pélissier: „Lettres de l’Abbé Nicaise“ (wie Anm. 3). 24 H. Beaune: „La chapelle Saint-Hermès à Villey-sur-Tille“, in: Mémoires de l’Académie des sciences, arts et belles-lettres de Dijon, Partie des lettres, Année 1880, Dijon 1881, S. 1–18. 25 Pélissier: Lettres inédites (wie Anm. 7). 26 Paris, Bibliothèque nationale, Département des Manuscrits, Baluze 354, Briefe vom 12. Februar, 1. und 12. März 1693 sowie vom 1. Juli 1697 (S. 176–187, 210–213; Konvolut ist als Digitalisat über Gallica abrufbar).

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Da Leibniz ebenfalls Nicaises Briefe an Morell (zu großen Teilen im Nachlass in Gotha erhalten) und Spanheim weiterleitete und sich daraus regelmäßig Auszüge machte,27 lässt sich für den Forscher hier wenigstens noch ein kleiner Einblick in weitere Nicaisiana gewinnen, auch wenn sie im Rahmen der Akademie-Ausgabe von Leibniz als Briefe zwischen Dritten nicht publiziert werden. Briefe an Nicaise sind dagegen in weitaus größerer Zahl bereits gedruckt zu finden, so etwa – – – – – –

113 Briefe von Rancé28, 22 Briefe von Ezechiel Spanheim29, 15 Briefe zum Thema Nicolas Poussin und Giovanni Pietro Bellori, davon acht von André Félibien30, 17 Briefe von Pierre Bayle31 und 1 Brief von Pierre Bonnet Bourdelot32 sowie die 76 von Caillemer 1885 edierten Briefe des Konvoluts no. 436833.

Die größte Aufmerksamkeit allerdings hat der Briefwechsel mit Leibniz gefunden. Die erhaltene Korrespondenz umfasst insgesamt 64 Briefe, davon 26 von Leibniz (ferner mindestens drei heute verlorene Briefe) und 38 von Nicaise mit einem Gesamtumfang von 210 Druckseiten in der Akademie-Ausgabe. Was die Handschriftenlage anbelangt, so befanden sich im Jahre 1836 in Lyon die Originale von 12 Briefen aus der Sammlung von Jean Bouhier, die erst 1831 an die Lyoner Bibliothek gekommen waren (heute Paris, Bibliothèque nationale, Nouvelles acquisitions françaises, no. 4368), sowie sechs weitere Briefe in Abschrift (nach Auskunft der Lyoner Bibliothèque municipale heute nicht mehr vorhanden), die von bereits nach Paris abgetretenen Handschriften angefertigt worden waren (heute Nouvelles acquisitions françaises, no. 4507 u. 9362). Die Erstpublikation des gesamten Lyoner Materials erfolgte 1836 durch Joseph-Théophile Foisset in der kleinen Regionalzeitschrift Revue des Deux Bourgognes. 1838 edierte Victor Cousin in Paris ebenfalls alle 18 bekannten Briefe, wobei er auf die sechs Pariser Handschriften zurückgriff und die Lyoner Handschriften nach Foisset abdruckte. Cousins Ausgabe 27 LBr 685 (Nicaise), LBr 661 (Morell), LBr 876 (Spanheim) mit 21 Auszügen aus insgesamt 28 weitergeleiteten Briefen; zu den Briefen an Morell: Gotha, Forschungsbibliothek, Chart. B 1730, Bl. 39r–69v (wie Anm. 10). 28 Abbé de Rancé: Correspondance, Bd. II: 1683–1689, Bd. IV: 1690–1700, hrsg. von A. J. Krailsheimer, Cîteaux 1993. 29 Du Boys (wie Anm. 9). 30 „Nicolas Poussin. André Félibien. J.-P. Bellori“, in: Archives de l’art français, Januar 1851, S. 1–38. 31 Pierre Bayle: Correspondance, Bd. 7 und 8, hrsg. von E. Labrousse und A. McKenna, Oxford 2009 und 2010; zwei Bayle-Briefe von 1697 bei Lejay (wie Anm. 15). 32 Lejay (wie Anm. 15). 33 Caillemer (wie Anm. 5).

Neuigkeiten – Netzwerke – Nachlässe

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bietet den großen Vorteil, dass sie weitere Briefe, allerdings nur an und nicht von Nicaise, mit abdruckt, die das Leibnizmaterial erläutern.34 In Unkenntnis dieser beiden Editionen edierte François-Zenon Collombet in Lyon 1850 erneut die 12 Lyoner Handschriften, ohne dabei allerdings die sechs Abschriften zu berücksichtigen.35 Bevor auch die Sammlung Bouhier mit den 12 Lyoner Leibnizhandschriften im Jahre 1881 nach Paris ging, wurden die 76 Briefe von Exupère Caillemer36 vollständig ediert. Carl Immanuel Gerhardt dagegen druckte in seinen Philosophischen Schriften (Bd. 2, 1879) nach den in Hannover vorhandenen Konzepten. Lagen ihm nur Auszüge vor, legte er seiner Edition den Text von Foisset zugrunde. In die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts fallen außerdem die oben angeführten Editionen von Émile du Boys zu Spanheim, Léon-Gabriel Pélissier zu Noris, Huet und Bonjour sowie Eugène de Budé zu Turretin, wobei die beiden Letzten als einzige Forscher Nicaisebriefe edierten. Danach erlosch das Interesse der Wissenschaft an seinem Nachlass, es sei denn, er war für eine moderne Edition seiner berühmteren Korrespondenzpartner wie Rancé oder Leibniz von Interesse. Bevor auf die Besonderheiten der Korrespondenz mit Leibniz einzugehen ist, mögen an dieser Stelle einige grundsätzliche Überlegungen gestattet sein, die die Verbindungen zum Sektionsthema „Überhangmandate“ – Editorische Forschung verdeutlichen und in denen ich die Lage skizzieren möchte, in die der Nachlass von Claude Nicaise mich als Editorin der Akademie-Ausgabe von Leibniz bringt. Im Rahmen der Bearbeitung des Briefwechsels war es – moderner Technik sei Dank – möglich, ohne aufwändige Bibliotheksreisen die in der Pariser Bibliothèque nationale zusammengeführten Briefkonvolute als Film bzw. als Farbscan zu erhalten, um einerseits die darin enthaltenen Abfertigungen von Leibnizbriefen kritisch edieren zu können und andererseits die dort vorhandenen Briefe für die notwendige Kommentierung heranziehen zu können. Was die inhaltliche Gliederung anbelangt, so gab es nicht mehr als die spärlichen Angaben im Anhang der Edition von Caillemer: „Cuper (Gisbert). – Vol. 9359, 234 à 251. […] Mabillon (Dom Jean). – Vol. 9361, 60 à 63. […] Morell. – Vol. 9362, 131 à 135. […] De Spanheim (Ézéchiel). – Vol. 9359, 83 à 86, 94 à 112.“ 37

Die 76 von Caillemer edierten Briefe (heute Nouvelles acquisitions françaises, vol. 4368) findet man hier allerdings ebenso wenig aufgelistet (sie lagen 1885 noch in Lyon) wie Leibniz als Korrespondenten überhaupt: 12 seiner Briefe befanden sich im 34 Cousins Edition wurde vielfach unter verschiedenen Titeln gedruckt: Fragments philosophiques pour servir à l’histoire de la philosophie, Bd. 2, Paris 31838 (Bd 4, Paris 51866; Nachdruck Genf 1970); Fragments philosophiques, Bd. 3, Brüssel 1840; Cours d’histoire de la philosophie morale. Fragments philosophiques (= Oeuvres de Victor Cousin 2), Brüssel 1841; Fragments de philosophie cartésienne, Paris 1845; Fragments de philosophie moderne. De la persécution du Cartésianisme; Lettres inédites de Descartes, de Spinoza, de Malebranche; Correspondance inédite de Leibniz; le père André, Paris 1847 (seitenidentische 2. Ausg. Paris 1856). 35 Fr. Z. Collombet: Lettres inédites de Leibniz à l’abbé Nicaise (1693–1699), et de Galileo Galilei au P. Clavius et à Cassiano Dal Pozzo, Lyon 1850. 36 Caillemer (wie Anm. 5). 37 Ebd., S. 265–273.

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edierten Lyoner Fond, die sechs weiteren, u. a. von Cousin edierten Briefe (heute Nouvelles acquisitions françaises, vol. 4368) konnte er nicht identifizieren. Aufgrund dieser völlig unzureichenden Ausgangsbasis mussten die knapp 1200 Briefe zumindest in einer Minimalform erfasst werden, um überhaupt Angaben über Absendeort, Datum, Absender und Fundort zu erhalten38 und somit einen ersten, schnellen Zugriff zu ermöglichen, wenn Nicaise etwa angibt: „Wie mir Kardinal Noris letzte Woche schrieb […]“, „Wie ich gerade eben aus Rom erfahren habe […]“ oder – die für den kommentierenden Editor schlimmste Variante – „Ein Freund hat mir neulich geschrieben […]“. Mit etwas Glück beschränkte sich dadurch die Suche auf einen oder wenige Briefe und innerhalb dieser auf feste Schlagworte wie Personennamen oder Schriftenerwähnungen, mit weniger Glück weitete sie sich auf mehrere Korrespondenzen innerhalb eines größeren Zeitraums aus, auf Zusammenhänge und nicht auf Schlagworte, auf die verschiedensten individuell ausgeprägten Handschriften (von gestochen scharf bis kryptisch unleserlich) und auf die Hoffnung, der betreffende Brief befindet sich auch wirklich noch im Pariser Nachlass. Nun aber liegt dieser „Überhang“ in meinem Büro, und die Sirenen von Nicaise singen und säuseln in den verführerischsten Tönen: „Tolle, lege, Komm, lies uns, lass Dich ein auf uns! Du wirst wunderbare Dinge in uns finden, Material für Miscellen, Aufsätze, Bücher, Editionen, Kommentierungen für Leibniz, Ariadnefäden im Labyrinth der Wissensvermittlung und der kommunikativen Netzwerke in der République des lettres, komm nur, ach lass Dich von uns betören […]!“

Wie zwischen Skylla und Charybdis fühlt man sich in einer solchen Situation, wie auf wilder See getrieben zwischen der Neugier des Forschers und den strengen Auflagen und den engen Grenzen, die die tägliche Arbeit auferlegt, d. h. so arbeitsund zeitökonomisch effizient wie möglich Leibniz zu edieren, zu kommentieren und keine Nicaiseforschungsstelle in Münster zu etablieren. Es bleibt dabei nur, sich gleichsam wie Odysseus an den geistigen Mastbaum zu ketten und den Versuchungen der Nicaisianischen Sirenen zu trotzen. Denn sich auf diesen Nachlass einzulassen, bedeutet nicht nur die Transkription, Edition und Kommentierung der knapp 1.200 Briefe in Paris, sondern auch, die Nachlässe von mehr als 135 Korrespondenten in den Blick zu nehmen. Da Nicaise mit den bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit korrespondierte, ist ein Teil dieser Nachlässe auch heute noch erhalten, in einigen Fällen vielleicht sogar katalogisiert, aufgearbeitet und ediert, in der Mehrheit der Fälle jedoch in Bibliotheken und Archiven verstreut, nicht katalogisiert und editorisches Neuland: eine wahre Sisyphusarbeit und „nebenbei“ von einer Person kaum zu leisten. Wie aber entwickelte sich die etwa zehnjährige Korrespondenz mit Leibniz? Nicaise hatte ihn bereits im Jahre 1689 über Adrien Auzout um einen Beitrag für die von Adrien Baillet geplante Descartes-Biographie gebeten und in der Folgezeit mehrfach Grüße übermitteln lassen, so etwa über Daniel Larroque und Averardo Salviati.39 38 Für die Zusammenstellung danke ich meiner Kollegin Magdalene Grosse-Fattorini. 39 Daniel Larroque an Leibniz, 30. März 1691, A I, 6 N. 238, 425 (vgl. auch Leibniz’ Antwort am 19. April 1691, N. 259); Averardo Salviati an Leibniz, 6. Januar 1692, A I, 7 N. 274, 501.

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Bezugnehmend auf Leibniz’ Brief an Simon Foucher vom Januar 1692 (A II, 2 N. 137), den er in Paris hatte einsehen können, nahm er dann am 1. Mai 1692 den direkten Kontakt zu Leibniz auf. In diesem Zusammenhang übersandte er ihm wohl kurze Zeit zuvor seine im Vorjahr erschienene Abhandlung Les Sirenes. Leibniz antwortete am 5. Juni; ein Auszug dieses Briefes („J’honnore infiniment Mons. l’Eveque d’Avranches […] sur cette matiere“) erschien durch Vermittlung von Nicaise am 13. April 1693 im Pariser Journal des Sçavans (S. 163–165). Leibniz selbst hatte seinem Brief die zwei kurzen Abhandlungen Nouvelles Remarques . . . touchant l’analise des transcendentes, differentes de celle de la Geometrie de Mr. Descartes40 und Conjecture . . . sur l’origine du mot Blason41 beigeschlossen und Nicaise gebeten, diese an Louis Cousin für eine Publikation im Journal weiterzuleiten. Gleichzeitig bot er Nicaise an, als Vermittler für Sendungen etwa an Ezechiel Spanheim zur Verfügung zu stehen – ein klassisches do, ut des in der République des lettres. Den Inhalt des Briefwechsels bilden zu großen Teilen nova literaria, Neuigkeiten aus allen Bereichen des wissenschaftlichen Lebens, Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt, nur selten wissenschaftliche Erörterungen oder die eingehende Behandlung philosophischer Themenkomplexe (mit Ausnahme der Briefe vom 19. August 1697 und 14. Mai 1698, die die amour pur et desinteressé in der Auseinandersetzung mit Fénelon zum Thema haben). Anders als bei anderen Korrespondenten gibt es keinen inhaltlichen roten Faden, keine thematische Leitlinie. Doch während Leibniz stets sehr genau hinterfragte, an wen er welche Informationen vermitteln sollte und wem er welche Themen besser vorenthielt, war Nicaise in dieser Hinsicht unbesorgter. Das, was ihm interessant erschien, gab er in einem freien und ungehinderten Austausch weiter, ohne über etwaige Konsequenzen nachzudenken. In unserer heutigen Zeit wäre er wahrscheinlich ein leidenschaftlicher Verfechter digitaler Informationsvermittlung, würde er über E-mails, Blogs, Twitter und Facebook kommunizieren, ein Meister von „copy and paste“, in seiner Begeisterung aber wohl des öfteren unterlassen, ein Häkchen bei „privat“ zu setzen und durch allzu unbekümmerte Weitergabe von Informationen in einigen Fällen mehr Schaden als Nutzen anrichten. So teilte Nicaise beispielsweise im Jahre 1694 eine ursprünglich vertrauliche Aussage von Rancé zum Tode Arnaulds nicht nur Leibniz mit, sondern auch Pierre Bonnet Bourdelot, einem großen Anhänger Arnaulds. Rancés Äußerung löste in der Folgezeit eine Welle der Empörung aus, Arnaulds Anhänger empfanden sie als Blasphemie, und es dauerte beinahe vier Jahre, bis er nicht mehr für diese vier Zeilen angegriffen wurde. Der etwas weiter gefasste Briefauszug ist ein typisches Beispiel für einen Nicaisebrief, in dem viele kurze Einzelinformationen mit längeren, zusammenhängenden Briefauszügen seiner Korrespondenten wechseln: „La rep. des lettres a beaucoup perdu en monsr Ouvrard et surtout la musique. Monsr Arnaud faisoit une estime particuliere de son merite. Je me souviens qu’il m’a invité autrefois par ses lettres à l’exhorter de quitter toutes ses autres études pour se donner uniquement à celle de la 40 Journal des Sçavans, 14. Juli 1692, S. 321 f. 41 Ebd., 28. Juli 1692, S. 345–347.

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Herma Kliege-Biller musique et nous donner son histoire42 à laquelle il travailloit, et qu’il ne scavoit personne au monde plus capable que luy pour cela; l’abbé Berthet est mort il y a environ un an. Les scavants meurent aussi bien que les autres, la parque n’épargne personne; il fault monsr vous faire part de la reflexion de monsr l’abbé de la Trappe sur la mort de mr Arnaud. Enfin43 voilà monsr Arnaud mort après avoir poussé sa carriêre le plus loing qu’il a pû; il a fallû qu’elle se soit terminée; quoy qu’on en dise voilà bien des questions finies: son erudition et son authorité estoient d’un grand poids pour le party; heureux qui n’en a point d’autre que celluy de J.C. et qui mettant à part tout ce qui pourroit l’en separer, ou l’en distraire même pour un moment, s’y attache avec tant de fermeté, que rien ne soit capable de l’en deprendre etc.“44

Ebenso brachte er Madeleine de Scudéry in arge Bedrängnis, indem er ihr im Jahre 1697 Leibniz’ Ausführungen zur reinen Gottesliebe ohne dessen Wissen weiterleitete und sie damit zu einer Stellungnahme im Quietismusstreit zwischen Bossuet und Fénelon zwingen wollte. Leibniz war – und dies nicht zum ersten Mal wegen der Eigenmächtigkeiten, die sich Nicaise erlaubte – entsetzt. So schreibt er am 6. Januar 1698 an Nicaise: „Qu’avés vous songé, Monsieur, d’envoyer à Madlle de Scudery ma letre sur l’amour desinteressé? Il est vray que vous ne pouviés choisir un juge plus competent. Mais vous me deviés instruire de sa qualité pour mieux instruire le procés. Ce n’est pas que la penetration du juge ne supplée au defaut des parties, mais le respect qu’on luy doit, demandoit plus de soin, que je n’ay apporté à cette piece. S’il y a donc du manquement, Monsieur, vous en demeurerés réponsable.“ 45

Zwar hatte er in de Scudéry durchaus die gewünschte Gesprächspartnerin gesehen, aber er hätte seine Überlegungen gerne überarbeitet und in anderer Form dargeboten, vor allem in einer Form, die die fast neunzigjährige Dichterin, die so sehr vom Wohlwollen Ludwigs XIV. und von der königlichen Pension abhängig war, nicht vor die Wahl einer Stellungnahme zwischen Häresie und Opportunismus gebracht hätte. Madeleine de Scudéry allerdings wusste sich zu wehren: Sie antwortete zwar, woraus sich eine kurze Korrespondenz mit Leibniz ergab, auf das heikle Thema ging sie aber einfach nicht ein. Dass Nicaise die Antwort de Scudérys aber nicht nur an Leibniz weitergab,46 sondern auch an Huet, dem er bereits vorher Leibniz’ Ausführungen skizziert hatte, und dass dieser alles vollkommen missverstand und meinte, Leibniz habe sich sicherlich nur lustig machen wollen, ist ein weiteres Beispiel für Nicaises Umgang mit seinen Informationen.47 42 Ouvrard hatte über 20 Jahre u. a. an einer nicht veröffentlichten Enzyklopädie zu Fragen der Musik gearbeitet (La musique rétablie depuis son origine, et l’Histoire des divers progrez qui s’y sont faits jusqu’à notre tems, Ms., Tours, Bibliothèque Municipale). 43 Rancé an Nicaise, 2. September 1694 (Rancé [wie Anm. 28], Bd. 4, S. 317 f.). 44 Nicaise an Leibniz, 12. September 1694 (A II, 2 N. 284). 45 Vorausedition A II, 3 N. 69, S. 540. 46 Nicaise an Leibniz, 14. September 1698. 47 Vgl. G. Utermöhlen: „Die gelehrte Frau im Spiegel der Leibniz-Korrespondenz“, in: S. Neumeister/C. Wiedemann (Hrsg.): Res Publica Litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 14), Wiesbaden 1987, S. 609–613.

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„Laudari a laudatis“48 war Nicaises persönliches Anliegen, und umso mehr schmerzte es ihn, wenn seine Worte keine Berücksichtigung fanden, wenn von seinem Epitaph auf Lantin nur wenige Zeilen im Journal des Sçavans gedruckt wurden,49 wenn Graevius seine Dissertatio de Minerva Arnalia nicht wie versprochen publizierte, und wenn sein Anteil an der erweiterten Ausgabe von Junius’ De pictura veterum unerwähnt blieb50: viele Klagen dieser Art durchziehen den Briefwechsel mit Leibniz. Andreas Morell brachte es gegenüber Leibniz wenig schmeichelhaft für Nicaise auf den Punkt: „Pour nostre M. l’Abbé Nicaise, je luy fais reponce cy joint: il est fort bon homme et a le coeur droit, mais il n’a pas tout le jugement requis pour juger des choses en soy: il regarde toujours le courant de l’eau et se laisse eblouir par les apparences du dehors au lieu qu’un homme veritablement raisonnable doit regarder et faire reflexion sur la simple verité, dont il a conviction en soy mesme. Il n’est pas fort sçavant, cependant il a un demangeaison forte de le paroistre et ce seroit la plus grande joye pour luy si son nom paroissoit tous les jours dans les livres et Journeaux des Sçavans, ce qui est fort naturel à un genie mediocre. Je l’aime à cause de sa bonne intention, s’il pouvoit seulement pardonner aux Jesuites, qui luy ont faire perdre un benefice.“51

Der Ablauf der Korrespondenz ist relativ ausgeglichen, auf 38 Briefe von Nicaise antwortet Leibniz in mindestens 28 Fällen, nur in den Jahren 1700 und 1701 reagiert er kaum noch. Gründe dafür mögen seine vielfältigen Verpflichtungen in dieser Zeit gewesen sein, die Tatsache, dass er die so sehr gewünschten Urkunden durch Jean-Baptiste Boisot erhalten hatte, ein abflauendes Interesse an Nicaise und seinen Ausführungen und veränderte Interessenschwerpunkte. Nicaise war für ihn allerdings auch dann noch interessant geblieben, als dieser sich im Jahre 1692 aus Paris wieder nach Dijon zurückgezogen hatte, denn an dessen Rolle als „agent général“ änderte sich zunächst einmal nichts. Zwar bat er ihn am 17. Dezember 1696 um die Vermittlung eines neuen Korrespondenten direkt in Paris, um einen

48 Choiset (wie Anm. 2), S. 28. 49 Im Journal erschien nur Nicaises Epigramm auf Lantin, allerdings ohne Namensnennung, eingebettet in das Epitafe de Monsieur Lantin Conseiller au Parlement de Dijon, 11. April 1695, S. 165–168, Epigramm S. 167. Dagegen druckte Cousin als Herausgeber eine Eloge de Monsieur Lantin Conseiller au Parlement de Dijon von Pierre Legoux, einem Parlamentsmitglied aus Dijon (2. Mai 1695, S. 200–203). 50 Graevius hatte eine Nennung von Nicaise in der von ihm hrsg. 2. erw. Aufl. von F. Junius: De pictura veterum libri tres (Rotterdam 1694) unterlassen, die Nicaise aufgrund seiner Beiträge erwartet hatte, wie er Leibniz bereits am 18. Februar 1693 (A II, 2 N. 209, 671) mitgeteilt hatte. Auch an sein Versprechen, stattdessen in seinem Thesaurus antiquitatum Romanarum (12 Bde., Utrecht 1694–1699) Nicaises Dissertatio de Minerva Arnalia drucken zu wollen, wie Leibniz aus dem Beischluss an Morell entnehmen konnte (eigh. Auszug LBr 685, Bl. 82v), hat er sich in der Folgezeit nicht gehalten. Bayle dagegen erwähnte Nicaise lobend in seinem Dictionnaire critique et historique, Bd. 1, Rotterdam 1695, im Artikel „Pierre Aretin“, Anm. G: „Nicaise est l’un des plus honnêtes hommes de ce siècle, et a des habitudes avec tous les Savans de l’Europe, au nombre desquels il tient une place très-honorable“, worüber dieser große Genugtuung empfand; vgl. Nicaise an Leibniz, 17. April und 30. April 1696. 51 Andreas Morell an Leibniz, 20. Juni 1697 (A I, 14 N. 157, 265).

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besseren und schnelleren Zugriff auf aktuelle Publikationen und Neuigkeiten zu haben – eine Rolle, die dann ab Juli 1697 der Parlamentsadvokat François Pinsson bis zum Jahre 1708 in mehr als 40 Briefen (Edition in Reihe I der AkademieAusgabe) übernahm, doch banden ihn auch weiterhin vielseitige Interessen an Nicaise. So vermittelte ihm dieser den Zugang zu Jean-Baptiste Boisot, dem Abbé von Besancon, der ihm für seinen Codex Juris gentium diplomaticus und dessen Fortsetzung bislang unpubliziertes Urkundenmaterial aus der Sammlung des Erzbischofs und Kardinals Antoine Perrenot de Granvelle († 1586) bereitstellen wollte, was nach seinem Tod im Jahre 1694 dann von seinem Bruder Jean-Jacques Boisot geleistet wurde.52 1695 trafen zunächst drei Urkunden, 1699 dann weitere 10 Urkunden in Hannover ein, und Leibniz gelangte somit an Material, das eigentlich für ein Gegenunternehmen vorgesehen war, die Urkundensammlung von Jacques Bernard, die 1700 in Holland erschien.53 Nicaise hielt für Leibniz den Kontakt zu Pierre-Daniel Huet aufrecht, zu Guillaume Bonjour oder zu Enrico Noris, dem er Leibniz’ Epigramm zu Ehren seiner Ernennung zum Kardinal Ende 1695 sandte.54 Durch ihn erhielt er ebenfalls am 12. März 1699 den Brief des Abtes Paul Pezron von La Charmoye über den Ursprung der Völker (A I, 16 N. 475), den er eigentlich an Andreas Morell weiterleiten sollte. Morell hat ihn jedoch niemals erhalten. Leibniz leitete sofort Kopien in alle Welt weiter: – – – –



an den Helmstedter Orientalisten Hermann von der Hardt, von dort aus weiter an seinen Kollegen Johann Andreas Schmidt, an John Wallis mit der Bitte der Weitergabe an William Lloyd (der den Brief an Sir Hans Sloane weitergab), an die Sprachwissenschaftler Hiob Ludolf (mit der Bitte, ihn nicht weiterzuleiten), Johan Gabriel Sparwenfeld und Gerhard Meier (mit der Bitte um Rücksendung), und nicht zuletzt ging eine Nachricht über den Brief auch an Antonio Magliabechi.

Auch mit anderen Korrespondenten diskutierte er darüber, nur Morell als eigentlicher Adressat ging leer aus, was Leibniz damit begründete, der Text sei inzwischen in den Nouvelles de la République des Lettres gedruckt und entsprechend einsehbar. Doch anders als Nicaise es getan hätte, gab Leibniz diesen Brief unter genau definierten Voraussetzungen weiter.

52 Vgl. zur Bedeutung dieses Materials für Leibniz N. Gädeke: „Im Vorfeld des Spanischen Erbfolgekrieges: Leibniz bringt seine Kollektaneen zum Einsatz“, in: Th. Wallnig/Th. Stockinger/ I. Peper/P. Fiska (Hrsg.): Europäische Geschichtskulturen um 1700 zwischen Gelehrsamkeit, Politik und Konfession, Berlin/Boston 2012, S. 485–511. 53 Recueil des traitez de paix, de trêve, de neutralité ... depuis la Naissance de Jesus-Christ jusqu’à présent, 4 Bde., hrsg. von J. Bernard u. a., Amsterdam – Den Haag 1700. 54 Vgl. Nicaise an Leibniz, 16. Februar 1696.

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Leibniz’ letzter Brief vom 24. August 1701, den er allerdings erst Ende September in die Post gab, erreichte Nicaise nicht mehr. Davor hatte er ihm zuletzt im Sommer 1700 geschrieben und sich nicht an den über Pinsson geäußerten, besorgten Klagen des alten Abbé gestört, er habe so lange keine Nachricht von Leibniz erhalten. Die Bedeutung, die Claude Nicaise und seinem kommunikativen Netzwerk zu Lebzeiten zukam, ist groß gewesen. Er war kein Gelehrter, der in der ersten Reihe stand, sondern ein Netzwerker, der eher aus der zweiten Reihe im Hintergrund agierte und die Fäden zog. Seine teils unbekümmerte Art, sein Wissen mit anderen teilen zu wollen, ist nicht immer unproblematisch gewesen, doch frei heraus im ständigen Bestreben, der Wissenschaft zu Diensten zu sein. Bernard de la Monnoye würdigte die Rolle, die Nicaise für die République des lettres gespielt hat, mit einem burlesken Epitaph: „Cy-gît l’illustre Abbé Nicaise, Qui la plume en main dans sa chaise, Mettoit lui seul en mouvement, Toscan, François, Belge, Allemand; Non par discordes mutuelles, Mais par Lettres continuelles, La plûpart d’érudition, A gens de reputation. De toutes côtez à son adresse Avis, Journaux venoient sans cesse, Gazettes, Livres frais éclos, Soit en paquets, soit en ballots. Lui toujours en nouvelle riche De sa part n’en étoit pas chiche. Faloit-il écrire au Bureau Sur un Phénomène nouveau, Anoncer l’heureuse trouvaille D’un Manuscrit, d’une Médaille, S’ériger en Solliciteur De loüanges pour un Auteur: D’Arnaud mort avertir la Trappe: Féliciter un nouveau Pape? L’habile et fidèle Ecrivain, N’avoit pas la goute à la main. C’étoit le Facteur du Parnasse. Or gît-il, et cette disgrâce Fait perdre aux Huets, aux Noris, Aux Toinards, Cupers, et Leibnits, A Basnage le Journaliste, A Bayle le Vocabuliste,

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Herma Kliege-Biller Aux Commentateurs Graevius, Kuhnius, Périzonius, Mainte curieuse riposte; Mais nul n’y perd tant que la Poste.“ 55

Die Forschung der letzten 180 Jahre hat sich aus seinem Nachlass in der Pariser Bibliothèque nationale in der Regel die „Sahnestücke“ herausgesucht: Spanheim, Rancé und vor allem Leibniz. Einzig Exupère Caillemer, Léon-Gabriel Pélissier und Eugène de Budé bildeten dabei die Ausnahme, Ersterer durch die Publikation aller 76 in Lyon vorhandenen Briefe ungeachtet ihrer jeweiligen Bedeutung, bevor sie im Rahmen der Zentralisierung an die Bibliothèque nationale gingen, sowie durch das Verzeichnis der einzelnen Korrespondenzen und ihrer Fundorte im Pariser Material, Letztere durch die Edition von Nicaises Briefen an Noris, Bonjour und Huet, die Pélissier in Rom und Florenz entdeckt hatte, und an Turretin durch Budé. Eine systematische Aufarbeitung des verstreut liegenden Gesamtmaterials, das auch die Bedeutung von Claude Nicaise und nicht nur die seiner berühmten Korrespondenten berücksichtigt, ist jedoch als Desiderat zu betrachten und dürfte für die Analyse kommunikativer Netzwerke in der République des lettres zur Leibnizzeit wertvolle Erkenntnisse bieten, auch wenn diese Aufarbeitung einer Sisyphusarbeit gleichkommen mag.

55 Nouvelles de la République des Lettres, April 1702, S. 472 f.; ebenfalls bei Caillemer (wie Anm. 5), S. 6 f.

PERSONENVERZEICHNIS Abb, Gustav 52 Albach, Horst 101 Alberti, Georg Wilhelm 189, 197 Alberti, Leon Battista 220 Amburger, Erik 66 Andreu, Agustín 196, 199, 241 Antognazza, Maria Rosa 20, 227 Archimedes 23, 35, 50, 220 Ariew, Roger 180 Aristoteles 23, 35, 220 Arnauld, Antoine 160, 161, 162, 165, 170, 178, 180, 189, 197, 198, 250, 301, 302, 309, 310 Arthur, Richard 182 Augustinus von Hippo 302 Auzout, Adrien 302, 308 Azcárate, Patricio de 199 Bacon, Francis 150 Baillet, Adrien 302, 308 Balestra, Antonio 227 Baluze, Étienne 305 Barbaro, Daniele 220 Barrow, Isaac 276, 278 Bartenev, Yurii 218 Baruzi, Jean 149, 154 Basargina, Ekaterina 103 Basistov, Nikolai 217 Basnage de Beauval, Henri 275, 304, 313 Baumgarten, Alexander Gottlieb 211 Bayle, Pierre 189, 197, 208, 210, 302, 305, 306, 311, 314 Bayuk, Dimitri 19, 103 Bazhbeuk-Melikov, Grigorii 222 Belaval, Yvon 157 Bellori, Giovanni Pietro 304, 306 Bennett, Jonathan 180 Bergerac, Cyrano de 152 Bernoulli, Jacob 274, 276, 278, 283, 285, 287, 288, 290 Bernoulli, Johann 189, 197, 240, 274, 275, 276, 277, 279, 282, 283, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 291

Berthet, Giraud 310 Berthold, Lothar 32 Bierling, Friedrich Wilhelm 240 Biermann, Kurt-Reinhard 69, 124 Bierwisch, Manfred 102 Biller, Gerhard 128 Biot, Jean-Baptiste 152 Biran, Maine de 152 Bobrov, Evgeny A. 216, 219 Bodemann, Eduard 27, 84, 121, 156, 168, 244, 253, 254, 270 Boisot, Jean-Baptiste 302, 304, 311, 312 Boisot, Jean-Jacques 302, 312 Bonjour, Guillaume 302, 303, 305, 307, 312, 314 Bonneval, Claude de 207 Borovskij, Âkov Markovič 222 Bosinelli, Fabio 227 Bossuet, Jacques-Bénigne 47, 148, 153, 161, 163, 169, 189, 197, 301, 302, 304, 310 Bottai, Guiseppe 42 Bouhier, Jean 164, 307 Bourdelot, Pierre Bonnet 306, 309 Bourguet, Louis 197, 209 Boutroux, Émile 28, 31, 154, 167 Boys, Émile du 303, 307 Brather, Hans-Stephan 65, 66, 67, 72, 125, 126, 127, 129, 130, 232 Breger, Herbert 17, 19, 20, 85, 188, 230, 232 Breger, Manfred 85, 140 Brinon, Marie de 163, 189, 197 Broglie, Albert de 164 Bruckner, Anton 69 Bruno, Giordano 211 Budé, Eugène de 307, 314 Buhr, Manfred 124, 125 Bungies, Wolfgang 17 Burnett of Kemney, Thomas 275, 286 Caillemer, Exupère 303, 306, 307 Cain, Julien 48 Calvino, Italo 204

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Personenverzeichnis

Cantor, Moritz 281 Carathéodory, Constantin 277 Carboncini, Sonia 227 Cardilucius, Johann Hiskias 266 Caroline von Brandenburg-Ansbach 189, 197 Caspar, Rosemarie 18, 130 Cassiers, Peter 103, 106, 109 Cassirer, Ernst 27, 158, 180 Castel de St. Pierre, Charles Irénée 174, 189, 197 Charas, Moyse 262 Child, James M. 179 Chuno, Johann J. J. 294, 296, 297 Clarke, Samuel 125, 163, 177, 178, 189, 197, 211 Collombet, François-Zenon 307 Condillac, Étienne Bonnot de 151 Conring, Hermann 197 Contro, Walter S. 98, 99, 100 Coppenbrügge, August 298 Costabel, Pierre 157 Coste, Pierre 137, 163, 211 Cousin, Louis 302, 309 Cousin, Victor 150, 152, 153, 306, 308 Couturat, Louis 27, 32, 147, 154, 155, 158, 168, 170, 187, 237, 238, 241, 244, 246, 247 Crafft, Johann Daniel 86 Craig, John 284 Cressett, James 280 Croce, Benedetto 228 Cuper, Gijsbert 302, 313 Dacheröden, Caroline von 95 Dangicourt, Pierre 239 Darwin, Charles 220, 222 Davillé, Louis 154 Deborin, Abraham M. 222 Debru, Claude 102, 105 Dedekind, Richard 159 Demidov, Sergei 103, 222 Des Bosses, Bartholomäus 43, 182, 189, 197, 239, 251 Des Vignoles, Alphonse 173 Descartes, René 50, 150, 152, 211, 217, 278 Desmier d’Olbreuze, Eléonore 167 Devaillé, Louis 49 Diderot, Denis 23, 26, 35 Diels, Hermann 28 Dijksterhuis, Eduard Jan 50 Dillmann, Eduard 220 Dilthey, Wilhelm 28

Dittrich, Wolfgang 103 Domagk, Gerhard 265 Duncan, George Martin 178, 179, 180, 182, 183 Dutens, Louis 26, 148, 161, 173, 187 Ebeling, Hans-Wolfgang 54 Eckhart, Johann Georg 26, 93, 189, 197 Egel, Thomas 116 Ehrlich, Paul 265 Elisabeth Charlotte von Orléans 89, 238 Emery, Jacques-André 148, 149, 162 Emery, Jean-Jacques 164 Engels, Friedrich 132 Epting, Karl 48 Erdmann, Benno 32, 33 Erdmann, Johann Eduard 26, 166, 167, 187 Ernst von Hessen-Rheinfels 161, 162, 197 Eugen von Savoyen 203–212 Euklid 50 Faak, Margot 16, 18, 59, 72, 116, 124, 125 Fabri, Honoré 179 Faibussowitsch, Gennadii 223 Fatio de Duillier, Nicolas 278, 279, 280, 282, 283, 285, 286, 287, 289, 302 Faÿ, Bernhard 37, 48 Feder, Johann Georg Heinrich 148, 161 Fedorova, Olga 19, 103 Félibien, André 306 Feller, Joachim Friedrich 127 Fénelon, François 163, 310 Ferdinand von Fürstenberg 62 Feuerbach, Ludwig 213, 220 Fichant, Michel 19, 227 Finster, Reinhard 198 Fleming, Alexander 265 Flemming, Jakob Heinrich von 93 Fogel, Martin 63, 66 Foisset, Joseph-Théophile 306, 307 Fonnesu, Luca 20 Fontenelle, Bernard le Bovier de 163 Foucault, Nicolas-Joseph 305 Foucher de Careil, Louis Alexandre 27, 148, 152, 153, 154, 156, 158, 168, 177, 187, 298 Foucher, Simon 189, 197, 302, 309 Franke, Ursula 126, 127 Franks, Richard 180 Friedrich Wilhelm VI. 95 Friedrich Wilhelm von Brandenburg 68 Fuchs, Paul von 294, 295, 296

Personenverzeichnis Gädeke, Nora 18, 78, 99, 100 Gale, George 227 Galilei, Galileo 103, 220 Garber, Daniel 19 Garnier, Antoine 149, 162 Gentile, Giovanni 228 Georg I. Ludwig 268 Gerber, Georg 84, 89, 90, 91 Gerhardt, Carl Immanuel 27, 156, 158, 168, 178, 180, 183, 187, 208, 307 Gerhardt, Volker 132 Gerland, Ernst 27, 107 Gloger, Bruno 68, 124 Goldenbaum, Ursula 125 Gottsched, Johann Christoph 125, 128 Graevius, Johann Georg 302, 311, 314 Granvelle, Antoine Perrenot de 312 Gregory, David 275, 278, 281, 286, 287 Grint, Leslie 180 Groethuysen, Bernhard 41, 43 Grot, Nikolai 218 Grotefend, Carl Ludwig 156, 165, 168 Grötschel, Martin 102, 111 Grua, Gaston 138, 147, 149, 157, 170, 187 Gründer, Karlfried 141, 142 Guarient und Raal, Ignatius Christophorus von 298 Gude, Marquard 63, 64 Guericke, Otto von 109 Guerrier, Woldemar 216, 298 Guhrauer, Gottschalk E. 26 Haas, Carl 27 Hadrian (Kaiser) 304 Halbwachs, Maurice 49 Hardt, Hermann von der 312 Harmjanz, Heinrich 55 Harnack, Adolf von 28 Harriot, Thomas 278 Hartz, Glenn 238 Hecht, Hartmut 105, 109, 113 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 132, 141, 201, 220, 222 Heidegger, Martin 228 Heinekamp, Albert 17, 20, 71, 100, 116, 130, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233 Heitmann, Jens 69 Helmont, Franciscus Mercurius 89 Henfling, Conrad 173 Hennings, Daniel 63 Hermann, Jacob 290 Hermes (Heiliger) 302

317

Hertel, Lorenz 294, 295, 296 Heß, Heinz-Jürgen 82, 96, 121, 139, 140 Hevelius, Johannes 112 Heyl, Peter 116 Hitler, Adolf 136 Hizman, Friedrich Heinrich 63 Hobbes, Thomas 189, 197 Hochstetter, Erich 31, 32, 34, 35, 116, 117, 118, 120, 121, 122, 141 Hodler, Christian 71 Hofmann, Joseph Ehrenfried 37, 40, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 56, 57, 96, 116, 117, 118, 120, 134, 141, 279 Hölderlin, Friedrich 120, 134 Hörlein, Heinrich 265 Horstmann, Hubert 125 Huet, Pierre-Daniel 301, 302, 303, 305, 307, 310, 312, 314 Huggard, E. M. 180 Humboldt, Alexander von 66, 67, 95, 124 Husserl, Edmund 159, 228 Huygens, Christiaan 24, 50, 109, 132, 189, 197, 220, 274 Istomin, Konstantin Evgrafovič 217, 219 Ivantsov, Nikolai 218 Jablonski, Daniel Ernst 297 Jacques, Amédée 150, 151, 152 Jagodinsky, Ivan 216 Jenschke, Stefan 20 Johann Friedrich von Braunschweig-Calenberg 65, 66, 90 Jungius, Joachim 137 Junius, Franz 311 Kabitz, Willy 31 Kant, Immanuel 132, 194, 195, 201, 210, 222 Keill, John 282 Kepler, Johannes 223 Khazanov, Boris 223 Kirsanov, Vladimir 103, 113, 221, 222 Klaus, Georg 124 Kleinert, Andreas 113 Kliege-Biller, Herma 20, 126, 128, 138 Klopp, Onno 26, 187 Knabe, Lotte 60, 63, 64, 65, 66, 68, 116, 124, 127 Kneschke, Ernst Heinrich 65 Knobloch, Eberhard 18, 98, 100, 113, 116, 117, 138 Koch, Robert 265

318

Personenverzeichnis

Kochański, Adam A. 296 Köhler, Heinrich 26, 209 Kondratiev, Sergey 222 Kortholt, Christian 26 Kühn, Joachim 314 Kurfürst Friedrich III. 297 Kuznetsova, Alena 103, 113 L’Hospital, Guillaume François Antoine, Marquis de 241, 277, 279, 288 Lachat, Félix 305 Lachelier, Jules 167 Lagrange, Joseph-Louis 277 Lamarra, Antonio 19, 227 Lampe, Friedrich Adolph 68 Langley, Alfred G. 179, 180, 183 Lantin, Jean Baptiste 304, 311 Larroque, Daniel 308 Latta, Robert 178, 179, 180, 182, 183 Le Roy, Georges 160 Leeuwenhoek, Anton van 109 Lefort, François 294, 295 Leinkauf, Thomas 128 Lenin, Vladimir Ilič 213 Lenthe, Konrad Wilhelm von 65, 68 Leonardo da Vinci 220 Leopold I. 298 Lestienne, Henri 147, 156, 159, 168 Lévesque, Eugène 161 Lewis, Geneviève 160 Lloyd, William 312 Locke, John 150, 151, 153, 163, 211 Lodge, Paul 182 Loemker, Leroy 179, 180 Look, Brandon 182 Lübbe, Hermann 123 Lucas, Peter G. 180 Luckscheiter, Stefan 20 Ludolf, Hiob 312 Ludwig XIII. 60 Ludwig XIV. 60, 62, 177 Mabillon, Jean 302 Mach, Ernst 220 Magliabechi, Antonio 312 Mahnke, Dietrich 96, 117 Maier, Anneliese 41 Maier, Heinrich 41 Malebranche, Nicolas 150, 162, 165, 189, 197, 301 Mariotte, Edme 110 Marquard, Odo 142

Marx, Karl 132 Masham, Damaris 189, 197 Mason, Haydn Trevor 180 Maurolico, Francesco 112 Mayer, Uwe 100 Mayorov, Gennadii 218 Ménage, Gilles 302 Mencke, Otto 274, 277, 281, 282, 283, 284, 286, 287, 288, 289, 290, 291 Mengoli, Pietro 278 Menzel, Ottokar 53 Michaud, Louis-Gabriel 152 Mittelstraß, Jürgen 101, 105 Molanus, Gerhard Wolter 169, 189, 197 Mommsen, Wolfgang A. 55 Monnoye, Bernard de la 313 Montgomery, George R. 179, 180, 183 Morell, Andreas 162, 302, 303, 304, 306, 311, 312 Most, Glenn W. 107, 109 Most, Otto 121 Mozart, Wolfgang Amadeus 69 Müller, Conrad 96, 99, 117 Müller, Kurt 50, 51, 64, 66, 77, 81, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 131, 134, 138, 141 Muratori, Lodovico Antonio 64, 67, 93 Murray, Michael 182 Mussolini, Benito 42 Napolitani, Pier Daniele 112 Natorp, Paul 158 Naudé, Philippe 205 Nedo, Michael 132 Neuvilles, Foy de la 296 Newton, Isaac 40, 89, 220, 221, 222, 274, 275, 278, 279, 280, 281, 282, 284, 285, 286 Nicaise, Claude 138, 163, 300–314 Nicolás, Juan A. 15, 19 Nietzsche, Friedrich 132, 201, 228 Nieuwentijt, Bernard 276, 278 Noris, Enrico 302, 303, 304, 305, 307, 314 Öffenberger, Gustav Nils 119 Olaso, Ezequiel de 199 Oldenburg, Henry 280 Olschki, Leonard 220 Osipov, Yurii Sergeevich 102 Ott, Wilhelm 139 Otto, Rüdiger 18, 128, 129, 130 Ourisson, Guy 102 Ouvrard, René 309 Owen, Octavius Freire 177

Personenverzeichnis Palaia, Roberto 20, 227 Palladio, Andrea 220 Palumbo, Margherita 20, 227 Pape, Inge 60, 68 Pape, Johann Heinrich 197 Papin, Denis 197 Paracelsus 261 Parkinson, George Henry Radcliffe 179, 182 Pascal, Blaise 50, 168 Pasini, Enrico 20, 227 Pasteur, Louis 265 Peano, Guiseppe 158 Peirce, Charles S. 132 Pekarskii, Petr 215 Pélissier, Léon-Gabriel 307, 314 Pellisson, Paul 153, 163, 189, 197 Penjon, Auguste 168 Pertz, Georg Heinrich 27 Peter der Große 216, 223, 293–299 Petit, Petrus 304 Pezron, Paul 302, 312 Pfautz, Christoph 283, 286 Pfeil, Ulrich 56 Pinsson, François 302, 313 Placcius, Vincent 205 Planck, Max 28 Platon 23, 35, 151 Poincaré, Henri 28, 154 Poser, Hans 16, 98 Poussin, Nicolas 304, 306 Preobraženskij, Vasilij Petrovič 217 Probst, Siegmund 100 Pufendorf, Samuel 189, 197 Radlov, Ernst 217 Raffael da Urbino 304 Rancé, Armand-Jean le Bouthillier de 302, 306, 307, 309, 310, 314 Ranke, Leopold von 26 Raspe, Rudolf Erich 26, 148, 150, 163 Rauzy, Jean-Baptiste 227 Ravier, Émile 147, 153, 161, 166, 206 Reichl, Otto 136 Reid, Thomas 150 Remnant, Peter 179, 180 Rémond, Nicolas 189, 197, 203, 204, 205, 209, 239 Rey, Anne-Lise 105, 113 Ricci, Seymour Montefiore Robert Rosso de 37, 47, 57 Rieger, Simone 103, 105, 109 Ritter, Heinrich 26

319

Ritter, Joachim 121, 141 Ritter, Paul 28, 31, 34, 35, 40, 46, 61, 62, 65, 68, 121, 127, 131, 135, 141 Rivaud, Albert 28, 31, 48, 49, 135, 157 Robinet, André 138, 157, 159, 168, 187, 208 Rojas y Spinola, Christoph de 153, 189, 197 Roldán, Concha 227 Roloff, Hans-Gert 126 Rosenberger, Ferdinand 220 Rosenstrauch, Hazel 95 Rothschild, Henri de 47, 57 Rudolph, Hartmut 18, 129, 130 Ruppelt, Georg 103 Russell, Bertrand 27, 178, 179 Rutherford, Donald 182 Saame, Otto 171 Saint-Germain, Bertrand de 173 St. Pierre siehe Castel de St. Pierre Sakai, Kiyoshi 19, 227 Salviati, Averardo 308 Santeuil, Jean-Baptiste de 304, 305 Sata, Yoshihiko 265 Scheel, Günther 26, 61, 232 Scheel, Hellmuth 43, 51, 52, 54, 56, 57 Scheibe, Erhard 130 Scheibe, Siegfried 126 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 153 Schenck von Winterstädt, Friedrich 65, 68 Schepers, Heinrich 18, 19, 27, 61, 97, 98, 100, 101, 102, 111, 232, 237, 250 Schilar, Hans 102 Schlechta, Paul 131 Schlicker, Wolfgang 34 Schmidt, Franz 241 Schmidt, Günter 106 Schmidt, Gustav Daniel 86 Schmidt, Johann Andreas 86, 312 Schnath, Georg 45, 46, 56 Schneider, Martin 78, 127, 128 Schneider, Ulrich Johannes 112 Schnöpf, Markus 112 Schrecker, Paul 51, 157, 161, 166, 167, 169, 206 Schuffenhauer, Werner 122, 124 Schulenburg, Johann-Matthias Graf von der 106 Schulenburg, Siegrid von der 68 Schüller, Volkmar 125 Scriba, Christoph J. 97 Scudéry, Madeleine de 302, 310 Šebestík, Ján 241

320

Personenverzeichnis

Sefrin-Weis, Heike 100 Sellschopp, Sabine 78 Sextus Empiricus 211 Simon, Dieter 102, 112, 128 Sleigh, Robert 177, 180, 182 Sloane, Hans 279, 281, 312 Sophie Charlotte von Hannover 93, 218, 238, 294, 298 Sophie von Braunschweig-Lüneburg 89, 92, 298 Spanheim, Ezechiel 302, 303, 304, 306, 307, 309, 314 Sparwenfeld, Johan Gabriel 312 Spinola siehe Rojas y Spinola Spinoza, Baruch de 150, 153, 166, 189, 197, 211 Spizel, Théophile 148 Sretenskii, Ivan 217 Stahl, Conrad 189, 197 Stahl, Georg Ernst 183 Stam, James 182 Stapfer, Philipp Albert 152 Stein, Gertrude 48 Steiner, Klaus 124 Stevin, Simon 50, 220 Stork, Sebastian W. 20, 105, 113 Strack, Clara 159, 208, 209 Teichmüller, Gustav 216 Temmik, Aloysius 247, 252 Thevenot, Jean 63 Thiel, Jens 16 Thomasius, Jacob 179, 217 Thurot, Jean-François 150, 163 Toinard, Nicolas 163, 313 Toland, John 162 Torricelli, Evangelista 109 Totok, Wilhelm 97, 116, 122, 123, 231 Trabant, Jürgen 102 Treue, Wilhelm 131 Trumbull Ladd, George 178 Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von 100, 274, 275, 279, 284, 287 Turretin, François 314 Turretin, Jean-Alphonse 305, 307

Urbain, Charles 161 Ûškevič, Adol’f-Andrej Pavlovič 213 Ûškevič, Pavel Solomonovič 213, 222 Utermöhlen, Gerda 16, 17, 59–69, 72, 232 Utikal, Gerhard 54 Vacca, Giovanni 158 Vahlen, Theodor 38, 40, 53, 56, 57, 120 Valois, Henri de 64 Varani, Giovanna 20, 227 Varignon, Pierre 222, 280, 288, 291 Vega, Garcilaso de la 69 Vergil 113 Vico, Giambattista 211 Viète, François 278 Vignola, Giacomo Barozzi da 220 Vitruv 220 Voden, Alexei 222 Volder, Burchard de 158, 182, 189, 197 Vollgraff, Johan Adriaan 50 Voltaire 151 Wachter, Johann Georg 177 Wagner, Gabriel 189, 197 Wagner, Rudolph Christian 241, 249 Wahl, Charlotte 20 Wallis, John 275, 279, 280, 281, 286, 312 Walter, Rosemarie siehe Caspar, Rosemarie Weiner, Philip P. 179 Welge, Friedrich 68 Whitehead, Alfred North 159 Wiese, Joachim 59, 68 Winterstädt siehe Schenck von Winterstädt Witsen, Nicolaas 298 Witte, Wilhelm 52 Woesler, Winfried 126 Wolff, Christian 189, 197, 209 Woolhouse, Roger 180 Wotton, William 280 Wright, George 182 Yushkevich, Adolph 222 Yushkevich, Pavel 213, 218, 221, 222, 223 Zeuthen, Hieronymus Georg 220

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS A

G. W. Leibniz: Sämtliche Schriften und Briefe, hrsg. von der Preußischen (später Deutschen, jetzt Berlin-Brandenburgischen) Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Darmstadt (später Leipzig, jetzt Berlin) 1923 ff. (zit. nach Reihe, Band, Nummer bzw. Seite).

C

Opuscules et fragments inédits de Leibnitz. Extraits des manuscrits […] par L. Couturat, Paris 1903 (ND Hildesheim 1961/1966).

Dutens G. W. Leibniz: Opera omnia, nunc primum collecta […] studio Ludovici Dutens, T. 1–6, Genevae 1768. GM

Leibnizens mathematische Schriften, Bd. 1–7, hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1849–1863 (ND Hildesheim 1962).

GP

Die philosophischen Schriften von Leibniz, Bd. 1–7, hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin 1875– 1890 (ND Hildesheim 1960–1961).

Grua

G. W. Leibniz: Textes inédits d’après les manuscrits de la Bibliothèque provinciale de Hanovre, vol. 1.2, publ. et ann. par G. Grua, Paris 1948.

LBr

Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, Leibniz-Briefwechsel.

LH

Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek – Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, Leibniz-Handschriften.

VE

Vorausedition zur Reihe VI: Philosophische Schriften (Akademie-Ausgabe), bearb. von der Leibniz-Forschungsstelle der Universität Münster, Fasz. 1–10, Münster 1982–1991.

G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Festeinband – 190 x 248 mm; Reihe VI als Reprint-Broschur – 170 x 220 mm)

REIHE I: Allgemeiner, politischer und historischer Briefwechsel (Leibniz-Forschungsstelle Hannover) Band 1: 1668–1676 2., unveränd. Nachdr. 1986, z. Z. vergriffen Band 2: 1676–1679 2., unveränd. Nachdr. 1986. € 158,– ISBN 978-3-05-000013-8 Band 3: 1680–1683 2., unveränd. Nachdr. 1990. € 158,– ISBN 978-3-05-001032-8 Band 4: 1684–1687 Durchges. Nachdruck 1990. € 168,– ISBN 978-3-05-001033-5 Band 5: 1687–1690 2., durchges. Nachdr. 1990. € 168,– ISBN 978-3-05-001034-2 Band 6: 1690–1691 2., durchges. Nachdr. 1990. € 168,– ISBN 978-3-05-001049-6 Band 7: 1691–1692 Durchges. Nachdruck 1992. € 158,– ISBN 978-3-05-001888-1 Band 8: 1692 Durchges. Nachdruck 1992. € 158,– ISBN 978-3-05-001877-5 Band 9: 1693 Durchges. Nachdruck 1992. € 168,– ISBN 978-3-05-001875-1 Band 10: 1694 1979, zur Zeit vergriffen Band 11: Januar–Oktober 1695 1982. € 188,– ISBN 978-3-05-001454-8 Band 12: November 1695–Juli 1696 1990. € 118,– ISBN 978-3-05-000060-2 Band 13: August 1696–April 1697 2., unveränd. Aufl. 2010. € 258,– ISBN 978-3-05-004921-2 Band 14: Mai–Dezember 1697 1993. € 258,– ISBN 978-3-05-001953-6

Band 15: Januar–September 1698 1998. € 258,– ISBN 978-3-05-002780-7 Band 16: Oktober 1698–April 1699 2000. € 258,– ISBN 978-3-05-003255-9 Band 17: Mai–Dezember 1699 2001. € 258,– ISBN 978-3-05-003475-1 Band 18: Januar–August 1700 2005. € 258,– ISBN 978-3-05-003736-3 Band 19: September 1700–Mai 1701 2005. € 258,– ISBN 978-3-05-004190-2 Band 20: Juni 1701–März 1702 2006. € 258,– ISBN 978-3-05-004200-8 Band 21: April–Dezember 1702 2012. € 258,– ISBN 978-3-05-004584-9 Band 22: Januar–Dezember 1703 2011. € 258,– ISBN 978-3-05-004586-3 Band 23: Januar–September 1704 2012. € 258,– ISBN 978-3-05-005982-2 Suppl. Harzbergbau 1692–1696 1991. € 168,– ISBN 978-3-05-000989-6

REIHE II: Philosophischer Briefwechsel (Leibniz-Forschungsstelle Münster) Band 1: 1663–1685 2., neubearb. Aufl. 2006. € 258,– ISBN 978-3-05-004187-2 Band 2: 1686–1694 2009. € 258,– ISBN 978-3-05-004257-2

Akademie Verlag

REIHE III: Mathematischer, naturwissenschaftlicher und technischer Briefwechsel (Leibniz-Forschungsstelle Hannover) Band 1: 1672–1676 2., durchges. Aufl. 1988. € 188,– ISBN 978-3-05-000234-7 Band 2: 1676–1679 1987, zur Zeit vergriffen Band 3: 1680–Juni 1683 1991. € 258,– ISBN 978-3-05-000766-3 Band 4: Juli 1683–Dezember 1690 1995. € 258,– ISBN 978-3-05-002602-2 Band 5: 1691–1693 2003. € 258,– ISBN 978-3-05-003471-3 Band 6: 1694–Juni 1696 2004. € 258,– ISBN 978-3-05-004116-2 Band 7: Juli 1696–Dezember 1698 2011. € 278,– ISBN 978-3-05-004585-6

REIHE IV: Politische Schriften (Leibniz-Editionsstelle Potsdam) Band 1: 1667–1676 3., durchges. Aufl. 1983. € 168,– ISBN 978-3-05-001569-9 Band 2: 1677–1687 2., durchges. Aufl. 1984. € 158,– ISBN 978-3-05-001570-5 Band 3: 1677–1689 1986, zur Zeit vergriffen Band 4: 1680–1692 2001. € 258,– ISBN 978-3-05-003653-3 Band 5: 1692–1694 2004. € 258,– ISBN 978-3-05-004034-9 Band 6: 1695–1697 2008. € 258,– ISBN 978-3-05-004280-0 Band 7: 1697–Anfang 1699 2011. € 258,– ISBN 978-3-05-005150-5

Akademie Verlag

REIHE VI: Philosophische Schriften (Leibniz-Forschungsstelle Münster) Band 1: 1663–1672 Reprint 2006. € 74,80 ISBN 978-3-05-004271-8 Band 2: 1663–1672 Reprint 2006. € 89,80 ISBN 978-3-05-004272-5 Band 3: 1672–1676 Reprint 2006. € 94,80 ISBN 978-3-05-004273-2 Band 4: 1677–Juni 1690 Reprint 2006. € 348,– ISBN 978-3-05-004274-9 Band 6: Nouveaux Essais Reprint 2006. € 84,80 ISBN 978-3-05-004275-6

REIHE VII: Mathematische Schriften (Leibniz-Forschungsstelle Hannover) Band 1: 1672–1676. Geometrie – Zahlentheorie – Algebra (1. Teil) 1990. € 188,– ISBN 978-3-05-000015-2 Band 2: 1672–1676. Algebra (2. Teil) 1996. € 258,– ISBN 978-3-05-002727-2 Band 3: 1672–1676. Differenzen, Folgen, Reihen 2003. € 258,– ISBN 978-3-05-004003-5 Band 4: 1670–1673. Infinitesimalmathematik 2008. € 258,– ISBN 978-3-05-004262-6 Band 5: 1674–1676. Infinitesimalmathematik 2008. € 258,– ISBN 978-3-05-004578-8 Band 6: 1673–1676. Arithmetische Kreisquadratur 2012. € 258,– ISBN 978-3-05-006006-4

REIHE VIII: Naturwissenschaftliche, medizinische und technische Schriften (Leibniz-Editionsstelle Berlin) Band 1: 1668–1676 2009. € 258,– ISBN 978-3-05-004587-0 Bestellen Sie bitte in Ihrer Buchhandlung.