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German Pages 448 Year 1998
Lehr- und Handbücher zur Ökologischen Unternehmensführung und Umweltökonomie Herausgegeben von
Dr. Carlo Burschel Bisher erschienene Werke: Birke · Burschel · Schwarz, Handbuch Umweltschutz und Organisation Bringezu, Umweltpolitik Jens, Ökologieorientierte Wirtschaftspolitik Pfander, Ökologieorientierte Informations- und Steuerungssysteme in Unternehmen Steger, Handbuch des integrierten Umweltmanagements Strebel · Schwarz, Kreislauforientierte Unternehmenskooperationen
Okologieorientierte Informations- und Steuerungssysteme in Unternehmen Von
Dr. Jan-Philipp Pfander
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pfander, Jan-Philipp: Ökologieorientierte Informations- und Steuerungssysteme im Unternehmen / von Jan-Philipp Pfander. - München ; Wien : Oldenbourg, 1998 (Lehr- und Handbücher zur ökologischen Unternehmensfiihrung und Umweltökonomie) ISBN 3-486-24722-0
© 1998 R. Oldenbourg Verlag Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-24722-0
Vorwort des Herausgebers
Die betriebswirtschaftliche Diskussion um den Umweltschutz hat sich Ende der 90er Jahre - vereinfachend ausgedrückt - in ein „normatives" und ein „pragmatisches" Lager gespalten. Während die Vertreter der ersten Richtung Theorien, Modelle und Denktraditionen angrenzender Wissenschaften explizit bemühen, um ihre „Soll-Vorstellungen" zu untermauern, beschränken sich die „Pragmatiker" auf die Anpassung vorhandener methodischer Konzepte auf die Problemstellungen des betrieblichen Umweltschutzes. Damit bevorzugen sie die Vorgehensweise „der kleinen Schritte" mit der Begründung der Aufrechterhaltung einer „ökonomischen Identität". Neben der unterschiedlichen Reichweite der Aussagen (insbesondere auch bezüglich des empirischen Informationsgehalts) ist beiden Richtungen aber gemeinsam, daß eine „ökonomische Theorie" für diesen Kontext bis dato nicht vorgelegt wurde. Die vorliegende Monographie von Pfander ist einer der wenigen Arbeiten, die „zwischen den Stühlen" verankert ist. Sie bezieht „normative" und „pragmatische" Aspekte des betrieblichen Umweltschutzes in die Argumentationslinien ein und konfrontiert diese mit Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis. Gemäß dem Anspruch der Reihe wird das Themenfeld „ökologieorientierte Informations- und Steuerungssysteme" im Betrieb erschöpfend behandelt, so daß dieser Band für Wissenschaftler und Praktiker gleichermaßen interessant ist.
Carlo Burschel
Inhalt Vorwort des Herausgebers
1. Abschnitt: Einleitung, Problemstellung und Inhaltsübersicht
13
1.1 Einleitung 1.2 Problemstellung 1.3 Inhaltsübersicht
13 15 18
2. Abschnitt: Grundlagen der Arbeit
23
2.1 ökologische Probleme 23 2.1.1 Definition und Abgrenzung des Begriffs „ökologisches Problem".. 23 2.1.2 Gesellschaftliche Wahrnehmung ökologischer Probleme.. 27 2.1.3 Der Zusammenhang zwischen Unternehmensaktivitäten und ökologischen Problemen 32 2.2 Notwendigkeit des Umgehens von Unternehmen mit ökologischen Problemen 37 2.2.1 ökologische Probleme im Zielsystem der Unternehmung 37 2.2.2 Beeinflussung der Unternehmung durch ökologische Probleme 39 2.2.2.1 Die Unternehmung als Nutznießer der ökosphäre 39 2.2.2.2 Die Unternehmung als gesellschaftliche Institution 42 2.2.2.3 Wirkung ökologischer Probleme Uber die gesellschaftlichen Lenkungssysteme 45 2.3 Einbeziehung ökologischer Probleme in das Entscheidungskalkül der Unternehmung 59 2.3.1 Einbeziehung ökologischer Probleme auf funktionaler/operativer Ebene 59 2.3.2 Einbeziehung ökologischer Probleme auf strategischer Ebene 62 2.3.3 Einbeziehung ökologischer Probleme auf normativer Ebene. 64 2.3.4 Verhaltenstypologien bezüglich des Umgangs von Unternehmen mit ökologischen Problemen 68
8
Inhalt
2.3.5 Handlungsfreiräume von Unternehmen beim Umgang mit ökologischen Problemen 3. Abschnitt:
71
Informations- und Steuerungssytsteme (ISS) zur Berücksichtigung von ökologischen Problemen
75
3.1 Schlüsselbegriffe Wissen, Information und Kommunikation
75
3.1.1 Wissen
76
3.1.2 Information
80
3.1.3 Kommunikation
86
3.2 ISS für die Führung und Entwicklung der Unternehmung
91
3.2.1 Informations- und Steuerungssysteme (ISS)
91
3.2.2 Unterstützung der Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollprozesse
99
3.2.3 Bedeutung von ISS für die Weiterentwicklung der Unternehmung 3.2.4 ISS im Führungssystem der Unternehmung
105 110
3.3 Defizite betrieblicher Informationssysteme bei der Einbeziehung ökologischer Probleme
115
3.4 Darstellung der Konzepte für ökologieorientierte ISS zur Berücksichtigung ökologischer Probleme 3.4.1 Systematisierung der ökologieorientierten ISS
117 117
3.4.2 Beschreibung der Konzepte für ökologieorientierte ISS
126
3.4.2.1 Stoff- und Energiebilanzen
127
3.4.2.2 Betriebliches Öko-Controlling
129
3.4.2.3 Instrumente zur ökologieorientierten Bewertung von Handlungsalternativen
160
3.4.2.3.1 ökologieorientierte Bewertung von Investitionen und betrieblichen Projektea 3.4.2.3.2 Produktlebenszyklusorientierte Bewertungskonzepte
161 165
3.4.2.3.3 Instrumente zur mehrdimensionalen Bewertung von Handlungsalternativen
180
3.4.2.4 Ökologieorientierte Kennzahlensysteme
189
3.4.2.5 ökologieorientierte Systemaudits.
195
3.4.2.6 ökologieorientierte Checklisten
201
Inhalt
9
3.4.2.7 ökologieorientierte Umfeldanalyse 3.4.2.8 EDV-gestützte Umweltinformationssysteme 3.5 Instrumentelle Gestaltungselemente in ökologieorientierten ISSKonzeptionen
209
4. Abschnitt: Funktionen von ÖISS und erfolgskristische Gestaltungselement
217
4.1 Ökologieorientierte Ziele für Unternehmen 4.1.1 Bewertung ökologischer Güte 4.1.2 Rationalität ökologischer Güte 4.2 Kommunikation als Basis für ökologische Unternehmenspolitik 4.3 Funktionen von ÖISS für größere Unternehmen 4.3.1 Funktionsbereich „Management ökologieorientierter Information" 4.3.1.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen 4.3.1.2 Instrumentelle Gestaltungselemente und Management ökologieorientierter Informationen 4.3.2 Funktionsbereich „Unterstützung ökologieorientierter Entscheidungen" 4.3.2.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen 4.3.2.2 Instrumentelle Gestaltungselemente und Unterstützung ökologieorientierter Entscheidungen 4.3.3 Funktionsbereich „ökologieorientierte Information des Managements" 4.3.3.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen 4.3.3.2 Instrumentelle Gestaltungselemente und ökologieorientierte Information des Managements 4.3.4 Funktionsbereich „ökologieorientierte Information in der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen" 4.3.4.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen 4.3.4.2 Instrumentelle Gestaltungsinstrumente und ökologieorientierte Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen 4.3.5 Betrachtungen zur Effizienz von Gestaltungselementen ökologieorientierter ISS
202 205
217 220 223 231 242 244 244 252 259 259 267 279 279 292 302 302 306 309
10
Inhalt
4.4 Anwendungsbeispiele fUr Gestaltungselemente von ÖISS 4.4.1 Anwendungsbeispiel: Das TUWR/EARS-System der Polaroid Corporation 4.4.1.1 Das „Umweltbuchhaltungs- und Berichtssystem" (EARS) von Polaroid 4.4.1.1.1 Analyse des EARS anhand der Systemmerkmale 4.4.1.1.2 Gestaltungselemente des TUWR/EARS-Systems 4.4.1.2 Kritische Würdigung des EARS/TUWR-Systems anhand der Funktionsbereiche 4.4.2 Anwendungsbeispiel: Die ökologieorientierten Szenarien der Royal Dutch/Shell-Gruppe 4.4.2.1 (ökologieorientierte) Szenarien 4.4.2.1.1 Funktion der Szenarien für die Shell-Gruppe 4.4.2.1.2 Informationsprozesse und Strukturelemente der Szenariotechnik der Shell-Gruppe 4.4.2.2 Kritische Würdigung der Szenarientechnik der Shell-Gruppe als Gestaltungselement von ÖISS 4.5 Zusammenfassung der erfolgskritischen Gestaltungselemente für ÖISS 5. Abschnitt: Erfolgsfaktoren und Gestaltungselemente einer weiterentwickelten ÖISS-Konzeption 5.1 Möglichkeiten zur Integration der erfolgskritischen Gestaltungselemente 5.2 ökologische Effektivität auf Grundlage ökologieorientierter Szenarien 5.3 Ökologische Effizienz durch qualitativ-ordinale Bewertung 5.4 Fazit und Ausblick
312 312 314 318 328 329 335 337 341 346 352 358 369 369 392 402 407
Inhalt
11
Nachwort
415
Abkürzungsverzeichnis
417
Literaturverzeichnis
421
Abbildungsverzeichnis
449
1. Abschnitt
Einleitung, Problemstellung und Inhaltübersicht 1.1 Einleitung Die erste breit angelegte Diskussion des ökologischen Problems fand Anfang der siebziger Jahre statt, ausgelöst durch Publikationen wie „Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome1. Zu diesem Zeitpunkt waren weder nachhaltige Ökosystemschäden durch menschliche Aktivitäten, man denke an die Entstehung der Heidegebiete und die Verkarstung des Mittelmeerraums durch Abholzung und intensive Viehhaltung, noch gesundheitsgefährdende Umweltbedingungen in der Umgebung von Ballungsräumen und Industrierevieren, man denke an den Londoner Nebel, ein unbekanntes Phänomen. Neu war die Interpretation der ökologischen Probleme als unmittelbarer Konsequenz aus der Praxis menschlichen Wirtschaftens in den hochentwickelten Industrieländern, kombiniert mit einer explosiven Zunahme der Weltbevölkerung. Neu war die „Entzauberung der Moderne", also die Einsicht, daß die Verwirklichung der Idee von „Bürgerrechten und Wohlstand und beides für alle2" aufgrund der Grenzen der Belastbarkeit der Ökosphäre nicht in Form der bekannten Wohlstandsmodelle möglich sein würde. In den zwanzig Jahren seit der breiteren Diskussion des Umweltschutzgedankens bis heute ist die Bedeutung der ökologischen Problemstellung für die industrialisierte Welt gewachsen. Die ökologischen Probleme, die ursprünglich fast ausschließlich als Knappheitsprobleme bei Rohstoffen thematisiert wurden, umfassen heute ein ganzes Spektrum von zusätzlichen Problemen, die als Vergiftung von Ökosystemen durch das Einbringen von toxischen Stoffen in hoher Konzentration beschrieben werden können. Dabei läßt sich eine Verschiebung der Probleme feststellen. Während auf der Ebene lokaler Umweltprobleme Erfolge erzielt werden konnten3, sind neue Probleme entstanden, die wie die Reduzierung 1
2 3
Die Publikation des Club of Rome, vgl. Meadows 1972, wurde orchestriert durch Publikationen wie „The silent spring", vgl. Carson 1962, oder „Ein Planet wird geplündert", vgl. Gruhl 1975, und „Gobal 2000 Bericht für den Präsidenten" 1980; vgl. Kaiser Hrsg. 1980. Vgl. Dahrendorf 1993, S. 7 ff. Als Beispiel sei die reduzierte organische Schadstofffracht im Rhein und die Rückkehr von verschiedenen Fischarten in denselben als Erfolg des Rheinprogramms erwähnt. Vgl. OECD Hrsg. 1992, S. 69 f.
14
1. Abschnitt
der Ozonschicht durch die Freisetzung von FCKW globale Bedeutung haben und nur über längere Zeiträume reversibel sind, sowie Probleme wie Verkehrskrise und Landschaftsvernichtung, die ihre Ursache in strukturellen Problemen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise haben. Die ökologischen Probleme haben sich mithin trotz der Diskussion in den letzten Jahren zunehmend verschärft und eine globale Dimension erhalten, die die Entwicklungschancen großer Teile der Menschheit wahrscheinlich beeinträchtigen wird4. Aufgrund dieses Problemdrucks ist in allen Teilen der Gesellschaft ein großes Interesse an ökologischen Themen feststellbar, und die Suche nach adäquaten Lösungen gewinnt an Bedeutung. Unternehmen werden als diejenigen gesehen, die die Einwirkungen auf die Ökosphäre direkt beeinflussen, und sie werden von der Gesellschaft an diesen Einwirkungen gemessen. Die ökologischen Probleme erlangen zunehmende Bedeutung für das Verhältnis der Unternehmung zu ihrem Umfeld, da die Legitimität der Unternehmensaktivitäten durch Anspruchsgruppen in Frage gestellt werden kann. Unter dem Eindruck komplexerer Ursachen-Wirkungs-Beziehungen von ökologischen Problemen und in dem Bemühen, effiziente Lösungen zu finden, verlagert die gesellschaftliche Umweltpolitik Verantwortung für das Management von ökologischen Problemen zunehmend auch direkt in die unternehmerische Verantwortung. Dies findet Ausdruck in Instrumenten wie dem „Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung" der Europäischen Gemeinschaften . Aus diesen Gründen wird die systematische Erarbeitung von Informationen über ökologische Probleme und das Einbeziehen dieser Informationen in die betrieblichen Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozesse zu einem Erfolgsfaktor für Unternehmen. Unternehmen agieren bezüglich ökologischer Probleme höchst unterschiedlich6. Einige Unternehmen beziehen aktiv ökologische Probleme in ihr Handeln auf operativer und strategischer Ebene ein , während andere, mit denselben Problemen konfrontierte Unternehmen ökologische Probleme nicht berücksichtigen. Es bestehen Evidenzen dafür, daß die verschiedenen Verhaltenstypen sich auch auf eine unterschiedliche Wahrnehmung ökologischer Probleme in Verbindung mit den Unternehmensaktivitäten zurückführen lassen. Diese unterschiedliche Wahrnehmung ist vermutlich wiederum mit Schwierigkeiten bei der Einbeziehung von um-
4 5
6 7
Vgl. Hauff Hrsg. 1987 Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; vgl. EWG Hrsg. 1993 Vgl. Winsemius/Guntram 1992, S. 17 ff. Als ein Beispiel für aktives Umgehen mit ökologischen Problemen vgl. Winter 1987.
Einleitung
15
weltbezogenen Informationen in die betrieblichen Entscheidungskalküle zu begründen 8 . Die Schwierigkeiten bei der Berücksichtigung ökologischer Probleme in den betrieblichen Entscheidungsprozessen liegen weniger in der allgemeinen Identifikation ökologischer Probleme als in der spezifischen handlungsorientierten Rekonstruktion der Zusammenhänge zwischen Unternehmensaktivitäten und ökologischen Problemen sowie der Entwicklung und Bewertung von und der Entscheidung über ökologisch optimale Handlungsalternativen. Dabei werden Unternehmen mit den Problemen der ökologischen Komplexität und der Vernetzung ökologischer und gesellschaftlicher Ziele konfrontiert: •
•
•
Ökologische Auswirkungen menschlichen Handelns in der Ökosphäre lassen sich aufgrund der hohen Komplexität naturwissenschaftlich nicht eindeutig beschreiben und nur begrenzt vorhersagen. Die Beschreibung von ökologischen Problemen ist nie unabhängig von individuellen und gesellschaftlichen Zielen, so daß jede Bewertung von Handlungsalternativen zur Optimierung von ökologischen Auswirkungen ein gesellschaftliches Entscheidungsproblem darstellt, in dem dialogische Verständigung zwischen der betroffenen Industrie und ihren Anspruchsgruppen notwendig wird. Die Entwicklung von Lösungen und Zielen für kritische ökologische Auswirkungen zwingt Unternehmen, ihre Leistungen aus einer funktionsorientierten Perspektive9 zu hinterfragen, da nur die Orientierung an Funktionen für Anwender und die Gesellschaft die Bewertung von möglichen und notwendigen Verbesserungen transparent macht.
1.2 Problemstellung Ausgehend von der Hypothese, daß die herkömmlichen betrieblichen Systeme für die Bereitstellung von Informationen und für die angemessene Einbeziehung von Informationen über ökologische Probleme nicht geeignet sind 10 , ist die Beschäftigung mit der Konzeption eines betrieblichen Informationssystems sinnvoll, welches die angemessene Abbildung der ökologischen Probleme und ihre Einbeziehung in die betrieblichen Entscheidungsprozesse möglich macht. Die Defizite der betrieblichen Informationssysteme sind sowohl aus der Perspektive der internen Entscheidungsunterstützung als auch aus der Perspektive der Informationsversorgung externer Anspruchsgruppen bereits seit Anfang der achtziger Jahre 8 9 10
Vgl. Seidel/Menn 1988, S. 57 ff. Vgl. Jantsch 1973, S. 33 Vgl. Stahlmann 1994, S. 149, Hallay/Pfriem 1992, S. 21 ff. und Senn 1986, S. 81. Auch aus empirischen Untersuchungen lassen sich ebenfalls Defizite ableiten; vgl. FUUF Hrsg. 1991, S. 343 ff. und 355 ff.
16
1. Abschnitt
thematisiert worden, und es sind eine Reihe von Konzepten für ökologische Informationssysteme entwickelt worden". Jede Auseinandersetzung mit betrieblichen Informationssystemen über ökologische Probleme muß die bereits vorgelegten Konzepte bzw. die durch Gestaltungselemente definierten Informationsprozesse in ihre Überlegungen mit einbeziehen und diese anhand der eigenen Vorstellungen über die angemessenen Einbeziehung ökologischer Probleme in betriebliche Entscheidungsprozesse prüfen und kritisch würdigen. Diese Arbeit über ökologieorientierte Informationsund Steuerungssysteme (ÖISS) setzt sich damit auseinander, wie die Verbindung zwischen ökologischen Problemen und Unternehmensaktivitäten aufzuklären ist und welche Informationen über diese Sachverhalte die Unternehmung haben kann, um darauf die Informationsprozesse einer ÖISS-Konzeption aufzubauen12. Diese Konzeption soll helfen, ökologische Informationen zu sammeln, zu strukturieren und wieder zu verwenden. Die Konzeption eines ÖISS muß die Ziele der Entscheidungsunterstützung aufzeigen, also was die Optimierung ökologischer Auswirkungen durch die Unternehmung bedeutet und wie die Unternehmung mit ihren ökologischen Problemen umgehen muß, um Erfolgspotentiale aufzubauen. Zudem ist sich auseinandersetzen, welche Funktionen ÖISS vor diesem Hintergrund wahrnehmen können und welchen Anforderungen die Konzepte erfüllen sollten, um effektiv zu sein. Darauf aufbauend läßt sich die Effektivität der vorhandenen Konzeptionen und darin enthaltenen Gestaltungselemente sowie eines zu entwickelnden Konzepter prüfen und diskutieren. Im Rahmen dieser Arbeit werden wir schwerpunktmäßig erfolgskritische Gestaltungselemente für ÖISS in Großunternehmen ableiten. Der Grund für diesen Schwerpunkt ist, daß der Nutzen von ÖISS für Unternehmen ab einer bestimmten Größe höher einzuschätzen ist, da entlang dreier wichtiger Dimensionen die Unternehmensgröße die Anforderungen an die ökologische Unternehmensführung beeinflußt. Sie lassen eine nach Unternehmensgröße differenzierte Betrachtung von ÖISS sinnvoll erscheinen: • Öffentliche Exponiertheit: Größere Unternehmen werden in der Gesellschaft eher als kleine und mittlere Unternehmen als Träger besonde11 12
Vgl. Pfriem 1995, S. 306 An den bis heute erarbeiteten Ansätzen zur Einbeziehung ökologischer Informationen in betriebliche Informationsverarbeitungsund Entscheidungsprozesse fallt auf, daß die Autoren die Fragen nach der Rekonstruktion der Zusammenhänge zwischen Unternehmensaktivitäten und ökologischen Problemen sowie die Probleme bei der Entwicklung, Bewertung und Entscheidung über ökologisch optimale Handlungsalternativen oft nur unvollständig in ihre Überlegungen mit einbeziehen und diskutieren.
Einleitung
•
•
17
rer Verantwortung sowohl in sozialen wie auch ökologischen Fragen identifiziert und stehen somit bezüglich ihrer Entscheidungen unter stärkerem Objektivierungs- und Rechtfertigungsdruck 13 . Die subjektiv empfundene Betroffenheit durch ökologische Problemstellungen nimmt mit der Unternehmensgröße zu, wie neuere empirische Untersuchungen zeigen 14 . Komplexität: Aufgrund der zunehmenden Managementkomplexität, repräsentiert zum Beispiel durch Breite des Produktspektrums, Anzahl der Standorte und Zulieferer, müssen ÖISS in größeren Unternehmen mehr und verschiedenartige Informationen handhaben können. Dabei bezieht die für den Erfolg ökologischer Unternehmenspolitik so wichtige Außenwirkung der Unternehmung in der Regel die Gesamtunternehmung mit ein. In größeren Unternehmen wird aufgrund der zu verarbeitenden Informationsmengen der von FREIMANN thematisierte Konflikt zwischen Vollständigkeit und Handhabbarkeit der Informationsinstrumente am augenfälligsten 15 . Intensivere Nutzung von spezialisierten Informationssystemen: Größere Unternehmen sind aufgrund der höheren Komplexität eher gezwungen, aufgaben- und funktionsspezifische ausgerichtete Systeme einzusetzen, als kleinere Unternehmen 6 . Entsprechend kann in größeren Unternehmen eine größere Bereitschaft zur Etablierung von Umweltinformations- und Steuerungssystemen gezeigt werden 17 .
Den Endpunkt dieser Arbeit stellt die konzeptionelle Integration der erfolgskritischen instrumentellen Gestaltungselemente in eine ÖISSGesamtkonzeption dar. Als Ziele für die ÖISS-Konzeption für größere Unternehmen können wir an dieser Stelle der Erörterung formulieren: •
•
•
13 14 15 16 17
Weitestgehende Transparenz über die mit den Unternehmensaktivitäten verbundenen ökologischen Probleme für interne und externe Anspruchsgruppen schaffen; Entwicklung von Informationsprozessen, die die komplexen Informationen über ökologische Probleme so verknüpfen, daß sie eine Grundlage für die angemessenen Bewertung von Handlungsalternativen und für den Dialog mit Anspruchsgruppen darstellen; die Unternehmung frühzeitig eine Veränderung der ökologischen Prioritäten im gesellschaftlichen Umfeld bemerken zu lassen und die ÖISS anpassen zu können; Vgl. Ulrich, P. 1977, und Ulrich, PVFluri 1992, S. 60 Vgl. Günther 1994, S. 67 ff. Vgl. Freimann 1989, S. 296 Vgl. Berger 1968, S. 90 ff. und 107 f. Im niederländischen Modellprogramm zur Einführung von Umweltmanagementsystemen konnte eine deutlich höhere Quote der aktiven Unternehmen in Unternehmen mit über 5 0 0 Mitarbeitern gezeigt werden; vgl. Peat-Marvik KPMG Hrsg. 1993, S. 19.
1. Abschnitt
18
die Informationen bzw. das Wissen über ökologische Probleme systematisch in Führungs- und Problemlösungsprozesse der Unternehmung einbringen, um der Unternehmung einen angemessenen Umgang mit ökologischen Problemen und die Erhaltung und Entwicklung von Erfolgspotentialen zu ermöglichen; eine „Struktur" bereitstellen, in der Wissen und Erfahrungen über ökologische Probleme gesammelt, weiterentwickelt und eingesetzt werden kann.
1.3 Inhaltsübersicht Das Buch gliedert sich in fünf Abschnitte, in denen die in der Problemstellung aufgeworfenen Fragen untersucht und beantwortet werden sollen (siehe Abbildung 1.1). Abbildung 1.1:
Struktur des vorliegenden Buches
STRUKTUR DER ARBEIT ( X ) Einleitung, Problemstellung, und Inhaltsübersicht ( 2 ) Grundlagen • Ökologische Probleme und ökologieorientierte Information • Beeinflussung von Unternehmen durch ökologische Probleme • Umgehen von Unternehmen mit ökologischen Problemen ( ? ) Informations- und Steuerungssysteme zur Berücksichtigung ökologischer Probleme • Schiüsselbegriffe Wissen, Information, Kommunikation • ISS für die Führung und Entwicklung der Unternehmung • Bestehende Konzepte für ökologieorientierte ISS zur Berücksichtigung ökologischer Probleme • Instrumentelle Gestaltungselemente in ökologieorientierten ISS
(^Funktionen von ÖISS und erfolgskrltische Gestaltungselemente • Ökologieorientierte Ziele für Unternehmen • Kommunikation als Basis für ökologische Unternehmenspolitik • Funktionsbereiche und Anforderung für ÖISS in größeren Unternehmen für die kritische Würdigung der Gestaltungslemente • Anwendungsbeispiele für ÖISS • Erfolgskritische Gestaltungselemente Erfolgsfaktoren und Gestaltungselemente einer weiterentwickelten ÖlSS-Konzeption • Möglichkeiten zur Integration der erfoigskritischen Gestaltungselemente • Ökologische Effektivität auf Grundlage ökologieorientierter Szenarien • Ökologische Effizienz durch qualitativ-ordinale Bewertung • Unterstützung der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen • Fazit und Ausblick
Einleitung
19
Der Abschnitt 2 Grundlagen entwickelt den Bezugsrahmen für ÖISS. Ökologische Probleme haben eine hohe Komplexität und lassen sich deshalb aufgrund des prinzipiell unvollständigen Wissens und der zugrunde liegenden praktisch-moralischen Zielabwägung nicht eindeutig beschreiben. Ein ÖISS muß deshalb ökologieorientierte Informationen auf den drei Ebenen, Einwirkungen auf die Ökosphäre, Auswirkungen in der Ökosphäre und Bewertung als ökologisches Problem beinhalten. Es wird gezeigt, daß ökologische Probleme Unternehmen über die gesellschaftlichen Lenkungssysteme Politik, Markt und Moral steuern, da sie das langfristige Überleben und die Legitimität der Unternehmung beeinflussen. Die instabilen und heterogenen gesellschaftlichen Umweltziele und die nicht internalisierten Umweltkosten sind letztlich unvermeidliche Probleme bei der angemessenen Berücksichtigung ökologischer Auswirkungen durch Unternehmen. Deshalb wird eine gewandelte Perspektive der Unternehmung als eigenständiger Akteur der gesellschaftlichen Umweltpolitik herausgearbeitet und die erfolgsstrategische Bedeutung des angemessenen Umgangs von Unternehmen mit ökologischen Problemen aufgezeigt. Es wird die Relevanz der Unternehmung für ökologische Probleme aufgezeigt, welche als teilautonomes System ihr Verhalten wesentlich selbstbestimmt. ÖISS sind erfolgskritisch für den angemessenen Umgang mit ökologischen Problemen und der Ausgestaltung von ökologischer Unternehmenspolitik, da sie dem teilautonomen System Unternehmung die adäquate Rekonstruktion der Zusammenhänge zwischen ökologischen Problemen und Unternehmensaktivitäten ermöglichen. Der Abschnitt 3 Informations- und Steuerungssysteme zur Berücksichtigung ökologischer Probleme enthält die Entwicklung einer angemessenen Begriffsgrundlage für Informationssysteme, die Systematisierung und einheitliche Darstellung der wichtigsten Konzepte für ökologieorientierte ISS und die Analyse der zugrunde liegenden Gestaltungselemente. Unter Rückgriff auf die Systemtheorie werden die Gütekriterien syntaktische Richtigkeit, semantische Fruchtbarkeit und pragmatische Nützlichkeit für Information bzw. Wissen eingeführt. Kommunikation wird als Modell des wechselseitigen Lernen definiert. Die Bedeutung von ISS für betriebliche Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse wird anhand des allgemeinen Problemlösungsprozeß sowie der Nutzung, Veränderung und Fortentwicklung der organisationalen Wissensbasis und des Führungs- und Steuerungsprozeß beschrieben. Aus den vorliegenden ökologieorientierten ISS-Konzepten werden die sechzehn grundlegenden instrumentellen Gestaltungselemente herausgearbeitet, in dem sie anhand von Systematisierungsmerkmalen bezüglich ihrer instrumentellen Ausrichtung und Zielsetzung kategorisiert und zusammengefaßt werden und jede Gruppe exemplarisch anhand der Beschreibungsmerkmale von Informationssystemen untersucht wird.
20
1. Abschnitt
Die sechzehn grundlegenden Gestaltungselemente von ÖISS umfassen Stoff- und Energie- und Substanzbilanzen zur Erfassung der Einwirkungen, sowie stoffmengen-, energiefluß-, schadensfunktions-, stofffluß-, grenzwert- und auswirkungsorientierte sowie multifaktorielle und monetäre Bewertungsverfahren zur Analyse und Bewertung der ökologischen Problembeiträge. Es existieren zwei- und mehrdimensionale Bewertungssysteme als Gestaltungselemente zur vergleichenden Bewertung von Handlungsalternativen sowie Systemaudits und Kennzahlen zur Kontrolle der Umsetzung von Handlungsalternativen. Die ökologieorientierte Umfeldanalyse sowie explorativ-deskriptive Szenarien dienen als Gestaltungselemente zur ganzheitlichen Bewertung der Unternehmens-Umfeld-Beziehung unter ökologischen Aspekten. Im Abschnitts 4 Funktionsbereiche von ÖISS und erfolgskritische Gestaltungselemente werden die Funktionen von ÖISS vor dem Hintergrund der besonderen Anforderungen des erfolgreichen Umgangs mit ökologischen Problemen entwickelt. Dieses Modell zeigt die Effektivitätsanforderungen auf, um die erfolgskritischen Gestaltungselemente herauszuarbeiten. Für den angemessenen Umgang mit ökologischen Problembeiträgen sind positive ökologische Ziele und die Notwendigkeit der Einbeziehung der Betrachtungsebenen Unternehmung, Produktlebenszyklus und Funktion notwendig. Da ökologische Effizienz positive Ziele nicht beschreibt wird ökologische Effektivität als Schlüsselbegriff und ökologische Güte als Maßstab der vergleichenden Bewertung auf Unternehmens-, Produktlebenszyklus- und Funktionsebene erarbeitet. Es wird die normativ-ethische und die erfolgsstrategische Bedeutung von Kommunikationsprozessen mit externen Anspruchsgruppen für die Legitimierung der Unternehmensaktivitäten und das Verständnis 4ber die Wahrnehmung von ökologischen Sachverhalten durch Anspruchsgruppen dargelegt. Ausgehend von der Einordnung von ISS in betriebliche Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse und den Anforderungen des Umgehen mit ökologischen Problemen werden vier Funktionsbereiche für ÖISS differenziert und Effektivitätsanforderungen entwickelt. Die Funktionsbereiche umfassen: •
•
,Management ökologieorientierter Informationen" stellt dar, auf welche Ebenen ökologieorientierter Informationen die ÖISS prinzipiell zurückgreifen müssen, um die Informationen vollständig und in der notwendigen semantischer Fruchtbarkeit nutzen zu können. „Unterstützung ökologieorientierter Entscheidungen" behandelt die Bedingungen für die notwendige komplexitätsreduzierte Darstellung der Wirklichkeit zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen, die in bezug auf die Ökosphäre und Ökosysteme richtungssicher sind und die Transparenz der lang- und kurzfristigen Chancen und Risiken erhöhen messen.
Einleitung
21
•
„Ökologieorientierte Information des Managements" betont die Notwendigkeit, ökologieorientierte Informationen den strategischen und operativen Problemlösungsprozessen in pragmatisch nützlicher Form zur Verfügung zu stellen. Das Wissen und das Know-how bezüglich ökologischer Problembeiträge muß in die Organisation übertragen werden, um die ökologieorientierten Ziele zu operationalisieren. ÖISS sollen die Weiterentwicklung der Wirklichkeitskonstruktion und der organisatorischen Wissensbasis der Unternehmung parallel zur Entwicklung der Unternehmensumwelt katalysieren. • „Ökologieorientierte Informationen in der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen" definiert die Funktionen der ÖISS für Kommunikationsprozesse aus der erfolgsstrategischen Bedeutung für die Unternehmung heraus. Die Unternehmung muß die ökologieorientierten Informationen aussagefähig machen, indem sie kontinuierlich und transparent über Problembeiträge berichtet. Die Informationen zur Bewertung müssen zudem akzeptierbar sein, indem die Bewertungen von ökologischen Problemen durch Anspruchsgruppen sichtbar übernommen werden. In zwei Anwendungsbeispielen Polaroid und Shell-Gruppe werden die Einsatzmöglichkeiten und -grenzen von Stoffbilanzen, multifaktorieller Bewertungssysteme, Kennzahlen und explorativ-deskriptiven Szenarien aufgezeigt. Neben der Effektivität wird die Effizienz der Gestaltungselemente betrachtet und verglichen. Dabei zeigen sich flexible und modulare Gestaltungselemente den inflexiblen quantitativen Gestaltungselementen bei gleichen Anforderungen als überlegen. Hauptergebnis der theoretische Betrachtungen und der Anwendungsbeispiele ist die Feststellung, daß einfache quantitaivreduktive Bewertungssysteme wie von einigen Autoren propagiert, den angemessenen Umgang von Unternehmen mit ökologischen Problemen nicht ermöglichen können, da die Unschärfe, Kontext- und Werteabhängigkeit von ökologieorientierten Informationen in diesen Konzepten ignoriert wird. Für die angemessenen Abbildung und Integration in die betrieblichen Entscheidungskalküle von Großunternehmen ist vielmehr eine Kombination der Gestaltungselemente Stoff- und Energiebilanz, mit qualitativ-ordinaler Bewertung auf multifaktorieller Basis und mit Kennzahlensystemen, sowie evt. mit Systemaudits und mit explorativ-deskriptiven Szenarien notwendig. Im Abschnitts 5 Erfolgsfaktoren und Gestaltungselemente einer weiterentwickelten ÖISS-Konzeption wird abschließend eine ÖISSKonzeption für größere Unternehmen, unter Weiterentwicklung des Gestaltungselements explorativ-deskriptive Szenarien entwickelt, die die erfolgskritischen Gestaltungselemente integriert. Grundlage des Konzeptes ist das Prinzip der niedrig integrierten Elemente, die bewußt Freiräume und gegensätzlichen Aussagen zulassen,
22
1. Abschnitt
um Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeit der ÖISS zu sichern. Das ÖISS-Konzept zeigt, daß es möglich ist explorativ-deskripitive und antizipativ-normative Szenarien sowie Kennzahlensysteme zur Optimierung der ökologischen Güte der Unternehmensleistung mit Stoffund Energiebilanzen sowie einem qualitativ-ordinalem Bewertungssystem zur Optimierung der ökologischen Güte der Unternehmensaktivitäten für Großunternehmen zu kombinieren. Aufbauens auf die explorativ-deskriptiven Szenarien der Shell-Gruppe wird die Möglichkeit entwickelt, Aussagen über ökologische Effektivität aus Szenarien, die das System, „Unternehmung-Leistung-Umfeld" beschreiben, abzuleiten. Diese Zukunftsbilder können in antizipativnormativen Szenarien dazu dienen, operationalisierbare Ziele zu gewinnen, die sich in Kennzahlensysteme oder in quantitativ-reduktive Bewertungssysteme übersetzen lassen. Mit Hilfe der Stoff- und Energiebilanzen und eines qualitativ-ordinalen Bewertungssystems sind dezentral situativ angepaßt alle ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten fortlaufend zu untersuchen, zu kontrollieren und hinsichtlich ökologischer Problembeiträge zu bewerten. In größeren Unternehmen ist durch die Vorgabe von Kategorien und Handlungsempfehlungen die Möglichkeit gegeben die situativ beeinflußte Bewertung einzelner Einheiten zu koordinieren und die Erfahrungen wiederum für die Unternehmung nutzbar zu machen.
2. Abschnitt
Grundlagen der Arbeit Der Abschnitt zwei gliedert sich in drei Kapitel. Im ersten Kapitel wird ein angemessener Begriff von ökologischen Problemen beschrieben. Im zweiten Kapitel wird die Notwendigkeit des selbständigen Umgehens von Unternehmen mit ökologischen Problemen aufgrund ihrer Beeinflussung als Nutznießer der Ökosphäre und als gesellschaftliche Institution durch ökologische Probleme untersucht. Im abschließenden dritten Kapitel die unterschiedliche Einbeziehung der ökologischen Probleme in das Entscheidungskalkül der Managementebenen und die Handlungsfreiräume von Unternehmen beim Umgang mit ökologischen Problemen aufgezeigt.
2.1 Ökologische Probleme 2.1.1 Definition und Abgrenzung des Begriffs „ökologisches Problem" Die Ökologie als Wissenschaft beinhaltet zwei Grundrichtungen, Ökologie als beschreibende Wissenschaft mit dem Ziel der ganzheitlichen (holistischen) Erfassung der Beziehungen von Lebewesen untereinander und Ökologie als experimentelle (atomistische) Wissenschaft mit dem Ziel, allgemeingültige Modelle der Wechselwirkungen in Ökosystemen zu schaffen. Die deskriptive Ökologie der ganzheitlichen Beschreibung der Elemente und Beziehungen in der Umwelt eines Lebewesens in ihrer Spezifität und Individualität wird als die historisch ältere Richtung der ökologischen Wissenschaft angesehen, der allerdings in der Beschreibung und Systematisierang des Phänomens Leben Bedeutung zukommt18. Der Begriff Ökologie19 wurde in der heutigen Bedeutung, als die Wissenschaft von der Beziehung der Organismen zur ihrer Außenwelt, von
18 19
Vgl. Trepl 1987, S. 55 ff. Wir werden in dieser Arbeit die Begriffe Ökologie und Umwelt synonym gebrauchen, ohne uns damit bereits auf eine bestimmte Sichtweise der ökologischen Problems festzulegen. Der Begriff Umwelt bezieht sich auf die Gesamtheit der räumlichen und biologischen Umweltfaktoren. Die Definition ist damit gegenüber dem Umweltbegriff in der systemorientierten Managementliteratur, die in den Begriff Umwelt der Unternehmung auch das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem einbezieht, eingeschränkt; vgl. Vahlens großes Wirtschaftslexikon 1987, S.1873. und Sauter-Sachs 1992, S. 193 Wir
24
2. Abschnitt
dem Biologen ERNST HAECKEL eingeführt 20 . Systeme biotischer und abiotischer Elemente, die miteinander in Beziehung stehen, werden als Ökosysteme bezeichnet 21 ; die Gesamtheit aller Ökosysteme der Erde bezeichnet man als Ökosphäre 22 . Ökosysteme werden anhand der Eigenschaft definiert, alle für Selbstorganisation und Selbstregulation notwendigen Elemente zu enthalten 23 . Die Entwicklung des Ökosystembegriffs repräsentiert einen wesentlichen Schritt für den quantitativen, experimentellen, physikalisch beeinflußten Ansatz der Ökologie. Innerhalb der Ökosystemforschung können die Arbeitsgebiete der Produktxonsökologie, welches sich mit der Produktivität von Ökosystemen, und das der Strukturökologie, welches sich mit den Elementen in Ökosystemen ihrer Stabilität und Entwicklung beschäftigt, unterschieden werden. Die menschlichen Aktivitäten sind in die Ökosphäre primär aufgrund ihres Durchsatzes an Energie und Materialien eingebunden, wobei die Ökosphäre bzw. verschiedene Ökosysteme sowohl als Quelle als auch als Senken dienen (siehe Abbildung 2. 1).
20 21 22 23
werden in dieser Arbeit im systemorientierten Kontext vom „Umfeld" statt der „Umwelt" der Unternehmung sprechen. Vgl. Haeckel 1942, S. 286 Zur historischen Entstehung des Begriffes vgl. Tansley 1935, S. 284 ff. ins. S. 305 und Trepl 1987, S. 180 ff. insb. S. 186. und S. 194 ff. Vgl. Odum 1991, S. 50 und Haber 1993, S. 99 Vgl. Trepl 1987, S. 195 In dieser Arbeit können wir nur die wichtigsten Begrifflichkeiten der Systemtheorie anreißen; vgl. Kleinhans 1989, S. 28 ff. und Ulrich, H. 1970 S. 100 ff.. Ein System s besteht aus einer Menge Elemente e und einer Menge Relationen r; s=(e,r). Die Systemtheorie konzentriert sich auf die Beschreibung der statischen Struktur und des dynamischen Verhaltens von Systemen. Systeme können außerdem hinsichtlich ihrer Funktion und der modellhaften Abbildung beschrieben werden. Systeme stehen generell in hierarchischer Beziehung, d.h. jedes System enthält Subsysteme bzw. ist in Supersysteme eingebunden. Systeme lassen sich klassifizieren hinsichtlich des Vorliegens hierarchischer Strukturen, ihrer Komplexität, inwieweit sie zur Umwelt offen oder geschlossen sind und ob sie reale oder abstrakte Systeme repräsentieren. Reale Systeme werden unterschieden in biologische oder natürliche sowie in technische und soziokulturelle Systeme. Reale Systeme lassen sich danach unterscheiden, wie sie sich über Zeit verhalten, ob sie sich dynamisch verändern oder statisch bleiben. Systeme, die über Rückkopplungsmechanismen verfügen, werden als kybernetische Systeme bezeichnet. Kybernetische Systeme streben einem Sollwert zu und befinden sich dann im Gleichgewicht.
Grundlagen
Abbildung 2.1:
25
Einbindung menschlichen Wirtschaftens in die Ökosphäre
Deshalb können wir das ökologische Problem aus Perspektive der quantitativ experimentell geprägten Ökologie definieren als die Beeinträchtigung und Zerstörung der Kreisläufe in der Ökosphäre und den Ökosystemen durch die Übernutzung von Ressourcen und die Überlastung von Senken24. Diese Beeinträchtigungen betreffen nicht nur die Produktivität der Ökosysteme, sondern verändern beispielsweise durch übermäßige Flächennutzung auch die Struktur und damit Stabilität und Entwicklung von ökologischen Systemen. Überlastung von Senken bezeichnet auch die wissenschaftliche Beschreibung der Vergiftung von Ökosystemen und Lebewesen durch die Menge und Art von freigesetzten Substanzen. Die Bedeutung dieser ökologischen Probleme wird unmittelbar deutlich, da das Leben und Überleben von Menschen bedroht ist. Einflüsse menschlicher Aktivitäten verändern die Beziehungen zwischen Lebewesen und Umwelt, nicht zuletzt zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Der Begriff ökologisches Problem ist hier schwerer zu fassen, insbesondere da die uns umgebenden Ökosysteme bereits die Folge menschlicher Aktivitäten sind (Kulturlandschaften), oder durch diese erheblich beeinflußt sind. Wichtigster Ausdruck dieses Einflusses ist die Veränderung der Artenvielfalt und das Verschwinden von Tier- und Pflan24
Vgl. Meadows et al. 1992, S. 28 f.
26
2. Abschnitt
zenarten. Die Bedeutung des Verlustes von Arten für die Ökosystemstabilität ist wissenschaftlich nur schwer zu fassen, da die Bedeutung der einzelnen Art sehr unterschiedlich zu bewerten ist25. Die Definition wird zusätzlich erschwert dadurch, daß die Beziehungen der Lebewesen in Ökosystemen einem permanenten Entwicklungsprozeß unterliegen, der Arten zunehmen, abnehmen und verschwinden läßt. Wissenschaftlich ist am ehesten die Verarmung der Beziehungen und des Pools genetischer Information durch das regionale oder weltweite Aussterben von Arten als ökologisches Problem zu definieren26. Eine systematische Inventur der ökologischen Problemfelder in einem Industriestaat kann 14 problematische Effekte aufgrund von Erschöpfung von Ressourcen, von Verschmutzung und von Beschädigung und Zerstörung beschreiben (siehe Abbildung 2. 2). Abbildung 2.2:
Beispiel für die Kategorisierung von ökologischen Problemfeldern
BEISPIEL FÜR D I E K A T E G O R I S I E R U N G V O N Ö K O L O G I S C H E N PROBLEMFELDERN
Depletion
Pollution
• Verbrauchen der abiotischen Ressourcen • Verbrauchen der biotischen Ressourcen
• Verstärkung des •Zerstörung von Treibhauseffekts Ökosystemen und • Zerstörung der Ozonschicht Landstetten • Humantoidzität • Menschliche Opfer • Ökotoxizftät • Photochemischer Smog • Vereauerung • Eutrophierung • Wärmefreisetzung •Gestank • Lärm
Quelle: Heijungs et al. 1992, S. 42
25 26
Vgl. Schuh 1995, S. 52 Vgl. Odum 1991, S. 174 ff.
Damage
Grundlagen
27
2.1.2 Gesellschaftliche Wahrnehmung ökologischer Probleme Wie bereits in der Einleitung erwähnt, haben sich die aus Übernutzung und Überlastung der Ökosysteme ergebenden gesellschaftlich wahrnehmbaren ökologischen Probleme in den letzten fünfundzwanzig Jahren entlang verschiedener Dimensionen verändert (siehe Abbildung 2. 3). Die geographische Ausdehnung und Globalisierung der ökologischen Probleme nimmt zu27. Gleichzeitig treten die Probleme gleichzeitig in mehreren Umweltmedien wie beispielsweise bei der parallelen Versauerung von Böden und Seen auf. Die Kausalketten, die die auftretenden Probleme mit den menschlichen Einwirkungen verbinden, werden komplexer und schwieriger zu analysieren. Dadurch nehmen der Aufwand und die technische Herausforderung, die auftretenden Probleme mit reparierenden Maßnahmen rückgängig zu machen, so stark zu, daß wir von einer zunehmenden Irreversibilität der auftretenden Schäden und Veränderungen sprechen müssen. Abbildung 2.3:
Veränderung der ökologischen
Probleme
VERÄNDERUNG DER ÖKOLOGISCHEN PROBLEME Dimension
Veränderung
Beispiele
Geographische Ausdehnwg
Lokal - regional - global
von regionaler Qout itifchtigung der LuftquaKät (Ruhrgebiet) zu globalen Problemen duch "Trefchausgase" und Ozonabbau
Mediale Ausdehnung
Monomedal · mltimedel
von Wasservsrachmitzung durch Fäkaterbelastung zu Versauerurg von Böden und Gewässern
Kausalketten
Einstufig • mehrstufigtoiTpiex von Quecksibervergiftung zu Waldsterben
Reversibilität durch reparierendafaachsorgende Maßnahmen
Reversfcel - (schwer) irreversfcel
Quete:
von Eutrcphlenjng von FUsserVSeen zur Eutrcphlerung von Meeren
Eigene Darstellung nach VWnseirius/Guntram 1992, Trepl 1988, Haber 1993 S. 95 ff. üna Hauff Hrsg. 1SB7
Nur ein Teil der ökologischen Probleme ist sichtbar, da Probleme teilweise erst mit Zeitverzögerung wahrnehmbar werden, weil Ökosysteme über eine Pufferkapazität, als loose-Coupling bezeichnet, verfügen, die die überhöhten Einwirkungen teilweise bis zum Systemzusammenbruch 27
Vgl. Brenken 1988, S. 32 und Odum 1991, S. 272 ff.
28
2. Abschnitt
maskieren 28 . Die Nutzung des Attributs vom „Schadstoff der Woche" 29 macht deutlich, daß die wahrgenommenen ökologischen Probleme keine statische Größe sind, sondern sich beständig verändern. So werden beispielsweise die schädlichen Wirkungen des „Elektro-Smogs" durch elektromagnetische Wellen aus Emissionsquellen wie Mobiltelephonen oder Zusammenhänge zwischen reduzierter männlicher Fertilität und östrogenartigen Wirkungen von Weichmachern in Plastikverpackungen als mögliche Umweltprobleme diskutiert, ohne daß sie bereits Objekte der gesellschaftlichen Umweltpolitik sind30. Die naturwissenschaftliche Faktenlage, Beweissicherung und Theoriebildung zu ökologischen Problemen ist bezüglich Kausalketten und Auswirkungen als ungenügend und demgemäß alle darauf basierenden Modelle bisher als unsicher einzustufen"1. Die Beschreibung der Ursachen und Folgen von ökologischen Problemen durch naturwissenschaftliche Modelle ist nicht oder nur mit Unsicherheiten behaftet möglich, da das Verständnis der Elemente und Interaktionen in den Ökosystemen aufgrund ihrer Komplexität und verschiedenen Ebenen noch unvollständig ist und deshalb nur ungenaue Aussagen oder Abschätzungen über Ursache-Wirkungs-Beziehungen bezüglich Einwirkungen auf die Ökosphäre möglich sind. Die Entwicklung der Ökologie zur paradigmatisierten theoretischen Wissenschaft stößt an die Grenzen der Systemkomplexität und der experimentellen Herstellbarkeit. Wie TREPL ausführt, kann Ökologie als nomothetische Wissenschaft von „how the world works" die beschreibende historische Wissenschaft der traditionellen Ökologie nicht ablösen 32 . Dies gilt umso mehr, als die vielen verschiedenen parallelen Einwirkungen menschlichen Handelns auf die Ökosysteme in ihren Auswirkungen sowohl synergistisch als auch antagonistisch wirken können. Deshalb ist die Entwicklung von „Mensch-Umwelt-Systemen" aufgrund der komplexen Wechselwirkungen, der Fähigkeit zur Selbstorganisation und der chaotischen Eigenschaften nur begrenzt vorherzusagen und schwer zu beeinflussen 33 . Es ist ein grundsätzliches Problem allen ökologischen Handelns, daß Mensch-Umwelt-Systemen (Unternehmens-Umwelt-Systemen) ein hohes Maß an Selbststeuerung zugrundeliegt, welches Planungen entgegensteht und die Folgen von Lenkungseingriffen schwierig zu prognostizieren macht. Die wissenschaftlichen Erklärungsmodelle für ökologische Systeme sind zu komplex, enthalten zu viele Bedingungen, als daß sie eine
28
Wie SCHMIDT-BLEEK am Beispiel der Versauerung des großen Elchsees
29 30 31 32 33
demonstriert; vgl. Schmidt-Bleek 1993, S.44 Vgl. Schmidt-Bleek 1994, S. 62 Vgl. Müller 1995, S. 151 f. Vgl. Sauer 1994, S. 54 ff. und Lühr 1987, S. 31 ff. Vgl. Trepl 1987, S. 205 ff. Vgl. Haber 1993, S. 105
Grundlagen
29
sichere Grundlage politischen Handelns sein könnten34. Diese Schwierigkeiten der Umsetzung und die gleichzeitige Popularität von Ökologie als Wissenschaft führt zu einer großen Bedeutung vereinfachter populärwissenschaftlicher Konzepte in der politischen Diskussion35. Zudem stellt sich die Frage, aus welcher Perspektive beispielsweise die Überlastung von Senken als ökologisches Problem definiert werden kann. Dabei wird deutlich, daß ökologische Probleme als solche definiert werden, wenn sie mit Zielen des Beschreibenden kollidieren bzw. ihre Erfüllung beeinträchtigen. Solche Ziele sind beispielsweise: menschliche Gesundheit, Produktivität der Ökosysteme, Erhaltung der Ressourcen, biologische Diversität und ästhetische Werte 36 . Die Beschreibung ökologischer Probleme wird zu einer Frage des Umgehens mit der Natur, letztlich des Verständnisses der Rolle des Menschen in ihr. Sozialökologie setzt hier an, da sie den gesellschaftlichen Charakter der Naturaneigung und die Bedeutung des individuellen und gesellschaftlichen Naturverständnisses für die ökologische Probleme und ihre Lösung betont37. Die Wahrnehmung und Beschreibung von ökologischen Problemen hat also aus zwei Gründen neben der naturwissenschaftlichen eine individuelle, gesellschaftliche und politische Perspektive. 1.) Das unvollständige Wissen3H über ökologische Zusammenhänge öffnet die Beschreibung von Einwirkungen und Auswirkungen in Ökosystemen als ökologisches Problem der Interpretation und der subjektiven Deutung. 2.) Welche Veränderungen in den Ökosystemen aufgrund menschlicher Nutzung als Problem bewertet werden, bzw. welche Auswirkungen als akzeptabel in Abwägung mit anderen Zielen verstanden werden, ist, unabhängig von wissenschaftlichen Beschreibungen der Auswirkungen, eine Frage des praktisch-moralischen Diskurses39. Die Einschätzung und Abwägung ökologischen Handelns ist in einer wertepluralistischen Gesellschaft nicht eindeutig und Objekt des Diskurses und der politischen Konsensfindung 40 .
34 35 36 37 38 39 40
Vgl. De Greef 1993, S. 8 Auf die Möglichkeiten und Grenzen der Erklärung und Vorhersage ökologischer Probleme mittels naturwissenschaftlicher Modelle wird noch einzugehen sein. Siehe dazu Kapitel 4.4.2.1. Vgl. Trepl 1987, S. 251 ff. und Haber 1993, S. 97 Vgl. Steen 1994, S. 130 Vgl. Pfriem 1995, S. 56 Zum Wissensbegriff siehe auch Kapitel 3.1.1 Vgl. Pfriem 1986a, S. 253, Pfriem 1995, S. 44 ff., Trepl 1987 S. 15 f. und Winsemius/Hahn 1992, S. 256 ff. Als praktische Demonstration dieses Sachverhaltes bietet sich die Kontroverse zwischen Befürwortern der Windräder als C02-emissionsfreier Energieerzeugung und Vogelschützern, die um Brutgebiete fürchten, an.
30
2. Abschnitt
Die gesellschaftliche Wahrnehmung ökologischer Probleme kann sich auf verschiedenen Ebenen verändern (siehe Abbildung 2. 4)41. Es werden neue Beobachtungen über Auswirkungen menschlichen Handelns in realen oder experimentellen Ökosystemen gemacht. Diese neue oder vorhandene Beobachtungen werden in neue oder vorhandene „Theorien" oder Erklärungsmodelle integriert, und damit werden neue Aussagen bezüglich ökologischer Probleme und langfristiger Konsequenzen möglich42. Umgekehrt erlauben neue Hypothesen im Sinne deduktiven Vorgehens auch neue experimentelle Beobachtungen. Es findet eine gesellschaftliche Neubewertung der wahrgenommenen ökologischen Probleme statt, indem sich durch neue Erkenntnisse Problembewußtsein und Prioritäten verändern. Die Ziele der Gesellschaft oder einzelnen Gruppen verändern sich ebenfalls und beeinflussen so die wahrgenommenen Probleme. Abbildung 2.4:
Ebenen der gesellschaftlichen ökologischer Probleme
Wahrnehmung
EBENEN DER GESELLSCHAFTUCHEN WAHRNEHMUNG ÖKOLOGISCHER PROBLEME Phänomene • Ableitung von Erwartungen • "Wissenschaftliche" Beobachtungsmöglichkeiten
• Erklärungsbedarf 1 Verifizierung / Falsifizierung von Theorien deduktiv
Verstärkter Such- und Analyseaufwand aufgrund gesellschaftlicher Interessen Beeinflussung durch Fördermittel/wirtschaftliche Verwertbarkeit Vorgaben der Ziele
indukt
Neue wissenschaftliche Theorien / Erklärungsmodelle
Gesellschaftliche Neubewertung und Zielbildung
' Bedrohliche / entwarnende Beobachtungen
W
1
Modellvorhersagen über negative Entwicklungen Konfliktäre Erklärungen
Gesellschaftlich wahrgenommene ökologische Probleme Quelle: Bgene Dareteilung
Die gesellschaftliche Beschäftigung mit wahrgenommenen ökologischen Problemen findet nicht in allen Gruppen der Gesellschaft gleichzeitig statt, sondern ist zuerst auf wenige Innovatoren beschränkt und diffundiert dann 41
42
SAUER definiert ein vergleichbares Ebenenmodell der Wahrnehmung ökologischer Probleme, welches allerdings keinen Einfluß gesellschaftlicher Normen berücksichtigt und einseitig induktiven Erkenntnisfortschritt zugrundelegt; vgl. Sauer 1993, S. 61 Vgl. De Greef 1993, S. 6 f. und Casti 1992, S. 32
Grundlagen
31
in die Gesellschaft und den öffentlichen Diskurs43. Dieses auch als Lebenszyklus bezeichnete Phänomen läßt sich prinzipiell bei allen neuen gesellschaftlichen Anliegen beobachten, indem die Anzahl, der Typ der Publikationen oder die Träger der Ideen beobachtet werden, weshalb es auch als allgemeines Konzept für Frühwarnsysteme für Unternehmen postuliert wird44. Die Wahrnehmung ökologischer Probleme läßt sich ebenfalls anhand der Diffusionskurve beschreiben (siehe Abbildung 2. 5)45. Nach einem auf Umweltpolitik ausgerichteten Modell des Lebenszyklus läßt er sich in vier Phasen gliedern: eine oftmals langandauernde Erkennungsphase mit geringer gesellschaftlicher Beachtung, eine zweite Phase, in der über die effektivste Lösungsmöglichkeit gestritten wird mit sehr hohem Aufmerksamkeitsniveau, eine dritte Phase, in der die erstrittenen Lösungen umgesetzt werden mit abnehmenden Aufmerksamkeitsniveau, und eine Phase, in der das Problem unter Kontrolle ist und das Aufmerksamkeitsniveau auf den ursprünglichen Wert fallt. Nach diesem Modell können Elektro-Smog und die Wechselbeziehung von Fertilitätsverlust und Weichmacher als in der Erkennungsphase befindliche ökologische Probleme verstanden werden.
43 44 45
Vgl. Krampe/Müller 1981, S. 391 ff. Vgl. Liebl 1994, S. 359 ff. DYLLICK gibt eine Darstellung der Grundlagen des Lebenszykluskonzepts und der wesentlichen Varianten des Konzeptes; vgl. Dyllick 1989, S. 231 ff. insb. S. 240 und Winsemius/Guntram 1992, S. 14. STEGER weist anhand der Anzahl Artikel pro Zeiteinheit den Zyklus auch empirisch nach; vgl. Steger 1993, S. 249 ff.
32
2. Abschnitt
Abbildung 2.5:
„Policy Life Cycle" - Lebenszykluskonzept gesellschaftlicher Anliegen
"POLICY LIFE CYCLE" - LEBENSZYKLUSKONZEPT GESELLSCHAFTLICHER ANLIEGEN
Quelle: WlnsemiusOuntram 1992. S. 14
2.1.3 Der Zusammenhang zwischen Unternehmensaktivitäten und ökologischen Problemen Die Beschreibung des Zusammenhangs zwischen Unternehmensaktivitäten und ökologischen Problemen muß bei den Aktivitäten der Unternehmung und ihren Interaktionen mit Ökosystemen beginnen. Zur Beschreibung dieser physikalisch-chemischen Interaktionen zwischen Unternehmen und Ökosphäre ist es am einfachsten, den betrachteten Wirtschaftsprozeß als „Black-Box"-Modell*6 zu verstehen und die Einwirkungen auf die Ökosphäre in Form der In- und Outputs der Unternehmensaktivitäten in Form von Stoffen und Energien als die wichtigsten Einwirkungen zu charakterisieren (siehe Abbildung 2.6).
46
Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 58
Grundlagen Abbildung 2.6:
33
Wichtige Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten
WICHTIGE EINWIRKUNGEN DER UNTERN EHMENSAKTIVITÄTEN Input
Output
•
Bodenschätze Energie (nicht stoffgebunden)
Land
Quelle:
» Stoffe in Gewässer
—
» Stoffe Im Boden (dispers.)
•
Pflanzen/Tiere
Wasser
• Stoffe in der Luft
Betrachteter Prozess
• Abfalldeponien * Abwärme
—
•Schall
•
•Strahlungen
Braunschweig/MQIIer-Wenk 1993, S. 32
Zur Beschreibung der Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Ökosphäre müssen als weitere Betrachtungsweise indirekte oder sekundäre Einwirkungen, also neben den Einwirkungen aus direkten Unternehmensaktivitäten wie Produktion, Transport und anderen auch die sekundären Einwirkungen aus Vorstufen, Distribution, Produktnutzung und Entsorgung bzw. Recycling als weitere Stufen des ökologischen Produktlebenszyklus (PLZ) betrachtet werden, dessen Umwelteinwirkungen durch die Unternehmung mitbestimmt werden (siehe Abbildung 2. 7)47.
47
Vgl. Schmidt-Bleek 1993, S. 81, UBA Hrsg. 1992, S. 16 f. und Bojkow 1992, S. 4. Der Begriff ökologischer Produktlebenszyklus meint hier die verschiedenen Stadien im Sinne von Rohstofförderung, Vorproduktionen, Produktion, Nutzung, Transport, Recycling und Entsorgung eines gegebenen Produkts in Abhängigkeit von der Zeit.
34
2. Abschnitt
Abbildung 2.7:
Ökologischer Produktlebenszyklus
ÖKOLOGISCHER PRODUKTLEBENSZYKLUS
Quelle: Bgene Daistetirig
Der Produktlebenszyklus repräsentiert dabei nicht eine einfache lineare Entwicklung, sondern aus der Unternehmensperspektive gesehen ein weitverzweigtes Netz von Vorprodukten, die in die Produktion gehen, und Produkte, die über verschiedene Distributionskanäle verteilt und unterschiedlicher Nutzung und Entsorgung zugeführt werden. Betrachten wir alle eingesetzten Komponenten wieder als Produkte mit einem Lebenszyklus, so wird deutlich, daß wir hier von einem Netzwerk sprechen können, in dem die der Unternehmung theoretisch zurechenbaren Einwirkungen nur einen zu definierenden Teil ausmachen48. Neben den Einwirkungen aus dem Normalbetrieb, das heißt im geplanten Verlauf eines Produktlebenszyklus, müssen die Einwirkungen aus ungeplanten Unfällen, Katastrophen und Störfallen berücksichtigt werden Bei einigen Unternehmen treten die Einwirkungen auf die Ökosphäre aus dem Normalbetrieb hinter den möglichen Einwirkungen aus dem Störfall zurück49.
48 49
Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 84 f. und Bojkow 1992, S. 6 So sind die Küsten und Küstenmeere entlang aller Schiffsrouten für Öltanker mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit von für das Ökosystem kurz- und mittelfristig katastrophalen Tankerhavarien betroffen.
Grundlagen
35
Drei Ebenen von ökologieorientierter Informationen50 müssen zur Beschreibung des Zusammenhangs von Unternehmensaktivitäten und ökologischen Problemen herangezogen werden51: 1) Direkte Einwirkung auf die Ökosphäre - physikalisch-chemische Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Ökosphäre; kann als direkte und indirekte Folgen dieser Aktivitäten beschrieben werden: genutzte Rohstoffe, freiwerdende Substanzen und Emissionen, abgegebener Schall, Einwirkungen während der Produktverwendung, Abfälle, Risikogebiete (Gebiete, die bei Störfallen Einwirkungen ausgesetzt sind), Flächenverbrauch und andere Effekte. Die Informationen über Menge, Volumen und zeitliche Ausdehnung von Einwirkungen stellen keine eigentliche Aussage über die Beeinflussung der betroffenen Ökosysteme und ihrer Elemente dar, bilden aber die Grundlage für jede Aussage über Auswirkungen52. 2) Auswirkungen in der Ökosphäre - durch die Einwirkungen verursachte Veränderungen in der Ökosphäre oder einem Ökosystem. Diese sind noch nicht als negativ oder positiv zu bewerten; Aufforstung von Wäldern und andere positive oder neutrale Auswirkungen müssen auch darunter verstanden werden. Bei Aussagen über Auswirkungen handelt es sich um auf naturwissenschaftliche Modelle gestützte Aussagen. Es lassen sich Auswirkungen erster Ordnung, also direkte Auswirkungen der Einwirkungen, und höherer Ordnung, also indirekte Folgewirkungen im Ökosystem, unterscheiden53. Informationen über Auswirkungen beziehen sich auf ein bestimmtes Ökosystem, d.h. daß jeder beliebigen Einwirkung der Unternehmung im Prinzip das betroffene Ökosystem gegenübergestellt werden muß. Auswirkungen durch Einwirkungen sind nicht räum- und zeitlos, sondern die Auswirkungen sind davon abhängig, welches Ökosystem wann und wie beeinflußt wird. Ökosysteme stehen in hierarchischer Beziehung, d.h. als betroffene Ökosysteme lassen sich die Biogeozönosen am Standort54, bis hin zu globalen Ökosystemen und der Ökosphäre verstehen, bei denen das
50 51 52
53 54
Mit ökologieorientierter Information bezeichnen wir im folgenden alle Informationen über den Zusammenhang von menschlichen Aktivitäten und ökologischen Problemen. Eine ähnliche Differenzierung nehmen SCHALTEGGER/STURM vor; vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 48 ff. Vgl. Guinee 1994, S. 105 HOFSTETTER unterscheidet physikalische und chemische Einwirkungen auf die drei Umweltmedien Atmosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre durch Nutzung und Freisetzung von Stoffen und physikalischen Kräften sowie die Freisetzung von elektromagnetischer Strahlung und Störsowie Unfälle als Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten; vgl. Hofstetter 1994, S. 30 Vgl. Guinee 1994, S. 106 Vgl. Odum 1991, S. 38 f. Biogezönose bezeichnet eine Lebensgemeinschaft bestehend aus verschiedenen Lebewesen an einem Standort.
36
2. Abschnitt
jeweils kleinere Ökosystem Bestandteil des hierarchisch übergeordneten ist. HABER zeigt am Beispiel von Waldschäden die Verknüpfungen auf, die zwischen den Ebenen gegeben sind und die in ihrer Gesamtheit beschrieben werden müssen, um ein wissenschaftliches Modell der Auswirkungen von Luftschadstoffen zu erhalten55. Hier zeigt sich, daß eine Beschreibung der Auswirkungen bestimmter Einwirkungen nur durch ein simplifizierendes Modell mit Prämissen und Vereinfachungen möglich ist. Die Auswirkungen müssen prinzipiell einem bestimmten Ökosystem zugeschrieben und die Einwirkungen aufgrund der Stärke der Effekte, der Ausbreitung der Einwirkungen und der Art der Auswirkungen auf eine lokale bis globale Ebenen zugeordnet werden. Folgerichtig unterscheidet das niederländische Umweltprogramm bei der Problem- und Zielbeschreibung56: • die globale Ebene für Auswirkungen wie Klimaveränderungen oder Ozonabbau, • die kontinentale Ebene, für die die Veränderung der großen terrestrischen Ökosysteme, der Verlust an biologischer Vielfalt und die Verschmutzung der Meere als Auswirkungen beschrieben werden, • die großen Frischwasserkörper als eigene Ebene, auf deren Ebene beispielsweise die Anreicherung von nichtabbaubaren Stoffen und die Eutrophierung als Auswirkung lokalisiert werden, • die regionale Ebene für die Probleme wie Erosion, Grundwasserverseuchung, regionale Luftbelastung, Versauerung der Böden, Abfallentsorgung und • die lokale Ebene mit Auswirkungsschwerpunkten wie Altlasten, lokale Luftverschmutzung und Luftbelastungen in Gebäuden sowie Risiken durch Störfalle. Die Einwirkungen einer Unternehmung den spezifischen Einwirkungen auf Ökosysteme zuzuordnen, ist je nach Typ der Einwirkung unterschiedlich problematisch. So sind die Planierung von Boden oder Schalleinwirkungen zumindest mit ihren Auswirkungen erster Ordnung leicht in Verbindung zu bringen; die Freisetzung, also die Emission von chemischen Stoffen ist dagegen nur über die Bestimmung verschiedener Eigenschaften wie Verteilungskoeffizienten und Halbwertszeiten bezüglich ihrer Immission in die Ökosysteme, wo sie die eigentlichen Auswirkungen verursachen, zu beschreiben57. 3) Ökologisches Problem - naturwissenschaftliche und soziale Beschreibung der Auswirkungen in Ökosystemen als ökologische Probleme. Eine fundamentale Beschreibung von Auswirkungen als ökologisches Pro55 56 57
Vgl. Haber 1993, S. 98 ff. Vgl. Ministry of Housing, physical Planning and Environment Hrsg. 1988, S. 92 ff. Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 49.
Grundlagen
37
blem besteht darin, daß die Stabilität und Selbstregulierungsfähigkeit der Ökosysteme durch Übernutzung und Überlastung bedroht sind bzw. dies wahrscheinlich erscheint, und diese Veränderung bedroht oder beeinträchtigt menschliche Ziele und „Schutzgüter" . Die Beschreibung von Auswirkungen als ökologische Probleme, also als im Prinzip nicht akzeptabel, ist immer abhängig von der gesellschaftlichen Bedeutung, die diesem „Stück Natur" zu erkannt wird, und aus der Abwägung mit anderen Zielen. Die mit den Unternehmensaktivitäten verbundenen ökologischen Auswirkungen lassen sich als ökologische Problembeiträge kennzeichnen, da ökologische Probleme auf regionaler, kontinentaler und globaler Ebene typischerweise nicht nur auf den Aktivitäten der einzelnen Unternehmung beruhen.
2.2 Notwendigkeit des Umgehens von Unternehmen mit ökologischen Problemen Die grundlegende Frage für die Konzeption eines ÖISS für Unternehmen ist die Frage nach der Rolle, die der einzelnen Unternehmung bei der Optimierung der notwendigerweise vorhandenenen ökologischen Auswirkungen zu kommt. Um eine Grundlage für diese Arbeit zu schaffen, ist es notwendig, die Bedeutung ökologieorientierter Ziele im Zielsystem der Unternehmung zu betrachten.
2.2.1 Ökologische Probleme im Zielsystem der Unternehmung Erfolg läßt sich als Grad der Zielerreichung definieren. Unternehmenserfolg bezieht sich also auf den Zielerreichungsgrad der Unternehmung. Die rechenbare Gewinnmaximierung ist das Unternehmensziel in der klassischen betriebswirtschaftlichen Perspektive58. Empirische und theoretische Aufarbeitungen des Themas zeigen, daß in der Realität von einem ganzen Zielbündel ausgegangen werden kann, auf dessen Erreichung das unternehmerische Handeln ausgerichtet ist59. Dieses Zielbündel ist keinesfalls statisch, sondern einem laufenden Veränderungs- und Neuorientierungsprozeß unterworfen. Im deutschen Sprachraum dominieren zumeist die langfristige Existenzsicherung des Unternehmens, Sicherung bzw. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Beibehaltung oder Steigerung des Gewinns/Return on Investment als die drei wichtigsten empirisch zu ermit-
58 59
Vgl. Wöhe 1990, S. 1 Vgl. Raffee et al. 1992, S. 242 f. und Heinen 1991 S. 13 ff.
38
2. Abschnitt
telnden Unternehmensziele60. Alle empirischen Untersuchungen zeigen die Integration von Formalzielen, die auch auf Akzeptanzsicherung durch verschiedene externe und interne Gruppen ausgerichtet sind, wie beispielsweise soziale Verantwortung oder Ansehen in der Öffentlichkeit61. Nicht alle von der Unternehmung im Zielsystem berücksichtigten Gruppen stehen in einer direkten Austauschbeziehung von materiellen Gütern mit der Unternehmung, sondern es werden auch Gruppen wie die „Öffentlichkeit" berücksichtigt, auf deren Akzeptanz die Unternehmung zur Existenzsicherung angewiesen ist. Die Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und des Unternehmensbestandes können aufgrund der dominanten Nennung und der Interdependenzen mit anderen Zielen als übergeordnete Ziele der Unternehmung aufgefaßt werden62. Die rechenbare, also quantitativ bestimmbare Gewinnmaximierung läßt sich als kurz- und mittelfristiges Subziel der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit verstehen63. Rechenbare Gewinnmaximierung bezieht sich dabei auf die quantifizierbaren Konsequenzen des unternehmerischen Handelns, die sich kurz- und mittelfristig ausreichend zufriedenstellend bestimmen lassen, während sich die langfristigen Konsequenzen unternehmerischer Disposition nur unvollständig oder gar nicht quantifizieren lassen64. In der Untemehmenspraxis bleibt rechenbare Gewinnmaximierung trotz dieser Einschränkungenein zentrales Unternehmensziel aufgrund der Eindeutigkeit für die Beurteilung von Leistungen der Unternehmung, des Managements und des Einzelnen gegenüber Kapitalgebern und Vorgesetzten6 . In neueren Untersuchungen drückt sich der gesellschaftliche Wandel in einer Einbeziehung von Umwelt- oder Ressourcenzielen als Formalzielen in das Zielbündel der Unternehmung aus66. Folgen wir der betriebswirtschaftlichen Literatur, liegt die Begründung für die Einbeziehung von umweltbezogenen Zielen in der Unterstützung von unternehmensbezogenen Zielen wie der Überlebenssicherung, der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Gewinnerzielung und um die langfristige Ak-
60
61 62 63 64 65 66
Diese empirischen Untersuchungen beruhen auf der Befragung von Managern der Unternehmen bezüglich ihrer Einschätzung der Ziele und Zielhierachien. Vgl. FUUF Hrsg. 1991, S. 202 f., Raffee et al. 1992 S. 243, Meffert/Kirchgeorg 1989, S. 179 ff. Vgl. Czeranowsky/Strutz 1979, S. 121 ff. Vgl. Günther 1994, S. 79 Vgl. Seidel/Menn 1988, S. 40 ff. Vgl. Kais 1993, S. 50 f. Detaillierte Modelle zur umfassenden Bewertung der rechenhaften Gewinnmaximierung sind beispielsweise aus der Unternehmensbewertung entstanden; vgl. Copeland et al. 1993. Vgl. Günther 1994 S. 73 ff., FUUF Hrsg. 1991, S. 202 f., Raffee et al. 1992, S. 243 und Meffert/Kirchgeorg 1989, S. 179
Grundlagen
39
zeptanz durch die Gruppen zu gewährleisten67. Die Einbeziehung von umweltorientierten Zielen kann ein Leistungsziel innerhalb des von der Unternehmung angebotenen Kundennutzens bei Produkten und Dienstleistungen darstellen68. Sie können aber auch, umfassender, als eines der wesentlichen Leistungsmerkmale für die Anspruchsgruppen gesehen werden, welches der Unternehmung Legitimitätsgewinn und -erhalt ermöglicht und so der langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und des Unternehmensbestandes dient69.
2.2.2 Beeinflussung der Unternehmung durch ökologische Probleme 2.2.2.1 Die Unternehmung als Nutznießer der Ökosphäre Wie bereits in der Diskussion der Unternehmensziele beschrieben, wird die Unternehmung betriebswirtschaftlich zuerst einmal als rational handelnder Akteur verstanden, der unter Nutzung eines Minimums an Produktionsfaktoren ein Maximum an Produkten erzeugt, um die Bedürfnisse seiner Abnehmer zu befriedigen70. Die prinzipielle Knappheit an Gütern zwingt die Unternehmung dabei, nach dem ökonomischen Prinzip zu handeln. Die Handlungslogik dieses Akteurs ist durch das Ziel der Gewinnmaximierung gekennzeichnet. Ökologische Probleme werden für Unternehmen in dieser Perspektive als beeinflussende Faktoren angesehen, wenn sie die Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren oder die Bedürfnisse und somit direkt Gewinn und Rentabilität der Unternehmung beeinflussen71. Betrachten wir die Einbindung der Unternehmung in die Ökosphäre aus im wesentlichen produktionstheoretischer Perspektive, so können wir vier Hauptfunktionen festlegen: Versorgungs-, Träger-, Regelungs- und Informationsfunktion!1. Im Rahmen der Versorgungsfunktion liefert die Natur Ressourcen in Form von Material und Energie. Die Trägerfunktion definiert die Ökosphäre als Senke für die im Produktions- und Konsumprozeß entstandenen Rückstände und Abfallstoffe. Die Regelungsfunktion dient der notwendigen Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichts73. Die Informationsfunktion beschreibt den Wert der in der Ökosphäre vor-
67 68 69 70 71 72 73
Für eine Übersicht vgl. Günther 1994, S. 76 f. Vgl. Raffee et al. 1992, S. 246 f. Vgl. Steger 1992, S. 189 ff. und siehe dazu auch Kapitel 2.2.3.2. Vgl. Wöhe 1990, S. 1 ff. Vgl. Wagner G. R. 1990, S. 12 f. Vgl. Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen Hrsg. 1987, S. 40 f., Kirchgeorg 1990, S. 3 f., Höh 1991, S. 13 ff. und Günther 1994, S. 2 Vgl. Freimann 1989, S. 12
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2. Abschnitt
handenen Informationen für menschliches Wirtschaften und Überleben74. Verknappen die problematischen Auswirkungen in Ökosystemen eine dieser Funktionen, können wir von direkter Beeinflussung der Unternehmung durch ökologische Probleme sprechen75. Die Bestandteile der Ökosphäre wie z.B. die Atmosphäre oder die Meere sind teilweise öffentliche Güter und zeichnen sich durch zwei Merkmale aus: „... sie können nicht aufgeteilt und nicht verkauft werden, und in der Regel ist niemand bereit, zur Erstellung beizutragen. Außerdem kann ein Ausschluß von der Nutzung ...nicht durchgeführt werden..." 76. Für den Einzelnen besteht wenig Anlaß, an der Produktion des öffentlichen Gutes mitzuwirken bzw. für seine Nutzung zu zahlen77. Ohne einen Markt für Umweltgüter und ohne einen Preis für diese, der die echte Knappheit reflektiert78, kann der Einzelne die Kosten für den Verbrauch dieser Güter nicht in seine Erfolgsrechnung einbeziehen, sondern externalisiert diese Kosten79. Die gesellschaftlichen Systeme der Marktwirtschaften konnten sich bisher im politischen Prozeß nicht auf eine Korrektur der Marktmechanismen in Form einer Teil- oder Vollinternalisierung der externen Kosten verständigen. Wir können die prinzipiellen Möglichkeiten der ökonomischen und der ökologischen Internalisierung unterscheiden80. Bei ökonomischer Internalisierung werden die externen Kosten durch entsprechende Abgaben kompensiert, während bei ökologischer Internalisierung die Unternehmung durch entsprechende Aufwendung die Nutzung der Ökosphäre reduziert. Ziel der Methoden zur ökonomischen Internalisierung ist es, eine ökologische Internalisierung zu erreichen. Der Internalisierung der Beanspruchung der Ökosphäre stehen zwei Probleme entgegen: Es müssen Modelle gefunden werden, um die Bestandteile der Ökosphäre monetär zu bewerten, und es müssen Verursacher gefunden werden, die mit diesen Kosten belastet werden müssen. Für die monetäre Bewertung der Beanspruchung der Ökosphäre wurden bereits Modelle entwickelt, deren Möglichkeiten und Grenzen zur Bewertung von ökologischen Problemen wir im Rahmen der Bewertung von ökologieorientierten ISS-Ansätzen noch betrachten werden81. Erste Modellrechnungen zur Bestimmung der ungefähren, in Geldeinheiten ausgedrückten 74 75 76 77 78 79 80 81
Um dieses Konzept anschaulicher zu machen, sei an die unermeßlichen Reserven an biologischer Information - potentiell unentbehrlich für die Biotechnologie und Pharmazeutik - der Regenwaldökosysteme erinnert. Dies kann als Verschärfung des ökonomischen Knappheitsproblems durch ökologische Probleme verstanden werden. Vgl. Wicke 1989, S. 41 und Olson 1968, S. 8 Vgl. Endres 1985 S. 12 ff. Vgl. Frey 1985, S. 151 Vgl. Wicke 1989, S. 43 Vgl. Strebell980, S. 31 ff. Vgl. Caincross 1991, und siehe dazu auch Kapitel 4.3.2.
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Schadenshöhe bzw. den Verbrauch liegen für die Bundesrepublik vor82. In der Diskussion etwa einer C0 2 -Steuer erweist sich die weitgehende Internalisierung der Kosten der Umweltbelastung vorläufig als eine wissenschaftliche Fiktion, da die Bestimmung der Kosten auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhen müßte, der aufgrund der Unterschiede in Werthaltungen der einzelnen Anspruchsgruppen nicht erzielbar erscheint. Neben dem Problem, die Schäden monetär zu bewerten, wird die angestrebte Internalisierung der Nutzungskosten der Ökosphäre durch die Schwierigkeit der verursachungsgerechten Zuordnung der Kosten erschwert8" . Für einige Umweltprobleme, besonders solche, die durch eine Überlastung von Senken entstanden sind, ist es schwierig, aufgrund von Wechselwirkungen, kumulativen und abpuffernden Effekten die eindeutigen Ursache-Wirkungs-Beziehungen je Verursacher zu identifizieren84. Ohne die Internalisierung als Rahmen ergibt sich für die Unternehmung das Problem, daß die Erfolge ökologischer Unternehmenspolitik nicht direkt in die betriebliche Erfolgsrechnung eingehen können. Das Kriterium der rechenbaren Gewinnmaximierung steht dadurch als wichtige Steuerungsgröße in partieller Konkurrenz zu ökologischer Unternehmensführung, obwohl es die beschriebenen Zielkomplementaritäten gibt. Dieser Beschreibung der Beeinflussung von Unternehmen durch ökologische Probleme folgen auch WICKE ET AL. wenn sie die Prioritäten für ökologische Maßnahmen setzen wie folgt: 1) hohe Rentabilität, 2) kostengünstige Realisierung umweltrechtlicher Anforderungen, 3) Durchführung ökologischer Maßnahmen trotz relativ geringer Rentabilität, 4) Durchführung gewinnneutraler ökologischer Maßnahmen und 5) ökologische Maßnahmen, die sich negativ auf die Gewinnentwicklung auswirken85 und darauf aufbauend fordern, daß in Unternehmen zumindest die ersten drei Prioritäten analysiert und realisiert werden sollen. In dieser Sichtweise kommen ökologische Probleme nicht als eigenständige handlungsbeeinflussende Kategorie für Unternehmen vor, sondern sie werden nur relevant, wenn sie die Produktionsfaktoren beeinflussen oder wenn sie den Bedarf an Gütern verändern und somit die Unternehmung direkt beeinflussen. Ökologische Probleme gehen in den von außen vorgegebenen Handlungsrahmen der Unternehmung ein, werden aber nicht zum Objekt ihres eigenständigen Agierens86. Diese Beschreibung der Beeinflussung von Unternehmen durch ökologische Probleme bedarf zur Erörterung ihrer Handlungsfreiräume einer Erweiterung, da einerseits die für den Erfolg der Unternehmung relevanten Beziehungen zwischen Umfeld und Unternehmung sehr viel vielschichtiger dargestellt 82 83 84 85 86
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wicke 1986 und 1989 Fischer et al. 1993, S. 12 und Wicke 1992, S. 305 ff. Wicke 1989, S. 131 f. Wicke et al. 1992, S. 643 Wagner, G. R. 1990, S. 14
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2. Abschnitt
werden müssen und andererseits die Annahme einer eindeutigen Rationaliät bei der Behandlung der ökologischen Auswirkungen als nicht angemessen kritisiert werden kann.
2.2.2.2 Die Unternehmung als gesellschaftliche Institution Ökologische Probleme beeinflussen die Unternehmung auch über die sich in Forderungen und Aktivitäten ausdrückende Betroffenheit verschiedener Gruppen im Umfeld der Unternehmung. Um die sozialvermittelte Beeinflussung der Unternehmung entlang der verschiedenen Dimensionen zu beschreiben, benötigen wir ein formales Modell der Unternehmung und ihres Umfelds. Dem Systemansatz folgend, kann das Umfeld der Unternehmung als mehrere mit der Unternehmung interagierende Systemebenen aufgefaßt werden. Nach diesem Schichtenmodell ist die Unternehmung in das Wirtschaftsumfeld eingebunden, dieses wiederum in das gesellschaftliche Umfeld und schließlich in das ökologische Umfeld. Nach SAUTER-SACHS läßt sich das gesamte Umfeld der Unternehmung auf drei Arten beschreiben: erstens als Systeme: Unternehmenssystem, Wirtschaftssystem, Gesellschaftssystem und ökologisches System; zweitens als Institutionen, also als Gruppen, die die Einwirkungen der Umfelder auf das System verkörpern, und drittens als Themen, die für jedes der Umfelder spezifisch sind87. Ein Modell, das die Einflüsse und Anforderungen anhand der sie vermittelnden Gruppen oder Institutionen darstellt, ist das Stakeholder- oder Anspruchsgruppenmodelf*. Das Anspruchsgruppenmodell erlaubt es, das gesellschaftliche Umfeld zu beschreiben, da es alle mit einer Unternehmung verbundenen und auf sie einwirkenden Interessengruppen sowohl im Marktumfeld wie auch im gesellschaftlichen Umfeld mit ihren Interessen und Einflüssen einbezieht. Das Anspruchsgruppenmodell institutionalisiert die Umfelder und die möglichen Issues in ihren Trägern und versucht, am Modell der Unternehmung als gesellschaftlicher Institution die spezifischen Eigenheiten und Existenzbedingungen der Unternehmung zu erarbeiten89. Das Modell postuliert, daß das Unternehmensmanagement einer langfristigen Existenzsicherung sich in der ausreichenden Einbeziehung der Ziele und Interessen aller Anspruchsgruppen manifestiert90. 87 88
89 90
Vgl Sauter-Sachs 1992, S. 200 und Hill 1991, S. 10 Eine Übersicht über verschiedene Segmentierung der Umsysteme gibt EUGLEM; vgl. derselbe 1993, S. 38 Als Stakeholder oder Anspruchsguppen können alle Personen, Gruppen oder Institutionen im Sinne von Interessen Vertretern verstanden werden, die beim Erreichen ihrer Ziele vom Betrieb abhängen und von denen der Betrieb abhängt. Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 8 ff., Freeman 1984, S. 25 und Ulrich, P./Fluri 1992, S. 77 ff. Vgl. Sauter-Sachs 1992, S. 193 Vgl. Freeman 1984, S. 43
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Das Anspruchsgruppenmodell geht vom Konzept der Unternehmung als einer politischen Koalition von Anspruchsgruppen aus, die mit dem Zurverfügungstellen von Ressourcen Ziele erreichen wollen. Fünf Kategorien von Ressourcen können identifiziert werden: Materie, menschliche Arbeitsleistung, Information, Kapital und Legitimität91. Die Unternehmung untersteht als gesellschaftliche Institution gesellschaftlichen Normen und kulturellen Werten in ihren inneren wie externen Beziehungen, deren Beachtung sich in Legitimität manifestiert. Legitimität als Ressource nimmt eine Sonderstellung ein, da sie als eigenständige Ressource betrachtet werden kann, aber gleichzeitig fehlende Legitimität als Metaressource auch die Zurverfügungstellung anderer Ressourcen beinträchtigt92. Die möglichen Anspruchsgruppen einer Unternehmung können in interne und externe Anspruchsgruppen aufgeteilt werden 9 . Die externen Anspruchsgruppen können nach SAUTER-SACHS nochmals in verschiedene Gruppen, die die verschiedenen Umfelder der Unternehmung repräsentieren, aufgeteilt werden, so daß vier Hauptkategorien von Anspruchsgruppen entstehen94: Interne: • Interne Anspruchsgruppen (z.B. Eigentümer, Management und Mitarbeiter) Externe: •
Wirtschaftliche Anspruchsgruppen (z.B. Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber und Handel) • Gesellschaftliche Anspruchsgruppen (Staat, Medien, Wissenschaft u.a.) • Anwaltsgruppen des Ökosystems (Betroffene, Umweltgruppen, Verbände u.a.) Bei Anwaltsgruppen handelt es sich in dieser Definition um gesellschaftliche Gruppen, die aus moralisch-ethischen Motiven heraus die von ihnen antizipierten Interessen des ökologischen Umfeldes vertreten. Die Rolle der Anwaltsgruppen bei Vermittlung ökologischer Probleme verändert und verringert sich, da spezifische ökologische Issues bei allen Anspruchsgruppen der Unternehmung diagnostiziert werden können95.
91 92 93 94 95
Vgl. Euglem 1993, S.50 ff. Legitimität besteht aus zwei Komponenten, der Legalität, also der Beachtung der kodifizierten Gesetze, und der moralisch-ethischen Akzeptanz durch die Anspruchsgruppen; vgl. Euglem 1993, S. 58 f. Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 79 Übersicht über typische Anspruchsgruppen vgl. Achleitner/Ansoff 1983, S. 78 Vgl. Sauter-Sachs 1992, S. 193 Vgl. Kellog 1994, S. 25
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2. Abschnitt
PFRIEM gliedert deshalb die Anspruchsgruppen nach Betroffenheit durch ökologische Auswirkungen in drei Gruppen : • • •
direkt Betroffene der Unternehmensaktivitäten, Verbände und Initativen des Umweltschutzes und kritische Öffentlichkeit
Verlassen wir die Ebene der formalistischen Definitionen der ökologischen Problematik, so stellt sich für die Unternehmung in der konkreten alltäglichen Entscheidungsfindung das Problem, Ziele bezüglich der einzelnen spezifischen Umweltprobleme zu finden. Bei der Umsetzung von selbstverantwortlicher ökologischer Unternehmensführung muß die einzelne Unternehmung in der Lage sein, detaillierte Ziele für die angemessenen ökologischen Problembeiträge (Umweltqualitätsziele) zu setzen, und sie muß bewerten können, welche Handlungsalternative die höhere „ökologische Güte" besitzt 97 . In der konkreten Entscheidungsfindung insbesondere bezüglich langfristiger Ziele ergibt sich eine spezifische Herausforderung für die Unternehmung aus der beschriebenen Instabilität der wahrgenommenen ökologischen Probleme und aus der Heterogenität ökologischer Ziele 98 . Zu der Instabilität der Prioritäten läßt sich eine Heterogenität der Ziele und Handlungsprioritäten bezüglich ökologischer Probleme diagnostizieren, da jeder der Akteure und jede der Parteien ökologische Issues mit eigenen Interessen und Zielen bewertet und so spezifisch sozial überformte Ansprüche an ökologisches Handeln hervortreten. So wird jede Gruppe ökologische Issues in einer spezifischen Hierarchie ihrer Gesamtziele bezüglich der Unternehmung einordnen, wobei diese Hierarchie innerhalb der Anspruchsgruppe wie innerhalb des einzelnen Individuums nicht konsistent und ohne innere Widersprüche zu sein braucht 99 . Dies läßt sich auch als Defizit einer Umweltpolitik rekonstruieren, die nicht in der Lage ist, einen umfassenden Katalog von Umweltqualitätszielen zu erarbeiten, um einen umfassenden und effizienten gesellschaftlichen Anpassungsprozeß zu gestalten. Tatsächlich wird für die Bundesrepublik bereits der Einstieg in eine Zieldiskussion angemahnt, und in anderen Ländern wie in den Niederlanden wird der Versuch ebenfalls gemacht 100 . 96 97 98 99
Vgl. Pfriem 1995, S. 39 Zum Begriff ökologische Güte vergleiche Kapitel 4.1. Vgl. Stahlmann 1994, S. 65 f. Vgl. Miller/Szekely 1995, S. 326 ff. HORX ortet eine große Abweichung zwischen Anspruch und Handeln der Anspruchsgruppen bezüglich ökologischer Probleme, für die er den Begriff Ökolozismus prägt; vgl. Horx 1994, S. 52 ff. 100 Die Niederlande entwickeln ein Bündel von Umweltqualitätszielen, welches im „Netherlands Environmental Policy Plan" (NEPP) festgelegt wurde und weiterentwickelt wird; vgl. Ministry of Housing, physical Planning, Environment Hrsg. 1989. BECHMANN et al. zeigen, daß es außer dem Modell
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Den Niederlanden wird ein Sonderstatus aufgrund der gesellschaftlichen Konsensorientierung auch bei der Lösung anderer gesellschaftlicher Fragen zugesprochen. Die Erarbeitung von Umweltqualitätszielen stellt die Unternehmensführung deshalb vor eine prinzipielle Herausforderung, die auch als erfolgskritischer Handlungsfreiraum zu bewerten ist, da keine gesellschaftliche Rationalität existiert, auf der sich Entscheidungen eindeutig legitimieren und begründen lassen101.
2.2.2.3 Wirkung ökologischer Probleme über die gesellschaftlichen Lenkungssysteme Die vielfältige Beziehung zwischen Unternehmung und den Anspruchsgruppen im Umfeld kann nach DYLLICK entlang der gesellschaftlichen Lenkungssysteme Markt, Politik und Moral systematisiert werden, die einem erweiterten Erfolgsverständnis von unternehmerischem Handeln Rechnung tragen102. Ökologische Auswirkungen als Problem werden nach diesem Modell als Forderung über die Lenkungssysteme an die Unternehmung herangetragen und beeinflussen ihr Handeln. Dabei kommt es zu einer Wechselbeziehung zwischen den Strategien der Anspruchsgruppen und den Strategien der Unternehmung, die zu beiderseitigem Lernen und Verändern führt (siehe Abbildung 2. 8)
der Niederlande noch keinen erfolgreichen gesellschaftlich akzeptierten und legitimierten Prozeß der umweltpolitischen Prioritätensetzung gibt. Vgl. Bechmann et. al 1994, S. 101 Vgl. Luhmann 1992, Kapitel 5 102 Vgl. Dyllick 1989, S. 462, Dyllick 1989a, S. 205 ff. und Ulrich, H./Probst 1988, S. 272 ff. SCHALTEGGER/STURM gliedern aus dem Lenkungssystem der Marktmechanismen noch Technologie als viertes zusätzliches Lenkungssystem aus. Vgl. Schaltegger/Sturm 1990, S. 275
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2. Abschnitt
Abbildung 2.8:
Strukturmodell zur Erfassung der Beziehung zwischen Unternehmen und Umfeld
STRUKTURMODELL ZUR ERFASSUNG DER BEZIEHUNGEN ZWISCHEN UNTERNEHMEN UND UMFELD
Quelle: Dylhck 1989 S. 462
Die Beeinflussung das Handelns der Unternehmung und des Managements durch ökologische Probleme und mögliche Handlungsfreiräume lassen sich entlang der drei Lenkungssysteme systematisch beschreiben und analysieren. Die drei Lenkungssysteme sind dabei durchaus als miteinander verwoben zu betrachten, da sie sich gegenseitig beeinflussen, wenn etwa Veränderungen im Lenkungssystem Politik Folgen in dem Lenkungssystem Markt haben, wie wir am Beispiel von einigen Instrumenten der Politik zeigen können. Die Beschreibung der Risiken und Chancen für Unternehmen durch ökologische Probleme strukturieren wir im Folgenden an : 1) der Ebene der politischen Mechanismen 2) der Ebene der Marktmechanismen und 3) der Ebene von moralisch-ethischen Überlegungen. Zu 1 Das Handeln der Unternehmung wird mittels politischer Einflußnahme durch rechtliche Regelungen zum Schutz der ökologischen Umwelt begrenzt und gelenkt. Unter rechtlichen Regelungen werden alle Vorschriften sowie ihre Präzisierung und Anwendung auf suprastaatlicher,
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staatlicher, Landes- und regionaler Ebene verstanden103. Dabei entwickeln sich die gesetzlichen Regelungen in der Umweltpolitik von direkten Eingriffen zu indirekter Steuerung unter Einbeziehung von Marktmechanismen und moralisch-ethischen Motivationskomponenten. Aus Sicht des Umweltpolitikers, wobei nicht unbedingt ein staatlicher Akteur gemeint sein muß, ergibt sich aus der skizzierten Veränderung der ökologischen Problematik eine verschärfte Regelungs- und Steuerungsproblematik. Wahrnehmbare ökologische Probleme werden komplexer; sie lassen sich, da sie auch von Produktnutzung und Lebensstilen abhängig sind, schlechter einzelnen Verursachern zuordnen, sondern sind eng mit den Abläufen des Wirtschaftssystems verzahnt. Die Veränderungen der Anforderungen an effiziente und effektive Umweltpolitik lassen sich durch zwei Dimensionen beschreiben: einerseits nimmt die Anzahl der Verursacher, die zur Reduzierung und Kontrolle des ökologischen Problems gesteuert werden müssen, zu, und andererseits steigt gleichzeitig die Komplexität der notwendigen Verbesserungsansätze und der Veränderungen zur effektiven Reduzierung und Kontrolle der ökologischen Probleme. Zusätzlich gewinnt durch die zunehmende Irreversibilität der auftretenden Schäden in den Ökosystemen das Prinzip des vorsorgenden Umweltschutzes weiter an Bedeutung104. Das sowohl entwicklungsgeschichtlich wie inhaltlich primäre Instrument105 der Umweltpolitk ist die staatliche Ordnungspolitik. Dieses „Command and Controll" -Vorgehen weist den Unternehmen durch Vergabe von Lizenyzen, durch das Vorschreiben von Standards und durch Verbote einen Rahmen von Vorschriften für betrieblichen Umweltschutz106. Zu diesen Instrumenten mit „hoher staatlicher Regelungsintensität" sind auch umweltbezogene Planung, direkte staatliche Leistungen wie Aufbau von Administration und Kontrollorganen sowie die Finanzierung von belastungsreduzierenden Maßnahmen und das Umweltstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zu zählen107.
103 In der Bundesrepublik Deutschland existiert nationales Umweltrecht auf Bundesebene, auf Ebene der einzelnen Länder, und es existieren Verordnungen und Verwaltungsvorschriften auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene. Zu diesen kommt das Recht der Europäischen Gemeinschaften, das zumindest teilweise ohne Übersetzung in nationales Recht gültig ist, und internationales Umweltrecht als Teil das Völkerrechts; vgl. Steiger 1982, S. 18 f. 104 Das Vorsorgeprinzip ist neben dem Verursacherprinzip und dem Kooperationsprinzip eines der drei Prinzipien der deutschen Umweltpolitik, die 1971 im „Umweltprogramm der Bundesregierung" festgelegt wurden; vgl. Barbian 1992, S. 155 105 Vgl. Barde/Opschoor 1994, S. 23 106 Vgl. Barde/Opschoor 1994, S. 23 und Hopfenbeck/Jasch 1993, S. 19 107 Vgl. Carius/Schneller 1992, S. 176 f.
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2. Abschnitt
Diese Instrumente zeigen trotz ihrer hohen Durchsetzungskraft im Zuge der Entwicklung der ökologischen Problematik erhebliche Nachteile. Als Nachteile werden bewertet, daß sich bisher kein übergreifender Ansatz hat realisieren lassen, so daß es weiter zu medialer Verschiebung von Umweltbelastungen kommt; daß aufgrund der Dauer gesellschaftlicher Abstimmungsprozesse Ordnungspolitik nachsorgenden Umweltschutz betreibt und die Festschreibung von Standards den Unternehmen keinen Anreiz bietet, einen sich dynamisch weiterentwicklenden Umweltschutz zu betreiben108. Das Instrumentarium ist zudem relativ ineffizient, da es zum Aufbau einer erheblichen Verwaltung führt, ohne Vollzugs- und Kontrolldefizite vermeiden zu können109. Diese Nachteile der Ordnungspolitik, die mit der verschärften Umweltproblematik deutlicher zu Tage treten, führen zur Entdeckung weiterer Instrumente, die sich durch eine mittlere bis geringe Regelungsintensität des Staates auszeichnen. Wir können hier zwei Kategorien unterscheiden, einerseits ökonomische Instrumente, die über Marktmechanismen wirken, und anderseits Instrumente, die über moralisch-ethische Lenkungssysteme wirken und damit für die Unternehmung indirekt über das Verhältnis zu den Anspruchsgruppen auch wirtschaftliche Relevanz haben. Als Vorteile indirekter Instrumente lassen sich zeigen, daß den Verursachern Entscheidungsfreiräume bleiben, daß die Anreize zur Verbesserung dynamisch wirken, daß sie zu effizienteren Lösungen führen, daß die Instrumente eher positiv und motivierend wirken und zumindest teilweise eine effizientere Kontrolle vieler Verursacher ermöglichen110. Ökonomische Instrumente lassen sich definieren als Instrumente, „... die die Zuweisung knapper Umweltnutzungsspielräume bzw. die Reduktion einer Übernutzung der Umweltressourcen über umweltorientierte Gewinn- und Verlusteffekte durchsetzen wollen." 1U . Die Nutzung von ökonomischen Instrumenten hat nach einer OECD-Studie in allen OECDLändern erheblich zugenommen, so daß 1989 rund 150 verschiedene Instrumente nachzuweisen waren112. Als Kategorien von ökonomischen Instrumenten werden differenziert: Handelbare Quoten und Lizenzen, Emissionsabgaben und Steuern, „Ökosteuern" auf umweltbelastende Produkte und Energie sowie die Pflichtpfandsysteme113. Außer diesen Instrumenten, die die externalisierten Kosten der Umweltbelastung internalisieren, lassen sich auch Instrumente zur positiven Stimulierung über Marktmechanismen wie Bevorzugung bei der staatlichen Einkaufspolitik, Steuervergünstigungen, Finanzhilfen, Subventionen und weitere geldwerte Benutzungsvorteile 108 109 110 111 112 113
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kellog 1994, S. 26 f. Kellog 1994, S. 25 f. Kloepfer 1990, S. 242 ff. Klemmer 1990, S. 263 Opschoor/Vos 1989 Barde/Opschoor 1994, S. 25
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zur Förderung umweltfreundlicher Produkte und Verfahren identifizie" ren114. Der Einsatz ökonomischer Instrumente wie Ökosteuern wirft allerdings ebenfalls Probleme auf, da ihre politische Durchsetzbarkeit auf der relativen Gleich Verteilung von finanziellen Lasten in der Gesellschaft beruht115. Zwar lassen sich im Modell die Vereinbarkeit von positiven ökologischen und volkswirtschaftlichen Effekten und sozialer Ausgewogenheit durch das Konzept einer aufkommensneutralen Energiesteuer darstellen116. Es zeigt aber die politische Diskussion am Beispiel der Energiesteuer, daß eine ökologisch motivierte Steuer mit signifikanter Lenkungswirkung erhebliche Durchsetzungsprobleme aufgrund von Verteilungsproblemen zu erwarten hat. Ökonomische Instrumente führen zu Abstimmungsschwierigkeiten im internationalen Handel, da sie die Wettbewerbspositionen von Industrien beeinflussen können. Ökonomische Instrumente bedürfen außerdem einer bemeßbaren Grundlage, wie sie beispielsweise bei Energieträgern gegeben, aber für andere Bereiche wie den Abfallbereich nur mit hohem administrativem Aufwand zu erzeugen ist. Über direkte und indirekte Instrumente geht eine Gruppe von Ansätzen und Instrumenten hinaus, deren Ziel wir als die Förderung von Selbstverantwortung und eigenverantwortlichem Handeln bei Verursachern beschreiben möchten1 . Instrumente dieser Kategorie wirken über das moralisch-ethische Lenkungssystem auf die Akteure. Für Unternehmen kann eine solche moralisch-ethische Lenkung durchaus indirekt in wirtschaftliche Anreize und Sanktionen münden. Zu dieser Gruppe von Instrumenten zählen klassische Methoden der Erhöhung von Motivation und Wissen durch informationelle und appellative Instrumente bei den betroffenen Verursachern118. Aus Perspektive der Unternehmung zählen dazu auch alle Instrumente, Rahmenbedingungen und Aktionen, um Information über die ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten für Anspruchsgruppen verfügbar zu machen. Neben den bestehenden Berichtspflichten sind dies Umweltinformationsgesetze, das Umweltgütezeichen, Stiftung Warentest, Öko-Test, die Umweltbetriebsprüfung und Umwelterklärung und vergleichende Unternehmenstests durch Externe119. Dem Umwelthaftungsgesetz kann eine Zwitterrolle zugeschrieben werden, da es durch Informationspflichten und Verantwortungsdefinition als Instrument zur Förderung der Selbststeuerung wirkt und gleichzeitig als ökonomisches Instrument, durch die Verlagerung der potentiellen Scha114 115 116 117 118 119
Vgl. Carius/Schneller 1992, S. 177 f. Vgl. Barde/Opschoor 1994, S. 27 Vgl. Kohlhaas et al. 1994, S. 5 ff. Vgl. Kloepfer 1993, S. 81 ff. Vgl. Carius/Schneller 1992, S. 177 f. Vgl. Fischer et al. 1994, S. 68 ff., Keck 1988, S. 112 ff., Hansen et al. 1993, S. 597, EWG Hrsg. 1993, und Rice 1993, S. 104 ff.
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2. Abschnitt
denskosten auf die Unternehmung120. Von diesen Instrumenten erwartet man sich eine schnellere präventive Umweltpolitik; „Präventive Umweltpolitik als Abbau von Informationsrestriktionen" m , da ökologische Probleme ohne die bestehenden Informationsrestriktionen intensiver in der Beziehung zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen berücksichtigt werden und so für die Unternehmen ein stärkerer Anreiz besteht, eigenverantwortlichen Umweltschutz zu betreiben. Aus der Gruppe dieser Instrumente sind zwei Entwicklungen herauszuheben: Die Pflicht zur Umweltrechnungslegung im Entwurf eines Umweltgesetzbuches und das Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung der Europäischen Union. Der Entwurf für den alllgemeinen Teil eines Umweltgesetzbuchs (§14 UGB-E) legt fest, daß Unternehmen im Rahmen ihrer Offenlegungspßichten auch über Einwirkungen auf die Ökosphäre zu berichten haben; „... haben einmal jährlich über über die wesentlichen Auswirkungen auf die Umwelt einschließlich der Reststoffe und Abfälle, die von den Anlagen und den in ihnen hergestellten Produkten verursacht werden, und die zu ihrer Vermeidung und Verminderung getroffenen Maßnahmen ... öffentlich zu berichten." 122. Die Pflicht zur Umweltrechnungslegung wird mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den Auswirkungen von gesamtgesellschaftlichem Interesse der Unternehmenstätigkeiten begründet und um „... umweltbezogene Entscheidungen im Unternehmen über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinaus öffentlicher Kritik auszusetzen ... und so umweltverträgliches Wirtschaften anzuregen." 123. Als Ziel des Gemeinschaftssystems für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung zur freiwilligen Beteiligung von Unternehmen wird die Eigenverantwortung der Industrie für die Bewältigung ihrer Umweltfolgen und die Notwendigkeit, zu einem aktiven Konzept zu kommen, genannt124. Die Unternehmen, die dem System beitreten, müssen ein Umweltmanagement aufweisen, welches auf einem Programm basiert, von seinen Abläufen und Organisation her einem Standard entspricht, ein Umweltbetriebsprüfungsverfahren beinhaltet sowie Umwelterldärungen über Auswirkungen, Ziele und das Umweltmanagementsystem veröffentlicht und dieses durch zugelassene externe Umweltgutachter bestätigen läßt125. Die Unternehmen, die dem System angehören, dürfen dies für Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit benutzen126.
120 121 122 123 124 125
Vgl. Karl 1993, S. 35 Vgl. Keck 1988, S. 105 Vgl. Kloepfer et al. 1990, S. 44 Vgl. Kloepfer et al. 1990, S. 180. Vgl. BMU Hrsg. 1995, S. 1 ff. Vgl. BMU Hrsg. 1995, S. 4 und Bundestag 1995, S. 1591 ff. Siehe dazu auch Kapitel 3.2.3.7 126 Vgl. EWG Hrsg. 1993, S. 5
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Instrumente der dritten Gruppe sind für Unternehmen keine ökonomischen Instrumente, da sie den Preis für die Nutzung der Ökosphäre nicht verändern, und sie schaffen auch keine direkten Absatzmöglichkeiten für ökologische Produkte127. Da diese informationellen und appellativen Instrumente auf die Unternehmung, ihre Abnehmer und alle mit ihr in Wechselwirkung stehenden gesellschaftlichen Gruppen wirken, können sie indirekt erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben128. Instrumente dieser Kategorie lassen sich gerade auf ökologische Probleme anwenden, die komplexe und verhaltensbedingte Ursachen haben und deren Lösungen nicht standardisierbar bzw. noch nicht bekannt sind. Wir können vermuten, daß ihre Bedeutung eher zunimmt, wenn durch die Revolution der Informationstechnologien die für die Informationsgewinnung und -Verbreitung notwendigen Kosten abnehmen129. Instrumente zur Selbststeuerung werden eine Rolle spielen bei Kooperations- und Verhandlungslösungen zwischen Unternehmen und dem Staat oder anderen Akteuren1 Die erkennbaren Nachteile liegen in der geringen Möglichkeit zur Erfolgskontrolle und in der Problematik, durch moralisch-ethische Lenkungssysteme tatsächliche Verhaltensänderung zu erzeugen. Ausgelöst durch eine Verschiebung der Anforderungen an umweltpolitische Instrumente, können wir eine Erweiterung und Entwicklung des umweltpolitischen „Instrumentenkastens" in bezug auf Wirtschaftsunternehmen diagnostizieren. Wir möchten die Instrumente grob in die drei Kategorien direkte Steuerunginstrumente, ökonomische Instrumente und Instrumente zur Förderung von Selbststeuerung einteilen (siehe Abbildung 2. 9).
127 128 129 130
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kloepfer 1993, S. 91 Hansen et al. 1993, S. 589 Kolleg 1994, S.33 f. Hopfenbeck/Jasch 1993, S. 27 ff.
52
2. Abschnitt
Abbildung 2.9:
Instrumenttypen der Umweltpolitik
INSTRUMENTENTYPEN DER UMWELTPOUT1K Ordnungspolitische Instrumente
Ökonomische Instrumente
Instrumente zur Selbststeuerung
Vergabe von Lizenzen
Handelbare Quoten
Informative/appellative Instrumente
Vorgabe von Standards
Lizenzen
Umweltinformations- und angedachtes Umweltrechnungslegungsgesetz
Verbote
Emissi onsabgaberV-steuem
Umweltgütezeichen
Umweltbezogene Planung
Produktbezogene Ökosteuern
Umweltmanagementsystem- und Unnweltbetriebsprüfungsgesetz (UAG)
Direkte staatliche Leistungen
Pflichtpfandsysteme
Förderung von Analysen und Infoimationsverbreitung durch Dritte (z.B. Öko-Test, Stiftung Warentest)
Umweltstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht
Umwelthaftungsgesetz
Umwelthaftungsgesetz Vorgabe von Zielen "Selbstverpflichtungsabkammen·
Quelle: Egene Darstellung
Wichtig für unsere weitere Argumentation zur ökologischen Betroffenheit von Unternehmen ist die Entdeckung" der Unternehmung als selbstverantwortlichem Akteur im Umweltschutz durch die gesellschaftliche Umweltpolitik. Für Unternehmen lassen sich also Anreize für eine Reduzierung der Umweltauswirkungen nicht nur aus dem gesetzlichen Rahmen, sondern zunehmend auch aus einer Entwicklung der ökonomischen Instrumente und aus einer Neubewertung der ökologischen Eigenverantwortlichkeit von Unternehmen und den daraus resultierenden Konsequenzen ableiten. Zu 2 Die Unternehmung kann durch ökologische Probleme auf Ebene der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen bei der Beschaffung von Vorprodukten, bei der Produktion und beim Vermarkten und Absetzen ihrer Produkte betroffen werden. Zur systematisierten Darstellung des Einflusses von ökologischen Problemen innerhalb der Marktmechanismen bietet es sich an, den Einfluß der ökologischen Problemstellungen auf die Triebkräfte des Branchenwettbewerbs nach PORTER zu untersuchen131 (siehe Abbildung 2. 10). Die Triebkräfte des Branchenwettbewerbs bestimmen die Wettbewerbsintensität innerhalb der Industrie und damit die Ertragsrate der Industrie und der ihr angehörigen Unternehmen. Verändern ökologi-
131
V g l . Porter 1990, S. 2 6 ff.
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Grundlagen
sehe Probleme den Wettbewerb und die Wettbewerbsposition, so beeinflussen sie die Unternehmung.
Abbildung 2.10:
Triebkräfte des Branchenwettbewerbs und Einfluß ökologischer Probleme anhand von Beispielen
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2. Abschnitt
Der Wettbewerb zwischen bestehenden Wettbewerbern innerhalb einer Industrie kann erheblich durch ökologische Probleme betroffen sein, da durch notwendige Umweltschutzmaßnahmen oder Materialsubstitution die Wettbewerbsposition der einzelnen Wettbewerber erheblich verändert werden kann. Diese Verschiebungen können stattfinden, da der Einfluß der notwendigen Maßnahmen vom Standort abhängt, da Umweltschutzmaßnahmen einige Prozesse, aufgrund von notwendiger „end of pipe" Technologie und ihrer Ressourceneffizienz, stärker mit Kosten belasten als andere Prozesse, und da der Anstieg von Transportkosten durch Umweltauflagen Anbieter mit größeren Transportdistanzen innerhalb der Wertschöpfungskette benachteiligt. Ein Beispiel für die Beeinflussung der Wettbewerbsposition durch prozeßabhängige ökologische Probleme ist die Stahlerzeugung, bei der der Produktionsprozeß in Elektrostahlwerken gegenüber denen in vollintegrierten Hochöfen mit deutlich geringeren Umweltkosten belastet wird. Ein Beispiel für die standortabhängige Beeinflussung der Kostenposition durch ökologische Issues ist die unterschiedliche Belastung mit Entsorgungskosten für Altautoshredder in Deutschland relativ zu den Benelux-Staaten und die Verschiebung der Standortvorteile innerhalb der kanadischen Papierindustrie zugunsten der Unternehmen in Ballungsräumen durch Substitution von Rohmaterial mit Altpapier132. Die Bedeutung der Lieferanten für den Wettbewerb kann durch ökologische Probleme insbesondere dann beeinflußt werden, wenn auf natürliche Ressourcen und Senken zugegriffen wird, deren Nutzung aufgrund von Knappheit oder ökonomischen Umweltinstrumenten teurer wird 33. Zwei Beispiele, in denen die Ressourcen an nachwachsenden Rohstoffen durch ökologische Probleme nachhaltig geschädigt wurden, sind die deutsche Forstwirtschaft und die weltweite Fischerei-Industrie134. Die ökologischen Probleme durch Überlastung der Senken drücken sich in Mitteleuropa in drastisch steigenden Entsorgungskosten aus. Tatsächliche oder antizipierte betriebswirtschaftliche Risiken aufgrund ökologischer Probleme können Kosten bei der Kapitalbeschaffung und der Überwälzung von Risiken beeinflussen135. Durch einen mit der Sensibilisierung für ökologische Probleme verbundenen Wertewandel der Käufer können ökologische Issues einen erhebli132 Vgl. Norcia et al. 1993, S. 1 ff 133 Außerdem kann sich die Kostenposition von Zulieferen aus denselben Gründen wie die Kostenposition der Wettbewerber innerhalb der Industrie verändern. 134 Durch Überfischung gehen nach Schätzungen der FAO der Fischindustrie weltweit jährlich 15 Milliarden US$ verloren, und aufgrund des Waldsterbens muß die deutsche Forstwirtschaft mit jährlichen Zuwachs- und Vorratsschäden in Höhe von circa 2,3 Milliarden DM rechnen; vgl. Wicke 1989, S. 68 ff. 135 Vgl. Manski 1992, S. 662 ff. und van Buren 1994, S. 45 ff.
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chen Einfluß auf den Produktabsatz und den zu erzielenden Preis haben. Aufgrund der erhöhten Umweltorientierung der Endabnehmer und erhöhter Informationsverfügbarkeit kann die potentielle Umweltschädlichkeit von Produkten zu dramatischen Umsatzeinbriichen führen. So ging beispielsweise durch die Problematisierung der Karzinogenität von Asbest der Absatz von Eternit um 30% zurück136, und Elida-Gibbs erlitt ähnliche Umsatzeinbrüche mit dem Schampoo „Timotei" , nachdem potentiell karzinogene Inhaltsstoffe im Fernsehen thematisiert wurden137, während Produkte mit teilweise nur marginalen Verbesserungen der ökologischen Qualität deutlich Marktanteile gewinnen. Dies wird sichtbar bei der Entwicklung im Altpapierbereich, bei chlorfrei gebleichtem Papier, FCKWfreien Kühlgeräten und bei phosphatfreien Waschmitteln138. Ein schönes Beispiel für schnelle Marktpenetration aufgrund ökologischer Verbesserungen stellt die „Grüne Frosch" -Produktlinie der Firma Werner & Mertz dar . Die mit bestimmten Materialien, Stoffen, Produkten und Leistungen assoziierten negativen ökologischen Auswirkungen können zur Substitution derselben durch Ersatzprodukte, also Materialien, Stoffe, Produkte und Leistungen mit ähnlichen Nutzungseigenschaften, aber ohne die assoziierten negativen Auswirkungen führen. Beispiele für Substitutionen von Stoffen aufgrund ökologischer Probleme liefern die sukzessive Verdrängung von Asbest, FCKW und PVC aus den verschiedenen Anwendungen 40. Neu eintretende Konkurrenten können den Wettbewerb in der Industrie verschärfen und die Rentabilität bestehender Wettbewerber reduzieren. Durch ökologische Probleme der bestehenden Industrie können die Eintrittsbarrieren141 für neue Wettbewerber wie Betriebsgrößenvorteile, Produktdifferenzierung, Kapitalbedarf, Umstellungskosten, Zugang zu Vertriebs-/Distributionskanälen, größenunabhängige Kostenvorteile und staatliche Politik zugunsten der bestehenden Unternehmen sinken, da ökologische Probleme die bestehenden Wettbewerber zu nachhaltigen Veränderungen der Produkte und Produktionsprozesse zwingen können, die die Vorteile gegenüber neuen Wettbewerbern reduzieren. Dies führt zu Risiken für die bestehenden Wettbewerber und zu Chancen für neu eintretende Wettbewerber. Ökologische Probleme, die zu nachhaltigen Veränderungen der Produkte und Prozesse führen, können auch zum Austritt nicht erfolgreicher Unternehmen beitragen und so die Rentabilität der verbliebenen Unternehmen positiv beeinflussen. Beispiele hierfür könnten mögli136 137 138 139 140 141
Vgl. Dyllick 1989, S. 331 ff Vgl. Köhn 1991, S. 74 ff. Vgl. Anonym Hrsg. 1993, S. 20 und Greenpeace Hrsg. 1995, S. 6 ff. Vgl. Bier 1991, S. 68 ff. Vgl. Schmidheiny 1992, S. 128 ff. Vgl. Porter 1990, S. 29 ff.
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2. Abschnitt
cherweise Biokraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen oder eßbare Verpackungen sein. Ein zusätzlicher Aspekt ist die Entwicklung von neuen umweltschutzspezifischen Märkten, in denen sich Chancen für die Unternehmung ergeben142. Dabei handelt es sich um Nachfrage von Umweltschutztechnologien und Umweltdienstleistungen, die aus den Umweltschutzanforderungen und -Standards für Unternehmen entsteht. Um diese Effekte unabhängig von den im „Porter-Modell" diskutierten betrachten zu können, müssen wir diesen Markt abgrenzen und können deshalb Produkte in bestehenden Märkten mit verbesserten ökologischen Eigenschaften nicht mit einbeziehen. Diese Aussage der neuen Märkte gilt dann nur bezogen auf die neu entstandenen Umweltmärkte für Umweltdienstleistungen und „End-of-Pipe" -Technologien143. Zusammenfassend ergibt sich aus der Analyse der Bedeutung ökologischer Probleme im Lenkungssystem Markt, daß ökologische Probleme die Wettbewerbsposition einer Unternehmung nachhaltig beeinflussen können, da sie Nachfrageverhalten, Ressourcenangebot, Kosten- und Technologieposition und Wettbewerbsintensität verändern. Dadurch wird das eigenständige Umgehen und Verbessern ökologischer Auswirkungen zu einem Bestandteil zukunftssichernden Managements. Dem folgen auch PORTER/VAN DER LINDE, die im Innovationsdruck von ökologischen Auswirkungen einen wesentlichen Faktor zur Verbesserung der Wettbewerbsposition sehen144. Zu 3 Der Umgang einer Unternehmung und der daran beteiligten Manager mit ökologischen Problemen läßt sich nicht nur aus einer marktwirtschaftlichen oder rechtlich/politischen Perspektive beschreiben, sondern eine Beschreibung muß auch wertorientierte normative Aspekte in die Überlegungen einbeziehen145. Moral tritt als eigenständige Ebene der Lenkung im Verhältnis der Unternehmung mit ihren externen Anspruchsgruppen auf, da Ansprüche auch eine moralische Komponente besitzen, die nicht auf die rechtliche, politische oder marktliche Dimension zurückgeführt werden kann146. Alle Handlungen einer Organisation werden von den Menschen in ihr geprägt, deren Entscheidungen auf einem komplexen Netz von Werten der 142
143
144 145 146
Märkte für Umweltschutztechnologien lassen sich, sofern es sich um völlig neue Märkte handelt, nicht im „Porter-Modell" abbilden, da dieses bestehende Industrien mit bestehenden Märkten konzeptualisiert. Das Marktvolumen dieser so definierten Märkte wird von der OECD für 1990 weltweit auf 200 Mrd. DM geschätzt, und das vorausgesagte Wachstum dieser Märkte beträgt 50% bis zum Jahre 2000. Vgl. OECD 1992, Vgl. Porter/van der Linde 1995, S. 131 ff. Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 21 f. Vgl. Dyllick 1989, S. 186
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Individuen und der Organisation beruhen. Dabei sind die Werte der Organisation und der Individuen in ihr interdependent mit den der Organisation verbundenen Interessengruppen147. Die Betroffenheit über ökologische Probleme findet über Moralvorstellungen Eingang in das Handeln der Unternehmung. Ein Beispiel für die Bedeutung moralischer Legitimität ist der Boykott gegen Nestle in Amerika aufgrund des Verkaufs von Säuglingsmilchprodukten in Entwicklungsländern148. Die Heterogenität der Bewertung von ökologischen Zielen im Verhältnis zu anderen Zielen auf dieser Ebene der Lenkungssysteme verbietet die Annahme einer eindeutigen Rationalität. Vielmehr ergeben sich aus den Forderungen verschiedener Anspruchsgruppen zwangsläufig Interessenkonflikte für die Unternehmung, die diese eigenständig lösen muß. Vor dem Hintergrund der Instabilität und Heterogenität gesellschaftlicher Umweltqualitätsziele ergeben sich für die Unternehmung Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten, die als Handlungs- und Entscheidungsfreiräume interpretiert werden können149 und die Notwendigkeit der eigenständigen Auseinandersetzung mit ökologischen Auswirkungen erkennen lassen. Sehr deutlich läßt sich diese Notwendigkeit an dem Fallbeispiel „Brent Spar" illustrieren, bei dem die Royal-Dutch/Shell-Gruppe erstens die moralische Bedeutung der Entsorgung der Ölplattform durch Versenkung unterschätzte und zweitens die Heterogenität der öffentlichen Meinung und der Regierungen in Europa bezüglich dieses Themas falsch bewertete150 Aufgrund der Bedeutung von ökologischen Problemen für die Beziehung zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen haben ökologische Probleme eine eminente Bedeutung für das unternehmenspolitische Handeln. Auf Ebene der gesamten Unternehmensorganisation lassen sich Indizien für eine Einbeziehung ökologischer Aspekte in die entscheidungsbeeinflussenden Werte und Normen feststellen. Ein Indiz für die ökologische Orientierung von Unternehmen ist die zunehmende Verbreitung von Umweltrichtlinien und die Übernahme von gemeinschaftlichen Umwelt-
147 148 149 150
Zum Werte- und Interdependenzprinzip vgl. Freeman/Gilbert 1991, S. 22 f. Vgl. zufassende Darstellung von Dyllick 1989, S. 264 ff. Vgl. Pfriem 1995, S. 96 ff. Vgl. Kröning 1995, S. 22 und Schlote 1995, 30 ff. Die geplante Versenkung der Ölplattform hatte die ausdrückliche Unterstützung der Regierung Major, und auch die britische Öffentlichkeit reagierte nur verhalten auf die Vorwürfe der Umweltschutzorganisation Greenpeace, während z.B. in Deutschland die entsprechende Kampagne von Greenpeace zu einem 11%-Umsatzrückgang bei Benzin führte. Die Entscheidung des Konzerns, auf die Versenkung zu verzichten, führte zu einem bisher nicht korrigierten Vertrauensverlust der britischen Regierung, während die Unternehmung in Deutschland trotz des Verzichts auf eine Versenkung weiter an den Folgen für ihre moralische Legitimität leidet.
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2. Abschnitt
management-Kodizes wie beispielsweise den „The Valdez Principles" 151. Richtlinien und Kodices sind jedoch auch ein Indiz für die Interdependenz mit den Werten von Anspruchsgruppen, das heißt, die tiefere Verankerung in die entscheidungsbeeinflussenden Werte der Unternehmung ist im Einzelfall zu überprüfen. Ein deutliches Indiz für die Berücksichtigung ökologischer Aspekte ist die Gründung von Unternehmensvereinigungen wie f.u.t.u.r.e. und B.A.U.M., bei denen eine aktive Rolle von Unternehmen bei der Bewältigung des ökologischen Handlungsdrucks unterstellt werden kann152. Innerhalb der Gesellschaft können wir einen Wertewandel konstatieren, der unter anderem in einer verstärkten Bedeutung von ökologischen Problemen für gesellschaftliche Werte und Handlungen besteht . Die Beschäftigten und Manager der Unternehmung sind Teil dieses Wertewandels und verändern ihr Verhältnis zu den ökologischen Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten. Unternehmerpersönlichkeiten wie Winter154, Schmidheiny155 oder Peccei und empirische Studien demonstrieren die aktive Beteiligung der Wirtschaft an diesem Wertewandel156. Untersuchungen der ethischen und moralischen Wertvorstellungen von Führungskräften zeigen dabei unterschiedliche Typen auf, wobei ein großer Teil eine starke ökonomistische Grundüberzeugung aufweist157. Genauso wie auf der Ebene der einzelnen Führungskraft kann auf Ebene der Unternehmung als Gruppe und als Organisation davon gesprochen werden, daß es bezüglich des Umgangs mit ökologischen Auswirkungen deutliche Unterschiede gibt, wie empirische Untersuchungen zeigen1 . Das unterschiedliche Agieren von teilweise vergleichbaren Unternehmen läßt sich auch auf das Lenkungssystem Moral zurückführen, welches die Entscheidungen von Unternehmen beeinflußt.
151
Die ursprünglich als Reaktion auf das Unglück der „Exxon Valdez" vor Alaska 1989 entstandenen Regeln wurden 1992 durch die Coalition for Environmentally Responsible Economies (CERES) überarbeitet und mittlerweile als CERES-Regeln von 78 Unternehmen unterschrieben; vgl. Muson 1994, S. 16 und Business International Hrsg. 1992, S. 22 f. 152 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 18, Gege 1992, S. 89 f. 153 Vgl. Seidel/Menn 1988, S. 74 und Windhorst 1985, S. 18 ff. Dieser Wertewandel spiegelt sich in den empirischen Untersuchungen zu ökologischen Einstellungen der Individuen wider; vgl. UBA/statistisches Bundesamt Hrsg. 1995, S. 5 154 Vgl. Winter 1987 155 Vgl. Schmidheiny 1992 156 Vgl. McKinsey&Company Hrsg. 1991, S. 3 f. 157 Vgl. Ulrich, P./Thielemann 1990, S. 67 f. 158 Siehe dazu Kapitel 2.2.3.5.
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2.3 Einbeziehung ökologischer Probleme in das Entscheidungskalkül der Unternehmung Das Management der Unternehmung muß die Wechselwirkungen zwischen der Unternehmung und ihrem Umfeld so steuern, daß diese optimal sind. Die für die Unternehmung externen Lenkungssysteme beeinflussen und schränken allgemein die Selbststeuerungsmöglichkeiten der Unternehmung ein. Die Unternehmung wird versuchen, ihr Umfeld durch die Lenkungssysteme zu steuern und zu beeinflussen159. Um die Einbeziehung ökologischer Probleme in das Entscheidungskalkül der Unternehmung systematisch abzubilden, muß die Einbeziehung in die Entscheidungs- und Handlungsebenen des Managements rekonstruiert werden. Die Handlungsebenen sind nicht unabhängig voneinander, sondern stellen durch ihren Inhalt und Zielbezug zu unterscheidende Teile derselben Managementaufgabe dar. So ergibt sich von der normativen über die strategische zur operativen Ebene eine zunehmende Konkretisierung der Steuerung. Umgekehrt leiten sich die Ziele und Begründungen der Handlungen auf jeder Ebene aus der darüberliegenden ab, die Ziele und Begründungen der operativen Handlungen wurzeln also in der strategischen Ebene und diese wiederum in den Zielen und Werten der normativen Ebene160.
2.3.1 Einbeziehung ökologischer Probleme auf funktionaler/operativer Ebene Als operative Handlungsebene wird das „... Bestimmen und Unter-Kontrolle-Halten der laufenden, konkreten Aktivitäten der Unternehmung ..." 161 verstanden. Die Ziele der operativen Handlungen und die zur Verfügung stehenden Mittel sind weitgehend festgelegt. Die operative Handlungsebene umfaßt weitgehende dispositive Tätigkeiten, die in Aufträgen 162 an die ausführenden Mitarbeiter münden. Als Ziel der operativen Handlungen kann die Erreichung von Produktivitätspotentialen durch möglichst effiziente Nutzung der knappen Produktivitätsfaktoren bezeichnet werden163. Operativer Umweltschutz besteht zuerst einmal in der kosteneffizienten Umsetzung der Umweltgesetze und in der Umsetzung von zusätzlichen ökologisch und ökonomisch relevanten Verbesserungspotentialen. Die ökologischen Verbesserungsansätze lassen sich als die drei Handlungsfelder Ressourcenschutz, Emissionsbegrenzung und Risikobegrenzung formulieren164. Die Einbeziehung ökologischer Probleme kann auf operativer 159 160 161 162 163 164
Vgl. Ulrich, H./Probst 1988, S. 272 ff. Vgl. Ulrich, H./Probst 1988, S. 270 ff. Vgl. Ulrich, H./Probst 1988, S. 265 f. Vgl. Bleicher 1992, S. 72 Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 20 Vgl Dyllick 1990, S. 25
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Ebene entlang der Funktionen beschrieben werden, die wiederum in ressourcenbezogene und leistungsbezogene Aufgaben aufzuteilen sind165. Ressourcenbezogene Funktionen wie Mittelbeschaffung und -Verwaltung sowie Personalbeschaffung und -Verwaltung sind betroffen, da die Verfügbarkeit von Inputfaktoren direkt von ökologischen Problemen betroffen sein kann und die Nutzung von Inputfaktoren die ökologischen Auswirkungen beeinflußt. Die leistungsbezogenen Funktionen wie Forschung und Entwicklung, Produktion und Absatz sind beeinflußt durch Umweltschutzgesetzgebung und durch ökologische Issues von Anspruchsgruppen, die die ökologischen Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten betreffen. Aufgrund der Durchgängkeit von Stoff- und Energieflüssen sind ökologische Probleme prinzipiell „cross-functional" 166. Diesem Ergebnis entsprechend, läßt sich in empirischen Studien zeigen, daß alle Funktionen der Unternehmung sich mit ökologischen Problemen auseinandersetzen167. Operatives Management bezieht ökologische Probleme zuerst einmal über eine möglichst effiziente Nutzung der Ökosphäre als Produktionsfaktor ein. Deshalb liegt in der Produktion und verwandten Abteilungen wie Lagerung und Transport ein Schwerpunkt des operativen Umweltmanagements. Die primäre Berücksichtigung finden ökologische Probleme durch die Einhaltung und Beachtung der umweltbezogenen Gesetze, Verordnungen und Auflagen aus dem Ordnungsrecht, die die Unternehmung und ihre Produktionsanlagen betreffen168. Dies geschieht zum Teil durch sogenannte „End of pipe"-Technologie, also durch die dem Produktionsprozeß nachgeschalteten Filter und Reinigungsanlagen169. Die nachgeschalteten Technologien werden ergänzt oder ersetzt durch produktionsintegrierten Umweltschutz, d.h. die Produktionsprozesse werden durch Substitution, effizientere Anlagenkonstruktion und Steuerung, geschlossene Kreisläufe und internes Recycling hinsichtlich Ressourcenverbrauch und Emissionen optimiert170. Aufgrund der ökologischen Bedeutung der Einsatzstoffe und der Umweltrisiken bei Transport und Lagerung kommt der Materialwirtschaft als
165 166 167 168 169
Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 178 f. Vgl. Wagner, G. R./Janzen 1991, S. 121 Vgl. Günther 1994, S. 107 f. und FUUF Hrsg. 1991, S. 3 Vgl. Wicke et al 1992, S. 200 ff. „End of pipe"-Maßnahmen stellen eine outputorientierte Anpassung der Produktion an erhöhte Umweltanforderungen dar. Dabei wird der eigentliche Prozeß nicht modifiziert, sondern die Emissionen in spezifische Medien durch Filter reduziert. End of pipe-Maßnahmen werden aus ökonomischer Perspektive kritisiert, da sie rein kostensteigernd wirken und keinerlei Beitrag zu Produktivitätssteigerung leisten können. Vgl. Müllendorf 1981, S. 251. Aus ökologischer Perspektive erscheint es bedenklich, daß sie negativ auf die Ressourceneffizienz wirken und außerdem oft eine Verschiebung der Emissionen von einem Medium ins andere bewirken. 170 Vgl. Β ästlein 1991, S. 124 f. und Wicke et al. 1991, S. 156 ff.
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Integration der Funktionen Beschaffung, Logistik, Entsorgung und Recycling eine wichtige Rolle im operativen Umweltschutz zu, da sie unter Einbindung der Funktionen Produktion und Entwicklung die Produktpalette, ihre Inhaltsstoffe, den sparsamen Umgang mit Material und den Aufbau von Sammel- und Kreislaufprozessen beeinflußt171. Ein zentraler Ansatzpunkt ist dabei die ökologische Bewertung der Lieferanten nach ihrem ökologischen Problembeitrag und der eingekauften Stoffe und Produkte, die sowohl nach ökologischen als auch nach ökonomischen Kriterien wie internalisierten Umweltkosten bewertet werden können. Die Funktion Forschung und Entwicklung hat durch die weitgehende Festlegung der Produkt- und Prozeßeigenschaften in der Entwicklungsphase ebenfalls eine erhebliche Relevanz für die ökologischen Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten. Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Unternehmung spielen durch die Notwendigkeit zu Produktund Prozeßinnovationen eine Schlüsselrolle beim produktions- und produktintegrierten Umweltschutz172. Wichtig ist die Definition und Einbringung von entsprechenden Leistungskriterien in den Entwicklungsprozeß173. Marketing bezieht im Rahmen seiner Kommunikations-, Distributions-, Produkt- und Kontrahierungspolitik ökologische Probleme mit ein, insbesondere die ökologischen Issues, die sich auf die Produkte der Unternehmung und ihre Distribution beziehen. Die Berücksichtigung ökologischer Probleme besteht im einfachsten Fall darin, die Verpackungsverordnung umzusetzen, und weitergehend, indem Marketing einerseits die Kundenanforderungen eben auch spezifisch auf ökologische Issues untersucht und daraus Folgerungen für die Vermarktung aktueller und zukünftiger Produkte zieht und andererseits durch Kommunikationspolitik Akzeptanz und Vertrauen bei den Anspruchsgruppen der Unternehmung sichert1 4. Auch den anderen Funktionen der Unternehmung kann bezüglich der Berücksichtigung ökologischer Probleme eine Bedeutung zugewiesen werden. Die Personalpolitik der Unternehmung hat über die Umsetzung der gesetzlich vorgegebenen Organisation hinaus die Aufgaben, bei allen spezifisch mit ökologischen Fragen betrauten Mitarbeitern die notwendige Kompetenz sicherzustellen bzw. allen Mitarbeitern das notwendige Wissen über ökologische Probleme und den Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zu vermitteln1 5. Darüber hinaus müssen ökologische Fragestellungen in der Entwicklung der Organisation reflektiert werden. Controlling und andere Informationen verarbeitenden und bereithaltenden Funktionen in der Unternehmung müssen ihre Systeme bezüglich ökologischer Informationen differenzieren, so daß Problemlösungspro171 172 173 174 175
Vgl. Stahlmann 1988, S. 24 f. und 1992, S. 426 ff. Vgl. Wicke et al. 1991, S. 202 ff. und Steger 1993, S. 325 ff. Vgl. Gerybadze 1992, S. 409 ff. Siehe dazu Kapitel 4.2. Vgl. Günther 1994, S. 101 und Steger 1993, S. 355 f.
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zesse unter Einbeziehung der ökologischen Problembeiträge und die Umsetzung funktionsübergreifender Lösungsansätze und -Strategien möglich werden. Die Aufgaben der informationsversorgenden Systeme werden wir im Laufe dieser Arbeit noch vertieft behandeln und deshalb hier noch nicht näher auf Probleme und Anforderungen eingehen. Der Einbeziehung ökologischer Probleme auf der operativen Handlungsebene läßt sich auch die organisatorische Umsetzung der gesetzlich geforderten Einstellung von Betriebsbeauftragten für einzelne Umweltmedienbereiche wie Immissionen, Abfall und Gewässerschutz zuordnen176. Dazu gehört auch die Klärung und Sicherstellung von umweltbezogenen Verantwortlichkeiten im Rahmen der Risikovorsorge und haftungsrechtlichen Bestimmungen. Es kann als besondere Anforderung an größere Unternehmen verstanden werden, einheitlich unternehmensweite Standards und ökologieorientierte Ziele in den verschiedenen Standorten und Unternehmenseinheiten umzusetzen. Die operative Umsetzung von ökologieorientierten Standards ist nicht nur als die Definition von Vorgaben, Zielen und Kontrolle aus der Zentrale zu verstehen. Vielmehr müssen die einzelnen Einheiten die Möglichkeiten besitzen, dezentral Handlungsalternativen zu suchen und Lösungen der lokalen Gegebenheiten anpassen: „Denke global, handele lokal"
2.3.2 Einbeziehung ökologischer Probleme auf strategischer Ebene Die strategische Ebene überlagert die operative Handlungsebene. Die Ziele und Mittel der operativen Ebene resultieren aus den Entscheidungen auf der strategischen Ebene178. Die strategische Ebene dient der langfristig ausgerichteten Zielbeschreibung für die Unternehmung179. Als Ziel läßt sich der Aufbau von strategischen Erfolgspotentialen durch strategische Steuerung der Unternehmung und entsprechenden Einsatz ihrer Ressourcen unter Bewältigung der durch Komplexität der Umfelder und Ungewißheit durch die permanente Umfeldveränderung verursachten Steuerungsprobleme definieren180. Aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Unternehmung über die gesellschaftlichen Lenkungssysteme und ihrer Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit haben ökologische Probleme eine Bedeutung für die heutigen und zukünftigen Erfolgspotentiale der Unternehmung. Die zunehmenden Aufwendungen für die operative Umsetzung von Umweltgesetzen und ökologischen Ansprüchen an die Unternehmung veranlassen 176 Vgl. Wicke et al. 1991, S. 72 und Antes 1992, S. 498 ff. 177 Vgl. Dyllick 1990, S. 46. 178 Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 20 179 Vgl. Bleicher 1992, S. 200 180 Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 20
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diese, ökologische Probleme in die strategischen Überlegungen mit einzubeziehen. KIRCHGEORG konstruiert fünf Strategietypen, von denen er die Typen Widerstand, gekennzeichnet durch die gemeinschaftliche reaktive Ablehnung von einzelnen ökologisch begründeten Ansprüchen durch eine Branche, und Passivität als das strategische Nichtagieren der einzelnen Unternehmung in bezug auf ökologische Probleme, als für die Erfolgspotentiale langfristig schädlich ablehnt 81 . Erfolgsstrategisch relevant sind dagegen die individuellen Rückzugstrategien aus Geschäftsfeldern, die unter Umweltgesichtspunkten kein Erfolgspotential versprechen, Antizipationstrategien, die sich zusammen mit der Branche an die Anforderungen adaptiv anpassen, und Innovatorstrategien, die die ökologischen Probleme proaktiv aufgreifen und nach individuellen innovativen Lösungen als Erfolgspotential suchen. Empfehlungen für Normstrategien lassen sich in einem Ökologieportfolio aus der Gegenüberstellung von Chancen einer ökologiebezogenen Differenzierung, mit der Risikoexponierung der Unternehmung oder einzelner Handlungsfelder bezüglich ökologischer Probleme gewinnen182. So kann für die Bereiche großer Chancen und kleines bis großes Risiko die Möglichkeit zu innovationsorientierten Strategien abgeleitet werden, während der Bereich hohen Risikos und kleiner Chancen eine risikoorientierte Strategie mit Minimierung der Kosten und adaptiver Anpassung an ökologische Issues bei gleichzeitiger Einhaltung von Risikostandards oder eine Rückzugsstrategie verlangt18 . Die Innovationsstrategie ist als die mit größeren Chancen und Risiken behaftete anzusehen, die für ein Unternehmen deshalb nur sinnvoll ist, wenn tatsächlich die Möglichkeit da ist, langfristige Erfolgspotentiale zu erschließen und die operative Umsetzung der Strategie gewährleistet werden kann184. Das Strategieportfolio als Basis der ökologieorientierten Strategie wird als ungenügend zurückgewiesen, da es keine inhaltliche Ausfüllung der Strategie bietet, sondern vielmehr nur die grobe Stoßrichtung angibt. Zudem wird kritisiert, daß das Portfolio-Konzept zu stark den eher kurzfristigen Vorteil oder Nachteil von Produkten am Markt bewertet und so das komplexe Geflecht der erfolgsbestimmenden Einflußfaktoren längerfristig nicht wiederzugeben vermag 85. Zudem ist die isolierte Betrachtung von strategischen Business-Units und die Definition von unabhängigen Normstrategien, sowohl unter dem Aspekt der Legitimitätssicherung der Unternehmung als auch unter dem Aspekt der Entwicklung von geschäftsfeld-
181 182 183 184 185
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kirchgeorg 1990, S. 45 ff. Dyllick 1990, S. 34 ff. und Steger 1993, S. 206 ff. Steger 1993, S. 211 Steger 1993, S. 221 Harde 1994, S. 114 f.
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eifenden Fähigkeiten als endogenen Erfolgsfaktoren, zu kritisieNach DYLLICK lassen sich für eine ökologieorientierte Strategie ökologiebedingte Innovation, ökologiebedingte Kommunikation und ökologiebedingte Kooperation als Kernelemente definieren, die sie von herkömmlichen Strategien unterscheidet187. Als ökologiebedingte Innovationsstrategien lassen sich unterscheiden188: • Strategien der Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, • Strategien der Rezyklierung zum Schließen von Kreisläufen, • Einsatz umweltfreundlicher Technologien, • umweltfreundliche Produktpolitik durch Produktinnovation, -variation, -eliminierung, • Verhinderung, Beseitigung und Verminderung von Umweltschäden durch Entwicklung entsprechender Umweltschutztechniken, und • neue Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung. Die ökologische Innovationsstrategie bedarf der Komplettierung durch ökologiebedingte Kommunikation zum Erhalt von Glaubwürdigkeit und Akzeptanz für die Unternehmung und ökologiebedingte vertikale und horizontale Kooperationen zur ökologischen Optimierung des Produktlebenszyklus und zur Durchsetzung ökologisch optimalerer Innovationen189.
2.3.3 Einbeziehung ökologischer Probleme auf normativer Ebene Entscheidungen über Strategien basieren ihrerseits auf Werten und Zielen der Unternehmung bzw. der Handelnden190. „Auf der normativen Führungsebene geht es also um die Bestimmung übergeordneter Werte, zu deren Verwirklichung die Unternehmung mit ihren eigenen Zielsetzungen und Aktivitäten beitragen soll." 191. Ihren Ausdruck findet die normative Handlungsebene in der Unternehmenspolitik als der „...Auseinandersetzung mit den Wertvorstellungen und Interessen aller an der Unternehmung beteiligten und von ihren Handlungen betroffenen Gruppen und die permanente Pflege tragfähiger Beziehungen zu diesen Gruppen." 192. Insbesondere größere Unternehmen müssen in ihrer Rolle als „quasi-öffentliche Institution193" diese Auseinandersetzung mit ihren Anspruchsgruppen führen. ULRICH/FLUR! postulieren eine normative Ma186 187 188 189 190 191 192 193
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Prahalad/Hamel 1990, S. 79 f. Dyllick 1990, S. 37 ff. Kreikebaum 1991, S. 178 ff. und Harde 1993, S. 156 f. Dyllick 1992, S. 403 f. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 21 Ulrich, H./Probst 1988, S. 268 ff. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 77 Ulrich, P. 1977, S. 161
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nagementebene in der Unternehmung, die die „angemessene Bewältigung von unternehmenspolitischen Wert- und Interessenkonflikten" sicherstellen muß, um der Unternehmung die zur Handlungsfähigkeit notwendige „Kooperationsbereitschaft", „Akzeptanz" und „Goodwill" zu sichern194. S T E I N M A N N / L Ö H R sprechen in diesem Zusammenhang von der Moral als der „faktisch herrschenden Norm" , mit der die Ethik als „regulative Idee und Aufforderung zur Verbesserung" in permanenter Wechselwirkung steht195. Aus den verschiedenen in der Unternehmung „anwendungsfähigen" Ethiktheorien kristallisieren sich handlungsorientierte, prozessuale Ethiken des argumentativen Diskurses, trotz aller Einschränkungen, als dominierende Empfehlung an Unternehmungen, mit dem Lenkungssystem Moral umzugehen, heraus196. Die angemessene Bewältigung von Wert- und Interessenkonflikten kann dabei nicht von der unkritischen Annahme der Herstellung von Konsens mit den internen und externen Anspruchsgruppen ausgehen, da aufgrund der Heterogenität der Bewertung ökologischer Probleme und des Vorhandenseins von Interessengegensätzen im allgemeinen die Herstellung von Konsens ein regulativer Anspruch bleibt. Im Bezug auf ökologische Probleme hat keine Gruppe einen genuinen Vertretungsanspruch, so daß letztlich jede Anspruchsgruppe ökologische Aspekte in Werte und Normen der Unternehmung einbringen kann. Die Entwicklung handlungsleitender Werte und Normen wird also im Prozeß durch Anspruchsgruppen abhängig von ihrer Bedeutung für den Erfolg der Unternehmung unterschiedlich stark geprägt. Obwohl externe Gruppen erheblichen Einfluß auf die Werte und Normen der Unternehmung nehmen können197, sind dies zuerst einmal die internen Gruppen, die den Prozeß wesentlich beeinflussen und der Unternehmung einen Satz von Werten und Normen geben und gegeben haben, die als Angebot für den Verständigungsprozeß mit externen Anspruchsgruppen dienen und sich in Interaktion weiterentwickeln198. Es kann prinzpiell davon ausgegangen werden, daß die Unternehmung versucht, die externen Anspruchsgruppen zu identifizieren, mit
194 195 196 197
Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 21 f. Vgl. Steinmann/Löhr 1992, S. 8 ff. Vgl. Kirsch/Knyphausen 1988, S. 494 ff. und Steinmann/Löhr 1992, S. 67 f. So läßt sich das aktive Umgehen von Unternehmen mit ökologischen Problemen aus Konfliktfällen in der Vergangenheit herleiten, so Bischof+Klein; vgl. Hailay Hrsg. et al. 1990, S. 46. Siehe dazu auch Kapitel 5.1.2.2. 198 Vgl. Pfriem 1995, S. 162 f. Die Bedeutung der internen Anspruchsgruppen wird unterschiedlich bewertet, vom demokratisch konsensorientierten Ansatz der Verwirklichung der persönlichen Projekte aller Mitarbeiter bei FREEMAN/GILBERT; vgl. Freeman/Gilbert 1990, S. 158 ff., bis zu einer deutlichen Dominanz des Managements bei der Beeinflussung der Werte und Normen; vgl. Steger 1993, S. 178 ff.
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2. Abschnitt
denen sich die Werte und Normen der Mitglieder der Organisation umsetzen lassen. Unternehmen verfügen als soziale Systeme über eine Teilautonomie, da sie in die Handlungslogik der Ökonomie eingebunden, aber gleichzeitig der eigenen Organisationslogik und Handlungsrationalität verpflichtet sind, die durch das System selbstorganisierend gestaltet wird 199 . Die Unternehmung kann teilautonom ihre Regeln und Normen selbst beeinflussen, also über ihre Rolle mitentscheiden. Damit steht die Unternehmung auch in der Verantwortung, ihrem Umfeld eine Leistung anzubieten, die extern und intern als sinnvoll anerkannt wird. Diese intern und extern als sinnvoll empfundene Rolle verändert sich laufend in der Interaktion zwischen der Unternehmung und ihren Anspruchsgruppen. Das Modell der fortschrittsfähigen Organisation gewinnt daraus den Anspruch an die Unternehmung, diese Teilautonomie zur Weiterentwicklung zu nutzen 200 . Fortschritt wird positiv definiert als Fortschritt der Unternehmung bei der Befriedigung von Bedürfnissen interner und externer Anspruchsgruppen. Wenn die soziale Gruppe, die ein Unternehmen ausmacht, zumindest teilautonom Werte und Normen entwickeln kann, so stellt sich die Frage nach einem angemessenen Umgehen mit ökologischen Problemen. Eine angemessene normativ-ethische Grundlage antizipiert, daß es einerseits aufgrund der direkten und indirekten Beeinflussung von Unternehmen durch ökologische Probleme gute ökonomische Gründe für die Einbeziehung ökologischer Probleme gibt und es andererseits durch die fehlende Internalisierung, durch die instabilen und heterogenen gesellschaftlichen Ziele und die Einbindung in eine aus ökologischer Perspektive selbstzerstörerische Wirtschaftsweise, zu Zielkonflikten kommen muß. Das Konzept ökologische Unternehmenspolitik ist deshalb als normativ-ethische Fundierung für ÖISS angesichts des Zwiespalts von Zielen und Ausgestaltungsmöglichkeiten durch die Unternehmung angemessen, da es die widersprüchliche Rolle von Unternehmen, die sowohl ökonomische Gewinn- und Rentabilitätsziele haben als auch gleichzeitig ökologieorientierten Zielen folgen müssen und sollen, anerkennt 201 . Es erscheint in diesem Kontext nicht weiterführend, die unproblematische Integration von ökologischen Problemen in die Ökonomie zu postulieren oder umgekehrt die Unvereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie zu konstruieren 202 . Vielmehr muß es für die einzelne Unternehmung darum gehen, handlungsorientiert die Spielräume und Grauzonen zur Optimierung ihrer ökologischen Problembeiträge auszugestalten. HALLAY/PFRIEM legen dem Konzept der ökologischen Unternehmenspolitik deshalb ein Schnittmengenmodell der Beziehung von ökologischen und ökonomischen 199 200 201 202
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Willke Kirsch Pfriem Pfriem
1994, 1990, 1995, 1995,
S. 165 ff. S. 471 ff. S. 95 ff. S. 92 f.
Grundlagen
67
Zielen zugrunde und definieren die Handlungsgrundlagen und Zielsetzungen von ökologischer Unternehmenspolitik wie folgt: „Unter ökologischer Unternehmenspolitik verstehen wir das systematische Bemühen von Unternehmen, im Rahmen des betriebswirtschaftlich Vertretbaren, ökologische Handlungsspielräume: • zu erkennen • zu nutzen und • zu erweitern" 203 Diese Definition von ökologischer Unternehmenspolitik wird dahingehend erweitert, daß Unternehmen über die kurz- und mittelfristig sowie die gesetzlich gebotenen Maßnahmen hinaus „... alles in ihren betriebswirtschaftlichen Kräften Stehende versuchen für die Realisierung ökologischer Ziele" und Unternehmenspolitik damit „...über die Beseitigung von Schwachstellen hinaus als systematisches Bemühen um ökologische Optimierung ..." 204 betreiben. Auf die Ausgestaltung der Schnittmenge nimmt die jeweilige Unternehmung prägenden Einfluß, da sie durch die Definition der Ziele den möglichen Spielraum mit beeinflußt. Die Konzeption geht hierbei von einer begrenzten Rationalität der ökonomischen und politischen Zielwahl von Unternehmen aus205, die sich in konkreten Entscheidungssituationen als individuell deutungsabhängig erweist und offen ist für Entwicklung und Lernen der Unternehmung. Wie diese Schnittstelle in der Unternehmung verstanden und ausgestaltet wird, bzw. was an ökologischer Unternehmenspolitik wie verwirklicht wird, hängt dann ab von der Interaktion der Unternehmung mit einem sich wandelnden Umfeld, von der Fähigkeit der Unternehmung, ökologieorientierte Ziele zu formulieren, und von ihrer Fähigkeit, ökologieorientierte Informationen verarbeiten zu können.
2.3.4 Verhaltenstypologien bezüglich des Umgangs von Unternehmen mit ökologischen Problemen Um den Umgang von Unternehmen in der Zusammenschau aller drei Handlungsebenen thematisieren zu können, scheint es angebracht, die Entwicklung und Veränderung von Unternehmensverhalten beim Umgang mit ökologischen Problemen zu thematisieren. KIRCHGEORG beschreibt als das Ergebnis der Klusternanlyse seiner empirischen Untersuchung vier Typen von Grundhaltungen, die die strate203 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 11 204 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S.12 205 Doppelte Subjektivität deshalb, da a) aus der theoretisch unendlichen Menge der verfügbaren Informationen nur ein als wichtig bewerteter Teil erfaßt wird und b) diese Informationen in ein Modell der Realität eingebunden werden, welches erheblich von persönlichen Normen und Werten und denen des Umfeldes beeinflußt wird; vgl. Pfriem 1995, S. 97 ff.
68
2. Abschnitt
gischen Schwerpunktsetzungen beschreiben, die sich aus einem situativen Kontext aus Gesetzgebung, Marktbedingungen und normativen Grundhaltungen entwickelt haben2 . Rund 20% der Unternehmen verfolgen sehr selektiv gleichzeitig sowohl aktive Umweltschutzstrategien als auch Rückzugs- und Wiederstandsstrategien207. Rund 30% der Unternehmen lassen sich als passiv kennzeichnen, d.h. Anpassung an Umweltschutzgesetze und vorbeugendes Handeln hat eine geringe Bedeutung; es fehlen Umweltprogramme und die aktive Auseinandersetzung mit ökologischen Issues. Die rund 27% „Innengerichteten Aktiven" zeichnen sich durch relativ hohe Umweltschutzinvestitionen, Anpassung an Umweltgesetze und frühzeitiges Vorbereiten von Handlungsalternativen aus, ohne diese mit nach außen gerichteten Strategien zu kombinieren. Die rund 23% ökologieorientierten Innovatoren zeichnen sich sich durch markt- und innengerichtete Umweltschutzaktivitäten bei Fehlen von Widerstands- oder Rückzugsaktivitäten aus. Sie zeigen in bezug auf Produktentwicklung und Kommunikationspolitik ein Pionierverhalten. Die Verhaltenstypen sind nicht dahingehend untersucht worden, inwieweit eine Weiterentwicklung der Unternehmung im Umgang mit ökologischen Problemen stattgefunden hat. DYLLIK/BELZ geben der Betrachtung des Verhaltens von Unternehmen eine dynamische Perspektive, indem sie eine ökologische Normalentwicklung postulieren, die in drei Stadien von isolierten innengerichteten Ökomaßnahmen über integrierte innengerichtete Ökomaßnahmen zu integrierten extern ausgerichteten, den Produktlebenszyklus einbeziehenden ökologischen Maßnahmenkonzepten verläuft208. WINSEMIUS/GUNTRAM haben eine Verhaltenstypologie von zeitlich aufeinanderfolgenden „Development stages in corporate response" - entwickelt, das es uns erlaubt, besonders prägnant die Entwicklung der Reaktion von Unternehmen im zeitlichen Aufriß zu differenzieren209. Die einzelnen Verhaltentypen werden in drei Kategorien beschrieben: " Integrate" : Welche Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten werden als relevant für Umweltmanagement betrachtet, und auf welcher Ebene ist die Problemlösung zu suchen? " Cooperate" : Wer wird zur Entwicklung, Entscheidung und zum Umsetzen von Reaktionen auf ökologische Problemstellungen innerhalb und eventuell der Unternehmung miteinbezogen?
206 207 208 209
Vgl. Kirchgeorg 1989, S. 142 ff. und S. 175 ff. Dieses Kluster ist nicht dahingehend spezifiziert, ob tatsächlich eine intensive Beschäftigung mit ökologischen Problemen vorliegt oder tiefergehende Klusterung notwendig wäre; vgl. Steger 1992, S. 232 Vgl. Dyllick/Belz 1994, S. 11 f. Vgl. Winsemius/Guntram 1992, S. 17. Für ein ähnliches methodisches Vorgehen vgl. Schmid 1989, S. 242 ff., Norcia et al. 1993, S. 2 ff. und Azzone/Bertele 1994, S. 69 ff.
Grundlagen
69
" Generate" : Wie können die Zielsetzung und die möglichen Leistungen des betrieblichen Umweltmanagements beschrieben werden? Als Entwicklungsphasen können vier Verhaltenstypen beschrieben werden: der reaktive Ansatz, der rezeptive Ansatz, der konstruktive Ansatz und der proaktive Ansatz210. Der Terminus Strategie wird nicht verwendet, da er ein geplantes bewußtes Vorgehen der Unternehmung impliziert, während die entwicklungsgeschichtliche Betrachtung gerade in den frühen Entwicklungsphasen auf ein eher ungeplantes Reagieren auf externe Anforderungen durch Anspruchsgruppen schließen läßt (siehe Abbildung 2. 11). Abbildung 2.11:
Entwicklungsstadien im Umgang mit ökologischen Problembeiträgen
ENTWICKLUNGSSTADIEN IM UMGANG MIT ÖKOLOGISCHEN PROBLEMBEITRAGEN
Corporate response
ί
©
© •
Ιβδ Receptive
J®
••"'Constructive
Proactive
Integrate
End-of-pipe
Process
Product
Needs
Cooperate
Specialists
Managers
Industry
Society
Generate
Minimization
Optimization
Leap
Vision
Quelle: Winsemius/Guntram 1992, S.17
Unternehmen waren und sind gegenüber einer staatlichen Umweltpolitik von reaktivem Verhalten gekennzeichnet, das sich durch Fokus auf die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, verbunden mit heftigem Lobbying gegen verschärfte Umweltauflagen, auszeichnet. Für Unternehmen mit einen reaktiven Ansatz ist Umweltmanagement nur durch Kosten und äußeren Druck gekennzeichnet. Die als „end of pipe" charakterisierten Maßnahmen betreffen ausschließlich die direkte Reduktion von Emissionen durch verschiedene nachgeschaltete Filter und Reinigungseinrichtungen. Einbezogen in die Entwicklung von Maßnahmen sind ausschließlich Umweltspezialisten. Als Unternehmensziel kann die 210 Vgl. Winsemius/Guntram 1992, S. 17 ff.
70
2. Abschnitt
Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und die Minimierung der Investitionen und operativen Kosten beschrieben werden. Der reaktive Verhaltenstyp sieht ökologische Probleme nur als Randprobleme für Spezialisten und verneint die Bedeutung ökologischer Probleme für eine der Handlungsebenen des Managements. Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit ökologischen Issues gemacht haben und für die Umweltmanagement bereits eine akzeptierte Aufgabe ist, können eine rezeptive Haltung einnehmen. Umweltmanagement wird nicht mehr als reine technikorientierte Spezialistenaufgabe gesehen, sondern als Teil der Managementaufgabe zumindest auf Produktionsebene verstanden. Hauptansatzpunkt ist die Verbesserung der Stoff- und Energieeffizienz der Produktionsprozesse durch neue integrierte Umweltschutztechnologien und besseres operatives Management der Produktion. Ökologische Verbesserungen werden im ökologieorientierten Marketing herausgestellt. Als Unternehmensziel im Umweltmanagement kann die kosteneffiziente ökologische Optimierung der Produktion des existierenden Produktionsprogramms definiert werden. Der rezeptive Typ bezieht ökologische Fragestellungen in die effizienzorientierte Optimierung der Produktionsprozesse mit ein und hebt sie so auf die operative Handlungsebene des Managements. Die dritte Phase der Entwicklung von Umweltmanagement, von den Autoren als konstruktiver Ansatz bezeichnet, ist durch produktorientierten Umweltschutz gekennzeichnet. Dabei erweitert sich das Gesichtsfeld des betrieblichen Umweltmanagements von den Emissionen und der Effizienz der Produktion auf die Umweltbelastung durch die Produkte über den gesamten Lebenszyklus. Konstruktiv agierende Unternehmen kooperieren zur Erreichung der Ziele von produktbezogenem Umweltschutz mit anderen Unternehmen sowohl innerhalb ihrer Industrie als auch mit anderen Unternehmen entlang des Produktlebenszyklus. Produktbezogenes Umweltmanagement muß Industriewertschöpfungsketten verändern, um beispielsweise über Recycling zu geschlossenen Substanzkreisläufen zu gelangen. Ziel eines solchen Umweltmanagementansatzes ist es, Produkte mit deutlich reduzierten ökologischen Auswirkungen zu erreichen und diese als Teil des Kundennutzens zu vermarkten. Der konstruktive Verhaltenstyp betrachtet ökologische Issues auf einer Produkt- und Produktlebenszyklusebene mit dem Ziel, echten Fortschritt in bezug auf ökologischen Kundennutzen zu ermöglichen. Die Relevanz der ökologischen Problembeiträge für die strategischen Erfolgspotentiale der Unternehmung wird verstanden und akzeptiert. Der proaktive Ansatz geht noch weiter und versteht Umweltmanagement als zentrales Element des betrieblichen Qualitätsmanagements und der strategischen Ausrichtung. Die Unternehmung optimiert, ausgehend von den Bedürfnissen der Konsumenten und der Gesellschaft, ihre eigenen Funktionen und den Kundennutzen von Produkten und Service entlang der
Grundlagen
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ökonomischen und ökologischen Dimension. Die Kooperationsnotwendigkeit greift über die Industrie hinaus und bezieht verschiedene Anspruchsgruppen mit ein. Ziel und Ergebnis von proaktivem Umweltmanagement muß es sein, eine langfristige Vision für die Unternehmung und die von ihr bedienten Funktionen und Bedürfnisse zu entwickeln.
2.3.5 Handlungsfreiräume von Unternehmen beim Umgang mit ökologischen Problemen Die Kernthese dieses Grundlagenabschnitts ist es, daß die Anforderungen an Unternehmen bezüglich des Umgehens mit den ökologischen Problembeiträgen ihrer Aktivitäten steigen, da die gesellschaftliche Wahrnehmung ökologischer Probleme zu Handlungsdruck führt, der an Unternehmen über die Lenkungssysteme vermittelt wird. Unternehmen kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie gesellschaftliche Funktionen und Bedürfnisse in Produkte und Dienstleistungen umsetzen und deshalb durch die Gestaltung der Güter und Produktionsprozesse auch die ökologischen Auswirkungen der menschlichen Gesellschaft unmittelbar beeinflussen. Die Reduzierung ökologischer Probleme als zunehmend wichtigeres gesellschaftliches Ziel verändert die Ansprüche von Anspruchsgruppen an die Unternehmen und schafft erheblichen Handlungsdruck. Die Bedeutung ökologischer Issues in den Lenkungssystemen schafft für Unternehmen gleichzeitig Handlungsfreiräume, da aufgrund der Komplexität, Veränderungsgeschwindigkeit und der unterschiedlichen Bewertung der wahrgenommenen ökologischen Probleme keine eindeutigen gesellschaftlichen Vorgaben mehr existieren211. So werden in der Umweltpolitik Instrumente wie Umweltinformations-, Umwelthaftungsgesetz und das „EG-Gemeinschaftssystem für Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung" eingeführt, die die Entscheidungen der Unternehmung als eigenständigem Akteur für Anspruchsgruppen transparenter werden lassen und sie gleichzeitig für ihre Entscheidungen haftbar machen. Die Analyse des Lenkungssystems Markt zeigt, daß ökologische Probleme die Wettbewerbsposition von Unternehmen und Industrien beeinflußt. Unternehmen benutzen das Aufzeigen von ökologischen Problemen eventuell in Kooperation mit Anspruchsgruppen und ihre innovative Lösung als Erfolgsfaktor. Es wird deutlich, daß das Umgehen von Unternehmen mit ökologischen Problemen nicht als das Umsetzen eines vorgegebenen Rahmens verstanden werden darf, sondern die Unternehmen als eigenständiger Akteur Entscheidungen treffen müssen, die von erfolgsstrategischer Relevanz sind.
211
Auch eine umfassende und ambitionierte Umweltschutzgesetzgebung kann solche Vorgaben beispielsweise bezüglich sich entwickelnder Umweltprobleme und unternehmensspezifischer Lösungsmöglichkeiten nicht geben.
72
2. Abschnitt
Unternehmen gehen mit den ökologischen Problembeiträgen ihrer Aktivitäten unterschiedlich um, abhängig von Chancen und Risiken, die sich für sie bieten, abhängig auch von individuellen und kollektiven Werten und Normen im System Unternehmung, sowie der Lemerfahrung im Umgang mit ökologischen Problembeiträgen. Unternehmen beeinflussen als teilautonome Systeme ihren Umgang mit ökologischen Problemen weitgehend selbst, da der Umgang mit dem Umfeld abhängig ist von der Handlungslogik der Unternehmung. Die Unternehmung beeinflußt durch ihre Beschreibung von Bedürfnissen ihre Entwicklung und die ihre Umfeldes. Ökologieorientierte Informationen beeinflussen das Verhalten von Unternehmen, da sie Lernen über das Umgehen mit ökologischen Problemen fördern und die Subjektivität der Informationsverarbeitung beeinflussen. Für unsere Arbeit ist die Beziehung zwischen dem Umgang mit ökologischen Problemen und den der Unternehmung zur Verfügung stehenden ökologieorientierten Informationen wichtig, da der angemessene Umgang mit ökologischen Problemen von der adäquaten Rekonstruktion des Zusammenhangs zwischen wahrgenommenen ökologischen Problemen und den Unternehmensaktivitäten abhängt.
3. Abschnitt
Informations- und Steuerungssysteme (ISS) zur Berücksichtigung von ökologischen Problemen Der Managementprozeß ist zwar als solcher dadurch gekennzeichnet, daß er Informationsdefizite bewältigen muß; ein zielgerichtetes Management ist aber ohne ausreichende Informationen nicht denkbar. Denn „das Wollen allein reicht für das Können freilich nicht aus, es muß auch das Wissen hinzutreten - so läßt sich in der vielleicht knappsten Form die Notwendigkeit ökologischer Informationssysteme für Unternehmen unterstreichen."212. Der dritte Abschnitt über ISS zur Berücksichtigung von ökologischen Problemen durch die Unternehmung wird in fünf Kapiteln zur Untersuchung folgender Fragestellungen aufgeteilt: • Die Inhalte und Konzepte, die sich mit dem Begriff Wissen und den verwandten Begriffen Information und Kommunikation verbinden, und wie diese Begrifflichkeiten für das Konzept eines Informationssystems adäquat genutzt werden können. Zudem gilt es auszuloten, welche allgemeine Bedeutung für Informationssysteme die Probleme und Besonderheiten der Nutzung von Informationen haben. • Die Bedeutung, Definition und Konzepte von ISS für Unternehmen sowie ihre Funktion für die Unternehmung in Problemlösungsprozessen, innerhalb des Führungssystems, und die Weiterentwicklung der Unternehmung. • Die Grenzen und Probleme herkömmlicher betrieblicher ISS bei der Berücksichtigung von ökologischen Problemen, als Ansatzpunkt für spezifische ökologieorientierte ISS-Konzepte. • Von den Konzepten ausgehend, werden in vier Schritten die Konzepte für ökologieorientierte ISS systematisiert und dargestellt und • die gemeinsamen und spezifischen instrumenteilen Gestaltungselemente werden identifiziert.
3.1 Schlüsselbegriffe Wissen, Information und Kommunikation Ausgangspunkt und Problemstellung dieser Arbeit ist die Schwierigkeit, ökologische Probleme in das Entscheidungskalkül der Unternehmung ein-
212
Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 25
74
3. Abschnitt
beziehen, um zu ökologischen Handlungsalternativen zu kommen. Bei der Rekonstruktion der ökologischen Probleme und ihrer Bedeutung für Unternehmen konnte bereits gezeigt werden, daß hier unterschiedliche Formen der Bedeutungszuweisung sichtbar werden. Darauf aufbauend erscheint es berechtigt, die Modelle von Wissen, Information und Kommunikation, auf die wir uns im weiteren stützen, genauer zu untersuchen.
3.1.1 Wissen Wissen läßt sich laut Lexikon als „1. allg. verfügbare Orientierungen im Rahmen alltägl. Handlungs- und Sachzusammenhänge; 2. im engeren philosophi. und wiss. (Sinne) im Unterschied zu Meinungen und Glauben (als) die auf Begründungen bezogene und strengen Überprüfungspostulaten unterliegende Kenntnis..."213 definieren. Betriebswirtschaftslehre benutzt den Wissensbegriff zumeist, um die zweck- und entscheidungsorientierte Vermehrung von Wissen zu beschreiben214. So beschreiben ULRICH, H. et al. die Zwecksetzung der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre als: „...empirisches Wissen über die in der Problemsituation maßgeblichen Zusammenhänge, um ... Erfolgsaussichten möglicher Maßnahmen abschätzen zu können. ...methodisches Wissen, welches ihm erlauben soll, bei der Erfassung und Lösung seiner Probleme zweckmäßig vorzugehen. ...ist es Aufgabe der BWL, Wissen beider Kategorien zu gewinnen, kritisch zu sichten, zu systematisieren und zu vermitteln"215. Aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive existiert Wissen als handhabbares Objekt, welches zweckgerichtet erworben und vermehrt wird216. In der Beschreibung von Wissen wird immer wieder die für die Formen menschlichen Wissens grundlegende Unterscheidung zwischen auf Erfahrung basierendem Alltagswissen bzw. einem impliziten Wissen und rationalistischen Erfahrungen und Regeln evident2 . POPPER unterscheidet zwischen subjektivem und objektivem Wissen218: •
213 214 215 216 217
218
Subjektives Wissen, als Wissen bestehend aus Verhaltensdisposition von Organismen, d.h. aus ihrer bewußten und unbewußten Erwartung und Antizipation, die unter anderem eine Folge der konkreten Organisation von Lebewesen und ihrer Funktionsweise sind, und
Vgl. Meyers Lexikonredaktion Hrsg. 1992, S. 143 Vgl. Kleinhans 1989, S. 7, Pautzke 1989, S. 77 Vgl. Ulrich, H. et al. 1976, S. 136 Vgl. Kleinhans 1989, S. 7 Vgl. Stegmüller 1979 S. 462 und Dreyfus/Dreyfus 1987, S. 20 f., Machlup 1962 S. 13 ff. und PAUTZKE, der mehrere Formen der Wissensegmentierung und -definition zitiert, um allerdings die Unmöglichkeit einer strengen Wissensdefinition zu konzidieren; vgl. derselbe 1989, S. 66 f. Vgl. Popper 1972 S. 71
Ökologieorientierte ISS
•
75
objektives Wissen, welches aus „sprachlich formulierten Problemen, Hypothesen, Argumenten usw. kurz aus sprachlich formuliertem Wissen" besteht219.
Ähnlich unterscheidet KIRSCH, der den Begriff Erkenntnis für sprachlich kodifiziertes Wissen reserviert, welches durch seine Verfügbarkeit kritisiert und weiterentwickelt werden kann und dadurch eine besonders rationale Form des Wissens darstellt220. DREYFUS/DREYFUS differenzieren Wissen von Individuen zudem in Können (Fertigkeiten, Kenntnisse), also „wie etwas zu tun" ist, und Kennen (Kenntnisse, Erkenntnisse), also „daß etwas der Fall ist" oder „was der Fall ist"221. Können ist dabei an Körperlichkeit gebunden, da es das Wissen bezeichnet, wie etwas zu tun ist, und deshalb auch Wissen über die konkrete Form von Lebewesen einbeziehen muß. Wissen läßt sich nicht nur als handhabbares Objekt verstehen, sondern auch als etwas an Körperlichkeit Gebundenes. Wissen, „...wie man etwas macht im Unterschied zu dem Wissen, daß etwas der Fall ist...", darunter läßt sich jede „körperliche Fähigkeit", „sich in der Welt zu bewegen" bzw. „die Welt zu bewegen", also auch Sehen, Hören, einen Muskel bewegen oder denken verstehen222. Wissen, auch Alltags- oder praktisches Wissen, ist nach POPPER prinzipiell theoretisch, da es keine theoriefreie Beobachtung oder Problemstellung geben kann223. Aussagen über Sachverhalte sind prinzipiell hypothetisch, d.h. unsicher, da sie immer Erfahrungen transzendieren und nie endgültig verifizierbar sind. Wissenserweiterung und Lernen führt für den kritischen Rationalismus über die Entwicklung von Theorien für eine Problemlösung und über den Test dieser Theorien als Versuch und Irrtum, um so zu einer besseren Theorie für die Problemlösung zu gelangen, die erneut zu testen ist und so weiter224. Dieses evolutionäre Verständnis der Wissenserweiterung kann für jede Art von Wissen angenommen werden, vorausgesetzt, dieses Wissen kann sich in Handlungen ausdrücken, oder es ist in Form von falsifizierbaren Formulierungen verbalisierbar. Wissen ist folglich prinzipiell empirisch und vorläufig, denn es ist anhand einer Problemstellung prüfbar und falsifizierbar 22 . Bei der Definition von Wissen und Wissenserweiterung muß der Prozeßcharakter des Erkenntnisgewinns und des Lernens berücksichtigt wer-
219 Vgl. Ulrich, H. et al. 1976, S. 136 220 Vgl. Kirsch 1988, S, 174 f. 221 Vgl. Dreyfus/Dreyfus 1987, S. 23 f., Köck 1987, S. 366 und Ryle 1958 S. 27 ff. 222 Vgl. Kleinhans 1989, S. 9 223 Vgl. Popper 1971, S. 376 f. 224 Vgl. Popper 1973 S. 182 ff. und Eccles 1974, S. 349 ff. POPPER weitet dabei die Gültigkeit des Prozesses des Problemlösens auch auf den Prozeß des Verstehens aus; vgl. Popper 1973 S. 186 225 Vgl. Habermas 1981, S. 109
76
3. Abschnitt
den. Dieser Prozeß setzt das Erkennen- oder Verstehenkönnen voraus226. Dabei greift er auf bereits vorhandenes Wissen und die kognitiven Strukturen zurück, die das Erkennen ermöglicht. Daran knüpft die evolutionäre Erkenntnistheorie (EE) an, die den Erkenntnisprozeß als Funktion der evolutiv entstandenen und angepaßten kognitiven Fähigkeiten des Menschen untersucht227. Der Mensch als erkennendes System enthält der evolutionären Erkenntnistheorie folgend sowohl genetisch kodierte Elemente (phylogenetisch) „angeborene Elemente" zum Erkennen der Welt, als auch individuelles (ontogenetisch) Erfahrungswissen. Erkenntnis ist für die EE die „...adäquate Rekonstruktion und Identifikation äußerer Strukturen im Subjekt." 2 . Erkenntnis entsteht durch das Zusammenwirken der äußeren Welt (objektiver Strukturen) mit dem Erkenntnisapparat (subjektiven Strukturen), der als Ergebnis biologischer Evolution an die objektiven Strukturen der Welt zumindest soweit angepaßt ist, daß er evolutionär adäquat, also erfolgreich war229. Um den Wissensbegriff auch für Wissen in sozialen Systemen und über diese fruchtbar werden zu lassen, läßt sich eine weitere Definition einführen: „... daß menschliches Erkennen in seiner Qualität und in seinem Umfang als ein Phänomen in einem chemikophysikalischen Universum vollständig abhängig ist von den Selbstorganisationskapazitäten dieses Universums ..." 230 und deshalb „... die Wirklichkeit, die wir wahrnehmen, unser eigenes Konstrukt ist und nur sehr bedingt etwas über die Beschaffenheit der uns (umgebenden) äußeren realen Welt aussagt" 231. Der Ansatz geht noch weiter, indem er die Aussagen des empirischen Wissensgebäudes über die Wirklichkeit relativiert; „... die im Laufe der Menschheitsgeschichte unbestreitbar gemachten Fortschritte in der Anhäufung empirischen Wissens haben uns nicht „der Wahrheit" über die Wirklichkeit nähergebracht, sondern in erster Linie eine Veränderung menschlicher Gesellschaften...bewirkt." 232.
226 227
228 229 230 231 232
Vgl. Dreyfus/Dreyfus 1987, S.23 Vgl. Vollmer 1985, S. XXI. Für eine ausführliche Darstellung der evolutionären Erkenntnistheorie (EE); vgl. derselbe 1985, und 1986. Die EE nimmt eine definitorische Trennung von Erkenntnis und Wissen, wie wir sie bei Kirsch finden, nicht vor. Vgl. Vollmer 1985, S. 58 Die adäquate Abbildung der objektive Strukturen ist dabei auf das zum Überleben notwendige Wissen beschränkt, es sind mithin Fehler nachweisbar und Lücken vorhanden. Vgl. Vollmer 1985, S. 65 ff. Der Erkenntnisfortschritt folgt auch für die EE dem Prozeß von Versuch und Irrtumsbeseitigung. Vgl. Rusch 1985, S. 210 Vgl. Fischer et al. 1993, S. 44 Vgl. Schmidt 1987, S. 43
Ökologieorientierte ISS
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Der radikale Konstruktivismus konzentriert sich auf den Erkenntnisvorgang, seine Wirkungen und Resultate 233. Kernpunkt dieser Analysen ist die Aussage, daß das Nervensystem funktional geschlossen ist, denn die Sinnesorgane setzen Wahrnehmung in bedeutungsneutrale elektrische Signale (Prinzip der undifferenzierten Codierung) um, die nur durch dem Gehirn eigene Bedeutungszuweisung zur Wahrnehmung werden, die wiederum durch stammesgeschichtlich und ontogenetisch erworbene Bedeutungszuweisungen zu einer Konstruktion der Wirklichkeit im Gehirn werden. Das Gehirn ist funktional geschlossen und wird als selbstreferentiell und selbstexplikativ verstanden 234 . Dabei scheint die Reduktion von Komplexität als Voraussetzung der Wirklichkeitskonstruktion eine Rolle gespielt zu haben: Wir nehmen nicht alles wahr, und wir können uns auch nicht jede Realität „vorstellen" 235. Funktional geschlossene Nervensysteme erzeugen ein Verhalten des Organismus in seiner Umwelt, welches evolutionär erfolgreich sein mußte und muß, um das Überleben der Spezies zu sichern236. Der Wissensbegriff wird deshalb auf Handlungen, auf aktives Umgehen mit der Umwelt bezogen; „Wissen heißt, fähig zu sein, in einer individuellen oder sozialen Situation adäquat zu operieren." 237 Damit wird die Unterscheidung von Subjekt und Objekt bzw. subjektivem und objektivem Wissen bedeutungslos. Die Entwicklung von Wissen geschieht empirisch, indem der Erfolg der Wirklichkeitskonstruktionen in der Interaktion empirisch überprüft wird 238 . Lernen von Individuen läßt sich verstehen als die Entwicklung von Strukturen (hypothetische Konstrukte), die durch Lernprozesse aufbauend auf den bestehenden Konstrukten weiterentwickelt werden 239 . Sind diese auf subjektiven Sinneserfahrungen beruhenden Konstruktionen anderen unterzuschieben, so erfährt diese Konstruktion intersubjektive Gültigkeit. Objektivität von Wissen ist dann abhängig davon, wie erfolgreich es anderen Individuen vermittelt werden kann. 233
Vgl. Schmidt 1987, S. 11 ff. Für eine Übersicht über die Theorie des radikalen Konstruktivismus vgl. Maturana 1982, Watzlawick 1990, Schmidt 1987, S. 11 ff. und Glasersfeld 1992, S. 9 ff. 234 Vgl. von Foerster 1987, S. 138 und Roth 1987, S. 229 ff. 235 Vgl. Roth 1987, S. 246 236 Vgl. Schmidt 1987, S. 35 ff. Das Prinzip der evolutionären Selektion der erfolgreichen Wirklichkeitskonstruktion teilen evolutionäre Erkenntnistheorie (EE) und radikaler Konstruktivismus. Sie grenzen sich aber scharf in der Frage ab, inwieweit durch diese Selektion die Wirklichkeitskonstruktion unseres Gehirns etwas über die objektive Realität aussagt; vgl. Schmidt 1987, Anmerkung 35 und Vollmer 1985, S. 306 ff. 237 Vgl. Schmidt 1987, S. 31 238 Vgl. Schmidt 1987, S. 34 239 Vgl. von Foerster 1987, S. 141 ff. PAUTZKE greift auf die Theorie des Lernens als Veränderung von Strukturen von PlAGET, als ein der sozialen Evolution angemessenes Modell für das Lernen von Individuen, zurück; vgl. Pautzke 1989, S. 97
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3. Abschnitt
Für Informationssysteme ist aus dem Wissensbegriff zu folgern, daß Wissenerweiterung und Lernen immer an Problemlösungsprozesse gekoppelt ist und umgekehrt erfolgreiche Problemlösungsprozesse durch die Bildung der adäquaten Hypothese aus dem Wissen der Problemloser zu erklären sind. Damit wird es zur wichtigen Bedingung, daß Informationssysteme auf dem bestehenden Wissen ihrer Nutzer aufbauen, um Erkenntnisprozesse zu ermöglichen, und die empirische Validierung oder Falsifizierung als Erweiterung des Wissens ist ein unverzichtbares Element. Durch wiederholte Hypothesenbildung und empirische Überprüfung bei der Lösung von Problemen entwickelt sich verfügbares Wissen weiter. Die Anwendung der fortgeschrittenen Koginitionstheorie des radikalen Konstruktivismus erlaubt es, zwei weitere Bedingungen zu beschreiben: •
Wenn der Erfolg von Wirklichkeitskonstruktionen nur empirisch überprüft werden kann, ist es Erfolgsbedingung von Informationssystemen, Möglichkeiten zur angemessenen empirischen Überprüfung durch Simulationen, Test und Experimente zu schaffen. • Wenn intersubjektive Vermittelbarkeit von Wirklichkeitskonstruktionen ein Merkmal ihrer „Objektivität" ist, ist der Austausch von Wirklichkeitskonstruktionen mit Individuen außerhalb der Unternehmung eine wichtige Erfolgsbedingung. • Der Nachweis der UnUnterscheidbarkeit von objektiven und subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen zwingt ökologieorientierte Informationssysteme zur Offenheit gegenüber vielen Informationsquellen.
3.1.2 Information Bei der Definition des Begriffes Information steht der Austausch zwischen Systemen im Vordergrund So wird Information im Lexikon sozialwissenschaftlich definiert als „... Austausch und Verbreitung von Informationen (sind) Voraussetzung für soziales Handeln: sie verbinden soziale Systeme (Familie, Unternehmen, Organisationen, Staat) und regulieren deren Verhalten..." , und informationstheoretisch werden sie definiert als „...Objekte einer Wechselwirkung zwischen Systemen, bei der die stoffl. und energet. Aspekte von untergeordneter Bedeutung sind."240 Aus der systemtheoretischen Perspektive sind Informationen neben Materialien und Energie die dritte Austauschkategorie zwischen Unternehmung und Umwelt. Die Zunahme an Informationen führt zum Lernen als Weiterentwicklung der Informationsverarbeitungsmuster des Unternehmenssystems. Diese Weiterentwicklung stabilisiert die innere Systemordnung durch Reduktion der Unsicherheit und Unwissenheit241. 240 241
Vgl. Meyers Lexikonredaktion Hrsg. 1992, S. 185 und Amier 1983, S. 43 Die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung von lebenden Systemen und ihrer Fähigkeiten zum Aufbau von höherer Ordnung durch Ausnutzung der Ungleichgewichts-Thermodynamik zur Erzeugung von lokal niedriger
Ökologieorientierte ISS
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In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird teilweise in Anlehnung an SHANNON/WEAVER auf das Modell der Information als Nachricht im Kommunikationsprozeß zurückgegriffen242. Bei der Verwendung dieses Modells wird oft vereinfachend nicht zwischen der übertragenen Nachricht, ihrer Bedeutung für Sender und Empfanger sowie dem nicht umgangssprachlichen Informationsbegriff des Modells differenziert 243 . Die betriebswirtschaftliche Aneignung des Informationsbegriffs führt zur Integration von inhaltlichen Merkmalen wie Nutzen und Zweckeignung von Information in die Beschreibung von Information244. Informationen werden pragmatisch über die beabsichtigte Wirkung der Informationen auf das Wissen beschrieben; sie sollen zweckorientiert Wissen vergrößern und Unsicherheiten bei Entscheidungssituationen verkleinern245: „Informationen sind Rohmaterial für Entscheidungsprozesse."246 Informationen werden abgegrenzt als die für den Entscheidungszweck notwendigen und die potentiell nützlichen bzw. latenten Informationen. Auf diese Vorstellung aufbauend, unterscheidet die Informationsbedarfsanalyse zwischen subjektivem Informationsbedarf, objektivem Informationsbedarf und vorhandener Information247. Die ex-ante-Nutzenbestimmung von Informationen ist allerdings extrem schwierig, bzw. ihr Nutzen erweist sich erst im Problemlösungsprozeß. Nach CAPURRO und KLEINHANS lassen sich die Beschreibungen des Informationsbegriffs mittels semiotischer Begriffe systematisieren 48:
242
243
244 245 246 247 248
Entropie, bei gleichzeitiger Entropieerhöhung im Gesamtsystem, wird ebenfalls als Informationsaufnahme verstanden; vgl. Wuketits 1983, S. 170 ff. Vgl. Kleinhans 1989, S. 12 ff., Amier 1983, S. 44 ff. und Senn 1986, S. 63 f. Nachricht wird definiert als, „... Mitteilung, Kunde, Meldung..." und in seiner ursprünglichen Bedeutung „...Nachrichtung ("Mitteilung nach der man sich richtet")..."; vgl. Meyers Lexikonredaktion Hrsg. 1992, S. 132. und Vgl. Kleinhans 1989, S. 14 In der Kommunikationstheorie von SHANNON/WEAVER bezieht sich Information „...nicht so sehr auf das, was gesagt wird, sondern auf das, was gesagt werden könnte..."; vgl. Weaver 1976, S. 16. Information wird definiert über die Freiheit der Wahl, mit der eine Nachricht aus der Menge aller Nachrichten ausgewählt werden kann. „Der Begriff Information läßt sich nicht auf eine einzelne Nachricht anwenden...eher auf eine Situation als Ganzes..."; vgl. Weaver 1976, 18 ff. Vgl. Ambler 1983, S. 12 Vgl. Horvath 1992, S. 350 und Wittmann 1959, S. 14. Für eine Übersicht über die Rolle von Informationen aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive vgl. Rück 1993, S. 87 ff. und Senn 1988 S. 82 ff. Vgl. Zahn 1983, S. 189 Vgl. Kirsch/Klein 1977, S. 46 ff. Vgl. Capurro 1987, S. 109 ff. und Kleinhans 1989, S. 11 f. Jede Information läßt sich als Zeichen oder eine Folge von Zeichen verstehen; ,.Zeichen allg. jede sinnlich wahrnehmbare Gegebenheit, die mit einer bestimmten vereinbarten Bedeutungs- bzw. Informationsinhalt als Signal... oder Symbol ... auftritt oder eine andere Gegebenheit repräsentiert bzw. diese bezeichnet
80
3. Abschnitt
•
Syntaktische Informationsbeschreibung aus der mathematischen Informationstheorie auf dem nachrichtentechnischen Informationsbegriff von SHANNON/WEAVER basierend, bei der die Information als Höhe des Ordnungsgrades beziehungsweise über die Anzahl der Wahlmöglichkeiten definiert wird249. • Semantische Informationsbeschreibung definiert Information über die Menge an ausgeschlossenen Möglichkeiten, bzw. über Reduktion von Unsicherheit. Die Information wird unabhängig vom Interpreten definiert, es wird nach der Bedeutung, dem Inhalt der Information, nach der Signifikanz des Zeichens und des dadurch Bezeichneten gefragt. • Pragmatische Informationsbeschreibung, die die Information als etwas definiert, das auf das Wissen des Empfängers wirkt und es verändert. Die pragmatische Dimension bezieht den Benutzer der Zeichen mit ein, indem sie alle persönlich-psychologischen Gründe der Absicht sowie des praktischen Wertes und Zwecks mit einbezieht250. Um zu einer umfassenden Definition von Information zu kommen, definiert AMLER Information in den drei semiotischen Dimensionen und erarbeitet Kriterien, um die Qualität und den Gehalt von Informationen anhand der semiotischen Dimensionen zu beurteilen251: 1) syntaktische Richtigkeit, 2) semantische Fruchtbarkeit und 3) pragmatische Nützlichkeit. Zu 1 Die Bestimmung der syntaktischen Richtigkeit ist nach AMLER über das Abbildungs- und das Verkürzungsmerkmal möglich. Das Abbildungsmerkmal bezieht sich auf die Güte der Abbildung des Originals entsprechend der formalen Ordnung. Ein zweites Merkmal ist die Reduktion der Komplexität der abgebildeten Modelle, als Verkürzungsmerkmal bezeichoder darstellt; vgl. Meyers Lexikonredaktion 1992, S. 217. Semiotik als die Zeichentheorie nutzt eine Metasprache zur Beschreibung der Eigenschaften von Zeichen und Zeichenfolgen. Die Semiotik kennt nach MORRIS die syntaktische, die semantische und die pragmatische Dimension eines Zeichens; vgl. Amler 1983, S. 33 ff., Wahren 1987, S. 40 und Morris 1948 S. 454 ff. Die Syntax beschreibt die formale Ordnung der Zeichen. Die Semantik beschreibt die Zuordnung der Zeichen (Referenz) zum bezeichneten Objekt (Designat). Die Pragmatik beschreibt die Beziehung zwischen den Zeichenbenutzern (Interpreten) und dem Zeichen. 249 Siehe dazu auch Kapitel 3.1.3. 250 Vgl. Amler 1983, S. 41 f. 251 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich schwerpunktmäßig auf die Kriterien von AMLER zur Beurteilung von Informationssystemen; vgl. derselbe 1983, S. 109. AMLER bezieht sich auf die allgemeine Modelltheorie nach STACHOWIAK, vgl. Stachowiak 1973 und die pragmatische Theorie der Indikatoren nach RANDOLPH; vgl. Randolph 1979.
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net 252 . Für die Beurteilung von Sinn und Bedeutung der Informationen in einem Funktionszusammenhang hat die syntaktische Richtigkeit als Test der formalen Ordnung eine zu vernachlässigende Bedeutung Zu 2 Bei der Betrachtung der semantischen Fruchtbarkeit „... wird das Modell in Relation zum zugrundeliegenden Original betrachtet." 254. Dabei wird die Aussage gewonnen, welche Transformationen vom Original zum Modell zulässig sind. Die zulässigen Transformationen müssen einen empirisch gehaltvollen Zusammenhang zwischen Abbildung und Abbildungsoriginal herstellen. Die semantische Bedingung greift damit auf methodische Regeln zur systematischen und kontrollierbaren Modellierung zurück, die keine Regeln zur Qualitätsbewertung angeben können, aber Kriterien für die empirische Überprüfung 255 . Zur Überprüfung der semantischen Fruchtbarkeit der Transformation muß die modellhafte Abbildung des Originals auf ihre empirische Validität und Reliabilität überprüft werden: •
•
„Validität oder Gültigkeit betrifft die Korrelation von Information und Original und gibt die Genauigkeit an, mit der eine Abbildung das abbildet, was sie abbilden soll oder abzubilden vorgibt, auch ... abbildet" 256. Ein Validitätsproblem tritt immer auf, wenn der Informationsbedarf nicht vollständig beschrieben werden kann. Validitätstests beschreiben den systematischen Fehler, da das „Übersehen" von Informationen in einer Entscheidungssituation immer zu einem damit korrelierenden „Fehler" führt. Reliabilität ist das zweite Testkriterium im Sinne der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen bei Interpretation der Information. Diese können über die intrasubjektive Konstanz und intersubjektive Konsistenz ermittelt werden: Kommt ein Verwender zu unterschiedlichen Zeiten zur selben Reaktion, bzw. kommen unterschiedliche Verwender zur selben Reaktion aufgrund der gegebenen Information 257 .
Für beide Kriterien wird aufgrund der Einschränkungen durch die pragmatischen Einflüsse des Interpreten der empirische Test der intersubjektiven Überprüfbarkeit der semantischen Fruchtbarkeit zum Kriterium 258 .
252
Vgl. Amier 1983, S. 111 ff. Die syntaktische Richtigkeit läßt sich durch Vergleich des Modells mit dem Objekt, allerdings unter Antizipation der semantischen und pragmatischen Dimension, kontrollieren. 253 Vgl. Amler 1983, S. 38 254 Vgl. Amler 1983, S. 115 255 Vgl. Amler 1983, S. 116 f. 256 Vgl. Amler 1983, S. 123 257 Vgl. Amler 1983, S. 126 258 AMLER schlägt zum Test sowohl von Validität als auch Reliabilität Tests mit Gruppen von Experten beziehungsweise empirische Untersuchungen vor; vgl. Amler 1983, S.125 f. und 130 f.
82
3. Abschnitt
Es lassen sich vier Gruppen von inhaltlichen Kriterien für die empirische Überprüfung der semantischen Fruchtbarkeit erkennen: •
Kriterien für die Abbildungsfiinktion beziehungsweise den Gehalt an Informationen wie Wahrheitsgehalt259, Fehlerfreiheit, Zuverlässigkeit, Wahrscheinlichkeit, Sicherheit, Objektivität, Prüfbarkeit, Verläßlichkeit, Glaubwürdigkeit, Bestätigungsgrad und Spezifität und • Kriterien bezüglich des spezifischen Aussagegehalts wie Präzision, Genauigkeit, Klarheit, Gültigkeit, Eindeutigkeit, Operationalität, Detailliertheit, Quantifizierbarkeit und Bestimmtheit sowie • Kriterien für die Verwendungsbereitschaft wie Zugänglichkeit und Verfügbarkeit und • das Merkmal der Vollständigkeit. Neben den inhaltlichen lassen sich zeitliche Subkriterien wie Aktualität und Rechtzeitigkeit für semantische Fruchtbarkeit definieren260. Zu 3 Die pragmatische Nützlichkeit beschreibt die Qualität der Information in der Beziehung zu ihrem Interpreten. Die pragmatische Beziehung ist entscheidend für die Reaktion2 des Interpreten auf die Information. Die pragmatische Beziehung kann in einem vierdimensionalen Bezugssystem dargestellt werden (siehe Abbildung 3. 1). Während der Objekt- und Zeitbezug unter den semantischen Bedingungen bereits diskutiert wurde, ergeben sich durch das Modell Subjekt- und Zielvariable als neue Einflußgrößen, beziehungsweise als Beurteilungskriterien262. Subjekt ist hier nicht nur als Individuum zu verstehen, sondern der Interpret definiert sich auch über das soziale System, dem er angehört, die Stelle, die er dort innehat, und die Rolle, die er einnimmt, beziehungsweise die Erwartungen, die an das Subjekt in seiner Rolle gestellt werden 3.
259 260 261 262 263
Im Sinne Poppers; vgl. Popper 1971, S. 96 Vgl. Popper 1971, S. 120 f. AMLER benutzt auch die Bezeichnung Interpretant; vgl. derselbe 1983, S. 144 WILD erkennt als Elemente einer Bewertung von Informationen vier Komponenten, die den Kategorien im pragmatischen Modell ähneln; vgl. Wild 1971, S. 321 ff. Vgl. Amler 1983, S. 147 ff.
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Abbildung 3.1:
83
Vierdimensionales pragmatisches Bezugssystem
VIERDIMENSIONALES PRAGMATISCHES BEZUGSSYSTEM
f (
Wann? (Zeitvariabel)
/ (
l
Wozu? (Zielvariabel)
\ )
Modell Informationssystem Information
f (
Wovon? (Objektbezug)
\ )
) /
f (
Für Wen? (Subjektvariabel)
\ )
Quelle: Amler 1983 S. 146
Die Ziel- oder Zweckvariable264, die die beabsichtigte Interpretation von Informationen, den Problemzusammenhang, den Zweck der Information, die Veränderung und Entwicklung von Zielen sowie das Wertesystem, auf dem die Ziele basieren, beinhaltet, beeinflußt die pragmatische Beziehung. Für die Überprüfung der pragmatischen Nützlichkeit sieht AMLER aufgrund der Beeinflussung durch die Objekt-, Zeit-, Ziel- und Subjektvariable keinen intersubjektiv nachvollziehbaren Test, mit Ausnahme der pragmatischen Bewährung, welches sich auf ein antizipiertes Handlungsschema des Interpreten stützen und damit entweder auf der Systemrationalität beruht oder einen normativen Charakter hat265. Der ambitionierte Ansatz von AMLER läßt sich dahingehend interpretieren, daß es keine allgemeingültigen Kriterien für die Beurteilung von Informationen gibt, außer der pragmatischen Bewährung im Sinne der erfolgreichen Problemlösung, welche für einen externen Beobachter aber nur gegen eine von ihm als erfolgreich definierte Problemlösung geprüft werden kann. Unter Einbeziehung der Kognitionstheorie des radikalen Konstruktivismus können die Schwierigkeiten, einen allgemeingültigen Satz von Kriterien für die Qualität von Information beziehungsweise Methoden zu ihrer Überprüfung zu definieren, nicht überraschen, da unter den Be264 Werden von AMLER als Synonyme behandelt; vgl. Amler 1983, S. 152 265 Vgl. Amler 1983, S.616 ff. Empirisch kann letztlich nur überprüft werden, ob der Informationsverwender sich aufgrund der Information so verhält wie erwartet.
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3. Abschnitt
dingungen der selbstexplikativen und selbstreferentiellen Kognition die pragmatische Dimension dominieren muß, also die Qualität von Informationen immer nur relativ zum Interpreten bzw. zu den Zielen und Zwecken der Information für dieses System definiert werden kann266. Die Zweckbeziehung des Interpreten ist wichtig: Da Wahrnehmung dazu neigt, sich auf die Information zur Lösung von Problemen zu konzentrieren, wird Information bezüglich eines durch den Interpreten empfundenen Problems leichter und besser wahrgenommen. Für die Konzeption von Informationssystemen bedeutet dies die Notwendigkeit, das pragmatische Bezugssystem und die erfolgreiche Problemlösung zu definieren, um damit eine Basis für die empirische Überprüfbarkeit des Nutzens und der Qualität des Informationssystems zu schaffen 267 . Der Sinn der Kriterien von syntaktischer Richtigkeit, semantischer Fruchtbarkeit und pragmatischer Nützlichkeit liegt darin, operationale Bewertungssysteme für Informationen zu schaffen, die die kognitiven Welten als real voraussetzen und damit auf der „Als-Ob-Fiktion" unseres alltäglichen Handelns aufsetzen268. Erfolgsbedingung für Informationssysteme ist es die Wirklichkeitskonstruktionen so zu beeinflussen, daß erfolgreiche Problemlösungen für das System selber, aber auch gegen den vom Beobachter normativ gesetzten Maßstab möglich werden.
3.1.3 Kommunikation Der Begriff Kommunikation weitet das Problem des Informationensaustausches auf das Problem der Verständigung zweier oder mehrerer Partner aus269. Dabei müssen sich die Systeme darüber verständigen, daß sie die Nachrichten vergleichbar interpretieren bzw. ihnen dieselbe Bedeutung unterlegen. Dies verlangt zumindest von einem System, die Wissensverarbeitung des anderen Systems nachzuvollziehen, zu simulieren, um die Interpretation der Informationen und der Bedeutung für den Kommunikationspartner zu verstehen270. Dabei ist es ein grundsätzliches Problem von Kommunikation, daß es eine eindeutige Verständigung über die Bedeu266 267 268
269
270
Vgl. Köck 1987, S. 370 ff. Die Anschlußfähigkeit des pragmatischen Bezugssystems an das praktisch beobachtbare Verhalten in Unternehmen ist deshalb ein Kriterium für die praktische Relevanz der Konzeption. Vgl. Schmidt 1987, S. 75. Die empirischen Tests für Validität und Reliabilität können als Reaktionstest aufgefaßt werden, der auf eine intersubjektive Wirklichkeitskonstruktion, die der Information dieselbe Bedeutung unterlegt, schließen läßt. Der Begriff Kommunikation kommt aus dem lateinischen für Mitteilung, Unterredung „... in den Sozialwissenschaften und der Psychologie Bez. für den Informationsaustausch als grundlegende Notwendigkeit menschl. Lebens..."; vgl. Meyers Lexikonredaktion Hrsg. 1992, S. 72 und Köck 1987, S. 341 f. undS. 359 f. Vgl. Schmidt 1992, S. 219 f.
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tungszuweisung nicht geben kann 271 . Um verschiedene Formen von Kommunikation zu beschreiben, ihre Inhalte und die gegebenen Voraussetzungen zu untersuchen und die Konsequenzen für Kommunikation in sozialen Systemen zu entwickeln, haben FISCHER et al. unter Rückgriff auf verschiedene Kommunikationsverständnisse fünf Modelle für Kommunikation herausgearbeitet 272 . Die Modelle beschreiben eine Entwicklung von Kommunikation zwischen Systemen, die auf umfangreichen Voraussetzungen bezüglich des Vorwissens und der Vorbereitung beruhen, bis zu einem Kommunikationsmodell, welches nichts voraussetzt und auf grundsätzliche Lernprozesse durch Versuch und Irrtumsselektion zurückgreift (siehe Abbildung 3. 2). Abbildung 3.2:
Kommunikationsmodelle
Kommunikation als Monument bezeichnet die Form von Kommunikation, die sich in den Schriften an öffentlichen Gebäuden im historischen Ägypten und auch heute in Gedenktafeln auf öffentlichen Gebäuden findet 3 . Die Mitteilungen sind in Stein gehauen und für eine Ewigkeit gedacht. Die Inhalte wie z.B. besondere Opfer, Leistungen, Ehrungen oder dynastische Erbfolgen sind den Empfängern bekannt und bedürfen keiner Nachfrage oder Erklärung, d.h. Interpretationsschwierigkeiten werden vom Erzeuger der Monumente nicht berücksichtigt. Ziel solcher Kommunikation 271 Vgl. Weaver 1976, S. 13 und Köck 1987, S. 343 ff. 272 Vgl. Fischer et al. 1993, S. 37 ff. 273 Vgl. Krippendorf 1990, S. 18 ff.
86
3. Abschnitt
ist es, gemeinschaftsstiftende Werte in Erinnerung zu rufen, sie präsent zu machen. Voraussetzung dieser Kommunikation sind eine einheitliche semantische Bedeutungszuweisung und gemeinsame Grundüberzeugungen, die nicht in Frage gestellt werden274. Kommunikation als Umgehen mit Argumenten folgt der in den griechischen Demokratien geprägten Vorstellung der Überzeugung von abweichenden Meinungen durch richtiges Argumentieren, logisches Denken und Benutzung von sprachlichen Bildern und Figuren zur Überzeugung der Zuhörer27 . Als Ziel dieser Kommunikationsform kann die Überzeugung einer Gruppe von Menschen mit unterschiedlicher Meinung von der eigenen Ansicht angegeben werden276. Unter diesem Modell ist auch die Kommunikationsform der prozessuralen dialogorientierten Ethiken des argumentativ rationalen Diskurses, wie ihn STEINMANN/LÖHR vertreten, zu fassen, bei dem rationale argumentative Verständigung über gemeinsame Ziele und Werte als Zweck gesetzt wird277. Dieses Modell von Kommunikation setzt voraus, daß ein ähnliches Vorwissen bezüglich der Information gegeben ist, daß alle notwendige Information verbalisiert und verstanden werden kann und der Beziehungsaspekt (pragmatische Dimension) zwischen den Partnern zu vernachlässigen ist. Kommunikation als Zeichentausch geht auf das nachrichtentechnisch geprägte Modell von Kommunikation zurück, welches insbesondere auf der mathematischen Infomationstheorie von SHANNON/WEAVER gründet278. Im nachrichtentechnischen Modell wählt der Sender eine Information aus, kodiert diese und sendet die Nachricht. Der Empfänger decodiert die Nachricht und nutzt die Information. SHANNON/WEAVER benutzen die Begriffe Nachricht und Information nicht im umgangangssprachlichen Sinne, bzw. anders als in dieser Arbeit definiert, indem sie das Abbild eines Sachverhaltes als Nachricht bezeichnen, der eine Bedeutung zugeordnet wird, während der Begriff Information auf die gesamte Kommunikationssituation angewendet wird. Die Übertragung der Nachricht kann durch Störquellen beeinträchtigt werden. Dieses Modell der Kommunikation geht von vereinfachenden Voraussetzungen aus. Sender und Empfänger verfügen über denselben Zeichenvorrat, das Vorwissen von Empfänger und Sender ist gleich, die Information bzw. Nachricht kann mit ihrer Bedeutung gleichgesetzt werden, die Bedeutung, der Sinn einer Information ist für beide gleich, der Empfänger 274 275
276 277 278
Vgl. Fischer et al. 1993, S. 38 Diese Form der Kommunikation verkörpert die Rhetorik. Rhetorik, abgeleitet aus der griechischen Bezeichung rhetorike, bezeichnet sowohl die Fähigkeit, durch öffentliche Rede einen Standpunkt überzeugend zu vertreten, als auch die Theorie bzw. die Wissenschaft dieser Kunst; vgl. Meyers Lexikonredaktion 1992, S. 226 Vgl. Fischer et al. 1993 S. 38 ff. Vgl. Steinmann/Löhr 1992, S. 69 ff. Vgl. Weaver 1976, S. 16 ff.
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wird die vom Sender beabsichtigte Reaktion zeigen279. Da das Vorwissen gleich ist und keine Interpretationsunterschiede auftreten, wird die Vorgeschichte des Kommunikationsprozesses unwichtig, und die Beziehung zwischen Sender und Empfänger kann vernachlässigt werden280. Das nachrichtentechnische Modell impliziert außerdem, daß die Information durch einen spezifischen Kanal übertragen wird und daß sie zu einem gegebenen Zeitpunkt immer in eine Richtung, d.h. vom Sender zum Empfänger verläuft 2 . Kommunikation als Beziehung beleuchtet den Inhalts- und Beziehungsaspekt von Kommunikation. Aus der Analyse der Kommunikation und Verhaltensinteraktion zwischen Menschen ergibt sich ein allgemeines Modell von Kommunikation, welches jeder Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt eine kommunikative Bedeutung zuordnet282. Nach WATZLAWICK et al. ist zwischenmenschliche Kommunikation als ein kreisförmiger Prozeß aufzufassen. In diesem Kommunikationsprozeß ist nicht nur der Inhalt einer Information wichtig für ihre Bedeutung, sondern die Bedeutung wird auch von der Beziehung zwischen den beiden Kommunikationspartnern bestimmt283. Die Erfahrung in der Interaktion zweier Partner beeinflußt als empirische Information die unterstellte Bedeutung von Informationen für die Kommunikationspartner. Kommunikation wird zu einem Prozeß, der das Vorwissen der Beteiligten und unterschiedliche Bedeutungen einer Nachricht in Abhängigkeit von der durch den Empfänger unterstellten Absicht des Partners einbeziehen kann. Die Trennung in Sender und Empfänger löst sich auf, da Senden und Empfangen parallel stattfinden284. In diesem Prozeß ist jeder Beziehungsaspekt zwischen den Partnern Teil der Kommunikation, und auch die Nichtkommunikation bedeutet Information für die Partner. Voraussetzung ist, sofern nonverbale Kommunikation eine Rolle spielt, die körperliche Anwesenheit der Kommunikationspartner. Das Modell von Kommunikation als wechselseitigem Lernen geht auf die Bedingungen einer Kommunikation ohne Voraussetzungen ein. Aufbauend auf einer konstruktivistischen Vorstellung von Kognition, sind Kommunikationsprozesse nur auf Basis empirischer Erfahrungen denkbar. 279
280 281 282 283 284
Vgl. Amier 1983, S. 49 ff., Köck 1987, S. 347 f., Fischer et al. 1993, S. 42 f. und Wahren 1987, S. 28 Das Modell fokussiert auf die technische Ebene, des Problem der präzisen Übertragung von Nachrichten, während Probleme der Bedeutungszuweisung (semantische Ebene) und der Verhaltenbeeinflussung (Effektivitätsebene) zwar antizipiert, aber nicht einbezogen werden; vgl. Weaver 1976, S.12 ff. Aufbauend auf den semiotischen Begrifflichkeiten bedeutet dies, daß das Modell die pragmatische Dimension als nichtbeeinflussend voraussetzt. Vgl. Wahren 1987, S. 30 f. Vgl. Watzlawick et al. 1985, S. 53 ff. und Köck 1987, S. 353 Vgl. Watzlawick et al. 1985, S. 47 ff. Vgl. Wahren 1987, S. 31 ff.
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3. Abschnitt
Für die Interpretation der Bedeutung einer Information durch das Individuum spielt die auf dieser Wirklichkeit aufsetzende individuelle Erfahrung, sein Vorwissen bei der Wirklichkeitskonstruktion eine Rolle, so daß die Interpretation der Inhalte jeder Kommunikation eine Konstruktion des Individuums darstellen. Bei der Kommunikation zweier Partner bedeutet Kommunikation dann, in einem Prozeß die Wirklichkeitskonstruktion des anderen soweit zu verstehen, daß tatsächlich Sinn und Bedeutung vermittelt werden können. Dabei ist der zugrunde gelegte Lernprozeß evolutionär und empirisch zu verstehen, als Versuch und Irrtumsselektion, bei dem an der Reaktion des Partners die Validität der eigenen Wirklichkeitskonstruktion für die des Partners überprüft werden kann. Die Überprüfung, ob die dem Partner untergeschobene Wirklichkeitskonstruktion zutreffend ist, kann dabei nur anhand dessen Reaktion geschehen, die mit der beabsichtigten beziehungsweise der erwarteten Reaktion überprüft wird. Die gegenseitige Erfüllung von Handlungserwartungen führt zu Vertrauen in die Kommunikation. „Vertrauen entsteht also durch Kommunikation, durch gegenseitiges Bereitstellen von Wahrnehmungsmaterial, das wechselseitig lernend aufgenommen wird. Das Lernen führt zum gegenseitigen Erfüllen von Handlungserwartungen, zum gegenseitigen Verstehen" 285. Die Kommunikation über ökologische Probleme kann aufgrund ihrer Abhängigkeit vom Beziehungsaspekt und dem Einfluß der Wirklichkeitskonstruktion bei der Bewertung von ökologischen Problemen sowie der fehlenden Routine und Erfahrung der Kommunikationspartner 286 nur von den Modellkonstruktionen der Kommunikation als Beziehung und der von wechselseitigem Lernen ausgehen, wenn die erfolgsstrategisch notwendige Verständigung erreicht werden soll. Bei der Kommunikation über ökologische Probleme muß die Unternehmung darauf eingerichtet sein, internen oder externen Anspruchsgruppen der Unternehmung sowohl Informationen über Bewertungen (Wie werden ökologische Probleme gesehen?) als auch über die Handlungen der Unternehmung (Wie verändert die Unternehmung ihre ökologischen Problembeiträge?) zu geben, um so empirische Erfahrungen der Anspruchsgruppen über das Umgehen der Unternehmung mit ökologischen Problemen zu ermöglichen. Umgekehrt benötigt die Unternehmung empirisches Wissen über Bewertungen und Handlungen, insbesondere der externen Anspruchsgruppen, um so ihre Anspruchsgruppen verstehen zu lernen. Nur so kann ein Kommunikationsprozeß entwickelt werden, bei dem Verstehen der gegenseitigen Positionen und Prioritäten erreicht werden und bei dem es zu Kommunikation auf der Grundlage von Vertrauen kommen kann.
285 286
Vgl. Fischer et al. 1993, S. 50 ff. Vgl. Köck 1987, S. 367 f. Zur Bedeutung von Kommunikation über ökologische Probleme siehe auch Kapitel 4.2.
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3.2 ISS für die Führung und Entwicklung der Unternehmung Vor dem Hintergrund der Definitionen des Wissens-, Informations- und Kommunikationsbegriffs geht es darum, betriebliche Informations- und Steuerungssysteme näher zu erläutern.
3.2.1 Informations- und Steuerungssysteme (ISS) Die allgemeinen Charakterisierungen für betriebliche Informations- und Steuerungssysteme in betriebswirtschaftlichen Ansätzen lassen sich nach AMLER in vier Grundkategorien einteilen287. •
Informationssysteme lassen sich als die Gesamtheit aller formalisierten Informationsprozesse der Unternehmung beschreiben. Ein Informationssystem besteht so definiert aus der Summe aller betrieblichen Handlungsanweisungen, die sich auf Planungs-, Informations-, Berichts- und Kontrollpflichten beziehen, und den formal einbezogenen Mitarbeitern288. Eine solche Definition grenzt die wichtigen informellen Informationsprozesse aus, die immer auch Teil eines betrieblichen Informationssystems sind289. • Informationssysteme werden funktionsorientiert als Entscheidungssysteme definiert. Dabei werden die Informationssysteme anhand der Informationsverarbeitungs- und Informationssammelprozesse der betrieblichen Entscheidungsprozesse strukturiert und entwickelt290. Eine solche Betrachtung läuft Gefahr, unspezifischere Funktionen von Informationssystemen wie die Speicherung von Informationen zu ignorieren. • Die dritte Charakterisierung rückt die strukturelle und informationstechnische Definition von Informationssystemen in den Vordergrund. Diese Definition wird insbesondere in den Ansätzen für betriebliche Datenverarbeitung und computergestützte Management-Informationssysteme genutzt2 Eine solche Definition verkürzt Informationssysteme unzulässigerweise auf die technische Dimension, da Informationen nicht notwendigerweise an Computer gebunden sind und Informationensysteme auch qualitative Informationen beinhalten, die nicht in Computern abzubilden sind. • Die vierte Definition weitet die Beschreibung des Informationssystems auf die Unternehmung als Informationssystem aus; „...d.h. es wird da-
287 288 289 290 291
Vgl. Amler 1983, S. 15 ff. Vgl. Amler 1983, S. 15 ff. Vgl. Senn 1986, S. 82 f. Vgl. Kirsch/Klein 1977, S. 46 ff. Vgl. Kirsch/Klein 1977, S. 22 f., Kleinhans 1987, S. 106 ff. und Amler 1983, S. 17.
90
3. Abschnitt
von ausgegangen, daß alle Tätigkeiten und Aufgaben im Unternehmen mit informatorischen Prozessen gekoppelt sind bzw. durch Informationen initiiert und auch abgebildet werden können." 292. Diese ausgeweitete Definition erscheint inhaltsleer, da dann die Unternehmung genauso als Energiesystem oder Materiesystem bezeichnet werden könnte, ohne daß dadurch die für das Unternehmenssystem und seine Umsysteme wichtigen Transformationsprozesse und Austauschprozesse bezogen auf Information, Energie oder Materie abgegrenzt würden. Eine verallgemeinernde Definition von Informationssystemen unter Berücksichtigung aller Dimensionen läßt sich aus der Beschreibung von Systemen konstruieren293. Systeme können hinsichtlich folgender Merkmale beschrieben werden: 1) ihrer Funktion, 2) ihrer Struktur, 3) ihrem dynamischen Verhalten bzw. ihren (Informations)-Prozessen und 4) ihrer Modellfunktion 294 . Zu 1 Betriebliche Informationssysteme müssen fiinktionsorientiert untersucht und definiert werden. Dabei kann die Beziehung des Informationssystems zu allen Tätigkeiten der Unternehmung untersucht und beschrieben werden, da sie alle „...mit informatorischen Prozessen gekoppelt sind bzw. durch Informationen initiiert und ... durch sie abgebildet werden können." 295 . In der funktionalen Beschreibung von Informationssystemen wird die Funktion von ISS: • für die Führungssysteme der Unternehmung zur Gestaltung und Steuerung der Unternehmensaktivitäten296, • für die Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse der Unternehmung297 und •
für die Weiterentwicklung der Unternehmung298 betont.
Zu 2 Die Analyse der Struktur zergliedert das System in einer statischen Betrachtung in seine Strukturelemente Menschen und Informationstechnologie299. Als Informationstechnologie im engeren Sinne (Sachmittel) werden 292 293 294 295 296 297 298 299
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Amier 1983, S. 18 Amier 1983, S. 19 Ulrich, H. 1970, S. 108 ff. Amier 1983, S. 65 Zahn 1983, S. 191 ff Erichson/Hammann 1983, S. 151 ff. und Zahn 1983, S. 189 ff. Bleicher 1992, S. 278 f. Zahn 1983, S. 186
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die maschinellen Hilfsmittel bezeichnet, und im weiteren Sinne schließt Informationstechnologie auch Methoden im Sinne von formalisierten Programmen als Basissoftware für datenverarbeitende Maschinen ein oder solche, die als institutionalisierte Verfahrenstechniken und Modelle einen Bestandteil des Aktionsspielraums des Aufgabenträgers darstellen. Eine grundlegende, die Aufbauelemente beschreibende Definition von Informationssystemen unterscheidet Methoden, betriebswirtschaftliche Modelle und die Informationsbasis (Datenbanken) einschließlich ihrer logischen Verknüpfungen 300 . Unter Methoden sind beispielsweise statistische Analyseverfahren zu verstehen. Die Modelle enthalten die einzubeziehenden Größen, die Logik ihrer Verknüpfung und die sie strukturierenden Probleme und Entscheidungen. Die Datenbank enthält die für Analyse und Entscheidung notwendigen Informationen. Dem Systemansatz folgend, repräsentieren Methoden „institutionalisierte Relationen" und können ebenfalls als Teil des dynamischen Verhaltens der IS untersucht werden301. Die Untersuchung und Definition der Strukturelemente der Informationssysteme gewinnt dann an Bedeutung, wenn durch sie, wie bei elektronischer Datenverarbeitung, ein dynamisches Verhalten des Systems möglich wird, für welches die Eigenschaften bestimmter Strukturelemente notwendig sind. Menschen und ihr spezifischer Kontext, als Anspruchsgruppe der Unternehmung, müssen dann als „Strukturelemente" des ISS beschrieben werden, wenn die pragmatische Beziehung der Menschen zu den Informationen und dem ISS bestimmend wird und nicht mehr von den vereinfachten Bedingungen des „objektiven Wissens" und der objektiven Information, die unabhängig vom Subjekt verstanden wird, ausgegangen werden kann,. Zu 3 Die Analyse des dynamischen Verhaltens von Informationssystemen geschieht über die Untersuchung der einzelnen Prozesse302 der ISS. Der prozeßorientierten Analyse und Definition folgt SENN; er definiert Informationssysteme als „...Systeme, die eine geordnete Erfassung, Transformation, Speicherun^ und Bereitstellung von Informationen in der Unternehmung erlauben" "°3. Für eine systematisierte Beschreibung von Informationsprozessen in ISS kann auf die Systematisierung von R.OPOHL zurückgegriffen werden. ROPHOL systematisiert jeden Prozeß, der einen Informationsinput in einen -output überführt, in den beiden Kategorien Transport und Transformation von Informationen (siehe Abbildung 3. 3). 300 301 302
303
Vgl Scheer 1990, S. 9 und Zahn 1983,196 ff. Vgl. Amier 1983, S. 68 „Die Definition des Prozesses als raumzeitlicher Realisierung einer Aufgabe des Systems weist auf einen Dualismus von Struktur und Prozeß hin, wobei der Prozeß praktisch einen Ausschnitt der Struktur repräsentiert"; vgl. Amier 1983, S. 68 und Ulrich, H. 1970, S. 119 f. Vgl. Senn 1986, S. 75
92
3. Abschnitt
Abbildung 3.3:
Rational-technische Charakterisierung der Prozesse in Informationssystemen
RATIONAL-THCHNISCHE CHARAKTERISIERUNG DER PROZESSE IN INFORMATIONSSYSTEMEN
•"Transport"
Zeitlich
Informationsspeicherung
Räurrtich
Informationsübertragung
{
Prozesse im Informations- system
• Speicherung/Übertragungsprozesse haben Bedeutung für IS-Konzepte • Als primär physikalisch/ nachrichtentechnisches Problem begrenzt relevant für die Fragestellung • Umfasst alle Prozesse der
- Informationsverarbeitung (togis^Verkn^fung von Information
• Wichtigstes Element für die Ausgestaltung von IS
— - Informationsumsetzung (-Codierung)
Transformation
r-Signalwandlung _ Informationsträger
· Codierung von Infomation kam zu Repertoirproblemen führen Physikalische Transformation > geringe/keine Bedeutung für Konzeption von IS
—Signalumwandlung Quelle: Hopohl 1971, & 15Θ verändert
Bezüglich der Gruppe der Transformationsprozesse trennt ROPOHL in die Transformation der Informationsträger und der Information selbst. Die Signalwandlung und -umformung als „... Transformation...des Signals als physikalischer Gegebenheit..." 3 u n d ihre Probleme brauchen a u f g r u n d ihres physikalischen Charakters in dieser Betrachtung nicht behandelt zu werden. Der Transformationsprozeß von Information kann in Informationsumsetzung und (-Codierung) u n d d i e eigentliche Verarbeitung von Informationen aufgeteilt werden. Die Informationsumsetzung und Codierung bedeutet den Wechsel von einem Zeichenrepertoire in ein anderes. Für Informationssysteme stellt sich hier ein Repertoireproblem, da nicht alle Informationen auch syntaktisch richtig und semantisch fruchtbar in jedem Zeichenrepertoire darzustellen sind. Die Prozesse und Probleme auf der Ebene der Codierung sind jedoch ebenfalls nicht Fokus dieser Arbeit. Die wichtigsten Prozesse in ISS sind die als Informationsverarbeitungsprozesse bezeichneten Transformationsprozesse: „Unter Informationsverarbeitung schließlich sei die Verknüpfung von Informationen nach logischen Gesetzmäßigkeiten sowie das Zählen und Rechnen verstanden" 305 . Diese so eingegrenzten Informationsverarbeitungsprozesse um304 Vgl. Ropohl 1971, S. 157 305 Vgl. Ropohl 1971, S. 159
Ökologieorientierte ISS
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fassen die meistens Informationssystemen zugeordneten Informationsprozesse wie die des Umformens, Verdichtens, Filterns, Urteilens und auch des Schließens 306 . Transportprozesse von Informationen sind Prozesse, die die Informationen nicht verändern 307 . Transport kann, sowohl entlang der zeitlichen Dimension, als Informationsspeicherung bezeichnet, als auch räumlich als Informationsübertragung stattfinden. Die technischen Probleme, die bei Informationsspeicherung und Informationstransport auftreten, sind nicht Gegenstand der Problemstellung, sondern gehören eher in den bereits diskutierten nachrichtentechnischen Problemkreis. Speicherung und Übertragung von Informationen sind im Funktionszusammenhang von betrieblichen Informationssystemen durchaus relevante Prozesse, und die Frage, welche Informationen gespeichert oder übertragen werden sollen, ist im Konzept oder der Definition eines Informationssystems zu behandeln. Zu 4 Das Merkmal der Modellfunktion beschreibt die Eigenschaften des ISS als Abbildung eines Sachverhalts. Die Definition und Beschreibung von Funktionen von ISS hat immer Modell- oder Abbildungsfunktion, da die Beschreibung des Informationssystems es notwendig macht, die zahlreichen parallelen und komplexen informatorischen Prozesse in der Unternehmung im Zusammenhang abzubilden. Die Darstellung der Wirklichkeit im Modell erlaubt die Darstellung von Modellierungs- und Lenkungsmöglichkeiten der Informationsprozesse, um eine Funktion in das System zu integrieren, wie in dieser Arbeit die Einbeziehung ökologieorientierter Informationen. ISS-Konzepte haben auch eine Modellfunktion für die Beziehung der Unternehmung und ihres Umfelds und im Rahmen unserer Fragestellung über die Abbildung ökologischer Probleme und deren Bedeutung für die Unternehmung. Informationssysteme lassen sich über die Ausprägung der Systemmerkmale Funktion, Struktur, Informationsprozeß und Modell definieren. In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt, ausgehend von der funktionalen Beschreibung des ISS, auf der Analyse und Definition der Prozesse als raumzeitlicher Realisierung der Funktion. Der Fokus der Prozeßbetrachtung wiederum liegt auf der Informationsverarbeitung unter Beachtung der räumlichen und zeitlichen Transport- und Codierungsprozesse (siehe Abbildung 3.4). Die Strukturbeschreibung wird insbesondere wichtig, wenn die Beteiligung von Anspruchsgruppen bedeutsam wird.
306 307
Die Trennung von Transformationsprozessen höherer und niedriger Ordnung erscheint aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit der Prozesse als nicht operabel. Vgl. Ropohl 1971, S. 159 ff.
94
3. Abschnitt
Abbildung 3.4:
Systemmerkmale und Definition Informationssysteme
SYSTEMMERKMALE UND BESCHREIBUNGSDIMENSIONEN VON ISS Systemme rtcmale
Definition von ISS
Funktion
· SystemfunktiorVZwecksetzung
• Funktion für dte Unternehmung als produktives soziales System (ISS als Subsystem des Untemehmenssystem) • ISS in Problemlösungsprozessen • Bnbeziehung ISS in die Weiterentwickling der Unternehmung
Struktur
· Systemelemente (Menschen, Sachmittel)
• Aufgrund ihrer pragmatischen Beziehung zu den Informationen einzubeziehende Manager/Anspruchsgruppen • Struklurelemente als Voraussetzung fur dynamisches Verhalten (EDVgestützt)
Dynamisches Verhalten
· Prozeß als raum-zeitliche Realisierung der Funktion
• Input und Output von Information • Informationsverarbeitung als Strukturieren und Verknüpfen von Informationen • Informationsübertragung und Speichenng
Modell
· System als Beschreibung von Sachverhalten
• ISS als Beschreibung'Abbildung des Informationsaustausches und der Veraibeitungsprozesse der Unternehmung • ISS als Abbild des zu lösenden/optimierenden Problems
Quelle: Eigene Darstellung
Betriebliche ISS setzen sich aus zahlreichen einzelnen Subsystemen mit spezifischen Funktionen und Informationsprozessen zusammen308, die mit steigender Leistungsfähigkeit der EDV-Unterstützung zunehmend als integrierte Konzepte entworfen werden, wie wir am Beispiel der Konzeptionen von 1)
SCHEERund
2)
BOYNTON/VICTOR
zeigen wollen.
Zu 1) Nach der Definition von SCHEER sind Informationssysteme der Oberbegriff für Administrations-, Dispositions-, Management-Informations- und Planungssysteme. Diese Systeme können in einer Pyramide aus fünf Ebenen: mengenorientierte operative Systeme, wertorientierte Abrechnungssysteme, Berichts- und Kontrollsysteme, Analyse- und Informationssysteme sowie Planungs- und Entscheidungssysteme abgebildet werden309. Dabei repräsentieren die Ebenen von den mengenorientierten operativen Systemen in der untersten Ebene bis zu den Planungs- und Entscheidungssystemen in der obersten Ebene eine Verdichtung der Informationen.
308 309
So unterscheidet FUCHS zweiunddreißig verschiedene Subsysteme der betrieblichen ISS; vgl. Fuchs 1973, S. 155 ff. Vgl. Scheer 1990, S. 8
Ökologieorientierte ISS
95
Die formale betriebliche Informationssystempyramide beschreibt die Systeme zudem nach Detaillierung und zumindest partiell nach Fristigkeit: •
•
•
•
•
Die unterste Ebene bilden die administrativen und dispositiven Systeme, die die mengenorientierten Prozesse der Leistungserstellung erfassen. Die mengenorientierten Systeme sind funktional aufgegliedert, so daß beispielsweise Systeme für Beschaffung, Produktion, Absatz und Personalverwaltung vorhanden sind. Die wertorientierten Abrechnungssysteme bilden die betriebswirtschaftlichen Konsequenzen der Mengenbewegungen der unteren Systemebene ab. Als Beispiele nennt SCHEER die funktional ausgerichtete Kreditoren- und Debitorenbuchführung sowie Lohn- und Gehaltsabrechnung. Die dritte Systemebene bilden Berichts- und Kontrollsysteme, die Informationen aus den mengenorientierten Systemen und den Abrechnungssystemen in Beziehung setzen und verdichten. Diese Systeme sind typischerweise nicht nach Funktionen differenziert, sondern übergreifend, z.B. als Controlling und Plankostenrechnung angelegt. Die Analyse- und Informationssysteme der vierten Ebene verdichten die internen Daten und verknüpfen sie sinnvoll mit externen Daten. Informationssysteme können sowohl funktionsspezifisch, wie z.B. Marketing-Informationssysteme, als auch funktionsübergreifend orientiert sein. Als übergeordnete Ebene identifiziert SCHEER die Planungs- und Entscheidungssysteme, die die Informationen zusammenführen und Unterstützung bei unstrukturierten und ad-hoc-Entscheidungen geben sollen. Diese Systemebene führt die Informationen über die Unternehmung und die Umwelt auf einer maximal aggregierten Ebene zusammen, die dem Anwender helfen sollen, die komplexe „Wirklichkeit" der Unternehmung und seines Verantwortungsbereichs durch Verfügbarmachen von Grundinformationen, ad-hoc-Datenbankabfrage und komplexitätsreduzierende Modellanalysen besser zu verstehen3 .
Eine vereinfachte, aber vergleichbare Systematik für ein umfassendes Modell betrieblicher Informationssysteme benutzen KIRSCH/KLEIN; die drei System- und Verdichtungsebenen definieren Transaktionsdatensysteme, Berichts- und Kontrollsysteme sowie Planungs- und Entscheidungssysteme311. Die Systemmodelle fokussieren auf die hierachische Gliederung, Bewertung und Aggregation von Information, die notwendig ist, um aus den einzelnen Transaktionen der Leistungserstellung im produzierenden Betrieb zu einem Abbild der Unternehmenssituation zu gelangen. Die Konzepte betonen die stabilisierende Komponente eines einheitlichen Systems, welches in seiner Architektur wenig Änderungen unterliegt. Das 310 311
Vgl. Rechkemmer 1994, S. 27 f. Vgl. Kirsch/Klein 1977, S. 24
96
3. Abschnitt
Schwergewicht der Informationsprozesse liegt auf der Nutzung der internen Informationen, während die externe Umwelt relativ wenig Gewicht bekommt. Zu 2 Konzeptionen wie die von BOYNTON/VICTOR nehmen in ihrem Modell für betriebliche Informationssysteme eine Vereinfachung der Systemtypen und eine Erweiterung der notwendigen Systemfunktionen, ausgehend von einer dynamischeren Unternehmungs-Umfeld-Interaktion sowie der Weiterentwicklung der Informationstechnologie, vor312. Die Definition unterscheidet bezüglich der Organisation der Informationsprozesse in dynamischstabilen Organisationen drei funktional unterschiedliche Systemtypen: „systems of scope" , „vertical systems" und „horizontal systems" (siehe Abbildung 3.5). Abbildung 3.5:
Aufgabenorientierte modulare
Informationssysteme
Im Modell nach Boynton/Victor bekommt die stabile hierarchische Struktur von Informationssystemen eine weit weniger bedeutende Rolle zuge312
Hinter dem Attribut „dynamisch-stabil" steht der Anspruch an Unternehmen, in einem sich schnell verändernden Umfeld eine große Zahl unterschiedlicher und sich schnell ändernder Kundenanforderungen durch eine Unternehmung mit stabilen Prozeßfähigkeiten, Erfahrung und Know-How zu befriedigen; vgl. Boynton/Victor 1991, S. 54. Die rapide Weiterentwicklung der Möglichkeiten von elektronischer Datenverarbeitung erlaubt heute den Einsatz von umfangreichen relationalen Datenbanken, die von verschiedenen dezentralen Rechnern nutzbar sind und so einen umfangreichen Informationsbestand verfügbar und flexibel erweiterbar machen.
Ökologieorientierte ISS
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wiesen. Wichtiger wird dagegen die Bedeutung von betrieblichen Informationssystemen bei der Akkumulation und dem untemehmensweiten ZurVerfügung-Stellen des in der Unternehmung verfügbaren Wissens über Prozesse und Produkte als Erfolgsfaktor in einem dynamischen Marktumfeld313. Die Bedeutung der lateralen Distribution von Wissen und Information in der Unternehmung wird durch „systems of scope" betont, welche sich sowohl auf Informationen über das externe Umfeld, als auch auf internes Wissen und Erfahrung beziehen. Die „vertical systems" stehen für Aggregation und Integration von Information, um Unterstützung für strategische Entscheidungen über Kapazitäts- und Know-How-Allokation zu geben. Das Modell betont hier die Notwendigkeit von Interaktionsfähigkeit zwischen Anwender und System und die Möglichkeit zu flexibler Aggregation von Informationen, die zugeschnitten ist auf das zu lösende Problem. Das Modell der aufgabenorientierten modularen Informationssysteme erscheint mit dem Konzept ökologieorientierter Informationssysteme kompatibel, da es die Notwendigkeit und die Möglichkeiten betont und konzeptionell umsetzt, Informationssysteme laufend an sich ändernde interne und externe Anforderungen anzupassen. Zudem sind die konzeptionell skizzierten Möglichkeiten zur Interaktion und zur Verteilung von Wissen über Problemlösungen einer angemessenen Beschreibung der pragmatischen Bedeutung von Wissen und Information nahe.
3.2.2 Unterstützung der Planungs-, Entscheidungs- und Kontrollprozesse Um die einzelnen Aufgaben des Managements und die Funktion von ISS zu beschreiben und zu systematisieren, werden die Tätigkeiten in die Phasen einer prozessualen Reihenfolge gebracht314. Die gedankliche Anordnung geschieht innerhalb des Prozesses von vorgeordneten zu nachgeordneten Phasen. Diese gedankliche prozessuale Aufgliederung impliziert nicht zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge, da die Phasen im Führungsprozeß in unterschiedlicher Wiederholung und Häufung auftreten können und die Abgrenzung partiell fließend ist3 . Anhand der Prozeßphasen ist es möglich, die einzelnen Analyse- und Entscheidungsschritte auf einem
313
Vgl. Boynton 1993, S. 60 ff. Ähnlich argumentieren insbesondere bezüglich den wissenorientierten Systemen auch DAVIS/BOTKIN; vgl. dieselben 1994, S. 166 314 Vgl. Erichson/Hammann 1983, S. 152 ff. Für diese prozessuale Ausgestaltung gibt es mehrere Ansätze wie z.B. den Führungsprozeß; vgl. Malik 1981, S. 11, die Phasen des Führungsprozesses; vgl. Töpfer 1976, S. 81, die Führungstätigkeiten; vgl. Hahn 1985, S. 30, oder den Controllingzyklus; vgl. Kast/Rosenzweig 1974, S. 471. 315 Vgl. Horvath 1992, S. 109
98
3. Abschnitt
allgemeingültigen Abstraktionsniveau darzustellen und auf ihren generellen Informationsbedarf hin zu analysieren. Entscheidungen im komplexen, sich schnell verändernden Umfeld der Unternehmung setzen einen gezielten Informationssammlungs-, Aufbereitungs- und Willensbildungsprozeß voraus, der in prospektiv planerischer Verarbeitung der erwarteten Zukunft eine objektivierbare Entscheidungsgrundlage schafft 316 . Dieser Prozeß muß mit der Kontrolle der Auswirkungen und Veränderungen in der Unternehmung und ihrem Umfeld gekoppelt werden, um die Abweichungen vom geplanten Zustand zu erfassen und entgegengerichtete Maßnahmen zu entwickeln. Nach der Entscheidungsvorbereitung und der Entscheidungsphase folgt die Realisierungsphase, in der die bei der Umsetzung auftretenden Probleme in weiteren Problemlösungszyklen überwunden werden und die Planung in die Realität umgesetzt wird317. Da weder das Handlungssystem Unternehmung noch ihr Umfeld aufgrund der hohen Systemkomplexität vollständig abzubilden sind, ist das Konzept einer vollkommenen Planung nicht anwendbar, d.h. die Planung muß durch die Implementierenden laufend angepaßt und verfeinert werden318. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß die Realisierangsphase aufgrund des Systemverhaltens neue, nicht planbare Probleme aufweist, die permanente Korrekturen, Gegensteuern und neue Lösungen erforderlich machen. Die Kontrollphase dient der Überprüfung der Realisierung mit den Plänen auf ihre Übereinstimmung, bzw. der Analyse von Gründen für mögliche Abweichungen. Der Management- und Führungsprozeß läßt sich prinzipiell in die Hauptphasen Planung, Realisierung und Kontrolle zerlegen319. Um die Phasen des Management- oder Führungsprozesses in allgemeiner Form darzustellen und die Informationsbedürfhisse zu analysieren und zu definieren, können wir auf die fünf Phasen des Problemlösungsprozesses bzw. den Prozeß der Handlungsorganisation zurückgreifen (siehe Abbildung 3. 6). Der Problemlösungsprozeß ist als iterativer Prozeß zu verstehen, der als ganzes und in einzelnen Phasen mehrmals durchlaufen werden kann und muß.
316 317 318
319
Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 108. Vgl. Steinmann/Schreyögg 1990, S. 103 ff. Die Entwicklung der notwendigen Schritte zur Problemlösung und die Anforderungen an Unterstützung durch Informationssystem muß sich an der Lösung realer Problem orientieren und die haben die Eigenschaften, hochkomplex, intransparent und dynamisch zu sein. Insbesondere DÖRNER zeigt die Mechanismen des sicheren Scheiterns, wenn Problemlösungsverhalten nicht der Komplexität des Problems angepaßt wird; vgl. Dörner 1989, S. 58 ff. Vgl. Steinmann/Schreyögg 1990, S. 117 ff.
Ökologieorientierte ISS Abbildung 3.6:
Phasen des
99
Problemlösungsprozesses
PHASEN DES PROBLEMLÖSUNGSPROZESSES (HANDLUNGSORGANISATION)
\
\
Planung von
SSr))β j Quelle:
Egene Darstellung In Anlehnung an Dömer 1989, S. 67
Phase 1: Zielausarbeitung: Der Beginn des Problemlösungsprozesses beinhaltet die Bewertung einer Problemsituation als solcher, durch Feststellen einer Differenz zwischen dem wahrgenommenem Ist und den alten oder neuen Zielen. Ziel der ersten Phase ist es, Klarheit über die zu erreichenden Ziele zu gewinnen, sie vernünftig zu formulieren und ein Modell der Problemsituation zu entwickeln. Die Bestimmung der Ziele ist unterschiedlich auf den verschiedenen Handlungsebenen des Managements. Die Feststellung von Zielen im allgemeinen Fall geschieht 1) durch die Formulierung von positiven Zielen, 2) durch Ziele, die der Komplexität des Problems und der Lösungsmöglichkeiten angemessen sind, d.h. nicht zu global und nicht zu konkret, sondern über effizient-divergente320 Zwischenziele, die die größte Anzahl potentiell erfolgreicher Handlungsmöglichkeiten mit einbeziehen, 3) durch das Dekomponieren von Mehrfachzielen und 4) durch die Einbeziehung von impliziten Zielen321. Die Definition der Ziele erfolgt dabei im Wechselspiel mit der Entwicklung des Problemverständnisses und durch iterative Problemlösungszyklen.
320 Effizient-divergent als die Anzahl divergenter Handlungsmöglichkeiten mit hohen Erfolgsaussichten; vgl. Dörner 1989, S. 80 321 DÖRNER geht ausführlich auf die Problematik nicht ausgearbeiteter Ziele für den Problemlösungsprozeß ein; vgl. Dörner 1989, S. 79 ff.
100
3. Abschnitt
Die Beschreibung des Problems muß der Komplexität des Problems gerecht werden, um die Bildung von reduktiven Hypothesen zu verhindern 22. Um die Beschreibung des Problems angemessen zu gestalten, erkennen ULRICH, H./PR0BST folgende Elemente: Beschreibung des Problems, Definition von Zielgrößen als Faktoren, die gemäß der Zielsetzung verändert werden sollen, die erste Festlegung von Einflußfaktoren auf das Problem und Bestimmung beeinflußbarer und unbeeinflußbarer Einflußfaktoren. Die Beschreibung des Problems integriert die verschiedenen Sichtweisen unter Erstellung eines Netzwerkes, wie die Einflußfaktoren und Zielgrößen verbunden sind 23. Die Definition eines Problemlösungsprozesses impliziert, daß das Auftreten eines Problemes festgestellt wird. Dies muß aber nicht notwendigerweise der Fall sein, wenn Probleme sich schleichend ankündigen und deshalb übersehen werden, oder wenn Probleme dort auftreten, wo sie der Problemloser nicht vermutet; „An die Probleme, die man nicht hat, denkt man nicht!" 324. Das rechtzeitige Aufzeigen von Problemen kann also als eine weitere Anforderung an die Unterstützung von Problemlösungsprozessen definiert werden. Phase 2 Modellbildung und Informationssammlung: Die zweite Phase besteht in der Analyse der Wechselwirkung und dynamischen Interaktion der Einflußfaktoren der Problemsituation. Dabei soll herausgearbeitet werden, inwieweit 1) die Interaktionen positiver oder negativer Art sind, 2) wie intensiv der Einfluß der Größen aufeinander ist und 3) wie der zeitliche Verlauf der Interaktionen beschrieben werden kann 3 2 . Das Ziel der Phase sind Netzwerke, in denen die Einflußgrößen und Zielwerte mit ihren Interaktionen nach Art, Intensität und kurz-, mittel oder langfristigen Wirkungen beschrieben sind. Wichtig ist, die Interaktionen mit zirkulärer Wirkung als Kreisläufe mit negativer Rückkopplung und Kreisläufe mit positiver Rückkopplung zu identifizieren. Bezüglich der Intensität der gegenseitigen Beeinflussung von Elementen lassen sich vier Klassen von Elementen differenzieren: starke Elemente, die andere stark beeinflussen, umgekehrt aber schwach beeinflußt werden, reaktive Elemente, die stark beeinflußt werden, selber aber nur schwach beeinflussen, kritische Elemente, die stark beeinflussen und stark beeinflußt werden, und träge Elemente, die schwach beeinflussen und schwach beeinflußt werden. Phase 3 Prognose und Extrapolation: Der dritte Schritt besteht in der Erfassung und Interpretation der zukünftigen Entwicklung der analysierten Problemsituation ohne eigenes Handeln der Unternehmung. DÖRNER spricht von Prognose und Extrapolation der sichtbaren Entwicklung als
322 323 324 325
Vgl.Dörner Vgl. Ulrich, Vgl. Dörner Vgl. Ulrich,
1989, S. 130 H./Probst 1988, S. 123 ff. 1989, S. 294 und Senge 1990, S. 20 f. H./Probst 1988, S. 135 ff.
Ökologieorientierte ISS
101
notwendiger Station der Handlungsorganisation326. ULRICH/PROBST betonen die Notwendigkeit, verschiedene Entwicklungen zu prognostizieren, beispielsweise als Grundszenario der Extrapolation der analysierten Trends und Alternativszenarien, die die möglichen überraschenden Entwicklungen berücksichtigen. Die Erarbeitung von mehreren Szenarien soll typische Probleme der zeitlichen Extrapolation wie Unterschätzung exponentieller Entwicklung, Ausgehen von aktuellen Entwicklungen als Momentanextrapolation und Extrapolieren der wahrgenommenen Realität als Strukturextrapolation reduzieren327. Phase 4 Planung und Entscheiden von Aktionen: Die vierte Phase kann in die Teilschritte Identifikation von Ansatzpunkten oder Lenkungsmöglichkeiten und Entwurf sowie die Bewertung von konkreten Handlungsalternativen unterteilt werden. Die Analyse der Lenkungsmöglichkeiten soll identifizieren, welche Elemente der Problemsituation ein gegebener Akteur mit einer gegebenen Mächtigkeit beeinflussen kann. Durch die Systemhierachie ergeben sich natürlich verschiedene Systemebenen z.B. Staat, Unternehmen, strategische Geschäftseinheit, Betrieb, Funktion und Mitarbeiter, die in einem Kegel mit den verschiedenen Handlungsebenen existieren. Für den Problemloser geht es darum, für die relevanten Handlungsebenen die lenkbaren Einflußgrößen zu definieren, für jede Ebene Indikatoren, die die Veränderungen der Einflußgrößen anzeigen, zu definieren und Lenkungsmöglichkeiten auf ihre Interaktionsbeziehungen auf Stärke, Reaktivität, Trägheit, kritische Wirkungen überprüfen, um solche zu identifizieren, die im Sinne starker Elemente viel Wirkung, aber wenig unkontrollierbare Wechselwirkungen zeigen328. Diese Lenkungsmöglichkeiten müssen in konkrete Handlungsalternativen umgesetzt werden, die dann bewertet und entschieden werden können. Die Suche nach Handlungsalternativen bedarf des Zugriffes auf eine große Informations- und Know-how-Basis, um die Identifizierung aller möglicher Optionen zu ermöglichen. Ein wichtiger Faktor ist die Möglichkeit zu kreativem und offenem Denken329. In dieser Phase ist zu unterscheiden zwischen: • konkret planbaren Maßnahmen auf einer operativen Handlungsebene und • Handlungsrahmen bzw. -wegen auf einer strategischen Ebene mit langfristigem Zeithorizont und komplexen Problemen mit vielfältigen Einflußfaktoren. Ein gegebenes Problem kann durchaus Reaktionen beides Typs erfordern, im Sinn kurzfristigen Krisenmanagements und einer langfristigen Hand326 327 328 329
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Dörner 1989, S. 67 Dörner 1989, S. 180 ff. Ulrich, H./Probst 1988, S. 184 f. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 23
102
3. Abschnitt
lungsperspektive auf Basis des Geretteten330. Die Bewertungsmodelle können sehr komplex und die einbezogenen Unternehmensziele partiell konfliktär sein, so daß anstatt einer optimalen nur eine befriedigende Handlungsoption als Ergebnis möglich ist. Die Strategien sind im Rahmen der Szenarien auf ihre zukünftige Wirkung zu überprüfen. Die entschiedene Handlungsalternative insbesondere auf einer strategischen Ebene ist innenorientiert in die spezifischen Programme und Projekte umzusetzen331. Phase 5 Umsetzen der Aktionen, Kontrolle und Revision: Die abschließende Phase bezieht sich auf das Umsetzen oder Verwirklichen der erarbeiteten Problemlösung als zielgerichteten Eingriff in die Wirklichkeit. Dies ist, abhängig von der Komplexität des Problems und der Handlungsebene, für die die Problemlösung entwickelt wurde, mit unterschiedlichen Schwierigkeiten verbunden. Insbesondere für umfangreiche strategische Planungen gilt, daß die Planung nicht einfach auf die Wirklichkeit übertragbar ist, denn nicht alle Probleme lassen sich voraussehen; die Wirklichkeit ist dynamisch, d.h. sie verändert sich während der Umsetzung laufend, und die Veränderung des Zusammenwirkens von Menschen in einer Organisation bringt eigene Probleme an die Oberfläche332. Ein notwendiges Element des Problemlösungsprozesses ist die Möglichkeit von Kontrolle und Rückkopplung, um den Erfolg oder Mißerfolg bzw. die Angemessenheit der Problemlösungshypothese prüfen zu können. Nur Rückkopplungsprozesse verhindern das Entstehen von „ballistischen Entscheidungen", also Problemlösungsprozessen in denen die Problemlösung nicht aufgrund von Kontrollinformationen modifiziert werden kann oder soll333. Die Forderung nach Rückkopplung ist außerdem wichtig, um die Entwicklung der Wirklichkeitskonstruktion zu ermöglichen, denn Lernen ist an empirische Problemlösung geknüpft. Solche Rückkopplungsprozesse sind insbesondere in komplexen Systemen nicht trivial, da Systeme mit Verzögerung reagieren. ULRICH, Η,/PROBST identifizieren deshalb drei wichtige Elemente für die Verwirklichung insbesondere komplexer Handlungsalternativen: • • •
330 331 332 333
ein Kontrollinformationssystem auf Basis der Indikatoren zu schaffen, die Selbstlenkungsmöglichkeiten der Subsysteme zu nutzen oder entsprechend der Problemlösung anzupassen und Lernprozesse in Gang zu bringen.
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Ulrich, Ulrich, Ulrich, Dörner
Η,/Probst 1988, S. 189 ff. H./Probst 1988, S. 201 f. H./Probst 1988, S. 214 ff. und Dörner 1989, S. 215 ff. 1993, S. 134
Ökologieorientierte ISS
103
3.2.3 Bedeutung von ISS für die Weiterentwicklung der Unternehmung Jeder Problemlösungsprozeß der Unternehmung erzeugt durch das Erarbeiten eines Problemverständnisses, durch die Entwicklung einer Handlungsalternative und durch die Erfahrungen bei der Realisierung eine Erweiterung des Wissens. Diese Wissenserweiterung sollte dazu führen, daß die Unternehmung in ihren inneren Abläufen und in der Interaktion mit ihrem Umfeld Revolutioniert. Die Entwicklung von verschiedenen aufeinanderfolgenden Verhaltenstypen der Unternehmung in der Berücksichtigung ökologischer Probleme kann als Lern- und Entwicklungsprozeß der Unternehmung rekonstruiert werden334. Die Entwicklung und Förderung von Lernprozessen in der Unternehmung als selbstorgansierendem System ist gleichzeitig nicht trivial335. Da Unternehmen als soziale Systeme teilautononom handeln und sich selbst organisieren können, sind insbesondere Lern- und Entwicklungsprozesse höherer Ordnung nicht von außen vorzugeben. Dies gilt in größeren Unternehmen auch für die einzelnen organisatorischen Glieder. Interventionsstrategien nutzen die Möglichkeit, Entwicklungen durch eine Mischung aus Fremd- und Selbststeuerung anzuregen, in dem sie versuchen, Elemente systemkonform zu beeinflussen oder neue Elemente einbringen336. Die Entwicklung von Unternehmen kann aufgrund der unterliegenden Modellannahmen bezüglich eines formalen Evolutionsschemas337 aus Variation, Selektion und Retention als Anpassungsmodell, als Entwicklungsmodell und als Lernmodell beschrieben werden 38. • Anpassungsmodelle legen dabei ein Schwergewicht auf die Selektionsmechanismen, die die Unternehmung als offenes System zu einer laufenden Anpassung an ihr Umfeld veranlassen339. • Entwicklungsmodelle stellen die endogene Dynamik der Unternehmung bei der gerichteten Entwicklung etwa als Reifeprozeß in den Vordergrund. • Lernmodelle stellen den Gedanken von aktiven und bewußt beeinflußten Entwicklungsprozessen in den Vordergrund. In diese Kategorie gehört das Konzept der fortschrittsfähigen Organisation, die als teilautonomes System die geplante Evolution auf ein Ziel hin vollzieht 34°.
334 335 336
Vgl. Dyllick/Belz 1994a, S. 53 ff. Vgl. Probst 1987, S. 86 ff. Das Ergebnis der Beeinflussung muß aufgrund der Komplexität und Eigendynamik als offen verstanden werden, so daß hier laufend Anpassung und Steuerung notwendig werden. 337 Vgl. Pautzke 1989, S. 18 ff. und 37 ff., Campell 1969, S. 69 ff. 338 Vgl. Pautzke 1989, S. 179 f. und Harde 1994, S.4 339 Vgl. Ulrich, H./Probst 1988, S. 250 f. und Probst 1987, S. 59 ff. 340 Vgl. Kirsch 1991, S. 471 ff.
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3. Abschnitt
Dem Konzept der fortschrittsfähigen Organisation geht es um die Verwirklichung von „Fortschritt" in der Bedürfnisbefriedigung im Rahmen der Umweltbedingungen. In diesem Konzept sind drei Fähigkeiten zentral, die Empfänglichkeit für die Bedürfnisse der Betroffenen (Responsiveness), die Fähigkeit zum Handeln im Sinne der Bedürfnisse der Betroffenen CHandlungsfähigkeit) und die Fähigkeit, Wissen über sich und die Umwelt zu erlangen und zu vergrößern {Lernfähigkeit)^. Dieser beeinflußten Weiterentwicklung der Unternehmung kommt für die Funktionsbeschreibung von ISS Bedeutung zu, da die Mitentwicklung in einer sich verändernden komplexen Umwelt es notwendig macht, alte Verhaltensweisen durch die in Problemlösungsprozessen als besser erkannten Handlungsweisen zu substituieren und die in Problemlösungsprozessen gewonnene empirische Überprüfung des Wissens der Unternehmung in neue Handlungsweisen einfließen zu lassen 342 . Außerdem haben das Lernen der Unternehmung und das daraus resultierende organisationale Wissen und die Wirklichkeitskonstruktion Einfluß auf das Erkennen von schwachen Signalen sowie die Selektion der zur Problem- und Zielbeschreibung herangezogenen Informationen und dadurch eine erhebliche Rückwirkung auf die pragmatische Nützlichkeit von ISS343. Um ein Modell des Lernens von Unternehmen zu bekommen, müssen wir den Wissensbegriff im Hinblick auf eine Organisation und die in ihr agierenden Individuen ausdifferenzieren. Die organisatorische Wissensbasis läßt sich in einem Schichtenmodell darstellen, welches als innere Schicht das von allen geteilte Wissen, als zweite Schicht das der Organisation zugängliche individuelle Wissen, in der dritten Schicht das der Organisation nicht zugängliche Wissen von Individuen in ihr und in der vierten Schicht Metawissen 344 von Individuen in der Organisation enthält (siehe Abbildung 3. 7). Anhand dieses Modells lassen sich die Lernprozesse unterscheiden, in denen das Individuum lernt, in denen Wissen von Individuuen der Organisation verfügbar wird durch Formalisierung und Speicherung in Informationssystemen oder indem Individuen ihr Wissen für die Organisation einsetzten und es so verfügbar machen 345 .
341 342 343 344 345
Vgl. Pautzke 1989, S. 163 ff. Vgl. Garvin 1993, S. 78, Ulrich, H./Probst 1988, S. 211 Vgl. Senge 1990, S. 174 ff. Zur Notwendigkeit, Problemlösungsprozesse auf strategischer Handlungsebene in Lernprozesse zu integrieren, vgl. Satteiberger 1994, S. 22 ff. Metawissen bezeichnet Wissen darüber, wo spezifisches Wissen zu erwerben ist. Vgl. Senge 1990, S. 139
Ökologieorientierte ISS Abbildung 3.7:
Schichtenmodell der organisatorischen
105 Wissensbasis
SCHICHTEN MODELL DER ORGANISATORISCHEN WISSENSBASIS
Latente VMssensbasis
Wissen in der Unweit, über das ein Metavwssen in der Organisation bzw. bei ihren Indviduen voitianden ist Sonstiges kosmisches Wssen
Quelle: verändert nach Pautzke 1989, S. 78
Um das für Entscheidungen nutzbare Wissen zu identifizieren, muß das Schichtenmodell noch einmal dahingehend differenziert werden, welches Wissen mit „der organischen Weltsicht" , bzw. den Werten und Normen der Unternehmung in Einklang steht und deshalb einbezogen wird, und welches nicht 346 . Aus dieser Akzeptanz von Wissen und Wirklichkeitsmodellen erklärt sich, welche Handlungen und Ziele innerhalb der Unternehmung als rational empfunden bzw. als folgerichtig und akzeptabel angesehen werden 347 . Lernprozesse von Individuen und Organsiationen kön346 Vgl. Pautzke 1989, S. 86 ff. 347 Vgl. Pautzke 1989, S. 71 ff. Rationalität begründet, welche Ziele und welche Handlungen als folgerichtig und akzeptabel angesehen werden. Rationalität kann einmal beschrieben werden mit dem engen Begriff der „Zweckrationalität" nach W E B E R oder in einem erweiterten Konzept der kommunikativen Rationalität, in der auch moralisch-praktische und ästhetisch-expressive Aussagen zur Begründung von Rationalität herangezogen werden können; vgl. Habermas 1981 S. 367 ff. und 1984. Dieser prinzipiellen Rationalität steht das Konzept der okkasionellen Vernüftigkeit gegenüber, welches es erlaubt, auch eine Entwicklung der Rationalität durch Anwendung vorhandenen Wissens und Normen auf neue Sachverhalte und die Entwicklung neuer Normen zu verstehen. Das Konzept der prinzipiellen Rationalität und das einer okkasionellen Vernüftigkeit ergänzen sich komplementär zur evolutionären Rationalität, in der okkasionelle Rationalität das Umgehen mit Neuem beschreibt, welches sich dann aber vor dem Hintergrund des neu institutionalisierten Wissens intersubjektiv rational erweisen muß; vgl. Brantl 1985, S. 534 ff.
3. Abschnitt
106
nen und müssen auch die Rationalität betreffen, nach denen sie die Wirklichkeit erklären und vorhandenes Wissen nutzen. Diesen seltenen Lernprozessen höherer Ordnung kommt Bedeutung zu bei der Entwicklung der Unternehmung als fortschrittsfähiger Organisation. Durch die Möglichkeit zur aktiven Selbstbeschreibung der eigenen Operationsweise kann reflexive Distanz und die Möglichkeit, sich mit anderen Formen der Selbstbeschreibung zu vergleichen, geschaffen werden. Eine operative Möglichkeit, zur aktiven Selbstreflektion anzuregen, sind „Feed-back" -Prozesse, also Rückkopplung und Konfrontation mit der Beschreibung von internen und externen Anspruchsgruppen348. PAUTZKE differenziert Lernen in individuelles Lernen, gemeinschaftliches Lernen und organisationales Lernen349. Der Begriff Lernen der Unternehmung hebt in seiner umfassendsten Definition ab auf die Nutzung, Veränderung und Fortentwicklung der organisationalen Wissensbasis unter Bezugnahme auf das Schichtenmodell und schließt damit den Begriff des Lernens einer Elite und des Lernens aller Mitglieder der Organisation ein. Nutzung bezieht sich auf die Anforderung, latentes Wissen einzubeziehen. Veränderung bezeichnet die Modifikation dieses Wissens aufgrund von Problemlösungsprozessen. Fortentwicklung bezieht sich auf die Notwendigkeit, die Rationalität der Organisation im Sinne von positiv bewertetem Fortschritt zu entwickeln. Mit der Begriffsdefinition kompatibel ist auch die Vorstellung des Lernens der Organisation, eingeschränkt auf Veränderungen der Organisation selbst, in Form von Veränderungen der organisatorischen Standardprozeduren, Normen, Werte, Strategien, Systeme, Verfahren, Programme und Regeln350. Die Definition bezieht sowohl das Lernen der Organisation und ihrer Mitglieder als auch die Lernprozesse mit ein, die darin bestehen, Wissen in der Organisation verfügbar zu machen. Fünf wichtige Fähigkeiten für Unternehmen als lernende Organisation definiert GARVIN351:
• Fähigkeit zu systematischem Problemlosen: • Möglichkeit zum Experimentieren mit neuen Ansätzen: • Fähigkeit zum Lernen aus eigenen Erfahrungen: • Lernen aus erfolgreichen Praktiken: • Rasches und effektives Übertragen von Wissen in die Organisation Wichtigstes Problem für organisationelles Lernen ist die fehlende Rückkopplung zwischen den Entscheidungen und ihren Folgen in hochkomplexen System, da Reaktionen nur mit zeitlicher Verzögerung entstehen und auch nicht notwendigerweise als solche zu erkennen sind. Dadurch erge348 349 350 351
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Satteiberger 1994, S. 1991 Pautzke 1989, S. 33 ff und S. 89 ff. Satteiberger 1994, S. 16 und Pautzke 1989, S. 107 Garvin 1993, S. 81
Ökologieorientierte ISS
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ben sich für Organisationen Lerndefizite, die zu fehlender oder falscher Weiterentwicklung führen können352. Denn nur das Sammeln von empirischer Erfahrung mit dem Umgang mit komplexen Systemen erlaubt die Entwicklung von anwendbarem Wissen und Regeln, wie mit den Einschränkungen im Analysieren, Erkennen und Vorhersagen umgegangen werden kann353. S E N G E benennt als wichtiges Element die Schaffung von „Microworlds" , also Abbildungen und Simulationen von komplexen Systemen, die es den Anwendern erlauben, Konsequenzen von Handlungen im vernetzten System direkt zu erleben354. Es können so alternative Problemlösungsstrategien ohne Risiko ausprobiert werden. Die Schwierigkeiten verlagern sich dabei allerdings auf die Ebene, angemessene Modelle der komplexen Probleme zu schaffen. Der Bestimmung des Lernfortschritts durch quantitative Indikatoren kommt insbesondere in größeren Unternehmen eine hohe Bedeutung zu, um Lernen als Erfolgsfaktor für die Anpassung an ein sich schnell veränderndes Umfeld, als managebare Eigenschaft verfügbar zu machen355. Aus der Notwendigkeit der Weiterentwicklung von Unternehmen und den Problemen im Umgehen mit hochkomplexen Systemen bzw. im Lernen über den richtigen Umgang mit ihnen lassen sich zusätzliche Aspekte für die Funktionsbeschreibung von ISS generieren: •
Die Notwendigkeit, die Wirklichkeitskonstruktion innerhalb der Organisation zu beeinflussen und ihre Weiterentwicklung zu unterstützen, um eine der Unternehmens-Umfeld-Interaktion angemessene pragmatische Bedeutung von ökologieorientierten Informationen zu sichern. Die Einbeziehung der angemessenen ökologieorientierten Information reicht nicht, wenn die pragmatische Bedeutung solcher Information für die Nutzer, aufgrund der Rationalität und der Wirklichkeitskonstruktion des sozialen Systems Unternehmung, nicht existiert. Informationssysteme müssen darauf abzielen, mentale Modelle der Unternehmung auch explizit zu machen, um der Organisation ein gemeinsames Verständnis der Umgebung zu ermöglichen. • Nachdenken über die eigenen Denkstrategien erleichtert den erfolgreichen Umgang mit komplexen Problemen 56. Informationssysteme haben Bedeutung bei der Schaffung von „Spielräumen" , die empirische Erfahrung und Experimentieren im Umgang mit den komplexen Problemen an Modellen erlauben. 352 353 354 355 356
Vgl. Senge 1990, S. 22 f. DÖRNER benutzt hier die Unterscheidungen zwischen explizitem und impliziten Wissen, welches nur zumsammen nur empirisch gelernt werden kann; vgl. Dörner 1989, S. 304 und Senge 1990 S. 306. Vgl. Senge 1990, S. 313. Die Microworlds sind nicht notwendigerweise Computersimulationen. Vgl. Garvin 1993, S. 89 f. Vgl. Dörner 1989, S. 302 f. und Agyris/Schön 1978, S. 20 ff.
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3. Abschnitt
•
Die ISS haben Bedeutung als Speicher und Überträger von organisatorischem Wissen, zur Unterstützung der Nutzung und Veränderung der organisatorischen Wissensbasis357. Eine Funktion von ISS ist darin zu sehen, es der Organisation zu ermöglichen, individuelles Wissen zu dokumentieren und zu speichern, um es unabhängig vom Individuum allgemein verfügbar zu machen. Ebenso verfügbar zu machen sind Veränderungen und Erweiterungen der organisatorischen Wissensbasis durch Lernprozesse in den verschiedenen Einheiten der Unternehmung, die durch ISS auch in andere Einheiten getragen werden, um schnelle und effiziente Lernprozesse durch Nutzung verschiedener Erfahrungen zu katalysieren. Die Anforderung an ISS konvergiert mit dem Konzept der „systems of scope" als umfangreiche relationale Informationsbasis, für die ein ökologieorientiertes ISS-Konzept logische Informationsbeziehungen zu beschreiben hat. • Die Bedeutung der Veränderungs- und Entwicklungsfähigkeit der ISS als Teil der formalisierten und dokumentierten organisatorischen Wissensbasis. So müssen ISS sowohl von ihren Prozessen als auch von ihren Relationen her flexibel neues Wissen integrieren und nicht mehr adäquates Wissen ersetzen oder verlernen können. Eine weitere Dimension der Entwicklungsfähigkeit ist die Veränderung von Schwerpunkten im Wissens- und Handlungsbezug der Unternehmung durch eine Modifikation des Problemverständnisses, die durch eine angemessene Flexibilität des ISS-Konzepts begleitet werden muß.
3.2.4 ISS im Führungssystem der Unternehmung Die funktionelle Einordnung der ISS als Teil der Führungssysteme der Unternehmung ist im Systemansatz möglich, da dieses Modell der Unternehmung einen Erklärungsansatz für die Wirkungsbeziehungen innerhalb der Unternehmung als produktivem sozialem System und die Funktion der ISS bei der Stabilisierung und Lenkung dieses Systems bietet358. Die systemorientierten Modelle gehen von den grundsätzlichen Steuerungsmechanismen und -problemen im kybernetischen System aus und erlauben durch eine weitgehend ganzheitliche Betrachtung der Führungsphänomene die gedankliche Entwicklung von integrierten Managementsystemen, die den Gesichtspunkt der Unternehmensführung als Systemsteuerung darzustellen vermögen359. Um die Aufgaben und Rollen der Unternehmensführung innerhalb der Unternehmung zu beschreiben, wurden aus dem Systemansatz heraus integrierte Führungsmodelle entwickelt360. Die Ansätze 357 358 359 360
Vgl. Senge 1990, S. 337 Vgl. Hill 1992, S. 38 ff. Vgl. Ulrich, H./Krieg 1974, S. 11 und Ulrich, H. 1988, S. 181 f. Der systemorientierte Managementansatz überträgt die Begriffe Betrachtungsweisen aus der Kybernetik, also der Beschreibung
und von
Ökologieorientierte ISS
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bilden den formalen Rahmen, um die hier diskutierten ISS in die wissenschaftliche Beschreibung der Unternehmensführung aus der Perspektive der Fremdsteuerung in größeren Unternehmen zu integrieren, um so die Anforderungen für Steuerungsfunktionen von ökologieorientieren ISS zu gewinnen. Managementinformations- und Kontrollsysteme werden entsprechend den Anforderungen der Handlungsebenen für die Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Informationen bezüglich der möglichen Umweltsituation und der Folgen von bisher eingeleiteten und umgesetzten Maßnahmen ausgestaltet und bilden so die Informationsbasis für Regelkreise (siehe Abbildung 3. 8). Es ist der zentrale Ansatz bei der Entwicklung von Standards für Umweltmanagementsysteme, genau diese Regelkreise oder Rückkopplungsschleifen in Unternehmen zu etablieren, um so dem Ziel von selbstverantwortlichem Umweltmanagement in Unternehmen und einer Verringerung der ökologischen Problembeiträge näher zu kommen. Abbildung 3.8:
Die Führungsfunktionen
DIE FÜHRUNGSFUNKTIONEN
Ausführen Quale: Ulrich, H/Krieg 1974, S. 30
Regelmechanismen zur Erhaltung von Gleichgewicht und Ungleichgewicht in Systemen auf die Beschreibung der Unternehmung als produktivem sozialem System und ihres Umfeldes. In der Schweiz sind mit dem „Sankt Galler Managementmodell „; vgl. Ulrich, H./Krieg 1974, Malik 1981 und dem „Züricher Ansatz"; vgl. Rühli 1984, S. 347 ff. die zwei wichtigsten Ansätze publiziert worden. Vgl. Ulrich, H. et al. 1976, 137 ff. und Ulrich, P./Fluri 1992, S.30ff.
110
3. Abschnitt
BLEICHER ordnet in seiner systemorientierten Konzeption für integriertes Management die Informationssysteme spezifischer ein. So wird für die normative Ebene postuliert, daß die Forderungen, Unterstützungen und die Reaktion auf Handlungen der Anspruchsgruppen der Unternehmung über ihre Vertreter direkt in den Dialog eingebracht mit der Unternehmung eingebracht werden und so die Anspruchsgruppen Teil des betrieblichen Informationssystems sind361. PFRIEM erweitert die funktionale Beschreibung eines informationsversorgenden Systems bezogen auf ökologieorientierte Informationen dadurch, daß er die Weitergabe dieser Informationen an externen Anspruchsgruppen in die Beschreibung der Funktionen explizit einbezieht362. Informationsversorgungssysteme bekommen eine Rolle in der Kommunikation der Unternehmung mit ihren Anspruchsgruppen zugewiesen. Die Informationssysteme unterstützen zweiseitige Lernprozesse als Grundlage für Kommunikation, indem sie Informationen von außen in die Unternehmung tragen und umgekehrt aus der Unternehmung an die Anspruchsgruppen vermitteln. ISS bekommen eine konkrete Funktion zugewiesen bei der prozessualen Umsetzung von strategischen Absichten im Rahmen von Managementsystemen und im Gegensatz zur Organisationsstruktur als den strukturellen Regelungen der Unternehmung363. Der Definition liegt ebenfalls eine Merkmalsbeschreibung des Systems anhand der Strukturelemente und des dynamischen Verhaltens über Zeit zugrunde. Managementsysteme sind die Festlegung der Diagnose-, Planungs- und Kontrollprozesse unter Einbeziehung externer und interner Informationen zur Formulierung strategischer Konzepte und der Kontrolle ihres operativen Vollzuges3 . Managementsysteme bilden die Beziehungsnetze, die die Kommunikation und Kooperation der organisatorischen Einheiten ermöglichen. Managementsysteme lassen sich gliedern in „Management der Informationen" als Grundlage und „Information des Managements" als Beschreibung der aktuellen Verwendung der Informationen. • "Management der Informationen" beinhaltet die Informationstransformationsprozesse des ISS, also Gewinnung und Verarbeitung von Informationen, und die Verfügbarmachung von Informationen als den räumlichen und zeitlichen Transport von Informationen, um das Wissen und Know-how der Unternehmung den Managern zur Verfügung zu stellen. • Die Information des Managements" ist als Funktionsbeschreibung von ISS zu verstehen. Darunter wird die Informationsverfügbarkeit für das Management gefaßt und die Funktion wie folgt definiert: 361 362 363 364
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Bleicher 1992, S. 88 ff. Pfriem 1995, S. 307 Bleicher 1992, S. 229 ff. Bleicher 1992, S. 249 ff.
Ökologieorientierte ISS
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„...Informationsbereitstellung für das Management bildet den Kern und den Zweck jedes Managementsystems..." 3 . Dazu ist der gesamte Informationsprozeß des Systems Unternehmung so zu strukturieren, daß den Mitgliedern des Managements „... die notwendigen Informationen mit dem erforderlichen Genauigkeits- und Verdichtungsgrad am gewünschten Ort und zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden." 366 Was dies präzise bedeutet, ist abhängig vom Managementsystem im konkreten Fall, dem Manager und der Handlungsebene 367 . Letztlich ist also das Kriterium der pragmatischen Nützlichkeit ausschlaggebend. BLEICHER faßt hierunter auch „Informationsverarbeitung des Management", also Verarbeitung eines Inputs wie Berichte, Datenanalyse zu einem Informationsoutput wie Verdichtung, Trends und Statusanalysen. BLEICHER schlägt eine Typologisierung von Managementsystemen entlang der Funktionen vor, um die möglichen Ausprägungen zu charakterisieren (siehe Abbildung 3. 9). Abbildung 3.9:
Funktion der Informationsprozesse in Magementsystemen
FUNKTION DER INFORMATIONSPROZESSE IN MANAGEMENTSYSTEMEN Ausgestaltung Stabilisierendes Managementsystem
Funktionen Gewinnung und Verarbeitung von Informationen
• Reduktionistischer Umgang · Holistischer Umgang mit mit Informationen Informationen -geschlossen -offen - segmentiell - simultan nichfkoppelnd
Anwendungsorientierung der Informationen
• Logstische Information - standardisiert - einseitige Informationsversorgung
Kommunikative Verfügbarkeit der Informationen
> Statusbezogene Infoimation · Fluflbezogene Information -insuHr -vernetzt -zeitversetzt -Realtime
Verarbeitung der Informationen durch das Management
• Singulare Information -ex- poet/retrospektiv -Eher quantitativ -Gut stakturiert
Management der . Infcxmationen
Information des Managements
Veränderungsorientiertes Managementsystem
_
· Dialogische Information -problemspezifisch - benutzermoiviett
• Integrale Information -zukuiftsorientieit -Eher qualitativ -schlecht strukturiert
Quelle: Eigene Darstellung nach Belcher 1992. S. 254 f.
365 Vgl. Bleicher 1992, S. 252 366 Vgl. Bleicher 1992, S. 252 367 Manager werden hier als Strukturelemente des Informationssystems beschrieben.
112
3. Abschnitt
Aus der Charakterisierung der Extremfälle entlang der Ausgestaltungsdimensionen gewinnt Bleicher stabilitäts- und veränderangsorientierte Managementsysteme als die zwei Extreme368. Dieser Definition zufolge sind stabilitätsorientierte Managementsysteme nach innen orientiert, zentralistisch ausgestaltet und auf quantitative Größen fixiert, während veränderungsorientierte Systeme mit multiplen und zeitnahen Informationen umgehen, deshalb dezentral und vernetzt gestaltet sind und darauf abzielen, die Problemerkennungs- und Problemlösungskompetenz von Führungskräften zu unterstützen. Informationssysteme bilden die Grundlage für alle Managementsysteme und ihre rekursiv zu gestaltenden Subsysteme. „Das Informationssystem ist...nicht nur ein Abbild der innerhalb der Unternehmung ablaufenden Prozesse und der ihnen zugrundeliegenden Strukturen, sondern auch von In- und Umweltprozessen."369 Die Konzeption eines ISS beinhaltet die Konzeption der Informationsprozesse im Gesamtsystem, die sich an den Informationsbedürfnissen der einzelnen Manager ausrichtet und mit dem strategischen Umfeld in Form der strategischen Programme, der Organisationsstruktur, der übrigen Management-Subsysteme und der Träger des strategischen Managements kompatibel sein muß. Die Systeme sollen durch ihre Architektur, die Informationen über die zugrundeliegende Ausgangssituation für die Erarbeitung strategischer Ziele beinhalten. Die Systeme müssen ausgehend von der Annahme, daß die operativen Systeme eine Vollzugsfunktion für strategische Steuerung erfüllen, strategische Ziele und Programme in operative Projekte der organisatorischen Einheiten umsetzen sowie laufend koordinieren und kontrollieren können,. Der Begriff Steuerungssystem drückt diese Funktion der betrieblichen Informationssysteme aus. Als die Funktion von Steuerungssystemen kann beschrieben werden „...Steuerung aller betrieblichen Aktivitäten..." 370 , oder genauer: Steuerungssysteme enthalten die notwendigen Informationen zur Lenkung und Beeinflussung der erfolgreichen Umsetzungen von Zielen und Problemlösungen. Steuerungssysteme sind zumeist auf einer operativen Ebene angesiedelt; es kann aber durchaus strategische Steuerung geben371 . Die Idee der Steuerung und von Steuerungssystemen beruht darauf, daß die im Planungsprozeß erarbeiteten und in Vorgaben umgewandelten Lösungen nicht ohne permanente Korrekturen, Verbesserungen und Anpassung an sich ändernde Realitäten umgesetzt werden können. Für die Informationsprozesse bedeutet dies, daß Informationen über die Ziele der Unternehmung mit Informationen über Unternehmensaktivitäten verknüpft 368 369 370 371
Vgl. Bleicher 1992, S. 263 f. Vgl. Bleicher 1992, S. 250 Vgl. Pfriem 1995, S. 313; oder spezifischer auf ökologische Auswirkungen bezogen „ökologisches Verhalten aller beteiligten Personen im Unternehmen"; vgl. Pfriem 1995, S. 316 Vgl. Munari/Naumann 1992, S. 635 ff.
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werden, die spezifische Zielsetzungen für die Handelnden beziehungsweise Kontrolle und Steuerung der Aktivitäten erlauben. Die Bedeutung von Steuerungssystemen nimmt mit der Größe der Unternehmung zu, da eine zunehmende Anzahl von Funktions- und Geschäftsverantwortlichen koordiniert und gesteuert werden müssen. Das Konzept der Steuerungssysteme muß dabei auf dem vorher gesagten aufbauen und kann Unternehmen und ihre Einheiten nicht als zu manipulierende Maschinen behandeln, vielmehr gilt es im Wechselspiel zwischen Selbst- und Fremdsteuerung die Unternehmung und ihre Einheiten sich entwickeln zu lassen. Quantitative Ziele und Kontrollgrößen sollen letztlich den Rahmen beschreiben, in dem sich einzelne Einheiten insbesondere größerer Unternehmen bewegen können, um eine koordinierte Entwicklung der Gesamtunternehmung zu ermöglichen. Der Widerspruch zwischen der Koordination und Kontrolle durch die Gesamtunternehmung und die Autonomie der einzelnen Einheit läßt sich nur im Prozeß der laufenden Überarbeitung und Entwicklung produktiv lösen372.
3.3 Defizite betrieblicher Informationssysteme bei der Einbeziehung ökologischer Probleme Allgemein formuliert besteht die Funktion von ISS darin, die Unternehmung darin zu unterstützen, ihre Interaktionen mit dem Umfeld zu optimieren. Wie bereits analysiert, haben die Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten und die Beeinflussung der Unternehmung durch ökologische Probleme über die gesellschaftlichen Lenkungssysteme eine zunehmende Bedeutung für die Interaktion der Unternehmung mit ihrem Umfeld und sind deshalb in die Optimierung einzubeziehen. Daraus läßt sich folgern, daß die Inhalte, die ISS in das Führungssystem, die Problemlösungsprozesse und die Weiterentwicklungsprozesse der Unternehmung einbringen, auch ökologische Probleme bzw. ökologieorientierte Informationen umfassen müssen. Für die herkömmlichen ISS der Unternehmung sind eine Reihe von Defiziten beschrieben worden, die als eine der Ursachen für fehlende oder unvollständige Berücksichtigung ökologischer Probleme in den Unternehmensentscheidungen gelten müssen373. Auch empirische Untersuchungen belegen, daß Defizite der ISS in den Unternehmen bei der Berücksichtigung von ökologischen Problemen durch das Management artikuliert werden" 4 . Als Ursachen für die Defizite der betrieblichen ISS, ökologische 372 Vgl. Probst 1993, S. 591 ff. und Senge 1990, S. 298 ff. 373 Vgl. Seidel/Menn 1988, S. 57 ff. 374 Von 592 befragten Unternehmen beantworten nur sechsunddreißig die Frage nach dem Vorhandensein von Instrumenten zur systematischen Erkundung von Umweltbeeinträchtigungen positiv. Und von diesen Instrumenten sind
114
3. Abschnitt
Probleme adäquat zu berücksichtigen, werden verschiedene Gründe identifiziert, die sich sowohl aus der Besonderheit der Information über ökologische Problembeiträge, aus der Instabilität und Heterogenität der Bewertung ökologischer Probleme und der Ausrichtung der Informationssysteme am marktlichen Lenkungssystem ergeben. Als wichtige Ursachen für die Defizite konnten identifiziert werden: •
Die herkömmlichen betrieblichen ISS sind fokussiert auf die im Rechnungswesen abbildbaren Informationen. Dies führt zu einer „ökonomischen Bias", da alle Geschehnisse durch monetäre Einheiten abgebildet beziehungsweise alle Vorgänge in Geldeinheiten bewertet müssen375. Da die Nutzung der Ökosphäre aufgrund der externen Effekte nicht oder nur unter Schwierigkeiten in Geldeinheiten bewertbar ist (Bewertungsproblem), werden ökologische Problembeiträge in ihrer Bedeutung falsch eingeschätzt. • Betriebliche Informationsprozesse zeichnen sich durch einen Schwerpunkt auf Quantifizierung oder Rechenhaftigkeit aus, weshalb qualitative Informationen, die diesen Kriterien nicht gehorchen, unberücksichtigt bleiben. Dies ist insbesondere kritisch bezüglich der ökologieorientierten Informationen über die gesellschaftliche Wahrnehmung und Bewertung von ökologischen Problemen, die primär qualitativ sind376. • Über das Umfeld der Unternehmung werden durch die existierenden ISS inadäquat gefilterte Informationen weitergegeben. Es werden nur die Marktpartner, also die Anspruchsgruppen im engeren Sinn berücksichtigt, und die Kommunikation über Ansprüche wird im wesentlichen auf Preise und Leistungen ohne Berücksichtigung ökologischer Problembeiträge verkürzt377. • Es existiert kein Rahmen für die Informationsprozesse zur Erfassung der Einwirkungen auf die Ökospäre durch die Unternehmensaktivitäten sowie die aussagekräftige Strukturierung und die Aggregation dieser Informationen. Inbesondere in größeren Unternehmen wird der Überblick und die Beurteilung der komplexen Einwirkungen auf die Ökosphäre und die Verknüpfung mit spezifischen Aktivitäten der Unternehmung unmöglich.
375 376 377
die häufigsten genannten Instrumente wie Stofflisten, Stoff- und Energieflußanalysen und Emissionskataster, während Ökobilanzen nur bei 5 Unternehmen genannt werden. So sehen rund 75% der befragten 229 Controller durch Integration von Umweltinstrumenten in das Controlling eine Möglichkeit, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen, aber nur rund 35% glauben, daß dies mit den bestehenden Instrumenten geht, bzw. methodisch leicht lösbar ist; vgl. FUUF Hrsg. 1991, S. 343 ff. und 355 ff. Vgl. Senn 1986 S. 81, Günther/Wagner, B. 1993, S. 144 und Stahlmann 1994, S. 149 Vgl. Kais 1993 S. 49 f. und Hallay/Pfriem 1992, S. 21 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 29
Ökologieorientierte ISS
115
•
Aufgrand der indirekten Einwirkungen auf die Ökosphäre während des Produktlebenszyklus sind erheblich mehr durch die Unternehmensaktivitäten ausgelöste Einwirkungen in den Entscheidungen zu berücksichtigen als die in den traditionellen ISS erfaßten Unternehmensaktivitäten (Ansatzproblem). • Die betrieblichen ISS zeigen eine vergangenheitsbezogene Ausrichtung (ex-post-Charakter), die die Entscheidungen unter Einbeziehung von sich dynamisch entwickelnden ökologischen Problemen erschwert378. Die Vergangenheitsorientierung führt auch zu einer mangelhaften Abbildung von Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Entwicklungen, welches die Beurteilung der möglichen Bedeutung von ökologischen Problemen erschwert. Als weitere Gründe, die die Einbeziehung von ökologischen Problemen in die Entscheidungen der Unternehmung zusätzlich behindern, sieht SENN die Innenorientierung der betrieblichen ISS und die fehlende Innovationsorientierung von ISS3 .
3.4 Darstellung der Konzepte für ökologieorientierte ISS zur Berücksichtigung ökologischer Probleme Ausgehend von der Analyse dieser Defizite der herkömmlichen ISS der Unternehmung sind verschiedene Konzepte für ökologieorientierte ISS entwickelt worden, die die angemessene Einbeziehung ökologischer Probleme in die Entscheidungen der Unternehmung sicherstellen sollen380.
3.4.1 Systematisierung der ökologieorientierten ISS In eine Analyse der bestehenden Ansätze sind prinzipiell alle Instrumente einzubeziehen, die eine Erweiterung der bestehenden ISS, um ökologische Inhalte zum Ziel haben und die so einen Strang ökologieorientierter Informationen in die Unternehmung hinein und aus der Unternehmung heraus schaffen wollen381. Die Zielsetzung ist zuerst einmal indifferent gegenüber dem zugrundeliegenden Verständnis von ökologischer Unternehmensführung, da sowohl Informationen über die Umwelt als extern vorgegebenen Handlungsrahmen auf der einen Seite wie auch die Informationen zur Bewertung der ökologischen Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten als ökologieorientierte Informationen verstanden werden müssen. 378 379 380
381
Vgl. Stahlmann 1994, S. 149 Vgl. Senn 1986, S. 70 Für Übersichten über die Konzepte vgl. ÖBU Hrsg. 1994, Stahlmann 1994, Günther 1994, Günther/Wagner, B. 1993, Steger 1993, Schmidt-Bleek 1993, Pölzl 1992, Meffert/Kirchgeorg 1991, Ringeisen 1988, Freimann 1989, und Senn 1986, S. 172 ff. Vgl. Freimann 1989, S. 33 ff. und Pfriem 1995, S. 307
116
3. Abschnitt
Ziel der Beschreibung und Analyse der ökologieorientierten ISS ist es, durch eine Reihe von Schritten die gemeinsamen Gestaltungselemente für ökologieorientierte ISS darzustellen, um dann darauf aufbauend im vierten Abschnitt die erfolgskritischen Gestaltungselemente zu identifizieren (siehe Abbildung 3. 10). Die Vielzahl von Instrumenten, die als Ansätze für ökologieorientierte ISS in Unternehmen diskutiert werden, macht es notwendig, vier Systematisierungsschritte zu beschreiben, um von der Gesamtheit aller als ökologieorientierte ISS bezeichneten Konzepte zu den instrumenteilen Gestaltungselementen als gemeinsamen Grundelementen zu gelangen: •
1. Schritt: Auswahl der Konzepte, die vermutlich eine wesentliche Bedeutung als ökologieorientierte ISS besitzen, weil sie unternehmensbezogen sind und ökologische Problembeiträge zu ihrem wichtigsten Inhalt machen. • 2. Schritt: Gruppierung der wesentlichen Konzepte für ökologieorientierte ISS anhand einfacher Systematisierungsmerkmale in ungefähr homogene Gruppen. • 3. Schritt: Identifizierung der wichtigsten Konzepte je Gruppe und Darstellung der wichtigen Konzepte anhand der allgemeinen Beschreibungsmerkmale für ISS. • 4. Schritt: Identifizierung und Beschreibung der zugrundeliegenden Gestaltungselemente. Abbildung 3.10:
Systematisierungs- und Filterungsprozeß
SYSTEMAT1SIERUNGS- UND FILTERUNGSPROZESS ZUR ENTWICKLUNG DER GESTALTUNGSELEMENTE I.Schritt
2. Schritt
3. Schritt
4. Schritt
Auswahl der Konzepte für die Darstellung ökologischer Problembeiträge von Unternehmen
Gruppierung der Konzepte anhand von Systematisierungskriterien in homogenen Gruppen
Identifizierung und Darstellung der wichtigen Konzepte je Gruppe anhand der Bescnreibungsmerkmale für ISS
Identifizierung und Beschreibung der Gestaltungselemente
Sechzehn instrumentelle Gestaltungselemente von ökologieorientierten ISS
Quelle: Eigene Daretellung
Ökologieorientierte ISS
117
Zum 1. Schritt Eine Reihe von Arbeiten über ökologieorientierte ISS werden nicht in die Analyse und Diskussion der bestehenden Ansätze einbezogen, um die Analyse auf die ökologieorientierten ISS für Unternehmen im eigentlichen Sinne zu konzentrieren. Zu diesen nicht berücksichtigen Arbeiten zählen:
•
Ansätze, die vornehmlich auf die Erfassung von Informationen über das soziale Umfeld, beziehungsweise auf Unterstützung partizipativer Prozesse bezüglich der sozialen Leistungen der Unternehmung ausgerichtet sind und ökologische Probleme bzw. Ökologieorientierte Informationen nur als kleinen Teil bzw. aus anderen Konzepten einbeziehen382. • Konzepte, die schwerpunktmäßig auf die Erfassung der bereits internalisierten Kosten und der ihnen gegegnüber stehenden Erlöse für Umweltschutzmaßnahmen abzielen und keine ökologieorientierten Informationen über ökologische Probleme der Unternehmensaktivitäten für die Problemlösungsprozesse bereitstellen383. • Konzepte, die betriebswirtschaftliche Instrumente auf ökologische Inhalte anwenden, dabei aber keine ökologieorientierten Informationen den betrieblichen Problemlösungsprozessen zugänglich machen, wie das ökologieorientierte Portfolio. • Instrumente, die keinen Bezug zur Unternehmung sowie ihren Projekten und Produkten aufweisen, sondern sich beispielsweise auf die volkswirtschaftliche Makroebene beziehen384.
382 FREIMANN systematisiert alle Konzepte zur sozialen und ökologischen Folgenabschätzung aus der Anwenderperspektive in managementorientierte, pluralistisch orientierte und arbeitsorientierte Instrumente; vgl. Freimann 1989, S. 34 f. Nichteinbezogene Ansätze aus der Gruppe der managementorientierten Instrumente sind Sozialbilanzen, Humanvermögensrechnungen, Arbeitsystembewertungen, Verfahrenswertrechnungen und aus der pluralistischen Gruppe Instrumente wie pluralistische Investitionskalküle, interessenbezogene ArbeitssystemAnalyse, partizipative Organisationskonzepte, vergleichender Warentest, sowie alle arbeitsorientierten Instrumente; vgl. Freimann 1989, S. 166 ff. 383 Vgl. Kloock 1992, Schreiner 1992 und Roth 1992 Ein Beispiel ist die Umweltbudgetrechnung nach WAGNER, G. R./JANZEN vgl. Wagner, G. R./Janzen 1991, S. 120 ff. Die Autoren verwenden das Konzept der Poolrechnung, um die Kosten und Erlöse für Umweltschutzmaßnahmen aufgrund ihres funktionsübergreifenden und projektartigen Charakter angemessen darzustellen. Die Frage nach angemessenen Informationen über ökologische Problembeiträge wird an die staatliche Regelungsinstanz delegiert und die Rolle von externen Anspruchsgruppen nicht thematisiert; vgl. Wagner, G. R./Janzen 1991 S. 120 ff. 384 Wie beispielsweise die umweltökonomische Gesamtrechnung; vgl. Böning 1994, S. 40 f.
118
3. Abschnitt
Zum 2. Schritt Ziel des zweiten Schrittes ist es, durch die Gruppierung der Konzepte anhand einiger Kriterien zu relativ homogenen Gruppen zu gelangen, aus denen die wichtigen Konzepte identifiziert und beschrieben werden können. Die Kategorisierung und Gruppierung erfolgt anhand der vom jeweiligen Konzept angestrebten Ziele, der Funktionsbeschreibung für das ökologieorientierte ISS und grundsätzlicher Unterscheidungsmerkmale. Folgende sechs Systematisierungkriterien sind geeignet, um weitgehend homogene Gruppen von Konzepten für ökologieorientierte ISS zu bilden: a)
Auf welchen Betrachtungsrahmen der Unternehmensaktivitäten bezieht das Instrument seine ökologieorientierten Informationen und seine Aussage über ökologische Problembeiträge? b) Beruht das ökologieorientierte ISS-Konzept auf spezifizierten Strukturelementen? c ) Welche zeitliche Orientierung dominiert die Informationsprozesse des ISS-Konzepts ? d) Sind die Informationsprozesse des ISS über Zeit kontinuierlich oder diskontinuierlich? e) Welcher Ebene der formalen betrieblichen Informationspyramide kann der Informationsinput und welcher Ebene der Informationsoutput des Instruments zugerechnet werden? f ) Werden externe Anspruchsgruppen als Verwender der ökologieorientierten Information über die Unternehmung explizit berücksichtigt? Zu a -BetrachtungsrahmenDie Konzepte für ökologieorientierte ISS unterscheiden sich in in dem von ihnen gewählten Betrachtungsrahmen bzw. der Abgrenzung der betrachteten Unternehmensaktivitäten und den davon ausgehenden Einwirkungen. Die Veränderung des Betrachtungsrahmens beeinflußt die Analyse der Auswirkungen in der Ökosphäre und die Einschätzung des ökologischen Problembeitrages385. Die Betrachtungsweise ist ein wichtiges Systematisierungskriterium, da die Wahl der Bezugsebene Auswirkungen auf die Informationsbasis und damit die Anwendungsmöglichkeiten des Instruments hat. Für die Kategorisierung der Konzepte können die Betrachtungsweisen zu den folgenden Bezugsebenen für ein ökologieorientiertes ISS unterschieden werden 386 : •
385
386
die Unternehmung als Gesamtheit, die in die einzelnen Standorte, Prozesse und in die Produkte im Betrieb differenziert werden kann,
Vgl. Günther 1994, S. 262 und Böning 1994, S. 32 ff. BÖNING unterteilt die Betrachtung in Mikroebene mit Unternehmen und Produkten, in Mesoebene mit überbetrieblich relevanten Projekten und in die volkswirtschaftliche Makroebene V g l . Pfriem/Hallay 1992, S. 301 f.
Ökologieorientierte ISS
• •
119
Produkte über ihren Produktlebenszyklus, und Investitionen bzw. verschiedene Projekte3*7.
Ein umfassender Ansatz betrachtet alle Unternehmensaktivitäten und alle angegebenen Bezugsebenen. Zu b-StrukturelementeDie Konzepte sind hinsichtlich der Strukturelemente des ökologieorientierten ISS zu differenzieren, die aufgrund ihrer Eigenschaften ein konstituierendes Element des dynamischen Verhaltens des ökologieorientierten ISS bilden. Die vollständige Beschreibung eines ISS macht die Beschreibung der einbezogenen Menschen und Anspruchsgruppen als „Strukturelemente" notwendig, da, wie bereits problematisiert, der Nutzen und die Verwendung von Informationen nur in Zusammenhang mit dem Interpreten zu definieren ist und es dadurch Instrumente gibt, die ihre intendierte Funktion nur unter Einbeziehung von bestimmten Personen und Anspruchsgruppen erfüllen können388. Ein Sondeifall sind ökologieorientierte ISS, die aus bestehenden elektronischen Datenverarbeitungssystemen entwickelt wurden und in denen EDV-Unterstützung nicht nur effizienzsteigernd eingesetzt wird, wie in der Mehrzahl der Konzepte, sondern aufgrund der hohen spezifischen Geschwindigkeit von elektronischen Informationsprozessen ein dynamisches Verhalten der ISS ermöglichen soll, welches ohne EDV-Unterstützung nicht denkbar ist. Zu c -zeitliche OrientierungEine wesentliche Unterscheidungskategorie für ISS ist die zeitliche Orientierung der einbezogenen Informationen und der daraus resultierenden Aussagen. Generell ist eine ex -post- bzw. eine ex-ante-Orientierung von Konzepten zu unterscheiden389. Zu d -Dauer InformationsprozesseDie Instrumente können bezüglich der intendierten zeitlichen Nutzungsperiode beziehungsweise ihres dynamischen Verhaltens über Zeit als konti-
387
Die Betrachtungsebene Investition bzw. Projekt ist ein Spezialfall der Bezugsebenen Standort oder Produktionsprozeß, da sie die erwarten Auswirkungen einer noch nicht bestehenden Anlage oder eines Standortes zum Zwecke der Entscheidungsvorbereitung und Planung prognostiziert. Auf diese Ebene fokussieren auch die Konzepte einer Meso-Ebene, wie sie BÖNING unterscheidet. Ein Beispiel wäre die Umweltverträglichkeitsprüfung; vgl. Böning 1994, S. 38. 388 FREIMANN hat diese Notwendigkeit in seiner Beschreibung von Informationsinstrumenten als „soziale Gestaltung des Bewertungsvorgangs" gekennzeichnet; vgl. Freimann 1989, S. 35 389 Vgl. Böning 1994, S. 42
120
3. Abschnitt
nuierliche oder diskontinuierliche Konzepte differenziert werden 390 . sind zwei Fälle zu unterscheiden: •
•
Es
Kontinuierliche Informationsprozesse: Das Instrument wird permanent benutzt, die Informationen stehen dauerhaft zur Verfügung und die Ergebnisse, sofern sie quantitative Informationen beinhalten, können über die Zeit integriert werden. Diskontinuierliche Informationsprozesse: Das Instrument wird kurzzeitig für eine definierte Aufgabe eingesetzt. Solche Aufgaben umfassen typischerweise definierte Problemlösungsprozesse und Entscheidungssituationen sowie stichprobenartige Kontrollen und Soll-Ist-Vergleiche. Diskontinuierliche Instrumente ergeben stichtagsbezogene Informationen.
Zu e -Ebene der betrieblichen InformationspyramideDie Konzepte werden daraufhin untersucht, welcher Ebene der formalen betrieblichen Informationspyramide sie bezüglich ihrer Input- und Outputinformationen zuzuordnen sind391. Zur Systematisierung der Instrumente werden die drei formalen Informationssystemebenen unterschieden: •
•
•
390
Transaktionsinformationsebene (TI): Bezeichnet die rein mengenorientierte Erfassung der Unternehmensaktivitäten. Bezogen auf ökologieorientierte ISS sind Transaktionsinformationen alle mengenorientierten Informationen über die Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Ökosphäre. Berichts- und Kontrollinformationsebene (BK): Die Transaktionsinformationen werden nach Funktionen und organisatorischen Einheiten verdichtet und strukturiert sowie mit anderen Informationen kombiniert. „Sie (Berichts- und Kontrollsysteme) befriedigen primär Informationsbedürfnisse nach regelmäßiger Überwachung der laufenden Geschäfts- und Arbeitsabläufe und nach periodischer Rechnungslegung und Kontrolle." 392. Ähnliche Informationsprozesse auf einer Berichtsund Kontrollinformationsebene sind auch für ökologieorientierte ISS notwendig 393 . Planungs- und Entscheidungsebene (PE): Als Funktion dieser Informationssystemebene wird definiert: „Die Unterstützung von Entscheidungsaufgaben auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie..." 394 . Die Planungs- und Entscheidungsebene kombiniert Informationen nach
MEUSER unterscheidet permanente und temporäre Instrumente; vgl. Meuser 1993, S. 220. 391 Es lassen sich dieselben formalen horizontalen Abgrenzungen der Informationspyramidenebenen wie in der Beschreibung von MIS-Konzeptionen anwenden; vgl. Kirsch/Klein 1977, S. 63 ff. und Pölzl 1992, S. 29 ff. 392 Vgl. Kirsch/Klein 1977, S. 65 393 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 175 394 Vgl. Kirsch/Klein 1977, S. 65
Ökologieorientierte ISS
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vorgedachten und vorstrukturierten Wirklichkeitskonstruktionen, um Abbildungen von Sachverhalten einer komplexen Umwelt auf die für die Entscheidung wesentlichen Zusammenhänge zu reduzieren und so die Problemlösungsprozesse zu unterstützen. Zu f -Einbeziehung externer Anspruchs gruppenEin letztes Differenzierungsmerkmal für ISS ist, ob und wie externe Anspruchsgruppen als Nutzer der Outputinformationen einbezogen werden, bzw. inwieweit die Befriedigung der Informationsbedürfnisse von externen Anspruchsgruppen zur Durchsetzung von pluralistischen Zielen als Funktion des ökologieorientierten ISS verstanden wird. Dabei sind drei Fälle zu unterscheiden: •
Instrumente, bei denen der Austausch von Informationen mit externen Anspruchsgruppen kein Zielkriterium darstellt. Diese Instrumente können nach FREIMANN als managementorierientierte Instrumente charakterisiert werden, bei denen Kommunikation mit Externen gar nicht notwendig ist oder nur zur Akzeptanzsicherung bei den Betroffenen dient395.
Instrumente und Ansätze, bei denen die Einbeziehung externer Anspruchsgruppen eine Rolle spielt, können noch einmal dahingehend unterteilt werden, ob •
dieses Ziel der Einbeziehung externer Anspruchsgruppen von der Unternehmung ausgeht, die die direkte Einbeziehung externer Anspruchsgruppen für erfolgsstrategisch geboten hält, • oder ob die Einbeziehung externer Anspruchsgruppen durch das Instrument von den externen Anspruchsgruppen erzwungen werden soll und durch den Nutzen für externe Anspruchsgruppen aufgrund der Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit durch bessere und genauere Informationen über die ökologischen Probleme der Unternehmensaktivitäten begründet wird396. Diese Unterscheidung ist relevant, da die Gestaltung eines ökologieorientierten ISS als Kontrollinstrument durch Externe oder als primär betriebliches Informationsinstrument, das auch Informationen und Wissen Externen zur Verfügung stellen kann, Implikationen für die Gestaltungselemente der Konzeption hat.
Auf Basis der Systematisierungsmerkmale können relativ homogene Gruppen von Konzepten identifiziert werden, die die Grundlage für die Beschreibung ausgewählter Konzepte als dritten Schritt bilden. Die Konzepte für ökologieorientierte ISS werden in den Gruppen dargestellt, indem
395 Vgl. Freimann 1989, S. 37 396 Diese Ansätze werden von FREIMANN unter Bezug auf ihre Anwender als pluralistische Instrumente gekennzeichnet; vgl. derselbe 1989, S. 34 und 167
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3. Abschnitt
zuerst die Kategorisierungsmerkmale der Gruppe und die einbezogenen ISS-Konzepte sowie die Gründe dafür dokumentiert werden. Zum 3. Schritt Die Konzepte werden für jede Gruppe, abhängig davon, wie homogen die Gruppe ist, entweder anhand eines oder mehrerer Beispiele mittels des folgenden einheitlichen Schemas auf Basis der Systemmerkmale und Beschreibungsdimensionen von ISS analysiert. 1) Kurzbeschreibung der intendierten Funktionen des Konzepts •
Welche allgemeinen umweltpolitischen und gesellschaftlichen Ziele verfolgt das Konzept durch Einbeziehung ökologischer Probleme in die Entscheidungskalküle der Unternehmung? • Welche Funktion sollen ökologieorientierte Informationen für die Unternehmung haben? • Welche internen und externen Anspruchsgruppen werden mit welcher Begründung als Nutzer berücksichtigt? • Welches Vorgehen bei der Umsetzung des ISS-Konzepts wird vorgeschlagen? 2) Analyse des ökologieorientierten ISS anhand der Systemmerkmale·. a) Intendierte ISS-Funktion operatives und strategisches Management der Unternehmung: •
•
Welche spezifische Funktion erfüllt das ökologieorientierte ISS im Führungssystem und in den Problemlösungsprozessen der Unternehmung? Welche Entscheidungen sollen aufgrund der Informationen aus den ISS getroffen werden?
b) Beschreibung der notwendigen ISS-Strukturelemente: •
Sind definierte Anspruchsgruppen bzw. ihre Einbeziehung als „Strukturelemente" für die intendierte Funktion oder die Informationsprozesse des ISS-Konzepts notwendig?
c) Beschreibung des dynamischen Verhaltens des Systems; die Informationsprozesse zur raum-zeitlichen Realisierung der ISS-Funktionen: •
Welche Informationsverarbeitungsprozesse existieren insgesamt zur Realisierung der Funktion? • Welche Informationen werden als Input einbezogen, und welcher Informationsgewinn als Output ist das Ergebnis? • Wie werden Informationen aus den drei Ebenen ökologieorientierter Information Einwirkungen auf die Ökosphäre, Auswirkungen in der Ökosphäre und ökologische Probleme in die Informationsprozesse integriert?
Ökologieorientierte ISS
123
•
Welche Informationsprozesse existieren, um die Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Ökosphäre bezüglich der ökologische Problembeiträge zu analysieren und zu bewerten? • Welcher Art ist die vergleichende Bewertung bezüglich ökologischer Probleme und parallel verfolgter Unternehmensziele? • Welche Bedeutung haben Informationsübertragungs- und Speicherungsprozesse im Konzept? d) Beschreibung der modellhaften Abbildungen; das Informationssystem als Beschreibung realer und fiktiver Sachverhalte: •
Welche modellhafte Abbildung der ökologischen Problematik und der Beeinflussung durch menschliche Aktivitäten liegt dem Konzept zugrunde?
3) Explizite Voraussetzungen im Umfeld der Unternehmung, auf denen das ISS-Konzept beruht. Zum 4. Schritt Ausgehend von der Beschreibung der Konzepte lassen sich die instrumenteilen Gestaltungselemente als Grundbausteine der ökologieorientierten ISS-Konzeptionen identifizieren. Es ist das Ziel dieses vierten Schrittes, die instrumenteilen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Konzepten als übergreifende oder singuläre Gestaltungselemente herauszuarbeiten. Die „Gestaltung" der Informationsprozesse wird möglich, indem die vorhandenen Informationen strukturiert, die wesentlichen Informationen gekennzeichnet und Quellen aufgezeigt werden. Instrumentelle Gestaltungselemente für Informationssysteme bestimmen die Informationsprozesse, indem sie die einzubeziehenden Informationen, die Informationsverarbeitungsprozesse sowie Form und Inhalt des Informationsoutput möglichst genau festlegen. Das Gestaltungselement bestimmt, basierend auf einer Modellkonstruktion, wie die Informationen in welchen Prozeßschritten zu verarbeiten sind, um zu der angestrebten Aussage und Funktion des ISS zu gelangen. Instrumentelle Gestaltungselemente sind Information, wie Informationen zu verarbeiten sind, und unterliegen bezogen auf die Angemessenheit ihrer Verwendung den gleichen Bewertungskriterien wie die Informationen397. Nicht in jedem Fall können die Informationsprozesse des Gestaltungselements hinreichend beschrieben werden, ohne die Teilnehmer zu definieren. Gestaltungselemente beschreiben deshalb nicht nur die Informationsprozesse, sondern auch Anspruchsgruppen, die in den Informationsprozeß 397 Siehe dazu auch Kapitel 3.2.1. Allgemein können die Gestaltungselemente auch als die Subsysteme des ökologieorientierten ISS verstanden werden.
124
3. Abschnitt
einbezogen werden, da verschiedene Informationen nicht in objektivierbarer Form vorliegen und nicht hinreichend definiert werden können, ohne die Wissensgrundlage und Wirklichkeitskonstruktion in Form der Teilnehmer anzugeben. Die Definition von einzubeziehenden Anspruchsgruppen kann auch notwendig sein, wenn das Ergebnis ohne Teilnahme am Informationsprozeß nicht interpretiert und genutzt werden kann. Es besteht schließlich auch die Möglichkeit, Einigungsprozesse verschiedener Anspruchsgruppen als Bestandteil von Informationssystemen zu verstehen, was ebenfalls die Definition der einzubeziehenden Anspruchsgruppen voraussetzt.
3.4.2 Beschreibung der Konzepte für ökologieorientierte ISS Auf Basis der Systematisierungskriterien des zweiten Schrittes können die Konzepte für ökologieorientierte ISS zu zehn Gruppen zusammengefaßt werden, die bezüglich der untersuchten Merkmale weitgehend homogen sind398 (siehe Abbildung 3. 11). Abbildung 3.11:
Gruppen von ökologieorientierten ISS-Konzepten und Kategorisierungsmerkmale
G R U P P E N VON ÖKOLOGIEORIENTIERTEN ISS-KONZEPTEN UND KATEGORISIERUNGSMERKMALE Kategorien
Gruppe Bezeichnung
Α
Bezugsebene
Β
Strukturelemente Offen
C
D
Ε
F
Zeitliche Orientierung
Informationsprozesse
Externer Anpruchsinformations- gruppenebene bezug
Ex-post
Kontinuierlich
Tl
n.dTVon Extern
1
Stoff-/ Energiebilanzen
Umfassend
2
Betriebliches Öko-Controlling
Umfassend
Uneinheitlich
Ex-post
Kontinuierlich
Tl - P E
Von Intern oder Extern
3a
Investitions- und planungsbezogene Instrumente
Unternehmen
Offen
Ex-ante
Diskontinuierlich
Tl- PE
Nein
3b
Produktlebenszyklusbezogene Instrumente
Produkte
Offen
Ex-ante
Diskontinuierlich
Tl- P E
Von Intern oder Extern
3c
Mehrdimensionale Bewertungsinstrumente
Investitionen/ Produkte
Def. Anspruchs- Ex-ante gruppen
4
ökologieorientierte Kennzahlensysteme
Unternehmen
5
ökologieorientierte Systemaudits
Unternehmen
6
ökologieorientierte Checklisten
Unternehmen
7
ökologieorientierte Umfeldanalyse
Umfassend
8
EDV-gestützte Umweltinformationssysteme
Unternehmen
Offen
Ex-post
Def. Anspruchs- Ex-post gruppen
Diskontinuierlich
BK - P E
Von Extern
Kontinuierlich
T l - BK
Von Intern
Diskontinuierlich
BK
Uneinheitlich
Ex-post
Diskontinuierlich
BK
Von Intern
Uneinheitlich
Ex-ante
Diskontinuierlich
PE
Von Intern
EDVUnterstützung
Ex-post
Kontinuierlich
Tl- PE
Uneinheitlich
Offen
Quelle: Eigene Darstellung
398
Merkmale, die für eine Gruppe nicht sinnvoll zu definieren sind, werden als nicht definiert bezeichnet (n.d.), und Gruppen, die bezüglich eines Merkmales als uneinheitlich einzuschätzen sind, werden als „uneinheitlich" gekennzeichnet.
Ökologieorientierte ISS
125
Im folgenden werden die ISS-Konzepte in den Gruppen dargestellt und die Gruppierungen dieses zweiten Schrittes erläutert. Aus jeder Gruppe werden im dritten Schritt die wichtigsten Konzepte anhand der Beschreibungsmerkmale für ökologieorientierte ISS analysiert und dargestellt.
3.4.2.1 Stoff- und Energiebilanzen Stoff- und Energiebilanzen können als eigene Gruppe innerhalb der ISSKonzepte betrachtet werden, da die Bedeutung der Bewertung stark in den Hintergrund tritt gegenüber der systematisierten Erfassung der fortlaufenden Einwirkung der Unternehmensaktivitäten auf die Ökosphäre, zumindest in der namensgebenden Version von IMMLER399. Die Stoff- und Energiebilanzen sind mit den mengenorientierten Transaktionsinformationen der herkömmlichen betrieblichen ISS zu vergleichen, da sie die Mengen der Austauschprozesse unbewertet erfassen. Obwohl sie in ihrem ursprünglichen Ansatz auf die Unternehmung bezogen wurden, sind Stoffund Energiebilanzen prinzipiell für jeden Betrachtungsrahmen anwendbar. Die Weiterentwicklungsansätze kombinieren die Stoff- und Energiebilanzen mit anderen Instrumenten, um die Informationen über Einwirkungen auf die Ökosphäre hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Bedeutung zu bewerten und so zu Planungs- und Entscheidungsrelevanz zu kommen400. Stoff- und Energiebilanzen werden als Grundlage von verschiedenen ökologieorientierten ISS-Konzepten angewendet und stellen daneben ein eigenständiges Analyse- und Optimierungsinstrument in der Chemietechnik dar401. 1 )-Kurzbeschreibung- Stoff- und Energiebilanzen: Das Ziel von Stoffund Energiebilanzen ist die umfassende Abschätzung der ökologischen Folgen der Unternehmensaktivitäten402. Diese Erfassung ist gerichtet auf eine Steuerung der Aktivitäten im Sinne sparsamer Ressourcennutzung und geringerer Umweltbelastungen, da nur die direkte Erfassung der Einwirkungen auch eine Steuerung dieser Einwirkungen ermöglicht. 2a)-ISS-Funktion- Stoff- und Energiebilanzen bilden die Grundlage für die Erfassung der Einwirkungen auf die Ökosphäre, da sie die fortlaufenden Einwirkungen auf die Ökosphäre durch Nutzung und Freisetzung von Stoffen und Energien erfassen können. Sie können dabei je nach Differenzierung des Betrachtungsrahmens die Einwirkungen auf die verschiedenen 399 Vgl. Immler 1975, S. 829, Freimann 1989, S. 122 und Wicke et al. 1992, S. 555 Der hier benutzte Bilanzbegriff bezieht sich auf den chemischtechnischen Begriff der Masse- oder Energiebilanz im Sinne einer Aufsummierung von Strömungsgrößen der betrachteten Reaktionen, bei denen im Sinne der Masse- und Energieerhaltung die eingesetzten Edukte den Produkten entsprechen müssen. 400 Vgl. Freimann 1989, S. 124 f. und Hofmeister/Schultz 1986, S. 25 ff. 401 Vgl. Jetter 1977, 402 Vgl. Freimann 1989, S. 122
126
3. Abschnitt
Produkte, Prozesse und Abteilungen der Unternehmung zurückführen helfen. Stoff- und Energiebilanzen erlauben Tendenzaussagen bezüglich der ökologischen Optimierung der Unternehmung, da geringere Einwirkungen zumeist geringere ökologische Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten bedeuten. Abhängig vom Problemlösungsprozeß können die Stoff- und Energiebilanzen auf eine Zeitspanne oder auf Aktivitätseinheiten bezogen werden. 2b)-ISS-StrukturelementeEs werden keine prinzipiell notwendigen Strukturelemente postuliert, da das Instrument bezüglich der Nutzung durch interne und externe Anspruchsgruppen als neutral angesehen wird. 2c)-InformationsprozesseStoff- und Energiebilanzen nehmen eine Inund Outputbetrachtung eines bestimmten Systems, beispielsweise eines Standortes, vor. Dabei werden nur die In- und Outputs betrachtet, die Prozesse im inneren der jeweiligen „Black-Box" nicht. Der Begriff Stoffund Energiebilanzen besagt, daß sich die Erfassung auf die Stoffe und Energien konzentriert, die in die Black-Box hinein- und herausfließen. Die Idee der Bilanzierung knüpft dabei an den ersten Hauptsatz der Thermodynamik und das Massenwirkungsgesetz an, die besagen, daß die Energie und Materie in einem geschlossenen System konstant sind und, sofern die Energie bzw. die Materie des Systems nicht zunimmt, der Output dem Input entsprechen muß403. Deshalb stellt trotz der Transformationen innerhalb des Systems eine Stoff- und Energiebilanz eine vollständige Betrachtung der Interaktionen mit der Umgebung dar, und es können deshalb durch die Bilanzierung des In- und des Outputs die nicht erfaßten Verluste des betrachteten Systems und Fehler in der Erfassung sichtbar gemacht werden. Die Stoff- und Energiebilanzen lassen sich hinsichtlich der inhaltlichen Differenzierung der erfaßten Stoff und Energieströme unterscheiden. SCHALTEGGER/STURM unterscheiden zwischen der Energieträger- und Güterflußanalyse, die den In- und Output auf der Ebene von Produkten, Reststoffen, Abfällen und Energieträgern wie Öl oder Gas untersucht, und der Stoff- und Energieflußanalyse, die sie wie folgt definieren404: •
•
Die Stoffflußanalyse erfaßt alle Stoffe (chemische Elemente und Verbindungen), die innerhalb eines definierten Systems in unterschiedliche Prozesse eingehen und aus diesen austreten. Die physikalische Masseeinheit ist Kilogramm. Die Energieflußanalyse erfaßt den zum Stofffluß parallel verlaufenden Energiestrom pro Zeiteinheit. Die physikalische Maßeinheit ist Joule oder Kilowattstunde.
403 Vgl. Β ästlein 1991 S. 111 ff 404 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 65 f.
Ökologieorientierte ISS
127
2d)-modellhafte Abbildung- Das Konzept beruht auf der Abbildung aller fortlaufenden physikalisch-chemischen Einwirkungen auf die Ökosphäre, die durch Unternehmensaktivitäten verursacht werden, durch die Stoffund Energieflüsse, die in die betrachtete Aktivität hinein- und aus ihr hinausgehen. 3)-explizite Voraussetzungen- Keine Voraussetzungen im Umfeld notwendig, da Stoff- und Energfieflüsse physikalisch gemessen werden. Die Stoff- und Energiebilanzen sind als eigenständiges Gestaltungselement von ökologieorientierten ISS anzusehen, da sie die flexible Erfassung und Analyse der fortlaufenden Einwirkungen auf die Ökosphäre beliebiger Systeme als „Black-Box" ermöglichen. Die Stoff- und Energiebilanzen lassen sich flexibel sowohl von ihrer inhaltlichen Differenzierung, als auch von ihrem Betrachtungsrahmen an die angestrebte Aussage anpassen. Aufgrund dieser Funktion bilden Stoff- und Energiebilanzen das Grundelement zur Erfassung der Einwirkungen auf die Ökosphäre in vielen der Konzepte für ökologieorientierte ISS405.
3.4.2.2 Betriebliches Öko-Controlling In der Gruppe betriebliches Öko-Controlling wurden alle Konzepte zusammengefaßt, deren intendiertes Ziel es ist, entsprechend der Idee des ökologischen Controllings406 das betriebliche Geschehen auf seine ökologischen Auswirkungen zu überprüfen, Schwachstellen sowie Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen und betriebliches Lernen über ökologische Probleme zu ermöglichen407. Dazu gehören die Öko-Controllingkonzepte des IÖW, von WAGNER und von ÖKOSCIENCE. Einzubeziehen in die
Gruppe sind auch jene Ökobilanzierungskonzepte von SCHALTEGGER/STURM und dem Ö.B.U., die Bilanzierung und Berechnung des Verbrauchs von Umweltgütern als zentrale Funktion betonen408. Gemeinsam ist den Konzepten das Ziel, durch Aufbau eines kontinuierlichen ökologieorientierten Analyse-, Informations-, und Kontrollsystems die ökologischen Probleme in die Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozesse des betrieblichen Führungsprozesses zu integrieren409. Die Konzepte beziehen sich auf die für ökologische Unternehmensführung relevanten Betrachtungsrahmen Unternehmen, Betrieb, Prozeß und Produkt sowie die zumindest konzeptionelle Einbeziehung des ökologischen Produktlebens405 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 64 406 Vgl. Seidel 1988, S. 310 ff. Die Öko-Controllingkonzepte haben die konzeptionelle Gegenüberstellung von Informationssystem, informationsverarbeitendem System und koordinierendem Controllingsystem als Definition übernommen; vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 15 und Rück 1993, S. 44 ff. 407 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 11 408 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 18 409 Vgl. Pfriem/Hallay 1992, S. 300 f.
128
3. Abschnitt
zyklus410. Den Konzepten ist gemeinsam, daß sie, von der Bestimmung der Einwirkungen als Transaktionsinformation ausgehend, über eine Bewertung dieser Einwirkungen bezüglich der ökologischen Problembeiträge zu einem Verständnis des ökologischen Handlungsbedarfs der Unternehmung und ihrer Aktivitäten kommen wollen. In einem letzten Schritt kombinieren die Konzepte ökologieorientierte Informationen mit betrieblichen Informationen zu Planungs- und Entscheidungsmodellen, um zu Aussagen über Chancen und Risiken von Handlungsalternativen zu kommen. Die Gruppe der Konzepte für betriebliches Öko-Controlling ist inhomogen bezüglich der Definition von Strukturelementen und der Einbeziehung externer Anspruchsgruppen: • die Konzepte von WAGNER, IÖW und ÖKOSCIENCE betonen die Notwendigkeit der Einbeziehung interner Anspruchsgruppen in die Informationsprozesse der Konzepte, um die pragmatische Nützlichkeit zu sichern und betriebliche Lernprozesse zu stimulieren. Die Einbeziehung von externen Anspruchsgruppen erfolgt unter der Annahme einer Kommunikation zwischen der Unternehmung und ihren Anspruchsgruppen, • im partiellen Gegensatz dazu legen die Konzepte von SCHALTEGGER/STURM und Ö.B.U. den Schwerpunkt auf die Erarbeitung von betriebsund anspruchsgruppenunabhängigen Informationsprozessen, die eine allgemeingültige und objektive Bewertung und Kontrolle durch interne und externe Anspruchsgruppen ermöglicht411. Die Beschreibung und Analyse von Konzepten für betriebliches Öko-Controlling, kann sich auf die vergleichende Beschreibung, Analyse und kritische Würdigung der wichtigsten Ansätze durch BÖNING stützen412. Für die vergleichende Analyse der Konzepte definiert BÖNING drei Informationsprozesse zur Bestimmung der ökologischen Problembeiträge in Anlehnung an das Standardmodell des UBA413. 410 411 412
413
Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 58 Vgl. Braunschweig 1992, S. 5 f. Vgl. Böning 1994, S. 44 Wir verwenden durchgängig die Bezeichnung ÖkoControlling statt Ökobilanzierung. Wir weichen von der Auswahl durch BÖNING ab, da wir Konzepte, die auf die produktlebenszyklusorientierte Bewertung von Handlungsalternativen ausgerichtet sind wie das Konzept der kritischen Volumina bzw. die Analogienmethode, im Kontext dieser Instrumente behandeln; vgl. Kapitel 3.4.2.3.2. Zwei weitere, von der Ökobilanzierung des Produktlebenszyklus prinzipiell auf das betriebliche Ökocontrolling übertragbare Konzepte, die auswirkungsorientierte Methode des CML, vgl. Guinee 1994, S. 103 ff., und die Umweltrechnungsmethode, vgl. Steen 1994, S. 127 ff., werden ebenfalls im Rahmen der entscheidungsunterstützenden Instrumente für produktlebenszyklusbezogene Handlungsalternativen behandelt. Vgl. Böning 1994, S. 30 und UBA Hrsg. 1992, S. 23 ff. und S. 54 ff. Das UBA-Modell lehnt sich an die auch von internationalen Gremien erarbeiteten
Ökologieorientierte ISS
129
•
Die Sachbilanz als Bezeichnung für die Erfassung der Aktivitäten und Einwirkungen. • Die Wirkungsanalyse bzw. Wirkungsbilanz als Beurteilung der Sachbilanz hinsichtlich bestimmter „...Wirkungen auf die Umwelt wie z.B. Klimarelevanz, Ökotoxizität oder Ressourcenbeanspruchung"414. • Die Bilanzbewertung als Bewertung der Wirkungsanalyse zusammen mit der Sachbilanz, auf Basis eines an bestimmten Werten und Prioritäten orientierten politischen Problemverständnisses. Die drei Schritte werden als notwendige Komponenten verstanden, um vom Wissen über die Stoff- und Energieflüsse zu einem Verständnis der durch sie mit verursachten ökologischen Probleme zu kommen. Die Komponenten können den einzelnen Ebenen von ökologieorientierter Information zugeordnet werden, wobei vorläufig keine Aussage über die Angemessenheit der Informationsprozesse und ihrer Trennung möglich ist415 (siehe Abbildung 3. 12). Die Schritte lassen sich als Schema anwenden, um die Informationsprozesse zu strukturieren. Es ist wichtig zu differenzieren, wo Konzepte auf naturwissenschaftlich abgesichertem Wissen aufsetzen und wo sie die Bewertung moralisch-ethischen und subjektiven Beurteilung überlassen. Die Trennung in Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung als separate Schritte ist aber schon hier theoretisch aufgrund der Unmöglichkeit, objektive und subjektive Wirklichkeitsbeschreibung eindeutig zu unterscheiden, kritisierbar. Und auch praktisch ist die Anwendung bestimmter Modelle von vorgelagerten moralisch-ethischen Entscheidungen beeinflußt.
Standards an. HOFSTETTER überführt die Terminologien von verschiedenen Ansätze ebenfalls in dieselben drei grundsätzlichen Phasen; vgl. Hofstetter 1994, S. 29. 414 Vgl. Böning 1994, S. 30 und UBA Hrsg. 1992, S. 25 f. 415 Siehe dazu auch Kapitel 2.2.1.3.
130
3. Abschnitt
Abbildung 3.12:
Instrumentkategorien der ökologieorientierten ISS
I N S T R U M E N T K A T E G O R I E N DER ÖKOLOGIEORIENT1ERTEN ISS
Ebene ökologieorientierter Information
Instmmentkategorien
Anspruch/Ziel
• Einwirkungen auf die Ökosphäre
• Sachbilanz, inventory analysis
• Erfassung der Erwirkungen (Aktivitäten)
• Auswirkungen in der Ökosphäre
• Wirkungsbilanz, classification, characterisation
• Analyse der Auswirkungen
• Ökologische Probtembeiträge
• Bilanzbewertung, valuation, evaluation
• Bewertung des "gesamten" ökologischen Prcblenibeitrags
Quefle: eigene Darstelling nach UBA Hreg 1992, S. 25 f., Böning 199«. S. 30 und Hofetetter 199«. S. 29
differenziert die Konzepte nach der Form der Beschreibung der ökologischen Problembeiträge und unterteilt die Konzepte in eindimensionale quantitativ-kardinale Verfahren sowie qualitative Verfahren, die die Ergebnisse entlang einer ordinalen Achse oder verbal qualitativ darstellen416. BÖNING
•
Das IÖW-Konzept beinhaltet die Sachbilanz, Wirkungsanalyse und die Bilanzbewertung mit einem qualitativ-ordinalen Ergebnis. • Die Konzepte von WAGNER und Ökoscience beinhalten Sachbilanz und eine Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung, die qualitativ-verbal-argumentativ vorgenommen wird. • Die Konzepte des Ö.B.U. und SCHALTEGGER/STURM enthalten die Sachbilanz, Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung, die eindimensional quantitativ vorgenommen wird. Es ist aufgrund der Ergebnisse von BÖNING sinnvoll, die Ansätze des IÖW und des Ö.B.U. zuerst zu beschreiben, da beide Konzepte gut ausgearbeitet sind, in Unternehmen eingesetzt wurden und die zwei Entwicklungsrichtungen des Öko-Controlling einmal zu einem offenen qualitativen Instrument, für die ökologische Selbstaufklärung und handlungsorientierte Entwicklung der Unternehmung, wie der Öko-Controllingansatz des IÖW,
416
Eine ordinale Skalierung gibt im Gegensatz zur kardinalen nur die Richtung, also größer oder kleiner, aber keine quantitativen Verhältnisse an; vgl. Böning 1994, S. 45 und 53.
Ökologieorientierte ISS
131
oder zu einem genormten System der quantifizierten ökologischen Rechnungslegung bzw. Bilanzierung, wie der Ökobilanzansatz des Ö.B.U., darstellen
. Anschließend sind die Ansätze von ÖKOSCIENCE, WAGNER und
das ökologische Rechnungswesen von SCHALTEGGER/STURM hinsichtlich ihrer Konzeption der Sachbilanz, der Wirkungsanalyse und der Bilanzbewertung in kürzerer Form ebenfalls zu erläutern. 1)-Kurzbeschreibung- „Ökobilanzfiir Unternehmen" nach dem Ö.B.U.Konzept: Das gesellschaftliche Ziel des Ökobilanzansatzes des Ö.B.U. ist die Erhöhung der ökologischen Produktivität, definiert als wirtschaftliche Wertschöpfung je Umwelteinwirkung. Die Zielsetzung der Unternehmung wird dann beschrieben als: „Steigerung der ökologischen Produktivität durch mehr Wertschöpfung und gleichviel oder weniger Umweltbelastung" 418 . Ziel der Ökobilanz ist es, die Umweltbelastung der Unternehmensaktivitäten zu bestimmen. Die Autoren sehen auch einen Einsatz in der staatlichen Umweltpolitik, da Ökobilanzen zur Verfahrensbeurteilung, für Umweltzeichen, für eine ökologische Berichterstattung und für Umweltzertifikate als Basis dienen können419. Dafür sieht das Ö.B.U. folgende idealtypische Anforderungen, für die es direkt eine instrumentelle Operationalisierung vornimmt420: •
• •
•
•
Vollständigkeit - idealerweise vollständige In-Outputanalyse des Objekts, realistischerweise Darstellung der zentralen Stoff- und Energieflüsse Eindeutigkeit - eindeutige ökologische Bewertung des In-Outputs anhand ökologischer Knappheiten Stabilität - die Bewertung sollte für den jeweiligen Entscheidungshorizont stabil bleiben. Einschränkungen aufgrund der Möglichkeit neuer Informationen aus Umweltnaturwissenschaften werden gemacht. Transparenz - Ziel ist die Erstellung anhand veröffentlichter Daten und akzeptierter Regeln. Das Konzept zielt auf die Erarbeitung eines Accounting-Standards für betriebliche Ökobilanzen. Kostengünstigkeit - Vereinfachung der Bilanzerarbeitung durch Kombination von Modulen (Transferfunktionen).
Ökobilanzen für Unternehmen dienen zur internen Steuerung der Unternehmung, indem sie Informationen über die ökologischen Auswirkungen geben. Sie erlauben es, ökologische Prioritäten bezüglich Umweltbereichen und Aktivitäten zu erkennen, Ziele bezüglich ökologischer Auswirkungen zu setzen und die Erfolge beziehungsweise Mißerfolge zu kon-
417 418 419 420
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Böning 1994, S. 51 f. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 19 Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 25 f. Braunschweig 1992, S. 7
132
3. Abschnitt
trollieren421. Ökobilanzen sollen sich als eine Basis für die Kommunikation der Unternehmung mit externen und internen Anspruchsgruppen etablieren. Die Autoren verstehen ihren Vorschlag als methodisch fertiges System, das schrittweise durch neue Informationen inhaltlich vervollständigt werden kann und muß. Praktische Anwendungen des Konzepts wurden für die Gerberit, Walter Rentsch-Gruppe, Ernst Schweizer AG und Held-AG dokumentiert422. 2a)-ISS-Funktion- Ökobilanzen sollen im Führungssystem der Unternehmung dazu beitragen: • • • • •
"...eine möglichst umfassende Übersicht (zu) geben, zur Prioritätensetzung zu dienen und Entscheide zu unterstützen. Sie sollen bei konkreten Alternativen und Sachfragen anwendbar sein, und dabei einzig die ökologischen Kriterien abdecken..." 423.
Dabei wird als eine Grundlage für rationales Handeln die Möglichkeit verstanden, verschiedene Handlungsalternativen ökologisch vergleichen zu können, und dazu sollen die verschiedenartigen Einwirkungen auf die Ökosphäre vergleichbar und aggregierbar bzw. addierbar gemacht werden42 . Das Konzept betont die Notwendigkeit von quantitativen Informationen und Bewertungsgrößen für ökologische Problembeiträge, um eine der monetären Information vergleichbare Bedeutung zu sichern. Die Ergebnisse sollen für kurz- und mittelfristige Entscheidungen nutzbar sein, um handlungsorientierte Schlußfolgerungen zu ziehen. Als Beispiele für Entscheidungen gibt das Konzept Maßnahmen an, für die die ermittelten ökonomischen und ökologischen Prioritäten partiell gleichlaufend sind; z.B.: Stromsparprogramm mit dem Ziel von 10% Verbrauchssenkung, Abstellen der schleichenden FCKW-Verluste, Reduktion der Belastungen durch Verkehr und Anschaffen einer neuen Heizanlage mit neuem Brenner, der wenig Stickoxide freisetzt oder Anschluß an die Fernwärme425. Als Fazit sehen die Autoren als wichtigste Funktion der Ökobilanz Unterstützung im Argumentieren und Entscheiden über Handlungsalternativen. Die Ökobilanz bildet die Basis zur Vermittlung von Maßnahmen und Prioritäten nach innen und außen. Die Ökobilanz wird einschränkend nicht als Begründungsbasis gesehen, wenn es darum geht, Maßnahmen nicht durchzuführen beziehungsweise die Prioritäten anders zu setzen, als Anspruchsgruppen verlangen: „Zur Begründung, warum MKB (das Bei421 422 423 424 425
Vgl. 65 Vgl. Vgl. Vgl. 65 Vgl.
Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 21 ff. und Müller-Wenk 1994, S. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 101 f. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 23 Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 43 ff. und Müller-Wenk 1994, S. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 95 ff.
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133
spielunternehmen) etwas nicht tun will, insbesondere wenn dies andernorts gerade gefordert wird, wird die Firma die Ökobilanz aber nur dann einsetzen, wenn die Resultate mit externen, ungebundenen Fachleuten erarbeitet wurden." 426. 2b)-lSS-Strukturelemente- Das Konzept ist bezüglich der Strukturelemente nicht definiert. 2c)-Informationsprozesse- Die Informationsprozesse des Ökobilanzkonzepts lassen sich in die Schritte Erfassung der Einwirkungen (Sachbilanz) und die kombinierte Analyse der Auswirkungen und Bewertung des ökologischen Problembeitrages (Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung) trennen. Sachbilanz: Die Ökobilanz beruht prinzipiell auf einer Erfassung der Energie- und Stoffströme der Unternehmung. Für die Operationalisierung werden die In- und Outputs in Kategorien aufgeteilt. Dabei fallen unter Inputs Bodenschätze inklusive Energieträger, nicht Stoffgebundene Energie, Pflanzen/Tiere, Wasser und Nutzung von Land. An Outputs wird gesehen: Stoffe in Luft, Wasser, Boden (dispers), Stoffe in spezifische Deponien, Abwärme, Schall und Strahlungen427. Um die Komplexität der theoretisch notwendigen Sachbilanz zu verringern, wird das Modell durch drei Priorisierungsschritte vereinfacht: •
Erstens sind nur die Einwirkungen auf die unbelebte Natur zu betrachten, da Pflanzen und Tiere durch die in die Bewertung eingehenden Qualitätszielsetzungen geschützt werden. Die Entnahme von Tieren ist nur dann zu betrachten, wenn die Nachhaltigkeit verletzt wird. • Zweitens: Indem das Konzept die Umweltein Wirkungen außer Betracht läßt, die eine nur unbedeutende Veränderung der Umweltqualität bedeuten. Hierbei wird explizit die Annahme getroffen, daß nur großräumige Belastungssituationen eine relevante Verschlechterung der Umweltqualität bedeuten. • Drittens: Gruppen von Stoffen mit gleichartigen Umweltein Wirkungen, wie beispielsweise fäulnisfähige Stoffe, werden zusammengefaßt. Als Prinzip formuliert der Ansatz, „...daß nur solche vom zivilisatorischen System ausgehende Entnahmen oder Abgaben Inbegriffen sind, welche Elemente der nichtlebendigen Natur in einer gemäß derzeitigem Wissen als relevant einzustufenden Art und Weise qualitätsmäßig verschlechtern in Hinblick auf ihre Eignung als Lebensräume" 428. In einer qualitativen Bewertung werden für jede In-Outputkategorie die zu bestimmenden relevanten Größen ausgewählt (siehe Abbildung 3. 13). Wichtig ist beispielsweise, daß im Gegensatz zur „Ökologischen Buchhaltung" von MÜLLER-
426 427 428
Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 100 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 32 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 35 f.
134
3. Abschnitt
WENK429 als Vorläufer des heutigen Konzepts dem Input von anderen Bodenschätzen mit Ausnahme der Energieträger keine ökologische Bedeutung zugemessen wird, da eine Erschöpfung nicht zu befürchten ist. Abbildung 3.13:
Abgrenzung der relevanten Umwelteinwirkungen in der Ö.B. U.-Konzeption
ABGRENZUNG DER RELEVANTEN UMWELTEINWIRKUNGEN IN DER Ö.B.U. KONZEPTION
Input
Nicht berücksichtigt
Berücksichtigt
alle anderen
Energieträger
Pflanzen/Tiere
Energie (nicht stoffgebunden) Ausnahme: hohe Entnahmen Bestandreduziemng
Output Berücksichtigt • Steife in der Luft (7 Stoff gnjppen) • Sfoffe in Gewässer (6 Stoffgruppen) Stoffe im Boden (Grupper nochzudef.) Mengen an Abfalldeponien, MVA etc
Nicht berücksichtigt
Konzeption . versucht sich auf de max 20 - 30 vtichtigsten Stoffe zu beschränken Abwärme
Wasser und Luft
Ausnahme: fossil« > Wasser- reserven
Rächemutzung
Straßenvertcehrslärm
Schall aus ortsfesten Anlagen Strahlungen
Quelle: BraunschweigWöler-Wenk 1993, S. 35 ff
Der Ansatz entwickelt Abgrenzungsregeln für die Erstellung einer Unternehmensbilanz430. Dabei wird die obligatorische Kernbilanz des Unternehmens definiert, die sowohl die Unternehmung als auch ihre Entsorger und Versorger als unmittelbare Einwirkungen auf die Umwelt enthält. Die Ent- und Versorger431 müssen aufgrund ihrer Verbindungsfiinktion zwischen Umwelt und Wirtschaftssystem als spezieller Wirtschaftsbereich den anderen Unternehmen, die sie nutzen, zugerechnet werden, um eine Vergleichbarkeit von Unternehmen mit und ohne eigenen Anlagen herzustellen. Die durch die Unternehmung in Vor- und Nachstufen des Produktlebenszyklus indirekt ausgelösten Einwirkungen entlang des Produktlebensweges werden über fakultative Komplementärbilanzen festgehalten (Abbildung 3. 14). Das Konzept legt detailliert fest, welche Effekte beispielsweise von Transport- oder Dienstleistungen in die Kernbilanz aufzu429 430 431
Vgl. Müller-Wenk 1978 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 137 ff. Unter Entsorger verstehen die Autoren alle entsprechenden Unternehmen der Entsorgungsindustrie, während unter direkte Versorger derzeit nur die Energieversorgung fallt.
Ökologieorientierte ISS
135
nehmen sind beziehungsweise in die Komplementärbilanz aufgenommen werden können 432 . Abbildung 3.14:
Kernbilanz und Komplementärbilanzen
KERNBILANZ UND KOMPLEMENTÄRBILANZEN
Quelle: BraunschweigMiller-Wenk 1993, S. 60
Um die Einbeziehung von Entsorgern und Versorgern einfach zu gestalten, schlägt das Konzept vor, die Ent- und Vorsorgungsleistungen mit Transferfunktionen zu verrechnen433. In dem Konzept werden alle Einwirkungen beispielsweise des Abfallentsorgungsweges bilanziert und je Mengeneinheit an das bilanzierende Unternehmen verrechnet, d.h. z.B. je Tonne Sondermüll wird eine bestimmte Menge von Stoff- und Energiestrom an die nutzende Firma verrechnet. Die Nutzung von Transferfunktionen soll zur stufenweisen Modularisierung der Bilanzerstellung führen. Die zeitlichen Grenzen werden pragmatisch auf ein Jahr festgelegt und die Einwirkungen für diesen Zeitraum zeitrichtig erfaßt434. Kombinierte Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung: Der Ö.B.U-Ansatz nimmt eine erste Wirkungsanalyse bei der dreistufigen Abgrenzung der nicht-relevanten Umwelteinflüsse vor. Die Auswirkungsanalyse und Bewertung im eigentlichen Bewertungsschritt sind nicht zu trennen, da die
432 433 434
Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 138 ff. und Böning 1994, S. 74 f. Vgl. Kytzia 1992, S. 33 ff. Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 62
136
3. Abschnitt
Bewertung aufgrund der mathematischen Modellierung des konzeptionellen Zusammenhangs zwischen Einwirkung und ökologischen Problemen aus dem Verhältnis von Grenzwerten für räumliche sowie zeitliche Belastungsgrenzen und tatsächlichen Belastungen ergibt. Um eine konkrete, physikalisch meßbare Einwirkung als quantifizierbare und aggregierbare Größe zu erhalten, benötigt das Konzept einen Bewertungsfaktor, mit dem die Einwirkung spezifisch bewertet wird, den Öko-Faktor, der das Verhältnis zwischen tolerierbarer und echter Belastung ausdrücken soll435. Okofaktor = • •
1
Ist - Fluß
kritischer - Fluß kritischer - Fluß Ist-Fluß= gegenwärtige Emissions- oder Verbrauchsmenge pro Zeiteinheit Kritischer-Fluß = ökologisch, gerade noch als zulässig erachtete Emissions· oder Verbrauchsmenge pro Zeiteinheit
Die Belastungsgrenze, die die ökologische Knappheit definiert, wird als die Menge (kritischer Fluß) beschrieben, die die natürliche Umwelt eines räumlichen Systems von einem Stoff pro Zeiteinheit ohne unzulässige Zustandsverschlechterung aufnehmen kann. Dieser kritische Fluß kann mit dem Ist-Fluß in derselben zeitlichen/räumlichen Einheit verglichen werden. Dabei ist die ökologische Knappheit um so höher, je höher der IstFluß relativ zum kritischen Fluß ist (zweiter Teil der Formel)436. Die Division des kritischen Flusses durch eins ergibt einen Ökofaktor mit einer Dimension, der das Größenverhältnis zwischen Einwirkung und kritischem Fluß wiedergibt. Die Multiplikation der in ihren physikalischen Größen gemessenen Einwirkung und dem Ökofaktor ergibt die dimensionslosen Umweltbelastungspunkte (UBP) je emittiertem Stoff. Die Summe der UBP für alle Stoffe ergibt die quantitative Beschreibung des Problembeitrages bzw. Ökobilanz43 . Die verwendeten 21 Ökofaktoren438 sind auf die Schweiz bezogen und für verschiedene Stoffe und Energieträger nach dem Standardschema ermittelt worden. Die verwendeten Größen für Ist- und kritische Flüsse werden aus öffentlichen Quellen beziehungsweise über Prämissen 435 Vgl. Müller-Wenk 1992, S. 19 ff. 436 Die Formel nimmt eine proportional/lineare Beziehung zwischen der ökologischen Knappheit und dem Verhältnis von kritischem zu Ist-Fluß an. Es sind verschiedene andere Beziehungen angenommen worden, u.a. in dem Konzept der ökologischen Buchhaltung nach MÜLLER-WENK, wobei für keine Beziehung eine naturwissenschaftlich gesicherte Ursache/Wirkungsbeziehung als Argumentationsgrundlage gefunden werden konnte; vgl. Ahbe et al. 1990, S. 20 ff. 437 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 50 ff. 438 Zwei für Energieformen, einer für Boden, sieben für Luftbelastungen, sechs für Abwasser, drei für Abfälle und zwei für Verursacher von Verkehrslärm.
Ökologieorientierte ISS
137
abgeleitet439. Die Entwicklung von Ökofaktoren für Energie, Straßenverkehrslärm, Boden verbrauch und Deponieraum geschieht über die Anpassung der stoffspezifischen Definition an die spezifischen Einwirkungen und entsprechende Modellrechnungen440. Bezüglich der indirekten Wirkungen werden in dem Konzept Komplementärbilanzen für die zwei wichtigsten Rohstoffe der Beispielfirma, für die Transporte dieser Rohstoffe und für die Anfahrt der Mitarbeiter, aufgestellt, die allerdings nicht ausführlich dokumentiert werden441. Methodisch stützen sich die Komplementärbilanzen der Inputstoffe explizit auf die BUWAL-Methodik zur Ökobilanzierung von Verpackungsstoffen442. 2d)-modellhafte Abbildung- Das Konzept basiert bei seiner pragmatischen Vorgehensweise auf verschiedenen Annahmen über die ökologischen Probleme: kein absehbarer Mangel an Bodenschätzen, klare Zuordnung der ökologischen Probleme zu den Einwirkungen durch Unternehmensaktivitäten und eine Betonung der Region, in diesem Fall der Schweiz, als dominanter Ökosystemebene zur Bewertung von Auswirkungen. Die Autoren prognostizieren, daß auch in Zukunft die Erfassung und Bewertung von 10 bis 100 Einwirkungen für die Beschreibung der Gesamtbelastung ausreichend sein wird. 3)-explizite Voraussetzungen- Eine Voraussetzung für das Konzept ist ein partiell rationaler Prozeß der Grenzwertentwicklung, der tatsächlich den Stand des Wissens bezüglich ökologischer Zusammenhänge abbildet und den Konsens der gesellschaftlichen Prioritäten bezüglich ökologischer Probleme in der Abwägung mit anderen gesellschaftlichen Zielen angemessen reflektiert443. 1)-Kurzbeschreibung- Öko-Controlling nach dem IÖW-Konzept: Das IÖW-Konzept wird entwickelt aus dem Postulat einer ökologischen Selbstverantwortung des Unternehmens als eines die ökologischen Probleme aktiv beeinflussenden Akteurs. Diese Verantwortung mündet in dem Postulat einer Unternehmenspolitik, die nicht nur kurz- oder längerfristig Rendite versprechende und gesetzlich notwendige Maßnahmen einbezieht, sondern auch über diese Fälle hinaus „... alles in ihren betriebswirtschaftlichen Kräften stehende versucht für die Realisierung ökologischer Zielsetzungen." 444. Der Ansatz zielt auf die Bedeutung der Unternehmen bei der Lösung von ökologischen Problemen aufgrund zu hoher Verbrauchs- und Emissionswerte und besonders bei der schwierigeren Lösung von strukturellen Umweltproblemen wie den Verkehrsproblemen, die für die entsprechenden Unternehmen eine strategische Herausforderung darstellen muß, 439 Vgl. Böning 1994, S. 78 ff. 440 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, Anhang Β 441 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 97 ff. 442 Vgl. Habersatter/Widmer 1991 und Ahbe et al. 1990 443 Vgl. Müller-Wenk 1992, S. 23 f. 444 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 10
138
3. Abschnitt
da die langfristige Überlebensfähigkeit bedroht ist. Für den IÖW-Ansatz gibt es zahlreiche publizierte Beispiele der praktischen Umsetzung wie Bischof+Klein, Nordenia, Kaldewei, BIOPAC, Wilkhahn, Neumarkter Lammsbräu, Ludwig Stocker Hofpfisterei und andere445. Öko-Controlling knüpft für die Beschreibung des Nutzens von Informationen an die ökologische Unternehmenspolitik an, die eines Informationssystems bedarf, um: • • •
"...alle ökologisch wichtigen Informationen zu sammeln, sie unter ökologischen und ökonomischen Aspekten zu bewerten und zu verarbeiten und sie entscheidungsorientiert aufzubereiten"446.
Der Ansatz fixiert vier Anforderungen für ein ökologisches Informationssystem in Unternehmen: • • • •
Vollständigkeit-, in bezug auf alle ökologisch wichtigen Informationen, z.B. über den Produktlebenszyklus Kontinuität-, Einführung eines dauerhaften Öko-Controlling statt situativer/selektiver Ökobilanzen Entscheidungsbezug-, Informationen und ihre Aufbereitung müssen an die betrieblichen Entscheidungen angepaßt sein Aussagefähigkeit·, nicht nur für interne, sondern auch für externe Anspruchsgruppen müssen die ökologischen Probleme der Unternehmung transparent werden447.
2a)-ISS-Funktion- Die Funktionsbeschreibung des Konzepts setzt beim Nutzen für das Management der Unternehmung an, dem die Informationen die Möglichkeit handlungsorientierter Selbstaufklärung über ökologische Schwachstellen und Optimierungspotentiale und der internen Kommunikation über Probleme und Ziele der ökologieorientierten Unternehmenspolitik bieten sollen448. Das Öko-Controlling schließt an das Konzept des finanzwirtschaftlichen Controllings an und setzt dies um in die Funktionsbeschreibung für Öko-Controlling als die Analyse, Planung, Steuerung und Kontrolle aller ökologisch relevanten Aktivitäten der Unternehmung. HALLAY/PFRIEM unterscheiden vier Funktionen des Öko-Controllingkonzepts: 1) die Informationsbeschaffungsfunktion mit vier Aufgabenbereichen: •
445 446 447 448
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Erfassung von Stoff- und Energieflußinformationen der unternehmensinternen Aktivitäten unter expliziter Einbeziehung aller Austauschbeziehungen
Hopfenbeck/Jasch 1993, S. 242 und Hallay/Pfriem 1992, S. 15 Hallay/Pfriem 1992, S. 10 Hallay/Pfriem 1992, S. 15 Hailay et al. 1994, S. 47 f.
Ökologieorientierte ISS
139
•
Bereitstellung der Stoff- und Energieflußinformationen aus dem ökologischen Produktlebenszyklus • Beschaffung der Informationen zur ökologischen Beurteilung der Stoff- und Energieströme unter Einbeziehung von wissenschaftlichen Informationen und den ökologischen Issues der Anspruchsgruppen • Bereitstellung von Informationen zur Analyse der ökonomisch/ökologischen Restriktionen449. 2) die Analyse- und Zielfindungsfiinktion, bei der die direkte Handlungsorientierung bezüglich Analysenauswahl und Bewertung im Vordergrund stehen soll, indem sie die bekannte ökologische Situation anhand der bekannten Wirkungen bewertet und die Dynamik der Veränderung der Issues der Anspruchsgruppen einschätzt sowie Restriktionen durch Gesetze oder Käuferverhalten erfaßt. 3) die Planungs- und Steuerungsfunktion, die die ökologieorientierten Informationen in die Problemlösungsprozesse der operativen, strategischen und normativen Handlungsebene und in alle Funktionsbereiche, da die Umweltauswirkungen der Unternehmensaktivitäten ein übergreifendes Entscheidungsproblem sind, einbringen soll450. 4) die Informationspolitikfunktion zur Befriedigung der ökologieorientierten Informationsbedürfnisse externer Anspruchsgrappen, deren Akzeptanz und Erfüllung durch eine offene Informationspolitik der Unternehmung die Möglichkeit zur Übereinstimmung in ökologischen Fragen, zur Vermittlung von Kompetenz und zum Aufbau von Vertrauenspotentialen zwischen Unternehmung und Anspruchsgruppen bietet . Für die Umsetzung eines umfassenden Öko-Controllings in der Gesamtunternehmung wird die Implementierung schrittweise unter enger Beteiligung der Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen vorgenommen 52. Zur Implementierung wählt das Konzept ein an den Führungsprozeß angelehntes Vorgehen in mehreren Phasen von der Zielfestlegung bezüglich der ökologischen Schwerpunkte, über Erfassung der Ist-Situation, die ökologische Bewertung der Ist-Situation und Erarbeitung von Optimierungspotentialen sowie Maßnahmenplanung und Umsetzung, Steuerung und Kontrolle der Fortschritte als Abschluß und erneuten Beginn des ÖkoControllingprozesses. Diese Implementierungsphase soll dann übergehen in einen kontinuierlichen Kreislauf der Planung, Koordination und Steuerung sowie Kontrolle bezüglich der ökologischen Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten (siehe Abbildung 3. 15). 449 450 451 452
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Hallay/Pfriem Hallay/Pfriem Hallay/Pfriem Hallay/Pfriem
1992, 1992, 1992, 1992,
S. S. S. S.
34 f. 43 44 f. und 70 f. 47 ff.
140
3. Abschnitt
Abbildung 3.15:
Öko-Controlling als System
ÖKO-CONTROLUNG ALS SYSTEM
Erstellung der Stoff- und Energiebilanz • Abgrenzuig der Systeme betriebe-, procKJrt-, prozeß und substanzbezogen • Erfassung der Stotf- und Energieströme Koordination
Erfassung beurteilungsrelevanter Informationen • Auswahl der Intonationen • Erfassung der Stoff- und
u. Steuerung
.-ο·
Ökologische Schwachstellenanalyse • Beurteilung von -Materialien -Emissionen -Prodiiden -Verfahren -Prozessen • Verdichtung der Bnzeianalysen zu Problerrteldem • Handungsoriertierte Aulberetung
Entwicklung der Beurteilung»-. schärfe Einstufung von A-B-C
Durchsetzung der Maßnahmen • Ökologische Verbesseruigen • Zieländenngen • Verbesserung des Irformationsmanagemerts Kriienenändenng
Sol 1/1 stPlanung Vergleicti Konkretisierung der Ziel· • Technische Optimierungspotenliale • Veränderung der Ziele • Verbesserung des Infonnatiansmanagements • Veränderung der Kriterien
Quelle: Pfriem 1994, S.8
2b)-ISS-Strukturelemente- Die Entscheidungsträger sind explizit als notwendige Strukturelemente des ISS definiert, da die Zielsetzung für das ISS und die Methodik der Bilanzbewertung die einbezogenen Informationen zwar strukturieren und inhaltlich sieben Bewertungskategorien vorgeben kann, die eigentliche Bewertung von einzelnen Stoffen und die Setzung von Prioritäten aber auch auf subjektiven Einstellungen und Werten des Managements basieren müssen453. 2c)-Informationsprozesse- Die Informationsprozesse des IÖW-Konzepts können in die zwei Schritte Erfassung der Einwirkungen (Sachbilanz) und die gleichzeitige Analyse der Auswirkungen und Bewertung der ökologischen Problembeiträge (Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung) getrennt werden. Sachbilanz: Für die Erfassung der fortlaufenden Einwirkungen der Unternehmung verwendet die Konzeption die Stoff- und Energiebilanz in vier Betrachtungsrahmen, wobei eine stufenweise praxisorientierte Vorgehensweise bei der inhaltlichen Erarbeitung vorgezeichnet wird454. Die erste Stufe ist die Betriebsbilanz, auch als Input-Outputbilanz bezeichnet, die zweite Stufe ist die innerbetriebliche Differenzierung in Prozesse, die dritte Stufe die Ausdehnung der Bilanzen auf den Produktlebenszyklus und 453 454
Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 48 und 93 Vgl. Hailay Hrsg. et al. 1990, S.33
Ökologieorientierte ISS
141
die vierte und letzte Stufe die Erstellung der Substanzbilanz. Die Betriebs-, Prozeß- und Produktbilanz stellen als Stoff- und Energiebilanzen der Unternehmensaktivitäten die Erfassung der fortlaufenden Einwirkungen dar. Die Analyse der Stoff- und Energieströme erfolgt dabei in einer den tatsächlichen Analyseanforderungen und der Informationsverfügbarkeit im Unternehmen angepaßten Drei-Ebenen-Systematik für die inhaltliche Differenzierung 455. •
•
•
Die erste Ebene beinhaltet die Analyse und quantitative Erfassung der In-Outputs entlang einer Grobstruktur, die die grundsätzliche Systematik der Stoff- und Energiebilanzen beinhaltet und eine Verbindung zu den Artikelhierarchien des Materialwirtschaftssystems schafft 456 . Die zweite Ebene entwickelt die In-Outputs entlang der im Betrieb vorhandenen Systematik der Materialwirtschafts- und Auftragsbearbeitungssysteme457, die allerdings um Wissen und Informationen aus den Funktionen über nicht im Rechnungswesen erfaßte In-Outputs ergänzt werden müssen 458 . Auf der dritten Ebene erfolgt die Aufschlüsselung in die einzelnen Inhaltsstoffe und chemische Substanzen, die eigentlichen Stoff- und Energieflüsse, die die Basis für die Bewertung bilden 459 .
Der Ansatz nimmt auf der Ebene der Sachbilanz keine Einschränkung der betrachteten In-Outputstoffe vor, sondern versucht, eine vollständige Analyse auf der Sachbilanzebene als Ausgangsbasis zu setzen. Die Abgrenzungsprobleme werden in diesem Vorgehen weniger formalisiert als im Ö.B.U.-Konzept gelöst, sondern situativ aus den in Zielworkshops erarbeiteten Schwerpunkten abgeleitet. Aufbauend auf den als In- und Outputbilanz bezeichneten Stoff- und Energiebilanzen der Unternehmung lassen sich die Prozeßbilanzen, als die Transformationsvorgänge innerhalb des Betriebes untersucht werden, erarbeiten. Für eine umfassende Bilanzierung sind alle Transformationsprozesse, auch die der Lagerhaltung, aufgrund ihres Risikos zu betrachten und zu bilanzieren 460 . Zur Analyse muß der Betrieb in seine Teilprozesse aufgeteilt werden. Dabei ist eine sinnvolle Zuordnung der einzelnen Schritte zu inhaltlich und funktional verbundenen Systemen zu finden, so daß die einzelnen Prozesse und Prozeßstufen überschneidungsfrei bilanziert und
455 456 457 458 459 460
Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 59 Vgl. Hailay Hrsg. et al. 1990, S. 35 und Hallay/Pfriem 1992, S. 72 f. Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 73 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 60 ff. und Hailay Hrsg. et al. 1990, S. 36 ff. Die zweite Ebene kann mit der Ebene der Energieträger- und Güterflußanalyse verglichen werden. Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 73 ff. Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 81 ff.
142
3. Abschnitt
getrennt beeinflußt werden können, wie am Beispiel der Produktionsprozeßstufen der Fa. Nordenia gezeigt wird. Der dritte Schritt ist die Erarbeitung der Produktbilanzen als eine InOutputanalyse bezogen auf den Produktlebenszyklus. Dabei sollen ausgehend von dem innerbetrieblichen Produktionsprozeß über die vor- und nachgelagerten Stufen die eingesetzten Stoffe und Energien und freiwerdende Emissionen quantitativ erfaßt werden. Dabei wird aus der Perspektive der Unternehmung in den vor- und nachgelagerten Stufen eine zunehmende Verzweigung der möglichen Lebenswege des Produkts sichtbar, so daß eine Fokussierung auf die ökologisch/ökonomisch relevantesten Stufen und Lebenszykluswege ausgewählt werden muß und auch bezüglich der verfügbaren Informationen eher Kompromisse gemacht werden müssen als bei innerbetrieblichen Stufen461. Die Analyse der außerhalb der Unternehmung liegenden Produktlebenszyklusphasen startet bei der Informationseinholung von Zulieferern und Abnehmern der Produkte. Die Substanzbilanz untersucht die von den In-Outputbetrachtungen nicht erfaßten dauerhaft relevanten Einflüsse der Unternehmensaktivitäten. Zu diesen zählen: • Dauerhafte betriebliche Umweltnutzung wie Flächennutzung, Bebauung und • Einschnitte ins Landschaftsbild durch Bauten und Infrastruktur • sowie weitere dauerhafte Beeinträchtigung der Umwelt, insbesondere Boden Verunreinigungen und Grundwasserverunreinigungen462.
Die praktische Ausarbeitung der Substanzbilanz wurde bisher nicht durchgeführt Es wird aber eine Methodik im Anschluß an das Konzept der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgeschlagen463. Kombinierte Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung: Die kombinierte Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung geschieht durch ein Bewertungsraster verschiedener Kriterien, mit denen jeder Stoff und Energiestrom aus der Perspektive verschiedener Kriterien, die naturwissenschaftliche/ökologische, Risiko-Überlegungen, legale Restriktionen, gesellschaftliche Anforderungen, die Wirkung auf den Produktlebenszyklus und internalisierte Umweltkosten abdecken, bewertet wird464. Die Vorgabe von differenzierten Kriterien stellt auch über solche schlecht zu operationalisierenden Kriterien wie die gesellschaftliche Akzeptanz die Zukunftsbezogenheit der Bewertung durch Einbeziehung schwacher Signale sicher46 .
461 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 86 ff. 462 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 88 463 Zur UVP siehe Kapitel.3.4.2.3.3. 464 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 91 ff. 465 Vgl. Stahlmann 1994, S. 189
Ökologieorientierte ISS
143
Ziel der Bewertung ist es, die Schwachstellen der Unternehmung aus verschiedenen Perspektiven aufzudecken und eine gewichtende Beurteilung vorzunehmen, um so eine entspechende Handlungsorientierung sicherzustellen. Um eine ordinale Bewertung zu erreichen, verwendet der Ansatz zur Bewertung der Stoff- und Energieströme die A/B/C-Kategorien. Bewertung mit • Α bedeutet hohen Handlungsbedarf, mit • Β bedeutet mittleren Handlungsbedarf und • C bedeutet: derzeit kein Handlungsbedarf erkennbar. Die Stoffe können zudem ordinal mit XYZ hinsichtlich ihrer relativen Menge bewertet werden466. Das Konzept versucht, durch die Spezifizierung von mit A/B/C zu bewertenden Stufen für jede Bewertungskategorie zu einer intersubjektiv nachvollziehbaren Bewertung zu gelangen (siehe Abbildung 3. 16). Die Bewertung läßt je Kategorie durchaus Bewertungsspielraum zu, in dem sich das Selbstverständnis und die Ziele der Unternehmung widerspiegeln können. So sind die Regeln unternehmensspezifisch auszuformulieren467. Die Angabe der Kriterien, Regeln und Einstufungsbegründung soll Transparenz und intersubjektive Nachvollziehbarkeit sichern.
Vgl.Stahlmann 1 9 9 2 , S. 4 2 8 HALLAY/PFRIEM verweisen explizit darauf, daß die Menge aber als solches kein Kriterium für ökologische Schwachstellen darstelle, da die spezifischen Wirkungen der Stoffe erheblich relevanter seien als die relativen Mengen; vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 131 f. 467 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 114 und Böning 1994, S. 110 ff. 466
144
3. Abschnitt
Abbildung 3.16:
Zusammenfassung Kriterienraster und Einstufungsregeln IÖW-Konzept
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· Untersuchungsrahmen • Untersuchungseinheit
4
E • Erfassung der stofflichen und energetischen InputOutput- ströme im Produktlebenszyklus / / Wiriaingsbilanz • Abschätzung der Wirkungen nach den Ergebnissen der Sachbilanz
' \ \ Bilanzbewertung * · Prioritätensetzung anhand von —Bewertungskritenen
Quelle: DIN Hrsg. 1994, S. 209
Die Produkt-Ökobilanzen, Produktlinienanalysen528 oder „Life-CycleAssessments" beruhen auf den Komponenten: Erfassung der Einwirkungen (Sachbilanz), Analyse der Auswirkungen (Wirkungsanalyse) und Bewertung der ökologischen Problembeiträge (Bilanzbewertung), abgeleitet aus der Zieldefinition und gefolgt von einer ökologischen Optimierungsanalyse529. Ziel der ökologieorientierten ISS zur Bewertung von produktlebenszyklusorientierten Handlungsalternativen ist in erster Linie eine Matrix aus Produktlebenszyklusphasen und möglichen ökologischen Problembeiträgen, wie sie beispielsweise die Europäischen Gemeinschaften530 und andere Autoren vorgegeben haben zu operationalisieren, um die ökologischen Problembeiträge zweier Handlungsalternativen zu bewerten und Entscheidungen zu unterstützen.
528
529 530
Das Verfahren der Produktinienanalyse ist aufgrund seiner spezifischen Ausrichtung auf die mehrdimensionale Bewertung existierender und zu entwickelnder Handlungsalternativen unter Berücksichtigung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen unter die Gruppe der Instrumente zur mehrdimensionalen Bewertung einzugliedern. Siehe dazu Kapitel 3.2.2.3.3. Vgl. DIN Hrsg. 1994, S. 209, SETAC Hrsg. 1993, S. 7 und Heijungs Hrsg. et al. 1992a, S. 7 EWG Hrsg. 1992,
Ökologieorientierte ISS
165
Die Wirkungsanalyse und Bilanzbewertungsmethodiken für Öko-Controlling und die Instrumente zur Bewertung von Handlungsalternativen überschneiden sich, da die auf der Stoff- und Energiebilanz aufsetzenden Bewertungskonzepte in beiden Instrumentgruppen Anwendung finden können. Als wesentliche Konzepte für ökologieorientierte Bewertung des Produktionslebenszyklus sind vergleichend darzustellen: •
die grenzwertorientierten
Verfahren nach BUWAL und
SUTER/-
HOFSTETTER,
• • • • •
das auswirkungsorientierte Verfahren des CML, das Umweltrechnungs-Konzept (EPS), die energieflußbezogenen Verfahren, die auf der Schadensfunktion beruhenden Bewertungsverfahren und die stoffmengenorientierte Bewertung (MIPS).
1)-Kurzbeschreibung- grenzwertorientierte Bewertungskonzepte: Zu dieser Gruppe von Konzepten gehören neben dem ökologischen Rechnungswesen die Methode der kritischen Volumina (BUWAL) und die Analogienmethode ( S U T E R / H O F S T E T T E R ) , die auf die Ökobilanzierung von Produktlebenszyklen ausgerichtet sind. Die beiden Konzepte werden bezüglich der Systemmerkmale zur Analyse der Auswirkungen in Ökosystemen und zur Bewertung der ökologischen Problembeiträge untersucht. 2a)-ISS-Funktion- Methode der kritische Volumina nach BUWAL Ziel der Bewertung ist die Zusammenfassung der Informationen der Sachbilanz auf wenige ökologisch aussagefähige Kennwerte einer Ökobilanz für das Objekt, hier im konkreten Anwendungsfall Produktbilanzen für Verpackungen531. Die Methode ist bei entsprechender Ausgestaltung auf das Öko-Controlling von Unternehmen zu übertragen532. Das Konzept wurde in der Schweiz durch das BUWAL und die Migros-AG benutzt, um die ökologischen Auswirkungen von Verpackungen vergleichend zu untersuchen. 2b)-ISS-Strukturelemente- Die Bewertungsmethode soll von der Einschätzung spezifischer Anspruchsgruppen unabhängig sein und eine gesellschaftlich objektive Bewertung ergeben. 2c)-Informationsprozesse- Basis der quantitativen Methode ist das Prinzip, Stoffe mengenabhängig danach zu bewerten, wieviel Volumen eines Mediums durch eine Emission theoretisch bis zum Grenzwert belastet werden würde. Das Ergebnis wird als kritisches Volumen bezeichnet und macht Emissionen verschiedener Stoffe in den Medien Luft und Wasser bezüglich der mittels des Immissions-Grenzwerts repräsentierten ökologi-
531 Vgl. Habersatter/Widmer 1991, S. 107 f. Die im Orginal verwendeten Bezeichnungen Ökoprofil für Ökobilanz und Ökobilanz für Umweltbilanz wurden dem Sprachgebrauch in dieser Arbeit angepaßt. 532 Vgl. Böning 1994, S. 195 f.
166
3. Abschnitt
sehen Auswirkungen vergleichbar533. Das BUWAL-Konzept benutzt zur Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung für Wasser die kritischen Volumina, die sich aus Emissionsgrenzwerten ergeben, und für Luft die kritischen Volumina, die sich aus MIK- und MAK-Werten ergeben. Ein Wert für das kritische Volumen von Boden fehlt534. Die beiden Kennzahlen für kritische Volumina der Ökobilanz werden mit Kennzahlen für festen Abfall und einem Energieäquivalenzwert kombiniert, um die Auswirkungen von Produkten besser abbilden zu können: • Energieäquivalenzwert [Mj/kg] • kritische Luftmenge [m /kg] • kritische Wassermenge fdm3/kg] • feste Abfälle [cm3/kg] Der spezifische Energieverbrauch geht in die Ökobilanz nicht nur als Energieäquivalenzwert, sondern auch über die Emissionen ein. In die Kennzahl fester Abfall gehen nur die deponierten Abfälle ein. Verbrannte Abfälle werden dagegen über die entstehenden Emissionen berücksichtigt535. Eine weitere Aggregation zur Entscheidungsfindung ist nicht vorgesehen. Die Autoren schränken zudem ein, daß die Bewertung Aspekte wie Synergieeffekte, Ökotoxizität und andere Faktoren nicht enthält, so daß eine eindeutige Bewertung von Handlungsalternativen nicht möglich wird. Vielmehr werden aus den Ergebnissen der Bilanzbewertung die Verbesserungspotentiale aller untersuchten Alternativen abgeleitet53 . 2d)-modellhafie Abbildung- Die Abbildung der ökologischen Problembeiträge fokussiert auf gasförmige, flüssige und feste Emissionen des Produkts über den ökologischen Produktlebenszyklus. Die Nutzung von Ressourcen wird in dem Modell nicht berücksichtigt. 3)-explizite Voraussetzungen- Voraussetzung der Konzeption ist ein Katalog von Grenzwerten als Basis der kritischen Volumina. Um diese Funktion hinreichend auszufüllen, müssen diese Grenzwerte langfristige Immissionsziele abbilden. 2a)-ISS-Funktion- Analogienmethode nach Suter/Hofstetter: Ziel der Methode ist es, durch Bezug auf ein gemeinsames Maß von der medienorientierten Bewertung wie der Methode der kritischen Volumina wegzukommen und eine medienübergreifende Bewertung der ökologischen Auswirkungen bzw. Problembeiträge vornehmen zu können. 2b)-ISS-Strukturelemente- Die Methode wird von der Einschätzung von Anspruchsgruppen unabhängig konzipiert.
533 534 535 536
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
BUS Hrsg. 1984, S. 47 und Schaltegger/Sturm 1992, S. 121 ff. Habersatter/Widmer 1991, S. 108 ff. Böning 1994, S. 188 f. Habersatter/Widmer 1991 S. 157 f.
Ökologieorientierte ISS
167
2c)-InformationsprozesseDie Analogien-Methode von SUTER/HOFSTETTER537 bezieht dabei die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden sowie Energie als zusätzliche Größe immer auf eine Bodenfläche als gemeinsame Bezugsgröße für die Bestimmung von Aquivalenzfaktoren. Als wissenschaftlicher Hintergrund der theoretischen Konstruktion wird die Notwendigkeit beschrieben, daß ökologische Räume, hier ausgedrückt als Fläche des knappen Bodens, zur Regeneration belasteter Medien vorhanden sein müssen538. Die Größe der belasteten Volumina je Medium wird analog der Methode der kritischen Volumina ermittelt und über die Volumenzuordnung zu einem Quadratmeter Boden das Flächenäquivalent bestimmt. • • • •
1000 m3 Luft entsprechen 1000 m Luftsäule über 1 m 2 Boden. 1000 1 Wasser entsprechen dem Jahresniederschlag pro 1 m 2 Boden. 1000 kg Boden entspricht 0.5 m Humusschicht je 1 m 2 Boden. 1000 kwh erneuerbare Energie entsprechen der Sonneneinstrahlung pro m 2 pro Jahr.
Die Erzeugung einer einheitlichen Bewertungsgröße wird durch die doppelte Modellannahme der kritischen Volumina und der zum jeweiligen Volumen analogen Bodenfläche ermöglicht. 2d)-modellhafte Abbildung- Das Modell der ökologischen Problembeiträge bezieht sich wie bei der Methode der kritischen Volumina auf die gasförmigen, flüssigen und festen Emissionen der Unternehmung. Die Modellannahmen, insbesondere die zur Ermittlung der Bodenäquivalenz genutzten, werden als zu starke Verallgemeinerungen kritisiert539. 3)-explizite Voraussetzungen- Voraussetzung der Konzeption ist ein Katalog von Grenzwerten als Basis der Volumina. Um diese Funktion hinreichend auszufüllen, müssen die Grenzwerte langfristige Immissionsziele abbilden. 1 )-Kurzbeschreibung„auswirkungsorientiertes Bewertungskonzept" nach CML: Das Konzept des CML zielt auf die Bewertung der Handlungsalternativen für Produkte und Funktionsäquivalente über den gesamten Produktlebenszyklus. Dabei bezieht es sich bewußt auf die sehr unterschiedlichen funktionsäquivalenten Möglichkeiten, Bedürfnisse zu befriedigen, die hinsichtlich der ökologischen Problembeiträge vergleichbar gemacht werden sollen540. Die Konzept fokussiert explizit auf die Bewertung der ökologischen Effizienz je Produktlebenszyklus einer Funktionseinheit und muß zur Evaluierung von ökologischen Risiken aufgrund der Niveauproblematik mit anderen Methoden kombiniert werden. Die Methode ver537 538 539 540
Vgl. Suter/Hofstetter 1989, S. 1342 Vgl. Böning 1994, S. 203 f. Vgl. Hofstetter 1991, S. 14, Böning 1994, S. 204 f. und Schaltegger/Sturm 1992 S. 125 Vgl. Guinee 1994, S. 103 f.
168
3. Abschnitt
sucht, eine naturwissenschaftlich orientierte Wirkungsanalyse bezüglich der einzelnen Auswirkungen von der gesellschaftlich zu fundierenden Bewertung der einzelnen Auswirkungen gegeneinander zu trennen, um so zu einem transparenteren Bewertungsmodell zu gelangen541. Die Methode ist für eine breite gesellschaftliche Anwendung intendiert. Die Anwendung der Methodik wurde für ein Modellprojekt der VNCI Hrsg. publiziert542. 2a)-JSS-Funktion- Das Konzept erlaubt der Unternehmung als Nutzer die zielgerichtete Entwicklung und Verbesserung von Produkten, um so zu einer schnelleren Optimierung von Produktlebenszyklen zu kommen, als durch das empirische Ausprobieren mittels Test und Irrtumsselektion. 2b)-ISS-Strukturelemente- Das Konzept ist prinzipiell hinsichtlich der Strukturelemente für Sachbilanz und Wirkungsanalyse nicht festgelegt, da hier zumindest weitgehende intersubjektive Objektivität unterstellt wird. Für die subjektiv durch politische, gesellschaftliche und moralische Werte geprägte Bilanzbewertung werden entweder Expertengruppen, vergleichbar dem Verfahren der Vergabe von Umweltgütezeichen, oder die Festlegung von quantitativen Gewichtungsfaktoren auf Basis eines breiten gesellschaftlichen und politischen Bewertungsprozesses vorgeschlagen543. 2c)-InformationsprozesseErfassung fortlaufender und dauerhafter Einwirkungen: Die Sachbilanz basiert auf einer Stoff- und Energieflußanalyse über den Produktlebenszyklus unter Einbeziehung von outputorientierten Hilfsgrößen für schwer abzuleitende Einwirkungen wie Strahlung, Lärm oder Hitze und die substanzorientierte Größe des Flächenverbrauchs sowie Risikogrößen. Das Konzept der auswirkungsorientierten Bewertung trennt die Analyse der Auswirkungen und die Bewertung in zwei unabhängige Schritte. Die Wirkungsanalyse bezieht die Einwirkungen der Stoff- und Energiebilanz auf 18 festgelegte ökologische Problemfelder. Für jedes der 18 Problemfelder wurde je eine spezifische quantitative Effektgröße entwickelt, zu der die Einwirkungen auf Basis von naturwissenschaftlich abgestützten Modellen zugeordnet werden bzw. der Beitrag jeder Emission zu den problemspezifischen Effektgrößen bestimmt wird (siehe Abbildung 3. 23) .
541 542 543 544
Vgl, Guinee 1994, S. 117 Vgl. VNCI Hrsg. 1991 Vgl. Guinee 1994, S. 117 ff. Vgl. Guinee 1994, S. 108 ff.
Ökologieorientierte ISS
Abbildung 3.23:
Auswirkungsorientierte Methode: Effektgrößen und zugrundeliegende Modelle
169
170
3. Abschnitt
Damit die problemspezifischen Effektgrößen vergleichbar werden, können sie relativ zu der Gesamtgröße für ein Gebiet oder eine Region als prozentualer Problembeitrag angegeben werden. Um den gesamten ökologischen Problembeitrag zu bestimmen bzw. zwei Handlungsalternativen vergleichend bewerten zu können, existiert keine instrumentelle Methode. Es bleibt der Expertengruppe oder der politischen Konsensbildung im gesellschaftlichen Diskurs vorbehalten, die einzelnen Effekte zu einer Aussage über den ökologischen Problembeitrag zu verdichten. 2d)-modellhafte Abbildung- Der Bewertungsansatz versucht eine möglichst umfassende Abbildung der ökologischen Probleme, indem von den gesellschaftlich empfundenen ökologischen Problemen bei der Bewertung ausgegangen wird und zu diesen quantitative Bestimmungsgrößen entwickelt werden545. 3)-explizite Voraussetzungen- Das Konzept betont die Notwendigkeit eines breit abgestützten gesellschaftlichen Konsenses über vergleichende Gewichtungsfaktoren im Umfeld der Unternehmung als Grundlage für eine konsistente Bewertung. 1 )-Kurzbeschreibung- Umweltrechnungsmethode EPS-Konzept: Ziel des EPS-Konzepts ist es, zwei Handlungsalternativen unter Einbeziehung aller ökologischen Problemfelder bezüglich ihrer Beiträge zu vergleichen, die durch eine Zahl, die Umweltbelastungseinheit „Environmental load units" (ELU) ausgedrückt werden sollen . Das Konzept geht von einem politischen Konsens über fünf Schutzgüter als Ziel von Umweltschutz aus: Menschliche Gesundheit, biologische Vielfalt, natürliche Ressourcen, landwirtschaftliche Produktion als Produktion in Ökosystemen und ästhetische Werte werden als zu schützende Umweltbereiche dem Bewertungssystem zugrundegelegt547. Das EPS-Konzept geht bewußt anthropozentrisch von der „willingness to pay" für die Wiederherstellung der fünf Schutzbereiche aus. Die Nutzung von monetären Einheiten als der Bewertungs- und Vergleichsgröße zwischen den Schutzbereichen wird damit begründet, daß bei aller Subjektivität der Bewertung es dem einzelnen Bürger psychologisch leichter gemacht wird, den Wert des Schutzgutes bzw. die Kosten der Nutzung nachzuvollziehen und als angemessen oder unangemessen zu bewerten. 2a)-ISS-Funktion- Möglichst schnell die wichtigsten Auswirkungen identifizieren zu können, um Design- und Entwicklungsprojekte und allgemeine Entscheidungen zwischen zwei Handlungsalternativen entsprechend steuern zu können548. Basis für das EPS-Konzept ist ein Satz von 545 546 547 548
Vgl. Guinee 1994, S. 106 f. Vgl. Steen 1994, S. 127 ELU ist die Abkürzung für „Environmental load unit" und EPS steht für „Environmental Priority Strategy" Basierend auf einer Entschließung des schwedischen Parlaments; vgl. Steen 1994, S. 129 f. Vgl. Steen 1994, S. 128
Ökologieorientierte ISS
171
Regeln und Standards, die im konkreten Fall abgewandelt werden können, um sich flexibel den Bedürfnissen der konkreten Entscheidungssituation anzupassen. Das System ist so ausgelegt, daß allen N^aterialien und Stoffen ein ELU-Index zugeordnet werden kann, um die Informationen einfacher und leichter zur Hand zu haben. 2b)-ISS-Strukturelemente- Die Nutzung von Kalkulationsprogrammen ist notwendig, um die dreifache quantitative Zuordnung von Einwirkungen zu Auswirkungen und diese wiederum zu den Schutzbereichen vorzunehmen, sowie Signifkanztests und Sensitivitätsanalysen zur Absicherung der Entscheidung rechnen zu können549. 2c)-lnformationsprozesseDas Rechensystem geht von Stoff- und Energiebilanzen aus, denen zusätzliche Hilfsgrößen zugeordnet werden, um beispielsweise die Einwirkungen auf ästhetische Werte mit erfassen zu können. Die Umweltrechnungsmethodik trennt zwischen Auswirkungsanalyse anhand von Größen zur quantitativen Bestimmung der ökologischen Auswirkungen und der Bewertung der ökologischen Problembeiträge bezogen auf monetär bewertete Ziele. Die Analyse der Auswirkung: Die Einwirkungen werden den durch sie verursachten Auswirkungen in den Ökosystemen zugeordnet wie beispielsweise Treibhauseffekt und Sterblichkeit von Menschen und quantitativ analog der auswirkungsorientierten Methode bestimmt. Da das System von den Schutzgütern aus definiert wird, ist die Liste der Auswirkungen offen, d.h. den Schutzgütern können neue, sie beeinträchtigende Auswirkungen zugeordnet werden. Nicht alle der Auswirkungen sind bisher quantitativ operationalisiert worden. Für die Zuordnung der Auswirkungen zu den Schutzgütern berücksichtigt der Ansatz zudem noch Zeithorizont, Ausdehnung und Häufigkeit. Bewertung der ökologischen Problembeiträge: Jede dieser Auswirkungen wird jetzt monetär bewertet, je nachdem, auf welche Schutzgüter sie zu beziehen ist. Die monetäre Bewertung mit potentiellen Preisen „willingness to pay" wird spezifisch in eine Bewertungsformel für jedes Schutzgut umgesetzt550: •
Biologische Vielfalt - Gesellschaftliche Kosten zum Schutz der biologischen Vielfalt; • Menschliche Gesundheit - Gesellschaftliche Kosten, um die Todesfälle durch Risiken zu reduzieren und die Zahlungsbereitschaft um Krankheiten, Leiden und Irritationen zu vermeiden; • Produktionskapazität der Ökosysteme - OECD-Marktpreise für landwirtschaftliche Güter; • Ressourcen - Kosten für andere Schutzgüter, die zum Ersatz der Ressource herangezogen werden könnten und 549 550
Vgl. Steen 1994, S. 131 Vgl. Steen 1994, S. 130
172 •
3. Abschnitt
Ästhetische Werte - Zahlungsbereitschaft.
Operationalisieren wollen die Autoren das Konzept, indem jedem Stoff und jeglicher Energie je ein Index zugeordnet wird, der mit der entsprechenden Menge multipliziert werden kann, um zu dem ELU-Wert zu kommen. Um die Fehler durch die Abschätzungen im Konzept zu reduzieren, empfiehlt das Konzept eine systematische Fehler- und Sensitivitätsanalyse, indem alle Werte über eine Normalverteilung variiert werden, um die Sensitivität des Ergebnisses auf die Änderung einzelner Faktoren zu überprüfen und die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, in wieviel Prozent aller möglichen Fälle, bei Ausnutzung aller möglichen Fehlerbreiten, die eine Handlungsaltemative tatsächlich besser als die andere ist551 . 2d)-modellhafie Abbildung- Das EPS-Konzept geht von politisch beeinflußten Schutzgütern Gesundheit des Menschen, Biodiversität, landwirtschaftliche Produktion, Ressourcenbeanspruchung und ästhetischen Werten als den fünf zu schützenden Umweltbereichen aus, die die Bewertung der ökologischen Problembeiträge als Einfluß auf die Schutzgüter erlauben sollen. Für die Auswirkungen operiert der Ansatz mit einer ähnlichen Liste von Auswirkungen bzw. Problemfeldem wie dem CML-Konzept. 3)-explizite Voraussetzungen- Die Bestimmung der Schutzgüter und ihre monetäre Bewertung verlangen einen Konsens im Umfeld der Unternehmung, um zu akzeptierter Bewertung der Bedeutung der Problembeiträge zu gelangen. 1)-Kurzbeschreibungenergieflußorientierte Bewertungsverfahren Energieflußorientierte Betrachtungen auf Basis der Stoff- und Energiebilanzen sind ein Verfahren zur Prozeßoptimierung in Chemieanlagen oder bei der Effizienzanalyse in Energieversorgungssystemen 552 . Die energieorientierten Verfahren basieren auf dem ersten und zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: 1) Die Menge der Energie eines geschlossenen Systems ist konstant 2) Die Entropie eines abgeschlossenen Systems strebt dem Maximum zu. Entropie als Maß für die Unordnung im System beschreibt die Menge an stofflich gebundener Energie. Stofflich gebundene Energie drückt sich aus in Wärme und in Dispersion der Stoffe und Atome 553 . Die Entwicklung der irdischen Ökosysteme bzw. der Ökosphäre als ihrer Gesamtheit läßt sich zurückführen auf ein permanentes Fließgleichgewicht aus eingestrahlter Energie niedriger Entropie und abgestrahlter Wärme als Energie hoher Entropie. Das menschliche Wirtschaftssystem ist in das Rießgleichgewicht eingebunden, indem es Stoffe und Energieträger niedriger Entropie aus der Ökosphäre entnimmt und Stoffe hoher Entropie wieder 551 Vgl. Steen 1994, S. 132 f. 552 Vgl. Jetter 1977 553 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 93 ff.
Ökologieorientierte ISS
173
abgibt554. Da Stoffe und Energieträger niedriger Entropie zunehmend knapper werden und sich umgekehrt Entropieerhöhung im System Erde durch abgegebene Stoffe und Abfälle negativ bemerkbar macht, liegt es nahe, ein Maß für die Entropieerzeugung als ökologieorientierte Information zu nutzen555. 2a)-ISS-Funktion- Energieorientierte Konzepte werden vorgeschlagen für die Projektbewertung bei Projekten zur Gewinnung von Energieträgern oder Umwandlung von Energieträgern zu Strom oder Heizwärme, aber auch für den Vergleich von Verpackungssystemen und Autos über ihren Produktlebenszyklus. 2b)-ISS-Strukturelemente- Nicht definiert, da bezogen auf die Modellannahmen eine eindeutige und objektive Bestimmung der Effekte und ihre Quantifizierung möglich ist. 2c)-Informationsprozesse- Basis der Bestimmung der Entropieerzeugung ist die Stoff- und Energiebilanz der betrachteten Unternehmensaktivität. Die Wirkungsanalyse und Bilanzbewertung erfolgt in einem Schritt, da alle Effekte auf die Entropieerzeugung zurückgeführt werden können. Für die Bilanzierung der Entropie vor und nach der Aktivität können verschiedene Größen bestimmt werden. Als praktikabel haben sich der Brutto-Energiebedarf, der Netto-Energiebedarf und der Prozeßenergiebedarf erwiesen556. SPRENG definiert den Netto-Energiebedarf als Maß für die Umweltbelastung verursachenden Aktivitäten. Der Netto-Energiebedarf entspricht der Abwärme, also dem Brutto-Energiebedarf aus Prozeßenergie und der Energie in den Einsatzstoffen, abzüglich der Energie, die in dem Produkt enthalten ist557. 2d)-modellhafte Abbildung- Das Modell beschreibt die Einwirkungen aller Aktivitäten und ihre quantitativen und qualitativen Auswirkungen auf die Ökosphäre, indirekt als Zunahme der Entropie im System, direkt durch den Energiebedarf. 3)-explizite Voraussetzungen- Keine notwendig, da aufgrund der Anlehnung an die Gesetze der Thermodynamik eine vollständige naturwissenschaftliche Fundierung des Ansatzes möglich ist. 1 )-Kurzbeschreibung- schadensfunktionsorientierte Konzepte: Schadensfunktionsorientierte Bewertungsverfahren für ökologieorientierte ISS gründen die ökologieorientierte Bewertung von Unternehmensaktivitäten auf der Bewertung der Wirkung der dadurch emittierten Stoffe auf Orga-
554 Zur ökologischen naturwissenschaftlichen Fundierung des Ansatzes vgl. Odum 1991, S. 81 ff. und 206 ff. Für die ökonomische Rezeption und die Kritik daran vgl. Martinez-Alier 1988, S. 2 ff. und Beckenbach 1988, S. 34 ff. 555 Vgl. Spreng 1989, S. 45 f. 556 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 96 ff. 557 Vgl. Spreng 1989, S. 46 ff.
174
3. Abschnitt
nismen und Ökosysteme558. Die gesellschaftliche Zielsetzung der Ansätze geht dahin, angesichts von über 100.000 genutzten Stoffen und Verbindungen, die toxischsten durch die Bewertungsverfahren zu identifizieren und für diese die Nutzung mit höchster Priorität einzuschränken. Die Konzepte intendieren außerdem eine ex-ante-Analyse von Stoffen, um problematische Stoffe direkt von der Verwendung auszuschließen. 2a)-ISS-Funktion- Die Ansätze sind hinsichtlich der Verwendung in der Unternehmung nicht ausgeführt. Ihre intendierte Funktion liegt darin, Stoffe als kritisch oder zu vermeiden zu kennzeichnen. Die weitergehenden Verfahren erlauben es, aggregierbare quantifizierbare Bewertungsfaktoren für Stoffe auf Basis eines Modells zu entwickeln, welches die verschieden Informationen quantitativ verknüpft, und so über die Bewertung der Emissionen je Aktivität oder Produkt zu Aussagen über die ökologischen Problembeiträge zu kommen. 2b)-ISS-Strukturelemente- Nicht definiert, da eine objektive Bestimmung der ökologischen Problembeiträge intendiert wird. 2c)-Informationsprozesse- Alle schadensfunktionsorientierten Bewertungsansätze benötigen eine Stoffflußanalyse der betrachteten Unternehmensaktivitäten, mit Schwerpunkt auf den freiwerdenden Substanzen. Die Wirkungsanalyse benutzt die verschiedenen naturwissenschaftlichen und ökotoxikologischen Informationen, die Aussagen über Umweltverhalten zulassen, zur Bewertung eines Stoffes. Die benötigten Informationen kommen aus den Bereichen des medienspezifischen Umweltschutzes, des Arbeitsschutzes, der Medizin und als Informationen über physikalische Eigenschaften, über Grenzwerte und über Ergebnisse von biologischen und ökologischen Standardtests559. In die Ansätze einzubeziehende Informationen sind • physikalische Informationen, die Aussagen über die Stabilität der Substanz in der Ökosphäre, über die Verbreitung freigesetzter Stoffe in den Umweltmedien und über die Anreicherung in Lebewesen erlauben, • Informationen aus Tests über die Abbaubarkeit in Ökosystemen, über die Metaboliten und ihre Folgen, über die Toxizität in Lebewesengruppen, die als Indikatoren benutzt werden können, und Wirkungen in experimentellen Ökosystemen sowie humantoxikologische Befunde über mutagene, krebserzeugende, teratogene und andere Eigenschaften, • und Informationen über die Rolle der Stoffe bei bestimmten ökologischen Problemen wie z.B. dem Abbau der Ozonschicht. Zur Bewertung der ökologischen Problembeiträge verknüpfen die schadensfunktionsorientierten Ansätze verschiedene Informationen, wobei die Verknüpfung der Informationen bereits eine Wertung beinhalten muß, da 558 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 99 ff 559 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 99, Bästlein 1991, S. 192 und Gahrmann et al. 1993, S. 19
Ökologieorientierte ISS
175
nur eine Auswahl vorgenommen werden kann und einigen experimentellen ermittelten Größen eine ordinale Gewichtung zugeordnet werden muß560. Die zusammenfassenden Modelle ermitteln einen stoffspezifischen Bewertungsfaktor wie das Gefährdungspotential oder Tox-Äquivalente im Ansatz von GEBLER. Der Ansatz bestimmt für jeden Stoff einen Ökotoxizitätsfaktor (Txök), der sich aus einem durch die Toxizität, Mutagenität und Kanzerogenität ergebendem Toxizitätsfaktor (Tx) und dem Verhalten der Stoffe in Ökosystemen durch Bioakkumulation, Persistenzverhalten und dem stöchiometrischen Abbauverhalten ergibt. 51 Zudem beinhaltet das BATTELLE-Modell auch die Mengenströme des Stoffes, um das Risikopotential durch Mengenkumulation einbeziehen zu können562. 2d)-modellhafte Abbildung- Schadensfunktionsorientierte Bewertungsverfahren betrachten die ökologischen Probleme aus der Perspektive der Vergiftungsproblematik durch freigesetzte und eingebrachte Stoffe. Die Informationen beziehen sich auf empirische Erkenntnisse über die Wirkungen auf einzelne Organismen und ganze Ökosysteme. 3)-explizite Voraussetzungen- Die Ansätze basieren auf umfangreichen Forschungsaktivitäten, um eine ausreichende Informationsbasis herzustellen, die von der Unternehmung allein nicht geleistet werden können. 1)-Kurzbeschreibung- stoffmengenorientiertes MIPS-Konzept: Das MIPS-Konzept lehnt sich an das Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens an und definiert dies primär über ökologische Effizienz bezogen auf die menschenverursachten Stoffströme56*. Ziel des Konzepts ist es, eine einfache Bestimmungsgröße zu schaffen, die die Einwirkung jeder Tätigkeit an das Ziel einer globalen nachhaltigen Wirtschaftsweise koppelt. Dazu wird unter Einbeziehung der Ansprüche der Entwicklungsländer die Reduzierung der Stoffströme der entwickelten Länder auf 10% des heutigen Umfanges als ein operationalisiertes Ziel für nachhaltige Entwicklung auf der globalen Ebene definiert.564. Das Konzept intendiert mit MIPS ein einfaches, global anzuwendendes und richtungssicheres Maß im Sinne der Vermeidung von ökologischer Fehlsteuerung zu schaffen, um so die Nutzung der Ökosphäre berechen- und bestimmbar zu machen565. SCHMIDTBLEEK empfiehlt, zusätzlich noch die Flächenintensität zu betrachten, um die von den Stoffflüssen unabhängige Knappheit der nutzbaren Fläche einzubeziehen. Zu Bewertungen auf Grundlage des Konzepts liegen verschiedene Veröffentlichungen für einzelne Produkte vor. 2a)-ISS-Funktion- Das MIPS-Konzept fokussiert auf die Bewertung von Produkten oder Leistungen von Unternehmen über den gesamten Pro560 561 562 563 564 565
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Schaltegger/Sturm 1992, S. 100 ff. Gebler 1990, S. 48 ff, Batteile Hrsg. 1978 Schmidt-Bleek 1993, S. 102 ff. Schmidt-Bleek 1993, S. 167 ff. Schmidt-Bleek 1993, S. 100 f.
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3. Abschnitt
duktlebenszyklus, da dieser der Vergleichsmaßstab für ökologische Effizienz ist: „Das Maß für Umweltbelastungsintensität ist die das ganze Produktleben umspannende Material-Intensität pro Serviceeinheit, also der Materialverbrauch „von der Wiege bis zur Wiege" pro Einheit Dienstleistung oder Funktion - die MIPS." 566. Durch das Setzen des 10%-Ziels ermöglicht das MIPS vergleichende und absolute Bewertung der Nutzung von Ökosphäre durch verschiedene Handlungsalternativen. 2b)-ISS-Strukturelemente- Die Einbeziehung von Anspruchsgruppen wird nicht thematisiert, da wenig Interpretationsspielraum gegeben ist. 2c)-Informationsprozesse- Das MIPS-Konzept setzt auf einer Stoffflußanalyse über den Produktlebenszyklus auf, in die nur die Inputs aller Stoffe und Bestandteile des betrachteten Gutes eingehen. Der Ansatz benutzt den Begriff ökologischer Rucksack, um damit alle Stoffströme zu kennzeichnen, die für die Erzeugung eines Gutes und seiner einzelnen Bestandteile bewegt wurden567. Der Ansatz differenziert aus der Sichtweise des Anwenders zwischen verschiedenen Rohstoffen, Investitionsgütern und langlebigen Infrastrukturgütern, die über ihre Anteile am Endprodukt in MIPS eingehen, und Endprodukten, für die ein MIPS berechnet werden kann. MIPS wird sowohl für langlebige wie kurzlebige Güter auf die Serviceeinheit bezogen, um übergreifende Vergleichbarkeit sicherzustellen568. Eine getrennte Auswirkungsanalyse und Bewertung der ökologischen Problembeiträge ist für das MIPS-Konzept innerhalb der globalen Bezugsebene nicht notwendig. Das Konzept konzediert die Notwendigkeit von flankierenden Instrumenten zur spezifischen Bestimmung der Stoffwirkungen auf Lebewesen und Ökosysteme569. 2d)-modellhafte Abbildung- Alle ökologischen Probleme werden bezogen auf die globale Ökosphäre, auf den problematischen Umfang der menschenverursachten Ströme relativ zu den geogenen Stoffströmen als zentraler Einwirkung zurückgeführt570. 3)-explizite Voraussetzungen- Keine Voraussetzungen, da die Bewertung direkt aus dem Umfang der Stoffströme abgeleitet wird. Aus den Konzepten zur entscheidungsorientierten Bewertung von Handlungsalternativen über den Produktlebenszyklus kann im vierten Schritt eine Reihe von Gestaltungselementen identifiziert werden, die für jedes Konzept den Ebenen der ökologieorientierten Information zugeordnet werden können (siehe Abbildung 3. 24). Dabei wird deutlich, daß die meisten Konzepte instrumenteil nicht zwischen Analyse der Auswirkungen und Bewertung unterscheiden, sondern vielmehr die Stoff- und Ener-
566 567 568 569 570
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Schmidt-Bleek Schmidt-Bleek Schmidt-Bleek Schmidt-Bleek Schmidt-Bleek
1993, 1993, 1993, 1993, 1993,
S. 108 S. 122 ff. 106 f. S. 120 ff. S. 37. und 130 ff. und Schmidt-Bleek 1992, S. 5 f.
Ökologieorientierte ISS
177
gieflüsse als Grandlage für die kombinierte Analyse und Bewertung benutzen. Abbildung 3.24:
Gestaltungselemente der produktlebens-zyklus-orientierten Bewertungskonzepte
GESTALTUNGSELEMENTE DER PRODUKTLEBENSZYKLUS ORIENTIERTEN BEWERTUNGSKONZEPTE Konzept BUWAL
Suter/ Hofstetter
Substanzbilanz
Ebene Erfassung der Einwirkungen
CML
EPS
Energien ußorientiert
Scta*«»· orlentlert
Stoffmengenorlentiert
Substanzbilanz
Stoff- und Stoff- und Stoff- und Stoff- und Stoff- und Stoff- und Energiebilanz Energiebilanz Energiebilanz Energebilanz Enercpebilanz Energebilanz Energebilanz
Analyse der Auswirkungen
Bevrerting ökologischer Problembeiträge
GrenzwBrtorientierte Bewert ing (kritische Volunina)
Entropie (Nettoeenergiebedarf)
Ausvwri cungsorientierte Bewertuig (Effectscore)
Aus» rkuigsorientierte Bewertung (Effectscore)
Verständigungs-
Monetäre Bewertuig (ELU)
Materialintensität (MIPS) Toxizität (ToxFaktor)
Grenzwertorientierte Bewerljig (Analoge m 2 Boden)
Quelle, &gaw Darstellung
Die Analyse der Gestaltungselemente innerhalb der Konzepte zeigt die Stoff- und Energiebilanzen als wichtigste Grundlage für die Erfassung der Einwirkungen. Für die Analyse der Auswirkungen und die Bewertung der ökologischen Problembeiträge ergeben sich aus den Konzepten konkurrierende Gestaltungselemente. Die Gestaltungselemente sind dabei hinsichtlich der Bewertungsmodelle von unterschiedlicher Komplexität. Einfache Bewertungsmodelle verwenden direkt die Stoff- oder Energieströme als Bewertungsgrundlage. Komplexere Verfahren stützen sich auf Grenzwerte als den Ausdruck für ökologische und gesellschaftliche Problembewertung. Zwei Konzepte versuchen den ökologisch-naturwissenschaftlichen vom gesellschaftlichen Bewertungsschritt zu trennen, indem zuerst quantitative Modelle je Auswirkung benutzt werden, um deren relative Bedeutung dann im gesellschaftlichen Diskurs zu bestimmen. Zusammenfassend können die folgenden Gestaltungselemente innerhalb der Konzepte identifiziert werden: • Stoff- und Energiebilanzen bilden bei allen Konzepten die Grundlage für die Erfassung der wichtigsten fortlaufenden Einwirkungen auf die Ökosphäre.
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•
•
•
•
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•
•
3. Abschnitt
Substanzbilanzen werden nur partiell im auswirkungsorientierten Bewertungsansatz und im EPS-Konzept mit erfaßt, um Auswirkungen, die die Nutzung von Rächen betreffen, zu identifizieren. Die energieorientierte Bewertung benutzt die Analyse des spezifischen Energieverbrauches bzw. den Umfang der Energieflüsse fiir die Bewertung ökologischer Problembeiträge. Die stoffmengenorientierte Bewertung definiert als Bewertungsmaßstab die Stoffmenge, die im Produktlebenszyklus je Funktionseinheit bewegt wird. Das Gestaltungselement der schadensfimktionsorientierten Bewertung gewinnt aus den Informationen über Auswirkungen direkt Gewichtungsfaktoren. Die Methode der kritischen Volumina und die Analogienmethode kennzeichnen zusätzliche Formen der grenzwertorientierten Bewertung, bei denen vergleichbar zum Konzept von SCHALTEGGER/STURM durch das Verhältnis der Grenzwerte zueinander die Bewertung der Problembeiträge von Einwirkungen möglich werden soll. Die auswirkungorientierte Bewertungsmethode des CML operiert mit einem festen Katalog von kritischen Auswirkungen in ökologischen Systemen, für die mittels quantitativer Modelle die Analyse von Einwirkungen der Unternehmung möglich wird. Die Bewertung eines ökologischen Problembeitrags durch die relative Bewertung der Auswirkungen bleibt gesellschaftlichen Konsensprozessen überlassen. Die EPS-Methode verwendet, aufbauend auf einer Analyse der ökologischen Auswirkungen anhand eines Katalogs vergleichbar dem auswirkungsorientierten Verfahren, die Bedeutung dieser Auswirkungen für definierte monetär bewertete Schutzziele, um zu einem monetär ausgedrückten ökologischen Problembeitrag zu kommen. Die vergleichende monetäre Bewertung zweier Handlungsalternativen soll in ihrer Aussagekraft durch Sensitivitätsanalysen und Signifikanztest abgesichert werden.
3.4.2.3.3 Instrumente zur mehrdimensionalen Bewertung von Handlungsalternativen Wir kennzeichnen Instrumente als mehrdimensional, wenn die Bewertung der Handlungsalternativen nicht nur unter ökologischen Aspekten, sondern auch unter Nutzenaspekten sowie volkswirtschaftlichen und sozialen Aspekten geschehen soll. Da es sich um prognostische Instrumente (exante-Orientierung) handelt, können sie als ökologieorientierte ISS zur Bewertung von Handlungsalternativen und zur Entscheidungsunterstützung in der Unternehmung (diskontinuierlich) benutzt werden5 . Die Konzepte 571 Vgl. Hopfenbeck 1991 S. 512 ff.,
Ökologieorientierte ISS
179
müssen von der Informationen über Einwirkungen und über die Analyse der Auswirkungen zu der Bewertung der ökologischen Problembeiträge kommen und diese ökologieorientierten Ergebnisse mit der Bewertung von Zielbeiträgen zu parallelen Zielen kombinieren, um zu planungs- und entscheidungsrelevanten Informationen zu gelangen. Aufgrund der komplexen mehrdimensionalen Bewertungs- und Abgrenzungsprozesse, die der Bewertung der Handlungsalternativen zugrunde liegen, gehen die Konzepte mit Ausnahme der Nutzwertanalyse davon aus, daß kein eindeutig optimales Ergebnis beschreibbar ist; vielmehr geht es um Aufzeigen des Ergebnisraums und der Zielbeiträge, zwischen denen Kompromisse notwendig werden. Dementsprechend verstehen sich die Konzepte als instrumenteile Unterstützung von Konsensprozessen und beschreiben deshalb die einzubeziehenden Anspruchsgruppen als notwendigen Teil der Informationsprozesse, bzw. als Strukturelemente der ökologieorientierten ISS. Die in der Gruppe der Instrumente zur mehrdimensionalen Bewertung von Handlungsalternativen zusammengefaßten Konzepte: das EOA-Veifahren572 auf Basis der auswirkungsorientierten Bewertungsmethode, • das auf der Nutzwertanalyse aufbauende Verfahren von KREIKE•
BAUM/TÜRCK,
• •
die Umweltverträglichkeitsprüfung die Produktlinienanalyse (PLA)
(UVP) und
haben gemeinsam, daß sie nicht nur für den Einsatz durch Unternehmen entwickelt worden sind, sondern für die Bewertung von Investitionsvorhaben, Technologien und Produkten durch unternehmensexterne Anspruchsgruppen und die öffentliche Verwaltung573. lÖlEIKEBAUM/TÜRCK verwenden die Nutzwertanalyse, um Produkte unter ökologischen und ökonomischen Aspekten zu bewerten. Die Informationen werden über einen mehrstufigen Bewertungsprozeß zu einem Endwert verdichtet. Für die produktbezogene Nutzwertanalyse werden die einbezogenen Anspruchsgruppen als ein übergeordnetes Gutachtergremium beschrieben. Die Methode des „Environmental Option Assessment" wurde in den Niederlanden entwickelt und baut auf der auswirkungsorientierten Bewertung des CML auf, dem eine volkswirtschaftliche Betrachtung der Auswirkungen der Handlungsalternativen gegenübergestellt wird. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein durch die staatliche Umweltpolitik zuerst in den USA, dann in Europa und Deutschland initiiertes Instrument, um die prognostische Analyse der Auswirkungen in der 572 573
Vgl. Winsemius/Hahn 1992, S. 249 ff Vgl. Sauer 1993,, S. 122 ff. Als pluralistische Instrumente werden von FREIMANN diejenigen Konzepte gekennzeichnet, die spezifisch die Interessen und die Nutzung durch unternehmensexterne Anwendergruppen berücksichtigen; vgl. Freimann 1989, S. 33 ff.
180
3. Abschnitt
Ökosphäre von größeren Investitionsentscheidungen und Bauvorhaben unter Einbeziehung externer Anspruchsgruppen sicherzustellen574. Ziel der UVP ist ein möglichst umfassender Ansatz, um alle umweltbezogenen Planungen und Informationen über Auswirkungen integrativ zu bewerten und alle Ziele abwägende Entscheidungen treffen zu können. Das Konzept der Produktlinienanalyse wurde von externen Anspruchsgruppen entwickelt, um bestehende Produkte über ihren ökologischen Produktlebenszyklus zu bewerten und dabei möglichst offen vorzugehen. Die ebenfalls unter diese Instrumente zu gruppierende Technologiefolgenabschätzung575 werden wir im dritten Schritt als eigenständiges Konzept nicht weiter verfolgen, da die Ausgestaltung des Instruments als offen definierte sehr variable Prozeßbeschreibung als solche zur Analyse der Informationsprozesse in ökologieorientierten ISS nicht genug beitragen kann. 1)-Kurzbeschreibung- produktbezogene Nutzwertanalyse: Nutzwertanalysen sind von verschiedenen Autoren für die Aggregation der verschiedenen ökologischen Problembeiträge vorgeschlagen worden576. Das Konzept beruht darauf, die ökologischen Problembeiträge eines Produktes über den ökologischen Produktlebenszyklus und andere ökologisch relevante Eigenschaften mit einer Nutzwertanalyse577 zu bewerten, um so Informationen für die Produktentwicklung zu generieren und eine Basis für vergleichende Produkttests und für ökologieorientierte Steuern zur Internalisierung externer Kosten zu bekommen 8. 2a)-ISS-Funktion- Die Struktur des ökologieorientierten ISS ist eine Matrix mit den umweltrelevanten Produkteigenschaften und den Phasen des PLZ. Die ökologieorientierte Bewertung je Phase und übergreifend
574 575 576 577
578
Vgl. Storm/Bunge Hrsg. 1988, S. 111, Klich 1993, S . l l l Vgl. Stahlmann 1994, S. 252, Bästlein 1991, S. 168, Günther/Wagner, B. 1993 S . 1 5 1 Vgl. Hofstetter 1991, S. 17 f. Die Nutzwertanalyse ist ein Verfahren, welches die Bewertung von Handlungsoptionen in bezug zu multidimensionalen Zielsystemen ermöglicht, um eine Gesamtoptimierung sicherzustellen; vgl. Ringeisen 1988, S. 515. Die Nutzwertanalyse besitzt zwei grundlegende Schritte, 1) das Gesamtziel wird in seine Teilziele aufgespalten und die Teilziele bezüglich ihres Beitrage zum Gesamtziel bewertet; und 2) die Handlungsalternativen werden bezüglich der Erfüllung der Teilziele bewertet und so die Möglichkeit geschaffen, die Handlungsalternativen in bezug auf ein komplexes Gesamtziel zu bewerten; vgl. Zangemeister 1973, S. 59 ff. Als Vorteil der Methode gilt die Möglichkeit, komplexe Bewertungen vornehmen zu können und dabei die Prämissen transparent zu machen; Zangemeister 1973, S. 57 ff. Diesen Möglichkeiten entsprechend kann die Nutzwertanalyse für ökologieorientierte Bewertungen genutzt werden; vgl. Ringeisen 1988, S. 533. Und es besteht die Möglichkeit, zusätzlich technische, wirtschaftliche und soziale Kriterien mit einzubeziehen; vgl. Pölzl 1992, S. 137. Vgl. Kreikebaum/Türck 1993, S. 119 ff
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mittels Nutzwertanalyse soll die Basis für produkt- und sortimentspolitische Entscheidungen über Eliminierung, Variation und Innovation bilden 579 . 2b)-ISS-StrukturelementeDas Konzept definiert für die Anwendung außerhalb der Unternehmung ein unabhängiges Expertengremium zur Vorgabe der Faktoren, da viele Entscheidungen nicht eindeutig definierbar sind. 2c)-Informationsprozesse- Als Basis für die Erfassung der fortlaufenden Einwirkungen wird eine Stoff- und Energiebilanz vorgeschlagen. Die Auswirkungsanalyse und Bewertung erfolgt in einem Schritt anhand einer Matrix, die für die Stufen des Produktlebenszyklus Rohstoffe, Energie, Umweltmedien Luft und Wasser sowie Boden, Lärm, Recyclingeigenschaften, Lebensdauer, Verpackung und andere Kriterien als die verschiedenen Bewertungskategorien bzw. bewertbaren Produkteigenschaften definiert 580 . Das Konzept schlägt vor, jedes der Kriterien mit einer fünfstufigen ordinalen Bewertung für die verschiedenen Erfüllungsgrade der Bewertungskategorien zu operationalisieren und dann über eine relative Bewertung der Teilziele mittels Scoringverfahren zu einer Gesamtbewertung des Produktes zu kommen. Die genaue Ausdifferenzierung der Nutzwertanalyse und die Vergabe der Scoringwerte je Kriterium muß spezifisch für die Produktgruppen erfolgen. 2d)-modellhafte Abbildung- Der Ansatz läßt keine spezifische modellhafte Abbildung der ökologischen Probleme erkennen. 3)-explizite Voraussetzungen- Die Nutzung der Bewertungsmatrix und Nutzwertanalyse zur Vergabe von produktgruppenspezifischen „Umweltpunkten" , oder als Bemessungsgrundlage für die Steuerung die Umweltpolitik durch finanzielle oder informatorische Instrumente, muß auf Einigungsprozessen über Inhalte und Bewertungen im Unternehmensumfeld basieren. 1 )-Kurzbeschreibung„ökologieorientierte Bewertung von Handlungsalternativen" EOA-Konzep: Das Konzept zielt auf die Bewertung von Handlungsoptionen für den Produktlebenszyklus unter Einbeziehung ökologischer und ökonomischer Kriterien. Die Gesamtmethodik fokussiert darauf, Handlungsoptionen für als kritisch empfundene Stoffe und Produkte zu entwickeln, indem zuerst die wesentlichen Produktlebenszyklen identifiziert und gestützt auf die primären Steuerungsmöglichkeiten Handlungsalternativen entwickelt und dann unter ökologischen und ökonomischen Kriterien bewertet werden, um die beste der möglichen Handlungsalternativen zu identifizieren 581 . Die Funktion des Konzepts besteht darin, für kritische Entscheidungsprozesse zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen über Handlungsalternativen zu einer bei aller Unsicherheit 579 Vgl. Kreikebaum/Türck 1993, S. 129. 580 Vgl. Kreikebaum/Türck 1993, S. 126 581 Vgl. Winsemius/Hahn 1992, S. 252 ff.
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3. Abschnitt
der Informationen möglichst objektiven Informations- und Entscheidungsbasis für den gesellschaftlichen Diskurs und Einigungsprozesse zu kommen. Für die Entwicklung dieser Entscheidungsbasis nutzt das Konzept für ökologische Bewertung die auswirkungsorientierte Bewertung des CML, die die Auswirkungen der Unternehmensaktivität für 18 Problemfelder beschreibt. Die Methodik wurde in einem Modellprojekt des VNCI angewandt582. 2a)-ISS-Funktion- Das EOA-Konzept bewertet neben den ökologischen Problembeiträgen auch die ökonomischen Auswirkungen der Handlungsalternativen, um für die Handlungsalternativen, bei denen eine sinkende Umweltbelastung mit steigenden ökonomischen Auswirkungen verknüpft ist, die effizienteste Handlungsalternative zur Reduzierung von ökologischen Problembeiträgen relativ zum Status Quo identifizieren zu können583. Die Bestimmung der ökonomischen Auswirkungen betrachtet die in den Produktlebenszyklus z.B. als Anwender, Produzenten und indirekt Betroffene involvierten gesellschaftlichen Gruppen als Ganzes, um die positiven und negativen Wirkungen integrativ für alle beteiligten Anspruchsgruppen, nicht nur für die Unternehmung, abschätzen zu können. 2b)-ISS-Strukturelemente- Das Konzept sieht die Einbeziehung aller von den Handlungsoptionen betroffenen Anspruchsgruppen an den Bewertungen voraus, da auch qualitative Informationen und die gesamtheitliche Bewertung der ökologischen Auswertungen notwendig sind. 2c)-Informationsprozesse- Die Informationsprozesse für die ökologieorientierte Bewertung entsprechen denen der auswirkungsorientierten Bewertungsmethodik. Die ökonomische Bewertung versucht, die Veränderung der Kosten und Erlöse von allen Anspruchsgruppen im Produktlebenszyklus zu erfassen und dies zu einem nettoökonomischen Effekt der Handlungsalternativen zusammenzufassen. Zusätzlich bewertet das Konzept die ökonomischen Langzeiteffekte und die sozialen Effekte der Handlungsalternativen qualitativ. 2d)-modellhafte Abbildung- Entspricht dem auswirkungsorientierten Bewertungsmodell des CML. 3)-explizite Voraussetzungen- Der Ansatz benötigt aufgrund der Beziehung zu geographischen Räumen eine umfangreiche Informationsbasis, um den relativen Problembeitrag der Unternehmung zu bestimmen. 1 )-Kurzbeschreibung- Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Die Zusammenfassung der Betrachtung der Wirkungen auf die einzelnen Umweltsektoren sollte zu einer besseren Abschätzung der lokalen ökologischen Auswirkungen des Bauvorhabens führen584. Die UVP stellt ein durch die Anwender, die Anwendungssituationen und den Prozeß definiertes Metainstrument im Sinne eines übergeordneten Instruments dar, 582 Vgl. VNCI Hrsg. 1991, S. 1-6 ff. 583 Vgl. Winsemius/Hahn 1992, S. 255 ff. 584 Vgl. Kuhlmann, A. 1990, S. 173
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welches spezifische Informationsinstrumente integrieren kann und muß585. Das Verfahren folgt einem mehrstufigen Prozeß, in dem an bestimmten Punkten der Entscheidungsfindung die Öffentlichkeit beteiligt werden muß586. Aufgrund des UVP-Gesetzes (UVPG) ist die UVP-Durchführung bei Bauvorhaben einer gewissen Größe und Umweltrelevanz Pflicht. 2a)-ISS-Funktion- Das Instrument wird aufgrund seines umfassenden Charakters, der Möglichkeit zu Zielintegration und ex-ante-Orientierung auch für den Einsatz durch Unternehmen empfohlen587. UVP als Instrument hat einen Bezug zur integrierenden Analyse und Bewertung von lokalen dauerhaften Einwirkungen auf die Ökosphäre durch Bauten und ähnliches. Deswegen wird die UVP als mögliche Ergänzung des ökologischen Controlling im Sinne einer Substanzbetrachtung diskutiert588. Die UVP ist bezüglich der Informationsinhalte nur teilweise definiert, um sie dem spezifischen Informationsbedarf der einzelnen Vorhaben und Projekte anpassen und sie entsprechend der Art der betroffenen Ökosysteme und dem Interesse der Anspruchsgruppen situativ variieren zu können589. 2b)-ISS-Strukturelemente- Das Instrument UVP soll eine angemessene Beteiligung der Öffentlichkeit am Planungsablauf sicherstellen, die durch das Einbringen von Informationen und Werten als Strukturelement der UVP gelten muß590. 2c)-Informationsprozesse- Die Untersuchung der Umweltauswirkungen innerhalb der UVP besteht im Standardablauf, wie ihn BUNGE definiert, aus fünf Phasen591: 1) Bestandsaufnahme: Beinhaltet die Erfassung der fortlaufenden und dauerhaften Einwirkungen auf die Ökosysteme während des ganzen Lebenszyklus des geplanten Projektes und der Alternativen. Der Schwerpunkt der erfaßten Einwirkungen liegt auf Emissionen, Abfällen, Flächenverbrauch und Lärm. Gleichzeitig soll die möglicherweise betroffenen Umwelt- und Ökosysteme bzw. ihre einzelnen beeinträchtigten Komponenten erfaßt werden 2) Die Prognosephase versucht die kurz- und langfristige Prognose aller Auswirkungen auf die Ökosysteme bzw. auf Schutzgüter durch die Handlungsalternativen und die Entwicklung ohne Eingriffe. Es werden, nach der Definition und Festlegung der Ziele und Schutzgüter, die Auswirkungen auf: • Menschen, Tiere und Pflanzen sowie die Belastungen der Umweltmedien 585 586 587 588 589 590 591
Vgl. Hofmeister 1989, S. 24 ff Vgl. Bunge 1988, S. 10 ff. Vgl. Klich 1993, S. 106, und Günther/Wagner, B. 1993, S. 150 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 88 f. Vgl. Binswanger et al. 1983, S. 236 ff. Vgl. Bunge 1988, S. 14 Vgl. Bunge 1988, S. 8
184
3. Abschnitt •
Boden, Wasser, Luft und Klima und Landschaft und auch Auswirkungen auf • Kultur- und sonstige Sachgüter untersucht. 3) Die Bewertungsphase versucht, die Auswirkungen durch die Alternativen auf die Ökosysteme vergleichend zu bewerten. Die anschließende vergleichende Bewertung der Umweltauswirkungen kann mit einer Matrix realisiert werden, in der die Auswirkung der verschiedenen Einwirkungen auf die Schutzgüter mit einem Scoringverfahren von 0-3 bewertet und mit der Methodik der Nutzwertanalyse zu einem Ergebnis komprimiert wird592. Die Entwicklung geht dahin, die zusammenfassende Bewertung nur noch qualitativ-verbal-argumentativ zu gestalten. 4) Oberprüfung der Handlungsalternative auf mögliche Verbesserung bezüglich der Umweltauswirkungen. 5) Auswahl der günstigsten Alternative. Die Ergebnisse insbesondere der Bewertung werden von den beteiligten Behörden und Betroffenen noch einmal überprüft, um zu einer selbständigen Beurteilung kommen zu können593. 2d)-modellhafte Abbildung- Die UVP basiert auf einer umfassenden Definition der lokalen Ökosysteme und ihrer menschlichen Nutzung als Schutzgütern, deren Beeinträchtigung gegen den Nutzen des Bauvohabens abzuwägen ist. 3)-explizite Voraussetzungen- Die Durchführung der UVP ist von der Beteiligung aller betroffenen Gruppen abhängig. 1)-Kurzbeschreibung- Produktlinienanalyse (PLA): Die PLA geht auf eine Projektgruppe des Öko-Instituts zurück. Die PLA wurde unter dem Aspekt entwickelt, ein Instrument zur umfassenden ökonomischen, ökologischen und sozialen Bewertung von Produkten über den ökologischen Produktlebenszyklus zu benötigen, welches die Informationsvielfalt und Bewertungsdimensionen verschiedener Anspruchsgruppen möglichst transparent macht594. Ziel des Instruments ist der zukunftsbezogene Variantenvergleich für die Befriedigung von definierten Bedürfnissen, um neue Handlungsalternativen entwickeln und bewerten zu können. 2a)-ISS-Funktion- Die PLA ist nicht primär für den Einsatz durch und in Unternehmen entwickelt worden595. Sie wird aber für den Einsatz durch Unternehmen befürwortet, denn unter veränderten Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen der Interaktion von Unternehmen mit ihrem Umfeld bietet gerade die PLA die Möglichkeit, Bewertungen und Interessen ver-
592 593 594 595
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kuhlmann 1990, S. 179 Bunge 1988, S. 9 Rubik/Harmsen 1989, S. 41 ff. Rubik/Harmsen 1989, S. 50 ff.
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schiedener Anspruchsgruppen mit dem Instrument aufzuzeigen, gemeinsame Ziele zu konsolidieren und Widersprüche zu thematisieren. 2b)-ISS-Strukturelemente- Die Einbeziehung verschiedener Anspruchsgruppen ist als eine Voraussetzung für aussagefähige Ergebnisse der PLA zu definieren, da die PLA eine offene Methodik ist, deren Bewertungskriterien durch die Anwender ausgestaltet werden können und deren Nutzen gerade im Aufzeigen von Interessenpluralität zu vermuten steht. 2c)-Informationsprozesse- Die Informationsprozesse der PLA sind durch die einzelnen Prozeßschritte definiert und durch die Produktlinienmatrix, die alle zu bewertenden Zielkategorien über alle Produktlebenszyklusphasen als Analyseraster für Bewertungsalternativen abbildet596. Die Methodik der PLA ist definiert durch acht Prozeßschritte: 1) Auswahl des Anwendungsbereiches und Problemaufriß; 2) Betrachtung des Bedürfnisses im individuellen und gesellschaftlichen Kontext; 3) Festlegung der Produktvarianten; 4) Aufstellen der Produktlinienmatrix; 5) Überprüfen der Felder der Produktlinienmatrix; 6) Analyse der Produktvarianten; 7) Auswertung der Ergebnisse; 8) Ableitung der Konsequenzen und des Handlungsbedarfs. Die Trennung in Sachbilanz und Analyse wird nicht eindeutig vorgenommen, da die Matrix sowohl Einwirkungen wie Auswirkungen abbildet und eine Stoff- und Energiebilanz als grundlegender Schritt nicht definiert wird. Die allgemeine Produktlinienmatrix wird an die spezifische Bewertungssituation durch Variieren der vertikalen Produktlebenszyklusachse und der Bewertungskriterien der horizontalen Achse angepaßt597. Die ökologieorientierten Informationen beziehen sich auf die Einwirkungen aus der Stoff- und Energieflußanalyse und ausgewählte Auswirkungen in Ökosystemen. Die Kriterien werden quantitativ oder verbal qualitativ ausgefüllt. Die Methodik sieht dabei eine Fokussierung auf die als wichtig empfundenen Kriterien vor, für die die Unterschiede intensiver zu analysieren sind. Aufgrund der Heterogenität der Kriterien ist eine Bilanzbewertung nur in qualitativer verbaler Form möglich. Das Konzept unterscheidet vertikale Aggregation für ein Kriterium über alle Lebenszyklusphasen und horizontale Aggregation für eine Produktlebenszyklusphase über mehrere Kriterien hinweg. Alle Bewertungen haben qualitativverbal-argumentativen Charakter. 2d)-modellhafie Abbildung- Prinzipiell offen, da alle Wirklichkeitskonstruktionen eingebracht werden können. 596 Vgl. Rubik/Harmsen 1989, S. 46 597 Vgl. Rubik/Harmsen 1989, S. 45
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3. Abschnitt
3)-explizite Voraussetzungen- Aufgrund der Flexibilität und des Prozeßcharakters sind keine Voraussetzungen erkennbar. Zusammenfassend lassen sich in den Instrumenten zur mehrdimensionalen Bewertung im vierten Schritt verschiedene Gestaltungselemente zeigen. Die Instrumente zur mehrdimensionalen Bewertung benutzen dieselben Gestaltungselemente zur Erfassung der Einwirkungen wie die Konzepte des betrieblichen Öko-Controlling. Bei der Analyse und Bewertung der ökologischen Problembeiträge verwenden alle Konzepte Gestaltungselemente, die möglichst viele Probleme erfassen können. Die mitbewerteten Beiträge zu ökonomischen, qualitätsorientierten und sozialen Zielen wurden aus einer übergeordneten gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Pespektive definiert. Im einzelnen lassen die pluralistischen Konzepte folgende Gestaltungselemente erkennen: • Die Stoff- und Energiebilanz wird zur Erfassung der fortlaufenden Einwirkungen verwendet. Auch wenn sie bei der UVP im wesentlichen auf die Outputs bezogen ist und in der PLA nur als grobe Stoff- und Energiebilanz vorgegeben wird, und deshalb nur unvollständig vorhanden sind. • Insbesondere die UVP beinhaltet aufgrund ihres auf eine räumliche Einheit bezogenen Analyseprozesses eine Substanzbilanz, die in die Bewertung der Handlungsalternativen eingebracht wird. • Die Konzepte für UVP und PLA können Informationen verschiedener Quellen und Bezüge in die multifaktorielle Bewertung einbringen, die mit einem Scoring-Modell bei der UVP oder qualitativ-verbal-argumentativ bei der PLA und teilweise auch bei der UVP-Bewertung realisiert wird. Das Gestaltungselement der multifaktoriellen Bewertung auf Grundlage einer Nutzwertanalyse bzw. eines Scoringmodells läßt sich ebenfalls bei KREIKEBAUM/TÜRCK identifizieren, da die Autoren unterschiedliche Informationen über verschiedene Auswirkungstypen mittels ordinaler und kardinaler Einzelbewertung in die Nutzwertanalyse einbringen. • Das EOA-Konzept erarbeitet auf Grundlage der CML-Methodik ein zweidimensionales Bewertungsmodell über den Produktlebenszyklus durch Bewertung der ökonomischen Folgen für die am Produktlebenszyklus beteiligten Anspruchsgruppen und Gegenüberstellung der Ergebnisse aus der ökologischen Bewertung zum Aufzeigen optimaler Kompromißlösungen. • Die Instrumente UVP und PLA beziehen parallele gesellschaftliche Ziele über mehrdimensionale Bewertungsmodelle mit in die Bewertung ein. In den mehrdimensionalen Bewertungsmodellen werden die Handlungsalternativen gegen verschiedene Teilziele bewertet. Die Teilziele können unaggregiert bleiben wie in der PLA oder über Konsensprozesse bewertet und zu einer Bewertungsskala aggregiert werden.
Ökologieorientierte ISS
187
3.4.2.4 Ökologieorientierte Kennzahlensysteme „ Durch ihre quantitative numerische Ausrichtung können Umweltkennzahlen eine wirksame Ergänzung zu qualitativen Analyseinstrumenten der Feinsteuerung bilden und bewähren sich in erster Linie für die grobe bereichsübergreifende Planung, Steuerung und Kontrolle." 598. Kennzahlen kommt eine Funktion bei der Führung und Steuerung der Unternehmung vermittels der Unterstützung von Planung durch Informationsverdichtung, der Kontrolle durch Zeit-, Betriebs-, Soll-Ist-Vergleich sowie bei der Steuerung durch quantitative Ziele gerade in den unteren Hierarchieebenen und Funktionseinheiten zu. Ein Kennzahlensystem muß sich an den Zielen der Unternehmung ausrichten und diese operationalisieren, es kann also auch nur ein Subsystem eines umfangreichen ISS darstellen, wie am Beispiel des IÖW-Konzeptes nach Hallay/Pfriem deutlich wird. Beim alternativen Vorgehen werden alle relevanten Informationen zum angemessenen Umgang mit den ökologischen Problembeiträgen als Kennzahl definiert und das resultierende Kennzahlensystem als ökologieorientiertes ISS eingeführt. Bei Kennzahlen handelt es sich um kardinale quantitative Informationen, die entweder als absolute Zahlen oder als Verhältniszahlen vorliegen599. Kennzahlensysteme bestehen aus mehreren in Form eines Ordnungssystems oder Rechensystems hierarchisch gegliederten Kennzahlen. Die Kennzahlen können nach Hierarchieebenen verdichtet, nach Funktionen gegliedert werden und funktionsübergreifende Leistungsbereiche abbilden . Kennzahlen beziehen sich auf wenige wesentliche Informationen und nehmen so eine Aggregation und Komplexitätsreduktion der tatsächlichen Einwirkungen auf die Ökosphäre durch die Unternehmensaktivitäten vor601. Die Nutzung von Kennzahlensystemen verlangt das Wissen über die Aussagefähigkeit der Kennzahlen bezüglich der Gesamtzusammenhänge zwischen Unternehmensaktivitäten und ökologischen Problemen602. Ökologieorientierte Kennzahlen lassen sich auf alle Aktivitäten innerhalb des Betrachtungsrahmens Unternehmung anwenden und dienen der kontinuierlichen Abbildung der Unternehmensaktivitäten bzw. ihrer Steuerung und Kontrolle. Der Schwerpunkt der zeitlichen Ausrichtung liegt in der ex-post-Abbildung der Sachverhalte. Kennzahlen werden bezogen auf ihr Bezugssystem als intersubjektiv vermittelbar begriffen und deshalb „offen" ohne Angabe von Nutzern oder Teilnehmern definiert. Kennzahlensysteme verdichten und strukturieren mengenorientierte Transaktionsin598 Vgl. Stahlmann 1994, S. 166 599 Vgl. Günther 1994, S. 289 f. 600 Vgl. Stahlmann 1994, S. 166 601 Vgl. Günther 1994, S. 294 602 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S.149 ff.
188
3. Abschnitt
formationen, so daß sie eine Berichts- und Kontrollfunktion bezüglich der Unternehmensaktivitäten erfüllen können. Kennzahlensysteme beziehen externe Nutzer mit ein, denen durch Kennzahlen die Kontrolle über Fortschritte der Unternehmung und über die Umsetzung von Maßnahmen möglich wird. Es lassen sich Kennzahlensysteme für den internen Gebrauch wie das von GÜNTHER und solche wie das IÖW-Konzept nach HALLAY/PFRIEM für die Berichterstattung gegenüber Internen und Externen differenzieren. Der Entwurf eines ökologieorientierten Kennzahlensystems für ein spezifisches Unternehmen kann konzeptionell aus verschiedenen Ursprüngen erfolgen. Kennzahlensysteme dienen der Umsetzungssteuerung und Kontrolle von unternehmensindividuellen Maßnahmenplänen, wie in einigen der vorangegangenen Öko-Controllingansätze gezeigt wurde603. Kennzahlensysteme können aus der Definition eines Zielkonzepts bezüglich der ökologischen Auswirkungen und der zu beeinflussenden Größen entwickelt werden604. Kennzahlensysteme können als Umweltindikatoren konzipiert werden, die die repräsentative Überwachung der Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten in der Ökosphäre erlauben605. Ökologieorientierte Kennzahlensysteme können auf rein monetärer Basis, auf Basis von Stoff- und Energieflüssen, auf Basis von Bestimmungsgrößen für ökologische Probleme, wie in den quantitativen Öko-Controllingkonzepten diskutiert, und auf der Basis von aktivitätsbezogenen Kennzahlen entwickelt werden606. Es lassen sich vier Definitionsbereiche für ökologieorientierte Kennzahlen analysieren: 1) Kennzahlen auf Basis ökologieorientierter Information zu Einwirkungen, Auswirkungen oder Problembeiträgen sowie 2) Beiträge der Unternehmung zur Reduktion der Einwirkungen als Basis für Kennzahlen, 3) Meßgrößen zur Bestimmung des Risikos durch die Unternehmensaktivitäten als Kennzahlen, und 4) Bestimmung der Bedeutung von ökologischen Issues in der Beziehung zwischen Unternehmung und internen und externen Anspruchsgruppen (siehe Abbildung 3. 25).
603 604 605 606
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kunert AG Hrsg. 1993, S. 43, KPMG Peat Marvik Hrsg. 1992, S. 13 Günther 1994, S. 293 ff. Stahlmann 1994, S. 160 Hallay/Pfriem 1992, S. 147 ff.
Ökologieorientierte ISS
Abbildung 3.25:
189
Bezugsfelder für ökologieorientierte Kennzahlen und Beispiele
BEZUGSFELDER VON ÖKOLOGIEORIENTIERTEN KENNZAHLEN UND BEISPIELE
Ökologieorientierte Ziele
>
Risikobezogene Kennzahlen
X /
\
W EinwirkungsbezogeneW. AnspruchsgruppenKennzahlen bezogene Kennzahler
Beispiele • Anzart Unfälle • Anzahl unbeabsichtigte Emissionsvorfälle • % Risiko eines Unfalls • Anzahl kritischer Stoffe
• Stoff-ZEnergebezogene Kennzahlen • Emissionen (Luft, Wasser, Boden) • Toxizität von Abfällen' genutzten Stoffen • Ökologische Indikatoren
•
• Anzahl der Beschwerden • Bußgeldverfahren • Interne und externe Teilnehmer an ökologieorientierten Kampagnen
Handlung»-/Aktivitätsbezogene Kennzahlen • HäheVerviendung Investitionen • AnzaM fikd. Trainings • Aucfts (Anzahl/Ergebnis) • Spezifische Maßnahmen • % rezykliertes Material
Quelle: KPMG Hrsg. 1992, S. 13 verludert und BMWJBA Hrsg. 1995, S. 657 H.
1 )-Kurzbeschreibung- Stoff- und energieflußbezogenes Kennzahlensystem nach HALLAY/PFRIEM (IÖW) : Das Konzept sieht die schrittweise Entwicklung eines ökologischen Kennzahlensystems in der Implementierung des Öko-Controlling vor, mit Wachsen des Wissens des Managements über die Wirkungszusammenhänge. Als ersten Schritt schlagen die Autoren ein stoff- und energiebezogenes Kennzahlensystem auf Basis der Sachbilanzen des Öko-Controlling vor. Umsetzung des Konzepts in der VEM Gießerei und Maschinenbau, Kunert, Lammsbräu und Wolf Geräte wurden publiziert607. 2a)-ISS-Funktion- Der Konzept eines Kennzahlensystems dient der Implementierung und Kontrollfunktion des Öko-Controllings sowie dem Aufbau eines Informationssystems für interne und externe Anspruchsgruppen. Das Kennzahlensystem basiert auf Stoff- und Energiebilanzen 8 . Die Kennzahlen sind deshalb auf die Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten auf Ökosphäre und Ökosysteme bezogen. 2b)-ISS-Strukturelemente- Zumindest für den ersten Schritt nicht definiert, da Kennzahlen auf Stoff- und Energieflüssen aufsetzen. 2c)-Informationsprozesse- Das Kennzahlensystem wird auf den Stoffund Energiebilanzen aufgebaut. Die Abgrenzung von Betrachtungsrahmen 607 Vgl. Clausen et al. 1992, S. 11 und BMU/UBA Hrsg. 1995, S. 543 ff. 608 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, 149
190
3. Abschnitt
entspricht der IÖW-Ökobilanzsystematik an, es werden also Betriebs-, Prozeß- und produktbezogene Kennzahlen definiert. Die Kennzahlen werden für fünf in physikalischen Einheiten quantifizierbare Flußkategorien als absolute und Verhältniszahlen gebildet. Als Flußkategorien werden aus den Stoff- und Energiebilanzen Kennzahlen für • Material-, • Energie-, • Abfall-, • Wasser/Abwasser- und • Luftflußgrößen gebildet. Als Grundlage für die Materialkennzahlen werden Stoff- und Energiebilanzen auf der zweiten Detaillierungsebene genutzt. Die Materialströme werden zuerst auf die Produkte und Prozesse bezogen(l). Diese Materialströme können zur Rohstoffeffizienz(2), Hilfsstoffseffizienz(3) und Betriebsstoffeffizienz(4) verdichtet werden. Die Stoffe können entsprechend der Bewertung in Gefahrstoffquoten je A/B/C-Kategorie zusammengefaßt werden. ,N „ . Produkt/Prozeßoutput 1) Stoffeffizienz — Stoffinput 2) Rohstoffeffizienz = Produkt/Prozeßoutput Rohstoffinput 3) Hilfsstoffeffi. = Produkt/Prozeßoutput Hilfsstoffinput „ . , „„ Produkt/Prozeßoutput 4) Β etnebsstoffeffi. = — Betriebsstoffinput _ ., „ Stoffinput/Gefahrenstoffklasse 5) Gefahrstoff quote = Produkt/Prozeßinput Für Energien definiert das Konzept eine Quote je nach Energieträger(ö) und eine über die Energieeffizienz(7). Bietgieeinsatzfje Ehergieträgerart] 1 6) Etetgieträgercgjote = GescittaTergieeinsatz Etergieeinsatz [je Ehergieträgessartj 7) Etergieeff 1.7.1 giz = Pro±ü UV'
UV'
UV'> UV'
Die Veränderung der Beschreibung und Bewertung des Produktnutzens kann nicht nur aus der Perspektive des Anwenders, sondern muß auch im Kontext aller Anspruchsgruppen gesehen werden, denn die Entwicklung von Anforderungen an ökologische Effektivität kann nur in der Interaktion der Anspruchsgruppen mit dem Unternehmen und der Anspruchgsruppen untereinander erfolgen. Dadurch wird ökologische Effektivität im engeren Sinne an den Anforderungen des Anwenders orientiert und kann im weiteren Sinne dann im Anschluß an J A N T S C H als ökologische Effektivität aus einer gesellschaftlichen Perspektive verstanden werden700. Für Funktionsorientierung geht es dann bei der Bestimmung von ökologischer Effektivität um die ökologisch angemessene Befriedigung der Bedürfnisse von Anwendern, sowohl aus der Perspektive eben dieser, als auch aus einer gesellschaftlichen Perspektive, da diese auf längere Sicht nicht unabhängig sind701. Im Sinne eines absoluten ökologieorientierten Ziels für die ökologische Güte von Produkten und Funktionen ist damit noch nicht viel gewonnen, da, wie bereits diskutiert, genau diese Festlegungen ja nicht existieren, bzw. einem permanenten Wandel unterliegen. Aber wir können „sustainable development" genau deshalb so interpretieren; die Frage nach der angemessenen ökologischen Effektivität und der Möglichkeit ihrer Erfüllung ist im Sinne von Entwicklungs- und Lernprozessen aller Beteiligter möglichst optimal zu lösen. Diese Vorstellung ist anschlußfähig an das Konzept der fortschrittsfähigen Organisation, die für den Prozeß der geplanten Evolution, die Fähigkeiten Responsiveness als das Erkennen von Bedürfnissen, Handlungsfähigkeit, als das Erfüllen von Bedürfnissen und Lernfähigkeit der Unternehmung voraussetzt702. Für Unternehmen kann das Ziel formuliert werden, neue Möglichkeiten, Funktionen zu er700 Vgl. Jantsch 1973, S. 34 ff. 701 Genauso wie die Bewertung der ökologischen Effektivität des einzelnen Anwenders durch die Einschätzung anderer Anspruchsgruppen beeinflußt wird, ist die Übersetzung von Bedürfnissen in Bedarf abhängig vom Umfeld. 702 Die Frage nach zu erfüllenden Bedürfnissen geht über die ausschließliche Orientierung an Funktionen hinaus und muß letztlich die Frage nach Sinn beantworten können; vgl. PFRIEM 1 9 9 5 , S. 2 6 6
228
4. Abschnitt
fällen, zu entwickeln und vorzugeben, die sich in der Interaktion mit Anspruchsgruppen bewähren müssen. Der Begriff der Koevolution der Unternehmung meint dabei nicht nur Anpassung, sondern Koevolution besteht immer auch in Nichtangepaßtheit von System und seinem Umfeld, aus der sich die Entwicklung ergibt. Umgekehrt führt vollkommene Anpassung zu Stillstand703. Es kann also abgeleitet werden, daß die Unternehmung zu innovativen neuen Lösungen kommen muß und kann. Die Bedeutung von ökologischer Effektivität als Ziel liegt in der Entwicklung und im Experimentieren mit Modellen der Bedürfnisbefriedigung, die sich sowohl bei den Abnehmern als auch bei den Anspruchsgruppen insgesamt bewähren, da sie mit der Vorstellung über eine lebenswerte Umwelt kompatibel sind. Ökologische Effektivität als ökologieorientiertes Ziel für die Leistung von Unternehmen kann nur operationalisiert werden durch die Vorstellung der dynamischen Entwicklung von ökologisch akzeptableren nachhaltigeren Formen der Bedürfnisbefriedigung, aus der Interaktion mit Anspruchsgruppen und Abnehmern, um zu einer Erfüllung von Bedürfnissen, die „ökologisch nachhaltig" ist, zu kommen. In diesem Sinne sieht auch PFRIEM in der Einbeziehung von ökologischer Effektivität, abgeleitet von der Vorstellung einer lebenswerten Umwelt, in die Zielbestimmung für die Funktionen und Leistungen von Unternehmen die Chance zu einem ökologischen Kultur- und Strukturwandel, der eine Möglichkeit zur „Ökonomie des guten Lebens" bietet im Gegensatz zu einer die Zielbestimmung von Funktionen nicht hinterfragenden „Ökonomie des Überlebens" , die ökologische Effizienz gekoppelt mit einer Ethik des Verzichts verlangt704. Als Rationalitätsanschlüsse für die Beschreibung der ökologischen Güte von Unternehmen auf den beiden prinzipiell unterschiedlichen Bezugsebenen Unternehmensaktivität sowie Unternehmensleistung (Produktlebenszyklus/Funktionen) sind dann möglich (siehe Abbildung 4. 2):
•
703 704
Absolute, positiv formulierte ökologieorientierte Ziele für die Funktionserfüllung bzw. die Produkte sind notwendig, existieren aber als breiter gesellschaftlicher Konsens (noch) nicht. Als „Hilfsziel" kommt die Kompatibilität der Unternehmensleistungen mit einer langfristig stabilen lebenswerten Umwelt aus Anwenderperspektive und Unternehmensperspektive im engeren Sinne und aus gesellschaftlicher Funktionsperspektive als regulative Idee im weiteren Sinne in Betracht, unter der Voraussetzung, daß diese Ziele als dynamische Ziele verstanden werden. Bestimmungsgröße für den Erfüllungsgrad dieser positiv formulierten ökologischen Qualität ist die ökologische Effektivität.
Vgl. Jantsch 1979 S. 266 ff., 350 ff. und 1987, S. 172 f. Vgl. Pfriem 1995, S. 57 f.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
229
Absolute ökologieorientierte Ziele auf der Ebenen der Unternehmensaktivitäten können sich an der „Sustainability" und Qualität der direkt betroffenen Ökosysteme orientieren. Ökologische Effizienz als relative Größe, die Fortschritte und Verbesserungen der Prozesse aufzuzeigen hilft und zur laufenden Steuerung und Kontrolle dient, ist auf Aktivitätsund Leistungsebene (Produktlebenszyklus/Funktionsebene) definierbar. Abbildung 4.2:
Rationalitätsanschlüsse für ökologische Güte als ökologieorientiertes Ziel
RATIONALTTÄTSANSCHLÜSSE FÜR ÖKOLOGISCHE GÜTE ALS ÖKOLOGIEORIENTIERTES ZIEL Bezugsebene
relative ökologieorientierte Ziele
• Unternehmensaktivitäten (Aktivitätsebene)
> Ökologische Effizienz
• Funktion der Unternehmensleistungen (Leistungsebene)
• Ökologische Effizienz • Ökologische Effektivität
absolute ökologieorientierte Ziele
• Nachhaltigkeit bezogen auf cfe Senken und Resourcen • Nachhaltigkeit der lokalen Ökosysteme • Ökologische Effektivität aus Anwenderperspektive Ökologische Effektivität aus gesellschaftlicher Perspektive
"Beschreibung ist abhängig von dem Verständnis/ Wirklichkeitskonstruktion einer stabilen lebenswerten Umwelt Quelle: eigene Darctellung
4.2 Kommunikation als Basis für ökologische Unternehmenspolitik Trotz kritischer Stimmen, die in der internen Informationsversorgung die einzige Aufgabe von ökologieorientierten ISS sehen705, setzt sich die Auffassung durch, daß die Informationsversorgung externer Anspruchsgruppen für die Unternehmung und ihre Informationssysteme geboten ist706. Da die ökologische Güte der Unternehmung und die ökologieorientierten Ziele der Unternehmung die Interaktion zwischen der Unternehmung und
705 Vgl. Wagner, G. R./Janzen 1991, S. 120 ff. 706 Vgl. Schmidheiny 1992, S. 138, Seidel/Menn 1988, S. 122 f., Pfriem 1995, S. 305, Haasis 1993a, S. 1 ff.
230
4. Abschnitt
ihren Anspruchsgruppen erheblich beeinflussen, gibt es für die ökologieorientierte Unternehmenskommunikation sowohl normativ-ethische als auch erfolgsstrategische Argumente. Für die spätere Funktionsbeschreibung für ÖISS sind insbesondere die primär erfolgsstrategischen Argumente für ökologieorientierte Unternehmenskommunikation unter Anwendung eines angemessenen Kommunikationsmodells zu entwickeln707. Insbesondere große Unternehmen sind als Träger sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung gegenüber ihren Anspruchsgruppen identifiziert worden708. Die Berücksichtigung ökologischer Issues der Anspruchsgruppen schließt deswegen im Gegensatz zu einer autonom durch die Unternehmung gesetzten monologischen Verantwortung für ökologische Probleme an die Konzeption der dialogischen Verantwortung als regulative Idee des politisch-ökologischen Diskurses an709. Das Konzept der ökologischen Unternehmenspolitik fordert, darauf aufbauend, daß die normativethische Erweiterung der Unternehmensziele um ökologische Inhalte auch im Dialog mit den Anspruchsgruppen erfolgen und die Issues und Werthaltungen der Anspruchsgruppen die Ausgestaltung der Schnittstelle beeinflussen müssen. Der normativ-ethische Anspruch an ökologieorientierte Kommunikation kann präzisiert werden als „...die ethisch geleitete Aufdeckung und Wahrnehmung unternehmenspolitischer Entscheidungsund Handlungsspielräume in ökologischer Absicht, wobei a) ökologische Erwägungen möglichst früh und systematisch in alle Unternehmensentscheidungen eingehen und b) im Sinne einer offenen Unternehmensverfassung institutionell und prozessual möglichst früh und systematisch alle von diesen Entscheidungen öffentlich nachvollziehbar einbezogen werden sollen."710 Um die Folgerungen aus der Notwendigkeit von Unternehmenskommunikation zu untersuchen, ist es notwendig, ein angemesseneres Kommunikationsmodell zugrunde zu legen. Die Kommunikation der Unternehmung mit Anspruchsgruppen über ökologische Problembeiträge und Issues ist gekennzeichnet durch folgende Probleme: •
707 708 709 710 711
die noch geringe Erfahrung mit ökologieorientierter Kommunikation bei beiden Partnern, denn systematische Kommunikation über ökologische Issues bekommt erst seit Ende der achtziger Jahre Bedeutung für Unternehmen711, Siehe dazu auch Kapitel 3.1.1.3 Vgl. Ulrich, P. /Fluri 1992, S. 60 ff Vgl. Ulrich, P. 1989, S. 133 ff. insbes. S. 144 und Ulrich, P./Fluri 1992, S. 72 Vgl. Pfriem 1989, S. 122 f. So wurden eigenständige Umweltberichte als ein Instrument systematischer Kommunikation vermutlich zuerst 1987 durch Bischoff & Klein in Deutschland, und 1988 durch Polaroid in den USA veröffentlicht; vgl. Clausen/Fichter 1993, S. 4 und Polaroid Hrsg. 1994a, S. 1 ff.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
231
•
noch fehlende Standards für ökologieorientierte Berichte als Grundlage für ökologieorientierte Kommunikation712, • die Bewertung und Beurteilung der Bedeutung von Auswirkungen in Ökosystemen/Ökosphäre ist nicht oder nur schwer intersubjektiv objektivierbar und • zwischen Unternehmen und einem Teil der Anspruchsgruppen kann (noch) ein ,Mißtrauensvorschuß" bezüglich der Ehrlichkeit von Absichten und Inhalten diagnostiziert werden. Obwohl absehbar ist, daß sich in den nächsten Jahren einige der Voraussetzungen wie Erfahrung und Standards entwickeln, muß ökologieorientierte Unternehmenskommunikation vorläufig auf geringen Grundlagen aufbauen. FISCHER et al. weisen daraufhin, daß unter diesen Bedingungen angemessene ökologieorientierte Unternehmenskommunikation nur auf der Grundlage von wechselseitigem Lernen unter Berücksichtigung des Beziehungsaspektes möglich sein kann713. Diese Modelle werden als angemessen angesehen, da die Entwicklung von Vertrauen und Verstehen als ein Prozeß anzusehen ist, Verständnis der gegenseitigen Bedeutungszuweisungen nur über Erfahrung zustande kommen kann und „Nichtkommunikation" der Unternehmung mit Anspruchsgruppen nicht möglich ist, allenfalls die Kommunikation von Verweigerung. Für Unternehmen besteht je nach Umfang der Einwirkungen auf die Ökosphäre eine unterschiedliche Notwendigkeit zur Kommunikation über ökologische Issues, aber für alle Unternehmen werden bereits jetzt positive Auswirkungen erwartet, und der Trend dürfte sich eher verstärken 14. Für die Notwendigkeit der ökologieorientierten Unternehmenskommunikation, also der Kommunikation über ökologische Issues und der ökologischen Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf externe und interne Anspruchsgruppen, lassen sich aus dem handlungsorientierten Konzept ökologischer Unternehmenspolitik vier primär erfolgsstrategisch begründete Argumente ableiten. Aus jedem der Argumente können Folgerungen für die Unternehmenskommunikation abgeleitet werden, indem die zur Zielerreichung notwendige Kommunikation anhand der Kommunikationsmodelle „Kommunikation als Beziehung" und „Kommunikation als wechselseitiges Lernen" untersucht wird715. 1) Die Unternehmung muß in zunehmenden Maße ihre ökologischen Auswirkungen gesellschaftlich legitimieren, indem sie Rechenschaft über ökologische Problembeiträge und ökologieorientierte Ziele ab-
712
713 714 715
Es fehlen bisher Standards für ein umfassendes Berichtswesen gegenüber externen Anspruchsgruppen, es werden jedoch verschiedene Vorschläge für Standards und Rahmen erarbeitet; vgl. Clausen/Fichter 1994,. Vgl. Fischer et al. 1993, S. 56 ff. Vgl. Harich/Drees 1991, S. 50 ff. Siehe dazu auch Kapitel 3.1.3.
232
2)
3)
4)
5)
4. Abschnitt
legt. Dies bedingt Kommunikation mit allen Anspruchsgruppen der Unternehmung, um durch glaubhafte Vermittlung der ökologischen Leistungen und Umweltqualitätsziele die Legitimität der Unternehmung sicherzustellen716. Die Entwicklung angemessener Ziele für ökologische Güte ist ohne die Informationen und das Verständnis von impliziten und situativen ökologieorientierten Zielen und Bedeutungszuweisungen durch Anspruchsgruppen nicht möglich. Aufgrund instabiler gesellschaftlicher Umweltqualitätsziele ist eine Legitimierung ökologisch relevanter Entscheidungen und ökologieorientierter Ziele im Prinzip nur durch direkte Kommunikation und Kooperation mit externen Anspruchsgruppen zu erreichen. Es liegt im erfolgsstrategischen Kalkül der ökologieorientierten Unternehmung, die höhere ökologische Güte der Unternehmensleistungen gegenüber dem Abnehmer transparent zu machen, um sie zu vermarkten. Zur Verringerung der Verhaltensunsicherheit muß die ökologieorientierte Unternehmung die Informationsasymmetrie über die ökologische Güte ihrem Abnehmer gegenüber reduzieren, indem sie ihm aussagefähige Informationen über die ökologischen Problembeiträge verfügbar macht. Kommunikation über die mit Einwirkungen auf die Ökosphäre verbundenen ökologischen Problembeiträge kann notwendig sein, um das Verhalten bei den für die indirekten ökologischen Problembeiträge verantwortlichen Anspruchsgruppen zu beeinflussen.
Zu 1 Wachsende gesellschaftliche Sensibilität und die steigende Bedeutung ökologischer Issues für die Anspruchsgruppen der Unternehmung sowie ein sich entwickelndes Verständnis der Unternehmung als selbständigem Akteur bedingt ein erhöhtes Interesse der Anspruchsgruppen an Informationen, die die ökologischen Problembeiträge der Unternehmung deutlich machen717. Diese veränderte Perspektive drückt sich im politischen Lenkungssystem als Regelungen über Berichts- und Informationspflichten von Unternehmen bezüglich ökologischer Problembeiträge gegenüber der Öffentlichkeit
716 717
718
aus 7 1 8 .
DELOITTE&TOUCHE THOMATSU
INTERNATONAL
Vgl. Dyllick 1989, S. 477 ff. und Schmidheiny 1992, S. 138 Vgl. Raffee/Wiedmann 1985, S. 678 ff., Anonym 1994, S. 9 und Rice 1993, S. 108 ff. So argumentieren auch Konzepte fiir ökologieorientierte ISS mit dem öffentlichen Interesse; vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 25 ff. Die Unternehmen reagieren auf diese Anforderungen; so werden Ende 1994 bereits Umweltberichte von über 150 Unternehmen gezählt; vgl. Naimon/Pelzman 1995, S. 62 ff. Siehe dazu auch Kap. 2.2.2.3
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
233
HRSG. unterscheiden drei Formen der Weitergabe ökologischer Informationen durch Unternehmen719: •
Unfreiwillige·, wenn Unternehmen durch Anspruchsgruppen in den Mittelpunkt von Informationskampagnen gestellt werden. • Obligatorische-, für die Informationspflichten, die inhaltlich ganz oder teilweise definiert sind und denen die Unternehmung nachkommen muß wie z.B. die Informationspflichten in der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten720 oder die Immissionsschutzgesetzgebung in Deutschland. • Freiwillige; für Informationen, die die Unternehmung aus erfolgsstrategischen oder ethischen Erwägungen an externe Anspruchsgruppen geben. Diese Informationen lassen sich noch differenzieren in Informationen an spezifische Anspruchsgruppen wie Kunden oder Banken, die anderen Anspruchsgruppen zumeist nicht zur Verfügung gestellt werden, und Informationen wie Umweltberichte fiir alle Anspruchsgruppen bzw. nicht fokussiert. Herauszuheben aus den Regelungen zu aktiven und passiven Informationspflichten der Unternehmung ist der Entwurf eines Umweltgesetzbuchs, das eine jährliche Berichterstattung im Rahmen der Offenlegungspflichten postuliert, und die Umwelterklärung mit quantitativen Detailinformationen in der EG-Umweltauditverordnung, deren Gültigkeit durch Externe bestätigt werden muß721. Die Legitimationssicherung muß einen gesellschaftlichen Fokus haben, da ökologische Problembeiträge aufgrund der fehlenden Internalisierung nicht nur vom Nutzer der Unternehmensleistungen, sondern auch von anderen Anspruchsgruppen getragen werden müssen722. Zusätzlich ist die Wertehaltung der Anspruchsgruppen in bezug auf ökologische Ansprüche sehr unterschiedlich, und die Anspruchsgruppen mit den höchsten ökologischen Ansprüchen und einer schnelleren Reaktion auf neue ökologische Probleme (frühe Phasen der Diffusionskurve) sind oft keine Marktpartner der Unternehmung. Für die Unternehmung bedeutet dies zuerst einmal, für die definierten Informationspflichten wie Emissionsregister die ökologieorientierten In-
719 720
721 722
Vgl. Dieselben 1993, S. 17 ff. Die Unternehmen werden verpflichtet, die Menge an Emissionen bestimmter Stoffe ab einer gewissen Größenordnung zu melden. Ein wesentliches Instrument in diesem Kontext ist das TRI-Emissionsregister, das die mengenmäßigen Emissionen in die Luft, in das Wasser oder als Feststoffe von 328 definierten Chemikalien fast aller größeren Unternehmen enthält. Diese Informationen der Umweltschutzbehörden sind frei zugänglich und können bewertet und verglichen werden nach Menge der absoluten Emissionen, Menge der Emissionen in einer Region oder relative Emissionsmenge bezogen auf die Industrie etc. Siehe dazu Kapitel 5.1.2.2. Vgl. Kloepfer 1993, S. 88. Siehe auch Kap. 3.4.2.5, 2.2.2.3.3. Vgl. Pfriem 1995, S. 71 f.
234
4. Abschnitt
formationen zu ermitteln und aufzubereiten. Dies sind zumeist Informationen über Einwirkungen wie Emissionen. Zudem muß die Unternehmung für die weniger genau definierten, teilweise freiwilligen Informationsmöglichkeiten eigenständige ökologieorientierte Informationen, die über Informationen über die Einwirkungen hinausgehen, entwickeln und an die Anspruchsgruppen vermitteln können. Zur Sicherung der Legitimität kann sich die Unternehmung nicht damit begnügen, nur die Einwirkungen zu veröffentlichen, sondern muß diese glaubhaft hinsichtlich ihrer ökologischen Problembeiträge interpretieren und an akzeptablen ökologieorientierten Zielen bewerten. GREBMER definiert als Anforderungen; Kompetenz, Offenheit und Glaubwürdigkeit der betrieblichen Kommunikationspolitik72 . Eine wesentliche Bedingung für Glaubwürdigkeit und Akzeptanz ist die Offenlegung der ökologischen Leistungen der Unternehmung, bei denen auch auf die Schwächen Bezug genommen werden muß724. Ebenso muß die Legitimierung alle Unternehmensaktivitäten umfassen. Das Ziel von Legitimierung wird nicht erreicht, wenn nur einzelne Aktivitäten diskutiert bzw. kritische Aktivitäten ausgelassen werden. In Untersuchungen zu Umweltberichten als einer spezifischen Form der Kommunikation von Unternehmen mit ihren externen Anspruchsgruppen wird ebenfalls in diesem Sinne argumentiert; Wahrheit schließt die Forderung nach Vollständigkeit insofern ein, als alle aus Umweltgesichtspunkten wichtigen Fragen in der Umweltberichterstattung behandelt werden sollen725. Zu 2 Ökologische Issues weisen innerhalb der Lenkungssysteme eine hohe Entwicklungsdynamik auf, die die Beschäftigung mit den ökologischen Problemen wohl auch in Zukunft bestimmen wird. Jede Definition von ökologischer Güte und das Entwickeln von ökologieorientierten Zielen basiert auf instabilen und heterogenen gesellschaftlichen Normen und Werten. Dies gilt insbesondere für die Beschreibung einer lebenswerten Umwelt und der davon abgeleiteten ökologischen Effektivität als Maß für ökologische Güte. Wie die Beispiele der verschiedenen Bewertungsmodelle zur Analyse der ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten als Gestaltungselemente von ökologieorientierten ISS zeigen, ist die Bewertung der Einwirkungen der Unternehmenstätigkeiten nicht unabhängig von den wahrgenommenen ökologischen Problemen bzw. von der Wirklichkeitskonstruktion von ökologischen Problemen. Die durch Anspruchsgruppen wahrgenommenen ökologischen Probleme definieren das Suchfeld für ökologische Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten. Für die Unternehmung, die in ihrer Bewertung von öko723 724 725
Vgl. von Grebmer 1990, S. 164 f... Vgl. Ulrich, P./Fluri 1992, S. 91 f., Vgl. Fichter/Clausen 1994, S. 64 ff..
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
235
logischen Problembeiträgen immer auch von den gesellschaftlichen Zielen abhängig ist, ist es erfolgsstrategisch sinnvoll, die Entwicklung soweit als möglich zu antizipieren. Die direkte Kommunikation der Unternehmung mit Anspruchsgruppen kann der Unternehmung als ein ,Jtadar" dienen, um nicht zugängliche impliziten Informationen über Werte und Wirklichkeitskonstruktionen zu verstehen und so Veränderungen zu antizipieren726. HALLER begründet die Notwendigkeit von Risikodialog unter anderem mit der Notwendigkeit, „...Wirklichkeitskonstruktionen und Risikologiken..." von Anspruchsgruppen zu antizipieren727. Dieser Kommunikationsprozeß erlaubt es im Sinne eines wechselseitigen Lernens nicht nur, die Bedeutungszuweisung der Anspruchsgruppen zu verstehen, sondern auch die unternehmensinternen Bedeutungszuweisungen zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Dabei ist es für die Unternehmung sowohl relevant, die relative Bedeutung der verschiedenen ökologischen Issues untereinander, als auch, die Bedeutung der ökologischen Problematik zu anderen Issues in den Lenkungssystemen zu verstehen. Zu 3 Auf dem Konzept der prozessualen Ethik aufbauend, kann die Unternehmung Ziele und Ansprüche der Anspruchsgruppen nicht von innen heraus monologisch legitimieren, sondern muß den Dialog und die Partizipation der Anspruchsgruppen suchen728. Aber auch erfolgsstrategisch brauchen ökologieorientierte Ziele insbesondere über ökologische Effektivität die Legitimität bezüglich ökologischer Issues durch die argumentative Konsensfindung mit den Anspruchsgruppen, da die Zielbeschreibung und Priorisierung bezüglich ökologischer Issues durch fehlende oder heterogene Zielhierarchien zwischen und innerhalb der Anspruchsgruppen erschwert wird. Da die Kommunikation über ökologische Auswirkungen noch nicht weit entwickelt ist, kommt der kooperativen Öffnung von Entscheidungsfindungs- und Planungsprozessen eine hohe Bedeutung zu729. Dies soll geschehen und geschieht unter anderem durch die direkte Einbeziehung von externen Anspruchsgruppen in Problemlösungsprozesse der Unternehmung730. In den Diskurs werden zumindest als regulative Idee von der Unternehmung wie von den Anspruchsgruppen in den Problemlösungsprozeß Wissen und Kompetenz eingebracht, welches nur in Kommunikationsprozessen wechselseitig verstanden werden kann. Wichtig für die Legitimierung gegen Dritte ist die Tatsache, daß Güterabwägungen und subjektive 726 727 728 729 730
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Harde 1993, S. 124 ff.. Kreikebaum 1991, S. 1.88 f. Fischer et al. 1993, S. 31 ff. Kreikebaum 1991, S. 188 Kreikebaum 1991, S. 1.88 und Muson 1994, S. 16 ff.
236
4. Abschnitt
Wertungen nicht nur durch die Unternehmung getroffen wurden, sondern durch die Einbeziehung von externen Anspruchsgruppen je nach Position der Anspruchsgruppe stärker legitimiert sind731. Das Ziel der Legitimitätssicherung kann dabei nicht in der vollständigen argumentativen Konsensfindung mit allen betroffen Anspruchsgruppen liegen, sondern im differenzierten Umgehen mit Widersprüchen und der Entwicklung eigenständiger unternehmensoriginärer Lösungen, da732: •
die Heterogenität der Ziele und Betroffenheit von Anspruchsgruppen vollständige Übereinstimmung schwer bis unmöglich macht, • die Anspruchsgruppen keine originären Vertreter der Ökosphäre darstellen, sondern ein Teil unternehmenseigener Verantwortung bleibt, und • das erfolgsstrategische Kalkül der Unternehmung das Entwickeln innovativer und neuer eventuell unangepasster Lösungen gebietet. In der dynamischen Betrachtung ist der Kern der Argumente zwei und drei in der Kommunikation über ökologische Effektivität mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Unternehmung im Kontext mit ihrem Umfeld zu sehen, da ein sich veränderndes Verständnis der ökologischen Probleme im Umfeld der Unternehmung durch die Unternehmung als fortschrittsfähiges System aufgenommen und in Handlung umgesetzt werden muß. In der dynamischen Betrachtung läßt sich die gemeinsame Entwicklung der Unternehmung und ihrer Umfelder als eine phasenverschobene Koevolution konzeptualisieren, in der die Unternehmung wie das Umfeld ihre Entwicklung wechselseitig bestimmen können733. Zu 4 Ökologische Unternehmenspolitik ist darauf angewiesen, Anwendern und externen Anspruchsgruppen die Informationen zur vergleichenden Bewertung der ökologischen Güte der Unternehmensleistung direkt zur Verfügung zu stellen, da die ökologische Güte über den Produktlebenszyklus dem Anwender über den Preis und über den Produktnutzen nur unvollständig vermittelt wird. Kommunikation über ökologische Güte erscheint unverzichtbar, will die Unternehmung ökologische Güte in ökonomische Erfolge umsetzen kann. Ökologieorientierte Unternehmenskommunikation wurde deshalb in die Bestandteile eines ökologieorientierten Marketing-
731
732 733
Die Bewertungsprozesse sind politische Prozesse, in denen keine Anspruchsgruppe das Ganze vertreten kann, also auch keine völlige Legitimität erreichbar ist; vgl. Luhmann 1990, S. 252, aber je nach angenommener Objektivität der Gruppe wird die Legitimität (und die Qualität) von Unternehmensentscheidungen erhöht. Vgl. Pfriem 1994 S. 2 ff. Vgl. Jantsch 1979 S. 350 und Angermeyer-Naumann 1985, S. 29
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
237
mix einbezogen " . Als Elemente der Kommunikationspolitik im ökologieorientierten Marketingmix identifizieren MEFFERT/KlRCHGEORG735: • Steigerung der Bekanntheit ökologischer Problemstellungen, • Information über umweltfreundliche Produkte und Verfahren, • umweltgerichtete Verkaufsförderung, • Informationen über ökologische Wirkung des Leistungsprogramms und • ökologiebezogene Public Relations Aktionen. Für die Erklärung der kommunikativen Besonderheiten bei der Vermarktung von Leistungen mit hoher ökologischer Güte läßt sich das „PrincipalAgent"-Modell anwenden, welches die Zusammenarbeit zwischen Wirschaftssubjekten mit divergierender Zielsetzung und unvollkommender Moral modellhaft abbildet73 . Das Modell gibt Erklärungen für das Informationsverhalten von Unternehmen und Nachfrager bezüglich spezifischer Leistungen mit hoher Komplexität, über deren Qualität bei Vertragsabschluß Informationsdefizite vorherrschend sind737. Dieses Modell läßt sich auf Güte des ökologischen Produktlebenszyklus übertragen, da der Nachfrager (Prinzipal) nur unvollständige Information über diese haben kann, er aber auf die Leistung der Unternehmung (Agent) angewiesen ist738. Ökologische Güte weist Vertrauenseigenschaften auf, da sich der Abnehmer nur schwer ein eigenes Urteil bilden kann, und Erfahrungseigenschaften, da die ökologische Güte erst nach mehreren Anwendungen über längere Zeit Auswirkungen auslöst739. Über die ökologische Qualität von Gütern besteht deshalb eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Anbieter und Nachfrager. Der Anbieter 734 735 736
737 738
739
Vgl. Meffert/Kirchgeorg 1992, S. 203 ff. Vgl. Meffert/Kirchgeorg 1992, S. 204 Das Principal-Agent-Modell ist ein Teil der neuen Institutionentheorie und soll die Beziehung zwischen Wirtschaftssubjekten erklären. „Whenever one individual depends on the action of another an agency relationship arises. The individual taking the action is called the agent. The affected party is called the principal."; vgl. Pratt/Zeckhauser 1985, S. 2. Klassische Beispiele für solche Beziehungen sind der Kranke (Principal) und der Doktor (Agent), oder der Aktionär (Principal) und der Manager (Agent). Die PrincipalAgent-Beziehung ist oft gegenseitig, da beide Partner auf die Handlungen des anderen angewiesen sind. Das Hauptproblem, welches das Principal-AgentModell beschreibt, ist die ungleiche Verteilung von Informationen zwischen den Partnern sowie die Bedeutung für den Nutzen und das Risiko beider Partner und die sich daraus ergebenden Beziehung und Strukturen; vgl. Pratt/Zeckhauser 1985, S. 4 ff. Vgl. Kaas 1992, S. 884 ff. Umgekehrt weiß der Nachfrager über seine ökologieorientierten Präferenzen und Ziele natürlich erheblich mehr als der Anbieter. Es besteht also auch umgekehrt eine Principal-Agent-Beziehung mit asymmetrischer Informationsverteilung, die aber fiir dieses Argument von untergeordneter Bedeutung ist. Vgl. Kaas 1992, S. 887
238
4. Abschnitt
hat mehr Informationen über die ökologische Güte des Produkts, die als Eigenschaft durch den Nachfrager anhand des Preises und der Leistung nur schwer oder gar nicht zu überprüfen ist. Eine solche asymmetrische Informationsverteilung führt zu endogener Unsicherheit in der Beziehung durch die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens eines der Partner740. Auf Basis des Principal-Agent-Modells kann man die prinzipiellen Verhaltensmöglichkeiten des ökologieorientierten Anbieters gegenüber dem opportunistischen Anbieter im Grenzfall des anonymen und des personalisierten Marktes untersuchen: •
Im anonymen Markt kann der ökologieorientierte Anbieter seine höhere ökologische Güte einerseits durch Signalisierung dieser ökologischen Güte so vermitteln, wie es dem opportunistischen Anbieter nicht möglich ist, beispielsweise durch Kooperation mit unabhängigen Dritten wie UmWeltorganisationen, oder durch die Erlaubnis zur Verwendung eines Produktgütezeichens wie des „Umweltengels" . Eine Alternative im anonymen Markt kann in der Selbstbindung liegen, indem sich der Anbieter gewissen nachprüfbaren Regeln und Standards unterwirft. • Weitergehende Möglichkeiten stehen dem Anbieter im personalisierten Markt zur Verfügung, in dem sich Nachfrager und Käufer bereits aus vergangenen Transaktionen kennen und etwas über den Partner lernen können. Hier hat der Anbieter die Möglichkeit, sich das Vertrauen des Nachfragers zu erwerben. Vertrauen als „Extrapolation positiver Erfahrungen" 741 reduziert die beiderseitige Verhaltensunsicherheit und erlaubt auch bei bestehender asymmetrischer Informationsverteilung, ökologische Güte zu vermarkten. Das Principal-Agent-Modell zeigt die Bedeutung von Kommunikation über ökologische Güte mit dem Nutzer/Anwender der Unternehmensleistung auf, um die Informationsasymmetrie und die resultierenden Verhaltensunsicherheiten zu reduzieren. Eine Möglichkeit ist es, das Informationsdefizit des Abnehmers bezüglich ökologischer Güte abzubauen, indem aussagekräftige Informationen über die ökologische Güte weitergegeben werden. Allerdings ist zu erwarten, daß die ökologische Güte von Leistungen dauerhaft Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften aufweisen wird. Unter diesen Bedingungen ist es für die Unternehmung als einen Anbieter höherer ökologischer Güte erfolgsstrategisch sinnvoll, • • •
die Überprüfung durch unabhängige externe Gruppen zu gewährleisten(Signalling), die Beziehung zu den Abnehmern soweit als möglich zu personalisieren und eine Vertrauensbeziehung zum Abnehmer zu etablieren.
740 Vgl. Kaas 1992, S. 886 741 Vgl. von Ungern-Sternberg/von Weizsäcker 1981, S. 609 ff.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
239
Zu 5 Die indirekten Einwirkungen auf die Ökosphäre der Unternehmung werden durch verschiedene Anspruchsgruppen beeinflußt. Deshalb sind im Rahmen des ökologischen Produktlebenszyklus nicht nur interne Anspruchsgruppen, sondern auch externe Anspruchsgruppen in ökologische Unternehmenspolitik einzubeziehen. Direkte Kommunikation mit Anspruchsgruppen kann Verhalten beeinflussen, indem sie ökologische Auswirkungen verschiedener Verhaltensvarianten vergleichbar macht und Dimensionen ökologischer Verbesserung aufzeigt. Die Unternehmung deshalb kann ihr ökologieorientiertes Wissen benutzen, um Verhaltensänderung und die Entwicklung ihres Umfeldes zu erzeugen. Dies ist nicht nur erfolgsstrategisch sinnvoll, sondern wird auch normativ-ethisch gefordert742. Im Prinzip sind vom ökologischen Produktlebenszyklus ausgehend alle Anspruchsgruppen, die die ökologische Einwirkungen verursachen, durch die Unternehmung zur Erreichung ökologieorientierter Ziele beeinflußbar, in deren Beziehung Kommunikationsprozesse über ökologieorientiertes Wissen eine Rolle spielen. Unter diesen Interaktionen lassen sich alle vertikalen Kooperationen fassen, die zur Veränderung des Produktlebenslaufs im Sinne von Recycling oder Systemüberlassung notwendig sind, die aber hier nicht vertieft behandelt werden sollen743. Ein Sonderfall ist die verhaltensbeeinflussende Kommunikation der Unternehmung mit ihren Abnehmern/Anwendern, da ökologische Problembeiträge der Produkte erheblich von der richtigen Nutzung durch den Kunden abhängen können. Da sich die Umweltqualitätsziele der Unternehmung und die gesellschaftliche Legitimität auch auf die ökologischen Auswirkungen der Produktnutzung bezieht, können wir deshalb ein Interesse der Beeinflussung von Kundenverhalten ableiten. Dabei kann es nicht nur um Weitergabe von ökologieorientierte Information über die ökologisch optimale Nutzung von Leistungen gehen, sondern, wenn es um Leistungsminderung und -einschränkung geht, auch um Überzeugung und Kontrolle der Erfolge. Bezüglich der Aktionsmöglichkeiten und Restriktionen kann das Principal-Agent-Modell angewendet werden. Allerdings ist jetzt der Anwender der „Agent", dessen Leistung das Unternehmen benötigt, über die aber eine Informationsasymmetrie besteht, da eine direkte Kontrolle nicht möglich bzw. prohibitiv teuer ist. In einem anonymen Markt müssen Unternehmen klaren Nutzen aus ökologisch optimalen Verhalten schaffen744, oder sie könnten dazu gezwungen sein, den Kunden zum „Signalling", d.h. dem Nachweis seiner Befähigung, oder zum Nachweis des ordnungsgemä742 Vgl. Corbett/Wassehove 1993, S. 129 743 Vgl. Dyllick 1990, S. 41 ff. und 1990a, S. 10 744 Ein einfache Beispiele sind Pfandsysteme und spezifische Verträge über das geordnete Recycling von Lösungsmitteln.
240
4. Abschnitt
ßen Verhaltens vor dem Kauf zu veranlassen, um ihre Informationsdefizite zu kompensieren. Es muß für die Unternehmung also darum gehen, eine personalisierte Beziehung zu schaffen und eine Vertrauensbeziehung zum Anwender aufzubauen, der sich beispielsweise freiwilligen Kontrollen unterwirft. Die Principal-Agent-Beziehung ist bezüglich ökologischer Güte letztlich von der Unternehmung nur durch intensive Kommunikationsprozesse und Entwicklung einer Vertrauensbeziehung ökologisch optimierbar.
4.3 Funktionen von ÖISS für größere Unternehmen Ein ÖISS rekonstruiert den Zusammenhang zwischen den Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die Ökosphäre und den wahrgenommenen ökologischen Problemen Es unterstützt die Problemlösungsprozesse bei der Entwicklung, Bewertung und Entscheidung von ökologisch optimalen Handlungsalternativen und kann die ökologieorientierte Information mit den bestehenden „...Sensoren und Verarbeitungssystem(en)..." der Unternehmung „...vernünftig... verzahnen..."745. Vernünftig insofern, als das ÖISS vor dem Hintergrund eines angemessenen Verständnisses von Wissen, Informationen und Kommunikation konzipiert werden sollte, und vernünftig auch deshalb, da sicherzustellen ist, daß das Verständnis und die Bedeutungszuweisung für Informationen in der Unternehmung tatsächlich den ökologischen Zusammenhängen und ihrer Wahrnehmung als Problem durch Anspruchsgruppen entspricht bzw. angenähert ist. Ein ÖISS gibt der Unternehmung die erfolgskritischen Fähigkeiten, ökologische Probleme angemessen in ihren Entscheidungskalkülen zu berücksichtigen, und versetzt sie so in die Lage, aktiv mit ökologischen Problemen umzugehen und ihre Entwicklung und die ihres Umfeldes mitzubestimmen. Die Funktionsbereiche 1) Management von ökologieorientierten Information und 3) ökologieorientierte Information des Management lassen sich aus der allgemeinen Funktionsbeschreibung von Informationsund Managementsystemen nach BLEICHER ableiten. Dagegen versucht der Funktionsbereich 2), Unterstützung von ökologieorientierten Entscheidungen, den Besonderheiten von ökologieorientierter Information und der daraus resultierenden Bedeutung der validen Transformation dieser Informationen für Entscheidungsunterstützung gerecht zu werden, und der Funktionsbereich 4), ökologieorientierte Information in der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen, zieht die Konsequenzen für ÖISS-Funktionen aus der Notwendigkeit der kommunikativen Öffnung und Legitimierung ökologischer Unternehmenspolitik.
745
Vgl. Pfriem 1995, S. 308
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
241
Zu 1 In Anlehnung an BLEICHER läßt sich als Funktionsbereich das Management der ökologieorientierten Information definieren746. Das ÖISS muß der Unternehmung den Zugang zu den verschiedenen Ebenen und Quellen von ökologieorientierter Information geben, um für die spezifische Unternehmung und Aktivität die tatsächlich vorhandene Informationen vollständig zur Bestimmung von ökologischer Güte heranziehen zu können. Zu 2 Jedes ISS bildet für die Unterstützung von Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen eine komplexitätsreduzierte Abbildung der Wirklichkeit, um den Entscheidern Bewertung und Priorisierung von Handlungsalternativen zu vereinfachen. ÖISS müssen diese Abbildung für die Unterstützung ökologieorientierter Entscheidungen sowohl bezüglich der höheren ökologischen Güte als auch bezüglich der Wirkung einer Entscheidung auf die parallel verfolgten Ziele der Unternehmung vornehmen. Zu 3 Ein ÖISS muß die ökologieorientierte Information des Managements in den Problemlösungsprozessen und Führungsprozessen sicherstellen. PFRIEM fordert in Anlehnung an das pragmatische Bezugssystem als Bedingung für ein effizientes ökologisches Informationssystem: „ a) Man muß wissen, was man wissen will; b) man muß wissen, wer dieses wozu wissen soll."747 Zu 4 Die ökologieorientierten Informationen der ÖISS sind Grundlage und Bestandteil der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen, da sie die Informationen über die ökologische Güte der Unternehmensaktivitäten verfügbar machen und sie die Werte und ökologischen Issues aus dem Unternehmensumfeld in die Problemlösungsprozesse der Unternehmung einbringen.
4.3.1 Funktionsbereich „Management ökologieorientierter Information" 4.3.1.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen Das Management der ökologieorientierten Informationen legt fest, welche Informationen bei der Ausgestaltung der Informationsprozesse zu berücksichtigen sind und in welcher Form sie in die Informationsprozesse eingebracht werden. Für die Funktionsbeschreibung von ÖISS ist zu klären, 746 Vgl. Bleicher 1992, S. 251 und siehe dazu auch Kapitel 3.2.3 747 Vgl. Pfriem 1995, S. 310.
242
4. Abschnitt
welche Informationen aus welchen Quellen durch das Informationssystem prinzipiell zu berücksichtigen sein sollen und wie sie angemessen der Unternehmung zur Verfügung gestellt werden können. Die notwendige Anwenderorientierung der Informationen wirft die Frage auf, welche Informationen dem Management wie zur Verfügung gestellt werden. Dies läßt sich nicht für den allgemeinen Fall, sondern ist für die spezifische Unternehmung zu definieren. Die dynamische und schnelle Entwicklung der ökologischen Problematik und der möglichen Handlungsprioritäten deutet jedenfalls in die Richtung der Notwendigkeit von veränderungsorientierten ISS, die sich durch die Möglichkeiten einer problemorientierten Informationsversorgung und die Möglichkeit der offenen durch Nutzer initiierten Informationsversorgung und Analyseverfahren auszeichnen748. Damit ergibt sich für ÖISS die Notwendigkeit, Gestaltungselemente zu besitzen, die die theoretisch verfügbaren Informationen tatsächlich vollständig verfügbar machen, um sie für Problemlösungsprozesse selektiv nutzen zu können. Die Beschreibung der verfügbaren und prinzipiell notwendigen ökologieorientierten Informationen kann nach 1) Ebenen des inhaltlichen Bezuges und nach 2) Quellen sowie Bezug zur Unternehmung unterschieden werden. Zu 1 Ökologieorientierte Information haben wir bereits bezüglich ihres inhaltlichen Bezuges in drei Ebenen differenziert749: • Informationen über die physikalisch-chemischen Einwirkungen auf die Ökosphäre bezeichnen die Informationen, die etwas über die durch menschliche Einwirkungen verursachten Einwirkungen auf die Ökosphäre aussagen. • Information über die Auswirkungen in der Ökosphäre bezeichnet die Informationen, die etwas über die Wirkungen und Bedeutung der Einwirkungen für Ökosphäre und Ökosysteme aussagen. • Informationen über die wahrgenommenen ökologischen Probleme bezeichnet die Informationen, die etwas über die Bedeutung der Auswirkungen für gesellschaftliche und individuelle Ziele oder Schutzgüter aussagen, und damit etwas über ihre Wahrnehmung als ökologisches Problem. Schutzgüter und ökologieorientierte Ziele können sowohl aus einer anthropozentrischen Perspektive, als auch aus einer allgemein ethischen Sichtweise beschrieben und definiert werden. Für Informationen über die wahrgenommenen ökologischen Probleme gilt, daß sie abhängig von subjektiven Wertungen und Zielen als ein Abbild der sozialkonstituierten Natur zu definieren sind.
748 Siehe Kap. 3.2.4. 749 Siehe dazu Kapitel 2.2.1.3
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
243
Für die Bestimmung der ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten sind die drei Ebenen gleichermaßen notwendig, da nur die Erfassung der Einwirkungen, die Analyse der Auswirkungen Und ihre Bewertung bezüglich der ökologischen Problembeiträge es erlaubt, die Unternehmensaktivitäten in Beziehung zu den ökologischen Problemen zu setzen. Andererseits erlaubt die Kenntnis der wahrgenommenen ökologischen Probleme und ihrer relativen Bedeutung aufgrund der notwendigerweise imperfekten naturwissenschaftlichen Modelle der komplexen Wechselwirkungen, das Suchfeld für kritische Einwirkungen und Aktivitäten der Unternehmung auf die Ökosphäre zu beschreiben. Für die Informationsgrundlagen handlungsorientierter ÖISS zur Unterstützung von ökologischer Unternehmenspolitik müssen die drei Ebenen ökologieorientierter Information im engeren Sinn um Informationen zweier weiteren Ebenen ergänzt werden: •
Information über die Aktivitäten die den Einwirkungen zugrunde liegen, läßt sich als vierte Ebene definieren, da das Management letztlich die Einwirkungen bis zu den Aktivitäten zurückführen können muß. Zudem gibt es eine Reihe von Unternehmensaktivitäten, die aufgrund des Zusammenhangs mit verschiedenen Faktoren wie dem Zusammenwirken mit Aktivitäten und Sachverhalten im Umfeld der Unternehmung als ökologisch kritisch bewertet werden können. Die Information über Aktivitäten kann also hilfsweise Informationen geben, die über die Einwirkungen nur schwer ermittelbar sind750. • Für die erfolgsrelevante Bewertung von Entscheidung über Handlungsalternativen muß die Unternehmung nicht nur Informationen über die wahrgenommenen ökologischen Probleme als Beeinträchtigung von Schutzgütern haben, sondern auch die Bedeutung dieser Ziele relativ zu anderen Zielen kennen, um eine Abwägung im Sinne des Erkennens und Erweiterns von Schnittstellen vorzunehmen. Letztlich braucht die Unternehmung Informationen über die Bedeutung der ökologischen Issues relativ zu anderen Problemen. Für die Definition von ökologieorientierten Zielen, insbesondere von ökologischer Effektivität, die nur im Gesamtzusammenhang sinnvoll definiert werden können, und der Abwägung und Bewertung bei eventuellen Zielkonflikten müssen Unternehmen auf Informationen dieser fünften Ebene ökologieorientierter Information zurückgreifen. Für ökologieorientierte Informationen über die vergleichende Bewertung ökologischer Probleme relativ zu anderen gesellschaftlichen Zielen gilt in besonderem Maße die Einschränkung bezüglich des Objektcharakters von Information, so daß diese Informa-
7S0 Während die Analyse der Unternehmensaktivität vergleichsweise trivial erscheint, ist die Analyse der relevanten Aktivitäten im ökologischen Produktlebenszyklus ein aufwendiger Schritt; vgl. Guinee et al. 1993, S. 5 ff.
244
4. Abschnitt
tionen erst im Diskurs und in der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen verfügbar werden. Die fünf Ebenen ökologieorientierter Information im weiteren Sinne ermöglichen es der Unternehmung, die eigenen Aktivitäten bezüglich ihrer Bedeutung als ökologische Problembeiträge zu bestimmen und die Bedeutung wahrgenommener ökologischer Probleme für die eigenen Aktivitäten zu konkretisieren (siehe Abbildung 4. 3). Abbildung 4.3:
Ebenen ökologieorientierter
Information
E B E N E N OKOLOG1EORIENTIERTER INFORMATION
Information über Unternehmens_ aktivitäten mit ökologischer Bedeutung (y)
Ökologieorientierte Informations-' ebenen
Ökologieorientierte ' Information im engeren Sinne
Information über Erwirkung auf die Ökosphäre Information über Auswirkung in der Information über ökologische Probleme/ Problembeiträge Information über die Bedeutung ökologischer Probleme relativ zu anderen Zielen
Quelle: Eigene Darstellung
Zu 2 Neben den Ebenen ökologieorientierter Information können die Quelle und das Bezugsobjekt der ökologieorientierten Information unterschieden werden. Als Quellen von Information lassen sich zuerst einmal unterschieden •
die unternehmensinternen Informationsquellen aus dem zugänglichen organisationalem Wissen und die • externen Quellen aus dem Umfeld der Unternehmung, die ökologieorientierte Informationen enthalten. Ökologieorientierte Informationen lassen sich neben der Quelle auch nach ihrem Bezug auf die Unternehmung oder ihr Umfeld differenzieren, da sich die Informationen im Umfeld auf unternehmensspezifische Sachverhalten beziehen können, wie auch auf Sachverhalte im Umfeld der Unter-
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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nehmung751. Auch die Informationen aus unternehmensinternen Quellen können sich einmal auf die ökologieorientierten Sachverhalte der Unternehmung und auf solche im Umfeld beziehen. In dieser konzeptionellen Vierfelder-Matrix können die Informationen aus der Unternehmung über das von der Unternehmung unabhängige Umfeld im Kontext von betrieblichen ÖISS vernachlässigt werden. Es lassen sich dann drei Gruppen von ökologieorientierten Informationen bilden, die für ÖISS relevant sind. Diese Gruppen wiederum beinhalten jeweils Informationen aus allen fünf Ebenen ökologieorientierter Information: • Informationen aus der Unternehmung über die Unternehmung (intern) haben für ÖISS hohe Relevanz, da die Informationen über Aktivitäten und Einwirkungen der Unternehmung nur aus unternehmensinternen Quellen stammen können; aber auch Informationen über Auswirkungen und Probleme muß aufgrund des spezifischen, teilweise exklusiven Wissens in der Organisation über Stoffe und Prozesse Bedeutung beigemessen werden. • Informationen aus dem Umfeld über unternehmensbezogene Sachverhalte (extern-unternehmensbezogen) sind für ÖISS relevant, da sie die Informationen über indirekte Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten im ökologischen Produktlebenszyklus enthalten. Diesem Informationstyp können auch Informationen über die ökologischen Issues der Anspruchsgruppen mit Unternehmensbezug zugeordnet werden, die Informationen über Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten in spezifischen Ökosystemen oder über spezifische ökologische Problembeiträge der Unternehmung. • Informationen aus dem Umfeld über das Umfeld (extern ohne Unternehmensbezug) machen einen wichtigen Teil der für ÖISS notwendigen Informationsgrundlagen aus, da diesem Teil der Matrix alle allgemeinen Informationen über die Auswirkungen von Einwirkungen in der Ökosphäre und die Entwicklung der wahrgenommenen ökologischen Probleme und sich neu entwickelnder ökologischer Probleme zugeordnet werden müssen. Die umfeldbezogenen Informationen enthalten zudem Informationen über die Bedeutung der ökologieorientierten Probleme zueinander und zu anderen gesellschaftlichen Zielen. In der so gewonnen Informationsmatrix lassen sich alle Formen von ökologieorientierter Information systematisieren und zuordnen, die für die
751
So differenziert SENN zwischen direkter ökologischer Information, die Informationen über Einwirkungen auf und Auswirkungen in der Ökosphäre enthält, sowie indirekter ökologieorientierter Information, die Informationen über Wachstumsraten für Umweltschutzprodukte, über staatliche Förderprogramme und die Entwicklung des Umweltschutzbewußtseins enthält; vgl. Senn 1986, S. 69.
246
4. Abschnitt
vollständige ökologieorientierte Informationen in ÖISS relevant sind (siehe Abbildung 4. 4). Abbildung 4.4:
Ökologieorientierte Informationsmatrix mit Beispielen
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
247
Für den Funktionsbereich „Management der ökologieorientierten Information" lassen sich die Anforderungen 1) Vollständigkeit bezüglich der Informationsmatrix und 2) semantische Fruchtbarkeit für die Güte der Information an Konzepte für ökologieorientierte ISS formulieren. Zu 1 Zentrale Anforderung an die Informationsgrundlagen ist die Vollständigkeit der erfaßten und verarbeiteten Informationen752. Die Anforderung Vollständigkeit kann bezüglich der ökologieorientierten Informationsmatrix dahingehend präzisiert werden, daß alle Ebenen ökologieorientierter Information zugänglich sind, daß unternehmensinterne und unternehmensexterne Informationsquellen einbezogen werden und daß alle wahrgenommenen ökologischen Probleme berücksichtigt werden753. In größeren Unternehmen können wir die Anforderung der Vollständigkeit dahingehend erweitern, daß tatsächlich auch alle Unternehmensaktivitäten als Verursacher von Einwirkungen mit einbezogen werden können. Die Anforderung darf nicht so verstanden werden, daß jedes ökologieorientierte ISS alle Informationsgrundlagen nutzen muß, aber die Konzepte müssen die Möglichkeit bieten, in dem spezifischen Problemlösungsprozeß auf alle verfügbaren Informationen zurückzugreifen, gleichgültig, ob die Informationen weich und qualitativ oder eindeutig festlegbar und quantitativ sind754. Zu 2 Die von dem ÖISS tatsächlich verwendeten Informationen müssen eine gewisse Abbildungsqualität aufweisen. Dementsprechend ist bereits gefordert worden, daß die Informationen des ökologieorientierten ISS differenziert, am Detail orientiert und wirklichkeitsgetreu sein müssen755. Außerdem wurde Reliabilität und Genauigkeit in Abhängigkeit vom Erhe-
752 Vgl. Ringeisen 1988, S. 492, Hallay/Pfriem 1992, S. 26, Schulz/Schulz 1993, S. 7, Böning 1994, S. 49, Schmidt-Bleek 1993, S. 101 und Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 47 753 Vgl. Böning 1994, S. 50 754 Dies gilt umso mehr, da wir bereits zeigen konnten, daß gerade qualitative Informationen zur Interpretation der gesellschaftlichen Bedeutung und Entwicklung ökologieorientierter Ziele notwendig sind. 755 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 44 und Schaltegger/Sturm 1992, S. 54
248
4. Abschnitt
bungsverfahren gefordert756. Für den Test und die Beschreibung der Qualität von Informationen gibt es keine absoluten Kriterien, vielmehr letztlich nur die empirische Überprüfung am konkreten Fall. Zudem müssen die Forderungen nach empirisch überprüfter oder überprüfbarer Validität und Reliabilität nach Informationsebenen differenziert behandelt werden, da zumindest die Reliabilität bei der Einbeziehung der Ebene Wahrnehmung ökologischer Probleme und relative Bedeutung zu parallel verfolgten Zielen leiden muß, wie bereits RINGEISEN als Gegensatz von Objektivität und Vollständigkeit thematisiert hat757. Basierend auf den Grundlagen der Informationstheorie wollen wir uns AMLERS Forderung nach semantischer Fruchtbarkeit als Prüfkriterium der dem Objekt inhaltlich angemessenen Abbildungsgüte von Information anschließen758. Für den Test der semantischen Fruchtbarkeit gibt es verschiedene Beurteilungskriterien, die empirisch durch die beiden Kriterien Validität und Reliabilität getestet werden könne: • Das wichtigste Kriterium Validität prüft dabei die Korrelation beziehungsweise die Abweichung der Information vom Original, also den systematischen Fehler der Abbildung bzw. der Information159. Für uns ist dies das wichtigste Kriterium der Angemessenheit bzw. Güte der Information, da ein Konzept möglichst keine systematischen Fehler zulassen sollte. • Das Reliabilitätskriterium überprüft die formale Genauigkeit der Bedeutungszuweisung aufgrund des Modells, d.h. eine Information ist reliabel, wenn bei wiederholter Vermittlung der Information auch dasselbe Verständnis des Objekts erzielt wird, welches sich im Ergebnis ausdrückt760. Vor dem Hintergrund der Subjektivität von Wirklichkeitskonstraktionen soll an diesem Kriterium diskutiert werden inwieweit bei den einbezogenen Informationen von der Fiktion einer inter-
756 Vgl. Böning 1994, S. 49 und Schaltegger/Sturm 1992, S. 61 So z.B. ob die Informationen direkt gemessen, aus Stichproben hochgerechnet, auf statistisch ermittelten Durchschnittswerten beruhen oder geschätzt wurden 757 Vgl. Ringeisen 1988, S. 530 f. 758 Die semantisch-logische Fruchtbarkeitsbedingung prüft die Abbildung des Orginals durch das Modell bzw. die Information; vgl. Amier 1983, S. 115. Siehe dazu auch Kapitel 3.1.2 759 Vgl. Amier 1983, S. 123 ff. Die Validität ist letztlich nicht objektiv prüfbar, sondern wiederum nur über Expertenurteile intersubjektiv zu testen. 760 Vgl Amier 1983, S. 126 f. Da für die Reliabilität der pragmatische Einfluß wichtig ist, schlägt das Konzept vor, die Reliabilität sowohl als intrasubjektive Konstanz als auch als intersubjektive Konsistenz zu testen. Ähnlich argumentieren verschiedene Autoren, die intersubjektive und ortsunabhängige Reproduzierbarkeit fordern; vgl. Ringeisen 1988, S. 492, Günther 1993, S. 282, Schmidt-Bleek 1993, S. 101 und Schaltegger/Sturm 1992, S. 56.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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subjektiv einheitlichen Bedeutungszuweisung ausgegangen werden kann.
4.3.1.2 Instrumentelle Gestaltimgselemente und Management ökologieorientierter Informationen Die kritische Würdigung der Informationsprozesse der identifizierten Gestaltungselemente bezüglich des Funktionsbereichs Management ökologieorientierter Information muß die Vollständigkeit der Zugriffsmöglichkeiten auf die Felder der ökologieorientierten Informationsmatrix und die semantische Fruchtbarkeit der Information aus diesem Zugriff diskutieren. Das Gestaltungselement Systemaudits kann aufgrund seiner informatorischen Unbestimmtheit als Meta-Instrument ausgeklammert werden. Wichtigstes Gestaltungselement zur Einbeziehung von Informationen über die Einwirkungen der Unternehmensaktivitäten ist die Stoff- und Energiebilanz, die sowohl als eigenständiges Instrument als auch als Grundlage für Informationen über Einwirkungen in anderen Konzepte fungiert761. Die Quelle oder der Unternehmensbezug spielen eine untergeordnete Rolle. Der sinnvolle Bezug zu den Unternehmensaktivitäten ist abhängig von der Differenzierung der Stoff- und Energiebilanzen. Bezüglich der ökologischen Probleme sind Stoff- und Energiebilanzen unvollständig, da sie nur die fortlaufenden Einwirkungen und nicht die dauerhaften Einwirkungen erfassen. Der Stoff- und Energiebilanz wird ein hohes Maß an semantischer Fruchtbarkeit zugeordnet, da sie die physikalisch-chemischen Einwirkungen eindeutig abbildet, über die Masse- und Energieerhaltung eine interne Kontrollmöglichkeit besitzt und ein geringes Maß an Interpretationsmöglichkeiten im Sinne von Reliabilität aufweist762. Die Validität der Informationen als Grundlage für die Bestimmung der Auswirkungen hängt davon ab, wie tief die inhaltliche Differenzierung der einzelnen Stoffflüsse ist. Eine Einschränkung der Validität, eine Unschärfe ergibt sich aus der fehlenden Erfassung von Konzentrationen und des physikalischen Aggregatzustands insbesondere der Outputs. Die Einschränkung der registrierten Flüsse aufgrund pragmatischer Bewertung der wichtigsten Auswirkungen reduziert die Validität durch fehlende Kon-
761
Die Stoff- und Energiebilanz ist Grundlage für die Ökocontrollingkonzepte des IÖW, von ÖKOSCIENCE, von WAGNER, B. und des
ökologischen
Rechnungswesens. Stoff- und Energiebilanzen sind das Gestaltungselement zur Erfassung der Einwirkungen in den Konzepten der grenzwertorientierten Bewertung, der Bewertung betrieblicher Umweltschutzmaßnahmen, der auswirkungsorientierten Bewertung, der Umweltrechnungsmethode, der energieflußorientierten Bewertung, der schadensfunktionsorientierten Bewertung, der stoffmengenorientierten Bewertung und des stoff- und energieflußbezogenem Kennzahlensystems. 762 Vgl. DIN Hrsg. 1994, S. 209 und SETAC Hrsg. 1993, S. 14
250
4. Abschnitt
trollmöglichkeiten und Flexibilität des Gestaltungsinstruments763. Semantisch fruchtbar scheint dagegen die Ergänzung der Stoff- und Energiebilanzen mit outputorientierten Hilfsgrößen beispielsweise für diffus abgegebene Energien wie Lärm zu sein7 . Das Gestaltungselement der Substanzbilanz bezieht die in den Stoffund Energiebilanzen ausgeklammerten Informationen über die dauerhaften Einwirkungen durch die Unternehmensaktivitäten ein. Die Substanzbilanz nimmt in der einfachsten Form nur die Informationen über den Flächenverbrauch bzw. die Veränderungen von Rächen auf765. In einer vollständigeren Version werden standortbezogen die Auswirkungen und Veränderungen in den Ökosystemen erfaßt, das Gestaltungselement übergreift dabei die ökologieorientierte Informationsebene der Einwirkungen und Auswirkungen und weist einen Bezug zur Bewertung der ökologischen Problembeiträge auf766. Die Informationen des Gestaltungselements haben zumeist Bezug zur Unternehmung: dies ist aber nicht zwingend. Das Gestaltungselement Substanzbilanz ist in der vollständigen Form nur standortbezogen sinnvoll, während sich produkt/leistungsbezogene Betrachtungen zumeist auf wenige Indikatoren wie z.B. die Fläche konzentrieren. Die semantische Fruchtbarkeit ist bei einfachen Faktoren wie Landverbrauch relativ hoch; je vollständiger die Substanzbilanz wird, um so größer wird die Validität, während die Reliabilität eher sinkt. Die Substanzbilanz muß hinsichtlich der Beschreibung der betroffenen Ökosysteme Unscharfen aufweisen, da die vollständige Erfassung der komplexen Systeme unmöglich ist767.
763
764
765 766
767
Das Ökocontrollingkonzept des Ö.B.U. selektiert Teile der stofflichen und energetischen Flüsse auf Basis einer qualitativen Abschätzung der Relevanz, was aufgrund regional unterschiedlicher Ginschätzung zu Problemen führen kann, da andere Bewertung von ökologischen Problemen andere Schwerpunkte bei der Erfassung der Einwirkungen notwendig werden lassen kann. Der stoffmengenorientierte Bewertungsansatz des MIPS erfaßt einseitig die stofflichen Inputs. Das Ökocontrollingkonzept des Ö.B.U. sowie die qualitativ-orientierten Ansätze von I.Ö.W., Ökoscience und Wagner, B. bestimmen ebenfalls outputorientierte Hilfsgrößen wie Schall- und Strahlungsbelastung durch die Unternehmensaktivitäten. Das Ökocontrollingkonzept des Ö.B.U. bezieht die Landnutzung, der auswirkungsorientierte Ansatz bezieht ebenfalls die Veränderung von Flächen ein Informationen über die Substanzeinwirkungen werden über die Bilanzsystematik in das Konzept des handlungsorientierten Ökocontrolling nach ÖKOSCIENCE einbezogen. Die Substanzeinwirkungen werden im Konzept des ökologieorientierten Rechnungswesens in der Umweltbestandsrechnung berücksichtigt, ohne allerdings in die grenzwertorientierte Bewertung der ökologieorientierte Bewertung einbezogen zu werden. Die UVP beruht auf der Substanzbilanz. Vgl. Haber 1993, S. 104
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
251
Bei den Gestaltungselementen zur Bestimmung der ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten ausgehend von den Einwirkungen über die Analyse der Auswirkungen und der Bewertung der Problembeiträge können die hochaggregierten, quantitativ-reduktiven Bewertungsansätze von den multifaktoriellen Bewertungsansätzen unterschieden werden. Die Gestaltungselemente müssen noch im einzelnen auf ihren Umgang mit ökologischen Problemen und die Validität der Ergebnisse in bezug auf intendierte Aussage überprüft werden: •
Das stoffmengenorientierte Konzept nach SCHMIDT-BLEEK greift in der Bewertung nicht auf Informationen über Auswirkungen zurück, sondern verwendet nur die auf dem Stoffinput aufsetzende Größe MIPS. Die Bewertung bezüglich ökologischer Problembeiträge erfolgt anhand globaler Vorgaben für Nachhaltigkeit. Die semantische Fruchtbarkeit der dafür einbezogenen Informationen ist hoch einzuschätzen. • Die energieflußorientierten Bewertungskonzepte bewerten die ökologischen Problembeiträge ausschließlich auf Basis des Energieverbrauchs beziehungsweise der erzeugten Entropie und können damit die Einwirkungen in Beziehung zu Auswirkungen setzen, ohne allerdings einen direkten Bezug zu Informationen über ökologische Probleme herstellen zu können. Die semantische Fruchtbarkeit der Informationen kann als hoch eingeschätzt werden, da sie präzise bestimmbar ist und ein geringer Interpretationsspielraum besteht. • Die schadensfunktionsorientierten Instrumente benutzen Informationen über das Verhalten von Stoffen in der Ökosphäre und Informationen über ihre Wirkungen auf bestimmte Indikatoren, um einen Toxfaktor zu schaffen. Die Validität der einbezogenen Informationen über toxikologische Wirkungen ist nicht als hoch einzustufen, da eine fest quantitative Relation zwischen den die Problematik des Stoffes bestimmenden Eigenschaften nicht gegeben ist768. • Die grenzwertorientierten Konzepte benutzen das Verhältnis von Grenzwerten zueinander, um die ökologischen Problembeiträge von in die Natur abgegebenen Stoffen zu bewerten. Das ausführlichste Konzept (Ökologisches Rechnungswesen) entwickelt auf der Basis von verschiedenen Immissions- und Emissionswerten medienübergreifende Verhältniszahlen (Qualitätszielrelationen), aus denen der ökologische Problembeitrag ermittelt wird. Das Modell kann Informationen über durch Stoff- und Energieinputs verursachte Problembeiträge und die aktuelle Belastungssituation nicht einbeziehen. Die gesellschaftliche
768 Schon die Bestimmung aller relevanten toxikologischen Wirkungen als generell notwendige Information für ökologieorientierte Bewertung von Stoff- und Energiebilanzen ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Reaktion von Ökosystemen und Organismen sowie möglicher Wechselwirkungen und Kumulationseffekte als schwierig zu bewerten.
252
4. Abschnitt
Bewertung der ökologischen Probleme findet über die eingeschränkt valide Grenzwertdiskussion Eingang in die Bewertung. • Die stoffflußorientierten Gestaltungselemente orientieren sich an den Ist- Mengen der Stoff- und Energieflüsse und setzten sie in das Verhältnis zu den über Grenzwerte abgeleiteten kritischen Flüssen. Das Ö.B.U.-Konzept negiert alle ökologischen Probleme, die durch übermäßigen Rohstoffeinsatz erzeugt werden, und es propagiert eine Reduktion auf 10 -100 Faktoren. Der Verbesserungsvorschlag nach BÖNING erweitert den Geltungsbereich der Konzeptionen auch auf stoffliche Inputs, bleibt aber bei Vorgaben für eine limitierte Anzahl Stoffe. Die semantische Fruchtbarkeit der Informationen ist bezüglich der Validität der Hilfskonstruktionen beim Schall umstritten und bezüglich der Verhältnisse der Flüsse zueinander ungeklärt. Den hochaggregierten quantitativen Ansätzen ist gemeinsam, daß sie nur einen Teil der möglichen ökologieorientierten Informationen nutzen können: Die Bewertungsmodelle stellen einen einfachen quantitativ-kardinalen Zusammenhang zwischen Einwirkung durch die Unternehmensaktivitäten und ökologischem Problembeitrag her und können deshalb beispielsweise für die gesellschaftliche Bewertung von ökologischen Problemen nur quantitative Informationen wie Grenzwerte nutzen, die die tatsächliche gesellschaftliche Bewertung nur unvollständig wiedergeben, da die Festlegungsprozesse vom diskursiven Ideal abweichen und sie zudem bzw. am Ende der gesellschaftlichen Konsensprozesse stehen769. •
Um die quantitativen Bewertungsmodelle zu realisieren, klammern die Gestaltungselemente explizit Teile der ökologischen Probleme als weniger bedeutend und kritisch aus; wie das O.B.U. und das MIPSKonzept unter Bezug auf eine Ebene der Auswirkungen oder unter regionalen Aspekten. Unter der Prämisse, daß die Bedeutung einzelner ökologischer Probleme sich schnell verändert und zudem für größere global agierende Unternehmen die regionale Eingrenzung inadäquat ist, sind die Gestaltungselemente deshalb als unvollständig zu kennzeichnen. • Die Gestaltungselemente nutzen, um zu möglichst großer Objektivität und Überprüfbarkeit zu gelangen, nur quantifizierte externe Informationen ohne Unternehmensbezug über Auswirkungen und ökologische Probleme aus dem Umfeld, während unternehmensinterne Informationen und Informationen, die direkt auf die Unternehmung bezogen sind, nicht genutzt werden können. • Alle Gestaltungselemente können die Informationen über dauerhafte Einwirkungen nicht in die reguläre Bewertung einbringen. 769 Vgl. Kap. 2.2.1.2
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
253
• Durch den Fokus auf quantitative unternehmensunabhängige Informationen sind die Bewertungsinformationen durch eine hohe Reliabilität gekennzeichnet. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Instrumente durch den Fokus auf quantitative Informationen zwar eine hohe Reliabilität haben, gleichzeitig aber nur unvollständig ökologieorientierte Informationen einbeziehen. Den multifaktoriellen Methoden als Gestaltungselementen zur ökologieorientierten Bewertung ist es prinzipiell möglich, alle vorhandenen ökologieorientierten Informationsgrundlagen in die Bewertung einzubeziehen. Um so mehr gilt dies, wenn sie sich wie das qualitativ-ordinale IÖW- Konzept auf eine Methodik stützen, die eine möglichst breite Nutzung der vorhandenen ökologieorientierten Informationen durch die Vorgabe von Bewertungskategorien sicherstellt. Dies bedingt, daß die multifaktoriellen Bewertungsmethoden neben externen Informationen ohne Unternehmensbezug auch interne und externe unternehmensbezogene Informationen nutzen und theoretisch Informationen über alle ökologischen Problemfelder bei der Bewertung von Einwirkungen berücksichtigen können. Durch die Vielfalt und Komplexität kann die Reliabilität der Informationen leiden, insbesondere bei den qualitativ-verbal-argumentativen Konzepten. • Das qualitativ-ordinale IÖW-Konzept beruht auf der Bewertung der Stoff- und Energieflüsse nach sieben Bewertungskategorien, die gesellschaftliche Anforderungen auf verschiedenen Konkretisierungstufen in die Bewertung von Stoffen einbringen. Unvollständig ist das Gestaltungselement, da die dauerhaften Einwirkungen in die Bewertung noch nicht integriert sind. Das Kriterium der semantischen Fruchtbarkeit ist abgestuft nach Informationsebene zu definieren, so ist z.B. das Kriterium 2 (die gesellschaftlichen Anforderung) als offenes schlecht definiertes Kriterium relativ niedrig zu bewerten, während den anderen Kriterien ein vergleichbar hohe Validität zu kommt. • Für die qualitativ-verbal-argumentative Methodik nach WAGNER und ÖKOSCIENCE ist keine Bewertungssystematik dokumentiert, für die Bewertung der vergleichbar mit dem IÖW-Konzept erarbeiteten Stoffund Energiebilanzen stehen aber prinzipiell ähnliche Kriterien zur Verfügung. Das Ökoscience-Konzept nutzt situativ verschiedene Informationen zur Bewertung770. Die semantische Fruchtbarkeit ist demgemäß schwer zu beurteilen. • Als ein scoringorientierter Bewertungsansatz kann das Konzept zur Bewertung von betrieblichen Umweltschutzmaßnahmen (GAHRMANN et al.) gezählt werden. Das Konzept bezieht verschiedene Bewertungs770 Vgl. Keller 1994, S. 87
254
4. Abschnitt
kategorien zur Abschätzung des Umweltrisikos ein; das Konzept ist offen für die unternehmensbezogene und unternehmensinterne Informationen zur Bewertung der Stoff- und Energieflüsse. Das Instrument kann Informationen über die gesellschaftliche Bewertung ökologischer Probleme reflektieren, und es bezieht zur Entscheidungsvorbereitung Informationen über die Beziehung zu Zielen der Unternehmung mit ein. Die Validität der Informationen entspricht denen der anderen multifaktoriellen Methoden; die Reliabilität kann aufgrund der vorgegebenen Scoringmethodik als relativ gut eingeschätzt werden. •
Die produktbezogene Nutzwertanalyse von KREIKEBAUM/TÜRCK re-
präsentiert ebenfalls ein multifaktorielles Nutzwertmodell, das sowohl Informationen über Auswirkungen, über ökologische Probleme und Zielbezüge in die Bewertung einbeziehen kann. Die Konzeption ist prinzipiell offen für Informationen aus internen und externen Quellen und kann auch den spezifischen Bezug zu den unternehmensspezifischen Aktivitäten herstellen. Um die Reliabilität beurteilen zu können, ist das Verfahren nicht ausreichend entwickelt. Die Validität der Informationen entspricht denen der anderen multifaktoriellen Verfahren. Das auswirkungsorientierte Bewertungsmodell771 liegt als Gestaltungselement zwischen den multifaktoriell qualitativ-verbal-argumentativen und den quantitativ-reduktiven Bewertungsmethoden. Das auswirkungsorientierte Modell bezieht die qualitativen Informationen über gesellschaftliche Werte und Ziele in die Definition der Probleme ein, um so das relevante ökologische Problemfeld zu definieren. Die Priorisierung der Probleme, die analysiert werden, stellt den Ausgangspunkt der quantitativen Analyse von Einwirkungen und Auswirkungen dar, die wiederum die Vorlage für politische Prozesse der Entscheidungsfindung bezüglich der Bewertung als Problembeiträge sind. Allerdings muß auch das System die Summe aller Einwirkungen zu achtzehn Auswirkungsgrößen zusammenfassen und damit die Informationen vereinfachen. Für die zur Bewertung benutzten Informationen können keine internen oder unternehmensbezogenen Informationen verwendet werden, sondern das Bewertungssystem ist auf einen nationalen oder regionalen Rahmen ausgerichtet. Die semantische Fruchtbarkeit ist durch die Trennung der einzelnen Problembereiche und ihrer spezifische Bestimmung relativ hoch einzuschätzen. Die EPS-Methode verwendet die politisch legitimierte Definition von Schutzgütern, um auf dieser Basis die Auswirkungen, die vergleichbar zur auswirkungsorientierten Methode ermittelt wurden, in ihrer Bedeutung für die Schutzgüter zu monetarisieren und so die ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten zu erarbeiten. Das Gestaltungselement kann so die Informationen aller fünf Ebenen ökologieorientierter Informa771 Und die daran angelehnte Methode des EOA- und des EPS-Konzepts, zumindest bis zur Ebene der Auswirkungsermittlung.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
255
tion integrieren. Die semantische Fruchtbarkeit ist aufgrund der relativ komplexen Methodik und der notwendigerweise pragmatischen Zuordnungen und Modellannahmen zumindest fraglich. Das zweidimensionale Bewertungsmodell des EOA-Konzepts bezieht neben den Informationen der auswirkungsorientierten Bewertung auch Informationen über die Beziehung von ökologischen Problemen zu anderen Zielen der Unternehmung und ihres Umfelds in die Bewertung von Handlungsalternativen mit ein. Die semantische Fruchtbarkeit der Informationen ist als unsicher zu beurteilen. Die umfeldorientierten Gestaltungselemente der ökologieorientierten Szenarien und der ökologieorientierten Umfeldanalyse beziehen schwerpunktmäßig die ökologieorientierten Informationsebenen der wahrgenommenen ökologischen Probleme und der relativen Bewertung zu anderen gesellschaftlichen Zielen ein. Die Konzepte beziehen sowohl unternehmensbezogene als auch allgemeine dem Umfeld der Unternehmung entstammende Informationen ein. Die semantische Fruchtbarkeit der Informationen über die ökologischen Issues in den gesellschaftliche Lenkungssystemen und die mögliche Bedeutung für die Unternehmung kann als unsicher eingestuft werden; die ökologieorientierten Szenarien ermöglichen es durch das explizite Aufzeigen von Unsicherheit, die Validität und Reliabilität der einzelnen Informationen deutlicher zu machen und damit insgesamt die semantische Fruchtbarkeit zu erhören. Zusammenfassend erscheinen für den Funktionsbereich Management ökologieorientierter Information die Gestaltungselemente Stoff- und Energiebilanzen und Substanzbilanz zur Erfassung der fortlaufenden und dauerhaften Einwirkungen unverzichtbar. Bezüglich der Nutzung von Informationen zur Analyse der Auswirkungen und Problembeiträge weisen die multifaktoriellen Bewertungsmethoden als Gestaltungselemente deutlich Vorteile auf durch die Möglichkeiten, die ökologieorientierten Informationen vollständig zu nutzen, im Gegensatz zu quantitativ-reduktiven Gestaltungselementen. Die Validität der einbezogenen Informationen in multfaktoriellen und quantitativ-reduktiven Instrumenten ist ungefähr vergleichbar mit Ausnahme der Grenzwerte als Abbildung der gesellschaftlichen Bewertung der ökologischen Problembeiträge, die in Anbetracht der politischen Prozesse und des Phänomens einer Diffusionskurve als nicht valide gelten können. Die auswirkungsorientierte Methode stellt einen Kompromiß, allerdings unter ausschließlicher Verwendung externer Informationen ohne Unternehmensbezug, dar. Die quantitativ-reduktiven Ansätze müssen als unvollständig betrachten werden und sind deshalb zumindest mit weiteren Elementen zu ergänzen (siehe Abbildung 4. 5). Die Gestaltungselemente sind um umfeldorientierte Instrumente zu ergänzen, um die Informationen über wahrgenommene ökologische Probleme und die Bedeutung ökologischer Probleme gegenüber anderen Ziele zu ermitteln.
256
4. Abschnitt
Abbildung 4.5:
Schwerpunkte der durch Gestaltungselemente einbezogenen ökologieorientierten Informationen
SCHWERPUNKTE DER DURCH GESTALTUNGSELEMENTE EINBEZOGENEN ÖKOLOGIEOWENTTERTEN ^FORMATIONEN Ebenen okologleorierv tlerter Informationen Information Ober ©
Unternehmeneaktivitäten
0
Physikalisch chemische Einwirkungen auf die Ökosphäre
Jnternehmenslnterne nformetion mit Bezug zur Jnternehmung
Unternehmensexteme Informationsquellen (Unternehmens umfeld) Mt Bezug zur Unternehmung
Ohne Bezug zur Unternehmung
Pfinzweiler InformaOonszugritfsbereich für mdtifaktoriefle Methoden •h EnergieAiikxientierte Konzepte
(&) Auswirkungen in der Ökosphäre (Ökosystem)
. Schadensfunkbonsonenberte Konzepte
Kriterien 3.4. (6) IÖW Beeinträchtigung der Univelt-frkjrmelfaBnsiKo/StörlaBrtsiko ©
Ökologische Probleme (Problembeiträge)
• Stofffiußorientierte Konzepte • Grenzwertorientierte Konzepte • Auswirkungsorientiertes Konzept • Schutzgüterorientiertes Konzept
©
Bedeutung der ökologischen Probleme relativ zu anderen gesellschaftlichen Zielen
IÖW: Kriteriums irternalisierte Umweltkosten
IÖW Kriterien: 1 + 2 Unweltgesetzun^ gesellschaftliche Diskussion j ökologieorientierte SzenarierV urrteldorientierte Instrumente
OLMH« S g m D n M i f
4.3.2 Funktionsbereich „Unterstützung ökologieorientierter Entscheidungen" 4.3.2.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen ÖISS, die der Unternehmung die Einbeziehung ökologischer Probleme in die Problemlösungsprozesse ermöglichen wollen, müssen Möglichkeiten beinhalten, Ziele und Handlungsalternativen ökologieorientiert zu bewerten. Informationssysteme nehmen immer, sofern sie Informationen im Sinne der Planungs- und Entscheidungsebene verdichten, auch eine Vereinfachung und eine Reduktion der Komplexität vor. Dabei werden idealerweise die Informationen so selektiert, strukturiert und verknüpft, daß die Komplexität der Beziehungen und Interaktionen auf das Wesentliche reduziert wird und ein vereinfachtes Wirklichkeitsabbild entsteht, welches trotzdem optimale Entscheidungen unterstützen kann772. Es muß als ein Erfolgsfaktor für ÖISS angesehen werden, eine Entscheidungsfindung 772 Vgl. Pfriem 1995, S. 310 f. und siehe auch Kapitel 3.4.1
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
257
nach einfachen Regeln zu ermöglichen, um der beschränkten Verarbeitungskapazität der Anwender gerecht zu werden773. Die Diskussion und Beschreibung dieses Funktionsbereichs ist für ÖISS von besonderem Interesse, da für die Bewertung der ökologischen Problembeiträge der Unternehmung sehr unterschiedliche Modelle vorgeschlagen werden und zudem das Verhältnis von ökologieorientierten Zielen der Unternehmung zu parallel verfolgten Zielen zum Teil erhebliche Zielkonflikte aufwirft, die sowohl im Hinblick auf ökonomische Effizienz als auch auf Erfolgspotentiale differenziert bewertet werden müssen. Deshalb geht es uns bei diesem Funktionsbereich darum, die inhaltlich angemessenen Möglichkeiten von ÖISS zu komplexitätsreduzierter, aber valider Bewertung und Beurteilung von Handlungsalternativen zu definieren und die Gestaltungselemente daraufhin zu untersuchen774. Um ökologieorientierte Entscheidungsunterstützung zu geben, muß ein ÖISS differenzieren zwischen: 1) Beschreibung und Bewertung von Handlungsalternativen bezüglich ihrer ökologischen Güte und 2) der Bewertung der Handlungsalternative gegen parallel verfolgte erfolgskritische Ziele der Unternehmung wie Rentabilität. Zu 1 Die erfolgsstrategisch notwendige selbständige Auseinandersetzung mit ökologischer Güte macht die Auseinandersetzung der Unternehmung mit ihren Problembeiträgen, ausgehend von der Erfassung der Aktivitäten und der Einwirkungen, über die Analyse der Auswirkungen und die Bewertung der ökologischen Problembeiträge notwendig. Die Interaktion mit Anspruchsgruppen kann die Analyse der direkten physikalisch-chemischen Interaktionen nicht ersetzen, weil: •
auch die Anwaltsgruppen oder die Umweltverbände und Initiativen direkt Betroffener keine authentischen Vertreter des ökologischen Systems sind, sondern antizipierte Interessen der Ökosphäre als Teil eines individuell und soziokulturell überformten Anspruchsbündels vertreten775, • der Kreis der einzubeziehenden Anspruchsgruppen prinzipiell offen ist, die Unternehmung also Entscheidungen und Bewertungen über ökologische Güte allgemein vertreten können muß776 und 773 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 26 ff. 774 Es gilt die Einschränkung, daß nicht jede Entscheidungssituation beliebig vereinfacht werden kann, sondern der Komplexität des Problems angemessen sein muß. Deshalb ist die Nützlichkeit von Informationen für strategische und operative Problemlösungsprozesse durchaus noch getrennt zu untersuchen. 775 Siehe dazu Kapitel 2.2.3.2.1 776 Vgl. Wiesner 1983, S. 339 ff.
258
4. Abschnitt
• es erfolgsstrategisch sinnvoll erscheint, ein eigenes valides Modell zu besitzen, um Entwicklungen zu verstehen und Argumente für den Diskurs zu besitzen. Für die selbständige Beschäftigung mit ökologischer Güte muß die Unternehmung auch die bisher von uns aus der Diskussion von ökologieorientierten Zielen ausgeklammerte Frage beantworten können, welche Bedeutung die einzelnen Auswirkungen und ökologischen Problembeiträge zueinander haben, um die ökologische Güte zu beschreiben. Dabei geht es darum, eine naturwissenschaftlich angemessene Repräsentation des Wissens über Einwirkungen und Auswirkungen zu schaffen und für die Bewertung der ökologischen Problembeiträge die gesellschaftliche Perspektive angemessen einbeziehen zu können. Wie kann eine naturwissenschaftlich angemessene Repräsentation des Wissens über ökologische Systeme aussehen? HABER kritisiert die UVPMethode stellvertretend für andere Gestaltungselemente, weil ihre Aussagekraft bezüglich der tatsächlichen Entwicklungen der Ökosysteme gering sei, da die verschiedenen Ebenen der Ökosysteme und ihre Komplexität, selbst unter der Bedingung, alle Wechselwirkungen zu kennen, nicht genau genug erfaßt werden können und damit das Verhalten des komplexen Systems nur ungenau und eventuell völlig falsch vorhergesagt werden kann. Deshalb ist Planung einer stabilen und lebenswerten Umwelt unter den Bedingungen der inneren Systemstabilität und Selbstorganisation sowie der Komplexität der ökologischen Systemhierarchie ein nicht einlösbarer Anspruch777. Die Ökosysteme und die ganze Ökosphäre bestehen aus hochkomplexen Strukturen und Systeme, die untereinander wiederum hochgradig organisiert sind778. Diese komplexen Systeme ergeben besondere Schwierigkeiten in der Modellbildung, die sich in ihrer hohen Individualität begründen. Nach DAVIES zeigen komplexe Systeme vier Eigenschaften, die die Modellentwicklung erschweren: • Komplexität tritt abrupt ein, nicht als Folge einer stetigen Entwicklung, • komplexe Systeme haben eine hohe Anzahl an Freiheitsgraden der Entwicklung, • komplexe Systeme sind nicht geschlossen gegenüber ihrer Umgebung • und das Verhalten der Systeme ist typischerweise nichtlinear oder chaotisch. Die Eigenschaften komplexer Systeme sind typischerweise in der Biologie und Ökologie zu beobachten. So kann die Populationsentwicklung von
777 778
Vgl. Haber 1993, S. 104 ff. Vgl. Odum 1991, S. 42 ff., 73 ff. und 227 ff.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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unterschiedlichen Spezies sich von Jahr zu Jahr chaotisch verhalten779. Solch in hohem Maße regelloses und unvorhersagbares Verhalten wird als deterministisches Chaos bezeichnet780. Ähnliche Untersuchungen lassen sich auch für einfache ökologische Beziehungen wie das Verhältnis einer Räuberpopulation zu der Population ihrer einzigen Beute, die voneinander abhängen, durchführen. Dabei ist die dynamische Schwankung der Populationsstärken abhängig von der Startposition, und es kann unter bestimmten Umständen ebenfalls zu regellosen und chaotischen Schwankungen beider Populationen kommen781. Ökologische Systeme als hochkomplexe Systeme zeigen eine hohe Singularität, da jedes System aufgrund der Vielzahl der Freiheitsgrade und seiner spezifischen Entwicklung praktisch einzigartig ist. Damit zeigen komplexe ökologische Systeme ähnlich wie soziale Systeme und Unternehmen-Umfeld-Systeme Autonomie, denn die Entwicklung des Systems ist von den inneren Systemzuständen abhängig. So kann jedes Lebewesen als ein hochkomplexes System gedacht werden, welches bei der Interaktion mit seinem Umfeld ein hohes Maß an Autonomie zeigt. Das Umfeld kann im System Fluktuationen und Veränderungen auslösen, die aber in ihrer Konsequenz im wesentlichen von den selbstorganisierenden und -steuernden Eigenschaften des Systems bestimmt werden782. Materie und Energie haben in ihren komplexeren Zuständen Eigenschaften, die sich durch die Analyse der einzelnen Bestandteile nicht beschreiben lassen; vielmehr muß die Systembeschreibung, -erklärung und -prognose aus einer holistischen Betrachtung des Systems erfolgen. Das hat Folgen für die Beschreibung und Analyse von Auswirkungen in ökologischen Systemen. Komplexe Systeme sind durch Zerlegung in ihre Eigenschaften nicht zu beschreiben. Die Entwicklung chaotischer Systeme ist in hohem Maße von ihrem Ausgangspunkt abhängig, da winzige Unterschiede andere Entwicklungen des Systems bedingen (Schmetterlingseffekt). Chaotische Systeme sind aufgrund ihrer Komplexität und Singularität rechnerisch nur schwer reduzierbar; das heißt, das beobachtete System ist sein bestes Modell, eine Reduktion ist nicht möglich783. Es ist wichtig anzuerkennen, daß für ökologieorientierte ISS dieselben Probleme der Erklärung und Verhaltensvorhersage von Ökosystemen als komplexe, dynamische, selbstorganisierende und chaotische Systeme auftreten wie 779 Die Entwicklung der Seehundpopulation in der Nordsee zeigt solche chaotischen Entwicklungen, wie das „Robbensterben" in der Mitte der achtziger Jahre deutlich gemacht hat. 780 Vgl. Davies 1990, S. 56 ff. Die Übergang von einem zyklischen zu einem chaotischen Verhalten ist durch Veränderung der Fortpflanzungs- und Sterberate sowie des Konkurrenzfaktors auch in mathematischen Gleichungen beschreibbar. 781 Vgl. Casti 1992, S. 65 ff. 782 Vgl. Minder 1994, S. 45 ff. 783 Vgl. Casti 1992, S. 90 ff.
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4. Abschnitt
für die Gesellschaft als Ganzes784. Damit wird klar, daß der Entwurf alles vorhersagender Modelle für ökologieorientierte ISS zum Scheitern verurteilt ist. Vielmehr entwickelt sich Ökologie durch eine Vielzahl von erklärenden und beschreibenden Modellen weiter, die aber laufend an neue Beobachtungen angepaßt werden müssen und weit davon entfernt sind, ökologische Gesamtsysteme semantisch fruchtbar abzubilden. Nach welchen Regeln und Gesetzen lassen sich Verhalten und Organisation hochkomplexer ökologischer und Unternehmen-Umweltsysteme dann beschreiben? DaVIES unterscheidet drei Organisationsprinzipien für die Beschreibung hochkomplexer Systeme785: •
Logische Organsiationsprinzipien lassen sich zeigen in mathematischen Modellen wie Feigenbaumzahlen. • Schwache Organisationsbeziehungen sind empirische deskriptive Regeln über die Entwicklung und -Stabilität von natürlichen komplexen Systemen. Ein Beispiel solcher Regeln ist die Tendenz zur Entwicklung von einfacheren zu komplexeren Systemen. Es wurden Ansätze unternommen, einen Satz solcher Regeln als handlungsleitende Prinzipien zu entwickeln786. • Starke Organisationsbeziehungen, die physikalischen Gesetzen vergleichbar wären, existieren für das Verhalten komplexer Systeme bisher nicht. Wie läßt sich dann besseres/richtiges Verhalten bezüglich der Einwirkungen und Auswirkungen beschreiben? Konzeptionell läßt sich das Ziel von geringeren ökologischen Einwirkungen wirtschaftlicher Tätigkeit entlang der Quantität und der Qualität der Einwirkungen als zwei theoretisch unabhängige Dimensionen beschreiben787 (siehe Abbildung 4. 6). Für beide Dimensionen kann der relative Unterschied zweier Handlungsalternativen bezeichnet, bzw. es kann versucht werden, absolute Zielgrößen zu definieren. •
784 785 786 787
Die quantitative Dimension bezieht sich auf die Menge an Stoffen und Energie, die durch menschliche Aktivitäten durchgesetzt und bewegt werden. Die relative Bewertung fällt leicht, da weniger einfach besser ist. Die Identifikation von absoluten Zielen fällt schwerer, da der Stoffund Energiestrom präzise für die betroffene Systemebene der Ökosphäre bewertet werden muß. Die quantitative Dimension als alleinige Bewertungsdimension ist unzureichend, da die spezifischen In-
Vgl. Casti 1992, S. 512 Vgl. Davies 1990, S. 282 ff. Vgl. Vester 1985 S. 352 ff. Risikobetrachtungen im Sinne von Störfällen sind in dieser Betrachtung von untergeordneter Bedeutung, da sie nicht Teil der fortlaufenden Interaktionen sind.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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teraktionen mit den Ökosystemen der qualitativen Dimension ignoriert werden. Die qualitative Dimension bezieht sich auf die Qualität der Interaktionen zwischen den menschlichen Aktivitäten und der Ökosphäre, die erheblich schwerer zu beschreiben sind als die quantitative Dimension, da hier die komplexen Eigenschaften des System wirksam werden. Die qualitativen Interaktionen müssen im Prinzip für jedes Ökosystem und seine Elemente und Interaktionen untersucht werden, so daß die naturwissenschaftliche Beschreibung sich auf recht einfache Indikatoren und Beispielsorganismen beschränken muß, die keine sicheren Erklärungen ökologischer Probleme zulassen. Die Beschreibung des Besseren bzw. des Guten ist auf der qualitativen Dimension auf die Akzeptanz schwacher Organisationsprinzipien angewiesen. Als Beispiel für die Verbesserung der Qualität der Einwirkungen kann der Ersatz vieler chemischer Stoffe mit unterschiedlichen und teilweise unbekannten Wirkungen durch wenige Stoffe mit klarem geringschädlichem Wirkprofil gelten. Abbildung 4.6:
Konzeptionelle Darstellung der Verbesserung ökologischer Güte
KONZEPTIONELLE DARSTELLUNG OER VERBESSERUNG ÖKOLOGISCHER GÜTE QUANTITÄT DER PHYSIKALISCH/ C H E M I S C H AUSTAUSCHBEZIEHUNG
hoch
Reduktion der Energie..uodSJQffmeooe
0
Niedrigere Ökologische Güte
fieongsre Answdwa.. Höhere Ökologische Güte
Geringere / Auswirkung^-
Verbesserung der Qualität der Austauschbeziehung höherer Anpassung an "natürliche 1 Stoffe und Austausch-beziehungen (z.B. weniger Stoffe, geringere Toxizität)
niedrig hoch
Quelle: Eigene Darstellung
niedrig
Q U A L I T Ä T OER PHYSIKALISCH / CHEMISCHEN AUSTAUSCHBEZIEHUNG
In verschiedenen Ansätzen zur Entwicklung von Bewertungsmodellen wird die eine oder die andere Dimension stärker betont788. Eine langfri-
788
So betont S C H M I D T - B L E E K in seinem MIPS-Ansatz nur die quantitative Dimension; vgl. Schmidt-Bleek 1992, während B R A U N G A R T / E N G E L F R I E D in
262
4. Abschnitt
stige ökologische Verträglichkeit menschlichen Wirtschaftens unter Einbeziehung der wahrgenommenen ökologischen Probleme scheint aber nur durch Verbesserung der Einwirkungen entlang beider Dimensionen möglich zu sein789. Insbesondere die qualitative Dimension ist angesichts des Verhaltens komplexer Systeme von großer Bedeutung; die Bewertung muß hier aber mit vorläufigen und unsicheren Bewertungen behelfen. Angesichts der Komplexität von ökologischen Organisationsebenen ist es notwendig, die Ebenen zu definieren, in denen das Bewertungskonzept angemessene Aussagen liefern kann. Es erscheint nicht sonderlich sinnvoll, ein auf lokale Auswirkungen fokussiertes Bewertungskonzept für die Bewertung von globalen Problemen zu verwenden und umgekehrt. Anschlußfahigkeit an Nachhaltigkeit zu gewährleisten bedeutet auch, die Validität790 der Bewertung auf die tatsächlich betroffenen Ökosystemebenen einzuschränken. Die Anforderung an Bewertungsmodelle für Handlungsalternativen muß dahin gehen, daß die Aggregations-, Bewertungs- und Entscheidungsprinzipien der Informationsprozesse Richtungssicherheit bezüglich ökologischer Güte garantieren791. Wir verstehen richtungssichere Entscheidungen als Entscheidungen nach Regeln, die bezüglich Optimierung der ökologischen Güte von Unternehmensaktivitäten mit angemessener Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Gesamtheit der ökologischen Problemen zu höherer ökologischer Güte führen. Für die schwer zu definierende qualitative Dimension bedeutet dies die an die singuläre Situation angepaßten schwachen Organisationsprinzipien. Die Einführung von möglichst richtungssicheren Entscheidungsprinzipien garantiert auch, daß die Unternehmung im Laufe des organisatorischen Lernprozesses wahrscheinlich keine Fehler im Sinne einer Verringerung ökologischer Güte macht. Die Forderung nach ökologisch richtungssicheren Entscheidungen im physikalisch-chemischen Modell der Einwirkungen gewährleistet die ökologische Wirksamkeit des ÖISS792. Ein Modell der physikalisch-chemischen Interaktion vermag hier die ökologische Güte für die Unternehmensführung allein nicht ausreichend beschreiben, da die Aussage, welche dieser Einwirkungen und der verbundenen Auswirkungen mit der Ökosphäre ein ökologisches Problem darstellen, nur unter Einbeziehung der gesellschaftlichen Umfeldes möglich wird. Für die Entwicklung von ökologieorientierten Zielen ist letztlich das
789 790 791 792
ihren 25 Kriterien für intelligente Produkte die qualitative Dimension stark betonen, vgl. Braungart/Engelfried 1993, S. 5 f. So sind Stoffflüsse und beispielsweise C02-Emissionen zuallerst ein Mengenproblem, während die toxischen Wirkungen vieler Produktkomponenten zuerst einmal ein qualitatives Problem darstellen. Hier ist Validität der Informationsprozesse in bezug auf die Abbildung ökologischer Güte gemeint. Vgl. Schmidt-Bleek 1994, S. 101 Vgl. Günther 1994, S. 262
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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Anspruchsgruppenmodell als Grundlage für die ökologieorientierte Bewertung der Einwirkungen zugrunde zu legen, da es die Akteure dieser Bewertung und die Bedingungen umfassend abbildet793. Die Bedeutung der einzelnen Auswirkungen in Ökosystemen auf gesellschaftliche Schutzgüter/Ziele und die Formulierung der ökologischen Problembeiträge und ihr Stellenwert gegenüber anderen Zielen ist der Unternehmung nur im Anspruchsgruppenmodell möglich. Für die angemessene Beschreibung der gesellschaftlichen Bewertung ist die Dynamik und Heterogenität der Wahrnehmung und der Bewertungsprozesse in dem Informationsprozeß abzubilden. Aufgrund der weiterhin zu erwartenden Dynamik der Wahrnehmung ökologischer Probleme ist die Erarbeitung einer im physikalisch-chemischen und Anspruchsgruppenmodell langfristig gültigen eindeutigen Rationalität für ökologische Güte nicht möglich. Die Anforderung, daß Bewertungen bezüglich ökologischer Problembeiträge über die Zeit stabil bleiben sollen, ist deshalb nicht sinnvoll für ÖISS da dabei unterstellt wird, daß die ökologischen Prioritäten einmalig und langfristig zu definieren sind und sich darauf ein Informationssystem gründen ließe. Damit würde die mittelfristige Irrelevanz der betrieblichen Informationsprozesse programmiert. Es muß vielmehr darum gehen, ein betriebliches ÖISS zu schaffen, welches die sich verändernden Bewertungen vorwegnehmend oder zumindest aktuell in die Bewertung einfließen lassen kann. Zu 2 Die Bewertung der Veränderung von ökologischer Güte durch eine Handlungsalternative muß ergänzt werden durch die Bewertung der Auswirkungen bezüglich parallel verfolgter Ziele der Unternehmung. Die unternehmerischen Chancen und Risiken müssen transparent werden. Deshalb müssen ÖISS die Informationsprozesse so anlegen bzw. Informationen so transformieren, daß die Informationen zur Bestimmung der ökologischen Güte mit den Informationen über die Beeinflussung parallel verfolgter Ziele der Unternehmung durch die Handlungsalternativen zu kombinieren sind, um so die ökonomischen Sachzwänge und Spielräume der Unternehmung aufzuzeigen und Entscheidungen im Sinne des Schnittmengenmodells beider Handlungslogiken möglich zu machen795. Einfach läßt sich das für operative betriebliche Entscheidungsprozesse umsetzen, indem die Handlungsalternativen quantifiziert und monetär bewertet werden, sofern dies angemessen möglich ist. Die Konzepte haben dazu aufzuzeigen, wie
793 794
795
2.2.1.3 Das wird aber von verschiedenen Autoren als Anforderungsprofil gefordert, so BÖNING „Werden gleiche Tatbestände zu unterschiedlichen Zeiten gleich bewertet?"; vgl. Böning 1994, S. 49 und auch Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 26 Vgl. Strebel 1980, S. 130
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4. Abschnitt
eine Schnittstelle zum betrieblichen Rechnungswesen etc.. geschaffen werden kann und wie die Informationen verknüpft werden. Die Transparenz der kurzfristigen und mittelfristigen Chancen und Risiken kann durch die Bestimmung der Veränderung der kurz- und mittelfristigen Kosten und Erlöse je Handlungsalternative erreicht werden. Transparenz über die langfristigen Chancen und Risiken ist schwieriger oder unmöglich in einem Instrument darzustellen, da der Einfluß der Handlungsalternative auf die Beziehung zwischen der Unternehmung und ihren Anspruchsgruppen sowie auf die Erfolgsfaktoren der Unternehmung abgebildet werden muß. Ein Indiz für langfristige Chancen- und Risiken ist die Beeinflussung des Unternehmensumfeldes und die Beziehung der Unternehmung zu ihren Anspruchsgruppen durch das ökologische Problem bzw. die Issues. Zusammenfassend lassen sich bezüglich des Funktionsbereichs „Unterstützung von ökologieorientierten Entscheidungen" der ÖISS Richtungssicherheit der Bewertung ökologieorientierter Güte und die Transparenz kurz- und längerfristiger Chancen und Risiken als Anforderungen an die Informationsprozesse der Konzepte für ökologieorientierte ISS formulieren.
4.3.2.2 Instrumentelle Gestaltungselemente und Unterstützung ökologieorientierter Entscheidungen Für die Diskussion der Gestaltungselemente bezüglich ihrer Eignung zur angemessenen Unterstützung von ökologieorientierten Entscheidungen werden wir die beiden Anforderungen ökologische Richtungssicherheit und Transparenz der Chancen und Risiken getrennt behandeln, indem zuerst die Bedeutung der Informationen und der Transfomationsprozesse für die ökologische Richtungssicherheit und dann, darauf aufsetzend, die Informationsprozesse zum Aufzeigen der betrieblichen Chancen und Risiken analysiert werden. Die kritische Würdigung von Gestaltungselementen für ÖISS anhand der Anforderung ökologische Richtungssicherheit muß sich mit der Aussagefähigkeit und Validität der Informationstransformationen und der einbezogenen Informationen für die Bewertung ökologische Güte beschäftigen. Insofern sind die wichtigsten hier zu analysierenden Gestaltungselemente diejenigen, die ausgehend von den fortlaufenden und dauerhaften Einwirkungen, mittels Stoff- und Energiebilanzen und Substanzbilanz analysiert, zu einer Aussage über die ökologischen Problembeiträge kommen und dadurch Optimierungsregeln etablieren. Eine Reihe von Gestaltungselementen können wir hier deshalb ausklammern, da sie eine solche Bewertung und Aufbereitung des eigenen Handelns gar nicht intendieren, wie die Systemaudits, die ökologieorientierten Szenarien und die Umfeldana-
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lyse796, sowie die Kennzahlen und die zwei- bzw. mehrdimensionalen Bewertungsmodelle. Für die Diskussion können wir zuerst die quantitativ-reduktiven Gestaltungselemente betrachten, wie sie die qualitative und quantitative Dimension abbilden, ob sie auf einer absoluten Betrachtung beruhen und inwieweit gesellschaftliche Bewertungen verarbeitet werden können: •
Das stoffmengenorientierte Konzept greift auf den Stoffanteil der Stoffund Energiebilanz zurück und bewertet diese als ökologischen Problembeitrag, ohne die qualitative Dimension wie beispielsweise Toxizität und biologische Vielfalt zu berücksichtigen797. Der Ansatz bezieht sich bewußt nur auf globale Probleme und entwickelt für diese das langfristige Ziel der 90%-Reduzierung der spezifischen Intensität von Materialflüssen. In diesem Kontext kann dem Ansatz ökologische Richtungssicherheit bescheinigt werden, da die gesamthafte Reduzierung der globalen Stoffströme als Ziel anerkannt ist. Für die ökologische Richtungssicherheit von Entscheidungen ist MIPS als alleinige Größe unzureichend, da der lokale und regionale ökologische und gesellschaftliche Kontext fehlt und alle Aspekte der qualitativen Beziehung, also der spezifischen Toxizität der Stoffe, ignoriert werden. • Die energieorientierten Bewertungsmethoden beinhalten die Stoff- und Energieströme und können durch das Maß der Entropieentstehung auch Aussagen über die qualitativen Interaktionen machen. Die Entropieentstehung ist aber ein zu unscharfes und zu unspezifisches Maß, um eine tatsächliche Aussage bezüglich der qualitativen Austauschbeziehungen mit realen Ökosystemen machen zu können. Zudem macht das energieorientierte Konzept keine Aussagen bezüglich absoluter Ziele. Zusammengenommen kann dem Konzept ökologische Richungssicherheit nur in sehr allgemeiner Form bescheinigt werden, so daß tatsächliche Entscheidungen darauf nicht aufgebaut werden können. • Die schadensfunktionsorientierten Bewertungsmethoden fokussieren auf die Bewertung der qualitativen Dimension der Austauschbeziehung von Stoffen mit den Ökosystemen und seinen Elementen; die quantitative Dimension geht in die rein toxikologische Bewertung nicht ein798. 796
797 798
Die umfeldorientierten Instrumente greifen nicht auf Informationen auf der Einwirkungs- und Auswirkungsebene zu, sondern benutzen die Informationen auf der Ebene der wahrgenommenen ökologischen Probleme. Deshalb können sie keine Aussagen über ökologische Güte der direkten physikalischchemischen Interaktionen machen. Sie können indirekt die durch das Umfeld allgemein und die Anspruchsgruppen im besonderen wahrgenommene ökologische Güte der Unternehmensaktivitäten sichtbar machen und damit ein Suchfeld für die in die Bewertung der ökologischen Güte einzubeziehenden ökologischen Probleme schaffen. Vgl. Schmidt-Bleek 1993, S. 119 ff. Die quantitative Dimension geht nur in das Batelle-Konzept für die Risikopriorisierung ein, während GEBLER völlig ohne quantiative
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4. Abschnitt
Die Validität der Modelle für die Bewertung der qualitativen Dimension bzw. der toxischen Eigenschaften muß als eingeschränkt bezeichnet werden, denn unabhängig davon, daß noch sehr viele Informationen über Stoffe fehlen, sind 1) die Informationen über toxische Wirkungen, obwohl sie letztlich die Grundlage aller Bewertungen der qualitativen Dimension bilden, bezüglich ihrer Aussagen aufgrund der Vielfalt von Ökosystemen und Lebewesen sowie aufgrund von Langzeiteffekten und synergistischen Wirkungen nur eingeschränkt valide und unscharf, und es bestehen 2) zwischen den einzelnen Informationskriterien keine einfachen mathematischen Zusammenhänge, die die Grundlage eines TOX-Indikators bilden könnten799.
•
799
800 801
Die rein schadensfunktionsorientierten Gestaltungselemente sind deshalb, ohne Betrachtung der quantitativen Dimension und ohne Bezug zu einem spezifischen Ökosystem, ökologisch nicht richtungssicher. Die grenzwertorientierten Konzepte fokussieren bei der Bewertung ebenfalls auf die qualitative Dimension, da bei der Erarbeitung der Grenzwerte im wesentlichen Informationen über die qualitativen Austauschbeziehungen eine Rolle spielen, während die quantitative Bewertung nur eine sekundäre Bedeutung hat800. Wenn die Grenzwerte dann wie in dem Konzept von SCHALTEGGER/STURM nur als Qualitätszielrelationen genutzt werden, ist die Bewertung auf die qualitative Dimension verkürzt, auch wenn die Validität höher als bei schadensfunktionsorientierten Konzepten einzuschätzen ist801. Eine Problemati-
Betrachtungen auszukommen versucht; vgl. Battelle-Institut Hrsg. 1974. Siehe dazu auch Kapitel 3.4.2.3.2. Im Prinzip beruhen die schadensfunktionsorientierten Konzepte darauf, ein einfaches mathematisches Modell (vgl. de Greef 1993, S. 7) welches für die qualitative Dimension universell gültige und handlungsleitende Vorhersagen geben kann, zu entwickeln. Ein Anspruch, der angesichts der tatsächlich notwendigen Komplexität von Simulationsprogrammen für die Wirkungsvorhersage mit immer noch eingeschränkter Aussagekraft nicht einmal cum grano salis zutrifft; vgl. Ratte et al. 1993, S. 18 ff. Grenzwerte werden zuallerst für toxische und hochtoxische Stoffe erarbeitet, bei denen eine direkte Gesundheitsgefährdung zu vermuten ist. Hinsichtlich der Bewertung der qualitativen Dimension kann den Grenzwerten trotz der gesellschaftlichen Einflüsse im Erarbeitungsprozeß eine höhere Validität zugesprochen werden, da Risikound Sicherheitsüberlegungen zum Tragen kommen, sofern sie tatsächlich auch auf das Bezugsobjekt angewendet werden, für das sie erarbeitet wurden, und nicht aus Informationsmangel auf ein völlig anderes Bezugssystem. Trotzdem bestehen erhebliche Zweifel an der ökologischen Validität von Grenzwerten; vgl. Kortenkamp/Grimme 1989, S. 262 ff. Kritisch bewertet
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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sierung der Gültigkeit von Immissionsgrenzwerten, insbesondere bezüglich der regionalen und lokalen Wirkungen, nimmt der Ansatz nicht vor. Die Einbeziehung der gesellschaftlichen Präferenzen kann innerhalb des Verfahrens zur Grenzwertermittlung (Grenzwertverfahren) nicht als ausreichend bezeichnet werden802. Insofern ist insbesondere unter Beachtung der ausgeklammerten Probleme ökologische Richtungssicherheit nur eingeschränkt möglich; als Entscheidungsbasis kann das Gestaltungselement nicht ausreichen. • Die stoffflußorientierte Bewertungsmethodik (Ö.B.U.) versucht, die qualitative und quantitative Dimension in eine Bewertung zu integrieren, indem einerseits die Grenzwerte benutzt werden, um die kritische Flüsse als absolute Obergrenze zu bestimmen, und andererseits die tatsächlichen Ist-Flüsse dazu in Beziehung gesetzt werden. Durch die Bestimmung des ökologischen Problembeitrags einer Unternehmensaktivität über das Verhältnis von kritischem zu Ist-Fluß integriert das Verfahren die qualitative und quantitative Dimension803, und es kann auch unter Annahme einer begrenzten Validität des Grenzwertverfahrens von ökologischer Richtungssicherheit gesprochen werden, sofern die Bewertung auf das tatsächliche Bezugsobjekt der Bestimmung von Stoffflüssen und Grenzwerten bezogen wird 04. Der Bewertungsansatz weist nur eine begrenzte ökologische Richtungssicherheit bezüglich der lokalen und globalen Auswirkungen auf, da beide nicht unbedingt im Fokus von Grenzwerten liegen und die Einbeziehung der gesellschaftlichen Bewertung vergleichbar den grenzwertorientierten Konzepten nicht ausreichend ist. Einzuschränken ist die ökologische Richtungssicherheit aufgrund der Fokussierung auf wenige Problembeiträge und der Ausgrenzung beispielsweise von Risikobetrachtungen. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß nur das stoffflußorientierte Gestaltungselement als alleinige Informationsquelle eine immerhin ausreiwird außerdem, daß die Lebensdauer (Halbwertszeit) von Schadstoffen nicht in die Berechnung eingeht, vgl. Hofstetter 1991, S.7 802 Einmal, da die Prozesse zur Grenzwertsetzung unabhängig von der Beziehung zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen ablaufen, obwohl sie diese beeinflussen. Die Entwicklung von Grenzwerten hat mit Ausnahmen eher nachsorgenden Charakter (vgl. Milles 1988, S. 214) und kann deshalb die Legalität, aber nicht die Legitimität der Unternehmung sichern. 803 Für die im Konzept getroffene Prämisse einer linearen Beziehung zwischen kritischem und Ist-Fluß als Maß des Problembeitrages ist allerdings keine naturwissenschaftliche Begründung zu finden. Vielmehr gilt auch hier, daß die einfachen Modellannahmen die tatsächliche Komplexität der betroffenen Systeme nicht abzubilden vermögen; vgl. Hofstetter 1991, S. 10 804 Anders formuliert: Eine Bewertung, die aus der Schweizer Problemperspektive heraus erarbeitet worden ist, ist auch nur dort gültig, während für andere Regionen, Nationen oder die Erde andere Stoffflüsse und Grenzwerte als kritisch bewerten müssen.
268
4. Abschnitt
chende ökologische Richtungssicherheit gibt, allerdings unter Beachtung der räumlichen Gültigkeitseinschränkung, der ausgeklammerten ökologischen Probleme und der prinzipiellen Berücksichtigung der mangelnden Legitimität von nachsorgenden Grenzwertverfahren. Dem Gestaltungselement der auswirkungsorientierten Bewertungsmethodik ist es umfassender möglich, die quantitative und qualitative Dimension der ökologischen Güte zu bestimmen, da die Methodik sowohl rein quantitative Probleme wie die Nutzung von biotischen und abiotischen Ressourcen als auch rein qualitative Probleme wie die Verbreitung von toxischen Substanzen als Anteile an dem regionalen ökologischen Gesamtproblem bestimmt. Die auswirkungsorientierte Bewertung ist relativ flexibel, da die Anzahl der mit einem „Effektscore" erfaßten Probleme variiert werden kann, abhängig von den vermuteten Problemen805 Das Konzept schränkt seine Validität bewußt auf eine regionale Bezugsgröße, auf die die Probleme normiert werden, ein. Die Effektkennzahlen sind durch die relevanten gesellschaftlichen Gruppen/Anspruchsgruppen gegeneinander zu gewichten. Die Effekte können bei ihrer Bewertung auf das maßgebliche Ökosystemniveau bezogen werden, um so eine Bewertung gegen absolute Ziele möglich zu machen. Der Methode kann relativ hohe ökologische Richtungssicherheit zuerkannt werden, obwohl sich bezüglich der Aggregation der Effektwerte und der Skalierung an großräumigen Belastungen Unschärfen hinsichtlich der einzelnen singulären Effekte ergeben müssen. Die ökologische Richtungssicherheit der Umweltrechnungsmethode, die aufsetzt auf den Effektgrößen der auswirkungsorientierten Methode, ist aus zwei Gründen geringer einzustufen als die der auswirkungsorientierten Bewertung: • durch die Definition der Schutzgüter bedarf es einer dritten quantitativen Zuordnung, nämlich von Auswirkungen auf Schutzgüter, mit allen damit verbundenen Berechnungsproblemen und • die monetäre Bewertung der Schutzgüter ist als „willingness to pay" nicht wirklich operationalisiert, da der Ansatz mit groben Vereinfachungen operieren muß806. Die absolute Bewertung klammert das Gestaltungselement bewußt aus, aber auch die ökologische Richtungssicherheit für relative Bewertungen scheint für die einzige Operationalisierang des monetären Ansatzes nicht gegeben. 805 806
Vgl. Heijungs et al. 1992, S. 57 ff. Für die Probleme der Monetarisierung siehe Kapitel 2.2.3.2.2. So haben die OECD-Marktpreise für natürliche Ressourcen z.B. keinen Bezug zu der tatsächlichen Bedeutung dieser Produktionskapazitäten für die Unterernährten von heute und zu den zukünftigen Bedürfnissen einer weiter wachsenden Bevölkerung.
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Den multifaktoriellen Bewertungskonzepten ist am ehesten die Möglichkeit, theoretisch richtungssichere Entscheidungen über ökologische Güte zu treffen, gegeben, da sie die Bewertung je nach ökologischer Bezugsebene und je nach der Bedeutung der qualitiven oder quantitativen Dimension und Informationsverfügbarkeit situativ variieren können. Zudem können multifaktorielle Gestaltungselemente eben verschiedene Faktoren in die Bewertung der Einwirkungen einbringen, darunter auch qualitative Informationen über z.B. gesellschaftliche Diskussionen. Theoretisch auch deshalb, da die offeneren Prozesse zur Kombination unterschiedlicher Informationen das Risiko nicht valider Informationstransformationen verbessern, gleichzeitig aber ein größeres Risiko von unsystematischen zufälligen Fehlern beinhalten. •
Die qualitativ-ordinale Ausgestaltung der Bewertung versucht, das Spektrum der ökologischen Probleme möglichst weit abzudecken, fokussiert aber mit seinen Kriterien 3 und 4 deutlich stärker auf die qualitative Dimension der ökologischen Güte, da die Menge bei toxischen Stoffen aufgrund der hohen Unsicherheit der Bestimmung von Grenzwerten als ein zweifelhaftes Kriterium angesehen wird Deshalb können sich in dem vorliegenden Konzept zur A/B/C-Bewertung rein quantitative Aspekte nur über die gesellschaftsorientierten Kriterien 1 und 2 ausdrücken808. Die zusätzliche Erfassung der Einwirkungen auf die Ökosphäre durch Störfälle als Risikogröße sieht die A/B/C-Bewertung durch das Kriterium 4 vor. Ein für die ökologische Richtungssicherheit von Bewertungen bedenkliches Kriterium ist die Einbeziehung der internalisierten Umweltkosten (5), die keinen primären Bezug zur ökologischen Güte besitzt, sondern eine Aussage über den Umfang der Umweltschutzmaßnahmen für den Stoffstrom macht und somit eher der ökonomischen Bewertung als der ökologieorientierten zuzuordnen ist809. Allerdings ist in einem multifaktoriellen Bewertungsschema ein solcher potentieller Zielkonflikt durchaus pragmatisch lösbar. • Das Scoringmodell ( G A H R M A N N et al.) zur „Bewertung von betrieblichen Umweltschutzmaßnahmen" bezieht sowohl die qualitative und quantitative Dimension der ökologischen Güte ein. Die Bewertung der verschiedenen Dimensionen mit einem ungewichteten Scoringverfahren definiert allerdings eine pseudoobjektives Rechenverfahren, dessen Validität bei strenger Befolgung anzuzweifeln ist, da dieser einfache Zusammenhang nur in bestimmten engen Grenzen gültig sein kann, weil Extremwerte in ein solches Verfahren nur unter Veränderungen 807 808
809
Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 131 f. Für die Konzepte nach WAGNER, B. und ÖKOSCIENCE liegen keine Informationen vor; es ist aber anzunehmen, daß entsprechend dem qualitativordinalen Gestaltungselement eine primär an der qualitativen Dimension ausgerichtete Bewertung vorgenommen wird. Vgl. Böning 1994, S.l 19
270
4. Abschnitt
der Teilziele implementiert werden können. Damit ist die schematische Berechnung, die das Verfahren suggeriert, nicht gegeben810. Die Validität beschränkt sich explizit auf die Bewertung von Stoffen unter der Annahme eines Mindestinformationsniveaus; andere Probleme werden ausgeklammert. Ähnliches gilt für das Scoringmodell der produktorientierten Nutzwertanalyse nach KREIKEBAUM/TÜRCK, die es erlaubt, quantitative und qualitative Aspekte von ökologischer Güte einzubringen. Das Konzept der Nutzwertanalyse ist ebenfalls nur eingeschränkt geeignet, die ökologische Güte zu bestimmen, da bei strenger Anwendung die Gewichtung der Teilziele unabhängig von der Erfüllung der Kriterien für die Einzelziele sein sollte, dies aber aufgrund der Möglichkeit von einzelnen Spitzenwerten für beispielsweise hochtoxische Substanzen schwierig wird. Das Konzept muß also im Prinzip für verschiedene Bereiche der Nutzwertkriterien Ausschlußprinzpien definieren, die das Konzept sehr aufwendig in der Anwendung werden lassen. Letztlich erlaubt eine Nutzwertanalyse die strukturierte Darlegung von Annahmen, die allerdings keine angemessene Bewertung sicherstellen811. Das Konzept der multifaktoriellen Bewertung in der UVP, ob als Scoringmodell oder qualitativ-verbal-argumentativ realisiert, setzt primär auf der Substanzbilanz der dauerhaften Einwirkungen auf, die die Ökosysteme beschreibt, auf die die Einwirkungen erfolgen werden, und kann so validere Aussagen über die standortbezogene qualitative und quantitative Dimension der ökologischen Güte liefern. Insbesondere da das Konzept um die systematische Einbeziehung der Anspruchsgruppen bemüht ist, kann den Aussagen eine relativ hohe ökologische Richtungssicherheit zugebilligt werden. Bevor die Betrachtung der ökologischen Richtungssicherheit von Gestaltungselementen abgeschlossen wird, ist aber noch einmal auf das Problem der Unschärfe insbesondere von Informationen über Einwirkungen und Auswirkungen einzugehen812. Ökologieorientierte ISS müssen mit 810 Für jedes Scoringmodell und Nutzwertmodell gelten Überschneidungsfreiheit, technologische Unabhängigkeit und intervallweise Nutzenunabhängigkeit als Bedingungen, um zu angemessener Entscheidungsunterstützung zu gelangen; vgl. Strebel 1978, S. 2182 ff. Insbesondere kritisch ist die Nutzenunabhängigkeit, da die Gleichwertigkeit der Kriterien für ökologische stoffliche Risiken nur innerhalb eines Intervalls gilt, welches für die Anwendung festgelegt werden muß, bzw. an die konkrete Entscheidungssituation angepaßt werden sollte. Auch die Abhängigkeit der Kriterien Toxizität und Deponieklasse müßte für ein eindeutiges Scoringmodell reflektiert werden. 811 Vgl. Hofstetter 1991, S. 13 812 So ist die Annahme der Raum- und Zeitlosigkeit von Einwirkungen, wie sie Stoff- und Energiebilanzen voraussetzen, als unzureichend oder unscharf zu charaktersieren, und entsprechend muß die exakte Beschreibung der
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Unscharfen und Komplexität der Informationen über ökologische Problembeiträge umgehen können. Dazu gehört, die Genauigkeit der Analyse von Einwirkungen an die Anforderungen der spezifischen Umgebung und der Möglichkeiten zu Lenkungseingriffen anpassen zu können. Angemessenes Umgehen bedeutet, die Informationen über ökologische Probleme als Anlaß zu nehmen, die Einwirkungen der Unternehmung daraufhin zu untersuchen. Zum Umgang mit Komplexität gehört auch, die eigenen Einwirkungen flexibel und einfach, aber umfassend aus beiden Dimensionen bewerten zu können (siehe Abbildung 4. 7). Dies gelingt unserer Meinung nach wesentlich besser durch multifaktorielle Gestaltungselemente wie qualitativ-ordinale oder qualitativ-verbal-argumentative Bewertung, die sich der situativen Anpassung an die Komplexität der umgebenden ökologischen Umwelt und der Lenkungsmöglichkeiten öffnen. Nur hier läßt sich die Anwendung schwacher Organisationsprinzipien unter Beachtung der Singularität des jeweiligen Unternehmen-Umweltsystems denken. Quantitativ-reduktive Bewertungssysteme sind dagegen weniger flexibel, da sie Auswirkungen und ökologische Probleme letztlich gegen Referenzgrößen festschreiben müssen, angemessene Aussagen nur für einen Teil des Systems treffen können und, sofern ihr Einsatz nicht mit anderen Instrumenten gesteuert wird, die ökologische Richtungssicherheit der Entscheidungen gefährden. Auch können sie nicht ihre Analysetiefe anhand von Indikatoren flexibel variieren und an den tatsächlichen Bewertungsbedarf anpassen.
Auswirkungen diese auf allen Organisationsebenen biologischer Systeme beschreiben, einschließlich der Wechselwirkungen auf der Ebene und zwischen verschiedenen Organisationsebenen; vgl. Haber 1993, S. 99 f.
272
Abbildung 4.7:
4. Abschnitt
Schwerpunkte der Methoden zur Bewertung von ökologischer Güte
Als zweite Anforderung bei der Unterstützung ökologieorientierter Entscheidungen haben wir die Möglichkeit definiert, die Informationen über ökologische Güte mit Informationen über andere insbesondere, ökonomische Ziele der Unternehmung verknüpfen und so die Chancen und Risiken der Handlungsalternativen transparent zu machen. Alle Konzepte, die auf der Stoff- und Energiebilanz aufbauen, erlauben die Identifizierung von „dominanten Lösungen" , also Handlungsalternativen, in denen Einsparungen mit geringeren ökologischen Problembeiträgen einhergehen. Die Informationen über Verbesserungen entlang der quantitativen Dimension müssen dazu lediglich mit dem Rechnungswesen bzw. der Investitionsrechnung verbunden werden, um die Handlungsalternative ökonomisch zu bewerten. Explizit stimuliert auch die multifaktorielle Bewertung des IÖW-Ansatzes die Suche nach dominanten Lösungen, indem die mit dem Stoff oder der Energie verknüpften internalisierten Umweltkosten als Bewertungskriterium 5 ausgewiesen werden. Einige Konzepte verwenden zweidimensionale Entscheidungsmodelle, um Optimierungsmöglichkeiten transparenter zu machen und Optimierungsregeln aufstellen zu können: • Das Konzept des ökologischen Rechnungswesens nach SCHALTEGGER/STURM stellt Transparenz durch das EPM-Konzept her, indem die Dekkungsbeiträge (DB) und die ökologischen Problembeiträge (SE) für Produkte, Prozesse und Investitionen für die Ist-Situation Handlungs-
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alternativen einander gegenübergestellt werden. Die Regeln ermöglichen der Unternehmung, insbesondere unprofitable Produkte mit hoher Umweltbelastung zu eliminieren sowie die Investitionen, die die höchsten Deckungsbeiträge bei sinkenden Problembeiträgen bzw. die höchste Reduzierung der Problembeiträge bei den geringsten Deckungsbeitragsverluste ergeben, zu identifizieren813. Insofern erlaubt es das Konzept, die kurz- und mittelfristigen Chancen und Risiken zu identifizieren und in Entscheidungen einzubringen. Die Autoren wenden außerdem das EPM-Konzept auf eine Portfoliobetrachtung an, indem prinzipiell die möglichen Strategiekombinationen der DB- bzw. SE-Optimierung einander gegenübergestellt werden, ohne allerdings mehr als Normstrategien benennen zu können814. • Die Konzeption zur Bewertung von betrieblichen Umweltschutzmaßnahmen bezieht die ökonomische Dimension der Handlungsalternativen anhand von Kosten und Erlösen und zusätzlich anhand einer mittelfristigen Chancen- und Risikobetrachtungen ein. Bei der Chancen/Risikobetrachtung werden die möglichen Entwicklungen einer Entscheidung oder auch einer Nichtentscheidung über wahrscheinlichkeitsgewichtete Barwerte in die Entscheidung mit einbezogen, um so eine mittelfristige Transparenz des ökonomischen Risikos zu erreichen815. Strategische Überlegungen werden in dem auf Einzelmaßnahmen ausgerichteten Bewertungskonzept außer über die Einbeziehung der gesellschaftlichen Bewertung als „Emotionalitätsfaktor" nicht zugrundegelegt. • Die Methode zur ökologieorientierten Bewertung von Handlungsalternativen (EOA) bewertet die ökologische Güte von funktionell vergleichbaren Handlungsalternativen auf Basis der auswirkungsorientierten Bewertungsmethode des CML, der die Kosten der Handlungsalternative und nicht quantifizierbare soziale Aspekte gegenübergestellt werden. Diese beiden Kriterien werden für die Option „Nichthandeln" bzw. für die möglichen Handlungsalternativen verglichen. Damit gewinnt das Gestaltungselement zuerst eine Optimierungsmatrix, die von der Nulloption zu höherer und niedriger ökologischer Güte, bzw. zu höheren und niedrigeren Kosten führen kann. Dadurch wird eine über die kurzfristige Optimierung hinausgehende Entscheidungsgrundlage geschaffen, da die Kosten und Nutzen für alle Anspruchsgruppen innerhalb des ökologischen Produktlebenszyklus 813 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 202 ff. 814 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 211 und 228 815 Vergleichbare Bewertungsverfahren werden verwendet, um beispielsweise Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu bewerten, bei denen ebenfalls die ex-ante-Bewertung der ökonomischen Bedeutung von Entscheidungen nur durch wahrscheinlichkeitsgewichtete Barwerte möglich ist; vgl. Menke 1994, S.29
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4. Abschnitt
analysiert werden816. Folglich werden Chancen und Risiken für alle im Produktlebenszyklus relevanten Anspruchsgruppen durch die Handlungsalternative deutlich. Durch diesen Versuch, die nichtökologischen Konsequenzen für alle deutlich zu machen, werden Möglichkeiten für längerfristige Erfolgspotentiale durch Entwicklung und Verwirklichung bestimmter funktionsorientierter Handlungsalternativen sichtbar. Das ökologieorientierte Kennzahlensystem nach GÜNTHER zielt auf die Schaffung von Transparenz über ökologieorientierte und monetäre Ziele in operativen Entscheidungsprozessen sowie die Bewertung und Transparenz der Auswirkungen einer ökologieorientierten Strategie bezüglich Kosten und Erlösen. Dieses Ziel kann das Konzept nur schwer erfüllen, da es von der Prämisse ausgeht, die Kosten und Erlöse einer Ökologieorientierung denen einer Nichtökologieorientierung gegenüberstellen zu können81 . Dies erscheint unrealistisch, da die Kosten und Erlöse der nicht gewählten Strategiealternative schnell nicht mehr mit hinreichender semantischer Fruchtbarkeit zu bestimmen sind und damit sinnvolle Vergleiche und Informationen auch für weitere Entscheidungen nur schwer erhältlich sind. Ein weiteres Problem kommt durch Abgrenzungsschwierigkeiten hinzu, wenn z.B. die Kosten für Ökologieorientierung mit den Kosten für gesetzliche Maßnahmen gleichgesetzt werden818. Die A/B/C-Bewertung im IÖW-Konzept bezieht die parallel verfolgten Ziele der Unternehmung einmal über die Betrachtung der internalisierten Kosten im Kriterium 5 ein, welches den Fokus der Bewertung von Handlungsalternativen auf die Erarbeitung von dominanten Handlungsalternativen legt. Das Konzept entwickelt des weiteren eine zweidimensionales Entscheidungsmodell (Entscheidungsgrid), welches helfen soll, die Handlungsalternativen gegeneinander zu bewerten819. Das Gestaltungselement trennt nicht nach ökologischen und parallel verfolgten Zielen, sondern der Handlungsbedarf aus ökologischer und der Perspektive der Beziehung der Unternehmung zu den Anspruchsgruppen wird auf der einen Achse und die ökologische Verbesserungschance aufgrund der Umsetzbarkeit der Handlungsalternative auf der anderen Achse aufgetragen. Damit verwendet die Bewertung keine monetären Informationen zur Bewertung der Bedeutung dieser Handlungsalternative für interne und externe Informationen, sondern die Einschätzung der Bedeutung für die Beziehung zu internen (Motivationsgefahrdung) und externen Anspruchsgruppen (Imagegefährdung). Die Bewertung vermag so auf der Dimension 816 817 818 819
Es werden nur die durch die Beteiligten voraussichtlich zu internalisierenden Kosten einbezogen, so daß beide Achsen getrennt sind. So ist die Zuweisung von Kosten eines ökologieorientierten Einkaufs im Unterschied zu den Kosten eines nichtökologieorientierten Einkaufs letztlich willkürlich; vgl. Günther 1994, S. 300 Vgl. Günther 1994, S. 302 f. Siehe dazu auch Kapitel 3.4.2.2.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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„Bedeutung für Anspruchsgruppen" nicht verschiedene Handlungsalternativen für denselben ökologischen Problembeitrag bewerten, sondern letztlich nur die Bedeutung der Schwachstellen zueinander. Außerdem ist die fehlende Zusammenführung mit der monetären Bewertung für die operative Entscheidung über Handlungsalternativen inadäquat, da die Ziele der Unternehmung nicht vollständig abgebildet werden. Die Zielrichtung der umfeldorientierten Gestaltungselemente besteht darin, der Unternehmung durch Einbeziehung der Informationen aus dem Umfeld der Unternehmung über die ökologischen Issues in den gesellschaftlichen Lenkungssystemen und die mögliche Beeinflussung der Unternehmung eine eher langfristige Entscheidungsperspektive zu ermöglichen, während Optimierungen und Effizienzsteigerungen nicht im funktionellen Fokus der Instrumente liegen. Die Methoden, um ökologische Issues im Umfeld der Unternehmung zu identifizieren, versuchen damit eine Entscheidungsgrundlage für Handlungen, die strategische Erfolgsfaktoren beeinflussen, zu liefern. Die Szenarien ermöglichen der Unternehmung dabei eine bessere Perspektive auf die Entwicklung der ökologischen Issues und der möglichen Unsicherheiten und Spielräume der Entwicklung Unternehmen-Umfeldsystem, um so die Robustheit von langfristigen Handlungen in verschiedenen Szenarien der Systementwicklung zu testen. Es lassen sich drei GE identifizieren, die Entscheidungsunterstützung durch vereinfachte Wirklichkeitsabbildung als monetär bewertete Chancen und Risiken geben können. •
Das EPM-Konzept gibt der Suche nach dominanten Lösungen einen systematischen Rahmen, indem ein Regelsystem für die Optimierung der Dimensionen ökologische Problembeiträge und Deckungsbeiträge geschaffen wird; die Frage nach Chancen und Risiken kann in dem expost-orientierten Konzept nicht beantwortet werden. • Einen erheblichen Schritt für die antizipatorische Bewertung macht das zweidimensionale Entscheidungsmodell nach GAHRMANN, indem es die Möglichkeiten und deren finanzielle Folgen als Barwerte bestimmt. Dies erlaubt es, Risiken darzustellen und Folgen zu bewerten und letztlich einen monetären Erwartungswert zu etablieren. Die Methode unterstützt damit innerbetriebliche Entscheidungen durch den Vergleich verschiedener Handlungsalternativen mit möglichen vielleicht eintreffenden Konsequenzen. • Die Ausdehnung von zweidimensionalen Entscheidungsmodellen auf den ökologischen Produktlebenszyklus (EOA) ist deshalb interessant, weil die Bedeutung von unterschiedlichen Handlungsalternativen für alle am Produktlebenszyklus partizipierenden Anspruchsgruppen monetär bewertet wird und dadurch längerfristige Chancen und Risiken sichtbar werden.
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4. Abschnitt
4.3.3 Funktionsbereich „ökologieorientierte Information des Managements" 4.3.3.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen Die zentrale Aufgabe von ÖISS ist es, den verantwortlichen Managern das richtige Wissen und Know-how zur Verfügung zu stellen, und zwar in der richtigen Genauigkeit, Verdichtung, am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt820. Der dritte Funktionsbereich von ÖISS kann deshalb in Anlehnung an BLEICHER als „ökologieorientierte Information des Managements" bezeichnet werden. Der Aufbau eines Informationssystems für ökologische Unternehmenspolitik darf sich nicht nur auf das formelle „harte" Informationsmanagement beziehen, sondern muß auch die „weiche" Informationsvermittlung durch unternehmensspezifische Tabus, Entscheidungsgewohnheiten und verschiedene andere Elemente beachten und beeinflussen821. Den ISS der Unternehmung wurden aus der Unterstützung von Problemlösungs- und Führungsprozessen die Funktionen 1) der Unterstützung von strategischen Problemlösungsprozessen, 2) der Umsetzung und Koordination von strategischen Programmen und 3) der Unterstützung von Problemlösungsprozessen auf operativer Ebene zugeordnet822. Die ISS haben Bedeutung 4) beim organisationalen Lernen und der Erweiterung des für die Organisation verfügbaren Wissens sowie der Entwicklung der Unternehmung. Im folgenden ist zu klären, wie und ob die allgemeine Funktionsbeschreibung von ISS auf ökologieorientierte Informationen bzw. ÖISS angewendet werden kann. Zu 1 -Unterstützung von strategischen Problemlösungsprozessen-: ÖISS müssen die strategischen Problemlösungsprozesse unterstützen, da ökologische Probleme durch die Beeinflussung der Bedürfnisse und der Funktionsdefinition durch die Anspruchsgruppen eine wesentliche strategische Bedeutung haben. BLEICHER konkretisiert die Prinzipien strategischen Handelns wie folgt: • • • •
820 821 822 823
" die Suche nach zweckgerechten Strategien, die relative Positionierung der eigenen Aktivitäten gegenüber dem Wettbewerb und der Umwelt, die Konzentration der Kräfte und Entwicklung zukunftsweisender Erfolgspotentiale." 823.
Vgl. Bleicher 1992, S. 252 Vgl. Senn 1986, S.82 Siehe Kapitel 3.2. Vgl. Bleicher 1992, S. 201 ff.
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Die Schaffung und Erhaltung von Erfolgspotentialen als Fähigkeit, den Anspruchsgruppen und insbesondere den Anwendern und Nutzern der Unternehmensleistungen eine Leistung anzubieten, die ihre Bedürfnisse gut oder besser erfüllt, bestimmt den Erfolg der Unternehmung und ihr längerfristiges Überleben. Insbesondere zukünftige Erfolgspotentiale der Unternehmung sind abhängig von innovativen Lösungen der Anwenderprobleme oder besser ihrer sich entwickelnden und veränderlichen Bedarfe824. GÄLWEILER entwickelte das Konzept der Vorsteuerung, das über die Erhaltung der aktuellen Erfolgspotentiale und Schaffung neuer Erfolgspotentiale den Erfolg und die Liquidität der Unternehmung vorsteuert: „Vorsteuern heißt, etwas frühzeitiger bemerken und sein Verhalten daran ausrichten." 825 Dabei repräsentieren die Steuerung der Erfolgspotentiale, des Erfolgs und der Liquidität unabhängige Managementaufgaben, die im konkreten Fall unterschiedliche Prioritäten und Zielrichtung haben. So bedeutet letztlich der Aufbau von Erfolgspotentialen die teilweise Aufgabe kurzfristigen Erfolgs. Der Fokus auf Erfolgspotentiale bedingt nach GÄLWEILER die Konzentration auf das Anwenderproblem als die langfristig wirkende oberste Ebene des Lösungssystems826. Die Ziele strategischen Handelns schließen an die ökologische Effektivität der Leistung, als ökologieorientiertes Ziel für den Produktlebenszyklus auf Ebene der Funktionserfüllung an. Anders formuliert, ist in Unternehmen und Industrien, deren Unternehmensaktivitäten große Einwirkungen auf die Ökosphäre verursachen, die eindeutige Trennung zwischen ökologieorientierten Zielen auf Ebene der Erfüllung von Bedürfnissen und strategisch relevanter Information unbedeutend, da die Wahrnehmung von ökologischen Problembeiträgen der Leistung als angemessen oder unangemessen einen wichtigen Einflußfaktor für die Veränderungen der Präferenzen darstellt. Diese Veränderung ist langfristig zu beschreiben als Entwicklung von individuellen Präferenzen für die Erfüllung von Bedürfnissen in einer als lebenswert empfundenen stabilen Umwelt. Die individuellen Präferenzen stehen in ständigem Austausch mit den gesellschaftlichen Präferenzen bezüglich der Beschreibung einer lebenswerten stabilen Umwelt. Die gesellschaftliche Perspektive ist wichtig, da sie beeinflußt, was als legitim gilt und die Übersetzung von Bedürfnissen in Bedarfe beeinflußt. Dabei ist sicherlich mittelfristig der Anwender die strategisch gesehen entscheidende Definitionsinstanz der angemessenen Funktionser-
824 Vgl. Gälweiler 1990, S. 146 ff. 825 Vgl. Gälweiler 1990, S. 29 Der Begriff Vorkopplung/Feedforward bezeichnet in der allgemeinen Beschreibung kybernetischer Systeme die Lenkungsinstanz, die in der Lage ist, bestimmte Umweltwirkungen und Störungen zu erkennen, bevor sie eintreffen. Dadurch wird es der Steuerungsinstanz möglich, durch rechtzeitige und dosierte Lenkungseingriffe die Ausschläge zu dämpfen; vgl. Gomez 1981, S. 59 f. 826 Vgl. Gälweiler 1990, S. 245 ff.
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4. Abschnitt
füllung, längerfristig wird aber die gesellschaftliche Zieldefinition die strategisch relevante Definitionsinstanz. Die ökologieorientierten Informationen des ÖISS für die strategischen Problemlösungsprozesse müssen sich auf die ökologische Effektivität des ökologischen Produktlebenszyklus zur Funktionserfüllung unter Beachtung der individuellen und gesellschaftlichen Definition einer stabilen und lebenswerten Umwelt beziehen827. Für die Unternehmung besteht die erfolgsstrategische Notwendigkeit, nach innovativen und kreativen Handlungsalternativen mit einer angemessenen ökologischen Effektivität zu suchen, und gleichzeitig besteht aufgrund der „Unmöglichkeit" , eine objektive und eindeutige Festlegung optimaler ökologischer Güte der Funktionserfüllung zu treffen, für die Unternehmung die Möglichkeit, eigenständige Ziele für ökologische Güte zu entwickeln. Genauer: die Unternehmung hat die prinzipielle Möglichkeit, selbst als „ökologischer Innovator" mit einem eigenen inhaltlich konkretisierten Verständnis von lebenswerter stabiler Ökosphäre als Bewertungsgrundlage für die ökologische Güte bzw. Effektivität von Handlungsalternativen zu agieren. Die Auseinandersetzung mit dem Ziel der ökologischen Effektivität und die Entwicklung von ökologieorientierten Zielen gibt der Unternehmung die Möglichkeit, sich zu entwickeln und die Veränderung ihres Umfeld zu antizipieren und zu beeinflussen. Solche langfristigen Ziele bezüglich ökologischer Güte der Funktion müssen als partiell subjektiv und situativ bedingt eingeschätzt werden, so daß sie idealerweise „effiziente-divergente" Zwischenziele repräsentieren, die der Unternehmung Alternativen offen lassen. Die Ziele müssen auf einer plausiblen Informationsgrundlage hinsichtlich Einwirkungen und ökologische Problembeiträge erarbeitet werden, um eine Basis für die kommunikative Verständigung mit Anspruchsgruppen zu bilden. „Visionäre" 827
Um die Relevanz der funktionsorientierten ökologischen Effektivität für die strategische Steuerung zu demonstrieren, genügt es, die Veränderung des ökologischen Produktlebenszyklus und der Bedeutung seiner Phasen bei Verpackungen zu analysieren. Durch die Veränderungen der Nutzendefinition auf gesellschaftlicher Ebene und auf der Ebene der verbrauchenden Industrien bekommt die ökologische Effektivität des stofflichen Recycling neben den anderen Verpackungseigenschaften eine dominierende Bedeutung. Aus einer funktionellen Perspektive wird durch den Aufbau eines umfangreichen Sammel- und Wiederverwertungssystems die Anforderung erfüllt, welche einen erheblichen Teil der gestiegenen Wertschöpfung je Verpackungseinheit über ihren ökologischen Produktlebenszyklus auf die Abfallwirtschaft und andere Entsorgungsunternehmen verlagert, während der Kunstoff- und Verpackungsindustrie sinkende Anteile an der Wertschöpfung verbleiben, für die zudem erheblicher Wettbewerb besteht; vgl. Anonym 1994, S. 79. Aus der strategischen Perspektive bleibt die Frage bestehen, ob aus Sicht der Kunstoff- und Verpackungsindustrie nicht vorteilhaftere Optionen mit höherer ökologischer Effektivität existiert hätten.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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ökologieorientierte Ziele basieren auf den Informationen über physikalisch-chemische Einwirkungen und Auswirkungen und der Interpretation der Bedeutung für die Anspruchsgruppen. Sie werden sich aber über die passive Reflexion hinaus entwickeln und eine strategische Entscheidung bezüglich der Definition von ökologischer Güte sowie bezüglich der abgeleiteten Ziele für ökologischen Effizienz und Effektivität beinhalten müssen. Ein strategisches Ziel für ökologische Effektivität sollte ein plakatives Modell beinhalten, um für kommunikative Konsensfindung nutzbar zu sein, und es sollte konkret sein, um tatsächlich als Bewertungsgrundlage von Entscheidungen dienen zu können. Die ökologische Zielkomponente der Effektivität könnte definiert werden: • entlang der quantitativen Dimension; ζ. B. 10% der heutigen Stoff- und Energieintensität pro Serviceeinheit weltweit oder • entlang der qualitativen Dimension ζ. B. keine toxischen Effekte bei vielfachen Produktions-, Nutzungs- und Entsorgungszyklen des Produkts in einem definierten Ökosystem, oder vollständige biologische Abbaubarkeit innerhalb von drei Monaten. Damit kann als Ziel der ökologieorientierten Problemlösungsprozesse auf der strategischen Handlungsebene formuliert werden: • Identifikation der langfristig kritischen Problembeiträge durch den ökologischen Produktlebenszyklus. • Entwicklung einer Vorstellung über die Veränderung der Definition von akzeptabler Bedürfniserfüllung (Nutzendefinition) durch den Anwender und die Anspruchsgruppen. • Entwicklung eines eigenständigen inhaltlich konkretisierten Modells fiir ökologische Güte auf Grundlage einer eigenständigen Vorstellung von stabiler lebenswerter Umwelt und der abgeleiteten ökologischen Effektivität der Leistung zur Bedürfnisbefriedigung. Die ökologieorientierten Informationen und Gestaltungselemente, die die Unternehmung in den entsprechenden strategischen Problemlösungsprozessen unterstützen können, wollen wir als pragmatisch nützlich bezeichnen. Der strategische Problemlösungsprozeß bezüglich der Beschreibung angemessener ökologischer Effektivität muß die enorme Komplexität bewältigen, die einerseits durch die ökologischen Problembeiträge und ihre Verknüpfung mit den Untemehmensaktivtäten und andererseits durch die Definition von ökologischer Effektivität als Ergebnis von individuellem und gesellschaftlichem Abwägen von Zielkonflikten entsteht. Diese Bewältigung kann nicht perfekte oder endgültige Lösungen erbringen und 828 Pragmatische Nützlichkeit definiert die Informationsqualität als Funktion des Anwenderbezuges durch die Objektvariable, Zeitvariable, Zielvariable und Subjektvariable. Siehe dazu Kapitel 3.1.2
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4. Abschnitt
nicht in ein Instrument gelegt werden. Vielmehr sollten Gestaltungselemente die verschiedenen Ziele und verschiedenen Einflußgrößen aufzeigen können, und sie sollten gewissermaßen eine Sensibilisierungsfunktion aufweisen, indem sie möglich zukünftige Einflußgrößen im Sinne der „schwachen Signale" aufzeigen können82 . Aus der notwendigen Unschärfe der strategischen Ziele und der Problembeschreibung, -analyse und -entwicklung ergeben sich Herausforderungen beim Entwurf von Handlungsalternativen, die sich auf strategischer Ebene eher auf den Entwurf von Entwicklungspfaden beschränken müssen. Die Entwicklung von strategischen Handlungsplänen wird dadurch erschwert, daß in dem komplexen System die Einschränkung des Suchraums durch einfache Methodiken nicht gelingt, sondern hier nur unvollkommen unter Nutzung von rückwärtsplanenden und vorwärtsplanenden Techniken Lösungswege erarbeitet werden können830. Die Handlungsalternativen müssen auf das Verhalten und die Eigendynamik des Systems, in das eingegriffen werden soll, eingehen, indem sie die Lenkungseingriffe der Komplexität des System anpassen, unkontrollierte Wechselwirkungen durch Rückkopplungen vermeiden, ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Bewahrung und Wandel einhalten und die Systemeigenschaften nutzen, um Synergieeffekte zu erzielen831. Im Sinne der Unternehmung heißt dies etwa, daß die Strategie auf den Stärken und Fähigkeiten der Unternehmung aufbauen muß und sich als längerfristige Strategie auf die dauerhafte Entwicklung von Kernfähigkeiten als endogenen Erfolgsfaktoren stützen soll. Gleichzeitig sollen strategische Handlungsalternativen den gesamten Suchraum der möglichen Gestaltungsweisen und Veränderung des System beschreiben, da gerade in den ungewöhnlichen und unwahrscheinlichen „kontrafaktischen" Annahmen und Modellen die Möglichkeit zu einer Veränderungen der Systemregeln zum Vorteil der Unternehmung möglich wird832. HARDE beschreibt sechs Niveaus von Innovationsprüngen, die funktionsorientierte Handlungsalternativen erreichen können; „Innovation durch • Optimierung von Produktion, Distribution und Transport • andere Leistungserstellung • andere Produktgestaltung • andere Produkte • andere Funktionalität (anderer Nutzen/Zusatznutzen) • andere Bedürfnisbefriedigung" 833.
829 830 831 832 833
Vgl. Senn 1986, S. 170 und Krystek/Müller-Stewens 1992, S. 341 ff. Vgl. Dörner 1989, S. 243 Siehe Systemregeln; vgl. Ulrich, H./Probst 1988, S. 203 ff. Vgl. Jung 1990, S 182 f. und Ulrich, H./Probst 1988, S. 211 Vgl. Harde 1993, S. 153 ff.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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Die Umsetzung und Kontrolle als Realisierungsprozeß der strategischen Handlungsalternative im Rahmen der strategischen Unternehmensführung macht eine flexible Umsetzung und ein spezifisches System von Kontrollen notwendig, da 1) der strategische Problemlösungsprozeß aufgrund der Komplexität und Dynamik des Umfeldes nie abgeschlossen ist, 2) der Problemlösungsprozeß auf strategischer Ebene die Komplexität durch Treffen von Annahmen reduzieren muß und 3) die Kontrolle der Realisierung der strategischen Programme ein Steuerungsproblem in sich darstellt 34 . Die strategische Kontrolle geht von der erarbeiteten Strategie als Grundlage aus und kontrolliert auf den drei Ebenen, inwieweit das sich verändernde Umfeld eine Chance oder ein Risiko für die Unternehmung bezogen auf die gewählte Strategie darstellt835: • Die Durchführungskontrolle des strategischen Programms ist durch den Soll-Ist-Vergleich anhand von Meilensteinplänen und strategischen Zielgrößen formal und prozeßgestützt zu realisieren. • Die Prämissenkontrolle bezieht sich auf die im Zuge der Strukturierung und Systematisierung der Unternehmung und ihres Umfelds getroffenen Annahmen bezüglich der Art und Stärke der Interaktion der Systemelemente, der zeitlichen Wechselwirkung und der möglichen Szenarioentwicklung, um so zu kontrollieren, ob die Annahmen über das Umfeld der Unternehmung sich als valide erweisen. • Die globale strategische Kontrolle ist das „Auffangnetz" für die beiden anderen Kontrollsysteme, indem sie überprüft, ob neue Elemente oder übersehene Prämissen hinzugekommen sind, und so die Problembeschreibung und die Zieldefinition vorwegnehmend überprüft, um als Früherkennung die Signale, die eine Überarbeitung der konkreten Ziele und Strategien notwendig machen, zu antizipieren. Zu 2 -Umsetzung und Koordination von strategischen Programmen-: Die Umsetzung von strategischen ökologieorientierten Zielen für ökologische Effektivität verlangt insbesondere in größeren Unternehmen, die Steuerung und Koordination von funktions- und bereichsübergreifenden Aktivitäten zum Erreichen der ökologieorientierten Ziele als Steuerungsproblem zu bewältigen. In größeren Unternehmen müssen diese Ziele zudem meist über mehrere organisatorische Einheiten und Standorte koordiniert werden können. Gerade die Notwendigkeit, Handlungsfelder zur Verbesserung der ökologischen Güte funktions- und unternehmensübergreifend koordinieren zu können, wird als eine wichtige Funktion von ökologieorientier-
834 Vgl. Steinmann/Schreyögg 1990, S. 201 ff. 835 Vgl. Steinmann/Schreyögg 1990, S. 201 ff
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4. Abschnitt
ten ÖISS beschrieben836. Ein Instrument zur Operationalisierung strategischer Ziele sind strategische Programme837. Strategische Programme zur Realisierung der gewählten strategischen Handlungsalternative umfassen die konkreten Schritte und Handlungen, sind aber gleichzeitig nur ein Rahmenplan, der selektiv die zentralen Einflußgrößen lenkt, da eine vollständige Planung der betrieblichen Realität aufgrund ihrer Komplexität unmöglich ist838. Die zur Operationalisierung von strategischen Projekten herangezogenen strategischen Programme müssen die identifizierten Problembereiche und die ökologieorientierten Ziele für die Steuerung innerhalb der Unternehmung auf konkrete Aktivitäten und Einwirkungen beziehen können und um entsprechendes Wissen und Know-how einzubringen. Als die zwei Kriterien für Operationalisierung erkennt GÄLWEILER, daß 1) sie während der Realisierungsphase im notwendigen Maße laufend unter Kontrolle gehalten werden können und 2) nach der Realisierungsphase eindeutig gemessen und festgestellt werden kann, ob und inwieweit sie erreicht worden sind" 839. Im Regelfall bedeutet dies, daß die strategischen Ziele in eindeutig quantifizierbare Ziele und in den Verantwortungsbereichen zugeordnete Aktivitäten umgewandelt werden. Entwicklungspfade, die aufgrund der strategischen Ausrichtung auf angemessene ökologieorientierte Effektivität entworfen werden, können Anforderungen abhängig vom Innovationsprung enthalten, für die noch keine Aktivitäten definiert werden können, sondern bei denen die Suche nach Handlungsalternativen und Test möglicher Ideen innerhalb von Forschung und Entwicklung oder von Kooperationen und Pilotprojekten den einzigen konkreten Schritt darstellt. Diese strategischen Programme können bezüglich der Aktivitäten innerhalb der Unternehmung nicht so differenziert werden, trotzdem bildet aber die präzise und quantitative Übersetzung der Vorstellung von lebenswerter stabiler Ökosphäre und von abgeleiteter ökologischer Effektivität in Ziele die Grundlage für den Führungsprozeß. Insbesondere sehr weitreichende Anforderungen an ökologische Effektivität, die mit ökologischem Strukturwandel verbunden ist, werden sich nur
836 837
838
839
Vgl. Wagner, G. R./Janzen 1991, S. 123 f. Strategische Programme beinhalten ein strategisches Konzept und die für den operativen Vollzug notwendigen unternehmensbezogenen Informationen. So beschreibt BLEICHER die Verwendung von strategischen Programmen als „...vorgeschaltete Erarbeitung von Zielen, die ihrerseits operationalisiert werden müssen ..."; vgl. Bleicher 1992, S. 249 f. Vgl. Steinmann/Schreyögg 1990, S. 194 ff. Wichtigste orginäre Bestandteile eines strategischen Programms über die Strategie hinaus sind organisatorische und personalpolitische Maßnahmen, um die neuen Maßnahmen und Vorgehensweisen in das bestehende System der Unternehmung zu integrieren. Vgl. Gälweiler 1986, S. 94
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
283
als inhaltlich konkretisierte Ziele in die Entwicklung der Unternehmung einbringen lassen. Die Operationalisierung von ökologieorientierten Zielen als inhaltlich schon weitgehend konkretisierte strategischen Programmen muß die innengerichtete Definition von spezifischen Zielen und Aktivitäten vornehmen, um innerhalb der Unternehmung kontrollierte und gesteuerte Führungsprozesse zu ermöglichen. Die strategischen Programme müssen sich inhaltlich auf die strategische Zielbeschreibung und die entwickelten Handlungsalternativen stützen. Die Programme können teilweise vorhandene Managementinstrumente nutzen. So identifizieren CORBETT/840 WASSENHOVE beispielsweise auf Ebene der Prozesse : •
Programme, um Verschmutzung durch Störfälle, durch Emissionskontrolle auf Basis von statistischer Prozeßkontrolle und reduzierten Beständen an giftigen Stoffen durch „Just in time" -Konzepte zu reduzieren oder • die fortlaufenden Emissionen durch ,JVull-Abfair -Programme in Anlehnung an eine „null Defekt" -Qualitätsphilosophie und entsprechenden Methoden zu kontrollieren und auf Ebene von Produkten •
ökologische Auswirkungen aufgrund von unsachgemäßer Produktverwendung durch Anwender mit spezifischen Schulungs- und Serviceprogrammen zu reduzieren oder • Veränderungen der kritischen Produkteigenschaften durch spezifische Entwicklungsprogramme für die Verbesserung der ökologischen Güte. Es läßt sich zusätzlich die Unternehmung mit der Gesamtheit ihrer Aktivitäten und Auswirkungen als weiteres Handlungsfeld postulieren. Darunter können auch alle „nebenbei" anfallenden Einwirkungen vom Stromverbrauch für Beleuchtungen über Trennung von Büroabfällen bis zu den Einwirkungen durch die täglichen An- und Abfahrten der Mitarbeiter einbezogen werden. Ein wesentliches Element dieser Programme ist die Vorgabe und Kontrolle von quantifizierten Zielen für Verantwortliche841. Wichtig für ökologische ÖISS für größere Unternehmen ist die Anforderung, ökologieorientierte Ziele in die Unternehmung zu übersetzen und sie in handlungsbezogener und konkreter Form zu operationalisieren. Durch klare Ziele, meßbare Kontrollgrößen und durch das Herstellen einer eindeutigen Verbindung zwischen dem ökologieorientierten Ziel und den den ökologischen Problembeiträgen zugrundeliegenden Unternehmensak-
840 841
Vgl. Corbett/Wassenhove 1994, S. 128 Zu diesen Programmen gehören auch weithin bekannte Beispiel wie „Pollution Prevention Pays" (PPP) von 3M oder „Waste Reduction Always Pays" (WRAP) von DOW Chemicals; vgl. Corbett/Wassenhove 1994, S. 131
284
4. Abschnitt
tivitäten werden die Ziele operationalisiert, d.h. sie können in den Führungsprozeß der Unternehmung integriert werden. Zu 3 -Unterstützung von Problemlösungsprozessen auf operativer Ebene-: Neben der strategischen Handlungsebene und der Operationalisierung in strategischen Programmen müssen ÖISS die Einbeziehung ökologischer Probleme auf der operativen Handlungsebene unterstützen, denn die Umsetzung und Anpassung von übergreifenden ökologieorientierten Zielen und Programmen muß dezentral in den operativen Einheiten stattfinden. Die Einheiten der Unternehmung müssen über spezifische Informationen verfügen, da sie ökologische Auswirkungen und Problembeiträge eben nicht nur auf die globale und nationale Ebene zu beziehen haben, sondern auch die lokalen ökologischen Probleme und ökologischen Issues in den Lenkungssystemen in ihrer Individualität und Komplexität berücksichtigen müssen 2. Die ökologieorientierte Zielperspektive der operativen Handlungsebene muß auf die ökologische Güte der lokalen/dezentralen Aktivitäten der Unternehmung konzentriert sein, unter Betonung der ökologischen Effizienz, als laufender relativer Verbesserung, und der „Sustainability" der spezifischen Ökosysteme und Ressourcen als ökologieorientiertem Ziel. Das Management der Standorte und einzelnen Einheiten muß die Möglichkeit besitzen, die Vorgaben an die lokalen Voraussetzungen durch Anspruchsgruppen und Ökosysteme anzupassen. Die ökologieorientierten Informationen müssen alle relevanten ökologischen Problembeiträge der direkten Einwirkungen berühren und einbeziehbar machen, da die operativen Handlungsebenen nicht nur die strategisch wichtigen, sondern auch vielleicht weniger kritische Probleme, die aber aufgrund der Erwartung von Anspruchsgruppen durchaus die aktuelle ökologische Güte bestimmen, einbeziehen müssen. Die einzelnen Einheiten müssen einen unmittelbaren Zugang zum organisational Wissen der Unternehmung haben, um diesem Wissen eine entsprechende pragmatische Nützlichkeit geben zu können. Das ökologieorientierte Wissen kann nicht nur Steuerinformationen, sondern muß auch die Informationen zur Selbstaufklärung und Bewertung beinhalten. In diesem Zusammenspiel muß die Unternehmung aus der Funktionsperspektive als Supersystem gesehen werden, welches die übergeordnete Zielrichtung der einzelnen operativen Einheiten als Subsysteme steuert. Für ÖISS zur Umsetzung von ökologischer Unternehmenspolitik in größeren Unternehmen auf der operativen und strategischen Handlungsebene bedeuten diese:
842
Im einfachsten Fall können dies lokal unterschiedliche Gesetze, Verordnungen und Auflagen sein, oder aber bestimmte Güter wie z.B. Wasser, die lokal in sehr unterschiedlicher Menge und Güte verfügbar sind.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
•
•
•
•
•
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die Ziele und Handlungen der einzelnen Einheit müssen sich an den ökologieorientierten Zielen für die gesamte Unternehmensleistung orientierten, ökologieorientierte Ziele als Teil der Strategie müssen die operative Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit der Untereinheiten beachten und die Grenzen berücksichtigen; dazu müssen Rückkopplungsmöglichkeiten gegeben sein, die leistungsbezogenen ökologieorientierten Ziele müssen sich auf die wichtigen ökologischen Problembeiträge beschränken, während die angemessene Berücksichtigung der anderen ökologischen Probleme und die lokalen Auswirkungen durch die Einheit selbständig umgesetzt werden muß, kritische ökologische Problembeiträge der einzelnen Einheit oder das Ignorieren eines ökologischen Problembeitrags gefährden die ökologische Legitimität der gesamten Unternehmung, deswegen muß die Unternehmung durch Koordination und Kontrolle das Versagen von Untereinheiten verhindern, die unabhängige Orientierung der einzelnen Einheit an eigenständigen ökologieorientierten Zielen oder die Fokussierung auf eine reine Effizienz-Betrachtung in den Einheiten kann die Legitimität und das Überleben des Übersystems gefährden.
Die Betonung der dezentralen und operativen Komponente von ÖISS reflektiert die Notwendigkeit, die ökologischen Problembeiträge der Unternehmung umfassend zu kontrollieren und flexibel an lokale und ökologische Besonderheiten anzupassen. Deshalb lassen sich zusammenfassend als Ziele der Anforderung pragmatische Nützlichkeit für die operative Handlungsebene nennen: • •
flexible Anpassung an die dezentralen Anforderungen, Ableiten von absoluten Zielen für „Nachhaltigkeit" des regionalen Umfelds, • Nachhaltigkeit der von den Aktivitäten beanspruchten Ressourcen und Senken, • laufende Verbesserung der ökologischen Effizienz aller Unternehmensaktivitäten und • umfassende Hintergrundkontrolle.
GÄLWEILER hat aus der Systemperspektive einige Zusammenhänge postuliert, die für die das Gestalten des Zusammenwirkens der strategischen und operativen Handlungsebenen und die Zielbeziehungen zu beachten sind843: • •
Subsysteme erhalten ihre Aufgabe und Ziele stets vom Übersystem, Subsysteme dürfen durch die Übersysteme nicht überfordert werden; es müssen Rückkopplungsmechanismen existieren,
843 Vgl. Gälweiler 1990, S. 159 ff.
286
4. Abschnitt
• Subsysteme müssen bei der Umsetzung ihrer Aufgaben über Spielraum verfügen, • Subsysteme können nicht versagen, ohne das Übersystem zu gefährden, • Ziele der Subsysteme dürfen nicht vollkommen autonom verfolgt werden, ohne auf Dauer das Übersystem zu gefährden. Zusammenfassend läßt sich aus der Präzisierung der ökologieorientierten Information des Managements ableiten, daß ÖISS für größere Unternehmen sowohl veränderungsorientierter als auch stabilisierender Gestaltungselemente bedürfen . Die Umsetzung von ökologischer Unternehmenspolitik braucht zur Entwicklung von ökologieorientierten Zielen in dem sich verändernden Umfeld prospektive zukunftsbezogene Informationen. Größere Unternehmen müssen aufgrund der großen Organisation die Informationen über ökologische Problembeiträge auch dezentral verfügbar machen, um eine einheiten- und standortspezifische Verwirklichung von ökologischer Unternehmenspolitik möglich zu machen. Dabei sind die dezentralen Optimierungs- und Entscheidungsfreiräume zu wahren, um den konkreten lokalen Auswirkungen in Ökosystemen und den Issues der Anspruchsgruppen gerecht zu werden. Die Informationen müssen aktuell und möglichst variabel und offen verfügbar sein. ÖISS in größeren Unternehmen müssen auch stabilisierende Elemente enthalten, um einheiten-, Standort- und funktionsübergreifende ökologieorientierte Ziele zu operationalisieren. Die ÖISS müssen in der Lage sein, die für die ökologieorientierte Optimierung von Produktlebenszyklen oder die Entwicklung neuer Funktionen notwendige, koordinierte funktionsübergreifende Umsetzung zu steuern, indem sie quantitative und strukturierte Ziele vorgeben und kontrollieren können. Die Überlegungen lassen sich in einem einfachen schematischen Denkmodelf'45 abbilden (siehe Abbildung 4. 8).
844 Vgl. 3.2.4 845 Zum Begriff Denkmodell vgl. Kirsch/Maaßen 1988, S. 6 f.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS Abbildung 4.8:
287
Vereinfachtes Denkmodell „ökologieorientierte Information des Managements "
VEREINFACHTES DENKMOOELL "ÖKOLOGIEORIENTIERTE INFORMATION DES MANAGEMENTS"
©
Strategische Ebene * Entwickeln eines Modells für ökologische Effektivität · Ökologieorientierte Ziele für kritische Problembeiträge • Suche nach Innovationssprüngen
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Quelle:
Strategische Programme
Operative Ebene
Ο
• Operationalisierung strategischer Ziele • Herstellen von eindeutigen Verbindungen zwischen ökologieorientierten Zielen und spez. Aktivitäten
• Anpassung an dezentrale Anforderungen (Nachhaltigkeit) • Kontinuierliche Verbesserung der ökologischen Effizienz • Hintergrundkontrolle und Selbstaufklärung
Eigene Darstellung
Zu 4 - Organisationales Lernen-: Dem ÖISS läßt sich eine über die Unterstützung von Problemlösungsprozessen hinausgehende Funktion in der Weiterentwicklung der Unternehmung und der organisatorischen Wissensbasis zuordnen. Den ÖISS kommt eine Katalysatorfunktion bei der Weiterentwicklung der Unternehmung in einem sich dynamisch entwickelnden Umfeld zu. PAUTZKE betont den Aspekt, daß die Wissensbasis der Unternehmung eingeschränkt wird durch den Zugriff, den die in der Unternehmung dominierende Rationalität auf das vorhandene Wissen erlaubt846. Organisatorisches Lernen basiert darauf, daß die Unternehmung systematische Problemlösungsmethoden anwendet, die Möglichkeit zum Experimentieren vorhanden ist, das erworbene Wissen schnell in der Organisation verbreitet werden kann, daß Lernen aus den eigenen Erfahrungen und Erfahrungen anderer möglich ist, und daß die Systeme und Informationsprozesse sich an neue Entwicklungen und notwendige Fähigkeiten anpassen können. Informationssysteme sind durch Akzeptanz und Weitergabe von Informationen ein Teil der Wissensbasis und repräsentieren einen institutionellen Teil des Wissens der Organisation. Da als Defizit der betrieblichen ISS rekonstruiert wurde, daß ökologieorientierte Informationen nicht verarbeitet und der Organisation verfügbar gemacht werden können, muß die 846
Vgl. 3.2.3
288
4. Abschnitt
Funktionsbeschreibung für ÖISS die Veränderung, Fortentwicklung und Nutzbarmachung der organisationale Wissensbasis beinhalten847. Zudem haben wir als einen Grund für die Nichteinbeziehung von ökologischen Problemen den Mangel von ökologieorientierten Informationen rekonstruiert. Gerade für ökologische Fragestellungen scheinen deshalb Gestaltungselemente des Informationssystems sinnvoll, welche ökologisches Wissen entsprechend dem Konzept der „Systems of scope" allen in der Unternehmung Handelnden direkt zur Verfügung stellen . Dadurch wäre gewährleistet, daß das Know-how der Unternehmung bezüglich ökologischer Fragestellungen für alle verantwortlichen Mitarbeiter transparent und nutzbar wird. Solche Systeme könnten auch Informationen über die ökologischen Einwirkungen der Unternehmung, beziehungsweise über die durch die Unternehmung vorgenommenen Interpretation der ökologischen Auswirkungen und über die ökologischen Ziele der Unternehmung beinhalten. Erweitert werden kann dieses Konzept noch durch die EDV-unterstützte Einbindung externer Informationsquellen, die unternehmensrelevante Umweltinformationen enthalten. Die Beschreibung der Weiterentwicklung von Unternehmen als gesonderter Anforderung der Funktionsbeschreibung der ökologieorientierten Information des Managements für ÖISS, neben der Unterstützung des strategischen und des operativen Problemlösungsprozesses und der Umsetzung von ökologieorientierten Zielen, beruht auf drei Eigenschaften, die die Informationsprozesse des ÖISS zusätzlich beinhalten müssen: •
Der kritischste Teil der Anforderung Entwicklungsfähigkeit ist die Weiterentwicklung der Rationalität oder der mentalen Modelle, bzw. des Zugriffs auf „non-view" -Wissen der Organisation, um sie dem erfolgreichen Handeln gegenüber ökologischen Problemen und ökologieorientierten Zielen angemessen zu gestalten849. • Das ÖISS kann als Teil des organisationales Gedächtnisses850 funktionieren, das die ökologieorientierte Informationen speichern und sie flexibel und offen als Teil der organisationalen Wissensgrundlagen verfügbar machen kann. • Die ÖISS repräsentieren einen Teil der formalisierten organisationalen Wissensbasis, die sich bei der beabsichtigten Koevolution mit dem dynamischen Umfeld permanent entwickeln können muß.
847
Vgl. Pautzke 1989, S. 78 ff. Die organisationale Wissensbasis bezieht sich das Wissen von Mitarbeitern und das Wissen, das sich in den Abläufen und Strukturen der Unternehmung und der UISS manifestiert. Siehe dazu auch Kapitel 3.2.3. 848 Beziehungsweise können ökologische Informationen in vorhandene Informationssysteme integriert werden. Siehe dazu auch Kapitel 3.2.1. 849 Vgl. Senge 1990, S. 176 ff. 850 Vgl. Bleicher 1992, S. 280 f. und Godsey 1995, S. 73 f.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
289
Dadurch soll erreicht werden, daß die Rationalität und die organisational Wissensbasis der Unternehmung sich zusammen mit dem OISS laufend weiterentwickeln (siehe Abbildung 4. 9). Abbildung 4.9:
Weiterentwicklung der Informationsprozesse der Unternehmung
WEITERENTWICKLUNG DER INFORMATIONSPROZESSE DER UNTERNEHMUNG Zeit Strategische PhMio CDene • •
* Entwickeln eines Modells für ökologische Effektivität · Okologieorientierte Ziele für kritische Problembeiträge
/
Strategische Pmnramme programme 1 *
· Herstellen von t Verbindungen zwischen ökdospeooentiert&n Zielen und spez. Aktivitäten
/
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Operative Ebene
an dezentrale (NachhaltigKontinuierliche Veibesserung der ökdogschen
/
Weiterentwicklung der Rationalität
Weiterentwicklung der organisational en Wissensbasis
Weiterentwicklung des ÖISS
Quelle: Eigene Darstellung
4.3.3.2 Instrumentelle Gestaltungselemente und ökologieorientierte Information des Managements Der Funktionsbereich beschreibt die Effektivität der Informationsprozesse zur Integration der ökologieorientierten Information in alle Problemlösungs- und Führungsprozesse der Unternehmung durch vier unterschiedliche Anforderungen, die getrennt behandelt werden können: 1) 2) 3) 4)
pragmatische Nützlichkeit auf der strategischen Handlungsebene, Operationalisierung von ökologieorientierten Zielen, pragmatische Nützlichkeit auf der operativen Handlungsebene und Weiterentwicklung der organisational Wissensbasis.
Zu 1 -Anforderung pragmatische Nützlichkeit auf der strategischen Handlungsebene-: Als Kern der pragmatischen Nützlichkeit von ökologieorientierten Informationen für die strategische Handlungsebene haben wir die Informationen beschrieben, die bei Problemlösungsprozessen bezüglich der ökologischen Effektivität der Funktionserfüllung bzw. der Unternehmensleistung wichtig sind. Als Gestaltungselemente mit hohem Bezug zu
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4. Abschnitt
strategischen Problemlösungsprozessen werden insbesondere Szenarien, Instrumente zur mehrdimensionalen Bewertung und Instrumente zur ökologieorientierten Umfeldanalyse gesehen851. Die Szenarienmethoden unterstützen die Schritte der Handlungsorganisation für strategische Beschreibung von ökologischer Effektivität, da durch sie die komplexen Beziehungen des Umfeld-Unternehmenssystems antizipativ untersucht werden können, um zu einer angemessenen Beschreibung möglicher Zukünfte als Ausgangspunkt für ökologieorientierte Ziele zu kommen. Dabei kann es als Vorteil gelten, daß die Szenarien mit ihrem relativ weiten Spektrum an Methoden andere Informationsinstrumente situativ integrieren können. Zu den Informationsquellen innerhalb der Szenarien können externe Anspruchsgruppen gehören, sie sind also offen für kommunikative Prozesse. Insbesondere die Möglichkeit zur rechtzeitigen Sensibilisierung gegenüber langsamen Veränderungen als Früherkennungsinstrument und die Möglichkeit, Problemlösungs- und Zielsetzungsprozesse als zirkulär zu begreifen, wird als Vorteil thematisiert852. Geeignet für strategische Problemlösungsprozesse sind Szenarien durch die Möglichkeit, den gesamten Lösungsraum für Innovationen bei der Erfüllung von Bedürfnissen zu beschreiben853. Gerade die offene Beschreibung der zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten erscheint der hohen Dynamik der Entwicklung der ökologischen Probleme angemessen. Für die Beurteilung der pragmatischen Nützlichkeit der Szenarien als Gestaltungselement für die strategische Handlungsebene ist bedeutend, daß die Szenarien in ihrer Qualität erheblich vom Können der Anwender als erfolgskritischer Fähigkeit abhängig sind und deshalb die Szenarientechnologie nur als Prozeß denkbar ist, der auch das Lernen über die Nützlichkeit von Szenarien beinhaltet854. Aus den vorliegenden Beschreibungen von Anwendungen der explorativ-deskriptiven Szenarienmethode nach STEGER geht nicht hervor, inwieweit sich die Entwicklung von ökologieorientierten Szenarien durch besondere Informationsprozesse auszeichnet, außer durch die Einbeziehung von allgemeinen Informationen über wahrgenommene ökologische Probleme und ihre Bedeutung. Insbesondere Konzepte, diese ökologieorientierten Informationen auf die Unternehmung und ihr Umfeld und die ökologischen Problembeiträge zu beziehen, fehlen855. Ohne diese Konzepte verlieren Szenarien an Handlungsorientierung und bleiben oberflächlich, da eine Beziehung zu den Aktivitäten der Unternehmung und den resultierenden Einwirkungen nicht hergestellt werden kann.
851 852 853 854 855
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Harde 1993, S. 150 ff., Stahlmann 1994, S. 166 Senge 1990, S. 178 und 314 ff. Harde 1993, S. 147 Pfriem 1995, S. 289 f. Steger 1993, S. 242 f. und Stahlmann 1994, S. 166
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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Instrumente, die insbesondere auf multidimensionale Entscheidungsmodelle ausgerichtetet sind wie die PIA, beinhalten erheblich pragmatische Nützlichkeit für strategische Problemlösungsprozesse. Sie sind wichtig und pragmatisch nützlich in der Phase der Problemdefintion und Zielbeschreibung von strategischen Problemlösungsprozessen, da sie durch Einbeziehung verschiedener Anspruchsgruppen und ihre Vorstellung von Funktionen bzw. ökologischer Effektivität von Leistungen sowie ihre Wirklichkeitskonstruktionen die notwendige Offenheit gegenüber dem Lösungsraum sichern. Sie unterstützen durch Aufzeigen komplementärer und konkurrierender Ziele von Anwendern und Anspruchsgruppen und verdeutlichen die verschiedenen Zieldimensionen für eine angemessene Beschreibung der komponierten Ziele und helfen so bei einer angemessenen Beschreibung der Problemstellung für Verständigungsprozesse mit Anspruchsgruppen. Für die weiteren Schritte Extrapolation und Lösungssuche ist damit aber noch nichts gewonnen, da sie die Beschreibung der Systementwicklung und der beeinflußbaren Elemente nicht unterstützen. Eine vergleichbare pragmatische Nützlichkeit für strategische Problemlösungsprozesse kann dem Gestaltungselement der ökologieorientierten Umfeldanalyse zugeordnet werden, die die ökologischen Issues im Umfeld der Unternehmung beschreibt und damit zum Verständnis von Problemen und Zielen aus der Perspektive der Anspruchsgruppen und des Umfelds in der Unternehmung beiträgt. Die Konzepte unterstützen den zweiten Schritt des Problemlösungsprozesses, indem sie die Einflüsse auf die Unternehmung abschätzen und damit zur Beschreibung der Bedeutung der Issues und zur Beschreibung des Lösungsraumes beitragen. Die Konzepte zur Umfeldanalyse und zur Frühaufklärung besitzen das inhärente Anwendungsrisiko, in einem komplexen und dynamischen Umfeld zu viele Informationen zu liefern, da versucht wird alle relevanten Elemente abzubilden, und es besteht das Risiko, aufgrund der Veränderungen der Bedeutung von Systemelemente mittelfristig die falschen Frühwarnindikatoren zu betrachten und schwache Signale zu übersehen. Die Frühwarnsysteme und -indikatoren sind deshalb regelmäßig holistisch zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu konzipieren. Zur Entwicklung von Lösungen kann die Umfeldanalyse wenig beitragen. Das EOA-Konzept als zweidimensionales Entscheidungsmodell für produktlebenszyklusbezogene Handlungsalternativen versucht als einziges Konzept, die Effektivität der Handlungsalternativen nicht nur ökologisch zu bewerten. Das EOA-Konzept ist pragmatisch nützlich für strategische Zielsetzungen, da es die Ansatzpunkte für produktbezogene Handlungsalternativen aufzeigt und die ökologischen, monetären und sozialen Auswirkungen dieser Handlungsalternativen für alle Anspruchsgruppen des PLZ zu bewerten sucht. Damit kann das Konzept die Bedeutung von Handlungsalternativen für das Verhältnis der Anspruchsgruppen und der Unternehmung aufzeigen und die relative Effektivität der Bedürfniserfül-
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4. Abschnitt
lung sowie die relative ökologische Effektivität bewerten helfen. Eine Aussage über die notwendige ökologische Effektivität kann es nicht machen, da das Problem der Definition von Zielen für eine stabile lebenswerte Umwelt und die Ableitung eines Bewertungsmodells explizit ausgeklammert, bzw. an gesellschaftliche Konsensprozesse verwiesen wird. Die Gestaltungselemente zur quantitativ-reduktiven Bewertung der ökologischen Problembeiträge von Unternehmen beziehen die Informationen über die Wahrnehmung und Bewertung von ökologischen Problemen durch das Umfeld der Unternehmung durch Grenzwerte als Ausdruck des gesellschaftlichen Konsensprozesses in die Bewertung ein und ignorieren damit, daß die gesellschaftliche Einigung über (nachsorgende) Grenzwerte am Ende der Diffusionskurve steht, also an einem Punkt, an dem die Beziehung der Unternehmung zu ihren Anspruchsgruppen bereits nachhaltig gestört sein kann, beziehungsweise kein eigenständiger Handlungsspielraum für die Unternehmung mehr besteht. Die Konzepte betrachten die ökologischen Ziele als den Handlungsrahmen für Strategien und nicht als das Objekt von Strategien. Vielmehr wird die Umsetzung des Instruments als solches und das Erreichen von möglichst hoher ökologischer Effizienz innerhalb des Instruments als Erfolgsfaktor verstanden85 . Die Entwicklung ökologieorientierter Ziele wird von den Konzepten nicht als Teil des strategischen Handlungsfreiraumes von Unternehmen verstanden. Die GE verlieren damit ihre pragmatische Nützlichkeit für strategische Problemlösungsprozesse. Die Gestaltungselemente zur multifaktoriellen Bewertung können die Bedeutung ökologischer Issues für die Anspruchsgruppen als Kriterium 2 im IÖW-Konzept oder als „Emotionalität" bei GAHRMANN ET AL. einbeziehen; allerdings ist die Bewertung auf einzelne Maßnahmen und Stoffe beschränkt. Das IÖW-Konzept vermag darüber hinaus Probleme zu Handlungsfeldern zu bündeln, für die die Handlungsalternativen mit der Bedeutung im Verhältnis zu internen und externen Anspruchsgruppen bewertet werden. Die pragmatische Nützlichkeit für strategische Problemlösungsprozesse über ökologische Effektivität der Leistung bleibt aber eingeschränkt, da es zu keiner holistischen zukunftsbezogenen Betrachtung des Gesamtsystems bzw. seiner Entwicklung kommt. Zu 2 -Operationalisierung von ökologieorientierten Zielen-: Für größere Unternehmen ergibt sich für die Information des Managements auch die Notwendigkeit, die verschiedenen Einheiten der Organisation über konkrete Ziele und Kontrollgrößen zu informieren bzw. durch diese ökologieorientierte Ziele zu operationalisieren und ihre Umsetzung in der Unternehmung zu koordinieren und zu kontrollieren. Operationalisierung von ökologieorientierten Zielen durch die Vorgabe einer Leitorientierung kann aufgrund von Szenarien möglich gemacht werden, sofern eines die856 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 232
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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ser Szenarien als wünschenswert bewertet wird. Die beschriebene Konzeption von STEGER ist darauf aber nicht ausgerichtet857. Zu diskutieren ist hier die Rolle der GE, die die Veränderung ökologischer Einwirkungen meßbar oder kontrollierbar machen wollen. Darunter wollen wir fassen: Die Gruppe der Kennzahlensysteme, der quantitativ-reduktiven Bewertungssysteme, der multifaktoriellen Bewertungssysteme und die Systemaudits. Das einfachste Konzept, ökologieorientierte Ziele zu operationalisieren, sind Kennzahlensysteme. Stoffbezogene Kennzahlensysteme wie das Konzept auf Grundlage der Stoff- und Energiebilanz erlaubt es, ökologieorientierte Ziele auf Basis der Einwirkungsebene, und damit eng verbunden mit den eigentlichen Aktivitäten in der Unternehmung, zu operationalisieren. Entsprechend gut eignet sich auch das stoffmengenorientierte Bewertungssystem MIPS (nach SCHMIDT-BLEEK) zur Operationalisierung eines ökologieorientierten Zieles auf Ebene der Einwirkungen. Beide Systeme dienen der Operationalisierung spezifischer Ziele bzw. der ökologischen Effizienz der Unternehmensaktivitäten und Leistungen. Die quantitativ-reduktiven Gestaltungselemente haben deshalb allgemein ihre größte Bedeutung in der Operationalisierung ökologieorientierter Ziele innerhalb der Unternehmung, da die fokussierten, klaren und quantifizierten Ziele sich gut für die Operationalisierung von ökologieorientierten Zielen in den Einheiten einer großen Organisation einsetzen lassen, was im Anschluß an das Rechnungswesen und Controlling durchaus als Ziel der Ansätze verstanden werden kann858. Quantitativ-reduktive Bewertungssysteme wie das der Ö.B.U., das von SCHALTEGGER/STURM, das energieflußorientierte, das schadensfunktionsorientierte können letztlich als Kennzahlensysteme verstanden werden, denen eine spezifische Definition einer stabilen lebenswerten Umwelt zugrunde liegt und die diese operationalisieren wollen. Damit sind die quantitativ-reduktiven Bewertungssysteme immer dann sinnvoll zur Operationalisierung einzusetzen, wenn die die ihnen zugrundeliegenden Annahmen dem für die spezifische Unternehmung erfolgsstrategisch und normativ-ethisch angemessenen Modell ökologischer Güte entsprechen. Das Konzept des ökologieorientierten Kennzahlensystems (GÜNTHER) entwirft ein umfangreicheres System von Kennzahlen, um die ökologieorientierten Ziele im Zusammenspiel mit monetären in der Unternehmung umzusetzen. Das Konzept verläßt sich neben einwirkungsbezogenen Kennzahlen auch auf handlungsbezogene Kennzahlen, um komplexe Zusammenhänge zwischen Aktivitäten und Auswirkungen über die Messung der Aktivitäten zu steuern. Das Konzept ist aber, da es die Stoff- und Energiebilanz als Basis nicht durchhält, inhaltlich bezüglich eines Modells
857 858
Siehe dazu Kapitel 6.1. Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 22
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4. Abschnitt
von ökologischer Güte weiter auszugestalten. Zudem kann es durch die Trennung in Funktionen die zahlreichen interfunktionalen ökologischen Problembeiträge und die Koordination und Kontrolle ihrer Verbesserung nicht ausreichend berücksichtigen. Der kritische Punkt für die multifaktoriellen Konzepte ist die Operationalisierbarkeit von ökologieorientierten Zielen, da die Bewertungsmethoden durch ihre Offenheit und Flexibilität relativ viel Spielraum lassen859. Das IÖW-Konzept hat den Widerspruch zwischen einer offenen und flexiblen Bewertung und der Möglichkeit zur Operationalisierung noch am besten gelöst, da es in der A/B/C-Bewertung die einzubeziehenden Kriterien und Informationen festgelegt hat und so zu einer zumindest im Ablauf und den Inhalten stärker operationalisierbaren und standardisierbaren Methode kommt. Die ordinale Bewertung in Α, Β oder C erlaubt zudem, leichter über ökologische Prioritäten zu kommunizieren und eine organisatorische Wissensbasis zu entwickeln, als eine rein qualitativ-verbal-argumentative Bewertung dies kann. Deshalb erscheinen qualitativ-ordinale Bewertungsmethoden am ehesten von allen multifaktoriellen GE dazu geeignet, vergleichbare Bewertungsmethoden und Inhalte in großen Organisationen zu operationalisieren. Die Ansätze von W A G N E R und Ö K O S C I E N C E können aufgrund des offenen und verbal qualitativen Charakters der ökologieorientierten Information nur mittels der Beteiligten als Strukturelement in einer großen Organisation umgesetzt werden. Die Operationalisierbarkeit der qualitativ-verbal-argumentativen Konzepte in einer Organisation ist deutlich niedriger einzuschätzen. Für den Einsatz multifaktorieller Bewertungsmethoden in größeren Organsiationen bleibt zu klären, wie situative Flexibilität und Freiräume mit der Notwendigkeit zur Vorgabe von Rahmen und zur Koordination kombiniert werden können860. Eine klare Sonderstellung bei der Operationalisierung von ökologieorientierten Zielen nimmt das Gestaltungselement des Systemaudits ein, welches die Umsetzung von Zielen nicht über quantitative Größen steuert, sondern über die Umsetzung von Methoden, deren Umsetzung durch das Audit sichergestellt werden soll. Die Stärke von Systemaudits muß in der Möglichkeit zur holistischer Kontrolle des Umgang mit ökologischen Problembeiträgen in der jeweiligen Einheit der Unternehmung gesehen werden. Das Audit als Gestaltungselement kann die Operationalisierung methodischer Ziele und inhaltlicher Ziele unter Einbeziehung lokaler Besonderheiten ermöglichen. Zu 3 -Anforderung pragmatische Nützlichkeit auf der operativen Handlungsebene-: Als die dritte Anforderung für ÖISS in der Information des Managements haben wir die pragmatische Nützlichkeit auf operativer 859
Das Scoringmodell zur Bewertung von Umweltschutzmaßnahmen nach G A H R M A N N et al. erlaubt, ähnlich wie das Konzept des IÖW, auch eher die Operationalisierung der Methode, weniger der Inhalte und Ziele. 860 Vgl. Senge 1990, S. 298
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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Ebene entwickelt, die die ökologischen Problembeiträge unter Einbeziehung von lokalen Variationen des individuellen Unternehmens-UmfeldSystems abbilden soll, alle in die Definition und Verwirklichung von ökologischer Güte einzubeziehenden Problembeiträge beinhalten muß und der lokalen Einheit die Nutzung der organisational Wissensbasis ermöglichen soll. Der Stoff- und Energiebilanz und den darauf aufsetzenden stoffbezogenen Kennzahlensystemen kann pragmatische Nützlichkeit für operative Problemlösungsprozesse durch die Betrachtung der von den Aktivitäten ausgehenden Einwirkungen auf die Ökosphäre zugeschrieben werden. Die Stoff- und Energieflüsse machen die Einwirkungen auf die Ökosphäre durch die entsprechende organisatorische Einheit, die Funktion oder den Standort sichtbar und bilden damit eine Grundlage für die Einbeziehung der ökologischen Probleme auf operativer Handlungsebene. Die pragmatische Nützlichkeit der quantitativ-reduktiven Gestaltungselemente für betriebliche Ökobilanzierung auf operativer Ebene ist bezüglich der durch die Instrumente einbezogenen Probleme und Einwirkungen als hoch einzustufen. Sie wird aber dadurch eingeschränkt, daß die Instrumente keine Informationen über lokale Probleme und Prioritäten einbeziehen können, d.h. beispielsweise lokal andere Emissions- oder Immissionsauflagen verändern die Prioritäten, relativ zu den im Ökocontrolling vorgegebenen, ohne daß dieses in den Informationen des ISS berücksichtigt werden könnte. Außerdem muß operatives Umweltmanagement aufgrund des Anspruches umfassenden Managements und der Hintergrundkontrolle ökologischer Probleme weit mehr Stoffe und Einwirkungsmöglichkeiten der Unternehmensaktivitäten zur Optimierung von ökologischer Güte beachten, als im Rahmen der quantitativ-reduktiven Konzepte zu berücksichtigen sind861. Insgesamt sind also die quantitativ-reduktiven GE aufgrund ihrer starren Vorgabe von Prioritäten für das Management der komplexen Systembeziehung einer größeren Unternehmung und zur Berücksichtigung der individuellen lokalen Problematiken nicht geeignet. Die fehlende Anpassung an lokale Gegebenheiten ist ein Argument, welches entsprechend die pragmatische Nützlichkeit von Kennzahlensystemen für operatives Management in größeren Organisationen einschränkt. Das ökologieorientierte Kennzahlensystem nach GÜNTHER differenziert die Ziele der Unternehmung in Tätigkeiten und Unterziele je Funktion und entwickelt auf diese Weise Ziele für operative Problemlösungsprozesse. Die pragmatische Nützlichkeit der Informationen ist aber aufgrund des fehlenden Aufzeigens der tatsächlich notwendigen Informationsprozesse zur Steuerung ökologischer Problembeiträge in Frage zu stellen. Noch kritischer zu beurteilen ist die fehlende Anbindung an sy861 So kommen auch in Unternehmen unter Einbeziehung von Roh-, Hilfs und Betriebsstoffen leicht über 1000 Stoffe zusammen, die in einem UISS erfaßbar sein müßen. Siehe dazu auch Kapitel 5.1.3.1.
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4. Abschnitt
stematische Stoff- und Energiebilanzen, die als grundsätzliche Transaktionsinfonnation die notwendige Basis für jedwede ökologieorientierte Information darstellen. Die multifaktoriellen Ansätze, die nicht auf Basis von festen Größen operieren, lassen die pragmatische Anpassung an die individuellen Unternehmens-Umfeld-Systeme der lokalen Einheiten und die Einbeziehung vieler sehr unterschiedlicher ökologischen Problembeiträge zu, so daß die pragmatische Nützlichkeit für operative Entscheidungsprozesse eher hoch ist. Insbesondere die qualitativ-ordinale Bewertung kann dezentral umgesetzt werden, da gleichzeitig durch die Verwendung von festen Kategorien Unterstützung und Hilfestellung leichter innerhalb der Unternehmung für die dezentrale Einheit möglich ist. Das Konzept zur Bewertung von Umweltschutzmaßnahmen (GAHRMANN) läßt sich ebenfalls für operative Problemlösungsprozesse einsetzen, da das Konzept bezüglich der Ausgestaltung der Bewertungskriterien lokal variiert werden kann und prinzipiell für Informationen aus verschiedenen Quellen offen ist. Die qualitativ-ordinalen Bewertungskonzepte für Stoff- und Energieströme sind deshalb u. E. die einzigen Gestaltungselemente, die in größeren Unternehmen für die angemessene Einbeziehung ökologischer Probleme in operative Problemlösungsprozesse verwendet werden können. Zu 4 -Anforderung Weiterentwicklung der organisationalen Wissensbasis-: Die Information des Managements muß die Entwicklung der Unternehmung unterstützen, indem das Informationssystem die Entwicklung und Erweiterung der organisatorischen Wissensbasis unterstützt und neu erworbenes Wissen in der Unternehmung verfügbar macht. Die multifaktoriellen Bewertungsmethoden, insbesondere das Konzept nach WAGNER, definieren den Nutzen und Funktion des Ökocontrollingansatzes über die Möglichkeit und Notwendigkeit, eine ökologieorientierte Unternehmensentwicklung durch den Einsatz des Instruments zu veranlassen und zu fördern862. Der Ansatz zur Entwicklung der Unternehmung durch das Konzept Ökocontrolling basiert auf der systematischen Einbeziehung der Mitarbeiter in die Erarbeitung der Informationen, in die Bewertung der Stoff- und Energieströme und in die Identifizierung. Das Instrument macht somit ökologieorientiertes Wissen verfügbar und ist gleichzeitig auch in der Lage, das in der Unternehmung vorhandene oder entwickelte ökologieorientierte Wissen zu reflektieren und in der Unternehmung verfügbar zu machen. Durch ihren offenen Aufbau können sich die Konzepte an die Entwicklung von weitergehenden ökologieorientierten Zielen anpassen und sich mit entwickeln. Die Möglichkeit zur lokalen Variation und zur situativen Anpassung an das jeweilige Unternehmens-Umfeld-System ermöglicht es der Unternehmung, auf Basis der Einheit zu
862
Siehe auch Kapitel 3.4.2.2.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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testen und zu experimentieren, um zu lernen und Wissen empirisch zu überprüfen 863 . Als Vorteil für größere Unternehmen weist insbesondere die qualitativordinale Ausgestaltung der multifaktoriellen Bewertung die Möglichkeiten auf, ökologieorientierte Informationen zu strukturieren und zu systematisieren und sie gleichzeitig im ÖISS problemlos weiterzuentwickeln und zu erneuern, wenn dies notwendig wird. Das multifaktorielle Scoringkonzept zur Bewertung von Umweltschutzmaßnahmen ist zwar eine Methode zur systematischen Bewertung von Handlungsalternativen und kann dabei flexibel neue Prioritäten aufnehmen; das Konzept ist aber nicht darauf ausgerichtet, die Entwicklung einer organisatorischen Wissensbasis zu tragen, denn die systematische Informationssammlung und Verbesserung steht nicht im Fokus des Konzepts. Für die Vermittlung von ökologieorientiertem Wissen in der größeren Unternehmung muß die Systematisierung und Strukturierung als wichtige Eigenschaft des wissensvermittelnden Systems angesehen werden, da ökologieorientierte Informationen sonst beziehungslos verloren gehen können. Systematisierung und Strukturierung von Wissen dienen Weitergabe und Nutzung von ökologieorientiertem Wissen zwischen allen Abteilungen. Die Anforderung, organisationales Wissen zu speichern und verfügbar zu machen und so die gesamte Wissensgrundlage der Unternehmung weiter zu entwickeln, läßt sich auch den Systemaudits als Meta-Instrument zuordnen, um Erfahrungen, Ergebnisse und Informationen von einem Bereich auf den nächsten übertragen und die Entwicklung der Bereiche durch Rückkopplung befördern zu können. Die quantitativ-reduktiven Gestaltungselemente verzichten aufgrund ihrer intersubjektiven Objektivitäts- und Kontrollanspruchs auf unternehmensinternes Wissen und Informationen bei der Bewertung von Einwirkungen als ökologische Problembeiträge. Auch sind die Konzepte bezüglich der Informationen, die sie beinhalten, auf die von den Autoren nach ihrem Modell ökologischer Güte priorisierten Informationen beschränkt. Sie können deshalb die Nutzung, Veränderung und Weiterentwicklung einer angemessenen organisatorischen Wissensbasis über ökologische Problembeiträge nicht ausreichend katalysieren. Einen wesentlichen Bezug zur Weiterentwicklung der Unternehmung haben die umfeldorientierten Konzepte, insbesondere Szenarien und teilweise die mehrdimensionalen Entscheidungsmodelle der PLA, da die Konzepte die Entwicklung der organisatorischen Wissensbasis durch Selbstreflexion und Konfrontation mit einer anderen Perspektive auf ökologische Probleme und Ziele anderer Anspruchsgruppen befördern können. Die Gestaltungselemente tragen insbesondere zur Weiterentwicklung der Rationalität in der Unternehmung bei, da unter dem Eindruck von ver863 Vgl. Senge 1990, S. 288 ff.
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schiedenen möglichen Zukunftsbildern wie durch die Zieldiskussion mit externen Anspruchsgruppen andere mögliche Rationalitäten und mentale Modelle aufgezeigt werden können und so die eigene Vorstellung zumindest relativiert und durch Selbstreflexion für Weiterentwicklung zugänglicher wird. Zusammenfassend beinhaltet der Funktionsbereich „ökologieorientierte Information des Managements" vier divergierende Anforderungen, mit denen der Funktionsbereich von ÖISS für größere Unternehmen beschrieben werden kann. Dadurch ergeben sich die unterschiedlichen Anforderungen und dafür verschiedene erfolgskritische Gestaltungselemente. •
Die größte Nützlichkeit für strategische Problemlösungsprozesse kann den Szenarien zugesprochen werden, insbesondere auch durch ihre Integrationsfähigkeit bezüglich verschiedener Instrumente und die Möglichkeit, externe Anspruchsgruppen einzubeziehen. Das bisher einzige ausdifferenzierte Konzept für explorativ-deskriptive Szenarien nach STEGER ist unter dem Aspekt der Funktionsorientierung und ökologische Effektivität der Unternehmensleistung ausgestaltungsbedürftig. • Eine exzellente Eignung für die Operationalisierung von strategischen Zielen weisen die quantitativ-reduktiven Konzepte und Kennzahlen auf. Die Möglichkeit, komplexe methodisch ausgerichtete strategische Programme zu operationalisieren, bieten Systemaudits, die hier eine wesentliche Funktion haben. Multifaktorielle Gestaltungselemente können nur zur Operationalisierung inhaltlicher Ziele eingesetzt werden, wenn eine Informationsstruktur vorgeben und Bewertungsprozesse vereinheitlicht werden wie bei dem qualitativ-ordinalen GE oder bei Scoring-Modellen. • Die pragmatische Nützlichkeit von ÖISS für die operative Handlungsebene kann durch die Kombination von Stoff- und Energiebilanzen und multifaktoriellen qualitativ-ordinalen Gestaltungselementen, die die ökologieorientierten Informationen überall verfügbar machen und gleichzeitig eine flexible Anpassung der Bewertung von ökologischen Problembeiträgen zu lassen, gesichert werden. • Die Weiterentwicklung der Unternehmung bzw. der organisational Wissenbasis und Rationalität bedarf einerseits Szenarien, um die unternehmensinterne Rationalität mit der Systemkomplexität und ihren möglichen Entwicklungen, insbesondere unter Einbeziehung externer Anspruchsgruppen zu konfrontieren, um mittels Selbstreflektion die Weiterentwicklung der Rationalität zu induzieren. Das Gestaltungselement der qualitativ-ordinalen Bewertung erlaubt, eine umfangreiche Informationsbasis als formale Grundlage für organisatorisches Wissen zu etablieren, die einfach zugänglich ist und bezogen auf die enthaltenen Informationen leicht weiterentwickelt werden kann.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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4.3.4 Funktionsbereich „ökologieorientierte Information in der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen" 4.3.4.1 Funktionsbeschreibung und Anforderungen Es konnten fünf erfolgsstrategische Argumente für eine ökologieorientierte Kommunikation der Unternehmung mit externen Anspruchsgruppen isoliert werden, deren Auswirkungen auf die Funktionsbeschreibung und Anforderungen an ÖISS zu untersuchen sind864. Die externe ökologieorientierte Kommunikation kann als eigener Funktionsbereich von ÖISS gelten, da die Grundlage von Kommunikation über ökologische Problembeiträge und ökologieorientierte Ziele mit externen Anspruchsgruppen Informationen bilden, die die ökologische Güte der Unternehmung sichtbar machen und zur Legitimierung dienen können. Legitimierung kann als ein notwendiger erster Schritt zum Aufbau einer Vertrauensbeziehung mit externen Anspruchsgruppen verstanden werden, der alle anderen Erfolgspotentiale aus ökologieorientierter Kommunikation notwendigerweise beeinflußt. In neueren Untersuchungen über Umweltberichte als zentralem Bestandteil von Unternehmenkommunikation werden als sich entwickelnde Informationsstandards von Unternehmenskommunikation die Stoff- und Energiebilanzen und eine Bewertung der ökologischen Problembeiträge mit Bezug zur Produktion sowie zu Produkten und Leistungen bezeichnet865, zu denen in Zukunft die Veröffentlichung von inhaltlich ausgestalteten an Nachhaltigkeit orientierten Zielen treten wird866. Zusätzliche Anforderung an ökologieorientierte Kommunikaton von Unternehmen insbesondere für Umweltberichte ist die Notwendigkeit, die externen Anspruchsgruppen auch dafür zu interessieren, indem die Informationen ansprechend und leicht zugänglich gemacht werden sowie an den speziellen Interessen der Anspruchsgruppen orientiert sind. Die Unternehmung muß sich auf zunehmende obligatorische Berichtspflichten gegenüber Dritten einstellen und braucht, um diesen Berichtspflichten nachzukommen, die grundlegende Transaktionsinformation der physikalisch-chemischen Einwirkung je Aktivität und Einheit auf die Ökosphäre. Diese Einwirkungs- oder Transaktionsinformationen stellen, aufgrund der vielen Interpretationsmöglichkeiten und mangelnden Standardisierung anderer ökologieorientierter Informationen, die semantisch 864
865 866
Bei der Untersuchung der Konsequenzen müssen in Anlehnung an FISCHER et al. die Kommunikationmodelle der Kommunikation als Beziehung und Kommunikation als wechselseitigem Lernen zugrunde gelegt werden. Siehe dazu auch Kapitel 4.3. Vgl. Fichter/Clausen 1994, S. 42 ff. Vgl. Fichter/Clausen 1994, S. 61 ff.
300
4. Abschnitt
fruchtbarste und für Externe am leichtesten verständliche Information dar. Einwirkungsinformationen können außerdem noch am leichtesten kontrolliert werden. Deshalb greifen inhaltlich ausgestaltete Informationspflichten spezifisch auf diese Informationen zurück, die dann durch die externen Anspruchsgruppen bezüglich der ökologischen Problembeiträge interpretiert werden86 . Daraus läßt sich ableiten, daß die Unternehmung einen Grundstock an Informationen auf Grundlage der Stoff- und Energiebilanzen braucht. Es kann außerdem erfolgsstrategisch nicht sinnvoll sein, externen Anspruchsgruppen die alleinige Interpretation zu überlassen. Die Grundlage in Form der Einwirkungsinformationen ist auch dann nicht ausreichend, wenn die Unternehmung inhaltlich nicht definierten externen Informationsanforderungen auf freiwilliger Grundlage nachkommen will wie der Umwelterklärung nach UAG, bzw. von sich aus die Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen sucht, oder Legitimitätsdefizite gegenüber externen Anspruchsgruppen mit Informationen über ökologische Problembeiträge und ökologieorientierte Ziele zu reduzieren will. Es ist also notwendig, daß die Unternehmung eigenständig die Einwirkungen hinsichtlich ihrer ökologischen Problembeiträge bewertet. Für größere Unternehmen gilt, daß die gesamten ökologischen Problembeiträge aller Unternehmensaktivitäten im Prinzip zu legitimieren, gleichzeitig aber die vollständigen Informationen nicht zu bewältigen sind, weder für das Unternehmen noch für die externen Anspruchsgruppen. Die Studie über Umweltberichte bestätigt, daß größere Unternehmen sich aufgrund des Umfangs und der Komplexität der Stoffflüsse und der Standorte nicht in der Lage sehen, einen Umweltbericht auf Basis der reinen Stoffund Energiebilanzen zu veröffentlichen868. Deswegen wird die Informationsgrundlage der Kommunikation stärker an den spezifischen Informationsbedürfnissen der einzelnen Anspruchsgruppen zu orientieren sein, und die Informationspolitik muß daran interessiert sein, im Laufe eines Kommunikationsprozesses mit den Anspruchsgruppen die notwendigen Vertrauens· und Verständnisgrundlagen zu entwickeln, um zu Informationen mit hoher Bedeutung und Aussagekraft kommen. Aus der Perspektive des ÖISS können als eine Anspruchsgruppe, die gezielte Informationsinteressen hat und an deren Vertrauen die Unternehmung wiederum ein besonderes Interesse hat, die Nutzer der Unternehmensleistungen bzw. die Anwender der Unternehmensprodukte gesehen werden. Die Unternehmung muß dem Käufer der Unternehmensprodukte die ökologische Güte dieser Produkte vermitteln können. Bei der Vermittlung der ökologischen Güte von Produkten findet, ausgelöst durch Produkttests und Produktkennzeichen, eine Verschiebung zu faktenorien-
867 Vgl. IRRC 1995, S. 18 ff. Siehe dazu auch Kapitel 5.1.2.2. 868 Vgl. Fichter/Clausen 1994, S. 57
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
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tierter Information über die ökologischen Problembeiträge des Produktprogramms statt. Diese für ökologieorientierte Unternehmen positive Entwicklung bedingt die Notwendigkeit, eine Informationsbasis über direkte und indirekte ökologische Einwirkungen der Produkte über den ökologischen Lebenszyklus zu besitzen. Ebenso wie Informationen zur Legitimierung der Unternehmensaktivitäten müssen Informationen über das zugrundegelegte Bewertungsmodell bezüglich der ökologischen Problembeiträge und über die Einwirkungen verfügbar gemacht werden. Aufbauend auf eine legitimierende Unternehmenskommunikation mit externen Anspruchsgruppen, kann die direkte Kommunikation als Teil der ökologischen Umfeldanalyse für strategische und operative Problemlösungsprozesse gesehen werden. Direkte Kommunikation kann Informationen über teilweise nur implizite und zudem instabile gesellschaftliche Zielsetzungen verschiedener Anspruchsgruppen mit Bezug zur Nutzendefinition und mit regionalem Bezug ergeben. Die von uns als fünfte Ebene ökologieorientierter Information gekennzeichnete Information über die gesellschaftliche Bewertung von ökologischen Problemen und die ökologieorientierten Ziele von Anspruchsgruppen in bezug zu anderen Zielen kann der organisationalen Wissensbasis durch lernende Kommunikation mit Anspruchsgruppen zugänglich gemacht werden. Fehlende allgemeinverbindliche Definitionen von ökologischer Güte machen es, wie wir bereits argumentiert haben, für die Unternehmung notwendig, an zu bestimmenden Entscheidungspunkten durch argumentative Konsensfindung zu gesellschaftlich abgestützten Zielen und zur Bewertung von Handlungsalternativen zu gelangen. Die Öffnung von Problemlösungsprozessen, die Einbeziehung von Kooperationspartnern aus den relevanten Anspruchsgruppen kann den Mitarbeitern helfen, ihr Verständnis von ökologischen Problemen bzw. ökologieorientierten Zielen zu erweitern und die Erweiterung des für die Problemlösung nutzbaren Wissens ermöglichen und für die Entscheidung von grundsätzlichen Fragen Akzeptanz und Legimität bei Dritten durch Erhöhung der Glaubwürdigkeit zu sichern. Die Information aus diesen Diskursen muß in die Bewertung der ökologischen Problembeiträge eingehen, und sie muß sich in den Bewertungsmöglichkeiten von Einwirkungen bzw. in der Erarbeitung von ökologieorientierten Zielen und in der Bewertung von Handlungsalternativen widerspiegeln. Umgekehrt kann die direkte oder indirekte Einbeziehung von Externen organisationales Wissen über ökologische Sachverhalte an externen Anspruchsgruppen vermitteln, um aus erfolgstrategischen und normativ-ethischen Motiven zu einer höheren ökologischen Effektivität des Produktlebenszyklus zu gelangen. Die gezielte Beeinflussung von externen Anspruchsgruppen, die als Teil eines strategischen Programms die ökologischen Auswirkungen über den Lebensweg beeinflussen, beruht ähnlich wie die Vermarktung der ökologischen Güte des Produkts auf einer Informationsgrundlage der indi-
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rekten und direkten Einwirkungen des Produkts über den Produktlebensweg. Denn um diese Problembeiträge beeinflussen zu können, muß die Unternehmung wissen, wer wo wie zu beeinflussen ist. Die Unternehmung muß spezifische Informationen über die einwirkungsrelevanten Aktivitäten der Anspruchsgruppen im Produktlebenszyklus der Unternehmung haben. Die notwendige Informationsbasis wird mit der Art der Beeinflussung, abhängig vom strategischen Programm variieren . Eine Voraussetzung für Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen ist die Fähigkeit, aussagefähige Informationen über die ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten und -leistungen zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu können869. Diese Informationen sollen ein umfassendes Bild der ökologischen Güte der Unternehmensaktivitäten im Sinne einer ökologischen Bilanzierung darstellen870. Die Ausagefähigkeit der Informationen über ökologische Güte ist abhängig von verschiedenen Voraussetzungen: Die Informationen sollen Kontinuität besitzen871, um Vergleiche der Ziele und des Erreichten über die Zeit zu ermöglichen; • die zu den Informationen über ökologische Güte führenden Informationstransformationsprozesse sollen transparent werden, indem die Regeln offengelegt und klar formuliert werden872; • Erfassungs-, Interpretations- und Bewertungsschritte sollten getrennt darstellbar sein873 und • die einzelnen Informationsverarbeitungsschritte müssen so einfach und nachvollziehbar sein, daß sie für die intersubjektive Überprüfbarkeit zugänglich sind874. •
Die Aussagen der Unternehmung müssen durch externe Anspruchsgruppen akzeptierbar sein. Dies ist zwar in erster Linie kein instrumentelles Problem, aber die Unternehmung muß bei der Bestimmung von ökologischer Güte die gesellschaftlichen Ziele und Prioritäten widerspiegeln können. Indem sie Informationen aus direkter Kommunikation mit den betroffenen Anspruchsgruppen, oder aus allgemeinen Quellen, in die Bewertungsmethodik einbeziehen kann, und dies auch in der Kommunikation mit Externen über ökologische Güte reflektieren kann875. Die Informationssysteme müssen ein verallgemeinerungsfähiges gesellschaftliches Interesse einbeziehen876, und die Bewertungsmaßstäbe müssen gesellschaftlich und 869 870 871 872 873 874 875 876
Vgl. Pfriem 1994, S. 11 f. Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 26 Vgl. Hallay/Pfriem 1992, S. 14 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 26 und Böning 1994, S. 49 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 57 f. Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 58 f., Günther 1994, S. 265 und Wagner, B. 1992, S. 14 Vgl. Schaltegger/Sturm 1992, S. 57. Vgl. Böning 1994, S. 50
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politisch anschlußfähig sein877. Idealerweise sollte sich der Kommunikationsprozeß zwischen der Unternehmung und Externen in der Bewertung direkt in den an externe Anspruchsgruppen vermittelten Informationen über die ökologische Situation der Unternehmung widerspiegeln. Als zentrale Anforderungen an Informationsprozesse von ÖISS aus dem Funktionsbereich „ökologieorientierte Informationen in der Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen" müssen Aussagefähigkeit und Akzeptierbarkeit gelten (siehe Abbildung 4. 10). Abbildung 4.10:
Aussagefähigkeit und Akzeptierbarkeit von ökologieorientierter Information
AUSSAGEFÄHIGKEIT UND AKZEPTIERBARKEIT VON ÖKOLOGüEORIENT1 ERTER INFORMATION Akzeptierbarkeit:
Spiegeln d e ökologieorientierten Ziele und die Bewertung von ökokxjschen Probterrbeiträgen d e Prioritäten der
Quelle: verändert nach Ulrich, H/Krieg 1974, S. Μ
4.3.4.2 Instrumentelle Gestaltungsinstrumente und ökologieorientierte Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen Wie bereits bei den Anforderungen diskutiert ergeben Stoff- und Energiebilanzen die wesentlichsten Aussagen über die Einwirkungen der Unternehmung auf die Ökosphäre und können somit das Kriterium der Aussagefähigkeit bereits teilweise erfüllen. Stoff- und Energiebilanzen können nichts über die ökologieorientierten Problembeiträge aussagen, und sie müssen deshalb bewertet und kommentiert werden. Für größere Unter877 Vgl. Schmidt-Bleek 1994, S. 101
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nehmen ergibt sich das zusätzliche Problem, daß die Stoff- und Energiebilanzinformation so umfangreich und komplex wird, daß über die Gesamtunternehmung zwar ein transparentes Bild geschaffen werden könnte, welches aber in der regelmäßigen Kommunikation mit externen Anspruchsgruppen eher verwirrt als hilft878. Die Stoff- und Energiebilanzen stellen letztlich die semantisch fruchtbarste Information über die ökologische Güte der Unternehmensaktivitäten dar, weswegen obligatorische Informationspflichten diese Informationen nutzen, aber gleichzeitig stellen sie die Transaktionsinformation auf dem niedrigsten Auflösungsniveau dar, die für eine größere Unternehmung im Sinne einer gesamthaften Abbildung der ökologischen Problembeiträge nicht geeignet erscheint. Die quantitativ-reduktiven Gestaltungselemente zur betrieblichen Ökobilanzierung gehen genau an dieser Stelle weiter, indem sie die Stoff- und Energieflüsse nach ihren ökologischen Problembeiträgen auf Basis von unternehmensunabhängigen überprüfbaren Informationen bewerten und so eine Ökobilanz der Unternehmung basierend auf den Stoff- und Energieflüssen entwickeln. Die Aussagefähigkeit der betrieblichen Ökobilanzierung kann als allerdings eingeschränkt angesehen werden, da, wie unter ökolologische Richtungssicherheit betrachtet, Vereinfachungen und Priorisierungen vorgenommen werden müssen. Es wird Aussagefähigkeit und Transparenz der ökologischen Problembeiträge nur über die einbezogenen Probleme und unter Verwendung von Verallgemeinerungen erreicht. Die Akzeptierbarkeit sehen die quantitativ-reduktiven Konzepte durch die Verwendung von Grenzwerten bei der Bewertung gewährleistet. Dem ist vor dem Hintergrund des Diffusionskurvenkonzeptes nicht zuzustimmen, da die Diskussion über kritische Wirkungen von Stoffen die Legitimität der Unternehmensaktivitäten bereits nachhaltig gestört und die Unternehmung zum Handeln veranlaßt haben kann, bevor Grenzwerte nachsorgend entwickelt werden oder sich verändern. Die von BÖNING als Lösung in einem verbesserten offenen Diskurs entwickelten gesellschaftlichen Zielwerte als Grenzwerte können diese Problematik nur abmildern, da ein nachhaltiger Konsens aller gesellschaftlichen Gruppen über Grenzwerte vor dem Hintergrund doppelter Heterogenität und ständiger Entwicklung neuer Erkenntnisse als unwahrscheinlich gelten muß. Grenzwerte können also auch in einem optimierteren Verfahren den direkten Diskurs der Unternehmung mit ihren Anspruchsgruppen nicht ersetzen, dessen Ergebnisse die Bewertung von ökologischen Problembeiträge widerspiegeln sollten. Eine Möglichkeit, die Stoff- und Energieflüsse zu verdichten und die Umsetzung von Maßnahmen zu dokumentieren, ist der Sinn eines Kenn878
Die ersten Umweltberichte der Kunert AG machen aufgrund der Vielzahl der Stoff- und Energieflußinformationen die Unternehmensaktivitäten zwar sehr transparent, sind aber nicht sehr aussagekräftig; vgl. Kunert AG Hrsg. 1992, und 1993.
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Zahlensystems, welches eine Beziehung zu Informationen über Einwirkungen auf die Ökosphäre oder ökologische Problembeiträgen herstellt. Die Aussagefähigkeit der Kennzahlen ist nur dann gewährleistet, wenn diese sich auf die kritischen Schwachpunkte beziehen, an den ökologieorientierten Zielen ausgerichtet sind oder die ökologisch relevanten Einwirkungen der Stoff- und Energiebilanz verdichtet darstellen. Es gelten im Prinzip dieselben Einschränkungen der Akzeptierbarkeit und Aussagefähigkeit wie bei quantitativ-reduktiven Konzepten. Das ökologieorientierte Kennzahlensystem nach GÜNTHER erfüllt diese Voraussetzungen nicht, da es nicht systematisch auf die Stoff- und Energiebilanzen als die Transaktionsinformationen zurückgreift. Die Problematik der eingeschränkten Aussagefähigkeit und die Mängel in der Wiedergabe der Anspruchsgruppenziele gilt auch für die Anwendung quantitativ-reduktiver Bewertungsmethoden auf die Problembeiträge des ökologischen Produktlebenszyklus 879 . Das auswirkungsorientierte Verfahren sucht hier einen anderen Weg zu gehen, indem es die wahrgenommenen ökologischen Probleme mit den Unternehmensaktivitäten in eine quantitative Relation bringt und so die situative Einschränkung der Probleme zu umgehen sucht. Durch die offene Bewertung der einzelnen Probleme können Werte in Verständigungsprozesse einbezogen und je nach Bezugssystem angepaßt werden. Damit wird das Instrument bewußt als Unterstützung für Kommunikations- und Konsensprozesse konzipiert. Die EOA-Methode setzt auf dem auswirkungsorientierten Verfahren auf, indem sie die Effektivität der ökologischen und der Nutzendimension bewertet und so ebenfalls Grundlage für Einigungsprozesse ist. Die Systemaudits spielen im Rahmen von staatlichen Vorgaben zur Dokumentation und Information eine eigenständige Rolle, da sie durch die Einbeziehung eines externen Prüfers als glaubwürdigere unabhängige Kontrollinstanz die Aussagefähigkeit von ausgewählten Informationen über komplexe Sachverhalte, die aus sich selbst heraus nicht transparent sind, dokumentieren und legitimieren können. Dadurch kann das Vertrauensverhältnis von Unternehmen und externen Anspruchsgruppen positiv beeinflußt werden. Externe Kontrolle kann durch die holistische Betrachtung und Prüfung die Problematik der Herstellung von Transparenz und Glaubwürdigkeit bei der Information über die komplexen Systeminteraktionen mindern, ein Substitut für aussagefähige und akzeptierbare Informationen aus anderen GE kann das GE nicht darstellen. Für die multifaktoriellen Ansätze ist es schwierig, über die Stoff- und Energiebilanzen hinaus eine aussagekräftige Bewertung der ökologischen Problembeiträge der Unternehmensaktivitäten und darauf aufbauend ökologieorientierte Ziele aussagekräftig zu dokumentieren, da die Informatio-
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Für die ökologieorientierte Bilanzierung des Produktlebenszyklus kommen außerdem Abgrenzungsprobleme der erfaßten Einwirkungen hinzu.
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nen nicht in quantifizierter und aggregierbarer Form vorhanden und damit aufgrund der zusätzlichen Komplexität nur für Teilbereiche oder in direkter Interaktion zu dokumentieren sind. Die Akzeptierbarkeit der mulitfaktoriellen Bewertung kann als gut eingeschätzt werden, da die Konzepte die gesellschaftliche Diskussion in ihre Bewertung einbeziehen. Zusammenfassend sind für die Darstellung der ökologischen Güte die Stoff- und Energiebilanzen eine notwendige Grundlage, die aber nicht ausreichend aussagekräftig ist. Die differenzierte ökologisch richtungssichere multifaktorielle Bewertung würde die Komplexität der ökologieorientierten Informationen noch erhöhen, kann also auch nur in der spezifischen Kommunikation genutzt werden. Quantitativ-reduktive Bewertung und stoffflußorientierte Kennzahlensysteme bilden ökologische Güte nur in einem festgelegten Rahmen bzw. gegen ökologieorientierte Ziele ab, die vorher entwickelt in der Interaktion mit Anspruchsgruppen zumindest legitimiert werden müssen. Das Gestaltungselement der auswirkungsorientierten Bewertung stellt eine Ausnahme dar, da das Instrument die Auswirkungen als Grundlage für Diskurse quantifiziert und damit Aussagefähigkeit und Akzeptierbarkeit möglich macht. Unternehmens- und externe Anspruchsgruppen müssen im Kommunikationsprozeß gemeinsam erst lernen, welche ausgewählten Informationen ökologische Güte repräsentieren können. Dabei können in dem Spektrum von GE aus Stoff- und Energiebilanzen, qualitativ ökologieorientierten Zielen und quantitativen Kennzahlensystemen Systemaudits und externe Zertifizierer einen Zwischenschritt darstellen.
4.3.5 Betrachtungen zur Effizienz von Gestaltungselementen ökologieorientierter ISS Die Betrachtung der Funktionsbereiche und der Ausfüllung durch die Gestaltungselemente als Maß für ihre Effektivität muß durch die Betrachtung der Effizienz der Gestaltungselemente ergänzt werden. Deshalb verstehen wir Effizienz als übergreifende Anforderung für alle Funktionen. Effizienz ist vereinfacht zu verstehen als die Forderung nach einem kostengünstigen Instrument880 und in einem erweiterten Verständnis als die Forderung, mit einem Minimum an eingesetzten betrieblichen Ressourcen ein Maximum 880
Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 27 und Wicke et al. 1992, S. 538. Unter die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im weiteren Sinne werden noch die Realisierung von Kosteneinsparungen durch die Identifizierung von dominanten Maßnahmen gezählt; vgl. Böning 1994, S. 179. Wir werden dies nicht tun, da die Identifizierung von Maßnahmen und die Transparenz der wirtschaftlichen Chancen und Risiken der Effektivität zuzurechnen ist, außerdem bisher fast alle systematischen Versuche zur Reduzierung ökologischer Problembeiträge durch Reduktion und Veränderung von Stoffund Energieflüssen zu Einsparungen führen und dies genauso als Maß für bisher Versäumtes gelten könnte.
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an Effekt als Verbesserung der ökologischen Güte zu erreichen. Diese Anforderung erscheint notwendig, da auch Instrumente wie ÖISS den unternehmerischen Restriktionen unterliegen und ein geringerer Ressourcenverbrauch der ÖISS relativ mehr Ressourcen für die Entwicklung unternehmerischer Spielräume zur Verbesserung der ökologischen Qualität zur Verfügung stellt. Höhere Effizienz sichert auch die Praktikabilität und die damit einhergehende weitere Verbreitung eines ÖlSS-Instrumentariums881. Allgemeine Determinanten von effizienten ÖISS sind ein modulartiger flexibler Aufbau und die Integration in bestehende Systeme882. Die Effizienzbetrachtung der Gestaltungselemente kann einmal das Gestaltungselement im einzelnen analysieren, insbesondere wenn mehrere Gestaltungselemente eine vergleichbare Bedeutung für die Funktionsbereiche haben, und die Effizienzbetrachtung kann die mögliche Effizienz des Gestaltungselements in einer Gesamtkonzeption untersuchen. Wir werden die Effizienzbetrachtung auf die Gestaltungselemente für die Erfassung der Einwirkungen und die Analyse von Auswirkungen und die Bewertung der ökologischen Problembeiträge als die aufwendigsten Elemente eines ÖISS konzentrieren. Für die Stoff- und Energiebilanzen und Substanzbilanzen konnte in der Funktionsbetrachtung letztlich kein Substitut gefunden werden, so daß die relative Effizienz der sicherlich aufwendigen Gestaltungselemente nicht betrachtet werden kann. In einer Konzeption sind der Aufwand und die Gesamteffizienz davon abhängig, wie umfangreich die in die Betrachtung einbezogenen Aktivitäten sind und wie differenziert die analytische Auflösung der beiden Gestaltungselemente gesteuert werden kann. Eine Gesamtkonzeption, die flexibel Schwerpunkte für die Analysen auf der Einwirkungsebene aus Informationen über Auswirkungen und ökologische Problembeiträge entwickeln kann, verbessert die Effizienz der Erfassung von Einwirkungsinformationen. HALLAY/PFRIEM schlagen außerdem ein praktisches Vorgehen vor, bei dem die Analyse der Stoff- und Energiebilanzen von den vorhandenen Informationen und Informationssystemstrukturen der Materialwirtschaft ausgeht. Die verschiedenen Gestaltungselemente zur ökologieorientierten Analyse und Bewertung der ökologischen Problembeiträge weisen zwar erhebliche Unterschiede in ihrer Effektivität bezüglich von Funktionen der ÖISS auf, können aber aufgrund der vergleichbaren Intention bezüglich ihrer Effizienz verglichen werden. Für die quantitativ-reduktiven Konzepte gilt, daß sie effizienter werden, wenn viele Informationen für die Analyse der Auswirkungen und Bewertung der ökologischen Problembeiträge bereits extern vorhanden und für die Unternehmung leicht zugänglich sind. So werden energie- und schadensfunktionsorientierte Bewertungssysteme 881 Vgl. Günther 1994, S. 265 und Schaltegger/Sturm 1992, S. 54 f. 882 Vgl. Braunschweig/Müller-Wenk 1993, S. 27
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als aufwendig beschrieben, da umfangreiche Informationen fur das Bewertungsmodell durch die Unternehmung ermittelt werden müssen, bevor die starren Modelle für Bewertungen nutzbar werden883. Die zweite Determinante ist die Anzahl der analysierten Einwirkungen, Auswirkungen und der einbezogenen Probleme zur Bestimmung der ökologischen Problembeiträge. Es ist dabei leicht ersichtlich, daß angefangen bei der Berechnung der Stoffmenge für MIPS über die Bewertung von Emissionen mit Grenzwerten über die Ermittlung von Stoffflüssen und die Beziehung zu den Schutzgütern im EPS-Konzept die quantitativ-reduktive Bewertung zunehmend aufwendiger wird884. Die Komplexität der Ökosysteme und ihrer Beeinflussung durch den Menschen läßt vermuten, daß die immer weitere Annäherung von quantitativen Modellen an die tatsächliche Komplexität der ökologischen Problembeiträge schnell prohibitv teuer werden wird. Quantitative Bewertungsmodelle müssen deshalb, um effizient zu sein, die Komplexität des Systems erheblich reduzieren. Für die multifaktoriellen Bewertungsmethoden ist die Effizienz schwerer zu beurteilen, da die Informationsprozesse nicht entsprechend festgelegt sind. Es wird vermutet, daß insgesamt die qualitativ-verbal-argumentativen Konzepte von der reinen Erhebung der Informationen her günstiger sind, während die qualitativ-ordinalen Konzepte und auch die Scoringmodelle aufgrund der Strukturierung der Informationen leichter zu handhaben sind885. Wie bereits diskutiert, können multifaktorielle Verfahren mit Komplexität leichter umgehen, da sie die Informationsmenge und Analysetiefe an das individuelle Unternehmens-Umwelt-System situativ anpassen können und dadurch trotz Abstrichen bei der Reliabilität eine bessere Abbildung der tatsächlichen Komplexität ereichen, ohne daß die Kosten so schnell steigen, wie für die quantitativen Ansätze zu vermuten ist. Zusammenfassend kann gelten, daß quantitativ-reduktive Konzepte um so effizienter sind, je einfacher und je mehr an die Stoff- und Energiebilanzen angelehnt die Bewertung ist. Und solche einfacheren quantitativreduktiven Konzepte verfügen dann über eine höhere Effizienz als multifaktorielle Verfahren, aber andererseits sind die für ökologische Richtungssicherheit angemessenen Informationsprozesse effizienter als multifaktorielles Gestaltungselement zu realisieren aufgrund der Komplexität der einzubeziehenden Informationen und der Notwendigkeit der flexiblen Anpassung an die singulären lokalen Gegebenheiten.
883 884
885
Vgl. Pfriem 1986, S. 215 Es ist möglich, diese Reihe in einem hypothetischen Experiment weiterzuführen, in dem beispielsweise die unterschiedlichen ökologischen Organisationsebenen berücksichtigt werden und so tatsächlich ein mathematisches Modell der ökologischen Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten entsteht Vgl. Böning 1994, S. 178
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4.4 Anwendungsbeispiele für Gestaltungselemente von ÖISS Zum Ende des Kapitels ist der Nutzen von Anwendungsbeispielen darin zu sehen, die praktische Umsetzung von als erfolgskritisch zu bezeichnenden Gestaltungselementen in der betrieblichen Praxis von Großunternehmen zu untersuchen. Dabei wird im Anwendungsbeispiel Polaroid explizit auf das TUWR/EARS-System, als Beispiel einer Stoff- und Energiebilanz, eines qualitativ-ordinalen Bewertungssystems und eines Kennzahlensystems abgehoben. Im Anwendungsbeispiel Royal Dutch/Shell-Gruppe wird die explorativ-deskriptive Szenarientechnik untersucht.
4.4.1 Anwendungsbeispiel: Das TUWR/EARS-System der Polaroid Corporation Die Polaroid Corporation gehört mit 2,2 Milliarden US$ Umsatz im Jahre 1993 zu den größeren produzierenden Unternehmen der Vereinigten Staaten von Amerika. Aufgrund der für die Produktion ihres Hauptumsatzträgers Sofortbildkameras sowie der dazugehörigen Sofortbildfilme und Entwicklungschemikalien notwendigen chemischen Prozesse ist Polaroid mit ökologischen Problembeiträgen konfrontiert. Nachdem Polaroid Mitte der achtziger Jahre aufgrund der toxischen Emissionen öffentlicher Kritik ausgesetzt war, hat das Unternehmen erhebliche und erfolgreiche Anstrengungen zur Reduzierung seiner ökologischen Problembeiträge unternommen 6. Polaroid beschreibt sich selber als einen „good corporate citizen", also guten Bürger in seinem Verhältnis zum Umfeld. Ein Teil dieses gesellschaftlichen Engagements ist der Umgang mit ökologischen Problemen. Der CEO887 von Polaroid, äußert sich im Umweltbericht 1993 dazu: „... strongest possible commitment to environmental excellence in all of our operations worldwide. This ... commitment is an absolute necessity as we strive to meet society's expectations, achieve our business goals and live up to our long-held values of environmental stewardship and good corporate citizenship."888. Das Unternehmen reagierte entsprechend auf Veränderungen im politische und gesellschaftlichen Umfeld, wie die Entwicklung des 33/50-Programms889 und der SARA-Gesetzgebung890 mit spezifi886 Aus Vergleichen, die auf Basis des TRI-Emissionsregisters für toxische Stoffe vorgenommen wurden, ist zu entnehmen, daß Polaroid zu den zehn Unternehmen gehört, die sich am deutlichsten verbessern konnten; vgl. Rice 1993, S. 110 und Buchholz et al. 1992, S. 193 ff. 887 Der CEO ist das amerikanische Äquivalent eines Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden. 888 Vgl. Polaroid Hrsg. 1994a, S. 1 889 Vgl. Polaroid Hrsg. 1992, S. 16. Am 33/50-Programm nahmen 1992 rund 750 Unternehmen teil, die sich freiwillig verpflichteten, die Emissionen von
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4. Abschnitt
sehen Berichtspflichten auf Bundesebene, sowie den am Standort des Unternehmens in Massachusetts entwickelten Gesetze über toxische Emissionen. Das Unternehmen entschied sich, die ökologischen Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten durch ein systematisches Programm zur Reduktion von toxischen Chemikalien an der Quelle zu vermindern. 1987 wurde das TUWR-Programm 1988-1993 verkündet891. 1988 wurde von Polaroid der erste Umweltbericht eines Unternehmens in den Vereinigten Staaten herausgegeben. Der Umweltbericht für 1993 weist am Programmende nur eine geringere Reduktion von etwa 5% pro Jahr pro Einheit über alle Chemikalien aus, welches u.a. mit dem Ausbleiben von technischen Durchbrüchen im Bereich der lösungsmittelhaltigen Filmbeschichtung und einer unvollständigen Erfassung der Chemikalien im Basisjahr 1988 erklärt wird. Polaroid verlängerte das Programm 1993 um fünf weitere Jahre, erweiterte es um zusätzliche Faktoren und setzte sich das Ziel, die Verbesserungsrate von 5% pro Jahr beizubehalten892.
4.4.1.1 Das „Umweltbuchhaltungs- und Berichtssystem" (EARS) von Polaroid EARS steht für „Environmental Accounting and Reporting System", welches die Grundlage des TUWR-Programms bildet und in seiner Funktion nur in Verbindung mit dem Programm beschrieben werden kann.
17 Chemikalien um 33% bis 1992 und um 50% bis 1995 zu senken; vgl. Fichter/Clausen 1993, S. 53 ff. 890 Die Berichtspflichten beziehen sich auf ein bundesweites Emissionsregister der Vereinigten Staaten aufgrund der SARA-Gesetzgebung. SARA steht für "Superfund Amendment and Reauthorization Act". Das Gesetz wurde 1986 rechtswirksam und enthält eine "Community right to know provision", auch als 'Title 3" bekannt. Title 3 verpflichtet Unternehmen, die Nutzung, Freisetzung und das externe Entsorgen oder Recycling von 328 aufgelisteten Chemikalien unter Angabe der Menge zu veröffentlichen. Dies gilt für Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern und der Nutzung von mehr als 10.000 Pfund (4.568 Tonnen, 1 amerik. Pfund = 456 Gramm) oder der Produktion 25.000 Pfund (11,42 Tonnen) pro Jahr. Vgl. Buchholz et al. 1992, S. 209, Clausen 1992, S. 96 ff. und Fichter/Clausen 1993, S. 44 ff. 891 Vgl. Polaroid Hrsg. 1994a, S. 3. TUWR-Programm steht für "Toxic Use and Waste Reduction"-Programm. Das Programm wird nachfolgend mit der Abkürzung TUWR-Programm gekennzeichnet. 892 Die Fortführung des TUWR-Programms von 1994-98 als TUWR-Programm Phase 2 erfolgt in erweitertem Umfang (BEARS= better EARS), um die Erfahrungen mit der ersten Phase und neue Entwicklungen der Gesetzgebung aufzunehmen. Der Bundesstaat Massachusetts hat 1993 ein Gesetz zur Reduktion von toxischen Chemikalien erlassen, den Massachusetts "Toxic Use Reduction Act" (TURA), der den Unternehmen Planungs- und Berichtspflichten auferlegt; vgl. Polaroid 1994a, S. 1 und 5 ff.
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Die Grundideen des TUWR-Programms basieren auf der Studie des Büros für Technologiebewertung des US-Kongresses (OTA) über die Reduktion der Verwendung von gefährlichen Chemikalien zur Verhinderung von Emissionen und Verschmutzungen und zur Verbesserung der industriellen Effizienz893. Die OTA-Studie definiert als Möglichkeiten zur Reduktion von gefährlichem Abfall, 1) „...change the raw materials of production, 2) change production technology and equipment, 3) improve production operations and procedures, 4) recycle waste within the plant, and 5) redesign and reformulate end-products."894. Es wird betont, daß die erreichbare Reduktionsmenge schwer zu bestimmen sei, aber eine jährliche Reduktion um 10% über fünf Jahre wird als nützliches Ziel empfohlen, welches die ungenützten Möglichkeiten zur Abfallreduktion widerspiegele895. Das TUWR-Programm von Polaroid baut mit seinen Zielen „To reduce toxic use at the source and waste per unit of production by 10 percent per year in each of the five years ending 1993" und „To emphasize increased recycling of waste materials within Polaroid"896 auf den Empfehlungen des OTA-Berichts auf. Das TUWR-Programm ist eng verzahnt mit dem Umweltbuchhaltungsund Berichtssystem (EARS), welches auf der inhaltlichen Logik des TUWR-Programms aufbaut und die Umsetzung des Programms gegen seine Ziele messen und transparent machen soll. Die Grundelemente des TUWR/EARS sind 20 Einheiten, für die die Stoffbilanzen und darauf aufbauende Kennzahlen bestimmt werden. Diese 20 Einheiten wurden jeweils für Standorte und Divisions definiert, und zwar unter Einbeziehung aller Standorte weltweit. Inhaltlich fokussiert TUWR auf drei Bereiche für Maßnahmen: • welche Materialien eingesetzt werden, • welche Abfälle vor Filterung und Reinigung erzeugt werden und • wie die Abfälle innerhalb und außerhalb der Unternehmung behandelt werden897. Die Bestimmung der Ziele und die Messung der Zielerreichung setzen die Stoffmengen an diesen Punkten ins Verhältnis zur jeweiligen Produktionsmenge. Für jede Division wurde eine spezifische Referenzgröße für die Produktionsleistung wie Anzahl Kameras oder m2 Film gewählt, auf die 893 Vgl. Congress of the United States, Office of Technology Assessment (OTA) Hrsg. 1986. 894 Vgl. OTA Hrsg. 1986, S. 4. 895 Vgl. OTA Hrsg. 1986, S. 22 ff. und 103 ff. 896 Vgl. Polaroid Hrsg. 1990, S. 10 897 Vgl. Polaroid 1994a, S. 38f.
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4. Abschnitt
der Materialverbrauch bezogen wird898. Diese Effizienzgröße wird für das Referenzjahr 1988 auf 1 gesetzt, und der Fortschritt wird dann relativ zu diesem Basisjahr in Prozent bestimmt. Die Einbeziehung der ökologischen Probleme in das Programm wird möglich durch die Bewertung aller Stoffe und Materialien nach verschiedenen physikalisch-chemischen sowie human- und ökotoxikologischen Kriterien unter Einbeziehung von gesellschaftlichen Bewertungen Die Bewertung bezieht bewußt alle Materialien unabhängig von ihrer gesetzlichen Klassifizierung ein, um sich in der Bestimmung und Zielsetzung autark von Änderungen der gesetzlichen Grundlagen zu machen. Dies sind 1993 ungefähr 1700 Stoffe gewesen, von denen Polaroid ungefähr 800 zur gleichen Zeit einsetzt. Anhand diese Bewertung werden die Stoffe in Kategorien von 1 bis 5 mit absteigenden problematischen Eigenschaften eingeteilt. Für jede der Stoffklassen gibt das Management eine Reduzierungsstrategie vor, die innerhalb des TUWR-Programms als Reduzierung gewertet wird und für die „Credits" 900 vergeben werden. Das TUWR-Programm betrachtet dabei explizit nicht Emissionsverringerung durch „end-of-pipe"-Maßnahmen als Verminderung im Sinne des Programms, sondern betrachtet für toxische Stoffe der Kategorien eins und zwei nur die Reduktion der Nutzung als Einsatzstoff, für die Kategorien drei, vier und fünf die Reduktion der Entstehung als Abfall im Prozeß als Verminderung im Sinne des Programms. Für die Kategorie drei wird außerdem noch das Recycling am Standort und der anschließende Wiedereinsatz durch die Division als Verminderungsalternative gezählt. Für die Stoffe der Kategorien vier und fünf wird Recycling bei Polaroid und durch Dritte mit anschließendem Wiedereinsatz durch Polaroid als Reduktionsmaßnahme gewertet (siehe Abbildung 4. 11).
898 Vgl. Business International Hrsg. 1992, S. 158 899 Vgl. Nash et al. 1992, S. 9 900 Die englische Bezeichnung "credits" läßt sich im Deutschen noch am ehesten mit Gutschrift oder Pluspunkt übersetzten.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
Abbildung 4.11:
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Kategorisierung und Anerkennung von Reduktionsmaßnahmen im TUWR-Programm (Credits) von Polaroid
EINTEILUNG DER STOFFE UND MATERIALIEN IN FÜNF KATEGORIEN Anzahl
Angestrebte Ziele
"Credits" im TUWRProgramm
Beispiel
Nutzung MMmieren, keine Emissionen
• Nutzung minimieren
Awytnitril, CFCs. Trichlorethan
Kategorie 1
38
II
65
III
279
IV
Vertreibende Chemikalien
V
Chloroform, Formaldehyd. Silbemitrat. Slberbromid
Nutzung minimieren Mnlmierung aller Transporte aus dem Werk durch • Reduzierung Ablall • Recycling imWerk
• Minimierung von Entstehung Essigsäure, Acetonitril, und von Transport außerhalb Diethyt-Ether, Pyridine, des Werkes • Auffangen, Rezyklieren, V/e- Toluol demutzen durch die Division
Mnirrierung des Reststoffvolumens durch • Reduzierung Abfall • Recycling
• Minimierung der Entstehung • Rezyklieren im Werk oder durch Dritte und Wedernutzung
Verschwendung natürlicher Ressourcen, Entsorgungsprobleme
• Minimierung der Entstehung • Maximienng Recycling und Wedemutzung Im Werk
Aoetone. Butanol, Cyciohexane Heptane, Ethanol, Methanol, Isopropanol, Etylacetat, Methyl· Ethyl-Keton, Xylene
Papier. Pappe, Glas, Metall, Holz, Plastik auch leere Container und Batterien
Quelle: Nash et al. 1992, S. 6; Business International Hrsg. 1992, S. 159 und Polaroid Hrsg. 1991, a 11f.
Zusätzlich zu der Kategorisierung der Stoffe und der Zuordnung der Handlungsalternativen hat das Unternehmen im Rahmen des TUWR-Programms fünfzehn gegeneinander priorisierte Handlungsalternativen für die Behandlung der direkt in den Prozessen entstehenden Nebenprodukte entwickelt, um so parallel zur Reduzierung der Nutzung von toxischen Stoffen und des Entstehens von gefährlichen Nebenprodukten die Möglichkeiten des Recycling und Wiedereinsatzes zu optimieren. Die 15 Handlungsalternativen für „Waste Management" definiert Polaroid mit absteigender Priorität und entsprechender Bewertung innerhalb des TUWR-Programms901 Das TUWR-Programm ist ein Steuerungsprogramm, das sich von der Konzeption her mit dem Typ des strategischen Programms vergleichen läßt. Die inhaltliche Konzeption des Programms geschieht durch die zentrale Funktion, ebenso die Konzeption der Handlungskategorien und die Bewertung und Kategorisierung der Stoffe902. Die Verbesserung der Produktionsprozesse entsprechend der Handlungsvorgaben ist die Aufgabe der Divisions, die die Standorte betreiben, bzw. Produkte und Prozesse entwickeln. Die ökologische Zielrichtung des TUWR-Programms wird 901 Vgl. Polaroid Hrsg. 1990, S. 25 902 Vgl. Business International Hrsg. 1992, S. 155 ff.
314
4. Abschnitt
ebenfalls in den kontinuierlichen „Total Quality Ownership"Qualitätsverbesserungsprozeß eingebracht. Der Charakter eines Steuerungssystems offenbart sich am deutlichsten im Zusammenhang mit der Bewertung der verantwortlichen Manager. Vom Niveau der Divisionsverantwortlichen abwärts geht die Erreichung der TUWR-Ziele und die Einhaltung der Umweltschutzgesetze, neben der Kostenentwicklung, der Qualität, dem Einhalten der Zeitpläne, der Lagermengen, dem Anteil von Minderheiten903 und der Sicherheit, als eine von sieben Kategorien in die Leistungsbewertung ein904. Das Gesamtziel des TUWR-Programms für Polaroid wurde proportional als 10% Reduktion pro produzierter Unit pro Jahr auf jede Division übertragen. Für die Umsetzung der Ziele des TUWR-Programms bekommen die Verantwortlichen für die Leistungsbewertung relevante Credits gutgeschrieben. Innerhalb der Divisions werden die Ziele spezifisch für die Verantwortlichen einzelner Fabriken und Prozesse umgesetzt. Die Zahlen des EARS-System werden vierteljährlich aktualisiert und auf Zielerreichung überprüft. Feste Regeln oder Anweisungen für Entscheidungen zwischen im Einzelfall konfliktären Zielen existieren nicht, sondern die Abwägung bzw. Bewertung von Handlungsoptionen bleibt in dem Entscheidungsspielraum der Verantwortlichen905. Die für die Umsetzung von TUWR notwendigen Investitionen sind Teil des Budgets und werden im Rahmen der Budgetplanung verabschiedet. Das TUWR-Programm war von seiner Initiierung an, neben der Funktion im internen Managementprozeß, auch für die Vermittlung von Zielen und erreichten Resultaten gegenüber der Öffentlichkeit bestimmt906. In den Umweltberichten werden die Logik des EARS und der Unterschied zu anderen Erfassungssystemen wie dem TRI-Register oder dem 33/50-Programm ausführlich dokumentiert. Die Eingruppierung von Chemikalien und Materialien und Stoffen dient der Möglichkeit, relativ einfach die Fortschritte der Unternehmung in Umweltberichten zu dokumentieren. Die Kategorisierung ermöglicht es außerdem, keine Informationen über die tatsächlichen Rezepturen und Prozesse nach außen zugeben, die von Polaroid als zu wettbewerbssensitiv eingeschätzt werden . In den Umweltberichten werden deshalb die Informationen über die Fortschritte und Mißerfolge des TUWR-Programms nur in Form von Kennzahlen veröffentlicht (siehe Abbildung 4. 12).
903 904 905 906 907
Die Kategorie "Diversity of Employees" bewertet die Leistungen bezüglich interner und gesetzlicher Ziele zur Beschäftigung von Minderheiten in Unternehmen. Vgl. Nash et al. 1992, S. 8 Vgl. Buchholz 1992, S. 199 Vgl. Business International Hrsg. 1992, S. 153 Vgl. Buchholz et al. 1992, S. 204
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
Abbildung 4.12:
Entwicklung der TUWR-Mengenströme je 1988-1993
315
Kategorie
Auch die Veröffentlichung der Fortschritte der einzelnen Einheiten erfolgt nur in Prozenten relativ zum Basisjahr 1988908. Als absolute Mengen werden die Zahlen des TRI-Registers und die Informationen aus dem 33/50Programm veröffentlicht. Außerdem werden in Umweltberichten die Gesamtmenge der chemischen Abfälle der Kategorien 1-4 und die Gesamtmenge der Abfälle der Kategorie 5 sowie die prozentualen Anteile der „Waste-Management"-Optionen dokumentiert.
4.4.1.1.1 Analyse des EARS anhand der Systemmerkmale Die Funktion des EARS war am Startpunkt des TUWR-Programms nur auf die Kontrolle der Umsetzung des Programmes ausgerichtet. Entsprechend wurden die Stoffflüsse je nach Kategorie nur mit der verwendeten beziehungsweise freiwerdenden Menge gemessen. Nachdem EARS als Informationsinstrument auch zum Erfüllen der Berichtspflicht aufgrund der Umweltgesetzgebung geworden ist, wird die Information für die Chemikalien der Kategorien 1-4 als vollständige Stoffbilanzen aufgenommen909. Die Nutzung von Stoffbilanzen erlaubte es auch, die Genauigkeit der Messungen und Angaben im EARS zu erhöhen.
908 Vgl. Polaroid Hrsg. 1994a, S. 7 909 Vgl. Polaroid 1994a, S. 42
316
4. Abschnitt
Das EARS ist ein internes Steuerungssystem zur Kontrolle und Steuerung der einzelnen Divisions und ihrer Standorte. Die Zahlen des EARS werden bis auf das Niveau der 20 Einheiten differenziert. Die Definition der Einheiten wurde so gewählt, daß sie einzelne Produktionsbereiche und Prozesse umfassen, so daß von einer Einheit zur nächsten nur Produkte weitergegeben werden und eine einheitliche Verantwortung für jeden Bereich gegeben ist. Eine große Division mit erheblichen ökologischen Problembeiträgen wie die „Chemical Operating Division" ist in mehrere Einheiten aufgeteilt. Den relativen ökologischen Problembeiträgen wurde bei der Definition der Einheiten keine Bedeutung zugemessen, so daß mehrere Einheiten, die im wesentlichen Verwaltung umfassen, für unter 1% der Gesamtemissionen verantwortlich sind, während andere Einheiten mehr als 10% der Emissionen kontrollieren910. Es ist die Aufgabe des dezentralen Umweltmanagements der Division, die einzelnen Stoffflüsse den Prozessen und Produkten zuzuordnen. Die Divisions beziehungsweise die einzelnen Standorte sind dafür verantwortlich, die Größen zu messen, zu berechnen und die Informationen zusammenzustellen. Die Informationen werden vierteljährlich an die zentrale Umweltfunktion berichtet. Die Kontrolle der Qualität und Richtigkeit der Informationen erfolgt durch interne Audits und durch ein Netzwerk von speziell geschulten und verpflichteten EARS-Verantwortlichen in jeder Einheit . Die Kategorisierung im EARS gibt Polaroid die Möglichkeit, die Umweltauswirkungen der Unternehmensaktivitäten im Detail zu bewerten und vierteljährlich neue Stoffe zu überprüfen und zu kategorisieren, bzw. aufgrund neuer Informationen bekannte Stoffe neu bewerten und kategorisieren. Diese Bewertung eröffnet außerdem der Unternehmung die Möglichkeit, systematisch mit internen und externen Experten den Diskurs darüber zu führen, welche Stoffe und Materialien wie einzuschätzen und welche Behandlungsstrategien zu präferieren sind912. Durch die systematische Bewertung von 1700 Chemikalien ist das EARS ein internes Informationssystem, welches den Produktionsbetrieben und Entwicklungsabteilungen und ihren Mitarbeitern Informationen über die ökologische Beurteilung der Stoffe in und aus bestehenden und neuen Prozessen und Verfahren vermittelt. Für jeden Stoff werden die Bewertungen und die Charakterisierung auf einem Sicherheitsblatt „Material Data Safety Sheet" vermerkt. Durch die Zuordnung von priorisierten Handlungsoptionen zu den Stoffkategorien wird die Verbesserungsstrategie in Zielen vorgegeben. Ziel der TUWR/EARS-Kombination ist es, die Ziele und die Rückkopplung für die Erarbeitung und Erprobung von Ideen zur Verbesserung von ökologischen Maßnahmen in die dezentralen opera910 911 912
Interview T. Hawes Polaroid Interview T. Hawes Polaroid Vgl. Polaroid Hrsg. 1991, S. 3 ff.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
317
tiven Einheiten hineinzutragen, wobei die Verantwortung für die Entscheidung auch bei konfliktären Zielen auf der operativen Ebene angesiedelt wird913. Die EARS-Informationen werden dabei sowohl in den Produktionsbetrieben als auch in den Entwicklungsbereichen eingesetzt. Das EARS-Modell erlaubt Simulationen der Auswirkungen von Handlungsalternativen und Prognosen bezüglich der Entwicklung über Zeit bei sich ändernden Produktionsmengen und Produktmix914. EARS soll gegenüber den externen Anspruchsgruppen einen Überblick über die ökologischen Problembeiträge entsprechend der finanziellen Buchhaltung geben. Die Zahlen des EARS werden einmal im Jahr für den Umweltbericht über die Fortschritte von TUWR und zur Erfüllung der Berichtspflichten verdichtet. Für die TUWR-Abfallkategorien 1-5 wird ein Index gebildet, indem die Menge Abfall pro produziertem Produkt ins Verhältnis zu der vom Basisjahr 1988 gesetzt wird. Für die einundzwanzig Einheiten werden einzeln jeweils die Gesamtindizes für Kategorie 1-4 und der Index der Kategorie fünf veröffentlicht. Für die Indizes der Unternehmung Polaroid werden die Indizes der 21 einzelnen Einheiten jeweils mit ihren relativen Mengenanteilen vom gesamten Aufkommen der Kategorie gewichtet, addiert und veröffentlicht. Die Indizes der Kategorien 1-4 und fünf werden getrennt zu zwei Gesamtpolaroidindizes zusammengefaßt (Siehe Abbildung 4. 13). Aus dem Schema wird deutlich, daß die Unternehmung nur einen kleinen Teil der im EARS vorhandenen Information in den Umweltberichten tatsächlich veröffentlicht.
913 914
Vgl. Business International Hrsg. 1992, S . 155 ff. und Nash et al. 1992, S. 3 ff. Vgl. Business International Hrsg. 1992, S . 159
318 Abbildung 4.13:
4. Abschnitt Schema der Informationsgenerierung und Veröffentlichung durch Polaroid
EARS INFORMATIONSPROZESSE UND VERÖFFENTUCHTE INFORMATIONEN
E3Ver«fenUicht Einheiten A - U Erhobene Informationen • Verbrauch Kategorie 1 • Verbrauch Kategorie II • Nebenprodukt Kategorie III • Nebenprodukt Kategorie IV • Nebenprodukt Kategorie V • Emissionen SARA, 33/50 • Nebenproduktstrome/ Behänd mg • Strom und Wasser • Produzierte Einheiten
Polaroid |
Berechnung
Menge je Kategorie Produzierte Einheilen Menge je Kategorie Produzierte Einheilen
· GesamHemlssion SARA, 33/SOW, • Nebenproduktstöme • Strom und Wasseritemzahien rag μ % Ante« Einheit Index,., = ^ Indexu, χ anGesamtmenge 1 und II A-U
index I - I V +
Index. = Λ ο
IndexV
Index „ = dto £lndex,.„ index,
^Index,
χ
A-U
Quelle: Eigene Darstellung nach Polaroid 1992, S 24
Auf Ebene der Unternehmung existiert als Strukturelement die Datenbasis, in der die Stoffbilanzen, die produzierten Einheiten und Abfallströme aller 20 Einheiten vierteljährlich eingetragen bzw. On-Line übertragen werden, um hieraus die entsprechenden Auswertungen zu machen. Das zweite Strukturelement auf Ebene der Unternehmung ist die Expertenrunde, die Stoffe nach ihren Auswirkungen bewertet und kategorisiert und die die Informationen für diese Bewertung zusammenträgt und speichert. Die Rohdaten der Stoffbilanzen in den Einheiten können auf Grund der variablen diskontinuierlichen Prozesse von Polaroid nur zum kleinen Teil direkt On-Line gemessen und gespeichert werden. Die meisten Informationen müssen mittels Messen, Zählen und Wiegen durch Mitarbeiter ermittelt werden. Durch den verstärkten Einsatz von Strichcode-Lesern hofft die Unternehmung, die Verfahren zu vereinfachen und die Reliabilität der Information zu verbessern915. Zur Erfassung der Einwirkungen auf die Ökosphäre basiert das dynamische Verhalten des EARS auf einer „Black box'VBetrachtung der Stoffaustauschbeziehungen für die zwanzig Einheiten A-U. Im Prinzip besteht die Informationsgrundlage auf Ebene der Einwirkungen aus Stoffbilanzen der 20 Einheiten und der Analyse der Abfall- und Recyclingströme. Das EARS basiert auf strengen Abgrenzungskriterien 915 Interview T. Hawes Polaroid
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
319
der einzelnen Prozeßschritte, um eine möglichst eindeutige, genaue und transparente Informationsbasis zu schaffen. Die Stoff- und Materialflüsse werden an vier Meßpunkten bestimmt916 (siehe Abbildung 4.14): • 1. Meßpunkt umfaßt den Verbrauch aller Stoffe der Kategorien 1 bis 4 je Einheit. Das erweiterte EARS erfaßt jetzt auch Wasser- und Energieverbrauch. • 2. Meßpunkt betrachtet alle Stoffe, die als Nebenprodukte der Produktionsprozesse der Einheit entstehen, vor dem Behandeln durch Filter und Reinigungstechniken. Damit sollen alle Stoffe erfaßt werden, die nicht das Hauptendprodukt darstellen, unabhängig von Möglichkeiten der Rezyklierung und Reinigung917. • 3. Meßpunkt erfaßt die flüssigen, gasförmigen und festen Stoffflüsse aller Nebenprodukte in die fünfzehn angegebenen Handlungsalternativen für „Waste-Management". Am Meßpunkt 3 werden alle Stoffe registriert, die für End-of-Pipe-Behandlung wie Neutralisieren oder Ausfällen etc. hinzugefügt werden müssen. • 4. Meßpunkt definiert die gesetzlich verlangte Erfassung aller Stoffe, die in die Umweltmedien Luft und Wasser oder an eine andere Firma abgegeben werden und deshalb das Firmengelände verlassen, entsprechend den Definitionen des TRI-Emissionsregisters, wie sie im SARAGesetz festgelegt wurden. Der 4. Meßpunkt entspricht dem 3. Meßpunkt, registriert aber die Stoffflüsse, die die Unternehmung nach der gesetzlichen Definition verlassen.
916 Vgl. Polaroid Hrsg. 1990, S. 25, 1994a, S. 38 ff. und Business International Hrsg. 1992, S. 158 917 Vgl. Business International 1992, S. 154
320
4. Abschnitt
Abbildung 4.14:
Informationsbasis und Meßpunkte EARS
INFORMATIONSBASIS UND ERFASSUNGS-/MESSPUNKTE EARS Meßpunkt 1
Meßpunkt 2 Standorte/Einheiten als Black-Box
Meßpunkt 3
Meßpunkt 4
zus. Stoffe für !End of Pipe" Pehandung
iL
Abfeümanagementatternativen und Abfallströme (Siehe Abbildung 5. 3)
Abgabe an Dritte · Emission Ire
>
Alle Materialien
Recycled
Emissionen
A-U
Emission in ,
Gasffrmge . Emissionen Feste Abfälle
EARS
Kategorie 1 und 2
Weiterent- Kategorie 1 wicklung 4 + Wasser BEARS + Enercue
Al» Nebenprodukte (1-5)
Menge je Option
Alle Kategorien [gesetzliche Spezifikation)
AlleNeberv prodi*te (1-5)
Menge je Option
Alle Kategorien (gesetzliche Spezifikation)
Quelle: verändert nach Polaroid Hrsg. 1994a. S. 40 und Interview T. Hawes
Die Informationen werden auf Basis der einzelnen Chemikalien durch die Einheit zusammengestellt und berichtet, so daß eine leichtere Überprüfung der Genauigkeit der Informationen und Zusammenstellung der SARA-Reports möglich wird918. Die Form der Informationserfassung wurde gewählt, da sie die Erfassung der Nebenprodukte in diskontinuierlichen Produktionsprozessen und der Nutzung von großen Mengen Grundchemikalien mit nicht exakt spezifizierten Zusammensetzung leichter anpassen läßt. Das EARS erfaßt nur die Stoffe der operativen Prozesse, d.h. Stoffe aus Störfällen werden als Emissionen etc. nicht erfaßt. Die Informationsprozesse innerhalb der einzelnen Einheiten sind nicht einheitlich darzustellen, da die Einheiten dezentral eigenverantwortlich die Informationsprozesse für das EARS organisieren und umsetzen können. Das TUWR-Programm hat für die einzelnen Divisions, abhängig von ihrem Beitrag zu den Gesamtemissionen, unterschiedliche Bedeutung. So hatte die „Chemical Operating Division", die die Chemikalien für Filme und Entwicklung herstellt und für über 50% der Gesamtemissionen und Chemikalienverbrauchs verantwortlich ist, ein größeres Interesse, die EARS- Informationen bis auf jeden einzelnen Prozeßschritt hinunter zu
918
Die anfangliche Idee, nur auf Basis der Kategorien zu berichten, wurde aufgrund der Ungenauigkeiten und fehlenden Kontrollinformationen nicht weiterverfolgt; vgl. Nash et al. 1992, S. 9.
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS
321
differenzieren, als andere Polaroid-Divisions, die nur vergleichsweise wenig Nebenprodukte produzieren919. Der zweite wichtige Informationsprozeß ist die Bewertung der Stoffe und Materialien im Sinne einer ökologischen Auswirkungsanalyse, durch die letztlich die ökologischen Probleme in das ISS eingebracht werden. Die Eingliederung in die fünf Kategorien wurde von einer polaroidinternen Gruppe von Toxikologen und Chemikern entwickelt und benutzt, um alle Stoffe zu kategorisieren. Die erste Kategorisierung der Chemikalien wurde mit externen Umweltfachleuten und Umweltgruppen wie Greenpeace diskutiert und daraufhin die Eingruppierung von einigen Stoffen in eine höhere Kategorie vorgenommen 92 . Polaroid nutzt bei der Bewertung ein selbst so bezeichnetes „wise person"- Vorgehen921, in dem eine Gruppe von internen und externen Experten für Toxikologie, Ökologie und „industrielle Hygiene" alle verfügbaren Informationen über ökologische Auswirkungen sammelt und auf Basis dieser Informationsgrundlage die Stoffe kategorisiert. So können auch die 200-300 Chemikalien in die Bewertung einbezogen werden, die polaroidspezifisch sind und als Teil des wettbewerbssensitiven Prozeß-Know-how nicht veröffentlicht werden sollen sowie für die keine externen Informationen vorliegen. Diese Chemikalien wurden bewertet aufgrund der Analyse von Strukturanalogien und aufgrund der Durchführung eigener Tests. Für die Kategorisierung ist dabei explizit die Summe der Eigenschaften bestimmend, nicht einzelne Merkmale, wobei die kritischste Eigenschaft die Kategorisierung bestimmt922. Die Bewertung soll explizit, gegenüber einer nur internen und technischen Sicht, auf der gesellschaftlichen Bewertung und gesellschaftlichen Problemeinschätzung basieren923. Gesetzliche Regelungen werden einbezogen, bestimmen aber nicht die Bewertung. So wird ein großer Teil der Stoffe, die im TRI-Emissionsregister und im 33/50-Programm beinhaltet sind, nur in die Kategorien 3 oder 4 eingestuft924. Polaroid verwendet im wesentlichen Informationen über 1) physikalisch-chemische Charakteristika, 2) Toxizität und 3) Auswirkungen in der Ökosphäre (siehe Abbildung 4. 15): 1) Die Bewertung beinhaltet die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Substanz, insbesondere Flüchtigkeit und Gasdruck, da diese das Risiko einer Freisetzung und damit Gesundheits- und ökologische Risiken erhöhen. Ebenfalls bewertet wurden der Flammpunkt und der
919 920 921 922 923 924
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Business International Hrsg. 1992, S. 157 Nash et al. 1992, S. 9 und Interview T. Hawes Polaroid Polaroid Hrsg. 1991, S. 5 Polaroid Hrsg. 1991, S. 6 und Interview T. Hawes Polaroid Buchholz et al. 1992, S. 200 ff. Polaroid Hrsg. 1994, S. 14 ff
322
4. Abschnitt
Explosionsbereich der Stoffe, die allerdings nur für wenige Gase die Einstufung bestimmen925. 2) Eine große Bedeutung bei der Bewertung kommt den toxischen Eigenschaften der Substanzen zu, insbesondere der akuten und chronischen Toxizität, der Karzerogenität, der Teratogenität und dem Fruchtschädigungspotential, der Mutagenität und korrosiven oder irritierenden Eigenschaften. Für die Beurteilung dieser Eigenschaften von Substanzen stehen erhebliche Mengen an Information zur Verfügung. •
Informationen über akute und chronische Toxizität sind über die Literatur, Information von Lieferanten, eigene Tests und Untersuchungen der Struktur-Aktivitäts-Beziehungen ausreichend verfügbar. Für akut-toxische Effekte gilt: hochtoxische Substanzen werden als 1 oder 2, moderat-toxische werden als 3 und gering-toxische als Kategorie 2 eingestuft. Chronische Toxizität hat insbesondere Bedeutung für die Beurteilung des Risikos durch die permanente Freisetzung von geringen Mengen, so daß Stoffe, die Effekte beim Menschen zeigen, in Kategorie 1 oder 2, und Stoffe, die Effekte bisher nur im Tierversuch oder bei sehr hohen Dosen gezeigt haben, der Kategorie 3 zugeordnet werden926. • Die Bewertung der Karzinogenität kann auf verschiedene Listen zurückgreifen, die das Wissensstadium über einen Stoff wiedergeben927. Prinzipiell gilt, daß alle bekannten Karzinogene für Mensch und Tier der Kategorie 1 oder 2, oder 3, wenn die Ergebnisse am Tier nicht reproduzierbar sind bzw. der Aufnahmepfad nicht relevant ist, zugeordnet werden. Die Beurteilungsanleitung legt bei diesem Kriterium eine feste Zuordnung zwischen der Einstufung durch Kontrollorgane und der Zuordnung zu einer Kategorie fest. • Alle Chemikalien, für die Evidenz von Fruchtschäden am Menschen gegeben ist, wurden den Kategorien 1 oder 2 zugeordnet, während Stoffe, für die solche Evidenzen nur im Tiermodell gefunden wurden, unter Beachtung der Dosiswirkung und anderer Kriterien den Kategorien 1, 2 oder 3 zugeordnet werden. • Stoffe, für die Informationen über Mutagenität in mehreren in-vivo- und in-vitro-Modellen vorliegen, werden als potentiell karzinogene Stoffe der Kategorie 3 zugeordnet. 925 Vgl. Polaroid Hrsg. 1991, S. 7 926 Vgl. Polaroid Hrsg. 1991, S. 8 927 Polaroid nennt hier die Listen der International Agency For Research on Cancer (IARC), des National Toxicology Programm (NTP), die EPA Cancer Assessment Groups (EPA CAG), die OSHA-Liste und der ACGIH TLV Appendix 2 als Quellen; vgl. Polaroid Hrsg. 1991, S. 9
Diskussion der erfolgskritischen Elemente für ÖISS •
323
Stoffe, die Verätzungen auf Haut, Augen und Schleimhäuten im direkten Kontakt verursachen, werden der Kategorie 3 zugeordnet, genauso wie Stoffe, die bereits in kleinen Konzentrationen Irritationen auslösen. 3) Die dritte Gruppe umfaßt Informationen über Auswirkungen in Ökosystemen und dabei insbesondere über Effekte auf die Vegetation, über aquatische Toxizität, über ozonabbauende Wirkungen, über Bioakkumulation und Persistenz. Polaroid beurteilt die Menge an verfügbarer Information als zu gering, um sichere Kategorisierungen zu ermöglichen. Die Unternehmung bemüht sich um eine Erweiterung der Informationsgrundlagen, auch durch eigene Tests928. Stoffe mit bekannten Effekten auf Ökosysteme werden in Kategorie 1 oder 2 eingeteilt, während Stoffe, die geringere Auswirkungen haben, der Kategorie 3 zugeordnet werden.
928 Vgl. Polaroid Hrsg. 1991, S. 11
324
4. Abschnitt
Abbildung 4.15:
Bewertung und Kategorisierung der Stoffe
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