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German Pages 365 [389]
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 452 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann
Jaroslav Cejka
Kollisionsrechtliche Probleme grenzüberschreitender Überweisungen Ein Beitrag zur Diskussion um die akzessorische Anknüpfung
Mohr Siebeck
Jaroslav Cejka, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Passau; 2011 Erste Juristische Prüfung; Rechtsreferendariat in Passau und New York City (USA); 2013 Zweite Juristische Staatsprüfung; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Passau; 2016–17 Rechtsanwalt in Stuttgart; seit 2018 Notarassessor beim Land Baden-Württemberg; 2019 Promotion. orcid.org/0000-0001-9727-5323
ISBN 978-3-16-159427-4 / eISBN 978-3-16-159428-1 DOI 10.1628/978-3-16-159428-1 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation unter dem Titel „Kollisionsrecht liche Probleme grenzüberschreitender Überweisungen – Ein Beitrag zur Diskussion um die akzessorische Anknüpfung“ angenommen. Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung wurden bis November 2019 berücksichtigt. Danken möchte ich an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dennis Solomon, LL.M. (Berkeley). Ich hatte das Glück, während eines Großteils der Zeit, in der ich das Manuskript der vorliegenden Arbeit ausgearbeitet habe, an seinem Lehrstuhl arbeiten zu dürfen. Für sein Interesse an der Arbeit, seine Unterstützung und seine Freundlichkeit bin ich zutiefst dankbar. Ich möchte mich auch bei meinen Lehrstuhlkollegen und -kolleginnen, die gute Freunde geworden sind, herzlich für ihre Bereitschaft zum gedanklichen Austausch und für die unvergessliche gemeinsame Zeit am Lehrstuhl bedanken. Herzlich danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Markus Würdinger für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich zudem den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht, die die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ des Instituts befürworteten. Besonderen Dank schulde ich auch der Studienstiftung des deutschen Volkes, die mich während der Ausarbeitung des Manuskripts in vielfältiger Weise unterstützt hat. In Dankbarkeit widme ich dieses Buch meiner Familie, insbesondere meinen Eltern und meiner Frau Carolin, ohne deren vielfältige Unterstützung diese Arbeit nicht hätte entstehen können. Winnenden, im April 2020
Jaroslav Cejka
Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs . . . . . . . 7 A. Das Korrespondenzbankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie . . . . . . . . . 12 C. Ausländische Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs . . . . . . . 77 A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme . . . . . . . . . . 77 B. Interbankenabkommen und sonstige Rahmenverträge . . . . . . . 127
3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts bei grenzüberschreitenden Überweisungen . . . . . . 135 A. Kollisionsrechtliche Grundlagen im Korrespondenzbankenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 B. Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Rechtswahl in Interbankenabkommen und sonstigen Rahmenverträgen (SWIFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
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Inhaltsübersicht
4. Kapitel: Analyse der im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr auftretenden Problemlagen . . . . . . . . . . . 163 A. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs („money-back guarantee“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Schadensersatz für durch zwischengeschaltete Banken verursachte „Folgeschäden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 C. Widerruf des Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut . . . . . . . . . . . . 225 A. Ausländische Regelungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“ im europäischen internationalen Überweisungsrecht . . . . . . . . 266
6. Kapitel: Lösung der auftretenden Problemlagen auf Grundlage der „traditionellen“ Anknüpfung . . . . . . . . . . . . 329 A. Die Anpassung als kollisionsrechtliches Instrument zur Behebung von Normenwidersprüchen . . . . . . . . . . . . . . 329 B. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs („money-back guarantee“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 C. Schadensersatz für durch zwischengeschaltete Banken verursachte „Folgeschäden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
7. Kapitel: Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 341 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs . . . . . . . 7 A. Das Korrespondenzbankensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie . . . . . . . . . 12 I. Grenzen der Rechtsvereinheitlichung innerhalb der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Die erste Zahlungsdiensterichtlinie (ZDR I) und die Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . . . 13 2. Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (ZDR II) . . . . . . . . . 15 a) Ausweitung des Anwendungsbereichs des europäischen Zahlungsdiensterechts in der ZDR II . . . . . . . . . . . . . 15 b) Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . 18 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Der Girovertrag und der Überweisungsauftrag . . . . . . . . . . . 22 III. Das Rechtsverhältnis des Überweisenden mit seiner Bank . . . . 25 1. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags . . . . . . . . . 25 a) Die Pflicht zur Ausführung des Überweisungsauftrags . . . 25 b) Die Pflicht zum Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . 28 2. Die Rechtsfolgen bei einer nicht erfolgten oder fehlerhaft ausgeführten Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. Das Rechtsverhältnis des Überweisungsempfängers mit seiner Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Der Anspruch auf Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Der Anspruch aus der Gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
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V. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Banken im außerbetrieblichen Überweisungsverkehr (Interbankenverhältnis) . . . 36 1. Übertragbarkeit der Grundsätze aus dem Deckungs- und Inkassoverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Die Theorie vom Netzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
C. Ausländische Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Rechtliche Grundstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an eine andere Bank als die des Überweisungsempfängers . . . . . . . . . . . 51 3. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. US-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Rechtliche Grundstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Der Überweisungsauftrag („payment order“) . . . . . . . . 65 3. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an eine andere Bank als die des Überweisungsempfängers . . . . . . . . . . . 66 4. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 IV. UNCITRAL-Modellgesetz über den grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs . . . . . . . 77 A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme . . . . . . . . . . 77 I. Begriff und Funktion des Zahlungssystems im Überweisungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Abrechnungsarten von Zahlungssystemen . . . . . . . . . . . . . 79 1. Brutto- und Nettozahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. „Hybride“ Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Beispielhafte Erläuterung des Abrechnungsverkehrs anhand der Zahlungssysteme TARGET2, EURO1 und CHIPS . . . . . 86 a) Das Bruttozahlungssystem TARGET2 . . . . . . . . . . . . 86 b) Das Nettozahlungssystem EURO1 . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Das „hybride“ Zahlungssystem CHIPS . . . . . . . . . . . . 95 III. Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Schuldrechtliche Beziehungen zwischen den Beteiligten eines Zahlungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Die Rechtsbeziehungen der Abrechnungsteilnehmer zum Zahlungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
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aa) Stellung des Zahlungssystems im Überweisungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Rechtsbeziehungen zwischen den Abrechnungsteilnehmern und dem Zahlungssystem hinsichtlich des Clearing und des Settlement . . . . . . . . . . . . . 108 b) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Abrechnungsteilnehmern untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Das Verhältnis des Abrechnungsvertrags zum einzelnen Zahlungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Das Verhältnis des Abrechnungsvertrags zu Rechtsverhältnissen der Teilnehmer mit Dritten . . . . . . . . . . . 117 2. Die Verrechnungsebene bei Nettingsystemen . . . . . . . . . . 121
B. Interbankenabkommen und sonstige Rahmenverträge . . . . . . . 127 I. Single Euro Payments Area (SEPA) . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts bei grenzüberschreitenden Überweisungen . . . . . . 135 A. Kollisionsrechtliche Grundlagen im Korrespondenzbankenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Die „traditionelle“ kollisionsrechtliche Methode . . . . . . . . . . 135 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Kollisionsrechtliche Würdigung der „Lehre vom Netzvertrag“ auf Grundlage der traditionellen Anknüpfung . . . . . . . . . . 138 II. Vorgebrachte Kritik hinsichtlich des Anknüpfungsmoments der charakteristischen Leistung im Überweisungsverkehr . . . . . . . 139 III. Überweisungsvorgänge unter Beteiligung von Verbrauchern . . . 142
B. Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Anwendbarkeit von Rom I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Die Anknüpfung der das Zahlungssystem ausgestaltenden Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Die Anknüpfung der einzelnen Überweisungsaufträge . . . . . . . 150 1. Die „traditionelle“ kollisionsrechtliche Methode . . . . . . . . 151 2. Die einheitliche Anknüpfung in Zahlungssystemen . . . . . . . 153 a) Einheitliche Anknüpfung aufgrund Rechtswahl gemäß Art. 3 Rom I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Einheitliche Anknüpfung aufgrund Art. 4 I lit. h Rom I . . . 155 c) Einheitliche Anknüpfung aufgrund Art. 4 III Rom I . . . . . 157
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C. Rechtswahl in Interbankenabkommen und sonstigen Rahmenverträgen (SWIFT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
4. Kapitel: Analyse der im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr auftretenden Problemlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs („money-back guarantee“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Die „money-back guarantee“ im Sachrecht . . . . . . . . . . . . . 164 1. US-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. UNCITRAL-Modellgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Zahlungsdiensterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Kollisionsrechtliche Würdigung der „money-back guarantee“ . . 173 III. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
B. Schadensersatz für durch zwischengeschaltete Banken verursachte „Folgeschäden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Lösungsmechanismen im Sachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . 184 b) Die Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Französisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4. Zahlungsdiensterichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 5. Keine Haftung für Folgeschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) US-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Ursprüngliche Haftungsgrundsätze aus Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Generelle Ablehnung der Ersatzfähigkeit von Folgeschäden („consequential damages“) durch Art. 4A UCC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) UNCITRAL-Modellgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Kollisionsrechtliche Würdigung der sachrechtlichen Lösungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Erfüllungsgehilfenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger . . . . . . . . 204 b) Anspruch des geschädigten Dritten gegen den Verletzten . . 205 c) Subsidiarität der Drittschadensliquidation: Ansprüche des geschädigten Dritten gegen den Schädiger . . . . . . . . . . 205 3. „Direktansprüche“ (insbesondere Ansprüche auf Grundlage
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des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der französischen „action directe“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Kollisionsrechtliche Qualifikation der „Direktansprüche“ . 206 b) Anknüpfung des Anspruchs des Überweisenden gegen die zwischengeschaltete Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Regelanknüpfung des Art. 4 I Rom II . . . . . . . . . . 211 bb) Abweichende Anknüpfung gemäß Art. 4 III Rom II . . 213 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Problemlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
C. Widerruf des Überweisungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut . . . . . . . . . . . . 225 A. Ausländische Regelungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Der US-amerikanische § 4A-507 UCC . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. Grundlagen der Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Einheitliches Überweisungsstatut gemäß § 4A-507 (c) UCC . 228 a) Rechtswahl gemäß „funds-transfer system rule“ . . . . . . . 229 aa) Zahlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (1) CHIPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (2) Fedwire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Informationsmittler (beispielsweise SWIFT) . . . . . . 233 cc) Korrespondenzbankbeziehungen . . . . . . . . . . . . . 234 b) Subjektive Anforderungen („having notice“) . . . . . . . . . 235 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 d) Konfliktfallregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Konflikt einer „individuellen“ Rechtswahl mit einer Rechtswahl eines „funds-transfer system“ (§ 4A-507 (d) UCC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Konflikt der Rechtswahlen verschiedener „fundstransfer systems“ (§ 4A-507 (e) UCC) . . . . . . . . . . 242 3. Kritische Würdigung der Kollisionsnorm des § 4A-507 (c) UCC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Das kollisionsrechtliche Modell aus US-amerikanischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Das kollisionsrechtliche Modell aus der Perspektive eines nicht US-amerikanischen Staates . . . . . . . . . . . . . . . 248 c) Generelle Kritik an dem kollisionsrechtlichen Regelungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 II. Art. Y UNCITRAL-Modellgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
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B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“ im europäischen internationalen Überweisungsrecht . . . . . . . . . . 266 I. Der Begriff der akzessorischen Anknüpfung . . . . . . . . . . . . 266 II. Die akzessorische Anknüpfung im internationalen Vertragsrecht . 270 III. Für die akzessorische Anknüpfung vorgebrachte kollisionsrechtliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Konsistenzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Voraussehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung . . . . . 276 b) Innerer Entscheidungseinklang . . . . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Der innere Entscheidungseinklang im internationalen Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 bb) Verhältnis zum äußeren Entscheidungseinklang . . . . 281 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Kontinuitätsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Allgemeines Sachzusammenhangsinteresse . . . . . . . . . . . 288 a) Geltungsbereich des Vertragsstatuts gemäß Art. 12 I Rom I 289 b) Fremde Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Identität des vertraglichen Objekts . . . . . . . . . . . . . . 296 d) Faktische Identität der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . 299 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 IV. Bestimmung des maßgeblichen Hauptvertrags . . . . . . . . . . . 300 1. Anknüpfung an das Inkassoverhältnis (Zielstaat) . . . . . . . . 301 2. Anknüpfung an das Deckungsverhältnis (Herkunftsstaat) . . . 305 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 V. Bedenken gegen eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Anwendung einer für die Parteien eines Überweisungsverhältnisses „fremden“ Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . 309 2. Die Überweisung als Massengeschäft des täglichen Lebens . . 315 3. Durchsetzungshindernisse für eine akzessorische Anknüpfung 319 a) Bilaterale Rechtswahlvereinbarungen . . . . . . . . . . . . 319 aa) Durchbrechung der akzessorischen Anknüpfung durch Rechtswahlvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . 319 bb) Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des Art. 3 I Rom I zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung im Rahmen des internationalen Überweisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (1) Generelle Einschränkungen der Parteiautonomie . . 320 (2) Besondere Einschränkungen der Parteiautonomie in strukturellen Ungleichgewichtssituationen . . . . 322 (3) Zusammenfassende Erwägungen . . . . . . . . . . 323 b) Verbraucherbeteiligung im Deckungs- und Inkassoverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
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4. Gefahr der Erstreckung einer „fremden“ Rechtswahl auf vertragsfremde Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
6. Kapitel: Lösung der auftretenden Problemlagen auf Grundlage der „traditionellen“ Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 A. Die Anpassung als kollisionsrechtliches Instrument zur Behebung von Normenwidersprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . 329 B. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs („money-back guarantee“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 I. Anwendung des kollisionsrechtlichen Instruments der Anpassung im konkreten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 II. Erforderlichkeit der Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
C. Schadensersatz für durch zwischengeschaltete Banken verursachte „Folgeschäden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
7. Kapitel: Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 341 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Abkürzungsverzeichnis a. A. andere(r) Auffassung ABl. Nr. L Amtsblatt der Europäischen Union, Ausgabe L: Rechtsvorschriften Abs. Absatz A.C. Law Reports: Appeal Cases AcP Archiv für die civilistische Praxis a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen Ala. L. Rev. Alabama Law Review ALI The American Law Institute All E.R. All England Law Reports A.L.R. Fed. American Law Reports Annotated – Federal Alt. Alternative Anm. (d. Verf.) Anmerkung (des Verfassers) Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law App. Appendix Art. Artikel Aufl. Auflage Banking L.J. Banking Law Journal BB Betriebs-Berater BeckOGK beck-online.Großkommentar BedÜberwVerk Bedingungen für den Überweisungsverkehr (Stand 13.01.2018) BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bil. Billarde(n) BIS Bank for International Settlements BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Brüssel Ia Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen BT-Drs. Bundestagsdrucksache Bus. Law The Business Lawyer CA Cour d’appel Cal.App.4th California Court of Appeal, Fourth District
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
Cal.Rptr.3d California Reporter, Third Series Can. Bus. L.J. The Canadian Business Law Journal CC Französischer Code civil C.F.R. Code of Federal Regulations Ch. D. Law Reports: Chancery Division CHIPS Clearinghouse Interbank Payments System chron. chronique (in Recueil Dalloz) Cir. Circuit (1st, 2nd usw.) Civ. Chambre civile der Cour de Cassation Clunet Journal du Droit International Co. Company Colum. Bus. L. Rev. Columbia Business Law Review Com. Chambre commerciale der Cour de Cassation Comm. Official Comment des Uniform Commercial Code Consumer Fin. Consumer Finance Law Quarterly Report L.Q. Rep. Corp. Corporation CPMI Committee on Payments and Market Infrastructures D. Recueil Dalloz ders./dies. derselbe/dieselbe d. h. das heißt D.Mass. United States District Court for the District of Massachusetts D.S.C. United States District Court for the District of South Carolina DStR Deutsches Steuerrecht – Wochenschrift & umfassende Datenbank für Steuerberater EBA European Banking Association ebd. ebenda EFTA Electronic Funds Transfer Act EG Europäische Gemeinschaft(en) EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einl. Einleitung EPC European Payments Council E.R. English Reports ESZB Europäische System der Zentralbanken et al. et alii EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuGVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 EVÜ Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 EWR Europäischer Wirtschaftsraum EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Ex. Exchequer Reports EZB Europäische Zentralbank f./ff. folgender/folgende F.2d/3d Federal Reporter, Second Series/Third Series
Abkürzungsverzeichnis
XIX
fasc. fascicule (Heft) FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung Fed. Reg. Federal Register Fidelity L.J. Fidelity Law Journal Fn. Fußnote Fordham L. Rev. Fordham Law Review FRBNY Federal Reserve Bank of New York FRL Finalitätsrichtlinie: Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen FS Festschrift F.Supp(.3d) Federal Supplement (Third Series) G10 Gruppe der zehn führenden Industrienationen GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Hervorh. d. Verf. Hervorhebung durch Verfasser Hervorh. i. Orig. Hervorhebung im Original HGB Handelsgesetzbuch HK-BGB Handkommentar BGB h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i.a. (inter alia) u. a. ICC International Chamber of Commerce Inc. Incorporated inf. informations rapides (in Recueil Dalloz) inkl. inklusive insb. insbesondere Int‘l Law. International Lawyer IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPRspr Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts i.r. informations rapides (in Recueil Dalloz) i. S. im Sinne ITRB Der IT-Rechts-Berater i. V. m. in Verbindung mit JA Juristische Arbeitsblätter jew. jeweils jur. jurisprudence (in Recueil Dalloz) JCl. Juris-Classeur JCP Juris-Classeur périodique, La Semaine juridique J.I.B.L.R. Journal of International Banking Law and Regulation JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung K.B. Law Reports, King’s Bench Division KG Kammergericht Berlin
XX
Abkürzungsverzeichnis
KritV Kritische Vierteljahresschrift KWG Kreditwesengesetz Ky. L.J. Kentucky Law Journal LG Landgericht Ll. L. Rep. Lloyd‘s List Law Reports lit. littera (Buchstabe) Lloyd‘s Rep. Lloyd‘s Law Reports L.M.C.L.Q. Lloyd‘s Maritime and Commercial Law Quarterly ltd. limited Loy. L.A. L. Rev. Loyola University of Los Angeles Law Review L.R. Ex. Law Reports, Exchequer Cases LVTS Large Value Transfer System Mil. Million(en) M.L.R The Modern Law Review MMR MultiMedia und Recht Mrd. Millarde(n) m. w. N. mit weiteren Nachweisen nachf. Fn. nachfolgende Fußnote n. F. Neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtssprechungs-Report Zivilrecht Nr. Nummer NY New York NY-UCC New Yorker Umsetzung des UCC NZLR New Zealand Law Reports Okla. City U. L. Rev. Oklahoma City University Law Review OLG Oberlandesgericht OLGR OLG-Report P.J.B.L. Pratt’s Journal of Bankruptcy Law Pub. L. No. Public Law Number PWW Prütting/Wegen/Weinreich Q.B. Law Reports: Queen‘s Bench RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rev. dr. banc. Revue du droit bancaire Rev. trim. dr. com. Revue trimestrielle de droit commercial RG Reichsgericht RGZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer Rom I Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) Rom II Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) Rs. Rechtssache RTGS Real Time Gross Settlement (Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem)
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S. Seite s. siehe S. Afr. Mercantile L.J. South African Mercantile Law Journal S.Ct. Supreme Court SCT-Rulebook SEPA Credit Transfer Scheme Rulebook des EPC (Version 8.2) S.D.N.Y. United States District Court for the Southern District of New York Sec. Section SEPA Single Euro Payments Area SMU L. Rev. SMU Law Review somm. sommaires commentés (in Recueil Dalloz) Sonderbeil. Sonderbeilage Stat. Statute Stetson L. Rev. Stetson Law Review SWIFT Society For Worldwide Interbank Financial Telecommunication SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht TARGET2 Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System 2 T. com. Tribunal de commerce Tul. L. Rev. Tulane Law Review Tz. Textziffer u. a. unter anderem UAbs. Unterabsatz UN United Nations, Vereinte Nationen UNCITRAL United Nations Commission On International Trade Law, Kommission der Vereinten Nationen für Internationalen Handel UCC Uniform Commercial Code U.S.C. United States Code Verf. Verfasser vgl. vergleiche vorh. Fn. vorhergehende Fußnote wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht WL Westlaw W.L.R. Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen Wm. & Mary Bus. William and Mary Business Law Review L. Rev. YPIL Yearbook of Private International Law z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZDR I Zahlungsdiensterichtlinie I: Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG ZDR I-E Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2000/12/EG und 2002/65/EG
XXII ZDR II
Abkürzungsverzeichnis
Zahlungsdiensterichtlinie II: Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/ EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG ZDR II-E Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2013/36/EU und 2009/110/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZfPW Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft zzt. zurzeit
Einleitung A. Einführung Die Überweisung war mit rund 6,5 Milliarden Transaktionen mit einem Gesamtwert von ca. 51,5 Billionen Euro im Jahr 2018 das wertmäßig am stärksten genutzte Zahlungsinstrument.1 Diese herausgehobene Stellung im Zahlungsverkehr hat die Überweisung jedoch erst durch die Verbreitung der Computertechnik im Bankenverkehr insbesondere seit Mitte der 1970er-Jahre erlangt; davor war die Zahlung durch Scheck oder Wechsel stärker verbreitet.2 Trotz der heutigen Bedeutung als Zahlungsinstrument war die Überweisung deshalb eine lange Zeit weder in Deutschland noch in anderen Ländern im gesetzgeberischen Fokus. Doch mit der immer weiter zunehmenden Nutzung der Überweisung im Zahlungsverkehr sah man in vielen Staaten das geltende Recht – insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext – als inadäquat an.3 Zum einen hatte man Bedenken, dass die teilweise unklare Rechtslage insbesondere zu einer Beeinträchtigung der Verlässlichkeit dieses bargeldlosen Zahlungsinstruments für den Endkunden führen würde; zum anderen befürchtete man aber auch unangemessen große Haftungsgefahren für die Bankenwirtschaft.4 1 Zahlungsverkehrs-
und Wertpapierabwicklungsstatistiken in Deutschland 2014–2018 (Stand: September 2018), Tabellen 6a und 7a, abrufbar unter: . Transaktionsbezogen ist die Lastschrift das am stärksten genutzte Zahlungsinstrument. 2 Vgl. nur UNCITRAL-ModellG Explanatory Note 2 f.; Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 98. 3 Hierzu für die USA vgl. nur § 4A-102 UCC, Comm.; Davis, 42 Ala. L. Rev. 823 (1991), 823 betreffend Art. 4A UCC und für die EU Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 113; Grundmann, WM 2000, 2269 betreffend die Überweisungsrichtlinie (hierzu nachfolgend Fn. 5). 4 Vgl. nur Davis, 42 Ala. L. Rev. 823 (1991), 823 sowie Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 113; Grundmann, WM 2000, 2269; Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 99 f.; Troberg/Schwimann, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 73 ff. Vgl. hierzu auch die Diskussion zum US-amerikanischen Recht nach der Entscheidung in Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. S. 60 Fn. 259.
2
Einleitung
Zunächst wurden aufgrund dieser Bedenken Ende der 1980er-Jahre die „Uniform Law Commission“ und das „American Law Institute“ in den USA aktiv. Deren Bemühungen mündeten schließlich 1989 in Art. 4A UCC, der inzwischen von allen US-amerikanischen Bundesstaaten und dem „District of Columbia“ umgesetzt wurde. Fünf Jahre später, im Jahr 1994, verabschiedete die United Nations Commission On International Trade Law (UNCITRAL) das „Model Law On International Credit Transfers“5, welches maßgeblich durch vorgenannten Art. 4A UCC beeinflusst, aber mit diesem nicht identisch ist. Um auch im europäischen Binnenmarkt Überweisungen billiger, schneller und verlässlicher zu machen,6 wurde 1997 durch die damalige Europäische Gemeinschaft die Überweisungsrichtlinie (ÜRL)7 verabschiedet. Diese wurde inzwischen durch die Zahlungsdiensterichtlinien ersetzt. Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (ZDR II) vom 25.11.2015 erfasst nunmehr grundsätzlich auch Überweisungen in oder aus Drittstaaten, wobei die Beantwortung wichtiger zivilrechtlicher Haftungsfragen weiterhin dem nationalen Gesetzgeber überantwortet wird.8 In Deutschland sind die umgesetzten zivilrechtlichen Regelungen größtenteils mit Wirkung zum 13.01.2018 in Kraft getreten.9 Die rechtliche Struktur von Überweisungen setzt den vorgenannten Bemühungen der einzelnen Gesetzgeber jedoch von Anfang an enge Grenzen. Strukturell bestehen Überweisungen nämlich aus einzelnen bilateralen Rechtsverhältnissen zwischen den eine Überweisung ausführenden Banken beziehungsweise ihren Kunden.10 „Traditionell“ werden diese einzelnen Überweisungsverhältnisse kollisionsrechtlich gesondert angeknüpft; das heißt, dass für jedes Überweisungsverhältnis das anwendbare Recht gesondert zu ermitteln ist.11 Unter Umständen kann deshalb eine Vielzahl von Rechtsordnungen bei einem einzigen Überweisungsvorgang Bedeutung erlangen. Durch die vorgenannten gesetzgeberischen Aktivitäten ist für viele Überweisungsvorgänge die frühere Rechtszersplitterung innerhalb der jeweiligen Geltungsbereiche der Rechtsakte (teilweise) beseitigt. Soll nun jedoch beispielsweise eine Überweisung durch eine in Deutschland ansässige Bank zu einer in den USA ansässigen Bank getätigt werden, finden mit den umgesetzten Vorschriften 5 Das UNCITRAL-Modellgesetz ist abrufbar unter . Zum Modellgesetz noch unten S. 70 ff. 6 Grundmann, WM 2000, 2269. 7 Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.01.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, ABl. Nr. L 047 vom 14.02.1997, S. 25 ff. 8 Hierzu noch unten S. 15 ff. 9 Art. 15 des Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie, BGBl. 2017 I 48 S. 2446 ff. Vgl. auch Art. 229 § 45 EGBGB. 10 Hierzu noch unten S. 7 ff. 11 Hierzu noch unten S. 135 ff.
B. Gang der Untersuchung
3
der ZDR II und von Art. 4A UCC – bei traditioneller kollisionsrechtlicher Anknüpfung – aber höchstwahrscheinlich wieder zumindest zwei unterschiedliche Regelungsregime auf den Überweisungsvorgang Anwendung; gegebenenfalls erlangen sogar weitere Rechtsordnungen Relevanz. Durch diese, auch heute noch bestehende Rechtszersplitterung können Konflikte, das heißt Normenwidersprüche, zwischen den Regelungsmodellen der anwendbaren Rechtsordnungen bei einem Überweisungsvorgang auftreten. Es wurde und wird insofern sogar teilweise befürchtet, dass diese Konflikte mittels traditioneller kollisionsrechtlicher Methodik nicht zu lösen seien. Die vorliegende Arbeit ist deshalb dem Ziel gewidmet, zu untersuchen, ob und in welchen Fällen Normenwidersprüche bei einem fehlerhaft ausgeführten Überweisungsvorgang entstehen können und wie mit gegebenenfalls auftretenden Normenwidersprüchen kollisionsrechtlich umgegangen werden kann. Ein ganz besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Untersuchung der Möglichkeit der Bildung eines „einheitlichen Überweisungsstatuts“, mittels dem Normenwidersprüche von vornherein vermieden werden. Bei der Bildung eines einheitlichen Überweisungsstatuts wird für den gesamten Überweisungsvorgang ein einziges Statut gebildet, also grundsätzlich auf sämtliche bilateralen Überweisungsverhältnisse, aus denen der Überweisungsvorgang besteht, dasselbe Recht angewendet. In Deutschland möchte ein Teil der Literatur dieses Resultat mittels der „Lehre von der akzessorischen Anknüpfung“ verwirklichen. Untersucht werden jedoch auch ausländische Ansätze zur Bildung eines einheitlichen Überweisungsstatuts. Ein ganz besonderer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt sodann darauf, zu untersuchen, ob die Bildung eines einheitlichen Überweisungsstatuts im Kollisionsrecht erforderlich oder zumindest angemessen und interessengerecht ist.
B. Gang der Untersuchung Im ersten Kapitel dieser Arbeit werden die materiellen Regelungen des Überweisungsrechts verschiedener Rechtsordnungen dargestellt – angefangen mit der deutschen Rechtsordnung, wobei hier insbesondere die Rechtslage nach Umsetzung der ZDR II im Fokus steht. Weiterhin wird das französische und englische drittstaatenbezogene Überweisungsrecht, also betreffend Überweisungen in oder aus Drittstaaten, untersucht. Hierbei wird teilweise noch der Zustand vor Umsetzung der ZDR II in den Blick genommen, soweit die Rechtslage nach Umsetzung der ZDR II betreffend drittstaatenbezogene Überweisungen noch nicht gesichert ermittelt werden kann. Zudem ist zur Untersuchung möglicher Normenkonflikte der Rechtszustand vor der (teilweisen) Rechtsvereinheitlichung für grenzüberschreitende Überweisungen mit Drittstaaten von besonderer Bedeutung. Schließ-
4
Einleitung
lich wird das Regelungsmodell des US-amerikanischen Art. 4A UCC und des UNCITRAL-Modellgesetzes dargestellt. Im zweiten Kapitel wird das Augenmerk auf die Rationalisierung des Überweisungsverkehrs und deren Auswirkungen auf die zuvor dargestellten rechtlichen Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs gerichtet. Zu den Rationalisierungsmaßnahmen gehört insbesondere die zentralisierte Abwicklung des Überweisungsverkehrs über Zahlungssysteme, wie es sie innerhalb Europas beispielsweise mit TARGET2 oder EURO1 und in den USA insbesondere mit CHIPS und Fedwire gibt. Schließlich werden die Bedeutung der SEPA mit den SEPA-Rulebooks und die Bedeutung sonstiger Rahmenverträge am Beispiel von SWIFT aufgezeigt. Im dritten Kapitel werden die kollisionsrechtlichen Grundlagen von grenzüberschreitenden Überweisungen dargestellt. Zunächst steht hierbei der herkömmliche Überweisungsverkehr unter ausschließlichem Einsatz von Korrespondenzbanken im Fokus. Es werden insbesondere die gegen das Anknüpfungsmoment der charakteristischen Leistung im speziellen Kontext des (grenzüberschreitenden) Überweisungsverkehrs vorgebrachten Argumente kritisch untersucht. Im Anschluss wird die zum deutschen Recht entwickelte „Lehre vom Netzvertrag“ einer kollisionsrechtlichen Würdigung unterzogen und ermittelt, ob durch dieses sachrechtliche Institut eine kollisionsrechtliche Vereinheitlichung des anwendbaren Rechts erreicht werden kann. Abschließend werden die kollisionsrechtlichen Besonderheiten bei der Verwendung von Zahlungssystemen dargestellt und die Bedeutung einer Rechtswahl in „Interbankenabkommen“ (an den Beispielen SEPA-Rulebook und SWIFT) auf die Ermittlung des anwendbaren Rechts betreffend die einzelnen Überweisungsverhältnisse untersucht. Im vierten Kapitel werden auf Grundlage der bisherigen Untersuchung zu den nationalen Regelungsmodellen im Überweisungsrecht und auf Grundlage der gesonderten kollisionsrechtlichen Anknüpfung die Situationen herausgearbeitet, in denen es im Falle fehlerhafter Ausführung von grenzüberschreitenden Überweisungen zu Normenwidersprüchen zwischen den verschiedenen auf die einzelnen Rechtsverhältnisse innerhalb des Überweisungsvorgangs anwendbaren Rechtsordnungen kommen kann. Es geht insbesondere darum, Situationen zu identifizieren, in denen es aufgrund des Zusammenspiels verschiedener Rechtsordnungen zu einem Ergebnis kommen kann, welches keine der im Einzelfall anwendbaren Rechtsordnungen – für sich selbst betrachtet – vorsieht. In der Sache wird der Schwerpunkt der Untersuchung auf die Erstattungspflicht hinsichtlich des Überweisungsbetrags bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs und auf eine etwaige Ersatzpflicht bei Mangelfolgeschäden gelegt. Anweisungsfehler durch den Bankkunden selbst werden nicht untersucht.
B. Gang der Untersuchung
5
Im fünften Kapitel werden sodann die Ansätze hinsichtlich eines einheitlichen Überweisungsstatuts für den gesamten Überweisungsvorgang, mit denen die vorstehend aufgezeigten Problemlagen von vornherein vermieden werden, dargestellt und kritisch gewürdigt. Ausgangpunkt der Untersuchung bildet das Regelungsmodell des US-amerikanischen § 4A-507 (c) UCC. Nach dieser Vorschrift unterliegt aus US-amerikanischer Perspektive unter bestimmten Voraussetzungen der gesamte Überweisungsvorgang dem durch ein Zahlungssystem gewählten Recht. Diese Regelung ist die derzeit einzige gesetzte Kollisionsnorm, die ausdrücklich ein einheitliches Überweisungsstatut anordnet. Sie bildet daher den inhaltlichen Schwerpunkt dieses Teils der Arbeit. Abschließend wird jedoch auch die kollisionsrechtliche Regelung des UNCITRAL-Modellgesetzes, welches maßgeblich durch Art. 4A UCC beeinflusst ist, dargestellt, da insofern verbreitet angenommen wird, dass auch das UNCITRAL-Modellgesetz ein einheitliches Überweisungsstatut vorsieht. Schließlich wird der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“ im europäischen internationalen Überweisungsrecht dargestellt. Hierzu wird zunächst auf den Begriff und die Grundlagen der akzessorischen Anknüpfung eingegangen. Im Anschluss daran setzt sich die Arbeit kritisch mit den – spezifisch im überweisungsrechtlichen Kontext vorgebrachten – Argumenten, das heißt kollisionsrechtlichen Interessen, für eine akzessorische Anknüpfung auseinander. Da es bei der akzessorischen Anknüpfung erforderlich ist, einen Hauptvertrag zu bestimmen, an den die übrigen Verträge in der Überweisungskette anknüpfen, wird anschließend untersucht, nach welcher Methodik die Vertreter einer akzessorischen Anknüpfung im Überweisungsrecht diesen Hauptvertrag ermitteln. Schließlich werden die Argumente, die gegen eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht sprechen, entwickelt. Im sechsten Kapitel werden die bereits im vierten Kapitel dargestellten Problemlagen erneut aufgegriffen und es wird untersucht, inwiefern diese einer Lösung im Sinne eines nachträglichen korrigierenden Eingriffs bedürfen beziehungsweise wie diese Lösung auf Grundlage traditioneller kollisionsrechtlicher Methodik erfolgen könnte. Im siebten Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit noch einmal zusammengefasst. Es erfolgt eine abschließende Würdigung der kollisionsrechtlichen Problemlagen im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr.
1. Kapitel
Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs A. Das Korrespondenzbankensystem Die Teilnahme am Überweisungsverkehr setzt grundsätzlich voraus, dass sowohl der Überweisende als auch der Überweisungsempfänger ein (Giro-)Konto bei einer Bank unterhalten. Strukturell kann zwischen Überweisungsvorgängen unterschieden werden, bei denen der Überweisende und der Überweisungsempfänger ihr Konto bei derselben Bank haben, und solchen, bei denen sie ihre Konten bei zwei verschiedenen Banken haben. Haben der Überweisende und der Überweisungsempfänger ihr Konto bei derselben Bank, handelt es sich um eine „innerbetriebliche“ Überweisung.1 Werden die Konten bei derselben Filiale geführt, liegt eine sogenannte „Hausüberweisung“ vor.2 Führen hingegen (rechtlich unselbständige) Filialen derselben Bank die Konten, spricht man von einer „Filialüberweisung“.3 Aus rechtlicher Perspektive können bei einer innerbetrieblichen Überweisung grundsätzlich drei voneinander zu unterscheidende Rechtsverhältnisse identifiziert werden: Der rechtliche Grund der Überweisung liegt regelmäßig im sogenannten „Valutaverhältnis“ zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger begründet.4 Für die nachfolgende Untersuchung wird vom Regelfall ausgegangen, 1 Wahlers, Zahlungssysteme, S. 74. Im angloamerikanischen Raum „in-house“ transfer (Burrows, English Private Law, Rn. 14.95; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Bank ing Law, S. 564) oder auch „book transfer“ (Art. 4A UCC, Prefatory note; Hene, Consumer Fin. L.Q. Rep. 331 (2010), 333) genannt. 2 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 309; MünchKomm/Herresthal, Giroverhältnis Rn. A 105; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 5; Möschel, AcP 186 (1986), 187, 193; Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.11; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 30; Vollrath, Die Endgültigkeit bargeldloser Zahlungen, S. 9. 3 MünchKomm/Herresthal, Giroverhältnis Rn. A 105; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 45; Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.11; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 6. Wenn allerdings nur eine zentrale Buchungsstelle des Zahlungsdienstleisters für den innerbetrieblichen Zahlungsverkehr zuständig ist, ergibt sich kein Unterschied zu einer Hausüberweisung. 4 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 314; MünchKomm/Casper, Vor § 675c BGB Rn. 13; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 12 Rn. 4; Mayen, in: Schimansky u. a.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
dass die Überweisung der Tilgung einer Forderung aus dem Valutaverhältnis dient. Vom Valutaverhältnis ist das „Deckungsverhältnis“ zwischen dem Überweisenden und der Bank zu unterscheiden,5 welches meist durch einen Girovertrag begründet wird (aufgrund der Vereinheitlichung des Zahlungsdiensterechts der EU bei Verbrauchern nun auch verallgemeinert als „Zahlungsdiensterahmenvertrag“ bezeichnet)6.7 Komplementiert wird das „Dreieck“ zwischen Bank, Überweisendem und Überweisungsempfänger durch das „Inkassoverhältnis“ zwischen dem Überweisungsempfänger und der Bank. Auch dem Inkassoverhältnis liegt grundsätzlich ein Girovertrag zu Grunde.8 Rechtstatsächlich wird bei einer innerbetrieblichen Überweisung die Überweisung durch eine „betriebsinterne“ Umbuchung des Bankguthabens ausgeführt.9 Der Unterschied zwischen einer Haus- und einer Filialüberweisung besteht grundsätzlich nur aus bankbetrieblicher Sicht. Dieser liegt in der Anzahl der involvierten (internen) Buchungsstellen begründet; während bei der Hausüberweisung lediglich eine Buchungsstelle eingeschaltet wird, sind es bei der Filialüberweisung mindestens zwei.10 Sowohl bei einer Haus- als auch bei einer Filialüberweisung „verlässt“ die Überweisung jedoch nicht die rechtliche Sphäre der (ausführenden) Bank. Aus rechtlicher Sicht besteht somit kein Unterschied zwischen der Haus- und der Filialüberweisung.11 Im Folgenden wird deshalb allgemein der Begriff „innerbetriebliche“ Überweisung als Überbegriff für die Haus- und Filialüberweisung verwendet.
(Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 20. Keinesfalls ist die Existenz eines Valutaverhältnisses zwingend notwendig. Ein Valutaverhältnis existiert beispielsweise nicht, wenn der Überweisende nur Geld zwischen eigenen Konten transferiert. 5 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 314; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 20; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 8. 6 Hierzu unten S. 22. 7 Vgl. Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 8. Siehe zum Girovertrag S. 12 ff. 8 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 314 f.; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 20; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 8. 9 BGH 30.11.1951, NJW 1952, 499; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 7; Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.11; MünchKomm/Herresthal, Giroverhältnis Rn. A 105; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 30; Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 187. Vgl. auch Burrows, English Private Law, Rn. 14.95. Zur rechtlichen Bedeutung des Buchungsakts, vgl. unten S. 29, 35. 10 Zwingend ist dies bei Einschaltung von Filialen eines einzigen Zahlungsdienstleisters jedoch nicht. Auch dann kann die Überweisung nur durch die Einschaltung einer einzigen zentralen Buchungsstelle innerhalb des Zahlungsdienstleisters ausgeführt werden. Dann liegt aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Hausüberweisung vor. 11 Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.11; auch BGH 30.11.1951, NJW 1952, 499.
A. Das Korrespondenzbankensystem
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In den allermeisten Fällen haben der Überweisende und der Überweisungsempfänger ihre Konten jedoch bei zwei verschiedenen, rechtlich selbständigen Banken. Eine Überweisung wird dann im „außerbetrieblichen“ Überweisungsverkehr bewirkt.12 Zur Ausführung der Überweisung ist dann grundsätzlich erforderlich, dass beide Banken in einer „Korrespondenzbeziehung“,13 also wiederum in einer Girobeziehung zueinander stehen.14 Die im Abschnitt zum innerbetrieblichen Überweisungsverkehr beschriebenen Rechtsverhältnisse werden durch dieses „Interbankenverhältnis“ ergänzt.15 Bei einer außerbetrieblichen Überweisung kann die Überweisung – im Interbankenverhältnis – durch eine Belastung des Kontos der Bank des Überweisenden oder durch eine Gutschrift auf dem Konto der Bank des Empfängers durchgeführt werden. Auf diese Weise wird der Bank des Überweisungsempfängers der Überweisungsbetrag – insofern wird auch der Begriff der „Deckung“ verwendet – zur Gutschrift auf dem Empfängerkonto verschafft.16 Besteht hingegen zwischen der Bank des Überweisenden und der Bank des Überweisungsempfängers keine Girobeziehung, müssen grundsätzlich eine weitere oder mehrere weitere Banken in entsprechender Weise zwischengeschaltet werden, sodass vom Überweisenden bis hin zum Überweisungsempfänger eine durchgehende „Kette“ girovertraglich miteinander ver12 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 19; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 309; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 46; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 6; Schröter, ZHR 151 (1987), 118, 122; auch als institutsübergreifender Zahlungs-/Überweisungsverkehr bezeichnet, Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.12. Im anglo-amerikanischen Raum „inter-bank“ transfer genannt, siehe Burrows, English Private Law, Rn. 14.95; Ellinger/Lomnicka/ Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 564. 13 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 309 f.; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 48 Rn. 10; Riedl, Der bankbetriebliche Zahlungsverkehr, S. 13, vgl. auch Büschgen, Bankbetriebslehre, S. 420; Hadding/Häuser/Haug, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 51a Rn. 1. Im aufgezeigten Fall werden die beiden Zahlungsdienstleister auch als „Korrespondenten“ voneinander bezeichnet. Im beschriebenen Fall sind sie sogar sog. „A-Korrespondenten“. „B-Korrespondenten“ sind dahingegen solche Zahlungsdienstleister zwischen denen keine Kontoverbindung besteht, die jedoch eine Agenturvereinbarung miteinander abgeschlossen haben. In dieser Vereinbarung können Kreditlinien oder allgemein Bestimmungen enthalten sein, wann eine Überweisung auszuführen ist. Siehe hierzu Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 7. 14 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 387; Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 39; Werner, WM 2014, 243, 247. 15 Auch „Interbankenverhältnis“ genannt, vgl. Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 234. Siehe auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 385; MünchKomm/ Casper, Vor § 675c BGB Rn. 13; Hadding/Häuser/Haug, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 51a Rn. 1; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 20; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 8. 16 Vgl. nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 309.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
bundener Banken entsteht;17 eine solche Überweisung wird deshalb auch als „mehrgliedrig“18 oder als „Kettenüberweisung“19 bezeichnet. Der Überweisungsauftrag (und die zur Ausführung erforderliche Deckung) werden von Bank zu Bank über die Korrespondenzbeziehungen bis zur Bank des Überweisungsempfängers „weitergereicht“.20 Diese schreibt ihn wiederum durch Umbuchung dem Überweisungsempfänger gut.
17 Bettschart, Virement en chaîne et assignation bancaire, S. 235; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, vor § 675c BGB Rn. II 29; Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 206; Hüffer, ZHR 151 (1987), 93, 98; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 7. Vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 29; Heermann, KritV 89 (2006), 173, 177; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 74. 18 Dem Begriff des „mehrgliedrigen Überweisungsverkehrs“ wird jedoch nicht das soeben aufgezeigte Begriffsverständnis beigelegt. Dies hat wohl damit zu tun hat, dass die Überweisung an der Schnittstelle zweier Forschungsgebiete liegt. So wird in der Bankbetriebswirtschaft schon dann von einer mehrgliedrigen Überweisung gesprochen, wenn mehrere Buchungsstellen in den Überweisungsvorgang eingeschaltet sind (wie z. B. auch bei der Filialüberweisung). Für rechtswissenschaftliche Fragestellungen ist eine derartige Differenzierung jedoch weniger geeignet, da sich aus rechtlicher Sicht die Filial- von der Hausüberweisung nicht unterscheidet (hierzu oben S. 8). Dennoch wird teilweise das vorstehende bankbetriebswirtschaftliche Begriffsverständnis auch für den rechtswissenschaftlichen Diskurs übernommen, so Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 385; auch Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 6; Wahlers, Zahlungssysteme, S. 74 Fn. 3). Von anderen Autoren wird der Begriff der „mehrgliedrigen Überweisung“ jedoch synonym zur außerbetrieblichen Überweisung verstanden (Bischoff, SZIER 1993, 285, 288; Stille, Europäische Prinzipien bei der rechtlichen Behandlung von Banküberweisungen, S. 25; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 12 Rn. 4; Vollrath, Die Endgültigkeit bargeldloser Zahlungen, S. 9). Wieder andere Autoren verstehen unter mehrgliedrigen Überweisungen solche, die unter Einschaltung mindestens einer zwischengeschalteten Bank erfolgen, sodass insgesamt mindestens drei Banken in den Überweisungsvorgang involviert sind (vgl. Einsele, AcP 199 (1999), 145, 147; Bamberger/Roth/ Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675f BGB Rn. 30; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 39; vgl. auch Schwintowski, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht, § 8 Rn. 8). Das letztgenannte Begriffsverständnis legt das für den Zweck der vorliegenden Untersuchung geeignetste Differenzierungskriterium zugrunde, weshalb ihm gefolgt wird. 19 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 79; Bischoff, SZIER 1993, 285, 288; Hadding/Häuser/Haug, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 51a Rn. 1; Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.12; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 30; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 39, vgl. auch Möschel, AcP 186 (1986), 187, 193. Der Begriff der Kettenüberweisung wird in der vorliegenden Arbeit als Synonym zum „mehrgliedrigen Überweisungsverkehr“ verstanden, vgl. vorh. Fn. (so auch Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 39). 20 Keinesfalls sollte man allerdings aufgrund der Verwendung des Begriffs der Deckung den Überweisungsbetrag in der rechtlichen Vorstellung „vergegenständlichen“. Zur rechtlichen Konstruktion dieses „Transfers“ unten S. 36.
A. Das Korrespondenzbankensystem
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Die Struktur einer Überweisung stellt sich jedoch nicht stets als eine solche „eindimensionale“ sukzessive Abfolge von Giroverhältnissen vom Überweisenden bis hin zum Überweisungsempfänger dar. Eine Bank kann den Überweisungsauftrag auch an eine nachfolgende Bank, zum Beispiel die Bank des Überweisungsempfängers, weiterleiten, jedoch die erforderliche Deckung über eine dritte Bank zur Verfügung stellen.21 Die dritte Bank wird in diesem Fall auch als Remboursbank bezeichnet.22 Während der Überweisungsauftrag in diesem Fall wie üblich „eindimensional“ auf der „Grundebene“ weitergleitet wird, erfolgt die Deckungsverschaffung über einer weitere, eine zweite Ebene. Eine entsprechende „Konfiguration“ findet sich häufig bei Fremdwährungsüberweisungen.23 Ein entsprechender Sachverhalt lag zum Beispiel einer Entscheidung des OLG Köln vom 04.09.2013 zugrunde.24 Vereinfacht lauten die Fakten des Falles wie folgt: Ein im Iran ansässiges Unternehmen beauftragte eine iranische Bank, 1.166.936,87 US-Dollar auf ein Konto der E AG bei einer deutschen Bank zu überweisen. Als Korrespondenzbank schaltete die iranische Bank eine Bank in Frankreich ein. Diese leitete den Überweisungsauftrag wiederum an die deutsche Bank weiter. Die für den Überweisungsauftrag erforderliche Deckung in US-Dollar sollte der deutschen Bank jedoch über eine gemeinsame US-amerikanischen Korrespondenzbank zur Verfügung gestellt werden. Einen entsprechenden Auftrag erteilte die französische Bank auch. Zu einer Gutschrift auf dem Konto der deutschen Bank bei der gemeinsamen US-amerikanischen Korrespondenzbank kam es jedoch niemals, da die US-Behörden den eigenen Banken in der Zwischenzeit untersagt hatten, Transaktionen der betreffenden iranischen Bank auszuführen, da Letzterer eine Beteiligung an der Finanzierung des iranischen Atomprogramms vorgeworfen wurde. Die deutsche Bank, die dem Konto der E AG den Überweisungsbetrag bereits gutgeschrieben hatte, verlangte Zahlung des Überweisungsbetrages von der französischen Bank.
Im dargestellten Fall lassen sich zwei voneinander getrennte Überweisungsvorgänge unterscheiden. Der erste wurde von dem iranischen Unternehmen durch 21 Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 9; Hadding/Häuser/Haug, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 51a Rn. 9; Preuß/Theyssen, in: Hagen u. a. (Hrsg.), Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 624 (Abb. 161). Vgl. wohl ebenfalls, wenn auch weit weniger deutlich, Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 88. 22 Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 9. Auf dieser zweiten Ebene des Überweisungsvorgangs können beliebige weitere zusätzliche Banken zwischengeschaltet sein. Auch hier muss jedoch eine geschlossene „Überweisungskette“ vom Absender bis zum Überweisungsempfänger des zweiten Überweisungsauftrags entstehen. 23 Es wird in seinem solchen Fall auch von einem „u-turn“ über den Staat der Fremdwährung gesprochen, vgl. nur Bettschart, Virement en chaîne et assignation bancaire, S. 65; Bischoff, SZIER 1993, 285, 289; Bischoff, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 346; Giovanoli, in: Effros (Hrsg.), Current Legal Issues Affecting Central Banks, 25A. S. 520; Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Bank ing, S. 206. 24 OLG Köln 04.09.2013, BeckRS 2013, 21122.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
Überweisungsauftrag eingeleitet. Dieser wurde von der iranischen Bank an die französische weitergeleitet, die ihn wiederum an die Empfängerbank in Deutschland weiterleitete. Parallel hierzu wurde ein weiterer Überweisungsvorgang von der französischen Bank ausgelöst. Die französische Bank erteilte nämlich ihrer US-amerikanischen Korrespondenzbank den Überweisungsauftrag, der deutschen Bank den Überweisungsbetrag gutzuschreiben. Dieser von dem Überweisungsauftrag auf der „Grundebene“ zu trennende, separate Überweisungsauftrag bezweckte die Bereitstellung von Deckung zugunsten der deutschen Bank.25 In dem Dreiecksverhältnis der französischen, US-amerikanischen und deutschen Banken ist das Interbankenverhältnis zwischen den beiden Banken auf der „Grundebene“ das Valutaverhältnis, das Verhältnis zwischen der den Überweisungsauftrag im Valutaverhältnis weiterleitenden Bank und der Remboursbank das Deckungsverhältnis und das Verhältnis zwischen der Remboursbank und der den Überweisungsauftrag im Valutaverhältnis in Empfang nehmenden Bank das Inkassoverhältnis.
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie Innerhalb der EU und des EWR ist aufgrund der vollharmonisierenden Zahlungsdiensterichtlinien (ZDR I und inzwischen ZDR II) das Zahlungsdiensterecht weitgehend vereinheitlicht. Im Folgenden wird zunächst die Reichweite der Vereinheitlichung des Zahlungsdiensterechts und dessen Bedeutung für den Überweisungsverkehr aufgezeigt. I. Grenzen der Rechtsvereinheitlichung innerhalb der Europäischen Union Die Zahlungsdiensterichtlinien haben das Überweisungsrecht nicht gesondert geregelt, sondern in das System der Zahlungsdienste eingebettet. So ist auch die Erbringung von Überweisungen als Zahlungsdienst gemäß Art. 1 II, 4 Nr. 3 in Verbindung mit Anhang I (dort III lit. c und IV lit. c) ZDR II Regelungsgegenstand der Zahlungsdiensterichtlinien.26 Die im Nachfolgenden verwendete Terminologie entspricht derjenigen der beiden Zahlungsdiensterichtlinien. Grundsätzlich sind sowohl die Bank des Überweisenden als auch diejenige des Überweisungsempfängers als Zahlungsdienstleister zu verstehen, während der
25 Vgl. zu dieser Strukturüberlegung auch Art. 2 (a) UNCITRAL-Modellgesetz, abgedruckt unten S. 71. 26 Vgl. auch Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 5. In der ZDR I war die Aufzählung der erfassten Zahlungsdienste in Anhang III enthalten.
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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Überweisende und der Überweisungsempfänger selbst Zahlungsdienstnutzer sind. Doch erfassen die Zahlungsdiensterichtlinien nicht jeglichen Überweisungsvorgang. Im Folgenden soll zunächst aufgezeigt werden, welche Überweisungsvorgänge von den Zahlungsdiensterichtlinien erfasst sind und wie die Umsetzung ins nationale Recht durch den deutschen Gesetzgeber erfolgt ist. Ein besonderes Augenmerk gilt hierbei der Erweiterung des Anwendungsbereichs des europäischen Zahlungsdiensterechts durch die ZDR II. 1. Die erste Zahlungsdiensterichtlinie (ZDR I) und die Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber Gemäß Art. 2 ZDR I waren die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, für sämtliche Zahlungsvorgänge das in der ZDR I enthaltene zivilrechtliche Regelungsregime umzusetzen. Aus Art. 2 I ZDR I folgte vielmehr, dass die Mitgliedstaaten das zivilrechtliche Regelungsregime in Titel III („Transparenz der Vertragsbedingungen und Informationspflichten für Zahlungsdienste“) und Titel IV („Rechte und Pflichten bei der Erbringung und Nutzung von Zahlungsdiensten“) nur für solche Zahlungsvorgänge in nationales Recht umsetzen mussten, bei denen sowohl der Zahlungsdienstleister des Zahlers als auch derjenige des Zahlungsempfängers in der Union ansässig waren (sogenannte „two-leg transactions“)27. Eine weitere Einschränkung ergab sich aus Art. 2 II ZDR I. Grundsätzlich waren gemäß Art. 2 II ZDR I nur Zahlungsdienste, die in Euro oder in einer anderen Währung eines Mitgliedstaats lauteten, von den oben genannten Titeln III und IV ZDR I erfasst. Eine gegenständliche und räumliche Erweiterung hat der Anwendungsbereich der ZDR I durch das „Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum“28 (EWR-Abkommen) erfahren. Die ZDR I gehört nämlich gemäß Art. 36 II i. V. m. Anhang IX Nr. 16e EWR-Abkommen zum übernommenen europarechtlichen Sekundärrecht („acquis communautaire“). Folglich waren nicht nur die Mitgliedstaaten der EU, sondern auch die EWR-Staaten einschließlich deren Währungen in den Anwendungsbereich der Richtlinie inkorporiert. Zusammenfassend bedeutete dies, dass vom Anwendungsbereich der ZDR I Zahlungsdienste in oder aus Staaten, die nicht dem EWR angehörten („Drittstaaten“, im Folgenden auch als drittstaatenbezogene Zahlungsdienste oder Über27 Vgl.
Hingst/Lösing, BKR 2014, 315, 316. Veröffentlicht in BGBl. 1993 II S. 266 ff. Die aktuelle Fassung (mit konsolidierten Anhängen und Protokollen) ist über abrufbar. EWR-Mitgliedstaaten sind alle Staaten der EU sowie Island, Liechtenstein und Norwegen (vgl. Präambel EWR-Abkommen). 28
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
weisungen oder „one-leg transactions“ bezeichnet), und Zahlungsdienste in Währungen eines Staates, der nicht zum EWR gehörte („Drittstaatenwährung“, im Folgenden auch als drittwährungsbezogene Zahlungsdienste oder Überweisungen bezeichnet), vom Anwendungsbereich der ZDR I ausgenommen waren. So unterfiel zum Beispiel eine Euroüberweisung einer in Deutschland ansässigen Person mittels ihrer Wohnsitzsparkasse in die Schweiz nicht dem Regelungsregime des Titels IV ZDR I, da die Schweiz weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch des EWR ist. Es spielte insofern keine Rolle, dass die Schweiz an der SEPA teilnimmt.29 Selbst innerbetriebliche Überweisungen über einen im EWR ansässigen Zahlungsdienstleister waren vom zivilrechtlichen Regelungsregime des Titels IV ZDR I ausgenommen, wenn sie in einer Drittstaatenwährung erfolgten. Hingegen wurde eine Überweisung von Dänemark nach Island in Dänischen Kronen von der ZDR I erfasst. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten hatte der deutsche Gesetzgeber die ZDR I allerdings überschießend umgesetzt.30 Im Grundsatz galten sämtliche Vorschriften des Zahlungsdiensterechts in den §§ 675c ff. BGB a. F., die den Titel IV ZDR I umsetzten, sowohl für rein nationale Zahlungsvorgänge, für Zahlungsvorgänge mit reinem europäischen Binnenbezug als auch für Zahlungsvorgänge mit Drittstaaten- bzw. Drittwährungsbezug.31 Von den §§ 675c ff. BGB a. F. durften die am Zahlungsvorgang Beteiligten gemäß § 675e I BGB a. F. nicht zum Nachteil der Zahlungsdienstnutzer abweichen. Abweichungen zum Vorteil des Zahlungsdienstnutzers waren hingegen im Umkehrschluss zu § 675e I BGB a. F. möglich (sogenanntes „halbzwingendes Recht“).32 Für Zahlungsdienste mit Drittstaaten- oder Drittwährungsbezug (vergleiche § 675d I S. 2 BGB a. F.) waren jedoch einige umgesetzte Bestimmungen des Titels IV ZDR I nicht anwendbar (§§ 675e II S. 1 Hs. 1 BGB a. F.). Dies betraf unter anderem das „Kernstück“33 der Regelung des Titels IV ZDR I – die sogenannte „money-back guarantee“ des Art. 75 I UAbs. 2 ZDR I (umgesetzt in § 675y I BGB a. F.). An die Stelle dieser Regelungen trat – sofern individualvertraglich oder durch AGB nichts Abweichendes vereinbart wurde – das allgemeine Geschäftsbesorgungsrecht des BGB (vergleiche §§ 675c I, 663, 665 bis 670 29 Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der SEPA ist lediglich die Gleichwertigkeit der gesetzlichen Rahmenbedingungen (vgl. Ziff. 5.1, 3. Spiegelstr. SCT-Rulebook, zum Rulebook S. 128 ff.). Auch Monaco und San Marino gehören zur SEPA. 30 Spindler/Zahrte, BKR 2014, 265, 266; MünchKomm/Casper, § 675e BGB Rn. 4, 11. 31 Vgl. nur MünchKomm/Casper, § 675e BGB Rn. 4 ff. Vgl. auch BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 37. 32 MünchKomm/Casper, § 675e BGB Rn. 1; Palandt/Sprau, § 675e BGB Rn. 1 (78. Aufl. 2019); BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 5. 33 Vgl. nur Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675y BGB Rn. 1; MünchKomm/ Zetzsche, § 675y BGB Rn. 1.
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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und 672 bis 674 BGB).34 Bei anderen Vorschriften war zudem das Verbot, zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers von diesen abzuweichen, aufgehoben (vergleiche §§ 675e II S. 2 Hs. 1 BGB a. F.). Die gemäß § 675e II S. 2 BGB a. F. abbedungenen Regelungen entfalteten jedoch – im Gegensatz zu den durch § 675e II S. 1 BGB a. F. für nicht anwendbar erklärten Regelungen – weiterhin Leitbildcharakter für eine potenzielle Inhaltskontrolle im Rahmen einer AGB-Prüfung.35 Gemäß § 675e II BGB a. F. wurden Zahlungsvorgänge aus oder in einen Drittstaat in Euro oder einer EWR-Währung und Zahlungsvorgänge in Drittstaatenwährungen in einem Punkt unterschiedlich behandelt. Während für Zahlungsvorgänge in Drittstaatenwährungen § 675t I BGB a. F., der die Verfügbarkeit und das Wertstellungsdatum von eingegangenen Überweisungen regelte, nicht galt, war bei drittstaatenbezogenen Zahlungsvorgängen in Euro oder einer anderen EWR-Währung § 675t I S. 1, 2, III BGB a. F. anwendbar und nicht zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abdingbar. 2. Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (ZDR II) a) Ausweitung des Anwendungsbereichs des europäischen Zahlungsdiensterechts in der ZDR II Wie soeben dargestellt, fielen „one-leg transactions“36, bei denen ein Zahlungsdienstleister in der Union, der andere jedoch in einem Drittstaat ansässig ist, nicht in den Anwendungsbereich der ZDR I.37 Dem nationalen Gesetzgeber wurden insbesondere für solche Überweisungen und Überweisungen in Drittstaatenwährungen grundsätzlich der eigene Gestaltungsspielraum belassen. Neben kompetenzrechtlichen Bedenken38 gab es auch politische Gründe, insbesondere die Befürchtung von Wettbewerbsnachteilen für die Bankenwirtschaft, „one-leg transactions“ aus dem Anwendungsbereich der ZDR I auszuklammern. Deshalb 34 MünchKomm/Casper,
§ 675e BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017); Palandt/Sprau, § 675e BGB Rn. 2 (78. Aufl. 2019); BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 32. 35 BT-Drs. 16/11643, S. 101; MünchKomm/Casper, § 675e BGB Rn. 5 f. (7. Aufl. 2017); Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Pfeifer, § 675e BGB Rn. 17; Scheibengruber, BKR 2010, 19. Vgl. auch Palandt/Sprau, § 675e BGB Rn. 2 (78. Aufl. 2019); BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 33. 36 Hierzu siehe das Beispiel zur Schweiz auf S. 14. 37 Nach dem Erwägungsgrund 44 ZDR I sollen die Gutschrift des vollen Betrags und die Ausführungsfristen der ZDR I in jenen Fällen trotzdem eine „gute Praxis“ darstellen. Da die Erwägungsgründe einer Richtlinie weder für deren Auslegung noch in irgendeiner anderen Hinsicht bindend sind, entfaltet der Erwägungsgrund 44 – ganz abgesehen von kompetenzrechtlichen Bedenken (vgl. hierzu die nachf. Fn.) – für die Mitgliedstaaten jedoch keine Rechtswirkung. 38 Spindler/Zahrte, BKR 2014, 265, 267.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
wurde Art. 2 I des Kommissionsvorschlags zu einer Zahlungsdiensterichtlinie39 (ZDR I-E), durch den auch „one-leg transactions“ umfassend in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen worden wären, im Gesetzgebungsverfahren vom Europäischen Parlament verworfen und in seiner heutigen Gestalt neu gefasst.40 Am Anwendungsbereich hinsichtlich des zivilrechtlichen Regelungsregimes in Titel IV ZDR I sollte ursprünglich auch die Überarbeitung der ZDR I nichts ändern. Der Kommissionsentwurf einer ZDR II41 aus dem Sommer 2013 (ZDR II-E) bezog auch weiterhin „one-leg transactions“ grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie mit ein.42 Anders ist dies hingegen bei der endgültigen Fassung der ZDR II. Durch Art. 2 ZDR II wird ein abgestufter Anwendungsbereich definiert, der die schon zur ÜRL kritisierten „legislativen Spaghetti“43 im europäischen Überweisungs- beziehungsweise Zahlungsdiensterecht noch zusätzlich steigert: Art. 2 ZDR II – Anwendungsbereich „(1) Diese Richtlinie gilt für Zahlungsdienste, die innerhalb der Union erbracht werden. (2) Die Titel III und IV gelten für Zahlungsvorgänge in der Währung eines Mitgliedstaats, wenn sowohl der Zahlungsdienstleister des Zahlers als auch der des Zahlungsempfängers oder – falls nur ein einziger Zahlungsdienstleister an dem Zahlungsvorgang beteiligt ist – dieser in der Union ansässig ist. (3) Titel III, mit Ausnahme des Artikels 45 Absatz 1 Buchstabe b, des Artikels 52 Nummer 2 Buchstabe e und des Artikels 56 Buchstabe a, sowie Titel IV, mit Ausnahme der Artikel 81 bis 86, gelten für Zahlungsvorgänge in einer Währung, die keine Währung eines Mitgliedstaats ist, wenn sowohl der Zahlungsdienstleister des Zahlers als auch der des Zahlungsempfängers in der Union ansässig sind oder – falls nur ein einziger Zahlungsdienstleister an dem Zahlungsvor39 . 40 Lohmann/Koch, WM 2008, 57, 58; Spindler/Zahrte, BKR 2014, 265, 267; vgl. auch Änderungsantrag 34 des Europäischen Parlaments, abrufbar unter . Vgl. auch BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 38. 41 „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2013/36/EU und 2009/110/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG“, abrufbar unter . 42 Hingst/Lösing, BKR 2014, 315, 316. Dies wird durch den Entwurf lediglich für Art. 78 ZDR II-E und für den Titel III der ZDR II-E, der wie bereits bei der ZDR I Regelungen über die Transparenz der Vertragsbedingungen und über die Informationspflichten für Zahlungsdienste enthält, vorgeschlagen und hierbei lediglich für die Teile des Überweisungsvorgangs, die innerhalb der Union bzw. innerhalb der Staaten des EWR ausgeführt werden. Für das zivilrechtliche Haftungsregime wird hingegen in Titel IV ZDR II-E der status quo beibehalten; insbesondere muss für die Anwendung dieser Regelungen die Transaktion weiterhin in Euro bzw. einer anderen EWR-Währung lauten (Art. 2 II S. 2 ZDR II-E). 43 So zur ÜRL Schneider, WM 1999, 2189, 2192.
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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gang beteiligt ist — dieser in der Union ansässig ist, für die Bestandteile der Zahlungsvorgänge, die in der Union getätigt werden. (4) Titel III, mit Ausnahme des Artikels 45 Absatz 1 Buchstabe b, des Artikels 52 Nummer 2 Buchstabe e, des Artikels 52 Nummer 5 Buchstabe g und des Artikels 56 Buchstabe a, sowie Titel IV, mit Ausnahme des Artikels 62 Absätze 2 und 4 und der Artikel 76, 77 und 81, des Artikels 83 Absatz 1 und der Artikel 89 und 92, gelten für Zahlungsvorgänge in allen Währungen, bei denen lediglich einer der beteiligten Zahlungsdienstleister in der Union ansässig ist, für die Bestandteile der Zahlungsvorgänge, die in der Union getätigt werden. […]“
Wie bisher lautet der Grundsatz, dass lediglich Zahlungsvorgänge innerhalb des EWR44 in den Anwendungsbereich des europäischen Zahlungsdiensterechts fallen (vergleiche Art. 2 I ZDR II). Art. 2 II, III ZDR II regelt den Anwendungsbereich der ZDR II im Hinblick auf „two-leg transactions“. So gilt für Zahlungsvorgänge, bei denen die Zahlungsdienstleister beider Zahlungsdienstnutzer im EWR ansässig sind und die in Euro oder der Währung eines Staates des EWR denominiert sind, gemäß Art. 2 II ZDR II weiterhin umfassend das zivilrechtliche Regelungsregime des Titels IV ZDR II. Neu ist hingegen, dass auch für „two-leg transactions“, bei denen der Zahlungsvorgang in einer Drittstaatenwährung denominiert ist, gemäß Art. 2 III ZDR II das zivilrechtliche Regelungsregime des Titels IV ZDR II – allerdings mit einigen Ausnahmen – für die Bestandteile des Zahlungsvorgangs, die innerhalb des EWR getätigt werden, gilt. Zudem unterfallen gemäß Art. 2 IV ZDR II nunmehr auch die Bestandteile von „one-leg transactions“, die innerhalb des EWR getätigt werden, dem Anwendungsbereich der ZDR II – und zwar unabhängig davon, in welcher Währung der Zahlungsauftrag lautet. Auf die vorgenannten Bestandteile eines solchen Zahlungsvorganges ist das zivilrechtliche Regelungsregime des Titels IV im Grundsatz ebenfalls anzuwenden. Hiervon sind jedoch insbesondere Art. 89 und 92 ZDR II ausgenommen, die den haftungsrechtlichen „Kern“ des europäischen Zahlungsdiensterechts beinhalten. Diese enthalten nämlich die besonderen Ausgleichsmechanismen für den Fall einer nicht erfolgten, fehlerhaften oder verspäteten Ausführung eines Zahlungsvorgangs, wie beispielsweise die „money-back guarantee“.45 Insofern sind die allgemeinen Regelungen der jeweiligen Rechtsordnung anzuwenden.46 Die Bestandteile von „one-leg transactions“, die innerhalb des EWR getätigt werden, bleiben folglich insbesondere auch aus kollisionsrechtlicher Sicht interessant, wenn und solange nicht sämtliche Mitgliedstaaten der EU und der EWR den Anwendungsbereich der ZDR II überschießend 44
Zur Erstreckung des Anwendungsbereiches auf den EWR bereits oben S. 13. Hierzu unten S. 169 ff. 46 Hierzu auch sogleich S. 21. 45
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
umsetzen und auch für diese Bestandteile ein vereinheitlichtes Haftungsregime einführen.47 b) Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber Die ZDR II ist durch den deutschen Gesetzgeber mit Gesetz vom 17.07.2017 in deutsches Recht umgesetzt worden.48 Die zivilrechtlichen Regelungen betreffend die Erbringung von Zahlungsdiensten sind mit Wirkung zum 13.01.2018 in Kraft getreten. Durch das Umsetzungsgesetz wurde auch die Bestimmung, die den Anwendungsbereich der §§ 675c ff. BGB regelt, § 675e II BGB, angepasst und hat folgende Fassung erhalten: § 675e BGB – Abweichende Vereinbarungen „(2) In den Fällen des § 675d Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 und 2 1. sind § 675s Absatz 1, § 675t Absatz 2, § 675x Absatz 1, § 675y Absatz 1 bis 4 sowie § 675z Satz 3 nicht anzuwenden; 2. darf im Übrigen zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers von den Vorschriften dieses Untertitels abgewichen werden.“
Die Vorschrift des § 675e II BGB verweist nunmehr auf den neu geschaffenen § 675d IV BGB, statt wie zuvor auf § 675d S. 2 BGB a. F., der nunmehr entfallen ist. § 675d IV BGB lautet wie folgt: § 675d BGB – Unterrichtung bei Zahlungsdiensten „(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden auf 1. die Bestandteile eines Zahlungsvorgangs, die außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums getätigt werden, wenn a) der Zahlungsvorgang in der Währung eines Staates außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erfolgt und sowohl der Zahlungsdienstleister des Zahlers als auch der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums belegen ist oder b) bei Beteiligung mehrerer Zahlungsdienstleister an dem Zahlungsvorgang von diesen Zahlungsdienstleistern mindestens einer innerhalb und mindestens einer außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums belegen ist; 2. Zahlungsvorgänge, bei denen keiner der beteiligten Zahlungsdienstleister innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums belegen ist. […]“
Erklärtes Ziel der deutschen Bundesregierung ist es, dass der in der ZDR II enthaltene zivilrechtliche Rechtsrahmen „alle Fälle regeln [soll], in denen nach den 47 Zudem können dann immer noch Normkonflikte zwischen den Bestandteilen eines Zahlungsvorgangs innerhalb und außerhalb des Binnenraums entstehen. Außerdem bleibt es den Mitgliedstaaten weiterhin unbenommen, insbesondere für durch fehlerhafte Überweisungen entstehende Folgeschäden, eigene Regelungen vorzusehen; hierzu unten S. 182 ff. 48 BGBl. 2017 I S. 2446 ff.
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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Regeln des IPR deutsches Recht zur Anwendung kommt.“49 Der umgesetzte deutsche Rechtsrahmen gilt deshalb nicht nur für Zahlungsvorgänge, die gemäß Art. 2 ZDR II zwingend in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen sind. Die §§ 675c ff BGB kommen vielmehr grundsätzlich umfassend „sowohl bei Sachverhalten zur Anwendung, die vom europäischen Zahlungsdiensterecht erfasst sind, als auch bei solchen, die den Anwendungsbereich des europäischen Zahlungsdiensterechts überschreiten, sofern das IPR auf deutsches Recht verweist.“50 Er setzt die Regelungen der ZDR II folglich grundsätzlich wiederum überschießend um. Der deutsche Gesetzgeber differenziert bei der Anwendbarkeit des Zahlungsdiensterechts zwischen den Bestandteilen eines Zahlungsvorgangs, die innerhalb beziehungsweise außerhalb des EWR durchgeführt werden. Hierbei ist jedoch bemerkenswert, dass weder der deutsche noch der europäische Gesetzgeber definieren, wann ein Bestandteil eines Zahlungsvorgangs innerhalb der Union beziehungsweise des EWR getätigt wird und wann außerhalb.51 Der deutsche Gesetzgeber stellt in der Begründung zum Umsetzungsgesetz lediglich fest, dass die Regelungen der Richtlinie in ihrer Gesamtheit jedenfalls dann nicht sachgemäß sind, wenn ein Zahlungsdienstleister in einem Drittstaat ansässig ist und schränkt damit den Grundsatz ein, dass die in deutsches Recht überschießend umgesetzten Regelungen der Zahlungsdiensterichtlinie umfassend dann Anwendung finden sollen, wenn deutsches Recht berufen ist.52 Daraus dürfte folgen, dass, wenn ein in einem Drittstaat ansässiger Zahlungsdienstleister (gegebenenfalls als zwischengeschaltete Stelle) an einem Bestandteil eines Überweisungsvorgangs als beauftragter Zahlungsdienstleister beteiligt ist, dieser Bestandteil nicht innerhalb des EWR ausgeführt ist. Als innerhalb des EWR getätigt dürfte ein Bestandteil eines Zahlungsvorgangs jedoch dann gelten, wenn der im Drittstaat ansässige Zahlungsdienstleister als Auftraggeber auftritt und der beauftragte Zahlungsdienstleister innerhalb des EWR belegen ist. Ausdrückliche Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung finden sich hierzu jedoch nicht. Haben die beiden Zahlungsdienstleister eines Bestandteils eines Zahlungsvorgangs ihren Sitz in 49
BT-Drs. 18/11495, S. 152. BT-Drs. 18/11495, S. 152. 51 Ob ein Bestandteil eines Zahlungsvorgangs in der Union getätigt wurde, ist jedenfalls keine kollisionsrechtliche Frage (vgl. auch BT-Drs. 18/11495, S. 152 f.). Es wird nämlich unterschieden zwischen deutschem Recht unterliegenden Bestandteilen eines drittstaatenbezogenen Überweisungsvorgangs, in denen die §§ 675c ff. BGB uneingeschränkt zu Anwendung kommen, und solchen, in denen sie nur eingeschränkt zur Anwendung kommen. Zudem kann es den Parteien, die das anwendbare Recht grundsätzlich gemäß Art. 3 Rom I wählen können, nicht überlassen bleiben, ob die zwingenden Vorschriften der ZDR II Anwendung finden oder nicht. 52 BT-Drs. 18/11495, S. 152 f. 50
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
einem EWR-Staat, ist dieser Bestandteil jedenfalls als innerhalb des EWR getätigt anzusehen. Wie bereits festgestellt, rührt die Differenzierung zwischen Bestandteilen eines Zahlungsvorgangs, die innerhalb beziehungsweise außerhalb des EWR ausgeführt werden, daher, dass bestimmte Regelungen der §§ 675c ff. BGB bei drittstaatenbezogenen Überweisungsvorgängen „regelmäßig nicht zu angemessenen Lösungen führen würden“.53 Der Gesetzgeber schließt deshalb bei drittstaatenbezogenen Überweisungsvorgängen, also bei Überweisungsvorgängen, bei denen der Zahlungsdienstleister des Überweisenden oder des Überweisungsempfängers in einem Drittstaat ansässig ist, die Anwendbarkeit bestimmter Regelungen (§§ 675s I, 675t II, 675x I, 675y I bis IV, 675z S. 3 BGB) für die außerhalb des EWR belegenen Bestandteile des Zahlungsvorgangs gemäß §§ 675d IV S. 1 Nr. 1 lit. b, 675e II BGB aus.54 Nicht anwendbar sind insbesondere die „money-back guarantee“ des § 675y I BGB und die Verschuldenszurechnung bei Verwendung zwischengeschalteter Zahlungsdienstleister gemäß § 675z S. 3 BGB. Im Übrigen sind die Regelungen der §§ 675c ff. BGB für die außerhalb des EWR durchgeführten Bestandteile der drittstaatenbezogenen Zahlungsvorgänge auch zum Nachteil des Zahlungsdienstnutzers abdingbar.55 Für die Bestandteile eines drittstaatenbezogenen Zahlungsvorgangs, die innerhalb des EWR getätigt werden, schließen §§ 675d IV S. 1 Nr. 1 lit. b, 675e II BGB die Anwendbarkeit der vorgenannten Regelungen hingegen grundsätzlich nicht aus. Bestimmte Regelungen sollen jedoch auch für die Bestandteile eines drittstaatenbezogenen Zahlungsvorgangs, die innerhalb des EWR ausgeführt werden, keine Anwendung finden. Insbesondere die „money-back guarantee“ gemäß § 675y I BGB und die Verschuldenszurechnung gemäß § 675z S. 3 BGB im Fall der Verursachung von Folgeschäden durch zwischengeschaltete Banken sind neben den vorstehend dargestellten §§ 675e II, 675d IV BGB außerdem noch die §§ 675y VIII, 675z S. 6 BGB zu beachten. Sowohl § 675y I BGB als auch § 675z S. 3 BGB sind im Fall des § 675d VI S. 1 Nr. 1 lit. b BGB, also bei „one-leg transactions“, auch auf die innerhalb des EWR getätigten Bestandteile eines Zahlungsvorgangs nicht anzuwenden.56 53
BT-Drs. 18/11495, S. 153. gilt für Zahlungsvorgänge, bei denen keiner der beteiligten Zahlungsdienstleister innerhalb des EWR ansässig ist. In diesem Fall sind die Vorschriften der §§ 675c ff BGB hinsichtlich des gesamten Überweisungsvorgangs nicht anwendbar beziehungsweise abdingbar. Solche Zahlungsvorgänge werden vom Anwendungsbereich der ZDR II überhaupt nicht umfasst. 55 Hiervon haben die Banken mit den BedÜberwVerk Gebrauch gemacht, vgl. oben S. 21. 56 Vgl. BT-Drs. 18/11495, S. 153 mit einer Übersicht über die bei „one-leg transactions“ insgesamt nicht anwendbaren Regelungen. 54 Entsprechendes
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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Die „money-back guarantee“ gemäß § 675y I BGB und die Verschuldenszurechnung gemäß § 675z S. 3 BGB sind bei „one-leg transactions“ deshalb insgesamt nicht anwendbar – also weder auf die außerhalb des EWR noch auf die innerhalb des EWR getätigten Bestandteile des Zahlungsvorgangs. Lückenfüllend tritt an die Stelle dieser Normen das über §675c I BGB anwendbare allgemeine Geschäftsbesorgungs- sowie Auftragsrecht und in der Folge auch das allgemeine Leistungsstörungsrecht.57 Damit ist für drittstaatenbezogene Überweisungsvorgänge den Zahlungsdienstleistern vom deutschen Gesetzgeber weiterhin ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Insbesondere im Verhältnis zu den Zahlungsdienstnutzern ist es ihnen möglich, ihre vertraglichen Beziehungen weitgehend eigenständig auszugestalten.58 Der Bundesverband deutscher Banken und der Sparkassenverband stellen Muster-AGB zur Verfügung, die in der Regel den Zahlungsdiensterahmenverträgen mit den Kunden zugrunde gelegt werden. Es sind insofern die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ der Banken sowie Sparkassen (AGB-Banken beziehungsweise AGB-Sparkassen) und die „Bedingungen für den Überweisungsverkehr“59 (BedÜberwVerK) zu unterscheiden. Gerade durch die Letzteren haben die Banken von ihrer vertraglichen Gestaltungsfreiheit Gebrauch gemacht und umfassende Regelungen für Überweisungen mit Drittstaatenbezug getroffen. Die Banken haben damit für die Ausführung von Überweisungen ein umfassendes vertragliches Regelungsregime entworfen, das weitgehend die deutsche Rechtslage vor Umsetzung der europäischen Richtlinien, insbesondere der ÜRL, widerspiegelt.60 Insbesondere deshalb kann im Folgenden auch auf Literatur und Rechtsprechung aus der Zeit vor 1999 zurückgegriffen werden. An den Stellen, an denen sich die Rechtslage im drittstaatenbezogenen „neuen“, auf der ZDR II basierenden Überweisungsrecht im Vergleich zur alten geändert hat, erfolgt ein ausdrücklicher Hinweis. 3. Zusammenfassung Die ZDR I enthielt grundsätzlich lediglich für „two-leg transactions“ in Euro oder einer EWR-Währung ein halbzwingendes zivilrechtliches Haftungsregime. Auch die (überschießende) Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber erklärte im Falle von drittstaaten- beziehungsweise drittwährungsbezogenen Zah57
BT-Drs. 18/11495, S. 153, 176. § 675e BGB Rn. 10. Vgl. BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 41,
58 MünchKomm/Casper,
43.
59 Die aktuellen Bedingungen (derzeitiger Stand: Januar 2018) der Banken für den Überweisungsverkehr sind auf der Webseite des Bundesverbands deutscher Banken unter abrufbar. 60 Vgl. MünchKomm/Casper, § 675e BGB Rn. 5 (7. Aufl. 2017).
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
lungsvorgängen einzelne Regelungen, insbesondere die Haftungsregelung des § 675y BGB a. F. (Art. 75 ZDR I), einschließlich der „money-back guarantee“, für nicht anwendbar oder stellte es bei anderen Regelungen den Beteiligten eines Zahlungsvorgangs frei, vertraglich abweichende Vereinbarungen zu treffen. Der Anwendungsbereich der ZDR II ist im Vergleich zur ZDR I weiter gefasst worden. Er umfasst nun grundsätzlich auch drittstaaten- und drittwährungsbezogene Zahlungsvorgänge. So unterfallen nun grundsätzlich auch „two-leg transactions“ in einer Drittstaatenwährung dem zivilrechtlichen Regelungsregime der ZDR II, soweit es um die in der EWR getätigten Bestandteile der Zahlungsvorgänge geht. Zudem ist im Grundsatz das zivilrechtliche Regelungsregime des Titels IV der ZDR II auch bei „one-leg transactions“ auf die Bestandteile eines Zahlungsvorgangs, die im EWR getätigt werden, anwendbar. Allerdings hat der europäische Gesetzgeber das haftungsrechtliche „Herzstück“ der ZDR II, Art. 89 und 92 ZDR II, in diesem Falle für nicht anwendbar erklärt. Auch bei der Umsetzung der ZDR II setzt der deutsche Gesetzgeber wieder auf eine überschießende Umsetzung der Richtlinienregelungen, sodass noch mehr Regelungen des europäischen Zahlungsdiensterechts auch bei Drittstaatensachverhalten angewendet werden, wenn deutsches Recht Anwendung findet. Dies gilt insbesondere für die innerhalb des EWR belegenen Bestandteile eines Zahlungsvorgangs, wobei allerdings unter anderem die „money-back guarantee“ gemäß § 675y I BGB und die Verschuldenszurechnung gemäß § 675z S. 3 BGB bei „one-leg transactions“ insgesamt nicht – also weder bei den außerhalb noch bei den innerhalb des EWR getätigten Bestandteilen eines Zahlungsvorgangs – anwendbar sind. Insofern ist weiterhin auf das allgemeine deutsche Geschäftsbesorgungs-, Auftrags- sowie Leistungsstörungsrecht Rückgriff zu nehmen. II. Der Girovertrag und der Überweisungsauftrag Der Girovertrag bildet die vertragliche Grundlage des Überweisungsverkehrs in den bilateralen Verhältnissen zwischen den an einem Überweisungsvorgang Beteiligten.61 Seit Umsetzung der ZDR I ist er im deutschen Recht unter den Oberbegriff des Zahlungsdiensterahmenvertrags gemäß § 675f II BGB zu subsumieren.62 Die Richtlinien selbst verwenden allerdings nur den Begriff der Rahmenverträge (Titel III, Kapitel 3 ZDR I und ZDR II). Durch den Zahlungsdiens61
Vgl. auch Weber, Recht des Zahlungsverkehrs, S. 87. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 3 Rn. 8; MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 20; Kropf, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.847. Vgl. auch Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.114; BeckOGK/Foerster, § 675f BGB Rn. 33. Allerdings soll grundsätzlich der Begriff des „Girovertrags“ weiterbenutzt werden, wenn sich die Ausführungen nicht unmittelbar auf das deutsche Sachrecht beziehen. 62
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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terahmenvertrag wird eine Bank verpflichtet, für den Überweisenden Zahlungsvorgänge (d. h. auch Überweisungsaufträge) auszuführen und gegebenenfalls ein Konto zu führen (vergleiche § 675f II BGB).63 Der Gesetzgeber hat durch die systematische Stellung des Zahlungsdiensterahmenvertrags in den §§ 662 ff. BGB klargestellt, dass dieser ein Unterfall des (entgeltlichen) Geschäftsbesorgungsvertrags ist.64 Während der Zahlungsdiensterahmenvertrag bereits begrifflich lediglich den „Rahmen“ des Überweisungsvorgangs darstellt, wird er erst durch den Überweisungsauftrag (allgemein auch als Zahlungsauftrag bezeichnet, um die Terminologie der Zahlungsdiensterichtlinien zu benutzen, vergleiche Art. 4 Nr. 13 ZDR II beziehungsweise § 675f IV S. 2 BGB) im Einzelfall ausgefüllt. Trotz der leicht missverständlichen Bezeichnung ist der Überweisungsauftrag kein Auftrag im Sinne von §§ 662 ff. BGB, sondern vielmehr eine Weisung im Rahmen des Giroverhältnisses gemäß §§ 675c I, III S. 2, 665 S. 1 BGB,65 da der Girovertrag selbst bereits die generelle (gattungsmäßige) Verpflichtung beinhaltet, Überweisungsaufträge auszuführen66 und der Überweisungsauftrag diese Verpflichtung für den
63 BT-Drs. 16/11643, S. 122. Vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 3 Rn. 8; Kropf, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 3.846. Vgl. auch BeckOGK/ Foerster, § 675f BGB Rn. 36 f. Siehe zum Girovertrag auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 300. 64 BT-Drs. 16/11643, S. 122; MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 7; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 3 Rn. 8; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 1; Tonner/Krüger, Bankrecht, § 12 Rn. 7. Vgl. auch Blaurock, NJW 1984, 1, 2; Heublein, ZIP 2000, 161. Die schon unter Geltung alten, nichtvereinheitlichten Rechts abzulehnende Auffassung, dass der Girovertrag ein Vertrag sui generis sei, also keinem der gesetzlichen Regeltypen zugeordnet werden könnte (Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 54 ff.; vgl. auch Klausing, JW 1934, 930, 932 f.), bedarf deshalb keiner Diskussion mehr. 65 MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 29; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 113; MünchKomm/Häuser, Überweisungsverkehr Rn. B 96; Jauernig/Mansel, § 665 BGB Rn. 2; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675f BGB Rn. 48; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 8, 19. Vgl. auch BGH 28.02.1977, NJW 1977, 1916, 1916 (Tz. 8); BGH 19.03.1991, NJW 1991, 2210, 2211 (Tz. 15); BGH 06.10.1953, BGHZ 10, 319, 322; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 320; Häuser, NJW 1994, 3121, 3121 f.; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 17; Möschel, AcP 186 (1986), 187, 192; Meyer-Cording, Das Recht der Bank überweisung, S. 32; Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 52; BeckOGK/Foerster, § 675f BGB Rn. 83 ff. Anders allerdings im deutschen Recht nach Umsetzung der ÜRL, Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 12; Werner, WM 2014, 243, 245. 66 Der Zahlungsdienstleister ist gemäß § 675o II BGB nur dann berechtigt, einen Überweisungsauftrag abzulehnen, wenn dieser gegen vertraglich festgelegte Ausführungsbedingungen oder gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
Einzelfall konkretisiert.67 Da er ein einseitiges Rechtsgeschäft68 bestehend aus einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist,69 ist eine Annahme des Überweisungsauftrags seitens des Zahlungsdienstleisters weder notwendig noch statthaft,70 solange der Überweisungsauftrag nicht über das im Zahlungsdiensterahmenvertrag Vereinbarte hinausgeht.71 Der Zahlungsdiensterahmenvertrag ist vom Vertrag über das Bankguthaben zu trennen.72 Dieser ist als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag (vergleiche § 700 BGB) zu qualifizieren.73 Einer eingeräumten Überziehungsmöglichkeit oder geduldeten Überziehung liegt hingegen grundsätzlich ein Darlehensvertrag (vergleiche §§ 488 ff. BGB) zu Grunde.74 67 Baumbach/Hopt/Hopt, Bankgeschäfte Rn. C/33; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 19. Vgl. auch BGH 06.10.1953, BGHZ 10, 319, 322; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 320; Häuser, NJW 1994, 3121, 3121; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 32; BeckOGK/Foerster, § 675f BGB Rn. 83.1. 68 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 321. Abzulehnen ist die Auffassung, nach der der Überweisungsauftrag eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist, Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 32. Die Rechtsfolgen des Überweisungsauftrags treten ein, weil der Überweisende dies möchte und nicht unabhängig vom seinem tatsächlichen Willen kraft Gesetzes, vgl. hierzu auch Palandt/Ellenberger, Überbl v § 104 BGB Rn. 4. 69 jurisPK/Hönn, § 665 BGB Rn. 5; MünchKomm/Schäfer, § 665 BGB Rn. 7; Erman/Berger, § 665 BGB Rn. 2; BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 85 f. 70 BGH 06.10.1953, BGHZ 10, 319, 322 (Tz. 18); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 321; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 32; vgl. auch jurisPK/Hönn, § 665 BGB Rn. 4. 71 jurisPK/Hönn, § 665 BGB Rn. 4. 72 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 318; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 27, 36. A.A. MünchKomm/Hadding/Häuser, Giroverhältnis Rn. A 177 (3. Aufl. 2014), die die Grundlage im Zahlungsdienstevertrag sehen. 73 BGH 07.05.1996, NJW 1996, 2032, 2032 (Tz. 11, 15); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 318; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Gehrlein, § 700 BGB Rn. 1; MünchKomm/Henssler, § 700 BGB Rn. 1; Jauernig/Mansel, § 700 BGB Rn. 3; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 25 f.; Schürmann, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 70 Rn. 7; Tröger, NJW 2015, 657, 657; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 36; Palandt/Sprau, § 700 BGB Rn. 1; BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 37. Das Kontoguthaben stellt insbesondere kein Darlehen des Kunden an die Bank dar, vgl. Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 26. Auch andere rechtliche Qualifizierungen, wie zum Beispiel als Geschäftsbesorgungvertrag (vgl. Berger, ZIP 1981, 583, 585; Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 81; MünchKomm/Herresthal, Giroverhältnis Rn. A 549, letztere sehen die entsprechenden Pflichten als Teil des Zahlungsdiensterahmenvertrags) oder die Deutung als Vorschuss gemäß § 669 BGB (ablehnend m.N. Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 81; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 26) sind abzulehnen. 74 BGH 10.02.2015, NJW-RR 2015, 885, 887 (Tz. 34); Jungmann, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 81a Rn. 108; MünchKomm/Schürnbrand/Weber, § 491 BGB Rn. 59; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 7. Vgl. auch BGH 07.05.1996, NJW 1996, 2032, 2032 (Tz. 11); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 318; BeckOGK/Zahrte, § 675e BGB Rn. 37.
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III. Das Rechtsverhältnis des Überweisenden mit seiner Bank 1. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags Das Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank wird maßgeblich durch den Girovertrag bestimmt. Erteilt der Überweisende seiner Bank einen Überweisungsauftrag, sind die Rechtsfolgen grundsätzlich diesem zu entnehmen. Im Allgemeinen ist die Bank dazu verpflichtet, den Überweisungsauftrag auszuführen, während der Überweisende die zur Ausführung erforderliche Deckung bereitzustellen und gegebenenfalls ein Entgelt zu zahlen hat. a) Die Pflicht zur Ausführung des Überweisungsauftrags Die Pflicht der beauftragten Bank zur Ausführung eines Überweisungsauftrags bedeutet nicht notwendigerweise, dass der Überweisungsbetrag dem Konto des Überweisungsempfänger gutgeschrieben werden muss. Vielmehr ist hierbei zu differenzieren, ob beziehungsweise inwieweit der Überweisungsvorgang vom zivilrechtlichen Regelungsregime des europäischen Zahlungsdiensterechts erfasst ist. Bei außerbetrieblichen Überweisungsvorgängen mit ausschließlichem Binnenbezug („two-leg transactions“ in Euro oder einer EWR-Währung) schuldet die Bank des Überweisenden die ordnungsgemäße Gutschrift auf dem Konto der Bank des Überweisungsempfängers, allerdings nicht die Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers selbst.75 Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung ist insofern nicht vorhanden; dies lässt sich jedoch aus § 675s I S. 1 BGB, der eigentlich die Ausführungsfrist bei Zahlungsvorgängen regelt, sowie insbesondere der Haftungsregelung des § 675y I S. 1 BGB, die eine unverzügliche und ungekürzte Erstattungspflicht im Falle der nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Überweisungsauftrags vorsieht („money-back guarantee“), entnehmen (vergleiche insofern auch Art. 69 I, 75 I ZDR I, nun Art. 83 I, 89 I ZDR II).76 Seit der Umsetzung der ZDR II ins deutsche Recht gilt Entsprechendes auch für „two-leg transactions“ in einer Drittstaatenwährung. Erteilt der Überweisende seiner Bank einen entsprechenden Überweisungsauftrag, muss diese nun ebenfalls grundsätzlich sicherstellen, dass die Bank des Überweisungsempfän75 MünchKomm/Jungmann,
§ 675s BGB Rn. 16 f.; MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 80. Vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 127 ff.; BeckOGK/Köndgen, § 675y BGB Rn. 21. 76 Vgl. hierzu auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 127 ff; MünchKomm/ Zetzsche, § 675y BGB Rn. 3; MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 17, 80; BeckOGK/Köndgen, § 675y BGB Rn. 21 ff.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
gers den Überweisungsbetrag erhält. Die „money-back guarantee“ des § 675y I S. 1 BGB ist auch bei solchen Überweisungen grundsätzlich anwendbar, sodass der Überweisungsbetrag dem Überweisenden durch seine Bank zu erstatten ist, sollte der Überweisungsbetrag bei der Bank des Überweisungsempfängers nicht eingehen (vergleiche insofern auch Ziff. 3.1.3.2 BedÜberwVerk). Allerdings ist § 675s I S. 1 BGB nicht anwendbar (§§ 675e II, 675d VI S. 1 Nr. 1 lit. a, § 675s III S. 1 BGB für die innerhalb des EWR getätigten Bestandteile eines Überweisungsvorgangs), was jedoch lediglich zur Folge hat, dass die Ausführungsfrist von einem Tag für Überweisungen in einer Drittstaatenwährung nicht gilt. Folglich ist auch bei Überweisungen in Drittstaatenwährungen grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bank des Überweisenden die ordnungsgemäße Gutschrift des Überweisungsbetrags auf dem Konto der Bank des Überweisungsempfängers schuldet. Bei „one-leg transactions“ hat sich am Umfang der Ausführungspflicht der Bank des Überweisenden im Vergleich zur Rechtslage vor Umsetzung der ZDR II nichts geändert. Die Bank ist insofern nach deutschem Recht lediglich zur Weiterleitung des Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers verpflichtet (vergleiche Ziff. 3.2.3.2 BedÜberwVerk). Dies ergibt sich indirekt daraus, dass die „money-back guarantee“ des § 675y I S. 1 BGB auf „oneleg transactions“ nicht anwendbar ist (§§ 675e II Nr. 1, 675d VI S. 1 Nr. 1, 675y VIII BGB). Gleiches gilt für Überweisungsvorgänge, bei denen keiner der beteiligten Zahlungsdienstleister innerhalb des EWR belegen ist. Dies entspricht der Rechtslage bei außerbetrieblichen Überweisungen vor der Harmonisierung des Überweisungsrechts beziehungsweise des Zahlungsdiensterechts.77 Bei innerbetrieblichen Überweisungsvorgängen spielen die vorstehenden Differenzierungskriterien keine Rolle. Diesbezüglich wird von der herrschenden Auffassung angenommen, dass die Bank des Überweisenden (auch)78 gegenüber dem Überweisenden verpflichtet ist, dem Konto des Überweisungsempfängers den Überweisungsbetrag gutzuschreiben.79 77
Vgl. BGH 19.03.1991, NJW 1991, 2210, 2210 (Tz. 11: Eine Pflicht zur Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers „würde im Ergebnis zu einer Garantiehaftung der erstbeauftragten Bank für die Herbeiführung des Überweisungserfolges führen; damit würden ihr – insbesondere im Auslandsverkehr – Risiken aufgebürdet, die für sie weder beherrschbar noch überschaubar sind“.); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 329; Einsele, AcP 199 (1999), 145, 147; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB S. 46; Hüffer, ZHR 151 (1987), 93, 95; Kümpel, WM 1996, 1893, 1893; Schneider, WM 1999, 2189, 2192; Schröter, ZHR 151 (1987), 118, 122; Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 187. 78 Zum Anspruch des Überweisungsempfängers auf Gutschrift unten S. 33 f. 79 MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 80; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, §§ 675q-675t BGB Rn. II 261; MünchKomm/Herresthal, Überweisungsverkehr Rn. B 215.
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Aufgrund der Pflicht der Bank des Überweisenden, bei „two-leg transactions“ den Überweisungsbetrag dem Konto der Bank des Überweisungsempfängers gutzuschreiben, wird der Girovertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter qualifiziert.80 Umstritten ist, ob der Girovertrag im Hinblick auf den eingeschränkten Pflichtumfang bei der Ausführung eines Überweisungsauftrags im drittstaatenbezogenen außerbetrieblichen Überweisungsverkehr (insbesondere bei „one-leg transactions“), der sich auf Seiten der Bank im Wesentlichen in der Weiterleitung des Überweisungsauftrags erschöpft, Werkvertrags- oder Dienstvertragscharakter hat.81 Die herrschende Lehre und die Rechtsprechung zum alten noch vor der ÜRL geltenden Recht, nach dem durch die beauftragte Bank auf Grundlage des allgemeinen Geschäftsbesorgungsrechts auch lediglich die Weiterleitung des Überweisungsauftrags geschuldet war, waren insofern wohl der Auffassung, dass der Girovertrag Dienstvertragscharakter aufweist.82 Das RG ging hingegen – auch noch zum allgemeinen Geschäftsbesorgungsrecht des BGB – noch von einem werkvertraglichen Charakter der girovertraglichen Beziehung zwischen Bank und Kunde aus.83 Canaris hingegen vertrat eine vermittelnde Position und nahm einen „gemischttypischen Vertragstyp“ an; während er der Verpflichtung zur Gutschrift werkvertraglichen Charakter beimaß, ging er bei der Pflicht zur Ausführung von Überweisungen von einer rein tätigkeitsbezogenen und damit als dienstvertraglich zu qualifizierenden Verpflichtung aus.84 Sofern eine Verpflichtung zur Gutschrift besteht, ist auch heute jedenfalls einer werkvertraglichen Qualifizierung dieser Pflicht zuzustimmen. Es ist ein tatsächlicher „Erfolg“, das Charakteristikum eines Werkvertrags in Abgrenzung zum Dienstvertrag,85 seitens der Bank geschuldet. Dieser Erfolg besteht eben in der Gutschrift; und nicht nur in einem diesbezüglichen „bloßen Bemühen“. Allerdings ist auch bei der Weiterleitung des Überweisungsauftrags Vgl. auch BGH 19.03.1991, NJW 1991, 2210, 2210 (Tz. 11); Einsele, AcP 199 (1999), 145, 147; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 45. 80 MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 7; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 1. 81 Vgl. zum Meinungsstand nach altem Recht Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 315. 82 Vgl. Blaurock, NJW 1984, 1, 2; Häuser, NJW 1994, 3121, 3121; BGH 11.12.1990, NJW 1991, 978 (Tz. 9); BGH 24.01.1985, NJW 1985, 1218, 1219 (Tz. 26); BGH 29.01.1979, NJW 1979, 1164, 1164 (Tz. 7); Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 10. Vgl. auch Ehmann/Hadding, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 3, 1, 4 (der im Zusammenhang mit der ÜRL von einer „werkvertraglichen Fehlkonstruktion“ spricht). 83 RG 11.04.1923, RGZ 136, 138 f. 84 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 315. Vgl. auch Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 1, 43. 85 Vgl. hierzu allgemein MünchKomm/Busche, § 631 BGB Rn. 1; Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, 575; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 8; Richardi/ Fischinger, Vorbem. zu §§ 611 ff. BGB Rn. 23. Speziell zum Girovertrag Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 315.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
nicht nur von einer rein tätigkeitsbezogenen Verpflichtung auszugehen. Insofern ist ebenfalls ein Erfolg geschuldet, der in diesem Fall eben in der Weiterleitung des Überweisungsauftrags besteht.86 Unter Erfolg, dessen Herstellung das Ziel des Werkvertrags ist, ist nicht das nach dem wirtschaftlichen Zweck erhoffte (mittelbare), sondern nur das unmittelbar durch die Tätigkeit herbeizuführende Ergebnis zu verstehen.87 b) Die Pflicht zum Aufwendungsersatz Während die Bank zur Ausführung des Überweisungsauftrags verpflichtet ist, muss der Überweisende die ihr hierdurch entstehenden Aufwendungen gemäß §§ 675c I, 670 BGB ersetzen.88 Hierzu gehört insbesondere der Ersatz der zur Ausführung des Überweisungsauftrags aufgewendeten Deckung.89 Die Pflicht zum Aufwendungsersatz entsteht erst mit Ausführung des Überweisungsauftrags.90 Hinsichtlich des Entstehungszeitpunktes ist demzufolge wieder nach der Art der Überweisung zu differenzieren. Bei einer innerbetrieblichen Überweisung entsteht der endgültige Aufwendungsersatzanspruch zum Zeitpunkt der Gutschrift des Überweisungsbetrags auf dem Empfängerkonto. Bei einer außerbetrieblichen Überweisung, bei der die Weiterleitung des Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers und der Eingang der Deckung bei derselben geschuldet wird, entsteht der endgültige Aufwendungsersatzanspruch erst im Zeitpunkt des Eingangs der Deckung und des Überweisungsauftrags bei der Bank des Überweisungsempfängers.91 Ist hingegen bei einer außerbetrieblichen Überweisung lediglich die Weiterleitung des Überweisungsauftrags geschuldet, wie bei einer (drittstaatenbezogenen) außerbetriebli-
86 A.A. allerdings Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 315; Häuser, NJW 1994, 3121, 3121. Der Erfolgsbezogenheit dieser Pflicht hält Canaris vor allem entgegen, dass die Bank „nicht immer wissen kann, ob der Überweisungsempfänger überhaupt ein Konto hat“ (Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 315). Diese Erwägung ist jedoch nicht zielführend, da der Überweisende ein Empfängerkonto bei der Empfängerbank angibt oder eben nicht, und, wenn das Konto nicht existiert, die Ausführung für die Empfängerbank in diesem Fall unverschuldet unmöglich im Sinne von § 275 BGB wird. 87 Palandt/Sprau, Einf v § 631 BGB Rn. 1. 88 Auf die gegebenenfalls bestehende Pflicht zur Zahlung eines Entgelts für die Ausführung soll hier nicht näher eingegangen werden. 89 MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 81; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 9; Tonner/ Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 17. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 343; BeckOGK/Foerster, § 675f BGB Rn. 52. 90 MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 81. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 343. 91 MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 81.
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chen Überweisung („one-leg transaction“),92 entsteht der Aufwendungsersatzanspruch mit der Erteilung des Überweisungsauftrages an die nachfolgende Bank sowie der Bereitstellung der zur Ausführung des Überweisungsauftrags erforderlichen Deckung, sofern der weiterleitenden Bank gegenüber der zwischengeschalteten Bank wiederum eine endgültige Verpflichtung entstanden ist.93 In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird die Bank das Konto jedoch schon im Zeitpunkt der Erteilung des Überweisungsauftrags durch den Überweisenden „belasten“. Hierin ist die Geltendmachung eines Vorschusses im Sinne von §§ 675c I, 669 BGB zu sehen.94 Die Bank ist nicht verpflichtet, den Auftrag auszuführen, bevor ihr Anspruch auf Vorschuss erfüllt wurde.95 Der Vorschuss ist nach ordnungsgemäßer Ausführung mit dem Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c I, 670 BGB zu verrechnen.96 Die Belastungsbuchung an sich hat jedoch lediglich deklaratorische Bedeutung.97 Wegen Art. 87 III ZDR II (entspricht Art. 73 II ZDR I), umgesetzt im deutschen Recht durch § 675t III BGB, wird teilweise vertreten, dass der ausführende Zahlungsdienstleister keinen Anspruch auf Vorschuss gemäß §§ 675c I, 669 BGB hat.98 § 675t III BGB untersagt dem Zahlungsdienstleister, eine Belastung des Kontos des Überweisenden vor der tatsächlichen Belastung „wertzustellen“. Diese Vorschrift betrifft somit lediglich die „Wertstellung“. Die Wertstellung bezeichnet den Zeitpunkt, der für die Berechnung der Zinsen bei Belastung eines 92
Hierzu oben S. 26. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 343; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 36. 94 MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 81; Staub/Grundmann, Zahlungsgeschäft Rn. 401; Staudinger/Omlor, § 675t BGB Rn. 17; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 9; Palandt/ Sprau, § 675t BGB Rn. 10; MünchKomm/Jungmann, § 675t BGB Rn. 68. Vgl. auch Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 343. Vgl. auch BeckOGK/Foerster, § 675f BGB Rn. 52. 95 Vgl. MünchKomm/Schäfer, § 669 BGB Rn. 1, 7 (dort auch zur dogmatischen Begründung der Vorleistungspflicht). Allgemein jurisPK/Hönn, § 669 BGB Rn. 1; Jauernig/Mansel, § 669 BGB Rn. 2; Palandt/Sprau, § 669 BGB Rn. 1. 96 MünchKomm/Schäfer, § 669 BGB Rn. 11. Vgl. auch jurisPK/Hönn, § 669 BGB Rn. 1. Nach Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 343 wird aus „diese[m] nur vorläufige[n] Anspruch ein endgültiger“ bei ordnungsgemäßer Ausführung des Überweisungsauftrags. Dies ist missverständlich, da der Anspruch auf Vorschuss zu diesem Zeitpunkt erfüllt wurde und damit bereits erloschen ist (vgl. §§ 362 ff. BGB). 97 Tonner/Krüger, Bankrecht, § 13 Rn. 17. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 345; Möschel, AcP 186 (1986), 187, 192. 98 Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.61; Bamberger/ Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675t BGB Rn. 8. Ursprünglich ging Grundmann, WM 2009, 1157, 1161 auf Grundlage der ZDR von einem Verbot aus, Vorschüsse zu nehmen; inzwischen hat er in Staub/Grundmann, Zahlungsgeschäft Rn. 401 diese Auffassung aufgegeben; unklar hingegen Reymann, DStR 2011, 1959, 1960. 93 Vgl.
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Betrags zugrunde zu legen ist.99 Zweck dieser Vorschrift ist lediglich, zu verhindern, dass ein Zahlungsdienstleister „ungerechtfertigte“ Zinsgewinne auf Kosten des Zahlungsdienstnutzers erzielt.100 Keinesfalls soll dieser dadurch gezwungen werden, in Vorleistung zu treten. Vielmehr soll er auch weiterhin seinen Anspruch auf Vorschuss geltend machen und das Konto des Zahlungsdienstnutzers zu diesem Zweck belasten können.101 2. Die Rechtsfolgen bei einer nicht erfolgten oder fehlerhaft ausgeführten Überweisung Im Folgenden sollen nur die Grundzüge einer nicht erfolgten oder fehlerhaft ausgeführten Überweisung dargestellt werden.102 Hierbei ist zwischen drittstaatenbezogenen und nicht drittstaatenbezogenen Überweisungsvorgängen zu differenzieren. Im Falle von nicht drittstaatenbezogenen Überweisungen („two-leg transactions“) ist im Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank im Falle einer nicht erfolgten oder fehlerhaft ausgeführten Überweisung grundsätzlich die „money-back guarantee“ des Art. 89 I ZDR II (entspricht Art. 75 ZDR I), umgesetzt in § 675y I S. 1 BGB, zu beachten. Der Überweisende hat in diesem Fall einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Erstattung des Überweisungsbetrags gegen seine Bank. Dies gilt auch, wenn die Überweisung in einer Drittstaatenwährung denominiert ist. Auch dann gilt seit Umsetzung der ZDR II in deutsches Recht die „money-back guarantee“ des § 675y I S. 1 BGB im Verhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank.103 Anderes würde wegen §§ 675e II, 675d VI S. 1 Nr. 1 lit. a BGB nur dann gelten, wenn das Deckungsverhältnis außerhalb des EWR belegen wäre. Das Deckungsverhältnis ist allerdings bei der Beauftragung einer deutschen Bank immer im EWR belegen.104 Entsprechend ist auch in Ziff. 3.1.3.2 BedÜberwVerk im Falle von Überweisungen in Drittstaatenwährungen bestimmt, dass der „Kunde von der Bank 99 Vgl. hierzu die Legaldefinitionen des „Werstellungsdatums“ in § 675t I BGB und Art. 4 Nr. 17 ZDR I bzw. nun Art. 4 Nr. 26 ZDR II. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 317. 100 Vgl. Staub/Grundmann, Zahlungsgeschäft Rn. 401; Staudinger/Omlor, § 675t BGB Rn. 17. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 317. 101 Bartels, WM 2010, 1828, 1830; MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 81; MünchKomm/Jungmann, § 675t BGB Rn. 68; MünchKomm/Häuser, Überweisungsverkehr Rn. B 311; Staudinger/Omlor, § 675t BGB Rn. 17; Palandt/Sprau, § 675t BGB Rn. 10; BeckOGK/ Foerster, § 675f BGB Rn. 52. 102 Zu den Einzelheiten der nicht oder nicht ordnungsgemäß ausgeführten Überweisung im Rahmen der Analyse der Problemlagen unten S. 163 ff. 103 Hierzu bereits oben S. 25 f. 104 Zum Belegenheitsbegriff im Allgemeinen bereits oben S. 19 f.
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die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Überweisungsbetrags insoweit verlangen [kann], als die Zahlung nicht erfolgt oder fehlerhaft war.“ Für verspätet ausgeführte Überweisungsaufträge ist § 675y III BGB, der lex specialis zu § 675y I BGB ist, zu beachten. Gemäß § 675y III BGB wird sichergestellt, dass – bei Verlangen durch den Überweisenden – die Gutschrift beim Empfänger so erfolgt, als wäre der Überweisungsbetrag rechtzeitig bei der Bank des Überweisungsempfängers eingegangen.105 Bei „one-leg transactions“ ist die „money-back guarantee“ des § 675y I S. 1 BGB nicht anwendbar.106 Nachstehende Ausführungen gelten grundsätzlich auch dann, wenn gemäß § 675e IV BGB die „money-back guarantee“ des § 675y I S. 1 BGB abbedungen wurde. Abdingbar ist die „money-back guarantee“, wenn der Überweisende Unternehmer ist (vergleiche auch Ziff. 2.3.4 BedÜberwVerk, die von dieser Möglichkeit Gebrauch macht).107 An die Stelle der „money-back guarantee“ tritt in diesen Fällen allgemeines Vertrags- und Bereicherungsrecht.108 Bei einer nicht erfolgten oder fehlerhaft ausgeführten Überweisung hat der Überweisende dann einen verschuldensunabhängigen Herausgabeanspruch gemäß §§ 675c I, 667 BGB gegen seine Bank, wenn dieser keine endgültige Verpflichtung gegenüber der nachfolgenden, von ihr beauftragten Bank entstanden ist. Insbesondere ist der Überweisungsbetrag dann wieder herauszugeben, wenn eine Ausführung der Überweisung überhaupt nicht erfolgt ist. Einen Aufwendungsersatzanspruch einer nachfolgenden Bank gibt es in diesem Fall nicht. Eine endgültige Verpflichtung in vorgenanntem Sinne entsteht der ausführenden Bank allerdings auch bei Beauftragung und Weiterleitung des Überweisungsauftrags an eine nachfolgende Bank nicht, wenn sie sich bei Weiterleitung des Überweisungsauftrags weisungswidrig verhalten hat, da der Überweisende diese weisungswidrige Weiterleitung nicht als Erfüllung des Überweisungsauftrags gegen sich gelten lassen muss.109 Ist der Überweisungsauftrag hingegen weisungsgemäß an eine nachfolgende Bank weitergeleitet worden und hat auch diese den weitergeleiteten Überweisungsauftrag ordnungsgemäß ausgeführt, ist der Überweisende gegenüber seiner Bank auf verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche gemäß § 280 I BGB verwiesen. Die Bank hat dem Überweisenden den 105
Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 135. Hierzu bereits oben S. 26. 107 Kritisch insofern Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 142 ff., die Nr. 2.3.4 BedÜberwVerk wegen unangemessener Benachteiligung der Unternehmer gemäß § 307 II BGB als unwirksam erachtet. 108 Vgl. nur BT-Drs. 18/11495, S. 153. 109 OLG Saarbrücken 08.01.2015, NJW-RR 2015, 739, 740 (Tz. 24) Vgl. auch BGH 11.03.1976, WM 1976, 904, 905 (Tz. 15); BGH 28.11.1977, WM 1978, 367 (Tz. 6 f.); Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 346; Einsele, AcP 199 (1999), 145, 148. 106
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Überweisungsbetrag in diesem Fall grundsätzlich nur dann zu erstatten, wenn ihr bei Ausführung bereits ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder sie in sonstiger Weise die Nichtausführung hätte vorhersehen können.110 Umstritten ist der Fall, in dem die Bank den Überweisungsauftrag an eine Bank weiterleitet, von deren eingetretener oder unmittelbar drohender Zahlungsunfähigkeit sie Kenntnis hat.111 Dieser Fall wird teilweise einer weisungswidrigen Ausführung gleichgestellt. Selbst wenn man eine entsprechende Weiterleitung als Erfüllung gemäß § 362 BGB gelten ließe, müsste man dem Kunden der weiterleitenden Bank dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 I BGB zuerkennen.112 IV. Das Rechtsverhältnis des Überweisungsempfängers mit seiner Bank Die Grundlage des Inkassoverhältnisses zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank bildet im Regelfall ebenfalls ein Girovertrag.113 Dieser beinhal110 Zu den nur in engen Grenzen bestehenden Hinweis- und Warnpflichten im Überweisungsverkehr vgl. BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2245 f. (Tz. 14); OLG Düsseldorf 12.01.2007, BeckRS 2008, 12667 (Tz. 42); BGH 29.09.1986, NJW 1987, 317 f.; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 103 ff.; Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 93; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 19 f.; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 8. Zum ehemaligen beleggebundenen Abrechungsverkehr der Deutschen Bundesbank, BGH 29.05.1978, NJW 1978, 1852, 1852 (Tz. 11). 111 Vgl. Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 348, 105, der bei sorgfaltswidrigem Verhalten grundsätzlich von der gleichen Rechtsfolge wie bei einer weisungswidrigen Durchführung des Auftrags ausgeht. Laut Canaris besteht ein Herausgabeanspruch gemäß §§ 675c, 667 BGB insbesondere dann, wenn die Bank Kenntnis der eingetretenen oder bevorstehenden Insolvenz der nachfolgenden Bank hatte (eine Weiterleitung des Überweisungsauftrags an eine solche Bank konstituiert keine Erfüllung) (wohl ebenfalls Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 181 f.). Zur a. A. vgl. nur BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2245 f. (Tz. 14 ff., allerdings sind diese Pflichten laut BGH nicht „drittschützend“); OLG Düsseldorf 12.01.2007, BeckRS 2008, 12667 (Tz. 42 ff.); BGH 29.05.1978, NJW 1978, 1852, 1852 (Tz. 11); BGH 29.09.1986, NJW 1987, 317, 318 (Tz. 18 ff.), die von einer Warnpflicht in einer solchen Situation ausgehen, deren Verletzung konsequenterweise „nur“ eine Schadensersatzpflicht auslösen kann, und auch BGH 20.06.1963, WM 1963, 1872, 1873 (Tz. 12), wo sogar ein Anspruch gemäß § 826 BGB zugunsten des Überweisungsempfängers angenommen wurde. 112 A.A. noch RG 25.04.1903, RGZ 54, 329, 332, das insofern keine Pflichtverletzung seitens der Bank annimmt: „Über die Grenzen des Zahlungsgeschäfts hinaus die Interessen Ihres Kunden wahrzunehmen, ist die Bank auf Grund des Girovertrags aber nicht verpflichtet, und es ist rechtsirrig, wenn die Revision meint, die Girobank sei verpflichtet, über die Zweckmäßigkeit einer ihr angesonnenen Zahlung, Übertragung oder Überweisung Erwägungen anzustellen.“ Später wurde diese Rechtsaufassung allerdings aufgegeben, vgl. BGH 20.10.1060, WM 1960, 1321, 1322 (Tz. 12); BGH 29.09.1986, NJW 1987, 317, 318 (Tz. 16 ff.) 113 Ist dies nicht der Fall, dann ist der „Auszahlungsvertrag“ zwischen dem Überweisenden und der Bank als Einzelzahlungsvertrag gemäß § 675f I BGB zu qualifizieren (vgl. jurisPK/ Schwintowski, § 675f BGB Rn. 4).
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tet die Pflicht der Bank, den Überweisungsbetrag dem Konto des Empfängers gutzuschreiben.114 Dies wird auch als Anspruch auf Gutschrift bezeichnet. Dieser ist vom Anspruch aus der Gutschrift zu unterscheiden, der erst mit der Gutschrift zur Entstehung gelangt. Der Anspruch auf Gutschrift ist dem Anspruch aus Gutschrift damit zeitlich vorgelagert. 1. Der Anspruch auf Gutschrift Die gesetzliche Verankerung des Anspruchs auf Gutschrift wird vom weit überwiegenden Teil des Schrifttums in § 675t I S. 1 BGB gesehen.115 Gemäß § 675t I S. 1 BGB ist der Zahlungsbetrag dem Zahlungsempfänger unverzüglich verfügbar zu machen, nachdem er auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters einge gangen ist. Laut der Regierungsbegründung zu § 675t BGB ist dort allerdings lediglich der Anspruch aus der Gutschrift normiert.116 Dies unterstellt, folgt der Anspruch auf Gutschrift – wie bereits nach altem Recht –117 aus dem Heraus gabeanspruch des § 667 Alt. 2 BGB, der gemäß § 675c I BGB grundsätzlich weiterhin ergänzend neben den speziellen Regelungen der §§ 675c ff. BGB anwendbar ist.118 Dafür, dass sich der Anspruch auf Gutschrift aus § 675t I. S. 1 BGB ergibt, spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift selbst, da unter „unverzüglich verfügbar [zu] machen“ auch der Anspruch auf Gutschrift gefasst werden kann. Zudem kann als weiteres Argument § 675t I S. 2 BGB angeführt werden, der im Zusammenhang mit § 675t I S. 1 BGB bei einer nachträglichen Gutschrift regelt, mit welchem Wertstellungsdatum „gutgeschrieben werden soll“. Es geht bei § 675t I BGB folglich auch um die Gutschrift und nicht nur um Ansprüche aus der Gutschrift. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 675t I S. 1 BGB bei Überweisungen, bei denen eine Währungsumrechnung aus oder in eine Drittstaatenwährung erfolgt, bezieht sich lediglich auf die Unverzüglichkeit der Verfügbarmachung.119 Sähe man bei solchen Überweisungsvorgängen die gesetzliche 114 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675f BGB Rn. 26. Vgl. auch Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 399. 115 MünchKomm/Jungmann, § 675t BGB Rn. 1 f.; Köndgen, JuS 2011, 481, 487; Staudinger/Omlor, § 675t BGB Rn. 3, 6; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675t BGB Rn. 2, § 675f BGB Rn. 34; Palandt/Sprau, § 675t BGB Rn. 4; Werner, BKR 2010, 353, 357. jurisPK/Schwintowski, § 675t BGB Rn. 5 sieht den Anspruch auf Gutschrift hingegen in § 675t I S. 2 BGB begründet. 116 BT-Drs. 16/11643, S. 112. Ebenso Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), BankrechtsHandbuch, § 49 Rn. 163; BeckOGK/Zahrte, § 675t BGB Rn. 11. Vgl. auch jurisPK/Schwintowski, § 675t BGB Rn. 5. 117 Vgl. nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 399; Riesenkampff, NJW 1976, 321. 118 So wohl Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 48 Rn. 163. 119 Palandt/Sprau, § 675t BGB Rn. 4.
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Verankerung des Anspruchs auf Gutschrift nicht in § 675t I S. 1 BGB, müsste man die Grundlage des Anspruchs, wie bereits ausgeführt, im allgemeinen Herausgabeanspruch des Geschäftsbesorgungsrechts gemäß §§ 675c I, 667 Alt. 2 BGB sehen. Unabhängig von der Anspruchsgrundlage besteht Einigkeit, dass die Bank dem Überweisungsempfänger den Betrag in dem rechtlichen Umfang zur Verfügung stellen muss, in dem sie ihn selbst erhalten hat und der Verfügung keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen.120 Bekommt die Bank des Überweisungsempfängers den Betrag auf ihrem Konto gutgeschrieben, muss sie folglich den erlangten Anspruch aus der Gutschrift dem Überweisungsempfänger durch Gutschrift auf dem Konto desselben verfügbar machen.121 Aufgrund der Besonderheiten des Überweisungsverkehrs ist nach herrschender Auffassung eine buchmäßige Deckung ausreichend.122 2. Der Anspruch aus der Gutschrift Dem Überweisungsempfänger soll eine ähnlich sichere Stellung wie beim Erhalt von Bargeld verschafft werden.123 Die „Schwäche“ des Anspruchs auf Gutschrift ist jedoch, dass er aufgrund seiner Kausalität mit sämtlichen Einreden, die die Bank ihrem Kunden entgegenhalten kann, behaftet ist.124 Ziel ist es deshalb, dem Überweisungsempfänger einen Anspruch zu verschaffen, der nicht einredebehaftet ist – eben den Anspruch aus der Gutschrift.125 Der Anspruch aus Gutschrift folgt dabei allerdings nicht unmittelbar aus § 675t I S. 1 BGB, da dort nur geregelt ist, dass der Überweisungsbetrag verfügbar zu machen ist, aber nicht wie die 120 Palandt/Sprau, § 675t BGB Rn. 4; MünchKomm/Jungmann, § 675t BGB Rn. 19. Vgl. zu §§ 675c, 667 Alt. 2 BGB nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 400. 121 Dasselbe würde bei Anwendbarkeit von §§ 675c, 667 Alt. 2 BGB gelten. Zwar müsste „bei juristisch strenger Konstruktion“ (Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 399) die Bank an den Überweisungsempfänger ihren Anspruch gegen den Überweisenden beziehungsweise die vorhergehende Bank abtreten. Der Girovertrag modifiziert jedoch den Herausgabeanspruch des §§ 675c I, 667 Alt. 2 BGB in girovertraglich spezifischer Weise. Die Bank hat den erhaltenen Anspruch nicht abzutreten, sondern dem Überweisungsempfänger in Form der Gutschrift, als Anspruch aus der Gutschrift, herauszugeben (vgl. Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 399; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 53.). 122 Hierzu unten S. 118 f. 123 BGH 15.05.1952, NJW 1952, 929–930, 929 (Tz. 11); Blaurock, NJW 1984, 1, 2; Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 410; MünchKomm/Häuser, Überweisungsverkehr Rn. B 387. Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 57. 124 Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 168. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 400; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 55. 125 Blaurock, NJW 1984, 1, 2; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 58. Vgl. auch BGH 15.05.1952, NJW 1952, 929–930, 929 (Tz. 11).
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Verfügbarmachung zu erfolgen hat.126 Ansonsten käme es zu dem wenig überzeugenden Ergebnis, dass die Grundlage der Ansprüche gegen die Bank, je nachdem, ob ein Anspruch aufgrund Einlösung eines Schecks oder durch Überweisung erlangt wird, auf einer unterschiedlichen rechtlichen Grundlage beruhen würde. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre kommt durch die Gutschrift ein abstraktes Schuldversprechen beziehungsweise Schuldanerkenntnis der Empfängerbank gegenüber dem Überweisungsempfänger zustande (§§ 780, 781 BGB).127 Im Gegensatz zur Belastungsbuchung ist die Gutschrift ein konstitutiver Akt.128 Die Konstruktion des Vertragsschlusses ist umstritten. Teilweise wird vertreten, dass in dem Abschluss des Girovertrags eine unbestimmte Vielzahl von antizipierten Angeboten des Kunden liegt, die durch die Gutschrift der Bank angenommen werden.129 Die heute ganz herrschende Auffassung sieht in dem Zahlungsdiensterahmenvertrag jedoch einen „Globalvertrag“, auf Grundlage dessen die Bank von ihrem insofern verliehenen „ausfüllenden Gestaltungsrecht“ Gebrauch macht. Ein Zugang dieser Gestaltungserklärung beim Kunden ist analog § 151 S. 1 Alt. 2 BGB wiederum nicht erforderlich.130 Letztere Auffassung ist vorzuziehen, wirkt doch die Annahme einer unbestimmten Vielzahl von Erklärungen in jeder erdenklichen Höhe, die bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Zahlungsdiensterahmenvertrags durch den Bankkunden ausgesprochen werden, gekünstelt.131
126 MünchKomm/Jungmann,
§ 675t BGB Rn. 36 f.; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 37; Baumbach/Hopt/Hopt, Bankgeschäfte Rn. C/92. A.A. Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 171. 127 BGH 13.06.2013, WM 2013, 1793, 1795 (Tz. 28); BGH 07.12.2004, NJW-RR 2005, 559, 560 (Tz. 24); BGH 19.03.1991 NJW 1991, 2210, 2211 (Tz. 17); Blaurock, NJW 1984, 1, 2; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 415; Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.6, 4.67; Möschel, AcP 186 (1986), 187, 193; Bamberger/Roth/Hau/ Poseck/Schmalenbach, § 675f BGB Rn. 20; Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 37; MünchKomm/ Häuser, Überweisungsverkehr Rn. B 388. Vgl. auch BeckOGK/Zahrte, § 675t BGB Rn. 10.1. 128 Vgl. Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 415 ff. A.A. allerdings Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 42, der insofern einen einfachen Realakt annimmt und damit lediglich deklaratorische Wirkung der Gutschrift. Meyer-Cordings Auffassung ist allerdings abzulehnen, da der Girovertrag antizipierend wohl kaum die Entstehung der einzelnen Ansprüche vollständig determiniert und den Banken vielmehr einen gewissen Spielraum beim Zeitpunkt der Entstehung der einzelnen Ansprüche aus den abstrakten Schuldversprechen bzw. -anerkenntnissen einräumt (Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 417). 129 Vgl. zu dieser Auffassung und zur Kritik nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 416. 130 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 417. 131 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 417.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
Aus dem bereits Gesagten wird deutlich, dass die Deckung aus rechtlicher Sicht – jedenfalls im Verständnis der ganz herrschenden Meinung – kein Gegenstand ist, der über die Überweisungskette vom Überweisenden bis zum Überweisungsempfänger einfach „weitergeleitet“ wird (beispielsweise durch Abtretung).132 Vielmehr besteht der „Transfer“ bei einem mehrgliedrigen Überweisungsvorgang grundsätzlich aus dem Erlöschen und Neuentstehen von Ansprüchen aus der Gutschrift. Ist auf dem Konto des Überweisenden zum Zeitpunkt der Ausführung der Überweisung genügend Deckung vorhanden, erlischt seine Guthabenforderung gegen die Bank in Höhe ihres Aufwendungsersatzanspruchs. Es wird bei ordnungsgemäßer Ausführung jedoch durch Gutschrift ein Anspruch aus dieser zugunsten der weiterleitenden Bank zur Entstehung gebracht. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis der Anspruch aus der Gutschrift zugunsten des Überweisungsempfängers entsteht. Dies ist nach herrschender Meinung auch der Zeitpunkt, in dem die Erfüllung des Zahlungsanspruches im Valutaverhältnis eintritt.133 V. Die Rechtsverhältnisse zwischen den Banken im außerbetrieblichen Überweisungsverkehr (Interbankenverhältnis) 1. Übertragbarkeit der Grundsätze aus dem Deckungs- und Inkassoverhältnis Ein Interbankenverhältnis gibt es im deutschen Recht nur im außerbetrieblichen Überweisungsverkehr. Bei einer außerbetrieblichen Überweisung sind mindestens zwei Banken – nämlich die des Überweisenden und die des Überweisungsempfängers – am Überweisungsvorgang beteiligt.134 Stehen beide Banken in einer Korrespondenzbeziehung zueinander, liegt dieser Beziehung ein rechtlich selbständiger Vertrag zugrunde.135 Entsprechendes gilt für den mehrgliedrigen 132
Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.7. § 362 BGB Rn. 10; Palandt/Sprau, Einf v § 675c BGB Rn. 4; Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 188; BGH NJW 1952, 929; 1999, 210; EuGH NJW 2008, 1953; BeckOGK/Looschelders, § 362 BGB Rn. 114. Nach anderer Ansicht genügt bereits der Eingang des Überweisungsbetrags bei der Bank des Überweisungsempfängers, MünchKomm/Casper, § 675f BGB Rn. 88 f. Vergleiche zum Streitstand auch Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 188 ff. 134 Dies mag in machen ausländischen Rechten anders sein, wenn die Filialen oder Zweigstellen einer Bank für die Durchführung des Überweisungsvorgangs als rechtlich selbständige Personen qualifiziert werden (vgl. § 4A-105 (a)(2) UCC). 135 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 321 ff.; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 387; Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 143; Hüffer, ZHR 151 (1987), 93, 106; Möschel, AcP 186 (1986), 187, 211; Schön, AcP 198 (1998), 401, 449; Werner, BKR 2010, 353, 354. Vgl. auch Heermann, KritV 89 (2006), 173, 177. 133 Palandt/Grüneberg,
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
37
Überweisungsverkehr, also bei Einschaltung mindestens einer weiteren (zwischengeschalteten) Bank. Dort sind nur die sich innerhalb der Überweisungskette jeweils unmittelbar gegenüberstehenden Banken vertraglich verbunden.136 Es kommt somit zu einer Kette von Giroverträgen.137 Das Interbankenverhältnis beziehungsweise die Interbankenverhältnisse werden grundsätzlich – insbesondere jedoch mit Ausnahme des Art. 92 ZDR II – nicht umfassend von den Regelungen der Zahlungsdiensterichtlinien erfasst.138 Nach deutschem Recht sind die §§ 675c ff. BGB im Grundsatz jedoch auch auf die rechtlichen Beziehungen im Interbankenverhältnis anwendbar.139 Eine Ausnahme gilt lediglich für Zahlungsvorgänge, die zwischen Zahlungsdienstleistern, ihren Agenten oder Zweigniederlassungen auf eigene Rechnung ausgeführt werden, da diese Vorgänge gemäß § 675c III BGB i. V. m. § 2 I Ziff. 12 ZAG nicht als Zahlungsdienste gelten. Als Zahlungsdienste gelten gemäß §§ 2 I, 1 XI ZAG zudem auch nicht Zahlungsvorgänge, die innerhalb eines Zahlungssystems zwischen Zahlungsausgleichsagenten, zentralen Gegenparteien, Clearingstellen oder Zentralbanken und anderen Teilnehmern des Systems und Zahlungsdienstleistern abgewickelt werden.140 Hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Banken kann deshalb auf die Ausführungen zum Deckungs- und Inkassoverhältnis Bezug genommen werden.141 136 Vgl. BGH 28.02.1977, NJW 1977, 1916, 1916 (Tz. 8); OLG Karlsruhe 31.08.2004, ZIP 2004, 1900, 1903 (Tz. 40); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 387; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 48; Schröter, ZHR 151 (1987), 118, 122. 137 Siehe bereits oben S. 9 f. 138 Diese Intention des Gesetzgebers wird aus Erwägungsgrund 47 ZDR I, nun Erwägungsgrund 87 ZDR II erkennbar: „Diese Richtlinie sollte nur die vertraglichen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister zum Gegenstand haben. […]“. Vgl. auch BT-Drs. 16/11643, S. 118. Vgl. auch BeckOGK/Köndgen, § 675c BGB Rn. 10. 139 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 111, 147; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Grundmann, §§ 675c, 675e BGB Rn. II 57; MünchKomm/Häuser, Überweisungsverkehr Rn. B 295; Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.245 (vgl. auch Rn. 4.250); Palandt/Sprau, Einf v § 675c BGB Rn. 7; § 675f BGB Rn. 2, 39, § 676a BGB Rn. . A.A. Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 136; Staudinger/Omlor, § 676a BGB Rn. 3, BeckOGK/Köndgen, § 675c BGB Rn. 10,nach denen das Interbankenverhältnis grundsätzlich nicht erfasst ist; wohl auch Baumbach/Hopt/Hopt, Bankgeschäfte Rn. C/23, C/83. Vgl. auch BT-Drs. 16/11643, S. 118: „Obwohl in erster Linie in den zivilrechtlichen Teilen der Zahlungsdiensterichtlinie nur die vertraglichen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zwischen Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister geregelt sind, hielt es der Richtliniengeber für erforderlich, auch eine – das Verhältnis von Zahlungdienstleistern untereinander betreffende – Regressregelung zu normieren, s. auch Erwägungsgrund 47 der Zahlungsdiensterichtlinie.“ 140 Zu Zahlungssystemen unten S. 77 ff. 141 Zum Deckungsverhältnis oben S. 25 ff.; zum Inkassoverhältnis oben S. 32 ff.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
Bei „two-leg transactions“ ist im Interbankenverhältnis zusätzlich § 676a BGB zu beachten, der es einem Zahlungsdienstleister erlaubt – insbesondere im Fall der Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs – unmittelbar gegen den die Haftung des Zahlungsdienstleisters gegenüber seinem Kunden gemäß § 675y I S. 1 BGB verursachenden Zahlungsdienstleister vorzugehen.142 § 676a BGB gewährt dem Zahlungsdienstleister insofern einen grundsätzlich verschuldensunabhängigen143 Anspruch gegen den anderen Zahlungsdienstleister – unabhängig davon, ob die beiden Zahlungsdienstleister in einem Vertragsverhältnis stehen oder nicht.144 § 676a BGB ist nach ganz herrschender Auffassung grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn das jeweilige Rechtsverhältnis von der Anwendung der §§ 675c ff. BGB ausgenommen ist.145 Im drittstaatenbezogenen Überweisungsverkehr, das heißt bei „one-leg transactions“, die für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit von besonderer Bedeutung sind, ist § 676a BGB genausowenig wie die „money-back guarantee“ gemäß § 675y I S. 1 BGB anwendbar. Bei „one-leg transactions“ ist die einen Überweisungsauftrag empfangende Bank zur Weiterleitung des Überweisungsauftrags an die nachfolgende Bank auf Grundlage des Girovertrags mit der erteilenden Bank verpflichtet. Die den Überweisungsauftrag erteilende Bank ist gemäß §§ 675 I, 670 BGB zum Aufwendungsersatz verpflichtet und hat auf Ver langen gemäß §§ 675 I, 669 BGB Vorschuss zu leisten. Verhält sich die empfangende Bank weisungswidrig, ist sie grundsätzlich zur Herausgabe der erhaltenen Deckung, also wieder zur Gutschrift des Überweisungsbetrags auf dem Konto der erteilenden Bank verpflichtet. Verhält die Bank sich auf andere Weise pflichtwidrig, ist sie zum Schadensersatz gemäß § 280 I BGB verpflichtet. Leitet sie den Überweisungsauftrag also weisungsgemäß weiter und trifft sie auch kein Auswahlverschulden hinsichtlich der Bank, an die weitergeleitet wurde, behält sie ihren Anspruch auf Aufwendungsersatz. Zu beachten ist, dass Banken, da sie Unternehmer sind, vertraglich aufgrund von § 675e I, IV BGB die rechtlichen Beziehungen untereinander weitgehend autonom ausgestalten können. Strittig ist dies für die Regelung des § 676a BGB (welcher unter anderem den soeben genannten Art. 92 ZDR II ins deutsche Recht umsetzt) betreffend Regressansprüche einer Bank im Interbankenverhältnis im
142
Hierzu noch unten S. 169 ff. BT-Drs. 16/11643, S. 119; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 147; Palandt/ Sprau, § 676a BGB Rn. 1. Vgl. auch BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 19.1. 144 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 147; jurisPK/Schwintowski, § 676a BGB Rn. 3; Palandt/Sprau, § 676a BGB Rn. 1; BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 25. 145 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 147 f.; Baumbach/Hopt/Hopt, Bankgeschäfte Rn. C/83, C/86; Palandt/Sprau, § 676a BGB Rn. 1. 143
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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Falle des Fehlverhaltens einer zwischengeschalteten Stelle.146 Dieser ist nämlich gemäß § 675e IV BGB auch von Unternehmern nicht abdingbar. Die herrschende Auffassung in der Literatur reduziert § 675e I BGB jedoch teleologisch dahingehend, dass Zahlungsdienstleister untereinander auch diese Norm abbedingen können, da die Zahlungsdienstleister als „(professionelle) Parteien des Dienstleistungsverkehrs“147 nicht des gesetzgeberischen Schutzes bedürfen.148 2. Die Theorie vom Netzvertrag Aufgrund der Bilateralität der Vertragsverhältnisse kann ein am Überweisungsvorgang Beteiligter sich grundsätzlich nur an den eigenen Vertragspartner halten. Der Überweisende zum Beispiel kann nicht von einer zwischengeschalteten Bank verlangen, dass sie den Überweisungsauftrag an die Bank des Überweisungsempfängers weiterleitet.149 Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Haftung bei Verletzung dieser Pflichten. Gerade Letzteres wird jedoch häufig als unbefriedigend empfunden.150 Inzwischen sieht das europäische Zahlungsdiensterecht bei „two-leg transactions“ den „Direktanspruch“ des § 676a BGB (Art. 92 ZDR II) eines Zahlungsdienstleisters gegen die einen Fehler verursachende zwischengeschaltete Stelle vor; § 676a BGB findet jedoch bei „one-leg transactions“ von Gesetzes wegen keine Anwendung.151 Bereits vor der europäischen Rechtsvereinheitlichung betreffend das Überweisungs- und Zahlungsdiensterecht gab es in Deutschland Bestrebungen, die „Schwäche“ des traditionellen Ansatzes zu überwinden. Unter anderem mit Bezug zum bargeldlosen Zahlungsverkehr hat Möschel auf vertraglicher Ebene eine „neue dogmatische Denkkategorie“, einen neuen Vertragstypus postuliert, den er „Netzvertrag“ nennt.152 Seiner Auffassung nach werden im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs die dort vorherrschenden „individualistischen Vertrags146 Vgl. Palandt/Sprau, § 676a BGB Rn. 1 (jedoch uneingeschränkt abdingbar im Rahmen von Zahlungssystemen); BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 9 ff, der sich wohl zumindest für die inhaltliche Ausgestaltbarkeit des Anspruchs ausspricht. 147 MünchKomm/Zetzsche, § 676a BGB Rn. 6. 148 MünchKomm/Zetzsche, § 676a BGB Rn. 6; Palandt/Sprau, § 676a BGB Rn. 1. Vgl. auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Langenbucher, § 676a BGB Rn. 2, die jedoch dann die Abdingbarkeit verneint, wenn der Zahlungsdienstleister selbst als Zahlungsdienstnutzer anzusehen ist, und BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 11. 149 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 387. Vgl. auch BGH 21.02.1983, NJW 1983, 1779, 1779 (Tz. 1 f.). 150 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 222; Rohe, Netzverträge, S. 196. Vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 214; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 393. 151 Zum Direktanspruch auch S. 169 ff. 152 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 211.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
strukturen […] wertungsmäßig […] von ihrer „Einbettung in das Gesamtsystem“ überlagert.153 Da das Gesamtsystem durch den gemeinsamen Zweck der Zahlungsdurchführung determiniert sei, dürften einzelne Teile nicht aus diesem Gesamtzusammenhang herausgelöst werden.154 Deshalb komme mit Anschluss an den Verbund ein Netzvertrag zustande,155 an dem alle Beteiligten unmittelbar miteinander verbunden sind. Nach der Konzeption des Netzvertrags ist damit jeder Beteiligte mit jedem Beteiligten des Überweisungsvorgangs vertraglich verbunden. Der Netzvertrag bildet nach dem Modell Möschels die vertragliche Grundlage, aus der sich unmittelbar und inter partes „Schutzpflichten“ ergeben sowie – bei deren Verletzung – Schadensersatzansprüche entstehen. Darüber hinaus soll der Netzvertrag Grundlage für einen Direktwiderruf gegenüber der Empfängerbank sein.156 Der Netzvertrag soll verhindern, dass man die Rechte und Pflichten der Beteiligten den „organisatorischen Zufälligkeiten des Wirtschaftslebens“ anheimgebe.157 Die Idee des Netzvertrags griff Rohe einige Jahre später wieder auf. Er unternahm den Versuch, dem Netzvertrag, den Möschel noch als „Denkansatz“158 bezeichnet und behandelt hatte, ein dogmatisches Fundament zu geben. Konstruktiv geht nach Rohe, auch wenn dieser Aspekt von ihm als eher sekundär angesehen wurde,159 mit dem Anschluss an den Netzverbund (also bei Vertragsschluss mit dem ersten Netzbeteiligten) eine konkludente Vollmachtserteilung gegenüber den sich bereits im Netz befindlichen Vertragspartnern einher, sodass diese mit den ständig wechselnden, gegenwärtigen wie zukünftigen Netzbeteiligten im Namen des Anschließenden kontrahieren können.160 Der Vorschlag eines Netzvertrags ist auf breite Ablehnung gestoßen.161 Am Konzept des Netzvertrags wird in der Literatur vehemente Kritik geübt. Die 153 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 211. Darüber hinaus stellt Möschel auch zur Diskussion, ob nicht auch Vertragssysteme der Energiewirtschaft, besondere Absatzmittlungssysteme, Projektverträge mit Generalunternehmern und gegebenenfalls zahlreichen Subunternehmern etc. ebenfalls als Netzverträge aufgefasst werden sollten. 154 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 222. 155 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 211. Siehe auch Rohe, Netzverträge, S. 170. 156 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 228 ff. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 393. Zum Direktwiderruf auch unten S. 220 ff. 157 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 222. 158 Vgl. Möschel, AcP 186 (1986), 187, 211. 159 Rohe, Netzverträge, S. 169. 160 Rohe, Netzverträge, S. 171. Insofern wird allerdings nicht klar, ob der Netzvertrag transaktionsspezifisch oder dauerhaft für sämtliche Transaktionen eines Beteiligten, d. h. vergleichbar mit einem Girovertrag, entsteht (im letzteren Sinne versteht bspw. Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 393 den Vorschlag). 161 BSG 20.12.2001, WM 2002, 2144, 2144; LG Berlin, Urteil vom 10.05.2001, Az. 57 S 116/00, Tz. 3; Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 148 ff.; Werner, in: Kümpel u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 7.281 (4. Aufl. 2011); Schmieder, in: Schimansky
B. Deutsches Recht und die Zahlungsdiensterichtlinie
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rechtsgeschäftliche Konstruktion wird als fiktiv bezeichnet.162 Zudem werden rechtsfolgenbezogene und strukturelle Bedenken angeführt.163 Selbst wenn die Idee eines Netzvertrags in unterschiedlichen Kontexten immer wieder an die Oberfläche der rechtswissenschaftlichen Diskussion gelangt,164 kann das Konzept für die Giroüberweisung als gescheitert gelten. Die herrschende Meinung korrigiert unbillige Ergebnisse aufgrund eines Auseinanderfallens von „Pflichtenkreis und Schutzberechtigung“165 über die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation oder durch die Erweiterung des Schutzbereichs einzelner Vertragsverhältnisse.166 Auch Möschel und Rohe wollen über die auf diese Weise begründeten Rechtsfolgen mit dem Konstrukt des Netzvertrags im Wesentlichen nicht hinausgehen, beanspruchen vielmehr lediglich die größere Wertungskonsistenz ihrer Theorie.167 Vertragliche Primäransprüche zwischen den nicht unmittelbar an einem Überweisungsvorgang Beteiligten sind auch nach dem Konzept des Netzvertrags von Möschel und Rohe ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund soll der Anspruch dieser Arbeit nicht in einer erneuten kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept des Netzvertrags liegen, zumal das Thema dieser Arbeit das Internationale Privatrecht ist. Das materiellrechtliche Konzept wird dennoch angesprochen, da am Rande der kollisionsrechtlichen Diskussion immer wieder der Netzvertrag mit seinem inhärenten Einheitlichkeitsstreben Erwähnung findet – ohne allerdings die kollisionsrechtlichen Implikationen zu erörtern.168 Der Netzu. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 133; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 1 Rn. 91; Schürmann, Haftung im mehrgliedrigen bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 211; Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 205. Vgl. aber auch Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 471. Vgl. auch BeckOGK/Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 470 Fn. 1159. 162 Insbesondere im Kontext der Überweisung Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 393; Köndgen, in: Köndgen (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, S. 145. Vgl. auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 205. Selbst Heermann, KritV 89 (2006), 173, 177, der dem Netzwerkgedanken positiv gegenübersteht, stellt fest, dass es sich „hierbei definitiv nicht um ein multilateral-synallagmatisches Rechtsgeschäft“ handelt. 163 Insb. im Kontext der Überweisung Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 222 ff.; Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 205 Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 393. 164 So insb. Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, 2004 oder Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003; Heermann, KritV 89 (2006), 173 ff. Zu beiden auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 215 ff. 165 Möschel, AcP 186 (1986), 187, 222. 166 Unten S. 182 ff. 167 Vgl. Möschel, AcP 186 (1986), 187, 211, 223; Rohe, Netzverträge, S. 5, 17. Vgl. auch Schneider, WM 1999, 2189, 2191; Köndgen, in: Köndgen (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, S. 145. 168 Vgl. nur Schneider, WM 1999, 2189, 2191. Diese auch nur oberfläch streifend Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 322.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
vertrag selbst ist nämlich lediglich ein Konstrukt des materiellen Rechts und präjudiziert noch nicht seine kollisionsrechtliche Behandlung. Diese Lücke in der Diskussion soll im kollisionsrechtlichen Teil dieser Arbeit geschlossen werden.169
C. Ausländische Rechtsordnungen I. Französisches Recht Frankreich hat den zivilrechtlichen Teil der ZDR II in den Art. L133-1 ff. des Code monétaire et financier (CMF) umgesetzt. Der Anwendungsbereich der Regelungen ist in Art. L133-1 CMF definiert. Vor der Umsetzung der ZDR II waren lediglich „two-leg transactions“ in Euro oder einer EWR-Währung von den Art. L133-1 ff. CMF a. F. erfasst. Für grenzüberschreitende Überweisungen, die nicht in den Anwendungsbereich fielen, waren mangels spezialgesetzlicher Regelung die (allgemeinen) Regelungen des Code civil (CC) anwendbar.170 Seit Umsetzung der ZDR II sind auch die im EWR getätigten Bestandteile von „one-leg transactions“ von den Art. L133-1 ff CMF erfasst (vergleiche Art. L1331 IV CMF). Das französische Umsetzungsgesetz zur ZDR II ist am 13.01.2018 in Kraft getreten.171 Nunmehr bieten die Art. L133-1 ff. CMF auch für die innerhalb des EWR getätigten Bestandteile von „one-leg transactions“ ein Regelungsregime (vergleiche Art. L133-2 CMF), doch ist insbesondere die „money-back guarantee“ des Art. L133-22 CMF nicht anwendbar. Insofern treten die allgemeinen Regelungen des französischen CC lückenfüllend an die Stelle der nicht anwendbaren Normen. Im Folgenden wird jedoch ausschließlich das (nichtvereinheitlichte) Regelungsmodell des CC für Überweisungen und nicht dasjenige des CMF untersucht. Das Regelungsmodell des CC als Vertreter des romanischen Rechtskreises ist für die kollisionsrechtliche Perspektive dieser Arbeit von besonderer Bedeutung, da das Zusammenwirken der rechtlichen Mechanismen unterschiedlicher Rechtsordnungen im Falle nicht ordnungsgemäß ausgeführter Überweisungsvorgänge untersucht wird. Im französischen Recht liegt dem Überweisungsauftrag (meist als „ordre de virement“ bezeichnet) ein Girovertrag zugrunde, der äußerlich meist in der „con169
Unten S. 138 f. Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 20; Stille, Europäische Prinzipien bei der rechtlichen Behandlung von Banküberweisungen, S. 93. 171 Art. 34 Ordonnance n° 2017-1252 du 9 août 2017 portant transposition de la directive 2015/2366 du Parlement européen et du Conseil du 25 novembre 2015 concernant les services de paiement dans le marché intérieur. 170 Vgl.
C. Ausländische Rechtsordnungen
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vention de compte“ (Kontovertrag) aufgeht. Der Giro- und der Kontovertrag rücken die Bank des Überweisenden in eine Doppelstellung.172 Zum einen ist die Bank Verwahrerin („dépositaire“) des auf dem Konto vorhandenen Guthabens (zugrunde liegt nach herrschender Lehre – wie im deutschen Recht – ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag),173 zum anderen handelt sie bei Ausführung des Überweisungsauftrags als Beauftragte („mandataire“) des Überweisenden.174 Der einzelne Überweisungsauftrag ist hierbei nicht „lediglich“ Weisung im Rahmen des Girovertrags, sondern ganz herrschend als eigenständiger auftragsrechtlicher Vertrag („mandat“) zu qualifizieren (vergleiche auch Art. 1984 ff. CC).175 Der Überweisungsauftrag kommt deshalb erst durch die Annahme der Bank (des Überweisenden) zustande (vergleiche Art. 1984 CC). Meist erfolgt die Annahme konkludent durch Ausführung des Auftrags.176 Aufgrund des Girovertrags ist die Bank regelmäßig hierzu verpflichtet, wenn das Konto des Überweisenden genügend Guthaben aufweist (beziehungsweise die Kreditlinie ausreicht).177 Führt die 172 Cabrillac/Rives-Lange, Rev. trim. dr. com. 1975, 138, 152; Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 10; Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 291; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 75. 173 Es wird im französischen Recht zwischen Einlagekonten („compte de dépôt“) und Kontokorrentkonten („compte courant“) unterschieden. Hierzu und zur grundsätzlichen rechtlichen Qualifizierung Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 21 f. Für die Qualifizierung des Einlagevertrags als unregelmäßigen Verwahrungsvertrag z. B. Com. 28.11.1995, D. 1996, i.r. 2, m. Anm. Grua, D. 1996, chron. 172. Eine Mindermeinung ordnet den Einlagevertrag jedoch als Darlehensvertrag („prêt“) ein, Hamel/Lagarde/Jauffret, Droit Commercial II, Rn. 1640, vgl. auch Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 21 Fn. 37 m. w. N. 174 Bonneau, Droit bancaire, Rn. 634 (vgl. auch 8. Aufl. 2009, Rn. 360); Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 25; Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 370; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 43; Vézian, La responsabilité du banquier, Rn. 143. 175 Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 370, 397; Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 9; Couret/Peltier/Devèze, Le droit bancaire, S. 55; Grua, Contrats bancaires, Rn. 160; Jeantin/Le Cannu, Droit commercial, Rn. 157 f.; Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 26; Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 295. Die Überweisung ist insbesondere keine Forderungsabtretung („cession de créance“), Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 14. Von Grua, Les contrats de base de la pratique bancaire, S. 150 wird der Überweisungsauftrag auch als Zahlungsanweisung („indication de paiement“) qualifiziert; vgl. hierzu auch Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 19, der allerdings auch feststellt, dass Gruas Auffassung keinen Widerhall in der Rechtsprechung gefunden hat, und Stille, Europäische Prinzipien bei der rechtlichen Behandlung von Banküberweisungen, S. 93 f. 176 Martin, Aspects juridiques du virement, Rev. Dr. banc. 1989, 149 (150). Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 68. 177 CA Paris 28.03.1989, D. 1991, somm. 31 m. Anm. Vasseur; Hamel/Lagarde/Jauffret, Droit Commercial II, Rn. 1736; Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 397; Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 68 f.; Couret/Peltier/Devèze, Le droit bancaire, S. 56; Jeantin/
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
Bank des Überweisenden den Überweisungsauftrag in diesem Fall ohne legitimen Grund („sans motif légitime“) nicht aus, macht sie sich schadensersatzpflichtig.178 Bei einer innerbetrieblichen Überweisung ist die Bank als „mandataire“ im französischen Recht verpflichtet, den Überweisungsbetrag dem Empfängerkonto gutzuschreiben.179 Umstritten ist jedoch, ob sie auch bei einer außerbetrieblichen Überweisung verpflichtet ist, die Gutschrift des Überweisungsbetrags auf dem Konto des Überweisungsempfängers herbeizuführen oder ob sie lediglich der Bank des Überweisungsempfängers die Deckung zur Ausführung des Überweisungsauftrags zur Verfügung stellen muss.180 Für die erste und gegen die zweite Auffassung spricht, dass die nachfolgenden Banken und die Bank des Überweisungsempfängers als „mandataire substitué“ (Substitut) qualifiziert werden.181 Der „mandataire substitué“ ist ein solcher jedoch nur, weil er im Pflichtenkreis seines Geschäftsherrn tätig wird.182 Eine entsprechende Qualifikation als „mandataire substitué“ bedingt deshalb, dass die Bank des Überweisenden auch im außerbetrieblichen Überweisungsverkehr zur Gutschrift des Überweisungsbetrags auf dem Empfängerkonto verpflichtet ist. Durch die Qualifikation der nachfolgenden Banken als „mandataires substitués“ des Überweisenden wird jedoch die Haftung der Bank des Überweisenden grundsätzlich beschränkt, da die Bank des Überweisenden für ihre Substitute grundsätzlich gemäß Art. 1994 CC nicht einzustehen hat, wobei allerdings in der Rechtsprechung zunehmend haftungserweiternde Tendenzen feststellbar
Le Cannu, Droit commercial, Rn. 158, 168; Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 92. Vgl. für den Fall einer Lastschrift auch Com. 04.01.1979, D. 1979, 357 m. Anm. Vasseur. 178 Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 92 (auch zu den möglichen Gründen). 179 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 45. 180 Gavalda/Stoufflet, Droit bancaire, S. 271 (4. Aufl. 1999). Vgl. auch Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 295 ff.; Vasseur, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 271 f. Den Auskunftsanspruch betreffend jedoch Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 71; Martin, Rev. Dr.banc 1989, 149, 150; unklar Grua, Contrats bancaires, Rn. 163; Vézian, La responsabilité du banquier, Rn. 95. A.A. auch ausdrücklich („seit jeher“) Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 98, 45. 181 Com. 10.05.2006, Bull. civ. IV, no. 118; Com. 30.11.1983, D. 1984, inf. 308 m. Anm. Vasseur; Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 402; Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 136. Dies gilt auch für die Bank des Überweisungsempfängers, hierzu sogleich unten im Text. 182 Pétel, Les obligations du mandataires, Rn. 286.
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sind.183 Der Überweisende kann sich in der Regel nur an die jeweilige nicht- oder schlechtleistende Bank halten (vergleiche Art. 1994 II CC).184 Die Banken haben gegen den Überweisenden beziehungsweise gegen die vorausgehende Bank einen Anspruch auf den Überweisungsbetrag. Im Fall einer nicht ausgeführten Überweisung oder der Überweisung an einen anderen als den im Überweisungsauftrag genannten Empfänger, hat der Überweisende gegen seine Bank jedoch einen verschuldensunabhängigen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des „abgebuchten“ Betrags.185 In diesen Fällen entfaltet die Ausführung der Überweisung nämlich keine Erfüllungswirkung gemäß Art. 1239 I, 1937 CC, da nicht an den Kontoinhaber oder den benannten Überweisungsempfänger gezahlt wurde. Die Bank muss den ursprünglichen Zustand wiederherstellen.186 Die tatsächliche Rückbuchung hat jedoch nur deklaratorischen Charakter.187 Entsprechendes gilt für den Fall der „Zuvielüberweisung“ für den zu viel überwiesenen Betrag.188 Im Falle einer schuldhaften Verzögerung verletzt die Bank hingegen ihre Ausführungspflicht aus dem Auftragsverhältnis. Da diese nach ganz herrschender Meinung in Frankreich eine „obligation de moyen“ (also eine „Handlungspflicht“ im Gegensatz zu einer „obligation de résultat“ („Erfolgspflicht“)) ist, muss sie den entstandenen Schaden nur dann ersetzen, wenn sie die Verzögerung schuldhaft verursacht hat.189 Wie bereits ausgeführt, ist die Bank des Überweisungsempfängers selbst „mandataire substitué“ des Überweisenden (beziehungsweise bei innerbetrieblichen Überweisungen „mandataire“).190 Gleichzeitig ist sie jedoch auch Beauf183
Hierzu unten S. 192 ff. Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 136. 185 Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 94 ff.; Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 297; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, 65. Die Bank muss sich hingegen an den („falschen“) Überweisungsempfänger halten (Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 96; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 98). 186 Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 411; Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 297. 187 Grua, D. 1996, chron. 172, 174; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 67, 98. Die Rechtsprechung bezeichnet den Vorgang jedoch als „remboursement“ (Rückerstattung) und impliziert damit eine konstitutive Wirkung der Rückbuchung. 188 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 98. 189 Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 297; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, 45. Siehe auch Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 93. A.A. Martin, Rev. Dr. banc. 1989, 149, 150 der auch diese Verpflichtung als eine „obligation de résulat“ einordnet. 190 Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 174; Grua, Contrats bancaires, Rn. 166; Jeantin/Le Cannu, Droit commercial, Rn. 169; Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit ban184 Vgl.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
tragte („mandataire“) ihres Kunden, des Überweisungsempfängers.191 Sie ist aufgrund der „convention de compte“ zur Gutschrift eingegangener Überweisungsaufträge verpflichtet.192 Im französischen Recht wird dies auch als „mandat général d’encaissement“ bezeichnet.193 Die Bank des Überweisungsempfängers hat folglich eine Doppelstellung inne.194 Einerseits ist sie als „mandataire substitué“ gegenüber dem Überweisenden verpflichtet, den Überweisungsbetrag dem Überweisungsempfänger zukommen zu lassen. Andererseits ist sie durch das „mandat général d’encaissement“ zur Gutschrift eingehender bargeldloser Zahlungen verpflichtet. Wie im deutschen Recht wird durch die Gutschrift ein von den Rechtsverhältnissen des Überweisungsvorgangs abstraktes eigenes Rechtsverhältnis begründet und der Überweisungsvorgang abgeschlossen.195 Die Gutschriftsbuchung selbst bedarf allerdings der Zustimmung des Überweisungsempfängers.196 Nach herrschender Auffassung gibt seine Bank als Beauftragte in seinem Namen die entsprechende Erklärung ab.197 Gegen die übrigen Beteiligten des Überweisungsvorgangs hat der Überweisungsempfänger grundsätzlich keine Ansprüche, ausgenommen den Fall, dass die Ausführung der Überweisung trotz vorhandener Deckung nicht erfolgte und der Überweisende inzwischen insolvent geworden ist.198 In diesem Fall haftet die caire, Rn. 197; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 113. 191 Im zugrundeliegenden Rahmenvertrag wird nämlich (gegebenenfalls stillschweigend) vereinbart, dass die Bank für ihren Kunden Überweisungen entgegenehmen und seinem Konto gutschreiben soll, Grua, Contrats bancaires, Rn. 166; Jeantin/Le Cannu, Droit commercial, Rn. 164, 169. Vgl. auch Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 133. 192 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 53; Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 75. 193 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 188 f.; Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 75; Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 3, 124. 194 Grua, Le contrats de base de la pratique bancaire, S. 178; Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 123; Stille, Europäische Prinzipien bei der rechtlichen Behandlung von Banküberweisungen, S. 106. 195 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 54. Mit der Gutschrift tritt nach französischem Recht grds. auch Erfüllung im Valutaverhältnis ein, vgl. Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 145. 196 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 54; Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 89; Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 141 ff. 197 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 54. 198 Vgl. hierzu Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen
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Bank des Überweisenden dem benannten Überweisungsempfänger nach herrschender Rechtsprechung aus Delikt.199 II. Englisches Recht Im Vereinigten Königreich sind in Bezug auf Überweisungen insbesondere zwei Rechtsquellen hervorzuheben: Zum einen die Payment Services Regulation (PSR)200, die die ZDR II umsetzt, und zum anderen das (englische) Common Law.201 Während vor Umsetzung der ZDR II binnenbezogene Überweisungen grundsätzlich dem Regelungskomplex der PSR unterlagen, unterfielen drittwährungs- und drittstaatenbezogene Überweisungen, also insbesondere auch „oneleg transactions“, grundsätzlich weiterhin dem Common Law.202 Mit Umsetzung der ZDR II unterfallen nun insbesondere auch die innerhalb des EWR getätigten Bestandteile von „one-leg transactions“ der PSR (vergleiche Sec. 63 (1)(a)(iii), (3)(a) PSR). Allerdings ist auch für die Bestandteile innerhalb des EWR gemäß Sec. 63 (1)(a)(iii), (3)(b) PSR insbesondere die zentrale Haftungsregelung der PSR, die „money-back guarantee“ gemäß Sec. 91 (1), (2) PSR, nicht anwendbar. Die Regelungslücke ist wohl durch Rückgriff auf das Common Law zu füllen.203 Rechtsprechung existiert insofern – soweit ersichtlich – bisher noch nicht.204 Für den Gegenstand dieser Arbeit ist das nichtvereinheitlichte Common Law als „Regelungsmodell“ von besonderer Bedeutung; daher wird ausschließlich dieses untersucht. Da das englische Common Law aufgrund der großen Bedeutung des Vereinigten Königreichs als ehemalige Kolonialmacht weltweit Verbreitung gefunden hat, können die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen gegebenenfalls auch Bedeutung für andere Common-Law-Staaten erlangen.205 Umgekehrt wird auch Bezug auf das Fallrecht anderer Common-Law-Staaten
Recht, S. 189 ff.; teilweise wird auch eine vertragliche Haftung aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter („stipulation pour autrui“) vertreten. 199 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 191. 200 The Payment Services Regulations 2017, Statutory Instruments 2017 No. 752. 201 Dem Begriff des „Common Law“ werden verschiedene Bedeutungen zugewiesen, Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 185 und Burrows, English Private Law, Rn. 1.21 ff. 202 Vgl. Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-081; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 593, 601. Vgl. zur Rechtslage vor Umsetzung der ZDR I Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 12; Stille, Europäische Prinzipien bei der rechtlichen Behandlung von Bank überweisungen, S. 96. 203 Hooley, in: Beale (Hrsg.), Chitty on Contracts, Rn. 34-404. 204 Hooley, in: Beale (Hrsg.), Chitty on Contracts, Rn. 34-404. 205 Siehe zur weltweiten Verbreitung des Common Law Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 214 ff.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
genommen, da dieses „persuasive authority“ für die Entwicklung des englischen Fallrechts sein kann.206 1. Rechtliche Grundstrukturen Die rechtliche Struktur eines (mehrgliedrigen) Überweisungsvorgangs steht im Mittelpunkt der Entscheidung Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd.207. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin (Royal Products), eine maltesische Gesellschaft, beauftragte die beklagte Bank (Midland Bank), £ 13.000 per Überweisung von ihrem Girokonto bei Midland in Großbritannien auf ihr Konto bei der Bank of lndustry, Commerce and Agriculture Ltd. (BICAL) in Malta zu übertragen. Midland leitete den Überweisungsauftrag an ihre Korrespondenzbank National in Malta weiter. Obwohl National wusste, dass BICAL zu diesem Zeitpunkt bereits Liquiditätsprobleme hatte, nahm National die Überweisung von £ 13.000 an BICAL vor und teilte BICAL mit, dass dieser Betrag dem Konto von Royal Products gutgeschrieben werden sollte. Am folgenden Tag war BICAL insolvent; eine Realisierung des Guthabens auf dem Konto von Royal Products bei BICAL war nicht möglich. Das Konto von Royal Products bei Midland war zudem bereits mit dem Überweisungsbetrag belastet worden. Royal Products erhob darauf gegen Midland Klage und verlangte die (Rück-)Zahlung von £ 13.000.
In der Entscheidungsbegründung führte der urteilende Richter Webster, J. zur rechtlichen Struktur des Überweisungsvorgangs Folgendes aus (hierbei knüpft er an den Überweisungsauftrag, den er „instruction“208 nennt, an):209 „What, then, are the legal implications of those instructions? How are they to be regarded, as a matter of law? In my judgment they are to be regarded simply as an authority and instruction, from a customer to its bank, to transfer an amount standing to the credit of that customer with that bank to the credit of its account with another bank, that other bank being impliedly authorized by the customer to accept that credit by virtue of the fact that the customer has a current account with it, no consent to the receipt of the credit being expected from or required of that other bank, by virtue of the same fact. It is, in other words, a banking operation […]. I use the word ‚operation‘ advisedly, in an attempt to distinguish and exclude a contract, for in my judgment the instructions did not bring into existence, as between Royal Products and Midland, any separate or distinct contract of any kind.“
206 Zur Bedeutung von ausländischen Entscheidungen als „persuasive authority“ für die Entwicklung des englischen Common Law Bailey/Ching/Taylor, The Modern English Legal System, Rn. 7-033. 207 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194. 208 Üblicherweise wird der Überweisungsauftrag jedoch als „payment order“ bezeichnet. Terminologisch knüpfen die Engländer insofern häufig an die Begrifflichkeiten des US-amerikanischen Art. 4A UCC an (Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 560 f.). Siehe zur Terminologie im US-amerikanischen Recht auch noch unten S. 63 f. 209 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198. Siehe auch Tayeb v. HSBC Bank Plc, [2004] 4 All E.R. 1024, 1050 f.
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Der Überweisungsauftrag des Überweisenden ist demnach eine Weisung an seine Bank, den Überweisungsbetrag an ein Konto des Überweisungsempfängers bei der Empfängerbank zu „transferieren“210. Die Weisung geht mit der Ermächtigung („authority“) einher, zum Zweck der Ausführung das Konto des Überweisenden zu belasten. Ein rechtlich selbständiger Vertrag zwischen dem Überweisenden und seiner Bank kommt durch den Überweisungsauftrag des Überweisenden und dessen Ausführung nicht zustande.211 Der Überweisungsauftrag konkretisiert lediglich die Pflichten aus dem zugrundeliegenden Girovertrag.212 Der Überweisende ist Geschäftsherr („principal“) und die Bank seine Beauftragte („agent“), da die Erbringung von Zahlungsdiensten grundsätzlich dem „law of agency“ (Auftragsrecht)213 unterfällt.214 Die Bank des Überweisenden leitet den Überweisungsauftrag sodann an die Bank des Überweisungsempfängers „wei210 Wie auch zum Beispiel im deutschen Recht besteht der Vorgang der Deckungsverschaffung rechtlich betrachtet nicht im „Transfer“ des Überweisungsbetrags (wie zum Beispiel bei der Abtretung („assignment“) eines Anspruchs), siehe hierzu Arora, Banking Law, S. 482; Burrows, English Private Law, Rn. 14.91; Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108, 109; Libyan Arab Foreign Bank v. Bankers Trust Co., [1989] Q.B. 728, 750 („Transfer may be a misleading word, since the original obligation is not assigned (notwithstanding dicta in one American case which spoke of assignment); a new obligation by a new debtor is created“). Vgl. auch R v. Preddy, [1996] A.C. 815, 834; Dovey v. Bank of New Zealand, [2000] 3 NZLR 641, 648. 211 Arora, Banking Law, S. 502; Bollen, The Law and Regulation of Payment Services, S. 110 f.; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-082, 3-086 ff. Vgl. auch Burrows, English Private Law, Rn. 14.93. A.A. wohl Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 13, diesen zitierend auch Stille, Europäische Prinzipien bei der rechtlichen Behandlung von Banküberweisungen, S. 96. 212 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 197. 213 Das Recht der „agency“ ist im Hinblick auf das deutsche Recht zwischen Stellvertretungs-, Boten- und Auftragsrecht angesiedelt, da das Common Law begrifflich nicht zwischen Handeln im eigenen und fremden Namen unterscheidet, auch wenn die unterschiedliche Interessenlage im Grundsatz anerkannt wird, vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 429. Vgl. auch Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 12 („Recht der Geschäftsführung und Vollmacht“). 214 Arora, Banking Law, S. 500 f.; Hooley, in: Beale (Hrsg.), Chitty on Contracts, Rn. 34400; Bollen, The Law and Regulation of Payment Services, S. 110; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-082; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 593; Wadsley/Penn, The Law Relating to Domestic Banking, Rn. 12022. Vgl. auch Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198; Barclays Bank plc. v. Quincecare Ltd., [1992] 4 All E.R. 363, 375 f.; A/S Awilco of Oslo v. Fulvia S.P.A. Di Navigazione of Cagliari (The „Chikuma“), [1981] 1 W.L.R. 314, 319; Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1976] Q.B. 835, 847 (bezüglich eines anderen Punktes verworfen durch Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850); Afovos Shipping Co. S.A. v. Romano Pagnan and Pietro Pagnan (The „Afovos“), [1983] 1 W.L.R. 195, 862; Momm v. Barclays Bank International Ltd., [1977] Q.B. 790, 800. Eine Konstruktion des Überweisungsauftrags als Abtretung („assignment“) oder als Wertpapier („negotiable instrument“) ist nicht
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
ter“, gegebenenfalls unter Einschaltung weiterer Korrespondenzbanken.215 Mit Annahme des Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers ist der Zahlungsvorgang beendet („completion of payment“).216 Jeder Beteiligte kontrahiert grundsätzlich nur mit dem jeweiligen vorangehenden und nachfolgenden Beteiligten. Eine außerbetriebliche Überweisung besteht folglich aus einer Kette bilateraler, rechtlich selbständiger Vertragsverhältnisse. Eine Vertragsbeziehung („privity of contract“) entsteht grundsätzlich nur zwischen zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Beteiligten und nicht beispielsweise zwischen dem Überweisenden und einer zwischengeschalteten Bank.217 Vertragliche Pflichten ergeben sich nur in diesen bilateralen Verhältnissen. Dies gilt auch für deliktische Sorgfaltspflichten, die im Überweisungsrecht des Common Law grundsätzlich mit den vertraglichen konkurrieren.218 Die Einordnung des Überweisungsauftrags als Weisung in Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd. beruht auf dem Umstand, dass die Bank des Überweisenden keine eigene Gebühr („fee“) für die Überweisung verlangt hatte.219 Im möglich, siehe nur Arora, Banking Law, S. 595 ff.; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-086 ff. 215 Grundsätzlich ist im Common Law dem „agent“ eine Delegierung der übernommenen Pflichten an einen Dritten nicht gestattet. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird jedoch dann gemacht, wenn eine Delegierung der gewöhnlichen Handelspraxis entspricht; siehe hierzu De Bussche v Alt, [1878] 8 Ch. D. 286, 310 („[T]he exigencies of business do from time to time render necessary the carrying out of the instructions of a principal by a person other than the agent originally instructed for the purpose, and where that is the case, the reason of the thing requires that the rule should be relaxed, […] to enable the agent to appoint what has been termed ‚a sub-agent‘ or ‚substitute‘“); Burrows, English Private Law, Rn. 14.105; Peel, Treitel on the Law of Contract, Rn. 16-098. Im Kontext der Überweisung siehe auch Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 197 f. 216 Siehe zur „completion of payment“ unten S. 53 ff. Im abgedruckten Auszug spricht Webster, J. allerdings von der Annahme der Deckung („credit“). Ähnlich Ellinger/Lomnicka/ Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 625 („acceptance of funds“); Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-133. Insofern ist die Terminologie im englischen Recht jedoch nicht einheitlich. Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1976] Q.B. 835, 851 (Lord Denning, M.R.: „acceptance of payment order“). 217 Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.31. 218 Im Common Law wurde die Haftung wegen „Vertragsbruch“ aus dem Deliktsrecht („tort“) entwickelt; Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung im gegenseitigen Vertrag, S. 187 ff. Wohl aus diesem Grund werden die vertraglichen Sorgfaltspflichten beim Girovertrag regelmäßig von konkurrierenden deliktischen Pflichten begleitet. Diese erlangen, da sie mit den vertraglichen Pflichten deckungsgleich sind, grundsätzlich keine weitere Bedeutung, vgl. Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 613; Arora, Banking Law, S. 502. Dies gilt im Überweisungsrecht auch im Falle zweier nicht unmittelbar aufgrund Sonderrechtsverbindung verbundener Beteiligter, vgl. hierzu unten S. 196. 219 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 197. Dies kommt
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umgekehrten Fall, in dem die Bank ein (gesondertes) Entgelt für die Überweisung in Rechnung stellt, wird im Zeitpunkt der Ausführung oder anderweitigen Annahme des Überweisungsauftrags hingegen ein eigenständiger Vertrag zwischen der Bank und dem beauftragenden Kunden geschlossen.220 2. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an eine andere Bank als die des Überweisungsempfängers Wie gerade festgestellt, unterliegt die Rechtsbeziehung zwischen dem Überweisenden und seiner Bank dem „law of agency“ (Auftragsrecht). Der Überweisende ist bei Erteilung des Überweisungsauftrags Geschäftsherr („principal“), während seine Bank, die die Ausführung übernimmt, die Beauftragte („agent“) ist.221 Als Beauftragte ist die Bank des Überweisenden bei ausreichendem Kontoguthaben (beziehungsweise ausreichender Kreditlinie) verpflichtet, den Überweisungsauftrag auszuführen.222 Die Pflicht zur Ausführung definiert Webster, J. in dem oben diskutierten Fall Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd. (für den mehrgliedrigen Überweisungsverkehr) wie folgt:223 „I would hold that Midland had carried out Royal Products’ instructions when it had enabled Royal Products to draw on or otherwise use the amount of credit transferred, which Royal Products would have been able to do once Midland had, in one way or another and either directly or indirectly, made funds available to BICAL […] and had notified BICAL that sum was to be credited to the account of Royal Products.“
Im außerbetrieblichen Überweisungsverkehr genügt die Bank des Überweisenden mit der bloßen „Weiterleitung“ des Überweisungsauftrags und der Deckung zugegebenermaßen allerdings nur indirekt zum Ausdruck. Webster, J. stellt fest: „It is also in my view relevant to note that Midland took, as I infer, no fee from the transaction.“ Die im Urteil erwähnten „charges“ waren nur weitergeleitete Gebühren für die Nutzung des Telekommunikationsmittels, die der Anbieter desselben in Rechnung gestellt hatte. 220 Vgl. Calico Printers’ Association, Ltd. v. Barclays Bank, Ltd., [1930] 38 Ll. L. Rep. 105, 110; auch Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198; Arora, Banking Law, S. 502; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-082, 3-084. Allerdings bestimmt der Girovertrag auch bei Annahme eines eigenständigen Vertrags die konkreten Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, sofern in diesem diesbezügliche Regelungen getroffen worden sind; das entstehende Vertragsverhältnis ist somit nicht völlig von diesem losgelöst, Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-084. A.A. wohl Arora, Banking Law, S. 502. 221 Arora, Banking Law, S. 507; Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 40. 222 Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.50, 22.60. Vgl. für eine „standing order“ (Dauerauftrag) Burrows, English Private Law, Rn. 14.93; Whitehead v. National Westminster Bank Ltd., [1982] 1982 WL 222714, 222714; Vgl. auch Bank of New South Wales v. Laing, [1954] A.C. 135, 154. Siehe zum Scheckrecht Garnett v M’Kewan, [1872–73] L.R. 8 Ex. 10, 12. 223 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198 f.
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
an die nachfolgende Bank den ihr obliegenden Pflichten nicht. Sie muss vielmehr dafür sorgen, dass die Bank des Überweisungsempfängers den Überweisungsauftrag und die entsprechende Deckung erhält (und annimmt).224 Die Bank des Überweisenden haftet jedoch nicht verschuldensunabhängig (keine „strict liability“).225 Vielmehr haftet sie nur für die im Bankverkehr übliche Sorgfalt („duty to use reasonable care and skill“).226 Zu den Sorgfaltspflichten gehört, dass sich die Bank des Überweisenden an die Weisungen des Überweisenden hält und insbesondere den Überweisungsauftrag rechtzeitig ausführt. Falls nötig, muss sie eine zuverlässige (Korrespondenz-)Bank beauftragen, den Überweisungsauftrag auszuführen. Diese Sorgfaltspflichten schuldet die Bank dem Überweisenden auf vertraglicher als auch, wie schon oben dargestellt, konkurrierend auf deliktischer Grundlage.227 Falls die Bank des Überweisungsempfängers schuldhaft gegen diese vertraglichen Pflichten verstößt („breach of contract“), haftet sie grundsätzlich für den entstehenden Schaden.228 Voraussetzung für den Ersatz von Folgeschäden („consequential damages“) ist jedoch seit Hadley v. Baxendale deren Voraussehbarkeit.229 Dahinter steht der Gedanke, dass eine Vertragspartei im Vo224 Zum
Erfordernis der Annahme und zur Wechselwirkung dieses Zeitpunkts mit den Pflichten der Bank des Überweisenden und der zwischengeschalteten Banken unten S. 53 ff. 225 Burrows, English Private Law, Rn. 14.101; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 606; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.51. Der ursprünglich geltende Grundsatz der strikten Auftragsstrenge („doctrine of strict compliance“) wurde in Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 199 aufgegeben. Nach Webster, J. gelte dieser Grundsatz zwar für Dokumentenakkreditive („documentary credits“), hierfür z. B. Midland Bank v. Seymour, [1955] 2 Lloyd’s Rep. 147, 148, 151), jedoch nicht für Überweisungen, Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 199. Siehe allgemein zur „strict liability“ Peel, Treitel on the Law of Contract, Rn. 17-064 ff. In den USA hingegen wurde durch die Einführung des Art. 4A UCC eine „strict liability“ der Banken auch im Überweisungsrecht begründet, dafür jedoch der Ersatz von Folgeschäden stark eingeschränkt (hierzu unten S. 165 ff.). 226 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198; Barclays Bank plc. v. Quincecare Ltd., [1992] 4 All E.R. 363, 375 f. Diese Pflicht ergibt sich inzwischen auch aus dem Supply of Goods and Services Act 1982, sec. 13. Siehe auch Arora, Banking Law, S. 500 f.; Burrows, English Private Law, Rn. 14.101; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 610, 617; Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 40; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.52. Vgl. auch den US-amerikanischen Fall Mellon Bank, N.A. v. Securities Settlement Corp., 710 F.Supp. 991, 994 (D.N.J. 1989). Für Schecks vgl. auch Selangor United Rubber Estates Ltd. v Cradock (No. 3), [1968] 1 W.L.R. 1555, 1596; Karak Rubber Co. Ltd. v Burden (No. 2), [1972] 1 W.L.R. 602, 605. Siehe auch allgemein Peel, Treitel on the Law of Contract, Rn. 16-094. 227 Vgl. Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 613; Arora, Banking Law, S. 502. Siehe zu den deliktischen Pflichten bereits oben S. 50. 228 Vgl. nur Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 606; Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 76. 229 Hadley v. Baxendale, [1854] 9 Ex. 341, 355 (Alderson, B.: „Where two parties have
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raus abschätzen können soll, wie wahrscheinlich ein Schadenseintritt ist und in welcher Höhe ein Schadenseintritt möglich ist, damit sie ihr Verhalten darauf einstellen kann.230 Welche konkreten Anforderungen an die Voraussehbarkeit im Überweisungsverkehr im englischen Überweisungsrecht zu stellen sind, ist durch die Rechtsprechung jedoch noch zu klären.231 Im Gegenzug für die ordnungsgemäße Ausführung des Überweisungsauftrags erwirbt die Bank einen Anspruch auf Zahlung des Überweisungsbetrags gegen ihren Vertragspartner.232 Handelt die Bank außerhalb des erteilten Auftrags, weil sie zum Beispiel den Überweisungsauftrag an eine falsche Empfängerbank „weiterleitet“, und ist ihr dies vorwerfbar, darf sie das Konto des Überweisenden hingegen nicht belasten.233 3. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers Die Bank des Überweisungsempfängers ist auch in dieser Konstellation grundsätzlich Beauftragte des Überweisungsempfängers.234 Dies gilt aber erst für den made a contract which one of them has broken, the damages which the other party ought to receive in respect of such breach of contract should be such as may fairly and reasonably be considered either arising naturally, i.e., according to the usual course of things, from such breach of contract itself, or such as may reasonably be supposed to have been in the contemplation of both parties, at the time they made the contract, as the probable result of the breach of it.“). Diese „rule“ hat im Common Law allgemeine Anerkennung erfahren, siehe nur Goff, J. in Satef-Huttenes Albertus S.p.A. v. Paloma Tercera Shipping Co. S.A. (The „Pegase“), [1981] 1 Lloyd’s Rep. 175, 181 der die Entscheidung als „fons et origio of the modern law“ bezeichnet. 230 Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 673 F.2d 951, 958 (7th Cir. 1982). 231 Fraglich ist, ob der Bank die speziellen Umstände und der Zweck der Überweisung bekannt sein müssen (vgl. hierzu z. B. Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 673 F.2d 951, 958 (7th Cir. 1982), wobei die Vorinstanz Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 522 F.Supp. 820, 833 (D.C.Ill. 1981) die Voraussehbarkeit nach der „rule“ aus Hadley v. Baxendale noch bejaht hatte) oder eine allgemeine Vorstellung über die Umstände genügt (vgl. z. B. Victoria Laundry (Windsor) LD. v Newman Industries LD., [1949] 2 K.B. 528, 539 ff., wo für genügend erachtet wurde, dass dem Lieferanten die Geschäftstätigkeit des geschädigten Vertragspartners bekannt gewesen ist und er die Lieferung zu einem bestimmten Datum versprochen hatte.). Vgl. auch Vroegop, L.M.C.L.Q. 4 (1990), 547, 550 f., die den Ersatz eines Folgeschadens für möglich hält, ohne jedoch auf die Voraussetzungen näher einzugehen. 232 Vgl. Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 15; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-122, 3-139, 3-142. 233 Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-139, 3-142; Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 65 f.; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.51. 234 Tenax Steamship Co. Ltd. v. Reinante Transoceanica Navegacion S.A. (The „Brimnes“), [1975] Q.B. 929, 955 f.; Momm v. Barclays Bank International Ltd., [1977] Q.B. 790, 800;
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Zeitraum ab Annahme des Überweisungsauftrags für den Überweisungsempfänger.235 Für den Zweck der (vorgelagerten) Inempfangnahme des Überweisungsauftrags soll hingegen die Bank des Überweisungsempfängers als Beauftragte („agent“) ihrer (vorgeschalteten) Korrespondenzbank tätig sein. Im Zeitpunkt der Annahme des empfangenen Überweisungsauftrags findet folglich ein Wechsel in der Stellung des Geschäftsherrn („principal“) statt. Der Überweisende erfüllt in diesem Zeitpunkt grundsätzlich die Forderung des Überweisungsempfängers aus dem Valutaverhältnis („discharge of obligation“).236 Dies geschieht durch die Übernahme einer rechtlich selbständigen Zahlungsverpflichtung durch die Bank des Überweisungsempfängers,237 die den ursprünglichen Zahlungsanspruch des Überweisenden aus dem Valutaverhältnis substituiert.238 Der ÜberMardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850, 862; Arora, Banking Law, S. 509; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 625. Vgl. auch Hooley, in: Beale (Hrsg.), Chitty on Contracts, Rn. 34-415; Malek/ Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.81 f. A.A. allerdings King, M.L.R. 45 (1982) 369, 372 ff.; Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 45 f., die das Rechtsverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank auch in diesem Punkt als eines zwischen „debtor“ and „creditor“ qualifizieren. Ähnlich wird dies auch in Midland Bank Ltd. v. Conway Corp., [1965] 1 W.L.R. 1165, 1165 gesehen. 235 Arora, Banking Law, S. 509; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.69, 22.94; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 625. Vgl. auch den US-amerikanischen Fall Shawmut Worcester County Bank v. First American Bank & Trust, 731 F.Supp. 57, 61 (D.Mass. 1990). Dagegen verneinend die neuseeländische Entscheidung Dovey v. Bank of New Zealand, [2000] 3 NZLR 641, 649 f., in der jedoch Malek/Odgers missinterpretiert wird. Zur Kritik hinsichtlich der Anwendung auftragsrechtlicher Grundsätze allgemein S. 53 Fn. 234. 236 Die Forderung aus dem Valutaverhältnis erlischt, wenn der Überweisungsempfänger das Recht auf Auszahlung „unfettered and unrestricted“ erwirbt, d. h. der Überweisungsempfänger so steht, als ob er den Überweisungsbetrag bar erhalten hätte (A/S Awilco of Oslo v. Fulvia S.P.A. Di Navigazione of Cagliari (The „Chikuma“), [1981] 1 W.L.R. 314, 319 ff.). Dies ist insbesondere erst dann der Fall, wenn der Überweisungsempfänger einen Anspruch auf Verzinsung des Überweisungsbetrags gegen seine Bank erwirbt bzw. keinen Überziehungszins für eine Abhebung zahlen muss. Eine lediglich „vorläufige“ Gutschrift genügt hingegen nicht; Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108, 110 f. 237 Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-124. 238 Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-124; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.83, 22.93; Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108. Der Überweisungsempfänger kann sich folglich auch im Falle der Insolvenz nach diesem Zeitpunkt nur an seine Bank halten, selbst wenn diese kurz danach insolvent wurde; vgl. Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194; Dovey v. Bank of New Zealand, [2000] 3 NZLR 641. Allerdings bleibt es dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger im Rahmen des Valutaverhältnisses (unter Berücksichtigung dort ggf. geltender zwingender gesetzlicher Vorschriften) überlassen, ein anderes Ereignis zu vereinbaren, mit dessen Eintritt die Erfüllung des Zahlungsanspruchs eintreten soll; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.83.
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weisungsempfänger kann nunmehr Zahlung nur noch von seiner Bank, aber nicht mehr vom Überweisenden verlangen. Dieses Äquivalent zum „Anspruch aus der Gutschrift“ wird als kreditvertraglicher Rückzahlungsanspruch aus dem Kontovertrag konstruiert, wobei die Bank „debtor“ und ihr Bankkunde (der Überweisungsempfänger) „creditor“ ist.239 Im Zeitpunkt der Gutschrift, die auf der auftragsrechtlichen Verpflichtung der Bank gegenüber ihrem Kunden beruht, schließt die Bank bei einem positiven Kontosaldo bis zur Auszahlung des Überweisungsbetrags einen Darlehensvertrag mit dem Überweisungsempfänger.240 Zentral ist damit der Zeitpunkt der Annahme. Gerade dieser ist jedoch im englischen Common Law nicht abschließend geklärt.241 Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass die Annahme nicht erst im Zeitpunkt der Benachrichtigung des Überweisungsempfängers von der Gutschrift (zum Beispiel auf einem Kontoauszug) erfolgt.242 Der späteste Zeitpunkt, der vertreten wird, ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Gutschrift oder Auszahlung an den Überweisungsempfänger 239 Vgl. Foley v. Hill, [1848] 9 E.R. 1002, 1009 (Lord Campbell: „[T]he relation between banker and customer, as far as the pecuniary dealings are concerned, [is] that of debtor and creditor.“), wobei es im Fall um die Einzahlung von Bargeld durch den Bankkunden ging. Zustimmend N. Joachimson v. Swiss Bank Corporation, [1921] 3 K.B. 110, 123 (Atkin, L.J.: „The bank undertakes to receive money and to collect bills for its customer’s account. The proceeds so received are not to be held in trust for the customer, but the bank borrows the proceeds and undertakes to repay them. The promise to repay is to repay at the branch of the bank where the account is kept, and during banking hours.“); R. v. Davenport, [1954] 1 W.L.R. 569, 570; London Joint Stock Bank Ltd. v. Macmillan and Arthur, [1918] A.C. 777, 789. Vgl. auch Balmoral Supermarket Ltd. v. Bank of New Zealand, [1974] 2 Lloyd’s Rep. 164, 165; Dovey v. Bank of New Zealand, [2000] 3 NZLR 641, 648. Siehe auch Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108; Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 40. 240 Siehe Arora, Banking Law, S. 509; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-118; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 625. 241 Hooley, in: Beale (Hrsg.), Chitty on Contracts, Rn. 34-424 ff.; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-124 ff.; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 625; Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.84 ff.; Vroegop, L.M.C.L.Q. 1 (1990), 64, 80. Vgl. auch Wild/Weinstein/ MacEwan/Geach, Electronic and Mobile Commerce Law, S. 227. 242 Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-131; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.93; Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108, 109. Vgl. auch King, M.L.R. 45 (1982), 375. Siehe aber Rekstin v. Severo Sibirsko, [1933] 1 K.B. 47, 57, wo Talbot, J. genau diese Regel aufgestellt hatte („It is quite clear that [i.a. payment] cannot be done by mere entries in the bank’s books without communication with the transferee“). Jedoch ist anerkannt, dass dieser Fall aufgrund seiner sehr speziellen Umstände (insbesondere erwartete der Überweisungsempfänger überhaupt keinen Zahlungsvorgang seitens des Überweisenden) keinen allgemeingültigen Grundsatz aufstellt, siehe auch Kerr, J. in Momm v. Barclays Bank International Ltd., [1977] Q.B. 790, 801 f. Vgl. auch Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 199.
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(siehe die Entscheidung Eyles v. Ellis).243 In The „Brimnes“ ist hingegen die vorgelagerte (interne) Entscheidung der Bank, den Betrag dem Konto des Überweisungsempfängers gutzuschreiben, der maßgebliche Zeitpunkt und nicht erst deren Manifestation in der Kontogutschrift.244 Der Unterschied zwischen beiden Auffassungen wird zwar nicht vollständig, aber jedoch teilweise dadurch reduziert, dass auch diejenigen, die grundsätzlich auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kontogutschrift abstellen, unübliche Verzögerungen bei der Gutschrift durch die Bank des Überweisungsempfängers nicht berücksichtigen.245 Ein noch früherer Zeitpunkt wird in The „Laconia“ vertreten. Dort wurde im Interbankenverkehr ein Überweisungsauftrag als ein Bargeldäquivalent gesehen.246 Da im Falle von 243 Eyles v. Ellis, [1827] 130 E.R. 710, 711. Zustimmend Zim Israel Navigation Co. Ltd. v. Effy Shipping Corporation (The „Effy“), [1972] 1 Lloyd’s Rep. 18, 32. In einem „obiter dictum“ wird diese Ansicht auch durch Lord Fraser of Tullybelton vertreten in Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850, 884. Der Überweisende muss sich lediglich die Dauer der üblichen Verarbeitungspraxis von Banken zurechnen lassen („I think the charterers must pay in sufficient time to allow for the period of processing normally required for the method of payment they had chosen. They would not, of course, be responsible for abnormal delay in the processing.“). Vgl. auch Arora, Banking Law, S. 509. 244 Diese Auffassung für eine innerbetriebliche Überweisung vertretend Brandon, J. in Tenax Steamship Co. Ltd. v. Reinante Transoceanica Navegacion S.A. (The „Brimnes“), [1973] 1 W.L.R. 386, 402 („[T]he time of the payment must, in principle, be the time when the order to transfer is executed and not the time when it is given or received.“). Ebenso Kerr, J. in Momm v. Barclays Bank International Ltd., [1977] Q.B. 790, 803. Allerdings stellt er auch fest: „It is no more difficult to decide whether to make an in-house payment than an out-house payment“. Zustimmend auch Libyan Arab Foreign Bank v. Manufacturers Hanover Trust Co. (No. 2), [1989] 1 Lloyd’s Rep. 608, 631 (Hirst, J.: „by parity of reasoning with Momm’s case [that] these actions within [the bank] constituted a full completion of the payment.“). Vgl. auch Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.85, 22.91, 22.93; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-125, 3-130, 3-131. Einen leicht anderen Weg schlägt Geva ein. An die Stelle der tatsächlichen (internen) Entscheidung soll Zahlungszeitpunkt der Zeitpunkt sein, an dem die Bank, aufgrund ihrer internen Abläufe, hypothetisch dazu bereit wäre, den Überweisungsbetrag an den Überweisungsempfänger zu zahlen („‚hypothetical‘ positive response test“, Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108, 113 ff.). Geva stützt sich dabei auf Zim Israel Navigation Co. Ltd. v. Effy Shipping Corporation (The „Effy“), [1972] 1 Lloyd’s Rep. 18, 33. Im Fall wurde jedoch nicht der genaue Zahlungszeitpunkt bestimmt, vielmehr wurde lediglich festgestellt, wann das Zahlungsangebot erfolgt ist (Mocatta, J.: „I am […] unable to accept that there had been any tender of payment before the [beneficiary’s bank] were informed […] of the credit in their favour in the books of [their correspondent bank].“). Zu diesem Zeitpunkt war der Überweisende bereits in Verzug. 245 Siehe bereits oben S. 56 Fn. 243. 246 Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1976] Q.B. 835, 847 (Lord Denning, M.R.: „The banks themselves regard the ‚payment order‘ as equivalent to cash“). Zustimmend in einem „obiter dictum“ in der nachfolgenden Instanz Lord Salmon: „[T]here is no real difference between a payment in dollar bills and a payment by
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Bargeld die Erfüllungswirkung in dem Moment eintritt, in dem die Bank das Geld ohne Vorbehalte annimmt, soll Gleiches für einen Überweisungsauftrag gelten.247 Dies gilt unabhängig davon, ob die Bank tatsächlich Deckung erlangt hat oder nicht.248 Im Gegensatz zum Grundsatz aus The „Brimnes“ ist es unerheblich, ob die Bank den Überweisungsbetrag dem Überweisungsempfänger gutschreiben möchte. Entscheidend ist nur, dass die Bank den Überweisungsauftrag für den Überweisungsempfänger entgegennimmt, ohne ihn zurückzuweisen.249 Voraussetzung nach allen Auffassungen ist jedoch, dass die Empfängerbank durch den Überweisungsempfänger zur Annahme des Überweisungsauftrags für ihn ermächtigt gewesen ist.250 Die Bank kann den Überweisungsauftrag ansonsten nur in ihrer Funktion als (Unter-)Beauftragte des Überweisenden anpayment orders which in the banking world are generally regarded and accepted as cash.“ A.A. hingegen Lord Fraser of Tullybelton: „All the [bank] got when they received the payment order was a promise of payment at their next settlement with [its correspondent bank]. No doubt the promise was one on which they could safely rely because it was irrevocable and was made by a bank that they could trust, but it was not an actual payment“ (Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850, 884). Ebenso Megaw, L.J. in Tenax Steamship Co. Ltd. v. Reinante Transoceanica Navegacion S.A. (The „Brimnes“), [1975] Q.B. 929, 965. Siehe auch Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108, 115. 247 Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1976] Q.B. 835, 847 (Lord Denning M.R.: „If the paying bank had sent actual currency, the payment would be made when it was handed over the counter to the receiving bank, and accepted without objection.“). 248 Dies ergibt sich nach dieser Auffassung schon zwingend aus der Natur des Überweisungsauftrags als Bargeldäquivalent. A.A. wohl Geva, J.I.B.L. 1990, 5(3), 108, 114. 249 Vgl. Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1976] Q.B. 835, 847 (Lord Denning, M.R.: „If [the payment order is] accepted without objection, it is equivalent to its customer himself accepting cash without objection.“, ebenso ausdrücklich Lawton, L.J.), später in einem anderen Punkt aufgehoben durch Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850 (vgl. oben S. 56 Fn. 243). Ebenso Lord Denning, M.R. in Empresa Cubana de Fletes v. Lagonisi Shipping Co. Ltd. (The Georgios C), [1971] 1 Q.B. 488, 505 hinsichtlich eines „banker’s payment slip“ (Zahlungsanweisung einer Bank); „overruled“ durch Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850, 851 lediglich hinsichtlich der Frage, ob der vorbehaltslose Empfang einer verspäteten Zahlungsanweisung durch die Bank einen „waiver“ hinsichtlich eines entsprechenden Rücktrittsrechts vom (Charter-)Vertrag konstituiert. Bereits zuvor hinsichtlich dieser Frage „distinguished“ durch Tenax Steamship Co. Ltd. v. Reinante Transoceanica Navegacion S.A. (The „Brimnes“), [1975] Q.B. 929, 953. Vgl. auch Vroegop, L.M.C.L.Q. 1 (1990), 64, 80. 250 Eine Ermächtigung der Bank zur Annahme von Zahlungen für den Überweisungsempfänger, wird dann vermutet, wenn Letzterer dem Überweisenden seine Kontodaten gegeben hat (PT Berlian Laju Tanker TBK & Anor v. Nuse Shipping Ltd., [2008] 1 C.L.C. 967, Rn. 989; Burrows, English Private Law, 14.104; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.70. Vgl. auch Dovey v. Bank of New Zealand, [2000] 3 NZLR 641, 649 f.). Allerdings wird z. B. für den Fall einer verspäteten Überweisung die Bank des Überweisungsempfängers grundsätzlich nicht
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
nehmen. Der Überweisungsempfänger kann sodann die verspätete Zahlung gegenüber seiner Bank genehmigen oder zurückweisen.251 Beachtet werden muss, dass der Annahmezeitpunkt untrennbar mit den Pflichten der Bank des Überweisenden verwoben ist. Die Pflichten der Bank des Überweisenden und der zwischengeschalteten Banken müssen mit diesem Zeitpunkt korrespondieren, damit die Bank des Überweisungsempfängers in jedem Zeitpunkt gegenüber einem Geschäftsherrn verantwortlich ist. Wenn nur die bloße „Weiterleitung“ des Überweisungsauftrags und der Deckung geschuldet ist, aber die „completion of payment“ erst mit der tatsächlichen Gutschrift auf dem Empfängerkonto eintreten würde, entstünde zum Beispiel solch eine „Verantwortungslücke“. Weder der Überweisende noch der Überweisungsempfänger hätten in diesem Fall eine rechtliche Handhabe, die Bank des Überweisungsempfängers zur Gutschrift zu veranlassen, weil sie der vorangehenden Bank nicht mehr und dem Überweisungsempfänger gegenüber noch nicht verantwortlich wäre. III. US-amerikanisches Recht 1. Rechtsquellen Auch in den USA ergibt sich das Überweisungsrecht nicht aus einer einzigen Rechtsquelle. Dies hat mit den Gesetzgebungskompetenzen dieser Staatenvereinigung tun. So liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Zivilrecht grundsätzlich bei den einzelnen Bundesstaaten. Jedoch steht dem Bund für Handelssachen und Verbraucherschutz die Gesetzgebungskompetenz zu („interstate commerce clause“ der US-amerikanischen Verfassung).252 Um deshalb entstehende Divergenzen in der Entwicklung des Fall- und Gesetzesrechts zwischen den einzelnen Bundesstaaten zu überbrücken,253 arbeiten das für ermächtigt angesehen, den Überweisungsauftrag für diesen anzunehmen (Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850, 871.). 251 Mardorf Peach & Co. Ltd. v. Attica Sea Carriers Corp. of Liberia (The „Laconia“), [1977] A.C. 850, 872; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-133. Hinsichtlich möglicher Zurückweisungsgründe siehe Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.94. 252 Die Auslegung der „interstate commerce clause“ erfolgt grundsätzlich extensiv, Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 49. Zum Verbraucherschutzrecht im Allgemeinen vgl. nur Gutman, Constitutional Foundations of European Contract Law, S. 419. 253 Siehe hierzu Davis, 42 Ala. L. Rev. 823 (1991), 823 ff.; White/Summers, Uniform Commercial Code, 953; Schneider, 114 Banking L.J. 319 (1997), 325 ff. (mit ausführlicher Analyse des Fallrechts). Zweck des Art. 4A UCC war die Schaffung eines umfassenden und detaillierten Regelungswerks für funds transfers, da das unterentwickelte und teilweise widersprüchliche Fallrecht als Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Überweisungsverkehrs wahrgenommen wurde. Vgl. auch § 4A-102 UCC, Comm.
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„American Law Institute“ und die „National Conference of Commissioners for Uniform Laws“ („Uniform Law Commission“) Modellgesetze aus und schlagen sie den einzelnen Bundesstaaten zur Annahme vor. So erfreut sich unter anderem der Uniform Commercial Code weiter Akzeptanz bei den Bundesstaaten.254 Insbesondere sein Art. 4A, der ein umfassendes Regelungsregime für Überweisungen („funds transfers“)255 bereithält, wurde von allen 50 Bundesstaaten und dem „District of Columbia“ umgesetzt.256 Zudem wurde Art. 4A UCC in die Regulation J des „Board of Governors of the Federal Reserve System“ inkorporiert, die die rechtliche Grundlage für eines der größten US-amerikanischen Zahlungssysteme bildet, nämlich das vom US-amerikanischen Zentralbanksystem betriebene „Fedwire“.257 Wenn im Folgenden von Art. 4A UCC die Rede ist, wird damit insgesamt auf diese Umsetzungssakte Bezug genommen.
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Uniform Commercial Code, die Ursprungsfassung stammt aus dem Jahr 1952. In Art 4A UCC wird „funds transfer“ als Oberbegriff verwendet. Vom Zahlungsgläubiger ausgelöste Zahlungsvorgänge („debit transfers“) fallen nicht unter diesen Begriff; Art. 4A UCC, Prefatory note; auch Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1110; White/Summers, Uniform Commercial Code, S. 949; Studler/Mund, 18 Fidelity L.J. 293 (2012), 305. Im US-amerikanischen Recht wird zwischen einer Vielzahl von „Überweisungsarten“ unterschieden. So müssen z. B. „wire transfers“ von „automated clearing house transactions“ („ACH-transactions“, hierzu Studler/Mund, 18 Fidelity L.J. 293 (2012), 293 ff.) unterschieden werden; vgl. Studler/Mund, 18 Fidelity L.J. 293 (2012), 301; 77 Fed. Reg. 6196 f. (2012). Die Differenzierung betrifft das zugrundeliegende Abrechnungsverhältnis im Interbankenverkehr (hierzu allgemein unten S. 77 ff.). Von diesem kann auch der anwendbare Regelungsakt abhängen. Hierzu unten S. 61 Fn. 266. 256 Boss, 32 Int’l Law. 1067 (1998), 1079; Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 100; vgl. auch die Übersicht auf der Webseite der Uniform Law Commission unter . Die Ursprungsfassung stammt aus dem Jahr 1989, Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 415. Inzwischen wurde diese Ursprungsfassung schon mehrfach revidiert. Den Ausführungen wird die neueste Revision aus dem Jahr 2012 zugrunde gelegt. Diese haben immerhin bereits 41 Bundesstaaten und der „District of Columbia“ umgesetzt. Siehe allgemein zur historischen Entwicklung des Überweisungsrechts in den USA Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 97 ff. 257 Art. 4A UCC wurde in „Subpart B“ inkorporiert (12 C.F.R. § 210.25 (b)(1) und dazugehöriger „Appendix B“). Die Regulation J hat als Verordnung einer Bundesbehörde den Status eines Bundesgesetzes und geht deshalb auch Gesetzen der Bundesstaaten vor (12 C.F.R. pt. 210, Subpart B, App. A (Comm.) bei § 210.25 (a); The Fedwire Funds Service, S. 12; Harrell, 50 Consumer Fin. L.Q. Rep. 49 (1996), 56; Schneider, 114 Banking L.J. 429 (1997), 435). Der UCC selbst enthält insofern mit § 4A-107 UCC eine Regelung, die deklaratorisch feststellt, dass „regulations of the Board of Governors of the Federal System“ und „operating circulars of the Federal Reserve Banks“ den bundestaatlichen Umsetzungen des Art. 4A UCC vorgehen. Zu „Fedwire“ unten S. 231 ff. 255
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
Neben Art. 4A UCC ist auf dem Gebiet des Überweisungsrechts jedoch auch noch der „Electronic Fund Transfer Act“ (EFTA) des Bundes zu beachten.258 Dessen notwendige Umsetzung und Konkretisierung ist durch die Regulation E des Bureau of Consumer Financial Protection (12 C.F.R. § 1005.1 ff.) erfolgt (vergleiche 15 U.S.C. § 1693b (a)(1)). Während Art. 4A UCC das Ziel hat, den Überweisungsverkehr in jeglicher Form zwischen Banken und Unternehmern zu regeln259 – erfasst werden sollen sogenannte „wholesale wire transfers“ (in der Regel Großbetragszahlungen)260 –, sind ursprünglich ausschließlich „electronic fund transfers“ Regelungsgegenstand des EFTA gewesen. „Electronic fund transfers“ sind mittels elektronischem Terminal, Telefon, Computer oder Magnetband ausgelöste Zahlungsvorgänge, bei denen das belastete oder erkannte Konto persönlichen, familiären oder Haushaltszwecken dient (in der Regel Kleinbetragszahlungen).261 Dabei ist der Anwendungsbereich des EFTA im Vergleich zu Art. 4A UCC sowohl weiter als auch enger zugleich. Zum einen erfasst der EFTA nicht nur Überweisungen, sondern auch „debit transfers“, also unter anderem Lastschriftzahlungen; gleichzeitig limitiert er seinen Anwendungsbereich aber auf an oder von Verbrauchern 258
Ursprüngliche Fassung unter Pub. L. No. 95-630. § 2001, 92 Stat. 3728 publiziert. Der EFTA ist in die 15 U.S.C. § 1693 ff. aufgenommen worden. 259 Art. 4A UCC, Prefatory note. Besonderer Anlass zur Schaffung des Art. 4A UCC war insbesondere die Entscheidung im Fall Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 673 F.2d 951 (7th Cir. 1982). Im diesem Fall ging es um die Haftung einer zwischengeschalteten Bank. Zwar musste die zwischengeschaltete Bank für den von ihr schuldhaft verursachten Schaden nicht haften, da sie diesen laut Urteilsbegründung nicht hätte vorhersehen können. Aus Sicht der Bankwirtschaft bestanden trotzdem nunmehr „unkalkulierbare“ Haftungsgefahren. Art. 4A UCC sollte insofern für Rechtssicherheit sorgen; vgl. Felsenfeld, 42 Ala. L. Rev. 723 (1990–1991), 729; Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 67; Baxter/Heller/Forman/Cavanagh, Funds Transfers, S. 34. Siehe zum Fall auch unten S. 229. 260 Art. 4A UCC, Prefatory note; § 4A-102 UCC, Comm.; Miller, 65 Consumer Fin. L.Q. Rep. 437 (2011), 438. Art. 4A UCC verwendet jedoch den Begriff „funds transfer“ statt „wire transfer“, um klarzustellen, dass die für den Überweisungsauftrag benutzte Übertragungsweise – elektronisch, postalisch oder (fern-)mündlich – unerheblich für die Anwendung des Art. 4A UCC ist, vgl. Art 4A UCC, Prefatory note; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 22. Siehe zum Begriff „wholesale“ Garner, Black’s Law Dictionary, S. 1914. 261 Hene, Consumer Fin. L.Q. Rep. 331 (2010), 332; Taft, 57 Consumer Fin. L.Q. Rep. 205 (2003), 205. Der Verbraucherbezug wird jedoch nicht durch das Wort „consumer“ hergestellt, welches lediglich synonym für „natürliche Person“ gebraucht wird, 15 U.S.C. § 1693a (6). Vielmehr muss das belastete Konto bzw. das Konto, dem der Überweisungsbetrag gutgeschrieben wird, persönlichen oder familiären Zwecken oder Zwecken der Haushaltsführung dienen, vgl. 15 U.S.C § 1693a (2). Dadurch kann es vorkommen, dass Überweisungen dem EFTA unterfallen, obwohl sie eigentlich unternehmerischen Zwecken dienen; vgl. den Beispielsfall bei Felsenfeld, 42 Ala. L. Rev. 723 (1990–1991), 737; a. A. jedoch Studler/Mund, 18 Fidelity L.J. 293 (2012), 305, der auf den jeweiligen Zahlungszweck abstellt.
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gesendete Zahlungen.262 Zudem gilt der EFTA wie gezeigt nur für auf elektronischem Weg ausgelöste Zahlungsvorgänge. Abgesehen von seinem speziellen verbraucherschutzrechtlichen Charakter ist der EFTA (innerhalb seines Anwendungsbereichs) gegenüber Art. 4A UCC allein schon deshalb vorrangig zu beachten, da es ein Bundesgesetz ist.263 Die Verfasser des UCC stellen den Vorrang sodann auch in § 4A-108 (a) UCC n. F. ausdrücklich klar, indem sämtliche Überweisungsvorgänge aus dem Anwendungsbereich des Art. 4A UCC ausgenommen werden, die auch nur zum Teil dem EFTA unterfallen.264 Art. 4A UCC und der EFTA schließen sich danach grundsätzlich gegenseitig aus.265 Aufgrund der Bereichsausnahme für sogenannte „wire transfers“ gemäß 15 U.S.C. § 1693a (7)(B), 12 C.F.R. § 1005.3 (c) hat der EFTA für den grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr bis vor kurzem jedoch kaum Bedeutung erlangt.266 Sämtliche „Überweisungsglieder“, die über Zahlungssysteme wie „CHIPS“ oder „Fedwire“ abgewickelt wurden,267 oder „SWIFT-Überweisungen“ waren (wie praktisch alle grenzüberschreitenden Überweisungen),268 aber auch „einfache“ Korrespondenzbanküberweisungen wurden hierdurch aus dem Anwendungsbereich des EFTA ausgeklammert.269
262 Betragsgrenzen sehen beide Regime jedoch grundsätzlich nicht vor. Lediglich für unter den EFTA fallende „remittance transfers“ (unten S. 62) besteht eine Untergrenze in Höhe von USD 15 (12 C.F.R. § 1005.30 (e)(2)(1)). 263 Vgl. auch § 4A-108 UCC, Comm. 1. 264 Vgl. das Beispiel 1 bei § 4A-108 UCC, Comm. 2. 265 Allerdings soll auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des EFTA eine analoge Anwendung der Prinzipien des Art. 4A UCC möglich sein (Beispiel 1 bei § 4A-108 UCC, Comm. 2). 266 Letztere Vorschrift bestimmt: „Exclusions from coverage. The term ‚electronic fund transfer‘ does not include: […] (3) Wire or other similar transfers. Any transfer of funds through Fedwire or through a similar wire transfer system that is used primarily for transfers between financial institutions or between businesses.“ Anderes mag aufgrund der Ausnahme von speziell an Verbraucher gerichteten Dienste für spezialisierte Überweisungsdienstleister gelten. Zum Begriff „wire transfer“ oben S. 59 Fn. 255. 267 Zu Zahlungssystemen unten S. 77 ff. 268 Zu SWIFT unten S. 132 f. 269 Siehe die „Official Interpretations“ unter 12 CFR pt. 1005, Supp. I, § 3 (c)(3): „Fund transfer systems that are similar to Fedwire include the Clearing House Interbank Payments System (CHIPS), Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT), Telex, and transfers made on the books of correspondent banks.“ Damit bleiben in der Praxis kaum Anwendungsfälle für den EFTA im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr mit den USA übrig: Möglich ist jedoch der Fall, wie er in § 4A-108 UCC, Comm. a. F. (nichts anderes kann für die Anwendung des § 4A-108 (a) UCC n. F. gelten) zum innerstaatlichen Überweisungsverkehr geschildert ist. Wenn danach die empfangende Bank des US-Verbrauchers die Deckung über eine „ACH-transaction“ (oben S. 59 Fn. 255) erlangt und der ursprüngliche
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1. Kapitel: Grundstrukturen des Überweisungsverkehrs
Im Nachgang der Finanzmarktkrise von 2007 wurde der Anwendungsbereich des EFTA durch den „Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act“ (Dodd-Frank-Act)270 jedoch erheblich ausgeweitet. Dieser führte, unabhängig von den „electronic fund transfers“ im Sinne von 15 U.S.C. § 1693a, besondere Regeln für sogenannte „remittance transfers“ ein.271 Unter diesen Begriff fallen nach der Definition in 12 C.F.R. § 1005.30 (c), (e), (g) sämtliche Überweisungen (insbesondere auch „wire transfers“) von Verbrauchern mit Aufenthalt in den USA, bei denen die Bank des Überweisungsempfängers ihren Sitz außerhalb der USA hat (vergleiche 15 U.S.C. § 1693o-1 (g)(1), (2), 12 C.F.R. 1005.30 (c)).272 Die 15 U.S.C. § 1693o-1 und 12 C.F.R. §§ 1005.30 ff sind jedoch verbraucherschützende Normen mit dem Fokus auf den Pflichten und Rechten des Verbrauchers gegenüber seiner Bank.273 Die umfassende rechtliche Ausgestaltung des Überweisungsvorgangs ist – im Gegensatz zu Art. 4A UCC – nicht Regelungsgegenstand des EFTA (vergleiche 15 U.S.C. § 1693 (b)).274 So sind zum Beispiel weder die Erteilung des Überweisungsauftrags selbst noch die Rechte und Pflichten der Zahlungsdienstleister untereinander geregelt.275 Da gemäß § 4A-108 UCC a. F. der EFTA und Art. 4A UCC sich gegenseitig ausschlossen, wären die ungeregelten Fragen dem Common Law überantwortet worden;276 eine Folge, die der Bundesgesetzgeber vermeiden wollte. Er hat deshalb den Überweisungsauftrag elektronisch übermittelt wurde, ist der EFTA anwendbar. Auch der umgekehrte Fall (der Verbraucher ist Überweisender) ist durchaus denkbar. 270 Pub. L. No. 111-203, 124 Stat. 1376 (2010). Siehe allgemein zum Dodd-Frank-Act und „remittance transfers“ Harrell, 67 Consumer Fin. L.Q. Rep. 26 (2013), 26 ff. 271 Ein „remittance transfer“ kann gleichzeitig auch ein „electronic fund transfer“ im Sinne von 15 U.S.C. § 1693a (7) sein. In diesem Fall ist Art. 4A UCC nicht anwendbar, vgl. § 4-108 (a), (b) UCC). 272 Insofern scheint das Wort „consumer“ im Kontext des 15 U.S.C. § 1693o-1 abweichend von 15 U.S.C. § 1693a (6) (oben S. 60 Fn. 261) enger, nämlich im Sinne eines kontextbezogenen Verbraucherbegriffs zu verstehen sein (vgl. 77 Fed. Reg. 6211 (2012)). Vgl. auch die entsprechend angepasste Begriffsdefinition im umsetzenden 12 C.F.R. § 1005.30 (g), der nicht auf die generelle Widmung des Zahlungskontos als „Verbraucherkonto“, sondern auf den jeweiligen Zahlungszweck abstellt. 273 Vgl. 77 Fed. Reg. 6211 (2012). Diesem Zweck entsprechend obliegen dem ausführenden Zahlungsdienstleister gemäß 15 U.S.C. § 1693o-1 insbesondere diverse Hinweispflichten und, bei fehlerhaften Überweisungsvorgängen, auch Rückerstattungspflichten oder Pflichten zur Verfügbarmachung des Überweisungsbetrags. 274 Vgl. 77 Fed. Reg. 6212 (2012). 275 Vgl. die Pressemitteilung der Uniform Law Commission, Why States Should Adopt the Amendment to UCC Article 4A, abrufbar unter . 276 Vgl. 77 Fed. Reg. 6211 (2012). Alleine auf die Hoffnung, dass Gerichte auf Analogien zu Art. 4A UCC zurückgreifen, wollte sich der Bundesgesetzgeber nicht verlassen.
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US-Bundesstaaten Zeit gelassen, ihre Umsetzung des UCC anzupassen.277 Das American Law Institute und die Uniform Law Commission veröffentlichten daraufhin eine überarbeitete Fassung des § 4A-108 UCC.278 Gemäß § 4A-108 (b) UCC n. F. unterfallen „remittance transfers“ in diesem Sinne (auch) Art. 4A UCC.279 Deshalb werden auch weiterhin die meisten Überweisungsaufträge von Art. 4A UCC erfasst.280 Im Folgenden werden die Grundlagen des US-amerikanischen Überweisungsrechts ausschließlich anhand von Art. 4A UCC aufgezeigt. 2. Rechtliche Grundstrukturen a) Allgemeines Auch nach Art. 4A UCC besteht eine (mehrgliedrige) Überweisung aus einzelnen, aufeinanderfolgenden Überweisungsaufträgen („payment orders“)281. § 4A104 (a) UCC definiert den Überweisungsvorgang wie folgt: „‚Funds transfer‘ means the series of transactions, beginning with the originator’s payment order, made for the purpose of making payment to the beneficiary of the order. The term includes any payment order issued by the originator’s bank or an intermediary bank intended to carry out the originator’s payment order. A funds transfer is completed by acceptance by the beneficiary’s bank of a payment order for the benefit of the beneficiary of the originator’s payment order.“
Der Überweisungsvorgang wird folglich ausgelöst, indem der Überweisende („originator“)282 seiner Bank („originator’s bank“)283 den Überweisungsauftrag erteilt. Der Überweisende ist mit Blick auf den Überweisungsauftrag dessen „sender“,284 seine, den Überweisungsauftrag empfangende Bank, „receiving bank“.285 Ist die Bank des Überweisenden nicht gleichzeitig die des Empfängers, wird der Überweisungsauftrag zur Empfängerbank („beneficiary’s bank“)286 277
Vgl. 77 Fed. Reg. 6212 (2012). Siehe zur Umsetzung dieser neuesten Revision des Art. 4A oben S. 59 Fn. 256. 279 Im Falle eines Konfliktes sind die Regeln des EFTA jedoch vorranging anzuwenden (vgl. § 4A-108 (c) UCC). Damit schließen sich der EFTA und Art. 4A UCC im Fall von „remittance transfers“ nicht mehr zwingend gegenseitig aus. 280 Vgl. Harrell, 50 Consumer Fin. L.Q. Rep. 49 (1996), 55. 281 Definiert in § 4A-103 (a)(1) UCC. 282 Definiert in § 4A-104 (c) UCC. 283 Definiert in § 4A-104 (d) UCC. 284 Definiert in § 4A-103 (a)(5) UCC. 285 Definiert in § 4A-103 (a)(4) UCC. Teilweise wird der Begriff der „receiving bank“ in der Literatur falsch verstanden und darunter die Bank des Überweisungsempfängers verstanden, vgl. beispielsweise Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 316 (insb. Fn. 1157). 286 Definiert in § 4A-103 (a)(3) UCC. Siehe unten S. 64 Fn. 288. 278
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durch Erteilung eines neuen Überweisungsauftrags „weitergeleitet“ – gegebenenfalls unter Wiederholung dieses Schrittes bei Zwischenschaltung weiterer Banken („intermediary banks“)287. In den einzelnen bilateralen Verhältnissen tritt eine beteiligte Bank beim Empfang des Überweisungsauftrags zunächst als „receiving bank“, bei Erteilung eines neuen Überweisungsauftrags zwecks Weiterleitung des empfangenen als dessen sender auf; lediglich die Empfängerbank tritt nur in der Funktion als „receiving bank“ auf. Abgeschlossen ist der funds transfer gemäß § 4A-104 (a) UCC mit der Annahme des Überweisungsauftrages durch die Bank des Überweisungsempfängers, nicht erst mit dem Erkennen des Kontos des Überweisungsempfängers („beneficiary“)288. Der Überweisungsvorgang setzt sich folglich aus einer Vielzahl einzelner bilateraler „transactions“ zusammen, denen jeweils eine „payment order“ zugrunde liegt. Einen (umfassenden) „Netzvertrag“ – als vertragliche Haftungsgrundlage aller Beteiligten untereinander – ist somit auch dem US-amerikanischen Recht fremd. Die an den geschlossenen Überweisungsauftrag als Rechtsgrund anknüpfenden Rechtsfolgen bestehen grundsätzlich nur im jeweiligen bilateralen Verhältnis.289
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Definiert in § 4A-104 (b) UCC. Definiert in § 4A-103 (a)(2) UCC. Gemeint ist natürlich der Überweisungsempfänger. Allerdings wird zur Definition des „beneficiary“ ein Zirkelschluss benutzt, da § 4A-103 (a)(2) UCC auf die Definition der „beneficiary’s bank“ (§ 4A-103 (a)(3) UCC) verweist, die wiederum nur den Begriff „beneficiary“ verwendet („bank identified in a payment order in which an account of the beneficiary is to be credited“). 289 Vgl. § 4A-209 UCC, Comm. 1: „Acceptance of the payment order imposes an obligation on the receiving bank to the sender if the receiving bank is not the beneficiary’s bank, or to the beneficiary if the receiving bank is the beneficiary’s bank.“ Siehe hierzu auch Grain Traders, Inc. v. Citibank, N.A., 960 F.Supp. 784, 788 ff. (S.D.N.Y. 1997), bestätigt durch 2nd Cir. (27.10.1998), F.3d 160, 1998, 97, das sich umfassend mit dieser Frage auseinandersetzt. Ansprüche zwischen nicht unmittelbar Beteiligten werden jedoch nicht kategorisch ausgeschlossen, wie an § 4A-305 UCC zu sehen ist. Gemäß § 4A-305 (a)(b) UCC haftet die im Sinne von § 4A-302 UCC fehlerhaft handelnde Bank ausdrücklich für Zinsen und bestimmte Kosten direkt gegenüber dem Überweisenden (bzw. im Falle des § 4A-305 (a) UCC u. U. sogar gegenüber dem Überweisungsempfänger). Auf § 4A-305 UCC bezieht sich wohl auch die missverständliche Kommentierung der Art. 4A UCC, Prefatory note: „The obligations of X’s bank with respect to execution are owed to X [Anm. d. Verf.: X = Überweisender]. The obligations of the intermediary bank with respect to execution are also owed to X [Hervorh. d. Verf.].“ Darüber hinaus bestehen grundsätzlich keine Pflichten nicht unmittelbar bei Ausführung der Überweisung rechtsgeschäftlich miteinander in Kontakt tretender Beteiligter des Überweisungsvorgangs. § 4A-212 UCC bestimmt insofern: „[…] A receiving bank is not the agent of the sender or beneficiary of the payment order it accepts, or of any other party to the funds transfer, and the bank owes no duty to any party to the funds transfer except as provided in this Article or by express agreement.“ 288
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b) Der Überweisungsauftrag („payment order“) Zentraler Gegenstand der Regelungen des Art. 4A UCC ist der (einzelne) Überweisungsauftrag und die an ihn anknüpfenden Rechtsfolgen.290 Er ist nicht an eine besondere Form gebunden (vergleiche § 4A-103 (a)(1) UCC). Im Gegensatz zum deutschen Recht ist die „payment order“ keine Weisung im Rahmen eines bestehenden Rahmenvertrags (zum Beispiel eines Girovertrags), sondern Offerte zum Vertragsschluss.291 Die jeweilige beauftragte Bank kann grundsätzlich bei jedem Überweisungsauftrag neu entscheiden, ob sie ihn annehmen möchte oder nicht (vergleiche § 4A-209 UCC).292 Mit diesem Annahmeerfordernis stellt das US-amerikanische Recht den Kontrapunkt zum deutschen Recht dar. Während ein Überweisungsauftrag nach deutschem Recht nach Abschluss des Girovertrags aufgrund seiner Rechtsnatur als Weisung grundsätzlich ausgeführt werden muss und die Bank für die Nichtausführung haftet, kann nach Art. 4A UCC eine Bank grundsätzlich jedes Mal von Neuem frei entscheiden, ob sie einen Überweisungsauftrag durchführen möchte.293 Nimmt eine Bank einen Überweisungsauftrag nicht an, trifft sie auch keine Haftung für die Nichtausführung (mit Ausnahme von § 4A-210 UCC).294 Grund hierfür ist wohl, dass in den USA die Ausführung von Überweisungen als mit 290 Vgl.
Spak, 80 Ky. L.J. 167 (1991), 171. Dies heißt nicht, dass getrennt vom Überweisungsauftrag kein Rahmenvertrag besteht. Das Gegenteil ist der Fall, White/Summers, Uniform Commercial Code, S. 976 ff. 292 Vgl. auch § 4A-209 UCC, Comm. 1: „This section treats the senders’s payment order as a request by the sender to the receiving bank to execute or pay the order and that request can be accepted or rejected by the receiving bank. […]“. Vgl. auch Sheerbonnet, Ltd. v. American Express Bank, Ltd., F.Supp. 127, 134 (S.D.N.Y. 1995). Wenn die Bank den Überweisungsauftrag nicht annehmen möchte, treffen sie jedoch die Obliegenheiten aus § 4A-210 UCC. 293 Vgl. auch Bollen, 23 J.I.B.L.R. 105 (2008), 112. Dieser Entscheidungfreiheit („discretion“) im Rahmen des § 4A-209 UCC sind allerdings auch Grenzen gesetzt, siehe Banco De La Provincia De Buenos Aires v. BayBank Boston N.A., 985 F.Supp. 364, 368 (S.D.N.Y. 1997). In der Entscheidung wurde ein Verstoß im Ergebnis jedoch abgelehnt: „In examining the circumstances […], it becomes clear that [the bank’s] rejection was neither an abuse of discretion nor in bad faith.“ 294 Gemäß § 4A-210 UCC trifft eine Bank, die nicht oder nicht gleichzeitig auch die Bank des Überweisungsempfängers ist, bei bestehender Kontoverbindung und hinreichender Deckung bzw. Kreditlinie eine Obliegenheit, die Nichtausführung dem Überweisenden anzuzeigen (vgl. auch § 4A-210 UCC, Comm. 3). Tut sie dies nicht, muss sie vom Ausführungsdatum des Überweisungsauftrags (§ 4A-301 (b) UCC) an bis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dessen Nichtausführung bzw. dessen (automatischen) Stornierung mit Ablauf des fünften Bankgeschäftstages nach dem Ausführungsdatum (vgl. § 4A-211 (d) UCC) Zinsen auf den Überweisungsbetrag zahlen. Für die Bank des Überweisungsempfängers ist allerdings die Anzeige der Ablehnung des Überweisungsauftrages unter Umständen die einzige Möglichkeit, eine „Annahme“ des Überweisungsauftrags zu verhindern (§ 4A-210 UCC, Comm. 2). 291
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erheblichen Risiken verbunden gilt,295 während in Deutschland der Risikofaktor grundsätzlich keine Erwähnung findet. Allerdings ist es auch im Rahmen von Art. 4A UCC möglich, dass sich eine Bank im Voraus vertraglich verpflichtet, zum Beispiel in einem Rahmenvertrag, den ein Kunde mit seiner Bank schließt, einen Überweisungsauftrag oder mehrere Überweisungsaufträge (unter bestimmten Bedingungen) auszuführen.296 In diesem Falle haftet die Bank dem Überweisenden bei Nichtausführung wie bei einem angenommenen, aber fehlerhaft ausgeführten Überweisungsauftrag (§ 4A305 (d) UCC).297 § 4A-209 UCC unterscheidet zwischen der Annahme eines Überweisungsauftrages durch die Bank des Überweisungsempfängers (§ 4A-209 (b) UCC) und der Annahme durch eine von der Bank des Überweisungsempfängers verschiedene Bank („weiterleitende Banken“, (§ 4A-209 (a) UCC)). Ist die Bank des Überweisenden gleichzeitig die Bank des Überweisungsempfängers, liegt also ein innerbetrieblicher Überweisungsvorgang vor, richtet sich die Annahme des Überweisungsauftrags nach den Regeln für die Annahme durch die Bank des Überweisungsempfängers.298 Die Differenzierung zwischen weiterleitenden Banken und der Bank des Überweisungsempfängers liegt in der unterschiedlichen Funktion und den unterschiedlichen Risiken begründet, die die jeweilige Stellung im Überweisungsvorgang mit sich bringt. 3. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an eine andere Bank als die des Überweisungsempfängers Eine weiterleitende Bank nimmt einen Überweisungsauftrag gemäß § 4A-209 (a) UCC durch dessen Ausführung („execution“) an.299 § 4A-302 UCC hingegen, der den Pflichtenumfang einer weiterleitenden Bank bei Ausführung des Über295 Vgl. Art. 4A UCC, Prefatory note: „Substantial risk is involved in funds transfers and a bank may not be willing to give this service to all customers, and may not be willing to offer it to any customer unless certain safeguards against loss such as security procedures are in effect. Funds transfers often involve the giving of credit by the receiving bank to the customer, and that also may involve an agreement. These considerations are reflected in Article 4A by the principle that, in the absence of a contrary agreement, a receiving bank does not incur liability with respect to a payment order until it accepts it.“ Siehe auch Sheerbonnet, Ltd. v. American Express Bank, Ltd., F.Supp. 127, 134 (S.D.N.Y. 1995). 296 Vgl. § 4A-209 UCC, Comm. 3. 297 § 4A-305 UCC, Comm. 3. 298 White/Summers, Uniform Commercial Code, S. 995; White/Summers, Principles of Payment Systems, S. 434. 299 Dies ist laut § 4A-209 UCC, Comm. 2 die einzige Möglichkeit, die eine weiterleitende Bank hat, einen Überweisungsauftrag anzunehmen. Möglich ist jedoch, sich zur Annahme des Überweisungsauftrags zu verpflichten (oben S. 66).
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weisungsauftrages bestimmt, scheint jedoch eine Annahme des Überweisungsauftrages vorauszusetzen.300 Diesem scheinbaren Widerspruch hilft jedoch § 4A301 (a) UCC ab. Dieser bestimmt: „A payment order is ‚executed‘ by the receiving bank when it issues a payment order intended to carry out the payment order received by the bank. […]“. Ein Überweisungsauftrag gilt von einer Bank also bereits dann als „ausgeführt“, wenn die Bank die Ausführung des Auftrages mit dem von ihr neu erteilten Überweisungsauftrag an die nachfolgende Bank bezweckt. Hinsichtlich der Annahme eines Überweisungsauftrages spielt folglich die Ordnungsmäßigkeit der Weiterleitungshandlung keine Rolle.301 Ausreichend ist vielmehr die (subjektive) Zwecksetzung der Bank, auch wenn sie einen Überweisungsauftrag in falscher Höhe oder an einen falschen Empfänger erteilt. Die weiterleitende Bank ist durch die Annahme des Überweisungsauftrags verpflichtet, einen ordnungsgemäßen Überweisungsauftrag an die nachfolgende Bank (entweder eine weitere weiterleitende Bank oder – wenn möglich – die Bank des Überweisungsempfängers) zu erteilen. Den Ausführungsbedingungen des Auftraggebers muss gemäß § 4A-302 (a)–(c) UCC grundsätzlich entsprochen werden.302 Zugleich entsteht die Verpflichtung des Beauftragenden, den Überweisungsbetrag an die weiterleitende Bank zu zahlen (§ 4A-402 (c) UCC). Zwar spielt, wie oben dargestellt, die Ordnungsmäßigkeit der Weiterleitungshandlung für den Zweck der Annahme keine Rolle, sie wird jedoch jetzt in einem zweiten Schritt hinsichtlich der gerade genannten Zahlungspflicht des Beauftragenden hinsichtlich des Überweisungsbetrags relevant (vergleiche § 4A-303 UCC). So ist im Falle eines zur Ausführung erteilten Überweisungsauftrags, der nur auf einen Teilbetrag lautet, der Zahlungsanspruch der Höhe nach auf diesen Betrag zu kürzen (§ 4A-303 (b) UCC).303 Wird ein Überweisungsauftrag an einen anderen, nämlich falschen Empfänger erteilt, entfällt der genannte Zahlungsanspruch der fehlerhaft weiterleitenden Bank gegen den sie Beauftragenden und alle Zahlungsansprüche der Beteiligten in der Kette zuvor vollständig 300 § 4A-302 (a) UCC bestimmt insofern: „Except as provided in subsections (b) through (d), if the receiving bank accepts a payment order pursuant to § 4A-209 (a) [UCC], the bank has the following obligations in executing the order: […]“. 301 Vgl. White/Summers, Uniform Commercial Code, S. 985 f. 302 In den in § 4A-302 UCC ausdrücklich genannten Fällen ist eine Abweichung ausnahmsweise zulässig. 303 Im Falle einer Zuvielüberweisung ist vom Beauftragenden grundsätzlich höchstens der Überweisungsbetrag geschuldet, auf den sein ursprünglicher Auftrag gelautet hat. Die fehlerhaft handelnde Bank hat jedoch einen Bereicherungsanspruch gegen den Überweisungsempfänger (§ 4A-303 (a) UCC). Nur im seltenen Fall, dass der Mehrbetrag im Valutaverhältnis auch wirklich dem Überweisungsempfänger geschuldet war, kann sich die Bank u. U. aufgrund eines gesetzlichen Forderungsübergangs (subrogation) an den Überweisenden halten (§ 4A303 UCC, Comm. 2).
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(§ 4A-303(c) UCC).304 Es kommt dann zu einer Rückabwicklung über die Kette gemäß § 4A-402 (c) UCC.305 Wie hieran zu erkennen ist, trifft die Bank des Überweisenden insofern eine „Erfolgsgarantie“. Dem kann nicht entgegenhalten werden, dass die Bank gemäß § 4A-302 UCC nur die ordnungsgemäße „Weiterleitung“ des Überweisungsauftrages schuldet, da sie nach § 4A-402 (c) UCC im Falle des Fehlschlagens des Überweisungsvorgangs eben die Rückerstattung schuldet. Die Normstruktur mag eventuell die Pflichtenstruktur der Bank verdecken, sie vermag sie aber gerade nicht zu beseitigen. Nach Art. 4A UCC hat deshalb die Bank des Überweisenden das Verlustrisiko, aber nicht das Verzögerungsrisiko bei einem Fehler einer zwischengeschalteten Bank zu tragen.306 4. Die Rechtsfolgen eines Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers Die Empfängerbank hingegen kann einen Überweisungsauftrag nicht im Sinne von § 4A-301 (a) UCC ausführen.307 Folglich kann sie ihn auch nicht – im Gegensatz zu den weiterleitenden Banken – durch Ausführung annehmen. § 4A-209 (b) UCC benennt für die Annahme des Überweisungsauftrags durch die Empfängerbank vielmehr verschiedene Ereignisse. Der eingehende Überweisungsantrag wird von der Bank des Überweisungsempfängers angenommen durch Zahlung an den Überweisungsempfänger, durch Benachrichtigung desselben vom Eingang des Überweisungsauftrags beziehungsweise des Erkennen seines Kontos, im außerbetrieblichen Überweisungsverkehr spätestens im Zeitpunkt des Eingangs der Deckung oder im innerbetrieblichen Überweisungsverkehr bei ausreichend vorhandener Deckung zum Beginn des auf das Zahlungsdatum folgenden Bankgeschäftstages.308 Die Annahme erfolgt zum Zeitpunkt des zuerst eintretenden Ereignisses (vergleiche § 4A-209 (b) UCC). Die Annahme des Überweisungsauftrages durch eine weiterleitende Bank erfordert ein Tätigwerden der Bank, da sie im Einzelfall die Risiken des Überweisungsauftrages abwägen und feststellen muss, ob sie die Möglichkeit hat, den Überweisungsauftrag auszuführen.309 Wenn hingegen die Bank des Überwei304
Siehe zum möglichen Bereicherungsanspruch der Bank § 4A-303 UCC, Comm. 4, 2. Hierzu unten S. 165 f. 306 Gemäß § 4A-305 (a) UCC haftet allein die verzögernde Bank. Diese erstattet im Regelfall der Bank des Überweisungsempfängers den Zinsschaden, der durch die verzögerte Wertstellung erfolgen würde, so dass diese die Wertstellung zum eigentlichen Zahlungsdatum vornehmen kann (§ 4A-305 UCC, Comm. 1). 307 § 4A-301 (a) UCC bestimmt insofern: „[…] A payment order received by the beneficiary’s bank can be accepted but cannot be executed“. 308 § 4A-209 UCC, Comm. 5 ff.; auch White/Summers, Uniform Commercial Code, S. 986 ff. 309 Einzelne mögliche Ablehnungsgründe benennt § 4A-210 UCC, Comm. 1. 305
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sungsempfängers Empfängerin des Überweisungsauftrags ist, ist die Auszahlung an den Überweisungsempfänger – nach Erhalt der Deckung durch den sie Beauftragenden – jedoch grundsätzlich risikolos. In diesem Fall gilt der Überweisungsauftrag deshalb gemäß § 4A-209 (b)(2) und (3) UCC zu einem normativ festgelegten Zeitpunkt als angenommen, auch wenn die Bank sich gänzlich passiv verhält. Um eine Annahme zu verhindern, muss sie vielmehr aktiv tätig werden und ihren Entschluss, den Überweisungsauftrag abzulehnen, dem Beauftragenden mitteilen (notice of rejection), bevor es zur (automatischen) Annahme kommt.310 Im Falle der Bank des Überweisungsempfängers reicht somit für die Annahme des Überweisungsauftrags ein rein tatsächlicher Umstand, nämlich die Zurverfügungstellung ausreichender Deckung, aus. Anders ist dies natürlich, wenn die Bank des Überweisungsempfängers das Konto ihres Kunden erkennen möchte, bevor sie selbst Deckung erhalten hat. In diesem Fall übernimmt sie das Insolvenzrisiko des sie Beauftragenden.311 In diesem Fall muss die Bank für die Annahme aktiv tätig werden (§ 4A-209 (b)(1) UCC). Bei einer Untersuchung der Ereignisse, die eine Annahme gemäß § 4A-209 UCC begründen, fällt auf, dass diese grundsätzlich zwei dogmatischen Kategorien unterfallen: Zum einen kann (konkludentes) rechtsgeschäftliches Handeln einer weiterleitenden Bank gemäß § 4A-209 (a) UCC beziehungsweise der Bank des Überweisungsempfängers gemäß § 4A-209 (b)(1) UCC die Annahme eines Überweisungsauftrags begründen. Daneben kann jedoch auch das tatsächliche Ereignis der Deckungserlangung, das von einem darauf bezogenen rechtsgeschäftlichen Willen der Empfängerbank unabhängig sein kann, gemäß § 4A-209 (b)(2), (3) UCC konstitutiv die Annahme des Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers herbeiführen. Ab dem Zeitpunkt der Annahme des Überweisungsauftrages kann die Bank des Überweisungsempfängers Zahlung des Überweisungsbetrages verlangen (§ 4A-402 (b) UCC). Mit der Annahme geht die Bank des Überweisungsempfängers jedoch keine Verpflichtung gegenüber dem sie Beauftragenden ein. Ab diesem Zeitpunkt ist die Bank vielmehr allein dem Überweisungsempfänger gegenüber verpflichtet, dessen Konto zu erkennen.312 Durch die Annahme des Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers wird die 310
§ 4A-210 UCC, Comm. 2. Vgl. auch oben S. 65 Fn. 294. White/Summers, Uniform Commercial Code, S. 1014. Eine auflösende Bedingung, die die Gutschrift vom tatsächlichen Eingang der Deckung bei der Bank des Überweisungsempfängers abhängig macht, ist unwirksam gemäß § 4A-405 (c) UCC (vgl. auch § 4A-209 UCC, Comm. 5). 312 § 4A-209, Comm. 4. Vgl. auch Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 66 Fn. 72: „As we shall see, acceptance by the beneficiary’s bank is completion of the credit funds transfer, because such acceptance is ‚money in the bank‘ for the beneficiary.“ 311
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zugrundeliegende Schuld im Valutaverhältnis erfüllt (§ 4A-406 (a) UCC),313 indem die ursprüngliche Forderung des Überweisungsempfängers gegen den Schuldner durch die Forderung gegen seine Bank gemäß § 4A-404 (a) UCC substituiert wird.314 Kommt es hingegen nicht zur Annahme des Zahlungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers (vergleiche § 4A-402 (c) UCC), entfällt die Zahlungspflicht eines jeden Beauftragenden innerhalb der bisherigen Überweisungskette.315 Es kommt zur Rückabwicklung des Überweisungsvorgangs über die Kette gemäß § 4A-402 (d) UCC.316 Dem Überweisenden wird, unabhängig von einem Verschulden seiner eigenen Bank, der Überweisungsbetrag von dieser erstattet („Geld-zurück-Garantie“ oder „money-back guarantee“).317 IV. UNCITRAL-Modellgesetz über den grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr Im Jahr 1992 wurde das „UNCITRAL Model Law On International Credit Transfers“ (ModellG) von der UN ratifiziert. Es schlägt einen grundlegenden Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Überweisungen von Unternehmern und Verbrauchern vor, spart aber spezifisch verbraucherschutzrechtliche Fragestellungen aus.318 Das ModellG ist stark vom US-amerikanischen Art. 4A UCC geprägt.319 Dies liegt insbesondere in der bedeutenden wirtschaftlichen und politischen Stellung der USA auf der Welt, aber auch in der Tatsache begründet, dass Art. 4A UCC damals weltweit das einzige Gesetzesrecht war, das sich umfassend spezi313
Siehe auch § 4A-406 UCC, Comm. 1: „Subsection (a) states the fundamental rule of Article 4A that payment by the originator to the beneficiary is accomplished by providing to the beneficiary the obligation of the beneficiary’s bank to pay. Since this obligation arises when the beneficiary’s bank accepts a payment order, the originator pays the beneficiary at the time of acceptance and in the amount of the payment order accepted.“ 314 § 4A-406 UCC, Comm. 2. 315 § 4A-402 UCC, Comm. 2. Hinsichtlich des Entfalls der Zahlungspflicht ist bei einer fehlerhaften Ausführung eines Überweisungsauftrags in der Überweisungskette § 4A-303 UCC zu beachten. 316 Vgl. § 4A-402 UCC, Comm. 2. 317 Vgl. auch § 4A-402 UCC, Comm. 2. Zur „money-back guarantee“ im US-amerikanischen Recht unten S. 165 ff. 318 Siehe auch die offizielle Fn. zu Art. 1 ModellG. Wie beim US-amerikanischen Art. 4A UCC werden die Sachfragen, die speziell den Verbraucherschutz betreffen, ausgeklammert. Der grundlegende Rechtsrahmen des ModellG soll jedoch grundsätzlich auch für Überweisungen gelten, bei denen ein Verbraucher der Überweisende oder Überweisungsempfänger ist, ModellG, Expl. Note 15, vgl. auch UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.44 (YB 1990), S. 93. Tendenziell ist das ModellG konsumentenorientierter als Art. 4A UCC; vgl. Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 62. 319 Vgl. nur Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 416 f.
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ell mit der rechtlichen Struktur und Problemstellungen von (modernen papierlosen) Überweisungen auseinandersetzte.320 Das Überweisungsrecht der anderen Länder in der verantwortlichen Arbeitsgruppe der UN basierte hingegen (noch) auf allgemeinen vertraglichen (kodifizierten und nicht kodifizierten) Grundsätzen und gerichtlichen Entscheidungen.321 Obwohl das Vorbild des ModellG, Art. 4A UCC, innerhalb der USA zu Recht als Erfolg bezeichnet werden darf, gilt dasselbe auf internationaler Ebene nicht für das ModellG. Bis zum heutigen Tage hat das ModellG keine größere Bedeutung erlangt.322 Überweisungen bezeichnet das ModellG seinem Namen entsprechend als „credit transfers“ (vergleiche Art. 2 (a) ModellG).323 Abgesehen von dieser abweichenden Bezeichnung übernimmt das ModellG im Wesentlichen die Definitionen des Art. 4A UCC.324 Dies zeigt sich schon an der Definition der Überweisung.325 Art. 2 (a) ModellG definiert diesen wie folgt: „‚Credit transfer‘ means the series of operations, beginning with the originator’s payment order, made for the purpose of placing funds at the disposal of a beneficiary. The term includes any payment order issued by the originator’s bank or any intermediary bank intended to carry out the originator’s payment order. A payment order issued for the purpose of effecting payment for such an order is considered to be part of a different credit transfer“.
Auch nach dem ModellG wird der Überweisungsvorgang – wie bei Art. 4A UCC – durch die Annahme eines Überweisungsauftrags („payment order“)326 zugunsten des Überweisungsempfängers beendet (Art. 19 (1) ModellG). Wie schon hieran zu erkennen ist, hat sich auch der Modellgesetzgeber für das Vertrags- und gegen das Weisungsmodell entschieden. Nach obenstehender Definition besteht 320 Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 416 f.; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1126. 321 Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 416 f.; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1126. 322 . Vgl. auch Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1109 zur Überweisungsrichtlinie, dem – im Anwendungsbereich stark eingeschränkten – Vorgänger der Zahlungsdiensterichtlinien („The most recent product of the commission’s work is a proposed Directive on Cross-Border Credit Transfers, which has been influenced but not controlled by the Model Law and Article 4A.“). 323 Der Begriff funds transfer wird vom Modellgesetzgeber vielmehr als Überbegriff für credit und debit transfers benutzt (vgl. ModellG, Explanatory Note 5 f.). 324 Siehe zu den einzelnen Begrifflichkeiten und Definitionen Art. 2 ModellG. Die Ähnlichkeit des ModellG zu Art. 4A UCC beruht auf dem bedeutenden Einfluss der US-amerikanischen Delegation bei der Ausarbeitung des Modellgesetzes. Vgl. hierzu Bollen, 23 J.I.B.L.R. 105 (2008), 121; Crawford, 19 Can. Bus. L.J. 166 (1991), 168; Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 53 f.; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 23 ff.; Vasseur, in: Académie de Droit International (Hrsg.), Recueil des Cours, Tome 239 (1993 II), S. 168 ff. 325 Vgl. hierzu oben S. 63. 326 Definiert in Art. 2 (b) UCC.
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eine Überweisung aus einzelnen operations (Art. 4A UCC: transactions), denen wiederum rechtlich selbständige Auftragsverhältnisse zugrunde liegen.327 Wie Art. 4A UCC unterscheidet auch das ModellG zwischen der Annahme eines Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers (Art. 9 ModellG) und der Annahme durch andere Banken („weiterleitende“ Banken, Art. 7 ModellG).328 Jedoch hat eine „weiterleitende Bank“ – im Gegensatz zu Art. 4A UCC – nach dem ModellG mehrere Möglichkeiten, einen Überweisungsauftrag anzunehmen: Eine „weiterleitende“ Bank kann den Überweisungsauftrag, wie bei Art. 4A UCC auch, durch die Erteilung eines Überweisungsauftrags annehmen, der dazu bestimmt ist, den empfangenen Überweisungsauftrag auszuführen (Art. 7 (2)(c) ModellG). Die Annahme des Überweisungsauftrags tritt also auch bei Erteilung eines fehlerhaften Überweisungsauftrags an die nachfolgende Bank ein. Daneben gilt der Überweisungsauftrag auch bereits mit dessen Eingang bei der Bank als angenommen, wenn dies mit dem Beauftragenden im Voraus vereinbart war (Art. 7 (2)(a) ModellG).329 Auch hier entspricht das Ergebnis der Rechtslage nach Art. 4A UCC, auch wenn bei Art. 4A UCC nicht automatisch ein Überweisungsauftrag als geschlossen gilt. Weiterhin wird der Überweisungsauftrag durch die Benachrichtigung des Beauftragenden von der Annahme des Überweisungsauftrags angenommen (Art. 7 (2)(b) ModellG) und dadurch, dass die Bank zum Zweck der Ausführung des Auftrags das bei sich geführte Konto des Beauftragenden belastet (Art. 7 (2)(d) ModellG). Selbst wenn die Bank nicht tätig wird, gilt der Überweisungsauftrag grundsätzlich automatisch nach Ablauf des Tages, der auf den vorgesehenen Ausführungszeitraum (execution period)330 folgt, als angenommen (Art. 7 (2)(e) ModellG).331 Art. 4A UCC sieht in diesem Falle le327
Bischoff, SZIER 1993, 285, 293; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, 34; Schneider, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 501. Der Wortlaut des Art. 2 (a) ModellG findet zudem eine Bestätigung in einer systematischen Erwägung: Der Anknüpfungsgegenstand der Kollisionsnorm des Art. Y ModellG ist der einzelne Überweisungsauftrag und nicht der gesamte Überweisungsvorgang; vgl. auch Bollen, 23 J.I.B.L.R. 44 (2008), 57; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, 569; zu Art. Y ModellG unten S. 254 ff. Hätte der Modellgesetzgeber des Art. 4A UCC einen Netzvertrag gewollt, hätte er dieses Konzept folgerichtig auf der kollisionsrechtlichen Ebene fortsetzen müssen. 328 Zur „Annahme“ nach Art. 4A UCC oben S. 65 ff. 329 Es besteht allerdings ein Unterschied, wenn auch ein formaler. Nach Art. 4A UCC gilt der Überweisungsauftrag nicht als angenommen, dennoch ist die Bank zur Ausführung verpflichtet. Tut sie dies nicht, haftet sie gemäß § 4A-305 (d) UCC. Hierzu oben S. 66. 330 Definiert in Art. 2 (k) ModellG. 331 Dies gilt nicht, wenn der Überweisende nicht genügend Deckung bereitstellt oder er nicht identifiziert werden kann (vgl. Art. 7 (3) ModellG). In diesen Fällen gilt der Überweisungsauftrag mit Ablauf des fünften Bankgeschäftstages nach Ablauf des Ausführungszeitraums als abgelehnt. Art. 7 (4) Modell verwendet zwar die Wendung „ceases to have effect“
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diglich eine Verzinsungspflicht vor.332 Die Annahme des Überweisungsauftrags erfolgt zu dem Zeitpunkt, in dem das erste dieser Ereignisse eintritt. Wie bei Art. 4A UCC ist auch die Annahme nach dem ModellG deshalb kein einheitliches vertragsbegründendes Institut.333 Diese Auffassung wurde bereits von einigen Delegationen in der UNCITRAL-Arbeitsgruppe in deren Bericht hervorgehoben: „[I]t has been said that use of the term ‚acceptance‘ is not necessary and that it would cause difficulties in many legal systems because it seems to suggest that a contract is created as a result of the receiving bank’s actions.“334 Schließlich setzten sich jedoch die Befürworter eines einheitlichen Annahmekonzepts durch, insbesondere da die mit der Annahme verbundenen Rechtsfolgen in den einzelnen Fallgruppen nicht in der Kritik standen.335 Mit der Annahme des Überweisungsauftrages erwirbt die „weiterleitende“ Bank gemäß Art. 5 (6) ModellG einen Zahlungsanspruch hinsichtlich des Überweisungsbetrages gegen den Beauftragenden. Sie selbst ist zur Erteilung eines ordnungsgemäßen Überweisungsauftrages gemäß Art. 8 (2) ModellG verpflichtet. Falls eine Bank einen Überweisungsauftrag in ungenügender Höhe erteilt, behält sie grundsätzlich ihren Anspruch auf Zahlung des gesamten Überweisungsbetrags gegen den Beauftragenden, bleibt aber zur Erteilung eines Überweisungsauftrags in Höhe des Differenzbetrags gemäß Art. 15 ModellG an die nachfolgende Bank verpflichtet, sodass der gesamte Überweisungsbetrag „weitergeleitet“ wird. Kommt es aufgrund eines Fehlers der „weiterleitenden“ Bank nicht zur Annahme eines Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers zu dessen Gunsten, ist die fehlerhaft handelnde Bank gemäß Art. 14 ModellG zur Rückzahlung verpflichtet. Im Fall einer Verzögerung ist die jeweilige Bank zur Zahlung von Zinsen gemäß Art. 17 ModellG verpflichtet. Wie man am Beispiel einer fehlerhaft handelnden zwischengeschalteten Bank sieht, trägt die Bank des Überweisenden – wie bei Art. 4A UCC – grundsätzlich das Verlustrisiko, nicht jedoch das Verzögerungsrisiko.336 Für die Annahme durch die Bank des Überweisungsempfängers sieht das ModellG ebenfalls mehrere Möglichkeiten vor: Wie bei einer „weiterleitenden“ Bank ist der Überweisungsauftrag durch die Empfängerbank angenommen, wenn der Beauftragende und die Empfängerbank vereinbart haben, dass die statt „rejected“, auf der Rechtsfolgenseite besteht jedoch kein Unterschied; Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 61. 332 Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 61 f. Hierzu unten S. 167. 333 Vgl. hierzu bereits S. 68 f. 334 UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.42 (YB 1990), S. 60 f. Siehe zu dieser Diskussion auch UN-Dok. A/CN.9/328 (YB 1990), 25; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 76. 335 UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.42 (YB 1990), 61; UN-Dok. A/CN.9/329 (YB 1990), 113. 336 Zu Art. 4A UCC vgl. unten S. 166 f.
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Bank Überweisungsaufträge des Absenders nach Erhalt ausführen wird, wenn die Empfängerbank dem Beauftragenden die Annahme bestätigt, wenn die Empfängerbank das Konto des Beauftragenden zur Deckung des Überweisungsauftrags belastet oder wenn die Bank den Überweisungsauftrag nicht rechtzeitig zurückweist (Art. 9 (1)(a)–(c), (h) ModellG). Daneben kann die Bank des Überweisungsempfängers den Überweisungsauftrag durch Erkennen des Kontos des Überweisungsempfängers beziehungsweise durch eine sonstige Auskehr des Überweisungsbetrags an ihn (Art. 9 (1)(d), (f), (g) ModellG)337 oder durch Benachrichtigung des Überweisungsempfängers von der Gutschrift annehmen (Art. 9 (1)(e) ModellG). Durch die Annahme des Überweisungsauftrags erwirbt die Bank des Überweisungsempfängers einen Anspruch auf Zahlung des Überweisungsbetrags in der angenommenen Höhe (Art. 5 (6) ModellG). Die Bank ist hingegen wiederum verpflichtet, den Überweisungsbetrag dem Überweisungsempfänger verfügbar zu machen (Art. 10 (1) ModellG). Gläubiger dieser Pflicht ist – wie bei Art. 4A UCC – der Überweisungsempfänger und nicht die vorangehende Bank beziehungsweise der Überweisende (vergleiche Art. 19 (1) ModellG).338 Eine „discharge rule“, also eine Erfüllungsregelung hinsichtlich des Valutaverhältnisses, ist lediglich als „unverbindlicher“339 Vorschlag in Fußnote zu Art. 19 ModellG enthalten. Demnach tritt die Erfüllungswirkung im Valutaverhältnis mit Annahme des Überweisungsauftrages durch die Bank des Überweisungsempfängers ein, wenn die Zahlung per Überweisung zulässig war. Falls der Überweisungsvorgang nicht mit der Annahme eines Überweisungsauftrags zugunsten des Überweisungsempfängers durch dessen Bank beendet wird (vergleiche Art. 19 ModellG), sieht das ModellG genauso wie Art. 4A UCC 337
Es spielt dabei keine Rolle, ob das Konto des Überweisungsempfängers im Soll- (Art. 9 (1)(g) ModellG) oder im Haben-Bereich (Art. 9 (1)(d) ModellG) ist. Art. 9 (1)(f) ModellG regelt zudem den Fall, dass der Überweisungsauftrag spezielle Auszahlungsmodalitäten vorsieht, und stellt damit sicher, dass auch in diesem Fall eine Annahme des Überweisungsauftrags eintritt. 338 Vgl. Art. 19 (1) ModellG bestimmt insofern: „A credit transfer is completed when the beneficiary’s bank accepts a payment order for the benefit of the beneficiary. When the credit transfer is completed, the beneficiary’s bank becomes indebted to the beneficiary to the extent of the payment order accepted by it. […]“. Auch aus Art. 10 (1) ModellG ließe sich das gleiche Ergebnis folgern, da dieser das Statut des Inkassoverhältnisses für eine Auskehr des Überweisungsbetrages, die nicht in der Verfügbarmachung des Betrags zugunsten des Überweisungsempfängers besteht, für anwendbar erklärt. Daraus ergibt sich, dass diese Pflicht ausschließlich dem Inkassoverhältnis zugeordnet wird. 339 Bei UNCITRAL-Modellgesetzen stehen den umsetzungswilligen Staaten die Art und der Umfang der Umsetzung frei. Ein Hinweis auf eine freiwillige Umsetzung erübrigt sich folglich, zeigt aber, dass diese Regelung zwischen den Staaten sehr umstritten war (vgl. auch ModellG, Expl. Note 51).
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eine „money-back guarantee“ vor (Art. 14 (1) ModellG).340 Es kommt grundsätzlich wie bei Art. 4A UCC zur Rückabwicklung über die Überweisungskette.341
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Zur „money-back guarantee“ nach dem ModellG unten S. 167 ff. (1) UCC bestimmt insofern ausdrücklich: „[…] The originator’s bank and each subsequent receiving bank is entitled to the return of any funds it has paid to its receiving bank, with interest from the day of payment to the day of refund.“ Im Gegensatz zu Art. 4A UCC hat der Überweisende jedoch auch die Möglichkeit, im Wege eines Direktanspruchs gegen jede Bank vorzugehen, die zur Rückgewähr gemäß Art. 14 ModellG verpflichtet ist (vgl. Art. 14 (8) ModellG), hierzu auch S. 168. 341 Art. 14
2. Kapitel
Rationalisierung des Überweisungsverkehrs Der Korrespondenzbankenverkehr ist für den modernen Überweisungsverkehr – insbesondere auch für den grenzüberschreitenden – weiterhin von grundlegender Bedeutung.1 Doch hat die Bankenwirtschaft bereits früh verschiedene Maßnahmen forciert, um Überweisungsvorgänge effizienter durchführen zu können.2 Namentlich sind hier zentrale Abrechnungsstellen für Banken und vereinheitlichte (multilaterale) Vertragswerke zu nennen, die dazu dienen, standardisierte Kommunikationsprozesse zwischen den Banken zu etablieren. Während diese Maßnahmen zunächst häufig auf einzelne Nationalstaaten beschränkt waren, ist heute eine zunehmende Internationalisierung festzustellen, die vermehrt auch für grenzüberschreitende Überweisungsvorgänge Bedeutung erlangt. Die verschiedenen Maßnahmen sollen im Folgenden beschrieben und ihre rechtlichen Auswirkungen auf den Überweisungsvorgang untersucht werden.
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme I. Begriff und Funktion des Zahlungssystems im Überweisungsverkehr Die Unterhaltung gesonderter Vertragsbeziehungen zu einzelnen Banken ist ineffizient. Für jede einzelne Korrespondenzbeziehung müssen Konten eingerichtet und mit Liquidität zur Ausführung von Zahlungsaufträgen ausgestattet werden. Aus dieser Situation heraus sind zentrale Abrechnungsstellen entstanden, in denen Banken zentralisiert Zahlungen abwickeln können.3 Diese zentralisierten 1 Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 12; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 30. Vgl auch Hadding/Häuser/Haug, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 51a Rn. 1. 2 Vgl. Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 12. 3 Vgl. nur Art. 2 lit. a der europäischen Finalitätsrichtlinie (FRL, Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen): Diese definiert ein Zahlungssystem als „förmliche Vereinbarung, die zwischen mindestens drei [Personen] getroffen wird und gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht“. In der ZDR wird der
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Abrechnungsstellen werden Zahlungssysteme beziehungsweise „Clearingsysteme“ genannt. Wie der Begriff des „Clearingsystems“ vorwegnimmt, besteht die (wirtschaftliche) Grundfunktion dieser Systeme im sogenannten „Clearing“. Der Begriff bezeichnet den verfahrensmäßigen Ablauf der Abrechnung von Zahlungsauf trägen (oder Wertpapieren) bei einer einzigen zentralen Stelle.4 Die zentrale Stelle, die die Abrechnung übernimmt, wird deshalb auch als „Clearingstelle“ oder „clearing house“ bezeichnet.5 Im Gegensatz zu einer Korrespondenzbeziehung, welche die Abrechnungsbeziehung nur bilateral zwischen zwei Banken vermitteln kann, stellt ein Zahlungssystem diese zwischen allen am System angeschlossenen Teilnehmern her. Vom Begriff des Clearing im technischen Sinne überhaupt nicht umfasst ist hingegen die zweite potenzielle Funktion von Zahlungssystemen.6 Diese betrifft den Ausgleich („Settlement“) des sich im CleaBegriff in Art. 4 Nr. 6 ZDR wie folgt definiert: Ein „‚Zahlungssystem‘ [ist demnach] ein System zum Transfer von Geldbeträgen mit formalen und standardisierten Regeln und einheitlichen Vorschriften für die Verarbeitung, das Clearing und/oder die Verrechnung von Zahlungsvorgängen“. Nach dem Wortlaut könnte ein Zahlungssystem deshalb unter Umständen auch die Abrechnung und Verrechnung von Forderungen im bilateralen Korrespondenzverhältnis zweier Banken sein. Jedoch bezweckt der von Art. 2 lit. a FRL abweichende Wortlaut von Art. 4 Nr. 7 ZDR II keine inhaltliche Änderung. 4 Committee on Payment and Settlement Systems, Real-Time Gross Settlement Systems, S. 3 Fn. 5; Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S. 36; Burrows, English Private Law, Rn. 14.95; Cranston, Principles of Banking Law, S. 279; EZB, Glossary of Terms Related to Payment, Clearing and Settlement, S. 5. Teilweise wird unter dem Begriff des „Clearing“ jedoch ausschließlich die Verrechnung von Zahlungsaufträgen verstanden, vgl. Geva, 19 Can. Bus. L.J. 138 (1991), 138; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, 32; Wierichs/Smets, Gabler Kompakt-Lexikon Bank und Börse, S. 2, wobei beide im Nachfolgenden allerdings auch Bruttosysteme (hierzu unten S. 79), bei denen keine Verrechnung von Verbindlichkeiten stattfindet, als „Clearingsysteme“ bezeichnen; ausdrücklich auch Art. 2 lit. e FRL, wobei auch die FRL hinsichtlich des Begriffes ambivalent ist, da sie in Art. 2 lit. a FRL das Clearing und die Verrechnung von Zahlungsvorgängen als getrennte Verfahrensschritte auflistet. Vgl. auch Cranston, Principles of Banking Law, S. 279. Teilweise wird der Begriff des „Clearing“ sogar noch enger verstanden, indem er ausschließlich mit einer multilateralen Abrechnungsweise verbunden wird, Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 36 f. (insb. Fn. 105); Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 7; vgl. auch Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 110, der diese Systeme als „echte“ Clearingsysteme bezeichnet, und Geva, 19 Can. Bus. L.J. 138 (1991), 138. 5 Siehe z. B. die deutsche und englische Fassung des Art. 2 lit. e FRL, ferner Geva, 19 Can. Bus. L.J. 138 (1991), 138. In multilateralen Verrechnungssystemen wird die Clearingstelle manchmal auch als „netting agent“ bezeichnet, Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 220 (zum Netting auch noch S. 81 ff.). 6 Vgl. aber Cranston, Principles of Banking Law, S. 279; Geva, 19 Can. Bus. L.J. 138
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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ringverfahren ergebenden Abrechnungsergebnisses.7 Mit ihm gelten die Abrechnung als vollzogen und eventuelle Verpflichtungen als erfüllt. Letzteres kann ein Zahlungssystem übernehmen, muss es aber nicht zwingend. In der Regel werden Zahlungssysteme für die Teilnehmer jedoch einen organisatorischen Rahmen für den Ausgleich von Zahlungsverpflichtungen vorsehen, auch wenn sie selbst keine kontoführenden Institute sind.8 Sie bedienen sich dazu der Hilfe einer weiteren Bank. Häufig ist dies eine Zentralbank, da die Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs regelmäßig zu deren besonderen gesetzlichen Aufgaben gehört (vergleiche für die Deutsche Bundesbank nur § 3 S. 2 BBankG beziehungsweise für das Europäische System der Zentralbanken, Art. 127 II, 4. Spiegelstr. AEUV) und diese im Geldsystem die größtmögliche Bonität besitzt.9 II. Abrechnungsarten von Zahlungssystemen 1. Brutto- und Nettozahlungssysteme Bei der Art der Abrechnung muss zwischen verschiedenen Typen von Zahlungssystemen unterschieden werden. Im Korrespondenzbankenverkehr wird traditionell jeder einzelne Zahlungsauftrag einzeln, das heißt individuell abgerechnet. Individuell heißt in diesem Zusammenhang, dass keine irgendwie geartete Verrechnung mit den Zahlungsaufträgen anderer Teilnehmer stattfindet. Diese Art der Abrechnung entspricht auch der Abrechnung in Bruttozahlungssystemen.10 (1991), 138, die die Ausgleichsfunktion, das „Settlement“, als Clearing im weiteren Sinne begreifen. 7 EZB, Glossary of Terms Related to Payment, Clearing and Settlement, S. 24; Geva, 19 Can. Bus. L.J. 138 (1991), 138; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 32; Wierichs/Smets, Gabler Kompakt-Lexikon Bank und Börse, S. 201. Vgl. auch Burrows, English Private Law, Rn. 14.95; Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 7. 8 Dies bedingt bei Bruttosystemen schon das Systemdesign (Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 7), bei Nettingsystemen wird sich dies schon häufig aus Maßnahmen zur Risikoreduzierung ergeben (zu beiden Systemarten unten S. 79). Das Settlement kann bei Letzteren auch durch die Nutzung eines weiteren (Brutto-)Zahlungssystems erfolgen. Dies ist z. B. beim „europäischen“ Zahlungssystem EURO1 und beim US-amerikanischen Zahlungssystem CHIPS der Fall (zu den beiden Zahlungssystemen unten S. 90 ff. und S. 85 ff.). 9 Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 10. Vgl. auch Committee on Payment and Settlement Systems, Real-Time Gross Settlement Systems, S. 3. 10 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 88; EZB, Glossary of Terms Related to Payment, Clearing and Settlement, S. 13; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fischer, § 24b KWG Rn. 6; Füssel/Kokkola, in: Kokkola (Hrsg.), The Payment System, S. 47; Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 215; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 3; Leinonen, Interbank funds transfer systems, S. 9; Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 13; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 39.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Jeder ausgeführte Überweisungsauftrag wird durch einen entsprechenden Buchungsvorgang und eine entsprechende „Deckungsbewegung“ widergespiegelt.11 Üblicherweise geschieht dieser „Transfer“, wenn bei der einreichenden Bank ausreichend Deckung vorhanden ist, mit „Einlieferung“ des Auftrags beim Zahlungssystem, das heißt in Echtzeit.12 Deshalb wird ein solches System auch als „real time gross settlement system“ (RTGS-System) bezeichnet.13 Beispiele für solche Systeme sind das vom europäischen System der Zentralbanken (ESZB) betriebene Zahlungssystem TARGET214 („Trans-European Real-Time Gross Settlement Express Transfer System“) für in Euro lautende Zahlungsaufträge, das im Vereinigten Königreich für Zahlungsaufträge in Pfund Sterling vom gleichnamigen Unternehmen betriebene Zahlungssystem CHAPS15 („Clearing House Automated Payment System“) und das vom „Federal Reserve System“ betriebene US-amerikanische Zahlungssystem Fedwire für in US-Dollar denominierte Zahlungsaufträge, um nur einige der bekanntesten Bruttosystem zu benennen.16 Die individuelle Ausführung der Überweisungsaufträge hat jedoch den Nachteil, dass eine große Anzahl einzelner Zahlungsvorgänge ausgeführt werden muss und fortwährend ein hohes Maß an (Innertages-)Liquidität für die Ausführung von Zahlungsvorgängen über das Bruttozahlungssystem gebunden ist, damit die Deckung für eingereichte Überweisungsaufträge (rechtzeitig) bereitge11
Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fischer, § 24b KWG Rn. 6. Burrows, English Private Law, Rn. 14.97. 13 EZB, Glossary of Terms Related to Payment, Clearing and Settlement, S. 22; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 3; Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 215; Hartmann, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 116. Theoretisch ist auch ein „deferred gross settlement system“ (zum Begriff Committee on Payment and Settlement Systems, Real-Time Gross Settlement Systems, S. 5) denkbar. Aufgrund der erheblichen Erhöhung des Kredits- und des Liquiditätsrisikos und der gesteigerten Gefahr eines „gridlock“ (vgl. hierzu Committee on Payment and Settlement Systems, Real-Time Gross Settlement Systems, S. 28; Cranston, Principles of Banking Law, S. 278) ist dem Verf. dieser Arbeit kein Zahlungssystem bekannt, das diese Abrechnungsmethode implementiert hat. 14 EZB, Glossary of Terms Related to Payment, Clearing and Settlement, S. 26; Füssel/ Kokkola, in: Kokkola (Hrsg.), The Payment System, S. 178 f.; Maihold, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 52 Rn. 5; Wierichs/Smets, Gabler Kompakt-Lexikon Bank und Börse, S. 214. Die technische Plattform von TARGET2 wird von der Deutschen Bundesbank, der Banca d’Italia und der Banque de France im Auftrag der EZB und der anderen nationalen Zentralbanken betrieben, vgl. auch Papathanassiou, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 134 Rn. 109 ff. 15 Arora, Banking Law, S. 492; Burrows, English Private Law, Rn. 14.98. 16 Baxter/Heller/Forman/Cavanagh, Funds Transfers, S. 13; Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 216. 12
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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stellt werden kann.17 Diesen Nachteil fassen Nettozahlungssysteme ins Auge, indem sie den Liquiditätsbedarf durch eine Verrechnung der in einem bestimmten Abrechnungszeitraum durch die Teilnehmer des Systems eingereichten Zahlungsaufträge reduzieren.18 Nach der Verrechnung am Ende des Abrechnungszeitraums findet nur noch ein „Spitzenausgleich“ der noch offenen Salden, der Nettopositionen statt.19 Diese Systeme werden deshalb auch als „designated-time net settlement systems“ (DNS- oder DTNS-Systeme) bezeichnet.20 Häufig wird der Begriff des Clearing mit multilateral verrechnenden Nettosystemen gleichgesetzt. Die Verrechnung, das sogenannte „Netting“ der Zahlungsaufträge innerhalb des Nettosystems, kann sowohl bilateral als auch multilateral erfolgen. Zur Veranschaulichung der Unterschiede zwischen den beiden Arten des Netting soll folgendes Beispiel dienen: Angenommen Bank A schuldet aufgrund eines Zahlungsauftrages Bank B 10.000 Euro, Bank B Bank C 15.000 Euro und Bank C Bank A 10.000 Euro. In einem Zahlungssystem mit bilateralem Netting zwischen den Teilnehmern kann überhaupt keine Verrechnung stattfinden, da in keinem Zweierverhältnis gegenläufige Zahlungsaufträge erteilt worden sind. Vielmehr muss jede einen Zahlungsauftrag sendende Bank der empfangenden Bank Deckung in Höhe des jeweiligen Nennbetrages verschaffen. Anders hingegen bei einem multilateral verrechnenden System: Da dort jede Bank mindestens 10.000 Euro zu zahlen hat, aber auch gleichzeitig mindestens 10.000 Euro empfängt, müssen diese Beträge nicht ausgeglichen werden. Aus wirtschaftlicher Perspektive muss nach der Abrechnung lediglich Bank B 5.000 Euro an Bank C zah17 Cranston, Principles of Banking Law, S. 277; Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, 15; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 5; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 37. Vgl. auch Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 215. 18 Hartmann, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 116; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 4. Die Liquiditätsersparnis gegenüber einem Bruttosystem soll bis zu 80 % betragen, Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 220; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 10. 19 Hierher rührt auch die Bezeichnung dieser Zahlungssysteme als Nettosysteme. Siehe zur Funktionsweise auch Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 13; Holzwarth, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 117; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 4. Vgl. auch Leinonen, Interbank funds transfer systems, S. 9. 20 Committee on Interbank Netting Schemes, Lamfalussy-Report, S. 5; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 S. 4; Leinonen, Interbank funds transfer systems, S. 13, der jedoch die Abkürzung TDNS benutzt. Teilweise werden DNS-Systeme auch als „deferred net settlement systems“ bezeichnet, Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 4; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 37.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
len.21 Wie die Verrechnung beziehungsweise die einzelnen Verrechnungsvorgänge rechtlich zu qualifizieren sind, ist jedoch systemabhängig und soll deshalb erst an späterer Stelle erörtert werden.22 Der Begriff des „Netting“ ist genauso wie der Begriff des „Clearing“ kein rechtlicher Begriff.23 Insbesondere wird durch diesen Begriff noch nicht festgelegt, ob das Verrechnungsergebnis an sich bindend ist oder ob das Fundament für die Zahlung weiterhin die ursprünglichen Forderungen bilden. Ersteres wird teilweise als „novation netting“ bezeichnet.24 Letzteres als „advisory/position netting“, also als das bloße Resultat einer kaufmännischen Berechnung.25
Vorteil von Nettosystemen ist insbesondere die immense Liquiditätsersparnis von bis zu 80 % gegenüber Bruttosystemen.26 Sie senkt damit das Liquiditätsaber auch das Bonitätsrisiko der teilnehmenden Banken.27 Die Liquiditätsersparnis wird jedoch mit einer verzögerten Ausführung der Zahlungsaufträge erkauft. Neben dem Nachteil der verzögerten Ausführung bergen traditionelle Nettosysteme allerdings auch ein spezifisches „Systemrisiko“.28 Kann ein Teilnehmer des Systems zum Zeitpunkt des Settlement aufgrund in der Zwischenzeit eingetretener Insolvenz nicht begleichen (oder kann beziehungsweise will er sie aus einem anderen Grund nicht erfüllen)29, kann dies dazu führen, dass auch andere Systemteilnehmer ihre Verbindlichkeiten nicht bedienen können.30 Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn im Fall der Insolvenz eines Teilnehmers die Nettingabrede erlischt oder die Zahlungsaufträge des insolventen Teilnehmers un21 Zur
Verrechnung in multilateralen Systemen auch Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 217 f. 22 Unten S. 121 ff. 23 Vgl. auch Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 220. 24 Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 220. 25 Cranston, Principles of Banking Law, S. 288, 290; Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 220. 26 Laut Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 114 können mit der bei CHIPS verpflichtend durch die Teilnehmer anfänglich eingezahlten Summe Zahlungsaufträge mit einem 600 bis 700-fachen höheren Gesamtvolumen ausgeführt werden. Mit nur USD 3 Milliarden konnten demnach Zahlungsaufträge im Gesamtwert von USD 2 Billionen abgewickelt werden. 27 Vgl. zu den Risiken in Zahlungssystemen Committee on Payment and Settlement Systems, Real-Time Gross Settlement Systems, S. 7 ff.; Cranston, Principles of Banking Law, S. 284. 28 Committee on Interbank Netting Schemes, Lamfalussy-Report, 2; Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 41 f. Siehe allgemein zum Systemrisiko: Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 40; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 7; Leinonen/Soramäki, in: Leinonen (Hrsg.), Liquidity, risks and speed in payment and settlement systems, S. 45 f. 29 Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 Rn. 10. 30 Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 41 f.; Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 9.
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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wirksam werden (auf die insolvenzrechtlichen Aspekte soll in der Arbeit nicht näher eingegangen werden)31.32 Auf diese Weise kann ein „Dominoeffekt“ ausgelöst werden, der den Zahlungsverkehr zum Stocken oder sogar zum Erliegen bringt.33 Das Nettosystem hätte insofern die vorhandenen Kredit- und Liquiditätsrisiken34 nur verborgen, anstatt sie auf den Nettobetrag zu beschränken.35 In Bruttosystemen muss hingegen zur Ausführung von Zahlungsaufträgen die Deckung in voller Höhe vorhanden sein.36 Eine entsprechende Verschleierung der Risiken und gegebenenfalls Überschätzung des einzelnen Teilnehmers ist ausgeschlossen. Um das spezifische Systemrisiko von Nettosystemen zu begrenzen, wurden je nach Systemtyp verschiedene Sicherheitsmechanismen eingeführt. Diese reichen von der Aufstellung von Zulassungskriterien über die Saldensteuerung und -begrenzung (sogenannte „caps“ und „limits“) bis hin zu dem Erfordernis, Sicherheiten zu stellen, beziehungsweise der Vereinbarung von Nachschusspflichten für die anderen Teilnehmer im Fall des „Ausfalls“ eines einzelnen Teilnehmers („loss-sharing rules“).37
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Vgl. hierzu Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 133 ff. § 24b KWG Rn. 2. Vgl. auch Bech/Preisig/Soramöki, FRBNY Economic Policy Review 2008, 59, 61; Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 121; Burgard/Heimann, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. IV. Rn. 119. 33 Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 40; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fischer, § 24b KWG Rn. 2; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 37; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 46 10. Vgl. auch Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 211 34 Siehe zum Liquiditätsrisiko (und Kreditrisiko) allgemein Langenbucher, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 7 Rn. 9. 35 Committee on Interbank Netting Schemes, Lamfalussy-Report, 2 („If, instead of achieving reductions in actual credit and liquidity exposures which participants would experience in the event of a counterparty default, netting merely obscures the level of exposures, then netting arrangements have the potential to contribute to an increase in systemic risk.“); Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 41; Cranston, Principles of Banking Law, S. 290; Le Guen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 431. 36 In diesem Fall werden die Zahlungsaufträge je nach den Regeln des jeweiligen Systems entweder in eine Warteschlange eingereiht oder zurückgewiesen. In Bruttosystemen besteht jedoch die Gefahr eines „gridlock“, d. h., dass jede Bank auf den Eingang der Deckung aus Überweisungsaufträgen fremder Banken wartet (um diese als Deckung für eigene Überweisungsaufträge zu nutzen). Hierzu Cranston, Principles of Banking Law, S. 278; Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 215. 37 Vgl. für eine Übersicht über die möglichen Sicherungsmechanismen Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 42 ff.; Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 33 ff. Vgl. auch unten S. 94 f. 32 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Fischer,
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
2. „Hybride“ Zahlungssysteme Seit im Jahr 1992 der Bericht der „Working Group on EC Payment Systems on issues of common concern to EC central banks in the field of payment systems“ veröffentlicht wurde, der aus Riskominimierungsgründen innerhalb der damaligen Europäischen Gemeinschaft die Errichtung und den Einsatz von Bruttosystemen empfahl,38 verlieren reine Nettosysteme nicht nur innerhalb der Union, sondern sogar weltweit bei der Abwicklung von Zahlungsaufträgen im Großzahlungsverkehr zunehmend an Bedeutung.39 So wird der heutige Großzahlungsverkehr durch Bruttosysteme dominiert.40 Zudem wurden hybride Systeme entwickelt, die versuchen, den Vorteil von Nettozahlungssystemen, nämlich die Liquiditätsersparnis durch Verrechnung, mit dem für Bruttosystemen charakteristischen Vorteil der sofortigen Ausführung von Zahlungsaufträgen zu kombinieren.41 Ein Beispiel für ein solches Hybridsystem ist das US-amerikanische Zahlungssystem CHIPS („Clearing House Interbank Payments System“) für in US-Dollar denominierte Zahlungsaufträge,42 das allerdings bis zum Jahr 2001 als traditionelles Nettosystem geführt wurde.43 Dieses rechnet Überweisungsaufträge sowohl individuell als auch mittels Verrechnung ab.44 Die Grenzen zwischen Netto- und Bruttosystemen sind allerdings fließend, da auch bei verrechnenden Systemen, 38 „As soon as feasible, every member state should have a real-time gross-settlement system into which as many large-value payments as possible should be channelled.“, so der Nachfolgebericht der Working Group on EC Payment Systems, Report to the Committee of Governors of the Central Banks of the Member States of the European Community on Minimum Common Features for Domestic Payment Systems, Rn. 55, abrufbar unter: . 39 Vgl. auch die Statistik des „Committee on Payments and Market Infrastructures“ der BIS, abrufbar unter: . Auch Bech/Preisig/Soramöki, FRBNY Economic Policy Review 2008, 59, 60 (vgl. insbesondere auch die Kartendarstellung auf S. 62); Committee on Payment and Settlement Systems, Real-Time Gross Settlement Systems, S. 3; Rose, Zugangserzwingung zu Zahlungsverkehrsnetzen, S. 38. Allerdings basiert der Zahlungsausgleich der Zentralbanken untereinander im europäischen und US-amerikanischen System auf dem „Nettoprinzip“, unten S. 105 ff. 40 Anders sieht es hingegen bei den sogenannten „retail payment systems“ für den Massenzahlungsverkehr aus, die in den allermeisten Fällen verrechnend sind, vgl. die Statistik des „Committee on Payments and Market Infrastructures“ der BIS, abrufbar unter: . 41 Vgl. nur die Settlementstatistik von Bech/Preisig/Soramöki, FRBNY Economic Policy Review 2008, 59, 64. 42 ; Baxter/Heller/Forman/ Cavanagh, Funds Transfers, S. 13 f. 43 Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 106 f. Vgl. auch Cranston, Principles of Banking Law, S. 290. 44 Zum Clearingverfahren von CHIPS unten S. 95 ff.
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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bei denen der Saldenausgleich erst am Abschluss des Tages erfolgt, heute häufig eine (nach Freigabe durch das Zahlungssystem) sofortige Finalität der Zahlungsaufträge besteht.45 Der Rechtsanspruch auf Zahlung der Deckungssumme erwächst dem empfangenden Teilnehmer gemäß der jeweiligen Statuten also bereits mit Freigabe der Zahlungsaufträge durch das System unwiderruflich. Dies ist sowohl beim europäischen EURO1 als auch beim kanadischen Nettozahlungssystem LVTS der Fall. Beide Zahlungssysteme sind die letzten bedeutenden ausschließlich verrechnenden Zahlungssysteme für den Großbetragszahlungsverkehr.46 Diese werden in dieser Arbeit trotz „sofortiger“ Finalität zu den Nettozahlungssystemen gezählt, da der Saldenausgleich erst am Ende des jeweiligen Geschäftstages erfolgt.47
45 Häufig werden sie deshalb als „RTGS-equivalent net settlement system“ beschrieben (für das kanadische LVTS: Arjani/McVanel, A Primer on Canada’s Large Value Transfer System, S. 8, abrufbar unter: ; Bech/Preisig/Soramöki, FRBNY Economic Policy Review 2008, 59, 62 Fn. 6; für EURO1: ). Zur Finalität nach Freigabe bei LVTS vgl. insbesondere Ziff. 42 By-law No. 7 Respecting the Large Value Transfer System (SOR/2001-281) (LVTS-Rulebook), abrufbar unter: ; auch Arjani/McVanel, A Primer on Canada’s Large Value Transfer System, S. 9, abrufbar unter: . Zu EURO1 auch unten S. 90 ff. 46 Die der Aussage zugrundeliegenden BIS-Statistiken beinhalten allerdings lediglich Daten zu den sogenannten „CPMI-Countries“, also den Ländern, die am „Committee on Payments and Market Infrastructures“ teilnehmen. Dazu gehören 23 Staaten, unter anderem die G10-Staaten (vgl. ). 47 Diese Einordnung ist jedoch wiederum keineswegs zwingend, wie ein Blick auf Bech/ Preisig/Soramöki, FRBNY Economic Policy Review 2008, 59, 64 zeigt. Dort wird das kanadische LVTS als Hybridsystem eingeordnet, da es fortlaufend Zahlungsaufträge miteinander verrechnet. Allerdings verwundert vor diesem Hintergrund die Einordnung von EURO1 als einziges verbleibendes Nettosystem im Großbetragszahlungsverkehr, da sich sowohl EURO1 als auch LVTS, das Clearingverfahren betreffend, sehr ähnlich sind und im Wesentlichen dieselben Merkmale aufweisen. Beide Systeme „verrechnen“ eingehende Zahlungsaufträge auf fortlaufender Basis, während der Ausgleich der Saldenspitzen erst am Ende des Geschäftstages erfolgt. In dieser Arbeit beruht die Einordnung dieser Systeme als Nettozahlungssysteme jedoch gerade darauf, dass das zeitliche Auseinanderfallen der Einreichung von Zahlungsaufträgen und deren vollständiger Ausgleich erst nach Verrechnung eben das Charakteristikum von Nettosystemen (im Englischen deshalb ja auch als „deffered net settlement systems“ bezeichnet) bildet. Beim US-amerikanischen Zahlungssystem CHIPS findet sowohl eine sofortige Verrechnung eingehender Zahlungsaufträge als auch, falls eine sofortige Verrechnung nicht möglich ist, eine Verrechnung zu einem späteren Zeitpunkt statt, weshalb es als Hybridsystem bezeichnet wird.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
3. Beispielhafte Erläuterung des Abrechnungsverkehrs anhand der Zahlungssysteme TARGET2, EURO1 und CHIPS Im Folgenden soll der Abrechnungsverkehr sowohl des europäischen Bruttozahlungssystems TARGET2, des Nettozahlungssystems EURO1 als auch des US-amerikanischen hybriden Zahlungssystems CHIPS näher dargestellt werden. Alle drei Zahlungssysteme besitzen eine große Bedeutung für den Euroraum beziehungsweise die USA, wenn nicht gar für den weltweiten bargeldlosen Zahlungsverkehr. Insbesondere CHIPS soll als das größte privat betriebene Zahlungssystem der Welt über 95 % aller in US-Dollar denominierten grenzüberschreitenden Zahlungen abwickeln.48 Von Cranston wird es als „perhaps the most important clearing system, used on an international basis“49, bezeichnet. Weiterhin ist die Verwendung von CHIPS aus kollisionsrechtlicher Perspektive interessant. CHIPS trifft in seinen AGB nämlich eine Rechtswahl, die auch Wirkung für Dritte haben kann, die in keiner unmittelbaren Beziehung zu CHIPS stehen.50 EURO1, ebenso das TARGET2-Subsystem der Deutschen Bundesbank, ist hingegen aus deutscher Perspektive untersuchenswert, da das System deutschem materiellen Recht unterliegt. a) Das Bruttozahlungssystem TARGET2 TARGET2 ist das Bruttozahlungssystem des europäischen Zentralbanksystems. Die Abkürzung steht für „Trans-European Automated Real-time Gross settlement Express Transfer system“. Im Gegensatz zu TARGET basiert TARGET2 nicht mehr auf den unabhängig voneinander existierenden Zahlungssystemen der Zentralbanken. Vielmehr wird der Betrieb auf Grundlage der sogenannten „single shared platform“ sichergestellt (Art. 1 I TARGET2-Leitlinie).51 Die „single shared platform“ wird von der „Banque de France“, der „Banco d’Italia“ und der „Deutschen Bundesbank“ betrieben. Das zugrundeliegende technische Kommunikationsnetzwerk wird von SWIFT bereitgestellt (vergleiche Art. 41 TARGET2-Leitlinie).52 Die drei genannten Betreiberzentralbanken sind jedoch nur für das unmittelbare operative Geschäft zuständig. Für die Leitung, Steuerung und Kontrolle von TARGET2 ist ausschließlich der EZB-Rat zuständig. Auf einer zweiten Stufe ist 48
Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 104. Cranston, Principles of Banking Law, S. 279. 50 Hierzu unten S. 228 ff. (insb. S. 230 f.). 51 Die TARGET2-Leitlinie trat am 07.12.2012 in Kraft. Sie ist abrufbar unter: . 52 Vgl. auch . 49
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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ein Ausschuss der Zentralbanken des Eurosystems als beratendes Organ zuständig, das außerdem für alle Fragen zuständig ist, die nicht in die Zuständigkeit des EZB-Rats oder der das operative Geschäft leitenden drei Zentralbanken fallen (hierzu Art. 7 TARGET2-Leitlinie).53 Dieses dreistufige Verwaltungsorgan ist in seiner Gesamtheit für TARGET2 zuständig. Während die technische Infrastruktur vollständig vereinheitlicht ist, gilt dies nicht für die rechtliche Struktur von TARGET2. Eine Vereinheitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen findet dabei zwar auch durch die TARGET2Leitlinie als Betriebsgrundlage von TARGET2 statt. Unmittelbar bildet die TARGET2-Leitlinie jedoch nur für die Zentralbanken des europäischen Zentralbanksystems die rechtliche Grundlage von TARGET2.54 Gegenüber den Endbenutzern des Zahlungssystems, den angeschlossenen Banken und Nebensystemen, muss die TARGET2-Richtlinie auf dem Verordnungswege oder durch eine entsprechende Ausgestaltung der Vertragsbedingungen für die Teilnahme am jeweiligen Subsystem von TARGET2 umgesetzt werden.55 Rechtlich setzt sich TARGET2 somit aus einzelnen TARGET2-Komponenten-Systemen zusammen, die durch die einzelnen teilnehmenden Zentralbanken56 und die EZB57 betrieben werden (vergleiche auch Art. 1 II, 3 I TARGET2-Leitlinie).58 Die Komponenten-Systeme sind hierbei eigenständige Zahlungssysteme (vergleiche Art. 3 TARGET2-Leitlinie). Das TARGET2-Subsystem der Deutschen Bundesbank etwa wird mit der Abkürzung „TARGET2-Bbk“ bezeichnet.59 Die Subsysteme unterliegen grundsätzlich dem jeweiligen nationalstaatlichen Recht (vergleiche nur Art. 44 der Bedingungen von TARGET2-BBK), sodass keine vollständige 53 Europäisches Unionsrecht/Karpf, Satzung ESZB/EZB Art. 22 Verrechnungs- und Zahlungssysteme Rn. 12. 54 Europäisches Unionsrecht/Karpf, Satzung ESZB/EZB Art. 22 Verrechnungs- und Zahlungssysteme Rn. 11. 55 Europäisches Unionsrecht/Karpf, Satzung ESZB/EZB Art. 22 Verrechnungs- und Zahlungssysteme Rn. 11 (Fn. 27). Siehe zur Umsetzung der Deutschen Bundesbank die Vereinbarungen hinsichtlich der Teilnahme an TARGET2-Bbk, abrufbar unter: . 56 Auch Zentralbanken von Mitgliedstaaten, die nicht den Euro als Währung haben, können eigene TARGET2-Subsysteme betreiben, wenn sie sich verpflichten, sich an die TARGET2Leitlinie zu halten (Art. 4 TARGET2-Leitlinie). 57 Die EZB erbringt mit dem TARGET2-EZB ausschließlich Dienste gegenüber Verrechnungs- oder Abwicklungsstellen (vgl. hierzu auch Art. 8 II TARGET2-Leitlinie), wie z. B. EURO1, hierzu unten S. 90 ff. 58 . 59 .
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Vereinheitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen durch die TARGET2Leitlinie erfolgt. Zur direkten und indirekten Teilnahme an TARGET2 sind alle beaufsichtigten Kreditinstitute innerhalb des EWR zugelassen. Weiterhin sind auch sogenannte „Nebensysteme“ wie beispielsweise EURO1 zur Teilnahme zugelassen.60 Direkte Teilnehmer haben ein Zentralbankkonto und können Zahlungsaufträge selbst senden und empfangen (vergleiche Art. 2 Ziff. 5 TARGET2-Leitlinie). Indirekte Teilnehmer haben kein Zentralbankkonto und können Zahlungsaufträge nicht selbständig über TARGET2 senden und empfangen, sondern haben mit einem direkten Teilnehmer vereinbart, dass dieser für sie Zahlungsaufträge erteilt beziehungsweise empfängt und weiterleitet. Sie werden zudem von einem TARGET2-Komponentensystem als „indirekte Teilnehmer“ anerkannt (vergleiche Art. 2 Ziff. 11 TARGET2-Leitlinie). Die Rechtsbeziehung zwischen den indirekten Teilnehmern und den direkten Teilnehmern wird in der Leitlinie nicht weiter ausgestaltet und hätte ohne Weiteres auch keine unmittelbare Wirkung zwischen den Teilnehmern. Sie unterliegt vielmehr den Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Teilnehmern und wird vorliegend nicht weiter untersucht.61 Als Zahlungsaufträge können über TARGET2 sowohl Überweisungsaufträge als auch Lastschriften gesendet und empfangen werden (vergleiche Anhang II, Titel I, Art. 1 TARGET2-Leitlinie). Grundsätzlich werden über das System erteilte Zahlungsaufträge sofort ausgeführt, wenn genügend Liquidität auf dem Konto des (direkten) Teilnehmers bei der Nationalbank vorhanden ist, deren TARGET2-Subsystem der Teilnehmer beigetreten ist. Die Teilnehmer können jedoch bei der Einreichung der Zahlungsaufträge diese in unterschiedliche Prioritätsklassen einordnen. So ist eine Einstufung als sehr dringend („highly urgent“), dringend („urgent“) und als normaler Zahlungsauftrag möglich (Art. 15 I TARGET2-Leitlinie). Sehr dringende Zahlungsaufträge können jedoch nur von den Zentralbanken und von sonstigen Teilnehmern nur dann eingereicht werden, wenn es sich um Zahlungen an die beziehungsweise von der CLS International Bank oder Liquiditätsüberträge im Zusammenhang mit dem Zahlungsausgleich von Nebensystemen (beispielsweise EURO1)62 handelt. Durch die Priorisierung ist es den Teilnehmern möglich, Liquiditätsreserven für die unterschiedlich priorisierten Zahlungsaufträge zu bilden (Art. 17 TARGET2-Leitlinie). Für normale 60
Zu EURO1 unten S. 90 ff. Da die indirekten Teilnehmer nicht direkt über TARGET2 Zahlungsaufträge erteilen bzw. empfangen können, sondern lediglich über einen direkten Teilnehmer, gibt es insofern, d. h. zwischen dem direkten und dem indirekten Teilnehmer, strukturell keine Abweichungen zu einer Überweisung über den Korrenpondenzbankverkehr. Dies ist wohl anders bei EURO1 und CHIPS, unten S. 91, 96 Fn. 118. 62 Zu EURO1 unten S. 90 ff. 61
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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Zahlungsaufträge können ein multilaterales Limit beziehungsweise ein bilaterales Limit festgesetzt werden (Art. 16 TARGET2-Leitlinie). Hierbei handelt es sich ausschließlich um sogenannte „Senderlimits“ (bei EURO1 als „credit caps“ bezeichnet)63. Zahlungen werden bei TARGET2 durchgängig einzeln in Echtzeit ausgeführt und verarbeitet. Voraussetzung ist, dass ausreichend Liquidität auf dem zu belastenden Teilnehmerkonto vorhanden ist und diese nicht gemäß Art. 17 TARGET2Leitlinie für höher priorisierte Zahlungsaufträge reserviert ist und die Ausführung des Zahlungsauftrags nicht gemäß Art. 16 TARGET2-Leitlinie gegen ein gesetztes Limit verstößt (Art. 20 I TARGET2-Leitlinie). Die Zahlungen werden sofort gebucht und sind dann unwiderruflich (Art. 22 II, I TARGET2-Leitlinie). Grundsätzlich gilt innerhalb der Prioritätsklassen für sehr dringende und dringende Zahlungen das sogenannte nach Priorität abgestufte FIFO-Prinzip („First in, first out“-Prinzip), sodass zuerst eingereichte Zahlungsaufträge zuerst bearbeitet werden (Art. 20 III bis V TARGET2-Leitlinie). Normale Zahlungsaufträge werden hingegen nach dem „FIFO-Überhol-Prinzip“ ausgeführt, sodass Zahlungsaufträge außerhalb des FIFO-Prinzips umgehend (unabhängig davon, ob sich in der Warteschlange zu einem früheren Zeitpunkt angenommene normale Zahlungen befinden) ausgeführt werden, sofern ausreichend Liquidität vorhanden ist. Zahlungsaufträge, die nicht umgehend abgewickelt werden können, werden gemäß Art. 15 TARGET2-Leitlinie mit der vom betreffenden Teilnehmer angegebenen Priorität in die Warteschlange eingestellt (Art. 21 TARGET2-Leitlinie). Daneben kennt TARGET2 verschiedene hinsichtlich der verfügbaren Liquidität optimierte Algorithmen, um eine möglichst schnelle Ausführung eingereichter Zahlungsaufträge herbeizuführen (vergleiche Anlage I Nr. 7 TARGET2-Leitlinie). So berechnet bei Algorithmus 1 (sogenannter „all-or-nothing“-Algorithmus) die jeweilige für einen Teilnehmer zuständige Zentralbank sowohl für Beziehungen, für die ein bilaterales Limit festgesetzt wurde, als auch für die Gesamtheit der Beziehungen, für die ein multilaterales Limit festgesetzt wurde, die Gesamtliquiditätsposition jedes Zentralbankkontos der TARGET2-Teilnehmer, indem sie ermittelt, ob der (rechnerische) Saldo aus den in der Warteschlange befindlichen ein- und ausgehenden Zahlungsaufträgen positiv oder negativ ist. Wenn der (rechnerische) Saldo negativ ist, prüft die Zentralbank, ob er die verfügbare Liquidität des Teilnehmers übersteigt (die so errechnete gesamte Liquidität bildet die „Gesamtliquiditätsposition“). Weiterhin prüft die Zentralbank, ob die von den TARGET2-Teilnehmern festgelegten Limits und Reservierungen hinsichtlich jedes relevanten Teilnehmerkontos eingehalten werden. Wenn das Ergebnis dieser Berechnungen und Prüfungen für jedes betroffene Teilnehmer63
Unten S. 92 f.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
konto positiv ausfällt, wickeln die jeweilige Zentralbank und die sonstigen beteiligten Zentralbanken alle Zahlungen gleichzeitig auf den Konten der betreffenden TARGET2-Teilnehmer ab; eine Verrechnung im juristischen Sinn zwischen den TARGET2-Teilnehmern erfolgt nicht.64 Dies gilt auch nicht beim Algorithmus 2 („partial“), der lediglich eine Abwandlung des vorgenannten Algorithmus ist, oder Algorithmus 3 („multiple“), bei dem eine Gegenüberstellung der Zahlungsaufträge zugunsten beziehungsweise zulasten der Konten lediglich zweier Teilnehmer erfolgt.65 Da eine Ausführung eines Zahlungsauftrags schließlich nur erfolgt, wenn ausreichend Deckung zur Ausführung auf dem zu belastenden Konto des Teilnehmers vorhanden ist, ist ein „loss-sharing agreement“ bei TARGET2 wie bei Netto- oder gegebenenfalls Hybridsystemen nicht erforderlich.66 b) Das Nettozahlungssystem EURO1 Das Zahlungssystem EURO1 wird von der „EBA Clearing“67, der Clearinggesellschaft der „European Banking Association“ (EBA) betrieben, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Form einer „société par actions simplifiée a capital variable“ mit Sitz in Paris. Gesellschafter sind 53 große europäische und internationale Banken, welche gleichzeitig auch die Teilnehmer von EURO1 („participants“) sind.68 Dem Zahlungssystem liegen die nichtöffentlichen „EURO1 Rules“ zugrunde, welche eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts beinhalten.69 Dies gilt auch für sämtliche ergänzenden Vereinbarungen.70 Im Rahmen der Bekanntmachungen, welche Systeme unter die Regelungen der Finalitätsrichtlinie (FRL)71 fallen, wird EURO1 deshalb auch als deutsches System
64 Dies ist schon strukturell durch die Stellung der nationalen Zentralbanken als „zentrale Gegenparteien“ bedingt (hierzu S. 101 ff.). Hinsichtlich der Beziehungen zwischen den einzelnen Zentralbanken erfolgt hingegen eine Verrechnung im juristischen Sinn (unten S. 105 ff). 65 Daneben gibt es noch die Algorithmen 4 und 5, die speziell auf die schnelle Abwicklung von Zahlungsaufträgen zugunsten von Nebensystemen zugeschnitten sind. Auch hier erfolgt jedoch keine Verrechnung. 66 Art. 31 TARGET2-Leitlinie ist keine „loss-sharing rule“ in diesem Sinne. 67 Daneben firmiert sie auch als „ABE CLEARING S.A.S à capital variable“. 68 Recital des Gesellschaftsvertrags („EURO1-By-laws“, abrufbar unter: ). 69 Siehe . 70 Hiermit ist insbesondere das „Agreement for participation and provision of funds transfer services in TARGET2-ECB for settlement of EURO1“ gemeint. Siehe zu den ergänzenden Vereinbarungen auch Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 14 (Fn. 9). 71 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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gelistet.72 Die technischen Grundlagen des Abrechungssystems werden von SWIFT bereitgestellt.73 An EURO1 können grundsätzlich alle Banken mit zumindest einer Zweigstelle innerhalb der EU und Hauptsitz in einem EU- oder OECD-Staat74 teilnehmen.75 Einzelne Zweigstellen einer teilnehmenden Bank können als sogenannte „sub-participants“ teilnehmen. Sowohl „participants“ als auch „sub-participants“ können selbständig Überweisungsaufträge über EURO1 erteilen und empfangen. Die Abrechnung und der Ausgleich von Zahlungsaufträgen, die von einem „sub-participant“ erteilt beziehungsweise empfangen werden, erfolgt jedoch über die teilnehmende Stelle der Bank mit „participant“-Status.76 Die Beziehung zwischen dem „sub-participant“ und dem „participant“ wird im Ramen dieser Arbeit nicht weiter erörtert.77 Damit eine Teilnahme zulässig ist, müssen die Rechtsordnungen aller Staaten, von denen auf das System zugegriffen wird, die „EURO1 Rules“, insbesondere die sogenannte „Single Obligation Structure (SOS)“, anerkennen, sodass diese im Zweifel rechtlich durchsetzbar sind.78 Dies wird von der EBA Clearing durch Einholung sogenannte „country opinions“, wohl über die jeweiligen Teilnehmer selbst,79 sichergestellt.80 Nach der „Single Obligation Structure“ hat jeder Teilnehmer („participant“) lediglich eine einheitliche Verpflichtung beziehungsweise einen einheitlichen Anspruch gegen die Gemeinschaft aller übrigen Teilnehmer.81 Diese Verpflichtung beziehungsweise dieser Anspruch eines Teilnehmers wird jedes Mal angedie Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, inzwischen in der Fassung der Richtlinie 2009/44/EG vom 6. Mai 2009. 72 . 73 ; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 3. Zu SWIFT unten S. 132 f. 74 Vgl. zur Liste der OECD-Staaten . 75 Siehe für alle Zulassungsvoraussetzungen: . 76 . 77 Vgl. zur rechtlichen Struktur CHIPS, das eine weitergehende indirekte Teilnahmeregelung als EURO1 kennt, unten S. 95 f. 78 . 79 Entsprechend wird auch bei TARGET2 verfahren; vgl. das Musterschreiben in der Anlage III der Geschäftsbedingungen für die Eröffnung und Führung eines PM-Kontos in TARGET2-Bundesbank (TARGET2-BBk), abrufbar unter: . 80 , S. 10. 81 ; EURO1 PFMI disclosure report by EBA CLEARING S.A.S., S. 10, abrufbar unter: ; Geva, The Law of Electronic Funds Transfers, § 4.04 [7] [c]; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 22. 82 ; Geva, The Law of Electronic Funds Transfers, § 4.04 [7] [c]; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 22, für ein Beispiel siehe Rn. 23. 83 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 22. 84 EURO1 PFMI disclosure report by EBA CLEARING S.A.S., S. 14, abrufbar unter: ; hierzu auch Geva, The Law of Electronic Funds Transfers, § 4.04 [7] [c] 85 . 86 ; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 62. 87 ; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 63. 88 ; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 63. 89 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 53.
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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träge ein Verstoß gegen die genannten Limits und „caps“ vermieden werden, lässt EURO1 die Ausführung der Zahlungsaufträge auch zu.90 Wird durch die Ausführung des Überweisungsauftrags nicht gegen die vorgenannten Bedingungen verstoßen, gibt EURO1 den Überweisungsauftrag frei und leitet ihn an den Teilnehmer weiter, für den er bestimmt ist. Durch die Freigabe wird der Zahlungsauftrag unwiderruflich.91 Vor diesem Zeitpunkt können Zahlungsaufträge zu jeder Zeit widerrufen werden.92 Im Zeitpunkt der Freigabe eines Zahlungsauftrags gelten zudem die über das Zahlungssystem gesendeten „Zahlungsaufträge“ als „discharged“.93 Aus Zahlungsaufträgen resultierende Zahlungsverpflichtungen zwischen den Banken gelten somit im Zeitpunkt der Freigabe als im bürgerlich-rechtlichen Sinn erfüllt.94 Da auch bei EURO1 wie bei einem Bruttosystem unmittelbar nach der Freigabe des einzelnen Zahlungsauftrags die Zahlung „final“ ist, könnte EURO1 sogar zu den Hybridsystemen gezählt werden sollte. Dies hat für den Untersuchungsgegenstand jedoch keine größere Bedeutung. Würde die Ausführung eines Zahlungsauftrags gegen eine der genannten Bedingungen verstoßen, wird der Zahlungsauftrag in eine Warteschlange eingereiht („queued“) bis eine Ausführung möglich ist. Bis 16 Uhr eines Geschäftstages können Zahlungsaufträge über EURO1 gesendet und verarbeitet werden. Zu dieser sogenannten „sending cut-off time“ führt EURO1 alle Zahlungsaufträge in der Warteschlange, die vor dem Ende des Abrechnungszeitraums erteilt wurden, entsprechend den Bedingungen aus.95 Würde die Ausführung eines Zahlungsauftrags gegen die bilateral eingeräumten Limits verstoßen oder etwa gegen ein multilaterales Limit („credit“ oder „debit cap“ eines Teilnehmers), bleibt der Zahlungsauftrag in der Warteschlange; es wird dann versucht, den Zahlungsauftrag am nächsten Geschäftstag auszuführen.96 Danach gibt das System den Teilnehmern ihre endgültige Verpflichtung respektive ihren endgültigen Anspruch gegenüber den übrigen Systemteilnehmern bekannt.97 Der Systembetreiber und die EZB werden als „settlement provider“ ebenfalls über die jeweilige Verpflichtung respektive den jeweiligen Anspruch eines Teilnehmers informiert.98 90
Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 53 (Fn. 22; sog. „circles processing function“). 91 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 87. 92 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 88. 93 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 91. 94 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 91. 95 ; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 72. 96 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 90. 97 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 72. 98 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 72.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Der Systembetreiber, die EBA Clearing, sendet daraufhin über TARGET2 Zahlungsaufträge mit der Anweisung, die TARGET2-Konten der Teilnehmer entsprechend den festgestellten Beträgen zu belasten beziehungsweise zu erkennen. Daraufhin werden vom Settlementsystem zuerst die Konten der Teilnehmer mit einer Verpflichtung gegenüber allen übrigen Teilnehmern („single obligation“) belastet und dem „technischen“ Ausgleichskonto99 von EURO1 gutgeschrieben.100 Sodann werden die Konten der Teilnehmer mit einem Anspruch gegen die übrigen Teilnehmer („single claim“) erkannt und das Ausgleichskonto von EURO1 entsprechend belastet.101 Nachdem diese Vorgänge abgeschlossen sind, wird der Systembetreiber informiert, der wiederum sämtliche Systemteilnehmer in Kenntnis setzt.102 Das Settlement dauert in der Regel ca. sieben Minuten.103 Kann ein Teilnehmer seine Verbindlichkeit gegenüber den übrigen Teilnehmern nicht begleichen, greifen die Sicherheitsmechanismen von EURO1. Bei Beitritt eines Teilnehmers zu EURO1 hat der Teilnehmer in den sogenannten „liquidity pool“ von EURO1 einzuzahlen. Dieser „liquidity pool“ wird von der EZB verwaltet. Die Größe des „liquidity pool“ ist so ausgestaltet, dass in jedem Fall der Zahlungsausfall von zwei Teilnehmern in Höhe der maximal möglichen „debit cap“ ausgeglichen werden kann.104 Diese Sicherheit leisten alle Teilnehmer in gleicher Höhe.105 Im Falle eines Zahlungsausfalls eines Teilnehmers, der nicht auf operativen oder technischen Gründen beruht, wird auf Zahlungsanweisung des Systembetreibers dem „liquidity pool“ der dem Zahlungsausfall entsprechende Betrag entnommen und dem „technischen“ Konto von EURO1 erkannt. Daraufhin findet der Settlementprozess regulär statt. Die Konten der Teilnehmer mit einem Anspruch gegen die übrigen Teilnehmer werden in entsprechender Höhe erkannt.106 Daraufhin werden alle Beteiligten von der Beendigung des Settlement informiert.107 Der „liquidity pool“ wird bis zu Beginn des nächsten Geschäftstags entweder von demjenigen Teilnehmer, der mit seiner Zahlung ausgefallen ist, wieder „befüllt“ oder die übrigen „überlebenden“ Teilnehmer von EURO1 müssen entsprechend für Ausgleich sorgen. Der Ausgleich findet im letztgenannten Fall entsprechend der „loss sharing agreements“ zwi99 Hierzu
Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 82 ff.
100 . 101 . 102 . 103 . 104 ;
Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 75. 105 ; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 76. 106 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 77. 107 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 77.
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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schen den Teilnehmern statt.108 Deren Basis bilden die vorstehend genannten bilateral eingeräumten Limits109 zwischen den Banken.110 Falls mehrere Teilnehmer mit der Zahlung aufgrund Zahlungsschwierigkeiten (teilweise) ausfallen und die im „liquidity pool“ vorgehaltenen Mittel nicht ausreichen, um den Zahlungsausfall zu kompensieren, wird das (endgültige) Settlement dadurch herbeigeführt, dass die solventen Teilnehmer entsprechend dem Mehrausfall Liquidität in den „liquidity pool“ zuschießen.111 Bei Teilnehmern mit einem Anspruch gegen die übrigen Teilnehmer wird der Zuschusspflicht durch eine entsprechende Verrechnung der auf sie entfallenden „loss sharing obligation“ Genüge getan.112 Nach Deckung des Fehlbetrags wird den Teilnehmern, die noch einen Anspruch gegen die übrigen Teilnehmer haben, dieser Betrag auf ihren Konten gutgeschrieben.113 c) Das „hybride“ Zahlungssystem CHIPS CHIPS wird von der „The Clearing House Payments Company L.L.C.“ mit Sitz in New York geführt. Dem Zahlungssystem liegen die „CHIPS Rules and Administrative Procedures“ (CHIPS-Rulebook) zugrunde.114 Die Ausgestaltung des Verfahrens beruht somit auf einer privaten Vereinbarung mit den Teilnehmern („participants“). Gemäß Ziff. 3 CHIPS-Rulebook unterliegen die gegenseitigen Rechte und Pflichten dem Recht des Bundesstaates New York unter ausdrücklichem Einschluss des Art. 4A UCC (in der dort geltenden Version).115 Jede Bank („depository institution“) kann grundsätzlich Teilnehmer („participant“) an CHIPS sein.116 Das CHIPS-Rulebook unterscheidet deshalb zwischen teilnehmenden Banken, die ein Konto bei einer Zentralbank (des US-amerikanischen Zentralbanksystems) unterhalten und dieses unmittelbar zur Abrechnung und zum Settlement bei CHIPS nutzen („funding participants“), und solchen, die 108
Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 78. Oben S. 92 f. 110 Zu den Details Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 81. 111 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 79. 112 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 79. 113 Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 79. 114 Das CHIPS-Rulebook ist abrufbar unter: . 115 Siehe zum anwendbaren Recht auch CHIPS, Self-Assessment of Compliance With Core Principles For Systemically Important Payment Systems, S. 12 ff., abrufbar unter , insbesondere auch zu den Besonderheiten bei Anwendung des Dodd-Frank Acts. 116 Für die Voraussetzungen, die Banken erfüllen müssen, um an CHIPS teilzunehmen, siehe Ziff. 19 CHIPS-Rulebook. 109
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
dort kein Konto unterhalten (können) oder dies nicht zur Abrechnung über CHIPS nutzen wollen („nonfunding participants“) (vergleiche Ziff. 1 (a)(8), (9) CHIPS-Rulebook). Alle Teilnehmer, ob sie nun unmittelbar oder nur mittelbar in einer Abrechnungsbeziehung zu CHIPS stehen, können an das System Überweisungsaufträge („payment messages“) senden und Überweisungsaufträge empfangen.117 Die Teilnehmer jedoch, die nur mittelbar mit CHIPS abrechnen können oder wollen, müssen einen CHIPS-Teilnehmer benennen, der unmittelbar in einer Abrechnungsbeziehung mit CHIPS steht und der für sie die Abrechnung und das Settlement übernimmt.118 Dieser übernimmt dabei das Kredit- und Liquiditätsrisiko des nur mittelbar abrechnenden Teilnehmers und muss deshalb zustimmen (Ziff. 12 (a)(2) CHIPS-Rulebook). Die rechtliche Beziehung zwischen diesen beiden Teilnehmern ist im Rulebook nicht näher ausgestaltet, sondern unterliegt den in diesem Verhältnis geltenden gesetzlichen und privatautonom vereinbarten Regeln und soll hier nicht weiter behandelt werden.119 Für das Settlement der Zahlungspflichten wird Fedwire, das Bruttozahlungssystem des US-amerikanischen Zentralbanksystems benutzt. Am Beginn eines Abrechnungstages muss ein (unmittelbar abrechnender) Teilnehmer mittels Fedwire120 vorab einen von CHIPS festgelegten Betrag auf das systemeigene Settlementkonto („prefunded balance account“) bei der „Federal Reserve Bank of New York“ einzahlen.121 Diese Vorfinanzierung („prefunding“) bildet den Kern 117
Ziff. 1 (a)(10) CHIPS-Rulebook. Der die Abrechnung übernehmende Teilnehmer reiht sich aber nicht (unmittelbar) in die Überweisungskette ein. Rechte und Pflichten werden (bei Freigabe des Überweisungsauftrags) nur zwischen dem sendenden und dem empfangenden Teilnehmer begründet (Ziff. 2 (d) CHIPS-Rulebook). Der Ausgleich zwischen dem abrechnenden und dem nichtabrechnenden Teilnehmer erfolgt vielmehr unabhängig. Auch dies ist wiederum für sich genommen ein „zweistufiger“ Überweisungsvorgang; vgl. hierzu S. 11 f. 119 Zu beachten ist allerdings, dass auch in dieser Hinsicht gemäß Ziff. 3 CHIPS-Rulebook wohl das Recht des Bundesstaates New York anwendbar sein soll. Dies ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Ziff. 3 (a) CHIPS-Rulebook, welche „the rights and obligations of a Participant as Sending or Receiving Participant to a CHIPS payment message [Hervorh. d. Verf.]“ genannter Rechtsordnung unterstellt. Allerdings folgt dies aus Ziff. 3 (b) CHIPS-Rulebook. Diese unterstellt „the rights and obligations of all other parties to a funds transfer of which a CHIPS payment message is part [Hervorh. d. Verf.]“ soweit wie gesetzlich zulässig dem Recht des Bundesstaates New York. Unter „funds transfer“ fällt gemäß Ziff. 3 (c) CHIPS-Rulebook (der insofern die Definition aus § 4A-104 UCC übernimmt) „any payment order issued by the originator’s bank or an intermediary bank intended to carry out the originator’s payment order“. Auch ein Überweisungsauftrag auf der „zweiten“ Ebene „bezweckt“ die Ausführung des ursprünglich erteilten Überweisungsauftrags. Siehe zu Ziff. 3 (b) CHIPS-Rule book auch noch unten S. 236 ff. 120 Zu Fedwire bereits oben S. 80. 121 Ziff. 12 (a), (b)(1) CHIPS-Rulebook. 118
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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des Risikomanagements von CHIPS.122 Der eingezahlte „Vorschuss“ bildet den sogenannten „Anfangssaldo“ („opening position“). Der einzuzahlende Betrag („desired opening position“) ist abhängig von dem Zahlungsvolumen, das ein Teilnehmer über das System in der Vergangenheit generiert hat, und wird regelmäßig neu bestimmt.123 Mit diesem eingezahlten Vorschuss werden ausgeführte Überweisungsaufträge verrechnet. Das Ergebnis ergibt den zum jeweiligen Zeitpunkt „aktuellen Saldo“ („current position“) des jeweiligen Teilnehmers.124 Erst nach Abschluss der Vorfinanzierung beginnt CHIPS mit der Ausführung von Überweisungsaufträgen („payment messages“). Die CHIPS-Teilnehmer senden diese elektronisch an das Zahlungssystem. Dies geschieht entweder über SWIFT oder das eigene Nachrichtenübermittlungssystem.125 CHIPS überprüft im ersten Schritt die Formattreue der eingehenden Überweisungsaufträge und stellt sie bei positiver Beurteilung in eine Warteschlange ein („waiting queue“). Der absendende Teilnehmer kann die abgesendeten Überweisungsaufträge als dringlich („urgent“) oder als bevorzugt („preferred“) kennzeichnen, um eine möglichst schnelle Ausführung zu veranlassen.126 Im zweiten Schritt überprüft CHIPS, ob die notwendigen Voraussetzungen für die Freigabe („release“) und Ausführung eines jeden einzelnen Zahlungsauftrags vorliegen. Ein Überweisungsauftrag wird gemäß Ziff. 13 (a)(1)(A)(i) CHIPS-Rulebook insbesondere nur unter folgenden zwei Bedingungen freigegeben:127 Die erste Bedingung ist, dass der aktuelle Saldo auf dem CHIPS-Verrechnungskonto durch die Ausfüh122 Ziff. 12 (b), (c) CHIPS-Rulebook. Im Folgenden wird nicht zwischen „primary prefunding“ (Ziff. 12 (b) CHIPS-Rulebook) und „supplemental prefunding“ (Ziff. 12 (c) CHIPS-Rulebook) unterschieden, weil nur die Grundzüge des Zahlungssystems aufgezeigt werden sollen. 123 Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 110. Vgl. auch Ziff. 12 (b) (1)(A) CHIPS-Rulebook. 124 Vgl. Ziff. 12 (b)(2), 13 (b) CHIPS-Rulebook, im ersten Verfahrensstadium auch „current primary position“ genannt. Im Folgenden soll jedoch der Unterschied zwischen „primary prefunding“ und „supplemental prefunding“, für welches es auch eine „current supplemental position“ gibt, außer Betracht bleiben, da nur die grundlegende Funktionsweise von CHIPS erläutert werden soll. 125 Zu SWIFT unten S. 132 f. 126 Vgl. Ziff. 13 (a)(1)(B) CHIPS-Rulebook. Grds. werden als „urgent“ gekennzeichnete Überweisungsaufträge zunächst ausgeführt. Danach wird versucht, als „preferred“ gekennzeichnete Überweisungsaufträge auszuführen. Erst ganz zum Schluss kommen nicht mit einer Dringlichkeitsstufe gekennzeichnete Überweisungsaufträge. Innerhalb der Stufen werden die Überweisungsaufträge grds. nach der zeitlichen Reihenfolge des Empfangs durch CHIPS ausgeführt. Jedoch kann diese Reihenfolge durch CHIPS geändert werden, um eine optimierte Ausführung von Überweisungsaufträgen zu erreichen (vgl. Ziff. 13 (a)(1)(B), (5) CHIPS-Rulebook). 127 Die besonderen Voraussetzungen, die sich durch ein „supplemental prefunding“ ergeben, sind in den Ausführungen nicht berücksichtigt. Vgl. auch oben S. 97 Fn. 124.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
rung nicht negativ wird.128 CHIPS funktioniert nämlich auf einer reinen „Guthabenbasis“. Die „Saldountergrenze“, die „minimum current position“, die bei der Ausführung von Überweisungsaufträgen nicht unterschritten werden darf, beträgt also Null.129 Die zweite Bedingung ist, dass durch die Ausführung des Überweisungsauftrags der aktuelle Saldo eines Teilnehmers des empfangenden Teilnehmers nicht ein Vielfaches (in der Regel das Doppelte)130 des von CHIPS bestimmten Anfangssaldos („maximum current position“, im Folgenden als „Saldoobergrenze“ bezeichnet) betragen darf.131 Dies soll verhindern, dass es zu einer ungünstigen Verteilung der vorhandenen Liquidität im System kommt.132 Ist nämlich die Liquidität bei einem oder wenigen Teilnehmern gebunden, können die Überweisungsaufträge anderer Teilnehmer gegebenenfalls nicht freigegeben und ausgeführt werden, da es den Teilnehmern an der erforderlichen Deckung mangelt. Entweder müssen die Teilnehmer dann weitere Deckung bereitstellen oder darauf warten, dass sie wieder Deckung aus der Ausführung von Überweisungsaufträgen von anderen Teilnehmern erhalten, die die Liquidität bei sich gebündelt haben. Für die Abrechnung von Überweisungsaufträgen während des Geschäftstages („before the close of the delivery of payment messages“, sogenannte „Intraday Settlement Procedures“)133 verwendet CHIPS seit dem Jahr 2001 drei verschiedene Modi. Ziff. 13 (b) CHIPS-Rulebook unterscheidet zwischen einer individuellen, einer bilateralen und einer multilateralen Abrechnung. Diese Modi sollen sicherstellen, dass möglichst viele Überweisungsaufträge möglichst zügig unter Beachtung der oben genannten Ausführungsbedingungen freigegeben werden können. Abweichend von § 4A-209 UCC entstehen die Rechte und Pflichten aus einem Überweisungsauftrag allerdings nicht mit der Annahme durch die Empfängerbank, sondern gemäß Ziff. 2 (d) CHIPS-Rulebook mit dessen Freigabe durch CHIPS. Im Fall individueller Abrechnung („individual release“) setzt CHIPS den aktuellen Saldo der überweisenden Bank herab und erhöht den Saldo der empfangenden Bank entsprechend. Dieser Modus entspricht also demjenigen eines Bruttosystems.134 Ist eine individuelle Abrechnung jedoch nicht möglich, weil 128 Ziff. 12 (e)(1), (2) CHIPS-Rulebook. Siehe zu den hier verwendeten Begrifflichkeiten auch oben S. 97 Fn. 124. 129 Ziff. 12 (e)(1) CHIPS-Rulebook. Siehe zu den hier verwendeten Begrifflichkeiten auch S. 97 Fn. 124. 130 Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 110. 131 Ziff. 12 (e)(1) CHIPS-Rulebook. Siehe zu den hier verwendeten Begrifflichkeiten auch oben S. 97 Fn. 124. 132 Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 110. 133 Ziff. 13 (b) CHIPS-Rulebook. 134 Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 111.
A. Der Abrechnungsverkehr über Zahlungssysteme
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das aktuelle Guthaben des sendenden Teilnehmers nicht ausreicht oder die Saldoobergrenze beim empfangenden Teilnehmer überschritten werden würde, versucht CHIPS, die Überweisungsaufträge im Wege bilateraler Verrechnung („bilateral netting and release“) auszuführen. In diesem Fall werden die gegenseitig erteilten Überweisungsaufträge von beiden Teilnehmern in der Warteschlange miteinander verrechnet. Das Verrechnungsergebnis wird als bilateraler Saldo („bilateral net balance“) bezeichnet. Anschließend wird geprüft, ob dieser Saldo ohne Verletzung der oben genannten zwei Bedingungen wiederum entsprechend mit den aktuellen Salden der beiden Teilnehmer verrechnet werden kann. Ist auch dies nur unter Verstoß gegen die Ausführungsbedingungen möglich, versucht CHIPS, die Freigabe der Überweisungsaufträge mittels multilateraler Verrechnung („multilateral netting and release“) zu erreichen. Die in der Warteschlange eingereihten Überweisungsaufträge aller CHIPS Teilnehmer beziehungsweise einer Gruppe von Teilnehmern werden dabei „indirekt“ multilateral verrechnet.135 Dabei findet zunächst eine bilaterale Verrechnung in sämtlichen möglichen Zweierbeziehungen statt. Erst die so entstehenden bilateralen Salden werden im Anschluss multilateral verrechnet. Der für jeden Teilnehmer entstehende multilaterale Saldo („multilateral net balance“) wird mit dem aktuellen Saldo verrechnet, sofern nicht gegen oben genannte Bedingungen verstoßen wird. Bei sämtlichen geschilderten Abrechnungsmodi ist gemäß Ziff. 13 (b) CHIPS-Rulebook das Settlement mit Anpassung der Salden hinsichtlich der jeweils freigegebenen Überweisungsaufträge abgeschlossen und die jeweiligen aus den Überweisungsaufträgen resultierenden Zahlungsverpflichtungen im bürgerlich-rechtlichen Sinne erfüllt („final payment and discharge“). Ist jedoch keiner der beschriebenen Modi ohne Verletzung der aufgestellten Bedingungen möglich, verbleiben die betreffenden Überweisungsaufträge solange in der Warteschlange, bis eine Verrechnung möglich ist. In der Regel können durch dieses dreistufige Abrechnungssystem Überweisungsaufträge jedoch innerhalb von 15 Sekunden ausgeführt werden.136 CHIPS wird deshalb auch als „Echtzeit-Nettozahlungssystem“ („real time net settlement system“) bezeichnet.137 Sind am Ende des Abrechnungszeitraums noch nicht alle Überweisungsaufträge in der Warteschlange abgearbeitet, versucht CHIPS, möglichst viele mittels 135 Vgl.
Giovanoli, in: Norton u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 218. Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 114. Allerdings bleiben laut CHIPS, Self-Assessment of Compliance With Core Principles For Systemically Important Payment Systems, S. 24 Fn. 88, abrufbar unter , durchschnittlich immerhin 5 % der Überweisungsaufträge länger als 15 Minuten in der Warteschlange. 137 Vgl. Nakajima, Payment System Technologies and Functions, S. 114. 136
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einer „End-of-Day Closing Procedure“ gemäß Ziff. 13 (c) CHIPS-Rulebook auszuführen. Zunächst hebt CHIPS hierzu alle für die Teilnehmer geltenden Obergrenzen auf, da eine ausgewogene Liquiditätsverteilung im System am Ende des Abrechnungstages keine Rolle mehr spielt. Der aktuelle Saldo darf jedoch weiterhin nicht die Saldountergrenze unterschreiten. Auch in dieser Phase funktioniert CHIPS also auf reiner „Guthabenbasis“. Unter Anwendung der in Ziff. 13 (b) CHIPS-Rulebook beschriebenen Abrechnungsmodi versucht CHIPS im Folgenden, die Überweisungsaufträge freizugeben und auszuführen. Verbleiben danach immer noch Überweisungsaufträge in der Warteschlange, berechnet CHIPS für alle betreffenden Teilnehmer die „multilateral net balances“. Diese werden daraufhin jeweils mit dem aktuellen Saldo der betreffenden Teilnehmer verrechnet und damit der vorläufige Endsaldo („closing position“) der Teilnehmer errechnet. Die Teilnehmer, für die sich ein negativer vorläufiger Endsaldo ergibt, müssen die fehlende Deckung („closing position requirement“) im Rahmen der abschließenden Vorfinanzierung („Final Prefunding“) innerhalb von 30 Minuten nach der Bekanntgabe des „closing position requirement“ einzahlen. Zahlen alle Teilnehmer den Fehlbetrag innerhalb dieser Zeit ein, führt CHIPS sämtliche in der Warteschlange verbleibenden Überweisungsaufträge aus. Ist dies nicht der Fall, kommt es also nur zur teilweisen endgültigen Vorfinanzierung („partial final refunding“), führt CHIPS unter Anwendung der in Ziff. 13 (b) CHIPS-Rulebook genannten Clearingmodi so viele Zahlungsaufträge wie möglich aus. Sich gegebenenfalls ergebende positive Endsalden („final positions“) werden an die betreffenden Teilnehmer ausgezahlt. Das Settlement gilt hinsichtlich aller freigegebenen Überweisungsaufträge als abgeschlossen und die daraus resultierenden jeweiligen Zahlungsverpflichtungen als erfüllt. Mangels ausreichender Deckung in der Warteschlange verbliebene Aufträge erlöschen („expire“). Die betreffenden Überweisungsaufträge gelten als widerrufen („canceled“) im Sinne von § 4A211 UCC. III. Rechtliche Würdigung Den schuldrechtlichen Beziehungen der Beteiligten an einem Zahlungssystem liegen die Bedingungen des jeweiligen Systems zugrunde. Diese sind in einem weiten Umfang der privatautonomen Gestaltung zugänglich. Eine „allgemeingültige“ Struktur eines Zahlungssystems existiert folglich nicht. Im Folgenden soll jedoch insbesondere anhand von EURO1 und CHIPS gezeigt werden, welche Rechtsbeziehungen innerhalb eines Zahlungssystems regelmäßig voneinander zu unterscheiden sind und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.
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1. Schuldrechtliche Beziehungen zwischen den Beteiligten eines Zahlungssystems a) Die Rechtsbeziehungen der Abrechnungsteilnehmer zum Zahlungssystem aa) Stellung des Zahlungssystems im Überweisungsvorgang Wie schon aus den oben angestellten Überlegungen zur Struktur von Überweisungsvorgängen hervorgeht, werden bei den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Bruttosystemen die als Clearingstellen agierenden nationalen Zentralbanken wie auch andere zwischengeschaltete Banken Glieder der (einstufigen) Überweisungskette zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger. Zu der vorhergehenden wie auch der nachfolgenden Bank entsteht ein Überweisungsverhältnis. Es geht hierbei um die Frage, wer Adressat der durch die teilnehmenden Banken eingereichten Überweisungsaufträge im Rechtsinne ist – die jeweilige nationale Zentralbank oder die teilnehmende Bank, an die der Zahlungsauftrag durch das System am Ende weitergeleitet werden soll. Dies kann sich allein aus den vertraglichen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen ergeben. Die EZB definiert für TRAGET2 in den der Harmonisierung dienenden TARGET2-Musterbedingungen sogar den „Überweisungsauftrag“ („credit transfer order“). Nach Art. 1 TARGET2-Musterbedingungen ist ein Überweisungsauftrag „eine Weisung/Anweisung eines Zahlers, einem Zahlungsempfänger Geld durch Gutschrift auf einem PM-Konto [Anm. d. Verf.: Teilnehmerkonto] zur Verfügung zu stellen“.
Aus dem Wortlaut ergibt sich zwangsläufig, dass Adressat der Weisung nicht ein anderer am System angeschlossener Teilnehmer, sondern ein Dritter ist. Dieser Dritte wird durch die Definition des „Lastschriftauftrags“ („direct debit instruction“) in Art. 1 TARGET2-Musterbedingungen ausdrücklich benannt. Ein Lastschriftauftrag ist gemäß Art. 1 TARGET2-Musterbedingungen „eine Weisung/Anweisung des Zahlungsempfängers an seine Zentralbank, aufgrund derer die Zentralbank des Zahlers den Lastschriftbetrag dem Konto des Zahlers auf der Grundlage einer Abbuchungsermächtigung belastet“.
Beim Lastschriftauftrag ist damit Adressat der Weisung im Rechtssinne die jeweilige zuständige Zentralbank. Nichts anderes kann dann für einen (eingereichten) Überweisungsauftrag gelten. Diese Auffassung wird untermauert durch die TARGET2-Bedingungen der Deutschen Bundesbank (TARGET2-BBk)138. Aus 138 Geschäftsbedingungen für die Eröffnung und Führung eines PM-Kontos in TARGET2Bundesbank (TARGET2-BBk) vom 30.11.2018, abrufbar unter . 139 Art. 31 V TARGET2-Bbk: „Als zwischengeschaltete Stelle haftet die Bank im Rahmen der gesetzlichen Regressansprüche des § 676a BGB nur soweit der Zahlungsdienstleister gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer seine Haftung nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht hätte ausschließen oder begrenzen können.“ Die entsprechende Musterregelung in den „Harmonisierte[n] Bedingungen für die Teilnahme an Target2“ in Art. 21 V der Anlage 2 der Leitlinien-TARGET2 ist allerdings nicht so eindeutig („Notwithstanding the [insert national law provisions implementing Directive 2007/64/EC of the European Parliament and of the Council (***)], paragraphs 1 to 4 shall apply to the extent that the [insert name of CB]’s liability can be excluded.“). 140 Art. 3 IV S. 3 TARGET2-Musterbedingungen bestimmt: „Participation pursuant to these Conditions shall not create a contractual relationship between participants and the SSP-providing NCBs […] when the latter act in that capacity.“ Diese Formulierung soll jedoch nicht verhindern, dass jeweils ein vertragliches Überweisungsverhältnis der einreichenden Bank mit der jeweiligen nationalen Zentralbank entsteht. Die Klausel soll lediglich sicherstellen, dass verantwortlich die jeweilige nationale Zentralbank ist, über die die jeweilige Bank an TARGET2 teilnimmt, und nicht die „SSP-providing NCBs“, also die die technische Plattform für TARGET2 anbietenden Zentralbanken (Deutsche Bundesbank, Banque de France und Banca d’Italia). 141 Vgl. § 4A-107 UCC, Comm. 1 („The definition of ‚bank‘ in Section 4A-105(a)(2) includes both Reserve Bank X and Reserve Bank Y. Bank A’s instruction to Reserve Bank X to pay money to Bank B is a payment order under Section 4A-103(a)(1). Bank A is the sender and Reserve Bank X is the receiving bank. Bank B is the beneficiary of Bank A’s order and of the funds transfer. Bank A is the originator of the funds transfer and is also the originator’s bank. Section 4A-104(c) and (d). Reserve Bank X, an intermediary bank under Section 4A-104(b), executes Bank A’s order by sending a payment order to Reserve Bank Y instructing that bank to credit the Federal Reserve account of Bank B. Reserve Bank Y is the beneficiary’s bank [Hervorh. d. Verf.].“ Der UCC wird von den Fedwire ausgestaltenden gesetzlichen Bestimmungen inkorporiert (unten S. 231 f.). 142 Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 88; Hall, Insolvenzverrechnung in bilateralen Clearingsystemen, S. 22 f. Vgl. auch Bliesener/Langenbucher/Spindler/Bergmann, Effektengeschäft Rn. 115; Habersack/Ehrl, ZfPW 2015, 312, 313; Horn, WM Sonder-
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Nettosystemen verwendet.143 Bei den untersuchten Bruttosystemen passt dieser Begriff auch deshalb nicht, weil diese Systeme nicht nur aus einer einzigen „zentralen“ Gegenpartei bestünden, sondern aus einem ganzen System an (Zentral-) Banken.144 Systeme mit einer (einzigen) zentralen Gegenpartei sind jedoch im Wertpapierclearing gebräuchlich.145 Laut Böhm wurde Entsprechendes allerdings auch im Rahmen des ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehrs der Deutschen Bundesbank angenommen.146 Deshalb wäre es beim dortigen Abrechnungsverkehr auch nur zu einer „unechten“ multilateralen Verrechnung gekommen, da diese in Wirklichkeit aus lauter bilateralen Verrechnungsvorgängen bestand.147 Nach ganz überwiegender Auffassung waren die Deutsche Bundesbank beziehungsweise die eingeschalteten Landesbanken jedoch Boten hinsichtlich der eingereichten Zahlungsaufträge.148 Die abzurechnenden Forderungen und Leistungen bestanden ausschließlich zwischen den teilnehmenden Banken. Lediglich der Ausgleich nach der multilateralen Verrechnung erfolgte über die Deutsche Bundesbank, die aufgrund entsprechender (ergänzender) Vertragsauslegung Gläubigerin oder Schuldnerin der im Rahmen der Abrechnung verbindlich festgestellten Ansprüche wurde.149 Wie beim ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverfahren der Deutschen Bundesbank hat auch das US-amerikanische hybride Zahlungssystem CHIPS lediglich eine Botenstellung hinsichtlich der eingereichten Überweisungsaufträge inne und wird deshalb selbst nicht Glied der Überweisungskette.150 Dies ergibt sich bereits aus der Definition des Überweisungsauftrags („payment message“) in Ziff. 1 (a)(11) CHIPS-Rulebook: „Payment Message: an electronic message in the format adopted under Rule 8 that, when released by CHIPS, instructs a Receiving Participant to pay, or cause another bank to pay, a fixed amount of money to a beneficiary, which may be the Receiving Participant itself, the Sending Participant itself, or a third party [Hervorh. d. Verf.].“ beil. Nr. 2 2002, 1, 4; Fischer, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 127 Rn. 31. 143 Jedoch wird der Begriff auch hin und wieder bei Bruttosystemen verwendet, vgl. nur Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 97. 144 Zudem werden die eigentlichen „Spitzen“ dieser Systeme, die Europäische Zentralbank beziehungsweise das „Board of Governors of the Federal Reserve System“, gerade nicht in die einzelnen Überweisungsvorgänge als Glieder eingebunden (vgl. oben S. 101 f.). 145 Vgl. . 146 Böhm, Grenzüberschreitende Nettingvereinbarungen, S. 88. 147 Zum „unechten“ multilateralen Netting unten S. 121. 148 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 387 m. w. N. auch zur Gegenauffassung. 149 So jedenfalls Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 888. 150 Die Stellung als Botin wird von § 4A-206 (a) UCC auch als Regelfall im UCC angesehen, vgl. auch unten S. 233.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Ausweislich Ziff. 2 (d) CHIPS-Rulebook bestehen deshalb die sich aus dem Clearing eines Überweisungsauftrags ergebenden Rechte und Pflichten ausschließlich zwischen dem den Zahlungsauftrag sendenden und dem ihn empfangenden Teilnehmer: „A Sending Participant does not become obligated to pay the amount of a payment message to the Receiving Participant until CHIPS has released the payment message to the Receiving Participant. Release of a payment message by CHIPS to the Receiving Participant creates an obligation of the Sending Participant to pay the Receiving Participant the amount of the payment message […] [Hervorh. d. Verf.].“
Der Ausgleich findet nicht über CHIPS als Systembetreiber, sondern über die „Federal Reserve Bank of New York“ statt. CHIPS ist nicht Kontoinhaber des Settlementkontos, sondern die Gemeinschaft der Abrechnungsteilnehmer („funding participants“).151 CHIPS ist deshalb gegenüber der Zentralbank nicht aufgrund eigenen Rechts verfügungsberechtigt. Das Zahlungssystem wird gemäß Ziff. 12 (a)(2) CHIPS-Rulebook, wenn es Verfügungen über dieses Guthaben trifft, ausschließlich als „agent“ aller einzahlenden Teilnehmer („funding participants“) tätig, also aufgrund einer vertraglich eingeräumten Verfügungsberechtigung.152 Wie bei den zwei vorherigen Systemen richtet sich wohl auch bei EURO1 der von einer teilnehmenden Bank eingereichte Überweisungsauftrag direkt an eine andere Teilnehmerbank und nicht an EURO1. EURO1 erhält nämlich durch SWIFT lediglich eine auszugsweise Kopie („partial copy“) mit den für das Clearing notwendigen Daten.153 Daraus ergibt sich, dass EURO1 als Systembetreiber nicht Adressat des Überweisungsauftrages im Rechtssinne sein kann.154 151
Vgl. Ziff. 12 (a)(2) CHIPS-Rulebook. Ziff. 12 (a)(2) CHIPS-Rulebook: „FRBNY shall hold all funds deposited in the CHIPS prefunded balance account for the joint benefit of all the Funding Participants and payable exclusively in accordance with the instructions of the Clearing House as agent on behalf of all Funding Participants.“ 153 EBA Clearing S.A.S., EURO1 PFMI disclosure report by EBA CLEARING S.A.S., S. 12, abrufbar unter: ; („Payment messages are received by the central system using SWIFT’s FIN-Copy service, using partial copy of required information“). Vgl. auch European International University, Technological Feasibility of Reducing the Costs of Small Cross-Border Credit Transfers (CBCTs) Within the Euro-Zone, S. 42. 154 Dies dürfte auch beim ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank gegolten haben, bei dem durch und für jede teilnehmende Bank verschlossene Taschen mit den Abrechnungspapieren eingereicht wurden (Ziff. 11 der Geschäftsbedingungen, Muster abgedruckt bei Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 892) und nur die Taschenaufschriften und beigelegten Einlieferungsverzeichnisse (vgl. Ziff. 11 II Geschäftsbedingungen) beziehungsweise bei Unstimmigkeiten die in den Taschen enthaltenen Tippstreifen 152
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EURO1 gibt einen Überweisungsauftrag lediglich frei, wenn die Clearingbedingungen des Systems erfüllt sind, insbesondere die gesetzten Limits155 eingehalten werden. Die sogenannte „single obligation structure“ von EURO1, die bewirken soll, dass jede an EURO1 teilnehmende Bank zu jeder Zeit lediglich einen einzigen Anspruch beziehungsweise eine einzige Verbindlichkeit gegen alle übrigen Systemteilnehmer hat, ist insofern nicht von Bedeutung.156 Diese betrifft lediglich die Abrechnung der eingereichten Überweisungsaufträge.157 Die rechtliche Grundstruktur des Teils eines Überweisungsvorgangs, welcher über ein Zahlungssystem wie EURO1 oder CHIPS abgewickelt wird, ähnelt damit demjenigen eines zweistufigen Überweisungsvorgangs, da für den Ausgleich der durch die Ausführung der Überweisungsvorgänge entstehenden Verbindlichkeiten über die „Settlementbank“ grundsätzlich ein eigenständiger Überweisungsvorgang in Gang gesetzt wird.158 Bei TARGET2 (und Fedwire) hingegen entspricht die Struktur grundsätzlich der eines einstufigen Überweisungsvorgangs. Da bei diesen Bruttosystemen die Zentralbanken gleichzeitig die Adressaten der Überweisungsaufträge sind und gleichzeitig „natürlich“ für das Settlement zuständig sind, wird die Deckung wie bei einem regulären einstufigen Überweisungsvorgang über die einzelnen Überweisungsverhältnisse zur Verfügung gestellt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Situation bei TARGET2 und Fedwire allerdings doch komplizierter dar als oben geschildert. Hinsichtlich der Struktur des Überweisungsvorgangs innerhalb der Zahlungssysteme müsste nämlich eigentlich danach unterschieden werden, ob ein zahlungssysteminterner Ausgleich zwischen den einzelnen partizipierenden nationalen Zentralbanken zu erfolgen hat oder nicht. Findet ein interner Ausgleich statt, entspricht die Struktur im Grundsatz einem zweistufigen, ansonsten einem einstufigen Überweisungsvor(vgl. Ziff. 11 I S. 2 Geschäftsbedingungen) für die Abrechnung durch die Deutsche Bundesbank herangezogen wurden; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 899; Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 28, 57 Fn. 165; Sandberger, BB 1976, 487, 489. Hinsichtlich der einzelnen Zahlungsaufträge war die die Taschen empfangende Abrechnungsstelle, die Deutsche Bundesbank, deshalb lediglich Botin; BGH 25.01.1988, NJW 1320, 1320 (Tz. 2) m. w. N.; vgl. auch Canaris, WM 1976, 994, 996. 155 Oben S. 92 f. 156 Vgl. Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 356 f.; Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 22. 157 Vgl. auch Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 408 Fn. 1732. Zum ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank auch Canaris, WM 1976, 994, 1005 f.; Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S. 388 f.; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 408 Fn. 1728, die feststellen, dass die Deutsche Bundesbank Berechtigte und Verpflichtete lediglich der Saldoforderungen nach der Abrechnung wurde. 158 Zur Struktur bereits oben S. 11 f.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
gang. Dies soll an zwei Beispielen illustriert werden: Führt beispielsweise die Deutsche Bundesbank als Betreiberin eines TARGET2-Komponenten-Systems159 einen Überweisungsauftrag für eine deutsche Bank zugunsten einer anderen deutschen Bank aus, leitet sie den Überweisungsauftrag wie jede andere Bank an die deutsche Empfängerbank weiter. Da die Deutsche Bundesbank selbst Glied der Überweisungskette zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger ist,160 erfolgt der Deckungsausgleich direkt über die einzelnen Überweisungsverhältnisse. Sie belastet dann das bei ihr geführte Konto der überweisenden Bank mit dem erforderlichen Deckungsbetrag und erkennt das bei ihr geführte Konto der Empfängerbank entsprechend. Sitzt die Empfängerbank jedoch in einem anderen Staat, beispielsweise in Frankreich, muss die dortige Nationalbank, die Banque de France, das bei ihr geführte Konto der dortigen Empfängerbank erkennen, da die französische Bank nur über das TARGET2-Komponenten-System der Banque de France an TARGET2 angeschlossen ist und kein Konto bei der Deutschen Bundesbank hat. Damit ist allerdings noch offen, wie der Zahlungsausgleich zwischen den Zentralbanken erfolgt. Dieses Verfahren skizziert Art. 6 TARGET2-Leitline.161 Gemäß Art. 6 I S. 1 TARGET2-Leitlinie erwirbt im Beispiel die Banque de France durch die Abwicklung des Überweisungsauftrages, wenig verwunderlich, einen Anspruch (sogenannte „Intra-Eurosystem-Verbindlichkeit“) in Höhe der Deckungssumme gegen die Deutsche Bundesbank. Diese Verbindlichkeit wird gemäß Art. 6 II S. 2 TARGET2-Leitlinie allerdings nicht gleich durch die Deutsche Bundesbank erfüllt, sondern vielmehr im Laufe des Geschäftstags bilateral mit anderen Verbindlichkeiten verrechnet, die aufgrund weiterer Zahlungen zwischen den beiden Nationalbanken gemäß Art. 6 I TARGET2-Leitline entstehen. Am Ende des Geschäftstages werden in einem zweiten Schritt alle bilateralen Intra-Eurosystem-Verbind159
Hierzu oben S. 87 f. Hierzu bereits S. 101 f. 161 Art. 6 I, II TARGET2-Leitlinie: „(1) Eine Abwicklung von Zahlungen zwischen Teilnehmern verschiedener TARGET2Komponenten-Systeme begründet automatisch eine Intra-Eurosystem-Verbindlichkeit der für den Zahler zuständigen Zentralbank des Eurosystems gegenüber der für den Zahlungsempfänger zuständigen Zentralbank des Eurosystems. (2) Alle Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten, die gemäß Absatz 1 entstehen, werden automatisch aggregiert und bilden eine einzige Verbindlichkeit in Bezug auf die einzelnen Zentralbanken des Eurosystems. Bei jeder Abwicklung einer Zahlung zwischen Teilnehmern verschiedener TARGET2-Komponenten- Systeme wird die einzige Verbindlichkeit der betreffenden Zentralbank des Eurosystems entsprechend angepasst. Am Ende des Geschäftstags unterliegt jede dieser einzigen Verbindlichkeiten einem multilateralen Verrechnungsverfahren, das zu einer Verbindlichkeit oder Forderung der jeweiligen NZB des Euro-Währungsgebiets gegenüber der EZB führt, wie dies in einer Vereinbarung zwischen den Zentralbanken des Eurosystems festgelegt ist [Hervorh. d. Verf.].“ 160
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lichkeiten in einem multilateralen Verfahren verrechnet. Die Abrechnung führt schließlich gemäß Art. 6 II S. 3 TARGET2-Leitlinie zu einer Verbindlichkeit oder Forderung der jeweiligen Nationalbank gegenüber der EZB, die durch diese bei sich auf dem Konto der jeweiligen Nationalbank verbucht wird. Strukturell würde deshalb ein entsprechender Überweisungsvorgang der Struktur eines zweistufigen Überweisungsvorgangs entsprechen, da der Ausgleich grundsätzlich über eine dritte Bank, die Europäische Zentralbank, zu erfolgen hat. Allerdings erfolgt, abgesehen vom Erlöschen der Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten durch die vorgenommene bilaterale und multilaterale Verrechnung, kein Ausgleich der zulasten bestimmter Zentralbanken entstandenen Forderungen.162 Einen ganz ähnlichen Mechanismus betreibt das US-amerikanischen Zentralbanksystem, zu dem die zwölf regionalen „Federal Reserve Banks“ der USA gehören, die das Bruttozahlungssystem Fedwire betreiben. Dort findet auch ein zahlungssysteminterner Zahlungsausgleich über den sogenannten „Interdistrict Settlement Account“163 statt, wenn bei einer Überweisung über das Bruttozahlungssystem Fedwire Zentralbanken aus unterschiedlichen „Federal Reserve Districts“164 der USA beteiligt sind.165 Die Abrechnung wird durch das „Board of the Governors of the Federal Reserve System“ durchgeführt, welches als Clearingstelle fungiert.166 Im Gegensatz zu TARGET2 werden die Salden aller162 Vgl. nur Folkerts-Landau/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets, S. 172; Rossi, in: Rochon u. a. (Hrsg.), The Encyclopedia of Central Banking, S. 479. Aufgrund dieses Mechanismus entstehen die immer noch, aber besonders während der letzten Finanzkrise viel diskutierten „TARGET2-Salden“ zulasten oder zugunsten einzelner nationaler Zentralbanken (FAZ vom 08.03.2017, „Deutscher Target-Saldo steigt über 800-Milliarden-Marke“, abrufbar unter ). Diese haben in Deutschland sogar eine Diskussion hinsichtlich der Strafbarkeit der Bundesregierung und des Vorstandes der Deutschen Bundesbank ausgelöst, vgl. nur Kirkpatrick, wistra 2013, 249 ff.). Im Juni 2019 wies die Deutsche Bundesbank in den Büchern der EZB einen positiven Saldo von ca. EUR 942,3 Mrd. auf, während andere Länder in den Büchern der EZB hohe Verbindlichkeiten verbucht hatten (beispielsweise Spitzenreiter Italien mit ca. EUR 447,6 Mrd.), . 163 Zum „Interdistrict Settlement Account“ Board of Governors of the Federal Reserve System, Financial Accounting Manual for Federal Reserve Banks, January 2020, Rn. 5.00, abrufbar unter ; Folkerts-Landau/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets, S. 172; Wolman, Economic Quarterly 99 (2013), 117 ff. Zu den Ursprüngen auch 26 Federal Reserve Bulletin 776 (1940), 776 f. 164 Zu den Distrikten der „Federal Reserve Banks“ vgl. nur . 165 Vgl. Wolman, Economic Quarterly 99 (2013), 117. 166 Vgl. 12 USC § 248–1: „The Board of Governors of the Federal Reserve System shall make and promulgate from time to time regulations governing the transfer of funds and charges
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dings jährlich im April errechnet und ausgeglichen.167 Damit betreiben sowohl das europäische als auch das US-amerikanische Zentralbankensystem folglich ihre eigenen, geschlossenen Nettozahlungssysteme.168 bb) Rechtsbeziehungen zwischen den Abrechnungsteilnehmern und dem Zahlungssystem hinsichtlich des Clearing und des Settlement Das Zahlungssystem übernimmt das Clearing der eingehenden Zahlungsaufträge gegen Entgelt. Nach deutschem Recht liegt also eine Einordnung des entsprechenden Vertrags zwischen teilnehmender Bank und Zahlungssystem als Geschäftsbesorgungsvertrag nahe.169 Der konkrete Umfang der durch das System erbrachten „Dienstleistungen“ 170, die jedoch nach deutschem Recht häufig einen werkvertraglichen Charakter aufweisen,171 hängt dabei von der konkreten vertherefor among Federal reserve banks and their branches, and may at its discretion exercise the functions of a clearing house for such Federal reserve banks, or may designate a Federal reserve bank to exercise such functions, and may also require each such bank to exercise the functions of a clearing house for depository institutions.“ Vgl. auch Folkerts-Landau/Mathieson/ Schinasi, International Capital Markets, S. 172. 167 Zur genauen Verfahrensweise Board of Governors of the Federal Reserve System, Financial Accounting Manual for Federal Reserve Banks, January 2020, Rn. 40.70, abrufbar unter: ; Folkerts-Landau/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets, S. 172. Zu den Ursprüngen auch 26 Federal Reserve Bulletin 776 (1940), 776 f. 168 A.A. Rossi, in: Rochon u. a. (Hrsg.), The Encyclopedia of Central Banking, S. 478, der insofern von einem „RTGS-System“ ausgeht. Vgl. nur das offizielle Board of Governors of the Federal Reserve System, Financial Accounting Manual for Federal Reserve Banks, Rn. 5.00 („The cumulative net amount owed or due from other Federal Reserve Banks as a consequence of the InterFRB transaction settlement procedure is reported in this account [Hervorh. d. Verf.].“) und („The interdistrict settlement account reflects the netting of transactions between Reserve Banks and transactions that involve depository institution accounts held by other Reserve Banks, such as Fedwire funds, check, and ACH transactions.“). 169 Vgl. zum ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank OLG Frankfurt 29.04.1976, WM 1976, 723, 724; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 891; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 8; auch Sandberger, BB 1976, 487, 489. A.A. Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 191, der von einem Auftragsverhältnis ausging, da die Bundesbank für ihre Dienstleistungen kein Entgelt forderte. 170 So ausdrücklich Art. 3 IV, 10 I TARGET2-Musterbedingungen; vgl auch die Präambel des CHIPS-Rulebook. 171 Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Abrechnungsergebnisses. Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 8. Vgl. allerdings Art. 10 I TARGET2-Musterbedingungen: „Die [Name der Zentralbank einfügen] bietet die in Titel IV beschriebenen Dienste an. Soweit nicht in diesen Bedingungen oder gesetzlich anders vorgeschrieben, unternimmt die [Name der Zentralbank einfügen] alle
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traglichen Ausgestaltung des Verfahrens des Systems ab. Neben dem bei allen Zahlungssystemen üblichen Clearing besteht dies bei Netto- und auch Hybridsystemen insbesondere auch in der Ermittlung des Abrechnungsergebnisses. Daneben können Zahlungssysteme jedoch auch das Settlement selbst übernehmen, wie dies beispielsweise bei TARGET2 und Fedwire durch Buchungsvorgänge auf den Konten der teilnehmenden Banken geschieht. Bei EURO1 und bei CHIPS obliegt der Ausgleich beziehungsweise das „Prefunding“ den teilnehmenden Banken. Neben der Pflicht zur Zahlung eines Entgelts (vergleiche nur Art. 10 II TARGET2-Musterbedingungen, Ziff. 11 CHIPS-Rulebook) ergeben sich aus den jeweils zugrundeliegenden Bedingungen weitere Verpflichtungen und Obliegenheiten, die gegenüber den Systembetreibern bestehen. So besteht beispielsweise an Geschäftstagen eine „Anschlusspflicht“ an das System, also eine Pflicht der teilnehmenden Banken, mit dem System verbunden zu sein, um Zahlungsaufträge und sonstige Mitteilungen entgegennehmen zu können (Art. 10 III TARGET2Musterbedingungen; vergleiche auch Ziff. 7(b) CHIPS-Rulebook).172 Nach Art. 20 TARGET2-Musterbedingungen obliegt es bei TARGET2 den teilnehmenden Banken zudem, für ausreichend Deckung auf ihrem (PM-)Konto bei der jeweiligen nationalen Zentralbank zu sorgen. Auch bei CHIPS „muss“ ein Teilnehmer im Rahmen des „Primary Prefunding“ vorab Deckung in Höhe der ihm mitgeteilten „opening position“ per Fedwire auf das CHIPS-Abrechnungskonto einzahlen. Des Weiteren ist im Rahmen des „Final Prefunding“ gemäß Ziff. 13 (c)(3) CHIPS-Rulebook der am Ende der Abrechnung offene Saldo zulasten einer teilnehmenden Bank innerhalb von 30 Minuten per Fedwire auszugleichen. Ob die genannten Regelungen jedoch „echte“ Verpflichtungen oder doch nur Obliegenheiten der vertragsschließenden Teilnehmer gegenüber dem Clearingsys-
zumutbaren Anstrengungen, um ihre Verpflichtungen gemäß diesen Bedingungen zu erfüllen, ohne dabei ein bestimmtes Ergebnis zu garantieren [Hervorh. d. Verf.].“). Ähnliches wurde auch für den ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der deutschen Bundesbank behauptet, vgl. Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 188. 172 Vgl. zum ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 52 f., der von einer Abholverpflichtung hinsichtlich der bei der Deutschen Bundesbank gelagerten, für einen Teilnehmer bestimmten Taschen mit den Abrechnungspapieren ausging (vgl. zum Verfahren oben S. 104 Fn. 154). Nach Pfister macht sich eine Bank, die diese Pflicht verletzt, schadensersatzpflichtig. Ebenso Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 190. Zum kanadischen Zahlungssystem LVTS, siehe Ziff. 5 (2) LVTS-Rulebook („Each participant whose LVTS status has not been revoked or suspended must be prepared to receive payment messages on all business days unless the participant is unable, due to technical difficulties, to successfully connect to the LVTS.“).
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tem begründen, ist nicht so einfach zu beantworten.173 Für eine bloße Obliegenheit spricht, dass der teilnehmenden Bank „lediglich“ ein teilweiser Ausschluss vom Clearingverfahren droht, wenn sie der „Prefunding“-Vereinbarung nicht nachkommt (vergleiche Ziff. 13 (c)(3)(B) CHIPS-Rulebook), beziehungsweise, wenn die Bank die „opening position“ nicht rechtzeitig einzahlt, dies zu ihrem (gänzlichen) Ausschluss als „funding participant“ von der Abrechnung führen kann (vergleiche Ziff. 19(i)(2) CHIPS-Rulebook).174 Die Befolgung dieser vertraglichen Vereinbarungen liegt also lediglich im Interesse der jeweiligen teilnehmenden Bank. Zudem gelten sie gegenüber CHIPS und nicht gegenüber den übrigen teilnehmenden Banken, da sie dem Interesse des Zahlungssystems an einer reibungslosen Funktion dienen (vergleiche Ziff. 19 (a)(2) CHIPS-Rulebook; bei TARGET2 ergibt sich dies bereits aus einem Umkehrschluss zu Art. 43 II TARGET2-Musterbedingungen).175 Jedoch gibt es auch unstreitige Rechtspflichten. So verpflichtet beispielsweise Ziff. 15 (a) CHIPS-Rulebook die teilnehmenden Banken, CHIPS in einem Haftungsfall freizustellen (obwohl CHIPS in seinen Bedingungen grundsätzlich jegliche Haftung von sich weist, vergleiche die „no liability-rule“ in Ziff. 15 (a) S. 1 CHIPS-Rulebook)176. Diese gilt auch im Falle des Ausfalls von Banken in Form einer anteilsmäßigen Übernahme der Zahlungsverpflichtung des ausfallenden Teilnehmers (Ziff. 15 (a) S. 4 CHIPSRulebook). Unabhängig davon, ob im Einzelfall nun als Obliegenheit oder Verpflichtung angesehen, zeigen diese Beispiele, dass eine Vielzahl von vertraglich bindenden Vereinbarungen zwischen dem Zahlungssystem und den Teilnehmern bestehen. b) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Abrechnungsteilnehmern untereinander Bereits beim ehemaligen beleggebundenen Zahlungsverkehr der Deutschen Bundesbank wurde angenommen, dass die sich aus den Geschäftsbedingungen ergebenden Verpflichtungen und Obliegenheiten auch teilweise unter den Ab173 Vgl.
Cranston, Principles of Banking Law, S. 282. allerdings Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 53 zum alten beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank, der dort von einer echten Nebenpflicht der teilnehmenden Banken ausging, genügend Deckung bereit zu stellen. Ansonsten würde die „Deckungspflicht […] praktisch zu einem Rückrufrecht denaturiert [Hervorh. i. Orig.]“. 175 Vgl. auch Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 53. 176 Ausgenommen ist nur die Haftung für Schäden aufgrund „dishonest or fraudulent acts committed by a Clearing House employee“, die allerdings der Höhe nach begrenzt ist (vgl. Ziff. 16 (b) CHIPS-Rulebook). Auch hier gibt es eine Verpflichtung der Teilnehmer, die Haftung bei Überschreitung der Grenze „pro rata“, abhängig vom jeweiligen Clearingvolumen des Teilnehmers, zu übernehmen. 174 A.A.
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rechnungsteilnehmern bestanden.177 So ging man davon aus, dass die sich aus Ziff. 15 der Geschäftsbedingungen ergebende Verpflichtung eines Teilnehmers zur Abholung der für ihn bestimmten Abrechnungspapiere nicht nur gegenüber der Bundesbank, sondern auch gegenüber den anderen Teilnehmern bestand.178 In der Tat haben die an einem Zahlungssystem teilnehmenden Banken – ebenso wie das Zahlungssystem selbst – ein Interesse an einem reibungslosen und effizienten Abrechnungsverkehr über das System,179 was die Annahme eines diesbezüglichen vertraglichen Bindungswillens auch untereinander rechtfertigt. Diese aus Zeiten des beleggebundenen Abrechnungsverkehrs stammende Abholungspflicht korrespondiert in Zeiten belegloser elektronischer Abwicklung über das Internet mit der Pflicht, mit den elektronischen Einrichtungen des Zahlungssystem während der Geschäftszeiten verbunden zu sein, um eingehende Zahlungsaufträge anderer Teilnehmer auch „entgegennehmen“ zu können.180 Eine solche Pflicht ergibt sich bei CHIPS auch aus dem CHIPS-Rulebook.181 Diese besteht auch unmittelbar zwischen den Teilnehmern und nicht nur gegenüber den Teilnehmern einerseits und CHIPS andererseits. Auch die TARGET2-Musterbedingungen statuieren in Art. 10 III eine entsprechende Anschlusspflicht. Diese besteht gegenüber der jeweiligen nationalstaatlichen Zentralbank und den an deren Komponentensystem teilnehmenden Banken (vergleiche Art. 43 II TARGET2Musterbedingungen), da die jeweilige nationalstaatliche Zentralbank Abrechnungsteilnehmer jedes eingereichten Zahlungsauftrages wird.182
177 Staub/Canaris,
Bankvertragsrecht I, Rn. 890; Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 45 f. Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 47 f.; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 905; Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 267. 179 Vgl. Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 47. Dies ergibt sich auch teilweise direkt aus den jeweiligen Geschäftsbedingungen. So dient CHIPS ausweislich der Präambel des CHIPS-Rulebook der Vereinfachung der Zahlungsvorgänge zwischen seinen Teilnehmern („The Clearing House Interbank Payments System, designed to facilitate payments among its Participants, […]“). Diese Vereinfachung liegt im Interesse der Teilnehmer, nicht im Interesse des Systems und erfordert, dass die Teilnehmer mit dem System an Geschäftstagen verbunden sind. Ansonsten wird der Zahlungsverkehr nicht erleichtert, sondern sogar gestört. Eine ähnliche Formulierung hat schon Ziff. 1 S. 2 der Geschäftsbedingungen des ehemaligen Abrechnungsverkehrs der Deutschen Bundesbank enthalten („Erleichterung des Zahlungsausgleichs zwischen den Teilnehmern“). Allgemein auch Goode, L.M.C.L.Q. 1991, 177 („Ranging from the primitive bazaar to the international trade center, all markets have a common purpose, to facilitate ex change by some form of institutional structure and club rules.“). Vgl. auch Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 192, der hieraus sogar eine Ausführungsverpflichtung ableitet. 180 Bereits oben S. 109 Fn. 172. 181 Oben S. 109. 182 Hierzu bereits oben S. 101 f. 178
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Neben dieser grundsätzlich bei allen Typen von Zahlungssystemen bestehenden Verpflichtung, bestehen insbesondere auch bei Netto- und Hybridsystemen in den dort üblichen „loss-sharing rules“ sogar ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten eines Zahlungssystems. So hat beispielsweise gemäß Ziff. 14 (e) S. 1, 2 CHIPS-Rulebook ein „funding participant“, der einen Anspruch eines anderen Teilnehmers gegen die im Rahmen des „Prefunding“183 kontoführende „Federal Reserve Bank of New York“ befriedigt (beispielsweise im Rahmen der Freistellungsvereinbarung gemäß Ziff. 14 (a) CHIPSRulebook), einen Ausgleichsanspruch gegenüber den übrigen Teilnehmern. Wie das Verhältnis der Teilnehmer zur im Rahmen des „Prefunding“ eingezahlten Deckung gegenüber der New Yorker Zentralbank zeigt, richten sich auch sämtliche Forderungen am Ende des Abrechnungstages, aber auch bei einer vorzeitigen (teilweisen) Abhebung der „current supplemental position“ gemäß Ziff. 12 (f) CHIPS-Rulebook, gegen die übrigen „funding participants“.184 Zudem bestimmt Ziff. 15 (a) S. 5 CHIPS-Rulebook, dass der Teilnehmer, der einen gegen einen anderen Teilnehmer gerichteten Anspruch des Systembetreibers befriedigt, gegen den mit der Zahlung ausfallenden Teilnehmer einen Ausgleichsanspruch hat. Konstruktiv wurden die Pflichtenbeziehungen beim ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank mittels eines (mehrseitigen) Schuldvertrags begründet, an dem alle Banken beteiligt waren, die zum jeweiligen Zeitpunkt am Abrechnungsverkehr der Bundesbank teilnahmen.185 Dieser multilaterale Vertrag sollte seinem Inhalt nach ein Geschäftsbesorgungsvertrag sein.186 Auch im anglo-amerikanischen Rechtsraum werden, soweit sich hierzu überhaupt geäußert wird, Teilnehmer eines Clearingsystems allgemein als durch einen „multilateral contract“ verbunden angesehen, welcher durch die Bedingungen des Clearingsystems „verkörpert“ wird.187 183
Hierzu oben S. 96 f. Das Guthaben wird bei der New Yorker Zentralbank entsprechend „for the joint benefit of all funding participants“ (Ziff. 12 (a)(2) CHIPS-Rulebook) verwahrt. 185 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 890; Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 45 f., Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 186 f., 191. 186 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 890; Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 49 f. 187 Cranston, Principles of Banking Law, S. 51; Cranston, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 236; Cranston, in: Cranston (Hrsg.), Making Commercial Law, S. 347. Vgl. auch Clark, Cyber Law in Australia, Rn. 730; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 568; Wild/Weinstein/MacEwan/Geach, Electronic and Mobile Commerce Law, S. 227. Auch allgemein zum „Markt“ Goode, L.M.C.L.Q. 1991, 177, 180 („The law of contract is central to the conduct of an organized market. It is primarily through the imaginative application and manipulation of contract rules and structures that great numbers of bilateral relationships are stitched together and subsumed within a framework of multilateral rights and duties.“). 184
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Während Canaris zum ehemaligen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank von getrennten Vertragsverhältnissen zwischen dem Systembetreiber und den Teilnehmern und den Letzteren untereinander ausging,188 bestand nach Auffassung Pfisters ein einheitlicher multilateraler Vertrag zwischen allen Beteiligten des Systems.189 Danach war der Systembetreiber folglich Vertragspartner dieses einheitlichen multilateralen Vertrages. Selbständige bilaterale Vertragsverhältnisse zwischen der Bundesbank und den einzelnen teilnehmenden Banken im Rahmen des Clearing bestanden danach grundsätzlich nicht. Zunächst ist festzustellen, dass grundsätzlich beide Gestaltungsformen denkbar sind. Je nach dem Wortlaut der Geschäftsbedingungen kann somit die eine oder die andere Gestaltungsform vorliegen. Häufig, insbesondere bei den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Zahlungssystemen, schweigen sich die Geschäftsbedingung jedoch zur genauen Struktur aus. Es können jedoch allgemeine Argumente genannt werden, die für die eine oder andere Gestaltungsform sprechen. Für einen einheitlichen multilateralen Vertrag spricht zum einen, dass die Rechte und Pflichten der Teilnehmer im Verhältnis untereinander sowie im Verhältnis zwischen dem System und den Teilnehmern in den (einheitlichen) Geschäftsbedingungen desselben begründet liegen. Zudem spricht für eine Ausgestaltung in Form eines einheitlichen multilateralen Vertrags, dass Änderungen der Geschäftsbedingungen durch den Systembetreiber grundsätzlich automatisch auch im Verhältnis der Teilnehmer untereinander wirken (müssen).190 Die Pflichtenstruktur deutet hingegen auf getrennte Verträge hin. So sind im Verhältnis Zahlungssystem und Teilnehmer Leistung und Gegenleistung klar unterscheidbar und stehen im Synallagma. Das Zahlungssystem erbringt die Leistungshandlungen, die mit dem Clearing einhergehen, und stellt gegebenenfalls die Infrastruktur für das Settlement bereit, wofür der jeweilige Teilnehmer ein Entgelt erbringt. Die Rechte und Pflichten im Verhältnis der Teilnehmer untereinander bestehen allein in diesem Verhältnis und haben nicht nur eine Komplementierungsfunktion hinsichtlich der Rechte- und Pflichtenbeziehungen des Zahlungssystems zu seinen Teilnehmern.191 Das heißt, die dortigen Rechte und Pflichten sind in der Regel, abgesehen von der „Anschlusspflicht“ an das System,192 eigen188 Staub/Canaris,
Bankvertragsrecht I, Rn. 890 f. Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 57 f. Ebenso Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 193, 195. So zum anglo-amerikanischen Rechtskreis wohl auch Goode, L.M.C.L.Q. 1991, 177, 180: „Thus bilateral contracts between banks as members of exchange or clearing systems are stitched together and subsumed within a framework of multilateral rights and duties.“; Goode zitierend auch Cranston, Principles of Banking Law, S. 51. 190 Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 58. 191 Vgl. Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 48. 192 Oben S. 111. 189
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
ständig. Zu denken ist hierbei nur an die sogenannten „loss-sharing rules“.193 Ein weiteres Argument, welches die Annahme getrennter Verträge stützt, sind die Entscheidungsbefugnisse des Systembetreibers. So entscheidet allein er über die Aufnahme und Kündigung einzelner Teilnehmer im Rahmen der Geschäftsbedingungen.194 Sowohl die Aufnahme als auch die Kündigung erfolgt im Namen des Zahlungssystems und nicht etwa auch im Namen der einzelnen Teilnehmer. Ginge man zudem von einem einheitlichen multilateralen Vertrag aus, hinge die Wirksamkeit einer Kündigung eines anderen Teilnehmers grundsätzlich von der Zustimmung der übrigen Systemteilnehmer oder einer vertraglichen Ermächtigung des Systembetreibers ab.195 Im Folgenden wird deshalb davon ausgegangen, dass die Rechte und Pflichten im Verhältnis der Teilnehmer untereinander und im Verhältnis des Zahlungssystems zu einem Teilnehmer verschiedenen eigenständigen Rechtsgeschäften entstammen. Für das Common Law erklärt Cranston das Zustandekommen des (einheitlichen) multilateralen Vertrags wie folgt: „The multilateral contract may arise indirectly, in the sense that a contract between each member and an exchange or clearing system results in a contract among the members as a whole. Alternatively, members of a system may agree together to comply with the rules.“196 Die Begründung ist grundsätzlich unabhängig davon zu sehen, welchem der beiden dargestellten „Strukturmodelle“ man folgt. Auch an dieser Stelle ist festzustellen, dass das Zustandekommen des mehrseitigen Vertrages zwischen den teilnehmenden Banken grundsätzlich von der jeweiligen Ausgestaltung des Systems abhängig ist. Allerdings wird der Vertragsschluss zwischen den Teilnehmern, als dogmatische Frage, in den Geschäftsbedingungen der Zahlungssysteme in aller Regel nicht erörtert. Cranston bezeichnet ihn wohl deshalb oben auch als „indirekt“. Nach deutscher Dogmatik ist in der Regel wohl davon auszugehen, dass die Teilnehmer mit dem Beitritt zum Zahlungssystem auch den Beitritt zum multilateralen Schuldvertrag zwischen den Teilnehmern erklären. Die Beitrittserklärung muss den übrigen teilnehmenden Banken analog § 151 S. 1 BGB nicht zugehen und erfolgt auflösend bedingt, das heißt, sie ist mit dem Schicksal des bilateralen Vertrags im Verhältnis Zahlungssystem und Teilnehmer verknüpft.197 193
Oben S. 83. Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 191. 195 Vgl. Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, S. 96. 196 Cranston, Principles of Banking Law, S. 51. 197 Im Übrigen ist dieser mehrseitige Vertrag zwischen den Abrechnungsteilnehmern durch die einzelnen Abrechnungsteilnehmer unkündbar. Wird jedoch das Vertragsverhältnis mit dem Systembetreiber gekündigt, entfällt nach dem vorliegend vertretenen Modell mit Wirksamwerden der Kündigung auch die Wirksamkeit der Beitrittserklärung. Der Teilnehmer wird zu diesem Zeitpunkt aus dem multilateralen Vertrag „herausgelöst“. 194 Vgl.
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Wird der bilaterale Zahlungssystemvertrag mit dem Systembetreiber gekündigt, entfällt ex nunc198 auch die Wirkung der Beitrittserklärung. Die Annahme des Beitrittsangebots wird von den (übrigen) Teilnehmern bereits mit deren Beitritt zum System antizipiert erklärt. Gegen eine „Vertretungslösung“, das heißt gegen einen Vertragsschluss durch das Zahlungssystem als Vertreter der teilnehmenden Banken unter Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB, wird hingegen häufig sprechen, dass eine Bevollmächtigung sich meist schon nicht im Ansatz aus den Geschäftsbedingungen der Zahlungssysteme ergeben wird (vergleiche § 159 BGB).199 c) Das Verhältnis des Abrechnungsvertrags zum einzelnen Zahlungsauftrag Die überwiegende Auffassung zum ehemaligen Abrechnungsverkehr der Bundesbank leitete aus dem Abrechnungsvertrag eine Pflicht der Teilnehmer ab, mit den „[Abrechnungs-]Papieren ordnungsgemäß zu verfahren, [das heißt] sie ihren Kunden auszuhändigen und die Kunden mit dem entsprechenden Betrag zu erkennen oder zu belasten.“200 Nach dieser Auffassung bestand folglich nicht nur eine Pflicht zur Abholung der Abrechnungspapiere 201 sondern, zumindest im Fall einer Platzübertragung, sogar eine Pflicht zur Ausführung derselben durch den abholenden Teilnehmer.202 Verstieß der abholende Teilnehmer gegen diese Pflicht, machte er sich grundsätzlich schadensersatzpflichtig.203 Der einzelne Überweisungsauftrag war insofern kein Angebot auf Abschluss eines selbständigen „Überweisungsvertrags“, sondern eine Weisung im Rahmen des Abrechnungsvertrags an den empfangenden Teilnehmer. Damit ähnelte der zwischen den Teilnehmern geschlossene Abrechnungsvertrag – mit Ausnahme der Abreden über die Abrechnung – einem (mehrseitigen) Girovertrag.204
198 Vgl. Palandt/Ellenberger, § 159 BGB Rn. 1; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Rövekamp, § 158 BGB Rn. 23; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Rövekamp, § 159 BGB Rn. 1; Erman/Westermann, § 159 BGB Rn. 1. 199 So zum ehemaligen beleggebundenen Abrechungsverkehr der Deutschen Bundesbank Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 886. A.A. allerdings ausdrücklich Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 192. Eine Bevollmächtigung des Zahlungssystems erscheint jedoch, wie im Text erläutert, in aller Regel entbehrlich. 200 Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 48. 201 Nach Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 267 ist die „Abholpflicht“ die Hauptpflicht der Teilnehmer. 202 Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 199, 292; Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 49; Sandberger, BB 1976, 487, 489. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 905. 203 Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 48 Fn. 119. 204 Vgl. nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 905.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Im Rahmen des US-amerikanischen Zahlungssystems CHIPS ist von einer differenzierten Pflichtenstruktur auszugehen. Zur Ausführung eines Überweisungsauftrags verpflichtet ist eine an CHIPS teilnehmende Bank lediglich dann, wenn sie die Bank des Überweisungsempfängers ist. Gemäß §§ 4A-209 (b)(2), 4A-403 (a)(1) UCC gilt der Überweisungsauftrag in dem Zeitpunkt als angenommen, in dem die Forderung der Empfängerbank gegenüber dem anderen CHIPS-Teilnehmer gemäß Ziff. 2 (d) CHIPS-Rulebook endgültig getilgt ist („receives final settlement“). In der Folge muss die Empfängerbank ihrem Kunden eine Gutschrift in Höhe des Überweisungsbetrages erteilen (§ 4A-404 (a) UCC). Allerdings besteht grundsätzlich keine Pflicht einer zwischengeschalteten Bank zur Weiterleitung von Überweisungsaufträgen. Dies gilt sowohl für Überweisungen über traditionelle Korrespondenzbankstrukturen als auch für solche unter Einschaltung eines Zahlungssystems. Nach dem insofern maßgeblichen UCC, bei CHIPS in der Umsetzung des Bundestaates New York, ist eine Bank erst verpflichtet, einen Überweisungsauftrag weiterzuleiten, wenn sie ihn angenommen hat.205 Wenn sie sich zur Ausführung beispielsweise durch Abschluss eines Girovertrags verpflichtet hat, haftet sie für die Nichtausführung gemäß 4A-305 (d) UCC.206 Gleiches gilt, wenn ihr die Geschäftsbedingungen des Zahlungssystems („funds-transfer system rule“) eine entsprechende Pflicht auferlegen.207 Eine entsprechende Klausel ist im CHIPS-Rulebook allerdings nicht enthalten. Von einer Pflicht zur Ausführung von Überweisungsaufträgen bei CHIPS kann deshalb nur schwerlich ausgegangen werden.208 Auch bei EURO1 ist es nach der verfügbaren Quellenlage zumindest zweifelhaft, ob eine Ausführungspflicht hinsichtlich der über das System übermittelten Überweisungsaufträge besteht. In der systemeigenen Beschreibung zum Risikomanagement findet sich folgende Aussage:
205
§ 4A-209 UCC, Comm. 3. § 4A-209 UCC, Comm. 3. 207 § 4A-209 UCC, Comm. 3. Vgl. auch Sheerbonnet Ltd. v. American Exp. Bank Ltd., 951 F.Supp. 403, 411 (S.D.N.Y. 1995). 208 Führt ein CHIPS-Teilnehmer den Überweisungsauftrag nicht aus, hat er den Überweisungsbetrag gemäß § 4A-402 (d) UCC zurückzuerstatten. Analog § 4A-402 (c) UCC erlischt nämlich bei Nichtausführung die Forderung gemäß Ziff. 2 CHIPS-Rulebook. Eine Analogie ist erforderlich, weil § 4A-402 (c) UCC voraussetzt, dass eine Annahme des Überweisungsauftrags erfolgt ist, da erst in diesem Zeitpunkt eine Forderung des empfangenden Teilnehmers entsteht. Durch Ziff. 2 CHIPS-Rulebook wurde der Entstehungszeitpunkt jedoch nach vorne verlegt, sodass bereits mit Freigabe durch CHIPS eine Forderung des den Überweisungsauftrag empfangenden Teilnehmers gegen den einreichenden Teilnehmer entsteht. Der Regelungsgedanke, dass eine Forderung hinsichtlich des Überweisungsbetrags bei Nichtausführung erlöschen soll, erlangt in diesem Kontext gleichermaßen Bedeutung, was die Analogie rechtfertigt. 206
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„Payment messages that have been successfully processed are irrevocable and final within the system. Any return of funds is a matter which willl be dealt between the sending and the receiving participants and such return of funds via the EURO1 system necessitates the sending of a new payment message for an amount as will cancel the effects of the previously processed payment message [Hervorh. d. Verf.].“209
Auch bei EURO1 scheint ein verarbeiteter Zahlungsauftrag nur „within the system“ unwiderruflich und endgültig zu sein. Das bedeutet allerdings wohl lediglich, dass der Zahlungsauftrag ab diesem Zeitpunkt endgültig und unwiderruflich in der Abrechnung berücksichtigt wird. Dies ist auch insofern zwingend, da EURO1 fortlaufend während des Abrechnungstages einen zum jeweiligen Zeitpunkt rechtlich verbindlichen Saldo hinsichtlich aller übrigen unmittelbar an der Abrechnung beteiligten Teilnehmer berechnet. Die unwiderrufliche Einstellung in die Abrechnung bedeutet allerdings nicht, dass die den Überweisungsauftrag empfangende Bank ihn auch ordnungsgemäß ausführen muss. Diese Pflicht beruht nach der hier vertretenen Auffassung auf einem gesonderten Rechtsverhältnis, das durch die beiden Banken gesondert geschlossen wird.210 Eine Ausführungspflicht besteht allerdings auch bei EURO1 selbstverständlich dann, wenn die empfangende Bank gleichzeitig die Bank des Überweisungsempfängers ist. Dann erwirbt der Überweisungsempfänger im Zeitpunkt der Erlangung der Deckung zur Ausführung des Überweisungsauftrags durch die Empfängerbank, das heißt mit Abschluss des Settlement, einen Herausgabeanspruch gegen diese aus § 675t BGB beziehungsweise §§ 675c I, 667 Alt. 2 BGB, also einen Anspruch auf Gutschrift des Überweisungsbetrags. Diese Verpflichtung der Empfängerbank besteht allerdings gegenüber dem Überweisungsempfänger. Die vorgeschaltete Bank hat hingegen keinen Anspruch auf Gutschrift zugunsten des Überweisungsempfängers. Folgt man dieser Rechtsauffassung, ergeben sich keine Unterschiede zur Rechtslage nach dem UCC. d) Das Verhältnis des Abrechnungsvertrags zu Rechtsverhältnissen der Teilnehmer mit Dritten Laut Canaris hatte die Abrechnung durch das ehemalige beleggebundene Verfahren der Deutschen Bundesbank beim Giroverkehr „Reflexwirkungen zuguns-
209
King, Back Office and Operational Risk, S. 247. Führt die zwischengeschaltete Bank den Überweisungsauftrag allerdings nicht aus, besteht kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen. Der erlangte Vorteil ist nach deutschem Recht gemäß den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben, vgl. auch Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 899. 210
118
2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
ten von Dritten“211.212 Der Anspruch auf Gutschrift des Empfängers war, bekam seine Bank den Überweisungsauftrag über eine andere an das Abrechnungssystem angeschlossene Bank erteilt, ‚stärker‘ als bei einer Durchführung der Überweisung unter Zuhilfenahme einer „einfachen“ Korrespondenzbank.213 Seine Auffassung beruhte maßgeblich darauf, dass der Anspruch auf Gutschrift gemäß § 667 BGB nicht bestand oder nachträglich (teilweise) erlosch, wenn der erlangte und herauszugebende Anspruch aus der Gutschrift gegenüber der Korrespondenzbank nicht werthaltig war oder aber seine Werthaltigkeit nachträglich – beispielsweise wegen der Insolvenz der vorgeschalteten Korrespondenzbank – verlor.214 Da ein Zahlungsausfall der Deutschen Zentralbank jedoch nicht vorstellbar war, bestand der Anspruch auf Gutschrift zugunsten des Empfängers in diesem Fall stets.215 Die Geltendmachung einer fehlenden Werthaltigkeit, gleich zu welchem Zeitpunkt, war nicht denkbar. Die von Canaris behauptete Reflexwirkung war damit jedenfalls nur faktischer und nicht rechtlicher Natur. Nach damals und heute herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum besteht der Anspruch auf Gutschrift zugunsten des Empfängers zudem bereits bei Erhalt einer bloß nominellen, buchmäßigen Deckung.216 Eine 211 Staub/Canaris,
Bankvertragsrecht I, Rn. 910. Bei der Einlösung von Forderungspapieren wie Lastschriften war laut Canaris sogar eine Reflexwirkung zulasten Dritter möglich, vgl. hierzu Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 911. 212 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 910. Vgl. zum englischen Recht nur Cranston, Principles of Banking Law, S. 52 ff., 282. 213 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 910. 214 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 402. Hierzu auch OLG Stuttgart 16.11.1949, NJW 1950, 645, 646; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675f BGB Rn. 34. 215 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 910. 216 BGH 15.03.2005, WM 2005, 1019, 1021 (Tz. 20) m. Anm. Wülfing, ITRB 2005, 199; OLG Dresden 25.11.2008, OLGR-Dresden 2009, 378, 379 (Tz. 11). Zur steckengebliebenen Überweisung auch LG Frankfurt 11.06.1975, WM 1976, 803, 804 m. zust. Anm. Riesenkampff, NJW 1976, 321; PWW/Fehrenbacher, § 675t BGB Rn. 2; Erman/Graf von Westphalen, § 675t BGB Rn. 2; MünchKomm/Häuser, Giroverhältnis Rn. B 493; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 54; Heublein, ZIP 2000, 161, 163. Vgl. auch auch ErwGr. 80 ZDR II. Unklar hingegen Ellenberger/Findeisen/Nobbe/Burghardt, § 675t BGB Rn. 6, der davon spricht, dass der Zahlungsdienstleister „den zugegangenen Geldbetrag allerdings nur in dem Umfang rechtlich verfügbar machen [muss], in dem er ihn seinerseits im Clearing oder vom Zahlungsdienstleister des Zahlers erhalten hat.“ Im Weiteren spricht er jedoch nur Fälle an, in denen es um eine noch nicht endgültige Verfügbarmachung geht. A.A. allerdings Bamberger/Roth/Hau/Poseck/ Schmalenbach, § 675f BGB Rn. 34. Eine entsprechende Auslegung des § 675t BGB muss auch im Rahmen des § 675y I S. 1, 4 BGB berücksichtigt werden. Die Bank des Überweisenden würde nur dann von ihrer Haftung befreit, wenn sie im Bestreitensfalle nachweisen kann, dass der Bank des Überweisungsempfängers ein werthaltiger Anspruch (aus einer Gutschrift) zur Verfügung steht. Kann sie dies nicht, hat sie einen Regressanspruch gegen die insolvente zwischengeschaltete Bank auswählende Bank gemäß § 676a BGB. Bei dieser liegt grundsätzlich
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tatsächliche Werthaltigkeit des Anspruchs ist – entgegen der Auffassung von Canaris – nicht erforderlich. Zwar erscheint es zunächst kurios, dass die Bank an den Empfänger (wirtschaftlich betrachtet) mehr herausgeben muss, als sie selbst erlangt hat. Sie muss nämlich einen entleerten, nicht werthaltigen Anspruch als (werthaltigen) Anspruch gegen sich selbst an den Empfänger herausgeben. Dies wird von Canaris mit Hinweis auf die Funktion und Interessenlage der Banken, die lediglich „Mittlerinnen“ im Zahlungsverkehr sind, abgelehnt.217 Hierbei verkennt Canaris jedoch die zentrale Rolle, die Banken im Zahlungsverkehr spielen. Die girovertraglich miteinander verbundenen Banken führen die Zahlungsvorgänge aus und können am besten beurteilen, wie es um die Solvenz der mit ihnen verbundenen Korrespondenzbanken bestellt ist. Die Banken suchen ihre Vertragspartner zur Ausführung der Überweisung aus. Sie haben es insofern in der Hand, rechtzeitig die girovertraglichen Bindungen zu ihren sich in Zahlungsschwierigkeiten befindenden Korrespondenzbanken zu beenden. Dies rechtfertigt, dass ein Empfänger gegen seine Bank einen Anspruch auf Gutschrift hat, obwohl diese ihren Anspruch aus der Gutschrift gegen ihre Korrespondenzbank wegen mangelnder Werthaltigkeit nicht durchsetzen kann.218 Auch nach der vorgenannten Auffassung von Canaris würde der Überweisungsempfänger allerdings dann einen Anspruch auf Gutschrift erwerben, wenn die Empfängerbank die Erteilung des abstrakten Schuldversprechens gegenüber ihm pflichtwidrig verzögert hat und nach dem letztmöglichen pflichtgemäßen Wertstellungsdatum die Insolvenz der weiterleitenden zwischengeschalteten Bank eingetreten ist. Der Anspruch auf Gutschrift folgt dann allerdings aus § 287 S. 2 BGB.219 Im US-amerikanischen Recht allerdings lässt sich eine der Mindermeinung zum deutschen beziehungsweise europäischen Recht ähnliche Reflexwirkung feststellen. So gilt nach dem UCC ein Überweisungsauftrag bereits in dem Moment als angenommen, in dem eine Bank endgültigen Ausgleich über ein Zahlungssystem erhält (vergleiche §§ 4A-209(b)(1), 4A-403 (a)(1) UCC).220 Gibt beispielsweise CHIPS einen Überweisungsauftrag frei, vollzieht es gleichzeitig die (je nach Abrechnungsmodus) erforderlichen Saldobuchungen. Damit gilt nach Ziff. 13 (b) CHIPS-Rulebook der Ausgleich als endgültig vollzogen („final settlement“). Der zwischen den Teilnehmern bestehende Anspruch in Höhe des Überweisungsbetrages gemäß Ziff. 2 (d) CHIPS-Rulebook wird dadurch erfüllt. die Ursache für die Haftung des zwischengeschalteten Zahlungsdienstleisters (zur Ausnahme sogleich im Text). 217 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 402. 218 A.A. ausdrücklich Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 402. 219 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 402, zum Eintritt des Verzugs insbesondere auch Rn. 406. 220 Oben S. 68 f.
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Dies entspricht der Regelung in § 4A-403 (a)(1), (b) UCC, dessen Absatz (b) speziell an das Verfahren von CHIPS angepasst ist.221 Ist die empfangende an CHIPS teilnehmende Bank gleichzeitig auch die Bank des Überweisungsempfängers, gilt in diesem Moment der über CHIPS übermittelte Überweisungsauftrag als angenommen (§ 4A-209 (b)(1) Alt. 1 UCC). Gleichzeitig tritt gemäß § 4A-406(a) UCC Erfüllung der Forderung im Valutaverhältnis ein. Dann erfolgen also die Erfüllung der Forderung im Interbankenverhältnis, die Annahme des Überweisungsauftrags durch die Empfängerbank und die Erfüllung der Forderung aus dem Valutaverhältnis von Gesetzes wegen gleichzeitig in dem Zeitpunkt, in dem die Empfängerbank den Überweisungsauftrag durch das System übermittelt bekommt.222 Im traditionellen Korrespondenzbankenverkehr ist jedoch grundsätzlich noch eine Annahmehandlung durch die Bank des Überweisungsempfängers erforderlich. Jedoch gilt auch im „traditionellen“ Korrespondenzbankverkehr ein Überweisungsauftrag durch die Bank des Überweisungsempfängers unter bestimmten Bedingungen auch durch Zeitablauf als angenommen (vergleiche § 4A-209 (b)(2), (3) UCC). Doch behält die Bank des Überweisungsempfängers in diesen Fällen das Recht, den Überweisungsauftrag gemäß § 4A-210 UCC, auch grundlos, zurückzuweisen.223 Diese Möglichkeit hat die Bank des Überweisungsempfängers nicht, wenn sie den Überweisungsbetrag und die erforderliche Deckung über CHIPS erlangt. Daneben misst der Gesetzgeber des UCC den Geschäftsbedingungen von Zahlungssystemen („funds-transfer system rule“) große Bedeutung zu. Er räumt den Systembetreibern gemäß § 4A-501 (b) UCC einen sehr weiten Gestaltungsspielraum ein. So können diese in den Geschäftsbedingungen sogar von grundsätzlich zwingenden Bestimmungen des UCC abweichen. Dies gilt ausdrücklich auch für den Fall, dass diese Bestimmungen (negative) „Reflexwirkungen“ für Dritte in der Überweisungskette zeitigen. Darüber hinaus wird den Systembetreibern sogar gestattet, durch die Geschäftsbedingungen des Systems bestimmte Rechte und Pflichten von Nichtteilnehmern unmittelbar zu ändern (siehe §§ 4A-404 (c), 4A-405 (d), und 4A-507 (c) UCC), diese also (teilweise) den systemeigenen Geschäftsbedingungen zu unterwerfen. Insbesondere kann in den Geschäftsbedingungen eine für alle Beteiligten eines Überweisungsvorgangs bindende Rechts-
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Hierzu noch unten S. 126. Zur entsprechenden Situation bei Nutzung von Fedwire, vgl. § 4A-107 UCC, Comm. 1. 223 Vgl. Baxter/Heller/Forman/Cavanagh, Funds Transfers, S. 45. Kritisch allerdings Sheerbonnet Ltd. v. American Exp. Bank Ltd., 951 F.Supp. 403, 411 (S.D.N.Y. 1995). Das Urteil wird allerdings in Rechtsprechung und Literatur heftig kritisiert, vgl. § 1–103 UCC, Comm. 2; auch Chino Commercial Bank N.A. v. Peters, 118 Cal.Rptr.3d 866, 875 f. (Cal.App.4th 2010). 222
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wahl getroffen werden.224 Eine derartig weitgehende Erstreckung kennt das deutsche Recht beispielsweise nicht. 2. Die Verrechnungsebene bei Nettingsystemen In den vorangehenden Abschnitten wurden die grundlegenden Rechtsbeziehungen auf obligatorischer Ebene erörtert. In Nettingsystemen tritt zudem die dingliche Seite der Verrechnung hinzu. Das Paradebeispiel für ein (multilateral) verrechnendes System war in Deutschland lange Zeit das ehemalige beleggebundene Abrechnungsverfahren der Deutschen Bundesbank, auf das schon oben wiederholt Bezug genommen worden ist. Dieses stellte (neben dem Skatspiel)225 den Kulminationspunkt für die Dogmatik der (vertraglich geregelten) multilateralen Verrechnung im deutschen Recht dar.226 Dieses steht daher zunächst im Mittelpunkt der Untersuchungen. Ebenfalls deutschem Recht unterliegt auch EURO1, welches ausweislich der Systembeschreibung „on a multilateral net basis“227 arbeitet. Allerdings werden im Rahmen des Systems die eingereichten Zahlungsaufträge nicht im rechtlichen Sinn miteinander multilateral verrechnet, da jeder Zahlungsauftrag einzeln verarbeitet wird und unmittelbar zu einer rechtsverbindlichen Änderung der „single obligation“ beziehungsweise des „single claim“ führt.228 Multilateral ist bei EURO1 lediglich die Wirkung, nicht die Begründung des Abrechnungsergebnisses.229 Für den anglo-amerikanischen Raum und sogar weltweit ist allerdings immer noch CHIPS das vielleicht prominenteste Beispiel eines (auch) multilateral verrechnenden Systems.230 Im Gegensatz zu EURO1 wird bei CHIPS gemäß Ziff. 13 (b)(3) CHIPS-Rulebook auch im Rechtssinne multilateral verrechnet. Zwar findet nach dem dortigen Verfahren 224
Hierzu ausführlich unten S. 228 ff. Canaris, WM 1976, 994, 1003. Vgl. auch Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885; Söffing, Die Skontration, S. 88. Ein weiteres Beispiel sind Konzernverrechnungsklauseln. 226 Vgl. nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885. Allerdings ist die Auffassung, dass es sich beim Abrechnungsverkehr der deutschen Bundesbank um einen Fall multilateraler Verrechnung handelt, nicht unumstritten. Nach Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 58 entstehen von vornherein „Forderung und Schulden zwischen der [Bundesbank] und jedem Teilnehmer entsprechend den Taschenaufschriften und den Einlieferungsverzeichnissen […]. Es [bestehe deshalb] zwischen der [Bundesbank] und jedem Teilnehmer eine rein zweiseitige Aufrechnungslage.“ Zur berechtigten Kritik an dieser Auffassung bereits Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 889. 227 . 228 Vgl. . 229 Vgl. auch allgemein Cranston, Principles of Banking Law, S. 294, wobei jedoch nicht unbedingt eine zentrale Gegenpartei eingeschaltet sein muss, die Vertragspartner der Teilnehmer hinsichtlich der einzelnen Transaktionen wird. 230 Zu den verschiedenen CHIPS-Abrechnungsmodi bereits oben S. 98 ff. 225
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zunächst, wenn möglich, eine bilaterale Verrechnung beziehungsweise Aufrechnung in den einzelnen Verhältnissen statt, die von CHIPS in den Freigabevorgang einbezogen werden. Danach werden jedoch die auf diese Weise gebildeten „bilateral net balances“ multilateral miteinander verrechnet. Aufgrund der weltweiten Bedeutung von CHIPS ist auch ein Blick auf die Dogmatik der multilateralen Verrechnung im anglo-amerikanischen Rechtsraum interessant, welcher später vorgenommen werden soll. Diese Betrachtung ist nicht lediglich ein juristisches „Glasperlenspiel“, da gerade die Rechtsverbindlichkeit des Abrechnungsergebnisses von herausgehobener Bedeutung für das Risikomanagement von Nettingsystemen ist.231 Der Bestand des Abrechnungsergebnisses muss in allen relevanten Jurisdiktionen gewährleistet sein. Eine entsprechende Überprüfung hat sich EURO1 unterzogen.232 Hierfür spielt es keine Rolle, dass es nicht im rechtlichen Sinne multilateral verrechnet, da auch der Bestand von bilateralen Verrechnungsvorgängen oder Aufrechnungsvorgängen im Insolvenzfalle einers oder mehrerer teilnehmender Banken sichergestellt sein muss. Inzwischen ist außerdem die FRL in Kraft getreten, die innerhalb des EWR den Bestand des Abrechnungsergebnisses (verrechnender) Zahlungs- und Wertpapierhandelssysteme im Insolvenzfall einer oder mehrere Teilnehmer gewährleistet.233 Auch bei CHIPS hat laut eigenem „Self-Assessment“ aus dem Jahr 2016 das Abrechnungsergebnis im Fall der Insolvenz eines oder mehrerer Teilnehmer Bestand.234 Zur dogmatischen Erklärung des ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehrs der Deutschen Bundesbank (und davor der Reichsbank) wurde eine
231 So ist die Endgültigkeit des Abrechnungsergebnisses auch erstes Gebot der Lamfalussy-Standards für Nettingsysteme, Committee on Interbank Netting Schemes, Lamfalussy-Report, S. 17. Demnach muss sichergestellt sein, dass unter jeglichen Umständen, insbesondere im Insolvenzfall eines oder mehrerer Teilnehmer, einzig und allein das „Verrechnungsergebnis“, im Gegensatz zu den dort verrechneten Einzeltransaktionen, durchsetzbar ist und zwar nach „(a) the law of the country in which the counterparty is chartered and, if the counterparty is a branch of a foreign bank, then also under the law of the jurisdiction in which the branch is located; (b) the law that governs the individual transactions subject to the netting scheme; and (c) the law that governs any contract or agreement necessary to effect the netting.“ Vgl. auch Cranston, Principles of Banking Law, S. 290, 293. 232 Hierzu S. 91. 233 Vgl. Art. 3 FRL, in Deutschland umgesetzt in §§ 21 II, 96 II, 147 InsO. Vgl. auch Oversight Assessment of the EURO System of the EBA Clearing Company (EURO 1) Against the CPSS Core Principles, S. 10 f.; Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-Border Electronic Banking, S. 14. 234 The ClearingHouse, Self-Assessment of Compliance With Core Principles For Systemically Important Payment Systems, S. 13, abrufbar unter: .
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Vielzahl von verschiedenen „Denkmodellen“ entwickelt.235 In dieser Arbeit soll lediglich auf die von der überwiegenden Auffassung vertretene Rechtsfigur der „Skontration“ eingegangen werden.236 Dieser liegt ein „Verfügungsvertrag mit Erfüllungswirkung“237 zugrunde, der von der ganz herrschenden Lehre als mehrseitiger Aufrechnungsvertrag verstanden wird.238 Neben dieser vertraglichen Natur unterscheidet sich die Skontration von der herkömmlichen Rechtsfigur der Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. BGB gerade dadurch, dass die Verrechnungswirkung nicht auf zwei Personen beschränkt bleibt.239 Mangels Gegenseitigkeit240 der zu verrechnenden Forderungen ist diese Voraussetzung der Aufrechnung durch den Skontrationsvertrag abbedungen.241 235 Vgl. hierzu nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 884, der allerdings lediglich auf die laut ihm einzige noch hervorhebenswerte „Giroüberweisungstheorie“ von Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 40 f. eingeht, diese aber im Ergebnis zu Recht ablehnt. 236 BGH 28.09.1972, WM 1972, 1379, 1379 (Tz. 10); Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 95; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885; Canaris, WM 1976, 994, 997 f.; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 7; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 397 f. Vgl. auch jurisPK/Rüßmann, § 387 BGB Rn. 124. 237 Canaris, WM 1976, 994, 997. Vgl. auch Söffing, Die Skontration, S. 90; Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S. 366. 238 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885; Canaris, WM 1976, 994, 997; Gursky, Vorb. zu §§ 387 ff. BGB Rn. 93; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 398; Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 185 ff.; jurisPK/Rüßmann, § 387 BGB Rn. 124; MünchKomm/Schlüter, § 387 BGB Rn. 52. Teilweise wurde der mehrseitige (dingliche) Vertrag früher auch als Erlassvertrag eingeordnet, vgl. nur Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885. Die Rechtsprechung zum ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr ließ die Rechtsnatur offen, BGH 28.09.1972, WM 1972, 1379, 1379 (Tz. 11). Zur Kritik Canaris, WM 1976, 994, 997 f.; Söffing, Die Skontration, S. 78. Auch ist die Skontration nicht mit einem Kontokorrent gleichzusetzen. Der Zweck einer Skontration liegt nämlich in ihrer Erfüllungswirkung und nicht in einer Erneuerung der rechtlichen Grundlage von Ansprüchen. Dieser novatorische Gedanke ist beim Kontokorrent jedoch stark ausgeprägt, Canaris, WM 1976, 994, 998. Auch muss hiervon die Frage getrennt werden, ob die Saldoforderung bzw. -schuld nach Verrechnung gegenüber einer dritten Person, in der Regel gegenüber dem Systembetreiber oder der Gemeinschaft der übrigen Teilnehmer begründet wird, die Begründung der Saldoforderung nach Verrechnung also „novatorischen Charakter“ hat, Canaris, WM 1976, 994, 998. 239 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885, 887. Hierzu auch das Beispiel oben S. 81 f. 240 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 95; Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885; Canaris, WM 1976, 994, 997. Vgl. auch Söffing, Die Skontration, S. 77. Siehe zum Merkmal der Gegenseitigkeit bei der Aufrechnung nur Palandt/Grüneberg, § 387 BGB Rn. 4. 241 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885; Canaris, WM 1976, 994, 997, der insofern auch auf den Rechtsgedanken aus §§ 185, 362 II BGB verweist. Vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 95; Söffing, Die Skontration, S. 77.
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Eine weitere Besonderheit im Vergleich zur Rechtsfigur der Aufrechnung des BGB ist der Gegenstand der Skontration beim ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank. Nach überwiegender Auffassung gelangten dort nämlich nicht nur Forderungen, sondern auch (bloße) Leistungen, auf die also kein Rechtsanspruch bestand, zur Verrechnung.242 Teilweise wurde sogar die Auffassung vertreten, dass ausschließlich Leistungen der Abrechnungsteilnehmer Gegenstand der Skontration seien.243 Die Antwort auf die Frage nach dem Gegenstand der Skontration ist dabei eng mit der rechtlichen Grundlage der einzelnen Zahlungsaufträge und der Frage verbunden, ob aus diesem Grundlagengeschäft eine Verpflichtung zur Ausführung eines eingereichten Zahlungsauftrags erwächst. Geht man davon aus, dass beim ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank wie bei einem Girovertrag aus dem Abrechnungsvertrag der Teilnehmer untereinander eine Pflicht zur Ausführung der eingereichten Überweisungsaufträge resultiert, dann wurden insofern Forderungen zur Verrechnung gestellt.244 Ergab sich eine Pflicht zur Ausführung der Überweisung aus dem Abrechnungsvertrag, der Rechtsnatur nach ein (gegenseitiger) Geschäftsbesorgungsvertrag,245 musste man konsequenterweise für das deutsche Recht davon ausgehen, dass als Komplement der Ausführungsverpflichtung auch eine Verpflichtung des beauftragenden Teilnehmers auf Leistung eines Vorschusses gemäß § 669 BGB an den beauftragten Teilnehmer in Höhe der zur Ausführung der Platzübertragung erforderlichen Deckung entstand. Dieser wandelte sich im Zeitpunkt der Ausführung des Überweisungsauftrags durch die beauftragte Bank in den dauerhaften An-
242 Zum ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 95; Canaris, WM 1976, 994, 999 f. Vgl. auch Söffing, Die Skontration, S. 86 f. 243 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 885, dabei lässt er in der zugrundeliegenden Abhandlung, Canaris, WM 1976, 994, 999 f., jedoch mögliche Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Vorschuss außer Acht. Ebenso Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 8. Vgl. zur Skontration von Leistungen bei Spielschulden auch Söffing, Die Skontration, S. 88. 244 Nach Canaris, WM 1976, 994, 999 wurde allerdings auch hier eine „Leistung“ in die Abrechnung eingestellt, da die Platzübertragung nicht der Erfüllung einer Forderung diente, die zwischen den beiden an der Abrechnung teilnehmenden Banken bestand. In letzterem Fall wurde hingegen diese Forderung Gegenstand der Skontration. Warum er die Einbeziehung des Anspruches auf Vorschuss oder Aufwendungsersatz in die Skontration nicht einmal erwägt, erschließt sich nicht. Schließlich geht er augenscheinlich auch von einer Verpflichtung zur Ausführung aus, vgl. Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 905 (auch bei Forderungspapieren durch die Nichtrückgabe bis zum Ablauf der Rückgabefristen der Ziff. 17 der Geschäftsbedingungen des ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehrs der Deutschen Bundesbank, Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 907). 245 Oben S. 112.
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spruch auf Aufwendungsersatz aus § 670 BGB um.246 Auch beim Lastschriftinkasso wurde im Falle der Nichtrückgabe bis zum Abrechnungstermin (vergleiche Ziff. 17 der Geschäftsbedingungen des ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehrs der Deutschen Bundesbank) ein Anspruch auf Vorschuss gemäß § 669 BGB beziehungsweise Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB angenommen.247 Teilweise wurden auch die unmittelbar zwischen zwei Abrechnungsteilnehmern bestehenden Forderungen aus einem Kausalvertrag, beispielsweise aus einem Kaufvertrag über Devisen, als in die Verrechnung als eingestellt angesehen.248 Anders hingegen wurde die Situation beim sogenannten Scheckinkasso über den Abrechnungsverkehr betrachtet. Auch ohne Einschaltung eines Zahlungssystems liegt beim Scheckinkasso zwischen der Bank des Scheckinhabers und der bezogenen Bank ein selbständiges Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht vor.249 Selbst wenn diese selbständige vertragliche Grundlage durch den multilateralen Abrechnungsvertrag ersetzt werde, ändere sich an dieser Situation im Grundsatz nichts.250 Sieht man hingegen die Grundlage für die einzelnen Zahlungsaufträge „außerhalb“ des Abrechnungsvertrags, sodass eine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Ausführung erst mit Annahme des Zahlungsauftrags durch die empfangende Bank entsteht, werden in der Regel mangels entsprechender Ansprüche auf Vorschuss oder Aufwendungsersatz, die erst mit Annahme entstehen, lediglich Leistungen skontriert. Beim ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank waren die Wirkungen der Skontration zudem nicht nur auf die Teilnehmer beschränkt. Die Forderungen und Schulden aufgrund der Skontration ver246 Vgl. Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 199 f.; Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 50. Daneben kann nach Pfister auch ein Anspruch auf Wertherausgabe gemäß § 667 BGB der Rechtsgrund für die Zahlungen zwischen den Teilnehmern des Zahlungssystems sein. Dieser würde lediglich „erfüllt [werden], bevor die zahlende Bank ihrerseits den Betrag von ihrem Kunden tatsächlich erhalten hat.“ Dieser Argumentation kann nicht zugestimmt werden, da der Anspruch nicht zwischen den beiden Teilnehmern, sondern zwischen dem Teilnehmer und seinem Vertragspartner besteht. Er erwächst aus dem Vertragsverhältnis zwischen den beiden Letzteren und kann nicht als Rechtsgrund für eine Zahlung im Verhältnis der beiden Teilnehmer untereinander dienen. 247 Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 204. 248 Canaris, WM 1976, 994, 999 f.; Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 50 (Fn. 127). Differenzierend je nach dem, wer die Forderung in die Abrechnung eingebracht hat, Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 213 f. 249 Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 210. Zu weiteren Abrechnungspapieren Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 211 ff. Vgl. zur Situation, in der weitere Banken hinzutreten, Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 137. 250 Vgl. Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 210.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
blieben beziehungsweise entstanden nämlich nicht unter den Teilnehmern untereinander, sondern ausschließlich gegenüber der Bundesbank. Laut Canaris stellte die Abrechnung der Deutschen Bundesbank deshalb kein „reines“ Modell der Skontration dar.251 Bei der Begründung der Ausgleichsansprüche, nicht jedoch bei der Verrechnung selbst, besaß der Abrechnungsverkehr in einem gewissen Maß novierenden Charakter.252 Dieses nicht „reine“ Modell der Skontration ist typisch für Nettingsysteme, deren Ziel es gerade ist, die Anzahl der vorzunehmenden Zahlungsvorgänge zu reduzieren.253 Auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis wird die dingliche Verrechnungswirkung entsprechend der überwiegenden Meinung zum deutschen Recht mit der Rechtsfigur der Aufrechnung erklärt.254 Allerdings bestehen im Common Law gegenüber einer solchen große Vorbehalte, da es regelmäßig an der Gegenseitigkeit der Forderungen fehlt.255 Jedoch ist in den USA der Gesetzgeber tätig geworden und hat mit § 4A-403 (b) UCC eine solche multilaterale Verrechnung in „funds-transfer systems“ ausdrücklich zugelassen und das Verrechnungsergebnis für rechtsverbindlich erklärt.256 Er hat sich in seinen Regelungsüberlegungen insbesondere an den Bedürfnissen von CHIPS orientiert. 251 Staub/Canaris,
Bankvertragsrecht I, Rn. 888. Canaris, WM 1976, 994, 1006. 253 Es geht eben nicht lediglich darum, Buchungsvorgänge zu vermeiden, Canaris, WM 1976, 994, 996. A.A. ist allerdings Pfister, ZHR 143 (1979), 24, 58, der die Existenz eines Skontrationsvertrages abstreitet. Nach seinem Modell kommen lediglich Forderungen und Schulden gegnüber der Bundesbank zur Aufrechnung. 254 Vgl. § 4A-403 (b) UCC („The aggregate balance of obligations owed by each sender to each receiving bank in the funds-transfer system may be satisfied, to the extent permitted by the rules of the system, by setting off and applying against that balance the aggregate balance of obligations owed to the sender by other members of the system [Hervorh. d. Verf.].“). Ebenso in In re Lehman Bros. Inc., 458 B.R. 134, 139 (S.D.N.Y. 2011) zu einer multilateralen Verrechnungsklausel („Under New York law, parties are free to create contractual setoff rights that differ from those provided by common law or statute [Hervorh. d. Verf.].“). Vgl. auch Brosterman/Cerria/Olsen/Speiser/Szyfer, P.J.B.L. 2015, 129, 131. 255 Vgl. Cranston, Principles of Banking Law, S. 294; Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), CrossBorder Electronic Banking, S. 13. Vgl. auch Geva, The Law of Electronic Funds Transfers, § 3.02 [1]; Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing systems, Rn. 4–009. Allerdings wurde ein vertraglich vereinbarte multilaterale Verrechnung („triangular set-off“) unter New Yorker Recht außerhalb eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich als rechtsverbindlich angesehen, In re Lehman Bros. Inc., 458 B.R. 134, 139 (S.D.N.Y. 2011); zu weiterem Fallrecht auch Brosterman/Cerria/Olsen/Speiser/Szyfer, P.J.B.L. 2015, 129, 131 ff. 256 § 4A-403 UCC, Comm. 4: „This provision is intended to invalidate any argument, based on common-law principles, that multilateral netting is not valid because mutuality of obligation is not present. Subsection (b) dispenses with any mutuality of obligation requirements.“ Für Banken ist zudem das bundesrechtliche insolvenzrechtliche Sonderregime im Federal Deposit Insurance Corporation Improvement Act (FDICIA) aus dem Jahr 1993 (12 U.S.C. §§ 4400 ff.) 252
B. Interbankenabkommen und sonstige Rahmenverträge
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Anders als beim ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank kommen bei CHIPS keine Leistungen zu Verrechnung. Dort entstehen nämlich gemäß Ziff. 2 (d) CHIPS-Rulebook durch die Freigabe von Überweisungsaufträgen Forderungen zwischen den Teilnehmern. Diese werden allerdings unmittelbar mit der Freigabe im Rahmen des Settlement gemäß Ziff. 13 CHIPS-Rulebook erfüllt, gegebenenfalls durch Verrechnung mit anderen Forderungen. Verrechnungsgegenstand bei CHIPS sind damit niemals Leistungen, sondern ausschließlich Forderungen, deren Erfüllung (teilweise) durch Verrechnung erfolgen kann (vergleiche Ziff. 13 (b)(2), (3) CHIPS-Rulebook).
B. Interbankenabkommen und sonstige Rahmenverträge Eine Abwicklung von Zahlungen über Zahlungssysteme ist nicht immer möglich. Grundlage des Überweisungsverkehrs ist, wie oben ausgeführt, vielmehr immer noch der Korrespondenzbankenverkehr. Damit auch innerhalb des Korrespondenzbankenverkehrs eine einheitliche und zügige Abwicklung von Zahlungen gewährleistet werden kann, wurden Regelwerke entwickelt, in denen Grundanforderungen für die Ausführung von Zahlungsaufträgen bestimmt werden.257 Der Schwerpunkt liegt dabei in der Regel auf den technischen Standards, insbesondere auf den Spezifikationen der Datenübermittlung, und die Zuordnung der sich hieraus ergebenden Risiken.258 I. Single Euro Payments Area (SEPA) Die Ausarbeitung von Interbankenabkommen zur Harmonisierung des Überweisungsverkehrs übernehmen typischerweise die Spitzenverbände der jeweiligen Banken. So erarbeitete ursprünglich der „Zentrale Kreditausschuss“, in dem sich
zu beachten, wonach das Verrechnungsergebnis auch im Insolvenzfalle einer oder mehrerer Banken rechtsverbindlich ist; vgl. auch Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-Border Electronic Banking, S. 13 Fn. 28. 257 Als eines der ersten Abkommen in dieser Hinsicht können die „Richtlinien für eine einheitliche Codierung von zwischenbetrieblich weiterzuleitenden Zahlungsverkehrsbelegen (Codier-Richtlinien)“ vom 01.05.1976 gesehen werden. Vgl. hierzu und zur weiteren Entwicklung Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 44 ff. Vgl. auch Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 25 ff. 258 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 42; Brauns, Die SEPA-Lastschrift, S. 40; Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 87 ff., 90 f.; MünchKomm/Herresthal, Giroverhältnis Rn. A 24.
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
seinerzeit die Spitzenverbände der Deutschen Kreditwirtschaft zusammengeschlossen hatten, das „Abkommen zum Überweisungsverkehr“.259 Durch die zunehmende europäische Integration und die damit einhergehende Gründung der Single Euro Payments Area waren entsprechende nationale Regelwerke jedoch nicht mehr ausreichend. Der Europäische Bankensektor gründete zu diesem Zweck im Jahr 2002 den „European Payments Council“ (EPC).260 Dieser arbeitete sowohl für Überweisungen („SEPA Credit Transfer Scheme Rulebook“ (SCT-Rulebook))261 als auch für Lastschriften (insbesondere das „SEPA Direct Debit Core Scheme Rulebook“) Regelwerke aus. In Deutschland wurde das oben genannte Überweisungsabkommen in Folge dessen durch das auf dem SCT-Rulebook basierende „Abkommen über die SEPA-Inlandsüberweisung“ ersetzt. Letzteres ist gemäß seiner Ziff. III.2 am 01.02.2014 in Kraft getreten und ergänzt das SCT-Rulebook insbesondere um Informationsrechte der Zahlungsdienstleister.262 Das Überweisungsabkommen hingegen ist gemäß seiner Ziff. 11 am 03.11.2014 endgültig außer Kraft getreten. Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf das SCT-Rulebook. Erfasst vom SCT-Rulebook sind nur SEPA-Überweisungen. Der Anwendungsbereich des SEPA-Rulebook und der ZDR II sind nicht deckungsgleich. Um vom sachlichen Anwendungsbereich des Rulebook umfasst zu sein, müssen die Überweisungen in Euro lauten (Ziff. 2.2 SCT-Rulebook), während die ZDR II grundsätzlich auch Überweisungen in EWR- und Drittstaatenwährungen erfasst. In räumlicher Hinsicht geht das Rulebook dagegen über die ZDR II hinaus, da vom Rulebook neben den Staaten des EWR auch die Schweiz, San Marino, Monaco und der Vatikan-Staat erfasst werden (Ziff. 2.1 SCT-Rulebook).263 Der Beitritt zum SCT-Rulebook erfolgt durch Unterzeichnung und Übersendung des SEPA Credit Transfer Adherence Agreement“ an das EPC.264 Dieses 259 Der „Zentrale Kreditausschuss“ ist heute in den „Verband der Deutschen Kreditwirtschaft“ übergegangen. Diesem Dachverband der deutschen Kreditwirtschaft gehören der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V., Berlin, der Bundesverband deutscher Banken e. V., Berlin, der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V., Berlin, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband e.V., Berlin/Bonn, der Verband deutscher Pfandbriefbanken e. V., Berlin an. Vertragspartner des Abkommen zum Überweisungsverkehr war zudem die Deutsche Bundesbank. 260 . 261 Derzeit liegt das SEPA Credit Transfer Scheme Rulebook in der Version 1.3 vom 22.11.2018 vor. Letzteres wird insbesondere ergänzt durch die SEPA Credit Transfer Scheme Inter-Bank Implementation Guidelines, und die SEPA Credit Transfer Scheme Customer-toBank Implementation Guidelines. Das Rulebook und die Guidelines sind unter abrufbar. 262 MünchKomm/Häuser, Überweisungsverkehr Rn. B 297. 263 Vgl. zu SEPA bereits oben S. 14 Fn. 29. 264 Vgl. zu den Details den „Guide to the Adherence Process for the SEPA Credit Transfer
B. Interbankenabkommen und sonstige Rahmenverträge
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trifft im Folgenden die „Zulassungsentscheidung“ nach den Kriterien gemäß Ziff. 5.4 SCT-Rulebook. Der Begriff des „Abkommens“ beziehungsweise „Rulebook“ darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich sowohl bei den Überweisungsabkommen wie bei den SEPA-Rulebooks um Vertragswerke handelt.265 Die Abkommen werden als Rahmen- oder auch Geschäftsbedingungsverträge qualifiziert.266 Fraglich ist jedoch, ob die Abkommen nicht auch als Geschäftsbesorgungsverträge eingestuft werden müssen, weil aus den Abkommen auch Handlungspflichten resultieren.267 Die teilweise in der Literatur vorgenommene Qualifikation der Abkommen als „private Rechtsnormen“268, durch die ein gesetzgeberisches Vakuum in diesem Bereich kompensiert werden soll,269 ist begrifflich nicht weiterführend und ohne Erkenntnisgewinn.270 Scheme“, abrufbar unter: . Die ehemaligen nationalen Abkommen zum Zahlungsverkehr wurden von den jeweiligen Verbänden als Stellvertreter ihrer Verbandsmitglieder geschlossen, Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 48 f. Vgl. zu den Einzelheiten auch Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 93 ff. 265 Brauns, Die SEPA-Lastschrift, S. 40; Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, S. 243. Zu den ehemaligen nationalen Überweisungsabkommen bereits Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 362. Eine Qualifikation als Verein oder BGB-(Innen-)Gesellschaft wird abgelehnt, Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 62 ff.; Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 362; Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 150 f. 266 Vgl. allgemein zu Bankenabkommen Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 462; Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 152 ff.; vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 67 f. 267 Hierzu sogleich unten S. 130. A.A. für die nationalen Überweisungsabkommen allerdings ausdrücklich Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 151 f. 268 So beispielsweise Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 77. 269 Vgl. Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 52, 73, demzufolge „in dem Überweisungsabkommen per se keine besondere Erscheinungsform des Vertrages gesehen werden [kann] [Hervorh. i. Orig.]“. Vgl. auch Hoeren, WM 2014, 1061, 1061. 270 Eine Gleichsetzung mit der staatlichen Normgebung verbietet sich von vornherein, da eine Bindung an die Normen grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Willensbetätigung erfolgt. A.A. Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 72 f.; kritisch auch Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, S. 41. Zur Einordnung als Handelsbrauch im Sinne von § 346 HGB, Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 583 (zum ehemaligen Abkommen über den Lastschriftverkehr); a. A. Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 69 f. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass „Überweisungsabkommen aufgrund fehlenden dispositiven Rechts für eine Vielzahl von bargeldlosen Überweisungsvorgängen konzipiert wurden [Hervorh. d. Verf]“, Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 53. Ansonsten würde sich beinahe jeder Rahmenvertrag als „Gesetz“ qualifizieren. Auch eine Einbeziehung mehrerer Parteien kann an dem Vertragscha-
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2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
Das SCT-Rulebook enthält insbesondere Bestimmungen für die Ausführung von Überweisungszahlungen innerhalb der SEPA. Die Pflichten der Teilnehmer untereinander in ihrer jeweiligen Funktion als Bank des Überweisenden oder des Überweisungsempfängers sind umfassend in den Ziff. 5.7 und 5.8 SCT-Rulebook niedergelegt. Die Bank des Überweisenden muss der Empfängerbank insbesondere die notwendigen Empfängerdaten in der durch das Rulebook bestimmten Form zukommen lassen und ihr den Überweisungsbetrag rechtzeitig „übermitteln“, so dass diese wiederum ihren Pflichten nach dem SCT-Rulebook rechtzeitig nachkommen kann (Ziff. 5.7 Spiegelstr. 5, 16 SCT-Rulebook). Die verwendeten Datensätze und Attribute sowie weitere organisatorische Bestimmungen (zum Beispiel Geschäftszeiten und Übermittlungszeiten) sind unter der Ziff. 4 SCT-Rulebook dargestellt. Flankiert werden diese den Überweisungsvorgang unmittelbar betreffenden Regelungen durch weitere Nebenpflichten. Die Teilnehmer dürfen beispielsweise ihren Kunden vertraglich nicht verbieten, Überweisungen durch andere Banken durchführen zu lassen (Ziff. 5.7 Spiegelstr. 4 SCT-Rulebook). Die vorgenannten Pflichten bestehen sowohl dem EPC als auch den einzelnen Teilnehmern gegenüber und sind deshalb sowohl durch das EPC als auch durch die Teilnehmer selbst gegenüber den anderen Teilnehmern durchsetzbar (vergleiche Ziff. 5.13 SCT-Rulebook). Die Teilnehmer untereinander sind darüber hinaus gemäß Ziff. 5.9.1 Nr. 1 SCT-Rulebook für Verletzungen des Rulebook („breach of the Rulebook“) schadensersatzpflichtig – und zwar verschuldensunabhängig.271 Auch bei einer fahrlässig begangenen Handlung oder Unterlassung („negligent act or omission“) oder einer Betriebsstörung („operational failure“) im Rahmen einer SEPA-Überweisung macht sich der betreffende Teilnehmer zudem gemäß Ziff. 5.9.1 Nr. 2, 3 SCT-Rulebook dem Grunde nach schadensersatzpflichtig, wenn insofern ein Zusammenhang mit der Durchführung des Rulebook besteht. Aus dem SCT-Rulebook lässt sich jedoch nur eine Haftung zugunsten anderer Teilnehmer ableiten. Gegenüber den Kunden der Banken begründet das SCT-Rulebook keine Pflichten.272 Es ist aus Sicht der Kunden also nicht drittschützend. rakter nichts ändern. Vgl. auch Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 362; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675c BGB Rn. 4a. 271 Ob die Abkommen eine eigenständige Grundlage für die zivilrechtliche Haftung boten, war im Rahmen der ehemaligen Interbankenabkommen umstritten. Dagegen beispielsweise Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 152 m. w. N. Anders hingegen der BGH, vgl. nur BGH 28.11.1989, WM 1990, 96 (Tz. 11). 272 Vgl. auch Ziff. 3.2 SCT-Rulebook und Ziff. 6 Überweisungsabkommen. Bunte, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 4 Rn. 34; MünchKomm/Herresthal, Giroverhältnis Rn. A 32; Ellenberger, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 58 Rn. 171; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, §§ 675c, 675e BGB Rn. II 72.
B. Interbankenabkommen und sonstige Rahmenverträge
131
Hinsichtlich der Vertragsstruktur ist beim SCT-Rulebook wie bei den Zahlungssystemen zu unterscheiden, auch wenn nach dem Rulebook keine ausdrückliche Kündigungsmöglichkeit seitens des EPC besteht.273 Insofern sind die einzelnen bilateralen Anschlussverträge der Teilnehmer zum EPC von dem multilateralen Vertrag der Teilnehmer untereinander zu trennen. Dies entspricht insbesondere auch Ziff. 5.2 III SCT-Rulebook.274 Die ganz herrschende Auffassung zu den SEPA-Rulebooks geht demgegenüber davon aus, dass durch den Beitritt zum jeweiligen „Scheme“ zwischen den Beteiligten ein einheitliches multilaterales Vertragsverhältnis entsteht.275 Allerdings bedingt diese Strukturentscheidung im Weiteren keine unterschiedlichen Ergebnisse. Das Deckungs-, Inkasso- und Interbankenverhältnis stehen dabei selbständig neben dem multilateralen Vertrag zwischen den Teilnehmern (gegebenenfalls unter Einbeziehung des EPC). Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des Ziff. 3.2 Nr. 3 bis 6 SCT-Rulebook: „3. Between the Originator and the Originator Bank concerning the payment and cash management products and services to be provided and their related terms and conditions. Provisions for this relationship are not governed by the Scheme, but will, as a minimum, cover elements relevant to the initiation and execution of a SEPA Credit Transfer as required by the Scheme. 4. Between the Beneficiary and the Beneficiary Bank concerning the products and services to be provided and the related terms and conditions. Provisions for this relationship are not governed by the Scheme, but will, as a minimum, cover elements relevant to the receipt of a SEPA Credit Transfer as required by the Scheme. 5. As applicable, between the Originator Bank and the Beneficiary Bank and the selected CSM concerning the terms and conditions of the services delivered. Provisions for these relationships are not governed by the Scheme, but will, as a minimum, cover elements relevant to the execution of a SEPA Credit Transfer.
273
Hierzu oben S. 100 ff. Ziff. 5.2 III SCT-Rulebook: „The Rulebook is a multilateral agreement comprising contracts between: – the EPC and each Participant; and – each Participant and every other Participant.“ 275 Brauns, Die SEPA-Lastschrift, S. 40; Ellenberger, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 58 Rn. 171; Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, S. 243; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675c BGB Rn. 4a; Zahrte, MMR 2014, 211, 212, die die SEPA-Rulebooks als einheitliche multilaterale vertragliche Vereinbarung qualifizieren. Wohl auch MünchKomm/Häuser, Überweisungsverkehr Rn. B 297 („Dem Rulebook liegt ist [sic!] ein ‚multilateral agreement‘ zugrunde, das die Verträge zwischen der EPC und jedem Teilnehmer und die Verträge zwischen jedem Teilnehmer mit jedem anderen Teilnehmer umschließt.“ Wobei kaum davon ausgegangen werden kann, dass im Verhältnis der Teilnehmer zum EPC noch ein weiteres Vertragsverhältnis besteht.). 274
132
2. Kapitel: Rationalisierung des Überweisungsverkehrs
6. As applicable, between the Originator Bank and/ or the Beneficiary Bank and any other bank acting in an intermediary capacity. Provisions for these relationships and their functioning are not governed by the Scheme. […]“
Nach dem SCT-Rulebook sind die teilnehmenden Banken jedoch verpflichtet, sicherzustellen, dass das Deckungs-, Inkasso- oder Interbankenverhältnis die Regelungen des SCT-Rulebook umsetzt.276 II. Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) Neben dem Bemühen, Bankenabkommen zu schließen, gab es bereits früh Bestrebungen, die (insbesondere grenzüberschreitende) Übermittlung von Zahlungsmitteilungen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 1973 die „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“ (SWIFT) gegründet. Diese firmiert als eine „société coopérative à responsabilité limitée“, also als eine Genossenschaft belgischen Rechts mit Sitz in La Hulpe, Belgien.277 SWIFT unterhält ein Netzwerk, über das Zahlungsaufträge sicher übertragen werden können.278 Ziel von SWIFT ist die beleglose und damit beschleunigte und risikoreduzierte Abwicklung des (grenzüberschreitenden) Zahlungsverkehrs.279 SWIFT stellt Banken inzwischen weltweit die Möglichkeit zur Verfügung, sich gegenseitig standardisierte Zahlungsaufträge zukommen zu lassen,280
276 Vergleiche für die Interbankenverhältnisse mit zwischengeschalteten Banken insbesondere auch noch Ziff. 3.4. Ausdrücklich müssen zudem die AGB, die gegenüber den Kunden verwendet werden, dem Rulebook entsprechen (Ziff. 5.7, 5.8 SCT-Rulebook jeweils 2. Spiegelstr), vgl. auch Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675c BGB Rn. 4a. Schäfer, Die zivilrechtliche Qualifizierung der Interbankenabkommen, S. 153 geht insofern von einer Einbeziehung in das Vertragsverhältnis aus. 277 Art. 1, 2 SWIFT-by-laws (abrufbar unter: ). Die Genossen von SWIFT sind selbst Kreditinstitute. Allerdings können sowohl „shareholders“ als auch „non-shareholding members“ Zahlungsmitteilungen über SWIFT austauschen, vgl. . Vgl. auch Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 590 f.; Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 22 ff. 278 Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 461. 279 Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 461. 280 Art. 3 I SWIFT-by-laws. Vgl. Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 591, 593; Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 2; Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 461; Schwolow, Internationale Entwicklungslinien im Recht der Auslandsüberweisung, S. 37. SWIFT stellt darüber hinaus auch für Zahlungssysteme, so zum Beispiel EURO1, die Infrastruktur, Neyrinck, in: Langenbucher u. a. (Hrsg.), Zahlungsverkehr, § 10 Rn. 3.
B. Interbankenabkommen und sonstige Rahmenverträge
133
und dominiert auf diesem Gebiet den weltweiten Interbankendienstleistungsmarkt.281 Anders als beim SCT-Rulebook beherrschen die SWIFT General Terms and Conditions (SWIFT-AGB) gemäß deren Ziff. 1.4 nicht die Vertragsverhältnisse zwischen den Vertragspartnern von SWIFT (Teilnehmern). Diese werden untereinander durch Abschluss des Vertrages mit SWIFT vertraglich nicht gebunden.282 Die SWIFT-AGB gestalten vielmehr ausschließlich den (Rahmen-)Vertrag zwischen SWIFT und seinen Vertragspartnern aus. Dies heißt jedoch nicht, dass die SWIFT-AGB nicht in das Verhältnis zwischen den Teilnehmern einbezogen werden können.283 Auch hier ist es möglich, dass Regelungen aus den AGB (und der diese näher ausgestaltenden sonstigen „SWIFT Contractual Documentation“) Vertragsinhalt des zwischen den Banken bestehenden Girovertrags werden können.284
281
Cranston, Principles of Banking Law, S. 278. Vgl. auch Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 462. SWIFT hat für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr eine derart dominierende Stellung erreicht, dass der Ausschluss aus dem Netzwerk beispielsweise als Sanktionsmittel durch die USA gebraucht wird (vgl. den Ausschluss einiger Banken Irans von SWIFT, ). 282 Teilweise sind die Vertragspartner jedoch durch den Genossenschaftsvertrag rechtlich verbunden. Dies betrifft allerdings nicht alle SWIFT-Teilnehmer, vgl. bereits oben S. 132 Fn. 277. 283 Arora, Banking Law, S. 508 f.; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 624; Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 52 ff. 284 Zu weitgehend Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 52 ff., insb. S. 55. Zur Erstreckung der Rechtswahlklausel (Ziff. 16 SWIFT-AGB) zugunsten belgischen Rechts auf das Verhältnis zwischen den Banken, unten S. 158 ff.
3. Kapitel
Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts bei grenzüberschreitenden Überweisungen Im Folgenden werden die Grundlagen der kollisionsrechtlichen Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht erörtert. Hierbei wird zunächst entsprechend der „traditionellen“ kollisionsrechtlichen Methode ein möglicher Zusammenhang mit anderen Verträgen in der Überweisungskette außer Acht gelassen. Erst in einem späteren Teil dieser Arbeit werden die Ansätze dargestellt und untersucht, die den Zusammenhang der einzelnen Rechtsverhältnisse in der Überweisungskette auf kollisionsrechtlicher Ebene durch eine einheitliche Anknüpfung berücksichtigen wollen.1
A. Kollisionsrechtliche Grundlagen im Korrespondenzbankenverkehr I. Die „traditionelle“ kollisionsrechtliche Methode 1. Grundlagen Für Überweisungen gibt es im Europäischen internationalen Privatrecht keine besonderen Kollisionsnormen. Möchte man das zwischen zwei an einem Girovertrag Beteiligten anwendbare Recht bestimmen, ist auf die allgemeinen Kollisionsnormen der Rom I-Verordnung (Rom I) zurückzugreifen. Wie auch schon nach dem Vertragskollisionsrecht des „Europäischen Schuldvertragsübereinkommens“ (EVÜ),2 umgesetzt in den Art. 27 ff. EGBGB a. F., steht im Grundsatz auch in Rom I der Einzelvertrag im Mittelpunkt.3 Für jedes 1
Zur einheitlichen Anknüpfung unten S. 225 ff. Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (konsolidierte Fassung abrufbar unter: ). 3 So schon zum EGBGB von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 82; er beschreibt dies auch als „Grundsystematik des Gesetzes“, von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 27. So muss auch im Rahmen der akzessori2
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
vertragliche Überweisungsverhältnis, für jeden Überweisungsauftrag beziehungsweise Girovertrag, muss das anwendbare Recht gesondert ermittelt werden.4 Hierbei entscheidet erst das anwendbare Recht, ob es sich bei dem einzelnen Überweisungsauftrag um eine Weisung innerhalb eines Girovertrags oder um einen selbständigen Vertrag handelt. Dies ist nach dem jeweiligen Vertragsstatut zu beurteilen. Bei isolierter Betrachtung der einzelnen Vertragsverhältnisse in der Überweisungskette ist es nicht von weiterer Relevanz, ob sich die Pflichten aus dem Überweisungsauftrag als selbständigem Vertragsverhältnis oder aus dem durch die Weisung konkretisierten Girovertrag ergeben.5 Es gilt das Primat der Parteiautonomie. Die Parteien können das auf ihr Verhältnis zueinander anwendbare Recht gemäß Art. 3 Rom I grundsätzlich frei wählen. Die Rechtswahl ist vorrangig gegenüber einer objektiven Anknüpfung zu beachten.6 Eine Rechtswahl findet sich in Nr. 6 I AGB-Banken und AGB-Sparkassen, die in Deutschland den Giroverträgen der Banken mit ihren (End-)Kunden in aller Regel zugrunde liegen. Im Interbankenverkehr scheint, betrachtet man einschlägige Entscheidungen, eine bilaterale Rechtswahl zwischen den Banken hingegen weniger häufig vorzukommen.7 schen Anknüpfung jeder Vertrag „gesondert“ angeknüpft, jedoch das anwendbare Recht nicht für jeden einzelnen Vertrag „isoliert“ bestimmt werden. Vgl. auch Kadel, Die Haftung der Banken im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr nach dem neuen Überweisungsrecht, S. 227; Schneider, WM 1999, 2189, 2191. 4 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 164; Hadding/Häuser/Haug, in: Schi mansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 51a Rn. 1; Schneider, WM 1999, 2189, 2191 f.; Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 34. Vgl. auch Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 130. 5 Vgl. zur Situation bei akzessorischer, d. h. einheitlicher Anknüpfung des Überweisungsvorgangs unten S. 270 ff., 151. 6 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 61; IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I Rn. 1; MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 8; jurisPK/Ringe, Art. 3 Rom I Rn. 1, 4; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 3; von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 83. Vgl. auch noch unten S. 319 ff. 7 So zum Beispiel zum Verhältnis einer französischen zu einer deutschen Bank, LG Köln 15.05.2012, BeckRS 2014, 19432 (Tz. 39: „Da im vorliegenden Fall unstreitig keine Rechtswahl getroffen worden ist, …“); und nachfolgend OLG Köln 04.09.2013, BeckRS 2013, 21122 (Tz. 31). Auch im Verhältnis einer beauftragenden deutschen und einer ausführenden englischen Bank wurden von der englischen Bank keine AGB verwendet, OLG Köln 17.09.1993, ZIP 1993, 1538, 1539 (Tz. 19). Ähnlich auch bei BGH 09.03.1987, NJW 1987, 1825, 1826 (Tz. 10), wo allerdings laut BGH die AGB und damit auch die Rechtswahlklausel der deutschen (ausführenden) Bank auch ohne Bezugnahme bei Vertragschluss in den betreffenden Girovertrag zwischen der französischen und der deutschen Bank wegen „Branchenüblichkeit“ einbezogen wurden. Dem liegt die sog. „Wissenmüssen-Formel“ zugrunde, die heute jedoch auch bei Stellung von AGB gegenüber Unternehmern teilweise als „überholt“ gilt, vgl. jurisPK/
A. Kollisionsrechtliche Grundlagen im Korrespondenzbankenverkehr
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Wurde eine Rechtswahl nach Art. 3 Rom I nicht (wirksam)8 getroffen, richtet sich die (objektive) Anknüpfung von Verträgen nach Art. 4 Rom I. Der Girovertrag hat die Durchführung von Überweisungen zum Gegenstand, also die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 4 I lit. b Rom I.9 Deshalb muss das auf die bilateralen vertraglichen Überweisungsverhältnisse anwendbare Recht jeweils gemäß Art. 4 I lit. b Rom I bestimmt werden. Danach wird an den gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise Sitz (Art. 19 I Rom I) des Dienstleisters angeknüpft. Folglich unterliegt jedes einzelne Überweisungsverhältnis dem Recht des Staates, in dem die den Überweisungsauftrag empfangende, also die jeweils beauftragte Bank ihren Sitz hat.10
Lapp/Salamon, § 305 BGB Rn. 112. A.A. allerdings Palandt/Grüneberg, § 305 BGB Rn. 56; MünchKomm/Basedow, § 305 BGB Rn. 104, die speziell für den Interbankenverträge auf BGH 18.06.1971, NJW 1971, 2126, 2128 (Tz. 14 ff.) verweisen. Laut den Entscheidungsgründen der vorgenannten Entscheidung wurde die niederländische Bank jedoch auf die Geltung deutscher AGB hingewiesen. „Branchenüblichkeit“ kann jedoch weiterhin ein Indiz für die Einbeziehung von AGB sein (jurisPK/Lapp/Salamon, § 305 BGB Rn. 135). Auch von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 83 behauptet insofern, dass eine Rechtswahl unter Banken „bei derartigen Routineangelegenheiten“ wie Überweisungen nicht getroffen wird. Allerdings nimmt er Gleiches für das Verhältnis zwischen den Banken und den Endkunden an, „weil sie sich meist in demselben Land befinden“. Dabei übersieht er die Rechtswahl in den deutschen Muster-AGB der Banken und Sparkassen (hierzu gerade im Text). Mit Verweis auf von der Seipen für das Interbankenverhältnis ebenso Einsele, AcP 199 (1999), 145, 165. Zur Rechtswahl in Interbankenabkommen unten S. 158 ff. 8 Denkbar, wenngleich eher unwahrscheinlich, ist beispielsweise der Fall sich widersprechender AGB, vgl. Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 34 f. Als Beispiel führt sie einen Fall an, in dem beide Banken für die jeweils andere Überweisungsaufträge ausführen. Dann liegen in aller Regel jedoch zwei Giroverträge vor, denen jeweils die AGB des „Unternehmers“, der „ausführenden“ Bank zugrundliegen. Dies ist kein Fall kollidierender AGB. Falls ausnahmsweise innerhalb eines einzigen Girovertrages die Formularrechtswahlklauseln zweier Banken kollidieren, richtet sich die Wirksamkeit nach allgemeinen Grundsätzen, vgl. MünchKomm/Spellenberg, Art. 10 Rom I Rn. 158 ff. 9 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 315, 320; MünchKomm/Casper, § 675c BGB Rn. 33; Einsele, AcP 199 (1999), 145, 165; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 470; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 88 f.; Palandt/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 13; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 13. 10 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 315, 320; MünchKomm/ Casper, § 675c BGB Rn. 33; Einsele, AcP 199 (1999), 145, 165; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 470; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 89; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 13. Vgl. auch Schneider, WM 1999, 2189, 2191 f.; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 339.
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
2. Kollisionsrechtliche Würdigung der „Lehre vom Netzvertrag“ auf Grundlage der traditionellen Anknüpfung Der bilaterale Vertrag steht im Fokus der Regelungen von Rom I.11 Dies folgt bereits aus dem den meisten Regelanknüpfungen des Art. 4 I Rom I zugrunde liegenden Prinzip der „charakteristischen Leistung“. Eine solche lässt sich regelmäßig nur bei bilateralen Verträgen feststellen, in denen es den Dualismus Geldleistung und charakteristische Leistung gibt. Auch ist der bilaterale Schuldvertrag aus einer historisch-vergleichenden Perspektive der absolute Regelfall des Schuldvertrags. Das Konzept eines Netzvertrags auf sachrechtlicher Ebene des nationalen Rechts ist jedoch nicht etwa deswegen abzulehnen, weil das (europäische) Kollisionsrecht im Grundsatz auf die Anknüpfung von bilateralen Rechtsbeziehungen ausgelegt ist.12 Das Kollisionsrecht besitzt vielmehr eine „dienende“ Funktion und muss sich auf die sachrechtlichen Erscheinungen einer Rechtsordnung einstellen. Dies heißt jedoch nicht, dass das Kollisionsrecht die sachrechtlichen Wertungen einer nationalstaatlichen Rechtsordnung übernehmen muss. Vielmehr sind die kollisionsrechtlichen, zu einer bestimmten Anknüpfung führenden Interessen von den Interessen, die das Sachrecht beherrschen, zu unterscheiden. Dies gilt umso mehr für das europäische Kollisionsrecht (von Rom I), in dem sich die deutschen sachrechtlichen Wertungen genauso wenig wie die sachrechtlichen Interessen irgendeiner anderen nationalen Rechtsordnung aufgrund der unterschiedlichen Stellung dieser Normen in der Normenhierarchie ohne Weiteres fortsetzen können.13 Eine Anerkennung des Netzvertrages im deutschen Recht oder irgendeiner anderen Rechtsordnung zwingt somit von vornherein nicht zu einer Aufgabe der gliedbezogenen Anknüpfung. Deshalb erscheint es aus kollisionsrechtlicher Perspektive zweifelhaft, ob sich die sachrechtliche Konzeption des Netzvertrags bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt überhaupt fortsetzen kann – und zwar unabhängig davon, ob das deutsche Recht oder ein anderes in Betracht kommendes Recht dieses Konzept anerkennt. Ob sich die sachrechtlichen Interessen, die für einen Netzvertrag sprechen, auch im Kollisionsrecht fortsetzen, sodass im Kollisionsrecht eine einheitliche Anknüpfung 11
Zum EVÜ Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 205. In diese Richtung argumentierend hingegen Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 322. In diesem Zusammenhang soll auch Erwähnung finden, dass das Kon strukt des Netzvertrages nach Möschel und Rohe nicht dazu dient, Einheitlichkeit bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts bei grenzüberschreitenden Überweisungen herzustellen. Diese hatten vielmehr spezifisch materiell-rechtliche Aspekte vor Augen, oben S. 39 f. 13 Vgl. hierzu nur Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 133 f. 12
A. Kollisionsrechtliche Grundlagen im Korrespondenzbankenverkehr
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kollisionsrechtlich geboten ist14 (auch dies wiederum unabhängig davon, ob auf sachrechtlicher Ebene eine übergreifende Rechtsfigur wie der Netzvertrag anerkannt wird), wird noch im Rahmen der Bildung eines Einheitsstatuts im Überweisungsrecht im Rahmen der akzessorischen Anknüpfung untersucht werden.15 Zu berücksichtigen bei den dortigen Erwägungen bleibt jedoch, dass bis auf das französische Recht des CC16 die untersuchten Rechtsordnungen davon ausgehen, dass zwischen den unmittelbar Beteiligten eines Überweisungsvorgangs bilaterale Vertragsverhältnisse – und eben kein Netzvertrag – zustande kommen. Die traditionelle gliedbezogene Anknüpfung bedeutet für den Netzvertrag, dass erst das aufgrund dieser Anknüpfungsmethode im Einzelfall zwischen zwei Beteiligten in der Überweisungskette anwendbare Recht über die Frage entscheidet, ob zwischen den Beteiligten selbständige Verträge oder ein Netzvertrag, in den die Beteiligten als Parteien eingebettet sind, zustande kommt. Damit sich unter der Prämisse der gliedbezogenen, gesonderten Anknüpfung das sachrechtliche Konzept des Netzvertrags insgesamt für den gesamten Überweisungsvorgang durchsetzen kann, muss Inhalt des materiellen Rechts jeder auf einen Überweisungsvorgang anwendbaren Rechtsordnung sein, dass ein Netzvertrag zwischen den Beteiligten des Überweisungsvorgangs entsteht. Da das Konzept des Netzvertrages international alles andere als unangefochten ist, dürfte es jedoch sehr zweifelhaft sein, dass alle Rechtsordnungen einen solchen Netzvertrag im Einzelfall anerkennen. Auch wenn sich in einem Einzelfall die Konzeption des Netzvertrages nicht umfassend durchsetzt, bedeutet dies jedoch nicht, dass überhaupt keine netzvertraglichen Ansprüche zwischen den Beteiligten in Betracht kommen. Vielmehr bestehen (netz-)vertraglichen Beziehungen beziehungsweise Ansprüche in den Teilen des Netzes, die einer oder mehreren Rechtsordnungen unterliegen, die solche Bindungen aufgrund eines Netzvertrages anerkennen. II. Vorgebrachte Kritik hinsichtlich des Anknüpfungsmoments der charakteristischen Leistung im Überweisungsverkehr Die Anknüpfung des Art. 4 I lit. b Rom I basiert, wie die meisten Anknüpfungen des Absatzes 1, auf dem Prinzip der vertragscharakteristischen Leistung.17 Eine 14 Jedenfalls
widerspräche eine derartige einheitliche Anknüpfung im Rahmen einer Schwerpunktbestimmung nicht dem einheitlichen Verbundcharakter, wie dies etwa Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 322 meint. 15 Hierfür wird deshalb auf die Diskussion zur akzessorischen Anknüpfung verwiesen; dazu unten S. 266 ff. 16 Hierzu noch unten S. 189 ff. 17 Dies ergibt sich aus der „Auffangnorm“ des Art. 4 II Rom I, demzufolge die Anknüpfung hilfsweise, also falls der Vertragstyp nicht in Absatz 1 genannt ist oder ein Vertrag unter meh-
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
solche Anknüpfung rechtfertigt sich insbesondere aus dem Grund, dass die vertragscharakteristische Leistung meist die stärker reglementierte ist.18 Die vertragscharakteristische Leistung ist dabei diejenige, die der Geldleistungsverpflichtung im Synallagma gegenübersteht.19 Auch das Kollisionsrecht des EVÜ basierte auf diesem Prinzip, welches in der Vermutung des Art. 4 II S. 1 EVÜ zum Ausdruck kam, welcher in Deutschland durch Art. 28 II S. 1 EGBGB a. F. umgesetzt worden war.20 Das Anknüpfungsprinzip der vertragscharakteristischen Leistung sah sich aus dem Schrifttum teils erheblicher Kritik hinsichtlich seiner Interessengerechtigkeit im Allgemeinen ausgesetzt.21 Im Ergebnis besteht jedoch Einigkeit, dass das Kriterium der charakteristischen Leistung im Vergleich zu der davor bestehenden Rechtslage einfacher zu handhaben sei und deshalb erheblich zur Rechtssicherheit bei Bestimmung des auf einen Vertrag anwendbaren Rechts beitragen konnte.22 Eine erneute kritische Auseinandersetzung mit dem Anknüpfungsmoment der vertragscharakteristischen Leistung im Allgemeinen – die geltendes Recht ist – bildet nicht Gegenstand dieser Untersuchung und würde auch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Im Folgenden sollen deshalb lediglich die Argumente untersucht werden, die gegen das Anknüpfungsmoment der vertragscharakteristischen Leistung im speziellen Kontext des internationalen Überweisungsrechts vorgebracht werden. Im internationalen Überweisungsrecht „funktioniert“ laut von der Seipen das Anknüpfungsmoment der vertragscharakteristischen Leistung zwar im Deckungs- und Inkassoverhältnis, im Interbankenverhältnis helfe es jedoch nicht rere der in Absatz 1 genannten Vertragstypen fällt, nach dem Prinzip der charakteristischen Leistung zu erfolgen hat; vgl. auch Erwägungsgrund 19 Rom I. 18 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 662 („Denn, wer liefert oder arbeitet, muß sich mehr anstrengen und mehr Vorschriften beachten, als wer zahlt.“); Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 113; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 171. Vgl. auch IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 62; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 299 ff.. 19 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 308 ff.; Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 130 (Fn. 432); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 662; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 118; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 172; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 53. Vgl. auch IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 64; Kropholler, RIW 1981, 359, 361. 20 Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 22 Vgl. auch Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 130. 21 Vgl. nur Geisler, Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht, S. 187; D’Oliveira, Am. J. Comp. L. 25 (1977), 303, 326 f. Vgl. auch von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 304 ff. 22 Vgl. nur Geisler, Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht, S. 187. Jedoch ist nicht zu vergessen, dass es auch schon zuvor von der Rechtsprechung gebildete „Anknüpfungskataloge“ im internationalen Vertragsrecht gab, vgl. nur von der Seipen, in: Hadding/ Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 84 Fn. 16.
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weiter. „Der normale Mechanismus Geldleistung/Nichtgeldleistung [existiere hier] nämlich nicht.“23 Dass nach herrschender Meinung die beauftragte Bank die charakteristische Leistung im jeweiligen Überweisungsverhältnis erbringt, mutet ihm „recht formal“24 an. Von der Seipen stellt fest, dass „[offenbar] jedoch der Tatsache besondere Bedeutung beigemessen [werde], daß die beauftragte Bank die Überweisung „durchführt“, was in dem Sinne zu verstehen [sei], daß sie dem Zahlungsempfänger das Geld letztlich gutschreibt. Bei einer längeren Zahlungskette unter Einschaltung mehrerer Banken käme zwar dieser Gedanke der Gutschrift bei den „Zwischenbanken“, also denjenigen, die zwischen Verkäufer- und Käuferbank geschaltet sind, nicht unmittelbar zum Tragen; aber immerhin [könne] man argumentieren, daß jede eingeschaltete Bank die Überweisung etwas näher an den Zahlungsempfänger heranbringt und dementsprechend zumindest charakteristischer als die Bank leistet, die vor ihr in der Kette ihre Leistung erbrachte.“25 Von der Seipen kritisiert dies jedoch als bloße „gefühlsmäßige Bestimmung der Partei, die charakteristischer als die andere leistet“.26 Nun könnte man diese Kritik unter Geltung von Rom I für obsolet halten, schließlich wird gemäß Art. 4 I lit. b Rom I nunmehr formal an den Sitz des Dienstleisters angeknüpft. Doch liegt dieser Anknüpfung wiederum als materielle Grundlage das Kriterium der vertragscharakteristischen Leistung zugrunde (vergleiche nur Art. 4 II Rom I). Wäre es nicht möglich, eine vertragscharakteristische Leistung in den einzelnen Überweisungsverhältnissen der Überweisungskette zu „isolieren“, dann ließe sich nämlich auch nicht bestimmen, wer innerhalb des Rechtsverhältnisses jeweils der Dienstleister ist. Damit könnte man auf der Grundlage der obigen Ausführungen – wären sie denn zutreffend – ebenfalls beide Banken als „Dienstleister“ eines „Kettengliedes“ innerhalb eines Überweisungsvorganges begreifen. Die Kritik an der Unbestimmtheit der vertragscharakteristischen Leistung im Interbankenverhältnis ist damit auch unter Geltung von Rom I nach wie vor aktuell. Doch fußt die Kritik im Ergebnis auf falschen Prämissen. Von der Seipen erstreckt auch bei der traditionellen gesonderten Bestimmung des anwendbaren Rechts seinen Blick auf die gesamte Überweisungskette und versucht dabei, auf 23 von der Seipen, in: sung, S. 84. Zustimmend weisungsverkehr, S. 35 f. 24 von der Seipen, in: sung, S. 85. 25 von der Seipen, in: sung, S. 85. Zustimmend weisungsverkehr, S. 36. 26 von der Seipen, in: sung, S. 85 Fn. 18.
Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der AuslandsüberweiSchwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden ÜberHadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der AuslandsüberweiHadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der AuslandsüberweiSchwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden ÜberHadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberwei-
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die gesamte Kette bezogen eine vertragscharakteristische Leistung zu „isolieren“. Bei einer gesonderten Anknüpfung ist diese Vorgehensweise jedoch nicht angebracht. Vielmehr ist jedes Vertragsverhältnis gesondert zu betrachten. Von der Seipen übersieht deswegen, dass die Weiterleitungspflicht jeweils ausschließlich aus dem Überweisungsverhältnis mit der vorangehenden Bank resultiert. Zur Weiterleitung des Überweisungsauftrags ist die beauftragte Bank (nach den untersuchten Rechtsordnungen) in der Regel ausschließlich gegenüber der sie vorangehenden, das heißt sie beauftragenden Bank verpflichtet; jedenfalls ist die Weiterleitung des Überweisungsauftrags keine Pflicht gegenüber der nachfolgenden Bank. Als Gegenleistung für die Erfüllung der Weiterleitungspflicht erwirbt die ausführende Bank grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung. Die vertragscharakteristische Leistung in einem Interbankenverhältnis ist damit die „Weiterleitung“ des Überweisungsauftrags, ihr gegenüber steht die Entgeltleistung der vorangehenden Bank.27 Die Verpflichtung zum Ersatz der Aufwendungen ist demgegenüber lediglich eine Nebenleistungspflicht, die für die Anknüpfung nicht relevant wird. An diesen Wertungen ändert sich auch dann nichts, wenn man den Überweisungsbetrag als den „Gegenstand“ der Geschäftsbesorgung begreift.28 Insofern unterscheidet sich das vertragliche Überweisungsverhältnis nicht von anderen Auftragsverhältnissen.29 Der „normale“ Mechanismus, der charakteristische von nicht charakteristischen Leistungen unterscheidet, „funktioniert“ nach alledem auch in den Interbankenverhältnissen. III. Überweisungsvorgänge unter Beteiligung von Verbrauchern Ist der Bankkunde im Deckungs- oder Inkassoverhältnis ein Verbraucher, ist das anwendbare Recht jedoch gegebenenfalls nach Art. 6 Rom I zu bestimmen.30 Sind dessen Voraussetzungen erfüllt, ist grundsätzlich nicht das Recht am Sitz des Unternehmers als in der Regel charakteristisch Leistendem anwendbar, son27
Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 185; IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 135; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 171; Kegel, in: Seidl (Hrsg.), Aktuelle Fragen aus modernem Recht und Rechtsgeschichte, S. 225; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 470; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 89; Pleyer/Wallach, RIW 1988, 172, 174; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1117. Vgl. auch zum Verhältnis der vorletzten Bank zur Bank des Überweisungsempfängers LG Köln 15.05.2012, BeckRS 2014, 19432 (Tz. 40) und nachfolgend OLG Köln 04.09.2013, BeckRS 2013, 21122 (Tz. 31); OLG Köln 17.09.1993, ZIP 1993, 1538, 1540 (Tz. 21); BGH 09.03.1987, NJW 1987, 1825, 1826 (Tz. 10). 28 Hierzu oben S. 36. 29 Vgl. allgemein zur Anknüpfung von Auftragsverhältnissen IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 109; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 54 f.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 378; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 4 Rom I Rn. 16, 27. Vgl. auch Michahelles, Die Funktionsweise und die Rechtsnatur der Skontration, S. 190. 30 MünchKomm/Casper, § 675c BGB Rn. 33.
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dern das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vergleiche Art. 6 I Rom I). Natürlich ist das dann unproblematisch, wenn der Unternehmer und der Verbraucher ihren Sitz beziehungsweise gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben. Jedoch muss sich im Fall eines grenzüberschreitenden Sachverhalts, in dem sich der Sitz des Unternehmers und der gewöhnliche Aufenthalt des Verbrauchers in unterschiedlichen Staaten befinden, der Unternehmer bei objektiver Anknüpfung auf das am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers geltende Recht einstellen. Da dies allerdings nur dann der Fall ist, wenn der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder er seine Tätigkeit auf irgendeine Weise, insbesondere natürlich durch Werbung, auf diesen Staat ausrichtet (vergleiche Art. 6 I lit. a und b Rom I), ist ihm dies grundsätzlich zumutbar.31 Schließlich wirbt er gezielt um diesen Kundenkreis. Auch wenn Art. 6 Rom I Anwendung findet, ist es dem Unternehmer grundsätzlich möglich, ein anderes, insbesondere das an seinem Sitz geltende Recht gemäß Art. 6 II S. 1 Rom I zu wählen. Jedoch bleiben in diesem Fall die zwingenden Vorschriften des objektiven Vertragsstatuts nach Art. 6 I Rom I anwendbar, wenn diese – gemessen am konkreten Begehren des Verbrauchers – für den Verbraucher günstiger als das gewählte Recht sind (vergleiche Art. 6 II S. 2 Rom I).32 Ein Blick auf die Ausnahmevorschrift des Art. 6 IV lit. a Rom I ruft jedoch Zweifel an der Anwendbarkeit von Art. 6 Rom I hervor. Wäre diese einschlägig, fände das besondere Verbraucherkollisionsrecht des Art. 6 I, II Rom I keine Anwendung. Die Ausnahme greift „bei Verträgen über Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Der Unternehmer soll sich bei Vorliegen dieser Voraussetzungen bei Erbringung seiner Dienstleistung auf das Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise Sitz oder das von ihm gewählte Recht verlassen können.33 Die herrschende Meinung sieht den Zweck der Regelung zudem darin, den Verbraucher auf dem „fremden Markt“, auf dem die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht gegenüber anderen sich dort aufhaltenden Verbrauchern zu privilegieren.34 31
Vgl. auch von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 432. von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 476 ff.; jurisPK/Limbach, Art. 6 Rom I Rn. 63; MünchKomm/Martiny, Art. 6 Rom I Rn. 58 f.; Bamberger/Roth/ Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 6 Rom I Rn. 32; IVR/Staudinger, Art. 6 Rom I Rn. 73. 33 Rauscher/Heiderhoff, Art. 6 Rom I Rn. 43. 34 MünchKomm/Martiny, Art. 6 Rom I Rn. 24. Vgl. auch Remien, in: Boele-Woelki u. a. (Hrsg.), Liber Amicorum Kurt Siehr, S. 508. Dieser angeführte Regelungszweck erscheint al32
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Sieht man den Girovertrag als solchen als Bezugspunkt der Regelung des Art. 6 IV lit. a Rom I, liegen die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung in der Regel nicht vor. Die Bank des überweisenden Verbrauchers wird ihren Sitz regelmäßig im selben Staat wie der Verbraucher haben. Mit einem Girovertrag verpflichtet sich die Bank, inländische wie in der Regel auch grenzüberschreitende Überweisungen auszuführen. Zumindest inländische Überweisungen sind dann jedoch im Verbraucherstaat auszuführen,35 so dass deshalb Art. 6 IV lit. a Rom I ausscheidet. Steht der Verbraucher hingegen in einer Bankbeziehung zu einer ausländischen Bank, kann Art. 6 IV lit. a Rom I durchaus einschlägig sein (wenn der Girovertrag die situativen Voraussetzungen des Art. 6 I Rom I erfüllt). Ist Bezugspunkt hingegen die einzelne Überweisung als solche, wie es jedenfalls beim Einzelzahlungsvertrag gemäß § 675f I BGB der Fall ist,36 muss danach differenziert werden, ob die Bank des Verbrauchers den Überweisungsauftrag an eine ihrer ausländischen Korrespondenzbanken beziehungsweise unmittelbar an die ausländische Empfängerbank weiterleiten oder den Überweisungsauftrag an eine inländische Bank übermitteln muss.37 Legt man den Wortlaut des Art. 6 IV lit. a Rom I zugrunde, dass die Anknüpfungsregeln des Art. 6 I, II Rom I nicht anzuwenden sind, wenn die „geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“, dann könnten die verbraucherschützenden Kollisionsnormen des Art. 6 Rom I im ersten der beiden beschriebenen Fälle, als im Fall der Übermittlung des Überweisungsauftrags an eine ausländische Bank, keine Anwendung finden. Dieses Ergebnis ist jedenfalls zwingend, wenn das „Erbringen“ der Dienstleistung, welches in Art. 6 Rom I nicht näher definiert ist, parallel zum entsprechenlerdings bei näherer Betrachtung der Regelung nicht konsequent umgesetzt, da ein grenznah wohnender Verbraucher, der aufgrund eines Flyers ins Nachbarland zur Autoreparatur in die Werkstatt geht, nicht geschützt wird, er jedoch bei Kauf eines Fernsehers bei einem Elektronikmarkt unter den gleichen Umständen den kollisionsrechtlichen Schutz des Art. 6 I, II Rom I genießt. Warum diese zwei Fälle unterschiedlich behandelt werden sollen, erschließt sich nicht, wenn die Ausnahme unter den genannten Umständen lediglich eine Gleichstellung mit im Land des Unternehmers ansässigen Verbrauchern gewährleisten soll. 35 Dies ist grundsätzlich auch der Fall bei inländischen Fremdwährungsüberweisungen. Bei diesen findet in der Regel zur Deckungsverschaffung allerdings ein zweiter, vom ersten Überweisungsvorgang unabhängiger, Überweisungsvorgang statt, oben S. 11 f. 36 Die Frage stellt sich hingegen grundsätzlich auch bei einem für eine Vielzahl von Überweisungsverhältnissen geschlossenen Girovertrag, wenn nach Art. 4 I lit. b Rom I eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Überweisungsvorgänge zu erfolgen hat. 37 Ob eine Bank den Überweisungsauftrag an eine ausländische oder an eine inländische Bank weiterzuleiten hat, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Grundsätzlich hat eine Bank den Überweisungsauftrag so weiterzuleiten, dass die Gutschrift beim Überweisungsempfänger möglichst schnell bewirkt werden kann.
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den Begriff in Art. 7 Nr. 1 lit. b Brüssel Ia ausgelegt wird. Dort wird mit diesem Ausdruck der Erfüllungsort umschrieben.38 Da die beauftragte Bank verpflichtet ist, den Überweisungsauftrag weiterzuleiten, ihn also einer zwischengeschalteten Bank oder der Empfängerbank zukommen zu lassen, ist der Erfüllungsort dieser Verpflichtung im erstgenannten der beiden Fälle grundsätzlich im Ausland zu lokalisieren. Auf den Erfüllungsort der Pflicht zur Verschaffung der notwendigen Deckung kommt es hingegen nicht an, weil der Aufwendungsersatzanspruch – im Verhältnis des Verbrauchers und seiner Bank – natürlich den Verbraucher und nicht die Bank trifft. Der Aufwendungsersatzanspruch, der gegen die Bank des Überweisenden geltend gemacht werden kann, entstammt hingegen deren Verhältnis zu ihrer Korrespondenzbank oder der Empfängerbank und ist damit jedenfalls für das Deckungsverhältnis irrelevant.39 Der BGH sah im Falle eines Kreditvertrags die Vorgängerregelung des Art. 29 IV Nr. 2 EGBGB a. F. (Art. 5 IV lit. b EVÜ) nicht als erfüllt an.40 Dies stützte er auf zwei Erwägungen. Zum einen fiel seiner Ansicht nach der Kreditvertrag nicht unter den Begriff des Dienstleistungsvertrags, weil dieser Vertragstypus ausdrücklich in Art. 29 I EGBGB neben den Dienstleistungsverträgen Erwähnung fand, jedoch nicht in der Ausnahmeregelung.41 Schon aus diesem Grund konnte sich nach Ansicht des BGH die Ausnahme nicht auf Kreditverträge beziehen. Zum anderen führte der BGH aus, und gerade diese Erwägung ist für die vorliegende Konstellation relevant, dass der Verbraucher den Kreditvertrag „von seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland aus erfüllt und sich zur Abwicklung des Vertrages nicht ins Ausland“42 begeben hatte. Diese Begründung löst sich jedenfalls vom Wortlaut des Art. 29 IV Nr. 2 EGBGB a. F. und Art. 6 IV lit. a Rom I.43 Nichtsdestotrotz ist ihr zuzustimmen, da der unionsrechtliche Verbraucherschutz einen hohen Stellenwert besitzt und die Ausnahmeregelungen des Art. 6 IV lit. a Rom I deshalb restriktiv ausgelegt werden sollten.44 Insbesondere ist der von der herrschenden Auffassung aufgeführte Regelungsweck, die Gleichstellung des Verbrauchers mit anderen Verbrauchern auf dem Markt, in den vorliegenden Fällen nicht betroffen. Bei anderen Verbrauchern, die bei derselben Bank Kunden sind, ist nämlich genauso auf das Überweisungsverhältnis wie bei 38 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 6 Rom I Rn. 14; MünchKomm/Martiny, Art. 6 Rom I Rn. 18. Einschränkend jurisPK/Limbach, Art. 6 Rom I Rn. 31, der auf den (von den Vereinbarungen der Beteiligten unabhängigen) „faktischen“ Erfolgsort abstellen will. 39 Vgl. hierzu bereits oben S. 142. 40 BGH 26.10.1993, NJW 1994, 262, insb. 263 f. 41 BGH 26.10.1993, NJW 1994, 262, 264. 42 BGH 26.10.1993, NJW 1994, 262, 264. 43 Vgl. Einsele, WM 1999, 289, 294. 44 Vgl. auch Einsele, WM 1999, 289, 294. Im Ergebnis auch jurisPK/Limbach, Art. 6 Rom I Rn. 29 ff.
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ihm grundsätzlich das Sitzrecht der Bank anwendbar. Somit ist, um noch einmal den BGH zu zitieren, „[der] ebenfalls in der amtlichen Begründung angeführte Gesichtspunkt, normalerweise könne der Verbraucher, der im Ausland Dienstleistungen in Anspruch nimmt, nicht erwarten, daß ihn das Verbraucherrecht seines Staates auch dort schütze, […] ebenfalls nicht einschlägig.“45
B. Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem Bei der folgenden Untersuchung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung der einzelnen Rechtsverhältnisse in Zahlungssystemen soll der Fokus auf die komplexeren Nettingsysteme gelegt werden. Bei Nettingsystemen ist, wie bereits festgestellt, grundsätzlich zwischen den Anschlussverträgen der Teilnehmer mit dem Zahlungssystem und dem multilateralen Vertrag der Teilnehmer untereinander zu unterscheiden.46 Von diesen Rechtsverhältnissen zu trennen sind zudem nach hier vertretener Auffassung die einzelnen zur Verrechnung gelangenden Zahlungsaufträge. Schließlich ist von den vorgenannten obligatorischen Verträgen noch die (dingliche) Verrechnungsebene zu unterscheiden. I. Anwendbarkeit von Rom I Zu klären ist zunächst, ob die kollisionsrechtlichen Regelungen von Rom I auch auf die ein Zahlungssystem konstituierenden Rechtsverhältnisse und gegebenenfalls Überweisungsverhältnisse innerhalb des Systems anwendbar sind. Zweifel an der Anwendbarkeit von Rom I kann insofern Erwägungsgrund 31 Rom I hervorrufen: „Die Abwicklung einer förmlichen Vereinbarung, die als ein System im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen ausgestaltet ist, sollte von dieser Verordnung unberührt bleiben.“
Erwägungsgrund 31 Rom I verweist insofern folglich auf die FRL.47 Zweck der FRL ist, dass innerhalb des dort abgegrenzten Systembegriffs „Zahlungs- beziehungsweise Übertragungsaufträge und Aufrechnungen (netting) […] rechtlich verbindlich und auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer Dritten gegenüber wirksam“ sind (vergleiche Art. 3 I FRL). Voraussetzung für 45 BGH 26.10.1993, NJW 1994, 262, 264; zur Gesetzesbegründung BT-Drs. 10/504, S. 80; 10/503, S. 56 f. Vgl. auch Einsele, WM 1999, 289, 294. 46 Zu den Rechtsverhältnissen in einem Zahlungssystem bereits oben S. 100 ff. 47 Zur FRL bereits oben S. 90.
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die in Erwägungsgrund 31 Rom I formulierte Ausnahme ist, dass ein Zahlungssystem ein System im Sinne von Art. 2 lit. a FRL ist. Gemäß Art. 2 lit. a FRL ist ein „‚System‘ eine förmliche Vereinbarung, – die – ohne den Betreiber dieses Systems, einer etwaigen Verrechnungsstelle, zentralen Vertragspartei oder Clearingstelle oder eines etwaigen indirekten Teilnehmers – zwischen mindestens drei Teilnehmern getroffen wurde und gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für das Clearing, mit oder ohne Einschaltung einer zentralen Vertragspartei, oder die Ausführung von Zahlungs- bzw. Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht, – die dem Recht eines von den Teilnehmern gewählten Mitgliedstaats unterliegt; die Teilnehmer können sich jedoch nur für das Recht eines Mitgliedstaats entscheiden, in dem zumindest einer von ihnen seine Hauptverwaltung hat, und – die unbeschadet anderer, weitergehender einzelstaatlicher Vorschriften von allgemeiner Geltung als System angesehen wird und der Kommission von dem Mitgliedstaat, dessen Recht maßgeblich ist, gemeldet worden ist, nachdem der Mitgliedstaat sich von der Zweckdienlichkeit der Regeln des Systems überzeugt hat. […]“48
Gemäß Art. 2 lit. a, 1. Spiegelstr. FRL ist ein System eine förmliche Vereinbarung zwischen mindestens drei Teilnehmern, die gemeinsame Regeln und vereinheitlichte Vorgaben für das Clearing, mit oder ohne Einschaltung einer zentralen Vertragspartei, oder die Ausführung von Zahlungs- beziehungsweise Übertragungsaufträgen zwischen den Teilnehmern vorsieht. Der Begriff der förmlichen Vereinbarung nimmt damit Bezug auf die vertragliche Grundlage von Zahlungssystemen, und zwar sowohl von Netto- wie auch Bruttozahlungssystemen. Unter der förmlichen Vereinbarung sind, auch wenn in der Richtlinie der Singular verwendet wird, grundsätzlich sowohl die Anschlussverträge als auch der multilaterale Vertrag der Teilnehmer untereinander zu verstehen. Sowohl die Anschlussverträge als auch der multilaterale Vertrag der Teilnehmer untereinander sind in den Regelungsbereich der FRL einbezogen. Eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Verträgen ist auf Grundlage des Regelungszwecks der FRL, eine einheitliche und insolvenzfeste Rechtsgrundlage für Zahlungssysteme zu gewährleisten, nicht sachgerecht. Fraglich ist jedoch, ob die FRL eine kollisionsrechtliche Regelung enthält. Als kollisionsrechtliche Regelung kommt Art. 2 lit. a, 2. Spiegelstr. FRL in Betracht. Vom Wortlaut ausgehend könnte Art. 2 lit. a, 2. Spiegelstr. FRL auch lediglich voraussetzen, dass eine Rechtswahl möglich ist und nur die Anerkennungsfähigkeit der förmlichen Vereinbarung im Rahmen der FRL regeln. Art. 2 lit. a, 2. Spiegelstr. FRL wird jedenfalls von Martiny als lex specialis zu Art. 3 Rom I 48
Der Text entspricht der Fassung der FRL durch die Richtlinie 2009/44/EG zur Änderung der Richtlinie über die Endgültigkeit von Zahlungen sowie der Richtlinie über Finanzsicherheiten (ABl. Nr. L 146 vom 10.06.2009, S. 37).
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
gesehen.49 Jedoch ist zu beachten, dass die FRL eine Richtlinie ist, also grundsätzlich keine unmittelbare horizontale Wirkung entfaltet, das heißt – im Gegensatz zu den Rom-Verordnungen – nicht unmittelbar Kollisionsnorm mit Wirkung für Private sein kann. Der deutsche Gesetzgeber hat die Definition des Art. 2 lit. A, 2. Spiegelstr. FRL vollständig durch Bezugnahme auf die FRL in § 1 XVI KWG umgesetzt. Jedoch nimmt § 1 KWG lediglich „Begriffsbestimmungen“ vor. Ob der deutsche Gesetzgeber insofern eine eigenständige kollisionsrechtliche Regelung schaffen wollte, ist somit zumindest zweifelhaft – im Grunde gilt diese Argumentation auch für den europäischen Gesetzgeber betreffend die begriffsbestimmende Norm des Art. 2 FRL. Des Weiteren spricht Erwägungsgrund 31 Rom I lediglich davon, dass die Abwicklung einer förmlichen Vereinbarung von Rom I unberührt bleiben soll, und nicht, dass die förmliche Vereinbarung als solche nicht unter Rom I fallen soll. Es lässt sich dem Erwägungsgrund deshalb nicht entnehmen, dass das auf die förmliche Vereinbarung anwendbare Recht nicht gemäß Rom I bestimmt werden kann beziehungsweise muss. Auch findet sich kein entsprechender Ausnahmetatbestand in Art. 1 II Rom I. Bestätigt wird diese Auffassung insbesondere auch durch die englische Fassung des Erwägungsgrundes 31 Rom I:50 „Nothing in this Regulation should prejudice the operation of a formal arrangement designated as a system under Article 2(a) of Directive 98/26/EC of the European Parliament and of the Council of 19 May 1998 on settlement finality in payment and securities settlement systems.“
Klarstellend ist dort die Rede davon, dass nichts in Rom I die Funktion einer förmlichen Vereinbarung gemäß Art. 2 lit. a Rom I beeinträchtigen („prejudice“) soll. Aus der vorstehenden Betrachtung folgt, dass Rom I im Ergebnis deshalb grundsätzlich auch auf die Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem anzuwenden ist. Selbst wenn man davon ausginge, dass Rom I nicht anwendbar wäre, würde man im Zweifel auf deren kollisionsrechtliche Grundsätze zurückgreifen.51 49 MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 159. Wohl auch Garcímartin Alféres, YPIL 2008, 250. 50 Vgl. aber auch die französische Sprachfassung des Erwägungsgrundes 31 Rom I: „Le présent règlement est sans préjudice du fonctionnement d’un accord formel conçu comme un système au sens de l’article 2, point a), de la directive 98/26/CE du Parlement européen et du Conseil du 19 mai 1998 concernant le caractère définitif du règlement dans les systèmes de paiement et de règlement des opérations sur titres.“ 51 Auch MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 159 greift im Fall des Fehlens einer Rechtswahl auf die Grundsätze des Art. 4 II Rom I zurück. Allerdings kann er sich in einem solchen Fall darauf berufen, dass durch das Fehlen einer Rechtswahl die formelle Vorausset-
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II. Die Anknüpfung der das Zahlungssystem ausgestaltenden Rechtsverhältnisse Den Anschlussverträgen zwischen den Teilnehmern und dem Zahlungssystem liegt die in den Bedingungen des Zahlungssystems getroffene Rechtswahl zugrunde. Dies ist beispielsweise für CHIPS das Recht des Bundesstaates New York, welcher Art. 4A UCC umgesetzt hat. Die Systembedingungen von EURO1 sehen hingegen eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts vor. Diese Rechtswahlklauseln sind gemäß Art. 3 Rom I beachtlich. Bei einer objektiven Anknüpfung dieses Rechtsverhältnisses, auch wenn eine solche in der Praxis in der Regel nicht vorkommen wird, wäre gemäß Art. 4 I lit. b Rom I an das Recht des Staates anzuknüpfen, in dem der Systembetreiber des Zahlungssystems seinen Sitz hat. Der Systembetreiber des Zahlungssystems erbringt durch das Clearing und gegebenenfalls durch das Settlement eine Dienstleistung für die einzelnen Teilnehmer und ist deshalb Dienstleister im Sinne von Art. 4 lit. b Rom I im Verhältnis zu den Teilnehmern. Bei objektiver Anknüpfung unterläge der Anschlussvertrag bei CHIPS wiederum dem Recht des US-amerikanischen Bundesstaates New York, bei EURO1 hingegen französischem Recht, da die Betreibergesellschaft von EURO1 ihren Sitz in Paris hat. Dem multilateralen Vertrag der Teilnehmer untereinander liegen ebenfalls die Systembedingungen zugrunde.52 Deshalb ist gemäß Art. 3 I Rom I wiederum die dort getroffene Rechtswahl vorrangig zu beachten. Bei objektiver Anknüpfung kann das anwendbare Recht nicht nach Art. 4 I lit. b Rom I bestimmt werden, da alle Parteien des multilateralen Vertrages abstrakt dieselben Rechten und Pflichten treffen.53 Im Verhältnis der Teilnehmer untereinander ist deshalb kein Dienstleister gemäß Art. 4 I lit. b Rom I bestimmbar. Auch Art. 4 I lit. h Rom I ist, abgesehen von der Frage, ob er überhaupt auf Zahlungssysteme Anwendung finden kann,54 nicht anwendbar, da er sich nur auf Verträge bezieht, „die innerhalb des multilateralen Systems geschlossen werden“. Er bezieht sich seiner Systematik nach lediglich auf die Einzelverträge, deren (vereinfachter) Abschluss gerade Zweck des Systems ist und die in einem Zahlungssystem ihr Äquivalent in den einzelnen Zahlungsaufträgen finden. Das anwendbare Recht kann des Weiteren auch nicht nach Art. 4 II Rom I bestimmt werden, weil aufgrund der gleichen Pflichtenlage eben keine Partei bestimmt werden kann, die im Vertragsverhältnis die „charakteristische Leistung“ zu erbringen hat.55 Das anwendbare Recht zung des Art. 2 lit. a, 2. Spiegelstr. FRL nicht erfüllt ist, sodass das System nicht unter die FRL fällt, diese folglich keine „Sperrwirkung“ entfaltet. 52 Hierzu oben S. 113 ff. 53 Zu den Rechten und Pflichten aus dem multilateralen Vertrag oben S. 110 ff. 54 Hierzu sogleich unten S. 155 ff. 55 Es kann deshalb auch kein Schwerpunkt im Sinne von ErwGr. 19 Rom I ausgemacht werden.
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
muss vielmehr nach Art. 4 IV Rom I bestimmt werden. Danach „unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, zu dem er die engsten Verbindungen aufweist.“ Dies wird das Recht des Sitzstaates des Zahlungssystems sein, sodass ein Gleichlauf zum anwendbaren Recht, dem die Anschlussverträge der Teilnehmer mit dem Systembetreiber unterworfen sind, erzielt wird.56 Die Anschlussverträge und der multilaterale Vertrag der Teilnehmer untereinander weisen nämlich einen inneren Zusammenhang auf. Sie sind aufeinander abgestimmt, wie durch die Einbeziehung der Bedingungen des Systems verdeutlicht wird. Je nach Ausgestaltung des Systems obliegen den Teilnehmern untereinander unterschiedliche Pflichten. Dies wird insbesondere bei Ausgestaltung der Haftungsverhältnisse für den Zahlungsausfall eines Teilnehmers relevant. Zudem kann der Systembetreiber einseitig die zugrundeliegenden Vertragsbedingungen ändern. Darüber hinaus ist die Anwendung desselben Rechts, dem auch die Anschlussverträge unterliegen, nicht unbillig, da die Teilnehmer sich auf dieses Recht ohnehin einstellen müssen. Auch das auf den multilateralen Skontrationsvertrag, sofern ein solcher abgeschlossen wird, anwendbare Recht ist nach Rom I zu bestimmen. Bereits Art. 17 Rom I, der eine Kollisionsnorm für die einseitige (bilaterale) Aufrechnung enthält, zeigt, dass die dingliche Seite der Aufrechnung bzw. Verrechnung von Forderungen auch durch Rom I erfasst ist. Allerdings werden vertraglich vereinbarte Aufrechnungsrechte nicht unter Art. 17 Rom I qualifiziert. Das anwendbare Recht ist vielmehr, sofern für den Verrechnungs- oder Aufrechnungsvertrag kein Recht gemäß Art. 3 Rom I gewählt wurde, gemäß Art. 4 IV Rom I zu bestimmen.57 Auch bei bilateral vereinbarten Aufrechnungsrechten ist das anwendbare Recht gemäß Art. 4 IV Rom I zu bestimmen, da die Aufrechnung als solche in den Systembedingungen vereinbart wurde. III. Die Anknüpfung der einzelnen Überweisungsaufträge Zu klären bleibt die insbesondere für die vorliegende Arbeit interessierende Frage, welchem Recht die einzelnen in das System eingebrachten Zahlungsaufträge unterliegen. 56 Insbesondere kann nach ErwGr. 21 Rom I bei der Bestimmung des Staates, zu dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist, berücksichtigt werden, ob der Vertrag in einer sehr engen Verbindung zu einem oder mehreren anderen Verträgen steht. Hierzu noch unten S. 270 ff. 57 Berger, Der Aufrechnungsvertrag, S. 459 ff.; Einsele, WM 1999, 289, 299 f.; IVR/ Kieninger, Art. 17 Rom I Rn. 1; Leible/Lehmann, RIW 2008, 542; Staudinger/Magnus, Art. 17 Rom I Rn. 54; MünchKomm/Spellenberg, Art. 17 Rom I Rn. 12; MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 103 f.; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 17 Rom I Rn. 8; Palandt/ Thorn, Art. 17 Rom I Rn. 1; Art. 12 Rom I Rn. 8.
B. Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem 151
1. Die „traditionelle“ kollisionsrechtliche Methode Giroverträge und Überweisungsverträge sind nach der „traditionellen“ kollisionsrechtlichen Methode objektiv gemäß Art. 4 I lit. b Rom I anzuknüpfen.58 Das Gleiche gilt auch, wenn man, wie in der vorliegenden Arbeit, davon ausgeht, dass durch die Annahme eines Zahlungsauftrags durch den empfangenden Teilnehmer eines Zahlungssystems grundsätzlich einzelne selbständige Vertragsverhältnisse entstehen. Dies entspricht auch der Rechtslage im französischen und anglo-amerikanischen Rechtskreis, dem das Weisungsmodell fremd ist.59 Da der empfangende Teilnehmer dem eigenen Kunden die Gutschrift des Überweisungsbetrages beziehungsweise dem absendenden Teilnehmer die Weiterleitung des Überweisungsauftrags schuldet, ist dieser wiederum Dienstleister im Sinne von Art. 4 I lit. b Rom I, weshalb grundsätzlich das Recht am Sitz (Art. 19 I Rom I) des jeweiligen Teilnehmers Anwendung findet. Etwas anderes kann auch nicht auf Grundlage der in Deutschland herrschenden Meinung gelten, die einzelnen Überweisungsaufträge im Giroverhältnis als auch im Rahmen eines Zahlungssystems als Weisungen im zugrundeliegenden Vertragsverhältnis zu verstehen (im Zahlungssystem als Weisungen im multilateralen Vertragsverhältnis der Teilnehmer untereinander). Die nationale materiellrechtliche Qualifikation kann insofern nicht maßgeblich für die kollisionsrechtliche Qualifikation sein. Es wäre nicht eingängig, warum die einzelnen Überweisungsaufträge beispielsweise bei CHIPS auf Grundlage von Rom I gesondert angeknüpft werden könnten, jedoch nicht die einzelnen Überweisungsaufträge bei EURO1 oder, hypothetisch, im ehemaligen beleggebundenen Abrechnungsverkehr der deutschen Bundesbank. Insofern ist auch der Überweisungsauftrag, der im deutschen Recht als Weisung im Giro- oder im multilateralen Abrechnungsverhältnis bei einem Zahlungssystem zu qualifizieren ist, als eigenständiger Vertrag im Sinne von Art. 3 ff. Rom I zu begreifen.60 Im Giroverhältnis spielt diese begriffliche Differenzierung natürlich keine Rolle, da praktisch kein Fall denkbar ist, in dem das auf den Girovertrag und den einzelnen Überweisungsauftrag anwendbare Recht auseinanderfällt. Nach Ette ist eine objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts gemäß Art. 4 I lit. b Rom I bei Nettingsystemen jedoch nicht möglich. Er begründet dies damit, dass ein Nettingsystem aus „der Summe aller gegenseitigen Überweisungen zweier angeschlossener Banken je Geschäftstag eine einzige Saldoverbindlichkeit [berechnet], die die Banken danach direkt untereinander und nicht über 58
Hierzu oben S. 137. Zu den entsprechenden Länderberichten oben S. 42 ff. 60 Zum verordnungsautonomen Vertragsbegriff auch MünchKomm/Martiny, Art. 1 Rom I Rn. 7 ff.; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 1 Rom I Rn. 21. 59
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
das Clearingsystem ausgleichen.“61 „In diesem Fall [sei] die Nettoverbindlichkeit losgelöst von den einzelnen Überweisungsbeträgen, die in ihr saldiert werden. Die einzelne Überweisung [sei] nicht mehr erkennbar, sodass auch keine der Banken mit der Übertragung der Saldovaluta einen einzelnen ihr erteilten Überweisungsauftrag [ausführe]. Die Bank, die die Nettosumme [zahle], [beauftrage] damit implizit die annehmende Bank, viele einzelne Überweisungsvorgänge weiterzuleiten. Gleiches [tue] aber auch die Bank, die die Nettosumme annimmt. Auch sie beauftragt hiermit die Netto-Zahlerin, eine Reihe einzelner Überweisungsvorgänge weiterzuleiten.“62 Nach Ette lässt sich das anwendbare Recht für die einzelnen Überweisungsvorgänge deshalb nicht bestimmen, da die Banken „einander gleichartige Dienstleistungen erbringen“63 und es deshalb „keinen klar zu identifizierenden Dienstleister“64 im Sinne von Art. 4 I lit. Rom I gibt.65 Ette verkennt bei seiner Untersuchung die Bedeutung der einzelnen Vorgänge in einem Zahlungssystem. Seiner Argumentation folgend erscheint es so, als würden in einem Nettingsystem die einzelnen Auftragsverhältnisse durch Verrechnung „erlöschen“. Dabei werden jedoch nur die Ansprüche aus Aufwendungsersatz, die aus den einzelnen Überweisungsverhältnissen resultieren, miteinander verrechnet und somit (teilweise) getilgt. Es ist lediglich eine Erfüllungsmodalität, dass die einzelnen Forderungen durch Verrechnung befriedigt werden können. Die einzelnen Überweisungsverhältnisse zwischen den Teilnehmern als solche bleiben in ihrem Bestand von der Verrechnung unberührt. Insbesondere gelangt durch die Verrechnung kein neues „konsolidiertes“ Auftragsoder Geschäftsbesorgungsverhältnis zur Entstehung. In der Regel sind jedoch Schuldner und Gläubiger der Saldoforderung nicht die beiden jeweiligen Teilnehmer, die Zahlungsaufträge ausgetauscht haben. Auf einer Seite steht nunmehr vielmehr das Zahlungssystem an sich beziehungsweise die Gemeinschaft der übrigen Teilnehmer des Zahlungssystems. Diese Anspruchsverhältnisse unterliegen dem in den Systembedingungen vereinbarten Recht gemäß Art. 4 III, IV Rom I. Gegenüber dem Zahlungssystem entstehen durch den Vorgang der Verrechnung allerdings keinesfalls gesonderte Geschäftsbesorgungsverhältnisse. 61
Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 134. Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 134. 63 Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 134. 64 Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 134. 65 Ette möchte deshalb das auf den einzelnen Überweisungsauftrag anwendbare Recht gemäß Art. 4 IV Rom I bestimmen und rekurriert, nachdem er eine generelle Anknüpfung an die Zielwährung und an das „Recht des Clearingsystems“ verworfen hat, auf eine Abwägung sämtlicher Umstände im Einzelfall (Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 134 ff.), was für die gleichförmige und schnelle Abwicklung des heutigen Massenzahlungsverkehrs auch vom Ergebnis her eine denkbar schlechte Lösung darstellt. 62
B. Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem 153
Auch im Weiteren zeigt sich, dass die Auffassung Ettes verfehlt ist. Zwar ist seine Aussage richtig, dass „keine der Banken mit der Übertragung der Saldovaluta einen einzelnen ihr erteilten Überweisungsauftrag ausführt.“66 Diese Argumentation führt jedoch nicht weiter, da die Erfüllung der Saldoverbindlichkeit unter keinen Umständen die charakteristische Leistung im Verhältnis zweier Banken untereinander ist. Dies zeigt wiederum die grundlegende Verkennung der rechtlichen Wertung von Vorgängen in einem Zahlungssystem durch Ette. Die einen Überweisungsauftrag empfangende Bank führt diesen als Beauftragte niemals aus, indem sie eine Verbindlichkeit gegenüber dem beauftragenden Teilnehmer, dem System an sich oder der Gesamtheit der anderen Teilnehmer begleicht. Sie führt ihn vielmehr im Wesentlichen durch Weiterleitung des Überweisungsauftrags aus. Genauso wenig führt selbstverständlich auch der beauftragende Teilnehmer den in das System eingereichten Überweisungsauftrag aus, in dem er gegebenenfalls seine Saldoverbindlichkeit gegenüber dem System begleicht. Er befriedigt dadurch lediglich den verrechneten „Aufwendungsersatzanspruch“, den der empfangende Teilnehmer beziehungsweise im Fall der Novation das System oder die Gesamtheit der anderen Teilnehmer gegen ihn hat. 2. Die einheitliche Anknüpfung in Zahlungssystemen Im vorhergehenden Abschnitt wurde gezeigt, dass eine Anknüpfung der Überweisungsverhältnisse nach „traditioneller“ kollisionsrechtlicher Dogmatik gemäß Art. 4 I lit. b Rom I auch innerhalb eines Zahlungssystems möglich ist. Möglicherweise sind jedoch die einzelnen Überweisungsverhältnisse im Allgemeinen gleichwohl einer einzigen Rechtsordnung zu unterstellen. Insoweit bietet sich eine Anknüpfung an diejenige Rechtsordnung an, die auch in den Geschäftsbedingungen des Zahlungssystems für die Anschlussverträge und den Abrechnungsvertrag gewählt wird.67 a) Einheitliche Anknüpfung aufgrund Rechtswahl gemäß Art. 3 Rom I Zunächst ist an eine Rechtswahl gemäß Art. 3 Rom I zu denken. Eine solche erfolgt bezogen auf den einzelnen Überweisungsauftrag im Allgemeinen nicht ausdrücklich. Möglich ist aber auch eine stillschweigende Inkorporation der Rechtswahl, die in den Geschäftsbedingungen der Systeme getroffen wurde, in die einzelnen Überweisungsverhältnisse. Eine solche scheidet jedenfalls nicht von vornherein 66
Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 134. Verträgen liegen grundsätzlich die (einheitlichen) Geschäftsbedingungen des Zahlungssystems zugrunde, oben S. 110 ff. 67 Diesen
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
aus.68 Eine solche Rechtswahl soll bei Börsengeschäften nach von Hoffmann dadurch zustande kommen, dass die Vertragsparteien ihre Verträge „auf der Grundlage der Geschäftsbedingungen der jeweiligen Börse“69 abschließen. Es liege in ihrem Interesse, dass die jeweiligen Geschäftsbedingungen und die Einzelverträge miteinander harmonieren.70 Dies pauschal anzunehmen, entspricht jedenfalls nicht immer dem Willen der Parteien. Weiterhin ist nach Rom I ein „tatsächliches Erklärungsbewusstsein“, nicht lediglich ein „hypothetisches“ erforderlich,71 wenngleich die Grenzen zwischen diesen beiden unterschiedlichen Voraussetzungen in der Rechtswirklichkeit sicher nicht so scharf wie in der Theorie gezogen werden können. In der Regel wird man jedoch bei Zahlungssystemen erwarten dürfen, dass sich die Rechtswahl in den Geschäftsbedingungen explizit auf die einzelnen Überweisungsverhältnisse erstreckt. Jedenfalls dann wird man davon ausgehen müssen, dass die Parteien durch ihren Beitritt zum und die Teilnahme am System den Willen bekunden, auch die einzelnen zwischen ihnen getätigten Überweisungsaufträge diesem Recht zu unterwerfen.72 Eine entsprechende explizite Rechtswahl trifft beispielsweise CHIPS in Ziff. 3 des CHIPS-Rulebook.73 Ist eine solche Einbeziehung der einzelnen Überweisungsverhältnisse nicht durch die Geschäftsbedingungen des Systems erfolgt, ist im Zweifelsfall jedoch davon auszugehen, dass auf das einzelne Überweisungsverhältnis das Sitzrecht der den Überweisungsauftrag empfangenden, beauftragten Bank gilt.74 Dies ist sachgerecht, da die den Überweisungsauftrag empfangende Bank den Überweisungsauftrag ausführt und ihr in der Regel lediglich die Regelungen ihrer Heimatrechtsordnung bekannt sind. Dies entspricht dem Regelungsgedanken des Art. 4 I lit. b Rom I.75 Auch auf die Rechtsverhältnisse innerhalb des TARGET2-Systems, das heißt auf die Verbindlichkeiten zwischen den einzelnen Zen-
68 Vgl.
Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern unter der Rom I-VO, S. 288; Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 146. 69 Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 146. 70 Soergel/von Hoffmann, Art. 28 EGBGB Rn. 146. 71 Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern unter der Rom I-VO, S. 288; MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 46; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 19. 72 So auch Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern unter der Rom I-VO, S. 289 zu multilateralen Handelssystemen für Finanzmarktprodukte im Sinne von Art. 4 I lit. h Rom I. 73 Vgl. zur Rechtswahlklausel gemäß Ziff. 3 CHIPS-Rulebook noch unten S. 230 f. 74 Auch bei den in Interbankenabkommen getroffenen Rechtswahlklauseln ist nicht davon auszugehen, dass sich dieses auf die Giro- oder einzelnen Überweisungsverhältnisse erstrecken, hierzu unten S. 158 ff. 75 Hierzu bereits S. 139 f.
B. Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem 155
tralbanken, findet nicht einheitlich eine Rechtsordnung Anwendung. Art. 25 III TARGET2-Leitlinie bestimmt insofern: „Bei den in Absatz 1 genannten Streitigkeiten [Anm. d. Verf.: Streitigkeiten zwischen den Zentralbanken, die die Leitlinie betreffen] bestimmen sich die jeweiligen Rechte und Pflichten der Parteien vorrangig durch die in dieser Leitlinie festgelegten Bestimmungen und Verfahren. Bei Streitigkeiten über Zahlungen zwischen TARGET2-Komponenten-Systemen findet das Recht des Mitgliedstaats, in dem die für den Zahlungsempfänger zuständige Zentralbank des Eurosystems ihren Sitz hat, ergänzend Anwendung, soweit es mit dieser Leitlinie vereinbar ist.“
Es ist insofern neben der Leitlinie gemäß Art. 25 III S. 2 TARGET2-Leitlinie das Recht des Mitgliedstaates „ergänzend“ anzuwenden, in dem die für den Zahlungsempfänger zuständige Zentralbank des Eurosystems ihren Sitz hat; grundsätzlich ist folglich im bilateralen Verhältnis der Zentralbanken untereinander das Recht der Empfängerbank anwendbar (modifiziert durch die höherrangige „Leitlinie“). Wie dies zeigt, ist die Anwendung einer einzigen Rechtsordnung auf die Einzelverträge innerhalb eines Zahlungssystems nicht notwendig und deshalb auch nicht zwingend. Sie ist folglich grundsätzlich nicht vom Willen zweier miteinander kontrahierender Banken erfasst, weshalb man im Regelfall weder auf einen „hypothetischen“, noch einen „tatsächlichen“ Willen der teilnehmenden Banken hinsichtlich der Anwendung einer einheitlichen, ihnen fremden Rechtsordnung auf die einzelnen Überweisungs- beziehungsweise Zahlungsverhältnisse schließen kann. b) Einheitliche Anknüpfung aufgrund Art. 4 I lit. h Rom I Ergibt sich eine einheitliche Anknüpfung nicht aus einer Rechtswahl gemäß Art. 3 Rom I, könnte sich eine solche einheitliche Anknüpfung jedoch aus Art. 4 I lit. h Rom I ergeben. Gemäß Art. 4 I lit. h Rom I unterliegen „Verträge, die innerhalb eines multilateralen Systems geschlossen werden, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten […] nach nichtdiskretionären Regeln und nach Maßgabe eines einzigen Rechts zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, […] diesem Recht“. Fallen Überweisungsverträge unter den Begriff der Finanzinstrumente im Sinne von Art. 4 I lit. h Rom I, ist eine Bestimmung des anwendbaren Rechts gemäß Art. 4 I lit. b Rom I grundsätzlich ausgeschlossen.76
76
Wobei natürlich unter Anwendung der Ausweichklausel von Art. 4 III Rom I theoretisch eine entsprechende Anknüpfung immer noch möglich wäre. Zu den Voraussetzungen einer Abweichung von der Regelanknüpfung S. 157 f.
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
Eine Anwendung von Art. 4 I lit. h Rom I im Rahmen von Zahlungssysteme kommt jedoch aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Zum einen handelt es sich bei Zahlungsaufträgen nicht um Finanzinstrumente im Sinne von Art. 4 I lit. h Rom I in Verbindung mit Anhang 1 Abschnitt C der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II77)78, auf die für diesen Zweck verwiesen wird.79 Zum anderen ist es nicht Zweck von Systemen gemäß Art. 2 lit. a, 1. 77
Dies ist das gebräuchliche Akronym, das sich aus der englischen Bezeichnung der Richtlinie ableitet („Markets in Financial Instruments Directive“). 78 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. Nr. L 173/349 vom 12.06.2014; inkl. Berichtigung ABl. Nr. L 74/38 vom 18.03.2015. 79 Im Text des Art. 4 I lit. h Rom I wird allerdings noch auf Art. 14 I Nr. 17 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (MiFID I) verwiesen. Die Auflistung der dortigen Finanzinstrumente findet sich allerdings inzwischen, wie im Text beschrieben, in Anhang I, Abschnitt C der MiFID 2. Dieser lautet: „Finanzinstrumente (1) Übertragbare Wertpapiere; (2) Geldmarktinstrumente; (3) Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen; (4) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder -erträge, Emissionszertifikate oder andere Derivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrößen, die effektiv geliefert oder bar abgerechnet werden können; (5) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt; (6) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, vorausgesetzt, sie werden an einem geregelten Markt, über ein MTF oder über ein OTF gehandelt; ausgenommen davon sind über ein OTF gehandelte Energiegroßhandelsprodukte, die effektiv geliefert werden müssen; (7) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, die sonst nicht in Nummer 6 dieses Abschnitts genannt sind und nicht kommerziellen Zwecken dienen, die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen; (8) Derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken; (9) Finanzielle Differenzgeschäfte; (10) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Klimavariablen, Frachtsätze, Inflationsraten oder andere offizielle Wirtschaftsstatistiken, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt, sowie alle anderen Derivatkontrak-
B. Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Rechtsverhältnisse in einem Zahlungssystem 157
Spiegelstr. FRL, Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten nach nichtdiskretionären Regeln zusammenzuführen, wie es Art. 4 I lit. h Rom I erfordert.80 Bei Zahlungs- und Wertpapierabwicklungssystemen stehen die Vertragspartner einer Transaktion bereits von vornherein fest.81 Außerdem handelt es sich bei den im Rahmen des Zahlungsverkehrs geschlossenen Geschäften, nicht um den Kauf und Verkauf von Zahlungsinstrumenten. Zwar darf man sich diesem Begriff nicht mit einem deutschen Begriffsverständnis nähern; ausschlaggebend ist vielmehr ein genuin kollisionsrechtliches Verständnis, das losgelöst von den materiellrechtlichen Begriffen einer Rechtsordnung sein kann. Doch überschritte die Subsumtion von Geschäftsbesorgungsverträgen im Zahlungsverkehr unter den Begriff des Kaufvertrags auch die Grenzen dieses kollisionsrechtlich geprägten Begriffs. c) Einheitliche Anknüpfung aufgrund Art. 4 III Rom I Möglich wäre jedoch eine Übertragung des Regelungsgedankens des Art. 4 I lit. h Rom I auf die Ausweichklausel des Art. 4 III Rom I. Es ist insofern nicht notwendig, Art. 4 I lit. h Rom I analog anzuwenden, da man über die Ausweichklausel des Art. 4 III Rom I eine entsprechende akzessorische Anknüpfung erreichen kann. Insbesondere sind nach dem Erwägungsgrund 21 Rom I bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts auch der Bezug zu anderen Verträgen, zu denen eine sehr enge Verbindung besteht, zu berücksichtigen.82 Aus der Spezialregelung des Art. 4 I lit. h Rom I wird man jedenfalls nicht ableiten können, dass der europäische Gesetzgeber im Rahmen von Zahlungssystemen eine solche Anknüpfung generell abgelehnt hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er lediglich für die in Art. 4 I lit. h Rom I erwähnten Systeme eine besondere Regelung vorsehen wollte, da ihm dies dort von herausgehobener Bedeutung erschien.83 Doch wie bereits im Rahmen von Art. 3 Rom I ausgeführt, haben die te in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte, die sonst nicht im vorliegenden Abschnitt C genannt sind und die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob sie auf einem geregelten Markt, einem OTF oder einem MTF gehandelt werden; (11) Emissionszertifikate, die aus Anteilen bestehen, deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der Richtlinie 2003/87/EG (Emissionshandelssystem) anerkannt ist [Hervorh. i. Orig.].“ 80 Vgl. Dicke, Kapitalmarktgeschäfte mit Verbrauchern unter der Rom I-VO, S. 273. 81 Vgl. hierzu auch Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 237 ff. 82 Hierzu auch noch ausführlich im Rahmen der akzessorischen Anknüpfung im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr, unten S. 266 ff. 83 Dies erschließt sich schon daraus, dass treibende Kräfte hinter der Regelung Großbritannien und Irland gewesen sind, die als „Global Player“ auf den Finanzmärkten die Funktionsfähigkeit dieser Systeme auf jeden Fall gewährleisten wollten, vgl. hierzu und zum vor dem In-
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
beauftragten Banken ein elementares Interesse daran, empfangene Überweisungsaufträge nach ihrem Heimatrecht, also nach dem an ihrem Sitz geltenden Recht auszuführen. Auf dieses können sie sich am besten einstellen und so die Ausführung von Überweisungen für sich jeweils standardisieren. Dies wäre ihnen nicht mehr in dieser Einfachheit möglich, wenn sie sich nach mehreren Rechtsordnungen richten müssten. Eine Übertragung des Regelungsgedankens, eine einheitliche Anknüpfung gemäß Art. 4 I lit. h Rom I für sämtliche Rechtsverhältnisse innerhalb von multilateralen Handelssystemen für Finanzsysteme zu erreichen, um Normkonflikte von vornherein auszuschließen, ist deshalb nicht angebracht. Dies gilt umso mehr, als nicht ersichtlich ist, an welcher Stelle Normkonflikte auftreten können.
C. Rechtswahl in Interbankenabkommen und sonstigen Rahmenverträgen (SWIFT) Zu prüfen bleibt, wie sich die bei Interbankenabkommen und sonstigen Rahmenverträgen getroffenen Rechtswahlvereinbarungen auf den eigentlichen Überweisungsvorgang auswirken. In Betracht kommen hier auch wiederum eine Inkorporation der jeweiligen Rechtswahlvereinbarung in die einzelnen Überweisungsund Giroverhältnisse oder aber eine Unterstellung dieser Verträge unter dasselbe Recht wie die Rahmenverträge aufgrund einer objektiven akzessorischen Anknüpfung. Eine entsprechende akzessorische Anknüpfung wird beispielsweise von Etzkorn auf Grundlage der Ziff. 41 I SWIFT-by-laws und der Ziff. 16 SWIFT-AGB vertreten. Diese Vorschriften bestimmen: Art. 41 SWIFT-by-laws: „Applicable Law and Arbitration“ „All relations between the Company and each Shareholder shall be governed by Belgian Law. […]“ Ziff. 16 SWIFT-AGB: „Applicable Law“ „These General Terms and Conditions are governed by and construed in accordance with Belgian law (without giving effect to any conflict of law provision that would cause the application of other laws).“
Laut Etzkorn werden die Klauseln des SWIFT-by-law und der SWIFT-AGB zwar in der Regel nicht ausdrücklich in das bilaterale Giroverhältnis zwischen zwei an SWIFT teilnehmenden Banken einbezogen.84 Eine Einbeziehung erfolkrafttreten von Rom I bestehenden Streit hinsichtlich der Anknüpfung von Börsenverträgen im deutschen Recht, Müller, Finanzinstrumente in der Rom I-VO, S. 225 f. 84 Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 52 f.; Etzkorn, in: Had-
C. Rechtswahl in Interbankenabkommen und sonstigen Rahmenverträgen (SWIFT) 159
ge jedoch konkludent, da sich beide Banken durch Abschluss des Vertrages mit SWIFT dazu verpflichtet hätten, Zahlungsmitteilungen anderer Teilnehmer zu empfangen und den SWIFT-Regeln entsprechend zu verarbeiten.85 Die „unbedingte Bereitschaft“86 hierzu, stelle „zugleich eine Einigung zweier Korrespondenzpartner dar, […], die [SWIFT]-Regeln auch für ihr bilaterales Korrespondenzverhältnis anzuerkennen und sie zwangsläufig in dieses einzubeziehen.“87 Da die Regelungen des SWIFT-by-law, der SWIFT-AGB und der diese näher ausgestaltenden Dokumente umfassend sei, erstrecke „sich die Einbeziehung von [SWIFT]-Regeln auf das Korrespondenzverhältnis zweier Banken auf alle Bereiche der praktischen Durchführung einer Überweisung bei Sender und Empfänger“88 einer SWIFT-Mitteilung. Deshalb sei auch die Rechtswahlklausel gemäß Ziff. 16 SWIFT-AGB und des Art. 41 I SWIFT-by-laws in das Giroverhältnis miteinbezogen.89 Dies hätte zur Folge, dass sämtliche Giro- und Überweisungsverhältnisse zwischen zwei SWIFT-Teilnehmern belgischem Recht unterlägen, unabhängig davon, wo diese Teilnehmer ihren Sitz haben. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen.90 Die Rechtswahl gemäß Art. 41 I SWIFT-by-laws kann schon keine Bedeutung für die Erbringung der Dienstleistungen von SWIFT an die einzelnen Teilnehmer, aber auch zwischen den Teilnehmern untereinander haben, da nicht alle Teilnehmer von SWIFT auch „shareholder“ sind. Warum eine Erstreckung der Rechtswahl gemäß Ziff. 16 SWIFTAGB auf den Girovertrag im Interbankenverhältnis nach der Auffassung Etzkorns abzulehnen ist, wird insbesondere dann ersichtlich, wenn die Banken für ihren Vertrag bereits eine individuelle Rechtswahl getroffen haben. In diesem Fall soll nach Etzkorn die im Girovertrag getroffene individuelle Rechtswahl der Vertragspartner im Umfang der SWIFT-Bestimmungen verdrängt werden.91 Da diese allerdings seiner eigenen Aussage nach den Giroverkehr umfassend regelt, ding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 482. Auch in der Rechtsprechung wird im Fall einer SWIFT-Überweisung die Anwendung belgischen Rechts nicht einmal erwogen, vgl. nur BGH 09.03.1987, NJW 1987, 1825, 1826 (Tz. 10); OLG Köln 04.09.2013, BeckRS 2013, 21122 (Tz. 28). Gleiches gilt selbstverständlich auch für Fälle mit reinem Inlandsbezug. 85 Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 53; Etzkorn, in: Hadding/ Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 482. 86 Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 53. 87 Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 53. Vgl. auch Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 482 f. 88 Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 55. Vgl. auch Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 484. 89 So ausdrücklich Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 54. 90 So auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 275 (insb. Fn. 1041); Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 42. 91 Vgl. Etzkorn, Elektronischer Zahlungsverkehr durch S.W.I.F.T., S. 54.
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
bliebe kein „Restbereich“ übrig, in dem die individuelle Rechtswahl der Parteien des Girovertrags bestand hätte. Etzkorns Auffassung missachtet die Parteiautonomie der am Giroverhältnis beteiligten Banken, die diesen gemäß Art. 3 Rom I gewährt wird,92 und inkorporiert eine fremde Rechtswahl in ihren Vertrag, obwohl die Parteien ausdrücklich einen anderslautenden Willen kundgetan haben. Aber auch wenn die Parteien eine solche individuelle Rechtswahl nicht getroffen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Rechtswahl zugunsten des belgischen Rechts der SWIFT-AGB in ihr Vertragsverhältnis einbeziehen wollten. Es ist nicht einzusehen, dass ein Überweisungsvertrag zwischen zwei US-amerikanischen Banken belgischem Recht unterliegen soll, also einem Recht, das den beiden beteiligten Banken regelmäßig überhaupt nicht bekannt ist und zu dem sie nur eingeschränkten Zugang haben.93 Es erschließt sich auch nicht, warum die Einbeziehung der SWIFT-AGB in das Verhältnis zwischen diesen Banken, die vielleicht besondere Bestimmungen auf Grundlage ihrer Rechtsordnung getroffen haben, wünschenswert oder sogar notwendig sein soll. Auch das SCT-Rulebook enthält in Ziff. 5.13 XIII SCT-Rulebook eine Rechtswahl zugunsten belgischen Rechts: Ziff. 5.13 XIII SEPA-Rulebook: „[…] The Rulebook is governed by, and shall be construed in accordance with, Belgian law. […]“
Teilweise wird davon ausgegangen, dass sich die Rechtswahl des Rulebook bei einer Überweisung, die vom SCT-Rulebook erfasst wird,94 auch auf die Interbankenverhältnisse erstreckt.95 Diese Auffassung ist, ebenso wie die Auffassung Etzkorns zu SWIFT, abzulehnen.96 Freilich ergibt sich nicht bereits aus der Wahl der englischen Sprache als verbindliche Sprachfassung für die Rulebooks und als Verfahrenssprache, dass die einzelnen Vertragsverhältnisse zwischen den an einem Zahlungsvorgang Beteiligten nicht der belgischen Rechtsordnung unterlie-
92 Und die er grundsätzlich anerkennt, Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 480; Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 483. 93 Vgl. auch Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 42. 94 Zum Anwendungsbereich des SCT-Rulebook oben S. 128. 95 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 314, 318, insbesondere aber S. 321 ff; Palandt/Sprau, Einf v § 675c BGB Rn. 13. Ebenso auch Brauns, Die SEPA-Lastschrift, S. 40, die fälschlicherweise davon ausgeht, dass die Rulebooks die (ausschließliche) vertragliche Grundlage der Erbringung von Zahlungsdiensten im Interbankenverhältnis bilden. A.A. Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, S. 243 f. 96 Vgl. auch Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, S. 243 f.
C. Rechtswahl in Interbankenabkommen und sonstigen Rahmenverträgen (SWIFT) 161
gen könnten, wie dies etwa Petrescu meint.97 Die Verwendung der englischen Sprache kann kein Argument gegen die Anwendung belgischen Rechts sein, da das SCT-Rulebook ausdrücklich eine Rechtswahl trifft und es im Gegensatz zu Petrescu deshalb nicht „de facto einen internationalen Charakter haben [soll], losgelöst von den Eigenheiten einer bestimmten nationalen Rechtsordnung“98. Jedoch sind die Interbankenverhältnisse gemäß Ziff. 3.2 Nr. 6 und Ziff. 3.4 SCT-Rulebook ausdrücklich nicht vom SCT-Rulebook unmittelbar beherrscht (Ziff. 3.2 Nr. 6 SCT-Rulebook: „Provisions for these relationships and their functioning are not governed by the Scheme.“). Weiterhin sprechen bereits die oben im Rahmen zu SWIFT angeführten Erwägungen auch gegen eine „automatische“ Einbeziehung der Rechtswahlklausel des SCT-Rulebook in die einzelnen Girooder Überweisungsverhältnisse. Auch beim SCT-Rulebook bezieht sich die Rechtswahl zunächst lediglich auf das Rulebook und auf die durch das Rulebook begründeten Rechte und Pflichten der Teilnehmer.99 Ein darüber hinausgehender Wille der Parteien, die Rechtswahlklausel auch in ihren Girovertrag oder Überweisungsvertrag stillschweigend miteinzubeziehen, wird in der Regel nicht feststellbar sein, mangelt es doch von vornherein bereits an der Interessengerechtigkeit der Wahl einer der Parteien inhaltlich nicht bekannten Rechtsordnung.100 Im Fall einer anderweitig getroffenen ausdrücklichen oder konkludenten101 Rechtswahl wäre ein solches Vorgehen grundsätzlich sogar unvertretbar. Auch wenn die Bank des Überweisenden und die Empfängerbank sicherstellen sollen, dass bei Einschaltung von zwischengeschalteten Banken die jeweiligen Giroverhältnisse beziehungsweise andere Vertragsverhältnisse nicht dazu führen, dass sie ihre Verpflichtungen gemäß dem SCT-Rulebook verletzen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Vertragsverhältnisse zu diesem Zweck dem belgischen Recht unterliegen müssten. Nur die Bank des Überweisenden und des Überweisungsempfängers sind von den Regelungen des SCT-Rulebook erfasst, dahingegen gemäß Ziff. 3.2 SCT-Rulebook ausdrücklich nicht zwischengeschaltete Banken. Man kann einen entsprechenden Willen der zwischengeschalteten Bank, belgisches Recht zu wählen, deshalb nicht einmal, wie zum Beispiel der Auffassung Etzkorns bei SWIFT nach, aus dem Willen beider Banken folgern, 97 Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, S. 243 f. Zustimmend wohl auch Brauns, Die SEPA-Lastschrift, S. 40 Fn. 110. 98 Petrescu, Lastschriftverkehr in Deutschland, Rumänien und der EU, S. 244. 99 Zu den Rechten und Pflichten der Teilnehmer oben S. 130 ff. 100 Siehe zur Interessengerechtigkeit das Kriterium der ergänzenden Vertragsauslegung, Palandt/Ellenberger, § 157 BGB Rn. 6, 7. 101 Hiervon kann ggf. dann ausgegeangen werden, wenn im Girovertrag Bezug auf Normen einer bestimmten nationalen Rechtsordnung genommen wird. In der Regel werden die Bankenverträge allerdings zusätzlich eine ausdrückliche Rechtswahl enthalten (vgl. hierzu bereits oben S. 136).
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3. Kapitel: Grundlagen des europäischen internationalen Vertragsrechts
sich vollständig den für sie „zwingenden“ Regelungen des Rulebook zu unterwerfen.102 In ihrer Funktion als zwischengeschaltete Bank gilt das SCT-Rulebook eben nicht unmittelbar für sie. Auch eine objektive akzessorische Anknüpfung der Giro- oder Überweisungsverträge an die Rahmenvereinbarung von SWIFT oder an Interbankenabkommen, auch wenn beide Banken Vertragspartner dieser Verträge sind, scheidet schließlich aus. SWIFT und Interbankenabkommen sind jedenfalls keine multilateralen Systeme im Sinne von Art. 4 I lit. h Rom I.103 Auch eine abweichende Anknüpfung der Giro- oder einzelnen Überweisungsverträge gemäß Art. 4 III Rom I scheidet aus. Zwar wäre hier eine weitgehende Standardisierung der Verträge im Interbankenverhältnis möglich, da die genannten Rahmenvereinbarungen jeweils belgischem Recht unterliegen. Die Banken müssten allerdings zwischen solchen Überweisungsaufträgen unterscheiden, die vom Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarungen umfasst sind, und solchen, die es nicht sind. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass eine Bank ihre Rechte und Pflichten einer ihr grundsätzlich fremden Rechtsordnung unterstellen will. Gleiches sollten deshalb grundsätzlich auch der Gesetzgeber und Rechtsanwender vermeiden.
102 In diese Richtung allerdings Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 324. 103 Ausdrücklich zu Zahlungsverkehrsabkommen Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 321; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 21.
4. Kapitel
Analyse der im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr auftretenden Problemlagen Wie im Vorangehenden gezeigt, führt der „traditionelle“ kollisionsrechtliche Ansatz bei grenzüberschreitenden Überweisungen regelmäßig zur Anwendung einer Vielzahl von Rechtsordnungen auf ein und denselben Überweisungsvorgang. Dies ist für das Internationale Privatrecht per se nicht unbedingt ungewöhnlich oder gar unangemessen.1 Kommt es durch das Internationale Privatrecht dazu, dass verschiedene Teile eines Sachverhalts unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstellt werden, hat sich dafür sogar der kollisionsrechtliche Begriff der „dépeçage“ eingebürgert.2 Dies unterstreicht, dass es sich dabei um eine gewöhnliche Situation bei der Anwendung des Internationalen Privatrechts handelt. Auch wenn der Begriff der „dépeçage“ in der Regel im Kontext einer „Zersplitterung“ des berufenen Rechts innerhalb eines Zwei- oder Mehrpersonenverhältnisses gebraucht wird,3 spricht nichts dagegen, ihn auch auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand der grenzüberschreitenden Überweisung auszuweiten, bei der Rechtsverhältnisse verschiedener Parteien unterschiedlichen Rechten unterworfen werden. Auch in diesem Fall kann es nämlich zu Konflikten, sogenannten „Normenwidersprüchen“ zwischen den berufenen Rechten kommen, die in der Gestalt von „Normenhäufung“ und „Normenmangel“ in Erscheinung treten.4 Derartige Normenwidersprüche können grundsätzlich immer dann auftreten, wenn abweichende Regelungsmodelle verschiedener Staaten in einem Überweisungsvorgang zusammenwirken. Ziel dieses Kapitels wird es zum einen sein, die Bereiche im Überweisungsrecht zu identifizieren, in denen Staaten voneinander abweichende Lösungsmechanismen gefunden haben, um spezifischen Problemen mehrgliedriger Überweisungsvorgänge zu begegnen. Zum anderen wird untersucht werden, ob es durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen 1
von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 86. Hierzu auch unten S. 273 ff. 2 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 141. 3 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 141 f. 4 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 141; dort finden sich auch einige klassische Lehrbuchbeispiele, wann es im Rahmen einer „dépeçage“ zu Normenwidersprüchen kommt.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
Lösungsmechanismen bei grenzüberschreitenden Überweisungsvorgängen zu korrekturbedürftigen Normenwidersprüchen kommen kann.
A. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs („money-back guarantee“) I. Die „money-back guarantee“ im Sachrecht Aus deutscher Sicht sind Banken (im nationalen drittstaatenbezogenen) Überweisungsrecht lediglich zur Weiterleitung eines Überweisungsauftrags verpflichtet.5 Im deutschen Recht besteht bei Überweisungen in Drittstaaten lediglich dann ein verschuldensunabhängiger Herausgabeanspruch gemäß §§ 675c, 667 Alt. 2 BGB gegen die nachfolgende Bank, wenn letztere den Überweisungsauftrag nicht oder weisungswidrig ausführt (vergleiche auch Nr. 3.2.3.2 BedÜberwVerk).6 Führt die Bank den Überweisungsauftrag hingegen weisungsgemäß durch Weiterleitung an eine zwischengeschaltete Bank7 aus, ist ein verschuldensunabhängiger Herausgabeanspruch gemäß §§ 675c, 667 Alt. 2 BGB nicht denkbar. Insbesondere besteht dieser auch dann nicht, wenn die Bank, an die der Überweisungsauftrag weitergeleitet wurde, diesen nicht ausführt. Gegen die weiterleitende Bank kann dann höchstens ein verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch gemäß § 280 I BGB geltend gemacht werden.8 Die Bank hat dem Überweisenden den Überweisungsbetrag dann grundsätzlich nur zu erstatten, wenn ihr bei Ausführung ein Auswahlverschulden (bereits eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Insolvenz der Bank) zur Last fällt oder sie in sonstiger 5
Die Pflicht zur bloßen Weiterleitung des Überweisungsauftrags gilt im drittstaatenbezogenen deutschen Überweisungsrecht auch nach der Novelle im Zuge der ZDR II weiterhin, hierzu oben S. 26 f. Auch in in vielen anderen Rechtsordnungen besteht eine bloße Pflicht zur Weiterleitung des Überweisungsauftrags bzw. wird eine umfassenderes Pflichteregime durch die jeweiligen AGB der Banken abbedungen, vgl. Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 26. 6 Zur Herausgabepflicht bereits oben S. 38. 7 Etwas anderes ist natürlich dann gegeben, wenn die Bank, an die der Überweisungsauftrag weitergeleitet wurde, die Bank des Überweisungsempfängers ist. In diesem Fall hat der Überweisungsempfänger grundsätzlich einen Herausgabeanspruch gemäß §§ 675c I, 667 Alt. 2 BGB gegen seine Bank (hierzu bereits S. 33 f.). 8 Vgl. auch Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 26. Im deutschen Recht erkennen hingegen auch Teile der Literatur im Fall der Weiterleitung an eine insolvente Bank einen Herausgabeanspruch gemäß §§ 675c I, 667 BGB zu. Sie machen diesen Anspruch allerdings von einem Verschulden der Bank abhängig. Im Ergebnis besteht somit zwischen den Auffassungen häufig nur hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Anspruchs ein Unterschied. Hierzu bereits oben S. 32.
A. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs
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Weise schuldhaft die Nichtausführung vorhersehen konnte.9 Im Grundsatz trägt deshalb der Überweisende das Verlustrisiko bei einem Überweisungsvorgang.10 Anders ist die Rechtslage in Rechtsordnungen mit einer „money-back guarantee“. Dank diesem, bei seiner Einführung teilweise als „revolutionär“11 bezeichnetem Rechtsinstitut steht die Bank des Überweisenden (und gegebenenfalls auch eine zwischengeschaltete Bank) für den „Erfolg“ des Überweisungsvorgangs gerade.12 Wird der Überweisungsvorgang nicht ordnungsgemäß abgeschlossen, gewährleistet nämlich die „money-back guarantee“, dass der Überweisende den Überweisungsbetrag zurückerhält – und dies unabhängig davon, ob seine Bank ein Verschulden an der Nichtausführung des Überweisungsauftrags trifft oder nicht. Das Verlustrisko wird durch die „money-back guarantee“ auf eine die Überweisung ausführende Bank übertragen.13 1. US-amerikanisches Recht Eine „money-back guarantee“ im Überweisungsrecht wurde erstmals durch den US-amerikanischen § 4A-402 (d) UCC eingeführt.14 Dieser lautet: „If the sender of a payment order pays the order and was not obliged to pay all or part of the amount paid, the bank receiving payment is obliged to refund payment to the extent the sender was not obliged to pay. Except as provided in Sections 4A-204 and 4A-304, interest is payable on the refundable amount from the date of payment.“
Gemäß § 4A-402 (d) UCC hat der Absender („sender“) eines Überweisungsauftrags einen Rückzahlungsanspruch, falls er bereits auf seinen Überweisungsauftrag gezahlt hat, hierzu jedoch keine Verpflichtung bestand („not obliged to pay“). Die (vermeintliche) Verpflichtung kann hierfür sowohl von Anfang an nicht bestanden haben, beispielsweise mangels Annahme des Überweisungsauftrages durch die nachfolgende Bank, oder aber nachträglich weggefallen sein. 9
Hierzu noch sogleich unten S. 179 ff. Bankvertragsrecht I, Rn. 349, 478. 11 Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 67 („the most revolutionary provision“). 12 Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 87. Vgl. auch Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 67 („[T]he originator’s bank is responsible towards its client for the satisfactory execution of the operation as a whole up to completion.“). 13 Vgl. nur Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 25. Welche Bank das Verlustrisiko im Einzelfall trägt, hängt davon ab, wie die „money-back guarantee“ in der jeweiligen Rechtsordnung konkret ausgestaltet ist. 14 Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 25 f. Vgl. allgemein zur „money-back guarantee“ im US-amerikanischen Recht Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 125 f.; Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 104 f.; White/Summers, Uniform Commercial Code, § 20–16. 10 Staub/Canaris,
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
Für die „money-back guarantee“ ist insofern die letztere Variante und § 4A-402 (c) UCC von besonderer Bedeutung. Diese lautet: „This subsection is subject to subsection (e) and to Section 4A-303. With respect to a payment order issued to a receiving bank other than the beneficiary’s bank, acceptance of the order by the receiving bank obliges the sender to pay the bank the amount of the sender’s order. Payment by the sender is not due until the execution date of the sender’s order. The obligation of that sender to pay its payment order is excused if the funds transfer is not completed by acceptance by the beneficiary’s bank of a payment order instructing payment to the beneficiary of that sender’s payment order.“
Wird der Überweisungsvorgang folglich nicht durch die Annahme des (weitergeleiteten) Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers („acceptance by the beneficiary’s bank“) abgeschlossen, ist der „sender“ eines Überweisungsauftrags von seiner Zahlungspflicht gegenüber seinem Vertragspartner, der nachfolgenden Bank, befreit („excused“).15 Kommt es folglich nicht zur Annahme des (weitergeleiteten) Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisungsempfängers, ist kein Beteiligter des Überweisungsvorgangs mehr verpflichtet, den Anspruch aus § 4A-402 (c) UCC zu erfüllen. Hat ihn ein Beteiligter bereits erfüllt, kann er Rückzahlung vom nachfolgenden Beteiligten verlangen. Den Anspruch des § 4A-402 (d) UCC können somit der Überweisende und jede Bank eines Überweisungsvorgangs gegen die jeweils nachfolgende Bank geltend machen. Es kommt zu einer Rückabwicklung entlang der „Überweisungskette“. Nur ausnahmsweise wird dieses Prinzip der Rückabwicklung über die „Kette“ durchbrochen. Gemäß § 4A-402 (e) UCC behält eine Bank ihren Anspruch auf Zahlung des Überweisungsbetrags gemäß § 4A-402 (c) UCC, wenn sie ihren Vertragspartner, die nachfolgende zwischengeschaltete Bank, nicht selbst ausgesucht hat, sondern angewiesen wurde, diese einzuschalten, und letztere den Überweisungsauftrag nicht ausführt, weil sie insolvent wird oder aufgrund Gesetzes den Rückzahlungsanspruch nicht befriedigen darf. Der Beteiligte des Überweisungsvorgangs, der die Zwischenschaltung der insolventen Bank angewiesen hatte, wird hingegen auf den Anspruch der der insolventen Bank vorgeschalteten Bank verwiesen, welcher mittels eines gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 4A-402 (e) UCC a. E. auf diesen übergeht („subrogated“).16 Durch die „money-back guarantee“ des UCC trägt diejenige Bank das Verlustrisiko, die die letzte Bank in der jeweiligen Überweisungskette beauftragt hat.17 Diese Bank trägt insbesondere das Insolvenzrisiko der letztbeauftragten Bank. 15 Vgl. auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 125; White/Summers, Uniform Commercial Code, § 20–16. 16 Vgl. zur „subrogation“ im Common Law Sheldon, The Law of Subrogation, S. 1 ff. 17 Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 25.
A. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs
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Nur ausnahmsweise wird das Verlustrisiko auf eine andere Bank übertragen. Dies ist der Fall, wenn die die insolvente Bank beauftragende Bank zur Zwischenschaltung dieser (zwischengeschalteten) Bank angewiesen wurde. Dann trägt die die Anweisung erteilende Bank das Insolvenzrisiko. Die „money-back guarantee“ ist Kern des Regelungsmodells von Art. 4A UCC.18 Dies zeigt insbesondere § 4A-402 (f) UCC, wonach sowohl § 4A-402 (c) als auch (d) UCC zwingendes Recht sind und durch die Parteien grundsätzlich nicht abbedungen werden können.19 Als Ausgleich für die verschuldensunabhängige „money-back guarantee“ ist zugunsten der Banken allerdings der Ersatz von Folgeschäden („consequential damages“) von Gesetzes wegen weitgehend auf den Zinsschaden beschränkt worden (§§ 4A-305 (a)–(d), 4A-402 UCC).20 Das Verzögerungsrisiko muss folglich grundsätzlich der Überweisende und nicht die Banken tragen.21 2. UNCITRAL-Modellgesetz Auch das UNCITRAL-Modellgesetz, auf dessen Ausgestaltung die USA maßgeblichen Einfluss genommen haben,22 sieht in Art. 14 eine im Wesentlichen gleich ausgestaltete „money-back guarantee“ vor.23
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Bhala, in: Norton (Hrsg.), Yearbook of International Financial and Economic Law, S. 57 nennt die „money-back guarantee“ eine der „five legal foundations of wire-transfer law“ des Art. 4A UCC. 19 Allerdings können, abweichend von diesem Grundsatz, die genannten Regelungen in den Geschäftsbedingungen eines Zahlungssystems („funds-transfer system rule“, hierzu noch unten S. 229 ff.) gemäß § 4A-501 (b) UCC für dessen Teilnehmer abbedungen werden. 20 Ein Anspruch auf Ersatz von Folgeschäden („consequential damages“) wird vom US-amerikanischen Gesetzgeber im Überweisungsverkehr als unangemessen erachtet (vgl. § 4A-305 UCC, Comm. 2). Vgl. auch das Closing Statement der US-Delegation bei den Verhandlungen zum UNCITRAL-Modellgesetz (hierzu Crawford, 19 Can. Bus. L.J. 166 (1991), 172): „By relieving banks of the potential risks of consequential damages that are more appropriate to the slower, paper-based systems, Article 4A enables banks to act more quickly and more consistently with modern payment systems.“ Vgl. auch Einsele, AcP 199 (1999), 145, 171; Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 105. Ausnahmsweise trifft die Bank des Überweisungsempfängers gemäß § 4A-404 (a) UCC eine Pflicht zum Ersatz von Folgeschäden, wenn sie den Überweisungsauftrag zugunsten des Überweisungsempfängers angenommen hat, und den Betrag nicht entsprechend § 4A-404 (a) UCC gutschreibt. Zudem besteht im Fall eines schuldhaften Verstoßes gegen eine Verhaltenspflicht gemäß § 4A-302 UCC auch eine Ersatzpflicht hinsichtlich bestimmter Kosten gemäß § 4A-305 (a), (b) UCC. 21 Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 25. 22 Vgl. auch oben S. 70 f. 23 Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 66.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
Art. 14 UNCITRAL-Modellgesetz – Refund „(1) If the credit transfer is not completed, the originator’s bank is obligated to refund to the originator any payment received from it, with interest from the day of payment to the day of refund. The originator’s bank and each subsequent receiving bank is entitled to the return of any funds it has paid to its receiving bank, with interest from the day of payment to the day of refund. (2) The provisions of paragraph (1) may not be varied by agreement except when a prudent originator’s bank would not have otherwise accepted a particular payment order because of a significant risk involved in the credit transfer. (3) A receiving bank is not required to make a refund under paragraph (1) if it is unable to obtain a refund because an intermediary bank through which it was directed to effect the credit transfer has suspended payment or is prevented by law from making the refund. A receiving bank is not considered to have been directed to use the intermediary bank unless the receiving bank proves that it does not systematically seek such directions in similar cases. The sender that first specified the use of that intermediary bank has the right to obtain the refund from the intermediary bank. (4) A bank that is obligated to make a refund to its sender is discharged from that obligation to the extent that it makes the refund direct to a prior sender. Any bank subsequent to that prior sender is discharged to the same extent. (5) An originator entitled to a refund under this article may recover from any bank obligated to make a refund hereunder to the extent that the bank has not previously refunded. A bank that is obligated to make a refund is discharged from that obligation to the extent that it makes the refund direct to the originator. Any other bank that is obligated is discharged to the same extent. (6) Paragraphs (4) and (5) do not apply to a bank if they would affect the bank’s rights or obligations under any agreement or any rule of a funds transfer system.“
In Abweichung zum strikten Modell der Rückabwicklung über die Kette gemäß dem US-amerikanischen Regelungsmodell des § 4A-402 (d), (c) UCC kann sich der Überweisende gemäß Art. 14 V UNCITRAL-Modellgesetz jedoch auch an jede Bank halten, die zu einer Rückerstattung des Überweisungsbetrags gemäß Art. 14 I UNCITRAL-Modellgesetz verpflichtet ist, sofern und soweit diese den gegen sie gerichteten Rückerstattungsanspruch der vorangehenden Bank nicht bereits befriedigt hat. Da der Überweisende jedoch auch einen Anspruch gegen seine Bank auf Rückerstattung hat, ist es unwahrscheinlich, dass dieser den „mühsameren Weg“ der Erstattung über eine andere Bank geht.24 Das Verlustrisiko liegt wie bei der US-amerikanischen „money-back guarantee“ bei der vorletzten Bank der Überweisungskette.25 Das Insolvenzrisiko muss folglich die 24 Zu denken ist allerdings an den (unwahrscheinlichen) Fall, in dem die Bank des Überweisenden in der Zwischenzeit selbst insolvent geworden ist. 25 Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 25. Vgl. zur US-amerikanischen „money-back guarantee“ oben S. 166.
A. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs
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Bank, die Vertragspartnerin der letzten zwischengeschalteten Bank der jeweiligen (Rumpf-)Überweisungskette ist, tragen. Auch für den Gesetzgeber des UNCITRAL-Modellgesetz ist die „money-back guarantee“ zentraler Bestandteil des Überweisungsregimes und kann deshalb grundsätzlich nicht abbedungen werden.26 Im Gegensatz zu § 4A-402 (f) UCC können Banken jedoch ausnahmsweise dann gemäß Art. 14 II UNCITRAL-Modellgesetz die „money-back guarantee“ durch eine vertragliche Abrede abbedingen, wenn dem Überweisungsvorgang ein signifikantes Risiko („signifikant risk“) inhärent ist und eine „vernünftige“ Bank des Überweisenden („prudent originator’s bank“) den Überweisungsauftrag ansonsten nicht ausführen würde. Gedacht wurde hierbei jedoch nur an ganz besondere Ausnahmefälle wie Überweisungen in Regionen, in denen Krieg herrscht.27 Auch im UNCITRAL-Modellgesetz wird als Ausgleich für die „money-back guarantee“ der Ersatz von Folgeschäden grundsätzlich auf den Ersatz von Zinsschäden begrenzt (vergleiche Art. 17, 18 UNCITRAL-Modellgesetz).28 3. Zahlungsdiensterichtlinie Bereits in Art. 8 I ÜRL war eine der Höhe nach begrenzte „money-back guarantee“ enthalten.29 Auch gemäß Art. 89 I UAbs. 2 ZDR II (umgesetzt in § 675y I BGB) hat der Zahler, also im vorliegenden Kontext der Überweisende, grundsätzlich einen verschuldensunabhängigen Rückerstattungsanspruch im Fall einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung der Überweisung:30 26
Vgl. zur US-amerikanischen „money-back guarantee“ oben S. 167. Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 66. 28 Allerdings wurde der grundsätzliche Ausschluss der Haftung für Folgeschäden im Modellgesetz gelockert; vgl. Bollen, 23 J.I.B.L.R. 105 (2008), 124. Folgeschäden sind unter dem ModellG liquidierbar, wenn nach dem jeweils anwendbaren nationalstaatlichen Recht ein Schadensersatzanspruch besteht und die Bank Schädigungsabsicht oder (bei fahrlässigem Verhalten) Kenntnis von dem wahrscheinlich bevorstehenden Schadenseintritt hatte. Hierzu noch unten S. 201 f. 29 Die „money-back guarantee“ galt danach bis zu einer Höhe von 12.500,- ECU. 30 Die Regelung des Art. 89 ZDR II ist im Wesentlichen mit Art. 75 I ZDR inhaltsgleich, enthält inzwischen jedoch auch Regelungen für die verspätete Ausführung von Zahlungsvorgängen. Der europäische Gesetzgeber wollte insofern Klarheit schaffen, da die Rechtsfolge der verspäteten Ausführung eines Zahlungsvorganges aufgrund einer Verzögerung durch den Zahlungsdienstleister des Zahlers bzw. eine zwischengeschaltete Stelle jedenfalls in Deutschland umstritten war. Dem europäischen Gesetzgeber ist dies jedoch nicht vollumfänglich geglückt. Der Erwägungsgrund 86 ZDR II erweckt nämlich den Anschein, als hätte der Zahler ein Wahlrecht zwischen dem Recht, dass sein Zahlungsdienstleister „sicherstellt“, dass der Zahlungsbetrag zu dem Zeitpunkt wertgestellt wird, zu dem er bei korrekter Ausführung wertgestellt worden wäre, und der „money-back guarantee“: „Im Zuge dieser Haftung [aus Art. 89 ZDR II] sollte der Zahlungsdienstleister des Zahlers dann, wenn dem Zahlungsdienstleister des Zah27 Hierzu
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
Art. 89 ZDR II – Haftung der Zahlungsdienstleister für nicht erfolgte, fehlerhafte oder verspätete Ausführung von Zahlungsvorgängen „(1) Wird ein Zahlungsauftrag vom Zahler direkt ausgelöst, so haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlers unbeschadet des Artikels 71, des Artikels 88 Absätze 2 und 3 sowie des Artikels 93 gegenüber dem Zahler für die ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsvorgangs, es sei denn, er kann gegenüber dem Zahler und gegebenenfalls dem Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers nachweisen, dass der Betrag des Zahlungsvorgangs gemäß Artikel 83 Absatz 1 beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist. In diesem Fall haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers gegenüber dem Zahlungsempfänger für die ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsvorgangs. Haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlers nach Unterabsatz 1, so erstattet er dem Zahler unverzüglich den Betrag des nicht oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs und bringt das belastete Zahlungskonto gegebenenfalls wieder auf den Stand, auf dem es sich ohne den fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang befunden hätte. Der Betrag wird auf dem Zahlungskonto des Zahlers spätestens zu dem Datum der Belastung des Kontos wertgestellt. Haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers nach Unterabsatz 1, so stellt er dem Zahlungsempfänger den Betrag des Zahlungsvorgangs unverzüglich zur Verfügung und schreibt gegebenenfalls dem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers den entsprechenden Betrag gut. Der Betrag wird auf dem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers spätestens zu dem Datum wertgestellt, zu dem der Betrag bei korrekter Ausführung gemäß Artikel 87 wertgestellt worden wäre.
lungsempfängers der vollständige Betrag nicht oder zu spät gutgeschrieben wird, den Zahlungsvorgang korrigieren oder dem Zahler den betreffenden Betrag des Zahlungsvorgangs unbeschadet etwaiger anderer nach nationalem Recht angemeldeter Ansprüche unverzüglich zurückerstatten.“ Ebenso die englische Fassung des Erwägungsgrundes: „As a result of that liability, the payment service provider of the payer should, where the full amount is not credited or is only credited late to the payee’s payment service provider, correct the payment transaction or without undue delay refund the payer the relevant amount of that transaction, without prejudice to any other claims which may be made in accordance with national law.“ Die „amtliche“ Überschrift des Art. 89 ZDR II unterscheidet zwischen der nicht erfolgten, fehlerhaften und verspäteten Ausführung von Zahlungsvorgängen. Art. 89 Abs. 1 UAbs. 2 ZDR II („money-back guarantee“) spricht sodann lediglich von der Erstattung des Überweisungsbetrags „des nicht oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs“. Die verspätete Ausführung findet hingegen keine Erwähnung. „Wird ein Zahlungsvorgang verspätet ausgeführt“, bestimmt Art. 89 Abs. 1 UAbs. 6 ZDR II, dass die Wertstellung auf Verlangen so zu erfolgen hat, als wäre der Zahlungsvorgang rechtzeitig ausgefürt worden. Aufgrunddessen ist eher davon auszugehen, dass der Zahler bei einer verspäteten Ausführung des Zahlungsvorgangs aufgrund des Verhaltens seines Zahlungsdienstleisters oder einer zwischengeschalteten Stelle, lediglich das Recht hat, eine Wertstellung auf dem Empfängerkonto zu verlangen, wie sie bei rechtzeitiger Ausführung vorgenommen worden wäre. So jetzt auch § 675y III BGB.
A. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs
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Wird ein Zahlungsvorgang verspätet ausgeführt, stellt der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers auf Verlangen des für den Zahler auftretenden Zahlungsdienstleisters des Zahlers sicher, dass der Betrag auf dem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers spätestens zu dem Datum wertgestellt wird, zu dem der Betrag bei korrekter Ausführung wertgestellt worden wäre. Im Falle eines nicht oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs, bei dem der Zahlungsauftrag durch den Zahler ausgelöst wurde, bemüht sich der Zahlungsdienstleister des Zahlers auf Verlangen – ungeachtet der Haftung nach diesem Absatz – unverzüglich darum, den Zahlungsvorgang zurückzuverfolgen und den Zahler über das Ergebnis zu unterrichten. Dem Zahler wird dafür kein Entgelt in Rechnung gestellt. (2) […]“
Art. 89 I ZDR II enthält nur einen Rückzahlungsanspruch zugunsten des Zahlers. Er enthält jedoch keinen Regressanspruch zugunsten der Bank des Überweisenden, wenn die Leistungsstörung im Verantwortungsbereich einer nachgeschalteten Bank lag. Diese Lücke füllt Art. 92 ZDR II (vergleiche zur deutschen Umsetzung § 676a BGB) aus: Art. 92 ZDR II – Regressanspruch „(1) Kann in Bezug auf die Haftung eines Zahlungsdienstleisters nach den Artikeln 73 und 89 ein anderer Zahlungsdienstleister oder eine zwischengeschaltete Stelle in Regress genommen werden, entschädigt dieser Zahlungsdienstleister oder diese Stelle den erstgenannten Zahlungsdienstleister für alle nach den Artikeln 73 und 89 erlittenen Verluste oder gezahlten Beträge. Das umfasst Entschädigungen in dem Falle, dass einer der Zahlungsdienstleister keine starke Kundenauthentifizierung verlangt. (2) […]“
Demzufolge hat die Bank des Überweisenden in diesem Fall einen verschuldensunabhängigen Regressanspruch unmittelbar gegen die die Leistungsstörung verursachende Bank. Im Gegensatz zu den bisher untersuchten „money-back guarantees“ des US-amerikanischen § 4A-402 (d) UCC und des Art. 14 UNCITRAL-Modellgesetzes, aber auch zum Regelungsmodell der Vorgängerrichtlinie ÜRL31, hat sich der europäische Gesetzgeber bei der ZDR für einen verschuldensunabhängigen „Direktanspruch“ gegen die jeweilige die Leistungsstörung verursachende Bank entschieden, unabhängig davon, ob zwischen den jeweiligen Banken vertragliche Beziehungen bestehen oder nicht.32 Diese Lösung wird 31 Art. 8
I UAbs. 4 ÜRL. Vgl. auch MünchKomm/Zetzsche, § 676a BGB Rn. 3 Fn. 5; Mavromati, The Law of Payment Services in the EU, S. 233. 32 Vgl. BT-Drs. 16/11643, S. 119. Vgl. auch MünchKomm/Zetzsche, § 676a BGB Rn. 8; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 676a BGB Rn. 2; jurisPK/Schwintowski, § 676a BGB Rn. 3; Palandt/Sprau, § 676a BGB Rn. 1; Bliesener/Langenbucher/Spindler/Langenbucher, § 676a BGB Rn. 6; BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 25.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
in der Literatur häufig auch als „Sprungregress“ bezeichnet.33 Zwar sind auch in Art. 14 V UNCITRAL Direktansprüche gegen die zwischengeschalteten Banken vorgesehen, diese stehen jedoch dem Überweisenden, und nicht – wie bei den europäischen Zahlungsdiensterichtlinien – dessen Bank zu. Ist bei der ZDR deshalb jedoch auch die Risikoverteilung zwischen den Beteiligten anders zu bewerten? Dies kommt ganz darauf an, gegen welchen Beteiligten die Bank des Überweisenden Regress nehmen darf. Passivlegitimierter des Regressanspruchs ist diejenige Bank, in deren „Verantwortungsbereich“ die Ursache für die Haftung der Bank des Überweisenden liegt (vergleiche auch § 676a BGB). Der unmittelbare Grund für die Nichtausführung und damit für die Haftung liegt im Fall der Insolvenz einer zwischengeschalteten Bank natürlich bei letzterer.34 Insofern ist der Kernverantwortungsbereich dieser Bank betroffen. Die Ursache für die Haftung liegt jedoch auch bereits in der Einschaltung der insolventen zwischengeschalteten Bank. Insofern ist der Verantwortungsbereich der Bank betroffen, die die zwischengeschaltete Bank ausgewählt hat. Da der Begriff des Verantwortungsbereiches ein objektiver ist, ist es irrelevant, ob für die jeweilige Bank die (drohende) Insolvenz erkennbar war. Auf ein Verschulden kommt es nicht an.35 Somit ist gut vertretbar, dass die Verantwortungsbereiche beider Banken berührt sind, sowohl der Bank, die die zwischengeschaltete Bank ausgewählt hat, als auch der Bank, die insolvent wurde.36 In diesem Fall haften beide Banken als Gesamtschuldner gemäß § 426 BGB.37 Dies entspricht auch 33 MünchKomm/Zetzsche, § 676a BGB Rn. 3; Bliesener/Langenbucher/Spindler/Langenbucher, § 676a BGB Rn. 6; Palandt/Sprau, § 676a BGB Rn. 1; BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 25. 34 Jede Person hat für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Dies ergibt sich schon aus der Existenz des Insolvenzrechts. Vgl. nur Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 140; MünchKomm/Grundmann, § 245 BGB Rn. 21; BeckOGK/Freitag, § 244 BGB Rn. 155; BeckOGK/Riehm, § 275 BGB Rn. 29. 35 BT-Drs. 16/11643, S. 119; MünchKomm/Zetzsche, § 676a BGB Rn. 15; Bamberger/ Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 676a BGB Rn. 3; jurisPK/Schwintowski, § 676a BGB Rn. 2; Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 144; allerdings spricht Erwägungsgrund 87 ZDR II beziehungsweise Erwägungsgrund 47 ZDR I davon, dass ein Zahlungsdienstleister bei Nichtverschulden für Verluste gemäß den Haftungsbestimmungen der Richtlinie entschädigt werden soll. Ob dadurch jedoch auch der Haftungsgrund im Regressfall festgelegt werden soll, ist fraglich; siehe hierzu auch MünchKomm/Casper, § 676a BGB Rn. 9 (6. Aufl. 2012); Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 676a BGB Rn. 3, die insofern nur von einer „typologischen Umschreibung“ durch den Erwägungsgrund sprechen. Vgl. auch BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 19. 36 Im Ergebnis wohl auch Mavromati, The Law of Payment Services in the EU, S. 233. Vgl. auch BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 27. 37 Vgl. für den Fall einer verzögerten Überweisung MünchKomm/Zetzsche, § 676a BGB Rn. 17; Schmieder, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 145; BeckOGK/Köndgen, § 676a BGB Rn. 27.
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der Interessenlage, da es zur Einschaltung der insolventen Bank eben durch die zwischengeschaltete Bank gekommen ist. Warum in einem solchen Fall der Regress der Bank des Überweisenden durch die Verweisung an eine insolvente Bank de facto ausgeschlossen sein sollte, erschließt sich nicht. Vertritt man diese Auffassung, ist das Verlustrisiko auch bei der „money-back guarantee“ des europäischen Zahlungsdiensterechts grundsätzlich der Bank zugeordnet, die die insolvente zwischengeschaltete Bank mit der Weiterleitung des Überweisungsauftrags beauftragt hat. Die „money-back guarantee“ des Art. 89 ZDR II und der Regressanspruch gemäß Art. 92 ZDR II sind allerdings bei drittstaatenbezogenen Überweisungen nur eingeschränkt beziehungsweise überhaupt nicht anwendbar. So sind sie bei Überweisungen in einer Drittstaatenwährung nur für die Bestandteile des Zahlungsvorgangs anwendbar, die im EWR getätigt werden (vergleiche Art. 2 III ZDR II). Im Falle von Überweisungen, bei denen nur der Zahlungsdienstleister des Zahlers oder der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers im EWR ansässig ist, ist die „money-back guarantee“ hingegen überhaupt nicht anwendbar (Art. 2 IV ZDR II).38 4. Zusammenfassung Die Rechtsfigur der „money-back guarantee“ ist, wie gezeigt, inzwischen nicht nur im US-amerikanischen Recht verankert, sondern hat durch die Europäisierung des Privatrechts auch eine Heimstätte in den Rechtsordnungen der EWR-Staaten gefunden. Abgesehen vom abgestuften Anwendungsbereich der „money-back guarantee“ im Europäischen Zahlungsdiensterecht fällt auch die unterschiedliche Ausgestaltung der „money-back guarantee“ im Interbankenverhältnis auf. Während der US-amerikanische UCC und das UNCITRAL-Modellgesetz grundsätzlich eine Rückabwicklung entlang der Überweisungskette Glied für Glied vorsehen, hat sich der Gesetzgeber bei der ZDR I und II für einen Direktanspruch der Bank des Überweisenden gegen die Bank entschieden, in deren Sphäre die Ursache für die fehlerhafte Ausführung der Überweisung liegt. II. Kollisionsrechtliche Würdigung der „money-back guarantee“ Der Anspruch aus der „money-back guarantee“ fällt unter das Vertragsstatut. Banken übernehmen, wie gezeigt, bei der „money-back guarantee“ eine Garantie für die Vollendung des Überweisungsvorgangs. Dass es für die Haftung aus der Garantie nicht auf ein Verschulden ankommt, ist für die vertragliche Qualifikati38 Zum Anwendungsbereich der ZDR I und ZDR II und der Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber bereits oben S. 12 ff.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
on irrelevant.39 Laut Bollen ist die „money-back guarantee“ allerdings „intended to be in the nature of restitution rather than liablility for failure to perform an obligation.“40 Auch wenn der Begriff der „restitution“ kollisionsrechtlich keineswegs zwingend bereicherungsrechtlich einzuordnen ist, wäre selbst bei einer bereicherungsrechtlichen Qualifikation des Anspruchs gemäß Art. 10 I Rom II das bereicherungsrechtliche Statut akzessorisch an das parteiidentische Vertragsstatut anzuknüpfen. Allerdings ginge nicht – wie sonst üblich – das Statut der ungerechtfertigten Bereicherung im Falle einer Leistungskondiktion im Vertragsstatut auf.41 Es ginge nämlich nicht um die Folgen der Nichtigkeit des Vertrags im Sinne von Art. 12 I lit. e Rom I. So ist nach US-amerikanischem Recht die Zahlungsverpflichtung des Beauftragenden gemäß § 4A-402 (c) UCC ausdrücklich entschuldigt („excused“). Nach den anderen untersuchten Regelungsmodellen ergibt sich diese Rechtsfolge nur indirekt aus der Regelung über die Rückerstattung. Eine derartige Rechtsfolge, dass die einzelnen Giro- oder Überweisungsverträge in der Überweisungskette im Falle der Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs nichtig sind, kann den entsprechenden Rechtsordnungen, die eine „money-back guarantee“ kennen, nicht entnommen werden. Gerade dies zeigt, dass jedenfalls eine verordnungsautonom vorzunehmende Qualifikation der „money-back guarantee“ unter das Vertragsstatut gemäß Art. 12 Rom I, gegebenenfalls gemäß Art. 12 I lit. c Rom I als Folge der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung, vorzugswürdig ist. III. Problemlage Zur „money-back guarantee“ wurde festgestellt, dass diese nur funktionieren könne, wenn sämtliche auf einen Überweisungsvorgang anwendbaren Rechtsordnungen dieses Institut kennen.42 Probleme wurden deshalb insbesondere bei grenzüberschreitenden Überweisungen gesehen. Felsenfeld ließ sich sogar zu der Aussage hinreißen, dass mit der „money-back guarantee“ einhergehende Pro-
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Vgl. IVR/Ferrari, Art. 12 Rom I Rn. 16; jurisPK/Geiben, Art. 12 Rom I Rn. 14; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 12 Rom I Rn. 6 f.; Palandt/Thorn, Art. 12 Rom I Rn. 7. 40 Bollen, 23 J.I.B.L.R. 44 (2008), 54. 41 IVR/Ferrari, Art. 12 Rom I Rn. 26; Palandt/Thorn, Art. 12 Rom I Rn. 9. 42 Vgl. Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 74; Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 67 („lt is naturally not for us to criticize it, but it is of interest to note that such a guarantee can only be effective if all the banks concerned by a credit transfer are subject to the same legal regime. In other words, the guarantee of reimbursement can only be justified if one single law is applied to the whole of the credit transfer [Hervorh. i. Orig.].“ Pelichet wirft den UNCITRAL-Arbeitsgruppen insofern vor, dass „they drafted a model law whilst reasoning in the context of a convention.“
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bleme grenzüberschreitender Überweisungen „heutzutage nicht beantwortet werden können“ 43. Als Beispiel für diese unüberwindbaren Probleme führt Felsenfeld eine Überweisung aus Toronto nach London an, bei der eine Bank in New York zwischengeschaltet wird. „If we assume that the […] funds transfer begins properly in Toronto but (for reasons that do not have to be identified here) does not reach the beneficiary’s bank in London, application of the principle of the money back guarantee illustrates the type of problem germinated by the present legal system. If suit is brought in Toronto, the Canadian court may or may not find that the guaranty protects the Canadian originator, depending upon its choice of law. If suit is brought in New York, a court should find the guaranty applicable and the New York bank liable to the Toronto bank, which, in turn, is liable to its customer, the originator. But, is the London bank responsible to the New York bank that (let us assume) was blameless and is forced by law to expend funds?“44
Ob es jedoch gerade in der geschilderten Fallkonstellation zu „Problemen“, präziser zu Normenwidersprüchen, kommen kann, erscheint höchst fraglich. Derartige Normenwidersprüche lägen nämlich nur dann vor, wenn es im Einzelfall zu einer Risikoverteilung käme, die in dieser Art und Weise durch die einzelnen Rechtsordnungen nicht vorgesehen ist. Zur Analyse muss man sich sämtliche Konstellationen vor Augen führen, die in einer Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs enden. Die erste Möglichkeit, warum der Überweisungsvorgang nicht vollendet wurde, besteht darin, dass die Bank des Überweisenden den Überweisungsauftrag nicht ausführt. In diesem Fall kann es von vornherein nicht zu Normenwidersprüchen kommen, da grundsätzlich nur eine einzige Rechtsordnung das Deckungsverhältnis regiert. Es kann folglich nicht einmal zu einer „dépeçage“ kommen. Außerdem ist in der genannten Fallkonstellation auch materiellrechtlich nur ein Ergebnis vorstellbar: Unabhängig davon, ob im Deckungsverhältnis eine „money-back guarantee“ existiert oder nicht, muss eine Bank, die das Konto des Überweisenden belastet hat, es wieder entsprechend erkennen. Ein (dauerhafter) Anspruch auf die Deckungssumme der Bank gegen den Überweisenden ist grundsätzlich nicht vorstellbar.45 43 Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 74 („Such problems and many more cannot be answered today.“). Felsenfeld sieht die einzige Möglichkeit zur Lösung derartiger Probleme in internationaler Rechtsangleichung und -vereinheitlichung; Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 74: „Under an international system with an essential uniformity, however, they can be handled.“ 44 Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 74. 45 Zum deutschen Recht oben S. 28 ff.; zum französischen Recht oben S. 45; zum US-amerikanischen Recht oben S. 67, 165 f.; zum englischen Recht oben S. 53. Vgl. auch Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 26.
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Die zweite Möglichkeit, warum es nicht zur Vollendung des Überweisungsvorgangs gekommen ist, besteht darin, dass die zwischengeschaltete Bank in New York den Überweisungsauftrag nicht ausgeführt hat. Angenommen, im Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank besteht eine „money-back guarantee“. In dieser Sachverhaltsvariante kommt es zu keinerlei „Problemen“. Wenn im Interbankenverhältnis zwischen der Bank des Überweisenden in Toronto und der Bank in New York auch eine „money-back guarantee“ existiert, ist die „Rückerstattungskette“ jedenfalls ununterbrochen. Aber auch, wenn es in diesem Verhältnis eine solche nicht gibt, ändert sich nichts. Es ist nicht vorstellbar, dass die New Yorker Bank im Verhältnis zur Bank des Überweisenden im Fall der Nichtausführung einen (Aufwendungsersatz-)Anspruch erwirbt. Das Konto der Bank des Überweisenden ist wieder mit dem Überweisungsbetrag zu erkennen, falls es zuvor bereits belastet worden ist. In diesem Fall besteht allerdings dennoch ein Normenwiderspruch, schließlich wird die Risikoverteilung, wie sie der Rechtsordnung im Interbankenverhältnis entspricht, nicht zur Durchsetzung verholfen. Nach der Rechtsordnung, die im Interbankenverhältnis gilt und in der es keine „money-back guarantee“ gibt, liegt das Risiko der Nichtausführung des Überweisungsvorgangs nämlich grundsätzlich beim Überweisenden. Es liegt deshalb zwar kein logischer, aber ein teleologischer Normenwiderspruch vor. Allerdings ist es ein einseitiger46, da – auf den gesamten Überweisungsvorgang bezogen – die eingetretene Risikoverteilung derjenigen der „money-back guarantee“-Rechtsordnung im Deckungsverhältnis entspricht. Deshalb ist nicht ersichtlich, warum dieses Ergebnis aus kollisionsrechtlicher Perspektive geändert werden sollte, um das Verlustrisko auf den Überweisenden abzuwälzen, also der Rechtsordnung zu folgen, die keine „money-back guarantee“ gewährt. Jedenfalls ist die Befürchtung Pelichets in dieser Fallvariante, dass die „money-back guarantee“ bei Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen nicht effektiv sei, unbegründet.47 Angenommen, es besteht im Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank keine „money-back guarantee“, im Interbankenverhältnis zwischen der Bank des Überweisenden und der zwischengeschalteten New Yorker Bank hingegen schon. Da die New Yorker Bank den Überweisungsauftrag nicht ausführt, steht der Bank des Überweisenden ein Anspruch aus der „moneyback guarantee“ zu. Eine etwaige empfangene Deckung ist damit an die Bank des Überweisenden zurückzugewähren: Diese wiederum hat sie an ihren Kunden, den Überweisenden, herauszugeben – gegebenenfalls auch durch Abtre-
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Zu den Begriffen Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 359 f. Hierzu vgl. bereits oben S. 174 Fn. 42.
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tung48 des Anspruchs aus der „money-back guarantee“ oder auch eines sonstigen (verschuldensunabhängigen) Herausgabeanspruchs, wie er beispielsweise auch im deutschen „drittstaatenbezogenen“ Überweisungsrecht gemäß §§ 675c I, 667 Alt. 1 BGB in dieser Fallvariante bestünde.49 Der Anspruchsgegner der Rückerstattung könnte sich somit nach den anwendbaren Rechtsordnungen unterscheiden, sodass dieser sich gegebenenfalls unmittelbar mit der zwischengeschalteten Bank auseinanderzusetzen hat. Aber auch in dieser Fallvariante besteht grundsätzlich kein (kollisionsrechtlicher) Korrekturbedarf. Die „money-back guarantee“ dient dazu, den Überweisenden zu schützen. Im Deckungsverhältnis besteht eine solche jedoch eben nicht. Das Verlustrisiko ist in diesem Verhältnis vielmehr dem Überweisenden zugewiesen. Dies wirkt sich indes nicht aus, soweit die Bank des Überweisenden aufgrund einer ihr im Interbankenverhältnis zukommenden „money-back guarantee“ den Überweisungsbetrag wieder zurückerlangen kann. In einem solchen Fall wird sie auch im Deckungsverhältnis (wenn auch nicht kraft einer „money-back guarantee“) ihrem Kunden den Überweisungsbetrag wieder gutschreiben müssen. Insofern käme es hier gar nicht erst zu einem Normenwiderspruch. Allenfalls handelte es sich um einen einseitigen, da die grundsätzliche Risikoentscheidung des Deckungsverhältnisses über die „money-back guarantee“ aus dem Interbankenverhältnis folgenlos bleibt. Die dritte und letzte Möglichkeit, die zur Nichtvollendung des geschilderten Überweisungsvorgangs geführt haben kann, besteht darin, dass die Bank des Überweisungsempfängers in London den Überweisungsauftrag nicht „angenommen“ hat. Hätte die Londoner Bank den Überweisungsauftrag angenommen, hätte der Überweisungsempfänger einen Anspruch auf Gutschrift gegen sie erworben.50 Der Überweisungsvorgang wäre vollendet. Felsenfeld erkennt jedoch dann „Probleme“, wenn die Bank des Überweisenden dem Überweisenden gegenüber für die Nichtausführung beziehungsweise Nichtvollendung haftet, und die New Yorker Bank wiederum ihr gegenüber. Sorgen bereitet ihm insofern, ob nun auch die Empfängerbank in London der zwischengeschalteten Bank in New York gegenüber für die Nichtausführung haftet, wenn letztere „schuldlos“ war und durch Gesetz (das heißt durch die „money-back guarantee“) gezwungen 48 Vgl. BGH 28.11.1977, WM 1978, 367 (Tz. 8); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 349. A.A. wegen Besonderheiten des Kontokorrents Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 33. Allerdings sind diese Ansprüche m. E. nicht kontokorrentgebunden. 49 Vgl. BGH 11.03.1976, WM 1976, 904, 905 (Tz. 15); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 394; Wahlers, Zahlungssysteme, S. 23 f. Hierzu bereits oben S. 31. 50 Insofern ist das englische Recht eindeutig, vgl. oben S. 53 f. Auch in anderen Rechtsordnungen träte diese Rechtsfolge ein. Vgl. zum US-amerikanischen Recht § 4A-404 (a) UCC. Nach deutschem Recht bestünde, unabhängig von einer „Annahme“, aus dem Zahlungsdienstevertrag des Empfängers mit seiner Bank ein Herausgabeanspruch gemäß § 675c I, 667 BGB, vgl. oben S. 33 f.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
wurde, den Überweisungsbetrag zurückzuerstatten.51 Gerade in dieser Fallvariante bestehen jedoch keinerlei Bedenken. Hier ist es grundsätzlich genauso wenig vorstellbar, dass die Empfängerbank, obwohl sie den Überweisungsauftrag nicht annimmt, einen Behaltensgrund zugunsten des Überweisungsbetrags erwirbt. Sie hat nämlich keinen (Aufwendungsersatz-)Anspruch gegenüber der zwischengeschalteten Bank, weil sie den Überweisungsauftrag eben nicht ausgeführt hat. Insofern kann nichts anderes gelten als bei Nichtausführung des Überweisungsauftrags durch die Bank des Überweisenden oder die zwischengeschaltete Bank in New York. Die Verteilung des Verlustrisikos ist in diesem Fall gleich dem Modell der Staaten, die eine „money-back guarantee“ zugunsten des Überweisenden kennen. Auch wenn im Interbankenverhältnis zwischen der zwischengeschalteten Bank in New York und der Empfängerbank in London eine Rechtsordnung gilt, die eine „money-back guarantee“ eben nicht vorsieht, besteht kein Grund, korrigierend einzugreifen. Es ist nicht ersichtlich, warum das Regelungsmodell des letzteren Staates, der das Verlustrisiko dem Überweisenden zuweist, Vorrang gegenüber dem Regelungsmodell der vorangehenden „money-back guarantee“-Rechtsordnungen, die das Verlustrisiko dem Vertragspartner der nichtausführenden Bank zuweisen, haben soll. Wie gezeigt, sind Felsenfelds Bedenken zumindest in der von ihm geschilderten Fallkonstellation unbegründet. Sicherlich setzt sich das Regelungsmodell der „money-back guarantee“-Staaten mit der Zuweisung des Verlustrisikos an die Banken nicht in jedem Fall durch. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Regelungsmodelle der Staaten mit und derjenigen ohne „money-back guarantee“ im Internationalen Privatrecht gleichwertig nebeneinanderstehen und zu respektierende Sachentscheidung des jeweiligen Gesetzgebers sind.52 Es entsteht folglich lediglich ein einseitiger teleologischer Widerspruch zu dem Regelungsmo51
Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 74 (abgedruckt im Text bei S. 175 Fn. 44). Ohne die Anerkennung des Grundsatzes, dass auch andere Rechtsordnungen für Sachverhalte „gerechte“ Entscheidungen liefern, ist das Internationale Privatrecht nicht denkbar. Dieser Grundsatz ist im Internationalen Privatrecht als Axiom vorauszusetzen; vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 6. Die inhaltliche „Geeignetheit“ oder Sachgerechtigkeit einer Rechtsordnung stellt deshalb grundsätzlich kein kollisionsrechtlich relevantes Auswahlkriterium zwischen unterschiedlichen Rechtsordnungen dar. Häufig wird das Überweisungsrecht von Rechtsordnungen, die eine „money-back guarantee“ kennen, als „modern“ bezeichnet (vgl. bspw. Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 27; Harrell, 50 Consumer Fin. L.Q. Rep. 49 (1996), 55; Miller, 65 Consumer Fin. L.Q. Rep. 437 (2011), 439). Im Kollisionsrecht von einer Rechtsordnung als modern oder als weniger modern zu sprechen und hiermit auch eine sachliche Wertung zu verbinden sowie gegebenenfalls deshalb der als „modern“ erkannten Rechtsordnung den Vorzug gegenüber der als nicht modern erkannten Rechtsordnung zu geben, ist aus vorgenannten Gründen kollisionsrechtlich illegitim. Der Begriff der „Modernität“ an sich trifft ohnehin keine Aussage über die „Qualität“ oder die „Geeignetheit“ eines Regelungsmodells, für Sachverhalte „gerechte“ recht52
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dell eines Staates.53 Immerhin wird in dem von Felsenfeld aufgezeigten Fall die Risikoverteilung des Staates verwirklicht, der einen entsprechenden Garantieanspruch eben nicht vorsieht und das Verlustrisiko dem Überweisenden zuweist. Es besteht dann grundsätzlich keine Veranlassung, korrigierend einzugreifen und dem Regelungsmodell des „money-back guarantee“-Staates den Vorrang einzuräumen. Ein insofern bestimmendes kollisionsrechtliches Interesse, das zu einer entsprechenden Korrektur zwingt, ist nicht ersichtlich. Insofern sollte nicht automatisch auf das sachrechtliche Modell der lex fori rekurriert und dieses als Maßstab gesetzt werden.54 Dies wäre ein grundsätzlich unangemessenes „Heimwärtsstreben“ zugunsten des Sachrechts der lex fori.55 Eine „unabhängige“ Bewertung der Sachgerechtigkeit der jeweiligen Rechtsordnung, die zu einer Präferenz der einen Rechtsordnung über die andere führt, ist aus kollisionsrechtlicher Perspektive ebenfalls unangemessen und praktisch nicht durchführbar.56 Felsenfeld ist jedoch insofern zuzustimmen, als es Fälle geben kann, in denen das Nebeneinander von Rechtsordnungen, die den Überweisenden bei einem mehrgliedrigen Überweisungsvorgang vor dem Verlust des Überweisungsbetrags schützen und ihm deshalb eine „money-back guarantee“ gewähren, und solchen, die dies nicht tun und stattdessen ihm das Verlustrisiko aufbürden, zu einem gegebenenfalls aus kollisionsrechtlicher Sicht nicht zu rechtfertigenden beziehungsweise rechtfertigungsbedürftigen Ergebnis führen kann. Als Beispiel soll folgender Überweisungsvorgang dienen: Der Überweisende erteilt seiner Bank BÜ einen Überweisungsauftrag zugunsten eines ausländischen Überweisungsempfängers. Die Bank des Überweisenden BÜ steht allerdings in keinem Korrespondenzverhältnis zur Bank des Überweisungsempfängers BÜE. Sie hat jedoch eine Korrespondenzbank BZ1 im Sitzstaat der Bank des Überweisungsempfängers BÜE, der sie den Überweisungsauftrag weiterleitet. Da die Bank BZ1 jedoch auch keinen Girovertrag mit der Bank des Überweisungsempfängers abgeschlossen hat, leitet sie den Überweisungsauftrag an die Bank BZ2 weiter. Jedoch wird die zweite zwischengeschaltete Bank BZ2 während der Ausführung der Überweisung insolvent und stellt ihre Zahlungen ein. Es kommt nicht zur Weiterleitung des Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers.
liche Lösungen zu finden, sondern kann allenfalls die jeweiligen Regelungsmodelle zeitlich relativ zueinander verorten. 53 Zum beidseitigen teleologischen Widerspruch sogleich unten S. 180 ff. 54 Wobei teilweise insbesondere in Fällen eines einseitigen teleologischen Normwiderspruchs deshalb kein Korrekturbedarf gesehen wird, wenn und weil „die Zwecke des beteiligten deutschen Rechts [, der lex fori,] nicht verfehlt werden“, Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 363. Vgl. auch Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 572. 55 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 143 ff. Vgl. auch von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 351 f.; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 54, 572. 56 Vgl. hierzu bereits vorstehend S. 178 Fn. 52.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
Vorausgesetzt wird, dass die Rechtsordnung, die das Deckungsverhältnis beherrscht, dem Überweisenden eine „money-back guarantee“ gegen seine Bank BÜ gewährt, die in den beiden Interbankenverhältnissen geltende Rechtsordnung jedoch keine „money-back guarantee“ kennt. Letztere sieht vielmehr neben dem Herausgabeanspruch nur einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch in Höhe der Aufwendungen für die getätigte Überweisung vor, wie das beispielsweise im deutschen Recht bei einer Überweisung in oder aus einem Drittstaat der Fall ist.57 In diesem Fall müsste die Bank des Überweisenden BÜ diesem den Überweisungsbetrag aufgrund der „money-back guarantee“ zurückerstatten. Fraglich ist jedoch, ob die Bank BÜ selbst einen Anspruch gegen die erste zwischengeschaltete Bank BZ1 erwirbt. Diese hat den Überweisungsauftrag weisungsgemäß weitergeleitet. Ein verschuldensunabhängiger Herausgabeanspruch kommt grundsätzlich nicht in Betracht, jedoch ein verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch.58 Hätte die erste zwischengeschaltete Bank BZ1 die Zahlungseinstellung durch die zweite zwischengeschaltete Bank BZ2 vorhersehen können und den Überweisungsauftrag trotzdem an diese weitergeleitet, könnte die Bank des Überweisenden BÜ den Überweisungsbetrag von ihr über den verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch zurückverlangen. Die zwischengeschaltete Bank müsste sich im Ergebnis hingegen an die zweite zwischengeschaltete Bank halten. Anders sähe es jedoch aus, wenn die erste zwischengeschaltete Bank BZ1 nichts von der drohenden Zahlungsfähigkeit der Bank BZ2 gewusst hätte und ihr diese Unkenntnis auch nicht vorwerfbar wäre. Dann entfiele auch der verschuldensabhängige Schadensersatzanspruch. Die Bank des Überweisenden müsste folglich das Verlustrisiko tragen. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich diese den Herausgabeanspruch der ersten zwischengeschalteten Bank BZ1 gegen die Bank BZ2, wie er im deutschen Recht gemäß §§ 675c I, 667 Alt. 1 BGB besteht, abtreten lassen kann.59 Der Bank des Überweisenden bliebe trotzdem das Insolvenzrisiko der Bank BZ2 aufgebürdet. Im vorstehenden Beispielsfall zeigt ein Blick aus der „Makroperspektive“ auf die Risikoverteilung in den unterschiedlichen Rechtsordnungen, dass die Risikozuordnung keiner der Anwendung findenden Rechtsordnungen verwirklicht wird. Wie oben dargestellt, trägt im Beispielsfall auf den ganzen Überweisungsvorgang bezogen das Verlustrisiko die Bank des Überweisenden.60 Stellt man 57
Vgl. hierzu S. 31 f. Teilweise wird im deutschen Recht ein Herausgabeanspruch nicht nur bei weisungswidrigem, sondern auch bei sorgfaltswidrigem Verhalten gewährt, oben S. 32. 59 Zur Abtretung des Herausgabeanspruchs oben S. 176 f. 60 Diese Risikoverteilung könnte höchstens dem Modell der „money-back guarantee“ entsprechen, wie sie das europäische Zahlungsdiensterecht vorsieht. Allerdings ist auch dort rich58
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dieser Verteilung des Verlustrisikos jedoch diejenige einer „money-back guarantee“-Rechtsordnung gegenüber, würde in einem Fall wie diesem, in dem auf den gesamten Überweisungsvorgang letzteres Regelungsmodell anwendbar wäre, grundsätzlich der Vertragspartner der Bank, die insolvent wurde und ihre Zahlungen eingestellt hat, das Verlustrisiko tragen.61 Das wäre im Beispielsfall die Bank BZ1 und nicht die Bank des Überweisenden BÜ. Stellt man noch abschließend der Verteilung des Verlustrisikos im Beispielsfall die Verteilung des Verlustrisikos nach dem Regelungsmodell einer Rechtsordnung ohne „money-back guarantee“ gegenüber, wie zum Beispiel der deutschen Rechtsordnung bei Überweisungen in oder aus Drittstaaten, stellt man fest, dass in diesem Fall der Überweisende grundsätzlich das Verlustrisiko tragen müsste, wenn auf den gesamten Überweisungsvorgang dieses (deutsche) Recht anwendbar wäre.62 Der Überweisende hätte keinen Anspruch auf Rückbuchung, da seine Bank aufgrund der weisungsgemäßen Weiterleitung des Überweisungsauftrags einen dauerhaften Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c I, 670 BGB erworben hätte. Festzustellen ist, dass die durch die „dépeçage“ entstandene Risikoverteilung mit keinem Regelungsmodell in Einklang steht. Weder der Überweisende noch die die insolvente Bank beauftragende Bank BZ1 tragen nämlich das Verlustrisiko. Hierin liegt der Unterschied zu der rechtlichen Gemengelage im Beispiel Felsenfelds. Es entsteht eine Risikoverteilung, die keine der involvierten Rechtsordnungen billigt. Es entsteht zwar kein logischer Widerspruch zwischen den Rechtsordnungen, aber ein teleologischer – und zwar, wie gezeigt, ein beidseitiger.63 In diesem Fall erscheint es nach herkömmlicher Betrachtungsweise grundsätzlich nicht gerechtfertigt, das aufgrund der „dépeçage“ entstandene Ergebnis bestehen zu lassen.64 Durch die Besonderheiten der kollisionsrechtlichen Anknüpfung aufgrund der selbständigen Würdigung der kollisionsrechtlichen Interessen bei den aufgrund dieser Interessen gesondert anzuknüpfenden Fragen im Internationalen Privatrecht soll es jedenfalls nicht zu einem Ergebnis kommen, welches durch alle involvierten Rechtsordnungen übereinstimmend nicht
tigerweise der Anspruch aus der „money-back guarantee“ auch gegen die die insolvente Bank einschaltende Bank gerichtet. Hierzu oben S. 169 ff. 61 Zur Zuweisung des Verlustrisikos nach der „money-back guarantee“ des UCC oben S. 166 und des UNCITRAL-Modellgesetz oben S. 168. Zu den Zahlungsdiensterichtlinien oben S. 172 f. 62 Zur Zuweisung des Verlustrisikos im deutschen Recht oben S. 164 f. 63 Vgl. hierzu auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 362. 64 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 362; von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 175.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
gewollt ist.65 In solchen Fällen wird grundsätzlich die Korrektur mittels kollisionsrechtlicher Instrumente für erforderlich angesehen.66 Als Beurteilungsgrundlage für die Erforderlichkeit können dabei jedenfalls allein die den konkreten Überweisungsvorgang beherrschenden Rechtsordnungen dienen. Nur wenn diese eine andere Risikoverteilung vorsehen, kann die Risikoverteilung (aus kollisionsrechtlicher Perspektive) ungerechtfertigt erscheinen. Lediglich die Gesetzgeber dieser Rechtsordnungen haben nämlich – aus Sicht des jeweils befragten Internationalen Privatrechts – die Gestaltungsmacht, über die Risikoverteilung bezogen auf den jeweiligen Überweisungsvorgang zu bestimmen. Auch wenn eine konkrete Risikoverteilung also im Einzelfall abstrakt denkbar oder sogar billig erscheint, spielt dies aus kollisionsrechtlicher Perspektive dann keine Rolle, wenn im konkreten Fall keine der beteiligten Rechtsordnungen eine derartige Risikoverteilung verfolgt.
B. Schadensersatz für durch zwischengeschaltete Banken verursachte „Folgeschäden“ Auch bei der Haftung für durch sorgfaltswidriges Verhalten zwischengeschalteter Banken verursachte Schäden, die über den „Verlust“ des Überweisungsbetrags hinausgehen, unterscheiden sich die Lösungsmechanismen der verschiedenen Rechtsordnungen fundamental. Solche Schäden werden häufig als Folgeschäden („consequential damages“, „dommages indirects“) bezeichnet. Die untersuchten Staaten verfolgen ganz unterschiedliche Regelungsmodelle hinsichtlich des Ersatzes von Folgeschäden. Wirken die verschiedenen Regelungsmodelle der Staaten aufgrund der „traditionellen“ kollisionsrechtlichen Methode innerhalb eines grenzüberschreitenden Überweisungsvorganges zusammen, kann dies, wie unten gezeigt werden wird, zu Normenwidersprüchen führen. I. Lösungsmechanismen im Sachrecht 1. Deutsches Recht Bei Überweisungen in oder aus Drittstaaten67 beschränkt sich im deutschen Recht die primäre Leistungspflicht der beauftragten Banken, die Bank des Überweisungsempfängers ausgenommen, in der ordnungsgemäßen Weiterleitung des 65 Zur Anpassung, wenn beide Rechtsordnung Übereinstimmendes wollen, vgl. auch Kegel/ Schurig, Internationales Privatrecht, S. 362 m. w. N. 66 Hierzu unten S. 329 ff. 67 Siehe für sonstige Überweisungen unten S. 197 ff.
B. Schadensersatz für „Folgeschäden“
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Überweisungsauftrages.68 Die zwischengeschalteten Banken werden somit nicht mehr im Pflichtenkreis der beauftragenden Bank tätig. Sie sind deshalb keine Erfüllungsgehilfen der Bank des Überweisenden im Sinne von § 278 BGB.69 Sie sind aus demselben Grund auch keine Substitute.70 Eine entsprechende Unterbeauftragung setzt nämlich voraus, dass der Beauftragte ihm obliegende Pflichten auf den Unterbeauftragten delegiert.71 Zu beachten ist, dass ein Zahlungsdienstleister grundsätzlich lediglich bei Binnenüberweisungen gemäß § 675z S. 3 BGB ein Verschulden, das einer zwischengeschalteten Stelle zur Last fällt, wie eigenes Verschulden zu vertreten hat. Diese Regelung ist jedoch bei Überweisungen in oder aus Drittstaaten nicht anwendbar (§§ 675e II, 675d VI S. 1 Nr. 1 lit. b BGB und § 675z S. 6 BGB).72 Schwierigkeiten bereitet diese rechtliche Konstruktion dann, wenn eine zwischengeschaltete Bank den Überweisungsvorgang nicht ordnungsgemäß ausführt, zum Beispiel ihn pflichtwidrig verzögert. Ist dem Überweisenden deshalb ein Schaden entstanden, weil beispielsweise der Vertrag im Valutaverhältnis wegen der Zahlungsverzögerung gekündigt wurde und der Überweisende deshalb einen neuen Vertrag zu schlechteren Konditionen schließen musste,73 hat er ein Problem. Der Überweisende steht nämlich in keinem Vertragsverhältnis zu der zwischengeschalteten Bank, sodass er grundsätzlich keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen diese haben kann. Gegenüber seiner Bank hat er zwar ein Vertragsverhältnis. Diese ist jedoch nur zur ordnungsgemäßen Weiterleitung des Überweisungsauftrags verpflichtet. Trifft sie kein Auswahlverschulden, haftet auch sie mangels Verschuldenszurechnung gemäß § 278 BGB nicht für die pflichtwidrige Verzögerung des Überweisungsvorgangs. Die Bank des Überweisenden beziehungsweise eine andere zwischengeschaltete Bank stehen zwar in einem Vertragsverhältnis mit der sich pflichtwidrig verhaltenden Bank. Diesen Banken ist jedoch kein Schaden entstanden, da sie dem Überweisenden gegenüber wie gezeigt nicht zum Schadensersatz verpflichtet sind. Auch ein deliktischer „Direktanspruch“ des Überweisenden gegen die zwischengeschaltete Bank 68
Oben S. 26.
69 Staub/Canaris,
Bankvertragsrecht I, Rn. 329; Hüffer, ZHR 151 (1987), 93, 95; Schröter, ZHR 151 (1987), 118, 123; Schoele, Das Recht der Überweisung, S. 196. Vgl. auch BeckOGK/ Köndgen, § 675z BGB Rn. 8. A.A. noch Köndgen, in: Köndgen (Hrsg.), Neue Entwicklungen im Bankhaftungsrecht, S. 143 ff. Vgl. auch zur ZDR I Köndgen, in: Ackermann/Köndgen (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht in Europa, S. 339. Anders ist gegebenenfalls die Frage zu beantworten, ob die Banken Erfüllungsgehilfen des Überweisenden sind, so bspw. Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 475a, was jedoch von der h. M. abgelehnt wird. 70 Schröter, ZHR 151 (1987), 118, 123. 71 Schröter, ZHR 151 (1987), 118, 123 f. 72 Hierzu unten S. 197 f. 73 Vgl. den Fall Evra Corp v. Swiss Bank Corp. unten S. 199 f.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
kommt im deutschen Recht bei Verletzung einer vertraglichen Leistungspflicht nicht in Betracht.74 Um dieses unbefriedigende Ergebnis zu vermeiden, werden im deutschen Recht zwei Lösungen diskutiert. Zum einen wird vorgeschlagen, den Giroverhältnissen im Interbankenverhältnis Schutzwirkungen zugunsten Dritter zuzuerkennen.75 Zum anderen wird vorgeschlagen, diese Problematik mittels des Rechtsinstituts der Drittschadensliquidation zu lösen.76 a) Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Im Jahr 1977 entschied sich der BGH im Rahmen der Beurteilung der Verhältnisse im Lastschriftverfahren für den ersten Ansatz und nahm eine drittschützende Wirkung der Interbankenverhältnisse an.77 1985 entschied er entsprechend auch für das Scheckeinzugsverfahren.78 Von der Mehrheit der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde diese Rechtsprechungslinie auch auf den Überweisungsverkehr übertragen.79 Allerdings ist der zivilrechtliche Interessenschutz außerhalb von Sonderverbindungen grundsätzlich dem Deliktsrecht überantwortet. So ist allgemeine Meinung, dass die Dichotomie des Zivilrechts es gebietet, den Kreis der in den Schutzbereich des Vertrags einbezogenen Personen jedenfalls einzugrenzen.80 Um diesem Ziel gerecht zu werden, haben Rechtsprechung und Lehre mehrere 74 Im Common Law hingegen kommt eventuell ein deliktischer Anspruch in Betracht, vgl. unten S. 196. 75 BGH 23.09.1985, NJW 1986, 249, 250 (Tz. 21); BGH 28.02.1977, NJW 1977, 1916, 1916 (Tz. 9 ff.). Zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung unten S. 186 Fn. 79. Ebenso Staub/ Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 395. 76 Siehe die Änderung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vollzogen in BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2248 (Tz. 35 ff.); vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 100. Allgemein zur Drittschadensliquidation im deutschen Recht von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 5 ff. 77 BGH 28.02.1977, NJW 1977, 1916, 1916 (Tz. 9 ff.). 78 BGH 23.09.1985, NJW 1986, 249, 250 (Tz. 21). 79 OLG Düsseldorf 12.01.2007, BeckRS 2008, 12667 (Tz. 55); OLG Düsseldorf 11.02.1982, WM 1982, 575; OLG Frankfurt 09.02.1984, WM 1984, 726, 727 (Tz. 4); OLG Köln 27.04.2005, OLGR Köln 2007, 18 (Tz. 11 f.); OLG München 04.12.1986, DNotZ 1987, 694. A.A. allerdings noch OLG Köln 17.09.1993, ZIP 1993, 1538, (Tz. 17 ff., keine Schutzwirkung zugunsten des Überweisungsempfängers); OLG Frankfurt 09.02.1984, WM 1984, 726, (keine Prüfpflicht zugunsten des Überweisenden, ob der rentenberechtigte Überweisungsempfänger noch am Leben ist); auch OLG Karlsruhe 31.08.2004, ZIP 2004, 1900, 1903 (Tz. 40, keine Schutzwirkung zugunsten des Überweisenden im Fall eines von der Kontonummer abweichenden Namens). 80 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 (Tz. 27); BGH 28.02.1977, NJW 1977, 1916, 1916 (Tz. 10).
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allgemeine Voraussetzungen für den Drittschutz von Vertragsverhältnissen entwickelt. Demnach muss der geschädigte Dritte mit der Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen und ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten bestehen.81 Weiterhin muss der Schuldner insofern geschützt werden, dass er sich durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit auf die Haftungserweiterung einstellen kann.82 Ein entsprechender Anspruch des geschädigten Dritten kann zudem nur dann gerechtfertigt sein, wenn dieser schutzbedürftig ist.83 Ob diesen Kriterien im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr genügt werden kann, erscheint zweifelhaft. Der Überweisende kommt wohl bereits nicht mit der Leistung der sich sorgfaltswidrig verhaltenden zwischengeschalteten Bank bestimmungsgemäß in Berührung.84 Notwendig ist nämlich eine gegenständliche oder zumindest unmittelbare Leistungsberührung.85 Die zwischengeschaltete Bank ist verpflichtet, den Überweisungsauftrag an eine nachfolgende Bank weiterzuleiten. Von einer gegenständlichen Leistungsberührung im (grenzüberschreitenden) Zahlungsverkehr kann somit keine Rede sein. Auch die Unmittelbarkeit ist zu verneinen. Durch die Leistung erwirbt die nachfolgende Bank einen Anspruch gegen die zwischengeschaltete Bank. Selbst wenn dies die Bank des Empfängers ist, erwirbt der Überweisungsempfänger erst durch die Befriedigung dieses Anspruchs einen Anspruch auf Gutschrift. Auch dieser ist bestimmungsgemäß nur mittelbar von der Leistung der zwischengeschalteten Bank betroffen. Für den Überweisenden kann insofern nichts anderes gelten. Fraglich ist auch, ob es ein schutzwürdiges Interesse des Vertragspartners der zwischengeschalteten Bank an der Einbeziehung des Überweisenden in den Schutzbereich des Vertrags nach den von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien gibt.86 Ursprünglich wurde ein solches Interesse dann angenommen, wenn der Gläubiger für das „Wohl und Wehe“ des geschädigten Dritten verantwortlich war und ihm „Schutz und Fürsorge“ schuldete. Insofern kamen nur Rechtsbeziehungen mit personenrechtlichem Einschlag in Frage, wie beispielsweise familienrechtliche Verhältnisse oder Arbeits- und Mietverhältnis81 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 (Tz. 27); BGH 02.07.1996, NJW 1996, 2927– 2929, 2928. 82 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 (Tz. 27); BGH 02.07.1996, NJW 1996, 2927– 2929, 2928. 83 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 (Tz. 27); BGH 02.07.1996, NJW 1996, 2927– 2929, 2928. 84 So auch BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 (Tz. 29). Zur Leistungsnähe allgemein Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rn. 17. 85 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 (Tz. 29). 86 Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rn. 17a.
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se.87 Bei den hier zur Beurteilung stehenden girovertraglich zu qualifizierenden Interbankenverhältnissen geht es jedoch um den „Transfer“ von Buchgeld. Von vornherein besteht hier überhaupt keine personelle Komponente und damit auch kein personenrechtlicher Einschlag. Nach neuerer Auffassung besteht ein entsprechendes Einbeziehungsinteresse jedoch auch dann, wenn der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten ein besonderes Interesse hat, sodass eine Vertragsauslegung nach Treu und Glauben zur Ausweitung des Vertragsschutzes führt.88 Entsprechendes wird angenommen bei Verträgen, die eine Obhutspflicht über fremde Sachen statuieren.89 Zudem ist anerkannt, dass ein solches Einbeziehungsinteresse des Gläubigers bei der Beauftragung von Sachverständigen und sonstigen Fachleuten besteht.90 Die „Deckung“ kann jedoch nicht als fremde Sache des Überweisenden begriffen werden. Vielmehr wird der „Deckungstransfer“ konstruktiv durch die Erfüllung von Aufwendungsersatzansprüchen der jeweiligen beauftragten Bank bewirkt. Zur Befriedigung verschafft die jeweilige beauftragende Bank grundsätzlich einen abstrakten Anspruch gegen sich. Auch ist eine Bank nicht einem Sachverständigen oder sonstigen Experten gleichzustellen. Nach der Rechtsprechung beruht das Einbeziehungsinteresse in diesem Fall darauf, dass der geschädigte Dritte die Expertise angefordert und im Voraus tatsächlich zur Kenntnis genommen hat.91 Eine Übertragung dieser Argumentation auf den Überweisungsverkehr ist deshalb nicht möglich. Allerdings wird hierdurch gezeigt, dass auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH auch Leistungspflichten drittschützende Wirkung entfalten können, wie sie auch hier in den genannten Szenarien verletzt werden.92 Zudem mag gegen die drittschützende Wirkung der Interbankenverhältnisse angeführt werden, dass auch bei „Kaufvertragsketten“ von der Rechtsprechung nicht angenommen wird, dass die einzelnen Kaufverträge, insbesondere der Kaufvertrag zwischen Hersteller und (Erst-)Verkäufer, Schutzwirkung zugunsten des Letztkäufers entfalten.93 Im Übrigen spricht ganz erheblich gegen ein Einbeziehungsinteresse der beauftragenden Bank, dass im Zahlungsverkehr die Banken nur in Ausnahmefällen Warn87 Palandt/Grüneberg,
§ 328 BGB Rn. 17a; BeckOGK/Mäsch, § 328 BGB Rn. 174. Siehe insofern auch BGH 17.11.2016, BeckRS 2016, 109925 (Tz. 16); BGH 12.07.1977, NJW 1977, 2208, 2209 (Tz. 13); BGH 18.06.1968, NJW 1968, 1929, 1931 (Tz. 24). 88 Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rn. 17a. 89 Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rn. 17a; BeckOGK/Mäsch, § 328 BGB Rn. 175. 90 Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rn. 17a; BeckOGK/Mäsch, § 328 BGB Rn. 176. 91 Vgl. BGH 31.10.2007, NJW-RR 2008, 286, 287 (Tz. 5). 92 Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rn. 15. Vgl. auch OLG Koblenz 15.01.2016, BeckRS 2016, 15510 (Tz. 82). 93 Palandt/Grüneberg, § 328 BGB Rn. 17a mit Verweis auf BGH 14.05.1974, NJW 1974, 1503, 1503 (Tz. 9).
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und Hinweispflichten gegenüber dem Zahlenden oder dem Zahlungsempfänger haben.94 Trotzdem sah der BGH in den genannten Fällen zum Lastschrift- und Scheck einzugsverfahren ein Einbeziehungssinteresse der beauftragenden Bank verwirklicht, weil es sich bei diesen Verfahren um „Massengeschäfte eines bestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren [handele], das dem Rechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf sachund interessengerechte Abwicklung angeboten [werde].“95 Deshalb soll auch dort „nach Treu und Glauben eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich der anfallenden Schuldverhältnisse möglich und geboten sein, wenn das Verfahren für den Dritten, der sich dessen bedient, bestimmte verfahrenstypische Risiken in sich birgt und den mit der Durchführung betrauten Verfahrensbeteiligten ohne weiteres zugemutet werden kann, diese Risiken klein zu halten.“ 96 b) Die Drittschadensliquidation Im Jahr 2008 vollzog der elfte Senat des BGH allerdings eine Kehrtwende und sprach Interbankenverhältnissen eine Schutzwirkung zugunsten Dritter in einer überweisungsrechtlichen Konstellation und obiter dictum auch für das Lastschrift- und Scheckeinzugsverfahren grundsätzlich ab.97 Eine Einbeziehung der Kunden widerspreche „erkennbar dem Interesse und dem Willen der beteiligten Kreditinstitute.“98 Stattdessen verweist der BGH in diesen Fällen, wie die ältere Rechtsprechung auch, auf die Rechtsfigur der Drittschadensliquidation.99 In den Konstellationen, die die Drittschadensliquidation adressieren soll, wird der Schaden, der typischerweise beim Ersatzberechtigten eintritt, aufgrund eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Ersatzberechtigten und einem Dritten auf Letzteren verlagert.100 In Rechtsprechung und Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit, dass der Schädiger aus dieser Schadensverlagerung keinen Vorteil ziehen darf.101 Deshalb wird dem Ersatzberechtigten gestattet, den Schaden, der 94 Palandt/Sprau, § 675f BGB Rn. 8. Vgl. BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 (Tz. 31). 95 BGH 28.02.1977, NJW 1977, 1916, 1916 (Tz. 10). 96 BGH 28.02.1977, NJW 1977, 1916, 1916 (Tz. 10). 97 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2246 (Tz. 22). Kritisch BeckOGK/Mäsch, § 328 BGB Rn. 170.1. 98 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2247 f. (Tz. 32). 99 BGH 06.05.2008, NJW 2008, 2245, 2248 (Tz. 35 ff.) Vgl. auch Erman/Westermann, § 328 BGB Rn. 24; Staudinger/Klumpp, § 328 BGB Rn. 213. 100 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 BGB Rn. 105. 101 BGH 14.01.2016, NJW 2016, 1089, 1090 (Tz. 27); BAG 23.02.2016, NJW 2016, 2204, 2206 (Tz. 28); BAG 18.07.2006, NJW 2007, 1302, 1303 (Tz. 15); Stamm, AcP 203 (2003),
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beim Dritten eingetreten ist, zu liquidieren.102 Der Ersatzberechtigte ist jedoch regelmäßig gemäß § 285 BGB verpflichtet, den Ersatzanspruch an den Geschädigten abzutreten. Zu der für die Drittschadensliquidation typischen Schadensverlagerung kommt es in verschiedenen anerkannten Fallgruppen, so unter anderem bei der sogenannten „mittelbaren“ Stellvertretung.103 Als mittelbarer Stellvertreter wird bezeichnet, wer „für fremde Rechnung“, aber in eigenem Namen, einen Vertrag geschlossen hat.104 Dies ist, lässt man die rechtliche Qualifikation des einzelnen Überweisungsauftrags als Weisung (beziehungsweise als Vertrag) außer Betracht, im Interbankenverhältnis der Fall. Der einzelne Überweisungsauftrag löst Rechtsfolgen lediglich zwischen der beauftragenden und der beauftragten Bank aus. Der Grund für die Auslösung liegt jedoch in der Sphäre eines Dritten, nämlich des Überweisenden. c) Zusammenfassung Nach der in Deutschland herrschenden Lehre schuldet die Bank dem Überweisenden wie gezeigt lediglich die ordnungsgemäße Weiterleitung des Überweisungsauftrags. Da die Bank des Überweisenden deshalb nicht für zwischengeschaltete Korrespondenzbanken haften muss, wurden in der deutschen Lehre und Rechtsprechung unter anderem der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als auch die Drittschadensliquidation bemüht, um dem Überweisenden bei Schäden einen Ersatzanspruch gegen sich sorgfaltswidrig verhaltende zwischengeschaltete Banken zu gewähren. Für die deutsche Rechtspraxis ist inzwischen durch die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2008 – zumindest vorerst – klargestellt, dass der Überweisende seinen Schaden nach den Grundsätzen der der Drittschadensliquidation gegenüber der zwischengeschalteten Bank geltend machen kann. Allerdings sollen bei der kollisionsrechtlichen Würdigung beide Möglichkeiten berücksichtigt werden, da es andere Staaten geben mag, die sich anders als die deutsche Rechtspraxis für die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder ein Äquivalent entschieden haben.
366, 370. Insofern kritisch hingegen Junker, AcP 193 (1993), 348, 351; Büdenbender, JZ 1995, 920, 927. 102 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 BGB Rn. 107. 103 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 BGB Rn. 108. Vgl. BGH 26.09.1957, NJW 1957, 1838–1840, 1839 (Tz. 13). Vorliegend ist keine Verletzung einer Obhutspflicht gegeben, bei der auch eine Drittschadensliquidation zulässig wäre (Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 BGB Rn. 109). Wie schon ausgeführt, ist die Deckung keine „Sache“ des Überweisenden. 104 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 249 BGB Rn. 108.
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2. Französisches Recht Die Bank des Überweisenden ist nach französischem Recht Auftragnehmer („mandataire“) des Überweisenden.105 Beauftragt die Bank des Überweisenden in Ausführung des ihr erteilten Überweisungsauftrags eine zwischengeschaltete Bank, ist letztere Substitut des Auftragnehmers („mandataire substitué“).106 Führt eine zwischengeschaltete Bank den ihr erteilten Auftrag nicht ordnungsgemäß aus, bestimmt Art. 1994 CC, ob sie oder auch die Bank des Überweisenden gegenüber dem Überweisenden haftet. Art. 1994 CC:107 „Le mandataire répond de celui qu’il s’est substitué dans la gestion: 1° quand il n’a pas reçu le pouvoir de se substituer quelqu’un; 2° quand ce pouvoir lui a été conféré sans désignation d’une personne, et que celle dont il a fait choix était notoirement incapable ou insolvable. Dans tous les cas, le mandant peut agir directement contre la personne que le mandataire s’est substituée.“
Der Grundsatz findet sich in Art. 1994 II CC. Da der Unterauftragnehmer Substitut des ursprünglichen Auftragnehmers ist, haftet Letzterer ab dem Zeitpunkt der Unterbeauftragung für die Ausführung des Auftrags grundsätzlich nicht mehr.108 Ab dann haftet allein der Substitut, der Unterauftragnehmer. Diese Haftung ist insbesondere unabhängig davon, ob dem ursprünglichen Auftragnehmer die Substitution gestattet war oder nicht („dans tous les cas“).109 Die rechtsdogmatische Grundlage des Direktanspruches gemäß Art. 1994 II CC ist umstritten.110 Zum Teil wird der Direktanspruch als „echter“ gesetzlicher 105
Oben S. 43. Oben S. 44. 107 Übersetzung des Art. 1994 CC durch den Verfasser: „Der Auftragnehmer ist verantwortlich für den von ihm substituierten Unterauftragnehmer, 1. wenn ihm die Substitution nicht gestattet war; 2. wenn ihm die Ermächtigung übertragen wurde, ohne einen bestimmten Unterauftragnehmer zu bezeichnen, und wenn der von ihm ausgewählte Unterauftragnehmer offenkundig untauglich oder insolvent war. In jedem Fall kann der Auftraggeber unmittelbar gegen den Unterauftragnehmer vorgehen.“ 108 Gerade dies macht im Allgemeinen den Unterschied zwischen Substituten und Erfüllungsgehilfen aus, Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen, S. 90 f. 109 Com. 09.11.1987, Bull. civ. IV, no. 233; Com. 20.02.1996, D. 1996, jur. 290 m. Anm. Delebecque; Com. 05.10.1993, D. 1995, jur. 169 m. Anm. Auckenthaler; Antonmattei/ Raynard, Droit civil, Rn. 451; Collart-Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Rn. 630; Malaurie/Aynès/Gautier, Les contrats spéciaux, Rn. 561. 110 Siehe zur Diskussion nur Mallet-Bricout, La substitution de mandataire, Rn. 332 ff. und die Anm. von Delebecque zu Com. 20.02.1996, D. jur. 1996, 290 ff. 106
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Direktanspruch („action directe“) qualifiziert.111 Meist wird der Direktanspruch jedoch durch die „Übertragung“ der Geschäftsführung auf einen Dritten, den Unterauftragnehmer, erklärt, wodurch zwischen dem Unterauftragnehmer und dem Auftraggeber ein weiteres Vertragsverhältnis entsteht (das ursprüngliche Auftragsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Hauptauftragnehmer bleibt bestehen)112.113 In diesem Fall wird der Anspruch aufgrund der vertraglichen Grundlage auch als „unechter“ Direktanspruch („fausse action directe“)114 bezeichnet.115 Da der Erstauftragnehmer selbst wiederum als Auftraggeber gegenüber dem (Unter-)Auftragnehmer auftritt, gilt Entsprechendes auch für ihn. Auch er ist mit den „entfernteren“ Unterauftragnehmern durch ein Vertragsverhältnis verbunden. Dies gilt auch für die Bank des Überweisungsempfängers, da sie eine „Doppelstellung“ innehat. Sie ist sowohl Auftragnehmerin des Überweisungsempfängers als auch Auftragnehmerin oder Unterauftragnehmerin des Überweisenden.116 So entsteht bei einem Überweisungsvorgang ein „Netz“ an bilateralen Vertragsbeziehungen. Jeder Beteiligte ist mit jedem Beteiligten vertraglich verbunden.117 Damit ähnelt das französische Modell nicht nur der deut111 Antonmattei/Raynard, Droit civil, Rn. 451; Mallet-Bricout, La substitution de mandataire, Rn. 332 ff. 112 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 113; Malaurie/Aynès/Gautier, Les contrats spéciaux, Rn. 561. Vgl. auch Boyer, JCP 1987, 3310, 3310. 113 Bauerreis, Action directe, S. 54; Boyer, JCP 1987, 3310, 3310; Cozian, L’action directe, 42; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 113 f.; Pétel, Les obligations du mandataires, Rn. 357; Bernt, Der Überweisungsvertrag im deutschen und im französischen Recht, S. 100. Vgl. auch Collart-Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Rn. 630. 114 Cozian, L’action directe, S. 42 (auch: „[l]es pseudo-actions directes à fondement conventionnel“). Nach Bauerreis, Action directe, S. 54 hat Art. 1994 II CC deshalb mit der „action directe“ im Sinne eines modernen Vertändnisses gar nichts zu tun. 115 Com. 31.01.1956, Bull. 1956, 38 („le mandant étant uni au mandataire substitué par un lien contractuel“); Bauerreis, Action directe, S. 54; Cozian, L’action directe, 70; Solus, L’action directe et l’interpretation des articles 1753, 1798, 1994 du Code Civil, S. 216 ff.; Pétel, Les obligations du mandataires, Rn. 357. Kritik an dieser Konstruktion übend Mallet-Bricout, La substitution de mandataire, Rn. 340, die in Rn. 350 das eingangs genannte Urteil als „isoliert“ geblieben bezeichnet. 116 Oben S. 45 f. 117 Die Entstehung der Vertragsverhältnisse wird mittels des Instituts der Stellvertretung (Cozian, L’action directe, Rn. 70; Jamin, La notion d’action directe, Rn. 241; Malaurie/Aynès/ Gautier, Les contrats spéciaux, Rn. 561; Solus, L’action directe et l’interpretation des articles 1753, 1798, 1994 du Code Civil, S. 216 ff.), des Instituts der Vertragsübernahme („cession de contrats“) und der „théorie de groupe des contrats“ (Teyssie, Les groupes de contrats, Rn. 559; zustimmend wohl auch Pétel, Les obligations du mandataires, Rn. 360); Collart-Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Rn. 63o.
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schen „Lehre vom Netzvertrag“,118 sondern geht in den Wirkungen sogar über die zum deutschen Recht diskutierte Konzeption hinaus.119 Nicht nur der Auftraggeber kann Ansprüche gegenüber den Unterauftragnehmer geltend machen, sondern auch umgekehrt der Unterauftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber.120 Dadurch ist es möglich, dass die zwischengeschaltete Bank ihren Anspruch auf den Überweisungsbetrag und Entgeltansprüche, also Primäransprüche, unmittelbar gegenüber dem Überweisenden geltend machen kann.121 Typisch für die Rechtsfigur der Substitution ist, dass der (ursprüngliche) Auftragnehmer lediglich für die (ordnungsgemäße) Auswahl des Substituts haftet. Gemäß Art. 1994 I CC haftet der ursprüngliche Auftragnehmer dem Auftraggeber gegenüber deshalb lediglich in zwei Fällen: zum einen, wenn ihm die Substitution nicht gestattet war, zum anderen, wenn er einen offenkundig ungeeigneten oder insolventen Unterauftragnehmer beauftragt hat. In diesen beiden Fällen kann der Auftraggeber bei einer Nicht- oder Schlechtleistung durch den Unterauftragnehmer auch gegen den ursprünglichen Auftragnehmer vorgehen. Im Überweisungsverkehr scheidet eine Haftung der Bank des Überweisenden gemäß Art. 1994 I Ziff. 1 CC allerdings bereits von vornherein aus. Die herrschende Meinung zum französischen Recht geht davon aus, dass eine Ermächtigung zur Unterbeauftragung durch den Überweisenden stillschweigend erteilt wird.122 Dem Überweisenden seien nämlich die Einzelheiten des Überweisungs118
Dies gilt auch für die Vorschläge des Zustandekommens, vgl. S. 40 Fn. 155. In Deutschland wurde von Möschel und Rohe die grundlegende Struktur zwar als wünschenswert gebilligt, ohne aber umfassende Konsequenzen aus dem Modell zu ziehen. Vielmehr sollte der Netzvertrag nur ein Mittel sein, bereits de lege lata bestehende Ansprüche dogmatisch zu untermauern, die die h. M. mittels des Instituts der Drittschadensliquidation bzw. des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter konstruiert hatte, ohne jedoch neue Anspruchsbeziehungen zu schaffen (zur Kritik oben S. 41 f.). 120 Civ. 27.12.1960, D. 1961, jur. 491 f. m. Anm. Bigot („[L]e mandant peut agir directement contre la personne que le mandataire s’est substitué; par voie de conséquence, le substitué jouit d’une action personnelle et directe contre le mandant pour obtenir le remboursement de ses avances et frais et le payement de la rétribution qui lui est due.“); Antonmattei/Raynard, Droit civil, Rn. 451; Collart-Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Rn. 630; Cozian, L’action directe, Rn. 72 ff.; Malaurie/Aynès/Gautier, Les contrats spéciaux, Rn. 561. 121 Zahlungen, die bereits an den urprünglichen Auftragnehmer geleistet wurden, sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Der Anspruch des Auftragnehmers und des Unterauftragnehmers bestehen grundsätzlich unabhängig voneinander (vgl. auch Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 128). Durch die Möglichkeit, auch gegenseitig Primäransprüche geltend zu machen, wird im französischen Recht ein bedeutender Kritikpunkt, der gegenüber der deutschen „Lehre vom Netzvertrag“ geäußert wird, ausgeräumt (hierzu S. 41 f.). Ob dies auch interessengerecht ist, ist jedoch eine andere Frage. 122 Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 402; Jeantin/Le Cannu, Droit commercial, Rn. 164; Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 138. 119
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
vorgangs gleichgültig.123 Befürchtet wird außerdem, dass Banken den Überweisungsauftrag häufig nicht annähmen, könnten sie die zwischengeschaltete Bank grundsätzlich nicht selbst wählen.124 Übrig bleibt deshalb „lediglich“ eine Haftung der Bank des Überweisenden gemäß Art. 1994 I Ziff. 2 CC. Eine zur Ausführung von Überweisungen offenkundig unfähige („incapable“) Korrespondenzbank ist allerdings kaum vorstellbar. Eine Bank haftet jedoch auch dann gemäß Art. 1994 I Ziff. 2 CC, wenn sie eine insolvente Bank beauftragt.125 Sie haftet nur dann nicht, wenn diese ihr durch den Überweisenden vorgegeben wurde (arg. e. cont. Art. 1994 I Ziff. 2 CC).126 Nach der Regelung des Art. 1994 CC muss sich der Überweisende folglich grundsätzlich an die sich sorgfaltswidrig verhaltende Bank halten und nicht an seine eigene Bank. Die einzige relevante Ausnahme besteht im Fall der Einschaltung einer insolventen zwischengeschalteten Bank durch die Bank des Überweisenden. Diese grundsätzliche Beschränkung der Haftung im Auftragsrecht auf den Schlecht- beziehungsweise Nichtleistenden nach der Rechtsfigur der Substitution wurde von der französischen Rechtsprechung und Teilen der Lehre für den entgeltlichen Auftrag jedoch als unzureichend erachtet.127 Im Überweisungsverkehr nahm insbesondere die Rechtsprechung an, dass der Auftraggeber und der Auftragnehmer mit Kontoeröffnung (stillschweigend) eine „obligation d’assistance et de surveillance“ (Beistands- und Kontrollpflicht) vereinbaren.128 So muss auch die Bank des Überweisenden für eine Schlechterfüllung durch die zwischengeschalteten Banken haften, wenn ihr ein eigener schuldhafter Verstoß gegen ihre Beistands- und Kontrollpflichten vorgeworfen werden kann.129 In einer Entscheidung ist die Pariser Cour d’appel sogar weiter gegangen.130 Nach dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt erteilte der Über123
Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 138. Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 138. 125 Auch dies ist aber unwahrscheinlich; Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 402. 126 Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 74; Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 297; Vézian, La responsabilité du banquier, S. 147. 127 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 114. Dies ist bemerkenswerkt, kennt doch der französische CC keine Trennung zwischen unentgeltlichem Auftrag und entgeltlichem Geschäftsbesorgungsvertrag wie beispielsweise das deutsche Recht. Art. 1984 ff. CC gelten grundsätzlich in beiden Fällen (vgl. Art. 1999 I CC). 128 Vgl. Com. 10.05.2006, Bull. civ. IV, no. 118. Cabrillac, Le chèque et le virement, Rn. 402; Antonmattei/Raynard, Droit civil, Rn. 451 m. w. N. Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 77; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 115 f. A.A. wohl Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 139. 129 Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 115 f. Siehe auch die Anm. von Vasseur zu CA Paris 22.09.1988, D. 1991, somm. 30. 130 CA Paris 22.09.1988, D. 1991, somm. 30; vgl. zu der Entscheidung auch Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 116 f. Im Übrigen wird in 124
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weisende seiner französischen Bank einen Überweisungsauftrag in französischen Francs zugunsten einer US-amerikanischen Bank. Eine zwischengeschaltete, von einer anderen zwischengeschalteten französischen Bank beauftragte US-amerikanische Korrespondenzbank „konvertierte“ den Überweisungsbetrag weisungswidrig in US-amerikanische Dollar. Die Empfängerin verweigerte die Annahme der Überweisung. Als der überwiesene Betrag Monate später zurücküberwiesen und wieder in Francs konvertiert wurde, entstand ein erheblicher Wechselkursverlust. Die Bank des Überweisenden wurde verurteilt, ihrem Kunden diesen Schaden zu erstatten. Zur Begründung führte die Cour d’appel aus: „Une banque doit répondre vis-à-vis de son mandant des mandataires qu’elle se substitue sans pouvoir prétendre qu’elle n’est pas responsable d’une faute commise par un autre.“
Im Ergebnis geht es nicht mehr um eine Haftung für eigenes Verschulden der Bank des Überweisenden, sondern um eine Haftung für fremdes Verschulden der zwischengeschalteten Banken.131 Durch diese Rechtsprechung der Pariser Cour d’appel wurde die Haftung nach dem Substitutionsmodell (systemwidrig) in eine Haftung für Erfüllungsgehilfen umgewandelt. Begründet wird dies insbesondere auch damit, dass die zwischengeschaltete Bank eine ausländische war und dem Überweisenden ein Vorgehen gegen eine ausländische Bank nicht zugemutet werden könne.132 Thunis stellt insofern fest: „[C]e devoir de surveillance dissimule en réalité un choix de politique juridique consistant à faire reposer sur le banquier du donneur d’ordre le risque lié à l’exécution d’un virement international“133. Ein Ausschluss dieser Haftung durch AGB erscheint jedoch wahrscheinlich. Außerdem haftet die Bank des Überweisenden keinesfalls für ein Verschulden der Bank des Überweisungsempfängers oder für eine ihr vorgegebene zwischen-
der Literatur auch auf eine Entscheidung der „cour de cassation“ verwiesen, Com. 30.11.1983, D. 1984, i.r. 308. 131 CA Paris 22.09.1988, D. 1991, somm. 30. In diese Richtung bereits Com. 30.11.1983, D. 1984, inf. 308 m. Anm. Vasseur, welcher die Bank des Überweisenden haften ließ, wobei im Fall unklar war, ob sie oder ihre Korrespondentin die Fehlleitung des Überweisungsbetrags verursacht hatte. Vgl. auch Collart-Dutilleul/Delebecque, Contrats civils et commerciaux, Rn. 630; Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 116 f. Kritisch insb. Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 139. 132 Vgl. Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 139. 133 Thunis, in: Antonmattei (Hrsg.), Mélanges Christian Mouly, S. 430 (Übersetzung d. Verfassers: „Die Kontrollpflicht verbirgt in Wirklichkeit die rechtspolitische Entscheidung, der Bank des Überweisenden das Ausführungsrisiko bei einer grenzüberschreitenden Überweisung zu übertragen.“), zustimmend Riffard, JCl. Banque – Crédit – Bourse, fasc. 390, Rn. 139.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
geschaltete Korrespondenzbank.134 Dieser Rechtsgedanke ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus Art. 1994 I Ziff. 2 CC.135 3. Englisches Recht Im englischen Recht unterliegen die bilateralen Verhältnisse zwischen den Beteiligten eines Überweisungsvorgangs dem Recht der „agency“. Der Überweisende beauftragt mit Erteilung eines Überweisungsauftrags seine Bank. Er ist in diesem Verhältnis „principal“ und seine Bank „agent“. Aber auch die zwischengeschaltete Bank wird aufgrund des (weitergeleiteten) Überweisungsauftrags der vorgeschalteten Bank tätig. In diesem Verhältnis ist sie „agent“ der beauftragenden Bank, während die beauftragende Bank nun „principal“ ist. An die beauftragte zwischengeschaltete Bank werden bei Ausführung des an sie gerichteten Überweisungsauftrags grundsätzlich die gleichen Sorgfaltsanforderungen wie an die Bank des Überweisenden gestellt. Sie haftet dabei gegenüber ihrem Vertragspartner, der sie beauftragenden Bank. In Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd. wurde für das Überweisungsrecht erstmals festgestellt, dass die Bank des Überweisenden für fremdes Verschulden der zwischengeschalteten Bank wie für eigenes Verschulden haftet (sogenannte „vicarious liability“).136 Dies ist schon deshalb folgerichtig, da die Bank des Überweisenden die „Weiterleitung“ des Überweisungsauftrags an die Bank des Überweisungsempfängers und nicht nur an ihre (nachfolgende) Korrespondenzbank schuldet. Die zwischengeschalteten Banken werden vielmehr im eigenen Pflichtenkreis der Bank des Überweisenden tätig. Sie kann sich folglich von einer Haftung nicht schon allein aufgrund der Tatsache freizeichnen, dass sie sich zur Erfüllung ihrer Pflichten einer dritten Bank bedient. Dieses Modell gleicht der Haftung für Erfüllungsgehilfen nach deutschem Recht gemäß § 278 BGB. 134 Cabrillac, JCl. Banque et crédit, fasc. 390, Rn. 74; Rives-Lange/Contamine-Raynaud, Droit bancaire, Rn. 297; Vézian, La responsabilité du banquier, Rn. 147. Vgl. auch Com. 10.05.2006, Bull. civ. IV, no. 118. 135 Vgl. auch Schmidt, Risikostrukturen des Überweisungsverkehrs im französischen Recht, S. 120. 136 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198 (Webster, J.: „[The originator’s bank will] be vicariously liable for the breach of that duty by any servant or agent to whom they delegated the carrying out of the instructions.“). Vgl. auch Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 15; Arora, Banking Law, S. 507; Bollen, The Law and Regulation of Payment Services, S. 112; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-104; Ellinger/Lomnicka/Hare, Ellinger’s Modern Banking Law, S. 612; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.56. Vgl. im Kontext eines Akkreditivs („letter of credit“) Calico Printers’ Association, Ltd. v. Barclays Bank, Ltd., [1930] 38 Ll. L. Rep. 105, 110, bestätigt durch die Rechtsmittelinstanz (Calico Printers’ Association Ltd. v. Barclays Bank Ltd., [1931] 39 Lloyd’s Rep. 51, 56).
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Eine Haftung der Bank des Überweisenden für zwischengeschaltete Banken wird in den AGB der Banken jedoch häufig abbedungen sein.137 Eine Haftung der Bank des Überweisenden kommt in diesem Fall nur in Betracht, wenn sie selbst durch die Einschaltung eines ungeeigneten Korrespondenten gegen ihre eigene Sorgfaltspflicht verstoßen hat.138 Relevant wird in dieser Hinsicht wohl lediglich die Beauftragung einer insolventen Bank. Fraglich ist, ob die zwischengeschaltete Bank im englischen Recht auch direkt gegenüber dem Überweisenden haften würde. Auch diese Frage wurde in Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd. thematisiert. Insofern stellte Webster, J. fest: „Although Midland were entitled, as Royal Products later admitted, to execute the instructions by using the services of National as their correspondents, Royal Products had given Midland no authority which would have had the effect of creating privity of contract between them and National […]. In my judgment, therefore, National are not to be regarded as having been agents of Royal Products and did not, therefore, owe them any duties, including a fiduciary duty, owed by an agent to his principal.“139
Es kommt folglich kein Vertrag zwischen dem Überweisenden und der zwischengeschalteten Bank zustande. Deshalb scheidet eine Haftung auf vertraglicher Grundlage (mangels „privity of contract“) aus.140 Nach Webster, J. haftet die 137 Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 15; Einsele, AcP 199 (1999), 145, 168. Eine solche Haftungsausschlussklausel wurde im Kontext eines Akkreditivs („letter of credit“) in Calico Printers’ Association, Ltd. v. Barclays Bank, Ltd., [1930] 38 Ll. L. Rep. 105, 110, bestätigt durch die Rechtsmittelinstanz (Calico Printers’ Association Ltd. v. Barclays Bank Ltd., [1931] 39 Lloyd’s Rep. 51, 56), für wirksam erachtet. Der genannte Fall wurde jedoch noch vor Inkrafttreten des Unfair Contract Terms Act 1977 und der Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 entschieden. Während die Verwendung solcher Haftungsausschlussklauseln gegenüber Unternehmern im Ergebnis generell als unbedenklich angesehen wird, wird die Verwendung gegenüber Verbrauchern in der Literatur kritisch gesehen, vgl. nur Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 15 (ausdrücklich für den Fall, dass zwischengeschaltete Bank nur eine „Filiale oder ein Büro der erstbeauftragten Bank ist.“); Arora, Banking Law, S. 507; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-105; Malek/Odgers, Paget’s Law of Banking, Rn. 22.56. 138 Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 15; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-105; Vroegop, L.M.C.L.Q. 4 (1990), 547, 549. 139 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198. Vgl. auch Andenas, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 17. 140 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198. Vgl. auch Arora, Banking Law, S. 507; Cox/Taylor/Robertson, in: Brindle/Cox (Hrsg.), Law of Bank Payments, Rn. 3-115; Burrows, English Private Law, Rn. 14.105; Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 43 (mit der Ausnahme, dass die Bank für den Überweisenden ausdrücklich als dessen Vertreter auftritt, d. h. für diesen einen Vertrag mit der „zwischengeschalteten“ Bank schließen möchte; dies ist im automatisierten Überweisungsverkehr kaum jemals denkbar);
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zwischengeschaltete Bank dem Überweisenden auch nicht deliktisch. Knapp stellt er fest: „[I]n my judgment National owed no duty of any kind direct to Royal Products“.141 Jedoch hat sich das Common Law seit der Entscheidung in Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd. fortentwickelt. In diesem Zusammenhang soll die Entscheidung des House of Lords in White v. Jones erwähnt werden. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wurde eine vom Erblasser gewünschte Änderung seines Testaments sorgfaltswidrig durch seine Anwälte verzögert, sodass diese nicht rechtzeitig vor dessen Tod durchgeführt wurde. Diejenigen, die durch die beabsichtigte Änderung begünstigt werden sollten, konnten ihren Schaden gegenüber den Anwälten auf deliktischer Grundlage geltend machen. Maßgeblich war für die Mehrheit der Richter insbesondere, dass ansonsten keine „sanction“ für sorgfaltswidriges Verhalten eines Anwalts bestünde.142 Eine Übertragung diese Rechtsgedankens auf den Überweisungsverkehr hat im englischen Recht im Lichte von Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd. jedoch nicht stattgefunden (trotz der US-amerikanischen Entscheidung in Evra Corp. v. Swiss Bank Corp.).143 Vroegop, L.M.C.L.Q. 4 (1990), 547, 550 ff., die eine Ausnahme vom Grundsatz der „privity of contract“ jedoch für begrüßenswert hält. Vgl. auch im Kontext eines Akkreditivs („letter of credit“) Calico Printers’ Association, Ltd. v. Barclays Bank, Ltd., [1930] 38 Ll. L. Rep. 105, 110; bestätigt durch die Rechtsmittelinstanz (Calico Printers’ Association Ltd. v. Barclays Bank Ltd., [1931] 39 Lloyd’s Rep. 51, 56) und Equitable Trust Co. of New York v. Dawson Partners Ltd., [1927] 27 Lloyd’s. L. Rep. 49, 52, wo die Korrespondenzbank ausdrücklich vorgegeben wurde, dieses Faktum allerdings laut Wright, J. für die Entscheidung irrelevant sei. Anders hingegen der US-amerikanische Fall zum Überweisungsrecht Silverstein v. Chartered Bank of Hong Kong, 392 N.Y.S.2d 296, 766 (S.Ct. NY 1977). Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Überweisende nicht die Zweigstelle der eigenen Bank am Zielort benutzt, sondern eine andere Bank vorgegeben. In diesem Fall wurde diese andere Bank als „agent“ des Überweisenden betrachtet, für die seine eigene Bank nicht haften sollte. 141 Royal Products Ltd. v. Midland Bank Ltd., [1981] 2 Lloyd’s Rep. 194, 198. Vgl auch Henderson v. Merrett Syndicates Ltd., [1995] 2 A.C. 145, 195. In diesem Fall ging es um den Handel mit Versicherungspolicen. Dort wurden deliktische Pflichten der Unterbeauftragten gegenüber den Hauptgeschäftsherren angenommen. Hier stellte Lord Goff of Chieveley fest: „[…] I strongly suspect that the situation which arises in the present case is most unusual; and that in many cases in which a contractual chain comparable to that in the present case is constructed it may well prove to be inconsistent with an assumption of responsibility which has the effect of, so to speak, short circuiting the contractual structure so put in place by the parties.“ Einer deliktischen Haftung positiv gegenüberstehend allerdings Kwaw, Offshore Banking & Finance, S. 44 f.; Vroegop, L.M.C.L.Q. 4 (1990), 547, 553. 142 White v. Jones, [1995] 2 A.C. 207, 224 (Sir Donald Nicholls V.-C.), 233 (Farquharson L.J.), 236 (Steyn L.J.). Vgl. auch Einsele, AcP 199 (1999), 145, 167. 143 Zur Entscheidung Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. auch unten S. 199 f.
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4. Zahlungsdiensterichtlinie Gemäß Art. 89 I UAbs. 1 ZDR II (entspricht Art. 75 I UAbs. 1 ZDR I) „haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlers […] gegenüber dem Zahler für die ordnungsgemäße Ausführung des Zahlungsvorgangs“. Ordnungsgemäß ausgeführt ist ein Zahlungsvorgang dann, wenn „der Betrag des Zahlungsvorgangs gemäß [Art. 83 I ZDR II] beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist“. Art. 83 I ZDR II definiert hierbei die Rechtzeitigkeit des Zahlungseingangs näher. Der Zahlungsdienstleister des Überweisenden schuldet damit grundsätzlich den „Erfolg“ des Zahlungsvorgangs.144 Konsequenterweise haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlers damit für zwischengeschaltete Stellen wie für Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB nach deutschem Recht (vergleiche zur deutschen Umsetzung § 675z S. 3 BGB).145 Der deutsche Gesetzgeber hat den Zahlungsdienstleistern jedoch die Möglichkeit belassen, ihre Haftung auf EUR 12.500,– zu begrenzen, wovon die deutschen Banken unter anderem gemäß Ziff. 2.3.4, 3. Spiegelstr. BedÜberwVerK Gebrauch gemacht haben.146 Dies gilt bei Folgeschäden jedoch nicht im Falle des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit für den Zinsschaden, weil hierfür die Richtlinie bereits eine abschließende Regelung beinhaltet,147 und für Gefahren, die der Zahlungsdienstleister besonders übernommen hat.148 Führt eine zwischengeschaltete Bank einen Überweisungsauftrag sorgfaltswidrig aus, haftet die Bank des Überweisenden deshalb 144 Vergleiche hierzu bereits S. 25. Ausgenommen ist allerdings der Fall, dass der Überweisende eine zwischengeschaltete Stelle vorgegeben hat, die sich sorgfaltswidrig verhalten hat. Dann haftet der Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht. 145 MünchKomm/Zetzsche, § 675z BGB Rn. 17; jurisPK/Schwintowski, § 675z BGB Rn. 5; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Schmalenbach, § 675z BGB Rn. 8. Die Banken haben eine entsprechende Haftung für Verschulden zwischengeschalteter Banken bei Binnenüberweisungen, bei denen der Überweisende kein Verbraucher ist, gemäß Ziff. 2.3.4 BedÜberwVerK ausgeschlossen. Eine derartige Haftungsbeschränkung wird jedoch grundsätzlich als unwirksam betrachtet, MünchKomm/Zetzsche, § 675y BGB Rn. 20, 30; MünchKomm/Zetzsche, § 675z BGB Rn. 20; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 142–143; Ellenberger/Findeisen/Nobbe/ Ellenberger, § 675z BGB Rn. 7. 146 BT-Drs. 16/11643, S. 118. Zur (teilweisen) Unwirksamkeit dieser Haftungsbegrenzung, Einsele, ZIP 2011, 1741, 1743. 147 Dies ergibt sich daraus, dass der Zahlungsdienstleister des Überweisenden im Fall der nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung das Zahlungskonto des Zahlers gegebenenfalls wieder auf den Stand bringen muss, „auf dem es sich ohne den fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang befunden hätte“ (vgl. Art. 89 I UAbs. 1 ZDR II, entspricht Art. 75 I UAbs. 1 ZDR I). Vgl. für die Bank des Überweisungsempfängers auch Art. 89 I UAbs. 5 ZDR II, entspricht Art. 73 I UAbs. 1 ZDR I. 148 Gerade die letztere Ausnahme erschließt sich jedoch nicht von vornherein, da der Zahlungsdienstleister besondere Risiken nur aufgrund einer besonderen vertraglichen Vereinbarung übernimmt. Er muss sie folglich überhaupt nicht übernehmen und kann die Haftung des-
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bereits nach dem Regelungsmodell des Zahlungsdiensterechts für entstehende Folgeschäden. Sie selbst hat einen Anspruch aus Art. 92 I ZDR II (entspricht Art. 77 I ZDR I, umgesetzt in § 676a BGB) gegen den Zahlungsdienstleister, in dessen Verantwortungsbereich die sorgfaltswidrige Ausführung liegt.149 Die beiden europäischen Zahlungsdiensterichtlinien streben zwar eine Vollharmonisierung des Zahlungsdiensterechts in den Mitgliedstaaten an.150 Das heißt, dass die Rechte und Pflichten der von der Regelung erfassten Zahlungsdienstleister und -nutzer grundsätzlich abschließend sein sollen. Gemäß Art. 91 I ZDR II (entspricht Art. 76 ZDR I; vergleiche auch § 675z S. 1, 2 BGB) ist jedoch auch eine über die Zahlungsdiensterichtlinie hinausgehende Entschädigung im Falle einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung eines Zahlungsvorgangs möglich und „kann sich aus dem auf den Vertrag zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und seinem Zahlungsdienstleister anwendbaren einzelstaatlichen Recht ergeben.“ Nationale Regelungen betreffend den Ersatz von Folgeschäden bleiben deshalb neben dem umgesetzten Richtlinienrecht grundsätzlich anwendbar. Dies gilt beispielsweise für die „action directe“ des französischen Rechts des Überweisenden gegen die zwischengeschaltete Bank.151 Für das deutsche Recht ist allerdings festzustellen, dass es für die Zuerkennung des Drittschutzes der Giroverträge im Interbankenverhältnis grundsätzlich am notwendigen Schutzbedürfnis des Überweisenden fehlen dürfte, da er ja einen Anspruch gegen seine Bank erwirbt. Auch die von der herrschenden Lehre angewendete Drittschadensliquidation hat nun keinen Raum mehr, da der Überweisende einen Anspruch gegen seine Bank hat. Etwas anderes ist nur dann denkbar, wenn die Bank des Überweisenden ihre Haftung für Folgeschäden auf EUR 12.500,– begrenzt hat und dem Überweisenden ein größerer Schaden entstanden ist. Besteht eine derartige Haftungsbeschränkung im Interbankenverhältnis nicht (vergleiche allerdings Ziff. 5.9 SCT-Rulebook)152, kann der Überweisende den diesen Betrag übersteigenden Schaden nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation geltend machen.
halb sicherlich auf einen bestimmten Betrag begrenzen. Für eine Begrenzung der Haftung soll aber wohl die allgemeine Haftungsbegrenzung in den AGB nicht gelten. 149 Hierzu oben S. 171 f. 150 Hierzu oben S. 12. 151 Hierzu oben S. 189 ff. 152 Zur zumindest teilweisen Unwirksamkeit von Ziff. 5.9 SCT-Rulebook, vgl. Ellenberger/ Findeisen/Nobbe/Dippel, Die SEPA-Überweisung Rn. 108; Bliesener/Langenbucher/Spindler/ Langenbucher, § 676a BGB Rn. 5.
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5. Keine Haftung für Folgeschäden a) US-amerikanisches Recht aa) Ursprüngliche Haftungsgrundsätze aus Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. Auch wenn sie inzwischen im US-amerikanischen Recht durch Art. 4A UCC überholt ist, ist die Entscheidung des United States Court of Appeals for the 7th Circuit aus dem Jahr 1982 in Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. für das Common Law hinsichtlich des Ersatzes von Folgeschäden von allgemeinem Interesse.153 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Altmetallhändler „Hyman-Michaels Co.“, später dann übergegangen in die „Evra Corp.“, hatte von der „Pandora Shipping Co.“ ein Frachtschiff gechartert. Die Charterraten mussten halbmonatlich im Voraus auf ein Konto bei der schweizerischen Niederlassung der „Banque de Paris et des Pays-Bas“ überwiesen werden. Die „Hyman-Michaels Co.“ erteilte ihrer Bank, der „Continental Illinois National Bank“, rechtzeitig einen Überweisungsauftrag. Diese nutzte zur Ausführung des Überweisungsauftrags ihre Schweizer Korrespondenzbank, „Swiss Bank Corp.“. Der Überweisungsauftrag, der mittels Telex übermittelt wurde, ging bei der Schweizer Bank verloren, da das dortige Empfangsgerät nicht empfangsbereit war und der an ein alternatives Telexgerät gesendete Überweisungsauftrag verloren ging. Die Charterrate wurde aufgrunddessen nicht rechtzeitig gezahlt. Da die Charterraten seit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf dem Weltmarkt stark gestiegen waren, nutzte der Charterer sein Kündigungsrecht. Die „Hyman-Michaels Co.“ musste einen neuen Chartervertrag zu erheblich schlechteren Konditionen schließen. Ihr entstand ein Schaden in Millionenhöhe.
Das erstinstanzliche Gericht sprach der „Evra Corp.“, der Rechtsnachfolgerin der „Hyman-Michaels Co.“, einen „Direktanspruch“ gegen die zwischengeschaltete Bank, die „Swiss Bank Corp.“, auf vertraglicher Grundlage zu.154 Das Berufungsgericht hingegen sah die Grundlage für eine Haftung nicht auf vertraglicher, sondern auf deliktischer Grundlage („tort“).155 Im Ergebnis verneinte jedoch das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der „Evra Corp.“ gegen die zwischengeschaltete „Swiss Bank Corp.“. Dabei stützte es sich auf die 153 Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 673 F.2d 951 (7th Cir. 1982), die Revision gegen die Entscheidung vor dem United States Supreme Court wurde nicht zugelassen, Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 103 S.Ct. 377 (S.Ct. 1982). Zur Vorinstanz Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 522 F.Supp. 820 (D.C.Ill. 1981). 154 Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 522 F.Supp. 820, 827 f. (D.C.Ill. 1981). In der Entscheidung wurde in Analogie zur illinoischen Umsetzung des Art 4 UCC die zwischengeschaltete Bank als „agent“ des Überweisenden qualifiziert. Zur abweichenden Entscheidung des Berufungsgerichts sogleich im Text. 155 Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 673 F.2d 951, 957 f. (7th Cir. 1982) („In short, Swiss Bank was not required in the absence of a contractual undertaking to take precautions or insure against a harm that it could not measure but that was known with precision to HymanMichaels, which could by the exercise of common prudence have averted it completely [Hervorh. d. Verf.].“).
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Entscheidung Hadley v. Baxendale.156 Aus dieser Entscheidung wird im Allgemeinen die ratio decidendi abgeleitet, dass Folgeschäden („consequential damages“) nicht ersetzt werden, wenn der Anspruchsgegner keine Kenntnis von den besonderen Umständen hatte, die zu ihnen führten.157 So hatte auch die im Fall zwischengeschaltete Bank – wie in der Regel – keine Kenntnis vom Zahlungszweck. Sie wusste nicht, dass die Charterraten auf dem Weltmarkt seit Vertragsschluss stark gestiegen waren und dass der Vertragspartner von der „Hyman-Michaels Co.“ bei einer Zahlungsverzögerung ein sofortiges Kündigungsrecht hatte. Oder in den Worten des Gerichts: „These were circumstances too remote from Swiss Bank’s practical range of knowledge“158. bb) Generelle Ablehnung der Ersatzfähigkeit von Folgeschäden („consequential damages“) durch Art. 4A UCC Trotz der Ablehnung einer Haftung der zwischengeschalteten Banken mangels Vorhersehbarkeit des konkreten Schadenseintritts wurden im Hinblick auf Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. schwerwiegende Auswirkungen auf die Kostengünstigkeit und die Schnelligkeit des Überweisungsverkehrs befürchtet.159 Deshalb wird Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. gemeinhin als der „Funke“ bezeichnet, der das American Law Institute und die Uniform Law Commission dazu veranlasste, mit Art. 4A UCC ein umfassendes und grundsätzlich in sich geschlossenes Regelungsregime für den Überweisungsverkehr in den USA zu entwickeln.160 In Art. 4A UCC wird durch §§ 4A-305 (a)-(d), 4A-402 UCC die Ersatzfähigkeit von Schäden, die über Zinsschäden („interest losses“) und Nebenkosten („incidental expenses“) hinausgehen, grundsätzlich ausgeschlossen.161 Ausdrücklich werden insbesondere die Ersatzfähigkeit von Folgeschäden („consequential damages“) verneint. Es steht den Parteien allerdings frei, auch die Haftung für derartige Schäden zu übernehmen. Dazu bedarf es allerdings einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien eines Überweisungs- oder Girovertrags. 156 Hadley v. Baxendale, [1854] 9 Ex. 341, 355. Zur Entscheidung bereits oben S. 52 Fn. 229. 157 Hadley v. Baxendale, [1854] 9 Ex. 341, 355; Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 673 F.2d 951, 956 f. (7th Cir. 1982) („[C]onsequential damages will not be awarded unless the defendant was put on notice of the special circumstances giving rise to them“.). 158 Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 673 F.2d 951, 958 (7th Cir. 1982). 159 Oben S. 60 Fn. 259. 160 Oben S. 60 Fn. 259. 161 Die zunächst klare Entscheidung des Art. 4A UCC gegen den Ersatz von Folgeschäden („consequential damages“) mag durch die Ersatzfähigkeit von „Nebenschäden“ („incidental expenses and interest losses“) in gewissem Umfang relativiert werden, vgl. hierzu auch White/ Summers, Uniform Commercial Code, § 20–31.
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Jedoch wird durch Art. 4A UCC das Common Law nicht vollständig verdrängt. Es entstehen deshalb immer wieder Abgrenzungsschwierigkeiten, wann ausschließlich Art. 4A UCC gelten soll und wann Rückgriff auf das Common Law genommen werden muss.162 Angesichts dessen wurde in Ma v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith festgestellt, dass ein Rückgriff auf das Common Law ausgeschlossen ist, sofern die Regelungen des Art. 4A UCC grundsätzlich bereits vor der Art des zugrundeliegenden Schadens oder Fehlverhaltens schützen („protect against the type of underlying injury or misconduct alleged in a claim“).163 Angesichts der Entwicklungsgeschichte von Art. 4A UCC und des ausdrücklichen Ausschlusses der Haftung für Folgeschäden in §§ 4A-305 (a)(d), 4A-402 UCC wird man feststellen müssen, dass eine Haftung für Folgeschäden gleichgültig welcher Bank in der Überweisungskette dem Sinn und Zweck dieser Vorschriften zuwiderliefe und insofern den Schutzgedanken des Gesetzgebers verletzte. Insofern stellt schon der Comm. zu § 4A-102 UCC zur Art. 4A UCC fest: „The rules that emerged represent a careful and delicate balancing of those interests and are intended to be the exclusive means of determining the rights, duties and liabilities of the affected parties in any situation covered by particular provisions of the Article. Consequently, resort to principles of law or equity outside of Article 4A is not appropriate to create rights, duties and liabilities inconsistent with those stated in this Article.“
b) UNCITRAL-Modellgesetz Im UNCITRAL-Modellgesetz werden grundsätzlich nur Zinsschäden ersetzt (vergleiche Art. 17, 18 UNCITRAL-Modellgesetz).164 Allerdings lässt es das UNCITRAL-Modellgesetz zu, dass der Überweisende Ersatz für Folgeschäden nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht fordern kann, wenn der Schaden durch vorsätzliche oder grob fahrlässige („recklessly“) Handlungen der Bank verursacht wurde und die Bank Kenntnis von einem wahrscheinlichen Schadenseintritt hatte. Dies ist ein Unterschied zu Art. 4A UCC, da durch diesen gerade die Bankenhaftung für fahrlässiges Verhalten generell ausgeschlossen wird.165 Allerdings stellt Art. 18 UNCITRAL-Modellgesetz lediglich eine Öff162
Vgl. hierzu allgemein Baxter/Heller/Forman/Cavanagh, Funds Transfers, S. 101 ff. Ma v. Merrill Lynch & Co., Inc., 597 F.3d 84, 89 f. (2nd Cir. 2010). Vgl. auch REAMERICA, SA v. Wells Fargo Bank Intern., 577 F.3d 102, 106 f. (2nd Cir. 2009); Baxter/Heller/ Forman/Cavanagh, Funds Transfers, S. 107. 164 Einsele, AcP 199 (1999), 145, 171. Im Inkassoverhältnis hat der Überweisungsempfänger gegenüber seiner (sogfaltswidrig handelnden) Bank jedoch die Möglichkeit, auf Grundlage des auf dieses Verhältnis anwendbaren Rechts gemäß Art. 17 VI UNCITRAL-Modellgesetz über den Zinsschaden hinausgehenden Schaden einzufordern. 165 § 4A-305 UCC, Comm. 2. 163
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
nungsklausel hinsichtlich des auf den Überweisungs- oder Girovertrag anwendbaren nationalen Rechts dar. Wie beim US-amerikanischen UCC trägt damit zwar nach dem UNCITRAL-Modellgesetz der Überweisende das Verzögerungsrisiko, allerdings können die Staaten nach dem Willen des Modellgesetzgebers unter den genannten Voraussetzungen das Verzögerungsrisiko den ausführenden Banken zuweisen.166 II. Kollisionsrechtliche Würdigung der sachrechtlichen Lösungsmechanismen Bevor auf mögliche Normenwidersprüche zwischen den verschiedenen Rechten bei traditioneller Anknüpfung eingegangen werden kann, wird im Folgenden untersucht, wie die verschiedenen Lösungsmechanismen zum Ersatz von Folgeschäden in den dargestellten Sachrechten kollisionsrechtlich zu behandeln sind. 1. Erfüllungsgehilfenhaftung Unter anderem im englischen Recht ist die Bank des Überweisenden grundsätzlich für sorgfaltswidriges Verhalten der beauftragten zwischengeschalteten Banken verantwortlich.167 Dies gilt im Ergebnis auch für das französische Recht, auch wenn dort nach Teilen der dortigen Rechtsprechung die Verletzung eigener Auswahl- und Kontrollpflichten im Raum steht.168 Fraglich ist, welches Statut maßgeblich dafür ist, ob eine Person Erfüllungsgehilfe ist. Grundsätzlich kommen hierfür sowohl das Statut, dem das Auftragsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem ersten Auftragnehmer unterliegt, als auch das Vertragsstatut zwischen dem ersten Auftragnehmer und dem potenziellen Erfüllungsgehilfen in Betracht. Für Letzteres lässt sich vorbringen, dass schließlich der vom ersten Auftragnehmer Beauftragte der Erfüllungsgehilfe ist. Der Erfüllungsgehilfe wird nur nach dem Entschluss des ersten Auftragnehmers tätig.169 Allerdings ergeben sich die Pflichten, welche den ersten Auftragnehmer treffen, und wie diese zu erfüllen sind, bereits aus dem Vertragsstatut zwischen dem Auftraggeber und dem ersten Auftragnehmer (vergleiche Art. 12 I lit. b Rom I). Das heißt, dass auch die Frage, ob der erste Auftragnehmer sich zur Erfüllung anderer Personen bedienen darf, bereits vom Vertragsstatut zwischen dem Auftraggeber und dem ersten Auftragnehmer erfasst ist. Gemäß Art. 12 I lit. c Rom I ist zudem das auf einen Vertrag anzuwendende Recht auch maßgebend für die Folgen der vollstän166
Vgl. auch Geva, in: Reed u. a. (Hrsg.), Cross-border Electronic Banking, S. 25. Oben S. 194 ff. 168 Oben S. 192 ff. 169 Vgl. zum deutschen Recht nur BGH 03.05.2011, NJW-RR 2011, 1350, 1352 (Tz. 24); BGH 27.03.1968, NJW 1968, 1569–1571, 1569 (Tz. 15); Palandt/Grüneberg, § 278 BGB Rn. 7. 167
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digen oder teilweisen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen. Folglich wird bereits vom ersten Vertragsstatut auch die Frage erfasst, ob und inwieweit der erste Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber für die von ihm beauftragten Personen im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichterfüllung der ihn treffenden Verpflichtungen haften muss.170 Damit ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bank des Überweisenden für nachgeschaltete Banken haften muss, bereits dem im Deckungsverhältnis geltenden Vertragsstatut zu entnehmen.171 Insofern kann es kollisionsrechtlich dahingestellt bleiben, ob die Bank, wie beispielsweise im französischen Recht, nicht doch im Falle eines sorgfaltswidrigen Verhaltens der zwischengeschalteten Bank wegen Verletzung ihrer eigenen Auswahl- und Kontrollpflichten haftet. Auf beide Fragen ist nämlich das gleiche Statut anwendbar. Das Vertragsstatut im Interbankenverhältnis zur Korrespondenzbank ist hingegen für die Frage, ob sie Erfüllungsgehilfe ist, nicht maßgebend. 2. Drittschadensliquidation Die herrschende Rechtsprechung in Deutschland ersetzt Folgeschäden, die aufgrund sorgfaltswidrigen Verhaltens einer zwischengeschalteten Bank entstanden sind, mittels der Rechtsfigur der Drittschadensliquidation.172 Bei der Drittschadensliquidation erwirbt der Geschädigte nicht unmittelbar einen Anspruch gegen den Schädiger. Er wird vielmehr erst durch Abtretung Anspruchsgläubiger. Deshalb muss bei der Drittschadensliquidation materiell- und kollisionsrechtlich zwischen verschiedenen Rechtsverhältnissen unterschieden werden. Zunächst gibt es das Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Verletzten, dem grundsätzlich Ersatzberechtigten. Von diesem Verhältnis ist das Verhältnis zwischen dem Verletzten und dem Dritten, dem wirtschaftlich Geschädigten, zu unterscheiden. Eine Drittschadensliquidation ist zudem nach deutschem Sachrecht nur zulässig und überhaupt notwendig, wenn der Geschädigte keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Schädiger hat. Insofern kann von den zuvor genannten Rechtsverhältnissen auch noch dieses dritte Verhältnis unterschieden werden.
170 MünchKomm/Spellenberg,
Art. 12 Rom I Rn. 76; Palandt/Thorn, Art. 12 Rom I Rn. 7. Vgl. auch von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. 171 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. 172 Oben S. 187 f.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
a) Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger Zuerst soll die Bedeutung des Verhältnisses zwischen dem Verletzten und dem Schädiger im vorliegenden Kontext untersucht werden. Dies soll anhand eines Beispielsfalls geschehen: Die Verletzte ist die Bank des Überweisenden. Die Schädigerin ist die zwischengeschaltete Bank. Zwischen beiden Banken wird meist ein Giroverhältnis, jedenfalls aber ein einzelner Überweisungsvertrag bestehen. Auf diesen Vertrag wird regelmäßig das Recht des Sitzstaates der zwischengeschalteten Bank Anwendung finden (vergleiche Art. 4 I lit. b Rom I).173 Nach ganz herrschender Meinung richtet sich die Frage nach der Zulässigkeit der Liquidation eines Drittschadens durch den verletzten Anspruchsberechtigten nach der lex causae zwischen den beiden Vorgenannten.174 Auch wenn zwischen den beiden Banken ein Vertrag besteht, muss die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation aber nicht zwingend nach dem Vertragsstatut zu beurteilen sein.175 So wird die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation bei der Verletzung von „Obhutspflichten“ deliktisch qualifiziert.176 Es geht hierbei um Fälle von Schutzpflichten, deren Verletzung Integritätsinteressen berührt. Trotz des Bestehens eines Vertrags wird dann die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation am Deliktsstatut gemessen.177 Allerdings handelt es sich bei der „Deckung“, wie schon oben festgestellt, nicht um eine fremde Sache des Überweisenden, die lediglich weitergeleitet wird. Eine sorgfaltswidrige Ausführung des Überweisungsvorgangs durch die Banken berührt vielmehr das Erfüllungsinteresse des Überweisenden an der rechtzeitigen Weiterleitung des Überweisungsauftrags und nicht das Integritätsinteresse. In diesem Fall ist anerkannt, wie regelmäßig in der Fallgruppe der „mittelbaren“ Stellvertretung bei der Drittschadensliquidation,178 dass inso-
173
Hierzu bereits oben S. 137. von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 167; MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 56; HK-BGB/ Staudinger, Art. 12 Rom I Rn. 4; Staudinger/von Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rn. 188. 175 Vgl. von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 168; von Hoffmann, Art. 38 EGBGB S. 188. 176 von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 168 f. 177 von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 168. Vgl. auch Dutta, IPRax 2009, 293, 296 f., der insofern auch auf ErwGr. 30 Rom II Bezug nimmt, der insbesondere auch Schutzpflichtverletzungen, die nur im mittelbaren Zusammenhang mit Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags stehen, unter Art. 4 Rom II oder andere einschlägige Bestimmungen von Rom II fasst. Entsprechendes muss laut Dutta auch nach Vertragsschluss gelten. 178 von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 169. 174
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fern das Vertragsstatut für die Frage der Zulässigkeit der Liquidation des Schadens durch den Verletzten maßgebend ist.179 b) Anspruch des geschädigten Dritten gegen den Verletzten Nicht relevant für die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation ist hingegen die Beziehung des verletzten Anspruchsberechtigten zum geschädigten Dritten, also des Überweisenden zu seiner Bank. Dieses Verhältnis wird allerdings in anderer Hinsicht relevant. Die Drittschadensliquidation soll dem Geschädigten zugutekommen.180 Letzterer muss deshalb die Abtretung vom Verletzten verlangen können. Das Bestehen und die Ausgestaltung einer solchen Verpflichtung ist der zwischen dem Verletzten und dem geschädigten Dritten geltenden lex causae zu entnehmen.181 Das Vertragsstatut im Deckungsverhältnis entscheidet im Beispielsfall somit darüber, ob der Überweisende von seiner Bank die Abtretung der Forderung gegen die zwischengeschaltete Bank verlangen darf. c) Subsidiarität der Drittschadensliquidation: Ansprüche des geschädigten Dritten gegen den Schädiger Die Drittschadensliquidation ist nach deutschem Recht grundsätzlich subsidiär zu anderen Ansprüchen.182 Hat der Überweisende als Geschädigter unmittelbar einen Anspruch gegen den Schädiger, beispielsweise, weil er von den Schutzwirkungen des Interbankenverhältnisses erfasst ist oder aufgrund einer „action directe“ gegen den Schädiger vorgehen kann, ist eine Drittschadensliquidation nicht zulässig. Ob und in welcher Höhe der Überweisende einen Anspruch gegen die zwischengeschaltete Bank hat, muss allerdings nach dem jeweiligen zwischen dem Überweisenden und der zwischengeschalteten Bank geltenden Vertrags- oder Deliktsstatut ermittelt werden. Dies ist eine Vorfrage des Anspruchs, die selbständig anzuknüpfen ist.183
179 von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 169. 180 von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 170. 181 von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 170 ff. 182 So spielt es nach von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 173 f. in einem Fall, in dem der Geschädigte einen Anspruch unmittelbar gegen den Schädiger hat, „keine Rolle“, ob sich der Geschädigte auch einen Anspruch aus Drittschadensliquidation abtreten lassen könnte. 183 Zur Vorzugswürdigkeit der selbständigen Vorfragenanknüpfung, insbesondere zum Europäischen Internationalen Privatrecht, Solomon, in: Bernreuther u. a. (Hrsg.), Festschrift für
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3. „Direktansprüche“ (insbesondere Ansprüche auf Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der französischen „action directe“) Ein Großteil der deutschen Rechtslehre und auch die frühere deutsche Rechtsprechung qualifizierte die Interbankenverhältnisse im Überweisungsverkehr ursprünglich als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, insbesondere mit Schutzwirkung zugunsten des Überweisenden.184 Der Überweisende konnte deshalb bei einem schadensverursachenden sorgfaltswidrigen Verhalten der zwischengeschalteten Bank diese grundsätzlich unmittelbar in Anspruch nehmen. Im französischen nationalen Recht hat der Überweisende durch die „action directe“ des Art. 1994 II CC unmittelbar einen Anspruch gegen zwischengeschaltete Banken.185 Nach der ZDR II hat die einen Schaden ersetzende Bank des Überweisenden einen unmittelbaren Anspruch gemäß Art. 92 I ZDR II beziehungsweise Art. 77 I ZDR I gegen die den Schaden verursachenden zwischengeschalteten Banken.186 Allerdings kann es hier wegen des begrenzten Anwendungsbereichs des Regressanspruchs kaum zu Normenwidersprüchen kommen.187 Gemeinsam haben diese Rechtsinstitute, dass die zwischengeschalteten Banken bei einer Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten materiellrechtlich nach Vertragsgrundsätzen und nicht nach Deliktsrecht haften. Auch in der zum US-amerikanischen Common Law getroffenen Entscheidung Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. haftet die zwischengeschaltete Bank grundsätzlich auf das Erfüllungsinteresse, allerdings auf deliktischer Grundlage.188 a) Kollisionsrechtliche Qualifikation der „Direktansprüche“ Hinsichtlich dieser Ansprüche stellt sich die Frage, ob diese Rechtsinstitute im Rahmen der Rom-Verordnungen vertraglich oder außervertraglich zu qualifizieren sind. Im ersteren Fall fände Rom I Anwendung, im letzteren Rom II. Bei der Qualifikation der Ansprüche sind sowohl die Interessen des Überweisenden als auch die der (zwischengeschalteten) Banken zu berücksichtigen. So haben Letztere als potenzielle Anspruchsschuldner ein Interesse daran, dass ihre Haftung nach einer Rechtsordnung beurteilt wird, auf die sie sich einrichten können. Ferner haben die Banken auch ein Interesse, dass möglicherweise zwischen den Banken vereinbarte Haftungsbeschränkungen weiter Anwendung finden. JedenUlrich Spellenberg zum 70. Geburtstag, S. 355 ff. Zur Diskussion vgl. auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 377 ff. 184 Oben S. 184 ff. 185 Oben S. 189 ff. 186 Oben S. 198. 187 Zum räumlichen Anwendungsbereich der Zahlungsdiensterichtlinien oben S. 12 ff. 188 Oben S. 199 f.
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falls kann auch dieses Interesse nicht schlechthin unberücksichtigt gelassen werden.189 Andererseits besteht das Interesse des potenziell anspruchsberechtigten Überweisenden, seinen Schaden möglichst effektiv liquidieren zu können. Die Qualifikation eines Anspruchs als vertraglich oder außervertraglich hat im Rahmen der Rom-Verordnungen autonom zu erfolgen (vergleiche nur Erwägungsgrund 11 Rom II).190 Der Rückgriff auf die Qualifikationsentscheidung des Sachrechts, dem die jeweilige Rechtserscheinung entstammt, ist nur sehr eingeschränkt möglich. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Qualifikation die Auslegung der Kollisionsnormen betrifft, die genuin europäischen Ursprungs und nicht in einer nationalen Rechtsordnung verortet sind.191 Insofern hat der EuGH als Instrumentarium zur Qualifikation allerdings stets die klassischen Auslegungsgrundsätze mit Blick auf die Gesamtheit der Rechtsordnungen der europäischen Mitgliedstaaten angelegt.192 Die Qualifikation hat auf dieser autonomen Ebene nach funktionalen Grundsätzen zu erfolgen. 193 Die Funktion der jeweiligen Rechtserscheinung ist hierbei mit der Funktion des Verweisungsbegriffs der jeweiligen Kollisionsnorm zu vergleichen.194 Bei einer Übereinstimmung, der jeweiligen „Interessenmuster“ ist die jeweilige Rechtserscheinung von der Kollisionsnorm erfasst.195 Es ist nicht verwunderlich, dass zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der Lehre sowohl eine vertragliche als auch eine außervertragliche Qualifikation vorgeschlagen wird. Dies rührt neben dem oben genannten Interessenkonflikt darauf, dass der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zum einen das Deliktsrecht ergänzt, um dessen jeweilige Schwächen auszugleichen (insofern wird er auch als „Lückenbüßer“196 bezeichnet),197 zum anderen aber die drittschützenden Pflichten im deutschen Recht aus einer ergänzenden Vertrags-
189
Vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 178, 180. Dutta, IPRax 2009, 293; Jauernig/Mansel, Vorb. Rom I Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rom I Rn. 27; MünchKomm/Martiny, Art. 1 Rom I Rn. 7; IVR/Kieninger, Art. 1 Rom I Rn. 5; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 1 Rom I Rn. 21. 191 Dutta, IPRax 2009, 293, 294; MünchKomm/von Hein, Einl. IPR Rn. 126 ff. 192 Dutta, IPRax 2009, 293, 294; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 1 Rom I Rn. 8 ff. 193 Zur autonomen, funktionalen Qualifikation siehe von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 173 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 343 ff; Krop holler, Internationales Privatrecht, S. 124 ff. 194 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 126 f. 195 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 355 f. 196 Dutta, IPRax 2009, 293, 297. 197 OLG Köln 17.09.1993, ZIP 1993, 1538, 1539 (Tz. 18); Dutta, IPRax 2009, 293, 297; Kötz, Europäisches Vertragsrecht, S. 478. 190
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auslegung folgen.198 Zudem begründet der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eine Haftung nach Vertragsgrundsätzen.199 Die herrschende Auffassung zum deutschen Kollisionsrecht qualifizierte Ansprüche aufgrund des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aufgrund der letztgenannten Argumente vertraglich.200 Entsprechendes galt auch für das englische und französische Kollisionsrecht.201 Auch im Rahmen der autonomen Qualifikation der Rom-Verordnungen wird Entsprechendes vertreten.202 Die Rechtsprechung des EuGH lässt jedenfalls hinsichtlich des Inhalts einer vertraglichen Vereinbarung keine Beschränkung erkennen.203 Auch Schutzpflichten können Gegenstand eines Vertrages sein.204 Wesentliches Merkmal für den EuGH ist vielmehr die Art und Weise der Begründung der Verpflichtung.205 Die Verpflichtung muss „freiwillig“ eingegangen worden sein, damit sie als vertraglich unter Rom I zu qualifizieren ist.206 Da beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter eine solche freiwillig eingegangene Verpflichtung unmittelbar zwischen dem Dritten und dem Schädiger grundsätzlich nicht festgestellt werden kann, ist der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach inzwischen herrschender Meinung zum europäischen Kollisionsrecht in der Regel außervertraglich zu qualifizieren und fällt damit unter Art. 4 ff. Rom II.207 Ausnahmsweise kann er dann als ein vertragliches Schuldverhältnis im Sinne von Art. 1 I Rom I qualifiziert werden, wenn von 198
Dutta, IPRax 2009, 293, 295. Hierzu auch BGH 07.05.2009, WM 2009, 1128, 1130 (Tz. 17); OLG Koblenz 15.01.2016, BeckRS 2016, 15510 (Tz. 82 f.). 199 Dutta, IPRax 2009, 293, 294. 200 OLG Köln 17.09.1993, ZIP 1993, 1538, 1539 (Tz. 17 ff.); Dutta, IPRax 2009, 293, 294. Jedenfalls zum internationalen Vertragsrecht, das auf dem EVÜ basierte, musste bereits damals die Qualifikation eigentlich autonom und in den das EVÜ umsetzenden Staaten einheitlich erfolgen. Dies war allerdings nicht der Fall, Dutta, IPRax 2009, 293, 294. 201 Dutta, IPRax 2009, 293, 294 f. m. w. N. 202 IVR/Ferrari, Art. 12 Rom I Rn. 13; jurisPK/Geiben, Art. 12 Rom I Rn. 11; Staudinger/ Magnus, Art. 12 Rom I Rn. 38; MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 57. 203 Dutta, IPRax 2009, 293, 295; Erman/Hohloch, Art. 12 Rom I S. 7; Bamberger/Roth/ Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 12 Rom I Rn. 5; HK-BGB/Staudinger, Art. 12 Rom I Rn. 4. 204 Dutta, IPRax 2009, 293, 295. Vgl. auch jurisPK/Ringe, Art. 1 Rom I Rn. 13. 205 Dutta, IPRax 2009, 293, 295. 206 EuGH 20.01.2005, NJW 2005, 811, 813 (Tz. 50 ff.); MünchKomm/Martiny, Art. 1 Rom I Rn. 7; Dutta, IPRax 2009, 293, 295; Erman/Hohloch, Art. 12 Rom I Rn. 112; Hohloch, IPRax 2012, 110, 112; Staudinger/Steinrötter, JA 2011, 241, 243; Sujecki, EWS 2009, 310, 312; dazu Leible, NJW 2005, 796, 797. Vgl. auch EuGH 21.04.2016, IPRax 2016, 586, 588 (Tz. 35 ff.); EuGH 14.03.2013, RIW 2013, 292, 295 (Tz. 46 ff.); EuGH 17.09.2002, NJW 2002, 3159, 3159 (Tz. 23 ff.); EuGH 27.10.1998, RIW 1999, 57, 59 (Tz. 17 ff.). 207 MünchKomm/Martiny, Art. 1 Rom I Rn. 16; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 12 Rom I Rn. 5; HK-BGB/Staudinger, Art. 12 Rom I Rn. 4; Palandt/Thorn, Art. 1 Rom II Rn. 5; jurisPK/Lund, Art. 1 Rom II Rn. 41. Auch Öst. OGH 26.06.2007, IPRax 2009, 354, 356.
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einer bewussten und gewollten Einbeziehung des Dritten gesprochen werden kann, wobei in diesem Fall schon die Frage zu stellen ist, ob dann nicht ein eigenständiges Vertragsverhältnis besteht.208 Ein entsprechender Verpflichtungswille ist jedenfalls im Bankenverkehr allerdings grundsätzlich nicht feststellbar, da die Banken grundsätzlich kein Interesse an der Einbeziehung von Dritten, insbesondere des Überweisenden haben. Dies wird bereits daran ersichtlich, dass (jedenfalls im deutschen Recht) grundsätzlich keine Kontroll- und Warnpflichten der Banken zugunsten des Überweisenden bestehen.209 Eine andere Auffassung liefe der zunehmenden Automatisierung und Technisierung des Überweisungsverkehrs als Massengeschäft des täglichen Lebens entgegen, das nur auf diese Weise schnell und kostengünstig organisiert werden kann. Die Auffassung, den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter außervertraglich zu qualifizieren, scheint durch die Entscheidung des EuGH in Handte untermauert worden zu sein.210 In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wandte sich der französische Käufer einer mangelhaften Sache nicht an den Verkäufer, sondern unmittelbar an den Hersteller. Nach französischem Recht konnte er gegen den Hersteller aufgrund einer „action directe“ unmittelbar vorgehen. Diese wird im französischen Sachrecht vertraglich konstruiert.211 Der EuGH stellte zu Art. 5 EuGVÜ allerdings fest, dass „zwischen dem späteren Erwerber und dem Hersteller keine vertragliche Beziehung besteht, da dieser gegenüber dem späteren Erwerber keine vertragliche Verpflichtung eingegangen ist.“212 Auch aus der Entscheidung des EuGH in Engler,213 wo es um den Gerichtsstand bei einer Gewinnzusage ging, lässt sich nichts anderes ableiten. Dort ging es bei der Gewinnzusage um ein ausdrückliches Versprechen gegenüber dem späteren Kläger, der dieses durch das Verlangen nach Auszahlung des Gewinns angenommen hatte.214 Demgegenüber kann man jedoch, wie soeben dargelegt, einen solchen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen der (zwischengeschalteten) Banken gegenüber Dritten (dem Überweisenden) grundsätzlich nicht annehmen.215 Auch wenn die Rechtsprechung des EuGH in Handte zum Vertragsbegriff im EuGVÜ ergangen ist, wird man sie auch auf das europäische Kollisionsrecht der Rom-Verordnungen übertragen können.216 Zwar verfolgt das 208 Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff,
Art. 12 Rom I Rn. 5. § 675f BGB Rn. 8. 210 EuGH 17.06.1992, JZ 1995, 90 f. m. Anm. Peifer, JZ 1995, 91 ff. 211 Dutta, IPRax 2009, 293, 295. Vgl. für Art. 1994 II CC bereits oben S. 189 f. 212 EuGH 17.06.1992, JZ 1995, 90–91, 90 (Tz. 16). 213 EuGH 20.01.2005, BB 2005, 739 ff. 214 Dutta, IPRax 2009, 293, 295. 215 Ähnlich Dutta, IPRax 2009, 293, 295. 216 Dutta, IPRax 2009, 293, 295 f.; jurisPK/Lund, Art. 1 Rom II Rn. 43. 209 Palandt/Sprau,
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Internationale Zivilverfahrensrecht eigene Zwecke, doch sollen ausweislich des Erwägungsgrundes 7 Rom II „[d]er materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung mit [Brüssel I(a)] und den Instrumenten, die das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht zum Gegenstand haben, in Einklang stehen.“ Entsprechendes gilt für Rom I gemäß Erwägungsgrund 7 Rom I. Doch sind die Regelungsgegenstände, denen sich Rom I und Rom II (Internationales Privatrecht) auf der einen Seite und Brüssel Ia (Internationales Zivilverfahrensrecht) auf der anderen Seite widmen, verschieden und können damit grundsätzlich nicht in Konflikt zueinander geraten. Der europäische Gesetzgeber kann mit den Erwägungsgründen nur gemeint haben, dass das Begriffsverständnis der Verordnungen im Wesentlichen gleich sein soll.217 So nahm bereits der EuGH einen entsprechenden Auslegungszusammenhang zwischen dem EuGVÜ und dem europäischen Kollisionsrecht an – gerade auch in Bezug auf den Vertragsbegriff.218 Diese Qualifikation des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter scheint durch die Qualifikation der „culpa in contrahendo“ als außervertragliches Schuldverhältnis im Sinne von Rom II bestätigt zu werden (vergleiche hierzu Art. 1 II lit. i Rom I in Verbindung mit Erwägungsgrund 10 Rom I und Art. 12 Rom II). Jedoch lassen sich aus dieser keine zwingenden Rückschlüsse auf die Qualifikation des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ziehen.219 Im Rahmen von Vertragsverhandlungen ist eben grundsätzlich noch keine freiwillige Verpflichtung eingegangen worden. Dies ist beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gerade anders.220 Dort besteht bereits ein Vertrag. Noch deutlicher wird die mangelnde Vergleichbarkeit, wenn man beispielsweise im deutschen Recht den Dritten durch eine ergänzende Vertragsauslegung in den Schutzbereich des Vertrags einbezieht.221 Die vorstehende Begründung der außervertraglichen Qualifikation des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter durch die herrschende Meinung lässt jedoch außer Acht, dass bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bereits eine freiwillig eingegangene Verpflichtung besteht, wenn auch in einem anderen Verhältnis, nämlich im Verhältnis der zwischengeschalteten Bank zur Bank des Überweisenden. Unter Berücksichtigung dieses Umstands und aufgrund des kollisionsrechtlichen Gebots einer funktionalen, autonomen Qualifikation erscheint nach wie vor auch eine vertragliche Qualifikation des Vertrags mit 217
Dutta, IPRax 2009, 293, 296. nur EuGH 08.03.1988, IPRax 1988, 227 f. m. Anm. Metzger, IPRax 1998, 207 ff.; Dutta, IPRax 2009, 293, 296. 219 MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 57. 220 Vgl. auch MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 57. 221 Hierzu bereits oben S. 184 ff. 218 Vgl.
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Schutzwirkung zugunsten Dritter im Überweisungsrecht diskutabel. Das Gebot der funktionalen Qualifikation besagt nämlich auch, dass bei funktional vergleichbaren Rechtsinstituten das Anknüpfungsergebnis gleich sein sollte.222 Vorliegend läge jedoch – beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – grundsätzlich ein anderes Anknüpfungsergebnis als im Falle einer Drittschadensliquidation vor.223 Bei dieser richtet sich die Frage, ob ein Anspruch den Voraussetzungen nach besteht, völlig unstreitig nach dem im Interbankenverhältnis geltenden Vertragsstatut, also grundsätzlich nach dem Recht am Sitz der beauftragten zwischengeschalteten Bank.224 Die in Deutschland erfolgte Rechtsprechungsänderung führt vor Augen, dass die Rechtserscheinungen der Drittschadensliquidation und des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Wesentlichen austauschbar sind.225 Die vorgenannten Rechtsinstitute sind weitgehend ergebnisindifferente sachrechtliche Begründungsansätze. Im Ergebnis sollte deshalb in diesem Fall aus kollisionsrechtlicher Perspektive kein unterschiedliches Anknüpfungsergebnis auftreten, weshalb auch der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als vertragliches Schuldverhältnis qualifiziert werden sollte.226 In diesem Fall findet grundsätzlich gemäß Art. 4 I lit. b Rom I das Recht am Sitz der beauftragten zwischengeschalteten Bank Anwendung.227 b) Anknüpfung des Anspruchs des Überweisenden gegen die zwischengeschaltete Bank aa) Regelanknüpfung des Art. 4 I Rom II Folgt man jedoch der herrschenden Meinung und qualifiziert den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als außervertragliches Schuldverhältnis, ist allerdings noch nicht entschieden, wie das außervertragliche Schuldverhältnis konkret anzuknüpfen ist. Kaum denkbar ist insofern eine gemäß Art. 14 I Rom II zulässige Rechtswahl. Im Regelfall wird vielmehr objektiv anzuknüpfen sein. 222 Vgl.
Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 349. Zur Drittschadensliquidation oben S. 203 ff. 224 Vgl. oben S. 203 f. 225 Hierzu oben S. 182 ff. 226 Vgl. auch MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 57; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 176, die sämtliche Direktansprüche – also auch gesetzliche – vertraglich qualifiziert (siehe hierzu aber sogleich die nächste Fn.). 227 So auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 178 für den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Spezialgesetzlich geregelte Direktansprüche werden hingegen hinsichtlich ihres Bestehens dem am Sitz der fehlerhaft handelnden zwischengeschalteten Bank geltenden Recht unterworfen, während für ihre inhaltliche Ausgestaltung das Deckungsstatut zwischen dem Überweisenden und seiner Bank gelten soll, vgl. Einsele , Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 176 ff. 223
212
4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
Innerhalb der Anknüpfungssystematik der außervertraglichen Schuldverhältnisse von Rom II – unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und Verschulden bei Vertragsverhandlungen – ist das Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger dem Bereich der unerlaubten Handlungen zuzuordnen.228 Deshalb ist dieses Verhältnis gemäß Art. 4 I Rom II grundsätzlich dem Recht des Staates unterworfen, in dem der Schaden eingetreten ist, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.229 Es wird somit ausschließlich an den Erfolgs- und nicht an den Handlungsort angeknüpft.230 Der europäische Gesetzgeber hat es folglich für angemessen erachtet, dass sich der Schädiger hinsichtlich seines Sorgfaltsaufwands grundsätzlich an die Gegebenheiten einer fremden Rechtsordnung anpasst, wenn sein Verhalten in deren Geltungsbereich hineinwirkt.231 Fraglich ist, wo der Erfolgsort bei einer pflichtwidrig verspäteten Weiterleitung liegt. Es entsteht nur ein Vermögensschaden, im Allgemeinen in Form eines Verzögerungsschadens. Dieser Verzögerungsschaden ist gleichzeitig Primärschaden und nicht nur eine indirekte Schadensfolge. Bei reinen Vermögensschäden ist nach verbreiteter Meinung grundsätzlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise den Sitz des Geschädigten als Ort des Schadenseintritts abzustellen, wenn der Schaden nicht auf einen geographisch abgrenzbaren Vermögensbestandteil beschränkt ist.232 Dies kann im Fall eines Kontos auch der Ort der Niederlassung der kontoführenden Bank sein.233 Jedoch ist der Verzögerungsschaden nicht unmittelbar dem Konto des Geschädigten zuordenbar. Deshalb wäre in der vorliegenden Fallgruppe grundsätzlich an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Geschädigten anzuknüpfen (der aber häufig mit dem Sitz der beauftragten, kontoführenden Bank übereinstimmen wird).
228
Vgl. insofern auch Dutta, IPRax 2009, 293, 297. Dutta, IPRax 2009, 293, 297; HK-BGB/Staudinger, Art. 12 Rom I Rn. 4. Vgl. auch bereits OGH IPRax 1988, 363, 364 f; IPRax 2009, 354. 230 MünchKomm/Junker, Art. 4 Rom II Rn. 18; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 4 Rom II Rn. 6; Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II Rn. 1. Anders bei der internationalen Zuständigkeit gem. Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia, dort besteht zugunsten des Geschädigten ein Wahlrecht zwischen dem Handlungs- und dem Erfolgsort, vgl. nur Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 4 Rom II Rn. 8. 231 Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II Rn. 1. 232 EuGH 10.06.2004, NJW 2004, 2441–2442, 2442 (Tz. 17 ff.); Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II Rn. 9; MünchKomm/Junker, Art. 4 Rom II Rn. 21. 233 Vgl. auch Palandt/Thorn, Art. 4 Rom II Rn. 9. 229
B. Schadensersatz für „Folgeschäden“
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bb) Abweichende Anknüpfung gemäß Art. 4 III Rom II Möglicherweise besteht jedoch eine offensichtlich engere Verbindung der „unerlaubten Handlung“ der zwischengeschalteten Bank mit dem Recht eines anderen Staates (Art. 4 III Rom II). Dann wäre das außervertragliche Schuldverhältnis dem Recht dieses Staates unterworfen.234 Eine „offensichtlich engere Verbindung kann sich insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.“ Ein solches könnte eben wiederum das Interbankenverhältnis zwischen der zwischengeschalteten und der sie beauftragenden Bank darstellen. Allerdings nimmt der Wortlaut des Art. 4 III S. 2 Rom II lediglich Bezug auf eine zwischen den Parteien (des außervertraglichen Schuldverhältnisses) bereits bestehende Rechtsbeziehung. Eine solche vertragliche Sonderbeziehung zwischen den Parteien gibt es vorliegend jedoch nicht, da der Vertrag im Interbankenverhältnis nicht personenidentisch mit dem potenziellen außervertraglichen Schuldverhältnis aus der unerlaubten Handlung ist. Durch den vorgenannten Wortlaut kommt eventuell eine gewisse Vorentscheidung des europäischen Gesetzgebers zum Ausdruck. So lehnt insbesondere Dutta eine abweichende Anknüpfung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ab, da eben keine vertragliche Sonderbeziehung zwischen dem Dritten und dem Schädiger bestehe.235 Jedoch ist Art. 4 III S. 2 Rom II lediglich ein Beispiel dafür, wann eine offensichtlich engere Verbindung vorliegen kann. Art. 4 III S. 2 Rom II ist jedenfalls nicht abschließend. In diesem Zusammenhang könnte möglicherweise der Rechtsgedanke der Kollisionsnorm des Art. 12 Rom II betreffend außervertragliche Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrages für die vorliegende Fallgestaltung fruchtbar gemacht werden. Gemäß Erwägungsgrund 30 Rom II wird zwischen „außervertragliche[n] Schuldverhältnissen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrags stehen“ und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, differenziert. Unter die erste Kategorie und damit unter Art. 12 Rom II fallen nach dem vorgenannten Erwägungsgrund insbesondere die Verletzung von Offenlegungspflichten und der Abbruch von Vertragsverhandlungen. Diese werden dem hypothetischen Vertragsstatut unterworfen. Dagegen sind Pflichtverletzungen, die zu einem Personenschaden führen, der letzteren Kategorie des vorgenannten Erwägungsgrundes zuzuordnen. Diese sollen nicht gemäß Art. 12 Rom II, sondern gemäß Art. 4 Rom II oder an234 Für
den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter HK-BGB/Staudinger, Art. 12 Rom I Rn. 4. Ablehnend Dutta, IPRax 2009, 293, 298. 235 Dutta, IPRax 2009, 293, 298.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
deren einschlägigen Bestimmungen von Rom II anzuknüpfen sein. Auch in der vorliegenden Fallgruppe des Ersatzes von Folgeschäden geht es allerdings um die Verletzung einer unmittelbar vertragsbezogenen Pflicht im Interbankenverhältnis, nämlich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausführung der Überweisung. Insofern könnte dies für eine abweichende Anknüpfung an das Vertragsstatut im Interbankenverhältnis zwischen der zwischengeschalteten und der sie beauftragenden Bank sprechen. Jedoch ist die gesetzgeberische Entscheidung in Art. 12 I Rom I nicht unmittelbar auf die Situation des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter übertragbar. Dies zeigt Art. 12 II Rom II, der gerade für die Haftung gegenüber Dritten relevant wird,236 und im Wesentlichen die Anknüpfungsleiter des Art. 4 Rom II übernommen hat. Hieraus lässt sich auch ableiten, dass der Wille zum Vertragsschluss wohl bereits eine gewisse Vorwirkung entfaltet.237 Beim Vertragsschluss im Interbankenverhältnis ist eine solche Vorwirkung zugunsten des Überweisenden jedenfalls abzulehnen. Zum anderen erfolgt die Anknüpfung an das hypothetische Vertragsstatut gemäß Art. 12 I Rom II, damit ein Gleichlauf mit dem Vertragsstatut erfolgt, wenn es später doch noch zu einem Vertragsschluss kommt.238 Auch dieser Gesichtspunkt ist auf den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter jedenfalls nicht unmittelbar übertragbar. Vielmehr ließe sich argumentieren, dass der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, wenn auch in Deutschland vertraglich qualifiziert, eine Ergänzungsfunktion zum Deliktsrecht innehat.239 Wenn überhaupt, dann müsste nach diesem Gedanken zur Vermeidung von Normenwidersprüchen ein Gleichlauf mit dem Deliktsstatut erzielt werden. Eine solche Argumentation ließe indes außer Acht, dass bei einer außervertraglichen Qualifikation und Anknüpfung an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Überweisenden auf die Pflichten der zwischengeschalteten Bank gegenüber dem Überweisenden ein anderes Recht Anwendung finden könnte, als gegenüber ihrem unmittelbaren Vertragspartner, der vorausgehenden Bank. Dieses Recht könnte unter Umständen überhaupt keinen Bezug zum Überweisungsvorgang haben. Insofern läge bei einer entsprechenden Anknüpfung dann ebenfalls kein Gleichlauf vor. Im Ergebnis sollte deshalb auch bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aufgrund eines Vergleichs des Vertrags zugunsten Dritter mit der Drittschadensliquidation gemäß Art. 4 III Rom II an das Vertragsstatut im Interbankenverhältnis angeknüpft werden. Ein abweichendes 236 HK-BGB/Dörner,
Art. 12 Rom II Rn. 5. Art. 12 Rom II Rn. 7. Vgl. auch Bamberger/Roth/Hau/Poseck/ Spickhoff, Art. 12 Rom II Rn. 1. 238 MünchKomm/Junker, Art. 12 Rom II Rn. 7. 239 Dutta, IPRax 2009, 293, 297. 237 MünchKomm/Junker,
B. Schadensersatz für „Folgeschäden“
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Anknüpfungsergebnis erscheint nämlich aufgrund der sachrechtlichen Ergebnis indifferenz beider Rechtsinstitute nicht angemessen.240 Entsprechende Überlegungen gelten auch für die „action directe“ des französischen Rechts und ebenso für eventuelle deliktische Ansprüche des Common Law. c) Zusammenfassung Ein Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten des geschädigten Dritten wurde unter Geltung des ehemaligen europäischen internationalen Vertragsrechts des EVÜ in Deutschland, Frankreich und England mehrheitlich vertraglich qualifiziert.241 Dementsprechend beherrschte das Vertragsstatut im Interbankenverhältnis zwischen der zwischengeschalteten und der sie beauftragenden Bank auch den Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger. Unter Geltung von Rom II wird inzwischen mehrheitlich eine deliktische Qualifikation bevorzugt. Wie jedoch aufgezeigt werden konnte, spricht aber der Grundsatz der funktionalen Qualifikation nach wie vor für eine Anknüpfung an das Vertragsstatut im Interbankenverhältnis. Entsprechendes gilt für Ansprüche im Common Law, aber auch für spezialgesetzliche Ansprüche, wie sie beispielsweise die ZDR mit Art. 92 I ZDR II beziehungsweise Art. 77 I ZDR I kennt. Auch wenn der EuGH sich zugunsten einer deliktischen Qualifikation der „action directe“ im Rahmen des EuGVÜ ausgesprochen hat, hat er sich zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung eines unmittelbaren Anspruchs des Geschädigten aufgrund des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder einer „action directe“ noch nicht geäußert, sodass die Qualifikation noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Auch bei einer Qualifikation als außervertragliches Schuldverhältnis kann aber der gebotene Einklang mit dem Statut des Interbankenverhältnisses über eine akzessorische Anknüpfung gem. Art. 4 III Rom II hergestellt werden. III. Problemlage Korrekturbedürftige Normenwidersprüche soll es zum Beispiel bei einer Überweisung von Deutschland nach Frankreich geben.242 Hierzu wird folgender Fall gebildet:
240
Hierzu bereits S. 211. Dutta, IPRax 2009, 293, 294. 242 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 81. 241
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
Der Überweisende erteilt seiner deutschen Hausbank BÜ einen Überweisungsauftrag zugunsten eines französischen Empfängers. Die Hausbank leitet den Überweisungsauftrag zuerst an ihre Korrespondentin in Frankreich BZ weiter, die diesen dann der Empfängerbank BÜE zukommen lässt.243 Der Überweisungsbetrag wird dem Überweisungsempfänger zehn Tage „zu spät“ gutgeschrieben, weil die französische zwischengeschaltete Bank BZ den Überweisungsauftrag erst mit entsprechender Verzögerung an die Empfängerbank weitergeleitet hat.244 Auf Grundlage des Valutaverhältnisses darf der Überweisungsempfänger vom Überweisenden wegen der Verzögerung die Zahlung von Zinsen für diesen Zeitraum verlangen.245 Der Zahlungspflichtige möchte nun diese Zinsen von seiner Hausbank BÜ ersetzt haben.
Normenwidersprüche erscheinen in diesem Szenario abstrakt möglich, da bei „traditioneller“ kollisionsrechtlicher Betrachtung das Deckungsverhältnis und das Interbankenverhältnis verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen. Das Deckungsverhältnis des Überweisenden zu seiner Bank BÜ unterliegt (bei objektiver Anknüpfung) deutschem Recht und das Interbankenverhältnis zwischen der deutschen Bank BÜ und der französischen zwischengeschalteten Bank BZ französischem Recht (vergleiche heute Art. 4 I lit. b Rom I)246. Im dargestellten Fall geht von der Seipen davon aus, dass sowohl die deutsche Hausbank BÜ als auch die französische zwischengeschaltete Bank BZ ihre Weiterleitungspflicht nach dem für sie jeweils geltenden Recht ordnungsgemäß, insbesondere rechtzeitig erfüllt haben. Eine Haftung der Bank des Überweisenden BÜ für die zwischengeschaltete Bank BZ als Erfüllungsgehilfin soll deshalb nicht in Betracht kommen, weil die französische zwischengeschaltete Bank BZ sich nach dem für sie geltenden Recht jedenfalls nicht sorgfaltswidrig verhalten habe. Seiner Auffassung nach ist die Haftung der Bank des Überweisenden BÜ jedoch deshalb nicht ausgeschlossen, „weil sie den Kunden auf eine – rechtlich zulässige – Verzögerung durch die Bank in Frankreich nicht hingewiesen [habe].“ 247 Es geht ihm zufolge somit um eigenes sorgfaltswidriges Verhalten der Bank des Überweisenden. Die deutsche Bank hafte gegenüber ihrem Kunden, könne jedoch keinen Regress gegenüber der französischen zwischengeschalteten Bank BZ nehmen.248 Es komme somit zu einem „Auseinanderfallen“ der Lösungen des deutschen und 243 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 81, 94. 244 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. 245 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. Natürlich sind neben Zinsschäden auch noch weitere Schäden denkbar, vgl. bspw. Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., oben S. 199. 246 Hierzu oben S. 135 ff. 247 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. 248 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94.
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217
des französischen Rechts.249 Nach von der Seipen werde „[e]in solches unterschiedliches Ergebnis […] bei einheitlicher Anwendung des französischen Rechts vermieden, da dann das Überweisungsverhalten insgesamt als rechtmäßig einzustufen sei.“250 Die Argumente hinsichtlich einer ungerechtfertigten Haftungsverteilung – und erst recht hinsichtlich eines Normenwiderspruchs – sind jedoch nicht stichhaltig. Im vorgenannten Fall fallen zwar die Anforderungen an die Rechtzeitigkeit der Weiterleitung im deutschen und französischen Recht auseinander. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Vielmehr wird verkannt, dass die Bank – unter Zugrundelegung des oben aufgezeigten Lösungsansatzes – nicht für ein sorgfaltswidriges Verhalten der zwischengeschalteten Bank, welches sie sich etwa zurechnen lassen muss, sondern für eigenes sorgfaltswidriges Verhalten haftet. Eine entsprechende Hinweispflicht, nimmt man sie für grenzüberschreitende Überweisungen an, ist grundsätzlich genauso bei innerdeutschen Überweisungen denkbar, falls die Zahlung durch Überweisung eine längere Zeit beansprucht. In diesem Fall haftet die Bank des Überweisenden ebenfalls und könnte keinen Rückgriff auf nachfolgende Banken in der Überweisungskette nehmen. Sie ist nämlich die Adressatin der Hinweispflicht gegenüber dem Überweisenden. In der vorliegenden Situation ist somit von vornherein kein kollisionsrechtlicher Anpassungsbedarf gegeben. Man kann in diesem Fall nach den anfangs aufgestellten Annahmen nicht einmal behaupten, dass überhaupt ein abstrakter Normenwiderspruch besteht. Weiterhin ist im vorgenannten Beispielsfall zwar das Ergebnis, aber nicht die Begründung stichhaltig, warum die deutsche Bank für ein etwaiges fremdes Verschulden der französischen zwischengeschalteten Bank nicht haften soll. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Antwort auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bank des Überweisenden für nachgeschaltete Banken haftet, dem im Deckungsverhältnis geltenden Vertragsstatut zu entnehmen.251 Das Pflichtenspektrum für die Erfüllungsgehilfenhaftung ergibt sich damit zwingend auch aus dem Deckungsverhältnis. Das im Interbankenverhältnis zwischen der Bank des Überweisenden und der zwischengeschalteten Bank geltende Recht ist hierfür irrelevant. Es spielt insofern keine Rolle, dass sich die französische Bank nach französischem Recht ordnungsgemäß verhalten hat. Es kommt vielmehr allein auf das deutsche Recht an, welches im Deckungsverhältnis gilt. Da im deutschen Recht die deutsche Bank lediglich die Weiterleitung des Überwei249 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. 250 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. 251 Hierzu bereits oben S. 203.
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
sungsauftrags an die zwischengeschaltete Bank schuldet, wird die französische Bank nicht im Pflichtenkreis der deutschen Bank tätig. Dies ist der Grund, warum die französische Bank nicht Erfüllungsgehilfin der deutschen Bank sein kann und ein etwaiges Verschulden von vornherein nicht zugerechnet werden kann. Im Übrigen ist es unzutreffend, dass die Bank des Überweisenden für ein Verschulden der zwischengeschalteten Bank nicht haftet, falls nach dem im Deckungsverhältnis geltenden Recht die zwischengeschaltete Bank Erfüllungsgehilfin der Bank des Überweisenden ist. Auch das insofern relevante Pflichtenspektrum, für das die Bank des Überweisenden einzustehen hat, ergibt sich zwangsläufig aus dem Deckungsverhältnis.252 Falls sich die zwischengeschaltete Bank nach dem im Interbankenverhältnis geltenden Recht und den getroffenen privatautonomen Vereinbarungen ordnungsgemäß verhalten hat, kann die Bank des Überweisenden gegen sie eben keinen Regress nehmen. Dies ist jedoch, da es um ein Verhalten des eigenen Vertragspartners geht und es der Bank des Überweisenden zumutbar ist, das Recht, dem die privatautonom geschlossenen Beziehungen unterliegen, zu ermitteln, interessengerecht. Tatsächlich gibt es allerdings Fallgestaltungen, in denen Normenwidersprüche aufgrund der „traditionellen“ kollisionsrechtlichen Anknüpfung auftreten können. Hierzu muss der vorgenannte Fall lediglich leicht abgewandelt werden: Der Überweisende erteilt der in Deutschland ansässigen Bank BÜ einen Überweisungsauftrag zugunsten eines englischen Empfängers. Da die Hausbank BÜ in keiner Verbindung zu der Bank des Überweisungsempfängers BÜE steht, schaltet sie als zwischengeschaltete Bank BZ ihre englische Korrespondenzbank ein. Da diese den Überweisungsauftrag sorgfaltswidrig verzögert wird der Überweisungsvorgang erst nach dem im Valutaverhältnis bestimmten Zahlungstermin vollendet. Der Überweisungsempfänger kann vom Vertrag im Valutaverhältnis zurücktreten, wodurch dem Überweisenden ein Schaden entsteht, weil ihm eine profitable Weitervermarktung des Vertragsgegenstandes nicht mehr möglich ist. Den ihm dadurch entstehenden Schaden möchte er ersetzt haben.
Bei „traditioneller“ kollisionsrechtlicher Anknüpfung findet gemäß Art. 4 I lit. b Rom I im Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Hausbank BÜ deutsches Recht Anwendung. Nach deutschem Recht schuldet die Hausbank des Überweisenden BÜ in der vorliegenden Fallgestaltung nicht die Gutschrift des Überweisungsbetrags auf einem Konto der Bank des Überweisungsempfängers, sondern lediglich die Weiterleitung des Überweisungsauftrags an eine sorgfältig ausgewählte zwischengeschaltete Bank.253 Eine Haftung der Hausbank BÜ für das aus ihrer Sicht fremde Verschulden der zwischengeschal-
252 253
Hierzu bereits oben S. 202 f. Oben S. 26.
B. Schadensersatz für „Folgeschäden“
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teten Bank BZ (als ihre Erfüllungsgehilfin) im Wege einer Verschuldenszurechnung kommt deshalb nicht in Betracht.254 Das deutsche Recht bietet jedoch dem Überweisenden stattdessen die Möglichkeit, sich direkt gegenüber der zwischengeschalteten Bank schadlos zu halten. So ging die früher herrschende Meinung von einem Direktanspruch des Überweisenden gegen die sorgfaltswidrig handelnde zwischengeschaltete Bank BZ aus, da man den Überweisenden als vom Schutzbereich des Interbankenverhältnisses zwischen der Hausbank BÜ und der Bank BZ erfasst ansah.255 Eine entsprechende Schutzwirkung des Interbankenverhältnisses zugunsten des Überweisenden wurde im Jahr 2008 durch den BGH verneint. Aber auch nach der inzwischen erfolgten Rechtsprechungsänderung des BGH steht der Überweisende nicht schutzlos da. Obwohl der Bank BÜ selbst kein Schaden entstanden ist, da sie lediglich die Weiterleitung des Überweisungsbetrags schuldete, könnte sie nach deutschem Recht den Schaden des Überweisenden gegenüber der zwischengeschalteten Bank, ihrem Vertragspartner, im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen und hat diesen Anspruch an den Überweisenden abzutreten.256 Beide Alternativen erfordern allerdings, dass auch insofern deutsches Recht anwendbar ist. Wie oben dargestellt, ist es strittig, nach welchem Recht zu bestimmen ist, ob ein Vertrag Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfaltet. Unterwirft man diese Frage – wie in dieser Arbeit vertreten –257 dem (hypothetischen) Vertragsstatut zwischen dem Dritten und der sich sorgfaltswidrig verhaltenden zwischengeschalteten Bank,258 wäre im vorliegenden Sachverhalt das Recht am Sitz Letzterer anwendbar (vergleiche Art. 4 I lit. b Rom I).259 Damit wäre die Frage, ob das Interbankenverhältnis Schutzwirkung zugunsten Dritter entfaltet, dem engli254
Hierzu bereits oben S. 182 f. Hierzu oben S. 184 ff. 256 Oben S. 187 f. 257 Hierzu oben S. 210 f. 258 Detailliert zur kollisionsrechtlichen Einordnung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, oben S. 206 ff. 259 Wenn hingegen entsprechende Schutzwirkungen deliktisch qualifiziert werden würden, wäre das anwendbare Recht grundsätzlich nach Art. 4 I Rom II zu bestimmen. Damit wäre das Recht des Staates anwendbar, in dem der Schaden eingetreten ist, also das Recht am Erfolgsort. Das ist grundsätzlich der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts oder des Sitzes des Überweisenden, wenn der Überweisende seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in einem anderen Staat hat. Hat der Überweisende seinen Sitz allerdings in einem anderen Staat als seine Bank BÜ, ist gegebenenfalls auch als Deliktsstatut kein deutsches Recht anwendbar. Kennt dieses auch keinen Direktanspruch zugunsten des Überweisenden, entstünde dieselbe Problematik wie bei einer vertraglichen Qualifikation dieses Anspruches. Dies würde auch dann gelten, wenn dieses Recht eine Haftung der überweisenden Bank für zwischengeschaltete Banken als Erfüllungsgehilfen vorsähe, da diese Normen durch das Deliktsstatut nicht berufen wären. 255
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
schen Recht unterworfen. Nach englischem Recht entfaltet das Giroverhältnis jedoch keine Schutzwirkung zugunsten Dritter.260 Ob eine Drittschadensliquidation möglich ist, wird dem Vertragsstatut zwischen dem Anspruchsberechtigten und dem potenziell Ersatzverpflichteten überantwortet.261 Gemäß Art. 4 I lit. b Rom I ist der Dienstleister im Interbankenverhältnis die zwischengeschaltete Bank BZ. Das an ihrem Sitz geltende Recht ist damit anwendbar. Damit ist insofern wiederum englisches Recht anwendbar. Im englischen Recht kennt – jedenfalls im Überweisungsrecht – keine Drittschadensliquidation. Ergebnis wäre somit, dass der Überweisende seinen Schaden nicht liquidieren könnte. Das widerspräche vom Ergebnis aus betrachtet grundsätzlich sowohl dem Regelungsmodell des deutschen Rechts als auch – von Fragen der Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts beim Überweisenden abgesehen262 – dem Regelungsmodell des englischen Rechts. Im englischen Recht würde die Bank des Überweisenden dem Überweisenden für die nicht ordnungsgemäße Ausführung des weitergeleiteten Überweisungsauftrags durch ihre Erfüllungsgehilfin, die zwischengeschaltete Bank, haften.263 Auch dies lässt sich als Normenwiderspruch in Form eines Normenmangels verstehen.264 Es können insbesondere auch dann Normenwidersprüche auftreten, wenn beispielsweise die Rechtsordnung im Deckungsverhältnis als Ausgleichsmechanismus für sorgfaltswidriges Verhalten zwischengeschalteter Banken das Instrument des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, die im Interbankenverhältnis geltende Rechtsordnung jedoch das Instrument der Drittschadensliquidation vorsieht. Auch wenn eine solche Konstellation auf Grundlage der in dieser Arbeit näher untersuchten Rechtsordnungen nicht nachgebildet werden kann, ist sie dennoch denkbar. In diesem Fall könnte der Überweisende möglicherweise keinen Anspruch auf Abtretung gegen seine Bank BÜ haben, da diese Rechtsordnung eben im Falle sorgfaltswidrigen Verhaltens einen Anspruch auf Grundlage der Drittschadensliquidation gewährt.265
260
Hierzu oben S. 194 ff. zur kollisionsrechtlichen Einordnung der Drittschadensliquidation, unten S. 203 ff. 262 Hierzu oben S. 199 f. 263 Oben S. 194. 264 Vgl. auch S. 163. 265 Vgl. auch von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 174 f. 261 Detailliert
C. Widerruf des Überweisungsauftrags
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C. Widerruf des Überweisungsauftrags Teilweise wird der Widerruf von Überweisungsaufträgen als weiteres „Problemfeld“ der „traditionellen“ kollisionsrechtlichen Anknüpfung identifiziert. Als Beispiel266 wird wiederum auf den Fall einer Überweisung von Deutschland nach Frankreich unter Zwischenschaltung einer französischen Bank zurückgegriffen. In dieser Konstellation sollen korrekturbedürftige Normenwidersprüche dann auftreten, „wenn der Widerruf der Anweisung des Kunden nach deutschem Recht, nicht aber nach französischem Recht beachtlich“ sei.267 Die deutsche Bank könne, wenn sie nach Weiterleitung des Überweisungsauftrages vergeblich versucht hätte, die Auszahlung an den Überweisungsempfänger zu verhindern, vor einem gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruch des Überweisenden „nicht sicher sein“.268 Um das Beispiel nachvollziehen zu können, ist zunächst die Rechtsnatur des Widerrufs zu klären.269 Der Widerruf wird gemeinhin als Gegenstück zum Überweisungsauftrag verstanden. Er ist damit – nach dem Weisungsmodell –270 ebenfalls eine Weisung, nämlich eine „Gegenweisung“ zum Überweisungsauftrag.271 Als „Gegenweisung“ zum Überweisungsauftrag ist er grundsätzlich jeweils gegenüber dem eigenen Vertragspartner zu erklären.272 Den Widerruf eines Zahlungsauftrags gibt es im deutschen Recht auch heute noch – auch wenn die gesetzliche Überschrift des § 675p BGB „Unwiderruflichkeit eines Zahlungsauftrags“ zunächst Gegensätzliches suggeriert (vergleiche 266
Hierzu bereits oben S. 215 f. von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94 Fn. 46. 268 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 94. 269 Nicht gemeint ist der für sämtliche Willenserklärungen geltende Widerruf, wonach eine Willenserklärung vor oder zeitgleich mit ihrem Zugang beim Empfänger widerrufen werden kann (vgl. im deutschen Recht § 130 I S. 2 BGB), sondern allein der Widerruf des Überweisungsauftrages nach seinem Zugang beim empfangenden Zahlungsdienstleister. 270 Vgl. hierzu bereits oben S. 23 f. 271 BGH 25.01.1988, NJW 1320, 1320 (Tz. 13); Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 362; MünchKomm/Jungmann, § 675p BGB Rn. 19, 54; Erman/Graf von Westphalen, § 675p BGB Rn. 3; Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB S. 25; jurisPK/Hönn, § 665 BGB Rn. 6; Meyer-Cording, Das Recht der Banküberweisung, S. 91; BeckOGK/Zahrte, § 675p BGB Rn. 9. Eines Rückgriffes auf eine analoge Anwendung des § 790 BGB bedarf es deshalb schon mangels Regelungslücke nicht (vgl. hierzu Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 352); erst Recht nicht ein solcher auf § 649 BGB (so noch RG 11.04.1923, RGZ 136, 139). 272 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 362; MünchKomm/Jungmann, § 675p BGB Rn. 55; Häuser, NJW 1994, 3121, 3123 f.; Staudinger/Omlor, § 675p BGB Rn. 3; BeckOGK/ Zahrte, § 675p BGB Rn. 14. Vgl. auch Schlegelberger/Hefermehl, Anh. § 365 HGB Rn. 25. 267
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4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
auch Art. 80 ZDR II und Art. 66 ZDR I). Allerdings hat der (europäische) Gesetzgeber inzwischen – wegen der starken Automatisierung des heutigen Überweisungsverkehrs und der kurzen Ausführungsfristen für binnenbezogene Überweisungen – die Widerrufsmöglichkeit weitgehend beschränkt.273 Dem Grundsatz nach ist ein Überweisungsauftrag deshalb schon mit dem Zugang beim Zahlungsdienstleister unwiderruflich (§ 675p I BGB). Ein gesetzliches Widerrufsrecht gibt es nur für Überweisungsaufträge, für die ein bestimmter Termin zur Ausführung vereinbart wurde. In diesem Fall kann bis zum Ende des Geschäftstages vor dem vereinbarten Ausführungstag der Zahlungsauftrag widerrufen werden (vergleiche § 675p III BGB). Des Weiteren können die Parteien eines Zahlungsdienstevertrags eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Widerruflichkeit vereinbaren (§ 675p IV S. 1 BGB). Davon wurde in der deutschen Bankenpraxis Gebrauch gemacht, indem dem Überweisenden in Ziff. 1.5 BedÜberwVerK ein vertragliches Widerrufsrecht gegenüber seiner Bank eingeräumt wird. Allerdings soll dieses nur dann wirksam werden, „wenn es der Bank gelingt, die Ausführung zu verhindern oder den Überweisungsbetrag zurück zu erlangen.“ Da der deutsche Gesetzgeber die ZDR I überschießend umgesetzt hat, gilt der weitgehende Ausschluss des Widerrufs auch für Zahlungsaufträge mit Drittstaatenbezug. Durch die ZDR II werden die nationalen Gesetzgeber sogar verpflichtet, Art. 80 ZDR II, der nun die „Unwiderruflichkeit“ des Zahlungsauftrags regelt, auf sämtliche Zahlungsaufträge, auch solche mit Drittstaatenbezug, zu erstrecken. Durch diesen weitgehenden Ausschluss des Widerrufsrechts nahm und nimmt die Bedeutung solcher Widerrufskonstellationen für den Überweisungsverkehr stark ab. Aber selbst angenommen, der gesetzliche Widerruf wäre auch heute noch bis zur Vollendung des Überweisungsvorgangs, das heißt bis zum Entstehen des Anspruchs auf Gutschrift zugunsten des Überweisungsempfängers, möglich, ergibt sich schon aus den obigen Ausführungen, dass die Befürchtungen hinsichtlich eines korrekturbedürftigen Normenwiderspruchs nicht begründet sind. Auch in diesem Fall könnte man von der Bank des Überweisenden BÜ innerhalb des Auftragsverhältnisses nicht erwarten, „Unmögliches“ zu leisten. Hätte sie den Überweisungsauftrag bereits ausgeführt, wenn der Widerruf kam, müsste sie diesen nach deutschem Recht lediglich weiterleiten.274 Wäre ein Widerruf im Interbankenverhältnis zwischen ihr und der zwischengeschalteten Bank BZ nicht möglich, ist das grundsätzlich Risiko des Überweisenden. Sie träfe keine „Erfolgspflicht“ hinsichtlich der „Rückabwicklung“ des Überweisungsvorgangs. Es 273 Vgl. Erwägungsgrund 78 ZDR II (entspricht Erwägungsgrund 38 ZDR I) und BT-Drs. 16/11643, S. 109. Auf diese Weise sollen kostspielige manuelle Eingriffe in den Überweisungsverkehr vermieden werden. 274 Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 362; Becher, DStR 1999, 1360, 1361.
C. Widerruf des Überweisungsauftrags
223
kommt in diesem Fall höchstens ein Schadensersatzanspruch gegen die Bank des Überweisenden in Betracht, wenn sie die Weiterleitung des Widerrufs sorgfaltswidrig verzögert hat oder aber eine Hinweispflicht verletzt hat, dass der Überweisungsauftrag nach französischem Recht nicht widerrufbar ist. In diesem Fall haftet sie jedoch wiederum für ihr eigenes sorgfaltswidriges Verhalten. Eine entsprechende Haftung ist auch bei einer rein inländischen mehrgliedrigen Überweisung vorstellbar. Ein Rückgriff auf die zwischengeschaltete Bank BZ ist auch bei einem solchen Überweisungsvorgang mangels entsprechenden Fehlverhaltens nicht vorstellbar. Ein kollisionsrechtlicher Korrekturbedarf besteht in von der Seipens Beispielsfall deshalb nicht. Der Beispielsfall zeigt jedoch den Nachteil des herkömmlichen „Kettenwiderrufs“. Der Widerruf ist nämlich wie der ursprüngliche Überweisungsauftrag auch entlang der „Kette“ bis zu derjenigen Bank weiterzuleiten, die gerade mit der Durchführung der Überweisung befasst ist. Hierdurch besteht jedoch die Gefahr, dass der Widerruf „zu spät“ kommt.275 Ein Ausweg ist, den Widerruf direkt gegenüber der Bank des Empfängers oder einer zwischengeschalteten Bank zuzulassen (entweder durch den Überweisenden selbst oder seiner Bank).276 Ein solcher gesetzlich zugelassener Direktwiderruf gegenüber der Bank des Überweisungsempfängers hätte allerdings in Kombination mit Rechtsordnungen, die dem Modell des „Kettenwiderrufs“ folgen, Potenzial für Normenwidersprüche. Dies soll an folgendem Fall verdeutlicht werden: Der Überweisende erteilt seiner Hausbank BÜ einen Überweisungsauftrag. Um den Auftrag auszuführen, schaltet diese ihre Korrespondenzbank BZ1 ein, die eine weitere zwischengeschaltete Bank BZ2 beauftragt. Letztere soll den Überweisungsauftrag schließlich an die Bank des Überweisungsempfängers BÜE weiterleiten. Noch bevor die Hausbank BÜ den Überweisungsauftrag an die zwischengeschaltete Bank weitergeleitet hat, widerruft der Überweisende gegenüber der Empfängerbank BÜE den Überweisungsauftrag.
Im Folgenden soll nun die Annahme gelten, dass die im Deckungsverhältnis geltende Rechtsordnung einen solchen „Direktwiderruf“ gesetzlich vorsieht, die den Widerruf empfangende Bank des Überweisungsempfängers aufgrund des für sie im Interbankenverhältnis geltenden Rechts einen „Direktwiderruf“ jedoch für unbeachtlich halten muss. Erachten im genannten Beispiel sowohl die im Deckungsverhältnis geltende Rechtsordnung als auch die im Interbankenverhältnis 275 Häuser, NJW 1994, 3121, 3124; Hüffer, ZHR 151 (1987), 93, 107; Rohe, Netzverträge, S. 198 f. 276 Ein solcher gesetzlicher „Direktwiderruf“ gegenüber der Bank des Überweisungsempfängers wird in der Literatur intensiv diskutiert, siehe nur Häuser, NJW 1994, 3121, 3123 ff. Nachteil eines solchen Direktwiderrufsrechts ist allerdings, dass der Empfänger kaum die „Berechtigung“ des Widerrufenden zur Ausübung eines solchen Rechts überprüfen kann (vgl. Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 362).
224
4. Kapitel: Analyse der Problemlagen
geltende Rechtsordnung einen Widerruf dem Grunde nach für zulässig, ist jedoch der Widerruf jeweils an einen anderen Adressaten zu richten, liegt ein Normenwiderspruch vor. Allerdings ist derzeit keine Rechtsordnung bekannt, die einen solchen Direktwiderruf gegenüber der Bank des Überweisungsempfängers zulässt. Die ganz herrschende Meinung lehnte einen solchen Direktwiderruf im deutschen Überweisungsrecht vor Umsetzung der europäischen Richtlinien ab.277 Im Rahmen des UNCITRAL-Modellgesetzes wurde allerdings aufgrund des insofern uneindeutigen Wortlauts ein entsprechendes Recht zum Direktwiderruf vertreten.278 Weiterhin bejahten einige Stimmen im deutschen Schrifttum zum Überweisungsrecht der ÜRL die Möglichkeit eines solchen Direktwiderrufs.279 Mit der ZDR I und ZDR II gibt es ein entsprechendes Direktwiderrufsrecht, wie bereits oben ausgeführt, allerdings nicht mehr. Derzeit ist diese Fallgruppe deshalb lediglich eine hypothetische.280
277 Ausdrücklich
Staub/Canaris, Bankvertragsrecht I, Rn. 362. Vgl. bereits S. 221 Fn. 272, wobei es hier um den gesetzlichen und nicht den vertraglichen vereinbarten Direktwiderruf geht, der lange Zeit aufgrund interbankärer Abkommen innerhalb Deutschlands möglich war, vgl. nur Häuser, NJW 1994, 3121, 3121 ff.; Wimmer-Leonhardt, Die Haftung gegenüber den Bankkunden im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr, S. 183. 278 So jedenfalls Schneider, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 146 (a. A. noch in Schneider, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 508; Hadding/Schneider, WM 1993, 629, 636, siehe auch gleich h. M.); Vasseur, in: Académie de Droit International (Hrsg.), Recueil des Cours, Tome 239 (1993 II), S. 204 („Mais l’article 12 va au-déla et satisfait aussi les partisans d’une révocabilité différée, puisque, en application du paragraphe 2, l’expéditeur peut aussi court-ciruiter sa propre banque et les banques intermédiaires en adressant son ordre de révocation directement à la banque du bénéficiaire, avant que celle-ci n’ait accepté l’ordre de virement et que le virement, en conséquence de l’article 19, ne soit achevé.“). A.A. hingegen die jedenfalls in Deutschland h. M., die einen gesetzlichen Direktwiderruf nicht vom UNCITRAL-Modellgesetz gedeckt sieht, vgl. nur Bischoff, SZIER 1993, 285, 303; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 120; Schwolow, Internationale Entwicklungslinien im Recht der Auslandsüberweisung, S. 163; Rennpferdt, Die internationale Harmonisierung des Erfüllungsrechts für Geldschulden, S. 112. 279 Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, S. 154; SchmidtRäntsch, ZIP 1999, 676, 680; Schulz, ZBB 1999, 287, 292; Ehmann/Hadding, WM 1999, Sonderbeil. Nr. 3, 1, 26; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, 1, 36. A.A. allerdings Becher, DStR 1999, 1360, 1364. 280 Ist ein vertragliches Widerrufsrecht, beispielsweise zwischen der Bank des Überweisenden und der Bank des Überweisungsempfängers vereinbart, beispielsweise in einem Interbankenabkommen, ist der Direktwiderruf ohne Weiteres zulässig und für die Empfängerbank beachtlich. Dann können keine Normenwidersprüche auftreten.
5. Kapitel
Das einheitliche Überweisungsstatut Das Nebeneinander mehrerer Rechtsordnungen aufgrund einer „dépeçage“, die aus der „traditionellen“ kollisionsrechtlichen Anknüpfung folgt, kann, wie eben dargestellt, zu besonderen Problemlagen führen, in denen es zu (korrekturbedürftigen) Normenwidersprüchen kommt. Die Lösung dieser Problemlagen ist im Kollisionsrecht selbst oder in der sachrechtlichen Anpassung zu suchen. Die Idee des einheitlichen Netzvertrages auf sachrechtlicher Ebene zwischen den Teilnehmern am Überweisungsvorgang ist – jedenfalls hinsichtlich der Vermeidung von Normenwidersprüchen – nicht zielführend.1 Ein Vorschlag besteht darin, ein einheitliches Überweisungsstatut für den gesamten Überweisungsvorgang zu bilden. „Denn einen Zahlungsvorgang künstlich in dessen Vertragsverhältnisse aufzuspalten besäße etwas ‚Unvorhersehbares‘ und wäre aufgrund der unterschiedlichen vertraglichen Gegebenheiten mit einiger ‚Widersprüchlichkeit‘ und damit ‚Rechtsunsicherheit‘ verbunden.“2 Normkonflikte würden bei einer derartigen einheitlichen Anknüpfung aller Rechtsverhältnisse innerhalb einer Überweisungskette in der Tat von vornherein ausgeschlossen. Der Gedanke eines einheitlichen Überweisungsstatuts findet sich an verschiedener Stelle wieder. So hat der US-amerikanische Gesetzgeber den Gedanken einer einheitlichen Anknüpfung in § 4A-507 (c) des US-amerikanischen Uniform Commercial Code bei Überweisungen unter Einschaltung von Zahlungssystemen umgesetzt. In diesem Fall kann eine Rechtswahlklausel des Zahlungssystems bestimmen, dass das dort gewählte Recht auf den gesamten Überweisungsvorgang anwendbar ist.3 Auch soll der Gedanke im UNCITRALModellgesetz wiederzufinden sein. Daneben ist der Samen des „einheitlichen Überweisungsstatuts“ auch dort, wo keine ausdrückliche Gesetzgebung besteht, 1
Hierzu bereits oben S. 138 f. So wohl auch Einsele, AcP 199 (1999), 145, 173 f. Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 318 f. 3 Vgl. § 4A-507 (c) UCC. Eine Rechtswahl für die gesamte Überweisungskette trifft beispielsweise das US-amerikanische Zahlungssystem „Clearing House Interbank Payment System“ (CHIPS), vgl. Ziff. 3 CHIPS Rules and Administrative Procedures, January 2018 (). 2
226
5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
auf fruchtbaren Boden gefallen. So wurde bereits für das deutsche Kollisionsrecht des EGBGB vorgeschlagen, ein einheitliches Überweisungsstatut im Wege der akzessorischen Anknüpfung zu bilden.4
A. Ausländische Regelungsmodelle I. Der US-amerikanische § 4A-507 UCC 1. Grundlagen der Anknüpfung Der US-amerikanische UCC enthält in § 4A-507 UCC eine spezielle kollisionsrechtliche Regelung für Überweisungen. § 4A-507 UCC – Choice of Law. „(a) The following rules apply unless the affected parties otherwise agree or subsection (c) applies: (1) The rights and obligations between the sender of a payment order and the receiving bank are governed by the law of the jurisdiction in which the receiving bank is located. (2) The rights and obligations between the beneficiary’s bank and the beneficiary are governed by the law of the jurisdiction in which the beneficiary’s bank is located. (3) The issue of when payment is made pursuant to a funds transfer by the originator to the beneficiary is governed by the law of the jurisdiction in which the beneficiary’s bank is located. (b) If the parties described in each paragraph of subsection (a) have made an agreement selecting the law of a particular jurisdiction to govern rights and obligations between each other, the law of that jurisdiction governs those rights and obligations, whether or not the payment order or the funds transfer bears a reasonable relation to that jurisdiction. (c) A funds-transfer system rule may select the law of a particular jurisdiction to govern (i) rights and obligations between participating banks with respect to payment orders transmitted or processed through the system, or (ii) the rights and obligations of some or all parties to a funds transfer any part of which is carried out by means of the system. A choice of law made pursuant to clause (i) is binding on participating banks. A choice of law made pursuant to clause (ii) is binding on the originator, other sender, or a receiving bank having notice that the funds-transfer system might be used in the funds transfer and of the choice of law by the system when the originator, other sender, or receiving bank issued or accepted a payment order. The beneficiary of a funds transfer is bound by the choice of law if, when the funds transfer is initiated, the beneficiary has notice that the funds-transfer system might be used in the funds transfer and of the choice of law by the system. The law of a jurisdiction selected pursuant to this 4 Vgl. von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, 1992; Etzkorn, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, 1992. Für ein einheitliches Statut im Internationalen Bereicherungsrecht Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, 2004.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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subsection may govern, whether or not that law bears a reasonable relation to the matter in issue. (d) In the event of inconsistency between an agreement under subsection (b) and a choice-oflaw rule under subsection (c), the agreement under subsection (b) prevails. (e) If a funds transfer is made by use of more than one funds-transfer system and there is inconsistency between choice-of-law rules of the systems, the matter in issue is governed by the law of the selected jurisdiction that has the most significant relationship to the matter in issue.“
Die grundsätzlichen kollisionsrechtlichen Regeln sind in § 4A-507 (a) und (b) UCC enthalten. Der Anknüpfungsgegenstand ist ganz traditionell (anknüpfend an die Definitionen der §§ 4A-103, 4A-104 UCC) nicht der gesamte Überweisungsvorgang selbst, sondern das einzelne Giroverhältnis. Die Rechte und Pflichten des Absenders („sender“) eines Überweisungsauftrags, ganz gleich, ob dies nun der Überweisende oder irgendeine nachfolgende Bank in der Überweisungskette ist, und der jeweils empfangenden Bank („receiving bank“) unterliegen dem Recht des Staates, in dem die empfangende Bank ihren Sitz hat (§ 4A507 (a)(1) UCC).5 Im Verhältnis des Überweisungsempfängers zu seiner Bank gilt das Sitzrecht der Letzteren (§ 4A-507 (a)(2) UCC). Somit fällt die grundsätzliche kollisionsrechtliche Entscheidung bei § 4A-507 UCC gleich wie bei Art. 4 I lit. b Rom I aus.6 Hier wie dort ist im Ergebnis das Recht der vertragscharakteristisch leistenden Partei anwendbar.7 Auch der Parteiautonomie wird von § 4A-507 (b) UCC wie bei Art. 3 I Rom I Rechnung getragen. Den Parteien eines Giroverhältnisses ist es somit erlaubt, das auf diese Beziehung anwendbare Recht zu wählen. Weder der Überweisungsauftrag noch der Überweisungsvorgang müssen dabei eine Verbindung zu dieser Rechtsordnung aufweisen; die Rechtswahl der Parteien ist jedenfalls durch das entscheidende Gericht hinzunehmen. Dies steht im Gegensatz zu der allgemeinen Kollisionsnorm des § 4A-301 (a) UCC8 und den allgemein im Com5
Siehe zur US-amerikanischen Terminologie bereits oben S. 63 f. Siehe oben S. 137. 7 Siehe zur rechtlichen Struktur des Überweisungsvorgangs nach Art. 4A UCC oben S. 63 f. 8 Die allgemeine Rechtswahlregel des Art. 4A UCC in § 4A-301 (1) UCC verlangt eine „reasonable relation“ zum gewählten Recht („Except as provided hereafter in this section, when a transaction bears a reasonable relation to this state and also to another state or nation the parties may agree that the law either of this state or of such other state or nation shall govern their rights and duties.“; diese Regelung gibt den im Common Law geltenden Grundsatz wieder (hierzu sogleich nachf. Fn.). Eine Änderung des § 4A-301 (1) UCC wurde durch das „American Law Institute“ und die „Uniform Law Comission“ nach der Weigerung der Bundesstaaten, die Regelung umzusetzen, wieder zurückgenommen. Die Bundesstaaten befürchteten, dass ihre gesetzgeberischen Steuerungsmöglichkeiten, insbesondere was Gemeinwohlerwägungen anbetraf, zu verlieren (zur diesbezüglichen Diskussion in den USA Solomon, 82 Tul. L. Rev. 6
228
5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
mon Law für das Internationale Vertragsrecht geltenden Grundsätzen, die es den Gerichten erlauben, die Wahl einer Rechtsordnung, die keinen objektiven Zusammenhang zum Fall aufweist, zu missachten und stattdessen das anwendbare Recht objektiv zu bestimmen.9 Anders als beispielsweise nach Rom I erfolgt gemäß § 4A-507 (a)(3) UCC die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem Erfüllung im Kausalverhältnis eintritt, durch das Sitzrecht der Bank des Begünstigten. Dadurch möchte Art. 4A UCC von vornherein Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Aufenthaltsorts des Begünstigten verhindern. Im europäischen Kollisionsrecht wird diese Frage hingegen dem Vertragsstatut zugerechnet (Art. 12 I lit. b Rom I).10 Es kommt damit bei objektiver Anknüpfung in der Regel auf den gewöhnlichen Aufenthalt der die charakteristische Leistung im Kausalverhältnis erbringenden Partei, das heißt grundsätzlich des Überweisungsempfängers, an.
2. Einheitliches Überweisungsstatut gemäß § 4A-507 (c) UCC Eine kollisionsrechtliche Besonderheit für das internationale Überweisungsrecht ist in § 4A-507 (c) UCC enthalten. Der zugehörige „Commentary“ bezeichnet sie für das US-amerikanische Recht als „the most important provision in regard to creating uniformity of the law in funds transfers.“11 Die Vorschrift erlaubt es einem „funds-transfer system“, einen über das System geleiteten Überweisungsvorgang einheitlich einer Rechtsordnung zu unterstellen. Das System kann eine „Rechtswahl“ folglich nicht nur hinsichtlich seiner eigenen Teilnehmer treffen. Es ist ihm vielmehr auch möglich, eine Rechtswahl für sonstige Beteiligte eines Überweisungsvorgangs zu treffen, mit denen es nicht im rechtsgeschäftlichen Kontakt („in privity“) steht.12 Auf diese Weise kann ein einheitliches Überweisungsstatut für den gesamten Überweisungsvorgang entstehen. Im Folgenden sollen zunächst die Voraussetzung einer Rechtswahl gemäß § 4A-507 (c) UCC dargelegt werden. Anschließend wird die Regelung sowohl 1709 (2008), 1722 ff.; Zhang, 44 Stetson L. Rev. 831 (2015), 834 ff.; vgl. auch Burge, 6 Wm. & Mary Bus. L. Rev. 358 (2015), 383 ff.; Woodward, JR., 54 SMU L. Rev. 697 (2001), 701). 9 Vgl. Restatement (Second) of Conflict of Laws (1971) des „American Law Institute“ (zur Bedeutung der nicht autoritativen „Restatements“ im Allgemeinen siehe Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 32). Dieses enthält in seinem § 187 (2)(b) für das internationale Vertragsrecht die Regel, die Rechtswahl durch die Parteien in einem Fall zu missachten, in dem kein hinreichender Bezug des Sachverhalts zur gewählten Rechtsordnung besteht und auch sonst kein „vernünftiger“ Grund für die betreffende Rechtswahl ersichtlich ist, siehe auch § 4A-507 UCC, Comm. 3. Vgl. auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 195. 10 MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 64; Palandt/Thorn, Art. 12 Rom I Rn. 5. Vgl. auch Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 172. 11 § 4A-507 UCC, Comm. 4. 12 Vgl. § 4A-507 UCC, Comm. 4. Erforderlich ist eine Rechtswahl, die eindeutig auch die sonstigen Beteiligten miteinbezieht; vgl. insofern beispielsweise die Rechtswahlklausel von CHIPS unten S. 230 f. Unpräzise deshalb Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 166.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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aus der Sicht eines US-amerikanischen Staates als auch aus ausländischer Perspektive kritisch gewürdigt und ihre generelle Geeignetheit als kollisionsrechtliches „Vorbild“ für andere Staaten untersucht. Bereits vor Inkrafttreten des Art. 4A UCC hat Kienle in der US-amerikanischen Rechtsprechung Ansätze eines Gesamtstatuts im Überweisungsrecht erkannt.13 Kienle begründet seine Auffassung mit der vielbeachteten Entscheidung in Evra Corp. v. Swiss Bank Corp.14 Im Fall nahm die Überweisende, die „Hyman-Michaels Co.“, eine zwischengeschaltete schweizerische Bank aus Delikt („tort“) vor einem US-amerikanischen Bundesgericht in Anspruch.15 Das Gericht entschied in diesem Fall aufgrund des sogenannten „most significant relationship test“, dass nicht schweizerisches Recht für die Frage der „Direkthaftung“ der schweizerischen Bank gegenüber der „Evra Corporation“ anzuwenden sei, sondern – insbesondere auch aufgrund des Orts des Schadenseintritts – das Recht des Bundesstaates Illinois, welches auch im Verhältnis der „Evra Corporation“ zu ihrer eigenen Bank galt.16 Allerdings ist auch im europäischen Kollisionsrecht das Deliktsstatut anhand des Rechts am Ort des Schadenseintritts zu bestimmen (vergleiche Art. 4 I Rom II). Insbesondere auch bei der Haftung aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird seit Inkrafttreten von Rom II eine entsprechende deliktische Qualifikation und Anknüpfung favorisiert.17 Dies darf jedoch nicht als Bildung eines einheitlichen Überweisungsstatuts missverstanden werden, sondern folgt aus der kollisionsrechtlichen Interessenlage im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger. Eine Übereinstimmung wie in Evra Corp. v. Swiss Bank Corp. muss jedoch nicht notwendig gegeben sein.
a) Rechtswahl gemäß „funds-transfer system rule“ Zunächst verlangt § 4A-507 (c) UCC, dass die Rechtswahl in einer „funds-transfer system rule“ enthalten ist. Definiert wird dieser Begriff in § 4A-501 (b) UCC:18 „‚Funds-transfer system rule‘ means a rule of an association of banks (i) governing transmission of payment orders by means of a funds-transfer system of the association or rights and 13
Siehe zum Folgenden Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 193. Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 522 F.Supp. 820, 826 f. (D.C.Ill. 1981). Siehe zu den materiellrechtlichen Aspekten des Urteils oben S. 199 f. 15 Das US-amerikanische Bundesgericht war gemäß § 28 USC § 1332 zuständig („diversity of citizenship jurisdiction“), Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., 522 F.Supp. 820, 826 (D.C.Ill. 1981). Siehe hierzu ausführlich White, in: 45 A.L.R. Fed. 2d 405 § 2; Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 150 ff. 16 Kienle behauptet zudem, dass für die kollisionsrechtliche Entscheidung zugunsten des Sitzrechts der Bank des Überweisenden wirtschaftliche Erwägungen (Kalkulationssicherheit, Erhaltung der niedrigen Kostenstruktur des Überweisungsverkehrs) maßgebend waren (Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 193). Dies kann jedoch nur schwer nachvollzogen werden, da sich schließlich die schweizerische Bank, deren Haftung geltend gemacht und der ein Pflichtverletzung vorgeworfen wird, gerade nicht auf die Anwendung ihres Heimatrechts verlassen kann. 17 Hierzu bereits oben S. 206 ff. 18 Die wesentliche Bedeutung dieser Vorschrift liegt darin begründet, dass eine „funds-transfer system rule“ auch zwingende Vorschriften des Art. 4A UCC abbedingen kann. 14
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
obligations with respect to those orders, or (ii) to the extent the rule governs rights and obligations between banks that are parties to a funds transfer in which a Federal Reserve Bank, acting as an intermediary bank, sends a payment order to the beneficiary’s bank.“
Gemäß § 4A-501 (b)(i) UCC ist nur eine Regelung eines Bankenverbunds („association of banks“) eine „funds-transfer system rule“, die entweder die Übermittlung von Überweisungsaufträgen über ein „funds-transfer system“ des Verbundes regelt oder die Rechte und Pflichten hinsichtlich von Überweisungsaufträgen ausgestaltet.19 Ein „funds-transfer system“ wiederum ist gemäß § 4A-105 (a)(5) UCC „a wire transfer network, automated clearing house, or other communication system of a clearing house or other association of banks through which a payment order by a bank may be transmitted to the bank to which the order is addressed“. Folglich sind die Regelungen anderer privatrechtlicher Vereinigungen, die kein solches „funds-transfer system“ betreiben, nicht als „funds-transfer system rules“ zu qualifizieren. Eine Rechtswahl gemäß § 4A-507 (c) UCC ist diesen nicht möglich. Im Folgenden gilt es deshalb zunächst die Vereinigungen zu ermitteln, die ein im Sinne von § 4A-501 (b)(i) UCC zu qualifizierendes System betreiben. Hierfür kommen traditionelle Zahlungssysteme wie CHIPS und Fedwire in den USA, Informationsmittler wie SWIFT, aber auch traditionelle Korrespondenzbankenverhältnisse in Betracht. aa) Zahlungssysteme Die Subsumtion der Allgemeinen Bedingungen von Zahlungssystemen unter § 4A-501 (b)(i) UCC ist im Wesentlichen unproblematisch.20 Diese Systeme, unter deren Dach sich eine Vielzahl von Banken zusammenschließen, regeln in ihren Bedingungen sowohl die Art und Weise der Übermittlung von Zahlungsaufträgen an das System und dessen Teilnehmer als auch die Rechte und Pflichten ihrer Teilnehmer hinsichtlich der einzelnen Aufträge.21 (1) CHIPS So hat zum Beispiel das US-amerikanische Zahlungssystem CHIPS in Ziff. 3 CHIPS-Rulebook von der Möglichkeit einer Rechtswahl nach § 4A-507 (c) UCC vollumfänglich Gebrauch gemacht und nicht nur eine Rechtswahl für die eigenen Teilnehmer, sondern auch eine für die sonstigen Beteiligten eines Überwei19
Die Regel des § 4A-501 (b)(i) UCC wird im Folgenden nicht weiter behandelt, da sie nur den Fall sogenannter „automated clearing house transactions“ betrifft, die in dieser Arbeit nicht behandelt werden sollen; hierzu und zum Begriff und zur Funktionsweise solcher „automated clearing house transactions“, § 4A-107 UCC, Comm. 2. 20 Siehe zum Begriff des Zahlungssystems bereits oben S. 77 ff. 21 Vgl. oben S. 100 ff.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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sungsvorgangs getroffen. Nach dieser Rechtswahl gilt für einen Überweisungsvorgang, der zu irgendeinem Zeitpunkt durch CHIPS verarbeitet worden ist, grundsätzlich vollumfänglich das Recht des Bundesstates New York und damit die dortige Umsetzung des UCC.22 Ziff. 3 CHIPS-Rulebook – Choice of Law „(a) The rights and obligations of a Participant as Sending or Receiving Participant to a CHIPS payment message shall be governed by these Rules and by the laws of the State of New York, including Article 4-A of the New York Uniform Commercial Code, […]. (b) The rights and obligations of all other parties to a funds transfer of which a CHIPS payment message is a part, shall be governed, to the greatest extent permitted by law, by these Rules and the law of the State of New York, including Article 4-A of the New York Uniform Commercial Code. […]“
(2) Fedwire Fedwire wird durch die Regulation J (12 C.F.R. pt. 210) des „Board of Governors of the Federal Reserve System“ beherrscht, welche den Status eines Bundesgesetzes hat und keine privatrechtliche Regelung ist.23 Sie ist schon aufgrund dessen keine „funds-transfer system rule“ im Sinne von § 4A-501 (b) UCC; dies stellt 12 C.F.R. § 210.25 (a) ausdrücklich klar.24 Gemäß 12 C.F.R. § 210.25 (b)(2) ist Regulation J jedoch nicht nur auf die Zentralbanken und die direkt mit ihnen in einer Kontobeziehung stehenden Banken und Personen, sondern auch auf sonstige Beteiligte eines Zahlungsvorgangs anwendbar. Insofern bestimmt die Vorschrift, dass „Subpart B“ der Regulation J anwendbar ist auf: „(i) Federal Reserve Banks sending or receiving payment orders; (ii) Senders that send payment orders directly to a Federal Reserve Bank; (iii) Receiving banks that receive payment orders directly from a Federal Reserve Bank; (iv) Beneficiaries that receive payment for payment orders sent to a Federal Reserve Bank by means of credit to an account maintained or used at a Federal Reserve Bank; and (v) Other parties to a funds transfer any part of which is carried out through Fedwire to the same extent as if this subpart were considered a funds-transfer system rule under Article 4A.“ 22
§ 4A-105 UCC, Comm. 3. Siehe zu CHIPS oben S. 95 ff. Bindend ist die Rechtswahl für sonstige Beteiligte jedoch nur unter zusätzlichen (subjektiven) Voraussetzungen, vgl. unten S. 235 f. 23 Baxter/Heller/Forman/Cavanagh, Funds Transfers, S. 16; Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 100. Die Ermächtigung zum Erlass der Regulation J ergibt sich aus 12 U.S.C. § 248 (j), (i). Siehe auch oben S. 59 Fn. 256. 24 12 C.F.R. § 210.25 (a): „[…] This subpart is not a funds-transfer system rule as defined in Section 4A-501(b) of Article 4A.“
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
12 C.F.R. § 210.25 (b)(2)(v) fingiert somit, entgegen dem oben genannten Grundsatz, für die Frage, ob Regulation J auch auf sonstige Beteiligte eines über Fedwire geleiteten Überweisungsvorgangs anwendbar ist, eine „funds-transfer system rule“ zu sein. Hierdurch wird der Bezug zu den in „Appendix B“ von „Subpart B“ inkorporierten §§ 4A-501 (b), 4A-507 (c) UCC hergestellt. § 4A-507 (c) (ii) UCC stellt für sonstige Beteiligte bestimmte Voraussetzungen für die Bindung an die Rechtswahl eines „funds-transfer system“ auf.25 Dadurch will sich Fedwire in dieser Hinsicht mit privaten Zahlungssystemen gleichstellen, um ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zu vermeiden.26 Jedoch trifft Fedwire durch die Bestimmung des 12 C.F.R. § 210.25 (b)(2)(v) keine Rechtswahl im eigentlichen Sinn. Dieser ist nämlich keine Kollisionsnorm, sondern legt (lediglich) den Anwendungsbereich des „Subpart B“ der Regulation J fest. Bevor überhaupt geprüft wird, ob Regulation J anzuwenden ist, muss, gegebenenfalls durch Anwendung des Kollisionsrechts, festgestellt werden, dass das US-amerikanische Recht das betreffende Rechtsverhältnis beherrscht.27 Die Kollisionsnorm kann dabei § 4A-507 (c) UCC, aber auch eine ausländische Kollisionsnorm sein.28 Dies gilt sowohl für die Rechtsverhältnisse zwischen unmittelbar mit der Zen25
Dazu unten S. 235 f. Dieser nicht gerechtfertigte Vorteil soll darin liegen, dass – ohne den Verweis – Regulation J auf den (gesamten) Überweisungsvorgang anwendbar gewesen wäre und damit eine sichere und verlässliche Rechtsgrundlage geboten hätte. Letzteres können die privaten Zahlungssysteme wegen der Voraussetzungen des § 4A-507 (c) UCC nicht auf gleiche Art und Weise erreichen. Siehe Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 198; Schneider, 114 Banking L.J. 429 (1997), 436 („[I]t was feared that Fedwire would have an unfair competitive advantage“). Vgl. auch Baxter/Bhala, 45 Bus. Law. 1485 (1990), 1504. Trotz dieser Gleichstellung soll laut Kommentierung des „Board of Governors of the Federal Reserve System“ Regulation J jedoch der Vorrang vor einem gemäß „funds-transfer system rule“ gewählten Recht zukommen; vgl. unten S. 244 Fn. 72. 27 Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 198 (insb. Fn. 716) schreibt, dass Regulation J im Fall von 12 C.F.R. § 210.25 (b)(2)(i)-(iv), wenn die Beteilgten und die Zentralbank zueinander „in privity of contract“ stehen, aus sich selbst heraus ohne eine Befragung einer Kollisionsnorm anwendbar ist. Dies ist aber nur dann richtig, wenn feststeht, dass US-amerikanisches Recht auf den Sachverhalt anwendbar ist. Schneider, 114 Banking L.J. 429 (1997), 437, auf den von Kienle verwiesen wird, widerspricht dem nicht, sondern hebt nur hervor, dass neben Regulation J nicht auf bundesstaatliches Recht zurückgegriffen werden kann. 28 Ist US-amerikanisches Kollisionsrecht anzuwenden, kann dahinstehen, ob eine bundesstaatliche Umsetzung von § 4A-507 UCC (so Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 199), oder aber, was meines Erachtens richtig ist, bei Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen die in Regulation J inkorporierte Version als höherrangiges Recht nach dem anwendbaren Recht zu befragen ist. Im US-amerikanischen „case law“ wird die Frage auch meist offen gelassen, vgl. nur Cumis Insurance Socierty, Inc. v. Citibank, N.A., and CoreStates Bank, N.A., 921 F. Supp. 1100, 1109 (S.D.N.Y. 1996); Atlantic Energy Group, Ltd. v. Northeast Direct Corp., 53 F.Supp. 3d 810, 814 (D.S.C. 2014) (beide zu § 4A-507 (1)(a) UCC). 26
A. Ausländische Regelungsmodelle
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tralbank verbundene Banken als auch für diejenigen zwischen entfernteren Beteiligten.29 Im praktischen Ergebnis ergibt sich somit kein Unterschied zu einer entsprechenden Rechtswahlklausel eines privaten „funds-transfer system“.30 Nach Patrikis/Baxter/Bhala ist für ein „funds-transfer system“ konstitutiv, dass es nicht unmittelbar selbst Beteiligter eines Überweisungsvorgangs wird, sondern für den Überweisungsvorgang „transparent or invisible“ erscheint.31 Die Autoren leiten ihre Rechtsauffassung wohl aus § 4A-206 (a) UCC ab, wonach das „funds-transfer system“ hinsichtlich des Überweisungsauftrags grundsätzlich Botin („agent“)32 des „sender“, also der den Überweisungsauftrag erteilenden Bank ist. Aus diesem Grund findet die Vorschrift bereits von Gesetzes wegen auf Fedwire keine Anwendung (vergleiche § 4A-206 (a) S. 3 UCC). Die Zentralbanken haben bei Fedwire eine Stellung als „intermediary banks“, also als Beteiligte des Überweisungsvorgangs.33 Eine „Voraussetzung“, dass das Zahlungssystem selbst nicht Teil der Überweisungskette sein kann, ergibt sich allerdings nicht aus den Definitionen der §§ 4A-501 (b), 4A-105 (a)(5) UCC, die allein für den Begriff des „funds-transfer system“ konstitutiv sind. Ein Zahlungssystem kann deshalb auch die Regel des § 4A-206 (a) UCC, eben weil es ein „funds-transfer system“ ist, durch eine entsprechende „funds-transfer system rule“ abbedingen (vergleiche § 4A-501 (b) UCC). Es erscheint im Hinblick auf Zahlungssysteme willkürlich, solche mit zentraler Gegenpartei (die also unmittelbar auch das Settlement übernehmen und Beteiligte des Überweisungsvorganges werden) von dem Begriff auszunehmen.34 Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum diesen – im Gegensatz zu Zahlungssystemen ohne zentrale Gegenpartei – die Möglichkeiten einer „funds-transfer system rule“, insbesondere auch die Rechtswahlmöglichkeit des § 4A-507 (c) UCC, vorenthalten werden sollte.
bb) Informationsmittler (beispielsweise SWIFT) Doch nicht nur Zahlungssysteme können in ihren Bedingungen eine Rechtswahl treffen, die auch für sonstige Beteiligte eines Überweisungsvorgangs bindende Wirkung entfaltet.35 Die Definition des „funds-transfer system“ in § 4A-105 (a) 29
Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1122 Fn. 31 argumentiert, dass, bei einer streng am Wortlaut ausgerichteten Auslegung von 12 C.F.R. § 210.25 (b)(2), Regulation J deshalb keine Anwendung auf sonstige, entferntere Beteiligte eines über Fedwire geleiteten Überweisungsvorgangs findet. Er verkennt m. E. aber gerade die Rechtsnatur der Vorschrift, die nicht dem Kollisionsrecht zuzuordnen ist. Erst durch eine Kollisionsnorm, die das US-amerikanische Recht als anwendbares Recht beruft, wird Regulation J anwendbar. Ist dies der Fall, findet in dem jeweiligen Verhältnis, für die das anwendbare Recht bestimmt wurde, auch Regulation J Anwendung. Laut Sneddon folgt jedoch aus einer teleologischen Auslegung der Vorschrift, dass sie Anwendung auch auf sonstige Beteiligte eines Überweisungsvorgangs finden soll. 30 Vgl. jedoch S. 232 Fn. 26. 31 Patrikis/Baxter/Bhala, Wire Transfers, S. 35. 32 Vgl. zur Einordnung des „law of agency“ auch oben S. 49 Fn. 213. 33 Vgl. nur § 4A-107 UCC, Comm. 2. 34 Zum Begriff der zentralen Gegenpartei oben S. 102 f. 35 Insofern zumindest unpräzise Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 173 („Clearingsysteme“), aber auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 174 („Clearinghäuser“/„Zahlungs-
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
(5) UCC, auf die wie oben gezeigt in § 4A-501 (b) UCC implizit Bezug genommen wird, ist auf solche Systeme nämlich nicht beschränkt. Nicht das Clearing ist demnach für ein „funds-transfer system“ charakteristisch. Der Kern der Definition liegt vielmehr in dem Terminus „communication system“ (§ 4A-105 (a)(5) UCC). Es reicht aus, dass das System dazu dient, Überweisungsaufträge zu übermitteln.36 Auch die Bedingungen solcher Systeme sind „funds-transfer system rules“ im Sinne von §§ 4A-501 (b), 4A-105 (a)(5) UCC, wenn sie für die Übermittlung von Überweisungsaufträgen Regelungen beinhalten („governing transmission of payment orders“). Auch reine Informationsmittler im Bankenverkehr, wie zum Beispiel SWIFT, können deshalb in ihren AGB eine Rechtswahl treffen, die auch sonstige beteiligte Dritte eines Überweisungsvorgangs grundsätzlich bindet. SWIFT, als weltweit größter Informationsmittler im Interbankenverkehr mit Sitz in Belgien, hat jedoch von dieser Möglichkeit nach US-amerikanischem Recht keinen Gebrauch gemacht. Die Rechtswahl in den dortigen AGB bezieht sich ausdrücklich nicht auf die Überweisungsverhältnisse als solche, sondern nur auf die Vertragsverhältnisse der einzelnen Teilnehmer mit SWIFT.37 cc) Korrespondenzbankbeziehungen Schließlich kann man sich noch die Frage stellen, ob § 4A-507 (c) UCC auch der in einem Girovertrag enthaltenen Rechtswahlklausel, die sonstige Beteiligte des Überweisungsvorgangs miteinbezieht, Wirkung gegenüber den sonstigen Beteiligten verleiht. Dies kann nach dem Gesagten nur dann der Fall sein, wenn auch das zwischen zwei Banken bestehende Giroverhältnis ein „funds-transfer system“ im Sinne von Art. 4A UCC ist. Dieser Gedanke ist nicht gar so fernliegend, wie er zunächst erscheinen mag. Ein traditionelles Korrespondenzbankenverhältnis ist immerhin als „wire transfer system“ im Sinne des EFTA zu qualifizieren (siehe 12 C.F.R. § 1005.3 (c) (3)).38 In den zugehörigen „Official Interpretations“ werden von diesem Begriff CHIPS und Fedwire ähnliche „funds-transfer systems“ erfasst, zu denen ausdrücklich auch „transfers made on the books of correspondent banks“ zu zählen sind.39 Doch zeigt schon die Definition in § 4A-105 UCC durch die Enumeration der verschiedenen besonderen „communication systems“, dass der traditionelle Korrespondenzbankenverkehr, im Gegensatz zum EFTA, vom Begriff der verkehrssysteme“), der jedoch gleichzeitig SWIFT als Beispiel nennt. Zum Begriff des Clearingbeziehungsweise Zahlungssystems oben S. 77 ff. 36 Patrikis/Baxter/Bhala, Wire Transfers, S. 35. 37 Oben S. 158 ff. Das Beispiel bei Patrikis/Baxter/Bhala, Wire Transfers, S. 120 ist deshalb ein rein fiktives. 38 Zum EFTA, insb. zur Bereichsausnahme, oben S. 60 ff. 39 Oben S. 61 Fn. 269.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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„funds-transfer systems“ im Sinne des Art. 4A UCC nicht erfasst wird. Zudem findet auch im „Official Comment“ von § 4A-105 UCC der Korrespondenzbankenverkehr keine Erwähnung. Beispielhaft wird für die „funds-transfer systems“ lediglich auf CHIPS, die vom US-Zentralbanksystem betriebenen Zahlungssysteme und SWIFT hingewiesen.40 An anderer Stelle wird sogar die Übermittlung eines Überweisungsauftrags im Korrespondenzbankenverkehr von der Übermittlung über ein „funds-transfer system“ unterschieden.41 Korrespondenzbankenbeziehungen sind demnach keine „funds-transfer systems“ im Sinne von Art. 4A UCC. b) Subjektive Anforderungen („having notice“) Hinsichtlich der weiteren Anforderungen gemäß § 4A-507 (c) UCC ist zwischen den Teilnehmern des Systems und den sonstigen Beteiligten des Überweisungsvorgangs zu unterscheiden. Während gemäß § 4A-507 (c) UCC Teilnehmer des Systems ohne Weiteres an die Rechtswahl durch das „funds-transfer system“ gebunden sind (schließlich haben sie den Bedingungen des Systems zugestimmt), gilt die Rechtswahl gegenüber sonstigen Beteiligten des Überweisungsvorgangs nur unter einer weiteren Voraussetzung. Die sonstigen Beteiligten müssen gemäß § 4A-507 (c)(ii) UCC zusätzlich Kenntnis von der Möglichkeit der Verwendung des Zahlungssystems und der entsprechenden Rechtswahlklausel des Systems haben („having notice“).42 Wegen § 1–202 (a) UCC ist der Kenntnis auch die fahrlässige Unkenntnis gleichgestellt.43 Maßgeblich für dieses subjektive Ele40
§ 4A-105 UCC, Comm. 3. § 4A-104 UCC, Comm. 6. 42 A.A. insofern Spak, 80 Ky. L.J. 167 (1991), 197 f., der annimmt, dass der „originator“ und jeder andere „sender“ eines Überweisungsauftrags unabhängig von subjektiven Voraussetzungen immer an die Rechtswahl gebunden sind. Die in § 4A-507 (c)(ii) UCC aufgestellte subjektive Komponente soll nur für die Frage Bedeutung erlangen, ob eine „receiving bank“ bzw. der „beneficiary“ an die Rechtswahl des „funds-transfer system“ gebunden ist. Die herrschende Auffassung in den USA bezieht die subjektive Komponente jedoch auf den gesamten in § 4A507 (c)(ii) UCC genannten Personenkreis, so auch ausdrücklich § 4A-507 UCC, Comm. 4 („The originator and any other sender or receiving bank in the funds transfer is bound if at the time it issues or accepts a payment order it had notice that the funds transfer involved use of the system and that the system chose the law of a particular jurisdiction.“). 43 Vgl. § 1-202 (a) UCC: „Subject to subsection (f), a person has ‚notice‘ of a fact if the person: (1) has actual knowledge of it; (2) has received a notice or notification of it; or (3) from all the facts and circumstances known to the person at the time in question, has reason to know that it exists.“ Absatz (f) präzisiert diese Voraussetzungen für den Fall von Gesellschaften und sonstigen Personenmehrheiten („organizations“). Die allgemeinen Definitionen des Art. 1 UCC gelten aufgrund § 4A-105 (d) UCC auch im Kontext von Art. 4A UCC. Deshalb zumindest ungenau Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 173 ff.; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 173, die „having notice“ mit „Kenntnis haben“ gleichsetzen. 41
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
ment ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die (sonstigen) Beteiligten den Überweisungsauftrag erteilen oder annehmen. Nur für den Überweisungsempfänger ist der relevante Zeitpunkt derjenige der Erteilung des Überweisungsauftrags durch den Überweisenden. Auch bei § 4A-507 (c) UCC ist wie schon bei § 4A-507 (b) UCC irrelevant, ob eine objektive Verbindung des Überweisungsvorgangs zu der so berufenen Rechtsordnung besteht („reasonable relation“). Die genannte Voraussetzung gilt, wie schon oben erwähnt,44 genauso für das Zahlungssystem Fedwire, das § 4A-501 (c) UCC in Regulation J inkorporiert hat. Damit sich der Anwendungsbereich der Regulation J auf sämtliche sonstige Beteiligte erstreckt,45 müssen diese Kenntnis von der Möglichkeit der Benutzung von Fedwire und der Geltung von Regulation J zu den gerade genannten Zeitpunkten haben.46 c) Rechtsfolgen Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, sind die Beteiligten eines Überweisungsvorgangs über das „funds-transfer system“ grundsätzlich an die Rechtswahl gebunden. Dies gilt nicht nur für die beteiligten Banken, sondern auch für den Überweisenden und den Überweisungsempfänger. Doch was bedeutet dies genau? Für das Verhältnis der Teilnehmer untereinander führt § 4A-507 (c) UCC aus, dass die gewählte Rechtsordnung „die Rechte und Pflichten zwischen teilnehmenden Banken hinsichtlich von Überweisungsaufträgen“ („rights and obligations between participating banks with respect to payment orders transmitted or processed through the system“) beherrschen soll, 44
Oben S. 232. wird diese Voraussetzung im US-amerikanischen Kollisionsrecht ggf. bei der vorgelagerten Frage relevant, ob überhaupt US-amerikanisches Recht auf ein Giroverhältnis bzw. einen Überweisungsvertrag anzuwenden ist. „Zum Schwur“ kommt es insbesondere dann, wenn aufgrund der (nachrangigen) objektiven Anknüpfung in § 4A-507 (a)(1) UCC kein US-amerikanisches Recht anwendbar ist und auch keine Rechtswahl gemäß § 4A-507 (b) UCC zugunsten eines bundesstaatlichen Rechts besteht. 46 Das „Federal Reserve System“ erwog im Jahr 1990 deshalb, sämtliche Banken eines Überweisungsvorgangs über Fedwire zu verpflichten, entsprechende „notices“ an sämtliche vorhergehende und nachfolgende Banken weiterzuleiten, Bergsten, J.I.B.L. 1991, 276, 280; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1123. Ganz zu schweigen davon, dass fraglich ist, wie eine solche Verpflichtung Banken außerhalb der USA auferlegt werden kann, wenn kein US-amerikanisches Recht Anwendung findet – grundsätzlich sind hier nur vertragliche Abreden möglich – ist dieser Vorschlag auch in der Sache auf vehemente Kritik gestoßen, vgl. Bergsten, J.I.B.L. 1991, 276, 280; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1123. Zudem bleibt anzumerken, dass eine „notice“ an vorhergehende Beteiligte zu diesem Zeitpunkt wohl auch schon zu spät kommen dürfte, wenn man die Banken nicht verpflichten wollte, rein vorsorglich auf die Möglichkeit der Benutzung von Fedwire hinzuweisen. 45 Ebenso
A. Ausländische Regelungsmodelle
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während für sonstige Beteiligte eines Überweisungsvorgangs die Rechtsordnung jeweils für „rights and obligations of some or all parties to a funds transfer“ gilt (vergleiche auch Ziff. 3 (b) CHIPS-Rulebook). Für die Teilnehmer untereinander bereitet die Anknüpfung keinerlei Probleme. Der einzelne Überweisungsauftrag, vertraglicher Natur im US-amerikanischen Recht,47 soll vom gewählten Recht beherrscht werden. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die einzelnen Überweisungsaufträge von sonstigen Beteiligten eines Überweisungsvorgangs, wenn die subjektiven Voraussetzungen des § 4A507 (c) UCC in jeder Person vorliegen. Liegen die Voraussetzungen jedoch nicht in jedem (sonstigen) Beteiligten vor, bereitet die Anknüpfung der einzelnen Rechtsverhältnisse in der Überweisungskette Schwierigkeiten. Diese ergeben sich insbesondere daraus, dass Absatz (ii) der Regelung als „Anknüpfungsobjekt“ ihrem Wortlaut nach statt eines Rechtsverhältnisses in Wirklichkeit ein „Subjekt“, nämlich einen (sonstigen) Beteiligten bezeichnet. Wie gleich gezeigt werden wird, bedeutete dies bei strenger Wortlautauslegung, dass die Rechte und Pflichten zweier Parteien in einem bilateralen Giroverhältnis von unterschiedlichen Rechtsordnungen beherrscht werden könnten. Dies kann am besten an einem leicht abgeänderten Beispiel von Schneider veranschaulicht werden:48 Eine Bank B leitet einer (zwischengeschalteten) Bank BZ per CHIPS einen Überweisungsauftrag zu, den diese schließlich an die Bank des Überweisungsempfängers BE mit Sitz in Deutschland weiterleitet. Der Überweisungsauftrag zwischen den beiden an CHIPS teilnehmenden Banken B und BZ unterliegt nach § 4A-507 (c) (i) UCC dem Recht des Bundesstaates New York. Auch hinsichtlich der Rechte und Pflichten der (an CHIPS teilnehmenden) zwischengeschalteten Bank BZ hinsichtlich der Bank des Überweisungsempfängers BE soll dieses Recht gelten.49 Schon dieses Ergebnis stimmt nicht mit dem Wortlaut des § 4A507 (c) UCC überein, nimmt doch die BZ an CHIPS teil, weshalb Absatz (i) anzuwenden ist, der nur eine Kollisionsregel für die Überweisungsaufträge von am „funds-transfer system“ teilnehmenden Banken untereinander enthält. Absatz (ii) wiederum ist nicht anzuwenden, weil dieser nur für Beteiligte gilt, die nicht „in privity“ zum System stehen. Im Ergebnis kann diese Anknüpfung jedoch nicht in 47
Vgl. oben S. 65. Schneider, 114 Banking L.J. 429 (1997), 438 f. Statt Fedwire wird jedoch CHIPS als „funds-transfer system“ benutzt. 49 Vgl. das erste Beispiel (ohne zwischengeschaltete Bank) bei Schneider, 114 Banking L.J. 429 (1997), 438 f. („On the issue of governing law, the rights and obligations of the beneficiary’s bank would be governed by Subpart B with preemptive effect. Presumably this would include its rights and obligations vis-à-vis the beneficiary. On the other hand, the beneficiary’s rights and obligations vis-à-vis the beneficiary’s bank would be governed by Subpart B operating as an FTS Rule [Anm. d. Verf.: „funds-transfer system rule“] [Hervorh. d. Verf.].“). 48
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Frage stehen, wenn die Bank des Empfängers BE von der Benutzung von CHIPS und dessen Rechtswahl weiß. Auch auf die Rechte und Pflichten sowohl hinsichtlich der zwischengeschalteten Bank als auch hinsichtlich des Überweisungsempfängers findet dann nämlich das Recht des Bundesstaates New York Anwendung, dieses Mal jedoch aufgrund § 4A-507 (c)(ii) UCC.50 Angenommen die Bank BE ist jedoch in „unverschuldeter“ Unkenntnis der Möglichkeit der Benutzung von CHIPS bei diesem Überweisungsvorgang. Dann kommt es zum Ergebnis, dass die Rechte und Pflichten der Bank BE hinsichtlich der zwischengeschalteten Bank BZ aufgrund von § 4A-507 (a)(1) UCC durch deutsches Recht beherrscht werden. Sollen in einem solchen Fall die Rechte und Pflichten der zwischengeschalteten Bank BZ gegenüber der Empfängerbank BE wirklich dem US-amerikanischen Recht unterliegen? Angenommen BZ wäre in Wirklichkeit nicht Teilnehmer von CHIPS, sondern vielmehr auch sonstige Beteiligte. In einem solchen Fall führt § 4A-507 (c)(ii) UCC genau zu diesem Ergebnis, da bei wortgetreuer Auslegung auch die Rechten und Pflichten der Bank BZ „in beide Richtungen“ von der Rechtsordnung des Bundesstaates New York beherrscht wären (natürlich nur bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 4A507 (c)(ii) UCC). Ob ein solches Ergebnis als allgemeine Regel sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Es kann nämlich generell zur Störung im synallagmatischen Verhältnis kommen.51 Zwar ist es, beispielsweise aus europäischer Perspektive, grundsätzlich möglich, ein Rechtsverhältnis gemäß Art. 3 I S. 1, 3 Rom I durch (Teil-) Rechtswahl unterschiedlichen Rechtsordnungen zu unterstellen. Die Parteien eines Rechtsverhältnisses müssen ihr Verhältnis parteiautonom aber so ausgestalten wollen. Hinzu kommt, dass nach allgemeiner Meinung die jeweiligen Vertragsteile, für die eine gesonderte Rechtswahl erfolgt, voneinander abspaltbar sein müssen, so dass es durch die unterschiedliche Rechtswahl bezüglich der einzelnen Teile nicht zu („unauflöslichen“) widersprüchlichen Ergebnissen kommt.52 Mehr als zweifelhaft ist es aber, ob eine objektive, vom Gesetzgeber 50
Schneider, 114 Banking L.J. 429 (1997), 439. kommt es gerade im Beispiel von Schneider nicht zu einem solchen Widerspruch, weil bei ihm der UCC auf die eine oder andere Weise immer auf die Rechte und Pflichten aller Beteiligten Anwendung findet, Schneider, 114 Banking L.J. 429 (1997), 438 ff. 52 IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 39; MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 68; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 28; BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 197 f. Der Grad des erforderlichen Widerspruchs, der zur Unzulässigkeit führt, ist jedoch höchst umstritten, vgl. MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 69: Teilweise soll eine Rechtswahl nur zulässig sein, wenn einzelne Teile eines eigentlich einheitlichen Vertragsstatuts ohne Weiteres unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstellt werden können, ohne dass es zu Widersprüchen kommt, so z. B. Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 28, der fordert, dass die Rechtswahl „in sich sachgerecht sein muss“. Dieses Kriterium scheint jedoch 51 Natürlich
A. Ausländische Regelungsmodelle
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vorgesehene Anknüpfung generell zu diesem Ergebnis führen sollte. Angenommen, im Fall wird der Überweisungsauftrag aufgrund eines Versehens einer vorgeschalteten Bank einer falschen Empfängerbank gutgeschrieben. So hätte nach US-amerikanischem Recht grundsätzlich jede Bank gegen die nachfolgende in der Kette einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Rückerstattung des Überweisungsbetrags aufgrund der „money-back guarantee“ gemäß § 4A-402 (d) UCC. Die zwischengeschaltete Bank BZ könnte die Rückerstattung des Überweisungsbetrags von der Bank des Überweisungsempfängers BE verlangen. Nach deutschem Recht hingegen hätte letztere eigentlich grundsätzlich einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 675c I, 670 BGB gegen die zwischengeschaltete Bank BZ (welcher durch Erfüllung erloschen ist). In einem solchen Fall dürfte man sogar von einem solchen unauflöslich widersprüchlichen Ergebnis sprechen, sodass nach Art. 3 I Rom I auch eine entsprechende (Teil-) Rechtswahl nach europäischem Kollisionsrecht nicht möglich wäre.53 Eine solche strenge Wortlautauslegung verstößt deshalb auch gegen den Sinn und Zweck des subjektiven Erfordernisses des § 4A-507 (c)(ii) UCC. Implizit trifft dieser die Wertung, dass, wenn eine Bank keine Kenntnis und unverschuldete Unkenntnis von der Möglichkeit der Verwendung eines „funds-transfer system“ hat, sich diese – mitunter in der Überweisungskette vom jeweiligen System sehr entfernte Bank – auf die Anwendung ihres Heimatrechts verlassen können soll (vergleiche § 4A-507 (a)(1), (2) UCC). Diesen Schutz würde man ihr aber zum Teil wieder nehmen, wenn auf die Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner gegebenenfalls eine andere Rechtsordnung (bei CHIPS das Recht des Bundesstaats New York) zur Anwendung käme. Diesen Wertungswiderspruch kann man jedoch vermeiden, wenn in einem solchen Fall den objektiven Anknüpfungen des § 4A-507 (a) UCC insgesamt der für eine Norm wie Art. 3 Rom I, welcher der Parteiautonomie umfassend zur Durchsetzung verhelfen möchte, zu eng. Vielmehr scheint es angemessener, einen „unauflöslichen“ Widerspruch zu fordern, wie dies IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 39; MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 69; BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 198 tun. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn dieser selbst durch Auslegung der relevanten Normen oder durch kollisionsrechtliche Anpassung nicht behoben werden kann. 53 Eine Differenzierung zwischen den Vertragspflichten allgemein für möglich hält MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 68, 71. Vgl. auch BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 198.1; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 28 unter dem Vorbehalt, dass keine Widersprüche auftreten. A.A. Jayme, in: Musielak/Schurig (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Kegel, S. 263. Die Differenzierung für den Fall der Rechtsfolgen bei Nichterfüllung von Vertragspflichten wird noch restriktiver gesehen, IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 40; BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 197, und nur noch von wenigen für zulässig gehalten, vgl. z. B. Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I Rn. 109. Auch die Befürworter einer Aufspaltung sehen jedoch die Grenze immer in der konkreten Vereinbarkeit der Regelungsmodelle der unterschiedlichen Rechtsordnungen, vgl. nur Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I Rn. 109.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Vorrang zukäme, also das anwendbare Recht für die Rechtsverhältnisse, deren Vertragspartner der die subjektiven Voraussetzungen des § 4A-507 (c)(ii) UCC nicht erfüllende Beteiligte ist, eben nach diesen Regelungen zu bestimmen wäre. Dazu müsste jedoch die Regelung des § 4A-507 (c) UCC bei den (angrenzenden) Beteiligten teleologisch reduziert werden, auch wenn sie die subjektiven Voraussetzungen erfüllen, weil dann grundsätzlich US-amerikanisches Recht auf all ihre Rechte und Verpflichtungen (auch vis-à-vis des die subjektiven Voraussetzungen des § 4A-507 (c)(ii) UCC nicht erfüllenden Beteiligten) anzuwenden wäre. d) Konfliktfallregelungen § 4A-507 UCC sieht schließlich in seinen Absätzen (d) und (e) zwei „Kollisionsregeln“ für den Fall kollidierender Rechtswahlen vor. Zu einer solchen Kollision kommt es selbstverständlich nur dann, wenn jeweils sämtliche Voraussetzungen für eine bindende Rechtswahl in der betreffenden Partei vorliegen. Insbesondere muss im Fall zweier unterschiedlicher Rechtswahlklauseln verschiedener „funds-transfer systems“ die betreffende Partei die gegebenenfalls erforderliche Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis von der Möglichkeit der Benutzung beider Systeme und deren Rechtswahlklauseln haben.54 aa) Konflikt einer „individuellen“ Rechtswahl mit einer Rechtswahl eines „funds-transfer system“ (§ 4A-507 (d) UCC) Im Folgenden wird zunächst die Rechtslage im Fall des Konfliktes einer bilateralen Rechtswahl nach § 4A-507 (b) UCC mit der Rechtswahl durch ein „funds-transfer system“ gemäß § 4A-507 (c) UCC untersucht. § 4A-507 (d) UCC stellt insofern den Grundsatz auf, dass die bilaterale Rechtswahl der Rechtswahl des „funds-transfer system“ vorgeht. Bei genauerer Untersuchung dieser eigentlich eindeutig formulierten „Kollisionsregel“ im Einzelfall entstehen jedoch Unsicherheiten. Unzweifelhaft ist jedoch, dass sich eine bilaterale Rechtswahl gemäß § 4A-507 (b) UCC, die nicht zwischen zwei Teilnehmern des „funds-transfer systems“ getroffen wurde, gegenüber einer Rechtswahl des Systems durchsetzt. Umstritten ist allerdings, ob dies auch für eine Rechtswahl zwischen Teilnehmern eines Systems untereinander gilt. Hierzu finden sich in der Literatur zu Art. 4A UCC zwei gegensätzliche Standpunkte. Patrikis/Baxter/Bhala vertreten in diesem Fall (mit Hinweis auf § 4A-507 (d) UCC), dass sich eine entsprechende individuelle Rechtswahl gegenüber der in der „funds-transfer system rule“ 54
Siehe zu den Voraussetzungen oben S. 235 f.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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getroffenen Rechtswahl durchsetzt.55 Murray räumt hingegen der „funds-transfer system rule“, trotz des insofern eindeutigen Wortlauts des § 4A-507 (d) UCC, „automatisch“ den Vorrang ein.56 Zur Begründung seiner Auffassung verweist er lediglich auf § 4A-507 (c) UCC.57 Sein „Unbehagen“ bei der Anwendung eines fremden Rechts auf den Überweisungsauftrag, welcher über das System geleitet wird, rührt wohl daher, dass insbesondere Zahlungssysteme auf ein sicheres rechtliches Fundament angewiesen sind, um (System-)Risiken zu reduzieren.58 Die zur Anwendung kommende Rechtsordnung muss (insbesondere bei Nettozahlungssystemen) sicherstellen, dass Zahlungen zu einem bestimmten Zeitpunkt „final“ sind und die Berechnungsgrundlage des Systems nicht durch die Insolvenz eines Teilnehmers in Frage gestellt wird.59 Die Zulassung einer abweichenden Rechtswahl durch einzelne Teilnehmer erscheint deshalb insbesondere vor dem großen Stellenwert, den Art. 4A UCC solchen Systemen für den Überweisungsverkehr beimisst, zunächst befremdlich.60 Bei vorgenannter Auffassung von Murray scheinen die rechtlichen Strukturen von Zahlungssystemen jedoch nicht hinreichend berücksichtigt worden zu sein.61 Wie oben dargestellt, besteht bei einer über das System ausgeführten Überweisung nicht nur der Überweisungsauftrag. Vielmehr besteht davon unabhängig zwischen allen Teilnehmern eines Zahlungssystems ein mehrseitiger „Systemvertrag“.62 Letzterer stellt die „Arbeitsgrundlage“ des Systems dar. Für eine Rechtswahl hinsichtlich dieses Systemvertrags – auch wenn sie nur einen Teil des Vertrages betrifft – ist somit, wie für jeden anderen Regelungsinhalt auch, grundsätzlich die Zustimmung aller Teilnehmer des Zahlungssystems er-
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Patrikis/Baxter/Bhala, Wire Transfers, S. 119. Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 107. 57 Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 107. 58 Committee on Interbank Netting Schemes, Lamfalussy-Report, S. 18. Vgl. auch oben S. 82 f. 59 Vgl. oben S. 52. 60 Vgl. beispielsweise nur § 4A-501 UCC und den dazugehörigen Comm. 1. Diese Norm erlaubt es „funds-transfer systems“, selbst zwingende Bestimmungen des Art. 4A UCC durch eigene Regelungen zu ersetzen. 61 Zu den rechtlichen Grundstrukturen von Zahlungssystemen oben S. 100 ff. 62 Oben S. 110 ff. 56
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
forderlich63.64 Bilaterale Regelungen von Teilnehmern untereinander hinsichtlich des Überweisungsauftrags betreffen den Systemvertrag nicht unmittelbar. Als Inhalt einer solchen gesonderten Vereinbarung sind zum Beispiel großzügige Widerrufsregelungen denkbar; auch durch eine vom System abweichende Rechtswahl kommen eventuell die in der gewählten Rechtsordnung geltenden großzügigen Widerrufsregelungen zur Anwendung. Entsprechende bilateral (oder gegebenenfalls auch multilateral) vereinbarte Widerrufsregeln betreffen allerdings nicht den Systemvertrag als Arbeitsgrundlage des Zahlungssystems. Sie führen bei Ausübung nur zu einer Verpflichtung zur Rücküberweisung. Eine Rücküberweisung ist, jedenfalls aus Sicht des Zahlungssystems, ein neuer Überweisungsauftrag. Die endgültige Einstellung des Überweisungsauftrags in die Abrechnung des Zahlungssystems und den Ausgleich durch das Zahlungssystem berühren diese Vereinbarungen gerade nicht. Gleiches gilt natürlich nicht nur hinsichtlich des Überweisungsauftrags, sondern auch hinsichtlich eines potenziell daneben bestehenden Girovertrags. Es bestehen demnach keine Bedenken, die individuelle Rechtswahl auch zwischen den Teilnehmern eines Zahlungssystems zuzulassen und ihr Vorrang gegenüber der Rechtswahl des Systems gemäß § 4A-507 (c) UCC einzuräumen. bb) Konflikt der Rechtswahlen verschiedener „funds-transfer systems“ (§ 4A-507 (e) UCC) § 4A-507 (e) UCC hingegen regelt den Fall zweier kollidierender Rechtswahlklauseln unterschiedlicher „funds-transfer systems“. In diesem Fall setzt sich die Klausel desjenigen Systems durch, deren gewähltes Recht „the most significant relation to the matter in issue“ hat. Ausweislich des Wortlauts findet das so bestimmte Recht auf die jeweilige „matter in issue“ Anwendung. Wie dieser Zusammenhang zwischen der streitgegenständlichen Frage und der damit am nähesten verbundenen Rechtsordnung zu ermitteln ist, wird nicht näher vom Mo63 Vgl. aus europäischer Sicht auch Art. 3 I S. 2 Rom I. Die nachgelagerte Frage, ob ein Verhältnis zwischen zwei oder mehr Teilnehmern des Zahlungssystems überhaupt abspaltbar vom Rest des mehrseitigen Vertrages ist (und auch nur dann kann es eine gesonderte Teilrechtswahl für diesen Teil geben), müsste daher überhaupt nicht entschieden werden. Siehe zur Voraussetzung der Abspaltbarkeit nach Rom I MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 68 ff.; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 28; BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 197 ff. 64 Nach deutschem Recht ist zum Vertragsschluss beim mehrseitigen Vertrag (dies gilt auch für die Rechtswahl) grundsätzlich inhaltliche Kongruenz aller abgegebenen Willenserklärungen erforderlich, vgl. Zwanzger, Der mehrseitige Vertrag, S. 174. Zwar ließe sich eine abweichende Rechtswahl in einem bilateralen Verhältnis des mehrseitigen Vertrags gegebenenfalls schließen (siehe die Einschränkungen in der vorh. Fn.), jedoch nur mit Zustimmung aller Parteien.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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dellgesetzgeber ausgeführt. Schematische Lösungen, wie zum Beispiel das Recht des vorhergehenden oder nachfolgenden „funds-transfer-system“, scheinen sich somit zu verbieten, was nicht gerade zur Vorhersehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung führt.65 Zu einer Kollision von Rechtswahlklauseln unterschiedlicher „funds-transfer systems“ gemäß § 4A-507 (e) UCC kommt es allerdings nur dann, wenn die verschiedenen Systeme innerhalb derselben Überweisungskette verwendet werden. Dies ist bei einem zweistufigen Überweisungsvorgang nicht unbedingt der Fall. Verwendet man beispielsweise das Zahlungssystem CHIPS, das für den Ausgleich der Zahlungsverpflichtungen Fedwire nutzt, findet der Überweisungsvorgang über Fedwire nicht in der ursprünglichen Überweisungskette statt, sondern auf einer eigenständigen, zweiten Ebene (dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Vorgang wie bei CHIPS im Vorhinein auf einer „Vorkassebasis“ oder erst individuell im Nachhinein erfolgt).66 Anders ist hingegen der Fall gelagert, in dem eine Bank über CHIPS einen Überweisungsauftrag empfängt und diesen im Anschluss über Fedwire an die Empfängerbank weiterleitet. In diesem Fall werden beide Zahlungssysteme innerhalb derselben Überweisungskette verwendet und es kommt zu einer Kollision von Regulation J und der Rechtswahlklausel von CHIPS. Sicher ist, dass auf das Verhältnis zwischen Fedwire und seinen Teilnehmern Regulation J anwendbar ist (aufgrund des Vorrangs von Bundesrecht vor bundesstaatlichem Recht).67 Auch die Teilnehmer von CHIPS sind untereinander an das von CHIPS gewählte Recht gebunden (weil diese Rechtsordnung „the most significant relationship“ zu Rechtsfragen im Verhältnis zweier Teilnehmer untereinander aufweist, § 4A-501 (e) UCC).68 Aber auch sonstige Beteiligte, die Teilnehmer keines dieser Systeme sind, sollen laut dem „Commentary“ des „Board of Governors of the Federal Reserve System“ zu Regulation J, aufgrund des Vorrangs der Regulation J als Bundesrecht an die materiell-rechtlichen Regelungen der Regulation J gebunden sein.69 Aus 12 C.F.R. § 210.25 (b)(2)(v) folgt dagegen eigentlich, dass dieser als „funds-transfer system rule“ zu behan65 A.A. anscheinend Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 185, der grundsätzlich für die vom vorausgehenden Zahlungssystems gewählte Rechtsordnung votiert. Diese Anknüpfung folge dem (von ihm eigentlich kritisierten) Rechtsgedanken des Konzeptes der „charakteristischen Leistung“. Vgl. auch zur ausführlichen Kritik S. 251 f. 66 Oben S. 105. Vgl. 12 C.F.R. pt. 210, Subpart B, App. A (Comm.) bei § 210.25 (b)(3). 67 12 C.F.R. pt. 210, Subpart B, App. A (Comm.) bei § 210.25 (b)(3). 68 So wohl auch 12 C.F.R. pt. 210, Subpart B, App. A (Comm.) bei § 210.25 (b)(3) („In [these] cases, the other funds-transfer system’s rules would also apply to, at a minimum, the portion of these funds transfers going through that funds transfer system.“). 69 12 C.F.R. pt. 210, Subpart B, App. A (Comm.) bei § 210.25 (b)(3) („Because subpart B of this part is federal law, to the extent of any inconsistency, subpart B of this part will take precedence over any funds-transfer system rule applicable to the remote sender or receiving bank or
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
deln ist.70 Deshalb müsste ein auftretender Konflikt eigentlich über die in „Subpart B“ inkorporierten § 4A-501 (b), 507 (e) UCC aufgelöst werden.71 Entschärft wird diese Situation jedoch dadurch, dass im Ergebnis in beiden Fällen die Regelungen des UCC Anwendung finden (wenn auch im Fall der Regula tion J in leicht modifizierter Form).72 Das von Patrikis/Baxter/Bhala genannte Beispiel ist dagegen zumindest unglücklich gewählt.73 Dort wird ein Überweisungsvorgang unter gleichzeitiger Benutzung von SWIFT (belgisches Recht) und CHIPS (UCC) beschrieben. Den Autoren nach komme es zu einem Konflikt der unterschiedlichen Rechtswahlklauseln, wenn die Haftung von SWIFT gegenüber einem Teilnehmer in Frage stehe.74 Dabei wird übersehen, dass es nur dann zu einem Konfliktfall kommen kann, wenn SWIFT an die Rechtswahl durch CHIPS grundsätzlich, also jedenfalls bei einem Fehlen einer eigenen Rechtswahl gebunden ist. Dem Wortlaut und der Systematik von § 4A-507 UCC nach ist jedoch eine Rechtswahl gemäß § 4A-507 (c)(ii) UCC nur für die Parteien („parties“) eines Überweisungsvorgangs untereinander bindend, also sowohl für den Überweisenden („originator“) und den Überweisungsempfänger („beneficiary“) als auch für sämtliche Banken („sender“ und „receiver“ eines Überweisungsauftrags) der Überweisungskette.75 Die Erstreckung der Rechtswahl gemäß § 4A-507 (c)(ii) UCC bezieht sich somit nicht auf das Verhältnis von einzelnen Teilnehmern zu außerhalb der Überweisungskette stehenden Dritten, insbesondere also auch nicht zu „funds-transfer systems“.76 Auch § 4A-507 (e) UCC kann weder von der Gesetzessystematik noch von seinem Zweck als „Kollisionsregel“, für den Fall zweier sich widersprechender Rechtswahlklauseln, die Rechtswahl auf das Verhältnis der to a Federal Reserve Bank.“). So wohl auch Harrell, 50 Consumer Fin. L.Q. Rep. 49 (1996), 56; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1121 Fn. 28. 70 Oben S. 231 f. 71 So auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 200 Fn. 725. Siehe zu dem Kriterium der „most significant relationship“ noch unten S. 251. Vgl. zur Kritik an der Formulierung von 12 C.F.R. § 210.25 (b)(2)(v) bereits Sneddon oben S. 233 Fn. 29. 72 Zur Umsetzung des UCC bereits oben S. 59. Zum Schwur käme es jedoch dann, wenn ein ausländisches „funds-transfer system“ eine konfligierende Rechtswahl getroffen hätte. Bei einer Übertragung der durch das „Board of Governors of the Federal Reserve System“ getroffenen Auslegung auf diesen Fall käme es zu einer Verdrängung der in der Rechtswahlklausel des ausländischen Systems gewählten Rechtsordnung. In diesem Fall könnte man wirklich von „imperalistischen“ Tendenzen des US-amerikanischen Bundesrechts sprechen. 73 Patrikis/Baxter/Bhala, Wire Transfers, S. 120. 74 Patrikis/Baxter/Bhala, Wire Transfers, S. 120. 75 Zur Terminologie des UCC bereits oben S. 63 f. 76 Natürlich ist dies anders zu werten, wenn das „funds-transfer system“ zentrale Gegenpartei und somit Teil des Überweisungsvorgangs ist. Als Beispiel sei hier nur Fedwire genannt, für das jedoch Regulation J gilt (vgl. oben S. 59).
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Teilnehmer zum jeweiligen „funds-transfer system“ erstrecken. Somit bleibt im Beispiel das Rechtsverhältnis zwischen SWIFT und seinem Teilnehmer von § 4A-507 (c)(ii) UCC unberührt. Die Rechtswahl in diesem Verhältnis steht nicht im Konflikt zur Rechtswahl durch CHIPS. 3. Kritische Würdigung der Kollisionsnorm des § 4A-507 (c) UCC Die Reaktionen auf die Einführung eines Gesamtstatuts im US-amerikanischen internationalen Überweisungsrecht durch die Kollisionsregel des § 4A-507 (c) UCC waren sehr gemischt. Während die einen diese Entwicklung als Fortschritt sahen und die Ausdehnung eines einzigen anwendbaren Rechts unabhängig vom Sitz der ausführenden Banken auf den gesamten Überweisungsvorgang begrüßten,77 sahen andere, insbesondere außerhalb der USA, diese einseitige Maßnahme in einem kritischeren Licht.78 Teilweise wurde dem Gesetzgeber von § 4A507 (c) UCC sogar „Rechtsimperialismus“ vorgeworfen.79
77 Baxter/Bhala, 45 Bus. Law. 1485 (1990), 1503 ff.; Harrell, 25 Okla. City U. L. Rev. 293 (2000), 320; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1119 („[§ 4A-507 (c) UCC] is clearly a leading model for other national and international laws“). Positiv auch Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 174 f.; Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 193 ff. 78 Die Arbeitsgruppe, die das UNCITRAL-ModellG ausgearbeitet hat, lehnte den US-amerikanischen Vorschlag, eine mit 4A-507 (c) UCC vergleichbare Regelung in das ModellG aufzunehmen, ab; UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 147. Ebenso die deutsche Bundesbank, welche den Regelungsvorschlag des „Board of Governors of the Federal Reserve System“ ablehnte, Banken zu verpflichten, ihre Kunden und Korrespondenten auf die Möglichkeit der Verwendung von Fedwire und dessen „Rechtswahl“ aufmerksam zu machen (zum Zweck oben S. 236), wiedergegeben bei Bergsten, J.I.B.L. 1991, 276, 280 („[I]t would be inconsistent with international payments practice for subpart B to purport to govern the relationship between foreign banks and their customers outside the United States merely because a portion of a funds transfer went through Fedwire.“). Eine gesetzliche Verpflichtung hätte man jedoch nur für Banken im Geltungsbereich von Regulation J einführen können. In anderen Fällen wäre das „Board“ auf die freiwillige Kooperation der Banken angewiesen gewesen. Vgl. auch Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 187; Schneider, WM 1999, 2189, 2191. 79 Siehe z. B. den Französischen Bankenverband, wiedergegeben bei Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 273 („l’impérialisme de certains «systèmes» qui posent comme règle que les virements qui transitent par leur intermédiaire sont régis de bout en bout par la loi qu’ils ont déterminée.“); Boss, 32 Int’l Law. 1067 (1998), 1103. Diese Gefahr sieht auch Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1112 (z. B.: „may be viewed […] as a somewhat imperialistic extension of U.S. law far beyond its borders“), trotz seiner grundsätzlich positiven Haltung zu § 4A-507 (c) UCC. Vgl. auch von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 87. Zu beachten ist jedoch, dass über § 4A-507 (c) UCC auch die Rechtswahl eines ausländischen „funds-transfer system“ zu beachten ist.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Und tatsächlich war es dem Modellgesetzgeber ein Anliegen, die Durchsetzung des Art. 4A UCC möglichst zügig voranzutreiben.80 Insbesondere wollte man nicht erst die Umsetzung durch alle Bundesstaaten abwarten. So hoffte man, im Nachgang von Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., schnell und endgültig wieder Rechtssicherheit für Überweisungen zu schaffen (insbesondere was die Bankenhaftung bei fehlerhaften Überweisungsvorgängen anging).81 Aus diesem Grund führte der Modellgesetzgeber die sehr umfassenden Rechtswahlregelungen der § 4A-507 (b), (c) UCC in den Normtext des Art. 4A UCC ein. Diese setzen, für das Internationale Vertragsrecht der USA sehr liberal,82 keine „reasonable relation“83 des Überweisungsvorgangs zur gewählten Rechtsordnung voraus. Zum anderen eröffnet sich durch § 4A-507 (c) UCC natürlich eine umfassende Rechtswahlmöglichkeit für „funds-transfer systems“ mit Wirkung auch für Nichtteilnehmer. Auf diese Weise wollte der Modellgesetzgeber allen an einer Überweisung Mitwirkenden ermöglichen, das Recht eines Staates zu wählen, welcher Art. 4A UCC bereits in sein innerstaatliches Recht inkorporiert hatte, selbst wenn sie ihren Sitz oder Aufenthalt in einem Staat hatten, wo Art. 4A UCC noch nicht umgesetzt worden war.84 Man hoffte, durch die für Banken endlich Rechtssicherheit herstellende Regelung des Art. 4A UCC zu erreichen, dass möglichst viele Banken sich parteiautonom für die Wahl einer umsetzenden Rechtsordnung entscheiden würden.85 Zwar bezogen sich die Gedankenspiele des Modellgesetzgebers wohl primär auf die Durchsetzung des Art. 4A UCC innerhalb der USA.86
80
§ 4A-507 UCC, Comm. 1. Vgl. auch Harrell, 25 Okla. City U. L. Rev. 293 (2000), 320; Harrell, 50 Consumer Fin. L.Q. Rep. 49 (1996), 54 f.; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1123. 81 Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 33; Felsenfeld, 42 Ala. L. Rev. 723 (1990–1991), 729; Felsenfeld, 60 Fordham L. Rev. 53 (1992), 67. Vgl. auch Art. 4A UCC, Prefatory note („Why is Art. 4A needed?“) und speziell zu § 4A-507 UCC, Comm. 4 („to increase the certainty of commercial transactions that are effected over such systems“). Zu Evra Corp. v. Swiss Bank Corp., insb. oben S. 199 ff. 82 Vgl. hierzu bereits oben S. 228 Fn. 9. 83 Dazu bereits oben auf S. 227 (zu § 4A-507 (b) UCC) und auf S. 236 (zu § 4A-507 (c) UCC). 84 Boss, 32 Int’l Law. 1067 (1998), 1078 f. Natürlich ist der Vereinheitlichungseffekt von vornherein stark begrenzt, da die Kollisionsnorm des § 4A-507 (c) UCC grundsätzlich nur dann Anwendung findet, wenn Art. 4A UCC bereits umgesetzt worden ist, vgl. hierzu auch gleich unten S. 248 f. 85 Vgl. § 4A-507 UCC, Comm. 4. Auch Boss, 32 Int’l Law. 1067 (1998), 1079; Harrell, 50 Consumer Fin. L.Q. Rep. 49 (1996), 54 f. Inzwischen haben sämtliche US-Bundesstaaten und der District of Columbia Art. 4A UCC umgesetzt, oben S. 59. 86 Vgl. Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 417; Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 180; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1125.
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Nicht leugnen kann man jedoch, dass sekundär auch an die Verbreitung des Art. 4A UCC über die Grenzen der USA hinaus gedacht wurde.87 a) Das kollisionsrechtliche Modell aus US-amerikanischer Perspektive Bereits aus US-amerikanischer Perspektive ist § 4A-507 (c) UCC kein „Allheilmittel“ für die Problematiken des grenzüberschreitenden Überweisungsverkehrs. § 4A-507 (c) UCC sieht selbst „Durchbrechungen“ des Gesamtstatuts vor, wodurch im Einzelfall Normenwidersprüche entstehen können. So ist zum einen die Rechtswahl des Systems für Nichtteilnehmer nur dann bindend, wenn diese Kenntnis („notice“)88 von der Möglichkeit der Benutzung des Systems und der Rechtswahl hatten. Entsprechende Mitteilungen wurden inzwischen von einigen US-amerikanischen Banken an ihre ausländischen Korrespondenzbanken verschickt.89 Ob die ausländischen Banken diese Mitteilung wiederum an ihre Korrespondenten weitergeleitet haben, sodass die Reichweite von Art. 4A UCC noch weiter vergrößert wurde, ist hingegen nicht bekannt.90 Das heißt jedoch, dass die Reichweite des Art. 4A UCC jedenfalls nicht unbegrenzt ist und die grenzüberschreitenden Überweisungen über CHIPS oder Fedwire selbst aus US-amerikanischer Sicht häufig jedenfalls nicht gänzlich Art. 4A UCC unterliegen. Das gilt in Deutschland jedenfalls für die Beziehung des deutschen Überweisenden beziehungsweise Überweisungsempfängers mit seiner Bank, da in den deutschen Bedingungen für den Überweisungsverkehr eine entsprechende Mitteilung nicht enthalten ist. Zum anderen können die Beteiligten eines Überweisungsvorgangs der Rechtswahl durch das System „entkommen“. Zwar ist eine Rechtswahl durch das Zahlungssystem grundsätzlich verbindlich, selbst wenn die Beteiligten weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt haben,91 doch setzt sich eine individuelle Rechtswahl für ihre Rechtsbeziehungen untereinander gemäß § 4A-507 (e) UCC immer durch.92 Eine solche werden die Banken insbesondere in ihren Endkundenbeziehungen häufig getroffen haben.93 87
Vgl. § 4A-507 UCC, Comm. 1. Vgl. auch Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1122 f.; Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 180. 88 Zur Voraussetzung der „notice“ oben S. 235 f. 89 Bergsten, J.I.B.L. 1991, 276, 279 f.; Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 176 f.; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1123. 90 Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1124. 91 Vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 166. 92 Oben S. 240. 93 Auch wenn das Kollisionsrecht des Forumstaates statt Sachnorm- lediglich Kollisionsnormverweisungen ausspricht (allgemein zur Sachnorm- und Kollisionsnormverweisung, vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 391 f.), stehen aufgrund von § 4A-507 (c) UCC
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
b) Das kollisionsrechtliche Modell aus der Perspektive eines nicht USamerikanischen Staates Insbesondere aber aus der Perspektive anderer, nicht US-amerikanischer Staaten stößt die Bildung eines einheitlichen Gesamtstatuts im US-amerikanischen internationalen Überweisungsrecht naturgemäß an ihre Grenzen. Dies stellt der Modellgesetzgeber im „Comment“ zu § 4A-507 UCC selbst fest: „Article 4A is binding only on a court in a state that enacts it. It can have extraterritorial effect only to the extent courts of another jurisdiction are willing to apply it.“94 Sind folglich nicht US-amerikanische Gerichte international zuständig, kommt Art. 4A UCC nur dann zur Anwendung, wenn die Parteien eines Giroverhältnisses das Recht eines US-amerikanischen Bundesstaates gewählt haben oder die objektive Kollisionsnorm der lex fori auf ein solches verweist. Eine analoge Anwendung der Kollisionsnormen des Art. 4A UCC, wie von manchen US-amerikanischen Autoren vorgeschlagen,95 kommt international wohl kaum in Betracht. Ist § 4A-507(c) UCC hingegen nicht anwendbar, und das wird meistens der Fall sein, wenn die den Überweisungsauftrag ausführende Bank ihren Sitz außerhalb der USA hat, wird ein und dasselbe Rechtsverhältnis höchstdie Chancen nicht schlecht, dass das amerikanische Recht die Verweisung annimmt und USamerikanisches materielles Recht und damit Art. 4A UCC auf die Überweisung Anwendung findet. Die europäischen Rom-Verordnungen sprechen allerdings Sachnormverweisungen aus (Art. 20 Rom I, Art. 24 Rom II). Damit finden aus unserer Sicht direkt die materiell-rechtlichen Vorschriften des Art. 4A UCC Anwendung. 94 § 4A-507 UCC, Comm. 2. Vgl. auch Felsenfeld, 42 Ala. L. Rev. 723 (1990–1991), 726 Fn. 12; Murray, in: Blaurock (Hrsg.), Das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung, S. 107; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1124. Vgl. auch die abschließenden Beratungen zum UNCITRAL-ModellG, UN-Dok., A/47/17, S. 17. 95 Spak, 80 Ky. L.J. 167 (1991), 196. Er verweist als Präzendenzfall auf Shawmut Worcester County Bank v. First American Bank & Trust, 731 F.Supp. 57, 63 (D.Mass. 1990) in welchem das Gericht einen Fall nach dem Recht von Florida zu beurteilen hatte. Obwohl Florida zum relevanten Zeitpunkt Art. 4A UCC noch nicht umgesetzt hatte, wurden der Fall durch das Gericht unter analoger Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften des Art. 4A UCC gelöst. Aus dieser US-amerikanischen Perspektive hätte es also der sehr liberalen kollisionsrechtlichen Vorschriften des Art. 4A UCC überhaupt nicht erst bedurft. Diese Hoffnung haben auch Baxter/Bhala, 45 Bus. Law. 1485 (1990), 1503 Fn. 108 („[…] Article 4A supplies counsel with an argument that counsel would not otherwise have, and to hope that courts abroad would recognize the commercial utility of Article 4A’s rule and enforce it.“). Noch weitergehend Harrell, 25 Okla. City U. L. Rev. 293 (2000), 320, der (zu Unrecht) von einer automatischen Anwendbarkeit der kollisionsrechtlichen Regelungen des § 4A-507 (b) UCC (und dann konsequenterweise wohl auch § 4A-507(c) UCC) ausgeht: „[The liberal choice of law of Article 4A rules allow] parties, in a jurisdiction that has not enacted Article 4A, to contract for application of the law of a state that has enacted Article 4A, and to enforce that choice in any state where constitutional limitations on jurisdiction can be met.“
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wahrscheinlich von unterschiedlichen Rechtsordnungen beherrscht.96 Dies fördert die Gefahr des „forum shopping“.97 Besteht in beiden Staaten eine internationale Zuständigkeit für einen bestimmten Rechtsstreit, kann sich der Kläger den Forumstaat aussuchen, der für ihn am erfolgversprechendsten ist.98 Das bringt für die Banken Rechtsunsicherheit mit sich, da sie ihr Handeln, insbesondere, wenn sie international aktiv sind, an eine Vielzahl von Rechtsordnungen anpassen müssen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die Mitteilung eines „funds-transfer system“ eine vorrangig zu beachtende Rechtswahl im Sinne von Art. 3 I Rom I konstituiert.99 Die Rechtswahl des Systems selbst ist jedenfalls keine Rechtswahl im oben genannten Sinn. Nach Art. 3 I Rom I müssen die Parteien des Vertrages die Rechtswahl getätigt haben (vergleiche nur Art. 3 I S. 3 Rom I). In diesem Fall haben jedoch Dritte die Rechtswahl getroffen. Möglicherweise anders ist jedoch die Zusendung einer entsprechenden Mitteilung durch eine Korrespondenzbank zu beurteilen.100 Hierbei kommt es natürlich grundsätzlich auf den Wortlaut der „Mitteilung“ an.101 Grundsätzlich spricht jedoch gegen eine Rechtswahl und für ein bloßes Kundtun des möglicherweise anwendbaren Rechts, dass mit der Mitteilung einer gesetzlichen Voraussetzung des § 4A-507 (c) UCC genügt werden soll.102 Weiterhin ist auch von Seiten des Empfängers eine Zustimmung von Gesetzes wegen nicht erforderlich.103 Für eine Rechtswahl ließe sich allenfalls anführen, dass eine solche Mitteilung eben nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht, eine solche Mitteilung weiter96
Regelmäßig wird dann nämlich das Recht der ausführenden Bank anwendbar sein, vgl. nur Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1118. 97 Vgl. Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1125. 98 Diese Gefahr besteht zwar generell und kann nur durch Rechtsvereinheitlichung vollständig beseitigt werden. Sie kann aber durch die Verwendung von international gebräuchlichen Anknüpfungsmomenten zumindest verringert werden. Ein solches international gebräuchliches Anknüpfungsmoment verwendet § 4A-507 (c) UCC jedoch jedenfalls nicht. 99 Zum Folgenden auch Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1124 f. (speziell zum Verhältnis Bank und Endkunde). 100 Vgl. auch Eiselen, S. Afr. Mercantile L.J. 18 (2006), 45, 59, speziell im Verhältnis zum „beneficiary“ des Überweisungsvorgangs. 101 Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1124. 102 Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1124 („[A] notice in the bank’s boilerplate terms that a particular funds-transfer system and the choice-of-law provision might be used, might reasonably be viewed merely as information about what law may govern remote aspects of the funds transfer and as having no relevance to the law governing the relationship between customer and bank.“). 103 Richtet sich die Mitteilung nach dem Wortlaut des § 4A-507 (c) UCC, wird also lediglich die Möglichkeit der Benutzung des „funds-transfer system“ und dessen Rechtswahl mitgeteilt, spricht auch dies für eine lediglich informatorische Klausel.
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zuleiten. Hätte der Absender die Anwendung US-amerikanischen Rechts auf das Giroverhältnis mit dem Empfänger nicht gewollt, hätte er die Mitteilung nicht weiterleiten müssen.104 Jedoch kann der bloße Empfang der Mitteilung jedenfalls nicht als Rechtswahl ausgelegt werden. Hat die empfangende, eine Überweisung ausführende Bank ihren Sitz im Ausland, kann weiterhin nicht per se angenommen werden, dass die Bank durch die Ausführung des Überweisungsauftrages der Rechtswahl zustimmt. Insofern streiten nämlich das kollisionsrechtliche Parteiinteresse und wohl auch das Verkehrsinteresse dafür, grundsätzlich das Sitzrecht der ausführenden Bank anzuwenden.105 Im Verhältnis zum ausländischen Überweisenden beziehungsweise Überweisungsempfänger kann nichts anderes gelten.106 Eine entsprechende formularartige Klausel in einem Girovertrag ist für einen Beteiligten eines Überweisungsvorgangs, der keinen unmittelbaren Vertragspartner mit Sitz in den USA hat, aus deutscher Sicht jedenfalls überraschend im Sinne von § 305c I BGB.107 Selbst wenn man eine solche Mitteilung als Rechtswahl sähe, würde ihre Einbeziehung deshalb wegen Art. 10 II Rom I bei einem Verwendungsgegner mit gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in Deutschland scheitern.108 Lehnt man hingegen zutreffenderweise eine Rechtswahl ab, bleibt bei einer Wertung als bloßer „Hinweis“ in einem Vertrag zwischen zwei deutschen Vertragspartnern beispielsweise für eine abweichende Anknüpfung aufgrund einer „offensichtlich engeren Verbindung“ gemäß Art. 4 III Rom I von vornherein kein Raum.
104 Vgl.
Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1124 f. Vgl. auch Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1119; Canadian Bankers Association, wiedergegeben in Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 277 („Banks an their clients may be reluctant to accept the risks associated with being subject to unfamiliar laws.“). Vgl. auch Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 174, der sogar von der „Furcht [spricht], sich der Geltung fremder nationaler Rechte zu unterwerfen“. Siehe zu den kollisionsrechtlichen Interessen noch ausführlich unten S. 273 ff. 106 Siehe aber Eiselen, S. Afr. Mercantile L.J. 18 (2006), 45, 59 („If the beneficiary has notice ‚when the transfer is initiated‘ there may again be circumstances present to indicate tacit consent.“). 107 Vgl. auch allgemein Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 149 f. Die dort genannten kollisionsrechtlichen Wertungen müssen auch im materiellen Recht berücksichtigt werden. Vgl. auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 143. 108 Vgl. zur Anwendung von § 305c I BGB über Art. 10 II Rom I Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I Rn. 176 f.; Staudinger/Magnus, Art. 10 Rom I Rn. 103; Stoffels, AGB-Recht, Rn. 247. Nach Stoffels kann die Anwendung der inländischen Einbeziehungskontrolle gerade „bei internationalen Distanzgeschäften [gerechtfertigt sein], für die ein Recht gewählt wurde, das der Vertragspartner weder kennt noch kennen muss.“ 105
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c) Generelle Kritik an dem kollisionsrechtlichen Regelungsmodell Allgemein bestehen auch Zweifel an der Geeignetheit der Kollisionsnorm des § 4A-507 (c) UCC als „Vorbild“ für andere Rechtsordnungen. So wurde nach der Einführung der Kollisionsnorm des § 4A-507 (c) UCC, insbesondere nach dessen Inkorporation in Regulation J für Fedwire, eine „Vergeltung“ gegen US-Banken („retaliation against US-Banks“) befürchtet.109 So drückte Sneddon die Sorge aus, dass andere Staaten dem § 4A-507 (c) UCC entsprechende Vorschriften in ihr eigenes Kollisionsrecht aufnehmen könnten und es somit zu einer Zersplitterung des Einheitsstatutes käme.110 Ein solcher „Gegenschlag“ könnte sogar bereits durch die Änderungen der Rechtswahlklauseln ausländischer Zahlungssysteme erfolgen, die ihr gewähltes Recht – soweit gesetzlich nach dem Kollisionsrecht einzelner Staaten möglich – nun auch auf den gesamten Überweisungsvorgang für anwendbar und für alle Beteiligten eines Überweisungsvorgangs bindend erklärten.111 Da aus US-amerikanischer Sicht aufgrund der allseitigen Ausgestaltung der Kollisionsnorm des § 4A-507 (c) UCC auch eine Rechtswahl eines nicht US-amerikanischen „funds-transfer-system“ grundsätzlich zu beachten ist, käme es in diesem Fall häufig zum Konflikt mit Regulation J (Fedwire) beziehungsweise der Rechtswahlklausel von CHIPS. Dieser Konflikt müsste in der Folge über die sehr unbestimmte Konfliktregel des § 4A-507 (e) UCC beigelegt werden. Das heißt, es müsste im Konfliktfall die Rechtsordnung gefunden werden, die die engste Verbindung zum beurteilenden Sachverhalt („the most significant relationship to the matter in issue“) aufweist.112 Dies würde bedeuten, dass das anwendbare Recht für ein Rechtsverhältnis kaum vorhersehbar wäre, und riefe damit statt einer gestiegenen Rechtssicherheit, größere Rechtsunsicherheit hervor.113 Dieses Szenario zeigt, dass § 4A-507 (c) UCC für andere Staaten kein rechtliches Instrument mit Vorbildfunktion sein kann (oder zumindest keine überwiegenden Vorteile bietet), um die Anwendung eines einheitlichen Rechts auf den Überweisungsvorgang zu gewährleisten.114 Richtig ist jedoch, dass § 4A109
Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1123. Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1123. Jedoch spricht auch diese „Gefahr“ grundsätzlich gegen die Einführung einer entsprechenden Kollisionsnorm durch andere Staaten, weil dadurch tendenziell weitere Anreize für das „forum shopping“ geschaffen würden. 111 Eine solche Vergeltung ist jedoch bis zum heutigen Tag nicht erfolgt, da sich eine Partei grundsätzlich dem auf ihre Vertragsbeziehungen aus ihrer Sicht anwendbaren Recht anpasst, und ihre Handlungsoptionen nicht an dem Recht von Drittstaaten ausrichtet. 112 Vgl. oben S. 242 ff. 113 Vgl. Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 182 ff.; so wohl auch UN-Dok. A/ CN.9/341 (YB 1991), S. 148 (Nr. 31). 114 Vgl. auch UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.42 (YB 1990), S. 68 (Nr. 74): „While it would be desirable for a single law to govern the entire credit transfer so that the rights and obligations of all of the parties to the transfer would be consistent, that result cannot be achieved by appli110
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
507 (c) UCC „the only type of harmonization of laws governing international credit transfers that can be achieved by one nation acting unilaterally [Hervorh. d. Verf.]“115 darstellt. Rechtsvereinheitlichung ist jedoch schon wesensgemäß nicht die Aufgabe eines einzelnen einseitig handelnden Staates.116 Daneben bestehen auch Zweifel, ob die Norm des § 4A-507 (c) UCC einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten kann.117 So wurde während der Beratungen zur Aufnahme einer § 4A-507 (c) UCC entsprechenden kollisionsrechtlichen Regelung im UNCITRAL-Modellgesetz über den grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr die Sorge geäußert, dass „funds-transfer systems“ in ihrer Rechtswahlklausel für eine möglichst bankenfreundliche Rechtsordnung optieren könnten, um möglichst viele Banken als Teilnehmer zu gewinnen.118 Eine entsprechende Regelung sei deshalb zwar möglichweise im Interbankenverhältnis vernünftig, jedoch im Deckungs- und Inkassoverhältnis unverhältnismäßig, wenn durch die einheitliche Anknüpfung ein anderes Recht auf diese Rechtsverhältnisse anwendbar wäre als es sonst, bei isolierter bilateraler Bestimmung des anwendbaren Rechts, der Fall wäre.119 Insofern scheint der US-amerikanische (Modell-)Gesetzgeber Überweisungssystemen in ihrer Fähigkeit, ein für alle Beteiligten angemessenes beziehungsweise interessengerechtes Recht zu wählen, besonderes Vertrauen entgegenzubringen.120 Tatsächlich spricht in Giroverhältnissen zwischen Beteiligten des Überweisungsvorgangs, cation of rules of conflict of laws“. Trotzdem war es den USA während der Verhandlungen zum UNCITRAL-ModellG insbesondere ein Anliegen, eine dem § 4A-507 (c) UCC entsprechende Kollisionsnorm in den Text des ModellG mitaufzunehmen, UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.47 (YB 1991), S. 194, mit einer Zusammenfassung der ablehnenden Stellungnahmen innerhalb der UNCITRAL-Arbeitsgruppe in UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 147 ff.; vgl. auch ModellG, Expl. Note 16. 115 Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1125. 116 Vgl. Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277 (allgemein zum äußeren Entscheidungseinklang). Auch die UNCITRAL-Arbeitsgruppe zum ModellG lehnte deshalb diesen „einseitigen“ Weg der Rechtsvereinheitlichung ab, vgl. die diesbezüglichen Beratungen, UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 148 und ModellG, Expl. Note 16. 117 Vgl. auch oben S. 273 ff. 118 UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 147. Vgl. auch Baxter/Bhala, 45 Bus. Law. 1485 (1990), 1504. 119 Vgl. UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 147 f. Deshalb wohl auch Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1124: „It may be thought unlikely that a court outside the United States would hold a nonbank foreign national subject to the law of a U.S. jurisdiction in its relations with a non-U.S. bank unless there was an agreement between the bank and the nonbank party to be so bound“. Vor diesem Hintergrund scheint die im Comm. 4 zu § 4A-507 (c) UCC vorgebrachte These („to the extent such system rules develop, individual choice-of-law agreements become unnecessary“) gerade ins Gegenteil verkehrt zu werden. 120 Dieses Vertrauen spiegelt sich auch in der Regelung des § 4A-501 (b) UCC wider, die es „funds-transfer systems“ erlaubt, selbst zwingende Regelungen wie die „money-back guaran-
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von denen beide ihren Sitz gemeinsam in demselben Staat haben, wie regelmäßig im Deckungs- und Inkassoverhältnis der Fall, jedoch sowohl das kollisionsrechtliche Parteiinteresse beider Parteien als auch das kollisionsrechtliche Verkehrsinteresse objektiv für die Anwendung dieser Rechtsordnung.121 Zwar führt Kienle an, dass § 4A-507 (c) UCC gerade auch das Interesse „der Bank“ widerspiegelt, dass das an ihrem Sitz vertraute Recht Anwendung findet.122 Bei einem grenzüberschreitenden Überweisungsvorgang, bei dem eine Vielzahl an Banken involviert ist, scheint dieses Argument jedoch nicht zielführend. So kann sich jedenfalls eine deutsche Bank, die einen Überweisungsauftrag in US-Dollar empfängt, der irgendwann über CHIPS verarbeitet wurde, gerade eben nicht darüber „freuen“ (unter der Voraussetzung, dass die sonstigen Voraussetzungen von § 4A-507 (c) UCC gegeben sind), dass das Recht an ihrem Sitz anwendbar ist. Auch darf deshalb das von Kienle angeführte ökonomische Argument bezweifelt werden.123 Jedenfalls für die deutsche Bank wird nicht die „niedrige Kostenstruktur des Giroverkehrs“ erhalten, wenn sie sich fremdem Recht unterwerfen und gegebenenfalls ihre Handlungsoptionen daran ausrichten muss.124 Die Banken sähen sich vielmehr durch die Anwendung eines fremden Rechts und den damit gegebenenfalls auch operationellen Auswirkungen auf die Überweisungspraxis zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Fände beispielsweise deutsches Recht auf die Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten eines Überweisungsvorgangs mit Sitz in den USA Anwendung, könnten sich diese nicht darauf verlassen, dass der Ersatz von Folgeschäden („consequential damages“) wie nach ihtee“ gegenüber ihren eigenen Teilnehmern außer Kraft zu setzen, und teilweise sogar entferntere Beteiligte des Überweisungsvorgangs an ihre „funds-transfer system rules“ zu binden. 121 Ob allein das kollisionsrechtliche Ordnungsinteresse an der Vermeidung von Normenwidersprüchen hiervon eine Abweichung rechtfertigen kann, darf m. E. bezweifelt werden. Zur ausführlichen Diskussion der kollisionsrechtlichen Interessenlage bei der akzessorischen Anknüpfung unten S. 273 ff. 122 Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 193. 123 Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 193 ff. Vgl. hierzu noch unten S. 315 ff. 124 A.A. Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 196 f., der auf die Ersparnis der Kosten für eine Verhandlungslösung verweist. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass ein durch die einheitliche Anknüpfung notwendig gewordenes Ermitteln und fortwährendes „monitoring“ ausländischen Überweisungsrechts kostengünstiger ist als der Abschluss eines bei Kontoeröffnung üblichen Formularvertrages (der ausführenden Bank). Vgl. auch UN-Dok. A/CN.9/ WG.IV/WP.42 (YB 1990), S. 68 (Nr. 74 f.) („Some of the rules in any legal system have operational significance for the banks, such as the existence or extent of any obligation of a receiving bank to react to a payment order received or the right of a sender to revoke or amend its payment order. Those rules must be known by the personnel of the receiving bank for the bank to carry out its obligations properly.“); Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 186. Vgl. auch die Canadian Bankers Association, wiedergegeben bei Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 277.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
rem Heimatrecht grundsätzlich ausgeschlossen ist.125 Zwar könnten sie durch individuelle Rechtswahlvereinbarungen mit ihren Korrespondenzbanken diese zusätzlichen Risiken ausschließen.126 Diese bloße Möglichkeit kann jedoch nicht als Argument für eine entsprechende abstrakte objektive Kollisionsnorm verwendet werden, sollte eine (objektive) Anknüpfung doch ein sachlich angemessenes Ergebnis bereits von sich aus gewährleisten. Auch deshalb erscheint § 4A-507 (c) UCC als allgemeines kollisionsrechtliches Vorbild nicht geeignet. Dieser Gesichtspunkt kann auch wie von Schneider aus einer rechtstheoretischen Perspektive betrachtet werden. Von dort aus betrachtet kann § 4A-507 (c) UCC vorgeworfen werden, „eine Rechtswahl zu Lasten Dritter“ zu erlauben.127 Nach Schneider entspricht eine solche jedenfalls nicht der „kontinentalen Rechtstradition“.128 Diese Bedenken werden allerdings auch bei der „akzessorischen Anknüpfung“ relevant und sollen deshalb dort vertieft diskutiert werden.129 II. Art. Y UNCITRAL-Modellgesetz 1. Grundlagen Die UNCITRAL-Arbeitsgruppe für das Modellgesetz über den grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr hatte das primäre Ziel, einen materiell-rechtlichen Rahmen für grenzüberschreitende Überweisungen zu erarbeiten. Daneben wurden jedoch auch die kollisionsrechtlichen Aspekte grenzüberschreitender Überweisungen in den Beratungen zum Modellgesetz diskutiert. Auf die Einführung einer (ursprünglich in Art. 18 ModellG enthaltenen) Kollisionsnorm konnte sich die Arbeitsgruppe jedoch nicht abschließend verständigen,130 genauso wenig je125
Oben S. 167. Dies übersieht Ette, Grenzüberschreitende Überweisungen, S. 186. 127 Schneider, WM 1999, 2189, 2191. Vgl. auch Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 174. 128 Schneider, WM 1999, 2189, 2191. Vgl. hierzu auch Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 174, der aber solche methodischen Bedenken „nicht überbewerten“ möchte; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 175. 129 Unten S. 325 ff. 130 ModellG, Expl. Note 18; UN-Dok., A/47/17, S. 16 f. Hierbei hat zum einen eine Rolle gespielt, dass zu dieser Zeit die „Haager Konferenz für das Internationale Privatrecht“ überlegte, Kollisionsnormen für das Recht der grenzüberschreitenden Überweisungen zu erarbeiten, vgl. UN-Dok. A/CN.9/297 (YB 1988), S. 28 (Nr. 34 ff.); Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 63; UN-Dok., A/47/17, S. 16 f. Zum anderen wurden die erarbeiteten Vorschläge auch noch nicht als ausgereift und ausreichend diskutiert verstanden, vgl. Stellungnahme der Haager Konferenz zum Internationalen Privatrecht, zusammengefasst in UN-Dok. A/CN.9/347 and Add.1 (YB 1991), S. 133 f.; auch Brozolo, 48 Am. J. Comp. L. 307 (2000), 317; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 172 ff.; von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 95 Fn. 51. 126
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doch auf die Verwerfung der vorgeschlagenen Regel. Insbesondere verstand man es anscheinend als besonderen Fortschritt, den Staaten überhaupt eine funktionierende Kollisionsnorm präsentieren zu können.131 Deshalb wurde die Kollisionsnorm schließlich unter der „mysteriösen Bezeichnung“132 „Article Y“ in eine Fußnote zum ersten Kapitel des Modellgesetzes aufgenommen. Der Modellgesetzgeber will nach eigenem Bekunden dadurch ausdrücklich klarstellen, dass die Umsetzung dieser Regelung in nationalstaatliches Recht lediglich „optional“ sei.133 Diese Begründung ist an sich überflüssig, da die Umsetzung jeder Vorschrift des Modellgesetzes in nationales Recht durch einen Staat freiwillig erfolgt.134 Der Standort der Norm hebt somit eigentlich nur hervor, wie umstritten sie zwischen den Staaten in der UNCITRAL-Arbeitsgruppe zum Modellgesetz gewesen ist.135 Die Regelung lautet wie folgt: Article Y UNCITRAL-Model Law – Conflict of Laws „(1) The rights and obligations arising out of a payment order shall be governed by the law chosen by the parties. In the absence of agreement, the law of the State of the receiving bank shall apply. (2) The second sentence of paragraph (1) shall not affect the determination of which law governs the question whether the actual sender of the payment order had the authority to bind the purported sender. (3) For the purposes of this article: (a) where a State comprises several territorial units having different rules of law, each territorial unit shall be considered to be a separate State; (b) branches and separate offices of a bank in different States are separate banks.“
Für den Untersuchungsgegenstand wird nur Art. Y (1) ModellG relevant. Dieser enthält zwei Kollisionsnormen. Nach Art. Y (1) S. 1 ModellG ist zunächst eine Rechtswahl der Parteien eines Überweisungsauftrags vorrangig zu beachten.136 Eine wie auch immer geartete objektive Verbindung des Überweisungsvorgangs zum gewählten Recht ist genauso wenig wie bei § 4A-507 UCC oder bei Art. 3 Rom I erforderlich.137 Sollten die Parteien eines Überweisungsauftrags das hier131
ModellG, Expl. Note 18. Bischoff, SZIER 1993, 285, 310. 133 UN-Dok., A/47/17, S. 17 („It was indicated that such location of the article would emphasize its optional nature for national legislators.“). 134 Vgl. Bischoff, SZIER 1993, 285, 289. 135 Brozolo, 48 Am. J. Comp. L. 307 (2000), 317. Daneben könnte damit auch zum Ausdruck gebracht worden sein, dass diese Norm für die „Funktion“ des ModellG nicht von besonderer Bedeutung ist. 136 Auch das ModellG folgt dem Vertragsmodell, vgl. oben S. 71. 137 Siehe zur entsprechenden Diskussion innerhalb der Arbeitsgruppe UN-Dok. A/CN.9/341 132
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
auf anwendbare Recht nicht gewählt haben, dann erklärt Art. Y ModellG objektiv jeweils das Recht der den Überweisungsauftrag empfangenden Bank („receiving bank“), also der ihn ausführenden Bank, für anwendbar. Eine Kollisionsnorm für das Verhältnis des Überweisungsempfängers zu seiner Bank findet sich hingegen nicht im Modellgesetz, da dieses den Überweisungsvorgang mit Annahme des Überweisungsauftrages durch die Bank des Überweisungsempfängers als beendet ansieht.138 Die zwei in Art. Y ModellG enthaltenen Kollisionsnormen stellen damit (zumindest aus heutiger Sicht) im direkten Vergleich mit dem europäischen und dem US-amerikanischen Kollisionsrecht keine Besonderheit dar. Angesichts dieser international anerkannten, am „Segmentkonzept“139 orientierten Regelungen erstaunt es, dass sie zwischen den Staaten der zuständigen UNCITRAL-Arbeitsgruppe so umstritten gewesen sind. Doch bereitete wohl auch gerade das Segmentkonzept und die isolierte kollisionsrechtliche Betrachtung jedes einzelnen Rechtsverhältnisses innerhalb der Überweisungskette der Arbeitsgruppe Kopfschmerzen. So war man sich eigentlich einig, dass es wünschenswert wäre, sicherzustellen, dass auf einen Überweisungsvorgang einheitlich nur das Recht einer (das Modellgesetz umsetzenden) Rechtsordnung Anwendung findet.140 Man stellte fest, dass einige der Regelungen des Modellgesetzes, unter anderem die „money-back guarantee“ des Art. 14 ModellG, einen solchen „kongruenten“ Rechtsrahmen erforderten.141 Ein Vorschlag der USA, eine § 4A-507 (c) UCC entsprechende kollisionsrechtliche Regelung in das Modellgesetz aufzunehmen, wurde trotzdem von der Mehrheit der (YB 1991), S. 149 (insb. Nr. 45). In einem ersten Entwurf sollten die Parteien jedoch nur wählen können zwischen „the law of the State of the sender, of the receiver or of the State in whose currency the payment orders are denominated“, UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.39 (YB 1989), S. 102. Vgl. auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 95. 138 Vgl. Art. 19 ModellG. Auch Bischoff, SZIER 1993, 285, 309. 139 UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 148 (Nr. 40). 140 ModellG, Expl. Note 16. Dabei wurde jedoch auch der begrenzte Effekt einer solchen kollisionsrechtlichen Maßnahme gegenüber das ModellG nicht umsetzenden Staaten von der UNCITRAL-Arbeitsgruppe erkannt, UN-Dok., A/47/17, S. 17 (Nr. 60). Entgegen der Behauptung von von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 95 f., enthält auch der erste Entwurf des „Sekretariats“ von UNCITRAL allerdings keine ein Gesamtstatut bildende Kollisionsnorm, vgl. UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.39 (YB 1989), S. 102 (Nr. 2) und UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/WP.42 (YB 1990), S. 68 (Nr. 74 ff.). 141 UN-Dok., A/47/17, S. 16 (Nr. 58): „One such provision, for instance, was article 13 [Anm. d. Verf.: Art. 14 ModellG endg. Fass.], which, when the credit transfer was not completed, obligated each bank in the credit-transfer chain to refund funds to its sender bank or to a prior sender.“ Vgl. auch zu einer umfassenden Auflistung sämtlicher Normen des ModellG, bei denen die UNCITRAL-Arbeitsgruppe solche Abhängigkeiten sah, UN-Dok. A/CN.9/WG.IV/ WP.42 (YB 1990), S. 69 (Nr. 77). Auch Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 67. Vgl. oben S. 164 ff.
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an der Arbeitsgruppe teilnehmenden Staaten und internationalen Organisationen abgelehnt.142 In der „Explanatory Note“ zum Modellgesetz wurde festgestellt, ein solches kollisionsrechtliches Gesamtstatut sei „although desirable in the abstract, […] neither technically nor politically feasible“.143 Trotzdem wird die Regelung des Modellgesetzes in der Literatur teilweise immer noch so verstanden, als würde sie den gesamten Überweisungsvorgang einheitlich anknüpfen.144 Der Grund hierfür wurzelt wohl zum einen in einem falschen Verständnis des Begriffs der „receiving bank“, welcher als Bank des Überweisungsempfängers anstatt als Empfängerbank eines Überweisungsauftrags verstanden wird. Gemäß Art. 2 (3)(f) ModellG ist „receiving bank“ jede Bank, die einen Überweisungsauftrag empfängt („‚Receiving bank‘ means a bank that receives a payment order“), wobei Überweisungsauftrag gemäß Art. 2 (3)(b) ModellG jede unbedingte Zahlungsanweisung ist, einem Begünstigten einen bestimmten oder bestimmbaren Betrag gutzuschreiben, wenn die „receiving bank“ den Überweisungsbetrag erstattet bekommt und der Zahlungsvorgang nicht durch den Begünstigten ausgelöst wurde (Lastschriftauftrag). Auch eine zwischengeschaltete Bank („intermediary bank“) ist gemäß Art. 2 (3)(g) ModellG eine „receiving bank“ („‚Intermediary bank‘ means any receiving bank other than the originator’s bank and the beneficiary’s bank“). Die Bank des Überweisenden beziehungsweise des Überweisungsempfängers wird hingegen als „originator’s bank“ beziehungsweise „beneficiary’s bank“ bezeichnet. 142
Zu den Details UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 147 ff. (insb. Nr. 32). Auch UNDok., A/47/17, S. 17 (Nr. 60). Hierzu oben S. 251 Fn. 114. 143 ModellG, Expl. Note 16. Vgl. auch UN-Dok., A/47/17, S. 17 (Nr. 60). 144 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 316 Fn. 1157 („Eine solche einheitliche Betrachtung nimmt beispielsweise das UNCITRAL-Modellgesetz [sowie § 4A507 (a)(1) UCC] vor.“). Vgl. auch Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 167 („Ähnlich soll auch das [Modellgesetz] bereits dann (insgesamt) zur Anwendung gelangen, wenn innerhalb der Überweisungskette ein auftraggebendes und ein beauftragtes Kreditinstitut ihren Sitz in unterschiedlichen Staaten haben (Art. 1 dieses Modellgesetzes). Da es sich hierbei allerdings nur um ein Modellgesetz und nicht um gelebte Rechtswirklichkeit handelt, führt diese Regelung noch nicht zu einer Ausnahme bzw. Durchbrechung der Regel, wonach jede Rechtsbeziehung in der Vertragskette einer gesonderten internationalprivatrechtlichen Beurteilung bedarf.“) und Schneider, WM 1999, 2189, 2191 („So geht im Blick auf das anwendbare Recht auch das UNCITRAL-Model Law von einem ganzheitlichen Konzept aus. Wenn innerhalb der Vertragskette auch nur zwei Institute in der Kette ihren Sitz in unterschiedlichen Ländern haben, soll für die gesamte Vertragskette das Model Law anwendbar sein. Dasselbe Konzept liegt Art. 4A-507C UCC zugrunde [Hervorh. i. Orig.].“ Auch Freitag, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.591 („Das einheitliche Recht der Empfängerbank käme danach jedenfalls für sämtliche Interbankenverhältnisse zur Anwendung, während seine Maßgeblichkeit auch für das Deckungsverhältnis zwischen Zahler und Zahlerbank unklar ist.“).
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Zum anderen fußt die vorgenannte Auffassung wohl auf einem falschen Verständnis von Art. 1 ModellG.145 Article 1 UNCITRAL-Model Law – Sphere of Application „(1) This law applies to credit transfers where any sending bank and its receiving bank are in different States. (2) This law applies to other entities that as an ordinary part of their business engage in executing payment orders in the same manner as it applies to banks. (3) For the purpose of determining the sphere of application of this law, branches and separate offices of a bank in different States are separate banks.“
Art. 1 ModellG ist keine Kollisionsnorm – auch nicht im Zusammenhang mit Art. Y ModellG –, sondern begrenzt vielmehr den Anwendungsbereich des ModellG, wie im Folgenden dargestellt werden soll. Verweist eine Kollisionsnorm auf das Recht eines Staates, welcher das Modellgesetz umgesetzt hat, findet aufgrund von Art. 1 ModellG das Modellgesetz nicht immer Anwendung. Vielmehr beschloss die zuständige UNCITRAL-Arbeitsgruppe, dass das Modellgesetz nur ein Regelwerk für grenzüberschreitende Überweisungen („international credit transfers“)146 sein sollte. Die dahingehende Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs ist eben genanntem Art. 1 (1) ModellG zu entnehmen. Nach Art. 1 (1) ModellG ist ein Überweisungsvorgang („credit transfer“)147 nämlich nur dann dem ModellG unterworfen, wenn zwei aufeinanderfolgende Banken innerhalb der Überweisungskette ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben. Nicht erforderlich ist also, dass die Bank des Überweisenden und diejenige des Überweisungsempfängers in unterschiedlichen Staaten liegen. Ausreichend ist vielmehr, dass zwei beteiligte Banken im Überweisungsvorgang ihren Sitz in unterschiedlichen Staaten haben. Für eine solche Konstellation typisch ist die Fremdwährungsüberweisung, die regelmäßig über das „Währungsland“ geleitet wird.148 Haben in der Überweisungskette zwei aufeinanderfolgende Banken ihren Sitz in verschiedenen Staaten, findet das Modellgesetz (vorbehaltlich seiner 145
Vgl. zum falschen Verständnis des Begriffs „receiving bank“ Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 316 Fn. 1157. Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 167 hingegen verkennt die Bedeutung des Art. 1 ModellG. So muss auch nach dem Regelungsmodell des Modellgesetzes jedes einzelne Überweisungsverhältnis gesondert angeknüpft werden. So wohl auch Schneider, WM 1999, 2189, 2191. Zu Art. 1 ModellG sogleich im Text. 146 Siehe bereits den Titel des Modellgesetzes („UNCITRAL Model Law on International Credit Transfers“). 147 Der Überweisungsvorgang als solches ist in Art. 2 (a) ModellG definiert (abgedruckt oben S. 71). 148 Bischoff, SZIER 1993, 285, 292. Vgl. zur Struktur von Fremdwährungsüberweisungen oben S. 11 f.
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kollisionsrechtlichen Anwendbarkeit)149 allerdings auf jeden Überweisungsauftrag innerhalb der Überweisungskette Anwendung. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies rein nationale oder grenzüberschreitende Segmente sind. Grundsätzlich nicht erfasst vom Modellgesetz ist allerdings das Inkassoverhältnis zwischen der Bank des Überweisungsempfängers und demselben.150 Rein nationale Überweisungsvorgänge ohne Beteiligung ausländischer Banken bleiben dagegen weiterhin grundsätzlich dem nationalen Überweisungsrecht überantwortet, wenn ein Staat sich nicht zur überschießenden Umsetzung des Modellgesetzes entscheidet.151 Durch diese Begrenzung des Anwendungsbereichs auf grenzüberschreitende Überweisungen hoffte man, auch die Staaten von einer Umsetzung des Modellgesetzes zu überzeugen, in denen bereits ein spezielles Regelungsregime für Überweisungen in Kraft war.152 Die Umsetzung des Modellgesetzes sollte so einfacher gegenüber den jeweiligen nationalen Parlamenten und Interessengruppen zu rechtfertigen sein.153 Voraussetzung für eine einheitliche Anwendbarkeit der Normen des ModellG bezogen auf den gesamten Überweisungsvorgang ist dann allerdings die kollisionsrechtliche Anwendbarkeit des ModellG in allen Rechtsverhältnissen der Überweisungskette. Für jedes einzelne Rechtsverhältnis der Überweisungskette ist das anwendbare Recht auch nach den Vorstellungen des ModellG gesondert zu bestimmen. Hieran ändert Art. 1 (1) ModellG eben nichts. Hat auch nur ein Staat, auf dessen Recht für ein Rechtsverhältnis der Überweisungskette verwiesen wird, das ModellG nicht umgesetzt, findet folglich kein einheitliches rechtliches Regelungsregime auf den Überweisungsvorgang Anwendung. Dies haben auch die Verfasser des ModellG erkannt.154 Sie haben jedoch darauf gehofft, dass das ModellG von möglichst vielen Staaten umgesetzt wird, sodass es in der Praxis bei einem Überweisungsvorgang faktisch zur Anwendbarkeit eines einheitlichen Regelungsregimes kommen sollte.155
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Hierzu sogleich der nächste Absatz. ModellG, Expl. Note 48. Vgl. aber oben S. 74. 151 Der „Einheit des Rechts“ wegen hoffte die UNCITRAL-Kommission sogar darauf, vgl. ModellG, Expl. Note 14; auch UN-Dok. A/CN.9/329 (YB 1990), S. 4 (Nr. 14). 152 UN-Dok. A/CN.9/297 (YB 1988), S. 26 (Nr. 14); Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 65. Vgl. auch Bischoff, SZIER 1993, 285, 311. 153 UN-Dok. A/CN.9/329 (YB 1990), 13; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 65. Natürlich steht es den Staaten frei das ModellG auch auf rein nationale Überweisungen für anwendbar zu erklären, vgl. auch Bergsten, J.I.B.L. 1991, 276, 278. 154 Vgl. ModellG, Expl. Note 16. 155 Vgl. ModellG, Expl. Note 16. 150
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
2. Kritische Würdigung Für sich genommen entspricht die Kollisionsnorm des Art. Y (1) ModellG im Grundsatz § 4A-507 (a), (b) UCC und Art. 3, 4 I lit. b Rom I. Auf die dortigen Ausführungen kann deshalb verwiesen werden.156 In Kombination mit dem sachlichen Anwendungsbereich des Modellgesetzes ergeben sich jedoch neue Aspekte, die speziell dem Modellgesetz eigen sind und einer eingehenderen Untersuchung bedürfen. Ausgangspunkt ist hierbei, dass das Modellgesetz nur dann einheitlich auf einen Überweisungsvorgang anwendbar ist (mit Ausnahme des Inkassoverhältnisses), wenn die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen des Modellgesetzes (Art. 1 (1) ModellG) erfüllt sind und für jeden Überweisungsauftrag in der Kette eine Rechtsordnung berufen ist, welche das Modellgesetz umgesetzt hat.157 Die Berufung kann sich aufgrund jeder beliebigen Kollisionsnorm ergeben, also aufgrund des (umgesetzten) Art. Y (1) ModellG selbst oder auch zum Beispiel Art. 4 I lit. b Rom I. Die Anwendbarkeit des Modellgesetzes auf einen Überweisungsvorgang hängt insbesondere nicht davon ab, dass die Beteiligten ausschließlich in Staaten residieren, die das Modellgesetz umgesetzt haben. Das Modellgesetz findet vielmehr bei jeglichem grenzüberschreitenden Überweisungsvorgang Anwendung. Dies hat zur Folge, dass in einem Staat rein innerstaatliche Überweisungsvorgänge und innerstaatliche Teile von grenzüberschreitenden Überweisungsvorgängen unterschiedlichen Rechtsakten unterliegen, wenn das Modellgesetz nicht überschießend für sämtliche Überweisungsvorgänge umgesetzt worden ist.158 Diese Problematik soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Angenommen, ein deutscher Überweisender möchte eine Euroüberweisung an einen Franzosen tätigen. Er erteilt hierzu seiner deutschen Hausbank BÜ einen Überweisungsauftrag. Diese leitet den Auftrag an ihre ebenfalls deutsche Korrespondenzbank BZ weiter, die schließlich einen Überweisungsauftrag an die Bank des Überweisungsempfängers BÜE in Frankreich schickt. Nach Art. 4 I lit. b Rom I sowie Art. Y (1) ModellG unterliegt der Überweisungsauftrag zwischen dem Überweisenden und einer Bank BÜ deutschen Recht. Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen der Hausbank BÜ und der zwischengeschalteten Bank BZ. 156 Zu Art. 3, 4 I lit. b Rom I siehe oben S. 135 ff. und zu § 4A-507 (a), (b) UCC siehe oben S. 226 ff. 157 Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 64. A.A. wohl Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 6 Rn. 167, die zwar beim Modellgesetz nicht von einer „Durchbrechung der Regel, wonach jede einzelne Rechtsbeziehung in der Vertragskette einer gesonderten internationalprivatrechtlichen Beurteilung bedarf“ ausgeht, dies aber ausschließlich daran festmacht, dass das Modellgesetz nur Modell und eben nicht „gelebte Rechtswirklichkeit“ ist. 158 Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 440; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 68.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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Im Verhältnis der Bank BZ und der französischen Empfängerbank BÜE gilt französisches Recht. Angenommen, Deutschland und Frankreich sind beides Staaten, die das UNCITRAL-Modellgesetz umgesetzt haben (Szenario 1). Dann gilt nach dem Gesagten für jedes Rechtsverhältnis in der gesamten Überweisungskette das Modellgesetz. Dies ist grundsätzlich begrüßenswert, da der gesamte Überweisungsvorgang damit einem einheitlichen Regelungsmodell unterliegt. Hat hingegen nur Frankreich das Modellgesetz umgesetzt (Szenario 2), dann unterlägen die Rechtsverhältnisse zwischen dem Überweisenden und seiner Hausbank BÜ als auch deren Rechtsverhältnis mit der zwischengeschalteten Bank BZ deutschem nichtvereinheitlichtem Recht. Für das Rechtsverhältnis zwischen der zwischengeschalteten Bank BZ und der Bank des Überweisenden würde hingegen vereinheitlichtes Recht gelten. Zwar würde das Vereinheitlichungsziel des Modellgesetzes auf den gesamten Überweisungsvorgang bezogen verfehlt. Doch ist dieses Ergebnis vor dem Hintergrund, dass das Modellgesetz speziell für grenzüberschreitende Überweisungen geschaffen wurde, akzeptabel, da von ihm gerade das „grenzüberschreitende“ Rechtsverhältnis zwischen der deutschen zwischengeschalteten Bank BZ und der französischen Empfängerbank BÜE erfasst wird. Anders ist es hingegen, wenn im Beispiel nur Deutschland das Modellgesetz umgesetzt hat (Szenario 3). Das grenzüberschreitende Segment zwischen der deutschen Bank BZ und der Bank des Überweisungsempfängers BÜE wäre beherrscht durch französisches nichtvereinheitlichtes Recht. In den rein nationalen Rechtsverhältnissen zwischen dem Überweisenden und seiner Bank BÜ als auch zwischen der letzteren und der Bank BZ würde hingegen das Modellgesetz gelten. Im Vergleich dazu würden rein innerstaatliche Überweisungsvorgänge hingegen nationalem nichtvereinheitlichten Recht unterfallen, da das ModellG gemäß Art. 1 (1) ModellG auf die Überweisungsvorgänge nicht anwendbar wäre. Ein Vereinheitlichungsgewinn wird deshalb nicht erzielt. Es ist im Szenario 3 vielmehr kein sachlicher Grund ersichtlich, warum die rein nationalen Rechtsverhältnisse vom Modellgesetz beherrscht werden sollen, rein nationale Überweisungsvorgänge jedoch insgesamt nicht.159 Insbesondere ist die bei der Aus arbeitung des Modellgesetzes genannte Befürchtung, dass Staaten von der Umsetzung des Modellgesetzes abgehalten werden, wenn der sachliche Anwendungsbereich nicht auf grenzüberschreitende Überweisungen begrenzt werde, als Erklärung für dieses Ergebnis nicht ausreichend. Es lässt sich nämlich auch bei einer Begrenzung des Anwendungsbereichs des Modellgesetzes sicherstellen, dass es nicht zu dem gerade beschriebenen Szenario kommt. Hierzu müsste 159
Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 68 („schwer nachzuvollziehen“).
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
lediglich Teil der Definition des Anwendungsbereichs sein, dass jedenfalls auch der grenzüberschreitende „Teilabschnitt“ einer Überweisung dem Regelungsregime des Modellgesetzes unterliegen muss, damit dieses Regime auch auf die rein nationalen Teile Anwendung findet. Bei einer entsprechenden Begrenzung des Anwendungsbereichs würde das Modellgesetz in den genannten drei Szenarien nur in den Szenarien 1 und 2 überhaupt Anwendung finden. In der Literatur zum Modellgesetz wird zudem ein weiterer Grund angeführt, der Mängel bei der Definition des Anwendungsbereichs in Art. 1 (1) ModellG offenbart. Dadurch, dass es für den sachlichen Anwendungsbereich des Modellgesetzes ausreichend ist, wenn zwei zwischengeschaltete Banken in verschiedenen Staaten ihren Sitz haben, soll sich das auf einen Überweisungsauftrag „anwendbare Recht“ während der Ausführung der Überweisung „ändern“ können.160 Das ist allerdings zumindest missverständlich ausgedrückt, da sich jedenfalls nicht die durch die Kollisionsnorm der jeweiligen lex fori berufene Rechtsordnung ändert. Hier tritt insbesondere auch nach Art. Y (1) ModellG kein Wechsel ein. Jedoch kann sich der in einem Modellstaat, dessen Rechtsordnung berufen ist, auf den Überweisungsvorgang anzuwendende innerstaatliche Rechtsakt, insbesondere im Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank, unter bestimmten Voraussetzungen ändern.161 Dieses Problem tritt zwar nicht bei Überweisungen auf, bei denen die Bank des Überweisenden und diejenige des Empfängers in unterschiedlichen Staaten sitzen. In diesem Fall liegt immer eine grenzüberschreitende Überweisung vor, weil es denklogisch zwingend ist, dass mindestens eine (Teil-)Überweisung im gesamten Überweisungsvorgang jedenfalls grenzüberschreitend ist, so dass der Anwendungsbereich des Modellgesetzes erfüllt ist. Anders ist es hingegen, wenn beide Banken ihren Sitz in ein und demselben Staat haben und eine mehrgliedrige „Fremdwährungsüberweisung“ durchführen.162 Üblicherweise macht eine solche aus Sicht des Herkunfts- und des Zielstaats in ausländischer Währung denominierte Über160 Bischoff, SZIER 1993, 285, 292; Vgl. auch Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 440; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 67 f.; Schneider, in: Hadding/ Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 499. 161 Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 440 f.; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 67. Vgl. auch UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 150 (Nr. 62). Hadding/Schneider, WM 1993, 629, 632 hingegen stellt auf die „Unvorhersehbarkeit“ des anwendbaren Rechts bei Benutzung einer Auslandsfiliale einer internationalen (Groß-)Bank ab. In diesem Fall sei für den Überweisenden nicht zu ermitteln, ob die Filiale an sich den Überweisungsauftrag direkt ausführt oder aber eventuell die Hauptniederlassung im Ausland. So könnte selbst bei einer – von diesem angenommenen – rein inländischen Überweisung in Wirklichkeit eine internationale Überweisung im Sinne des Modellgesetzes vorliegen. 162 Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 440 f. Vgl. auch Bischoff, SZIER 1993, 285, 292.
A. Ausländische Regelungsmodelle
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weisung einen „u-turn“ über das Land der Währung.163 Der Hinweis, dass es zum Beispiel auch außerhalb der USA ein „US-Dollar-Clearing“ gibt,164 und es deshalb zu einem „Wechsel“ des anwendbaren Rechts(akts) kommen kann, bedarf zumindest weiterer Erläuterung, ist doch auch hier beim institutionalisierten „Clearing“ in der Regel ultimativ die Einschaltung von Banken innerhalb des „Währungsstaates“ erforderlich.165 Folgendes Beispiel soll zur Erläuterung dieses Problemkreises dienen: Ein deutscher Überweisender möchte einem anderen Deutschen einen bestimmten Betrag in US-Dollar zukommen lassen. Er beauftragt hiermit seine deutsche Bank BÜ. Diese leitet den Überweisungsauftrag an die deutsche Bank BZ1 weiter. Dieser stehen wiederum zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Einerseits kann die Bank BZ1 ihre US-amerikanische Korrespondenzbank BZ2 einschalten, die wiederum den Betrag an ihre Korrespondenzbank BZ3 weiterleitet, die wiederum der Bank des Empfängers BÜE den Betrag gutschreibt. Andererseits kann die zwischengeschaltete Bank BZ1 einen Überweisungsauftrag direkt an die Bank des Überweisungsempfängers BÜE senden und ihr versprechen, die zur Ausführung der Überweisung erforderliche Deckung über die genannten US-amerikanischen Korrespondenzbanken zu verschaffen.166 Im ersten beschriebenen Szenario fällt der Überweisungsvorgang in den Anwendungsbereich des Modellgesetzes, da die deutsche zwischengeschaltete Bank BZ1 und ihre US-amerikanische Korrespondenzbank ihren Sitz jeweils in verschiedenen Staaten haben. Dasselbe gilt natürlich für das Verhältnis der Bank BZ3 zur Bank des Überweisungsempfängers. Damit unterfällt gemäß Art. 1 (1) ModellG der gesamte Überweisungsvorgang dem Modellgesetz. Anders liegt es hingegen im zweiten skizzierten Szenario. Dort entscheidet die Korrespondenzbank BZ1 der Bank des Überweisenden eigenständig, den Überweisungsauftrag „direkt“ an die Bank des Empfängers weiterzuleiten. Da alle 163
Vgl. oben S. 11 f. Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 441; Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 66; Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1113 Fn. 11. Vgl. auch Allwörden, US-Terrorlisten im deutschen Privatrecht, S. 55 f. 165 Vgl. nur Sneddon, 29 Loy. L.A. L. Rev. 1107 (1996), 1113 Fn. 11 (insbesondere unter Erwähnung des „US-Dollar-Clearings“ der Tokyoer Zweigstelle der US-amerikanischen „JPMorgan Chase & Co.“ Bank; vgl. insofern auch bereits Iwahara, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 316 f. Allerdings ist unter Umständen auch im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr ein reines Umbuchen von Bankguthaben bei einer gemeinsamen Korrespondenzbank denkbar, vgl. Gruson, Colum. Bus. L. Rev. 721 (2004), 728. Dies erscheint jedoch zumindest im Großzahlungsverkehr nicht praktikabel, da durch die Banken große Devisenreserven bereitgehalten werden müssten. 166 Vgl. zur rechtlichen Struktur dieses zweiten Szenarios OLG Köln 04.09.2013, BeckRS 2013, 21122. Hierzu auch oben S. 11. 164
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
drei Banken dieses Überweisungsvorgangs, die Banken BÜ, BÜE und BZ1 im selben Staat ansässig sind, findet das Modellgesetz gemäß Art. 1 (1) ModellG gerade keine Anwendung. Die Verschaffung der Deckung für den Überweisungsauftrag im Verhältnis zwischen der zwischengeschalteten Bank BZ1 und der Bank des Überweisungsempfängers erfolgt zwar unter Einschaltung der beiden US-amerikanischen Korrespondenzbanken. Dieser Deckungsverschaffung liegt jedoch ein eigenständiger Überweisungsvorgang zugrunde (vergleiche beispielsweise Art. 2 (a) a. E. ModellG: „A payment order issued for the purpose of effecting payment for such an order is considered to be part of a different credit transfer“.).167 Auf den Überweisungsvorgang, der die Deckungsverschaffung betrifft, findet das Modellgesetz Anwendung, weil die deutsche Bank BZ1 und deren US-amerikanische Korrespondenzbank BZ2 (und natürlich auch BZ2 und deren Korrespondenzbank ÜE) ihren Sitz in verschiedenen Staaten haben. Wie am Beispiel gezeigt wurde, kann es damit von der Entscheidung einer zwischengeschalteten Bank abhängen, welcher innerstaatliche Rechtsakt Anwendung findet. Von dem Verhalten zwischengeschalteter Banken kann es folglich im Einzelfall abhängen, ob eine Bank Schadensersatz für Folgeschäden, deren Ersatz nach dem Modellgesetz grundsätzlich ausgeschlossen ist,168 zu leisten hat oder nicht. Diesem Argument wurde in der UNCITRAL-Arbeitsgruppe zum Modellgesetz zwar entgegengehalten, dass einer Bank grundsätzlich die Benutzung von bestimmten Zwischenbanken vorgegeben werden kann.169 Jedoch ist vorstellbar, dass eine zwischengeschaltete Bank von diesen Weisungen abweicht oder diese gar nicht von ihrer vorhergehenden Korrespondenzbank mitgeteilt bekommen hat. Auf die Anwendbarkeit beziehungsweise Nichtanwendbarkeit des Modellgesetzes hätte selbst ein pflichtwidriges Abweichen jedoch keinen Einfluss. Zudem ist eine solche Vorgabe der Benutzung bestimmter Banken in aller Regel auch nicht üblich und auch nicht sachgerecht. Hat eine Korrespondenzbank zum Beispiel, abgesehen von den oben skizzierten Szenarien, unmittelbar ein Fremdwährungskonto bei der Empfängerbank, von dem die Bank des Überweisenden allerdings nichts weiß, ist nicht ersichtlich, warum die erstere in diesem Fall den risikoreicheren, längeren und wahrscheinlich kostenintensiveren Weg über das Währungsland wählen sollte, wenn sie die Überweisung vielmehr direkt mit der Empfängerbank abwickeln kann. Genauso ist der umgekehrte Fall denkbar, wenn die zwischengeschaltete Bank die auf dem Fremdwährungskonto vorhandene Liquidität nicht antasten möchte. Ein (Modell-)Gesetzgeber sollte jedoch sicherstellen, dass die Beteiligten eines Überwei167
Oben S. 11 f. Oben S. 201 f. 169 UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 150 (Nr. 62); Bergsten, in: Effros (Hrsg.), Payment Systems of the World, S. 441. 168
A. Ausländische Regelungsmodelle
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sungsvorganges von vornherein bestimmen können, sowohl welches Recht als auch welcher Regelungsakt eines Souveräns auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbar ist. III. Zusammenfassung Der US-amerikanische § 4A-507 (c) UCC ist die einzige dem Verfasser bekannte gesetzliche Kollisionsnorm, die ein einheitliches Überweisungsstaut vorsieht. Das Ziel der vereinfachten Ermittlung und Vereinheitlichung des anwendbaren Rechts auf den gesamten Überweisungsvorgang kann jedoch auch durch § 4A507 (c) UCC nicht immer gewährleistet werden. So kann es zu einer „Zersplitterung“ des anwendbaren Rechts kommen, wenn zum Beispiel mehrere Zahlungssysteme in einen Überweisungsvorgang involviert sind und sie Rechtswahlen zugunsten unterschiedlicher Rechtsordnungen treffen, die jeweils nach dem Willen der Zahlungssysteme für den gesamten Überweisungsvorgang Bedeutung erlangen sollen. Des Weiteren ist auch nach dem US-amerikanischen Regelungsmodell des § 4A-507 (c) UCC die individuelle Parteiautonomie vorrangig zu beachten. So brechen auch bilateral getroffene Rechtswahlvereinbarungen das einheitliche Überweisungsstaut auf mit der Folge, dass das Vereinheitlichungsziel verfehlt wird. Schließlich kann es auch zur Anwendung eines Rechts kommen, mit dem die Bank des Überweisenden, die Bank des Überweisungsempfängers oder auch ihre Kunden keinen Bezug aufweisen. Ob eine solche Anknüpfung im Parteiinteresse der vorgenannten Beteiligten liegt und ob überhaupt ein Interesse des Zahlungssystems an der Anwendung eines bestimmten Rechts im Deckungsoder Inkassoverhältnis besteht, darf bezweifelt werden. Betreffend Art. Y in Verbindung mit Art. 1 des UNCITRAL-ModellG konnte dargelegt werden, dass das Modellgesetz im Gegensatz zum US-amerikanischen Art. 4A UCC kein einheitliches Überweisungsstatut beinhaltet. Vielmehr wird durch Art. 1 ModellG der gegenständliche Anwendungsbereich des Modellgesetzes eingeschränkt, da das Modellgesetz grundsätzlich nur bei grenzüberschreitenden Überweisungsvorgängen anwendbar sein soll.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“ im europäischen internationalen Überweisungsrecht Bereits zum EVÜ existierte der Vorschlag, einen Überweisungsvorgang mittels der sogenannten „akzessorischen Anknüpfung“ einer einzigen Rechtsordnung zu unterwerfen.170 I. Der Begriff der akzessorischen Anknüpfung Der Begriff der akzessorischen Anknüpfung findet sich allerdings weder in den europäischen Rom-Verordnungen noch im deutschen EGBGB. Historisch betrachtet findet sich der „Ursprung“ der akzessorischen Anknüpfung im internationalen Deliktsrecht.171 Ursprünglich wenig beachteter Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion, hat die akzessorische Anknüpfung heute ihren Ausdruck sowohl im EGBGB als auch im Internationalen Privatrecht europäischen Ursprungs gefunden.172 So ist eine unerlaubte Handlung zwar grundsätzlich gemäß Art. 4 I Rom II dem am Ort des Schadenseintritts, das heißt dem am „Erfolgsort“ geltenden Recht unterworfen (innerhalb des verbleibenden Anwendungsbereichs des EGBGB kann der Verletzte gemäß Art. 40 I EGBGB verlangen, dass statt des am „Handlungsort“ geltenden Rechts das am „Erfolgsort“ geltende Recht angewandt wird). Doch kann eine unerlaubte Handlung abweichend von der Regelanknüpfung gemäß Art. 4 III S. 2 Rom II an ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis – wie einen Vertrag – anzuknüpfen sein (das Gleiche ist gemäß Art. 41 II Nr. 1 Alt. 1 EGBGB der Fall), wenn sie zu dem Rechtsverhältnis eine offensichtlich (beziehungsweise wesentlich) engere Beziehung aufweist als zu der durch die Regelanknüpfung ermittelten Rechtsordnung. Die gerade beschriebene, von der Regel abweichende Anknüpfung eines Delikts an einen Vertrag stellt insofern den „Prototypen“ der akzessorischen Anknüpfung dar. Sie soll den Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen bilden. Aus dem gerade Beschriebenen lässt sich so bereits eine verallgemeinerte Aussage zur akzessorischen Anknüpfung treffen: Bei der akzessorischen Anknüpfung werden zwei (auf irgendeine Art und Weise zusammenhängende) Sta170 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 79 ff. 171 Vgl. Jayme, Kollisionsrecht und Bankgeschäfte mit Auslandsberührung, S. 18; Kropholler, RabelsZ 33 (1969), 601, 625 ff. 172 BGH 28.02.1996, NJW 1996, 1411, 1414 (Tz. 25); Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 434; Mankowski, IPRax 1997, 180 f. Auch Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1021 f., nach dem die akzessorische Anknüpfung durch das am 01.06.1999 in Kraft getretene „Gesetz zum Internatioanlen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und Sachen“ (BGBl. 1999 I S. 1026 ff.), „erheblichen Anschub“ bekommen hat.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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tute gleich angeknüpft, indem ein Statut ermittelt wird und das andere Statut dem Ergebnis der Anknüpfung des „Hauptstatuts“ folgt.173 Die hier zum Ausdruck kommende „Zugehörigkeit“ (und damit aber auch Abhängigkeit) des einen („untergeordneten“) Statuts zum anderen („übergeordneten“) „Hauptstatut“ liegt dem Begriff der Akzessorietät zugrunde. Einigkeit besteht somit über Folgendes: Im Falle einer gleichen Qualifikation von Rechtsfragen kann nicht von einer akzessorischen Anknüpfung gesprochen werden.174 Gemäß Art. 12 I lit. e Rom I sind beispielsweise die Folgen der Nichtigkeit eines Vertrags, also insbesondere Ansprüche aus Leistungskondiktion, dem Vertragsstatut zuzurechnen.175 Gleichfalls sind dem Vertragsstatut auch die Auslegung, die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen, die Folgen der vollständigen und teilweisen Nichterfüllung und die verschiedenen Arten des Erlöschens der Verpflichtungen zugeordnet (vergleiche Art. 12 I lit. a bis d Rom I). Dies sind alles Fragen ein und desselben Statuts. Gleiches gilt beispielsweise für die Deliktsfähigkeit, die nicht akzessorisch zum Deliktsstatut anzuknüpfen ist,176 sondern vielmehr gemäß Art. 15 lit. a Rom II Teil des Deliktsstatuts ist (anders als beispielsweise die Geschäftsfähigkeit, die nicht Teil des Vertragsstatuts ist177).178 Zur gleichen Qualifikation führt insofern die gleiche kollisionsrechtliche Interessenlage.179 Es ist nicht so, dass sich die Folgen der Nichtigkeit beim Vertragsstatut oder die Deliktsfähigkeit beim Deliktsstatut den anderen (Teil-)Rechtsfragen „unterordnen“. Auch wenn unterschiedliche („verwandte“) Statute gleich angeknüpft werden, sollte deshalb nicht automatisch von Akzessorietät bei der Anknüpfung ge173 Bernitt, Die Anknüpfung von Vorfragen im europäischen Kollisionsrecht, S. 229; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 47; Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1021: „Das eine Statut – z. B. ein Vertragsstatut – wird regelmäßig bestimmt, das andere – z. B. ein Deliktsstatut – reist als blinder Passagier mit.“ Vgl. auch Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, S. 284. 174 Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1023; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 48 f. Vgl. auch Michel, Die Akzessorische Anknüpfung, S. 4, 8; Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, S. 285, die insofern von keiner „echten akzessorischen Anknüpfung“ sprechen. 175 So jedenfalls Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1023. Teilweise wird allerdings eine Zuordnung zu einem hiervon getrennten „Statut der Nichtigkeitsgründe“ befürwortet, vgl. Schurig, ebd. S. 1023 Fn. 9. 176 Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1023. 177 Vgl. Art. 1 II lit. a Rom I. Auch Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Mäsch, Art. 13 Rom I Rn. 1; MünchKomm/Spellenberg, Art. 13 Rom I Rn. 2. 178 HK-BGB/Dörner, Art. 15 Rom II Rn. 2; jurisPK/Engel, Art. 15 Rom II Rn. 9; MünchKomm/Junker, Art. 15 Rom II Rn. 10; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 15 Rom II Rn. 4. 179 Zur kollisionsrechtlichen Interessenlehre unten S. 273 ff.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
sprochen werden. Führt die gleiche kollisionsrechtliche Interessenlage bei zwei Statuten zur Verwendung desselben Anknüpfungsmomentes in den betreffenden Kollisionsnormen, sollte man besser von einer parallelen Anknüpfung sprechen.180 Insofern ist die Interessenlage gleich der oben beschriebenen, nur dass die Zuordnung zu zwei Statuten erfolgt, da die Normen unterschiedlichen Anknüpfungsgegenständen, das heißt „Systembegriffen“ des Internationalen Privatrechts („Vertrag“, „unerlaubte Handlung“ et cetera) zugeordnet werden.181 Es macht für die normative Bewertung einer Anknüpfung eben einen Unterschied, ob sie einerseits durch die gleichen kollisionsrechtlichen Partei- oder Verkehrsinteressen wie die verwandte Anknüpfung getragen wird oder andererseits im Wesentlichen erfolgt, weil man sicherstellen möchte, dass ein einziges Recht auf den zusammenhängenden Lebenssachverhalt angewendet wird, oder weil man der vertraglichen Anknüpfung, die das Statut der Sonderbeziehung bestimmt, gegenüber der deliktischen „Jedermann-Anknüpfung“ des Art. 4 I Rom II den Vorrang geben möchte. Dieser grundsätzliche Unterschied sollte sich auch in den Begrifflichkeiten widerspiegeln. Nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis sollte deshalb beispielsweise Art. 15 I EGBGB a. F. (vergleiche inzwischen Art. 26 EuGüVO) nicht als eine (zeitlich verfestigte) akzessorische Anknüpfung an Art. 14 EGBGB verstanden werden, auch wenn Art. 15 I EGBGB a. F. (formal) auf die Anknüpfungsmomente des Art. 14 EGBGB verwies.182 Denn es ist allein die gleiche kollisionsrechtliche Interessenlage, die dazu führte, dass die persönlichen und die güterrechtlichen Folgen einer Ehe, zumindest im Zeitpunkt der Eheschließung, der gleichen Rechtsordnung unterstellt wurden.183 Dass mit einer solchen Anknüpfung eingeschränkt auch Qualifikationsprobleme 180 Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1023. Vgl. auch Michel, Die Akzessorische Anknüpfung, S. 8. A.A. MünchKomm/von Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 33; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 172; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Lorenz, Art. 4 EGBGB Rn. 9; jurisPK/Ludwig, Art. 4 EGBGB Rn. 184 f.; Rauscher, NJW 1988, 2151, 2154, die sich deshalb jedoch gezwungen sehen, hinsichtlich der Beachtlichkeit eines „Renvoi“ zu differenzieren, ob die Anknüpfung auf dem Interesse am inneren Entscheidungseinklang beruht oder nicht. 181 Zum „Statut“ vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 315. 182 Ebenso Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Lorenz, Einl. zum IPR Rn. 39; vgl. auch Palandt/ Thorn, Art. 4 EGBGB Rn. 8, demzufolge auch die Verweisung im Rahmen des internationalen Kindschaftsrechts lediglich der „Vereinfachung des Gesetzestextes“ dient. Meist wird hingegen trotzdem von einer akzessorischen Anknüpfung gesprochen Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 172; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Mörsdorf-Schulte, Art. 15 EGBGB Rn. 51; Rauscher, NJW 1988, 2151, 2154; Sonnentag, Der Renvoi im Internationalen Privatrecht, S. 181. Allerdings wird wegen des von Thorn genannten Grundes trotzdem von einer Gesamtverweisung gemäß Art 4 I S. 1 EGBGB durch Art. 15 I, 14 I EGBGB ausgegangen, also ein Ausschluss des „Renvoi“ aufgrund Sinnwidrigkeit abgelehnt (vgl. bereits S. 268 Fn. 180). 183 Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1023 nennt zudem als weiteres Beispiel das Namensstatut gemäß Art. 10 I EGBGB und das Rechts- und Geschäftsfähigkeitsstatut ge-
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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vermieden werden, ist nur eine „Reflexwirkung“, nicht aber der Grund einer solchen Anknüpfung.184 Von einer akzessorischen Anknüpfung sollte vielmehr nur dann gesprochen werden, und dies ist die zweite verallgemeinerte Aussage, wenn der Gleichlauf in der Anknüpfung trotz eigentlich maßgeblicher, zu einer anderen Anknüpfung führender kollisionsrechtlichen Interessen erfolgt, nämlich um eine rechtliche Beurteilung eines einheitlichen Lebenssachverhalts aufgrund einer einzigen Rechtsordnung vornehmen zu können, um Qualifikations- und Anpassungsprobleme zu vermeiden, beziehungsweise weil sich eine andere Anknüpfung im Einzelfall durchsetzt (wie dies beispielsweise bei einem Nebeneinander des Vertrags- sowie des Deliktsstatuts sein kann).185 Die akzessorische Anknüpfung dient in diesem Sinne insbesondere dem Ordnungsinteresse am inneren Entscheidungseinklang.186 Ausschließlich in diesem Fall ist die Bestimmung eines „Hauptverhältnisses“ erforderlich, an das akzessorisch angeknüpft werden kann (also beispielsweise bei der akzessorischen Anknüpfung im internationalen Deliktsrecht der mit dem Delikt im Zusammenhang stehende Vertrag). Dies ist das eigentliche Spezifikum der akzessorischen Anknüpfung. Wird die abweichende Anknüpfung hingegen durch die gleichen Partei- oder Verkehrsinteressen gestützt, muss nicht erst ein „Hauptverhältnis“ bestimmt werden. Würde man den Begriff der akzessorischen Anknüpfung auch im Fall der identischen kollisionsrechtlichen Interessenlage verwenden, verlöre der Begriff seine materielle Aussagekraft.187
mäß Art. 7 EGBGB. Auch das Namensstatut wird natürlich nicht akzessorisch an das Rechtsund Geschäftsfähigkeitsstatut angeknüpft (oder umgekehrt). 184 Vgl. auch BT-Drs. 10/504, S. 58. Im Ergebnis wurden den „durch die Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts bedingte[n] Qualifikationskonflikte[n] im Verhältnis zu den allgemeinen Ehewirkungen [eine] untergeordnet[e] Bedeutung beigemessen“. 185 Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 434; Kropholler, RabelsZ 33 (1969), 601, 633 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 146; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Lorenz, Einl. zum IPR Rn. 39; Michel, Die Akzessorische Anknüpfung, S. 4; Rauscher, NJW 1988, 2151, 2154; Schurig, in: Lorenz u. a. (Hrsg.), FS Heldrich, S. 1024; Spelsberg-Korspeter, Anspruchskonkurrenz im internationalen Privatrecht, S. 79; jurisPK/Wurmnest, Art. 41 EGBGB Rn. 11. Vgl. auch BGH 10.06.2015, DNotZ 2015, 686, 688 (Tz. 17); Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, S. 285; jurisPK/Ludwig, Art. 4 EGBGB Rn. 184. 186 Insofern nur Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 434. Zum inneren Entscheidungseinklang beziehungsweise Konsistenzinteresse ausführlich unten S. 275 ff. 187 So allerdings wohl Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Lorenz, Art. 4 EGBGB Rn. 9; MünchKomm/von Hein, Art. 4 EGBGB Rn. 33; Sonnentag, Der Renvoi im Internationalen Privatrecht, S. 180, 181. Vgl. auch Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, S. 284.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
II. Die akzessorische Anknüpfung im internationalen Vertragsrecht Im Gegensatz zum internationalen Deliktsrecht fristet die akzessorische Anknüpfung im internationalen Vertragsrecht bisher eher ein „Schattendasein“. In aller Regel werden Verträge dem am gewöhnlichen Aufenthalt geltenden Recht der vertragscharakteristisch leistenden Partei unterworfen (vergleiche Art. 4 I, II Rom I). Allerdings enthält auch Art. 4 III Rom I (wie schon zuvor Art. 28 V EGBGB a. F.) eine Ausweichklausel, über die ein Vertrag abweichend anzuknüpfen ist, „wenn der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz 1 oder 2 bestimmten Staat aufweist“. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Der zugehörige Erwägungsgrund 20 Rom I führt zu der geforderten „offensichtlich engeren Verbindung“ aus: „Weist ein Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem in Artikel 4 Absätze 1 und 2 genannten Staat auf, so sollte eine Ausweichklausel vorsehen, dass das Recht dieses anderen Staats anzuwenden ist. Zur Bestimmung dieses Staates sollte unter anderem berücksichtigt werden, ob der betreffende Vertrag in einer sehr engen Verbindung zu einem oder mehreren anderen Verträgen steht.“ 188
Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass ein Vertrag an einen anderen Vertrag oder mehrere andere Verträge angeknüpft werden kann. Bisher wird allerdings von der herrschenden Meinung nur zurückhaltend von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Akzessorisch sollen beispielsweise „angelehnte Verträge“, das heißt Verträge, die die Abänderung, Ergänzung oder Erfüllung des Hauptvertrages zum Zweck haben, angeknüpft werden.189 Gleiches gilt unter bestimmten Umständen für die unter einem Rahmenvertrag geschlossenen Einzelverträge und unter Umständen auch für Sicherungsverträge, welche die Erfüllung von Verbindlichkeiten aus einem anderen Vertrag absichern sollen.190 Allerdings hat bereits von der Seipen zum EVÜ vorgeschlagen, „komplexe Vertragsverhältnisse“ mittels des Instruments der akzessorischen Anknüpfung einer einzigen Rechtsordnung zu unterwerfen.191 Unter den Begriff komplexer Vertragsverhältnisse fasst er „Fallgestaltungen, in denen mehrere Verträge zwischen mehr als zwei Beteiligten wirtschaftlich zusammenhängen.“192 Ein Bei188 In der englischen Sprachfassung lautet der letzte Satz wie folgt: „In order to determine that country, account should be taken, inter alia, of whether the contract in question has a very close relationship with another contract or contracts.“ In der französischen Sprachfassung: „Afin de déterminer ce pays, il convient de prendre en compte, notamment, l’existence de liens étroits du contrat avec un ou plusieurs autres contrats.“ 189 MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 300; IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 76. 190 MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 301 f. Zum Sicherungsvertrag auch IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 75. 191 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 37. 192 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 26.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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spiel eines solchen komplexen Vertragsverhältnisses soll insbesondere auch der mehrgliedrige Überweisungsvorgang sein.193 Die Besonderheit dieses Vorschlags liegt insbesondere darin begründet, dass es bei der akzessorischen Anknüpfung, so wie sie jedenfalls ursprünglich verstanden wurde, um die Anknüpfung von Rechtsverhältnissen in einem Zwei-Personen-Verhältnis ging. Dies gilt für die vertragsakzessorische Anknüpfung im internationalen Deliktsrecht wie auch für die oben genannten im internationalen Vertragsrecht gebildeten Fallgruppen akzessorisch anzuknüpfender Vertragstypen. Von der Seipen schlägt nun aber vor, die akzessorische Anknüpfung auf den mehrgliedrigen Überweisungsverkehr zu übertragen. Es geht hierbei also nicht um eine vertragsakzessorische Anknüpfung innerhalb einzelner Überweisungsverhältnisse, sondern um eine den gesamten Überweisungsvorgang betreffende einheitliche Anknüpfung. Das „Hauptverhältnis“, an das akzessorisch angeknüpft wird, liegt damit außerhalb der jeweiligen „Zweierbeziehung“. Ein Überweisungsverhältnis zwischen zwei Beteiligten eines Überweisungsvorgangs kann, folgt man dem Anknüpfungsvorschlag von der Seipens, deshalb einem (fremden) Recht, das in einem anderen Überweisungsverhältnis gilt, an dem keiner der beiden beteiligt ist, unterliegen. Eine derartige akzessorische Anknüpfung an Rechtsverhältnisse vertragsfremder Dritter wird jedenfalls heutzutage ganz überwiegend kritisch gesehen.194 Das heißt jedoch nicht, dass der Vorschlag einer akzessorischen Anknüpfung bei personenverschiedenen Verträgen endgültig „vom (kollisionsrechtlichen) Tisch“ ist. Dies zeigt insbesondere die Antwort des EuGH in der Rechtssache Haeger & Schmidt GmbH v Mutuelles du Mans assurances IARD (MMA IARD) u. a. (C-305/13) aus dem Jahr 2014 auf eine Vorlagefrage der französischen „Cour de cassation“.195 Im Fall ging es um ein französisches Unternehmen namens VA Tech, welches einen Spediteur mit Sitz in Frankreich, Safram, beauftragte, einen Transformator vom belgischen Hafen in Antwerpen nach Lyon in 193 Vgl. nur von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 83. 194 Allgemein wird deshalb bei der akzessorischen Anknüpfung Parteiidentität gefordert, BeckOGK/Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 186; Wendelstein, Kollisionsrechtliche Probleme der Telemedizin, S. 265; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 150; Palandt/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 29. Vgl. auch IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 75; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 297; Erman/Hohloch, Art. 4 Rom I Rn. 45. Vgl. auch OLG Karlsruhe 03.08.2010, IPRspr 2011, 75, 76 (Tz. 9). Ausnahmen zulassend Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 136. 195 EuGH 23.10.2014, IPRax 2015, 559 ff. Die Vorlageentscheidung vom 22.05.2013 der „Cour de cassation“ (Az. 12-13.052) ist unter abrufbar. Das das Urteil des EuGH implementierende Revisionsurteil der „Cour de cassation“ ist abrufbar unter: .
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Frankreich zu transportieren. Die französische Spedition schloss daraufhin mit dem deutschen Unternehmen Haeger & Schmidt einen weiteren Speditionsvertrag. Die deutsche Spedition beauftragte wiederum den französischen Beförderer, Herrn Lorio, den Transformator mit seinem Lastkahn „El-Diablo“ an seinen Bestimmungsort nach Lyon zu befördern. Beim Verladen auf das Lastschiff des Beförderers kenterte das Schiff mitsamt dem Transformator. VA Tech verklagte die beiden Spediteure auf Schadensersatz. Der deutsche Spediteur verkündete Herrn Lorio und seiner französischen Versicherung IARD den Streit. Das erstinstanzliche französische Gericht sowie die Berufungsinstanz unterwarfen sämtliche Verträge, noch unter Geltung des EVÜ, französischem Recht. Die deutsche Spedition machte hingegen (als einzigen Revisionsgrund) geltend, dass für Ansprüche gegen sie deutsches Recht gelte. Das Revisionsgericht, die „Cour de cassation“, legte dem EuGH drei Vorlagefragen vor. Die dritte und letzte Frage lautete wie folgt: „Sofern die allgemeine Vermutung nach Art. 4 Abs. 2 für Speditionsverträge gilt, kann dann in dem Fall, dass der ursprüngliche Auftraggeber mit einem ersten Spediteur kontrahiert hat, an dessen Stelle sodann ein zweiter Spediteur getreten ist, das auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem zweiten Spediteur anzuwendende Recht nach dem Ort der Niederlassung des ersten Spediteurs bestimmt und das Recht des betreffenden Staates umfassend auf das gesamte Speditionsgeschäft angewandt werden?“196 Auch wenn es im Verhältnis zum deutschen Spediteur also nicht um die Frage ging, welches Recht auf dessen Vertrag mit dem französischen Spediteur Anwendung finden soll, sondern auf den „Direktanspruch“ der VA Tech gegen ihn, sind die Ausführungen des EuGH für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand dennoch von Bedeutung. So führt er aus: „Das vorlegende Gericht hat […] sämtliche objektive Gesichtspunkte, die das Vertragsverhältnis kennzeichnen, umfassend zu würdigen und auf den oder die Gesichtspunkte einzugehen, die seiner Ansicht nach am bedeutsamsten sind (vergleiche entsprechend Urteil Schlecker, C-64/12, EU:C:2013:551, Rn. 40). Wie die Kommission hervorgehoben hat, sind unter den bedeutsamen Anknüpfungspunkten insbesondere das Vorhandensein enger Verbindungen zwischen dem betreffenden Vertrag und einem oder mehreren anderen Verträgen, die gegebenenfalls Glieder derselben Kette von Verträgen sind, und der Ablieferungsort der Güter zu berücksichtigen. Für diese Auslegung spricht auch der 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 593/2008, in dem als relevantes Anknüpfungskriterium ausdrücklich eine Kette von mit dem betreffenden Vertrag in engem Zusammenhang stehenden Verträgen erwähnt ist [Hervorh. d. Verf.].“197
Ausdrücklich sind demnach andere Verträge derselben „Vertragskette“ im Rahmen der Anknüpfung zu berücksichtigen. Der EuGH nimmt hierzu ausdrücklich 196 197
EuGH 23.10.2014, IPRax 2015, 559 f. (Tz. 16). EuGH 23.10.2014, IPRax 2015, 559, 562 (Tz. 49 f.).
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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auf die Kommission und auf den Erwägungsgrund 20 Rom I Bezug. Allerdings ist in Erwägungsgrund 20 Rom I nicht die Sprache von einer „Kette von Verträgen“. Es wird nur auf eine „sehr enge Verbindung zu einem oder mehreren anderen Verträgen“ Bezug genommen. Allerdings nimmt auch die französische Sprachfassung des Urteils (französisch war Verfahrenssprache) insofern auf eine „l’existence d’une chaîne de contrats“ Bezug, während hingegen die englische Sprachfassung des Urteils Erwägungsgrund 20 Rom I wiedergibt, also lediglich davon spricht, dass eine „very close connection between the contract in question and another contract or contracts“ ein relevantes Kriterium für die Anknüpfung sein kann. Wahrgenommen werden sollte jedenfalls, dass der EuGH den Umstand der Einbettung eines Vertrags in eine Kette anderer Verträge nicht von vornherein als irrelevant für die Vertragsanknüpfung trotz mangelnder „Personenidentität“ hält, sondern ausdrücklich als relevantes Kriterium bei Verträgen innerhalb Vertragsketten benennt. Deshalb könnte das Urteil dem Vorschlag von der Seipens einer akzessorischen Anknüpfung komplexer Vertragsverhältnisse schon allein aufgrund der Autorität des EuGH als Wächter über das Europäische Internationale Privatrecht neuen Aufwind verleihen. Die nachfolgende Untersuchung wird in zwei Teile aufgespalten. Zunächst wird untersucht, ob eine akzessorische Anknüpfung generell der in Rom I kollisionsrechtlichen Interessenlage im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr entspricht. In einem zweiten Schritt wird dann – vom ersten Schritt unabhängig – untersucht, welcher der maßgebliche „Hauptvertrag“ in der „Überweisungskette“ sein könnte beziehungsweise ist, an den die anderen Überweisungsverhältnisse akzessorisch anzuknüpfen wären. III. Für die akzessorische Anknüpfung vorgebrachte kollisionsrechtliche Interessen Wie gerade gezeigt, ist eine akzessorische Anknüpfung eines Vertrags an einen „Hauptvertrag“ im europäischen internationalen Vertragsrecht grundsätzlich über die Ausweichklausel des Art. 4 III Rom I möglich. Sie bedarf jedoch wie jede von der Regelkollisionsnorm abweichende Anknüpfung der besonderen Rechtfertigung, die sich insofern – wie jede andere kollisionsrechtliche Anknüpfung auch – grundsätzlich am internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeitsideal ausrichtet.198
198 Zur internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 270 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131 ff.; Köhler, Eingriffsnormen, S. 68 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 24 f. Vgl. auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 62 f.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Der kollisionsrechtliche Gerechtigkeitsbegriff ist ohne weitere Präzisierung zu unscharf, als dass man konkrete Anknüpfungen aus ihm ableiten könnte. Ihn zu präzisieren hilft die kollisionsrechtliche Methodenlehre. Diese identifiziert die maßgeblichen kollisionsrechtlichen Interessen unter Einteilung in Parteiinteresse, Verkehrsinteresse und staatliches Ordnungsinteresse. Die vorgenannten Interessen bilden, wenn auch im Einzelnen nicht unbestritten, doch den Ausgangspunkt für die im Grundsatz allgemein anerkannte kollisionsrechtliche Interessenlehre.199 Die kollisionsrechtlichen „Vektoren“200 und ihre Gewichtung durch den Gesetzgeber auf Grundlage seiner im Gesetz manifestierten Entscheidungen sind maßgebend dafür, ob und wie ein Rechtsverhältnis durch den Rechtsanwender über eine Ausweichklausel anzuknüpfen ist.201 In diesem Zusammenhang soll zunächst hervorgehoben werden, dass die akzessorische Anknüpfung bei der „Lokalisierung“ eines Rechtsverhältnisses insbesondere nicht per se „gerechter“ im Sinne des Internationalen Privatrechts ist. Internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit kann nicht darauf reduziert werden, dass nur ein Recht auf einen wirtschaftlich zusammenhängenden Lebenssachverhalt angewendet wird.202 Selbst von der Seipen, einer der maßgeblichen Verfechter der akzessorischen Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht, erkennt insofern immerhin an, dass es ebenso „denkbar [ist], der internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit durch die Anwendung mehrere Rechte näher zu kommen.“203 199 Siehe zur „Kegelschen“ Interessenlehre, Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 259 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131 ff. Die dortige Ausdifferenzierung der kollisionsrechtlichen Interessen legte die Grundlage für die meisten nachfolgenden Arbeiten, vgl. nur Fricke, Der Unterlassungsanspruch, S. 8; Hirse, Die Ausweichklausel im Internationalen Privatrecht, S. 213; Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 135; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 31 ff. Zur Kritik an dieser Interessenlehre z. B. Hirse, Die Ausweichklausel im Internationalen Privatrecht, S. 213 ff. oder auch Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 45, der diese Dreiteilung „weder [als] logisch zwingend noch praktisch frei von Überschneidungen“ – was sie allerdings auch nicht sein soll – verwirft. 200 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 133. 201 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 134. Die Anknüpfung eines Rechtsverhältnisses erfolgt also aufgrund einer normativen Betrachtung und ist nicht faktisch vorgegeben, Köhler, Eingriffsnormen, S. 68 Fn. 331. Vgl. auch Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 24 f.; Roth, in: Baur u. a. (Hrsg.), FS Kühne, S. 860. 202 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 63. Wohl auch nicht anderer Ansicht Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 161, wenn auch nach seiner Auffassung „für jeden regelungsbedürftigen Sachverhalt eine und nur eine Rechtsordnung bestimmt werden“ soll. Aber auch er sieht bei einer solchen Vorgehensweise gleichzeitig „die Gefahr übermäßiger Simplifizierung“. In diese Richtung gehend aber wohl zum Beispiel OLG Karlsruhe 03.08.2010, BeckRS 2010, 20820 (Tz. 8). 203 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 63. Vgl. auch Kadel, Die Haftung der Banken im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr nach dem neuen Überweisungsrecht, S. 228.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
275
Im Folgenden geht es deshalb um die zur Rechtfertigung der akzessorischen Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht vorgebrachten kollisionsrechtlichen Interessen. Von den Verfechtern einer akzessorischen Anknüpfung wird insofern das kollisionsrechtliche Parteiinteresse als Leitstern einer einheitlichen Anknüpfung identifiziert.204 Während nach Kegel hierunter das „elementare Interesse“ einer Person an der Anwendung einer Rechtsordnung zu verstehen ist, mit der diese eng verbunden ist,205 wurde es im Anschluss insbesondere von Lüderitz in einzelne „Subinteressen“ ausdifferenziert.206 Auf dieser methodischen Grundlage machen die Vertreter der akzessorischen Anknüpfung, allen voran von der Seipen, selbst eigene „Subinteressen“ aus, die für eine akzessorische Anknüpfung sprechen sollen. Die folgende Untersuchung soll sich insofern an den Begrifflichkeiten von der Seipens orientieren, der die aus seiner Sicht maßgeblichen Parteiinteressen an einer akzessorischen Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht als Konsistenzinteresse, Kontinuitätsinteresse und allgemeines Sachzusammenhangsinteresse bezeichnet.207 1. Konsistenzinteresse Für eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht soll, wie gerade festgestellt, das sogenannte „Konsistenzinteresse“ sprechen.208 Diesbezüglich finden sich bei von der Seipen gleich zwei Definitionen. Zum einen soll hierunter „das Interesse der Parteien an der Anwendung einer einheitlichen und damit kalkulierbaren voraussehbaren Rechtsordnung zu verstehen“209 sein. 204
von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 135. Vgl. auch Lüderitz, in: Lüderitz/ Schröder (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Kegel, S. 34; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 121. 206 Lüderitz, in: Lüderitz/Schröder (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Kegel, S. 34 ff., nämlich in das Ermittlungs-, Anpassungs-, und Kontinuitätsinteresse.Vgl. auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 254 ff.; Hirse, Die Ausweichklausel im Internationalen Privatrecht, S. 219 ff.; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 136 ff. 207 Siehe ausführlich zu diesen Interessen von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163 ff. (betreffend internationale Bankgeschäfte bezogen auf das Dokumentenakkreditiv). Nach von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 91 f. sprechen die genannten Interessen allerdings auch im internationalen Überweisungsrecht für eine akzessorische Anknüpfung. 208 Speziell zum internationalen Überweisungsrecht: Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 275 f.; von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 91 f.; Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 37 Allgemein auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163; Jayme, IPRax 1987, 63, 64; Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 198. 209 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 91. 205
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
An anderer Stelle definiert er es hingegen als das „Interesse der Parteien daran, dass die zur Lösung eines Falles berufenen Rechte widerspruchslos miteinander harmonieren“210, wobei es sich letztlich um eine subjektive Einkleidung (Parteiinteresse) des Interesses am inneren Entscheidungseinklang handelt. Mit dem von ihm postulierten Konsistenzinteresse erfasst von der Seipen somit nicht nur einen, sondern zwei unterschiedliche Aspekte, die bei der Bildung von Kollisionsnormen berücksichtigt werden sollten. Während die erste Definition die kollisionsrechtliche Voraussehbarkeit des Verweisungsergebnisses, also welche Rechtsordnung beziehungsweise welche Rechtsordnungen auf einen Lebenssachverhalt Anwendung finden, in den Vordergrund rückt, geht es nach der zweiten Definition hingegen ausschließlich darum, ein Verweisungsergebnis zu erzielen, das Normkonflikte zwischen den materiell-rechtlichen Vorschriften der berufenen Rechtsordnungen verhindert. Insofern scheint sein Verständnis des Konsistenzinteresses maßgeblich auch von seinem Verständnis der kollisionsrechtlichen Rechtssicherheit geprägt zu sein, in der er auch beide Gesichtspunkte wiedererkennt.211 Anschließend an diese begriffliche Dichotomie werden im Folgenden beide Aspekte des Konsistenzinteresses aus der Perspektive des grenzüberschreitenden Überweisungsverkehrs untersucht. a) Voraussehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung Natürlich ist auch die Voraussehbarkeit des auf ein Rechtsverhältnis anzuwendenden Rechts, also die Bestimmtheit des Anknüpfungsmoments, ein bei der Bildung von Kollisionsnormen zu berücksichtigender Aspekt. Dies stellt auch Erwägungsgrund 16 Rom I insofern klar: „Die Kollisionsnormen sollten ein hohes Maß an Berechenbarkeit aufweisen, um zum allgemeinen Ziel dieser Verordnung, nämlich zur Rechtssicherheit im europäischen Rechtsraum, beizutragen. Dennoch sollten die Gerichte über ein gewisses Ermessen verfügen, um das Recht bestimmen zu können das zum Sachverhalt die engsten Verbindungen aufweist.“
Es ist jedoch von vornherein mehr als zweifelhaft, ob eine akzessorische Anknüpfung überhaupt dem Aspekt einer „besseren“ oder auch nur gleich guten Voraussehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung genügen kann. Kalkulierbar und voraussehbar ist die Berufung einer Rechtsordnung nämlich auch und sogar insbesondere dann, wenn jedes Rechtsverhältnis innerhalb der Überweisungskette für sich, also isoliert betrachtet, angeknüpft wird. Gemäß Art. 4 I lit. b Rom I 210
von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163. von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92. Auch dieses erstreckt er sowohl auf die Existenz „klarer Kollisionsregeln“ als auch „auf die materiellrechtliche Funktionalität“ des Zusammenwirkens verschiedener berufener Rechtsordnungen, vgl. von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 60 f. 211
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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wird ein Giroverhältnis dem Recht des Staates unterworfen, in dem der Dienstleister, das heißt die beauftragte Bank, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (siehe auch § 4A-507 (a)(1) UCC und Art. Y ModellG).212 Auch und gerade hierdurch ist das anwendbare Recht eindeutig festgelegt. Die Bedenken gegen die Voraussehbarkeit dieser isolierten Anknüpfungsmethode des Art. 4 I lit. b Rom I greifen, wie oben gezeigt, eben nicht.213 Vielmehr kann diese Anknüpfungsmethode sogar als kalkulierbarer und voraussehbarer als die der akzessorischen Anknüpfung betrachtet werden.214 Schließlich ist dort höchst umstritten, welches der „Hauptvertrag“ in der Überweisungskette sein soll, an den zur Bestimmung des anwendbaren Rechts angeknüpft werden soll.215 Soll es nun das Statut des Deckungs- oder des Inkassoverhältnisses oder gar ein drittes sein? Und selbst wenn das Hauptstatut klar bestimmt werden könnte, wäre für die Parteien nicht absehbar, ob insoweit von den Parteien des Hauptverhältnisses eine Rechtswahl getroffen wurde. Insofern ist die Anwendung der Regelanknüpfung des Art. 4 I lit. b Rom I der Ausweichklausel des Absatzes 3 folglich sogar vorzuziehen. Die Voraussehbarkeit der Anknüpfung von Direktansprüchen zwischen vertraglich nicht miteinander verbundenen Beteiligten eines Überweisungsvorgangs (zum Beispiel des Überweisenden gegen eine zwischengeschaltete Bank) ist nach traditioneller kollisionsrechtlicher Methode jedoch nicht im gleichen Maße gegeben.216 Die Qualifikation und damit Anknüpfung dieser Ansprüche ist höchst umstritten. In Betracht kommen sowohl eine vertragliche als auch eine deliktische Qualifikation wird vorgeschlagen.217 Diese Problematik stellt sich in der Tat nur nach der traditionellen Anknüpfungsmethode, also wenn die einzelnen Rechtsverhältnisse innerhalb der Überweisungskette isoliert voneinander angeknüpft werden. Bei Bildung eines Gesamtstatuts im Wege der akzessorischen Anknüpfung würden solche Direktansprüche unzweifelhaft gleichfalls akzessorisch an den „Hauptvertrag“ angeknüpft werden. Dieses Qualifikationsproblem würde durch die akzessorische Anknüpfung also vermieden. Natürlich bleibt aber auch hier im Rahmen der akzessorischen Anknüpfung nach wie vor die Unsicherheit bestehen, welcher Vertrag die Funktion als „Hauptvertrag“ innehaben soll. Betreffend die Anknüpfung von Direktansprüchen erlangt folglich keine der beiden Anknüpfungsmöglichkeiten einen Vorteil gegenüber der anderen.
212
Oben S. 137. Oben S. 139 ff. 214 So auch für Subunternehmerverträge Pulkowski, Subunternehmer und Internationales Privatrecht, S. 165. 215 Unten S. 300 ff. 216 Vgl. oben S. 206 ff. 217 Oben S. 206. 213
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Zugegebenermaßen mag jedoch auch der inhaltliche Umfang der traditionell gebildeten Vertragsstatute nicht immer ohne Weiteres feststellbar sein. Beispielsweise wäre da die Frage nach der Verantwortung einer Bank für Fehler während des Überweisungsvorgangs. Ist die Frage nach der Haftung einer Bank für eigene Fehler jedenfalls dem Vertragsstatut zwischen ihr und dem Anspruchsteller zuordenbar, ist es doch schon schwieriger, eine solche Zuordnung für die Frage vorzunehmen, ob eine vorausgehende Bank, zum Beispiel die Bank des Überweisenden, auch für diesen aus ihrer Sicht fremden Fehler einzustehen hat, weil die fehlerhaft handelnde Bank als ihr Erfüllungsgehilfe anzusehen ist.218 Ist die Antwort auf diese Frage – wie es richtig ist – dem Deckungsverhältnis oder dem Interbankenverhältnis mit dieser fehlerhaft handelnden zwischengeschalteten Bank zu entnehmen? Auch diese Qualifikationsfrage ist nur bei einer isolierten Anknüpfung von Relevanz, da bei der Bildung eines Gesamtstatuts im Wege der akzessorischen Anknüpfung alle Rechtsverhältnisse grundsätzlich nur einer Rechtsordnung unterliegen. Im Endergebnis müssen sich aber auch die Vertreter der akzessorischen Anknüpfung wegen der nicht vermeidbaren Durchbrechungen des Gesamtstatuts, zum Beispiel aufgrund bilateraler Rechtswahlen in den einzelnen Überweisungsverhältnissen oder der Beteiligung von Verbrauchern im Deckungs- oder Inkassoverhältnis, dieser Frage gegebenenfalls stellen.219 b) Innerer Entscheidungseinklang aa) Der innere Entscheidungseinklang im internationalen Vertragsrecht Die Voraussehbarkeit der anwendbaren Rechtsordnung betrifft im Verständnis von der Seipens nur einen Gesichtspunkt des Konsistenzinteresses. Inhaltlich reicht der Begriff, vor allem nach der zweiten Definition, weiter. Danach geht es insbesondere darum, Normkonflikte zu vermeiden, die durch die Berufung verschiedener Rechtsordnungen auf verschiedene Teile ein und desselben Lebenssachverhalts entstehen können, weil deren konkrete Lösung im Einzelfall ebenfalls schwer voraussehbar wäre.220 Dieses „Ziel“ wird herkömmlicherweise auch als das Bestreben nach innerem Entscheidungseinklang bezeichnet.221 Dieses 218
Oben S. 202 f. Unten S. 319 ff. 220 In diesem Sinn verstehen den Begriff auch Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 198; Göthel, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.2662; Jayme, IPRax 1987, 63, 64; Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 275. 221 Vgl. Göthel, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.2662; Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 198. Zur Definition Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 276 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 141. Vgl. auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 55. 219
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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wird nach der „Kegelschen“ Interessenlehre zusammen mit dem äußeren Entscheidungseinklang222 dem vom Parteiinteresse verschiedenen Ordnungsinteresse eines Staates zugeordnet.223 Allerdings steht dieses Interesse zumindest mittelbar auch im Partei- und Verkehrsinteresse.224 Dieses „stets vorhandene“ und zu berücksichtigende Interesse ist, unabhängig von der Einordnung als Ordnungsinteresse oder als generalisiertes Parteiinteresse, grundsätzlich von jedem Kollisionsrechtsgesetzgeber bei der Bildung seiner Kollisionsnormen bereits berücksichtigt worden.225 Dies gilt insbesondere auch für das europäische internationale Vertragsrecht und soll im Folgenden nachgewiesen werden. Parteien eines Vertragsverhältnisses haben grundsätzlich ein Interesse an der Anwendung eines von ihnen jeweils ohne großen Aufwand ermittelbaren Rechts; dies wird regelmäßig das am gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise Sitz der Partei geltende Recht sein. So wird eine amerikanische Bank, die einen Überweisungsauftrag an eine französische Bank sendet, grundsätzlich daran interessiert sein, dass ihr eigenes „Umweltrecht“, hier also das Recht eines US-amerikanischen Bundesstaates, zur Anwendung kommt. Die französische Bank hat jedoch genau das gleiche Interesse, nur, dass es im Ergebnis nicht das Recht eines US-amerikanischen Bundesstaates ist, sondern französisches Recht. Der europäische Gesetzgeber erklärt gemäß Art. 4 I lit. b Rom I nun nicht für beide Parteien jeweils ihr eigenes „Umweltrecht“ für anwendbar, sondern einheitlich das Recht des Staates am Sitz des Dienstleisters, also der den Überweisungsauftrag ausführenden französischen Bank.226 Er bildet für den einzelnen Vertrag ein einheitliches Statut. Das maßgebliche Interesse, das zur Bildung dieses vertragseinheitlichen Statuts führt (es geht an dieser Stelle (noch) nicht darum, welches Recht Anwendung findet), ist aber gerade das Interesse am inneren Entscheidungseinklang.227 Innerhalb eines Vertragsverhältnisses hat es der europäische Gesetzgeber folglich für so gewichtig erachtet, dass es sich gegenüber den bei beiden Beteiligten vorhandenen (im Ergebnis inhaltlich verschiedenen) Parteiinteressen an der Anwendung eines „vertrauten“ Rechts durchgesetzt hat. Dass dies keineswegs „zwingend“ ist, zeigt beispielsweise auch die frühe Rechtsprechung des BGH, nach welcher, wenn die Parteien das Recht weder gewählt hatten noch ein „hypothetischer“ Parteiwille an der Anwendung einer bestimmten Rechtsord222
Hierzu unten S. 281 ff. Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 276 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 139 ff. 224 Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277. 225 Vgl. Spelsberg-Korspeter, Anspruchskonkurrenz im internationalen Privatrecht, S. 118. 226 Hierzu schon oben S. 137. 227 Vgl. von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163. 223
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
nung ermittelbar war, für das Schuldstatut das Recht am Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung maßgebend war;228 insbesondere durfte nach dem BGH bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens auf zweiter Stufe nicht allein darauf abgestellt werden, wer die Sachleistungspflicht, die von ihm als die „verwickeltere“229 angesehen wurde, zu erbringen hatte.230 Diese Rechtsprechung konnte folglich zu einer Spaltung des Vertragsstatuts führen. Von der Seipen führt die Bildung eines vertragseinheitlichen Statuts im internationalen Vertragsrecht als zentrales Argument für eine akzessorische Anknüpfung von Vertragsketten an;231 er bezieht sich allerdings noch auf Art. 4 des Römischen Schuldvertragsübereinkommens (EVÜ), respektive Art. 28 EGBGB. Von der Seipen möchte die dort durch den Gesetzgeber vorgenommene Wertung des Interesses am inneren Entscheidungseinklang auch auf „komplexe Vertragsverhältnisse“232 wie die im Überweisungsrecht vorkommenden Vertragsketten übertragen.233 Dies ist jedoch aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit beider Situationen nicht möglich. Die gesetzgeberischen Erwägungen im EVÜ und nun in Rom I beziehen sich nämlich auf ein Zweipersonenverhältnis; eine grenzüberschreitende Überweisung setzt sich jedoch in der Regel aus einer Vielzahl an Einzelverträgen mit jeweils verschiedenen Beteiligten zusammen. Beim grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr geht es somit nicht um die Abwägung von kollisionsrechtlichen Interessen im Hinblick auf zwei Parteien, die sich privatautonom zu einem bilateralen Leistungsaustausch entschlossen haben. Es treten vielmehr die Parteiinteressen der anderen Beteiligten, die auch in den akzessorischen „Verbund“ hineinfallen sollen und die sich eben nicht alle anderen Beteiligten privatautonom ausgesucht haben, hinzu. Der Gesetzgeber hat in Rom I die Interessenabwägung grundsätzlich aber nur für solche Konstellationen 228
BGH 22.09.1971, NJW 1972, 391, 393 f.; BGH 30.03.1955, NJW 1955, 827, 827; BGH 30.09.1952, NJW 1953, 339, 340; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 164. 229 BGH 22.09.1971, NJW 1972, 391, 393 (Tz. 17). 230 BGH 19.09.1973, NJW 1973, 2151 f. (Tz. 12). Vorgenannte Entscheidung kann als der „Wendepunkt“ in der Rechtsprechung des BGH bezeichnet werden, der die Schwächen seiner eigenen Rechtsprechung erkannt hatte. Er versuchte nun, auch wenn er an dem dreistufigen System der Ermittlung des anwendbaren Rechts grundsätzlich nichts änderte, aufgrund einer Gesamtabwägung aller Umstände im Einzelfall, wozu auch der Aufenthaltsort der die vertragscharakteristische Leistung erbringenden Partei gehörte, möglichst zu einem einheitlichen Statut zu kommen. Zur Rechtsprechung des BGH auch Jayme, in: Doehring u. a. (Hrsg.), S. 586 ff.; auch Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat-, und Zivilprozessrecht, Rn. 530 ff.; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 164. Vgl. auch zu § 4A-507 (c) UCC oben S. 227 f. 231 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 163 ff. 232 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 170. 233 Vgl. von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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vorgenommen, in denen sich zwei Parteien gegenseitig freiwillig zu einem Leistungsaustausch verpflichten.234 Gleichwohl kann auch nicht der obige Befund geleugnet werden, dass es bei grenzüberschreitenden Überweisungen zu Normenwidersprüchen kommen kann, wie zum Beispiel im Rahmen der Bankenhaftung im Fall einer fehlerhaft handelnden zwischengeschalteten Bank235 oder in dem Fall, dass eine Überweisung nicht an den im Überweisungsauftrag des Überweisenden bezeichneten Empfänger gelangt und die auf den Überweisungsvorgang anwendbaren Rechtsordnungen nur teilweise eine „money-back guarantee“ vorsehen.236 Das Interesse am inneren Entscheidungseinklang erfährt also durchaus im internationalen Überweisungsrecht eine besondere Aktualität. bb) Verhältnis zum äußeren Entscheidungseinklang Zu untersuchen bleibt jedoch, ob das Interesse am äußeren Entscheidungseinklang, ebenso wie der innere Entscheidungseinklang ein Ordnungsinteresse, gegen eine akzessorische Anknüpfung spricht oder zumindest das zu deren Gunsten sprechende Argument des inneren Entscheidungseinklangs abschwächt. „Während es beim inneren Entscheidungseinklang um die ‚Geschlossenheit‘ der Lösungen ein und desselben Staates [geht], handelt es sich beim äußeren Entscheidungseinklang um alle Staaten.“237 Es gibt also ein Interesse, die Nachteile, die aus der Verschiedenheit des Internationalen Privatrechts verschiedener Staaten entstehen, zu begrenzen.238 Das Problem wurzelt darin, dass, wenn in verschiedenen Staaten verschiedene Privatrechtsordnungen auf einen Sachverhalt für anwendbar erklärt werden, es zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Beantwortung ein und derselben Rechtsfrage durch diese Staaten kommen kann.239 Während der innere Entscheidungseinklang durch die Bildung möglichst umfas234 Siehe zur insofern maßgeblichen Definition des Vertrages nach Rom I IVR/Kieninger, Art. 1 Rom I Rn. 5; MünchKomm/Martiny, Art. 1 Rom I Rn. 7. Hierzu bereits oben S. 208. 235 Oben S. 218 ff. 236 Oben S. 179 ff. 237 Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277. 238 Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277. 239 Durch Berücksichtigung des Interesses am äußeren Entscheidungseinklang vermieden werden sollen sogenannte „hinkende“ Rechtsverhältnisse (Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277). Hierzu kann es dadurch kommen, dass ein Rechtsverhältnis je nach Staat, dessen Kollisionsnormen angewendet werden, verschiedenen Rechtsordnungen unterstellt wird, sodass aufgrund der jeweils anwendbaren materiellen Normen das Rechtsverhältnis in einem Staat als wirksam anzusehen ist, in einem anderen Staat jedoch als unwirksam (das klassische Beispiel ist dasjenige der Eheschließung, welche in einem Staat als wirksam erachtet wird, in einem anderen Staat hingegen jedoch nicht; für weitere Beispiele Kegel, ebd. S. 276 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 140).
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
sender Statute gefördert wird, wird der äußere Entscheidungseinklang durch die Verwendung international gebräuchlicher Anknüpfungen gefördert.240 Folglich kann die akzessorische Anknüpfung, die ja im Ergebnis ein umfassendes einheitliches Statut für den Überweisungsvorgang bildet, grundsätzlich mit dem Inter esse am äußeren Entscheidungseinklang in Konflikt geraten, da ein einheitliches Statut im Überweisungsverkehr im internationalen Vergleich jedenfalls nicht „gebräuchlich“ ist.241 Veranschaulicht werden soll dies am folgenden Beispiel (welches angelehnt ist an den Beispielsfall zur „money-back guarantee“ im Rahmen der Problemanalyse)242: Eine Bank BÜ in Staat 1 soll eine Überweisung an die Bank BÜE in Staat 3 ausführen. Da sie keine Korrespondenzbeziehungen zur Empfängerbank unterhält, leitet sie den Überweisungsauftrag an Bank BZ1 in Staat 2 weiter. Diese leitet den Überweisungsauftrag wiederum an eine weitere zwischengeschaltete Bank BZ2 weiter, die schließlich Korrespondenzbeziehungen mit der Empfängerbank in Staat 3 unterhält. Die Überweisung erreicht jedoch niemals die Empfängerbank, weil BZ2 vor Ausführung des Überweisungsauftrags insolvent wird und dies vorher nicht erkennbar war. Angenommen, aus Sicht des Staates 1 ist im Verhältnis BÜ und BZ1 das Recht des Staates am Sitz der ausführenden Bank, das heißt das Recht des Staates 2 anwendbar (denkbar ist aber auch Recht des Staates 1)243, aus Sicht des Staates 2 führte jedoch eine akzessorische Anknüpfung dazu, dass alle einzelnen Rechts240
Vgl. auch Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277. Auch die USA folgt nicht dem von von der Seipen vorgeschlagenen Modell der akzessorischen Anknüpfung, da dort an das von einem Zahlungssystem gewählte Recht angeknüpft wird und nicht an das Deckungs- oder Inkassoverhältnis. Auch mit der Anknüpfung des § 4A507 (c) UCC herrscht somit im Ergebnis grundsätzlich keine Kongruenz. 242 Oben S. 179. 243 Das Recht des Staates 1 ist anwendbar, wenn das Kollisionsrecht eines Staates auf das Recht der beauftragenden Bank verweist. Dies ist zumindest nicht undenkbar; vgl. Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 269 mit Verweis u. a. auf Felsenfeld, der eine solche Anknüpfung im Falle der Unterwerfung des gesamten Überweisungsvorgangs unter ein Recht präferiert; auch UN-Dok., A/47/17, S. 17 („Without the rule in the second sentence [Anm. d. Verf.: gemeint ist die objektive Kollisionsregel in Art. Y I S. 2 UNCITRAl-Modellgesetz], it would be uncertain in many national laws whether a given payment order should be subject to the law of the sender or to the law of the receiving bank.“); UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 149 („The Working Group then considered the law that should be applicable to a segment of the credit transfer when the parties had not exercised their right to choose the applicable law. Under one view the characteristic performance in the transfer process was that of the sender. Under another view the characteristic performance was that of the receiving bank which was faced with the obligation to verify the source of the payment order, to accept it or give notice of rejection, and, if the bank accepted it, to issue a new payment order consistent with the payment order received.“). 241
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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verhältnisse eines Überweisungsvorgangs an das Inkassoverhältnis zwischen der Empfängerbank und ihrem Kunden angeknüpft werden. In diesem Fall wäre also das Recht des Staates 3 auf den gesamten Überweisungsvorgang anwendbar. Weiterhin soll angenommen werden, dass das Recht des Staates 2 (oder gegebenenfalls des Staates 1) das Rechtsinstitut der „money-back guarantee“ kennt, dasjenige des Staates 3 jedoch nicht. Nach dem Recht des Staates 2 würde folglich die Bank des Überweisenden BÜ den Überweisungsbetrag zurückerhalten. Nach dem Recht des Staates 3 besteht jedoch kein verschuldensunabhängiger Rückerstattungsanspruch. Da der Bank BZ1 auch kein Verschulden zur Last gelegt werden kann und sie den Überweisungsauftrag samt Deckung ordnungsgemäß an Bank BZ2 weitergeleitet hat, hat die Bank BÜ nach diesem Recht keinen Anspruch auf Rückerstattung des Überweisungsbetrags gegen die Bank BZ1. Die dieses Ergebnis hervorrufende Diskrepanz in der Bestimmung des anwendbaren Rechts durch die Staaten 1 und 2 wird jedoch nur dann relevant und ist damit auch nur dann für den äußeren Entscheidungseinklang von Bedeutung, wenn die Gerichte sowohl des Staates 1 als auch des Staates 2 aus ihrer Sicht jeweils zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen sind. Aber auch dies ist denkbar. Folgt zum Beispiel Staat 2 dem Regelungsmodell von Brüssel Ia, so muss grundsätzlich am Sitz des Beklagten Klage erhoben werden (oder am Ort der Dienstleistungserbringung, was hier keinen Unterscheid macht). Da die beklagte Bank BZ2 ist, müsste im Fall im Staat 2 geklagt werden. Der Staat 1 mag hingegen auch eine Klagemöglichkeit zugunsten des im eigenen Hoheitsgebiet ansässigen Klägers kennen, so zum Beispiel in den USA (vergleiche speziell für (internationale) bankenrechtliche Streitigkeiten 12 USC § 632). Dadurch, dass die Gerichte des Staates 1 und 2 denselben Rechtsstreit unterschiedlich entscheiden würden, ist der äußere Entscheidungseinklang in der Tat beeinträchtigt. Aus Sicht des Staates 2, der der akzessorischen Anknüpfung folgt, also speziell derjenige mit Staat 1. Doch stellt sich die Frage, warum Staat 2 sich nach dem Recht des Staates 1 richten sollte. Warum nicht umgekehrt? Zwar ist es wünschenswert, gleich anzuknüpfen, allein um das sogenannte „forum shopping“ zu vermeiden, doch lässt sich speziell auf die soeben aufgeworfene Frage keine Antwort finden. Deshalb sollte der Aspekt des äußeren Entscheidungseinklangs, zumindest im internationalen Vertragsrecht, zurückhaltend gehandhabt werden.244 Er widerspricht dem inneren Entscheidungseinklang also nicht per se. Beim äußeren Entscheidungseinklang geht es im Kern um die Motivation zur internationalen Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts.245 Wie jedoch 244 A.A.
zum Beispiel für Subunternehmerverträge wohl Pulkowski, Subunternehmer und Internationales Privatrecht, S. 161. 245 Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
bereits zu § 4A-507 (c) UCC festgestellt, ist dies im Rahmen des rein nationalen Rechts nur sehr begrenzt realisierbar.246 Wenn die akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht in der Sache überzeugen würde, könnte sie als Modell für andere Staaten dienen, sodass der äußere Entscheidungseinklang über die vorzugswürdige akzessorische Anknüpfung erzielt würde. cc) Zusammenfassung Das Ordnungsinteresse am inneren Entscheidungseinklang ist somit in der Tat im Rahmen des internationalen Überweisungsrechts ein berücksichtigenswertes Interesse. Fraglich ist jedoch, ob der Gesichtspunkt der Vermeidung von Normenwidersprüchen – insbesondere allein für sich genommen – ein hinreichender Aspekt für den Gleichlauf bei der Anknüpfung von mehreren Verträgen sein kann und ob sich hieraus ableiten lässt, dass eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht „erforderlich“ oder gar geboten wäre.247 Dies gilt es noch – nach Auseinandersetzung mit den übrigen zugunsten der akzessorischen Anknüpfung vorgebrachten Interessen – zu untersuchen. 2. Kontinuitätsinteresse Daneben wird zugunsten der akzessorischen Anknüpfung, insbesondere auch im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, auf ein sogenanntes „Kontinuitätsinteresse“ rekurriert.248 Dies soll ein Interesse der Parteien daran sein, ihre aus einer längeren geschäftlichen Beziehung resultierenden geschäftlichen (Rechts-) Beziehungen einer einheitlichen Rechtsordnung zu unterstellen.249 Es nimmt 246
Oben S. 251 f. Vgl. auch Kegel, in: Gerwig u. a. (Hrsg.), FS Lewald, S. 277. Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 280 („Aus dem Interesse am inneren Entscheidungseinklang ließ sich bislang nur so viel ableiten, dass eine einheitliche kollisionsrechtliche Behandlung des gesamten Mehrpersonenverhältnisses in Rückabwicklungsfragen erforderlich ist.“). 248 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92. Vgl. auch Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 200; Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 37. 249 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92; von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 185. So auch Göthel, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.2663. Anders hingegen Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 200 und Lüderitz, in: Lüderitz/Schröder (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Kegel, S. 38 ff., die den Begriff im Gegensatz zu den vorgenannten Autoren „vergangenheitsbezogen“ betrachten. So soll demnach insbesondere ein „unter früherem Recht erlangter Status erhalten [werden], früher vorgenommene Rechtsgeschäfte wirksam bleiben“ (Lüderitz, ebd. S. 39). Es geht demnach also um die „Stetigkeit“ der Anknüpfung. Vgl. hierzu und zur internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit Hirse, Die Ausweichklausel im Internationalen Privatrecht, S. 298. 247 A.A.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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speziell die zeitliche Dimension in den Fokus, die das Konsistenzinteresse nicht berücksichtigt, und soll so eine „verlässliche Arbeitsbasis“250 für die Parteien schaffen. Es soll zusammen mit dem Konsistenzinteresse251 eine „erhebliche Rolle“ für das Internationale Überweisungsrecht spielen, „jedenfalls soweit die Zusammenarbeit der Banken und der Kunden mit ihren Banken betroffen ist“.252 Jedoch ist nicht ersichtlich, warum ein solches Interesse gerade die akzessorische Anknüpfung im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr tragen soll. Vielmehr scheint die akzessorische Anknüpfung die Beständigkeit der Anknüpfung in den bilateralen Verhältnissen geradezu zu konterkarieren. Zwei aufeinanderfolgende Parteien in der „Überweisungskette“ können nämlich bei einer akzessorischen Anknüpfung ihres Vertrags an einen Hauptvertrag nicht mehr darauf vertrauen, dass auf ihr Verhältnis zueinander immer dasselbe Recht anwendbar ist. Unter Zugrundelegung einer Anknüpfung an das Inkassoverhältnis, so wie dies von der Seipen vorschlägt,253 unterläge jedes Rechtsverhältnis in der Überweisungskette der Rechtsordnung, dem das Inkassoverhältnis unterliegt. So würde ein Überweisungsauftrag eines Beteiligten an einen anderen Beteiligten des Überweisungsvorgangs grundsätzlich je nachdem, wo die Bank des Überweisungsempfängers ihren Sitz hat, verschiedenen Rechtsordnungen unterworfen werden. Tätigt zum Beispiel der Überweisende eine Überweisung an eine Empfängerbank in San Francisco in den USA, würde auch sein Giroverhältnis mit seiner Bank für diesen Überweisungsauftrag kalifornischem Recht unterliegen. Tätigt er das nächste Mal eine Überweisung an eine Empfängerbank in Moskau, würde für ihn und seine Bank im Deckungsverhältnis russisches Recht gelten. Gleiches gilt natürlich für jedes andere Überweisungsverhältnis in der Kette, bis auf dasjenige, an das akzessorisch angeknüpft wird. Dies zeigt, dass zwei Parteien im Überweisungsvorgang, die durch ein Giroverhältnis verbunden und in Geschäftsbeziehung zueinander stehen, bei einer akzessorischen Anknüpfung ihres Rechtsverhältnisses gerade nicht erwarten können, dass immer ein und dasselbe Recht auf ihre Rechtsbeziehungen zueinander Anwendung findet, wenn sie ein solches nicht gewählt haben. Das Sitzrecht eines der Beteiligten eines Überweisungsauftrags findet gerade nicht stetig auf diese Beziehung Anwendung. Bei akzessorischer Anknüpfung kann vielmehr ein von Mal zu Mal wechselndes Recht anwendbar sein. Eine auf die einzelnen bilateralen Überweisungsaufträge bezogene Kontinuität im Anknüpfungsergebnis, welche ein 250
von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 185. Oben S. 275 ff. 252 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92. 253 Unten S. 301 ff. 251
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
„Mehr“ zur traditionellen Anknüpfung bietet, ist nach dem Vorausgehenden eben nicht zu erkennen – das Gegenteil ist der Fall. „Konstant“ anwendbar bleibt das Recht einzig und allein im übergreifenden Verhältnis zwischen der Bank des Überweisenden und derjenigen des Überweisungsempfängers, vorausgesetzt, dass man akzessorisch an das Deckungs- oder an das Inkassostatut anknüpft. Zwischen diesen besteht nach den untersuchten Rechtsordnungen im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr aber grundsätzlich keine Rechtsbeziehung. Ein berücksichtigenswertes kollisionsrechtliches Kontinuitätsinteresse erwächst deshalb auch nicht aus diesem Verhältnis. Insgesamt scheint das Kontinuitätsinteresse, wenn ein solches (rein) zeitliches kollisionsrechtliches Interesse überhaupt anzuerkennen ist,254 nur in Rechtsverhältnissen eine Rolle zu spielen, in denen die Beteiligtenstruktur keiner Änderung unterworfen wird. Auch insbesondere die genannten Beispiele, in denen die Beachtlichkeit des Kontinuitätsinteresses im internationalen Vertragsrecht besonders zum Ausdruck kommen soll, deuten in diese Richtung. So werden an ein bestehendes Vertragsverhältnis „angelehnte“ Verträge (damit sind gesonderte Nebenabreden zu einem Hauptvertrag gemeint), das Verhältnis zwischen Vorvertrag und Hauptvertrag sowie die „Einwirkung“ auf bestehende Schuldverhältnisse (zum Beispiel im Wege der Novation) oder das Verhältnis zwischen Rahmenund Ausführungsvertrag genannt.255 In diesen Beispielen für eine akzessorische Anknüpfung sind allerdings die Parteien des Vertrags, an den akzessorisch angeknüpft wird, und die des akzessorisch anzuknüpfenden Vertrages deckungsgleich. Insbesondere durch das letzte Beispiel, das Verhältnis zwischen Rahmen254 Zur Betonung des zeitlichen Aspekts von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 193 f., demzufolge das Kontinuitätsinteresse umso stärker ausgeprägt ist, je länger die Vertragsbeziehung (bereits) andauert. Inwiefern ein solches (rein) zeitliches Moment die kollisionsrechtliche Interessenlage beeinflussen kann, ist aber mehr als fraglich; vgl. Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 200; Martiny, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 2.222. An anderer Stelle erkennt im Grunde auch von der Seipen an, dass das rein zeitliche Kriterium des Kontinuitätsinteresses für sich selbst genommen keine Aussagekraft hinsichtlich der Anknüpfung eines Rechtsverhältnisses besitzt, von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 192 („Die personale Identität der Beteiligten und ihre längerdauernde Zusammenarbeit reicht allein noch nicht aus, um auf das Interesse an einem einheitlichen Statut zu schließen.“, vgl. auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 196). Im Grundsatz scheint bei den im Text genannten Beispielen vielmehr überhaupt nur der rechtliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Rechtsgeschäften aufgrund des Interesses am inneren Entscheidungseinklang eine akzessorische Anknüpfung zu rechtfertigen. Ob die Geschäfte in zeitlicher Nähe zueinander oder über einen längeren Zeitraum hinweg getätigt wurden, spielt dagegen grundsätzlich keine Rolle. 255 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 185 ff. Siehe zur akzessorischen Anknüpfung im genannten Beispiel unter Rom I BeckOGK/Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 189 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 136; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 294 ff.
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und Ausführungsvertrag, wird deutlich, dass es zweifelhaft ist, ob ein etwaiges Kontinuitätsinteresse die akzessorische Anknüpfung an ein nicht parteiidentisches Hauptverhältnis überhaupt tragen kann. Unabhängig davon, ob der Überweisungsauftrag wie zum Beispiel in Deutschland die Rechtsnatur einer Weisung besitzt oder wie zum Beispiel in Frankreich oder in den Staaten des „Common Law“ ein Vertrag ist,256 er wird in aller Regel in einen Girovertrag, welcher ein Rahmenvertrag ist, eingebettet sein. Wenn überhaupt, dann besteht nach dem Gesagten das Kontinuitätsinteresse zu dem zwischen dem Absender und dem Empfänger des Überweisungsauftrags geschlossenen Girovertrag, und nicht zu der im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr gegebenenfalls unbekannten Rechtsordnung des Inkasso- oder Deckungsverhältnisses. Das vorgenannte Kontinuitätsinteresse ist damit jedenfalls unabhängig von der Anzahl der Beteiligten – es spielt also keine Rolle, ob es ein „komplexes Vertragsverhältnis“ ist oder nicht. Voraussetzung ist aber grundsätzlich, dass der Beteiligtenkreis nicht wechselt oder sich verändert. Eine Kontinuität des anwendbaren Rechts ist grundsätzlich nur zwischen Vertragsparteien zu erzielen, die schon zueinander gefunden haben. Immerhin gibt auch von der Seipen selbst zu bedenken, dass das Kontinuitätsinteresse jedenfalls „nicht ohne Weiteres auf das komplexe Vertragsverhältnis übertragbar“257 sei. „Ohne weitere Anhaltspunkte [dürfe es] nicht auf zeitlich später zustande gekommene Kontrakte erstreckt werden, eben weil davon weitere Beteiligte betroffen wären [Hervorh. d. Verf.].“258 Das Kontinuitätsinteresse sei „deshalb im komplexen Vertragsverhältnis auf andere Weise zu verwenden.“259 Die von ihm bisher angestellten Überlegungen sollen in diesem Zusammenhang dazu dienen, „den Gesichtspunkt des anwendbaren Rechts in länger dauernden Geschäftsbeziehungen dauerhaft und nachhaltig dem Streit zu entziehen.“260 Nach seiner Auffassung hat dieser „Aspekt auch im Vertragsgeflecht eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, wenn durch dieses ein Zusammenwirken zahlreicher Parteien über einen längeren Zeitraum begründet [werde].“261 Aus dieser Argumentation wird jedoch nicht ersichtlich, inwiefern dem Konti nuitätsinteresse ein neuer Aspekt hinzufügt würde. Vielmehr scheint das Kontinuitätsinteresse im Konsistenzinteresse262 aufzugehen. Es bleibt damit nur fest-
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Zur Einordnung im Kollisionsrecht oben S. 135 f. von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 192. 258 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 192 f. 259 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 193. 260 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 193. 261 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 193. 262 Hierzu oben S. 275 ff. 257
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
zustellen, dass ein angebliches Kontinuitätsinteresse – jedenfalls im internationalen Überweisungsrecht – von vornherein keine Daseinsberechtigung hat. 3. Allgemeines Sachzusammenhangsinteresse Weiterhin wird zugunsten der akzessorischen Anknüpfung auch ein sogenanntes „allgemeines Sachzusammenhangsinteresse“ ins Feld geführt.263 Dessen Bedeutung wird insbesondere auch für das internationale Überweisungsrecht hervorgehoben.264 Es wird definiert als Interesse der Parteien, „sachlich zusammenhängende Fragen einem Recht zu unterstellen, auch wenn sich eine Widerspruchsgefahr zwischen verschiedenen Rechten nicht unmittelbar aufdrängt.“265 Der Fokus liegt folglich auf der Bildung eines einheitlichen Gesamtstatuts, selbst wenn Normenwidersprüche trotz der Anwendung verschiedener Rechtsordnungen auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt grundsätzlich nicht zu befürchten sind. Diese Feststellung ist insofern wichtig, da das allgemeine Sachzusammenhangsinteresse ein eigenständiges, vom Interesse am inneren Entscheidungseinklang verschiedenes Interesse sein soll. Da der Gesetzgeber, wie zu Recht auch von den Verfechtern einer akzessorischen Anknüpfung ausgeführt wird, jedoch im Grundsatz von der isolierten Betrachtung des einzelnen Vertrags bei der Bildung der Regelkollisionsnormen ausgegangen ist – dies galt für das Römische Schuldvertragsübereinkommen (umgesetzt in den Art. 28 ff. EGBGB)266 genauso wie für Rom I –, wird gefordert, dass zum „wirtschaftlichen“267 Sachzusammenhang weitere qualifizierende Merkmale hinzutreten müssen, damit dieser die Grundlage für ein berücksichtigungswertes Interesse im Rahmen der Anknüpfung über die Ausweichklausel bilden kann.268 Terminologisch ist die Bezeichnung folglich aus zwei Gesichtspunkten zumindest irreführend. Es kommt gerade nicht auf den allgemeinen Zusammen263 Allgemein zum Sachzusammenhangsinteresse von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 195 f. Vgl. auch Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 201. 264 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92. Zustimmend Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 37 f. 265 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 195. Vgl. auch Göthel, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Rn. 6; Hoppe, Die Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, S. 201. Vgl. auch von Hoffmann, IPRax 1982, 217, 220 f. 266 Zum Römischen Schuldvertragsübereinkommen vgl. von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 32 f., 195. 267 Vgl. nur von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 195. Speziell zum internationalen Überweisungsrecht von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92. 268 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 195 (vgl. auch S. 202); von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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hang zwischen Sachverhaltselementen an. Das „allgemeine Sachzusammenhangsinteresse“ setzt vielmehr einen qualifizierten Zusammenhang voraus. Ebenso ist auch die Bezeichnung als Sachzusammenhangsinteresse fragwürdig, da gerade nicht ein sachlicher Zusammenhang der Verträge untereinander vorausgesetzt wird, sondern ein wirtschaftlicher.269 Zur Begründung des qualifizierten wirtschaftlichen Sachzusammenhangs wird insbesondere von von der Seipen ein wahres „Potpourri“ an verschiedenen Umständen vorgeschlagen. Die von ihm zur Unterstützung der akzessorischen Anknüpfung vorgebrachten Interessenlagen sollen im Folgenden insbesondere im Kontext des internationalen Überweisungsrechts näher analysiert werden. a) Geltungsbereich des Vertragsstatuts gemäß Art. 12 I Rom I Nach von der Seipen hat das von ihm postulierte allgemeine Sachzusammenhangsinteresse Anerkennung durch den deutschen Gesetzgeber in Art. 32 EGBGB a. F., insbesondere in dessen Absatz 1, erfahren. Da der Regelungsgehalt dieses Absatzes sich ebenso in Art. 12 I Rom I wiederfindet, muss dies auch für den europäischen Gesetzgeber gelten.270 So wie Art. 32 EGBGB definiert auch Art. 12 Rom I den sachlichen Geltungsbereich des Vertragsstatuts. Nach Art. 12 I Rom I sind vom Vertragsstatut insbesondere die materiellen Vorschriften betreffend die Auslegung des Vertrags, die Erfüllung der durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen, die Folgen der Nichterfüllung der aus dem Vertrag erwachsenden Verpflichtungen, deren Erlöschen sowie die Verjährung und die Folgen der Nichtigkeit des Vertrags erfasst. Die Zusammenfassung der genannten rechtlichen Fragen zu einem einheitlichen (Vertrags-)Statut soll Ausdruck eben dieses (qualifizierten) wirtschaftlichen Sachzusammenhangsinteresses sein.271 Um dieses Argument zu wiederlegen, ist ein tieferes strukturelles Verständnis von Kollisionsnormen (und deren Hilfsnormen) notwendig. Um es vorab zu klären: Art. 12 I Rom I ist keine (selbständige) Kollisionsnorm.272 Er ist als Hilfsnorm gedacht, die dazu dient, den äußeren Rahmen des Vertragsstatuts abzuste-
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Hierzu sogleich. Der Regelungsgehalt der Vorschriften ist gleich geblieben; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I Rn. 4; MünchKomm/Spellenberg, Art. 12 Rom I Rn. 2; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/ Spickhoff, Art. 12 Rom I Rn. 2; Palandt/Thorn, Art. 12 Rom I Rn. 1. Einzig die Regelungen zur Verteilung der Beweislast und der zulässigen Beweismittel, die früher in Art. 32 III EGBG enthalten waren, sind jetzt in Art. 18 Rom I zu finden. 271 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 197. 272 Zum Begriff der selbständigen Kollisionsnorm Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 310. Speziell zu Art. 12 I Rom I BeckOGK/Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 25. Art. 12 II Rom I ist hingegen selbständige Kollisionsnorm, Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I Rn. 1. 270
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
cken und so die Qualifikation von Sachnormen einer Rechtsordnung zu erleichtern.273 Als selbständige Kollisionsnorm ist im hier behandelten Kontext der grenzüberschreiten Überweisung bei objektiver Anknüpfung insbesondere Art. 4 I lit. b Rom I von Bedeutung, der das im Einzelfall anwendbare Vertragsstatut beruft. Nach dem von Schurig entwickelten „Bündelungsmodell“ ist Art. 4 I lit. b Rom I dabei wie jede andere Kollisionsnorm strukturell als „Bündelung“ vieler „Elementkollisionsnormen“ zu einem einheitlichen (Vertrags-)Statut zu begreifen.274 Jede dieser Elementkollisionsnormen knüpft dabei an eine einzelne Sachnorm an.275 Die Elementkollisionsnormen, die zu einem einheitlichen Vertragsstatut gebündelt werden, werden jedoch nicht durch einen wirtschaftlichen Zusammenhang bestimmt. Ein solcher ist zwischen den rechtlichen Einzelfragen nicht existent. Die Bündelung der Elementkollisionsnormen erfolgt, wenn und weil die kollisionsrechtliche Interessenlage, beim Vertragsstatut maßgeblich durch das Parteiinteresse und das Interesse am inneren Entscheidungseinklang bestimmt, bei diesen elementaren Kollisionsnormen durch den Gesetzgeber als im Wesentlichen gleich bewertet wurde.276 Art. 12 Rom I unterstützt dabei als Hilfsnorm den Rechtsanwender, den Kreis der Elementarkollisionsnormen, die jeweils an eine einzelne Sachnorm im Recht eines Staates anknüpfen, näher einzugrenzen, um so die konkreten Sachnormen zu bestimmen, die unter das Vertragsstatut fallen. Man kann den gebündelten Normen deshalb im Ergebnis eine sachliche Verwandtschaft beziehungsweise Nähe zueinander zuschreiben. Wie hierdurch gezeigt wird, handelt es sich dabei aber bereits von vornherein um kein selbständiges kollisionsrechtliches Interesse wegen Sachzusammenhangs, sondern nur um eine Reflexwirkung der anderen oben genannten kollisionsrechtlichen Interessen. Doch selbst wenn man entgegen diesen Überlegungen von der Existenz eines kollisionsrechtlichen Sachzusammenhangsinteresses ausginge, kann eine (automatische) Übertragung auf wirtschaftlich zusammenhängende Verträge, insbesondere auch im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, nicht erfolgen. Bei Art. 12 I Rom I handelt es sich nämlich, wenn überhaupt, 273
Vgl. jurisPK/Geiben, Art. 12 Rom I Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I Rn. 1, 19; BeckOGK/Weller, Art. 12 Rom I Rn. 2. Die Qualifikation einer Sachnorm unter das Vertragsstatut, dessen Rahmen Art. 12 Rom I setzt, hat dann anhand einer den Sinn und Zweck der Sachnorm berücksichtigenden internationalprivatrechtlichen Interessenabwägung zu erfolgen, BeckOGK/Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 26. 274 Zum Bündelungsmodell Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 313 ff. Vgl. auch Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, § 7 Rn. 139 ff. 275 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 314; Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217, 231. 276 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 315; Schurig, RabelsZ 54 (1990), 217, 231.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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dann um den Ausdruck eines sachlichen und nicht – wie bei den komplexen Vertragsverhältnissen – eines wirtschaftlichen Zusammenhangs innerhalb des nach Art. 3, 4 Rom I bezogen auf den einzelnen Vertrag bestimmten Vertragsstatuts.277 Vor diesem Hintergrund ist Art. 12 Rom I beziehungsweise das einheitliche Vertragsstatut kein Sinnbild der akzessorischen Anknüpfung. Wie gezeigt, besteht dieses aus einer Vielzahl an gebündelten Elementkollisionsnormen. Diese stehen jedoch gleichberechtigt nebeneinander. Sie werden nur aufgrund der gleichen Interessenlage parallel zueinander angeknüpft und deshalb in einem einheitlichen Vertragsstatut gebündelt. Es gibt insofern kein Hauptstatut, an das akzessorisch angeknüpft werden könnte. Dies ist jedoch gerade das Definitionsmerkmal der akzessorischen Anknüpfung.278 Und auch unabhängig von den genannten Erwägungen kann sich der Versuch, aus Art. 12 I Rom I ein Interesse zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung zu extrapolieren, nur auf den „Einzelvertrag“ beziehen. Art. 12 Rom I bezieht sich – da der Gesetzgeber das gesamte Regelungsmodell von Rom I auf den Regelfall des bilateralen Schuldvertrags ausgerichtet hat279 – auf den einzelnen Vertrag. In ihm kommt folglich von vornherein gerade nicht die Berücksichtigungsfähigkeit irgendeines Interesses zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung von anderen Verträgen, eventuell auch noch personenverschiedener Parteien, zum Ausdruck. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, wie sich aus Art. 12 Rom I – für ein Konglomerat wirtschaftlich zusammenhängender Verträge – die von von der Seipen vorausgesetzten qualifizierenden Umstände ableiten lassen sollen, die ausnahmsweise aufgrund des bestehenden allgemeinen Sachzusammenhangsinteresses eine akzessorische Anknüpfung rechtfertigen sollen. Ein „bloßer“ wirtschaftlicher Zusammenhang soll nämlich gerade nicht ausreichend hierfür sein.280 b) Fremde Rechtswahl Ein weiterer Umstand, der zu einer Verdichtung des „wirtschaftlichen Konnexes“ in einem Vertragsgeflecht führen und die Ableitung des allgemeinen Sachzusammenhangsinteresses ermöglichen soll, liegt nach von der Seipen dann vor, wenn zwei Parteien innerhalb eines Vertragsgeflechts für ihren Vertrag eine Rechtswahl getroffen haben.281 Es geht ihm in dieser „Fallgruppe“ folglich um 277
Siehe aber zur Definition des allgemeinen Sachzusammenhangsinteresses bereits oben S. 288 f. 278 Oben S. 266 ff. 279 Dies wird auch beispielsweise auch von von der Seipen anerkannt, vgl. oben S. 288. 280 Oben S. 288. 281 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 203.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
die Erstreckung einer in einem Vertrag enthaltenen Rechtswahl im Wege der akzessorischen Anknüpfung auf „wirtschaftlich“ mit diesem verbundene Verträge. Für ihn stellt die Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht nämlich einen „derartig starke[n] Gesichtspunkt dar, dass sich ihre Bedeutung im Vertragsgeflecht nicht automatisch an der Grenze des Einzelvertrags erschöpfen kann.“282 Die bloße Tatsache der Rechtswahl in einem Vertrag soll folglich einen Zusammenhang mit anderen Verträgen begründen, der ohne die Rechtswahl, also bei deren objektiver kollisionsrechtlicher Anknüpfung, nicht dagewesen wäre. Dies erscheint auf den ersten Blick nur schwer vorstellbar. Als „persuasive evidence“ führt von der Seipen jedoch drei Entscheidungen an, die seine Auffassung stützen sollen. Im Folgenden werden diese daraufhin untersucht, ob aus den Entscheidungsgründen hervorgeht, dass ein Zusammenhang zwischen den Verträgen durch die Spruchkörper erst aufgrund der Rechtswahl an sich angenommen wurde, der ansonsten jedoch nicht bestünde.283 Als erste Entscheidung nennt von der Seipen ein Urteil des OLG Hamm vom 6. Juni 1957.284 In der Entscheidung ging es um eine deutsche Bank, die einem US-Amerikaner ein Darlehen gewährt hatte. Für dieses Darlehen hatte sich eine US-amerikanische AG, die durch den letzteren als deren Präsident und (Mit-) Inhaber vertreten wurde, verbürgt. Nachdem der US-amerikanische Darlehensnehmer die Tilgungsraten nicht mehr bedienen konnte, nahm die Bank die US-amerikanische Gesellschaft auf Rückzahlung in Anspruch. Für den Darlehensvertrag war die Geltung deutschen Rechts vereinbart worden. Für den Bürgschaftsvertrag war hingegen überhaupt keine Rechtswahl getroffen worden. Das OLG Hamm unterwarf auch den Bürgschaftsvertrag deutschem Recht.285 Als Begründung führte es an, dass „nach dem Willen der Parteien […] die Kreditbewilligung und die Bürgschaft untrennbar miteinander verknüpft sein [sollten]; das Darlehen sollte ohne diese Bürgschaft nicht an den Hauptschuldner bezahlt 282
von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 208. Nicht untersucht werden soll hingegen, inwiefern das Anknüpfungsergebnis oder dessen Herleitung im einzelnen Fall aus heutiger Sicht richtig erscheint. 284 OLG Hamm 06.06.1957, IPRspr 1956/57, 102 f. 285 Dies war insofern von Bedeutung, als nach „US-amerikanischem Recht“ die Nichtigkeit des Bürgschaftsvertrags aufgrund eines Formmangels geltend gemacht wurde, OLG Hamm 06.06.1957, IPRspr 1956/57, 102. Nach heute geltendem Recht ist diese Frage hingegen vom Vertragsstatut abgespalten und dem Formstatut gemäß Art. 11 Rom I unterstellt. Nach Art. 11 I Rom I ist danach ein (Platz-)Vertrag dann formgültig, wenn er die Formerfordernisse entweder der Rechtsordnung, die auf den Vertrag materiell-rechtlich Anwendung findet, oder der Rechtsordnung des Staates, in dem er geschlossen wird, erfüllt. Danach wäre der Bürgschaftsvertrag im Fall auf jeden Fall formgültig gewesen, da der Bürgerschaftsvertrag in Deutschland geschlossen wurde, insbesondere die Bürgschaftserklärung durch den Präsidenten der Gesellschaft in Deutschland abgegeben und von einem deutschen Notar beurkundet worden ist. 283
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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werden.“286 Danach führte das Gericht weitere objektive Umstände als Indizien an, dass auch für den Bürgschaftsvertrag deutsches Recht stillschweigend gewählt werden sollte („hypothetischer Parteiwille“).287 Dass das OLG Hamm in seinem Urteil von einer sillschweigenden Rechtswahl ausgegangen ist, hindert natürlich nicht daran, sollte man eine solche verneinen, die Umstände, die es für die Begründung dieser Rechtswahl herangezogen hat, auch im Rahmen einer akzessorischen Anknüpfung über eine Ausweichklausel zu verwerten. Dies spielt gerade nach Rom I eine Rolle, nach der sich eine Rechtswahl, sollte sie nicht ausdrücklich erfolgen, gemäß Art. 3 I S. 2 Alt. 2 Rom I „eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles“ ergeben muss.288 Der Wille der Parteien, eine Rechtswahl zu treffen, muss somit mit eindeutiger Sicherheit und zweifelsfrei feststellbar sein.289 Der europäische Gesetzgeber wollte auf diese Weise gerade ausschließen, dass die Gerichte in den Mitgliedstaaten auf einen „hypothetischen“ oder „vermuteten“ Parteiwillen zurückgreifen.290 Der Weg zu einem einheitlichen Statut über eine stillschweigende Rechtswahl, wie durch das OLG Hamm vertreten, welches zu seiner Zeit allerdings weder an Rom I noch an das EVÜ gebunden war, wäre heute wohl grundsätzlich versperrt.291 Ein allgemeines Sachzusammenhangsinteresse lässt sich aus der Entscheidung des OLG Hamm demnach nicht ableiten. Die Rechtswahl im Hauptvertrag in Verbindung mit dem „wirtschaftlichen“ Zusammenhang selbst genügte dem Gericht jedenfalls nicht zur Begründung eines entsprechenden hypothetischen Parteiwillens.292
286
OLG Hamm 06.06.1957, IPRspr 1956/57, 102, 103. OLG Hamm 06.06.1957, IPRspr 1956/57, 102, 103 („Die hiernach in besonderem Maße hervortretende Verknüpfung der Darlehensgewährung mit dem Bürgschaftsvertrage spricht im Hinblick auf den geschilderten wirtschaftlichen Hintergrund für den Willen der Beteiligten, daß die Rechtsbeziehungen aus dem Bürgschaftsvertrage ebenso dem deutschen Recht unterliegen sollten wie der Darlehensvertrag selbst“.). 288 Bei der „stillschweigenden“ Rechtswahl soll nach Erwägungsgrund 12 Rom I zu berücksichtigen sein, ob ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaates durch die Parteien zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Vertrag zuständig sein sollen. 289 BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 134. 290 IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 27; Rauscher/von Hein, Art. 3 Rom I Rn. 11; Staudinger/ Magnus, Art. 3 Rom I Rn. 71; MünchKomm/Martiny, Art. 3 Rom I Rn. 47; Bamberger/Roth/ Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 3 Rom I Rn. 19; BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 134 f. Vgl. auch Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 1191. 291 Grundsätzlich nehmen die Banken eine ablehnende Haltung ein, sich einem für sie fremden Geschäftsrecht zu unterwerfen. Vgl. bereits oben zu den Stellungnahmen beim UNCITRAL-ModellG S. 251. 292 Vgl. OLG Hamm 06.06.1957, IPRspr 1956/57, 102. 287
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Des Weiteren weist von der Seipen auf ein Urteil des LG Hamburg vom 3. Juli 1973 hin.293 Im Fall schloss eine dänische Reederei unter Vermittlung eines deutschen Schiffsmaklers mit einer Handelsgesellschaft mit Sitz in Deutschland einen Chartervertrag. Der Chartervertrag beinhaltete eine Rechtswahl zugunsten des „Flaggenstatuts“ des jeweiligen Schiffs (hier dänisches Recht). Zudem beinhaltete er eine Klausel, die den Kommissionsanspruch des Maklers regelte. Unter Einschaltung eines niederländischen Maklers wurden in der Folgezeit weitere Charterverträge zwischen der Reederei und der Handelsgesellschaft geschlossen. Auch für diese verlangte der deutsche Schiffsmakler eine Kommission. Auch sein Anspruch wurde durch das LG Hamburg dänischem Recht unterstellt. In den Entscheidungsgründen stellt das LG fest, dass der Makler, „da die Parteien einen gesonderten schriftlichen Maklervertrag nicht geschlossen haben, dem Frachtvertrag – zumindest konkludent – insoweit beigetreten [war], als er [seinen] Kommissionsanspruch regelt.“294 Weiter: „Regelt aber der Hauptvertrag im einzelnen den Kommissionsanspruch und leitet der Makler daraus Rechte her, so ist anzunehmen, dass er sich auch der im Hauptvertrag vereinbarten Rechtsordnung unterwirft, wenn er nichts Gegenteiliges erklärt.“295 Auch hier erfolgt die Unterwerfung des Kommissionsanspruchs unter das Recht des Chartervertrags aus Sicht des Gerichts aufgrund stillschweigender Rechtswahl, und damit bereits aus anderen Gründen als dem bloßen Vorhandensein einer Rechtswahlklausel im Chartervertrag. So soll es für alle Parteien bereits von Anfang an unzweifelhaft gewesen sein, dass auf den Chartervertrag dänisches Recht Anwendung finden würde (das gecharterte Schiff fuhr unter dänischer Flagge). Aus der engen äußerlichen Verflechtung der Klausel mit dem Chartervertrag folgert das Gericht nun einen Unterwerfungswillen des Maklers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter dieses den Parteien bekannte Recht. Dieser Unterwerfungswille ist, nimmt man einen solchen an, aber nur in der Person des Dritten, hier des Maklers, verankert. Die im Chartervertrag getroffene Rechtswahl führt deshalb nach der Begründung des LG Hamburg jedenfalls nicht aus sich heraus zu einer Unterwerfung des Kommissionsvertrags unter die auch den Chartervertrag beherrschende Rechtsordnung.296 293
LG Hamburg 03.07.1973, IPRspr 1973, 24 ff. LG Hamburg 03.07.1973, IPRspr 1973, 24, 25. 295 LG Hamburg 03.07.1973, IPRspr 1973, 24, 26. 296 Vgl. jedoch auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 213, der damit diesen Aspekt des von ihm postulierten Sachzusammenhangsinteresses „ad absurdum“ führt. Ist nämlich ein „Unterwerfungswille“ erforderlich, ist nicht begründbar, warum ein solcher nicht auch dann bestehen können soll, wenn das Ergebnis der objektiven Anknüpfung des Vertrags den Parteien bekannt gewesen ist. Dies erscheint zum Beispiel in einem Fall möglich, in dem die Parteien des Hauptvertrags ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben und in 294
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
295
Schließlich verweist von der Seipen auf einen Schiedsspruch der International Chamber of Commerce (ICC) aus dem Jahr 1979.297 In diesem ging es um ein Verfahren zwischen einer französischen Werft und einem englischen Turbinenproduzenten. Letzterer war durch die Werft als Subunternehmer beauftragt worden, Turbinen in das Schiff eines holländischen Unternehmens einzubauen. Wegen Verzugs und Mangelhaftigkeit der Werkleistung wurde der Turbinenproduzent von der Werft in Anspruch genommen und die ICC angerufen. Der Hauptvertrag zwischen Werft und holländischem Unternehmen beinhaltete eine Rechtswahl zugunsten des französischen Rechts, der Subunternehmervertrag hingegen nicht. Auch der Subunternehmervertrag wurde jedoch französischem Recht unterstellt. Wie von der Seipen selbst anführt, stützten die Schiedsrichter der ICC ihre Anknüpfungserwägungen maßgeblich auf den vertraglich vereinbarten Ort zur Erbringung der Werkdienstleistung durch den Subunternehmer, welcher in Frankreich lag.298 Daneben stützten sie ihr Anknüpfungsergebnis auch auf einen Unterwerfungswillen des Subunternehmers unter das Recht des Hauptvertrags.299 Auch hier scheint die Rechtswahl im Hauptvertrag nicht der entscheidende Aspekt für die Unterwerfung des Subunternehmervertrags unter die gleiche Rechtsordnung, die auch den Hauptvertrag beherrschte, gewesen zu sein. Ein andere Perspektive, unter der man diese angebliche Fallgruppe des Sachzusammenhangsinteresses betrachten kann, ist diejenige der Bestimmung des Hauptvertrages, an welchen akzessorisch angeknüpft werden soll. Beinhaltet zum Beispiel der vorgenannte Subunternehmervertrag eine Rechtswahl, kann er grundsätzlich aufgrund des Primats der Parteiautonomie nicht an den Vertrag des Hauptunternehmers mit dem Besteller angeknüpft werden. Beinhaltet der Hauptvertrag jedoch keine Rechtswahl, könnte man ihn im Prinzip (umgekehrt) akzessorisch an den Subunternehmervertrag anknüpfen. Auf diese Weise könnte auch in solchen Fällen eine akzessorische Anknüpfung und ein einheitliches Statut erreicht werden. Bei einem Überweisungsvorgang würde bei einem solchen Verständnis der akzessorischen Anknüpfung über das anwendbare Recht der Zufall entscheiden. Es käme nämlich darauf an, in welchem Verhältnis der Überweisungskette eine Rechtswahl zugunsten welchen Rechts getroffen worden wäre. Die anderen Glieder der Überweisungskette wären dann auch diesem Recht unterworfen. Dies erscheint vollkommen willkürlich. Auch nicht entschieden wäre die Frage, wie das anwendbare Recht zu bestimmen ist, wenn in mehreren dem auch sonst alle Verbindungen den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts betreffen (mit Ausnahme des gewöhnlichen Aufenthalts der Partei des akzessorisch anzuknüpfenden Vertrags). 297 ICC (1978), Clunet 1979, 997 ff.; vgl. zum Fall auch Vetter, NJW 1987, 2124, 1126. 298 Vgl. ICC (1978), Clunet 1979, 997, 999 m. krit. Anm. Derains. Vgl. auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 207. 299 ICC (1978), Clunet 1979, 997, 999.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Rechtsverhältnissen des Überweisungsvorgangs eine Rechtswahl getroffen worden wäre. Insofern wäre eine zusätzliche Kollisionsregel – etwa wie bei § 4A507 (e) UCC300 – erforderlich. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass aus den zur Begründung des allgemeinen Sachzusammenhangsinteresses vorgebrachten Entscheidungen nicht hervorgeht, dass erst die Rechtswahl durch die Parteien eines Vertrages einen kollisionsrechtlich relevanten Zusammenhang mit den anderen streitgegenständlichen Verträgen begründet hätte. Die angeführten Anknüpfungserwägungen basieren vielmehr auf anderen Gesichtspunkten, wie zum Beispiel dem äußerlichen oder rechtlichen Zusammenhang der Verträge und einem damit zum Ausdruck gebrachten „Unterwerfungswillen“, aber auch dem Ort, an dem eine Leistung erbracht werden soll. Zudem erscheint eine solche Bestimmung des anwendbaren Rechts – da, wie gezeigt, von Zufälligkeiten abhängig – ebenfalls nicht geeignet zur Begründung eines entsprechenden Interesses. Ein kollisionsrechtlich relevantes Sachzusammenhangsinteresse aufgrund der Rechtswahl in einem Vertrag existiert deshalb nicht. c) Identität des vertraglichen Objekts Auch eine Situation, in der „sämtliche Verträge denselben Gegenstand oder dieselbe Forderung betreffen“, führt nach von der Seipen zu „einer starken Verdichtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs“ und damit zu einer Hervorhebung des allgemeinen Sachzusammenhangsinteresses.301 Von dieser Fallgruppe der „Identität des vertraglichen Objekts“ sollen jedoch ausdrücklich nicht Situationen erfasst sein, in denen eine „tatsächlich nur [einmalige] Leistungserbringung bei mehrfacher [Verpflichtung]“ vorliegt.302 Bei letzteren sei nämlich „primär“ das Konsistenzinteresse betroffen.303 Als Beispiele für „komplexe Vertragskonstellationen“, in denen das postulierte Sachzusammenhangsinteresse hervortritt, führt er mehrere sukzessive Kaufverträge über denselben Gegenstand und die Errichtung eines Bauwerks durch mehrere parallel handelnde Werkunternehmer an.304 Die Situation mehrerer parallel agierender Bauunternehmer ist nicht mit der Situation im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr vergleichbar. Anders sieht es hingegen bei sukzessiv aufeinanderfolgenden Kaufverträgen über denselben Ge300
Hierzu oben S. 242 ff. von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 209. 302 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 209. 303 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 209. Vgl. zum Konsistenzinteresse S. 275 ff. 304 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 209. 301
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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genstand aus. Als „Modell“ für seine Anknüpfungserwägungen in letzterem Fall nennt von der Seipen die Kollisionsnorm des Art. 28 III EGBGB, deren Regelungsgehalt in Art. 4 I lit. c Rom I übernommen wurde. Er führt insofern aus, dass im Falle mehrerer sukzessiv aufeinanderfolgender Grundstückskaufverträge über ein und dasselbe Grundstück, diese, vorbehaltlich einer Rechtswahl der Parteien, dem Recht des Staates unterliegen, in dem das Grundstück belegen ist. Aufgrund dessen komme „es […] zu einem Gleichlauf des anwendbaren Rechts für alle diese Kaufverträge kraft gesetzlicher Anordnung.“305 Hiergegen ist hinsichtlich des Ergebnisses nichts einzuwenden. Jedoch ist dies ganz offensichtlich kein Fall akzessorischer Anknüpfung: Kauft beispielsweise ein Deutscher ein Grundstück in Spanien und verkauft es viele Jahre später wieder, unterfallen bei Geltung von Art. 4 I lit. c Rom I beide Kaufverträge zwar grundsätzlich spanischem Schuldrecht. In diesem Fall würde jedoch niemand auf den Gedanken kommen, dass dies deshalb der Fall ist, weil Art. 4 III lit. c Rom I den Gedanken der akzessorischen Anknüpfung verwirklicht – geschweige denn, dass dies im geschilderten Beispiel sinnvoll wäre. Dies wird auch bei einem Vergleich mit dem Warenkauf deutlich. Wäre vorstehend nicht ein Grundstück verkauft worden, sondern eine bewegliche Sache von einem Verkäufer in Spanien an einen Käufer in Deutschland, und hätte der Käufer in Deutschland die Sache später wieder verkauft, würden die beiden Kaufverträge grundsätzlich nicht dem gleichen Recht unterliegen, obwohl es sich um denselben Gegenstand gehandelt hat. Dieses Beispiel zeigt, dass Art. 4 I lit. c Rom I nicht Ausdruck irgendeines „Sachzusammenhangsinteresses“ ist, sondern vielmehr Ausdruck anderer Interessen, die durch die Anknüpfung an die Belegenheit des Grundstücks am besten verwirklicht werden.306 Falls diese Verträge einen irgendwie gearteten „inneren Zusammenhang“ aufweisen sollten, wird dieser nur zufällig in der Anknüpfung mitverwirklicht. So räumt selbst von der Seipen 305
von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 209. Der Gedanke, der hinter der Anknüpfung von Art. 4 I lit. c Rom I steht, ist der der „Sachnähe“ des Belegenheitsrechts bei Verträgen über Grundstücke; BeckOGK/Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 84; siehe auch IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 34, 36; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 114. Ein ähnlicher Regelungsgedanke führt aus deutscher Sicht auch zur Unterwerfung des dinglichen Vollzugsgeschäfts an das am Belegenheitsort der Sache geltende Recht, vgl. Art. 43 I EGBGB; Staudinger/Mansel, Art. 43 EGBGB Rn. 90; dieser Gedanke ist weltweit beinahe als „universal“ bezeichenbar. So kommt es jedenfalls in Deutschland grundsätzlich zu einem Gleichlauf des Vertrags- und des Sachenrechtsstatuts. Dies wird auch deshalb als sinnvoll erachtet, da – im Gegensatz zum deutschen Recht – den meisten anderen Rechtsordnungen eine strikte Trennung der schuldrechtlichen von der dinglichen Seite bei einem Rechtserwerb fremd ist; vgl. BeckOGK/Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 84; IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 36. Hervorzuheben ist im Zusammenhang dieser Untersuchung jedoch, dass es sich „lediglich“ um eine parallele und nicht um eine akzessorische Anknüpfung handelt. 306
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
ein, dass diese Regelung „nicht in das Gesetz eingefügt [wurde], um [einen derartigen] Gleichlauf [zwischen mehreren Verträgen] zu erreichen“.307 Eine Verknüpfung von Art. 4 I lit. c Rom I mit der Frage der Interessenlage bei der akzessorischen Anknüpfung ist schon deshalb müßig. Dennoch stellt sich nach von der Seipen gerade aufgrund dieser Regelung die Frage „nach der kollisionsrechtlichen Auswirkung [eines] identischen Vertragsobjekts“.308 Er greift hierbei die Idee Vischers von den sogenannten „string contracts“309 auf. Damit werden rechtlich selbständige Verträge beschrieben, die „wirtschaftlich […] Glied einer Kette von Verträgen sind, die einen sukzessiv ablaufenden wirtschaftlichen Vorgang regeln“.310 Diese Idee überträgt von der Seipen auf die mehrgliedrige Überweisung. Bei einer mehrgliedrigen Überweisung bestehe jeweils „zwischen den Verträgen nicht nur eine lockere wirtschaftliche Beziehung, sondern es [handele] sich [sogar] um eine Kette mit voneinander abhängigen Gliedern“.311 Worin diese Abhängigkeit jedoch konkret besteht, lässt er offen. Wie er jedoch selbst ausführt, bestehen die Verträge auf sachrechtlicher Ebene unabhängig voneinander.312 Auch das Pflichtenregime der Bank des Überweisenden oder der Zwischenbank endet, so jedenfalls im deutschen Recht bei Überweisungen in oder aus Drittstaaten,313 mit der Weiterleitung des Überweisungsauftrags und der Zurverfügungstellung der benötigten Deckung an die nächste Bank. Hier offenbart sich jedoch, um welches Interesse es von der Seipen eigentlich geht. Er befürwortet nämlich auch in der kaufrechtlichen Absatzkette eine akzessorische Anknüpfung.314 Auch dort könne es nämlich zu „Reibungen zwischen 307
von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 209. von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 210. Ebenso unaufschlussreich ist aus denselben Gründen der andere von von der Seipen gebildete Fall der Werkunternehmer, die gemeinsam an einem Gebäude arbeiten, hierbei jedoch vollständig voneinander abgrenzbare Arbeiten ausführen. Wenn überhaupt die Verträge einem einheitlichen Recht unterliegen, dann deshalb, weil sie wiederum parallel an das Belegenheitsrecht als „sachnähestem“ angeknüpft werden oder weil sonstige Anknüpfungsmerkmale „zufälligerweise“ zu dieser Rechtsordnung führen. 309 Siehe allgemein Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 276 ff. und von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 210. 310 Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht, Rn. 276. Auch von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, Rn. 276. 311 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 92. 312 Das gilt tatsächlich für sämtliche Rechtsordnungen, vgl. die Länderberichte oben S. 12 ff. 313 Oben S. 26. 314 Eine akzessorische Anknüpfung von Verträgen innerhalb einer Vertragskette wird grundsätzlich abgelehnt, vgl. nur MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 294; Rauscher/Thorn, 308
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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verschiedenen Rechtsordnungen“ kommen.315 Hier wie dort sind also die Vermeidung von Normenwidersprüchen der Kern des Interesses. Dieser Aspekt wird jedoch bereits vom Ordnungsinteresse am inneren Entscheidungseinklang abgebildet – mit dessen oben geschilderter „Reflexwirkung“ auf das Parteiinteresse.316 Hier zeigt sich, dass sich hinter dem Aspekt des identischen Vertragsgegenstandes insgesamt kein eigenständiges kollisionsrechtliches (Sachzusammenhangs-)Interesse verbirgt. d) Faktische Identität der Beteiligten Weiterhin gibt von der Seipen an, dass sich das allgemeine Sachzusammenhangsinteresse dann bei der Anknüpfung maßgebend auswirkt, wenn die Beteiligten eines komplexen Vertragsverhältnisses rechtlich verschieden, „tatsächlich“ aber identisch sind.317 Paradigmatisch nennt er hierfür folgende Dreierkonstellation: Ein Darlehensvertrag wird von zwei Personen geschlossen. Die Darlehensrückzahlungsverpflichtung wird durch einen Sicherungsvertrag, beispielsweise einen Bürgschaftsvertrag abgesichert, den der Darlehensgeber mit einer juristischen Person schließt, hinter der jedoch wiederum der Darlehensnehmer als In- oder Teilhaber steht. Im Blick hat er also eine Fallkonstellation, wie sie auch der oben im Kontext des Sachzusammenhanginteresses bereits unter dem Aspekt einer Rechtswahl diskutierten Entscheidung des OLG Hamm vom 06.06.1957 zugrunde lag.318 Die beschriebene Fallgruppe wird jedoch nur in einem gesellschaftsrechtlichen Kontext relevant, der für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand keine Rolle spielt. Im Übrigen erscheint eine autonome (das heißt parallele) Anknüpfung des Bürgschaftsvertrags an die gleiche Rechtsordnung, wie sie auch für den Darlehensvertrag gilt, zumindest vertretbar. 4. Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für die akzessorische Anknüpfung im Kontext der grenzüberschreitenden Überweisung im Wesentlichen das Interesse am inneren Entscheidungseinklang spricht. Andere kollisionsrechtliche Interessen, die eine akzessorische Anknüpfung zusätzlich stützen, lassen sich nicht identifizieren. Insofern lässt sich auch von der Seipens Feststellung, dass die anderen von ihm zugunsten der akzessorischen Anknüpfung vorgebrachten Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht, Rn. 148 ff. Vgl. auch von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, § 1 Rn. 359 f. 315 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 307. 316 Oben S. 275 ff. 317 Allgemein hierzu von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 212 f. 318 Oben S. 292.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Interessen „weniger scharf konturiert“ 319 sind beziehungsweise sich „nicht scharf [voneinander] trennen“320 lassen, leicht erklären. Dies liegt darin begründet, dass solche weiteren Interessen letztlich gar nicht bestehen und es eigentlich jeweils um die Vermeidung von Normenwidersprüchen geht. Dieses Ziel ist jedoch Kerngehalt des Interesses am inneren Entscheidungseinklang. Doch gebietet das Interesse am inneren Entscheidungseinklang keineswegs eine akzessorische Anknüpfung. Das innere „Harmoniestreben darf nicht überbewertet werden“.321 Dies zeigt allein die Existenz des kollisionsrechtlichen Instruments der Anpassung, das dazu dient, eben solchen Normenwidersprüchen zu begegnen und Abhilfe zu schaffen.322 IV. Bestimmung des maßgeblichen Hauptvertrags Nachdem der vorherige Abschnitt in einem ersten Schritt der Untersuchung der im Allgemeinen zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung vorgebrachten kollisionsrechtlichen Interessen gewidmet war, soll nun in einem zweiten Schritt das „Wie“ einer solchen Anknüpfung, also konkrete Anknüpfungsvorschläge, untersucht werden. von der Seipen bezeichnet dies als die Bestimmung des „Gesamtschwerpunkt[s] der Zahlungskette“323. Anders ausgedrückt gilt es denjenigen „Hauptvertrag“ in der Überweisungskette zu identifizieren, an den alle anderen Verträge akzessorisch angeknüpft werden sollen. Hierfür kommen insbesondere das Inkassoverhältnis (in der Regel findet dann die Rechtsordnung des Zielstaates auf den Überweisungsvorgang Anwendung), aber auch das Deckungsverhältnis (in diesem Fall ist die Rechtsordnung des Herkunftsstaates auf den Überweisungsvorgang anwendbar) in Betracht.324
319 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 213 (zum allgemeinen Sachzusammenhangsinteresse). 320 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 185 (zum Kontinuitätsinteresse), 196 (zum allgemeinen Sachzusammenhangsinteresse). 321 Zu (Sub-)Unternehmerketten: Vetter, NJW 1987, 2124, 2126. 322 Unten S. 329 ff. 323 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 93. 324 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 84; auch Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 269 f. Grundsätzlich wäre natürlich auch eine Anknüpfung an ein Interbankenverhältnis denkbar. Dies wird jedoch, soweit ersichtlich, nirgends vorgeschlagen. Nach dem US-amerikanischen § 4A-507 UCC wird jedoch u. U. die gesamte Überweisungskette einheitlich dem gewählten Recht eines genutzten Zahlungssystems unterworfen. Siehe hierzu oben S. 228 ff.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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Die von einigen präferierte Anknüpfung aller Verträge in der Überweisungskette an das Währungsstatut325 ist hingegen kein Fall einer „akzessorischen“ Anknüpfung, da es sich nicht um die Anknüpfung an einen „Hauptvertrag“ handelt, sondern schlicht um eine Anknüpfung an die Währung, in der die Überweisung denominiert ist – dies ist ähnlich wie bei der Anknüpfung von Grundstückskaufverträgen an die Belegenheit des Grundstücks. Damit wäre das „bloße“ Faktum der Währung, wie bei Grundstücken die Belegenheit, maßgebend für eine „parallele“ Anknüpfung sämtlicher Vertragsverhältnisse in der Überweisungskette. 1. Anknüpfung an das Inkassoverhältnis (Zielstaat) Als Hauptstatut, das auf den gesamten Überweisungsvorgang anzuwenden sein könnte, kommt zunächst die Rechtsordnung des Zielstaates in Betracht. Hierfür werden im Wesentlichen zwei Argumente angeführt: Das erste Argument basiert darauf, dass der „entscheidende Akt“326, die Gutschrift auf dem Empfängerkonto, auf der Grundlage dieser Rechtsordnung durchgeführt wird. Zugleich wird dieses Argument mit der Prämisse verbunden, dass Probleme bei einer Überweisung immer erst dann entstehen, „wenn die Zahlung nicht rechtzeitig auf dem Konto des Zahlungsempfängers eintrifft“.327 Sicherlich ist dies aus tatsächlicher Sicht richtig, da erst in diesem Fall der Überweisende und andere in der Kette vorangehende Beteiligte die ihnen zustehenden Rechte gegen die nicht ordnungsgemäß handelnde Bank prüfen werden. Das anwendbare Recht wird also gerade in diesen Fällen relevant. Doch ist fraglich, warum eine Nichtausführung oder eine fehlerhafte Ausführung eines Überweisungsauftrags in der Überweisungskette gerade eine Anknüpfung an das Recht des Zielstaates rechtfertigen soll. Die „Probleme“ entstehen in der Regel nicht erst im Zielstaat bei der Bank des Überweisungsempfängers, sondern bereits bei irgendeiner vorgeschalteten Bank, die unter Umständen in einem anderen Staat sitzt.328 Die zwischengeschaltete Bank wird in der Regel keine Verbindung zum 325 Siehe Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 275 („[T]he factor which is however the most logical, although politically perhaps the least defensible, […] is the recourse to the law of the State in the money of which the transfer has been expressed.“). Ebenso die „Central Bank of Sweden“ (Pelichet, ebd. S. 269) und die „Canadian Bankers Association“ (Pelichet, ebd. S. 277). Vgl. auch Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 285. 326 von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 85. 327 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 93. 328 Ähnlich wohl auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 319. Vgl. auch Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 38.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Zielstaat haben. Warum in einem solchen Fall die Anwendung der Rechtsordnung des Zielstaates der Überweisung auf das Rechtsverhältnis dieser Zwischenbank mit der ihr vorgeschalteten Bank am interessengerechtesten oder auch nur besonders interessengerecht sein soll, erschließt sich deshalb nicht. Angenommen, die Bank des Überweisenden im Herkunftsstaat bearbeitet einen Überweisungsauftrag zugunsten eines Empfängers und dessen Bank in einem vom Herkunftsstaat verschiedenen Zielstaat überhaupt nicht. In einem solchen Fall wäre nach der Auffassung von der Seipens grundsätzlich das Recht des Zielstaates auf das Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank anwendbar, obwohl der Überweisungsauftrag die „Haustür“ der Bank überhaupt nicht verlassen hat. Dies erscheint schwerlich vertretbar.329 Nur für diesen Fall hingegen das Recht des Herkunftslandes, das heißt das Sitzrecht der Bank des Überweisenden, für anwendbar zu erklären, erscheint hingegen auch nicht interessengerecht oder auch nur sinnvoll. In diesem Fall bestünde zwar grundsätzlich keine Beeinträchtigung des inneren Entscheidungseinklangs. Schließlich fände nur eine einzige Rechtsordnung, nämlich diejenige des Herkunftslandes auf das Überweisungsverhältnis Anwendung. In diesem Fall könnte die Bank den Überweisungsauftrag am Ende jedoch eventuell noch schnell ausführen, um die Anwendung einer für sie günstigeren Rechtsordnung des Zielstaates herbeizuführen. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund mancher Rechtsordnungen denkbar, die den Ersatz von Mangelfolgeschäden ausschließen und bei Verzug nur einen Zinsanspruch gewähren. Ein solcher Fall könnte sich beispielsweise bei einer Überweisung durch eine deutsche Bank in die USA ergeben. Das deutsche Recht330 gewährt dem Überweisenden unter Umständen nach § 280 BGB einen Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens, das US-amerikanische Recht331 hingegen grundsätzlich nicht. Genauso ist der umgekehrte Fall denkbar, dass eine Bank die Weiterleitung des Überweisungsauftrags, wenn die rechtzeitige Gutschrift nicht mehr gewährleistet werden kann oder auch rein vorsorglich bei einer aufgetretenen Verzögerung, die (verspätete) Ausführung des Überweisungsauftrags verhindert, um sich vor der Anwendung einer fremden Rechtsordnung zu „schützen“. Insofern muss das anwendbare Recht von Anfang an „feststehen“; keiner Partei darf diesbezüglich allein ein „Bestimmungsrecht“ eingeräumt werden.332 329
Vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 320. Mahnung wird regelmäßig entbehrlich sein, da i. d. R. eine sofortige Ausführung der Überweisung vereinbart wird oder für sie ausdrücklich ein anderer Termin bestimmt wird (zum Meinungsstand vgl. Seibert, NJW 2006, 2357, 2359 f. m. w. N.). 331 Oben S. 200 f. 332 Insofern ist das Prinzip in Art. 19 III Rom-I-VO – der Regelung zufolge ist der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Anknüpfung maßgebend – als all330 Eine
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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Vor diesem Hintergrund ist wohl auch ein Vorschlag in der Arbeitsgruppe zum UNCITRAL-Modellgesetz zu sehen, der, im Gegensatz zur gerade diskutierten „Lösung“, im Deckungsverhältnis immer das Recht der Bank des Überweisenden, in sämtlichen anderen Rechtsverhältnissen des Überweisungsvorgangs hingegen das Recht der Bank des Überweisungsempfängers für anwendbar erklärte.333 Hierdurch sollte wohl sichergestellt werden, dass zumindest die Bank und ihre Endkunden einer ihnen bekannten Rechtsordnung unterliegen. Dies scheint im Gegensatz zur oben diskutierten Anknüpfungssystematik eher vertretbar, würde aber natürlich den hinter der akzessorischen Anknüpfung stehenden Vereinheitlichungsgedanken nicht vollends gerecht werden (und deshalb wohl auch keine Zustimmung bei den Vertretern einer einheitlichen Anknüpfung finden). Im Übrigen stellt sich auch bei einer solchen Lösung die generelle Frage, warum in einem Interbankenverhältnis zwischen zwei vertraglich verbundenen Banken eine eventuell beiden Banken fremde Rechtsordnung Anwendung finden sollte. Die Anknüpfungssystematik des Arbeitsgruppenvorschlags sieht sich meines Erachtens sogar noch einem größeren Rechtfertigungsdruck als der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“ ausgesetzt, da schon „systembedingt“ die Anwendung einer einzigen Rechtsordnung auf den gesamten Überweisungsvorgang nicht gewährleistet ist. Zusätzlich zu den oben genannten Erwägungen, stellt sich allgemein die Frage, ob das Recht im tatsächlichen oder des im Überweisungsauftrag bestimmten Zielstaates anwendbar sein soll. Dies wird dann relevant, wenn die Überweisung nicht vollständig ausgeführt wird, aber auch dann, wenn sie fehlgeleitet wird und sie einen Empfänger in einem anderen Zielstaat „erreicht“, auch wenn Letzteres zugegebenermaßen nicht häufig geschehen dürfte. Insbesondere Schwart geht dabei von einer Anknüpfung an das Recht des tatsächlichen Zielstaats aus.334 Mit diesem Recht habe der Überweisungsvorgang nämlich zumindest einen Berührungspunkt.335 Jedoch ist zu beachten, dass es im gemeines Prinzip zu verstehen. Hierzu auch IVR/Ferrari, Art. 4 Rom I Rn. 67; BeckOGK/ Köhler, Art. 4 Rom I Rn. 156; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rom I Rn. 124; MünchKomm/Martiny, Art. 4 Rom I Rn. 199; Rauscher/Thorn, Art. 4 Rom I Rn. 138. 333 UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 148 (Nr. 38). Zum kollisionsrechtlichen Vorschlag des UNCITRAL-Modellgesetz oben S. 254 ff. 334 Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 39. Vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 320 („[D]as jeweils anwendbare Recht [kann] auch erst dann festgestellt werden, wenn der Überweisungsbetrag auf dem Konto der Empfängerbank eingegangen ist.“). Lediglich Arndt hält es zu Recht für nicht interessengerecht, einen Überweisungsvorgang nach einem Recht zu beurteilen, mit dem er keinen Berührungspunkt aufweist; vgl. Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 320. 335 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 319 f.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Fall einer Anknüpfung an den tatsächlichen Zielstaat zu einer „Änderung“ des anwendbaren Rechts auf den Überweisungsvorgang bei einer „Fehlleitung“ der Überweisung kommen kann, da bis zur „Fehlleitung“ wohl von der Anwendung des im Überweisungsauftrag bestimmten Zielstaates ausgegangen werden darf. Auch eine Anknüpfung an den im Überweisungsauftrag bezeichneten Zielstaat begegnet jedoch Bedenken. Dem Vorschlag von der Seipens liegt sicherlich auch die Vorstellung zugrunde, dass der Zielstaat allen Beteiligten bekannt ist.336 Selbst in dem Fall, in dem die Information, woher die Überweisung kommt, in der „Überweisungskette“ verlorengeht, muss jedenfalls eine Information, nämlich wer als Empfänger im Überweisungsauftrag bestimmt wurde, bis zur vollständigen Ausführung des Überweisungsvorganges vorhanden gewesen sein.337 Allerdings muss festgestellt werden, dass wiederum im Fall einer fehlgeleiteten Überweisung eben nicht alle Beteiligten des Überweisungsvorganges den (richtigen) Überweisungsempfänger kennen. Ein Teil der Beteiligten des Überweisungsvorgangs geht vielmehr gerade von einem anderen (falschen) Überweisungsempfänger aus. Auch in diesem Fall unterliegen bestimmte Beteiligte des Überweisungsvorgangs damit einer Rechtsordnung, mit der sie von Anfang an nicht zu rechnen brauchten.338 Eine Bank muss jedoch, wenn ihr ein Überweisungsauftrag zugeht, grundsätzlich ermitteln können, welcher Rechtsordnung ihre diesbezüglichen Verpflichtungen und Rechte unterliegen. Weder eine Anknüpfung an die Rechtsordnung des tatsächlichen noch an den im Überweisungsauftrag bestimmten Zielstaat kann deshalb überzeugen. Das zweite Argument von der Seipens beruht darauf, dass seines Erachtens eine Anknüpfung an den Zielstaat den „Wertungen des Art. 28 II EGBGB genügt“ (nach neuem Recht wäre insofern auf Art. 4 I lit. b, II Rom I Bezug zu nehmen), da – auf den gesamten Vorgang der Überweisung bezogen – die Bank des Überweisungsempfängers die „charakteristische Leistung“ erbringe.339
336 UN-Dok. A/CN.9/341 (YB 1991), S. 148 (Nr. 38). Vgl. zum Beispiel von der Seipen, Akzessorische Anknüpfung, S. 311 f., der in Bürgschaftsfällen für ein „Offenlassen“ der Frage nach dem anwendbaren Recht plädiert, zumindest solange, bis der erste Bürge den Gläubiger befriedigt hat. Er geht dort davon aus, dass „die Zahl der beteiligten Rechtsordnungen überschaubar ist und die Parteien ihr weiteres Verhalten durchaus alternativ nach dem einen oder anderen Recht planen können.“ 337 So ist bei einer SWIFT-Überweisung stets die Bank des Überweisenden in der SWIFT-Mitteilung (in der Regel MT103, vgl. zu SWIFT oben S. 127) enthalten (vgl. „field tags“ 52A und 52D; ). 338 Die kollisionsrechtliche Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen hilft hier nicht weiter. 339 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 93.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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Gegen diese Argumentation spricht zum einen der Zweck der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise Sitz des charakteristisch Leistenden. Die Wahl dieses Anknüpfungsmoments ist nämlich kein bloßer Formalismus. Der vertragscharakteristisch Leistende ist vielmehr in aller Regel stärker durch die Anwendung eines bestimmten Rechts betroffen als derjenige, der die Gegenleistung erbringt, die in der Regel in Geld bestehen wird.340 Die vertragscharakteristische Leistung ist nämlich meist die stärker reglementierte. Die Anknüpfung soll also insofern dem „Schutz“ des vertragscharakteristisch Leistenden dienen. Eine Übertragung des Regelungsgedankens auf den gesamten Vertragskomplex ist damit von vornherein nicht möglich. Alle beauftragten Banken sollen gemäß Art. 4 I lit. b Rom I durch dieses, der Norm zugrundeliegende Kriterium geschützt werden. Auch sie leisten, bezogen auf das jeweilige Überweisungsverhältnis, in dem sie Auftragsnehmer sind, vertragscharakteristisch. Zum anderen kann eine Festlegung einer der vielen Leistungspflichten im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr als „vertragscharakteristisch“ nur „willkürlich“ erfolgen.341 Die vertragscharakteristische Leistung ist nämlich diejenige Leistung, die im „Synallagma“ zur Gegenleistungspflicht steht, also in der Regel der Geldleistungspflicht gegenübersteht. Ein solcher „Dualismus“ besteht im „Vertragskomplex“ jedoch nicht. Falsch ist in diesem Zusammenhang das Argument Schwarts, nach der eine Bestimmung eines maßgeblichen Hauptvertrags deshalb nicht möglich ist, weil alle Verträge „innerhalb der Kette denselben Inhalt haben – [nämlich] die Übermittlung eines Geldbetrags.“342 Aus rechtlicher Sicht ist dies eine unzulässige Vereinfachung.343 Im außerbetrieblichen Überweisungsverkehr besteht die Verpflichtung der Bank des Überweisenden in der Weiterleitung des Überweisungsauftrags. Die Bank des Überweisungsempfängers schuldet hingegen nicht die Weiterleitung des Überweisungsauftrags, sondern die Gutschrift des Überweisungsbetrags. 2. Anknüpfung an das Deckungsverhältnis (Herkunftsstaat) Teilweise wird eine Anknüpfung an das Deckungsverhältnis präferiert.344 Zudem haben sich im Rahmen der Verhandlungen zum UNCITRAL-Modellgesetz die 340
Hierzu bereits oben S. 140 (insb. Fn. 18). Im Ergebnis auch Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 38 f. 342 Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 39. 343 Vgl. bereits oben S. 141 f. 344 Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 38. Allerdings hält sie ihre Ansicht nicht für „unangreifbar“. In der Problematik der Bestim341
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
schwedische Bankenaufsicht, die „Bank of Turkey“ und Felsenfeld ebenfalls für eine Unterwerfung des Überweisungsvorgangs unter das Recht des Herkunftsstaates ausgesprochen.345 Dabei werden drei Argumente zugunsten einer Anknüpfung an das Deckungsverhältnis vorgebracht. Sowohl nach Schwart als auch nach Arndt soll der Überweisungsvorgang insbesondere deshalb an das Deckungsverhältnis anzuknüpfen sein, weil dieses die Vertragskette auslöst, das heißt „causa“ für sämtliche nachfolgenden Überweisungsverhältnisse ist.346 Mit dem Deckungsverhältnis „stehe und falle“ nämlich die Vertragskette, wie zum Beispiel bei einem Widerruf.347 In der Tat ist der Überweisungsauftrag im Deckungsverhältnis die „conditio sine qua non“, die Bedingung, ohne die es den Überweisungsvorgang nicht gäbe. Es ist aber fraglich, inwiefern diese Tatsache gerade zur Erstreckung des im Deckungsverhältnis geltenden Rechts auf den gesamten Überweisungsvorgang führen soll. Die eigentliche „causa“ für den Überweisungsvorgang liegt ja bereits im Valutaverhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger begründet.348 Insofern wäre es ebenso gut möglich zu argumentieren, dass die Überweisungskette mit dem Valutaverhältnis „steht und fällt“. So kann auch der Rücktritt im Valutaverhältnis den Widerruf im Deckungsverhältnis und den darauffolgenden Interbankenverhältnissen bedingen. Dass der Rücktritt häufig erst dann erfolgen wird, wenn es zum Widerruf des Überweisungsauftrags zu spät ist, weil beispielsweise die endgültige Gutschrift auf dem Empfängerkonto bereits erfolgt ist, ist unerheblich. Wie schon durch dieses Beispiel impliziert ist, kann auch der eigenständige Widerruf zu spät erfolgen. Eine Erstreckung des im Valutaverhältnis geltenden Rechts auf den Überweisungsvorgang erscheint jedoch abwegig und wird auch zu Recht von niemandem vertreten. Der Grund hierfür ist insbesondere darin zu sehen, dass eine solche Erstreckung grundsätzlich den Parteiinteressen des Überweisenden als auch seiner Bank an der Anwendung eines ihnen vertrauten Rechts widerspricht. Im Valutaverhältnis wird häufig das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise Sitz des Überweisungsmung des maßgeblichen Hauptvertrags sieht sie sodann auch die „größte Schwachstelle“ der akzessorischen Anknüpfung. Vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 316 („gute Gründe [sprechen] dafür, den Zahlungsdienstevertrag zwischen Bankkunden und erstbeauftragtem Zahlungsinstitut als Hauptvertrag in der Überweisungskette zu bestimmen“). 345 Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 269. 346 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 316; Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 38. 347 Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 38. 348 Falls es ein solches Valutaverhältnis überhaupt gibt, vgl. bereits oben S. 7 Fn. 4.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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empfängers (in aller Regel ist dieser der im Valutaverhältnis charakteristisch Leistende) oder das von den Parteien des Valutaverhältnisses gewählte Recht, das den Banken grundsätzlich nicht bekannt sein wird, gelten. Insbesondere wird dadurch auch deutlich, dass das Kausalitätsargument nicht durch die für die Anknüpfung maßgeblichen kollisionsrechtlichen Interessen getragen wird. Es stellt lediglich einen faktischen Zusammenhang dar, kann aber nicht begründen, warum eine Anknüpfung kollisionsrechtlich am „gerechtesten“ ist. Nach Arndt stellt „[ü]berdies […] der Zahlungsdienstevertrag den Anfang der Überweisungskette dar, ohne den die mittleren Glieder der Kette – mithin die Rechtsbeziehungen der am Zahlungsvorgang beteiligten Institute – nicht bestehen würden.“349 Inwiefern sich hierdurch jedoch neue Aspekte gegenüber dem erstgenannten Kausalitätsargument ergeben, erschließt sich leider nicht. Schließlich soll laut Arndt für eine Bestimmung des im Deckungsverhältnis bestehenden Vertrags zum maßgeblichen Hauptvertrag sprechen, dass „alle Rechte und Pflichten des Überweisungsauftrages im Zahlungsdienstevertrag begründet [sind]. Wohingegen das Interbankenverhältnis diese lediglich nachrangig (subsidiär) abarbeitet, ohne Einfluss auf das ursprüngliche Vertragsverhältnis nehmen zu können.“350 Auch von der Seipens Argument zugunsten einer Anknüpfung an das Deckungsverhältnis, wonach alle „Einzelheiten für die Zahlung“351 durch den Überweisungsauftrag festgelegt werden, zielt in die gleiche Richtung.352 Soll dieses Argument einen eigenen Inhalt haben, der über das bloße Kausalitätsargument hinausgeht, kommt es maßgeblich auf den materiellen Inhalt der in einem Überweisungsverhältnis übernommenen Verpflichtungen an. Und gerade nach deutschem Verständnis, welches wohl auch Arndt seinen Ausführungen zugrunde gelegt hat, ist das Argument jedenfalls bei grenzüberschreitenden drittstaatenbezogenen Überweisungen nicht valide. Schließlich erschöpft sich der Pflichtenkreis der beauftragten Bank mit der Weiterleitung des Auftrags und der zur Ausführung erforderlichen Deckung.353 Die durch sie beauftragte Bank wird gerade nicht im Pflichtenkreis der beauftragenden Bank tätig und „arbeitet“ insofern nicht einfach deren Verpflichtungen „ab“. Es stimmt natürlich, dass weder die Interbankenverhältnisse noch das Inkassoverhältnis einen unmittelbaren Einfluss auf die Vertragsgestaltung im Deckungsverhältnis haben oder haben können.354 Die Bank schließt den dem Interbankenverhältnis zugrundelie349
Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 316. Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 316. 351 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 84 f. 352 Vgl. jedoch oben S. 301. 353 Vgl. oben S. 26. 354 Einen mittelbaren Einfluss auf die Vertragsgestaltung im Deckungsverhältnis können die 350
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
genden Vertrag mit einer anderen Bank und nicht mit dem Überweisenden. Es kann aufgrund nicht aufeinander abgestimmter Vertragsgestaltung dann zu Konflikten in der Pflichtenlage der Banken kommen. Dies ist dann jedoch grundsätzlich ein Problem der Vertragsgestaltung der Banken, die grundsätzlich nicht durch eine Unterstellung beider Verträge unter ein und dieselbe Rechtsordnung behoben werden kann. Kommt es hingegen aufgrund unterschiedlicher Rechtsordnungen, die auf die Verträge anwendbar sind, zu einem Normkonflikt, ist wiederum lediglich das Interesse am inneren Entscheidungseinklang auf den Plan gerufen. Dieses Interesse spricht, wie oben gezeigt, in der Tat für eine akzessorische Anknüpfung.355 Es rechtfertigt allerdings sowohl eine akzessorische Anknüpfung an das Deckungs- als auch eine solche an das Inkassoverhältnis – und zwar gleichermaßen. Das Interesse am inneren Entscheidungseinklang ist somit hinsichtlich der konkret gewählten Anknüpfung indifferent. Die Anknüpfung an das Deckungsverhältnis hätte insofern praktische Vorteile, als eine Rechtswahl oder eine objektive Anknüpfung an den Sitz des Überweisenden die akzessorische Anknüpfung in der Regel nicht „durchbrechen“ wird, auch wenn der Überweisende Verbraucher ist (vergleiche Art. 6 Rom I).356 Natürlich unterläge dann gegebenenfalls das Inkassoverhältnis (die Interbankenverhältnisse werden bei dieser Betrachtung ausgespart) aufgrund einer Rechtswahl beziehungsweise aufgrund einer zwingenden Anknüpfung an das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers einer anderen Rechtsordnung. Dies macht insofern aber nichts aus, da meist der Überweisende beziehungsweise seine Bank bei einer fehlerhaften Überweisung Ansprüche gegenüber den nachfolgenden Banken geltend machen werden. Der Überweisungsempfänger ist in der Regel auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Überweisenden aus dem Valutaverhältnis beschränkt beziehungsweise kann aus dem Inkassoverhältnis Ansprüche gegen seine Bank geltend machen, die dann in der Regel jedoch wegen des Erhalts der Deckung nicht Regress gegen eine andere Bank nehmen muss. Aber auch hier sind abstrakt Fälle vorstellbar, in denen es zu einem Normenwiderspruch kommen kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Bank des Überweisungsempfängers im Interbankenverhältnis einen Widerruf beachten muss, im Inkassoverhältnis jedoch bereits zur Gutschrift verpflichtet ist.
Interbankenverhältnisse hingegen sehr wohl haben. Eine Bank wird kaum eine Leistung erbringen wollen, für die sie selbst bei einem Fehlschlag oder bei einer Schlechterbringung aufgrund eines Fehlverhaltens eines Dritten gegenüber dem Überweisenden einstehen muss, obwohl sie im Verhältnis zum Dritten bzw. zu den nachfolgenden Banken keine Regressansprüche besitzt. 355 Oben S. 275 ff. 356 Hierzu noch unten S. 324. Der Verbraucher wird nämlich in der Regel seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat haben, in dem auch seine Bank ihren Sitz hat.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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3. Zusammenfassung Wie gezeigt verfangen die zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung an das Deckungsverhältnis beziehungsweise an das Inkassoverhältnis vorgebrachten Argumente nicht. Eine entsprechende Entscheidung zugunsten der Bestimmung des einen oder des anderen zugrundeliegenden Vertrags als maßgeblichen Hauptvertrag bezeichnet Arndt insofern im Ergebnis zu Recht als „willkürlich“.357 V. Bedenken gegen eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht Während sich die vorhergehende Untersuchung mit den zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung vorgebrachten kollisionsrechtlichen Interessen und Argumenten auseinandergesetzt hat, sollen nachfolgend Argumente vorgebracht werden, die gegen eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht sprechen. 1. Anwendung einer für die Parteien eines Überweisungsverhältnisses „fremden“ Rechtsordnung Die akzessorische Anknüpfung kann und wird häufig zur Anwendung einer „fremden“ Rechtsordnung auf Teile des Überweisungsvorgangs führen. Unter Anwendung einer fremden Rechtsordnung ist in erster Linie nicht gemeint, dass die Beteiligten die auf den Überweisungsvorgang anzuwendende Rechtsordnung nicht benennen können. Nach den oben diskutierten Anknüpfungsvorschlägen wird dies regelmäßig die Rechtsordnung des Zielstaates oder des Herkunftsstaates der Überweisung sein.358 Sie werden jedoch keine Kenntnis über den materiellen Regelungsgehalt dieser Rechtsordnung haben. Dies trifft zwar nicht auf alle Beteiligte zu, jedoch wird einem Teil und gegebenenfalls sogar der Mehrheit der Beteiligten eines mehrgliedrigen Überweisungsvorganges die Rechtsordnung des Zielstaates beziehungsweise des Herkunftsstaates (zumindest im Detail) unbekannt sein. 357 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 319. Vgl. auch Kadel, Die Haftung der Banken im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr nach dem neuen Überweisungsrecht, S. 226; ferner Pelichet, in: Permanent Bureau of the Conference (Hrsg.), Actes et documents – Proceedings, S. 275 („As for the recourse to the characteristic performance, […] it seems relatively fortuitous in as much as it is difficult to determine in an international funds transfer which is the bank which carries out this performance.“). 358 Zu den Anknüpfungsvorschlägen bereits oben S. 300 ff. Etwas anderes ist freilich der Fall, wenn das Inkassoverhältnis beziehungsweise das Deckungsverhältnis nicht ausschließlich dem Sitzrecht der jeweiligen Bank, sondern (etwa infolge einer Rechtswahl) einem anderen Recht unterliegt. Hierzu sogleich unten S. 325 ff.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Angenommen, eine Bank aus Staat 1 sendet eine Überweisung an die Bank des Überweisungsempfängers in Staat 2. Zur Ausführung der Überweisung werden zwei zwischengeschaltete Banken in Staat 3 verwendet. Bei einer Anknüpfung an den Zielstaat ist das anzuwendende Recht für den Überweisenden und seine Bank, und jedenfalls auch für die erste zwischengeschaltete Bank „fremd“. Auf Grundlage traditioneller kollisionsrechtlicher Anknüpfung müssen sie mit einer Anwendung diesen Rechts nämlich nicht rechnen. Bei einer kollisionsrechtlichen Anknüpfung des Überweisungsvorgangs an den „Herkunftsstaat“ ist dies sogar bei beiden zwischengeschalteten Banken der Fall. Immerhin kann man von der ersten zwischengeschalteten Bank erwarten, dass sie deshalb mit der Anwendung des Rechts des Sitzstaates der Bank des Überweisenden rechnet, weil, wenn auch im internationalen Vergleich kollisionsrechtlich nicht üblich, das Kollisionsrecht des Staates 1 dem kollisionsrechtlichen Parteiinteresse der Bank des Überweisenden an der Anwendung ihres Sitzrechts zur Durchsetzung verhilft, also nicht an den Sitz der beauftragten Bank anknüpft, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz des Auftraggebers.359 Bei einer akzessorischen Anknüpfung an den „Zielstaat“ müssen bestimmte Beteiligte im Fall einer „fehlgeleiteten Überweisung“ vernünftigerweise nicht einmal mit der Anwendung der Rechtsordnung des Zielstaates rechnen, unabhängig davon, ob nun auf den tatsächlichen oder den im ursprünglichen Überweisungsauftrag bestimmten Zielstaat verwiesen wird. Sie können nicht einmal mit dieser rechnen, da es ihnen nicht möglich ist, den Fehler der vor- beziehungsweise nachgeschalteten Bank bei der Weiterleitung des ursprünglichen Überweisungsauftrags zu erkennen.360 Dann können sie natürlich auch nicht den materiellen Regelungsgehalt dieser Rechtsordnung kennen. In all diesen Fällen ist die Anwendung eines „fremden“ Rechts gerade für den charakteristisch Leistenden, die den Überweisungsauftrag jeweils ausführende Bank, von besonderem Nachteil, da sie die durch das zwingende Recht vorgeschriebenen Modalitäten ihrer Leistung nur mit großem Aufwand oder sogar überhaupt nicht ermitteln und befolgen kann. Die akzessorische Anknüpfung würde Banken große Schwierigkeiten bereiten, wäre ihnen doch die Ausrichtung ihrer automatisierten Systeme auf eine bestimmte Rechtsordnung nicht möglich, da jeweils, abhängig vom Zielstaat, unterschiedliche Rechtsordnungen Anwendung finden können. Am Beispiel der Zahlungsverkehrssysteme EURO1 und TARGET2 ist das besondere Bedürfnis der Systembetreiber nach einer rechtssicheren Grundlage für ihre Systeme ersichtlich, werden doch regelmäßig bei 359 Dies spielt natürlich grundsätzlich nur dann eine Rolle, wenn die Gerichte des Staates 1 aus dessen Sicht auch international zuständig für die Entscheidung einer Klage im Verhältnis der Bank des Überweisenden und der ersten zwischengeschalteten Bank sind. 360 Oben S. 304.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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Beitritt, aber auch nach Beitritt fortlaufend sogenannte „country opinions“ eingeholt, mit denen die rechtliche „Kompatibilität“ des jeweiligen Systemdesigns mit sämtlichen in Betracht kommenden Rechtsordnungen überprüft wird.361 Für die in einen Überweisungsvorgang eingeschalteten Banken kann in Bezug auf die jeweiligen einzelnen bilateralen Überweisungsverhältnisse nichts anderes gelten. Ansonsten wäre einer Bank auch eine Einschätzung ihres eigenen Risikos bei einer Überweisung – zum Beispiel im Hinblick auf Mangelfolgeschäden – nicht möglich. Einer schnellen, automatisierten und günstigen Abwicklung des Überweisungsverkehrs würden durch die akzessorische Anknüpfung im Ergebnis Steine in den Weg gelegt werden. Von der Seipen trägt diesen Bedenken jedoch keine Rechnung, sondern beklagt in diesem Zusammenhang vielmehr, dass die Anwendung einer den Beteiligten eines Überweisungsvorgangs (teilweise) „fremden“ Rechtsordnung auf deren Rechte und Pflichten „häufig per se als Nachteil begriffen“362 wird. Seines Erachtens kann eine solche Auffassung „deshalb nicht überzeugen, weil das internationale Privatrecht von der Gleichrangigkeit aller Rechtsordnungen ausgeht und von daher die Klassifizierung einer Rechtsordnung als höher- beziehungsweise minderwertig nicht zulässig ist.“363 Er fordert dazu auf, eine für manchen Rechtsanwender möglicherweise bestehende „psychologische Barriere“364, die die Anwendung eines für zwei Parteien eines Rechtsverhältnisses „fremden Rechts“ auf dieses darstellt, zu überwinden. Zuzustimmen ist den vorgenannten Ausführungen lediglich insofern, als es bei der kollisionsrechtlichen Entscheidung zugunsten einer Rechtsordnung niemals um deren funktionale Klassifizierung im Sinne einer Höher- oder Minderwertigkeit geht.365 Abwegig ist es jedoch, aus der Ablehnung einer akzessorischen Anknüpfung (und damit der Berufung der Rechtsordnung des Ziel- oder des Her361
Vgl. hierzu oben S. 91. von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 93 mit Verweis auf Vetter, NJW 1987, 2124, 2124 ff. 363 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung, S. 93. 364 von der Seipen, in: Hadding/Schneider (Hrsg.), Rechtsprobleme der Auslandsüberweisung S. 92. 365 Dies folgt schon aus der Beachtlichkeit des „ordre public“ (im europäischen internationalen Schuldvertragsrecht gemäß Art. 21 Rom I). Insbesondere über diesen fließen nämlich die eigenen inländischen und europäischen materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen in die Anwendung ausländischen Rechts mit ein. Der „ordre public“ markiert die Grenze der Anwendung ausländischen Rechts, innerhalb derer die inländischen Gerichte dieses jedoch grundsätzlich zwingend zu beachten haben. Lediglich Rechtsanwendungsergebnisse, die außerhalb der Einfassung des „ordre public“ liegen, werden „abgewehrt“ (MünchKomm/Martiny, Art. 21 Rom I Rn. 1). 362
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
kunftsstaats für den gesamten Überweisungsvorgang) zu schließen, dass der Rechtsanwender diese (noch überhaupt nicht benannten) Rechtsordnungen auf irgend eine Weise „minder schätzt“. Weiterhin verkennt von der Seipen die Bedeutung der Gleichrangigkeit der Rechtsordnungen im Internationalen Privatrecht auf eklatante Weise.366 Der kollisionsrechtliche Grundsatz der „Gleichrangigkeit der Rechtsordnungen“ besagt lediglich, dass jede Rechtsordnung prinzipiell berechtigt ist, auf einen beliebigen Lebenssachverhalt Anwendung zu finden. Er folgt aus der Rechtstatsache, dass Rechtsordnungen inhaltlich verschiedenen sind, sodass mangels eines objektiven Maßstabs für das „beste“ Recht nicht an das sachlich beste angeknüpft werden kann und – gerechterweise – auch nicht angeknüpft werden darf.367 Schließlich beruht die kollisionsrechtliche Anknüpfung grundsätzlich auf einer „Verbundenheit“ des konkreten Anknüpfungsgegenstandes mit einer bestimmten Rechtsordnung, wobei diese Verbundenheit wiederum häufig auf einer Prägung durch diese Rechtsordnung beruht.368 Diese wirkt also auch auf die Anknüpfung zurück. Dies ist kein Zirkelschluss, da aufgrund und nur bei Annahme einer prinzipiellen Gleichrangig- beziehungsweise Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen, jedenfalls für die Zwecke des Kollisionsrechts, es möglich ist, spezifische, vom materiellen Recht und seinen Wertungen grundsätzlich unabhängige Regeln zu entwickeln, die kollisionsrechtlichen Interessen, um mit diesen unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts auf einer dem materiellen Recht funktionell vorgeschalteten Ebene die „beste“ Anknüpfung für einen Lebenssachverhalt zu finden.369 Ist die Anknüpfungsnorm erst einmal gebildet, führen die in ihr zum Ausdruck kommenden kollisionsrechtlichen Interessen sogar zu einer „Rangordnung“ der Rechtsordnungen, nämlich indem die durch das Anknüpfungsmerkmal generell bezeichnete Rechtsordnung grundsätzlich sämtliche anderen Rechtsordnungen der Welt „verdrängt“.370 So ist im europäischen internationalen Vertragsrecht grundsätzlich die Rechtsordnung am gewöhnlichen Aufenthalt der
366 Zum Grundsatz der Gleichrangigkeit beziehungsweise Gleichwertigkeit von Rechtsordnungen im Internationalen Privatrecht, vgl. nur Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131; Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 43. 367 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131. Vgl. auch Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 43. 368 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131, der es folgendermaßen formuliert: „Das Recht wird nicht von außen an das Leben herangetragen. Es steht vielmehr mit dem Leben in Wechselwirkung: nach ihm wird in einer Gemeinschaft gelebt. Recht ist das, wonach man sich richtet oder – bei Ungehorsam – gerichtet wird.“). Vgl. auch Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 43. 369 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 131 f. 370 Ausgenommen sind natürlich der „ordre public“ und Eingriffsnormen.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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vertragscharakteristisch leistenden Partei anzuwenden und deshalb allen anderen Rechtsordnungen im kollisionsrechtlichen Sinn vorrangig. Das Prinzip der Gleichrangigkeit der Rechtsordnungen darf hingegen nicht so verstanden werden, dass sämtliche kollisionsrechtliche Interessen nach Belieben beiseitegeschoben werden können, sodass irgendein mehr oder weniger willkürlich ausgewähltes Recht auf einen Lebenssachverhalt Anwendung finden kann.371 Durch die Berufung auf die Gleichartigkeit von Rechtsordnungen könnte auf diese Weise jede kollisionsrechtliche Entscheidung zugunsten einer bestimmten Rechtsordnung wieder ausgehebelt werden. Das spezifisch kollisionsrechtliche Gerechtigkeitsideal würde in Folge konterkariert werden. Deshalb muss bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung vielmehr wie folgt vorgegangen werden: Eine „gerechte“ kollisionsrechtliche Anknüpfung erfordert es, die kollisionsrechtlichen Interessen zu erforschen, die für einen Anknüpfungsgegenstand maßgeblich sind. Während beispielsweise für das internationale Deliktsrecht mit seiner Anknüpfung an den „Erfolgsort“ gemäß Art. 4 I Rom II insbesondere das Verkehrsinteresse maßgeblich ist,372 ist das internationale Vertragsrecht entscheidend durch Parteiinteressen geprägt.373 Eine Folge davon und Zeichen hierfür ist, dass die Parteiautonomie bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im (europäischen) internationalen Vertragsrecht umfassend gewähr371 Vgl. auch Beitzke, Grundgesetz und Internationalprivatrecht, S. 15: „Es kommt nicht darauf an, daß man irgendeine äußere Ordnung hat, sondern die richtige Ordnung.“ Zustimmend Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 24; Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 42. 372 Bernitt, Die Anknüpfung von Vorfragen im europäischen Kollisionsrecht, S. 46. Vgl. bereits zum alten deutschen internationalen Deliktsrecht, wonach noch alternativ an den Handlungs- oder Erfolgsort angeknüpft wurde, Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 720 f. Aber auch die alleinige Anknüpfung an den „Erfolgsort“ gemäß Art. 4 I Rom II bei einer unerlaubten Handlung dient dem Verkehrsinteresse. Es geht dabei nämlich um den Eingriff eines beliebigen Schädigers in die Rechtsgüter einer beliebigen anderen Person. Sie zielt damit nicht auf ein zwischen zwei oder mehreren Parteien privatautonom eingegangenes „aktuelles“ Rechtsverhältnis, weshalb es sich hierbei in erster Linie nicht um ein Parteiinteresse handelt (vgl. hierzu Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 137, 720). Deshalb darf man den Erfolgsort auch nicht mit dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der verletzten Person gleichsetzen (vgl. nur Art. 4 II Rom II; zur Bestimmung des Erfolgsorts MünchKomm/Junker, Art. 4 Rom II Rn. 18 ff.; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 4 Rom I Rn. 5 ff.). Dies zeigt, dass, unter anderem abhängig vom Stand der jeweiligen Rechtsentwicklung (vgl. auch Erwägungsgrund 16 Rom II), dem Verkehrsinteresse auf verschiedene Weise gedient werden kann und eine bestimmte Anknüpfung, z. B. an den Tatort, keineswegs zwingend ist. 373 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 137, 647; Köhler, Eingriffsnormen, S. 81, 89; Kreytenberg, Die individuelle Schwerpunktbestimmung internationaler Schuldverträge, S. 17 f., der jedoch einen engeren Begriff des Parteiinteresses zugrunde legt, welchem nur durch eine Anknüpfung an das Staatsangehörigkeitsrecht der jeweiligen Partei genügt wird; Roth, in: Bernreuther u. a. (Hrsg.), FS Spellenberg, S. 323.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
leistet wird (vergleiche nur Art. 3 Rom I).374 Haben die Parteien hingegen das auf ihren Vertrag anwendbare Recht nicht gewählt, darf grundsätzlich davon aus gegangen werden, dass sie ein (kollisionsrechtliches) Interesse daran haben, dass ein ihnen vertrautes Recht, ihr „Umweltrecht“ Anwendung findet.375 Die Parteiinteressen sind folglich der „Richtungsweiser“ der kollisionsrechtlichen Anknüpfung „internationaler“ Schuldverträge. Die Parteiinteressen können jedoch durch andere gewichtigere kollisionsrechtliche Interessen verdrängt werden.376 Das einzige weitere im Kontext des internationalen Überweisungsrechts be stehende kollisionsrechtliche Interesse, das zu einer akzessorischen und damit einheitlichen Anknüpfung eines Überweisungsvorgangs führen könnte, ist, wie 374 Goldt, Grenzüberschreitender Versendungsverkauf, S. 307. Vgl. auch Beitzke, Grundgesetz und Internationalprivatrecht, S. 17; Czempiel, Das bestimmbare Deliktsstatut, S. 82; Henrich, in: Henrich (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, S. 3; von Hoffmann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, S. 65; Kreuzer, in: Henrich (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, S. 58; Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 1026. 375 Rom I sieht den Parteiinteressen am ehesten gedient, wenn als „Umweltrecht“ das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei beziehungsweise am Sitz einer juristischen Person verstanden wird (vergleiche Art. 4 I, II, 19 Rom I). Alternativ kann man als „Umweltrecht“ beziehungsweise „Heimatrecht“ einer Person auch die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmerkmal wählen, wie es zum Beispiel im deutschen internationalen Familienrecht immer noch häufig der Fall ist (vgl. nur Art. 10 I, 13 I, 14 I Nr. 1 EGBGB, zur Diskussion siehe nur Kegel/ Schurig, Internationales Privatrecht, S. 443 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 269 ff.). Auch auf dem Gebiet des internationalen Vertragsrechts wird eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit zumindest für möglich gehalten (Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 137; in der Tendenz generell gegen eine Anwendung des Staatsangehörigkeitsprinzips allerdings Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 278). Doch wird das Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit insbesondere im europäischen internationalen Privatrecht zunehmend durch den gewöhnlichen Aufenthalt als primäres Anknüpfungsmerkmal verdrängt (Kränzle, Heimat als Rechtsbegriff?, S. 97; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 273 f.). 376 Nicht alle kollisionsrechtlich berücksichtigungsfähigen Interessen, die im Rahmen eines „schuldrechtlichen“ Lebenssachverhalts eine Rolle spielen können, können jedoch bei Bildung des Schuldstatuts gemäß Art. 3 ff. Rom I berücksichtigt werden. Nicht im Rahmen der allgemeinen schuldrechtlichen Anknüpfung berücksichtigungsfähig sind z. B. Interessen, die zur Anknüpfung einer Eingriffsnorm führen, da insofern diesen kollisionsrechtlichen Interessen allein über Art. 9 Rom I Geltung verliehen wird, vgl. Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag, S. 14 ff.; Hauser, Eingriffsnormen in der Rom I-Verordnung, S. 97; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 155; Köhler, Eingriffsnormen, S. 90; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 504; Kuckein, Die „Berücksichtigung“ von Eingriffsnormen, S. 39 ff.; Sonnenberger, IPRax 2003, 104, 106, 129; Palandt/Thorn, Art. 9 Rom I Rn. 6. A.A. MünchKomm/Martiny, Art. 9 Rom I Rn. 35; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 9 Rom I Rn. 34; jurisPK/ Ringe, Art. 9 Rom I Rn. 421, wonach die Eingriffsnormen der „lex causae“ bereits über das Schuldstatut berufen werden (sog. „Schuldstatutstheorie“), diese Interessen also bereits auch bei der Anknüpfung des Schuldvertrags berücksichtigt werden.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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oben bereits gezeigt, das Interesse am inneren Entscheidungseinklang.377 Das Interesse am inneren Entscheidungseinklang führt in Rom I auch dazu, dass auf einen Schuldvertrag lediglich ein einziges Recht Anwendung findet, auch wenn beide Parteien grundsätzlich ein Interesse an der Anwendung ihres eigenen „Umweltrechts“ haben. Eine solche einheitliche Anknüpfung ist jedoch keineswegs zwingend, wie beispielsweise die Rechtsprechung des BGH zeigt.378 Im vorliegenden Untersuchungskontext muss man sich nun folgende Frage stellen: Kann das Interesse am inneren Entscheidungseinklang die Parteiinteressen beider Parteien eines Vertrages (insbesondere dasjenige der vertragscharakteristisch leistenden Partei) innerhalb der Überweisungskette so weit verdrängen, dass das Recht des Hauptvertrages auf diesen Vertrag Anwendung finden kann? Dies kann angesichts der fundamentalen Bedeutung der Parteiinteressen im internationalen Vertragsrecht kaum angenommen werden. 2. Die Überweisung als Massengeschäft des täglichen Lebens Die Vertreter einer einheitlichen kollisionsrechtlichen Anknüpfung des gesamten Überweisungsvorgangs führen an, dass eine solche für die Parteien „unbestrittene praktische Vorteile“ biete und die Anwendung einer einzigen Rechtsordnung auf den gesamten Vorgang den „Rationalisierungsinteressen“379 der Parteien entspreche.380 Richtig ist zwar, dass jedenfalls die Beteiligten eines Überweisungsvorgangs bei einheitlicher Anknüpfung desselben grundsätzlich jeweils nur den Inhalt einer Rechtsordnung ermitteln und ihr Handeln danach ausrichten müssen. Eine Gefahr von Normenwidersprüchen, wie bei der traditionellen Anknüpfung, besteht folglich nicht. Wie Kienle es ausdrückt, können auf diese Weise, wiederum bezogen auf die einzelne Überweisung, „ineffiziente Pflichtengruppierungen unter Beteiligten des Zahlungsnetzes vermieden werden“.381 Er führt deshalb für eine akzessorische Anknüpfung das bei den Banken vorhandene „Ermittlungsinteresse“ (wohl als Teil des jeweiligen Rationalisierungsinteresses) an.382 377 Die
sonstigen zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung vorgebrachten Interessen, also das sogenannte Kontinuitätsinteresse und das facettenreiche allgemeine Sachzusammenhangsinteresse, gibt es – wie gezeigt – nicht oder können jedenfalls für den Bereich des internationalen Überweisungsrechts keine Gültigkeit beanspruchen. Siehe zur ausführlichen Diskussion oben S. 284 ff. 378 Hierzu oben S. 279 f. 379 Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 283. 380 Vgl. Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 175; Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 33 ff., 283 ff. 381 Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 246. 382 Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 286.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Doch spricht gerade das Ermittlungsinteresse, also das Interesse einer Partei daran, die anwendbaren rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erbringung ihrer Leistung ermitteln zu können, in Wirklichkeit gerade nicht für eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht. Das Ermittlungsinteresse korreliert unmittelbar mit dem, und hierüber besteht allgemein Einigkeit, „Interesse von Anbietern und Nachfragern an einer effektiven und kostengünstigen Abwicklung“383 des Zahlungsverkehrs. Letzteres Interesse führt aber dazu, Bankgeschäften (standardisierte)384 Formularverträge zugrunde zu legen, die dem Ziel einer gleichförmigen Geschäftsabwicklung dienen.385 Übereinstimmung dürfte weiter dahingehend bestehen, dass „[d]iese Vorgehensweise […] nicht nur kostengünstig, sondern häufig auch Voraussetzung dafür [ist], dass sich die wirtschaftliche und soziale Funktion der Finanzdienstleistung überhaupt einstellen kann.“386 Die erforderliche Standardisierung von Finanzdienstleistungen wie der Überweisung ist jedoch nur dann möglich, wenn eine Bank bei Erbringung der eigenen Leistung sich auf die Anwendung immer des gleichen Rechts verlassen kann.387 Es entspricht gerade nicht ihrem Ermittlungsinteresse, für jede neu zu erbringende Dienstleistung – noch dazu bei einer Massendienstleistung – zu prüfen, welches Recht anwendbar sein wird und dann dieses erst zu ermitteln. Weder eine akzessorische Anknüpfung, die im Ergebnis zu einer Anknüpfung an den Zielstaat, noch eine, die im Ergebnis das Recht des Herkunftsstaats beruft, dient damit dem Ermittlungsinteresse der Banken. Bei einer einheitlichen Unterwerfung eines Überweisungsvorgangs unter das Recht des Zielstaats, müsste eine Bank bei jeder grenzüberschreitenden Überweisung mit einer Destination außerhalb ihres Sitzstaats ihrem Handeln jeweils das Regelungsregime des Zielstaats zugrunde legen. Im Ergebnis bedeutete dies, dass eine international agierende Bank das Überweisungsrecht aller Staaten die383
Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 27. Seibert, NJW 2006, 2357, 2357. So sind etwa auch die Überweisungsträger im Überweisungsverkehr standardisiert, Bunte, AGB-Banken und Sonderbedingungen, S. 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, vor § 675c BGB Rn. II 27; Schmieder, in: Schi mansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn. 4; Schneider, in: Wiedemann (Hrsg.), Handbuch des Kartellrechts, § 33 Rn. 266. 385 Stehl, Die Überwindung der Inkohärenz des Internationalen Privatrechts der Bank- und Versicherungsverträge, S. 181. Vgl. auch Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 22; Seibert, NJW 2006, 2357, 2357; Mayen, in: Schimansky u. a. (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 48 Rn. 1. 386 Stehl, Die Überwindung der Inkohärenz des Internationalen Privatrechts der Bank- und Versicherungsverträge, S. 181. 387 Stehl, Die Überwindung der Inkohärenz des Internationalen Privatrechts der Bank- und Versicherungsverträge, S. 181. So interessanterweise selbst Kienle, Fehlerhafte Banküberweisung, S. 285. 384 Vgl.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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ser Welt kennen und fortlaufend auf Änderungen hin beobachten müsste. Selbst für Zielländer innerhalb des EWR müsste sie die nationalen Rechte unter fortlaufende Beobachtung stellen, auch wenn es dort zwar zu einer weitgehenden, aber eben nicht vollständigen Harmonisierung durch die Zahlungsdiensterichtlinien gekommen ist.388 Banken müssten hinsichtlich ihrer Pflichten bei Ausführung einer Überweisung, seien es zum Beispiel Hinweispflichten, Ausführungsfristen, aber auch hinsichtlich ihrer Rechte, wie zum Beispiel Zurückweisungsrechte und der möglichen Art und Weise, Entgelte für die Überweisung zu erheben, die fremde Rechtsordnung des Zielstaats ermitteln. Auch hinsichtlich möglicher Folgen bei Verletzung solcher und ähnlicher Pflichten und damit der Risiken, die die Bank bei Erbringung der Dienstleistung „Überweisung“ zu tragen hätte, käme es natürlich auf die ausländische Rechtsordnung des jeweiligen Zielstaates an. Ein solches „monitoring“ ist jedenfalls nicht effizient. Da die möglichen Risiken und der Ermittlungsaufwand mit dem Preis einer Dienstleistung zusammenhängen, steht eine akzessorische Anknüpfung natürlich auch im diametralen Gegensatz zum Ziel eines gleichförmigen, standardisierten und damit effizienten und kostengünstigen Überweisungsverkehrs. Eine akzessorische Anknüpfung aller Überweisungsverhältnisse an das Deckungsverhältnis, also eine Unterwerfung des gesamten Überweisungsvorgangs unter das Recht des Herkunftsstaats, löst dieses Problem jedoch auch nicht. Die zwischengeschalteten Banken und die Empfängerbank, die jeweils gegenüber der unmittelbar vorangehenden Bank die charakteristische Leistung erbringen, könnten sich auch bei dieser Lösung nicht auf die Anwendung ihres Sitzrechts verlassen. Sie träfe dann eben ein Ermittlungsaufwand hinsichtlich des Sitzrechts der Bank des Überweisenden. Für diese Banken würden sich grundsätzlich, wenn sie nicht zufälligerweise im selben Staat wie die Bank des Überweisenden beheimatet sind, die gleichen Schwierigkeiten ergeben wie soeben für die kollisionsrechtliche Verweisung auf das Recht des Zielstaats geschildert. Eine entsprechende Anknüpfung wäre folglich gleichermaßen nicht förderlich für die ökonomische Effizienz und Kostengünstigkeit des Überweisungsverkehrs. Bei „traditioneller“ Anknüpfung ist hingegen immer das Recht der jeweiligen charakteristisch leistenden Bank anwendbar. Folglich ist immer das jeweilige Sitzrecht der Partei anwendbar, für die in der Regel die detaillierteren Regelungsvorgaben bestehen. Für die einen Überweisungsauftrag ausführende Bank besteht damit – unabhängig vom Sitz der Bank des Überweisungsempfängers – immer der gleiche rechtliche Handlungsrahmen, der es ihr erlaubt, die angebotene Dienstleistung gleichförmig auszuüben und damit zu standardisieren. Damit ist auch der Haftungsrahmen für sie fixiert, sodass sie die Preisgestaltung für 388
Vgl. hierzu oben S. 12 ff.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
diese Dienstleistung hiernach ausrichten kann und auch zugunsten von Haftungserleichterungen beziehungsweise Haftungsgrenzen optieren kann, die ihr ihr Sitzrecht bietet. Der (nachträglich) entstehende Ermittlungsaufwand bei einer fehlerhaften Überweisung ist hingegen gegenüber einem fortwährendem „monitoring“ der Rechtsordnungen sämtlicher potenzieller Zielstaaten einer Überweisung vernachlässigbar. Dies muss vor allem auch vor dem Hintergrund der (fortschreitenden) Standardisierung und Automatisierung von Überweisungsvorgängen, wodurch immer mehr Fehlerquellen ausgeschlossen werden, gesehen werden. Alle diese Argumente betrachtet, erscheint die akzessorische Anknüpfung somit sogar auf Grundlage einer ökonomischen Analyse für keinen Beteiligten „sinnvoll“, da ein überwältigender fortwährender Ermittlungsaufwand und damit Kosten auf Seiten der beauftragten Banken keinem oder kaum Nutzen auf Seiten des Beauftragenden gegenübersteht. So weiß der Überweisende nach „traditioneller“ Anknüpfung, dass sich seine Rechte und Pflichten sowie umgekehrt die Rechte und Pflichten der Bank ihm gegenüber nach dem Sitzrecht der beauftragten Bank richten. Dies wird in der Regel das Recht des Staates sein, in dem auch er seinen (gewöhnlichen) Aufenthalt begründet hat. Gleiches gilt für jedes Überweisungsverhältnis entlang der Überweisungskette. Eine beauftragende Bank muss zwar gegebenenfalls (insbesondere nachträglich) fremdes Recht ermitteln (falls es zum Beispiel zu einer Rückabwicklung der Überweisung über die „Kette“ kommt); aber dies betrifft grundsätzlich lediglich den überschaubaren Kreis von Banken, mit denen sie in Geschäftsbeziehungen tritt. Die Bank kann für sich im Vorhinein privatautonom entscheiden, ob sie das „Risiko“ der Abwicklung des Überweisungsverkehrs über eine andere Bank eingehen möchte oder nicht. Möchte die Bank schlicht keine Korrespondenzverhältnisse mit ausländischen Banken schließen, weil sie Überweisungsverhältnisse, die fremdem Recht unterliegen, vermeiden möchte, dann bleibt ihr dies unbenommen. Sie kann sich dann inländische Korrespondenzbanken suchen, die für sie grenzüberschreitende Überweisungen ausführen.389 Dies ist gegebenenfalls gerade für kleinere Institute von Interesse. Bei einer akzessorischen Anknüpfung wäre es einer Bank jedoch nicht mehr möglich, der Anwendung ausländischen Rechts vollständig zu entgehen, wenn sie keine (bilaterale) Rechtswahl zugunsten ihres eigenen Rechts durchsetzen kann.390 Gerade aus ökonomischen Gesichtspunkten darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es bei Anwendung unterschiedlicher 389 Dies ist auch kein „unzulässiges“ Abschieben von Risiken auf andere Banken. Diesen steht es ja genauso frei, dieselbe Entscheidung zu fällen. Die Banken, die Beziehungen zu ausländischen Korrespondenzbanken unterhalten, können sich ihre („besondere“) Dienstleistung dann auch entsprechend vergüten lassen. 390 Vgl. hierzu auch unten S. 319.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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Rechtsordnungen auf einen Überweisungsvorgang auch nicht unbedingt zu einem Normkonflikt kommen muss. Vielmehr kann es nur in speziellen Fallgruppen zu einem solchen kommen.391 Im Ergebnis beeinträchtigt die akzessorische Anknüpfung die Effizienz und Kostengünstigkeit des Überweisungsverkehrs und kann deshalb nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, sie diene bei abstrakter Betrachtungsweise der (ökonomischen) Wohlfahrt der Allgemeinheit oder auch nur des Einzelnen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. 3. Durchsetzungshindernisse für eine akzessorische Anknüpfung a) Bilaterale Rechtswahlvereinbarungen aa) Durchbrechung der akzessorischen Anknüpfung durch Rechtswahlvereinbarungen Allgemein kann eine Rechtswahl der Parteien ein Hemmnis für die akzessorische Anknüpfung darstellen. Eine Rechtswahl in einem Überweisungsverhältnis steht einer akzessorischen Anknüpfung dieses Verhältnisses grundsätzlich entgegen. Die Ausweichklausel des Art. 4 III Rom I – über die eine akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht realisiert werden kann – ist nämlich nicht anwendbar, wenn die Parteien das anwendbare Recht für ihr Vertragsverhältnis parteiautonom bestimmt haben. Eine besondere Ausweichklausel für Art. 3 Rom I besteht nicht und ist im Grunde genommen auch nicht denkbar. Im Fall einer Rechtswahl würde trotz teilweiser akzessorischer Anknüpfung, soweit man eine solche überhaupt anerkennt, deshalb wiederum ein „Flickenteppich“ unterschiedlicher Rechtsordnungen entstehen. bb) Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des Art. 3 I Rom I zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung im Rahmen des internationalen Überweisungsrechts Abhilfe könnte allerdings eine teleologische Einschränkung der Rechtswahlfreiheit gemäß Art. 3 I Rom I bringen. Eine solche ist jedoch nur möglich, wenn der europäische Gesetzgeber es versäumt hat, bei Art. 3 I Rom I eine nach dessen Sinn und Zweck erforderliche Ausnahmeregelung für den Bereich des internationalen Überweisungsrechts hinzuzufügen.392 Es erscheint jedoch mehr als zweifelhaft, ob eine solche teleologische Reduktion zulässig ist. 391
Zu den Fallgruppen oben S. 163 ff. zu den Voraussetzungen der teleologischen Reduktion Geisler, Die engste Verbindung im Internationalen Privatrecht, S. 96; Brandenburg, Die teleologische Reduktion, S. 55 ff. 392 Allgemein
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
Zunächst muss man berücksichtigen, dass der europäische Gesetzgeber mit Rom I die Parteiautonomie sehr weitgehend fördern möchte. So bezeichnet der Erwägungsgrund 11 Rom I die Rechtswahlfreiheit ausdrücklich als einen „Eckstein des Systems der Kollisionsnormen im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse“. Deshalb soll diese grundsätzlich umfassend für alle von Rom I erfassten Verträge gewährleistet werden. Das heißt jedoch nicht, dass es gar keine Beschränkungen der Parteiautonomie in Rom I gibt. Einschränkungen sind insbesondere in Art. 3 III, IV, 5 II, 6 II, 7 III, 8 I Rom I enthalten. Da sich aus diesen, durch den europäischen Gesetzgeber eingefügten, Einschränkungen möglicherweise weitergehende Rückschlüsse auf den Stellenwert der Rechtswahlfreiheit ziehen und generelle Maßstäbe für Situationen entwickeln lassen, in denen der europäische Gesetzgeber eine Beschränkung für erforderlich hält, sollen insbesondere diese im Nachfolgenden untersucht werden. Dabei lassen sich zwei Gruppen von einschränkenden Normen ausmachen: zum einen solche, die grundsätzlich für alle unter Rom I fallenden Verträge gelten, und zum anderen solche, die nur für bestimmte Vertragstypen gelten. (1) Generelle Einschränkungen der Parteiautonomie Generelle Einschränkungen der Parteiautonomie sieht Art. 3 III, IV Rom I vor. Durch Art. 3 III Rom I werden im Fall eines reinen Inlandssachverhalts kumulativ die zwingenden Vorschriften des Staates, dessen Normen bei objektiver Anknüpfung gelten würden, berufen. Im Ergebnis wird damit der Rechtswahl die gleiche Wirkung wie einer materiellrechtlichen Verweisung beigelegt, da nur diejenigen Bestimmungen der fremden Rechtsordnung Anwendung finden, die den gemäß Art. 3 III Rom I anwendbaren zwingenden Regelungen nicht widersprechen.393 Ähnlich ist die Situation bei Art. 3 IV Rom I. Dort werden dann, wenn sämtliche anknüpfungsrelevanten Sachverhaltselemente ausschließlich in Mitgliedstaaten belegen sind, die zwingenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (gegebenenfalls in der Umsetzung des Mitgliedstaates des angerufenen Gerichts)394 berufen. Angenommen, ein Unternehmen beauftragt seine Bank BÜ, Geld ins Ausland zu überweisen. Die Bank BÜ schaltet hierzu eine weitere Bank BZ1 ein, die ihren Sitz auch im Herkunftsstaat hat. Im Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank sind im gebildeten Fall sowohl der Sitz beider Vertragspartner als auch (jedenfalls aus deutscher Sicht bei einer Drittstaatenüberweisung) der Erfüllungsort der sich aus dem Girovertrag ergebenden 393 jurisPK/Ringe,
Art. 3 Rom I Rn. 43. Ein Rückgriff auf die objektive Bestimmung des anwendbaren Rechts hätte näher gelegen, vgl. jurisPK/Ringe, Art. 3 Rom I Rn. 52. 394
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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Verpflichtungen im Herkunftsstaat belegen, da die Bank nur die bloße Weiterleitung des Überweisungsauftrages an die nächste Bank schuldet. Bei einer Rechtswahl zugunsten des Rechts des Zielstaats stellt sich deshalb in diesem Fall die Frage, ob nicht Art. 3 III Rom I greift und der Rechtswahl der Vertragspartner im Ergebnis nur materiellrechtliche Wirkung verleiht oder ob nicht vielmehr ein (enger) wirtschaftlicher oder rechtlicher Zusammenhang zu den anderen Verträgen der Überweisungskette genügt, um einen hinreichenden Auslandsbezug des Vertrags zu begründen, sodass Art. 3 III Rom I nicht anwendbar ist.395 Gerade im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr ist häufig der Bezug zu einem anderen Recht unterliegenden Vertrag ein noch fernerer, da gegebenenfalls der Girovertrag zwischen der zwischengeschalteten Bank BZ1 und ihrem Vertragspartner ebenfalls dem Recht des Herkunftsstaats unterliegt. Für den Fall, dass man Art. 3 III Rom I in einem solchen Fall anwendet, kann jedoch das Ergebnis im Fall einer objektiven Anknüpfung (also bei fehlender Rechtswahl) kein anderes sein. In diesem Fall kann wohl kaum von der Ausweichklausel zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung (beispielsweise an das Recht des Zielstaates) Gebrauch gemacht werden, da sonst die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des Herkunftsstaates nicht gewährleistet wäre. Oder anders ausgedrückt: Möchte der Verordnungsgeber verhindern, dass die Parteien ein anderes Recht kollisionsrechtlich „wählen“, als dasjenige, das auf ihren Vertrag (bei objektiver Anknüpfung) eigentlich Anwendung fände, kann es auch nicht seinem Willen entsprechen, dass es zu einem solchen Ergebnis aufgrund objektiver Anknüpfung (im Wege einer akzessorischen Anknüpfung über die Ausweichklausel des Art. 4 III Rom I) kommt. Aus Art. 3 III Rom I kann aber dennoch kein Argument gegen die akzessorische Anknüpfung per se abgeleitet werden, da Umstände, die eine im Sinne von Art. 4 III Rom I „offensichtlich engere Verbindung“ zu einem anderen als dem gemäß Art. 4 I, II Rom I bestimmten Staat herstellen, andererseits denklogisch notwendig einen hinreichenden Auslandsbezug im Sinne von Art. 3 III Rom I 395
Generell sprechen sich Staudinger/Magnus, Art. 3 Rom I Rn. 138; BeckOGK/Wendland, Art. 3 Rom I Rn. 239 gegen einen ausreichenden Auslandsbezug im Fall eines nur rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs und damit für eine Anwendung von Art 3 III Rom I aus. A.A. hingegen von Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 94 aus Gleichbehandlungsgründen inländischer Geschäftspartner gegenüber ausländischen Mitbewerbern. Unklar ist, ob IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 55 im Fall des internationalen Überweisungsrechts einen ausreichenden Auslandsbezug für gegeben ansehen würde. Er differenziert nämlich zwischen einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang, der nicht ausreichen soll, eine hinreichende Verbindung zu einem anderen Staat zu begründen, und einem engen rechtlichen Zusammenhang, der hierzu in der Regel ausreichen soll, wobei sich aus seinen Ausführung allerdings nicht ergibt, wann er einen lediglich wirtschaftlichen und wann er einen rechtlichen Zusammenhang für gegeben ansieht.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
begründen.396 Aus Art. 3 III Rom I kann jedoch auch kein Argument zugunsten einer teleologischen Reduktion der Parteiautonomie im Fall des internationalen Überweisungsverkehrs abgeleitet werden, um eine akzessorische Anknüpfung zu begünstigen. Ziel des Art. 3 III Rom I ist es, dass bei einer fehlenden Auslandsbeziehung des Vertrags die zwingenden Bestimmungen desjenigen Staates auf den Vertrag Anwendung finden, die mangels Rechtswahl auch bei objektiver Bestimmung des anwendbaren Rechts Anwendung gefunden hätten. Dieser Zweck deckt sich nicht mit dem Ziel einer teleologischen Einschränkung der Parteiautonomie zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung. Entsprechendes gilt dann konsequenterweise auch für die Regelung des Art. 3 IV Rom I, die den Regelungsgedanken des Art. 3 III Rom I auf die übergeordnete europäische Ebene überträgt (mit der Modifikation, dass es hier eben auf die zwingenden Bestimmungen des Sachrechts des angerufenen Gerichts ankommt). (2) Besondere Einschränkungen der Parteiautonomie in strukturellen Ungleichgewichtssituationen Neben den generellen Rechtswahlbeschränkungen hat der europäische Gesetzgeber in Rom I besondere Einschränkungen der Rechtswahl für Verbrauchersachen (vergleiche Art. 6 II Rom I) und für Individualarbeitsverträge (vergleiche Art. 8 I Rom I) eingefügt. Wie bei Art. 3 III Rom I werden dort kumulativ die zwingenden Bestimmungen desjenigen Rechts berufen, das bei objektiver Bestimmung des anwendbaren Rechts anzuwenden wären, und dadurch die Rechtswahlfreiheit mittelbar eingeschränkt. Auch hier wirkt die kollisionsrechtliche Rechtswahl der Parteien damit wie eine materiellrechtliche Verweisung. Zudem sieht Rom I für den Bereich der Personenbeförderungsverträge (Art. 5 II UAbs. 2 Rom I) und für Versicherungsverträge hinsichtlich „Massenrisiken“397 (Art. 7 II, III Rom I) sogar eine unmittelbare Einschränkung der Parteiautonomie vor. Auch in diesen Bereichen ist jedoch eine Rechtswahl durch die Parteien eines Vertrags nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern nur auf einige, durch allgemeine Kriterien bestimmte Rechtsordnungen beschränkt. Wie bei Art. 6 und 8 Rom I liegt der Grund für die Beschränkung in einem vermuteten strukturellen Ungleichgewicht der Vertragsparteien (vergleiche Erwägungsgrund 32 Rom I).398 Durch die Begrenzung der wählbaren Rechtsordnungen statt einer Berufung der zwingenden Normen des objektiv anwendbaren Rechts wollte der Gesetzgeber den Vertragsparteien in diesen Fällen jedoch mehr Spielraum bei der Vertragsgestaltung geben. 396
Umgekehrt gilt dies hingegen nicht notwendigerweise. Zum Begriff MünchKomm/Martiny, Art. 7 Rom I Rn. 25. 398 Zu Art. 5 Rom I, MünchKomm/Martiny, Art. 5 Rom I Rn. 27. Zu Art. 7 Rom I, vgl. Erwägungsgrund 32 Rom I; außerdem MünchKomm/Martiny, Art. 7 Rom I Rn. 25. 397
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
323
Rom I sieht folglich innerhalb dieser Kategorie Einschränkungen der Parteiautonomie nur in strukturellen Ungleichgewichtssituationen vor.399 Darüber hinaus schließt Rom I in keinem einzigen Fall eine Rechtswahl gänzlich aus, sondern stuft sie höchstens in ihrer Wirkung zu einer materiell-rechtlichen Verweisung herab. Argumente zugunsten einer teleologischen Reduktion für das internationale Überweisungsrecht lassen sich hieraus nicht ableiten, da es sich bei den einzelnen Überweisungsverhältnissen (gerade im Interbankenverhältnis) nicht um Sachverhalte handelt, bei denen eine Ungleichgewichtssituation vorliegt. Selbst wenn eine solche im Inkasso- oder Deckungsverhältnis vorliegt, weil der Überweisende oder der Überweisungsempfänger Verbraucher ist, soll durch Art. 6 Rom I gerade dem zwingenden Recht am Sitz des Verbrauchers zur Durchsetzung verholfen werden.400 (3) Zusammenfassende Erwägungen Argumente zugunsten einer teleologischen Reduktion von Art. 3 I Rom I für den Bereich des internationalen Überweisungsrechts, um einer akzessorischen Anknüpfung im Falle bilateraler Rechtswahlvereinbarungen vollumfänglich zur Durchsetzung zu verhelfen, können den normierten Einschränkungen der Parteiautonomie in Rom I nicht entnommen werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass die normierten Einschränkungen der Parteiautonomie in Rom I zwar die Wirkungen einer Rechtswahl einengen, aber nicht zu einem generellen Ausschluss der Parteiautonomie führen. Daraus ist abzuleiten, dass der europäische Verordnungsgeber umfassend die Parteiautonomie der unmittelbaren Parteien eines Vertrags gewährleisten wollte und deshalb grundsätzlich nur in denjenigen Situationen korrigierend eingreift, in denen er – wie etwa in strukturellen Ungleichgewichtssituationen – eine besondere Schutzbedürftigkeit eines Vertragspartners sieht. Eine Beschränkung aus anderen Gründen – etwa um den inneren Entscheidungseinklang zu fördern – geht aus den vorhandenen Ausnahmetatbeständen nicht hervor. Auch der US-amerikanische Gesetzgeber hält eine einheitliche Anknüpfung an das durch ein „funds-transfer system“ gewählte Recht gemäß § 4A-507 (c) UCC für besonders förderungswürdig. Er erlaubt es einer bilateralen Rechtswahlvereinbarung zweier Vertragspartner gemäß § 4A-507 (d) UCC dennoch, das einheitliche Statut zu durchbrechen.401 Dies ist umso bemerkenswerter, als die USA grundsätzlich der Möglichkeit einer Rechtswahl zurückhaltender ge399
Siehe zu diesem gesetzgeberischen Ziel auch Erwägungsgrund 23 Rom I. S. 142 ff., 324 f. 401 Detailliert oben S. 240 ff. 400 Auch
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
genüberstehen und diese für gewöhnlich nur auf einen engeren Kreis an Rechtsordnungen begrenzen.402 b) Verbraucherbeteiligung im Deckungs- und Inkassoverhältnis Nicht nur Rechtswahlvereinbarungen zwischen den Beteiligten eines Überweisungsvorgangs können Lücken in das an sich einheitliche akzessorische Statut reißen, sondern auch schon die bloße Beteiligung von Verbrauchern am Überweisungsvorgang – und dies ganz unabhängig von einer Rechtswahlvereinbarung zwischen dem Verbraucher und seiner Bank. Der zwischen einem Verbraucher und seiner Bank geschlossene Girovertrag unterliegt nämlich nach Art. 6 I Rom I bei Vorliegen der situativen Voraussetzungen dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers.403 Ist der Überweisende also Verbraucher und reicht bei seiner Bank vor Ort einen Überweisungsauftrag ein, unterliegt das Überweisungsverhältnis zwischen diesen beiden Beteiligten bei objektiver Anknüpfung grundsätzlich dem Recht des Herkunftsstaates. Folgt man nun aber dem Vorschlag, die Rechtsverhältnisse in der Überweisungskette akzessorisch an das Inkassoverhältnis, also an das Recht des Zielstaates anzuknüpfen, ist dies jedenfalls nicht für das Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank möglich. Ein „Ausweichen“ auf das Recht eines anderen Staates ist im Rahmen des Art. 6 Rom I nicht vorgesehen, der eine Ausweichklausel wie Art. 4 III Rom I für den Fall einer „offensichtlich engeren Verbindung“ vermissen lässt. Eine teleologische Reduktion von Art. 6 Rom I im Rahmen des internationalen Überweisungsrechts erscheint vor dem Hintergrund der besonderen Stellung des Verbraucherschutzrechts in Rom I, wie oben bei den Einschränkungen der Parteiautonomie gezeigt, nicht vertretbar. Deshalb läuft auch eine teleologische Reduktion der bei Art. 6 Rom I ohnehin nur eingeschränkten Rechtswahlfreiheit zugunsten einer akzessorischen Anknüpfung ins Leere. Bei der objektiven Anknüpfung müsste wiederum auf Art. 6 I Rom I zurückgegriffen werden, sodass auf jeden Fall in diesem Verhältnis das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers anzuwenden wäre, für gewöhnlich also der Herkunftsstaat der Überweisung. Bezieht man das Deckungsverhältnis jedoch nicht in die akzessorische Anknüpfung mit ein, kann es allerdings zu Normkonflikten kommen.
402 403
Oben S. 227 f. Oben S. 142 f.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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4. Gefahr der Erstreckung einer „fremden“ Rechtswahl auf vertragsfremde Dritte Im deutschen Endkundengeschäft der Banken enthalten die zugrunde gelegten AGB eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts.404 Knüpft man akzessorisch an das Recht des Deckungs- beziehungsweise Inkassoverhältnisses an, wird deshalb bei grenzüberschreiten Überweisungen im Fall einer akzessorischen Anknüpfung deutsches Recht Anwendung finden, wenn der Überweisende beziehungsweise Überweisungsempfänger in Deutschland ansässig ist. Die bilaterale Rechtswahl zwischen Endkundem und Bank wirkt sich in diesem Fall unmittelbar auch auf die Vertragsverhältnisse anderer Parteien aus. Dies mag deshalb nicht unangemessener erscheinen als bei einer akzessorischen Anknüpfung an das objektiv bestimmte Statut des Deckungs- beziehungsweise Inkassoverhältnisses, weil das gewählte Recht mit dem unter Außerachtlassung der Rechtswahl bestimmten Recht übereinstimmt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn das subjektive und das zum Vergleich herangezogene objektiv bestimmte Statut im Deckungs- beziehungsweise Inkassoverhältnis voneinander abweichen – auch wenn eine Divergenz tatsächlich unwahrscheinlich ist. Unter anderem Genner befürchtet im Rahmen der Diskussion zur Rechtswahlerstreckung durch § 4A-507 (c) UCC, dass trotz der „praktischen Gründe vor allem in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen […] die Möglichkeit einer Rechtswahl, die auch für nicht unmittelbar beteiligte Dritte verbindlich sein soll, auf dogmatische Bedenken stoßen“405 dürfte. In der Tat äußert sich, soweit ersichtlich, das deutsche Schrifttum entsprechend ablehnend einer entsprechenden Rechtswahlerstreckung gegenüber.406 Genner ist dennoch der Auffassung, dass man wegen der „unbestrittenen“ praktischen Vorteile einer einheitlichen Anknüpfung „dogmatische Bedenken nicht überbewerten“407 sollte. Abgesehen davon, dass den Vorteilen einer einheitlichen Anknüpfung sehr wohl gewichtige Nachteile gegenüberstehen, ist das grundsätzliche Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter mit Verfassungsrang ausgestattet. Dieses Verbot soll die Autonomie der einzelnen Vertragspartei schützen. Die Autonomie einer Vertragspartei ist aber auch dann beeinträchtigt, wenn die Partei die Erstreckung der Rechtswahl anderer Parteien verhindern kann, indem sie selbst mit ihrem Vertragspartner eine Rechtswahl trifft. Sie muss nämlich erst tätig werden und eine Einigung mit 404
Hierzu bereits oben S. 136. Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 174. 406 Arndt, Das Interbankenverhältnis im Überweisungsrecht, S. 318; Schneider, WM 1999, 2189, 2191. Vgl. Einsele, AcP 199 (1999), 145, 165 f.; Schwart, Die Haftung der Banken im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr, S. 38 f.; Schwolow, Internationale Entwicklungslinien im Recht der Auslandsüberweisung, S. 41. 407 Genner, UNCITRAL-Modellgesetz, S. 175. 405
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
ihrem Vertragspartner herbeiführen. Teilweise mag den Parteien zudem auch einfach unbekannt sein, dass im Deckungs- beziehungsweise im Inkassoverhältnis ein vom objektiv bestimmten Recht verschiedenes, parteiautonom bestimmtes Recht Anwendung findet. Für die akzessorische Anknüpfung ist jedoch nicht erforderlich, dass die entfernteren Parteien die Rechtswahl der Parteien des Hauptvertrages kennen.408 Ist den Parteien das anwendbare Recht nicht bekannt, können sie ihre Rechte und Pflichten nicht bestimmen. Beispielsweise wüssten sie nicht, ob ein Widerruf des Überweisenden beziehungsweise des beauftragenden Bank beachtlich ist oder nicht.409 Auch auf europäischer Ebene findet sich der Gedanke des Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter wieder. Im europäischen internationalen Privatrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse (Rom II) wird ausdrücklich klargestellt, dass eine Rechtswahl Rechte Dritter nicht beeinträchtigt kann. Gemäß Art. 14 I S. 2 a. E. Rom II lässt eine Rechtswahl die „Rechte Dritter unberührt“. Dies soll sich „ohne weiteres aus dem Verbot von Vereinbarungen zu Lasten Dritter“410 ergeben. Die Regelung des Art. 14 I S. 2 Rom II bezweckt insbesondere den Schutz eines Versicherers beziehungsweise Regressgläubigers.411 Ein Versicherer, der entsprechende Risiken versichert, soll sich darauf verlassen können, nicht aufgrund einer Rechtswahlvereinbarung zwischen dem Schädiger und dem Opfer eine höhere Entschädigungsleistung zahlen zu müssen als dies unter Anwendung des objektiv bestimmten Rechts geschuldet wird.412 Dies gilt auch bereits im Hinblick auf die Begründung eines Direktanspruchs gegen den Versicherer.413 Gemäß Art. 18 Rom II kann der Geschädigte seinen Anspruch direkt gegen den Versicherer des Haftenden geltend machen, wenn dies nach dem auf das 408 Anders ist dies bei § 4A-507 (c) UCC, da eine Rechtswahlerstreckung nur dann stattfindet, wenn die Parteien eines Überweisungsverhältnisses Kenntnis von der Möglichkeit der Verwendung des Systems und insbesondere von der Rechtswahl dieses Systems haben (bereits oben S. 235 f.). 409 Dies bedeutet für beide Vertragspartner ein erhebliches Haftungsrisiko: für die beauftragte Bank, weil sie einen Widerruf unzulässigerweise beachtet bzw. nicht beachtet hat, und für die beauftragende Bank, weil sie beispielsweise von einem ihr zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. 410 Fuchs, GPR 2004, 100, 104. Zustimmend Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 14 Rom II Rn. 7. 411 MünchKomm/Junker, Art. 14 Rom II Rn. 49 f.; jurisPK/Wurmnest, Art. 14 Rom II Rn. 37. Vgl. auch Palandt/Thorn, Art. 14 Rom II Rn. 12; HK-BGB/Dörner, Art. 14 Rom II Rn. 6; Leible, RIW 2008, 262. 412 MünchKomm/Junker, Art. 14 Rom II Rn. 49. Vgl. auch Bamberger/Roth/Hau/Poseck/ Spickhoff, Art. 14 Rom II Rn. 7. 413 jurisPK/Wurmnest, Art. 14 Rom II Rn. 37. Vgl. auch jurisPK/Engel, Art. 18 Rom II Rn. 5; MünchKomm/Junker, Art. 18 Rom II Rn. 10; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 18 Rom II Rn. 3.
B. Der Vorschlag einer „akzessorischen Anknüpfung“
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außervertragliche Schuldverhältnis oder nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht vorgesehen ist. Wegen Art. 14 I S. 2 Rom II kann der Geschädigte, falls das auf den Versicherungsvertrag anwendbare Recht ein unmittelbares Vorgehen gegen den Versicherer nicht vorsieht, einen Direktanspruch trotzdem geltend machen, wenn das objektive Deliktsstatut für das Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger einen solchen kennt. Falls ein entsprechender Direktanspruch nur aufgrund des zwischen den Deliktsparteien gewählten Rechts (auch bei einer „ex ante“-Rechtswahl) besteht, bei objektiver Anknüpfung hingegen nicht, kann dies aufgrund von Art. 14 I S. 2 Rom II ein unmittelbares Vorgehen gegen den Versicherer hingegen nicht stützen.414 Im europäischen internationalen Vertragsrecht bestimmt die Regelung des Art. 3 II S. 2 Alt. 2 Rom I, dass „Rechte Dritter […] durch eine nach Vertragsschluss erfolgende Änderung der Bestimmung des anzuwendenden Rechts nicht berührt“ werden. Diese Regelung soll dem Gedanken Rechnung tragen, dass in manchen Rechtsordnungen Dritte aufgrund eines Vertrags zwischen zwei anderen Personen Rechte aus diesem Vertrag erlangen können.415 Dies ist im deutschen Recht zum Beispiel beim Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) der Fall.416 Rechtsgedanke der Regelung ist, dass das Recht eines Dritten nachträglich nicht mehr durch das Verhalten der Vertragsparteien ohne Zustimmung des Dritten zu seinen Ungunsten beeinflusst können werden soll.417 Zwar ist der Regelungsgedanke des Art. 3 II S. 2 Alt. 2 Rom I nicht unmittelbar auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand der akzessorischen Anknüpfung übertragbar. Art. 3 II S. 2 Alt. 2 Rom I bezweckt den Schutz des Rechtsinhabers, nicht des Rechtserwerbers. Die Beeinflussung von Rechten Dritter durch eine anfängliche Rechtswahl, die das Entstehen von Rechten beeinflussen kann, wurde durch den europäischen Gesetzgeber in Rom I nicht geregelt. Insofern wurde der Dritte, zum Beispiel beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, in seiner Stellung als „Rechtserwerber“ jedenfalls nicht als per se schutzwürdig angesehen. Anders ist dies allerdings bei Art. 14 I S. 2 a. E. Rom II. Dort ist zu berücksichtigen, dass die alternative Anknüpfung des Art. 18 Rom II von Gesetzes wegen angeordnet ist. Der Gesetzgeber musste demnach den Schutz des Dritten sicherstellen. Weiterhin ist die kollisionsrechtliche Entsprechung des Verbots des Vertrags zu Lasten Dritter auch in Art. 4 Abs. 3 S. 2 Rom II zu erblicken, der nach 414 jurisPK/Engel,
Art. 18 Rom II Rn. 5; Palandt/Thorn, Art. 18 Rom II Rn. 3. Vgl. MünchKomm/Junker, Art. 18 Rom II Rn. 10; Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Spickhoff, Art. 18 Rom II Rn. 3. 415 BT-Drs. 10/503, S. 50; IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 47. 416 IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 48. 417 IVR/Ferrari, Art. 3 Rom I Rn. 47.
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5. Kapitel: Das einheitliche Überweisungsstatut
herrschender Auffassung lediglich eine akzessorische Anknüpfung an eine andere Rechtsbeziehung derselben Parteien (einer unerlaubten Handlung) erlaubt. Insofern ist der Gesichtspunkt des Schutzes der Rechte Dritter ein weiteres Argument, das gegen die akzessorische Anknüpfung spricht. Schließlich ist bei einer akzessorischen Anknüpfung an ein von zwei anderen Parteien gewähltes Recht zu bedenken, dass allgemeine Schutzmechanismen, wie Art. 3 III, IV und 6 II Rom I, gegebenenfalls unterlaufen werden, die in bestimmten Fällen die zwingenden Bestimmungen des abgewählten Rechts zur Anwendung berufen. Jedenfalls führt eine akzessorische Anknüpfung zu schwierigen Einzelfragen, nämlich, ob die durch die genannten Normen berufenen Rechtsnormen auch für die akzessorisch angeknüpften Überweisungsverhältnisse Geltung erlangen.
6. Kapitel
Lösung der auftretenden Problemlagen auf Grundlage der „traditionellen“ Anknüpfung Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass ein einheitliches Überweisungsstatut erhebliche Probleme verursachen kann. Des Weiteren konnte aufgezeigt werden, dass entgegen einem weit verbreiteten Verständnis bei traditioneller gesonderter Anknüpfung der einzelnen Überweisungsverhältnisse nicht zwangsläufig behebungsbedürftige Normenwidersprüche entstehen, sondern nur in bestimmten Ausnahmesituationen. Schon insofern ist fraglich, ob diese Ausnahmefälle es erfordern, von der traditionellen kollisionsrechtlichen Anknüpfungsmethode abzuweichen. Es geht nunmehr darum, wie diese Ausnahmefälle auf Grundlage der traditionellen kollisionsrechtlichen Methodik gelöst und überzeugende Ergebnisse erzielt werden können.
A. Die Anpassung als kollisionsrechtliches Instrument zur Behebung von Normenwidersprüchen Normenwidersprüche werden grundsätzlich mittels des kollisionsrechtlichen Instruments der „Anpassung“ (oder auch „Angleichung“) gelöst.1 Es wird also in das kollisionsrechtlich ermittelte Ergebnis „nachträglich“ korrigierend eingegriffen. Dies rechtfertigt sich daraus, dass im Falle eines Normenwiderspruchs grundsätzlich die zu einer Anknüpfung führenden Partei- und Verkehrsinteressen geschwächt sind. Relativ hierzu betrachtet wird hingegen das Ordnungsinteresse am inneren Entscheidungseinklang, also an einer widerspruchsfreien Rechtslage, gestärkt. Letzteres richtet sich nicht nur auf ein denkgesetzlich mögliches, sondern auch auf teleologisch erwünschtes Ergebnis.2 Insofern wird es relevant, ob 1 Zur Anpassung allgemein von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 249 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 357 ff.; Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, 1995; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 562 ff. Vgl. auch MünchKomm/von Hein, Einl. IPR Rn. 242 ff; Staudinger/Looschelders, Einl zum IPR Rn. 1218 ff.; Palandt/Thorn, Einl v Art. 3 EGBGB Rn. 32; jurisPK/Ludwig, Art. 3, 3a EGBGB Rn. 366. 2 Vgl. bereits oben S. 181 f.
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6. Kapitel: Lösung der auftretenden Problemlagen
lediglich ein einseitiger oder ein beidseitiger Normenwiderspruch vorliegt, da lediglich beim beidseitigen beziehungsweise allseitigen Normenwiderspruch ein Ergebnis vorliegt, das von keiner der betroffenen Rechtsordnungen – jeweils für sich betrachtet – gewollt ist. In diesem Fall kann eine Korrektur des Rechtsanwendungsergebnisses, wenn es ansonsten zu einer „ungewollten Diskriminierung“ der Beteiligten käme, erforderlich werden.3 Nicht festgelegt ist hiermit jedoch, wie eine Anpassung zu erfolgen hat. Es ist anerkannt, dass eine Anpassung sowohl auf kollisions- als auch auf sachrechtlicher Ebene möglich ist.4 Während bei der kollisionsrechtlichen Anpassung der Anwendungsbereich einer Kollisionsnorm neu bestimmt oder eine völlig neue Anknüpfung gewählt wird, führt die sachrechtliche Anpassung zu einem direkten Eingriff in das aufgrund der Anknüpfung bestimmte Sachrecht. Letztere wird deshalb auch als besonderer Fall des Auslandssachverhalts begriffen.5 Die Rechtfertigung für eine entsprechende Anpassung im Sachrecht liegt darin begründet, dass die berufenen, in einem Statut gebündelten Normen aufgrund der Auslandsbeziehung des Sachverhalts nicht unmodifiziert angewendet werden können. Eine allgemeine Rangordnung unter den beiden Anpassungsmethoden lässt sich nicht feststellen.6 Es lassen sich jedoch Kriterien identifizieren, denen eine Anpassung zu folgen hat. Um die Beeinträchtigung der zu einer Anknüpfung führenden Partei- oder sonstiger Interessen möglichst gering zu halten, lässt sich zum einen ein „Prinzip des geringsten Eingriffs“ ableiten.7 Dieses sollte 3 MünchKomm/von
Hein, Einl. IPR Rn. 246; Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 114; Staudinger/Looschelders, Einl zum IPR Rn. 1244. 4 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 257; MünchKomm/von Hein, Einl. IPR Rn. 254; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 237; Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 35 ff.; Staudinger/Looschelders, Einl zum IPR Rn. 1247 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 361; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 570 f.; Palandt/Thorn, Einl v Art. 3 EGBGB Rn. 32. 5 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 358. Vgl. auch Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 2234. 6 Vgl. MünchKomm/von Hein, Einl. IPR Rn. 255; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 361; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 238; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 572 ff., der jedoch versucht, zumindest nach Art des Normwiderspruchs zu kategorisieren. Eine a. A. favorisiert hingegen die Anpassung im Kollisionsrecht, vgl. Erman/Hohloch, Einl. vor Art. 3 Rn. 57, jurisPK/Ludwig, Art. 3, 3a EGBGB Rn. 367, während jedoch insbesondere von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, § 7 Rn. 257 eine Anpassung im Sachrecht bevorzugt. Vgl. zu den unterschiedlichen Auffassungen auch Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 41 f; Staudinger/Looschelders, Einl zum IPR Rn. 1254. 7 MünchKomm/von Hein, Einl. IPR Rn. 255; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 358, 361 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 238; jurisPK/Ludwig, Art. 3, 3a
B. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs
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die oberste Maxime der Anpassung darstellen. Zudem sollen durch eine Anpassung keine „irrealen“ Entscheidungen erzielt werden.8 Insbesondere ist deshalb von einer sachrechtlichen Anpassung abzusehen, wenn diese dazu führt, dass das so erzielte Ergebnis bloße „Fiktion“ ist.9 Dann ist eine kollisionsrechtliche Anpassung vorzugswürdig. Andererseits ist jedoch eine kollisionsrechtliche Anpassung grundsätzlich nur dann angemessen, wenn die Auswahl des anzuwendenden Statuts nicht willkürlich erfolgen muss. In diesem Fall ist wiederum eine sachrechtliche Anpassung vorzuziehen. Teilweise wird zudem eine Anpassung im eigenen Recht bevorzugt, da diese dort mit einer „größeren Souveränität“ erfolgen kann.10 Die vorgenannten Methoden sind zwar bereits zum nationalen Kollisionsrecht entwickelt worden. Sie sind jedoch – jeweils aus einer autonomen aus den jeweiligen Rechtsakten folgenden Rechtfertigung heraus – auch im Falle unionsrechtlicher oder staatsvertraglicher Kollisionsnormen anwendbar.11 Jedoch sind stets die Wertungen und Ziele des jeweiligen Rechtsakts zu berücksichtigen.12 Im Folgenden werden nun die bereits aufgezeigten Ausnahmesituationen noch einmal aufgegriffen, um zu untersuchen, inwiefern und auf welche Weise eine Korrektur des Ergebnisses der Rechtsanwendung erzielt werden kann.
B. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs („money-back guarantee“) I. Anwendung des kollisionsrechtlichen Instruments der Anpassung im konkreten Fall Wie bereits dargestellt, kann ein Ausnahmefall, in dem Normenwidersprüche auftreten können, insbesondere dann entstehen, wenn bei einem Überweisungsvorgang sowohl Rechtsordnungen zusammentreffen, die eine „money-back guarantee“ im Überweisungsrecht kennen, als auch solche, in denen grundsätz GBGB Rn. 369. Vgl. auch Staudinger/Looschelders, Einl zum IPR Rn. 1254; Rauscher, InterE nationales Privatrecht, Rn. 572. 8 MünchKomm/von Hein, Einl. IPR Rn. 255; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 362; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 238; jurisPK/Ludwig, Art. 3, 3a EGBGB Rn. 369. 9 Vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 361; Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 572; Staudinger/Looschelders, Einl zum IPR Rn. 1245. 10 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 362. 11 Vgl. hierzu nur MünchKomm/von Hein, Einl. IPR Rn. 256 f.; Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 206 f. 12 Looschelders, Die Anpassung im Internationalen Privatrecht, S. 206 f.
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6. Kapitel: Lösung der auftretenden Problemlagen
lich nur ein verschuldensabhängiger Ersatzanspruch (gegebenenfalls flankiert durch verschuldensunabhängige Herausgabeansprüche) besteht. Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, entstehen jedoch nicht bei jedem Überweisungsvorgang, bei dem es zu einem Zusammentreffen entsprechender Rechtsordnungen kommt, Normenwidersprüche.13 Findet bei einem Überweisungsvorgang auf das Deckungsverhältnis beispielsweise eine Rechtsordnung mit „money-back guarantee“ Anwendung und im Interbankenverhältnis zu der einzigen zwischengeschalteten Bank nicht, droht zum Beispiel kein Normenwiderspruch. Es ist – unabhängig davon, welche Rechtsordnung auf das Interbankenverhältnis Anwendung findet – ausgeschlossen, dass die Bank des Überweisenden zum Aufwendungsersatz gegenüber der nichtausführenden zwischengeschalteten Bank verpflichtet ist.14 Doch gibt es auch Fälle, in denen Normenwidersprüche in der Art auftreten, dass aufgrund des Zusammenwirkens verschiedener Rechtsordnungen eine Risikozuweisung für die Nichtausführung entsteht, die grundsätzlich von keiner Rechtsordnung intendiert ist. Folgender Fall wurde als Beispiel für eine solche Ausnahmesituation gebildet:15 Bei einem Überweisungsvorgang werden zwei Banken zwischengeschaltet, sodass die Überweisungskette aus insgesamt vier Banken besteht. Hierbei wird vorausgesetzt, dass in der Rechtsordnung, die das Deckungsverhältnis beherrscht, eine „money-back guarantee“ besteht. Die die beiden Interbankenverhältnisse beherrschende Rechtsordnung sieht hingegen keine „money-back guarantee“ vor. Im Gegensatz zum Überweisenden können die Banken lediglich neben dem Herausgabeanspruch einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch in Höhe der Aufwendungen für die getätigte Überweisung geltend machen. Nachdem die Deckung ihr zur Verfügung gestellt wurde, wird die zweite zwischengeschaltete Bank BZ2 insolvent und stellt ihre Zahlungen ein. Der Überweisungsauftrag wird deshalb auch nicht an die Bank des Überweisungsempfängers weitergeleitet. Für keine Bank in der Überweisungskette war die Insolvenz der Bank BZ2 allerdings vorhersehbar.
In dieser Situation wird das entstehende Insolvenzrisiko der Bank des Überweisenden zugewiesen. Der Überweisende hat nämlich einen Anspruch aus der „money-back guarantee“ gegen seine Bank auf Rückerstattung des Überweisungsbetrags. Seine Bank BÜ hat allerdings keinen Anspruch gegen die zwischengeschaltete Bank BZ1. Insbesondere hat sie keinen verschuldensunabhängigen Herausgabeanspruch. Sie hat auch keinen verschuldensabhängigen Anspruch gegen BZ1, da die Insolvenz von BZ2 unvorhersehbar war. Nach der Risikozuordnung der das Deckungsverhältnis beherrschenden Rechtsordnung sollte das Insolvenzrisiko allerdings von der zwischengeschalteten Bank BZ1, 13
Oben S. 174 ff. Hierzu bereits oben S. 175. 15 Oben S. 179. 14
B. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs
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nach der in den Interbankenverhältnissen geltenden Rechtsordnung vom Überweisenden getragen werden. Hieraus ergibt sich ein teleologischer Normenwiderspruch zwischen den Rechtsordnungen.16 Erachtet man eine Anpassung aufgrund des beiderseitigen Normenwiderspruchs für erforderlich, scheidet eine kollisionsrechtliche Anpassung im Beispielsfall wohl aus. Eine kollisionsrechtliche Anpassung würde dazu führen, dass sämtliche Rechte und Pflichten in einem Überweisungsverhältnis nach einer Rechtsordnung beurteilt werden würden, die die Banken ihrem Verhältnis so nicht zugrunde gelegt haben und die insbesondere die ausführende Bank so auch nicht kennen muss. Zudem entspräche diese Anpassung deshalb auch nicht dem Prinzip des geringsten Eingriffs, wenn die Rechtsbeziehung im Ganzen einem anderen Recht unterliegen würde. Eine sachrechtliche Anpassung ist in diesem Fall deshalb grundsätzlich vorzugswürdig, sodass die betroffenen Rechtsordnungen so modifiziert würden, dass auch in diesen entweder eine „money-back guarantee“ gilt oder eben nicht gilt. Zu überlegen wäre allerdings auch, ob nicht ausschließlich hinsichtlich der Frage, nach welchem Recht sich das Bestehen und die konkrete Ausgestaltung einer „money-back guarantee“ richtet, anders angeknüpft wird (also nur insofern eine kollisionsrechtliche Anpassung erfolgt). Diese Frage muss hier jedoch nicht entschieden werden, da beide Auffassungen auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen. Zusätzlich stellt sich im hier zu beurteilenden Beispielsfall allerdings die Frage, in welchem Verhältnis, im Deckungs- oder Interbankenverhältnis, eine Anpassung zu erfolgen hat. Damit muss zunächst entschieden werden, welchem Regelungsmodell, dem des Staates mit „money-back guarantee“ oder dem ohne, der Vorzug zu gewähren ist. Zum einen ist an eine Anpassung im Deckungsverhältnis zu denken. In diesem Fall hätte diese so zu erfolgen, dass sich der Überweisende nicht mehr auf die „money-back guarantee“ berufen kann. Zum anderen ist an eine Anpassung im ersten Interbankenverhältnis zwischen der Bank BÜ und der Bank BZ1 zu denken. Folgt man letzterem Weg, müsste die Anpassung so erfolgen, dass sich die Bank BÜ im Ergebnis auf einen Anspruch gegen die Bank BZ1 in Höhe des Überweisungsbetrags berufen kann. Eine Bewertung des sachrechtlichen Regelungsmodells im Sinne eines „Schlechter“ oder „Besser“ verbietet sich.17 Die kollisionsrechtliche Interessenlehre bietet insofern allerdings auch keine Hilfestellung. Trotzdem wäre im Beispielsfall wohl eine Anpassung im ersten Interbankenverhältnis dergestalt zu bevorzugen, dass sich die Bank des Überweisenden BÜ auf einen Anspruch aus einer „money-back guarantee“ gegen die Bank BZ1 in 16 17
Hierzu bereits oben S. 180 ff. Tendenziell anders Rauscher, Internationales Privatrecht, Rn. 572.
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6. Kapitel: Lösung der auftretenden Problemlagen
Höhe des Überweisungsbetrags berufen kann. Dies folgt aus einer isolierten Betrachtung eines einzelnen Verhältnisses. Grundsätzlich hat nämlich nach beiden vorliegend Anwendung findenden Rechtsordnungen der Vertragspartner der insolventen Partei das Insolvenzrisiko zu tragen, wenn man den Überweisungsvorgang in einzelne Teilabschnitte zerlegt. Auch in diesem Fall hätte der Vertragspartner der insolventen Bank, BZ1, das Insolvenzrisiko tragen. II. Erforderlichkeit der Anpassung Neben diesen zur konkreten Durchführung der Anpassung angestellten Überlegungen kann jedoch auch die Frage gestellt werden, ob im Beispielsfall überhaupt – trotz des beiderseitigen Normenwiderspruchs – eine Anpassung erforderlich ist. Wie aufgezeigt, geht die im Deckungsverhältnis anwendbare Rechtsordnung davon aus, dass die Bank des Überweisenden BÜ selbst einen Erstattungsanspruch im Interbankenverhältnis gegenüber der zwischengeschalteten Bank BZ1 hat, sodass letztendlich die zwischengeschaltete Bank BZ1 das Insolvenzrisiko trägt. Vorliegend ist eine Abwälzung des Risikos der Bank BÜ auf die Bank BZ1 jedoch nicht gelungen. Sie hat einen Vertrag mit BZ1 nach einer Rechtsordnung geschlossen, die eben keine „money-back guarantee“ vorsieht. Die Kenntnis dieser Rechtsordnung, also grundsätzlich der am Sitz des eigenen Vertragspartners geltenden Rechtsordnung, ist der Bank BÜ jedoch zumutbar. Dies bedeutet, dass im Verhältnis der Bank BÜ zu ihrer Korrespondenzbank BZ1 die Bank BÜ diejenige Bank ist, die das (abstrakte) Risiko hätte am besten erkennen und sich darauf einstellen können. Die Bank hätte sich aber dann auch darauf einrichten können, dass in dem Rechtsverhältnis zu ihrer Korrespondenzbank keine „money-back guarantee“ gilt, indem sie vertraglich eine solche mit ihrer Korrespondenzbank vereinbart oder, falls dies nicht möglich sein sollte, das übernommene Risiko versichert (gegebenenfalls gegen Vereinbarung eines höheren Entgelts gegenüber ihrem Kunden). Schließlich hätte sie auch ganz Abstand davon nehmen können, mit dieser zwischengeschalteten Bank Überweisungen auszuführen, oder gegebenenfalls die Ausführung entsprechender Überweisungsaufträge generell verweigern können, wenn ihr das Verlustrisiko zu groß erschienen wäre. Da sie sich auf das aus der Aufspaltung der anwendbaren Rechtsordnungen ergebende Risiko am besten hätte einstellen können, erscheint es deshalb nur gerechtfertigt, wenn die Bank des Überwesenden BÜ dieses auch trägt. Eine sachrechtliche Anpassung dergestalt, dass auch im Interbankenverhältnis der Bank des Überweisenden BÜ gegenüber der zwischengeschalteten Bank eine „money-back guarantee“ zusteht, erscheint insofern weniger sachgerecht. Diese
B. Erstattungspflicht bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs
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Anpassung würde allein wegen der im Deckungsverhältnis geltenden „money-back guarantee“ erfolgen. Betreffend dieses Rechtsverhältnis kann und muss die zwischengeschaltete Bank BZ1 jedoch nicht einschätzen, wie sich die dort geltende Rechtsordnung zur „money-back guarantee“ verhält. Eine Anpassung würde dazu führen, dass nachträglich in ein privatautonom ausgehandeltes Vertragsverhältnis eingegriffen würde, und zwar allein zu dem Zweck, ein von keiner Rechtsordnung intendiertes, aber nicht zwingend gebotenes beziehungsweise gewolltes Ergebnis der Rechtsanwendung zu ändern. Dies erscheint unangemessen. Etwas anderes sollte nur dann gelten, wenn die beteiligten Rechtsordnungen übereinstimmend zum selben Ergebnis hinsichtlich der Risikozuordnung kommen würden, dieses Ergebnis aber allein aufgrund der gespaltenen kollisionsrechtlichen Anknüpfung nicht verwirklicht würde.18 Ein solcher übereinstimmender, eine Anpassung gegebenenfalls rechtfertigender Regelungsgehalt der verschiedenen Rechtsordnungen ist im Fall jedoch gerade nicht gegeben, da eine Rechtsordnung im Falle eines nicht vollendeten Überweisungsvorgangs einen verschuldensunabhängigen Rückerstattungsanspruch hinsichtlich des Überweisungsbetrages vorsieht, die andere Rechtsordnung jedoch eine Rückerstattung des Überweisungsbetrags grundsätzlich vom Verschulden des Vertragspartners abhängig macht. Schließlich erscheint ein Entzug des Schutzes der „money-back guarantee“ im Deckungsverhältnis auch nicht sachgerecht, da sich der Überweisende auf eine entsprechende abweichende Risikoverteilung ebenfalls im Vorhinein kaum hätte einstellen können. III. Zusammenfassung Wie soeben gezeigt wurde, ist selbst in dem verbleibenden „Problemfall“ der „money-back guarantee“ eine Anpassung aufgrund Normenwiderspruchs nicht unbedingt erforderlich. Eine Bank, in deren Rechtsverhältnissen mit ihren Endkunden eine „money-back guarantee“ gilt, kann das Risiko aufgrund der Garantie bei Ausführung von Überweisungsaufträgen am besten beurteilen und muss deshalb konsequenterweise grundsätzlich auch das Risiko tragen oder für eine Verlagerung oder anderweitige Ausgestaltung ihrer Vertragsverhältnisse sorgen. So kann sie versuchen, das Verlustrisiko auf die zwischengeschaltete Korrespondenzbanken mittels vertraglicher Vereinbarungen abzuwälzen. Ist ihr das nicht möglich oder möchte sie dies nicht, kann sie alternativ das Risiko versichern 18 Vgl. hierzu beispielsweise Staudinger/Looschelders, Einl zum IPR Rn. 1245 f. Er sieht solche Fälle gegeben, wenn aufgrund Normwiderspruchs einem Kind zwei Mütter bzw. zwei Väter zugeordnet werden, obwohl jede der zur Anwendung kommenden Rechtsordnungen die eindeutige Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater vorsieht.
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6. Kapitel: Lösung der auftretenden Problemlagen
oder von der Ausführung entsprechender Überweisungsaufträge Abstand nehmen. Hält man hingegen eine Anpassung auch im vorgenannten Einzelfall für erforderlich, ist allenfalls eine sachrechtliche Anpassung im Interbankenverhältnis dergestalt angemessen, dass auch in diesem Verhältnis eine „money-back guarantee“ gilt. Gemäß der hier vertretenen Ansicht scheidet jedoch eine Anpassung aus Gründen der Beherrschbarkeit des Risikos durch die Bank des Überweisenden BÜ aus.
C. Schadensersatz für durch zwischengeschaltete Banken verursachte „Folgeschäden“ Korrekturbedürftige teleologische Normenwidersprüche kann es hingegen in der Fallgruppe des Ersatzes von „Folgeschäden“ geben.19 Bei der Analyse der Problemlagen in Kapitel 4 wurde unter anderem folgender Beispielsfall angeführt:20 Der Überweisende erteilt der in Deutschland ansässigen Bank BÜ einen Überweisungsauftrag zugunsten eines englischen Empfängers. Da die Hausbank BÜ in keiner Verbindung zu der Bank des Überweisungsempfängers BÜE steht, schaltet sie als zwischengeschaltete Bank BZ ihre englische Korrespondenzbank ein. Da diese den Überweisungsauftrag sorgfaltswidrig verzögert, wird der Überweisungsvorgang erst nach dem im Valutaverhältnis bestimmten Zahlungstermin vollendet. Hierdurch entsteht dem Überweisenden ein Folgeschaden. Aufgrund der Besonderheiten der „traditionellen“ kollisionsrechtlichen Anknüpfung kann hierbei ein Normenwiderspruch in Form eines Normenmangels auftreten. Bei einem Normenmangel geht ein grundsätzlich nach allen kollisionsrechtlich in Betracht kommenden Rechtsordnungen „Anspruchsberechtigter“ infolge der gespaltenen kollisionsrechtlichen Anknüpfung leer aus. Im Beispielsfall unterliegt das Deckungsverhältnis deutschem Recht als Vertragsstatut. Das deutsche Recht kennt jedoch keine Haftung der Bank des Überweisenden für nachgeschaltete Banken als deren Erfüllungsgehilfen.21 Hingegen kann sich der Überweisende nach deutschem Recht grundsätzlich den Anspruch seiner Bank, die seinen Schaden liquidieren darf, gegen die zwischengeschaltete Bank abtreten lassen.22 Das Vertragsstatut im Interbankenverhältnis ist hingegen dem englischen Recht unterworfen und sieht im Beispielsfall keine Drittscha19
Hierzu bereits oben S. 218 ff. Oben S. 218. 21 Oben S. 182 f. 22 Oben S. 187 f. 20
C. Schadensersatz für „Folgeschäden“
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densliquidation vor.23 Auf dieses Verhältnis kommt es jedoch für die Zulässigkeit der Drittschadensliquidation an.24 Nach englischem Recht haftet die Bank des Überweisenden vielmehr grundsätzlich für das Verschulden der zwischengeschalteten Banken. Sowohl das englische als auch das deutsche Recht sehen grundsätzlich somit einen Ausgleichsmechanismus zugunsten des Überweisenden vor. Jedoch kann sich keiner dieser beiden Ausgleichsmechanismen aufgrund der „dépeçage“ durchsetzen. Auch ein solcher Normenwiderspruch in Form eines Normenmangels ist grundsätzlich mithilfe des kollisionsrechtlichen Instruments der Anpassung aufzulösen. Eine kollisionsrechtliche Anpassung dergestalt, das Deckungsverhältnis insgesamt der englischen beziehungsweise das Interbankenverhältnis zwischen der Bank des Überweisenden BÜ und der zwischengeschalteten Bank BZ insgesamt der deutschen Rechtsordnung zu unterstellen, ist mit dem Prinzip des geringsten Eingriffs nicht zu vereinbaren.25 Im Beispielsfall bietet sich deshalb tendenziell wiederum eine Anpassung im Sachrecht an (hierzu noch sogleich). Auch ist die Anpassung im aufgezeigten Fall erforderlich. Dies ist anders als in der zur „money-back guarantee“ gebildeten Fallgruppe zu beurteilen.26 Dort war ein verschuldensunabhängiger Rückerstattungsanspruch hinsichtlich des Überweisungsbetrags nur durch eine einzige Rechtsordnung vorgesehen. Hier sehen jedoch beide zur Anwendung gelangenden Rechtsordnungen, sowohl die deutsche als auch die englische, im Grundsatz einen Ersatz des durch die zwischengeschaltete Bank BZ verursachten Schadens vor. Lediglich die rechtliche Umsetzung, nämlich wer das (Insolvenz-)Risiko hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs trägt, weicht in den Rechtsordnungen voneinander ab. Im deutschen Recht ist dies der Überweisende, da er aufgrund der Drittschadensliquidation unmittelbar einen Anspruch gegen die zwischengeschaltete Bank BZ1 hat. Im englischen Recht hat er jedoch einen Anspruch gegen die eigene Bank BÜ. Er trägt also ausschließlich das Insolvenzrisiko des eigenen Vertragspartners. Seine eigene Bank BÜ trägt jedoch das Insolvenzrisiko hinsichtlich des Regressanspruchs gegen die zwischengeschaltete Bank BZ1. Lediglich aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgestaltung der „Ersatzmechanismen“ und der unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Qualifikation dieser Rechtsinstitute würde ein Ersatz des Schadens scheitern. Die Normen des Sachrechts sind auf einen entsprechenden Sachverhalt nicht ausgelegt, was im konkreten Fall wiederum die Rechtfertigung für die Anpassung bildet. 23
Oben S. 194 ff. Oben S. 203 ff. 25 Oben S. 330, 333. 26 Hierzu oben S. 334 f. 24
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6. Kapitel: Lösung der auftretenden Problemlagen
Die Bank des Überweisenden wird häufig, so beispielsweise auch in Deutschland, ihre Haftung für das Verschulden anderer Banken ausdrücklich ausgeschlossen haben (vergleiche Nr. 3.2.3.2, 2. Spiegelstrich BedÜberwVerk).27 Diese privatautonom ausgehandelte Vereinbarung sollte man auch im Wege der Anpassung nicht leichtfertig übergehen. Dies hätte nämlich zur Folge, dass der Bank des Überweisenden das Risiko für den Regressanspruch aufgebürdet wird. Man würde dem Überweisenden bei einer entsprechenden Lösung nicht nur den Ersatz seines Schadens ermöglichen, sondern darüber hinaus eine weitere Partei in die Schadensabwicklung miteinbeziehen, die für diesen Schaden aufgrund vertraglicher Regelung von vornherein ausdrücklich nicht haften wollte und sollte. Dies würde dem Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs widersprechen, da es eine Möglichkeit zur sachrechtlichen Anpassung mit geringeren Auswirkungen gibt.28 Statt eine (vertraglich eigentlich ausgeschlossene) Erfüllungsgehilfenhaftung im Deckungsverhältnis zu konstruieren, könnte man nämlich die im Interbankenverhältnis geltende Rechtsordnung dergestalt modifizieren, dass diese die Drittschadensliquidation ausnahmsweise zulässt. Aus dem im Deckungsverhältnis geltenden deutschen Recht würde dann die Pflicht der Bank des Überweisenden BÜ folgen, ihren Anspruch gegen die zwischengeschaltete Bank BZ an den Überweisenden abzutreten.29 Diese Lösung führt zwar dazu, dass sich in diesem Fall im Ergebnis das im Deckungsverhältnis geltende Recht durchsetzt. Dies ist jedoch hinzunehmen, da sich die kollisionsrechtlichen Interessen, die für das englische oder deutsche Recht sprechen, gegenseitig neutralisieren.30 Alternativ zur oben dargestellten Lösung ließe sich zudem vertreten, dass man die Frage, ob es eine Drittschadensliquidation im Interbankenverhältnis gibt, abweichend anknüpft und dem im Deckungsverhältnis geltenden Recht unterwirft. Im Ergebnis würde dies jedoch dasselbe wie die sachrechtliche Anpassung bedeuten. Des Weiteren könnte eine Anpassung erforderlich werden, wenn nach deutschem Recht der Vertrag im Interbankenverhältnis als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu qualifizieren wäre. Ist ein entsprechender Anspruch des Überweisenden gegen die zwischengeschaltete Bank vertraglich zu qualifizieren und damit dem am Sitz der zwischengeschalteten Bank geltenden Recht 27
Zudem dient dieser Ausschluss nicht dem Zweck, dass die zwischengeschaltete Bank bei Fehlverhalten überhaupt keinen Schadensersatz leisten soll. Vielmehr möchte die beauftragte Bank für einen entsprechenden von der beauftragten Bank verursachten Schaden nicht haften und auf diese Weise das Insolvenzrisiko der beauftragten Bank aufgebürdet bekommen. 28 Zum Prinzip des geringstmöglich Eingriffs bereits oben S. 330. 29 Vgl. auch von Schroeter, Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten und im deutschen Kollisionsrecht, S. 175. 30 Vgl. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 143 f.
C. Schadensersatz für „Folgeschäden“
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unterworfen,31 ginge der Überweisende wiederum „leer“ aus. Nach englischem Recht, das am Sitz der zwischengeschalteten Bank gilt, ist der Vertrag im Interbankenverhältnis gerade kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich des Überweisenden.32 Anders wäre der Fall gegebenenfalls bei einer deliktischen Qualifikation des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu beurteilen.33 Ist das Deliktsstatut in diesem Fall dem gleichen Recht wie das Vertragsstatut im Deckungsverhältnis unterworfen, was in der Regel der Fall sein wird – und zwar unabhängig von einer akzessorischen Anknüpfung –, dann hätte der deutsche Überweisende den kollisionsrechtlich deliktisch zu qualifizierenden Anspruch gegen die zwischengeschaltete Bank aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Interbankenverhältnis. Falls jedoch auch hier das Vertrags- und das Deliktsstatut von verschiedenen Rechtsordnungen beherrscht werden, zum Beispiel, weil der Überweisende seinen Sitz beziehungsweise gewöhnlichen Aufenthalt nicht in demselben Staat hat wie seine Bank, könnte es auch bei einer deliktischen Qualifikation des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu einem Normenmangel kommen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn das im Deckungsverhältnis geltende Vertragsstatut keine vertraglich zu qualifizierende Erfüllungsgehilfenhaftung, sondern vielmehr eine Haftung der zwischengeschalteten Bank auf Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorsähe. Bei einer deliktischen Qualifikation wäre das Deliktsstatut zwischen dem Überweisenden und der zwischengeschalteten Bank in diesem Fall jedoch eben nicht das im Deckungsverhältnis geltende Recht, sondern ein anderes Recht. Würde dieses den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht kennen, sondern in einem solchen Fall die Bank des Überweisenden für das Verschulden zwischengeschalteter Banken haften lassen, läge wieder ein Normenmangel vor. Auch in diesen Fällen ist eine sachrechtliche Anpassung aufgrund des Gebots des geringsten Eingriffs erforderlich. Diese sollte dergestalt erfolgen, dass der Überweisende in beiden Fällen grundsätzlich direkt gegen die zwischengeschaltete Bank vorgehen kann. Er sollte als von einer Schutzwirkung des Interbankenverhältnisses erfasst angesehen werden.
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So die hier vertretene Auffassung; vgl. oben S. 206 ff. (insb. S. 210 f.). Oben S. 194 ff. 33 Hierzu oben S. 206 ff. (vgl. insb. S. 208). 32
7. Kapitel
Zusammenfassung der Ergebnisse Gegenstand der vorangegangenen Untersuchungen waren die rechtlichen Strukturen des grenzüberschreitenden Überweisungsverkehrs im Sach- und Kollisionsrecht. Der Schwerpunkt wurde hierbei auf die Frage gelegt, ob ein einheitliches Überweisungsstatut im Kollisionsrecht erforderlich ist, um eine rechtssichere Abwicklung von Überweisungen zu ermöglichen. Anlass waren die sowohl in Deutschland als auch im Ausland vorgebrachten Bedenken, dass ohne ein entsprechendes einheitliches Überweisungsstatut mit „traditioneller“ kollisionsrechtlicher Dogmatik kaum zu behebende Normenwidersprüche zwischen den verschiedenen auf einen konkreten Überweisungsvorgang anwendbaren Rechtsordnungen entstehen könnten. Am Anfang der Arbeit wurde hierzu zunächst die materiellrechtliche Struktur der Überweisung dargestellt. Strukturell ist bei Überweisungen insofern zwischen Filialüberweisungen und außerbetrieblichen Überweisungen zu unterscheiden. Bei einer Filialüberweisung sind der Überweisende und der Überweisungsempfänger Kunden derselben Bank. Bei einer außerbetrieblichen Überweisung sind der Überweisende und der Überweisungsempfänger Kunden verschiedener Banken. Eine außerbetriebliche Überweisung besteht aus mehreren Rechtsverhältnissen, in der Regel Giroverhältnissen, zwischen den einzelnen Beteiligten. Zu trennen ist begrifflich zwischen dem Deckungsverhältnis zwischen dem Überweisenden und seiner Bank, dem Inkassoverhältnis zwischen dem Überweisungsempfänger und seiner Bank und dem Interbankenverhältnis zwischen den beiden die Überweisung ausführenden Banken. Bei den außerbetrieblichen Überweisungen sind für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit vor allem die mehrgliedrigen Überweisungsvorgänge von besonderer Bedeutung, bei denen, weil die Bank des Überweisenden und des Überweisungsempfängers nicht durch ein Giroverhältnis verbunden sind, weitere Banken zwischengeschaltet sind. Das Interbankenverhältnis kann folglich aus mehreren Rechtsverhältnissen, die jeweils bilateral zwischen den einzelnen aufeinanderfolgenden Banken bestehen, zusammengesetzt sein. Insofern wird auch von einer „Kettenüberweisung“ gesprochen, da der Überweisungsauftrag vom Überweisenden erteilt, von Bank zu Bank weitergleitet wird, bis er schließlich die Bank des Überweisungsempfängers erreicht.
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7. Kapitel: Zusammenfassung der Ergebnisse
Häufig werden heute im grenzüberschreitenden Überweisungsverkehr Zahlungssysteme zur Ausführung von Überweisungen verwendet und hierzu in den Überweisungsvorgang eingeschaltet. Grundsätzlich ist insofern zwischen Nettound Bruttosystemen zu unterscheiden. Nettosysteme dienen insbesondere der Liquiditätsersparnis. Bruttosysteme stellen demgegenüber eine möglichst frühzeitige Finalität der Zahlungen sicher. Inzwischen dominieren den Zahlungsverkehr Bruttosysteme. Daneben haben sich allerdings hybride Zahlungssysteme entwickelt, die den Vorteil der Liquiditätsersparnis von Nettosystemen mit dem Vorteil der sofortigen Finalität von Zahlungsaufträgen bei Bruttosystemen möglichst effektiv zu kombinieren versuchen. Zahlungssysteme übernehmen im Rahmen ihrer Aufgaben regelmäßig sowohl die Abrechnung als auch den Ausgleich von Überweisungsaufträgen (beziehungsweise schreiben eine bestimmte Verfahrensweise zum Ausgleich von Zahlungsaufträgen vor). Aus rechtlicher Sicht sind Zahlungssysteme mit ihren Teilnehmern bilateral durch den Zahlungssystemvertrag verbunden. Daneben besteht in der Regel auch ein multilateraler „Abrechnungsvertrag“ zwischen den Teilnehmern. Dieser setzt einen rechtlichen Rahmen für die einzelnen Zahlungs- beziehungsweise Überweisungsverhältnisse der Teilnehmer untereinander. Von diesen Verträgen sind die einzelnen Überweisungsverhältnisse zu unterscheiden, die grundsätzlich als selbständige Verträge zwischen den Teilnehmern bestehen. Traditionell sind die einzelnen Giro- und Überweisungsverhältnisse kollisionsrechtlich gesondert und isoliert voneinander anzuknüpfen. In den einzelnen bilateralen Rechtsverhältnissen, ob Girovertrag oder einzelner Überweisungsauftrag, ist die Parteiautonomie gewährleistet (vergleiche Art. 3 Rom I). Objektiv ist jeweils an das Recht am Sitz der beauftragten Bank anzuknüpfen (vergleiche Art. 4 I lit. b Rom I). Dies ist auch rechtsvergleichend als Grundsatz die international weitgehend etablierte Anknüpfung. Die untersuchten Rechtsordnungen halten auf sachrechtlicher Ebene für verschiedene Problemfelder im Überweisungsverkehr unterschiedliche Regelungsinstrumente bereit. Insbesondere zwei Rechtserscheinungen sind insofern besonders hervorzuheben: Zum einen ist dies die sogenannte „money-back guarantee“, die einen verschuldensunabhängigen Rückerstattungsanspruch hinsichtlich des Überweisungsbetrags bei Nichtvollendung des Überweisungsvorgangs gewährt. Eine solche Garantie gibt es nur in den Rechtsordnungen und Regelungswerken, die das Überweisungs- oder Zahlungsdiensterecht explizit normiert haben (USA, UNCITRAL-Modellgesetz, ZDR I und ZDR II). Zum anderen sehen einige Rechtsordnungen und Regelungswerke in unterschiedlicher Ausgestaltung Ansprüche zwischen Beteiligten in der Überweisungskette vor, die nicht vertraglich miteinander verbunden sind. Diese Direktansprüche werden insbesondere beim Ersatz von Folgeschäden relevant. Andere Rechtsordnungen und Regelungswer-
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ke lassen hingegen die Bank des Überweisenden für das Verschulden von zwischengeschalteten Banken haften. So sind bei drittstaatenbezogenen Überweisungen Folgeschäden, die durch ein Fehlverhalten einer zwischengeschalteten Bank verursacht worden sind, nach deutschem Recht direkt von der zwischengeschalteten Bank zu ersetzen. Im englischen Common Law hingegen haftet die Bank des Überweisenden für das Verschulden nachgeschalteter Banken gegenüber dem Überweisenden. Nach französischem nationalem Recht des Code Civil kann der Überweisende zum einen gegen die zwischengeschaltete Bank und zum anderen nach der hierzu ergangenen französischen instanzgerichtlichen Rechtsprechung gegen seine eigene Bank vorgehen. Diese Verschiedenheit der nationalen Rechtsordnungen birgt bei grenzüberschreitenden Überweisungsvorgängen mit Drittstaatenbezug bei „traditioneller“ Anknüpfung Potenzial für Normenwidersprüche. Allerdings sind die Probleme an anderen Stellen als häufig vermutet zu finden. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Konstruktionen in den einzelnen Rechtsordnungen hinsichtlich der Erstattung des Überweisungsbetrags bei fehlerhaft ausgeführten Überweisungsaufträgen und des Ersatzes von Folgeschäden gibt es tatsächlich Fälle, in denen teleologische Normenwidersprüche zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen entstehen. Die aufgrund des kollisionsrechtlichen Gerechtigkeitsgedankens feinteilige Berücksichtigung der kollisionsrechtlichen Interessen der unterschiedlichen Beteiligten eines Überweisungsvorgangs, die zu einer „dépeçage“ führt, kann es nämlich im Grundsatz nicht rechtfertigen, dass ein sachrechtliches Ergebnis erzielt wird, welches von den berufenen Rechtsordnungen übereinstimmend anders gewollt ist. Um von vornherein die Problematik der – gegebenenfalls erforderlichen – Korrektur von Normenwidersprüchen zu vermeiden, wird jedoch teilweise ein einheitliches kollisionsrechtliches Überweisungsstatut gebildet beziehungsweise die Bildung eines solchen vorgeschlagen: Als einzige dem Verfasser bekannte gesetzliche Kollisionsnorm sieht der US-amerikanische Art. 4A UCC die Bildung eines einheitlichen Überweisungsstatuts vor. Die Kollisionsnorm des § 4A-507 (c) UCC erstreckt die Rechtswahl eines Zahlungssystems unter bestimmten Umständen nicht nur auf die zugrundeliegenden Überweisungsverhältnisse der Teilnehmer des Zahlungssystems, sondern grundsätzlich auch auf die weiteren Beteiligten eines Überweisungsvorgangs. Aus US-amerikanischer Sicht kann somit unter Umständen auch das Verhältnis zwischen zwei deutschen Banken US-amerikanischem Recht unterliegen. Jedoch bestehen mehrere Ausnahmen von der Bildung eines einheitlichen Statuts, sodass eine Beurteilung einer Überweisung nach einem einheitlichen Recht auch nach dem US-amerikanischen Regelungsmodell nicht gewährleistet ist. Zudem hat die US-amerikanische kollisionsrechtliche Regelung des § 4A-507
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(c) UCC keine Auswirkungen auf die kollisionsrechtliche Beurteilung in anderen Staaten. Allein aus diesem Grund ist international keine einheitliche rechtliche Beurteilung des Überweisungsvorgangs gewährleistet. Deshalb ist die kollisionsrechtliche einheitliche Anknüpfung eines Überweisungsvorganges durch einen einzigen Staat auch nicht geeignet, eine einheitliche Beurteilung eines Überweisungsvorgangs auf Grundlage eines einzigen Sachrechts zu gewährleisten, wenn diese Anknüpfung nicht gleichzeitig international gebräuchlich ist. Was § 4A-507 (c) UCC betrifft, ist dies aber gerade nicht der Fall. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei der Einschaltung von zwei Zahlungssystemen, die jeweils ihr eigenes Recht auf den Überweisungsvorgang für anwendbar erklären, es zu Problemen bei der Bestimmung der jeweiligen Reichweite der Geltung dieser Rechtswahlen in der Überweisungskette käme und im Ergebnis, aufgrund der Geltung verschiedener Rechtsordnungen, Normenkonflikte auch aus diesem Grund nicht ausgeschlossen wären. Zudem ist zu beachten, dass bilaterale Rechtswahlvereinbarungen zwischen zwei unmittelbar vertraglich verbundenen Beteiligten des Überweisungsvorgangs auch nach der kollisionsrechtlichen Lösung des US-amerikanischen Rechts vorrangig zu beachten sind, sodass es auch aus diesem Grund zu Durchbrechungen des Gesamtstatuts mit der Folge von Normenwidersprüchen kommen kann. Häufig wird auch das UNCITRAL-Modellgesetz mit der Bildung eines einheitlichen Überweisungsstatuts assoziiert. Insofern wird Art. Y in Verbindung mit Art. 1 I UNCITRAL-ModellG hinsichtlich der Ausdehnung des anwendbaren Rechts eine ähnlich extensive Tendenz wie im US-amerikanischen Recht zugeschrieben. Art. Y UNCITRAL-ModellG beinhaltet jedoch eine dem „traditionellen“ Kollisionsrecht entsprechende gesonderte Anknüpfung jedes einzelnen Überweisungsverhältnisses. In Verbindung mit der Definition des Anwendungsbereichs des Art. 1 I UNCITRAL-ModellG führt diese Regelung sogar zu einer Einschränkung der Anwendbarkeit des Modellgesetzes. Ein einheitliches Gesamtstatut im Überweisungsrecht kann dem Modellgesetz nicht entnommen werden. Schließlich wurde insbesondere zum deutschen Kollisionsrecht alter Fassung der Vorschlag einer akzessorischen Anknüpfung der einzelnen Überweisungsverhältnisse bei einem Überweisungsvorgang gemacht. Abweichend von der Regelanknüpfung sollen sämtliche Überweisungsverhältnisse aufgrund einer (offensichtlich) engeren Verbindung zu einem anderen Staat dem Recht dieses Staates unterworfen werden. Zu diesem Zweck ist bei der akzessorischen Anknüpfung ein Hauptstatut innerhalb der Kette einzelner Überweisungsverhältnisse zu ermitteln, an das bei sämtlichen übrigen Überweisungsverhältnissen akzessorisch angeknüpft wird.
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Die akzessorische Anknüpfung im internationalen Überweisungsrecht ist jedoch nicht interessengerecht. Sie fokussiert ausschließlich auf das Interesse des inneren Entscheidungseinklanges (auch als Konsistenzinteresse bezeichnet). Sämtliche anderen Interessen, insbesondere die Parteiinteressen der anderen Beteiligten, an deren Statut nicht akzessorisch angeknüpft wird, werden nicht berücksichtigt. Die insofern zugunsten der akzessorischen Anknüpfung vorgebrachten Interessen, nämlich das Konsistenzinteresse, das Kontinuitätsinteresse und das allgemeine Sachzusammenhangsinteresse, konnten – jedenfalls für das internationale Überweisungsrecht – entkräftet werden. Zum anderen ist eine akzessorische Anknüpfung auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil nicht nachvollziehbar begründet werden kann, an welches Statut – das Deckungs-, Inkassooder ein anderes Vertragsstatut – akzessorisch anzuknüpfen sein soll. Vielmehr erfordert der Charakter der Überweisung als Massengeschäft des täglichen Lebens, dass die einzelnen Verhältnisse innerhalb der Überweisungskette gesondert und isoliert angeknüpft werden. Nur so ist es den Banken möglich, diese Dienstleistung standardisiert und auf Grundlage einer ihnen bekannten beziehungsweise für sie mit angemessenem Aufwand ermittelbaren Rechtsordnung zu erbringen. Es wurde zwar gezeigt, dass Normenkonflikte aufgrund der gesonderten Anknüpfung der einzelnen Überweisungsverhältnisse in der Überweisungskette entstehen können. Doch ist – auch wenn ein Normenkonflikt nachweisbar ist – stets zu ermitteln, ob dieser Konflikt nur zu einer Rechtsordnung besteht (einseitiger Normenwiderspruch) oder zu allen betroffenen Rechtsordnungen (allseitiger Normenwiderspruch). Nur im letzten Fall besteht im Grundsatz überhaupt die Rechtfertigung, diese Normenkonflikte mittels des kollisionsrechtlichen Instruments der Anpassung aufzulösen. Aber auch bei einem allseitigen Normenkonflikt ist zunächst zu untersuchen, ob eine Anpassung des Ergebnisses der Rechtsanwendung trotz des teleologischen Widerspruchs erforderlich ist. Nicht erforderlich ist die Anpassung jedenfalls dann, wenn die Parteien ihre Beziehung zueinander privatautonom ausgestaltet haben und die anwendbaren Rechtsordnungen nicht dasselbe Ergebnis bevorzugen. In diesem Fall obliegt zuvörderst den vertraglich verbundenen Beteiligten die Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses. Eine Anpassung ist dann nicht gerechtfertigt. Die verbleibenden anpassungsbedürftigen Normenkonflikte sind schließlich auch auf der Grundlage der traditionellen kollisionsrechtlichen Dogmatik lösbar und rechtfertigen aus sich heraus nicht die akzessorische Anknüpfung. Die akzessorische Anknüpfung im Kollisionsrecht ist jedenfalls nicht das angemessene Instrument, wenn man die aufgezeigten Normenkonflikte (weitgehend) vermeiden und gleichzeitig die kollisionsrechtliche Gerechtigkeit gewährleisten möchte. Vielmehr können im internationalen Überweisungsrecht Normen konflikte lediglich mittels Rechtsvereinheitlichung oder zumindest -angleichung
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7. Kapitel: Zusammenfassung der Ergebnisse
vermieden werden, wie dies beispielsweise innerhalb der EU durch die Zahlungsdiensterichtlinien oder in den USA durch den Uniform Commercial Code geschieht. Allein dieser Weg ist der „methodenehrliche“.
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Sachregister „action directe“ – Sachrecht 189–194, 198, 205 – Anknüpfung, kollisionsrechtliche 203– 215 Angleichung siehe Anpassung Anknüpfung – ~, akzessorische siehe Rom I, Art. 4 III – ~, gesonderte 2, 135 f., 139, 227, 344 – ~, parallele 267–269 Anpassung 225, 269, 329–339 – Erforderlichkeit 334 f., 336–339 – ~, kollisionsrechtliche 330 f., 333 – Prinzip des geringsten Eingriffs 330 f. – ~, sachrechtliche 330 f. Aufwendungsersatz 28–30, 31, 38, 92, 124 f., 152 f., 186, 239, 332 Ausführungsverpflichtung 25–28 – England 51–53 – Frankreich 43 f., 45 – UNCITRAL-Modellgesetz 72 f. – USA 65–69 – Zahlungsdiensterichtlinie 25 f. – Zahlungssystem 111 Fn. 179, 124 Deckungsverhältnis 8, 305–308 „dépeçage“ 163, 181 f., 225 f., 336 f. Drittschadensliquidation – Sachrecht 41, 183 f., 187 f. – Kollisionsrecht 203–205 Electronic Fund Transfer Act (EFTA) 60– 63, 234 Entscheidungseinklang – ~, Interesse am äußeren 281–284 – ~, Interesse am inneren 269, 275 f., 278–284, 290, 300, 308, 314 f., 329, 345 Erfüllungsgehilfe 182 f., 197, 202 f., 338 – England 194 f., 336 f.
– Frankreich 193 f. – Kollisionsrecht 183, 202 f., 217 f. – Zahlungsdiensterichtlinie 197 European Payments Council 128 Folgeschäden 182–220 – England 52 f., 194–196 – Frankreich 189–194 – UNCITRAL-Modellgesetz 169, 201 f. – USA 167 (insb. Fn. 20), 199–201 – Zahlungsdiensterichtlinie 18 Fn. 47, 197 f. „forum shopping“ 248 f., 283 Girovertrag 8 f., 22–24, 27 f., 32, 35 – England 49 – Frankreich 42 f. – Kollisionsrecht 135–146, 159 f. – USA 65 Gutschrift – ~, Anspruch auf 33 f., 117–120 – ~, Anspruch aus 34–36 – England 54 f. – Frankreich 44, 46 – UNCITRAL-Modellgesetz 74 – USA 69 Inkassoverhältnis 8, 12, 32, 301–305 Interbankenverhältnis 9, 12, 36–39 „interstate commerce clause“ 58 f. Konsistenzinteresse siehe Entscheidungseinklang, innerer Kontinuitätsinteresse 284–288, 345 „money-back guarantee“ 25 f., 30 f., 38, 164–182 – England 47
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Sachregister
– Frankreich 42 – Kollisionsrecht 173 f. – UNCITRAL-Modellgesetz 74 f., 167–169 – USA 70, 165–167 – Zahlungsdiensterichtlinie 14 f., 17, 20 f., 169–173 Netting siehe Nettozahlungssystem Netzvertrag 39–42, 138 f., 190 f. Normenwiderspruch 163 f., 174–182, 215–220, 221–224, 226, 247, 300, 329 f. – ~, beidseitiger 181 f., 220, 329 f. – ~, einseitiger 176–178, 329 f. „privity of contract“ 195–196 Rechtssicherheit siehe Vorhersehbarkeit Rechtswahl 136, 149, 153 f. 158–162 – Reduktion, teleologische 319–322 – siehe auch Rom I, Art. 3 Rom I – ~, Art. 3 136, 160, 227, 238 f. – ~, Art. 4 I lit. b 137, 260, 276 f., 290 f. – ~, Art. 4 I lit. h 155–157 – ~, Art. 4 III 157 f., 213–215, 266–273 – charakteristische Leistung 138, 139–142, 304 f. – Regelanknüpfung siehe ~, Art. 4 I lit. b – Verbraucherbeteiligung 142–146, 322 f. – Zahlungssystem 146–158 Sachzusammenhangsinteresse – ~, allgemeines 228–299, 345 SCT-Rulebook 128–132, 160–162, 198 Single Euro Payments Area (SEPA) 127– 132 – Rechtswahl 160–162 Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) 61, 86, 91, 132 f., 158–160 – Rechtswahl 158–160 Überweisung – ~, außerbetriebliche 9 f., 50 – ~, einstufige 101, 105 – Filial~ 7 f., 10 Fn. 18, 262 Fn. 161 – Haus~ 7 f. – ~, innerbetriebliche 7 f., 14
– Massengeschäft des täglichen Lebens 209, 315–319 – Standardisierung siehe Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) und Single Euro Payments Area (SEPA) – ~, zweistufige 11 f., 105–107, 243 Überweisungsauftrag 10–12, 22–30 – England 48–51 – Frankreich 42 f. – Rechtsnatur 23 f., 43, 50 f., 71 – UNCITRAL-Modellgesetz 71 – USA 63–66 – Widerruf 40, 221–224, 242, 306 Überweisungsverkehr – Bedingungen für den ~ 21, 26, 30 f., 164, 197, 222, 338 – Korrespondenzbankbeziehung 7–12, 61, 77–79, 128 UNCITRAL-Modellgesetz – Kollisionsrecht (Art. Y ModellG) 254– 265 – Sachrecht 70–75, 167–169, 201 f., 224 Uniform Commercial Code (UCC) 58–70, 226–254 – Überweisungsstatut, einheitliches 226– 254, 266–328 – Kollisionsrecht 226–254 – Sachrecht 58–70, 165–167, 199–201 – ~, § 4A-507 226–254, siehe auch Uniform Commercial Code (UCC), Kollisionsrecht – Zahlungssysteme 230–234 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – Kollisionsrecht 206–215, 327, 338 f. – Sachrecht 184–187 Voraussehbarkeit 276 f. „wholesale wire transfers“ 60 Zahlungsdiensterahmenvertrag 22–24 – siehe auch Girovertrag Zahlungsdiensterichtlinie – erste ~ 13–15, 22 – „one-leg transaction“ 13 f., 20–22, 26–29, 31 f., 38
Sachregister – „two-leg transaction“ 13, 17, 25 f., 27, 30 f., 38 – zweite ~ 2, 15–20, 22, 26 Zahlungssystem – Abrechnungsverkehr der Deutschen Bundesbank 103, 104 Fn. 154, 109 Fn 172, 112 f., 115, 121 Fn. 226, 122–127, 151 – Brutto~, 79 f., 147, siehe auch TARGET2 – CHIPS 95–100, 103 f., 109 f., 111 f., 119–122, 230 f., 234, 236–238, 243–245
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– DNS-~ siehe Nettozahlungssystem – EURO1 90–95, 104 f., 116 f., 121, 122 – Fedwire 80, 96, 107, 109, 231–233, 234, 243, 251 – ~, hybrides 84 f., 93, siehe auch CHIPS – Netto~ 80–83, 85, 99, 107 f., siehe auch EURO1 – RTGS-~ siehe Bruttozahlungssystem – TARGET2 86–90, 105–108