Kleinere mittelhochdeutsche Lehrgedichte: 1. Heft: Tirol und Fridebrant, Winsbecke, Winsbeckin 9783110484144, 9783110484120


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German Pages 86 [88] Year 1928

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Strophentabelle
Tirol und Fridebrant
Winsbecke
Winsbeckin
Unechte und zweifelhafte Strophen
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Kleinere mittelhochdeutsche Lehrgedichte: 1. Heft: Tirol und Fridebrant, Winsbecke, Winsbeckin
 9783110484144, 9783110484120

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Kleinere mittelhochdeutsche lehrgedichte herausgegeben von

Albert

Leitzmann Erstes heft:

Tirol und Fridebrant, Winsbecke, Winsbeckin

Zweite, verbesserte und erweiterte auflage

Max

Niemeyer Halle (Saale) 1928

Verlag

Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Copyright by Max Niemeyer Verlag, Halle (Saale), 1928 Printed in Germany

Altdeutsche textbibliothek, begründet von H. P a u l f , herausgegeben von G. B a e s e c k e nr. 9 Druck von Karras, Kröber & Nietsehmann, Halle (Saale)

Edward Schröder in Verehrung und dankbarkeit

Vorwort. In der vorliegenden ausgabe des Winebecken und der Winsbeckin ist die herstellung eines kritischen textes versucht worden, wie er sich nach erneuter durchforschung des wertes und des gegenseitigen Verhältnisses der handschriften ergab. Von der beifügung von anmerkungen habe ich ganz abgesehen: sie sind nirgends nötig und zur erklärung einiger noch immer dunkler stellen und Wendungen konnte auch ich nichts beitragen. Vielleicht gelingt es mir durch diese neuausgabe eins der vorzüglicheren gedichte des deutschen mittelalters auch weiteren kreisen zugänglich zu machen. Auf wünsch des herausgebers der textbibliothek habe ich die didaktischen teile des könig Tirol beigefügt. Bei der herstellung des textes ans der einzigen handschrift bin ich möglichst konservativ verfahren und habe es vorgezogen an manchen stellen kleinere anstösse stehen zu lassen statt wenig plausible konjekturen aufzunehmen . . . Zum schluss sage ich herrn professor P a u l für mannigfachen freundlichen rat und beistand während der arbeit meinen herzlichen dank. M a g d e b u r g , 6. märz 1888.

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Es ist mir eine grosse freude, meinen wissenschaftlichen erstling, den ich einst als student unter der ägide meines lieben lehrers H e r m a n n P a u l hinausgehen lassen durfte, nun nach vierzig jähren aufs neue auf den markt bringen zu können. Neben den Nibelungen und dem Laurin, für deren sprachliche bewältigung Martins kleines schnlglossar eine fördernde hülfe darbot, sind es die didaktischen hauptwerke der höfischen zeit gewesen, die mich zuerst beschäftigt haben. An Winsbecke, Thomasin und Freidank habe ich eigentlich mittelhochdeutsch gelernt und sie mir so zu eigen gemacht, dass ich sie auf weite strecken hin auswendig wusste, was mir noch heute von vorteil ist. Die anfänge meiner im 13. bände der Beiträge gedruckten abhandlung „Zur kritik und erklärung des Winsbecken und der Winsbeckin" reichen in meine primanerzeit zurück und ich konnte sie im zweiten freiburger semester Paul als freiwillige seminararbeit überreichen, der mich sofort zur bearbeitung der ausgabe ermunterte, für die mir dann weiter, als ich von Freiburg nach Berlin kam, mehrere eingehende Unterhaltungen mit Edward Schröder über entwicklung und hauptvertreter der höfischen lehrdichtung wertvoll wurden. Am schluss meines vierten semesters ist die erste auflage dieses heftes erschienen. Es erfüllt mich mit freude und stolz, sagen zu können, dass die damalige leistung stich gehalten und dass sich mir nirgends veranlassung dargeboten hat, das damals ausgeführte in wesentlichen punkten zu ändern. Selbstverständlich habe ich jetzt die seitdem erschienene literatur eingearbeitet, habe auch die epischen fragmente von Tirol und Fridebrant mit aufgenommen,

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damit alles zusammengehörige vereinigt sei, habe ebenso die form der texte in kleinigkeiten gebessert, konnte aber sowohl die textkritischen wie die literargeschichtlichen resultate der Jugendarbeit unverändert bestätigen. Eine „geistesgeschichtliche" Würdigung der gedichte einzufügen konnte ich mich nach den bisherigen resultaten auf diesem gebiete nicht entschliessen. Auch die technische einrichtung der ausgabe, die sich an die ersten von Paul gegebenen muster der Altdeutschen textbibliothek anlehnte, habe ich mich nicht bewogen gefühlt zu ändern. So ist die art der lesartenmitteilung beim Winsbecken getadelt worden, die nur die abweichungen von Haupts text verzeichnet: Einzel beklagte sich in seiner rezension, dass nicht gesagt würde, ob Haupts lesartenapparat zuverlässig und ausreichend sei, dass man seine ausgabe neben meiner benutzen müsse, und fragte, wem damit gedient sei. Damit verkannte er den ganzen sinn und zweck von Pauls Sammlung: die textbeigaben sollen in gedrängter kürze die wissenschaftliche Stellung der neuen ausgabe zu der führenden und besten früheren überblicken lassen, nicht etwa diese ältere überflüssig machen oder ersetzen, was sich schon durch die rücksicht auf die bedürfnisse der Studenten unmöglich macht. Liegt kein mustergültiger kritischer text vor wie hier bei den didaktischen teilen von Tirol und Fridebrant, so ist die Sachlage natürlich eine ganz andre. Was den Winsbecken angeht, so ist es mir niemals eingefallen, Haupts sauberes büchlein durch das meine aus dem sattel heben zu wollen. Ob es nicht geraten wäre, Haupts ausgabe durch erweiterung des kritischen apparats ebenso zu erneuern, wie es mit seinen ausgaben des Engelhard, des Neidhart und des

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Armen Heinrich geschehen ist, steht auf einem blatt f ü r sich: ein angebot, das ich seiner zeit dem verlag Hirzel machte, wurde damals ohne nähere begründung abschläglich beschieden. E d w a r d S c h r ö d e r hat die grosse freundlichkeit gehabt, eine korrektur der textbogen mitzulesen. Möchte er die widmung des heftchens, das ihm so manches verdankt, als nachträgliche gäbe zu seinem 70. geburtstage freundlich aufnehmen! Ein zweites bändchen der lehrgedichte soll in nicht allzu langer zeit erscheinen. J e n a , 27. September 1928.

Albert Leitzmann.

Einleitung. 1. Zu Tirol und Fridebrant. Die könige Tirol und Fridebrant sind die helden zweier verschiedener mhd. gedichte getrennter Überlieferung, welche in ein und derselben Strophenform, der nach ihnen genannten Tirolstrophe, abgefasst sind: ein gedieht von 45 Strophen teils religiös-allegorischen, teils didaktisch-ritterlichen inhalts steht in der heidelberger, früher pariser liederhandschrift C mitten zwischen den liedern zweier historischer könige, Konrads des jungen und Wenzels von Böhmen; fragmente eines epischen gedichts auf vier teilweise stark verstümmelten blättern waren im besitz Jakob Grimms und zwar mindestens schon seit 1812 (vgl. Klein. Schriften 6 , 7 7 ; Briefw. der brüd. Grimm mit Lachmann s. 384. 402). Das didaktische gedieht aus C wurde als erste öffentlich vorgelegte probe dieser grossen liederhandschrift zum ersten male gedruckt von Melchior Heiminsfeld Goldast in seinen Paraenetici veteres 1, 273 (Lindau 1604). Zusammen mit dem Winsbecken und der Winsbeckin bildet es den schluss einer Sammlung lateinischer didaktiker in gebundener und ungebundener rede (Valerianus Cimelensis, Columbanus abbas, Basilius episcopus, Annaeus Boetius) und führt hier den Untertitel: Tyrolis regis Scotorum, Winsbekii equitis germani, Winsbekiae nobilis feminae germanae paraeneses ad filios, abhinc annos quadringentos et quod excurrit scriptae lingua teutonica, ex bibliotheca Bartholomaei Schobingeri jurisconsulti. Auf eine lateinische widmung Goldasts an Johann von Schellenberg folgen fünf Testimonia de Tyrole Scotorum rege ejusdemque libro (eine stelle aus dem Wartburgkrieg unter dem namen „Wolfram

χ von Eschilbach", strophe 2 5 des Tirol selbst unter der Überschrift Epitomator libro secundo und drei aus gedichten Boppes), dann der text der drei gedichte, eingeleitet durch ein briefliches urteil Schellenbergs a n Schobinger und gefolgt von 116 Seiten lateinischen Animadversiones Goldasts, die sich meist mit der einzelerklärung von stellen befassen und eine grössere zahl mhd. worte durch reichliche zitate aus dem sonstigen i n h a l t der handschrift C und andern texten, die ihm b e k a n n t waren, unter denen aber W o l f r a m , H a r t m a n n und die Nibelungen noch nicht vertreten sind, erklären (über seine mhd. belesenheit vgl. Raumer, Gesch. der germ. phil. s. 58, über Schobinger ebenda s. 52). Einen durch eine neue vergleichung der handschrift C und durch hinzufügung einiger weiterer anmerkungen vermehrten und verbesserten abdruck der texte Goldasts nnd aller seiner beigaben veranstaltete J o h a n n Georg Scherz im zweiten bände des Thesaurus antiquitatum teutonicarum ecclesiasticarum, civilium, literariarum seines lehrers J o h a n n e s Schilter (Ulm 1727), dessen einzelne stücke besondere seitenzählung auf weisen, als sechstes stück, dem Strickers Karl, die strassburger f r a g mente des Rolandsliedes und das Ludwigslied vorherg e h e n und der T a t i a n folgt. In J o h a n n J a k o b Bodmers und J o h a n n J a k o b Breitingers Sammlung von minnesingern aus dem schwäbischen Zeitpunkte 2, 2 4 8 (Zürich 1759), die die ganze handschrift C zum abdruck bringt, ist unser gedieht, wieder zusammen mit dem Winsbecken und der Winsbeckin, hinter die eigentlichen lyriker an den schluss der ganzen Veröffentlichung gestellt; erklärende anmerkungen sind hier den texten nicht beigegeben, auch die dem abdruck der ersten proben der handschrift 1748 beigefügten grammatischen und lexikalischen erläuterungen nicht wiederholt worden, wie denn auch alle späteren ausgaben auf erklärende anmerkungen durchweg verzichten. Die von Goldast zuerst eingeführte und von Scherz und Bodmer beibehaltene verkoppelung des T i r o l und Fridebrant mit dem Winsbecken und der Winsbeckin erscheint in den

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folgenden textabdrücken und ausgaben naturgemäse wieder aufgelöst, bis sie in der ersten auflage des vorliegenden heftes auf wünsch Hermann Pauls wieder aufgenommen wurde. Achtzig jähre nach dem abdruck der Züricher (Leipzig 1838; der druck der texte spann sich, wie aus Briefw. der brüd. Grimm mit Lachmann s. 525. 579. 582. 587. 588 hervorgeht, über ein dezennium hin) erschien Friedrich Heinrich von der Hagens grosse Sammlung der mhd. lyriker, deren erste beide bände auf der handschrift C beruhen: in diesen Minnesingern 1 , 5 (die lesarten stehen 3,583, die literargeschichtliche behandlung 4, 12) steht unser gedieht zum erstenmal an seiner überlieferten handschriftlichen stelle. Die ersten 13 Strophen hat F. W. Ebeling herausgegeben unter dem titel: Kunig Tyrol von Schotten und sin sun Vridebrant, didaktisches gedieht des 12. Jahrhunderts (Halle 1843). In der vorrede bemerkt der herausgeber, die grundlage des textes bilde 'ein gedrucktes manuskript aus dem 17. jahrhundert', das ihm auf der öffentlichen bibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle in die hände gefallen sei. Diese stark unklaren angaben auf ihre wahre unterläge zurückzuführen wollte mir seiner zeit für die erste auflage dieses heftes nicht gelingen: erst 1908 hat Hans Schulz (Beitr. 33, 398) aufklärung darüber gebracht. Ebelings vorläge ist Wolfhart Spangenbergs Anmütiger Weisheit lustgarten (Strassburg 1621) gewesen, wo sich s. 90 die 13 Strophen fast genau übereinstimmend mit Ebelings text, aber mit zeitgemässerer Orthographie abgedruckt finden; ich habe Ebelings lesarten, da Spangenberg keine andre quelle als Goldast vor sich gehabt hat 1 ), nicht berücksichtigt. Der zeit ') Schulz ist auf die quellenfrage gar nicht eingegangen. Dass Spangenberg aus Goldast und nicht etwa aus der handschrift C selbst geschöpft hat, ist nicht nur an sich höchst wahrscheinlich, sondern wird auch dadurch bewiesen, dass auch die sonst aus C zitierten stellen von Ulrich von Lichtenstein und Reinmar von Ζ weter (s. 483.484) sich in Goldasts kommentar (1,374. 375), und zwar hintereinander in der gleichen reihenfolge finden.

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nach folgte 1888 die erste auf]age des vorliegenden heftes, die von Karl Kinzel Zeitschr. f. d. phil. 22, 242 besprochen worden ist, der dort speziell für unser gedieht allerhand beibringt. Endlich bringt Friedrich Pfaffs getreuer textabdruck der handschrift C Die grosse heidelberger liederhandschrift 1, 4 (Heidelberg 1909, erschienen im ersten heft schon 1898) den text des Tirol, leider nicht ganz einwandfrei (vgl. Gustav Ehrismann Zeitschr. f. d. phil. 32, 96. 97). Die epischen fragmente hat Jakob Grimm, der besitzer der handschrift, selbst zuerst 1841 herausgegeben Zeitschr. f. d. alt. 1, 7 (wieder abgedruckt Klein. Schriften 7,55). Verbesserungsvorschläge dazu, die aber nicht auf erneuter prüfung der handschriftlichen Überlieferung beruhen, gab 1867 Karl Bartsch Germ. 12,87. Einen auf einer solchen prüfung aufgebauten verbesserten text, dem auch vier faksimiletafeln zur kontrolle beigegeben sind, gab erst Harry Maync in seinem unsern gesamten problemkreis behandelnden buche Die altdeutschen fragmente von könig Tirol und Fridebrant s. 46 (Tübingen 1910), dem drei eingehende rezensionen von Georg Baesecke (Anz. f. d. alt. 37, 26), Karl Helm (Literaturbl. f. germ. u. rom. phil. 1912 s. 362) und Friedrich Wilhelm (Zeitschr. f. d. phil. 43, 472) gewidmet sind. Auf Mayncs text beruht der abdruck bei Heinrich Meyer-Benfey, Mhd. Übungsstücke 2 s. 140 (Halle 1920; die erste auflege von 1909 folgte Müllenhoffs abdruck). Beide gedichte, das didaktische und das epische, hat Karl Möllenhoff in seine Altdeutschen sprachproben 4 s. 112 (Berlin 1871. 4 1885) aufgenommen, ohne allerdings seinerseits auf die handschriften zurückzugreifen. Eine Sonderausgabe von beiden, die leider elementare kenntnis der spräche vermissen lässt und zndem von flüchtigkeiten, unbegründeten gewaltsamkeiten und Wunderlichkeiten stark belastet ist, bot Ernst Wilken, Die Überreste altdeutscher dichtungen von Tyrol und Fridebrant (Paderborn 1873). Zu ihr ist die durchaus treffende kritik Wilhelm Braunes mitWilkens erwiderung und Braunes antwort (Lit. zentralbl. 1873 s. 974. 1433.

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1434) sowie ein aufsatz Wilkens Germ. 19, 59, der seine situation aber auch nicht gebessert hat, heranzuziehen. Die hauptfrage, mit der sich die kritik unsres gedichts zu beschäftigen hat, ist die, ob diese verschiedenen stücke ursprünglich vielleicht in einem grösseren ganzen vereinigt waren oder, wenn nicht, wie viel verschiedene teile anzunehmen sind. Von vornherein aber muss da gesagt werden, dass eine absolut sichere und fest begründete entscheidung darüber bei der fragmentarischen gestalt und dem allzu geringen umfang der uns überlieferten texte nicht möglich ist, man sich vielmehr mit einer grösseren oder geringeren Wahrscheinlichkeit zufrieden geben muss. Den älteren forschem stellte sich die sache folgendermassen dar. Jakob Grimm wollte streng geschieden wissen zwischen seinen bruchstücken und dem in C überlieferten lehrgedicht, das er, allerdings nicht mit voller Sicherheit, bei Strophe 25 in zwei teile zerlegen wollte; das lehrgedicht war seiner ansieht nach „ohne zweifei" älter als das epos. Dieser anschauung des altmeisters hat sich Wilhelm Wackernagel (Gesch. der d. lit. 2 1, 174 anm. 47. 277 anm. 16. 344. 345) eng angeschlossen, der sie noch durch die metrische beobachtung zu stützen versuchte, dass das epische gedieht schon ein grösseres bestreben nach regelmässigem jambischem rhythmus zeige, was sich nur erklären lasse, wenn ihm das lehrgedicht bereits als muster vorgelegen habe: dieses bestreben ist aber nicht vorhanden, vielmehr ist, wie ich schon in der ersten auflage dargetan und neuerdings auch Baesecke betont hat, eher das gegenteil richtig. Umgekehrt hielten, allerdings ohne eine nähere begründung zu geben, August Koberstein (Grundr. der gesch. der d. nat. lit. 6 1,266) und Georg Gottfried Gervinus (Gesch der d. dicht. 5 2, 5 anm. 2. 41) vielmehr das epos für älter als das lehrgedicht. Der letztere spricht zuerst, andeutungen Grimms konsequent verfolgend, von einem umfänglichen vorwolframischen spielmannsgedicht, auf das unsre epischen fragmente zurückgehen sollen, eine ansieht, die von Wilken, Maync, Helm und Wilhelm

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wieder aufgenommen, von Baesecke aber aufs entschiedenste bestritten worden ist. Wilken hat die ansieht ausgesprochen, es möge alles in einem grösseren erzählenden ganzen vereinigt gewesen sein, lässt jedoch daneben die möglichkeit zweier gesonderter gedichte offen, für welchen fall er dann priorität des epos annimmt, also auf die seite der gegner Grimms tritt. Seiner ersten alternative stimmen Maync, Helm und Wilhelm bei. Friedrich Vogt (Grundr. der germ, phil.' 2 2, 1, 275) erklärte sich für ursprüngliche Zusammengehörigkeit von lehrgedicht und epos, trennte aber, genau wie ich es in der ersten auflage dieses heftes getan hatte, das nach seiner ansieht fragmentarische rätselgedicht von jenen als nicht zugehörig ab; ihm folgt Baesecke. Zunächst erscheint mir einigermassen sicher, dass wir strophe 1—24 aus C als einen selbständigen zusatz anzusehen haben, ähnlich der fortsetzung des alten kerns des Winsbecken. Schon Goldast unterschied dieses stück und das folgende lehrgedicht als liber primus und secundus und schrieb strophe 25 einem epitoniator zu. Ich vertrat diese anschauung wie gesagt schon in der ersten auflage dieses hefts, und sie ist neuerdings von Baesecke lebhaft linterstützt worden. Dies rätselgedicht enthält spezifisch theologische allegorien, wie sie in einem weltlich-ritterlichen lehrgedicht oder epos wohl kaum an der stelle gewesen wären. In strophe 13 unterbricht der dichter sogar den gang des theologischen gesprächs mit einer apostrophe an papst und geistlichkeit. Zu bemerken ist, dass der reim jappestift: vipernatern gift 9, 5 mit dem seltenen ersten wort (zur etymologie vgl. Ehrismann Germ. 34, 492) aus dem lehrgedicht 43, 3 entnommen ist. Der stil der Strophen ist ziemlich farblos: ein kleiner wolframianismus dürfte in dem gebrauch von eil mit genetiven 6 , 3 . 21, 3. 23, 5 vorliegen (vgl. Kinzel Zeitschi·, f. d. phil. 5, 32. 36). Von dem dichter dieser ersten 24 Strophen oder von dem, der sie mit dem lehrgedicht verband, rühren, glaube ich, die strophe 25 und die worte er sprach

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26, 1 her, die ich darum im text eingeklammert Labe; auch Baesecke hält sie f ü r einen zusatz. Strophe 2 5 ist metrisch zu kurz, nennt einführend die namen und der ausdruck die weltlichen lere scheint ausdrücklich das heterogene der beiden teile verdecken zu sollen. Verschwiegen soll und darf nicht werden, dass im engeren sinne kirchliches auch im lehrgedicht (38, 6. 39, 6. 45, 6; Baesecke möchte die beiden schlusstrophen, in deren einer plötzlich der euhtmeister auftritt, Wilken schon f r ü h e r eben diese eine als unechten zusatz ausscheiden) stärker hervortritt als z. b. im Winsbecken. J e d e n f a l l s sehe ich aber keine möglichkeit, das in C überlieferte als einheitliches gedieht zu verteidigen. Auf unser rätselgedicht und ähnliche allegorische verse, die vielleicht unter dem namen des königs T i r o l gingen, beziehen sich die nicht ganz k l a r e n zitate im W a r t b u r g k r i e g und bei Boppe, die schon Goldast heranzog (von der H a g e n s minnes. 2, 17. 385). Die quelle unsres rätselgedichts nachzuweisen ist mir weder f r ü h e r noch heute gelungen: die Visiones Danielis prophetae, die Ammonitiones, quas ei angelus monstravit und die Interpretationes seu somnia revelata ab angelo misso a deo, deren Goldast gedenkt, ohne ihren etwaigen beziehungen zu unserm gedieht weiter nachzugehen, sind, wie es scheint, bis jetzt weder gedruckt noch wissenschaftlich bearbeitet worden, und so kann ich f ü r diese mittelalterliche apokryphe Danielliteratur nur auf des alten Fabricius Codex pseudepigraphus veteris testamenti 1 , 1 1 3 0 . 1136 verweisen. Die weitere f r a g e ist, ob vielleicht das lehrgedicht (strophe 2 6 — 4 5 ) und die epischen fragmente enger zu einander gehören, mit andern Worten, ob jenes innerhalb des epos ursprünglich an einer prägnanten stelle in die erzählung eingefügt war wie die l e h r e des Gurnemanz in W o l f r a m s Parzival und dann einmal wegen seines verhältnismässig abgeschlossenen sondercharakters aus diesem Zusammenhang herausgelöst und gesondert abgeschrieben worden ist. Ich halte in Übereinstimmung mit f r ü h e r e n f o r s c h e m einen solchen Sachverhalt, wenn auch nicht f ü r streng beweisbar, so doch f ü r höchst

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wahrscheinlich und die plausibelste art, das nebeneinander der beiden so eng verwandten werke zu erklären. Dass hinter den gesamten ermahnungen des lehrgedichts mehr oder weniger deutlich eine epische situation steht, hat Baesecke fein gezeigt. Wolfram wird in beiden werken zitiert: das lehrgedicht spielt 42, 5 auf Flegetanis und Amfortas' Siechtum an (Parz. 453—455. 478—484); das epos hat eine wendung wörtlich dem Parzival entnommen (B 6, 7 = Parz. 257, 20) und entlehnt namen aus ihm wie Fridebrant, Marroch (vgl. Lachmann zu Nib. 355, 1), Tervigant und vielleicht Gamuret, wenn Grimms ergänzung in D 2 richtig ist; auch C 3, 5 klingt wolframisch und F 7, 3 sowie Η 6, 3 bieten wolframische Wendungen. Auch sprachlich würde nichts im wege stehen, beide gedichte für teile eines ganzen zu halten: der reimgebrauch, soweit er dialektische fixierung gestattet, weist auf mitteldeutsches gebiet, am wahrscheinlichsten ins hessische. Der reim wird an einer reihe von stellen reiner, wenn man Synkope eines infinitivischen -n annimmt (34, 3. 36, 3. 5. 44, 5. A 1, 3. 2,5. G 3 , 1 ; auch 3 9 , 5 könnte site und A 3, 7 schar gelesen werden): über den umfang dieser erscheinung vgl. Behaghel, Gesch. der d. spräche 5 § 375. Die dritte person des plurals reimt ohne -t 30, 1. 5. A 2, 1. dort: verworht reimt Ε 2,5 (vgl. darüber Behaghel 5 § 388). Auch der Wortschatz zeigt mitteldeutsche eigenheiten: tisch 29,1; vlec F 4, 6. Für die abfassungszeit des epos nimmt Baesecke als terminus post quem den jüngeren Titurel an; die des rätselgedichts bestimmt Wilhelm mit rücksicht auf 13,4 zwischen 1220 und 50, dem termin der kaiserkrönung Friedrichs II. und seinem tode, und möchte auch in 24, 4 eine historische anspielung auf die Versöhnung des genannten kaisers mit papet Gregor IX. 1230 oder auf die verwandten Stimmungen von 1243 sehen. Diese ansätze dürften der Wahrheit nahe kommen. Über den stand der dichter lässt sich nichts genaueres ausmachen: ein geistlicher braucht der des rätselgedichts trotz seines theologischen inhalts nicht gewesen zu sein; dass der des epos ein solcher war,

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ist an und für sich höchst unwahrscheinlich. Die anschauuog, die Gervinus zuerst ausgesprochen hat und der sich seltsamerweise nicht nur Maync, sondern auch Helm und Wilhelm ohne zögern und bedenken angeschlossen haben, dass hinter unserm deutlich ans Wolframs schule hervorgegangenen Tirol ein grosses vorwolframisches epos als quelle für Wolfram selbst und unsern dichter und, wie Wilken ganz abenteuerlicherweise annahm, als erste deutsche behandlung der gralsage liege, muss ich mit Baesecke aufs allerentschiedenste ablehnen. Nach meiner ansieht hat der Tiroldichter seinen stoff gerade so eigenmächtig aus wolframschen und sonstigen gestalten, motiven und namen kraft eigener phantasie herausgesponnen wie Albrecht den seines jüngeren Titurel; von irgendwelcher quellentreue ist hier keine rede. Über die Tirolstrophe verweise ich auf Pfeiffer, Freie forsch, s. 15; Scherer, Deutsche stud. 1, 66 anm.; Kinzel Zeitschr. f. d. phil. 22, 243; Kauffmann, Deutsche metrik 3 § 88; Saran, Deutsche versl. s. 295; Heusler, Deutsche versgesch. 2, 277. Ins nhd. ist die ganze Überlieferung von C übersetzt worden von Christian Gottfried Böckh in seinem und Friedrich David Gräters Bragur 1, 223 (Leipzig 1791), das lehrgedicht allein von Wilken, Altd. spruchged. s. 9 (Paderborn 1872). Die Strophen 26—37 des lehrgedichts hatte in einer vor den sächsischen prinzen am 11. oktober 1746 in Leipzig gehaltenen rede „Von dem flore der deutschen poesie zu kaiser Friedrichs des ersten zeiten" schon Johann Christoph Gottsched übersetzt (Gesammelte reden s. 59); er hält nach Goldasts Vorgang Tirol (s. 55) für einen historischen „schottischen könig oder abgefundenen prinzen", den Winsbecken (s. 54) für einen „kaiserlichen staatsrat", die Winsbeckin natürlich für dessen gemahlin.

2. Zu Winsbecke und Winsbeckin.1) Die beiden lehrgedichte aus der blütezeit der mhd. poesie, welche man mit den namen des Winsbecken ') Vgl. auch meinen kurzen artikel in der Allg. d. biogr. 43, 461. Mhd. lehrgedichte 1.

b

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u n d der Winsbeckin zu bezeichnen gewohnt ist, sind in folgenden handschriften und bruchstücken, meist zusammen überliefert: in der weingartner liederhandschrift Β (vom Winsbecken 67, von der Winsbeckin 37 Strophen), in der heidelberger, f r ü h e r pariser liederhandschrift C (vom Winsbecken 75, von der Winsbeckin 39 Strophen), in der berliner Nibelungenhandschrift J (vom Winsbecken 78, von der Winsbeckin 39 Strophen), in einer gothaer handschrift g (vom Winsbecken 52, von der Winsbeckin 38 Strophen), in der kolmarer liederhandschrift k (vom Winsbecken 74, von der Winsbeckin 8 Strophen), in einer lainzer handschrift (vom Winsbecken 73 Strophen). Dazu treten von f r a g m e n t e n nur des Winsbecken: die baseler Κ (7 Strophen), die berliner b ( 3 1 Strophen), die münsterer m ( 2 1 Strophen), die wiener w (6 Strophen). Eine geistliche umdichtung einer strophe des Winsbecken enthält die baseler handschrift K, eine parodie von 6 weiteren Strophen ein pergamentblatt aus Persenbeug. Von den meisten dieser texte gibt es besondere abdrucke. Β ist gedruckt in F r a n z Pfeiffers ausgabe der handschrift s. 205 (Stuttgart 1843); C nach Goidast (Paraenetici veieres 1, 2 8 9 ) , Scherz (vgl. oben S. X) und Bodmer-Breitinger (Sammlung von minnesingern 2 , 2 5 1 ) in von der Hagens Minnesingern 1, 364. 3 , 4 6 5 (die lesarten stehen 3, 6 4 4 , die literargeschichtliche behandlung 4, 311), dann neuerdings wieder in Pfaffs ausgabe der handschrift s. 6 8 6 ; J von von der Hagen in seiner Germ. 1 , 2 7 1 . 2 , 1 8 2 . 240 (Berlin 1 8 3 6 — 3 7 ; ich habe im sommer 1887 diesen abdruck mit der handschrift verglichen und genau gefunden; zu beachten ist die schlussbemerkung des herausgebers 2 , 250); Κ von Wilhelm W a c k e r n a g e l Altd. blätter 2, 127 (Leipzig 1 8 4 0 ) ; g von Georg Friedrich Benecke in seinen Beiträgen zur kenntnis der altdeutschen spräche und literatur 1, 4 5 5 (Göttingen 1832). Auf grund des bisher genannten handschriftlichen materials veranstaltete Moritz H a u p t die erste kritische ausgabe beider gedichte mit lesartenverzeichnis und spärlichen anmerkungen

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(Leipzig 1 8 4 5 ; einen weiteren beitrag zur erkläruiig gab H a u p t Zeitsehl·, f. d. alt. 6, 387); hier ist auch das bis dahin nicht veröffentlichte fragment w benutzt worden. Eine kollation von k habe ich Beitr. 13, 2 4 8 im rahmen eines aufsatzes „Zur kritik und erklärung des Winsbecken und der Winsbeckin" veröffentlicht, dem dann 1 8 8 8 die erste auflage des vorliegenden heftes auf dem fusse folgte (über Kinzels rezension vgl. oben s. VII. XII). Nach meiner ausgabe sind veröffentlicht worden: m von Alois Börner Zeitschr. f. d. alt. 49, 135; eine kollation von 1 von Clemens Biener ebenda 5 3 , 2 8 8 ; die parodie aus Persenbeug von Joseph Seemüller ebenda 55, 442. Auf b wurde zuerst von Joachim Kirchner in der festschrift f ü r H a r n a c k ( F ü n f z e h n jähre königliche und Staatsbibliothek s. 148) hingewiesen: jetzt bereitet H a n s Friedrich Rosenfeld f ü r die Zeitschrift f ü r deutsches altertum einen abdruck vor, der mir auf meine bitte eine kollation zur Verfügung gestellt hat. Ich behandle zunächst den wert der handschriften in engem anschluss an die ausführungen meines eben genannten kritischen aufsatzes, der die resultate H a u p t s n a c h g e p r ü f t und mehrfach berichtigt hat. Wegen ihres zu geringen umfanges f ü r die textkritik nur wenig zu benutzen sind die texte Κ und w. N ä h e r e Verwandtschaft zwischen zwei handschriften besteht f ü r den Winsbecken zwischen C und 1; in der Winsbeckin stammen C und g aus einer vorläge. Die übrigen texte ausser Κ u n d w teilen sich in eine bessere ältere und eine schlechtere jüngere g r u p p e : zu jener gehören B, C, J, zu dieser g, k, 1, m. A l l e r h a n d kreuzungsverbältnisse, wie sie zwischen den einzelnen textzeugen bestehen, und die bei manchen l ü c k e n h a f t e Überlieferung machen die aufstellung eines stammbaums unmöglich. Von der besseren gruppe zeigt J den verhältnismässig reinsten und besten text; Β bietet eine sehr unzuverlässige u n d durch viele fehler entstellte Überlieferung, C eine modernisierende Umarbeitung. Im besonderen finden sich Verschiedenheiten des wertes der einzelnen texte f ü r beide gedichte, die vielleicht daraus sich erklären, dass beide in den vorlagen noch b*

XX

nicht vereinigt waren: so ist J in der Winsbeckin etwas weniger gut, Β dagegen etwas besser als im Winsbecken. Die kritische behandlung des textes der Winsbeckin wird dadurch sehr erschwert, so dass oft überhaupt keine sichere entscheidung möglich ist; der text des Winsbecken dagegen lässt sich mit ziemlicher Sicherheit feststellen. Auch in betreff der differenzen der Strophenanzahl und -Ordnung kann man wegen des mangelhaften materials in vielen fällen zu keinem entscheidenden resultate kommen. Ich habe daher meine ausführungen über echtheit und unechtheit der Strophen auf den text nicht einwirken lassen und, namentlich im schluss des Winsbecken, selbst sicher unechtes und jüngeres mitaufgenommen: die strophenzählung ist so dieselbe geblieben wie bei Haupt. Ich komme zur einheitsfrage, über die ich gleichfalls auf meinen aufsatz und die dort besprochene literatur verweise. Dass Winsbecke und Winsbeckin nicht von einem dichter herrühren, vielmehr die Winsbeckin eine nachahmung des Winsbecken ist, beweist die gedankenarmut und Wiederholung in derselben sowie die parallelen zum Winsbecken, welche derart sind, dass man sie nicht gut demselben dichter zutrauen kann, der dann z. b. das gleichnis vom vogel, das in dem einen gedichte schon zweimal vorkommt, im zweiten zum dritten mal gebracht hätte. Der nachahmend sentenziöse ton, in dem die Winsbeckin beginnt, geht allmählich in eine höfische Unterhaltung über, bei der die Spitzfindigkeiten nicht gespart sind. Mit der anwendung der dialogischen form hat der nachahmer sicher den alten dichter überbieten wollen. Im Winsbecken selbst sind wir, wie ich an andrer stelle nachzuweisen versucht habe, genötigt drei verschiedene dichter anzunehmen, von denen dem ersten strophe 1—56, dem zweiten strophe 5 7 — 6 4 , dem dritten strophe 65 — 80 gehören. Dass mit Strophe 57 ein zweiter dichter einsetzt, hat schon Haupt bewiesen, indem er zeigte, dass die drei räte am schluss der Winsbeckin der strophe 56 des Winsbecken korrespondieren, der nachahmer also an

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dieser stelle den schloss seines Vorbildes sah, und dass alles, was nach strophe 56 folgt, das vorige eigentlich zunichte macht. Denn was hätte die ganze weitläufige Unterweisung in ritterlicher moral für einen zweck, wenn das ziel des dichters gewesen wäre, sie hinterher zu entwerten und zu negieren? Auch von der Hagen, der den schluss für echt hält „ganz in dem sinne des alten rittertums, wo nicht selten auch von fürsten ein tatenreiches leben so fromm und geistlich beschlossen wurde", kann nicht umhin, die schliessliche Wendung überraschend zu finden. Gegen beide argumente Haupts ist nichts zu erwidern. Dass innerhalb der fortsetzuDg wieder zwei teile zu unterscheiden seien, glaubte ich aus einer randbemerkung in Β und aus dem umstände schliessen zu dürfen, dass die Strophen 6 5 — 7 9 vollständig der anknüpfung an die situation und Stimmung des vorhergehenden entbehren. Sie bilden vielmehr eine Sündenklage mit den typischen beispielen der reue und barmherzigkeit und sind ein in sich vollkommen abgeschlossenes gedieht, das erst in strophe 80 ziemlich unvermittelt auf den Zusammenhang wieder eingeht. Beide fortsetzer haben ihrerseits den alten Winsbecken vor äugen gehabt'). Ebenso findet sich zwischen der ersten fortsetzung und der Winsbeckin eine parallele, die nicht wohl zufällig sein kann 2 ). Man hat die dialogische form der Winsbeckin auf nachahmung dieser ersten fortsetzung zurückführen wollen. Man muss jedoch damit rechnen, dass vielleicht das Verhältnis das umgekehrte ist und die Winsbeckin vielmehr auch älter als die fortsetzungen sein k a n n : diese annahme würde die Beitr. 13, 269 von mir behandelte frage in andre beleuchtung rücken. Ich erwähne noch, dass in k der ') daz disiu werlt ein goukel ist 58,2: nw sich der Werlte gouleel an 2,4; in vrier wal 61,7: 19,6. 45,5; von hdchvart sich Vermel sin spil 75,5: daz sich vervellet gar sin spil 41,4. 2 ) wz ougen muoste er wangen baden 64,1; du muost diu wange uz ougen baden Wkin 17,10. Der ausdruck klingt wolframisch, doch kann ich ihn bei Wolfram wörtlich nicht nachweisen.

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text an vier verschiedenen stellen der handschrift steht und zwar in den von mir f ü r die vier dichter umschriebenen grenzen. Im folgenden richten wir nun unsre aufmerksamkeit besonders auf das alte gedieht des Winsbecken (strophe 1 — 56). Den namen des dichters kennen wir aus C: n a c h dieser handschrift war es ein ritter von Winsbach. Als wappen des dichters gibt dieselbe handschrift drei goldene sonnen im blauen schild (vgl. Zangemeister, Die wappen, heim Zierden und Standarten der grossen heidelb. liederh. s. 14 und tafel 35). Winsbach ist ein Städtchen im landgericht Heilsbronn an der llezat, nicht allzuweit von Grafenberg, der heimat W i r n t s , und Eschenbach, der heimat Wolframs. Von Ortsnamen auf -back werden ableitungen auf -becJce gebildet (vgl. H a u p t s. XI). Eine ältere form des namens, Windesbecke, erscheint im Renner Hugos von T r i m b e r g , wo unser dichter gepriesen und jüngeren als vorbild hingestellt wird!). Aus der handschrift k , in der die strophe des Winsbecken als grussweise des tugendhaften schreibers bezeichnet ist, glaubten Bartsch uud Goedeke schliessen zu müssen, dass der tugendhafte Schreiber der dichter des Winsbecken sei: diese annahme habe ich Beitr. 13, 256 eingehend besprochen und zu widerlegen versucht. — F ü r das geschlecht der Winsbecken f e h l t es nicht an urkundlichen belegen: die von H a u p t s. X I I und Zeitschr. f. d. alt. 1 5 , 2 6 1 gesammelten k a n n ich um einige vermehren. Es erscheinen in u r k u n d e n : P u r c h a r d u s de Windesbach, dienstmann des Chuno von Horburch, 1 1 3 8 2 ) ; Hermannus de Windesbach, canonicus und später archidiaconus, 1228 — 63 3 ); E b e r h a r d u s de

') Gitikeit, luoder und unkiusche, muotwille und unzimlich getiusche habent manige herren also besetzen, daz si der wise gar hänt vergezzen, in der hie vor edel herren sungen: von Botenloube und von Morungen, von Limburc und von Windesbecke, von Nifen, Wildönje und von Brunecke 1179. 2 3 ) Mon. boica 12, 333. ) Mon. boica 37, 225; Ried, Codex dipl. episc. ratisb. s. 352. 355. 356. 361. 376. 392. 396. 399. 405. 414. 472; Jung, Miscell. 1,7.

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Windesbach, judex in Bechlaren, 1 2 7 1 >); Ruckerus de W i n s b a c h , 1310 2 ). Haupt ist nicht abgeneigt, in dem Hermannus de Windesbach u n s e m dichter zu sehen. Mir scheint dies aus zwei gründen nicht glaubhaft. Erstens ist jener Hermannus ein geistlicher und nach dem ganzen Charakter und der tendenz unsres gedichts scheint es mir sehr unwahrscheinlich, dass der Verfasser dem geistlichen stände angehört hat. Ein geistlicher würde kaum in seinem lehrgedicht so preisende worte von der weltlichen minne gesprochen, kaum so ausführliche Vorschriften über turnierkunst gegeben haben. Die ganze Unterweisung des vaters steht weit ab von der spezifisch geistlichen Sphäre: sie erscheint vielmehr einzig· auf das praktische leben und seine anspräche gerichtet, und diesem leben in und mit der weit, wofern es nach ethischen prinzipien geregelt ist, wird ein hoher wert beigelegt, der selbst vor gott bestehen k a n n . Natürlich fehlt in dem ethischen gemälde die frömmigkeit, die beziehung des menschlichen tuns auf gott, den herrscher und richter der weit, n i c h t : auch sie ist jedoch wie alles, was der dichter uns bietet, von einer naiven natürlichkeit und einfachheit, die um so kräftiger wirkt. Das zweite, was ich gegen H a u p t s a n n a h m e vorbringe, steht mit der freilich kaum endgültig zu entscheidenden f r a g e in Zusammenhang, inwieweit man reale Verhältnisse als grnndlage unsres gedichtes anzunehmen hat 3 ). Ich halte dafür, dass wilden vater im gedieht mit dem dichter zu identifizieren haben, und glaube, dass auch die behandlung der l e h r e als Unterweisung eines sohnes nicht bloss altüberkommener technik ihr dasein v e r d a n k t , sondern dass der dichter tatsächlich einen söhn hatte, an den er das gedieht richtete oder an den er bei ausarbeitung des werkes besonders dachte. Diese annahme wird mir wahrscheinlich durch den immer von neuem und in mannig2 ') Ried s. 525. ) Hansselmann, Landeshoheit des a hanses Hohenlohe s. 602 b. ) Vgl. auch Wilhelm Müller in den Gött. gel. anz. 1847 s. 375.

XXIV

f a c h e n Variationen hervorquellenden unmittelbaren ausdruck des g e f ü h l s und den vielfachen hinweis auf das grundverhältnis, das in der ersten strophe uns dargelegt wird1). Der vater gibt nun im gedieht eine reihe von anspielungen auf sein vorgerücktes a l t e r , die wie lebendiger Wirklichkeit entnommen aussehen ( 2 0 , 7 . 4 7 , 3 . 48, 4) 2 ). Den gedankengang des dichtere selbst fördern sie gar nicht, erklären sich aber gut aus der annahm e, dass der dichter eben reale Verhältnisse von sich selbst in sein gedieht übertrug. W i r würden dann über d a s alter des dichters eine bestimmuDg gewinnen, die mit der zeit jenes Hermannus de Windesbach sich nicht g u t würde vereinigen lassen, wenn wir die gewöhnliche datierung des gedichtes beibehalten, nach der es, gewiss mit recht, ungefähr in das zweite dezennium des 13. Jahrhunderts gesetzt wird. — Den namen Winsbeckin hat H a u p t s. X I I mit recht f ü r eine ungeschickte p a r a l l e l bildung zu Winsbecke erklärt. Es ist möglich, dass die in einigen handschriften überlieferten Überschriften beider gedichte Des vater lere und Der muoter lere die u r sprünglichen sind. W a s die ästhetische beurteilung des gedichtes a n l a n g t , so steht noch immer die Charakteristik unsres Winsbecken bei Gervinus (Gesch. der d. d i c h t . 5 2, 2) unerreicht d a , deren Wirkung ich nicht durch zusätze oder auszüge abschwächen will. N u r eins hebe ich h e r v o r , dass dasjenige, was uns am ethiker besonders bedeutend vorkommen muss, die individuell ausgeprägte k r a f t v o l l e persönlichkeit, der Winsbecke in hohem masse besitzt. Völlig v e r k a n n t hat dies Scherer, wenn er ihn (Gesch. der d. lit. s. 220) einen durchschnittsmenschen nennt und mit H a r t m a n n von Aue vergleicht. ') Vgl. besonders 1, 6. 13,10. 36, 5. Rein wissenschaftlich diese annahme zu grösserer evidenz zu bringen fehlt das material: ich muss daher an den eindrnck des werkes und an das unbefangene urteil des lesers appellieren. Man vergleiche dagegen, worauf der dichter der Winsbeckin das Verhältnis von mutter und tochter gründet: 1 . 8 . 3 , 5 . 11,3. 34,1. 2 ) Diese bestimmung greift der erste fortsetzer begierig auf: 59,1. 60, 5.

XXV

Der Winsbecke und der Verfasser des gedichts von Tirol und Fridebrant versuchen zum erstenmal eine reihe ethischer betrachtungen mit betonung der spezifischen ideale des rittertums im rahmen eines selbständigen gediehte zu geben. Beide ruhen, wo ihre gedanken nicht der ritterlichen Sphäre entnommen sind, auf dem gründe der volkstümlichen, auch der gangbaren Sprichwörter sich bedienenden gnomik der fahrenden im letzten drittel des 12. Jahrhunderts, die uns vor allem in Herger und Spervogel vorliegt und die Walther in seinen Sprüchen veredelte. Von beziehungen des Winsbecken zu vorhergehenden und gleichzeitigen dichtem wissen wir wenig. Über engere beziehungen zu Wolfram, den er 18,5 zitiert, habe ich Beitr. 14,149 gehandelt.') Auch die Wirkungen auf nachfolgende dichter sind noch wenig durchforscht. Es scheint, dass Freidank einige stellen auf seine weise in die Bescheidenheit aufgenommen hat, obwohl man bisher in der annahme dieser entlehnungen wohl zu weit gegangen ist: die stellen sind gesammelt von Wilhelm Grimm, Üb. Freid. s. 11 (Klein. Schriften 4,14)2). Einfluss auf Reinmar von Zweier versucht Gustav Roethe wahrscheinlich zu machen (Reinmar s. 211 mit anm. 266, wo ebenfalls manches zweifelhafte). Dass der dichter der erzählung Frauenlist (in von der Hagens Gesamtabenteuer nr. 26) den Winsbecken kannte, habe ich Beitr. 15,390 gezeigt. Recht locker ist die von Friedrich Wilhelm Beitr. 34, 193 behauptete beziehung zu Ulrich von Eschenbachs Alexander. Für die Strophenform des Winsbecken verweise ich auf Kauffmann, Deutsche metrik 3 § 88; Saran, Deutsche versl. s. 295; Heusler, Deutsche versgesch. 2, 286. Die Strophe ist als Weiterbildung der sechszeiligen Tirolstrophe anzusehen, welche nnn dem dreiteiligen bau der höfischen lyrik näher gerückt erscheint. Drei ') Über angebliche beziehungen zum Wigalois, die Pfeiffer 2 annahm, vgl. Beitr. 13, 275. ) Vgl. auch Üb. Freid. zw. nachtr. s. 11 (Klein. Schriften 4,107); in der auffassung folge ich natürlich Pfeiffer, Freie forsch, s. 173.

XXVI

änderungen sind an der Tirolstrophe vorgenommen: die ersten vier Zeilen zeigen statt gepaarter gekreuzte reime, alle zeilen sind auf das gleiche mass von vier hebnngen gebracht und das reimpaar des Schlusses mit der waise doppelt gesetzt. Zur bindung von Stollen und abgesang erhielt der erste teil des letzteren dasselbe reimwort wie zeile 2 und 4 (vgl. Scherer, Deutsche stud. 1, 66 anm.). — Einige f ä l l e von fehlender Senkung u n d namentlich fehlendem a u f t a k t (Winsbecke 1 5 , 1 . 6 4 , 8 ; Winsbeckin 12, 8. 13, 9) habe ich nicht beseitigt, wo sie sichere handschriftliche gewähr hatten. Unter den unreinen reimen ist nur ein schwererer f a l l (bewegen: leben Winsbecke 7 8 , 1 ) , der bei W o l f r a m und sonst seine parallelen findet. Unsre beiden gedichte sind im lauf der jähre mehrfach gegenständ von schulprogrammen geworden. Von solchen haben mir vorgelegen: Berthold Gutzeit, Unterschiede des stils im Winsbecken uud in der Winsbeckin (Bromberg 1 8 8 7 ) ; Norroschewitz, Der Winsbecke und die W i n s b e c k i n , zwei mhd. lehrgedichte (Döbeln 1889); H a r r y Denicke, Die mittelalterlichen lehrgedichte Winsbecke und Winsbeckin in kulturgeschichtlicher beleuchtung (Rixdorf 1900); Johann P a u l , Der Winsbecke, einleitung und metrische Übersetzung (Linz 1902). Die erste, leider allzu konstruktiv verfahrende arbeit ist schätzbar wegen ihrer Sammlungen f ü r einige der hauptsächlichsten rhetorischen und stilistischen figuren und einer reihe von guten einzelbemerkungen. Die übrigen nehmen den Standpunkt des kulturhistorikers mit gelegentlichen pädagogischen Seitenblicken ein: die wissenschaftlichen probleme, die unsre gedichte stellen, sind darin in keiner weise gefördert. Ins nhd. ist der Winsbecke nach der Überlieferung C übersetzt worden von Christian Gottfried Böckh in seinem und Friedrich David Gräters Bragur 2, 225 (Leipzig 1792), strophe 1 — 5 6 des Winsbecken nebst a n f a n g und schluss der Winsbeckin von Ernst Wilken, Altd. spruchged. s. 19 (Paderborn 1872), endlich wieder strophe 1 — 5 6 des Winsbecken von J o h a n n P a u l (vgl. den

XXVII v o r i g e n absatz). D i e W i n s b e c k i n ist b e r e i t s 1 7 6 0 v o n Franz Henrich Sparre (eigentlich Kaspar Friedrich Renner: v g l . K i n d e r l i n g in G r ä t e r s B r a g u r 6, 1, 2 1 8 . 2, 1 4 5 ) übersetzt worden. Ich gebe im folgenden meine abweichungen von Haupts t e x t (Haupts lesarten hinter dem gleichheitszeiohen). Winsbecke. 1,3 den wolte er CJgklw — er wolt in 4 und CJl = er 6 liep sam dft mir J = sam du selbe dir 2, 1 minne reiniclichen JKw = innecliche minne 6 si JKgl — ist 7 sinneclich BJ = sinnecliche 3, δ dinen sinnen CJKmw = dinem sinne 7 din CJgkl — diu 8 nam BJgw = name 10 schäm BJg = schäme 4, 5 habe CJl = h a t 6 wiltft nü CJKgklm = u n d wilt du 5, 3 er CJlmw = man 7 , 7 und tuostu CJ — tuost du 8, 1 vüege BCJbk (fuget l) = gefüege 3 hän Jbgkl = haben 6 und darin CJbgkrn (und wider darin l) = unde ouch dar 7 waz wiltft danne wunne CJgm (vreuden l) = ichn weiz wilt du da wunnen 9 , 9 werre zwischen vriunden tragen Jbglc = zwischen friunden werre frument (vgl. Beitr. 13, 261) 10, 2 ims CJ = imz underbrich CJl = undersprich 4 über den alle = des 9 bi CJgkl = wider 11, 2 unvuoge CJbglc = unfuogen 9 sin BCJklm — wesen 12, 3 an BCJbgl — ein 7 vollic unde CJgl = volleclichen 13, 10 getroesten Clm (untrcesten J , vertroesten g) = gelouben 1 4 , 2 ein getranc CJ = einen tranc 1 5 , 1 sage alle = gesage 10 alsam CJbl = reht als 16,3 und hastü J = hast du 19, 3 und sieht alle — sieht 6 aber dft Jbg = aber 2 0 , 5 so CJb = also 10 siges CJbg = degenes (vgl. Beitr. 13,261) 21, 4 lä an CJbk = und lä 2 2 , 9 der CJgkl = daz 2 3 , 3 den sinnen CJgl = dem sinne 4 als CJgl = und 6 boesiu msere BCJkl = bcese rede 25, 2 denne gar CJbgl = danne 4 hin CJbk — din 9 wiltft des rates CJbg = und wilt du mir des 10 dft CJbgkl = so 2 β , 1 vuoge entnimt Jgk — an sich nimt 3 varwe Jg — schoene 27, 1 der J = daz 2 viulet Jm = swendet 9 niht sanfte Jkm = unsanfte 28, 8 baz CJKbgl = mäc (vgl. Beitr. 13, 261) 29, 2 also Jk = so niht CJgl = iht 3 tugende Jg = sin 9 der = der 10 verlür Jgk — g a r verkür 32, 8 daz muostü Jbgl = so muost duz 10 wserez

XXVIII CJbl = hetest duz bl) =

34, 8 diu maere vil dicke CJ (ohne vil

si daz diu msere

3 muot CJbgl =

lip

36, 2 ze der b (ze Bl) — zeiner 4 dem CJbgkl

=

noch

6 höckgemuot CJgkl =

=

Sur (vgl. die Varianten

4 3 , 7 luhs J = louch

= dim

39,5 und J

wol gemuot

4 0 , 5 ür J

zu Nib. 880, 2 und Willeh. 335, 9 )

9. 10 mit Jrn und Streichung des einen

noch =

dern mac geborgen niht . . . an übe, guote noch den

liden

44, 2 vriundes noch an vindes CJgl =

friundes

friunde

CJgkl =

4 5 , 2 val CJkl =

rehte CJgrn = rehtem herzen C.Jg =

reiner

4 9 , 1 nü J=

wol

CJbgkl

6 dem J=

— gediente = =

3 sin CJKk ist als

würde CJkl =

in

dise

leit

4 so CJk

=

herzeliebe

=

ja ist ez

=

J =

9 vor CJ =

als

5 die alle =

swaz

— noch durch din . / = lüge J =

din

sorgen J =

CJ =

8 ez ist BJk

5 rehter riuwe

10 nie J=

8 daz

begangen

niene

huobengelt J =

67, 7 sine

73,8 sant Jöhans