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Pages [447] Year 2022
Orbis mediaevalis Vorstellungswelten des Mittelalters
Band 19
Herausgegeben von Amalie Fößel, Hans-Werner Goetz, Ludger Körntgen und Helmut G. Walther
Isabelle Chwalka
Kein Interesse? Fremd- und Selbstwahrnehmung in der deutschen und englischen Historiographie des 12. Jahrhunderts
V&R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 07 Geschichts- und Kulturwissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 2019 als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) angenommen. D77 © 2022 Brill | V&R unipress, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung (Erkennungsbild der Reihe »Orbis mediaevalis«): Petrus de Ebulo: Liber ad honorem Augusti, Burgerbibliothek Bern, Cod. 120.II, f. 146r (Ausschnitt) Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 1438-8669 ISBN 978-3-7370-1349-9
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Fremd- und Selbstwahrnehmung in der Forschung 1.2 Der Nationenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Politik- und Beziehungsgeschichte . . . . . . . . . 1.4 Quellenauswahl und methodisches Vorgehen . . . 1.5 Aufbau und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . .
13 14 18 26 31 36
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2 Quantitative Auswertung der Quellen aus dem deutschen Reich und aus dem England des 12. und frühen 13. Jahrhunderts . . . . . . . . . 2.1 Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts im deutschen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Quellen mit Nennungen zum anglonormannisch-angevinischen England . . . . . . . . . . . Die Kölner Königschronik – Chronica regia Coloniensis . . . Disibodenberger Annalen – Annales S. Disibodi . . . . . . . . Marbacher Annalen – Annales Marbacenses . . . . . . . . . . Burchard von Ursberg – Chronicon . . . . . . . . . . . . . . . Otto von St. Blasien – Chronica . . . . . . . . . . . . . . . . . Würzburger Annalen – Annales Herbipolenses . . . . . . . . Ekkehard von Aura – Chronicon universale . . . . . . . . . . Die Anonyme Kaiserchronik – Chronici imperatorum a tempore Karoli Magni usque ad a. 1114 libri III . . . . . . . . Otto von Freising – Chronica sive Historia de duabus civitatibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto von Freising und Rahewin – Gesta Friderici I. imperatoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annales Reicherspergenses – Reichersberger Annalen . . . . . Melker Annalen – Annales Mellicenses . . . . . . . . . . . . .
39 39 41 41 43 44 45 46 47 47 50 52 53 55 56
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Inhalt
Admonter Annalen für die Jahre 1–1139 – Annales Admontenses, a. 1–1139; die Admonter Annalen für die Jahre 1140–1250 – Annales Admontenses, a. 1140–1250 und die Garstner Annalen – Annales Garstenses . . . . . . . . . . . . Aachener Annalen – Annales Aquenses . . . . . . . . . . . . Pöhlder Annalen – Annales Palidenses . . . . . . . . . . . . . Magdeburger Annalen – Annales Magdeburgenses . . . . . . Pegauer Annalen – Annales Pegavienses . . . . . . . . . . . . Hildesheimer Annalen – Annales Hildesheimenses . . . . . . Die Reichschronik des Annalista Saxo . . . . . . . . . . . . . Paderborner Annalen – Annales Patherbrunnenses . . . . . . Alte Annalen von St. Peter in Erfurt – Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfurter Annalen aus der Zeit Lothars – Annales Erphesfurdenses Lothariani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmold von Bosau – Chronica Slavorum/ Slawenchronik . . Arnold von Lübeck – Chronica Slavorum libri VII (Slawenchronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Propst Gerhard von Steterburg – Chronicon Stederburgenses/ Annales Stederburgenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Quellen ohne Nennungen zum anglonormannisch-angevinischen England . . . . . . . . . . . Isingrim von Ottobeuren – Annalen . . . . . . . . . . . . . . Kleinere Würzburger Annalen – Annales Herbipolenses minores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bamberger Annalen – Annales Babenbergense . . . . . . Die Regensburger Annalen – Annales Ratisponenses . . . . . Annales Ensdorfenses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annales Scheftlarienses maiores . . . . . . . . . . . . . . . . . Historia Welforum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annalen von St. Peter in Erfurt – Annales S. Petri Erphesfurtenses breves/ maiores . . . . . . . . . . . . . . . . Brauweiler Annalen – Annales Brunwilarenses . . . . . . . . . Harsefelder Annalen – Annales Rosenveldenses/ Annales Harsefeldenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Quantitative Strukturen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Historiographie in England des 12. und frühen 13. Jahrhunderts . . 2.2.1 Quellen mit Nennungen zum deutschen Reich . . . . . . . . . Eadmer von Canterbury – Historia novorum . . . . . . . . . Johannes von Worcester – Chronicon ex Chronicis . . . . . .
57 59 59 60 61 61 62 63 65 65 66 67 68 69 69 70 70 70 70 71 71 72 72 72 73 86 91 91 92
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Inhalt
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3 Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen des deutschen Reiches . . 3.1 Ehen und Märtyrer – die Heirat Heinrichs V. mit Mathilde von England und die Heirat Heinrichs des Löwen mit Mathilde von England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Quantitative Strukturen der Wahrnehmung . . . . . . . . . . 3.1.2 Die Wahrnehmung der Heirat Heinrichs V. . . . . . . . . . . 3.1.3 Die Wahrnehmung Thomas Beckets . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Die Verknüpfung der Hochzeit Heinrichs des Löwen mit dem Tod des Erzbischofs von Canterbury . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Winchcombe Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coventry Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilhelm von Malmesbury – Gesta regum Anglorum und Historia novella . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symeon von Durham – Historia regum . . . . . . . . . . . . Orderic Vitalis – Historia ecclesiastica . . . . . . . . . . . . Richard von Hexham – De gestis regis Stephani et de bello Standardii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinrich von Huntingdon – Historia Anglorum . . . . . . . Robert von Torigni – Gesta Normannorum Ducum und Weltchchronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roger von Howden – Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis und Chronica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gervasius von Canterbury – Chronica und Gesta regum Britanniae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Map – De nugis curialium . . . . . . . . . . . . . . . Annales Lewenses – Annalen von Lewes . . . . . . . . . . . Annales Plymptonienses – Annalen von Plympton . . . . . Annalen von St. Osyth’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph von Diceto – Abbrevationes chronicorum und Ymagines historiarum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Richard von Devizes – Cronicon de tempore regis Richardi primi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilhelm von Newburgh – Historia rerum Anglicarum . . . Radulfus Niger – (Chronica Universalis) Chronica I und Chronica Anglica (Chronica II) . . . . . . . . . . . . . . . . Radulph von Coggeshall – Chronicon Anglicanum . . . . . 2.2.2 Quellen ohne Nennungen zum deutschen Reich . . . . . . . 2.2.3 Quantitative Strukturen im Vergleich . . . . . . . . . . . . .
153 153 154 163 166 175
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Inhalt
3.2 Die Wahrnehmung der Rolle Englands beim Schisma 1159–1177 . . 3.2.1 Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Einträge in den Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Wahrnehmung der Würzburger Eide . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Schisma und Propaganda in den historiographischen Quellen 3.2.5 Helmold von Bosau und seine kritische Einstellung zu den Ereignissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Die Chronica regia Coloniensis und ihre Unterstützung für Friedrich I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Wahrnehmung der Gefangenschaft König Richards I. . . . . . . 3.3.1 Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Quantitative Auswertung und die Herkunft der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Das Schweigen der deutschen Historiographen und die Wahrnehmung Leopolds V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Kritische Stimmen – Arnold von Lübeck und Burchard von Ursberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Zusammenfassung der drei Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen Englands des 12. und frühen 13. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Wahrnehmung des Romzugs Heinrichs V. im Rahmen des Investiturstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Die Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Johannes von Worcester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Symeon von Durham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Wilhelm von Malmesbury . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Orderic Vitalis . 4.1.7 Robert von Torigni und Radulfus Niger und ihre Kenntnisse zum Investiturkonflikt durch Sigbert von Gembloux . . . . 4.1.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas im angevinischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 177 182 187 191 196 200 204 208 208 213 220 230 234 238
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245 245 248
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Inhalt
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304 305 313 319 322 337 339 341 341 347
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349 352 356 367 375 377 379 381
5 Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verzeichnisse . . . . . . Abkürzungsverzeichnis Quellenverzeichnis . . Literaturverzeichnis . .
4.2.2 Quantitative Auswertung der Quellen . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Die Quellen der Einträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Die Wahrnehmung Kaiser Friedrichs I. . . . . . . . . . . . 4.2.5 Die Wahrnehmung der Kanzler . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 Die Rolle Heinrichs II. und die Würzburger Eide . . . . . 4.2.7 Die Wahrnehmung des Friedens von Venedig . . . . . . . 4.2.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Richard Löwenherz’ Gefangenschaft in englischen Quellen . . . 4.3.1 Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Die Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Die Wahrnehmung der deutschen Beteiligung am 3. Kreuzzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Augenzeugen und Gerüchte – die Quellen der Chronisten 4.3.5 Die Wahrnehmung Herzog Leopolds V. . . . . . . . . . . 4.3.6 Die Wahrnehmung Heinrichs VI. . . . . . . . . . . . . . . 4.3.7 Die Wahrnehmung der Fürstenopposition . . . . . . . . . 4.3.8 Nationale Vorurteile? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Zusammenfassung der drei Fallstudien . . . . . . . . . . . . . .
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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelalterliche Autoren und anonym überlieferte Texte Historische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Die vorliegende Arbeite wurde im September 2019 vom Fachbereich Geschichtsund Kulturwissenschaften der Johannes-Gutenberg Universität Mainz als Dissertation angenommen. Sie entstand größtenteils während meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität. Die Idee, sich mit der Wahrnehmung in historiographischen Quellen des 12. Jahrhunderts zu beschäftigen, basiert auf Anregungen meines Doktorvaters Prof. Dr. Ludger Körntgen. Im Studium an der Universität Bayreuth legte er mit seinen Vorlesungen und Seminaren den Grundstein für meine Faszination mittelalterlicher Geschichte, als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Mainz konnte ich mich darin vertiefen. Ich danke ihm für die Möglichkeit, dieses faszinierende Thema zu erforschen, für seine aufmerksame Betreuung und seine Bereitschaft und Verständnis, dieses Thema über diesen langen Zeitraum zu bearbeiten. Mein Dank geht ebenfalls an Prof. Dr. Johannes Pahlitzsch und Prof. Dr. Björn Weiler für die Übernahme der Gutachten. Besonders Herrn Weiler möchte ich an dieser Stelle für die Möglichkeit des Forschungsaufenthalts – ermöglicht durch ein Stipendium des Deutschen Historischen Instituts London – an der Aberystwyth University danken. Ich bedanke mich ebenfalls sehr herzlich bei Prof. Dr. Ernst-Dieter Hehl. Sein reges Interesse, seine Fachkenntnisse und seine Diskussionsbereitschaft unterstützten diese Arbeit in vielfacher Weise. Den Herausgebern der Reihe »Orbis mediaevalis«, insbesondere Prof. Dr. Hans-Werner Goetz danke ich für das Angebot, dass mein Buch in dieser Reihe erscheinen kann. Auch unterstützten ihre Anmerkungen noch einmal die Drucklegung. Das Verfassen der Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die hilfsbereite und freundliche Unterstützung meiner Mainzer Kolleginnen und Kollegen. Durch sie habe ich Anregungen, Denkanstöße und konstruktive Kritik erhalten, die zum Gelingen der Arbeit beitrugen. Besonders möchte ich hier nennen Dr. Birgit Kynast, Dr. Roland Zingg und Eric Freund. Herzlichen Dank für eure
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Vorwort
Begleitung. Ebenso danke ich meinen Koblenzer Kolleginnen und Kollegen an der Hochschule für ihre aufmunternden Worte. Vor allem möchte ich meinem Ehemann Dr. Florian Hertel, LLM danken. Nicht nur dass er die Liebe zu den Britischen Inseln mit mir teilt, sondern er hat mich auf meinem Weg immer unterstützt und begleitet. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern. Sie haben mich nicht nur während meiner Promotion, sondern schon immer in jeder Form unterstützt als sei dies selbstverständlich. Ist es nicht. Danke. Montabaur, Juli 2021
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Einleitung
Als ich mich einst mit dem König (Heinrich II.) in Paris aufhielt und er sich mit mir unter anderem über die Reichtümer der Könige unterhielt, sagte er: »So unterschiedlich groß die Schätze der Könige sind, so verschieden sind sie in ihren Eigenarten. In kostbaren Steinen, Löwen und Panthern und Elephanten liegt der Reichtum des Königs von Indien; mit Gold und Seide brüsten sich der Kaiser von Byzanz und der König von Sizilien; aber sie haben keine Männer, die etwas Anderes können als reden; für den Krieg sind sie nämlich Untauglich. Der Römische Kaiser, den man den Kaiser der Deutschen nennt, hat Männer, die zum Kriegsdienst taugen und kriegstüchtige Pferde, aber kein Gold, keine Seide, keinen sonstigen Luxus. Denn als Karl der Große jenes Land von den Sarazenen erobert hatte, schenkte er alles außer den Befestigungen und Burgen im Namen Christi den Erzbischöfen und Bischöfen, die er in den bekehrten Städten einsetzte. Dein Herr aber, der König von England, dem es an nichts fehlt, besitzt Männer, Pferde, Gold und Seide, Edelsteine, Früchte, Wild und alles. Wir in Frankreich haben nichts außer Brot und Wein und Freude.« Diesen Ausspruch habe ich mir gemerkt, denn er ist elegant und wahr gesprochen.1
Die Wahrnehmung des Fremden mit seiner Konstruktion von Alterität und die reziproke Bedeutung dieser Wahrnehmung für die eigene Identität sollen bei dieser Arbeit untersucht werden. Stereotype und Vorurteile, wie dieses amüsante Beispiel aus De Nugis Curialium von Walter Map mit seinen Einschätzungen zum
1 Die Übersetzung stammt aus Map, Die unterhaltsamen Gespräche am englischen Königshof, S. 287f. Zum Originalzitat siehe Walter Map, De Nugis Curialium, S. 450f.: Contigit ut cum rege moram facerem aliquamdiu Parisius, mecumque tractaret de regum diuiciis inter sermones alios, dixitque: »Sicut diuerse sunt regum opes, ita multis distincte sunt uarietatibus. In lapidibus preciosis, leonibus et pardis et elephantis, diuicie regis Indorum; in auro pannisque sericis imperator Bizancius et rex Siculus gloriantur; sed homines non habent qui sciant aliud quam loqui; rebus enim bellicis inepti sunt. Imperator Romanus, quem dicunt Alemannorum, homines habet armis aptos et equos bellicos, non aurum, non sericum, non aliam opulenciam. Karolus enim magnus, cum terram illam / a Sarracenis conquisisset, omnia preter municiones et castella pro Christo dedit archiepiscopis et episcopis, quos per ciuitates conuersas instituit. Dominus autem tuus, rex Anglie, cui nichil deest, homines, equos, aurum et sericum, gemmas, fructus, feras et omnia possidet. Nos in Francia nichil habemus nisi panem et uinum et gaudium.« Hoc uerbum notaui, quia comiter et uere dictum.
14
Einleitung
Wohlstand von Königen, spielen dabei natürlich eine Rolle – allerdings eine wesentlich kleinere als angenommen werden könnte. Möchte man genauer verstehen, wie andere im Mittelalter wahrgenommen wurden und welche Rolle sie für die Entwicklung eines Selbstbildes – sowohl für den Chronisten selbst, als auch für Verallgemeinerungen von Nationen im 12. Jahrhundert – gespielt haben, muss man Abstand von kleinen Episoden wie dieser nehmen und weniger die anekdotische Überspitzung als den Normalfall der Wahrnehmung untersuchen. Daher ist es notwendig möglichst alle, auch gerade die unspektakulären, Zeugnisse zusammenzustellen und nach ihren Motiven, Kontexten, aber auch ihrem Stellenwert innerhalb der historiographischen Aufzeichnungen insgesamt zu fragen. Dennoch ist Walter Map mit seinem berühmten (und berüchtigten) Zitat über den Wohlstand verschiedener Könige – ein König der Inder wird angeführt, der byzantinische Kaiser und der König von Sizilien, der Römische Kaiser, der König von England und letztlich der König von Frankreich – trotzdem zugleich das beste und das schlechteste Beispiel für diese Untersuchung über die Fremd- und Selbstwahrnehmung von England und dem deutschen Reich im 12. Jahrhundert. Das Beste, da es sehr treffend die Gründe und Aufgaben dieser Analyse aufzeigt, und schlecht, da es ebenfalls die Grenzen und Probleme einer solchen Analyse enthält, wie im folgenden Kapitel aufgezeigt werden soll. Ausgehend von diesem Zitat – Walter Map bietet mit seiner Anekdote nämlich hervorragende Denkanstöße – sollen die vier Aspekte »Selbst- und Fremdwahrnehmung«, der Begriff der Nation im Mittelalter, die Bezeichnung »Deutsche« oder »Engländer« und Gattungen in der Historiographie mit ihrer jeweiligen Forschungsgeschichte und -diskussion genauer beleuchtet werden. Mit diesen Eingrenzungen soll aufgezeigt werden, wie und warum es notwendig ist, historiographische Quellen des 12. Jahrhunderts aus England und dem deutschen Reich mit Hilfe von Methoden der Vorstellungsgeschichte systematisch vergleichend auf die Fremd- und Selbstwahrnehmung dieser beiden Nationen zu untersuchen.
1.1
Fremd- und Selbstwahrnehmung in der Forschung
Walter Map beschrieb in seiner Anekdote, wie angeblich der französische König den Wohlstand der Völker einschätzt. Er stellte damit eigene zeitgenössische, aber auch allgemeine Vorstellungen vom Wohlstand dar und wie dieser begründet war, zeigte aber damit auch Charaktereinschätzungen – z. B. die des typischen Franzosen, der nichts anderes als Frauen, Spaß und Wein im Kopf hat, ein wirkungsmächtiges Bild, wie es vielleicht auch heute noch zu finden ist. Walter Map und seine Zeitgenossen hatten also Vorstellungen von anderen
Fremd- und Selbstwahrnehmung in der Forschung
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Königen und deren Reichen und wie diese sich unterschieden, aber auch, wie das eigene Land verortet wurde. Diese Vorstellungen – seien sie so explizit wie an dieser Stelle mitgeteilt oder eher impliziter Natur, also durch Schilderungen von Ereignissen und Nachrichten mitgeteilt – sollen bei dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen. Diese Perspektive stellt nicht, wie zumeist bisher, politische Akteure und deren Handeln in den Mittelpunkt der Arbeit. Vielmehr soll ein Schritt hinter die Ebene der Außenpolitik und Diplomatie unternommen und die Rezeption, Verarbeitung und vor allem die Wahrnehmung der Beziehungen analysiert werden. Gerade neuere Forschung, wie die von Bihrer, aber auch z. B. von Georg Jostkleigrewe2, hat gezeigt, welche Erkenntnisse ermöglicht werden, wenn man den Schwerpunkt der Analyse auf die Vorstellungswelt der Historiographen als Zeitgenossen der politischen Akteure verschiebt, um so die verarbeitende Wechselwirkung von Selbst- und Fremdwahrnehmung genauer erfassen zu können.3 Schon Helmut Beumann4 hatte die große Bedeutung von Fiktion gegenüber Fakten bei der Untersuchung erzählender Texte hervorgehoben. Dem umfassenden Wandel der methodischen Perspektive hat Hans-Werner Goetz, der die »Wahrnehmung« bzw. die Begriffe »Vorstellung« oder »Vorstellungswelt« als Erkenntnisobjekte in der Geschichtswissenschaft fest verankert hat, einen weiteren Rahmen gegeben.5 Die Begriffe Fremd- und Selbstwahrnehmung wurden dabei schon angesprochen. »Fremd« und »Selbst« sind immer untrennbar verbunden, da fremd, wie Volker Scior darlegt, nicht alleine zu definieren sei: »fremd« könne »immer nur etwas in Bezug zu einem Vergleichspunkt nicht-fremd sein.«6 Eigen und fremd seien immer relationale Kategorien, denn das eine werde durch das andere
2 Bihrer, Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England. Jostkleigrewe, Das Bild des Anderen. Ebenso von Fragen der Wahrnehmungsgeschichte ließ sich Volker Scior leiten, in: Das Eigene und das Fremde. Aus einer weiteren kulturwissenschaftlichen Perspektive heraus hat jüngst Klaus van Eickels das Verhältnis zwischen dem englischen und französischen Königtum des Hochmittelalters in den Blick genommen: Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt. 3 Auch in der Vergangenheit wurden historiographische Quellen für diesen Zeitraum ausgewertet, um einen Einblick in die Aussagen zu Personen im frühen und hohen Mittelalter zu bekommen. Dabei standen besonders die angevinischen Aufzeichnungen zu Heinrich dem Löwen im Mittelpunkt. Für einen Überblick immer noch nützlich: Rasche, Heinrich der Löwe im Spiegel, S. 70–89. Des Weiteren, wenn auch knapp und leicht veraltet, Wurster, Das Bild Heinrichs des, S. 407–439. 4 Beumann, Widukind von Korvei. 5 Zum Unterschied zwischen Erkenntnisgeschichte, Strukturgeschichte und Vorstellungsgeschichte und zu einer Einführung in die Theorie der Vorstellungsgeschichte, siehe: Goetz, »Vorstellungsgeschichte«. Menschliche Vorstellungen und Meinungen, S. 3–17. 6 Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 10.
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Einleitung
definiert.7 Daher wäre es wenig sinnvoll, die Quellen nur auf Fremdbilder zu untersuchen, da durch die wechselseitige Abhängigkeit Identitätskonstruktionen immer mitschwingen. Diese Erkenntnis zeigt sich mittlerweile in einer Vielzahl von Arbeiten.8 Für die Untersuchung eignen sich »fremd« und »eigen« als Kategorien, da sie neben ihren reziproken Eigenschaften auch offen und unbestimmt sind. Dabei muss natürlich im Laufe der Arbeit überprüft werden, inwieweit tatsächlich von Alterität in Bezug auf England und das Reich gesprochen werden kann. Die Frage nach der Funktion der Wahrnehmung und Darstellung des Fremden steht dabei im Vordergrund, wobei die Einflüsse auf die Vorstellungswelt der Autoren und die Schreibumstände, wie die politische und historische Situation oder auch Auftraggeber und Adressat, beachtet werden müssen. Dabei wird weniger nach eigenständigen Selbstbildern und geschlossenen Vorstellungswelten gefragt als vielmehr nach Art und Weise der Fremddarstellung und dem Hintergrund für diese Darstellung. Dies ist möglich durch die bereits dargestellte Untrennbarkeit von Alterität und Identität. Volker Scior stellte bei seiner Übersicht zur Erforschung zum Thema Fremdheit ein großes Interesse der Mediävistik fest, aber auch eine Konzentration auf spätmittelalterliche Berichte über Asien (China und Mongolen), Arabien und das Heilige Land9 – also alles Regionen, die für Europäer des Mittelalters eher zu den entfernteren gehörten. Andreas Bihrer wandte allerdings ein, dass es gerade bei der Untersuchung von Kontakten über lange Entfernungen, wie bei der Auswertung von Reiseberichten, meist zu einer lediglich punktuellen und auf wenige Trägerschichten konzentrierten oder gar reduzierten Überlieferung der Untersuchungsperspektive komme.10 Er schlug daher die Kategorie der »mittleren Entfernung«11 für die Untersuchung von Kulturkontakten vor, da diese »anders als bei einem nachbarschaftlichen Verhältnis oder bei Fernbeziehungen bzw. bei Verbindungen zum gänzlich Anderen […] Vorstellungen vom Gegenüber [bei] mittlerer Distanz nicht als weitgehend feste Muster fixiert und damit klar [ab-
7 Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 10. 8 Besonders der »SFP 541: Identitäten und Alteritäten. Die Funktion von Alterität für die Konstitution und Konstruktion von Identität« hat eine Vielzahl von Arbeiten zu Identitätsund Alteritätsentwürfen von Kollektiva, wie Nationen, Staaten, Konfessionsgemeinschaften, ethnischen Gruppen etc. in unterschiedlichsten Medien und Zeiträumen hervorgebracht. Auch in weiteren Arbeiten zeigt sich die Bedeutung der Kombination von Selbst- und Fremdwahrnehmung schon im Titel, wie z. B. bei: Küҫükhüseyin, Selbst- und Fremdwahrnehmung im Prozess kultureller Transformation; Beihammer, Identität, Eigen- und Fremdwahrnehmung im zyprischen Griechentum; Lutter, Selbstbilder und Fremdwahrnehmung des habsburgischen Kaisertums. 9 Bei Scior, Das Eigene und das Fremde, findet sich ein großer Überblick zur Erforschung von Fremdheit im Mittelalter, S. 12, bes. Anm. 11 und 12. 10 Bihrer, Konstellationen, S. 267. 11 Bihrer, Konstellationen, S. 267.
Fremd- und Selbstwahrnehmung in der Forschung
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grenzt] […], sei es als Feindbild oder als das attraktive Fremde.«12 Mit diesem kommunikationshistorisch ausgerichteten Kulturtransferkonzept möchte Andreas Bihrer vor allem Deutungen und Zuschreibungen und damit die Selbstwahrnehmung und -einordnung untersuchen, ebenso den Vergleich mit dem Fremden und die Differenzwahrnehmung und die dabei sich verfestigenden Wahrnehmungsmuster und semantischen Konstruktionen, welche sich zu Stereotypen oder Klischees verdichten konnten.13 Die »mittlere Distanz« zeigt sich dabei als Zwischenbereich, der von großer Dynamik und damit auch durch größere Offenheit geprägt ist.14 Dieses Konzept der »mittleren Entfernung« eignet sich ebenfalls für die Räume »England« und das »Reich«, da anders als z. B. bei »England« und »Frankreich« keine ständigen Kontakte und damit auch Konflikte gegeben waren, die Kontakte aber auch nicht so selten vorkamen wie Berichte zu Mongolen oder China. Kontakte zwischen England und dem Reich fanden durch Reisen, Gesandtschaften, Berichte, Briefe etc. statt, aber sie waren nicht so stetig wie zwischen zwei Nachbarländern. Dies prägte daher auch die Darstellung und Wahrnehmung des Anderen, da Kontakte und damit auch Informationsgewinnung stattfinden konnte, aber nicht musste. Auch befand man sich nicht wie bei England und Frankreich in einem fortlaufenden, wenn auch mal mehr, mal weniger stark ausgetragenen Konflikt. Die Wahrnehmung des anderen und damit auch die Selbstverortung dem anderen gegenüber konnten daher freier und dynamischer stattfinden. Daher stellt sich für diese Arbeit zunächst die Frage, was eigentlich wahrgenommen wurde, z. B. welche Personen und/oder welche Ereignisse, und wie die Darstellung geschah, d. h. wie und mit welchen Worten wurden diese Personen und/oder Ereignisse beschrieben, wurden sie in einem Kontext oder Zusammenhang gestellt, wurden Einordnungen vorgenommen usw. Der anschließende Vergleich mit ähnlichen Nachrichten aus unterschiedlichen Quellen ermöglicht dabei, hinter der Darstellung einzelner Chronisten die Wahrnehmungsmuster und eventuelle gemeinsame Erzählungen und Ansichten ebenso wie die Unterschiede herauszuarbeiten. Die Wahrnehmung wird dabei als Schwerpunkt gesehen, die natürlich – ebenso wie die Darstellung – von unterschiedlichen Vorstellungen und Mentalitäten beeinflusst wurde. Dabei ermöglicht gerade die Vielfalt der historiographischen Werke, zeitliche, geographische und gegebenenfalls institutionelle Unterschiede festzustellen. Gerade die Frage nach der Identifikation der Historiographen mit Gemeinschaften ist hierbei von Interesse.15 12 13 14 15
Bihrer, Konstellationen, S. 270. Bihrer, Konstellationen, S. 271f. Bihrer, Konstellationen, S. 269f. Vgl. Scior, Nation, Europa, Welt?, S. 337.
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Hans-Werner Goetz konnte in seinem Buch »Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter«16 systematisch herausarbeiten, auf welche Weise viele mittelalterliche Historiographen die von ihnen angesprochenen Ereignisse nicht nur darlegen, sondern meist auch deuten und somit ihre eigene Anschauung zu erkennen geben.17 Eine zentrale Deutungsperspektive ergab sich dabei durch die institutionelle Gebundenheit der Autoren, die jeweils die Geschichte einer Institution schrieben – dies konnte die eines Reiches, eines Bistums, Klosters oder einer Familie sein. Dementsprechend war auch die Wahrnehmung von »Fremdem« dadurch bedingt, ob die eigene Institution damit in Berührung stand oder ob daraus Lehren für die eigene Institution gezogen werden konnten.18 Unumgänglich dabei ist, auch die Herkunft der Nachrichten und die Möglichkeiten ihrer Verbreitungswege in den Blick zu nehmen Dass dabei, wie von Georg Jostkleigrewe kritisch geäußert19, Nachbarräume nicht im Zentrum des Interesses der Autoren standen, ist dabei bewusst, wird aber aufgrund der Menge und Vielfalt des untersuchten Materials als nachrangig angesehen. Mit diesem Ansatz können so unter der Voraussetzung des aufgezeigten methodischen Perspektivwechsels neue Erkenntnisse zu den deutsch-englischen Beziehungen gewonnen werden, wenn mit einer kontextualisierenden Analyse die Wahrnehmung von Fremden und das Selbstbild untersucht werden.
1.2
Der Nationenbegriff
Walter Map nennt in seiner Anekdote keine eindeutig durch ihre Namen bestimmbaren Personen. Die Könige, deren Reichtum er vergleicht, werden bestimmbar durch Zuordnung von Völkern, wie den Indern oder den Deutschen, oder von Gebieten, wie England oder Frankreich. Er unterschied also, ohne genauer zu differenzieren oder zu bestimmen, Herrscher mit ihren Nationen und Herrschaftsbereichen.
16 Goetz, Geschichtsschreibung. 17 Goetz, Geschichtsschreibung, S. 415. Diese Deutung wurde allerdings von den Geschichtsschreibern nicht als subjektiv wahrgenommen, sondern vom eigenen Anspruch als objektiv und nach »allzeit-gültigen christlichen Normen« eingeschätzt und sollte daher auch die Leser belehren, S. 417: »Der mittelalterliche Geschichtsschreiber betrieb nicht Quellenkritik, sondern Deutung, er fragte nicht nach der Richtigkeit des Ereignisses (die er voraussetzte), sondern nach dessen Be-deutung, die nicht bewiesen, sondern herausgefunden werden musste.« 18 Goetz, Geschichtsschreibung, S. 416. 19 Jostkleigrewe, Das Bild des Anderen, S. 31.
Der Nationenbegriff
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Die Entstehung von Nationen20 und damit das Verständnis von Nationen und Nationsbewusstsein im Mittelalter ist eine viel und lange diskutierte Thematik in der deutschen Mediävistik. Besonders seit den 1970ern mit dem Forschungsschwerpunkt »Nationes« der DFG stand die mittelalterliche Nationsbildung mit ihren Ansätzen und Diskontinuitäten im Fokus.21 Sprachen neu- und zeitgeschichtliche Forscher, wie der Soziologe Eugen Lemberg, dem Mittelalter die Nationenbildung und das -bewusstsein ab – »Die mittelalterliche Gesellschaft dachte nicht in Nationen«22 – und verschoben dies, wie Eugen Lemberg, auf die Zeit des Absolutismus oder erst auf die Zeit nach der Französischen Revolution, gab es ebenfalls bei vielen Mediävisten, die zu diesem Thema arbeiteten, Vorbehalte gegenüber dem Begriff »Nation«, den man gerne mit Anführungszeichen versah, um ihn vom Nationsbegriff des 19. und 20. Jahrhunderts abzugrenzen23. Ebenso wurden »Nationalismus« und »Nationsbewusstsein« voneinander abgegrenzt und unterschieden. Nationalismus als Ideologie wurde dabei mit dem bürgerlichen Nationalstaat des 19. Jahrhunderts verbunden, während nach mittelalterlichen Trägern von Nationsbewusstsein geforscht wurde.24 Mittlerweile herrscht allerdings in der deutschen Mediävistik der Konsens, dass es durchaus sinnvoll ist, von mittelalterlichen Nationen zu sprechen.25 Heinz Thomas26, Rudolf Buchner27 und Ludwig Schmugge28 verweisen vor allem auf 20 Zur Begriffsentwicklung siehe den Aufsatz von Kahl, Einige Beobachtungen zum Sprachgebrauch von natio. Er kommt dabei auf den Schluss, S. 103f.: »natio faßt auch im Mittelalter primär nichts weiter zusammen als Menschen, die eine wie auch immer geartete Gemeinsamkeit durch ihre Abstammung verbindet. […] Der wohl wichtigste Bedeutungsstrang knüpft an das Nächstliegende an, den Schauplatz der Geburt, sozusagen ihre geographische Basis. Sie kann eng gefasst werden, aber auch weit und weiter, gleichsam in konzentrischen Kreisen, angefangen bei der Burg oder Stadt der Geburt bis zu der Landschaft oder dem Land, aber auch einem mehr oder weniger großen Ausschnitt des Erdteils oder gar der ganzen, dabei jedenfalls ebenso als geographische Einheit verstandenen Christenheit. natio eignet sich von da her zum klassifizierenden Terminus in geographisch-ethnographischen Übersichten (eingeschlossen die Möglichkeit, Ober- und Untergruppen, die dem gleichen Zusammenhang angehören, beide in gleicher Weise mit diesem Ausdruck zu belegen)«. 21 Vgl. dazu die Reihe Beumann/ Schröder (Hgg.), NATIONES. 9 Bde., Sigmaringen 1975– 1991. Für einen Überblick zur Geschichte europäischer Nationenforschung des Mittelalters ist besonders der Aufsatz von Schlesinger, Die Entstehung der Nationen. S. 11–62, zu empfehlen. Als Überblick zur Forschungsgeschichte zur deutschen Nation des Mittelalters eignet sich Ehlers, Die deutsche Nation des Mittelalters, S. 11–58. 22 Diese Aussage stammt von Lemberg, Die Geschichte des Nationalismus, S. 45. 23 Vgl. hierzu Reynolds, The idea of the nation, S. 54–66. 24 Ehlers, Die Entstehung des Deutschen Reiches, S. 7ff. 25 Vgl. dazu auch Jostkleigrewe, Das Bild des Anderen, S. 38ff. 26 »Wer aber formuliert: ›Die mittelalterliche Geschichte dachte nicht in Nationen‹, der kennt die einschlägigen Quellen nicht. […] Aber ein Bewusstsein von nationaler Eigenart, von der vermeintlichen oder tatsächlichen Notwendigkeit, Schmach und Schande von ihr abzuwehren, ihr Ehre zukommen zu lassen, hat es auch während des Mittelalters durchaus gegeben.«, aus: Thomas, Nationale Elemente in der ritterlichen Welt, S. 346.
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historiographische Quellen, die sehr wohl ein mittelalterliches Nationsbewusstsein erkennen lassen, indem sie Volksgruppen mit Pronomen versehen, über Konflikte und Spannungen berichten oder auf unterschiedliche Entwicklungen verweisen und diese vergleichen. Bekannt für den deutschen Raum ist zum Beispiel für das 11. Jahrhundert Hermann von Reichenau, bei dem Rudolf Buchner feststellte, dass dieser gerade bei Kriegen von noster schrieb und sich sein Wir-Gefühl weniger auf die allgemeine Christenheit als explizit auf die Theutonici bezog.29 Jean-Marie Moeglin zeigte anhand Abt Sugers von SaintDenis, der um 1150 die politische Stabilität nach Herrscherwechseln in Frankreich, England und dem deutschen Reich verglich, und dabei die friedliche Durchsetzung König Ludwigs VII. lobte, während England und das Reich von Unruhen durch Nachfolgestreitigkeiten erschüttert würden, dass politische Ereignisse schon im 12. Jahrhundert über Grenzen hinweg verglichen wurden.30 Diese beiden Beispiele zeigen ebenso wie die Anekdote von Walter Map, aber auch viele weitere Beispiele aus historiographischen Quellen, dass es Vorstellungen von Nationen und Ländern bei den Chronisten gegeben haben muss, da sie ihre Begriffe nicht genauer erläutern, sondern es voraussetzen, dass ihre Leser oder Hörer wissen, was bzw. wer gemeint ist, wenn sie von rex Francorum oder Francia, Angli, Theutonici o. ä. schreiben. Dabei rechneten sie sich meist selbst einer bestimmten Nation zu, was sich zum einen durch Ausdrücke wie noster zeigt, aber auch durch die Fokussierung in der Geschichtsschreibung auf eine Nation. Gerade in der Universalgeschichtsschreibung wird dies deutlich, da – je näher sich der Chronist seinem eigenen Zeitraum nähert – das Universale auf sein eigenes Land verkürzt wird. Dabei zeigt sich eine Trias als Schwerpunkt von Chronisten bei der Beschreibung von Nationen, die Jean-Marie Moeglin als das mittelalterliche Modell eines nationalen Staates bezeichnet: »[…] der terra als Grundlage des Regnums, des diese terra bewohnenden populus bzw. der gens, und des rex, der beide regiert […].«31 Walter Map nutzte ebenfalls diese drei Elemente, wenn er vom rex Anglie (hier sind rex und terra verbunden) oder vom rex Indorum (hier sind rex und gens verbunden) spricht. Die Überlegung, was für Chronisten zu einem mittelalterlichen Modell eines nationalen Staates und seine Unterscheidung zu ande27 Buchner, Kulturelle und politische Zusammengehörigkeitsgefühle, S. 583: »Die Zusammengehörigkeit, der innere Zusammenhang der großen Völkergruppen – der Welschen, Germanen, Slawen – ist nur ein Element unter vielen. Aber dass es da ist, kann nicht bestritten werden. Wer es leugnet, übersieht einen Faktor, der in den Quellen eindeutig bezeigt ist: die elementare Kraft sprachlicher und kultureller Gemeinsamkeiten.« 28 Schmugge, Über »nationale« Vorurteile, S. 439–459. 29 Buchner, Geschichtsbild und Reichsbegriff Hermanns von Reichenau, S. 55ff. 30 Moeglin, Der Blick von Frankreich auf das mittelalterliche Reich, S. 251. 31 Moeglin, Historiographische Konstruktion, S. 354.
Der Nationenbegriff
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ren Nationen gehörte, zeigt aber auch den konstruktiven Charakter dieses Verständnisses, ebenso warum Teile der Mediävistik Schwierigkeiten mit dieser Vorstellung haben, selbst wenn man vom Nations- und Nationalismusbegriff des 19. und 20. Jahrhunderts Abstand nimmt. Moeglin selbst verweist in seinem Aufsatz darauf, dass die Vorstellung einer Trias nur ein ideelles Denkmodell sei, da kein Königreich genau nach diesen festen Abgrenzungen existierte.32 Besonders auf Deutschland ist dieses Modell schwierig anzuwenden, da alle drei Elemente hier Probleme bereiten. In Bezug auf gens, weil das gentile Bewusstsein der einzelnen Stämme trotz des Zusammenschlusses unter dem Mantel des Reiches weiter existierte.33 Die gentes der Bayern, Sachsen, Alemannen blieben bestehen und wurden nicht von den Teutonici aufgesogen. Ein ethnisch einheitliches deutsches Volk hat es für das Mittelalter nicht gegeben. Feste Grenzen – wie wäre hierbei das Verhältnis zu Italien? – gestalten sich für eine terra des Reiches ebenfalls als schwierig. Selbst bei Konzentration auf den Raum nördlich der Alpen gab es für das 12. Jahrhundert keine festgelegte Definition der Reichsgrenzen. Leichter fällt das Element rex in der Trias. Der König diente als Identifikationsfigur für die Chronisten; auch wenn die Begrifflichkeiten, wie Walter Map mit Imperator Romanus, quem dicunt Alemannorum zeigt, unklar blieben.34 Einfacher – und das zeigen die Quellenzitate zur Unterscheidung von Frankreich und dem deutschen Reich – ist die Begrenzung über die deutsche Sprache. Otto von Freising sprach in seiner Chronik die deutsche Sprache an und setzte sie in Kontrast zu den Franzosen35, mit denen es im Heiligen Land immer wieder zu Konflikten36 kam. Wilhelm von Malmesbury unterschied die Franzosen von den Untertanen des deutschen Königs anhand ihrer Sprache, wobei die rechtsrheinische Bevölkerung eher die Bezeichung Franci verdient hätte, da Karl der Große die Sprache der rechtsrheinischen Bevölkerung gesprochen habe.37 Die deutsche Sprache wurde dabei als Abgrenzung 32 Moeglin, Historiographische Konstruktion, S. 354: »Ein Königreich im 11. bis 15. Jahrhundert kann nämlich schwerlich als die Zusammenfügung eines politisch (populus) oder ethnisch (gens) einheitlichen Volks unter seinem eigenen König auf einer genau begrenzten terra gelten.« 33 Vgl. dazu auch Ehlers, Die deutsche Nation des Mittelalters, S. 38. 34 Vgl. Scior, Nation, Europa, Welt?, S. 353. 35 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, IV, 32, S. 225: Videtur mihi inde Francos, qui in Galliis morantur, a Romanis linguam eorum, qua usque hodie utuntur, accommodasse. Nam alii, qui circa Rhenum ac in Germania remanserunt, Teutonica lingua utuntur. 36 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, VII, 5, S. 315: Hic etiam inter Francos Romanos et Teutonicos, qui quibusdam amaris et invidiosis iocis freqenter rixari solent, tamquam in termino utriusque gentis nutritus utriusque linguae scius medium se interposuit ac ad commanendum multis modis informavit. 37 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, I. 68, S. 98: Unde Lotharingi et Alemanni et ceteri transrenani populi qui imperatori Teutonicorum subiiecti sunt magis proprie se Francos appellari iubent, et eos quos nos Francos putamus Galwalas antiquo uocabulo quasi
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zu ihren Nachbarn und als Möglichkeit zur Gruppenunterscheidung genutzt, wie Otto von Freising und Wilhelm von Malmesbury zeigen, sorgte aber gleichzeitig nach Rudolf Buchner, neben einer gemeinsamen Geschichte und kulturellen Gemeinsamkeiten, für ein Zusammengehörigkeitsgefühl.38 Allerdings ist umstritten, wie dieses Zusammengehörigkeitsgefühl in Bezug zu einem Reichsbewusstsein bzw. deutschen Nationsbewusstsein stand. Rüdiger Schnell sah eine »Abkehr vom ›römischen‹ Reichsbewußtsein und die Hinwendung zu einem deutschen Nationsbewußtsein«39 durch die stärkere Verwendung nationaler Bezeichnungen. Joachim Ehlers hingegen sah das Reichsverständnis als »wesentlichen Inhalt des mittelalterlichen deutschen Nationsbewußtseins«40 an. Allerdings sollte dabei nicht der Fehler begangen werden, das deutsche Reich durch seine Verbindung mit dem Kaisertum als Besonderheit herauszustellen und die Entwicklung anderer Länder bei der Bildung ihrer Nation und ihrer Institutionen als einfacher41 und kontinuierlicher42 anzusehen sowie die Diskussion anderer Forschungsverbände zu negieren. Während es für das deutsche Reich Diskussionen gibt zum Verhältnis Königtum – Kaisertum, dem Zusammenschluss der Traditionsverbände von Sachsen, Bayern, Franken etc., dem gemeinsamen Agieren als Einheit, der Annahme der Bezeichnung Theutonici und dem Nationsbewusstsein im Verhältnis zum Reichsverständnis, stellt sich die Frage nach Nation und Nationsbewusstsein für England als nicht weniger kompliziert und umstritten dar. Zum einen finden hier die Diskussionen statt zwischen den »perennialists«, die die Entstehung von Nationen schon in die Antike, zumindest aber in das Mittelalter zurückführen, und den »modernists«, die die Nationsbildung und das -bewusstsein eher auf die Zeit der Französischen Revolution und der Indu-
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Gallos nuncupant. Quibus et ego assensum commodo, sciens quod Karolus Magnus, quem regem Francorum fuisse nemo qui in inficias eat, ea gentilitia lingua usu sit quam Franci Transrenani terunt. Legenti uitam Karoli in promptu occurrit quod sermo meus a uero non exulat. Vgl. hierzu Buchner, Kulturelle und politische Zusammengehörigkeitsgefühle, S. 582f. Schnell, Deutsche Literatur und deutsches Nationsbewußtsein, S. 289f. Ehlers, Die deutsche Nation des Mittelalters, S. 52. »Das [der Vergleich des Römischen Reiches mit nationalen Monarchien – d.V.] verbietet sich schon deshalb, weil das Imperium kein Staat war, der in irgendeiner Weise mit diesen Monarchien verglichen werden könnte, niemals Vaterland (patria) eines ihm zurechenbaren Volkes, sondern eher eine komplizierte Verbindung historischer, politischer, theologischer und eschatologischer Traditionen, sichtbar getragen vom deutschen Königtum in der Nachfolge Karls des Großen.«, aus: Ehlers, Imperium und Nationsbildung, S. 101. »Das heilige römische Reich: Wie hielt es nur zusammen? Eine Frage, die man nicht erst an seinem Ende stellen konnte, sondern auch schon im Mittelalter. Eine Frage, die uns nach wie vor auch in der Wissenschaft beschäftigt, denn die Strukturen und Einrichtungen der Dauerhaftigkeit sind nicht leicht zu erkennen – im Unterschied etwa zu England, wie immer betont wurde.«, aus: Weinfurter, Vorstellungen und Wirklichkeiten, S. 451.
Der Nationenbegriff
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strialisierung zurückführen.43 Dabei herrscht unter den Mediävisten selbst keine Einigkeit, welches Jahrhundert sie als entscheidend einschätzen. Während Patrick Wormald die Entstehung einer englischen nationalen Identität schon in die Zeit vor 1066 legte,44 fand dies für John Gillingham eher im 12. Jahrhundert statt,45 Michael Clanchy siedelte es im 13. Jahrhundert an,46 Michael Prestwich47 im 13. und 14. Jahrhundert, und nach William R. Jones48 wurde eine nationale Identität erst im Hundertjährigen Krieg begründet. Zum anderen – wird das für diese Arbeit wichtige 12. Jahrhundert genauer betrachtet – ist festzustellen, dass das Verhältnis zu Moeglins Trias für England nicht weniger kompliziert war als in Bezug auf das deutsche Reich. Was die terra angeht, unterlag das normannische/angevinische England mit seinen Besitzungen auf beiden Seiten des Kanals im 12. Jahrhundert großen Schwankungen. Die Grenzen zu Wales und Schottland veränderten sich kontinuierlich,49 hinzu kamen noch die anglonormannischen Eroberungen in Irland. Auf dem Kontinent kamen zum Herzogtum Normandie die Lehnshoheit über die Bretagne, die Loiregrafschaften, die Gascogne und Aquitanien, sodass das angevinische England in der Phase seiner größten Ausdehnung sich im 12. Jahrhundert von Berwick bis zu den Pyrenäen erstreckte. Chronisten wie Wilhelm von Newburgh hatten dennoch keine feste Bezeichnung für die kontinentalen Besitzungen und nannten sie partes transmarinae, hereditas transmarina, terrae transmarinae oder terrae ditionis regis.50 Dabei bleibt die Frage nach der gens schwierig, selbst ohne Entwicklungen in den umstrittenen Gebieten wie Wales, Nordengland, Irland, und den Erweiterungen im heutigen Frankreich. Während es für das deutsche Reich um die Frage des Verhältnisses von Reichs- und/oder Nationsbewusstsein sowie die Ausprägung dessen in den verschiedenen Reichsgebieten geht, steht für die Bevölkerung Englands die Frage nach der normannischen oder englischen Identität im Vordergrund, wodurch es auch mit zu den unter-
43 Vgl. Smith, National Identities: Modern or Medieval?, S. 22f. Dazu auch Breuilly, Changes in the political uses of the nation, S. 67–101. 44 Wormald, Engla Lond, S. 1–24. 45 Gillingham, Henry of Huntingdon, S. 75–101. 46 Clanchy, England and its Rulers, S. 179. 47 Prestwich, Plantagenet England, S. 555. 48 Jones, The English church and royal propaganda, S. 18. 49 Thomas, The English and the Normans, S. 265. 50 Diese Feststellung stammt von Schnith, Von Symeon von Durham zu Wilhelm von Newburgh, S. 255. Da, wie Rickard, Britain in Medieval French Literature feststellte, die herrschende Schicht sich auf beiden Seiten des Kanals aufhielt und auch Pilger, Kleriker und Ritter relativ frei und in Sicherheit auf beiden Seiten reisen konnten, wird auch bei der Quellenauswahl, keine Grenze am Kanal gemacht, sondern auch Autoren wie Orderic Vitalis und Robert de Torigny werden mit in die Untersuchung einbezogen.
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schiedlichen Datierungen für die Entstehung einer englischen Identität kommt.51 Durch die Eroberung von 1066 hatte man eine französischsprachige Oberschicht – mit Besitzungen auf beiden Seiten des Kanals – und eine englischsprachige Bevölkerung. Eine einheitliche gens war für England nicht gegeben. Wie verwirrend das Verhältnis von Normannen und Engländern selbst für die zeitgenössischen Chronisten war, zeigt die Feststellung von Ian Short, dass »Contemporary chroniclers tended to avoid the term Angli by adding a genitive to ›Anglia‹ when designating things specifically Insular.«52 So erhielt man z. B. die Bevölkerung von England und eben nicht die englische Bevölkerung. Dennoch, und deswegen spricht John Gillingham vom Entstehen der englischen Identität im 12. Jahrhundert, zeigt sich, dass das Verhältnis zwischen Engländern und Normannen sich bis zum Ende des 12. Jahrhunderts wandelte und eine Aufgabe des Feindbildes bei den Engländern und eine Übernahme englischen Bewusstseins bei den Normannen zu beobachten war, wenngleich auch als ein schwieriger und langwieriger Prozess.53 Dieser Prozess lässt sich besonders gut bei Historiographen wie Heinrich von Huntingdon und Wilhelm von Malmesbury nachweisen, die – obwohl beide aus gemischten Familien stammten – sich noch in den 1120ern als Angehörige eine unterdrückten Bevölkerung empfanden, während dieses Gefühl in den 1140ern langsam verschwand.54 Neben den Vorstellungen von eigenen Nationen mit ihrem regnum und ihrer gens wurden unterschiedliche Entwicklungen zwischen Ländern von Chronisten durchaus wahrgenommen, wie der Verweis auf den Vergleich zwischen verschiedenen Nationen von Abt Suger und Walter Map zeigt. Für konkrete Überlegungen zu Unterschieden zwischen den Nationen verweist Volker Scior auf Äußerungen Reginos von Prüm55, bei dem die verschiedenen Völker (nationes populorum) voneinander in Abstammung (genus), Brauchtum (mores), Sprache
51 Überlegungen zur normannischen/ englischen Identität im 12. Jahrhundert lassen sich in fast allen Werken zu England im 12. Jahrhundert finden: Chibnall, The Debate on the Norman Conquest, S. 9–27; Clanchy, England and its Rulers, S. 31–7; Golding, Conquest and Colonisation, S. 177–193; Plassmann, Die Normannen, S. 309–314. Das ausführlichste neuere Werk ist dabei »The English and the Normans« von Thomas, der auch auf die unterschiedliche regionale Entwicklung (besonders die Unterschiede zu Nordengland) eingeht und dabei auch verschiedene Bevölkerungsgruppen analysiert. 52 Short, Tam Angli quam Franci, S. 167. 53 Nach Thomas, The English and the Normans, S. 262, S. 274, war »England« selbst ein Konzept, dass noch unter den Angelsachsen entstanden war und dabei von den Normannen als Konzept angenommen wurde. 54 Gillingham, Henry of Huntingdon, S. 88. Bei Orderic Vitalis hingen kam es nie zu einem entspannteren Verhältnis zu den Normannen, obwohl auch er einen normannischen Vater hatte. Vgl. dazu auch Schnith, Von Symeon von Durham zu Wilhelm von Newburgh, S. 242– 256. 55 Scior, Nation, Europa, Welt?, S. 348.
Der Nationenbegriff
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(lingua) und Recht (leges) abwichen, ebenso wie auf Adam von Bremen56, der nach habitus und lingua unterschied. Hierfür sei auf die bereits angeführten Beispiele bei Wilhelm von Malmesbury und bei Otto von Freising verwiesen. Sprache, Bräuche und eine Herkunftsgeschichte spielten also für Historiographen eine Rolle beim Unterscheiden von Nationen, während sich die Historiographen bei der Konzeption ihrer (Geschichts-) Darstellungen nach der jeweiligen terra eines regnums, deren Bewohnern und ihres rex ausrichteten und sich auch damit identifizierten, wie die beschriebenen Beispiele zeigen. Es lässt sich daher eine Diskrepanz in Bezug auf die bereits genannte Forschungsdiskussion feststellen: Chronisten sprachen selbst von Nationen, die in einem bestimmten Gebiet von einem König regiert und meist durch die Sprache und eine gemeinsame Kultur voneinander unterschieden wurden. Begriffe wie gens, natio und patria lassen sich in Chroniken und Annalen des 12. Jahrhunderts finden und zeigen, dass es ein Bewusstsein bei den Historiographen wie auch bei ihren zeitgenössischen Rezipienten für diese Vorstellungen gegeben haben muss. Daher vertreten u. a. Heinz Thomas, Rudolf Buchner und Ludwig Schmugge die Ansicht, dass es möglich und sinnvoll ist von mittelalterlichen Nationen und Nationsbewusstsein zu sprechen und die Quellen daraufhin zu untersuchen. Jean-Marie Moeglin hat dabei auf eine Trias aufmerksam gemacht, deren Elemente in Bezug zu einer Vorstellung von einer Nation für Chronisten bedeutsam waren. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich allerdings, wie unklar diese Begriffe für das 12. Jahrhundert sind und dass sie nur Konstrukte – sowohl der Chronisten als auch der heutigen Zeit – darstellen. Nation und Nationsbewusstsein sollen daher als Konstrukt zunächst vorausgesetzt werden, ohne dass sie für das deutsche Reich oder England im Vorfeld genauer bestimmt werden. Es stellt sich vielmehr die Frage, welcher Art diese Konstrukte – England bzw. das römisch-deutsche Reich – für die Chronisten sind. Dabei ist zu untersuchen, inwiefern diese beiden Länder als Nationen von den jeweils anderen wahrgenommen und nach den bereits angeführten Kriterien als Nation gewertet werden. Ergibt sich hier ein einheitliches Bild der Wahrnehmung und wo liegen die Unterschiede begründet? Lassen sich in deutschen Chroniken Hinweise zur englischen/normannischen Identität erkennen und wie wird das angevinische Reich gesehen? Im Gegensatz dazu: Wird das Verhältnis Königtum/ Kaisertum, das Verhältnis deutsch-römisch und die Beziehung des Kaisers zu den Fürsten in englischen Quellen angesprochen? Ebenfalls von Interesse ist, ob sich emotionale Bindungen an die Nationen finden lassen, z. T. in Form nationaler Propaganda, eventuell ob sogar die Nation als Akteur in der Geschichte betrachtet wird.
56 Scior, Nation, Europa, Welt?, S. 339.
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Hierbei werden die Begriffe deutsch, Deutsche und deutsches Reich57, ebenso wie englisch, Engländer und England verwendet. Diese Bezeichnungen werden dabei nicht in ihrer heutigen Bedeutung, sondern zunächst vor allem geographisch verstanden und daraufhin untersucht, inwiefern ethnische und politische Verständnisse damit verbunden sind. Die Verwendung der Begriffe wie England, deutsches Reich, anglonormannisch oder angevinisches Reich sollte als Hilfsmittel für eine geographische und zeitliche Einordnung verstanden werden. Häufig wird in der deutschen Forschung der Begriff »Reich« ohne Zusätze wie deutsch oder römisch verwendet. Dies kann allerdings gerade in einer vergleichenden Arbeit zu Verwirrungen führen, sodass »deutsch« zur eindeutigen Bestimmung dient. Auf Anführungszeichen wird in dieser Untersuchung dabei verzichtet, da bereits deutlich gemacht wurde, dass diese Begriffe Konstrukte sind, deren Inhalt noch genauer bestimmt werden muss. Es sei auch darauf hingewiesen, dass es in der englischen Forschung selbstverständlich ist, von »England« und »Germany« zu sprechen, wobei der Konstruktionscharakter eindeutig ist.58 Hinzukommt, dass nicht in jedem Fall möglich ist, einen Historiographen einem Kulturraum eindeutig zuzurechnen, da Räume und Grenzen fluide blieben und die Lebenswege und Bildungsgänge der Historiographen institutionelle, politische und kulturelle Grenzen überschreiten konnten.
1.3
Politik- und Beziehungsgeschichte
Was bei diesem Zitat Walter Maps ebenfalls auffällt, ist die Ausführlichkeit, mit der er sich mit dem römischen Kaiser – quem dicunt Alemannorum – beschäftigte. So werden zwei Bezeichnungen für den Kaiser aufgeführt, auch wenn man 57 Die ausführlichste Analyse zum Deutschen Reichsbegriff ist immer noch Müller-Mertens, Regnum Teutonicum. Er stellt dabei fest, S. 384: »der Eintritt der Begriffe regnum und rex Teutonicorum, Teutonicum regnum, rex Teutonicus in der Geschichtsschreibung und die politisch-gesellschaftliche Tagesliteratur auf deutschem Sprach- und Volksgebiet fiel zeitlich zusammen mit dem sächsischen Aufstand, dem Vorspiel und Ausbruch des Investiturstreits, der Fürsteninsurrektion und Wahl eines Gegenkönigs.«. Zum Allgemeinbegriff mit den mit ihr verbundenen Vorstellungen wurden sie, nach Müller-Mertens, S. 891, allerdings erst mit dem Wormser Konkordat, S. 891. 58 Diese Verwendung fällt besonders bei Autoren auf, die sowohl in Englisch als auch auf Deutsch publizieren. Timothy Reuter spricht in »Germany in the Early Middle«, selbstverständlich von Germany, ebenso wie Björn Weiler, The King as Judge, S. 115–140, von England und Germany und English und German chroniclers spricht, während die beiden Autoren hingegen in ihren deutschen Publikationen vom »Reich im Frühmittelalter« oder vom »römisch-deutschen Reich« schreiben. Das auch Konstrukte wie England oder deutsches Reich schnell an ihre Grenzen stoßen fällt rasch bei Chronisten wie Orderic Vitalis und Robert de Torigni auf. Ein- und Zuordnungen sollten daher nicht statisch gesehen werden, sondern jeweils angepasst an die Personen und deren Werke.
Politik- und Beziehungsgeschichte
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an dieser Stelle nicht erfährt, wer den Kaiser als den Kaiser der Deutschen bezeichnet. Was ihn aber noch mehr von den anderen unterscheidet, ist, dass Walter Map Gründe für den Reichtum bzw. den nicht vorhandenen angibt. Er begründet dies historisch mit Karl dem Großen, der, nachdem er Land von den Sarazenen erobert hatte, dieses lieber aus Liebe zu Christus den Erzbischöfen und Bischöfen gab, welche er in den eroberten Orten eingesetzt hatte. Weder dem byzantinischen Kaiser noch dem König von Sizilien widmete Walter Map diese Aufmerksamkeit. Um die Pointe zu Frankreich zu erzielen, hätte er diese Ausführlichkeit mit dem kleinen historischen Exkurs nicht benötigt.59 Allerdings geht es hierbei nicht um eine mögliche Interpretation dieses Zitats – vielmehr soll festgehalten werden, dass eben nur das römische Reich eine so ausführliche Erläuterung erhält. Auch wenn Frankreich mit Ludwig VII. für Walter Map in seinen Werken insgesamt den bedeutenderen Anteil in der Wahrnehmung einnimmt, zeigt dieses Zitat aber zunächst schon, dass das deutsche Reich bei Aufzählungen von Ländern nicht wegzudenken ist. Die Ausführlichkeit der Nennung weist darüber hinaus darauf hin, dass das Reich einen wichtigen Part in der Wahrnehmung darstellt. Eine nicht unerhebliche Wahrnehmung zwischen England und dem Reich fand auf historiographischer Ebene statt, wie dieses Zitat belegt. Die Wahrnehmung zwischen diesen beiden Ländern im Mittelalter wurde zwar noch nicht untersucht, allerdings gibt es grundlegende Studien zu den deutsch-englischen Beziehungen im 12. Jahrhundert – wenn auch nur wenige. Drei Werke (eines aus den 1960er-Jahren, zwei aus den 1980er-Jahren), die allerdings rein ereignis- und diplomatiegeschichtlich orientiert sind, analysieren das Verhältnis von Deutschland und England im 12. Jahrhundert. 1961 erschien die Habilitationsschrift von Fritz Trautz60, welche bis heute als grundlegendes Werk für die politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern gilt. Allerdings wird das Verhältnis zwischen den Staufern und England nur hinführend zu seinem eigentlichen zeitlich gesetzten Schwerpunkt behandelt; die Salier werden allenfalls gestreift. Ohne nationale Polemik – ein Problem früherer Beiträge61 – 59 In der Variante von Gerald von Wales kommt diese Erläuterung nicht vor. Dafür fügte Gerald Spanien in die Aufzählung mit ein. 60 Trautz, Die Könige von England und das Reich. 61 Friedrich Hardegen hatte 1905 die These aufgestellt, dass das 12. Jahrhundert von einer Konkurrenz zwischen dem angevinischen und staufischen Reich dominiert war: Hardegen, Imperialpolitik König Heinrichs II. von England. Diese These wurde in das von Friedrich Baethgen bearbeitete Lehrbuch von Hampe übernommen: Deutsche Kaisergeschichte, S. 176–177, was auch in weiteren Werken verbreitet wurde. Horst Fuhrmann schrieb sogar noch 1978: »Während Barbarossa eine Annäherung an die französische Krone versuchte, spann Heinrich II. Plantagenet, Heinrichs des Löwen Schwiegervater, ein weites Netz um Staufer und Kapetinger.«, aus Fuhrmann, Deutsche Geschichte im hohen Mittelalter, S. 186f. Für einen ausführlicheren Überblick zur frühen Forschungsgeschichte (Ende des 19. Jahr-
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ermöglichte seine Forschung, trotz der relativen Kürze für den hier interessanten Zeitraum, grundlegende Erkenntnisse für die politischen Beziehungen. 1987 wechselte Dieter Berg die Forschungsperspektive, indem er die englischen Könige in den Mittelpunkt stellte und von diesen ausgehend die Beziehungen analysierte.62 Schwerpunkt seiner Untersuchung war allerdings die anglonormannische »Außenpolitik« zum westlichen Europa. Aufgrund eingehender Analyse der Diplomatie Heinrichs I. kam Berg schließlich zu dem Schluss, dass es bei einem multizentral organisierten Bündnissystem eine anglonormannische Dominanz gegeben habe.63 Im selben Jahr wie Bergs Buch erschien Jens Ahlers Dissertation »Die Welfen und die englischen Könige 1165–1235«64 mit einer erstmals systematisch angelegten Untersuchung der Beziehung der englischen Könige (von Heinrich II. bis Heinrich III.) zu den Welfen, welche auch von Historiographen aufgegriffen wurden. Dabei stellte er fest, dass sich die Beziehungen zwischen Heinrich dem Löwen und England kaum auf innere Verhältnisse Deutschlands auswirkten und dass eine dynastische Verbindung noch kein Grund für gemeinsames politisches Vorgehen war.65 Die Ergebnisse dieser drei Studien bilden eine gute Basis für einen anfänglichen Überblick zu deutschenglischen Verbindungen und um wechselseitige Wahrnehmungen in historiographischen Quellen in ihren jeweiligen Kontext einzuordnen. Zeitgleich zur Entstehung dieser drei Standardwerke fand eine Diskussion um die sogenannte auctoritas des Kaisers statt, die die Publikationen zu den deutschenglischen Beziehungen über viele Jahre prägte und den Blick für weitere historiographische Quellen einengte. Ausschlaggebend dafür war ein Brief König Heinrichs II. von England an Kaiser Friedrich I. Barbarossa 1157, in dem Heinrich II. seinen Wunsch nach einem Freundschaftsbündnis erklärte und äußerte, dass dem Kaiser die auctoritas imperandi zustehe, da dieser ihn an Würde überrage und daher er diesem gerne folge (voluntas obsequendi).66 Robert Holtzmann veröffentlichte dazu 1939 in der Historischen Zeitschrift einen Aufsatz und vertrat darin die These, dass man anhand dieses Briefes sehen
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hunderts / Anfang des 20. Jahrhunderts vgl. Huffman, The Social Politics of Medieval Diplomacy, S. 1–24. Berg, England und der Kontinent. Leider behandelte er darin nur den Zeitraum von der normannischen Eroberung bis zum Ende der Regierung Heinrichs I. 1135. Berg, England und der Kontinent, S. 335–367. Berg bekräftigt dies noch einmal in seinem Aufsatz, Imperium und Regna, S. 13–37. So habe es keine kaiserliche Hegemonie gegeben und der kaiserliche außenpolitische Handlungsspielraum gering gewesen. Ahlers, Die Welfen. Ahlers, Die Welfen, S. 256. Otto von Freising, Gesta Friderici I. Imperatoris, III, 7, S. 172: Regnum nostrum et quicquid ubique nostre subicitur ditioni vobis exponimus et vestre committimus potestati, ut ad vestrum nutum omnia disponantur et in omnibus vestri fiat voluntas imperii. Sit igitur inter nos et populos nostros dilectionis et pacis unitas indivisa, commertia tuta, ita tamen, ut vobis, qui dignitate preminentis, imperandi cedat auctoritas, nobis non deerit voluntas obsequendi, […].
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könne, dass der Kaiser im hohen Mittelalter aufgrund seines Ansehens und Ranges andere Herrscher überragte, aber keine wirkliche Amtsgewalt innehatte.67 Die Autorität unter den Herrschern hätten die Staufer bis zum Ende ihrer Herrschaft besessen. Holtzmanns These von 1939 beschäftigte Historiker bis in die 1990er-Jahre, wobei sich die Mehrheit gegen diese Interpretation der Quelle aussprach.68 Neben dieser Debatte um die auctoritas des Kaisers, hervorgerufen durch den Brief Heinrichs II. an Friedrich Barbarossa, die in den größeren Themenkomplex der Verhandlungen zwischen Heinrich II. und Friedrich I. Barbarossa während des Alexandrinischen Schismas und der Beckett-Krise einzuordnen ist, bestimmten zwei weitere Hauptthemen die Geschichte der anglo-deutschen diplomatischen Beziehungen im 12. Jahrhundert. Mit den staufisch-angevinischen Beziehungen verbunden waren die welfisch-angevinischen verwandtschaftlichen Beziehungen69 bei gleichzeitigen welfisch-staufischen Auseinandersetzungen und der Wahl Ottos IV. zum König70. Noch unter den Saliern kam es zur Heirat 67 Holtzmann, Der Weltherrschaftsgedanke, S. 255. 68 Ablehnend äußerten sich z. B. Kirfel, Weltherrschaftsidee und Bündnispolitik, und Trautz, Könige von England, S. 65ff. Erstmals eingehender mit dem Hintergrund des Briefes beschäftigte sich Mayer, Staufische Weltherrschaft?, S. 276, der darlegte, dass es Barbarossa um die Zurückerlangung der Hand des Hl. Jakobus ginge, da die Rückgewinnung des Reichsguts ein Bestandteil der honor imperii war. Leyser, Frederick Barbarossa, Henry II and the hand of St. James, S. 481–506, vertrat 1975 die Ansicht, dass es Rahewin bei der Zitierung des Briefes viel mehr um die Wirkung nach innen auf das Reich und die Großen ging als um eine Aussage zur Außenpolitik Friedrichs I. Ebenso ablehnend zeigten sich Berg, England und der Kontinent, S. 3ff., und Fuhrmann, Quis Teutonicos constituit iudices nationum?, S. 344–358. Freed, Frederick Barbarossa. The prince and the myth, greift mit der Kapitelüberschrift »Frederick’s Claim to World Dominion«, S. 268–275, wieder auf, auch wenn diese Überschrift teilweise missführend ist, da Freed darauf hinweist, dass die Quellen hierzu nicht auf Barbarossa direkt zurückzuführen wären, sondern auf Quellen wie Ludus de Antichristo, die Panegyrik des Archipoeta oder auf Johann von Salisburys Tiraden gegen Barbarossa. 69 Gerade im Umfeld der Ausstellung »Heinrich der Löwe und seine Zeit« 1995 in Braunschweig, die anlässlich des 800. Todestages Heinrichs dessen Rolle im 12. Jahrhundert und seine Beziehung zu den Staufern neu bewertete, entstanden ebenfalls Beiträge zu seinen Beziehungen zu England. Allerdings lag dabei der Schwerpunkt auf kunsthistorischen Betrachtungen, während außerhalb der Kunstgeschichte die verwandtschaftlichen Verbindungen, neben dem Werk von Jens Ahlers, kaum betrachtet wurden. Zum Erwerb von Becket-Reliquien und den Einfluss angevinischer Kunst auf Handwerker in Braunschweig: Nilgen, Heinrich der Löwe und England, S. 377–386. Ebenso dazu: Nilgen, Thomas Becket und Braunschweig, S. 219–242. Zu weiteren Einflüssen angevinischer Kunst auf Braunschweig siehe: Stratford, Lower Saxony and England, S. 243–257, ebenso Müller, Die Welfen und Formen höfischer Repräsentation, S. 377–386. Als einführende »hilfswissenschaftliche Zuarbeit des Historikers für die Untersuchungen und Fragestellungen der Kunstgeschichte« (sic!), darin hauptsächlich zum Brautschatz der Mathilde, ebenso Ehlers, Anglonormannisches am Hof Heinrichs des Löwen?, S. 205–217. Ebenso: Ehlers, Exil, S. 71–82. 70 Zu Otto IV. und seine welfisch-angevinischen Verbindungen ist die Literatur weiter gefächert: Hucker, Otto IV. Ein Plantagenêt auf dem Kaiserthron, S. 9–20. Hucker, Otto IV. Ein Leben
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zwischen Heinrich V. mit Mathilde, Tochter König Heinrichs I. von England.71 Diese insgesamt drei Themen wurden allerdings nur unter bestimmten Schwerpunkten untersucht, die einzelnen Erkenntnisse wurden kaum miteinander verknüpft und waren den Forschungen zu den einzelnen Personen und Ereignissen nachgeordnet. Die Forschung zu diesen drei Hauptpunkten in den vergangenen Jahrzehnten bewertete Joseph P. Huffman 2008: »Diese drei Ereigniskomplexe sind in der Vergangenheit von deutschen Historikern oft negativ gedeutet worden, entweder als vergebliche und gescheiterte Unterfangen in der englisch-deutschen Diplomatie, oder als Zeichen von Missachtung, oder als feindliche Angriffe des angevinischen Reiches mit dem Ziel, das Stauferreich nachhaltig zu schädigen. Solche Interpretationen sind modernen Vorstellungen von nationaler Machtpolitik, geopolitischer Kriegslist und internationalen Allianzen verpflichtet.«72
Auffallend bei diesem Überblick zur Forschungsgeschichte ist, dass englische Autoren sich bisher nur wenig an der Erforschung deutsch-englischer Beziehungen im Hochmittelalter beteiligt haben.73 So umfassend die Forschung zu englisch-französischen Beziehungen und Kontakten im 12. Jahrhundert ist, so wenig wurden die anglo-deutschen Verbindungen betrachtet. Nur wenige englische Historiker wie Karl Joseph Leyser74, Benjamin Arnold75 und Joseph P. Huffman76 haben sich mit diesem Feld beschäftigt. Von englischen Autoren wurden Personen wie Heinrich der Löwe, der sich in England aufhielt, kaum beachtet.77 Das Leben der Kaiserin Mathilde, die sich ja immerhin von 1110 bis 1125 im Reich aufhielt, wurde z. B. erst nach ihrer Rückkehr in die Normandie genauer untersucht.78
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zwischen dem englischen Königshof, S. 15–26. Vgl. Röhrkasten, Otto IV. und England, S. 41–48. Zur Bedeutung der Stadt Köln: Stehkämper, England und die Stadt Köln, S. 119– 154. Daneben gibt es noch Einzelbetrachtungen zu Briefen Ottos an Johann Ohneland, Ottos deutsch-englisches Wappen oder die Bedeutung Ottos für die angevinische Politik. Als Grundlage zu diesem Thema: Schnith, Die Salier und England, S. 223–235. Huffman, Die sozialen Aspekte der Außenpolitik, S. 59. Diese Ansicht teilt auch Huffman in »The Social Politics«, S. 19f., der ebenfalls die englische Forschung zu diesem Thema analysierte. Vgl. dazu auch, Peters, More Trouble with Henry, S. 47–72. Karl Joseph Leyser gilt als seiner der renommiertesten Forscher zur deutsch-englischen Beziehungsgeschichte: Leyser, England and the Empire, S. 191–213. Leyser, Frederick Barbarossa, Henry II and the hand of St. James, S. 481–506. Leider nur sehr knapp gefasst: Arnold, England and Germany, 1050–1350, S. 43–51. Arnold, Germany and England 1066–1453, S. 76–87. Zu Joseph P. Huffman, s. S. 14, Anm. 61. Eine der neueren englischen Autoren, die sich mit den Welfen beschäftigt, ist Colette Bowie. Allerdings bringt ihr Buch, The Daughters of Henry II and Eleanor of Aquitaine, keine neuen Aspekte in Bezug auf die welfisch-englischen Beziehungen hervor. Während Chibnall in »The Empress Matilda«, in einem Kapitel auf die Ehe zwischen Mathilde und Heinrich V. eingeht, wird diese z. B. bei Beem, Greater by Marriage, S. 1–15,
Quellenauswahl und methodisches Vorgehen
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Während lange Zeit in der deutsch-englischen Forschung »klassische« Ansätze und Fragestellungen dominierten, wurden in jüngerer Zeit neue Ansätze und Methoden entwickelt, um sich der Wahrnehmung vom Fremden und dem Eigenen zu nähern und somit auch neue Erkenntnisse zu Beziehungen zwischen Personen in verschiedenen Ländern zu erhalten. Andreas Bihrers 2012 erschienene Habilitationsschrift beschäftigte sich wieder umfassend mit den Kontakten zwischen Deutschland und England.79 Allerdings konzentriert Bihrer sich dabei auf den Zeitraum 850–1100. Die Arbeit nutzt eine Vielfalt methodischer Ansätze der Kulturwissenschaften, um die Beziehungen zwischen ottonisch-salischem und angelsächsischem Königreich zwischen 850 und 1100 weit über die bisher leitenden Fragen zu dynastischen und machtpolitischen Verbindungen zwischen den Herrschern hinaus zu analysieren. Bihrers umfassende Studien erzielen nicht nur für den behandelten Zeitraum weitreichende neue Ergebnisse, sondern machen zugleich deutlich, dass es auch für andere Zeiträume lohnend sein dürfte, die deutsch-englischen Beziehungen erneut und in erweiterter methodischer Perspektive zu thematisieren. Dabei werden neue Einblicke in die deutsch-englischen Beziehungen und das Verhältnis zueinander ermöglicht.
1.4
Quellenauswahl und methodisches Vorgehen
Die Quellen für die folgende Untersuchung der Fremd- und Selbstwahrnehmung in England und im deutschen Reich im 12. Jahrhundert gehören der lateinischen Historiographie an. Der Begriff »lateinische Historiographie« legt eine Einheitlichkeit nahe, die sich bei einem genaueren Blick auf die Quellen nicht feststellen lässt. Schon De Nugis Curialium lässt sich schwer einer Quellengattung zuordnen. Antonia Gransden sieht in Walter Map eher einen Satiriker, dessen historiographisches Interesse allerdings am Ende seines Werkes mit seiner Bestrebung, kreativ Geschichte zu schreiben, zunahm – weshalb sie ihn in ihr Übersichtswerk zur englischen Historiographie mit aufnahm.80 In der Encyclopedia of the Medieval Chronicle ist er hingegen nicht aufgeführt.81 Dabei ist auf Walter Map, wie auch schon Antonia Gransden feststellte, nicht zu verzichten, wenn man etwas über den königlichen Hof, zu einzelnen Personen oder zu Zisterziensern im 12. Jahrhundert erfahren möchte.82
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nicht angesprochen. Zu Matildas Aufenthalt im Reich empfiehlt sich immer noch Schnith, Die Salier und England. Bihrer, Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England. Vgl. Gransden, Historical Writing, S. 243. Graeme Dunphy (Hg.), Encyclopedia of the Medieval Chronicle. Zu Walter Map und den Zisterziensern: Holdsworth, The reception of St Bernard in England, S. 161–177; Berlioz, Saint Bernard dans la littérature satirique, S. 211–228. Zu
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Diese Zuordnungsschwierigkeit in der Historiographie zeigt sich beim Versuch, Quellengattungen genauer zu unterscheiden. In dieser Arbeit werden Quellen untersucht mit unterschiedlichen Gattungsbegriffen wie Historia83, Chronik84, Gesta85 oder Annales86 im Titel, sei dieser nun zeitgenössisch oder erst von der modernen Forschung entwickelt. Versuche, diese Begriffe zu definieren und sie in Beziehung zu setzen, gab es immer wieder. Reginald L. Poole entwickelte 1926 die Theorie, dass Ostertabellen die früheste Form mittelalterlicher Chroniken darstellen würden.87 Annalen mit ihren jährlichen Eintragungen hätten sich aus diesen Tabellen entwickelt, aus jenen wiederum Chroniken als elaborierteste Stufe.88 Diese Theorie entwickelte sich danach zu der Annahme, dass Annalisten, meist anonym, zeitgenössische, wichtige Ereignisse in chronologischer Ordnung aufschreiben würden – während Chronisten, meist namentlich bekannt, detailreich und mit Konzept über Vergangenheit und Gegenwart berichteten.89 Eine ähnliche Auffassung vertritt Herbert Grundmann, der Annalen als »die eigenwüchsigste Form mittelalterlicher Geschichtsschreibung«90 betrachtet, da sie weniger von literarischen Traditionen der Spätantike bestimmt waren und durch die Bedürfnisse der Klöster entwickelt worden seien. Allerdings ist er im Gegensatz zu Poole der Ansicht, dass Annalen anders als »Historien« die Vergangenheit behandelten.91 Chroniken unterscheidet er dabei noch zusätzlich nach ihrem Inhalt, sodass Weltchroniken, Landes- und Stadtchroniken eigene Kategorien bildeten. Für Bernard Guenée stellen Annalen, Chroniken und Historien drei unterschiedliche Quellengattungen dar, wobei er allerdings bei Annalen feststellt, dass diese keine Werke eines Historikers seien.92 Kritik an strengen Einteilungen wird dabei immer wieder geäußert, z. B. von Roger D. Ray, der auf Mischformen, bestehend aus Chroniken und Annalen
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Walter Maps Sicht zu Einzelpersonen: Rigg, Historical Fiction in Walter Map, S. 1001–1010; Weiler, The king as judge, S. 115–140. Zu Walter Map und dem Hof: Short, Literary culture at the court of Henry II, S. 335–361; Vincent, The court of Henry II, S. 278–334. Für diese Arbeit untersucht wird u. a. die Historia Welforum, oder Eadmer von Canterburys Historia novorum in Anglia. Z. B. Helmold von Bosaus Chronica Slavorum, Burchard von Ursbergs Chronicon, Chronica regia Coloniensis oder Roger von Howdens Chronica. Z. B. Gervase von Canterburys Gesta regum Britanniae oder Ottos von Freising Gesta Friderici. Z. B. Annales Brunwilarenses, Annales Palidenses oder den Annalen von Lewes. Poole, Chronicles and Annals, S. 26. Poole, Chronicles and Annals, S. 76. Gegen diese These wendet sich Hayward, The Winchcombe and Coventry Chronicles, S. 43 u. 49. Er hält Ostertabellen als Speicherort für Historisches als ungeeignet und sieht in den kleineren Annalen eher als Schulungsmaterial um neue Mönche in Computus zu unterrichten. Dumville, What is a Chronicle?, S. 5. Grundmann, Geschichtsschreibung im Mittelalter, S. 25. Grundmann, Geschichtsschreibung, S. 25. Guenée, Histoire et Culture historique, S. 204.
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aufmerksam macht.93 Besonders David Dumville verweist bei der Entwicklung von Annalen und Chroniken auf ihre Entwicklungsgeschichte in der Antike und wendet sich gegen eine strikte Trennung von Annalen und Chroniken; schließlich seien bei beiden die chronologische Gliederung bedeutsam und die Übergänge fließend.94 Beide Begriffe konnten auch parallel benutzt werden, wie Gervasius von Canterbury in seinem Prolog zu seiner Chronik zeigt.95 Wichtiger für Dumville ist die Unterscheidung von Chroniken und Historien – eine Unterscheidung, deren Anfänge sich schon bei Cicero finden ließen und von Isidor von Sevilla weitergeführt werden.96 Gervasius von Canterbury schreibt zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden Ende des 12. Jahrhunderts: Historici autem et cronici secundum aliquid una est intentio et materia, sed diversus tractandi modus est et forma varia. Utriusque una est intentio, quia uterque veritati intendit. Forma tractandi varia, quia historicus diffuse et eleganter incedit, cronicus vero simpliciter graditur et breviter.97
Dass diese Unterscheidung nicht immer eingehalten wurde, war auch Gervasius von Canterbury bewusst, der Chronisten und Annalisten für ihre Grenzüberschreitungen tadelte.98 Otto von Freisings Historia de Duabus Civitatibus wird im einleitenden Brief Friedrichs I. in den Gesta Friderici Chronik genannt.99 Entgegengesetzt zum Verständnis von Gervasius von Canterbury nannte Symeon von Durham sein Werk Historia Regum, wobei sein Stil aufgrund seines strengen chronologischen Aufbaus eher annalistisch geprägt ist.100 Sein Werk wurde dabei auf gleiche Weise mit der Historia XXV. annorum von Johann von Hexham fortgeführt. Auch für eine weitere Form gab es immer wieder Überlagerungen: Bernard Guenée stellt fest, dass, beruhend auf Isidor von Sevilla – Historia est narratio rei gestae –, die Begriffe Historia und Gesta im Mittelalter synonym verwendet wurden.101 Neben Kritik an der Unterteilung nach Form und Werktiteln wurde ebenfalls Kritik an der Unterteilung nach Berichtsgegenstand bzw. Berichtsraum, wie dies z. B. Grundmann vorgenommen hat, laut. Hans-Werner Goetz fragt dabei nach 93 Vgl. Ray, Medieval Historiography, S. 41. 94 Vgl. Dumville, What is a Chronicle?, S. 3f. Er verweist hierbei auf die Begriffsgeschichte. 95 »[…] annalibus, quae alio nomine Cronica nuncupantur.«, aus: Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 87. 96 Dies lässt sich auch bei Eusebius von Caesarea und Cassidor finden. Vgl. Dumville, What is a Chronicle?, S. 4. Siehe dazu auch Coleman, Ancient and Medieval Memories, S. 49. 97 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 87. 98 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 87f.: Sunt autem plurimi qui, cronicas vel annales scribentes, limites suos excedunt, nam philacteria sua dilatare et fimbrias magnificare delectant. 99 Otto von Freising, Gesta Friderici I. imperatoris, S. 1. 100 Symeon von Durham, Historia Regum. 101 Bernard Guenée, Histoire et Culture historique, S. 22f.
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dem Nutzen der Unterteilung für die Erforschung von Historiographie. Er ist zwar der Ansicht, dass der vom Autor bewusst gewählte Inhalt bedeutsam sei und es Tendenzen in den Werken wie u. a. Weltchronistik, Kirchengeschichte, Reichschronistik, Bistums- und Klosterchronistik gebe, welche aber – auch wenn sie wichtige Aspekte des historischen Selbstverständnisses zeigen würden – keine Grundlage böten, um den Autoren jeweils ein unterschiedliches Geschichtsbewusstsein zuzuschreiben.102 Mit diesen Überlegungen sollen keineswegs formale Unterschiede negiert werden. Natürlich sind die Annales Palidenses anders aufgebaut als die Historia de Duabus Civitatibus oder die Historia rerum Anglicarum Wilhelms von Newburgh. Form und damit auch die Konzeption spielten durchaus eine Rolle im 12. Jahrhundert, wie die theoretischen Überlegungen des Gervasius von Canterbury zeigen.103 Ebenso ist es für die Einordnung und Interpretation eines Werkes bedeutsam, ob der Autor bekannt oder unbekannt ist und ob es von einem oder mehreren Schreibern verfasst wurde, wie dies häufig bei Annalen der Fall ist. Allerdings ist dies nicht von allzu großer Bedeutung, wie David Dumville erläutert:104 Die fehlende Autorennennung könne auf monastische Bescheidenheit hinweisen; daneben war der Autor wesentlich durch seine institutionelle Gebundenheit, eventuell sogar durch einen Auftraggeber definiert.105 Die Einleitung der Winchesterchronik aus dem 13. Jahrhundert zeigt deutlich, dass derjenige, der einen neuen Beitrag zu Annalen hinzufügen sollte, im Scriptorium bestimmt wurde und dass diese Aufgabe als eine Art offizielles Amt angesehen wurde.106 Allerdings ist es für eine Untersuchung der Fremd- und Selbstwahrnehmung nicht ratsam, sich nur auf die Gattung Annalen, die Gattung Chroniken oder die Gattung Historien zu konzentrieren, da die Übergänge zwischen den Gattungen fließend waren und die Grenzen zwischen ihnen schon im Mittelalter überschritten wurden, auch wenn es Versuche der Unterscheidung wie bei Gervasius 102 Goetz, Geschichtsschreibung, S. 124: »Es läge nun eigentlich nahe, hinter den inhaltlich bestimmten Gattungen auch ein jeweils unterschiedliches Geschichtsbewußtsein zu vermuten, also etwa Weltchroniken als Ausdruck eines universalen, Klosterchroniken als Resultat eines klösterlichen Geschichtsbewußtseins zu werten. Dagegen spricht allerdings nicht nur die Schwierigkeit einer klaren Abgrenzung dieser Gattungen, sondern auch die Tatsache, daß beide Typen im Kloster entstanden sind oder jedenfalls entstehen konnten.« 103 Vgl. dazu auch Goetz, Geschichtsschreibung, S. 124f. Auch Geary, Chronicles, Annals, S. 13–23, betont aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungsgeschichte von Chroniken und Annalen den unterschiedlichen Aufbau, Struktur und Horizont. Allerdings weist auch er auf Weiterentwicklungen und Vermischungen im Laufe der Jahrhunderte. 104 Vgl. Dumville, What is a Chronicle?, S. 22f. 105 Vgl. Dumville, What is a Chronicle?, S. 22f. 106 non quicunque voluerit, sed cui injunctum fuerit […]; Dieses Zitat aus dem Vorwort der Annales de Wigornia, S. 355, geht auf das Vorwort einer verlorenen Winchester-Chronik zurück, vgl. Gransden, Historical Writing, S. 319, Anm. 7.
Quellenauswahl und methodisches Vorgehen
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von Canterbury gab. Ebenso wenig sinnvoll wäre es, sich für diese Fragestellung nur auf Reichschronistik oder Kloster- und Bistumschronistik oder in England auf Hof- oder hofnahe Chronistik zu konzentrieren, da auch hier die Übergänge fließend waren und sich zwar Tendenzen bei den Autoren in ihrem Werk erkennen lassen, aber sich auch in der Historia rerum Anglicarum Wilhelms von Newburgh Aussagen zu Ereignissen im Reich finden lassen ebenso wie in der Gesta Friderici Ottos von Freising zu England. Auch die Konzentration auf Nationalchroniken107, die sich im 12. Jahrhundert zwar in England finden lassen, aber nicht im Reich – hier wurde mit »Reichschronistik« (Chroniken und Annalen, deren Fokus auf der Reichsgeschichte liegt) eine künstliche Auswahl getroffen – wäre nicht empfehlenswert. Vielmehr ist es interessant zu sehen, ob – was die Fremd- und Selbstwahrnehmung anbelangt – die Unterteilung in Annalen und Chroniken, Kloster- oder Reichschronistik sinnvoll ist und sich tatsächlich Unterschiede bzgl. der Wahrnehmung von Fremden feststellen lassen. Bereits angesprochen wurde, dass Biographien der Chronisten fluide waren und nicht eindeutig einem Kulturraum zuzurechnen waren. Daher wurden auch Quellen aus dem angevinischen Reich ausgewählt, deren politische Orientierung deutlich auf das englische Königtum und den englischen Raum weist wie z. B. bei Orderic Vitalis mit seiner Historia ecclesiastica oder bei Robert von Torigni. Andererseits konnte aufgrund des Umfangs nicht jede Quelle des 12. Jahrhunderts aus dem deutschen oder englischen Reich mit Aussagen zum jeweiligen (anderen) Königtum und Reich einbezogen, wie z. B. bei Gislebert von Mons. Diese wurden bei Bedarf aber ergänzend mit einbezogen. Der Vergleich von englischer und deutscher Historiographie in Bezug auf die Fragestellung ist daher möglich, da dafür Historiographie allgemein herangezogen wird. Eine Konzentration auf eine spezielle Gattung wäre aufgrund der beschriebenen Problematik nicht sinnvoll. Auch entwickeln sich die Gattungen, seien sie nach der Form und/oder dem Inhalt unterteilt, in England bzw. im deutschen Reich unterschiedlich. Gemeinsam haben sie allerdings, dass alle behandelten Werke auf Latein verfasst wurden und der bzw. die Autoren dem kirchlichen Bereich angehörten. Dabei konnten dies Mönche sein, deren Name nicht mit ihren Schriften überliefert wurde, aber auch Bischöfe wie Otto von Freising oder Archidiakone wie Walter Map und Heinrich von Huntingdon. Gemeinsam hatten sie das Grundverständnis, dass Historiographie Faktenerzählung (narratio rerum gestarum), d. h. vor allem Tatenerzählung, war.108 Die 107 Zur Entwicklung Nationalchroniken und deren Unterschieden siehe Kersken, National Chronicles and National Consciousness, S. 119–126. 108 Guenée, Histoire et Culture historique, S. 18, führt diese Auffassung v. a. auf Cicero zurück, allerdings wären auch Cato, Quintus Fabius Pictor oder Aulus Gellius dieser Ansicht gewesen. Die berühmteste Definition »Historia est narratio rei gestae« stammt dabei von Isidor von Sevilla, auf den sich viele mittelalterliche Geschichtsschreiber beriefen. Bei Otto von
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inhaltliche Konzentration der Geschichtsschreiber lag auf Taten, Fakten109, wobei diese wahr sein mussten.110 Walter Map unterscheidet hier deutlich zwischen Geschichtsschreibung und Geschichten, die auch Fiktionales enthalten konnten.111 Auch bei der bereits erwähnten Einleitung der Winchester-Chronik findet man den Verweis auf die Wahrheit.112 Sowohl deutsche als auch englische Historiographien hatten daher einen ähnlichen Entstehungshintergrund und die deutschen und englischen Geschichtsschreiber teilten ein Grundverständnis, was Historiographie darstellte. Dies ermöglicht einen Vergleich zwischen diesen beiden Ländern.
1.5
Aufbau und Ziel der Arbeit
Ziel der Arbeit ist es, die Wahrnehmung politischer und (zeit-)historischer Ereignisse zu untersuchen, die (Fremd-)Wahrnehmung des anderen zu vergleichen und die Wahrnehmung und das Selbst der Autoren in Bezug auf andere in der eigenen Vorstellungswelt zu verorten. Dies soll einen neuen Blick auf die deutsch-englischen Beziehungen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts ermöglichen. Diese auf die beiden Länder konzentrierte Arbeit soll aber auch Erkenntnisse über die grundsätzliche Bedeutung von anderen für die Vorstellungswelt der Historiographen im Gefüge der Länder insgesamt ermöglichen. Dies funktioniert weniger über vorgeformte Kategorien der Fremd- und Selbstzuschreibung, vielmehr über die ausführliche Analyse der sprachlichen Darstellung und Einordnung der Fremddarstellungen in den jeweiligen Kontext des historiographischen Textes. Dabei muss auch immer überprüft werden, inwiefern das offene Konzept »Fremdheit« in Bezug auf den jeweils anderen für das Regnum Teutonicum bzw. das anglonormannisch-angevinische Reich zutreffend ist. Bei der Quellenauswahl erfolgte eine Beschränkung auf zeitgenössische lateinische Historiographie. Mit der Beschränkung wird deshalb auch ein bestimmter Rezeptionsraum angezielt, der im Wesentlichen die Teilhaber der
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Freising, Historia de duabus Civitatibus, VI,23 S. 286 wurde z. B. daraus: Res enim gestas scribere […] proposuimus. Vgl. dazu das Kapitel L’objet du récit bei Guenée, Histoire et Culture historique, S. 22–25. Guenée, Histoire et Culture histroique, S. 18f. Guenée, S. 38, zitiert dabei Cicero für den Geschichte lux veritatis war. Walter Map, De Nugis Curialium, Dist. I, c. 31, S. 128: Nam historia, que ueritate nititur, et fabula, que ficta contexit […]. Aber auch im Nachtrag zur anfänglichen Anekdote verweist Walter Map darauf, dass er sie notiert habe, da wahr gesprochen worden wäre, Dist. V, c. 5, S. 450: Hoc uerbum notaui, quia comiter et uere dictum. Winchester Chronik/ Annales de Wigornia, S. 355: In fine vero anni non quicinque voluerit, sed cui injunctum fuerit, quod verius et melius censuerit ad posteritatis notitiam transmittendum, in corpore libri succincta brevitate describat; […].
Aufbau und Ziel der Arbeit
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klerikalen Schriftkultur umfasst. Damit scheint zwar ein großer Teil der weltlichen Akteure, der Adligen und ihrer Gefolgsleute, zumindest nicht unmittelbar erfasst werden zu können; eingeschlossen sind aber nicht nur die geistlichen Fürsten im deutschen Bereich bzw. die auch politisch bedeutsamen Erzbischöfe und Bischöfe im englischen, sondern auch ein weiterer Bereich klerikal gebildeter Berater an den Höfen von König und Fürsten sowie anderer Mitglieder von Domkapiteln, Klöstern oder Stiften. Diese gaben ihre Wahrnehmungen und Vorstellungen zumindest potentiell an einen unbestimmbaren Kreis ihrer weltlichen Herren, ihrer Verwandten oder anderer Kontaktpersonen weiter bzw. wurden von diesem beeinflusst.113 Bei der Quellenauswahl wurde nicht unterschieden, ob sie eher den Welt-, Bistums- oder Klosterchroniken zuzurechnen oder ob deren Autoren bekannt oder unbekannt sind; ebensowenig wurden einseitig Annalen oder Chroniken ausgeschlossen. Diese Grenzen sind, wie bereits angeführt, z. T. künstlich gezogen und bieten für diese Untersuchung keinen Mehrwert, aufgrund dessen sie eingehalten werden müssten. Vielmehr wurde versucht darauf zu achten, dass sich die Quellen gleichmäßig über den Zeitraum des 12. und frühen 13. Jahrhunderts verteilen und auch geographisch – soweit man die Quellen immer sicher auf einen Herkunftsort zurückführen kann – nicht nur auf eine Region konzentrieren, sondern über beide Reichsgebiete verteilt sind. Am Beginn der Arbeit steht eine umfassende statistische Auswertung – alle Aussagen der Quellen zum anderen werden erfasst – auf deren Grundlage die Belege gegenseitiger Wahrnehmung in den ausgewählten Quellen deutscher und englischer Herkunft quantitativ eingeschätzt und verglichen sowie die ermittelten Kategorien der Wahrnehmung, Deutung und Wertung auf ihre Signifikanz hin beurteilt werden. Nicht die Fragen nach bereits im Vorfeld festgelegten Ereignissen, ebenso wie nach Vorstellungen und Ideen stehen am Anfang, sondern die Frage nach der Wahrnehmung politischer und (zeit-)historischer Ereignisse. Die quantitative Auswertung bildet dabei die Grundlage für den Vergleich der Quellenauszüge. Erst durch eine solche statistisch basierte Vorgehensweise wird es möglich, die Darstellungen und Wahrnehmungen der Quellen miteinander zu verknüpfen und charakteristische Muster festzustellen, um ein mögliches kollektives Geschichtsdenken und eine gemeinsame Vorstellungswelt der Autoren und ihrer Rezipienten zu erkennen und worin diese begründet sein könnte, ebenso wie individuelle Sichtweisen, Interpretationen und Vorstellungen. Die Erkenntnisse zur Wahrnehmung von Ereignissen dienen dabei als Türöffner zu 113 Scior, Nation, Europa Welt?, S. 338. Darauf verweist für englische Chroniken auch Shopkow, History and Community, S. 231f. Auf den Aspekt Laienadel und die Rezeption der Historiographie geht auch Nass, Geschichtsschreibung am Hofe Heinrichs des Löwen, S. 159f. ein.
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Einleitung
diesen Welten. Dabei werden die Chroniken nicht komplett ausgewertet, sondern nur für das Reich zu den Regierungszeiten von Heinrich V. bis Heinrich VI. und für England von Heinrich I. bis zum Tod von Richard Löwenherz. Diese Eingrenzung wurde unternommen, um die Materialmenge zu vereinheitlichen und um eine zeitgenössische Wahrnehmung verschiedener Ereignisse zu erhalten. Daher wurde in den Quellen ein Zeitraum von bis zu 100 Jahren analysiert. Die Entscheidung für eine zeithistorische und gegen eine diachrone Perspektive wurde mit vorgenommen, da für frühere Jahrhunderte ältere Werke meist kompiliert wurden und weniger von aktuellen Entwicklungen und Materialien beeinflusst waren. Bei den verschiedenen Chronisten lässt sich beobachten, dass Darstellungen umso ausführlicher werden, sobald sie den eigenen Zeithorizont erreichen. Der Einfluss verschiedener Quellen (Briefe, Berichte, Hörensagen, eigenes Erleben etc.) auf die Darstellung der Chronisten gestaltete sich umfangreicher. Die Beziehung zu diesen Ereignissen war größer, da man selbst von diesen oder deren Auswirkungen betroffen sein konnte. Natürlich wäre ein Vergleich der Darstellung weiter zurückliegender Ereignisse in den Chroniken sicherlich ebenfalls erkenntnisreich, wurde aber aufgrund dessen und der Materialmenge zurückgestellt. Die Zuordnung zu Jahren bzw. Jahreszahlen wurde den Quellen entnommen, auch wenn diese inkorrekt waren, und wurde nicht angepasst, sondern in der zeitlichen Einordnung der Historiographen gelassen. Im Anschluss daran erfolgen Fallstudien. Diese Fallstudien werden nach der Anzahl der statistischen Häufigkeit der Nennungen in den Quellen ausgewählt. Hier stehen eine eingehende sprachliche Analyse der Fremddarstellung und die Kontextualisierung der Nennungen im Zentrum. Dadurch werden zwar einige Nennungen des anderen nicht untersucht, allerdings ist es dadurch möglich, gruppenspezifische Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster festzustellen und zu untersuchen. Auch besteht weniger die Gefahr, Einzelwahrnehmungen als spezifisch für das 12. Jahrhundert anzusehen.
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Quantitative Auswertung der Quellen aus dem deutschen Reich und aus dem England des 12. und frühen 13. Jahrhunderts
2.1
Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts im deutschen Reich
Allgemeine Untersuchungen zur Historiographie im deutschen Reich des 12. und frühen 13. Jahrhunderts lassen sich nur wenige finden. Um einen Überblick über die Entstehung, Entwicklung von Chroniken und Annalen im deutschen Reich zu erhalten – auch mit lokaler Verortung – muss man auf Franz-Josef Schmale, »Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vom Tode Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnum«, bzw. den Vorgängerband zurückgreifen.114 Seit den letzten Bearbeitungen des Wattenbach durch Schmale lassen sich keine Werke finden, die sich mit der lateinischen Historiographie, die im deutschen Raum entstand, in ihren Entwicklungen und Strömungen für das hohe Mittelalter insgesamt auseinandersetzt, sondern nur Untersuchungen zu einzelnen Autoren und Werken oder zu einzelnen Regionen oder Familien wie den Welfen. Bei diesen Untersuchungen standen adelige Familien und ihr Bezug zu Historiographen bzw. umgekehrt im Blickpunkt.115 Besonders die Welfen bzw. welfische Geschichtsschreibung waren meist im Fokus. Dies dürfte zum einen an der Historia Welforum als frühestem Beispiel einer adligen Historiographie im Reich nördlich der Alpen liegen.116 Zum anderen dürfte dieses große Interesse auch auf dem angeblichen staufisch-welfischen Gegensatz beruhen, dem Werner Hechberger als Vorstellung allerdings nur sehr begrenzten Wert zubilligte.117 Heinrich der Löwe soll, so findet es sich in zahlreichen Schriften, als einer der größten Mäzene des 12. Jahrhunderts Braunschweig zu einem Zentrum der 114 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V. Wattenbach/ Holtzmann/ Schmale Deutschlands Geschichtsquellen, 2: Investiturstreit. 115 Patze, Adel und Stifterchronik, S. 67–128. 116 Becher, Der Verfasser der »Historia Welforum«, S. 347f. Für einen Überblick zur Literatur zur Historia Welforum, siehe Becher, Der Verfasser der »Historia Welforum«, Anm. 3. 117 Hechberger, Die Vorstellung vom staufisch-welfischen Gegensatz, S. 425.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Historiographie gemacht haben, wobei er selbst außerordentliches Interesse an der Historiographie zeigte.118 Klaus Nass, der sich intensiv mit der Historiographie Sachsens auseinandersetzte119, konnte darlegen, dass der Welfe weder mit den Staufern auf dem Feld der Historiographie konkurrierte, noch dynastische Geschichtsschreibung förderte.120 Heinrich der Löwe interessierte sich eingehend erst am Ende seines Lebens für Historiographie, wie man durch die Chronik Gerhards von Steterburg weiß121, und veranlasste eine Kompilation, ein verlorenes Werk, meist Annales Brunswicenses genannt, das heute nur in spätmittelalterlichen Ableitungen vorhanden ist.122 Damit stünde Heinrich der Löwe in der Tradition des Laienadels – Klaus Nass verweist auf Friedrich I. Barbarossa, Herzog Leopold VI. von Österreich, Landgraf Hermann I. von Thüringen –, der durchaus Geschichtsschreibung schätzte, dem Werke gewidmet wurden, die auch an den Höfen vorgetragen wurden, aber bei dem explizites Mäzenatentum nicht vorhanden war.123 Neben der Rolle Heinrichs des Löwen für die Historiographie findet sich aber auch eine Diskussion über seine Rolle in der Historiographie.124 Herbert Wurster analysierte 1980 anhand eines chronologischen Durchgangs durch eine größere Anzahl mittelalterlicher Geschichtsschreiber die Entwicklung des Bildes von Heinrich und gelangte dabei zur Erkenntnis, dass zeitgenössische Darstellungen die Fürsten des Reichs als »Hauptgegner« sahen, während spätere Chronisten eher auf das Verhältnis Herzog–Kaiser eingingen.125 Einen ähnlichen Ansatz verfolgte 2007 die Sprach- und Literaturwissenschaftlerin Leila Werthschulte,
118 Philippi, Heinrich der Löwe als Beförderer, S. 50–65. McDonald/ Goebel, German Medieval Literary Patronage, S. 92–94. Weinmann, Braunschweig als landesherrliche Residenz, S. 259f. 119 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo. Aus dieser Habilitationsschrift ging auch die spätere Edition hervor: Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. v. Nass. Nass, Hofgeschichtsschreibung bei den Welfen, S. 107–118. 120 Nass, Geschichtsschreibung am Hofe Heinrichs des Löwen, S. 160f. Vgl. dazu auch: Nass, Geschichtsschreibung in Sachsen, S. 35–40. 121 Chronicon Stederburgense, S. 230: Ipse etiam licet robore et viribus corporis deficeret, et infirmitas, quae quemlibet hominem deiceret, graviter ipsi accederet, animi sui naturalem virtutem nobiliter regebat, et antiqua scripta cronicorum colligi praecepit et conscribi et coram recitari, et in hac occupatione saepe totam noctem duxit insomnem. 122 Nass, Geschichtsschreibung am Hofe Heinrichs des Löwen, S. 150. Hier sind auch die verschiedenen Ableitungen aufgeführt. 123 Nass, Geschichtsschreibung am Hofe Heinrichs des Löwen, S. 159f. 124 Jentzsch, Heinrich der Löwe im Urteil. Rasche, Heinrich der Löwe im Spiegel, S. 70–89. Jordan, Die Gestalt Heinrichs des Löwen im Wandel, S. 226–241. 125 Wurster, Das Bild Heinrichs des Löwen, S. 439. In diesem Band beschäftigen sich zwei weitere Aufsätze mit dem Bild Heinrichs des Löwen in Sagen und modernen Geschichtswerken: Gerndt, Das Nachleben Heinrichs des Löwen, S. 440–465. Schildt, Heinrich der Löwe im Geschichtsbild, S. 466–489.
Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts im deutschen Reich
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wobei sie allerdings historiographische und fiktionale Texte und Bildzeugnisse verglich. Neben der welfischen Historiographie standen auch Thüringen126, Bayern127 und Österreich128 als Regionen mit eigener Historiographie im Blickfeld. Die Beziehungen der Chroniken und Annalen innerhalb dieser Regionen wurden in der Forschung ebenso analysiert wie ihr Verhältnis zu führenden Familien. Neben den sich entwickelnden Landesherrschaften wurden auch die Staufer, v. a. Friedrich Barbarossa und ihre Darstellung in Chroniken und Annalen untersucht. Besonders Heinz Krieg analysierte das Bild Friedrich Barbarossas in stauferzeitlichen Chroniken und gelangt zu der Erkenntnis, dass die Historiographie unter dem Stauferkönig »neuen Schwung« erhielt, was sich sowohl quantitativ als auch qualitativ in der Entstehung neuer Werke niederschlug.129 Dabei stellt er eine Zunahme des Interesses an der Geschichte seit dem 11. Jahrhundert fest – was nicht nur an der vermehrten Schriftlichkeit des 12. Jahrhunderts gelegen habe, sondern auch an einem Wandel der Mentalität.130
2.1.1 Quellen mit Nennungen zum anglonormannisch-angevinischen England Die Kölner Königschronik – Chronica regia Coloniensis Zum Jahr 1110 S. 49, zum Jahr 1114 S. 53 (Recensio 1 codd. A), zum Jahr 1147 S. 84 (Recensio 1 codd. A., ebenso Recensio II codd. B. C.), zum Jahr 1161 S. 108 (Recensio I codd. A.), zum Jahr 1168 S. 120 (Recensio I, II), zum Jahr 1172 S. 123 (Recensio I, II), zum Jahr 1174 S. 125 (Recensio I, II), zum Jahr 1177 S. 129 (Recensio I codd. A2, C), zum Jahr 1182 S. 132 (Recensio I codd. A2, C), zum Jahr 1185 S. 134 (Recensio I, II), zum Jahr 1187 S. 135f. (Recensio I, II), zum Jahr 1188 S. 140 (Recensio I, II), zum Jahr 1189 S. 141 (Recensio I, II), zum Jahr 1189 S. 143 (Recensio I, II), zum Jahr 1190 S. 148 (Recensio I, II), zum Jahr 1191 S. 152 (Recensio I codd A2, C), zum Jahr 1191 S. 153 (Recensio II Codd B, C), zum Jahr 1191 S. 154 (Recensio II, codd B, C), zum Jahr 1192 S. 155 (Recensio I, II), zum Jahr 1193 S. 155f. (Recensio I codd. A2), zum Jahr 1194 S. 156 (Recensio I, II), zum Jahr 1195 S. 158 (recensio I, cod. A2).
126 Patze, Landesgeschichtsschreibung in Thüringen, S. 1–47. Tebruck, Die Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung. 127 Holzfurtner, Hermann von Niederaltaich, S. 95–115. Rehm-Deutinger (Hg.), Chronica Bavariae. 128 Schmale, Die österreichische Annalistik, S. 144–203. Moeglin, Dynastisches Bewußtsein, S. 593–635. 129 Krieg, Herrscherdarstellung, S. 21. Vgl. dazu auch: Krieg, Die Staufer in historiographischen Quellen, S. 53–66. Krieg, Im Spannungsfeld zwischen christlichen und adligen Normvorstellungen, S. 447–466. 130 Krieg, Herrscherdarstellung, S. 21.
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Quantitative Auswertung der Quellen
In den vergangenen Jahren beruhte die Beurteilung der Chronica regia Coloniensis auf den Erkenntnissen aus Norbert Breuers Dissertation »Geschichtsbild und politische Vorstellungswelt in der Kölner Königschronik sowie der ›Chronica S. Pantaleonis‹«.131 So soll die Kölner Königschronik im Anschluss an die Chronik Ekkehards von Aura (1106) und die Paderborner Annalen (bis 1144) in einem Zug bis 1197 geschrieben worden sein, wobei die Jahresberichte zu 1198 und 1199 angefügt worden seien.132 Dabei galt Köln immer als Entstehungsort dieser Chronik, ihr Verfasser als ein Kölner Domherr.133 Frühere Überlegungen zur Unterteilung dieser Chronik – und damit auch eine frühere Entstehungsgeschichte zumindest für Teile davon, wie sie Karl Pertz134 mit einem ersten Einschnitt von 1176 angedacht hatte, ähnlich Georg Waitz135 – wurden von Georg Breuer zurückgewiesen.136 Jüngst wurde die Einteilung nach Breuer von Manfred Grothen angezweifelt, der eine Vierteilung aufgrund textimmanenter Kriterien für gegeben annahm: 1145–1174 Chronica regia (abgeschlossen vor 1177); 1175–1186 1. Fortsetzung (entstanden vermutlich ab 1183); 1187–1198/99 2. Fortsetzung (1187–1199 konzipiert seit etwa 1195, abgeschlossen vor 1204; 1198–1199 entstanden zwischen 1204–1208; 1200–1220 3. Fortsetzung (nach 1215).137 Diese Einteilung und damit auch die Entstehungsgeschichte wird auch von Carl August Lückerath für »sehr bedenkenswert«138 gehalten. Allerdings plädiert Manfred Groten ebenfalls dafür, diese Chronik nicht einem unbekannten Kölner Historiographen bzw. mehreren zuzuschreiben, sondern verlegt den Entstehungsort aufgrund der in der Chronik erhaltenen Briefe des kaiserlichen Kaplans Burchard an den Siegburger Abt Nikolaus in das Kloster Siegburg, gegründet vom Kölner Erzbischof Anno II.139 Abt Nikolaus von Siegburg soll dabei Auftraggeber der Chronik gewesen sein; jener war häufig am Kölner Hof präsent, aber auch, gerade am Anfang seiner
131 Breuer, Geschichtsbild und politische Vorstellungswelt. 132 Breuer, Geschichtsbild und politische Vorstellungswelt, S. 17. Vgl. hierzu auch die Zusammenfassung der Forschungsgeschichte bei Groten, Klösterliche Geschichtsschreibung, S. 50f. 133 Lückerath, Art. Kölner Königschronik, Sp. 1268–1269. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 105. 134 Annales Colonienses Maximi, S. 725. 135 Chronica regia Coloniensis continuatio prima, S. 3. 136 Breuer, Geschichtsbild und politische Vorstellungswelt, S. 8f. 137 Groten, Klösterliche Geschichtsschreibung, S. 52 ff, 70f. 138 Lückerath, Chronica regia Coloniensis und Chronica Sancti Pantaleonis, S. 64. Auch bekräftigt Lückerath dies in Coloniensis ecclesia, Coloniensis civitas, Coloniensis terra, S. 2. 139 Groten, Klösterliche Geschichtsschreibung, S. 56. Zum Kloster Siegburg siehe Wisplinghoff, Das Erzbistum Köln, Bd. 2: Die Benediktinerabtei Siegburg; Wisplinghoff, Siegburg, S. 533–557.
Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts im deutschen Reich
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Amtszeit, im Umfeld des Königshofes anzutreffen.140 Carl August Lückerath lehnt diese These des Entstehungsortes vehement ab.141 Dabei sieht auch Manfred Groten eine starke Orientierung an der Politik und Sichtweise Friedrichs I. Barbarossa, wobei Erzbischof Rainald von Dassel »zum Idealbild des deutschen Fürsten und zweiten Helden der Königschronik stilisiert«142 wird. Dieses starke Interesse an kaiserlicher Politik, aber auch am Handeln des Kölner Erzbischofs, zeigt sich auch an den Einträgen zu England in der Kölner Königschronik, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts stark zunahmen. Zwar stehen einige dieser Einträge mit Köln in einem direkten Zusammenhang, andere sind auf die Politik Friedrichs I. Barbarossa oder Heinrichs VI. zurückzuführen. Allerdings verarbeitete der bzw. die Kölner Chronisten als einer/eine der wenigen deutschen Historiographen des 12. Jahrhunderts Nachrichten zu politischen Entwicklungen in England, die sich nicht direkt oder indirekt auf das Reich beziehen. Dies lag vermutlich an den engen, v. a. wirtschaftlichen Kontakten Kölns zu London.143 Zitiert werden die Einträge nach der Edition von Georg Waitz.144 Disibodenberger Annalen – Annales S. Disibodi Zum Jahr 1109 S. 20, zum Jahr 1125 S. 23, zum Jahr 1147, S. 27f.
Im Kloster auf dem Disibodenberg, im Zentrum des Naheraums, das seit 1108 mit Cluniazensern besetzt und im Besitz des Mainzer Erzbistums war, entstanden um die Mitte des 12. Jahrhunderts Annalen.145 Für den Zeitraum ab den 1070erJahren wurden Nachrichten aus verlorenen sächsischen Quellen zu einer Kaiserchronik kompiliert; nach 1147 wurde dann hauptsächlich nur noch über Vorgänge im Mainzer Bistum berichtet.146
140 Groten, Klösterliche Geschichtsschreibung, S. 59. 141 Lückerath, Chronica regia Coloniensis und Chronica Sancti Pantaleonis, S. 64. 142 Groten, Klösterliche Geschichtsschreibung, S. 60. Auf die pro-kaiserliche Gesinnung und die positive Kennzeichnung des Kölner Erzbischofs wies bereits Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 108, hin. 143 Zu englisch-deutschen Verbindungen siehe Huffman, Family, Commerce, and Religion. Vgl. auch Stehkämpfer, England und die Stadt Köln. Wand, Die Englandpolitik der Stadt Köln, S. 77–96. 144 Chronica regia Coloniensis (Annales Maximi Colonieses) cum Continuationibus in Monasterio S. Pantaleonis scriptis aliisque Historiae Coloniensis Monumentis. Im Weiteren kurz zitiert Chronica regia Coloniensis. 145 Gerlich, Art. Disibodenberg, Sp. 1111. Für die Edition siehe Annales S. Disibodi, ed. v. Georg Waitz, in: MGH SS 17, Hannover 1861, S. 6–30. 146 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 142f.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Die Einträge zu England konzentrieren sich auf die Heirat Heinrichs V. mit Mathilde bzw. deren Rückkehr und die Mitnahme der Hand des Hl. Jakob nach England 1125. Vermutlich aufgrund der Nähe zu Mainz bzw. zum Trifels gelangte das Disibodenberger Kloster in Kenntnis der Ereignisse. Zur Eroberung von Lissabon berichtet ein Brief des Dodechinus von Lahnstein, der in keinerlei Zusammenhang mit dem übrigen Text steht.147 Marbacher Annalen – Annales Marbacenses Zum Jahr 1125 S. 43, zum Jahr 1152 S. 48, zum Jahr 1170 S. 51, zum Jahr 1188 S. 60, zum Jahr 1190 S. 61, zum Jahr 1191 S. 63.
Zum Entstehungshintergrund der sogenannten Marbacher Annalen148 wird seit über 100 Jahren diskutiert.149 Roman Deutinger beschäftigte sich 2000 mit den verschiedenen Theorien zur Entstehungsgeschichte und gelangt zu dem Schluss, dass diese in den 1230er-Jahren im Augustiner-Chorherrenstift in Marbach kompiliert und wenige Jahre später im Zisterzienserkloster Neuburg überarbeitet wurden.150 Heute liegen uns diese Marbacher Annalen noch in einer Reinschrift eines Jenaer Codex vor, denen eine Abschrift der Gesta Frederici Ottos von Freising und Rahewins vorangeht.151 Deutinger weist darauf hin, dass man strenggenommen zwischen drei Marbacher Annalen unterscheiden müsse: den heute bekannten Text des Neuburg-Jenaer Codex, die darin verarbeitete ältere Kompilation aus den 1230er-Jahren und den Marbacher Aufzeichnungen des 12. Jahrhunderts, die dem Kompilator vorlagen und die vom Editor Hermann Bloch als Notae Marbacenes bezeichnet wurden.152 Der Neuburger Bearbeiter arbeitete eigene Zusätze ein, die allerdings schwierig vom Text zu trennen sind.153 Welche Quellen dem Marbacher Kompilator alle zur Verfügung standen – für das 12. Jahrhundert kann man sicher nur die Gesta Frederici nachweisen – bleibt unklar; allerdings arbeitete er heute verlorene Berichte ein, wodurch die Marbacher Annalen nicht nur für die Geschichte des Elsass zu einem einzigartigen
147 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 143. 148 Annales Marbacenses qui dicuntur, hg. von Hermann Bloch (MGH SS. rer. Germ. 9) Hannover/ Leipzig 1907, S. 1–103. 149 Zur Forschungsgeschichte siehe Deutinger, Zur Entstehung, S. 505–507. 150 Deutinger, Zur Entstehung, S. 520f. Beeinflusst in der Datierung wurde er v. a. durch Überlegungen Holtzmanns, Zu den Marbacher Annalen, S. 48–62. 151 Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen, hg. von Schmale, S. 5. 152 Deutinger, Zur Entstehung, S. 522. 153 Deutinger, Zur Entstehung S. 511, kritisiert Hermann Bloch, der der Ansicht war, dass man klar zwischen den Marbacher Annalen und den Neuburger Zusätzen unterscheiden könne.
Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts im deutschen Reich
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Wert für das späte 12. und frühe 13. Jahrhundert werden.154 Der Interessensschwerpunkt des Kompilators lag dabei auf der fränkisch-deutschen Königsbzw. Kaisergeschichte, v. a. verkörpert durch Friedrich I. Barbarossa und Heinrich VI.;155 allerdings zeigen die Berichte über die Könige und Kaiser nach 1200, dass das Interesse und die Verehrung nicht speziell den Staufern entgegengebracht wurde, sondern den Herrschern allgemein.156 Die Marbacher Annalen enthalten sowohl Einträge zur Rückkehr Mathildes nach England, den verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Heinrich dem Löwen und Heinrich II. von England und dem 3. Kreuzzug. Burchard von Ursberg – Chronicon Zum Jahr 1162 S. 46, zum Jahr 1168 S. 49, zum Jahr 1187 S. 59, zum Jahr 1191 S. 62f., zum Jahr 1191 S. 63f., zum Jahr 1192 S. 64, zum Jahr 1193 S. 72, zum Jahr 1197 S. 73.
Burchard von Ursberg157 ist einer der wenigen Autoren, die als klar stauferfreundlich bezeichnet werden.158 Der in Biberach an der Riß vor 1177 geborene Chronist wurde 1202 zum Priester geweiht, trat 1205 dem Prämonstratenserorden bei und wurde vor 1215 Propst in Ursberg.159 Schon als junger Mann, aber auch nach seinem Beitritt bei den Prämonstratensern, unternahm er zahlreiche Reisen nach Italien und Rom, durch die er Kontakte knüpfen konnte. Diese nutzte er auch für seine um 1229/30 entstandene Chronik, um Zugang zu Materialien zu erhalten.160 Schmale vermutet sogar, dass Burchard ein Rechtsstudium in Bologna absolviert hat.161 Zwar war sein Interesse an Geschichte schon früh ausgeprägt; veranlasst, eine eigene Weltchronik zu schreiben, wurde er aber 154 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 124. 155 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 124. 156 Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen, hg. von Schmale, S. 10. 157 Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg (Burchardi praepositi Urspergensis Chronicon), hgg. von Oswald Holder-Egger/ Bernhard von Simson (MGH SS. rer. Germ.16), Hannover/ Leipzig 21916. Burchard von Ursberg hat in seiner Chronik die komplette Chronik Frutolf-Ekkerhards aufgenommen, die aber in der kritischen Edition ebenso wie in der Übersetzung durch Matthias Becher nicht verzeichnet ist. Für die Einträge zu England siehe daher Ekkehard von Aura. 158 Maleczek, Art. Burchard von Ursberg, Sp. 952.Vgl. Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchards von Ursberg, hg. u. übs. von Becher, S. 9. Vgl. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S 116. 159 Maleczek, Art. Burchard von Ursberg, Sp. 952. 160 Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchards von Ursberg, hg. von Becher, S. 9. 161 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 116.
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Quantitative Auswertung der Quellen
vermutlich durch die Lektüre der Chronik Frutolfs von Michelsberg und Ekkehards von Aura (Rezension IV), auf deren Werk er sich bis 1125 in seiner eigenen Chronik stützte.162 Für das weitere 12. Jahrhundert stützte er sich auf die Historia de duabus civitatibus, evtl. auch die Gesta Frederici – oder deren Kompilation in der Chronik Ottos von St. Blasien – das verlorene Werk Johanns von Cremona und weitere v. a. schwäbische Quellen.163 Für die Nachrichten zum 3. Kreuzzug nutzte er neben weiteren italienischen Quellen die Brevis historia occupationis et amissionis terrae sanctae164, die er allerdings mit Zusätzen versah. Ab Heinrich VI. stützte er sich nicht mehr nur auf historiographische Werke, sondern es finden sich auch eigenes Erleben und Augenzeugenberichte in seiner Chronik.165 Zwar nahm Burchard von Ursberg die Verwandtschaft Heinrichs des Löwen zu England, die Ermordung Thomas Beckets und Englands Position beim Alexandrinischen Schisma durchaus wahr, der Schwerpunkt bei englischen Nachrichten liegt allerdings beim 3. Kreuzzug, den er aus der Brevis historia übernahm. Otto von St. Blasien – Chronica Zum Jahr 1159 S. 14, zum Jahr 1171 S. 35, zum Jahr 1186 S. 40, zum Jahr 1188 S. 45, zum Jahr 1190 S. 54f., zum Jahr 1191 S. 57–59, zum Jahr 1195 S. 66, zum Jahr 1196 S. 66f.
Zur Frühgeschichte des Kloster St. Blasien im Schwarzwald ist wenig bekannt. Vermutlich kann man von einer Kontinuität zwischen der Rheinauer »Cella Alba« des 9. Jahrhunderts (erwähnt um 858) und dem im 11. Jahrhundert von Rheinau emanzipierten Kloster St. Blasien ausgehen.166 Seine Bedeutung erlangte das Kloster v. a. in der Reformbewegung durch die Verbindung mit Fruttuaria, gefördert von Kaiserin Agnes und Rudolf von Rheinfelden. Als Reformzentrum entsandte das Kloster Mönche in weitere Klöster, u. a. Donauwörth, Göttweig und Wiblingen, und wirkte über Verbrüderungsverträge.167 Die Chronik Ottos von St. Blasien entstand um 1209, als also der Reformeifer abgeklungen war und sich die Aktivitäten auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Ausbau verlagert hatten.168 Otto von St. Blasien – seine Identifizierung mit Abt Otto I. von St. Blasien ist dabei unwahrscheinlich – entwickelte diese als 162 Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchards von Ursberg, hg. von Becher, S. 9. 163 Neel, The Historical Work of Burchard of Ursberg, III, S. 20f., S. 25. 164 Brevis historia occupationis et amissionis terrae sanctae, hg. von Thomas, S. 141–171. 165 Neel, The Historical Work of Burchard of Ursberg, III, S. 38. 166 Hugo Ott, St. Blasien (Germania Benedictina), S. 146. Für die kritische Edition siehe Otto von St. Blasien, Chronica, ed. v. Adolf Hofmeister (MGH Script. rer. Germ. 47), Hannover/ Leipzig 1912. 167 Ott, Art. St. Blasien, Sp. 1136f. 168 Ott, Art. St. Blasien, Sp. 1137.
Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts im deutschen Reich
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Weiterführung der Chronik Ottos von Freisings und Rahewins Gesta Frederici.169 Ab Kapitel 17 wurde die Chronik selbstständig verfasst, wobei die Quellen hierfür unklar sind. Schmale vermutet, dass Otto von St. Blasien bei Ereignissen eher nicht mit dabei war, wodurch Fehler in seinem Werk zustande kamen, ebenso wie durch mangelnde Notizen.170 Die mittelalterliche Bibliothek wurde 1322 fast vollständig bei einem Brand zerstört, sodass auch hier keine Rückschlüsse möglich sind.171 Otto zeigte dabei besonders großes Interesse am 3. Kreuzzug, mit dem auch viele Einträge zu England verbunden sind. Während Schmale allerdings noch das Weltbild Ottos als ähnlich zu dem von Otto von Freising und Rahewins ansieht, in dem den Staufern, aber auch Otto IV., höchste Anerkennung entgegengebracht wurde,172 kritisiert Heinz Krieg173 diese Annahme und legte eine Reserviertheit und kritische Distanz v. a. zu Friedrich I. Barbarossa offen, die durch die Nähe zu den Zähringern, die seit 1125 das Amt des Klostervogts inne hatten, zustande gekommen war. Würzburger Annalen – Annales Herbipolenses Zum Jahr 1156 S. 9.
Die Würzburger Annalen174 stammen aus einer Handschrift der Chronik Ekkehards von Aura (Rezension IV) und sind als eine Art Fortsetzung für diese zu betrachten mit Einträgen zu 1125–1158, 1202–1204 und 1215.175 Die Würzburger Annalen beinhalten nur einen Eintrag zu England, nämlich einen Bericht zu einem Hochzeitsgeschenk des englischen Königs an Friedrich I. Barbarossa zu dessen Vermählung 1156. Da diese Hochzeit in Würzburg stattfand, lässt dies vermuten, dass der Würzburger Annalist dieses Geschenk selbst gesehen hat. Ekkehard von Aura – Chronicon universale Zum Jahr 1106 (Rezension III) S. 237f., zum Jahr 1114 (Rezension III) S. 247, zum Jahr 1124 (Rezension IV) S. 262.
Eine Chronik in mehreren Entstehungsstufen verfasste Ekkehard von Aura zwischen 1106 und 1125. Der um 1080 geborene Chronist aus Bayern, vermutlich 169 170 171 172 173 174 175
Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen, hg. von Schmale, S. 1. Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen, hg. von Schmale, S. 1. Houben, Bibliothek und Skriptorium, S. 46. Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen, hg. von Schmale, S. 2f. Krieg, Die Zähringer, S. 43, S. 58. Annales Herbipolenses, hg. von Pertz, in: MGH SS 16, Hannover S. 1–12. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 149.
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Quantitative Auswertung der Quellen
edelfreier Abstammung aus dem Haus der Aribonen, nahm am Kreuzzug von 1101 an der Seite von Welf IV. teil, bevor er Mönch in Tegernsee wurde.176 Kurz darauf war er in der Umgebung Heinrichs V. anzutreffen und begleitete dessen Zug von Sachsen nach Mainz über Würzburg und Nürnberg.177 Hier lernte er vermutlich auch Bischof Otto von Bamberg kennen, mit dem er 1105 nach Bamberg ging und 1106 auf eine Reise nach Rom, wobei Ekkehard schon in Trient nach einem Aufeinandertreffen mit Anhängern Heinrichs IV. wieder umkehrte.178 1108 gründete Bischof Otto das Kloster Aura, wo Ekkehard erster Abt wurde, wobei er vermutlich erst mit der Weihe 1113 dorthin ging.179 Zuvor hatte er sich wohl im Würzburger Burchardskloster aufgehalten.180 Angeregt, historiographisch tätig zu werden, wurde Ekkehard vermutlich bei seinem Aufenthalt 1105 im Bamberger Michaeliskloster, als er mit der Chronik Frutolfs von Michelsberg in Berührung kam. Da er am Kreuzzug von 1101 teilgenommen und das Heilige Land kennengelernt hatte, ersetzte er die Jahresberichte zu 1098 und 1099, die Frutolf einem Bericht entnommen hatte, und setzte die Chronik bis 1106 fort (=Rezension I).181 Aufgrund seiner geplanten Reise nach Rom beendete er die Arbeit an der Chronik und nahm, nach der Theorie Franz-Josef Schmales, die Arbeit daran nach seiner Rückkehr wieder auf und fertigte ein Exemplar für Heinrich V. an, das bis zum Ende des Jahres 1106 reichte (Rezension II).182 Nach Franz-Josef Schmale und Irene Schmale-Ott, die beide überzeugt sind, dass die Anoynme Kaiserchronik nicht von Ekkehard stamme, pausierte er einige Jahre in seiner historiographischen Tätigkeit und schrieb in Würzburg die sog. jüngere Vita Burchardi.183 1116 setzte Ekkehard seine Chronik fort und widmete Abt Erkembert von Corvey, der eine Abschrift gewünscht hatte, eine Ausgabe (Rezension III).184 Diese Ausgabe erfuhr eine Erweiterung bis 1125 (Rezension IV), die mit dem Tod Heinrichs V. und dem Hinweis auf eine Seuche endet.185 Dass Ekkehard von Aura alle vier Rezensionen verfasste, wurde jüngst 176 Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die Anonyme Kaiserchronik, hgg. u. übs. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 22f. Vgl. dazu Schmale, Art. Ekkehard von Aura, Sp. 1765f. Zwar wurde bei der Quellenanalyse die Einteilung nach Rezensionen von Schmale und Schmale-Ott übernommen, zitiert wird allerdings nach Ekkehardi Uraugiensis Chronica, hg. von Waitz, in: MGH SS 6, S. 1–267. 177 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 24. 178 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 24. 179 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 26. 180 Schmale, Art. Ekkehard von Aura, Sp. 1765. 181 Schmale, Art. Ekkehard von Aura, Sp. 1765. Vgl, Frutolfs und Ekkehards Chroniken, S. 33f. 182 Schmale, Art. Ekkehard von Aura, Sp. 1765. Vgl. Frutolfs und Ekkehards Chroniken, S. 34. 183 Zur Anonymen Kaiserchronik und die Diskussion um die Autorschaft siehe den anschließenden Abschnitt. Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 26f. 184 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 27, S. 34–36. 185 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 36–38.
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von Thomas McCarty aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Kohärenz angezweifelt.186 Ekkehard von Aura arbeitete in seine Chroniken eigene Erfahrungen ein – wie die des Kreuzzugs oder der Teilnahme am Zug Heinrichs V. –, zog aber auch Chroniken wie die Siegeberts von Gembloux für seine Arbeit heran. Dabei war er weniger an der Vergangenheit interessiert als an seiner eigenen Zeit.187 Tief geprägt war er dabei von seiner Vorstellung, dass Gott unmittelbar in der Geschichte wirke, wobei er die Einheit zwischen Königen, Bischöfen und Rom als unabdingbar empfand.188 Daher blieb er auch Zeit seines Lebens Anhänger Heinrichs V., da er von dessen anfänglichem Reformeifer beeindruckt war.189 Besonders die Rezension IV seiner Chronik verbreitete sich schon sehr früh in Nord- und Mitteldeutschland. Vor allem in der sächsischen Historiographie wurde Ekkehard von Auras Chronik rege genutzt.190 Direkt oder indirekt bzw. beides zugleich verwertet, finden sich Auszüge in den Paderborner Annalen, in den Pegauer Annalen, bei Helmold von Bosau, bei den Magdeburger Annalen etc.191 Drei Einträge zu England finden sich in der Rezension III und IV, wobei der Eintrag zu 1106 aus einem öffentlichen Brief Heinrichs V. stammt, worin er Stellung zu den Klagen seines Vaters nahm, der im Ausland, u. a. in England, um Unterstützung zur Wiedergewinnung seines Thrones suchte. Der Eintrag zur Hochzeit 1114 ist dabei ähnlich dem in den Hildesheimer und den Paderborner Annalen. Für den angestrebten Frankreichfeldzug zur Unterstützung Heinrichs I. von England bietet Ekkehard die früheste Nennung. Annalista Saxon hat diese wahrscheinlich von ihm rezerpiert.
186 McCarthy, Chronicles of the Investiture Contest, S. 43. Vgl. Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik, hgg. v. Hartmann, Georgiou (MGH SS 33,2), Digitale Vorab-Edition 2016, S. XIX. Eine eingehende Darlegung der Gründe für diese Überlegung steht allerdings bis zur Veröffentlichung der Neuedition der Weltchronik Ekkehards von Aura, der sog. Hierosolymita der Weltchronik Frutolfs von Michelberg und deren Fortsetzungen und der Anonymen Kaiserchronik noch aus. Im Folgenden zitiert als: Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik. 187 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott S. 28. 188 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 31. 189 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, S. 31. Vgl. dazu auch, Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 359. 190 Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hgg. von Schmale/ Schmale-Ott, S. 80–83. 191 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 81f.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Die Anonyme Kaiserchronik – Chronici imperatorum a tempore Karoli Magni usque ad a. 1114 libri III Zum Jahr 1114 S. 151f.
Die Frage nach dem Verfasser der Anonymen Kaiserchronik zählt sicherlich mit zu den meist diskutierten Fragen zu Chroniken des 12. Jahrhunderts.192 Das im Autograph erhaltene Werk befindet sich heute in England.193 Entstanden ist die Chronik hauptsächlich in den Jahren 1112/1113, während Teile des Jahres 1113 und sowie das Jahr 1114 wie der Prolog von anderen Händen nach Abschluss des eigentlichen Textes hinzugefügt wurden.194 Geschrieben wurde die Anonyme Kaiserchronik auf Wunsch Heinrichs V.195 und umfasst die Jahre vom Eintritt der Franken in die Geschichte bis zum Jahr 1114. Die Basis des Werkes bildete dabei Ekkehard von Auras Universalchronik, weshalb Georg Waitz diese als Rezension C der Chronik bezeichnete.196 Diese Ansicht setzte sich durch, bis Irene SchmaleOtt 1956197 die Verfasserschaft Ekkehards von Aura für die Chronik bezweifelte. Aufgrund der Analyse des Schriftbildes hält sie es für unwahrscheinlich, dass Ekkehard ebenfalls Autor der Kaiserchronik sei, bei der kein Verfasser genannt ist.198 Diese These führte sie in den folgenden Jahren199 weiter aus und dieser These liegt auch die Edition und Übersetzung in der FSGA-Ausgabe zugrunde. Sie vermutet vielmehr, dass der Schotte David, der Leiter der Würzburger Domschule gewesen war und Heinrich V. auf seinem Italienzug 1111 begleitete und ein heute verlorenes Werk dazu schrieb, vielmehr Verfasser der Chronik gewesen sei.200 In der Quelle selbst findet sich ein Verweis auf den David – allerdings in der dritten Person – und dessen Beauftragung, den Italienzug schriftlich festzuhalten. Dieses Werk findet sich heute in Ableitungen in mehreren 192 Die Zitierung erfolgt nach der digitalen Vorab-Edition vorgenommen von Martina Hartmann, unter der Mitarbeit von Ioanna Georgiou. Siehe S. 33, Anm. 186. 193 Corpus Christi College, MS. 373. Eine vollständige Digitalisierung des Codexes findet sich auf den Seiten der Parker Library: https://parker.stanford.edu/parker/catalog/pq756vs0720, aufgerufen am 24. Juli 2021. 194 Hoffmann, Bamberger Handschriften, S. 55. Hoffmann nennt hier vier Hände (A, B, C, D), wobei B den überwiegenden Teil der Chronik geschrieben hat, während A für den Prolog und für die zweite Hälfte des Jahres 1113 und die erste Hälfte des Jahres 1114 verantwortlich ist. Der Eintrag zu für diese Arbeit wichtigen Quellenstelle erfolgte von A. Vgl. dazu auch Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die Anonyme Kaiserchronik, hg. Schmale/ Schmale-Ott, S. 42 und S. 262. 195 Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik, Prolog, S. 1f. 196 Ekkehardi Uraugiensis chronica, S. 9 197 Schmale-Ott, Die Rezension C, S. 364. 198 Schmale-Ott, Die Rezension C, S. 365. 199 Schmale-Ott, Untersuchungen zu Ekkehard von Aura, S. 403–461. Sie weist dabei auch auf die unterschiedlichen Argumentationsstrukturen und eine unterschiedliche Haltung zu Heinrich IV. hin. 200 Schmale-Ott, Die Rezension C, S. 379–387.
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englischen Quellen.201 Später schrieb Schmale-Ott das Werk Bischof Otto I. von Bamberg zu, einem Freund und Förderer Ekkehard von Aura, der ihn zum ersten Abt des Klosters Aura machte.202 1995 zweifelte Hartmut Hoffmann diese These an, nachdem er die Handschrift eingehend untersucht hatte, und konnte darlegen, dass die Handschrift B doch mit der Handschrift Bose q. 19 der Universitätsbibliothek Jena – die eine Fortsetzung von Frutolf von Michelsbergs Chronik durch Ekkehard von Aura enthält, die ebenfalls als Autograph gilt – übereinstimmt.203 Somit lag die Vermutung wieder nahe, dass trotz unterschiedlicher Ansichten zu Heinrich IV., Ekkehard von Aura Autor der Anonymen Kaiserchronik gewesen sei.204 Thomas McCarthy bezweifelt dies allerdings und schließt sich bei der Frage nach dem Autoren wiederum Irene Schmale-Ott an, mit der Einschränkung, dass er den Autoren in der Umgebung Bischof Ottos von Bamberg vermutet.205 Auch Martina Hartmann ist der Auffassung, dass aufgrund inhaltlicher Argumente, wie auch des schlechteren sprachlichen Stils bei Ekkehard, die Anonyme Kaiserchronik keine weitere Rezension der Chronik Ekkehards von Aura darstellt. Bei der Frage nach der Identität des Autoren lässt sie allerdings keine eindeutige Zuordnung zu.206 Die Chronik wurde, wie bereits dargestellt, auf Wunsch Heinrichs V. geschrieben und vermutlich von Mathilde 1125 in ihre Heimat mitgenommen, wo sie sich bis heute befindet. Trotz dieser engen Anbindung an den Hof Heinrichs V. und Mathilde erfährt man hier nur wenig über die deutsch-englischen Beziehungen. Nur der Hochzeit 1114 widmete der Autor größere Aufmerksamkeit. Allerdings bleibt die Frage bestehen, wer genau diesen Abschnitt geschrieben hat bzw. woher die Informationen zu diesem Ereignis kommen, da genau dieser Abschnitt von einer anderen Hand geschrieben wurde als der Rest.
201 Johannes von Worcester, Wilhelm von Malmesbury und Orderic Vitalis verwendeten es für ihre Chroniken. 202 Schmale-Ott, Untersuchungen zu Ekkehard von Aura, S. 453, S. 457. Zu Bischof Otto I. von Bamberg siehe: Guth, Heiliger Bischof Otto, S. 38–60. Ertl/ Stoll, Otto von Bamberg, S. 105–113. 203 Hoffmann, Bamberger Handschriften, S. 56, S. 59. 204 O. V., Chronico imperatorum (Repertorium »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters«). Vgl. Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik, S. XX. 205 McCarthy, Chronicles of the Investiture Contest, S. 58. 206 Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik, S. XXXII, S. XXXVII. Dabei bleibt auch die Frage unbestimmt, wie die Rezensionen der Chronik Ekkehards mit der Kaiserchronik zusammenhängen. MyCarthy vermutet, dass es eine heute verlorene Vorlage für beide Chroniken gab. Eine Auseinandersetzung mit den Überlegungen Hartmut Hoffmanns steht hierfür allerdings noch aus.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Otto von Freising – Chronica sive Historia de duabus civitatibus Zum Jahr 1114 S. 329, nach 1114 S. 332f., zusammengefasst mit Kenntnissen zum Jahr 1141 S. 341.
Otto von Freising207, ca. 1112–1158, Sohn des Markgrafen Leopold III. von Österreich und der Salierin Agnes, Schwester Heinrichs V., war schon früh für den geistlichen Stand bestimmt. 1126 wurde er Propst des Stifts Klosterneuburg, dessen Einkommen sein Studium in Paris finanzieren sollte, welches er zur gleichen Zeit aufnahm. 1132 trat er mit 15 seiner Studienkollegen dem Zisterzienserorden im Kloster Morimond bei, wo er 1138 zum Abt gewählt wurde. Im selben Jahr übernahm er auf Bitte Konrads III. die Freisinger Bischofswürde. Trotz der hohen Position im Reichsepiskopat und seiner engen Verwandtschaft zu König und Fürsten zeigte er sich sehr zurückhaltend bei Reichsgeschäften. So ist nur eine Reise nach Rom im Dienste Konrads III. bezeugt und seine Unterstützung für Friedrich I. bei dem Ausgleich Staufer-Welfen-Babenberger.208 Die Teilnahme am 2. Kreuzzug erfolgte aus persönlichen und religiösen Motiven.209 Die Chronica sive Historia de duabus civitatibus wurde vom Freisinger Bischof zwischen 1143 und 1146 auf Bitten Isingrims, Abt von Ottobeuren, verfasst – konzipiert als Fortsetzung Orosius und beieinflusst durch die Gedanken Hugo von St. Victors, dessen Schüler er in Paris gewesen war. Otto von Freising sah sein Werk allerdings nicht als Chronik an, sondern er »sah sich als Zuarbeiter für den gewissenhaften Erforscher des Weltzustandes […], dem er etwas zeigen […] und damit die Wandelbarkeit der Welt nachweisen wollte: nicht das Erzählen von Geschichte um ihrer selbst willen hielt er für seine Aufgabe. Sondern das Verifizieren einer Theorie am empirisch prüfbaren Material.«210
Beeinflusst durch den Investiturstreit fühlte sich Otto von Freising als Teilhaber einer Zeit, die geprägt von Veränderungen und Umbrüchen war und existentielle Betroffenheit und Angst auslöste.211 Die Historia sollte daher auch die Verfallsund Leidensgeschichte der Menschheit darstellen, die in der Erlösung endet.212 207 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus. Die neueste und ausführlichste Biographie stammt dabei von Ehlers, Otto von Freising. Kürzere Darstellungen seines Lebens finden sich Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 50–55, Schnith, Art. Otto von Freising, Sp. 1581–1583, und Goetz, Otto von Freising, S. 684–686. 208 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. S. 51. 209 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. S. 51. 210 Ehlers, Otto von Freising, S. 169. 211 Ehlers, Otto von Freising, S. 176. Friedrich I. sah das Werk dennoch sehr pragmatisch an und nutzte es als historisches Referenzwerk. 212 Ehlers, Otto von Freising, S. 199, 202.
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Der düstere Grundton war dem Autor dabei bewusst, entschuldigt er sich doch später in einem dem Widmungsexemplar beigelegten Brief an Friedrich I.213 Die Quellen für sein Werk waren vielfältig;214 für seine eigene Zeit, d. h. die Regierungszeit Heinrichs V. bis 1146, nutzte er vermutlich v. a. Berichte, nichtschriftliche Nachrichten, eigene Beobachtungen und Erlebnisse, zu denen er als ranghohes Mitglied des Episkopats und enger Verwandter von König und Fürsten Zugang hatte – schließlich war er Enkel Heinrichs IV., Neffe Heinrichs V., Halbbruder Konrads III. und Bruder zweier Herzöge von Bayern.215 Die erste Nachricht zu England, der Eintrag zur Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde, stammt dabei evtl. noch von Ekkehard von Aura. Die beiden weiteren Informationen dürften durch die Kontakte Ottos zu erklären sein. Sie sind singulär in der Wahrnehmung Englands im Reich und kommen in keiner anderen untersuchten Chronik vor. Otto von Freising beschrieb eine allgemeine Reichssteuer, die nach dem Vorbild Englands hätte eingeführt werden sollen, und er berichtete auch über den sogenannten englischen Bürgerkrieg. Die Interpretation des Eintrags zum Bürgerkrieg bleibt dabei umstritten. Während Joachim Ehlers diesen Eintrag als Hinweis auf die Verwandtschaft216 ansieht – ohne Hinweis, ob diese als positiv oder negativ angesehen wurde –, sah Walther Lammers diese eher im Zusammenhang mit einem historischen Krisenbewusstsein: »Was zu ihm an Nachrichten aus Nachbarreichen und aus überseeischen Ländern herüberdrang, war für ihn ungeheuerlich, erregte den Ekel des Betrachters und galt ihm als Vorzeichen des nahen Untergangs der Welt.«217 Otto von Freising und Rahewin – Gesta Friderici I. imperatoris Zum Jahr 1125 S. 30, zum Jahr 1142 S. 38f., zum Jahr 1146? S. 63, zum Jahr 1157 S. 167, zum Jahr 1157 S. 171f., zum Jahr 1157 S. 173, zum Jahr 1159 S. 267, zum Jahr 1159 S. 310, zum Jahr 1159 S. 311f., zum Jahr 1160 S. 337, zum Jahr 1160 S. 341, zum Jahr 1160 S. 345.
Friedrich I. erhielt im Frühjar 1157 durch Abt Rapoto von Weihenstephan und Kaplan Rahewin eine Abschrift der Historia de duabus civitatibus Ottos von Freising überreicht – vermutlich hatte er selbst um ein Exemplar gebeten. In dem beigefügten Widmungsschreiben entschuldigte der Freisinger Bischof den pes213 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, Brief an Kaiser Friedrich I., S. 1: liber, qui ante aliquot annos de mutatione rerum a nobis ob nubilosa tempora conscriptus est, […]. 214 Eine Übersicht, allerdings nur eine ungefähre, da die Quellen nicht mit hundertprozentiger Sicherheit bestimmt werden können bieten, von den Brincken, Studien zur lateinischen Weltchronistik, S. 221f. 215 Otto von Freising, Chronik oder die Geschichte der zwei Staaten, übs. Schmidt, hg. v. Lammers, Literaturnachtrag v. Goetz, Einleitung v. Walther Lammers, S. XXXVII. 216 Ehlers, Otto von Freising, S. 29f. 217 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, Einleitung v. Walther Lammers, S. XI.
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Quantitative Auswertung der Quellen
simistischen Grundton des Werks, fügte aber hinzu, dass er gerne Positives zur Regierungszeit seines Neffen berichten würde, wenn er Informationen dazu erhielte.218 Otto von Freising erhielt vermutlich bereits im April/ Mai 1157 diese Informationen – einen Kanzleibericht, den er als Basis für Buch II seiner Gesta Friderici nahm und ihn nur wenig erweiterte.219 Buch I stellte dabei eine Überarbeitung des Buches VII der Chronica dar, die er schon 1147 in Angriff genommen, aber aufgrund des 2. Kreuzzugs beendet hatte.220 Trotz dieser engen Verbindung zum Hof wäre es falsch anzunehmen, dass die Gesta Friderici reines Stauferlob bzw. Propaganda seien. Zwar hielt sich Otto von Freising an die rhetorischen Gestaltungsmittel für eine Lobrede, aber der Text sollte Friedrich I. auch an seine Aufgabe als Friedensbringer erinnern, der den Bruch zwischen imperium und sacerdotium – Otto von Freising litt sehr unter den Konflikten zwischen Papst und Kaiser, besonders nachdem in Besanҫon wieder die Spannungen aufgebrochen waren – heilen sollte; andererseits wollte er ihn für das Bistum Freising einnehmen, das immer wieder unter den welfisch-babenbergischen Auseinandersetzungen und Bestrebungen gelitten hatte.221 Nach dem Tod Ottos in Morimond setzte Rahewin, der schon die Chronica niedergeschrieben hatte, auf Wunsch Ottos die Gesta für die Jahre 1157 bis 1160 fort. Rahewin stammte vermutlich aus einer gehobenen Familie aus der Freisinger Gegend und war seit 1144 als Notar an der Seite Ottos. Nach dessen Tod wurde er Propst von St. Veit, unterrichtete an der Domschule und schrieb mehrere Gedichte.222 Während Otto von Freising für Buch I auf seiner Chronica aufbauen und für Buch II der Gesta Friderici den Kanzleibericht verwenden konnte, musste Rahewin weiteres zeitgenössisches Material sammeln. Allerdings lag die Schwierigkeit für ihn darin, dass er kein ranghohes Mitglied des Episkopats und des Hofes und daher auf Informationen durch andere angewiesen war.223 Rahewin war zwar bei den Reichstagen in Würzburg, Regensburg, Augsburg und Roncaglia vor Ort und konnte auch als Augenzeuge für die italienischen Ereignisse im Winter / Frühjahr 1159 auftreten, benötigte aber gut informierte Hofleute für Hintergrundiformationen, die er in Kanzler Ulrich von Dürrmenz 218 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus: Schreiben an Kaiser Friedrich, S. 1, S. 3. 219 Otto von Freising und Rahewin, Gesta Friderici I. imperatoris, S. 1–5. Vgl. dazu Ehlers, Otto von Freising, S. 224. 220 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 57. Hageneier, Die frühen Staufer S. 377–396, ebenso Giese, Über die Gesta Friderici, S. 312. 221 Ehlers, Otto von Freising, S. 219, S. 224, S. 226, S. 232. Vgl. Deutinger, Rahewin von Freising, S. 148. 222 Zu einem ausführlichen biographischen Überblick siehe Deutinger, Rahewin von Fresing, S. 7–26. 223 Deutinger, Rahewin von Freising, S. 91. Vgl. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 65.
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und Notar / Protonotar Heinrich fand.224 Des Weiteren sammelte er zahlreiche Gesetzestexte und Briefe, die dadurch Eingang in die Gesta Friderici fanden, aber auch für unterschiedliche Haltung besonders im Hinblick auf das Schisma sorgten.225 Zahlreiche Nachrichten zu England sind auch diesen Briefen zu entnehmen, die sich zumeist auf das Alexandrinische Schisma beziehen (zu 1159 S. 310, zu 1159 S. 311f., zu 1160 S. 335f., zu 1160 S. 337 – die Nachricht zu 1157, S. 171f., entstammt auch einem Brief, hat aber nichts mit dem Schisma zu tun), während Otto von Freising zwar auch Nachrichten zu England einem Brief entnahm, aber nicht nur daraus. Annales Reicherspergenses – Reichersberger Annalen Zum Jahr 1156 S. 466, zum Jahr 1171 S. 496, zum Jahr 1189 S. 510, zum Jahr 1190 S. 517, zum Jahr 1191 S. 519, zum Jahr 1193 S. 520, zum Jahr 1193 S. 520, zum Jahr 1194 S. 521, zum Jahr 1195 S. 521–523.
Reichersberg am Inn war ein Augustiner-Chorherrenstift, das trotz seiner Lage in der Diözese Passau unmittelbar zum Erzbistum Salzburg gehörte.226 Unter Gerhoc(h), dem von Erzbischof Konrad I. von Salzburg berufenen Propst, der bis zu seinem Tod 1169 als Reformer und theologischer Schriftsteller wirkte, gelangte Reichersberg zu seiner kulturellen und wirtschaftlichen Blüte. Aufbauend auf das Werk Gerhoc(h)s begann Magnus von Reichersberg Ende der 1160er-Jahre sein eigenes historiographisches Werk, das er selbst Chronica nannte, aber heute meist mit dem Zusatz Annalen versehen wird.227 Magnus arbeite in seine Chronica – die nicht zur österreichischen Annalengruppe gezählt wird, da keine Abhängigkeiten bestehen228 – zahlreiche Quellen wie Otto von Freisings Chronik, Briefe Papst Alexanders III. an den Salzburger Erzbischof und das Domkapitel oder das heute verlorene Kreuzzugstagebuch des Diakons Tageno von Passau ein.229 Dabei stellte er, vermutlich beeinflusst durch die Nähe zu Salzburg und Gerhoc(h)s Reformbestrebungen, die Reichs- und Kirchengeschichte aus papstfreundlicher Sicht dar.230 Allerdings existieren die Reichersberger Annalen
224 Siehe dazu den Brief an diese beiden bei Otto von Freising, Gesta Friderici I imperatoris: Brief an Ulrich und Heinrich, S. 162–164. 225 Siehe dazu auch Kapitel 3.2. 226 Störmer, Art. Reichersberg am Inn, Sp. 615. Zur Gründungsgeschichte siehe auch Pillhofer, Das Erzbistum Salzburg, S. 11–26. 227 Magnus von Reichersberg, Annales Reicherspergenses, hg. v. Wattenbach, S. 443–523. 228 Schmale, Die österreichische Annalistik, S. 199. 229 Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur, S. 565. 230 Prelog, Art. Magnus von Reichersberg, Sp. 101. Vgl. hierzu Magnus von Reichersberg, Annales Reicherspergenses, S. 440f.
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Quantitative Auswertung der Quellen
in drei Versionen, wovon noch zwei im Autograph erhalten sind: W1 war eher als eine Klosterchronik gedacht, da zahlreiche Details zu Reichersberg enthalten sind. Allerdings enthält diese Version auch die Exzerpte aus dem Kreuzzugstagebuch Tagenos von Passau. W2 ist nur als Fragment bis 1162 erhalten, fällt aber in seiner Bearbeitung wesentlich umfänglicher aus als W1. W3 ist die kürzeste Version (von 2 n. Chr. – 1195) und wurde in zwei Kolumnen verfasst, wobei die linke Kirchengeschichte und die rechte Kaisergeschichte enthält. W3 weist keine regionalen Nachrichten auf.231 Welche der Versionen die älteste ist, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt (Wattenbach: W1–W2–W3; Fichtenau: W3– W1–W2; Schmale: W2–W1–W3).232 Die Einträge zu England entspringen überwiegend Magnus von Reichersbergs Interesse am 3. Kreuzzug und seinen Exzerpten aus Tagenos Tagebuch, aber auch Briefwechseln bzgl. der Gefangenschaft Richard Löwenherz’ und der Exkommunikation Leopolds V. Zwei Einträge stammen allerdings aus W4 (zu 1156 und 1171), einer der Handschriften der Annalen aus dem 14. Jahrhundert, die von Schmale trotz der Lage in Vorau dem Benediktinerkloster Seckau zugeordnet wurde und vermutlich auf W1 und einer umfangreicheren Fassung von W2 beruht.233 Ob sie trotz allem auf Magnus von Reichersberg zurückzuführen ist oder aus anderen Werken kompiliert wurde, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Allerdings wurde der Eintrag zu 1171 vermutlich aus den Admonter Annalen kompiliert. Melker Annalen – Annales Mellicenses Zum Jahr 1192 S. 506.
Das ursprünglich von den Babenbergern als Kanonikerstift um die Jahrtausendwende gegründete Kloster wurde 1098 unter dem Markgraf Leopold II. mit Mönchen aus Lambach in ein Benediktinerkloster umgewandelt.234 1113 wurde die »Babenbergerpfalz« – wobei das Stift ursprünglich für die Sorge um die Grablege gegründet worden war – nach Klosterneuburg verlegt und die Burg auf dem Stiftfelsen den Benediktinern mit weiteren Dotationen aus den Eigengütern der Markgrafen übergeben.235 Die besondere Nähe zu den Babenbergern, die die Babenberger als Stifterfamilie weiterhin innehatten, blieb aber auch in den nächsten Jahrzehnten erhalten. Die reiche Ausstattung ermöglichte eine anfängliche Blütezeit in den darauf folgenden Jahren, wovon v. a. die Schreibschule, 231 Kössinger, Art. Magnus of Reichersberg, S. 1059. 232 Die Angaben zu Wattenbach und Fichtenau stammen aus Kössinger, Art. Magnus von Reichersberg, S. 1059 und Schmale, Die österreichische Annalistik, S. 203. 233 Schmale, Die österreichische Annalistik, S. 201f. 234 Haider, Art. Melk, Sp. 489f. Zum Kanonikerstift siehe Kowarik, Das vorbenediktinische Kanonikerstift, S. 526f. Kowarik/ Glaßner/ Niederkorn-Bruck, Melk, S. 526–654. 235 Kowarik/ Glaßner/ Niederkorn-Bruck, Melk, S. 530.
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Bibliothek und Klosterschule profitierten.236 Hier entstanden 1123 die Melker Annalen, von Abt Erchenfried (1121–1163) in Auftrag gegeben, die 1122/1123 in einem Zug geschrieben und dann von mehr als hundert Schreibern bis 1564 fortgeführt wurden.237 Diese Annalen werden als Anstoß gesehen für die weitere Entwicklung von Annalen (Admont, Garsten, Salzburg) in der Salzburger Diözese, dem Herzogtum Bayern nahestehend, aber auch für weitere Zentren der babenbergischen Markgrafschaft und des späteren Herzogtums (Heiligenkreuz, Kremsmünster, Lambach, Zwettl, Klosterneuburg, Wiener Schottenkloster).238 Zu England findet sich in den Melker Annalen allerdings nur ein Eintrag. Hier wird in einem Satz auf die Gefangennahme von König Richard I. durch Markgraf Leopold verwiesen, der ihn dem Kaiser Heinrich VI. übergibt. Mehr bieten die Melker Annalen nicht zu dieser Episode. Admonter Annalen für die Jahre 1–1139 – Annales Admontenses, a. 1–1139; die Admonter Annalen für die Jahre 1140–1250 – Annales Admontenses, a. 1140– 1250 und die Garstner Annalen – Annales Garstenses Aus den Admonter Annalen 1–1139: Zum Jahr 1137 S. 578. Aus den Admonter Annalen 1140–1250: Zum Jahr 1170 S. 584 (Codices A+B), zum Jahr 1183 S. 586 (Codex A), zum Jahr 1189 S. 586 (Codices A+B), zum Jahr 1191 (Codices A+B) S. 587, zum Jahr 1193 S. 587 (Codices A+B), zum Jahr 1194 S. 587 (Codices A+B). Aus den Garstner Annalen: Zum Jahr 1194 S. 594.
Aufgrund der Lage der Editionen239 bei diesen Annalen, vorgenommen von Wilhelm Wattenbach 1851, erfolgt die Besprechung für diese Annalen gemeinsam. Die Annales Admontenses, a. 1–1139 wurden von Wilhelm Wattenbach auf Grundlage der Handschrift A (Cod. Admont 501) ediert, wobei er die Jahre 13– 452 ausließ. Aufgrund der Ähnlichkeiten der AGS-Gruppe nach 1139 edierte Wattenbach unter dem Titel Continuatio Admuntensis mehrere Handschriften, wobei er als Gruppe A zwei Handschriften aus Vorau und Garsten heranzog und als B die Handschrift aus Admont und eine mit ihr aus Neuberg stammende 236 Haider, Art. Melk, Sp. 498. Vgl. Kowarik/ Glaßner/ Niederkorn-Bruck, Melk, S. 530. 237 Kowarik/ Glaßner/ Niederkorn-Bruck, Melk, S. 591. O. V., Annales Mellicenses (Repertorium »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters«). Für die kritische Edition der Annalen siehe Annales Mellicenses hg. v. Wattenbach, S. 484–536. 238 Beihammer, Die alpenländische Annalengruppe, S. 253f. 239 Annales Admontenses, a. 1–1139 (unter dem Titel Annales Admuntenses), hg. von Wattenbach, S. 570–579. Annales Admontenses, a. 1140–1250 (unter dem Titel Continuatio Admuntensis), hg. von Wattenbach, S. 580–593. Annales Garstenses (unter dem Titel Continuatio Garstensis), hg. von Wattenbach, S. 594–600.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Handschrift bezeichnete.240 Die Handschrift aus Garsten wurde ab 1181 bis 1257 eigenständig unter dem Titel Continuatio Garstensis ediert. Wie schon bei den Melker Annalen erwähnt, bildet die sogenannte AGSGruppe (Admont, Garsten, Salzburg – für diese Untersuchung wurden nur als Auswahl Admont und Garsten analysiert) – angeregt von Melk und der dort vorgenommenen historiographischen Tätigkeit – den westlichen zur Salzburger Diözese gehörenden und dem Herzogtum Bayern nahestehenden Teil der österreichischen Annalistik.241 Die Annalen-Gruppe wird deshalb zusammengefasst, da die drei neben einem aus den Melker Annalen bis 1139 übernommenen Nachrichtengrundstock einen gemeinsamen Bestand von zusätzlichen Nachrichten bis in die 1180er-Jahre aufweisen, der wahrscheinlich durch eine heute verlorene AGS-Stammhandschrift zustande kam.242 Diese Stammhandschrift wurde vermutlich um 1181 angelegt und enthält – neben einem größeren Bestand aus den Haus- und Lokalnachrichten des Klosterumfelds – neben von Otto von Freisings und Rahewins Gesta Frederici exzerpierte Nachrichten, auch zahlreiche Nachrichten aus dem bayerisch-regensburgischen Raum. Die von Erzbischof Gebhard von Salzburg 1074 gegründete Benediktinerabtei erlebte nach einem Brand 1152 und dem danach erfolgten Wiederaufbau die erste Blütephase.243 Zwar wurden nach der Gründung die Bindungen des Reformzentrums zu Salzburg lockerer, doch blieb die Verbundenheit. Erzbischof Konrad II. versteckte sich aufgrund seiner Weigerung, den Gegenpapst Paschalis II. anzuerkennen, bei seiner Flucht in Admont.244 Da die Babenberger die Vogtei innehatten, waren auch hier die Kontakte eng.245 Garsten, ab 1111 selbstständige Benediktinerabtei, stand ebenfalls im Alexandrinischen Schisma an der Seite der Salzburger Erzbischöfe. Dabei stand das Kloster in regem Kontakt mit Admont, Göttweig, Zwettl, Vorau und Reichersberg.246 1171 übernahmen die Babenberger die Vogtei über die Besitzungen Garstens in der Riedmark; persönliche Vögte für das Kloster wurden sie 1192, als die Steiermark an die Babenberger fiel.247 In den ersten Admonter Annalen findet sich nur ein Eintrag zum Tod Heinrichs I. In der Fortsetzung der Admonter Annalen – da diese aber bis auf einen Eintrag nicht in den Garstner Annalen zu finden sind, stammen sie aus Vorau – 240 Beihammer, Alpenländische Annalengruppe, S. 255, Anm. 7. Den Ergebnissen Beihammers zur AGS-Gruppe wird hierbei gefolgt, da Schmale, Die österreichische Annalistik, S. 185– 187, besonders was die Entstehungszeit und die Quellenbasis für diese Annalen angeht, einige durch Beihammer widerlegte Schlüsse gezogen hat. 241 Beihammer, Alpenländische Annalengruppe, S. 254. 242 Beihammer, Alpenländische Annalengruppe, S. 254. 243 Krause, Art. Admont, Sp. 156f. 244 Naschenweng, Admont, S. 80f. 245 Naschenweng, Admont, S. 81. 246 Huber, Garsten, S. 508. 247 Huber, Garsten, S. 508.
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finden sich vermehrt Einträge zu England. Diese betreffen hauptsächlich den 3. Kreuzzug und die Gefangennahme des englischen Königs. Woher diese Nachrichten stammen, lässt sich nicht feststellen; allerdings lassen die engen Beziehungen zwischen Salzburg und den verschiedenen alpenländischen Klöstern und die Bedeutung von Salzburg und den Babenbergern für Admont und Garsten auf die gemeinsame Nutzung von Quellen und mündlichen Austausch schließen. Aachener Annalen – Annales Aquenses Zum Jahr 1192 S. 39.
Die im Autograph erhaltenen Annales Aquenses umfassen die Jahre 1 bis 1196, wobei sie in einem Stück bis 1192 geschrieben und dann bis 1196 fortgesetzt wurden.248 Die heute überlieferten Annalen sind aber vermutlich nur die 1192 vorgenommene Überarbeitung einer Fassung, die ursprünglich nur bis 1169 reichte und Verbreitung im Kölner Raum, z. B. in der Kölner Königschronik, sowie in Thüringen fand.249 Ab 1170 werden die Annalen ausführlicher und berichten verstärkt über die Reichsgeschichte – aus einer staufischen Perspektive, wie Franz-Josef Schmale und Sören Kaschke in ihren Beiträgen zu den Aachener Annalen betonen. Zu England findet sich in den Annales Aquenses allerdings nur ein Eintrag. Dieser Eintrag zu 1192 berichtet aus einer Perspektive des Jahres 1194 von der Gefangennahme von Richard Löwenherz und der Zahlung des Lösegelds. Pöhlder Annalen – Annales Palidenses Zum Jahr 1169 S. 94.
Im 12. Jahrhundert entstand in der Prämonstratenserpropstei Pöhlde, einem Pfalzstandort, der als Reichsgut 1158 von Friedrich I. an Heinrich den Löwen übertragen wurde, die im Original erhaltene, von der Schöpfung bis 1182 reichende Weltchronik.250 Für den älteren Teil wird ein Mönch Theodorus als Urheber genannt, er ist aber maßgeblich eine Kompilation aus der Chronik Ekkehards von Aura und weiteren Quellen wie den Hildesheimer und Paderborner 248 Kaschke, Art. Annales Aquenses, S. 54f. Für die kritische Edition siehe Annales Aquenses, hg. von Waitz, S. 34–39. 249 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 372. 250 Goetz, »Konstruktion der Vergangenheit«, hier S. 534. Zur Pfalz siehe Heinemeyer, Art. Pöhlde, Pfalz, Sp. 39. Zur kritischen Edition siehe Annales Palidenses (Auctore Theodoro Monacho) hg. v. Pertz, S. 48–96.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Annalen. Schmale weist auf inhaltliche Übereinstimmungen mit der Magdeburger und Pegauer Annalen hin.251 Dabei rechnet er – aufgrund der zahlreichen Übereinstimmungen – die Pöhlder Annalen zu den sächsischen Chroniken.252 Geschätzt werden die Annales Palidenses v. a. aufgrund der zahlreichen Anekdoten und sagenhaften Erzählungen,253 die sich allerdings zu England nicht feststellen lassen. In den Pöhlder Annalen hat sich nur die Eheschließung Heinrichs des Löwen mit Mathilde von England niedergeschlagen. Magdeburger Annalen – Annales Magdeburgenses Zum Jahr 1147 S. 189f.
Die im Kloster St. Johannes der Täufer auf dem Berge (Kloster Berge) bei Magdeburg entstandenen Annalen von Christi Geburt bis 1188 sind als zweispaltige Handschrift vermutlich noch im Original erhalten.254 Klaus Nass vermutet, dass die auf sieben Händen basierende Handschrift eine Kompilation der Nienburger Annalen ist und aufgrund der Übereinstimmung ab 1140 mit den Pöhlder und Pegauer Annalen auf der Rezeption einer gemeinsamen Textvorlage basiert.255 Schmale hingegen vermutet, dass die Pöhlder Annalen eher über von Magdeburg abhängige Annalen beeinflusst wurden256. Insgesamt verfolgen die Magdeburger Annalen, ähnlich wie die Annales Pegavienses und Annales Palidenses, das Leben Heinrichs des Löwen sehr interessiert, da dessen Wirken die Region sehr beeinflusste.257 Trotz des Interesses an Heinrich dem Löwen finden sich keine Einträge zu seinen englischen Beziehungen. England wurde nur als Beteiligter am 2. Kreuzzug wahrgenommen und es findet sich ein längerer Eintrag zu Schiffen aus England und zur Eroberung von Lissabon.
251 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 389. 252 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 388. Die sächsische Chronistik setzte nach Schmale erst nach Sicherung der Herrschaft Heinrichs des Löwen wieder verstärkt ein, wobei die überregionalen Chroniken aufgrund der engen freundschaftlichen Beziehung zwischen Heinrich dem Löwen und Friedrich I. auch die allgemeine Reichsgeschichte einbezogen, was mit dem Sturz des sächsischen Herzogs ein Ende fand. 253 Schauerte, Art. Annales Palidenses, S. 76. 254 Nass, Die Reichschronistik des Annalista Saxo, S. 180. Vgl. Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, S. 282. Vgl. Nass, Art. Annales Magdeburgenses, S. 492f. Zur kritischen Edition siehe Annales Magdeburgenses, hg. von Pertz, S. 107–196. 255 Nass, Die Reichschronistik des Annalista Saxo, S. 180. 256 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 391. 257 Nass, Art. Annales Magdeburgenses, S. 493.
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Pegauer Annalen – Annales Pegavienses Zum Jahr 1127 S. 255, zum Jahr 1170 S. 260, zum Jahr 1182 S. 265.
Im Benediktinerkloster Pegau, gegründet im 11. Jahrhundert durch Wiprecht von Groitzsch, dessen Klostervogtei 1106 an den deutschen König fiel, entstanden nach Schmale258 zwischen 1156 und 1180 Annalen – mit Fortsetzungen von 1182–1190 und 1191–1227 –, die im älteren Teil auf den Annales Lothariani und den Gesta Wigperti beruhen und für die späteren Jahre einer älteren Fassung der Magdeburger Annalen und den Pöhlder Annalen inhaltlich und wörtlich nahestehen.259 Woher die Einträge zu England kommen, lässt sich nicht feststellen. Auch zeigen sie kein einheitliches thematisches Interesse. So findet sich ein Eintrag zu Karl I. von Flandern und seiner Beziehung zu Wilhelm Clito, eine Nachricht zur Ermordung Thomas Beckets und ein Hinweis auf das erste Exil Heinrichs des Löwen in England. Franz-Josef Schmale verweist in seinen Überblicken zu den Pöhlder, Pegauer und Magdeburger Annalen immer wieder auf die engen Verbindungen zwischen diesen drei Annalen, seien diese nun direkt oder über ältere Fassungen oder Ableitungen.260 Für die Informationen zu England und deren Darstellungen in diesen Annalen lässt sich dies allerdings nicht feststellen. So sind keine Übereinstimmungen zu Jahresberichten oder Themen erkennbar. Vielmehr wiederholt sich keine Nachricht in diesen drei Chroniken. Hildesheimer Annalen – Annales Hildesheimenses Zum Jahr 1110 S. 61, zum Jahr 1114 S. 63.
Im von Bischof Bernward gegründeten Benediktinerkloster St. Michael in Hildesheim entstanden vermutlich nach 1120 die Annales Hildesheimenses (auch Annales Hildesheimenses minores genannt, um sie von den Annales Hildesheimenses maiores aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts zu unterscheiden).261 258 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 416. Für die kritische Edition siehe Annales Pegavienses, ed. v. Georg H. Pertz, in: MGH SS 16, Hannover 1859, S. 234–270. 259 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 417. 260 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 391. Vgl. dazu auch Werthschulte, Art. Annales Pegavienses, S. 77. 261 Zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Klosters siehe Faust, Hildesheim, St. Michael, S. 218–252. Zur Entstehungszeit der Annalen siehe Wattenbach/ Holtzmann/ Schmale, Deutsche Geschichtsquellen, 2: Investiturstreit, S. 577. Für die kritische Edition siehe Annales Hildesheimenses, hg. von Waitz. Diese Edition kritisiert Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 86 Anm. 190, als fehlerhaft, allerdings betreffen die aufgeführten Fehler nicht die Nennungen zu England.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Die Hildesheimer Annalen, die für die Jahre bis 1040 auf den Annales Hildesheimenses maiores, für 1041–1109 auf den Annales S. Albani aus Mainz und in der Fortsetzung bis 1137 auf den verlorenen Annales Patherbrunnenses beruhen, waren wiederum Teil des Austausches zwischen der sächsischen Historiographie im 12. Jahrhundert und beeinflussten den Annalista Saxo, wurden direkt um 1182 von den Annales Palidenses verwendet und fanden über Ableitungen Eingang in die Annales Magdeburgenses.262 Die Nennungen mit englischem Bezug in den Annales Hildesheimenses betreffen die Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde, Tocher König Heinrichs I. von England. Die Reichschronik des Annalista Saxo Zum Jahr 1109 S. 541, zum Jahr 1110 S. 542, zum Jahr 1114 S. 549, zum Jahr 1124 S. 581f., zum Jahr 1126 S. 588.
Nicht vor 1144 und nicht nach 1155 entstand in Sachsen eine Chronik, die aufgrund ihres Entstehungsortes, ihrer Thematik und ihrer Struktur heute die Reichschronik des Annalista Saxo genannt wird.263 Lange Zeit wurde als Verfasser Abt Arnold von Berge und Nienburg vermutet;264 allerdings widerlegte Klaus Nass bei seiner Quellenanalyse und Neuedition diese Annahme, da dortige Materialien keinen Eingang in die Chronik fanden.265 Er vermutet vielmehr, dass der Kompilator aus dem östlichen Sachsen, evtl. aus Magdeburg stammte und der Auftraggeber / Adressat eine Reichsabtei oder ein Reichsbistum (evtl. Erzbischof Friedrich von Magdeburg) war.266 Auch Gerd Althoffs Ansicht, dass diese Annalen für den Bremer Dompropst und Magdeburger Domkanoniker Hartwig geschrieben wurden, um Argumente für den Streit um das Stader Erbe gegen Heinrich den Löwen zu sammeln, sieht er für nicht stichhaltig an, da der Streit um das Stader Erbe bereits 1145 gewaltsam entschieden worden war.267 Auch kein »überzeugter Sachse«, der Legitimierungsbedürfnissen Sachsens im 12. Jahr262 Für die Quellenbasis der Annales Hildesheimenses siehe O. V., Annales Hildesheimenses (Repertorium »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters«). Für die weitere Verbreitung der Hildesheimer Annalen siehe Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 86, S. 92. 263 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 365. Nass’ Ausführungen zum Verfasser und zur Geschichte der Chronik werden hier aufgrund seiner umfassenden und neuen Beschäftigung mit dem Annalista Saxo weitgehend gefolgt. Für die kritische Edition siehe, Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. v. Nass. 264 Schmale, Art. Abt Arnold von Kloster Berge, Sp. 1005. Vgl. dazu Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., 14. Ebenso Bernhard Schmeidler, Abt Arnold von Kloster Berge, hier S. 116ff. 265 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 375. 266 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 375. 267 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 362.
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hundert dienen wollte, sei der Chronist gewesen, sondern ein eifriger Materialsammler mit starkem historischem Interesse, der eine Chronik schuf, die das Reichsbewusstsein Sachsens eindrucksvoll bezeuge.268 Der besondere sächsische Fokus komme vielmehr von den Materialien, die er für seine Arbeit sammelte, da diese überwiegend aus Sachsen stammen. Annalista Saxo verwendete für seine Chronik mindestens 52 historiographische oder hagiographische Werke, 30 Briefe und Akten, vier Urkunden und zwei Gedichte. Je näher er an seine eigene Zeit kam, desto vielfältiger und umfangreicher waren seine Materialien, wobei er allerdings für die Chronik, die die Jahre 741 bis 1139 abdeckt (evtl. führte sie noch etwas weiter, allerdings endet die erhaltene Handschrift 1139), weniger an der Zeitgeschichte als an der Vergangenheit orientiert war.269 Auch die Nennungen zu England wurden verschiedenen Quellen entnommen und betreffen zum einen die Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde, der Tochter König Heinrichs I. von England – übernommen aus den Annales Hildesheimenses, den Annales Patherbrunnenses und der Chronik Ekkehards von Aura –, aber auch einen Unterstützungsfeldzug für den englischen Schwiegervater gegen Frankreich – übernommen aus der Weltchronik Ekkehards von Aura. Die letzte Nennung ist zwar dem Jahr 1126 beigefügt, allerdings hat hier der sächsische Annalist einen längeren Exkurs zur Familiengeschichte der Welfen eingefügt und kam hierbei auch auf die Heirat Welfs IV. mit Judith von Flandern zu sprechen. Anders als in der Historia Welforum wird hier Judiths erste Ehe richtig dargestellt. Paderborner Annalen – Annales Patherbrunnenses Die Rekonstruktion nach Scheffer-Boichorst: Mehrere Nachrichten zum Jahr 1110 S. 122, zum Jahr 1114 S. 127. Die Rekonstruktion nach Franz-Josef Schmale: Zum Jahr 1110 S. 44, zum Jahr 1114 S. 47.
Paul Scheffer-Boichhorst rekonstruierte die sog. Paderborner Annalen, die seit 1105 im Kloster Abdinghof bei Paderborn für die Jahre 794 bis 1144 entstanden sein sollen.270 Diese verlorenen Annalen sind heute nur noch in Ableitungen greifbar: Annales Hildesheimenses (minores), Annalista Saxo, Annales Paliden268 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 360. Dies sei besonders bemerkenswert, da Otto von Freising zeitgleich die Sachsen als gens contra regnum facile animanda, als gens inquietissima more suo principi rebellans und als antiqui regni hostes bezeichnet. 269 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 344f. 270 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 209. Zur Rekonstruktion siehe Annales Patherbrunnenses, wiederhergestellt v. Scheffer-Boichorst, Innsbruck 1870. Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 209–226, bietet einen hervorragenden Überblick zur Rekonstruktions- und Forschungsgeschichte der Paderborner Annalen.
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Quantitative Auswertung der Quellen
ses, Chronica regia Colonienses, Annales Yburgenses, Cosmidromius des Gobelinus Person.271 Franz-Josef Schmale kritisiert diese Rekonstruktion aufgrund Scheffer-Boichorsts Methode, singuläre, d. h. nur in einer einzigen Ableitung überlieferte Stellen auf das verlorene Werk zurückzuführen.272 So seien zu viele Sondergüter, die in den Ableitungen aufgrund lokaler Nachrichten einflossen, in die Rekonstruktion gelangt. Schmale ist auch der Ansicht, dass die Annalen nicht aus dem Kloster Abdinghof stammen.273, sondern in Corvey verfasst wurden und daher zutreffender als Annales Corbeienses bzw. Annales Corbeiensis maiores bezeichnet werden müssen.274 Klaus Nass sieht nicht alle Argumente Schmales als überzeugend an, wobei er vergleichend schließt, dass sich vermutlich nie der Entstehungsort dieses verlorenen Annalenwerks ohne Zweifel feststellen lässt.275 Inwiefern die Paderborner Annalen weitere Annalen beeinflusst haben, ist ebenfalls nicht mit Sicherheit zu sagen, da die von Paderborn abgeleiteten Werke auch andere heute verlorene Annalen benutzten.276 Bezüglich der Einträge zu England lassen sich bei Schmale und SchefferBoichorst allerdings Überschneidungen feststellen. Nach beiden Rekonstruktionen lassen sich, wenn auch bei Scheffer-Boichorst wesentlich ausführlicher, Nachrichten für die Jahre 1110 und 1114 zur Heirat Heinrichs V. mit Mathilde von England feststellen, die sich auch in den Hildesheimer Annalen, beim Annalista Saxo und in der Kölner Königschronik finden. Weitere Einträge zu England wurden weder bei Schmale noch bei Scheffer-Boichorst rekonstruiert.
271 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 209. 272 Schmale, »Paderborner« oder »Korveyer« Annalen?, S. 507–509. Vgl. auch Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 209f., bes. Anm. 707. 273 Das Anfang des 11. Jahrhunderts gegründete Benediktinerkloster Abdinghof bei Paderborn unterstand dem Paderborner Bischof und stand im regen Austausch mit Klöstern u. a. in Corvey, Helmarshausen, Liesborn. Vgl. Honselmann, Abdinghof, hier S. 502, S. 514. 274 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 25–27. Schmale führt dies v. a. auf die Korveyer Betreffe mehrerer Jahresberichte zurück, auf die Rezeption der für Corvey bestimmten Rezension III der Chronik Ekkehards von Aura und auf die Nutzung der Corveyer Klosterbibibliothek durch den Annalista Saxo. Vgl. hierzu auch seine Rekonstruktion, Die größeren Annalen von Corvey (Annales Corbeiensis maiores), bearb. v. Schmale. 275 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 211. 276 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 214.
Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts im deutschen Reich
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Alte Annalen von St. Peter in Erfurt – Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui Zum Jahr 1161 S. 20.
Die Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui entstanden nach Schmale in mehreren Schritten.277 Vermutlich erbrachte der Anschluss des Erfurter St. Petersklosters in den 1080er-Jahren an die Hirsauer einen Impuls, Annalen zu verfassen, die in einem ersten Schritt von 1084–1125 (eingetragen vermutlich 1126) entstanden und dann um 1163 ergänzt bzw. fortgesetzt wurden, was bedeutet, dass der Eintrag zu 1161, der sich hier anders als in den Annales S. Petri Erpfesfurtenses breves und maiores findet, relativ zeitnah verfasst wurde. Erfurter Annalen aus der Zeit Lothars – Annales Erphesfurdenses Lothariani Zum Jahr 1127 S. 35.
Die Annales Erphesfurdenses Lothariani hingegen stellen hingegen eine Erweiterung der Rezension IV der Weltchronik Ekkehards von Aura da, die mit Zusätzen aus anderen Quellen erweitert und durch die Annales Lothariani bis 1137 fortgesetzt wurden.278 Während Klaus Nass eindeutig als Ort für das Mitte des 12. Jahrhunderts entstandene heute verlorene Werk eindeutig auf Erfurt verweist, hält Oswald Holger-Egger auch Rheinhardsbrunn, aber zumindest Thüringen, für möglich.279 Der unbekannte Verfasser war dabei besonders an der Reichsgeschichte unter Lothar III. – daher auch der Beiname – interessiert.280 Diese Erfurter Annalen weisen einen Eintrag zu England auf. Dieser Eintrag zum Jahr 1127 findet sich auch in den Pegauer Annalen, die vermutlich auf gleiche Quellen zurückgriffen.281
277 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 406. Für die kritische Edition siehe Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui a. 1038–1163, hg. v. Holder-Egger, S. 3–20. 278 Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 81. Für die kritische Edition siehe Annales Erphesfurdenses Lothariani, hg. v. Holder-Egger, S. 34–44. 279 Annales Erphesfurdenses Lothariani, S. 34. 280 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 11. 281 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 11.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Helmold von Bosau – Chronica Slavorum/ Slawenchronik Zum Jahr 1115 S. 82, zum Jahr 1147 S. 117f., zum Jahr 1159/60 S. 170f., zum Jahr 1160 S. 176, zum Jahr 1168 S. 209.
Helmold von Bosau (ca. 1120 – nach 1177) besuchte ab 1134 die von Vizelin gegründete Klosterschule des Augustiner-Chorherrenstifts in Segeberg, bis diese vom Abodritenfürsten Pribislaw 1138 zerstört wurde und das Kloster nach Neumünster verlegt wurde.282 Helmold ging nach Braunschweig, wo er seine Ausbildung bei Gerold, dem späteren Bischof von Oldenburg-Lübeck beendete.283 Ab 1143 hielt er sich im Kloster Faldera auf, dem Zentrum der Missionsbasis Wagriens. 1156 erhielt er die Pfarrei am Plöner See, die einzige intakte Pfarrei Wagriens. Das Leben im slawischen Missionsgebiet und die dabei entstehenden Konflikte fanden Eingang in seine Chronica Slavorum,284 die er – vermutlich veranlasst durch den Tod Gerolds – begann zu schreiben und dem Lübecker Domkapitel widmete, und wo er von der Bekehrung der Sachsen durch Karl den Großen bis zum Tod Gerolds berichtete.285 Das zweite Buch schrieb er 1172. Im Mittelpunkt seiner Regionalchronik steht die Missionsgeschichte mit der Herrschaftsbildung in den nordöstlichen Gebieten und Siedlungen des Reichs.286 Helmolds Zugehörigkeitsgefühl zu weltlichen Gemeinschaften ist zwar nur unzureichend erforscht, aber Heinrich der Löwe nimmt in seiner Chronik unter den Fürsten die überragende Gestalt ein.287 Gerolds Nachfolger Konrad I. bewertet er ebenso wie König Konrad III. und Friedrich I. Barbarossa durch ihr Verhältnis zu den sächsischen Herzögen, weshalb v. a. Friedrich I. sehr positiv aufgrund seines engen Verhältnisses zu Heinrich dem Löwen dargestellt wird.288 Die Wahrnehmung Englands bei Helmold von Bosau trägt lokale Bezüge, aber nicht nur. Auch die Beteiligung am 2. Kreuzzug und das Alexandrinische Schisma mit einer Aufzählung der Unterstützer nahm er in seine Chronik auf. Nutzte er für frühere Jahrzehnte seiner Chronik Ekkehards Weltchronik, die Disibodenberger Annalen und Adam von Bremens Kirchengeschichte, sind die Quellen für seine Zeitgeschichtsschreibung unklar. Vermutlich hatte er v. a. durch Gerold Zugang zu mündlichen Berichten und Überlieferungen.289
282 283 284 285 286 287 288 289
Ehbrecht, Art. Helmold von Bosau, Sp. 2123f. Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 138. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, hg. von Schmeidler. Heinz Stoob, Einleitung, in: Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, übs. von Stoob (FSGA 19), S. 6. Ehbrecht, Art. Helmold von Bosau, S. 2124f. Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 174. Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 174f. Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 142.
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Arnold von Lübeck – Chronica Slavorum libri VII (Slawenchronik) Zum Jahr 1171 S. 116, zum Jahr ca. 1172 S. 127, zum Jahr ca. 1182 S. 142, zum Jahr 1184 S. 156, zum Jahr 1191/1192 S. 178f., zum Jahr 1189 S. 179, zum Jahr 1190 S.181, zum Jahr 1197 S. 204f.
Arnold von Lübeck (ca. 1150–1212/1213), Sohn eines Edelherren, war Mönch im Braunschweiger Benediktinerkloster St. Aegidien, bevor er 1177 Abt des Johannisklosters in Lübeck wurde und verfasste etwa um 1210 eine Fortsetzung der Chronica Slavorum Helmolds von Bosau, da er diese als unvollendet ansah.290 Zwar trägt das Buch heute den Titel Chronica Slavorum libri VII,291 da es als Fortsetzung konzipiert war und meist zusammen mit Helmolds Chronik überliefert wurde, allerdings ist der Inhalt weit vielschichtiger: die Pilgerreise Heinrichs des Löwen, seine Auseinandersetzung mit Friedrich I. Barbarossa, der Kreuzzug Friedrichs I. Barbarossa, die Auseinandersetzung zwischen Otto IV. und Philipps von Schwaben werden ebenso behandelt wie Ereignisse in den angrenzenden dänischen und slawischen Gebiete und die Christianisierung. Die Slawenchronik und Arnolds Blickwinkel auf Heinrich den Löwen – durch seine biographischen Verbindungen zu Braunschweig wurde seinem Werk Welfennähe attestiert292 –, Kaiser und Reich wurden dabei immer wieder unterschiedlich beurteilt. Gerd Althoff analysiert z. B. den Sturz Heinrichs des Löwen und kommt zu dem Schluss, dass Arnold von Lübeck die Schuld an Heinrichs Sturz Friedrich I. zuschiebt und er jedes Anzeichen von Verantwortung Heinrichs auslässt, sodass kein Makel am sächsischen Herzog und seinen Nachfahren zurückbleibe. Ulrich Hucker sieht in der Slawenchronik statt einer welfischen Familiengeschichte eine »Historia Regum«, von Kaiser Otto IV. in Auftrag gegeben, die auch zur Kreuzzugswerbung dienen sollte.293 Helmut G. Walther wendet sich gegen übertriebene geistige Nähe zu den Welfen und etwaige Auftraggeberschaft und bestreitet, dass Arnold Hofhistoriograph gewesen sei. Er habe vielmehr aus seiner Verbundenheit zu der Region und den Menschen Nordelbiens eine historia de statu terrae nostrae geschrieben und das Wirken von Königen und Fürstem daran gemessen, welche Auswirkungen sie auf Nordelbien hatten. Dabei sei er auch kritisch gegenüber Heinrich den Löwen gewesen, hätte sich spätestens 1191 abgewandt und wäre seit 1204 auf kritische Distanz zu den Welfen gegan290 Althoff, Die Historiographie bewältigt, S. 166. Vgl. Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 223. Bei Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 223–230, findet sich ein ausführlicher Überblick über Autor und Werk Arnolds von Lübeck mit einem Überblick zur Forschungsliteratur. 291 Die Einträge werden zitiert nach: Arnoldi abbatis Lubecensis chronica, hg. von Lappenberg (MGH SS 21) S. 115–250. Daneben gibt es noch eine weitere Edition: Arnoldi Chronica Slavorum, hg. von Lappenberg (MGH SS. rer. Germ. 14), Hannover 1868. 292 Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 227. 293 Hucker, Die Chronik Arnolds von Lübeck, S. 108.
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gen.294 In den vergangenen Jahren wurde das Weltbild Arnolds und seine Stellung zu Heinrich den Löwen und den Welfen als wesentlich vielschichtiger eingeschätzt. So konstatiert Bernd Schütte, dass Arnold von Lübeck durchaus eine Vorliebe für den sächsischen Herzog gehabt hatte, aber weder eine Königschronik für Otto IV. noch eine welfische Hausgeschichte geschrieben habe.295 Heinrich der Löwe sei dabei kein welfischer Held, aber man habe ihm große Anteilnahme entgegengebracht, da seine Verdienste Nordelbiens und Sachsens gegenüber überwogen hätten.296 Die mit England in Bezug stehenden Ereignisse haben sowohl mit den persönlichen Beziehungen Heinrichs des Löwen durch seine Ehe mit Mathilde, Tochter König Heinrichs II. von England, seine Exilaufenthalte in England zu tun, aber es finden sich auch Berichte zum 3. Kreuzzug. Arnolds Quellengrundlage für diese Berichte ist ebenso unklar wie für das übrige Werk. Schon Schmale vermutet, dass Arnold von Lübeck keine historiographischen Quellen (höchstens evtl. die Kölner Königschronik) für seine Arbeit verwendete.297 So hätten v. a. mündliche Informationen, bedingt durch sein Vertrauensverhältnis zu Bischof Heinrich von Lübeck und nach 1182 zu Bischof Konrad, der enge Beziehungen zum Hof hatte, seine Informationen zur Reichsgeschichte ermöglicht.298 Propst Gerhard von Steterburg – Chronicon Stederburgenses/ Annales Stederburgenses Zum Jahr 1189 S. 221, zum Jahr 1194 S. 229.
Gerhard war von 1163–1209 Propst des Augustiner-Chorfrauenstifts Steterburg, südlich von Braunschweig. Die Chronik299, die er zwischen 1195 und 1209 verfasste, stellte zunächst eine Geschichte des Stifts von seiner Gründung (1000) mit Bemerkungen zu seiner eigenen Aktivität als Propst dar, bevor die Chronik 1187 erweitert wurde und nun verstärkt bis zum Tod Heinrichs des Löwen die Reichsgeschichte in den Blick nahm.300 Gerhard hielt sich ab 1191 am Hof Heinrichs des Löwen auf, besaß dessen Vertrauen und unternahm diplomatische 294 Walther, Zur Verschriftlichung nordelbischen Selbstbewußtseins, S. 9, S. 19. 295 Schütte, Die Staufer und Welfen, S. 146. Dieser Band entstand aus einer Tagung, die sich intensiv mit Arnold von Lübeck auseinandersetzte, nachdem es zwischen Walther und Hucker zu einer Forschungskontroverse gekommen war. 296 Freund/ Schütte, Zusammenfassung, hier S. 205f. Sie verweisen darauf, dass die Widmung und die Selbstzuschreibungen Arnolds mehr beachtet werden sollten. 297 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 439. 298 Scior, Das Eigene und das Fremde, S. 227. Vgl. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 439. 299 Chronicon Steterburgense, hg. von Pertz, S. 197–231. 300 Berg, Art. Gerhard von Steterburg, Sp. 1319f.
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Missionen für ihn.301 Die Nähe zu den Welfen prägte dabei auch seinen Blick auf die Reichsgeschichte, die ganz vom welfischen Standpunkt aus dargestellt wird.302 Die Chronik ist in einer Fassung des 14. Jahrhunderts überliefert, die mit annalistischen Einträgen ergänzt wurde.303 Trotz der engen Verbindung Heinrichs des Löwen zu England finden sich nur wenige Nachrichten dazu. Gerhard verweist auf die Abstammung Mathildes und auf die Stellung Ottos und Wilhelms, zwei Söhne Heinrichs des Löwen, als Pfand für das Lösegeld Richard Löwenherz’.
2.1.2 Quellen ohne Nennungen zum anglonormannisch-angevinischen England Isingrim von Ottobeuren – Annalen Durch Isingrim begann im Kloster Ottobeuren eine nach Schmale »bescheidene geistige Blüte«304. Isingrim war schon seit seinem Aufenthalt im Augsburger Ulrichskloster, wo er seine Ausbildung erfahren hatte, mit Otto von Freising befreundet, und regte diesen an, seine Chronica zu verfassen. Otto von Freising widmete ihm diese auch. Er selbst wurde als Historiograph tätig, zunächst mit kurzen Notizen für die Jahre 1145, 1148, 1153 und 1157, den sogenannten Annales minores305, und den sogenannten Annales maiores306, Jahresberichte zu 1121–1168 vorwiegend lokalen Inhalts.307 In beiden Werken finden sich keine Einträge zu England.
301 Nass, Geschichtsschreibung am Hofe Heinrichs des Löwen, S. 124. 302 Nass, Geschichtsschreibung am Hofe Heinrichs des Löwen, S. 124. 303 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 421. 304 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 275. 305 Annales Isingrimi minores, hg. v. Weiland, S. 315. 306 Annales Isingrimi maiores, hg. v. Weiland, S. 312–315. Diese wurden wiederum vermutlich von seinem Nachfolger Bernold in den Annales Ottenburani minores (MGH SS 17, S. 315– 318) verwendet, aber auch hier finden sich keine Einträge zu England. 307 Schmale, Isingrim, S. 196f. (Onlinefassung).
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Kleinere Würzburger Annalen – Annales Herbipolenses minores Die kleineren Würzburger Annalen308 berichten von 688–1266 mit zwei weiteren Einträgen zu 1241 und 1400. Die Würzburg zugeschriebenen Annalen berichten zwar über Kaiser, Päpste und Ordensgeschichte, berichten aber nichts zu England. Die Bamberger Annalen – Annales Babenbergense Die Annales Babenbergenses309 genannten Annalen setzten für die Jahre 1137– 1180 das De decursu temporum liber des Bamberger Kanonikers Heimo, einem Schüler Frutolfs, fort. In den nicht einmal zwanzig Einträgen finden sich keine Einträge zu England. Die Regensburger Annalen – Annales Ratisponenses Die von Wilhelm Wattenbach edierten Regensburger Annalen310 sind auf Handschriften aus Prüfening und aus St. Emmeram, wobei sie hier wahrscheinlich nicht entstanden, zurückzuführen, die Wattenbach als in Teilen übernommene Ableitungen aus Regensburg ansieht.311 Obwohl sich in den Admonter/ Garstner Annalen Nachrichten zu Regensburg und in Admont zu Prüfening finden lassen, was sich auf die Zugehörigkeit zu Hirsau zurückführen lässt, finden sich keine rezerpierten Einträge zu England in den Annalen.312 Annales Ensdorfenses Das Kloster Ensdorf wurde 1121 von Bischof Otto I. von Bamberg und Otto von Wittelsbach gegründet und von St. Blasien aus besiedelt.313 Nach Schmale gelangte das Kloster um 1180 in den Besitz der Chronographie Heimos von Bam-
308 Annales Herbipolenses minores, hg. v. Waitz, S. 828f. Siehe dazu Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 149. 309 Annales Babenbergenses, hg. v. Pertz, S. 4. 310 Annales Ratisponenses, hg. v. Wattenbach, S. 579–588. 311 Baethgen, Eine neue Rezension, S. 256. Vgl. Probst, Die Regensburger und die Prüfeninger Annalen, S. 7–42. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 232–235. 312 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 233, Anm. 3. 313 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 251. Für die Edition siehe Annales Ensdorfenses, hg. von Pertz, S. 4–8.
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berg, die durch lokale Nachrichten ergänzt wurde und von 1184 bis 1368 als Annalen fortgeführt wurden.314 Annales Scheftlarienses maiores Kloster Schäftlarn, das von Otto von Freising mit Prämonstratensern besetzt wurde, war im Besitz von dessen Chronik und vermutlich auch im Besitz von dessen Gesta Frederici.315 Mit dem Berichtsende der Gesta Frederici wurde eine Annalenhandschrift begonnen, die Einträge aus den Ensdorfer Annalen und aus den Annalen des Hugo von Lerchenfeld, der eine Fortsetzung der Regensburger Annalen vorgenommen hatte.316 Historia Welforum Trotz der engen Verbindungen der Welfen im 12. Jahrhundert zu England finden sich in der Historia Welforum317 ebenso wie in der Continuatio Steingademensis, den Annales Welfici und der Weingartener Fortsetzung der Chronik des Hugo von St. Viktor keine318 Hinweise auf diese Verbindungen. Dies könnte sich mit der Konzentration der Hausgeschichte der Welfen auf den süddeutschen Raum erklären, da die Verbindungen der Welfen nach Sachsen seit Heinrich dem Schwarzen nur gestreift werden.319 Allerdings ist nicht eindeutig geklärt, wer der Autor des um ca. 1170 geschriebenen Werkes war – sei es nun ein für Welf VI. geschriebenes oder gar von ihm im Auftrag gegebenes Werk oder ein Buch, das in Hinblick auf Heinrich dem Löwen als kommendes Oberhaupt geschrieben wurde.320
314 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 251. 315 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 255. 316 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 255. Für die Edition siehe Annales Scheftlarienses maiores, hg. v. Jaffé, S. 335–343. 317 Für die kritische Edition siehe Historia Welforum Weingartensis, hg. von Weiland, S. 457– 472. 318 Im 13. Kapitel der Historia Welforum wird auf die Eheschließung zwischen Judith von Flandern und Welf IV. verwiesen. Judtih wird unrichtig als verwitwete Königin von England bezeichnet. 319 Johanek, Art. Historia Welforum, Sp. 44f. 320 Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. von Becher, S. 7f.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Annalen von St. Peter in Erfurt – Annales S. Petri Erphesfurtenses breves/ maiores Im Benediktinerkloster St. Peter in Erfurt wurden die Annales S. Petri Erphesfur tenses antiqui und die Annales Erphesfurdenses Lothariani wieder bearbeitet. Die Annales S. Petri Erphesfurtenses breves321 stellen dabei eine verkürzende Bearbeitung der Annales S. Petri Erphesfurtenses antiqui dar, während Annales S. Petri Erphesfurtenses maiores322 ab 1163 eine selbstständige Bearbeitung der Annales S. Petri Erphesfurtenses antiqui sind. Einträge zu England wurden dabei nicht übernommen. Brauweiler Annalen – Annales Brunwilarenses Die im Benediktinerkloster Brauweiler verfassten Annalen mit einer Berichtszeit von 1000 bis 1179 wurden seit dem 11. Jahrhundert in eine Ostertafel eingetragen und konzentrieren sich v. a. auf Kölner Bischofs- und Brauweiler Abtswechsel, bieten aber zu den 1140er-Jahren auch ausführliche Nachrichten zu Heinrich dem Löwen und Konrad III.323 Harsefelder Annalen – Annales Rosenveldenses/ Annales Harsefeldenes Die Annales Rosenveldenses sind nur in einem Fragment einer unvollständigen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert überliefert. Durch einige Lokalnachrichten und das Interesse an den Grafen von Stade wurde auf das Benediktinerkloster Harsefeld (ma. Rossvelde) als Entstehungsort geschlossen.324 Die Harsefelder Annalisten geben Würzburger Nachrichten wieder, was an einer Rezeption der Ilsenburger Annalen gelegen haben könnte, wo Herrand, Bischof von Halberstadt, aus einem Benediktinerkloster in Würzburg kommend, mehrere Jahre als Abt diente.325
321 Annales S. Petri Erphesfurtenses breves, hg. von Holder-Egger, S. 48–56. 322 Annales S. Petri Erphesfurtenses maiores, hg. von Holder-Egger, S. 49–67. 323 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 371. Für die Edition siehe Annales Brunwilarenses, hg. von Pertz, S. 724–728. 324 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 305. Für die Edition siehe Annales Rosenveldenses, hg. von Pertz, S. 99–104. 325 Nass, Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 306f.
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2.1.3 Quantitative Strukturen im Vergleich Die Analyse von 36 Quellen hat gezeigt, dass in der überwiegenden Mehrheit – 26 mit Nennungen, 10 ohne Nennungen – der deutschen Quellen Nennungen von Ereignissen, die in einem Bezug zu England stehen, zu finden sind. Allerdings lässt sich bei der Anzahl der Nennungen eine große Bandbreite feststellen: 1 Nennung: Annales Herbipolenses, Anonyme Kaiserchronik, Annales Mellicenses, Annales Aquenses, Annales Palidenses, Annales Magdeburgenses, Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui, Annales Erphesfurdenses Lothariani. 2–9 Nennungen: Gerhard von Steterburg (2), Annales Patherbrunnenses (2), Annales Hildesheimenses (2), Annales S. Disibodi (3), Ekkehard von Auras Chronik (3), Annales Pegavienses (3), Otto von Freisings Chronica sive Historia de duabus civitatibus (3), Helmold von Bosau (5), Annalista Saxo (5), Annales Marbacenses (6), Admonter und Garstner Annalen (7), Burchard von Ursberg (8), Otto von St. Blasien (8), Arnold von Lübeck (8), Annales Reicherspergenses (9). Über 10 Nennungen: Otto von Freisings und Rahewins Gesta Frederici (12), Chronica regia Coloniensis (22). Betrachtet man die Quellen mit nur einer einzelnen Nennung, so fällt auf, dass sich diese nicht nur auf ein Jahr konzentrieren: Annales Herbipolenses (1156), Anonyme Kaiserchronik (1114), Annales Mellicenses (1192), Annales Aquenses (1192), Annales Palidenses (1169), Annales Magdeburgenses (1147), Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui (1161), Annales Erphesfurdenses Lothariani (1127). Die Wahrnehmung englischer Ereignisse bzw. mit England im Zusammenhang stehender Ereignisse erfolgte auch bei nur einer einzelnen Wahrnehmung durchaus verstreut. Es gab also nicht »das« einzelne Ereignis, das Eingang in deutsche Quellen gefunden hatte, sondern eine Vielzahl an Ereignissen wurde von den Schreibern wahrgenommen. Es zeigte sich ebenfalls, dass die geringe oder große Anzahl an Nennungen nicht unmittelbar etwas mit der Größe (kleinere Annalen oder große Chronik) zu tun hatte. Obwohl die Annales Palidenses oder die Annales Magdeburgenses im Vergleich mit den Annales Aquenses wesentlich umfangreicher ausfallen, haben sie jeweils nur eine Nennung. Gerhard von Steterburg verweist nur zweimal auf England ebenso wie die wesentlich früher entstandenen Paderborner Annalen. Burchard von Ursbergs Chronik hat fast ähnlich so viele Nennungen wie die von Magnus von Reichersberg geschriebenen Annalen, während in der Historia Welforum kein Bezug zu England vorkommt. Dies muss nicht unmittelbar etwas mit mangelnden Informationen über den anderen zu tun haben, sondern kann zunächst auch mit der Auswahl an Informationen für ein historiographisches Werk und dessen Entstehungshintergrund bzw. mit der Intention des Autors für das jeweilige Werk zu tun haben. Bei der
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Anonymen Kaiserchronik lässt sich nur ein Eintrag zu 1114 mit Bezug zu England feststellen. Zwar endet die Anonyme Kaiserchronik mit dem Jahr 1114 und es gab somit keine Möglichkeit weitere Ereignisse aufzunehmen, aber der Autor lässt einen Eintrag zu 1106 weg, der sich bei Ekkehard von Auras Chronik (Rezension III) findet. Ekkehard von Aura hatte also ausgewählt, welche Informationen er für die unterschiedlichen Ausgaben seiner Chronik für passend hielt. Im Eintrag zu 1106 in der Rezension III der Chronik hatte Ekkehard von Aura einen öffentlichen Brief Heinrichs V. an seinem Vater aufgenommen, in dem er seinen Vater kritisierte, dass dieser mit Hilfe von England und anderer Nachbarvölker versuchen würde, wieder an die Macht zu gelangen. Offenbar fand Ekkehard diesen Hinweis in dem Exemplar, das vermutlich für den Hof und das direkte Umfeld Heinrichs V. gedacht war, nicht passend. Otto von Freising berichtet in seiner Chronica sive Historia de duabus civitatibus von der Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde von England. Diesen Eintrag findet man in den Gesta Frederici nicht. Allerdings verweist er 1125 auf die englische Ehefrau und setzte vermutlich das Wissen um diese Ehe voraus, will aber das Leben Heinrichs V. an dieser Stelle nicht zu ausführlich darstellen. Der Autor der Historia Welforum verwendete sowohl die Gesta Friderici326 wie auch die Chronica327. Obwohl diese beiden Werke Informationen zu England enthalten und die Beziehung Heinrichs des Löwen zu England eng war, findet sich darin kein Eintrag. Der unbekannte Autor der Historia Welforum empfand Nachrichten zu England bzw. mit England im Zusammenhang stehend als nicht bedeutsam für seine Chronik, da es ihn ja um die süddeutschen Welfen ging. Diese drei Beispiele zeigen, dass ein Autor durchaus mehr zu Ereignissen, die mit England im Bezug standen, wissen konnte, er aber bewusst Informationen, die für seine Arbeit wichtig waren, auswählen konnte. Georg Jostkleigrewe spricht in diesem Zusammenhang von »verdeckten« Kenntnissen bei der Fremdwahrnehmung, die durch die notwendige Selektion bei den Materialien entstanden.328 Allerdings lassen diese drei Beispiele die Hintergründe erkennen, warum bestimmte Informationen für eine Chronik ausgewählt wurden, während Jostkleigrewe davon ausgeht, dass man dies meist nur vermuten könne. Allerdings stehen hier das Auswählen bzw. Weglassen nicht in einem direkten Bezug zu England, sondern eher zum Entstehungshintergrund der jeweiligen Chronik. Die Auswertung der Quellen zeigt dabei, dass es nicht nur ein Zentrum für die Wahrnehmung des anderen gab, sondern, dass sich eine Streuung der Einträge
326 Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. von Becher S. 5, S. 38 Anm. 5. 327 Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. von Becher S. 48. Anm. 52, S. 72 Anm. 178, S. 73 Anm. 188. 328 Jostkleigrewe, Das Bild des Anderen, S. 86.
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auf das gesamte Reich mit unterschiedlicher Intensität feststellen lässt.329 Dabei kann der Entstehungsort der historiographischen Quelle durchaus Einfluss darauf gehabt haben, warum ein Ereignis wahrgenommen wurde. Die Würzburger Annalen berichten – neben den Gesta Frederici – von einem Hochzeitsgeschenk Heinrichs II. an Friedrich I. und dessen Ehefrau Beatrix.330 Zwar erfährt der Leser an dieser Stelle nicht, um was es sich handelte, aber der Schreiber bzw. jemand, der ihm davon berichtete, muss von diesem Geschenk sehr beeindruckt gewesen sein. Dass diese Nachricht in den Annales Herbipolenses steht, verwundert allerdings nicht, da der Ort, an dem die Hochzeit stattfand, Würzburg war. Daher ist es naheliegend zu vermuten, dass der Schreiber bzw. jemand, der ihm davon berichtete, persönlich dabei war und daher diese Nachricht in den Würzburger Annalen zu finden ist. Die Disibodenberger Annalen berichten von der Mitnahme einer Reliquie durch Mathilde bei ihrer Rückkehr nach England 1125.331 Diese Reliquie gehörte zum Thronschatz und war auf dem Trifels untergebracht, der nur wenige Kilometer entfernt war. Daneben lassen sich auch regionale Perspektiven in der Wahrnehmung feststellen. In der österreichischen Annalistik finden sich zunächst nur wenige Einträge mit Bezug zu England.332 Wesentlich zahlreicher werden die Einträge mit englischem Bezug zum 3. Kreuzzug. Plötzlich findet sich bei den Melker Annalen überhaupt ein Eintrag zu England bzw. wie bei den Reichersberger Annalen und bei den Admonter und Garstner Annalen fast zu jedem Jahr einer.333 Dieses plötzliche Interesse dürfte an der Teilnahme Leopolds V. am 3. Kreuzzug und seiner Rolle bei der Gefangennahme von Richard Löwenherz und den Verhandlungen um das Lösegeld gelegen haben. Melk, Admont, Garsten 329 Zwar stammen etliche der historiographischen Werke ohne Nennungen aus dem Süden des Reiches (Annalen Isingrims von Ottobeuren, Annales Herbipolenses minores, Annales Babenbergense, Annales Ratisponenses, Annales Ensdorfenses, Annales Scheftlarienses maiores, Historia Welforum), aber nicht nur. Aus Mittel- und Norddeutschland stammen Annales S. Petri Erphesfurtenses breves/ maiores, Annales Brunwilarenses, Annales Rosenveldenses/ Annales Harsefeldenes. 330 Annales Herbipolenses zum Jahr 1156, S. 9: Hoc ipso nuptiarum tempore misit rex Anglorum imperatori munera imperiali magnificentie non incongrua. 331 Annales S. Disibodi zum Jahr 1125, S. 23: Mathildis regina in Anglia ad patrem suum proficiscitur, manum sancti Iacobi secum deferens; per quod irreparabile dampnum regno Francorum intulit. 332 Annales Reicherspergenses zum Jahr 1156, S. 466, und zum Jahr 1171, S. 496. Annales Admontenses, a. 1–1139 zum Jahr 1137, S. 578. Annales Admontenses, a. 1140–1250 und Annales Garstenses zum Jahr 1170 S. 584 (Codices A+B), zum Jahr 1183 S. 586 (Codex A). 333 Annales Mellicenses zum Jahr 1192, S. 506. Annales Reicherspergenses zum Jahr 1189, S. 510, zum Jahr 1190, S. 517, zum Jahr 1191, S. 519, zum Jahr 1193, S. 520, zum Jahr 1194, S. 521, zum Jahr 1195, S. 521–523. Annales Admontenses, a. 1140–1250 und Annales Garstenses zum Jahr zum Jahr 1189 S. 586 (Codices A+B), zum Jahr 1191 (Codices A+B), zum Jahr 1193 S. 587 (Codices A+B), zum Jahr 1194 S. 587 (Codices A+B). Aus den Garstner Annalen zum Jahr 1194, S. 594.
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und Reichersberg lagen nicht nur geographisch am nächsten zu den Orten, an denen Richard Löwenherz gefangen und zunächst festgesetzt wurde, sondern waren auch, im Vergleich mit den anderen Quellen, eng mit Beteiligten verbunden. Die Babenberger waren Stifter von Kloster Melk und sorgten für die reiche Ausstattung des Klosters, in Admont und Garsten waren die Babenberger Vögte. Das Stift Reichersberg war eng mit dem Salzburger Erzbischof Adalbert III. verbunden, der eng in die Verhandlungen um die Freilassung Richard Löwenherz’ und die Exkommunikation Leopolds V. eingebunden war. Im Gegensatz dazu finden sich in der sächsischen Historiographie nur wenige Hinweise auf den 3. Kreuzzug. In den Annales Palidenses, den Annales Magdeburgenses und den Annales Pegavienses gibt es keinen Hinweis auf die Gefangennahme von Richard Löwenherz oder die Beteiligung Englands am 3. Kreuzzug. Gerhard von Steterburg beschäftigte sich mit den Auswirkungen auf die Familie Heinrichs des Löwen. Einzig Arnold von Lübeck schreibt ausführlicher über den 3. Kreuzzug, wobei dieser allerdings nicht bei ihm im Fokus steht. Auch der Faktor Zeit spielte bei der Nennung eine wichtige Rolle. In zahlreichen Annalen und Chroniken, die Anfang bis Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden, findet sich ein Eintrag zur Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde von England.334 Für Schreiber und Chronisten späterer Jahrzehnte spielte dieses Ereignis anscheinend keine Rolle mehr, da es nicht wieder genannt wird.335 Die Bedeutung, die dieser Verbindung zwischen der englischen Königstochter und dem deutschen Kaiser anscheinend noch unmittelbar bzw. noch einige Jahre später zugeschrieben wurde, wurde Ende des 12. Jahrhunderts bzw. Anfang des 13. Jahrhunderts nicht mehr gesehen. Einen noch schnelleren und unmittelbareren Bedeutungsverlust von Nennungen ist bei den Annalen aus St. Peter in Erfurt feststellbar. Während sich bei den Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui eine Nennung zu England finden lässt, der mit dem Alexandrinischen Schisma in Zusammenhang steht und vermutlich noch fast unmittelbar dazu geschrieben wurde, ist dieser Eintrag bei Annales S. Petri Erpfesfurtenses breves, die eine verkürzende Zusammenfassung der antiqui darstellen, weggefallen. Auch bei den Annales S. Petri Erphesfurtenses maiores, die eine selbstständige Bearbeitung der antiqui darstellen, wurde dieser Eintrag anscheinend nicht mehr für bedeutsam gehalten. Es zeigt sich also, dass Nennungen von England bzw. mit 334 Annales Hildesheimenses, zum Jahr 1110, S. 61 und zum Jahr 1114, S. 63, Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus zum Jahr 1114 S. 329, Annales Patherbrunnenses zum Jahr 1110, S. 122 (Scheffer-Boichhorst) und 1114, S. 127 (Scheffer-Boichorst); Annales S. Disibodi zum Jahr 1109, S. 20; Ekkehard von Aura zum Jahr 1114, S. 247; Anonyme Kaiserchronik zum Jahr 1114, S. 151f.; Annalista Saxo zum Jahr 1109 S. 541, zum Jahr 1110, S. 542, und zum Jahr 1114, S. 549. 335 Die einzige Ausnahme bildet dabei die Kölner Königschronik, die ausführlich hierzu berichtet.
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England im Zusammenhang stehende Ereignisse nur unmittelbar bedeutsam waren bzw. durch größeren zeitlichen Abstand unbedeutend werden konnten und somit nicht mehr erwähnt wurden. Dass Schreiber später entstandener Annalen oder Chroniken diese Ereignisse nicht mehr kannten, ist dabei unwahrscheinlich, da z. B. die Annales Pegavienses oder die Annales Palidenses u. a. die Annales Hildesheimenses, die die Hochzeit vermerken, rezipierten, aber dieses Ereignis nicht aufnahmen. Insgesamt ist feststellbar, dass Nennungen zu England bzw. mit England in Zusammenhang stehender Ereignisse in der überwiegenden Mehrheit der Chroniken und Annalen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts aus dem Reich vorkommen. Dabei reicht die Spannbreite von einer bis zu 22 Nennungen, wobei diese nicht nur zu einem Ereigniss berichten, sondern zu einer Vielzahl von Ereignissen, die sich über das 12. Jahrhundert verteilen. Für die Aufnahme in die Historiographie spielte allerdings auch der Autor eine Rolle, der auswählte, ob er eine Nennung für passend hielt – ihm war dabei zumeist mehr bekannt als er tatsächlich aufschrieb. Ebenso bedeutsam für die Berücksichtigung waren der Entstehungsort und die Entstehungszeit. Es bleibt allerdings zu klären, wie die Historiographen in Kenntnis von Ereignissen in England bzw. mit England in Zusammenhang stehenden gelangten. Die Auswertung der Chroniken und Annalen zeigen, dass die Chronisten Kenntnisse vielfältigster Art über den anderen besaßen, d. h. Informationen über innere politische Angelegenheiten, kirchliche Entwicklungen, Anekdoten und Erkenntnisse über diplomatische Beziehungen. Daraus lässt sich schließen, dass Kommunikation, sei es im Reich oder zwischen dem Reich und England, stattgefunden haben muss, die Austausch von Informationen über den jeweils anderen mit sich brachte, da andernfalls keine Nennungen vorhanden wären. In der wissenschaftlichen Betrachtung wird unter Kommunikation beispielsweise »der Austausch, die Verständigung, der Prozeß der Übermittlung und Vermittlung von Informationen durch Ausdruck und Wahrnehmung von Zeichen aller Art«336 verstanden bzw. wie Stephan Freund es kurz zusammenfasst, »Austausch von Nachrichten«337. Thomas Wetzenstein macht allerdings darauf aufmerksam, dass die Kommunikationsbedingungen für das Mittelalter andere als heutige waren 336 So z. B. Lorke, Wenn die Nachfolge an den Nachfolgern S. 194 Anm. 5, ebenso Freund, Boten und Briefe, S. 55 Anm. 2. 337 Freund, Boten und Briefe, S. 55. Diese Definition haben neben Freund u. a. auch Spieß, Medien der Kommunikation, S. 9, angeführt. Einen anderen Ansatz, der mehr auf den Aspekt der Wahrnehmung eingeht, bietet Frank R. Oomkes: »Communication is the exchange of symbolic information which takes place between human beings who are conscious of another’s immediate or mediated presence. This information is given, received and interpreted partially consciously, partly unconsciously«, zitiert nach Mostert, New Approaches to Medieval Communication, S. 19.
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und die Bedeutung des Raumes nicht vernachlässigt werden dürfe und schlägt daher vor, Kommunikation als »Sammelbegriff für alle Formen von Verkehr, Verbindung, Vermittlung und Verständigung«338 zu definieren, da der Austausch von Informationen nur durch physische Übertragung, also abhängig von der Bewegung des Menschen, möglich gewesen sei. Werden die Definitionen Freunds und Wetzensteins kombiniert, versteht sich unter Kommunikation der Austausch von Nachrichten, der durch alle Formen von Verkehr, Verbindungen, Vermittlung und Verständigung ermöglicht wird. Dies ist in diesem Falle besonders wichtig, da es nicht um die Kommunikation selbst geht, sondern um den Niederschlag derselben in den Quellen. Der Austausch der Nachrichten hat zum Zeitpunkt des Niederschreibens bereits stattgefunden, auch wenn zeitunmittelbare Umstände die Niederschrift beeinflussen konnten. Wie also haben der Verkehr, die Verbindungen, die Vermittlung und die Verständigung den Austausch von Nachrichten ermöglicht, beeinflusst und wo behindert? Dabei ergibt sich nach Wetzenstein die wichtige Unterscheidung zwischen Primärkommunikation – Kommunikation, die in einer Familie oder Gruppe unvermittelt stattfand – und Sekundärkommunikation – Kommunikation, die nur über Medien stattfand.339 Bei den Medien ist die Schriftlichkeit von großer Bedeutung, da diese erst durch ihre Speicherfunktion die transpersonale Weitergabe von Wissen und damit dessen Anhäufung ermöglicht.340 Die Sekundärkommunikation lasse sich hierbei aufgrund der Überlieferungsbedingungen leichter feststellen, während die Primärkommunikation über die Auswertung der Berichte, z. B. Chroniken und Annalen, rekonstruiert werden müsse.341 Zieht man die Unterscheidung Primärkommunikation und Sekundärkommunikation bei der Frage nach der Herkunft der Informationen über England bzw. mit England im Zusammenhang stehende Ereignisse heran, muss analysiert werden, ob diese beiden Formen der Kommunikation sich in den Berichten über England widerspiegeln und welcher Art diese Formen der Kommunikation waren. Allerdings ist hier festzustellen, dass der überwiegende Anteil an Nachrichten zu England in den deutschen Quellen einen Bezug zu Ereignissen im Reich hat, z. B. durch Heiraten (mit Heinrich V. oder Heinrich dem Löwen), durch das Alexandrinische Schisma oder die Gefangennahme Richard Löwenherz’. Eigenständige Nachrichten zu England finden sich sehr selten342, d. h. ein 338 Wetzenstein, Zur kommunikationsgeschichtlichen Bedeutung, S. 253f. Wetzenstein betont die enge Verbindung zwischen Raum und Kommunikation in Ders., Die Welt als Sprengel, S. 169–187. 339 Vgl. Wetzenstein, Die Welt als Sprengel, S. 171f. 340 Vgl. Wetzenstein, Die Welt als Sprengel, S. 178. 341 Vgl. Wetzenstein, Die Welt als Sprengel, S. 171f. 342 Zu Wilhelm Clito: Annales Erphesfurtenses Lothariani S. 35, Annales Pegavienses, S. 255. Zum Tod Heinrichs I. von England: Annales Admontenses, S. 578. Zum Thronstreit in
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großer Anteil der Informationen zu England bzw. der Diskussionen dazu entstand im Reich und nicht in England selbst. Dennoch bleibt die Frage bestehen, wie und in welcher Form die Historiographen an diese Informationen gelangten. Zunächst wird die Sekundärkommunikation untersucht. Hierbei steht im Fokus, inwiefern Nennungen auf Sekundärkommunikation beruhen und welcher Art die Medien waren, auf deren Grundlage diese Art der Kommunikation basierte. Sekundäre Kommunikation, Kommunikation, die über Medien stattfand, bedeutete in der Welt der Historiographie des 12. Jahrhunderts vor allem schriftliche Medien. In den analysierten Quellen finden sich im Bereich der sekundären Kommunikation Informationen aus historiographischen und hagiographischen Werken, Berichten oder Briefen.343 Ein direkter Hinweis zur Nutzung historiographischer und hagiographischer Werke, d. h. Chroniken oder Annalen und Mirakelberichte, mit einem Hinweis zur Informationsgewinnung zu England findet sich zweimal. Otto von St. Blasien berichtet in seiner Chronik kurz zum Ausbruch des Alexandrinischen Schismas 1159, bei dem er auch England anspricht, bevor er dann auf die Gesta Friderici Ottos von Freising als das ausführliche Werk verweist: Extant diverse ad diversos utriusque partis de hac causa epistole, suum queque pars electum canonizare cupiencium, sicut in Gestis Friderici describitur.344 Hier finden wir einen direkten Hinweis, wie Otto von St. Blasien an Informationen zu England gelangt ist. Auch bei den Marbacher Annalen kann man diesen Rückgriff auf frühere historiographische Werke nachvollziehen. Bei einem Eintrag zum Tod Thomas Beckets wird auf Mirakelberichte verwiesen, die man in den legenda plenius nachlesen könne.345 Mit diesen legenda waren vermutlich die Mirakelsammlungen WilEngland: Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, S. 341. Zu Seeräubern: Otto von Freising und Rahewin, Gesta Friderici I imperatoris, S. 167. Zur Ermordung Thomas Beckets: Chronica regia Coloniensis, S. 123, Otto von St. Blasien, Chronica, S. 35, Burchard von Ursberg, Chronik, S. 49, Annales Marbacenses, S. 48 und S. 51, Annales Reicherpergenses, S. 496, Annales Admontenses, S. 584, Annales Pegavienses, S. 260, Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, S. 116. Rebellion der Söhne gegen Heinrich II. von England: Chronica regia Coloniensis, S. 125. Eroberungen Heinrichs II: Chronica regia Coloniensis, S. 129. Tod Heinrichs d. Jüngeren von England: Annales Admontenses, a. 1140–1250, S. 586. 343 Überprüft man die Herkunft der Nennungen zu England z. B. bei den Annales Reicherspergenses, stellt man fest, dass der Eintrag zu 1189, S. 510, auf den Kreuzzugsbericht Tagenos zurückzuführen ist, die Einträge zu 1193, S. 520, zu 1194, S. 521, auf die Annales Sancti Rudperti Salisburgenses und die Einträge zu 1195 auf Briefe Papst Coelestins III. und von Erzbischof Adalberts III. von Salzburg. Andere Einträge in diesen Annalen sind nicht eindeutig auf sekundäre Kommunikation zurückzuführen. In den Annales S. Disibodi z. B. wird zu 1147 ein Brief aufgeführt. Burchard von Ursberg nutzte für seine Informationen zum 3. Kreuzzug den Kreuzzugsbericht Brevis historia occupationis et anissionis terrae sanctae. 344 Otto von St. Blasien, Chronica zum Jahr 1159, S. 14. 345 Annales Marbacenses, zum Jahr 1152, S. 51: Anno Domini MCLXX. Beatus Thomas a Cantuariensis episcopus martyrium est passus et inauditis cepit coruscare miraculis, sicut in legenda plenius inveniuntur.
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helms von Canterbury346 oder Benedicts von Peterborough347 gemeint. Der Schreiber gibt hier also den Hinweis, dass er »verdecktes Wissen« zu diesem Ereignis hat, also mehr weiß, als er an dieser Stelle darüber schreibt, und dass er dieses Wissen wahrscheinlich aus englischen Mirakelsammlungen hat, die in Marbach bzw. Kloster Neuburg verbreitet waren.348 Dieser Hinweis auf eine vermutliche Nutzung von englischen Quellen ist einzigartig in den untersuchten Quellen. Zwar war als Klassiker Bedas Kirchengeschichte im Reich bekannt, aber zeitgenössische Werke aus England als Quellen für die deutsche Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts lassen sich im Weiteren nicht feststellen. Neben den beiden genannten direkten Hinweisen muss man sich die Nutzung von Chroniken und Annalen für englische Nennungen indirekt erschließen. Wie bereits erwähnt, nutzte Annalista Saxo für seine Chronik mindestens 52 historiographische oder hagiographische Werke.349 Seine Kenntnis zur Hochzeit Heinrichs V. mit der englischen Königstochter bezog er nach Klaus Nass zum Jahr 1109 vermutlich aus den Annales Hildesheimenses350, den Eintrag zu 1110 aus den verlorenen Annales Patherbrunnenses351 und den Eintrag zu 1114 aus der Chronik Ekkehards von Aura352. Von Ekkehard von Aura bezog der sächsische Annalist ebenfalls zum Jahr 1124 die Information zum Frankreichfeldzug.353 Annalista Saxo nutzte für seine Informationsgewinnung zu England also sekundäre Kommunikation. Durch sekundäre Kommunikation konnte sich Wissen zu England, wie dieses Beispiel zu Annlista Saxo zeigt, im Reich verbreiten. Ob aber die Annales Hildesheimenses oder die Annales Patherbrunnenses ihre Informationen zu diesem Ereignis ebenfalls aus sekundärer Kommunikation bezogen oder aus primärer, bleibt unbekannt.354 Bei Ekkehard von Aura, der eigenes Erleben in seine Chronik verarbeitete, am Hof gewesen war und mit Otto von Bamberg in engem Kontakt stand, könnten die Ereignisse zu 1114 und 1124 auf primäre Kommunikation verweisen. Stieß man schon hier an die Grenzen der Überprüfbarkeit der Herkunft von Wissen aus Chroniken und Annalen, ist dies 346 Benedikt von Peterborough, Miracula Sancti Thomae Cantuariensis, S. 21–281. 347 Wilhelm von Canterbury, Miraculorum gloriosi Martyris Thomae Cantuariensis Archiepiscopi S. 173–546. 348 Zu den mutmaßlichen Verwendungen der Mirakelsammlungen siehe dazu ausführlicher Kapitel 3.1. Ehen und Märtyrer. 349 Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 344. 350 Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 541, Anm. 10. 351 Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 542, Anm. 4. 352 Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 549, Anm. 1. 353 Die Reichschronik des Annalista Saxo, S. 581, Anm. 5. 354 Das Repertorium »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters« verweist bei den Annales Hildesheimenses auf die Quellen Annales S. Albani aus Mainz und die Paderborner Annalen. Allerdings können die Einträge zur Hochzeit bei den Annales S. Albani nicht festgestellt werden und die unterschiedlichen Rekonstruktionen bei den Paderborner Annalen machen eine klare Rückführung ebenfalls unsicher.
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bei den Annales Palidenses, den Annales Magdeburgenses und den Annales Pegavienses noch schwieriger. Alle drei rezipieren direkt oder indirekt die Chronik Ekkehards von Aura, aber übernehmen von ihm keine Einträge zu England. Da diese drei Chroniken ab den 1140er-Jahren große Übereinstimmungen haben, ist anzunehmen, dass sie eine gemeinsame Vorlage benutzten355 oder durch Ableitungen beeinflusst wurden356. Die Schreiber dieser drei Annalen nutzten als Medien also gemeinsame historiographische Vorlagen – sie nutzten sekundäre Kommunikation. Das Nutzen von verschiedenen Vorlagen für eine neue Chronik oder neue Annalen war die übliche Arbeitsweise in Skriptorien. Der Herausgeber von Otto von Freisings Chronica bezweifelte, dass der Autor alle verwendeten Werke gleichzeitig und vollständig für seine Arbeit zur Hand hatte und vermutlich auch früher Exzerpiertes bzw. Schulwissen wiedergab.357 Dass er bei den über 90 Werken, die er für seine Arbeit heranzog, nicht alle gleichzeitig vor Ort hatte, ist wahrscheinlich. Allerdings waren Bücher in Bibliotheken weit weniger statisch als häufig gedacht. Die Reinhardsbrunner Briefsammlung aus der Mitte des 12. Jahrhunderts zeigt eindrucksvoll die Kommunikation zwischen Klöstern bzgl. Abschreibetätigkeit, Bitten um das Senden von Büchern oder Mahnschreiben mit der Aufforderung zur Rückgabe von Büchern.358 Diese Briefe zeigen die Netzwerke zwischen den Klöstern, die sich zu Büchern, aber auch zu Personen und Ereignissen austauschten. Dennoch gab es auch hier gewisse regionale Tendenzen, wie die bereits angesprochenen Annalengruppen, wie die sächsische oder österreichische, zeigen. Vermutlich ist dies im besseren Austausch durch die räumliche Nähe begründet. Aber auch überregional verbreiteten sich die Chroniken. Ekkehard von Aura, der die Chronik Frutolfs von Michelsberg nutzte, hatte die Bibliotheken in Bamberg und Würzburg für seine Chronik genutzt. Die Rezension III widmete er dem Abt Wibald von Corvey, die Rezension IV verbreitete sich durch wiederholtes Kopieren v. a. in Nord- und Mitteldeutschland und wurde wiederum für viele Chroniken genutzt. Dies hilft allerdings nicht weiter, wenn man wissen möchte, woher die Einträge zu England stammen. Weder bei den Pöhlder Annalen, noch bei den Magdeburger Annalen oder bei der Pegauer Annalen findet man den gleichen Eintrag zu England.359
355 Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 251. 356 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 391. 357 Otto von Freising, Historia des duabus civitatibus, S. XCVII f. 358 Die Reinhardsbrunner Briefsammlung, hg. von Peeck. Zum Abschreiben vgl. z. B. Brief Nr. 47, S. 43f. Zur Mahnung siehe z. B. Brief Nr. 2, S. 2. Bitte um Entleihung, z. B. Brief Nr. 10, S. 9f. Vgl. Römer, Reinhardsbrunn, S. 1286–1290. 359 Annales Palidenses zum Jahr 1169, S. 94. Annales Magdeburgenses zum Jahr 1147, S. 189f. Annales Pegavienses zum Jahr 1127, S. 255, zum Jahr 1170 S. 260, zum Jahr 1182 S. 265.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Diese Informationen müssen die Quellen von verschiedenen anderen Stellen bezogen haben.360 Kenntnisse zu England konnten also über Chroniken und Annalen weiterverbreitet werden, wobei teilweise die Informationen aus älteren historiographischen Werken stammten. Ein Einfluss zeitgenössischer historiographischer Werke aus England lässt sich nicht feststellen. Nur hagiographische Berichte aus England sind nachweisbar. Allerdings, auch wenn man weiß, wie ein Großteil der Werke entstand und welche Vorlagen benutzt wurden, bleibt trotzdem unklar, ob Wissen über England ebenfalls aus diesen Werken kam. Zeitgenössischer als viele der verwendeten Chroniken und Annalen waren die Berichte zum 2. und 3. Kreuzzug, die Eingang in die historiographischen Werke fanden.361 Dies waren meist selbstständige Berichte deutscher Teilnehmer der Kreuzzüge, die auf tagebuchartigen Aufzeichnungen beruhten und somit aus eigenem Erleben von den Kreuzzügen und den daran beteiligten Ländern berichten konnten.362 Diese wurden nicht immer im Original, sondern auch in Zusammenfassungen oder Verarbeitungen benutzt. So ist die Historia de expeditione Friderici I. des sogenannten Ansbert ein Bericht, der auf Berichten und Akten mit deutlicher babenbergischer Perspektive beruht.363 Diesen nutzt u. a. Magnus von Reichersberg für seine Annalen. Die Historia Peregrinorum ist ein elsässisches Auftragswerk, das auf Vorlagen beruht, die vermutlich auch die Marbacher Annalen, Arnold von Lübeck und die Kölner Königschronik verwendeten.364 Aufgrund der Beteiligung Englands am 2. und 3. Kreuzzug finden sich in diesen Berichten zahlreiche Hinweise auf England bzw. den englischen König. 360 Einzig der Eintrag zu 1127 aus den Annales Pegavienses ist vermutlich auf die Annales Erphesfurdenses Lothariani zurückzuführen, die diesen Eintrag ebenfalls vermelden. Allerdings ist hier wiederum unbekannt, woher diese Information stammt. 361 Nicht bei allen Chroniken und Annalen kann sicher beurteilt werden, welche Berichte sie benutzten. Zu eingefügten Berichten und Briefen zum 2. Kreuzzug: Chronica regia Coloniensis, S. 84, Annales S. Disibodi, S. 27f., Annales Magdeburgenses, S. 189. Burchard von Ursberg nutzte die Brevis historia occupationis et amissionis terrae sanctae. Für die seine Annalen nutzte Magnus von Reicherberg den Bericht Tagenos und die Historia de expeditione Friderici I. des sog. Ansbert. Otto von St. Blasien verwendete vermutlich die Historia Peregrinorum. Die Marbacher Annalen, die Kölner Königschronik und Arnold von Lübeck nutzten ebenfalls ähnliche Berichte, die aber nicht eindeutig feststellbar sind. Zur Bedeutung des Einflusses der Kreuzzüge auf die Verbreitung von Informationen und die Erhöhung der Kommunikationsgeschwindigkeit siehe Menache, The Crusades and their Impact, S. 69– 90. 362 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 94. 363 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 100. 364 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 102.
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Wesentlich einfacher hingegen lässt sich die Verwendung von Briefen in den Chroniken und Annalen feststellen, da diese meist vollständig aufgenommen wurden.365 Einer stammte dabei direkt vom englischen König Heinrich II.,366 während bei den anderen Briefen England angesprochen wurde.367 Kommunikation durch Briefe – wenn diese nicht bereits als öffentliche Rundbriefe gedacht waren – war stets latent öffentlich, da sie häufig vorgelesen wurden und auch wegen ihrer Form oder wegen des Inhalts kopiert und weitergereicht wurden.368 Der Brief Heinrichs II. an Friedrich I. wurde von Rahewin in die Gesta Friderici im Bericht zum Würzburger Hoftag 1157 aufgenommen. Rahewin, der selbst bei diesem Hoftag anwesend war, beschreibt zunächst, wie Gesandte ein Zelt als Geschenk überreichen, bevor er diesen Brief einfügt.369 Die Gesandten und deren Übergabe hatte Rahewin selbst miterlebt. Ob dieser Brief öffentlich verlesen wurde, ist unbekannt. Den Brief für seine Chronik erhielt Rahewin vermutlich durch den kaiserlichen Hof – ob auf seine Initiative oder planmäßig zur Verfügung gestellt, kann nicht mehr nachvollzogen werden.370 Erhalten hatte Rahewin diesen Brief vermutlich von Kanzler Ulrich und dem Notar Heinrich, an die er auch sein Werk richtete, wobei er neben Briefen vom Hof auch Briefe durch Bischof Eberhard von Bamberg und dem Salzburger Erzbischof Eberhard erhielt. Daneben griff er für seine Arbeit auf öffentliche Rundschreiben zurück.371 Die insgesamt hohe Anzahl an Briefen, in denen England erwähnt wird, in den analysierten Quellen zeigt, dass England bzw. der englische König eine feste Größe waren, über deren Verhalten und Positionen sich Könige, Erzbischöfe und Päpste in Briefen austauschten. Durch Rundbriefe, die Bezug auf England nahmen, konnte somit eine meist gefilterte Wahrnehmung vermittelt werden. Auch 365 Zu Kommunikationsnetzwerken zwischen Klöstern aufbauend auf Gebetsverbrüderungen, Filiationen, Briefen und Freundschaften siehe Freund, Boten und Briefe, S. 55–103. Israel, Personale Kommunikation, S. 149–164. Constable, Communications between religious houses, S. 165–180. 366 Otto von Freising und Rahewin, Gesta Friderici I imperatoris, zum Jahr 1157 S. 171f. 367 Chronica regia Coloniensies zum Jahr 1147, S. 84, zum Jahr 1161, S. 108, wird von Briefwechseln gesprochen. Otto von St. Blasien zum Jahr 1159, S. 14 verweist auf die die Briefe in den Gesta Friderici. Otto von Freising und Rahewin, Gesta Friderici I imperatoris, zum Jahr 1142, S. 38f., zum Jahr 1157, S. 171 f, zum Jahr 1159, S. 310, zum Jahr 1159, S. 311, zum Jahr 1160, S. 337. Annales Reicherpergenses zum Jahr 1195 S. 521–523. 368 Israel, Personale Kommunikation, S. 156. 369 Bischof Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Chronica, S. 406, Anm. 25. Vgl. Deutinger, Rahewin von Freising, S. 91. Rahewin nahm zwar an mehreren Hoftagen teil und war auch in Italien, benötigte aber, wie Deutinger darstellt, zusätzliche Informationen durch Briefe und Berichte vom Kaiserhof und anderen Gewährsleuten, da er als Rangniedriger nicht zu allem Zugang hatte. Die Nähe zum Hof oder ranghohen Mitgliedern war also auch für die Informationsgewinnung entscheidend. Vgl. Vollrath, Kommunikation über große Entfernungen, S. 85–114. 370 Deutinger, Rahewin von Freising, S. 94. 371 Deutinger, Rahewin von Freising, S. 91, S. 94f.
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Quantitative Auswertung der Quellen
die gezielte Weitergabe einzelner Briefe hatte auf das Bild zu England natürlich Einfluss. Durch die Aufnahme der Briefe mit unterschiedlichen Meinungen zu einem Thema in Chroniken und Annalen konnten aber auch verschiedene Sichtweisen dargestellt werden.372 Wie die Analyse zur Herkunft der Nennungen gezeigt hat, ist ein großer Anteil davon auf sekundäre Kommunikation zurückzuführen. Allerdings stößt man zuweilen auch an Grenzen der Rückverfolgbarkeit. Auch Rückschlüsse auf mündliche Kommunikation sind in den Quellen möglich, aber nicht immer einfach festzustellen. Otto von Freising geht in seiner Chronica selbst darauf ein, dass er ab der Zeit Heinrichs V. die Informationen für seine Arbeit entweder von Gewährsmännern bezog oder dass seine Kenntnisse auf eigenem Erleben basierten.373 Genauer führt er allerdings diese Gewährsmänner nicht ein. Möglichkeiten zur mündlichen Kommunikation, den damit einhergehenden Informationsaustausch bzw. -gewinn gab es aber viele für die Historiographen. Der Aufenthalt am Hof, Teilnahme an Hoftagen, an Italienzügen oder weiteren Reisen, wie bei Ekkehard von Aura, Burchard von Ursberg, Arnold von Lübeck, Rahewin und Otto von Freising boten die Möglichkeit zum Treffen anderer Personen. Helmold von Bosau reiste wenig, hatte aber durch seinen Freund Bischof Gerold Zugang zu Informationen. Diese Ebene der Gespräche bei Begegnungen wird sehr anschaulich in Briefen dargestellt. Hier finden sich auch Hinweise auf direkte Gespräche zwischen Deutschen und Engländern. So berichtet z. B. Eberhard von Bamberg Eberhard von Salzburg in einem Brief zu einem Treffen in Pavia 1159: Nuncius regis Francorum promist pro eo neutrum se recepturum usque dum nuncios domni imperatoris recipiat. Nuncius regis Anglorum idem velle et idem nolle promisit tam in his quam in aliis.374 Hofnähe oder der Kontakt zu hochrangigen Personen des Reichs konnten den Zugang zu Informationen erleichtern, war aber nicht zwingend notwendig, wie die Briefe bei Rahewin oder der Büchertausch zeigten. Dadurch, dass Klöster, wie Stephan Freund feststellte, meist Schnittstellen für Botenverkehr zur Nachrichtenübermittlung waren, z. B. durch die vorgeschriebenen Besuche bei den Zisterziensern in Frankreich oder Reisen an den päpstlichen Hof, gab es vielfältige Möglichkeiten Nachrichten zu erhalten oder sich direkt auszutauschen.375 Die zahlreichen Einträge in der Kölner Königschronik, die häufig auch singulär stehen und 372 Siehe die Briefe zum Alexandrinischen Schisma in Rahewins Gesta Friderici. Vgl. die Briefe zu Leopold V. bei Magnus von Reichersberg. 373 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus VII, 11, zum Jahr 1106, S. 323: Hucusque tam ex Orosii quam Eusebii et eorum, qui post ipsos usque ad nos scripserunt, libris lecta posuimus. Ceterum quae secuntur, quia recentis memoriae sunt, a probabilibus viris tradita vel a nobis ipsis visa et audita ponemus. 374 Otto von Fresing und Rahewin, Gesta Friderici I imperatoris, zum Jahr 1159, IV, 81, S. 312. 375 Freund, Boten und Briefe, S. 100f. Vgl. Wetzstein, New Masters of Space, S. 127.
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deren Herkunft nicht immer bestimmbar sind, lassen vermuten, dass hier durch die bereits erwähnten Handelskontakte zahlreiche Informationen nach Köln gelangten. Von Reisen nach England bzw. in englische Herrschaftsgebiete für Verhandlungen wird ebenfalls in den Quellen berichtet. Die Kölner Königschronik weiß zu 1168 von einer Delegation nach Rouen, die dort den englischen König sprechen sollte.376 Genauere Informationen über den bloßen Sachverhalt hinaus erfährt man an dieser Stelle aber nicht. Hier kann man keine unmittelbare Verbindung zwischen einem Aufenthalt in England und Informationsgewinnung bei den Historiographen feststellen. Persönliche Kontakte zwischen England und dem Reich hatten in deutschen Quellen also keinen messbaren Einfluss auf die Informationsgewinnung zum anderen, zumindest was dessen Niederschlag in den deutschen Quellen anbelangt. In den analysierten deutschen Quellen findet sich primäre und sekundäre Kommunikation mit und zu England. Zwar weiß man von persönlichen Begegnungen durch englische Gesandtschaften in das Reich wie bei dem Würzburger Hoftag 1157 oder 1159, aber auch von Reisen nach Rouen 1168. Von den dabei stattgefundenen Gesprächen findet man aber kaum einen direkten Niederschlag in den Quellen. Hier sind die eingefügten Briefe ergiebiger. Auf Einflüsse durch mündliche Kommunikation ist vielmehr bei den zahlreichen Einträgen in der Kölner Königschronik zu schließen, die vermutlich durch Handels- oder sonstige Reisen des persönlichen oder allgemeinen Umfeldes des Schreibers der Chronik zustande kamen. Sekundäre Kommunikation ist auf historiographische und hagiographische Werke zurückzuführen, zeitgenössische Berichte und Briefe. Allerdings finden sich nur wenige direkte Verweise auf die entsprechenden Quellen. Meist muss man sich die Informationsquellen des Historiographen indirekt erschließen. Zeitgenössische englische Historiographie ist dabei im Reich nicht feststellbar, nur ein vermutlicher Verweis auf einen Mirakelbericht aus England. Häufig ist allerdings festzustellen, dass man nicht alle Nennungen auf eine Informationsquelle zurückführen kann, wobei allerdings die meisten Nennungen mit Ereignissen im Reich zusammenhängen und nicht nur mit England. In weiteren exemplarischen Schritten muss nun untersucht werden, wann die Wahrnehmung des Anderen erfolgte und sich in den Quellen niederschlug, wie dessen Darstellung erfolgte und ob es eine allgemeine Wahrnehmung des anderen gab bzw. worin Unterschiede begründet sind.
376 Chronica regia Coloniesies, zum Jahr 1168, S. 120. Vgl. RI IV,2,3 n. 1811. Dies ist ebenso der Fall bei einem Besuch englischer Legaten im Reich, Otto von Fresing und Rahewin, Gesta Friderici i imperatoris, zum Jahr 1159, IV, 24, S. 267.
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2.2
Quantitative Auswertung der Quellen
Historiographie in England des 12. und frühen 13. Jahrhunderts
Während sich allgemeine Untersuchungen zur Historiographie im deutschen Regnum des 12. und frühen 13. Jahrhunderts nur wenige finden lassen, und man für einen Überblick gezwungen ist, auf die letzten Bearbeitungen des Wattenbachs durch Schmale zurückzugreifen, findet sich im Gegensatz dazu eine Vielzahl an Arbeiten zur Historiographie im anglonormannisch-angevinischen Reich. Die intensive Beschäftigung mit der englischen Historiographie des 12. Jahrhunderts wird meist auf William Stubbs, den Editor der wichtigsten Chroniken der Herrschaftszeit Heinrichs II., der damit auch das historiographische Bild jener Zeit prägte, und dessen zwei Vorlesungen »Learning and Literature at the Court of Henry II«377 von 1878 zurückgeführt.378 Mit seiner Arbeit wird Stubbs meist als Wegbereiter für Charles Homer Haskins und dessen Idee einer Renaissance der 12. Jahrhunderts gesehen, als auch weiterer Autoren, die sich bis heute mit der englischen Historiographie v. a. des 12. Jahrhunderts auseinandersetzen.379 Charles Haskins, ebenso wie William Stubbs, sieht gerade in der 377 Stubbs, Learning and Literature, S. 132–155 (Vorlesung vom 11. Juni 1878), S. 156–178 (Vorlesung vom 13. Juni 1878). 19 Bände der sog. Rolls Series (The Chronicles and Memorials of Great Britain and Ireland during the Middle Ages) wurden von William Stubbs ediert. 378 Vincent, Introduction: Henry II, S. 9. Vgl. Hosler, The Golden Age, S. 398. 379 Charles Homer Haskins veröffentlichte 1927 seine These, dass die Renaissance, die von Italien ausgehend den Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit mit bildete, von einer Renaissance des 12. Jahrhunderts vorbereitet wurde. Er macht dies am Aufstieg der Städte, der Entstehung von durch Verwaltung geprägter Staaten, dem Höhepunkt der Romanik und dem Beginn der Gotik, dem Entstehen volkssprachiger Literatur, im Wiederaufleben des römischen Rechts und einer Wiederbesinnung auf lateinische Literatur und Poesie, ebenso in der Wiederentdeckung des griechischen Wissens (mit arabischen Zusätzen) und schließlich im Entstehen der ersten europäischen Universitäten fest. Siehe Haskins, The Renaissance, S. VI. Haskins These führte zu zahlreichen Studien, die sich im Allgemeinen mit der Renaissance des 12. Jahrhunderts oder mit England im Besonderen beschäftigten. Swanson, The twelfth-century Renaissance. Benson/ Constable (Hgg.), Renaissance and Renewal. Thomson, England and the 12th-Century Renaissance. Für einen Überblick zu Haskins Befürwortern und Kritikern und zur Forschungsgeschichte zu diesem Konzept siehe Otter, Renaissance and Renewals, S. 535–552. Otter, Renaissance and Renewals, S. 536, verweist darauf, dass Haskins Ansatz und die breite Aufnahme dieser Idee unter Mediävisten meist als Reaktion auf Jacob Burckhardts Werk »Die Cultur der Renaissance in Italien« von 1860 gewertet wird: »The so-called Twelfth-Century renaissance was proposed, in direct reation to the Burckhardtian paradigm-shifting Renaissance, as a ›revolt of the medievalist‹ tired of being relegated to the dark ages that came before.« Den RenaissanceBegriff auf das 12. Jahrhundert anzuwenden und eine neue Epoche darin ausmachen, blieb aber nicht unwidersprochen. Von Moos, Das 12. Jahrhundert, S. 1–10, warb darum, den Renaissance-Begriff durch Nichtgebrauch und Nichtbeachtung aus der Welt zu schaffen, da
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englischen Historiographie das beste Beispiel intellektueller Wiederbelebung, ausgelöst durch die normannische Eroberung mit ihrem Höhepunkt am Hof Heinrichs II.380 Diese extrem positive Bewertung der englischen Historiographie, die sowohl Stubbs als auch Haskins unter Heinrich II. sahen, wurde von weiteren Forschern übernommen. Noch 70 Jahre nach Haskins Veröffentlichung verbanden Historiker unkritisch Haskins Renaissance-Begriff explizit mit der englischen Historiographie.381 Ebenso wie Haskins war auch Antonia Gransden von William Stubbs Vorlesung wie auch seinen Editionen beeinflusst, sodass sie in ihrem ersten Band von »Historical Writing in England«, das immer noch als Meisterwerk englischer Historiographiegeschichte angesehen wird, von einem »golden age of historiography in England«382 in Bezug auf die letzten zwanzig Jahre des 12. Jahrhunderts sprach. Neben dieser glorifizierenden Bewertung des 12. Jahrhunderts, bzw. der letzten 20 Jahre der Regierungszeit Heinrichs II. für die englische Geschichtsschreibung durch die Verbindung mit dem Renaissancebegriff als auch mit einem Goldenen Zeitalter, zeigt sich auch in einer detaillierteren Analyse eine weitere einheitliche Betrachtungsweise. Vergleicht man die Kapitelstrukturierung bei Wattenbach/ Schmale mit der bei Antonia Gransden, fällt auf, dass bei Wattenbach/ Schmale die hauptsächliche Kategorisierung nach regionalen Gesichtspunkten erfolgte. Antonia Gransden nimmt zwar auch kleinere lokale/ regionale Exkurse vor, das Hauptaugenmerk liegt allerdings auf zeitlichen Kategorien wie »Normannische Eroberung« oder den Regierungszeiten einzelner Herrscher. Diesen wird im anglonormannisch-angevinischen Reich wesentlich mehr – wenn auch unterschiedlich stark – Einfluss auf die Tätigkeit der Chronisten eingeräumt, als man dies diesen für das römisch-deutsche Reich z. B. Lothar III. oder Konrad III. zugestehen würde. Diese starke Orientierung an den einzelnen Regierungszeiten, bzw. einzelnen Abschnitten der Regierungszeiten, die Begriffe viel zu schwammig benutzt werden würden und auch wenn es ein Aufblühen und eine partielle Erneuerung gab. LeGoff, What did the Twelfth-century renaissance mean?, S. 635–647, sah im 12. Jahrhundert kein »Revival«, sondern eher ein »Take-Off« in der Entwicklung. Auch Holmes, The Idea, S. 643–651, kritisierte, dass Haskins Anhänger Humanismus und Renaissance gleichgesetzt hätten. 380 Haskins, The Renaissance, S. 39 f, S. 224: »One of the best expressions of the intellectual revival of the twelfth century is to be seen in the writing of history; indeed, from many points of view this is one of the greatest periods of medieval historiography.« Stubbs, Learning and Literature, S. 136: »Henry II was by his very descent a champion of literary culture.« Ebenso, S. 172: »So far as books were concerned, there was such a supply of writers and readers as would be found nowhere else in Europe, except in the University of Paris itself.« 381 Galloway, Writing History, S. 263. Ebenso Crane, Anglo-Norman Cultures, S. 41. 382 Gransden, Historical Writing. Staunton, The Historians, S. 2, sah hingegen in dieser Zeit eher ein »silbernes Zeitalter«, da er diese Zuschreibung eher bei Orderic Vitalis und Heinrich von Huntingdon sah.
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führte mit einer gewissen teleologischen Ausrichtung auf die Entwicklung des englischen Staates dazu, dass wie William Bainton feststellt: »The history of English historical writing in the twelfth century often reads like a Nativity story for the nation.«383 Demnach, wie William Bainton es zusammenfasst, war es das Ziel englischer Chronisten zu Beginn des 12. Jahrhunderts, die angelsächsische Vergangenheit aufgrund der durch die normannische Eroberung ausgelösten Veränderungen und Umwälzungen zu sichern.384 Zuvor hatten die englischen Chronisten aufgrund der traumatischen Ereignisse durch die Eroberung aufgrund eines Unterlegenheitsgefühls geschwiegen, sodass es erst 25 Jahre später zu einem ersten Aufschwung in der englischen Historiographie kam.385 Direkt nach der Eroberung hatten v. a. normannische Chronisten die Eroberung mit Propagandaschriften gerechtfertigt.386 Als um 1130 dieser Prozess der Absicherung beendet war, musste die englische Nation mit ihrer Vergangenheit vor einem multiethnischen Publikum verteidigt werden, sodass sich auch die Zugewanderten mit dem dabei entstehenden Narrativ arrangieren konnten.387 Besonders William of Malmesbury verbreitete die These von einem Zivilisierungsprozess durch die Normannen, der so erfolgreich gewesen sei, dass »there was no reason why the children and grandchildren of the conquerors, the new Francophone masters of England, should not be proud of their English history, proud to think themselves as English.«388 Ein neuer Aspekt kam unter Heinrich II. und der Vergrößerung des angevinischen Reiches hinzu. Nun interessierten sich die Chronisten nicht nur für England als Nation, auch ging der Fokus, der zuvor auf dem König und dessen Familie lag, zurück, sondern die beginnende Verwaltung bzw. Bürokratie, die »machinery of government« wurde nun interessant, sodass
383 Bainton, History and the Written Word, S. 195. 384 Bainton, History and the Written Word, S. 195. Die periodische Einteilung der verschiedenen Stufen der englischen Historiographie beruht v. a. auf Southern, England’s first Entry, S. 135–180. Vgl. Ders., The Place of England, S. 201–216. Vgl. Ders., Presidential Address, S. 243–263. Vgl. van Houts, Historical Writing, S. 103–121. 385 Southern, Presidential Address, S. 246, 249. Vgl. Gillingham, French Culture, hier S. 731. 386 Van Houts, Historical Writing, S. 106f. Auch Berg, Regnum Norm-Anglorum, hier S. 173, ist sogar der Ansicht, dass Wilhelm I. bemüht um die Entwicklung eines Geschichtsbildes zur Herrschaftsstabilisierung war. Van Houts betont, dass es vor der Eroberung in England bis auf den Anglo-Saxon Chronicle nur in geringem Maße historiographische Aktivität gab. Seit Beda sei nichts mehr Größeres entstanden. 387 Van Houts, Historical Writing, S. 114. Vgl. Southern, England’s first entry, S. 154. Vgl. Bainton, History and the Written Word, S. 195f. 388 Gillingham, French Culture, S. 737. Diese Darstellung der eigenen Geschichte als Zivilisierungsprozess betrachtet Gillingham als Alleinstellungsmerkmal der englischen Historiographie.
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Antonia Gransden diese in diesem Zeitraum entstandenen Chroniken »administrative histories« nennt.389 Den Grund für dieses Aufblühen der englischen Historiographie im 12. Jahrhundert sah man meist in der Reaktion auf die normannische Eroberung und die damit zuvor beschriebenen Verhaltensweisen. Neben diesem massiven Umbruch, eingeleitet durch Wilhelm I., wurde eine Erklärung, warum sich englische Autoren so sehr am englischen Reich, an der gedachten eigenen Nation orientierten, auch in der Stärke des englischen Königs gesehen. So vertritt Robert Swanson die These, dass dies die Schwäche der zentralen Autorität zeige, da im Vergleich im deutschen Reich der Fokus eher auf Bischöfen und Diözesen lag und in Italien auf Städten.390 Diese stark schematische Einteilung der Historiographen mit ihren Schreibabsichten erfährt mittlerweile in mehrfacher Weise Kritik. John Gillingham warnt zum einen davor, bei der Interpretation der Chroniken zu sehr auf das von den Autoren selbst kreierte Narrativ hereinzufallen, das die Engländer zuerst als ein Volk beschreibt, das dann unter einem König geeint wird und dann sich in seinen kulturellen und sozialen Verhaltensweisen, in Bildung und Verwaltung verbessert und emporhebt.391 Dieses Narrativ hätten Autoren wie Wilhelm von Malmesbury geschaffen, um eben mit den Veränderungen in England besser zurechtzukommen und sowohl den normannischen als auch englischen Lesern eine Perspektive für den Umgang damit in ihren Texten aufzuzeigen. Ebenso weist Gillingham darauf hin, dass viele William Stubbs Einschätzung zur Bedeutung der Historiographie für und unter Heinrich II. einfach gefolgt seien und – auch verleitet von Antonia Gransdens Ausdruck des Goldenen Zeitalters – von Auftragsarbeiten und einer regelrechten Schule von Historiographen unter Heinrich II. sprachen und diese Überlegungen nicht mehr kritisch überprüften.392 Gerade die Bedeutung Heinrichs II. und eine Vorstellung des angevinischen Hofes für die Historiographen sollten bei der Analyse der Historiographie des 12. Jahrhunderts wieder verringert werden, da Heinrich II. nicht an zeitgenössischer Geschichtsschreibung interessiert war, ebenso wenig wie an in Latein verfasster.393 Zwar hätten Autoren die Protektion Heinrichs II. gesucht und ihm auch ihre Arbeiten gewidmet, was allerdings nicht den Erfolg brachte, den sie sich erhofften. Das romantisierte Bild von einem Hof, der lateinische Chronistik förderte, sollte nach Gillinghams Ansicht realistischer gezeichnet werden. Die Kritik Baintons, dass die Erforschung der englischen Geschichtsschreibung sich 389 Bainton, History and the Written Word, S. 196. Vgl. Van Houts, Historical Writing, S. 120. Gransden, Historical Writing, S. 221. 390 Swanson, The twelfth-century renaissance, S. 62. 391 Gillingham, A historian of the Twelfth-Century, S. 47f. 392 Gilllingham, The cultivation of History, S. 25–27. 393 Gillingham, The cultivation of History, S. 28.
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oft anhöre wie »a Nativity story for the nation state« wurde bereits angesprochen.394 Dem v. a. von Southern begründeten Schema der Einteilung der Historiographen sollte man dabei nicht unkritisch folgen, da es zu sehr auf eine erfolgreiche, homogene Entwicklung ausgelegt ist. Dennoch ist man auf die für die englische Forschung so wichtigen Fragen für das 12. Jahrhundert nach Nationalitätenbildung, Selbstverständnis und Verwendung der unterschiedlichen Sprachen auf historiographische und literarische Quellen angewiesen.395 Die Eroberung von 1066 hatte gewaltige Veränderungen für die bis dahin angelsächsische Gesellschaft ausgelöst, wobei die normannischen Neuankömmlinge und deren Nachfahren wiederum von der ursprünglichen Bevölkerung rasch assimiliert wurden und die Anglo-Normannen sich entwickelten.396 Während von den Herrschern und den Großen keine Selbstzeugnisse oder Aussagen bezüglich ihrer Identität (Normannen – Angelsachsen – Anglonormannen – Engländer – Briten?) überliefert sind, bieten zumindest die Chroniken und die darin enthaltenen Interpretationen einen Einblick in die für England so wichtige Identitätsfrage.397 Damit erklärt sich auch, warum es, anders als für das Reich in dieser Zeitperiode, eine so ausführliche vergleichende Beschäftigung mit einzelnen Autoren bzw. mit der Historiographie und Literatur insgesamt in England gibt. Neben der so positiv bewerteten Epoche für die englische Geschichte wurde die Historiographie auch immer als bedeutende Quellengattung für die Identitätsfrage im anglonormannisch-angevinischen Reich angesehen.
394 Bainton, History and the Written Word, S. 195. 395 Short, Tam Angli quam Franci, S. 266ff. Zum Vergleich, während z. B. Karl Schnith, Von Symeon von Durham zu Wilhelm von Newburgh, S. 242–256, von Volksgeschichte und Volksbewusstsein in der englischen Historiographie des 12. Jahrhunderts schreibt, und auch Kersken, High and late, S. 181–215, von »English national history« schreibt, setzt Kersken den Beginn deutscher Nationalgeschichtsschreibung auf das Ende des 15. Jahrhunderts mit Beginn der Tacitus-Rezeption an. Den Grund hierin sieht er in der starken früheren Romorientierung. 396 Short, Tam Angli quam Franci, S. 154. 397 Gillingham, The English, S. XV: »[…] in the belief that the ideas and assumptions revealed by these authors as they told and re-told the histories of their own and former times can give us, however imperfectly, a better understanding of the assumptions and values of their less bookish contemporaries than any other form of surviving evidence.«
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2.2.1 Quellen mit Nennungen zum deutschen Reich Eadmer von Canterbury – Historia novorum Zum Jahr 1117 S. 243, zum Jahr 1118 S. 246.
Eadmer von Canterbury (ca. 1060–1126) war der erste anglonormannische Autor, der Zeitgeschichte schrieb und mit seiner Arbeit weitere Historiographen wie Wilhelm von Malmesbury, Johannes von Worcester oder Symeon von Durham beeinflusste.398 Als Oblate gelangte der Sohn englischer Eltern zum Benediktinerkloster in Canterbury, wo er 1093 Mitglied des Haushalts des neugewählten Erzbischofs Anselm von Canterbury wurde.399 Eadmer begleitete Anselm bei dessen Reisen und bei den beiden Exilaufenthalten (1097–1100 und 1103–1107), wobei er begann, eine, später zweigeteilte, Biographie über Anselm zu schreiben: die Vita S. Anselmi und die Historia novorum.400 In der Vita S. Anselmi schrieb er Anselms private Gespräche nieder und behandelte dessen Charakter, während die Historia novorum über dessen öffentliches Leben und Wirken verknüpft mit politischen Ereignissen berichtet. Eadmer erläutert, warum Anselm Erzbischof von Canterbury wurde, berichtet über dessen Diskussionen und Konflikte mit Wilhelm II. und Heinrich I. sowie seine Exilaufenthalte und daraus erwuchs schließlich ein historiographisches Werk über die Kirche in England, Anselms Vorgänger – besonders Lanfranc – und die Eroberung durch Wilhelm I., das erst nach Anselms Tod endete.401 Eadmer begann mit seiner Tätigkeit während des ersten Exilaufenthalts. Anselm unterstützte zunächst Eadmers Tätigkeit, wies aber später an, dass er es zerstören solle, wobei der Autor aber eine Kopie behielt.402 Der Historiograph fügte zahlreiche Briefe und Dokumente in sein Werk ein, woraus meist geschlossen wurde, dass Anselm Eadmer aus Verärgerung seine Gunst entzog, weshalb der für sein Vorhaben nun Dokumente hinzuziehen musste.403 398 Gransden, Historical Writing, S. 136, 142. 399 Rubenstein, Eadmer of Canterbury. 400 Eadmeri historia novorum in Anglia, hg. von Rule (Rolls Series 81). Neben diesen beiden Hauptwerken, die er zwischen 1097 und 1125 schrieb, entstanden aber noch weitere hagiographische Schriften, die sich mit dem Leben zahlreicher angelsächsischer Heiligen befassten. Gransden, Historical Writing, S. 138, S. 142, wies darauf hin, dass Eadmer mit der Form der Biographie eine typische angelsächsische Gattung wählte, um über Geschichte zu schreiben. Diese Form wurde aber von späteren Autoren nicht wieder aufgegriffen, sondern ein annalistischer Aufbau gewählt. Zur Diskussion um die verschiedenen Handschriften siehe, Vaughn, Eadmer’s Historia Novorum, S. 260. 401 Gransden, Historical Writing, S. 136f. 402 Rubenstein, Eadmer von Canterbury. 403 Rubenstein, Eadmer von Canterbury. Vgl. Gransden, Historical Writing, S. 139. Gransden sieht dies eher kritisch, da Eadmer durch seine Position im Haushalt Anselms dessen Kanzlei leitete und den Wert von wörtlich eingefügten Dokumenten kannte. Vaughn,
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In der Historia novorum brachte Eadmer – trotz der Bewunderung Lanfrancs und Anselms – aber auch seine Sorge über den Umgang mit der angelsächsischen Kultur durch die Normannen und die Benachteiligung von Engländern bei Ämtervergaben zum Ausdruck.404 Eadmer gilt damit als einer der Autoren, mit dem zwar die historiographische Auseinandersetzung mit der normannischen Eroberung begann, aber noch nicht als einer der Autoren, wie spätere dies machten, der versuchte, die Eroberung durch Wilhelm I. mit der englischen Vergangenheit zu harmonisieren.405 Auf Nennungen zum Reich wurde allerdings nur die Historia novorum untersucht. Die Einträge zum Reich in der Historia novorum entstanden allerdings erst nach Anselms Tod, als Kritik an diesem laut wurde und Eadmer mit zwei weiteren Büchern, Buch V und VI der Historia novorum, dessen Handeln verteidigte. Eadmer hatte zunächst auch dem Haushalt von Anselms Nachfolger, Ralph d’Éscures, angehört und diesen auch bei Reisen auf den Kontinent begleitet. Die erste Nennung betrifft auch eine dieser Reisen, bei der Eadmer berichtet, dass der Erzbischof Kaiser Heinrich V. bei einem Rombesuch traf. Im zweiten Eintrag berichtet Eadmer von der Einsetzung des Gegenpapstes Gregor VIII. durch Heinrich V. und dessen Bekräftigung der Bannung. Johannes von Worcester – Chronicon ex Chronicis Zum Jahr 1106 S. 108, zum Jahr 1110 S. 118, zum Jahr 1111 S. 118–124, zum Jahr 1112 S. 130– 132, zum Jahr 1114 S. 134, zum Jahr 1115 S. 136, zum Jahr 1118 S. 142, zum Jahr 1125 S. 158, zum Jahr 1126 S. 166, zum Jahr 1128 (C3/ G) S. 176ff., zum Jahr 1128 S. 182, zum Jahr 1131 S. 202–206, zum Jahr 1137 S. 232, zum Jahr 1138 S. 234, unbestimmt S. 234, unbestimmt S. 236–240.
Über den Chronisten Johannes von Worcester (vermutlich 1095–1140) ist nur wenig bekannt. Die wichtigste Information über ihn stammt dabei von Orderic Vitalis. Er berichtet, dass er den Mönch Johannes, einen Engländer, in Worcester eine Chronik verfassen sah, die eine Fortsetzung der Chronik des Marianus Scotus werden sollte, und dieser wäre dafür von Bischof Wulfstan beauftragt worden.406 In den 1130er-Jahren hielt sich Johannes in Winchcombe auf.407 In der Eadmer’s Historia Novorum, S. 265, sieht in den eingefügten Dokumenten eher Eadmers Versuch, die Leser von seiner Meinung (u. a. den Primatsanspruch Canterburys) zu überzeugen und Beispiele zum Nachfolgen zu geben. 404 Ein Beispiel für diese negative Sichtweise ist Eadmer, Historia novorum, zum Jahr 1114, S. 224. Rubenstein, Eadmer of Canterbury. Vgl. Gillingham, French Culture, S. 731. 405 Gillingham, French Culture, S. 731. 406 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 2, Buch III, S. 186–188: Ioannes Wigornensis a puero monachus, natione Anglicus, moribus et eruditione uenerandus, in his quae Mariani Scotti cronicis adiecit, de rege Guillelmo et de rebus quae sub eo uel sub filiis eius Guillelmo Rufo et Henrico usque hodie contigerunt honeste deprompsit. […] Quem prosecutus Iohannes
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Zeit der Anarchie stand er auf Seite Stefans I., beschrieb ihn aber als wenig durchsetzungsfähig, da er die Auseinandersetzungen nicht verhinderte.408 Neben der Chronik des Marianus beeinflussten der Anglo-Saxon Chronicle und Eadmers Historia novorum maßgeblich die Chronik. Für die Zeitgeschichte sind aber auch mündliche Überlieferungen aus Worcester, Shrewsbury, Gloucester, Tewkesbury und Cirencester nachweisbar.409 Überliefert ist die Chronik in fünf vollständigen Handschriften. Die Handschrift, die auch die Basis der Edition bildet (Oxford, Corpus Christi College, MS 157), stammt von Johannes selbst, der sie aber mehrfach überarbeitete. Die anderen vier Handschriften beruhen mehr oder weniger direkt auf diesem Manuskript, wurden aber zu unterschiedlichen Bearbeitungsständen angefertigt.410 Der Historiograph fertigte selbst eine Kompilation seiner Chronik an, die »Chronicula«, die ebenfalls im Autograph erhalten ist (Dublin, Trinity College, MS 503).411 Paul Antony Hayward stellte die These auf, dass Johannes von Worcester noch weitere, heute verlorene Annalen verfasst hatte, die wiederum die Grundlage für die Chroniken von Winchcombe und Coventry bildeten.412 Johanns Chronik war im 12. Jahrhundert sehr beliebt,
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acta fere centum annorum contexuit, iussuque uenerabilis Wlfstani pontificis et monachi supradictis cronicis inseruit. in quibus multa de Romanis et Francis et Alemannis aliisque gentibus quae agnouit. utiliter et compendiose narratione digna reserauit. Brett, John of Worcester, S. 110f., vermutet, dass die Chronik von Marianus Scotus durch Bischof Robert von Hereford aus Lothringen nach Worcester gelangte. Dabei war die Weltchronik umfassender als alles, was sonst in England nach Beda entstanden war. Dass Florence von Worcester die Chronik bis 1118 verfasste, die dann von Johannes übernommen wurde, was aufgrund eines Annaleneintrags zu 1118 vermutet wurde, wird heute mehrheitlich ausgeschlossen. Vgl. Gransden, Historical Writing, S. 143f., Brett, John of Worcester, S. 104, McGurk, Worcester, John of. Zu Marianus Scotus siehe, The Winchcombe and Coventry Chronicles. Bd. 1, hg. und übs. von Hayward, S. 65–68. Gransden, Historical Writing, S. 144, vermutet, dass er sich hier im Exil aufhielt. The Chronicle of John of Worcester, 3 Bde., hg. von Darlington/ McGurk, übs. von Bray/ P. McGurk, hier Bd. 3, S. XXXIX. Im Weiteren zitiert als Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis. Gransden, Historical Writing, sieht als Grund für diese Haltung die wiederkehrenden Angriffe auf Worcester von Gloucester aus. Mathilde wurde von Johannes von Worcester auch dezidiert »eximperatrix« (Bd. 3, S. 252, 268, 270) genannt. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. XXVIII. Brett, John of Worcester, S. 125, beurteilt die Lage und die Einflüsse auf die Chronik folgendermaßen: »for the Winchester chronicle is set in the middle of a web of extraordinarily complex historical activity, which drew together the chief centres of English Benedictine history.« Zu den unterschiedlichen Handschriften siehe Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 2, S. XXI–LIX. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. XV; Brett, John of Worcester, S. 110. The Winchchombe and Coventry Chronicles, hg. von Hayward, S. 97f. Hayward führt dies auf eine gemeinsame Quelle, die sowohl in der Winchcombe als auch der Coventry Chronik benutzt wird und die auch in Johannes Chronik zu finden ist. Hayward vermutet, dass Johannes drei unterschiedliche Werke, quasi zielgruppenorientiert, anfertigte. Während die Chronica ex chronicis in ausführlicher Weise für das intellektuelle Publikum geschrieben
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sodass sie u. a. in Bury, Abingdon und Conventry kopiert wurde und u. a. von Roger von Howden für seine Chronik kompiliert wurde.413 Johannes Einträge zum Reich berichten überwiegend über den Tod und Nachfolge der Kaiser (z. B. zum Jahr 1106 und 1125) und über die Ehe Heinrichs V. mit Mathilde und deren Rückkehr nach England (zu den Jahren 1110, 1126, 1128). Diese Einträge finden sich auch ähnlich bei Wilhelm von Malmesbury und Eadmer von Canterbury. Interessant ist Johannes Umgang mit dem Investiturstreit von 1111. Der Geschichtsschreiber berichtet zwar von der Gefangennahme des Papstes durch Heinrich V., der Eintrag endet aber mit einer Kaiserkrönung. Johann nutzte für diese Episode teilweise Wilhelm von Malmesbury Liber Pontificalis.414 Anders als Eadmer von Canterbury oder Wilhelm von Malmesbury hielt sich Johannes allerdings streng an sein chronologisches Konzept, während die anderen Autoren die Ereignisse von 1111 und die Beurteilung der Beschlüsse als Pravileg zusammenführten. Hier erfolgte keine Verknüpfung der Ereignisse durch Johannes, sondern er fügte nur die Dokumente ein. Während die meisten Einträge zu bekannten und nachvollziehbaren Ereignisse erfolgten, ist der Eintrag zum Frieden von Neuss 1115 nur in seiner Chronik zu finden.415 Die Schlacht Lothars III. gegen Roger von Sizilien verband nur er mit dem Schisma.416 Allerdings setzte sich an dieser Stelle Johannes als einer der wenigen englischen Historiographen im 12. Jahrhundert mit der Bedeutung des Kaisertums auseinander, was diesen Eintrag besonders macht.417 Während die bisher genannten Einträge meist sehr knapp gehalten sind – mit Ausnahme der Ereignisse von 1111 – fügte Johannes von Worcester auch drei längere Einträge ein, die er ohne Kontextanbindung in seine Annalen aufnahm. Dies sind zum einen die Dar-
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worden war, und die Chronicula Poesie beinhaltet und noch stärker das Zeitberechnungssystem nach Marianus vertritt, soll diese verlorene Chronik ein Lehrwerk für Komputistik gewesen sein. McGurk, Worcester, John of. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 120f., Anm. 2. Vgl. Thomson, William of Malmesbury’s edition, S. 93–112, hier S. 108f. Brett, John of Worcester, S. 116. Allerdings benutzten beide auch dieselben Quellenvorlagen. Johannes zieht in diesem Eintrag drei Ereignisse, die Belagerung Kölns, Heinrichs Niederlage bei Andernach und den Frieden von Neuss aus dem Jahr 1114 zusammen. Diesen Frieden findet sich sonst in keiner weiteren Quelle. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 136, Anm. 2. Vgl. Meyer von Konau, Jahrbücher des Deutschen Reiches, S. 306, Anm. 33. Auch soll Lothar nach Johannes von Worcester eine Krone erobert haben. Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, VII, 20, S. 338f., erwähnt nur eine Schlacht bei Bari. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 232: Inter Lotharium Romanorum imperatorem et Rogerium Apulie ducem oritur bellum. Diuitiis pleni, ambo hi, unus religione et dignitate superior uel excellentior, alter in confusionem sui auro prestantior. Imperialis tamen sullimitas, ut dignum et iustum est, omni regie dignitati prestat in omnibus.
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stellung der Ermordung von Thüringern durch die Sachsen,418 zum anderen zwei Wundergeschichten.419 Warum Johannes von Worcester diese Geschichten in seine Annalen einfügte und damit auch sein früheres Schema brach, bleibt unklar. Gransden vermutet, dass Johannes mit seiner Chronik durchaus unterhalten wollte und sie daher mit in seine Chronik aufnahm.420 Winchcombe Chronik Zum Jahr 1106 S. 514, zum Jahr 1110 S. 516, zum Jahr 1111 S. 516, zum Jahr 1114 S. 518, zum Jahr 1125 S. 520, zum Jahr 1127 S. 520, zum Jahr 1160 S. 530, zum Jahr 1162 S. 530, zum Jahr 1167 S. 532, zum Jahr 1168 S. 532, zum Jahr 1177 S. 528.
Eng verwandt mit der Chronica ex chronicis des Johannes von Worcester ist die Winchcombe Chronik. Diese Annalen, die die Jahre von der Inkarnation Christi bis zum Jahr 1181 überspannen, entstanden vermutlich in mehreren Phasen ab den späten 1130er-Jahren.421 Deren Editor Paul Hayward stellt fest, dass der Schreiber bis 1122 dasselbe Material wie der Annalist von Coventry benutzte und dieses auch in der Chronica ex chronicis zu finden ist.422 Er schlussfolgert, dass Johannes von Worcester eine weitere, heute verlorene Chronik schrieb, die der Annalist von Winchcombe verwendete.423 Über die Abtei von Winchcombe finden sich nur wenige Informationen. Ursprünglich 787 als Nonnenkloster erbaut, wurde es später von weltlichen Geistlichen benutzt, die 969 von St. Oswald von Worcester vertrieben wurden, der es in ein Benediktinerkloster umwandelte.424 1139 wurde es im Zug der Anarchie zu418 Johannes von Worcester fügte diese Geschichte zur sogenannten »Nacht der langen Messer« im Anschluss an die Nachricht, dass Konrad III. König geworden war, ein. Diese findet sich in ähnlicher Weise, aber mit anderer Deutung, auch in Widukinds Sachsengeschichte. Vgl. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 234f., bes. Anm. 2. Zu Widukinds Darstellung siehe, Widukindi Monachi Corbeiensis rerum Gestarum Saxonicarum, hg. von Hirsch und Lohmann, S. 7. 419 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 202–207, fügte zum Jahr 1131 ohne einen konkreten Anlass zu nennen das Leben der H. Odilia von Hohenberg ein. In der zweiten Geschichte (Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 236–240) erzählt Johannes vom Teufel, der sich in Gestalt eines Jungen in einem Kloster bei Prüm am Weinkeller bedient. In beiden Fällen ist unklar, wie diese Geschichten zu Johannes gelangten, allerdings liegt eine mündliche Übertragung nahe. 420 Gransden, Historical Writing, S. 147. Vgl. Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 245. 421 The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 1, S. 113. Die Edition der Annalen befindet sich in Band 2. 422 The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 1, S. 5f. 423 The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 1, S. 97. 424 Knowles/ Hadcock, Medieval Religious Houses, S. 80. Leider geht Page, A History of the County, S. 66–72, in seinem Kapitel »The Abbey of Winchcombe« nicht auf die Jahre 1091– 1175 ein.
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sammen mit Worcester und Tewkesbury von den Anhängern Mathildes angegriffen.425 1149 zerstörte ein Feuer vermutlich Teile der Bibliothek.426 Der Schwerpunkt der Einträge zum Reich liegt auf Friedrichs I. Haltung zum Schisma und dessen Handeln in Italien. Das Sterbedatum der Kaiser und deren Nachfolger werden nur erwähnt, sofern dies für England von Interesse ist. So wurde der Tod Heinrichs IV. und die Wahl Heinrichs V. und dessen Tod vermerkt – aufgrund der Ehe mit Mathilde –, aber nicht zu Lothar III., Konrad III. und Friedrich I. Woher der unbekannte Autor die Informationen hatte, ist unklar. Er nutzte für seine Tätigkeit aber Quellen, auf die auch Gervase von Canterbury und der Schreiber der Annalen von Tewkesbury Zugriff hatten. Besonders starken Einfluss hatte allerdings eine heute verlorene Chronik aus Gloucester Abbey, wobei sehr stark die Sichtweise Wilhelms, Earl von Gloucester (1147–1183), eingenommen wurde und den Nachfahren Gilberts de Clare (gest. 1117), Lord von Cardigan, einem großen Förderer von Gloucester Abbey.427 Coventry Chronik Zum Jahr 1106 S. 666, zum Jahr 1111 S. 668, zum Jahr 1112 S. 668, zum Jahr 1114 S. 668, zum Jahr 1126 S. 672.
Eng verwandt mit den Annalen aus Winchcombe sind die Annalen aus Coventry.428 Die in ca. 12 Fortsetzungen ab ca. 1150 verfassten Annalen wurden vermutlich von Benediktinern geschrieben.429 Die enge Beziehung zwischen den beiden Weltchroniken beruht auf der gemeinsamen Quelle. Der Annalist in Coventry nutzte ebenfalls die heute verlorenen Annalen des Johannes von Worcester bis 1122.430 Die Annalen aus Coventry verzeichnen wesentlich weniger Einträge zum Reich als die Annalen aus Winchcombe. So sind nur der Tod Heinrichs IV. und die Nachfolge Heinrichs V., dessen Verlobung und Heirat mit Mathilde, die Gefangennahme des Papstes in Rom – hier dem Jahr 1112 zugeordnet – und deren Rückkehr nach England verzeichnet. Obwohl die bis 1202 geführten Annalen 425 426 427 428
Knowles, The Monastic Order, S. 269. The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 1, S. 145. Hayward, Art. Winchcombe Chronicle, S. 1517. Für die kritische Edition siehe The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 2, S. 545–701. Die Annalen werden heute zwar zumeist Coventry aufgrund der Nutzung einer CoventryAbschrift der Chronica ex chronicorum zugeschrieben, aber auch Leicester als Entstehungsort wäre möglich. Vgl. Hayward, Art. Coventry Chronicle, S. 496. 429 Hayward, Art. Coventry Chronicle, S. 496. The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 1, S. 150–155. Zum Versuch die Benediktinermönche durch Weltgeistliche zu ersetzen und den Einfluss dieses Versuchs auf die Chronik siehe The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 1, S. 159–166. 430 The Winchcombe and Coventry Chronicles, Bd. 1, S. 63.
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Bezug auf das Schisma und Richard I. nehmen, wurden hier keine Bezüge zum Reich hergestellt. Wilhelm von Malmesbury – Gesta regum Anglorum und Historia novella Gesta regum Anglorum Vor 1125 (Buch III, 288) S. 520–523, zusammenfassend für die Jahre 1111–1122 (Buch V, 420 – Buch V, 438) S. 762–783. Historia novella Zum Jahr 1125 (Buch I, 1) S. 4–7, zusammenfassend für die Jahre 1130–1138 (Buch I, 7) S. 18f.
Wilhelm von Malmesbury zählt zu den herausragendsten Historiographen Englands des 12. Jahrhunderts.431 Über sein Leben ist allerdings nur wenig bekannt. Geboren um 1095, unweit von Malmesbury, trat der Sohn eines normannischen Vaters und einer englischen Mutter – von denen er zum Lesen und Lernen angehalten wurde, wie er selbst beschreibt – schon als Kind in das Kloster von Malmesbury ein.432 An einer kirchlichen Karriere hatte er weniger Interesse und lehnte die angetragene Abtswürde ab.433 Das Amt des Kantors und des Bibliothekars – beides mit seinem ausgeprägten Interesse an Geschichte vereinbar – übte er hingegen aus.434 Sein Todesjahr 1143 wird aus dem Abbruch der Historia novella, seinem zeitgeschichtlichen Werk, gefolgert.435 Die Gründe für die sehr positive Sichtweise werden meist in Wilhelms historisch-kritischem Ansatz, Geschichte zu schreiben, gesehen, seiner Vielzahl an Quellen, seiner Vermischung von angelsächsischen und anglonormannischen Sichtweisen und
431 Gillingham, French Culture, S. 731. Weiler, William of Malmesbury, King Henry I, hier S. 157. Thomson, Malmesbury, William of. Eine vollständige Übersicht über die Wilhelm von Malmesburys behandelnde Literatur zu geben, ist aufgrund der Fülle an dieser Stelle nicht möglich. Als einführende Werke sei hier nur kurz verwiesen auf William Stubbs Einleitung in der Editon der Gesta Regum: Willelmi Malmesbiriensis monachi de gestis regum Anglorum, hg von Stubbs (Rolls Series), 2 Bde. Gransden, Historical Writing, S. 166–185. Thomson, William of Malmesbury. Farmer, William of Malmesbury’s Life, S. 39–54. 432 William of Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, 2 Bde. u. übs. von Mynors, fertig gestellt von Thomson/ Winterbottom, II, Prolog, S. 150. William of Malmesbury, Historia Novella. The Contemporary History, hg. von King/ übs. von Potter, S. XVIII. Thomson, William of Malmesbury, S. 4, vermutet als Geburtsdatum hingegen die Jahre 1085–1090, S. 4, S. 199–201. Thomson vermutet ebenfalls, dass Wilhelm seine profunde Ausbildung eher in Glastonbury als in Malmesbury erhielt. 433 Thomson, William of Malmesbury, S. 6. 434 Thomson, William of Malmesbury, S. 6. 435 Thomson, William of Malmesbury, S. 6.
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ganz grundsätzlich seinem Entschluss, überhaupt wieder eine weltliche Nationalgeschichte zu schreiben.436 Dieses ausgeprägte Interesse an Geschichte437 führte dazu, dass der Benediktinermönch das Werk des Abts Gottfried von Jumièges (gest. ca. 1106) fortführte, der begonnen hatte, die Bibliothek des Klosters Malmesburys aufzubauen.438 Zu diesem Zweck, aber auch für seine zwischen 1118 und 1143 entstandenen historiographischen Werke, darunter die Gesta Regum Anglorum, die Gesta Pontificum Anglorum und die Historia Novella – neben hagiographischen Schriften und Sammlungen von Exzerpten anderer Werke439 – recherchierte Wilhelm umfangreich und exzerpierte und kopierte zahlreiche Bücher und Dokumente.440 Dafür reiste er durch ganz England und vermutlich auch in die Normandie. Thomson führt als mögliche Aufenthaltsorte Canterbury, Glastonbury und Worcester, St. Frideswides, Oxford, Thorney, St. Ives, Bury St. Edmunds, Rochester, Sherborne, Crowland, Hereford, York, Carlisle, Shaftesbury, Bath, Wareham, Corfe, Gloucester, Bangor, Coventry, Winchester, Milton Abbas, und vermutlich Tavistock auf.441 Durch diese Reisetätigkeit hatte Wilhelm Kontakt zu weiteren Historiographen wie u. a. Eadmer von Canterbury und Johannes von Worcester.442
436 Gransden, Historical Writing, S. 167f. Der Begriff »national history« wird sowohl von Gransden als auch von Thomson in Bezug auf das Werk Wilhelms verwendet. In jüngster Zeit werden allerdings die moralischen Hintergründe von Wilhelms Darstellung verstärkt in den Blick genommen. Siehe Gerrad, William of Malmesbury, S. 27: »In short, William wrote national history both about and to encourage the development of virtue.« Vgl. Kemp, Advising the King, S. 65. 437 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, II, Prolog, S. 150: Et multis quidem litteris impendi operam, sed aliis aliam. Logicam enim, quae armat eloquium, solo libaui auditu; phisicam, quae medetur ualitudini corporum, aliquanto pressius concepi; iam uero ethicae partes medullitus rimatus, illius maiestati assurgo, quod per se studentibus pateat et animos ad bene uiuendum componat; historiam precipue, quae iocunda quadam gestorum notitia mores condiens, ad bona sequenda uel mala cauenda legentes exemplis irritat. 438 Thomson, Malmesbury, William of. 439 Eine Werksübersicht findet sich in Wilhelm von Malmesbury, 2. Bd., S. XLVI f. Allerdings sind nicht alle dieser Werke erhalten. 440 Die Bücher, die Wilhelm von Malmesbury mit hoher Wahrscheinlichkeit aus erster Hand bekannt waren, zählt Thomson, William of Malmesbury, S. 202–214, auf. Mereminskiy, William of Malmesbury and Durham, S. 115, verweist zusätzlich auf die intensive Zirkulation von historiographischen Schriften im 12. Jahrhundert zwischen u. a. Canterbury, Malmesbury, Worcester, Durham, Bury St. Edmunds, wodurch auch ein einheitlicher Blick auf die Vergangenheit geschaffen wurde. Wilhelm nutzte seine Reisen zwar auch dazu, Orte selbst zu sehen und Informationen von Personen persönlich zu erhalten. Er stellte diese Informationen aber in Bezug zu seinen schriftlichen Quellen. 441 Thomson, Malmesbury, William of. 442 Thomson, Malmesbury, William of, vermutet, dass er auch Orderic Vitalis kannte, dies aber nicht nachweisbar sei. Vgl. Wilhelm von Malmesbury, Historia novella, S. XXIV f.
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Trotz seiner persönlichen Neigung entstanden die Gesta regum Anglorum als Auftragswerk der Königin Mathilde, wie einem Brief an Robert von Gloucester zu entnehmen ist, die an einem Bericht über die königliche Familie und deren Verbindung zu St. Aldhelm, dem Gründer des Klosters, interessiert war.443 Die in einer 1125 beendeten ersten Version widmete Wilhelm, nachdem Königin Mathilda bereits verstorben war, Kaiserin Mathilda, König David I. von Schottland und Robert von Gloucester. Später überarbeitete Wilhelm dieses Werk noch mehrere Male und fügte Erweiterungen ein. In fünf Büchern spannte er dabei einen Bogen von der Ankunft der ersten Angelsachsen 449 bis zur Herrschaft Heinrichs I. John Gillingham sieht die Gesta vor allem dadurch geprägt, dass Wilhelm die Volkwerdung der Engländer und ihre politische Einigung unter einem König sowie deren kulturelle und soziale Vervollkommnung unter den Normannen darstellen wollte.444 Die Historia novella ist ebenfalls Robert von Gloucester gewidmet, den die Abtei, nach dem Tod der Königin, sich als Schutzherren aussuchte.445 Ausgehend von der Rückkehr Kaiserin Mathildes nach England, beschreibt Wilhelm in drei Büchern die Jahre 1126 bis 1143 und bietet hier eine zeitgenössische Betrachtung der Auseinandersetzungen um die Nachfolge Heinrichs I. Die Ausführung der Auftragsarbeit, aber auch die Widmungen lassen Rückschlüsse auf Wilhelms Positionierung und Favorisierung während der sogenannten Anarchie zu. Sowohl im fünften Buch der Gesta Regum als auch in der Historia novella favorisiert der Historiograph aus Malmesbury deutlich Heinrich I. und dessen Familie, was seinen früheren kritischen Standards bzgl. Geschichtsschreibung deutlich widerspricht und weswegen er auch von vielen modernen Historikern kritisiert wird.446 Für Wilhelms Sichtweise auf das Reich wurden exemplarisch die Gesta Regum Anglorum und die Historia novella untersucht. Auf Heinrich V. bezieht sich Wilhelm erstmals in Buch III, 262, wobei es allerdings noch um den Vater geht: Heinrich IV wird von seinem Sohn entmachtet und stirbt kurz darauf. Im Anschluss daran geht Wilhelm auf Heinrichs Beteiligung am Investiturstreit ein und verweist auf seinen ausführlichen Eintrag hierzu in Buch V. Als er den ersten 443 Könsgen, Zwei unbekannte Briefe, S. 206. Vgl. Thomson, William of Malmesbury, S. 18f., S. 37. 444 Gillingham, A Historian of the Twelfth-Century Renaissance, S. 47. 445 Wilhelm von Malmesbury, Historia novella, S. XXIII. 446 Weiler, William of Malmesbury, King Henry I, S. 158. Ders., William of Malmesbury on kingship, S. 6, erinnert daran, Wilhelm als Kind seiner Zeit und nicht nach den Ansprüchen an moderne Historiker zu beurteilen. Auch wenn Wilhelm ohne Zweifel vehement für Heinrich I. und dessen Kinder eintrat, war er sich der Schwierigkeiten, Zeitgeschichte zu schreiben, dennoch bewusst. Vgl. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, IV, Prolog, S. 540: Scio plerisque ineptum uideri quod gestis nostri temporis regum scribendis stilum applicuerim, dicentibus quod in eiusmodi scriptis sepe naufragatur ueritas et suffragatur falsitas; quippe presentium mala periculose, bona plausibiliter dicuntur.
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Eintrag zu Heinrich V. schrieb, war dieser noch am Leben, wie Wilhelm mitteilte, was auch bei einer späteren Revision des Buches nicht geändert wurde.447 Als er sich erneut Heinrich V. zuwandte, verfasste er nun einen sehr ausführlichen Eintrag über den Investiturstreit. Insgesamt 18 Kapiteln umfasst sein Exkurs, in dem er einen Bogen von den Ereignissen in Rom 1111 mit dem Pravileg bis zum Wormser Konkordat 1122 spannt. Aufhänger ist hier die Heirat der englischen Königstochter Mathilde mit dem deutschen Kaiser. In der Historia novella liegt der Fokus auf Mathilde. Wilhelm beschreibt zunächst ihre Stellung im Reich und warum sie nach dem Tod ihres Gatten zögerte, wieder nach England zurückzukehren, bevor er von ihrer Heirat mit Gottfried Plantagenet berichtet. Der zweite Eintrag in Buch I, 7 zum Reich in der Historia novella beschreibt kurz das Schisma von 1130 und weist den Kaiser als Unterstützer Innozenz’ II. aus. Am auffälligsten unter Wilhelms von Malmesbury Einträgen zum Reich im 12. Jahrhundert ist sicherlich der sehr ausführliche Eintrag zum Investiturstreit. Während Antonia Gransden die ebenfalls ziemlich ausführlichen Geschichten über Heinrich III., die auf eine heute verlorene deutsche Quelle zurückgehen, auf Wilhelms Interesse zurückführt, seine Leser zu unterhalten,448 beruht sein ausführlicher Exkurs zu den Ereignissen zwischen 1111 und 1122 mit zahlreichen eingefügten Dokumenten wie Briefen und Verträgen auf dem im Vergleich zu den Ereignissen um Heinrich IV. gestiegenen Interesse der Engländer am Investiturkonflikt unter Heinrich V., ebenso wie vermutlich auf der langen Dauer des Konflikts, den eigenen Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Herrschern in England und den enger werdenden Kontakten zwischen England und Rom.449 Interessant dabei ist das von Wilhelm verwendete Quellenmaterial. Der Historiograph gibt als Quelle für seinen Bericht zu Heinrichs Romzug David den Schotten, Bischof von Bangor an.450 Der Iroschotte David – manchmal auch mit dem Beinamen Scholasticus bedacht – war ein Würzburger Domscholastor, auf den Heinrich V. aufgrund dessen Bildung aufmerksam wurde und den er in seine Hofkapelle aufnahm.451 Er erhielt den kaiserlichen Auftrag, den Romzug Heinrichs V. 1110/1111 zu begleiten und diesen festzuhalten, was David in einem sehr panegyrischem Ton tat – dafür heftig von Wilhelm von Malmesbury kritisiert.452 447 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 288, S. 522: Viuit adhuc, […]. 448 Gransden, Historical Writing, S. 171. Zu den Geschichten zu Heinrich III. siehe Wilhelm von Malmesbury, Gesta Regum Anglorum, II, 188, S. 338 – II, 194, S. 349. 449 Vollrath, Sutri 1046 – Canossa 1077 – Rome 1111, S. 156f. 450 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum III, 420, S. 764: Sed iter illud ad Romam magnis exercitationibus pectorum, magnis angoribus corporum consummatum Dauid Scottus Bancornensis episcopus exposuit, magis in regis gratiam quam historicum deceret acclinis. 451 Struve, Art. David Scholasticus, Sp. 606f. 452 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 420, S. 764: Dauid Scottus Bancornensis episcopus exposuit, magis in regis gratiam quam historicum deceret acclinis. […] Ego
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Die Zuschreibung, dass der Autor dieses Berichts, den auch Orderic Vitalis und Johannes von Worcester in ihre Chroniken aufnahmen, der gleichnamige Bischof von Bangor war, findet sich allerdings nur bei Wilhelm von Malmesbury und bleibt unsicher.453 Wilhelm entnahm diesem heute verlorenen Bericht die Beschreibung von Heinrichs Romzug und zahlreiche Dokumente. Seine Kopie des Wormser Konkordats verdankt er wohl einer in England kursierenden Abschrift dieses Vertrags.454 Der Historiograph aus Malmesbury nutzte für seine Einträge zum Reich sowohl Quellen aus dem Reich, mit denen er kritisch umging, als auch allgemeines Hörensagen, wie der Eintrag in der Historia novella über den zunächst vorhandenen Unwillen Mathildes, nach England zurückzukehren, zeigt.455 Symeon von Durham – Historia regum Zum Jahr 1106 S. 237, zum Jahr 1110 S. 241, zum Jahr 1111 S. 242–247, zum Jahr 1114 S. 248, zum Jahr 1115 S. 248, zum Jahr 1118 S. 251, zum Jahr 1118 S. 252f., zum Jahr 1119 S. 256f., zum Jahr 1121 S. 262f., zum Jahr 1122 S. 265f., zum Jahr 1123 S. 272, zum Jahr 1125 S. 275f.
Große Teile der bereits dargestellten Werke Johannes von Worcesters, Eadmers von Canterbury und Wilhelms von Malmesbury finden sich wieder in der Historia regum Symeons von Durham. Bischof Wilhelm von Calais brachte vermutlich den Autor bei seiner Rückkehr aus seinem Exil in Nordfrankreich bzw. der Normandie (1088–1091) nach Durham mit, wo dieser dem Benediktinerkloster, das bei der Kathedrale angesiedelt war, beitrat.456
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interim, ne bonum uirum uerbo uidear premere, statuo indulgendum, quia non historiam sed panagericum scripsit. Brett, David, bezweifelt, dass Gruffudd ap Cynan, Fürst von Wales, sich tatsächlich für jemanden, der Heinrich V. nahestand, einsetzte, da dies aufgrund dessen Konflikts mit dem Papst, diesen selbst verärgert hätte. Allerdings weiß man ebensowenig über Bischof David, sodass dies nicht vollkommen ausgeschlossen werden könne. Vgl. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, Bd. 2: General Introduction and Commentary, S. 385. In der Anonymen Kaiserchronik, S. 254, wird ein Iroschotte namens David als Leiter der Würzburger Domschule beschrieben, allerdings wird mittlerweile ausgeschlossen, dass dieser die Anonyme Kaiserchronik verfasst hat. Vgl. Frutolfs und Ekkehards Chroniken, hg. von Schmale-Ott, S. 40f. Vgl. Hoffmann, Bamberger Handschriften, S. 56. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, Bd. 2: General Introduction and Commentary, S. 391. Vgl. Adolf Hofmeister, Das Wormser Konkordat. Zum Streit um seine Bedeutung, in: Forschungen und Versuche zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit (FS Dietrisch Schäfer), Jena 1915, S. 64–148, hier S. 99f., S. 128f. Auch Symeon von Durham benutzte für seine Abschrift dieses Dokument. Wilhelm von Malmesbury, Historia novella, I, 1, S. 4: Inuita ut aiunt imperatrix rediit, quod dotalibus regionibus consueta esset, et multas ibidem possessiones haberet. Dies findet sich ebenfalls bei Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, V, S. 200f., und Robert von Toringi, Chronik, II, S. 240f. Vgl. Chibnall, The Empress Matilda, S. 43f. Gullick, The Hand of Symeon, S. 18. Ebenso Rollason, Symeon’s Contribution, S. 1–13. Anderer Ansicht ist Schnith, Von Symeon von Durham zu Wilhelm von Newburgh, S. 245.
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Die Jahre vor der Zeit Wilhelms von St. Calais waren für Durham wechselvoll gewesen. Nach dem »Harrying the North« durch Wilhelm dem Erober und seine Verbündeten, um Northumbrien und die angrenzenden Gebiete unter Kontrolle zu bekommen, bestrafte Odo von Bayeux im Auftrag seines Halbbruders die Großen, aber auch die Bevölkerung Northumbriens für die Ermordung des Bischofs Wilhelm Walcher.457 Wilhelm von St. Calais, der sich als zuverlässig und effektiv in der Verwaltung für Wilhelm I. erweisen hatte, wurde daraufhin zum Bischof von Durham ernannt.458 1083 löste Wilhelm von St. Calais die bis dahin existierende Congregatio Sancti Cuthberti auf und gründete ein Benediktinerkloster bei der Kathedrale.459 Der enge Ratgeber Wilhelms I. begann 1095 mit dem Neubau der Kathedrale von Durham, verstarb aber bereits 1096 und vermachte dem Benediktinerkloster rund 40 Bücher, die er aus Frankreich mitgebracht hatte.460 Das Verhältnis zu dessen Nachfolger Ranulf Flambard gestaltete sich weniger harmonisch, da es bzgl. der Finanzierung des Kathedralneubaus Streit zwischen dem Bischof und dem Konvent gab.461
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Er ist der Ansicht, dass Symeon aus dem Süden Englands stammte und im Zuge der monastischen Erneuerungsbewegung nach Durham gelangte. Aird, St Cuthbert and the Normans, S. 106, S. 124. Aird relativiert allerdings Symeons Aussagen über die Auswirkungen dieser Ereignisse auf das Konvent und die Bevölkerung. Sicherlich hatte die Bevölkerung gelitten und die angelsächsischen und skandinavischen Großen waren gezwungen, ins Exil zu gehen, aber das christliche Leben war nicht zum Erliegen gekommen. Vielmehr sei der Hinweis auf die »degeneration of th Church’s liturgical practice« eine Rechtfertigung für die Vertreibung der Congregatio Sancti Cuthberti gewesen. Der Hinweis auf eine Beteiligung der Congregatio an der Ermordung ist vermutlich falsch. Aird, An Absent Friend, S. 291. Diese bis dahin existierende Gemeinschaft kümmerte sich v. a. um die Reliquien und die damit einhergehende Verehrung des Hl. Cuthbert. Eventuell ging diese Gemeinschaft von verheirateten Regularkanonikern, die aber einer monastischen Liturgie folgten, auf die Sargträge des Hl. Cuthbert zurück, die 875 unter Bischof Eardulf von Lindisfarne mit den Reliquien St. Cuthberts und St. Oswalds und St. Aidans verließen. Aird, St. Cuthbert and the Normans, S. 124, vermutet, dass diese Unklarheit im Status dieser Gemeinschaft, die Auswirkungen der Kirchenreform und Wilhelms enge Beziehung zum Benediktinerorden ebenso Grund für dessen Auflösung waren, wie der Versuch, bestehende Strukturen für eine bessere Kontrolle über Northumbrien zu zerstören. Für den Aufbau der Mönchsgemeinschaft erhielt er bei seinem Besuch in Rom 1082 Unterstützung von Gregor VII., auch wenn die päpstliche Bestätigung eine Fälschung des späten 12. Jahrhunderts ist. Ebenso wurde das Vorhaben von Lanfranc unterstützt. Die Mönche kamen dabei aus den Klöstern von Wearmouth und Jarrow. Piper, The Durham Cantor’s Book, S. 92. Die Liste dieser Bücher ist heute noch erhalten. Aird, St Cuthbert and the Normans, S. 174. Zu Ranulf Flambard siehe Prestwich, The Career of Ranulf Flambard, S. 299–310. Ranulf Flambard zählt zu den schillernsten Gestalten des frühen 12. Jahrhunderts. Maßgeblicher Verwalter und Ratgeber Wilhelm Rufus stand er später an der Seite Robert Kurzhoses. Nach der Niederlage von Tinchebray versöhnte er sich mit Heinrich I. wieder, nahm seinen Bischofssitz in Durham wieder ein und war von 1107–1123 Lordkanzler und Siegelbewahrer.
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Der Autor der Historia regum, Symeon von Durham, stieg in der Hierarchie des Klosters schnell auf und nahm an der Öffnung des Grabes von St. Cuthbert teil, um darüber zu berichten. Die Historia regum war nicht Symeons von Durham erstes Werk.462 Symeon verfasste zwischen 1104–1107 zunächst als Auftragswerk den Libellus de exordio atque procursu istius hoc est Dunhelmensis ecclesie (auch unter dem Kurztitel des Editiors Historia Dunelmensis ecclesiae bekannt).463 Zentrales Thema des Libellus de exordio ist die renovatio, die mit der Einführung der Benediktinerordensgemeinschaft in Durham durchgeführt wurde. Dabei dient der Libellus als Mittel zur Rechtfertigung.464 Um 1126 hatte Symeon die Stellung eines Kantors inne, der das Skriptorium in Durham überwachte. Dass er dabei einen anerkannten Ruf als Historiograph hatte, zeigt ein Brief als Antwort auf eine Anfrage an Diakon Hugh von York, der sich an ihn bzgl. der Geschichte der Erzbischöfe von York wandte.465 Während das Libellus de exordio Symeon klar durch eine Zuschreibung in einer Handschrift des späten 12. Jahrhunderts zugeordnet wird – eine ältere Handschrift weist sogar autographe Änderungen und Bemerkungen auf – wurde die Autorschaft trotz eines Hinweises in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert bei der Historia regum angezweifelt, da beide Werke inhaltlich sehr unterschiedlich ausfallen.466 Die Historia regum erscheint mehr als unverbundene Materialsammlung, mit hagiographischen Schriften des 7. und 8. Jahrhunderts aus Kent zu den Martyrien Æthelberhts and Æthelreds, Herrscherlisten zu den König Northumbriens von Mitte des 6. Jahrhunderts bis 737, Kompilationen aus Bedas Historia ecclesiastica, Annalen von 732 bis 802 aus einer heute verlorenen Northumbrischen Quelle, Annalen von 849 bis 887, die hauptsächlich auf Assers Vita Ælfredi regis Angul Saxonum beruhen, Annalen von 888 bis 957, Kompilationen aus Wilhelm von Malmesburys Gesta Regum, Annalen von 848 bis 1118, die hauptsächlich auf Johannes von Worcesters Chronik beruhen und schließlich Annalen von 1119 bis 1129. Erst diese letzten Annalen sind ein originäres Werk.467 Bernhard Meeham und David Rollason vermuten, dass die Historia regum eine Vorstufe zu einer eigentlichen Chronik war, die durch den Tod Symeons 1129 nicht verfasst wurde.468 462 463 464 465
Symeonis Monachi Opera Omnia. Bd. 2: Historia Regum, hg. von Arnold (Roll Series). Rollason, Symeon of Durham, S. 183. Aird, St Cuthbert and the Normans, S. 104f. Vgl. Rollason, Symeon of Durham, S. 198. Brief Symeon von Durhams an Hugh von York, in: Symeon von Durham, Historia Ecclesia Dunhelmensis, in Symeonis Monachi Operia Omnia, Bd. 1, S. 222–228. Besonders hervorzuheben ist Symeons Eigenbeschreibung auf S. 226f. Vgl. Rollason, Symeon’s Contribution, S. 10. Vgl. Gullick, The Hand of Symeon, S. 20. 466 Gransden, Historical Writing, S. 149. Vgl. Meehan, Symeon of Durham. Vgl. Offler, Hexham and the Historia Regum, S. 51–62. 467 Meehan, Symeon of Durham. 468 Rollason, Symeon’s Contribution, S. 10. Meehan, Symeon of Durham.
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In den Einträgen zum Reich berichtet Symeon von Durham zum einen von der Heirat der englischen Königstochter Mathilde mit Heinrich V. (Einträge zu 1110, 1114 und 1125). Der Großteil der Einträge zeigt allerdings ein großes Interesse an Heinrichs V. Beziehung zur Kirche in Rom. Sehr ausführlich gibt der Autor die Ereignisse um das sog. Pravileg, das Schisma von 1118, die Bannung Heinrichs und das Wormser Konkordat wieder. Bei den Ereignissen, die in Bezug zur Kirche stehen, fügte Symeon zahlreiche Dokumente, wie z. B. Briefe, ein. Die Einträge bis 1118 übernahm Symeon Großteils aus Johann von Worcesters Chronicon ex Chronicis mit kleineren Interpolationen. Die Historia regum wurde von Johannes von Hexham für die Jahre 1130 bis 1153 fortgeführt.469 Allerdings sind hier keine Einträge zum Reich zu finden. Orderic Vitalis – Historia ecclesiastica Band 5: Zusammenfassend für die Jahre 1106–1125 (Buch X, 1) S. 196–201. Band 6: Zusammenfassend für die Jahre 1106–1125 (Buch XI, 18), S. 80f., zum Jahr 1111 (Buch XI, 36), S. 162f., zum Jahr 1109 (Buch XI, 38) S. 166–169, zum Jahr 1111 (Buch XI, 41) S. 172f.), zum Jahr 1118 (Buch XII, 1) S. 184f., zum Jahr 1118 (Buch XII, 6) S. 202f., zum Jahr 1118 (Buch XII, 21) S. 252f., zum Jahr 1118 (Buch XII, 21) S. 262–269, zum Jahr 1118 (Buch XII, 21) S. 274f., zum Jahr 1125 (Buch XII, 43) S. 360–367, zum Jahr 1131 (Buch XIII, 11) S. 420f., zum Jahr 1133 (Buch XIII, 14) S. 426–429, zum Jahr 1136 (Buch XIII, 35) S. 510f.
Die sehr umfangreiche, aber wenig gelesene Historia ecclesiastica stammt aus den Händen des Benediktinermönchs Orderic Vitalis.470 1075 bei Shrewsbury geboren, Sohn des Priesters Odelerius von Orleans, der mit Roger von Montgomery, Earl von Shrewsbury als dessen Kaplan nach England gekommen war, und einer englischen Mutter, schickte ihn sein Vater 1085 in das Kloster St. Evroult in der Normandie.471 Auch wenn Orderic – 1107 zum Priester ge469 Johannes von Hexham, Historia XXV. Annorum, in: Symeonis Monachi Opera Omnia. Bd. 2, S. 284–332. Zu den Einflüssen Hexhams siehe Offler, Hexham and the Historia Regum. Gransden, Historical Writing, S. 261. 470 Marjorie Chibnall, die Editorin der Historia Ecclesiastica, hat sich ausführlich mit Orderic Vitalis beschäftigt. Für Informationen zu dessen Leben siehe Bd. 1 der Edition: Orderic Vitalis, Historia Ecclesiastica, hg. u. übs. v. Chibnall, 6 Bde. Dies., The World of Orderic Vitalis. Dies., A twelfth-century view, S. 115–134. Gransden, Historical Writing, S. 151–165. Wolter, Ordericus Vitalis. Hingst, The Written World. Ward, Ordericus Vitalis, S. 1–26. Über Orderics Leben ist man im Vergleich mit anderen Geschichtsschreibern relativ gut informiert, da er mit XIII, 45, (6. Bd., S. 550–557) ein Kapitel zu seinem eigenen Leben einfügte. 471 Wolter, Ordericus Vitalis, S. 51f. Vgl. Van Houts, Orderic and his Father, S. 20. Für den zehnjährigen Jungen war der Weg in die Normandie eine Art Kulturschock, da er im Kapitel zu seinem Leben vom Verlust seiner Familie und dem Umstand, dass er dort die Sprache nicht verstand, schrieb. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 6, XIII, 45, S. 552–554: Gratanter facta inter me et te genitore meo proloquente conuentione huiuscemodi, patriam et
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weiht – dem Kloster in der Normandie bis zu seinem Tod 1142 angehörte, in dem er vermutlich die Position eines Bibliothekars inne hatte, sah sich selbst als Engländer und hielt stets Kontakt zu der Region, aus der er stammte.472 Erstmals mit Historiographie beschäftigte sich Orderic zwischen 1095 und 1114, als er eine Abschrift der Gesta Normannorum ducum Wilhelm von Jumièges anfertigte und erweiterte und die Annalen von St. Evroult fortführte.473 Um 1114 begann er die Arbeit an seinem eigenen historiographischen Werk, das zunächst nur die Geschichte des Klosters behandeln sollte – dieser Anfang ist heute Buch III der Historia – aber rasch stellte er fest, dass eine Weitung des Blicks auf die normannische, englische und französische Geschichte notwendig wäre, um Entwicklungen darstellen zu können.474 Benötigte er für das erste Buch (Buch III) noch mehrere Jahre, verfasste er zwischen 1123 und 1137 unter Abt Warin of Les Essarts, einem engen Freund, den Großteil seiner Arbeit.475 Maßgeblich beeinflusst in Aufbau, Methode und Titel wurde er dabei von Bedas Historia ecclesiastica gentis Anglorum.476 Orderic Vitalis hatte zahlreiche Reisen unternommen, bei denen er Material für seine eigene Arbeit gesammelt hatte oder wodurch er eigene Augenzeugenberichte verfassen konnte. 1119 nahm er am Konzil von Rheims teil, von dort reiste er über Cambrai nach Crowland Abbey in England, um dort Abt Geoffrey von Orleans, den früheren Prior von St. Evroult, zu besuchen. Dies ermöglichte ihm auch weitere Klöster wie Thorney und Worcester aufzusuchen, wo er die Universalchroniken von Marianus Scotus und Sigberts
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parentes omnemque cognationem et notos et amicos reliqui, qui lacrimantes et salutantes benignis precibus commendauerunt me tibi O summe Deus Adonai. […] Decennis itaque Britannicum mare transfretaui, exul in Normanniam uieni, cunctis ignotus neminem cognoui. Linguam ut Ioseph in Aegipto quam non noueram audiui. In der Literatur findet sich sowohl die Schreibweise St. Evroult als auch St. Evroul. Wolter, Ordericus Vitalis, S. 385f., vergleicht die Bestände der Bibliothek von St. Evroult mit jenen von Bec, Fécamp, Lyre und der Kathedrale von Rouen. In St. Evroult waren die Mönche historiographisch, musikalisch und literarisch tätig, wobei der Austausch mit benachbarten Abteien gefördert wurde. Zum Netzwerk von St. Evroult siehe Gransden, Historical Writing, S. 152. Ebenso Roach, SaintÉvroul and Southern Italy, S. 78–99. Prestwich, Orderic Vitalis. Hollister, Henry I, S. 5, stellt heraus, dass Orderics Kirchengeschichte grundlegend für das Verständnis Heinrichs I. ist. Rozier, Orderic Vitalis as Librarian, S. 61–77. Oderic Vitalis, Historia Ecclesiastica, Bd. 1, S. 29f. Albu, The Normans in their Histories, S. 190. Die Bücher entstanden nicht chronologisch. Buch III bis Buch VI und Buch VIII bis Buch XIII verfasste er fortlaufend und behandelte darin die Geschichte der Normandie, die Eroberung Englands und die Herrschaftszeiten Wilhelms I., Wilhelms II. und Heinrichs II. Buch VII und Buch I und II verfasste er Mitte der 1130er Jahre, in denen er die Schöpfungsgeschichte, Apostelgeschichte und die französische, normannische und englische Geschichte von 688 bis 1087 zusammenfasste. Gransden, Historical Writing, S. 152f. Vgl. Prestwich, Orderic Vitalis. Prestwich, Orderic Vitalis.
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von Gembloux kennenlernte, aber auch Johannes von Worcester traf.477 Während Wilhelm von Malmesbury die normannische Eroberung als positiv für die Entwicklung Englands darstellte und vehement für Mathilde und deren Anspruch eintrat, versuchte Orderic stets Engländer und Normannen unparteiisch darzustellen.478 Diese unparteiische Haltung nahm er auch im Nachfolgekonflikt nach dem Tod Heinrichs I. ein, wobei Stephan seit seiner Krönung für Orderic der rechtmäßige König war.479 Allerdings beendete Orderic seine Historia in negativer Haltung aufgrund des Krieges, der durch den Thronstreit ausgebrochen war: »So, with the world collapsing around his monastery and old age overtaking him, Orderic finally brought his history to an end.«480 Auf den ersten Blick scheint es, als hätte Orderic Vitalis in seiner Historia ecclesiastica zahlreiche Berichte zum römisch-deutschen Reich eingetragen. Doch einige der Ereignisse sind redundant, indem immer wieder auf diese eingegangen wird, auch wenn sie teilweise mit neuen oder zusätzlichen Informationen versehen werden. In Buch X, 1 berichtet Orderic, dass Heinrich V. Nachfolger seines Vaters wird, den Papst 1111 gefangen nimmt und ihn zum Pravileg zwingt, dass er Mathilde, die Tochter des englischen Königs geheiratet hatte, aber die beiden keine Kinder bekamen, und Lothar III. dessen Nachfolger wurde. In Buch XI, 18 wiederholt er, dass Heinrich V. Nachfolger seines Vaters wurde, er Mathilde heiratete, sie aber keine Kinder bekamen. Explizit die Heirat spricht der Historiograph auch in Buch XI, 38 an. In Buch XI, 41 berichtet er erneut von der Gefangenschaft Paschalis’ II. In Buch XII, 43 geht er erneut auf den Tod Heinrichs V. und dessen Mangel an Kindern ein, aufgrund dessen Lothar III. gewählt worden sei. In sich sind die wiederholten Einträge aber verschieden. In Buch X, 1 liegt der Schwerpunkt auf den Ereignissen zu 1111 und die Nachfolge Lothars wird nur erwähnt. In Buch XII, 43 liegt der Schwerpunkt wiederum auf der Wahl Lothars, die Orderic sehr ausführlich darstellt. Die Hochzeit mit Mathilde wird ausführlich nur in Buch XI, 38 ausgeführt. Manche der erwähnten Ereignisse sind in der Historia aber nur singulär verzeichnet. So 477 Chibnall, A Twelfth-Century View, S. 117f. 478 Prestwich, Orderic Vitalis. Gransden, Historical Writing, S. 153, weist allerdings auf seine Sympathie für England hin und auch, dass er Grausamkeiten, die bei der Eroberung entstanden, verurteilte. 479 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 6, S. XXV. Chibnall betont, dass St. Evroult mit seiner Lage zwischen der Normandie und Anjou sehr gefährdet und den Auseinandersetzungen ausgesetzt war. 480 Chibnall, The World of Orderic Vitalis, S. 41. Orderic hatte zunächst 1137 seine Kirchengeschichte beendet, aber später erneut noch einmal aufgenommen, da er einiges an Zeitgeschichte nachtragen wollte. Neben dem Leid, den seine Heimat aufgrund des Kriegs ausgesetzt war, empfand er es als schrecklich, dass Stephan I. gefangengenommen worden war und der Bischofssitz von Lisieux nicht besetzt war, was bei der letzten Vakanz zu Unruhen geführt hatte. Siehe Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XIII, 43, Bd. 6, S. 550– 552.
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erwähnt er in XI, 36, dass die Stadt Arras, eine Grenzstadt zwischen dem Reich und Frankreich, ihre Befestigungen gegen Heinrich V. verstärkt hatte. Für den 7. Oktober 1118 berichtet der Historiograph aus St. Evroult von einem Konzil in Rouen, bei dem sich ein päpstlicher Legat über die kaiserliche Unterstützung für den Gegenpapst Gregor (VIII.) beschwert. Auch das Konzil in Reims Mitte Oktober 1118 wird mit dem sehr ausführlichen Bericht in XII, 21 nur einmal, dafür aber sehr ausführlich, angesprochen. Die Ereignisse aus Lothars Regierungszeit, das Treffen mit Papst Innozenz II. 1131 (XIII, 12), sein Aufenthalt in Rom 1133 (XIII, 14) und sein zweiter Italienzug 1136/1137 (XIII, 35) werden jeweils nur einmal erwähnt. Die Informationsbasis für die genannten Einträge ist z. T. nachvollziehbar.481 Orderics Darstellung zu den Ereignissen in Rom 1111 und dem damit verknüpften Pravileg beruhen vermutlich – wie bei Johannes von Worcester und Wilhelm von Malmesbury – auf dem Bericht Davids, den dieser im Auftrag Heinrichs V. anfertigte. Orderic erwähnt zwar nicht explizit den Namen David, aber er spricht davon, dass ein Irensis quidam scolasticus einen Bericht zum Italienzug Heinrichs angefertigt hatte.482 Allerdings ist der Eintrag im Vergleich mit Wilhelm von Malmesbury und Johannes von Worcester sehr gekürzt und es finden sich auch keine eingefügten Dokumente. Am Konzil in Reims 1118 nahm Orderic Vitalis vermutlich teil, weswegen in der Historia ein ausführlicher Bericht zu finden ist.483 Ob Orderics Darstellung der Wahl Lothars in XII, 43, auf einem Bericht ähnlich der Narratio de electione Lotharii, mit der er in einigen Dingen übereinstimmt, beruht, oder ob er diesen aufgrund seiner eigenen Vorstellungen derart ausgeschmückt hat, ist umstritten.484 Dies verweist allerdings auch schon auf das Grundproblem bei Orderics Nennungen zum Reich. Besonders Chibnall bringt immer wieder in Anschlag, dass Orderic das Verständnis für die Welt 481 Gransden, Historical Writing, S. 160, vermerkt, dass rund 50 literarische/ historiographische Quellen neben weiteren Dokumenten und mündlichen Quellen in der Historia ecclesiastica nachweisbar sind. Für den Einfluss von mündlichen Quellen siehe Wolter, Ordericus Vitalis, S. 98–110. 482 Orderic Vitalis, Historia Ecclesiastica, X, 1, Band 5, S. 198. Wolter, Ordericus Vitalis, S. 96, vermutet, dass Ordericus Vitalis bei einer Reise in die zum Reich gehörende Bischofsstadt Cambrai diesen Bericht einsehen konnte. Er, S. 214, vermutet allerdings auch, dass Orderic diesen Bericht nur oberflächlich gelesen habe, da er ihn trotz des panegyrischen Tonfalls ein libellum decens nennt und dennoch sehr kritisch über die Vorgänge von 1111 schreibt. 483 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Band 6, XII, 21 S. 252–277. Chibnall führt dies auf die detailreichen Kenntnisse zur Sitzordnung und zum persönlichen Auftreten der Teilnehmer zurück. Allerdings gibt es noch weitere Berichte zu diesem Konzil. Eine weitere so ausführliche Darstellung fertigte Hesso von Straßburg, Hessonis scholastici relatio de concilio Remensi, hg. von Wattenbach, in: Ldl, 3, S. 21–28. Auch Eadmer von Durham, Historia novorum, S. 255–257, verweist auf das Konzil. 484 Vgl. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, S. 360f. Anm. 7. Vones, Der gescheiterte Königsmacher, S. 87 Anm. 6.
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außerhalb seiner eigenen normannischen fehlte und die Einträge zu anderen Ländern häufig legendär seien.485 Die Quellenlage des Historiographen für das deutsche Reich sei »scanty«486 gewesen und er würde einen Großteil der deutschen Politik grotesk missverstehen, sodass mancher Abschnitt »company even with legend and becomes pure fantasy.«487 Richard von Hexham – De gestis regis Stephani et de bello Standardii Zusammenfassend für die Jahre 1114–1125 S. 141.
Richard (gest. zw. 1155–1167) gehörte dem Augustinerstift St. Andrews in Hexham an, wo er 1141 Prior wurde.488 Er verfasste zwei historiographische Werke, zum einen die Brevis annotatio, in der er, basierend auf Beda Venerabilis und Symeon von Durham, die Geschichte des Stifts von seiner Gründung im 7. Jahrhundert bis 1138 darstellte, und zum anderen das wesentlich berühmtere De gestis regis Stephani et de bello Standardii, in dem er sich auf die Einfälle des schottischen Königs Davids I. in Nordengland konzentrierte und ausführlich die Standartenschlacht (Battle of the Standard) am 22. August 1138 beschrieb.489 Ein weiteres Buch über Heilige in Hexham hatte er angedacht, aber nicht mehr geschrieben. Anliegen Richards mit seinen Schriften war es, die Tradition und Kontinuität Hexhams herauszustellen und Hexham als heiligen Ort mit einer bedeutenden Schutzfunktion für die Region in Northumbria darzustellen.490 Die Darstellungen der »Anarchie« und die Einfälle des schottischen Königs wurden wiederum von Johann von Hexham und Ailred von Rievaulx in ihren Werken wiederaufgegriffen.491 Andere Länder spielen in diesem Bericht keine große Rolle. Das Reich, bzw. Heinrich V., werden nur genannt, um Mathilda vorzustellen.
485 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 6, S. XIX. 486 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Band 1, S. 61. Dies fällt z. B. besonders bei Orderics Eintrag in XIII, 14 zu Lothars III. Aufenthalt in Rom auf. Die Kaiserkrönung erwähnt Orderic überhaupt nicht, sondern berichtet von einem angedachten Schiedsgericht, dem sich Innozenz II. nicht unterwerfen wollte. 487 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 6, S. XIX. 488 Strickland, Hexham, Richard of. Gransden, Historical Writing, S. 287f. Murdoch, Richard of Hexham, S. 1276f. Für die Edition siehe The chronicle of Richard, Prior of Hexham, hg. von Howlett (Rolls Seriens 82,3), S. 139–178. 489 Murdoch, Richard of Hexham, S. 1276. 490 Gransden, Historical Writing, S. 288. Strickland, Hexham, Richard of, vermutet, dass Richard mit David I. und dessen Sohn Earl Henry bekannt war, der eine Urkunde zum Schutz des Stifts ausstellte. 491 Murdoch, Richard of Hexham S. 1277.
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Heinrich von Huntingdon – Historia Anglorum Zum Jahr 1108 (VII, 27) S. 456, zum Jahr 1125 (VII, 36) S. 474, zum Jahr 1126 (VII, 37) S. 476, zum Jahr 1128 (VII, 39) S. 480–482, zu den Jahren 1106–1140 (VIII, 175–177, 167–174 beschäftigen sich mit den Königen und Kaisern der Ottonen und Salier) S. 554–556, zum Jahr 1137 (X, 4) S. 708, zum Jahr 1138 (X, 11) S. 722, zum Jahr 1147 (X, 25) S. 750, zum Jahr 1148 (X, 27) S. 752.
Im Gegensatz zu seinen ebenfalls schreibenden Zeitgenossen wie Wilhelm von Malmesbury oder Johannes von Worcester gehörte Heinrich von Huntingdon (ca. 1088–ca. 1157) keinem Orden an.492 Von seinem Vater Nicholas, der das Amt des Archidiakons in Huntingdonshire und Hertfordshire inne hatte, übernahm er nach seiner Erziehung in Lincoln, wo er dem Haushalt des Bischofs Robert Bloet angehörte, 1110 das Amt seines Vaters.493 Als Archidiakon war er der oculus episcopi in der Diözese und war für alles verantwortlich, was nicht unmittelbar das Eingreifen des Bischofs erforderte.494 Der Historiograph war durch seine Erziehung in Lincoln in einem luxuriösen Umfeld aufgewachsen, wie er später selber feststellte, seine Familie war allerdings auch wohlhabend.495 Heinrich pachtete ein Anwesen in Stukeley, das er ebenso wie sein Amt als Archidiakon an seinen Sohn weitergab.496 Heinrich erhielt zwischen 1123 und 1130 von Bischof Alexander (gest. 1148) den Auftrag, die Geschichte des englischen Königreiches und die Entstehungs492 Zur kritischen Edition siehe Henry, Archdeacon of Huntindon, Historia Anglorum. The History of the English People, hg. u. übs. von Greenway. Im Folgenden zitiert als Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, bzw. als Greenway, Historia Anglorum. Für Literatur siehe Gransden, Historical Writing, S. 193–200. Plassmann, Bedingungen und Strukturen, S. 145–171. Partner, Serious Entertainments, S. 11–48. Gillingham, Henry of Huntingdon, S. 75–101. Ders., French Culture, S. 731f. Greenway, Henry. Clarke, Writing Civil War, S. 31–48. 493 Partner, Serious Entertainments, S. 11f. 494 Partner, Serious Entertainments, S. 13. Partner weist darauf hin, dass den Archidiakonen auch der Ruf anhaftete, raffgierig und machtgierig zu sein, was aber auch durch die Aufgabe, über alles in der Diözese Informationen zu sammeln und gleichzeitig eine Art Polizeifunktion zu haben, entstanden sein könnte. Zu Archidiakonen siehe Thomas, The Secular Clergy, S. 118. 495 Partner, Serious Entertainments, S. 12. Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, De Contemptu Mundi, VIII, 1, S. 586. 496 Partner, Serious Entertainments, S. 12. Ebenso wie sein Vater folgte Heinrich nicht den kirchlichen Bestrebungen, das Zölibat in England durchzusetzen. Er schrieb zwar nicht über seine Mutter – seinen Vater erwähnte er stolz in der Historia Anglorum – und hielt sich auch in Äußerungen zu den Reformbestrebungen zurück, die auch in England das Zölibat durchsetzten wollten. Allerdings ist seine Meinung dazu durchaus erkennbar. So findet sich in Buch VII, 36, S. 472–474, die Geschichte über den päpstlichen Legaten Johannes von Crema, der verstärkt das Zölibat in England durchsetzen wollte und sich scharf gegen Priesterehen wandte. Allerdings sei er eines Abends mit einer Prostituierten im Bett entdeckt worden. Heinrich war aber nicht der letzte verheiratete Archidiakon in seiner Familie. Das Amt wie auch das Landgut blieben bis Anfang 1228 in Familienbesitz.
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geschichte des englischen Volkes niederzuschreiben.497 Ziel war eine handbuchartige Zusammenfassung der englischen Geschichte, die als Naschlagewerk mit auf Reisen genommen werden konnte.498 Allerdings hatte Heinrich durchaus eine größere Zielgruppe im Sinn, wie der Prolog zu De Contemptu Mundi zeigt, da er angibt, für die weniger Gebildeten zu schreiben.499 Die Historia Anglorum entstand zwischen ca. 1123 und 1154 in sechs verschiedenen Redaktionen, wobei diese jeweils die Enddaten von 1129 (Version 1 und 2), 1138 (Version 3), 1146 (Version 4), 1149 (Version 5) und 1154 (Version 6) hatten.500 Bereits in der ersten Redaktionsstufe hatte die Historia Anglorum sieben Bücher und berichtete von der Eroberung Britanniens durch Julius Caesar bis 1129. Mit der fünften Redaktion nahm Heinrich größere Überarbeitungen vor, wobei er mit Buch VIII drei für die Veröffentlichung vorgesehene Briefe einfügte, die den zeitlichen Rahmen der Historia erweiterten, und mit Buch IX mehrere Viten.501 Buch X führte er dann in der letzten Redaktionsstufe als zeitgeschichtliches Kapitel, das mit der Krönung Heinrichs II. endet. Im Sinne seines Auftraggebers stellte Heinrich das regnum in den Mittelpunkt seiner Arbeit, wobei die Einheit Englands unter einem Herrscher das Ziel der geschichtlichen Entwicklung für ihn darstellte. Dafür entwickelte er das Konzept der Heptarchie, ordnete die Geschichte Englands nach den Invasionen, die er als Plagen darstellte, und richtete die Chronologie am Königreich von Wessex aus – Geschichtsvorstellungen, die das Bild Englands und die Forschung lange prägten.502 Diese starke Fokussierung auf England als geeinte Nation – in Buch X, 33 lässt er in einem Gedicht sogar 497 Greenway, Historia Anglorum, S. LVII. Vgl. Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, I, 1, S. 4–6. 498 Greenway, Historia Anglorum, S. LVII. Greenway schloss auf die Handbuchfunktion durch die einfache Gliederung und durch das Format der frühen Abschriften. 499 Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, VIII, 1, De Contemptu Mundi S. 584: Sed loquendo omnino simpliciter ut pateat pluribus (id es minus doctis). Greenway, Historia Anglorum, S. LXIV, vermutet, dass der Historiograph auch keine Jahreszahlen einfügte, um den Lesefluss bzw. das Zuhören zu erleichtern. 500 Greenway, Historia Anglorum, S. LXVI. Vgl. Partner, Serious Entertainments, S. 17. Diese Versionen sind aufgrund von Abschriften, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgenommen wurden, erhalten. Version 4 gelangte nach Bec, wo sie Robert von Torigni für seine Arbeit verwendete. Version 5 kompilierte Roger von Howden. 501 Im Brief an Heinrich I. führt er eine Liste der biblischen Könige bis Konrad III. Im Brief an Warin den Bretonen schreibt er über die Herkunft der britischen Könige. In De Contemptu Mundi schreibt er über zeitgenössischen Große, bei denen er deutlich macht, dass er diese kenne bzw. gekannt habe. 502 Greenway, Historia Anglorum, S. LX f.: »One of his products of this control was his creation of the Heptarchy, which survived as a concept in historical writing into our own time.« Wie Gillingham, Henry of Huntingdon, S. 75–79, darlegt, identifizierte sich Heinrich trotz der unterschiedlichen Herkunft seiner Eltern mehr mit den Engländern und war stolz auf deren Vergangenheit, wobei er ab den 1140er-Jahren eine Zusammenwachsen von Engländern und Normannen feststellte.
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England als Person über den Bürgerkrieg klagen – führte dazu, dass er den Bürgerkrieg als schockierend empfand, da die zuvor hergestellte Einheit wieder zerbrach.503 Heinrich I., zunächst als guter König dargestellt, wird nach seinem Tod anders bewertet. Den rasch verwesenden Leichnam sieht Heinrich als Sinnbild für dessen Sünden und als Zeichen für den zukünftigen Bürgerkrieg.504 Stephan I. wird als Eidbrecher dargestellt, der Leid über das Land brachte und von Gott letztlich bestraft wurde.505 Allerdings war er auch kein Anhänger von Mathilde, deren Verhalten er sarkastisch kommentiert.506 Die historische Belehrung seiner Leser diente dem Autoren, der die englische Geschichte in einem heilsgeschichtlichen Kontext stellte, auch zu didaktischen Zwecken. Heinrich wollte mit seiner Historia, um die Menschen zur Besserung anzuhalten, die göttliche Bestrafung für das sündhafte Verhalten, besonders das der Könige, aufzeigen.507 Heinrich von Huntingdon ist zwar heute v. a. für seine Historia Anglorum bekannt, aber er verfasste noch weitere Gedichtsammlungen und Abhandlungen, die aber nur noch zum Teil erhalten sind.508 Heinrichs Kenntnisse antiker und älterer Autoren waren zwar weniger ausgeprägt als bei Orderic Vitalis oder bei Wilhelm von Malmesbury,509 allerdings war er für die zeitgeschichtlichen Bücher bestens informiert. Diana Greenway bezeichnet ihn sogar als »Henry is by far the best informed of all English chroniclers.«510 Durch sein Amt als Archidiakon befand er sich häufig im Umfeld des Bischofs von Lincoln, war mehrere Male am Hof des Königs, wo er sich Wissen über die königliche Verwaltung aneignete, und reiste mit Erzbischof Theobald von Canterbury 1139 nach Rom.
503 Clarke, Writing Civil War, S. 47. 504 Plassmann, Bedingungen und Strukturen, S. 169. 505 Partner, Serious Entertainments, S. 27. Zur starken Ablehnung Stephans führte auch dessen Vorgehen gehen Bischof Alexander, Heinrichs Förderer, und dessen Onkel Roger von Salisbury, die wegen angeblichen Verrats für Mathilde verhaftet wurden. 506 Greenway, Historia Anglorum, S. LIII. Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, VII, 41, S. 488: Missa autem post hec filia regis uiro suo recepta est, fastu tanta uiragine digno. Er, Historia Anglorum, X, 4, S. 708 und X, 11, S. 722, bezeichnet sie auch als filia regis Henrici, que fuerat imperatrix Alemannie. 507 Plassmann, Bedingungen und Strukturen, S. 166–168. Vgl. Greenway, Historia Anglorum, S. LXVI. Partner, Serious Entertainments, S. 30–33, bezeichnet die Historia Anglorum sogar als memento mori für Englands Herrscher. 508 Für die verlorenen Werke siehe Greenway, Historia Anglorum, S. CXII–CXVII. 509 Greenway, Historia Anglorum XXIX. Für Englands ältere Geschichte benutzte er vor allem Bedas Historia ecclesiastica, die Angelsächsische Chronik in der Peterborough-Variante und Geoffrey von Monmouths Historia regum Britannie, die er bei seinem Aufenthalt in Le Bec durch Robert von Torigni 1139 kennenlernte. Für eine vollständige Übersicht zu den verwendeten Quellen siehe Greenway, Historia Anglorum, S. LXXXV–CVII. 510 Greenway, Historia Anglorum, S. LIII. Viele Aufenthalte des Hofes sind nur bei ihm verzeichnet.
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Heinrichs Interesse am Reich war nicht sehr ausgeprägt, wobei der Fokus wie auch in England auf den Königen und Kaisern lag. In seinen Einträgen berichtete er von der Hochzeit Mathildes und deren Rückkehr und zum 2. Kreuzzug. Mit den Einträgen zu 1137 und 1138 charakterisiert er auch nur Mathilde genauer als filia regis Henrici, que fuerat imperatrix Alemannie.511 In Buch VIII, im Brief an König Heinrich I., in dem er eine Liste einfügt über die mächtigsten Herrscher, die auf der Erde gelebt hätten, führt er in VIII, 167 bis VIII, 177 sämtliche deutschen Könige und Kaiser, angefangen mit Heinrich I. bis Konrad III., auf. Er stellt sie damit in die Reihe der Nachfolger der Karolinger. Diese kommentiert er jeweils mit einem kurzen Satz. Dennoch sind seine Informationen und Kommentare wichtig. Nur durch ihn erfährt man, dass Heinrich I. 3 Shilling als Steuer für die Mitgift seiner Tochter erhob (VII, 27), und er kommentiert auch die deutschen Gesandten. Er bezieht den 2. Kreuzzug in sein moralisches Konzept ein und macht deutlich, warum das deutsche Heer zusammen mit dem der Franzosen scheiterte. Seine Berichte könnten dabei z. T. auf mündlichen Berichten, wie beim 2. Kreuzzug, beruhen,512 während er sich vermutlich 1128 in der Normandie aufhielt und Zeuge der Kämpfe in Flandern wurde.513 Robert von Torigni – Gesta Normannorum Ducum und Weltchchronik Gesta Normannorum Ducum Band 2: Zum Jahr 1110 (VIII, 11) S. 216–218, vor 1125 (VIII, 22) S. 236, zum Jahr 1125 (VIII, 25) S. 240, zum Jahr 1127 (VIII, 26) S. 242–244, zum Jahr 1127 (VIII, 27) S. 244, zum Jahr 1134 (VIII, 28) S. 246, zum Jahr 1137 (VIII, 42) S. 280. Chronik Zusammenfassend die Jahre 1102–1108 S. 81, zum Jahr 1101 S. 82, zum Jahr 1102 S. 83, zum Jahr 1103 S. 83, zum Jahr 1105 S. 85, zum Jahr 1106 S. 87f., zum Jahr 1106 S. 88f., zum Jahr 1108 S. 89, zum Jahr 1109 S. 89, zum Jahr 1109 S. 91, zum Jahr 1110 S. 91, zum Jahr 1111 S. 92f., zum Jahr 1125 S. 110, zum Jahr 1125 S. 111, zum Jahr 1126 S. 111, zum Jahr 1137 S. 133, zum Jahr 1146 S. 152, zum Jahr 1152 S. 164, zum Jahr 1152 S. 171, zum Jahr 1155 S. 185, zum Jahr 1156 S. 191, zum Jahr 1158 S. 195, zum Jahr 1158 S. 199, zum Jahr 1159 S. 201, zum Jahr 1162 S. 213, zum Jahr 1162 S. 213, zum Jahr 1162 S. 215, zum Jahr 1163 S. 216f., zum Jahr 1164 S. 220f., zum Jahr 1164 S. 222, zum Jahr 1165 S. 224, zum Jahr 1165 S. 225, zum Jahr 1167 S. 230f., zum Jahr 1168 S. 234, zum Jahr 1169 S. 240, zum Jahr 1172 S. 253, zum Jahr 1175 S. 266, zum Jahr 1175 S. 267, zum Jahr 1176 S. 270, zum Jahr 1177 511 Heinrich von Huntingdon spricht weder von einer imperatrix noch von einer eximperatrix. Bei weiteren Nennungen fügte er ihren ehemaligen Titel wie es z. B. Wilhelm von Malmesbury machte, nicht hinzu. 512 Unter den englischen Teilnehmern befanden sich Hervey de Glanville, ein entfernter Verwandter Heinrichs und Saher von Archelle, einem Spender für die Kathedrale in Lincoln. Siehe Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, S. 752f. Anm. 150. Vgl. Gillingham, Henry of Huntingdon, S. 82. 513 Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum VII, 39, S. 480, Anm. 247.
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S. 273, zum Jahr 1179 S. 285, zusammenfassend für die Jahre 1168–1182 S.303f., zum Jahr 1183 S. 308, zum Jahr 1184 S. 310, zum Jahr 1184 S. 312, zum Jahr 1184/1185 S. 313.514
Robert (auch Robert de Monte oder Robert de Torigni) stammte aus Torigni-surVire und trat 1128 in das Kloster Bec in der Normandie ein, wo er 1149 Prior wurde.515 1154 wurde er zum Abt in Mont-Saint-Michel gewählt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod 1186 aus. Durch seine Zugehörigkeit zu zwei der bedeutendsten Klöster in der Normandie lebte er im Zentrum politischer Ereignisse. Heinrich II. besuchte Mont-Saint-Michel in den Jahre 1158 und 1166 – Van Houts vermutet, dass sich Heinrich II. und Robert bereits 1147 begegneten – ebenso wie Mathilde, Tochter Heinrichs I.516 Er sah sich dabei selbst als eine Art Mentor der Kaiserin.517 Die enge Verbindung zeigte sich auch in seinen historiographischen Werken. Sowohl in den Gesta Normannorum Ducum als auch in der Chronik zeigt er sich als überzeugter Parteigänger Mathildas und Heinrichs, über die er ausführlich berichtet.518 Seine Lobeshymnen auf Heinrich II. führen sogar dazu, dass er die Kontroverse um Thomas Becket kaum behandelt.519 Bei seinem Lob auf Heinrich II., dem er seine Chronik auch vorstellte, spielte allerdings auch eine Rolle, dass dieser ein Förderer des Klosters war.520 Auch sah er in der Historiographie eine Möglichkeit, Dankbarkeit bei den darin Beschriebenen zu erwecken.521
514 Zum Beginn eines jeden Jahres fügte Robert die Regierungsjahre der Kaiser und englischen und französischen Könige ein. Diese Einträge wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht vermerkt. 515 Gransden, Historical Writing, S. 261–263, hier S. 261. Van Houts, Le roi et son historien, S. 115. 516 Gransden, Historical Writing, S. 261. Van Houts, Le roi et son historien, S. 117. Sie führt den Kontakt und ein gutes Einverständnis u. a. darauf zurück, dass Heinrich II. die Wahl sehr schnell und ohne Probleme bestätigte. Diese enge Beziehung zu Heinrich II. macht Robert von Torigni, wenn er auch in der Normandie lebte, für diese Auswertung sehr interessant. 517 Bates, Robert Torigni, S. 177. Er übernahm auch die Patenschaft für Eleanor, Tochter Heinrichs II. Siehe hierzu Spear, Torigni, Robert de. 518 Van Houts, Latin and French, S. 55. 519 Spear, Torigni, Robert of. Gransden, Historical Writing, S. 262f., verweist darauf, dass Robert in der Buße Heinrichs II. für die Ermordung Beckets Parallelen zur Kreuzigung Christi zog. 520 Gransden, Historical Writing, S. 262. Bates, Robert of Torigni, S. 176. 521 Van Houts, Latin and French, S. 54. In einen Brief an Gervasius, Prior von Saint-Cénery, forderte er diesen auf eine Lebensbeschreibung Geoffreys V. von Anjou, Herzog der Normandie, zu verfassen. Dies würde den Autoren nicht nur bekannt machen, sondern ihm auch Roberts Dankbarkeit bringen und die Gunst seines Sohnes Heinrichs II., damals noch Herzog der Normandie.
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Zunächst interpolierte er ab Mitte der 1130er-Jahre die Gesta Normannorum Ducum Wilhelm von Jumièges und führte diese fort.522 Nachhaltig beeinflusst für seine Chronik, die er noch in Bec begann, wurde er von Heinrich von Huntingdon und dessen Historia Anglorum, Heinrich befand sich 1139 mit Erzbischof Thibaud von Canterbury auf der Rückreise aus Romund hielt sich für einige Tage in Bec auf. Robert zeigte Heinrich seine Überarbeitung der Gesta und ein Exemplar Geoffrey von Monmouths Historia regum Britanniae, bis dahin in England noch unbekannt.523 Dafür erhielt Robert ein Exemplar der Historia Anglorum, das ihn inspirierte, in chronologischer Form etwas Vergleichbares für die Normandie anzufertigen.524 Noch in Bec begann er, als eine Fortführung der Chronik Sigbert von Gembloux seine Weltchronik zu verfassen, die er bis zu seinem Tod führte.525 Als Prior und Abt der beiden prestigeträchtigsten Klöster erhielt er Besuch hochrangiger Persönlichkeiten und konnte somit auch auf die Informationen dieser Besucher zugreifen. Neben Heinrich II. und Mathilde hatte er auch Kontakt zu Ludwig VII. und erhielt Informationen aus den klösterlichen Besitzungen in der Normandie, Bretagne, Maine, Vexin und aus England.526 Daher musste er ab 1147 nicht mehr auf vorhandene historiographische Quellen für seine Chronik zurückgreifen.527 Neben seinen beiden Hauptwerken überarbeitete er auch kleinere Annalen in Mont-Saint-Michel und verfasste eine Abhandlung über Orden und mehrere Viten verschiedener Äbte.528 So populär die Chronik im Mittelalter war – es finden sich Kopien in Bec, Jumièges, Fécamp, Bayeux und weiteren Klöstern – so wenig wird seine Arbeit heute geschätzt. Van Houts bezeichnet sein Latein als »dull and administrative or utilitarian« und Bates sieht in seiner Chronik einen »pedestrian prose style and limited range of interests«.529 522 Van Houts, Le roi et son historien, S. 116. Er benutzte allerdings die bereits von Orderic Vitalis überarbeitete Version. Für die Edition siehe The Gesta Normannorum Ducum of William of Jumièges, Orderic Vitalis and Robert of Torigni, 2. Bde., ed. u. übs. von Van Houts. 523 Van Houts, Le roi et son historien, S. 116. Diese enge Beziehung zum Werk Heinrichs von Huntingdon bestärkt ebenfalls, dass Robert von Torigni in diese Analyse mit einbezogen werden sollte. 524 Van Houts, Le roi et son historien, S. 116. 525 Robert of Torigni, Chronicle, hg. von Howlett (Rolls Series 82, 4). 526 Van Houts, Le roi et son historien, S. 117. 527 Gransden, Historical Writing, S. 162. Bis 1147 nutzte er vor allem Sigbert von Gembloux, Heinrich von Huntingdon und Annalen aus Rouen. Danach sind keine schriftlichen Quellen mehr feststellbar. 528 Zu seinen weiteren Werken siehe The Gesta Normannorum Ducum, Bd. 1, S. LXXVIII. 529 Van Houts, Latin and French, S. 62. Bates, Robert Torigni, S. 175. Seinen Wert, trotz des frustrierenden Stils zeige sich nach Bates aber vor allem in Roberts Selbstverständnis. Robert sah England mit den kontinentalen Besitzungen fest verwachsen und er verfasste von diesem Blickwinkel aus seine Chronik.
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Die Einträge zum Reich in den Gesta Normannorum Ducum betreffen vor allem Mathilde und ihre Verbindung zu Heinrich V. (S. 216–218, S. 240, S. 242– 244, S. 244, S. 246). Robert vermerkt nicht nur ihre Hochzeit, sondern auch deren Bedeutung für ihre Stellung nach ihrer Rückkehr nach England. Er stellt die Gleichrangigkeit der Plantagenets dar – abstammend von Karolingern und Ottonen –, Mathildes Spenden mit aus Italien gebrachten Schätzen und ihre Einschränkung durch ihren Vater bei der Auswahl ihres Begräbnisortes. Diese Information erhielt der Abt von Mont-Saint-Michel vermutlich von Mathilde persönlich.530 Während in den Gesta die Einträge zum Reich vor allem auf Mathilde und ihre Heirat mit Heinrich V. bezogen waren, finden sich in der Chronik auch für den Zeitraum vor 1125 nun auch weitere Einträge zum Reich, u. a. zum Tod Konrads (III.) und zur Rebellion Heinrichs V. Mehrheitlich beruhen diese älteren Einträge zum Reich auf Sigbert von Gembloux. Standen sie mit England in Verbindung, so beruhen sie auf Heinrich von Huntingdon. Die Italienzüge Friedrichs I. verfolgte Robert genau, eine Verbindung des Kaisers zum Schisma stellt er allerdings kaum her. Seinem annalistischen Schema folgend, sind die Einträge zum Reich meist sehr kurz, nur die Heirat Mathildas mit Heinrich dem Löwen, die vorausgehenden Verhandlungen und das spätere Exil betrachtet er ausführlicher. Roger von Howden – Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis und Chronica Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis Band 1: zum Jahr 1176 S. 126, zum Jahr 1176 S. 127, zum Jahr 1177 S. 183–190, zum Jahr 1179 S. 243f., zum Jahr 1180 S. 249f., zum Jahr 1180 S. 250, zum Jahr 1182 S. 287f., zum Jahr 1182 S. 291, zum Jahr 1183 S, 308f., zum Jahr 1183 S. 310, zum Jahr 1184 S. 312, zum Jahr 1184 S. 313, zum Jahr 1184 S. 313, zum Jahr 1184 S. 316, zum Jahr 1184 S. 318f., zum Jahr 1184 S. 319, zum Jahr 1184 S. 321, zum Jahr 1184 S. 333, zum Jahr 1184 S. 334, zum Jahr 1186 S. 345, zum Jahr 1186 S. 346. Band 2: zum Jahr 1187 S. 5, zum Jahr 1187 S. 55f., zum Jahr 1188 S. 58–60, zum Jahr 1189 S. 61, zum Jahr 1189 S. 73, zum Jahr 1189 S. 87, zum Jahr 1190 S. 88f., zum Jahr 1189 S. 92, zum Jahr 1189 S. 95, zum Jahr 1189 S. 102, zum Jahr 1190 S. 123, zum Jahr 1190 S. 140, zum Jahr 1190 S. 141, zum Jahr 1190 S. 142, zum Jahr 1190 S. 144, zum Jahr 1190 S. 145, zum Jahr 1190 S. 145f., zusammenfassend bis 1191 S. 148, zum Jahr 1191 S. 162, zusammenfassend für die Jahre 1191–1192 S. 200–203, zum Jahr 1191 S. 206, zum Jahr 1191 S. 228. Chronica Band 1: zum Jahr 1106, S. 163, zum Jahr 1110 S. 167, zum Jahr 1111 S. 167, zum Jahr 1114 S. 168, zum Jahr 1115 S. 169, zum Jahr 1118 S. 172, zum Jahr 1118 S. 172f., zum Jahr 1119 S. 175f., zum Jahr 1121 S. 179, zum Jahr 1125 S. 181, zum Jahr 1147 S. 209f., zum Jahr 1148 S. 209, zum Jahr 1159 S. 216, zum Jahr 1162 S. 219, zum Jahr 1164 S. 220, zum Jahr 1166 S. 244–246, zum Jahr 1167 S. 253, zum Jahr 1167 S. 253–255. 530 Siehe Robert von Torigni, Gesta Normannorum Ducum, S. 247, Anm. 2.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Band 2: zum Jahr 1176 S. 101, zum Jahr 1177 S. 137–143, zum Jahr 1179 S. 194f., zum Jahr 1180 S. 199–201, unbestimmt S. 233, 1035 verbunden mit 1125 S. 240f., zum Jahr 1182 S. 269, zum Jahr 1182 S. 273, zum Jahr 1183 S. 282f., zum Jahr 1184 S. 285, zum Jahr 1184 S. 285, zum Jahr 1184 S. 288, zum Jahr 1184 S. 288, zum Jahr 1184 S. 289, zum Jahr 1187 S. 323, zum Jahr 1187 S. 330, zum Jahr 1188 S. 356, zum Jahr 1188 S. 356–358, zusammenfassend für die Jahre 1189–1190 S. 358f. Band 3: zum Jahr 1189 S. 3, zum Jahr 1189 S. 3, zum Jahr 1189 S. 19, zum Jahr 1189 S. 20, zum Jahr 1189 S. 21, zum Jahr 1190 S. 22, zum Jahr 1189 S. 29, zum Jahr 1190 S. 44, zum Jahr 1190 S. 52, zum Jahr 1190 S. 69, zum Jahr 1190 S. 69, zum Jahr 1190 S. 73, zum Jahr 1190 S. 73, zum Jahr 1190 S. 82f., zusammenfassend für die Jahre 1189–1190 S. 87–89, zum Jahr 1191 S. 101f., zum Jahr 1191 S. 104, zum Jahr 1191 S. 156, zusammenfassend bis 1191 S. 161–164, zum Jahr 1191 S. 166f., zum Jahr 1192 S. 186, zum Jahr 1193 S. 195–199, zusammenfassend für die Jahre 1193–1197 S. 202f., zum Jahr 1193 S. 205f., zum Jahr 1193 S. 207 zum Jahr 1193 S. 208–212, zum Jahr 1193 S. 213–216, zum Jahr 1193 S. 222f., zum Jahr 1194 S. 224, zum Jahr 1194 S. 268–270, zum Jahr 1194 S. 274f., zum Jahr 1194 S. 276, zum Jahr 1194 S. 276–278, zum Jahr 1194 S. 298f., zum Jahr 1195 S. 300f., zum Jahr 1195 S. 302, zum Jahr 1195 S. 303f., zum Jahr 1195 S. 306, zum Jahr 1195 S. 308. Band 4: zum Jahr 1196 S.7, zum Jahr 1197 S. 24, zum Jahr 1197 S. 25, zum Jahr 1197 S. 26, zusammenfassend für die Jahre 1194–1194 S. 26–29, zum Jahr 1197 S. 30–32, zum Jahr 1198 S. 37–39, zum Jahr 1198 S. 55, zum Jahr 1198 S. 72, zum Jahr 1198 S. 78, zum Jahr 1198 S. 79, zum Jahr 1199 S. 80f., zum Jahr 1199 S. 83.
Der verbindende Hintergrund zwischen den Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis und der Chronica, die für die Jahre 1170 bis 1192 in weiten Teilen auf den Gesta beruht, war lange Zeit unklar. Mittlerweile wird generell akzeptiert, dass Roger von Howden (Hoveden) Autor der beiden historiographischen Werke war.531 Roger von Howden (gest. ca. 1201) erhielt 1173/ 1174 die Pfarrei seines Vaters Robert gegen die ausdrückliche Anweisung Alexanders III.532 Gefördert von Roger von Pont L’Evêque, Erzbischof von York, trat er allerdings schon 1174
531 Die Zuschreibung zu Abt Benedikt von Peterborough aufgrund der Überschrift Gesta Henrici II Benedicti abbatis auf einer frühen Kopie der Gesta. Allerdings erfolgte dieser Eintrag in der um 1177 entstandenen Kopie in einer Schrift des 13. Jahrhunderts. Stenton, Roger of Howden and Benedict, S. 574–582, macht deutlich, dass Roger von Howden ebenfalls der Autor der Gesta ist. Vgl. Gillingham, Writing the Biography, S. 210. Corner, Howden, Roger of. Dagegen ausgesprochen haben sich u. a. William Stubbs, in Chronica magistri Rogeri de Hovedene, hg. von Stubbs, 4 Bde. (Rolls Series 51), S. LIV f., oder in Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis: the chronicle of the reigns of Henry II and Richard I, AD 1169–1192, ed. v. Stubbs, 2 Bde. (Rolls Series 49), S. XXVI f. Ebenso Gransden, Historical Writing, S. 222–230. 532 Gillingham, Writing the Biography, S. 208. Ob Alexander III. seinen Willen später änderte oder ob einfach gegen seine Anweisung gehandelt wurde, ist unbekannt. Das Schreiben Alexanders III. ist erhalten, siehe Brief Nr. 148, S. 338f., in Papsturkunden in England, Bd. 2: hg. von Holtzmann. Holtzmann bezweifelt, dass die darin genannte Person tatsächlich der Historiograph Roger von Howden ist.
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in die Dienste Heinrichs II., für den er mehrere Reisen unternahm.533 1174 reiste er in diplomatischer Mission nach Galloway, 1175 sollte er Wahlen in mehreren vakanten Klöstern beaufsichtigen.534 Zwischen 1184 bis 1189 agierte er mehrere Male als »Justice of the forest«.535 Nach dem Tod Heinrichs II. begleitete er zumindest teilweise im Auftrag Bischofs Hugue de Puisets Richard I. auf dem 3. Kreuzzug, kehrte allerdings schon im August 1191 wieder zurück.536 Für diesen war er bereits 1189 nach Rom gereist, um ihn beim Papst von seinem Kreuzzugsgelübde zu entbinden.537 Nach dem Tod Bischof Hugues zog er sich in seine Pfarrei zurück, blieb aber in stetem Kontakt mit Bischof Philipp von Poitou, Hugos Nachfolger.538 Durch seine Reisen nach Rom, seine Teilnahme am Kreuzzug, seine Reisen im Auftrag Heinrichs II. und seine Zugehörigkeit zum reisenden Hof des englischen Königs gilt Roger von Howden als der am weitesten gereiste englische Historiograph des 12. Jahrhunderts. Die Gesta, die die Jahre 1169–1192 umgreifen, verfasste er meist parallel zu den Ereignissen. Die Chronik beschreibt die Jahre nach Beda bis 1201 und wurde vermutlich schon in der Endphase der Gesta begonnen.539 Aufgrund seines positivistischen Ansatzes mit den zahlreich übermittelten Dokumenten in beiden Werken wird Roger von Howden meist als langweilig angesehen.540 Die Gesta entstanden meist zeitgleich zu den Ereignissen, die Chronik rezipiert die Einträge der Gesta für die Jahre 1169–1192. Für die Jahre davor nutzte Roger vor allem die Chronik Heinrich von Huntingdons und die Historia post obitum Bedae, nach 1192 entstanden sie wieder unmittelbar zu den Ereignissen, wobei verstärkt das Augenmerk auf York und Durham lag. Während die Gesta noch spannende Erzählungen aufweisen und Emotionen des Autoren sichtbar werden, ist dies in der Chronica nicht der Fall.541 Roger von 533 Gillingham, The Travels of, S. 74f., vertrat die Ansicht, dass, im Gegensatz zur üblichen Meinung, er nicht durch Bischof Hugue du Puiset von Durham, sondern vor allem durch Erzbischof Roger gefördert wurde. Die Verbindung zu Durham trat erst mit der Vakanz des Erzbistums auf. Barlow, Roger of Howden, S. 353, verweist allerdings auf die Besitzverhältnisse, da die Pfarrei zum Bistum gehörte. 534 Corner, Howden, Roger of. Diese beiden Aufträge für den Kleriker Roger von Hoveden sind auch in den Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis, Bd. I, S. 80, 91, vermerkt. 535 Stenton, Roger of Howden and Benedict, S. 581. Vgl. Gillingham, Writing the Biography, S. 211. Diese Tätigkeit findet sich nicht in den Gesta, sondern konnte über die Pipe Rolls ermittelt werden. 536 Corner, Howden, Roger of. 537 Corner, Howden, Roger of. Gillingham, The Travels of, S. 86, schließt aufgrund der Inhalte in den Gesta und in der Chronica auf mehrere Romreisen. So sei er 1171, 1183, 1179 und 1197–1198 ebenfalls nach Rom gereist. 538 Corner, Howden, Roger of. 539 Corner, Howden, Roger of. 540 Gillingham, The Travels of, S. 71. Zahlreiche Dokumente aus der Regierungszeit Heinrichs II. sind nur aufgrund Roger von Howdens Tätigkeit vorhanden. 541 Gillingham, Writing the Biography, S. 211.
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Howden schrieb aus der Perspektive eines gut informierten Mitglieds des Hofes Heinrichs II., verfolgte dessen Itinerar, Justizreformen und diplomatische Austausche.542 Allerdings ist es nach Gillingham falsch, die Gesta als »court diary« und die Chronica als »diary of a county parson« zu beschreiben.543 Die Bezeichnung als Hofhistoriograph sei falsch, da Roger in beiden Werken weniger das Itinerar des Hofes beschreibe, als vielmehr seine eigenen Reisen reflektiere.544 Befand er sich am Hof, verzeichnete er die dortigen Ereignisse genauestens. Häufig könne man allerdings nachvollziehen, dass Roger abwesend war und dann die Ereignisse seiner Missionen und seinen Reiseweg niederschrieb.545 In der Chronica zeige sich Roger von Howden, häufig ahistorisch als »bureaucrat« und »civil service historian« bezeichnet, als wohl aufgrund des mehrjährigen Abstands zu den Ereignissen ruhiger geworden und nahm eine nüchterne Haltung ein.546 Allerdings sollte man nach Gillingham bei der Interpretation der Chronica Rogers Frömmigkeit, seine Begeisterung für den Kreuzzug und seinen damit über Heinrich II. verbundenen Ärger sowie seine Sorge in Bezug auf Häretiker nicht unterschätzen.547 Einen großen Teil der Einträge zum Reich in den Gesta Regis Henrici Secundi betreffen Heinrich den Löwen und seinen Konflikt mit Friedrich I. (Bd. 1, S. 249f., S. 287f. S. 291, S. 310, S. 312, S. 313, S. 313, S. 316, S. 318f., S. 319, S. 321, S. 333, S. 334, S. 345, S. 346; Bd. 2, S. 61, S. 73, S. 87, S. 92, S. 145). Die Verurteilung im Reich und der erste Exilsaufenthalt mit der Familie werden ebenso vermerkt wie der zweite. Dabei berichtet Roger von einer Intervention Heinrichs II. beim deutschen König, aber auch von den Aufenthalten der gebannten Familie und ihrer Einbindung in die Heiratspolitik Heinrichs II. Neben dem ausgeprägten Interesse für den sächsischen Herzog finden sich auch ein sehr ausführlicher Bericht über den Frieden von Venedig (Bd. 1, S. 183–190) und mehrere Einträge zum Mainzer Erzbischof Christian I. von Buch, seiner Gefangenschaft und seinem Tod 1183 (Bd. 1, S. 243f., S. 250, S. 308f.) Daneben verfolgt Roger die Vorbereitungen Friedrichs I. zum Kreuzzug und dessen Tod (Bd. 2, S. 55f., S. 58– 60, S. 61, S. 88f.) und das Wirken Heinrichs VI. in Italien (Bd. 2, S. 102, S. 123, S. 140, S. 141, S. 145f., S. 162, S. 200–203, S. 206). 542 Corner, Howden, Roger of. Durch die Position am Hof hatte er Zugriff auf zahlreiche Dokumente, erlebte Entscheidungen dess Königs und diplomatische Treffen selbst mit. Die Reisen ermöglichten ihn, Ereignisse fernab des Hofes und Englands mitzuerleben und Informationen für seine Werke zu sammeln. Staunton, The Historians, S. 65, ist daher der Ansicht, dass es durch die Menge an verwendeten Materialien schwierg wäre, sich Rogers Vorstellungen zu nähern. 543 Gillingham, The Travels of, S. 72f. 544 Gillingham, The Travels of, S. 72f. 545 Gillingham, The Travels of, S. 72f. 546 Gillingham, Writing the Biography, S. 208, 211. 547 Gillingham, The Travels of, S. 88.
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In der Chronica greift Roger viele Einträge ab 1176 wieder auf. Dies sind vor allem die Einträge zu Heinrich dem Löwen und seine Familie oder zum Mainzer Erzbischof. Allerdings verfügte er nun anscheinend über zusätzliches Wissen, da er z. B. nun ausführlich die Gründe für das Exil Heinrichs darstellt. (Bd. 2, S. 199– 201). Bei der Kaiserkrönung Heinrichs VI., die er in den Gesta (Bd. 2 S. 162) nur sehr kurz darstellt, fügt er nun die Geschichte ein, dass Coelestin III. die Krone mit den Füßen zu Boden geworfen habe. Für die Jahre davor nutzt er für die Einträge zum Reich vor allem die Chroniken Symeons von Durham und Heinrich von Huntingdons. Allerdings kompiliert er nicht nur aus diesen Werken, sondern versieht sie mit zusätzlichen Informationen, wie z. B. zum Jahr 1125 (Bd. 1 S. 181). Für die Informationen zum Schisma konnte er auf Briefe Gilbert Foliots oder Thomas Beckets zurückgreifen, die er in seine Arbeit einfügte. Sehr ausführlich berichtet er von der Gefangenschaft Richards I. und den Verhandlungen. Auch hier konnte er auf Briefe zurückgreifen, u. a. auf einen Brief Heinrichs VI. an den französischen König (Bd. 3, S. 195f.), einen Brief Walters von Rouen an den Bischof von Durham (Bd. 3, S. 196f.), ein Brief Richards I. an seine Mutter Eleonore (Bd. 3, S. 208–210), einen Brief Heinrichs VI. an die englischen Großen (Bd. 3, S. 211). Auch in den Vertrag zwischen Heinrich VI. und dem englischen König (Bd. 3, S. 215f.) hatte er Einblick. Nach der Rückkehr Richards beobachtete der Historiograph die Ereignisse um Heinrich VI. in Italien. Wichtig aber waren für ihn Nachrichten zu Otto, dem Sohn Heinrichs des Löwen und späteren Kaiser. Dessen Aufenthalt in England und seine Beziehung zu Richard – ein Teil der Einträge zu Otto entstand vermutlich bereits vor der Doppelwahl, da Otto, ähnlich wie seine in England geborene Schwester, als Teil der englischen Königsfamilie angesehen wird – aber auch die spätere Wahl und dessen Krieg mit Philipp von Schwaben verfolgte er genauestens (Bd. 3, S. 308; Bd. 4, S. 7, S. 37–39, S. 79, S. 80f., S. 83). Gervasius von Canterbury – Chronica und Gesta regum Britanniae Chroncia Zum Jahr 1108 S. 92, zum Jahr 1125 S. 93, zum Jahr 1137 S. 100, zum Jahr 1138 S. 102f., zum Jahr 1147 S. 137, zum Jahr 1159 S. 166f., zum Jahr 1162 S. 167, zum Jahr 1162 S. 171, zum Jahr 1164 S. 182, zum Jahr 1167 S. 204, zum Jahr 1167 S. 205, zum Jahr 1168 S. 205, zum Jahr 1168 S. 205–207, zum Jahr 1177 S. 265–269, zum Jahr 1184 S. 310f., zum Jahr 1184 S. 313, zum Jahr 1185 S. 331, zum Jahr 1186 S. 334, zum Jahr 1187 S. 383, zum Jahr 1191 S. 490, zum Jahr 1192 S. 513f., zum Jahr 1193 S. 514–523, zum Jahr 1194 S. 523, zum Jahr 1194 S. 528f., zum Jahr 1197 S. 544f. Gesta regum Britanniae Zusammenfassend für die Jahre 1109–1125 S. 70, zum Jahr 1168 S. 78, vor 1168 S. 78, zum Jahr 1192 S. 88, zusammenfassend für die Jahre 1192–1194 S. 88f., zum Jahr 1193 S. 90.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Von Gervasius von Canterbury (ca. 1145–ca. 1210) stammen zwei sehr unterschiedliche Chroniken.548 Seit 1163 Mönch im benediktinischen Kathedralkloster Christ Church in Canterbury, ab 1193 Sakristan, entwickelte er durch den Konflikt des Konvents mit Erzbischof Balduin von Canterbury historisches Interesse.549 Balduin, 1184 gegen die Wünsche des Klosters Erzbischof von Canterbury geworden, geriet mit den Mönchen über administrative Fragen in Streit und plante daher, das Kollegiatstift St. Augustine zu errichten.550 Die Mönche von Christ Church befürchteten, in ihrer bisherigen Bedeutung für den Dom zurückgedrängt zu werden und größere Zahlungen leisten zu müssen.551 Die Diskussionen dazu dauerten bis 1190 an, als Balduin auf dem 3. Kreuzzug verstarb. Gervasius erforschte für diese Auseinandersetzung die Vergangenheit von Canterbury und stellte Argumente für die Mönche zusammen.552 Daraus entstanden die sog. Imaginationes, die er zusammen mit dem Tractatus de combustione et reparatione Cantuariensis ecclesiae der Chronica voranstellte.553 Durch diese Schriften wurde Gervasius zu einer Art Experten für Canterbury. Ab 1188 verfasste er die Chronica, eine Geschichte Canterburys für die Jahre 1100 bis 1199. Im Prolog stellt er dar, dass er nicht gedenke, eine Weltgeschichte zu schreiben, sondern nur das aufschreiben wolle, was für die Erinnerung wichtig sei, d. h. für Canterbury.554 Seine Zielgruppe sieht er dabei nur in den Mitbrüdern des Klosters.555 Canterbury und das Kloster ebenso wie die Dispute stehen im
548 Für die Edition der Chronica siehe The Historical Works of Gervase of Canterbury, Bd.1: The Chronicle of the Reigns of Stephen, Henry II. and Richard I., ed. v. William Stubbs (Rolls Series 73,1). Für die Gesta regum siehe The Historical Works of Gervase of Canterbury, Bd. 2: The Minor Works comprising The Gesta Regum with its Continuation, The Actus Pontificum, and the Mappa Mundi, hg. Stubbs, (Rolls Series 73,2) S. 1–106. Für Literatur siehe Huling, English Historical Writing, S. 187–245. Gransden, Historical Writing, S. 253– 260. Martin, Canterbury, Gervase of. Schnith, Gervasius von Canterbury, Sp. 1360. 549 Seinen Klostereintritt vermerkt Gervasius selbst in seiner Chronica. Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1163, S. 173: Hoc anno, mense Februario, xiiiito kalendas Martii, primo sabbato Quadragesimae suscepi ego Gervasius monachatum in ecclesia Christi Cantuariensi. Über seine Herkunft, evtl. aus Kent, und seine Familie ist nichts Weiteres bekannt. 1193 wurde er Sakristan. 550 Huling, English Historical Writing, S. 194f. Vgl. Schnith, Art. Balduin von Canterbury, Sp. 1371f. 551 Martin, Canterbury, Gervase of. 552 Gransden, Historical Writing, S. 253. 553 Der Chor der Kathedrale, gebaut unter Erzbischof Lanfranc, brannte 1174 ab. Gervasius beaufsichtigte wahrscheinlich den Wiederaufbau. In der Abhandlung beschreibt er diesen, aber auch wie der abgebrannte Bau und dessen Vorgängerbau ausgesehen hatten. 554 Gervasius von Canterbury, Chronica, Prolog, S. 89: Non tamen omnia memorabilia notare cupio, sed memoranda tantum, ea squae digna memoriae esse videntur. Vgl. Staunton, The Historians, S. 112. 555 Gervasius von Canterbury, Chronica, Prolog, S. 89: Me autem inter cronicae scriptores computandum non esse censeo, quia non bibliotecae publicae sed tibi, mi frater Thoma, et
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Mittelpunkt der Chronik.556 Nationale wie internationale Ereignisse werden zwar ebenfalls wahrgenommen, müssen in ihrer Bedeutung aber zurückstehen. So gibt es z. B. bis auf die Zeit der Rückreise Richards I. aus dem heiligen Land keine Darstellung des 3. Kreuzzugs. Personen werden dadurch beurteilt, ob sie für Canterbury nützlich waren oder dem Kloster schadeten.557 Heinrich II. und Richard I. werden daher negativ beurteilt. Gervasius nutzte dabei als Vorlage Johannes von Worcester, Herbert von Bosham, Alan Tewkesbury und Roger von Howden, aber auch auf die Archive Canterburys konnte er zugreifen.558 Dabei kopierte er aus deren Werken und griff auch auf bereits vorhandene Materialien zurück, selbst wenn er Ereignisse, wie die Ermordung Thomas Beckets, selbst miterlebt hatte.559 Die wesentlich kürzeren Gesta regum hingegen sind stärker auf politische Ereignisse seit der Antike ausgerichtet und orientieren sich an Geoffrey of Monmouths Historia regum Britanniae und an Wilhelm von Malmesburys Gesta regum Anglorum, an die auch der Titel angelehnt ist.560 Allerdings besteht der Großteil der Gesta aus einer Zusammenfassung der Chronica. Neben den historiographischen Werken verfasste Gervasius mehrere Viten zu Erzbischöfen von Canterbury (Actus Pontificum Cantuariensis Ecclesiae) und ein Verzeichnis der Klöster Britanniens (Mappa Mundi). Die Einträge zum Reich lassen auf kein bestimmtes Interesse schließen. Das Alexandrinische Schisma und die Italienzüge Barbarossas werden ebenso erwähnt, wie das Exil Heinrichs des Löwen, die Auseinandersetzung um den Trierer Erzbischof und die Gefangenschaft Richards I. Den Bericht zur Gefangenschaft Richards verknüpfte er dabei mit den Auswirkungen auf Canterbury. Während die älteren Einträge auf Johannes von Worcester, Wilhelm von Canterbury oder Herbert von Bosham beruhen, ist die Quellenlage für die Jahre ab 1177 unklar. Neben seinen Möglichkeiten auf die Archive in Canterbury zurückzugreifen, zeigen aber auch seine Einträge u. a. zur Gefangenschaft Richards, dass er auf mündliche Berichte zurückgriff, da er darin von famae und murmur sprach.561 Weniger Einträge sind hingegen in den Gesta zu finden. Gervasius strich hier u. a. die Italienzüge Friedrichs oder das Exil Heinrichs.
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nostrae familiolae pauperculae scribo. Durch diesen Satz gibt es auch die Vermutung, dass Gervasius einen Bruder namen Thomas hatte. Huling, English Historical Writing, S. 206. Huling, English historical Writing, S. 2010. Vgl Gransden, Historical Writing, S. 257. Huling, English Historical Writing, S. 203. Ab 1177 wird die Quellengrundlage unklar. Gransden, Historical Writing, S. 260. Huling, English Historical Writing, S. 205. Die Zusammenfassung vergangener und aktueller Ereignisse ist allerdings auch an den Bedürfnissen der Mönche ausgerichtet. Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1193, S. 514: Mira rerum commutatio, sed et famae confusio facta est. Cum enim plurimi adventum regis in Normanniam praedicarent, et
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Quantitative Auswertung der Quellen
Walter Map – De nugis curialium Dist. I, c. 24 (S. 82), Dist. II, c. 23 (S. 194), Dist. V, c. 5 (S. 450), Dist. V., c. (S. 458), Dist. 5, c. 6 (S. 474), Dist. 5, c. 6 (S. 478–482), Dist. 5, c. 6 (S. 488).
Walter Map (ca. 1130–ca. 1209) stammte vermutlich aus einer wohlhabenden Familie aus Herfordshire, dem Grenzgebiet zu Wales.562 Nach einem Theologiestudium um 1154 in Paris, trat er in den 1160er-Jahren in die Dienste Gilbert Foliots, ab den 1170er-Jahren in königlichen Dienst. Bis zum Tod Heinrichs II. war Walter immer wieder für den König und den Hof tätig, reiste mit diesem zu den kontinentalen Besitzungen, trat als Richter auf und nahm als königlicher Gesandter 1179 am Laterankonzil teil.563 Daneben wurde er 1183 Kanoniker in Lincoln und 1186 Kanzler, wodurch er für eine der bedeutensten Kathedralschulen Englands verantwortlich war. 1196/ 1197 wurde er zum Archidiakon von Oxford ernannt. Zweimal war er auch als Nachfolger für Bischofssitze (St. David’s und Hereford) im Gespräch, allerdings erfolglos.564 Durch Gilbert Foliot und Heinrich II. erhielt er ertragreiche Pfründe und war selbst sehr wohlhabend.565 C. N. L. Brooke beurteilte Maps Karriere als »prosperous«, aber nicht als außergewöhnlich.566 Berühmt wurde Walter Map aber für De Nugis curialium, einer Prosaschrift, deren Genre und Thema allerdings schwer zu definieren sind.567 Dieses komplexe Werk stellt eine Mischung aus Satire, Geschichtsschreibung, höfischen Erzäh-
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ob hoc plurimi convolarent in Normanniam, de captione ipsius subito murmur increbuit, omniumque, et maxime invidentium, ora resolvit. Map ist Walisisch für »Sohn von« und wurde als Spitzname für Personen aus dem Grenzgebiet verwendet. Walter nutzt diesen Namen selbst in De Nugis curialium, u. a. Dist. V, c. 6, S. 494: Domino regi predicto seruiebat quidam clericus, qui uobis hec scripsit, cui agnomen Map. Er bezeichnet zwar die Waliser als compatriotae, allerdings stand er ihnen sonst sehr geringschätzig gegenüber. Die verwendete Edition ist Walter Map, De Nugis Curialium, hg. u. übs. von James, bearb. v. Brooke/ Mynors. Im Weiteren Walter Map, De Nugis Curialium. Zu allgemeiner Literatur siehe Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 63–68. Stein, Art. Walter Map, Sp. 1997f. Brooke, Map, Walter. Brooke, Map, Walter. Stein, Art. Walter Map, Sp. 1997. Brooke, Map, Walter. Walter Map beschreibt in De Nugis curialium, Dist. I, c. 10, S. 16–24 seinen Haushalt und ärgert sich über die Kosten. Auch seine Neffen, von denen allerdings nur einer sicher nachweisbar ist, werden von ihm als Kostenfaktoren eingeschätzt. Eine Aufzählung seiner Pfründe findet sich bei Walter Map, De Nugis Curialium, hg. von Brooke, S. XVI f. Walter Map, De Nugis Curialium, hg. von Brooke, S. XIX. Im Vulgata-Zyklus (Prose Lancelot) werden Walter Map fälschlicherweise zwei Gedichte »Queste del Saint Graal« und der »Mort Artu« bzw. deren Übersetzung aus dem Lateinischen zugeschrieben. Erst im 19. Jahrhundert wurde De Nugis curialium in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts entdeckt. Die schriftliche Fassung kannte vermutlich Gerald von Wales, ansonsten blieb die Schrift weitgehend unbekannt.
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lungen und Anekdotensammlung dar.568 Es enthält eine Satire auf den Hof, Mirakel, Geistergeschichten, Traktate gegen Frauen und Zisterzienser bzw. Orden im Allgemeinen und Historiographie. Walter Map verfasste den Hauptteil 1181/ 1182, also in einer Zeit, in der er noch im Dienste des Königs stand, nahm aber bis 1193 Überarbeitungen vor, wobei das Werk vermutlich keiner abschließenden Überarbeitung unterzogen wurde.569 Der bezeichnende Titel stammt allerdings nicht von Map selbst, sondern von einem Kopisten. Da es Züge einer Parodie auf Fürstenspiegel in sich trägt, wollte dieser eventuell auf Johann von Salisburys Policraticus mit dem Untertitel Policraticus siue de nugis curialium et uestigiis philosophorum anspielen.570 Walter spricht in seinem Werk einen nicht identifizierbaren Geoffrey an, der ihn gebeten habe, über den Hof zu schreiben.571 Ob dieser eine rhetorische Figur oder eine tatsächliche Person war, ist unbekannt. Mit den De Nugis wollte Map unterhalten; ihn aber nur als amüsanten Geschichtenerzähler wahrzunehmen und seine Schrift als trivial zu bezeichnen, würde ihm nicht gerecht.572 Der gebildete Kleriker mochte mit seinem Humor belehren und mit den ernsten Geschichten zum Nachdenken anregen.573 Björn Weiler merkt an, dass es in englischer Historiographie das Bedürfnis gab, auf die erforderliche Kontrolle von königlichen Bediensteten und das Intrigieren der Höflinge hinzuweisen.574 Damit waren De Nugis auch traditionelle Hofkritik, die Heinrich II. darauf aufmerksam machen sollte, dass das bloße Hören auf Höflinge das Heil gefährden könnte. Walter Map imitierte vermutlich Valerius Maximus, Autor von Facta et dicta memorabilia, eine Art Handbuch mit nützlichen Geschichten, die vielfach zu moralischen Erzählungen anregten.575 Map griff, neben seinen eigenen Erfahrungen, Erlebnissen und Überlegungen am Hof, klassische Erzählungen auf, ebenso wie Geschichten aus dem walisischen
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Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 67. Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 67. Walter Map, De Nugis Curialium, hg. von Brooke, S. XXXII f. Walter Map, De Nugis Curialium, Dist. I, cap. 10, S. 24. Levine, How to read Walter Map, S. 105, hebt dies besonders hervor: »If this is the material of the successful after-dinner speaker, then what appeals to people after they have eaten is certainly strikingly perverse. Under the mask of triviality, Walter offers playfully bitter misogyny, satire and complaint, with deliberately grotesque fantasies of impotence, castration, necrophilia, and decapitation.« 573 Wood, Walter Map, S. 92. Ebenso Staunton, The Historians, S. 138. 574 Weiler, The King as Judge, S. 121. 575 Walter Map, De Nugis Curialium, hg. von Brooke S. XXXIV. Walter Map, De Nugis Curialium, Dist. I, cap. 13, S. 36, imitiert den Titel und verweist auf den Anspruch, zu unterhalten und zu belehren: Materiam michi tam copiosam eligis, ut nullo possit opere superari, nullis equari laboribus: dicta scilicet et facta que nondum littere tradita sunt, quecunque didici conspeccius habere miraculum, ut recitacio placeat et ad mores tendat instruccio.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Grenzgebiet, und wurde durch Erzählungen von Reisenden, denen er am Hof oder bei seinen eigenen Reisen begegnete, beeinflusst.576 Trotz einer von den traditionellen Chronisten abweichenden Gestaltung ist es nicht falsch, Walter Map zu den Historiographen zu zählen.577 Besonders in den Distinctiones V finden sich Abschnitte zur Geschichte Englands des 11. und 12. Jahrhunderts, die Züge einer Autobiographie Heinrichs II. tragen.578 Map setzte sich selbst mit den Gemeinsamkeiten von Fiktion und Geschichte auseinander, die beide die Liebe zum Guten im Menschen zu fördern als Ziel hätten.579 Andererseits wollte z. B. auch Wilhelm von Malmesbury unterhalten und bei Orderic Vitalis, Heinrich von Huntingdon und Wilhelm von Newburgh finden sich ebenfalls Schauergeschichten. In De Nugis curialium finden sich mehrere Einträge zum Reich, die meisten in den Disctinctiones V, in denen er sich besonders der englischen Geschichte zuwandte. Walter Map gibt darin Historisches wieder, wie den Hinweis auf die Involvierung Barbarossas in die Hinrichtung Arnolds von Brescia (Dist. I, cap. 24), die Aufzählung der Nachkommen Heinrichs I. (Dist. V, cap. 6) und die Teilnahme Heinrichs des Löwen am Weihnachtsfest in England (Dist. V, cap. 6). Er vermischt reale Ereignisse mit Geschichten wie eine ausführliche Darstellung Heinrichs V., der seinen eigenen Bruder enthauptet, heftige Auseinandersetzungen mit den Fürsten in seinem Reich gehabt, nach einer Schlacht mit vielen Toten eine Katharsis erlebt, seinen eigenen Tod vorgetäuscht und sich nach Cluny ins Kloster zurückgezogen habe (Dist. V, cap. 6). In Dist. V, cap. 5 berichtet Map von einem Schimpfwort für Deutsche, was er in eine Episode über Theobald IV. von Blois und Champagne und dessen Krieg mit Ludwig VI. einbindet.580 Der Kaiser wird hier als Unterstützer Theobalds dargestellt. Aber auch von realen Ereignissen losgelöste Erzählungen sind zu finden, wie über einen deutschen Ritter namens Franco am französischen Hof (Dist. II, cap. 23) oder die Erläuterung über die Unterschiede zwischen den Königen mit der Erklärung für die Armut des Kaisers (Dist. V, cap. 5). Die Nennungen zum Reich stehen meist mit 576 Wood, Walter Map, S. 92. Manche der Geschichten lassen auf Einflüsse aus Italien und von Kreuzfahren schließen. Short, Literary Culture at the Court of Henry II, S. 348, sah in De Nugis Curialium »the collective memory of the Celts.« 577 Vgl. Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 68. Walter Map, De Nugis Curialium, hg. von Brooke, S. XLII. 578 Brooke, Map, Walter. 579 Walter Map, De Nugis curialium, Dist. I, cap. 31, S. 128: [Sich auf fabula und historia beziehend] … unus utriumque narracionum mos et intencio. Nam historia, que ueritate nititur, et fabula, que ficta contexit, et bonos fine florenti beant, ut ametur benignitas, et fedo malo dampnant interitu, uolentes inuisam reddere maliciam. Den Wahrheitsanspruch von Geschichte betont er auch in Dist. I, cap. 13, S. 36. 580 Das Schimpfwort für Deutsche bei Walter Map, De Nugis curialium, Dist. V, cap. 5, S. 458 lautet »Tpwrut Aleman«.
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Ereignissen in England in Verbindung, wie die Heirat Mathildes mit Heinrich V., das Exil des sächsischen Herzogs in England oder die Geschichte zu Theobald IV., der sich in einer Allianz mit Heinrich V. und Heinrich I. befand. Aktuelle Informationen und Ereignisse beeinflussten vermutlich seine Darstellung. In der Geschichte zu Heinrich V. wird von einem Herzog von Bayern und Sachsen berichtet, der als einziger diesem Widerstand leistete. Hier könnte sich das Vorgehen Friedrichs I. und der Fürsten gegen Heinrich den Löwen widerspiegeln, dessen Auswirkung – Heinrichs Exil in England – Walter Map selbst miterlebte. Annales Lewenses – Annalen von Lewes Zum Jahr 1111 S. 87, zum Jahr 1190 S. 88, zum Jahr 1194 S. 88.
Aus Lewes stammen kleinere Annalen, geführt von der Inkarnation bis 1358.581 Das erste Cluniazenserkloster in England war von Wilhelm von Warenne, 2. Earl von Surrey, und dessen Frau gestiftet worden, nachdem sie auf einer Pilgerreise Station in Cluny gemacht hatten.582 Aus dem Kloster mit einem Prior und drei Mönchen entwickelte sich seit 1077 eines der reichsten Klöster Englands. Vermutlich nicht vor 1121 begonnen, sind mehrere Schreiber bis 1358 feststellbar.583 Im älteren Teil basieren sie auf den sog. »Norman annals« aus Rouen und Fécamp, ebenfalls beeinflusst wurden sie von der Chronik aus Battley Abbey I und den Annales Cicestrenses.584 Interessant sind besonders die Einträge zum Kloster und zur Warenne-Familie. Bis 1199 sind drei Einträge zum Reich feststellbar. Die Gefangennahme des Papstes 1111, die Beteiligung des Reichs am 3. Kreuzzug und die Rückkehr Richards aus dem Reich wurden vermerkt. Annales Plymptonienses – Annalen von Plympton Zum Jahr 1107 S. 26.
1121 gründete Bischof Wilhelm Warelwast das Augustinerstift St. Peter und Paul, das ein angelsächsisches Kollegiatstift ersetzen sollte, in Plympton neu.585 Angefügt an eine Kopie von Beda Venerabilis Historia ecclesiastica, die das Kloster kurz nach dessen Gründung erhalten hatte, finden sich zwei kurze Tabellen mit 581 Zum Kloster siehe Dobson, Art. Lewes, Sp. 1926. Knowles, The Monastic Order, S. 151–158. Zu den Annalen siehe Gransden, Historical Writing, S. 406, Anm. 18. Kennedy, Art. Annales of Lewes, S. 70f. Für die (unvollständige) Edition siehe The Annals of Lewes Priory, hg. von Liebermann, S. 83–89. 582 Dobson, Art. Lewes, S. 1926. 583 The Annals of Lewes Priory, hg. von Liebermann, S. 83. 584 The Annals of Lewes Priory, hg. von Liebermann, S. 85. Vgl. Kennedy, Art. Annals of Lewes, S. 70. Zu den »Norman annals« siehe Hayward, Art. Norman Annals, S. 1155. 585 Fizzard, Plympton Priory, S. 15.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Annalen, zum einen für die Jahre eins bis 81 und zum anderen für die Jahre 1066 bis 1177.586 Der Schreiber, der die Annalen bis 1140 führte, wusste allerdings nur wenig über das 11. Jahrhundert, sodass ein weiterer Schreiber aus den Annalen von Caen in der Normandie diese Jahre ergänzte. Eine dritte Hand führte die Annalen bis 1177, wobei verschiedene Chorherren Bemerkungen mit einfügten.587 Die Einträge stellen dabei eine Mischung aus lokalen Nachrichten, nationalen Problemen und internationalen Nachrichten dar.588 Der Eintrag zu 1107 stammt aus den Annalen von Caen und vermerkt den Tod Heinrichs IV. und die Nachfolge durch dessen Sohn. Annalen von St. Osyth’s Zum Jahr 1167, zum Jahr 1168 S. 171.
Im Augustinerkloster St. Osyth’s in Essex entstanden im 12. Jahrhundert Annalen für die Jahre 1162–1178, angefügt an die Chronik Radulfus Nigers.589 Ursprünglich Radulph von Coggeshall zugeschrieben, da sie in Manuskripten zu dessen Chronik enthalten sind, werden sie heute als genuines Werk aus St. Osyth’s interpretiert.590 Die Einträge zum Reich sind ebenfalls ausführlich wie die übrigen Annalen. Im ersten Eintrag notiert der Schreiber die Ereignisse des 4. Italienzugs Friedrichs I. mit dem Tod Rainalds von Dassel. Für das Jahr 1168 ist die Hochzeit Mathildes mit Heinrich dem Löwen vermerkt mit einer namentlichen Nennung ihrer Begleiter und dem Hinweis auf eine hohe Mitgift. Da im selben Eintrag darauf eingegangen wird, dass Mathilde die Mutter Ottos, des deutschen König war, kann dieser Eintrag erst nach 1198 entstanden sein. Ralph von Diceto – Abbrevationes chronicorum und Ymagines historiarum Abbrevationes chronicorum Zum Jahr 1105 S. 235, zum Jahr 1106 S. 235, zum Jahr 1106 S. 236, zum Jahr 1111 S. 239, zum Jahr 1121 S. 243. Ymagines historiarum Band 1: Zum Jahr 1151 S. 293, zum Jahr 1155 S. 301, zum Jahr 1160 S. 303, zum Jahr 1161
586 Kennedy, Art. Annals of Plympton, S. 78. Zur (unvollständigen) Edition siehe Annales Plymptonienses, hg. von Liebermann, S. 25–30. 587 Annales Plymptonienses, hg. von Liebermann, S. 25. 588 Kennedy, Art. Annals of Plympton, S. 78. 589 Zur Edition der Annalen von St. Osyth’s siehe Radulfi Nigri Chronica. The Chronicles of Ralph Niger, hg. von Anstruther, S. 170–178. 590 Kennedy, Art. Annals of St. Osyth’s, S. 88. Vgl. Gransden, Historical Writing, S. 331f. Anm. 93.
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S. 306, zum Jahr 1162 S. 308, zum Jahr 1165 S. 318, zum Jahr 1167 S. 330, zum Jahr 1168 S. 331, zum Jahr 1173 S. 353, zum Jahr 1173 (mit Verweis auf frühere Jahre) S. 355, zum Jahr S. 362f., zum Jahr 1174 S. 397, zum Jahr 1176 S. 408–410, zum Jahr 1176 S. 416, zum Jahr 177 S. 421, zum Jahr 1178 S. 426f. Band 2: Zum Jahr 1180 S. 4, zum Jahr 1181 S. 8, zum Jahr 1182 S. 12f., zum Jahr 1184 S. 21f., zum Jahr 1184 S. 30, zum Jahr 1184 S. 31, zum Jahr 1184 S. 31, zum Jahr 1184 S. 32, zum Jahr 1185 S. 32, zum Jahr 1185 S. 38, zum Jahr 1185 S. 38, zum Jahr 1185 S. 39, zum Jahr 1186 S. 39, zum Jahr 1186 S. 40, zum Jahr 1186 S. 44–47, zum Jahr 1188 S. 51f., zum Jahr 1188 S. 56f., zum Jahr 1189 S. 64, zum Jahr 1189 S. 65, zum Jahr 1190 S. 80f., zum Jahr 1190 S. 83, zum Jahr 1191 S. 89, zum Jahr 1192 S. 106, zum Jahr 1193 S. 106f., zum Jahr 1193 S. 110f., zum Jahr 1193 S. 112, zum Jahr 1193 S. 112f., zum Jahr 1194 S. 112f., zum Jahr 1194 S. 113, zum Jahr 1194 S. 113, zum Jahr 1194 S. 114, zum Jahr 1194 S. 118, zum Jahr 1194 S. 119, zum Jahr 1194 S. 123f., zum Jahr 1195 S. 124, zum Jahr 1195 S. 125, zum Jahr 1195 S. 127f., zum Jahr 1198 S. 163.
John Gillingham und Richard Huling beschreiben beide Ralph von Diceto als den Autor, der einem offiziellen Hofhistoriographen am nächsten kommt.591 Trotz dieser Einschätzung zu der Bedeutung seines historiographischen Werkes ist wenig Persönliches über ihn bekannt.592 Sein Geburtsdatum liegt ebenso im Dunkeln wie seine Herkunft.593 Er studierte zweimal in Paris,594 wurde aufgrund der Protektion durch Bischof Richard II. von Belmeis, Bischof von London, der vorher diese Position inne hatte, 1152/ 1153 zum Archidiakon von Middlesex ernannt und 1180/1181 zum Diakon von St. Paul’s, das Amt, das er bis zu seinem Tode inne hatte.595 Obwohl an ihn als »the good dean« erinnert wurde und er für 591 Gillingham, Royal Newsletters, hier S. 178. Huling, English Historical Writing, S. 148. 592 Zu weiterer Literatur über Ralph von Diceto siehe Mason, Diceto, Ralph de. Greenway, Historical Writing at St Paul’s, S. 151–156. Gransden, Historical Writing, S. 230–236. Gillingham, Historians Without Hindsight, S. 1–26. Duggan/ Duggan, Ralph de Diceto, S. 59–81. Zur kritischen Edition seiner Werke siehe Radulfi de Diceto decani Lundoniensis opera historica. The historical works of master Ralph de Diceto, dean of London. 2 Bde., hg. von Stubbs (Rolls Series 68). Im Weiteren zitiert als Ralph von Diceto, Abbrevationes Chronicarum bzw. Ralph von Diceto, Ymagines Historiarum. Die Capitula, die eine Art der Zusammenfassung des Inhalts der Ymagines Historiarum darstellen, wurden nicht aufgenommen. 593 Ralph kam vermutlich zwischen 1120–1130 zur Welt und stammte aus Diss bei Norfolk, allerdings kommen auch Orte in der Normandie in Betracht. Über seine familiäre Herkunft weiß man nichts. Aus der Protektion, die er im Laufe seiner Ämter erfuhr, wird auf eine Verwandtschaft zur Familie der Belmeis geschlossen, aus der zweimal im 12. Jahrhundert der Bischof von London stammte. 594 Ralph von Diceto sprach zwar nicht selbst von seinen Studienaufenthalten, aber Gilbert Foliot redete ihn 1153 mit Magister an. Dass er zweimal in Paris zu Studienzwecken war, wird aus einem Brief Arnulfs von Lisieux geschlossen, indem er auf einen erneuten Studienaufenthalt Ralphs verweist. Siehe Huling, English Historical Writing, S. 115f. 595 Gransden, Historical Writing, S. 230. Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass Ralph 1202 verstarb, da hier die Einträge in der Ymagines Historiarum enden. Greenway, Historical Writing at St Paul’s, S. 153, vermutet hingegen, dass Ralph von Diceto bereits 1199
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Quantitative Auswertung der Quellen
St. Paul’s u. a. Vermögensauflistungen erstellte, wird er vor allem wegen seiner beiden größeren historiographischen Werke geschätzt.596 Vermutlich fing Ralph um 1180 an zu schreiben, wobei er evtl. schon früher Material gesammelt hatte.597 Diana Greenway schließt aufgrund des Schriftbilds in den beiden erhaltenen Handschriften, dass Ralph mit mehreren Schreibern, die in Lücken Texte einfügten, an der Entstehung seiner Chroniken arbeitete, und auch auf ein breites Netzwerk an Gelehrten zurückgreifen konnte, die ihn mit Quellen und Exzerpten versorgten.598 Ziel seiner historiographischen Tätigkeit sei gewesen, sein Wissen und nützliche Materialien denjenigen zugänglich zu machen, die zu beschäftigt seien, sich selbst ausführlich damit zu beschäftigen – also den Personen in der Verwaltung in Kirche und Reich.599 Dabei versuchte er so authentisch wie möglich zu sein und fügte rund 120 Briefe und weitere Dokumente in seine Arbeiten ein.600 Seine beiden wichtigsten Schriften sind die Abbrevationes chronicorum, die den Zeitraum von der Schöpfung bis 1147 umfasst und auf antiken und mittelalterlichen Quellen beruht. Das zweite Werk sind die Ymagines Historiarum, die den Zeitraum 1148 bis 1202 umfassen, bis 1162 vor allem auf Robert von Torigni beruhen und im Anschluss vor allem durch seine Darstellung persönlichen Erlebens und durch die eingefügten Dokumente vor allem für die Zeitgeschichte bedeutsam sind. Ralph war nicht nur aufgrund seines Amtes an vielen Ereignissen beteiligt, wie z. B. der Taufe Heinrichs d.J. 1155 oder der Krönung Richards I., sondern er kannte viele bedeutende Personen wie Hubert Walter, Walter von Coutances, Gilbert Foliot, Richard Fitz Neal, Wilhelm von Longchamp und Arnulf von Lisieux persönlich, korrespondierte mit ihnen und fügte deren Briefe ein.601 So gelangte er nicht nur durch sein Amt als Archidiakon und später Diakon an zahlreiche Informationen, sondern er war in Kontakt mit den wichtigsten Entscheidungsträgern seiner Zeit. Gilbert Foliot empfahl ihn sogar in einem Brief an Heinrich II.602 Dass er historiographisch arbeitete und Material dafür sammelte, war zumindest in Teilen diesen Personen
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starb, sein Team aber, mit dem er die Chronik angefertigt hatte, diese bis 1202 fortgesetzt hat. Mason, Diceto, Ralph of. Huling, English Historical Writing, S. 120. Gransden, Historical Writing, S. 231. Greenway, Historical Writing at St Paul’s, S. 153. Greenway, Historical Writing at St Paul’s, S. 152. Für diese Personen wollte er seine Chroniken auch einfach erschließbar machen und fügte zahlreiche Symbole ein, um die Chronik durchsuchbar zu machen. Greenway, Historical Writing at St Paul’s, S. 152f. Gransden, Historical Writing, S. 231. Brief Nr 244, in: The Letters and Charters of Gilbert Foliot. Abbot of Gloucester (1139–48), Bishop of Hereford (1148–1163) and London (1163–1187), hg. von Brooke/ Morey/ Brooke, S. 316. Vgl. Huling, English Historical Writing, S. 124.
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bekannt. Ralph erhielt von Lordkanzler Wilhelm von Longchamp 1195 ausdrücklich für seine Chronik einen Brief.603 Seine Stellung in der Kirche Englands und seine Freundschaften und Kontakte bestimmten dabei auch seine Interessen in der Geschichtsschreibung und seine Sichtweise. Ralph von Diceto interessierte sich vor allem für das Königtum, die Kirche und die Beziehung zwischen diesen beiden Institutionen.604 Dabei sah er im Zuge des Becket-Konflikts keinen Grund für Auseinandersetzungen, sondern stellte dar, dass Weltgeistliche in die Verwaltung des Reiches selbstverständlich eingebunden werden und harmonisch zum Wohl des Reichs zusammenarbeiten sollten.605 Ralph stand dabei loyal zu Heinrich II., den er sehr verehrte.606 Richard I. stand er aufgrund dessen Konflikte mit seinem Vater wesentlich ambivalenter gegenüber.607 Kreuzzug und die Gefangenschaft im Reich, die er als göttliche Strafe ansah, verbesserten allerdings sein Bild von Richard.608 Die Interessen in Bezug auf das römisch-deutsche Reich spiegeln seine Interessen für England wider. Während es in den Abbrevationes chronicorum nur wenige Einträge gibt, die Ralph hauptsächlich aus den Chroniken Sigberts von Gembloux und Robert von Torignis übernommen hat, ist Ralph umso ausführlicher über Friedrichs I. Umgang mit dem Schisma und seine Italienzüge informiert. Später ist Barbarossas Teilnahme am 3. Kreuzzug und die Gefangenschaft Richards im Reich von großer Bedeutung. Daneben interessiert sich Ralph aber auch für die Erzbischöfe von Köln und Heinrich den Löwen, als Schwiegersohn Heinrichs II. Woher er die Informationen hatte, ist teilweise nachvollziehbar. Über ein Konzil im Reich erfuhr er aus einem Brief Papst Alexanders an Thomas Becket, Mailänder und Bologner feiern in einem Brief einen Sieg über den Kaiser, die Nachricht zum Frieden von Venedig erhielt er aus einem Brief Papst Alexanders III. an Roger de Pont L’Évêque, Erzbischof von York.609 Aber auch persönliches Erleben könnte eine bedeutende Rolle gespielt haben. Wiederholt berichtet Ralph von Boten und Gesandtschaften aus dem Reich in England.610 603 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 2, zum Jahr 1195, S. 127f.: Nos vero harum transcriptum litterarum vobis de cujus dilectione plenum habemus experimentum duximus destinandum, ut de illo agatis in cronicis vestris. Bei diesem Brief handelt es sich um einen angeblichen Brief des Alten vom Berg, der darin jegliche Richards Schuld am Tod Konrads von Montferrat zurückweist. Vgl. Gillingham, Royal Newsletters, S. 179. 604 Huling, English Historical Writing, S. 148. 605 Gransden, Historical Writing, S. 233. Duggan/ Duggan, Ralph de Diceto, S. 60, S. 66. Allerdings, wie Charles und Anne Duggan betonen, war Ralph von Diceto auch kein klarer Gegner Thomas Beckets, sondern schrieb sehr ausgewogen über ihn und den Konflikt. 606 Mason, Diceto, Ralph of. Den Beginn der Ymagines Historiarum wählte er extra mit dem Jahr des Ritterschlags Heinrichs II. 607 Huling, English Historical writing, S. 149. 608 Huling, English Historical Writing, S. 149f. Vgl. Gillingham, Royal Newsletters, S. 178. 609 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 1, S. 331, 408–410, 421. 610 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 1, S. 303, 318, 416; Bd.2, S. 31.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Richard von Devizes – Cronicon de tempore regis Richardi primi Zum Jahr 1191 S. 46f., zum Jahr 1192 S. 80f.
Über den Autor der eigenwilligen Cronicon de tempore regis Richardi primi ist kaum etwas bekannt außer dem, was aus dem Prolog und dem Stil seiner Chronik erschlossen werden kann.611 Richard stammte aus Devizes – den Beinamen trug er zur genaueren Unterscheidung – und war Benediktiner in St. Swithun’s in Winchester.612 Winchester mit seiner Kathedrale, zu der das Kloster gehörte, war das reichste Bistum in England und ein bedeutendes Zentrum geistlicher und weltlicher Macht.613 Vermutlich lebte er zwischen 1150 und 1200.614 Richard schrieb die Chronik auf Bitten von Robert, dem früheren Abt von St. Swithun’s, der Mönch des Kartäuserklosters in Witham geworden war.615 Die kurze Chronik reicht zeitlich von der Krönung Richards I. 1189 bis zum Aufbruch Richards im Heiligen Land im Oktober 1192 und beschreibt einerseits Richards Teilnahme am 3. Kreuzzug und andererseits die Entwicklungen in England und die politische Situation aufgrund der Abwesenheit des Königs.616 Bei seiner Erzählweise orientiert er sich an Romances, wobei Antonia Gransden einen kriegerischen Tonfall ausmacht: »He loves war, not peace.«617 Richard I. ist in seiner Erzählung der strahlende Held, während der französische König und die Franzosen im Allgemeinen der Erzfeind sind.618
611 Der Titel des Werks ist nicht zeitgenössisch, sondern wurde von einer späteren Hand auf eines der beiden erhaltenen Manuskripte eingetragen. The Chronicle of Richard of Devizes of the Time of King Richard the First, hg. von Appleby. Im Weiteren zitiert als Richard von Devizes, Cronicon. Das Problem der Edition besteht darin, dass die Chronik nur in Entwurfsform vorliegt, wobei der Text mit zunehmenden Marginalien versehen ist. Für Literatur siehe Gransden, Historical Writing, S. 248–252. Partner, Richard of Devizes, S. 231–244. Dies., Serious Entertainments, S. 143–179. Barber, Eleanor of Aquitaine, S. 13–27. Martin, Devizes, Richard of. Freudenberg, Irarum Nutrix. 612 Richard von Devizes, Cronicon, S. 1. Martin, Devizes, Richard of. 613 Partner, Richard of Devizes, S. 236. Aufgrund der Bedeutung des Bistums waren Informationen für Richard leicht zugänglich, da z. B. der Hof öfter in Winchester war oder auf der Reise dort Halt machte. 614 Über sein Geburtsdatum ist überhaupt nichts bekannt. Das Sterbedatum ist umstritten. Martin, Devizes, vermutet, dass Richard noch vor Richard I. starb. Partner, Serious Entertainments, 143, vermutet, dass er noch zu Beginn des 13. Jahrhunderts lebte und Teile der Winchester Annalen, die bis 1202 reichen, geschrieben hat. Zu den Winchester Annalen siehe Richard von Devizes, Cronicon, hg. von Appleby, S. XXIV–XXVI. 615 Richard von Devizes, Cronicon, S. 1f. 616 Martin, Devizes, Richard of. 617 Gransden, Historical Writing, S. 249. 618 Gransden, Historical Writing, S. 248. Vgl. Richard von Devizes, Cronicon, hg. von Appleby, S. XV: Richard is a man of strong prejudices, national, local and monastic, which he airs at every opportunity. Like all good Englishmen of his time, he despises the French. […] Richard loses no opportunity to place the French in unfavourable light.
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Das Besondere an Richards Chronik liegt zum einen darin, dass er wichtige Teile der englischen Geschichte – zumindest den Teil, der sich in England ereignete – aus eigener Anschauung beschreibt bzw. hauptsächlich mit oralen Quellen arbeitet.619 Es sind keine schriftlichen Quellen bekannt, auf die sich Richard stützte. Für seine Darstellung des 3. Kreuzzugs nutzte er vermutlich drei verschiedene Informationsquellen mit unterschiedlicher Qualität.620 Zum anderen sind es der Schreibstil und die Ansichten des Historiographen, was die Chronik so besonders macht. Richard verfasste die Chronik für Robert, der als Benediktiner in ein Kartäuserkloster gewechselt war. In seinem Prolog, der eine Parodie auf Prologe traditioneller Chroniken darstellt, macht er sich über die Kartäuser lustig und zeigt auf, dass die Benediktiner das wahre Zentrum monastischen Lebens darstellen.621 Moralische Belehrungen finden sich bei Richard nicht, ebenso wie biblische Zitate bzw. überhaupt eine christliche Sichtweise auf die Geschichte.622 In den Mittelpunkt seiner Chronik stellt er politische Entwicklungen, die er satirisch betrachtete.623 Neben seinem Freund Robert war die intendierte Leserschaft wohl ein enger Kreis – die Chronik ist nur als Entwurf in zwei Handschriften erhalten und erfuhr keine weitere Rezeption, sondern war als privates Werk für ein limitiertes Publikum gedacht – an klassisch gebildeten Freunden, die Richards Zitate klassischer Autoren zu schätzen wussten und von dessen weltlichem Ton und seiner Satire auf die Kartäuser, Weltgeistliche und Bischöfe nicht abgeschreckt waren.624 Der überzeugte Benediktiner und Lokalpatriot war dennoch konservativ, verehrte den König und schätzte etablierte Institutionen.625 619 Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 60. Vgl. Richard von Devizes, Cronicon, hg. von Appleby, S. XIV. 620 Richard von Devizes, Cronicon, hg. von Appleby, S. XVII. Appleby bemängelt besonders die Darstellung der letzten Monate im Heiligen Land als mangelhaft und unpräzise. 621 Partner, Serious Entertainments, S. 46–48. Sie vermutet, dass Richards Haltung nicht nur verletzte Gefühle, dass Robert den Orden verlassen hat, widerspiegeln, sondern auch die Verteidigungshaltung, in die die Benediktiner aufgrund strengerer, reformorientierter Orden im Allgemeinen geraten waren und aufgrund der Versuche des Bischofs von Winchester, die Benediktiner in St Swithun’s durch Weltkleriker zu ersetzen. 622 Partner, Serious Entertainments, S. 151. Dies., Richard of Devizes, S. 238f. 623 Richard von Devizes, Cronicon, hg. von Appleby, S. XI: »With the opening sentences of the prologue we find ourselves in the company of a mocking, irreverent, witty and rather cynical writer whose character is apparent on every page of his book.« Vgl. Partner, Richard of Devizes, S. 234: » In Richard of Devizes, we find a monk who sounds sometimes petty and angry, allows personal hurt feelings to show, makes jokes in bad taste, adopts irony as his favorite stylistic tone, hardly mentions religion or morality at all and the in confusing ways, and ridicules another stricter religious order. No salvational morality is discernable in Richard’s book, and he seems cynical in a sophisticated way but without the moral vision of true satire.« 624 Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 59f. Gransden, Historical Writing, S. 250. 625 Partner, Richard of Devizes, S. 239.
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Die Einträge zum Reich beruhen auf Ereignissen auf dem 3. Kreuzzug. So gibt Richard zum einen den berühmten Vorfall nach der Eroberung Akkons wieder, bei dem das Banner des österreichischen Herzogs entweder auf Anweisung oder mit Zustimmung des beleidigten englischen Königs abgerissen und in den Schmutz geworfen worden sein soll. Richard berichtet, dass Leopold daraufhin voller Rachegefühle nach Hause gereist sei. Im zweiten Eintrag, der das Reich betrifft, berichtet Richard, dass der Bischof von Beauvais bei seiner Heimreise über das Reich Stimmung gegen den englischen König gemacht und ihm allerlei Verbrechen vorgeworfen habe. Auch hätten der Bischof von Beauvais und der französische König versucht, den Kaiser mit allerlei Geschenken in seiner Haltung gegenüber dem englischen König zu beeinflussen. Der Kaiser habe daraufhin befohlen, Richard I. bei einer möglichen Rückreise durch die deutschen Gebiete sibi uiuum uel mortuum festzunehmen. Sollte man sich weigern, würde man als Reichsfeind behandelt werden. Aufgrund dieser beiden Berichte, die schon auf die Gefangenschaft des englischen Königs hindeuten, liegt die Vermutung nahe, dass die Chronik nach Richards Verhaftung geschrieben, aber vermutlich vor dessen Freilassung beendet wurde, da sonst sicherlich von Richards Festkrönung in Winchester berichtet worden wäre.626 Wilhelm von Newburgh – Historia rerum Anglicarum Band 1: zusammenfassend für die Jahre 1114–1125 (I, 3) S. 29, zum Jahr 1147 (I, 29) S. 59f., zum Jahr 1147 (I,20) S. 65–67, zusammenfassend für die Jahre 1159–1160 (II, 8) S. 115–117, zusammenfassend für die Jahre 1158–1161 (II, 9) S. 117–121, zum Jahr 1160 (II, 13) S. 132– 134, zu den Jahre 1162–1163 (II, 14) S. 135, zu den Jahren 1167–1168 (II, 17) S. 144, zum Jahr 1177 (III, 2) S. 205f., zum Jahr 1187 (III, 15) S. 249, zum Jahr 1187 (III, 19) S. 263, zum Jahr 1188 (III, 24) S. 275, zum Jahr 1189 (III, 27) S. 284, zusammenfassend für die Jahre 1189– 1191 (IV, 13) S. 326–330, zum Jahr 1191 (IV, 23) S. 360, zum Jahr 1192 (IV, 31) S. 382f., zu den Jahren 1192–1193 (IV, 32) S. 384–386, zum Jahr 1193 (IV, 33) S. 386–388, zum Jahr 1193 (IV, 34) S. 389–391, zum Jahr 1193 (IV, 36) S. 393–396, zum Jahr 1193 (IV, 37) S. 396–398, zu den Jahren 1193–1194 (IV, 40) S. 402f., zum Jahr 1194 (IV, 41) S. 404–406, zum Jahr 1194 (IV, 42) S. 406–408. Band 2: zum Jahr 1194 (V, 7) S. 428–431, zum Jahr 1195 (V, 8) S. 431–434, zum Jahr 1195 (V, 9) S. 434–436, zum Jahr 1196 (V, 16) S. 459, zum Jahr 1195 (V, 27) S. 485–487.
Wilhelm von Newburgh (ca. 1135/1136–ca. 1198) gehörte seit seiner Kindheit den regulierten Augustinerchorherren in Newburgh an.627 Newburgh war ein noch
626 Richard von Devizes, Cronicon, hg. von Appleby, S. XVIII. 627 Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 54. Diese Information stammt aus der Historia rerum Anglicarum, I, 15, S. 51. Das Todesdatum ist umstritten und entstand auf dem plötzlichen Abbruch der Chronik im Jahr 1198. Allerdings gibt es auch Theorien, dass Wilhelm bis 1201 gelebt haben könnte. Zu weiteren Informationen zu Wilhelm von Newburgh siehe Freun-
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junges, erst 1145 gegründetes Kloster, das zunächst mit Mönchen aus Bridlington, dem Heimatort Wilhelms besetzt wurde. Über sein Leben in Newburgh ist nichts bekannt, erst mit seinen Schriften in seinen letzten Lebensjahren trat er in Erscheinung.628 Neben Predigten und einem Kommentar zum Hohenlied verfasste er zwischen 1196 und 1198 die Historia rerum Anglicarum.629 Diese verfasste er auf Rat Ernalds, des Abtes von Rievaulx, der ihm das Schreiben einer Chronik im Gegensatz zum Verfassen theologischer Schriften als Erholung für die Sinne, aber auch zur Information der Nachwelt vorgeschlagen hatte.630 Die Historia besteht aus fünf Büchern mit einer jeweils unterschiedlichen Anzahl an Kapiteln, in denen in streng chronologischer Reihenfolge die Geschichte Englands von 1066 bis 1198 dargestellt wird.631 Nachweisbar als schriftliche Quellen sind Symeon von Durham und Heinrich von Huntingdon bzw. deren Kompilation in der Historia Anglorum post obitum Bedae, Jordan Fantosme und Richard von Devizes.632 Aber auch Dokumente wie Konzilsberichte fügte Wilhelm von Newburgh, wenn er Zugriff auf diese hatte, ein.633 Neben seiner sehr ausgewogenen und neutralen Darstellung der Ereignisse der englischen Geschichte ist es vor allem Wilhelms Umgang mit den Quellen, der ihn
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denberg, Irarum Nutrix, S. 53–59. Taylor, Newburgh, William of. Gransden, Historical Writing, S. 263–268. Partner, Serious Entertainments, S. 51–140. Taylor, Newburgh, William of. William of Newburgh, Historia rerum Anglicarum, hg. v. Howlett, in: Chronicles of the Reigns of Stephen, Henry II., and Richard I. (Rolls Series 82, 1–2), 2 Bde., S. 1–500. Buch I–IV befinden sich im ersten Band. Für Buch I und Buch II wurde schon eine Neuedition vorgenommen: William of Newburgh, The History of English Affairs, hg. u. übs. v. Walsh/ Kennedy. Da der überwiegende Anteil der Einträge allerdings aus späteren Büchern stammt, wurde auch für Buch I und II die ältere Edition herangezogen. Den Kommentar zum Hoheslied hatte er bereits auf Nachfrage Abts Roger von Byland verfasst. Siehe hierzu Taylor, Newburgh, William of. Roger und Ernald waren Äbte der großen Zisterzienserklöster Rievaulx und Byland, die für die Region in Yorkshire große Bedeutung hatten. Hier findet sich auch die Aufforderung an Wilhelm, die Historia zu verfassen. Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Widumgsbrief, S. 3f.: Literas sanctitatis vestrae suscepi, quibus mihi studium et operam rerum memorabilium, quae nostris temporibus copiosius preovenerunt, ad notitiam cautelamque posterorum conscribendarum dignatur ingerere; […] Sed, ut video, pia prudentia vestra propriis, filiis, circa observantiam militiae regularis sudantibus, in hac parte ducens parcendum, indultum misericorditer infirmitati meae otium non patitur esse otiosum. […] Nunc autem cum cauta discretio vestra, non altis scrutandis, mysticisque rimandis insistere, sed in narrationibus historicis praecipiat spatiari ad tempus, tanquam pro quadam ex facilitate operis recreatione ingenii, multo magis excusandi mihi occasio tollitur. Buch 1 umfasst die Jahre 1066–1154, Buch 2 die Jahre 1154–1174, Buch 3 die Jahre 1175–1189, Buch 4 die Jahre 1189–1194 und Buch 5 die Jahre 1194–1198. Er orientierte sich bei der Einteilung an den Regierungszeiten der Könige bzw. an bedeutenden Ereignissen in diesen Zeiten. Je näher Wilhelm seiner eigenen Zeit kam, desto ausführlicher wurde er. Taylor, Newburgh, William of. Partner, Serious Entertainments, S. 79.
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berühmt machte.634 Der Augustiner machte sich Gedanken über die Belegbarkeit historischer Ereignisse, die Belastbarkeit von mündlichen und schriftlichen Quellen, wobei er Augenzeugenschaft von Hörensagen unterschied.635 Wilhelms Interesse beim Verfassen seiner Historia lag einerseits auf den englischen Königen, deren Verhalten er nach christlich-moralischen Grundsätzen beurteilte.636 Andererseits schrieb er auch sehr detailreich über die kirchenpolitischen Entwicklungen in England und Rom. Obwohl er römische Korruption und zuweilen falsche Urteile der Kurie kritisierte, war er von der unzweifelhaften Legitimität Roms überzeugt.637 Ein Großteil der Nennungen zum Reich betrifft vor allem die Vorgeschichte und den Verlauf der Gefangenschaft Richards I. und die Verhandlungen um dessen Freilassung.638 Sogar danach kommt Wilhelm erneut auf diese Angelegenheit zurück und weist darauf hin, dass Heinrich VI. Sizilien nur mit dem Lösegeld für Richard erobern konnte (V, 7), erwähnt die göttliche Strafe an Leopold für dessen Verhalten (V, 8) und eine Wundergeschichte, nach welcher der Teufel Leopold dazu verführt habe (V, 9). Die Informationen zur Gefangenschaft stammen dabei vermutlich aus einem heute verlorenen Bericht des Kaplan Anselm, der den englischen König auf dessen Rückreise und in der Gefangenschaft begleitet hatte.639 Weitere Schwerpunkte bei Nennungen zum Reich sind das Verhalten Friedrichs I. im Schisma und bei seinen Italienzügen.640 Die Aufstände in Italien stellen für Wilhelm die Strafe für das Verhalten des Kaisers dar.641 Insgesamt zeigt sich der Blick Wilhem von Newburghs auf das 634 Gillingham, The Historian as Judge, S. 1275. Freeman, Mr. Froude’s Life, S. 216, macht ihn sogar zum »father of historical criticism«. Partner, Serious Entertainments, S. 51, kritisiert diese achronistische Überhöhung, da auch Wilhelm ein Kind seiner Zeit mit Wertungen und christlichen Moralvorstellungen gewesen sei, auch wenn er einen neuen Impuls in die Historiographie des 12. Jahrhunderts gebracht habe. 635 Er übernahm nicht kritiklos Darstellungen aus verschiedenen historiographischen Werken, sondern verglich verschiedene Quellenberichte, um den Ereignissen näher zu kommen. Am berühmtesten dürfte sein Urteil über Geoffrey von Monmouth und dessen Historia regum Britanniae sein. Er nennt Geoffrey einen fabulator in Bezug auf die Arthuserzählung, da Beda Venerabilis diesen ansonsten in seiner Kirchengeschichte erwähnt hätte. 636 Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 57. Stephan I. beurteilt er als schwachen Herrscher, Mathilda kritisiert er für ihren Hochmut und Richard I. für seine Impulsivität und seinen Stolz. Die Jahre unter Heinrich II. hält er hingegen für die beste Zeit. In der Becket-Krise gibt er beiden Seiten Mitschuld an der Eskalation. 637 Freudenberg, Irarum Nutrix, S. 57. 638 Dies sind im Buch IV die Kapitel: 23, 31, 32, 33, 34, 36, 37, 40, 41, 42. 639 Taylor, Newburgh, William of. Die Geschichte zum erneuten Versuch der Festnahme durch Heinrich VI. findet sich weder bei Roger von Hoveden, Radulph von Coggeshall und Richard von Devizes. 640 Im Buch II die Kapitel: 8, 9, 14, 17. Im Buch III Kapitel 2. 641 Partner, Serious Entertainments, S. 99. Noch Friedrichs tragischen Tod im Fluss bezieht Wilhelm auf dessen Gegnerschaft zu Alexander III.
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Reich sehr limitiert. Er ist auf das Handeln der Kaiser und die Auswirkungen auf England und auf die Kirche beschränkt. Weitere Berichte, z. B. zu Heinrich dem Löwen wie in anderen Chroniken, finden sich hier nicht. Obwohl Wilhelm, wie John Gillingham belegen konnte, Rogers von Howden Chronica kannte, in der sehr viele Einträge zum Reich und zu Heinrich dem Löwen zu finden sind, übernahm er diese nicht.642 Er muss sich daher bewusst gegen diese Einträge entschieden haben. Radulfus Niger – (Chronica Universalis) Chronica I und Chronica Anglica (Chronica II) Chronica Universalis (Chronica I) Ca. 1105/1106 (IV, 1) S. 261f., ca. 1111 (IV, 1) S. 262–264, zusammenfassend für die Jahre 1125–1138 (IV, 1) S. 265, ca. 1152 (IV, 1) S. 265f., ca. 1147 (IV, 2) S. 269f., zusammenfassend für die Jahre 1154–1168 (IV, 2) S. 270f., ca. 1158–1177 (IV, 2) S. 271, zum Jahr 1177 (IV, 2) S. 277, zum Jahr 1186 (IV, 2) S. 277f., ca. 1188 (IV, 2) S. 279, zusammenfassend für die Jahre 1158–1189 (IV, 3) S. 282f., ca. 1191 (IV, 5) S. 287f., zum Jahr 1189 (IV, 5) S. 288–290, ca. 1194/1195 (IV, 5), S. 294, zusammenfassend für die Jahre 1192–1194 (IV, 6) S. 302–305, ca. 1194 (IV, 6) S. 306, zum Jahr 1194 (IV, 6) S. 307f. Chronica Anglica (Chronica II) Zusammenfassend für die Jahre 1110–1125 S. 165, zum Jahr 1168 S. 166, zum Jahr 1162 S. 167, zum Jahr 1164 S. 167.
Als literatus ille nostri temporis vir wurde Radulfus Niger643 von Gervasius von Tilbury in seiner Otia Imperialia bezeichnet.644 Der Weltgeistliche (ca. 1140– ca. 1199) studierte wohl ab den 1160er-Jahren in Paris u. a. bei Gerard Pucelle und wurde ab 1168 mit magister bezeichnet.645 Wenn er auch nicht zum engsten Kreis der Anhänger Thomas Beckets, der sich im Exil befand, gehörte, so bewegte er sich doch in dessen Kreisen. Er vermittelte den Kontakt des Mainzer Erzbischofs Konrads zum Erzbischof von Canterbury, sodass es 1164/ 1165 zu einem Treffen in Sens kam.646 Ebenso stand er mit Johann von Salisbury in Kontakt.647 Er trat in den Dienst Heinrichs d.J., des ältesten Sohnes Heinrichs II., und unterstützte 642 Gillingham, Two Yorkshire Historians compared, S. 23f. 643 Für Literatur zu Radulfus Niger siehe Flahilff, Ralph Niger, S. 104–126. Schmugge, De Re Militari. Schmugge, Thomas Becket, S. 572–579. Duggan, Niger, Ralph. 644 Vgl. Flahilff, Ralph Niger, S. 112. Die beiden begegneten sich nach der Aussage von Gervasius am Hof von Heinrich d.J. 645 Flahilff, Ralph Niger, S. 104. 646 Schmugge, De Re Militari, S. 4. Auch in späteren Jahren stand er mit Konrad I. von Wittelsbach, aber auch mit weiteren Bischöfen in Kontakt, an die er sich zur Prüfung seiner Schriften wandte. Der Erzbischof von Reims, Wilhelm von Blois, sandte seine Abhandlungen zum Alten Testament sogar an Papst Clemens III. Auch Coelestin III. waren die Schriften Radulfus bekannt. 647 Flahilff, Ralph Niger, S. 105f.
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dessen Rebellion gegen seinen Vater, was vermutlich der Auslöser für seinen Exilsaufenthalt auf dem Kontinent war.648 Hier lehrte er vermutlich in Paris und fertigte mehrere Kommentare zum Alten Testament, aber auch eine Streitschrift gegen die Kreuzzüge an.649 Erst mit dem Tod Heinrichs II. kehrte Radulfus nach England zurück, wo er die beiden Chroniken schrieb.650 Seine Sicht auf Heinrich II. ist dabei stets von der Ermordung Becktes geprägt, den er in seinen Werken als rex, sub quo passus est beatus Thomas martyr Anglorum bezeichnet.651 Seine beiden Chroniken652 stellen Radulfus’ Alterswerk dar. Diese entstanden nach seiner Rückkehr nach England zwischen 1189 und 1199. Zunächst verfasste er die größere Weltchronik, die in vier Büchern von der Schöpfung bis zur Rückkehr Richards I. nach England und der Freilassung der gestellten Geiseln berichtet.653 Buch IV stellt dabei die Abhandlung des 12. Jahrhunderts dar, wobei er als Quellen für seine Arbeit v. a. Sigbert von Gembloux und dessen Nachfolger Anselm, Heinrich von Huntingdon, Ralph von Diceto, das Itinerarium peregrinorum und die Gesta Regum des Wilhelms von Malmesbury verwendet.654 Die sog. englische Chronik beinhaltet die Zeit von der Inkarnation Christi bis in die 1180er-Jahre.655 Radulfus Niger folgte keinem annalistischen Schema, sondern fasste längere Ereignisse zusammen und verwies auf die Gleichzeitigkeit mehrerer Ereignisse.656 648 Duggan, Niger, Ralph. Dies oder die Unterstützung Beckets und die ablehnende Haltung nach dessen Ermordung könnten der Grund für sein Exil gewesen sein. 649 Eine Auflistung seiner Werke – ohne die bis dahin noch nicht geschriebene englische Chronik – unternahm er selbst in der Weltchronik, IV, 4, S. 287. 650 Schmugge, De Re Militari, S. 10. 651 Schmugge, Thomas Becket, S. 575. Allerdings ist er in den Chroniken Heinrich II. gegenüber milder gestimmt. 652 Die Bezeichnungen Chronica I und Chronica II stammen von Robert Anstruther. Die maßgebliche Edition für die Weltchronik (Chronica I) ist Radulfus Niger – Chronica. Eine englische Weltchronik des 12. Jahrhunderts, hg. von Krause. Im Weiteren verwendet unter Radulfus Niger, Chronica I. Die Edition Robert Anstruthers wird nur für die englische Chronik (Chronica II) verwendet, da die Edition Paulis nur in Auszügen erfolgte: Radulfi Nigri Chronica. The Chronicles of Ralph Niger, hg. v. Anstruther, S. 105–170. Ex Radulfi Nigri chronica Anglica, hg. von Pauli (MGH SS 27), S. 341–343. 653 Eventuell sollte die Chronik nur bis IV, 4 reichen, da Radulfus hier auf Joachim von Fiores geschichtstheologische Ideen und Predigten zur Apokalypse eingeht und mit der Aufzählung seiner Werke schließt, die noch nicht die englische Chronik beinhaltet. 654 Für eine Übersicht zu den verwendeten Quellen für das 12. Jahrhundert siehe Radulfus Niger, Chronica I, hg. von Krause, S. 65*–135*. 655 In der Chronik II ist zum Schluss eine chronologische Ordnung nicht mehr vorhanden, sodass das Ende schwer bestimmbar ist. Auch kommen nach Radulfus Niger, Chronica I, hg. von Krause, S. 21*, divergierende Angaben zum Ende der Chronik durch sechs unterschiedliche Handschriften, in denen sie überliefert ist, mit mehreren unterschiedlich weit reichenden Fortsetzungen zustande. 656 Dies führte dazu, dass die Jahresangaben bei der Auflistung der Einträge zum Reich nur ungefähre Jahresangaben darstellen.
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Radulfus Niger zeigt ein ausgeprägtes Interesse an der deutschen Geschichte. Besonderes Augenmerk liegt auf den Italienzügen Barbarossas und seinen Auseinandersetzungen mit den oberitalienischen Städten (S. 270f., S. 271, S. 282f., S. 287f.). Hierbei werden auch die Macht und der Einfluss der Bischöfe im Reich angesprochen. Aber auch der 3. Kreuzzug mit dem Tod Friedrichs I. und der Gefangennahme Richards I. werden in der Weltchronik sehr ausführlich dargestellt. Daneben interessiert er sich aber auch für den Investiturstreit und Heinrich VI. Das starke Interesse an Friedrichs Handeln in Italien – auch in Bezug auf Alexander III. – und die Stellung der Bischöfe im Reich, aber auch der längere Bericht zum Investiturstreit, der schon mehrere Jahrzehnte zurücklag, dürfte in Radulfus Biographie begründet liegen, seinen Kontakten zu Bischöfen im Reich, die Auseinandersetzung Beckets mit Heinrich I. und durch das Alexandrinische Schisma mit dem Exil Alexanders III. in Frankreich. Die Beeinflussung seiner Wahrnehmung und seine Haltung lässt sich auch an der Bezeichnung Christians I. von Buch als superintrusus erkennen.657 Hanna Krause vermutet, dass er sich für die Informationen zum Beginn des 12. Jahrhunderts vor allem auf Sigbert von Gembloux und dessen Fortsetzer Anselm stützte, aber auch mündliche Informationen dazu nutzte.658 Bei der Darstellung der Gefangenschaft Richards I., den Katastrophen in Österreich und dem Tod Leopolds sieht sie eine Verbindung zur Chronik des Magnus von Reichersberg, da die Informationen, der Aufbau und das Ende der Darstellung ähnlich sind.659 Eine Erklärung für Parallelen hat sie aber nicht. Möglich wäre nur eine Verbindung über Konrad I. von Wittelsbach, zu dem Radulf auch in späteren Jahren brieflich in Kontakt stand. Die Einträge zum Reich in der Weltchronik wiederholen sich nicht in der englischen Chronik. Aufgrund der stärkeren Beschränkung auf England in seinem Darstellungshorizont legt Radulfus Niger nun verstärkt Wert auf die Heiraten der Kinder der englischen Könige (S. 165, S. 166, S. 171) und die Erhebung des Danegelds als Brautgeld. Trotzdem gibt es auch weiterhin Einträge zu Themen, wie die Translatio der Heiligen Drei Könige nach Köln (S. 167), die Zerstörung Mailands (S. 167) oder den vierten Italienzug (S. 171). Radulf bietet damit aber ein auch Beispiel dafür, dass Autoren mehr über den anderen wussten, als sie in ihren historiographischen Werken vermerkten. Seine Darstellungen zur deutschen Geschichte waren in Chronica I ausgeprägter. Auch wenn er für die Chronica II keine neuen Quellen verwendete, findet sich hier Wissen, das er in der Weltchronik nicht vermerkte. 657 Radulfus Niger, Chronica I, IV, 2, S. 271. 658 Radulfus Niger, Chronica I, hg. von Krause, S. 223*. Sie macht den Einfluss mündlicher Informationen an Radulfus Verwechslung Adalberts mit dessen Vorgänger Ruthards fest. 659 Radulfus Niger, Chronica I, hg. von Krause, S. 251*.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Radulph von Coggeshall – Chronicon Anglicanum Zum Jahr 1110 S. 7, zum Jahr 1114 S. 7, zum Jahr 1125 S. 8f., zum Jahr 1146 S. 12, zum Jahr 1153 S. 14, zum Jahr 1154 S. 14f., zum Jahr 1179 S. 19, zum Jahr 1188 S. 24, zum Jahr 1189 S. 29, zum Jahr 1191 S. 36, zum Jahr 1192 S. 53–57, zum Jahr 1193 S. 58–60, zum Jahr 1193 S. 60, zum Jahr 1194 S. 62, zum Jahr 1194 S. 64, zum Jahr 1195 S. 65f., zum Jahr 1195 S. 66, zum Jahr 1195 S. 70, zum Jahr 1197 S. 72–75, zum Jahr 1198 S. 88, zum Jahr 1199 S. 93.
In Coggeshall, einem um 1140 entstanden Kloster nordöstlich von London, verfasste Abt Radulph die Chronicon Anglicanum.660 Die Autorschaft des Zisterzienserabtes bestätigt sich durch einen Eintrag zum Jahr 1207: Anno MCCVII., obiit domnus Thomas, abbas quintus de Cogeshal, cui successit domnus Radulfus, monachus ejusdem loci, hanc chronicam a captione Sanctae Crucis usque ad annum undecimum Henrici regis III., filii regis Johannis, descripsit, ac quasdam visiones quas a venerabilibus viris audivit, fideliter annotare ob multorum aedificationem curavit.661 Radulph war Abt des Klosters ab 1207, trat aber aus gesundheitlichen Gründen 1218 aus dem Amt zurück.662 Dabei umfasst die Chronik die Jahre 1066 bis 1124, wobei der Fokus auf der englischen Königsfamilie und den Kreuzzügen liegt. Die Chronik beinhaltet bis 1187 kurze Annalen, die weitgehend auf den Chroniken Johannes von Worcester und Heinrichs von Huntingdon beruhen.663 Erst mit dem 3. Kreuzzug werden die Einträge ausführlicher. Trotz der Verweise in der Chronik bleibt unklar, welche Teile von Radulph selbst verfasst wurden. Die Handschrift, die als eine Art Entwurf mit zahlreichen Streichungen und Einfügungen erhalten ist, wurde vermutlich vom Zisterzienserabt selbst angefertigt.664 Parallelen im Schreibstil von 1187–1206 und 1213–1124 lassen vermuten, dass diese Teile, die den größten Anteil an der Chronik darstellen, von Ralph selbst verfasst wurden.665 Die Annalen von 1066–1187 stammen hingegen ver660 Zur Edition siehe Radulphi de Coggeshall, Chronicon Anglicanum, hg. von Stevenson (Rolls Series 66), S. 1–208. Im Weiteren zitiert als Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum. Für Literatur siehe Gransden, Historical Writing, S. 322–331. Hartcher, Ralph of Coggeshall. Corner, Coggeshall, Ralph of. Gillingham, Historians Without Hindsight, S. 5–9. Carpenter, Abbot Ralph of Coggeshall’s Account, S. 1210–1230. Powicke, Roger of Wendover, S. 286–296. 661 Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 162f. 662 Corner, Coggeshall, Ralph of. Der Rücktritt 1218 ist ebenfalls in der Chronik vermerkt. Siehe Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, zum Jahr 1218, S. 187. Hartcher, Ralph of Coggeshall, S. 71, vermutet, dass Radulph ein guter Abt gewesen sei, der das Kloster durch finanziell schwierige Zeiten gebracht habe, da in der Chronik vermerkt ist, dass dies trotz des Widerspruchs der Mitbrüder geschehen sei. Weitere Informationen zu seinem Leben sind nicht bekannt. Vermutlich starb er 1124, in dem Jahr, in dem auch die Chronik endet. 663 Carpenter, Abbot Ralph of Coggeshall’s Account, S. 1213. 664 Carpenter Abbot Ralph of Coggeshall’s Account, S. 1214. 665 Corner, Coggeshall, Ralph of.
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mutlich von einem anderen Autor und wurden 1187 en bloc eingefügt666, die Einträge von 1206–1212 ebenfalls. Von 1187–1206 und von 1213–1224 verfasste Radulph die Einträge zeitnah zu den Ereignissen, wobei er aber nur aus wenigen Quellen wie Roger von Howden oder das Itinerarium Peregrinorum et Gesta Regis Ricardi, das Libellus de Expugnatione Terrae Sanctae per Saladinum oder von Radulfus Niger die englische Chronik exzerpierte.667 Zugang zu Dokumenten hatte er kaum – nur drei Briefe sind eingefügt – dafür konnte er auf mündliche Informationen zurückgreifen, wie z. B. den Bericht des Kaplans Anselm, der bei der Gefangennahme Richards I. dabei war.668 Für den durch Romances beeinflussten Radulph, dessen Fokus auf England und den englischen Königen lag, ist Richard bis 1195 der Held seines Werks, der auf dem Kreuzzug und in der Gefangenschaft von Gott beschützt wird. Das Bild verändert sich erst in den späteren Jahren seiner Herrschaft und sein Tod wird als göttliche Strafe dargestellt.669 Die Einträge zum Reich bis 1187 sind wie die übrigen Einträge im annalistischen ersten Teil der Chronik nur sehr kurz. Erst nach 1187 werden die Einträge ausführlicher, allerdings nur wenn sie in Zusammenhang mit England stehen, d. h. vor allem in Bezug auf die Gefangennahme Richards, dessen Behandlung durch den Kaiser, die Lösegeldzahlung und den Tod des österreichischen Herzogs. Der Bericht zur Kaiserkrönung Heinrichs VI., die im Chronicon für das Jahr 1189 angegeben wurde, ist ebenso kurz die Einträge zur Eroberung Siziliens. Das Interesse für das Reich ist beschränkt auf die Taten der Kaiser und auf ihre Beziehungen zu England. Die Konzentration auf England und die englischen Könige spiegelt sich also bei der Wahrnehmung von Ereignissen im Reich wider. Dabei baute Radulph von Coggeshall die Kaiser des Reichs auch in sein moralisches Konzept ein, da er den Tod Heinrichs VI. ebenso als göttliche Strafe ansah wie den Tod Richards I. Die Informationen zum Reich dürften für die Jahre ab
666 Gransden, Historical Writing, S. 323. 667 Hartcher, Ralph of Coggeshall, S. 133. 668 Gransden, Historical Writing, S. 324f. Als weitere Informanten nennt sie Gervase von Tilbury, Hugh de Neville und Milo, ebenfalls ein Kaplan Richards I. Sie vermutet, dass Ralph aufgrund der Nähe zu London, aber auch aufgrund der Straßenlage nach Colchester an Quellen gelangte. Aber auch der enge Kontakt zwischen den Zisterzienserklöstern und die Reisen nach Cîteaux sorgten für einen breiten Informationsfluss. 669 Carpenter, Abbot Ralph of Coggeshall’s Account, S. 1211, S. 1217f. Carpenter wendet sich damit vor allem gegen John Gillingham, der Ralphs Darstellung von Richard I. als rein positiv und Johanns I. als rein negativ ansah. Carpenter stellt dar, dass Ralph beide Könige ambivalent darstelle. Die schlechte Bewertung der späten Herrschaftsjahre Richards komme vor allem durch den Krieg mit Frankreich und die Auswirkungen für die Bevölkerung, Hungersnöte und hohe Steuern. Antonia Gransden, Historical Writing, S. 328, beurteilt hingegen den Autoren sehr negativ, als »doctrinaire, even cruel, and lacks the humanity of William of Newburgh.«
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1187 überwiegend aus mündlichen Quellen stammen. Sicher nachweisbar ist dies nur für den Bericht Anselms zur Gefangennahme des englischen Königs 1192.670
2.2.2 Quellen ohne Nennungen zum deutschen Reich Anders als bei den Quellen aus dem Reich finden sich in der überwiegenden Anzahl englischer Quellen eine oder mehrere Nennungen zu Personen oder Ereignissen im Reich. Unter den ausgewählten und untersuchten Quellen bieten nur die Gesta Stephani Regis anglorum et Ducis Normannorum (Gesta Stephani) keine Einträge zum Reich.671 Obwohl die Gesta König Stephan I. im Titel haben, bilden sie nach Edmund King »less a biography of the king than an account of the civil war.«672 Der unbekannte Autor673 war allerdings ein ausgesprochener Unterstützer Stephans, der ihn als gerechten und tatkräftigen König darstellt. Ab 1148 entwickelte er allerdings auch Sympathien für Heinrich II., den iustus heres Anglorum, während das Bild von Stephan ambivalenter wurde.674 Die Quellen, die der Autor nutzte, sind unbekannt, vermutlich schrieb er die Gesta in einem Zug zur Ende der Herrschaftszeit Stephans.675 Während Ereignisse und Personen in und aus Frankreich und dem Heiligen Land, wenn sie mit Ereignissen und Personen in England in Bezug standen, durchaus genannt werden,676 findet dies für Mathilde nicht statt. Während in anderen Chroniken und Annalen zumindest kurz auf ihre Heirat mit Heinrich V. und ihre Rückkehr nach dessen Tod verwiesen wird und sie auch meist mit dem Titel einer Kaiserin, selbst nach ihrer
670 Gransden, Historical Writing, S. 324. Sie vermutet, dass Radulph vor allem durch Gervase von Tilbury, der zum Haushalt des Erzbischofs von Rheims gehörte, an Informationen zum Kontinent gelangte. 671 Gesta Stephani. The Deeds of Stephen, ed. u. übs. von Potter. 672 King, The Gesta Stephani, S. 195–206. 673 Zur Diskussion um mögliche Autoren siehe King, The Gesta Stephani, S. 199f. Gesta Stephani, hg. von Potter, S. XXXI, vermutet, dass der Autor eher nicht einem Kloster angehörte. Davis, The Authorship, S. 209–232, spricht sich für Robert, Bischof von Bath, als Verfasser aus. Gransden, Historical Writing, S. 190, sieht dies allerdings nicht als überzeugend an, da sie kontinentale Einflüsse sieht. King, The Gesta Stephani, S. 206, hält einen Mönch oder Chorherren aus London für möglich, ist aber der Ansicht, dass es momentan keine endgültige Lösung geben könne. Dies beruht u. a. darauf, dass das ursprüngliche Manuskript, dass André Duchesne 1619 für die erste Edition nutzte, nicht mehr vorhanden ist. Erst durch eine 1955 entdeckte Handschrift konnten neue Erkenntnisse zu den Gesta Stephani gewonnen werden. Allerdings bleibt die Frage nach dem Autor ungeklärt. 674 Schnith, Art. Gesta Stephani, Sp. 1411. Er stellt Stephan letztlich als einen König dar, der auf die falschen Ratgeber vertraute und daher von Gott bestraft wurde. 675 Gesta Stephani, hg. von Potter, S. XXXII. 676 Zum Heiligen Land siehe Gesta Stephani, S. 118. Zu Frankreich bzw. Ludwig VII. siehe Gesta Stephani, S. 149, 152.
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erneuten Heirat, genannt wird, findet sich dies in den Gesta Stephani nicht. Hier wird sie konsequent als comitissa Andegauensis bezeichnet.677
2.2.3 Quantitative Strukturen im Vergleich Die Analyse der 28 Quellen von 22 verschiedenen Autoren aus dem anglonormannisch-angevinischen Raum hat ergeben, dass alle bis auf eine einzige Quelle, die Gesta Stephani Regis anglorum et Ducis Normannorum (Gesta Stephani), auf Ereignisse im Reich eingehen. Während in den Quellen aus dem Reich fast ein Drittel (27 Prozent) keine Nennungen englischer Angelegenheiten aufweist, sind es hier nur drei Prozent. Bei der Anzahl an Nennungen lässt sich ebenfalls eine große Bandbreite feststellen: 1 Nennung: Annales Plymptonienses, Richard von Hexham De gestis regis Stephani et de bello Standardii 2–9 Nennungen: Eadmer von Canterburys Historia novorum (2), Coventry Chronik (5), Wilhelm von Malmesburys Gesta regum Anglorum (2) und Historia novella (2), Heinrich von Huntingdons Historia Anglorum (9), Robert von Torignis Gesta Normannorum Ducum (7), Gervasius von Canterburys Gesta regum Britanniae (6), Walter Maps De nugis curialium (7), Annales Lewenses (3), Annalen von St. Osyth’s (2), Ralph von Dicetos Abbrevationes Chronicorum (5), Richard von Devizes Cronicon de tempore regis Richardi primi (2), Radulfus Nigers Chronica Anglica/ Chronica II (4). Über 10 Nennungen: Johannes von Worcesters Chronicon ex chronicis (16), Winchcombe Chronik (11), Symeon von Durhams Historia regum (12), Orderic Vitalis Historia ecclesiastica (14), Robert von Torignis Chronik (46), Roger von Howdens Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis (43) und Chronica (89), Gervasius von Canterburys Chronica (25), Ralph von Dicetos Ymagines Historiarum (54), Willhelm von Newburghs Historia rerum Anglicarum (29), Radulfus Nigers Chronica universalis/ Chronica I (17), Radulf von Coggeshalls Chronicon Anglicanum (21). Hier zeigt sich, dass auch die Anzahl der Nennungen in den englischen Quellen deutlich höher ist. Waren es bei den deutschen Quellen noch acht, die nur eine Nennung aufwiesen, sind es bei den englischen nur zwei. In 15 deutschen Quellen finden sich zwei bis neun Nennungen, bei den englischen sind es 13 Quellen. Groß ist der Unterschied in der Kategorie mit mehr als zehn Nennungen. Gab es diese Zahl nur in zwei der deutschen Quellen, sind in zwölf der englischen Quellen mehr als zehn Einträge zu finden. In den einzelnen Kate677 Siehe z. B. Gesta Stephani, S. 58, 75, 118. Vgl. dazu Gesta Stephani, hg. von Potter, S. XXX, King, The Gesta Stephani, S. 204.
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gorien ist ebenfalls auffällig, dass die Zahlen wesentlich höher ausfallen. Waren bei den deutschen Quellen Otto von Freisings und Rahewins Gesta Frederici mit 12 Nennungen und die Chronica regia Coloniensis mit 22 Spitzenreiter, so finden sich in sechs englischen Quellen (Robert von Torignis Chronik, Roger von Howdens Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis und Chronica, Gervasius von Canterburys Chronica, Ralph von Dicetos Ymagines historiarum, Wilhelm von Newburghs Historia rerum Anglicarum) mehr als 22 Einträge, wobei Roger von Howdens Chronica mit 89 Nennungen die Spitzenposition einnimmt. Allerdings setzen fünf der Chroniken (Wilhelm von Malmesburys Historia novella, Richard von Hexhams De gestis regis Stephani et de bello Standardii, Roger von Hovedens Gesta regis Henrici Benedicti abbatis, Ralph von Dicetos Ymagines historiarum, Richard von Devizes Cronicon de tempore regis Richardi primi) nicht schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts ein, da sie nicht als Weltchroniken oder Chroniken zur gesamten englischen Geschichte konzipiert waren, sondern beginnen erst zu einem späteren Zeitraum mit ihren Darstellungen und konzentrieren sich z. B. wie die De gestis regis Stephanii auf einen bestimmten Zeitraum. Daher können sich in diesen Quellen weniger Einträge finden als in den anderen, da sie nur einen bestimmten Zeitraum oder ab einem bestimmten Zeitpunkt Ereignisse behandeln; dass es sich aber nicht zwangsläufig so verhält, zeigen die 42 Einträge in den Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis. Dennoch bedeutet ein Eintrag nicht, dass nur ein bestimmtes Ereignis in der Quelle behandelt wurde. Vielfach musste bei vielen der Einträge »zusammenfassend für die Jahre XXXX–XXXX« angegeben werden. Beispiel hierfür ist ein Eintrag in der Historia ecclesiastica des Orderic Vitalis.678 Orderic erzählt an dieser Stelle, dass Heinrich V. 1106 das Königtum von seinem Vater übernommen hatte, im Anschluss daran geht er auf die Ereignisse in Rom 1111 ein, die in der Gefangennahme des Kaisers und der Erpressung des sog. Pravilegs mündeten. Daraufhin erzählt er vom Laterankonzil 1112, der kinderlosen Ehe Heinrichs V. mit Mathilda von England, dessen Tod, Lothar III. als neuen Kaiser und der Geburt Heinrichs II. in Mathildas zweiter Ehe. Orderic berichtet zusammengefasst in einem Eintrag über verschiedene Ereignisse in einem Zeitraum von 27 Jahren. Verknüpft sind sie nur über die Person Heinrichs V. Dennoch wurde diese Vielzahl an unterschiedlichen Ereignissen als ein Eintrag gezählt, da Orderic hier eine Sinneinheit zusammenstellt und seine Darstellung nicht durch weitere Mitteilungen, z. B. zu englischen Ereignissen unterbricht. Diese zusammenfassende Art der Darstellung ist abhängig von der Erzählweise der Autoren. Folgen diese einer mehr annalistischen Darstellungsweise wie z. B. Johannes von Worcester oder Ralph von Diceto, finden sich hier diese Zusammenfassungen seltener. Bei Orderic Vitalis oder Wilhelm von Malmesbury, die wesentlich freier 678 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 197–201.
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schrieben und sich mehr von ihren Vorlagen lösten, finden sich diese Zusammenfassungen häufiger. Bei der quantitativen Auswertung wurden diese Einträge, die von den Autoren zusammengefasst worden worden waren, entsprechend jeweils als eine zusammenhängende Sinneinheit gewertet. Ebenfalls sei darauf hingewiesen, dass sich häufig nicht nur ein Eintrag pro Jahr findet, sondern z. T. auch mehrere. So verfasste z. B. Ralph von Diceto in den Ymagines Historiarum sieben Einträge zum Jahr 1194. Zunächst berichtet Ralph, dass Erzbischof Walter von Rouen nach Deutschland ging, um die Freilassung Richards weiter zu verhandeln, und von dort einen Brief an Ralph von Diceto schickte, den dieser in seine Chronik einfügte, über die Freilassung des englischen Königs (1. Eintrag). Daraufhin berichtet er von der Ehe Heinrichs (V.) dem Älteren von Braunschweig, Sohns Heinrichs dem Löwen, mit der Tochter des Pfalzgrafen (2. Eintrag). Im Anschluss daran geht er erneut auf die Verhandlungen zur Freilassung Richards ein und die Stellung von Geiseln (3. Eintrag). Nach einem Hinweis zum Tod König Tankreds wird der Zwischenstopp Richards in Köln aufgezeigt (4. Eintrag). Später ist ein Brief Heinrichs VI. an Richard bzgl. Otto, dem Sohn Heinrichs des Löwen, aufgeführt (5. Eintrag). Datiert auf den 6. Juni 1194 findet sich ein Brief Papst Coelestins III., in dem dieser den österreichischen Herzog auffordert, die englischen Geiseln freizulassen (6. Eintrag). Ebenso für dieses Jahr berichtet Ralph von Heinrichs Ansprüchen auf Sizilien und über die die militärische Eroberung (7. Eintrag). Der Tod Herzog Leopolds, gestorben am 31. Dezember 1194 wird nach dem Nativitätsstil schon dem Jahr 1195 zugerechnet. Diese Fülle an mehreren Einträgen zu einem Jahr findet sich bei vielen der Historiographen und ist abhängig von den Ereignissen, mit denen sie in Zusammenhang stehen. Ein Zusammenhang zwischen Größe und Anzahl der Einträge ist bei den englischen Quellen, im Gegensatz zu den deutschen, feststellbar. Zwar finden sich auch in den kleineren Annalenwerken wie den Annales Plymptonienses oder den Annalen Lewenses Einträge zum Reich, allerdings sind die Einträge in den größeren Chroniken häufiger und auch ausführlicher. Die Winchchombe Chronik und die Annales Lewenses gehen zwar auch auf die Ereignisse von 1111 um das Pravileg ein, allerdings sehr knapp mit der Gefangennahme des Papstes im Mittelpunkt.679 Johannes von Worcester, Wilhelm von Malmesbury und Symeom von Durham verfassten hierzu sehr ausführliche Darstellungen mit wörtlich wiedergegebenen Briefen, Eiden und Verträgen. Die größeren historiographischen Werke weisen meist häufiger Einträge zum Reich auf, die z. T. 679 Winchcombe Chronik zum Jahr 1111, S. 516: Henricus imperator Romam uenit, Paschalem papam cepit et in custodiam posuit. Sed postea ad pontem uie Salarie ubi Paschalem festiuitatem celebrauerunt pacem cum eo fecit. Annales Lewenses zum Jahr 1111, S. 87: Paschalis papa Rome captus est ab Henrico imperatore.
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sehr ausführlich sind. Allerdings ist es auch möglich, dass eine Quelle, wie z. B. die Gesta regum Anglorum Wilhelm von Malmesburys, die mit zwei Einträgen auf den ersten Blick, im Vergleich mit weiteren Autoren, zunächst nur geringes Interesse am Reich aufzeigt, bei genauer Betrachtung sich einem Thema sehr ausführlich widmet. So kann eine Quelle nur eine geringe Eintragszahl vorweisen, wobei sich aber diese wenigen Einträge umso umfassender und ausführlicher darstellen.680 Eine geringere Anzahl an Einträgen muss, neben der Möglichkeit mehrere Ereignisse in einem Eintrag zusammenzufassen, ebenso wie bei den deutschen Quellen nicht unbedingt etwas mit mangelnder Information zu tun haben, sondern kann auch im Entstehungshintergrund bzw. durch die Intention des Autors begründet sein. Symeon von Durham verfasste vor 1129 seine Historia Anglorum, die im älteren Teil v. a. auf Johannes von Worcester beruht.681 Johannes wiederum nutzte für die Einträge zur kontinentalen Geschichte im 11. Jahrhundert v. a. die Chronik des Marianus Scotus. In dessen Chronicon finden sich zahlreiche Einträge zu Heinrich IV. und dessen Auseinandersetzung mit den Fürsten, aber auch zu Mainz.682 Symeon übernahm für seine Historia zwar alle Nachrichten zur Auseinandersetzung Heinrichs IV. mit Gregor VII., die Johannes aus der Chronik des Marianus hatte. Allerdings ließ er alle Nachrichten zu Rudolf von Rheinfelden, Mainz und den deutschen Fürsten weg.683 Symeon kannte also die Informationen dazu, ließ sie aber bewusst für seine Chronik aus. Auch bei den englischen Autoren finden sich »verdeckte« Kenntnisse zum Reich, 680 Vgl. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, Buch V, 420 – Buch V, 438, S. 762– 783. 681 Meeham, Symeon of Durham. 682 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1071 S. 18, zum Jahr 1072 S. 20, zum Jahr 1074 S. 22–24, zum Jahr 1075 S. 26, zum Jahr 1077 S. 28–30, zum Jahr 1078 S. 30, zum Jahr 1080 S. 36, zum Jahr 1082 S. 38, zum Jahr 1083 S. 38, zum Jahr 1084 S. 40 zum Jahr 1086 S. 42–44. 683 Dies wird z. B. deutlich an den Einträgen zu 1080/1081. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 36, schreibt hierzu: Heinricus rex Hiltibrandum papam in Pentecostem Mogontie decernit deponendum, et Wigbertum Rauenne urbis episcopum in natale sancti Iohannis Baptiste pro eo facit papam. Ruodolfus rex Saxonum bello occiditur apud Merseburg, ubi et sepultus est idus Octob. Mogontia ciuitas magnum terre motum k. Dec. sensit, et sequenti anno ex magna parte incendio conflagrauit cum principali monasterio et aliis tribus. Heinricus rex hostiliter Romam aduersus papam adiit oppugnans eam non tamen intrauit. Symeon von Durham, Historia regum, S. 211, hält die Nachricht zu Rudolf von Rheinfelden und zum Erbeben in Mainz für seine Ausführungen zur englischen Geschichte für unwichtig und übernimmt nur aus Johannes Chronik die Einträge zu Heinrich IV. und Gregor VII.: Henricus rex Hiltibrandum papam in Pentecostem Mogontie decernit deponendum, et Wibertum Ravenne urbis episcopum in natale sancti Iohannis Baptiste pro eo facit papam. 1081 Henricus rex hostiliter Romam adversus Hiltibrandum papam adiit, oppugnans eam non tamen intravit. Aber auch zu weiteren Jahren findet sich diese Vorgehensweise.
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bzw. Hinweise darauf, dass sie Informationen hatten, diese aber nicht in ihre Chroniken aufnahmen. Dabei ist auffällig, dass die Einträge in den Chroniken und Annalen zu einem großen Teil nicht unmittelbar direkt mit England in Verbindung stehen. Zwar finden sich viele Einträge, die, wie die Gefangennahme Richards I., diplomatische Austausche, Nachrichten zu Heinrich dem Löwen und Heinrich V. hervorgerufen durch die Ehen, einen offensichtlichen Bezug zu beiden Ländern aufweisen, aber bei vielen ist dies nicht der Fall. Hier müssen die Gründe für das Interesse und die Darstellung im Einzelfall erschlossen werden.684 Ein wichtiger Faktor aber sind die Konflikte der Kaiser mit der Kirche bzw. dem Papst, für die sich die Historiographen als Mönche oder Kleriker natürlich besonders interessierten. Feststellbar ist allerdings, dass es ebenso wie im Reich kein Zentrum der Wahrnehmung gab, d. h. es lässt sich nicht feststellen, dass die Wahrnehmung des anderen von einem bestimmten Ort oder Kloster abhängig war. Zahlreiche Einträge zum Reich finden sich sowohl in den kontinentalen Quellen wie bei Orderic Vitalis oder bei Robert von Torigni als auch bei den insularen. Dass bei den insularen Quellen eine schlechtere Informationsbasis zugrunde gelegen hätte, lässt sich nicht feststellen. Der Kanal wirkte hier nicht als Grenze für Informationen zum Reich. In England selbst lässt sich ebenfalls kein Zentrum feststellen. Es finden sich Einträge sowohl in jenen Chroniken, die in den Städten entstanden, wie bei Ralph von Dicetos Ymagines historiarum, aber auch in jenen aus wichtigen Kathedralorten wie bei Eadmer von Canterbury oder bei Gervasius 684 Ein Beispiel, wie das Interesse an bestimmten Ereignissen erst erschlossen werden muss und wie sie auf »verdeckte« Kenntnisse verweisen, sind die Einträge zu Trier bzw. dem Trierer Erzbischof in den 1180er Jahren. Nachrichten zu einzelnen Bistümern finden sich – bis auf Köln – nur wenige in den Quellen. Nun sind bei Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1186, S. 44–47, bei Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1186, S. 334, und zum Jahr 1187, S. 383, und bei Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1189, Bd. 3, S. 8, und Roger von Howden, Gesta regis Henrici secundi, zum Jahr 1189, Bd. 2, S. 79, verschiedene Einträge zu Trier. Bei Ralph von Diceto findet sich ein Erzbischof Wichmann von Magdeburg zugeschriebener Brief deutscher Bischöfe und Erzbischöfe an Papst Urban III. bzgl. der Weihe Folmars von Kardens, Gervasius verweist auf Auseinandersetzungen bei der Wahl und Friedrichs I. Versuch, seinen Kandidaten durchzusetzen, aber auch auf einen späteren Ausgleich mit Papst Urban und Roger von Howden zählt den Trierer Erzbischof als Beteiligten bei der Königsweihe Richards auf. Keiner der Historiographen berichtet, dass sich Folmar von Karden seit 1189 im englischen Exil befand, nachdem Friedrich I. König Ludwig von Frankreich überzeugen konnte, Folmar auszuweisen. Grund für die Auseinandersetzung Folmars mit Friedrich war die Doppelwahl von 1183. Nachdem Folmar von Gregor VIII. seines Amtes entsetzt wurde, konnte er nicht mehr in sein Bistum zurückkehren. 1189 starb er allerdings bereits in St. Andrews oder Northampton. Die Autoren wussten vermutlich über die Hintergründe des Aufenthalts in England Bescheid und waren durch dessen Exilsaufenthalt beeinflusst, die Nachrichten zu Trier in ihre Chroniken aufzunehmen, erzählten aber nichts zu den Hintergründen. Vgl. Heyen, Über die Trierer Doppelwahlen, S. 28.
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von Canterbury. Im Norden des Landes wie bei Symeon von Durham lassen sich ebenso Einträge finden wie im ländlichen Raum bei Wilhelm von Malmesbury. Die Region spielte für die Autoren bei der Gewinnung von Informationen in Bezug auf das Reich aber eine wesentlich geringere Rolle, da eine wesentlich höhere Mobilität festzustellen ist.685 So reiste u. a. Wilhelm von Malmsbury auf der Suche nach Materialien für seine Chronik durch England und vermutlich auch in die Normandie. Dabei lernte er Johannes von Worcester und Eadmer von Canterbury kennen.686 Orderic Vitalis reiste ebenfalls speziell für die Materialgewinnung. Im Anschluss an seine Teilnahme am Konzil von Rheims besuchte er Abt Geoffrey von Orleans in Crowland Abbey, wobei er diese Reise zu Bibliotheksbesuchen nutzte.687 Roger von Howden, der in den Diensten Rogers von Pont L’Evêque, des Erzbischofs von York, Heinrichs II. und Bischofs Hugue de Puiset stand, reiste mindestens einmal nach Rom und nahm am 3. Kreuzzug teil. Gillingham stellte fest, dass seine Chroniken dabei sein eigenes Reiseitinerar reflektierten.688 Ebenso »dienstlich« unterwegs war Heinrich von Huntingdon. Durch sein Amt als Archidiakon hielt er sich am Hof des Königs auf und reiste mit Erzbischof Theobald von Canterbury 1139 nach Rom.689 Diese Reisen verband er mit seinem historischen Interesse, wie der Aufenthalt in Bec mit dem Büchertausch mit Robert von Torigni belegt. Diese Beispiele zeigen, dass sich bei englischen Autoren gezielte Reisen mit Bibliotheksbesuchen in Klöstern zur Materialgewinnung für ihre Chroniken nachweisen lassen, aber auch, dass Historiographen, die in einem bestimmten Auftrag reisten, diese Möglichkeit zum Austausch nutzten, wobei diese Reisen ihnen auch die Teilnahme an bestimmten Ereignissen und damit Informationen aus eigenem Erleben möglich machten. Dadurch waren sie weniger abhängig von Quellen, die zu ihnen in die Klöster kamen bzw. sich dort befanden. Diese gezielte Materialgewinnung lässt sich bei englischen Quellen wesentlich besser und umfangreicher nachweisen. Die Einordnung der Informationen kann allerdings durch lokale Einflüsse beeinflusst worden sein. Diese Reisen verweisen bereits auf die Wege, durch die die Historiographen an Informationen aus Primär- und Sekundärkommunikation gelangten.
685 Allerdings spielte die Region bzw. der Entstehungsort natürlich eine Rolle für lokale Informationen zu bestimmten Klöstern oder Personen. Diese lokale Bindung beeinflusste dabei auch die Wahrnehmung bestimmter Ereignisse. 686 Thomson, Malmesbury, William of. 687 In Worcester lernte er die Universalchroniken Marianus Scotus – dies vermerkt er in seiner Historia und auch die Fortführung durch Johannes von Worcester – und Siegeberts von Gembloux kennen. Vgl. Partner, Serious Entertainments, S. 61. 688 Gillingham, The Travels of, S. 72f. 689 Vgl. die Ausführungen zu Rogers Reisen, S. 96.
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Ebenso wie in den deutschen Quellen ist die sekundäre Kommunikation, die sich in den englischen Quellen nachweisen lässt, durch eine Melange an historiographischen Werken, Briefen und Urkunden geprägt. Direkte Hinweise zur Gewinnung von Informationen zum Reich aus historiographischen Quellen aus dem Reich sind bei mehreren Autoren aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts feststellbar. Sowohl Wilhelm von Malmesbury als auch Orderic Vitalis gaben bei ihren Darstellungen zu den Ereignissen vom Romzug Heinrichs V. und der Gefangennahme des Papstes 1111 an, dass sie diese Informationen aus einem Bericht haben, der diese ausführlich darstellte. Wilhelm verweist in seiner Darstellung zum sog. Pravileg zweimal auf einen Bericht Davids, den er als Bischof von Bangor identifiziert, aus dem er priuilegium et conuentionem übernommen hätte.690 Orderic Vitalis gibt ebenfalls an, dass er seine Ausführungen zum Pravileg aus einem Bericht eines Irensis quidam scolasticus übernommen hat.691 Diese direkten Verweise auf die Herkunft historiographischer Quellen zum Reich sind allerdings selten. Wilhelm und Orderic nahmen damit eine Quellenangabe vor, die Johannes von Worcester, der ebenfalls aus diesem heute verlorenen Bericht exzerpierte, unterließ.692 Weiteren Niederschlag als historiographisches Werk aus dem Reich mit Informationen zum 12. Jahrhundert fand die Chronik Sigberts von Gembloux. Besonders Robert von Torigni nutzte dessen Universalchronik für seine Ausführungen zum Pravileg.693 Die Nutzung weiterer historiographischer Quellen des 12. Jahrhunderts aus dem Reich in England für die
690 Wilhelm kritisiert allerdings diesen Bericht aufgrund seiner panegyrischen Darstellungsweise. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 289, S. 522, und III, 290, S. 524: Sed iter illud ad Romam magnis exercitationibus pectorum, magnis angoribus corporum consummatum Dauid Scottus Bancornensis episcopus exposuit, magis in regis gratiam quam historicum deceret acclinis. […] Ego interim, ne bonum uirum uerbo uidear premere, statuo indulgendum, quia non historiam sed panagericum scripsit. […] Omnem hanc ambitionem priuilegiorum et consecrationis uerbo de scriptis prefati Dauid transtuli, quae ille, ut dixi, pronius quam deberet ad gratiam regis inflecit. Zur Person Davids siehe S. 80f. 691 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 5, X, 1, S. 198: Quam grauis et periculosa hiemps pluuiis et niuibus glacieque tunc fuerit, et quanta discrimina in angustis et inaequalibus uiis et in transitu fluminum exercitus pertulerit, et qualiter imperator collectis uiribus urbem obsessam plus minis quam armis expugnauerit Irensis quidam scolasticus decenti relatione litteris tradidit. 692 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1111, S. 120–124. Besonders die Chronik Johannes wurde z. B. von Symeon von Durham, Roger von Howden oder Ralph von Diceto genutzt, wodurch sie auch auf seine Darstellungen zum Pravileg zurückgriffen. Allerdings sind ihre Darstellungen knapper und sie, mit der Ausnahme Symeons, übernahmen nur Johannes zusammenfassende Worte. 693 Robert von Torigni, Chronik, zum Jahr 1111, S. 92f. Für die Darstellung Sigberts siehe, Chronica Sigeberti Gemblacensis monachi, hg. von Bethmann, in: MGH SS 6, S. 300–374, hier S. 373f. Orderic Vitalis lernte in Worcester ebenfalls die Chronik Sigberts kennen. Siehe Chibnall, A Twelfth-Century View, S. 117f.
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Quantitative Auswertung der Quellen
Geschichtsschreibung zum 12. Jahrhundert ist allerdings nicht festzustellen.694 Viele verwendeten diese Quellen indirekt, indem sie, wie z. B. Roger von Howden, Ralph von Diceto, Symeon von Durham, für ihre Werke Wilhelms und Johannes’ Chroniken kompilierten. Gerade viele Chroniken, die Ende des 12. Jahrhunderts und Anfang des 13. Jahrhunderts in England entstanden, griffen auf Chroniken und Annalen zurück, die Anfang bis Mitte des 12. Jahrhunderts verfasst worden waren.695 Dadurch wurde das Wissen zu Ereignissen im Reich weitergegeben, auch wenn die Einträge meist gekürzt wurden.696 Die Weitergabe historiographischer Quellen aus dem Reich In Bezug auf die Chronik Sigberts von Gembloux oder den Bericht über den Romzug Heinrichs war allerdings von Zufällen abhängig. Zwar reisten die Autoren innerhalb des englischen Machtbereichs zur Informationssuche und auch Reisen, die sie für Bischöfe und Könige unternahmen, ermöglichten die Einsicht in weitere historiographische Quellen, aber diese historiographischen Quellen wurden nicht systematisch verbreitet. Aufgrund ihrer z. T. systematischen Verbreitung, aber auch aufgrund ihrer höheren zeitlichen Aktualität waren Briefe und Beschlüsse für die Historiographen bei ihren zeitgeschichtlichen Darstellungen von großer Bedeutung. Diese gezielte Verbreitung ist z. B. besonders gut bei Wilhelm von Malmesbury nachvollziehbar, da er schreibt, dass die Beschlüsse des Laterankozils von 1112 zur Verurteilung des erteilten Investiturprivilegs als Pravileg in die ganze Welt berichtet wurden – ferebantur ista per orbem.697 Auf diese gezielte Verbreitung verwies er auch beim Wormser Konkordat.698 Bei zwei Briefen, die er in seine 694 Bei Radulfus Niger vermutet Hanna Krause, dass, wie bereits dargestellt, dieser für seine Chronica universalis Kenntnis hatte von der Darstellung bei Magnus von Reichersberg. Allerdings nutzten Autoren des 12. Jahrhunderts für ihre Quellen ältere Quellen aus dem Reich wie die Chronik des Marianus Scotus. Wilhelm von Malmsbury, Johannes von Worcester, aber auch Orderic Vitalis verwendeten diese. 695 Die Autoren griffen natürlich auch auf weitere Chroniken zurück, bei denen Ereignisse zum Reich zu finden waren, die nicht unbedingt aus deutschen historiographischen Texten stammten. 696 Die Darstellungen zu 1111 erfolgen bei Orderic Vitalis, Wilhelm von Malmsbury, Johannes von Worcester und Symeon von Durham sehr ausführlich. Die Coventry Chronik, die Annalen von Winchcombe, Roger von Howden (Chronica), Ralph von Diceto (Abbrevationes chronicorum) und vermutlich auch Ralph Niger (Chronica I und Chronica II) nutzten für ihre Darstellungen zu 1111 die Chronik Johannes von Worcesters, bzw. von ihm verfasste Annalen. Diese Einträge sind aber meist auf das plaktive, die Gefangennahme des Papstes und die anschließende Friedensfeier, beschränkt. Briefe, Privilegien und weitere Ausführungen sind hier nicht mehr zu finden. 697 Zur Verbreitung siehe Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 430, S. 774. Zu den Beschlüssen des Konzils siehe Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 426 – V, 429, S. 770–774. Ludwig Weiland verweist in der Edition des Beschlusses ebenfalls auf die gezielte Verbreitung. Siehe MGH Constit. I, S. 570–573, hier S. 570. 698 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 435, S. 780: Quod et eius et Apostolici professiones mundo his dictis ostendent. Im Anschluss daran, V, 436 – V, 437, S. 780–782,
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Ausführungen zur Auseinandersetzung Heinrichs V. mit den Päpsten einfügte, wird diese Verbreitung durch die Inscriptio deutlich. Gelasius II. und Calixt II. wandten sich mit Rundbriefen an die Bischöfe, Fürsten und alle Gläubigen per Galliam, um ihre Bedrohung durch den Kaiser darzustellen.699 Aber nicht nur zum Investiturstreit finden sich viele wörtlich wiedergegebene Briefe in den Chroniken. Auch zum 3. Kreuzzug und zur Gefangennahme Richards I. beruhen viele Nachrichten zum Reich auf Briefen. So fügte z. B. Ralph von Diceto in seine Ymagines historiarum zahlreiche Briefe ein, die an den Kaiser gerichtet waren,700 von diesem verfasst waren,701 die Personen im Reich betrafen702 oder im Reich verfasst wurden703. Die vollständige Kopie von Briefen und Urkunden hing allerdings auch vom Schreibstil der Autoren ab.704 Ebenso bedeutsam war ihre
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fügte er das Wormser Konkordat ein. Das Wormser Konkordat ist ebenfalls bei Symeon von Durham zu finden. Schieffer, Rechtstexte des Reformpapsttums, S. 68, ist der Ansicht, dass das Konkordat weniger aufgrund einer juristischen Funktion als vielmehr aufgrund eines sekundären historischen oder kanonistischen Interesses, das einem im 12. Jahrhundert gefestigtem Geschichtsbild zum Investiturstreit, das mit dem Konkordat als abgeschlossen betrachtet wurde, entsprang. Auf den bei Wilhelm von Malmesbury gegeben Hinweis auf eine angesprochene gezielte Verbreitung, ging er allerdings nicht ein. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 431, S. 774–776, und V, 433, S. 776– 778. Diese Briefe sind ebenfalls bei Symeon von Durham zu finden. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 51f., fügte einen Brief Heinrichs II. an Friedrich I. aus dem Jahr 1187 ein, in dem er, eingebettet in mehrere Briefe zur Kreuzzugsvorbereitung, diesen von Kreuzzugsplänen unterrichtet und um sichere Durchreise bittet. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 52: Brief Friedrich I. als Antwort auf den Brief Heinrichs II. mit dem Versprechen einer sicheren Durchreise. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 56f.: Angeblicher Brief Friedrich Barbarossas an Saladin. Die Echtheit des Briefes wurde mittlerweile widerlegt. Siehe Mayer, Der Brief Kaiser Friedrichs I., S. 488– 494. Mayer vermutet, dass dieser Brief in England zur Kreuzzugspropaganda entstand. Vgl. Schieffer, Graf Heinrich II. von Diez, S. 436f. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 118: Brief Heinrich VI. an Richard I. bzgl. der im Reich für das restliche Lösegeld verbliebenen Geiseln mit Angebot, diese gegen Otto, den Sohn des sächsischen Herzogs, zu tauschen. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 112f.: Brief Walter von Coutances, Erzbischof von Rouen an Ralph von Diceto zur Freilassung Richards. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 119: Brief Papst Coelestins an den Bischof von Verona mit der Aufforderung, Herzog Leopold dazu zu bewegen, die Geiseln freizulassen. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 107f.: Brief Richards I. mit Anordnungen zur Wahl des Erzbischofs von Canterbury. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 111: Brief Richards I. an den Erzbischof von Rouen, wie seine Briefe aus dem Reich während seiner Gefangenschaft verstanden werden sollen. Anders als bei Rahewin, der die Briefe und Synodalbeschlüsse benötigte, um Informationen zu Ereignissen zu erhalten, aber auch die wörtliche Wiedergabe nutzte, um seine eigene Meinung zu verbergen, waren englische Autoren durch ihre Positionen am Hofe oder in Bistümern, aber auch durch ihre Informationssammeln wesentlich besser und ausführlicher informiert und sie fügten diese Dokumente vielmehr zur Illustration ihrer Darstellung ein. Richard von Devizes, der ebenfalls vom 3. Kreuzzug berichtet, orientiert sich in seinem Erzählstil an Romances, sodass hier anders als z. B. bei Ralph von Diceto, Roger von Howden oder Gervasius von Canterbury keine Briefe o. ä. zu finden sind. Ähnlich verhält sich dies bei
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Quantitative Auswertung der Quellen
Beziehung zum Hof oder zu Erzbischöfen und Bischöfen, durch die sie Briefe oder weitere Dokumente vermittelt bekamen. Die Chronisten erhielten ihre Informationen zum Reich allerdings nicht nur durch sekundäre Kommunikation vermittelt. Auch Hinweise auf primäre Kommunikation zum Reich finden sich in den Texten. Dabei geben manche der Chronisten ihre mündlichen Quellen an, wie Radulph von Coggeshall dies mit Verweis auf den Kaplan Anselms, der ihm von der Gefangennahme Richard Löwenherz, bei der er als dessen Begleiter dabei war, erzählt.705 Diese direkten Hinweise auf einen Erzähler sind allerdings selten.706 Wesentlich häufiger sind Verweise auf Hörensagen oder Gerüchte, wie z. B. besonders bei der Gefangennahme des englischen Königs. Hier spiegeln diese auch ein gewisses Grad an Aufregung und Unsicherheit wider.707 Bei vielen Einträgen sind derartige Notizen allerdings nicht vorhanden, sodass nur ein indirekter Rückschluss auf mündliche Informationen erfolgen kann. Viele der Historiographen befanden sich in Positionen, durch die sie mit Personen in Kontakt kamen, die ihnen von Ereignissen erzählen konnten.708 Besuchten sie andere Klöster, begleiteten sie Personen nach
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Walter Map, der sich sogar am Hofe aufhielt. Heinrich von Huntingdon, der durch sein Amt als Archidiakon mit wichtigen Personen in Berührung kam und anders als Richard von Devizes und Walter Map einen deutlich annalistischeren Schreibstil nutzte, verzichtet dennoch darauf. Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, zum Jahr 1192, S. 54: Anselmus capellanus, qui haec omnia nobis, ut vidit et audivit, retulit, […]. Ein weiteres Beispiel, allerdings zum 11. Jahrhundert, ist der Hinweis Wilhelm von Malmesburys, dass er Erzählungen zu Gregor VII., die hagiographische Züge aufweisen, von einem Mönch erfahren habe, die dieser direkt von Abt Hugo von Cluny erzählt bekommen habe. Mit dem Hinweis auf die Herkunft seine Quelle authentifizierte er diese Erzählungen, wobei er noch einmal deutlich macht, dass diese kein frivoles Geschwätz seien. Siehe Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 263, S. 486: Verum quia Hildebrandi mentio se ingessit, de eo dicam quae non friuolo auditu hausi, sed seria relatione eius audiui qui se illa ex ore Hugonis abbatis Cluniacensis audisse iuraret. Quae ideo ammiror et predico […]. Bereits auf die Gerüchte zur Rückreise verweist Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 53: Rex vero Ricardus cum nonnullis suorum nimia maris tempestate vexatus per sex hebdomadas […] famaque crebrescente jam cognovisset comitem Sancti Aegidii, […]. Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1191, S. 196–198, gibt Aufschluss über die Gerüchte, die die Gefangennahme auslösten: His itaque per Angliam publicatis de captione regis Angliae rumoribus, Walterus Rothomagensis archiepiscopus in hac forma scripsit Hugoni Dunelmensi episcopo; […] Audita itaque regis captione, Walterus Rothomagensis arciepiscopus […]. Hinweise zu Gerüchten finden sich in allen Chroniken, die sich mit der Gefangennahme Richards beschäftigen, sei es als Begründung, was seine Gefangennahme verursachte oder als Hinweis, wie auf die Gefangennahme in der Öffentlichkeit reagiert wurde. Allerdings musste man kein Amt eines Archidiakons o. ä. haben, um an Informationen zu gelangen, wie Gransden, Historical Writing, S. 324, am Beispiel Radulph von Coggeshall zeigt. Coggeshall war zwar ein unbedeutendes Zisterzienserkloster, aber nur 50 Meilen von London entfernt und stand als Zisterzienserkloster im ständigen Kontakt mit Citeaux und
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Rom oder auf den Kreuzzug, reisten sie im dienstlichen Auftrag bzw. befanden sie sich an Orten wie Canterbury mit hohem Reiseverkehr, erhöhte sich die Möglichkeit, durch Austausch an Neuigkeiten und Informationen zu gelangen, die auch das Reich betrafen. Dadurch wurde auch die Kleinräumigkeit, die nach Wetzenstein mit der Primärkommunikation meist einhergeht, überwunden.709 Dass es beim Austausch von Nachrichten nicht immer nur um wichtige politische Ereignisse ging, die den Kaiser oder den Papst betrafen, zeigt z. B. die Geschichte zu Odilia von Hohenberg oder zum Teufel im Kloster Prüm bei Johannes von Worcester.710 Nicht auf Primär- oder Sekundärkommunikation zurückzuführen sind aber ebenso zahlreiche Einträge, die auf Augenzeugenschaft beruhen. Wie bereits erwähnt, standen zahlreiche Autoren im Dienste des Hofes oder von Bischöfen bzw. beides und begleiteten diese auf Reisen oder unternahmen Reisen in deren Auftrag. Dadurch hatten sie die Möglichkeiten von Ereignissen zu berichten, in deren Kenntnis andere Autoren nicht gelangen konnten, wie z. B. Eadmer von Canterburys Darstellung einer Begegnung Ralph d’Escures mit Heinrich V. in Rom, da er den Erzbischof auf dieser Reise begleitete.711 Ralph von Diceto erlebte zahlreiche Boten und Gesandtschaften, die Heinrich II. aufsuchten, mit, sodass er deren Besuche aufmerksam vermerkt.712 Orderic Vitalis beschreibt sehr ausführlich das Konzil von Rheims 1118, da er an diesem selbst teilnahm.713 Ebenso wie bei den deutschen Chroniken und Annalen sind bei den englischen die Einträge auf Primär- und Sekundärkommunikation und auf eigenes Erleben zurückzuführen. Die Informationsquellen für die Historiographen sind in England aber deutlich einfacher nachweisbar, da sie häufiger ihre Quellen nennen und mehr zum Hintergrund der Autoren oder zu den Klöstern, aus denen sie stammten, bekannt ist, sodass ihre Kontakte durch einzelne Personen oder aus Netzwerken einfacher rückverfolgbar sind. Dabei bleibt allerdings die Diskrepanz zwischen der Anzahl und Ausführlichkeit in deutschen und englischen Quellen auffällig. Über die Gründe hierfür können Vermutungen angestellt
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weiteren Zisterzienserklöstern. Dadurch hatte er Kontakt zu Personen wie den bereits genannten Kaplan Anselm, aber auch zu Hugh de Neville, Milo, Abt von Le Pin, Gervase von Tilbury, Wilhelm de Argenti, die ihn mit Informationen zum König, aber auch zu Ereignissen in England, der Normandie, zum Reich oder zum Kreuzzug versorgten. Wetzenstein, Die Welt als Sprengel, S. 271f. Bei diesen Geschichten wird zumindest vermutet, dass sie mündlich weitererzählt wurden. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, Bd. 3, S. 202–207, S. 236–240. Von ähnlicher Art ist die Geschichte zum vorgetäuschten Tod Heinrichs V. und seinem Rückzug ins Kloster bei Walter Map, De nugis curialium, Dist. V., cap. 6., S. 478–482. Eadmer von Canterbury, Historia novorum, zum Jahr 1117, S. 243. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 1, S. 303, S. 318, S. 416; Bd. 2, S. 31. Dies vermutet zumindest Marjorie Chibnall aufgrund der sehr ausführlichen Beschreibung u. a. der Sitzordnung. Orderic Vitalis, Historia Ecclesiastica, Bd. 6, XII, 21 S. 252–277.
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Quantitative Auswertung der Quellen
werden. Die größere Anzahl an Einträgen in englischen Quellen dürfte wohl mit der Bedeutung des Reichs bzw. des Kaisers für die Kirche/ den Papst zusammenhängen, aber auch mit der größeren, zumindest besser nachweisbaren Mobilität der Historiographen und mit deren Ämtern, durch die sie guten Zugang zu Informationen hatten. Ebenso können ihre Kanzleidienste dazu beigetragen haben, dass sie vermehrt Briefe, Urkunden und Beschlüsse in ihre Werke aufnahmen. Auch der Kontakt mit Rom verstärkte sich Ende des 11. und im 12. Jahrhundert, wobei die Rombesucher die Straßen der deutschen Romfahrer nutzten und Legaten aus Rom vermehrt nach England reisten, wobei sie ebenfalls das Reich als Reiseweg nutzen konnten.714 Daneben spielte bei der Wiedergabe der Geschichten auch das Bedürfnis zu unterhalten eine Rolle. Dennoch ist die bedeutend größere Anzahl an Einträgen und deren Ausführlichkeit nicht eindeutig erklärbar.
714 Dass häufigere Kontakte zu mehr Einträgen in den Chroniken führten zeigt sich im Gegenzug bei der Kölner Königschronik, die die größte Anzahl an Einträgen bei den deutschen Quellen aufweist. Für eine Übersicht zu päpstlichen Legaten in England siehe Tillman, Die päpstlichen Legaten. Zur vermehrten Reisetätigkeit siehe Freund, Boten und Briefe, S. 100f. Zu Rom als Kontaktzone siehe Schieffer, Die päpstliche Kurie als internationaler Treffpunkt, S. 23–39. Vgl. Wetzenstein, Wie die urbs zum orbis wurde, S. 47–75.
3
Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen des deutschen Reiches
3.1
Ehen und Märtyrer – die Heirat Heinrichs V. mit Mathilde von England und die Heirat Heinrichs des Löwen mit Mathilde von England
3.1.1 Quantitative Strukturen der Wahrnehmung Zwei Ehen haben im 12. Jahrhundert Verbindungen zwischen England und dem Reich geknüpft. Dies war zum einen die Ehe Heinrichs V. mit Mathilde von England, Tochter Heinrichs I. Zum anderen heiratete Heinrich der Löwe in seiner zweiten Ehe ebenfalls eine Mathilde, die Tochter Heinrichs II. und seiner Gemahlin Eleonore von Aquitanien war. Diese beiden Eheschließungen wurden auch in den Quellen wahrgenommen. Die Ereignisse um die Hochzeit Heinrichs V. mit der englischen Königstochter wurden zwölfmal erwähnt – ohne die Nennungen der Annalengruppe aus Erfurt gerechnet, da diese nur auf die Heirat, aber nicht auf die Herkunft verweisen.715 Die zweite Hochzeit Heinrichs des Löwen wird fünfmal in den Quellen angesprochen. Damit zählen diese beiden Ereignisse zu den mit am häufigsten erwähnten Ereignissen deutsch-englischer Beziehungen im 12. Jahrhundert. Betrachtet man aber den Inhalt und die Art der Darstellung, zeigt sich, dass lokale und personale Faktoren dies erheblich beeinflusst haben. In beiden Werken Ottos von Freising716, bei Ekkehard von Aura717, in der Anonymen Kaiserchronik718, bei Annalista Saxo719, den Annales Hildesheimen-
715 Bei allen drei steht: Rex Heinricus uxorem duxit. 716 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, zum Jahr 1114, S. 329; Otto von Freising, Gesta Friderici, zum Jahr 1114, S. 27. 717 Ekkehard von Aura, Chronicon universale, Rezension III, zum Jahr 1114, S. 247. 718 Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik, zum Jahr 1114, S. 151f. 719 Beim Annalista Saxo finden sich drei Nennungen: zum Jahr 1109, S. 541, zum Jahr 1110, S. 542, zum Jahr 1114, S. 549.
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Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen des deutschen Reiches
ses720, in der Chronica regia Coloniensis721, den Annales S. Disibodi722, und den Annales Patherbrunnenses723 wird ein- oder mehrmals über die Ereignisse um die Eheschließung Heinrichs V. mit Mathilde von England berichtet.
3.1.2 Die Wahrnehmung der Heirat Heinrichs V. Mathilde, vermutlich geboren am 07. Februar 1102724, wurde – nachdem seit 1108 Verhandlungen über diese Ehe stattgefunden hatten – 1110 in das Reich gebracht, wo sie sich an Ostern 1110 mit Heinrich V. verlobte.725 Die anschließende Krönung fand in Mainz im Juli 1110 statt und wurde durch den Kölner Erzbischof Friedrich I. von Schwarzenburg vorgenommen. Im Anschluss kam sie in die Obhut des Trierer Erzbischofs Bruno von Bretten, wo sie sich in den nächsten Jahren mit den neuen Sitten und Gebräuchen und natürlich der Sprache vertraut 720 Annales Hildesheimenses, zum Jahr 1109, S. 61, zum Jahr 1110, S. 61, zum Jahr 1114, S. 63. 721 Bei den Chronica regia Coloniensis finden sich drei Nennungen: zwei zum Jahr 1110 S. 49, zum Jahr 1114 S. 53. 722 Bei den Annales S. Disibodi finden sich ebenfalls zwei Einträge: zum Jahr 1109, S. 20, zum Jahr 1114, S. 22. 723 Nach der Rekonstruktion der Paderborner Annalen durch Scheffer-Boichorst finden sich vier Einträge: drei zum Jahr 1110 S. 122, einer zum Jahr 1114 S. 127. In den von Kaufmann missverständlich bezeichneten Fragmenten der Paderborner Annalen findet sich im Abdruck von Perlbach eine Nennung (zum Jahr 1114, S. 230.), die fast wörtlich mit der Rezension III der Ekkehard-Chronik übereinstimmt. In der Edition von Schmale gibt es zwei Einträge zum Jahr 1110, S. 44, zum Jahr 1114 S. 47. Die Einträge bei Scheffer-Boichorst stellen dabei die umfangreichsten dar. 724 Dies ergibt sich aus der Rückdatierung aus der Angabe ihres Alters beim Antritt ihrer Reise in das deutsche Reich. Ex annalibus Wintoniensibus, hgg. v. Pauli/ Liebermann, S. 452, Rez. A zu 1110: Hoc anno misit rex filiam suam Matildim imperatori Henrico desponsandam cum quindecim milibus marcis argenti et aliis multis donariis, cum esset puella 8 annorum et 15 dierum, iurata sibi prius Anglia iure hereditario ab omnibus Anglie captaneis. 725 Orderic Vitalis verweist gerne darauf, dass normannische Ritter den Hochzeitszug begleiteten, aber nicht wie erwartet am deutschen Hof ihr Glück machen konnten, sondern wieder zurückgeschickt wurden. Inwieweit es tatsächlich diese Hoffnungen auf normannischer Seite gab, lässt sich nicht beurteilen. Aber vermutlich wurde der Schritt ins Reich bewusst vollzogen, da nur Archidiakon Heinrich von Winchester, der spätere Bischof von Verdun, als ihr langjähriger Begleiter bekannt ist. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 6, XI, 38, S. 166–169: Eodem anno Henricus rex Mathildem filiam suam dedit in coniugium Karolo Henrici filio imperatori Alemannorum, quam suscepit a patre et conduxit marito Burchardus presul Camaracensium. Rogerius quoque filius Ricardi aliique plures ex Normannis comitati sunt et per hanc copulam Romanum acipem conscendere putauerunt, atque diginitates optimatum audacia seu feritate sua sibi aliquando adipisci cupierunt. Sic nimirum antecessors eorum in Anglia per Emmam Ricardi ducis filiam dominate sunt, et in Apulia per Sichelgaudam Guaimalchi ducis Psalernitani filiam super genuinos haeredes furuerunt. Haec siquidem uafer imperator qui plura perscrutatus est agnouit, et alienigenas indebiti fastus ceruici suae imponere precauit unde consult germanorum omnes datis muneribus ad propria remisit.
Ehen und Märtyrer
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machen sollte. Am 7. Januar 1114 fand ebenfalls in Mainz die Hochzeitsfeier statt. Für beide Seiten stellte sich die Ehe als gewinnbringend dar. Heinrich V., der sich als junger König um die Thronsicherung durch männliche Nachkommen kümmern musste, profitierte besonders finanziell von dieser Ehe. 10.000 oder 15.000 Silbermark erhielt er als Mitgift von Heinrich I., der extra für die Ausstattung eine Steuer erheben ließ.726 Der auf die Verlobung folgende Romzug mit Kaiserkrönung, durch den die Autorität des Saliers gesteigert werden sollte, fiel ungewöhnlich groß aus.727 Aber auch der englische König profitierte von der Verbindung, wenn auch nicht finanziell. Während Marjorie Chibnall728 vor allem die Stärkung der militärischen Position Heinrichs durch den neuen Verbündeten im Osten Frankreichs hervorhebt729, sieht Claudia Zey vor allem den Prestigezuwachs durch diese Heirat für Heinrich I. Die Verschwägerung mit dem salischen Kaiserhaus ermöglichte es nach Zey dem König, an dem immer noch der Makel der unehelichen Abstammung des Vaters und der usurpatorische Beginn der anglonormannischen Königsherrschaft haftete, das Legitimationsdefizit auszugleichen.730 In den Annales Hildesheimenses findet sich der früheste Hinweis auf die Ehe zwischen Heinrich V. und Mathilde, auch wenn diese Quelle das Heiratsversprechen dem Jahr 1109 zuordnet.731 Ähnlich zeigt sich hier im Vergleich der Eintrag der Disibodenberger Annalen.732 Alle drei Einträge sind also ergebnisorientiert dem Jahr 1109 zugeordnet, als die Verhandlungen beendet worden 726 Während Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, Bd. 5, S. 200, von 10.000 Mark spricht und die Annalen von Winchester von 15.000 (S. 452 Rez. A zu 1110), verweist Heinrich von Huntingdon auf die Steuer (VII 27, S. 456): Anno igitur sequenti, data es filia regis imperatori, ut breviter dicam, sicut decuit. Rex itaque cepit ab unaquaque hida Anglie tres solidos. 727 Zey, Mathilde von England, S. 163. 728 Chibnall, The Empress Matilda, S. 16. 729 Es sollte tatsächlich zu einer militärischen, wenn auch erfolglosen Unterstützung des englischen Königs durch seinen deutschen Schwiegersohn kommen. Ekkehard von Aura (Rezension IV, S. 368f.) und Annalista Saxo, der es aus Ekkehards Chronik kompilierte (S. 581f.). berichten von einem Frankreichfeldzug auf Wunsch Heinrichs I. Siehe dazu auch Schnith, Die Salier und England, S. 230f. 730 Zey, Mathilde von England, S. 163. 731 Annales Hildesheimenses, S. 1109: Eodem anno desponsavit filiam regis de Anglica terra. Der Annalista Saxo präzisierte diese Aussage, als er diese Stelle aus den Hildesheimer Annalen übernahm und fügte ein rex Heinricus ein, S. 541: Eodem anno rex Heinricus desponsavit filiam regis de terra Anglica. 732 Annales S. Disibodi zum Jahr 1109, S. 20: Rex natale Domini Moguntiae celebravit. Eodem anno desponsata est ei filia regis Anglorum. Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1110, S. 49: Ibi apud Leodium dominus rex Anglici regis filiam honorifice ut regem decet sponsam suscepit. Godefridus dux Lotharingiae gratiam regis ob novae interventum reginae promeruit. Rex festum paschae apud Traiectum peragit. Ibi ex iussu regis capite quidam truncatur, quia in necem eiusdem loci episcopi Cunradi consensit. Ibi rex sponsam suam regio more dotavit. Hec eadem in festo sancti Iacobi apostoli in reginam Mogontiae ab archiepiscopo Friderico Coloniae consecratur.
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waren und das Ergebnis verkündet wurde, und nicht schon dem Jahr 1108, als die Verhandlungen aufgenommen wurden. Zum Jahr 1110 – Heinrich V. empfing Mathilde zunächst in Lüttich, bevor sie das Osterfest gemeinsam in Utrecht verbrachten, wo sie ausgestattet wurde – finden sich mehrere Einträge. Die Einträge der Hildesheimer Annalen733, der Paderborner Annalen734, der Kölner Königschronik735 und des sächsischen Annalisten736 sind hierbei voneinander beeinflusst. Die Einträge zur Hochzeit 1114 zeigen allerdings unterschiedliche Überlieferungstradtionen auf. Während die Disibodenberger Annalen einfach das Ereignis an sich verzeichnen,737 übernahm der sächsische Annalist738 unter der Einfügung des Namens des englischen Königs den Eintrag aus Ekkehards von Auras Chronik (Rezension III),739 verweisend auf Rat und Zustimmung der 733 Hildesheimer Annalen zum Jahr 1110, S. 61: Ibi rex Anglici regis filiam sponsam suscepit, quam in pascha apud traiectum regio more dotavit. 734 Die Paderborner Annalen nach der Edition Scheffer-Boichorsts, S. 122: Ibi apud Leodium domnus rex Anglici regis filiam, honorifice ut regem decet, sponsam suscepit. Godefridus dux Lotharingiae gratiam regis ob novae interventum reginae promeruit. […] Ibi rex sponsam suam regio more dotavit. Haec eadem in festo sancti Iacobi apostoli in reginam Magontiae ab archiepiscopo Fritherico Coloniae consecratur. Der Bericht zum Jahr 1110 nach Schmale, S. 44: Ibi apud Leodium domnus rex Anglici regis filiam honorifice ut regem decet sponsam suscepit. Ibi rex sponsam suam regio more dotavit. Scheffer-Boichorst hat hier für die Rekonstruktion der Paderborner Annalen eine Stelle übernommen, die sonst nur in der Kölner Königschronik zu finden ist. Seine Methode, singuläre, d. h. nur in einer einzigen Ableitung überlieferte Stellen auf das verlorene Werk zurückzuführen, wird dabei u. a. von Schmale, »Paderborner« oder »Korveyer« Annalen, S. 507–509 kritisiert, zuletzt Nass, Die Reichschronik des Annlista Saxo, S. 209f., bes. Anm. 707. Die Rekonstruktion Schmales und der Hinweis zur Krönung als Kölner Sondergut erscheint aufgrund der regionalen Beeinflussung wahrscheinlicher. 735 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1110, S. 49: Ibi apud Leodium dominus rex Anglici regis filiam honorifice ut regem decet sponsam suscepit. Godefridus dux Lotharingiae gratiam regis ob novae interventum reginae promeruit. Rex festum paschae apud Traiectum peragit. Ibi ex iussu regis capite quidam truncatur, quia in necem eiusdem loci episcopi Cunradi consensit. Ibi rex sponsam regio more dotavit. Hec eadem in festo sancti Iacobi apostoli in reginam Mogontiae ab archiepiscopo friderico Coloniae consecratur. 736 Die Reichschronik des Annalista Saxo zum Jahr 1110, S. 542: Ibi rex Anglici regis filiam sponsam sucepit, quam in pascha apud Traiectum regio more dotavit. 737 Annales S. Disibodi zum Jahr 1114, S. 22: Imperator natale Domini Babinberg celebrat, et post epiphaniam apud Moguntiam nuptias fecit. 738 Die Reichschronik des Annalista Saxo zum Jahr 1114, S. 549: Hinc indicto conventu Mogontiae nuptias post epiphaniam Domini augustissime instituit, ubi etiam vix aliquem vel nullum de magnatibus abesse voluit; ubi filiam Heinrici regis Anglorum Machtildam vel Agnetem dudum desponsatam legitime sibi coniungens regni consortem instituit. Der sächsische Annalist zeigt sich trotz der eindeutigen Aussage bei Ekkehard unsicher ob des Namens der Ehefrau Heinrichs. Ähnlich wie den Eintrag zum Jahr 1109 präzisiert er hier abermals den englischen König mit Namen. 739 Ekkehard von Aura, Rezension III, S. 247: Hinc indicto conventu Mogontiae, nuptias post epiphaniam Domini augustissime instituit; ubi etiam vix aliquem aut certe nullum de magnatibus abesse voluit; quorum consilio vel consensu regis Angliae filiam, Mahthildem nomine, dudum desponsatam, legitime sibi coniungens, regni consortem constituit.
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Großen, von denen keiner fehlen sollte, zu dieser Hochzeit. Die Hildesheimer Annalen740, die Paderborner Annalen741 und die Kölner Königschronik742 verweisen zusätzlich noch auf Größe und den Glanz des Festes. Der ausführlichste Bericht zur Hochzeit findet sich allerdings in der Anonymen Kaiserchronik.743 Nur hier wird Mathildes Herkunft und ihre Tugend gelobt, nur hier wird so ausführlich von den zahlreichen und Hochzeitsgästen, den Geschenken und der Unterhaltung durch Spaßmacher (ioculatores) und Schauspieler (istriones) erzählt. Übereinstimmend744 loben die Hildesheimer Annalen, die Paderborner Annalen und die Kölner Königschronik das positive Verhalten Heinrichs V., der nach königlicher Sitte seine Verlobte in Utrecht ausstattet. Von der englischen Mitgift, wegen der die Hochzeit auch maßgeblich geschlossen wurde, erfährt man nichts. Vielmehr wird die Gelegenheit genutzt, auf das Befolgen der alten Sitten durch Heinrich V. hinzuweisen. Heinrich und sein Befolgen der Sitten stehen hier
740 Annales Hildesheimenses zum Jahr 1114, S. 63: Altera die post epiphaniam, collectis totius regni principibus, nuptias filiae regis Anglici cum ingenti gloria consummat, quales ante eum nemo regum longo ex tempore disposuit. 741 Die Paderborner Annalen zum Jahr 1114 nach Scheffer-Boichorst, S. 127: Altera die post epiphaniam, collectis totius regni principibus, nuptias filiae regis Anglici ingenti cum gloria consummat; quales ante eum nemo regum longo ex tempore disposuit. Mit dem letzten Halbsatz nahm Scheffer-Boichorst erneut einen singulären Satz auf, der nur bei den Hildesheimer Annalen zu finden ist. Schmale, »Paderborner« oder »Korveyer« Annalen, S. 47, übernahm diesen nicht. 742 Chronica regia Coloniensis, Rez. 1 codd A., S. 53: Altera die post epiphaniam, collectis totius regni principibus, nuptias filiae regis Anglici ingenti cum gloria consummat. 743 Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik, zum Jahr 1114, S. 151f.: Imperator Henricus natalem domini Babenberg celebravit dispositis nuptiis suis Maguntie˛ in proxima epiphania. Desponsaverat enim ante triennium Mahtildem, filiam Henrici regis Anglorum, virginem moribus nobilem, venustam quoque et decoram facie, que˛ habebatur decus et gloria tam Romani imperii quam Anglici regni. Erat enim progenita ex utraque parte ex longa linea magnifice˛ nobilitatis et regalis prosapie˛, in cuius loquela et opere resplendebat specimen future˛ bonitatis abunde, adeo ut omnibus optaretur Romani imperii heredis mater fore. Ad ipsas quoque nuptias tanta convenit multitudo archiepiscoporum, episcoporum, ducum atque comitum, abbatum quoque et prepositorum, atque eruditissimorum clericorum, ut nullus senex illius evi posset reminisci vel aliquo modo adtestari se vidisse vel saltem audivisse tantam multitudinem tantorum primatuum in uno conventu convenisse. In ipsis enim nuptiis convenerant archiepiscopi V, episcopi XXX, duces V, de quibus dux Boemie˛ summus pincerna fuit. Comitum vero et abbatum atque prepositorum numerus a nullo presenti, licet multum sagaci, potuit comprehendi. Dona autem, que˛ diversi reges atque innumerabiles primates domno imperatori in ipsis nuptiis miserunt vel que˛ ipse imperator ex se innumerabili multitudini ioculatorum et istrionum atque diverso generi diversarum gentium distribuit, quemadmodum nullus camerarius ipsius, vel qui recepit vel qui distribuit, potuit numerare, ita nullus eiusdem imperatoris chronographus potuit litteris comprehendere. 744 Siehe Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1110, S. 49. Annales Patherbrunnenses (nach Scheffer-Boichorst) zum Jahr 110, S. 122; nach Schmale S. 44. Annales Hildesheimenses zum Jahr 1110, S. 61.
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im Zentrum der Aufmerksamkeit, ohne dass näher auf Mathilde eingegangen würde. War die politische Stimmung bei der Verlobung und dem ersten Treffen des Brautpaares 1110 zwischen dem König und den Fürsten noch ungetrübt, brachen in den folgenden Jahren heftige Konflikte zwischen ihm und den Großen auf. Das Modell konsensualer Herrschaft, dessen Grundton die Regierungszeit Heinrichs V. mehr noch als die seines Vaters prägte, war bis 1111 unablässig zwischen König und Fürsten beschworen worden.745 Erste Risse zeigten sich beim durch Mathildes Mitgift ermöglichten und prächtig ausgefallenen Romzug746, als er mit nur wenigen Vertrauten mit Papst Paschalis II. über das Investiturrecht und die Herrschaftsbereiche der Reichsbischöfe diskutierte.747 Zu weiteren Konflikten mit Großen kam es u. a. durch das Freilassungsgesuch eines Ministerialen, Markgraf Rudolfs von Stade748, der Konflikt ab 1112 um das Erbe Graf Ulrichs von Weimar-Orlamünde, dessen Erbe, auf das mehrere sächsische Adelige Ansprüche erhoben, an sich zog,749 oder dass 1112 Erzbischof Adalbert von Mainz750, Kanzler in den ersten Jahren Heinrichs V., in Ungnade fiel und inhaftiert wurde, was für Unruhe und Widerspruch sorgte. Der Konsens im Reich, der in den Anfangsjahren der Regierung Heinrichs V. immer wieder in den Mittelpunkt gestellt worden war, war zerstört. Der Weg des konsensualen Aushandelns mit den Großen war verlassen, zahlreiche Große durch einsame Entscheidungen des Königs düpiert, zudem waren fürstliche Territorialpolitik und das königliche Interesse am Ausbau und der Bewahrung der Herrschaftsrechte des Reiches immer wieder aufeinandergestoßen.751 Trotzdem wurde bei der Heirat 1114 noch einmal die große Einheit und die Pracht des Reiches durch die Chronisten beschworen. Besonders in der Anonymen Kaiserchronik752, aber auch in den Hildesheimer Annalen753, den Pa745 Dendorfer, Heinrich V.. S. 118, 138. 746 Eine Beschreibung des Romzuges mit Hinweis auf die außergewöhnliche Größe findet sich bei Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, VII, 14, S. 325f. 747 Dendorfer, Heinrich V., S. 139. Vgl. dazu auch Schlick, König, Fürsten und Reich, S. 64– 69; Weinfurter, Reformidee und Königtum, S. 34ff. 748 Dendorfer, Heinrich V. S. 141ff., verweist auf die Missachtung der Gegenwart des königlichen Boten, was einen Angriff auf den honor des Königs bedeutete. Herzog Lothar von Sachsen und Rudolf von Stade wurden daraufhin ihre Ämter entzogen. 749 Dendorfer, Heinrich V., S. 144, verweist auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen in diesem Fall. Die führenden Vertreter der sächsischen Großen verbündeten sich daraufhin in der Opposition gegen den König. 750 Dendorfer, Heinrich V., S. 147f. Sogar Papst Paschalis III. setzte sich per Brief für Adalbert ein. Dendorfer vermutet die Grundlagen des Streits in der unerwartet eigenmächtigen Territorialpolitik Adalberts am Mittelrhein. 751 Dendorfer, Heinrich V., S. 149. 752 Siehe Anonyme Kaiserchronik, S. 151f. Vgl. die Abbildung des Hochzeitmahles mit zahlreichen Speisen im Dedikationsexemplar der anonymen Kaiserchronik, welches wahr-
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derborner Annalen754 und in der Kölner Königschronik755 wird auf die außerordentliche Pracht der Feierlichkeiten, die schon lange kein anderer König entfaltet hatte, hingewiesen. Ebenso wird von den Chronisten vermerkt, dass alle Fürsten des Reiches versammelt waren und keiner fehlen wollte.756 Ekkehard von Aura weist in seiner Universalchronik extra darauf hin, dass diese Hochzeit auf Rat und mit der Zustimmung der Großen geschah.757 Die Historiographen wollten dabei weniger die Verbindung Heinrichs V. mit der englischen Königstochter darstellen und auf die Bedeutung der Verbindung der beiden Königreiche aufmerksam machen. Mathilde erscheint hier vielmehr als Mittel zum Zweck, dem Versuch des Saliers, das ganze Reich zu vereinen, auf den Rat und Konsens der Fürsten zu verweisen und die Fürsten und das Volk mit prächtigen Hochzeitsfeierlichkeiten zu beeindrucken.758 Dieses von den Autoren hervorgerufene Bild erscheint umso wirkmächtiger, wenn man bedenkt, dass ein Jahr später bei einem in Mainz angesetzten Hoftag, bei dem eigentlich Klagen der Fürsten verhandelt werden sollten, außer ein paar Bischöfen keiner der Fürsten erschien.759 Trotzdem mischt sich unter diese Lobstimmen auch Kritik. Die Paderborner Annalen, ebenso wie die Kölner Königschronik, die Hildesheimer Annalen und der sächsische Annalist schildern, wie Ludwig von Thüringen bei der Hochzeit, obwohl er glaubte in der Gunst des Kaisers zu stehen, gefangen
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scheinlich mit Mathilde nach England gekommen ist: Corpus Christi College, MS. 373, fol. 95v. Annales Hildesheimenses zum Jahr 1114, S. 63: […] nuptias filiae regis Anglici ingenti cum gloria consummat. Die Paderborner Annalen zum Jahr 1114 nach Scheffer-Boichorst, S. 127: nuptias filiae regis Anglici cum ingenti gloria consummat, quales ante eum nemo regum longo ex tempore disposuit. Chronica regia Coloniensis, Rez. 1 codd A., S. 53: […] nuptias filiae regis Anglici ingenti cum gloria consummat. Annales Hildesheimenses zum Jahr 1114, S. 63: collectis totius regni principibus […]. Chronica regia Coloniensis, Rez. 1 codd A., S. 53: collectis totius regni principibus […]. Die Paderborner Annalen zum Jahr 1114 nach Scheffer-Boichorst, S. 127: collectis totius regni principibus […]. Ekkehard von Aura, Rezension III, S. 247: […] ubi etiam vix aliquem aut certe nullum de magnatibus abesse voluit […]. Die Reichschronik des Annalista Saxo zum Jahr 1114, S. 549: ubi etiam vix aliquem vel nullum de magnatibus abesse voluit […]. Ekkehard von Aura, Rezension III, S. 247: quorum consilio vel consensu regis Angliae filiam, Mahthildem nomine, dudum desponsatam, legitime sibi coniungens, regni consortem constituit. Vgl. dazu auch Dendorfer, Heinrich V., S. 150f. Ekkehard von Aura, Rezension III, S. 249: Conventus post haec imperator amicorum consiliis, immo totius regni compulsus querimoniis, generalem in Kalend. Novembr. curiam Mogontiae fieri instituit, ubi liberam omnibus audientiam de sibi obiectis satisfactionem, de suis extraordinarie vel iuveniliter gestis correctionem ad senatus consultum repromisit. Statuto itaque tempore dum ipse Mogontiae presens condictum frustra prestolatur conventum – nam preter paucos episcopos nemo principum adventabat – […].
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gesetzt wurde, was viele Fürsten gegen den Kaiser aufbrachte.760 Die von einigen Chronisten wiedergegebene negative Stimmung findet sich auch noch später bei Otto von Freising, bei dem die Fürsten sogar eine Verschwörung anzettelten und sich öffentlich gegen den Kaiser wandten.761 In der Universalchronik Ekkehards von Aura oder in der Anonymen Kaiserchronik lässt sich kein solches Ereignis im Rahmen der Hochzeit finden, das diese betrübt hätte. Neben den Gemeinsamkeiten in der Darstellung der Verlobung und der Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde von England sind aber auch Unterschiede festzustellen, die sich auf die persönliche Intention der Autoren oder auf lokale Einflüsse durch die Entstehungsorte der Werke zurückführen lassen. Zwar übermitteln die meisten Chroniken und Annalen ähnliche Informationen zu den Ereignissen um die deutsch-englische Verbindung, aber einige bieten zusätzliches Wissen, das sich nur durch persönliche Intentionen oder lokale Einflüsse erklären lässt. Die Chronia regia Coloniensis berichtet im Eintrag zum Jahr 1110, dass Mathilde nicht nur von Heinrich V. in Lüttich ehrenvoll empfangen und dann anschließend in Utrecht nach königlicher Sitte ausgestattet wurde, sondern auch, dass am Jakobstag, d. h. am 25. Juli 1110, die Krönung in Mainz stattfand und vom Kölner Erzbischof Friedrich I. von Schwarzenburg durchgeführt wurde.762 Diese zusätzliche Information, wer die Krönung vorgenommen hat, findet sich unter den deutschen Quellen nur in der Kölner Königschronik.763 Der Kölner Erzbischof konnte als Coronator fungieren, da der Mainzer Bischofsstuhl zu diesem Zeitpunkt vakant war. Wohl aufgrund des regionalen Bezugs dürfte diese 760 Die Paderborner Annalen zum Jahr 1114 nach Scheffer-Boichorst, S. 127: Ibi Lothowicus, qui se putabat bene in gratia imperatoris esse, iussu eius comprehenditur et custodiae mancipatur. Quae res multos principum contra imperatorem exacuit.Vgl. hierzu Chronica regia Coloniensis, Rez. 1 codd A., S. 53, Annales Hildesheimenses zum Jahr 1114, S. 63, oder Annalista Saxo zum Jahr 1114, S. 549. 761 Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus, VII, 15, S. 329f.: Verum in hac curia, quia pene omnes regni principles confluxerant, conspirationes fiunt, ac exhinc non solum occulta consilia, sed et publica contra eum machinamenta disponuntur. Hinc iterum miserum imperium, quod per paucos vix quieverat annos, scinditur ac tam in Transalpinis quam in Cisalpinis regionibus intra se colliditur. 762 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1110, S. 49: Hec eadem in festo sancti Iacobi apostoli in reginam Mogontiae ab archiepiscopo friderico Coloniae consecratur. Ein ausführlicher Bericht zur Krönung findet sich in Robert von Torignys Bearbeitung der Gesta Normannorum Ducum, VIII, 11, Bd. 2, S. 216–218. Hier erfährt man auch, dass der Trierer Erzbischof sie bei der Krönung in den Armen hielt, dem sie im Anschluss für ihre Erziehung übergeben wurde. Robert von Torigny erhielt nach Chibnall, The Empress Matilda, S. 25, diese Details vermutlich von Mathilde selbst. 763 Scheffer-Boichorst, Die Paderborner Annalen, S. 122, gibt zwar diese Zeile in seiner Rekonstruktion der Paderborner Annalen auch mit an, aber in anderen Chroniken findet sich diese Information nicht. Schmale übernimmt dies in seiner Rekonstruktion daher nicht, S. 44.
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Information dem Chronisten bekannt bzw. wichtig genug gewesen sein, um sie zu verzeichnen. Auch die Annales S. Disibodi weisen Eigengut auf. Zwar berichten diese zu 1109, aber der Eintrag zur offiziellen Verlobung und dem Treffen in Lüttich unterbleibt. Ebenso gibt es einen Eintrag zur Hochzeit 1114, aber dieser verzeichnet bloß das Ereignis an sich. Die Ausschmückung dieses Ereignisses, wie in anderen Quellen, lässt sich hier nicht finden. Erst bei Heinrichs Tod werden die Disibodenberger Annalen konkreter. Nun wird Mathilde erstmals beim Namen genannt und erstmals ist eine ihrer Handlungen in dieser Quelle bezeugt – dass sie die Reliquie des Hl. Jakob mit nach England nahm, was einen unwiederbringlichen Verlust für das regnum Francorum bedeutete.764 Karl Leyser vermutet, dass diese Nachricht aufgrund der geographischen Nähe (Luftlinie ca. 68 km) zwischen dem Kloster Disibodenberg und Trifels, dem Ort, wo der Reichsschatz nach einer auf dem Sterbebett getroffenen Anordnung Heinrichs V. aufbewahrt werden sollte,765 zustande kam. Dass Mathilde die Regalien in Besitz hatte, wird auch bei Otto von Freising766 und den Marbacher Annalen767 thematisiert, aber nur bei den Disibodenberger Annalen findet sich der Hinweis zur Hand des Hl. Jakob.768 Während sich bei den beiden vorherigen Quellen die Sondergüter durch enge lokale Bezüge, aufgrund derer man wie bei den Disibodenberger Annalen in Kenntnis über die Mitnahme der Reliquie nach England gelangen konnte oder wie bei der Kölner Königschronik eine zusätzliche genauere Information für bedeutsam hielt, erklären lassen, ist dies bei der anonymen Kaiserchronik nicht so einfach. Wie bereits festgestellt, ist der Eintrag zur Hochzeit 1114 in der Anonymen Kaiserchronik am ausführlichsten, unterstützt noch durch ein Bild, das die Hochzeit darstellt.769 Auch wenn die Verfasserschaft des Ekkehard von Aura für die Chronik nach der paläographischen Analyse Hartmut Hoffmanns 764 Annales S. Disibodi zum Jahr 1125, S. 23: Mathildis regina in Anglia as patrem suum proficiscitur, manum sancti Iacobi secum deferens; per quod irreparabile dampnum regno Francorum intulit. Chibnall, The Empress Matilda, S. 25, mutmaßt, dass aufgrund des besonderen Datums der Krönung Mathilde später die Reliquie des Hl. Jakob als besondere Erinnerung an ihre Krönung, die am Jakobstag stattfand, mit nach England zurücknahm. 765 Leyser, Frederich Barbarossa, Henry II and the hand of St James, S. 491. Vgl. dazu auch Ekkehard von Aura, Rezension IV, S. 374: coronam caeteraque regalia usque ad conventum principum conservanda in castello firmissimo, quod Trifels dicitur, reponi disposuit. 766 Otto von Freising, Gesta Friderici I imperatoris, I, 16, S. 30: At imperatrix Mahtildis, Heinrici regis Anglorum filia, regalia in potestate sua habebat. 767 Annales Marbacenses zum Jahr 1125, S. 43: At imperatrix Methildis, Heinrici regis Anglorum filia, regalia in potestate sua habebat. 768 Zu ihrer Rolle als Reichsverweserin siehe Fößel, Die Königin im mittelalterlichen Reich, S. 344–346. 769 Anonyme Kaiserchronik, S. 151f. Vgl. die Abbildung des Hochzeitsmahles in der Handschrift Corpus Christi College, MS. 373, fol. 95v.
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grundsätzlich gesichert ist,770 bleibt fraglich, wer den Abschnitt zur Hochzeit 1114 geschrieben hat, da dieser Eintrag von einer anderen Hand vorgenommen wurde.771 Irene Schmale-Ott vermutet, dass der Schreiber dieses Textabschnitts bei der Hochzeit, die weit farbiger als der Rest der Chronik dargestellt wäre, dabei gewesen sei.772 Leider stellen weder Franz-Josef Schmale, Irene Schmale-Ott noch Hartmut Hoffmann Vermutungen an, wer diesen Abschnitt verfasst hat. Ekkehard von Aura ist zwar nach 1107 nicht mehr am Hofe nachweisbar773, allerdings war Bischof Otto I. von Bamberg Teilnehmer der Hochzeit 1114.774 Ekkehard, der 1108 erster Abt des von Bischof Otto gegründeten Klosters Aura wurde, blieb seinem Förderer Zeit seines Lebens verbunden.775 Selbst wenn Otto von Bamberg nicht, wie von Irene Schmale-Ott und Franz-Josef Schmale behauptet, der Autor der Chronik war, könnte die Beschreibung der Feier über Otto von Bamberg als Teilnehmer der Hochzeit zu Ekkehard gelangt sein. Die Frage, warum so ausführlich über die Hochzeit in dieser Chronik berichtet wurde – anders als bei den bisher betrachteten Quellenabschnitten zur Hochzeit – lässt sich vermutlich auf die Bestimmung des Werkes zurückführen. Laut Prolog wurde das Werk auf Wunsch Kaiser Heinrichs V. angefertigt.776 Später gelangte die Chronik vermutlich durch Mathilde nach England.777 Schon die anderen betrachteten Quellen berichten von einer besonderen und prächtigen Hochzeit. Als Auftragswerk ist es daher verständlich, dass der Autor besonders ausführlich auf die
770 Hoffmann, Bamberger Handschriften, S. 55. 771 Hoffmann, Bamberger Handschriften, S. 55. Auch der Prolog wurde wie die zweite Hälfte des Jahresberichts 1113 und die erste Hälfte des Jahresberichts von 1114 von derselben Hand – Hoffmann nennt sie Hand A – vorgenommen. Hoffmann weist allerdings darauf hin, dass A und B – mit B wurde überwiegend die Chronik geschrieben – so ähnlich sind, dass man sie demselben Skriptorium zuweisen dürfe. Daneben gab es mit C (diese Hand nahm die zweite Hälfte des Jahresberichts von 1114 vor) und D (diese Hand lieferte die Beischriften zu den Herrscherbildern) zwei abweichende Hände, wobei unklar bleibt, ob sie demselben Skriptorium entstammten wie A und B. Vgl. Anonyme Kaiserchronik (Edition Schmale), S. 310. 772 Schmale-Ott, Untersuchungen zu Ekkehard von Aura, S. 443, 448. 773 Schmale-Ott, Untersuchungen zu Ekkehard von Aura, S. 409. 774 Guth, Heiliger Bischof Otto, S. 43. 775 Schmale-Ott, Untersuchungen zu Ekkehard von Aura, S. 454. Die Bekanntschaft der beiden war vermutlich durch Heinrich V. vermittelt worden, als beide zeitgleich am Hof weilten, S. 407. 776 Die sogenannte Anonyme Kaiserchronik, Prolog, S. 1: Cum igitur ipse resplendeat velut coruscans lucifer splendore sapientie˛ et redoleat omni boni odoris suavitate, dignatus est nostre˛ parvitati precipere, ut colligat sibi chronicum opus a temporibus Karoli Magni usque ad sua tempora servando ubique veritatem istorie˛. Quod opus recipere cum nostra recusaret imperitia, nos tamen compulit deducere ad aliquem effectum sua auctoritas et benivolentia. 777 Hoffmann, Bamberger Handschriften, S. 61.
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Hochzeit eingegangen ist.778 Diese enge Bindung des Autors an das Hochzeitspaar als Leser der Chronik findet sich bei keiner der anderen Quellen. Die Analyse des Quellenbefunds zur Verlobung und Heirat Heinrichs V. mit Mathilde zeigt, dass die Historiographen zwar breit gefächert über das Reich Kenntnis von diesen Angelegenheiten hatten, dass aber die englische Königstochter und ihre Herkunft für sie eher keine Bedeutung hatte. Vielmehr diente die Hochzeit als Bühne der Reichspolitik, auf der gezeigt werden konnte, dass Heinrich V. 1110 alte Sitten befolgte, oder auch das Missverhältnis zwischen Pracht und zelebrierter Einigkeit bei der Hochzeit 1114 und der Entwicklung der Beziehung zwischen Kaiser und Fürsten im Anschluss an diese. Die Ereignisse um Mathilde und Heinrich V. erscheinen hier als Mittel zum Zweck. Interesse an Mathilde und ihrer Herkunft wurde nicht gezeigt. Vielmehr ist man auf englische Quellen angewiesen, um sich detailreicher über die Hochzeit und deren Umstände zu informieren. Nur die Anonyme Kaiserchronik weicht aufgrund ihrer Bestimmung für den Kaiser von den übrigen Darstellungen ab.
3.1.3 Die Wahrnehmung Thomas Beckets Bei der Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde von England stand die Darstellung dieses Ereignisses in den Chroniken und Annalen unter dem Einfluss der Deutung des Verhältnisses von Heinrich V. zu den Fürsten im Vordergrund und diese Darstellung, abgesehen von der Anonymen Kaiserchronik, war der Mittelpunkt der Erzählungen und weniger Mathilde und die Hochzeit selbst. Diese Art der Nutzung eines das Reich und England betreffenden Ereignisses in den Quellen für andere Interessen tritt noch deutlicher beim Umgang mit dem Martyrium Thomas Beckets779 hervor. In acht Chroniken und Annalen wird die Ermordung 778 Schmale-Ott, Untersuchungen zu Ekkehard von Aura, weist auch auf eine andere Haltung zu Heinrich IV. in der Kaiserchronik, anders als bei Ekkehard von Aura. Vgl. dazu auch Goetz, Geschichtsschreibung, S. 244–250. Allerdings hat er dabei nicht die Erkenntnisse Hoffmanns mit einbezogen. Mit dem Kaiserpaar als Zielgruppe würde sich aber eine andere Haltung des Autors erklären. 779 Die Literatur zu Thomas Becket, dessen Tod und den anschließenden Kult hat in den vergangenen Jahrzenten große Ausmaße angenommen. Daher kann hier nur auf einige wenige Werke verwiesen werden. Für die Edition seiner Briefe siehe The Correspondence of Thomas Becket, hg. von Duggan. Seine Viten und weiteres Material bei Materials for the history of Thomas Becket, hg. von Robertson, zu finden. Eine Analyse der Quellen und deren Autoren findet sich u. a. bei Staunton (Hg.), The lives of Thomas Becket, und Staunton, Thomas Becket and his Biographers. Ebenfalls dazu: Jansen, Wo ist Thomas Becket. In Deutschland hat sich Hanna Vollrath intensiver mit Becket auseinandergesetzt. Siehe zu der Autorin u. a.: Vollrath, Thomas Becket: Höfling und Heiliger; Vollrath, Kommunikation über große Entfernungen, S. 85–114. Zur Einordnung in die Beziehungen Heinrichs II. zu Papst Alexander III., siehe u. a.: Vincent, Beyond Becket, S. 257–299.
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angesprochen, was die große Aufmerksamkeit für dieses Ereignis zeigt, obwohl das Reich, anders als bei Hochzeiten oder der Gefangennahme Richard Löwenherz’, primär nicht involviert war.780 Von den acht aufgeführten Chroniken und Annalen, die Einträge zu Becket vorweisen, stammt der älteste Eintrag781 aus der Chronica regia Coloniensis.782 Dabei nimmt den größten Raum in diesem Eintrag ein Mirakel ein, das das erste (numero primum) Wunder Thomas Beckets sein soll. Ein Blinder möchte in einer Kirche des St. Nikolaus783 um seine Sehkraft bitten, als eine Erscheinung in Gestalt eines Mannes ihn nach seinem Begehren fragt und ihn darauf hinweist, dass er doch zu dem neuen Heiligen wandeln soll. Der Blinde betritt in der Stunde des Todes Beckets die Kirche, wo er sich zum Altar führen lässt und dann das Blut Beckets über die Augen streicht, woraufhin er wieder sehen kann. Dieses frühe Wunder lässt sich allerdings in den Mirakelsammlungen Benedikts von Peterborough784 und Wilhelms von Canterbury785 nicht finden.
780 Chronica regia Coloniensis (Rezension I und II), zum Jahr 1172, S. 123. Otto von St. Blasien, Chronica, zum Jahr 1171, S. 35. Burchard von Ursberg, Chronicon, zum Jahr 1162, S. 46. Annales Marbacenses zum Jahr 1152, S. 48, zum Jahr 1170, S. 51. Annales Pegavienses zum Jahr 1170, S. 260. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, I,14, S. 127. Annales Admontenses a. 1140–1250, zum Jahr 1170, S. 584. Annales Reicherspergenses (Chronicon Magni Presbiteri), zum Jahr 1171, S. 496. 781 Zumindest wenn man die Einschätzung von Norbert Breuer als kritisch ansieht und sich an der Einschätzung von Manfred Groten zur Entstehungsgeschichte der Chronica regia Coloniesis orientiert, die auch Carl August Lückerath für bedenkenswert hielt. (Siehe Eintrag zur Kölner Königschronik). 782 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1172, S. 123 (Recensio I, II): Eodem anno sanctus Thomas Cantuariensis archiepiscopus ob invictum aequitatis tenorem ab Heinrico Anglorum rege martirizatus est 4. Kal. Ianuar. et multis miraculorum signis illustrissime claruit. Quorum de numero primum referre utile duximus, ut huius novitate alia pensentur. Cecus etenim quidam eadem die, qua sanctus episcopus occidendus erat, ex voto et salutis desiderio ad ecclesiam beati Nycholai carpebat iter. Cui quaedam effigies in specie viri occurrens, quo tenderet, inquisivit. Qui cum se ad beatum Nycholaum pro desiderio visus iturum responderet, ait: ’Magis nunc ad novum Christi martyrem proficisci te oportet, ut per eius merita visum recipias’. Itaque eadem hora circa vesperum, qua beatus martyr in ecclesia coram altari a satellitibus regis occidebatur, templum ingressus est. Petiit ergo, ut ad corpus beati viri duceretur. Quo ductus, dum precioso sanguine eius oculos sibi linivisset, statim visum recepit. Innumeris usque hodie talibus per Angliam fulget miraculis. Per idem tempus Heinricus dux Saxonum filiam regis Angliae duxit uxorem, repudiata priori ob famam consanguinitatis. Filiam vero eius, quam ex ea genuerat, et quae prius copulata fuerat Friderico duci, qui in Italia obierat, duxit filius regis Danorum. 783 Robertson, MTB, Bd. 2, S. 290, vermutet hier St. Nicolas in Harbledown, einem Ort unweit von Canterbury. Dort gab es ein Hospital, in dem ein Schuh Thomas Beckets als Reliquie verehrt wurde. 784 Benedikt von Peterborough, Miracula Sancti Thomae Cantuariensis, S. 21–281. 785 Wilhelm von Canterbury, Miraculorum gloriosi Martyris Thomae Cantuariensis Archiepiscopi, S. 173–546.
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Es stellt sich die Frage, wie der Chronist in Kenntnis dieses Mirakels gelangt ist, das vermutlich aus England stammt und nach Groten vor 1177 niedergeschrieben wurde. Köln stand durch enge Handelsverbindungen nach London schon im 12. Jahrhundert im intensiven Kontakt mit England. Es lebten trotz des Alexandrinischen Schismas zahlreiche Engländer in Köln und Kölner in London, u. a. lehrte sogar Gerard Pucelle, ein enger Freund Thomas Beckets und Johanns von Salisbury, zwischen 1165 und 1168 Kirchenrecht in Köln.786 Mit Blick auf die engen kölnisch-englischen Handelsverbindungen mutmaßt Ulrich Hartmann, dass die Becket-Verehrung im Reich sogar von Köln ausging.787 Dies bestreitet allerdings Stefan Langenbahn, der stattdessen auf St. Thomas an der Kyll und die Zisterzienser788 verweist.789 Unweit des Zisterzienserklosters Himmerod790 ging Ludwig von Deudesfeld mit seiner Frau Ida bereits 1172 oder kurz nach der Konsekration 1173 auf Wallfahrt nach Canterbury und brachte von dort mindestens eine Reliquie mit. Deren Wundertätigkeit zeigte sich auch in dem von ihm errichteten Hospiz und der Kapelle, aus der das spätere Zisterzienserinnenkloster St. Thomas hervorging.791 Die sich dort um das Jahr 1174 ereignenden Wunder sind nachlesbar im sechsten Buch der Mirakelsammlung Wilhelms von Canterbury, besiegelt vom Abt des Himmeroder Klosters, bestätigt von den Äbten von Trois-Fontaines und Hautefontaine.792 Im Zisterzienserkloster Himmerod findet sich in einer Reliquienliste von 1178 der Hinweis auf eine ThomasBecket-Reliquie – nicht nur »einfaches« Thomas-Wasser, sondern tatsächlich ein Teil des Hirns, die vermutlich die einzige »deutsche« cerebrum-Reliquie ist.793 Stefan Langenbahn vermutet hinter dieser cerebrum-Reliquie eine Art Danke786 Fried, Gerard Pucelle und Köln, S. 125–135. Vgl. dazu Huffman, Family, Commerce, and Religion, S. 220–228. 787 Hartmann, Das Zisterzienserinnenkloster St. Thomas, S. 23. 788 Die Zisterzienser standen in engem Kontakt zu Thomas Becket, da er sich auch zur Zeit seines Exils in Zisterzienserklöstern aufhielt. Hinzukommt, dass der Zisterzienserorden durch das Alexandrinische Schisma schwer getroffen wurde. Siehe dazu auch Hill, Archbishop Thomas Becket, S. 64–80. 789 Langenbahn, »de cerebro Thomae Cantuariensis«, S. 62ff. Langenbahn, Von der Begegnung zur Verehrung, S. 409–430. Langenbahn, Die wiederentdeckten Himmeroder Miracula, S. 121–164. 790 Himmerod stand zur Zeit des Alexandrinischen Schismas auf Seiten Papst Alexanders III. und dürfte daher auch für die Verehrung des standhaften Becket, wie Langenbahn, Von der Begegnung zur Verehrung, S. 417, vermutet, empfänglich gewesen sein. 791 Langenbahn, Von der Begegnung zur Verehrung, S. 420f. 792 Langenbahn, Die wiederentdeckten Himmeroder Miracula, S. 143. Vermutlich schloss Wilhelm von Canterbury sein Werk um 1178/ 1179 ab. 793 Langenbahn, »de cerebro Thomae Cantuariensis«, S. 71ff. Langenbahn weist dabei darauf hin, dass die Reliquienliste für den Altar wie eine Heiligen-Litanei aufgebaut ist, wobei Thomas Becket einen sehr prominenten und frühen Platz einnimmt. Allerdings, wie Stefan Langebahn ausführt, findet man Becket auch in anderen Litaneien, v. a. von Zisterziensern, sehr prominent aufgeführt.
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schön für die aus St. Thomas nach Canterbury übermittelten Mirakelberichte.794 Das Alexandrinische Schisma behinderte allerdings die Verbreitung des BecketKultes und erst nach dem Frieden von Venedig konnte er weitere Verbreitung finden.795 Köln war sicherlich nicht der Ursprungsort der Becket-Verehrung im Reich, wie St. Thomas an der Kyll, das Kloster Himmerod und die zisterziensischen Verbindungen zeigen. Doch können über Köln und den dortigen Kontakt zwischen Engländern und Stadtbürgern weitere Wundergeschichten, wie die in der Kölner Königschronik, vermittelt worden sein.
3.1.4 Die Verknüpfung der Hochzeit Heinrichs des Löwen mit dem Tod des Erzbischofs von Canterbury Allerdings ist am Eintrag der Kölner Königschronik, neben den Überlegungen zur Herkunft des Mirakels, auch eine weitere Verbindung interessant, da der Chronist nicht nur über die Ermordung Beckets berichtet, sondern auch über ein weiteres Ereignis. Zur gleichen Zeit (per idem tempus) – so berichtet die Chronik im Anschluss an das Mirakel – heiratet Heinrich der Löwe, nachdem er sich von seiner ersten Frau aufgrund zu naher Verwandtschaft getrennt hatte, die Tochter des englischen Königs796, eines Königs, der kurz – nach dem Zusammenhang der Chronik wenige Zeilen – zuvor noch den Erzbischof von Canterbury wegen dessen Festhaltens an der Gerechtigkeit zum Märtyrer gemacht hatte.797 Obwohl die Trennung798 Heinrichs des Löwen von Clementia von Zähringen 1162, die 794 Langenbahn, »de cerebro Thomae Cantuariensis«, S. 88f. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, dass die Mönche aus Himmerod Canterbury um eine Reliquie ersucht haben und sie daher auch die Mirakelberichte zugeschickt haben. 795 Langenbahn, Von der Begegnung zur Verehrung, S. 417. St. Thomas an der Kyll ist das einzige Patrozinium im Reich, das vor dem Frieden von Venedig entstand. Weitere folgten erst nach 1177, wie z. B. das Konpatrozinium der Gertrudenkapelle in Salzburg, vermutlich auf Wunsch Erzbischofs Konrads von Wittelsbach, einem Briefpartner und Freund Beckets oder in der der Benediktiner-Abtei Zwiefalten. Die Verehrung nach dem Frieden von Venedig und die starke Ausbreitung des Thomas-Kults bestätigt auch Barths Übersicht, Zum Kult des hl. Thomas Becket, S. 97–166. Der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg besuchte 1184 bei einer Reise nach England das Grab des ermordeten Bischofs. 796 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1172, S. 123 (Recensio I, II): Per idem tempus Heinricus dux Saxonum filiam regis Angliae duxit uxorem, repudiata priori ob famam consanguinitatis. 797 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1172, S. 123 (Recensio I, II): […] sanctus Thomas Cantuariensis archiepiscopus ob invictum aequitatis tenorem ab Heinrico Anglorum rege martirizatus est […]. 798 Die Trennung Heinrichs des Löwen 1162 von Clementia von Zähringen wurde mit zu enger Verwandtschaft begründet. Friedrich I. Barbarossa hatte die Auflösung der Ehe gefördert, um das welfisch-zähringische Bündnis zu schwächen. Friedrich I. konkurrierte mit den Zähringern um Besitz in Burgund und am Oberrhein. Die Beziehung zwischen dem Stau-
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erneute Heirat799 mit Mathilde von England 1168 und die Ermordung Beckets am 29. Dezember 1170 erfolgte, wurden diese drei Ereignisse durch den Historiographen in einem Eintrag verknüpft. Der mutmaßliche Kölner Chronist berichtet also zunächst breit über die Ermordung Beckets durch den englischen König, den er deutlich mit Namen benennt, und den folgenden Wundern des neuen Heiligen, bevor er dann im unmittelbaren Anschluss über die Verwandtschaftsbeziehungen des englischen Königs zum sächsischen Herzog berichtet. Damit setzt der Autor dieses ursprünglich rein englische Ereignis in Bezug zu Ereignissen der Reichsgeschichte und ordnet es somit ein. Eine solche Verknüpfung der Ermordung Thomas Beckets mit der zweiten Ehe Heinrichs des Löwen findet sich auch bei weiteren Chroniken. Burchard von Ursberg erwähnt die Ermordung im Umfeld des Jahres 1162.800 Hier steht zunächst die Trennung Heinrichs des Löwen von Clementia von Zähringen im Vordergrund – daher auch die Einordnung im Jahr 1162 – bevor der Chronist zur zweiten Ehe mit Mathilde überleitet, die vorgestellt wird als Tochter des englischen Königs Heinrich. Dieser wird benannt als derjenige, der für den Tod des Bischofs von Canterbury verantwortlich ist und ihn zum würdigen Märtyrer Gottes machte. Beckets Tod erscheint eher als Nebensache801 in Burchards Bericht und die Ermordung dient eher dazu, den englischen König vorzustellen und zu charakterisieren und somit auch die Verwandtschaft zum sächsischen Herzog aufzuzeigen. Bei der Kölner Königschronik wurde zwar auch dem englischen
ferkönig und den Zähringern war zeitweise so schlecht, dass Berthold IV. dem französischen König Ludwig VII. sogar Rat und Hilfe im Falle eines Angriffs angeboten hatte. Allerdings dürfte für Heinrich dem Löwen die Trennung willkommen gewesen sein, da er trotz vierzehnjähriger Ehe keinen männlichen Nachkommen hatte. 799 Die Ehe mit Mathilde von England war Teil eines Bündnisprojekts zwischen Friedrich I. und Heinrich II., welches 1165 durch Rainald von Dassel ausgehandelt wurde. Neben der Heirat des Welfen mit einer englischen Königstochter sollte auch Eleonore mit Friedrich, dem damals einzigen Sohn Friedrichs I., verheiratet werden. Dieser verstarb allerdings bereits 1170. 1167 schickte Heinrich der Löwe eine Gesandtschaft an den englischen Königshof, durch die Mathilde nach Sachsen begleitet wurde. Am 1. Februar 1168 wurde die Ehe im Dom zu Minden geschlossen. 800 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 46: Anno Domini MCLXII. Imperator Mediolanum destruxit. Eodem anno apud Constantiam in festo sancti Clementia factum est dissidium inter H[ainricum] ducem et uxorem suam Clementiam, filiam C[unradi] ducis Zaringie. Quod de consilio imperatoris dicunt factum fuisse. Duxit quoque prefatus dux uxorem filiam regis Anglie H[ainrici], qui Thomam Cantuariensem episcopum occidit et dignum martyrem Deo effecit; de qua genuit III filios: H[ainricum], qui postea fuit palatinus Reni, et Ottonem, qui modico tunc tempore fuit imperator, et quendam Willehelmum. 801 Die Erläuterung erfolgt auch in einem Nebensatz (Relativsatz) im direkten Anschluss an die Nennung des englischen Königs. Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 46: […] filiam regis Anglie H[ainrici], qui Thomam Cantuariensem episcopum occidit et dignum martyrem Deo effecit.
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König ebenfalls für das Martyrium die Verantwortung gegeben, aber die direkte Ausführung übernahmen Dienstleute des Königs.802 Ein sehr ähnlicher Aufbau wie in Burchard von Ursbergs Chronik findet sich bei den Marbacher Annalen. Ausgehend von der ersten Hochzeit Heinrichs des Löwen, wird von seiner folgenden Trennung und der neuen Ehe mit Mathilde, die hier Agnes genannt wird, berichtet. Ebenfalls wird hier der Schwiegervater durch den Tod Beckets, den er hier selbst umgebracht hat und keine Dienstleute, vorgestellt und charakterisiert.803 Thomas Becket zeigt sich hier wieder als die bekannte Größe, die dazu dient, eine Person und damit ein Verwandtschaftsverhältnis genauer zu bezeichnen und zu charakterisieren. Auffällig bei den Marbacher Annalen ist allerdings, dass der Tod Beckets ein zweites Mal erwähnt wird, wobei er diesmal richtig dem Jahr seines Todes zugeordnet wird. Dabei unterscheidet sich auch der Inhalt: Während beim ersten Quellenabschnitt zum Jahr 1152 das Verwandtschaftsverhältnis und durch wen Thomas Becket umgekommen ist, im Vordergrund steht, wird im zweiten Quellenabschnitt vor allem die Wundertätigkeit betont.804 Vermutlich wurden mit legenda plenius auf die bereits genannten Mirakelsammlungen Wilhelms von Canterbury oder Benedicts von Peterborough oder weitere hagiographische Darstellungen als die ausführliche Darstellung verwiesen. Für diesen zweiten Eintrag zu Becket verweist Hermann Bloch in seiner Edition auf die Bearbeitung der Marbach zugeschriebenen Annalen im Kloster Neuburg.805 Leider lässt sich nicht mehr nachvollziehen, ob bzw. auf welches der Werke zu Becket im Kloster Neuburg in diesem Text Bezug genommen wird, da die Neuburger Bibliothek 1525 zerstört wurde.806 Allerdings würde die Neuburger Bearbeitung auch die unterschiedliche Ausrichtung der Quellenabschnitte erklären. Während der 802 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1172, S. 123 (Recensio I, II): ab Heinrico Anglorum rege martirizatus est. […] a satellitibus regis occidebatur […]. 803 Annales Marbacenses, zum Jahr 1152, S. 48: 1152 Igitur H[einricus] dux Saxonie et Bawarie, prius quam patrum suorum in Bawaria recepisset sedem, duxerat uxorem filiam Cunradi ducis de Zeringen genuitque ex ea filiam, quae Danorum regi nupsit. Et consanguinitatis causa coniuge dimissa; accepit in matrimonium filiam Heinrici regis Anglorum, a quo beatus Thomas Cantuariensis passus est. / Heinricus itaque dux Saxonum et Bawariorum de compare sua Agnete, filia regis, genuit IIII filios: Heinricum, qui duxit unicam filiam Cunradi palatini Rheni uxorem et ob hoc post mortem Cu˚nradi palatinus effectus est; et Ottonem, qui ab avunculo suo Richardo rege Anglie factus est comes Pictavie, qui etiam nutu Dei factus est Romanorum imperator; Wilhelmum quoque, qui regebat ultra Alberiam fluvium Slavos, Fresones et Holzsezen; nec non et Lu˚therum, qui in expedicione prima Heinrici imperatoris militans in Apulia apud Augustam obiit. S. 48. 804 Annales Marbacenses, zum Jahr 1170, S. 51: Anno Domini MCLXX. Beatus Thomas a Cantuariensis episcopus martyrium est passus et inauditis cepit coruscare miraculis, sicut in legenda plenius inveniuntur. 805 Annales Marbacenses, S. 51, Anm. 2. 806 Deutinger, Zur Entstehung, S. 518.
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erste Abschnitt aus dem Augustinerchorherrenstift in Marbach stammt und vermutlich aus Quellen des 12. Jahrhunderts kompiliert wurde, könnte der zweite Abschnitt auf das zisterziensische Interesse und Wissen um Becket in Kloster Neuburg hinweisen.807 Eine der Quellen aus dem südwestlichen Raum des Reiches verknüpfte nicht die Trennung Heinrichs des Löwen von Clementia von Zähringen und die erneute Heirat mit Thomas Becket.808 Otto von St. Blasien stellt, im Unterschied zu den bisher betrachteten historiographischen Werken, den Eintrag zu Ermordung mit hiis diebus in zeitlichen Zusammenhang mit dem Frieden von Venedig, über den er zuvor berichtet, und verbindet die Ermordung zumindest temporal mit der Auseinandersetzung Friedrichs I. mit Papst Alexander III. Die Verknüpfung mit dem Frieden von Venedig könnte Anzeichen für die Ausbreitung des Kultes nach 1177 sein, die erst ab diesem Zeitpunkt großflächig erfolgte.809 Otto von St. Blasien benennt zwar ebenfalls deutlich König Heinrich als Mörder und verwendet dabei das Wort occisus, das deutlich auf Mord/ Totschlag verweist, aber eine Einordnung des englischen Königs in seiner verwandtschaftlichen Beziehung zu einem deutschen Fürsten unterbleibt. Heinz Krieg konnte darlegen810, dass die Chronik deutlich von Nähe zu den Zähringern geprägt ist, die aufgrund ihrer Position als Schutzvögte seit 1125 in engem Kontakt mit dem Kloster standen.811 Diese Position hatte zur Zeit der Scheidung Clementias von Zähringen von Heinrich dem Löwen ihr Bruder Herzog Berthold IV. inne und zur Zeit der Niederschrift der Chronik ihr Neffe Herzog Berthold V. Heinrich der Löwe wird dabei in der Chronik als Verräter gezeigt und auch wegen Untreue kritisiert.812 Dass an dieser Stelle dennoch seine Verwandtschaft mit König Heinrich II. nicht erwähnt wird, wie dies in den anderen Chroniken der Fall ist, liegt daher vermutlich an der ehemals engen Beziehung zwischen den Zähringern
807 Zur zisterziensischen Verehrung Beckets, vgl. Langenbahn, Von der Begegnung zur Verehrung, S. 418f. 808 Otto von St. Blasien, Chronica, S. 35: Hiis diebus beatus Thomas Cantuariensis archiepiscopus a rege Anglorum Heinrico multis iam diebus sede sua pro iusticia pulsus, ab eodem occisus in confessoris et martiris morte faciem matris ecclesie decoravit. 809 Otto von St. Blasien arbeitete nicht immer chronologisch. Auch finden sich zahlreiche zeitliche und sachliche Irrtümer in seinem Werk, was, wie Schmale vermutet, an fehlenden Notizen lag. Vermutlich hat er mehrere Ereignisse miteinander gedanklich verknüpft. 810 Krieg, Die Zähringer, S. 41. Wurster, Das Bild Heinrichs des Löwen, S. 417, hingegen geht bei seinen Analysen davon aus, dass das negative Bild bei Otto von St. Blasien durch die staufische Verehrung herrührt. 811 Ott, St. Blasien, S. 151. 812 Krieg, Die Zähringer, S. 56 u. S. 58. Krieg weist darauf hin, dass Heinrich der Löwe zunächst die Mitgift seiner Ehefrau tauschweise Friedrich I. überlassen hatte, bevor er sich, vermutlich mit dessen Antrieb, von Clementia scheiden ließ, wodurch auch die Zähringisch-Welfische Allianz zerbrach.
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und Heinrich dem Löwen, die kein einziges Mal in der Chronik angesprochen wird. Die Hälfte – vier von acht – der bisher betrachteten Chroniken, auch wenn sie in einem Abstand von 50 Jahren geschrieben wurden, wobei die Chroniken des 13. Jahrhunderts Quellen des 12. Jahrhunderts aufgreifen, haben gemeinsam, dass sie Heinrich II. beim Namen nennen und ihn klar in Verbindung mit dem Mord setzen. Alle vier Quellen zeigen deutlich die Verantwortung des englischen Königs hierfür auf. Dies geschieht bei Otto von St. Blasien und Burchard von Ursberg sogar mit dem Wort occidere, während die Kölner Königschronik dies einschränkt und auf die Durchführung durch Dienstleute des Königs verweist – a satellitibus regis occidebatur – aber trotzdem auf die Verantwortung des Königs verweist – ab Heinrico Anglorum rege martirizatus est. Die Wahrnehmung dieses englischen Ereignisses diente bei Burchard von Ursberg und den Marbacher Annalen in ihrer Darstellungsweise allerdings weniger dazu, das Martyrium Beckets zu beschreiben, als vielmehr den englischen König zu charakterisieren und das Verwandtschaftsverhältnis zu Heinrich dem Löwen aufzuzeigen. Thomas Becket selbst stand dabei im Hintergrund. Die Marbacher Annalen, aber auch die Chronik Burchards von Ursberg gelten dabei als kaiserfreundlich, vor allem in Bezug auf Friedrich I.; beide setzen den staufisch-welfischen Thronstreit voraus und blicken aus dieser Perspektive auf die Geschichte der Staufer und Welfen im 12. Jahrhundert zurück.813 Einen Grund, Heinrich den Löwen zu schonen, hatten sie nicht. Die Konflikte, die die Chronik Ottos von St. Blasien prägen, wurden bereits dargelegt. Die Kölner Königschronik ist in der Darstellung Heinrichs des Löwen durch die Auseinandersetzungen des Kölner Erzbistums mit Heinrich dem Löwen geprägt.814 Zwar behandelt sie das Martyrium Beckets und Heinrich den Löwen gleichberechtigt, aber auch sie zeigt deutlich die enge Beziehung zwischen dem sächsischen Herzog und dem englischen König an. 813 Zu den Marbacher Annalen und ihre kaiser-/ stauferfreundliche Orientierung: Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 124. Vgl. Die Chronik Ottos von St. Blasien und die Marbacher Annalen, hg. von Schmale, S. 10. Johannes Mangei, Die Zähringer in den sogenannten Marbacher Annalen, in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins Schau-ins-Land 116 (1997), S. 141–155, hier S. 150, hat allerdings auf die Ausgewogenheit im Zähringer-Bild hingewiesen. Die Chiavenna-Episode sollte dabei zwar nicht überbewertet werden, spielte aber in der Einordnung Heinrichs des Löwen durch die Chronisten eine Rolle, da sie diese negativ darstellen. Zu Burchard von Ursberg und seine kaiser-/ stauferfreundliche Orientierung: Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchards von Ursberg, hg. von Becher, S. 9. Vgl. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 119. 814 Zum Konflikt Heinrichs des Löwen mit dem Kölner Erzbischöfen siehe Droege, Das kölnische Herzogtum Westfalen, S. 284f. Zur Wahrnehmung Heinrichs des Löwen in der Kölner Königschronik siehe: Wurster, Das Bild Heinrichs des Löwen, S. 414. Vgl. Werthschulte, Heinrich der Löwe, S. 111f.
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Diese Linie der Wahrnehmung und Darstellung dieses englischen Ereignisses ist allerdings nicht die einzige in der deutschen Historiographie. Gerade im Umfeld des Welfenhofes entstandene Chroniken und Annalen zeigen ein anderes Bild. Bei Arnold von Lübeck, der die Slawenchronik Helmolds von Bosau fortsetzte, findet sich in Buch 1, 14 der längste Eintrag zum Tode Thomas Beckets in der deutschen Historiographie.815 Dieser Eintrag ist unbestimmt den Berichten aus den Jahren 1172/73 angefügt und wurde nicht wie in den anderen Quellen mit einem bestimmten Ereignis verbunden. Ähnlich wie in der Kölner Königschronik nimmt dabei ein Mirakel einen großen Teil des Eintrags ein.816 Dieses Mirakel, das sich zu Beckets Zeit im Exil in Frankreich zugetragen haben soll, berichtet von einem Trinkwunder. Zwar nahm der englische Erzbischof nicht selbst wahr, dass er durch seinen Segen, Wasser in Wein umwandelte, aber Papst Alexander III. erkannte dadurch, dass Becket ein heiliger Mann sei. Dieses Wunder steht im Widerspruch zu den Mirakelsammlungen Wilhelms von Canterbury und Benedicts von Peterborough, die keine Wunder Thomas Becket zu seinen Lebzeiten anführen. Der Zisterzienser Caesarius von Heisterbach betont sogar in seinem Dialogus Miraculorum – entstanden zwischen 1219 bis 1223 –, dass Thomas von Canterbury während der Zeit seiner Verfolgung durch keinerlei Wunderzeichen geglänzt hätte, weswegen darüber diskutiert worden sei, ob Thomas Becket überhaupt heilig sei. Christus habe den Märtyrer dann aber durch viele große Mirakel verherrlicht.817 Dieses Mirakel allerdings, von dem Arnold von Lübeck 815 Aufgrund der Länge wird dieser Eintrag aus Arnolds von Lübeck Chronica Slavorum, I, 14, S. 127 nicht komplett, sondern nur in Auszügen zitiert. 816 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, I, 14, S. 127: […] Accidit autem una dierum, cum apostolicus sederet cum episcopo, ut forte sitiret, et dixit puero assistenti sibi: Affer mihi aquam de fonte, ut bibam. Que cum allata fuisset, dixit apostolicus episcopo: Benedic et bibe. Qui benedixit aquam et mutata est in vinum, et bibens dedit apostolico. Cumque apostolicus intellexisset vinum, clam vocato puero, dixit ad eum: Quid detulisti michi? Qui dixit: Aquam. Et ille: Affer mihi adhuc, ait, de eadem. Cumque hoc secundo factum fuisset. iterum dixit apostolicus ad episcopum: Frater, benedic et bibe. At ille virtutem de se exisse nesciens, credens, ex industria vinum allatum fuisse, simpliciter benedixit, et iterum mutata est in vinum, bibensque dedit apostolico. At ille adhuc non credens, putans errore factum fuisse, tertio clam precepit afferri aquam, et tertio mutata est in vinum. Tunc expavit apostolicus, intelligens, eum virum sanctum esse et virtutem Dei in eo celebratam fuisse […]. 817 Caesarius von Heisterbach, Dialogus Miraculorum, VIII, 69, S. 1666f.: Quare beatus Thomas Cantuariensis plus ceteris martyribus miraculis choruscet. Beatus vero Thomas Episcopus Cantuariensis qui nostris temporibus pro ecclesiae libertate usque ad morten dimicavit, nullis miraculis in suis persecutionibus choruscavit, satisque de illo post occisionem disputatum est. Quidam dixerunt eum damnatum ut regni proditorem; alii martyrem uti ecclesiae defensorem. Eadem quastio Parisiis inter magistros ventilata est. Nam magister Rugerus iuravit illum dignum fuisse morte, et si non tali, beati viri constantiam iudicans contumaciam. Econtra magister Petrus Cantor iuravit esse martyrem Deo dignum, utpote pro libertate ecclesiae trucidatum. Quorum quaestionem Christus solvit, cum multis et magnis illum signis
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berichtet, findet sich ebenfalls bei dem englischen Chronisten Roger von Howden, allerdings in leicht veränderter und verkürzter Form.818 Roger von Howden war lange Jahre, bevor er 1189 in den Dienst des Bischofs von Durham trat, in der Kanzlei König Heinrichs II. tätig. Da sich Heinrich der Löwe und dessen Familie von 1182 bis 1185 im englischen Exil befanden und 1189 erneut, besteht die Möglichkeit, dass Arnold von Lübeck durch die welfisch-englische Verbindung in Kenntnis des Mirakels gelangte.819 Arnold von Lübeck bietet zwar dem Mirakel viel Raum in seiner Erzählung, bleibt allerdings, was das Martyrium betrifft, sehr vage. Zwar weist er mit qui cum pro lege Dei sui certaret auf den Hintergrund für Beckets Verfolgung hin und auch darauf, dass er eine Auseinandersetzung mit Heinrich II. hatte820, gibt allerdings die Verantwortung für seinen Tod nicht einer konkreten Person – der Leser erfährt nicht, durch wen oder wie Becket gestorben ist.821 Arnold von Lübeck ist der einzige dem welfischen Hof nahestehende Historiograph, der ausführlich, wenn auch sehr vage und die Verantwortung für die Verfolgung einer unbestimmten Masse zuweisend, über die Causa Becket geschrieben hat. Zwei weitere Historiographen, die Heinrich dem Löwen sehr nahestanden, sprechen das Martyrium nicht an. Arnolds Vorgänger Helmold von Bosau, der in seiner Slawenchronik Heinrich den Löwen als den »Fürsten aller Fürsten des Landes«822 preist, verzeichnet nicht das Martyrium Beckets. Er verweist auf die Ehe mit Mathilde von England823, aber weitere Informationen zum Handeln Heinrichs II. erhält der Leser nicht. Kenntnis vom Tod hatte er wahr-
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glorificavit. Non ideo tamen Apostolis sive aliis magnis martyribus in meritis praeferendus est, qui tanta et tam crebra miracula post mortem fecisse non leguntur. Roger von Howden, Chronica, Bd. 2, S. 11. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass die beiden Autoren unabhängig von der welfisch-englischen Verbindung der 1180er-Jahre in Kenntnis des Mirakels gelangten. Caesarius von Heisterbach, VII, 4, S. 1288, weist in seinem Dialgus Miraculorum extra darauf hin, dass mehr Legenden um Thomas Becket im Umlauf seien als in den Mirakelsammlungen zu finden seien. Daher zeichne er z. B. extra eines um der Vollständigkeit halber auf. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, I, 14, S. 127: Post hec dixit ad apostolicum: Domne, revertar in parrochiam meam et visitabo oves meas. Scio quidem iram regis michi imminere, sed obediendum est Deo magis quam hominibus. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, I, 14, S. 127: Circa tempus illud passus est in Anglia beatus Thomas Cantelbergensis archiepiscopus, vir sanctitate et miraculis insignis. Qui cum pro lege Dei sui certaret usque ad mortem, instante persecutionis tempestate, declinans iras malignantium secessit ad papam Alexandrum, qui tunc in Francia exulabat, et apud eum mansit diebus multis, in sanctitate et iustitia serviens Domino omnibus diebus vite sue. […] Et ita reversus in parrochiam suam, passus est 4. Kalendas Ianuarii, […]. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, II, 102, S. 102: Et increvit ducis potestas super omnes qui fuerunt ante eum, et factus est princeps principum terrae […].Vgl. dazu Scior, Das Eigene, S. 183. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, II, 106, S. 209: In tempore dierom illorum misit Heinricus dux Bawariae et Saxoniae legatos in Angliam, et adduxerunt filiam regis Angliae cum argento et auro et diviciis magnis, et accepit eam dux in uxorem.
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scheinlich, da er nach der Vermutung von Heinz Stoob das zweite Buch seiner Chronik Ende 1171 bis Sommer 1172 verfasste. Hätte der Verweis auf den Tod Beckets durch den englischen Schwiegervater die Überhöhung des sächsischen Herzogs als Slawenkämpfer und Friedensbringer, v. a. gegen Ende des zweiten Buches, der durch seine Taten die Slawenmission ermöglicht, eingeschränkt?824 Eine ebenso positive Sichtweise Heinrichs des Löwen nimmt Gerhard von Steterburg in seinem Chronicon Stederburgense ein.825 Der Chronist, der sich seit 1191 am Hofe des Löwen aufhielt und für ihn immer wieder diplomatische Missionen übernahm, berichtet in seinem Werk mit einem welfischen Standpunkt.826 Dabei weist er auch auf die welfisch-englische Verwandtschaft hin.827 Den Tod Beckets erwähnt er nicht. Das Ergebnis, dass sich im Braunschweiger Umfeld in den historiographischen Quellen keine oder wie im Falle Arnolds von Lübeck nur sehr vage Darstellungen des Martyrium Beckets finden lassen, verblüfft, da immer wieder auf die Bedeutung der angevinisch-welfischen Verbindung für die Verbreitung des Becket-Kults hingewiesen wurde.828 Dabei wurde herausgestellt, dass über die politischen und verwandtschaftlichen Verbindungen der Königsfamilie zum sächsischen Herzog die Verehrung Beckets propagiert worden sei. Dies mag für den künstlerischen/ kirchlichen Bereich der Verehrung zutreffen829, spiegelt aber nicht das Ergebnis der Untersuchung der Historiographie wider. Hier wird die 824 Vgl. Scior, Das Eigene, S. 183f. 825 Siehe hierzu besonders das Schlusskapitel in seinem Chronicon Stederburgense, S. 230f. 826 Nass, Geschichtsschreibung am Hof Heinrichs, S. 124. Auf die positive Sicht Heinrichs in der Steterburger Chronik weist auch Wurster, Das Bild Heinrichs des Löwen, S. 415, hin.Vgl. hierzu auch Werthschulte, Heinrich der Löwe, S. 88–100. 827 Gerhard von Steterburg, Chronicon Stederburgense, S. 221: Machtilden ducissam, filiam regis Anglorum […]. 828 Vgl. hierzu Slocum, Angevin marriage diplomacy, S. 219, und Rogers, The marketing of the holy dead, und Grassin, Le mythe de Thomas Becket, S. 92. 829 Im Umkreis des sächsischen Hofes lassen sich zahlreiche Verbindungen zu Thomas Becket finden, die als Zeichen der Verehrung Beckets mit Mathilde und der Verwandtschaft zum englischen König begründet werden dürften. Berühmtestes Beispiel stellt dabei das sogenannte Krönungsbild aus dem Evangeliar Heinrichs des Löwen dar, auf dem u. a. Becket als Patron über den Sachsenherzog und dessen Frau wacht. Der von Heinrich dem Löwen veranlasste Neubau der Stiftskirche St. Blasius erhielt neben dem Patronat Johannes des Täufers als dritten Patron Thomas Becket, was sich auch am Datum der Schlussweihe, die am 29. Dezember 1226 vorgenommen wurde, widerspiegelt. Aus dem späten 12. Jahrhundert stammen Glasfensterfragmente der Stiftskirche, von denen eines vermutlich Thomas Becket darstellt. Bei der Ausmalung der Stiftskirche um 1240/50 wurde der Vita Thomas Becket eine Szenenfolge an der Chorsüdwand gewidmet. Ebenso ist er auf dem Stiftssiegel aufgeführt. Daneben finden sich Becketreliquien im Imervardkreuz und im Büstenreliquiar des heiligen St. Blasius. Das Erwerbsdatum für diese Reliquien ist allerdings unbekannt, dürfte aber vor der Schlussweihe liegen, wobei unklar ist, ob die Reliquien explizit hierfür aus England angefordert wurden oder im Exil erworben wurden. Vgl. Nilgen, Heinrich der Löwe und England, S. 329f., Nilgen., Thomas Becket und Braunschweig, S. 219–234.
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Ermordung Beckets zwar verzeichnet, ohne dass der Leser Wissen zum Hintergrund erhält, oder das Ereignis wird überhaupt nicht erwähnt. Während man bei den bisher betrachteten Chroniken und Annalen die mehr oder weniger offene Parteilichkeit durch ihre gegenwartsgeprägte Standortgebundenheit erkennen und nachvollziehen kann, fällt dies bei drei weiteren Einträgen in den analysierten Quellen schwerer. Die Pegauer Annalen, ähnlich der Kölner Königschronik, verweisen auf die Ermordung Beckets durch Dienstleute Heinrichs II.830 Weitere Informationen und Einordnungen unterbleiben. Leila Wertschulte und Willi Rasche sehen in ihren Untersuchungen zum Bild Heinrichs des Löwen eine sehr sachliche und neutrale Einstellung des Pegauer Chronisten.831 Dies könnte am politischen Einfluss Sachsens auf diese Region gelegen haben, der sich zwar langsam verringerte, aber noch wirkmächtig war.832 In den Annalen des Magnus von Reichersberg833 ebenso wie in den Admonter Annalen834 erfährt man nur, dass Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury, in England gestorben ist. Das Sanctus könnte darauf hinweisen, dass diese Zeilen erst nach der Heiligsprechung geschrieben wurden. Diese Zurückhaltung ist verwunderlich, lagen doch Reichersberger Kloster und Admont noch im Herzogtum Bayern und Admont im erst 1180 von Bayern abgetrennten Gebiet der Steiermark und beide Klösterwaren eng mit Salzburg verbunden.835 Obwohl 830 Annales Pegavienses zum Jahr 1170, S. 260: In die Innocentum sanctus Thomas archiepiscopus Cantaburgensis a militibus regis Angliae martirizatur. 831 Werthschulte, Heinrich der Löwe, S. 118. Willi Rasche, Die Gestalt Heinrichs des Löwen, S. 19. 832 Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 404. 833 Chronicon Magni Presbiteri zum Jahr 1171, S. 496: Anno 1171. Sanctus Thomas archiepiscopus Cantwarie in Anglia passus est. Dieser Eintrag stammt aus der in Vorau liegenden Handschrift W4, die ursprünglich zu Seckau gehörte. Diese hatte W2, allerdings in einer nach Schmale vollständigen Fassung, und W1 als Grundlage und ist kontaminiert mit Lokalnachrichten zu Seckau. Es ist daher unklar, ob dieser Eintrag aus einem den Reichersberger Annalen stammt oder aus einem anderen Annalenwerk (Wattenbach verweist auf Admont für diese Stelle, aber Schmale bestreitet dies). Seckau, gegründet 1140 als eine Salzburg übertragene Stiftung, war ebenso wie Reichersberg ein Augustiner-Chorherrenstift und tief beeinflusst vom Reformgeist Erzbischof Konrads I. von Salzburg, Propst Gerho(h)s von Reichersberg. Aufgrund des unklaren Hintergrunds ist zunächst davon auszugehen, dass der Eintrag von Magnus von Reichersberg stammt, allerdings könnte er auch aus einer anderen Quelle kommen. 834 Annales Admontenses (Continuatio Admuntensis), S. 584: (Codices A) Sanctus Thomas archiepiscopus passus est. (Codices B) Sanctus Thomas archiepiscopus in Anglia passus est. 835 Admont war vom Salzburger Erzbischof Gebhard gegründet worden, wobei das Gründungskonvent vermutlich aus Mönchen aus dem Salzburger Kloster St. Peter bestand. Gebhard wählte auch Admont als seine letzte Ruhestätte. Zwar hatte sich die anfängliche enge Bindung an Salzburg im Laufe des 12. Jahrhunderts gelockert – so wurden die Äbte nicht mehr durch den Salzburger Erzbischof eingesetzt – aber die Verbundenheit blieb. So musste sich Erzbischof Konrad II. aufgrund seiner Weigerung, Gegenpapst Paschalis III.
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Erzbischof Konrad I. (III.) von Salzburg ein Briefpartner Thomas Beckets gewesen war und ein Konpatrozinium des neuen Heiligen in der Gertrudenkapelle in Salzburg veranlasste, finden sich nicht mehr Informationen über Becket.836 Nach Schmale dürften die wechselhaften politischen Verhältnissen für diese nicht eindeutige und nicht einheitliche Orientierung der südostdeutschen Historiographie verantwortlich sein.837
3.1.5 Zusammenfassung Die Analyse der acht Nennungen zu Thomas Becket in den analysierten Quellen hat ergeben, dass die Wahrnehmung und Darstellung dieses Ereignisses im Reich nicht einheitlich erfolgte, sondern kleinräumig von Kloster zu Kloster bzw. Chronist zu Chronist betrachtet werden muss. So lassen sich drei Rezeptionsansätze finden, die durch die institutionelle Gebundenheit der Chronisten in ihrer Wahrnehmung des Fremden zustande kamen.838 Während der erste Ansatz sehr offensiv die Ermordung behandelte und sie mit einem weiteren Ereignis verknüpfte, findet sich beim zweiten Ansatz nur sehr allgemeine Andeutungen oder die welfisch geprägten Chronisten schwiegen grundsätzlich dazu. Im dritten Ansatz wurde versucht, einen neutralen Standpunkt dazu einzunehmen. Die Aussage »Die Nachricht vom Mord in der Kathedrale von Canterbury […] [drang] wie ein Lauffeuer durch ganz Europa«839 spiegelt sich zumindest in der
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anzuerkennen auf seiner Flucht zeitweise in Admont versteckt halten. Reichersberg, trotz der Lage in der Diözese Passau, gehörte zum Erzbistum Salzburg. Zu einer geistlichen und wirtschaftlichen Blüte kam es durch die Berufung Gerhochs als Propst durch Erzbischof Konrad I. Falls der Eintrag ursprünglich nicht aus Reichersberg stammt, sondern aus einem anderen (österreichischen?) historiographischen Werk, hatte der Schreiber in Seckau doch einen ähnlichen kirchenpolitischen Hintergrund wie Magnus von Reichersberg. Zur Stellung Konrads im Schisma: Waldecker, Vom Rhein zum Tiber und zurück, S. 141– 152. Langenbahn, Von der Begegnung zur Verehrung, S. 417. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 162f., S. 210. Die Ähnlichkeit der beiden Einträge könnte an den engen Beziehungen zwischen den Klöstern gelegen haben, sodass der ursprüngliche Charakter eines einzelnen Annalenwerkes sich schwierig zu erkennen zeigt. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 1, S. 163, weist ebenfalls auf drei unterschiedliche historiographische Rezeptionsräume hin, die sich mit den Ergebnissen dieser Untersuchung bzgl. der Wahrnehmung des Fremden decken: die sächsische Historiographie orientiere sich, in der Tradition Lothars stehend, am welfischen Herzog, die Ausrichtung der südwestdeutschen und elsässischen Geschichtsschreibung auf das Reich bzw. die Staufer (wobei, wie sich u. a. bei Otto von St. Blasien zeigte, dass die Hintergrundanalyse der Quellen vergrößert werden muss) und die südostdeutsche Historiographie mit der kirchenpolitisch bedingten Zurückhaltung gegenüber dem Reich und seinen staufischen Herrschern sowie aufgrund der territorialpolitischen und dynastischen Diskontinuität. Nilgen, Thomas Becket und Braunschweig, S. 224.
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Historiographie des 12. und 13. Jahrhundert im Reich nicht wider. Zumindest die Wiedergabe in der Historiographie erfolgte vielschichtiger, als dieses Zitat vermuten lässt. Das fremde Ereignis stand hier nicht für sich, sondern wurde von den Historiographen, sowohl in den kleineren Annalen als auch in den großen Chroniken, bewusst im Hinblick auf ihre geistlichen und weltlichen Gemeinschaften interpretiert und integriert und ist auch als eine daraus erwachsene Stellungnahme zu dieser Gemeinschaft verstehbar. Beide Beispiele – die Ehe Heinrichs V. mit Mathilde von England und das Martyrium Beckets – haben gezeigt, wie sehr personale und lokale Faktoren auch in Bezug auf auswärtige/ fremde Ereignisse die Darstellung beeinflussten. Zunächst bestimmten lokale und personale Faktoren die Informationsbasis. Das Sondergut der Mirakel in der Kölner Königschronik oder bei Arnold von Lübeck weist wahrscheinlich auf die enge Verbindung zwischen Köln und London bzw. dem Welfenhof und England hin, die Disibodenberger Annalen wissen ob ihrer Nähe zum Trifels genauer über die Rückkehr Mathildes nach England Bescheid, die Kölner Königschronik kennt die näheren Umstände zur Krönung Mathildes, die anonyme Kaiserchronik berichtet durch eine eventuelle Teilnahme des Schreibers oder eines bedeutenden Augenzeugen so ausführlich über die Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde. Standen bei der Darstellung der Heirat Heinrichs V. mit Mathilde von England zunächst das Befolgen alter Sitten Heinrichs im Vordergrund und der Rat und Konsens der Fürsten bei den prächtigen Hochzeitsfeierlichkeiten – ein Bild, das noch wirkmächtiger wurde, da die weitere Beschreibung des Zustand des Reiches und des Kaisers negativer wurde – positionierten sich die Quellen bei der Darstellung der Ermordung Beckets, z. T. mit der dabei erfolgten Verknüpfung mit der zweiten deutsch-englischen Verbindung, in ihrer Position zu Heinrich dem Löwen noch wesentlich kleinräumiger. Zwar wird in den Quellen von aus England stammenden Personen und von in England stattgefundenen Ereignissen berichtet, aber die Darstellung dieser aus einem fremden Land stammenden Personen und in einem fremden Land sich ereigneten Begebenheiten bedeutet nicht unbedingt eine Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen oder Personen bzw. mit England an sich. Vielmehr spiegelt die Darstellung die innere Auseinandersetzung mit Kaiser bzw. Fürsten wider. Die bloße Wahrnehmung eines fremden Ereignisses oder einer fremden Person bedeutete für die Chronisten nicht unbedingt eine Auseinandersetzung mit dieser Fremdheit. Vielmehr nahmen die Chronisten, beschränkt durch ihre institutionelle Gebundenheit, die Nachrichten über auswärtige Ereignisse jeweils zum Anlass, Reichspolitik darzustellen.
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3.2.1 Historischer Hintergrund Die doppelte Papstwahl nach dem Tod Hadrians IV. am 1. September 1159 in Anagni prägte die folgenden 18 Jahre der Regierung Friedrich Barbarossas bis zum Frieden von Venedig 1177.840 Der Tod Hadrians IV. und die folgende Doppelwahl erfolgte in einer Zeit, in der es bereits heftige Spannungen zwischen Papsttum und dem Kaiser durch den Vertrag von Benevent 1156, der Einziehung des fodrum in Oberitalien ohne Rücksicht auf die Petersregalien, gegenseitige Gesten demonstrativer Missachtung und Beziehungen und Verhandlungen mit dem römischen Senat und dem Romadel gegeben hatte.841 Oktavian de Monticelli, der zwar nicht die Mehrheit der Kardinäle hinter sich vereinen konnte, aber den römischen Senat, Adel und Volk hinter sich wusste, wurde am 07. September 1159 als Papst Viktor IV. ausgerufen. Er, der auch mit dem Kaiser verwandt war, galt dabei als besonderer Freund der Deutschen, ein Ruf, den er sich als mehrmaliger päpstlicher Legat im Reich, aber auch bei seiner Unterstützung der Kaiserkrönung 1155 erworben hatte.842 Roland Bandinelli hingegen, der am 18. September 1159 von der Mehrheit der Kardinäle gewählt wurde, stand für die Fortführung der Politik Hadrians IV., wobei er schon in der Vergangenheit durch seine Rolle bei den Verhandlungen zu Benevent und seine Auseinandersetzung mit Friedrich I. und Rainald von Dassel in Besanҫon sein Selbstbewusstsein gegenüber dem Kaiser gezeigt hatte.843 Unmittelbar nach der Doppelwahl suchten Alexander III., Viktor IV. und Friedrich I. diplomatische Kontakte, sei es um andere von ihrer Wahl zu überzeugen bzw. um eine Festlegung zu verhindern.844 Ebenso wie die beiden Päpste 840 Einführend, wenn auch sehr knapp und in manchen Ansichten überholt: Engels, Die Staufer, S. 87–95. Immer noch grundlegend: Reuter, The Papal Schism. Die neueste, umfassendste Beschäftigung: Clarke/ Duggan (Hgg.), Pope Alexander III (1159–81). Vgl. auch Laudage, Alexander III. Maleczek, Das Schisma, S. 165–204. Eine weitreichende Neubewertung der reichspolitischen Voraussetzungen und Konsequenzen nimmt Görich, Friedrich Barbarossa, S. 316–323, S. 389–461 vor. 841 Görich, Friedrich Barbarossa, S. 318–323. Zu den Auseinandersetzungen in, mit und um Rom siehe Doran, »At least we reached the port of salvation«, S. 51–98. 842 Görich, Friedrich Barbarossa, S. 321. Görich, Friedrich Barbarossa, S. 322, weist drauf hin, dass Friedrich I. durch seine Haltung gegenüber Rom, die Wahl Oktavians gefördert und vermutlich auch gebilligt hatte. Dies wäre sein Anteil an der Entstehung des Schismas. 843 Zur Person Alexanders III. und den Gründen für seine Wahl, Duggan, Alexander ille meus, S. 13–49. 844 Zu diesen diplomatischen Aktivitäten siehe Reuter, The Papal Schism, S. 12–16, S. 24–42. Vgl. Johrendt, The Empire and the Schism, S. 99–126. Hier sei auf die Rundschreiben und Briefe unmittelbar nach der Wahl verwiesen, die in den Gesta Friderici zu finden sind:
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begann Friedrich I., der spätestens neun Tage danach von der Doppelwahl informiert war, Lösungen auf Reichs-, aber auch auf internationaler Ebene zu suchen. Stefan Weinfurter vermutet, dass Barbarossa das Schisma als Möglichkeit ansah, seine Stellung in höchste Höhen zu führen und seine kaiserliche Autorität auszubauen.845 Jochen Johrendt hingegen sieht das Verhalten Friedrichs I. eher darin begründet, – im Unterschied zu Lothar III., der 1130 lange Zeit eine eher abwartende Haltung einnahm –, dass jener schon zum Kaiser gekrönt und damit auch defensor ecclesiae war.846 Friedrich I. hatte immer wieder die kaiserlichen Rechte und die damit einhergende Verantwortung betont. Außerdem befand er sich beim Ausbruch des Schismas auf seinem zweiten Italienzug und damit unmittelbar im Zentrum des Geschehens. Bei seinem Vorgehen suchte der Kaiser, eine vorzeitige Parteinahme in seinem Reich zu verhindern, gleichzeitig wollte er Könige und Bischöfe anderer Königreiche, wie England und Frankreich, an einer Lösungsfindung beteiligen.847 Ziel Barbarossas war ein allgemeines Konzil, das er zwar einberief, bei dem aber allein kirchliche Personen ein Urteil fällen sollten.848 Dieses Konzil849 in Pavia wurde für Anfang des Jahres
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Rundschreiben Viktors IV., in: Rahewin, Gesta Friderici IV, 60, S. 297–299; Brief der Wähler Viktors IV, in: Rahewin, Gesta Friderici IV, 62, S. 303–307; Rundschreiben Alexanders III., in: Rahewin, Gesta Friderici IV, 61, S. 299–303; Brief der Wähler Alexanders III., in: Gesta Friderici IV, 63, S. 307f. Reuter, The Papal Schism, S. 24–26, verweist, dass von Viktor IV., anders als bei Alexander III., nur diese Wahlanzeige und diese Rechtfertigung bekannt sind, und dass er aufgrund fehlender Möglichkeiten sein Anliegen auch nur im Reich bekannt machte, während es Alexander III. durch sein Netzwerk, seine Wahl und deren Umstände zahlreichen Bischöfen und Königen bekannt machte. Maleczek, Das Schisma, S. 182f., sieht ebenso wie Reuter schon zu Beginn des Schismas Alexanders Erfolg in der besonderen Qualität seines kurialen Apparates begründet. Nicht nur die Wahlanzeige verschickte er europaweit an Bischöfe und Könige, auch lassen sich in den 16 Monaten in Agnani von Mitte Dezember 1159 an rund 100 Urkunden, die für französische, österreichische, spanische und sizilische Bischöfe und französische, englische, oberitalienische, österreichische und spanische Klöster ausgestellt wurden, finden. Weinfurter, Papsttum, Reich, S. 93. Ebenso Goez, Papsttum und Kaisertum, S. 73. Johrendt, The Empire and the Schism, S. 104. Ebenso sieht Reuter, The Papal Schism, S. 26f., den Grund für Barbarossas handeln in seinen Vorstellungen als Schutzherr des Papstes. Außerdem hätten auch die Bischöfe diese Aufgabe an ihn herangetragen. So ist ein Brief Friedrichs I. an Erzbischof Eberhard I. von Salzburg erhalten, in dem er ihn bittet, nicht vorzeitig Partei zu ergreifen, da er sich um gemeinsames Handeln mit den Königen von England und Frankreich bemühe. Siehe Brief Nr. 39, in: Die Admonter Briefsammlung nebst ergänzenden Briefen, hg. v. Hödl und Classen, S. 76–78. Vgl. Brief vom 28. Oktober 1159 von Friedrich I. an König Heinrich II. von England, in dem er ihn bittet, die Bischöfe und Äbte zum Konzil zu schicken: Brief Nr. 183, in: MGH Constitutiones I, S. 254f. Auf der Seite Alexanders III. wurde wiederholt die Neutralität des Kaisers in Zweifel gezogen, sodass er nur für Viktor IV. entscheiden würde. Auch in der Forschung ist die Haltung Barbarossas umstritten. Während Laudage, Alexander III., S. 118f., und Reuter, The Papal Schism, S. 28, der Ansicht sind, dass Barbarossa, zumindest öffentlich, eher eine
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1160 einberufen, hatte allerdings nicht den gewünschten Erfolg, da das Ergebnis – die Bestätigung Viktors IV. durch rund 50 Bischöfe – nicht von allen anerkannt wurde. Die alexandrinische Seite lehnte das Konzil ab, da sie sich durch die breite Mehrheit bei der Wahl im Recht sahen, die Römische Kirche von niemand gerichtet werden dürfe und der Kaiser nicht unparteiisch wäre.850 Daher erschien Alexander III. ebenso wie seine Unterstützer im Gegensatz zu Viktor IV. nicht. Auch im Reich mehrte sich die Kritik und einige Bischöfe unterstützten Alexander III.851 Schwerwiegender war allerdings, dass aus England und Frankreich zwar Beobachter gekommen waren, diese sich aber nicht an der Entscheidung beteiligten. Vielmehr wurde in London und dann im Juli 1160 gemeinsam in Beauvais Konzilien mit englischen und französischen Bischöfen durchgeführt, die sich für Alexander III. als rechtmäßigen Papst aussprachen.852 Eine einmütige Entscheidung mit Bischöfen aus dem Reich, England und Frankreich war damit gescheitert und bis Ende 1160 unterstützte der gesamte orbis christianus, bis auf das Reich, Böhmen, Polen und Dänemark, Alexander.853 Das Konzil von Pavia war also nicht der Schlusspunkt, sondern bestimmte nur den Anfang des alexandrinischen Schismas. Die anschließenden Monate waren von gegenseitiger Exkommunikation und dem Werben für den eigenen Standpunkt bestimmt. Die Forschung sieht die anschließenden Jahre von zwei angedachten bzw. vermuteten Obödienzwechseln auf Seiten Frankreichs und Englands geprägt. Im Frühjahr 1162 kam unter den am Schisma beteiligten Gruppen Unruhe auf, als der französische König über seinen Schwager, Graf Heinrich vonTroyes, Verhandlungen mit Friedrich I. über die Beendigung des Schismas aufnahm.854 Deren Ergebnis war, dass das Schisma durch ein am 29. August 1162 tagendes Konzil in Saint-Jean-de-Losne beendet werden sollte. Erschiene Viktor IV. oder Alexander III. nicht, wäre automatisch der andere rechtmäßiger Papst. Aufgrund des Beharrens auf seiner bisherigen Rechtsauffassung folgte Alexander III. nicht
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neutrale Haltung einnahm, hat Görich, Friedrich Barbarossa, S. 393, an der Parteinahme für Viktor IV. keine Zweifel. Freed, Frederick Barbarossa, S. 262, weist darauf hin, dass es zwar üblich ist, von der Synode von Pavia oder dem Konzil von Pavia zu sprechen, allerdings nutzte Friedrich I. nie diesen Begriff, sondern sprach von einer curia. Laudage, Alexander III., S. 121. Johrendt, The Empire and the Schism, S. 106. Reuter, The Papal Schism, S. 41. In Frankreich gab es von Beginn an eine sehr breite Unterstützung Alexanders. Heinrich II. konnte durch das Akzeptieren der Londoner Entscheidung auf die breite Zustimmung der englischen Bischöfe bauen. Auch befand er sich zu dieser Zeit in Friedensverhandlungen mit Ludwig VII., wo eine andere Haltung in der Papstfrage nur zu Schwierigkeiten geführt hätte. Reuter, The Papal Schism, S. 59. Laudage, Alexander III., S. 128f. Zur Forschungsgeschichte und zum Ablauf und Hintergrund der Verhandlungen siehe S. 128–139. Laudage vermutete als Auslöser einen Drohbrief des Kaisers an Ludwig VII. und deutsch-englische Bündnisgespräche im Dezember 1161.
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der Aufforderung Ludwigs VII. Beim Treffen der beiden Herrscher plus Viktors IV. auf der vereinbarten Brücke konnte Ludwig VII. allerdings eine Vertagung erreichen. Noch während der vereinbarten Frist hielt Friedrich I. eine Art Synode mit Hoftag unmittelbar neben der Brücke ab und ließ Viktor zum Papst ausrufen. Laudage vermutet, dass der Kaiser die Undurchführbarkeit seiner Pläne erkannte, da der französische König nicht wirklich vor hatte, die Obödienz zu wechseln, und beschloss, sich ab jetzt auf seine eigenen Kräfte zu verlassen.855 Der Versuch, sich nach Pavia erneut mit dem französischen König zu verständigen, war gescheitert, was vermutlich auch daran lag, dass der französische König aufgrund eines zwischenzeitlich abgeschlossenen Beistandspaktes mit der Unterstützung des englischen Königs für den Fall eines kaiserlichen Angriffs rechnen konnte.856 Eine zweite Entwicklung wurde besonders in der deutschen Forschungsmeinung lange diskutiert, welche mit dem Begriff der »Würzburger Eide« verbunden wird.857 Vorausgegangen war der Tod Viktors IV. und die Neuwahl Paschalis III. Aufgrund der wachsenden Widerstände im Reichsepiskopat858 gegen diese Wahl wollte Friedrich I. mit dem Hoftag zu Würzburg Pfingsten 1165 sämtliche Reichsfürsten auf die Obödienz Paschalis’ III. verpflichten und somit das Reich wieder einen.859 Lange Zeit wurde vermutet, dass Heinrich II. in die Obödienz 855 Laudage, Alexander III., S. 145. Laudage verweist auf den Bericht von Saxo Grammaticus zu diesem Hoftag, bei dem Friedrich I. sichtlich verärgert geäußert haben muss, dass er die provinciarum reges nur gnadenhalber zu einem Kolloquium eingeladen hätte, da es widerrechtlich wäre, wenn ein fremder Herrscher über den Bischof einer Stadt entscheide, die in einem anderen Herrschaftsgebiet liege. Rainald von Dassel bestätigte dies und bekräftigte diese Auffassung bei einem erneuten Treffen mit dem französischen König. 856 Laudage, Alexander III., S. 148. 857 Zuletzt mit den neuesten Erkenntnissen Hanna Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 150– 171. Vgl. Reuter, The Papal Schism, S. 124–136, Johrendt, The Empire and the Schism, 113–117, Görich, Friedrich Barbarossa, S. 407–411. Überholt Rill, Zur Geschichte der Würzburger Eide, S. 7–19. 858 Hauptgegner der kaiserlichen Poltik waren die Erzbischöfe von Salzburg und Konrad I., Erzbischof von Mainz. Salzburg als Zentrum der alexandrinischen Befürworter musste immer wieder kaiserliche Repressionen hinnehmen, wobei Eberhard I., Konrad II. und Adalbert III. auch immer wieder vermittelnde Postionen einnahmen. Konrad von Mainz hatte zunächst die Wahl Paschalis III. zu verhindern gesucht. 1165 ersetzte ihn der Kaiser durch Christian von Buch, woraufhin er nach Frankreich zu Alexander III. ins Exil ging und auch Thomas Becket traf. Die Zisterzienser gaben schon in Beauvais eine Obödienzerklärung für Alexander III. ab, bevor sich dann das Generalkapitel im September 1160 offiziell für ihn aussprach. Im Reich versuchten die Zisterzienser überwiegend einen offenen Bruch mit dem Kaiser zu vermeiden. Besonders die Admonter und die Ebracher Briefsammlung zeigen den Kontakt und regen Austausch der Anhänger Alexanders III. mit ihm und untereinander. 859 Georgi, Die auswärtigen Mächte, S. 120, und Engels, Die Staufer, S. 88, vermuten hingegen, dass ursprünglich eigentlich ein Ausgleich Friedrichs I. mit Alexander III. geplant war und das Schisma beigelegt werden sollte.
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Paschalis’ III. wechseln wollte, da Rundbriefe Friedrichs verkündeten, dass Gesandte des englischen Königs auf dem Hoftag geschworen hatten, Paschalis zu unterstützen und Alexander keine Unterstützung zu gewähren.860 Den Grund für diesen Wechsel sah man in dem Konflikt mit Thomas Becket, dessen Flucht nach Frankreich und seinem Kontakt zu Alexander III. begründet. Als Basis des Abkommens vermutete man die Reise Rainalds von Dassel an den angevinischen Hof und die Eheabsprachen zwischen zwei Töchtern Heinrichs und einem Sohn Friedrichs und Heinrich dem Löwen. Hanna Vollrath konnte mit ihrem Artikel »Lüge oder Fälschung?« darlegen, dass die englischen Gesandten auf einen Beistandspakt schworen und Friedrich die Wahrheit umformulierte und daraus in den Rundschreiben eine aktive Unterstützung seiner Politik machte.861 Sie nennt den Brief sogar eine Propagandaschrift Barbarossas für seinen Papst Paschalis.862 Nach der Synode von Pavia, dem Treffen in Saint-Jean-de-Losne und dem Hoftag zu Würzburg finden sich kaum noch Hinweise auf die Involvierung Englands oder Frankreichs im Schisma. Erst als Barbarossa 1168/69 nach dem Tod Paschalis und der Neuwahl von Calixt III. Verhandlungen mit Alexander aufnahm, finden sich auch Hinweise auf Gesandtschaften nach England und Frankreich.863 So wenig erfolgreich die Verhandlungen mit Alexander waren, brachten auch diese Verhandlungen mit England und Frankreich keine Veränderungen für das Schisma. 860 Barbarossas Bericht über die Würzburger Eide sind in vier unterschiedlichen Briefe und Rundschreiben überliefert, siehe MGH DD. F. I. 480–483, S. 395–402. Als Anerkennung dieses Rundschreibens gilt auch ein Brief Johann von Salisburys an Johann von Canterbury, in dem er auf die Eide der englischen Gesandten hinweist. Siehe hierfür Brief Nr. 177 an John of Canterbury, bishop of Poitiers, in: The Letters of John of Salisbury. Bd. 2, hgg. von Millor/ Brooke, S. 178–185. Auch ein anonymer Brief an Alexander spricht von den Eiden, der in zwei Fassungen überliefert ist: Nr. 98, S. 184–188 und Nr. 99, S. 188–191, in: MTB, Bd. 5. Der Ansicht, dass Heinrich II. die Obödienz wechseln wollte, waren, Reuter, The Papal Schism, S. 131, und Baldwin, Alexander III, S. 100. Maleczek, Das Schisma, S. 201, relativiert etwas diese Ansicht, wenn er schreibt, dass es so aussah, als ob der Wechsel kurz bevorstände. Laudage, Alexander III, S. 159f., weist allerdings darauf hin, dass es schon lange Zweifel an der Darstellung des Ablaufs und v. a. an der Einigkeit im deutschen Episkopat gab. 861 Vollrath findet den plötzlichen Obödienzwechsel unplausibel, da die Mehrheit der Bischöfe in England für Alexander III. gewesen seien und man dessen Anerkennung seit 1160 verfolgt habe. Mit einem plötzlichen Obödienzwechsel, der ohne Rücksprache erfolgt wäre, hätte Heinrich II. das labile Gleichgewicht in England zerstört. Auch habe es, nachdem der Rundbrief und die weiteren Schreiben aufkamen, sofortige Dementi von englischer Seite gegeben. Dass die Briefe an Alexander aber von Thomas Becket stammten, bezweifelt sie, da sonst Heinrich II. wesentlich schlechter dargestellt worden wäre. Sie vermutet einen persönlichen Gegner Rainald von Dassels hinter dem anonymen Autor. 862 Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 171. 863 Für die Quellenberichte zu den Verhandlungen siehe RI IV, 2,3 n. 1811, n. 1813, n. 1814, n. 1815, n. 1820. Vgl. Laudage, The Empire and the Schism, S. 187ff.
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Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen des deutschen Reiches
Was die Synode von Pavia, das Treffen in Saint-Jean-de-Losne und der Hoftag zu Würzburg zeigen, ist, dass das alexandrinische Schisma in seinen Entwicklungen und Diskussionen nicht nur auf das Reich beschränkt war. Vielmehr wurde von Friedrich I. und Rainald von Dassel Unterstützung im Ausland gesucht ebenso wie Heinrich II. und Ludwig VII. aktiv und unabhängig vom Reich ihre Politik gestalteten. Neben Alexander III., den Gegenpäpsten und den drei Herrschern gab es auch die Ebene der Bischöfe und Äbte über den Kontinent hinweg, die durch ihre Haltung, ihr Handeln und ihre unabhängige Kommunikation die Politik ihrer Herrscher und damit auch das Schisma maßgeblich bestimmten. Diese meist als Wende864 in den Beziehungen des Kaisers zum englischen oder französischen König bezeichnete Entwicklung mit verdichteten Kontakten findet sich auch in der deutschen Historiographie wieder. In sechs Chroniken und Annalen wird einmal oder mehrfach auf England im Bericht zum Schisma verwiesen. Die Fragen, wann England in den Auseinandersetzungen wahrgenommen wurde, was man über Englands Rolle wusste und wie diese dabei gesehen wurde, ist deswegen so interessant, da nicht das unmittelbare Handeln der Protagonisten im Vordergrund steht, sondern es um die Wahrnehmung eines Landes bzw. seines Herrschers durch den verarbeitenden Blick des Historiographen geht. Was hielten diese für wichtig, welche Rolle maßen sie England zu und wie bewerteten sie diese?
3.2.2 Einträge in den Quellen Ein großer Teil der Einträge entstand relativ unmittelbar zu den Ereignissen. Rahewin schrieb um 1160 die Bücher III und IV der Gesta Friderici. Aus den Jahren 1159/1160 stammen auch die fünf Einträge zu England, wobei drei Einträge durch übernommene Briefe zustande kamen.865 Die Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui entstanden um 1163, wobei sie im Anschluss fortgeführt wurden. Der Eintrag hier stammt aus dem Jahr 1161.866 Helmold von Bosau 864 Ahlers, Die Welfen, S. 25. 865 Rahewin, Gesta Friderici, IV, 65, zum Jahr 1159, S. 309f. Der Eintrag findet sich auf S. 310. Ders, Gesta Friderici, IV 66, zum Jahr 1159, S. 310–312. Der Eintrag findet sich auf S. 311. Der., Gesta Friderici, IV, 80, zum Jahr 1160, S. 331–336. Der Eintrag findet sich auf S. 335. Der., Gesta Friderici, IV 81, zum Jahr 1160, S. 336f. Der Eintrag findet sich auf S. 337. Ders., Gesta Friderici, IV, 84, zum Jahr 1160, S. 341. 866 Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui zum Jahr 1161, S. 20. Einen ausführlichen Bericht zu diesem Konzil in Cremona, bei dem nach den Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui Bischöfe aus Deutschland und Italien, aber auch Boten aus England und Frankreich Roland abgelehnt hätten, bietet Acerbus Morena, in Ottonis Morenae et continuatorum Historia Frederici, hg. v. Güterbock, S. 138ff. Nach Acerbus Morena sollte dieses Konzil 1161 ursprünglich erst in Pavia, dann in Cremona stattfinden und wurde dann nach Lodi verlegt.
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verfasste Buch I seiner Slawenchronik nach 1163, die er später fortsetzte. Zum Jahr 1159/1160 schrieb er von England im Zusammenhang mit dem Schisma.867 Zeitlich mit größerem Abstand, aber vermutlich noch vor dem Frieden von Venedig, entstand der Eintrag in der Kölner Königschronik.868 Otto von St. Blasien, der seine Chronica auch als Forsetzung der Werke Ottos von Freising ansah, stützte sich für die Erzählung zum Schisma auf die Gesta Friderici, wobei er erst die Konfliktparteien nennt, bevor er auf den Tatenbericht als das ausführliche Werk verweist.869 Burchard von Ursberg, der erst zur Zeit des Friedens von Venedig geboren wurde, erwähnt ebenfalls England im Zusammenhang mit dem Schisma.870 Bei den Einträgen ist zunächst festzustellen, dass Kenntnisse beim Thema »England und das Schisma« im Reich weit verbreitet waren. Obwohl die meisten Einträge sehr früh entstanden und man damit das Wissen der Historiographen darüber nicht der Benutzung von Chroniken und Annalen verdanken kann, findet sich in Köln, Erfurt, Bosau und im Süden des Reiches Wissen zu Englands Position dazu. Die Briefe des deutschen und englischen Königs wie auch die Briefe von Alexander III. und den Bischöfen, aber auch die Konzile englischer und französischer Bischöfe in London und Beauvais 1160 zeigen, dass England von den Akteuren als bedeutender Faktor wahrgenommen wurde, selbst aber auch von sich aus aktiv wurde und somit sich durchaus als wichtigen Entscheidungsträger ansah. Knut Görich schreibt in seiner Biographie zu Friedrich Barbarossa, dass dieser sich bewusst war, dass das Schisma nicht allein in Rom entschieden werden würde und die europäischen Königreiche ins Gewicht fallen würden, vor allem wie schon 1130 durch die Entscheidung Frankreichs und nun auch durch
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Bei dem Konzil von Lodi wurde Viktor IV. erneut bestätigt und Alexander III. abgelehnt. Im Gegensatz zum Erfurter Annalisten berichtet Acerbus, dass die Könige von Dänemark, Norwegen, Ungarn und Böhmen Entschuldigungsbriefe geschickt hätten, worin sie aber den Ergebnissen zustimmten. Von England spricht er nicht. Während die Chronica regia Coloniensis, S. 106 und S. 113, nur kurz auf das Konzil von Lodi verweist, ebenso wie die Annales S. Disibodi, S. 30, und die Annales S. Petri Erphesfurdenses maiores, S. 58, und die Annales Erphesfurdenses moderna, S. 181, und die Ernennung des Mainzer Erzbischofs in den Mittelpunkt stellen, berichten die Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui sehr ausführlich darüber. Da der Erfurter Annalist vorher nicht über das Schisma berichtet, liegt die Vermutung nahe, dass die Ereignisse des Konzils von Pavia 1160 und von Lodi 1161 zusammengezogen wurden. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 176f. Bei der Heirat Heinrichs des Löwen mit Mathilde von England 1168, S. 209, findet sich kein vom Autoren aufgestellter Zusammenhang mit dem Schisma. Chronica regia Coloniensis (Rez. I. codd A) zum Jahr 1161, S. 108. Der Eintrag zu 1168 und der Besuch Philipps I. von Heinsberg in England, S. 120, wird ebenfalls nicht mit einem Zusammenhang mit dem Schisma versehen. Otto von St. Blasien, Chronica, 13, zum Jahr 1159, S. 14. Burchard von Ursberg, Chronicon zum Jahr 1168, S. 49.
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den englischen König, der durch seine seit 1154 erworbenen französischen Festlandsbesitzungen auch zu einem kirchenpolitsch wichtigen Machtfaktor geworden war.871 Die Verfasser der aufgeführten sechs Quellen nahmen England bzw. den englischen König allerdings nicht alleine handelnd war, sondern als Teil einer Gruppe.872 Dabei erscheint England regelmäßig als Teil dieser Ländergruppe ebenso wie Frankreich und auch meist Spanien. Ungarn, Dänemark, Polen, Böhmen und weitere Länder werden zwar auch von mehreren genannt, aber nicht so häufig wie England, Frankreich und Spanien. England wurde von den Historiographen als bedeutsam für das Schisma wahrgenommen, weshalb es auch meist bei der Darstellung der Haltung anderer Länder aufgezählt wird. Dies zeigt sich auch dadurch, dass die Chronisten, falls sie an anderer Stelle noch über das Schisma berichteten, kaum andere Königreiche erwähnen.873 Wenn über das 871 Görich, Friedrich Barbarossa, S. 389. 872 Chronica regia Coloniensis (Rez. I. codd A) zum Jahr 1161, S. 108: Idem timebant reges Hispanus, Barcilonensis, Francigena et Anglicus. Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui, zum Jahr 1161, S. 22: […] set et nuncii regis Francorum, Anglorum, Polonorum presentes aderant, fraterque regis Boemiorum, aliique quam plures. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 176f.: Porro Alexandrum recepit Iherosolimitana ecclesia et Anthiocena, preterea omnis Francia, Anglia, Hispania, Dania et omnia regna, quae sunt ubique terrarum. Otto von St. Blasien, Chronica, 13, zum Jahr 1159, S. 14: Missisque litteris suis omnibus cismarinis regibus utpote regie Ungarie, Anglie, Dacie et omnibus regibus Hyspanie, ut episcopus suorum regnorum ad hoc concilium pro instanti ecclesie necessitate dirigerent, rogavit datoque conductu utrique electo cum partibus suis ambos ad concilium citavit. Burchard von Ursberg, Chronicon, zum Jahr 1168, S. 49: […] in monte siquidem Radicophino emintentissimum castrum ipse primus construxit – ex quibus Romanos adeo perdomuit, ut Alexander papa coactus secederet ab Urbe et in partes Francie seu Anglie vel Equitanie sive Hispaniarum se conferret. Auch in den Briefen, die Rahewin aufführt, wird von England immer als Teil einer Gruppe gesprochen. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 65, zum Jahr 1159, S. 310: Ad quem evocavimus totius imperii nostri et aliorum regnorum, scilicet Anglie, Francie, Ungarie, Datie archiepiscopus, episcopus [… ]. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 66, zum Jahr 1159, S. 311: […] ad quem ambos qui se dicunt Romanos pontifices voavimus Francie, Anglie, Ispanie, Ungarie. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 80, zum Jahr 1160, S. 335: Heinricus rex Anglorum per litteras et legatos suos consensit. Rex Ungarorum per litteras et leagtos suos consensit. Rex Boemorum consensit. Rex Danorum consensit. […]. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 81, zum Jahr 1160, S. 337: Nuncius regis Francorum promisit pro eo neutrum se recepturum, usque dum nuncios domni imperatoris recipiat. Nuncius regis Anglorum idem velle et idem nolle promisit tam in his quam in aliis. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 84, zum Jahr 1160, S. 341: Compositis ita rebus et gestis concilii, missis quoque legatis, ut supra dictum est, ad reges Hyspaniae, Angliae, Franciae, Datiae, Boemiae et Ungarie, ad imperatorem quoque Grecorum Manuel nuncios dirigit, […]. 873 Der Chronist der Chronica regia Coloniensis berichtet auf S. 105–108 ausführlich über das Schisma. Bei einer Aufzählung, S. 106, ist in England nicht mit dabei: Itaque imperator […] curiam et concilium generale in octavia epyphaniae apud Papiam indixit omnibus episcopis et principibus tam totius Alamanniae quam Lombardiae, Tusciae, Ungariae et Franciae […]. Auf S. 108 wird England aber mit aufgezählt. Beim Bericht zum Treffen in Saint-Jean-deLosne wird natürlich nur vom französischen König gesprochen. Bei allen anderen Darstellungen zum Schisma (S. 114f., S. 116, S. 120, S. 129) werden keine anderen Könige bzw.
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Schisma berichtet und dabei auf andere Länder eingegangen wird, dann wird auch zumeist England genannt. England ist also immer von Bedeutung, wenn es um die Haltung anderer Länder im Schisma geht. Allerdings erfolgen dabei keine ausführlichen Berichte, sondern England wird immer nur als Teil einer Gruppe, über die man sprach, gesehen. Ob und wie diese Gruppe in Bezug auf ihr Handeln und ihre Haltung im Schisma eingeschätzt wird, hängt von den Historiographen ab. Dabei ist hinzuzufügen, dass England nicht erst mit dem Alexandrinischen Schisma zu einer etwa in der Historigraphie schon in anderen Zusammenhängen definierten Ländergruppe hinzugestoßen wäre. Immerhin wurde auch vor der Doppelwahl schon über England in den Quellen berichtet. Neu war vielmehr, dass überhaupt so massiv von mehreren Ländern auf einmal berichtet wurde. Weder Heinrich V. und die Umstände der Kaiserkrönung 1111 sowie sein späteres Handeln in Bezug auf Gelasius II., Gregor VIII. und Calixt II. noch das Schisma von 1130 führten dazu, dass wie beim Alexandrinischen Schisma von mehreren Ländern auf einmal berichtet wurde.874 Dieses Interesse, aber auch die Länder mehr genannt. Helmold von Bosau berichtet in Kapitel 106, S. 207f., ausführlich über weitere Entwicklungen im Schisma, nannte aber ebenfalls keine anderen Könige bzw. Länder. Nur im Kapitel 105, S. 206, zeigt er den Aufenthaltsort Alexanders in Frankreich auf. Für Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 39, S. 52, S. 56, spielt neben seiner bereits genannten Länderaufzählung, S. 49, nur Sizilien eine größere Rolle. Otto von St. Blasien, Chronica, 13, S. 14, verweist ebenfalls im Anschluss an seine Aufzählung noch einmal auf Sizilien. Bei seinen anderen Erzählungen zum Schisma kommen andere Länder nicht mehr vor (S. 20, S. 28, S. 31, S. 34). Die Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui haben nur einen Eintrag zum Schisma und in diesem verweisen sie auf England und andere Länder. Rahewin, Gesta Friderici, zeichnet das Schisma ab IV, 59, S. 296 – IV, 66, S. 312 auf und wiederum IV, 74, S. 318 – IV, 84, S. 341 auf. Neben den bereits genannten Aufzählungen verweist er bzw. die Briefschreiber nur noch selten auf andere Länder: unbestimmt in IV, 60, S. 297, uterque litteras […] per mundi partes destinavit. In Brief der Wähler Viktors IV, 62, S. 303f. wird auf Sizilien verwiesen und in IV, 82, S. 339, wird von Boten nach Frankreich, Spanien und Ungarn gesprochen. Stichprobenartig wurde gegengeprüft, wie Quellen, die England nicht in Bezug auf das Schisma wahrnehmen, bzw. überhaupt nicht wahrnehmen, andere Länder in dieser Frage wahrnehmen. Die Annales Palidenses, S. 91, erwähnen nur einmal Sizilien und Frankreich und ansonsten keine anderen Länder in dieser Angelegenheit. Die Annales Babenbergenses gehen weder auf England noch auf andere Länder ein. Die Annales Admuntenses, a. 1140–1250, S. 582, verkürzen die Aufzählung der Länder und ordnen die Anhänger in eine kaiserliche Seite und in alle anderen ein: Octavianus a parte cesaris constitutus, Victor dictus est. Rulandus vero cancellarius ab universali ecclesia electus, Alexander vocatus est. 874 Vgl. Otto von Freising, Historia de duabus civitatibus: Zu den Ereignissen von 1111, VII, 14, S. 326f., zur Doppelwahl von 1118/19 VII, 15, S. 329 und zum Schisma von 1130 VII, 18, S. 334f. Vgl. Burchard von Ursberg, Chronicon: zum Schisma von 1130, S. 16. Vgl. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum: zu den Ereignissen von 1111, I,39, S. 79f., zur Doppelwahl von 1118/19, I,40, S. 82, er geht aber nicht auf das Schisma von 1130 ein, I,41, S. 83. Vgl. Chronia regia Coloniensis: zu den Ereignissen von 1111, S. 50–52, zur Doppelwahl von 1118/ 19, S. 57–59, zum Schisma von 1130, S. 67.
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Kenntnisse wurden vermutlich durch die zahlreichen Briefe hervorgerufen, die Teil der öffentlichen Kommunikation waren. Die Kommunikation erfolgte dabei sowohl von den Päpsten/ Gegenpäpsten an Könige875, von Königen an Päpste876, von Königen an Bischöfe877, Könige an Könige878, öffentliche Rundschreiben von Bischöfen, Päpsten oder Königen879, Päpste an Bischöfe880 und Bischöfe bzw. Äbte untereinander881. In diesen Briefen wird immer wieder auch von den Handlungen bzw. der Haltung anderer Länder im Schisma gesprochen, wie man das am Beispiel der bei Rahewin aufgeführten Briefe sehen kann. Das starke Eingehen auf andere Könige und die Gruppennennungen lag nicht am nun erst erwachten Interesse der Historiographen für andere Länder, sondern war bedingt durch die nach dem Ausbruch des Schismas aufgenommene Kommunikation durch Könige, Päpste, Bischöfe und Äbte und ging direkt aus den Briefen und offiziellen Dokumenten auf die Historiographen über. Dieses Schisma wurde erstmalig von einer so umfangreichen Kommunikation begleitet und beeinflusst und diese findet sich in den Quellen wieder. Die »Wende« in den Beziehungen zum englischen und französischen König zeigte sich durch die verstärkte Kommunikation, die auch in die Historiographie Eingang fand. Dabei entwickelten die Chronisten auch – je nach Einstellung zu den jeweiligen Päpsten – eine »Wirgegen-sie-Haltung« und fassten wie in der Kölner Königschronik ebenso in den Admonter Annalen, die Lager nach den Anhängern Viktors IV. oder Alexanders III. zusammen und zählten nicht immer die einzelnen Länder auf.882
875 Vgl. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 60, S. 297–299. Der Brief Viktors richtet sich zwar nicht explizit an den Kaiser, aber an seine unmittelbare Umgebung. Allerdings ist er inhaltlich an den Kaiser gerichtet. 876 Vgl. Brief Heinrichs II. an Alexander III., in: Admonter Briefsammlung, Nr. 68, S. 123. Brief Friedrichs an Alexander III., in: Rahewin, Gesta Friderici, IV, 65, S. 309f. 877 Vgl. Rahewin, Gesta Friderici, IV, Brief Barbarossas an Bischof Hartmann von Brixen. Dieser Brief stimmt fast wörtlich mit dem Brief Friedrichs an Heinrich II. überein. 878 Vgl. den Brief Friedrichs I. an Heinrich II. von England, in dem er ihn und die englischen Bischöfe zum Konzil von Pavia einlädt, in: MGH Constit. I, Nr. 183, S. 254f. 879 Vgl. die Rundschreiben Friedrichs nach dem Konzil von Pavia und nach dem Reichstag zu Würzburg. Siehe Rahewin, Gesta Friderici IV, 80, S. 330–336. Zum Rundschreiben von Würzburg siehe DD F. I. Nr. 480, S. 395–397. Vgl. die Rundschreiben Alexanders und das von Viktors Anhänger unmittelbar nach der Wahl: Rahewin, Gesta Friderici, IV, 61, S. 299–303, IV, 62, S. 303–307. 880 Vgl. Brief Alexanders III. an Erzbischof Eberhard von Salzburg, in: Admonter Briefsammlung, Nr. 65, S. 118f. 881 Vgl. Brief Erzbischof Eberhards I. von Salzburg an den Erzbischof von Reims, in: Admonter Briefsammlung, Nr. 81, S. 139. Brief Eberhards von Bamberg an Eberhard von Salzburg, in: Rahewin, Gesta Friderici, IV, 81, S. 336f. 882 Chronica regia Coloniensis (Rez. I. codd A) zum Jahr 1161, S. 108: Itaque imperator et qui sub Romano imperio erant Victorem pro catholico papa habebant. Aliarum autem provinciarum reguli et populi Alexandrum pro apostolico, nescio an odio imperatoris an respectu iusticiae, excolebant. Annales Admuntenses, a. 1140–1250, S. 582: Octavianus a parte cesaris
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3.2.3 Die Wahrnehmung der Würzburger Eide Neben dieser Gemeinsamkeit, dass die Quellen Länder zumeist in Gruppen nennen und England ein bedeutender Bestandteil dieser Gruppe ist, gibt es noch eine weitere Gemeinsamkeit. Die untersuchten Quellen gehen auf andere Länder in ihren Darstellungen zum Schisma nur – mit der Ausnahme Burchard von Ursbergs – auf Entwicklungen bis 1162 ein.883 Stellen sie im Anschluss an dieses Jahr noch Ereignisse im Schisma dar, fehlt dieser internationale Bezug.884 Dies zeigt, dass England ebenso wie andere Länder für die Historiographen nur bis 1162 eine Rolle spielte und auch bei weiteren Darstellungen zu England kein Bezug mehr zum Schisma hergestellt wurde.885 Das bedeutet, dass die Chronisten nur die Kommunikation und die Synoden und Treffen, die unmittelbar nach dem Ausbruch des Schismas stattfand, rezipierten bzw. der internationale Aspekt, der noch zu Beginn das Schisma bestimmte, nach 1162 nicht mehr bedeutsam war. Auch danach finden sich nämlich in den Chroniken und Annalen noch Darstellungen zum Schisma. Allerdings gibt es hier keine Einzel- bzw. Gruppennennungen zu anderen Ländern, sondern diese Darstellungen sind immer nur auf Alexander III., die Gegenpäpste, Friedrich I. und die Entwicklungen für das Reich und Norditalien bezogen. Damit finden sich bei den analysierten deutschen Quellen auch keine Hinweise auf die Anwesenheit der englischen Gesandten auf dem Würzburger Hoftag von 1165 und eine Beteiligung am Schwur der »Würzburger Eide«. Dabei nehmen diese Quellen diesen Hoftag, auf dem sich Friedrich I. verpflichtete,
constitutus, Victor dictus est. Rulandus vero cancellarius ab universali ecclesia electus, Alexander vocatus est. 883 Bei Rahewin lässt sich dies durch das Ende der Gesta Friderici mit 1162 erklären. Die Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui berichten mit Auslandsbezug zu 1161. Die Kölner Königschronik erwähnt nach dem Treffen in St.-Jean-de-Losne keine anderen Länder mehr in der Berichterstattung zum Schisma. Helmold von Bosau erwähnt ebenfalls nach 1162 und dem Treffen des deutschen Kaisers mit dem französischen König keine weiteren Länder mehr. Auch Otto von St. Blasien geht nur anfangs auf andere Länder ein. Ausnahme bei dieser Übersicht ist nur der mehrere Jahre später schreibende Burchard von Ursberg, der zu 1168 schreibt, dass Papst Alexander III. nach Frankreich bzw. andere Länder auswich. Auch die Annales Palidenses, die England nicht im Bezug auf das Schisma erwähnen, nennen nach 1162 keine weiteren Länder mehr. 884 Die Quellenauszüge zeigen, dass nach 1162 die Historiographen auf weitere Länder nicht mehr eingingen. 885 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, S. 209, stellt bei der Heirat Heinrichs des Löwen mit Mathilde von England 1168 keinen Zusammenhang mit dem Schisma her. Auch die Kölner Königschronik, S. 120, berichtet von einer Gesandtschaft 1168 nach England, zieht aber ebenfalls keinen Zusammenhang mit dem Schisma.
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niemals Alexander III. anzuerkennen, durchaus wahr und berichten darüber.886 Dass für sie die englischen Gesandten und deren Eide eine besondere Rolle spielten bzw. dass die Historiographen die im Reich durch Rundbriefe verbreiteten Informationen – ähnlich wie bei der Synode von Pavia – in ihre Berichte aufnahmen, lässt sich nicht feststellen. Auch bei weiteren Chroniken und Annalen, die nicht auf die Wahrnehmung Englands untersucht wurden, lässt sich dies ebenfalls nicht feststellen.887 Die Würzburger Eide bzw. die davon veröffentlichten Briefe – seien es nun die kaiserlichen Rundschreiben oder der anonyme an Alexander III. gerichtete Brief – fanden keine Resonanz bei den deutschen Geschichtsschreibern. Während die Ereignisse von 1159 bis 1162 und ihre Darstellungen in Briefen und Rundschreiben massiven Widerhall fanden, passierte dies 1165 nicht. Zwar wird vom Würzburger Hoftag berichtet, aber zu dem Coup, dass englische Gesandte auf den Gegenpapst schworen und einen Obödienzwandel des englischen Königs ankündigten, findet sich nichts.888 Im Gegensatz dazu findet sich im englischen Raum durchaus eine heftige Reaktion auf diese unterschiedlichen Briefe mit Dementi von königlicher Seite.889 Warum lässt sich diese Reaktion – wenn auch recht unterschiedlich – auf die englischen Eide nur bei der englischen Historiographe feststellen, wenn es doch Rundbriefe Barbarossas an alle geistlichen und weltlichen Großen des Reiches gab?890 Schließlich wurden von den analysierten Quellen auch Rundbriefe zur Synode von Pavia rezipiert. Eine sichere Erklärung lässt sich hierfür nicht geben. Eine Möglichkeit könnte in der sofortigen Abwehr der Gerüchte durch die englische 886 Vgl. Annales Ratisponenses, zum Jahr 1165, S. 588. Annales Reicherpergenses zum Jahr 1165, S. 471f. Chronica regia Coloniensis, zum Jahr 1165, S. 116. Annales Palidenses, zum Jahr 1165, S. 93. Annales Admuntenses, a. 1140–1250, zum Jahr 1166, S. 583. 887 Annales Sancti Rudperti Salisburgenses, hg. von Wattenbach, S. 758–810, hier zum Jahr 1165 S. 776. Chronicon Montis Sereni, hg. von Ehrenfeuchter, S. 138–226, hier zum Jahr 1166 S. 152. Annales Claustroneoburgenses tertia, hg. von Wattenbach, S. 629–637, hier zum Jahr 1165, S. 630. 888 Laudage, Alexander III., S. 156, Anm. 30 und 31, weist ebenfalls darauf hin, dass Hauptzeuge für den Obödienzwechsel Radulf von Diceto ist und etwaige Verhandlungen in Würzburg sich nur aus den Rundbriefen und weiteren Briefen Barbarossas, siehe DD F. I. Nr. 480–483, S. 395–402, aus dem anonymen Brief an Papst Alexander III., in: MTB V Nr. 98, S. 184–188, und weiteren Briefen in der Becket-Sammlung, in: MTB V., Nr. 99, S. 188–191, Nr. 100, S. 191–194 schließen lassen. 889 Eine heftige Abwehrreaktion auf das Gerücht, Heinrich II. hätte auf den Gegenpapst geschworen, findet sich in einem Brief des Erzbischofs Rotrou von Rouen an Kardinal Heinrich von Pisa: Rodrodus Rothomagensis archiepiscopus Henrico presbytero cardinali, in: MTB V. Nr. 101, S. 194f. Ebenso in einem Brief Heinrichs II. selbst an alexandrinische Kardinäle: MTB VI, Nr. 255, S. 78–81. Zur Wahrnehmung bei den englischen Chronisten siehe Kapitel 4.2. 890 Die allgemeinen Rundschreiben sind: DD F I, Nr. 480, S. 395–397 und Nr 481, S. 398f. Mit ähnlichem Inhalt ist der Brief Barbarossas an das Domkapitel, den Klerus und die Ministerialen des Bistums Passau, DD F I, Nr. 482, S. 400f. Vgl. Salzburger Briefsammlung, Nr. 1, S. 151f. Ein weiteres Schreiben erging an Abt Erlebold von Stablo.
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Seite liegen und in der Tatsache, dass Heinrich II. Alexander III. weiterhin unterstützte. Ein tatsächlicher Obödienzwechsel, der auch die Machtverhältnisse verschoben hätte, hatte nicht stattgefunden. Damit mussten die Geschichtsschreiber im Nachhinein nicht darüber berichten und der Fokus lag auf der versprochenen Unterstützung Paschalis’ III. durch Barbarossa. Im Gegensatz zur Anfangszeit des Schismas hatten sich die Fronten mittlerweile geklärt. In England hingegen konnten die Ereignisse, angeregt durch den anonymen Brief an Papst Alexander III., so heftige Reaktionen hervorrufen, da dies zum einen die Politik der vergangenen fünf Jahre von Heinrich II. widerrufen hätte und zum anderen Heinrich II. sämtliche Bischöfe in England und auf dem Kontinent, die sich in der Synode von London und Beauvais für Alexander III. entschieden hatten, vor den Kopf gestoßen hätte. Hinzu kommen die Diskussionen um Thomas Becket, der 1164 nach Frankreich geflohen war und im Austausch mit Alexander III. stand. Obwohl die deutschen und englischen Quellen die Würzburger Eide so unterschiedlich wahrnahmen, haben sie dennoch gemeinsam, dass sie nicht die Doppelverlobung zwischen Heinrich dem Löwen, Friedrich, dem nur wenige Monate alten Sohn Barbarossas und den Töchtern des englischen Königs, Mathilde und Eleonore, und die diesbezüglichen Gesandtschaften mit dem Schisma und einem Obödienzwechsel in Verbindung bringen. Wie Johannes Laudage vermutet und Hanna Vollrath bestätigt – im Gegensatz z. B. zu Jens Ahlers oder Helmut Beumann – waren diese Eheverabredungen Teil allgemeiner Bündispolitik.891 Auf der deutschen Seite berichten die Kölner Königschronik und Helmold von Bosau genauer dazu. Während der Kölner Chronist von einer kaiserlichen Gesandtschaft spricht, stellt Helmold von Bosau dar, wie Gesandte 1168 Mathilde aus England holten und deren reiche Ausstattung mitbrachten.892 Das Bündnis und die Verlobung wurde bei einer Reise Rainald von Dassels und Heinrichs des Löwen 1164 verabredet, 1165 in Würzburg beschworen und 1168 mit der Heirat umgesetzt. Radulf von Diceto, der zwar aus dem anonymen Brief an Alexander III. zitiert, aber nicht auf die Würzburger Eide eingeht, stellt in seiner Chronik keine Verbindung zwischen der Heirat und dem Würzburger
891 Vgl. Laudage, Alexander III., S. 154f. Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 152, S. 169. Ahlers, Die Welfen, S. 37. Beumann, Das Reich der späten Salier, S. 348. Freed, Frederick Barbarossa, S. 321. 892 Chronica regia Coloniensis, zum Jahr 1168, S. 120: Nec multo post in legatione imperatoris Rothomagum regem Angliae adiit; ubi archiepiscopus Mogontinus et dux Saxoniae ei occurrerunt; set qualis legatio fuerit, preter eos et regem latuit. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, II, 106, S. 209: In tempore dierum illorum misit Heinricus dux Bawariae et Saxoniae legatos in Angliam, et adduxerunt filiamregis Angliae cum argento et auro et diviciis magnis, et accepit eam dux in uxorem.
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Hoftag her.893 Gervasius von Canterbury, der sehr ausführlich vom Würzburger Hoftag berichtet und die Eide und die anschließende Reaktion in der englischen Kirche darstellt, setzt die Hochzeit ebenfalls nicht in Verbindung mit dem Schisma.894 Allerdings schreibt er von einem militärischen Unterstützungsangebot des Kaisers gegen den französischen König bei einem Obödienzwechsel.895 Damit interpretierten deutsche und englische Historiographen die Ereignisse so, wie sie Heinrich II. immer verstanden hatte – Heiratsvertrag ja, aber nicht mit der Bedingung, auf die andere Seite zu wechseln.896
893 Radulf von Diceto, Ymaginibus historiarum, I, zum Jahr 1165, S. 318: Rege morante apud Westmustier, Reginaldus Coloniensis archiepiscopus venit in Angliam, accepturus uxorem Henrico duci Saxoniae Matildem primogenitam filiam regis. Cui cum magnates regni sollenniter occurrissent, Robertus comes Legecestriae justiciarius regis illum archiscismaticum in osculum non recepit. Eversa sunt passim altaria super quae Missam illi celebrarunt scismatici. Ders., zum Jahr 1167, S. 330: Matildis filia regis nupsit Henrico duci Saxonico. 894 Gervase von Canterbury, Chronica, I, zum Jahr 1167 und 1168, S. 204f.: Hoc anno venit in Angliam Coloniensis electus, qui et scismaticus, ut Matildem regis Anglorum filiam duci Saxonum peteret in uxorem. Petiit et obtinuit; et regina alianor cum filia sua apud Dovoriam transfretavit. […] Matildis filia regis Angliae nupsit duci Saxonum Henrico. 895 Gervase von Canterbury I, zum Jahr 1168, S. 205. Venerunt spectabiles legati, dux scilicet Saxonum gener regis, Maguntinus archiepiscopus, Coloniensis electus, et Leodicensis episcopus, cum multa ambitione et fastu missi ab imperatore Frederico, multa ex Alemannis adversum francos spondentes auxilia, multisque temptantes moliminibus qualiter regem Angliae in scismatis sui partem inducerent, et ob favorem ipsius regnum Francorum cum bellico apparatu intrarent. 896 Erzbischofs Rotrou von Rouen an Kardinal Heinrich von Pisa: Rodrodus Rothomagensis archiepiscopus Henrico presbytero cardinali, in: MTB V. Nr. 101, S. 194f.: Pro domino rege Anglorum omnem exhibemus securitatem, quod imperatori nec per se nec per nuntios juramentum praestitit aut promissionem quod schismatico adhaerere velit, ecclesiam relicturus; immo certi sumus, quod in illis qualibuscumque de matrimonio pactionibus, licet Theutonici super hoc laborarent per triduum, nihil unquam concedere voluit, nisi praeeunte in omnibus fidelitate domini papae, et ecclesiae, et regis Franciae. Ipsi vero litteris nostris mandavimus domina imperatrix et nos, ut ab hac nota se quam citius excuset […] Ex verborum tenore perpendere potestis dictorum falsitatem; quia quinquaginta episcopos, quos exhiberet, rex non habet. Brief Heinrichs II. an alexandrinische Kardinäle, in: MTB VI., Nr. 255, S. 78–81, hier S. 79f.: Quod vero confoederationis factae cum excommunicatis nos arguit, in hoc non aestimamus nos Deum offendisse, nec obviasse rationi; quia sicut ex ore domini papae accepimus, ipsum dominum Fredericum, Romanum imperatorem, nunquam pro excommunicato habuit, nec postea ipsum excommunicatum fuisse alicujus relatione cognovimus. Verum etsi filiam nostram filio imperatoris in matrimonio concesserimus, nec in minimo nos deliquisse credimus, sed id nobis licitum esse non dubitamus; quoniam (ut a simili sumamus exempla) idem excellentissimo et potentissimo regi Henrico avo nostro licuisse recolimus, qui filiam suam Henrico bonae mamoriae Romano imperatori matrimonio copulaverit. Nos etiam a praedecessoribus nostris sumpta ratione, communicatio consilio prudentium et discretorum nostri regni virorum, matrimonium inter filium imperatoris et filiam nostram contrahi concessimus. Vgl. Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 168f.
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3.2.4 Schisma und Propaganda in den historiographischen Quellen Die quantitative Analyse hat ergeben, dass England und dessen Rolle im Schisma von deutschen Historiographen von 1159 bis 1162 wahrgenommen wurde. Allerdings wird England dabei als ein Teil einer Ländergruppe – wenn auch als wichtiges Mitglied – angesehen und die einzelnen Aktionen und die Entscheidungen des englischen Königs werden nicht singulär betrachtet. Hier war Frankreich und v. a. das Treffen des französischen Königs mit dem deutschen Kaiser 1162 in Saint-Jean-de-Losne bedeutsamer. Die Wahrnehmung dieser Ländergruppe erfolgt allerdings je nach Historiograph unterschiedlich, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll. Vorgreifend soll festgestellt werden, dass in den Einträgen zum alexandrinischen Schisma und Englands Position dazu ein neues Element, dessen Auswirkungen wie dessen eigene Produktion sich in den Quellen feststellen lässt, zum Tragen kommt: Propaganda.897 Der Begriff »Propaganda«, so wie er heute verstanden wird, entwickelte sich erst im Laufe der frühen Neuzeit.898 Auf die Schwierigkeit, diesen Begriff auch für das Mittelalter anzuwenden, verweist Karel Hruza, auch wenn dieser von vielen Mediävisten, wie er meint, ohne Reflexion gebraucht würde.899 Hanna Vollrath, obwohl sie diesen Begriff benutzt, stellt fest, dass ebenso wie heute die Grenzen für Propaganda im Ungefähren verliefen. So wie Verträge noch nicht auslegungsfest gemacht worden seien, sei unklar gewesen, zu welchen Rahmenbedingungen Rundschreiben folgen sollte und welche Grenzen Propaganda hatte.900 Daher dürfte auch der moderne Propagandabegriff, den Hruza nach Gart S. Jowett und Victoria O’Donnell zitiert, auf Schwierigkeiten stoßen, da gerade der »absichtliche und systematische Versuch«, der Definitionsbestandteil ist, für das 12. Jahrhundert nicht unbedingt nachweisbar ist.901 Robert Brentano betont,
897 Schon Reuter, The Papal Schism, S. 49, S. 59, sprach von »Propaganda« in Bezug auf das alexandrinische Schisma. Damit bezog er sich auf die diplomatischen Bemühungen Alexanders und die Wahlanzeigen und Briefe, die er europaweit versandte. Mit seinen raschen und umfangreichen Bemühungen konnte er sein Anliegen europaweit darstellen, während Viktor sich nur auf das Reich und Friedrich I. konzentrierte. Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 171, nannte das Rundschreiben zum Würzburger Hoftag eine Propagandaschrift Barbarossas für seinen Papst. Dieses sei bewusst einseitig verfasst worden, da es sich um eine Kampfschrift in einem Konflikt handelte. Sie sieht dieses Rundschreiben in Tradition der politischen Propaganda, die mit dem Investiturstreit begann. 898 Zur Begriffs- und Forschungsgeschichte siehe Funiok, Art. Propaganda, Sp. 626f. Vgl. Schieder/ Dipper, Propaganda, S. 69–112. Beide Artikel beginnen ihre Darstellung erst mit der Frühen Neuzeit. 899 Hruza, Propaganda, S. 10f. 900 Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 171. 901 Hruza, Propaganda, S. 13, zitiert die Defintion Gart S. Jowetts und Victoria O’Donnells: »Propaganda ist der absichtliche und systematische [!] Versuch, Wahrnehmung zu formen,
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dass Propaganda im Mittelalter als Bindemittel oft unbewusst eingesetzt wurde, um eine Gesellschaft zu stärken.902 Daher eignet sich vermutlich die Definition der Herausgeber von »The Symbolic Instrument in Early Times« besser für das Mittelalter, da sie zwar auch auf den vorsätzlichen Aspekt hinweist, aber zumindest auf den systematischen Ansatz verzichtet: »Propaganda can be identified as a deliberate effort to influence outcomes of controversy in favour of a preference.«903 Der Versuch, die Kontroverse um das alexandrinischen Schismas für den eigenen Kandidaten zu beeinflussen, wird vor allem in den Briefen und der öffentlichen Kommunikation gesehen. Dabei zirkulierten diese Briefe besonders zu Beginn des alexandrinischen Schismas.904 Wie angespannt die Kommunikation zu dieser Zeit war, welche Bedeutung Briefen und Gerüchten beigemessen wurde, zeigen zwei Briefe an Erzbischof Eberhard von Salzburg, der an der Synode von Pavia nicht teilnehmen konnte und zu diesem Zeitpunkt keine eindeutige Position eingenommen hatte. Im ersten Brief, in dem Eberhard von Bamberg ihm von der Synode in Pavia berichtet, weist er zum Schluss auf den Bericht des Propstes hin, der erzählen soll, was zur Zeit nicht gesagt werden dürfe.905 Der Propst Heinrich von Berchtesgaden versichert im anschließenden Brief, dass er die Wahrheit berichte, es aber auch Schreiben gebe, die die Verhandlungen und Ergebnisse nicht richtig darstellen würden.906 Heinrich von Berchtesgaden war allerdings im Unterschied zu Eberhard II. von Bamberg auf der Seite der Alexandriner und meinte vermutlich mit den Schreiben, die nicht die Wahrheit enthielten, das offizielle Rundschreiben der Synode.907 Die Beteiligten waren sich also dessen bewusst, dass Briefe mit unterschiedlichen Darstellungen im Umlauf waren und dass darüber die Wählung der Obödienz beeinflusst werden sollte. Diese durch den Konflikt stark verdichtete Kommunikation, die nach der Definition auch als Propaganda angesehen werden kann, da diese die Wahl der verschiedenen Obödienzen beeinflussen sollte, findet sich vor allem bei Rahewin
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Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zu lenken, um eine Reaktion zu erlangen, die die von Propagandisten erwünschte Zielsetzung unterstützt.« Brentano, The Western Civilization, S. 552. Lasswell/ Lerner/ Speier, Propaganda and Communication, S. 5. Vgl. Reuter, The Papal Schism, S. 24–26, S. 32f. Johrendt, The Empire and the Schisma, S. 106f., Laudage, Alexander III., S. 118. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 81, S. 337: Preter hec prepositus multa manifestabit vobis, que non licet ad presens homini loqui. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 82, S. 339: Si interim alia scripta, quorum quedam vidimus, meram de his veritatem minus continentia ad manus vestras devenerint, sciat sanctitas vestra, quod, ut pro parte potuimus, sinceram de his significavimus veritatem. Plenius autem presentes insinuabimus. Dieser Auffassung ist Franz-Josef Schmale, in: Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs, S. 703, Anm. 81.
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in den Gesta Friderici wieder. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass Rahewin sowohl Briefe der alexandrinischen als auch der kaiserlichen Seite rezipiert hat. Nach Laudage stammen rund 18 oder 19 der 33 Inserte vom Hof, weitere fünf oder sechs vom Salzburger Erzbischof Eberhard und die anderen waren öffentliche Rundschreiben.908 Dabei ist unklar, was Rahewin davon systematisch auf eigene Initiative sammelte und was er planmäßg zur Verfügung gestellt erhielt, wobei er sich vermutlich von der kaiserlichen distanzierte, da er auch alexandrinische Texte aufgriff und der kaiserlichen Seite keine Zustimmung aussprach.909 Mit der Aufnahme beider Seiten versucht sich Rahewin vermutlich ähnlich neutral zu verhalten wie beim Streit um Besanҫon. Hier gibt er direkt über seine Vorgehensweise mit dem Hinweis Auskunft, dass die Leser sich selbst ein Bild machen sollten.910 Diese Dokumente bestimmen auch die Informationen zu England, die der Leser im Zusammenhang mit dem Schisma erfährt. Nur einmal formuliert Rahewin selbst, nämlich als er von Boten berichtet, die u. a. nach England geschickt wurden.911 Allerdings versuchten die Parteiungen, nicht nur durch die bloße positive Darstellung des Sachverhalts und Bitten bzw. Aufforderungen oder Meinungen zu gewinnen. Durch diese von Rahewin eingefügten Dokumente erfährt der Leser, dass Friedrich I. englische Bischöfe zur Synode von Pavia einlud und Hermann von Brixen bat, noch nicht bis zu diesem Treffen Partei zu ergreifen, da bei einem Treffen, bei dem auch England teilnehmen sollte, entschieden werden solle. Im Rundbrief zur Synode von Pavia 1160 – veranlasst von den Vorsitzenden912 der Synode – stimmten der König von England durch Brief und seine Gesandten den Beschlüssen und damit der Anerkennung zu.913 Dieser Brief
908 Deutinger, Rahewin von Freising, S. 94f. 909 Deutinger, Rahewin von Freising, S. 137. 910 Rahewin, Gesta Friderici III, 8, S. 174: ut quivis lector, qui in partem declinare voluerit, non meis verbis vel assertionibus, sed ipsarum partium propriis scriptis tractus et vocatus, libere eligat, utri parti suum velit accomodare favorem. Ebenso, Rahewin, Gesta Friderici, III, 16, S. 185: Unde de hac tempestate dicturi, sicut supra diximus, lectorem non nostris verbis niti volumus, sed ponentes epistolas hinc inde directas, ex eis colligat, quam partem tueatur cuive fidus velit permanere; nobis autem indulgentiam petimus, qui potius utramque personam, sacerdotalem scilicet et regalem, reverentia debita veneramur, quam temere de altera iudicare presumamus. Bereits im Prolog, Gesta Friderici III, S. 163, hatte er darauf verwiesen, dass er nichts schreiben wird, um jemanden einen Gefallen zu tun. Vgl. Deutinger, Rahewin von Freising, S. 136f. 911 Rahewin, Gesta Friderici, IV, 84, zum Jahr 1160, S. 341. 912 Nach MGH Constitutiones I, Nr. 190, S. 265, waren dies Peregrin/Pilgrim/Pellegrinus, Patriarch von Aquileia, Arnold von Selenhofen, Reinald von Dassel, Wichmann von Seeburg und Hartwig I. von Bremen. 913 Rahewin, Gesta Friderici, IV, 80, zum Jahr 1160, S. 331–336. Der Eintrag findet sich auf S. 335: Heinricus rex Anglorum per litteras et legatos suos consensit.
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existierte in mehreren Versionen.914 Die Version, die Rahewin übernahm und die offensichtlich im Reich zirkulierte, führte England bei den Zustimmenden auf. In der Version, in der sie u. a. nach England geschickt wurde, findet sich diese Zustimmung natürlich nicht, da England nur Beobachter nach Pavia geschickt hatte und den Beschlüssen nicht zugestimmt hatte.915 Es existierten also verschiedene Versionen – einmal mit dem englischen König, die im Reich verbreitet wurde – und eine zweite Version, bei der zwar sehr viele Unterzeichner aus dem Reich aufgeführt wurden, aber nicht England. Da die angebliche Zustimmung Englands vermutlich nicht versehentlich in die Rundbriefe, die im Reich zirkulierten, geraten war und im Brief für England richtig dargestellt wurde, kann hier von einem Täuschungsversuch ausgegangen werden. Es wurden also zur Ergebniskommunikation nach der Synode, die sich für Viktor ausgesprochen hatte, verschiedene Versionen versandt, bei denen unterschieden wurde, ob sie im Reich gelesen bzw. verlesen wurden oder ob sie ins Ausland gingen. Dies wäre damit ein offensichtlicherer Täuschungsversuch als später bei den Würzburger Eiden, da hier zur Zustimmung gelogen wurde, während bei den Würzburger Eiden die Wahrheit nur geschickt dargestellt wurde.916 Es ist also davon auszugehen, dass etwaige Zweifler im Reich mit dem Hinweis, auch der englische König habe zugestimmt, beeinflusst werden sollten bzw. dem Ergebnis sollte durch die Zustimmung ein größeres Gewicht zugemessen werden. Damit wäre dieser Rundbrief nicht nur einfach Propaganda in dem Sinne, dass durch Verbreitung der eigenen Darstellung die Beteiligten überzeugt werden sollte, sondern dass diese auch durch Fälschung der Unterzeichner beeindruckt werden sollten. Diese These wird gestützt durch den Eintrag in den Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui zum Jahr 1161, wo nach einer Aufzählung der Ereignisse und einer umfangreichen Liste der Teilnehmer hinzugefügt wurde: set et nuncii regis Francorum, Anglorum, Polonorum presentes aderant, fraterque regis Boemiorum, aliique quam plures. A quibus omnibus refutatus est Roulandus cum suis fautoribus.917 Dieser Eintrag, der wahrscheinlich die Ereignisse und Ergebnisse 914 MGH Constitutiones I, Nr. 190, S. 265ff. In der Einleitung zur Urkunde werden die verschiedenen Versionen angesprochen. Die Version, die Rahewin eingefügt hatte, ist wesentlich kürzer als die anderen Versionen. Bei diesen sind die Unterzeichner wesentlich ausführlicher aufgeführt. Die Version, die bei Brown, Appendix ad fasciculum, Sp. 552–554, hier Sp. 554, führt weder den englischen König noch den ungarischen, dänischen und böhmischen König auf. In der Version Martènes und Durands, Thesaurus Novus Tomus Primus, Sp. 452, sind diese Könige bis auf den englischen König aufgeführt. 915 Reuter, The Papal Schism, S. 32. 916 Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 170. 917 Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui zum Jahr 1161, S. 20. Dieser Eintrag in den Annales antiqui ist allerdings auch der einzige Eintrag, der sich mit dem Schisma beschäftigt. Die Abneigung gegen Alexander III., der nicht bei seinem Papstnamen genannt wird, zieht sich aber auch bei den weiteren Annalen aus dem Peterskloster in Erfurt durch. So wird Alex-
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des Konzils von Pavia 1160 mit denen von Lodi 1161, wie bereits dargestellt wurde, zusammenzog, zählt also den König von England als einen derjenigen auf, die Alexander III. ablehnten.918 In Erfurt könnte also die Propaganda gewirkt haben, dass der englische König einer der Unterstützer Viktors war. Es finden sich zwar keine so deutlichen Abwehrreaktionen wie nach den Würzburger Eiden, aber die Behauptung, dass England Unterstützer Viktors war, setzte sich nicht durch. Die Erfurter Annalen, die wenige Jahre nach dem Konzil von Pavia entstanden, sind die einzigen unter den untersuchten Quellen, die dies vertreten. Helmold von Bosau, der vermutlich kurz nach den Erfurter Annalen seine Slawenchronik schrieb, rechnet England nicht zu den Unterstützern der kaiserlichen Seite.919 Rahewin aber fügte unmittelbar an den Rundbrief einen Brief Eberhards von Bambergs an Eberhard von Salzburg an, nach dessen Darstellung der französische Gesandte auf seine Neutralität verwies, der sich der ander III. in den Annales S. Petri Erphesdurdenses maiores erst mit dem Frieden von Venedig mit seinem Papstnamen angesprochen. Dies fällt umso mehr auf, da die anderen untersuchten Quellen zwar auf den Namen Roland verweisen, aber überhaupt kein Problem haben, auch von Alexander zu sprechen. 918 Wie bereits dargestellt, stellen die Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui die einzige Quelle dar, die von einer Teilnahme englischer Boten berichtet, während Acerbus Morenus nur von Entschuldigungsbriefen sprach und England nicht unter diesen erwähnte. Reuter, The Papal Schism, S. 67f. Anm. 5, vermutete, dass Heinrich II. Boten nach Lodi geschickt hätte, da der Notar Burchard für Dezember 1161 von Verhandlungen des Kaisers mit dem englischen König berichtete. Vgl. Laudage, Alexander III., S. 129. Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 136. Opll, Friedrich Barbarossa, S. 76. Allgemein wird neben der raschen und intensiven Werbung für Alexander III., der Parteinahme der englischen und französischen Bischöfe für Alexander III. und dem im Juli 1160 zwischen Frankreich und England herrschenden Frieden auch Alexanders Zustimmung in Beauvais zur Eheschließung zwischen Heinrich dem Jüngeren und Margarete von Frankreich als Zeichen für Heinrichs Unterstützung gesehen. Vgl. Diggelmann, Marriage as Tactical Response, S. 957f. Warren, Henry II., S. 91. Berg, Die Anjou-Plantagenets, S. 34. Der Dispens wurde mit der Heiratsabsprache zwischen Ludwig VII. und Adela von Blois-Champagne notwendig, da sich Heinrich II. dadurch bedroht fühlte. Schon am 02. November 1160 fand die Hochzeit zwischen den beiden Kindern mit der Erlaubnis dreier alexandrinischer Kardinäle statt. Vgl. Diggelmann, Marriage, S. 958. Ob aber tatsächlich der englische König evtl. durch den im Anschluss an diese beiden Heiraten wieder angefachten Konflikt, im Juni 1161 tatsächlich Boten zum Konzil nach Lodi schickte – ein Konzil, das in den untersuchten englischen Quellen überhaupt nicht angesprochen wurde und in den deutschen Quellen wenig Beachtung fand bzw. hauptsächlich über die Folgen für Mainz angesprochen wurde – erscheint hier nicht hinreichend belegt. Falls tatsächlich Boten in Lodi anwesend waren, so ist es unwahrscheinlich, dass die Position zu Alexander III., die wenige Monate zuvor durch den Dispens und die plötzliche Heirat verfestigt wurde, verhandelbar war. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass das Konzil von Pavia mit dem daran versandten Rundschreiben und das Konzil von Lodi im Eintrag zusammengezogen wurden und somit von englischen Boten und deren Zustimmung gesprochen wurde. 919 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, zum Jahr 1160, S. 176: Porro Alexandrum recepit Iherosolimitana ecclesia et Anthiocena, preterea omnis Francia, Anglia, Hispania, Dania et omnia regna, quae sunt ubique terrarum.
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englische Gesandte anschloss.920 Rahewin und seine Leser waren also über die tatsächliche Haltung Englands informiert, wobei sein Informant, Eberhard von Bamberg, eigentlich einer der wichtigsten Ratgeber Friedrichs I. war.921 Dieser berichtete in diesem Brief von den Begebenheiten in Pavia, erzählte aber von den tatsächlichen Unterstützern im Reich und wollte den Salzburger Bischof damit überzeugen, Unterstützer der kaiserlichen Seite zu werden. Propaganda konnte also das Bild zur englischen Position im Schisma beeinflussen. Der Rundbrief zur Synode von Pavia mit seinem gefälschten Inhalt beeinflusste Historiographen und deren Information, die sie in ihren Werken wiedergaben, sodass den Lesern ein falsches Bild vermittelt werden konnte. Allerdings war das Informationsnetz, wie Rahewins Vielfalt an Briefen zeigt, nicht so undurchlässig, dass nur kaiserliche Informationen in das Reich gelangt wären. Durch die Briefe war es möglich, dass auch gegenteilige Informationen zu den Chronisten gelangten und Gerüchte und Informationen durch Briefe überprüft würden.922 Wo Chronisten allerdings nicht so reflektierend wie bei Rahewin vorgingen, konnte aber auch ein so einseitiges wie falsches Bild wie bei den Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui entstehen.
3.2.5 Helmold von Bosau und seine kritische Einstellung zu den Ereignissen Bisher zeigte sich, wie Briefe, die durchaus als Propaganda verstanden werden können, auf Rahewin und die Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui gewirkt haben. Somit zeigt sich auch die Bedeutung Englands neben Frankreich für die 920 Rahewin, Gesta Friderici, IV, 81, S. 336f., hier S. 337: Nuntius regis Francorum promisit pro eo neutrum se recepturum, usque dum nuntios domni imperatoris recipiat. Nuntius regis Anglorum idem velle et idem nolle promisit tam in his quam in aliis. 921 Deutinger, Rahewin, S. 94. 922 In der Admonter Briefsammlung findet sich u. a. ein Brief Abt Fastrads von Clairvaux an Bischof Omnibonus von Verona, in dem ihn dieser vom Treffen in Beauvais berichtete, bei dem sich der englische und der französische König für Alexander aussprachen. Vgl. Brief Nr. 70, S. 125ff. in der Admonter Briefsammlung. Die offizielle Anerkennung findet sich ebenfalls in der Admonter Briefsammlung. Mit dem Brief vom August 1160 erkannte Heinrich II. Papst Alexander an. Vgl. Brief Nr. 68, S. 123f. in der Admonter Briefsammlung. Am 20. Januar 1161 schrieb Alexander III. an Erzbischof Eberhard von Salzburg, dass die gesamt abendländische Kirche ihn anerkenne. Vgl. Brief Nr. 65, S. 118f. in der Admonter Briefsammlung. Dennoch konnten aktuelle politische Entwicklungen verunsichern. Im Juni 1162 erkundigte sich Erzbischof Eberhard von Salzburg bei Erzbischof Heinrich von Reims, wie die Haltung Englands und Frankreichs im Schisma wäre. Dieser Brief wurde unmittelbar im Vorfeld des Treffens Friedrichs I. mit dem französischen König in St.-Jean-de-Losne versandt. Vgl. Brief Nr 81, S. 139 in der Admonter Briefsammlung. Im Antwortbrief, Nr. 82, S. 140, erhielt er aber umgehend die Bestätigung Heinrich von Reims, dass Frankreich zu Alexander stünde. Es konnte also ob der unterschiedlichen Lager Zweifel aufkommen, allerdings gab es auch die Möglichkeit, Gerüchte und Informationen zu überprüfen.
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Frage nach Anerkennung des »richtigen« Papstes. Während Rahewin sich aber bei der Deutung der Obödienzen zurückhielt und die Haltung in den Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui erst durch Fortsetzungen deutlich wird, nehmen zwei Historiographen, für welche die Obödienz Englands ebenfalls eine Rolle spielt, eine deutliche Haltung ein und stellten ihre Meinung eindeutig dar. Helmold von Bosau923 schreibt in seiner Slawenchronik aus der Perspektive der Jahre 1165/ 1166 über das Schisma, wobei er nicht chronologisch vorgeht, sondern zusammenfassend berichtet.924 Dabei ist die Darstellung des Schismas in Kapitel 91 des ersten Buches in zwei Teile geteilt, wobei im ersten Teil der Schwerpunkt der Ausbruch des Schismas, die unterschiedlichen Obödienzen und die Bedeutung der Zisterzienser für das Schisma und die Auswirkungen des Edikts auf diesen Orden im Mittelpunkt stehen. Im Anschluss daran berichtet Helmold ausführlich vom Treffen des Kaisers mit dem französischen König in Saint-Jean-de-Losne 1162. Über dieses Treffen war Helmold von Bosau als einer der wenigen Historiographen sehr ausführlich informiert, da Heinrich der Löwe, Erzbischof Hartwig von Bremen und Bischof Gerold von Lübeck am Hoftag, der dort Ende August 1162 stattfand, teilnahmen.925 Timothy Reuter ist der Ansicht, dass sich Helmold nicht für das Schisma interessierte und die Umstände und das Treffen nur aufgrund der regionalen Beteiligung vermerkte. Auch ist er der Ansicht, dass die Zisterzienser nur erwähnt wurden, da Helmold ihnen das Scheitern für die Unterhandlungen von Saint-Jean-de Losne zuschrieb.926 Allgemeine Reichs- und Kirchengeschichte steht tatsächlich nicht im Zentrum von Helmolds Aufmerksamkeit, auch wenn Helmold hier nicht zum ersten Mal das Verhältnis Kaiser und Papst ausführlicher betrachtet. Schon dem missglückten Treffen Friedrichs I. und Hadrians IV. in Sutri widmet er ein ausführliches Kapitel.927 Dabei steht Helmold Friedrich positiv gegenüber, wobei dieser vor
923 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 176–178. 924 Die Datierung beruht auf den Überlegungen von Reuter, der ähnlich wie Wilhelm von Giesebrecht das Edikt gegen die Zisterzienser im Gegensatz zu Werner Ohnsorge nicht dem Jahr 1161 zurechnete, sondern dem Jahr 1165 oder 1166 auch mit als Reaktion auf den Würzburger Hoftag zuschrieb. Er begründet dies zum einem mit dem Rundschreiben vom Würzburger Hoftag, das u. a. besagt, dass Schismatiker bis jetzt geduldet wurden, ihnen aber künftig nicht mehr verziehen werden können, und zum anderen mit einem Textfragment vermutlich von Friedrich I. oder Paschal III., das den Zisterzienser ihre schismatische Stellung vorwarf und in einer Materialsammlung für Thomas Becket vermerkt worden war. Vgl. Reuter, Das Edikt, S. 328–336. 925 Reuter, Das Edikt, S. 329. Zur Darstellung des Treffens Ludwigs VII. mit Friedrich I. bei unterschiedlichen Historiographen siehe Schmale, Friedrich I. und Ludwig VII., S. 352ff. 926 Reuter, Das Edikt, S. 329. 927 Helmold von Bosau, I, 81, S. 152–155. Hier hat er ebenfalls die Informationen von Bischof Gerold von Lübeck erhalten, der bei dem Treffen in Sutri anwesend war. Vgl. Deutinger, Sutri 1155, S. 108f.
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allem durch sein gutes Verhältnis zu Heinrich dem Löwen bewertet wurde.928 Allerdings kann der Ansatz Reuters, Helmold habe sich für das Schisma nicht interessiert und – sollte dies negativ gemeint sein – den Zisterziensern die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen von 1162 zugeschrieben, nicht geteilt werden. Helmold von Bosau war sehr emotional an den Ereignissen rund um das Schisma beteiligt und spricht sich deutlich gegen die kaiserliche Vorgehensweise aus. Dies wird an mehreren Stellen in diesem Kapitel deutlich. Im ersten Teil spricht Helmold zunächst die Unterstützer Viktors IV. an. Dies sind der Kaiser Friedrich I., Rainald von Dassel und Konrad I. von Wittelsbach, der allerdings erst 1161 Erzbischof von Mainz wurde, und omnes quos imperialis aut timor aut favor agebat.929 Alexander III. hingegen wurde von den Kirchen von Jerusalem und Antiochia, außerdem ganz Frankreich, England, Spanien, Dänemark und omnia regna, quae sunt ubique terrarum, unterstützt.930 Die Mehrheit der Kirchen und Könige, unbeeinflusst davon, ob sie nun den Kaiser fürchteten oder dessen Gunst suchten, so macht dies Helmold deutlich, unterstützte Papst Alexander. Auch der Zisterzienserorden mit vielen Erzbischöfen, Bischöfen, über 700 Äbten und zahllosen Mönchen trete für Alexander ein, was diesen außerordentlich stärke.931 Dass Helmold diese Unterstützung negativ gesehen hätte, falls Reuter dies mit seiner Schuldzuschreibung so gemeint hat – Helmold verknüpft allerdings die Unterstützung der Zisterzienser für Alexander nicht mit den Verhandlungen in Saint-Jean-de-Losne – kann hier nicht festgestellt werden. Vielmehr macht Helmold deutlich, was das Edikt Barbarossas für die Zisterzienser bedeutete. Diese sollten, wollten sie Viktor nicht schriftlich anerkennen, aus dem Reich vertrieben werden.932 Daher hätten Scharen von Patres und Mönchen ihr Kloster verlassen und seien nach Frankreich geflüchtet, darunter auch pontifices etiam quam plures sanctitate insignes in Longobardia et in universo regno. Helmold stand also dem Edikt, das so große Auswirkungen auf den Orden hatte, negativ gegenüber. Auch die Verhandlungen in Saint-Jean-de-Losne, die er im zweiten Teil des 91. Kapitel beschreibt, stellt er nicht als Erfolg für den Kaiser dar. Vielmehr charakterisiert er ihn zunächst einmal negativ, wenn er, nachdem er von der 928 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 72, S. 138: Anno igitur incarnati verbi MC quinquagesimo primo regnavit Fredericus huius nominis primus rex, et elevatum est solium eius super solium regum, qui fuerant ante eum diebus multis. Invaluitque sapientia et fortitudine super omnes inhabitantes terram. Mater eius fuit amita ducis nostri. Vgl. Scior, Das Eigene, S. 175, und Engels, Friedrich Barbarossa im Urteil, S. 240. 929 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 176. 930 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 176. 931 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 176f. 932 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 177: Quam ob rem iratus cesar proposuit edictum, ut omnes monachi Cisterciensis ordinis, qui consistebant in regno suo, aut Victori subscriberent aut regno pellerentur.
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Eroberung und Zerstörung Mailands berichtet hat, schreibt tunc elevatum est cor eius nimis, einen Satz, der auf einer in der Bibel häufig vorkommenden Stelle beruht, bei der es immer um Personen geht, die hochmütig werden, bevor sie von Gott bestraft werden.933 Nach Friedrichs Eroberung von Mailand, die ihn hochmütig werden ließ, wollte er eine Unterredung mit Ludwig VII., um die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Dazu lud er weitere Könige, Fürsten, Erzbischöfe und Bischöfe ein, was den französischen König angesichts der dabei aufgezeigten Heeresstärke zögern ließ. Sed propter fidem sacramentorum erschien er am verabredeten Tag und Ort, wartete mehrere Stunden auf den nicht erschienenen Kaiser, bevor er wieder ging und sich aller Verabredungen ledig betrachtete. Helmold stellt sich in seinem Bericht auf die Seite des französischen Königs, der seinen Eid achtete, während der deutsche Kaiser zu spät ankam.934 Im Anschluss schreibt er, dass der französische König sich glücklich schätzte, den verdächtigen Händen des Kaisers entkommen zu sein, da Gerüchte im Umlauf gewesen seien, dass Barbarossa ihn mit Waffengewalt habe überrumpeln wollen.935 Friedrich wirkt dabei wie ein schlechter Verlierer, der daraufhin heftig erzürnt den Hoftag verließ und gegen die Franzosen Krieg führen möchte. Das französische Handeln sieht Helmold in einem anderen Licht: Sed ars arte delusa est. Francigenae enim ingenio altiores quod armis et viribus inpossibile videbatur consilio evicerunt.936 Mangelndes Interesse Helmold von Bosaus für das Schisma lässt sich an dieser Stelle daher nicht belegen.937 Zwar spricht er sich nicht direkt für Alexander aus, aber er verdeutlicht, wie viele Könige diesen Papst unterstützen. Das Vorgehen des Kaisers gegen die Zisterzienser und dessen Verhalten in Saint-Jean-de-Losne lehnt er hingegen deutlich ab. England steht in diesem Kapitel der Slawenchronik nicht im Vordergrund. Die bedeutendsten Akteure sind bei Helmold die Zisterzienser und die Franzosen. England wird aber von ihm bei der Aufzählung der Unterstützer direkt nach Frankreich aufgeführt und dem zeitgenössischen Leser wurde somit die Position Englands im Gegensatz zum negativ bewerteten Verhalten des deutschen Kaisers vermittelt.
933 Vgl. 2. Chron. 26, 16; 32,25. Daniel 5, 20. Hes. 31,11. 934 Zu den Gründen für die verspätete Ankunft siehe Schmale, Friedrich I. und Ludwig VII., S. 347f. 935 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 178: […] gratulans se et fidem solvisse et suspectam cesaris manum evasisse. Ferebatur enim a multis, quod cesar eum circumvenire voluerit et propter hoc contra pactionum tenorem armatus advenerit. 936 Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 91, S. 178. 937 Für eine andere Darstellung der Ereignisse in Saint-Jean-de-Losne mit einer gegensätzlichen Einstellung zu den Protagonisten siehe den Eintrag zum Jahr 1162 in der Chronica regia Coloniensis, S. 112f.
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3.2.6 Die Chronica regia Coloniensis und ihre Unterstützung für Friedrich I. Während Helmold von Bosau das kaiserliche Vorgehen im Schisma ablehnt, findet sich in der Chronica regia Coloniensis eine gänzlich andere Einstellung zum Schisma.938 Der Kölner Historiograph macht dabei auch von Beginn an seine Haltung deutlich. Ab 1161 berichtet er ausführlich über das Schisma – nach ihm starb Hadrian IV. in diesem Jahr. Oktavian/ Viktor IV. war dabei für den Kölner Chronisten ein vir nobilis, der vom imperator et qui sub Romano imperio erant unterstützt wurde.939 Alexander hingegen unterstützten die provinciarum reguli et populi; dabei sieht Helmold Hass gegen den Kaiser als einen der Gründe für die Verehrung Alexanders an.940 Der Kölner Historiograph macht damit aus der Obödienzwahl für die Päpste auch gleichsam eine Frage nach der Haltung zu Barbarossa. Wer für Alexander III. war, war damit auch ein Gegner des Kaisers. Dies wird besonders deutlich bei seiner selektiven Rezeption eines Briefes für seine Chronik. Für das Jahr 1161 verwendet er für seinen Bericht zum Schisma auch Auszüge aus einem Brief des kaiserlichen Notars Burchard. Kaplan Burchard, gebürtiger Kölner und im Kloster Siegburg erzogen, war aufgrund seiner profunden Ausbildung und seines guten lateinischen Stils Mitglied der Hofkapelle geworden und gehörte der kaiserlichen Kanzlei an, der seit 1156 Rainald von Dassel vorstand. Rainald von Dassel schätzte diesen Notar offenbar und ihm hatte es Burchard zu verdanken, dass Barbarossa ihn mit schwierigen Missionen beauftragte.941 Von September bis Dezember 1161 sollte er u. a. den neuen Patriarchen von Aquileia besuchen, diesem die Regalien 938 Freed, Frederick Barbarossa, S. 303, weist zwar in einem Nebensatz auf die unterschiedlichen Darstellungen des Treffens in Saint-Jean-de-Losne bei Helmold von Bosau und in der Kölner Königschronik hin, erläutert dies aber nicht. 939 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1161 (Recensio I. codd. A), S. 105, S. 107. 940 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1161 (Recensio I. codd. A), S. 107: Aliarum autem provinciarum reguli et populi Alexandrum pro apostolico, nescio an odio imperatoris an respectu iusticiae, excolebant. 941 Dopsch, … in sedem Karinthani …, S. 117. Diese Briefe sind mit ein Grund, warum Groten, Klösterliche Geschichtsschreibung, S. 56, vermutet, dass die Kölner Königschronik in Siegburg verfasst worden sei. Dem widerspricht Lückerath, Chronica regia Coloniensis und Chronica Sancti Pantaleonis, S. 64, und in Coloniensis ecclesia, Coloniensis civitas, Coloniensis terra, S. 2, vehement. Insgesamt wurden zwei Briefe Burchards in die Kölner Königschronik zum Teil wörtlich, zum Teil zusammengefasst übernommen. An dieser Stelle soll allerdings nur der erste Brief Burchards an Abt Nikolaus von Siegburg behandelt werden, worin er über seine Gesandtschaft von September bis Dezember 1161 nach Aquileia, Salzburg, Kärnten und Ungarn berichtet. Der zweite Brief, vom März 1162, der über den Sieg über Mailand und über die Vorgänge bei der Übergabe der Stadt berichtet, wird hier nicht beachtet. Für eine kritische Edition der beiden Briefe siehe Le lettere del notaio imperiale Burcardo, hg. von Güterbock, S. 1–65. Die ältere Edition Brief Nr. 60, hg v. Hans Sudendorf, Registrum oder merkwürdige Urkunden für die deutsche Geschichte, 2. Bd., Berlin 1851, S. 134–139, wurde hierfür nicht verwendet.
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überreichen und ihn für das kaiserliche Lager gewinnen, da der Salzburger Erzbischof versuchte, auf den neuen Patriarchen Einfluss zu gewinnen. Eingebunden war diese Reise in den Versuch Friedrichs I., Anhänger für »seinen« Papst zu finden.942 Dies führte ihn nach Kärnten, Krain und Istrien, wo er Gelder für Barbarossa einsammelte und um Unterstützung warb. Dem Salzburger Erzbischof überbrachte er auch den Befehl zur Teilnahme an der Heerfahrt nach Mailand. Bei seiner Reise nach Venedig ertrank der Kärnter Herzog Heinrich V. und Burchard nahm an der Überführung des Leichnams nach Kloster Rosazzo teil. An der Einsetzung des neuen Herzogs war er ebenfalls beteiligt. Burchard berichtet in seinem Brief ausgiebig von seiner Reise und den Ereignissen, die sich dabei zugetragen hatten, wobei er eine klare pro-kaiserliche Haltung einnimmt und sich deutlich gegen die Unterstützer Alexanders ausspricht. So beschreibt er Eberhard I. als »frommen Bischof und verrückten Alten«, der auf einen Stein stieg, sich bekreuzigte und rief, dass der heilige Geist aus ihm spreche.943 Dabei kommen diese Bewertungen vor allem in der zweiten Hälfte des Briefes zum Tragen, wenn er am Hof vom Salzburger Erzbischof berichtet. Friedrich zeigte sich über das Verhalten des Salzburger Bischofs so empört, dass er das von den Gesandten Eberhards Geld zurückwies, da der honor imperii verletzt wäre.944 Burchard schreibt aber nicht nur von seinen eigenen Erlebnissen und Einschätzungen, sondern nimmt in seinem Brief auch den Bericht des Paderborner Propstes Siegfried, des späteren Bischofs von Paderborn, auf.945 Dieser hatte ebenfalls eine Reise nach Ungarn unternommen, wo er weder gut empfangen noch gut entlassen worden war. Dabei hatte er erfahren, welche Angst die anderen Könige vor dem Kaiser hätten – besonders aufgehetzt durch Roland und seine, so Siegfried, »Pseudokardinäle«, die den Ländern zahlreiche Rechte und Privilegien zusicherten, sodass Ungarn bereits mit den Griechen einen Vertrag zur gegenseitigen Unterstützung abgeschlossen hätte und auch weitere Länder informiert worden waren, dass der Kaiser nach seinem Sieg über Mailand weitere Länder erobern wolle.946 Furcht vor und Hass auf den Kaiser würden überall 942 Dopsch, … in sedem Karinthani…, S. 117. 943 Burchard, Brief an Abt Nikolaus von Siegburg (Le lettere del notaio imperiale Burcardo), S. 54f.: Qui cum sit religiosus antistes et delirus senex, partim bene partim male respondit; […] Contra quas ille archiepiscopus statim frenetizare cepit; stansque super lapidem signo crucis signatus, spiritum sanctum ex se locuturum palam profitebatur; et erat verbum de papa. 944 Burchard, Brief an Abt Nikolaus von Siegburg (Le lettere del notaio imperiale Burcardo), S. 55f. Vgl. Görich, Geld und »honor«, S. 185. Ebenso Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 63. 945 Burchard, Brief an Abt Nikolaus von Siegburg (Le lettere del notaio imperiale Burcardo), S. 56f. 946 Burchard, Brief an Abt Nikolaus von Siegburg (Le lettere del notaio imperiale Burcardo), S. 56 f: Notum sit pre˛terea universaliter, quoniam invictissimi imperatoris Frederici omnes
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geäußert. Trotz dieser negativen Erfahrungen – sei es Burchards eigene mit dem Salzburger Bischof, die Reaktion des Kaisers auf die Salzburger Gesandten oder der Bericht des Paderborner Propstes zur feindseligen Lage – schließt der Brief positiv.947 Mailand sei quasi bereits besiegt und Viktor könne man in seinem Amt bestätigen. Auch hätte man mit dem englischen König einen engen Verbündeten gefunden, der in allen Dingen mit dem Kaiser übereinstimme. Dessen Gesandte seien bereits am Hof.948 Der Verfasser der Kölner Königschronik verwendet aus diesem Brief zwei Passagen, wobei er nicht auf Burchard und seine Quelle verweist. Der erste Auszug aus dem Brief beschreibt die Investitur des Patriarchen von Aquileia. Im Anschluss wird von der Reise des kaiserlichen Gesandten mit Herzog Heinrich von Kärnten berichtet, der dann bei der Überfahrt stirbt und in Rosazzo beerdigt wird.949 Der Autor übernimmt dabei den Bericht Burchards fast wörtlich, lässt aber alle persönlichen Stellen aus, in denen Burchard auf sich verwies, bzw. baut die Sätze entsprechend grammatikalisch um.950 Eine Sinnveränderung jenseits
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ce˛teri terrarum reges contremiscunt et, qui semper inimicitiis inter se bachari consueverant, nunc mutua pace et fide firmata conveniunt in unum adversus dominum suum, Romanum imperatorem, animis non pre˛liis, fraudibus non viribus. Et sciatis, quod in hoc anno quinque regum nuntii propter huiusmodi fe˛dus faciendum in uno loco convenerant. Grecus cum Ungaro treugam fecit per quinquennium. Scripsit etiam regibus Turkie˛, Babilonie˛, Persidis et Comanie˛, nuntians illis, quod Romanus imperator terram suam et illorum occupare intendat, si de Mediolano finem faciat. Idem timent reges Hispanus, Barcilonensis, Francigena, Dacie˛. Sic enim scripserunt Rollandus et pseudocardinales illius per totum orbem, excitantes odium imperatori. Unde et omnes reguli timore et odio magis imperatoris quam intuitu iusticie˛ illum in papam suscipere presumunt. Nec pre˛tereundum, quod miser ille Rollandus, quasi in agone laborans et undique etiam ridicula que˛rens auxilia, scripsit Constantiopolitano, promittens ei vanitates vanitatum, quas ipse non attendit. Ungaro etiam privilegium contulit, ut ipse pallia archiepiscopis Ungarie˛ concedat et det; quotiens eliguntur et episcopi et clerici, illi nisi pro sua voluntate et per se cum Romanis agere non habeant. Burchard, Brief an Abt Nikolaus von Siegburg (Le lettere del notaio imperiale Burcardo), S. 57f. Burchard, Brief an Abt Nikolaus von Siegburg (Le lettere del notaio imperiale Burcardo), S. 58: Amplius rex Anglie˛ cum domino intimi fe˛deris firmabitur unione, ut illius cum domino nostro una sit voluntas de omni re. Nuntii illius sund apud nos. Magnos etiam de suis ad illum in proximo mittet imperator. Zu den deutsch-englischen Bündnisverhandlungen siehe Güterbock, Le lettere, S. 17f., Oppl, Friedrich Barbarossa, S. 76, Laudage, Alexander III., S. 128f. Kienast, Deutschland und Frankreich, S. 203f. Munz, Frederick Barbarossa, S. 224– 227. Die Informationen zu diesen Verhandlungen sind nur spärlich vorhanden. Güterbock verweist auf bereits frühere Kontakte des englischen Königs zum Kaiser. Die Verhandlungen werden vor dem Hintergrund des wiederaufbrechenden Konfliktes zwischen England und Frankreich gesehen. Auch das französische Einverständnis für das Treffen in Saint-Jean-deLosne wird als Reaktion auf diese Verhandlungen aufgefasst. Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1161 (Recensio I. codd. A), S. 108. Vgl. Güterbock, La lettere, S. 53f. So lässt der Autor z. B. eine größere Stelle in der Mitte aus (Nec latere vos debet … quia fefellit et tardavit pene fit ingratum.) In der Kölner Königschronik überführt auch nur der Graf von Aquileia den Leichnam des Herzogs und nicht wie im Brief Burchards »sed per me et Engelbertum comitem Aquileie …«.
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der Entpersonalisierung wurde an dieser Stelle nicht vorgenommen. Dies geschah allerdings im zweiten aus Burchards Brief entnommenen Abschnitt. Burchard hatte in seinem Brief vom Bericht des Paderborner Propstes Siegfried erzählt, der darauf hinwies, dass der griechische König mit dem ungarischen König ein Abkommen beschlossen hätte und dieser den Königen von Turkie˛, Babilonie˛, Persidis et Comanie˛ schrieb, dass der römische Kaiser vorhabe, deren Gebiete zu erobern, sobald er mit Mailand fertig wäre. Aber nicht nur diese waren laut Burchard besorgt: Idem timent reges Hispanus, Barcilonensis, Francigena, Dacie˛951. Der Kölner Chronist nahm an dieser Stelle eine entscheidende Veränderung vor. Den König der Dänen ersetzte er durch den König der Engländer: Idem timebant reges Hispanus, Barcilonensis, Francigena et Anglicus.952 Damit nahm der Kölner Historiograph eine Uminterpretation der Rolle Englands im Schisma vor. Hatte Burchard noch explizit von den Verhandlungen zwecks eines Bündnisses gesprochen und dass der englische König cum domino nostro un […] voluntas de omni re sei und hatte er diese Verhandlungen unter dem Stichwort solatia als Lichtblick bei allen Gegnern des Reiches angeführt,953 wurde der englische König in der Chronica regia Coloniensis zu einem der Gegner des Kaisers, der sich vor diesem fürchtete. Diese Veränderung der Information hing wahrscheinlich mit der Entwicklung dieses angestrebten Bündnisses zusammen, das im Alexandrinischen Schisma keine offensichtlichen Veränderungen brachte. Heinrich II. hatte nicht wie gehofft die Seiten gewechselt, Viktor IV. anerkannt und somit den Block der Herrscher, die Alexander III. anerkannten aufgebrochen. Der Autor der Kölner Chronik hatte anscheinend diese für das Reich negative Entwicklung vorweggenommen, hatte über die Verhandlungen nicht berichtet, da sie keinen »Trost« brachten und hatte England gleich in die Reihe der Gegner eingefügt. Somit verschwieg er die Verhandlungen, – erst 1168 berichtet er wieder von einer Reise Rainald von Dassels nach England954 – und machte den englischen König zu einem Gegner des Kaisers. Burchards Einstellung und damit auch sein Brief waren bereits dezidiert pro-kaiserlich gewesen. Der Kölner Chronist, der ebenfalls ein Anhänger des Kaisers und des Kölner Erzbischofs war, nahm diese Haltung auf. Er beeinflusste das Bild von England, indem er Informationen Burchards wegließ. Von den Verhandlungen hatte er 951 Vgl. Güterbock, La lettere, S 57. Munz, Frederick Barbarossa, S. 226f., betrachtet am ausführlichsten die Aufzählung der Gegner des Kaisers. Er sieht in der Reihe der Gegner ein Argument Rainald von Dassels für die Auslöschung Mailands, damit Barbarossa die Möglichkeit hätte – ohne die ständige Beschäftigung mit Mailand – endlich im Schisma weiter vorzugehen. Eine mögliche Bedrohung durch Bündnisse sollte Druck aufbauen. Für Burchard zumindest schien diese mögliche Verbindung zwischen den Ländern nicht unwahrscheinlich. 952 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1161 (Recensio I. codd. A), S. 108. 953 Vgl. Güterbock, La lettere, S. 57f. 954 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1161 (Recensio I. et II.), S. 120.
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durch Burchards Brief gewusst, die weitere Entwicklung hatte gezeigt, dass England nicht die Seiten gewechselt hatte. Somit entwickelte er aus Burchards Textvorlage ein Bild vom englischen König, der, obwohl so viele andere Könige mit an seiner Seite waren, sich doch vor dem unbesiegbaren Kaiser fürchtete. Dabei bleibt es bemerkenswert, dass er die Änderung in der Reihe der Opponenten vornahm. Er übernahm nicht einfach Burchards Aufzählung, bei der er die englischen Bündnisverhandlungen hätte übergehen können, sondern er tauschte bewusst den König der Dänen gegen den von England aus. England spielte also für den Chronisten eine bedeutende Rolle im Schisma und in der Opposition zum Kaiser, da er ihn sonst einfach hätte weglassen können und nicht extra eine Änderung in der Aufzählung hätte vornehmen müssen. Für ihn und somit auch für seine Leser gehörte England klar auf die Seite der ängstlichen Gegner Barbarossas, da es von den Briefen des griechischen Königs wie auch von Roland und seinen Kardinälen beeinflusst war.955
3.2.7 Zusammenfassung England wurde durch den Zuwachs an Festlandsbesitz nach 1154 zu einem kirchenpolitischen Machtfaktor. Beim Ausbruch des Schismas 1159 war dies den Akteuren Friedrich I., Heinrich II. und Alexander III. bewusst und sie versuchten durch Kommunikation – sei es durch persönliche Briefe, öffentliche Rundbriefe oder Einladungen, Organisaton und Teilnahme an Synoden – Einfluss auf dessen Entwicklung zu nehmen. Allerdings stand dabei nicht nur England bzw. dessen König im Fokus, sondern auch andere Königreiche wie Frankreich, Spanien, Ungarn u. a. waren Teil dieser Kommunikationssphäre. Dabei war nicht nur die direkte Kommunikation zwischen England, dem Kaiser oder dem Papst bedeutsam, sondern die Beteiligten versuchten, mit dem Hinweis auf England und andere Länder oder auch nachrangige Personen wie Bischöfe und Äbte, aber auch die Öffentlichkeit von einer Obödienz zu überzeugen oder eine Entscheidung zu verschieben. Damit waren diese Briefe, besonders in Zeiten der vervielfachten Kommunikation zu Beginn des Schismas, ein Propagandamittel, da die jeweiligen Parteien versuchten, dadurch Einfluss auf die Entscheidungen in der Obödienzfrage nehmen zu können. In diesem Fall wurden sie auch bewusst und vorsätzlich – wenn auch nicht systematisch, dafür waren sie zu vereinzelt – eingesetzt. Dass dabei nicht alle Briefe der Wahrheit entsprechen mussten, war man sich z. T. bewusst.
955 Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1161 (Recensio I. codd. A), S. 108: Sic enim scripserunt eis Ruolandus et cardinalus eius, excitantes odium imperatori.
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Die Briefe und Rundschreiben beeinflussten dabei auch die Geschichtsschreiber. Sie übernahmen daraus den internationalen Aspekt des Schismas, da in diesen immer wieder auf andere Könige und Länder verwiesen wurde, und fügten die Informationen zu den Entscheidungen dieser Länder im Schisma in ihre Darstellungen ein. England spielte dabei eine wichtige Rolle, allerdings wurde England bzw. der englische König nicht singulär wahrgenommen, sondern war Teil einer Ländergruppe. Während es explizite Briefe Barbarossas an den englischen König bzgl. des Schismas gab, der englische König selbst aktiv wurde und mit den Synoden von London und Beauvais, aber auch späteren Entscheidungen und Verhalten das Schisma aktiv beeinflusste, findet sich keine Einzelwahrnehmung Englands in den analysierten Quellen, sondern immer nur im Verbund mit anderen Ländern. Diese Aufzählung der Ländergruppen wird dabei aus den Briefen übernommen. Allerdings ist festzustellen, dass nicht nur die Wahrnehmung Englands bei den Historiographen erstmalig erfolgte, sondern insgesamt nun verstärkt über andere Länder berichtet wurde – wenn auch in der Gruppe. Dies lässt sich zu früheren kirchenpolitischen Ereignissen in Darstellungen wie zu dem Schisma von 1130 nicht feststellen. Erstmalig wurde von den Chronisten und Annalisten so massiv über die Entscheidungen anderer Länder in einer kirchenpolitischen Frage berichtet. Mit dem Ausbruch des Schismas vervielfachte sich also nicht nur die Wahrnehmung Englands durch die Historiographen, sondern auch die weiterer Länder. Allerdings lässt sich dabei feststellen, dass England nur von 1159 bis 1162 wahrgenommen wurde. Der Würzburger Hoftag wird zwar von den Geschichtsschreibern ausführlich dargestellt. Die englischen Gesandten und die Würzburger Eide werden aber nicht erwähnt. Eine historiographische Auseinanderstzung findet sich dazu nur in englischen Chroniken und Annalen. Dies lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass England nicht die Obödienz wechselte und es somit keine unmittelbaren Veränderungen in den Parteiungen gab, während es in England aufgrund des Becket-Konflikts eine erhöhte Aufmerksamkeit gab und diese die Politik Heinrichs II. der vergangenen fünf Jahre komplett verändert hatten. Die Hochzeit Heinrichs des Löwen mit Mathilde, der Tochter Heinrichs II., wurde allerdings weder von englischen noch von deutschen Chronisten mit dem Schisma in Bezug gesetzt. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Informationslage der Chronisten v. a. durch die Briefe, die auch immer wieder Bezug auf England nahmen, durchaus gut war. Besonders Rahewin ist hier herausstellen, der seine Informationen sowohl aus kaiserlichen als auch alexandrinischen Quellen bezog. Wie das Beispiel Helmolds von Bosau zeigt, gelangten die Chronisten nicht nur durch Briefe an Informationen, sondern sie erhielten diese auch durch Teilnehmer der Synoden und Verhandlungen. Dennoch ist festzustellen, dass die kaiserlichen Rundbriefe nicht vollständig übernommen wurden. Eine Auswahl der Informationen fand
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durchaus statt. Trotz der Bekanntgabe durch einen kaiserlichen Rundbrief findet sich kollektiv in deutschen Quellen nichts zu den Würzburger Eiden der englischen Gesandten. Die Information wurde vermutlich aufgrund der fehlenden Veränderung und des englischen Widerrufs nicht erwähnt. Dass der politische Raum durch eine Unterbrechung der Transitwege und damit auch der Kommunikation abgeschottet war, wie Gisela Drossbach für kirchenrechtliche Fragen feststellte, lässt sich hier v. a. für den Beginn des Schismas nicht belegen.956 Vielmehr lässt sich durch die vermehrte Kommunikation, die auch unter dem Aspekt der Propaganda auf beiden Seiten gedacht war, auch ein Anstieg in der Aufmerksamkeit zu Entschscheidungen und in den Kenntnissen zu anderen Ländern beobachten und somit auch eine verstärkte Wahrnehmung Englands. Die Zugangsmöglichkeit war für die Chronisten und Annalisten durch die Briefe, Rundbriefe und Informationen durch Personen gegeben. Dabei sollten diese Briefe nicht nur informieren, sondern die Leser bzw. Hörer beeinflussen und überzeugen. Diese Briefe waren verfasst worden mit einer eigenen Sichtweise auf die Ereignisse, bedingt durch persönliche Parteinahmen, aber auch geschrieben unter bewussten Verfälschungen des Sachverhalts. So findet sich mit dem Rundbrief zur Synode von Pavia in den Gesta Friderici eine verfälschte Darstellung der tatsächlichen Ereignisse, die auch bedeutsam war für die Darstellung der Obödienzwahl in den Annales S. Petri Erphesfurdenes antiqui. Die Historiographen hatten also Zugang zu Informationen. Diese Informationen waren aber durch die Verfasser der Briefe verfälscht worden, was somit unmittelbar Auswirkung auf die Darstellung Englands in den Quellen hatte. Dass es aber unterschiedliche Sichtweisen und daher auch gegensätzliche Informationen gab, war zumindest Rahewin bewusst, der beide Sichtweisen in den Gesta Friderici einfügte. So konnten sich in einem Werk gegensätzliche Informationen zur Position Englands finden.
956 Gisela Drossbach, Die Entwicklung des Kirchenrechts als raumübergreifendes Kommunikationsmodell im 12. Jahrhundert, in: Dies./ Hans-Joachim Schmidt (Hg.), Zentrum und Netzwerk. Kirchliche Kommunikation und Raumstrukturen im Mittelalter (Scrinium Friburgense Bd. 22) Berlin 2008, S. 41–61, hier S. 56, S. 59, sieht dies v. a. unter dem Aspekt der Legaten und der Appellationen. Allerdings zeige sich, dass auch unterhalb der Legatenebene und offizieller Gesandtschaften Informationen ausgetauscht worden seien. Claudia Zey, Handlungsspielräume – Handlungsinitiativen. Aspekte der päpstlichen Legatenpolitik im 12. Jahrhundert, in: Gisela Drossbach/Hans-Joachim Schmidt (Hg.), Zentrum und Netzwerk. Kirchliche Kommunikation und Raumstrukturen im Mittelalter (Scrinium Friburgense Bd. 22) Berlin 2008, S. 63–92, hier S. 90f., stellt hingegen fest, dass die Kommunikation auf Alexanders Seite überhaupt nicht schwerfällig und ineffizient war, da die Päpste auf ein bereits zuvor entwickeltes Netzwerk hätten zurückgreifen können. Klagen über unzureichende Information kann sie nicht feststellen. Allenfalls auf kaiserlicher Seite seien diese auf den Herrschaftsbereich Friedrichs I. beschränkt gewesen und mussten z. T. neu entwickelt werden.
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Wie die Ländergruppen, die sich in unterschiedlichen Zusammenstellungen finden lassen, und damit auch England als Teil dieser Gruppe gesehen wurde, hing mit der Positionierung des jeweiligen Autors im Schisma zusammen. Daher finden sich unterschiedliche Wahrnehmungen bzw. Einschätzungen zu Englands und weiterer Länder Rolle im Schisma. Während Rahewin die unterschiedlichen Briefe unkommentiert in seine Gesta Friderici einfügte957 und der Leser so das Bemühen des Kaisers um andere Länder für die Teilnahme an der Synode von Pavia erfährt, ebenso das gezielte Nachfragen nach den englischen (ebenso wie französischen) Entschlüssen nachvollziehen konnte, aber auch durch das verfälschte Rundschreiben falsch über die Entscheidung Englands informiert wurde, findet sich in anderen Quellen eine Wertung der Ländergruppen und somit auch Englands. Helmold von Bosau lehnte die kaiserlichen Aktionen v. a. gegenüber den Zisterziensern ab und zählt daher die zahlreichen Unterstützer Alexanders auf, zu denen auch England zählte, während die kaiserlichen Unterstützer konkret nicht benannt werden. Der Historiograph wertet diese deutlich positiv, während er den Kaiser als hochmütig einschätzt – im Gegensatz zu seiner grundsätzlichen Einstellung gegenüber Friedrich I. in seiner Chronica Slavorum. Hingegen klar auf Barbarossas Seite steht der Schreiber der Annales S. Petri Erphesfurdenes antiqui. Er lehnt Alexander in seinen Annalen deutlich ab und zählt ebenfalls auf, wer ihn alles ablehnte. Durch falsche Information wandert aber bei ihm England auf die Seite der Gegner Papst Alexanders III. Somit war er implizit mit England zufrieden. Die Kölner Königschronik reiht sich ebenfalls in die Seite der Gegner Alexanders III. ein und sieht England durch seine Entscheidung für Alexander mit anderen Ländern klar auf der anti-kaiserlichen Seite. Dabei wird England als furchtsam und ängstlich vor der Macht des Kaisers dargestellt. Wer nicht für Paschalis III. war, war damit auch eindeutig ein Gegner des Kaisers. Die Wahrnehmung Englands im alexandrinischen Schisma basierte also auf ähnlichen Quellen und erfolgte, was Umfang, zeitlichen Aspekt und Darstellungsweise betrifft, durchaus einheitlich, ist aber in der Einschätzung zu dessen Position sehr unterschiedlich.
957 Deutinger, Rahewin von Freising, S. 137f., weist darauf hin, dass weitere höfisch Literaten wie der Autor des Carmen de gestis Frederici I imperatoris in Lombardia oder des Ligurinus das heikle Thema unerwähnt lassen und es auch für Rahewin eine deutlich einfachere Lösung im Umgang mit dem Schisma gegeben hätte. Schließlich seien die Gesta an den Kaiser gerichtet gewesen und Hofgelehrte hätten Friedrich I. daraus in Auszügen vorlesen und übersetzen sollen. Mit dieser Vorgehensweise wurde die Wahrheit nicht von der memoria des Kaisers überschattet und zugleich kritisierte Rahewin nicht offen den Kaiser und dessen Berater. Mit dem unkommentierten Einfügen der Dokumente aus beiden Lagern ermöglichte Rahewin, dass die Leser beide Sichtweisen kennenlernen.
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3.3
Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen des deutschen Reiches
Die Wahrnehmung der Gefangenschaft König Richards I.
3.3.1 Historischer Hintergrund Am 20. oder 21. Dezember 1192 wurde der angevinische König Richard I. in einer kleinen Behausung in Erdberg bei Wien von Beauftragten des Herzog Leopolds von Österreich gestellt und anschließend von diesem persönlich festgenommen.958 Damit war die Person, die bis dahin das Geschehen im Heiligen Land, aber auch durch dessen Eingreifen auf Sizilien und Zypern, dominiert hatte, für eineinhalb Jahre festgesetzt und eines Großteils seiner aktiven Handlungsmöglichkeiten beraubt.959 Richard hatte seine Rückreise, nachdem er mit Saladin einen Waffenstillstand geschlossen hatte, am 09. Oktober 1192 angetreten, sah sich aber damit konfrontiert, dass ihm ein großer Teil der Reisemöglichkeiten entweder witterungsbedingt – wie die Umrundung Spaniens per Schiff – oder politisch versperrt war. Die Straße von Gibraltar war durch Muslime bedroht, der Weg durch Frankreich war ihm durch die feindliche Haltung Philipps II. versperrt und in Italien hatte er Heinrich VI. zu fürchten, der mit Philipp II. ein Bündnis gegen Richard geschlossen hatte.960 Warum er aber aufgrund dieser gefährlichen Lage nach einem Schiffbruch bei Aquileia nicht die direkte Route nach Ungarn suchte – einem Land, von dem er freundliche Aufnahme erwarten konnte, da Königin Margarete die Frau Belas II. war, die in erster Ehe mit Richards älterem Bruder Heinrich verheiratet gewesen war – und von dort zu den Welfen weiterreiste, sondern in österreichisches Gebiet reiste und dabei auch nicht offensiv als heimkehrender Kreuzfahrer, der Anspruch auf Schutz hatte, sondern als ver958 Berg, Richard Löwenherz, S. 188. Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 192, nennt als Datum den 21. oder 22. Dezember als Datum für die Festnahme. Zur Festnahme und Gefangenschaft siehe auch Csendes, Heinrich VI., S. 115–130. Ehlers, Heinrich VI. S. 264f. Althoff, Kaiser Heinrich VI., S. 150f. Gillingham, Coeur de Lion, S. 59–83. Ders., Richard the Lionheart, S. 217–240. Görich, Ein König in Gefangenschaft, S. 143–179. Jericke, Kaiser Heinrich VI., S. 50–65. Flori/ Birrell (Übs.), Richard the Lionheart, S. 155–174. Mit mittlerweile vielen überholten Ansichten Kessler, Richard Löwenherz. Ein Gefangener, S. 45–58. 959 Zwar konnte Richard, dem Heinrich VI. großen politischen Handlungsspielraum ließ, durch die Besuche hochgestellter Untertanen, Briefe und Urkunden Teile der Regierung, besonders die Verwaltung, weiterhin beeinflussen, aber in die Bündnispolitik seines Bruders Johanns mit dem französischen König Philipp II. und die Auseinandersetzungen um Wilhelm von Longchamps Verwaltung konnte er nicht eingreifen, sodass er nach seiner Rückkehr die bürgerkriegsähnlichen Zustände erst wieder befrieden musste. Vgl. Berg, Richard Löwenherz, S. 212. Ob Richard, wie manche behaupten, eine depressive Gemütsverfassung in seiner Haft entwickelte, ist umstritten. Vgl. Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 206–209. Allerdings zeigt das von ihm in der Haft verfasste Lied Ja nus hon pris, dass er über die lange Haftzeit durchaus verbittert war. Eine vollständige Übersetzung findet sich bei Berg, Richard Löwenherz, S. 205. 960 Ehlers, Heinrich VI., S. 262.
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kleideter Kaufmann auftrat, bleibt ungeklärt.961 Sein »befremdliches und zugleich amateurhaftes Versteckspiel«962 erregte allerdings Aufmerksamkeit, sodass schon bald Parteigänger des babenbergischen Herzogs Richards Spur folgten und es in Erdberg zur Festnahme kam. Der Auslöser für die Verfolgung und Inhaftierung des englischen Königs durch Herzog Leopold wird meist in einem Konflikt zwischen dem König und dem Herzog gesehen, dass im angeblichen Niederreißen des herzoglichen Banners nach der Eroberung von Akkon seinen Ausdruck fand. Akkon war im Frühjahr 1191 schon seit zwei Jahren durch Kreuzritter belagert worden, aber erst durch die Ankunft des englischen Königs, der mit seinen Schiffen, die Nachfuhr in die belagerte Stadt beendete, konnte die Stadt erobert werden. Der österreichische Herzog hatte nach dem Tod Friedrichs von Schwaben die Heerführung über die verbliebenen deutschen Kreuzfahrer übernommen. In der eroberten Stadt stellte Leopold – nach Schilderung einiger Chronisten – sein Banner auf und zeigte damit seinen Anspruch auf einen Teil der Beute.963 Allerdings hatten der französische König und der englische bereits die Verteilung der Beute unter sich beschlossen, da sie am meisten zur Eroberung beigetragen hatten und ihnen hohe Kosten entstanden waren. Mit der Entfernung des Banners entschloss sich Richard zum offenen Konflikt mit Leopold. Manche Chronisten potenzierten diese Episode noch mit einer weiteren angeblichen bewussten Entehrung durch englische Soldaten, die es angeblich in eine Kloake warfen.964 In seiner Ehre gekränkt und ohne Beute reiste Leopold nach dieser Episode in der traditionellen Darstellung nach Hause. So verständlich zunächst Leopolds Verhalten zur Wiedererlangung seiner Ehre scheint,965 ist allerdings auch klar, dass der österreichische Herzog nicht 961 Csendes, Heinrich VI., S. 123. Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 189. 962 Berg, Richard Löwenherz, S. 188. 963 Fichtenau, Akkon, Zypern, S. 248, hat mit als erster auf die Bedeutung des Banners als Zeichen für einen Anteil an der Beute hingewiesen. 964 Berg, Richard Löwenherz, S. 172. Csendes, Heinrich VI., S. 121f. Scheibelreiter, Die Babenberger, S. 250, weist darauf hin, dass die traditionelle Überlieferung Leopold immer noch eine wichtige Rolle bei der Eroberung eines Turms zugeschrieben hatte. Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 192 hingegen zweifelt hingegen an, dass sich die Episode in Akkon tatsächlich so zugetragen hat, da sonst Richard I. vermutlich nicht bewusst über dessen Territorium zurückgereist wäre. Görich, Verletzte Ehre, S. 71f., betont hingegen, dass wichtiger als die verweigerte Beute für Leopold die beleidigte Ehre war und dass Richard ebenfalls in seinem Rang und seiner Ehre durch dieses Banner verletzt war und sich daher rabiat verteidigte. 965 Görich, Verletzte Ehre, S. 70. Fichtenau, Akkon, Zypern, S. 241, sieht allerdings einen entschiedenen Grund für die Gefangennahme in den materiellen Forderungen, da sich die verletzte Ehre durch einen Zweikampf oder durch Ehrerweisung gegenüber dem babenbergischen Banner hätte makelloser wiederherstellen lassen können. Auch sei Leopold für Isaak von Zypern und dessen Tochter, die Richard bei der Eroberung von Zypern gefangen genommen hatte, eingetreten.
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ohne Rückendeckung des Kaisers vorgehen und einen König gefangen nehmen konnte. Ob es tatsächlich einen Ergreifungsbefehl des Kaisers nach dem Bündnis mit dem aus dem Heiligen Land zurückkehrenden Philipp II. gab, wie englische Chronisten dies behaupteten, und es zu einem »vorbedachten und vorgeplanten Höhepunkt eines organisierten Kesseltreibens«966 kam oder ob Heinrich VI. nur Kenntnis zum Vorgehen Leopolds hatte und dieses billigte, kann nicht geklärt werden.967 Ungelegen kam ihm die Geiselnahme nicht. Unmittelbar nach der Gefangennahme muss Leopold V. Heinrich VI. dies mitgeteilt haben, da bereits am 28. Dezember der französische König informiert worden war. Dieter Berg sieht die Gründe für die Situation des angevinischen Königs und für das Verhalten des französischen Königs und deutschen Kaisers zum einen in Richards Vernachlässigung des komplexen außenpolitischen Beziehungsnetzes, das sein Vater Heinrich II. aufgebaut hatte, und zum anderen im wenig diplomatischen, z. T. rücksichtslosen Vorgehen gegen andere Fürsten.968 Den französischen König hatte er durch die Lösung der Verlobung mit Philipps Schwester Alice vor den Kopf gestoßen und Frankreich gezwungen, in einen nur wenig befriedigenden Vertrag einzuwilligen. Heinrich VI. war verärgert über das militärische Beistandsversprechen mit Tankred, das sich nur gegen die Interessen des Kaisers bzgl. Sizilien richten konnte.969 Hinzukam seine schwierige innenpolitische Lage durch die niederrheinische Fürstenopposition aufgrund der Lütticher Bischofswahl und der Ermordung Albrechts von Löwen, die man Heinrich anlastete – eine Situation, in der er Richard I. als Bedrohung ansah, da gerade die niederrheinischen Fürsten und die Welfen traditionell eng mit England verbunden waren.970 Auch eine Lösegeldzahlung, die für einen erneuten Sizilienfeldzug genutzt werden konnte, kam Heinrich entgegen. 966 Ogris, King for sale, S. 91. 967 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 186, behauptet dies. Berg, Richard Löwenherz, S. 190, zeigt sich nicht so sicher und spricht von einem angeblichen Befehl, während Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 193, hingegen vom Ergreifungsbefehl überzeugt ist. 968 Berg, Richard Löwenherz, S. 186. 969 Berg, Richard Löwenherz, S. 157. 970 Csendes, Heinrich VI, S. 127, sieht in der Gefangenschaft Richards vor allem ein Faustpfand gegen die niederrheinische Fürstenopposition, der sich bald einflussreiche Fürsten wie der Erzbischof von Mainz, Landgraf Hermann von Thüringen, die Herzöge Otakar I. von Böhmen und Berthold V. von Zähringen und Angehörige des Welfenhauses, die familiär mit Richard I. verbunden waren und wie Otto auch stark von diesem gefördert wurden, anschlossen. So habe Richard in Anbetracht seiner Situation, den Fürsten den Ausgleich mit Heinrich VI. nahelegen müssen, der im Juni 1193 in Koblenz zwischen Kaiser und den Herzögen von Limburg und Brabant geschlossen wurde. Vgl. Berg, Richard Löwenherz, S. 192. Ehlers, Heinrich VI., S. 263f. Althoff, Kaiser Heinrich VI., S. 150f. Zu den Konflikten zwischen den Babenbergern und Welfen, die zusätzlich einen Anstoß für die gegnerische Positionierung in dieser Angelegenheit gegeben haben dürften, siehe Pfaffenbichler, König Richard Löwenherz, S. 117–119.Vgl. Gillingham, Richard The Lionheart, S. 225.
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Nach Richards Inhaftierung in Dürnstein verhandelte Leopold mit Heinrich VI. bereits am 06. Januar 1193 auf dem Hoftag in Regensburg971 bezüglich der Übergabe, die aber erst nach dem Vertrag von Würzburg972 vom 14. Februar 1193 vollzogen wurde. Zur Begegnung Heinrichs VI. mit Richard kam es allerdings erst am 22. März in Speyer, als Richard beim Hoftag öffentlich angeklagt wurde. Die Vorwürfe bestanden in der Auftraggeberschaft der Ermordung Konrad von Montferrats, Missachtung der Lehnspflichten gegenüber König Philipp und Intention, diesen durch Assassinen ermorden zu lassen, Inhaftierung des Kaisers von Zypern und von dessen Verwandten, schändlicher Frieden mit Saladin, dem das Heilige Land überlassen wurde, Beleidigung Leopolds von Österreich und Herabwürdigung der deutschen Ritter im Heiligen Land, Vereinbarung mit Heinrichs Gegnern, durch die er das sizilische regnum verloren habe.973 Der Hoftag in Speyer selbst und Richards Auftreten dort werden in der Forschung verschieden bewertet, am Ende stand aber ein Friedenskuss zwischen dem Kaiser und dem englischen König, gegenseitige Freundschaftsbeteuerungen und die Umwandlung des Lösegelds in Lohn für die Bemühungen des Kaisers, zwischen ihm und Philipp II. für einen Ausgleich zu sorgen.974 Von nun an wurde die 971 Gillingham, The kidnapped King, S. 16f. Csendes, Heinrich VI., S. 124. Görich, Verletzte Ehre, S. 80. Zu den verschiedenen Stationen seiner Gefangenschaft mit beigefügtem Itinerar seiner Heimreise siehe Weill, Le voyage de retour, S. 38–43. 972 Zur Edition des Würzburger Vertrags siehe MGH Constitutiones I, Nr. 354, S. 502–504. Zum Inhalt des Würzburger Vertrags siehe Ogris, King for sale, S. 94f. Hier werden die Bedingungen genannt, die später, wenn auch abgewandelt, zur Freilassung führen sollten: 100.000 Mark Silber, davon die Hälfte an Leopold als Mitgift für die Schwester Arthurs von der Bretagne, Freilassung Isaaks von Zypern und dessen Tochter, Intervention beim Papst bzgl. einer Exkommunikation Leopolds, 50 Kriegsschiffe, 100 Ritter und 50 Schleuderer zur Unterstützung des Sizilienfeldzugs Heinrichs VI., an dem Richard teilnehmen sollte. Ob sich in diesem Vertrag aber, wie Ogris vermutet, tatsächlich die geopolitischen und machtpolitischen Visionen Leopolds und Heinrichs VI. widerspiegeln, die Weltpolitik betreiben wollten, sollte kritisch betrachtet werden. Zwar war das Lösegeld – im Würzburger Vertrag sollte Heinrich VI. nur 50.000 Mark erhalten – für einen erneuten Sizilienfeldzug gedacht, allerdings stellt sich der Begriff Weltpolitik als zu groß hierfür dar. 973 Die Aufzählung wurde Berg, Richard Löwenherz, S. 195, entnommen. 974 Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 198f., sieht in Speyer einen Schauprozess, der mit einem Schuldspruch habe enden sollen, um die päpstliche Bannung abzuhalten. Auch Berg, Richard Löwenherz, S. 195f., ist der Ansicht, dass der eloquente und souveräne Auftritt Richards Heinrich VI. die gewünschte rechtliche Basis für die weitere Inhaftierung entzogen habe und letzterer »mit bemerkenswerter Kaltblütigkeit« auf die temporäre Niederlage reagiert und seine Handlungsstrategie mit dem Vermittlungsangebot geändert habe. Vgl. Althoff, Kaiser Heinrich VI., S. 150f., und Görich, Verletzte Ehre, S. 80–83, bezweifeln aber die spontane Reaktion des Kaisers und weisen darauf hin, dass so weder das Auftreten Richards noch Heinrichs Reaktion spontan gewesen, sondern nach den Spielregeln der gütlichen Konfliktbeilegung abgelaufen seien. Durch die Anklage sei die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung bewiesen gewesen, mit seiner Unterwerfung habe er aber Unterordnung demonstriert, sodass Heinrich von einem Gerichtsverfahren habe absehen und Richard in seine kaiserliche Huld aufnehmen können. Görich, Verletzte Ehre, S. 85, verweist darauf,
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»Fiktion einer amicitia«975 zwischen dem Kaiser und seiner englischen Geisel aufrechterhalten. Diese beschworene Freundschaft hinderte Heinrich aber nicht daran, Richard im Anschluss auf Trifels verlegen zu lassen, vermutlich um den Ort als Drohkulisse für eine schnelle Lösegeldzahlung zu benutzen. Am 29. Juli 1193 wurde in Worms der abschließende Vertrag zwischen Richard und Heinrich geschlossen, der zwar eine Erhöhung der Zahlung um 50.000 Mark beinhaltete, aber dafür die Unterstützung im Sizilienfeldzug nicht mehr aufführte.976 Auch beinhaltete dieser Vertrag die sog. »Welfenklausel«, deren Bedeutung umstritten ist, die sich aber vermutlich auf ein Verbot der Ehe zwischen Heinrich von Braunschweig und Agnes von der Pfalz bezog.977 Nachdem im Laufe des Herbstes 1193 ein Großteil der Zahlung erfolgte, versprach der Kaiser die Freilassung für den 17. Januar 1194. Allerdings erfolgte daraufhin ein finanzielles Angebot des französischen Königs im Bund mit Richards Bruder Johann für die weitere Inhaftierung Richards oder dessen Auslieferung an Frankreich. Am 02. Februar präsentierte Heinrich VI. auf dem Mainzer Hoftag den dort versammelten Fürsten das Angebot, wurde aber von den Großen, zu denen Richard während seines Aufenthaltes im Reich Verbindungen geknüpft hatte, gedrängt, die Zusage zur Freilassung Richards einzuhalten, was dann auch am 04. Februar 1194 geschah, nachdem er dem Kaiser das homagium geleistet hatte und damit dessen Lehnsmann geworden war.978
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dass Demütigung besondere Ehrung und Wertschätzung verlangt habe. Durch die Inszenierung in Speyer habe Richard die Möglichkeit gehabt, seine Ehre zu wahren, indem er nicht gezwungengewesen sei, auf die Lösegeldforderung einzugehen, sondern von sich aus die Summe habe vorschlagen können. Berg, Richard Löwenherz, S. 196. Zur Edition des Vertrags siehe MGH Constitutiones I, Nr. 355, S. 504f. Berg, Richard Löwenherz, S. 203, vermutet, dass die Erhöhung der Geldsumme anstatt der Unterstützung in Sizilien Richards eigenes Interesse widerspiegelt, da dieser kein Interesse an einem langwierigen Feldzug gehabt habe. Dem Vertrag vorausgegangen war der Ausgleich Heinrichs mit der rheinischen Opposition, der am 08. Juni in Koblenz zustande kam. Richard hatte an diesen Verhandlungen maßgeblichen Anteil, da er damit verhindern konnte, dass Philipp II. dem Kaiser Hilfe gegen die Aufständischen anbot. Vgl. Mayer, A Ghost Ship, S. 142. Vgl. Gillingham, The kidnapped King, S. 24. Im Vertrag wird zweimal von einem Versprechen in Bezug auf Heinrich von Sachsen gesprochen, allerdings wird dieses Versprechen nicht konkretisiert. Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 210, ist der Ansicht, dass Heinrich niemals eine derartige Kehrtwendung hätte vollziehen können, da er nicht mächtig genug gewesen sei. Vielmehr habe Richard durch die Drohung zur Lehnsnahme gezwungen werden sollen. Dabei wertet Fischer diese: »Doch die Minderung der herrschaftlichen Reputation, die mit der Anerkennung des Kaisers als Oberherren einherging, war bitter.« Görich, Verletzte Ehre, S. 86f., hingegen sieht das homagium als Teil des Friedensvertrags. Gillingham, König Richard I., S. 133, ebenso, ders. The kidnapped King, S. 28, sieht in der Lehnsabhängigkeit vielmehr einen englischen Wunsch, da somit Richard als englischer König anerkannt worden sei und von Philipp und Johann in seiner Position als Herrscher nicht mehr habe angezweifelt werden können.
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Nach seiner Freilassung reiste Richard Löwenherz aber nicht unmittelbar in seiner Heimat, sondern baute zunächst ein komplexes System an Rentenlehen zu deutschen Fürsten, darunter u. a. die Erzbischöfe von Köln und Mainz, Adolf I. von Altena, Konrad I. von Wittelsbach, Simon von Limburg, den Bischofselekten von Lüttich, Pfalzgraf Konrad bei Rhein, Graf Dietrich VII. von Holland, Konrad von Schwaben, Heinrich I. von Brabant, auf. Richard ging es dabei darum, zum einen seine außenpolitischen Beziehungen zu festigen und zum anderen, wie Berg vermutet, durch die Zahlungen den Angehörigen der früheren Fürstenopposition, die zu einem Großteil Lehnsmänner des Angevinen wurden, eine Kompensation für ihren Friedensschluss mit dem Kaiser zu leisten.979 Im Anschluss daran reiste der König nach Köln und intensivierte die wirtschaftlichen Kontakte zwischen Köln und London durch Handelsprivilegien.980 Erst am 13. März 1194 erreichte Richard die englische Küste – eineinhalb Jahre nach seinem Aufbruch im Heiligen Land.
3.3.2 Quantitative Auswertung und die Herkunft der Informationen Dieses Ereignis, die Gefangennahme des englischen Königs auf seiner Heimreise vom Kreuzzug, seine lange Gefangenschaft im Reich und die Freilassung nur gegen eine hohe Lösegeldzahlung, stellt bei der Analyse das am häufigsten wahrgenommene Ereignis deutsch-englischer Beziehungen in Chroniken und Annalen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts dar. In elf der analysierten Quellen, die zwischen um 1195981 bis in die 1230er-Jahre982 entstanden, wird ein oder mehrere Male auf die Gefangenschaft des englischen Königs verwiesen. Dabei reicht die Bandbreite von einem einzelnen Satz bis zu ausführlichen Darstellungen. Da, wie bereits dargestellt, die Ereignisse beim 3. Kreuzzug eine wichtige Rolle bei den Hintergründen und Anklagepunkten spielen und sie z. T. auch bei der Beschreibung in den Bericht zur Gefangennahme einfließen, sollen die Ereignisse ab 1192 nicht unabhängig, sondern im Verbund mit den Darstellungen der Teilnahme des englischen Königs am Kreuzzug betrachtet werden. Dabei fällt wiederum auf, dass die Darstellungen zur englischen Beteiligung am Kreuzzug und die Gefangennahme breit über das Reich verteilt sind. Ein 979 Die Aufzählung der Fürsten wurde z. T. entnommen aus Berg, Richard Löwenherz, S. 211. 980 Berg, Richard Löwenherz, S. 212. 981 Relativ unmittelbar entstanden z. B. die Annales Reicherspergenses von Magnus von Reichersberg, der diese 1195 beendete. Allerdings auch in der darauffolgenden Continuatio wird ebenso Richard Löwenherz noch einmal angesprochen. 982 Zu den später entstandenen Werken, die sich mit der Gefangenschaft des englischen Königs auseinandersetzten und dessen Beteiligung am 3. Kreuzzug betrachten, zählt u. a. Burchard von Ursbergs Chronicon und die Marbacher Annalen.
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Zentrum des Wissens lässt sich dabei nicht feststellen. Vier der Annalen stammen aus dem österreichischen Raum. Hier berichten die Annales Admontenses, die Annales Garstenses, die Annales Mellicenses und die Annales Reichespergenses zu den Ereignissen.983 Des Weiteren berichten Burchard von Ursberg, Otto von St. Blasien, die Marbacher Annalen, die Kölner Königschronik und die Aachener Annalen darüber.984 Auch in eng mit den Welfen verbundenen Werke finden sich Einträge, wie bei Arnold von Lübecks Slawenchronik oder in den Annales Stederburgenses.985 In Teilen kann dabei nachvollzogen werden, wie die Historiographen dabei Informationen zu den Ereignissen im Heiligen Land und um Richard Löwenherz gelangten. Eine wichtige Rolle spielten dabei Kreuzzugsberichte.986 Sowohl in den Reichersberger Annalen als auch bei Burchard von Ursberg finden sich Kreuzzugsberichte, die diese teilweise oder vollständig in ihre Werke aufnahmen. Bei Burchard von Ursberg lässt sich dabei stringent seine Quelle für seine Informationen zu König Richard feststellen. Der Historiograph nutzte relativ frei für seine Darstellung des 3. Kreuzzuges eine Quelle, die Historia brevis occupationis et amissionis terrae sanctae, die er vermutlich in Italien kennengelernt hatte, da aufgrund der sehr positiven Darstellung der Italiener gegenüber den Deutschen
983 Annales Admontenses, A. 1140–1250, zum Jahr 1189, S. 586, zum Jahr 1191, S. 587, zum Jahr 1193, S. 587 und zum Jahr 1194, S. 587. Annales Garstenses zum Jahr 1194, S, 594. Annales Mellicenses zum Jahr 1194, S. 506. Annales Reicherspergenses zum Jahr 1189, S. 509f., zum Jahr 1190, S. 517, zum Jahr 1191 (hier finden sich allerdings unterschiedliche Einträge in den verschiedenen Versionen der Annalen), S. 518, zum Jahr 1191, S. 519f., zum Jahr 1192, S. 520, zum Jahr 1192 (W3), S., 520, zum Jahr 1192 (W3), S. 521, zum Jahr 1195, S. 521–523, zum Jahr 1195 (Continuatio Reicherspergenses), S. 523. 984 Burchard von Ursberg, Chronicon, mehrere Jahre zusammenfassend, S. 59–64, zum Jahr 1193, S. 72, zum Jahr 1196, S. 73. Otto von St. Blasien, Chronica, zum Jahr 1188, Kapitel 31, S. 45, zum Jahr 1190, Kapitel 33, S. 48, zum Jahr 1190, Kapitel 36, S. 53–55, zusammenfassend zu den Jahre 1191–1194, Kapitel 38, S. 57–59, zusammenfassend 1194–1199, Kapitel 41, S. 66, zum Jahr 1196, Kapitel 42, S. 66f. Annales Marbacenses, zum Jahr 1188, S. 59, zum Jahr 1187, S. 59f., zum Jahr 1160, S. 61, mehrere Jahre ab 1191 zusammenfassend, S. 63. Chronica regia Coloniensis, zum Jahr 1188, S. 140, zum Jahr 1189, S. 141, zum Jahr 1189, S. 143, zum Jahr 1190, S. 148, zum Jahr 1191, S. 152, zum Jahr 1192, S. 154, zum Jahr 1192, S. 155, zum Jahr 1192/93, S. 155f., zum Jahr 1194, S. 156, zum Jahr 1195, S. 158. Annales Aquenses, zusammenfassend zu 1192–1194, S. 39. 985 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, zusammenfassend 1192–1194, IV, 16, S. 178f. Annales Stederburgenses, zum Jahr 1194, S. 229. 986 Für eine Übersicht zu Berichten zum 3. Kreuzzug siehe Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 93–104. Allerdings ist diese in Teilen unvollständig. Schmale weist als Gemeinsamkeit auf, dass diese Berichte – auch in Briefform – meist auf tagebuchartigen Aufzeichnungen beruhten. Diese Berichte wurden entweder aus dem Heiligen Land versendet, sie wurden von ihren Aufzeichnern wieder mit in die Heimat gebracht oder, wie bei Tageno der Fall, von anderen Personen mit in das Reich genommen.
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vermutet wird, dass dieses Werk von einem Italiener verfasst wurde.987 Zeitlich beschreibt die Historia brevis die Geschichte der Kreuzzüge und des Königreichs Jerusalem bis 1197. Aus diesem Werk, wenn auch z. T. anders geordnet und ergänzt, stammen auch Burchards Einträge zu England. Magnus von Reichersberg hingegen verwendete sowohl die Aufzeichnungen des Passauer Domdekans Tageno, der mit fünf weiteren Klerikern Bischof Diepold von Passau beim Kreuzzug begleitete und mit diesen bei der Belagerung von Akkon an einer Seuche starb, als auch eine Version der Historia de expeditione Friderici I. des sogenannten Ansbert, die in unterschiedlichen Fassungen bis 1197 Informationen zum Kreuzzug und zu den Ereignissen zur Gefangennahme Richards I. enthielt.988 Der sogenannte Ansbert war vermutlich ebenfalls ein österreichischer Kleriker und gehörte wahrscheinlich zum Kreis der kaiserlichen Notare.989Allerdings erklären diese beiden Kreuzzugsberichte nicht die Erkenntnisse zu England, da bei Magnus von Reichersberg die wörtliche Übereinstimmung mit Ansbert im Juni 1190 endet.990 Die Berichte zu Richard I. gestalten sich dabei in 987 Ursprünglich zerfiel die Historia brevis in zwei Bestandteile, einer Beschreibung des Heiligen Landes und seiner Einwohner (Tractatus de locis et statu sanctae terrae Ierosolimitanae) und eine historische Darstellung (De excidio regni et regibus Ierusalem) die von Burchard für sein Chronicon verwendet wurde. Im 18. Jahrhundert wurde dieses Werk unter seinen heute bekannten Namen veröffentlicht. Für die Edition siehe, De excidio regni et regibus Jerusalem, hg. von Thomas, S. 141–171. Zur Verwendung des Werks in der Chronik siehe, Burchard von Ursberg, Chronicon, S. XVII–XX. 988 Nach Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 98, nutzte Magnus von Reichersberg Tagenos Tagebuch nicht von Anfang an, da er für 1189 Informationen aus einem Brief Bischof Diepolds bezog und erst 1190 dieses Tagebuch erhielt. Erst ab Januar 1190 zitiert er wörtlich aus dem Tagebuch. Allerdings hatte er aber auch schon ab Ende März, verstärkt ab Mai 1190 eine frühere Fassung der Historia de expeditione Friderici I. des sog. Ansbert hinzugezogen. Dieser Ansbert stand vermutlich Leopold von Österreich sehr nahe, da er sehr gut über dessen Aktivitäten im Heiligen informiert war und aus dessen Umgebung auch Nachrichten und Briefe erhielt, wie den Vertrag Leopolds mit Heinrich VI. über die Auslieferung Richards. Die Zusammenhänge zwischen Tagenos Tagebuch, der Historia de expeditione Friderici I. und der Historia Peregrinorum und deren Benutzungen u. a. durch Magnus von Reichersberg, aber auch die Entstehungsgeschichte mit unterschiedlichen Fassungen ist noch nicht endgültig geklärt. Eine kritische Edition für Tageno liegt nicht vor, hier ist man auf die Edition der Annales Reicherspergenses angewiesen. Für die Edition des sog. Ansberts siehe Historia de expeditione Friderici I, hg. v. Chroust (MGH SS. rer. Germ. N.S. 5), S. 1–115. Zur Diskussion um die Entstehungsgeschichte und die Zusammenhänge siehe Zimmert, Die Entstehung der Historia de expeditione, S. 600–612; Ders., Zur Tageno-Ansbertfrage (1926), S. 389–411; Ders., Zur Tageno-Ansbertfrage (1929), S. 398–404; Steinacker, Zu Aventin und Tageno, S. 84f. 989 Bühler (Hg.), Der Kreuzzug, S. 48f. 990 Annales Reicherspergenses zum Jahr 1190, S. 516. Vgl. Chroust, Quellen zur Geschichte (MGH SS. rer. Germ. N.S. 5), S. LXII f. Tageno war dabei im Vorfeld bereits durch Ansbert ersetzt worden. Siehe ebenso die Darstellung Richards I. in Historia de expeditione Friderici I. ab S. 98. Auch findet sich nur beim sog. Ansbert eine Abschrift des Würzburger Vertrags
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der Historia de expeditione Friderici I. und in den Annales Reicherspergenses so unterschiedlich, dass hier von keiner gemeinsamen Vorlage ausgegangen werden kann. Magnus von Reichersberg muss dafür andere Quellen benutzt haben. Der Autor der Marbacher Annalen nutzte die Historia Peregrinorum eines unbekannten schwäbischen oder elsässischen Verfassers für die Darstellung des Kreuzzugs.991 Der Autor kannte wiederum vermutlich frühe Fassungen Ansberts und Tagenos und weitere Berichte. Auch weitere Autoren wie Arnold von Lübeck oder der Verfasser der Kölner Königschronik nutzten zur Informationsgewinnung Kreuzzugsberichte, wobei diese heute verloren sind.992 Bei mehreren Historiographen findet sich die wörtliche oder inhaltliche Übernahme von Informationen zum 3. Kreuzzug aus Kreuzzugsberichten, die heute nur noch teilweise vorhanden sind. Allerdings lässt sich nur bei Burchard von Ursberg die Kenntnis zu Richard Löwenherz im Heiligen Land und zu seiner Gefangenschaft direkt auf solche Quellen zurückführen. Inwiefern weitere Kreuzzugsberichte und deren Darstellungen zu Richard die untersuchten Quellen beeinflussten, kann in unserem Zusammenhang nicht festgestellt werden. Eine weitere schriftliche Quellengattung, die sich als Informationsquelle in den analysierten historiographischen Werken nachweisen lässt, sind Briefe. Tatsächlich können im Umfeld der Ereignisse um Richard zahlreiche Briefe festgestellt werden, wobei Briefe von ihm selbst993 bekannt sind, Briefe Heinrichs VI.,994 Philipps II.,995 und zahlreiche Briefe weiterer Personen verschiedener
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Leopolds mit dem Kaiser, S. 103–105, und eine Brief, S. 105f., vermutlich unvollständig, des französischen Königs an Leopold, in dem er in bat, Richard solange in Haft zu lassen, bis er mit dem Kaiser verhandelt hätte. Vgl. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 102f. Zur kritischen Edition siehe Historia Peregrinorum, hg. von Chroust (Hg.), S. 116–172. Der Bericht zur Gefangennahme Richards I. stammt allerdings nicht daraus. Wattenbach/ Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen, Vom Tod Kaiser Heinrichs V., S. 102. Ansbert verwendete eine Fassung Tagenos für seine Historia. Magnus von Reichersberg kannte beide Texte, nutzte aber vermutlich auch weitere. Der Autor der Historia Peregrinorum verwendete eine Vorstufe des sogenannten Ansberts, aber auch weitere Texte, die wiederum vermutlich von Arnold von Lübeck und dem Autor der Kölner Königschronik verwendet wurden. Brief Richards vom 26. März 1193 an das Konvent von Canterbury bzgl. der Lösegeldforderung, in: Epistolae Cantuarienses, S. 361f. Brief vom 19. April 1193 an Eleonore und seine Stellvertreter, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 208–210. Brief Richards an Hubert von Canterbury vom 22. Dezember 1193 bzgl. seiner Freilassung, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 226f. Brief Heinrichs VI. vom 28. Dezember 1192 an Philipp II. über die Gefangennahme Richards, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 195f. Brief Heinrichs VI. vom 19. April 1193 an die Großen in England, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 211. Brief Heinrichs vom 20. Dezember 1193 an die englischen Fürsten zwecks Bekanntgabe der Freilassung Richards schließen, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 227. Brief Philipps II. an Herzog Leopold, in: Ansbert, Historia de expeditione Friderici I., S. 105f.
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Herkunft,996 die in diese Angelegenheiten involviert waren, welche die Öffentlichkeit oder einzelne Personen informieren sollten. Neben diesen zahlreichen Briefen, die sich mit der Gefangennahme beschäftigen, versuchte Richard auch durch Briefe und nach dem Wormser Vertrag auch durch Urkunden, Entscheidungen für sein Reich zu treffen. Dabei finden sich auch mehrere Briefe Richards bzgl. der Wahl des neuen Erzbischofs von Canterbury. In einem Brief versichert Richard, dass er sein vorher geschriebenes Empfehlungsschreiben für Savaric, Bischof von Bath, pura conscientia et bona voluntate verfasst habe und er erfreut wäre, wenn diesem gefolgt werden würde.997 In einem Brief vom 8. Juni 1193 schreibt Richard an seine Mutter, dass er niemanden anderen als Hubert Walter als neuen Erzbischof von Canterbury wünsche und dass früheren Briefen mit gegenteiligem Inhalt kein Glaube geschenkt werden solle.998 Eine Erklärung dafür liefert er gleich mit: quod dum in custodia tenemur, oportet nos precibus magnorum virorum cedere […]. John Gillingham vermutet, dass er vermutlich in seiner Haft zu einer anderen Entscheidung gedrängt worden war.999 Neben dieser versuchten Einflussnahme auf die englische Politik mittels Briefen durch seine deutschen Bewacher, gab es auch eine bewusste Fälschung, die den Ruf Richards wiederherstellen sollte. In der Chronik Ralph de Dicetos findet sich ein Brief des sogenannten Alten vom Berg, Raschid ad-Din Sinan, dem Anführer der Assassinen, in dem er erklärt, dass Richard frei von Schuld hinsichtlich der Ermordung Konrads von Montferrat sei.1000 Von diesen vielen Briefen, die aufgrund der Gefangennahme Richards geschrieben worden waren – seien sie zum Informationsgewinn, zur Darlegung der eigenen Position, beeinflusst durch andere Personen, geschrieben worden – spiegeln sich allerdings nur wenige in den untersuchten Chroniken und Annalen wider. Neben dem bereits angesprochen Brief Philipps II. an Herzog Leopold in der Historia de expeditione Friderici I1001, 996 Brief Walter von Rouens an Bischof Hugo von Durham vom Februar 1193, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 196f. Brief Peter von Blois an den Mainzer Erzbischof Konrad mit der Bitte um Hafterleichterungen, in: Mainzer Urkundenbuch. Bd. 2, hg. von Acht, Nr. 573, S. 944–947. 997 Brief vom 28. Mai 1193 von Richard I. an das Konvent von Canterbury, in: Epistolae Cantuarienses, Nr. 402, S. 364. 998 Brief vom 06. Juni 1193 von Richard I. an Eleonore von Aquitanien, in: Epistolae Cantuarienses, Nr. 403, S. 364f. 999 Gillingham, König Richard I., S. 132. Zu einer völlig anderen Einschätzung der Situation kommt Kessler, Richard I. Löwenherz: König, Kreuzritter, S. 332. Sie sah darin eine Taktik Richards, niemanden vor den Kopf zu stoßen und allen erdenklichen Leuten gefällig zu sein. 1000 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 2, S. 127f. 1001 Gerade bei Ansberts Historia de expeditione Friderici I in der Fassung, die auch die Jahre 1190–1197 enthält, ist davon auszugehen, da hier der Würzburger Vertrag und der Brief des französischen Königs enthalten ist, dass der Schreiber dieses Werk Zugang zu Akten des babenbergischen Hofs hatte und somit seine Historia interpolieren konnte.
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die aber nicht zum engeren analysierten Quellenkorpus gehört, finden sich bei Magnus von Reichersberg drei Briefe zur Exkommunikation Leopolds bzw. zur Rücknahme kurz vor dessen Tod, die er seinem Bericht über den Unfall Leopolds und der Bedingung für die Befreiung von der Exkommunikation, nämlich die unverzügliche Rückgabe des Lösegeldes, anfügt.1002 Zugang zu dem Brief Papst Coelestins III., dem Brief Erzbischof Adalberts III. von Salzburg und dem Brief Richards I. an den Salzburger Erzbischof erhielt er vermutlich durch die Nähe des Reichersberger Klosters zu Salzburg. Der Quellenzugang war in diesem Fall sehr lokal und beschränkte sich auf diese für das Herzogtum Österreichs wichtige Begebenheit. Mit dieser dennoch sehr ausführlichen Wiedergabe von Briefen, die, obwohl so zahlreich im Umfeld dieser Angelegenheit geschrieben, bleibt Magnus von Reichersberg – neben dem sogenannten Ansbert – unter den deutschen Historiographen allerdings die große Ausnahme. Kopien weiterer Briefe, wie man diese z. B. bei dem englischen Autoren Roger von Howden sehr ausführlich findet, lassen sich nicht feststellen. Nur indirekt könnten Argumentationsmuster aus den Briefen an die Öffentlichkeit gedrungen sein und somit die Chronisten und Annalisten beeinflusst haben. John Gillingham vermutet, dass die Darstellung Richards im Brief Heinrichs VI. an König Philipp als inimicus imperii nostri eventuell die Darstellung Richards in den Marbacher Annalen beeinflusst hat.1003 Neben Schriftquellen – Kompilationen aus Annalen sind in dieser Angelegenheit nur in wenigen österreichischen Annalen nachweisbar und spielten in diesem Fall eine untergeordnete Rolle – waren hier vor allem mündliche Informationen und Boten bzw. Informanten von großer Bedeutung. So finden sich in den analysierten Quellen mehrere Hinweise, die Rückschlüsse auf eine öffentliche Debatte ermöglichen, ob Richard tatsächlich den Mord an Konrad von Montferrat veranlasst hat, wie bei Burchard von Ursberg und Arnold von Lübeck.1004 Hier betonen die beiden Autoren besonders die Bedeutung des Hörensagens, aber auch die damit einhergehende Unsicherheit, ob diesen Gerüchten Glauben geschenkt werden kann, für ihre Niederschriften. Diese besondere Bedeutung des Mündlichen und die Verbreitung von Gerüchten zeigt sich besonders in Ansberts Historia de expeditione Friderici I, indem er auf die 1002 Brief Papst Coelestins III. an den Salzburger Erzbischof Adalbert III. von Böhmen, Brief des Salzburger Erzbischof Adalberts III. Papst Coelestin III., und der Brief König Richards I. an Erzbischof Adalbert, in: Annales Reicherspergenses zum Jahr 1195, S. 522f. 1003 Gillingham, The kidnapped King, S. 30. Vgl. Brief Heinrichs VI. vom 28. Dezember 1192 an Philipp II. über die Gefangennahme Richards, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 195f. Annales Marbacenses zum Jahr 1190, S. 180. 1004 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 63: Que fuerit causa interfectionis eius, plus in opinione quam in veritate repertum habeo. Quidam dicunt […]. Alii dicunt […]. Alii dicunt […]. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, IV, 36, S. 178: Post dies illos occisus est Conradus rex Iherosolimorum, dolo ut dicitur regis Anglie et quorundam Templariorum.
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Verbreitung des Gerüchts über die Gefangennahme verweist und die schriftlichen Nachfragen von Fürsten beim österreichischen Herzog zur Bestätigung dieses Gerüchts.1005 In den Quellen wird dabei auch immer wieder auf Boten verwiesen, die Neuigkeiten übermittelten oder Botschaften überbrachten. Boten oder Verwandte oder nicht näher Genannte informierten Herzog Leopold V. über die Rückreise Richards, wie bei Magnus von Reichersberg, Otto von St. Blasien und den Admonter Annalen berichtet.1006 Ebenfalls in den Reichersberger Annalen wird vermeldet, dass Boten an den Papst geschickt wurden bzgl. des überraschenden Tods Leopolds und der Aufhebung des Exkommunikation unter bestimmten Bedingungen.1007 Aber auch der mehrfache Besuch englischer Großer beim gefangenen englischen König, auf den Otto von St. Blasien erstaunt verwies, zeigt die Bewegung an, die die Gefangennahme auslöste.1008 Diese Beispiele zeigen, dass die Gefangennahme Spekulationen auslöste und es zu Diskussionen kam, die Eingang in die Chroniken und Annalen fanden. Auch das 1005 Ansbert, Historia de expeditione Friderici I., zum Jahr 1193, S. 105: Dum vero in captivitate in Austria [rex] adhuc detineretur, fama velox vicina regna et regnorum principes penetravit et [in]auditam humiliationem et captionem tanti viri mirati certitudinem huius facti a duce Austrie˛ litteris suis inquirentes ipsi scripserunt. Vgl. Csendes, Heinrich VI., S. 123. Gerade die Unsicherheit zu Beginn der Gefangenschaft bzgl. des Aufenthalts Richards I. und die daraus entstehenden Gerüchte spiegeln sich besonders in den englischen Quellen wider. Siehe den Brief Walter von Rouens an Bischof Hugo von Durham vom Februar 1193, in: Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 196f., hier S. 196: Super adventu regio rumoribus variis ventilatis, tandem, quia veritas latere non potuit, nobis omnia sunt aperta. Richards Bruder Johann streute u. a. das Gerücht, dass Richard nicht mehr am Leben sei, wogegen Eleonore von Aquitanien mit entsprechender Gegenpropaganda vorging; Berg, Richard Löwenherz, S. 198. 1006 Annales Reicherspergenses zum Jahr 1192, S. 519: comperit per certos nuncios, quod rex Angliae naufragus et profugus devenisset. Annales Admontenses, A. 1140–1250, zum Jahr 1192, S. 587: in civitate cognitus […]. Otto von St. Blasien, Chronica, 38, zum Jahr 1191, S. 57f.: Quidam igitur de familia ducis, qui cum duce apud Accaron ens visum inibi regum notum habebat, de civitate fortuitu egressus tabernam regali coco insignem intravit et ex consideratione anuli ipsum respiciens et recognoscens agnitum dissimulavit concitoque cursu in civitatem reversus ducem, qui tum forte aderat, de presencia regis certificans admodum exhilaravit. 1007 Annales Reicherspergenses zum Jahr 1195, S. 522: Ob hanc causam direxit archiepiscopus Salzburgensis nuncios ad summum pontificem. 1008 Otto von St. Blasien, Kap. 38, S. 58: Ad quem multi sue terre maiores visitandi gratia venerunt, diversas rerum species domino suo obtulerunt. Vgl. Berg, Richard Löwenherz, S. 197. Nach Fischer, Richard I. Löwenherz, S. 198, waren die Äbte von Boxley und Robertsbridge die ersten beiden Gesandten, die auf der Suche nach Richard in das Reich kamen und diesen dann in Ochsenfurt bei Würzburg antrafen. Eine weitere wichtige Rolle spielte Wilhelm Longchamp, Kanzler Englands, der nicht nur die Verlegung Richards von Trifels an den kaiserlichen Hof nach Hagenau ermöglichte, wo Richard nun auch Gesandte empfangen konnte und seine Regierungsverantwortung wieder aufnehmen konnte, sondern war auch entscheidend bei den Vertragsverhandlungen, die zu Richards Freilassung führten, beteiligt. Zu den herausragenden Besuchern zählte auch seine Mutter Eleonore, die anlässlich seiner Freilassung in das Reich reiste.
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verstärkte Reiseaufkommen durch Boten und Gesandte, durch die Informationen verbreitet werden konnten, wurde in den Quellen verzeichnet. Unterstützt wurde vermutlich – auch wenn sich hierfür keine Belege in den Quellen befinden – die Verbreitung der Informationen zur Gefangennahme und Gefangenschaft Richards durch die zahlreichen verschiedenen Aufenthaltsorte Richards mit entsprechendem Reiseweg (Wien – Dürnstein – Würzburg – Speyer – Trifels – Hagenau – Worms – Mainz – Köln), die Hoftage, die sich mit Richard befassten (am 6. Januar 1193 in Regensburg, am 25. März 1193 in Speyer, am 25.–29. Juni 1193 in Worms und am 2.–4. Februar 1194 in Mainz), und die Involvierung zahlreicher Fürsten.1009
3.3.3 Das Schweigen der deutschen Historiographen und die Wahrnehmung Leopolds V. Dennoch findet sich in der deutschen Historiographie zu diesem Thema das Paradoxon, dass trotz der langen Dauer der Gefangenschaft, den Hoftagen, die sich mit der Gefangennahme Richards beschäftigten, wobei Richards Verteidigung in Speyer besonders eindrucksvoll gewesen sein muss, den Verhandlungen, den verschiedensten Stationen Richards im Reich, den zahlreich reisenden Boten und Gesandtschaften, sich in keiner deutschen Quelle ein Eintrag zum Zeitraum zwischen der Festnahme Richards und der anschließenden Übergabe an den Kaiser sowie der Freilassung Richards findet. In keiner der elf analysierten deutschen Quellen, die zu Richard und der Gefangennahme berichten – auch wenn man noch die Historia de expeditione Friderici I Ansberts und die Annales Cremifanenses1010 als weitere österreichische Quellen, die ausführlicher über die Ereignisse berichten, hinzuzieht – findet sich eine Darstellung der Ereignisse in Speyer und Worms oder ein Bericht zur Gefangenschaft auf dem Trifels.1011 Für
1009 Auf Richards Aufbau eines komplexen Rentenlehensystems mit zahlreichen deutschen Fürsten, die zu einem großen Teil aus der früheren Fürstenopposition stammten, wurde bereits verwiesen. 1010 Annales Cremifanenses unter dem Titel Continuatio Cremifanensis, in: MGH SS 9, S. 544– 549. Für dieses Thema interessant sind besonders die Einträge zur Teilnahme Leopolds am Kreuzzug 1190, S, 547, dem gemeinsamen Agieren Richards und Philipps bei Akkon und der anschließenden Rückkehr Philipps nach Frankreich, S. 547f., die Rückreise Richards 1192 und die anschließende Gefangennahme, S. 548, die Übergabe Richards an Heinrich VI., S. 548, Richards Freilassung nach Geldzahlung und Geiselstellung, S. 548, und dem Tod Leopolds, nachdem er Geld und Geiseln zurückgegeben hat, S. 548. 1011 Nur Ansbert, Historia de expeditione Friderici I., S. 103, erwähnt Speyer als Ort der Übergabe an den Kaiser und verweist auf den Würzburger Vertrag. Was sich dort ereignete, erfährt der Leser allerdings nicht. Auch im Anschluss berichtet der Autor nicht mehr Weiteres über Richards Aufenthalt, sondern er erwähnt erst auf S. 107 wieder die Geld-
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all diese wichtigen Stationen zu Richards Gefangenschaft ist man auf englische Quellen angewiesen. Die Quellen berichten nur – bis auf die Annales Garstenses, Annales Mellicenses und die Annales Aquenses, die nicht auf Richards Beteiligung am 3. Kreuzzug eingehen – von der Teilnahme Richards am Kreuzzug, seiner Rückreise mit der Gefangennahme durch Leopold, der Übergabe an Heinrich VI. und der Freilassung nach der Zahlung eines Lösegelds – auch wenn dieses Wort in den Quellen vermieden wurde. Diese Elemente finden sich in sehr unterschiedlicher Länge in allen deutschen Quellen. Gelegentlich wird im Anschluss daran auf die Verwendung des Geldes eingegangen, auf erneute Auseinandersetzungen Richards mit Philipp oder auf die Auswirkungen für Leopold V.1012 Ausnahme sind bei der Art der Darstellung nur die Annales Stederburgenses, die sich mit den Auswirkungen der Geiselstellung für die Zahlung des Lösegelds an den Kaiser befassen.1013 Bereits John Gillingham hat auf diese Einheitlichkeit in der Darstellung der Abläufe in den deutschen Quellen verwiesen.1014 Dabei fiel ihm die Diskrepanz auf, dass zwar über den Kreuzzug und das Verhalten Richards dort sehr ausführlich berichtet wird, ebenso über die Gefangennahme durch den österreichischen Herzog, dann aber nur noch die Übergabe erwähnt wird. Der über ein Jahr dauernde Aufenthalt und die Hoftage und Verhandlungen werden in den deutschen Quellen nicht erwähnt. Gillingham führt dies nicht auf mangelnde Informationen zurück, sondern versteht diese temporale Einheitlichkeit als einen Schutz des Kaisers vor möglicher Kritik.1015 Einen Kreuzfahrer gefangen zu nehmen bzw. ihn in Haft zu halten und zu erpressen, stelle ein Sakrileg dar, das durch nichts zu verteidigen sei, nicht einmal durch die Vorwürfe, die man dem englischen König machte. »In this dilemna, silence was a way out.«1016 Während Leopolds Handeln dargestellt wird – er war immerhin auch vom Papst exkommuniziert worden – verschweigen die deutschen Chronisten die Behandlung des englischen Kreuzfahrers in ihren Werken,
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übergabe und Geiselstellung. Otto von St. Blasien, Chronica, Kap. 38, S. 58, nennt Worms als Ort der Übergabe. Allerdings geht er nicht auf die Treffen Heinrichs VI. mit Richard ein. Zum Tod Leopolds in Verbindung gesetzt mit der Gefangenschaft äußern sich die Annales Cremifanenses, S. 548, die Annales Admuntenses, S. 587, die Annales Reicherspergenses, S. 521f., Otto von St. Blasien, Kap. 41, S. 66. Annales Stederburgenses zum Jahr 1194, S. 229: Mittitur itaque filius ducis, palatinus comes Reni, cum domno imperatore in Apuliam, sicque dux, beato Iob in hoc non dissimilis, omni orbatus est filio; siquidem duos minores natu, Ottonem et Willehelmum rex Angliae, avunculus ipsorum, pro multis milibus marcarum argenti, quod pro sui liberatione debebat domno imperatori, dederat in pignore; et hic maior natu sub dubia spe revertendi et ancipiti periculo peregre profectus est. Auf die Herkunft der Geiseln verweist ansonsten nur Ansbert, Historia de expeditione Friderici I, S. 107. Gillingham, The kidnapped King, S. 17f.; Gillingham, König Richard I., S. 127. Gillingham, The kidnapped King, S. 34.; Gillingham, König Richard I., S. 134. Gillingham, The kidnapped King, S. 34.
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da ihnen die Angelegenheit für ihren Kaiser als unangenehm und unehrenhaft erschien.1017 Trotz dieses einheitlichen zeitlichen Aspekts in der Darstellung der Gefangenschaft des englischen Königs, der vermutlich in einem Schutz des Kaisers begründet lag, sollten die unterschiedlichen Darstellungsweisen bei den Historiographen nicht vernachlässigt werden, da die Wahrnehmung der Ereignisse bei den deutschen Historiographen doch eine sehr verschiedene war. Dies beginnt bereits bei den Gründen für die Gefangennahme Richards. Überwiegend wird als Auslöser für die Gefangennahme durch Leopold auf dessen Beleidigung durch den englischen König mit der Abnahme der Flagge des österreichischen Herzogs und einem möglichen weiteren schändlichen Umgangs mit dieser in Akkon und damit auch einer Zurückweisung eventueller Beuteansprüche verwiesen.1018 Besonders Knut Görich weist darauf hin, dass den Chronisten die verletzte Ehre des österreichischen Herzogs, hervorgerufen durch das Abreißen des Banners, als Begründung für das Vorgehen gegen einen König und Kreuzfahrer genügte.1019 Görich wendet sich mit seiner These vor allem gegen Heinrich Fichtenau, der die materielle Bedeutung des Banners und des Abreißens betont.1020 Betrachtet man aber die deutschen Quellen noch einmal eingehender, so fällt auf, dass nur Otto von St. Blasien und die Kölner Königschronik über diesen Vorgang berichteten.1021 Nur diese beiden deutschen Quellen geben diese berühmte Geschichte wieder. 1017 Gillingham, König Richard I., S. 134. Gillingham sah das Pendant dazu im Schweigen der englischen Chronisten zum Lehnseid, den Richard Heinrich VI. leistete. 1018 Zur Diskussion um die Gründe für Leopolds V. Handeln siehe S. 186, Anm. 964. Allerdings verweisen auch Berg, Richard Löwenherz, S. 172; Flori, Richard the Lionheart, S. 124; Csendes, Heinrich VI., S. 122, Ehlers, Heinrich VI., S. 264, auf die Beuteansprüche. 1019 Görich, Verletzte Ehre, S. 73: »Rang und Ehre mußten in der Öffentlichkeit unverletzt behauptet werden, und eine erlittene Ehrverletzung verlangte nach Rache. Diese Verhaltensnorm hatte so selbstverständliche Gültigkeit, daß die einfache Kausalität von ehrverletzender Beleidigung und vergeltender Rache in vielen Quellen zur Begründung von Richards Gefangennahme durch Leopold völlig ausreichte – übrigens nicht nur in den österreichischen, sondern auch in englischen.« Der Autor, Verletzte Ehre, S. 89, steigert diese Aussage im Anschluss noch: »Die Gefangennahme des englischen Königs war Leopolds Rache für die Ehrverletzung, die er durch Richard erlitten hatte. Darin stimmen alle Quellen überein.« Auch Gillingham, König Richard I., S. 135, zeigt sich davon überzeugt: »Worüber die deutschen Quellen uns berichten, ist die Gefangennahme. Sie war durchaus verständlich. Richard hat auf dem Kreuzzug ohne alle Zweifel den Herzog von Österreich beleidigt, d. h. seine Ehre verletzt. Eine erlittene Ehrverletzung verlangte nach Rache. In den deutschen Quellen reichte diese Verhaltensnorm zur Begründung von Richards Gefangennahme durch Leopold völlig.« 1020 Görich, Verletzte Ehre, S. 89. Fichtenau, Akkon, Zypern, S. 241. 1021 Otto von St. Blasien, Chronica, Kap. 36, S. 54f.: Capta igitur civitate rex Anglorum signa triumphalia sui exercitus turribus affigi precepit, titulum victorie ex toto sibimet ipsi satis arroganter ascribens. Hacque de causa cum per civitatem transiret, vexillum ducis Leopaldi turri, quam ipse cum suis obtinuerat, affixum vidit suumque non esse recognoscens, cu-
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Die österreichischen Quellen hingegen, bei denen eine Verteidigung Leopolds V. zu erwarten wäre, verschweigen diese Episode, auch wenn die Reichersberger Annalen und Ansberts Historia de Expeditione Friderici beleidigendes Verhalten gegenüber Leopold ansprechen, ohne dieses genauer auszuführen.1022 In den Annales Admontenses, den Annales Garstenses oder in den Annales Mellicenses findet sich überhaupt keine Begründung.1023 Aber auch weitere Quellen außerhalb des Herzogtums erläutern nicht eindeutig, warum Leopold das Recht gehabt habe, den englischen König gefangen zu nehmen, sondern beschreiben meist nur den bloßen Fakt. Hinweise auf eine wie auch immer erfolgte Ehrverletzung finden sich in keiner weiteren deutschen Quelle. Ähnlich wie die österreichischen Annalen berichten die Aachener Annalen ebenfalls nur von der Gefangennahme und der Übergabe an den Kaiser.1024 Burchard von Ursberg erwähnt in seinem langen Bericht zum Kreuzzug in dem er auch ausführlich den englischen König darstellt, Leopolds Teilnahme daran nicht, sondern schreibt nur, dass Richard vom österreichischen Herzog 1193 gefangen genommen wurde.1025 Eine Erklärung hierfür bietet er nicht. Auch die Marbacher Annalen berichten von keiner Ehrverletzung, weder bei ihrer Darstellung von Richards Handeln im Heiligen Land, noch bei der Darstellung der Rückreise und der dabei erfolgten Gefangennahme.1026 Eine Darstellung der Ehrverletzung findet sich ebenfalls nicht bei Arnold von Lübeck und Gerhard von Steterburg.
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iusnam sit, percontatur. Quod Leopaldi ducis Orientalium esse accepto responso eumque ex parte civitatem obtinuisse comperiens maxima indignatione permotus vexillum turre deici lutoque conculcari precepit, insuper ducem verbis contumeliosis affectum sine causa iniuriavit. Chronica regia Coloniensis zum Jahr 1192, (Recensio II. codd. B. C.), S. 154: Ibi etiam regibus et principibus ingressis civitatem, et christianis eam mundantibus, Richardus rex suspectam semper habens virtutem Alamannorum, signum ducis Austriae Lupoldi in culmine˛ cuiusdam turris erectum in terram precipitari precepit. Annales Reicherspergenses, zum Jahr 1191, S. 519. Ansbert, Historia de expeditione Friderici I, S. 98. Annales Admontenses, A. 1140–1250, zum Jahr 1193, S. 587: Ipse vero navigio repatriare volens, adversa aura de mediterraneo in Ionium mare delatus, et ad terram egressus; Forum Iulii et Karinthiam, quinque tantum viris comitatus, ignotus et profugus transivit; et dum per Austriam fines Boemiae intrare vellet, in civitate Wien cognitus, et a duce Liupoldo, Heinrici ducis filio, captus est. Annales Garstenses, zum Jahr 1194, S. 594: Rychardus rex Anglorum a Liupoldo duce Austrie capitur, et Heinrico imperatori presentatur. Annales Mellicenses, zum Jahr 1194, S. 506: Richardus rex Anglorum a duce Austriae Liupoldo capitur, et imperatori Heinrici presentatur. Annales Aquenses zum Jahr 1192, S. 39: Richardus rex Anglie captus est al Lupuldo duce Austrie; pro cuius redemptione data sunt 150 milia marcarum Heinrico imperatori. Burchard von Ursberg, Chronica, zum Jahr 1193, S. 72: Richardus rex Anglie in Astria captus a duce Lupoldo traditur imperatori. Imperator vero C milia marcarum sibi ab eodem data […]. Annales Marbacenses, zum Jahr 1191, S. 63.
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Bei den elf diesbezüglich analysierten Quellen – erweitert noch um die Annales Cremifanenses und die Historia de expeditione Friderici I – findet sich nur in zwei (in der Kölner Königschronik und bei Otto von St. Blasien) eine Darstellung der Ehrverletzung Leopolds. In zwei weiteren wird eine Ehrverletzung erwähnt, allerdings nicht erläutert, worum es sich dabei gehandelt hatte. Dies bedeutet, dass nur die Minderheit der Historiographen Leopolds Vorgehen mit der in Akkon erfolgten Ehrverletzung rechtfertigt. Hierbei muss zunächst festgestellt werden, dass eben nicht »alle« deutschen Quellen die Gefangennahme durch Leopold durch eine Verhaltensnorm rechtfertigen. Wenn diese Verhaltensnorm so selbstverständlich war und das Handeln Leopolds gerechtfertigt hätte, warum findet man sie dann nicht öfter in den deutschen Quellen? Hierfür muss die Darstellung Richards und des Vorfalls noch einmal eingehend in den Quellen, die sich ausführlicher mit Richard befassten, untersucht werden. Als große Kritiker Richards unter den deutschen Historiographen gelten Otto von St. Blasien sowie die Verfasser der Kölner Königschronik und der Marbacher Annalen. Dabei haben Otto von St. Blasien und die Kölner Königschronik in ihrer Kritik an Richard inhaltliche Überschneidungen. In beiden Quellen wird die Episode mit Leopold bei Akkon auf unterschiedliche Weise erwähnt. Otto von St. Blasien wertet dabei die Rolle Leopolds auf. Nicht der französische König habe zusammen mit dem englischen Akkon eingenommen. Philipp sei noch im Laufe der Belagerung abgereist.1027 Hingegen der rex Anglie egregiusque dux Leopaldus reliquique egregii bellatores habe die Belagerung siegreich zu Ende geführt. Mit dieser Aufwertung der Rolle Leopolds erhält die nachfolgende Szene in Akkon natürlich mehr Gewicht. Der Chronist beschreibt Richard als so arrogant, dass er sich den Sieg allein zugeschrieben habe. Genau dieses Gefühl der Überlegenheit sei durch die aufgestellte Fahne des österreichischen Herzogs angekratzt worden. Maxima indignatione habe er die Fahne abreißen lassen und den Herzog beschimpft.1028 Neben diesem Ausfall gegen Leopold kritisiert Otto von St. Blasien ebenfalls, dass Richard die Beute für sich in Anspruch genommen und diese 1027 Als Grund gibt Otto von St. Blasien die Nachricht von einer Invasion des eigenen Reiches an. Dennoch kritisiert er diese frühzeitige Abreise. Otto von St. Blasien, Chronica, S. 53: Interim rex Francorum sinistro nuncio de invasione proprii regni accepto cum multis aliis relicta obsidione discessit, amans plus terrenum quam celeste regnum, emensoque mari per Apuliam rediens repatriavit. 1028 Otto von St. Blasien, Chronica, S. 54: Capta igitur civitate rex Anglorum signa triumphalia sui exercitus turribus affigi precepit, titulum victorie ex toto sibimet ipsi satis arroganter ascribens. Hacque de causa cum per civitatem transiret, vexillum ducis Leopaldi turri, quam ipse cum suis obtinuerat, affixum vidit suumque non esse recognoscens, cuiusnam sit, percontatur. Quod Leopaldi ducis Orientalium esse accepto responso eumque ex parte civitatem obtinuisse comperiens maxima indignatione permotus vexillum turre deici lutoque conculcari precepit, insuper ducem verbis contumeliosis affectum sine causa iniuriavit.
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unter den Eroberern nicht gerecht verteilt habe, sondern nach Belieben, und die übrigen Fürsten dabei missachtet habe.1029 Leopold und die deutschen und italienischen Ritter hätten sich allerdings nicht ob der Behandlung gewehrt, da die Autorität der Tempelritter dies verhinderthabe. Daher seien alle, nicht nur Leopold zurückgekehrt – Anglicam itaque perfidiam detestantes Anglieneque subdi dedignantes.1030 Otto von St. Blasien hat mit seiner Art der Darstellung nicht nur Leopolds Rolle bei Akkon entschieden aufgewertet, sondern er hat auch diesen zunächst personalen Konflikt auf das deutsche und italienische Heer und die übrigen Fürsten, die sich missachtet gefühlt hätten, vergrößert. Der Chronist schreibt nun nicht mehr von Richards Niedertracht, sondern von englischer Perfidie und englischer Unterdrückung.1031 Mit der Darstellung der Gefangennahme kehrt der Historiograph das Kräfteverhältnis zwischen dem englischen König und dem österreichischen Herzog um. Nun habe sich der zuvor als selbstherrlich dargestellte Richard I. verstecken müssen – dabei sei er sich seines schlechten Verhaltens gegenüber Leopold V. bewusst geworden –, mit Huhn in der Hand festgenommen und von Leopold ausgelacht worden.1032 Der gefangene König sei daraufhin gefesselt auf Befehl des Kaisers nach Worms gebracht worden. Von einem Ergreifungsbefehl oder einem Plan schreibt der Chronist nichts. Sowohl Leopold als auch Heinrich VI. hätten jeweils reaktiv auf empfangene Nachrichten gehandelt. Dabei stellt Otto von St. Blasien mit der Exkommunikation durch den Papst die Konsequenz für Leopolds Handeln dar. Dies könnte auch der Grund sein, warum hier nicht explizit von einer Geldstrafe o. ä. gesprochen wird. Richard habe sich hier das Mittel zu seiner Rettung selbst überlegen dürfen und dies mit der Bezahlung getan.1033 Für Otto von St. Blasien steht die Ehrverletzung Leopolds im Mittelpunkt. Gleichzeitig bezieht er in die schlechte Behandlung Leopolds auch weitere Fürsten und das Heer mit ein, die sich betrogen und verleumdet gefühlt hätten. In der Kölner Königschronik findet sich ebenfalls die Szene in Akkon. Dabei bleibt der Konflikt nicht auf Richard I. und Leopold V. beschränkt, sondern wird 1029 Otto von St. Blasien, Chronica, Kap. 36, S. 54f.: Preter hec preda, communi universorum sudore acquisita, inter suos tantum distributa reliquos privavit in seque odia omnium concitavit. Omnibus enim fortiori militum robore prestabat et ideo pro velle suo cuncta disponens reliquos principes parvipendebat. 1030 Otto von St. Blasien, Chronica, Kap. 36, S. 55. 1031 Eventuell diente dies auch als Erklärung für den mangelnden Erfolg des deutschen Heeres und die frühzeitige Abreise Leopolds, was ja beim französischen König sehr kritisiert worden war. 1032 Otto von St. Blasien, Chronica, Kap. 38, S. 57f. 1033 Damit nähert sich Otto von St. Blasiens Darstellung der Wirklichkeit an. In der Forschung wird häufig auf die Konstruktion verwiesen, dass Richard I. für die Vermittlung des Kaisers zwischen ihm und dem französischen König bezahlt habe, und eben kein Lösegeld für seine Freilassung bezahlt habe.
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wie bei Otto von St. Blasien allgemein auf die Deutschen bezogen.1034 Reiche dieser Konflikt bei Otto von St. Blasien als Erklärung für die Festnahme aus, spricht hier der Kölner Chronist die Ermordung Konrads von Montferrat an. Explizit wegen dieser Ermordung und wegen seines unrühmlichen Verhaltens bei Akkon sei Richard festgenommen und dem Kaiser übergeben worden.1035 Die Ehrverletzung Leopolds und die Missachtung des deutschen Heeres genügen hier nicht als Begründung. Leopold habe ihn nicht nur aus persönlichem Grund gefangen genommen, sondern auch um ein weiteres Verbrechen zu sühnen.1036 Von Konflikten zwischen Leopold V. und Richard I. berichten die Marbacher Annalen nichts. Dennoch erscheint hier das Vorgehen Leopolds gerechtfertigt, gleichsam als Dienst für den Kaiser. Nachdem er von Heinrich VI. freies Geleit durch Italien zugesichert erhalten hatte, habe Richard sein Versprechen gebrochen, niemals lästig zu fallen, den Bürgern Messinas Übles zugefügt, einen Vertrag mit Tankred geschlossen und von diesem Geld erhalten.1037 Für den Marbacher Chronisten war nicht das Verhalten des englischen Königs im Heiligen Land ausschlaggebend, sondern sein Verhalten in Süditalien. Mit diesem habe Richard das Land und die Bevölkerung, wie der Chronist deutlich herausstellt, geschädigt und dann auch noch einen Vertrag mit dem Usurpator geschlossen. Hinzu sei gekommen, dass er Heinrich VI. gegenüber wortbrüchig geworden sei. Sein Umgang mit Tankred war ihm bei der Anklage in Speyer tatsächlich als ein Punkt unter vielen vorgeworfen worden.1038
1034 Chronica regia Coloniensis (Recensio II. codd. B.C.), S. 154: Ibi etiam regibus et principibus ingressis civitatem, et christianis eam mundantibus, Richardus rex suspectam semper habens virtutem Alamannorum, signum ducis austriae Lupoldi in culime˛ cuiusdam turris erectum in terram precipitari precepit. 1035 Chronica regia Coloniensis (Recensio I. et II.), S. 155f.: Richardus rex Angliae rediens de transmarinis, ob mortem Cunradi marchionis et multa apud Acram non bene gesta captus est a duce Austrasiae Lupoldo et imperatoris custodiae traditur. 1036 Interessant an der Darstellung des Kölner Chronisten ist, dass er im Anschluss an die Schilderung des Mordes von Konrad von Montferrat im Auftrag des englischen Königs gleich von der Ermordung des Lütticher Bischofs Albrecht I. berichtet. Allerdings schränkt der Autor diese Nachricht mit dem Verweis auf Hörensagen ein. Hier verknüpft er die Ermordung Konrads mit einem wichtigen Grund für die Fürstenopposition. 1037 Annales Marbacenses, S. 61: In quo itinere reges predicti obtinuerunt a rege Heinrico, ut conductum et pacem per omnes terras suas secure procedendo haberent etnichil de suo ubiubi locorum lederent. Et rex anglie precipue per suos principes iuravit, quod nusquam ei molestus esset. Quod mentitus est. Nam ipse veniens Messinam civitatem vi cepit et multa mala civibus intulit. Unde timens Tancradus tyrannus, qui regnum sycilie post mortem Wilhelmi Syculi, qui sine filiis obierat, per dolos et tyrannidem sibi usurpaverat, quod Heinrico Romanorum regi propter Constantiam uxorem suam iure debebatur, pactum nequam cum eo fecit et plurima dona auri et argenti, frumenti et vini sibis misit, ne aliam partem destrueret. 1038 Berg, Richard Löwenherz, S. 195.
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Die österreichischen Quellen verzeichnen im Gegensatz zu den bisher betrachteten Quellen nicht die berühmte Episode in Akkon. Gleichwohl wird das Thema der verletzten Ehre thematisiert. Magnus von Reichersberg stellt die Eroberung Akkons sehr knapp dar und erklärt erst beim Vorgehen Leopolds gegen Richard, dieses erfolge hac de causa quod ipse rex graviter iniuriaverat ducem, dum simul fuissent superiori anno in transmarinis partibus, in expugnatione Âcris civitatis.1039 Worin diese schwere Beleidigung bestanden habe, erläutert er nicht. Dass Leopold sich aber für diese Beleidigung rächen konnte, sei göttlichem Eingreifen zu zu verdanken gewesen.1040 Durch den Schiffsunfall sei es Leopold ermöglicht worden, Richard für sein Verhalten zur Verantwortung zu ziehen. Ebenso schweigsam über die Art des Vorfalls zeigt sich der Autor der Historia de expeditione Friderici I.1041 Diesen bezeichnet er ebenso wie die Annales Reicherspergenses nicht genauer. Dennoch steht für ihn das Verhalten Richards im Vordergrund. Während er nur kurz auf die Ermordung Konrads von Montferrat eingeht,1042 legt der Autor, der dem herzoglichen Hof sehr nahe stand, besonderen Wert auf das allgemein beleidigende und ehrverletzende Verhalten des englischen Königs. Wiederholt spricht er dessen arrogantes Auftreten an.1043 Dieses Verhalten habe letztlich göttlichen Zorn erregt, sodass er nun durch Gottes gerechtes Urteil durch Leopold, dem er und anderen die Ehre abgesprochen habe, selbst so behandelt worden sei.1044 Die Annales Cremifanenses stellen die Rückreise des englischen Königs im Vergleich zur Eroberung von Akkon und den Ereignissen im Heiligen Land sehr ausführlich dar. Von einem beleidigenden Verhalten gegenüber Leopold berichten sie aber nicht. Gleichwohl wird Richards Arroganz gerügt. Er habe sich für den Sieg bei Akkon Gott gegenüber nicht dankbar gezeigt, sondern diesen Sieg allein seinen Fähigkeiten und seinem Glück zugeschrieben.1045 Gott habe 1039 Annales Reicherspergenses, zum Jahr 1191, S. 519. 1040 Annales Reicherspergenses, S. 520: Sed Deus aliter ordinavit. 1041 Ansbert, Historia de expeditione Friderici I, S. 98: ducem etiam Liupoldum illustrissimum principem, quamvis non ita gloriose sicut decebat ibi manserit, pro abiecto reputavit. 1042 Ansbert, Historia de expeditione Friderici I, S. 99. 1043 Ansbert, Historia de expeditione Friderici I, S. 100f.: Rex itaque Francie, non valens arrogantiam regis Anglie, […]. Rex Anglie˛ Richardus qui gloria omnes anteire voluit et omnium indignationem meruit, […].Ubi latenter transire volens et terram principis, quem prius graviter et plurimum offenderat […]. 1044 Ansbert, Historia de expeditione Friderici I, S. 101: Dum itaque arrogantiam eius divina e˛quitas diutius non sineret transire inultam, eum manibus et potestati tradidit illorum, quos ipse prius quasi contemptos abiecerat et contumeliose reprobaverat, iuso siquidem die iudicio, ut cum ipse in prosperis successibus suis illos honorare noluerit quos dignis honore scire potuerat, ab eisdem etiam dedecorandus iudicaretur. 1045 Annales Cremifanenses, zum Jahr 1192, S. 548: Richardus rex Anglicus devicta Akkaron et aliis triumphi titulis elatus copiosa multitudine navium, armorum et thesauri insignitus, quia non Deo sed suis viribus queque circa se fortunata asscripsit, dum transfretando
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dieses Verhalten mit einem Sturm bestraft, der den Schiffbruch hervorgerufen, zur Trennung des Königs von seiner Familie geführt und letztendlich den Weg des Königs in die Hände des österreichischen Herzogs gewiesen habe. Beim Vergleich der bisher betrachteten Quellen fallen besonders die Unterschiede in der Begründung für die Gefangennahme auf. Bei Otto von St. Blasien, der Kölner Königschronik und bei den Marbacher Annalen wird zwar das Verhalten Richards I. kritisiert. Die Kritik- und damit auch die Anklagepunkte sind allerdings verschieden. Die Ehrverletzung spielt nur bei Otto von St. Blasien die maßgebliche Rolle. In der Kölner Königschronik wird diese zwar ebenfalls angesprochen, aber die Ermordung Konrads steht im Vordergrund. In den Marbacher Annalen wird Richard sein Verhalten auf seiner Reise zum 3. Kreuzzug vorgeworfen und seine Missachtung gegenüber Heinrich VI. Die österreichischen Quellen stellen zwar hingegen nicht explizit die Szene in Akkon zwischen Leopold V. und Richard I. dar. Dennoch liegt der Schwerpunkt auf dem ehrverletzenden und arroganten Verhalten des englischen Königs. Dieses richtete sich nach den Annales Reicherspergenses nur gegen Leopold, nach Ansberts Historia de expeditione Friderici I. gegen Leopold aber auch gegen weitere Personen und nach den Annales Cremifanenses gegen Gott. Gott spielt dabei in den österreichischen Quellen eine besondere Rolle. Der Schiffbruch wird als göttliches Zeichen interpretiert, das es dem österreichischen Herzog erlaubte, sich für seine Ehrverletzung zu rächen. Neben der Arroganz des englischen Königs spielen weitere Gründe keine oder nur eine untergeordnete Rolle. In den Annales Cremifanenses werden keine anderen Gründe genannt, in der Kreuzzugsgeschichte Ansberts wird zwar die Ermordung Konrads von Montferrat erwähnt, die göttliche Strafe erfolgt aber aufgrund des beleidigenden Verhaltens. In den Annales Reicherspergenses wird die Ermordung nur in einer Version genannt.1046 Die konkrete Form der Beleidigung wird also in den österreichischen Chroniken und Annalen nicht angesprochen, obwohl sie der Ehre eine starke Bedeutung zumessen, während die Chroniken aus dem deutschen Raum diese z. T. nennen, ihr aber eine unterschiedliche Bedeutung zumessen. Dies lässt sich durch die unterschiedliche Intention der Chronisten erklären. In der Kölner Königschronik und in den Marbacher Annalen sollte nicht das Verhalten Leorepatriare disposuit, ab eo qui est mirabilis in altis Dominus mirabilia circa se et suos fieri formidolose˛ pertulit. Nam cum omni substantia sua brevi sub hora periclitatur, et flatu inmiti ventorum in diversas insulas et regiones dissipatur, ab uxore et karissimis suis separatus; in modica galêa, non regia via sed cancrizando versus Aquilegiam cum paucissimis est adpulsus, indeque nunc pedes, nunc eques, isdem comitibus suis partim captis, partim occisis, in civitatem Austriae Wiennam dictam latitando ignarus ducitur, et ab ipso duce regionis L. comprehenditur. 1046 Annales Reicherspergenses (Cod. 3), zum Jahr 1192, S. 520.
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polds gerechtfertigt werden, sondern das anschließende des Kaisers. Heinrich VI. profitierte von der Gefangenschaft des englischen Königs, der als Kreuzfahrer eigentlich unter besonderem Schutz stand und wofür Leopold auch exkommuniziert worden war. Auch gab es im Reich viele Kritiker, die zumeist aus dem Lager kamen, mit dem Heinrich VI. bereits Schwierigkeiten hatte. Die Historiographen verteidigten mit ihrer Darstellung den Kaiser. Dies geschah zum einen dadurch, dass, wie bereits John Gillingham darauf verwiesen hatte, die Entwicklungen nach der Übergabe an den Kaiser verschwiegen wurden und somit die Gefangennahme durch den österreichischen Herzog im Vordergrund stand. Zum anderen verteidigten sie den Kaiser, indem sie Gründe nannten, die für eine Gefangenschaft durch Heinrich VI. sprachen, jenseits der Rache Leopolds für seine Ehrverletzung. Heinrich VI. konnte bezüglich der Ermordung Konrads als Strafverfolger dargestellt werden, der einen Auftraggeber eines Mordes zur Verantwortung zog. Bei den Marbacher Annalen liegt der Fokus auf der Reichspolitik und den -interessen. Mit seinem Verhalten gegenüber den Bewohnern Messinas und mit dem Vertrag mit Tankred von Lecces, dem Gegner der staufischen Ansprüche auf Sizilien, hatte Richard nach der Auffassung des Annalisten dem Reich Schaden zugefügt. Dabei habe er sein Wort gebrochen, dem Reich niemals zur Last zu fallen. Durch diese Verwandlung zum wortbrüchigen Reichsfeind sei es für den Kaiser gerechtfertigt gewesen, einen Kreuzfahrer festzuhalten und ihn zu einer Lösegeldzahlung zu zwingen. Für die österreichischen Quellen stand aufgrund des engen räumlichen Bezuges und auch, wie bei Ansbert, aufgrund der Nähe zur herzoglichen Familie oder wie bei Magnus von Reichersberg zum Erzbischof von Salzburg, der mit der Aufhebung der Exkommunikation beschäftigt war, hingegen weniger der Kaiser im Mittelpunkt als Herzog Leopold V. Die Festnahme von Richard erscheint zwar durch die erlittene Ehrverletzung gerechtfertigt, aber dennoch stellen sie ihre Anklage auf eine breitere Basis. Dies geschieht zum einen dadurch, dass – wie in der Historia de expeditione Friderici I. – darauf verwiesen wird, nicht nur der österreichische Herzog sei durch den englischen König beleidigt worden, sondern dieser habe in seiner Arroganz zahlreiche Menschen in ihrer Ehre herabgesetzt. Leopold V. habe nicht nur sich selbst gerächt, sondern auch weitere Herabgewürdigte. Zum anderen – und das ist das wichtigere und entscheidendere Argument als die deutliche Darstellung, worin der Ehrverlust eigentlich liegt – argumentieren alle drei verglichenen österreichischen Quellen mit dem Verweis auf die göttliche Unterstützung. Alle drei Quellen legen dar, dass es Leopold durch Gott ermöglicht worden sei, Richard gefangen zu nehmen, da dieser den Zorn der Beleidigten verstanden habe oder durch die Arroganz Richards selbst beleidigt worden sei. Damit konnte die Kritik am österreichischen Herzog, einen Kreuzfahrer, der unter besonderem kirchenrechtlichen Schutz stand, gefangen genommen zu haben, minimiert werden.
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Otto von St. Blasien bildet bei den untersuchten Quellen die Ausnahme. Für ihn steht die Ehrverletzung Leopolds, wie in den österreichischen Chroniken und Annalen, im Vordergrund und weniger die Verteidigung des Kaisers. Dennoch ist bei ihm, ähnlich wie in den österreichischen Annalen, Leopold nicht der einzige in seiner Ehre Verletzte, sondern auch weitere Fürsten habe Richard herabgewürdigt. Außerdem seien das deutsche Heer und das italienische ob der Arroganz und der Perfidie des englischen Königs verletzt. Auch hier wird die Gruppe der Personen, die sich angegriffen fühlten, erweitert – nicht nur um die Fürsten, sondern um die Bevölkerung.
3.3.4 Kritische Stimmen – Arnold von Lübeck und Burchard von Ursberg Die bisher untersuchten historiographischen Quellen verteidigen das Verhalten Herzog Leopolds V. und Kaiser Heinrichs VI. und greifen Richard I. in seinen Taten auf dem Kreuzzug an. Neben diesen Chroniken und Annalen gibt es aber auch zwei weitere, die die Ereignisse auf dem Kreuzzug teilweise positiv bewerten und der Gefangennahme kritisch gegenüberstehen. Arnold von Lübeck widmet in Buch IV das Kapitel 16 der Darstellung des englischen Königs und den Ereignissen im 3. Kreuzzug. Nach der in Kapitel 15 dargestellten, wenig erfolgreichen Belagerung Akkons hätten, wie Kapitel 16 berichtet, der französische König und der englische mit neuer Energie erfolgreich in die Belagerung eingegriffen. Allerdings habe sich Richard dabei verspätet, da er zunächst Zypern erobert habe. Arnolds Blickwinkel auf Richards Zypernexpedition ist dabei ein völlig anderer als in den bisherigen Quellen. Richard ist hier quasi gezwungen, Zypern zu erobern, da der König von Zypern in superbiam elatus recessit a Constantinopolitano simul et a fide catholica.1047 Das eroberte Land behält er dabei nicht für sich, sondern widmet es der ganzen Christenheit unter der Verwaltung von Guido von Lusignan.1048 Hier wird zunächst Richard sehr positiv als Kämpfer für die Christenheit dargestellt. John Gillingham wies bereits darauf hin, dass Arnold von Lübeck aufgrund seiner Sympathie für Heinrich den Löwen und Otto IV. eine andere Sichtweise auf Richard und die Gefangennahme hatte.1049 Arnold verteidigt Richards Eroberung, die Leopold V. beim Würzburger Vertrag noch neben der Ehrverletzung als Rechtfertigung für sein Vorgehen diente, da der österreichische Herzog als Verteidiger seiner Verwandten auftrat. Dennoch, obwohl Arnold die Zypernexpedition Richards ver1047 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, IV, 16, S. 178. 1048 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, IV, 16, S. 178: Ipsam etiam quasi sub titulo christianitatis consignavit in manu Widonis regis Iherosolimorum, qui iam regno privatus erat, uxore mortua. 1049 Gillingham, The kidnapped King, S. 13.
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teidigt und aufgrund seiner Bindung an die Welfen eine positive Darstellung erwartbar war, ist sein Bild vom englischen König ambivalent. Der Autor der Slawenchronik erläutert, warum Richard ein schlechtes Verhältnis mit dem französischen König hatte. Dies habe zum einen darauf beruht, dass er Philipp die Hälfte der Beute aus der eroberten Stadt Akkon versprochen gehabt habe. Aber quod rex Anglie in presenti quidem promisit, sed minime persolvit.1050 Des Weiteren habe der englische König Philipp beleidigt, da er dessen Schwester, mit der er verlobt war und die ihm vom französischen König selbst zugeführt worden war, nicht heiratete, sondern Berengaria von Navarra.1051 Aufgrund dieses Affronts sei er dann auch nicht über Frankreich in seine Heimat gereist. Ein weiterer Punkt, den Arnold anführt, ist der Vorwurf der Ermordung Konrads von Montferrat.1052 Arnold verweist zwar darauf, dass es ein Gerücht sei, aber andere Erklärungen, wie sie bei anderen Autoren zu finden sind, hat er nicht. Er zeigt damit zwar positive Aspekte an Richard auf, zeichnet dennoch ein ambivalentes Bild vom englischen König und erklärt, warum dieser sich im Konflikt mit dem französischen befand. Die aufgezeigten Konflikte blieben aber englisch-französische, sodass sich dem Leser nicht erschließt, warum Richard Löwenherz vom österreichischen Herzog gefangen genommen wurde und dem Kaiser überstellt wurde. Arnold verliert kein einziges Wort zu Richards Beziehung zu den Deutschen. Allerdings zeigt er den Lesern deutlich seine Meinung mit einem abschließenden Kommentar zu seinen Ausführungen. Arnold macht in diesen Konflikten zwischen den Teilnehmern auf dem Kreuzzug und der Gefangennahme Richards den Schuldigen für den mangelnden Erfolg bei der Befreiung des Heiligen Landes aus: Sic necdum liberata est terra repromissionis propter peccata nostra. Necdum enim completa sunt peccata Amorreorum, sed adhuc manus Domini est extenta.1053 Allerdings ist Arnold von Lübeck nicht der einzige unter den deutschen Historiographen, der die Entwicklungen kritisch sieht. Auch Burchard von Ursberg hat eine andere Sicht auf die Dinge. Wie bereits darauf hingewiesen, nutzte der Historiograph für seine Darstellung des 3. Kreuzzugs relativ frei und mit Zusätzen die Historia brevis occupationis et amissionis terrae sanctae eines vermutlich italienischen Autors. Dabei übernahm Burchard nicht nur einen 1050 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, IV, 16, S. 178. 1051 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum IV, 16, S. 179: Timuerat enim regem Francie, quem offenderat, quia sororem ipsius, que ei desponsata fuerat et quam idem rex Francie obviam ei duxerat, non duxit uxorem, sed filiam regis Avernensis sibi copulaverat, quam mater ipsius cum multa ambitione adduxerat. 1052 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum IV, 16, S. 178: Post dies illos occisus est Conradus rex Iherosolimorum, dolo ut dicitur regis Anglie et quorundam Templariorum. Im Anschluss daran macht er sich über den Anführer der Attentäter lustig: Quidam ridiculosum de hoc sene dicturu sum, sed tamen assertione fidelium mihi attestatum. 1053 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum IV, 16, S. 179.
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Bericht, in dem Richard als Kreuzfahrer zwar nicht nur glänzte, der ihm aber durchaus wohlgesonnen war, sondern er veränderte diesen noch zu seinen Gunsten. Burchard sieht Richards I. gemeinsames Eingreifen mit Philipp II. in die Belagerung von Akkon nach der langen Erfolgslosigkeit mit Rückschlägen wie Seuchen, Hunger und dem Tod zahlreicher Führungskräfte als letztlich zielführend. Dennoch sieht er das Eintreffen der beiden Könige zunächst auch kritisch, da es durch deren Ankunft unter den Christen zu einer Lagerbildung mit unterschiedlichen Interessen gekommen sei: Venit autem cum eisdem regibus omnium incentiva malorum, filia dyaboli, potentissima regina inferni, Discordia et sedit in medio eorum cum sorore sua primogenita macilenta et livida, Invidia scilicet, et tam ipsos regs quam etiam totum christianorum exercitum in diversas voltuntates et actiones distraxit.1054 Dabei sieht er den französischen wie den englischen König als gleichermaßen verantwortlich. Nach Philipps Rückreise im Anschluss an die Eroberung von Akkon wird Richard weiterhin als siegreich und entschlossen beschrieben, der sogar noch Ioppen postea a Sarracenorum insultibus liberavit strennuissime.1055 Burchard bzw. die Historia brevis verschweigen allerdings nicht den Vorwurf des Mordes an Konrad von Montferrat, entkräften diesen aber unmittelbar mit dem Verweis auf verschiedene Meinungen, wobei man mehr Meinungen als die Wahrheit erfahre.1056 Dabei lobt er den Markgrafen, hält ihn aber für des Ehebruchs mit Isabella schuldig.1057 Nach einer fünfjährigen Friedensvereinbarung mit Saladin reiste auch Richard in seine Heimat zurück. Burchard von Ursberg erwähnt nun in einem Satz, dass er in Österreich gefangen genommen worden, an den Kaiser ausgeliefert und erst nach einer Lösegeldzahlung freigelassen worden sei. Allerdings erschließt sich weder aus der Darstellung Richards, noch aufgrund des Verhältnisses von Richard zu deutschen Truppen – die hier gar nicht erwähnt wurden –, warum er gefangen genommen wurde. Leopold wird bei der Darstellung des Kreuzzugs nicht einmal erwähnt. Der erste Abschnitt von Burchards Rezeption der Historia brevis endet mit einer Charakterisierung Richards. Der englische König wird darin dargestellt als homo ferocissimus, favorabilis, glorie cupidus, pecunie liberalis, quocumque ipsum trahebat sequens impetus, et quem ipsi Sarraceni et populus christianus et alii timuerunt.1058 Im Anschluss an diese Charakterisierung Richards beendet Bur1054 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 62f. 1055 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 63. 1056 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 63: Que fuerit causa interfectionis eius, plus in opinione quam in veritate repertum habeo. So hätte Richard Konrad ermorden lassen, da dieser nicht seine Schwester geheiratet hat, oder Humfried IV. von Toron, da Konrad für dessen Scheidung von seiner späteren Gattin Isabella gesorgt hatte, oder die Assassinen hatten ihre Gründe, da Konrad ihre Geschäfte beeinträchtigt hatte. 1057 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 64: quem in hoc solo plurimum fuisse culpabilem reputo, quod alterius uxorem accepit. 1058 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 64.
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chard seine Darstellung zum Kreuzzug und unterbricht seine Rezeption der Historia brevis, indem er hinzufügt, dass mit dem Vertrag Frieden im Heiligen Land geherrscht habe. Dieser Abschnitt endet also mit einem positiven Verweis auf Richards Verdienst. An einer späteren Stelle verweist er erneut auf die Gefangennahme – diesmal nennt er Herzog Leopold auch beim Namen – allerdings im Zusammenhang mit der Bedeutung des Lösegelds für die Eroberung Salernos, das im Anschluss durch das deutsche Heer geplündert wurde. Ein weiteres Mal erwähnt Burchard von Ursberg Richards Leistung, als er für seine Darstellung zum Jahr 1197 erneut die Historia brevis aufgreift, die er vorher unterbrochen hatte, und berichtet, dass die Deutschen, die hier sehr negativ dargestellt werden, den Waffenstillstand, den Richard – dies fügte Burchard in seinen eigenen Worten hinzu – ausgehandelt hatte, brachen und dadurch zwar Beirut eroberten, aber Jaffa verloren.1059 Mit dieser Art der Darstellung ist Burchard von Ursberg unter den deutschen Historiographen derjenige, der Richard Löwenherz am positivsten darstellte. Er betont zweimal Richards Leistung – den Friedensvertrag mit Saladin – und entkräftet den Vorwurf des Mordes an Konrad von Montferrat, führt keine Gründe für einen Konflikt Richards mit Deutschen an, sondern kritisiert später vielmehr deren Verhalten im Heiligen Land. Mit der angeführten Charakterisierung zeigt er dennoch die Widersprüchlichkeit in Richards Charakter, sodass der Leser mehrere Seiten des englischen Königs aufgezeigt bekommt. Dieses Bild fügt sich in die Ergebnisse von Michael Oberweis ein, der auf die freimütigen Urteile über die handelnden Personen – sogar den Papst kritisierte Burchard von Ursberg in, wie Oberweis es nennt, seinem Streben nach historiographischer Gerechtigkeit – und auf Burchards kritische Distanz zum Geschehen verweist.1060 Dabei zeigt Burchard sich als Interessensvertreter und – bei Bedarf – Verteidiger staufischer Interessen. Er ist allerdings Heinrich VI. nicht so sehr wie den anderen Vertretern dieser Familie gewogen, was Oberweis darauf zurückführt, dass Burchard die geblendeten sizilianischen Geiseln in Rom bei einem seiner Besuche gesehen habe.1061 Richard Löwenherz erhält ebenfalls historiographische Gerechtigkeit, indem Burchard seine Erfolge, aber auch negative Züge darstellt. Das Handeln Heinrichs VI. rechtfertigt er nicht, kritisiert es 1059 Burchard von Ursberg, Chronicon, S. 73: Anno dominice incarnationis MCXCVII. Hainrico imperatore procurante Alamanni in terram promissionis venerunt, bellicosi, crudeles, expensarum prodigi, rationis expertes, voluntatem pro iure habentes, hensibus invicti, in nullis nisi hominibus sue gentis confidentes, ducibus suis fidelissimi, et quibus vitam potius quam fidem possis auferre. Hi cum venissent in terram promissionis, treugas fregerunt, quas rex Anglie, ut dictum est, in recessu suo statuerat, urbem Berentini recupaverunt, Ioppen perdiderunt. 1060 Oberweis, Die Weltchronik, S. 50. 1061 Oberweis, Die Weltchronik, S. 54. Nach einer nicht ganz sicher belegten Rebellion sizilianischer Adelige wurden die Anführer verhaftet und geblendet. Innozenz III. erreichte später deren Freilassung. Vgl. Csendes, Heinrich VI., S. 154–156.
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aber auch nicht. Aber er sieht die negativen Auswirkungen durch das Lösegeld, das den Heerzug nach Sizilien ermöglichte, bei dem es zu Plünderungen kam, und lehnt das Verhalten der Deutschen im Heiligen Land ab. Arnold von Lübeck und Burchard von Ursberg sind mit ihrer Darstellung die Ausnahme unter den deutschen Historiographen. Beide bieten keinerlei Erklärung, weshalb der österreichische Herzog Leopold den englischen König gefangen nahm und ihn an den Kaiser auslieferte. Aus ihren Darstellungen erfährt man nur, wie bei Arnold, etwas zu englisch-französischen Konflikten, und bei Burchard Vermutungen zu einer Mordtheorie.
3.3.5 Zusammenfassung Die Gefangennahme Richard Löwenherz’ durch den österreichischen Herzog Leopold V. ist in den deutschen Chroniken und Annalen das am häufigsten beachtete und das am ausführlichsten dargestellte Ereignis deutsch-englischer Beziehungen im 12. Jahrhundert. Die Gefangenschaft eines Königs und Kreuzfahrers durch einen Herzog und dem Kaiser, aber auch die Kritik an diesem Vorgehen und die Exkommunikation des österreichischen Herzogs mussten verarbeitet werden. Da ein Teil des Geschehens sich im Heiligen Land ereignete, waren die Chronisten auf Berichte angewiesen, die sie in ihre Arbeiten kopierten oder zum Teil daraus exzerpierten. Die mündliche Ebene spielt bei den Chronisten aber ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie verweisen immer wieder auf Gerüchte und Hörensagen, besonders bei den Gründen für die Gefangennahme Richards. Dies zeigt, dass es eine Diskussion dazu gegeben haben muss. Briefe, die verstärkt zwischen dem deutschen König und englischen Fürsten, aber auch unter den deutschen Fürsten ausgetauscht wurden, fanden hingegen weniger Eingang in die deutsche Historiographie. Auch die Gesandtenschaften, die nun verstärkt zwischen England und dem Reich ausgetauscht wurden, finden nur bei Otto von St. Blasien Erwähnung und schlagen sich nicht erkennbar in Informationsgewinnen nieder. Die Wahrnehmung und die Darstellung dieser folgenreichen Gefangennahme erfolgen zwar unter einem einheitlichen zeitlichen Aspekt. Nur die Ereignisse im Heiligen Land bis zur Übergabe des Gefangenen an den Kaiser und dann erst wieder die Freilassung werden von den Chronisten und Annalisten erwähnt, was sich nach John Gillingham mit dem Schutz des Kaisers vor eventueller anfallender Kritik erklären lässt. Dennoch zeigt sich die deutsche Historiographie des 12. und frühen 13. Jahrhunderts vielfältiger, als zunächst vermutet wurde. Der englische König wird zwar in keiner der Chroniken als der strahlende Held, zu dem ihn sein späterer Mythos machte, beschrieben, dennoch reicht die Bandbreite seiner Darstellung von völliger Ablehnung v. a. aufgrund seiner Arroganz
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bis zu einer ambivalenten Charakterisierung, die seine Vorzüge und Unzulänglichkeiten widerspiegelt. Dabei lassen sich drei Gruppen der Darstellung herauskristallisieren, die zum Teil im Hinblick auf geistliche und weltliche Gemeinschaften, denen die Schreiber angehörten, entstanden. Die österreichischen Chronisten, aber auch Otto von St. Blasien als Ausnahme, konzentrierten sich vor allem auf das ehrverletzende Verhalten des englischen Königs, war es nun gegen Leopold, weitere Fürsten oder Gott gerichtet. Sie wollten vor allem das Handeln des österreichischen Herzogs als gerechtfertigt darstellen. Die Kölner Königschronik und die Marbacher Annalen bilden die zweite Gruppe. Nicht das Verhalten Leopolds wird hier verteidigt, sondern das des Kaisers, bei dem sich der König lange Zeit in Haft befand und der von dieser Gefangenschaft profitierte. Die dritte Gruppe steht der Gefangenschaft und dem Verhalten aller handelnden Personen kritisch gegenüber. Dies geschah zum einen durch die Nähe des Chronisten zu den Welfen und deren enge Verwandtschaft zum englischen König und zum anderen dadurch, dass sie Berichte über Richard von außerhalb des Reiches erhielten. Eine einheitliche Wahrnehmung des Vorfalls bzw. eine einheitliche Bedeutungszumessung gegenüber den handelnden Personen ist somit in der deutschen Historiographie nicht gegeben. Vielmehr spiegeln die unterschiedlichen Darstellungen die innere Auseinandersetzung mit der Festnahme eines Königs und Kreuzfahrers und die Verteidigung des herzoglichen und kaiserlichen Verhaltens wider. Auffällig ist, dass der Charakterdarstellung eines englischen Königs im Zuge dieser Ereignisse zum ersten Mal Raum in den deutschen Chroniken gegeben wurde. Dies geschah direkt wie bei Burchard von Ursberg oder aber indirekt mit Verweis auf seine Taten. Überhaupt wurde dem Handeln eines englischen Königs erstmalig so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Chronisten beließen den Konflikt aber nicht bei der Personenkonstellation König Richard I. – Herzog Leopold V. – Kaiser Heinrich VI., sondern vergrößerten diesen personalen Konflikt. Otto von St. Blasien schreibt, dass Richard die Beute nicht gerecht unter allen Teilnehmern der Belagerung verteilt und nicht nur Leopold, sondern auch die übrigen Fürsten missachtet habe. Die englische Perfidie und Unterdrückung verabscheuend, seien sie zurückgekehrt. Eine Verallgemeinerung nimmt auch der Autor der Kölner Königschronik vor. Der englische König habe die deutsche Tapferkeit im Allgemeinen verachtet, als er die Fahne des österreichischen Herzogs habe entfernen lassen. Indirekt findet sich diese Verallgemeinerung auch in den Marbacher Annalen, wo Richard Löwenherz als Reichsfeind dargestellt wird. Nicht nur die ausführliche Charakterisierung eines englischen Königs war neu für die deutschen Historiographen Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts. Erstmals wurden in diesem Umfeld auch die Begriffe »deutsch« und »englisch« als gegensätzliche nationale Kategorien verwendet. Nicht Richards Perfidie und Unterdrückung wurde verabscheut, sondern die englische
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Perfidie und Unterdrückung. Nicht die Tapferkeit Leopolds, sondern die der Deutschen wurde missachtet. Diese aggressive Haltung gegenüber England findet sich in deutschen Quellen erstmals in Bezug auf den 3. Kreuzzug und die Gefangennahme Richard Löwenherz’. Diese gegenseitige Abneigung scheint sich zunächst in die Beobachtungen Ludwig Schmugges und Günther Blaichers zur Entstehung nationaler Vorurteile im Mittelalter und im Speziellen zu England einzuordnen.1062 Schmugge ist der Ansicht, dass im 11. und 12. Jahrhundert es vor allem durch die Kreuzzüge zu »differenzierten bösartig genauen Einzelbeobachtungen«1063 kam, die auf subjektiv erfahrenen Eindrücken basierten, und dass diese sich von den Vorurteilen früherer Jahrhunderte – meist übernommen aus antiken oder patristischen Vorbildern – unterschieden. Blaicher macht deutlich, dass gerade in Zeiten internationaler Spannungen einem positiven Autostereotyp ein negativer Heterostereotyp gegenüber gestellt wurde, um die Eigengruppe zu stärker vor der Fremdgruppe abzugrenzen.1064 Da wo Menschen unterschiedlicher regionaler Herkunft zusammentrafen, sei es immer zu Gruppenbildungen gekommen und gerade die Kreuzzüge1065 hätten den Teilnehmern die Möglichkeit geboten, ihre Gruppenloyalität von einem Dorf, einer Grundherrschaft oder einem Kloster auf eine Provinz oder ein Königreich auszuweiten, was mit eine wesentliche Voraussetzung für die Herausbildung eines pränationalen kollektiven Bewusstseins gewesen sei.1066 Die Berichte Ottos von St. Blasien und der Kölner Königschronik scheinen sich hier auf den ersten Blick einzuordnen. Die deutschen Kreuzfahrer hätten eine Gruppe im Heiligen Land gebildet, durch die Entfernung der Fahne sei es zu Spannungen gekommen und die Vorstellung wurde geschaffen, dass der englische König bzw. die Engländer im Allgemeinen niederträchtig seien und alle anderen unterdrücken wollten. Besonders auf Otto von St. Blasiens Ausspruch der Anglica perfidia wird hierbei häufig verwiesen. Ludwig Schmugge sieht darin ein schon damals geflügeltes Wort, von dem ein Bogen aus dem 12. Jahrhundert direkt zum Spruch vom perfiden Albion des 19. und 20. Jahrhunderts gespannt werden könne.1067 Günther Blaicher und H.D. Schmidt kritisiern diese direkte
1062 Schmugge, Über »nationale« Vorurteile, S. 439–459. Blaicher, Nationaler Stereotypen, S. 549–574. 1063 Schmugge, Über »nationale« Vorurteile, S. 443. 1064 Blaicher, Nationale Stereotype, S. 550, 559. 1065 Schmugge, Über »nationale« Vorurteile, S. 451–454, führte neben den Kreuzzügen auch Pilgerreisen und Universitäten an, bei denen sich ähnliche Entwicklungen feststellen lassen. 1066 Schmugge, Über »nationale« Vorurteile, S. 444, 457. 1067 Schmugge, Über »nationale« Vorurteile, S. 447f., 458. Er führt diese Aussage auf Kirn, Aus der Frühzeit, S. 28, zurück. Allerdings bietet Kirn hierfür keinen Beleg. Auch sein
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Fortführung und legen dar, dass der Begriff vom perfiden Albion erst unter Napoleon entstanden und verbreitet und im Laufe des 19. Jahrhunderts von deutschen Historikern und Politikern aufgegriffen worden sei.1068 Der Vorwurf der Perfidie war nicht nur auf England begrenzt, sondern wurde, wie die Hans Walthers Übersicht zu Völker- und Stämmecharakteristiken mittellateinischer Verse zeigt, auf viele Länder verwendet.1069 Auch Otto von St. Blasiens eigene Verwendung des Wortes widerspricht einer reinen Englandzuschreibung. Der Historiograph bezog diesen Begriff auf Kılıç Arslan II. und dessen Untertanen, ebenso wie auf Tankred von Lecce und dessen Anhänger.1070 Er verwendete dieses Stereotyp nicht, weil es ein bereits bestehendes geflügeltes Wort war, sondern vielmehr anlassbezogen auf das Verhalten des englischen Königs, da er das deutsche Heer entehrend und ungerecht behandelt und getäuscht ansah. Ebenso wäre die Folgerung, dass mit dem 3. Kreuzzug plötzlich Vorurteile bei deutschen Chronisten und Annalisten gegenüber England entstanden, übertrieben. Vorurteile, deren Verwendung sich nach der Wirkung, die der Nutzer bei einem bestimmten Kreis von Rezipienten hervorrufen will, richtet, dienen auch meist als ein Mittel zur Überzeugung.1071 Die Historiographen entdeckten nicht plötzlich an dieser Stelle ein nationales Bewusstsein. Mit ihrer Darstellung des arroganten Königs und der abwertenden Haltung gegenüber den deutschen Truppen, versuchten sie ihre Leser von der Richtigkeit des Vorgehens Leopolds V. und Heinrichs VI. – die ja dafür in der Kritik standen und von einer möglichen Exkommunikation bedroht waren bzw. die gegen sie ausgesprochen wurde – zu überzeugen.1072 Es ist bereits festgestellt worden, dass die Geschichtsschreiber mit ihrer Darstellung Gründe für das gebotene Vorgehen aufzeigen wollten. Überzeugt werden mussten die Leser – die Analyse der Quellen hat ja gezeigt, dass es auch Kritiker gab – und so wandten die Historiographen mit der Ausweitung des Konflikts auf die Nationen Vorurteile als persuasives stilistisches Mittel an, da
1068 1069 1070
1071 1072
Verweis auf Langlois, Les Anglais du Moyen Âge, S. 313, hilft nicht weiter, da Langlois verschiedene Zitate aus dem Hoch- und Spätmittelalter verknüpft. Zur Begriffsverbreitung, Blaicher, National Stereotype, S. 559–562. Schmidt, Perfidious Albion, S. 604–616. Walther, Scherz und Ernst, S. 263–301. So wurden u. a. auch Awaren, Perser oder Slawen damit bezeichnet. Otto von St. Blasien, Chronica, Kap. 34, zum Jahr 1190, S. 49f.: Igitur soldanus rex Iconii appropinquante augusto cum exercitu fedus infringens victualia cum aliis rebus per totam Ciliciam in municiones comportari fecit mercatumque exercitui, utpote barbarus et Scita perfidissimus, conferre noluit. […] Ubi vero per veredario hec de industria soldani publicata eius perfidia fieri cognovit, […]. Kap. 39, zum Jahr 1193, S. 61: Itaque dolum senciens dolo dolorum vincere statuit, quamvis tamen perfidiam perfidia vindicare dedecus sit. Blaicher, Nationale Stereotype, S. 573. Auch Kirn, Aus der Frühzeit, S. 26, weist darauf hin, dass die Geschichtsschreiber den Vorgang hart verurteilten, aber die Engländer im Allgemeinen nicht herabsetzen.
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dadurch nicht nur Heinrich VI., Leopold V. und Richard I. betroffen waren, sondern alle potentiellen Leser angesprochen waren. Die Gefangennahme Richard Löwenherz’ brachte nicht eine schon länger gehegte aggressive Haltung und Abneigung der deutschen Historiographen zum Vorschein, sondern mit diesen Zuschreibungen – seien diese nun auf den englischen König konkret bezogen oder allgemein verfasst – wurden die eigenen Vorstellungen von Rechtmäßigkeit gestärkt.
3.4
Zusammenfassung der drei Fallstudien
Die Vorgehensweise, zunächst möglichst viele deutsche Chroniken und Annalen aus dem 12. und frühen 13. Jahrhundert umfassend auf Nennungen zu England zu untersuchen und im Anschluss Ereignisse mit den häufigsten Nennungen vergleichend zu analysieren, ermöglichte, drei Themenfelder zu lokalisieren. Aufgrund ihrer Heterogenität – das erste Feld beschäftigte sich mit freundschaftlichen Verbindungen zu England, die mit Heiraten vertieft wurden, wobei die zweite Eheverbindung häufig mit einer innenpolitischen Krise Englands verbunden wurde, das zweite Feld setzte sich mit der fast zwei Jahrzehnte Kaiser und Reich beschäftigenden, aber die ganze lateinische Kirche betreffenden kirchenpolitischen Krise des Schismas auseinander, bei der nach Reaktionen und möglicher Unterstützung Englands gefragt wurde, und das dritte Feld mit politischen Spannungen zwischen den beiden Ländern aufgrund der Gefangenschaft des englischen Königs im Reich – ermöglichten diese Themen einen Einblick in die komplexe Fremd- und Selbstwahrnehmung in unterschiedlichen Stadien der Beziehungen zu England von Historiographen aus dem Reich. Für diese Vorgehensweise wurden Chroniken, Annalen und weitere historiographische Gattungen herangezogen, ebenso wie auch keine vorherige Auswahl thematischer historiographischer Kategorien (z. B. Kloster- oder Reichschronistik) getroffen wurde, was sich in Bezug auf die Frage nach der Fremdund Selbstwahrnehmung als sinnvoll erwiesen hat. Die primäre Annahme, dass nur größere Werke Fremdwahrnehmung zu England belegen würden, bestätigte sich nicht, sondern auch in kleineren Annalen ließen sich entsprechende Einträge feststellen. Die Werke mit Einträgen zu England waren dabei nicht auf eine Region konzentriert, sondern gleichmäßig über das Reich verteilt. Ähnlich verhielt sich dies bei den Werken ohne Notizen zu England. Zwar stieg mit dem Umfang des Eintrags in einem historiographischen Werk auch die Möglichkeit zu qualitativen Aussagen, sodass kleinere Annalen weniger zum Erkenntnisgewinn beitragen konnten, aber erst die Vielzahl an Quellen ermöglichte es, allgemeine Muster und abweichende Besonderheiten in der Darstellung und Wahrnehmung zu erkennen.
Zusammenfassung der drei Fallstudien
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Muster zeigten sich zum einen in der zeitlichen Dimensionierung der Darstellung. In allen drei Teilbereichen ließ sich eine einheitliche zeitliche Herangehensweise der Historiographen zu ihrer Darstellung englischer Ereignisse oder mit England verbundener Ereignisse feststellen. So beschäftigen sich die Werke nur mit der Anreise aus England, der Hochzeit Mathildes mit Heinrich V. und deren Rückkehr nach England 1125. In der Berichterstattung zum Schisma wurde nach 1162 nicht mehr nach der Haltung Englands oder weiterer Länder gefragt und nach der Übergabe Richards I. an Heinrich VI. herrschte bis zu dessen Freilassung Stillschweigen in deutschen Quellen. Die Gründe für diese Einheitlichkeit im temporalen Rahmen der Erzählungen ließen sich überwiegend klären. Allerdings bedeutete diese Einheitlichkeit keine einheitliche Wahrnehmung der Ereignisse. Diese konnte trotz des zeitlichen Rahmens sehr verschieden ausfallen. Zum anderen ließen sich durch die breite Streuung der Quellen Darstellungsbzw. Argumentationsmuster erkennen. Meist beruhten diese auf institutioneller Gebundenheit, wie bei den Historiographen, die den Welfen nahestanden und auf die Verwandtschaftsverhältnisse zum englischen König Rücksicht nahmen, indem sie nichts oder nur sehr allgemein zur Ermordung Thomas Beckets berichteten oder wie bei den österreichischen Chronisten, die das Vorgehen Leopolds V. gegen König Richard I. zu verteidigen suchten. Während sich die temporalen Muster einheitlich in den Chroniken und Annalen widerspiegelten, waren die Darstellungs- und Argumentationsmuster kleinräumiger. Neben einer positiven Ausrichtung an den jeweiligen Herrschern orientierten sich die Schreiber auch an einer Vielzahl regionaler Herren, die Einflüsse auf Klöster und Stifte hatten und an der jeweiligen kirchenpolitischen Haltung von Bistümern und Erzbistümern. Bei mehrfacher institutioneller Gebundenheit konnten je nach Anlass unterschiedliche Ebenen in den Vordergrund rücken, die das Darstellungsmuster mitbestimmten. Institutionelle Bindungen beeinflussten zwar die Darstellungsmuster, aber auch der Zugang zu Informationen zu England hatte entscheidenden Einfluss. Sowohl der Einfluss von Sekundär- als auch Primärkommunikation ließ sich bei den Einträgen zu England feststellen, wobei nur bei einem Teil der Einträge die Herkunft der Information sicher bestimmbar ist. Dabei stammte der überwiegende Anteil der rückverfolgbaren Einträge aus sekundärer Kommunikation. Die Medien bestanden dabei größtenteils aus Chroniken und Annalen, Kreuzfahrerberichten und Briefen. Bei der Analyse zur Benutzung von Chroniken und Annalen fiel auf, dass Ereignisse, die längere Zeit zurücklagen, wie die Hochzeit von Heinrich V. und Mathilde von England, bei der Rezeption obsolet werden konnten und nur verkürzt, bzw. überhaupt nicht mehr wiedergegeben wurden. Ein mit England verbundenes Ereignis konnte seine Bedeutung also auch verlieren und nebensächlich oder unwichtig werden, sodass es bei der Rezeption
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nicht mehr erneut beschrieben wurde. Die Aufmerksamkeit und damit die Wiedergabe von Entwicklungen zu England war bei unmittelbaren Ereignissen wesentlich höher als bei länger zurückliegenden und zeigt, dass das Bild zu England von aktuellen Ereignissen bestimmt war. Zeitlich meist aktueller als die Chroniken und Annalen sind hingegen die verwendeten Kreuzzugsberichte und Briefe. Die Berichte waren vor allem für die Darstellung des 3. Kreuzzugs von entscheidender Bedeutung, da die Historiographen dadurch Nachrichten über entfernte Ereignisse, die aber bedeutsam für das Reich waren, erhielten. Hierdurch erhielten sie Informationen zu Richard Löwenherz im Heiligen Land und auf seiner Rückreise übermittelt. Allerdings ist nicht immer genau nachvollziehbar, welche Berichte übernommen wurden, da nicht alle außerhalb der Chroniken erhalten sind und auch häufig mehrere verwendet wurden. Diese Berichte stammten überwiegend von Autoren aus dem Reich, bei Burchard von Ursberg lag allerdings ein Autor aus Italien zugrunde. Häufig fehlt das Hintergrundwissen zu diesen Berichten, sodass deren institutionelle Bindungen nur ungefähr bestimmt werden konnten. Dennoch wurden aus anzunehmenden Bindungen resultierende Tendenzen von den Historiographen übernommen und z. T. in ihrer Haltung noch verstärkt. Briefe hingegen spielten vor allem für die Informationen zur englischen Position im alexandrinischen Schisma eine entscheidende Rolle, während die Briefe, die zwischen England und dem Reich bezüglich der Gefangennahme Richards I. versandt wurden, von den deutschen Historiographen nicht verwendet wurden. Diese Briefe beschrieben Entscheidungen und Entwicklungen und ermöglichten gerade zu Beginn des Schismas einen Einblick in die Diskussionen, welche über die Parteinahme Englands und weiterer Länder geführt wurden. Dies zeigt, dass England und weitere Länder in ihrer Parteinahme eine wichtige Rolle für die Selbstvergewisserung der Briefeschreiber und Historiographen spielten, spiegelt aber auch die Unsicherheit in der Informationslage, da Rückfragen gestellt wurden. Die verwendeten Briefe waren dabei nicht nur jeweils von einer Einzelperson an eine andere Einzelperson verfasst worden, sondern bestanden teilweise aus öffentlichen Rundbriefen, bei denen festgestellt werden konnte, dass deren Inhalt nicht immer der Wirklichkeit entsprach. Mit diesen Briefen sollte die Öffentlichkeit beeinflusst werden und manche der Historiographen übernahmen deren Inhalte, sodass das Bild zu England auch mit falschen bzw. tendenziös gefärbten Informationen bestimmt wurde. Bei manchen der Autoren wurde dieses Bild mit weiteren Briefen aufgelöst, bei anderen blieb es aber bestehen. Neben den Einflüssen sekundärer Kommunikation ließ sich – wenn auch im geringeren Umfang – primäre Kommunikation zu England finden. Die Analyse zur Gefangennahme des englischen Königs ergab, dass es eine Diskussion über die Verantwortung Richards I. bezüglich der Ermordung Konrads von Mont-
Zusammenfassung der drei Fallstudien
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ferrat gab. Weniger breit diskutiert, sondern vielmehr auf lokaler mündlicher Ebene fanden ebenfalls regional bedeutsame Informationen zu England Eingang in einzelne Chroniken. Nicht alle Einträge zu England ließen sich auf ihre Herkunft überprüfen, auch nicht in den drei ausführlicher analysierten Themenfeldern. Dennoch konnten die Einträge überwiegend auf sekundäre Kommunikation, die durch unterschiedliche Medien zustande kam, zurückgeführt werden und ein kleinerer Anteil auf primäre Kommunikation, wobei hier sowohl größere Diskussionen zu finden waren, als auch lokale Bezüge. In manchen Fällen, wie bei den Rundbriefen, wurde Wissen zu England gezielt verbreitet, um Einfluss in der Meinungsbildung auszuüben. Von herrscherlicher Seite gab es Ansätze, das Bild Englands durch diese sekundäre Kommunikation zu beeinflussen, aber diese fanden nicht immer Eingang in die Historiographie – sei es weil diese Informationen zu schnell veraltet waren, die Autoren manches ganz verschwiegen oder solche Versuche durch weitere Informationen widerlegt wurden. Der größere Teil der Wissensverbreitung fand aber auf einer Ebene unterhalb des Herrschers durch Briefe, Gespräche, Berichte und Chroniken statt. Auf diesen Ebenen flossen lokale Informationen und Bindungen ein, sodass es zu Darstellungsmustern kam, die – darauf wurde bereits hingewiesen – wesentlich kleinräumiger waren als die zeitlichen Muster. Wie die quantitative Auswertung ergab, gab es auch Wissen zu England, das nur in einzelnen Chroniken und Annalen Niederschlag fand. Allerdings gehörte der überwiegende Teil der Einträge einem der drei untersuchten Themenfelder an, sodass sich dennoch ein sehr homogenes Bild – mit lokalen Abweichungen – des Wissens zu England abzeichnete, das sich in den zeitlichen Mustern und Darstellungsmustern widerspiegelte. Die drei Themenfelder zeigen aber auch, dass die Wahrnehmung Englands im 12. Jahrhundert auf der Seite der Historiographen nicht kontinuierlich erfolgte, sondern die Aufmerksamkeit – mit wenigen Ausnahmen – erfolgte, sobald das Reich punktuell mit England in Interaktion trat, Ereignisse eintraten, von denen beide Länder betroffen waren und/oder man nach Selbstvergewisserung suchte. Ein beständiges Interesse an Entwicklungen im anglonormannisch-angevinischen Reich ließ sich nicht belegen. Allerdings, dies ergab besonders die erste Themenfeldanalyse, bedeutete eine plötzlich erhöhte Eintragszahl noch lange nicht, dass der Fokus der Wahrnehmung tatsächlich auf England lag. Was die Analyse der beiden Hochzeiten und die Ermordung Thomas Beckets offenlegte, war, dass die Nennungen wesentlich mehr mit politischen Entwicklungen im Reich im Zusammenhang standen, als dass tatsächlich Interesse an den Personen bestand. Erst bei Konflikten – sei es durch das Schisma oder wie bei Richard Löwenherz in direkter Auseinandersetzung mit England – wurde England durch die Chronisten und Annalisten selbstständig wahrgenommen. Der Fokus lag dabei auf politischen Entscheidungen und dem Handeln der jeweiligen Könige.
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Ein darüber hinaus gehendes Interesse ließ sich nicht erkennen. Im Alexandrinischen Schisma wurde England als Teil, wenn auch wichtiger Teil, einer Gruppe betrachtet und nicht als alleiniger Akteur. Dieser Wechsel erfolgte erst beim 3. Kreuzzug und der Gefangennahme Richards I. Damit lässt sich ein punktuell steigendes Interesse an England im 12. Jahrhundert feststellen, was allerdings an der Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Reich und England lag. Konflikte erhöhten die Aufmerksamkeit bei ansonsten niedrigem Interesse. Bihrers Konzept der mittleren Distanz spiegelt sich also in der Wahrnehmung des Reichs bzgl. Englands wider.1073 Ein ständiger Kontakt – ebenso wie eine ständige Wahrnehmung – war nicht gegeben, aber er kam doch wiederholt vor, wobei dieser gleichermaßen sowohl freundschaftlich als auch konfliktreich geprägt war. Die Wahrnehmung auf ein bestimmtes Bild des anderen war nicht fest fixiert, sondern variabel. Der Einwand Jostkleigrewes, dass Nachbarräume – wenn auch England nicht direkter Nachbar, wie z. B. Frankreich war – nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Historiographen standen, hat sich bei dieser Untersuchung ebenfalls gezeigt. Dennoch ließ sich eine große Anzahl an Informationen zu England und eine Varianz der Meinungen feststellen. Durch die Untersuchungskategorie der Fremdwahrnehmung ließ sich die Selbstwahrnehmung der Schreiber bei den einzelnen Ereignissen genauer untersuchen. Auch lassen sich Aussagen zur Sicht der Schreiber auf England in Bezug auf das Reich und ein Verhältnis zum Kaisertum treffen. Aufgrund der starken Einbindung der Nennungen zu England sind Rückschlüsse auf die Fremdwahrnehmung einfacher bei den Konflikten vorzunehmen. Während im Blick auf die beiden Hochzeiten kein näheres Interesse am anderen deutlich wurde und auch etwaige Bündnissysteme oder gemeinsames weiteres Handeln nicht im Vordergrund standen, sondern der Fokus der Betrachtung vielmehr auf den inneren Angelegenheiten des Reiches lag, setzten sich einzelne Autoren anlässlich des Alexandrinischen Schismas und der Gefangennahme des englischen Königs mit England auseinander. Die Suche nach Unterstützern in der Papstfrage und die Rechtfertigung bei der Gefangennahme zwangen dazu, das Handeln der englischen Könige genauer zu betrachten. Die Motivation der Autoren, sich mit England zu befassen, erfolgte also nicht intrinsisch, sondern nur durch externe Auslöser. Es ist unmittelbar einsichtig, dass die durch Konflikte erzeugte Wahrnehmung sich bei der Mehrzahl der Autoren nicht positiv darstellte. Im Alexandrinischen Schisma zeigten sich mehrere Historiographen verunsichert und suchten Bestätigung in den Entscheidungen der anderen Länder. Solange England und andere Länder sich noch nicht endgültig entschieden hatten, wurde auch über diese berichtet. Erfolgte in England und in den weiteren Ländern die Obödi1073 Zu Bihrers Konzept siehe S. 4f.
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enzwahl nicht wie gewünscht, konnte dies auch schnell in Enttäuschung und Ablehnung umschlagen. Der Verfasser der Kölner Königschronik hatte aus der Obödienzwahl für die Päpste auch gleichsam eine Frage nach der Haltung zu Friedrich I. gemacht. Wer für Alexander III. war, war damit auch ein Gegner des Kaisers. Diese Emotionalität aufgrund von Verunsicherung ließ sich auch bei der Gefangennahme von Richard Löwenherz feststellen. Hier kam es zu Verallgemeinerungen und der Darstellung des englischen Königs als Reichsfeind. Dabei wurden die Begriffe »deutsch« und »englisch« als abgrenzende nationale Kategorien verwendet. Die Analyse ergab allerdings, dass die Chronisten hier nicht plötzlich ein nationales Bewusstsein entdeckten, sondern ihre Darstellung als persuasives stilistisches Mittel nutzten, um ihre Leser von der Richtigkeit des Handelns Leopolds V. und Heinrichs VI. zu überzeugen. Diese grundsätzliche emotionale Bindung zeigte sich besonders gut, wie John Gillingham bereits darlegte, am Schweigen der Chronisten zur Involvierung des Kaisers bei der Gefangenschaft Richards I. Hier hatte es offenbar ein kollektives Gefühl des falschen Handelns gegeben, das aber nicht zu Kritik geführt hatte, sondern zum Schweigen aller Chronisten. Diese Bindung kam primär über den Kaiser und weitere Fürsten zustande, dennoch erfolgte im 3. Kreuzzug dann die Ausweitung auf »Deutsche«. Diese nationale Kategorie wurde von einigen der Historiographen verwendet, stand aber in Bezug auf England nicht von vornherein im Vordergrund, sondern wurde erst zur Positionierung in einem Konflikt verwendet. Ebenso erfolgte die Wahrnehmung Englands zunächst über den Herrscher. Weitere Große kamen in der Wahrnehmung nicht vor. Die Bezugnahme auf »englisch« erfolgte im gleichen Maße wie auf »deutsch«. War der Blick durch die politische Lage auf England gelenkt und beschäftigten sich die Autoren mit den englischen Königen und getroffenen Entscheidungen, fällt auf, dass keiner der Historiographen von einer wie auch immer gearteten Vormacht- oder Vorrangstellung des Reichs gegenüber England schrieb. Der Verfasser der Kölner Königschronik hatte aus der Frage der Obödienz im Schisma auch gleichsam eine Frage nach der Haltung zu Barbarossa gemacht. Aber weder bei ihm noch in den weiteren historiographischen Werken findet sich der Gedanke, dass Barbarossa eine auctoritas innehätte, der England und die anderen Länder sich z. B. in dieser Frage anzuschließen hätten. Diese von Robert Holtzmann postulierte Vorstellung, dass der Kaiser aufgrund seines Ansehens und Ranges andere Herrscher überragt habe und somit auch Handlungsanweisungen geben konnte, findet sich bei keinem der Chronisten. Eine Bezugnahme auf das Kaisertum ist ebenso bei der Gefangennahme Richards I. nicht feststellbar. Mit ihrer Darstellung rechtfertigten die Chronisten erst das Vorgehen Leopolds V. und Heinrichs VI. gegen den englischen König, Bei diesen herausgearbeiteten Grundzügen sollte dennoch die Vielschichtigkeit der Schriften nicht unterschätzt werden. Eine primäre Bindung an eine
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regionale Herrschaft wie die der Zähringer, Welfen oder Babenberger bestimmte zwar die Chroniken und Annalen. Dennoch bedeutete dies nicht zwangsläufig, dass diese Gebundenheit der an den Kaiser und das Reich zuwiderlief. Kein Historiograph, der den Welfen nahestand, interpretierte ein Bündnis gegen den Kaiser in die angevinisch-welfischen Verbindungen. Auch bedeutete emotionale Gebundenheit nicht, dass prinzipiell jedes Handeln der Herrscher und Fürsten gutgeheißen wurde. Der Verweis auf England und das Handeln anderer Länder diente auch dazu, abweichende Meinungen und andere Möglichkeiten aufzuzeigen. Einzelne Autoren, wie Helmold von Bosau taten dies sehr offensiv, wenn auch anlassbezogen. Weniger deutlich ging, verständlich schon aufgrund des Auftragscharakters der Gesta Friderici, Rahewin vor, der sowohl Dokumente der kaiserlichen Seite als auch der alexandrinischen in die Gesta Friderici einfügte. Eigene Stellung bezog er aber nicht. Kritik wurde von einigen der Autoren ebenso mehr oder weniger offen geäußert, wie andere Autoren fest und offensiv an der Seite des Kaisers standen. Beides war möglich. Einleitend war die Frage nach der Funktion der Fremdwahrnehmung und -darstellung formuliert worden. Die Analyse hat ergeben, dass Fremdwahrnehmung zu England durchaus in den deutschen historiographischen Quellen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts feststellbar ist. Allgemeine Vorstellungen zu England sind allerdings von den Chronisten und Annalisten nur wenige entwickelt worden. Der Fokus der Fremdwahrnehmung lag auf den Königen und politischen Entwicklungen. Dabei wurde England entweder alleine oder als Teil eines Länderkonglomerats wahrgenommen. Diese Wahrnehmung erfolgte meist als Reaktion auf einen Konflikt, der direkt oder indirekt mit England im Zusammenhang stand und bei einigen der Autoren zu negativen Einschätzungen aufgrund von Enttäuschung und Selbstverteidigung führte. Damit lässt sich die Antwort auf die Frage nach der Funktion der Wahrnehmung schon eingrenzen. Die Fremdwahrnehmung Englands war fest mit der eigenen Selbstpositionierung verbunden. Teilweise wurden die Nennungen zu England sogar benutzt, um hauptsächlich über Ereignisse und Personen im Reich zu berichten und die Einträge zu England dienten nur dazu, diese zu konkretisieren. Die Darstellung erfolgte also jeweils nicht überwiegend aus Interesse an England, sondern aufgrund der Identifikation der Historiographen mit ihrer eigenen Gemeinschaft. Der andere wurde dadurch notwendig zur Selbstvergewisserung. Dadurch pendelte die Wahrnehmung zwischen Gleichgültigkeit und gespannter Aufmerksamkeit. Alterität wurde festgestellt, aber immer nur in Bezug auf den König oder politische Entwicklungen. Grundsätzliche Vorstellungen von Fremdheit oder Ablehnung, wie dies in der Forschung bereits im Hinblick auf Slawen oder Muslime ausgemacht wurde, ließen sich nicht feststellen.
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Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen Englands des 12. und frühen 13. Jahrhunderts
4.1
Die Wahrnehmung des Romzugs Heinrichs V. im Rahmen des Investiturstreits
4.1.1 Historischer Hintergrund Mit dem Romzug von 1110/1111 verband Heinrich V. nicht nur die Kaiserkrönung und die Befriedung Italiens, die Wiederherstellung königlichen Einflusses und die damit erneute Verbindung Italiens mit dem Deutschen Reich, sondern besonders auch die Lösung des sogenannten Investiturstreits, den das salische Königtum seit über 30 Jahren mit dem Papsttum führte.1074 Während die strittige Investiturfrage in England1075 und Frankreich1076 zu diesem Zeitpunkt bereits 1074 Dies folgert Servatius, Paschalis II., S. 215f., aus einem Brief Heinrichs V. an Abt Pontius von Cluny, in dem er diesen zu einem Treffen in Lausanne einlädt und ihn auffordert, seine Mönche zum Gebet anzuhalten, damit der Papst endlich aufhöre, der Gerechtigkeit, d. h. dem königlichen Investiturrecht, entgegenzuwirken. Besonders Schieffer, die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots, S. 1ff., problematisiert den Begriff des Investiturstreits, der sich zu einer Epochenbezeichnung für die Zeit zwischen 1076 bis 1122 entwickelt hatte. Er stellt heraus, dass genauer zwischen dem umfassenden Konflikt zwischen dem salischen Königtum und den Reformpäpsten, der durch strittige Bischofserhebungen in Mailand ausgelöst worden war, und der besonderen Problematik der Bischofsinvestituren, die erst im Laufe des Konflikts und besonders um die Wende zum 12. Jahrhundert hervortrat, unterschieden werden muss. Eine Übersicht zur Forschungsliteratur zum Investiturstreit, von den Hintergründen, Auslösern und zur Entwicklung bis zum Wormser Konkordat zu geben, erscheint an dieser Stelle nicht sinnvoll. 1075 Nach Vollrath, Der Investiturstreit, S. 241, brach das, was man als Investiturstreit im engeren Sinne betrachtet, d. h. das Verbot von Investituren, erst im Jahr 1100 aus, als Anselm von Canterbury aus dem Exil zurückkehrte, wo er an der Ostersynode Urbans II. teilgenommen hatte, bei der die Laieninvestitur ausdrücklich verboten wurde. Allerdings hatte es schon zuvor Konflikte zwischen Wilhelm II. und dem Erzbischof von Canterbury gegeben. Sein Vorgänger Lanfranc hingegen übte 19 Jahre lang sein Amt in großem Einvernehmen mit Wilhelm d. Eroberer aus. Bei seiner Reform der englischen Kirche spielte Rom nur eine untergeordnete Rolle. Anselm, der nicht Lanfrancs politischen Sachverstand hatte, geriet mit Wilhelm II. nicht über Investituren in Konflikt – Richard W. Southern geht
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gelöst war, erhielt der Konflikt im Reich mit der Erneuerung des Investiturverbots auf der Synode von Guastalla 1106 und der Synode von Troyes 1107 neuen Antrieb.1077 1109 reiste zur Wiederaufnahme der Gespräche eine Gesandtschaft mit Bruno von Trier, Friedrich von Köln und Adalbert von Mainz nach Rom, um Gesprächsbereitschaft bzgl. der Investitur anzuzeigen und damit auch die Kaiserkrönung anzusprechen.1078 Im März 1110 kehrten sie zurück mit dem sehr offen gefassten Beschluss des Papstes, dass er nur fordere, was kanonischen Rechts entspreche und das königliche Recht nicht schmälern wolle, woraufhin im August 1110 Heinrich V. mit seinem Heer nach Italien marschierte. Ende des Jahres begannen die Verhandlungen, die – unter Ausschluss der Bischöfe, nur davon aus, dass er von Investiturverboten in den ersten Jahren seiner Amtszeit nichts wusste – sondern zunächst über die Frage der Anerkennung Papst Urbans II., und ging dann über den Streit, zu Papst Urban zu reisen, für drei Jahre ins Exil. Mit der Herrschaftsübernahme durch Heinrich I. kehrte Anselm zwar zurück, ging dann aber in dem nun ausgebrochenen Investiturkonflikt erneut ins Exil. Mit dem »Londoner Konkordat« wurde eine Lösung gefunden: Die Bischofswahlen sollen in Gegenwart des Königs am Hof stattfinden, der König durfte vor der Weihe das Homagium verlangen, die Investitur mit Ring und Stab blieb verboten. Die dann für das Wormser Konkordat wesentliche Unterscheidung von Temporalien und Spiritualien wurde hierbei vorweggenommen. Vgl. Goez, Kirchenreform, S. 169–171; Plassmann, Die Normannen, S. 208–211. Zur Bedeutung des Exils für Anselm siehe Bruno, The Investiture Contest, S. 312–316. Ebenso Hollister, William Rufus, Henry I, S. 123. 1076 Goez, Kirchenreform, S. 163–166, verweist einerseits auf die enge Bindung der Päpste nach Frankreich, die sich im 11. Jahrhundert verstärkte, und andererseits darauf, dass die Beziehung zwischen dem Königtum und Bischöfen aufgrund der größeren Bedeutung der Vasallen und der geringeren Bedeutung von Regalien und öffentlichen Rechten für die Bischöfe weniger ausgeprägt war. Dennoch wurde 1077/1078 durch Hugo von Die, Legat Gregors VII., ein allgemeines Investiturverbot erlassen, was allerdings eher ignoriert wurde. Erst die Trennung Philipps I. von Königin Berta verschärfte die Situation durch die Exkommunikation Philipps. 1104 wurde diese Exkommunikation nach der öffentlich erklärten Trennung aufgehoben, 1107 wurde auf der Synode von Troyes der Kompromiss bestätigt, dass der König auf die Investitur mit Ring und Staab verzichtete, dafür aber die Lehnbarkeit der weltlichen Güter bestätigt erhielt und der neu gewählte Papst ihm einen Treueeid leisten musste. Frankreich profitierte bei der Kompromissfindung von der Bedrohungslage des Papstes durch den Investiturkonflikt mit den Deutschen. 1077 Servatius, Paschalis II., S. 211. Während Schneidmüller, 1111 – Das Kaisertum Heinrichs V., S. 37, das Vorgehen als kühnen Hoffnung, den epochalen Konflikt endlich beilegen zu können, bezeichnet, verweist Hartmann, Der Investiturstreit, S. 36, gerade auf die bereits in England und Frankreich gefundene Lösung bzgl. des Investiturproblems als neuen Antrieb. Ebenso Goez, Kirchenreform, S. 175. 1078 Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 219 verweist auf den Tractatus de investitura episcoporum, der die Position der Deutschen aufzeige. Diese bestanden auf das Recht der Investitur vor der Weihe, wobei die Frage der Investitursymbole unwichtig war. Gleichzeitig wurde das enge Zusammenwirken von Bischöfen und König zum Wohle aller betont und auf die alten Rechte verwiesen. Beumann, Sigebert von Gembloux, S. 135, und dies., Der Traktat von 1109, S. 42, vermutete als Verfasser Sigbert von Gembloux. Dies wurde wiederum von Tischler, Der Traktat De investitura episcoporum, bezweifelt, der Ekkehard von Aura als Verfasser betrachtete.
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Erzbischof Adalbert von Mainz war als Kanzler beteiligt – am 4. und 9. Februar 1111 in S. Maria in Turri bzw. in Sutri zum revolutionären Beschluss kamen, dass Heinrich V. mit seiner Kaiserkrönung auf die Beteiligung an Wahlen und die Investitur vollständig verzichtete, während die Bischöfe alle Regalien zurückgeben und sich künftig nur noch durch Zehnten oder Spenden finanzieren sollten.1079 Als der Vertrag von Sutri in St. Peter in Rom unmittelbar vor der Kaiserkrönung am 12. Februar verlesen wurde, kam es unter den Bischöfen, aber auch unter den Laienfürsten, die mit Verlusten von Kirchenlehen und Vogteirechten rechnen mussten, zu einem Tumult, der damit endete, dass Heinrich V. den Papst und die anwesenden Kardinäle gefangen nahm und unter blutigen Kämpfen aus Rom abzog. Aufgrund der Gefangenschaft, die zwei Monate dauerte, stimmte Paschalis II. zu, einen neuen Vertrag abzuschließen, dem Vertrag von Ponte Mammolo vom 11./12. April, in dem Heinrich die Investitur mit Ring und Stab zugestanden wurde, was vor der Weihe stattfinden sollte, wobei nicht geweiht werden durfte, wer nicht investiert war. Auch versprach Paschalis, dass er Heinrich niemals exkommunizieren würde. Im Anschluss an diesen Vertrag wurde die Kaiserkrönung vorgenommen. Nach der Freilassung waren es die Kardinäle, die nun die Initiative ergriffen, Paschalis selbst sah sich heftiger Kritik für sein erteiltes Privileg ausgesetzt.1080 Schon während der Gefangenschaft des Papstes versuchten sie, wenn auch erfolglos, Widerstand zu leisten und ersuchten die Normannen um militärisches Eingreifen. Kuno von Praeneste, der als Legat die Synode von Jerusalem besuchte, exkommunizierte Heinrich V. vermutlich im Laufe dieser Synode. Im März 1112 tagte in Rom die Lateransynode, bei der das päpstliche Investiturprivileg verdammt wurde und Paschalis seine Rechtgläubigkeit bezeugen
1079 Die genauen Hintergründe für diesen Vorschlag der päpstlichen Seite sind noch nicht geklärt. MGH Const. I, Nr. 83–86, S. 137–139 gibt das Vertragswerk von S. Maria in Turri wieder, Nr. 87–90, S. 139–142, dasjenige von Sutri. Zum Vertrag siehe Struve, Art. Vertrag von Sutri 1111, Sp. 336f. Vgl. Servatius, Paschalis II., S. 223–233. Ebenso Chodorow, Paschal II, S. 4 vermutet, dass sich dies auf den Idealen der Kirchenreform der vergangenen Jahrzehnte entwickelt hatte. Tellenbach, Die westliche Kirche, S. 220f., weist darauf hin, dass sich beide Seiten der umwälzenden Folgen dieses Vertrags bewusst waren. Heinrich V. verteidigte sich später, dass er der Kirche nichts wegnehmen wollte. Siehe MGH Const. I, Nr 100, S. 150: »[…] ad haec cum nostri responderent, nos quidem nulle ecclesie violentiam inferre nec ista subtrahendo tot sacrilegia incurrere […].« 1080 Zum Vertrag von Ponte Mammolo siehe Servatius, Paschalis II., S. 245–252. Vgl. Weinfurter, Art. Ponte Mammolo, Vertrag von, Sp. 93. Paschalis II. wurde nach Bekanntwerden des neuen Vertrags heftig angegriffen, sogar seine Abdankung wurde gefordert. Zur Reaktion der Publizisten und zu päpstlichen Rücktrittsgedanken siehe Wolf Zöller, Das Krisenjahr 1111, S. 161, und Servatius, Paschalis II., S. 278–300.
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musste.1081 Erzbischof Guido von Vienne, der spätere Papst Calixt II., exkommunizierte ebenfalls Heinrich V. im September 1112 bei einer burgundischen Synode. Dieser zeigte sich allerdings nicht beeindruckt von diesen Maßnahmen oder den publizistischen Reaktionen.1082 Nach dem Tod Papst Paschalis II. 1118 ließ Heinrich V. Erzbischof Mauritius von Braga zum Nachfolger erheben, der sich Gregor VIII. nannte. Gregor VIII., der mit dem Spottnamen Burdinus (spanischer Esel) versehen wurde, konnte sich allerdings nicht gegen Gelasius II. und Calixt II. durchsetzten. Auf der Synode von Rheims 1119 wurde Heinrich erneut gebannt. Erst durch das machtvolle Auftreten der deutschen Fürsten, die 1119 in Mainz einen Reichsfrieden beschlossen und Calixt II. anerkannt hatten, konnte dem Kaiser gegenüber genügend Druck ausgeübt werden und diesen 1121 in Würzburg auffordern, Gehorsam dem Papst zu zeigen und eine Lösung des Investiturproblems zu finden.1083 Am 23. September 1122 kam es schließlich zum Abschluss des sog. Wormser Konkordats, das einen Kompromiss in den strittigen Fragen darstellt.1084
4.1.2 Die Quellen Die Ereignisse von 1111 auf dem Romzug Heinrichs V. mit der Gefangennahme des Papstes und die Erteilung des Investiturprivilegs standen bei der Wahrnehmung des Investiturstreits im Reich im Vordergrund. Die Wahrnehmung des gesamten Konflikts, d. h. von 1076–1122, erfolgte in den englischen Quellen nicht gleichmäßig, sondern meist punktuell. In 13 der 27 untersuchten Quellen – wobei fünf erst zu einem späteren Zeitpunkt mit ihren Darstellungen beginnen – finden 1081 Paschalis II. hielt sich an sein Versprechen, Heinrich V. nicht zu exkommunizieren, bekannte sich aber bei der Synode zu den Grundlagen seiner Vorgänger Gregor VII. und Urban II. 1082 Bekanntestes Beispiel dürfte Suger von Saint Denis sein, der ihn einen turbator regni aut ecclesiae nannte. Siehe Suger, Vie de Louis VI le Gros, hg u. übs. von Waquet, Kap. 28, S. 230. Zu den Schriften, in denen Heinrich V. vor allem verurteilt wurde, siehe Banniza von Bazan, Die Persönlichkeit Heinrichs V., S. 36–68; Schneidmüller, 1111 – Das Kaisertum Heinrichs V., S. 42f.; Servatius, Paschalis II., S. 278–296. 1083 Zey, Das Wormser Konkordat, S. 72. 1084 Struve, Art. Wormser Konkordat, Sp. 336–337. Goez, Kirchenreform, S. 182–184. Heinrich V. verzichtete auf die Investitur mit Ring und Stab, sicherte die freie kanonische Wahl zu und versprach alle entfremdeten Besitzungen und Rechte zurückzugeben. Dafür sicherte Calixt II. zu, dass die Wahl in Gegenwart des Kaisers stattzufinden habe, bei Doppelwahlen solle nach der »verständigeren Partei« entschieden werden, Regalien würden in Deutschland vor Weihe durch das Zepter verliehen. Damit war ein, wenn auch in manchen Teilen sehr offener, Kompromiss gefunden, der auch dazu führte, dass, aufgrund der lehensrechtlichen Ausgestaltung des Konkordats, die Reichsbischöfe und Reichsäbte zu Vasallen des Königs mit klar definierten Pflichten wurden, den übrigen weltlichen Fürsten gleichgestellt.
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sich Einträge zu diesen Ereignissen.1085 Damit zählt dieses Ereignis zu den am meisten wahrgenommenen. Zum Vergleich: Von den Auseinandersetzungen Heinrichs IV. mit Gregor VII. wird nur in fünf der untersuchten Quellen berichtet,1086 zu den auf 1111 folgenden Konzilien und dem Wormser Konkordat sogar in noch wenigeren. Diese Zahlen bestätigen zunächst die These Hanna Vollraths, dass die Ereignisse von 1111 – im Gegensatz zu Canossa, das außerhalb des Reichs und Italiens wenig bis keine Resonanz gefunden hätte – wahrgenommen wurden, wenn auch auf eine oberflächliche Art und Weise, da zum einen der Investiturstreit im Reich seit über 30 Jahren andauerte und auch England ebenfalls diesen Streit unter Heinrich I. und Anselm von Canterbury erlebt hatte, und zum anderen die Päpste mit den Königen und den Erzbischöfen und Bischöfen enger in Kontakt standen und somit leichter Nachrichten ausgetauscht werden konnten als noch in den 1070er-Jahren.1087 Die Darstellung in den 13 Quellen erfolgt allerdings nicht einheitlich, sondern sehr unterschiedlich. In sechs der Quellen wird nur sehr kurz auf die Ereignisse zu 1111 eingegangen.1088 Dabei berichten die Annales Lewenses und Heinrich von 1085 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 118–124.Winchchombe Chronik, S. 516. Coventry Chronik, S. 668. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420 – V, 426, S. 762–771. Symeon von Durham, Historia regum, S. 242–247. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 196–198 und XI, 41, S. 172. Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, VIII, 175, S. 554. Robert von Torigni, Weltchronik, S. 92f. Roger von Howden, Chronica, S. 167. Annales Lewenses, S. 87. Ralph von Diceto, Abbrevationes chronicorum, S. 239. Radulfus Niger, Chronica universalis, IV, 1, S. 262–264. Radulfus Niger, Chronica Anglica, S. 165. 1086 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 18, S. 20, S. 22, S. 26, S. 28, S. 30, S. 36, S. 38, S. 38, S. 40, S. 42, S. 62. Symeon von Durham, Historia regum, S. 200, S. 206f., S. S. 211, S. 211, S. 211, S. 212, S. 219. Roger von Howden, Chronica, S. 128, S. 132, S. 136, S. 136S. 136, S. 139, S. 144. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 196. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 262 S. 484 – III, 266, S. 492 und III, 288, S. 520 – III, 290, S. 524. 1087 Vollrath, Sutri 1046 – Canossa 1077 – Rome 1111, hier S. 151, S. 156, S. 158. Auf die Reaktionen in der italienischen und französischen Publizistik wurde bereits verweisen. 1088 Winchcombe Chronik, zum Jahr 1111, S. 516: Henricus imperator Romam uenit, Paschalem papam cepit et in custodiam posuit. Sed postea ad pontem uie Salarie ubi Paschalem festiuitatem celebraverunt pacem cum eo fecit. Coventry Chronik, zum Jahr 1111, S. 668: Henricus imperator Romam uenit, Paschalem papam cepit et in custodiam posuit. Sed postea ad pontem uie Salarie ubi Paschalem festiuitatem celebraverunt pacem cum eo fecit. Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, VIII, 175, S. 554: Henricus filius Henrici longeui, gener scilicet tuus, rex inuictissime, cui hec scribuntur, regnauit annis decem. Hic cum filiam tuam, cum pecunia incomparabili, duxisset, Romam peciit, et ui factus est imperator. Sed quomodo ceperit papam Paschalem dicere non attinet. Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1111, S. 167: Henricus rex Teutonicorum Romam venit, Paschalem papam cepit, et in custodiam posuit, sed postmodum ad pontem, Via Salaria, ubi Paschalem festivitatem in campo celebraverunt, pacem cum eo fecit. Annales Lewenses, zum Jahr 1111, S. 87: Paschalis papa Rome captus est ab Henrico imperatore. Ralph von Diceto, Abbrevationes chronicorum, zum Jahr 1111, S. 239: Henricus rex Teutonicus Romam venit, Paschalem papam in custodiam posuit, sed postmodum ad pontem Viae Salariae, ubi pa-
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Huntingdon nur von der Gefangennahme des Papstes durch Heinrich V., die Winchchombe und Coventry Chroniken, ebenso wie Roger von Howden, fügen noch hinzu, dass ein Friede zwischen den beiden geschlossen wurde. Nur bei Ralph von Diceto kann der Leser etwas über den Hintergrund durch den Hinweis auf ein erteiltes Investiturprivileg erfahren. Die Reduzierung auf die Gefangennahme zeigt, dass hier weniger ein Interesse am Investiturstreit im Reich bzw. am erteilten Investiturprivileg vorhanden war, welches sich nach Hanna Vollrath im 12. Jahrhundert entwickelt hätte, sondern die Gefangennahme des Papstes an sich durch den Kaiser, d. h. der aufsehenerregende Skandal, für diese Historiographen von Bedeutung war. Dabei ist festzustellen, dass die Formulierungen, bis auf die in den Annales Lewenses, sehr ähnlich sind. Diese fünf Quellen nutzten als Grundlage alle Johannes von Worcesters Chronik1089 oder, wie Roger von Howden, die Chronik Symeons von Durham, der wiederum für weite Teile die Chronik des Mönches aus Worcester verwendete. Dies zeigt nicht nur die wörtliche Übereinstimmung mit dem Quellenabschnitt bei Johannes,1090 sondern auch die Betonung des Friedensschlusses an Ostern.1091 Die von Johannes bzw. Symeon eingefügten Briefe und Beschlüsse wurden an dieser Stelle von keinem der Autoren verwendet. Die genannten sechs Quellen waren in ihren Darstelschalem festivitatem in campo celebraverunt, pacem cum eo fecit. Papa vero post lectum evangelium tradidit ei in oculis omnium principum privilegium de investitura episcopatuum, vel abbatiarum, tam per anulum quam per virgam, scilicet ut regni ejus episcopis vel abbatibus libere electis investituram conferat annuli et virgae, postea vero consecrentur electi ab episcopis ad quos pertinuerint. 1089 Bei den Winchcombe und Coventry Chroniken vermutete der Editor eine kürzere Quelle des Johannes als Grundlage. 1090 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1111, S. 118: Heinricus rex Theutonicorum Romam uenit, Pascalem papam cepit, et in custodiam posuit, sed postmodum ad pontem uie Salarie, ubi Pascalem festiuitatem in campo celebrauerunt, pacem cum eo fecit. 1091 Paschalis II. wurde am 12. Februar 1111 gefangengenommen, seine Gefangenschaft dauerte ca. zwei Monate. Der Vertrag von Ponte Mammolo ist auf den 11. April datiert, Heinrich V. wurde am 13. April gekrönt. Ostern war allerdings 1111 am 2. April. McGurk, Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 119, Anm. 1, schließt daraus, dass Johannes den Friedensschluss einfach vordatierte. Vergleicht man allerdings Johannes’ Version mit der Anonymen Kaiserchronik, in der ebenfalls eine Version des Textes des David zu finden ist, fällt auf, dass auch dieser auf Ereignisse an Ostern verwies. Anonyme Kaiserchronik, zum Jahr 1111, S. 148: Post triduum Roma secedens, domnum apostolicum secum duxit et eo, quo potuit, honore tenuit, donec compositis, que˛ res poscebat, per regiones negociis, pacatis omnibus adversariis instans pascha non longe ab urbe in castris celebravit ibique sedatis inter ipsum et apostolicum, inter regnum et sacerdotium dissensionibus inveteratis post octavas pasche˛ cum nimio populi Romani […] coronatus, suscepit […]. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 124, macht später noch einmal deutlich, dass der Friede an Ostern geschlossen wurde und die Krönung am 13. April stattfand. Er folgte damit vermutlich der Vorlage, die auf eine zeitliche Differenz zwischen den Ereignissen verwies.
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lungen zu 1111 oberflächlich, allerdings nicht, weil sie nicht genügend Informationen besaßen, sondern weil sie ihre Darstellung auf den aufsehenerregenden Skandal reduzierten. Ein eingehendes Interesse am Investiturstreit im Vergleich mit dem englischen Konflikt war nicht vorhanden. Alle Quellen gehörten mindestens der zweiten Generation an, die sich mit 1111, aber auch mit dem Investiturstreit im Reich beschäftigte, sodass bei allen ein größerer zeitlicher Abstand gegeben war.1092 Durch diesen größeren zeitlichen Abstand zu 1111, aber auch zum englischen Investiturstreit, war dieser Konflikt für die Historiographen der zweiten Generation offenbar weniger bedeutsam. Keiner der Chronisten war unmittelbar von den Ereignissen betroffen gewesen. Daher bieten sie auch kaum weitere Informationen zum Investiturstreit unter Heinrich IV. oder unter Heinrich V. und verzichten auf eigene Interpretationen der Ereignisse.1093 Diese Chroniken und Annalen bilden einen Gegensatz zu den Historiographen der ersten Generation, die sich sehr ausführlich mit den Ereignissen von 1111, aber auch mit dem weiteren Verlauf des Investiturstreits unter Heinrich IV. und Heinrich V. beschäftigten. Johannes von Worcester, Symeon von Durham, Wilhelm von Malmesbury und Orderic Vitalis beschäftigten sich intensiv mit diesen Ereignissen bis sogar z. T. zum Wormser Konkordat. Dabei stützten sie sich alle für ihre Darstellungen zum Investiturstreit direkt oder indirekt auf zwei Chroniken/ Berichte, die aus dem Reich stammten, die Chronik des Marianus Scotus (Scottus) zum Investiturstreit unter Heinrich IV. und Gregor VII. und den Bericht zum Romzug Heinrichs V. von David Scholasticus. Die Chronik des Marianus Scotus, Benediktinermönchs aus Irland, der nach Aufenthalten in Köln, Fulda und Würzburg als Rekluse in Mainz lebte, gelangte durch Bischof Robert von Hereford nach England.1094 Sowohl Wilhelm von Malmesbury als auch Johannes von Worcester und Orderic Vitalis nutzten diese Chronik direkt,1095 Symeon von Durham indirekt durch die Chronik des Jo1092 Bei Heinrich von Huntingdon ist die 2. Generation unter Einschränkung zu sehen. Seine Wortwahl lässt schließen, dass er sich ebenfalls auf Johannes von Worcester bezog. Seine Reduzierung dürfte mit seiner Themenwahl und dem größeren Interesse an der englischen Geschichte und deren Königen begründet sein. 1093 Ausnahme ist hier Roger von Howden. In seiner Chronica reduziert er zwar die Ereignisse von 1111 auf die Gefangennahme und den Friedensschluss – hier hatte er die weiteren Dokumente, die sich bei Symeon von Durham finden lassen, verworfen – aber weitere Informationen zum Investiturstreit unter Heinrich IV. und Heinrich V. finden sich hier sehr wohl. 1094 Brett, John of Worcester, S. 110f. Die Chronik des Marianus Scotus fand auch deshalb in England so starke Verbreitung, da sie die Lücke bei Weltchroniken in England schloss. Hier war der Bedarf für eine neue Chronik gegeben. Kingsford /Mc Gurk, Marianus Scotus. Barrow, Robert the Lotharingian. Im Reich war die Chronik weniger bekannt, allerdings nutzte sie Sigbert von Gembloux sehr intensiv für seine Chronik. 1095 Sowohl bei Wilhelm von Malmesbury, aber auch bei Orderic Vitalis wird Marianus Scotus namentlich genannt. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 292, S. 524:
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hannes von Worcester. In Marianus’ Chronik finden sich zahlreiche Einträge zum Konflikt Heinrichs IV. mit Gregor VII., aber auch zu den Auseinandersetzungen mit Rudolf von Rheinfelden und der Fürstenopposition.1096 Dabei vertrat Marianus keine offensiv kaiserfeindliche Haltung – was aufgrund der Nähe zu Siegfried I., Erzbischof von Mainz,1097 der Rudolf von Rheinfelden und später Hermann von Salm zum Gegenkönig krönte, denkbar wäre – aber er erkannte Gregor, wenn er ihn auch meist Hildebrand nannte, von Anfang an als rechtmäßigen Papst an.1098 Vor diesem Hintergrund ist vielleicht auch der häufig diskutierte Eintrag zu Canossa zu verstehen. Heinrich IV. und Papst Gregor VII. treffen trafen sich (convenientes), der König erhält dabei die Lösung von der Exkommunikation, während der Papst den Apostolischen Stuhl vom König erSub isto imperatore regnante floruit Marinianus Scottus, qui primo Fuldensis monachus, post apud Mogontiacum inclusus, contemptu presentis uitae gratiam futurae demerebatur. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 2, III, S. 186–189: Ioannes Wigornensis a puero monachus, natione Anglicus, moribus et eruditione uenerandus, in his quae Mariani Scotti cronicis adiecit, de rege Guillelmo et de rebus quæ sub eo uel sub filiis eius Guillelmo Rufo et Henrico usque hodie contigerunt honeste deprompsit. […] Quem prosecutus Iohannes acta fere centum annorum contexuit, iussuque uenerabilis Wlfstani pontificis et monachi supradictis cronicis inseruit in quibus multa de Romanis et Francis et Alemannis aliisque gentibus quae agnouit […]. Orderic zeigt damit ebenfalls auf, dass Johannes von Worcester die Chronik des Marianus direkt nutzte. 1096 Für Marianus Scotus und den verschiedenen Rezensionen seiner Chronik liegt leider noch keine vollständige Edition vor. Die gängige Edition ist Mariani Scotti Chronicon, hg. von Waitz in: MGH SS 5, S. 495–562, hier besonders S. 560–562. In einer Überarbeitung veränderte Marianus Scotus, (siehe Ad Mariani Scotti Chronicon Additamentum, hg. von Waitz, in: MGH SS 13, S. 74–79), verschiedene Einträge. Zu den verschiedenen Bearbeitungsstufen siehe Kingsford/ McGurk, Marianus Scotus. 1097 Siegfried I., seit 1060 Erzbischof von Mainz, hatte ab 1066/1067 eine enge Bindung zu Heinrich IV., den er bei seinem Ehescheidungsversuch unterstützte. Bereits beim Fürstentag zu Tribur (heute Trebur) wechselte er allerdings seine Obödienz und schloss sich den Gegnern an. Ob er aber tatsächlich den Fürsten Schiffe für einen Angriff auf Heinrich zur Verfügung stellte, wie Lampert von Hersfeld in seinen Annalen berichtet, vgl. Gerlich, Art. Siegfried I., Erzbischof von Mainz, Sp. 1865f., ist umstritten. Thomas, Erzbischof Siegfried I. von Mainz, S. 397f., sieht in dem Wiedererwerb des Krönungsrechts für die Mainzer Kirche ein zentrales Motiv für seine Unterstützung der Opposition. Ebenso Rudolph, Erzbischof Siegfried von Mainz, S. 29, S. 112–114, S. 159. Am 26. März 1077 krönte er Rudolf von Rheinfelden in Mainz und musste aufgrund des Aufstands der Mainzer Bürger die Stadt verlassen, die er bis zu seinem Tod 1084 nie wieder betrat. Die Krönung Hermanns von Salm nahm er 1081 in Goslar vor. Marianus Scotus kann also Informationen zur Reichsgeschichte bis Anfang 1077 durch Siegfried, mit dem er befreundet war, erhalten haben. Nach der Krönung war diese Informationsquelle nicht mehr zugänglich. Daher könnte der Eintrag zu Canossa noch durch Informationen Siegfrieds beeinflusst sein, spätere Einträge allerdings nicht mehr. 1098 Marianus Scotus vermerkte ab 1074 sein kirchenreformerisches Verhalten und bezeichnete ihn bis 1082, auch nach Wiberts Einsetzung als Gegenpapst, als Papst. Hildebrand als römischer Archidiakon folgte auch als Papst auf Alexander II. nach, während Heinrich IV. Wibert von Ravenna – pro eo facit papam – zum Papst machte.
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hält.1099 Diese Darstellung des Canossaganges wurde meist als nebensächlich oder als abwegig bezeichnet.1100 Erst Hanna Vollrath beschäftigte sich eingehender mit dieser Textstelle und wendet ein, dass Marianus durch das enge Verhältnis mit Erzbischof Siegfried den Diskussionen um die Exkommunikation und die Fürstenopposition näher stand, als die Bemerkungen von Schieffer und Zimmermann vermuten lassen; daher solle dieser Satz nicht einfach übergangen werden.1101 Die Gründe für Marianus’ Formulierung zu Canossa können an dieser Stelle nicht eruiert werden. Allerdings wäre es – nach einer Überlegung von Ernst-Dieter Hehl – möglich, dass Marianus schlicht ausdrücken wollte, dass der Salier Gregor VII. in Canossa als rechtmäßigen Papst anerkannte.1102 Für Marianus war Gregor VII. von Anfang an der rechtmäßige Papst; nun hatte auch 1099 Marianus Scotus, Chronicon, zum Jahr 1078, S. 561: Heinricus ergo rex et Illibrandus papa convenientes mense Martio in Langobardia, rex a papa solutuionem banni, papa vero sedem apostolicam a rege accepit. In einer Überarbeitung veränderte Marianus, Chronicon Recensio Altera, hier S. 79, diesen Eintrag zu: Heynrichus rex et Hellibrant papa convenerunt in Italia mense Mart., rex a papa solutionem banni, si oboediret, papa vero sedem apostolicam cum consensu et sine contradictione regis accepit. Vollrath, Lauter Gerüchte?, S. 189–191, geht als einzige auf die unterschiedlichen Stufen der Bearbeitung ein. Sie vermutet, dass er zu Canossa etwas Neues gelesen oder gehört hatte, dass mit einer Forderung nach Gehorsam im Zusammenhang stand, er sich dies aber nicht erklären konnte. 1100 Schieffer, Worms, Rom und Canossa, S. 605: »Aber auch Marianus Scottus wußte nicht mehr zu bieten als den nur zur Hälfte wahren Satz, bei einer Begegnung ›in Langobardia‹ habe der König vom Papst die Lösung vom Bann und der Papst vom König die Wiedereinsetzung auf dem apostolischen Stuhl erlangt. Historiographiegeschichtlich wurde diese minimalisierte Version des Marianus dadurch bedeutsam, daß sie anfangs des 12. Jahrhunderts von Sigbert von Gembloux übernommen wurde und so in die weltchronistische Tradition des Hochmittelalters einging, die bis hin zu Martin von Troppau den Schauplatz Canossa nicht kennt.« Wesentlich kritischer war hingegen Zimmermann, Der Canossagang von 1077, S. 135: »In Deutschland notierte der 1082 verstorbene Mainzer Klausner Marianus Scottus in seiner Chronik die Aussöhnung Heinrichs mit Gregor, allerdings in einer Art, die deutlich zeigt, wie wenig in seiner Zelle der Pilger aus Irland über die wahren Vorgänge in Erfahrung bringen konnte.« 1101 Vollrath, Lauter Gerüchte?, S. 190, findet die Formulierung dennoch ebenfalls merkwürdig. Dass Marianus in diesen Angelegenheiten vollkommen ahnungslos gewesen sei, hält sie eher für abwegig. Eventuell würde der Text Marianus Scotus die These Johannes Frieds, dass Heinrich IV. und Gregor VII. in Canossa einen Vertrag geschlossen hätten, unterstützen. Vgl. Fried, Der Pakt von Canossa, S. 196. Frieds Thesen sind in der deutschen Mediävistik allerdings auf weitgehende Ablehnung gestoßen. Für einen Überblick zur Diskussion siehe u. a. Althoff, Das Amtsverständnis Gregors VII., S. 271 Anm. 1. 1102 Herzlichen Dank für diesen Hinweis an Ernst-Dieter Hehl. Dieser beruht auf der Überlegung, dass Marianus Scotus Gregor VII. von Beginn an als rechtmäßigen Papst anerkannte und ausdrücken wollte, dass nun auch Heinrich IV. mit dem Treffen in Italien dies tat. Außerdem zeigt die Formulierung des friedlichen Zusammentreffens, dass Gregor wie auch Heinrich zu diesem Zeitpunkt an einer friedlichen Lösung interessiert waren. Der Unterschied fällt besonders bei Gregors Nachfolge und bei Wiberts Einsetzung auf. Hildebrand, der Archidiakon Roms, folgt (successit) Alexander II. als Papst nach, während Heinrich Wibert zum Papst macht (pro eo facit papam).
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Heinrich IV. diesen anerkannt. Marianus’ Darstellung zu Canossa, auch wenn er den Ort nicht beim Namen nannte, wie auch seine Ausführungen zum weiteren Verlauf des Investiturstreits bis 1082 wurden für die englische Historiographie bedeutsam, da sie durch Johannes von Worcester, aber auch durch Orderic Vitalis und Wilhelm von Malmesbury benutzt und verbreitet wurden. Neben dieser Chronik, die den englischen Chronisten wesentliche Informationen zum Investiturstreit unter Heinrich IV. und Gregor VII. lieferte, wurde eine weitere, heute verlorene Schrift aus dem Reich, der Bericht zum Romzug des David Scholasticus, verwendet. Wie bereits aufgeführt, hatte der Würzburger Domscholaster David, der in die Hofkapelle Heinrichs aufgenommen worden war, den Auftrag erhalten, den Romzug 1110/1111 festzuhalten.1103 Wilhelm von Malmesbury und Orderic Vitalis nutzten diesen panegyrisch verfassten Text für ihre Chroniken, Johannes von Worcester wahrscheinlich ebenfalls direkt oder indirekt.1104 Damit beruhen die Darstellungen zum Investiturstreit in den Chroniken und Annalen des Wilhelms von Malmesbury, Oderic Vitalis, Johannes von Worcester und damit auch Symeons von Durham zu einem großen Teil auf historiographischen Texten, die im Reich verfasst worden waren. Der Umgang mit diesen Quellen und deren Interpretation wie auch die Wahrnehmung des Investiturstreits im Reich war allerdings sehr verschieden.
1103 Zu Anmerkungen zur Person Davids und dessen Verwendung in den Chroniken in der Anonymen Kaiserchronik und bei Wilhelm von Malmesbury, siehe S. 35 und S. 80f. 1104 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V 420, S. 762–764, V, 426, S. 770: Sed iter illud ad Romam magnis exercitationibus pectorum, magnis angoribus corporum consummatum Dauid Scottus Bancornensis episcopus exposuit, magis in regis gratiam quam historicum deceret acclinis. […] Ego interim, ne bonum uirum uerbo uidear premere, statuo indulgendum, quia non historiam sed panagericum scripsit. Omnem hanc ambitionem priuilegiorum et consecrationis uerbo de scriptis prefati Dauid transtuli, quae ille, ut dixi, pronius quam deberet ad gratiam regis inflecit. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 198: Quam grauis et periculosa hiemps pluuiis et niuibus glacieque tunc fuerit, et quanta discrimina in angustis et inaequalibus uiis et in transitu fluminum exercitus pertulerit, et qualiter imperator collectis uiribus urbem obsessam plus minis quam armis expugnauerit Irensis quidam scolasticus decenti relatione litteris tradidit. Bei Johannes von Worcester findet sich allerdings kein direkter Hinweis, dass er sich auf David Scholasticus stützte. Im Reich findet sich dieser Bericht in der Anonymen Kaiserchronik, S. 145–149, hier S. 145: Inter quos claruit quidam Scotigena nomine David, quem dudum scolas Wirciburg regentem pro morum probitate omnique liberalium artium peritia rex sibi capellanum assumpsit. Hic itaque iussus a rege totam huius expeditionis seriem rerumque in illa gestarum stilo tam facili, qui pene nihil a communi loquela discrepet, tribus libris digessit, consulens in hoc etiam lectoribus laicis vel aliis minus doctis, quorum he˛c intellectus capere possit. Allerdings finden sich hier nicht die Eide und Verträge, die bei Johannes und Wilhelm aufgeführt sind. Diese Darstellung wurde vermutlich sehr gekürzt, da der Verfasser, S. 147, schrieb: Post he˛c, que˛ gesta sunt, longissimum est enarrare, […].
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4.1.3 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Johannes von Worcester Johannes von Worcester orientierte sich bei seiner Darstellung des Investiturstreits im Reich eng an seinen Vorlagen. Dies waren vor allem die Chronik des Marianus Scotus für den Konflikt zwischen Heinrich IV. und Gregor VII.,1105 der Romzugbericht des David Scholasticus,1106 der Bericht zur Lateransynode 11121107 und die Historia novorum Eadmers von Canterbury1108. Dabei ging er streng chronologisch vor. Zusammenhänge zwischen den einzelnen Ereignissen und 1105 Johannes von Worcester benutzte diese Chronik natürlich auch für ältere Nachrichten zum Reich. Allerdings beginnen die Nachrichten zum sog. Investiturstreit ab etwa 1071: zum Jahr 1071 (Kauf des Konstanzer Bischofsitzes von Heinrich IV.) S. 18, zum Jahr 1072 (Erzbischof Siegfried geht nach Cluny, kehrt aber zurück, da mercenarii den Bischofssitz kaufen möchten) S. 20, zum Jahr 1074 (Synode unter Gregor VII., der das Verbot von Simonie und Priesterehe betonte; Im Anschluss wird berichtet, dass zwei Boten die Berichte dieser Synode zu Heinrich brachten, sich allerdings weigerten mit ihm Ostern in Bamberg zu feiern, da der dortige Bischof den Sitz durch Ämterkauf erhalten habe. Vgl. Mayer von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches, II, S. 377) S. 22–24, zum Jahr 1075 (Verbot, an Messe verheirateter Priester teilzunehmen) S. 26, zum Jahr 1077 (Hoftag in Worms) S. 28– 30, zum Jahr 1078 (Gang nach Canossa und Erhebung des Gegenkönigs) S. 30, zum Jahr 1079 (Kämpfe gegen Fürstenopposition) S. 30, zum Jahr 1080 (Erhebung Wiberts als Gegenpapst und Tod Rudolfs von Rheinfelden) S. 36, zum Jahr 1082 (Kämpfe zwischen Heinrich IV. und Gregor VII.) S. 38, zum Jahr 1083 (Heinrich IV. erobert Rom; Gregor VII. stirbt) S. 38, zum Jahr 1084 (Testament Gregors VII.) S. 40, zum Jahr 1085 (Kampf gegen Fürstenopposition) S. 42, zum Jahr 1086 (Kampf gegen Fürstenopposition) S. 42–44. 1106 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1111, S. 118–124. Dabei finden sich auch die Eide und Verträge. Thomson, William of Malmesbury’s edition, S. 108, und Brett, John of Worcester and his contemporaries, S. 116f., beschäftigten sich beide mit der Herkunft der Dokumente bei Wilhelm von Malmesbury und Johannes von Worcester zum Investiturstreit 1111. Thomson gelangt bei seinen Untersuchungen zu Wilhelm von Malmesbury zu dem Schluss, dass dieser ein heute nur noch in Ableitungen vorhandenes Exemplar des Liber Pontificalis kompiliert hatte. Dabei benutzte er für den Liber Pontificalis ebenso wie für die Gesta regum Anglorum unabhängig voneinander eine Quelle, die Thomson nicht genauer bestimmt. Auf Wilhelms eigenen Hinweis auf David Scholasticus geht er nicht ein. Johannes von Worcester, wie Brett darlegt, nutzte nicht die Gesta regum Anglorum, aber Wilhelms Materialien. Möglich wäre, dass Johannes direkte Einsicht in den Bericht Davids hatte und auch/ oder in den Liber Pontificalis. Damit beruht Johannes’ Darstellung auf jeden Fall indirekt, vermutlich aber unmittelbar auf David Scholasticus. Johannes’ Nähe zu David wurde bestätigt durch Vollrath, Sutri 1046 – Canossa 1077 – Rome 1111, S. 158. Der Anmerkung des Editors, Chronicon ex chronicis, S. 120f. Anm. 2, zeigt die Abhängigkeitsverhältnisse an dieser Stelle unpräzise. Für die Privilegien und Eide vgl. MGH Constit. I, Nr. 91–96, S. 142–145. Johannes von Worcester hat hier die Sigle C4. 1107 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1112 S. 130–132. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 430, S. 774, zeigt auf, dass die Ergebnisse aktiv verbreitet wurden: Ferebantur ista per orbem, nec dissimulabat omnis Gallia imperatorem execrari, aecclesiastici zeli in eum uigore intentato. 1108 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1118 S. 142. Vgl. Eadmer von Canterbury, Historia novorum, zum Jahr 1118, S. 246. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1121 S. 150. Vgl. Eadmer von Canterbury, Historia novorum, S. 294.
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Personen stellte er nicht her. Bei weiteren Einträgen zu Heinrich V., bei denen Johannes den Konflikt mit seinem Vater anspricht, die Nachfolge oder die Eheschließung mit Mathilda, finden sich keine Verknüpfungen zum Investiturstreit.1109 Streng dem annalistischen Schema der Chronik entsprechend, stehen diese Einträge für sich. Besonders die Chronik des Marianus nutzte er sehr ausführlich, wobei er nicht nur die Nachrichten zum Konflikt König – Papst übernahm, sondern auch zu Heinrichs Kämpfen mit der Fürstenopposition. Dabei passte er allerdings diese Chronik seinen Bedürfnissen an und zerteilte auch Einträge auf mehrere Jahre und ordnete sie neu. Dadurch waren die Leser der in England weit verbreiteten Chronik chronologisch und sehr genau über die Ereignisse zum Investiturstreit, aber auch zur Fürstenopposition informiert, da Johannes fast alle Einträge von Marianus übernahm. Auch wenn er diese Einträge penibel kopierte, zeigt sich – obwohl er für seine Leser keine größeren Zusammenhänge erläuterte oder Stellung bezog – an seinem Eintrag zu Canossa, dass er doch die Ereignisse unter Heinrich IV. als Einheit ansah, den Bericht Marianus im Ganzen betrachtete und den Konflikt genauestens reflektierte. Marianus Scotus sprach in seinem Eintrag zu Canossa von einem friedlichen Zusammentreffen und dass Heinrich die Lösung vom Bann, Gregor den apostolischen Stuhl erhielt. Diesen Eintrag veränderte Johannes und kommentierte ihn. Den zweiten Teil des Satzes kürzte er, verwies auf einen wechselseitigen Friedensschluss (inuicem pacificantur) und fügte hinzu sed falso ut postea claruit.1110 Er hatte also die Darstellung in Marianus Chronik zum Konflikt als Einheit betrachtet und gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass die Nachricht zum Friedensschluss zwischen Papst und König zwar nicht falsch war, aber sich im Nachhinein als falsch herausstellte, da der Konflikt noch nicht beendet war, sondern nun verstärkt militärisch weiterging. Johannes von Worcester nahm also Canossa, auch wenn er diesen Ortsnamen nicht kannte, als einen Friedensschluss zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. wahr, beurteilte diesen aber im Lichte des weiteren Konflikts und stellte fest, wie die späteren Einträge zur Einsetzung des Gegenpapstes Clemens III. oder militärische Auseinandersetzungen deutlich machten, dass es eben keine Einigung gegeben hatte. Daher wollte er dies auch nicht unkommentiert stehen lassen. Die Darstellung zum Investiturstreit unter Heinrich V. ist geprägt von den Ereignissen in Rom 1111 und der Verurteilung als Pravileg 1112. Johannes von Worcester berichtet, ohne die Hintergründe des Konflikts aufzuzeigen oder eine Verbindung zu den Ereignissen unter Heinrich IV. zu ziehen, dass Heinrich bei 1109 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, z. B. zum Jahr 1106, S. 108, zum Jahr 1110 S. 118, zum Jahr 1115, S. 136. 1110 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1078, S. 30: 1100 Heinricus rex et Hiltibrandus papa conuenientes in mense Martio in Longobardia, inuicem pacificantur, sed falso ut postea claruit.
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seiner Ankunft in Rom Papst Paschalis gefangen nahm, man aber eine Einigung gefunden habe.1111 Im Anschluss daran führt er wörtlich den Eid Heinrichs auf, Paschalis freizulassen und die Kirche zu schützen und zu unterstützen.1112 Im Gegenzug verspricht Paschalis, dass Heinrich das Recht der Investitur mit Ring und Stab noch vor der Weihe hat und beeidet, dass er diesen niemals exkommunizieren wird.1113 Daraufhin wird der Vertrag von Ponte Mammolo aufgeführt.1114 Zum Schluss führt Johannes noch an, dass dieser Frieden an Ostern beschlossen und Heinrich am 13. April zum Kaiser gekrönt wurde, wobei Paschalis ihm und seinen Anhängern das durch diese erlittene Unrecht vergab.1115 Obwohl sich Johannes wiederum sehr genau an seine Vorlagen hielt, übernahm er deren Darstellung nicht blind. Wilhelm von Malmesbury kritisiert wiederholt am Bericht Davids Scholasticus, dass dieser nicht wie ein Historiograph schreibe, sondern Panegyrik betreibe.1116 Diese Kritik findet sich bei Johannes nicht, allerdings auch kein Lob des Kaisers. Johannes muss daher den Bericht Davids um die Panegyrik gekürzt haben. Johannes konzentriert sich bei seiner Darstellung auf die beigefügten Dokumente. Größere Ausführungen unternimmt er nicht. Nur am Anfang und am Ende verweist Johannes auf die Gefangennahme und das erlittene Unrecht, aber auch auf die Einigung. Diese wurde vom Synodaldekret, das Johannes zum Jahr 1112 einfügte, aufgehoben. Ohne jeglichen Kommentar wird hier von den Beschlüssen bezüglich der Investiturhäresie gesprochen. Die Verurteilung als Pravileg und die Gründe hierfür werden aufgezeigt. Die Ereignisse von 1111 und die Verurteilung als Pravileg stehen im Mittelpunkt der Nachrichten zu Heinrich V. Die weiteren Einträge zu ihm, aber auch zum weiteren Verlauf des Investiturkonflikts fallen wesentlich geringer aus. Nur in zwei Einträgen spricht Johannes den Konflikt noch an. Dies ist zum einen ein Eintrag zum Tod Paschalis II. und der Nachfolge durch Gelasius II. An dieser Stelle wird ebenfalls von der Einsetzung des Mauritius von Braga als Gegenpapst Gregor 1111 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1111, S. 118: Heinricus rex Theutonicorum Romam uenit Pascalem papam cepit, et in custodiam posuit, sed postmodum ad pontem uie Salarie, ubi Pascalem festiuitatem in campo celebrauerunt, pacem cum eo fecit. Diesen Satz zu 1111 übernahmen zahlreiche weitere englische Historiographen. 1112 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 120. 1113 Zum Versprechen des Papstes, Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 120– 122. Zum Eid des Papstes Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 122. 1114 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 122–124. 1115 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 124. 1116 Wilhem von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420, S. 762–764, und V, 426, S. 770: Sed iter illud ad Romam magnis exercitationibus pectorum, magnis angoribus corporum consummatum Dauid Scottus Bancornensis episcopus exposuit, magis in regis gratiam quam historicum deceret acclinis. […] Ego interim, ne bonum uirum uerbo uidear premere, statuo indulgendum, quia non historiam sed panagericum scripsit. […] Omnem hanc ambitionem priuilegiorum et consecrationis uerbo de scriptis prefati Dauid transtuli, quae ille, ut dixi, pronius quam deberet ad gratiam regis inflecit.
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VIII. berichtet.1117 Johannes nutzt hier als Quelle die Historia novorum in Anglia Eadmers von Canterbury. Eadmers scharfen Tonfall minderte Johannes allerdings etwas ab. Während Eadmer nur von Burdinus, dem Spottnamen des Erzbischofs von Braga, sprach, fügte Johannes dessen Namen Mauritius ein.1118 Der zweite Eintrag betrifft ebenfalls den Gegenpapst. Johannes vermerkt, ebenfalls angelehnt an Eadmer, dessen Festnahme durch Calixt II. und dessen Klosterhaft.1119 Informationen zum Wormser Konkordat finden sich bei ihm allerdings nicht. Die Auseinandersetzungen zwischen den deutschen Königen / Kaisern und den Päpsten waren für Johannes von Worcester von Bedeutung, sodass er diese ausführlich in seine Chronik mit aufnahm. Im Vergleich mit den übrigen Nachrichten zum Reich, aber auch zu den deutsch-englischen Beziehungen wie bei der Heirat Heinrichs mit Mathilda, stehen die Auseinandersetzungen deutlich im Vordergrund. Dabei finden sich zwar nur wenige persönliche Kommentare, dennoch zeigt sich, dass er die Nachrichten zum Reich nicht nur einfach kopierte, sondern auch deren Bedeutung reflektierte. Daher kommentiert er aus der Menge an Nachrichten zum Reich den Eintrag zu Canossa, streicht die Lobeshymnen auf Heinrich V. und verwendet statt des Spottnamens Burdinus den Namen Mauritius. Ob er allerdings den Investiturkonflikt unter Heinrich V. als Fortsetzung des Konflikts zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. ansah, bleibt unklar.
4.1.4 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Symeon von Durham Mit Symeon von Durham setzte sich ein weiterer englischer Historiograph intensiv mit dem Investiturstreit unter Heinrich IV. und Heinrich V. auseinander. Dabei basiert die Chronik für die Jahre 849 bis 1119 zu einem großen Teil auf der Chronik des Johannes von Worcester.1120 Dies zeigt sich besonders bei den Ein1117 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1118, S. 142: Rex uero Teutonicus, qui et Romanus imperator, audito papam huic uite decessisse, Romam aduolat et Bracarensem episcopum, iam anno preterito ab eodem papa Beneuenti excommunicatum, cedente ab urbe Gelasio, papam instituit, et ex Mauricio Gregorium nominat. 1118 Eadmer von Canterbury, Historia novorum in Anglia, V, S. 246: Rex vero Teutonicus, qui et Romanus imperator, audito papam huic vitae decessisse, Romam advolat, et Bracarensem episcopum, jam anno praeterito ab eodem papa Beneventi excommunicatum, cedente ab urbe Gelasio, suum papam instituit, et ex Burdino Gregorium nominat. 1119 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1121, S. 150: Calixtus papa, uiribus undecunque collectis, supramemoratum Mauricium, cognomento Burdinum, quem uocatum Gregorium in sede apostolica imperator cum suis fautoribus constituerat, cepit, eumque, suis omnibus spoliatum, monasterio, ut monachus eset, contumeliose intrusit. Vgl. Eadmer von Canterbury, Historia novorum in Anglia, VI, S. 294. 1120 Meehan, Symeon of Durham.
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trägen zum Investiturstreit unter Heinrich IV.1121 Diese kopierte Symeon aus der Chronik des Johannes, wobei er allerdings Johannes’ kommentierten Eintrag zu Canossa nicht übernahm. Während Johannes das Treffen zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. noch darstellte und kommentierte, zeigt Symeon seine Wertung dieses Ereignisses dadurch, dass er diesen Eintrag – im Gegensatz zu den weiteren Nachrichten zum Konflikt – nicht kopierte. Für Symeon war das Treffen in Canossa wohl bedeutungslos, da bereits Johannes dargestellt hatte, dass dieses nichts gebracht hatte. Daher übernahm er diesen Eintrag nicht. Ein solches bewusstes Ausschließen scheint auch deshalb plausibel, da Symeon zwar alle übrigen Nachrichten zum Konflikt Heinrichs IV. mit Gregor VII. in seine Chronik mit übernahm, aber nicht die Einträge zu Heinrichs Vorgehen gegen die Fürstenopposition und Rudolf von Rheinfelden. Während Johannes diese Nachrichten, die aus der Chronik des Marianus stammen, alle in seine Chronik eingefügt hatte, schloss Symeon diese Nachrichten aus und konzentrierte sich auf den Konflikt zwischen König und Papst.1122 Ebenso übernahm er nicht Johannes’ Darstellung zum Tod Gregors VII., nach der dieser – gemäß einem Zeugenbericht des Mainzer Erzbischofs – sein Vorgehen gegen den Kaiser bedauert und die Exkommunikation aufgehoben hätte.1123 Der Konflikt hatte für Symeon eine große Bedeutung. Dies wird noch einmal besonders dadurch betont, dass er eben nur diese Nachrichten übernahm und alle übrigen Nachrichten zum Reich wegkürzte. Durch Symeons Entscheidung, den Eintrag zu Canossa wegzulassen, findet sich bei dessen Rezipienten, wie bei Roger von Howden, kein Eintrag zu 1121 Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1074 S. 200, zum Jahr 1075 S. 206f., zum Jahr 1080 S. 211, zum Jahr 1081 S. 211, zum Jahr 1082 S. 211, zum Jahr 1083 S. 211, zum Jahr 1084 S. 212, zum Jahr 1101 S. 219. 1122 Diese Vorgehensweise wird an einem Beispiel aufgezeigt. Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 36, schreibt zum Jahr 1080: Heinricus rex Hiltibrandum papam in Pentecostem Mogontie decernit deponendum, et Wigbertum Rauenne urbis episcopum in natale sancti Iohannis Baptiste pro eo facit papam. Ruodolfus rex Saxonum bello occiditur apud Merseburg, ubi et sepultus est idus Octob. Mogontia ciuitas magnum terre motum k. Dec. sensit, et sequenti anno ex magna parte incendio conflagrauit cum principali monasterio et aliis tribus. Heinricus rex hostiliter Romam aduersus papam adiit oppugnans eam non tamen intrauit. Symeon von Durham, Historia regum, S. 211, löschte die Nachricht zum Tod Rudolfs von Rheinfelden und zu einem Erdbeben in Mainz, sodass nur noch die Einträge zum Konflikt zwischen Heinrich und Gregor übrigblieben: Henricus rex Hiltibrandum papam in Pentecostem Mogontie decernit deponendum, et Wibertum Ravenne urbis episcopum in natale sancti Iohannis Baptiste pro eo facit papam. Anno MLXXXIII Henricus rex hostiliter Romam adversus Hiltibrandum papam adiit, oppugnans eam non tamen intravit. 1123 Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, S. 40. Laut Peter McGurk war dieses nicht Bestandteil der Chronik des Marianus Scotus, sondern wurde separat geführt. Diese Nachricht findet sich auch verkürzt bei Radulfus Niger, Chronica universalis, III, 4, S. 253f. Siehe zu den zahlreichen unterschiedlichen Berichten zum Tod Gregors VII. Meyer von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches, IV, S. 60, Anm. 105.
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Canossa mehr, sondern nur noch weitere Einträge zum Konflikt Heinrichs IV. mit Gregor VII. Bei der Darstellung zum Konflikt unter Heinrich V. orientierte er sich wiederum an Johannes von Worcester, von dem er die Ausführungen zu 1111 mit den Eiden und dem Vertrag von Ponte Mammolo ebenso übernahm wie das Synodaldekret von 1112.1124 Bei den weiteren Einträgen exzerpierte Symeon allerdings auch Eadmer von Canterbury, von dem er den Brief des Gelasius II., in dem dieser sich über seine Behandlung durch den Kaiser beschwert, übernahm.1125 Bei seinen weiteren Einträgen, der Exkommunikation des Kaisers auf dem Konzil von Reims 1119,1126 einem Brief, in dem Calixt II. über die Festnahme des Gegenpapstes berichtet,1127 und das Wormser Konkordat1128 stützte sich Symeon allerdings nicht mehr auf vorhandene historiographische Texte. Auch ist er der einzige unter den englischen Autoren, der berichtet, dass auf der Lateransynode von 1123 die 1119 in Reims ausgesprochene Exkommunikation Heinrichs V. aufgehoben wurde.1129 Das Wormser Konkordat wie auch die Briefe der Päpste wurden im Zuge des Investiturstreits verbreitet.1130 Ähnlich wie Johannes von Worcester finden sich allerdings auch bei Symeon von Durham nur wenige kommentierende Worte. Die Nachrichten zum Investiturkonflikt im Reich sind von Briefen und Verträgen dominiert. Auffällig ist dabei, dass Symeon, anders als Johannes, das Wormser Konkordat für wichtig hielt und es in seine Historia regum mit aufnahm. Dabei betont er, dass maturi et fideles viri verhandelt hätten – der Vertrag zwischen Calixt II. und Heinrich V. also nur durch die Vermittlung der Fürsten zustande kam – und jetzt wieder Frieden und Einigkeit nach langer Zwietracht und Schädigungen des Besitzes zwischen den Parteien herrsche.1131 Für Symeon von Durham stand der Konflikt zwischen regnum und sacerdotium im Mittelpunkt seiner Einträge zum Reich. Ähnlich wie bei Johannes von Worcester sind weitere Einträge, wie zur Hochzeit Heinrichs mit Mathilda, nur marginal.1132 Allerdings verstärkte sich dieser Blickwinkel hier noch einmal, da er 1124 1125 1126 1127 1128 1129 1130
Symeon von Durham, Historia regum, zu 1111, S. 242–245, zu 1112, S. 245f. Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1118, S. 252f. Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1119, S. 256f. Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1121, S. 262f. Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1122, S. 265f. Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1123, S. 272. Zur Verbreitung der Beschlüsse des Laterankonzils, päpstlichen Briefen zum Verlauf des Investiturstreits und zur Veröffentlichung des Wormser Konkordats siehe Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 430, S. 774; V, 431, S. 774; V, 433, S. 776; V, 435, S. 780. 1131 Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1122, S. 265: Calixtus papa et Henricus imperator, discurrentibus inter illos maturis et fidelibus viris, post longas dissensiones et rerum detrimenta in pacem et concordiam redierunt. 1132 Symeon von Durham, Historia regum, zum Jahr 1114, S. 248.
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weitere Nachrichten zum Reich unter Heinrich IV. oder – wie den Eintrag zu Canossa, der in die Irre führen konnte – strich. Den Konflikt, der lange für Zwietracht und zu negativen Auswirkungen auf das Reich und die Kirche geführt hatte, sah er mit dem Wormser Konkordat als beendet an. Dass es aber zu einem Ende des Konflikts gekommen war, war den Verhandlungen der Fürsten zu verdanken.
4.1.5 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Wilhelm von Malmesbury Wilhelm von Malmesbury befasste sich am ausführlichsten unter den englischen Historiographen mit dem Investiturkonflikt sowohl unter Heinrich IV. als auch unter Heinrich V. Dreimal geht der Benediktinermönch in seinen Gesta regum Anglorum auf Heinrich IV. und seinen Konflikt mit der Kirche ein. Zum ersten Mal berichtet er in Buch III, 262 über diese Angelegenheit. Wilhelm schreibt, dass Robert Guiscard ein Hilfegesuch von Papst Gregor VII. erhielt, da Heinrich IV., erzürnt über seine Exkommunikation aufgrund der von ihn vorgenommenen Investituren, Rom belagerte und Wibert von Ravenna als Gegenpapst einsetzte. Aufgeschreckt durch die Nachricht über die normannische Unterstützung floh er mit Wibert allerdings aus Rom, sodass der rechtmäßige Papst wieder zurückkehren konnte.1133 Wilhelm bezieht sich an dieser Stelle auf die Ereignisse der Jahre 1081 bis 1085. Robert bekämpfte gerade Alexios Komnenos, als Heinrich IV. Rom belagerte und schließlich im Juni 1083 in die Stadt eindrang, wo er sich von Clemens III. zum Kaiser krönen ließ, während Gregor VII. derweil in der Engelsburg ausharrte. Dieser holte die Normannen zu Hilfe, da Robert seit 1059 Lehensmann des Papstes war. Bis Robert allerdings Truppen ausgehoben hatte, war Heinrich IV. wieder nach Norden abgezogen. 1084 eroberten die Normannen Rom und setzten Gregor VII. wieder als rechtmäßigen Papst ein. Aufgrund der Plünderungen durch die normannischen Truppen konnte sich Gregor in der Stadt nicht mehr halten und folgte Robert ins Exil nach Salerno.1134 Nach hagiographischen 1133 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 262: seuientem retinui nuntius Hildebrandi apostolici. Imperator enim Alemannorum Henricus, filius Henrici de quo supra memorauimus, iratus contra papam quod excommunicationem in eum propter inuestituras aecclesiarum promulgauerat, cum exercitu ueniens Romam obsedit, Hildebrandum expulit, Wibertum Rauennatem introduxit. Quo per litteras expulsi Guiscardus audito, relicto filio Boamundo cum militibus ut inchoata paterna persequeretur, Apuliam rediit, contractque uelociter Apulorum et Normannorum manu Romam tendebat. Nec sustinuit nuntium aduenientis Henricus quin cum falso papa, sola fama territus, terga dampnaret. Vacua ab obsessoribus Roma legitimum presulem accepit; sed non multo post eadem uiolentia qua prius amisit. 1134 Struve, Art. Gregor VII., Sp. 1669–1671.
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Schilderungen1135 zum Leben Gregors VII. geht Wilhelm zum zweiten Mal (III, 266) auf den Investiturkonflikt ein. Dabei spricht der Historiograph zunächst erneut die Problematik der Investituren an. Heinrich IV., wütend darüber, dass ein Mann ohne seine Zustimmung (sine sua conscientia) zum Papst gewählt wurde und dieser Personen, die von Laien investiert worden waren, exkommunizierte, zwang Gregor schließlich – wie bereits beim ersten Mal dargestellt – Rom zu verlassen und setzte Wibert von Ravenna ein.1136 Im Anschluss daran findet sich eine Darstellung zu Canossa, die sich deutlich von der bei Marianus Scotus unterscheidet. Auch er erwähnt den Namen Canossa nicht, berichtet aber, dass zu Beginn des Konflikts zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. dieser barfuß und mit Zangen und Besen (forcipes cum scopis) zu ihm gekommen sei, der Papst ihm aber dennoch, aufgrund des Abscheus über den Inzest1137 mit seiner Schwester, keinen Zutritt gewährt habe.1138 Über diese Behandlung erzürnt schwor Heinrich, dass er alles zum Nachteil des Papstes unternehmen werde und versuchte einen Gegenpapst einzusetzen. Allerdings konnte auch Rudolf von Rheinfelden, der von Gregor eine Krone erhalten hatte, nichts gegen Heinrich ausrichten. Erst der Hass seines Sohnes brachte ihn zu Fall.1139 Zum dritten Mal (III, 288–290) geht Wilhelm in drei Kapiteln anlässlich des Todes Heinrichs, auf 1135 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 262–III, 265, S. 486–490. Wilhelm stellt hier dar, dass dieser wie ein Prophet die Gedanken anderer Menschen erkennen konnte. Auch habe er mit göttlicher Hilfe einen Bischof, der seinen Bischofssitz durch Simonie erhalten hatte, überführen können. 1136 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 266, S. 490: Hic quod alii mussitauerant palam extulit, excommunicans electos qui inuestituras aecclesiarum de manu laici per anulum et baculum acciperent; unde Henricus imperator Alemannorum, fremens quod sine sua conscientia electus talia presumeret, illum, ut predixi, post undecim annos Roma deturbauit, Wiberto inducto. 1137 Zu den Vorwürfen der sexuellen Vergehen u. a. an einer seiner Schwestern, siehe Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 273–288. Mit der Person Heinrichs IV., Herrschaftsbildern und den (nicht nur sexuellen) Vorwürfen im Allgemeinen gegen seine Person, beschäftigte sich 2006 die Tagung des Konstanzer Arbeitskreises anlässlich seines 900. Todesjahres. Zu den Vorträgen und Ergebnissen der Tagung siehe Althoff (Hg.), Heinrich IV. 1138 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 266, S. 490: Denique fertur quod, inter eum et imperatorem primi tumultus initio, illum nudipedem et forcipes cum scopis portantem nec etiam foribus admiserit, abominatus hominem sacrilegum et sororii incesti rerum. Abcessit Cesar exclusus, repulsam illam multorum necis causam protestans; statimque quaecumque posset incommoda Romanae sedi infligens, e diuerso fautores papae in tirannidem excitauit. Vollrath, Sutri 1046 – Canossa 1077 – Rome 1111, S. 153, und ebenso, dies., Lauter Gerüchte?, S. 197, ist der Ansicht, dass Canossa bei Wilhelm von Malmesbury nicht vorkommt. Dieser erwähnt zwar tatsächlich nicht den Ort des Geschehens und seine Darstellung ist ungewöhnlich, allerdings verweisen die Barfüßigkeit und, dass sich dies zu Beginn der Auseinandersetzungen zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. ereignet hätte, deutlich auf Canossa. Vgl. Schieffer, Worms, Rom und Canossa, S. 608. 1139 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 266, S. 492: Postremo non alienorum impetu sed domestico filii odio extrusus imperio, miserabilem uitae terminum habuit.
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den Investiturkonflikt, aber auch auf ihn als Person ein.1140 Die fünfzigjährige Herrschaft habe eine große Bürde für das Reich bedeutet, allerdings sei er durch das Schicksal zum Ziel derjenigen geworden, die dachten, sie würden dem Glauben dienen.1141 Sein erster Sohn Konrad hätte Italien unterworfen.1142 Sein zweiter Sohn habe aufgrund seiner jugendlichen Unerfahrenheit gegen den Vater rebelliert und ihn gezwungen, abzudanken. Allerdings habe er ihn mit kaiserlichen Ehren bestattet. Dieser Sohn habe die gleiche Haltung gegenüber der Kirche wie sein Vater verfolgt, da er mit Ring und Stab investiert und alle nicht von ihm eingesetzten Päpste für illegitim gehalten habe; allerdings habe Calixt II. diesem ein Ende gesetzt.1143 Auch nach dem Tod Gregors VII. habe Heinrich IV. weiterhin zu Wibert von Ravenna gehalten und nur durch das militärische Eingreifen Mathildes von Tuszien habe Urban II. sich als Papst durchsetzen können. Obwohl dieser Wibert und Heinrich IV. exkommunizierte, habe dies nichts an Heinrichs Verhalten geändert.1144 Dennoch habe es an Heinrich auch viel Positives als Kaiser gegeben. So sei er intelligent und belesen, mildtätig, ein guter Kämpfer und gottesfürchtig gewesen.1145 Seine Feinde seien stets zu einem beklagenswerten Ende gekommen. Dies führt Wilhelm in einem anschließenden Kapitel noch genauer aus, indem er erzählt, wie ein Feind des Kaisers auf wundersame Weise durch Mäuse vernichtet wird.1146 1140 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 288–290, S. 520–524. 1141 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 288, S. 520: Illa fuit tempestas qua Henrici, de quo inter gesta Willelmi locutus sum, miserabile et pene funestum per quinquaginta annos Alemannia ingemuit imperium. Erat is neque ineruditus neque ignauus, sed fato quodam ab omnibus ita impetitus ut rem religionis tractare sibi uideretur quisquis in illum arma produceret. 1142 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 288, S. 520–522: Prior, nichil impium contra parentem ausus, subiugata Italia apud Aretium ciuitatem Tusciae dies expleuerat; […]. Zur Person Konrads siehe Goez, Der Thronerbe als Rivale, S. 23ff. 1143 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 288, S. 522: Viuit adhuc, eiusdem sententiae pertinaciter sequax pro qua patrem persequendum putauerat; nam et inuestituram aecclesiarum per baculum et anulum donat, et sine suo arbitratu papam electum non legitimum estimat, licet Calixtus, qui modo apostolicae sedi presidet, immodicam uiri auditatem egregie inhibuerit. Dies zeigt, dass dieses Kapitel noch zu Lebzeiten Heinrichs V., evtl. unmittelbar nach dem Wormser Konkordat, verfasst worden sein muss. Es war daher noch nicht vom Tod Heinrichs V. und der Rückkehr Mathildas nach England beeinflusst. 1144 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 289, S. 522: quare ambo, ab Vrbano frequentibus conciliis excommunicati, arguto sententiam suspendebant ludibrio. 1145 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 289, S. 522: Inter haec erant multa quae in Cesare probares, quod esset ore facundus, acer ingenio, multa eruditus lectione, impiger elemosinis; prorsus in eo bona animi coporisque cerneres: ad arma prompte concurrere, ut qui sexagies et bis atie collocata dimicarit; iuste lites componere; cum res non successisset, querelus in caelum conuersis inde opem expectare. Plures inimicorum eius uitam exitu miserando conclusere. 1146 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 289, S. 524.
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Die Version des Wilhelm von Malmesbury bringt neue Aspekte in die Darstellung des Investiturkonflikts unter Heinrich IV. Neu sind hier die Verbindung zu den Normannen, die Darstellungen zu den beiden Söhnen, aber auch die persönlichen Betrachtungen der beiden Kontrahenten. Diese Darstellung des Konflikts in drei über mehrere Kapitel verteilten Einträgen zeigt, dass Wilhelm von Malmesbury im Gegensatz zu Johannes von Worcester nicht nur die Informationen aus der Chronik des Marianus Scotus zu Verfügung, sondern auch Zugang zu weiteren Informationsquellen hatte. Auch Orderic Vitalis standen ähnliche Quellen zur Verfügung, da er neben Wilhelm der einzige unter den anglonormannischen Historiographen ist, der sowohl die Rebellion des Königssohnes Konrad als auch das Hilfegesuch an Robert Guiscard anspricht.1147 Die von Orderic und Wilhelm verwendeten Quellen für diese Themen bleiben allerdings unklar. In seinen Darstellungen zu Gregor VII. und Heinrich IV. verwendet Wilhelm keine Briefe oder weitere Dokumente, sondern verweist zweimal auf mündliche Quellen. Dies ist zum einen eine Person, die ihm die hagiographischen Geschichten zu Gregor VII. erzählte, die sie selbst von Abt Hugo von Cluny erfahren hatte.1148 Dieser war Pate Heinrichs IV. und in Canossa anwesend. Daher könnte Wilhelm durch diese Person nicht nur Informationen zu Gregor VII. erfahren haben, sondern auch zu weiteren Ereignissen des Investiturstreits. Ein zweites Mal verweist der Benediktinermönch bei der Geschichte zum Mäusetod auf eine mündliche Quelle.1149 Ob er durch diese Personen weitere Informationen erhielt, bleibt unklar. Allerdings lassen beide 1147 Zum Hilfegesuch an die Normannen siehe Orderic Vitalis, Historia Ecclesiastica, VII, 5, S. 20–22. Zum Aufstand seines Sohnes Konrad siehe Orderic Vitalis, Historia Ecclesiastica, VII, 4, S. 8. Allerdings vermischt Orderic Konrad mit Rudolf von Rheinfelden. So sei Konrad mit der Zustimmung des Papstes zum König gewählt worden. Damit stellt Orderic die Ereignisse zu Konrad anders dar als Wilhelm von Malmesbury. Während bei Wilhelm Konrad nichts gegen seinen Vater im Sinn hat, ist Konrad bei Orderic Vitalis der große Gegner. Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 231f., führt die Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse bei Wilhelm von Malmesbury auf Beeinflussung durch tendenziöse Vorlagen (wie etwa Ekkehard von Aura, der Konrads Loyalität pries) zurück. Daher müssten Orderic Vitalis und Wilhelm von Malmesbury unterschiedliche Vorlagen gehabt haben oder, eine weitere Vermutung Pätzolds, aufgrund narrativer Erwägungen. 1148 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 263, S. 486: Verum quia Hildebrandi mentio se ingessit, de eo dicam quae non friuolo auditu hausi, sed seria relatione eius audiui qui se illa ex ore Hugonis abbatis Cluniacensis audisse iuraret. Quae ideo ammiror et predico […]. Vermutlich handelte es sich nach Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 256, Anm. 320, bei dem nicht namentlich genannten Gewährsmann um den Anselm-Vertrauten Alexander von Canterbury. 1149 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 290, S. 524: Audiui uirum ueracissimum referentem quod quidam ex aduersariis eius, homo impotens et factiosus, dum resupinatis ceruicibus in conuiuio resideret, ita a muribus repente circumuallatus est ut nusquam esset effugium […].
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Vermerke auf eine Sphäre mündlicher Kommunikation in diesem Konflikt schließen.1150 Bemerkenswert bei Wilhelms Darstellung ist allerdings die differenzierte Haltung, die dieser gegenüber Heinrich IV. und Gregor VII. einnimmt. Während bei Johannes von Worcester und Symeon von Durham Heinrich ohne Kommentare nur aufgrund seines Vorgehens gegenüber dem Papst als Feind der Kirche dargestellt wurde, findet sich bei Wilhelm ein anderes Bild. Gregor VII., obwohl in drei Kapitel (III, 263–265) seine Außergewöhnlichkeit gegenüber anderen Menschen dargestellt worden war, wird von ihm bei seinem Tod sehr zwiespältig beurteilt. So sei er nach Wilhelm den Menschen übermäßig streng erschienen.1151 Der Aspekt der übermäßigen Strenge Gregors deutet bereits auf Wilhelms eigenwillige Darstellung zu Canossa. Stefan Pätzold verweist darauf, dass Wilhelm Gregors und Heinrichs Auseinandersetzungen eher mit persönlichen Motiven begründete: Gregor habe Heinrich aufgrund des Inzests mit seiner Schwester verabscheut, der bußfertige Heinrich hingegen nicht die Demütigung durch den Papst verwunden.1152 So hätten nach Wilhelm Kränkungen das Verhältnis zwischen den beiden eher vergiftet als die Frage der Investituren. Pätzold erklärt sich Wilhelms Begründung für die Eskalation mit dem Fehlen von Quellen, was diesem die Einsicht in die Hintergründe und Motive erschwerte, um ein angemessenes Verständnis für den Investiturstreit und seine Folgen für Kirche und Reich entwickeln zu können. Dagegen ist einzuwenden, dass Wilhelm unter den englischen Historiographen derjenige mit dem umfassendsten Wissen 1150 Zur Bedeutung von Briefen im Investiturstreit siehe Wetzenstein, Von der Unmöglichkeit zu kommunizieren, S. 56f. Münsch, Gerüchte und ihre Verbreitung, S. 69–90, zeigt die Verbreitung von Gerüchten, auch in Briefen, im Investiturstreit auf und auf die Reaktion über Gerüchte in der Bevölkerung. Zur Weitergabe guter Geschichten verweist auch eine Episode (Gesta regum Anglorum III, 293, S. 526–528) aus dem Kloster Fulda, die Wilhelm von Malmesbury durch Walcher, Prior des Klosters Malvern bei Worcester erfahren hat. Zu Walcher von Malvern siehe Keil, Art. Walcher von Malvern, Sp. 1940. 1151 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 266, S. 490: Ita obiit uir apud Deum felicis gratiae, et apud homines austeritatis fortassis nimiae. Kritik am Verhalten Gregors VII. findet sich aber auch in weiteren Quellen. Die bußfertige Gesinnung Heinrichs IV. in Canossa war auch der Verfasser in I, 6 des De unitate ecclesiae conservanda, hg. von Schwenkenbecher (MGH Ldl 2), S. 184–284, hier S. 191f., bestrebt vorzuweisen. Nach Auffassung des Hersfelder Anonymus war Heinrich IV. äußerst bestrebt, für seine Schuld Sühne zu leisten. Gregor allerdings habe die Versöhnung nur vorgetäuscht und hinter dem Rücken des Königs mit seinen Feinden dessen Absetzung betrieben. Der Autor bringt mit seiner Darstellung zum Ausdruck, dass Heinrich eigentlich den Ansprüchen der Kirchenbuße genügte, Gregor VII. aber unhaltbare Bedingungen an die Aufhebung der Exkommunikation knüpfte. Vgl. Struve, Der »gute« Kaiser Heinrich IV., S. 169f. 1152 Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 230. Schieffer, Worms, Rom und Canossa, S. 608, spricht diese Szene zwar an, bezeichnet sie aber nur als »wirre Reminiszenzen« an das tatsächliche Ereignis, ohne mögliche Hintergründe für diese Darstellung zu ergründen.
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zum Investiturstreit war und sich mit diesem bei Heinrich IV. und besonders bei Heinrich V. intensiv auseinandersetzte. Wiederholt kam er auf den Streit zu sprechen, ebenso kannte er die unterschiedlichen Konfliktparteien. Die Investituren waren aber auch eine Problematik, die er aus England bereits kannte und selbst miterlebt hatte. Hier war dieser Streit durch den englischen König und Paschalis II. für alle Seiten zufriedenstellend gelöst worden.1153 Dies erklärt auch Wilhelms Satz zu Canossa. Es sind gerade die persönlichen Motive, durch die sich für Wilhelm erklären lässt, warum dieser Konflikt für das Reich nicht lösbar war, sondern es zur Eskalation kam. Aufgrund der hartherzigen Haltung des Papstes und des Racheschwurs Heinrichs, hervorgerufen durch die Demütigung, war eine Einigung wie in England nicht möglich. Dabei wies Heinrich IV. ebenso wie Gregor VII. zwei unterschiedliche charakterliche Seiten auf. Wurde Heinrich zunächst sehr negativ dargestellt, findet Wilhelm dennoch sehr lobende Worte für ihn.1154 Ein unglückliches Schicksal habe ihn letztendlich zum Ziel der Angriffe religiös motivierter Männer gemacht.1155 Pätzold sieht darin ein bemerkenswertes, wenn auch in seiner Vereinfachung nicht zutreffendes Argument zur Ehrenrettung des Kaisers.1156 Er begründet dies damit, dass Wilhelm das Leben Heinrichs IV., Schwiegervater Kaiserin Mathildas, sehr umsichtig schildern musste.1157 Schließlich widmete er ihr, König David I. von Schottland und Robert von Gloucester die erste Version seiner Gesta regum Anglorum. Dabei habe er deutlich Heinrich I. und dessen Familie favorisiert.1158 Dieser Aspekt – Lob des Schwiegervaters, um die Bedeutung der Verbindung hervorzuheben – kann bei der Darstellung Heinrichs IV. durchaus bedeutsam gewesen sein. Diese Verbindung dürfte allerdings bei der Darstellung Heinrichs IV. eine geringere Rolle gespielt haben als bei Heinrich V., da Heinrich V. militärisch gegen seinen Vater zog und diesen absetzte. Wilhelms gedachte didaktische Zwecke für die Gesta regum Anglorum mit der beabsichtigten Zielgruppe – der Kaiserin, ihrem Halbbruder und dem König von Schottland – sollten hingegen nicht unbedacht bleiben.1159 Er erwartete nicht von den dargestellten Königen, perfekt zu sein, schließlich hatten sie mit der Schwäche der menschlichen Natur zu kämpfen, den Versuchungen der Welt, die
1153 Für Wilhelms von Malmesbury Ausführung zum englischen Investiturstreit siehe Gesta regum Anglorum, V, 413–417, S. 746–754. Allerdings geht er nur sehr knapp darauf ein und verweist auf Eadmers von Canterbury Darstellung. Hauptsächlich stellt er Briefe zu Verfügung, die die Lösung des Konflikts darstellen. 1154 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 289, S. 522. 1155 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 288, S. 520. 1156 Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 232. 1157 Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 231f. 1158 Weiler, William of Malmesbury, King Henry I, S. 158. 1159 Weiler, William of Malmesbury on kingship, S. 5f.
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auch durch ihre Positionen zustande kamen.1160 Auch schlechte Könige könnten gute Eigenschaften haben und seien gleichermaßen Täter wie Opfer.1161 Dieses Personenkonzept spiegelt sich auch in der vielschichtig dargestellten Person Heinrichs IV. wider. Daneben dürfte auch die lange Regierungszeit und dass seine Gegner nichts gegen ihn ausrichten konnten, bei Wilhelm eine bedeutende Rolle gespielt haben. Mehrere Male kommt Wilhelm auf diesen Aspekt zu sprechen. Die lange Regierungszeit von über 50 Jahren, die Wilhelm als Zeitspanne angibt, aber auch der Widerstand gegen seine Gegner, trotz deren berechtigtem Anliegen, scheint ihn beeindruckt zu haben. Inwiefern Heinrich IV. wohlgesonnene Quellen Wilhelms Ansicht beeinflusst haben, bleibt spekulativ. Die Anonyme Kaiserchronik war zwar in England durch Mathilda vorhanden, fand aber keine Verbreitung. Hier finden sich ebenfalls lobende Worte auf Heinrich IV., die in ähnlicher Weise auch bei Wilhelm von Malmesbury vorkommen.1162 Bereits in der Darstellung zu Heinrich IV. wies er auf den andauernden Konflikt mit der Kirche unter Heinrich V. hin. Anders als bei seiner Darstellung zum Investiturstreit bei Heinrich IV. behandelte er den Konflikt stringent von 1111 bis zum Wormser Konkordat (V, 420–V, 438), nicht unterbrochen durch weitere Ereignisse. Ausgehend von der deutsch-englischen Verbindung durch die Heirat Mathildas mit Heinrich V., berichtet Wilhelm zunächst über die Ereignisse von 1111 (V, 420–V, 425). In einem einleitenden Kapitel (V, 420) zieht er zunächst eine 1160 Weiler, William of Malmesbury, King Henry I, S. 171. 1161 Weiler, William of Malmesbury, King Henry I, S. 171. Plassmann, German Emperors as Exemplary Rulers, S. 151, betont, dass nach Wilhelms Vorstellungen ein König nur versagen konnte, wenn die Zeitumstände nicht die entsprechenden waren. Allerdings konnte ein König – wenn er auf die richtigen Ratgeber, d. h. Bischöfe hörte – die Umstände auch ändern, wie dies sein Nachfolger Heinrich V. mit dem Wormser Konkordat machte. Allerdings geht Plassmann nicht auf die persönlichen Verbindungen zwischen Heinrich V. und Mathilda und den englischen Investiturstreit ein. 1162 Anonyme Kaiserchronik, zum Jahr 1106, S. 137f.: Annis L Romani imperii gubernacula tenens Romanis nunc voluntariis pie consuluit, nunc ingratis et regnum Teutonicum humiliare nitentibus necessario restiti, vir strenuus et bellicosus, omni persone˛, omni e˛tati, omnique rei sibi congrua impendere solitus et vix quicquam ignorare passus. More patris sui clericos et maxime literatos adherere sibi voluit hosque honorifice tractans, nunc psalmis nunc lectione vel collatione sive scripturarum ac liberalium artium inquisitione secum familiarius occupavit. Pluribus etiam testibus approbare poterimus, quod nemo nostris temporibus natu, ingenio fortitudine et audacia, statura quoque totaque corporis elegantia fascibus aptior videretur imperialibus. Pre omnibus regni sui e˛clesiis Spiram maxime coluit eamque regio et mirifico opere et honore ampliavit, ibi etiam nunc iuxta maiores suos presente filio suo cunctisque regni principibus honorifice humatus requiescit. Weitere, Heinrich IV. sehr wohlgesonnene Quellen sind Carmen de bello Saxonico, Vita Heinrici IV imperatoris und Liber de unitate ecclesiae conservanda. Für eine Übersicht zu gängigen Motiven siehe Struve, Der »gute« Kaiser Heinrich IV., S. 161f.
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Verbindung zu Heinrichs Vater, dem er, obwohl ursprünglich bekämpft, in seinem Verhalten nachfolgte.1163 Dabei war die Frage der Investituren bis 1111 noch nicht gelöst. Deswegen und auch um die rebellierenden italienischen Städte wieder unter Kontrolle zu bekommen, zieht Heinrich nach Italien.1164 In diesem Kapitel verweist er auch zum ersten Mal auf seine Quelle – die Aufzeichnungen des Romzugs durch David Scholasticus, angeblich Bischof von Bangor – dem er mangelnde Objektivität und Panegyrik vorwarf.1165 Im Anschluss daran fügt er das Versprechen Papst Paschalis, den König nicht zu exkommunizieren an (V, 421), das Versprechen Heinrichs, den Papst freizulassen (V, 422), der Darstellung der Kaiserkrönung (V, 423), dem Vertrag von Ponte Mammolo (V, 424) und dem Empfang durch die Römer (V, 425). Daraufhin verweist er gleich auf das Laterankonzil 1112 (V, 426), mit dem Hinweis auf Paschalis Rechtgläubigkeit (V, 427) und der Verurteilung des Privilegs als Pravileg (V, 428) mit Zeugenliste (V, 429). Aus den folgenden Jahren notiert er Paschalis’ Tod, die Wahl Gelasius II. und die Aufstellung des Gegenpapstes (V, 430), berichtet von einem Brief des Papstes Gelasius, in dem sich dieser über die Bedrohung durch Heinrich V. beklagt (V, 431), über das Konzil von Reims mit der erneuten Exkommunikation durch Calixtus II. (V, 432) und von einem Brief Calixtus II., in dem dieser sich über Heinrich V. und Mauritius von Braga beschwert (V, 433). Im Anschluss erläutert Wilhelm den Hintergrund des Gegenpapstes (V, 434) und lobt Calixtus (V, 435), der eine Einigung im Investiturstreit fand. Das Wormser Konkordat in seinen beiden Teilen (V, 436/437) fügte er zum Schluss ein, bevor er im letzten Kapitel die Bedeutung der Einigung hervorhebt (V, 438). Während Wilhelm bei Heinrich IV. zweimal auf die mündliche Herkunft seiner Informationen verweist, stehen bei Heinrich V. schriftliche Informationen im Vordergrund. Zehn der 18 Kapitel bestehen aus der Wiedergabe schriftlicher Dokumente wie Briefe, Urkunden oder der Eide. Während er die Versprechen und den Vertrag aus dem Bericht des David Scholasticus übernimmt,1166 betont 1163 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420, S. 762: Fuit hic Henricus quintus eius nominis apud Teutonicos imperator, qui licet pro contumeliis apostolicae sedis patri grauiter succensuisset, ipse tamen eiusdem sententiae sequax et propugnato suo tempore fuit infestus. 1164 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420, S. 762: At uero Henricus, antiquis cesaribus in nullo uirtute deiectior, post pacatum regnum Teutonicum presumebat animo Italicum, rebellionem urbium subiugaturur questionemque de inuestitura suo libito recisurus. 1165 Zum zweiten Mal verweist Wilhelm zum Abschluss der Darstellung der Ereignisse von 1111 in V, 426, S. 770. 1166 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 426, S. 770: Omnem hanc ambitionem priuilegiorum et consecrationis uerbo de scriptis prefati Dauid transtuli, quae ille, ut dixi, pronius quam deberet ad gratiam regis inflecit. Möglich wäre, dass er neben dem Bericht Davids auch Einsicht in die Anonyme Kaiserchronik hatte, die wahrscheinlich mit Mathilda 1126 nach England gelangte, wo sie es entweder dem Kloster Rochester oder Bec-
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Wilhelm aber die bewusste Verbreitung der Ergebnisse des Laterankonzils von 1112.1167 Die Konsequenz für den Kaiser macht er dabei deutlich: weltweiter Hass auf den Kaiser aufgrund seines Vorgehens gegen den Papst. Ebenso wie der Widerruf wurde das Wormser Konkordat verbreitet.1168 Die Briefe Gelasius und Calixts richteten sich explizit an die Gläubigen in Frankreich.1169 Wilhelm hatte wesentlich vielfältigere Materialien für den Investiturstreit unter Heinrich V. zur Verfügung als unter Heinrich IV., da von päpstlicher Seite bewusst auch andere Länder wie Frankreich über den Streit informiert wurden. Aufgrund des Festlandbesitzes Englands können die genannten Briefe nach England gelangt sein. Auch persönliche Beobachtungen können hier mit eingeflossen sein. An der Synode in Reims 1119, bei der Heinrich V. erneut exkommuniziert wurde, nahmen auch viele Engländer teil, da hier der Primatsstreit erörtert wurde.1170 Durch die direkte Ansprache, nicht nur dadurch, dass es in England ebenfalls einen Investiturstreit gegeben hatte, waren die Historiographen wie Wilhelm wesentlich mehr in diesen Streit involviert als noch unter Heinrich IV., den sie nur aus zeitlicher und räumlicher Distanz beobachteten. Ähnlich wie bei Johannes von Worcester oder Symeon von Durham war der Investiturstreit das beherrschende Thema bei Informationen zum Reich. Zusammenfassend erzählt er hiervon in den Kapiteln V, 420–V, 438. Weitere Einträge zu Heinrich V. oder zum Reich finden sich nicht. Der Streit, aber auch die Lösung bestimmten das Bild Heinrichs. Die Hochzeit mit Mathilda wird zwar
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Hellouin schenkte. Hier hatte Wilhelm bei einer seiner Reisen die Möglichkeit einzusehen. Siehe Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 249, Anm. 275. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 430, S. 774: Ferebantur ista per orbem, nec dissimulabat omnis Gallia imperatorem execrari, aecclesiastici zeli in eum uigore intentato. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 435, S. 780: Quod et eius et Apostolici professiones mundo his dictis ostendent. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 431, S. 774: Gelasius seruus seruorum Dei archiepiscopis, episcopis, abbatibus, clericis, principibus et ceteris per Galliam fidelibus salutem. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 433, S. 776: Calixtus episcopus seruus seruorum Dei dilectis fratribus et filiis archiepiscopis, episcopis, abbatibus, prioribus et ceteris tam clericis quam laicis beati Petri fidelibus per Gallias constitutis salutem et apostolicam benedictionem. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 432, S. 776, fokussiert sich dennoch bei der Darstellung des Konzils rein auf die Bestimmungen zur Investitur und die Exkommunikation Heinrichs. Der Bericht bei Orderic Vitalis, der selbst an der Synode teilnahm, gilt als der ausführlichste unter den historiographischen Darstellungen. Zur Synode siehe Gresse, Dies Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums, S. 451–467, bes. S. 454f. Der eigentliche Zweck des Konzils, ein »Friedenskonzil« mit dem Friedensschluss mit Heinrich V., erwies sich als Fehlschlag. Dafür diente das Konzil als Machtdemonstration gegenüber Gregor (VIII.).
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zweimal angesprochen, erscheint aber nebensächlich.1171 Erst in der Historia novella nimmt diese eine größere Rolle ein.1172 Dabei hat Wilhelm eine klare Haltung gegenüber Heinrichs Verhalten zu den Päpsten und der Kirche. Das Verhalten des Königs nennt Wilhelm Misshandlung (contumeliis) des Apostolischen Stuhls, der Vertrag von Ponte Mammolo wurde nach seinem Bericht aus dem Papst herausgefoltert, Mauritius von Braga als Gregor (VIII.) nicht rechtmäßig gewählt, sondern aufgezwängt.1173 Das stärkste Bild findet sich allerdings unmittelbar vor dem Wormser Konkordat. Wilhelm vergleicht hier den Investiturstreit mit einer Hydra, insofern jedes Mal, wenn einer der führenden Köpfe starb, neue Anführer erschienen.1174 Durch diese stark negativen Zeichnungen, durch die nicht übernommene, sondern deutlich kritisierte Panegyrik Davids und die ausgewählten Berichte und Briefe aus päpstlicher Hand macht Wilhelm seine Haltung gegenüber der Frage der Investituren, aber auch zu Heinrichs Vorgehen deutlich: beides verurteilt er deutlich. Dennoch findet der Benediktinermönch Erklärungen für Heinrichs Handeln. Heinrich habe zwar seinen Vater vom Thron verdrängt, dies aber aus juvenilem Mangel an Erfahrenheit getan und später für eine standesgemäße Beerdigung gesorgt.1175 Auch erläutert Wilhelm, dass die Ausgangslage für Heinrichs Herrschaft schwierig war, da Karl der Große fast alle Ländereien der Kirche gegeben hatte. Die Bischöfe und Äbte nördlich der Alpen unterstützten Heinrich zwar, südlich hätte aber der Papst die Kirchen seinem Willen unterworfen und die
1171 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420, S. 762: Filiam Mathildem ex Mathilde susceptam dedit rex Henricus Henrico imperatori, filio Henrici de quo tertius liber memoriam fecit. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 438, S. 782: Huic, ut ante fatus sum, filia regis Angliae nupta exhibebat patrem fortitudine, matrem religione; contendebat in ea pietas industriae, nec quod magis probares discernes facile. 1172 Wilhelm von Malmesbury, Historia novella, zum Jahr 1125, I, 1, S. 4–7. 1173 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420, S. 762–764: Fuit hic Henricus quintus eius nominis apud Teutonicos imperator, qui licet pro contumeliis apostolicae sedis patri grauiter succensuisset, ipse tamen eiusdem sententiae sequax et propugnator suo tempore fuit infestus. […] Nunc uero priuilegium et conuentionem, uiolenta trium septimanarum captione a papa extorta, ueraciter inseram, et qualiter non multo post religiosiori consilio eneruata sunt subitiam. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 430, S. 774: Cuius morta accepta, alaricus imperator celerabat uiam, […] eiecto Mauritium Bracarensem episcopum, cognomento Burdinum, intruderet. 1174 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 435: Quid quod illam inueteratam inuestiturae controuersiam inter regnum et sacerdotium, quae iam plus quam quinquaginta annis turbas fecerat, adeo ut aliqoue heresis fautore morbo uel morte succiso ilico quasi hidrae capita plura pullularent, ipse sua industria abrasit, decidit, deleuit, Teutonicae animositatis colla uigore securis apostolicae decutiens. 1175 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, III, 288, S. 522: alter patrem, aliquantulum ab externis feriatum, primo aeui tirocinio aggressus cedere imperio compulit, nec multo post defunctum imperialibus inferiis extulit.
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italienischen Städte rebellierten gegen ihn.1176 Heinrich, den antiken Cäsaren in nichts nachstehend, wollte die Städte wieder unter seine rechtmäßige Kontrolle bringen und den eigentlich friedlichen Investiturstreit lösen, weshalb er 1111 nach Italien zog.1177 Die in Reims wegen seines Festhaltens an der Laieninvestitur ausgesprochene Exkommunikation, vermerkt Wilhelm, sei nur vorübergehend gewesen, solange Heinrich nicht wieder vernünftig geworden wäre.1178 Gregor (VIII.), in einem Brief Calixts zwar als Götze des deutschen Königs bezeichnet, war, wie Wilhelm besonders herausstellt, sehr gebildet, wodurch der Kaiser eine hohe Meinung von ihm gehabt habe, und wäre sicherlich auch von anderen bewundert worden, wenn er nicht als Gegenpapst aufgetreten wäre.1179 Äußerst enthusiastisch – im Vergleich mit Symeon von Durham – reagiert Wilhelm hingegen auf das Wormser Konkordat. Der Investiturstreit sei eine alte Krankheit gewesen, deren Heilung allen Christen große Freude bereitet habe. Heinrich wird dabei mit Karl dem Großen verglichen, dem er in seiner Hingabe zu Gott in nichts nachstehe.1180 Aufgrund der Ambiguität in seiner Darstellung lässt sich nicht einfach, wie Björn Weiler argumentiert, feststellen, dass Heinrich V. als rein negatives Beispiel diente, um Heinrich I. als vorbildlichen König umso strahlender dastehen zu
1176 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420, S. 762: Imperator omnes episcopos et abbates regni sui quod citra montes est fautores habebat, quia Karolus Magnus pro contundenda gentium illarum feotia omnes pene terras aecclesiis contulerat, consiliosissime perpendens nolle sacri ordinis homines tam facile quam laicos fidelitatem domini reicere; preterea, si laici rebellarent, illos posse et excommunicationis auctoritate et potentiae seueritate compescere. Papa ultramontanas aecclesias suae rationi subiecerat, parumque suspitiebant urbes Italae Henrici dominium, seruitio se putantes exutas post Conradi fratris eius interitum, qui a patre relictus Longobardiae in regem apud aretium obierat diem. 1177 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 420, S. 762: At uero Henricus, antiquis caesaribus in nullo uirtute deiectior, post pacatum regnum Teutonicum presumebat animo Italicum, rebellionem urbium subiugaturus questionemque de inuestitura suo libito recisurus. 1178 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 432, S. 776: Nec ille credulos spei effectu exinaniens, mox concilio Remis celebrato inuestitos uel inuestiendos a laicis ab aecclesiis remouit, pariter et imperatorem, nisi resipisceret, inuoluens. 1179 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 433, S. 778: Urbana omnino et excogitata facetia, ut eum quem oderat regis Teutonici uocaret idolum, quod ille Mauritii peritiam cum in litteris tum in ciuilibus negotiis magni pensaret! Erat is, ut dixi, Bracarensis archiepiscopus, quae es ciuitas Hispaniae; quam multum quislibet revereri et pene adorare pro uiua magnae industriae spetie debuisset, nisi tam famoso facinore enitescere maluisset. 1180 Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum, V, 438, S. 782: Sedato itaque tam ueterno morbo, qui aecclesiae statum conturbauerat, magnum gaudium quisquis Christiane sapuit accepit, quod is imperator, qui proxima fortitudinis gloria acriter Karoli Magni inuaderet uestigia, etiam a deuotione ipsius in Deum non degeneraret […].
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lassen.1181 Im Vergleich mit Heinrich I. fällt Heinrich V. zwar deutlich ab, dafür zeigt sich umso deutlicher das Personenkonzept Wilhelms, das den Königen – hier auch dem Gegenpapst – positive wie negative Seiten zugestand und didaktischen Zwecken diente. Wilhelm kann hier, deutlicher noch als bei Heinrich IV., die Fallstricke aufzeigen, in die sich Könige, aber auch Kleriker verheddern konnten. Allerdings dürfte, anders als bei Heinrich IV., wo dies noch ein wenig entscheidender Faktor war, die Eheverbindung mit Mathilda bei der Darstellung eine entscheidende Rolle gespielt haben. Besonders im fünften Buch, in dem er vom Investiturstreit unter Heinrich V. erzählt, macht Wilhelm seine Favorisierung Heinrichs I. und seiner Familie deutlich.1182 Mit den u. a. Mathilda gewidmeten Gesta regum war es nicht sinnvoll, ihren ersten Mann, auf den sie sich durch den besonders in England getragenen Titel imperatrix bezog und durch den sie auch an Autorität gewann, negativ als jemanden, der die Kirche bedrängte, darzustellen.1183 Die positive Darstellung war dabei nicht nur eine Frage der persönlichen Positionierung zur Königsfamilie. Das Kloster in Malmesbury wollte Mathilda oder ein weiteres Familienmitglied als Fürsprecher gewinnen, da es sich in einer langwierigen Auseinandersetzung mit Bischof Roger von Salisbury in Güterfragen befand.1184 Verstärkt zeigt sich diese positive Darstellungsweise in der Historia novella. Hier wird umso deutlicher und ausführlicher auf die Ehe mit Heinrich V. verwiesen, die Beziehung zu den deutschen Fürsten und die anfängliche Überlegung im Reich zu bleiben – vom Investiturstreit findet sich an dieser Stelle nichts.1185 Ähnlich wie Johannes von Worcester und Symeon von Durham stellt Wilhelm von Malmesbury die Beziehungen der Kaiser zu den Päpsten in den Mittelpunkt seiner Wahrnehmungen des Reiches. Nur der Investiturstreit wird ausführlich 1181 Weiler, William of Malmesbury, King Henry I, S. 163–166, vertritt die Ansicht, dass Wilhelm zwar zugestand, dass Heinrich I. ebenfalls die Kirche bedrängt, aber bei seinem Vorgehen stets das Gute für die Kirche und England gewollt und seinen Irrtum rasch erkannt und eingelenkt habe. Heinrich V. sei hingegen durch sein Verlangen nach Ruhm fehlgeleitet gewesen. Die Gefangennahme des Papstes zeige nach der Ansicht Wilhelms dabei umso deutlicher, dass Heinrich I. stets nach Gerechtigkeit gestrebt hätte. Aufgrund der entschuldigenden Darstellung Heinrichs V. und des besonders positiv bewerteten Wormser Konkordats kann aber der Ansicht Weilers, Heinrich V. habe als rein negatives Spiegelbild gedient, nicht zugestimmt werden. 1182 Weiler, William of Malmesbury, King Henry I, S. 158. 1183 Vgl. Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 239. 1184 Southern, Presidential Adress, S. 246, S. 249. Vgl. Gillingham, French Culture, S. 731. 1185 Wilhelm von Malmesbury, Historia novella, zum Jahr 1125, I, 1, S. 4–7: Anno Henrici regis Anglorum uicesimo sexto, qui fuit incarnationis Dominicae millesimus centesimus uicesimus sextus, Henricus imperator Alemannorum, cui prefati regis filia Mathildis nupserat, in ipso aetatis et uictoriarum flore obiit. […] Inuita ut aiunt imperatrix rediit, quod dotalibus regionibus consueta esset, et multas ibidem possessiones haberet. Negative Kommentare zu Heinrich V. finden sich nicht in der Historia novella.
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betrachtet, weitere Ereignisse wie die Hochzeit stehen, zumindest in den Gesta regum Anglorum, am Rande. Er verweist dabei aktiv auf die Zusammenhänge zwischen dem Konflikt unter Vater und Sohn. Dabei standen ihm wie die beiden vorher betrachteten Historiographen mit der Chronik des Marianus Scotus, dem Bericht des David Scholasticus, den päpstlichen Briefen und dem Wormser Konkordat dieselben Materialien zur Verfügung, allerdings hatte er noch weitere Informationen, die ihm weitere Aspekte, wie zur Rolle der Normannen, Canossa und zum Bruder Heinrichs V., ermöglichten. Für den Leser deutlich emotionaler und persönlicher als Johannes und Symeon fertigte er seine Darstellungen an. Dabei positioniert er sich deutlich in der Frage der Investituren. Diese wie auch das Vorgehen der deutschen Kaiser lehnt er entschieden ab. Dass der Investiturstreit nicht bereits unter Heinrich IV. zu lösen war, erklärt er sich mit persönlichen Motiven. Erst unter Heinrich V., wenn auch nach langen Kämpfen, sei dies möglich gewesen. Trotz seiner ausgeprägten Haltung zum Investiturstreit hat Wilhelm eine differenzierte Haltung gegenüber Heinrich IV. und Heinrich V., was zum einem im didaktischen Zweck seiner Historia und seinem darin vermittelten Personenkonzept begründet ist. Daher weitete er seinen Blick und es finden sich auch Mitteilungen über die Hintergründe und weiteren Themen des Konflikts. Zum anderen ist dies aber auch seiner positiven Haltung Mathilda gegenüber geschuldet, der er das Buch widmete und die er als Fürsprecherin für das Kloster gewinnen wollte. Daher fällt der Lobpreis des Wormser Konkordats, das bei Johann von Worcester überhaupt nicht vorkommt und Symeon von Durham hierbei vor allem die Rolle der Fürsten betonte, umso größer aus.1186
4.1.6 Die Wahrnehmung des Investiturstreits bei Orderic Vitalis Im Gegensatz zu Wilhelm von Malmesbury berichtet Orderic Vitalis nicht stringent vom Investiturstreit unter Heinrich IV. und Heinrich V., sondern kommt wiederholt und mit unterschiedlichen Aspekten auf die Auseinandersetzungen zwischen regnum und sacerdotium zu sprechen. Sechsmal vermerkt Orderic Vitalis einen Konflikt Heinrichs IV. mit der Kirche.1187 Das erste Mal befasst er sich in VII, 4 ausführlich mit der Eroberung Roms 1084, der Vertreibung Gregors VII. und der Einsetzung Wiberts von Ravenna als
1186 Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass Johannes von Worcester der Kaiserin nicht sehr positiv gegenüberstand, da sein Kloster in der Anarchie u. a. bei der Belagerung und Eroberung von Worcester 1139 sehr zu leiden hatte. 1187 Orderic Vitalis vermerkt noch weitere Einträge zu Heinrich IV., doch stehen diese in keinen Zusammenhang mit dem Investiturstreit. Siehe Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, III, S. 66, S. 88 und IV, S. 282, S. 207 und V, 9, S. 92.
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Gegenpapst.1188 Den Auslöser für derartiges Verhalten sieht er in der Exkommunikation durch den Papst. Gregor hatte Heinrich, den diuina legis preuaricator, nach anfänglichen Korrekturversuchen exkommuniziert. Heinrich habe demnach seine Frau, die Tochter des Grafen Eustach II. von Boulogne,1189 verstoßen und sich sexuellen Ausschweifungen hingegeben.1190 Deren Bruder Gottfried von Bouillon habe sich mit einem Feldzug gegen Heinrich gerächt. Auch an den Töchtern und Ehefrauen seiner Untergebenen habe er sich vergangen. Gregor VII. habe ihn wiederholt zu bessern versucht und auf mehreren Synoden über Reformansätze für das Reich diskutiert, ihn aber letztendlich exkommunizieren müssen.1191 Konrad wurde daraufhin mit päpstlicher Zustimmung als Gegenkönig eingesetzt.1192 Diesen konnte Heinrich durch Anhänger, an die er großzügig Subsidien verteilt hatte, besiegen. Durch die Eroberung Roms und der Einsetzung eines Gegenpapstes verursachte er eine Spaltung der Kirche. Bei seinem zweiten Eintrag in VII, 5 nimmt Orderic Vitalis einen Blickwechsel vor.1193 Nun schildert er, wie sich Gregor VII. hilfesuchend an Robert Guiscard wandte. Gregor VII. wurde 1084 von Heinrich IV. belagert und bat Robert Guiscard um militärische Unterstützung. Orderic stellt dabei den Zwiespalt dar, in dem sich Robert befand, da er gerade gegen den byzantinischen Kaiser kämpfte. Aber schließlich entschloss Robert sich, Hilfe zu leisten, wobei Heinrich IV. aufgrund dieser Ankündigung flieht. In VIII, 7 vermerkt Orderic nur kurz die Aufrechterhaltung des Schismas durch Heinrich IV., trotz der Nachfolge Viktors III. und Urbans II.1194 Eine erneute erfolglose Attacke auf Rom beschreibt Orderic zum Jahr 1094 in IX, 2.1195 Zum fünften Mal befasst er sich mit dem Konflikt in X, 1. Anlässlich des Todes Heinrichs IV. gibt er eine zusammenfassende Würdigung des Herrschers:1196 Dieser habe seit seiner Jugend die Kirche ins Chaos 1188 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 6–1. 1189 Hier ist Orderic Vitalis falsch informiert. Heinrich IV. war mit Bertha von Turin verheiratet. Von dieser wollte er sich zunächst scheiden lassen, scheiterte aber. Nach deren Tod heiratete er Adelheid von Kiew, von der er 1095 geschieden wurde. 1190 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 6–8: Nam princeps prefatus uxorem suam Eustachii Boloniensium egregii comitis filiam reliquit, et sordidis adulterii uoluptatibus ut porcus luto gaudens inhesit. 1191 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 8: Sepe multorum presulum sinodum adunauit et de Christiano imperio quod iam turpiter et nefarie polluebat qualiter corrigeretur tractauit. 1192 Hier verwechselt Orderic Vitalis Konrad, Sohn Heinrichs IV., mit Rudolf von Rheinfelden. 1193 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 5, S. 20–23. 1194 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 5, S. 166–168. 1195 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, IX, 2, S. 8. Vermutlich meint Orderic Vitalis damit Heinrichs Aufenthalt nach dem gescheiterten Angriff auf Canossa in Oberitalien, da diesem aufgrund süddeutscher Fürsten, aber auch wegen eines ersten lombardischen Städtebundes die Rückkehr ins Reich verwehrt blieb. 1196 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1 S. 196.
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gestützt, das Recht der Investituren an sich gerissen und die Einheit der Kirche zerstört.1197 Von seinem eigenen Sohn entmachtet und von allen Unterstützern verlassen, sei er schließlich unter der Exkommunikation verstorben und seine Leiche habe nun wie ein Tierkadaver verrotten müssen.1198 Ein letztes Mal kommt Orderic auf Heinrich IV. für das Jahr 1106 zu sprechen (XI, 18), mit dem Hinweis, dass ihm aufgrund seiner zahlreichen Verbrechen gegen die Kirche ein christliches Begräbnis verwehrt blieb.1199 Ebenso wie Wilhelm von Malmesbury stand Orderic Vitalis nicht nur die Chronik des Marianus Scotus für seine Kenntnisse zu Heinrich IV. zur Verfügung,1200 sondern er hatte auch Einsicht in weitere Quellen, durch die er Informationen zur Situation im Reich und zur normannischen Beteiligung erhielt.1201 Dennoch erscheint seine Darstellung zunächst verworren, da er häufig Personen und Namen verwechselt.1202 Rudolf Schieffer schließt daraufhin – da Orderic Vitalis auch ohne das Canossa-Ereignis auskommt –, dass der Historiograph in St. Evroult in VII, 4 Heinrich IV. mit König Philipp I. von Frankreich verwechselt, da er behauptet, dass Heinrich IV. wegen Ehebruchs von Gregor VII. exkom-
1197 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1 S. 196: Henricus quartus imperator qui sanctam aecclesiam ab adolescentia sua perturbauerat, et inuestituras aecclesiarum diutius uiolenter usurpauerat, et prophanos aecclesiasticae unitati aduersarios in domo Domini intruserat, potentiaque seculari truculenter armauerat. 1198 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1 S. 196: Sed quia pro sceleribus suis apostolico anathemate perculsus occidit. extra matris telluris gremium ut beluinum cadauer computruit, nec communi sepultura mortalium contegi uel honorari meruit. Hic fere quinquaginta annis regnauit, sed dira flagitiosae seruitutis stipendia recepit. 1199 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XI, 18, S. 80. 1200 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, S. 186–188: Ioannes Wigornensis a puero monachus, natione Anglicus, moribus et eruditione uenerandus, in his quae Mariani Scotti cronicis adiecit, de rege Guillelmo et de rebus quæ sub eo uel sub filiis eius Guillelmo Rufo et Henrico usque hodie contigerunt honeste deprompsit. […] Quem prosecutus Iohannes acta fere centum annorum contexuit, iussuque uenerabilis Wlfstani pontificis et monachi supradictis cronicis inseruit in quibus multa de Romanis et Francis et Alemannis aliisque gentibus quae agnouit […]. 1201 St. Evroul hatte durch Abt Robert von Grandmesnil enge Bindungen zu den Normannen und zum Kloster St. Eufemia in Süditalien. Durch einen Mönch namens Benedikt, der sich mehrere Jahre in St. Eufemia aufhielt, erhielt Orderic zahlreiche Informationen zu den Entwicklungen in Süditalien. Auch kannte er De rebus gestis Rogerii Calabriae et Siciliae comitis des Gaufredus Malaterra. Die Informationen zur normannischen Reaktion auf Heinrichs IV. Angriffe auf den Papst sind vermutlich auf diese Verbindung zurückzuführen, auch wenn eine schriftliche Quelle nicht zu benennen ist. Vgl. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 2, S. XXII f. 1202 Die Ehefrau Heinrichs war in Orderics Darstellung (VII, 4, S. 6–8) nicht Bertha von Turin oder Adelheid / Praxedis, sondern die Tochter des Grafen Eustach II. von Boulogne. Rudolf von Rheinfelden verwechselt er mit dem aufständischen Sohn Konrad (VII, 4, S. 8). Heinrich V. erhält den Namen Karl (X, 1, S. 196).
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muniziert worden sei.1203 Diese Annahme korrespondiert mit der Sicht Marjorie Chibnalls, dass Orderic das Verständnis für die Welt außerhalb seiner eigenen normannischen fehlte und die Einträge zu anderen Ländern legendenhafte Züge trügen. Gerade den Großteil der deutschen Politik missverstehe er.1204 Beim Vergleich aller Einträge zu Heinrich IV. fällt allerdings auf, dass Orderic Vitalis zwar bei den Namen unpräzise ist, grundlegende Ereignisse aus dessen Regierungszeit aber richtig wiedergibt, wenn er ihnen auch unterschiedliche Bedeutung beimisst und sie verschieden interpretiert. So spielen Investituren bzw. das Investiturverbot für Orderic Vitalis keine bedeutende Rolle. In Bezug auf Heinrich IV. spricht er Investituren nur einmal in einer Aufzählung zu dessen Vergehen der Kirche gegenüber an.1205 Ein explizites Investiturverbot erwähnt der Historiograph nur bei der Wiedergabe der Konzilsbeschlüsse von Reims.1206 Hier wird noch einmal ein Verbot der Laieninvestitur deutlich ausgesprochen. Während die Investituren bei Heinrich IV. zumindest einmal angesprochen werden, finden sich bei Heinrich V. keine Verbindungen zu dieser Thematik. Die sich Ende des 11. Jahrhunderts, Anfang des 12. Jahrhundert entwickelnde Problematik, die den Konflikt zwischen regnum und sacerdotium in den späteren Jahren bestimmte, ist für Orderic nicht von großer Bedeutung, sondern ihm anscheinend unbekannt.1207 Wesentlich entscheidender für die Beurteilung von Heinrich IV. ist für Orderic der vorgeworfene Ehebruch und die sexuellen Vergehen, für die er vom Papst exkommuniziert worden war, sowie das zerstörte Einvernehmen zwischen Kaiser und Papst mit dem verursachten Schisma. Orderic wirft Heinrich vor, dass dieser seine Frau verlassen, Unzucht getrieben und die Frauen und Töchter der Adeligen begehrt habe.1208 Während der 1203 Schieffer, Worms, Rom und Canossa, S. 609: »Bemerkenswert erscheint zumal, daß ein Autor vom Rang des Ordericus Vitalis in seiner Kirchengeschichte um 1130 völlig ohne das Canossa-Ereignis auskommt und stattdessen meint, berichten zu können, Heinrich IV. sei von Gregor wegen Ehebruchs exkommuniziert worden – eine Verwechslung mit Urban II. und König Philip I. von Frankreich – und habe daraufhin 1084 Rom erstürmt.« Philipp I. wurde 1094 aufgrund seiner Ehe mit Bertrada von Montfort, die noch verheiratet war, auf der Synode von Autun exkommuniziert. 1204 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 6, S. XIX. 1205 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 196: Henricus quartus imperator qui sanctam aecclesiam ab adolescentia sua perturbauerat, et inuestituras aecclesiarum diutius uiolenter usurpauerat, et prophanos aecclesiasticae unitati aduersarios in domo Domini intruserat, potentiaque seculari truculenter armauerat. 1206 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 21, S. 276. 1207 Außerhalb des auf das Reich bezogenen Kontextes verwendet er diesen Begriff nur in Bezug auf eine Besitzübertragung auf das Kloster St. Evroult unter Abt Manier, ohne dass er hier Schwierigkeiten sieht. Siehe Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, V, 19, S. 176. 1208 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 6–8: Nam princeps prefatus uxorem suam Eustachii Boloniensium egregii comitis filiam reliquit, et sordidis adulterii uoluptatibus ut
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Ehebruch als Grund für die Exkommunikation tatsächlich auch auf Philipp I. verweisen könnte, ist der Eintrag zu sexuellen Übergriffen auf Ehefrauen und Töchter von Adeligen der entscheidende Beleg dafür, dass Orderic die Vorwürfe zu beiden Königen nicht vertauschte. Bereits ca. 1082 berichtete der sächsische Verfasser des Buchs zum Sachsenkrieg, dass Heinrich bereits als Jugendlicher mehrere Konkubinen gehabt,1209 verheiratete Adelige verführt oder vergewaltigt, sich mit Sex bezahlen und anschließend die Frauen an seine Diener verheiratet habe.1210 Auch der Vorwurf, er habe die Vergewaltigung seiner eigenen Schwester befohlen, wird von Bruno geäußert.1211 Diese Vorwürfe der sittlichen Verkommenheit – geäußert auch z. B. durch Manegold von Lautenbach, den Disibodenberger Annalen, Lampert von Hersfeld, Berthold von Reichenau – dienten meist dazu, den sächsischen Widerstand gegen das Königtum zu legitimieren.1212 Die Vorwürfe sexuellen Vergehens, wie Hermann Kamp zusammenfasst, waren dabei nur ein Aspekt der Kritik an Heinrich IV. insgesamt.1213 Weitere Themen waren die allgemeine Amtsführung mit dem Verzicht auf angemessene Beratung und der falschen Wahl der Berater, konkrete politische Entscheidungen, die in allgemeine Klagen wie Simonie und Eidbruch umgewandelt wurden, und charakterliche Defizite wie Hochmut und Unerbittlichkeit. Die Vorwürfe des sexuellen Missverhaltens verbreiteten sich nach Steffen Patzold in drei Wellen: zunächst 1076/1077 und nur in Andeutungen anlässlich der ersten Exkommunikation und von Canossa, dann nach zweiten Exkommunikation und der Erhebung des Gegenpapstes und letztlich durch die Flucht von Adelheid/Praxedis 1094/1095 und der öffentlichen Debatte für die Gründe ihres Scheidungsgesuches in Konstanz und Piacenza.1214 Antrieb erhielten die Gerüchte nicht nur
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porcus luto gaudens inhesit. […] Sepe idem rex proceres suos quorum uxores seu filias uel predia concupiscebat, ad curiam suam fraudulenter accersiebat […]. Brunos Buch vom Sachsenkrieg, hg. von Lohmann (MGH Dt. MA 2), VI, S. 16: Binas vel terna simul concubinas habebat; nec his contentus, cuiuscumque filiam vel uxorem iuvenem et formosam audierat, si seduci non poterat, sibi volenter adduci praecipiebat. Aliquando etiam ipse uno sive duobus comitatus, ubi tales esse cognoverat, in nocte pergebat. Im Weiteren zitiert als Bruno von Merseburg, Saxonicum bellum. Bruno von Merseburg, Saxonicum bellum, VIII, S. 17f.: Si qua coram eo querelam de qualibet iniuria fecisset et ab eius regia potestate sibi iustitiam fieri postulasset, si illius insaniae aetas eius et forma placebat, pro iustitia, quam petebat, iniustitiam multiplicem reportabat. Nam postquam ipse in ea, quamdiu placuit, libidinem suam implevit, alicui de famulis suis eam velut uxorem dedit. Ita nobiles in hac terra mulieres, ipse prius eis turpiter abusus, servili coniugio turpius dehonestavit. Bruno von Merseburg, Saxonicum bellum, IX, S. 18: hoc tantum hic ultimum locum teneat […], ignominia videlicet, quam sorori suae fecit, quod eam manibus suis depressam tenuit, donec alius ex ipsius iussu coactus fratre praesente cum ea concubuit. Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 279. Eine Übersicht zu den Historiographen, die sich zu Heinrich einschlägig äußern, bei Patzold, Die Lust des Herrschers, S. 224. Kamp, Die Vorwürfe gegen Heinrich IV., S. 359. Patzold, Die Lust des Herrschers, S. 238f.
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aufgrund Heinrichs Versuch, seine erste Ehe scheiden zu lassen, sondern auch durch einen weit verbreiteten Brief Gregors VII., in dem dieser schrieb, dass er sinistra et multa inhonesta fama zu Heinrichs Taten zu hören bekommen habe.1215 Allein für diese Verbrechen, die entsetzlich anzuhören seien, habe er ihn exkommunizieren müssen. Tilmann Struve vermutet, dass Gregor VII. hier beim Verfassen des Briefes von sächsischer Seite beeinflusst worden war.1216 Die historiographischen Schriften, in denen die Vorwürfe sexuellen Vergehens kolportiert worden waren, waren, wie Patzold feststellte, allerdings keine Bestseller – im Gegensatz zu Gregors weit verbreitetem Brief.1217 Aufgrund ihrer beschränkten Reichweite stellten sie keine »antisalische Propaganda« oder »Publizistik« dar, die unmittelbar die öffentliche Meinung beeinflusste. Vielmehr griffen die Autoren mündliche Berichte und Geschichten über Heinrichs Sexualverbrechen auf, die sie zu konkreten politischen und rechtlichen Argumenten verarbeiteten.1218 Dabei waren diese Gerüchte äußerst langlebig, da sie auch von Autoren des 12. Jahrhunderts wiederholt und nun – zumindest in Sachsen, wie z. B. bei Helmold von Bosau – als entscheidender Aspekt des Konflikts zwischen regnum und sacerdotium angesehen wurden.1219 In ihrem Geschichtsbild waren es neben der Simonie vor allem die sexuellen Vergehen, aufgrund derer Gregor Heinrich IV. exkommunizierte. Angesichts der geringen Verbreitung der historiographischen Schriften aus dem Reich, in denen die Vorwürfe verbreitet wurden, ist es unwahrscheinlich, dass Orderic Vitalis seine Kenntnisse für seine Kirchengeschichte aus diesen bezog; aber die Vorstellung, dass er Heinrich IV. mit Philipp I. verwechselte, scheint aufgrund der Erkenntnisse von Struve und Patzold unwahrscheinlich. Vielmehr fand hier eine ähnliche Entwicklung der Bewertung der Beweggründe wie im Reich statt. Verstärkt könnte dies durch den Brief Gregors VII. mit den unbestimmten Vorwürfen gegen Heinrich IV. worden sein, den Orderic Vitalis vermutlich kannte. Dass die Gerüchte und Geschichten, die die Historiographen aufgriffen, nicht nur im Reich bzw. in Sachsen zirkulierten, sondern auch in der englischen Welt, zeigt bereits Wilhelms von Malmesburys Erwähnung des Inzests 1215 Brief Gregors VII. von Sommer 1076, Nr. 14, in: The Epistolae vagantes of Pope Gregory VII, hg. u. übs. von Cowdrey (OMT), S. 34. Althoff, Noch einmal zu den Vorwürfen, S. 257, kritisiert Patzold dafür, diese unklaren Ausdrücke auf sexuelle Vergehen zu beziehen, da es noch weitere Vorwürfe gab. Dieser Einwand spielt allerdings bei der Wahrnehmung durch Historiographen eine geringe Rolle, da sie die sexuelle Komponente in Gregors Brief hineininterpretieren konnten, sodass der tatsächliche Vorwurf unwichtig war. 1216 Struve, War Heinrich IV. ein Wüstling?, S. 283. 1217 Patzold, Die Lust des Herrschers, S. 241. 1218 Patzold, Die Lust des Herrschers, S. 247. Vgl. Kamp, Die Vorwürfe gegen Heinrich IV., S. 363. 1219 Patzold, Die Lust des Herrschers, S. 253.
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Heinrichs mit seiner Schwester. Allerdings ist nur deren schriftlicher Niederschlag bei Wilhelm von Malmesbury und Orderic Vitalis feststellbar. Hinweise auf die Verbreitung durch schriftliche Quellen im englischen Raum gibt es nicht. Die Vorwürfe der sexuellen Vergehen – der Verstoß der Ehefrau, der Ehebruch und die Übergriffe auf die Ehefrauen und Töchter der Adeligen – beeinflussten Orderics Wahrnehmung von Heinrich IV. zutiefst – nicht umsonst wählte er daher das Bild eines Schweines, das sich freudig im Dreck wälzt. In ähnlicher Weise wie Wilhelm von Malmesbury, der den Inzest als Auslöser für Gregors ablehnendes Verhalten ansieht, was zu einer unerbittlichen Feindschaft geführt habe, erachtet Orderic Vitalis die sexuellen Vergehen, neben den Gewalttaten gegen die Adeligen – ebenso wie in den deutschen Chroniken – als zentral für Papst Gregors Entscheidung, Heinrich zu exkommunizieren. Gregor VII., bei dem Mönch aus Malmesbury noch sehr zwiespältig, da sehr harsch vorgehend beurteilt, nimmt bei Orderic die Rolle des Arztes und Lehrers (medicum et doctorem) ein, der, nachdem ihm fürchterliche Klagen (tantorum scelerum querelas) zu Ohren gekommen seien, zunächst alles versucht habe, Heinrichs Weg zu korrigieren.1220 Aber weder stetes Mahnen, noch Synoden, auf denen die Lage des Reiches, welches er schändlich und verbrecherisch beschmutzt habe (Christiano imperio quod iam turpiter et nefarie polluebat), diskutiert wurde, hätten geholfen, sodass Gregor VII. ihn auf Beschluss einer Synode habe exkommunizieren müssen.1221 Orderics Hinweise auf die Vorwürfe, die Gregor gehört habe, aber auch der Verweis auf das stete Mahnen erinnern an die Rundbriefe Gregors VII., mit denen er die Exkommunikation rechtfertigte.1222 Dies lässt vermuten, dass Orderic einen der Briefe kannte, in seiner 1220 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 8: Gregorius papa tantorum scelerum querelas ut audiuit. prefatum uirum ut uitam suam emendaret plerumque obsecrauit, sed illo nequiter medicum et doctorem subsannante nichil profecit. 1221 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 6–8: Henricum ergo Teutonicorum regem quia diuinae legis preuaricator erat incorrigibilis sepe admonuit. corripuit, ad pstremum excommunicauit. […] Sepe multorum presulum sinodum adnunauit. et de Christiano imperio quod iam turpiter et nefarie polluebat qualiter corrigeretur tractauit. Denique Henricum sepius admonitum et in facinoribus pertinaciter resistentem iudicio sinodi excommunicauit, […]. 1222 Brief Gregors VII. von Sommer 1076, Nr. 14, S. 32–41: Cum adhuc in diaconatus officio positi essemus, perlata ad nos de regis actionibus sinistra et multa inhonesta fama, propter imperialem dignitatem et reuerentiam patris et matris eius necnon propter spem ac desiderium correctionis sue sepe eum per litteras et nuncios admonuimus ut a prauitate sua desisteret et, memor clarissimi generis ac dignitatis sue, uitam suam moribus quibus regem et futurum, Deo donante, imperatorem deceret institueret. […] Itaque misimus ei commonitorias epistolas ut meminerit quid et cui promiserit, ne credat se posse fallere Deum cuius quanto prolixior est patientia tanto seuerior est cum iudicare ceperit ira, ne inhonoret Deum honorantem se, ne potentiam suam ad Dei contemptum et apostolicam temptet extendere contumeliam; […] Cum igitur iniquitatem eius ad summum prodisse uidimus, pro his uidelicet causis, primum quod ab eorum communione qui pro sacrilegio et reatu
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Sichtweise durch die päpstliche Darstellung beeinflusst wurde und diesen für seine Chronik nutzte.1223 Aufgrund der Exkommunikation, schreibt Orderic Vitalis weiter, wurde Graf Konrad zum König geweiht, den Heinrich allerdings in einer Schlacht besiegen konnte.1224 Dadurch ermutigt, zog er mit zahlreichen Unterstützern nach Italien, belagerte Rom – die Römer zog er durch Versprechen auf seine Seite – zwang Gregor zur Flucht und setzte Wibert von Ravenna als Gegenpapst ein. Während die sexuellen Vergehen und die Verbrechen gegen die Großen nur Auswirkungen auf Heinrich IV. selbst, seine enge Umgebung bzw. das Reich gehabt hätten,1225 stellt der Italienzug mit der Belagerung Roms, dem Vertreiben Gregors und das verursachte Schisma für Orderic Vitalis einen Angriff auf die gesamte Kirche dar. Besonders das durch Heinrich IV. hervorgerufene Schisma, das Orderic selbst als junger Mann noch erlebte, bedeutete für ihn eine große Leidenszeit für die Kirche.1226 Immer wieder verweist er auf das Verderben, das
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symoniace heresis excommunicati sunt se abstinere noluit, deine quod pro criminosis actibus uite sue penitentiam non dico suscipere sed nec promittere uoluit, mentita ea fide quam in manus legatorum nostrorum promiserat, necnon quod corpus Christi id est unitatem sancte ecclesie scindere non expauit – pro his, inquam, culpis synodali eum iudicio excommunicauimus […]. Brief Gregors VII. vom 25. Juli 1076, in: Gregorii VII Registrum Lib. I–IV, Das Register Gregors VII., Bd. 1: Buch I–IV, hg. von Erich Caspar (MGH Epistolae selectae 2,1), S. 289–292: Cui nos fraterna dilectione et amore patris et matris eius ducti adhuc in diaconatu positi ammonitionis verba transmisimus et, postquam ad officium sacerdotii licet indigni venimus, ut resipisceret, summopere et frequenter per viros religiosos [admonere] procuravimus. Vermutlich kannte Orderic Vitalis eher den Brief vom Sommer 1076, da er, wie er in dem Brief hinweist, dass Gregor Heinrich auf Grund eines Synodenbeschlusses exkommunizierte. Eventuell konnte er diesen in der zum Reich gehörenden Bischofsstadt Cambrai einsehen. Dieser Brief gehörte mit zu den meist verbreiteten und rezipierten Briefen Gregors VII. Vgl. The Epistolae Vagantes, hg. von Cowdrey, S. 32 Anm. *. Patzold, Die Lust des Herrschers, S. 236. Hier verwechselt Orderic Vitalis den Aufstand Heinrichs Sohns Konrad mit Rudolf von Rheinfelden, der 1080 zum Gegenkönig ernannte wurde und bereits 1081 im Kampf starb. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 8: His aliisque multis nequitiis foedus rex se interficiebat. Et innumeros complices pariter perditionis ad perniciem secum trahebat. […] Priuatus itaque Henricus per unum annum in domo propria conticuit, et comitatu quem hereditario iure a parentibus susceperat potitus delituit […]. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 6–10: et maxima dissensio in orbe orta magnum filiis aecclesiae detrimentum generauit, et ad multorum perniciem diu permansit. […]Tunc Henricus augustus Witbertum Rauennatium metropoltanum quem Clementem nuncupauerunt in ouile Domini contra fas intrusit. et hac de caus grauis in mundo et diutina dissensio multos duplici morte multauit. […] In tanta obscuritate catholica gemebat aecclesia, orans Deum qui uera lux est et iusticia. ut prostratis et ablatis discordiae auctoribus, pacem et ueritatem conferret in terra bonae uoluntatis hominibus. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VIII, 7, S. 166–168: Adhuc Guitbertus inuasor apostolicae sedis aecclesiam Dei conturbabat. ac adulando uel persequendo cunctos quos poterat ab unitate pacis ad suum scisma pertrahebat. […] Vrbanus papa confisus in Domino coelorum, qui non relinquet uirgam peccatorum super sortem iustorum. misit legatos et epistolas
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das Schisma für die Kirche und Menschen bedeutet habe. Der Verfasser der Historia ecclesiastica reagierte sehr emotional auf diesen Konflikt, stellte doch die Kirche den Mittelpunkt seines Lebens dar, wobei der päpstlichen Autorität seiner Auffassung nach ohne Zögern zu folgen war.1227 Konnte er Menschen gegenüber bei ihren Verfehlungen noch Verständnis aufbringen, war er Personen, die er als Glaubensfeinde ansah, gegenüber unerbittlich.1228 Daher fällt seine Darstellung Heinrichs auch recht eindeutig aus. Der König habe sich durch das Verhalten selbst zerstört, sein Sohn rebellierte gegen ihn – Orderic vergleicht Heinrichs V. Aufstand mit dem Aufstand Absaloms gegen seinen Vater David (2. Samuel 15–18) –, sodass er nun selbst Verfolgung ausgesetzt war.1229 Während Wilhelm von Malmesbury noch auf die bemerkenswert lange Regierungszeit hinweist, bewertet Orderic dies sehr negativ, da Heinrich nach der Rebellion für seine Taten habe büßen und in einem elendigen hohen Alter (misera senectute), verlassen von allen Freunden, gestorben sei.1230 Die wirkliche Strafe für seine Taten sieht Orderic allerdings im Umgang mit dessen Leichnam. Aufgrund der Exkommunikation konnte er nicht ordentlich bestattet werden, sodass er keine Grabstätte – auch zum Gedenken – erhielt und wie ein Tierkadaver habe verrotten müssen.1231 Dies wiederholt er auch in XI, 18.
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Romanae auctoritatis Francis et grecis, aliisque gentibus per orbem constitutis. ut in fide catholica irrefragibiliter persisterent, et omnem scissuram a lege Dei et corpore Christi quod est aecclesia callide precauerent. Solus Henricus Teutonum princeps et pedissequi eiusdem Guitberto coherebant. Galli uero et Angli aliaeque gentes pene omnes per orbem Vrbano pie obsecundabant. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 196: Henricus quartus imperator qui sanctam aecclesiam ab adolescentia sua perturbauerat, et inuestituras aecclesiarum diutius uiolenter usurpauerat, et prophanos aecclesiasticae unitati aduersarios in domo Domini intruserat, potentiaque seculari truculenter armauerat. […]. Chibnall, A Twelfth-Century View, S. 124. Vgl. Aird, Orderic’s Secular Rulers, S. 192–195. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, S. 41. Marjorie Chibnall bezieht diese Aussage zwar auf Heiden, auf die die Christen in Spanien oder bei den Kreuzzügen stießen. Allerdings zeigt Orderic auch Heinrich IV. gegenüber kein Verständnis oder Mitgefühl und verurteilt ihn für sein Verhalten Gregor VII. und der Kirche gegenüber, ohne dass er auf positive Eigenschaften, wie Wilhelm von Malmesbury dies tat, hinweist. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, VII, 4, S. 10: Sic iste contra patrem suum arma sustulit meritoque postea diram a prole sua persecutionem pertulit. Aird, Orderic’s Secular Rulers, S. 195, verweist darauf, dass Orderic das Bibelzitat zu Absaloms Revolte des Öfteren in seiner Historia ecclesiastica verwendet. Er führt dies auf eine besondere Bedeutung für Orderic aufgrund dessen schwierigen Verhältnisses zu dessen Vater Odelerius zurück. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 196: […] iam a Karolo filio suo de regni solio abiectus facinorum immanitatem suorum crubuit, et sic in misera senctute ab omnibus amicis destitutus vii idus Augusti obiit. […] Hic fere quinquaginta annis regnauit, sed dira flagitiosae seruitutis stipendia recepit. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 196: Sed quia pro sceleribus suis apostolico anathemate perculsus occidit. extra matris telluris gremium ut beluinum cadauer computruit, nec communi sepultura mortalium contegi uel honorari meruit.
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Ebenso wie bei seinen Darstellungen zu Heinrich IV. geht Orderic Vitalis wiederholt auf Heinrich V. und den Konflikt mit Papst und Kirche ein.1232 Einer der wichtigsten Einträge zum Investiturkonflikt unter Heinrich V. stellt X, 1. dar.1233 Hier berichtet Orderic zusammenfassend für die Jahre 1106, dem Jahr, in dem sich Heinrich V. gegen seinen Vater erhob, diesem aber in seinem Verhalten nachfolgte, bis zu seinem Tod 1125 mit einem Ausblick auf Heinrichs Nachfolger und Mathildas Rückkehr. Der Auslöser für die Gefangennahme des Papstes ist an dieser Stelle allerdings die Weigerung des Papstes, die Messe zu lesen, solange nicht vier Fürsten, die er exkommuniziert hatte, das Gebäude verlassen würden.1234 Daraufhin kommt es zu einem Aufruhr, an dem sich auch die Normannen beteiligen, wobei sie Paschalis nicht befreien können. Sehr ausführlich geht Orderic Vitalis im Anschluss auf die Häresievorwürfe im Laterankonzil ein mit der Ansicht, dass der Papst lieber für Wahrheit und Gerechtigkeit hätte sterben sollen.1235 Paschalis II. erkennt nach Orderic alle Vorwürfe der Kardinäle an und exkommuniziert daraufhin den Kaiser. Von Gott wird dieser schließlich mit mangelnden Nachkommen bestraft, sodass die Kaiserkrone an eine andere Familie geht. Erneut auf 1111 mit der Gefangennahme des Papstes und Störung des Kirchenfriedens geht Orderic Vitalis in einem Satz in XI, 41 ein.1236 In XII, 1 berichtet Orderic von der Ernennung des Gegenpapstes Gregor (VIII.) 1118 und des dadurch entstandenen Schismas.1237 Über den Gegenpapst ebenso wie über den Kaiser beschwert sich ein päpstlicher Legat namens Kuno auf der Synode von Rouen 1118 (XII, 6).1238 Mehrere Male auf den Kaiser und das Reich geht Orderic Vitalis anlässlich seines Berichts zum Konzil von Reims 1119 (XII, 21) ein.1239 1232 Neben diesen Einträgen finden sich noch weitere Einträge zu Heinrich V. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XI, 36, S. 162f.; XI, 38, S. 166–168; XII, 43, S. 360–366. Hier behandelt Orderic Heinrichs eine militärische Auseinandersetzung im Reich, die Eheschließung mit Mathilda und die Ereignisse nach Heinrichs Tod und der Rückkehr Mathildas. 1233 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1 S. 196–200. 1234 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1 S. 196: Mox apostolici ut missam caneret precepit, sed ipse nisi quatuor optimates augusti quos nominatim anathematizauerat egrederentur noluit. iratus ergo imperator papam anta altare comprehendi imperauit. 1235 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1 S. 198: Asserebant enim quod pro ueritate et iusticia debuisset optare mori, […]. Ille uero reprehensiones sophistarum patienter tolerabat. et assertiones eorum legitimas ac ueraces esse allegabat. Non multo post concilium episcoporum Romae congregauit, et omnia testamenta quae cohercitus imperatori sanxerat consilio iurisperitorum palam damnauit, ipsumque pro uiolatione domus Dei et captione sacerdotis Christi et effusione sanguinis Christianorum excommunicauit. Heinrich V. wurde allerdings nie von Paschalis II. exkommuniziert, der sich an sein Versprechen hielt. 1236 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XI, 41, S. 172. 1237 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 1, S. 184. 1238 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 6, S. 202. Orderic nannte Heinrich V. hier erneut fälschlicherweise Karl. 1239 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 21, S. 252–276. Dieses Kapitel zählt zu den ausführlichsten Darstellungen des Konzils von Reims.
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Zunächst spricht er die Teilnahme des Erzbischofs von Mainz an, der sieben Bischöfe mitgebracht hatte, der allerdings nur unter dem Geleitschutz durch 500 Ritter daran habe teilnehmen können.1240 Auf diesem Konzil sprach Calixt II. über sein Vorhaben, mit dem Kaiser in Mouzon Frieden zu schließen.1241 Das sollte parallel zu dem Konzil erfolgen, scheiterte aber, wie Johannes von Crema auf der Synode berichtete, aufgrund der Falschheit des Kaisers, der 30.000 Bewaffnete mit sich brachte. Die erneute Exkommunikation Heinrichs ebenso wie von Mauritius von Braga fügte Orderic zum Schluss des Konzils ein.1242 Das Wormser Konkordat findet sich bei ihm nicht, obwohl nach Wilhelm von Malmesbury dieser Friedensschluss verbreitet wurde. Unklar ist, ob Orderic diesen Vertrag nicht kannte oder für seine Historia ecclesiastica als nicht bedeutsam erachtete. Während Orderic Vitalis ähnlich wie die deutschen Historiographen als Grund für die Exkommunikation die sexuellen Vergehen Heinrichs IV. ansieht, findet sich nun zu 1111 und Heinrich V. eine Darstellung, die sich sowohl von den darauf bezogenen englischen als auch den deutschen historiographischen Texten unterscheidet. Nicht den Streit um die Investituren bzw. dem Vertrag von Sutri sieht der Mönch aus St. Evroult als Auslöser für die Gefangennahme an, sondern die Anwesenheit von Exkommunizierten, aufgrund derer sich Papst Paschalis II. weigerte, die Messe zu lesen.1243 Diese Deutung verwundert, hatte doch Orderic ebenso wie Wilhelm von Malmesbury den Bericht Davids Scholasticus als Vorlage.1244 Ebenso wie beim Historiographen aus Malmesbury findet sich auch in der Anonymen Kaiserchronik bzw. in der Chronik Ekkehards von Aura kein Hinweis auf den Vorwurf des Umgangs mit Exkommunizierten wie in Orderics Darstellung.1245 Vielmehr verweist Ekkehard von Aura deutlich auf den Vertrag 1240 1241 1242 1243
Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 21, S. 252. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 21, S. 262–269. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 21, S. 274. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 196: Mox apostolico ut missam caneret precepit, sed ipse nisi quattuor optimates augusti quos nominatim anathmatizauerat egrederentur noluit. Iratus ergo imperator papam anta altare comprehendi imperauit. 1244 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 198: Quam grauis et periculosa hiemps pluuiis et niuibus glacieque tunc fuerit, et quanta discrimina in angustis et inaequalibus uiis et in transitu fluminum exercitus pertulerit, et qualiter imperator collectis uiribus urbem obsessam plus minis quam armis expugnauerit Irensis quidam scolasticus decenti relatione litteris tradidit. 1245 Ekkehard von Aura, Chronicon universale, Rezension III, S. 243–245. Anonyme Kaiserchronik, S. 146–149. In beiden Texten wird vielmehr deutlich auf den Vertrag von Sutri, die Veröffentlichung des Vertrags in St. Peter und den dadurch ausbrechenden Konflikt verwiesen, ebenso wie das nach der Freilassung erteilte Investiturprivileg. Auch in der Chronik Sigberts von Gembloux, die Orderic Vitalis vermutlich nach Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, hg. von Chibnall, Bd. 1, S. 58, kannte, findet sich kein Hinweis auf den Vorwurf des Umgangs mit Exkommunizierten.
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von Sutri als Auslöser für den Aufruhr in der Kirche, in dessen Verlauf Heinrich V. den Papst gefangen nahm. Die Gründe für das Abweichen von der Vorlage Davids sind hierbei unklar. Möglich wäre, dass ihm der Vorschlag, die Kirche würde auf sämtliche Regalien verzichten, als unmöglich erschien und ihm die Problematik der Investituren nicht bewusst war. Ihm selbst war die Nennung von Spendern sehr wichtig, sodass ihrer gedacht werden konnte, aber er kritisiert, dass es Konflikte zwischen Laien und Kirche bzgl. des Zehnten gab, da der Zehnte bzw. Rechte weiterverpachtet wurden, wobei die Kirche ihre Güter ewiglich halten solle.1246 Orderic Vitalis vermischt an dieser Stelle eventuell die Vorwürfe gegen Heinrich IV., dem der Umgang mit Exkommunizierten von Gregor VII. angelastet wurde, mit der Exkommunikation Heinrichs V.1247 Orderic spricht in X, 1 zwar an, dass Heinrich V. exkommuniziert wurde, da er Gewalt in einem Gotteshaus ausgeübt, einen Priester gefangen genommen und christliches Blut vergossen habe, und betrachtet sein Vorgehen gegen die Römer als Verbrechen;1248 zum Ende des Kapitels nimmt er aber eine sehr ausgleichende Haltung gegenüber Heinrich V. ein. Er verweist auf die Ehe mit Mathilda, dass Heinrich seine Ehefrau sehr geliebt, aber wegen seiner Sünden (sed peccatis) keine Kinder habe bekommen können und daher die Kaiserkrone an eine andere Familie ging, wobei Lothar wegen seines mäßigenden Verhaltens und seiner Güte
1246 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, V, 13, S. 122–124: Possessiones Vticensis aecclesiae uolo breuiter hic annotare, ut elemosinae fideliter datae pateant nouitiorum noticiae. ut utentes eis sciant a quibus uel quo tempore datae sint uel precio comparatae. […] Vnde solliciti xenodochiorum dispensatores laicos ut decimas aecclesiae Dei redderent admonuerunt, eisque quoquomodo auferre ardentes ingentem pecuniam dederunt. Ignorantes quod uenditionem huiusmodi et emptionem sacri canones omnino prohibuerunt. Porro in modernis eciam conciliis sacri presules illicitum mercimonium anathemate perculerunt. Sed respectu misericordiae preteritos reatus indulserunt, et res quas aecclesia tunc possidebat perenniter possidendas pontificali auctoritate concesserunt. Anstoß für das Aufzeichnen der Besitztümer des Klosters St. Evroult gab vermutlich ein Besuch Heinrichs I. 1113, bei dem er versprach, frühere Besitzübertragungen zu beurkunden. Siehe Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 1, S. 32. Zur liturgischen Verwendung von Orderics Aufzeichnungen siehe Gransden, Historical Writing, S. 162f. Zur engen Verbindung zwischen Klöstern und Normannen siehe Chibnall, The World of Orderic Vitalis, S. 45–57. 1247 Brief Gregors VII. von Sommer 1076, Nr. 14, S. 36: […] et nichil eorum que nobis promiserat attendens excommunicatos in suam familiaritatem et communionem reciperet et ecclesias in eam quam consueuerat confusionem traheret. Diesen Vorwurf äußerte Gregor VII. nicht erst nach der Exkommunikation zur Rechtfertigung seines Vorgehens, sondern mahnte schon vorher in Briefen, den Umgang mit Exkommunizierten zu meiden. 1248 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 198: Non multo post concilium episcoporum Romae congregauit, et omnia testamenta quae cohercitus imperatori sanxerat consilio iurisperitorum palam damnauit, ipsumque pro uiolatione domus Die et captione sacerdotis Christi et effusione sanguinis Christianorum excommunicauit. Imperator itaque sexto regni sui anno Latiale decus tanto facinore maculauit, et multas gentes ad tantum nefas peragendum frustra uexauit.
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gewählt worden sei.1249 Diese Beurteilung im direkten Anschluss an die Gefangennahme des Papstes, aber auch im Vergleich zu Heinrich IV. oder in Bezug auf weitere Einträge zu Heinrich V. erscheint sehr mild. Zwar findet sich keine Beschreibung einer verrottenden Leiche wie bei Heinrich IV., aber in späteren Einträgen seiner Historia ecclesiastica beurteilt er ihn in XI, 41 als Störer der Kirche, in XII, 1 als Verursacher des Schismas, wodurch heftige Verfolgung und Aufruhr ausgebrochen sei, in XII, 6 als Zerstörer der guten Werke Papst Paschalis und Verfolger der Gläubigen und in XII, 21 als Gegner Gottes.1250 Die zunächst milde Beurteilung könnte zum einen im Wormser Konkordat begründet sein, allerdings ist unklar, inwiefern Orderic Vitalis dieses kannte, da er es im Gegensatz zu weiteren englischen Autoren nicht vermerkte. In seiner ausführlichsten Darstellung, in X, 1 geht er auf dieses nicht ein, sondern der Leser gewinnt den Eindruck, dass Heinrich V. vielmehr als Sünder starb. Buch X wurde noch zu Lebzeiten Heinrichs I. verfasst, wobei Orderic Vitalis zu dieser Zeit – in Unkenntnis des kommenden Bürgerkriegs, der Krönung Stephans I. und Heinrichs II. späterer tatsächlicher Thronfolge – davon ausging, dass der Sohn Mathildas, unmittelbar folgend auf Heinrich I., der zukünftige König würde.1251 Dies vermerkt er in X,1 direkt im Anschluss an die Ausführungen zum Tod Heinrichs V., der Rückkehr Mathildas nach England und ihrer erneuten Heirat mit Gottfried V. von Anjou.1252 Aufgrund der Verbindung zum angedachten 1249 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 200: Henricus rex Anglorum Mathildem filiam suam imperatori in uxorem dedit, quam Rogerius filius Ricardi cognatus regis cum nobili comitatu de Anglia in Alemanniam duxit. Argenti quoque decem milia marcos cum filia sua rex opulentus ei donauit, et regali more munera insignia destinuit. Imperator autem tam generosam coniugem admodum dilexit, sed peccatis exigentibus sobole imperio digna caruit unde imperiale stemma in aliam iubente Deo familiam transiit. Nam eo defuncto Lotharius Saxonum dux a proceribus regni electus est meritoque frugalitatis ac bonitatis in solium imperii promotus est. 1250 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XI, 41, S. 172: Eodem anno Karolus imperator Paschalem papam cepit et aecclesiam Dei sicut iam alias dictum est uehementer turbauit. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 1, S. 184: Tunc etiam Burdinus Bragarum archiepiscopus qui suis a fautoribus Gregorius VIII uocitatus est. imperatore coniuente in aecclesia Dei intrusus est. Tunc grauis inde dissensio inoleuit, seua persecutio inhorruit, et katholicam plebem uehementer perturbauit. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 6, S. 202: Ibi tunc Conracius Romanus clericus, Gelasii papae legatus, eloquentissimo sermone utpote latiali fonte a puericia inebriatus, querimoniam fecit de Karolo imperatore, Paschalis papae bonorum operum et aedificiorum prauo destructore, et katholicorum diro persecutore. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, XII, 21, S. 274: Tunc papa Karolum Henricum imperatorem teomachum et Burdinum pseudopapam et fautores eorum merens excommunicauit, aliosque scelerosos qui manifeste sepius correpti sed inemendabiles perdurabant ilis associauit, parique anathematis percussione usque ad emendationem multauit. 1251 Zur Abfassungszeit des Buches X siehe Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 5, S. XII. 1252 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, X, 1, S. 200: Rex Anglorum pater eius Ioffredo Andegauorum comiti eam in coniugem desponsauit quae marito suo filium nomine Henricum
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zukünftigen König von England liegt es nahe, dass sich Orderic daher in seinem Urteil zu Heinrich V. an dieser Stelle zurückhielt. Erst in den Kapiteln, die nach Heinrichs I. Tod entstanden, als Stephan I. König war, wird er in seinem Urteil zu Heinrich V. deutlicher. Während er Stephan mit der Krönung als König anerkennt, nimmt er Mathilda gegenüber eine vorsichtige, neutrale Haltung ein.1253 Zu Lebzeiten Heinrichs I. und als der Sohn Mathildas als Thronfolger galt, hielt sich Orderic Vitalis trotz seiner Einstellung Personen gegenüber, die in seinen Augen der Kirche schadeten, beim Verfassen seiner Kirchengeschichte zurück und wurde erst mit dem Tod Heinrichs I. und Stephans Thronfolge deutlicher. Ähnlich wie bei den bisher analysierten historiographischen Texten stehen auch bei Orderic Vitalis bei seinen Darstellungen zu Heinrich IV. und Heinrich V. die jeweiligen Auseinandersetzungen der Könige mit Päpsten und Kirche im Vordergrund. Die Ehe mit Mathilda oder weitere Ereignisse im Reich nimmt er zwar auch wahr, aber nur am Rande. Diese besondere Aufmerksamkeit bei den Konflikten ist im Interesse des Mönches aus St. Evroult an Auswirkungen von Herrschaft auf die Kirche begründet. Ihm standen dabei als Quellen die Chronik des Marianus Scotus und für die Gefangennahme des Papstes 1111 der Bericht des David Scholasticus zur Verfügung, daneben hatte er vermutlich Einsicht in päpstliche Rundschreiben, aber auch mündliche und schriftliche Quellen aus Italien. Trotz dieser breiten Informationsbasis nimmt er die Ereignisse im Gegensatz zu den englischen Historiographen auf eine andere Weise wahr und bewertet die Ursachen und Verlauf verschieden. Die Thematik der Investituren kommt bei Orderic nur bei seinen Schilderungen zu Heinrich V. auf, bei Heinrich IV. findet sich kein Hinweis dazu. Auslöser im Konflikt zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. sieht er vielmehr in den sexuellen Vorwürfen gegenüber Heinrich IV. und der darauffolgenden Exkommunikation. Dies – ebenso wie die Erwähnung des Inzests bei Wilhelm von Malmesbury – zeigt, dass diese Vorwürfe nicht nur in Sachsen bzw. dem Reich kursierten, wo sie als Rechtfertigung für den Aufstand dienten, sondern auch in der normannischen bzw. englischen Welt anno dominicae incarnationis MCXXXIII peperit, quem multi populi dominum expectant si Deus omnipotens in cuius manu sunt omnia concesserit. Ähnlich äußerte er sich auch in X, 8, S. 228, als er die Familie der Anjous vorstellte: Nunc ordinem rerum gestarum libet retexere, et genealogiam regios fasces iam sperantis prosapiae. 1253 Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. VI, S. XXV. Während er Heinrich I. als Herrscher lobt, da die lange Friedenszeit während seiner Herrschaft zum Prosperieren der Kirche und der Bevölkerung geführt habe, ist seine Haltung Stephan gegenüber ambivalent. Er bestreitet niemals dessen Herrschaftsrecht, sieht ihn aber eher als schwachen Herrscher. Vgl. Gransden, Historical Writing, S. 156. Mathilda gegenüber nimmt er keine wie bei Wilhelm von Malmesbury deutlich favorisierende Haltung ein, ist ihr aber in ihrer Position als Gräfin von Anjou auch nicht gegnerisch gesinnt. Seine vorsichtige Haltung den Parteien des Bürgerkriegs gegenüber dürfte vermutlich der schwierigen Lage des Klosters St. Evroult geschuldet sein. Vgl. Orderic Vitalis, Historia ecclesiastica, Bd. 6, S. XXVI f.
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verbreitet waren. Dabei bewertet sie Orderic als das Entscheidende im Konflikt – eine ähnliche Entwicklung, wie es sie auch im Reich im 12. Jahrhundert gab. Orderic war bei seiner Wahrnehmung zwar im normannischen Raum singulär, aber nicht im Vergleich mit deutschen Historiographen. Anders als seine Einschätzung zu Heinrich IV. ist seine Darstellung zu Heinrich V., den Ereignissen zu 1111 erklärungsbedürftiger. Zwar hatte er den Bericht des David Scholasticus zur Verfügung wie auch die Verurteilung des Vertrags von Ponte Mammolo als Pravileg, aber seine Darstellung unterscheidet sich deutlich von den anderen. Möglich wäre, dass ihm der Vorschlag Papst Paschalis auf sämtliche Regalien zu verzichten als absurd erschien und er daher nach einer anderen Erklärung suchte. Die bei seiner Darstellung vorgenommene Bewertung der Person Heinrichs V. erfolgte dabei zunächst mit Heinrich IV. verglichen weniger verurteilend, da sie noch zu Lebzeiten Heinrichs I. geschrieben wurde. Erst mit dem Tod Heinrichs I. und der Thronfolge Stephans milderte Orderic Vitalis sein Urteil zu Heinrich V. nicht mehr ab.
4.1.7 Robert von Torigni und Radulfus Niger und ihre Kenntnisse zum Investiturkonflikt durch Sigbert von Gembloux Lassen sich die bisher betrachteten Darstellungen zu 1111 direkt bzw. indirekt zu David Scholasticus zurückverfolgen, nutzten zwei Autoren – Robert von Torigni und Radulfus Niger –, abweichend von den bisher zehn untersuchten Chroniken und Annalen, für ihre Informationen zu 1111 eine andere Quelle: die Weltchronik des Sigbert von Gembloux. Seit seiner Kindheit im Kloster Gembloux hatte Sigbert mehrere Jahre in Metz unterrichtet und dort angefangen, hagiographische Schriften zu verfassen. Nach seiner Rückkehr nach Gembloux erweiterte er sein Spektrum mit politischen Schriften, Historiographie und Ausführungen zur Komputistik.1254 Seine Weltchronik, die in ihrer Erweiterung die Jahre 381 bis 1111 umfasste, war wohl die erneute Bannung Heinrichs IV. angeregt worden.1255 Die Region in Lüttich zeichnete sich durch besondere Reichstreue aus.1256 Aufgrund der Lage in der Peripherie des Reiches war das Bistum ständigem Druck durch äußere wie innere Kräfte ausgesetzt. Das Bistum konnte 1254 Für eine Übersicht zu seinem entstandenen Werk siehe Sigebertus Gemblacensis, in: Repertorium »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters«, URL: http://www.geschichts quellen.de/repPers_118614142.html, aufgerufen am 13. 12. 2016. 1255 Chronica Sigeberti Gemblacensis monachi, hg. von Bethmann, in: MGH SS 6, S. 300–374; die Fortsetzungen sind im Anschluss S. 375–474. Ursprünglich umfasste die erste Fassung nur die Jahre 381 bis zur Kaiserkrönung Heinrichs IV. 1084. U. a. Anselm von Gembloux, der spätere Abt von Gembloux setzte die Chronik für die Zeit nach 1111 fort. 1256 Beumann, Sigebert von Gembloux, S. 38.
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seine Eigenständigkeit nur durch einen engen Schluss an die Reichsgewalt sichern. Diese enge Bindung zeigte sich durch die große Anzahl an Aufenthalten des Kaisers in Lüttich zu hohen Kirchenfesten. Durch die häufigen Aufenthalte war es Sigbert wiederum möglich Informationen für seine Schriften zu erhalten. Diese Bindung spiegelt sich in der Chronik, aber besonders auch in seinen politischen Schriften. Sigbert trat im Investiturstreit als Anhänger der kaiserlichen Partei auf, wobei er sich in seiner Weltchronik in zeitpolitischen Aussagen zurückhielt.1257 Diese Weltchronik im annalistischen Stil verbreitete sich rasch und wurde von mehreren Historiographen fortgesetzt, bzw. von diesen für ihre eigenen Werke benutzt. Ob er Autor des Tractatus de investitura episcoporum war, ein in der Forschung als offiziöses, im Auftrag des Hofes verfasstes Schriftstück beurteilt, das weniger als Propagandaschrift diente, sondern Vorschläge zur Lösung des Investiturstreits aufgrund kaiserlicher Überzeugungen bot, ist umstritten.1258 Dabei orientierte sich dieses Traktat eng an Sigberts Ansicht, dass das Recht der Papstwahl seit Karl dem Großen den Kaisern zugestanden war, ebenso die Investitur von Bischöfen und Erzbischöfen.1259 Einer der beiden Autoren, die sich für ihre Darstellung zu 1111 hauptsächlich auf die Chronik Sigberts von Gembloux stützten, war Robert von Torigni. Noch in Bec hatte Robert mit einer Fortführung dieser Chronik begonnen, wobei er ältere Teile der Weltchronik Sigberts kürzte und umarbeitete und auch Einträge zur englischen Geschichte einfügte. Dabei übernahm er nicht Sigberts Einträge zum Investiturstreit unter Heinrich IV., sondern nahm erst dessen Sohn Heinrich V. in Opposition zu seinem Vater und als Nachfolger wahr. Dabei folgte er dessen widersprüchlichen Bewertungen, dass Heinrich zum Wohl der Kirche gegen seinen Vater aufbegehrte, dass aber diese Rebellion contra jus naturae et fas legum sei.1260 Anders als Sigbert zeigt der Abt von Mont-Saint-Michel die englische Verbindung auf, nachdem er Heinrichs Nachfolge als König angesprochen hat. Dabei lobt er Mathilda als puella nobilis.1261 Weitere Informationen zur Hochzeit entnahm er der Chronik Heinrichs von Huntingdon, wobei er explizit 1257 Beumann, Sigebert von Gembloux, S. 51. Beumann macht allerdings deutlich, dass er zwar bei der kaiserlichen Seite in seiner Chronik vieles verschweigt und zusammenfasst, aber dennoch die gregorianische Seite auch nicht deutlich angreift. 1258 Beumann, Der Traktat »De investitura episcoporum«, S. 42. 1259 Beumann, Sigebert von Gembloux, S. 95. 1260 Robert von Torigni, Chronica universalis, S. 85: Filius imperatoris Henrici, a patre aversus quoscunque potest ab eo avertit, et sub obtentu meliorandae rei publicae et restaurandae ecclesiae in eum insurgit. Vgl. Sigebert von Gembloux, Chronica, S. 368. Robert von Torigni, Chronica universalis, S. 87: Henricus filius imperatoris, contra jus naturae et fas legum in patrem insurgens, quam indigne eum tractaverit, declarat epistola ex ore ipsius patris scripta ad Philippum regem Francorum. Vgl. Sigebert von Gembloux, Chronica, S. 369. 1261 Robert von Torigni, Chronica universalis, S. 87: Interim Henricus imperator Leodi moritur, ejusque filius ei Henricus succedit; qui postea duxit Maltildem, puellam nobilem, vix quinquennem regis Henrici Anglorum filiam.
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auf den glanzvollen Hof Heinrichs I. verweist, zu dem die deutschen Gesandten kamen.1262 Sehr ausführlich stellt Robert die Ereignisse von 1111 dar, wofür er sich wiederum an der Chronik Sigberts orientiert.1263 Heinrich will in Roberts Darstellung die discordia, die zwischen regnum und sacerdotium herrscht, endlich beenden. Dabei besteht er auf den alten Investiturrechten, die die Kaiser seit Karl dem Großen inne hatten, die aber Gregor VII. und seine Nachfolger einfach beenden wollten. Schnell wird einmütig eine Lösung gefunden, die Gefangennahme nur in einem Nebensatz ohne weitere Erklärungen erwähnt.1264 Bekräftigt wird der Beschluss durch eine gemeinsame Messfeier. Zwar strich Robert alle von Sigbert eingefügten Versprechen und Eide, blieb aber bei dessen kaiserfreundlicher Darstellung.1265 Dadurch waren Paschalis II. und seine Vorgänger der störende Part, während Heinrich V. einfach nur auf seinen alten Rechten bestand und eine Lösung finden wollte. Während die übrigen englischen Autoren den deutschen Kaiser deutlich für sein Verhalten verurteilen und die Klagen der Päpste darstellen oder zumindest deutlich den Skandal der Gefangennahme aufzeigen, übt die Darstellung in der Chronik aus Mont-Saint-Michel keine Kritik an Heinrich V. Die Päpste sind hier die Verursacher des Konflikts, der Kaiser möchte diesen lösen und besteht nur auf alten Rechten. War Robert von Torigni abhängig von Sigberts Darstellung, da er keine weiteren Informationen besaß und daher dessen Wertung einfach übernahm? Abt Robert kannte zumindest die Historia Anglorum Heinrichs von Huntingdon. Bei diesem findet sich zwar kein ausführlicher Bericht, aber eine moralische Bewertung der Gefangennahme.1266 Interessant ist allerdings, dass Robert ein Datum einfügte. Die reconciliatio fand nach ihm an Ostern statt. Damit folgte er möglicherweise in der Oster-Datierung Johannes von Worcesters, der, wie bereits festgestellt, den 1262 Robert von Torigni, Chronica universalis, S. 89: Missi sunt a Henrico imperatore Romano nuntii, mole corporis et cultus splendoribus excellentes, filiam regis Anglorum Henrici in domini sui conjugium postulantes. Tenes igitur curiam apud Londoniam, qua nunquam splendidiorem tenuerat, sacramenta depostulans ab imperatoris recepit legatis ad Pentecosten. Vgl. Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, VII, 27, S. 456. 1263 Robert von Torigni, Chronica universalis, S. 92f. Vgl. Sigebert von Gembloux, Chronica, S. 372–374. 1264 Robert von Torigni, Chronica universalis, S. 92f.: In reconciliatione autem, quae facta est inter imperatorem et papam (nam ipsum papam cum episcopis et cardinalibus ceperat), die Paschae, Henrico in imperatorem coronato, post lectum evangelium tradidit ei papa Paschalis, qui et Raginerius, ante altare apostolorum Petri et pauli, in oculis omnium principium, privilegium de investitura episcopatuum vel abbatiarum, tam per anulum quam per virgam […]. 1265 Heinrich V. wird bereits ab der Darstellung als Nachfolger Heinrichs IV. als Kaiser bezeichnet. Die Kaiserkrönung 1111 nach der Erteilung des Privilegs erfolgte nicht. Robert von Torigni strich diese Verbindung zwischen den beiden Ereignissen. 1266 Heinrich von Huntingdon, Historia Anglorum, VIII, 175, S. 554: Sed quomodo ceperit papam Paschalem dicere non attinet.
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Friedensschluss an Ostern betont. Daher liegt die Vermutung nahe, dass Robert zumindest Einsicht in die Chronik Johannes’ oder in weitere Chroniken und Annalen hatte, die dessen Datierung folgten.1267 Die Chronik Sigberts von Gembloux kann daher nicht seine einzige Quelle zu 1111 gewesen sein. Dennoch folgte er der sehr kaiserfreundlichen Darstellung Sigberts, was vermutlich an seiner engen Bindung zu Heinrich II. und vor allem zu Mathilda, als deren Mentorin er sich sah, lag.1268 Mathilda als puella nobilis stand er sehr positiv gegenüber. Eine Ehe mit jemanden, dessen Politik man besonders in Bezug auf den Papst hätte kritisieren müssen, hätte Mathildas oder Heinrichs I. Ansehen schädigen können. So aber blieben Heinrich V. und damit auch Mathilda oder ihr Vater makellos. Auch Radulfus Niger nutzte als weiterer englischer Autor die Chronik Sigberts von Gembloux, interpretierte die Ereignisse allerdings vollkommen gegensätzlich zu Robert von Torigni. Anders als dieser geht er zunächst auf den Investiturstreit unter Heinrich IV. ein. Dafür nutzt er ebenfalls die Chronik Sigberts. Er zieht Informationen aus den Jahren 1074 bis 1085 für einen Eintrag zusammen und berichtet über Gregors VII. Verbot der Priesterehe, die Synode von Worms 1077 und den Fürstentag zu Tribur, die Einsetzung Wiberts von Ravenna als Gegenpapst, Gregors Flucht zu den Normannen, dessen Tod und über die Päpste Viktor III. und Urban II. als Gegner Wiberts.1269 Ebenso wie Robert von Torigni 1267 Sigebert von Gembloux, Chronica, S. 374, gibt als Datum nur die Iden des Aprils, also den 13. April an. Möglicherweise hatte er aber auch Einsicht in den Bericht Davids, der auf Ereignisse an Ostern verwies, aber die Krönung auf die Oktav nach Ostern datierte. 1268 Bates, Robert Torigni, S. 177. Ebenso wurde bereits auf seine Überzeugung, dass Historiographen durch ihre Erzählungen Dankbarkeit bei ihren Gönnern gewinnen konnten, verwiesen. Heinrich II., dem er seine Chronik vorstellte, war ein Förderer des Klosters. 1269 Radulfus Niger, Chronica universalis, III, 4, S. 253f.: Rome sedit Gregorius, qui prohibuit sacerdotes uxores habere. Iste Hillebrandus apellatus fuit, cuius dicta et facta imperator Henricus, collecta synodo Warmacie, constituit irritare et fecit eum abiurari. Hillebrannus vero e contra eum excommunicavit. Qua de causa quidam principes imperatori tamquam excommunicatio contradixerunt obedire. Veniens autem postea imperator, iudicato Gregorio et deposito, papam fecit Gerbertum, qui de Remensi archiepiscopatu transierat Ravennam. Gregorius vero, obsessa Roma, fugit Salernam, et ibi mortuus est. Cum autem mors immineret ei, confessus est se peccasse in cura pastorali, et nuntios destinavit ad imperatorem pro venia querenda et omnes absolvit ab anathemate, quos ligaverat. Contra tamen Gerebertum fit papa Desiderius, qui Victor dictus es CLXII, cui paulo post mortuo successit Germanus, etiam contra imperatorem et Gerebertum, irritans statuta eorum et confirmans statuta Gregorii. Vgl. Sigebert von Gembloux, Chronica, S. 363–365. Radulfus fügt dabei, wenn auch sehr verkürzt, zum Tod Gregors VII. die Nachricht ein, dass er Heinrich IV. von dessen Bann gelöst hätte. Diese Nachricht stammt aus der Chronik Sigeberts von Gembloux, wobei sie dort als Brief eingefügt ist. Bethmann vermutet, dass diese sehr kaiserfreundliche Nachricht auf Wezilo, Erzbischof von Mainz, zurückgeht, zu den vielen Propagandaschriften gehört, die im Zuge des Investiturkonflikts entstanden. Vgl. auch Meyer von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches, IV, S. 60, Anm. 105. Dieser Eintrag findet sich ebenfalls bei Johannes von Worcester, Chronicon ex chronicis, zum Jahr 1084, S. 40.
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erwähnt er die bei Sigbert nicht genannte Eheverbindung Mathildas mit Heinrich V. Allerdings findet sich hier kein Lob auf diese oder den englischen Hof, sondern der Eintrag steht unter dem Konflikt Heinrichs V. mit Adalbert von Mainz.1270 Deutlich in Bezug auf den Investiturstreit wird Radulfus allerdings erst zum Eintrag von 1111. Ähnlich wie zum Investiturstreit unter Heinrich IV. suchte er sich zu 1111 aus den Einträgen zu 1110, 1111 und 1112 einzelne Informationen heraus und fügte sie zu einem Eintrag zusammen, wobei er diesen mit eigenen Worten ergänzte.1271 Radulfus führt aus, dass Heinrich nach Rom zog, um den Streit zwischen regnum und sacerdotium zu lösen. Seit Karl dem Großen hätten die Kaiser das Recht zur Investitur gehabt, Paschalis II. habe dies aber verboten und Investierte wie Investierende exkommuniziert. Aber in seiner Haltung sei er schließlich zum Nachgeben gezwungen worden – confractus est –, habe Heinrich IV. anlässlich der Kaiserkrönung das Investiturprivileg verliehen und mit ihm das Abendmahl gefeiert. Diese Schilderung ist eng an Sigbert angelehnt, wobei Radulfus, ohne auf die Gefangennahme hinzuweisen, berichtet, dass Paschalis II. seine Haltung aufgeben musste. Vor dieser Erzählung zu 1111 und danach fügt er allerdings noch zwei Sätze an, die deutlich seine negative Haltung bezüglich des Privilegs zeigen. Aus der Chronik Sigberts nimmt er aus dem Jahr 1110 die Nachricht, dass Kometen Heinrichs Italienzug angezeigt hätten und die Seuche Meyer von Knonau verweist auf die zahlreichen Berichte, die zum Tod Gregors VII. kursierten. Möglich wäre auch, dass diese Nachricht erst im Zug des Tods Heinrichs IV. entstand und den Konflikt um die Bemächtigung des Leichnams durch Heinrich V., den Versuch der standesgemäßen Beerdigung und die Lösung des Bannes 1111 widerspiegelt. 1270 Allerdings sind bei diesem Eintrag, wie Hanna Krause in der Edition Radulfus Niger, Chronica universalis IV, 1, S. 261f. Anm 19–24, bemerkt, die Personenbezüge sehr verworren. Radulfus verwendet Informationen aus Sigeberts Chronik zum Jahr 1106, S. 371, als noch Ruthard Erzbischof von Mainz war und bezieht dies auf Adalbert. Dann wiederum spricht er von Papst Innozenz II., der erst 1130 Papst wurde. 1271 Radulfus Niger, Chronica universalis, IV, 1, S. 262–264: Eo tempore ultio divina ignis sacer occiduas partes invasit et cometes apparuit, dirigens radios versus austrum, conicientibus aliquibus, signum fore expeditionis future imperatoris versus Romam. Abiit enim ad sedendum scandalum, quod diutius obtinuerat inter Hildebrandum et successores eius contra Gerebertum, unde ortum fuit scandalum inter imperium et sacerdotium. Privilegia enim, que habuerant imperatores a tempore Karoli paulo plus quam LXIII apostolicorum temporibus de investituris, statuit Paschalis exinanire, dicens laica manu ecclesiasticarum rerum investituram fieri non debere. Unde et excommunicavit et investientes et investitutos manu laica. Verum postea confractus est papa adeo, ut in ecclesia apostolorum inter missarum sollemnia post evangelium lectum imperatori coronato ante altare tradidit papa privilegium de investituris, ut libere per anulum et baculum daret episcopatus, et abbatias, et alios honores ecclesiasticos, et ut catholice acciperent ab eo potestatem ordinandi. Sed et idem confirmatum est datione corporis et sanguinis Iesu Christi, expleto canone. Ad confirmationem pacis factum est istud die pasche. Et forte postea ad ire divine ostensionem exusta est ecclesia sancti Michaelis de periculo maris fulgurata. Der letzte Satz aus diesem Eintrag stammt allerdings nicht mehr aus Sigeberts Chronik, sondern aus der Fortsetzung des Anselm von Gembloux, S. 375.
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des Ergotismus aufgetreten sei – alles Zeichen göttlicher Rache. Diese Wertung hat allerdings Radulf hinzugefügt, wie er auch die aus der Fortsetzung des Anselm von Gembloux entnommene Nachricht, dass Mont-Saint-Michel im Anschluss an die Abendmahlsfeier von einem Blitz getroffen wurde, als Ausdruck göttlichen Zorns wertet. Radulfus Niger fügte seinen Quellen also jeweils die ultio divina und die ira divina hinzu und stellte die Einträge in unmittelbaren Kontext zum Investiturstreit und zur Erteilung des Investiturkonflikts. Der Kleriker kommt daher zu einer völlig anderen Beurteilung der Ereignisse in Rom 1111. Während Robert von Torigni auf den Friedensschluss und die Einigkeit zwischen Heinrich V. und dem Papst verweist und auf Heinrichs vorheriges Bemühen um einen Ausgleich, liegt hier der Schwerpunkt auf dem erzwungenen Nachgeben Paschalis’ und dem göttlichen Zorn über das erteilte Investiturprivileg. Ausschlaggebend für diese andere Interpretation der bei Sigbert dargestellten Ereignisse dürfte Radulfs enge Bindung zu Thomas Becket gewesen sein. Während Robert als Abt von Mont-Saint-Michel eng mit Mathilda und Heinrich II. verbunden war und von diesen Förderung und Schutz für sein Kloster erhoffte, befand sich Radulf in Opposition zu Heinrich II. Einen Grund, dessen Vorfahren zu loben und die Ereignisse beschönigend darzustellen, hatte er nicht. Vielmehr befand er sich auf der Seite derjenigen, die Beckets Ansichten verteidigten. Seinetwegen im Exil lebend, war für ihn Heinrich stets rex, sub quo est beatus Thomas martyr Anglorum.1272 Erst nach Heinrichs Tod kehrte er nach England zurück. Seine Haltung im Becket-Konflikt und seine ablehnende Haltung gegenüber Heinrich II. dürften daher seine Wahrnehmung der Ereignisse von 1111 beeinflusst haben. Obwohl dieses Ereignis für ihn schon mehrere Jahrzehnte zurücklag, zeigt sich deutlich eine wütende Haltung gegenüber dem erzwungenen Investiturprivileg. Während Radulfus Niger in seiner Weltchronik ausführlich auf den Investiturstreit eingeht, verkürzt er diesen in seiner später verfassten Chronica Anglica. Hier konzentriert er sich auf die Person Mathildas, die den Kaiser heiratete und Mitgift erhielt und später wieder zu ihrem Vater zurückkehrte und Gottfried von Anjou heiratete. Dazwischen schiebt Radulfus ein, dass der Kaiser Paschalis gefangennahm und in Ketten hielt.1273 Aufgrund der thematischen Beschränkung 1272 Schmugge, Thomas Becket, S. 575. Im Becket-Streit bzw. in den nach der Heiligsprechung verfassten Schriften bringt Radulfus Verständnis für die Lage Alexanders III. im Schisma und dessen gezwungene Haltung gegenüber Becket auf. Diese Haltung könnte sich widerspiegeln im confractus est des Papstes zum Investiturprivileg, wofür Paschalis II. von Zeitgenossen heftig verurteilt wurde. 1273 Radulfus Niger, Chronica Anglica, S. 165: Rex Henricus dedit Mathildem filiam suam Henrico Imperatori, quae Maguntiam desponsata est, et in Imperatricem consecrata, cui Imperator dedit CM equites in dote. Unc in Angliam datum est Danegald. Hic Imperator cepit et habuit Pascalem Papam in vinculis. Imperator Henricus quo postea fugerit aut devenerit incertum habetur. Post haec Imperatrix ad patrem ssum reversa, tradita est
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in der zweiten Chronik beschränkt sich Radulfus hier auf das skandalöse Ereignis der Gefangennahme, die er in seiner Chronica universalis nicht angesprochen hatte. Allerdings fügt er die Gefangenschaft in Ketten – in vinculis – hinzu und macht den entehrenden Umgang Heinrichs mit dem Papst verstärkt deutlich; eine Nachricht, die sich in den bereits analysierten Chroniken und Annalen nicht finden ließ.1274
4.1.8 Zusammenfassung Die Analyse der 27 Quellen – wenn auch fünf von ihnen erst zu einem späteren Zeitpunkt mit ihrer historiographischen Betrachtung beginnen – hat ergeben, dass 13 von ihnen über die Gefangennahme des Papstes Paschalis II. durch Heinrich V. berichten. Damit zählt dieses Ereignis zu den am häufigsten dargestellten Begebenheiten des Reiches im 12. Jahrhundert in englischen Quellen. Die qualitative Analyse der Textstellen hat gezeigt, dass die Wahrnehmung der Gefangennahme, deren Interpretation und Einordnung aber sehr verschieden erfolgten und die Darstellung von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wurde. Die historiographischen Darstellungen in den englischen Chroniken – mit Ausnahmen – lassen sich dabei in zwei unterschiedliche Gruppen einteilen: die Darstellungen der ersten und der zweiten Generation. Die zweite Generation nutzte als Informationsgrundlage zur Gefangennahme des Papstes englische historiographische Quellen, während die erste Generation mit dem Bericht des David Scholasticus zum Romzug Heinrichs V., der vermutlich mit Mathilda nach England gelangte, oder der Chronik des Sigbert von Gembloux auf Quellen zurückgriff, die im Reich entstanden waren. Neben den historiographischen Darstellungen wurden auch Konzilsbeschlüsse, päpstliche Rundschreiben und mündliche Informationen verwendet. Die Bezeichnung erste und zweite Generation verweist aber nicht nur auf die primäre und sekundäre Bearbeitung des Quellenmaterials, sondern auch auf die zeitliche Entstehung. Die zweite Generation verfasste ihre Darstellungen später als die erste Generation, wobei die Entstehungszeiten fließend waren. Ausnahme in diesem System war zum einen Radulfus Niger, der zwar erst unter Heinrich II. bzw. nach dessen Tod seine historiographischen Werke verfasste, sich aber mit der Chronik des Sigbert von Gembloux auf eine der deutschen Bearbeitungen stützte. Zum zweiten verwendete Symeon von Durham zwar mit der Chronik des Johannes von Worcester eine Gaufrido Plantagenest, comiti Andegavensium, qui genuit ex ea Henricum IIum regem, Gaufridum, Willelmum Lungespec. 1274 Möglich wäre hier eine Anspielung auf die wundersame Befreiung Petri von seinen Ketten durch einen Engel (Apg. 12, 6–11). Ersterer war durch Herodes Agrippa aufgrund seiner Missionstätigkeit ins Gefängnis geworfen worden.
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englische historiographische Bearbeitung, zog aber auch weitere Quellen wie das Wormser Konkordat für seine Darstellung mit hinzu. Daher wurden beide Autoren bei der Einordnung der ersten Generation zugerechnet. Sechs der 13 Darstellungen werden als zweite Generation betrachtet. Dies sind die Winchcombe und Coventry Chroniken, Heinrich von Huntingdon mit seiner Historia Anglorum, die Annales Lewenses, Roger von Hoveden mit der Chronica und Ralph von Diceto mit den Abbrevationes Chronicorum. Diese Chroniken und Annalen gehen nur sehr knapp auf die Ereignisse von 1111 ein, wobei eine Reduzierung der Ereignisse auf die Gefangennahme des Papstes erfolgt. Dabei wurde als Vorlage die Chronik des Johannes von Worcester bzw. eine Bearbeitung hiervon verwendet, deren ausführliche Darstellungen radikal gekürzt wurden. Die Reduzierung auf die Gefangennahme zeigt, dass hier weniger – wie es Hanna Vollrath für das 12. Jahrhundert annimmt – ein Interesse am Investiturstreit im Reich bzw. am erteilten Investiturprivileg vorlag. Vielmehr war die Gefangennahme des Papstes durch den deutschen König, d. h. der aufsehenerregende Skandal, für diese Historiographen von Bedeutung. Diese sechs Quellen sind in ihren Darstellungen zu 1111 oberflächlich – nicht weil sie nicht genügend Informationen besaßen, sondern aufgrund der Reduzierung des Materials auf den Skandal. Ein Interesse am Investiturstreit bzw. an dessen Lösung war nicht vorhanden. Dies beruht vermutlich auf dem größeren zeitlichen Abstand, da keiner der Autoren unmittelbar von den Ereignissen im Reich, aber auch vom englischen Investiturstreit, der bereits 1107 mit dem sog. Londoner Konkordat gelöst worden war, betroffen war, sodass die Ereignisse im Reich bis auf das Verhalten dem Papst gegenüber weniger bedeutsam waren. Diese sechs Chroniken und Annalen bilden einen Gegensatz zum Umgang mit den Ereignissen in der ersten Generation. Diese berichten sehr ausführlich zu den Ereignissen von 1111, sind dabei aber eine deutlich inhomogenere Gruppe als die zweite Generation. Johannes von Worcester, Symeon von Durham, Wilhelm von Malmesbury und Orderic Vitalis beschäftigten sich intensiv mit der Gefangennahme des Papstes, aber auch mit den weiteren Entwicklungen bis sogar z. T. zum Wormser Konkordat. Dabei stützten sie sich für ihre Darstellungen auf den Bericht des David Scholasticus. Diese Gruppe widmete sich aber auch dem Konflikt unter Heinrich IV. mit Gregor VII., wobei sie sich hierfür auf die Chronik des Marianus Scotus, die ebenfalls aus dem Reich stammte, bezog. Robert von Torigni und Radulfus Niger verfassten ebenfalls einen sehr ausführlichen Eintrag zu 1111, hatten aber mit der Chronik des Sigbert von Gembloux eine andere Textbasis und gehen nicht auf den Konflikt zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. ein. Durch diese Quellen hatten die Historiographen zwar Zugriff auf viele Informationen, allerdings wiesen diese auch deutliche Tendenzen auf. David Scholasticus verfasste den Bericht zum Romzug – ein Auftragswerk Heinrichs V. – mit einer Favorisierung des letzten Saliers. Diese
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panegyrischen Züge finden sich aber weder bei Orderic Vitalis noch bei Johannes von Worcester oder Wilhelm von Malmesbury, der den Lobpreis vielmehr wiederholt kritisiert. Diese drei Historiographen bezogen zwar ihre Kenntnisse zum Verlauf der Ereignisse von 1111 aus der im Sinne des Saliers tendenziösen Quelle ebenso wie die Versprechen und Verträge; die Einordnung Davids wurde dabei aber nicht übernommen, sondern kritisiert und eigene Überarbeitungen wurden vorgenommen. Diese Vorgehensweise findet sich nicht nur bei dieser stark gefärbten Quelle aus dem Reich. Orderic Vitalis ging sehr frei mit dem Synodalbeschluss der Lateransynode von 1112 um. Päpstliche Rundschreiben wurden in die Chroniken eingefügt, aber z. B. Wilhelm von Malmesbury schwächte diese in ihrer Deutlichkeit gegenüber dem Kaiser und dem Gegenpapst mit seinen Erläuterungen zu Mauritius Burdinus ab. Radulfus Niger verwendete für seine Ausführungen zu 1111 zwar die pro-kaiserliche Chronik des Sigbert von Gembloux, durch seine vorausgehenden und abschließenden Kommentare wird aber deutlich, dass er den Bericht Sigberts sehr kritisch sah. Die Historiographen hatten Zugang zu schriftlichen Quellen, die sowohl von kaiserlicher Seite als auch von päpstlicher Seite beeinflusst waren. Sie nutzten aber alle sehr souverän ihre Vorlagen, übernahmen nicht einfach die Einträge, sondern zogen aus diesen bewusst Informationen heraus, überarbeiteten diese nach ihren Vorstellungen und schufen so neue Darstellungen. Dies zeigt sich deutlich beim Umgang mit Canossa. Johannes von Worcester nutzte als Grundlage für den Verlauf des Konflikts unter Heinrich IV. die Chronik des Marianus Scotus. Dieser hatte, wenn auch ohne den Ortsnamen Canossa zu erwähnen, von einem Treffen zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. mit einem Friedensschluss geschrieben. Johannes überarbeitete den Eintrag und fügte hinzu, dass sich im Rückblick der Friedensschluss als falsch herausgestellt habe. Für Symeon von Durham war dieser Eintrag nach der Bewertung des Johannes bedeutungslos, sodass er diesen wegließ. Neben der Darstellung bei Wilhelm von Malmesbury war Canossa von Johannes von Worcester und Symeon von Durham durchaus wahrgenommen worden, aber sie maßen dem Treffen – anders als Wilhelm von Malmesbury – keine Bedeutung bei, da der Konflikt zwischen regnum und sacerdotium weitergeführt worden und mit dem Treffen nicht beendet war. Für Wilhelm von Malmesbury hingegen war das Treffen in Canossa wichtig, da er hier die Eskalation des Konflikts begründet sah. Schließlich hatte Gregor VII. dem als Büßer auftretenden Heinrich aufgrund des vorgeworfenen Inzests mit dessen Schwester den Eintritt verweigert. Canossa war, wenn auch ohne diesen Namen zu erwähnen, in der englischen Historiographie durchaus wahrgenommen worden, allerdings wurde seine Bedeutung anders eingeschätzt als in deutschen oder italienischen Quellen. Wilhelm von Malmesbury und Ordericus Vitalis kannten gegen Heinrich IV. vorgebrachte Vorwürfe sexueller Vergehen. Schriftliche Quellen aus dem Reich,
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in denen diese Vorwürfe kolportiert wurden, lassen sich in England allerdings nicht nachweisen, weshalb diese Gerüchte wohl mündlich weitergegeben worden sein dürften. Informationen zu den Kaisern bzw. zum Investiturstreit gelangten also nicht nur schriftlich nach England, sondern die Vorwürfe wie auch Wilhelms von Malmesbury Notizen zeigen, dass die Ereignisse, Personen und Vorwürfe in England auch mündlich diskutiert wurden. Die sechs Historiographen der ersten Generation hatten als Basis für ihre Informationen zum Investiturstreit unter Heinrich IV., aber auch zu Heinrich V. verschiedene Chroniken zur Verfügung, aber auch Rundschreiben und Verträge, die wohl brieflich übermittelt worden waren. Solche Briefe nahmen für das 12. Jahrhundert zu und wurden, wie die Einträge bei Wilhelm von Malmesbury zeigen, auch gezielt verbreitet, sodass sie – anders als noch bei Heinrich IV. – in der Beurteilung des Konflikts direkt angesprochen wurden und somit involviert waren. Allerdings lassen sich nicht alle Kenntnisse zum Konflikt auf bekannte schriftliche Quellen zurückführen, weitere schriftliche Quellen wie zu der Beteiligung der Normannen in Italien, aber auch Einblick in Rundschreiben Gregors VII. oder in die Anonyme Kaiserchronik sind möglich, bleiben aber spekulativ. Einfluss aber hatten auch mündliche Informationen, wie die Vorwürfe der sexuellen Vergehen gegen Heinrich IV. zeigen. Dabei übernahmen die Historiographen nicht einfach ihre Vorlagen für ihre Chroniken, sondern bewerteten ihre Vorlagen und nutzten nur einzelne Informationen. Während die zweite Generation die Ereignisse von 1111 auf die Gefangennahme des Papstes reduzierte und damit den Skandal in den Mittelpunkt stellt, setzte sich die erste Generation ausführlich, aber auch mit den Ereignissen davor und danach auseinander. In dieser Gruppe stießen die Ereignisse von 1111 auf großes Interesse, aber auch der Konflikt unter Heinrich IV. und Gregor VII. war von Bedeutung. Damit bestätigt sich nicht Hanna Vollraths Annahme, dass die Ereignisse von 1111 – wenn auch auf eine oberflächliche Art und Weise – im Gegensatz zum Investiturstreit unter Heinrich IV. intensiver wahrgenommen wurden, da zum einen der Investiturstreit im Reich seit über 30 Jahren andauerte und England ebenfalls diesen Streit unter Heinrich I. und Anselm von Canterbury erlebt hatte und zum anderen die Päpste mit den Königen und den Erzbischöfen und Bischöfen enger in Kontakt standen als noch in den 1070er-Jahren. Dennoch ist zu überlegen, ob und welche Bedeutung der sog. Investiturstreit, sei es unter Heinrich IV. oder Heinrich V., für die englischen Historiographen hatte. Zunächst ist festzustellen, dass im 11. Jahrhundert, wie bereits dargelegt, keine größeren historiographischen Werke in England entstanden, sondern dass die Entstehung von Chroniken und Annalen erst im 12. Jahrhundert verstärkt einsetzte. Daher lassen sich auch keine zeitnahen historiographischen Rezeptionen des Investiturstreits unter Heinrich IV. feststellen, sondern man ist auf die Verarbeitung des 12. Jahrhunderts angewiesen. Hier zeigte sich, dass dieser
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Konflikt für die Autoren überwiegend bedeutsam war, die sich auch intensiv mit 1111 auseinandersetzten. Diejenigen hingegen, die im geringeren Maße zu 1111 berichten, vermerken auch kaum etwas zum anfänglichen Investiturkonflikt. Allerdings war für den Konflikt unter Heinrich V. – nicht nur auf 1111 bezogen – die Quellengrundlage nun vielfältiger, da die Autoren neben historiographischen Texten auch Rundschreiben und Verträge zur Verfügung hatten. Unter den kürzeren Beiträgen der zweiten Generation findet sich nur in den Abbrevationes chronicorum des Ralph von Diceto der Hinweis, dass Paschalis II. nach seiner Freilassung Heinrich V. ein Investiturprivileg zusicherte. Die anderen Historiographen der zweiten Generation erwähnen dies nicht, sodass sich hier keine Erläuterung für die Gefangennahme des Papstes findet. Auch in der ersten Generation ist der Umgang mit dem Thema Investituren nicht einheitlich. Nicht jeder Autor zieht eine direkte Linie vom Konflikt unter Heinrich IV. zu Heinrich V. Bei manchen Autoren, wie z. B. bei Johannes von Worcester, lässt sich nur vermuten, ob sie eine Fortführung des Streits, der schon unter Heinrich IV. begonnen wurde, in den Ereignissen zu 1111 sahen. Sicher lässt sich dies nur für Wilhelm von Malmesbury und Symeon von Durham feststellen, die die Ereignisse aus dem Blickwinkel des Wormser Konkordats aus betrachten. Hier finden sich Bekundungen, dass nun der jahrzehntelange Streit, unter dem alle gelitten hätten, beendet sei. Hingegen erwähnt Orderic Vitalis trotz Zugriffs auf umfangreiche Informationen dieses Thema nur in Bezug auf Heinrich IV. Den Grund für die Exkommunikation Heinrichs IV. sieht er in den sexuellen Vorwürfen, den Grund für die Gefangennahme des Papstes in dessen Weigerung, die Messe zu lesen. Die überwiegende Mehrheit der Autoren der ersten Generation setzt aber die Gefangennahme des Papstes mit dem Streit um die Investituren, das erteilte Investiturprivileg und dessen spätere Verurteilung in Verbindung. Betrachtet man aber alle Einträge zu den Konflikten zwischen Heinrich IV., Heinrich V. und den Päpsten, so zeigt sich, dass die Investituren ein wichtiges Thema waren, besonders in Bezug auf 1111. Allerdings stand diese Thematik für die Historiographen nicht fortlaufend im Vordergrund, sondern diese interessierte das Verhältnis zwischen den Kaisern und den Päpsten insgesamt mit den negativen Auswirkungen des Konflikts wie Angriffe auf Rom, Flucht des Papstes, Gegenpäpste, Klagen der rechtmäßigen Päpste. Die Päpste standen im Zentrum der Aufmerksamkeit, nicht die salischen Könige. Eine direkte Verbindung zum englischen Investiturstreit wird in keiner der Quellen gezogen. Die Bedeutung des Verhältnisses Kaiser–Papst zeigt sich am deutlichsten an den Einträgen bei Symeon von Durham, der alle weiteren Informationen zum Reich – bis auf die Einträge zu den Ereignissen zwischen den Saliern und Päpsten – nicht aus der Chronik des Johannes übernahm. Hier wurde am stringentesten die Eingrenzung auf die Betrachtung der Beziehung vorgenommen. Die Konzentration auf den Konflikt lässt sich allerdings auch bei den
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anderen Historiographen gut nachvollziehen, da die Einträge zum Reich unter Heinrich IV. und Heinrich V. auf die Auseinandersetzungen fokussiert sind und sich keine bzw. kaum weitere Einträge zum Reich in diesem Zeitraum und in dieser Ausführlichkeit finden lassen. Obwohl nun durch die Ehe mit Mathilda eine direkte Verbindung zu England bestand, fanden kaum weitere Ereignisse aus dem Reich Eingang in die englische Historiographie. Selbst die Hochzeit wird von diesen Autoren nur marginal im Vergleich mit der Konfliktbeschreibung dargestellt. Erklären lässt sich dieses Interesse durch ihre klerikale Stellung, aber auch durch die intensiveren Beziehungen der Päpste zu England nach 1066 und durch die kirchenpolitischen Entwicklungen. Die Ablehnung des Vorgehens Heinrichs V. 1111 ist bei allen Historiographen – Ausnahme war Robert von Torigni und auch er konnte die Gefangenschaft nicht verschweigen – sichtbar und nicht vereinbar mit ihren Vorstellungen vom Verhältnis zwischen König und Papst, ebenso wie der vorherige Verlauf des Konflikts unter Heinrich IV. und die weiteren Entwicklungen unter Heinrich V. Unterschiedlich stark und deutlich, aber dennoch immer ablehnend fallen hier die Bewertungen der beiden Könige aus. Die Wahrnehmung des Reiches insgesamt war für diese Zeit nicht vom Investiturproblem im Besonderen, aber von den Konflikten zwischen Heinrich IV., Heinrich V. und den Päpsten bestimmt, wobei die Historiographen die Auswirkungen auf die Kirche insgesamt verurteilen. Schließlich war durch die Vertreibung Gregors VII., die Einsetzung der Gegenpäpste oder der Gefangennahme des Papstes auch ihr kirchliches Oberhaupt betroffen. Die bewusste aktive Einbeziehung weiterer Kreise durch die Päpste zeigt sich deutlich in den in die Chroniken kopierten Briefen der Päpste, aber auch des Wormser Konkordats. Dennoch, trotz der Parteinahme für die Päpste, finden sich unterschiedliche Darstellungsweisen, die weniger mit der Entstehungszeit, den Quellen oder regionalen Strukturen zusammenhängen als vielmehr mit den Einstellungen der Historiographen zu Heinrich I., Mathilda und Heinrich II. Sowohl auf der Insel als auch auf dem Festland hatten die Historiographen Zugriff zu unterschiedlichen Informationen. Orderic Vitalis nutzte für seine Darstellungen zu 1111 den Bericht des David Scholasticus; Robert von Torigni und Radulfus Niger, der erst Ende des 12. Jahrhunderts wieder nach England zurückkehrte, verwendeten die Chronik Sigberts von Gembloux. Auf der Insel war zwar nur der Bericht des David Scholasticus zu 1111 verbreitet, aber die Historiographen hatten auch Zugriff auf Briefe, Verträge und mündliche Informationen. Die qualitative Analyse hat allerdings ergeben, dass die Historiographen der ersten Generation ihre Quellen nicht vorbehaltslos kopierten, sondern bei Verwendung gleicher Quellen unterschiedliche Darstellungen verfassten. Ein genereller Unterschied zwischen der Betrachtung auf der Insel und auf dem Kontinent ließ sich nicht feststellen. Auch in England selbst waren die
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leitenden Perspektiven und Akzentuierungen der Darstellungen sehr verschieden. Temporal ließ sich zwar mit der Unterscheidung zwischen erster und zweiter Generation ein Muster erkennen, mit einer Reduzierung der Ausführlichkeit in späteren Versionen. Aber innerhalb der ersten Gruppe waren die Entstehungszeiten nicht homogen und beeinflussten auch nicht die grundlegenden Betrachtungsweisen des Konflikts. Wie die Analyse der Einträge bei Orderic Vitalis gezeigt hat, konnten sie bestimmte Intentionen der Darstellung verstärken. Für die Darstellungsweise bei Radulfus Niger war seine Einstellung zu Heinrich II. bestimmender als zu Mathilda oder Heinrich I., die für die früheren Autoren bedeutsam waren. Die Wahrnehmung des Reiches, ebenso die Verengung auf das Verhältnis der Kaiser und Päpste wurde wesentlich geprägt durch die Bedeutung des Papsttums für die Historiographen. Die Gefangennahme Paschalis’ II. war für sie überwiegend exzeptionell und schockierend ebenso wie das militärische Vorgehen gegen Gregor VII. und die Einsetzung von Gegenpäpsten. Dennoch hat die qualitative Analyse gezeigt, dass die Darstellung der Ereignisse nicht von den vorhandenen Quellen oder regionalen Strukturen abhing und auch die Entstehungszeit nur einen geringen Einfluss hatte, sondern maßgeblich von den Einstellungen der Historiographen zu Heinrich I., Mathilda und Heinrich II. beeinflusst war. Dabei geht die Bandbreite der Darstellungen von Robert von Torigni, der das Vorgehen Heinrichs V. entschuldigt, Paschalis II. für seine Ambitionen verurteilt, die Gefangennahme aufgrund der großen Bedeutung aber nicht verschweigen konnte, da er Mathilda sehr verbunden war und sich Vorteile von einer wohlmeinend verfassten Chronik erhoffte, über Wilhelm von Malmesbury, der aufgrund seines Personenkonzepts, aber auch durch seine Verehrung für Mathilda Heinrichs Handeln erläutert und besonders das Wormser Konkordat lobt, zu Symeon von Durham, der keine Erklärungen für Heinrichs Handeln bietet, bis hin zu Orderic Vitalis, der Heinrichs Handeln deutlich verurteilt. Heinrich V. wurde dennoch tendenziell besser wahrgenommen als sein Vater, aber die Heirat mit der englischen Königstochter ermöglichte nicht, dass die Chronisten über das in ihren Augen schlechte Verhalten der Kirche gegenüber hinweggingen. Die Darstellungen von 1111 zeigen den Zwiespalt, in dem die Autoren sich befanden, da sie einerseits hinter den in ihren Augen rechtmäßigen Päpsten standen und andererseits Rücksicht darauf nehmen mussten, dass der englische König seine Tochter an Heinrich V. verheiratet hatte, die später nach England zurückkehrte und nach dem Tod Heinrichs I. den Führungsanspruch erhob. Nach der Vorstellung der englischen Historiographen verhielten sich die Kaiser falsch, aber mit einer vollständigen Verdammung Heinrichs V. hätte man auch Heinrich I. und Mathilda angegriffen. Daher hielten sich viele der Historiographen in ihren Darstellungen zu Heinrich V. zurück und verwiesen nur kurz und meist mit lobenden Worten auf die Eheverbindung.
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4.2.1 Historischer Hintergrund Das Bild des Dreiecksverhältnisses der Personen Alexander III. – Heinrich II. – Thomas Becket war in der Forschung lange von der Betonung der Konflikte bestimmt. Nach einem Bild, entworfen von Gilbert Foliot, ab 1163 Bischof von London, habe zwischen dem Papst und dem englischen König ein harmonisches Einvernehmen bestanden, das erst durch den Erzbischof von Canterbury und dessen rücksichtsloses Vorgehen gestört worden sei, sodass zwischen Papst Alexander und König Heinrich keine Kooperation mehr möglich gewesen sei – ein Bild, dem die Forschung lange folgte.1275 Den in seiner Lage bedrohten Erzbischof unterstützte Alexander III. nicht wie benötigt, da er sich aufgrund des Schismas in der prekären Lage befand, dass er – auch bei seinen Freunden – sich der Unterstützung und damit seines Amtes nicht sicher sein konnte, sodass er bei etwaigen Maßnahmen immer mit einem Obödienzwechsel des englischen Königs rechnen musste.1276 Erst in den vergangenen Jahren wurde eine Neubewertung der Beziehungen vorgenommen, wobei nun die Kontinuität der Entwicklungen in der englischen Kirche, aber auch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Papst Alexander, ebenso wie die Kompromissbereitschaft zwischen Heinrich II. und dem Papsttum betont wird.1277 Nicht erst durch den Bruch Thomas Beckets mit dem englischen König aufgrund der Konstitutionen von Clarendon und die Flucht des Erzbischofs ins französische Exil traten Spannungen zwischen Heinrich II. und den Päpsten auf.1278 Seit seiner Krönung versuchte er eine stärkere Kontrolle über die kirchliche Jurisdiktion zu erlangen und bereits Hadrian IV. hatte 1156 die Hürden für
1275 Duggan, Henry II, S. 154. 1276 Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 150. Ebenso Clarke, Introduction, S. 2. Duggan, Alexander ille meus, S. 25, weist bei der Forschungsentwicklung darauf hin, dass Alexander III. besonders unter den englischen Forschern in Bezug auf die Becket-Krise einen schlechten Ruf habe und in der Becket-Biograph Frank Barlow oder der Herausgeber der »Materials of Thomas Becket« ihn als unehrlich, falsch und verzagt beschreiben. 1277 Clarke, Introduction, S. 7. 1278 Thomas Becket wandte sich v. a. gegen die Neuregelung des Gerichtsstandes des Klerus. Zu den »Gewohnheiten des Reiches«, denen der Erzbischof von Canterbury zwar zunächst mündlich zustimmte, aber die er sich weigerte zu besiegeln, siehe Barlow, The Constitutions of Clarendon, S. 39–52. Councils & Synods with other Documents relating to the English Church. Bd. 1: A.D. 871–1204, Teil II: 1066–1204, hg. von Whitelock/ Brett/ Brooke, S. 852–893. Schnith, Art. Clarendon, Konstitutionen, Sp. 2129f. Kleine, Der weite Weg von Clarendon, S. 621–679.
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eine Appellation kritisiert.1279 Beim Ausbruch des Schismas 1159 wollte Heinrich II. ebenso die Kontrolle über die Entwicklungen behalten, berief sich auf Rechte normannischer Könige, in derartigen Situationen zu entscheiden und verbot allen Bischöfen, sich unabhängig und vorab zu äußern.1280 In dieser Situation zeigte sich, dass der englische König zwar seiner bisherigen Linie folgte, das Recht für sich in Anspruch nahm zu entscheiden zu entscheiden und den Bischöfen klare Anweisungenzu geben und dass er aus dem schwebenden Verfahren Vorteile für sich zu gewinnen suchte; durch seine zögernde und restriktive Haltung erhielt er die Zustimmung der Legaten zur Heirat seines Sohnes Heinrichs d. J. mit Margarethe von Frankreich, Tochter Ludwigs VII., was ihm sofortigen Zugriff auf die Grenzregion Vexin verschaffte.1281 Dennoch entschied Heinrich II. nicht gegen die englischen Bischöfe, die auf der Seite Alexanders standen.1282 Zwar nahmen Beobachter aus England an der Synode von Pavia teil; mit der Synode von London und von Beauvais im Juli 1160 erkannten Heinrich II. und Ludwig VII. aber gemeinsam die Rechtmäßigkeit Alexanders III. an.1283 Damit folgte Heinrich dem Konsens der englischen Bischöfe; zudem befand er sich zu dieser Zeit mit Frankreich in Friedensverhandlungen, sodass eine andere Entscheidung in der Papstfrage zu Schwierigkeiten geführt hätte.1284 Das Ausbleiben des angestrebten Vergleichs zwischen Ludwig VII. und Friedrich I. bot 1163 die Möglichkeit zur Festigung der Beziehungen zwischen dem englischen und französischen König und dem Papst. Bei dem Treffen in Chouzy / Chouzé bot Heinrich II. das Bild eines rechtgläubigen, gehorsamen Königs, der aus Respekt nicht einmal auf dem ihn angebotenen Stuhl Platz nahm, sondern sich zu den Fürsten auf den Boden setzte und – auch als deutliches Bild gegenüber Kaiser Friedrich – zusammen mit Ludwig VII. den Stratordienst leistete.1285 Die anschließende Synode fand nicht wie eigentlich üblich in Reims statt, sondern in Tours, einer Stadt, die sich im Gebiet Heinrichs II. befand. Mit dieser Synode, an der neben Thomas 1279 Duggan, Henry II, S. 155f., S. 163. Wer nicht mit dem König kooperierte, drohte dessen Gunst zu verlieren. Neben Thomas Becket musste auch Johann von Salisbury ins Exil gehen. 1280 Duggan, Henry II, S. 168. Erzbischof Theobald von Canterbury hatte Heinrich II. in einem Brief aufgefordert, für das Königreich tätig zu werden, da es sonst unter den Bischöfen ebenfalls zu einem Schisma kommen könne. 1281 Vincent, Beyond Becket, S. 273. Bereits vor der Doppelwahl waren Alexander III. und Heinrich II. in Kontakt gestanden, da sein Neffe am englischen Hof war. 1282 Durch die vorherige Tätigkeit Alexanders als Legat, als der er sich wiederholt in Frankreich aufgehalten hatte, aber auch durch die Netzwerke seiner Unterstützer, hatten sich in der Normandie und in England bereits Bischöfe für Alexander ausgesprochen, die für diese vorschnelle Reaktion vom König bestraft wurden. 1283 Cheney, The recognition of Pope Alexander III, S. 497. 1284 Reuter, The Papal Schism, S. 41. 1285 Vincent, Beyond Becket, S. 267. Vgl. Robert Somerville, Pope Alexander III, S. 4. Soria, Alexander III and France, S. 181–201.
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Becket rund 150 Bischöfe aus Frankreich und England teilgenommen haben sollen, konnte Alexander III. die große Unterstützung seines Papsttums dokumentieren.1286 Trotz dieser Demonstration des Einvernehmens und der beständigen Kooperation bei Privilegien und der finanziellen Unterstützung des sich im Exil befindenden Papstes verfolgte Heinrich II. seine bisherige Politik weiter, größeren Einfluss auf die englische Kirche zu gewinnen und die seit dem 11. Jahrhundert gestärkten Verbindungen der Bischöfe zu Rom zurückzudrängen. Dabei wollte er keineswegs frei von jeglicher päpstlicher Autorität sein, sondern – die Schwäche des Papsttums durch das Schisma nutzend – mit der Ernennung Thomas Beckets zum Erzbischof und mit den Konstitutionen von Clarendon das Verhältnis neu bestimmen.1287 Die Ablehnung des Erzbischofs und dessen Flucht ins Exil zerstörten daher nicht ein bis dahin völlig harmonisches Einvernehmen, sondern stellten eine weitere Stufe der Eskalation zwischen den beteiligten Parteien dar.1288 Anne Duggan sieht in der Kirchenpolitik Heinrichs II. bis 1163 eine stringente Linie des Versuchs, die kirchliche Jurisdiktion neu zu bestimmen, die mit den Konstitutionen von Clarendon von einer verstärkten Eskalationshaltung abgelöst und erst mit der Androhung des Interdikts und der Ermordung Beckets wieder gemäßigter geworden sei; Alexander musste zwar aufgrund des Schismas vorsichtig agieren und versuchte sowohl Heinrich II. als auch Thomas Becket in ihren konfrontativen Haltungen zu mäßigen, aber er stützte auch den Erzbischof von Canterbury – anders als ihm vielfach vorgeworfen – indem er seinen Rücktritt ablehnte und ihn 1166 zum Legaten für England ernannte.1289 Das Verhalten Alexanders nennt Duggan »a waiting game«, da dieser bei seinem Agieren habe vorsichtig sein müssen, um das größere Ganze nicht in Gefahr zu bringen, aber gleichzeitig Heinrichs Forderungen in Bezug auf den Erzbischof und die Konstitutionen nicht akzeptiert habe.1290 Die Handlungen des englischen Königs und des Erzbischofs von Canterbury – 1165 Kontakt mit Kaiser Friedrich I., die Exkommunikationen von Vézelay 1166, die Zusätze zu Clarendon 1169 und die Krönung Heinrichs d. J. 1170 – lassen sich als Provokation und Reaktion sowohl von Heinrich II. als auch Thomas Becket beschreiben. Erst 1169 / 1170 griff Alexander III. als Reaktion auf die Zusätze und die Krönung zum äußersten Mittel – die Androhung eines Interdikts – falls es 1286 Somerville, Pope Alexander III, S. 15 und S. 27f. Das Konzil ist weniger aufgrund seiner Beschlüsse für das Papsttum Alexanders bedeutsam, als vielmehr durch die Demonstration der Unterstützung und Einigkeit. 1287 Vincent, Beyond Becket, S. 286. Vgl. Duggan, Henry II, S. 170. 1288 Duggan, Henry II, S. 170. 1289 Duggan, Alexander ille meus, S. 27. Briefe an Thomas Becket zeigen, dass Alexander um die Sicherheit des Erzbischofs besorgt war und mahnte, vorsichtig zu sein. 1290 Duggan, Alexander ille meus, S. 31. Den Wünschen Heinrichs vollständig nachzugeben war für Alexander III. keine Option, aber Exkommunikation und Interdikt waren Mittel, die ein Papst nur sorgsam einsetzten konnte und die ultima ratio waren.
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nicht innerhalb weniger Monate zu einer Verständigung kommen sollte. Dennoch ging der »Routinebetrieb«, wie Vollrath ihn nennt, weiter – v. a. in Form von Appellationen an den Papst, wobei Alexander trotz Schisma und Becket-Krise mit großer Selbstverständlichkeit kirchliche Sanktionen verhängte.1291 Selbst auf der Höhe des Becket-Streits verweigerte sich Heinrich II. nicht vollständig der Autorität des Papstes, sondern berief sich auf die spirituelle Vater-Sohn-Bindung und beschwerte sich, dass Alexander nicht wie ein sich sorgender Vater agiere, sondern sehr nachlässig in seinem Verhalten sei.1292 Die aggressive Phase in den Beziehungen wurde durch die Ermordung Beckets am 29. Dezember 1170 beendet. Heinrich II. war nun zu den Kompromissen von Avranches gezwungen. Auch wenn er seine Exkommunikation verhindern konnte, so war er einem persönlichen Interdikt ausgesetzt, bis der Kompromiss durch die Legaten ausgehandelt worden war. Dabei wurde Heinrichs Bereitschaft zur Buße und seine Rückkehr zur Kirche in Europa allgemein bekannt gegeben, wobei in der Schlussverfügung deutlich darauf hingewiesen wurde, dass weder Heinrich II. noch sein Sohn sich von Alexander III. abwenden dürften, um sich dem Gegenpapst anzuschließen.1293 Der Konflikt Thomas Beckets mit Heinrich II. wird mittlerweile in der Forschung als Fortsetzung eines bereits in den 1150er-Jahren begonnen Konflikts angesehen. Dabei ging es Heinrich II. weniger darum, die päpstliche Autorität zu negieren, als vielmehr nach seinen Vorstellungen zu formen. Mit dem BecketStreit trat allerdings, wie Anne Duggan feststellt, der gegenteilige Effekt ein: »In his attempt to use papal authority to neutralize Becket, the king had been forced to draw the papacy more and more into English affairs; and he had discovered that, even in its weakened state during a major schism, the papacy was a force to be reckoned with. There were limits to how far a king could force even a broadly compliant clergy to defy the spiritual authority of the pope […].«1294 Alexander III. musste zwar aufgrund des Schismas vorsichtig und im Becket-Streit mäßigend agieren, sein Einfluss auf England wuchs aber im Laufe des Konflikts, da beide Parteien ihn zur Stärkung ihres jeweiligen Standpunkts suchten.
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Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 160. Vincent, Beyond Becket, S. 263. Duggan, Henry II, S. 175f. Duggan, Henry II, S. 183.
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4.2.2 Quantitative Auswertung der Quellen In zwölf der analysierten 27 Quellen mit Nennungen zum Reich finden sich Einträge zum Schisma und dem Konflikt zwischen Friedrich I. und Alexander III.1295 Berücksichtigt man, dass acht Quellen ihre Darstellungen bereits vor dem Ausbruch des Schismas 1159 beenden, so bleiben nur sieben historiographische Werke, die den fraglichen Zeitraum behandeln, ohne Schisma und Konflikt zwischen Papst und Kaiser zu erwähnen.1296 Von den übrigen zwölf Quellen setzten besonders Roger von Howden, Gervasius von Canterbury, Ralph von Diceto, Robert von Torigni, Wilhelm von Newburgh und die Winchcombe Chronik sich mit dem Schisma und der Beteiligung des Reiches daran auseinander.1297 Eine eher geringere Anzahl an Einträgen – auch in der Ausführlichkeit – findet sich in den beiden im Vergleich relativ kurzen Chroniken des Radulfus Niger, in den Gesta regum Britanniae des Gervasius von Canterbury, der hier weniger auf internationale Entwicklungen eingeht, und bei Radulph von Coggeshall, dessen Aufzeichnungen erst ab dem 3. Kreuzzug ausführlicher werden.1298
1295 Die Chroniken und Annalen mit den Einträgen sind: Winchcombe Chronik, Robert von Torigni – Weltchronik, Roger von Howden – Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis und Chronica, Gervasius von Canterbury – Chronica und Gesta regum Britanniae, Annalen von St. Osyth’s, Ralph von Diceto – Ymagines historiarum, Wilhelm von Newburgh – Historia rerum Anglicarum 1296 Chroniken, die bereits vor 1159 enden: Eadmer von Canterbury – Historia novorum, Johannes von Worcester – Chronicon ex chronicis, William of Malmesbury – Gesta regum Anglorum und Historia novella, Symeon von Durham – Historia regum, Orderic Vitalis – Historia ecclesiastica, Heinrich von Huntingdon – Historia Anglorum, Ralph von Diceto – Abbrevationes chronicorum, Radulfus Niger – Chronica universalis und Chronica Anglica, Radulph von Coggeshall – Chronicon Anglicanum, Chroniken, die später beginnen: Richard von Devizes – Cronicon de tempore regis Richardi primi. Chroniken ohne Einträge: Coventry Chronik, Richard von Hexham – De gestis regis Stephani et de bello Standardii, Robert von Torigni – Gesta Normannorum Ducum, Walter Map – De nugis curialium, Annales Lewenses, Annales Plymptonienses. 1297 Anzahl der Einträge zur Beteiligung des Reiches am Schisma: Roger von Howden, Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis: 2 (S. 127, S. 183–190); Roger von Howden, Chronica: 7 (Bd 1: S. 216, S. 219, S. 237–240, S. 244–248, S. 253, S. 253–255, S. 256–262, Bd. 2: S. 137–143); Gervasius von Canterbury, Chronica: 8 (S. 166f., S. 167, S. 171, S. 202, S. 204, S. 205–207, S. 247, S. 265–269); Ralph von Diceto, Ymagines historiarum: 6 (S. 303, S. 306, S. 312, S. 318, S. 331, S. 421); Robert von Torigni, Weltchronik: 8 (S. 213, S. 213, S. 215, S. 216f., S. 225, S. 230f., S. 267, S. 273); Winchcombe Chronik: 3 (S. 530, S. 532, S. 538); Annalen von St. Osyth’s: 2 (S. 171, S. 171); Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum: 3 (S. 117–121, S. 135, S. 144, S. 205f.). 1298 Gervasius von Canterbury, Gesta regum Britanniae: 1 (S. 78); Radulfus Niger, Chronica I: 2 (S. 271, S. 282f.); Radulfus Niger, Chronica II: 1 (S. 167); Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum: 1 (S. 19).
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4.2.3 Die Quellen der Einträge Die Informationen zur Beteiligung des Reiches am Alexandrinischen Schisma bezogen die Autoren wie Roger von Howden, Ralph von Diceto oder Gervasius von Canterbury aufgrund ihrer Ämter am Hof oder bei Bischöfen und durch ihren engen Kontakt mit Entscheidungsträgern, wodurch sie Zugriff auf Briefe hatten, sich mit diesen Personen austauschen konnten oder sogar bei bestimmten Ereignissen vor Ort waren. Die Briefe und persönlichen Kontakte entstanden u. a. durch direkte Kontakte zwischen Friedrich I. und Heinrich II. – sei es durch Briefe oder Gesandtschaften – oder Briefe Papst Alexanders, die zur Becket-Krise zirkulierten; Informationen konnten ferner durch die Reisen von Gesandten zu Papst Alexander III. aufgrund der Becket-Krise gesammelt und weitergegeben werden. Zum Frieden von Venedig erhielten die Historiographen Informationen aus den Briefen Papst Alexanders III. Dieser richtete Rundschreiben zur Verkündigung der Verständigung mit dem Kaiser an Richard von Dover, Erzbischof von Canterbury, und an Roger de Pont L’Évêque, Erzbischof von York, und Hugo de Puiset, Bischof von Durham, und an deren jeweiligen Suffragane. Roger von Howden, der diese Briefe in seine Chronik einfügte, stand zur Zeit des Friedens im Dienst des englischen Königs und nach dessen Tod im Dienst des Bischofs von York.1299 Der Brief an den Erzbischof von York findet sich auch bei Ralph von Diceto,1300 und auch bei Gervasius von Canterbury, der auf die Gesta regis Henrici zurückgriff, allerdings diesen Brief noch mit dem Brief Friedrichs I. an die Zisterzienser, in dem er den Frieden verkündete, ergänzte.1301 Gervasius hatte auch Kenntnis von Briefen Friedrichs I., die dieser anlässlich des Konzils von Pavia 1160 an die Könige von England und Frankreich sandte, um diese von Viktor IV. zu überzeugen.1302 Ralph von Diceto verwendete für seine Ymagines auch einen Auszug aus der sog. Epistola amici ad Alexandrum papam, die über den Würzburger Hoftag 1165 berichtete.1303 Neben Briefen, die sich direkt mit dem Schisma und der Beteiligung des Reiches daran 1299 Roger von Howden, Gesta regis Henrici, zum Jahr 1177, S. 187–190. Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1177, Bd. 2 S.140–143. Zu den Tätigkeiten Rogers siehe Gillingham, The Travels of, S. 71. Zahlreiche Dokumente, v. a. Briefe, zur Herrschaft Heinrichs II. sind nur aufgrund der historiographischen Tätigkeit Rogers von Howden vorhanden. 1300 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1177, S. 421. 1301 Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1177, S. 265–269. Zum Brief an die Zisterzienser siehe auch MGH Const. I, Nr. 263, S. 366. 1302 Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1160, S. 167: Romanorum imperator Fredericus in Papiensi concilio CLIII. Episcoporum Octoviani scisma favore suo et auctoritate roboravit. De cujus susceptione regi Franciae Lodovico, et Henrico regi Anglorum, spectabiles legatos cum litteris suis misit. Sed reges praedicti parti et obedientiae catholici papae cesserunt Alexandri. 1303 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1168, Bd. 1, S. 331.
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auseinandersetzen, wurden aber auch Briefe eingefügt, in denen diese Thematik angesprochen wurde, die aber eigentlich in Zuge der Becket-Krise verfasst worden waren. So findet sich in der Chronica des Roger von Howden ein Brief Thomas Beckets an den englischen Episkopat, in dem er die Exkommunikationen von 1166 erläutert und erklärt, dass er Johannes von Oxford aufgrund dessen Eides für die Schismatiker, d. h. die im Zuge des Würzburger Hoftages 1165 geleisteten Eide, exkommunizierte.1304 In einem Brief an Papst Alexander III. äußerte Gilbert Foliot, dass Heinrich II. die Exkommunikation Friedrichs I. unbekannt sei,1305 und Thomas Becket erläuterte 1166 in einem Brief an Papst Alexander die Exkommunikationen Johannes von Oxford und Richards von Ilchester.1306 Diese Briefe zeigen die aktive Verbreitung von Informationen zum Schisma, aber auch, dass das Schisma bei vielen Konversationen und Entscheidungen unterschwellig von Bedeutung war, auch wenn es in den Briefen und damit auch in den Chroniken nicht offensiv angesprochen wurde. Neben den Briefen spielten aber auch direkte Kontakte zwischen England und dem Reich eine entscheidende Rolle, auch wenn diese nicht unmittelbar mit dem Schisma in Zusammenhang standen. Robert von Torigni verweist auf die Reise Rainalds von Dassel und Heinrichs des Löwen nach England bzgl. der Hochzeit Mathildes mit dem sächsischen Herzog.1307 Ralph von Diceto – wahrscheinlich hatte er diese zusätzliche Information aufgrund eigenen Erlebens durch sein Amt in London oder ihm wurde durch seinen Kontakt zu Gilbert Foliot davon erzählt – fügt hinzu, dass sich Robert, Earl von Leicester weigerte, Rainald von Dassel zu empfangen und dass die Altäre, an denen dieser die Messe gelesen hatte, anschließend zerstört wurden.1308 Im Anschluss reisten, wie Robert von Torigni berichtet und in den Briefen Thomas Beckets angesprochen wird, Gesandte des 1304 1305 1306 1307
Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1166, S. 237–240. Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1166, S. 244–248, hier S. 246. Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1166, S. 253–255, hier S. 254. Robert von Torigni, Weltchronik, zum Jahr 1165, S. 224: Venerunt similiter ad eum legati Frederici, imperatoris Alemannorum, Rainaldus scilicet, archiepiscopus Coloniensis, cancellarius ipsius, et multi alii magni potentatus viri, requirentes eum ex parte imperatoris, ut daret unam filiarum suarum Henrico, duci Baioariae, et aliam filio suo, licet adhuc puerulo. Exactis itaque sacramentis et datis, rex postea misit suos legatos in Alemanniam, qui ab imperatore et satrapis suis eadem sacramenta de conventionibus, quae inter eos convenerant, acciperent. 1308 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1165, Bd. 1, S. 318: Rege morante apud Westmustier, Reginaldus Coloniensis archiepiscopus venit in Angliam, accepturus uxorem Henrico duci Saxoniae Matildem primogenitam filiam regis. Cui cum magnates regni sollenniter occurrissent, Robertus comes Legecestriae justiciarius regis illum archischismaticum in osculum non recepit. Eversa sunt passim altaria super quae Missam illi celebrarunt scismatici. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 1, S. 416, verweist zum Jahr 1176 noch einmal auf den Besuch mehrerer hoher Gesandter, darunter den sächsischen Herzog und Graf Philipp I. von Flandern.
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englischen Königs mit ins Reich und nahmen am Würzburger Hoftag teil. Neben diesen Gesandtschaften zwischen dem englischen König und dem Kaiser stieg aufgrund der Becket-Krise der briefliche Austausch zwischen dem englischen König und den englischen Bischöfen und dem Papst im Exil und später nach seiner Rückkehr nach Rom, aber auch mit Thomas Becket in seinem französischen Exil, stark an, wodurch ebenfalls Informationen zum Reich und zum Schisma ausgetauscht worden sein konnten. Ralph von Diceto – diese Nachrichten erhielt er vermutlich aufgrund seiner persönlichen Kontakte – vermerkt die Schwierigkeiten von Boten, 1163 zum Papst zu reisen, da sie die Gebiete der Anhänger des Gegenpapstes vermieden.1309 Auch Gilbert Foliot hatte 1170 damit zu kämpfen, als er über Montpellier nach Italien zu Alexander III. reiste.1310 Neben den Berichten zu Gesandtschaften hoher Würdenträger sind allerdings meist nur Briefe eingefügt, bei denen man selten etwas über die Kommunikationswege erfährt, die aber durch Boten überbracht worden sein müssen.1311 Diese verdichtete Kommunikation aufgrund des Becket-Konflikts, die sich in den unzähligen Briefen bei Roger von Howden und Ralph von Diceto zeigt, trug wahrscheinlich auch zum verstärkten Informationsfluss zu den Auseinandersetzungen Papst Alexanders mit dem Kaiser bei.1312 Ein Hinweis auf eine direkte mündliche Quelle findet sich allerdings nur bei Robert von Torigni, der berichtet, was ihm zum Auffinden der Heiligen Drei Könige (magi) erzählt wurde.1313 1309 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1163, Bd. 1, S. 312: Rex Angliae nuntios ad dominum papam, confinia scismaticorum in Gallia declinantem, direxit, Arnulfum scilicet Loxoviensem episcopum, et Ricardum Pictavensem archidiaconum. 1310 Aufgrund der genauen Reisebeschreibung erhielt Ralph diese Information vermutlich von Gilbert Foliot direkt oder von einem der Begleitenden. Gilbert reiste 1170 zum Papst, um die Aufhebung seiner Exkommunikation zu erlangen. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1170, S. 337: Lundoniensis episcopus dum Romam tenderet, sibi per totam Burgundiam insidias praeparari multorum certa didicit relatione. Qua de causa per viam multo longiorem et difficiliorem iter arripuit, transitum habens per Rupem Amatoris, per Sanctum Willelmum, per Montem Pessulanum, per Sanctum Egidium, et post transcensis Alpibus veniens ad Sanctum Ambrosium, litteras domini papae suscepit. 1311 Tillman, Die päpstlichen Legaten, S. 53–78, zählte zwischen 1160 bis 1177 rund 15 offizielle päpstliche Gesandtschaften, wobei nicht allen erlaubt war, die Insel zu betreten und sich daher in der Normandie aufhielten. 1312 Ralph von Diceto verarbeitete in seinen beiden historiographischen Werke rund 120 Briefe. Siehe Greenway, Historical Writing, S. 152f. 1313 Dieser Eintrag steht nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schisma, sondern mit der Translation der Gebeine von Mailand nach Köln durch Rainald von Dassel aufgrund der Italienzüge Barbarossas. Er zeigt allerdings die Bedeutung der mündlichen Sphäre bei der Kommunikation zu Ereignissen im Reich. Robert von Torigni, Weltchronik, S. 220f.: Rainaldus, Coloniensis electus, cancellarius Frederici imperatoris Alemannorum, transtulit trium Magorum corpora de Mediolano Coloniam, quorum corpora, quia balsamo et aliis pigmentis condita fuerant, integra exterius, quantum ad cutem et capillos, durabant. Eorum primus, sicut mihi retulit qui eos se vidisse affirmabat, quantum ex facie et capillis eorum comprehendi poterat, quindecim annorum, secundus triginta, tertius sexaginta vi-
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Historiographische Werke waren für Robert von Torigni, Ralph von Diceto, Roger von Howden, aber auch für Radulfus Niger aufgrund ihrer Verbindungen zu Entscheidungsträgern und durch ihre Ämter weniger von Bedeutung, aber Gervasius von Canterbury nutzte die hagiographischen Werke Wilhelms von Canterbury und Herberts von Bosham, beide Weggefährten Thomas Beckets, für Informationen zum Reich.1314 Wilhelm von Newburgh kannte vermutlich mit der Chronik Roberts von Torigni ein Werk, das sich mit dem Schisma auseinandersetzte, muss aber daneben auch noch Zugriff auf weitere Informationen gehabt haben.1315 Nur ein Teil der Einträge zum Schisma lässt sich eindeutig auf Briefe und hagiographische Werke zurückführen. Vielmehr spielte aufgrund der Unmittelbarkeit der Ereignisse zu den Autoren – auch wenn diese ihre Werke erst nach dem Frieden von Venedig verfassten – überwiegend primäre Kommunikation eine Rolle, die sich auf die Nähe der Autoren zum Hof und zu Bischöfen und Erzbischöfen durch ihre Ämter und Kontakte zurückführen lässt und in der verdichteten Kommunikation durch die Becket-Krise begründet ist.1316 Die meisten der analysierten Quellen weisen eine Vielzahl von Einträgen zur Beteiligung des Reichs am Schisma auf. Die hohe Anzahl – in der Chronica Rogers von Howden finden sich sieben, in der Chronica des Gervasius von Canterbury acht und bei Robert von Torigni ebenfalls acht – lassen auf ein erhöhtes Interesse am Vorgehen des Reiches in diesen Auseinandersetzungen schließen. Gegen ein insgesamt ausgeprägtes Interesse sprechen allerdings die debatur. Beatus autem Eustorgius, dono cujusdam imperatoris, transtulit illos Mediolanum de Constantinopoli, cum quadam mensa cui superpositi erant, in quodam vehiculo parvo, quod duae vaccae divina virtute et voluntate trahebant. Transtulit etiam idem Rainaldus exinde corpus beate Valeriae, matris sanctorum martyrum Gervasii et Prothasii, et caput Naboris martyris. 1314 Gervasius von Canterbury, zum Jahr 1162, S. 171. Hier übernahm er die Informationen zum zweiten Italienzug Friedrichs I. und der Flucht des Papstes ins französische Exil von Herbert von Bosham. Zu den Würzburger Eiden, S. 205–207, nutzte er als Informationsbasis u. a. Wilhelm von Canterbury. 1315 Da Wilhelm von Newburgh aus seinen Vorlagen ein höchst eigenes Werk machte, lassen sich seine Vorlagen nur schwer bestimmen. Neben mündlichen Informationen, die er durch Besucher der Abtei erhielt, kannte er natürlich auch weitere historiographische Werke des 12. Jahrhunderts, wie Gillingham, Historians without Hindsight, S. 24, vermutete, aber sich nicht sicher nachweisen lassen. Darunter fallen die Chroniken Richards of Devizes, Heinrichs von Huntingdon, Wilhelms von Malmesbury, Aelreds von Rievaulx und Geralds von Wales. 1316 Die von Anne Duggan erstellte Übersicht über Thomas Beckets Briefsammlungen umfasst 329 Briefe – zum Vergleich von seinen Vorgängern sind 61 Stück von Lanfranc erhalten, von Anselm 475 und von Theobald 98. Siehe Zingg, Die Briefsammlungen der Erzbischöfe von Canterbury, S. 111, S. 125, S. 136, S. 146. Besonders die Kommunikation mit dem Papst war im Vergleich zu den früheren Erzbischöfen erhöht. Auch diente die Briefsammlung bereits zu Beckets Lebzeiten propagandistischen Zwecken. Im Vergleich mit Anselm umfasste die Briefsammlung Beckets eine geringere Stückzahl, allerdings fanden diese Briefe deutlich stärker ihren Eingang in die Historiographie.
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Zahlen zu weiteren Ereignissen, die mit dem Reich in Verbindung stehen, wie Barbarossas Politik in Italien, die Eheverbindung – Ereignisse, die kaum wahrgenommen wurden –, aber auch die Vielzahl der Nennungen zu Papst Alexander III., die nicht mit dem Schisma in Verbindung stehen. In den beiden Chroniken Rogers von Howden, in beiden Werken Gervasius von Canterbury, in den Ymagines historiarum des Ralph von Diceto, bei Wilhelm von Newburgh, in den Annalen von St. Osyth’s, in der Winchcombe Chronik finden sich kaum weitere Einträge zum Reich.1317 Hingegen weisen diese historiographischen Werke eine Vielzahl an Einträgen zu Kontakten Papst Alexanders mit dem englischen König, Bischöfen oder Thomas Becket auf, deutlich mehr als zum Reich und Friedrich I.1318 Der überwiegende Anteil dieser Einträge beruht auf Berichten zum Konzil von Tours, Briefwechseln zur Becket-Krise und den Entwicklungen nach der Ermordung Thomas Beckets. Die geringe Anzahl an Einträgen zum Reich jenseits des Schismas zeigt, dass die Wahrnehmung des Reiches bei den Historiographen zwischen 1159 bis 1177 unter dem Blickwinkel des Schismas erfolgte. Dieses stand bei den Nachrichten zum Reich im Vordergrund. Die Vielzahl der Nachrichten zu den Kontakten zwischen dem Papst und England lässt hingegen nachvollziehen, wie eng der Kontakt zwischen den einzelnen Parteien aufgrund 1317 Weitere Einträge zum Reich: Roger von Howden, Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis: 1 (S. 126); Roger von Hoveden, Chronica: 2 (Bd. 1: S. 220, Bd. 2: S. 101); Gervasius von Canterbury, Chronica: 3 (S. 171, S. 205, S. 205); Gervasius von Canterbury, Gesta regum Britanniae: 0; Ralph von Diceto, Ymagines historiarum: 7 (S. 308, S. 330, S. 353, S. 363, S. 397, S. 408–410, S. 416); Winchcombe Chronik: 2 (S. 530, S. 532); Annalen von St. Osyth’s: 0; Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum: 2 (S. 115–117, S. 132ff.); Radulfus Niger und Radulph von Coggeshall werden aufgrund der Kürze ihrer Nennungen bzw. aufgrund der erst ab dem 3. Kreuzzug gestiegenen Ausführlichkeit hier nicht näher betrachtet. 1318 Einträge zu Kontakten zwischen Papst Alexander und England: Roger von Howden, Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis: 19 (S. 7–9, S. 14f., S. 15f., S. 16f., S. 17–19, S. 19f., S. 20–22, S. 24, S. 28, S. 32f., S. 69, S. 85, S. 112, S. 113, S. 117, S. 124f., S. 135, S. 161, S. 181); Roger von Howden, Chronica: 34 (Bd 1: S. 221, S. 222f., S. 224, S. 224, S. 230f., S. 231f., S. 235–237, S. 241, S. 241, S. 243, S. 243f., S. 255f., S. 276–273, Bd. 2: S. 6, S. 7–10, S. 17, S. 17, S. 18, S. 18–20, S. 20–22, S. 22–25, S. 25, S. 25–28, S. 28f., S. 32f., S. 35, S. 36f., S. 37–39, S. 58, S. 65, S. 73, S. 79, S. 98, S. 100, S. 105–117); Gervasius von Canterbury, Gesta regum Britanniae: 0; Ralph von Diceto, Ymagines historiarum: 29 (Bd. 1: S. 307, S. 309, S. 310, S. 310f., S. 314–316, S. 316f., S. 330, S. 331f., S. 332f., S. 334f., S. 335, S. 335, S. 337, S. 337f., S. 338, S. 339f., S. 340f., S. 341f., S. 345f., S. 347f., S. 351f., S. 369f., S. 378, S. 387f., S. 390, S. 390, S. 396, S. 406, S. 410); Winchcombe Chronik: 5 (S. 530, S. 534, S. 538, S. 538, S. 538); Annalen von St. Osyth’s: 4 (S. 170, S. 171, S. 172, S. 177); Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum: 1 (S. 160–165). Neben diesen Nachrichten zu den Kontakten zwischen Papst Alexander, dem englischen Episkopat und Thomas Becket finden sich auch weitere Nachrichten zur Entwicklung des Schismas, ohne dass explizit auf das Reich Bezug genommen wird. Roger von Howden, Chronica: 4 (Bd. 1: S. 219, S. 223, S. 231, S. 269); Gervasius von Canterbury, Chronica: 2 (S. 182, S. 197); Ralph von Diceto, Ymagines historiarum: 2 (Bd. 1: S. 303, 318); Winchcombe Chronik; 3 (S. 528, S. 530, S. 530).
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der Becket-Krise wurde und wie sich dadurch die Kommunikation verdichtete. Hier bestätigt sich Duggans These, dass aufgrund von Heinrichs Bemühungen, den Erzbischof von Canterbury zu neutralisieren, das Papsttum verstärkt in die englische Politik eingewoben wurde.1319 Mit der Ermordung Thomas Beckets war dies nicht vorüber: die Legatenbesuche zur Untersuchung der Verwicklungen Heinrichs II. darin oder das Hilfegesuch an den Papst anlässlich der Rebellion der Söhne Heinrichs II. zeigen, dass diese starke Präsenz des Wirkens Papst Alexanders nun nicht mehr gekappt werden konnte. Papst Alexander III. war im Juli 1160 als rechtmäßiger Papst anerkannt worden und das Vorgehen Friedrichs I. und dessen Unterstützern des Gegenpapstes war verurteilt worden. Während der »Routinebetrieb«1320 zwischen dem Papsttum und der englischen Kirche trotz Schisma und Becket-Krise weiterlief, wurden die Kontakte – trotz des Zwangs, vorsichtig mit dem englischen König umzugehen, um seine Unterstützung nicht zu verlieren – gleichzeitig intensiver, wie die zahlreichen Briefe und Legationen zeigen. Das Reich hingegen spielte nur eine größere Rolle in Bezug auf das Schisma und seinen Umgang mit Papst Alexander III. Mit den sog. Würzburger Eiden standen einige der Nachrichten zum Schisma und dem Reich dabei in direktem Bezug zu England. Mehrere dieser Einträge waren allerdings Bestandteile von Briefen, in denen es eigentlich um den Becket-Konflikt ging und das Schisma nicht im Vordergrund stand. Die wenigen Nachrichten zum Reich ohne Bezug auf das Schisma und die zahlreichen Nachrichten zu Papst Alexander, seien es nun Einträge zu seinen Verwicklungen in die Becket-Krise oder die Auswirkungen des Schismas und das Vorgehen des Reiches, zeigen, dass für die Historiographen nicht das Reich und der Kaiser von Bedeutung waren, sondern der in ihren Augen rechtmäßige Papst. Die hohe Zahl an Einträgen zu Friedrich I. kam nicht aufgrund eines Interesses am Reich und seinem Kaiser zustande, sondern lag in Friedrichs Politik zwischen 1159 und 1177 und seinen Maßnahmen gegen Papst Alexander begründet. Dabei spielte sicherlich auch die enge Kommunikation zwischen dem englischen König, dem englischen Episkopat und Alexander III. eine wichtige Rolle, da aufgrund der Becket-Krise zahlreiche Briefe verschickt und Gesandtschaften ausgetauscht wurden. Eine Ausnahme in dieser Statistik bildet allerdings die Weltchronik Roberts von Torigni. Neben acht Einträgen zum Reich und Friedrichs Vorgehen im Schisma finden sich noch sechs weitere Nachrichten zum Schisma, in denen nicht auf das Reich Bezug genommen wird, zwölf weitere Nachrichten zum Reich, aber nur zwei Einträge zu Alexanders Beziehungen zu England.1321 Wie bereits ange1319 Duggan, Henry II, S. 182. 1320 Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 160. 1321 Einträge in die Weltchronik Roberts von Torigni zu den Verwicklungen des Reichs im Schisma: 8 (S. 213, S. 213, S. 215, S. 216f., S. 225, S. 230f., S. 267, S. 273); Einträge zum Reich
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sprochen, war Robert von Torigni ein überzeugter Parteigänger Heinrichs II., der ein Förderer seines Klosters Mont-Saint-Michel war, und verfasste seine Chronik mit einem deutlich panegyrischen Aspekt. Kritisches zu Heinrich II. passte dabei nicht in seine lobende Darstellung, sodass er die Kontroverse um Thomas Becket nicht erwähnte.1322 Im Gegenzug dazu vermittelte Robert dem Leser ausführlich die Ereignisse bei Barbarossas Italienzügen und zum Schisma. Dabei baute er in seiner Darstellung einen deutlichen Gegensatz auf zwischen dem englischen König, der immer treu zu Alexander III. stand und den Stratordienst leistete, und dem deutschen Kaiser, der den Gegenpapst unterstütze und für sein Vorgehen 1168 mit dem Tod vieler Unterstützer göttlich bestraft wurde.1323 Während für die ohne Bezug zum Schisma: 12 (S. 195, S. 199, s. 201, S. 213, S. 220f., S. 222, S. 224, S. 234, S. 240, S. 253, S. 266, S. 270); Einträge zum Schisma ohne Bezug auf das Reich: 6 (S. 204, S. 215, S. 219, S. 222, S. 239, S. 239f.); Einträge zu den päpstlichen Beziehungen zu England: 2 (S. 235, S. 263). 1322 Spear, Torigni, Robert of. Gransden, Historical Writing, S. 262f. Eine der beiden Stellen, in denen Robert die päpstlichen Beziehungen zum englischen Hof darstellt, ist sein Eintrag zu den von Papst Alexander beauftragten Legaten, die aufgrund der Buße Heinrichs II. für die Ermordung Beckets nach England reisen. Robert von Torigni stellt in seiner Chronik dabei dar, dass Heinrich II. ohne Zögern, trotz seines Aufenthalts in Irland, diese begrüßte und ehrenvoll empfing. Robert von Torigni, Weltchronik, S. 235f.: Post Pascha rex audiens duos legatos, Albertum et Theodinum, ex parte domini papae A[lexandri] ad se missos pro causa piae memoriae Thomae, quondam Cantuariensis archiepiscopi, cum esset in Hibernia citissime venit de Hibernia in Angliam, de Anglia in Normanniam; et praemissis ad eos honorabilibus personis, locutus est cum eis primo Savigneii, postea Abrincis, tertio Cadomi, ubi causa illa finita est, sicut litterae publicae testantur, quae inde factae sunt, et a multis personis, quae illuc convenerant, retinentur. 1323 Robert von Torigni, Weltchronik, S. 213, zur Unterstützung Heinrichs II. für Alexander III., während Friedrich I. mit Oktavian den Frieden zwischen regnum und sacerdotium zerstörte: Discordia inter regnum et sacerdotium adhuc perdurante propter schism Octaviani, quem rex Romanorum Fredericus secum in Italia habebat, Alexander papa Romanus, confidens de regibus Francorum Ludovico et Anglorum Henrico, qui devote simper Romanam ecclesiam fovent et venerantur, ad cismontanos marina expedition circa Pascha venit, et apud Montem Pessulanum in Provincia debita honorificentia susceptus est. Der englische König leistet den Stratordienst, S. 215: Exinde, parvo spatio temporis interjecto, Ludovicus rex Francorum et Henricus rex Anglorum super Ligerim apud Cociacum convenientes. Alexandrum papam Romanum honore congruo susceperunt, et usi officio stratoris, pedites dextra laevaque frenum equi ipsius tenentes, eum usque ad praeparatum papilionem perduxerunt. Quo mediante, Deo favente, pax inter eos firma restituta est. Die Strafe für Friedrichs Verhalten zeigt sich durch die Katastrophe vom 4. Italienzug, S. 230f.: Circa Pentecosten, Fredericus imperator Alemannorum, missis exercitibus suis, multos Romanorum occidit, ipse ab eisdem similia recepturus. Circa mensem Julium per semetipsum Leoninam Romam obsedit et cepit, et quaedam juxta ecclesiam Beati Petri destruxit, scilicet porticum et alia nonnulla. Antipapam etiam Widonem de Creme Romam adduxit, et per manum ipsius uxorem suam in imperatricem fecit coronari. Subsecuta est e vestigio ultio divina. Nam Karolus, filius Corradi, qui ante Fredericum imperaverat, consobrinus ejus, mortuus est, et Rainaldus, archiepiscopus Coloniensis, cancellarius ejus, cujus consilio multa mala faciebat, et episcopus Leodicensis, et multi alii tam episcopi quam consules, similiter perierunt. Dicitur enim quod, crassante mortalitate, XXV. Milia hominum de
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anderen Historiographen die Becket-Krise für die 1160er- / 1170er-Jahre im Vordergrund stand und das päpstliche Vorgehen genau dargestellt wurde, bot das Schisma Robert von Torigni die Möglichkeit, die Nachrichten zum Erzbischof von Canterbury außen vor zu lassen und mit dem Vorgehen des Kaisers in Italien und seine Handeln gegen Alexander Heinrich II. als idealen König umso leuchtender darzustellen. Die Vielzahl an Einträgen zum Reich entstand bei Robert von Torigni daher nicht durch ein ausgeprägtes Interesse am Reich, sondern aufgrund der Möglichkeit, Heinrich II. als gläubigen König strahlen zu lassen. Während zu Beginn der Darstellung des Pontifikats in den Historiographien noch der Ausbruch des Schismas, die Synode von Pavia 1160 und die Flucht ins Exil im Vordergrund standen – und damit auch die Handlungen Friedrichs I. in Bezug auf Alexander III. verstärkt wahrgenommen wurden –,1324 wechselte mit dem Gang nach Frankreich, dem Konzil von Tours und den bald daraufhin ausbrechenden Becket-Konflikt der Fokus. Nun dominierten Einträge über Reisen zu Papst Alexander III. und Briefe an, von und über ihn.1325 Nur sporadisch wurden nun bis zum Frieden von Venedig weitere Einträge eingefügt, etwa zu den gegenseitigen Gesandtschaften 1165 und den daraufhin erfolgten Exkommunikationen oder zu den Bekanntmachungen von neuen Gegenpäpsten.1326 Erst mit dem fünften Italienzug Friedrichs und dem anschließenden Frieden von Venedig verstärkte sich wieder das Interesse. Diese Fokusverschiebung – weg von den Auswirkungen des Schismas auf Alexander und hin zu Alexanders Handeln in der Becket-Krise – bei gleichzeitigem Anstieg der Nennungen des Papstes bestätigt ebenfalls Duggans These, dass das Papsttum aufgrund dieser Krise verstärkt in die englische Politik hineingezogen wurde. Keiner der Autoren diskutiert dabei Alexanders Anspruch hier tätig zu werden, sondern
exercitu suo mortui sunt. Longobardiae civitates, quae sunt numero XXV., Mediolanum reaedificant et ab imperatore deciscunt, praeter Papiam et Vercellas. 1324 Dies zeigt sich besonders in der Chronica des Rogers von Howden, in der Chronica des Gervasius von Canterbury, in den Ymagines historiarum des Ralph von Diceto und in den Annalen von St. Osyth’s. 1325 In der Winchcombe Chronik finden sich erst nach dem Tod Beckets zahlreiche Nachrichten zu den Beziehungen Heinrichs II. mit Papst Alexander. 1326 Während sich bei den bereits angeführten Historiographen der Blickwinkel mit der Flucht des Papstes ins französische Exil und dem in Tours stattfindenden Konzil aufgrund der beginnenden Becket-Krise verschob, befasste sich Robert von Torigni erstmals 1162 mit dem Schisma. Für die Jahre zuvor lag seine Aufmerksamkeit auf Barbarossas Italienzügen. Den Ausbruch des Schismas stellte er nicht in Zusammenhang mit dem Kaiser. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die anderen Historiographen über Thomas Becket berichteten, schrieb er ausführlich über die guten Beziehungen des englischen Königs zu Alexander III. und über Friedrichs Vorgehen gegen den rechtmäßigen Papst.
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sie sahen ihn als rechtmäßigen Papst, der natürlich als Vermittler und Richter aufzutreten hatte.1327
4.2.4 Die Wahrnehmung Kaiser Friedrichs I. Unterschiedlich hingegen beurteilen die Historiographen den Ausbruch des Schismas und die Rolle Friedrichs I. Robert von Torigni, Ralph von Diceto, Wilhelm von Newburgh, Radulfus Niger und die Winchcombe Chronik sehen den Kaiser nicht in Verantwortung für den Ausbruch des Schismas, sondern sie verweisen meist nur auf die Doppelwahl, die auf den Tod Hadrians IV. folgte.1328 Eine unmittelbare Beteiligung des Kaisers an den Ereignissen vom September 1159 vermerken sie nicht. Roger von Howden und Gervasius von Canterbury hingegen sehen Friedrich I. deutlich in der Verantwortung für den Ausbruch des Schismas. Bei Roger von Howden erkennt Barbarossa den kanonisch rechtmäßig gewählten Papst nicht an und ernennt daher Oktavian (erexit sibi idolum).1329 1327 Kritik, wenn auch keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit, findet sich nur bei Radulfus Niger. Der Becket-Anhänger kritisiert aber, dass sich Heinrich II. die Kurie mit seinem Geld gefügig gemacht habe. Radulfus Niger, Chronica I, IV, 3, S. 283f.: Sed et eodem tempore ille rex, sub quo passus est beatus Thomas martyr Anglorum, pecunia sua captivaverat curiam Romanam, adeo ut in ecclesiis sue potestatis nihil fieret, nisi quod ipse dictaret vel quod innueret, in quo conformatus est ei fere universus clerus terre sue. Quod si aliquid occurreret, quod erubesceret aut non posset idonee facere, accito legato ad suum arbitrium, per apostolicam demum auctoritatem implebat suam voluntatem. 1328 Robert von Torigni, Weltchronik, S. 204: Kalendis Septembris, mortuo Adriano papa, electi sunt duo et consecrati, Rollandus, cancellarius, presbyter cardinalis tituli Sancti marci, vir religiosus, vocatus Alexander iijus, papa videlicet clxxusiiijus, et Octovianus, presbyter cardinalis tituli Sanctae Mariae in Cosmidum, dictus Vitctor iiius; hic per potentatum et parentes suos nobiles papatum invasit. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 303: Adrianus papa obiit. Scisma de electione duorum paparum. Alexander papa. Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, II, 9, S. 117: Sequenti vero anno Adrianus papa naturae debitum solvit; quo sublato, cardinales in summi pontificis electione dicordes ecclesiam sciderunt, et dum in se mutuo partes saevirent, in orbe quoque terrarum vinculum ecclesiasticae pacis ruperunt. Et quidem pars major saniorque in Rollandum, ejusdem ecclesiae cancellarium, virum religiosum et literatum, concordans, eundem ritu canonico consecravit. Pars vero nonnulla, et fere nulla, in Octovianum nobilem virum conveniens, eundem, divinum non verita judicium, execrationis elogio maculavit. Uterque in alterum excommunicationis et damnationis sententiam promulgavit; uterque parten suam ecclesiarum et nobilium personarum favoribus munire curavit. Ille Alexander dictus est, juxta causae meritum victor futurus. Iste, nudo nomine et fallaci omine, Victor dictus est, victi dedecus habiturus. Winchcombe Chronik, S. 528: ‹A›drianus papa obiit. Cui Alexander successit, et duo pape in Roma facti sunt, id est Alexander et Victor, et ex scismate presulatum sibi usurpantis Romana tribulatur ecclesia. 1329 Roger von Howden, Chronica, S. 216: Eodem anno Adrianus papa obiit; cui successit Alexander papa iii., canonice electus et consecratus. Sed Fredericus Romanorum imperator, nolens eum recipere, erexit sibi idolum, Octavianum scilicet antipapam.
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Von einer Doppelwahl – anders als in den weiteren Chroniken – erzählt Roger nicht, sondern das Vorgehen Friedrichs erfolgt erst nach der Inthronisation. Bei Gervasius von Canterbury ist zwar Oktavian der Handelnde, er fügt aber gleich hinzu, dass der Kaiser diesen vorziehe und gegen die Anhänger Alexanders vorging.1330 Während die Chronisten bei den Gründen für die Entstehung des Schismas unterschiedliche Sichtweisen haben, sehen sie doch alle Barbarossa als die treibende Kraft zu Beginn des Schismas, wobei das Konzil von Pavia und die Einladung Friedrichs an den englischen und französischen König herausgestellt werden.1331 Gervasius von Canterbury, Ralph von Diceto ebenso wie Wilhelm von Newburgh und die Winchcombe Chronik betonen, dass der Kaiser bei der Meinungsbildung Einfluss auf Heinrich II. und Ludwig VII. nehmen wollte, diese sich aber dem Lager Alexanders anschlossen.1332 Die Einladung Friedrichs I. an 1330 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 166f.: Ciclus decennovennalis incipit Adrianus papa obiit et Alexander successit. Qui cum se tanto honori idoneum non esse profiteretur, et cardinales ejus electioni firmiter consentirent, et instarent ut eum facerent assentire, ex parte adversa Octavianus paucis sibi faventibus mantum praeposteratum suscepit et papatui se ingessit. Cardinales et Romani Alexandrum fovebant, imperator vero, Ocatvianum praeferre cupiens, Alexandri fautores infestabat. Hac de causa non solum Romana sed et tota ecclesia confundebatur. Dieser Abschnitt ist eng mit der Darstellung in den Rundbriefen Alexanders verbunden, in denen er die Gründe für die Rechtmäßigkeit seiner Wahl darlegt. Vgl. Rahewin, Gesta Friderici, IV, 61, S. 299–303, bes. 300. Vgl. Brief Papst Alexanders an Bischof Gerhard von Bologna, Nr. 41, in: Admonter Briefsammlung, 79–83. Vgl. ebenso die Darstellung in der Vita Alexandri des Kardinals Boso, in: Le Liber Pontificalis. Texte, introduction et commentaire. Bd. 2, hg. von Duchesne, S. 397f. In den Briefen verweist Alexander darauf, dass er bereits immantiert worden war, bevor Oktavian ihm den Mantel entriss, da mit der Immantierung er sich als rechtmäßiger Elekt bezeichnen konnte. Mit der Immantierung nahm der Gewählte seine Wahl an und ihm wurde die Verfügungsgewalt über das päpstliche Amt übertragen. Vgl. Laudage, Alexander III. und Friedrich Barbarossa, S. 114–116. Ebenso Maleczek, Das Schisma von 1159 bis 1177, S. 177. Gervasius, der vermutlich ein Schreiben Alexanders kannte, beschreibt als einziger, wenn auch stark verkürzt, diese Episode. 1331 Robert von Torigni, Weltchronik, S. 213, und Radulfus Niger, Chronica I, S. 282f., berichten nicht über Pavia, sahen aber Friedrich als treibende Kraft. 1332 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 167: Romanorum imperator Fredericus in Papiensi concilio CLIII. Episcoporum Octoviani scisma favore suo et auctoritate roboravit. De cujus susceptione regi Franciae Lodovico, et Henrico regi Anglorum, spectabiles legatos cum litteris suis misit. Sed reges praedicti parti et obedientiae catholici papae cesserunt Alexandri. Gervasius von Canterbury, Gesta regum Britanniae, S. 78: Erat tunc temporis scisma in ecclesia Romana, unde spectabiles nuncii ab imperatore Fretherico in Angliam missi sunt, ut Anglia in partem scismatis contra papam Alexandrum converteretur, unde postmodum coacto concilio ceteris iurantibus monachi Cantuarienses iurare noluerunt. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 303: A rege Franciae et a rege Angliae in Alexandrum papam consensum est. Imperator vero Alemanniae cum clero suo recepit Octovianum, et missis ad reges Francorum et Anglorum nuntiis, ut eundem papam reciperent petiit, nec impetravit. Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, II, 9, S. 120: Illustres quoque Francorum et Anglorum reges modis omnibus sollicitare curavit, ut, ad perpetuandam amicitiam mutuam, sibi in hac parte concordes existerent. Winchcombe Chronik,
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den englischen und französischen König zu Teilnahme am Konzil von Pavia, ebenso wie dieses selbst, war unter den englischen Historiographen registriert worden, wobei sie diese Einladung als Versuch der Einflussnahme werten. Friedrich Barbarossa bestärkte (roboravit) mit dem Konzil das Schisma und schickte Boten zu den Königen von England und Frankreich, die deren Haltung verändern (converteretur) sollten. Nachrichten über die Teilnahme der englischen Gesandten finden sich hingegen nicht, ebenso wie die angebliche Zustimmung der englischen Gesandten, die Friedrich I. in seinem Rundschreiben an die deutschen Bischöfe verkündet.1333 Die deutsche Version des Rundschreibens bzw. dessen Inhalt hatte keinen Eingang in die Welt der englischen Historiographen gefunden und musste daher nicht, wie dies später bei den Würzburger Eiden der Fall war, dementiert werden. Die ausführlichste Darstellung des Konzils von Pavia findet sich bei Wilhelm von Newburgh. Dabei stellt er deutlich heraus, dass das Konzil in Pavia nicht fair gegenüber Alexander durchgeführt, da jede gegenteilige Meinung zur Wahl sofort unterdrückt worden sei.1334 Im Gegensatz dazu hätten die Könige von England und Frankreich für ein ausgeglichenes Treffen gesorgt, bei dem beide Seiten angehört wurden, wobei die Rechtmäßigkeit von Alexander III. offensichtlich geworden sei.1335 Anders als Wilhelm von Newburgh und Ralph von Diceto fügen Gervasius von Canterbury und die Winchcombe Chronik eine Aussage zu den Teilnehmerzahlen des Konzils hinzu. Mit der Angabe, dass 153 Bischöfe den Beschlüssen des Konzils von Pavia zustimmten, weichen diese beiden Texte von der gängigen Angabe von 50 Bischöfen in den meisten der deutschen Quellen
S. 530: Romanorum imperator Fridericus in Papiniensi concilio cliii episcoporum Octouiani scisma fauore suo roborauit. Ludouicus rex Francorum et H. rex Anglorum partibus Alexandri pape cesserunt. 1333 Rahewin, Gesta Friderici, IV, 80, S. 331–336. Zu den unterschiedlichen Versionen der Rundbriefe Friedrichs I. siehe S. 166, Anm. 888. 1334 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, II, 9, S. 119: Denique suae ditionis episcopos, scilicet Italicos et Teutonicos, praecepit Papiam convenire, tanquam ad discussionem et examen, cujusnam partis merita praeponderarent, re autem vera, ut Alexandri parte depressa, partem alteram approbantes, dicti Victoris praematuram victoriam celebrarent. […] Alexander vero praejudicium, quod ei sub nomine judicii parabatur, non solum caute, sed etiam libere recusavit. 1335 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, II, 9, S. 120: Illi vero inflexi, sententia caute suspensa, donec reit am scrupulosae plenius veritaten agnoscerent, celebrem et ipsi, ex utroque regno episcoporum et nobilium loco et tempore congruo, conventum fecerunt. […] Denique in illo altercationis mutuae quasi duello totius ita negotii veritas claruit, ut neuter ulterius princeps cunctaretur, repudiata parte Octoviani, dominum Alexandrum recipere, et cum regnis sibi subditis ei de cetero in iis quae Dei sunt tanquam patri parere […]. Wilhelm von Newburgh ist dabei der einzige unter den analysierten englischen Historiographen, der Bezug auf die Synoden von London und Beauvais nimmt, auch wenn er beide Treffen zusammenzieht.
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ab.1336 Die Zahl von 153 teilnehmenden Bischöfen ist auf die längere Fassung (Fassung II) des Konzilrundschreibens zurückzuführen.1337 Diese in einem Codex aus Valenciennes erhaltene Abschrift behauptet allerdings nicht, dass 153 Bischöfe an dem Konzil in Pavia teilnahmen, sondern nur, dass 153 Bischöfe zustimmten – sei es persönlich oder per Brief. Diese Version des Rundschreibens war auch in England bekannt, wie ein Druck einer heute verlorenen Handschrift zeigt.1338 Durch dieses Schreiben könnte sich die Kenntnis der 153 Bischöfe in England verbreitet haben – eine Information, die die Historiographen verkürzt in ihre Werke mit aufnahmen, sodass sie zur Aussage gelangten, dass 153 Bischöfe tatsächlich in Pavia vor Ort waren. Dass die Teilnehmerzahl und die Unterschriften auf dem Rundschreiben in Europa tatsächlich diskutiert wurden, zeigt zum einen der Brief Abt Fastrads von Clairvaux an den Bischof von Verona, in dem er sich darüber beschwert, dass behauptet würde, 153 Bischöfe hätten tat-
1336 Winchcombe Chronik, S. 530: Romanorum imperator Fridericus in Papiniensi concilio cliii episcoporum Octouiani scisma fauore suo roborauit. Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 167: Romanorum imperator Fredericus in Papiensi concilio CLIII. episcoporum Octoviani scisma favore suo et auctoritate roboravit. Nahezu alle Quellen – meist Briefe – berichten übereinstimmend von etwas weniger als 50 teilnehmenden Bischöfen nebst Äbten und niederen Klerikern. Eine Übersicht zu den die Teilnehmerzahl führenden Quellen findet sich bei Madertoner, Die zwiespältige Papstwahl, S. 167. 1337 Konzilrundschreiben, Fassung II (Fassung Valenciennes) in MGH Const. I. Nr. 290, S. 265– 270, hier S. 270: Est autem numerus archiepiscoporum et episcoporum, qui praesentes fuerunt et qui litteris suis consensum praebuerunt, centum LIII. Die Echtheit dieser Fassung – im Gegensatz zu der kürzeren Version bei Rahewin – ist umstritten. Wolter, Friedrich Barbarossa und die Synode, S. 433, vermutet, dass die Liste der Unterzeichner der Synode nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt, sondern in einer überarbeiteten Fassung, die die Versammlung aufwerten sollte, vorliegt und somit eventuell einige Namen nicht mehr vorkamen und andere hingegen durch Einschübe hinzugefügt wurden. Madertoner, Die zwiespältige Papstwahl, S. 173, betont, dass nach dieser Fassung rund 100 Bischöfe schriftlich hätten zustimmen müssen, eine Zahl, die vermutlich auf der angeblichen Zustimmung der Suffraganbistümer beruht. Eine genaue Aufschlüsselung, wer zu den 153 Zustimmenden zählte, fehlt allerdings, da meist nur von den Erzbischöfen und ihren Suffraganen gesprochen wurde. Der eingeschobene Satz über die Teilnehmer vor Ort und den Zustimmenden per Brief dient hierbei vermutlich als Zusammenfassung. Möglich wäre auch, dass die Zahl 153 als numerus electorum / numerus sanctorum verstanden wurde und nicht auf eine reale Anzahl an Bischöfen zurückzuführen ist. Nach Joh 21,11 erschien Jesus seinen Jüngern, die am See Tiberias fischten und 153 große Fische fingen. Die Zahl 153 wurde u. a. von Augustinus als Zeichen des Heils sowie der Erwählung angesehen. Siehe hierzu Meyer / Suntrup, Lexikon der Mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, Sp. 814–816. 1338 Eine Abschrift des langen Konzilrundschreibens befindet sich nicht nur in einem Codex aus Valenciennes, sondern befand sich auch in einem Codex der Cotton Library, den Edward Brown für seine Quellensammlung Appendix ad Fasciculum, hier S. 554, verwendete. Entweder wurde der Satz unmittelbar verkürzt aus dieser Version übernommen oder, wie die Ähnlichkeit der beiden Textstellen vermuten lässt, nutzten Gervasius von Canterbury und der Chronist der Winchombe Chronik eine gemeinsame Quelle.
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sächlich an dem Treffen teilgenommen.1339 Weitere Kritik, wenn auch ohne Nennung konkreter Zahlen, kam zum anderen von Johannes von Salisbury, der beanstandete, dass auf der Unterzeichnerliste nicht nur Bischöfe und Mitglieder des Klerus standen, sondern auch Grafen aufgezählt würden.1340 Das Konzil von Pavia wurde von den englischen Chronisten als wichtiges Ereignis in den Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und Alexander III. wahrgenommen, ein Konzil, welches das Schisma ihrer Meinung nach verstärkte und widerrechtlich war. Mit den tatsächlichen Abläufen dort, wie die Wiedergabe der Zahl 153 zeigt, waren sie – bis auf Wilhelm von Newburgh – aber überwiegend eher wenig vertraut. Eine Begründung für das energische Handeln des deutschen Kaisers beim Ausbruch des Schismas – sei es als Verursacher oder als Unterstützer – und für seine Abneigung gegenüber Alexander III. findet sich nur in einer einzigen der analysierten englischen Quellen. Wilhelm von Newburgh gibt in seiner Historia rerum Anglicarum eine Erklärung für Friedrichs Auftreten, wobei er dennoch vage bleibt: der Kaiser handelt in seiner Darstellung aus altem Hass (veteri odio), aus persönlicher Feindschaft (privata simultate).1341 Eine Erläuterung, worin sich diese persönliche Ablehnung des einen Papstkandidaten begründete, findet sich hingegen nicht. Dass Friedrichs Hass gegenüber Alexander III. Allgemeinwissen in Europa war, wie John Freed vermutet, und die Chronisten daher dies als Grund für die Bevorzugung Viktors IV. nicht nannten, wäre möglich, erscheint aber zumindest für England angesichts der Quellenlage unwahrscheinlich.1342 Zwar berichtet der anonyme englische Augenzeuge, der den Friedensschluss 1177 in Venedig miterlebt hatte, in seiner De pace veneta relatio, dass Alexander, als er noch Kanzler Hadrians IV. war, als Gesandter nach Deutschland geschickt 1339 Zum Vorwurf des Abtes, siehe Madertoner, Die zwiespältige Papstwahl, S. 137f. In diesem Schreiben, siehe Brief Nr. 70, in: Admonter Briefsammlung, S. 125–127, berichtet er eigentlich über die Versammlung der Könige von England und Frankreich, die sich mit ihren Kirchen für Papst Alexander entschieden hatten. Fastrad betont, dass geschrieben worden sei, dass tatsächlich 153 Bischöfe in Pavia teilgenommen hatten, obwohl nur 44 vor Ort waren. Der Brief Fastrads beinhaltet auch die Möglichkeit, dass die Zahl 153 durch die Zisterzienser verbreitet wurde. 1340 Brief Johannes von Salisbury an Magister Ralph von Sarre, in: The Letters of John of Salisbury, Bd. 1, Nr. 123, S. 204–215, bes. S. 211–212. Johannes kritisiert hier außerdem, dass Rainald von Dassel als Erzbischof von Köln geführt wurde, was er ohne Weihe noch nicht sei. 1341 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, II, 9, S. 119–121: Poterat sane scissura illa cito resarciri; poterat multitudini paucitas cedere atque uniri, nisi Fredericus imperator, veteri odio Rollandi Alexandrum non ferens, partem Octoviani tuendam fovendamque modis omnibus suscepisset. […] Imperator enim ex privata simultate semel in reprobum sensum datus, et vel a ratione vinci indecorum imperatoriae reputans majestati, multo tempore distuli palmam dare perspicuae veritati. 1342 Freed, Frederick Barbarossa, S. 261.
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worden war und sich dort den Hass Friedrichs zugezogen habe, da er diesen ohne jede Ehrerbietung öffentlich gemaßregelt habe; daher sei Friedrich, als er in Kenntnis der Doppelwahl gelangte, empört gewesen und habe es abgelehnt, ihm Gehorsam zu versprechen.1343 Auch wenn dieser Bericht nicht alle Dimensionen des Friedensschlusses in Venedig umfasst und der Ablauf der Begegnung sich besser der Vita des Kardinal Bosos entnehmen lässt, so spiegelt nach Görich diese Darstellung aber das wider, was dem vermutlich zufällig anwesenden Engländer zur Erklärung des »Versöhnungsspektakels« erzählt wurde.1344 Zumindest zeigt dies aber, was die Zeitgenossen über die Ursachen für Friedrichs Verhalten dachten. Das Treffen aber der beiden Kontrahenten 1157 in Besanҫon war den englischen Chronisten nicht bekannt, Einträge hierzu lassen sich in den historiographischen Quellen nicht finden – auch der anonyme Augenzeuge konnte dieses Ereignis nicht richtig einordnen und stellte Friedrich I. als Grafen dar – aber die Nachwehen dieses Ereignisses wurden zumindest von Teilnehmern beim Friedensschluss in Venedig mit dem Schisma verknüpft, gelangten aber erst nach einer weiteren Reduzierung der Ereignisse und Bezüge zu Wilhelm von Newburgh. Obwohl Friedrich I. in manchen Quellen als Verursacher des Schismas angesehen wird bzw. gerade am Anfang des Schismas mit der Einberufung der Synode von Pavia als starke Triebkraft – auch wenn, wie dargestellt kaum Gründe für sein Verhalten genannt werden –, konzentrieren sich die Historiographen allerdings nicht nur auf die Person Barbarossas bei der Darstellung des Schismas. Der Kaiser wird nicht – wie dies beim Investiturstreit der Fall war – als alleiniger Akteur im Kirchenstreit wahrgenommen, sondern die Kanzler, die in der eng-
1343 Thomson, An English Eyewitness, S. 29: Rollandus sancte Romane ecclesie olim cancellarius a summo pontifice ad Alamanniam in legationem missus, ibi odium Frederici tunc comitis nobilissimi per increpationem quandam ab eo irreuerenter sibi publice illatam grauiter incurrit. Igitur post decessum imperatoris qui tunc temporis imperabat, ab omnibus electus est Fredericus atque propter morum honestatem ac earn quam maxime in armis gerebat animi probitatem imperator constitutus. Post non multum uero temporis decedente papa Romano, Rollandus qui et Alexander summum sacerdotium suscepit. Quod audiens imperator, ultra modum indignatus est eique obedientiam seu subiectionis reuerentiam exhibere recusauit. Thomson kann darlegen, dass der Autor dieses heute in einer Abschrift erhaltenen Berichts 1177 in Venedig Augenzeuge des Friedensschlusses war und nicht auf dem Bericht Bosos oder der Briefe Alexanders III. beruhte. Auch wenn Anlass und Ort bei dieser Szene nicht genannt werden, so handelt es sich hierbei um die Begegnung Friedrichs I. mit dem Kanzler Roland auf dem Reichstag zu Besanҫon 1157. 1344 Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 134. Nach Görich war für Friedrich I. der honor imperii durch das Verhalten des Kanzlers verletzt worden und belastete als schwere Hypothek alle Bemühungen um ein baldiges Ende des Schismas. Vgl. Görich, Friedrich Barbarossa, S. 322, S. 279, S. 394. Laudage, Alexander III., S. 13–24, verweist als Begründung für die persönliche Abneigung der beiden Kontrahenten v. a. auf die unterschiedlichen Charaktere und die unterschiedliche Herkunft.
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lischen Historiographie bis dahin keine Rolle gespielt hatten, werden nun zu entscheidenden Figuren in dieser Auseinandersetzung.1345
4.2.5 Die Wahrnehmung der Kanzler Für Robert von Torigni zeigt sich der göttliche Zorn über das Schisma dadurch, dass Rainald von Dassel, auf dessen Rat der Kaiser zu Schlechtem verleitet worden sei, in Italien mit vielen anderen habe sterben müssen.1346 Die Katastrophe des vierten Italienzugs, bei dem aufgrund einer Seuche ein Großteil des Heeres und zahlreiche Große starben, woraufhin Friedrich I. den Rückzug antreten musste, sah der Abt von Mont-Saint-Michel als Zeichen für den Irrtum des Kaisers und v. a. als Urteil über das Auftreten des Erzbischofs von Köln, dessen Person er in den Mittelpunkt stellt. Roger von Howden betrachtet Rainald als totius schismatis caput.1347 Gervasius von Canterbury bezeichnet Rainald von Dassel explizit als Schismatiker, als dieser anlässlich der Brautwerbung für
1345 Die größer werdende Bedeutung des Amtes für die Historiographen sieht man auch an den Ausführungen Ralphs von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 1, S. 308: Audierat namque quod Maguntinus archiepiscopus in Theutonica sub rege, quod Coloniensis archiepiscopus in Italia sub imperatore, nomen sibi vendicent archicancellarii. Nec promiscuis actibus aestimant turbari rerum officia, si gestant in dextera baculum pastoralem, et ad expediendas regni vel imperii necessitates et pacem ecclesiae procurandam propensius accinguntur, dummodo cancellarius curiae sinistro lateri sigillum allateret nunc regis, nunc imperatoris. Ralph verweist auf die Ämter der Kanzler für Italien und für Deutschland, trotz ihrer kirchlichen Stellung. Diese Doppelfunktion hatte Heinrich II. auch für Thomas Becket vorgesehen, was dieser aber ablehnte und den Siegelring des Kanzlers an den König zurücksandte, wie Ralph in den Zeilen zuvor erläuterte. 1346 Robert von Torigni, Weltchronik, S. 230f.: Circa Pentecosten, Fredericus imperator Alemannorum, missis exercitibus suis, multos Romanorum occidit, ipse ab eisdem similia recepturus. Circa mensem Julium per semetipsum Leoninam Romam obsedit et cepit, et quaedam juxta ecclesiam Beati Petri destruxit, scilicet porticum et alia nonnulla. Antipapam etiam Widonem de Creme Romam adduxit, et per manum ipsius uxorem suam in imperatricem fecit coronari. Subsecuta est e vestigio ultio divina. Nam Karolus, filius Corradi, qui ante Fredericum imperaverat, consobrinus ejus, mortuus est, et Rainaldus, archiepiscopus Coloniensis, cancellarius ejus, cujus consilio multa mala faciebat, et episcopus Leodicensis, et multi alii tam episcopi quam consules, similiter perierunt. Dicitur enim quod, crassante mortalitate, XXV. Milia hominum de exercitu suo mortui sunt. Longobardiae civitates, quae sunt numero XXV., Mediolanum reaedificant et ab imperatore deciscunt, praeter Papiam et Vercellas. 1347 Roger von Howden, Chronica, Bd.1, S. 253: Eodem anno Fredericus, Romanorum imperator, Romam venit, et Widonem de Crema, antipapam, schismaticum, vi et armata manu in sedem apostolicam intrusit. Quo recedente, statim pestis mortifera in populum ejus grassata est: et Reginaldus Coloniensis electus, totius schismatis caput; in Alpibus extinctus est: et ut ossa a carnibus disjungerentur, et Coloniae deferrentur, totus in aqua coctus est.
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Heinrich den Löwen nach London reist.1348 Aber nicht nur der Kölner Erzbischof stand im Zentrum der Aufmerksamkeit der Historiographen. Gervasius von Canterbury betont, wie der Kanzler – Christian I. von Mainz nennt er hier nicht beim Namen, allerdings verstarb Rainald von Dassel 1167 – aus Hass 1174 den Zugang zum Papst versperrt habe, indem er die Alpenübergänge abriegelte.1349 Ralph Niger und die Annalen von St. Osyth’s konzentrieren sich sogar auf Christian von Buch und bezeichnen ihn als intrusus bzw. superintrusus.1350 Nur bei Wilhelm von Newburgh und in der Winchcombe Chronik findet sich keine Bezugnahme auf die Kanzler. Besonders Rainald von Dassel hatte sich im Schisma kompromisslos gezeigt und die Wahl Paschalis II. vorangetrieben, was im Umfeld des Würzburger Hoftages, an dem auch Engländer teilnahmen, große Emotionen auslöste und das Schisma zementierte.1351 Bereits beim Hoftag von Besançon 1157 waren der Kanzler des Papstes und der Kanzler des Reiches aufeinandergestoßen. Dessen Position und Nähe zum Kaiser, dem er als liebster Freund galt, seine unversöhnliche Haltung blieben auch den Zeitgenossen nicht verborgen.1352 Besonders Johannes von Salisbury verfasste zahlreiche Briefe, in denen er sich gegen das caput schismatis wandte.1353 Vielen Gegnern galt Rainald von Dassel viel mehr 1348 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 204: Hoc anno venit in Angliam Coloniensis electus, qui et scismaticus, ut Matildem regis Anglorum filiam duci Saxonum peteret in uxorem. Petiit et obtinuit; et regina Alianor cum filia sua apud Dovoriam transfretavit. 1349 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 247: Praecluserat enim cancellarius imperatoris in odium papae Alexandri omnium cisalpinorum semitas, ade out vix per mare ad eum quisquam ex nostris valeret accedere. 1350 Radulfus Niger, Chronica I, S. 270f.: Accidit enim diebus Frederici, ut principes clerici, eius cancellarii, prerogativam probitatis habuerint in imperio, primo Rainaldus Coloniensis, secundo Christianus superintrusus Moguntinus, tertio Philippus Coloniensis, qui potentissimum ducem Henricum Bavuarie et Saxonie fere ad nihilum redegit cum adiutoriis suis. Annalen von St. Osyth’s, S.171: Imperator Frethericus schismaticus exercitum copiosum ad Romanam urbem usque perduxit. Sed ultione divina Reginaldo Coloniensi archiepiscopo, et Maguntino intruso, Leodicensi et Ratisponensi episcopis, qui fuerant imperatoris consiliarii, morte percussis, et exercitus multitudine non parva, imperator confusus abscessit. Auffällig ist, dass gerade die jüngeren Autoren, anders als Robert von Torigni oder Ralph von Diceto, nicht Rainald von Dassel, sondern Christian von Buch als die Hauptfigur im Schisma betrachten. Da der Kölner Erzbischof bereits 1167 starb, während Christian I. von Mainz noch nach dem Frieden von Venedig im Amt war, verschob sich vermutlich der Fokus für die Autoren, die ihre Texte erst nach 1177 verfassten. 1351 Kluger, Friedrich Barbarossa und sein Ratgeber, S. 9. Erneut veröffentlicht unter: Kluger, Friedrich Barbarossa und sein Ratgeber (2002), S. 26–40. Görich, Friedrich Barbarossa, S. 404. Rainald von Dassel trieb zwar die Wahl eines erneuten Gegenpapstes voran, allerdings konnte er dies nicht ohne Wissen und Zustimmung des Kaisers, wie früher häufig gemutmaßt wurde, durchsetzen. 1352 Görich, Friedrich Barbarossa, S. 271, S. 279. 1353 The Letters of John of Salisbury, Bd. 1, Nr. 123, S. 204–215. Bd. 2, Nr. 226, S. 396f., Nr. 250, S. 504–507.
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noch als Friedrich I. selbst als Antreiber des Schismas.1354 Die Diskussion um die Person Rainalds war den Historiographen durch ihre Quellen bekannt. Roger von Howden zitiert aus einem Brief Thomas Beckets, in dem dieser Rainald als den bekanntesten aller Schismatiker bezeichnet.1355 In der Epistola amici ad Alexandrum papam, dem Brief eines unbekannten Autors zu den Würzburger Eiden, der sich bei Gervasius von Canterbury und Ralph von Diceto findet, wird erzählt, dass Friedrich I. Barbarossa nach dem Tod Viktors III. eigentlich mit Alexander III. habe Frieden schließen wollen, aber der Kölner Erzbischof dies mit seinem Auftreten auf dem Würzburger Hoftag verhindert habe.1356 Christian von Mainz wurde, nachdem Konrad von Wittelsbach anlässlich der Würzburger Eide ins alexandrinische Lager übergewechselt und abgesetzt worden war, 1165 erneut – nach der Doppelwahl von 1160, bei der sich als Kandidat nicht hatte durchsetzen können – gewählt.1357 1162 war er bereits Reichskanzler und 1165 wiederum in der Nachfolge Rainalds Reichslegat für Italien geworden, wo er Barbarossas Herrschaft und das Papsttum Paschalis III., der sich seinem Schutz unterstellt hatte, durchsetzen wollte.1358 Nach dem Tod Rainalds von Dassel wurde er zur markanten Figur im Schisma, auch wenn vermutlich er aufgrund der diplomatischen und militärischen Fehlschläge den Kaiser zum Einlenken bewegen konnte und den Frieden von Venedig mit vorbereitete.1359 Dieser Wandel, sowie sein späteres Wirken als Erzbischof und Unterstützer Alexanders III. und von dessen Nachfolgern, wurden an dieser Stelle von den Historiographen nicht wahrgenommen, sodass auch ihre spätere Sicht – alle schrieben erst nach dem Frieden von Venedig – sich auf Christian I. von Mainz nicht änderte. Für diese blieb er der superintrusus, der dem rechtmäßigen Erzbischof sein Bistum wegnahm und den Weg zum rechtmäßigen Papst aus Hass versperrte. Die sonst in den englischen Quellen auf den Kaiser beschränkte Wahrnehmung von Personen im Reich – abgesehen von Heinrich dem Löwen als Schwiegersohn des englischen Königs – ist hier um die Erzbischöfe von Köln und 1354 Kluger, Friedrich Barbarossa und sein Ratgeber, S. 21. 1355 Roger von Howden, Chronica, Brief Thomas Beckets an das englische Episkopat, S. 237– 240, hier S. 238f.: Denuncians etiam excommunicatum, et excommunicavimus ex nomine Johannem de Oxeneford, qui in haeresim damnatam incidit, praestando juramentum schismaticis; per quem schisma jam fere emortuum in alemannia revixit; communicando etiam nominatissimo illi schismatico Reginaldo Coloniens: et quia contra mandatum domini papae; et nostrum, Salesberiensis ecclesiae decanatum sibi usurpavit. 1356 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 205–207. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 331. Ralph von Diceto fasst den Brief allerdings zusammen. 1357 Kretschmann, Die Nähe in der Ferne, S. 242f. Schöntag, Untersuchungen zur Geschichte des Erzbistums Mainz, S. 240. 1358 Schöntag, Untersuchungen zur Geschichte des Erzbistums Mainz, S. 239. 1359 Hägermann, Art. Christian I. von Buch, Erzbischof von Mainz, Sp. 1910–1912.
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Mainz erhöht und spiegelt deren Bedeutung als Reichskanzler, enge Weggefährten Friedrichs I. und Anhänger und Unterstützer der Gegenpäpste wider. Während im Investiturstreit Heinrich IV. und Heinrich V. im Zentrum der Wahrnehmung und damit auch in der Ablehnung der englischen Historiographen standen, verschob sich durch die Bedeutung der beiden Personen für das Reich der Fokus. Dabei wurden die Chronisten auch durch die Briefe, u. a. von Thomas Becket, aber auch durch den anonymen Briefeschreiber in ihrer Sicht beeinflusst. Für die Anhänger Beckets war besonders der Kölner Erzbischof das caput schismatis im Reich – nicht der Kaiser. Nicht dieser, trotz des Konzils von Pavia, wurde als maßgeblicher Unterstützer der Gegenpäpste im Laufe des Schismas angesehen, sondern die Reichskanzler.
4.2.6 Die Rolle Heinrichs II. und die Würzburger Eide Während die Chronisten das Verhalten des Kaisers und seiner Kanzler kritisieren, betonen sie das stets loyale Verhalten Heinrichs II. gegenüber Alexander III. Dabei nehmen sie das Handeln des englischen Königs, was die Anerkennung und die frühen Jahre betraf, nicht alleine wahr, sondern zusammen mit dem französischen König. Während sich zur Doppelwahl keine unmittelbare Beteiligung der beiden Könige in den historiographischen Quellen findet, erfolgt die Reaktion auf das Konzil von Pavia 1160. Sowohl Ralph von Diceto, wie Gervasius von Canterbury als auch die Winchcombe Chronik berichten hiervon und sprechen explizit Barbarossas Versuch an, den englischen und französischen König mit Briefen und Boten zu überzeugen.1360 Heinrich II. und Ludwig VII. hätten sich hiervon aber nicht beeindrucken lassen, wie die Historiographen betonen, und sich an Alexanders III. Seite gestellt. Die ausführlichste Darstellung des Konzils von Pavia und des englischen und französischen Konzils findet sich, wie bereits dargestellt, bei Wilhelm von Newburgh, der betont, wie offen und fair dieses Konzil im Vergleich zu dem von Pavia gestaltet gewesen sei. Der Gang ins französische Exil bot den Historiographen die Möglichkeit, die Unterstützung des rechtmäßigen Papstes erneut hervorzuheben. Roger von Howden berichtet vom 1360 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 303: A rege Franciae et a rege Angliae in Alexandrum papam consensum est. Imperator vero Alemanniae cum clero suo recepit Octovianum, et missis ad reges Francorum et Anglorum nuntiis, ut eundem papam reciperent petiit, nec impetravit. Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 167: Romanorum imperator Fredericus in Papiensi concilio CLIII. Episcoporum Octoviani scisma favore suo et auctoritate roboravit. De cujus susceptione regi Franciae Lodovico, et Henrico regi Anglorum, spectabiles legatos cum litteris suis misit. Sed reges praedicti parti et obedientiae catholici papae cesserunt Alexandri. Winchcombe Chronik, S. 530: Romanorum imperator Fridericus in Papiniensi concilio cliii episcoporum Octouiani scisma fauore suo roborauit. Ludouicus rex Francorum et H. rex Anglorum partibus Alexandri pape cesserunt.
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ehrenvollen Empfang des Papstes durch die beiden Könige.1361 Robert von Torigni steigert dieses Verhalten, indem er darstellt, dass englische und französische König dem Papst den Stratordienst geleistet hätten – eine deutliche Spitze gegen Friedrich I., der sich 1155 in Sutri geweigert hatte, diesen Dienst Hadrian IV. zu leisten, und gleichzeitig eine Aufwertung des englischen Königs, der nun anstatt des Kaisers, dem dies sonst meist vorbehalten war, diese Funktion ausübte.1362 Mit dem Konzil von Tours 1163 und dem im Anschluss ausbrechenden Becket-Konflikt stand für die englischen Chronisten das Schisma nicht mehr im Vordergrund. Der englische König hatte Alexander III. mit dem Konzil von London anerkannt und seine Parteinahme 1162 öffentlich gezeigt – eine Parteinahme, die die Chronisten auch im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Heinrich II. und dem Erzbischof von Canterbury nicht anzweifeln. Allerdings standen die Historiographen vor der Herausforderung, während sie Friedrich I. und die Reichskanzler für ihr Verhalten Alexander III. gegenüber verurteilten und die frühe Loyalität des englischen Königs betonten, dass mit Heinrich dem Löwen ein Unterstützer des schismatischen Kaisers die Tochter des papsttreuen, englischen Königs heiratete. Während Gervasius von Canterbury Rainald von Dassel explizit als Schismatiker bezeichnet, bringt er den sächsischen Herzog bei seinen Erläuterungen zum Besuch des Kanzlers und Heinrichs in England anlässlich der Brautwerbung nicht mit dem Schisma in Verbindung. Diese Trennung in der Darstellung der Personen zeigt sich noch einmal stärker bei Ralph von Diceto, der berichtet, dass Robert de Beaumont, zweiter Graf von Leicester, Chief Justiciar des Königs, sich geweigert habe, den Kanzler des Kaisers zu treffen und dass die Altäre nach Rainalds von Dassel Englandreise zerstört
1361 Roger von Howden, Chronica, S. 219: Eodem anno Alexander papa venit in Galliam expulsus a sede sua per Fredericum Romanorum imperatorem. Quem Alexandrum Lodoveus rex Francorum et Henricus rex Anglorum honorifice susceperunt, et pro papa catholico habuerunt. 1362 Robert von Torigni, Weltchronik, S. 215: Exinde, parvo spatio temporis interjecto, Ludovicus rex Francorum et Henricus rex Anglorum super Ligerim apud Cociacum convenientes. Alexandrum papam Romanum honore congruo susceperunt, et usi officio stratoris, pedites dextra laevaque frenum equi ipsius tenentes, eum usque ad praeparatum papilionem perduxerunt. Quo mediante, Deo favente, pax inter eos firma restituta est. Auf die Ausübung des officium stratoris durch den englischen König verweist nur Robert von Torigni. Vermutlich war diesem durch seine kontinentalen Beziehungen die Bedeutung deutlicher bewusst als den in England lebenden Chronisten. Allerdings leistete Heinrich II. auch Thomas Becket 1170 in Fréteval diesen Dienst, als Zeichen der Anerkennung des Erzbischofs. Siehe Vincent, Beyond Becket, S. 267. Gegen frühere lehnsrechtliche Interpretationen des Stratordienstes, der Teil des Marschalldienstes war, wendet sich Deutinger, Sutri 1155, S. 97–133. Vielmehr sei er Teil des Anerkennungszeremoniells des Papstes gewesen, dem sich auch andere Könige unterworfen hätten. In Sutri 1155 hatte dieses Ritual zu Verwerfungen zwischen Hadrian IV. und Friedrich I. geführt. Vgl. Görich, Friedrich Barbarossa, S. 241–246.
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worden seien, da mit ihm ein Schismatiker dort die Messe gelesen hatte.1363 Die Kritik richtet sich dabei gegen den Erzbischof und nicht gegen den sächsischen Herzog, der im Zuge dieser Reise ebenfalls erwähnt wird. Robert von Torigni, obwohl er sonst keine Gelegenheit verstreichen lässt, den Kaiser und dessen Umfeld für das Schisma zu verurteilen, stellt keine Verknüpfung zwischen dem Herzog und dem Schisma her.1364 Vielmehr betont er Heinrichs einzigartige Herkunft und lobt ihn für seine Frömmigkeit.1365 Weder bei Robert von Torigni und bei Gervasius von Canterbury noch bei anderen Historiographen findet sich eine Bezugnahme auf Heinrich den Löwen im Schisma. Trotz seiner herausgehobenen Position und seiner Nähe zum Kaiser war er durch seine Verbindung zu Heinrich II. vor Verurteilungen geschützt, da die Chronisten sonst den englischen König angegriffen hätten. Auf die Wahrnehmung bzw. Nicht-Wahrnehmung des englischen Anteils an den Würzburger Eiden in deutschen historiographischen Quellen wurde bereits in Kapitel 3.2.3 verwiesen. Im englischen Raum finden sich hingegen Reaktionen auf die Eide der Gesandten sowohl in Briefen als auch in historiographischen Quellen. Das Rundschreiben Friedrichs I., der anonyme Brief an Papst Alexander, wie auch die Reaktionen – hervorgerufen durch diese Schreiben oder auch auf mündliche Diskussionen – finden sich in mehreren Abschriften in englischen Handschriften und u. a. in der Briefsammlung Thomas Beckets oder Gilbert Foliots.1366 Mit dem Rundbrief verkündete Friedrich, dass er in eigener Person 1363 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 318: Rege morante apud Westmustier, Reginaldus Coloniensis archiepiscopus venit in Angliam, accepturus uxorem Henrico duci Saxoniae Matildem primogenitam filiam regis. Cui cum magnates regni sollenniter occurrissent, Robertus comes Legecestriae justiciarius regis illum archischismaticum in osculum non recepit. Eversa sunt passim altaria super quae Missam illi celebrarunt scismatici. Diese beiden Episoden finden sich nicht bei Robert von Torigni, da dies sonst ein schlechtes Licht auf Heinrich II. und die Verbindung von dessen Tochter zu Heinrich dem Löwen geworfen hätte. 1364 Robert von Torigni, Chronica, S. 224: Venerunt similiter ad eum legati Frederici, imperatoris Alemannorum, Rainaldus scilicet, archiepiscopus Coloniensis, cancellarius ipsius, et multi alii magni potentatus viri, requirentes eum ex parte imperatoris, ut daret unam filiarum suarum Henrico, duci Baioariae, et aliam filio suo, licet adhuc puerulo. 1365 Robert von Torigni, Chronica, S. 234: Mathildis, filia regis Henrici, cum infinita pecunis et appartu maximo ducta est in Alemanniam ad sponsum suum Henricum, ducem Sausoniae et Baioariae; quorum ducatuum unum habebat ex patre suo, alterum ex matre. Pater ipsius fuit Henricus dux, qui fuit natus ex filia Lotharii imperatoris, qui ante Corradum imperaverat. Hic Henricus, scilicet junior, qui filiam regis Anglorum duxit, super Paganos, scilicet Sclavos et Vindelicos, tantum acquisivit, quod fecit ibi tres episcopatus. Ebenso, S. 253: Henricus, dux Saxonum et Baiaorum, gener Henrici regis Anglorum, perrexit Jerusalem cum magno comitatu militum, et magna ibi incepisset, et forsitan incepta perfecisset, nisi rex et Templarii obstitissent. Thesauros tamen, quos secum portaverat, larga manu distribuit pauperibus et ecclesiis Sanctae Terrae. 1366 Zur Verbreitung des Rundschreiben Friedrichs siehe MGH DD F I. Nr. 480, S. 395; Laudage, Alexander III., S. 164 Anm. 70, und. MGH Const. 1, Nr. 223–226, S. 314–321. Häufig
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geschworen habe, Roland nie anzuerkennen, ebenso beeideten dies die geistlichen wie auch die weltlichen Fürsten.1367 Im Zusammenhang mit diesen Eiden wird in dem Brief von englischen Gesandten berichtet. Rainald von Dassel war zusammen mit Heinrich dem Löwen 1164/1165 nach Rouen und im Anschluss nach Westminster gereist, wo es zu den Eheabsprachen mit dem sächsischen Herzog und Friedrich, dem früh verstorbenen Sohn des Kaisers, kam.1368 Unmittelbar danach reiste der Kölner Erzbischof mit Richard von Ilchester und Johannes von Oxford nach Würzburg, wo sie – laut dem Rundschreiben – schworen, Paschalis als rechtmäßigen Papst anzuerkennen und Alexander als Schismatiker zu verurteilen.1369 Eine weitere Quelle für geleistete Eide englischer
wurde das Rundschreiben Friedrichs mit dem anonymen Brief zusammen überliefert. Vgl. Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 163, Anm. 57. F. und S. 165 Anm. 67. Hiervon finden sich fünf Abschriften der längeren und vier der kürzeren Fassung in Becket-Briefsammlungen und eine Abschrift der längeren Fassung ist in der Foliot-Sammlung überliefert. Für die Reaktionen siehe MTB V, Nr. 101, S. 194f., oder den Brief Johanns von Salisbury an Johann von Canterbury, in: Letters of John of Salisbury, Bd. 2, Nr. 177, S. 178–185. 1367 MGH DD F I. Nr. 480, S. 396f.: Invocata igitur devotissime spiritus sancti gratia et universorum, qui aderant, consilio altius communicato ad removendam pro parte nostra omnem prorsus ambiguitatem ipsi nos manu propria super sanctorum reliquias iuramentum publice prestitimus, quod Rolandum scismaticum vel eius successorem, quem pars ipsius elegerit, in papam numquam recipiemus nec ad eum recipiendum assensum umquam alicui prebebimus. […] Idem quoque iuramentum archiepiscopi omnes et episcopi atque electi […] prestiterunt et publice firmaverunt. Nichilominus principes seculares universi […] publice id ipsum iuraverunt. Der Rundbrief Friedrichs ist in vier verschiedenen Versionen überliefert. In der Regel wird MGH DD F I. Nr. 480, S. 395–397 zitiert, der Rundbrief als Brief an Graf Heinrich von Troyes, der aufgrund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen von Friedrich I. im Schisma besonders umworben wurde. Daneben gab es ein Schreiben, das sich allgemein an die geistlichen und weltlichen Großen des Reiches richtete (MGH DD F I. Nr. 481, S. 398f.), ein Schreiben an das Domkapitel von Passau (MGH DD F I. Nr. 482, s. 400f.) und ein Brief an den Abt von Stablo (MGH DD F I. Nr 483, S. 401f.). Zwar gibt es große Überschneidungen, allerdings ist der Brief an Graf Heinrich die umfangreichste Fassung. Auch findet sich hierzu die breiteste Überlieferungsgrundlage. Johann von Salisbury äußert sich auch zu dieser Version und fügt hinzu, dass er diesen Brief an Thomas Becket weitergeleitet habe, siehe Letters of John of Salisbury, Bd. 2, Nr. 177, S. 182: Illa tamen expressio, qua sibi et haeredibus suis contra omnes mortales caueri uult, quanti sit apud eum, ex litteris Teutonici tiranni, quas misit ad comitem Henricum et quas uobis transmisissem nisi quia michi elapsae sunt domino Cantuariensi transmissae, perspicuum est. 1368 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bd. 2: 1100–1205, hg. von Knipping, Regesten Nr. 814, S. 135f. zur Reise siehe auch u. a. Laudage, Alexander III., S. 155f. 1369 MGH DD F I. Nr. 480, S. 397: Ad hec honorabiles legati illustris amici nostri Henrici gloriosi Anglorum regis ad nos ab ipso transmissi in totius curie nostre presentia super sanctorum reliquias ex parte regis Anglie publice nobis iuraverunt, quod rex ipse cum toto regno suo in parte nostra fideliter stabit, dominum papam Pascalem, quem nos tenemus, nobiscum semper tenebit, de Rolando autem scismatico manutenendo nullatenus de cetero se intromittet. Die Namen der beiden Gesandten sind zwar nicht in diesem Rundschreiben genannt, aber z. B. in dem bei Roger von Howden, Chronica, Bd. 1, S. 237–240 (= Duggan, The
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Gesandter ist die sogenannte Epistola amici ad Alexandrum papam, ein in zwei unterschiedlichen Fassungen vorliegendes Dokument, das den Würzburger Hoftag aus der Sicht eines Alexandriners beschreibt.1370 Während die längere Version, trotz fehlender Inscriptio, als ein Brief an Papst Alexander konzipiert ist, stellt die kürzere Variante eher eine Art Protokollaufzeichnung dar.1371 Dabei weist Laudage auf die größere Plausibilität in der Darstellung der Protokollaufzeichnung hin, wobei er vermutet, dass die kurze Version im Stil synodaler Gesta wahrscheinlich als Augenzeugenbericht aus der Feder eines Deutschen stammte, während die lange Version wohl den Rundbrief Barbarossas als Basis hatte.1372 In diesem Brief berichtet ein anonymer Anhänger Papst Alexanders, dass Friedrich Barbarossa zu einem Hoftag eingeladen habe, um über einen möglichen Frieden mit Alexander III. zu beraten. Rainald von Dassel – hier abwertend Reginaldus dictus Coloniensis genannt – habe sich gegen diese Friedensbemühungen gewandt, obwohl sich bereits zahlreiche Bischöfe Alexander angeschlossen hätten, und mitgeteilt, er könne 50 Bischöfe, die bereit seien, Paschalis anzuerkennen, als neue Unterstützer in das kaiserliche Lager bringen. Dafür müsse nur Friedrich selbst Alexander unter Eid absagen. Zur Bestätigung habe er zwei englische Gesandte dabei, die bereit seien, anstelle ihres Königs das zu schwören, was der Kaiser selbst schwöre.1373 Die deutschen Bischöfe, überwiegend auf der Seite Alexanders stehend, hätten unter Wehklagen und mit dem Angebot auf ihre Regalien zu verzichten versucht, den Eid zu umgehen – hierbei wird Rainald von Dassel sogar beschuldigt, ein falsches Spiel zu treiben, während er sich zugleich zum Priester und Bischof habe weihen lassen – aber letztlich habe ein Teil der Bischöfe diesen Eid geleistet.1374 Während Hanna Vollrath, wie bereits dargestellt,
1370 1371 1372 1373
1374
correspondence, Bd. 1, Nr. 78, S. 313–317), aufgeführten Brief Thomas Beckets wird Johannes von Oxfords Beteiligung angesprochen. Die Bezeichnung dieses Briefes ist nicht original, sondern entstand nachträglich. Siehe Laudage, Alexander III., S. 160 Anm. 48. Für die lange Version / Briefversion siehe MTB V, Nr. 98, S. 184–188, für die kurze Version / Protokollaufzeichnung siehe MTB V, Nr. 99, S. 188–191. Laudage, Alexander III., S. 162–164. MTB V, Nr. 98, S. 185: »Plures«, inquit, »quam nos sumus ad obedientiam apostolici nostri conquisivi,« quos ei rex Anglorum, numero quinquaginta et plures, juxta domini imperatoris beneplacitum exhibebit. Cum igitur ei talia promittenti, et ad certitudinem hujus rei duos nuntios praedicti regis praesentialiter exhibenti, de prosequendo ejus consilio suum imperator polliceretur assensum, in audientia cunctorum principum hujusmodi consilium imperatori formavit; quod ipse videlicet imperator in conspectu totius curiae propria manu juraret, quod nullo unquam totius vitae suae tempore vos, vel aliquem qui ex parte vestra sit, in pontificem romanum recipiet, sed devotioni papae sui Paschalis inconcusse semper et inseparabiliter adhaereret; […] Exhibuit etiam praedictos nuntios regis Angliae, qui in persona regis publice coram omnibus juraverunt quod, quidquid imperator super hoc se servaturum juraverit, ispe quoque tenebit firmiter et servabit. Zur Priester- und Bischofsweihe Rainalds siehe Knipping, Regesten Nr. 818, S. 138, und Nr. 811, S. 138.
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beweisen konnte, dass die englischen Gesandten in Würzburg auf einen Beistandspakt schworen, Friedrich I. daraus aber eine aktive Unterstützung seiner Politik machte und somit die Vermutung, dass Heinrich II. aufgrund des Konflikts mit Thomas Becket die Obödienz wechseln wollte und die Eheabsprachen die Basis für ein gegen Alexander gerichtetes neues Bündnis waren, widerlegen konnte, bleibt der anonyme Brief unbestimmt.1375 Vollrath sieht einen »Intimfeind Rainalds von Dassel« am Werk.1376 Ebenso wie Laudage weist sie darauf hin, dass der anonyme Brief den Kölner Erzbischof als arrogant darstellt, der die Zusage der englischen Gesandten ad magnificandum seipsum einbrachte, die Friedenspläne vernichtete, obwohl ein großer Anteil der Bischöfe für Alexander war, und vom Kaiser sogar angegangen und des Verrats bezichtigt wurde. Damit war die Schuld an den Würzburger Eiden auf Rainald von Dassel abgewälzt.1377 Wer der Autor dieses Schreibens war – außer einem Gegner des Erzbischofs – können weder Laudage noch Vollrath beantworten. Vollrath vermutet, dass das Schreiben eher dem deutschen Episkopat zuzuordnen sei, als dass ein Anhänger Beckets oder sogar Thomas Becket selbst dahinterstünde. Zu sehr sei Rainald in den Vordergrund gerückt, während Heinrich II. als Negativfigur viel deutlicher hätte herausgearbeitet werden können. Auch sei mit 50 die Zahl der englischen Bischöfe übertrieben, da es in England keine 50 Bischöfe gab und ein englischer Briefeschreiber dies gewusst hätte.1378 Vollrath nennt Erzbischof Konrad von Mainz, der aus Würzburg floh, Alexandriner war und auch mit Thomas Becket bekannt war, als möglichen Autoren, eine bereits 1850 von Julius von Ficker geäußerte Vermutung, der Laudage widersprach.1379 Sowohl das Rundschreiben Barbarossas als auch der anonyme Brief und die Protokollaufzeichnung lösten eine Debatte unter den Anhängern Heinrichs II. und des Erzbischofs von Canterbury aus. Eide englischer Gesandter zum Entsagen der alexandrinischen Partei und Treue gegenüber Paschalis III. hätten eine 180-Grad-Wende für die seit Sommer 1160 von Heinrich II. betriebene Politik gegenüber Alexander III. bedeutet. Mit als erster – bevor noch die beiden Ge1375 1376 1377 1378
Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 170f. Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 164. Siehe Laudage, Alexander III., S. 164. Laudage, Alexander III., S. 164. Jüngst wurden Vollraths Erwägungen von Duggan, Alexander ille meus, S. 30, bes. Anm. 88, kritisiert, aber nicht eindeutig widerlegt. Duggan hält es durchaus für möglich, dass Heinrich II. doppeltes Spiel spielte und seine Pläne auch wieder änderte. Vollraths Argument, dass es keine 50 englischen Bischöfe gab, die Heinrich als Verhandlungsmasse mit hätte einbringen können, hält sie nicht für stichhaltig, da es in England und Wales 21 Bischofssitze gab und in Heinrichs kontinentalen Besitzungen 27. 1379 von Ficker, Reinald von Dassel, S. 132f. Laudage, Alexander III., S. 160, Anm. 49, findet die Argumentation, dass die fehlenden Informationen zum Mainzer Erzbischof auf ihn als Autoren verweisen würden, ebenso wie ein Brief des Papstes, der für nähere Informationen zu Würzburg auf den Erzbischof hinweist.
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sandten zurückgekehrt waren, Erzbischof Rotrou von Rouen versprach bei deren Rückkehr Genaueres in Erfahrung zu bringen – reagierte der Erzbischof von Rouen in einem Schreiben an Kardinal Heinrich von Pisa.1380 Er sicherte zu, dass die Gesandte keinen Eid geleistet hätten, Anhänger des Gegenpapstes zu werden und sich von Alexander III. abzuwenden, und die Eheverträge weder gegen den Papst noch Frankreich gerichtet seien.1381 Heinrichs Mutter Mathilda, aber auch er selbst hätten Heinrich aufgefordert, dies noch einmal deutlich herauszustellen. Der englische König erläuterte in einem Brief an alexandrinische Kardinäle, dass, was auch immer sie von Papst Alexander III. gehört hätten, er fest an der Seite des Papstes stehe. Außerdem habe er nicht vom Papst vernommen, dass dieser Friedrich als exkommuniziert ansehe, noch dass er ihn exkommuniziert habe. Daher habe er auch bei den Eheverträgen nicht geglaubt, etwas Unrechtes zu tun – Grill konnte allerdings aufzeigen, dass Heinrich II. doch Kenntnis dieser Vorgänge besaß.1382 Ebenso zeitnah zu den Ereignissen ist der Brief des Johannes von Salisbury an Bischof Johannes von Poitiers, in dem der erstere aufzeigt, dass ein allgemeiner Bündnisvertrag geschlossen worden sei, den Friedrich allerdings
1380 MTB I, Nr. 101, S. 194f. Vgl. Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 168. 1381 MTB I, Nr. 101, S. 194: Pro domino rege Anglorum omnem exhibemus securitatem, quod imperatori nec per se nec per nuntios juramentum praestitit aut promissionem quod schismatico adhaerere velit, ecclesiam relicturus; immo certi sumus, quod in illis qualibuscumque de matrimonio pactionibus, licet Theutonici super hoc laborarent per triduum, nihil unquam concedere voluit, nisi praeseunte in omnibus fidelitate domini papae, et ecclesiae, et regis Franciae. 1382 MTB VI, Nr. 255, S. 78–81: Super his quae dominus papa vobis significavit, scilicet quod ab amore et devotione Romanae ecclesiae mentem et animum averteramus, in primis respndemus, quod prudentia vestra plenissime cognovit, quam sincero affectu ecclesiam Romanam et personam domini papae semper dilexerimus, et quanta pro eo fecerimus et sustinuerimus. […] Quod vero confoederationis factae cum excommunicatis nos arguit, in hoc non aestimamus nos Deum offendisse, nec obviasse rationi; quia, sicut ex ore domini papae accepimus, ipsum dominum Fredericum, Romanum imperatorem, nunquam pro excommunicao habuit, nec postea ipsum excommunicatum fuisse alicujus relatione cognovimus. Verum etsi filiam nostram filio imperatoris in matrimonio concesserimus, nec in minimo nos deliquisse credmus, sed id nobis licitum esse non dubitamus; quoniam (ut a simili sumamus exempla) idem excellentissimo et potentissimo regi Henrico av nostro licuisse recolimus, qui filiam suam Henrico bonae memoriae Romano imperatori matrimonio copulaverit. Einen ähnlichen Hinweis zum Unwissen bzw. Unverständnis der Exkommunikation findet sich in einem Brief Gilbert Foliots an Papst Alexander aus dem Jahr 1166 in der Chronica Rogers von Howden, Bd. 1, S. 244–248, hier S. 246: Imperator illum, et si schismaticum noverit, a vobis tamen excommunicatum esse usque hodie non rescivit. Quod si denunciatione vestra rescierit, si foedus illictum cum ipso aut aliquot alio quolibet iniit, et hoc, ecclesiae regni sui judicio simul et consilio, se correcturum promittit. Friedrich I. war bereits 1160 im Zuge der Synode von Pavia von Alexander III. exkommuniziert worden. Grill, Zur Geschichte der Würzburger Eide, S. 15, verweist auf einen Brief Beckets an Papst Alexander, in dem dieser bestätigt, dass Heinrich II. von diesen Angelegenheiten wusste. Vgl. MTB VI, Nr. 246, S. 47–51, hier S. 49.
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nach seiner Art interpretiert habe.1383 Diese Briefe zeigen, dass die Gerüchteküche im angevinischen Episkopat unter den Anhängern Beckets, aber auch in Rom in Reaktion auf die Ereignisse in Würzburg und die versandten Briefe Barbarossas und des anonymen Briefeschreibers kochte und Heinrich II. gezwungen war, zu den Heiratsverträgen und dem Aufenthalt seiner Gesandten im Reich Stellung zu beziehen. Dabei bildeten die Eide mit einen Grund für die 1166 durch Becket vorgenommene Exkommunikation des Johannes von Oxford und Richards von Ilchester.1384 In drei der analysierten historiographischen Quellen finden sich Einträge zu den Eiden. Zwei Hinweise auf die in Würzburg geleisteten Eide finden sich in der nach 1192 entstandenen Chronica des Rogers von Howden. Roger fügte in seine Chronik zahlreiche Briefe Beckets und Papstbriefe für seine Darstellung des Thomas-Becket-Konfliktes ein. Daher befindet sich auch in seiner Chronica zum Jahr 1165 ein Brief des Erzbischofs von Canterbury an seine Suffragane, in dem dieser darlegt, dass er Johannes von Oxford exkommuniziert habe, da dieser den Schismatikern einen Eid geschworen habe, durch den das schon fast erloschene Schisma in Deutschland wiederbelebt worden sei, und, weil dieser mit dem bekanntesten aller Schismatiker, Rainald von Köln, Umgang gehabt habe.1385 Thomas Becket nennt hier nicht explizit den Würzburger Hoftag, auch nicht was geschworen wurde und auch nicht, dass dies auf Anweisung Heinrichs II. geschah, sondern nur, dass damit das Schisma im Reich neue Energie erhielt. Damit bezog sich Becket auf die Darstellung des anonymen Papstbriefes, in dem ausgeführt wird, dass es eigentlich sehr viele Gegner des Schismas im Reich gegeben habe. Hier wäre zu vermuten, dass der Erzbischof davon ausging, dass seine Suffragane über diese Angelegenheiten informiert waren, und somit keine ausführliche Darstellung einfügte. In einem Brief an Papst Alexander wiederholte er die Begründung der Exkommunikation mit dem Hinweis auf den Umgang mit den Schismatikern, führt aber nicht an, dass sich dadurch das Schisma verlängert 1383 Brief Johannes von Salisbury, Letters, Bd. 2, Nr. 177, S. 182–185. Vgl. Vollrath, Lüge oder Fälschung?, S. 169. 1384 Baldwin, Alexander III, S. 104. Warren, Henry II, S. 493f. Zur Person des Johannes von Oxford siehe Harper-Bill, John of Oxford, S. 86–88. Siehe den Brief Thomas Beckets an die Bischöfe in der Provinz Canterbury, in dem er die Exkommunikationen bekannt gibt, MTB V, Nr. 195, S. 386–388 (= Duggan, The Correspondence, Bd. 1, Nr. 78, vom 12. Juni 1166 aus Vézelay, S. 313–317). Bereits am 08. Juni 1166 hatte Alexander III. diese Exkommunikationen bestätigt. Siehe Duggan, The Correspondence, Bd. 1, Nr. 75, S. 300f. Ein weiterer Grund war die Ernennung zum Diakon von Salisbury. 1385 Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1165, S. 237–240, hier S. 238f.: Denunciamus etiam excommunicatum, et excommunicavimus es nomine Johannem de Oxenford, qui in haeresim damnatam iudicit, praestando juramentum schismaticis; per quem schisma jam fere emortuum in Alemannia revixit; communicando etiam nominatissimo illi schismatico Reginaldo Coloniensi; et quia contra mandatum domini papae, et nostrum, Salesberiensis ecclesiae decanatum sibi usurpavit.
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habe, sondern dass es einen Vertrag zwischen dem englischen König und den deutschen Schismatikern (schismaticis et Teutonicis illis) zum Verderben der Kirche gegeben habe.1386 Die Deutlichkeit in der Sprache Beckets nahm bei diesem Brief sogar noch zu. Welche Bedeutung Roger von Howden aber der deutschenglischen Verbindung zumaß, bleibt unklar. Weitere Erläuterungen bietet er an dieser Stelle zu diesem Konflikt nicht. Die Würzburger Eide, die nur einen Teil der Briefe darstellen, standen für Roger von Howden nicht im Mittelpunkt – für sich alleinstehend behandelt er sie nicht und auch im Umfeld der Hochzeit von Mathilda mit Heinrich dem Löwen verweist er nicht auf die Reise Rainalds von Dassel nach Rouen und Westminster. Vielmehr stellt er den Konflikt zwischen Thomas Becket und Heinrich II. dar, die Maßnahmen Beckets nach seiner Ernennung zum päpstlichen Legaten für England mit den Exkommunikationen von Vézelay 1166 – erst ein Jahr nach den Würzburger Eiden erfolgend, da er erst im Mai 1166 dazu ernannt wurde – mit der darauf folgenden Synode von London und erhöhten Kommunikation zwischen Thomas Becket, dem angevinischen Episkopat und Heinrich II. und Papst Alexander.1387 Die Bezüge auf die Eide der Gesandten sind dabei nur ein Bestandteil der Briefe, die diesen Konflikt widerspiegeln. Explizit auf die Ereignisse in Würzburg geht hingegen Ralph von Diceto in den Ymagines historiarum ein, in dem er die sogenannte Protokollversion in einer gekürzten Fassung einfügt, wobei er als Quelle ein an Papst Alexander gerichtetes Schreiben angibt.1388 Dabei orientiert sich Ralphs Version weitgehend an der Protokollversion, nimmt aber einige Veränderungen vor. Ralph verweist am Anfang ebenfalls auf Friedrichs ursprünglichen Plan, Frieden zwischen ihm und Papst Alexander zu schließen, wobei er das nos et ipsum in ein vos et eum 1386 Roger von Howden, Chronica, zum Jahr 1166, S. 253–255, hier S. 254f.: Nominatim autem excommunicavi Johannem de Oxeneforde, qui communicavit schismatico et excommunicato illi Reginaldo Coloniensi; quique, contra mandatum domini papae et nostrum, usurpavit sibi decanatum Salesbiriensis ecclesiae, et in curia imperatoris pro schismate renovando, praestitit juramentum. Similiter et Ricardum de Yvecestre denunciavimus et excommunicavimus, eo quod inciderit in eandem haeresim damnatam, communicando famosissimo schismatico illi Coloniensi, machinando et fabricando omnia mala cum schismaticis et Teutonicis illis, in perniciam ecclesiae Dei, maxime ecclesiae Romanae, ex pactis contractis inter regem Angliae et ipsos; et Ricardum de Luci et Jocelinum de Balliol, qui regiae tyrannidis fautores et haereticarum illarum pravitatum fabricatores exstiterunt. […]. In einem weiteren Brief, S. 256–262, an Gilbert Foliot verteidigt Thomas Becket erneut die Exkommunikation Johannes von Oxford, greift dabei aber nicht mehr den Umgang mit den Schismatikern auf, sondern nur dessen Amt als Diakon. 1387 Barlow, Thomas Becket, S. 147–150. Zur Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Exkommunikationen siehe Helmholz, Excommunication in Twelfth Century England, S. 242f. 1388 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 1, zum Jahr 1168, S. 331: Alexandro papae scriptum est in haec verba.
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umwandelt.1389 Ebenso wie in der Vorlage beschreibt Ralph das plötzliche Eingreifen Rainalds, der appellierte, keinen Frieden mit Alexander zu schließen, sondern diesem unter Eid zu entsagen. Im Anschluss an diesen Appell nimmt Ralph von Diceto allerdings eine entscheidende Änderung vor. Das überzeugende Argument – 50 Bischöfe, die auf Paschalis Seite wechseln und zwei Gesandte aus England, die dies beeiden würden – fehlt in Ralphs Darstellung. Vielmehr geht diese gleich im Anschluss auf die Aufforderung des Magdeburger Bischofs ein, Rainald möge bitte als erstes entsagen und sich von Paschalis weihen lassen. Der Kölner Erzbischof protestierte, musste aber nach Aufforderung des Kaisers zuerst schwören und im Anschluss schworen Friedrich und die übrigen Teilnehmer. Die im Protokoll aufgeführten schwörenden Fürsten und deren Auftrag, ebenfalls in ihren Gebieten für die Befolgung dieser Eide zu sorgen, ebenso wie die im Anschluss schwörenden Gesandten und die Bischöfe, die sich dem Eid entziehen konnten, werden ebenfalls bei dem Chronisten aus London nicht aufgeführt. Neben diesem expliziten Verzicht auf die Nennung der englischen Gesandten mit und ihrer Eidesleistung ist das Datum des Eintrags zu diesem Hoftag auffällig. Ralph von Diceto führt diesen Brief erst für das Jahr 1168, d. h. erst drei Jahre nach dem Hoftag und zwei Jahre nach den Exkommunikationen von Vézelay, für die die Würzburger Eide mit ausschlaggebend waren, in seiner Chronik auf.1390 Da Ralph Zugang zu zahlreichen Quellen wie päpstlichen Briefen, den Briefen Heinrichs II., Thomas Beckets oder Gilbert Foliots hatte, die Briefe zu Würzburg und den Vézelay verbreitet waren, er selbst in die Angelegenheiten der Becket-Krise involviert war und in Kontakt zu den beteiligten Personen stand, erscheint es als unwahrscheinlich, dass Ralph über die inhaltlichen und zeitlichen Hintergründe tatsächlich nicht informiert war. Vielmehr muss auf ein bewusstes Verschweigen der Eide und Nennung unter 1168 geschlossen werden. Diese Annahme bestätigt sich durch den daran anschließenden Brief Gilbert Foliots an Papst Alexander III. Dieser versichert, dass Heinrich II. fest hinter ihm als Papst stehe und sich niemals von ihm abwenden würde.1391 Obwohl im vor1389 Da die Protokollversion vermutlich auf einem Schreiben eines deutschen Augenzeugen beruht und Ralph von einem an den Papst gerichteten Schreiben spricht, erscheint hier die Anpassung der Personalpronomen für ein besseres Verständnis vorgenommen zu sein. 1390 Zu den Exkommunikationen siehe Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 318. An dieser Stelle verweist Ralph nicht auf Eide, die Schismatikern geleistet worden waren, obwohl diese in mehreren Briefen Thomas Beckets und des Papstes genannt wurden. 1391 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1168, S. 332: in primis asserens mentem suam a vobis se nullatenus avertisse, nec id unquam propositi mente concepisse, quin dum vos sibi patrem rebus ipsis cognoverit, vos ut patrem diligat, et sanctam Romanam ecclesiam ut matrem veneretur et foveat, et sacris jussionibus vestris, salva sibi sua regnique sui dignitate, humiliter obtemperet et obediat. Erst nach dieser Treuebekundung spricht Gilbert Foliot die Appellationen an und verweist darauf, dass sich Heinrich hier nur an alte
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angegangenen Brief ein möglicher Obödienzwechsel nicht thematisiert wurde, weist Ralph entschieden darauf hin, dass Heinrich loyal zu Alexander stehe und Gilbert Foliot sich stets im engen Kontakt mit dem Papst befinde. Dabei ist dieser Briefwechsel im Umfeld von weiteren Briefen des Papstes, in denen dieser Heinrich II. zur Übereinkunft mit Thomas Becket aufforderte,1392 der Exkommunikation Gilbert Foliots,1393 der Wiederaufnahme von Verhandlungen zwischen dem König und dem sich im Exil befindenden Erzbischof 1394 und der Absolution1395 Gilberts zu verorten. Ralph von Diceto war, auch wenn er Thomas Beckets Ansichten und Verhalten respektierte – sowohl Charles und Anne Duggan und John Mason vermuten, dass er sogar eher Beckets Seite zuneigte –, absolut loyal gegenüber Heinrich II., den er für seine Politik bewunderte, ebenso wie gegenüber Gilbert Foliot, der ihn förderte.1396 Zu seinem Freundes- und Fördererkreis, durch den er Zugriff auf bestehende Materialsammlungen für seine Darstellung zum Becket-Konflikt wie auch zu weiteren Briefen und Aufzeichnungen für Ereignisse unter Heinrich II. hatte, gehörten sowohl Anhänger als auch Gegner des Erzbischofs von Canterbury.1397 Daher versuchte er in seinen beiden Chroniken abzuwägen und allen Seiten gerecht zu werden, wobei seine Auslassungen und sein Schweigen, wie Charles und Anne Duggan feststellen, genauso bedeutsam sind wie seine Ergänzungen.1398 So bewies er einerseits »editorial tact« beim Verschweigen der Anwesenheit seiner Freunde beim Würzburger Hoftag,1399 andererseits konnte er mit dem Verschweigen der englischen Eide – der König hatte diese ja in Bezug auf einen Obödienzwechsel bestritten und auch die zeitliche Entwicklung hatte gezeigt, dass dies nicht ein-
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Rechte halte. Die bei Ralph von Diceto zu findende Version stellt eine gekürzte Variante eines Briefes vom Juli / August 1165 an Papst Alexander dar, in dem es u. a. um die Sammlung des Peterspfennigs und das Verhältnis zum Kaiser geht. Siehe The Letters and charters of Gilbert Foliot, hg. von Brooke/ Morey, Nr. 155, S. 202–206. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1169, S. 332f. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zum Jahr 1169, S. 333. Im Anschluss, S. 333, findet sich ein Brief Beckets an Gilbert, in dem dieser ihn auffordert, sich an die Bestimmungen der Exkommunikation zu halten, der Brief Beckets an die Londoner Kleriker, in denen er sie über die Exkommunikation informiert und die Akzeptanz der Exkommunikation des Londoner Bischofs. Hierzu fügt Ralph einen Brief des Papstes an Heinrich II ein (S. 334f.), berichtet von den Legaten Gratian von Pisa und Vivian, Archidiakon von Orvieto, (S. 335) und dem daraus resultierenden Treffen in Montmartre 1169 zwischen dem französischen und englischen König (S. 335f.). Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, zu den Jahren 1169/ 1170, S. 337f. Duggan/ Duggan, Ralph de Diceto, S. 63, S. 75; Mason, Diceto, Ralph de. Duggan/ Duggan, Ralph de Diceto, S. 61–63. Duggan/ Duggan, Ralph de Diceto, S. 69: »At critical phases, he appears to seek a balance in the choice of texts, to discuss the arguments of each side.« Duggan/ Duggan, Ralph de Diceto, S. 70. Ralph von Diceto war mit Richard von Ilchester bekannt.
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getreten war – Heinrich II. als gerechten König dem schismatischen Kaiser gegenüberstellen. Mit dem folgenden Schreiben Gilbert Foliots – wie auch die Einordnung in die Jahre 1168 / 1169 – konnte Ralph darstellen, dass Gilbert, obwohl später exkommuniziert, anders als Rainald von Dassel loyal seinem König gegenüber stand und ihn nicht wie der Kölner Erzbischof in den Abgrund trieb, sondern ebenfalls den rechtmäßigen Papst anerkannte und eine mäßigende Politik in den Auseinandersetzungen zwischen Heinrich II., Thomas Becket und Alexander III. verfolgte.1400 Dadurch erklärt sich auch die Nennung der Würzburger Eide erst nach den Exkommunikationen von 1166. Der Historiograph in London war zwar über die Ereignisse in Würzburg informiert, verfasste seine Darstellung allerdings nicht vornehmlich als ein Narrativ von diesen Ereignissen und deren Beziehung zu England, ihm ging es vielmehr darum, dass er mit dem sogenannten Protokoll das Verhalten Gilbert Foliots und Heinrichs II. und deren Gehorsam gegenüber Papst Alexander III. aufzeigen konnte. Die ausführlichste Darstellung der Ereignisse findet sich in der Chronica des Gervasius von Canterbury. Zum Jahr 1168 berichtet der Historiograph aus Canterbury zunächst von der Eheverbindung zwischen Mathilda und dem sächsischen Herzog, bevor er darstellt, dass Heinrich der Löwe, der Mainzer Erzbischof, der Kölner Erzbischof (Coloniensis electus) und der Lütticher Bischof im Auftrag des Kaisers Heinrich II. aufsuchten und ihm die Hilfe der Deutschen gegen die Franzosen versprachen, wenn er sich Paschalis anschließe.1401 Heinrich II. behandelte die Gesandten ehrenvoll und überreichte Geschenke, für die er Gelder der Juden hatte einsammeln lassen. Unmittelbar daran fügt Gervasius Ausschnitte aus der sogenannten Protokollversion in seine Chronica ein, wobei er angibt, dass der Hoftag sich in Würzburg ereignet habe, eine Ortsangabe, die sich weder in der kurzen noch langen Version findet. Auch hier will Friedrich I. mit Alexander III. Frieden schließen, bis der Kölner Erzbischof plötzlich erscheint und verspricht, dass 50 Bischöfe sich Paschalis anschlössen, wenn er dem Alexander unter Eid absage. Als Bestätigung habe er zwei Gesandte des englischen Königs mitgebracht. Auch hier wird im Anschluss Rainald zuerst aufgefordert zu schwören, dann der Kaiser, dann Heinrich der Löwe. Nach dem Eid der Bischöfe und Fürsten schwören auch die beiden Gesandten an Stelle des engli1400 Gilbert Foliot gilt als Hauptantagonist Thomas Beckets. Die Gründe für die persönliche Abneigung, neben unterschiedlichen politischen Haltungen, bleiben dabei unklar. 1401 Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1168, S. 205: Venerunt interea ad regem Angliae nobilissimi Alemmanniae et specatbiles legati, dux scilicet Saxonum gener regis, Maguntinus archiepiscopus, Coloniensis electus, et Leodicensis episcopus, cum multa ambitione et fast missi ab imperatore Frederico, multa ex Alemannis adversum francos spondentes auxilia, multisque temptantes moliminibus qualiter regem Angliae in scismatis sui partem inducerent, et ob favorem ipsius regnum Francorum cum bellico apparatu intrarent.
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schen Königs.1402 Bis hierhin ähnelt die Darstellung der bei Ralph von Diceto, den Briefen des anonymen Papstfreundes und den Rückschlüssen, die sich aus den dazu verfassten Briefen von Thomas Becket, Johannes von Salisbury oder Heinrichs II. ziehen lassen. Abweichend zu den bisherigen Darstellungen berichtet nun Gervasius von Canterbury von einer Versammlung in London, bei der die Bevölkerung wie die kirchliche Führung Alexander unter Eid entsagen sollen, dem sich aber die Bischöfe verweigern. Als Zeichen der Rechtmäßigkeit ihrer Weigerung lässt Gott Paschalis III. kurz darauf sterben, worauf Friedrich I. einen neuen Gegenpapst einsetzt.1403 Damit greift Gervasius Informationen aus der von Wilhelm von Canterbury zwischen 1172 und 1174 verfassten Vita des Thomas Becket auf.1404 Wilhelm berichtet in Kapitel 43, dass sich Heinrich II. von Papst Alexander aufgrund dessen Unterstützung für Thomas Becket abgewandt habe. Daher sendet er zwei Gesandte auf den Würzburger Hoftag, die das Konzil auffordern sollen, Alexander unter Eid zu entsagen.1405 Daraufhin schwören der Kaiser, seine Fürsten und Bischöfe, auch wenn einige nur unter Tränen folgen, ebenso wie die englischen Gesandten, die für ihren König den Eid leisten. Als weiteren Affront gegen 1402 Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1168, S. 206: Juraverunt etiam duo clerici nuntii regis Angliae in persona regis. 1403 Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1168, S. 207: Per totiam etiam Angliam ex praecepto regis a populo juratum est, quod ad praeceptum regis faciendum omnes forent parati; unde et congregatio episcoporum, et abbatum, et aliarum personarum ecclesiasticarum apud Londonias facta est. Sed et supprior et monachi Cantuariensis ecclesiae ex imperio regis jussi sunt ibidem adesse. Cum autem super hoc juramento faciendo convenirentur episcopi, et ipsi tam detestabile juramentum contra Deum et Alexandrum papam praestare noluissent, dilatum et infatuatum ets tam iniquum et enorme negotium, et quisque ad sua repedavit. Homo proponit sed Deus disponit. Homo proposuit scismaticum exaltare, sed Deus disposuit, immo et deposuit eum, nam in brevi Paschalis ille defunctus est. Imperator tamen caeterique scismatici, jam duobus defunctis, tertium falsum papam substituerunt. 1404 Über Wilhelm von Canterbury, der Benediktinermönch in Canterbury war, ist nur wenig bekannt. Im Dezember 1170 wurde er von Thomas Becket zum Diakon geweiht und war auch bei dessen Ermordung anwesend. Er verfasste eine Vita zum Leben des Erzbischofs von Canterbury und eine Mirakelsammlung der Wunder am Schrein Beckets. Die Abfassungszeit der Vita und der Mirakelsammlung des Wilhelm von Canterbury sind nicht eindeutig bestimmt. Zumindest für die Vita wird ausgegangen, dass diese zwischen 1172 bis 1174 verfasst wurde. Vgl. Staunton, The Lives of Thomas Becket S. 8. Ebenso Bull, Criticism of Henry II’s expedition, S. 116, Anm. 40. Gegensätzlicher Ansicht ist Vincent, William of Canterbury and Benedict of Peterborough, S. 347–387, der die Fertigstellung und besonders die Veröffentlichung der Mirakelsammlung erst für die 1180er-Jahre vermutet. 1405 William of Canterbury, Miraculorum gloriosi (MTB, I), Kap. 44, S. 52: Unde dolorum suum in fide vindicaturus, clericos duos misit ad imperatorem alemannorum fredericum, qui coacto concilio de pace Romanae ecclesiae tractabat, mandans, quod si nomen et obedientiam Alexandri papae abjuraret, participem se schismatis haberet cum episcopis et archiepiscopis suis.
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den Papst erlässt Heinrich dann im Anschluss (Kapitel 45) die sogenannten Zusätze zu den Konstitutionen von Clarendon und geht im Anschluss gegen die Angehörigen des Erzbischofs vor. In Kapitel 46 beschreibt Wilhelm, wie die Bevölkerung vom Jungen bis zum Greis einen Eid gegen Alexander leisten soll.1406 Diese Zusätze und der erzwungene Eid gelten als Reaktion Heinrichs II. auf das beim Treffen zwischen ihm und dem Erzbischof im September 1169 in Bures angedrohte Interdikt, das von Briefen des Erzbischofs im Oktober oder November noch einmal konkretisiert wurde.1407 Vermutlich ohne Rücksprache mit den Bischöfen wurden diese Zusätze, die die Konstitutionen bestätigen und z. T. erweiterten, bekannt gegeben und Laien wie Geistliche zum Eid gedrängt, wobei, wie verschiedene Versionen der Zusätze zeigen, die Eide widerwillig, nicht oder nur teilweise geleistet wurden.1408 Sobald die unmittelbare Erregung über die Zusätze und die Eide verklungen war, wurden sie, wie Brooke, Duggan und Knowles mutmaßen, da Heinrich II. diese nicht weiter verfolgte, von weiteren Ereignissen, wie der Krönung Heinrichs d. Jüngeren, überdeckt.1409 Trotz Verwendung der Vita des Wilhelm von Canterbury für die Chronica des Gervasius finden sich in den beiden Darstellungen der Ereignisse entscheidende Unterschiede. Bei Wilhelm ist Heinrich II. der Auslöser der in Würzburg geleisteten Eide. Aufgrund seiner Verärgerung über den Erzbischof und Alexander III. fordert er Friedrich I. durch seine Gesandten auf, Alexander unter Eid zu entsagen. Die Zusätze bei Wilhelm stellen dabei eine weitere Stufe der Eskalation des Konflikts dar, ebenso wie die Maßnahmen gegen Beckets Angehörige und der Eid gegen Papst Alexander III. Gervasius hingegen erzählt, dass Heinrich II. die deutschen Gesandten zwar ehrenvoll empfing, auf ihr Angebot nicht einging, sondern vorsichtig und geschmeidig antwortete.1410 Nach Gervasius berichtet 1406 William of Canterbury, Miraculorum gloriosi (MTB, I), Kap. 46, S. 55: Abjurante itaque populo, militibus, proceribusque beati Petri successorem Alexandrum per vicos, per castella, per civitates, ab homine sene usque ad puerum duodennem […]. 1407 Diese Zusätze wurden in der Forschung bisher nur selten behandelt. Siehe David Knowles/ Anne Duggan/ Christopher N. L. Brooke, Henry II’s Supplement to the Constitutions of Clarendon, in: EHR 87 (1972), S. 757–771. Councils & Synods, Bd. 1, Teil II, hg. von Whitelock/ Brett/ Brooke, S. 926–939. Brand, Henry II and the Creation, S. 230. 1408 Neben Wilhelm von Canterbury und Gervasius von Canterbury berichten aus Würzburg Fitz Stephen und Alan von Tewkesbury darüber. Ein »offizielles« Dokument des Hofes findet sich dazu nicht mehr, nur die Aufzeichnungen der Historiographen und Hagiographen. Aufgrund dieser wenigen, aber doch sehr unterschiedlichen Überlieferungen wird nicht davon ausgegangen, dass die Zusätze eine Fälschung der Becket-Seite in dem sich 1169 verschärfenden Konflikt der Becket-Krise, sondern für unterschiedliche Empfänger gedacht waren. 1409 Knowles/ Duggan/ Brooke, Henry II’s Supplement, S. 763. 1410 Gervasius von Canterbury, Chronica, zum Jahr 1168, S. 205: Rex autem praedictos legatos cum multo suscepit honore, responsis prudentibus et blandiloquiis satisfaciens, ipsosque abeuntes prosecutus est multis gratiarum actionibus preciosis honoratos muneribus.
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Rainald von Dassel auf dem Hoftag in Würzburg dennoch, dass er 50 Bischöfe bringen könne, die die Seite wechseln wollen und die Gesandten des englischen Königs dies unter Eid bestätigen würden. Hier wirkt die Darstellung, als habe der Kölner Erzbischof den englischen König mit seinem Vorgehen überrumpelt. Dennoch will Heinrich II. nach der Darstellung Gervasius’ im Anschluss, dass alle einen Gehorsamkeitseid leisten, aber die Bischöfe und Kleriker in London weigern sich, einen Eid gegen Gott und Papst Alexander zu leisten. Der Eid der Gesandten lässt sich aufgrund der Haltung des englischen Volkes nicht umsetzen und durch den frühen Tod Paschalis’ lässt sich erkennen, dass diese Haltung richtig war. Der Grund für die unterschiedlichen Darstellungsweisen dürfte in der Entstehungszeit der beiden Werke begründet sein. Während Wilhelm die Vita unmittelbar nach dem Tod Thomas Beckets, den er selbst miterlebte, verfasste und diese vermutlich 1174 – damit noch vor dem Frieden von Venedig – bereits abgeschlossen war, verfasste Gervasius, der Becket zwar auch persönlich erlebt, aber nicht den Mord miterlebt hatte, seine Darstellung mehrere Jahrzehnte nach den Ereignissen, in denen sich gezeigt hatte, dass Heinrich II. für den Mord gebüßt und er niemals die Seite im Schisma gewechselt hatte. Allerdings, auch wenn Wilhelm und Gervasius mit ihren jeweiligen Darstellungen der Ereignisse von 1169 – Gervasius verknüpft damit noch die Ereignisse von Würzburg 1165 – sehr unterschiedlich die Abläufe und Motivationen erzählen, so schreiben doch beide, dass ein Obödienzwechsel 1169 möglich gewesen wäre. Dass Heinrich II. 1169 wirklich die Seiten im Schisma gewechselt hätte, ist nach gängiger Forschungsmeinung unwahrscheinlich. Zu sehr hätte ihn das in der bereits angespannten Situation von seinen Bischöfen entfremdet, sodass die Zusätze wie auch der versuchte Eid nur als unüberlegte Reaktion Heinrichs II. verstanden werden müssen.1411 Gervasius ist dabei der einzige der analysierten Historiographen, der über dieses Vorgehen Heinrichs II. berichtet. Insgesamt lässt sich nur eine marginale, wenn auch sehr unterschiedliche Reaktion auf die Würzburger Eide feststellen. Zwar folgte unmittelbar auf diese Eide 1165 und die Exkommunikationen 1166 eine rege Diskussion unter den beteiligten Parteien, die Mehrheit der untersuchten Historiographen schrieb ihre Chroniken und Annalen allerdings erst nach dem Frieden von Venedig. Daher dürfte eine ähnliche Reaktion eingetreten sein wie bei den historiographischen Werken aus dem Reich. Die Würzburger Eide wurden in Form eines Obödienzwechsels sofort dementiert, die Eide von 1169 hatten keinen Bestand und wurden von den weiteren Entwicklungen überschattet und der Verlauf des 1411 Councils & Synods, Bd. 1, Teil II, hg. von Whitelock/ Brett/ Brooke, S. 927, vermuten, dass Wilhelm von Canterbury bei der Darstellung der Ereignisse weit übertrieben hat. Duggan, Henry II, S. 174, vermutet sogar, dass Heinrich, um das angedrohte Interdikt zu vermeiden, als Warnsignal die Zusätze veröffentlichte, statt sich dem Gegenpapst zuzuwenden.
Die Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas im angevinischen Reich
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Schismas hatte gezeigt, dass Heinrich II. nicht die Seiten gewechselt hatte, sodass im Vergleich mit der Thomas-Becket-Krise die Würzburger Eide für die Historiographen nur eine Marginalie waren. Wohl deshalb lassen sich daher nur drei Darstellungen dazu finden.
4.2.7 Die Wahrnehmung des Friedens von Venedig Während die Aufmerksamkeit der Chronisten nach den Würzburger Eiden lange von der Becket-Krise und deren Nachwirkungen gebunden war, lenkte der Frieden von Venedig diese wieder verstärkt auf das Schisma und den Konflikt zwischen Alexander III. und Friedrich I. Neun der zwölf Quellen, die sich mit dem Schisma beschäftigen, berichten von der wiederhergestellten Eintracht zwischen regnum und sacerdotium. Dabei zeigen sich Diskrepanzen in der Darstellung. Während für Robert von Torigni, Radulph von Coggeshall, die Winchcombe Chronik, Radulphus Niger und – etwas ausführlicher – Wilhelm von Newburgh es nur von Bedeutung war, dass wieder Eintracht herrschte und damit die Ordnung wiederhergestellt worden war, spiegeln die Ymagines historiarum Ralphs von Diceto, die Gesta regis Henrici secundi, die Chronica Rogers von Howden und die Chronica des Gervasius von Canterbury den schriftlichen Niederschlag des öffentlich zelebrierten Friedensschlusses wider.1412 Ralph von Diceto fügt den Brief Papst Alexanders III. an Roger de Pont l’Évêque, Erzbischof von York, ein, in dem der Papst den Friedensschluss dem englischen Episkopat mitteilt.1413 Dieser Brief findet sich auch in den beiden Chroniken Rogers von 1412 Als die einzigen beiden der kleineren Berichte nennt Robert von Torigni, Weltchronik, S. 273, mit Venedig sogar den Ort des Friedensschlusses: Nono kalendas Augusti concordati sunt dominus papa Alexander et Fredericus, imperator Romanus, in civitate Venetiae, in domo patriarchae ipsius civitatis. Für die anderen Chronisten scheint der Ort keine Rolle gespielt zu haben oder war unbekannt. Radulfus Niger, Chronica I, IV, 2, S. 271: Contra quem surrexit Octovianus, Victor dictus, cuius papatus defecit in quarto successore, reformata pace inter imperium et sacerdotium Venetiis. Die Winchcombe Chronik, S. 538, erwähnt hingegen den Aufenthaltsort des letzten Gegenpapstes: Facta est concordia inter domnum papam Alexandrum tercium et Frethericum imperatorem scismatico residente in Monte Albano. Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 19, betont den respektvollen Umgang Friedrichs mit dem Papst: Concilium celeberrimum apud Romam celebratum est, praesidente papa Alexander Tertio. Imperator Frethericus, cum omni gente sua, schismatico papa derelicto, ad unitatem sanctae Romanae ecclesiae rediit, et papae Alexandro debitam reverentiam et subiectionem exhibuit. Eine längere Darstellung findet sich hingegen bei Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, III, 2, S. 205f., der allerdings weniger auf den genauen Ablauf des Friedensschlusses eingeht, sondern auf das göttliche Wirken verweist und im Anschluss auf das Laterankonzil von 1179 eingeht. 1413 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 421. Allerdings ist diese Darstellung eine Zusammenfassung des Briefes. Ausführlicher bei Roger von Howden und Gervasius von Canterbury.
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Fremd- und Selbstwahrnehmung in Quellen Englands
Howden und wird bei Gervasius von Canterbury erwähnt. Allerdings ist hier der Brief an den Erzbischof von York nur ein Teil der Erzählung. Roger von Howden zählt in beiden Chroniken – nach einer kurzen Einleitung – zunächst die Teilnehmer beim Friedensschluss auf Seiten Alexanders III. und dann auf Seiten des Kaisers auf. Im Anschluss daran stellt er den Empfang des Kaisers in St. Niccolo mit der dort erfolgten Absolution und dem Treffen mit dem Papst auf dem Markusplatz dar. Den Umgang mit dem letzten Gegenpapst erwähnt er ebenso wie die Lösung des Konflikts um das Erzbistum Mainz und die Auseinandersetzung zwischen Christian von Buch und Konrad I. von Wittelsbach. Zum Schluss fügt er den Brief Alexanders III. an Richard von Dover, Erzbischof von Canterbury, und dessen Suffragane und den ausführlichen Brief an Roger, Erzbischof von York, an.1414 Die Darstellung bei Gervasius von Canterbury folgt größtenteils der Rogers von Howden, bietet aber auch Sondergut, wenn er von einem Tumult bei der Ankunft des Kaisers berichtet und den Brief des Kaisers an die Zisterzienser zur Beendigung des Schismas einfügt.1415 Das Schisma war für die Chronisten aufgrund des Becket-Konflikts nach anfänglicher genauer Wahrnehmung in den Hintergrund gerückt. Die Wiederherstellung des Friedens zwischen regnum und sacerdotium war für die englischen Chronisten aber von großer Bedeutung und rückte das langjährige Schisma wieder in den Fokus, was sich sowohl in der Anzahl der Berichte, aber auch z. T. in deren Ausführlichkeit spiegelt. Allerdings stand für viele nur im Mittelpunkt, dass diese Eintracht wiederhergestellt worden war. Die Darstellungen bei Roger von Howden und Gervasius von Canterbury spiegeln allerdings wider, wie dieser Friedensschluss sowohl von päpstlicher als auch von kaiserlicher Seite durch Briefe in Europa publik gemacht wurde. Dies war nicht nur eine Sache, die zwischen dem Kaiser und dem Papst ausgehandelt worden war, sondern von der auch der Klerus in anderen Ländern wie England erfahren sollte. Dabei hatten die Chronisten durch ihre Verbindungen nicht nur Zugriff auf die päpstlichen Schreiben, sondern, wie bei Gervasius von Canterbury, auch auf die kaiserlichen. Daneben müssen sie auch Zugriff auf weitere mündliche oder schriftliche Quellen gehabt haben. Informationen zum Frieden von Venedig gelangten daher nicht nur über die Briefe zu den englischen Chronisten, sondern auch auf andere
1414 Roger von Howden, Gesta regis Henrici secundi, S. 183–190. Roger von Howden, Chronica, S. 137–143. Der Editor, S. 137, Anm. 1, gibt an, dass der erzählende Teil die Zusammenfassung der beiden Briefe darstellt. Allerdings findet sich in den Briefen keine Aufschlüsselung, wer auf Seiten des Papstes am Frieden von Venedig teilgenommen hatte. Roger von Howden müssen daher noch andere Quellen zu Verfügung gestanden haben. 1415 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 183–S. 269. Zum Eintreffen des Kaisers siehe S. 266 und zum Brief Kaiser Friedrichs I. an die Zisterzienser siehe S. 269. Zum Brief an die Zisterzienser siehe auch MGH Const. I, Nr. 263, S. 366.
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Wege und wurden von diesen für ihre Darstellungen für wichtig gehalten, was auch die Bedeutung des Friedens für sie insgesamt widerspiegelt.
4.2.8 Zusammenfassung Vergleichbar mit dem vorhergehenden Kapitel zur Wahrnehmung des Investiturstreits in England hat sich bei der Analyse der Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas gezeigt, dass sich zwar hier ebenfalls auf den ersten Blick annehmen lässt, dass das Reich und die damit verbundenen Ereignisse erhöhte Aufmerksamkeit in England erfuhren. Die Untersuchung der Einträge hat allerdings ergeben, dass die Aufmerksamkeit der Historiographen wesentlich der Person des Papstes galt und dass die Politik Friedrichs I. zwischen 1159 und 1177 durch sein Handeln in Bezug auf Alexander III. in deren Fokus geriet. Insbesondere die statistische Auswertung hat gezeigt, dass das Schisma wahrgenommen wurde, dass allerdings die Beziehungen zwischen Heinrich II., Alexander III. und Thomas Becket weitaus größere Aufmerksamkeit fanden. Die Krise um den Papst wurde von der Krise um Thomas Becket abgelöst. Das Reich mit dem Kaiser stand dabei nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Ereignisse des Schismas wurden allerdings unterschiedlich wahrgenommen im Vergleich mit den deutschen Historiographen. Während diese von der Teilnahme englischer Gesandter an der Synode von Pavia berichten und auch – durch Briefe – von der Parteinahme der Engländer für den Gegenpapst, aber dafür zur Teilnahme der englischen Gesandten an den Würzburger Eiden schweigen, finden sich zwar in den englischen Quellen Berichte zur Synode von Pavia und sie vermerken auch den Versuch der Einflussnahme des Kaisers auf die Entscheidung des englischen Königs, welcher Partei er sich im Schisma anschließen würde. Dabei messen sie dem Kaiser in dieser Angelegenheit keine Autorität bei, sondern zeigen sich über dessen Verhalten empört. Besonders Wilhelm von Newburgh betont das faire Verfahren des englischen Königs auf dem Konzil von London im Gegensatz zu dem Friedrichs I. in Pavia. Von der Teilnahme englischer Gesandter hingegen wussten sie nichts, zumindest der Inhalt des Rundbriefs Friedrichs I., in dem dieser von englischen Gesandten berichtet, war nicht nach England gelangt. Dafür berichten einige über die Würzburger Eide englischer Gesandter, die wiederum in den deutschen Quellen nicht vorkommen. In England hatten diese Eide aufgrund der durch Thomas Becket vorgenommenen Exkommunikationen und der Briefe Heinrichs II. eine wesentlich größere Aufmerksamkeit erfahren. Allerdings werden die Würzburger Eide durch die Chronisten auch mit anderen Ereignissen verknüpft – wie den Eiden von 1169, wo tatsächlich ein Obödienzwechsel des englischen Königs möglich schien; ein Ereignis, das in der deutschen Forschung meist nicht be-
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achtet wird. Die eingeforderten Eide stehen dennoch viel deutlicher mit den Entwicklungen im Becket-Konflikt als mit dem Schisma in Bezug. Ihre Informationen bezogen die Historiographen dabei zwar überwiegend durch sekundäre Kommunikation. Der Anteil an historiographischen Schriften war allerdings gering; wesentlich wichtiger waren Briefe. Diese Briefe entstanden aber häufig auch im Umfeld des Becket-Streits, sodass das Schisma und das Reich darin eine Rolle spielten, aber nicht im Mittelpunkt standen. Aufgrund des erhöhten Austauschs zwischen Heinrich II., Alexander III. und Thomas Becket gelangten allerdings auch Informationen zum Schisma zu den Historiographen, die sich häufig im Umfeld des Hofes bewegten oder im Dienst von Bischöfen waren. Die verstärkte sekundäre Kommunikation hatte zur Folge, dass auch die primäre Kommunikation eine größere Rolle einnahm. Die Historiographen beziehen bei ihren Darstellungen eindeutig für Alexander III. Partei. Eine abweichende Haltung in der Frage der Rechtmäßigkeit Alexanders kommt dabei nicht vor. Dem Kaiser wird die Verantwortung für das Schisma – sei es bereits bei der Wahl oder erst durch sein Eintreten für Viktor III. – gegeben. Bemerkenswert ist allerdings, dass, anders als beim Investiturstreit, der Kaiser im Laufe des Schismas nicht als Alleinverantwortlicher angesehen wird, sondern auch seine Kanzler – Rainald von Dassel und Christian von Buch – in den Fokus rücken. Hier zeigt sich, dass deren Position und ihr Handeln über die Grenzen des Reichs hinaus wahrgenommen wurden, wenn auch sehr negativ. Besonders der Kölner Erzbischof wird als Antriebskraft des Schismas angesehen. Das Schisma bot den Historiographen allerdings auch die Möglichkeit, ihren König, der durch die Becket-Krise in Kritik geraten war, als positive, rechtgläubige Person im Gegensatz zum Kaiser darzustellen und dessen Verhalten zu spiegeln. Am deutlichsten wird dies bei Robert von Torigni, der nicht über den Erzbischof von Canterbury berichtet, dafür aber umso mehr über das Schisma. Im Gegensatz zu Friedrich I. zeigt sich Heinrich II. als christlicher König, der den Stratordienst leistet und den Papst im Exil aufnimmt. Hier zeigt sich, dass die zahlreichen Einträge über das Schisma gleichsam ein Ablenkungsmanöver von den Ereignissen in England sind. Auch wenn die anderen Historiographen diese Art der Darstellungsweise weniger offensiv nutzen, lehnt auch hier der König die Beeinflussung durch den Kaiser ab oder empfängt den Papst ehrfurchtsvoll im Exil. Ralph von Diceto nutzt z. B. die Würzburger Eide sogar, um die Loyalität des in die Kritik geratenen Gilbert Foliots gegenüber dem Papst und seinem König darzustellen. Schwierig wurde es für die Chronisten allerdings bei der Heirat Heinrichs des Löwen mit der Tochter des englischen Königs. Während in den deutschen Chroniken und Annalen die Heirat in manchen Quellen mit dem Mord an Thomas Becket in Verbindung gebracht wird, standen die Chronisten nun vor
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der Herausforderung, dass sie ebenso wie der König das Schisma und die Haltung Friedrichs I. ablehnten und dennoch die englische Königstochter mit einem engen Vertrauten des Kaisers verheiratet wurde. Während Friedrich I. und Rainald von Dassel als Schismatiker beschimpft werden, findet sich in den englischen Quellen kein Bezug zum sächsischen Herzog. Dieser war durch seine Verbindung zum englischen König immun gegen Kritik, da dies auch Kritik am König bedeutet hätte. Robert von Torigni stellte zusätzlich die Familie und die Frömmigkeit des neuen Schwiegersohnes heraus.
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Richard Löwenherz’ Gefangenschaft in englischen Quellen
4.3.1 Historischer Hintergrund Gerüchte über die Gefangennahme des englischen Königs erreichten die Insel im Januar 1193. Zahlreiche Kreuzritter kehrten um Weihnachten 1192 aus dem Heiligen Land zurück, fanden aber ihren König nicht vor.1416 Der französische König hatte zu diesem Zeitpunkt – vermutlich bereits am 6. Januar 1193 – durch einen Brief Heinrichs VI. Nachricht erhalten, Richards Bruder Johann etwa eine Woche später.1417 Die Nachricht der Geiselnahme erreichte ein bereits seit der Abreise des englischen Königs durch ständige Konflikte aufgewühltes England, was die Geschichtswissenschaft sowohl Richard als auch seinem Bruder Johann angelastet hat. Richard, gekrönt am 3. September 1189, wurde lange für seine Politik in der kurzen Phase bis zur Abreise zum Kreuzzug – er verließ die Insel am 11. Dezember 1189, traf sich im Anschluss mehrere Male mit Philipp II., bevor er nach Aufenthalten in der Normandie und Aquitanien am 4. Juli 1190 endgültig nach Sizilien aufbrach – kritisiert. Als »bad king«, »no Englishman« und »mere warrior« wurde Richard I. seit dem 19. Jahrhundert geschmäht, als König, der das Geld für einen unnützen Kreuzzug aus seinem Land herauszog, sein Land für Abenteuer im Heiligen Land vernachlässigte und mit seinen politischen Entscheidungen für Chaos sorgte.1418 Die Vorwürfe beruhen dabei vor allem auf 1416 Appleby, England without Richard 1189–1199, S. 106. 1417 Brief Heinrichs VI. vom 28. Dezember 1192 an Philipp II. zur Gefangennahme Richards, in: Roger von Howden, Chronica II, S. 195f. Vgl. Church, King John, S. 60. Church, King John, S. 3f., verweist darauf, dass die populäre Bezeichnung Johanns als »Prinz« ein Anachronismus sei, sondern er vielmehr zeitgenössisch nur »Johann« oder nach seinem Titel »Graf von Mortain« genannt werden sollte. 1418 Besonders Stubbs, The Constitutional History, S. 550f., prägte diese Sicht für über ein Jahrhundert: »He was a bad king: his great exploits, his military skill, his splendour and extravagance, his poetical tastes, his adventurous spirit, do not serve to cloak his entire want of sympathy, or even consideration, for his people. He was no Englishman, but it does not
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seinen Entscheidungen bis zur Abreise und seiner Teilnahme am Kreuzzug. Hauptkritikpunkte waren die Finanzierung des Kreuzzugs, personelle Entscheidungen – insbesondere die Person des Wilhelm de Longchamps, Kanzler und Bischof von Ely – und Richards Umgang mit seinem Bruder Johann. Der König benötigte für die Finanzierung des Kreuzzugs enorme Summen. Vom Vorwurf, dass er »alles«, insbesondere Ämter verschleuderte, wurde er mittlerweile von der Forschung entlastet. Er erhob keinen Saladins-Zehnten, sondern zog vor allem die Oberschicht zur Finanzierung heran, indem er ein Revirement bei den Funktionsträgern des Reiches durchführte – eine übliche Maßnahme bei Antritt eines neuen Herrschers – und Gebühren für die Übertragung der Ämter erhob.1419 Berg stellte fest, dass der englische König bei der erneuten Ämtervergabe auf Kontinuität und den Einsatz erfahrener Funktionsträger achtete und die Ämter nicht – wie häufig bereits von Zeitgenossen vorgeworfen – an die Meistbietenden verschleuderte.1420 Schwierig gestaltete sich für Richard die Entscheidung, Wilhelm de Longchamp, den er bereits zum Kanzler ernannt hatte, für den verstorbenen Wilhelm de Mandeville, Earl von Essex, als Justiciar einzusetzen.1421 Obwohl Wilhelm de follow that he gave to Normandy, Anjou, or Aquitaine the love or care that he denied to his kingdom. His ambition was that of a mere warrior: he would fight for anything whatever, but he would sell everything that was worth fighting for.« Eine ähnliche Meinung findet sich noch bei Appleby, England without Richard, S. 36: » […] for during his four months’ stay in England he had done almost everything possible to break up the firm and orderly government that his father had imposed on the country. […] He had prevailed upon many of the most capable barons to accompany him to the Holy Land at a time when England would most need their services. He had placed in a position of high trust and responsibility William Longchamp, a man who knew little about England and English way and who did not trouble to hide his contempt for the English. […] At a time when the country was groaning under the heavy exactions of his father, Richard had squeezed from his English subjects every penny he could wring from them. Finally, although he was even not even married, he set off on his perilous adventure without designating an heir. And he left behind him his brother John, ambitious, treacherous and untrustworthy […].« Vgl. Gillingham, The Art of Kingship, S. 95. Vgl. Carpenter, Richard by his contemporaries, S. 285. 1419 Berg, Richard Löwenherz, S. 134f. Der Vorwurf, dass Richard alles zu Geld machte, was möglich war, stammte von zeitgenössischen Chronisten, u. a. Roger von Howden, Gesta regis Bennedicti abbatis, Bd. 2, S. 90: Et omnia erant ei venalia, scilicet potestates, dominationes, comitatus, vicecomitatus, castella, villae, praedia, et caetera iis similia. Vgl. Balfour, William Longchamp, S. 113. 1420 Nach Berg, Richard Löwenherz, S. 135, war dabei ein Nebenerfolg, dass die baroniale Schicht durch die ökonomische Schwächung zumindest für kurze Zeit für Privatfehden schwächte. Gerade bei den earldoms gab es kaum personelle Veränderungen. Außerdem erfolgte auch eine Machtstabilisierung mit der Besetzung vakanter Bischofssitze, obwohl die Einnahmen aus den vakanten Bischofssitzen ihm zustanden. 1421 Der Earl von Essex war überraschend im Dezember 1189 verstorben. Wilhelm de Longchamp trat, nach seinem Rechtsstudium in Bologna, zunächst in den Dienst von Gottfried, Richards Halbbruder, wechselte aber vermutlich in Folge der Rebellion um 1184 in den
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Longchamp heute als fähiger Verwalter eingeschätzt wird, der dem englischen König loyal diente, machte er sich unter seinen Zeitgenossen schnell Feinde.1422 Die Justiciare – neben Hugo von Puiset, Bischof von Durham, der ebenfalls dieses Amt innehatte – sollten als eine Art Regenten das Reich verwalten, wobei ihnen assoziierte Justiciare, die oftmals, wie Wilhelm Marshal, schon lange mit dem Exchequer und der Verwaltung des Reichs vertraut waren, zur Seite standen.1423 Zum einen war Wilhelm de Longchamps Aufgabengebiet zunächst nicht eindeutig von dem des Bischofs von Durham getrennt und er geriet mit diesem schnell in einen Konflikt. Zum anderen stieß sein Auftreten aufgrund seiner relativ einfachen Herkunft in der englischen Oberschicht auf große Kritik.1424 Wilhelm war fremd in England und nicht mit den Gepflogenheiten der Regierung und der Verwaltung vertraut.1425 Hauptproblem war allerdings die machtvolle Position Johanns, der nicht nur über große Ländereien in England verfügte, sondern als potentieller Nachfolger Richards galt.1426 Als Richard am 22. September 1190 in Messina erklärte, dass sein Neffe Arthur sein Nachfolger werden solle, sah sich Johann gezwungen zu handeln, um seine Position zu wahren.1427 Zu lange hatte er selbst als Nachfolger gegolten. Zum offenen Konflikt mit dem Grafen von Mortain kam es im Streit um strategisch wichtige Burgen im Frühjahr 1191 und um die Nachfolge des Erzbi-
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Dienst Richards in Aquitanien. Hier musste er Richard aufgefallen sein, der ihn förderte. Am 16. September 1189 wurde ihm bereits das Bistum von Ely übertragen. Positiv wird heute seine rasche und effektive Art der Geldgewinnung für den Kreuzzug gesehen, ebenso wie seine Unterstützung bei Richards Gefangenschaft. Siehe Turner, Longchamp. Zunächst war Wilhelm mit Hugo gleichberechtigt im Amt, bei einer Neuordnung in Nonancourt im März 1190, wurde das Verwaltungsgebiet des Bischofs von Durham auf nördlich des Humber beschränkt. Balfour, William Longchamp, S. 124. Mit der Entscheidung, eine Doppelspitze einzusetzen, wollte Richard vermutlich eine zu hohe Machtkonzentration in der Person einer einzigen Person verhindern. Balfour, Wilhelm Longchamp, S. 137. Turner, Longchamp, betont, dass die Vorwürfe, Wilhelm hätte die assoziierten Justiciare ignoriert, ungerechtfertigt gewesen seien. Wilhelm hatte allerdings zahlreiche Posten mit seinen Vertrauten besetzt. Bedeutender für die Zeitgenossen war aber, dass Wilhelm trotz seiner einfachen Herkunft sehr machtbewusst auftrat, was besonders bei den Baronen große Kritik hervorrief. Zeitgenössische Chronisten, wie Gerald von Wales und Roger von Howden rezipierten die Vorurteile, auf die der englische Kanzler stieß. Sie verurteilten den Bischof für sein machtbewusstes Verhalten und warfen ihm Homosexualität vor. Sowohl Johann als auch sein Halbbruder Gottfried, Erzbischof von York, mussten vor Richards Abreise schwören, England nicht zu betreten. Dies zeigt, dass sich Richard der Gefahr von Machtkämpfen bewusst war. Allerdings hatte er Johann zugleich sehr gefördert, worauf die Vermutung entstand, dass er in ihm seinen Nachfolger sah, und ihn auch relativ schnell wieder von diesem Eid entbunden. Siehe Berg, Richard Löwenherz, S. 142. Church. King John, S. 43f. Church, King John, S. 46. Wilhelm de Longchamp sicherte dabei durch einen Vertrag mit dem König von Schottland dessen Unterstützung für die Nachfolge Arthurs.
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schofs Balduin von Canterbury, der im November 1190 auf dem Kreuzzug verstarb – wobei sich Wilhelm, der auch päpstlicher Legat war, als Nachfolger sah.1428 Wilhelm belagerte mehrere Burgen Johanns; dabei kam es zu einer offenen Opposition, als er Richards Halbbruder Gottfried, Erzbischof von York, festnehmen ließ, als dieser entgegen seinem Eid nach England zurückkehrte.1429 Die Konflikte zwischen den einzelnen Interessensgruppen in England spitzten sich so weit zu, dass Berg für den Sommer 1191 – kein Jahr nach Richards Abreise – bürgerkriegsähnliche Zustände sieht.1430 Der englische König schickte aufgrund der beunruhigenden Nachrichten aus seiner Heimat schließlich Walter de Coutances, Erzbischof von Rouen, nach England zurück. Dieser hatte Briefe Richards dabei, nach denen Wilhelm, falls er entgegen Richards Prinzipien Anordnungen erlassen würde, als Justiciar für abgesetzt erklärt werden sollte, was bei einer Ratsversammlung am 10. Oktober 1191 geschah.1431 Wilhelm de Longchamp flüchtete daraufhin auf den Kontinent.1432 Während der Bischof von Ely daraufhin versuchte, sein Amt wiederzuerlangen, beim Papst intervenierte und Exkommunikationen verhängte, kehrte Philipp II. aus dem Heiligen Land zurück und versuchte die Lage in England noch weiter zu destabilisieren, indem er sich an Johann wandte und diesem für die Ehe mit seiner Schwester Alice sämtliche Ländereien Richards auf dem Kontinent versprach. Nur eine Intervention seiner Mutter Eleonore mit der Drohung, dass er sämtliche Ländereien in England verlöre, begäbe er sich auf den Kontinent,
1428 Church, King John, S. 47f. Für die Barone war es schwierig, sich gegen Johann zu stellen. Zu sehr waren die Gerüchte laut geworden, dass Richard nicht vorhatte, nach England zurückzukehren. Auch hatten die reichen Schenkungen, mit denen Richard Johann vermutlich ruhigstellen wollte, den Verdacht erregt, dass er zunächst seinen Bruder als Nachfolger angesehen hatte. Eleonore von Aquitanien betrachtete dabei Arthur, der 1191 erst vier Jahre alt war, nicht als rechtmäßigen Nachfolger, sondern förderte weiterhin Johann. 1429 Church, King John, S. 50f. Vgl. Turner, Longchamp. Gottfried galt aufgrund seiner Nähe zu Heinrich II. als sehr beliebt in England. Auch rief das Vorgehen der Verbündeten Wilhelms Erinnerungen an Thomas Becket wach, was der Erzbischof noch anstachelte, indem er sich nach seiner Freilassung an den Schrein Beckets begab. 1430 Berg, Richard Löwenherz 1191. 1431 Walter de Coutances hatte zunächst versucht, zwischen den Parteien zu vermitteln. Besonders die Frage nach der Kontrolle der königlichen Burgen war der große Streitpunkt zwischen Wilhelm und Johann. Der Kanzler belagerte schließlich Lincoln Castle, als Gerard de Canville Johann huldigte. Am 28. Juli 1191 einigte man sich aber auf den Frieden von Winchester, bei dem vereinbart wurde, dass Johann die besetzten Burgen herausgeben musste, wenn Gerard de Canville Lincoln behalten durfte, und Wilhelm Johanns Thronfolgeanspruch unterstütze. Die Festnahme Gottfrieds von York diente Johann dazu, den Frieden von Winchester als gebrochen zu erklären. 1432 Zur Denunziation Wilhelms de Longchamp wurden wilde Geschichten verbreitet. So wäre er als Frau verkleidet gewesen, als er floh und in diesem Kostüm sexuell belästigt worden. Vgl. Berg, Richard Löwenherz, S. 180.
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hielt ihn von einem Seitenwechsel ab.1433 Die politische Lage auf der Insel blieb trotz der Absetzung Longchamps und des verhinderten Überlaufens Johanns für das Jahr 1192 unsicher. Johann konnte mit Windsor Castle eine strategisch wichtige Burg in seinen Besitz bringen, Wilhelm de Longchamp versuchte nach England zurückzukehren und Johann zu bestechen. Die Magnaten weigerten sich, den Kanzler wieder zurückkehren zu lassen – als Anfang des Jahres 1193 Nachrichten über die Gefangennahme Richards auftauchten. Trotz der Maßnahmen Richards für die Verwaltung seines Reiches in seiner Abwesenheit waren die Jahre der Abwesenheit des englischen Königs von Machtkämpfen geprägt. Durch die Gefangenschaft bestärkt, versuchten nun verschiedene Gruppen ihre Interessen durchzusetzen.1434 Dies wurde gerade zu Beginn der Geiselnahme durch eine große Unsicherheit aufgrund der schlechten Nachrichtenlage gefördert. Die Gruppe der Anhänger Richards schickte die Äbte von Boxley und Robertsbridge in das Reich, um den Verbleib ihres Königs zu klären.1435 Erst durch den verstärkten Kontakt im Laufe der Verhandlungen, die Besuche seiner Unterstützer und die Bekanntgabe der Forderungen, stabilisierte sich die angespannte Lage.1436 Wilhelm Longchamp eilte ebenfalls zu Richard, wurde von ihm nach England geschickt und präsentierte dort den Vertrag mit dem Kaiser bzgl. Lösegeld und Freilassung.1437 Weitere Unterstützer des Königs waren Hubert Walter, der auf Anweisung Richards zum Erzbischof von Canterbury geweiht wurde, Walter von Coutances, der mit für das Einsammeln des Lösegelds zuständig war, und seine Mutter Eleonore, die sowohl beim Papst
1433 Church, King John, S. 53. Vgl. Appleby, England without Richard, S. 101. 1434 Church, King John, S. 60. Church beurteilt die Situation Anfang des Jahres 1193 für England als wieder am Rande eines Bürgerkriegs stehend. 1435 Balfour, William Longchamp, S. 446. 1436 Mit dem Würzburger Vertrag vom 25. März 1193 waren – wenn auch in Worms das Lösegeld erhöht wurde – die grundlegenden Details für eine Freilassung geklärt. Unmittelbar daran konnte Richard mit den Großen in England wieder in Kontakt treten, wobei er sich nicht nur mit der Sammlung des Lösegelds beschäftigte, sondern auch politisch wieder aktiv wurde, z. B. indem er Hubert Walter zum Erzbischof von Canterbury wählen ließ. Auch wenn der König im April 1193 für drei Wochen auf dem Trifels eingesperrt war, besaß er nach Berg, Richard Löwenherz, S. 197, einen bemerkenswert großen Handlungsspielraum. Zahlreiche Getreue konnte er empfangen und die Kommunikation mit den Großen auf der Insel festigen. Dadurch stabilisierte sich die Lage in England und das Sammeln des Lösegelds stand im Zentrum. 1437 Balfour, William Longchamp, S. 447. Vermutlich nutzte der vertriebene Bischof die Möglichkeit, Richard die Ereignisse der vergangenen Jahre darzulegen. Allerdings war er auch eine große Stütze, indem er ein Treffen mit dem Kaiser arrangierte, das zu verbesserten Haftbedingungen führte. In England stieß er trotz seiner Unterstützung für Richard weiterhin auf Widerstand.
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intervenierte als auch an den Hoftagen teilnahm.1438 Die Gruppe der Unterstützer sah sich aber mit den Maßnahmen des französischen Königs und Richards Bruder konfrontiert, sodass sie nicht nur mit Heinrich VI. verhandeln, sondern auch militärisch eingreifen und Friedensverträge aushandeln musste, da sie sonst das Einsammeln des Lösegelds für gefährdet ansah. Gleichzeitig versuchten mit dem französischen König und dem Grafen von Mortain zwei Interessensgruppen, die Freilassung zu verhindern oder zu verzögern. Philipp II. intervenierte bereits zu Beginn der Geiselnahme bei Heinrich VI., damit dieser ihm den König ausliefere.1439 Schwer hingegen verschätze sich Johann. Er versuchte besonders die unklare Situation zu Beginn der Geiselnahme auszunutzen, indem er seinen Bruder für tot erklärte und Treueeide auf sich einforderte.1440 Die Großen Englands verweigerten allerdings die Unterstützung.1441 Als sich die Freilassung des Königs abzeichnete, intensivierte Philipp seine Bemühungen, damit Richard länger in Haft blieb, und verbündete sich mit dem Grafen. Johann erkannte den französischen Monarchen nicht nur als König an und trat Gebiete ab, sondern wandte sich gemeinsam mit ihm an den Kaiser, damit dieser ihnen für Geldzahlungen Richard ausliefere oder noch länger in Haft behielt.1442 Auf Druck der deutschen Fürsten musste der Kaiser seine Zusagen bezüglich der Freilassung Richards allerdings einhalten und Richard wurde am 4. Februar 1194 entlassen. Der englische König war über die Umtriebe seines Bruders informiert, da Heinrich VI. ihm die Briefe seines Bruders und des französischen Königs zeigte.1443 Als Richard schließlich im Februar 1194 freigelassen wurde, warnte Philipp Johann sogar, dass nun »der Teufel los« sei.1444 Mit der Freilassung des Königs waren die Wirren in England nicht beseitigt. Richard kehrte am 13. März 1194 nach England zurück, worauf er Maßnahmen zur Herrschaftsstabilisierung – Widerstand der restlichen Anhänger Johanns brechen, das ausstehende Lösegeld einsammeln und Wiederherstellung seiner
1438 Eleonore gilt dabei auch als die maßgeblich verantwortlich, dass Richard – um 1194 endlich die Freiheit wiederzuerlangen, überzeugte, den Lehnseid abzulegen. Vgl. Martindale, Eleanor of Aquitaine, S. 137–164. 1439 Berg, Richard Löwenherz, S. 190. Ebenso hatte er sich bereits an Herzog Leopold gewandt, damit dieser den König nicht wieder freiließ. Militärisch nutzte er die Situation aus, indem er in die Normandie einfiel und Gisors und Neaufle eroberte. 1440 Appleby, England without Richard, S. 110. 1441 Church, King John, S. 61. 1442 Berg, Richard Löwenherz, S. 208. Für eine Zahlung Philipps über 100.000 Mark und eine Johanns über 50.000 Mark sollte Heinrich VI. ihnen Richard ausliefern oder für monatlich 1000 Mark pro Monat weiterhin in Haft halten. Johann verzichtete auf weite Teile der Normandie und übereignete zentrale Burgen. 1443 Church, King John, S. 63. 1444 Prestwich, Richard Coeur de Lion, S. 2. Heinrich VI. forderte Johann brieflich auf, alle während der Gefangenschaft zu Unrecht angeeigneten Burgen wieder zurückzugeben.
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königlichen Würde durch eine Festkrönung – vornahm.1445 Diese Maßnahmen dienten dazu, mit der Rückeroberung der vom französischen König eroberten Gebiete des angevinischen Reiches beginnen zu können.1446 Johann – bereits im Februar 1194 für sein Verhalten in der Geiselnahme exkommuniziert – musste sich im März vor einem Hoftag verantworten, konnte aber durch sein Verhalten die Gunst seines Bruders wiedererhalten.1447 Dass zur Herrschaftsstabilisierung auch die Wiederherstellung des königlichen Rufs notwendig war, zeigt der Versuch Wilhelms de Longchamp mit einem gefälschten Brief des »Alten Mannes vom Berg« Raschids ad-Din Sinan, in dem dieser Richard von der Beteiligung an der Ermordung Konrads von Montferrat freisprach, reinzuwaschen.1448 Die Vorwürfe der Gefangenschaft wirkten noch nach. So negativ Richard in der Forschung lange gesehen wurde – neben den Vorwürfen, die ihm für den Kreuzzug gemacht wurden, kamen die politischen Folgen durch die Geiselhaft noch hinzu –, so positiv erschien er aber seinen Zeitgenossen, die ihn als Heroen betrachteten.1449 Ein König sollte ein guter Kämpfer und Kreuzritter sein und so wurde er in den zeitgenössischen englischen Quellen dargestellt.1450
4.3.2 Die Quellen Neben den meist sehr ausführlichen Schilderungen zu Richards Kreuzzug schlug sich die Gefangennahme des vom Kreuzzug zurückkehrenden Königs durch den österreichischen Herzog und die lange Haft ebenfalls in der englischen Historiographie nieder. Dieses für den englischen König sehr schmähliche Ereignis wurde von den englischen Chronisten nicht verschämt verschwiegen, sondern sehr ausführlich dargestellt.1451 Unter den analysierten Quellen berichten acht Quellen in unterschiedlicher Ausführlichkeit über die Gefangenschaft des englischen Königs, wobei hier die Annales Lewenses vernachlässigt werden können, da sie nur die Rückkehr Richards aus Alimania vermelden.1452 Gervasius von Canterbury schrieb in seinen beiden Werken – der Chronica und den Gesta regum Britanniae – Einträge zur Gefangenschaft nieder, ebenso wie Roger von 1445 1446 1447 1448 1449 1450 1451
Berg, Richard Löwenherz, S. 212–215. Berg, Richard Löwenherz, S. 216. Balfour, William Longchamp, S. 482. Balfour, William Longchamp, S. 522. Gillingham, Richard I. A king as portrayed by his enemies, S. 280. Carpenter, Richard by his contemporaries, S. 285. Staunton, The Historians, S. 272. Staunton hätte eher eine Art beredtes Schweigen erwartet. 1452 Annales Lewenses, zum Jahr 1194, S. 88.
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Hoveden in seiner Chronica, Wilhelm von Newburgh in der Historia rerum Anglicarum, Radulfus Niger in der Chronica Universalis (Chronica I), Ralph von Diceto in den Ymagines historiarum, und Radulph von Coggeshall im Chronicon Anglicanum.1453 Die Anzahl der Einträge – angefangen bei Richards Rückreise bis zu seiner Freilassung aus der deutschen Haft – reicht dabei von einer bis zwölf Nennungen. Die Zahl spielt hierbei allerdings eine nur untergeordnete Rolle und lässt nicht unbedingt einen Rückschluss auf das Interesse des Historiographen an diesem Thema zu, da die Einträge eine sehr unterschiedliche Länge aufweisen, manche sich den Ereignissen chronologisch widmen, während andere zusammenfassend in einem Stück zu den Ereignissen berichten. Daneben ist es schwierig die Einträge gegenüber den weiteren Schilderungen abzugrenzen. Die Konzentration lag bei der Analyse dabei auf Einträgen, die unmittelbar mit Ereignissen im Reich bzw. mit Personen von dort in Verbindung stehen. Allerdings lösten die Nachrichten von den Ereignissen aus dem Reich auch Handlungen in England aus – diese wurden, soweit wie möglich – nicht mitgerechnet. Zum erweiterten Kreis der historiographischen Texte zur Gefangenschaft Richards werden auch die Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis Rogers von Hovedens und das Cronicon de tempore regis Richardi primi Richards von Devizes hinzugerechnet. Beide brechen vor der Gefangennahme des englischen Königs in ihren Erzählungen ab, doch bieten sie Hinweise zum Verständnis der Ereignisse.1454 Somit sind in zehn der 27 analysierten Quellen Schilderungen zu Richards Haft, bzw. den Gründen dafür zu finden. Anders als beim Investiturstreit oder beim Alexandrinischen Schisma, als das Interesse der englischen Chronisten über die Person des Papstes zustande kam, waren die Historiographen nun unmittelbar von den Handlungen des Reiches und den Auswirkungen der Gefangenschaft auf das Angevinische Reich betroffen. Die Bedeutung dieses außergewöhnlichen Ereignisses für die Historiographen, das sich in der ausführlichen Darstellung in den Quellen niederschlug und nun den Kaiser und das Reich verstärkt ins Blickfeld rückte, zeigt sich besonders im Vergleich zur Wahrnehmung der Rolle Friedrichs I. und der Deutschen am 3. Kreuzzug.
1453 Gervasius von Canterbury, Gesta regum Britanniae, S. 89f., S. 90. Gervasius von Canterbury, Chronica S, 513, S. 514–523. Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 184–186, S. 186, S. 194, S. 195–199, S. 202f., S. 205f., S. 207, S. 208, S. 213–216, S. 222f., S. 225–229, S. 231–235. Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 1, S. 382f., S. 384–386, S. 386–388, S. 389–391, S. 393–396, S. 396–398, S. 402f., S. 404–406, S. 406–408. Radulfus Niger, Chronica Universalis, S. 302–305. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 2, S. 106, S. 106f., S. 110f., S. 112, S. 112, S. 113, S. 114. Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicarum, S. 53–57, S. 58–60, S. 60, S. 62. 1454 Bei Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 46f., S. 79f., S. 80. Roger von Howden, Gesta regis Henrici, Bd. 2, S. 228.
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4.3.3 Die Wahrnehmung der deutschen Beteiligung am 3. Kreuzzug Betrachtet man die Zahlen der Nennungen zur Gefangennahme im Vergleich mit denen zur Wahrnehmung der deutschen Beteiligung am Kreuzzug, so lässt sich eine Diskrepanz feststellen. Gervasius von Canterbury, der in seinen beiden Werken ausführlich zur Gefangennahme berichtete, vermerkt in der Chronica nichts zur deutschen Beteiligung am Kreuzzug. In den Gesta regis erwähnt er diese ebenfalls nicht, sondern erklärt nur mit einer Geschichte, warum der österreichische Herzog zornig auf Richard Löwenherz gewesen sei.1455 Richard von Devizes beendete seine Chronik vor der Geiselnahme, aber auch er vermerkte nur Nachrichten zu Deutschen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Geiselnahme standen – wie seine Darstellung zur Krise mit Herzog Leopold und der Versuch, Heinrich VI. gegen den österreichischen Herzog einzunehmen.1456 Einträge zur Beteiligung der Deutschen am 3. Kreuzzug finden sich jedoch bei Radulfus Niger, Radulph von Coggeshall und Ralph von Diceto. Diese enden jedoch alle mit dem Tod Friedrichs I. im Saleph.1457 Auch Wilhelm von Newburgh berichtet ausführlich über den Kreuzzug Friedrichs, bietet aber nach dessen Tod nur noch einen Verweis zu Leopold V. Beim Inhalt dieser Einträge lässt sich zwar eine große Überschneidung – meist werden in unterschiedlicher Ausführlichkeit die Stationen Aufbruch des Kaisers, Zug über den Balkan, Tod im Saleph genannt – feststellen, allerdings erscheint eine gemeinsame Quellengrundlage eher unwahrscheinlich.1458 Weitere Einträge zum deutschen Anteil am 1455 Gervasius von Canterbury, Gesta regum, S. 88. 1456 Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 46f., S. 80. 1457 Radulfus Niger Chronica Universalis: zur Vorbereitung Friedrichs I. zum Kreuzzug, IV,2, S.279, der Aufbruch Friedrichs I. zum Kreuzzug IV, 3 S. 282f., zum Verlauf des Kreuzzugs Friedrichs I. und dessen Tod, IV, 5 S. 288–296. Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicarum, Bericht über den Verlauf des deutschen Kreuzzugsunternehmens und der Tod Friedrichs I., S. 24. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Brief Heinrichs II. an Friedrich I. mit Ankündigung Kreuzzug und dessen Antwort, Bd. 2, S. 51f., Brief Friedrichs I. an Saladin, Bd. 2, S. 56f., Aufbruch Friedrichs I. in Regensburg, Bd. 2, S. 64, Tod Friedrichs I. im Saleph, Bd. 2, S. 83f. Eine Ausnahme stellt hier nur die Nachricht von der Beteiligung Deutscher an der Belagerung Akkons dar, Bd. 2, S. 80. 1458 Als Quellengundlage wäre, wie z. B. Hanna Krause bei Radulfus Niger, S. 127, mutmaßt, das Itinerarium peregrinorum möglich. Zum Itinerarium peregrinorum siehe Mayer, Das Itinerarium peregrinorum. Vgl. Möhring, Saladin und der Dritte Kreuzzug, S. 98f., S. 116– 118; The Chronicle of the third Crusade. The Itinerarium Peregrinorum et Gesta Regis Ricardi, hg. von Nicholson. Zum Kreuzzug Friedrichs I. gibt es zahlreiche Quellen, allerdings sind diese meist deutschen Ursprungs, wie die Epistola de morte Friderici imperatoris des Bischofs Gottfrieds von Würzburg, das Kreuzzugstagebuch des Passauer Domdekans Tageno, erhalten in der Chronik des Magnus von Reichersberg oder die Historia peregrinorum. Siehe auch S. 191f., Anm. 988. Das sog. IP 1 – zum Verhältnis der beiden Versionen siehe v. a. Mayer, Das Itinerarium peregrinorum, S. 80–102 – ist jedoch englischer Herkunft, wobei der Autor unbekannt ist, und wurde vermutlich im Heiligen Land verfasst. Das IP 2 wurde von Richard von Templo verfasst, der für die Überarbeitung
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3. Kreuzzug finden sich nur bei Roger von Howden. In seinen Historiographien finden sich Notizen über den Tod Friedrichs I. hinaus, auch wenn der Fokus ebenfalls auf dem Kaiser und seinem Tod liegt.1459 Im Mittelpunkt stand allerdings der Verlauf des Kreuzzugs unter Richard I., während Nachrichten zu Deutschen meist nur Teil einer Aufzählung sind. Trotz der Einträge bei Roger von Howden lässt sich bei ihm kein größeres Interesse an der deutschen Beteiligung feststellen. Das große Interesse der englischen Chronisten an der Person des Kaisers Friedrich I. dürfte – neben seinem spektakulären Tod – in der in den Augen der Chronisten gesehenen Rolle als »Vertreter und Vorkämpfer des zum Kreuzzug geeinten Abendlandes«1460 zu finden sein. Dieses nach dem Alexandrinischen Schisma neue Bild des Kaisers zeigt sich besonders in dem bei Roger von Howden und Ralph von Diceto aufgeführten Brief Friedrichs I. an Saladin.1461 In diesem Brief mahnt Friedrich an, dass Saladin die eroberten Städte im Heiligen Land zurückgeben solle, andernfalls werde er zu einer Schlacht gefordert. Dieser in England entstandene Brief spiegelt nach Hans Eberhard Mayer die englische Kreuzzugspropaganda und die damit bewusst gewordene Einheit des christliweitere Quellen zum Kreuzzug wie die Chronik Rogers von Hoveden heranzog. Mayer, Das Itinerarium peregrinorum, S. 151, verwies darauf, dass es eine Vielzahl kleinerer englischer Berichte zum Kreuzzug gab, die allerdings z. T. nicht mehr erhalten sind. Zu den Quellen der Autoren zum Kreuzzug und zur Gefangennahme siehe weiter unten. 1459 Roger von Howden, Gesta regis Henrici, Vorbereitung Friedrichs I. zum Kreuzzug, Bd. 2, S. 55, Vorbereitung zum Kreuzzug, Bd. 2, S. 58, Fürsten, die nicht ebenfalls das Kreuz nehmen, müssen ins Exil wie z. B. Heinrich der Löwe, Bd. 2, S. 61, Tod des Kaisers auf dem Kreuzzug, Bd. 2, S. 88f., Deutsche, u. a. der Landgraf von Thüringen bei der Belagerung von Akkon, Bd. 2, S. 95, Rückzug von Deutschen, Bd. 2, S. 141, Konrad von Schwaben nimmt an der Belagerung von Akkon teil, Bd. 2, S. 142, Deutsche und Engländer bei der gemeinsamen Belagerung, Bd. 2, S. 144, Aufzählung der Fürsten, die auf dem Kreuzzug verstorben sind, u. a. Friedrich I. und sein Sohn, Bd. 2, S. 148, Philipp II. bittet Heinrich VI. um Durchzugserlaubnis, Bd. 2, S. 228. Roger von Howden, Chronica, Friedrichs I. Beschluss am Kreuzzug teilzunehmen, Bd. 2, S. 330, Bd. 2, S. 356 Vorbereitungen Friedrichs I. zum Kreuzzug, Bd. 2, S. 356, Brief Friedrichs I. an Saladin, Bd. 2, S. 356–358, Aufbruch Friedrichs I. aus Regensburg und dessen Tod im Saleph, Bd. 2, S. 358f., Empfang deutscher Kreuzritter im Heiligen Land, Bd. 3, S. 20, Verbrennung deutscher Schiffe, Bd. 3, S. 21, Lager der Kreuzritter, u. a. deutsches Lager, Bd. 3, S. 22, Belagerung von Akkon u. a. durch Konrad von Schwaben, und Hungersnot unter den Belagerern, Bd. 3, S. 69, deutsche Teilnahme an der Belagerung von Akkon, Bd. 3, S. 73, Aufzählung der Fürsten, die auf dem Kreuzzug verstorben sind, u. a. Friedrich I. und sein Sohn, Bd. 3, S. 87–89, Philipp II. macht Station am Todesort Friedrichs I., Philipp II. diffamiert Richard I. bei Heinrich VI. auf seiner Rückreise vom Kreuzzug, Bd. 3, S. 166. Roger von Howden verwechselte die Söhne Friedrichs I. An dem Kreuzzug nahm Friedrich V., Herzog von Schwaben teil, der an einer Malariaerkrankung bei der Belagerung von Akkon starb. Dessen Bruder Konrad II. von Rothenburg starb erst 1196. 1460 Mayer, Der Brief Kaiser Friedrichs I., S. 494. 1461 Roger von Howden, Gesta regis Henrici, S. 61. Roger von Howden, Chronica, S. 356–358. Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 56f.
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chen Abendlandes wider.1462 Damit stand nicht die Person Friedrichs I. an sich und sein Schicksal im Fokus der englischen Chronisten, sondern sie nutzten ihn als Galionsfigur für die englische Kreuzzugsbeteiligung. Insgesamt jedoch hatten die deutschen Teilnehmer in den Augen der englischen Chronisten – bis auf die Person Friedrichs I. – keine Bedeutung für den 3. Kreuzzug. Allerdings boten Nachrichten zum Kreuzzug für sie die Möglichkeit, die Aggression Leopolds V., aber auch des Kaisers gegenüber Richard Löwenherz zu erklären. So finden sich daher Nachrichten zu Leopold V., ohne dessen Anwesenheit und Position in der Levante vorher zu erläutern. Bei Richard von Devizes und in den Gesta regum Gervasius von Canterbury stellen die Nachrichten zu Leopold V. die einzigen Einträge zu einer deutschen Person beim 3. Kreuzzug dar. Deutlicher wird diese Haltung – geringe Bedeutung der deutschen Beteiligung, aber Darstellung als Kulisse für die Feindschaft – bei Wilhelm von Newburgh. Wie Gillingham darlegte, kannte Wilhelm die Chronik Rogers von Howden, der mehrere Einträge zu den Deutschen verfasste, und damit auch die Nachrichten zu den Deutschen im Heiligen Land.1463 Dennoch findet sich jenseits der Einträge zu Barbarossa nur eine Nachricht zum schlechten Verhalten des österreichischen Herzogs der die Wohltaten des englischen Königs ihm gegenüber vergaß.1464 Der Chronist aus Newburgh wählte bewusst aus dem vielfältigen Angebot an Einträgen bei Roger aus und ergänzte es in seiner Darstellung mit Einträgen aus weiteren Quellen.1465 Andere Nachrichten zu Deutschen – jenseits des auf dem Kreuzzug gestorbenen Kaisers – hatten für Wilhelm keine Bedeutung. Die wenigen Nachrichten dienten damit zum Aufbau der Erklärung für die Feindschaft und zur Verteidigung Richards. Ebenso deutlich zeigt sich dies bei den beiden Werken Rogers von Howden. Zwar übernahm er die Einträge der Gesta in die Chronik, überarbeitete sie aber. Bei seinem Eintrag zur Ankunft der deutschen Kreuzritter in Akkon berichtete er ursprünglich im Anschluss über den Tod Herzog Friedrichs bei der Belagerung dieser Stadt. Nun fügte er unmittelbar im Anschluss an die Ankunft der Deutschen hinzu, wie eine Hungersnot unter dem Kreuzritterheer ausbrach und Hubert Walter diese milderte.1466 Während er in den Gesta regis notierte, dass der französische König bei 1462 Mayer, Der Brief Kaiser Friedrichs, S. 494. Mayer betont, dass dieser Brief zwar in England entstanden ist, ihn eine Fälschung zu nennen wäre aber nicht korrekt, da es sich ein zum Zweck der Kreuzzugspropaganda hergestelltes Produkt handelt, das ein ausgesprochenes bona-fide-Erzeugnis darstelle. Das Schreiben Saladins, das oft mit diesem Brief verknüpft, lange Zeit aber als echt angesehen wurde, hat Möhring, Saladin und der Dritte Kreuzzug, S. 98–125, ebenfalls überzeugend als fiktives Produkt erkannt, das zur Rechtfertigung der erreichten Ergebnisse Richards I. beim Vertrag mit Saladins galt. 1463 Gillingham, Two Yorkshire Historians Compared, S. 24f. 1464 Wilhelm von Newburgh, IV, 23, S. 360. 1465 Gillingham, Two Yorkshire Historians Compared, S. 26. 1466 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 69.
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seiner Rückreise Heinrich VI. um Erlaubnis suchte, über dessen Gebiet zurückzukehren und ihm versprach, dem König von Sizilien keinen Beistand zu leisten, und dass ihn der Papst ermahnte, solange sich Richard I. noch auf dem Kreuzzug befand, die englischen Gebiete nicht anzugreifen, schrieb er nun in der Chronica, dass Philipp II. beim Papst und Kaiser gezielt gegen den englischen König hetzte und Heinrich VI. überzeugen konnte, Richard gefangen zu nehmen.1467 Nach der Eroberung Akkons reiste Philipp II. am 31. Juli 1191 nach Frankreich ab; Roger von Howden beendete die Gesta regis noch im Jahr 1192 oder kurz darauf. Die Ausführungen zum französischen König und dessen Rückreise sind also noch vor der Gefangennahme formuliert worden und waren daher von den weiteren Entwicklungen unbeeinflusst. In der Chronica veränderte Roger in Hinblick auf die Gefangennahme diesen Eintrag, der somit als Erklärung für das Vorgehen des Kaisers diente, während der Leser der Gesta regis über die Spannungen zwischen den Königen nichts erfuhr. Mit dem Tod Friedrichs I. und der sich daran anschließenden weitgehenden Auflösung des deutschen Heeres, verstärkt noch einmal durch den Tod Friedrichs V. von Schwaben, übernahmen der englische und der französische König die Vorrangstellung bei der weiteren Führung des Kreuzzugs. Der Kreuzzug des deutschen Kaisers wurde zwar von einigen der englischen Chronisten erfasst, allerdings, wie schon erwähnt, weniger aus Interesse an der Person Friedrichs I., sondern als Teil der englischen Kreuzzugspropaganda. Dennoch war selbst der spektakuläre Tod des Kaisers nicht für alle von Belang; Richard von Devizes und Gervasius von Canterbury vermerkten ihn nicht. Weitere Einträge über den Tod des Kaisers hinaus beschränkten sich meist darauf, die Feindschaft Herzog Leopolds oder das Vorgehen des Kaisers gegenüber Richard I. zu erklären. Die Chroniken selbst waren dabei – bis auf die Gesta regis Rogers von Howden – aufgrund ihrer Entstehungszeit bereits durch die Gefangennahme geprägt. Die Gesta regis Rogers von Howden zeigen aber, dass auch eine frühere Entstehungszeit wenig an der Wahrnehmung änderte. Der Chronist, der selbst am Kreuzzug teilnahm, vermerkte zwar einiges über den Tod des Kaisers hinaus, dies waren aber nur kleinere Randnotizen. Für die englischen Chronisten war das deutsche Kreuzzugsunternehmen nicht von Belang.
4.3.4 Augenzeugen und Gerüchte – die Quellen der Chronisten Im Gegensatz zu den deutschen und österreichischen Quellen in denen nach der Übergabe des Gefangenen an den Kaiser ein einheitliches Schweigen über den weiteren Verlauf der Ereignisse herrschte, wurden die Leser der englischen 1467 Roger von Howden, Gesta regis, Bd. 2, S. 228. Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 166f.
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Chroniken in unterschiedlicher Ausführlichkeit und Genauigkeit über die Gefangennahme, die Gefangenschaft und die verschiedenen Aufenthaltsorte im Reich (Wien – Dürnstein – Würzburg – Speyer – Trifels – Hagenau – Worms – Mainz – Köln) unterrichtet und erfuhren Einblicke in die Hoftage und Verhandlungen, ebenso über Besuche beim englischen König und die Auswirkungen der Gefangenschaft auf das angevinische Reich. Hierbei kann für weite Teile nachvollzogen werden, woher die Autoren ihre Informationen zu den Ereignissen bezogen. Während für die Informationen zum Kreuzzug, wie bereits dargestellt, Kreuzzugsberichte eine große Rolle spielten, finden sich in den Darstellungen zur Gefangennahme Informationen aus dem unmittelbaren Umfeld des Königs. Richard von Devizes bezog seine Informationen von einer Person aus dem Umfeld Erzbischof Walters von Rouen.1468 Ralph von Diceto, Diakon von St. Paul’s in London, war eng mit dem englischen Hof vernetzt – mit Walter de Coutances war er freundschaftlich verbunden –, sodass er Zugang zu Materialien über die Gefangenschaft des englischen Königs hatte, wie die Briefe in seiner Chronik zeigen.1469 Ebenso gut vernetzt wie Ralph von Diceto war Roger von Howden. Er hatte selbst am Kreuzzug teilgenommen, war allerdings bereits mit König Philipp von Frankreich 1191 nach England zurückgekehrt. Hier war er weiterhin in die englische Politik eingebunden, für die er weitere Reisen unternahm.1470 Bestens vernetzt, hatte Roger, der für seine Chroniken so viele Quellen wie möglich sammelte, Zugang zu Briefen, die im Laufe der Gefangenschaft ausgetauscht wurden, und zu den Entscheidungsträgern.1471 Wilhelm von Newburgh nutzte Rogers Chronik.1472 Weitere Informationen zur Gefangenschaft erhielt er durch Philipp von Poitou, den späteren Bischof von Durham (1197– 1208).1473 Dieser hatte Richard I. auf dem Kreuzzug und auf dessen Rückreise 1468 The Chronicle of the third Crusade. The Itinerarium Peregrinorum et Gesta Regis Ricardi, hg. von Nicholson, S. 2. 1469 Bei Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, findet sich im Zeitraum der Darstellung zur Gefangenschaft des Königs ein Brief an Richards I. an die Suffraganbischöfe von Canterbury, S. 107f., ein Brief Richards I. an Walter von Coutances, S. 111, ein Brief Walters de Coutances über die Freilassungen des Königs an den Chronisten selbst, S. 112f., eine Abschrift eines Briefs Papst Coelestins III. an Herzog Leopold, S. 119, und ein gefälschter Brief des Alten vom Berg, S. 127f. 1470 Gillingham, Royal Newsletters, S. 182. 1471 Bei Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, finden sich im Zeitraum der Beschreibung der Gefangenschaft des Königs ein Brief Heinrichs VI. an Philipp II., S. 195f., ein Brief Walter von Coutances in dem er zu Heinrichs Brief Stellung nimmt, S. 196f., zwei Briefe des englischen Königs an seine Mutter, S. 208 und S. 226, ein Brief Richards an Hubert Walter, S. 226f., und ein Brief Heinrichs VI. an die Barone, S. 227f. 1472 Das ist aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Newburgh und Howden, aber auch aufgrund von Rogers Status wahrscheinlich, vgl. Gillingham, William of Newburgh, S. 59. 1473 Gillingham, William of Newburgh, S. 54.
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begleitet und blieb während der Gefangenschaft beim englischen König. Dabei war er während seines Zwangsaufenthalts in Deutschland für Richards Briefe und Urkunden zuständig.1474 Durch diesen Augenzeugen, der sich ständig in Richards Nähe befand, findet sich in Wilhelms Chronik singuläres Wissen zur Gefangenschaft, wie ein Bericht zum Besuch des Bischofs von Beauvais aufgrund dessen sich Richards Haftbedingungen verschlechterten oder Heinrichs VI. Versuch, den freigelassenen König wieder gefangenzunehmen.1475 Ein Augenzeugenbericht findet sich auch bei Radulph von Coggeshall, der durch Kaplan Anselm, ebenfalls ein Reisebegleiter des Königs, ausführliche Informationen über die Gefangennahme des Königs und über den Hoftag in Speyer vorweisen konnte.1476 Weitere Informationen über die Gefangenschaft des Königs und die politischen Entwicklungen dürften nicht nur durch die Boten der Briefe nach England gelangt sein, sondern auch über die Besucher des sich in der Gefangenschaft befindenden Königs. Ralph von Diceto schreibt sogar, dass der zahlreiche Besuch beim englischen König die Wärter in Erstaunen versetzte: Bischöfe, Äbte, Grafen und Barone und andere Personen hätten ihn aufgesucht.1477 Auch Roger von Howden berichtet über die Besuche beim König.1478 Das eigentlich Interessante an den Quellen zur Gefangenschaft des englischen Königs ist jedoch, dass sich die Aufregung, die Unsicherheit und die Nervosität, die die englische Bevölkerung befiel, widerspiegeln. Roger von Howden schreibt, dass in der englischen Öffentlichkeit Gerüchte über eine Gefangennahme entstanden, bevor es eine offizielle Auseinandersetzung damit gab.1479 Dass diese Gerüchte nicht nur unter der Bevölkerung herumgingen, zeigt ein Brief Erzbischof Walters von Rouen: Gerüchte bzgl. einer Gefangennahme habe es bereits 1474 Mayer, Die Kanzlei Richards I., S. 34. 1475 Wilhelm von Newburgh, Histroia rerum Anglicarum, Bd. 2, V, 31, S. 493f. Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 1, IV, 41, S. 404f. 1476 Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 54: ob eorum laudabilem fortitudinem et audaciam ascendit rex cum eis, paucis suorum secum retentis, in quibus errant Baldewinus de Betun et magister Philippus regis clericus, atque Abselmus capellanus, qui haec omnia nobis, ut vidit et audivit, retulit […]. 1477 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 110: Cessit Alemannis in admirationem non minimam quod tam crebri fiebant concursus episcoporum, abbatum, comitum et baronum, aliorum etiam mediae manus hominum, quos de tam diversis, de tam remotis nationibus unius hominis jurisdictioni subjectis desiderium trahebat videnti regem, de reditu cujus in tot regno suo fere desperabatur a singulis. Eine Übertreibung Ralphs mag hier mit dabei sein. 1478 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 215. Wie bereits dargestellt, waren Besuche nach dem Würzburger Vertrag bei Richard I., trotz des zeitweiligen Aufenthalts auf dem Trifels, möglich. 1479 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 196: His itaque per Angliam publicatis de captione regis Angliae rumoribus […].
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viele gegeben, nun habe man durch einen Brief Kaiser Heinrichs VI. an König Philipp II. Gewissheit – der König sei in den Händen des Kaisers.1480 Auslöser für die in England entstandene Unruhe waren zurückkehrende Kreuzfahrer gewesen, die davon ausgingen, dass Richard eigentlich längst in England hätte eingetroffen sein müssen.1481 Dass die Lage sich für den englischen Hof gerade am Anfang besonders verworren darstellte, zeigt auch, dass Walter de Coutances, Erzbischof von Rouen, daraufhin Boten ins Reich schickte, diese aber nicht wussten, wohin sie sich wenden mussten und nach Richard suchten, bis sie ihn schließlich in Oxefer (vermutlich Ochsenfurt) fanden.1482 Dass gerade diese Unsicherheit zu Beginn der Gefangenschaft auch Angst unter der englischen Bevölkerung vor einer möglichen französischen Invasion auslöste, zeigt die Chronik des Gervasius von Canterbury. Die Befestigungsanlagen wurden aufgrund der Gerüchte ausgebaut.1483 Auch als die Kontakte zwischen dem Kaiser und dem englischen Hof gegeben waren, Boten regelmäßig Briefe austauschten und Richard in seinem Gefängnis Besuch erhielt, versuchte Graf Johann durch Gerüchte Politik zu machen. Nach Roger von Howden wollte er die Barone überzeugen, dass Richard I. bereits tot sei, oder später, dass er nie zurückkehren werde.1484 Die Barone ließen sich allerdings von den Gerüchten nicht überzeugen. 1480 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 196: Super adventu regio in rumoribus variis ventilatis, tandem, quia veritas latere non potuit, nobis omnia sunt aperta. […] Imperatoria Alemannorum litterarum transcriptum vobis ducimus transmittendum, quas de domini nostril regis Angliae captione ad regem Francorum destinavit, praesenti pagina nostra involutum. Den Brief Heinrichs VI. hatte Roger bereits eingefügt, allerdings bleibt unklar, wie dieser Brief in englische Hände gelangte. 1481 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 194: Eodem anno multi peregrini, qui recesserunt cum rege de terra Suliae, redierunt ante Natale Domini in Angliam, sperantes se invenisse regem in Anglia, et interrogati de rege, ubi esset, responderunt: »Nescimus; sed navem ejus, quam intraverat, vidimus applicatam apud Brundusium in Appulia.« 1482 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 198: Audita itaque regis captione, Walterus Rothomagensis archiepiscopus, et caeteri domini regis justitiarii, miserunt abbatem de Boxeleia, et abbatem de Ponte Roberti in Alemanniam, ad quaerendem regem Angliae. Qui cum totam Alemanniam peragrassent, et regem non invenissent, Baveriam ingressi sunt, et obvivaverunt regi in villa quae dicitur Oxefer, ubi ducebatur ad imperatorem, habiturus cum eo colloquium in die Palmarum. 1483 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 514: Mira rerum commutation, sed et famae confusion facta est. Cum enim plurimi adventum regis in Normanniam praedicarent, et ob hoc plurimi convolarent in Normanniam, de captione ipsius subito murmur increbuit, omniumque, et maxime invidentium, ora resolvit. Innovantur illico circumquaque per Angliam de fidelitate regi servanda sacramenta, civitates et oppida muris et propugnaculis muniuntur. 1484 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 204f.: Deinde ipse comes venit Lundonias, et a Rothomagensi archiepiscopo, et caeteris justitiariis Angliae, petiit sibi regnum, et fidelitates hominum regni; affirmans quod rex Angliae frater suus mortuus erat; sed non crediderunt verbis ejus. Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 207: Rege autem Angliae moram faciente in captione imperatoris Romanorum, mirati sunt universi de mora illius; et quidam, per
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Trotz dieser – im Vergleich zu anderen Ereignissen – sehr guten Informationslage bei allen Chronisten fällt im Vergleich der Quellen die starke Diskrepanz in der Wahrnehmung der beteiligten Personen auf.
4.3.5 Die Wahrnehmung Herzog Leopolds V. Eine zentrale Figur in den Erzählungen der englischen Chronisten stellte Herzog Leopold V. dar. Wie bereits im Kapitel 3.3 dargestellt, gilt als Auslöser für die Gefangennahme des Königs dessen Beleidigung durch Richard I. mit der Entfernung des herzoglichen Banners, das dieser vermutlich in einem Palast nach der Eroberung von Akkon aufstellen hatte lassen. Dies bedeutete eine gravierende Ehrverletzung für den österreichischen Herzog und zugleich ein Zurückweisen seines Beuteanspruchs.1485 Dass dieses Vorgehen gegen den Herzog für die englischen Historiographen überhaupt relevant wurde, sodass sie es in ihren Chroniken vermerkten, ergab sich allerdings erst aus der späteren Reaktion des Herzogs mit der Gefangennahme. Im Gegensatz zu anderen Chronisten berichtet Roger von Howden, der am 3. Kreuzzug teilnahm und immer wieder kleinere Einträge zu Deutschen vornahm, in den Gesta regis nicht über diese deutschösterreichisch-englische Auseinandersetzung in Akkon. Entweder hatte der Chronist, der allerdings sonst sehr gut über die Vorgänge auf dem Kreuzzug unterrichtet war, keine Kenntnis zu diesem Vorfall oder er hielt ihn nicht für relevant genug, um darüber zu berichten. In der Chronica hingegen schreibt er über Leopold V. Eine genaue Erklärung, warum ausgerechnet der Herzog den König gefangen nehmen ließ, gab er allerdings – jenseits der räumlichen Sphäre – nicht. Erst mit der Reaktion des österreichischen Herzogs erhielt seine Person Relevanz für die englischen Historiographen, die ihn ansonsten in ihren Darstellungen zum Verlauf des Kreuzzugs, für den er unbedeutend war, über die Gefangennahme hinaus nicht erwähnen. Allerdings wird dieser Vorfall in den englischen Quellen sehr häufig dargestellt – im Gegensatz zu den deutschen und österreichischen Quellen, wo mit der Kölner Königschronik und Otto von St. Blasien nur zwei Quellen explizit auf das Niederreißen des Bannes eingehen und weitere österreichische Quellen nur sehr unbestimmt von einer Ehrverletzung sprechen. In sechs der neun analysierten englischen Quellen findet sich eine Schilderung. Nur bei Roger von Howden, der in seinen beiden Chroniken nicht über eine Ehrverletzung berichtet, aber zumindest auf die Gefangennahme durch den Herzog hinweist, und bei Ralph von Diceto findet sich keine Erläuterung für praedicationem comitis Moretonii, qui semper praedicabat illum nunquam rediturum, dubitaverunt de illo, et de reditu illius. 1485 Görich, Verletzte Ehre, S. 73. Berg, Richard Löwenherz, S. 171f.
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Leopolds Handeln. Ralph berichtet zwar ausführlich über die Behandlung durch seine Geiselnehmer, gibt allerdings keine Begründung für das Vorgehen Leopolds V.1486 Die anderen englischen Historiographen sprechen eine Ehrverletzung durch den König an. Richard von Devizes beschreibt, wie das Banner des Herzogs, das ihm beim Einzug nach Akkon vorangetragen wurde, wenn auch nicht auf Anweisung, aber mit Zustimmung Richards I., in den Schmutz gestoßen und noch zusätzlich mit Füßen getreten wird. Da Leopold V. auf diese Beleidigung (iniuria) nicht unmittelbar reagieren kann, kehrt er voller Hass zu seinem Zelt zurück und reist kurz darauf ab.1487 Gervasius von Canterbury bietet mit seinen beiden historiographischen Werken zwei unterschiedliche Schilderungen des Vorfalls. Nach der Chronica ließ Leopold sein Banner in einem der eroberten Paläste aufhängen, welches der König entfernen lässt. Daraufhin reisen der Herzog und alle Deutschen empört ab.1488 In den Gesta schildert Gervasius, wie der Herzog sein Zelt zu nahe an dem des Königs errichtet. Dessen Aufforderung, dieses etwas zu entfernen, verweigert sich der Herzog, woraufhin der König eigenhändig die Seile zerschneidet und das Zelt in sich zusammenfällt.1489 Der Herzog kehrt
1486 Ralph von Diceto. Ymagines historiarum, S. 106: Cum autem transisset Venetiam et Aquileiam, terram ducis Austriae subintravit. A quo captus est in civitate quae Wena dicitur xiii kalendas Januarii. Regem Anglorum dux Austriae comprehendit apud Wenam. Ralph von Diceto erklärte zwar nicht die Gründe für das Handeln des österreichischen Herzogs, sah aber in der Gefangennahme eine göttliche Strafe für das Verhalten Richards gegenüber seinem Vater, S. 107: Hoc igitur non fortuito sed ultione divina provisum est et salubriter ordinatum, ut Ricardus rex ad poenitentiam et satisfactionem congruam revocaretur, super excessu quo patrem suum carnalem Henricum regem decumbentem in lecto, tam auxilio quam consilio regis Francorum, apud urbem Cenomannicam obsidione valavit, et licet eum ferro non mactaverit corporaliter, eum tamen crebris et saevis assultibus compulit inde recedere. 1487 Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 46f.: Dux Austrie, et ipse unus ex ueteribus obsessoribus Accaronis, regem Anglorum secutus a pari in sue sortis possessionem, quia prolato coram se uexillo uisus fuit sibi partem uendicare triumphi; et si non de precepto de uoluntate tamen regis offensi deiectum est uexillum ducis in cenum, et in eius contumeliam a derisoribus conculactum. Dux in regem licet atrociter ardens, quam uindicare non potuit dissimulavuit iniuriam, et regressus in sue locum obsidionis, in refixam se receipt ea nocte papilionem, et postquam citissime potuit plenus rancoris renauigauit ad propria. 1488 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 514: Cum enim civitatem Accon irrumperent Christiani, et diversi diversa civitatis hospitia caperent, in nobilissimo civitatis palatio signum ducis elevatum est. Quod intuens rex et invidens, manu militum valida vexillum dejecit, ducemque tam grato spoliavit hospitio: unde dux et Teutonici omnes indignantes abierunt, regique redituro multis in locis posuerunt insidias, et tandem, ut dixi captus est. 1489 Gervasius von Canterbury, Gesta, S. 88: Dux etiam Ostrici remansit ibidem, et suum statuit tentorium in confinio regis Anglorum. Unde cum rex paulisper moveretur, nec ob hoc dux voluisset elongari, accurrit rex funesque succidit, totumque tentorium ducis dejecit in terram. Dux itaque furore plenus, ascensis navibus, festinus abcessit, et per loca maritima, per quae regis Anglorum suspicabatur regressus, posuit insidias. Cum rege quoque de suis
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daraufhin hasserfüllt in sein Land zurück. Wilhelm von Newburgh blieb im Gegensatz zu den anderen Chronisten sehr vage und schrieb, dass Herzog Leopold wegen non magnae injuriae gefangen genommen wurde.1490 Dass das Aufeinandertreffen des englischen Königs mit dem österreichischen Herzog auch ein Teil der offiziellen Anklage war, berichtet Radulph von Coggeshall. Beim Hoftag im März 1193 in Speyer wird dem englischen Gefangenen unter anderem vorgeworfen, dass er das Banner in cloacam werfen ließ.1491 Die englischen Chronisten sahen im Handeln Richards I. eine Beleidigung des Herzogs und zeigten die Konsequenz bei diesem – nämlich Hass auf den König – auf. Diese Berichte der Chronisten unterscheiden sich allerdings in ihren Erzählungen. Bereits Knut Görich hat bei einem Vergleich der Quellen darauf hingewiesen, dass alle Berichte in der Sachlage divergieren. Er kommt aber zu dem Schluss, dass es nicht von größter Bedeutung sei, wie der Zwischenfall genau passiert wäre. »Wichtiger ist in unserem Zusammenhang die Vorstellung, die dem erzählten Geschehen seine Logik verleiht, also das Wissen darüber, wie ein erhobener Ranganspruch öffentlich gezeigt oder behauptet wurde.«1492 Das Herunterreißen eines Banners – egal ob vorangetragen oder aufgestellt – ebenso wie das Zerschneiden von Zeltseilen war nicht nur ein Zurückweisen eines Beuteanspruchs, den Leopold als ranghoher Kreuzfahrer bei der Eroberung von Akkon erhob, sondern auch eine Beleidung der Person, die mit der Fahne auch ihren Rang demonstrierte.1493 Wie die englischen Chronisten übereinstimmend darstellten, fühlte sich Leopold durch das Handeln des englischen Königs in
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speculatores posuit improbos, qui omnes ipsius notarent eventus. Haec eadem et hiis similia procuravit eidem rex Franciae. Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 1, IV, 23, S. 360: Tunc rex Anglorum proprios thesauros aperiens, plurimos nobiles principesque exercitus cum suis militiis, qui advectas secum opes mora productiori laudabiliter absumpserant, et declarata inopia sua redire ad propria excusabiliter proponebant, largis, ut in exercitu Domini persisterent, invitavit stipendiis: e quibus fuit ex imperio Teutonico dux Austriae, qui postea tanti beneficii immemor, et cujusdam non magnae injuriae plus justo memor, sceleratas repatrianti regi, cujus stipendiarius fuerat, manus injecit, ut suo loco monstrabitur: […]. Radulph von Coggeshall, Gesta regum Britanniae, S. 59: Deinde conqueritur quod signum ducis Austriae, consanguinei sui, ob ejus contemptum in cloacam apud Jopen praecipitaverit, et Teutonicos suos in terra illa Hierosolymitana verbis probrosis et factis ubique dehonestaverit. Görich, Verletzte Ehre, S. 72. Görich, Verletzte Ehre, S. 72. Berg, Richard Löwenherz, S. 171f., weist darauf hin, dass sowohl der englische als auch der französische König bei der Aufteilung der Beute sehr skrupellos vorgingen. Kreuzfahrer, die die Stadt schon zwei Jahre lang belagert hatten, erhielten nichts. Herzog Leopold, der nach dem Tod Herzog Friedrichs von Schwaben die Führung für das verbliebene deutsche Kreuzfahrerheer übernommen hatte, konnte mit acht Rittern allerdings bei der Erstürmung Akkons auch keinen entscheidenden Beitrag leisten. Der englische König war allerdings ebenfalls auf die Beute angewiesen, da der Kreuzzug natürlich enorme Kosten verursachte.
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seiner Ehre angegriffen. Görich kommt bei seinem Vergleich zu dem Schluss, dass »diese Verhaltensnorm […] so selbstverständliche Gültigkeit [hatte], daß die einfache Kausalität von ehrverletzender Beleidigung und vergeltender Rache in vielen Quellen zur Begründung von Richards Gefangennahme durch Leopold völlig ausreichte – übrigens nicht nur in österreichischen, sondern auch in englischen.«1494 In der Tat führten englische Quellen gekränkte Ehre als Motivation für Leopolds Handeln an und sahen den Vorfall auf dem Kreuzzug als kausal für die spätere Gefangennahme an – gerechtfertigt fanden sie Leopolds Vorgehen allerdings nicht. Gervasius von Canterbury schreibt in der Chronica zwar, dass Richard das Banner des österreichischen Herzogs hatte entfernen lassen, macht aber deutlich, dass das Vorgehen des Königs durchaus verständlich gewesen sei, da der König dadurch seine eigene Ehre verteidigt habe. Auch hätten der Babenberger und Heinrich VI. Richards Kreuzfahrer-Ruhm geneidet. Bei der Eroberung von Akkon sei der englische König wesentlich entschlossener und schneller vorgegangen. Obwohl der König militärisch wesentlich bedeutender gewesen sei, habe der Herzog dann sein Banner im vornehmsten (nobilissima) aller Paläste aufgestellt.1495 Selbstverständlich habe hier Richard Löwenherz auf den Affront zu reagieren gehabt. In den Gesta fügt er als Erklärung hinzu, dass der König nicht einfach die Seile des zu nah an seinem eigenen errichteten Zelts zerschnitt – was ebenfalls nach Görich einen Angriff auf die Ehre des Königs bedeutete – sondern den Herzog zunächst gebeten hatte, dieses ein wenig (paulisper) zu entfernen, dem sich Leopold V. verweigerte.1496 Der Historiograph macht mit seinen beiden Schilderungen des Vorfalls deutlich, dass Richard nur seine Ehre und seinen 1494 Görich, Verletzte Ehre, S. 79. Der Autor steigert diese Aussage im Anschluss noch: »Die Gefangennahme des englischen Königs war Leopolds Rache für die Ehrverletzung, die er durch Richard erlitten hatte. Darin stimmen alle Quellen überein.« Vgl. Gillingham, The kidnapped king, S. 14. 1495 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 513f.: Vix tandem ereptus est, et inimico suo duci videlicet Ostrici praesentatus, et postremo imperatori traditus est. Oderant enim eum et ipsius gloriae invidebant, eo quod in obsidione et captione civitatis Accon in re militari promptior esset atque paratior; et quod Ciprum insulam grandem solus adquisisset. Et cum multos ex merito haberet aemulos, specialiter tamen ducis Ostrici malignum incurrit odium. Cum enim civitatem Accon irrumperent Christiani, et diversi diversa civitatis hospitia caperent, in nobilissimo civitatis palatio signum ducis elevatum est. Quod intuens rex et invidens, manu militum valida vexillum dejecit, ducemque tam grato spoliavit hospitio: unde dux et Teutonici omnes indignantes abierunt, regique redituro multis in locis posuerunt insidias, et tandem, ut dixi captus est. 1496 Gervasius von Canterbury, Gesta regum Brittaniae, S. 88: Dux etiam Ostrici remansit ibidem, et suum statuit tentorium in confinio regis Anglorum. Unde cum rex paulisper moveretur, nec ob hoc dux voluisset elongari, accurrit rex funesque succidit, totumque tentorium ducis deiecit in terram. Dux itaque furore plenus, ascensis navibus, festinus abcessit, et per loca maritima, per quae regis Anglorum suspicabatur regressus, posuit improbos, qui omnes ipsius notarent eventus.
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Rang gegen das als anmaßend empfundene Auftreten des österreichischen Herzogs verteidigt habe.1497 Richard I. habe seinen Rang als König gegenüber dem Herzog verteidigen müssen, der ihn zuerst beleidigt habe. Während der Historiograph aus Canterbury den herzoglichen Anspruch noch in Geschichten verpackt, ist Richard von Devizes hier offener. Der Herzog tritt bei der Eroberung von Akkon als gleichberechtigt bei der Aufteilung der Beute auf, ebenso wie er seinen Anteil am Sieg zuerkannt bekommen will.1498 Dabei macht der Historiograph deutlich, dass der König durch dieses Verhalten beleidigt war. Ein Herzog war nun einmal kein König, sodass er ihm gleichberechtigt hätte gegenübertreten können. Daher habe der Herzog auf seinen Platz verwiesen werden müssen. Radulph von Coggeshall wählt in seiner Darstellung einen anderen Weg. Er befreit Richard vom Vorwurf – neben verschieden weiteren – der Beleidigung des österreichischen Herzogs bei der Anklage in Speyer, indem er erzählt, wie wortgewandt sich der König gegen diese Vorwürfe verteidigt, sodass keine Verdächtigungen in den Herzen der Zuhörer bestehen geblieben seien.1499 Wilhelm von Newburgh erzählt nicht offen, wie der König gegen den Herzog vorgegangen war, auch wenn er deutlich macht, dass sich Leopold V. dadurch beleidigt fühlte. Wilhelm schwächt die Beleidigung allerdings ab, indem er zweimal betont, dass es sich nur um kleinere, unbedeutendere Vergehen gehandelt habe. Gleichzeitig hebt er hervor, dass Leopold finanzielle Zuwendungen durch den König erhalten, allerdings keine Dankbarkeit dem Spender gezeigt habe.1500 Die englischen Chronisten verschwiegen zwar nicht das rabiate Vorgehen des englischen Königs gegen den Herzog, aber sie machten deutlich, dass der Auslöser für dieses Verhalten beim österreichischen Herzog selbst zu suchen sei. Dieser habe zuerst die Ehre des englischen Königs beleidigt – ein Herzog war nun einmal kein König. Richard reagierte somit nur auf Leopolds Aktion. Die Chronisten stellen deutlich 1497 Vgl. Görich, Verletzte Ehre, S. 72. 1498 Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 46f.: Dux Austrie, et ipse unus ex ueteribus obsessoribus Accaronis, regem Anglorum secutus a pari in sue sortis possessionem, quia prolato coram se uexillo uisus fuit sibi partem uendicare triumphi; et si non de precepto de uoluntate tamen regis offensi deiectum est uexillum ducis in cenum, et in eius contumeliam a derisoribus conculactum. 1499 Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 59: Super his et hujusmodi calumniis rex ab imperatore conventus, confestim idem rex in medio stans cum duce Austriae, qui pro eo tunc plurimum lacrymabatur, contra singulae objections ita luculenter et argumentose peroravit ut onibus admirationi ac venerationi haberetur, ita ut nulla suspicio de his in quibus accusabatur in cordibus eorum ulterius resideret. 1500 Zu Wilhelm von Newburgh, Bd. 1, IV, 23, S. 360. Er wiederholt dies an späterer Stelle, Bd. 1, IV, 31, S. 383: Humboldus vero dux Austriae, qui, ut supradictum est, stipendiarius ejus in exercitu Domini fuerat, profusam ejus circa se largitatem, cum egeret, expertus, oblitus beneficii atque in ultionem cujusdam laesionis exiguae saeviens, magis autem opum Anglicanarum homo avarus et perfidus sitiens, cautissimos per omnes viarum transitus et diverticula, ut insigni profugo evadendi locus non esset, custodes disposuit; […].
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fest, dass Leopold nicht das Opfer einer ungerechtfertigten Handlung eines Königs gewesen sei, sondern dieser sich nur verteidigt habe. Somit war auch die spätere Gefangennahme zur Wiederherstellung verletzter Ehre nicht gerechtfertigt. Mit ihren ausführlichen Erzählungen stellen sie dar, dass Richards Vorgehen zwar kausal für die Gefangennahme, aber nicht gerechtfertigt gewesen sei. Gleichzeitig wurde die Person des Herzogs angegriffen, er wurde als anmaßend dargestellt und ihm wurde vorgeworfen, Wohltaten, die ihm sein späterer Gefangener zukommen ließ, vergessen zu haben. Den Beleg für die Wahrhaftigkeit ihrer Darstellungen sahen die englischen Chronisten im Tod des Herzogs 1194. Am 26. Dezember 1194 erlitt der babenbergische Herzog bei einem Turnierunfall einen offenen Beinbruch.1501 Aufgrund heftiger Entzündung der Wunde sah sich Leopold V. gezwungen, zu versuchen, sein Bein selbst zu amputieren, verstarb aber bereits am 31. Dezember 1194 an den Folgen des Unfalls. Problematisch für den sterbenden Herzog war allerdings, dass er zu diesem Zeitpunkt noch für die Gefangennahme des Kreuzfahrers Löwenherz exkommuniziert war und sein Land unter dem Interdikt stand. Bedingung für die Aufhebung der Exkommunikation und des Interdikts waren eine weitere Kreuzfahrt, Freilassung der verbliebenen Geiseln und Rückzahlung des Lösegelds. Im Sterben suchte er den Ausgleich mit der Kirche und versprach die Freilassung der Geiseln ebenso wie die Rückzahlung der verbliebenen Gelder und Verzicht auf das noch ausstehende Lösegeld.1502 Erzbischof Adalbert II. hob daraufhin die Exkommunikation auf.1503 Hatten deutsche Fürsten, bzw. Personen neben dem Kaiser, in der Wahrnehmung englischer Chronisten nur eine untergeordnete bis keine Rolle gespielt, finden sich nun detailreiche Darstellungen zum plötzlichen Unfall mit seinen verheerenden Folgen. Fünf der Historiographen berichten über das Turnier am 26. Dezember 1194, die Weigerung der Ärzte, die Amputation vorzunehmen, die Folgen der Exkommunikation und die Bedingungen zu deren Aufhebung wie auch zur kirchlichen Bestattung. Die Informationen stammten dabei von den aus Österreich zurückkehrenden Geiseln, die als Sicherheit für das noch ausstehende Lösegeld gestellt worden waren und deren Freilassung Bedingung für die Auf1501 Die Quellen sprechen hierbei alle von einem Turnierunfall. Berg, Richard Löwenherz, S. 232, verweist allerdings auf einen Reitunfall. 1502 Berg, Richard Löwenherz, S. 232. Die Quellen sprechen als Unfallursache alle von einem Turnierunfall. Berg verweist allerdings auf einen Jagdunfall. 1503 Nach Dienst, Leopold V., Herzog von Österreich, Sp. 1900, erfolgte die Aufhebung allerdings erst nach seinem Tod. Walter Pohl, Die Welt der Babenberger. Schleier, Kreuz und Schwert, Wien u. a. 1995, S. 213, schrieb, dass er wiederaufgenommen in die Kirche verstarb. Allerdings drohte der Salzburger Erzbischof Adalbert II. ein kirchliches Begräbnis zu verweigern, solange Leopolds Sohn Friedrich I. die Bedingungen für die Aufhebung nicht erfüllt hatte. Friedrich I. erfüllte die Bedingungen, wenn er auch z. B. Wilhelm, Sohn Heinrichs des Löwen, auf Betreiben Heinrichs VI. weiterhin als Geisel festhielt.
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hebung der Exkommunikation waren. Direkte Verweise auf die Geiseln als Nachrichtenträger finden sich bei Roger von Howden und Wilhelm von Newburgh.1504 Für Wilhelm waren diese Nachricht vom Tod des Geiselnehmers und der Freilassung so erfreulich, dass er den zurückkehrenden Geiseln Milch und Honig in die Stimme legte, als sie dem König von den Umständen ihrer Rückkehr berichteten.1505 Die Chronisten sahen dabei im Tod Leopolds V. eine göttliche Strafe für die Gefangennahme eines Kreuzfahrers und ihres Königs. Bereits im Vorfeld der Darstellung der Todesumstände Leopolds V. zitiert Ralph von Diceto einen Brief Papst Coelestins III. an den Bischof Adelard II. von Verona, in dem er diesen erneut ermahnt, dass für Aufhebung der Exkommunikation und des Interdikts die Geiseln freigelassen werden müssten.1506 Das Turnier wurde nach regionalem Brauch am 26. Dezember veranstaltet, wobei der Herzog verletzt wurde. Über diesen Vorfall mit anschließendem Tod urteilt Ralph mit einem Zitat aus einer Predigt Petrus Chrysologus, mit dem er deutlich macht, dass der Unfall Strafe für sein Verhalten gewesen sei.1507 Gervasius von Canterbury bezeichnet in der Chronik den Unfall als prodigium, ein negatives Zeichen, wobei er die unrühmlichen Umstände bis zum Begräbnis des Herzogs betont.1508 Waren Ralph von Diceto und Gervasius von Canterbury in ihren Darstellungen zu den Ereignissen in Österreich mit dem Tod Leopolds V. noch sachlich bis maßvoll, spiegelt sich in Rogers von Howden Chronica dessen Zorn auf den österreichischen Herzog wider ob dessen Weigerung, die verbliebenen Geiseln freizulassen. Er betont, wie die gesamte Markgrafschaft für die Gefangennahme 1504 Roger von Howden, Chronica, S. 277: Immo per octo dies detentum est super terram corpus illius, donec omnes obsides regis Angliae liberarentur; quorum quidam in Angliam venientes narraverunt haec omnia, sicut ea quae viderant et audierant. 1505 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicanum, Bd. 2, V, 8, S. 431: Anno a partu Virginis MC nonagesimo quinto ingresso, illustri Anglorum regi post gravium experimenta malorum favor coepit arridere Divinus. Cum enim plusquam viginti marcarum millia praeparasset duci Austriae, cum multo periculo mature transmittenda, illi, quos eidem duci pro satisfactione summae exactae obsides dederat, repente affuere, habentes mel et lac sub lingua sua; hostem scilicet immanissimum divini pondere judicii obrutum nuntiantes, et pro fide nuntii seipsos cum gaudio ostentates. 1506 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 119. Dieser Brief findet sich in keiner der weiteren Quellen, die über die Todesumstände Leopolds V. berichten. 1507 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 124: Luxuriae, ventri, gulae famis tortor apponitur, ut ultrix ibi poena saeviat ubi poenalis reatus exarserat. Ralph nennt hier Petrus Chrysologis Petrus von Ravenna. Das Zitat entstammt seiner Predigt De duobus filiis, siehe, PL 52, Sp. 184–187, hier Sp. 186. 1508 Gervasius von Canterbury, Chronik, S. 528: Mense Decembri mirandum in Alemannia accidit prodigium. […] Annuit dux; amputato pede cum tibia, cum faetor horridus augeretur indies, dux tandem obiit, sed sepeliri non potuit quia pro captione regis Angliae fuerat excommunicatus. Cumque per dies septem inhumatus jaceret, et teterrimus faetor intolerabilis esset […]. Die Nichtbestattung des Leichnams führte zu einer starken Verwesung des Leichnams, wie Gervasius betont, ein Zeichen, das für die Verdorbenheit des Verstorbenen stand. Siehe Schmitz-Esser, Der Leichnam im Mittelalter, S. 138.
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gegeißelt (flagellavit) wurde.1509 Gleich biblischen Plagen sei es zu Überflutungen, Hungersnöten und Krankheiten gekommen, aber auch dies habe Leopold V. nicht veranlasst, die verbliebenen Geiseln freizulassen. Daher habe Gott ihn schließlich noch persönlich gestraft.1510 In einer sehr ausführlichen Darstellung schildert Gervasius die Umstände, die schließlich zum Tod führten, wodurch – auf Druck der Kirche – die Geiseln freigelassen wurden. Roger sieht darin göttliches Wirken: Haec omnia fecit Dominus, ut superbos conteret, et ut potentiam Suam mortalibus manifestaret; […].1511 Wilhelm von Newburgh, der Rogers Chronik kannte, folgt dessen Darstellung. Auch er sieht in den Naturkatastrophen eine göttliche Strafe, ebenso wie im Unfall, da Leopolds Handeln Schlechtes für die christlichen Königreiche gebracht habe.1512 Unklar bleibt, welche Königreiche er damit meint. Möglicherweise bezieht sich diese Aussage auf die Auswirkungen auf das angevinische Reich, da Philipp II. die Gefangenschaft für Einfälle in die Normandie nutzte, was Wilhelm empört berichtet.1513 Wilhelm verurteilt strengstens Personen, die gegen seine christlich-sittlichen Standpunkte verstießen, so wie Leopold V. dies mit der Gefangennahme eines Pilgers tat und dabei auch noch Wohltaten des Königs vergaß.1514 Der Tod war in seinen Augen somit die wohlverdiente Strafe. Während diese Darstellung der Ereignisse denen von Roger von Howden, aber auch Gervasius von Canterbury oder Ralph von Diceto gleicht, auch wenn ihre Schilderungen von unterschiedlicher Ausführlichkeit und Emotionalität sind, beendet Wilhelm an dieser Stelle anders als die vergleichbaren Historiographen die Erzählung zur Strafe des österreichischen Herzogs noch nicht. Im Anschluss an seine Darstellung zum Tod des Herzogs berichtet er über einen Mann, der 1509 Roger von Howden, Chronica, S. 274f.: Eodem anno, cum Limpoldus dux Austriae adhuc permaneret in sententia excommunicationis, quam dominus papa in eum tulerat propter captionem Ricardi regis Angliae, nec poeniteret, flagellavit Dominus terram suam in hunc modum. Im Anschluss folgt eine Aufzählung von fünf Plagen, die Österreich heimsuchten. Auch österreichische Quellen berichten über die Überschwemmungen, die sich 1194 ereigneten. Sie sahen darin allerdings keine göttliche Strafe für die Gefangennahme eines Kreuzritters. Vgl. Scheibelreiter, Die Babenberger, S. 264. 1510 Roger von Howden, Chronica, S. 276–278: Eodem anno, die Sancti Stephani prothomartyris infra Natale Domini, cum induratum esset cor Limpoldi ducis Austriae, nec propter praedictas plagas, quas Dominus fecit terrae suae, posset adhuc emolliri, flagellavit Dominus corpus suum in hunc modum: […]. 1511 Roger von Howden, Chronica, S. 277. 1512 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd.2, V, 8, S. 431–434, hier S. 432: Referebant autem ejusdem potentis terram ante ejus interitum flagello multiplici ita divinitus fuisse attritam, ut ex his posset agnoscere, sibi quoque non attritam, ut ex his posset agnoscere, sibi quoque non lento jam pede appropinquare judicium nisi maturius faceret fructus dignos poenitentiae, homo tantorum reus malorum, quae proculdubio in regnis Christianis provenisse noscuntur ex infelicissima illa captivitate regis Anglorum. 1513 Jahncke, Guilelmus Neubrigensis, S. 112f. 1514 Jahncke, Guilelmus Neubrigensis, S. 120f.
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zunächst zum Grab des Hl. Jakobus gepilgert war. Daraufhin begibt er sich auf die Reise zum Heiligen Grab, begegnet dabei aber einem Dämon. Dieser versucht ihn zunächst, der Pilger bleibt aber standhaft. Unterstützung erhält er vom Hl. Jakobus, der den Dämon zwingt, sich und seine Absichten zu erkennen zu geben. Dieser brüstet sich, für die Zwietracht im Heiligen Land verantwortlich zu sein, damit die militärischen Erfolge wieder zunichtegemacht werden, und er habe Leopold V. beeinflusst, den englischen König gefangen zu nehmen, da dies den christlichen Königreichen geschadet habe.1515 Der Dämon äußert, er habe Richard I. nach England zurückbegleitet. Als dieser von dieser Geschichte erfahren habe, habe er mehr auf seine Umgebung geachtet und vermehrt Almosen gespendet. Gleichsam anekdotische Erzählungen wie diese, die über Teufelsbegegnungen berichten, finden sich häufig in klösterlichen Schriften.1516 Die Existenz von Dämonen und deren Treiben war den mittelalterlichen Autoren selbstverständlich und diese wollten mit diesen Geschichten mahnen, auf Gott zu vertrauen.1517 Ein klassisches Motiv dabei war, dass der Teufel sich, wie in dieser Geschichte, mit seinem Erfolg brüstet. Wilhelm schreibt, dass diese Geschichte vielen bekannt sei und er sie durch einen vir venerabiles erfahren habe, welcher diese unmittelbar vom Bischof von Le Mans habe.1518 Der Historiograph stand diesen wundersamen Geschichten skeptisch gegenüber, war aber, wenn sie vielfach und von Autoritäten belegt waren, auch nicht frei von ihnen.1519 Daher verband er wahrscheinlich die beiden Erzählungen nicht miteinander, sondern fügte diese Wundergeschichte der ersten Darstellung hinzu. Dieses Kapitel zeigt allerdings die zeitgenössische Auseinandersetzung und Verarbeitung der Krise, die durch die Gefangennahme des Königs ausgelöst wurde. Erklärungen für die Gefangennahme des Königs wurden gesucht. Die Chronisten standen mit der Gefangennahme ihres Königs vor einem Dilemma. Die Geschichte der Ehrverletzung des österreichischen Herzogs durch 1515 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 2, V, 9, S. 435: Ego enim grande illud scandalum et Christianae possessionis jacturam in Oriente patravi: ego inter reges Christianos in Terra Promissionis, ut nil ab eis ageretur, nec prosperaretur opus Dei in manibus eorum, detestabilem discordiam seminavi; regem Anglorum a Syria digressum per ministrum nequitiae meae, ducem scilicet Austriae, captivavi, multimodam exinde malorum occasionem regnis Christianis concinnans; eundem quoque regem de captivitate ad propria revertentem comitatus […]. 1516 Goetz, Gott und die Welt, S. 281. 1517 Goetz, Gott und die Welt, S. 217. 1518 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 2, V, 9, S. 434: Res pluribus nota est, quam nostrae simpliciter narrationi inserimus prout nobis viri venerabiles et fide digni tradidere, a Cenomannensi episcopi id ipsum se accepisse protestantes. 1519 Jahncke, Guilelmus Neubrigensis, S. 48f. Zur Begegnung mit dem Dämon siehe S. 52. Allerdings war er nicht bereit, alle sonderbaren Vorkommnisse Dämonen o. Ä. zuzuschreiben, sondern suchte nach einfacheren Erklärungen.
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Richard I. war in der Welt – sowohl englische wie deutsche Chronisten kannten sie. Wenn das Aufeinandertreffen in Akkon Teil einer von Gillingham angenommenen Propagandakampagne, die mit der Ermordung Konrads von Montferrat begonnen hätte, gegen Richard war, um seine angeblichen oder tatsächlichen Vergehen bekannt zu machen, standen die Chronisten vor der Aufgabe, ihren König zu verteidigen.1520 Die Begegnung war immerhin nach Radulph von Coggeshall Teil der offiziellen Anklage beim Hoftag in Speyer im März 1193. Wie Görich darlegt, war Leopolds Handeln zur Wiederherstellung seiner Ehre sowohl für Engländer wie auch Deutsche nachvollziehbar und stellte somit eine Schädigung des königlichen Rufs dar.1521 Dass man sich auch einer notwendigen Verteidigung im Kreise Richards bewusst war, zeigt der Brief Raschid ad-Din Sinans, des sogenannten Alten vom Berg. Ralph von Diceto hatte diesen von Wilhelm Longchamp zugesandt bekommen, explizit mit dem Hinweis, diesen in seine Chronik einzufügen.1522 Wilhelm de Longchamp war also durchaus an der Bekanntmachung dieses Briefes gelegen, wenn er diesen Ralph von Diceto explizit für dessen Chronik zusandte. Wilhelm von Newburgh, der ebenfalls über diesen Brief – allerdings in einer anderen Ausgabe – verfügte, berichtet, dass dieser an zahlreiche Fürsten versandt worden sei, um zu zeigen, dass Richard I. nicht für die Ermordung Konrads verantwortlich gewesen sei.1523 Mit dieser am englischen Hof entstandenen Fälschung sollte belegt werden, dass der englische König in keiner Weise etwas mit dem Tod des Markgrafen zu tun hatte. Die englischen Historiographen waren damit Teil des von Gillingham angenommenen Propagandakriegs, der sich um die Person Richards entsponnen hatte.1524 Bei den gefälschten Briefen ging es allerdings darum, Richard von dem Vorwurf reinzuwaschen, für den Tod der Führungsperson der Christen im Heiligen Land verantwortlich zu sein. Dass es entsprechende Maßnahmen zur Reinwaschung des Vorwurfs der Ehrverletzung gab, erscheint unwahrscheinlich. Zu unbedeutend war dieser Vorwurf im Vergleich mit den weiter 1520 Gillingham, Royal Newsletters, S. 185: »The events of 1191–1194, the Crusade an Richard’s capture and imprisonment, had unleashed a Europe wide propaganda war of remarkable ferocity.« 1521 Görich, Verletzte Ehre, S. 72. 1522 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, Bd. 2, S. 127: Willelmus Eliensiys episcopus, Radulfo decano Lundoniae. Mittimus ad vos litteras quas Vetus de Monte misit duci Austriae de morte marchisii in haec verba. Im Anschluss folgt der an Leopold V. gerichtete Brief. 1523 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 2, V, 16, S. 457–459, hier S. 457: His diebus ad Europae principes epistolae Senis Montani venerunt: […]. Has nimirum se vidisse atque legisse vir fide dignus mihi protestatus est, cum regi Francorum Parisius constituto sollemniter fuissent oblate, quarum continentia haec erat […]. Im Anschluss findet sich eine von Ralphs von Diceto abweichende Form des Briefs. 1524 Gillingham, Royal Newsletters, S. 185: »It was a war in which the historians writing in England played their part, encouraged to do so by Richard’s government.«
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erhobenen Anschuldigungen. Zwar findet sich bei ihnen ein ähnliches Erzählmuster – Darstellung des Vorfalls in Akkon, bei gleichzeitigen Angriff auf die Person Leopolds – allerdings sind die Erzählungen zu verschieden. Der österreichische Herzog aber hatte, was die späteren Todesumstände belegen würden, in den Augen der englischen Chronisten kein Recht, ihren König gefangen zu nehmen. Bilden die bisher betrachteten Historiographen trotz ihrer Heterogenität in der Wahrnehmung und Darstellung der Person Leopolds V. und der mit ihm verbundenen Ereignisse doch eine Einheit, stellt die Chronica Ralph Nigers eine Ausnahme dar. Hatte der Chronist Heinrich II. aufgrund der Ermordung Thomas Beckets sehr ablehnend gegenüber gestanden, sah er Richard I. als dessen Nachfolger wegen seines vorangehenden Engagements beim Kreuzzug wesentlich positiver.1525 In seiner Chronica findet sich auch eine ausführliche Darstellung zur Gefangenschaft des englischen Königs im Reich und den Auswirkungen wie den Einfällen des französischen Königs in die Normandie.1526 Bei Richards Gefangennahme fügt er eine Erläuterung für Leopolds Abneigung ein und urteilt über den König: »Je mächtiger der englische König geworden war, desto weniger lobenswert hat er gehandelt.«1527 Ein Angriff auf die Person Leopolds oder eine Beschwichtigung für die Ehrverletzung wie dies die anderen Chronisten vornahmen, um die Ungerechtfertigkeit für den Angriff aufzuzeigen, entfällt bei Ralph Niger. Eine andere Perspektive im Vergleich zu den weiteren Historiographen nimmt er auch bei der Darstellung der Todesumstände Leopolds V. ein. Dessen schlimmer Tod und insbesondere die Freilassung der englischen Geiseln waren von großer Bedeutung für den nach England zurückgekehrten Chronisten, da er damit seine Chronica beendete. Dabei finden sich jedoch keine Äußerungen zu einer göttlichen Strafe oder Zufriedenheit ob der Todesumstände. Vielmehr lobt Ralph Niger abschließend den Salzburger Erzbischof Adalbert II. für dessen Einsatz zur Freilassung der Geiseln.1528 Die Naturkatastrophen und Seuchen in
1525 Krause, Radulfus Niger, S. 20*, S. 234* f. Er versah Heinrich II. mit der Titulatur rex sub quo passus est beatus Thomas martyr Anglorum. Eleonore von Aquitanien stand er ebenfalls abweisend gegenüber und vermerkte zu ihrer Freilassung als sie ihre politischen Aktivitäten wiederaufnahm, dass sie in die Fußstapfen des verstorbenen Königs trete, der Wahrheit und Scham stets missachtet hätte. Eleonore wäre eine aquila rupti federis. Ralph Niger, Chronica, IV, 2, S. 282: Exivit et de custodia, in qua diutius emarcuerat, nobilis regina Alienor, dicta aquila rupti federis, et cucurrit in viis secundi mariti sui, qui maxime novissimis diebus suis veritatem et pudicitiam pariter. Vgl. Krause, Radulfus Niger, S. 236*. 1526 Ralph Niger, Chronica, IV, 6, S. 302–305. 1527 Ralph Niger, Chronica, IV, 6, S. 302: Fuerat autem dux Austrie potens et dives, qui olim in obsidione Acaron, urbe capta, iure belli palatium occupavit. Quod damen potentior factus est rex Anglorum, minus laudabiliter egit. 1528 Ralph Niger, Chronica IV, 6, S. 308. Fuerunt autem obsides regis Ricardi, quos archiepiscopus Saunciburgiensis multa instantia et probitate liberavit. Mit diesem Satz endet die
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Österreich vermerkt er ebenfalls, sah in ihnen aber kein Vorzeichen zum Tod des Herzogs, sondern stellt sie allgemein mit den Sünden der Menschen in Zusammenhang. Die christliche Religion habe durch die Erfolge der Muslime Schaden genommen, die göttliche Vergeltung bleibe nicht aus.1529 Nicht Österreich werde für die Gefangennahme des englischen Königs gestraft, sondern die Katastrophen seien ein Zeichen für die allgemein in Unordnung geratene Welt.1530 Die Kritik an Richard I. ebenso wie die Naturkatastrophen als Zeichen für Sünden fügen sich dabei in die sehr negative Sicht Ralphs auf den Zustand der Welt ein.
4.3.6 Die Wahrnehmung Heinrichs VI. Die Reaktion Leopolds V. auf den Vorfall in Akkon war für die Historiographen nachvollziehbar, auch wenn sie die Gefangennahme als nicht gerechtfertigt ansahen. Daher findet sich in den analysierten Quellen eine – bei allen Unterschieden – nach ähnlichen Mustern angelegte Darstellung. Beim Vergleich der Darstellungen Heinrichs VI. und seine Rolle bei der Gefangennahme des englischen Königs zeigen sich in den Chroniken hingegen große Unterschiede. Ralph Niger erklärt, dass Heinrich VI. in Richard I. einen alten Feind sah.1531 Worauf diese Feindschaft, dieser Hass beruhte, erläutert er allerdings nicht. Er berichtete ebenfalls nicht über die vom Kaiser geäußerten Anklagepunkte, mit denen Heinrich VI. die Gefangennahme begründete. Ralph von Coggeshall spricht ebenfalls von einer lange bestehenden Wut des Kaisers gegen den englischen König, begründet dies aber mit der Anklage Heinrichs VI.1532 Gegen die Anschuldigungen kann sich Richard aber verteidigen und der Umgang zwischen
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Chronik. Hanna Krause vermutet Kenntnis der Chronik bzw. Kontakt zu Magnus von Reichersberg aufgrund von Übereinstimmungen u. a. zur Geiselfreilassung. Ralph Niger, Chronica IV, 6, S. 307: Domini est terra et plenitudo eius, et Sarazeni et Christiani pariter fidei in inquitatem pro merito contulerunt, et mari [et] terra iniquitas hominum puniatur. Vgl. Krause, Radulfus Niger, 250* f. Vgl. auch Radulfus’ Niger Klagen in IV, 3–4, S. 282–287, über den Niedergang der Kirche und den Investiturstreit, den Niedergang der Ordensdisziplin und Hinweise auf die anstehende Apokalypse. Naturkatastrophen wären die Folge für die Verdorbenheit der Menschheit: His igitur malis ingruentibus, multa inciderunt difficilia, et crudelia, et periculosa, ut discordie regnorum, trages populorum, hereses impiorum numerose, et scismate perversorum hominum. Ralph Niger, Chronica IV, 6, S. 302: Imperator igitur veteribus inimicitiis, quasi odio novo formato, hostem publicum imperii regem pronuntiavit […]. Ralph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 58: Imperator vero iratum animum ac ferocem erga regem diutius conservans, nullatenus eum in praesentia sua convocare vel alloqui voluit, quia regem in pluribus contra eum et suos graviter deliquisse conquestus est, multas ei objiciens calumniae.
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ihm und den Kaiser wird daraufhin von Ralph freundschaftlich dargestellt.1533 Während bei Ralph Niger der Grund für die Feindschaft des Kaisers unklar bleibt, Ralph von Coggeshall diese in den Anklagepunkten begründet sieht, führt Gervasius von Canterbury in den Gesta regum Heinrichs Rolle in der Gefangennahme auf Neid auf den König zurück. Heinrich VI. habe Richard Löwenherz für dessen Ruhm beneidet, den sich dieser durch die Eroberung von Akkon erworben hatte, weil er ein besserer Kämpfer gewesen sei und außerdem Zypern erobert habe.1534 Diese Begründung findet sich auch in der Chronik des Gervasius.1535 Mit dem Motiv Neid erklärt Gervasius die feindliche Haltung des Kaisers und wertet ihn zugleich ab. Die Eroberung Zyperns erscheint hier als großer Erfolg des Königs, den Heinrich VI. ebenfalls gern erlangt hätte, und nicht als Teil der Anklage. Der englische König erscheint hier als militärisch erfolgreicher Held, der Kaiser als missgünstig, der, obwohl er am Kreuzzug nicht teilgenommen hatte, den Ruhm und die Beute gerne gehabt hätte. Zorn, Neid und Rache waren in der mittelalterlichen Literatur zentraler Bestandteil von Narrativen. Diese negativen Gefühle, wobei Rache keine Emotion an sich ist, waren in der mittelalterlichen Literatur Schaltstellen der Erzählung und konnten Handlungen motivieren.1536 Die drei Chronisten begründen mit negativen Emotionen den Fortbestand der Gefangenschaft nach Übergabe des Gefangenen an den Kaiser, auch wenn sie nicht unbedingt die Gründe für die Feindschaft oder den Hass nennen. Alte Feindschaft, Zorn, Hass und Neid waren für sie aber Gefühle, die auch ein Kaiser hatte und denen er in seinen Handlungen nachgab. Eine andere Sicht auf den Kaiser hat hingegen Richard von Devizes. In seiner Chronik beschreibt Richard wie Heinrich VI. durch Philipp von Dreux, Bischof von Beauvais, manipuliert worden sei. Philipp de Dreux war Cousin des französischen Königs. In dieser engen Beziehung zum König wird auch die Begründung für die Gegnerschaft zu Richard gesehen. Er hatte am 3. Kreuzzug teilgenommen und war nach Richard von Devizes mit den französischen Teilnehmern nach dem Tod Hugos III., Herzog von Burgund, für dessen Tod Richard 1533 Ralph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 59f.: Cumque diutius coram imperatore et principibus disertissime, ut est facundissimus, allegasset, surrexit imperator, et rege ad se accersito, osculatus est eum, deinceps blande leniterque cum eo colloquens. Ab illo ergo die coepit imperator regem vehementer honorare, et familiariter cum eo agere. 1534 Gervasius von Canterbury, Gesta regum Britanniae, S. 90: Vix tandem ereptus est, et inimico suo, duci videlicet Ostrici, praesentatus, et postremo imperatori traditus est. Oderant enim eum et ipsius gloriae invidebant, eo quod in captione civitatis Accon in re militari promtior esset atque paratior, et quod Ciprum insulam grandem solus adquisisset. 1535 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 513f.: Vix tandem ereptus est, et inimico suo duci videlicet Ostrici praesentatus, et postremo imperatori traditus est. Oderant enim eum et ipsius gloriae invidebant, eo quod in obsidione et captione civitatis Accon in re militari promptior esset atque paratior; et quod Ciprum insulam grandem solus adquisisset. 1536 Baisch/ Freienhofer/ Lieberich (Hgg.), Rache – Zorn – Neid, S. 18.
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I. gebetet habe, nach Frankreich zurückgekehrt.1537 Bei seiner Rückreise habe er verbreitet, dass der englische König den französischen König an Saladin hatte verraten wollen, er für den Tod Konrads von Montferrat und des Herzogs von Burgund verantwortlich gewesen sei, das Heer verraten habe und dass er ein gänzlich schlechter Mensch sei.1538 Daher habe der französische König das Heilige Land bereits früher als geplant verlassen und Jerusalem wegen Richard nicht erobert. Beim Verbreiten von Gerüchten belässt es der Bischof von Beauvais nach Richard von Devizes nicht. Vielmehr überzeugt er den französischen König, dass Richard Löwenherz Attentäter auf ihn angesetzt habe.1539 Zu Heinrich VI. schickt er Boten und Geschenke und kann ihn dadurch gegen Richard aufwiegeln, sodass Heinrich VI. den Befehl erlässt, Richard gefangen zu nehmen.1540 Richard Löwenherz, der strahlende Held, wird hier als Opfer einer Intrige dargestellt, die Vorwürfe, mit denen Heinrich VI. die Gefangennahme später rechtfertigte, als Verleumdungen des intriganten Bischofs.1541 Der Kaiser, der sich überreden ließ, ist hier nur das Mittel zum Zweck – dem englischen König zu schaden. Die 1537 Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 79f. Hugo III., Herzog von Burgund, hatte den Oberbefehl über das französische Kreuzfahrerheer nach der Abreise Philipps II. übertragen bekommen. Zum Konflikt mit dem englischen König kam es, nachdem dieser sich weigerte, das französische Heer am Lösegeld, dass Gefangene bei der Eroberung von Akkon eingebracht hatten, zu beteiligen. Nach einer Aussöhnung durch Heinrich von Champagne kam es zum erneuten Konflikt bei der Diskussion um einen Angriff auf Jerusalem. Hugo III. starb im August 1192 in Akkon. 1538 Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 80: Appulsus in latus Alemannie, per totas dietas sui itineris disseminabat in populos quod traditur ille rex anglie, (*primo aduentus sui in Iudeam tempore,) regem Francorum dominum suum Salahadino trader disposuerat; quod, ut Tyro potiretur, marchisium iugulari fecerat; (*quod ducem Burgundie ueneno perdidit;) quod ad ultimum omnem Christianorum exercitum qui sibi non parebat in commune uendiderat; hominem esse singulariter ferum, moribus ferreum et inamabilem, in dolis doctum, et in dissimulatione doctissimum; horum gratia regem Francorum tam celeriter repatriasse; horum gratia Francos qui resederant inconquisitam Ierosolimam deseruisse. 1539 Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 80: Rumor uires ex diffusione recepit, et in unum hominem omnium hoinum suscitauit inuidiam. Reversus in Franciam dominus Beluacensis regis sui secreto susurrauit in aurem, quod rex Anglie qui eum perderent sicarios in Franciam destinauerat. Rex ad ista turbatus, contra patrie consuetudinem custodies corporis sui lectissimos ordinauit. 1540 Richard von Devizes, Cronicon de tempore, S. 80: Addidit etiam mittere ad imperatorem Alemannie nuntios cum muneribus, et imperatoriam maiestatem in odium regis Anglie sollicitus inclinauit. Ex imperiali (igitur) mandatur edicto, ut omnes ciuitates et omnes imperii principles regem Anglorum, si in partes suas de Iudea forte rediens devenisset, armis exciperent, et sibi uiuum uel mortuum presentaret. Si quis ei parceret, ut publicus hostis imperii pleceretur. Paruerunt omnes imperatoris imperio, et mage sedulous ille dux Austrie, quem rex Anglie apud Accaronem exauctorauerat. 1541 Intriganten galten als Ausgeburt menschlicher Verruchtheit, die gegen die göttliche Ordnung und das christliche Gebot der Wahrheit verstießen. Lauer, Die Emotionalität der Intrige, S. 187, S. 194.
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besondere Rolle des Bischofs als Scharfmacher findet sich ebenfalls bei Wilhelm von Newburgh. Hier berichtet der englische König, dass er milde behandelt worden sei, bis der Cousin des französischen Königs an den Kaiserhof kam. Auch versucht der Bischof die Gefangenschaft so lange wie möglich hinauszuzögern.1542 Von einer Beeinflussung des Kaisers geht auch Roger von Howden aus. Hier ist es allerdings der französische König selbst, der Heinrich VI. überzeugt, Richard gefangen zu nehmen.1543 Bereits in den Gesta regis Henrici spricht Roger von Howden von Kontakten zwischen Heinrich VI. und dem französischen König: Bei seiner Rückreise aus Akkon bittet Philipp II. Heinrich VI. um die Durchreiseerlaubnis und verspricht dabei, dass er König Tankred keine Unterstützung gewähren werde.1544 In Rom hat er versucht, den englischen König zu verleumden.1545 Beim Kaiser schienen die Verleumdungen gefruchtet zu haben, denn Roger schreibt, dass dieser Richard wegen dessen Unterstützung für Tankred von Lecce und den Tod Konrads von Montferrat hasste.1546 Roger von Howden führt auch den Brief Kaiser Heinrichs in seiner Chronik auf, in dem dieser Philipp II. über die Gefangennahme unterrichtete und Richard I. als inimicus imperii nostri bezeichnete.1547 Beim Treffen in Speyer wird der englische König mit Vorwürfen konfrontiert – Roger schreibt hier vom Tod des Markgrafen 1542 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum V, 31, S. 493f. Vgl. Görich, Verletzte Ehre, S. 74f. Philipp von Dreux griff auch während Richards Gefangenschaft die Normandie an. 1197 fiel er bei einem weiteren seiner Angriffe auf die Normandie Richards Truppen in die Hände. 1543 Roger von Howden, Chronica Bd. 3, S. 167: Deinde rex Franciae effect adversus Romanorum imperatorem, quod ipse regem Angliae caperet, si per terram suam transiret. Deinde rex Franciae veniens in terram suam, defamavit regem Angliae adversus proximos suos, imponens ei criminal multa. 1544 Roger von Howden, Gesta regis Henrici, Bd. 2, S. 228: Et antequam rex Franciae venisset, misit nuncios suos ad Henricum Romanorum imperatorem; et accepta ab eo licentia transeundi per terram suam, juravit ei quod fidelitatem portaret ei de vita et membris et terreno honore, et quod auxilium nec fecit nec faceret regi Siciliae contra eum. Im Vergleich dieser beiden Textauszüge – die Beeinflussung in der Chronica durch den französischen König und das Angebot für die Durchzugserlaubnis – zeigt die Überarbeitung die unter dem Einfluss der Gefangennahme entstand. 1545 Roger von Howden, Chronica Bd. 3, S. 166: Qui cum venisset Romam, mala multa locutus est de rege Angliae, in conspectu domini papae et omnium cardinalium; dicens quod rex Angliae coegit cum a terra Jerosolimitana recedere; et appelavit eum de proditione sua. Sed nec dominus papa nec cardinals fidem habuerunt verbis ejus, scientes haec magis ex invidia processisse, quam ex delicto regis Angliae. Dies versucht er ebenfalls in den Gesta regis Henrici, Bd. 2, S. 228f. 1546 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 186: Et statim homines illius provinciae, conjicientes illum esse regem Angliae, proposuerunt illum capere, et Romanorum imperatori tradere, qui eum odio habuit, propter auxilium regi Tancredo factum, et propter necem Conradi marchionis, consanguinei sui. 1547 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3. S. 195f.
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und Verrat am Heiligen Land, aber nichts über die Unterstützung Tankreds von Lecce –, kann aber die Anwesenden von seiner Unschuld überzeugen.1548 Der französische König hatte Heinrich VI. gegen den englischen König eingenommen, Heinrich VI. geht nun nach der Devise »Der Feind meines Feindes ist mein Freund« vor. Dennoch beschreibt Roger von Howden den weiteren Verlauf der Gefangenschaft – nach der Verteidigung in Speyer – zunächst in einem sehr positivem Licht. Er spricht von Freundschaft und fügt einen Brief ein, in dem Heinrich VI. fordert, dass die Herrschaft Richards nicht angetastet werde.1549 Diese nach anfänglicher Schilderung Rogers zunächst sehr glatt und einfach verlaufende Gefangenschaft wurde schließlich durch die Gespräche zwischen dem Kaiser und Philipp II. gestört. Zwar gab es bereits im April 1193 Gerüchte über eine mögliche Verzögerung bei den Verhandlungen – gefördert durch Richards Bruder Johann – aber Roger von Howden verweist im Anschluss auf die fortschreitenden Verhandlungen.1550 Dabei wird erneut die amicitia zwischen den beiden Herrschern betont.1551 Allerdings kam das Treffen zwischen Heinrich 1548 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 199: Nam imperatore regem impetente in multis, et objiciente quam plurima, tum de proditione terrae Suliae, tum de morte Marchionis, tum de quibusdam conventionibus ad invicem habitis, et non observatis; rex libere, et constanter, et ita intrepide respondit, quod non solum eum imperator gratia vel venia dignum, sed etiam laude judicavit. Nam inclinantem se regem erexit, et suscepit in osculo pacis, et confoererravit eum sibi; […]. 1549 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 205f., S. 211f. Zur Bedeutung der amicitia zwischen Heinrich VI. und Richard I. siehe Görich, Verletzte Ehre, S. 82–85. Görich bezieht sich ein seiner Argumentation auf die Chronik Rogers von Howden. Richard erkannte nach Görich Heinrichs Gericht an, Heinrichs Gegenleistung bestand darin, ihn wieder in seine Huld aufzunehmen und die Klage fallen zu lassen. Richard wurde nicht gezwungen, auf die Lösegeldforderung einzugehen, sondern konnte, um sein Gesicht zu wahren, die Summe von sich aus vorschlagen. Die Darstellung Rogers von Howden spiegelt nach Görich die Inszenierung einer amicitia zur Ehrwahrung des Königs und Kaisers wider. Die Lehnsnahme, die sich nur bei Roger von Howden findet, deutet Görich, Verletzte Ehre, S. 88, als äußere Demonstration eines Friedensvertrags. Gillingham, König Richard I. als Gefangener, S. 134, sah im Homagium allerdings nicht die öffentliche Form des Friedensvetrags, sondern eine Demütigung des Königs. Die englischen Chronisten – bis auf Roger von Howden – verschwiegen die Lehnsnahme, da sie darin nicht den Wunsch des Königs sahen, sondern dies ihnen unangenehm war. Ähnlich wie die deutschen Chronisten die Gefangenschaft des Königs beim Kaiser verschwiegen, schwiegen hier die englischen Chronisten aus Scham. Der Kaiser hatte die Ehre des englischen Königs – trotz seiner brieflichen Versprechen – nicht gewahrt. 1550 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 207: Rege autem Angliae moram fciente in captione imperatoris Romanorum, mirati sunt universi de mora illius; et quidam, per praedicationem comitis Moretonii, qui semper praedivabat illum nunquam rediturum, dubitaverunt de illo, et de reditu illius. Im Anschluss berichtet Roger über die Verhandlungen. 1551 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 208: His et aliis admonitionibus domini papae et universorum cardinalium, et consilio virorum sapientium, imperator Romanorum et rex Angliae faci sunt amici. Dieses Verhältnis betonte Richard I. auch im anschließenden Brief an seine Mutter Eleonore von Aquitanien und die Justiciare.
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VI., Philipp II. und Richard I. nicht zustande.1552 Hier vermittelt nun der Chronist zum ersten Mal Sorge, dass Richard nicht freigelassen werden würde. Heinrich VI. befand sich im Frühjahr 1193 in einer unsicheren innenpolitischen Ausgangsposition. Albert von Löwen, Bischof von Lüttich, war am 24. November 1192 von deutschen Rittern in seinem Exil in Reims ermordet worden. Dieses Verbrechen lastete man Heinrich VI. an, der den Bischof für abgesetzt erklärt hatte, was mit zur Bildung der Fürstenopposition 1193/94 beitrug.1553 Nach Roger von Howden fürchtet Richard bei einer Verständigung des Kaisers mit dem französischen König für sich nachteilige Auswirkungen.1554 Daher stellt er nach Roger einen Ausgleich zwischen der Fürstenopposition und dem Kaiser her.1555 Damit schien die Gefahr einer Auslieferung zunächst gebannt. Nach dieser Darstellung fügt Roger den Vertrag über die Lösegeldbestimmung und den Bedingungen zur Freilassung ein, ebenso wie einen Friedensvertrag zwischen Richard I. und Philipp II.1556 Der Übertragung der Königswürde von Burgund stand Roger von Howden sehr skeptisch gegenüber, da dies nur eine reine Formsache wäre, da der Kaiser nicht tatsächlich über das Gebiet herrschen würde.1557 Der Zeitpunkt für die Freilassung wurde im Anschluss bestimmt.1558 Trotz der gelegentlichen Schwierigkeiten sieht es nun zunächst nach einer raschen Freilassung aus. Die Pläne werden durch die finanziellen Angebote des französischen Königs und Richards Bruder Johann erschüttert, die die Freilassung verzögern wollen.1559 Roger kommentiert deren Verhalten sarkastisch mit: Ecce quomodo amabant eum! Das Verhalten Heinrichs VI., das er bis jetzt nicht kommentiert hatte, kritisiert er nun scharf. Bloße Geldgier sieht er beim Kaiser walten, Richard hingegen ist verzweifelt und sieht seine Hoffnung auf Freilassung schwinden.1560 Die Kritik der Geldgier wiederholt Roger, allerdings verweist er 1552 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 212. 1553 Lejeune, Albert von Löwen, hl., Bischof v. Lüttich, Sp. 284–285. Vgl. Berg, Richard Löwenherz, S. 192. Sogar die Möglichkeit einer Absetzung mit päpstlicher Unterstützung sah Berg gegeben. Vgl. Csendes, Heinrich VI., S. 139ff. Engels, Die Staufer, S. 130. 1554 Roger von Howden, Chronica Bd. 3, S. 214: Timebant etiam rex Angliae quod, si colloquium illud haberetur, ipse sine dubio traderetur in manus regis Franciae. 1555 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 214. 1556 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 215–220. 1557 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 225f.: Et est sciendum, quod in his terris suntquinque archiepiscopatus, et triginta tres episcopatus. Et est sciendum, quod supradictus imperator nunquam praedictis terries et hominibus dominari potuit; neque ipsi aliquem dominum ad praesentationem imperatoris recipere voluerunt. 1558 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 226. Im Anschluss fügt Roger einen Brief an die englischen Barone ein, in dem er die Freilassung des Königs ankündigt. 1559 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 229. 1560 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 231f.: […] et celebrato ibi concilio de liberatione regis Angliae, imperator voluit a pacto resilire, propter cupiditatem pecuniae quam rex Franciae et comes Johannes ei obtulerant. […] Quibus visis et lectis, rex plurimum turbatus est et confusus, desperans de liberatione sua.
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nun auf die Fürsten, die dieses Angebot ablehnten und auf der Einhaltung des Vertrags bestanden.1561 Roger von Howden nimmt den Kaiser als beeinflussbar durch andere Herrscher wahr. Die Abneigung gegen den englischen König habe er durch Philipp II. übermittelt bekommen. Daneben sei er eine schwache Person gewesen, die sich gegen die Fürstenopposition in seinem Reich nicht habe durchsetzen können, nach außen Freundschaft inszeniert und inhaltsleere Königswürden vergeben hätte. Ein weiterer Zug, der zu einem Kaiser nicht passe, sei die Geldgier, für die er bereits geschlossene Verträge gebrochen habe. Das Lösegeld, das er von Richard bekommen hatte, sei ihm nicht genug gewesen. Geldgier sieht ebenfalls Wilhelm von Newburgh als zentrales Motiv für Heinrichs Handeln. Zwar verbreitet auch nach Wilhelms Darstellung der französische König das Gerücht, dass Richard I. schuld am Tod Konrads von Montferrat war, aber dies ist nicht im gleichen Maß handlungsmotivierend wie die Geldgier.1562 Dieses Motiv kommt dabei nicht erst wie bei Roger von Howden zum Ende der Gefangenschaft zum Tragen, als das französische Angebot in Verbindung mit dem Angebot des Grafen von Mortain die Haft verlängern sollte, sondern ist hier der Auslöser für Heinrichs Haltung.1563 Aber nicht nur als geldgierig stellt der Chronist den Kaiser dar, sondern auch als äußerst verschlagen. Um den englischen König in seine Hände zu bekommen, gibt er vor, die Ehre des Königs achten zu wollen, und dies sei in den Händen eines Herzogs nicht möglich.1564 Zur Rechtfertigung der Gefangenschaft verbreitet er Lügen, die Wilhelm allerdings nicht näher ausführt.1565 Gegen diese konnte sich zwar der englische König behaupten und den anwesenden Hof überzeugen. Heinrich VI. gab allerdings nur vor, dass er von Richards Worten bewegt gewesen sei und
1561 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 232f.: Qui audacter introierunt ad imperatorem, et plurimum increpaverunt eum de cupiditate sua, qui ita impudenter a pacto suo resilire volebat; et effecerunt adversus eum quod ipse liberum et quietum dimisit regem Angliae a captione sua. 1562 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, IV, 25, S. 365–367. 1563 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, V, 32, S. 384: Qui nimirum vel imperialis vel etiam Christianae negligens honestatis, et occasione captivi insignis diripiendis plurimarum regionum opibus inhians, gavisus est valde. 1564 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, V, 33, S. 386f.: Imperator autem allegans regem non decere teneri a duce, nec esse indecens si ab imperatoria celsitudine decus regium teneretur, insignem ad se trahere curavit captivum. 1565 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, V, 33, S. 387: Qui nimirum avaritiam pallians, et quod foedissime faciebat adumbratae justitiae colore obducens, illustrem captivum concinnatis maculabat mendaciis, et gloriabatur voluntate Die incidisse in manus suas plectendum severius hostem imperii, et Terrae Sanctae, in cujus medio Dominus salutem operatus est, proditorem.
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verfolgte weiterhin sein Ziel.1566 Auch ist Heinrich VI. nach Wilhelm für die Ermordung des Bischofs verantwortlich, die zur Bildung der Fürstenopposition führt.1567 Perfide zeigt sich der Kaiser auch bei der Freilassung: Wie der ägyptische Pharao beim Exodus der Israeliten, will er den König wieder einfangen.1568 Gerettet wird Richard I. durch das rechtzeitige Erreichen des Meeres. Diese Charakterzüge und Aktionen sind für Wilhelm von Newburgh nicht mit der Würde eines Kaisers vereinbar. Bereits zu Beginn urteilt er, dass Heinrich VI. seine kaiserliche und christliche Ehre vergesse, als er sich über die Nachricht der Gefangennahme freut.1569 Als Heinrich den König durch die vorgetäuschte Ehrwahrung in die Hände bekommt, fügt Wilhelm seine Klage ein: Für seinen Vorteil vergesse Heinrich VI. alle kaiserliche Würde und verletze das Recht, Heinrich sei genauso wie Saladin.1570 Als er an die Fürsten mit dem Angebot des französischen Königs und des königlichen Bruders herantritt, die Gefangenschaft für Geldzahlungen zu verlängern, zeigen sich die Fürsten entsetzt. Die Ehre des Reiches wurde durch die Gefangenschaft schon schwer geschädigt. Er dürfe das Reich nun nicht komplett entehren.1571 Die Wahrnehmung Heinrichs VI. gestaltet sich in der englischen Historiographie wesentlich heterogener als die Leopolds V. Während der österreichische 1566 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, V, 33, S. 388: Multis enim prae gaudio in lacrimas resolutis, inclinatum regem dignanter erexit, uberiorem de cetero gratiam et profusiora solatia pollicens, re autem vera ingenti summae, mediante duce Austriae, ab ipso rege pro sua liberatione promissae, sitibunde inhians. Unde nex relaxandum duxit quem sic honorare voluit, nullum commodius judicans pignus promissionis quam corpus promissoris. 1567 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, IV, 37, 396–398. Der Auftraggeber des Mordes wurde bekannt, da auf Heinrich I. von Brabant ebenfalls ein Anschlag verübt werden sollte, die Attentäter aber gefasst werden und die Hintergründe enthüllen. 1568 Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 1, IV, 41, S. 404: Nam sicut olim Pharao et Aegyptii, quos Deus induraverat, poenitentia ducti quod populum Die, quem servitute oppresserant, tandem vel coacto dimisissent, dixerunt: »Quid voluimus facere ut dimitteremus Israel ne serviret nobis? ita etiam perfidus ille imperator et Alemanni cum regem Christianum, quem sola turpis lucri gratia diutina custodia coarctarant, sera tandem clementia relaxassent […].« 1569 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, IV, 32, S. 384: Qui nimirum vel imperialis vel etiam Christianae negligens honestatis, et occasione captivi insignis diripiendis plurimarum regionum opibus inhians, gavisus est valde. 1570 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, V, 387: Sic ergo Christianus imperator avaritia depravatus, memorato regi versus in Saladinum, novo atque inexpiabili naevo Romanum foedavit imperium. […] Verum »Quid non mortalia pectora cogis auri sacra fames?« Imperator Romanus, proh pudor! Prae commode esurie ad omne honestum, omne jus fasque oculos clausit: imperiale decus nescivit: alter esse Saladinus non erubuit. 1571 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, V, 40, S. 403: Qui nimirum imperatoriae levitati succensentes, honestoris consiloo pondere obstiterunt, dicentes: »Sufficit, domine imperator, hucusque foedatum esse indigna nobilissimi regis captione imperium, nec inexpiabilem imperiali maculam generes honestati.«
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Herzog durch die Gefangennahme ein klares Feindbild abgab – ihm wurde auch für seine Darstellung wesentlich mehr Raum in den Chroniken im Vergleich zu Heinrich VI. eingeräumt – waren sich die Historiographen über die Rolle des Kaisers und dessen Motive nicht einig. Heinrich VI. wurde als beeinflussbare Person dargestellt (Roger von Howden und Richard von Devizes), als Neider des Ruhms und militärischen Erfolgs des englischen Königs (Gervasius von Canterbury), als wütend und befeindet mit dem König (Ralph Niger und Ralph von Coggeshall), oder als geldgierig und die Ehre seines Reiches vergessend (Roger von Howden und Wilhelm von Newburgh). Diese nicht eindeutige Haltung dürfte mit dem unklaren Bild zusammenhängen, das Heinrich VI. in dieser Situation abgab. Einerseits beteuerte er nach der Verteidigung des englischen Königs in Speyer dessen Freispruch von allen Vorwürfen und versicherte seine Freundschaft und ermahnte die Engländer, nichts gegen Richards Herrschaft zu unternehmen. Gleichzeitig überlegte er, auf das Angebot des französischen Königs einzugehen und die Haft zu verlängern. Dennoch ist mit der Darstellung des Kaisers eine klare Abwertung von dessen Person verbunden. Hass, Neid und Geldgier werden mit ihm verbunden, während Richard I. als glanzvoller Held dargestellt wird. Dabei werden die Vorwürfe, die gegen Richard erhoben worden waren und mit denen Heinrich VI. die Gefangennahme rechtfertigte, in den englischen Chroniken im Vergleich zu den deutschen kaum oder nur in Teilen angesprochen.
4.3.7 Die Wahrnehmung der Fürstenopposition Die Fürsten spielen nicht nur bei Wilhelm von Newburgh eine wichtige Rolle. Als Anführer der Fürstenopposition benennt der Chronist die Erzbischöfe von Köln und Mainz, den Herzog von Löwen und von Limburg.1572 Mit seiner Aufzählung erfasst Wilhelm zwar nur einen kleinen, aber doch entscheidenden Teil der Fürstenopposition, der sich auch der Thüringer Landgraf, und der Markgraf von Meißen angeschlossen hatten. Nach dem Chronisten sind sie es, die an den honor imperii denken und diesen durch Heinrich VI. verletzt sehen. Durch ihre Machtdemonstration habe sich Heinrich VI. gezwungen gesehen, den englischen König freizulassen. Die besondere Bedeutung der Fürsten bei der Freilassung 1572 Wilhelm von Newburgh, Histora rerum Anglicarum, Bd. 1, IV, 37, S. 397: Denique propter hoc tam grande piaculum, Coloniensis et Magontiensis archiepiscopi, duces quoque Saxonicus, Luvannensis, Lemburgensis, aliique nobiles plurimi animis efferati, contra imperatorem conspirarunt. Mit dem Herzog von Löwen, meinte Wilhelm vermutlich Herzog Heinrich I. von Brabant, der auch Graf von Löwen war. Heinrich III., Herzog von Limburg, hatte am Kreuzzug teilgenommen und sich nach dem Tod Friedrichs I. Barbarossa dem englischen Heer angeschlossen.
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Richards I. spiegelt sich auch in unterschiedlichem Maße bei den anderen Historiographen wider. Ähnlich findet sich die Darstellung der Fürsten bei Roger von Howden. Auch hier sind es die Fürsten, die auf der Freilassung bestehen und den Kaiser wegen seiner Gier tadeln, deretwegen er schamlos von dem bereits geschlossenen Vertrag zurücktreten wollte.1573 Die Erzbischöfe von Köln und Mainz übergeben Richard auch seine Mutter Eleonore von Aquitanien, die zu dessen Freilassung angereist war.1574 Auf seiner Rückreise leisten diejenigen, die sich für die Vertragseinhaltung eingesetzt hatten – nach Roger von Howden sogar der Herzog von Österreich – den Lehnseid und versprechen Hilfe gegen Frankreich.1575 Richard I. sicherte sich durch Rentenzahlungen ein Bündnissystem gegen den französischen Lehnsherrn, den er durch die Verbindung zu den deutschen Fürsten einkreisen konnte.1576 Diese Verbindungen wurden allerdings später ebenso wenig in Anspruch genommen, wie der Lehnseid, den der englische König dem deutschen Kaiser geleistet hatte.1577 Nach Ralph von Diceto reist Richard I. auf Bitte des Erzbischofs Adolf von Altena nach Köln, der ihn mit demonstrativen Feierlichkeiten begrüßt. Doppeldeutig dabei ist die Bibelstelle, die Adolf I. im Festgottesdienst zitiert: Nunc scio vere quia misit Dominus angelum suum, et eripuit me de manu Herodis.1578 Bei der Analyse der historiographischen Texte des 12. Jahrhunderts aus England lässt sich feststellen, dass Personen neben dem Kaiser in englischen Chroniken kaum wahrgenommen wurden; eine Ausnahme bildet vereinzelt Heinrich der Löwe, Schwiegersohn Heinrichs II. Bei der Freilassung Richards treten sie zum ersten Mal in massiver Form als Gruppe auf und werden als 1573 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 232f.: Convenit ergo super hoc Maguntinum, et Coloniensem, et Saxeburcensem archiepiscopos, et Wermaicensem, et de Spire, et de Legis episcopos; et de Suave, fratrem imperatoris, et de Ostricio, et de Luvain duces; et comitem Palatinum de Reno, et caeteros magnates imperii, qui constituti fuerant ex parte imperatoris fidejussores inter illum et regem Angliae super pactis inter illos contractis. […] Qui audacter introierunt ad imperatorem, et plurimum increpaverunt eum de cupiditate sua, qui ita impudenter a pacto suo resilire volebat; et effecerunt adversus eum quod ipse liberum et quietum dimisit regem Anglae a captione sua; […]. 1574 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 233: Et Maguntinus et Coloniensis archiepiscopi tradiderunt eum in manu Alienor matris suae liberum et quietum ex parte imperatoris, pridie nonas Februarii, feria sexta, die Aegyptiaca, quam moderni diem malam vocant, et sic in die mala liberavit eum Dominus. 1575 Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 234: Deinde rex Angliae promisit, et cartis suis confirmavit, quibusdam archiepiscopis et episcopis, et ducibus et comitibus, et baronibus multis de imperio, redditus annuos pro homagiis et fidelitatibus, et auxiliis eorum contra regem Franciae. 1576 Berg, Richard Löwenherz, S. 211f. 1577 Die Beschreibung eines Lehnseids findet sich nur bei Roger von Howden, Chronica, Bd. 3, S. 202f. 1578 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 114. verweist hier auf die Apostelgeschichte XII, 11, und die Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis des Herodes Agrippa.
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Machtzentrum neben dem Kaiser wahrgenommen. Während der Erzbischof von Köln oder der Erzbischof von Mainz aufgrund ihrer besonderen Stellung im Reich zuweilen in englischen Chroniken angesprochen werden – vor allem in der Darstellung im Alexandrinischen Schisma oder aufgrund diplomatischer Besuche in England – und der Herzog von Sachsen, Heinrich der Löwe, besonders wahrgenommen wird, sind ein Pfalzgraf vom Rhein, ein Herzog von Löwen oder ein Herzog von Limburg für englische Historiographen nicht beachtenswert. Durch die Darstellung der Fürstenopposition, der nach den Historiographen die Ehre des Reiches besonders am Herzen lag, während der Kaiser ehrvergessen handelte, ergab sich dabei eine pointierte Spitze gegen den Kaiser. Die besondere Bedeutung der Fürstenopposition wurde allerdings nur von Chronisten wahrgenommen, die überdurchschnittlich im Vergleich zu den anderen Chronisten über die politische Lage im Reich informiert waren. Roger von Howden, Wilhelm von Newburgh und Ralph von Diceto hatten durch ihre Einbindung in die englische Politik bzw. durch ihren Zugang zu Informanten, die sich im Umfeld des Hofs bewegten und an den Ereignissen beteiligt waren, einen solchen Informationsvorsprung. Ralph von Coggeshall oder Ralph Niger hingegen fehlten dieser besondere Zugang und die entsprechende Einsicht. Daher finden sich hier keine Ausführungen zur Rollen der Fürsten. Die weiteren Umstände der Fürstenopposition gegen Heinrich VI. vermerkten Chronisten allerdings nicht, sondern führten diese auf die Ermordung des Lütticher Bischofs zurück. Weitere Hintergründe über die politische Entwicklung des Reichs waren ihnen daher vermutlich unbekannt.
4.3.8 Nationale Vorurteile? Ähnlich wie in den deutschen Chroniken finden sich auch in englischen Chroniken bei der Darstellung der Gefangenschaft des englischen Königs abwertende Verallgemeinerungen. Radulph von Coggeshall bezeichnet Richards Häscher als Barbaren.1579 Ralph von Diceto wird noch ausführlicher. Er beschreibt die Österreicher als übelriechend, mit einer fürchterlichen Sprache, stinkend vor Schmutz, ihre unsauberen Häuser würden eher an die Lager wilder Bestien erinnern als an die von Menschen.1580 Dass diese abwertende Darstellung der 1579 Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 56: Rex autem ad tumultuantium vocum barbariem veluti imperterritus manes, suamque defensionis probitatem non apud tot barbarous praevalere sentiens, jubet ducem adesse praesentem, ipsi soli se redditurum promittens. 1580 Ralph von Diceto, Ymagines historiarum, S. 106: Homines siquidem regionis illius barbariem maxime redolentes, horrent verbis, habitu squalent, inmundiciis feculescunt, ut intelligas eorum cohabitationem ferinam pocius quam humanam.
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Österreicher ihre Wirkung hat, zeigt z. B. Georg Scheibelreiter. Er schreibt verteidigend: »Liupold V. hat Richard Löwenherz sicherlich würdevoll und mit Respekt behandelt. Wie es einem König gebührt. Auch wurde dieser nicht gefesselt oder gar in Ketten gelegt, sondern frei beweglich von entschlossenen Rittern, Ministerialen des Herzogs, bewacht.«1581 Sind die Beschreibungen in englischen Chroniken als nationale Vorurteile, als negative Heterostereotype einzuordnen, die sich nach Ludwig Schmugge und Günther Blaicher im 11. und 12. Jahrhundert im Zuge der Kreuzzüge bildeten und nun durch die Gefangennahme des englischen Königs hervorbrachen?1582 Immerhin verweist Gervasius von Canterbury auch darauf, dass nicht nur Leopold V. über die schlechte Behandlung durch Richard I. empört gewesen sei, sondern alle Deutschen.1583 Auch Radulph von Coggeshall berichtet, dass in der Anklage gegen Richard I. vorgebracht wurde, dass nicht nur Leopold beleidigt wurde, sondern alle Deutschen davon betroffen seien.1584 Aufgrund dieser verallgemeinernden Äußerungen könnte man von nationalen Vorurteilen, die sich hier mit der Gefangennahme Bahn brachen, ausgehen. Ähnlich wie in den deutschen Chroniken und Annalen sollten Verallgemeinerungen und die negative Darstellungsweise als Mittel zur Überzeugung dienen. Wie die Verallgemeinerungen der Anklage – nicht nur der Herzog von Österreich wurde vom englischen König in Akkon beleidigt, sondern alle Deutschen – zur Rechtfertigung der Gefangenschaft durch den Kaiser dienten, nutzten die Historiographen die abwertende Darstellung der Häscher Richards, um die Schändlichkeit der Gefangennahme zu betonen. Je schlechter dabei die Österreicher dargestellt werden, desto mehr strahlt der englische König und steht erhoben über der Anklage. Dass aber entgegen der ersten Annahme nicht plötzlich nationale Vorurteile gegen Deutsche bzw. Österreicher hervorbrachen und diese als Feinde angesehen wurden, zeigt die weitere Darstellung der Gefangenschaft. Weitere negative Beschreibungen finden sich in den Chroniken nicht; Fürsten, die sich für die Freilassung Richards einsetzten, wie bei Ralph von Diceto, werden positiv dar1581 Scheibelreiter, Die Babenberger, S. 259. Auch sah er, S. 264, in der Schilderung Ralphs de Diceto eine Übertragung des Hasses von Leopold auf die Österreicher als solche. 1582 Zu den Überlegungen Ludwig Schmugges und Günther Blaichers siehe Kapitel 3.3.5, S. 210– 213. 1583 Gervasius von Canterbury, Chronica, S. 514: Quod intuens rex et invidens, manu militum valida vexillum dejecit, ducemque tam grato spoliavit hospitio: unde dux et Teutonici omnes indignantes abierunt, regique redituro multis in locis posuerunt insidias, et tandem, ut dixi captus est. 1584 Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum, S. 59: Deinde conqueritur quod signum ducis Austriae, consanguinei sui, ob ejus contemptum in cloacam apud Jopen praecipitaverit, et Teutonicos suos in terra illa Hierosolymitana verbis probrosis et factis ubique dehonestaverit.
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gestellt. Nicht einmal Heinrich VI. dient für ewig als nationale Projektionsfläche der Abneigung des Deutschen. Die äußerst negative Darstellung Heinrichs VI. bei Wilhelm von Newburgh ist kein Ausbruch einer lang gehegten Abneigung gegen den Kaiser. Bereits Jahncke betonte in seinen Ausführungen über Wilhelm von Newburgh, dass dieser nicht von einem englischen Standpunkte aus über Heinrich VI. urteilte, sondern aufgrund seiner christlich-sittlichen Vorstellungen zutiefst entrüstet war über die Verleumdungen, denen sich Richard ausgesetzt sah, und über die Gefangennahme eines Kreuzfahrers.1585 Später zeigte sich Wilhelm Heinrich VI. gegenüber wieder versöhnlich, als dieser 1195 einen Kreuzzug plante, während sich der englische und der französische König gegenseitig bekämpften.1586
4.3.9 Zusammenfassung Die Gefangennahme des englischen Königs ist eine der am ausführlichsten beschriebenen Begegnungen zwischen England und dem Reich im 12. Jahrhundert. Die englischen Chronisten beschreiben z. T. die Begegnung Richards I. mit Herzog Leopold V. in Akkon, seine Heimreise und die Gefangennahme, die Gefangenschaft beim Kaiser und die Verhandlungen zu seiner Freilassung. Beim Vergleich der Gefangenschaft des englischen Königs in englischen wie auch in deutschen Chroniken lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in Darstellung und Wahrnehmung feststellen. Die englischen wie auch die deutschen Historiographen nutzten ihre Darstellungen, um die Handlungen ihres Königs bzw. Kaisers (und damit auch Leopolds V.) zu rechtfertigen. Allerdings wählten sie dabei unterschiedliche Wege. Während die deutschen Chroniken und Annalen nach der Übergabe des königlichen Gefangenen an den Kaiser plötzlich schwiegen, wurden die englischen Chronisten umso ausführlicher. Gillingham legt dar, dass dieses Schweigen der deutschen Chronisten nicht auf mangelnder Information beruhte – sowohl in englischen wie auch deutschen Chroniken finden sich Briefe, Verträge und Berichte von Augenzeugen – sondern dass ihre temporale Einheitlichkeit in der Darstellung ein Schutz des Kaisers vor möglicher Kritik war. Einen Kreuzfahrer gefangen zu nehmen war ein Sakrileg, daher »Silence was a way out«.1587 Die englischen Chronisten gingen hingegen nach dem Motto »Angriff ist die beste Verteidigung« vor und verschwiegen nicht 1585 Jahncke, Guilelmus Neubrigensis, S. 118, S. 121. Auch den französischen König sah er nicht als nationalen Feind, sondern er urteilte über ihn als streng denkender Mönch, der einen bedrängten Kreuzfahrer zur Seite stand. 1586 Jahncke, Guilelmus Neubrigensis, S. 120. Wilhelm von Newburgh, Historia rerum Anglicarum, Bd. 2, V, 27, S. 486f. 1587 Gillingham, The kidnapped King, S. 34. Ebenso Gillingham, König Richard I., S. 134.
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die für sie peinliche Episode, worauf bereits Staunton hingewiesen hat.1588 Schweigen hatte für sie keinen Sinn. Ziel ihrer Darstellungen war es, Richard als Opfer des Herzogs und Heinrichs VI. darzustellen. Dass es die verhängnisvolle Begegnung Leopolds mit Richard in Akkon gegeben hatte, wurde nicht in Abrede gestellt, sie diente vielmehr zur Verteidigung. Leopold hatte Richards Ehre zuerst verletzt, der König hatte sich daraufhin, wenn auch rabiat, nur verteidigt. Dass sie mit ihrer Wahrnehmung der Situation in Akkon Recht hatten, bewies für sie letztlich der grausame Tod des österreichischen Herzogs. Während z. B. für die Annales Cremifanenses die Gefangennahme des Königs ein göttliches Zeichen war, war dies nun der Tod Leopolds für die englischen Historiographen. Während sich die englischen Chronisten in ihrer Einstellung zu Leopold V. einig waren, war die Wahrnehmung der Person des Kaisers wesentlich vielfältiger. Heinrich VI. wurde als beeinflussbare Person dargestellt, als Neider des Ruhms und militärischen Erfolg des englischen Königs, als wütend und befeindet mit dem König, oder als geldgierig und die Ehre seines Reiches vergessend. Wilhelm von Newburgh erkannte damit an, dass das Reich ebenso eine Ehre hatte, welche der Kaiser allerdings mit seiner Haltung und seinen Taten beschädigte. Hier waren es die Fürsten, die für die Ehre des Reichs einstanden. Mit der Wahrnehmung Leopolds und der Fürstenopposition rückten zum ersten Mal – neben Heinrich dem Löwen – weitere Personen neben dem Kaiser ins Zentrum der Wahrnehmung englischer Historiographen. Allerdings zeigte sich, dass dies nur bei den Chronisten der Fall war, die überdurchschnittlich durch enge Kontakte mit hochrangigen Vertretern verbunden waren. Den englischen wie auch den deutschen Chronisten ist allerdings gemeinsam, dass sie im Zuge der Gefangenschaft keine nationalen Vorurteile ausbildeten. Zwar finden sich in englischen wie auch in den deutschen Chroniken Verallgemeinerungen – König Richard I. beleidigte alle Deutschen, die Häscher Richards waren alle Barbaren. Diese dienten aber dazu, die Leser von der Wahrhaftigkeit der dargestellten Person zu überzeugen. Die deutschen Chronisten legitimierten damit, dass Heinrich VI. als Kaiser den König, der ein Kreuzfahrer war, gefangen nehmen musste, und die englischen Chronisten stellten die besondere Schändlichkeit im Umgang mit Richard Löwenherz heraus. Eine weitere Bedeutung hatten diese Verallgemeinerungen für die Chronisten allerdings nicht, und dementsprechend waren sie nach der Freilassung des Königs auch nicht weiter von Bedeutung. Den Beginn einer deutsch-englischen Feindschaft in der Gefangennahme des Königs zu sehen, lässt sich mit den englischen Chroniken nicht stützen.
1588 Staunton, The Historians, S. 272.
Zusammenfassung der drei Fallstudien
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Zusammenfassung der drei Fallstudien
Auch bei der Untersuchung der englischen Historiographie hat sich die Vorgehensweise als zielführend erwiesen, zunächst möglichst viele englische Chroniken und Annalen aus dem 12. und frühen 13. Jahrhundert umfassend auf Nennungen zum Reich und im Anschluss Ereignisse mit den häufigsten Nennungen zum Reich zu analysieren. Dabei ließen sich ebenfalls drei Themenschwerpunkte unter den englischen Historiographen lokalisieren, wobei zwei dieser Schwerpunkte – das Alexandrinische Schisma und die Gefangenschaft des englischen Königs Richards I. – mit denen der deutschen Historiographen übereinstimmten. Als drittes Themenfeld kam die Wahrnehmung des Investiturstreits in den englischen Chroniken hinzu. Da mit dem Alexandrinischen Schisma und dem Investiturstreit zwei kirchenpolitische Krisen die Schwerpunkte setzen, wirkt die englische Chronistik auf den ersten Blick homogener, was ihr Interesse am Reich betrifft. Ebenso wie bei der Analyse der deutschen Quellen wurden für den englischen Raum Chroniken, Annalen und weitere historiographische Gattungen in die Auswertung mit einbezogen, da viele der üblichen Gattungsbezeichnungen weder den jeweiligen historiographischen und literarischen Ansprüchen noch den formalen Charakteristika gerecht werden. Werke wie das Chronicon ex chronicis des Johannes von Worcester stehen Annalen wie den Winchcombe Annalen oder den Annalen von Plympton in der Strukturierung näher als z. B. dem Cronicon de tempore regis Richardi primi Richards von Devizes. Im Vergleich mit den deutschen Quellen war allerdings der Anteil an »klassischen« Annalen wesentlich geringer, die Autoren überwiegend bekannt und die Werke auch häufig umfangreicher. Trotz dieser Unterschiede hat sich ein Vergleich als möglich und gewinnbringend erwiesen, da alle Texte historiographisch ausgerichtet waren. Dennoch ließ sich ebenfalls wie im Reich feststellen, dass größere Werke meist mehr Nennungen zum Reich aufweisen als die kleineren. Die Vielzahl der Quellen ermöglichte es, allgemeine Muster und abweichende Besonderheiten in der Darstellung und Wahrnehmung zu erkennen. Aus welcher Gegend die historiographischen Werke des anglonormannischen bzw. angevinischen Reiches stammten, hatte auf die Kenntnis zum Reich keinen Einfluss. Kontinentale Historiographen wie Orderic Vitalis und Robert von Torigni oder Autoren aus dem Norden wie Symeon von Durham oder Wilhelm von Newburgh schrieben ebenso über die Deutschen wie Ralph von Diceto, der in London lebte. Dabei ließ sich nicht feststellen, dass die kontinentalen Historiographen oder die, die mit Canterbury oder London in Zentren lebten, besser informiert waren, als die nördlich beheimateten Historiographen. Allein die regionale Lokalisation brachte keinen Unterschied.
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Zwar ließen sich mit den drei Schwerpunkten auch Muster in der zeitlichen Dimensionierung der Darstellung feststellen, allerdings waren diese weniger ausgeprägt als im Reich. Dies zeigte sich bereits dadurch, dass manche der Autoren, wie z. B. Roger von Howden, neben den drei Schwerpunkten über Ereignisse im Römisch-Deutschen Reich schrieben und sich nicht nur auf diese drei Ereignisse konzentrierten, sondern z. T. kontinuierlicher über Entwicklungen informiert waren. Allerdings stieg die Aufmerksamkeit bei den drei Ereignissen stark an. Innerhalb dieser Schwerpunkte lassen sich allerdings auch zeitliche Muster beim Interesse erkennen. Beim Investiturstreit lag die Aufmerksamkeit auf dem Skandal, der Gefangennahme des Papstes. Diese Haltung verstärkte sich bei der zweiten Generation der Historiographen, die darüber berichteten, da sie die weiteren Entwicklungen nicht berücksichtigten, sondern sich ganz auf den Skandal konzentrierten. Im Alexandrinischen Schisma lag ebenfalls der Fokus der Wahrnehmung am Anfang des Konflikts, wobei die Beschäftigung mit dem Schisma mit dem Konzil von Tours stark nachließ. Die Wahrnehmung der Teilnahme der Deutschen am 3. Kreuzzug beschränkte sich auf die vorbereitenden Maßnahmen Kaiser Friedrichs I., sein Zug über den Balkan und seinen Tod. Wie bei den deutschen Quellen bedeutete die Einheitlichkeit in der Zeit allerdings keine einheitliche Wahrnehmung der Ereignisse. Während sich im deutschen Reich kleinräumige Darstellungs- und Argumentationsmuster erkennen ließen, die meist auf institutioneller Gebundenheit beruhten, und es somit möglich war, von österreichischer Annalistik in Bezug auf die Darstellungen zur Gefangennahme Richards I. zu sprechen oder von welfennaher Historiographie in Bezug auf Heinrich II., zeigt sich die englische Historiographie wesentlich heterogener. Ähnlichkeiten in der Wahrnehmung aufgrund eines gemeinsamen kontinentalen Standortes ließen sich bei Orderic Vitalis und Robert von Torigni ebenso wenig feststellen, wie bei den Historiographen, die zum Alexandrinischen Schisma schrieben. Das bedeutet nicht, dass es bei den englischen Autoren keine institutionelle Gebundenheit gab. Ralph von Diceto schrieb über die Würzburger Eide so, dass seine Ausführungen Gilbert Foliot und dessen Leuten unterstützte, Heinrich von Huntingdon war durch seinen Auftraggeber Bischof Alexander beeinflusst und Robert von Torigni dachte beim Verfassen seiner Chronik an seine Abtei Mont-St-Michel. Die institutionelle Gebundenheit war nur wesentlich singulärer bzw. lokaler, sodass sich keine regionalen Gemeinsamkeiten wie bei der österreichischen Annalistik feststellen lassen. Auch ließen sich keine Bindungen der Chronisten an weitere Adelsgruppen jenseits der königlichen Familie feststellen, die die Darstellungen der Historiographen beeinflussten, wie das z. B. bei Teilen der deutschen Chronistik ihrer Verbundenheit zu Heinrich dem Löwen oder der Ablehnung seiner Person zu finden ist. Zwar lassen sich gemeinsame Darstellungs- und Argumentationsmuster bei den englischen Historiographen fest-
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stellen, allerdings lassen sich diese nicht auf institutionelle Verbindungen zwischen den einzelnen Historiographen zurückführen. Maßgeblich beeinflusst waren sie von ihrer Einstellung zum Herrscher bzw. der Einstellung ihrer Institution und Förderern zu den Herrschern und ihren Familien. Neben ihren Einstellungen zur königlichen Familie und ihrer institutionellen Gebundenheit hatte aber, ebenso wie bei den deutschen Quellen, der Zugang zu Informationen zum Reich entscheidenden Einfluss. Sowohl der Einfluss von Sekundär- als auch Primärkommunikation ließ sich bei den Einträgen zum Reich feststellen. Zwar lassen sich nicht alle Informationen in ihrer Herkunft bestimmen, allerdings ist dies für einen großen Teil leichter möglich, da über die Chroniken, die Historiographen und deren Hintergründe mehr bekannt ist als bei den deutschen Texten. Die verwendeten Materialien der sekundären Kommunikation bestanden überwiegend aus historiographischen Texten wie Chroniken und Annalen, Briefen und Dokumenten wie dem Wormser Vertrag. Interessant dabei ist, dass den Chronisten mit der Chronik des Marianus Scotus und dem Romzugberichts Davids Scholasticus Quellen zur Verfügung standen, die im Reich ihren Ursprung hatten. Deutschen Chronisten hingegen standen keine historiographischen Texte aus England zur Verfügung. Die gute Informiertheit der englischen Autoren über den Investiturkonflikt unter Heinrich IV. und unter Heinrich V. kam aber daher zustande, dass entsprechende Quellentexte zufällig nach England gelangt waren und nicht, weil die Historiographen von sich aus Informationen zu diesem Konflikt gesucht hätten. Die Historiographen nutzten die ihnen eher durch Zufall zur Verfügung stehenden Quellen, wie der Umgang Johannes von Worcester und Wilhelms von Malmesbury mit dem Romzugbericht Davids zeigt, nicht vorbehaltlos, sondern zogen daraus nur die Sachinformationen, ordneten Informationen neu ein und kürzten um die Panegyrik. Dennoch war die nach England gebrachte Chronistik bedeutsam für die Kenntnisse zu den Entwicklungen im Reich. Die englischen Chronisten geben allerdings auch zu erkennen, dass sie nicht passiv auf den Erwerb weiterer Schriften warteten, sondern sich aktiv am Wissensaustausch beteiligten. Dies geschah zwar nicht, um explizit Informationen zu Entwicklungen zum Reich zu erhalten, allerdings flossen so auch vermehrte Kenntnisse zum Reich mit ein. Um Zugang zu weiteren Chroniken zu erhalten reiste z. B. Orderic Vitalis auf die Insel und besuchte mehrere Klöster, wo er auch Johannes von Worcester arbeiten sah. Heinrich von Huntingdon und Robert von Torigni tauschten Bücher aus. Viele der Anfang des 12. Jahrhunderts entstandenen Schriften sind in den Chroniken und Annalen, die Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts entstanden, nachweisbar und lassen auf einen regen Büchertausch zwischen den Klöstern schließen. Die Chronisten verwendeten allerdings nicht nur historiographische Texte, sondern auch Briefe spielten für alle drei sachlichen Schwerpunkte eine große
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Rolle. Dies konnten Rundbriefe sein, wie sie gerade im Zuge des Investiturstreits oder des Alexandrinischen Schismas durch die Päpste verbreitet wurden – so gelangten auch Dokumente wie der Wormser Vertrag nach England. Mit diesen Briefen sollte die Öffentlichkeit beeinflusst werden, wobei auch hier die Chronisten die Wertungen der Briefschreiber nicht einfach übernahmen. Hier wurde die englische Öffentlichkeit also explizit über Entwicklungen in Bezug auf das Reich informiert. Während der Gefangenschaft Richards I. wandte sich Heinrich VI. sogar direkt mit einem Brief an den englischen Adel. Aber auch Briefe einer Einzelperson gerichtet an eine Einzelperson finden sich in den Quellen. Diese Einzelpersonen mussten nicht zwangsläufig die Chronisten selbst sein, sondern sie erhielten diese wie Ralph von Diceto von Freunden für ihre Chroniken. Das Beispiel Ralphs von Diceto oder Rogers von Howden zeigt, dass die Autoren auf diese Weise Zugang zu Informationen zum Reich erhielten, die sie sonst nicht gehabt hätten. Dass die Bedeutung der Briefe für das Schreiben von Historiographie bekannt war, zeigt das Beispiel Wilhelms de Longchamp, der einen Brief ad-Din Sinans fälschte, um Richard von den Mordvorwürfen freizusprechen. Gefälschte Briefe bzw. verfälschte Informationen in Briefen waren auch im deutschen Reich u. a. zur Zeit des Alexandrinischen Schismas von Bedeutung. Dennoch stand häufig, wie zur Zeit des Alexandrinischen Schismas, nicht das Reich im Vordergrund, sondern die Informationen zu Entwicklungen waren nur Beiwerk bzw. Hintergrund, während es eigentlich in der Konversation um die Entwicklungen in der Becket-Krise ging. Informationen zum Kaiser und Reich gelangten nicht vornehmlich deshalb nach England, weil man sich gezielt hierfür interessierte, sondern sie waren Beiwerk und bildeten den Hintergrund für Entwicklungen in einer aufgrund des Becket-Konflikts verdichteten RomKommunikation. Informationen zum Reich, bzw. ein ständiger Informationsfluss war allerdings nicht gegeben. Dies zeigt sich, wenn man besonders den Nachweis primärer Kommunikation in den Quellen betrachtet. Primärkommunikation lässt sich in den englischen Chroniken wesentlich deutlicher feststellen als in den deutschen. Während des Alexandrinischen Schismas, aber auch während der Gefangenschaft des englischen Königs Richards I. reisten nach den Chronisten und Annalisten Boten mit Nachrichten ins Reich, Gesandtschaften wurden zum Kaiser gesandt, englische Adelige und Richards Mutter Eleonore nahmen an Hoftagen teil. Durch diese direkten Kontakte gelangten Informationen über die Ereignisse zu den Chronisten. Dabei spielte ihre Nähe zu den Beteiligten eine große Rolle. Radulph von Coggeshall konnte mit dem Bericht des Kaplans Anselm eine ausführliche Beschreibung über die Gefangennahme des englischen Königs geben. Über den weiteren Verlauf der Gefangenschaft sind wir durch Ralph von Diceto und Roger von Howden durch deren Nähe zu Entscheidungsträgern aber besser informiert. Hier zeigt sich, welche Bedeutung die Nähe zum Hof für In-
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formationen spielte. Mündliche Berichte wie der des Kaplans Anselm finden sich aber auch bei Wilhelm von Newburgh und bei Roger von Howden zur Freilassung der Gefangenen des österreichischen Herzogs oder zum Leben Heinrichs IV. Da ein größerer Anteil englischer Historiographen diese Nähe zu englischen Entscheidungsträgern besaß – was sich bei vielen der deutschen Annalisten nicht in dem Maße feststellen lässt – bestand für jene auch die bessere Möglichkeit Informationen zu politischen Entwicklungen und damit auch zu auswärtigen Ereignissen zu erhalten. Dennoch waren diese Informationswege punktuell, ereignis- und personenabhängig. Dass Ereignisse, an denen der Kaiser bzw. das Reich beteiligt wurden, unter Entscheidungsträgern, aber auch in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, zeigen die Diskussionen um die Würzburger Eide und die Aufgeregtheit bei der Gefangennahme Richards I. Gerüchte fanden so ihren Eingang in die englischen Chroniken, die die allgemeine Kommunikation und Diskussionen widerspiegeln. Dennoch lässt sich überwiegend eine bessere Informationslage bei den englischen Chronisten als bei den deutschen feststellen. Dies lässt sich zum einem erklären durch eine verdichtete Rom-Kommunikation, die mit 1066, aber auch mit dem Konflikt um Anselm von Canterbury, begann und durch die BecketKrise vertieft wurde. Zwar reisten Boten nicht durch das Reich, um nach Rom oder zum Aufenthaltsort des Papstes zu gelangen, aber sie mussten sich zumindest auf den Kontinent begeben, sodass es einfacher möglich war, auch Informationen zu anderen Dingen zu erhalten. Mitentscheidend war aber auch, wie bereits festgestellt, dass deutsche Berichte zufällig ihren Weg nach England fanden, es einen Informationsaustausch zwischen den Chronisten und Klöstern gab und die Historiographen häufig gut vernetzt waren und so in Kontakt mit Entscheidungsträgern standen. Ein ständiger Kontakt – ebenso wie eine ständige Wahrnehmung – war jedoch nicht gegeben. Dass gezielt Informationen zu Kaiser und Reich gesammelt wurden und es einen besonderen Fokus auf das Reich gab, ließ sich nicht feststellen. Das Reich stand, anders als Frankreich als unmittelbarer Nachbar, nicht im ständigen Fokus der Schreiber. Dennoch finden sich, betrachtet man die gesamten Nennungen des Reiches, mehr Informationen, auch jenseits politischer Ereignisse, zum Reich, wie z. B. Heiligen- und Wundergeschichten. Dass sich mehr Informationen zum Reich in englischen Chroniken finden als in den deutschen Chroniken und Annalen zu England, lag aber auch in den Ereignissen und Themen begründet. Zwei der drei untersuchten Schwerpunkte hatten mit dem Investiturstreit unter Heinrich IV. und Heinrich V. und mit dem Alexandrinischen Schisma kirchenhistorische Ereignisse zum Thema. Bei der Analyse dieser Nennungen wurde festgestellt, dass die Aufmerksamkeit der Historiographen wesentlich der Person der jeweiligen Päpste galt und die Politik der jeweiligen Kaiser nur durch ihr Auftreten und Handeln gegenüber den
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in den Augen der englischen Historiographen rechtmäßigen Päpste in den Fokus geriet. Die Motivation der englischen Historiographen, sich mit Kaiser und Reich zu befassen, lag also nicht in einem Interesse dem Reich gegenüber, sondern war durch die Kirche bestimmt. Als Klerikern galt die Aufmerksamkeit der Chronisten mehr den Päpsten als den Kaisern. Erhöhte Aufmerksamkeit bedeutete daher nicht zwangsläufig erhöhtes Interesse gegenüber dem Reich, sondern gegenüber den kirchenpolitischen Ereignissen. Dabei waren die Chronisten in ihrer Haltung gegenüber Rom nicht von Zweifeln geprägt, was bei ihren Darstellungen zur Zurückhaltung gegenüber prekären Details hätte führen können, wie das bei den deutschen Chronisten der Fall war. Allerdings konnten andere Ereignisse die Konflikte zwischen Kaiser und Rom in den Hintergrund treten lassen. Dies zeigte auch die statistische Auswertung bei der Analyse der Wahrnehmung des Alexandrinischen Schismas. Der Beziehung zwischen Heinrich II., Alexander III. und Erzbischof Thomas von Canterbury wurde intensiver wahrgenommen als das Schisma. Entscheidend für die Vielzahl der Nennungen war aber auch, dass sie nicht das Mittel des (Ver-) Schweigens wählten, wie die deutschen Chronisten, um ihren König zu schützen. Zur Gefangenschaft Richards I. schrieben sie so viel wie möglich, um die Ungerechtigkeit dessen Schicksals und die Schuldlosigkeit in Bezug auf die ihm gegenüber geäußerten Vorwürfe anzuprangern. Die Wahrnehmung der Salier- und Staufer-Kaiser war von einer gewissen Ambivalenz bestimmt und nicht einheitlich. Während Orderic Vitalis Heinrich IV. als verabscheuungswürdigenden Herrscher beschreibt, sieht Wilhelm von Malmesbury dessen lange Herrschaft und die Schwächen Gregors VII. Heinrich V. wird von Orderic Vitalis schon wesentlich zugänglicher dargestellt als noch dessen Vater. Die Chronisten sahen sich vor die Herausforderung gestellt, dass sie den Umgang der Kaiser mit den Päpsten ablehnten, aber gleichzeitig darüber berichten mussten, dass Heinrich I. seine Tochter mit Heinrich VI. verheiratete. Während die Chronisten aufgrund ihrer persönlichen Einstellungen und institutionellen Bindungen verschiedene Sichtweisen auf die Ereignisse entwickelten, mussten sie die Verbindungen zwischen den Saliern und Staufern zu ihren Königen rechtfertigen. Dies milderte die Sicht auf Heinrich V. wesentlich ab. Herzog Heinrich der Löwe wurde mit dem Schisma überhaupt nicht in Verbindung gebracht, sondern als tiefgläubiger Fürst dargestellt. Im Vergleich mit den deutschen Chronisten fällt dabei eine unmittelbarere Wirkung der Einstellungen der Chronisten zu den Herrscherfamilien auf. Dabei konnte sich die Wahrnehmung und Darstellung der Herrscher aber je nach Situation ändern. Während Friedrich I. noch für sein Verhalten gegenüber Alexander III. als Schismatiker angesehen wurde, diente er den Chronisten als Motivationsfigur beim 3. Kreuzzug gegenüber Heinrich II. und Richard I. Heinrich VI., bei den Schilderungen der Gefangenschaft noch als geldgierige, leicht beeinfluss-
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bare Person dargestellt, der die Ehre des Reichs beschädigte, erhielt später wieder positive Zuschreibungen aufgrund seines Vorhabens, einen weiteren Kreuzzug anzuführen. Was sich bei den vielen Nennungen zu den Kaisern im 12. Jahrhundert aber nicht feststellen ließ, ist die Wahrnehmung einer wie auch immer geartete Vormacht- und Vorrangstellung der Kaiser bzw. des Reichs gegenüber dem angevinischen Reich oder anderen Ländern oder in kirchenpolitischen Fragen. In keiner englischen Chronik findet sich der Gedanke, dass die Kaiser eine auctoritas im Sinne Robert Holtzmanns innegehabt hätten. Vielmehr zeigten sich die Chronisten z. B. empört, als Friedrich I. Barbarossa versuchte, Einfluss auf die Papstwahl zu nehmen. Auch für den 3. Kreuzzug nahm der Kaiser in der Darstellung der englischen Chronisten keine Führungsposition ein, sondern diente nur als Vorbild für Heinrich II. und dessen Sohn Richard I. Dass es »eine« oder »die« Sicht auf die Kaiser und das Reich gab, ließ sich nicht erkennen. Vielmehr waren die Darstellungen der Chronisten sehr persönlich und von vielen Faktoren abhängig. Das Bild der Kaiser war situativ geprägt, abhängig von ihrer Haltung gegenüber den Päpsten, wobei ihre Beziehungen zu den englischen Königen von Bedeutung waren und kritische Darstellungen abmildern konnten. Dabei stand die Person des Kaisers immer im Fokus. Selten waren auch weitere Personengruppen von Bedeutung. Diese standen aber meist in einer Beziehung zu den Kaisern. Aber auch deren Wahrnehmung war situativ geprägt. Während Rainald von Dassel und Christian von Buch sehr negativ angesehen wurden, war, wie bereits dargestellt, die Darstellung des welfischen Schwiegersohnes Heinrichs II. eine völlig andere. Die Fürstenopposition unter Heinrich VI. wurde als Machtbedrohung Heinrichs VI. eingeschätzt und mit als entscheidend für die Freilassung des englischen Königs angesehen. Festgefügte Einstellungen gegenüber Deutschen im Allgemeinen, Vorurteile – bereits bestehende oder sich gerade erst im Laufe des 12. Jahrhunderts bildende – konnten jedoch nicht festgestellt werden. Die Urteile gegenüber Richards I. Häschern entstanden aus dem Versuch, das Vorgehen des österreichischen Herzogs zu verurteilen und damit den König als herausragende Figur in Bedrängnis dastehen zu lassen. Tiefere Vorurteile gegenüber Deutschen zeigten sie aber nicht. Weder der Investiturstreit, das Alexandrinische Schisma noch der 3. Kreuzzug führten zu einer feststellbaren Abneigung bei den Historiographen gegenüber dem Reich im Allgemeinen. Dass es jenseits von Herrschern und einzelnen Fürsten überhaupt eine größere, tiefergehende Wahrnehmung des Reichs bzw. des Volkes und damit auch ein Interesse an den Entwicklungen im Reich gab, ließ sich bei der Analyse der Quellen nicht erkennen. Allgemeine Vorstellungen zum Reich wurden von den Chronisten kaum entwickelt. Der Fokus der Fremdwahrnehmung lag auf den Kaisern und politischen Entwick-
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lungen. Etwas Vergleichbares wie Walter Maps zu Beginn dieser Arbeit dargestellte humoristische Einordnung war in den weiteren Annalen und Chroniken aus England nicht zu finden. Grundsätzlich wurde das Reich in englischen Chroniken und Annalen des anglonormannischen bzw. angevinischen Reiches des 12. und frühen 13. Jahrhunderts wahrgenommen. Die Wahrnehmung, also Aufmerksamkeit, deren Verarbeitung ihren Niederschlag in den Quellen fand, erfolgte allerdings nicht aufgrund eines Interesses am Reich, sondern einerseits aufgrund von Konflikten der Kaiser mit den Päpsten, von denen sich die Historiographen als Kleriker betroffen fühlten. Andererseits waren die Chronisten aber auch von der Gefangennahme »ihres« Königs durch einen Kirchenrecht brechenden Herzog und Kaiser in zweifacher Weise betroffen. Aufmerksamkeit bzw. erhöhte Aufmerksamkeit und damit Wahrnehmung des anderen überhaupt kam durch Konflikte zustande. Die Wahrnehmung des Reiches als Fremdwahrnehmung war kein wesentliches Moment für Stoffauswahl, Konzeption und Gestaltung der englischen Chronisten. Allerdings bot sich ihnen mit der Darstellung des anderen auch die Möglichkeit, ihre eigenen Herrscher einzuordnen und deren Verhalten an den Kaisern widerzuspiegeln. Bereits die Darstellung des Investiturstreits bot die Möglichkeit, das Skandalöse, Exzeptionelle beim Verhalten Heinrichs IV. und Heinrichs V. darzustellen. Während das Konzil von Pavia und Friedrichs I. Versuch den englischen und französischen König zu überzeugen, Viktor IV. zu unterstützen, als Versuch der Einflussnahme auf das Schisma gewertet wurde, stellte besonders Wilhelm von Newburgh heraus, wie fair und ausgeglichen die Synoden von London und Beauvais verliefen und Heinrich II. eine mögliche Einflussnahme unterließ. Roger von Howden berichtet beim Gang Alexanders III. ins Exil vom ehrenvollen Empfang des Papstes durch die beiden Könige. Robert von Torigni steigert dieses Verhalten, indem er darstellte, dass Heinrich II. und der französische König dem Papst den Stratordienst geleistet hätten – eine deutliche Spitze gegen Friedrich I., der sich 1155 in Sutri geweigert hatte, diesen Dienst Hadrian IV. zu leisten, und gleichzeitig eine Aufwertung des englischen Königs, der nun anstatt des Kaisers, dem dies sonst meist vorbehalten war, diese Funktion ausübte. Auch wenn Richard I. für seine Rebellion gegenüber seinem Vater vor dem Kreuzzug in der Kritik gestanden hatte, zeigte er durch sein Verhalten in der Gefangenschaft wie makellos und strahlend er als Herrscher im Gegenzug zu Heinrich VI. agierte. Die Wahrnehmung der eigenen Herrscher, aber auch der Kaiser war sicherlich ambivalent und vielschichtig, aber der Vergleich bot doch die Möglichkeit, sich selbst und die eigenen Könige als wesentlich positiver gegenüber den Kaisern und Reich anzusehen – auch wenn es mit der Herrschaftskrise nach dem Tod Heinrichs I., der Becket-Krise, der Rebellion der Söhne Hein-
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richs II. und der Unruhe aufgrund Richards I. Abwesenheit größere Herausforderungen im anglonormannisch bzw. angevinischen Reich des 12. Jahrhunderts gab. Die Fremdwahrnehmung diente damit der Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung.
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Ziel dieser Arbeit war es, die Fragestellung der jüngeren Forschungsdiskussion zum Verhältnis von Fremd- und Selbstwahrnehmung für eine vergleichende Analyse der Wahrnehmung des römischen-deutschen Reichs in der englischen und der Wahrnehmung des englischen Königtums in der deutschen Historiographie des 12. Jahrhunderts zu nutzen. Dadurch sollte ein neuer Blick auf die deutsch-englischen Beziehungen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts ermöglicht werden; in weiterer Perspektive ging es darum, den Stellenwert anderer politischer Ordnungen in der Vorstellungswelt der Historiographen zu analysieren. Dies ist, wie bereits zu Beginn der Untersuchung festgestellt wurde, weniger über vorgeformte Kategorien der Fremd- und Selbstzuschreibung, sondern vielmehr über die ausführliche Analyse der sprachlichen Darstellung und Einordnung der Fremddarstellungen in den jeweiligen Kontext des historiographischen Texts möglich. Diese methodischen Überlegungen basieren vor allem auf den Forschungen von Hans-Werner Goetz, der herausgestellt hat, dass viele mittelalterliche Historiographen die von ihnen angesprochenen Ereignisse nicht nur darlegen, sondern meist auch deuten und somit ihre eigene Anschauung zu erkennen geben. Vor allem aufgrund der institutionellen Gebundenheit der Chronisten war dabei die Wahrnehmung von »Fremdem« davon abhängig, ob die eigene Institution damit in Berührung stand oder ob daraus Lehren für die eigene Institution gezogen werden konnten. Diese Perspektive auf das Interesse, das den jeweils »anderen« politischen Phänomenen entgegengebracht wurde, und dessen Motivation durch die institutionelle Gebundenheit der Historiographie und die jeweils »eigenen« politischen Kontexte, in welche die Historiographen eingebunden waren bzw. die ihnen vertraut waren, bestimmt den Rahmen der vorliegenden Untersuchung als Beitrag zu einer Geschichte der politischen Wahrnehmung. Dabei wurden vorstellungsgeschichtliche Momente einbezogen, ohne aber eine umfassende, auf die politisch-sozialen Ordnungen oder auf ethnisch und kulturell konnotierte Vorstellungs- und Darstellungsmuster abzielenden Vorstellungsgeschichte anzustreben. Eine solche Ausweitung auf die Vorstellungen von »England« und den
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Ergebnisse und Ausblick
»Engländern« bzw. von »Deutschland« und den »Deutschen« hätte eine diachrone Vertiefung erfordert, die aufgrund des Materialumfangs auf die exemplarische Analyse weniger Quellen hätte beschränkt werden müssen. Demgegenüber war es Ziel der vorliegenden Arbeit, eine möglichst große Anzahl von Quellen in den Blick zu nehmen, um insgesamt das Interesse an der jeweils anderen politischen Ordnung und die jeweils leitenden Darstellungs- und Beurteilungskategorien auch quantitativ bestimmen und vergleichend analysieren zu können. Das erforderte die Beschränkung auf einen – allerdings recht weit gefassten – zeitgeschichtlichen Horizont, der jeweils aktuelle bzw. noch nachwirkende politische Vorgänge umfasste, aber die Frage nach diachron wirksamen, politische, ethnische und kulturelle Vorstellungen prägenden Vorstellungsgehalten ausschloss. Zunächst wurden für das England des 12. und frühen 13. Jahrhunderts 28 Quellen von 22 verschiedenen Autoren untersucht, für das römisch-deutsche Reich 36 Quellen. Dabei wurde Wert daraufgelegt, dass diese Quellen verstreut aus den beiden Reichen kamen und auch sich zeitlich über das 12. und frühe 13. Jahrhundert verteilten. Eine Auswahl – z. B. nur Annalen, nur Chroniken, nur Klostergeschichtsschreibung o. Ä. – wurde unterlassen, da die Übergänge zwischen den einzelnen Kategorien fließend sind, manche Einteilungen bzw. Bezeichnungen nachträglich zu einem späteren Zeitraum vorgenommen wurden und alle der Gattung Historiographie angehören, sodass sie gemeinsame Grundlagen haben. Diese quantitative, statistische Analyse bildete die Grundlage für die sich daraus ergebende qualitative Auswertung mit sechs kontextbezogenen Fallstudien (drei für die deutschen Chroniken und Annalen und drei für die englischen). Die Themen der sechs Fallstudien wurden aufgrund der Häufigkeit von Nennungen in den Quellen ausgewählt und nicht, da es herausragende, interessante Einzeldarstellungen waren. Mit dieser Vorgehensweise – zunächst die umfassende quantitative statistische Analyse der Quellen und daran die qualitative vergleichende Untersuchung – war einerseits ein Vergleich zwischen den verschiedenen deutschen bzw. englischen Quellen möglich, da sich so Übereinstimmungen wie Unterschiede in den Darstellungen erkennen und Arbeits- und Denkweisen der Historiographen vergleichen ließen, wie sich auch andererseits – aufgrund sich überschneidender Themen – direkte Vergleiche beim Umgang mit verschiedenen Themen zwischen deutschen und englischen Darstellungen erkennen ließen. Dabei fiel zunächst die Divergenz bei der quantitativen Analyse der englischen und römisch-deutschen Quellen auf. Während sich nur in einem der 28 englischen Texte kein Hinweis auf das Römisch-Deutsche Reich finden ließ, war dies im Gegensatz dazu bei den 36 deutschen Quellen immerhin bei 27 Prozent der Fall. Auch war die Anzahl der Nennungen sehr unterschiedlich. Während es nur in zwei der deutschen Quellen mehr als zehn Einträge zu England gab, boten
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zwölf englische Quellen mehr als zehn Einträge für das Reich. Die Wahrnehmung des Reiches erfolgte in den englischen Quellen wesentlich häufiger und meist auch ausführlicher als umgekehrt in den deutschen historiographischen Texten. Die Gründe für diese Divergenz ließen sich nicht gänzlich klären, doch einige konkrete Motive konnten herausgearbeitet werden. Wesentlich ist zum ersten, dass sich im 12. Jahrhundert die Beziehung der englischen Insel zum Kontinent aufgrund der normannischen Eroberung intensivierte und dass die Bindung an Rom bzw. den Papst stärker wurde. Der Nachrichtenaustausch zwischen der Insel und dem Kontinent gewann an Bedeutung, die Kontakte wurden häufiger. Dadurch wurde die Mobilität auf der Nord-Süd-Verbindung zwischen England und Italien größer, Nachrichten konnten so leichter ausgetauscht werden. Für das deutsche Reich – trotz der Einheiraten zweier Königstöchter in die salische Kaiser- und welfische Herzogsfamilie – bestand hingegen diese Intensivierung einer Nordverbindung nicht. Die englischen Chronisten hatten durch diese erhöhte Nachrichtenfrequenz zwischen Nord und Süd zwar eine bessere Möglichkeit, an Nachrichten über das Reich zu gelangen, speziell auf der Suche danach waren sie allerdings nicht. So gelangten im Reich verfasste historiographische Texte eher zufällig nach England, wo sie Chronisten für ihre Arbeit verwendeten. Informationen, die sie zum Alexandrinischen Schisma erhielten, waren häufig »Beifang« in der Kommunikation über den Thomas-Becket-Konflikt. Die höhere Anzahl der Nennungen in englischen Quellen spiegelt die intensivere Anbindung Englands an den Kontinent wider, wenn der Nachrichtenaustausch zum Reich auch von Zufälligkeiten geprägt war. Allerdings ließ sich auch feststellen, dass nicht immer aktives Wissen zum Reich oder England Aufnahme in die Chroniken fand. Dies zeigte sich z. B. bei der Rezeption der Chronik des Marianus Scotus in englischen Quellen, die Nachrichten zum Reich nur in Auswahl aufnahmen und die ihre Einträge sorgfältig auswählten. Dass sich bei bestimmten Ereignissen die Anzahl der Nennungen auch sehr unterschied, zeigt das Beispiel der Darstellung der Gefangennahme König Richards I. in englischen und deutschen Chroniken. Während sich in deutschen Chroniken keine Einträge über den weiteren Verlauf der Gefangenschaft des englischen Königs finden lassen – bereits John Gillingham hat auf diesen Aspekt hingewiesen –, findet sich in englischen Quellen eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema. Dies lag nicht an der mangelnden Nachrichtenlage zu diesem Thema im Reich – die englischen Quellen spiegeln hingegen den langsamen Nachrichtenaustausch und die dadurch entstehenden Gerüchte wieder –, sondern daran, dass die deutschen Chronisten mit Rücksicht auf die Ungesetzlichkeit des Vorgangs bewusst schwiegen. Englische Chronisten nutzten hingegen die Ausführlichkeit ihrer Darstellung zur Verteidigung ihres Königs. Der große Unterschied in der Anzahl der Nennungen ist damit auch zweitens in der
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unterschiedlichen Rezeption der Ereignisse begründet. Dabei waren es auch die Themen, die die unterschiedliche Häufigkeit der Wahrnehmung hervorriefen. Der dritte Grund für die unterschiedliche häufige gegenseitige Wahrnehmung lässt sich im Interesse der englischen Chronisten an Ereignissen in Zusammenhang mit der Kirche bzw. dem Papst festmachen. Wie bei der qualitativen Auswertung der Fallstudien festgestellt wurde, erfolgte die Wahrnehmung des Investiturkonflikts und des Alexandrinischen Schismas nicht, weil man Interesse an den kirchenpolitischen Aktionen des Kaisers und Reichs hatte, sondern, weil die englischen Chronisten am Papst und an Rom interessiert waren, da diese Themen auch Auswirkungen auf sie selbst hätte haben können. Der Fokus lag auf Rom und nicht auf dem Kaiser. Da aber durch den Investiturkonflikt und durch das Alexandrinische Schisma das Papsttum sich in intensiven Auseinandersetzungen mit dem Kaiser befand, geriet das Reich daher zwangsläufig ins Blickfeld. Für die deutschen Chronisten ließ sich kein vergleichbarer Konflikt in England feststellen, an dem sie außerordentliches Interesse zeigten. Ein weiteres Ergebnis der vergleichenden Untersuchung liegt darin, dass sich genauer unterscheiden ließ, welchen Themen die Historiographen ihre Aufmerksamkeit widmeten. Dabei ließ sich feststellen, dass Themen, denen in der Forschung große Bedeutung zukommt, für die Chronisten selbst von geringer Bedeutung sein konnten. So spielten z. B. die in der Forschung sehr ausführlich diskutierten Würzburger Eide für die deutschen Chronisten keine Rolle, in England wurden sie kaum wahrgenommen und mit weiteren Ereignissen verknüpft. Der methodische Ansatz, der Wahrnehmung des Anderen und dem Selbst des Historiographen über eine ausführliche Analyse der sprachlichen Darstellungen und Einordnungen über den Vergleich von Chroniken und Annalen näher zu kommen, hat sich in der Untersuchung bewährt. Gezeigt hat sich vor allem, dass es sowohl im römisch-deutschen wie im anglonormannisch-angevinische Reich kein festgefügtes Bild auswärtiger Herrscher gab. Die Darstellungen in den Chroniken und Annalen sind abhängig vom jeweiligen Kontext der Erzählung, von der institutionellen Gebundenheit der Historiographen und der temporären Verortung der Chronisten. Dabei zeigt sich auch, dass das Vorgehen auch Rückwirkung auf das Verständnis der Historiographen und ihrer Chroniken und Annalen hatte. So ließ sich sowohl für die englischen wie auch die deutschen Chronisten feststellen, dass diese Informationen über das Reich bzw. über England nicht nur einfach kopierten, sondern die Informationen, die sie in ihre Texte übernehmen wollten, bewusst auswählten und – beeinflusst durch ihre Lebensumstände, Vorstellungen und Ziele – ihren Darstellungen anpassten. Das, was sie in ihren Chroniken und Annalen zum Anderen mitteilten, war bewusst ausgewählt. Einfache Kopisten waren die Historiographen nicht. Dies gilt sowohl für größere Chroniken
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als auch für kleinere Annalen. Besonders bei der Analyse der Annalen und Chroniken im Reich zeigte sich, wie die institutionelle Gebundenheit der Autoren auch von den kleineren Annalen in Bezug auf ihre Fremdwahrnehmung widergespiegelt wurde. Hier konnten z. B. gemeinsame Darstellungsarten bestimmter Ereignisse bei welfischen oder österreichischen Annalen erkannt werden. Während die englischen Chronisten wesentlich singulärer schrieben, auch wenn sie gemeinsame Quellen verwendeten, und sich eine stärkere Bezugnahme auf die königliche Familie feststellen ließ, konnten bei den deutschen Texten regionale Gruppen in Bezug auf die Fremdwahrnehmung festgestellt werden. Der Schwerpunkt der Analyse lag auf vergleichender politischer Wahrnehmungsgeschichte und erarbeitete über die Untersuchung der Wahrnehmungsund Darstellungskategorien, die gegenüber den jeweils anderen politischen Ordnungen wirksam waren, grundlegende Elemente einer transnationalen politischen Vorstellungsgeschichte. Der Kaiser bzw. der englische König standen dabei stets im Zentrum der Aufmerksamkeit der deutschen und englischen Chronisten. Englische Chronisten nahmen zwar noch häufiger als die deutschen auch weitere Personen und Ereignisse jenseits der Herrscher wahr, z. B. die Erzbischöfe beim Alexandrinischen Schisma und die Fürstenopposition und ihre Rolle bei der Freilassung Richards I. Hier zeigte sich aber, dass die Chronisten für Informationen, die über das Handeln der Herrscher hinausgingen, gute Beziehungen zum Hof und ein tieferes Verständnis für die auswärtige Politik benötigten. Bei den deutschen Historiographen ließ sich keine Wahrnehmung weiterer handelnder Personen neben dem englischen König feststellen. Die Fremdwahrnehmung der Herrscher war dabei nicht einheitlich. Die Herrscher konnten von den Chronisten unterschiedlich wahrgenommen werden, was durch ihre institutionelle Gebundenheit, aber auch durch ihre Einstellung gegenüber dem Handeln der eigenen Herrscher bedingt war. Daher ließen sich z. B. bei der Untersuchung der Darstellungen des Alexandrinischen Schismas im Reich unterschiedliche Wahrnehmungen zur Rolle Englands und des englischen Königs feststellen. Englische Chronisten schilderten die Figur Heinrichs IV. und Heinrichs V. beim Investiturstreit abhängig von ihren Einstellungen zu Heinrich I. und dessen Familie, aber auch von ihrer jeweiligen persönlichen Wahrnehmung der römisch-deutschen Kaiser und der Päpste. Gemeinsam war aber den Chronisten aus beiden Reichen, dass die Fremdwahrnehmung nicht unabhängig erfolgte, sondern durch Bezugnahme auf die eigenen Herrscher und weiterer Bindungen determiniert war. Dabei waren die Fremdbilder nicht festgefügt, sondern veränderbar. Friedrich I. Barbarossa, der für seine Haltung im Alexandrinischen Schisma heftig kritisiert wurde, wurde später als Motivationsfigur für den 3. Kreuzzug gesehen. Heinrich VI., bei der Gefangenschaft Richards I. als geldgierig, wankelmütig und
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die Ehre seines Reiches beschädigend, dargestellt, wurde wenige Jahre später als positiver Herrscher wahrgenommen, der einen Kreuzzug unternehmen wollte. Dabei spielte auch die zeitliche Positionierung der Chronisten bei den Darstellungen eine große Rolle. Je näher sie bestimmten Ereignissen waren, sie eventuell sogar selbst erlebten, desto ausführlicher stellten sie diese dar und desto ausführlicher war auch die Darstellung der Herrscher. Dies zeigte sich z. B. bei den Darstellungen des Investiturstreits in England. Während zeitnahe Historiographen die Ereignisse von 1111 ausführlich darstellten, sie mit den Konflikten unter Heinrich IV. verbanden und die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen im Reich bis zum Wormser Konzil verfolgten, findet sich bei späteren Chronisten eine Reduzierung der Ereignisse auf den Skandal, die Gefangennahme des Papstes 1111. Weder die deutschen noch die englischen Chronisten zeigten genuines Interesse am Anderen, d. h. am Kaiser und dem römisch-deutschen Reich bzw. an England und seinen Königen. Fremdwahrnehmung wurde durch Ereignisse in den eigenen Ländern oder durch exzeptionelle Ereignisse im Land des Anderen ausgelöst. Eine konstante Beobachtung des Anderen oder eine konstante Wahrnehmung ließ sich hingegen nicht feststellen; letztere entwickelte sich erst im Laufe des 12. Jahrhunderts. Dabei stellte sich bei der Analyse der deutschen Chroniken und Annalen heraus, dass Fremdwahrnehmung vielfach zur Selbstvergewisserung erfolgte. Das Handeln anderer Länder wurde für Chronisten zur Zeit des Alexandrinischen Schismas interessant, da man selbst in der Haltung unsicher war und nach Verbündeten suchte. Mit der Heirat Heinrichs V. mit Mathilde von England konnte die Pracht und Macht des Kaisers noch einmal herausgestellt werden, bevor sich Konflikte unter seiner Herrschaft verstärkten. An der englischen Beteiligung am 3. Kreuzzug waren die Chronisten zunächst nicht besonders interessiert, was sie später aber nicht davon abhielt, den englischen König zu verunglimpfen, um die Gefangennahme zu rechtfertigen. Bei englischen Chronisten erfolgte die Wahrnehmung des Reiches meist aufgrund kirchenpolitischer Konflikte, die sie als Kleriker besonders berührte. Aber auch hier zeigte sich, dass Fremdwahrnehmung und deren Darstellung vielfach zur Selbstvergewisserung genutzt wurde. Beim Alexandrinischen Schisma konnten die Chronisten zeigen, dass Heinrich II. in ihren Augen richtig reagierte, Konzilien die Entscheidung überließ und sich nicht in deren Entscheidungen einmischte. Alexander III. begegnete er demütig und angemessen und leistete sogar den Strator-Dienst. Richard I., der durch Vorwürfe und Anklagen in der Kritik stand, wurde als mutiger und christlicher König gegenüber dem verschlagenen Herzog, dessen Leuten und dem geldgierigen Kaiser dargestellt. Dass die englischen und deutschen Chronisten über festgefügte Vorstellungen des Anderen verfügten bzw. vertieft über Unterschiede zwischen den beiden
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Nationen nachdachten, ließ sich nicht erkennen. Der Umgang mit den Informationen erfolgte zwar bewusst, eine Auseinandersetzung mit der Herrschaft des Anderen unterließen sie aber. Die Darstellung erfolgte nicht aus Interesse am Anderen, sondern aufgrund der Identifikation der Historiographen mit ihrer Gemeinschaft. Interesse an Land und Bevölkerung jenseits von Kaiser und König ließ sich nicht erkennen. Deutlich ließ sich feststellen, dass die anglonormannischen und angevinischen Chronisten die Salier- und Stauferkaiser nicht mit einer Vormacht- oder Vorrangstellung bedachten. Eine Unterordnung des englischen Königs unter die kaiserliche auctoritas im Sinne Robert Holtzmanns war den englischen Historiographen fremd. Der Kaiser wurde als Herrscher unter anderen wahrgenommen, eine besondere politische Rolle wurde ihm nicht zugedacht. So zeigten sich die englischen Chronisten empört, als Friedrich I. Barbarossa versuchte, Einfluss auf die Papstwahl zu nehmen. Auch für den 3. Kreuzzug nahm er keine Führungsposition ein, sondern diente den Chronisten nur als Vorbild. Die Vorstellung Holtzmanns, dass der Kaiser aufgrund seines Ansehens und Ranges andere Herrscher überragt habe und somit auch Handlungsanweisungen habe geben können, findet sich aber ebenso in keiner der deutschen Chroniken und Annalen. An keiner Stelle lässt sich diese Idee in Bezug auf England bzw. den englischen König bei den römisch-deutschen Historiographen nachweisen. Emotionalität aufgrund von Verunsicherung ließ sich in Chroniken aus beiden Ländern erkennen. Deutsche Chronisten machten aus der Obödienzwahl für die Päpste auch gleichsam eine Frage nach der Haltung zu Friedrich I. Bei der Gefangennahme Richards I. Löwenherz kam es zu Verallgemeinerungen und Darstellungen des Kaisers als Reichsfeind. Dabei wurden die Begriffe »deutsch« und »englisch« als abgrenzende nationale Kategorien verwendet. Auch bei den englischen Chronisten lassen sich abwertende Urteile über die österreichischen Häscher und Heinrich VI. finden. Allerdings entdeckten hier weder die englischen noch die deutschen Historiographen plötzlich ihr nationales Bewusstsein. Die Abgrenzungen und Urteile entstanden durch emotionale Ausnahmesituationen und wurden als persuasives stilistisches Mittel genutzt. Sobald die Krisen beendet waren, fanden sich diese Urteile auch nicht mehr in den Quellen. Die Wahrnehmung des Anderen war bei den Chronisten des 12. Jahrhunderts nicht durch feststehende Bilder geprägt, die sie in ihren Darstellungen wiedergaben. Ebenso lässt sich auch nicht erkennen, dass sie Vorurteile gegenüber dem Anderen bildeten. Ihre Wahrnehmung war darüber hinaus auf die Person der Herrscher konzentriert, sodass die Wahrnehmung einer Bevölkerung, einer »Nation« nicht nachweisbar ist. Dies lässt sich zumindest nach dieser Analyse für das 12. Jahrhundert und der Konzentration auf zeitgenössische Ereignisse feststellen. Desiderat für die bestehende Frage zur Entstehung von Stereotypen und Alteritätserfahrung bleibt der Vergleich der Erkenntnisse der Analyse zu Dar-
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stellungen im 12. Jahrhundert mit dem gesamten Berichtszeitraum der Chroniken. Dies würde ermöglichen, die historische Wahrnehmung der beiden Länder und deren Kaiser und Könige der zeitgenössischen Darstellung gegenüberzustellen. Aufgrund der Materialvielfalt ließe sich dies aber nur an ausgewählten Beispielen durchführen. Wünschenswert wäre ebenso ein Vergleich mit Darstellungen späterer Jahrhunderte, um die Entstehung von Stereotypen, aber auch die Bedeutung von Nation / Volk für die Chronisten genauer bestimmen zu können. In dieser Untersuchung zur Selbst- und Fremdwahrnehmung in deutschen und englischen Chroniken erfolgte eine Konzentration auf sechs Fallstudien, die durch die häufigste Anzahl an Nennungen ausgewählt worden waren. Einzelne Nennungen bzw. Nennungen mit einer geringeren Anzahl wurden hingegen nicht untersucht. Gerade in den englischen Chroniken und Annalen finden sich noch viele weitere Informationen zu Ereignissen, die nicht genauer analysiert werden konnten. Diese Einzelfälle und deren Hintergründe zu analysieren, wäre für eine Vertiefung des Bildes zur Fremdwahrnehmung sicherlich aufschlussreich – ähnlich wie dies Stefan Pätzold in seiner Untersuchung zur Darstellung des ottonisch-salischen Reichs in den Gesta regnum Anglorum des Wilhelm von Malmesbury vorgenommen hat.1589 Auch der Entwicklung der Historiographie in beiden Räumen bzw. den sich unterschiedlich entwickelnden Erzähltraditionen konnte hier nur am Rande Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sowohl bei der Entwicklung der deutschen Historiographie im 12. Jahrhundert als auch der Entwicklung der englischen sind noch viele Fragen offen. Dabei wäre eine intensivere, auch vergleichende Beschäftigung mit kleineren, lokalen Annalen und deren Erforschung gerade im deutschen Raum wieder wünschenswert, ebenso wie die Neuedition englischer Chroniken als Voraussetzung differenzierender Analyse.
1589 Pätzold, Germania – Alemannia – Regnum Teutonicum, S. 201–266. Pätzold konnte so über einen Verlauf mehrerer Jahrhunderte die Wahrnehmung des Reichs in den Gesta regnum Anglorum genauer verfolgen und so die Entwicklungen in der Wahrnehmung und deren Ursachen für die Darstellungen eingehend darstellen.
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Quellenverzeichnis Die Quellen sind stets nach dem gebräuchlichen lateinischen Namen des Autors geordnet, sofern dieser bekannt ist; wo dies nicht möglich ist, wird nach dem Titel des Werkes bibliographiert. Die Admonter Briefsammlung nebst ergänzenden Briefen, hg. von Günther Hödl und Peter Classen (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 6), München 1983. Annales Admontenses, a. 1–1139 (unter dem Titel Annales Admuntenses), hg. von Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 9, Hannover 1851, S. 570–579. Annales Admontenses, a. 1140–1250 (unter dem Titel Continuatio Admuntensis), hg. von Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 9, Hannover 1851, S. 580–593. Annales Aquenses, hg. von Georg Waitz, in: MGH SS 24, 1979, S. 34–39. Annales Babenbergenses, hg. von Georg H. Pertz, in: MGH SS 10, Hannover 1852, S. 4. Annales Brunwilarenses, hg. von Georg H. Pertz, in: MGH SS 16, Hannover 1859, S. 724– 728. Annales Claustroneoburgenses tertia, hg. von Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 9, Hannover 1851, S. 629–637. Annales Colonienses Maximi, hg. von Karl Pertz, in: MGH SS 17, Hannover 1861, S. 723– 847. Die größeren Annalen von Corvey (Annales Corbeiensis maiores), bearb. v. Franz-Josef Schmale (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 10; Abhandlungen zur Corveyer Geschichtsschreibung 8), Münster 1996. Annales Cremifanenses (unter dem Titel Continuatio Cremifanensis), in: MGH SS 9, S. 544–549. Annales S. Disibodi, hg. v. Georg Waitz, in: MGH SS 17, Hannover 1861, S. 6–30. Annales Ensdorfenses, hg. von. Georg H. Pertz, in: MGH SS 10, Hannover 1852, S. 4–8. Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui a. 1038–1163, hg. von Oswald Holder-Egger, in: Ders., Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV. (MGH SS. rer. Germ. 42), Hannover, Leipzig 1899, S. 3–20. Annales S. Petri Erphesfurtenses breves, hg. von Oswald Holder-Egger, in: Ders., Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV. (MGH SS. rer. Germ. 42), Hannover, Leipzig 1899, S. 48–46. Annales Erphesfurdenses Lothariani, hg. von Oswald Holder-Egger, in: Ders., Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV. (MGH SS. rer. Germ. 42), Hannover, Leipzig 1899, S. 34–44. Annales S. Petri Erphesfurtenses maiores, hg. von Oswald Holder-Egger, in: Ders., Monumenta Erphesfurtensia saec. XII. XIII. XIV. (MGH SS. rer. Germ. 42), Hannover, Leipzig 1899, S. 49–67. Annales Garstenses (unter dem Titel Continuatio Garstensis), hg. von Wilhelm Wattenbach, in: MGH SS 9, Hannover 1851, S. 594–600. Annales Herbipolenses, hg. von Georg H. Pertz, in: MGH SS 16, Hannover S. 1–12. Annales Herbipolenses minores, hg. von Georg Waitz, in: MGH SS 24, Hannover 1879, S. 828f. Annales Hildesheimenses, hg. von Georg Waitz (MGH SS rer. Germ 8), Hannover 1878.
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Register
Mittelalterliche Autoren und anonym überlieferte Texte Adam von Bremen 66 Annales Admontenses 56, 57–59, 73, 164780, 174, 185873, 186, 188886, 214, 219, 2211012, 223 Annales Aquenses 59, 73, 214984, 221, 223 Annales Babenbergenses 70, 185873 Annales Brunwilarenses 3286, 72 Annales Claustroneoburgenses tertia 188887 Annales Cremifanenses 220, 2212012, 224, 227, 228, 380 Annales S. Disibodi 43f., 66, 73, 154, 155, 156, 161, 176, 277 Annales Ensdorfenses 70f. Annales S. Petri Erphesfurdenses antiqui a. 1038–1163 65, 73, 76, 182, 185873, 187883, 194, 195, 196, 206, 207 Annales S. Petri Erphesfurtenses breves 72, 76 Annales Erphesfurdenses Lothariani 65, 73 Annales S. Petri Erphesfurtenses maiores 72, 76, 194917 Annales Garstenses (unter dem Titel Continuatio Garstensis) 57–59, 73, 214, 221, 223 Annales Herbipolenses 47, 73, 75 Annales Herbipolenses minores 63f., 70 Annales Hildesheimenses 61f.,73, 77, 80, 153f., 155, 156, 157, 158, 159
Annales Isingrimi 68 Annales Lewenses 3286, 125, 141, 143, 249, 294, 3041296, 347 Annales Magdeburgenses 60, 73, 76, 81, 164780, 168 Annales Marbacenses 44f., 73, 161, 170, 213982, 214, 216, 218, 223, 224, 226, 228, 229, 235 Annales Mellicenses 56f., 73, 214, 221, 223 Annales Palidenses 3286, 34, 59f., 61, 62, 63f., 73, 76, 77, 81, 187883, 188886 Annales Patherbrunnenses 59f., 62, 63f., 73, 80, 154, 156, 157, 159 Annales Pegavienses 61, 73, 76, 77, 81, 164780, 174 Annales Plymptonienses 125f., 141, 143, 3041296, 381 Annales Ratisponenses 70, 188886 Annales Reicherspergenses (siehe Magnus von Reichersberg) Annales Rosenveldenses 72 Annales Sancti Rudperti Salisburgenses 188887 Annales Scheftlarienses maiores 71 Ex annalibus Wintoniensibus 126, 141, 309, 3121324, 320 Die Reichschronik des Annalista Saxo 62f., 64, 73, 80, 153, 156, 159 Die Anonyme Kaiserchronik (Chronici imperatorum a tempore Karoli Magni
438 usque as a. 1114 libri III) 50f., 73, 74, 101, 153, 157, 158, 160, 163, 2541103f. , 267, 296 Arnold von Lübeck, Slawenchronik (Chronica Slavorum libri VII) 67f., 73, 76, 82, 84, 164780, 171, 172, 176, 214, 216, 218, 223, 229, 230–234 Benedict von Peterborough, Miracula Sancti Thomae Cantuariensis 79f., 164, 168, 171 Beda Venerabilis 108, 125 Brevis historia occupationis et amissionis terrae sanctae 46, 214, 231, 232, 233 Brunos Buch vom Sachsenkrieg 2771209–1211 Burchard von Ursberg, Chronicon 45, 73, 84, 164780, 167, 170, 183, 184872, 185873, 201f., 213982, 214, 216, 218, 223, 230–234, 240 Caesarius von Heisterbach, Dialogus Miraculorum 171 Kölner Königschronik (Chronica regia Coloniensis) 3284, 41–43, 59, 64, 73, 82, 85, 154, 156, 157, 159, 160, 167f.,170, 174, 176, 184872, 186882, 187885, 188886, 189, 1999327, 200–204, 207, 214, 216, 222, 2231021, 224, 225f., 228, 235, 236, 243, 356 Chronicae regiae Coloniensis continuatio prima (1175–1220) 164, 166796f. Chronicon Montis Sereni 188887 Coventry Chronik 96f., 141, 2491085, 2501089, 294, 3041296 Gerhard von Steterburg, Chronicon Stederburgense 40, 68f., 73, 173, 214, 221, 223 Itinerarium Peregrinorum et Gesta Regis Ricardi 136, 139 David Scholasticus 50, 99, 101, 107, 251, 254, 255, 257, 268, 273, 286, 287, 293, 294, 298, 383 Eadmer von Canterbury 98, 101, 145, 146 – Historia novorum 91f., 93, 141, 151, 255, 258, 2661153, 3041296
Register
– Vita S. Anselmi 91 Ekkehard von Aura 162 – Chronicon universale 42, 47–49, 50, 59, 63, 65, 66, 73, 74, 80, 81, 84, 153, 156f., 160 Frutolf von Michelsberg 46, 48, 51, 70, 81 Gervasius von Canterbury 96, 145f. Chronica 33, 119–121, 141, 142, 190, 3041296, 305, 308, 309, 3121324, 313, 314, 315, 3161338, 319, 321, 322, 323, 324, 333, 334, 335, 336, 337, 338, 347, 3481453, 349, 355, 357, 359, 362, 363, 378 Gesta regum Britanniae 3285, 119–121, 141, 347, 3481453, 351, 349,357, 368, 375 Gesta Normannorum Ducum of William of Jumièges 105, 114 Gesta Stephani 140 Geoffrey von Monmouth, Historia regum Britanniae 121 Gervasius v. Tilbury, Otia Imperialia 135 Helmold von Bosau 84, 66 – Chronica Slavorum 3284, 66, 73, 171, 172, 182f., 184872, 185873, 187883, 187885, 189, 195, 196–199, 200, 207, 278 Heinrich von Huntingdon 24, 124, 136, 146, 382, 383 – Historia Anglorum 109–112, 114, 133, 138, 141, 249f., 2511092, 288, 294, 3041296 Hermann von Reichenau 20 Herbert v. Bosham 121, 308 Historia de expeditione Friderici I 82, 215, 216, 217, 2191005, 220, 2211013, 223, 224, 227, 228, 229 Historia Peregrinorum 82, 215988, 216, 3491458 Historia Welforum 39, 71, 74 Isidor von Sevilla 33 Itinerarium peregrinorum
3491458, 3531468
Johann von Hexham, Historia XXV. Annorum 33, 104
Mittelalterliche Autoren und anonym überlieferte Texte
Johannes von Salisbury 123, 165, 181860, 317, 3251367, 328, 3291383, 334 Johannes von Worcester 91, 98, 101, 104, 106, 107, 121, 142, 143, 146, 147, 148 – Chronicon ex Chronicis 92–95, 138, 141, 2491085f. , 250, 251, 254, 255–258, 2591122, 260, 265, 269, 272, 289f., 293, 294, 295, 3041296, 381, 383 Jordan Fantosme
133
Lampert v. Hersfeld, Annalen 2521097, 277 Libellus de expugnatione Terrae sanctae per Saladinum 139 Magnus von Reichersberg, Annales Reicherspergenses 55f., 73, 148694, 164780, 174, 188886, 214, 215, 216, 218, 219, 2212012, 223, 227, 228, 229, 3491458 Marianus Scotus 105, 383, 393 – Chronik 92, 144, 251, 252, 2531099, 254, 255, 256, 262, 264, 273, 286, 294, 295 Naratio de electione Lotharii
107
Ottonis von St. Blasien, Chronica 46f., 73, 79, 164780, 169, 170, 183, 185873, 187883, 214, 219, 2211012, 222, 224, 225, 226, 228, 230, 235, 236, 2371070, 356 Otto von Freising 69, 84 – Chronica sive Historia de duabus civitatibus (siehe auch Rahewin) 21f., 34, 46, 52f., 73, 74, 81, 153, 160, 185875 – Gesta Friderici I. imperatoris 28, 3285, 33, 35, 44, 47, 53–55, 71, 73, 74, 75, 79, 153, 161 Orderic Vitalis 2658, 92, 101, 111, 124, 145, 147, 254, 381, 382, 383, 386 – Historia ecclesiastica 35, 104–108, 141, 142, 151, 154725, 2491085.f. , 251, 264, 2691170, 273–287, 294, 295, 297, 298, 299, 3041296 Radulph von Coggeshall, Chronicon Anglicanum 138–140, 141, 150, 304, 337,
439
348, 349, 354, 358, 360, 365, 367, 368, 375, 377, 378, 384 Radulf von Diceto 136, 148, 381, 382, 384 – Abbrevationes chronicorum 126–129, 141, 142, 2491085, 250, 294, 297 – Ymagines historiarum 126–129, 141, 142, 143, 145, 149, 189f., 217, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 313, 314, 315, 3191345, 321, 322, 323, 3241363, 330, 331, 332, 337, 340, 348, 349, 350, 353, 354, 356, 362, 363, 365, 376, 377, 378 Radulfus Niger 126, 139, 308 – Chronica I (Chronica Universalis) 126, 135, 141, 2491085, 2591123, 287–293, 295, 298, 299, 304, 313, 3141331, 320, 337, 348, 349, 366, 367, 367, 368, 375, 377 – Chronica II (Chronica Anglica) 126, 135, 141, 2491085, 304 Rahewin 84, 149704 – Gesta Friderici I. imperatoris (siehe auch Otto von Freising) 47, 177844, 182, 184872, 185873, 186875, 178883, 192905f.,, 193, 195f., 197, 206, 207, 244, 3141330, 3151333, 3161337 Richard von Devizes, Cronicon de tempore regis Richardi primi 130–132, 133, 141, 142, 3041296, 348, 3491456, 351, 352, 353, 357, 360, 368, 369, 375, 381 Richard von Hexham, De gestis regis Stephani et de bello Standardii 108, 141, 142, 3041296 Robert von Torigni 2658, 35, 145, 146, 381, 382, 383, 388 – Gesta Normannorum Ducum 112–115, 141 – Weltchronik 112–115, 129, 141, 142, 147, 2491085, 287–293, 298, 304, 306, 307, 308, 310, 311, 313, 3141331, 319, 323, 324, 337, 340, 341 Roger von Howden 121, 139, 146, 148, 259, 351, 382, 384, 385 – Gesta regis Henrici secundi Benedicti abbatis 115–119, 141, 142, 304, 305, 337f., 3421419, 350, 351f., 356, 370 – Chronica 3284, 94, 115–119, 119, 135, 141, 142, 172, 216993f. , 218, 2191005,
440 2491085f. , 250, 2511093, 294, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 3121324, 313, 319, 321, 322, 3231361, 3251369, 3281382, 329, 3301386, 337f., 3411417, 347f., 350, 351, 353, 354, 355, 362, 363, 370, 371, 3721552, 373, 375, 376, 377 Sigebert von Gembloux, Chronica 49, 105f., 114, 115, 129, 136, 148, 2531100, 287, 288, 289, 2901267, 291, 293, 294, 295, 298 Symeon von Durham 91, 101–104, 108, 143, 146, 148, 149699, 381 – Historia regum 33, 119, 133, 141, 144, 2491085f. , 250, 251, 258–261, 265, 269, 271, 272, 293, 294, 295, 297, 3041296 Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 123 Walter Map, De Nugis Curialium 13, 18, 20, 24, 27, 31, 36, 122–125, 141, 3041296 Wilhelm von Canterbury, Miraculorum gloriosi Martyris Thomae Cantuariensis
Register
Archiepiscopi 79f., 121, 164, 165, 168, 171, 308, 334, 335, 336 Wilhelm von Malmesbury 24, 88, 89, 91, 101, 106, 107, 111, 124, 143, 146, 147, 148, 251, 254, 294, 295, 296, 297, 383, 386 – Gesta regum Anglorum 21f., 94, 97– 101, 121, 136, 141, 144, 149699, 2491085f. , 2551107, 257, 2601130, 261–273, 273, 275, 279, 281, 283, 286, 3041296, 398 – Historia novella 97–101, 141, 142, 3041296 Wilhelm von Newburgh 23, 124, 381, 385 – Historia rerum Anglicarum 34, 35, 132–135, 141, 142, 304, 309, 313, 314, 315, 317, 320, 322, 339, 248, 351, 353, 3541475, 358, 3601500, 362, 363, 364, 3651523, 370, 373, 374, 375, 375, 377, 379 Winchcombe Chronik 95f., 141, 2491085, 2491088, 2501089, 294, 304, 309, 3121325, 313, 314, 315, 3161336, 3161338, 320, 322, 381 Winchester Chronik 36112
Historische Personen Adalbert I. v. Saarbrücken, Erzbsf. v. Mainz 158, 246, 247, 291 Adalbert III., Erzbsf. v. Salzburg 218, 361 Adelheid v. Kiew / Praxedis, Gemahlin Heinrich IV. 2751202, 277 Adelard II., Bsf. v. Verona 362 Adolf I. v. Altena, Erzbsf. v. Köln 213, 375, 376, 377 Agnes, Markgfn. v. Österreich 52 Agnes v. Staufen, Pfalzgfn. bei Rhein 212 Alan Tewkesbury 121 Albrecht I. v. Löwen, Bsf. v. Lüttich 210, 226, 372 Alexander v. Lincoln, Bsf. v. Lincoln 382 Alexander III., Papst 55, 116, 129, 137, 169, 171, 177, 179, 182, 183, 186, 188, 189, 195, 199, 203, 204, 207, 242, 243, 300–341, 386, 388, 396 Alexios I. Komnenos, byzant. Ks. 261 Alix v. Frankreich, Gfn. v. Vexin 210, 344
Anno II., Erzbsf. v. Köln 42 Anselm v. Canterbury, Erzbsf. v. Canterbury 91f., 2451075, 249, 296, 385 Anselm, Kaplan Richards I. 139, 150, 354 Arnold v. Brescia 124 Arnulf, Bsf. v. Lisieux 128 Arthur I., Hzg. v. Bretagne 343 Balduin v. Exeter, Erzbsf. v. Canterbury 120 Beatrix, röm. Ks., Gemahlin Friedrichs I. 75 Bela II., Kg. v. Ungarn 208 Berengaria v. Navarra, Gemahlin Richards I. 232 Bertha v. Holland, franz. Königin, Gemahlin Philipps I. 2461076 Berthold IV., Hzg. v. Zähringen 169 Boso, Kardinal 318 Bruno v. Bretten, Erzbsf. v. Trier 246
Historische Personen
Burchard, Kanzleinotar u. Kaplan 42, 200 Calixt II., Papst 149, 185, 248, 258, 260, 263, 268, 269, 271, 283 Calixt III., Papst 181 Christian I. v. Buch, Erzbsf. v. Mainz 118, 320, 321, 333, 338, 340 Clemens III., Gegenpapst 2521098, 2531102, 2551105, 261, 262, 273, 280, 290 Clementia v. Zähringen, 1. Gemahlin Heinrichs d. Löwen 166, 167, 169 Coelestin III., Papst 119, 143, 218, 362 David I., Kg. v. Schottland 99, 108, 266 David, Bsf. v. Bangor 147 Diepold v. Berg, Bsf. v. Passau 216 Dietrich VII., Gf. v. Holland 213 Eberhard I., Erzbsf. v. Salzburg 84, 178847, 186881f. , 192, 193, 201, 202 Eberhard II., Bsf. v. Bamberg 84, 192, 196 Eleonore v. Aquitanien, engl. Kgn. 119, 216993, 217, 2191005, 344, 345, 376, 384 Erchenfried, Abt v. Melk 57 Eustach II., Gf. v. Boulogne 274, 2751202 Friedrich I. v. Schwarzenburg, Erzbsf. v. Köln 154, 160, 246 Friedrich I., röm. Ks. 28f., 40, 43, 45, 47, 52, 54, 58, 66, 67, 75, 83, 96, 118, 121, 124, 125, 134, 137, 169, 177, 178, 179, 180, 183, 187f., 189, 191, 193, 196, 197, 198, 204, 207, 243, 301, 302, 304, 305, 309, 310, 312, 313–319, 321, 322, 323, 324, 3251367, 326, 327, 3281382, 333, 337, 339, 340, 341, 349, 350, 351, 352, 3611503, 382, 386, 387, 388, 395, 397 Friedrich VI., Hzg. v. Schwaben 352, 3581493 Fastrad v. Clairvaux, Abt 196922, 316, 3171339 Gebhard, Erzbsf. v. Salzburg 58, 174835 Gelasius II., Papst 149, 185, 248, 257, 269 Gerard la Pucelle, Bsf. v. Coventry 135, 165 Gerald v. Wales 122167
441 Gerold, Bsf. v. Oldenburg und Lübeck 84, 197 Geoffrey v. Orleans, Abt v. Crowland Abbey 146 Gilbert de Clare, Lord v. Cardigan 96 Gilbert Foliot, Bsf. v. London 119, 122, 128, 300, 306, 307, 324, 3281382, 3301386, 331, 332, 333, 340 Gottfried, Erzbsf. v. York 3431426, 344 Gottfried v. Bouillon 274 Gottfried V., Graf v. Anjou 100, 285, 292 Gottfried v. Jumièges, Abt 98 Gregor VII., Papst 144, 2461076, 249, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 273, 274, 275, 278, 279, 280, 286, 2811208, 289, 290, 294, 295, 296, 298, 386 Gregor VIII., Gegenpapst 185, 248, 257f., 268, 271, 283, 295 Hadrian IV., Papst 177, 197, 200, 300, 313, 317, 323 Hartwig, Erzbsf. v. Bremen 197 Heinrich v. Berchtesgaden, Propst 192 Heinrich v. Pisa, Kardinal 190896, 328 Heinrich v. Winchester, Erzbsf. v. Rheims 154725 Heinrich d. J., Sohn Heinrichs II. 128, 135, 208, 301, 302, 335 Heinrich I., engl. Kg. 28, 58, 91, 106, 111, 125, 155, 2451075, 249, 271, 272, 286, 287, 289, 296, 298, 299, 386 Heinrich I., Hzg. v. Brabant 213, 375, 377 Heinrich II., engl. Kg. 13, 28f., 45, 75, 83, 87, 89, 110, 113, 117, 118, 121, 122, 124, 128, 135, 140, 146, 169, 170, 172, 174, 182, 189, 203, 204, 292, 293, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 305, 306, 310, 311, 312, 314, 322–337, 339, 340, 366, 382, 386, 387, 388, 396 Heinrich III., engl. Kg. 28 Heinrich III., Hzg. v. Limburg 375, 377 Heinrich IV., röm. Ks. 53, 96, 126, 144, 249, 251, 252, 254, 255, 256, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 272, 273, 274, 276, 277, 278, 279, 280, 282, 284,
442 285, 286, 287, 288, 290, 291, 294, 295, 296, 297, 298, 322, 383, 385, 386, 388, 395, 396 Heinrich V., röm. Ks. 30, 44, 48, 49f., 51, 53, 62, 63, 74, 76, 78, 94, 96, 99f., 104, 106, 108, 115, 125, 142, 145, 151, 153, 154– 163, 176, 239, 246, 246, 247, 248, 250, 251, 256, 258, 260, 2631143, 268, 269, 271, 272, 273, 282, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 296, 297, 298, 299, 322, 383, 385, 386, 388, 395, 396 Heinrich VI., röm. Ks. 43, 45, 57, 118f., 119, 137, 139, 143, 208, 210, 211, 215988, 216, 218, 221, 2221017, 225, 226, 229, 230, 233f., 235, 237, 238, 243, 341, 346, 349, 352, 355, 359, 367–375, 377, 379, 384, 386, 387, 388, 395, 397 Heinrich der Löwe, Hzg. v. Sachsen u. Bayern 39f., 45, 59f., 61, 62, 67f., 71, 72, 78, 117, 119, 121, 124, 125, 126, 129, 145, 166, 167, 169, 173, 189, 197, 198, 205, 230, 306, 320, 321, 323, 324, 325, 333, 340, 3611503, 376, 377, 382 Heinrich (V.) d. Ä. v. Braunschweig, Pfalzgraf bei Rhein 143, 212 Heinrich v. Troyes, Gf. v. Champagne 179, 3251367 Hermann v. Brixen, Bsf. 193 Hermann v. Lützelburg, Gf. v. Salm, Gegenkg. 252 Hermann I., Landgf. v. Thüringen 40, 210970 Herrand, Bsf. v. Halberstadt 72 Hubert Walter, Erzbsf. v. Canterbury 128, 216993, 217, 345, 351 Humfried IV. v. Toron 2321056 Hugue de Puiset, Bsf. v. Durham 116, 146, 2191005, 305, 343 Hugo v. Cluny, Abt v. Cluny 264 Hugo v. Die, Erzbsf. v. Lyon 2461076 Hugo III., Hzg. v. Burgund 368, 369 Ida, Gemahlin des Ludwig v. Deudesfeld 165 Isaak Komnenos, Ks. v. Zypern 209965, 211, 230 Isabella I., Kgn. v. Jerusalem 232
Register
Isingrim, Abt v. Ottobeuren
52
Johann Ohneland 208959, 341, 342, 343, 344, 345, 346, 347, 355, 372, 373 Johannes v. Oxford, Bsf. v. Norwich 306, 325, 329, 3301386 Johannes v. Canterbury, Bsf. v. Poitiers 328 Judith v. Flandern, Hzgn v. Bayern 63 Karl d. Große, frk. Ks. 13, 270, 271, 288, 289, 291 Karl I. v. Flandern 61 Kılıç Arslan II. 237 Konrad v. Montferrat 211, 218, 226, 227, 231, 232, 233,240f., 347, 365, 369, 370, 373 Konrad d. Staufer, Pfalzgraf bei Rhein 213, 377 Konrad I., Erzbsf. v. Salzburg 55, 175 Konrad I. v. Wittelsbach, Erzbsf. v. Mainz 135, 198, 210970, 213, 321, 327, 338, 375, 376, 377 Konrad II., Hzg. v. Schwaben 213 Konrad III., röm. Ks. 52f., 66, 72, 87 Kuno v. Praeneste, Kardinalbsf. v. Praeneste 247, 282 Lanfranc v. Bec, Erzbsf. v. Canterbury 2451075 Leopold II., Markgf. v. Österreich 56 Leopold III., Markgf. v. Österreich 52 Leopold V., Hzg. v. Österreich 57, 75, 134, 208, 209, 210, 211, 215988, 217, 219, 221, 2221018, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 233, 234, 235, 237, 238, 239, 243, 347, 349, 351, 356–367, 374 Leopold VI., Hzg. v. Österreich 40, 132 Lothar III., röm. Ks. 65, 87, 94, 106f., 142, 178 Ludwig v. Deudesfeld 165 Ludwig I., Landgf. v. Thüringen 159f. Ludwig VI., franz. Kg. 124 Ludwig VII., franz. Kg. 27, 114, 179, 180, 182, 191, 199, 301, 314, 322
Historische Personen
Margarethe v. Frankreich, Gemahlin Heinrichs d. J., später Kgn. v. Ungarn, Gemahlin Belas III. 208, 301 Mathilde, röm. Ksn., Gemahlin Heinrichs V., später Gottfrieds V. v. Anjou 30, 44, 45, 51, 62, 76, 94, 96, 99, 101, 104, 106, 108, 111, 113, 115, 125, 140, 142, 153, 154–163, 176, 239, 258, 260, 2631143, 266, 267, 272, 282, 284, 285, 286, 290, 292, 293, 298, 299, 328, 396 Mathilde, Hzgin. v. Sachsen, Gemahlin Heinrichs d. Löwen, Tochter Heinrichs II. 126, 166, 167, 172, 205, 306, 323, 333, 340 Nikolaus I., Abt. v. St. Michael (Siegburg) 42, 201944–948 Otto IV., röm. Ks. 29, 67, 69, 119, 143, 230 Otto I., Bsf. v Bamberg 48, 51, 80, 162 Ottokar I. Prˇemysl, Kg. v. Böhmen 210970 Paschalis II., Papst 125f., 158, 247, 2501091, 257, 266, 268, 282, 285, 287, 289, 291, 292, 293, 297, 299, 320 Paschalis III., Gegenpapst 158750, 180, 189, 197924, 207, 321, 325, 331, 333, 334, 336 Philipp I., franz. Kg. 2461076, 275, 277, 278 Philipp II. August, franz. Kg. 119, 130, 208, 210, 211, 216, 217, 218, 232, 341, 344, 346, 352, 353, 355, 362, 368, 369, 370, 372 Philipp v. Schwaben, dt. Kg 67, 119 Philipp v. Poitou, Bsf. v. Durham 117, 353 Philipp v. Dreux, Bsf. v. Beauvais 132, 354, 368, 370 Pontius v. Melgueil, Abt v. Cluny 2451074 Rainald v. Dassel, Erzbsf. v. Köln 43, 126, 177, 181, 189, 198, 200, 203, 306, 319f., 321, 325, 326, 327, 329, 331, 333, 336, 340, 341 Ralph d’Éscures, Erzbsf. v. Canterbury 92, 151 Raschid ad-Din Sinan 217, 347, 365, 384 Regino v. Prüm, Abt 24
443 Richard v. Dover, Erzbsf. v. Canterbury 305, 338 Richard v. Ilchester, Bsf. v. Winchester 325, 329 Richard I., engl. Kg. 57, 59, 69, 78, 97, 117, 119, 125, 128, 129, 130, 134, 137, 145, 150, 208, 210, 211, 215, 216, 217, 218, 221, 2221017, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 341–380, 381, 382, 384, 385, 386, 387, 389, 393, 395, 396, 397 Richard II. v. Belmeis, Bsf. v. London 127 Richard FitzNeal, Bsf. v. London 128 Robert v. Hereford, Bsf. v. Hereford 251 Robert Guiscard, Hzg. v. Apulien u. Kalabrien 261, 274 Robert I., Earl v. Gloucester 99, 266 Robert v. Beaumont, Earl v. Leicester 306, 323 Robert Bloet, Bsf. v. Lincoln 108 Roger v. Pont L’Évêque, Erzbsf. v. York 116, 129, 146, 305, 337, 338 Roger v. Salisbury, Bsf. v. Salisbury 272 Rotrout, Erzbsf. v. Rouen 190896, 328 Rudolf v. Rheinfelden, Hzg. v. Schwaben, Gegenkg. 144, 252, 2551105, 259, 2741192, 2751202, 2801204 Rudolf I. v. Stade, Markgf. 158 Saladin, Sultan v. Ägypten 149701, 208, 211, 232, 350, 369, 374 Savaric, Bsf. v. Bath 217 Siegfried, Bsf. v. Paderborn 201 Siegfried I., Erzbsf. v. Mainz 252, 2551105 Simon v Limburg, Bsf. v. Lüttich 213 Stephan I. v. Blois, engl. Kg. 106, 111, 140, 285, 286, 287 Suger, Abt v. Saint-Denis 20, 24, 2481082 Tageno v. Passau, Diakon 55, 215, 216, 3491458 Tankred v. Lecce, Kg. v. Sizilien 143, 210, 226, 229, 237, 370, 371 Theobald v. Bec, Erzbsf. v. Canterbury 3011280 Theobald IV., Gf. v. Blois 124
444 Thomas Becket 46, 61, 79, 113, 119, 129, 135, 136, 163–166, 167, 168, 169, 174, 175, 176, 181, 189, 197924, 239, 241, 292, 300, 302, 303, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 3191345, 321, 323, 324, 3251367, 3251369, 327, 329, 330, 331, 332, 334, 336, 337, 339, 340, 366, 385, 386, 393 Ulrich v. Dürrmenz, Kanzler 54f. Ulrich v. Weimar-Orlamünde, Markgf. v. Krain 158 Urban II., Papst 2451075, 263, 290 Viktor III., Papst 290, 321, 340 Viktor IV., Gegenpapst 177, 179, 180, 185873, 186, 198, 200, 203, 305, 313, 314, 317, 388
Register
Walter v. Coutances, Erzbsf. v. Rouen 128, 344, 345, 353, 354, 355 Walter v. Rouen 119, 2191005 Welf IV., Hzg. v. Bayern 63 Welf VI., Hzg. v. Bayern 71 Wilhelm Clito, Hzg. v. Flandern 61 Wilhelm, Earl v. Gloucester 96 Wilhelm Marshal, Earl v. Pembroke 334 Wilhelm v. Longchamp, Bsf. v. Ely 128, 208959, 2191008, 342, 343, 344, 345, 347, 365, 384 Wilhelm v. St. Calais, Bsf. v. Durham 102 Wilhelm v. Warenne, 2. Earl v. Surrey 125 Wilhelm Warelwast, Bsf. v. Exeter 125 Wilhelm I. d. Eroberer, engl. Kg. 2451075 Wilhelm II., engl. Kg. 91, 2451075 Wibald, Abt von Corvey 81
Orte Begriffe wie »England«, »Britische Inseln«, »englisch«, »deutsch«, »Reich« oder »römisch-deutsches Reich« wurden nicht aufgenommen. Geht es in einer Sache mehr um eine bestimmte Person, z. B. »Tageno von Passau« oder »Symeon von Durham«, so wird man im Autoren- oder Personenverzeichnis fündig. Abingdon 94 Admont 57, 58, 75, 174 Akkon 209, 222, 224, 225, 231, 232, 351, 352, 356, 358, 365, 367, 3691537, 370, 379, 380 Anagni 177 Aquileia 208 Augsburg 54 Aura, Kloster 162 Avranches 303
Benevent 177 Besançon 54, 177, 318, 320 Biberach a. d. Riß 45 Böhmen 179, 184 Bosau 183 Braunschweig 39, 68 Bretagne 114 Bury 94 Bury St. Edmunds 98 Byzanz 13
Bangor 98 Barcelona 184872, 203 Bath 98 Bayern 41, 174 Bayeux 114 Bec, Kloster 113, 114, 146 Beauvais 183, 189, 196922, 205, 301, 3151335
Cambrai 2801223 Canossa 249, 252, 253, 254, 256, 259f., 261, 262 264, 265, 275, 277, 295, 297, 299 Canterbury 98, 120, 121, 216993, 323, 3291384, 381 Carlisle 98 Chouzy 301
445
Orte
Cirencester 93 Citeaux 150708 Clarendon 300, 302, 335 Cluny 124, 125, 2551105 Coggeshall, Kloster 138, 150708 Corve 98 Coventry 94, 96, 98 Crowland 98
Jerusalem
Dänemark 179, 184, 198 Devizes 130 Disibodenberg, Kloster 161 Durham 117 Dürnstein 211, 220, 353
Lausanne 2451074 Le Mans 364 Lincoln 109, 122 Lissabon 44 Lodi 195 London 140673, 165, 176, 183, 189, 205, 213, 294, 301, 3151335, 320, 321, 333, 381 Lüttich 156, 160, 161, 210, 287, 288
Erdberg bei Wien Erfurt 183
208, 209
Fécamp 114, 125 Frankreich 13f.,140, 178, 179, 181, 184, 194, 198, 199, 203, 204, 208, 210, 231, 245, 2461076, 269, 300, 302, 305, 3121326, 315, 322, 323, 328, 353, 355, 369 Fulda 251 Garsten 57, 75 Gembloux 287 Gibraltar 208 Gloucester 93, 98 Glastonbury 98 Göttweig 58 Guastalla 246 Hagenau 2191008, 220, 353 Heiliges Land 210, 211, 234, 240, 341, 344, 3491458, 351, 364, 371 Hereford 98 Hexham 108 Himmerod, Kloster 165, 166 Irland 3111322 Istrien 201 Italien 89, 119, 208, 240, 245, 246, 2531102, 307, 3081314, 311, 319, 321, 393 Jumièges
114
369
Kärnten 201 Koblenz 210970, 212977 Köln 42, 165, 166, 176, 183, 213, 220, 251, 353 Konstanz 277 Krain 201
Magdeburg 60 Mailand 199, 201, 202 Maine 114 Mainz 43, 44, 155, 159, 160, 212, 220, 248, 251, 353 Marbach 44 Melk 58, 75 Messina 226, 229, 343 Metz 287 Middlesex 127 Milton Abbas 98 Montmartre 3321394 Montpellier 307 Mont-Saint-Michel 113, 288, 292, 311, 319, 382 Morimond 52, 54 Mouzon 283 Neuburg, Kloster 52, 56, 168 Newburgh 132 Normandie 113, 114 Ochsenfurt b. Würzburg Österreich 41, 367 Oxford 98, 122 Paderborn 63 Paris 122, 127, 136
2191008, 355
446 Passau 55, 215, 3251367 Pavia 178f., 180, 181, 188, 192, 193, 195, 206, 301, 305, 312, 315, 316, 317, 318, 322, 339, 388 Pegau 61 Piacenza 277 Polen 179, 184, 194 Regensburg 54, 211, 220 Reichersberg 58, 76, 174 Reims/Rheims 105, 107, 146, 151, 248, 260, 268, 269, 271, 282, 301, 372 Rochester 98 Rom 48, 96, 146, 183, 245, 246, 247, 257, 268, 270, 273, 274, 370, 385 Roncaglia 54 Rouen 85, 107, 125, 282 Sachsen 40 Saint-Jean-de-Losne 179, 181, 187883, 191, 197, 198, 199 Salerno 261 Salzburg 55, 174 Sens 135 Shaftesbury 95 Sherborne 98 Shrewsbury 93, 104 Sizilien 13f., 139, 208, 211972, 212976, 229 Spanien 184, 198, 203, 204, 2811208 Speyer 211, 220, 226, 353, 358, 365, 371 S. Maria in Turri 247 St. Blasien 46 St. Eufemia, Kloster 2751201 St. Evroult 104, 2751201, 283, 286 St. Frideswides 98 St. Ives 98 St. Swithun’s 130 St. Thomas a. d. Kyll 165, 166 Steiermark 174 Sutry 197, 283, 323, 388
Register
Tavistock 98 Tewkesbury 93 Thorney 98 Thüringen 41 Tours 301, 309, 323, 382 Tribur 2521097, 290 Trient 48 Trifels 44, 161, 176, 212, 220, 353 Troyes 246 Türkei 204 Ungarn 184, 201, 204, 208 Ursberg 45 Utrecht 156, 157, 160 Venedig 169, 305, 312, 317, 318, 321, 336, 337–339 Vexin 114, 301 Vézelay 302, 330, 331 Vorau 57f. Wareham 98 Westminster 325 Wien 220, 353 Winchcomb 92, 95 Winchester 98, 130 Worcester 93, 98 Worms 217, 220, 2451075, 248, 249, 260, 267, 268, 270, 271, 273, 273, 285, 290, 353, 383, 384, 396 Würzburg 48, 54, 85, 101, 180, 187, 205, 211, 220, 230, 251, 254, 305, 306, 307, 310, 321, 323–337, 3451436, 350, 353, 382, 394 York
98, 117
Zwettl 58 Zypern 208, 230, 368